Poetik des Satyrspiels 9783825360641, 3825360644

Diese Studie behandelt mit dem griechischen Satyrspiel die dramatische Gattung, die im 5. Jh. v. Chr. aufs engste mit de

207 3 12MB

German Pages 530 [533] Year 2013

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Zur Handhabung
Einleitung und Ausblick
Einleitung
Die Poetik des Satyrspiels
Der Niedergang des Satyrspiels
Kanon, Klassik, Schauspiel – Wandlungen der Tragödie
Wandlungen der Komödie
Interaktionen von Satyrspiel und Komödie
Voraussetzungen
1 Τραγῳδία παίζουσα
1.1 Modalitäten der Aufführung
1.2 Modalitäten der Komposition
2 Das Rätsel der Tetralogie
2.1 Systematisierungsversuche
2.2 “1,2,3/4”-Muster
3 Das vierte Element
3.1 Funktionserklärungen
3.2 ‘damit nicht der Eindruck entstehe, man habe den Gott vergessen’
3.2.1 Ursprungsfragen
Tragödienreflexion
4 ‘Der eingeschlossene Dritte’
4.1 Dionysos im Satyrspiel
4.1.1 Dionysos ab-/anwesend in Euripides’ "Kyklops"
4.1.2 … und im übrigen Satyrspiel
4.1.3 Dionysos als dramatis persona, Stoffe der Dionysos-Mythologie
4.2 Die komische Reflexion tragischen Schaffens
4.3 … als Anverwandlung des Widerstandspatterns
4.3.1 Inkludierende Exklusion
5 Der Chor der Satyrn
5.1 Das ‘eigentliche’ Dasein von Satyrn und Silen
5.1.1 Diener und Darlings des Dionysos
5.1.2 Mit den Nymphen, von den Nymphen, hinter Nymphen her
5.1.3 Im Hintergrund die Hirten
5.1.4 ‘Ins Rehfell gehüllt’
5.1.5 Thyrsos in der Hand
5.1.6 Efeu! Efeu!
5.1.7 Weinselig
5.1.8 Lärm und Lieder
5.1.9 Hüpfen, Springen, Tanzen
5.1.10 Eis oros, eis oros!
5.2 Satyrn in fremden Rollen
6 Sprechen über den Chor
6.1 Die Beschwerde über die stattfindende Choreia
6.2 Die Beschwerde über die ausbleibende Choreia
6.3 Zwischen Choreia und Schauspiel
6.4 Paradoxe Bezugnahmen auf die Choreia
6.5 Die Choreia des Satyrspiels und die Tragödie
7 Poetik der Serie
7.1 Die Gattung Satyrspiel als Serie und Kollektivprojekt
7.2 Serienmord im Satyrspiel
7.2.1 Zum Problem der fragmentarischen Überlieferung
7.3 Charakteristika der Serientäter-Stoffe
7.3.1 Die Serientäter
7.3.2 Wiederholbarkeit und ‘Fremdgerichtetheit’ der Tat
7.3.3 Symmetrien in den Serientäter-Mythen
7.3.4 Tabelle: Synopse der Serientäter-Mythen
7.4 Besondere Eignung des Stoffs für das Satyrspiel
7.4.1 Angleichungen an den Serientäter-Stoff
7.4.2 Konvergenz von Widerstandspattern und Serientäter-Stoff
7.4.3 Spiel mit dem Serientäter-Stoff in Euripides’ Kyklops
7.5 Poetologische Erklärung des Stoffes
Einzelstudien
Studien zu einzelnen Satyrspielen (Studien I)
Aischylos, Diktyulkoi
Überlieferung
Mythos
Schauplatz, Plot, Personen
Kommentar
Aischylos, Isthmiastai oder Theoroi
Überlieferung
Mythos
Schauplatz, Plot, Personen
Kommentar
Sophokles, Ichneutai
Überlieferung
Mythos
Schauplatz, Plot, Personen
Kommentar
Sophokles, Inachos
Überlieferung
Mythos
Schauplatz, Plot, Personen
Kommentar
Euripides, Kyklops
Überlieferung
Mythos
Schauplatz, Plot, Personen
Kommentar
Studien zu typischen Motiven und Themen des Satyrspiels (Studien II)
Athleten
Bakkaris und myron
Buchstaben, Schrift und Schreibgerät
Erfindung, Entdeckung
* Familie
Figurendoppelung
* Fremde und Vorbeireisende
* Fremde Rollen
* Fuss, Füsse
* Gastfreundschaft
* Geld
* Gottlosigkeit
* Herabsetzung des Heroischen
* Hochzeit, "hieros gamos"
Homosexuelle und päderastische Liebe
Hunger
‘Inversion der Begierde’
Kindheit
Kottabosspiel
Metamorphose
Mistkäfer vom Ätna
* Musik, Musikinstrumente
Prahlerei
Prophezeiung, Prophetie
Rätsel, Rateszenen
* Sexualität
* Sklaverei
Tiere
* Unterwelt
Weinmischen
Bibliographie und Index locorum
Bibliographie
Siglen
Textausgaben, Kommentare, Konkordanzen und Übersetzungen
Forschungsliteratur
Index locorum
Recommend Papers

Poetik des Satyrspiels
 9783825360641, 3825360644

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

rebecca lämmle

lämmle · Poetik des Satyrspiels

Druckfarben cyan magenta gelb schwarz

rebecca lämmle studierte in Bern, Basel und Tübingen Klassische Philologie und Germanistik und wurde im Jahr 2010 in Basel promoviert, wo sie derzeit an ihrer Habilitation arbeitet. 2011 erhielt sie den Marie Heim-VögtlinPreis des Schweizerischen Nationalfonds und den Heidelberger Förderpreis für klassisch-philologische Theoriebildung.

iese Studie behandelt mit dem griechischen Satyrspiel die dramatische Gattung, die im 5. Jh. v. Chr. aufs engste mit der Tragödie verbunden war, und erklärt die rätselhafte Zusammengehörigkeit der beiden vordergründig heterogenen Dramentypen. In der Analyse sämtlicher erhaltener Satyrspieltexte erweist sich das Satyrspiel als das Gefäß, in dem die attischen Tragiker ihr tragisches Schaffen der komischen Reflexion unterziehen. Die Arbeit zeigt die Formen auf, die diese Tragödienreflexion annimmt, und bringt dabei das disparate, vorwiegend fragmentarisch überlieferte Material in systematische Zusammenhänge.

lämmle

Poetik des Satyrspiels

Poetik des Satyrspiels

Für die vorliegende Arbeit erhielt die Autorin den

heidelberger förderpreis für klassisch-philologische theoriebildung des Jahres 2011.

Universitätsverlag

isbn 978-3-8253-6064-1

w i nt e r

Heidelberg

bi bli oth ek d er k l ass isch en altertu m swis sen s cha f t en Herausgegeben von

j ürg en paul s ch wi n dt Neue Folge · 2. Reihe · Band 136

rebecca lämml e

Poetik des Satyrspiels

Universitätsverlag

w i n ter Heidelberg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für die vorliegende Arbeit erhielt die Autorin den Heidelberger Förderpreis für klassisch-philologische Theoriebildung des Jahres 2011.

umschlagbild Oinochoe (Terrakotta, attisch, 5. Jh.v.Chr.): Der Satyr Kissos schleicht sich an die nackte Mänade Tragodia heran, die schlafend auf einem Felsen sitzt. Oxford, Ashmolean Museum of Art and Archaeology. g 284 (1. Inv.), v 534 (2. Inv.).

isb n 978-3-8253-6064-1 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2o13 Universitätsverlag Winter GmbH Heidelberg Imprimé en Allemagne · Printed in Germany Druck : Memminger MedienCentrum, 87700 Memmingen Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier Den Verlag erreichen Sie im Internet unter: www.winter-verlag-hd.de

Für g reg i 23. Juni 1978–12. Juli 2002

Inhaltsverzeichnis Vorwort ..................................................................................................................9   Zur Handhabung...................................................................................................11   EINLEITUNG UND AUSBLICK   Einleitung .............................................................................................................19   Die Poetik des Satyrspiels ....................................................................................23   Der Niedergang des Satyrspiels ...........................................................................29   Kanon, Klassik, Schauspiel – Wandlungen der Tragödie......................29   Wandlungen der Komödie .....................................................................35   Interaktionen von Satyrspiel und Komödie ...........................................40   VORAUSSETZUNGEN   1 1.1 1.2

Τραγῳδία παίζουσα .............................................................................53   Modalitäten der Aufführung ..................................................................55   Modalitäten der Komposition ................................................................64  

2 2.1 2.2

Das Rätsel der Tetralogie .......................................................................85   Systematisierungsversuche ....................................................................85   “1,2,3/4”-Muster ....................................................................................90  

3 3.1 3.2 3.2.1

Das vierte Element .................................................................................93   Funktionserklärungen.............................................................................93   ‘damit nicht der Eindruck entstehe, man habe den Gott vergessen’ ......99   Ursprungsfragen.....................................................................................99  

TRAGÖDIENREFLEXION   4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.3 4.3.1

‘Der eingeschlossene Dritte’ ................................................................111   Dionysos im Satyrspiel ........................................................................111   Dionysos ab-/anwesend in Euripides’ Kyklops ....................................113   … und im übrigen Satyrspiel ...............................................................125   Dionysos als dramatis persona, Stoffe der Dionysos-Mythologie ......128   Die komische Reflexion tragischen Schaffens.....................................147   … als Anverwandlung des Widerstandspatterns .................................149   Inkludierende Exklusion ......................................................................150  

5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5 5.1.6 5.1.7 5.1.8 5.1.9 5.1.10 5.2

Der Chor der Satyrn .............................................................................155   Das ‘eigentliche’ Dasein von Satyrn und Silen ...................................157   Diener und Darlings des Dionysos.......................................................162   Mit den Nymphen, von den Nymphen, hinter Nymphen her...............167   Im Hintergrund die Hirten....................................................................170   ‘Ins Rehfell gehüllt’ .............................................................................173   Thyrsos in der Hand .............................................................................174   Efeu! Efeu! ...........................................................................................175   Weinselig .............................................................................................176   Lärm und Lieder...................................................................................177   Hüpfen, Springen, Tanzen ...................................................................193   Eis oros, eis oros!.................................................................................201   Satyrn in fremden Rollen .....................................................................203  

6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5

Sprechen über den Chor .......................................................................217   Die Beschwerde über die stattfindende Choreia ..................................220   Die Beschwerde über die ausbleibende Choreia..................................224   Zwischen Choreia und Schauspiel .......................................................228   Paradoxe Bezugnahmen auf die Choreia .............................................232   Die Choreia des Satyrspiels und die Tragödie .....................................241  

7 7.1 7.2 7.2.1 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.5

Poetik der Serie ....................................................................................245   Die Gattung Satyrspiel als Serie und Kollektivprojekt ........................245   Serienmord im Satyrspiel.....................................................................247   Zum Problem der fragmentarischen Überlieferung .............................255   Charakteristika der Serientäter-Stoffe..................................................257   Die Serientäter......................................................................................258   Wiederholbarkeit und ‘Fremdgerichtetheit’ der Tat ............................260   Symmetrien in den Serientäter-Mythen ...............................................262   Tabelle: Synopse der Serientäter-Mythen............................................275   Besondere Eignung des Stoffs für das Satyrspiel ................................277   Angleichungen an den Serientäter-Stoff ..............................................279   Konvergenz von Widerstandspattern und Serientäter-Stoff ................280   Spiel mit dem Serientäter-Stoff in Euripides’ Kyklops ........................283   Poetologische Erklärung des Stoffes....................................................290  

EINZELSTUDIEN   Studien zu einzelnen Satyrspielen (Studien I)....................................................295   Aischylos, Diktyulkoi .........................................................................................295   Überlieferung .......................................................................................295   Mythos .................................................................................................296   Schauplatz, Plot, Personen ...................................................................298   Kommentar...........................................................................................299  

Aischylos, Isthmiastai oder Theoroi ..................................................................306   Überlieferung .......................................................................................306   Mythos .................................................................................................306   Schauplatz, Plot, Personen ...................................................................307   Kommentar...........................................................................................312   Sophokles, Ichneutai ..........................................................................................313   Überlieferung .......................................................................................313   Mythos .................................................................................................313   Schauplatz, Plot, Personen ...................................................................314   Kommentar...........................................................................................318   Sophokles, Inachos.............................................................................................321   Überlieferung .......................................................................................321   Mythos .................................................................................................322   Schauplatz, Plot, Personen ...................................................................322   Kommentar...........................................................................................325   Euripides, Kyklops..............................................................................................327   Überlieferung .......................................................................................327   Mythos .................................................................................................330   Schauplatz, Plot, Personen ...................................................................331   Kommentar...........................................................................................335   Studien zu typischen Motiven und Themen des Satyrspiels (Studien II)...........351   Athleten ..............................................................................................................353   Bakkaris und myron ...........................................................................................354   Buchstaben, Schrift und Schreibgerät ................................................................358   Erfindung, Entdeckung.......................................................................................371   * Familie.............................................................................................................380   Figurendoppelung...............................................................................................380   * Fremde und Vorbeireisende ............................................................................382   * Fremde Rollen .................................................................................................382   * Fuss, Füsse ......................................................................................................382   * Gastfreundschaft..............................................................................................382   * Geld .................................................................................................................382   * Gottlosigkeit ....................................................................................................383   * Herabsetzung des Heroischen .........................................................................383   * Hochzeit, hieros gamos ...................................................................................383   Homosexuelle und päderastische Liebe .............................................................383   Hunger................................................................................................................391   ‘Inversion der Begierde’.....................................................................................399   Kindheit..............................................................................................................402   Kottabosspiel......................................................................................................411   Metamorphose....................................................................................................417   Mistkäfer vom Ätna ...........................................................................................418   * Musik, Musikinstrumente................................................................................422  

Prahlerei .............................................................................................................422   Prophezeiung, Prophetie.....................................................................................425   Rätsel, Rateszenen..............................................................................................428   * Sexualität.........................................................................................................436   * Sklaverei..........................................................................................................436   Tiere ...................................................................................................................436   * Unterwelt.........................................................................................................441   Weinmischen......................................................................................................441   BIBLIOGRAPHIE UND INDEX LOCORUM   Bibliographie......................................................................................................447   Siglen ...................................................................................................447   Textausgaben, Kommentare, Konkordanzen und Übersetzungen .......449   Forschungsliteratur...............................................................................459   Index locorum ....................................................................................................495  

Vorwort Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, mit der ich im Jahr 2010 an der Universität Basel promoviert worden bin. Die Arbeit wurde von zahlreichen Seiten gefördert, von der Universität Basel ebenso wie von der Janggen-Pöhn-Stiftung in St. Gallen (2007) und ganz besonders dem Schweizerischen Nationalfonds durch die Aufnahme ins Marie Heim-VögtlinProgramm (Ende 2007-Anfang 2010). Diesen Institutionen bin ich in tiefster Dankbarkeit verbunden. Mit der Verleihung des Marie Heim-Vögtlin-Preises des Jahres 2011 für die vorliegende Arbeit liess mich der Schweizerische Nationalfonds abermals in den Genuss seiner hervorragenden Personenförderung kommen, auch hierfür kann ich nicht genug danken. Die Verleihung des Heidelberger Förderpreises für klassisch-philologische Theoriebildung Ende 2011 hat mir das grosse Glück beschert, mein Buch in der Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften veröffentlichen zu können. Den Mitgliedern der Jury, Sigrid Weigel, Jan Assmann, Jürgen Paul Schwindt und dem Leiter des Universitätsverlages Winter, Andreas Barth, spreche ich meinen herzlichsten Dank aus. Eine Reihe von Kolleginnen, Kollegen, Freundinnen und Freunden haben frühere Fassungen dieser Arbeit oder einzelner Kapitel davon gelesen: Bernd Seidensticker (Berlin), Cédric Scheidegger Lämmle und Katharina Wesselmann (beide Basel) haben die ganze Arbeit gelesen und kommentiert; Max Bergengruen (Genf), Susanne Gödde (München), Joachim Latacz (Basel), Glenn Most (Pisa/Chicago) und Richard Seaford (Exeter) Kap. 4; Giambattista D’Alessio (London) Kap. 6; Richard Hunter (Cambridge) und Peter von Moellendorff (Giessen) Kap. 7; Fabian Zogg (Zürich) das Lemma “Mistkäfer vom Ätna” in Studien II. Pierre Voelke (Lausanne) hat mit mir virtuelle Diskussionen über die sikinnis geführt, Lindsay Coo (Cambridge) über Sophokles’ Poimenes, Marco Fantuzzi (Rom/New York) über die Achilleos Erastai, Fabian Zogg über Reaktionen auf die Satyrspiel-Dichtung von Achaios und Aischylos bei Aristophanes. Ihnen allen danke ich von Herzen für wertvolle Kommentare, Kritik und Anregungen, die hoffentlich auch in ihren Augen etwas gebracht haben. Zu herzlichem Dank bin ich Anton Bierl (Basel) verpflichtet, der das Entstehen dieser Arbeit stets interessiert begleitet und das Erstgutachten der Promotionsschrift verfasst hat. Das Zweitgutachten stammt von Bernhard Zimmermann (Freiburg i.B.), dem ich für langjährige Förderung von Herzen danke. Ebenso danke ich meinem Lehrer Joachim Latacz (Basel), in dessen unvergesslichem Unterricht meine Liebe zum attischen Theater und mein Interesse für das Satyrspiel geweckt worden sind. Herzlichen Dank schulde ich auch den Basler und Berner Professoren und Professorinnen, die das SNF Pro*Doc ‘Intermediale Äs-

10

Vorwort

thetik’ initiiert haben: Georg Christoph Tholen, Anton Bierl, Alexander Honold (alle Basel), Gerald Sigmund (Bern/Giessen) und Christina Thurner (Bern). Durch ihr Engagement kamen eine Reihe exzellenter Kolloquien und Tagungen zustande, auf denen ich viel gelernt habe. Grösster Dank gebührt auch Martin Stöckinger (Heidelberg), Gabriel Dill (Basel) und besonders Katharina Wesselmann, deren unvergleichliche Kommentare ich nie missen wollte, für das Korrekturlesen; Matthias Dyck (Heidelberg) und Gabriel Dill (dem ich hiermit noch einmal in aller Form einen Transfer in die Klassische Philologie ans Herz legen möchte) für das Prüfen der loci und Zitate. Es ist der Grosszügigkeit Jürgen Paul Schwindts und Andreas Barths zuzuschreiben, dass das Manuskript von einem grossartigen, mehrstufigen Heidelberger Lektorat profitieren durfte. Andreas Barth, Gisbert Pisch und Sybille Lepper vom Universitätsverlag Winter danke ich für das letzte und wichtigste Lektorat und die einzigartige Unterstützung bei der Produktion dieses Bandes. Dieses Buch hätte ursprünglich beim Verlag de Gruyter erscheinen sollen; die Verleihung des Heidelberger Förderpreises hat jedoch zum Verlagswechsel geführt. Ich danke Sabine Vogt (Berlin/Bamberg) und dem Verlag de Gruyter herzlichst für die unkomplizierte und kollegiale Unterstützung beim Verlagswechsel. Daniel Tschirren (Universitätsbibliothek Basel) und Daniel Keller (Bibliothek Altertum, Basel) danke ich für die überaus grosszügige Gewährung von Leihfristen mit Überlänge. Claude Brügger (Basel) kann ich nicht genug danken für immer wieder gewährte Hilfe bei Computerbeschwerden und für seine unendlich grosszügige Unterstützung bei der Erstellung der Druckvorlage. Weitere Personen der Universität Basel, denen ich herzlich danken möchte, sind Henriette Harich-Schwarzbauer für ihre Grosszügigkeit und die zahlreichen Bücher, die sie mir zur Besprechung für das Museum Helveticum anvertraut hat, Andrea Flora Bauer, Susanne Bickel, Marianne Graf, Agnes Hess, Ute Holl und viele andere. Ein besonderer Dank geht auch an Susanne Matuschek, die Hauptverantwortliche für das Marie Heim-Vögtlin-Programm (SNF) bis ins Jahr 2011, und ihre Nachfolgerin in diesem Amt, Myriam Tapernoux. Der Max Geldner Stiftung (Basel) und Christoph Riedweg (Fonds für Altertumswissenschaften, Zürich) danke ich herzlichst für die Zusprache sehr grosszügiger Druckkostenzuschüsse, die ich jedoch dank der Verleihung des Heidelberger Förderpreises gar nicht in Anspruch nehmen muss. Liebend gern in Anspruch genommen habe ich indessen die Möglichkeit, im Sommer 2011 einen Teil der Redaktion dieses Bandes in der unvergleichlichen Atmosphäre der Fondation Hardt in Vandœuvres vorzunehmen. Für das Nicht-aus-der-Work-Life-Balance-Geraten sorgten mit unermüdlichem Einsatz: die Erzieherinnen der Kinderkrippe Kids & Co. Petersgraben in Basel, Julian Barnes, Max Bergengruen, Sarah Bühler, Larry David, Ari Gold, Carolina Gut, Mikael Krogerus, Praxedis Lämmle-Lüchinger, Liz Lemon, Omar Little, Valentina Luppi, Tobias Mall, Patricia Marx, Elisabeth Michelbach, Sarah Mohr-Lämmle, Maja Naef, Giacomo Piva, Sabine Rufener, Karen Schaerer,

Vorwort

11

Manuel Scheidegger, Petra Schierl, Franziska Schutzbach, Sibylle Schwarz, Antonio Soprano und Familie, Katharina Wesselmann, Andreas Willi und ganz besonders Julia Zürcher, mein Vater Bernhard und meine Brüder Alexander und Patrick Lämmle sowie, allen weit voran, meine Mutter Mia Lämmle, die unzählige Male alles stehen und liegen liess – und auch die Flugdistanz BaselBoston nicht scheute –, um ihre Enkelkinder zu hüten, wenn Tagungen, Kolloquien oder allzu intensive Arbeitseinsätze ins Haus standen. Ihr und allen Genannten bin ich zutiefst dankbar. Die Balance zum Zittern brachten, das Leben aber erst richtig schön machten: Levi, Ruben,1 Ada Katharina / Cédric. Dieser unvergleichliche Vierte meistert den turbulenten Familienalltag mit mir und ist zugleich mein bester Freund und mein erster und kritischster Gesprächspartner in der Wissenschaft: Er hat viel zu diesem Buch beigetragen. Gewidmet ist das Buch dem Andenken meines schmerzlich vermissten, geliebten Bruders Gregor Lämmle, der sich vor zehn Jahren viel zu früh aus dem Leben reissen liess.

Zur Handhabung Editionen Wo nicht anders vermerkt, zitiere ich den Kyklops nach Diggle 1984, die Tragikerfragmente nach ihrer jeweils jüngsten Aufbereitung in den Tragicorum Graecorum Fragmenta von Bruno Snell, Stefan Radt und Richard Kannicht. Über alle weiteren verwendeten oder zur Kenntnis genommenen Editionen gibt die entsprechende Sektion in der Bibliographie Auskunft. Kürzel für griechische und lateinische Autoren und Texte Für die griechischen Autorennamen verwende ich die Abkürzungen von LiddellScott-Jones (LSJ), für die lateinischen jene von Oxford Latin Dictionary (OLD). Fehlt ein Autor oder ein Text im OLD oder besteht eine Verwechslungsgefahr, beziehe ich die Abkürzung aus dem Index zum Thesaurus Linguae Latinae (TLL; 5 1990): E.g. wird Claudius Claudianus, im OLD nicht berücksichtigt, nach TLL mit ‘Claud.’ abgekürzt und Lucan (‘Luc.’ im OLD), um der Verwechslung mit Lukian (‘Luc.’ in LSJ) vorzubeugen, nach TLL mit ‘Lucan.’ In einzelnen Fällen ergänze ich die Werktitel-Abkürzungen von LSJ um präzisierende zusätzliche Angaben; so kürze ich etwa Plutarchs Moralia nicht nur mit ‘mor.’ ab, sondern 1

Weil Rubens Geburt und seine ersten Lebenswochen mit der Fertigstellung der Promotionsschrift koinzidierten, haben wir für ihn, anders als bei seinen Geschwistern, nie eine Geburtsanzeige verschickt. Um diese Vernachlässigung etwas zu kompensieren: Am 7. September 2009, um 4:33h, ist Ruben Maximilian Lämmle in Basel zur Welt gekommen: ein schlicht grossartiger Junge.

12

Vorwort

nenne zusätzlich den Titel des entsprechenden Traktats. Spezielle Abkürzungen und Zitierweisen betreffen insbesondere die Tragiker: a) Abkürzungen für Titel fragmentarisch überlieferter Satyrspiele (und Tragödien), die jeweils um ‘F + [Fragment-Nummer]’ aus den entsprechenden TrGF-Bänden ergänzt werden: − − − − − − − − −

2

A. Dikt. für Aischylos, Diktyulkoi A. Gl.Pont. für Aischylos, Glaukos Pontios A. Isth. für Aischylos, Isthmiastai oder Theoroi A. Ostol. für Aischylos, Ostologoi (Sat.?)2 A. Prom.P. für Aischylos, Prometheus Pyrkaeus (oder Pyrphoros)3 S. Ach.Er. für Sophokles, Achilleos Erastai S. Dion. für Sophokles, Dionysiskos S. Hel.Gam. für Sophokles, Helenes Gamos S. Ichn. für Sophokles, Ichneutai F 314 (die anderen Fragmente werden als S. Ichn. + F + [Fragment-Nummer aus TrGF IV] zitiert)

Die Ostologoi werden, wie auch Sophokles’ Syndeipnoi, mit denen sie das Skandalon einer pervertierten Kottabos-Spende (i.e. eines an Odysseus’ Haupt geworfenen Nachttopfes) gemein haben, in ihrer Gattungszugehörigkeit kontrovers diskutiert und in jüngerer Zeit (tendenziell) wieder vermehrt der Tragödie zugeschrieben: Wessels/Krumeich in KPS 205-207 (Ostol.; mit der älteren Literatur); Grossardt 2003 (Ostol.); Sommerstein 2003b, bes. 368 (Synd.); Sommerstein 2006 (Synd.); Sommerstein 2008 (Ostol. und Synd.). – Shaw 2010, 11 dagegen spricht sich wieder klar für die Zuweisung der Ostologoi zum Satyrspiel aus. Zuweisung zum Satyrspiel ferner: Sutton 1974c/1989, 312 Nr. 16 (Ostol.); ibid. 324-326 Nr. 26 (Synd.). Die Gattungszuweisung hängt wesentlich von der angenommenen Stoffgrundlage der Stücke ab, cf. e.g. Lloyd-Jones 1957, 440 (Ostol.); Kudlien 1970, 301ff. (Ostol.); Lloyd-Jones 22003, 280-281 (Synd.). Ich neige zu einer Zuweisung der beiden Titel zum Satyrspiel und diskutiere die Fragmente an verschiedenen Stellen, cf. infra Studien II s.v. Bakkaris und myron; s.v. Kottabosspiel, etc. Unentschieden bleiben Heynen/Krumeich in KPS 396-398 (Synd.). Zu den Titelvarianten im Fall der Syndeipnoi vide infra n. 4. 3 Gemäss der Hypothesis zu den Persern trug das Satyrspiel der entsprechenden Tetralogie (472 v.Chr.) den Titel Prometheus, vide infra Kap. 2.1. An der Existenz eines Satyrspiels über Prometheus, der den Satyrn das Feuer offenbart, gibt es dank einer reichen Zeugnislage keine Zweifel. Umstritten ist indessen der Titelzusatz; in Frage kommen sowohl Pyrkaeus als auch Pyrphoros. Cf. die Diskussionen bei Brown 1990, Germar/Pechstein/Krumeich in KPS 169-170 und Sommerstein 2008, 211-213 (auch Sommerstein 2010, 4, 7 mit n. 23). Sommerstein folgt Brown in der Annahme, dass Prometheus Pyrphoros der ursprüngliche Titel des Satyrspiels war. Im folgenden bleibe ich, um Verwirrungen beim Nachweis der Fragmente zu vermeiden, beim Titel Prometheus Pyrkaeus, dem sie Radt in TrGF III zuordnet, verwende aber bei Stellenangaben die deutungsoffene Abkürzung ‘A. Prom.P.’

Vorwort

− − − − − − − − − − − − − − −

13

S. Ina. für Sophokles, Inachos S. ‘Oin.’ für Sophokles, ‘Oineus-Satyrspiel’ (S. dub. **F 1130) S. Pand. für Sophokles, Pandora oder Sphyrokopoi S. Poim. für Sophokles, Poimenes S. Synd. für Sophokles, Syndeipnoi oder Syndeipnon ([Sat.?], evtl. mit Achaiōn Syllogos gleichzusetzen)4 E. Bus. für Euripides, Busiris E. Hyps. für Euripides, Hypsipyle E. Syl. für Euripides, Syleus E. Skir. für Euripides, Skiron Ion Trag. Omph. für Ion Tragicus, Omphale Achae. Aith. für Achaios, Aithon Achae. Athl. für Achaios, Athla oder Athloi Achae. Heph. für Achaios, Hephaistos Achae. Omph. für Achaios, Omphale Sosith. Da.Li. für Sositheos, Daphnis oder Lityerses.

Alle anderen Satyrspieltitel werden jeweils ausgeschrieben und genannt, jedoch ohne allfälligen antiken Titelzusatz (Satyrikos, Satyrikē oder Satyroi): Athamas Satyrikos (Xenocl. TrGF 33 F 1), Omphalē Satyrikē (Ion Trag. F 17a-33 etc.; Achae. F 32-35) oder Aulodoi Satyroi (Iophon F 1) heissen hier schlicht Athamas, Omphale5 bzw. Aulodoi. b) Zitierweise bei den Tragici Minores Die mehrfach genannten Tragici Minores werden nach LSJ abgekürzt: − − − − − − − − − − − 4

‘Choeril.Trag.’ für Choirilos TrGF 2 ‘Phryn.Trag.’ für Phrynichos TrGF 3 ‘Pratin.’ für Pratinas TrGF 4 ‘Ion Trag.’ für Ion von Chios qua Tragödiendichter TrGF 19 ‘Achae.’ für Achaios TrGF 20 ‘Astyd. II’ für Astydamas den Jüngeren TrGF 60 ‘Chaerem.’ für Chairemon TrGF 71 ‘Theodect.’ für Theodektas TrGF 72 ‘Dionys.Trag.’ für Dionysios TrGF 76 ‘Sosith.’ für Sositheos TrGF 99 ‘Lyc.’ für Lykophron TrGF 100.

Diskussion der Titelvarianten für die Syndeipnoi oder Syndeipnon (oder Achaiōn Syllogos): Radt in TrGF IV, p. 425; Lloyd-Jones 22003, 280; Sommerstein 2003b, 356. 5 Der Titel Omphale erscheint, wie die meisten anderen Titel, in der eingedeutschten Form.

14

Vorwort

Das von LSJ für einige Tragiker verwendete ausgeschriebene Epitheton ‘Tragicus’ wird weggelassen. Demnach steht: − − − −

‘Aristias’ für Aristias TrGF 9 ‘Iophon’ für Iophon TrGF 22 ‘Agathon’ für Agathon TrGF 39 ‘Python’ für Python TrGF 91.

Nur ein- oder zweimal genannte Tragici Minores werden (gegebenenfalls) mit der Abkürzung von LSJ bezeichnet, zusätzlich aber mit ihrer Nummer in TrGF I versehen, und zwar nach folgendem Muster: − − −

‘Timokles TrGF 86’ für den Tragiker Timokles ‘Polyphrasmon TrGF 7 T 4’ für Polyphrasmon, Testimonium 4 ‘Xenocl. TrGF 33 Likymnios F 2’ für Xenokles, Likymnios Fragment 2.

Iota sub- oder adscriptum Der Einheitlichkeit halber verwende ich in griechischen Zitaten überall iota subscriptum (auch wenn ich sie aus Editionen beziehe, die iota adskribieren). Von dieser Regel ausgenommen sind jedoch Texte, in denen puncta subscripta verwendet werden: In diesen Fällen setze ich, um Verwechslungen vorzubeugen, iota adscriptum – dies auch dann, wenn Editionen zugrundeliegen, die puncta subscripta und iota subscripta nebeneinander verwenden. Orthographie, Sprache (Apologie) Man möge es mir nachsehen, dass ich als Schweizerin konsequent auf ‘ß’ verzichte und überall ‘ss’ setze, selbst wenn dies Ungetüme wie ‘Fussstapfen’ mit sich bringt und Wörter wie ‘Massgabe’, die ein deutsches Auge gewiss irritieren. Der deutsche Wortschatz hat eine Lücke, die man in der vorliegenden Schrift empfindlich zu spüren bekommt: gäbe es das Adjektiv ‘satyrisch’ – analog zu gr. σατυρικός, engl. ‘satyric’, frz. ‘satyrique’, ital. ‘satirico’ resp. ‘satiresco’, span. ‘satírico’ etc. – wäre dem Leser die häufige und umständliche Rede von der ‘Satyrspielqualität, die einem Stück zu- oder abgesprochen werden muss’ vel sim. erspart geblieben. Auch habe ich (weitgehend) auf das praktische Wort ‘generisch’ (entspr. engl. ‘generic’) verzichtet und stattdessen mit etwas umständlicheren Begriffen wie ‘gattungsbezogen’ vel sim. gearbeitet. KPS Von unschätzbarem Wert für die Erforschung der Satyrspielfragmente ist neben den Arbeiten von Richard Seaford, Bernd Seidensticker, Dana Sutton und Pierre Voelke, den TrGF-Bänden von Bruno Snell, Stefan Radt und Richard Kannicht und vielen anderen Arbeiten der von Ralf Krumeich, Nikolaus Pechstein und Bernd Seidensticker herausgegebene Band Das Griechische Satyrspiel, hier ab-

Vorwort

15

gekürzt KPS, aus dem Jahr 1999, in dem die drei Herausgeber zusammen mit Ruth Bielfeldt, Robert Germar, Timo Günther, Christina Heynen, Sascha Kannsteiner, Peter Kruschwitz, Lauri Lehmann, Sigrid Scheurer, Johan Schloemann und last, not least Antje Wessels sämtliche Satyrspielfragmente gesammelt, ediert, übersetzt und mit wertvollen Kommentaren versehen haben. Übersetzungen Übersetzungen des Kyklops basieren entweder auf Ebener 1980, Biehl 1986a oder sind meine eigenen; Übersetzungen der Satyrspielfragmente basieren entweder auf Musa Tragica, KPS oder sind meine eigenen; in den jeweils ersteren beiden Fällen mache ich einen entsprechenden Vermerk. Übersetzungen der Odyssee sind jene von Wolfgang Schadewaldt (1958); bei allen übrigen Texten nenne ich die jeweiligen Übersetzer und Übersetzerinnen unmittelbar nach dem Zitat. Wo kein Name genannt wird, handelt es sich um meine eigenen Übersetzungen. Ich habe im Falle mehrfach zitierter Textstellen in aller Regel darauf verzichtet, Übersetzungen zu wiederholen. Querverweise innerhalb des Buches Querverweise haben in der Regel die Form ‘cf./vide infra/supra Kap./p. [Kapitelnummer oder Seitenzahl]’; für exakte Seitenangaben ist der Index locorum zu konsultieren. Querverweise auf die Einzelstudien in Teil 4 haben die Gestalt ‘cf. infra/supra Studien I, [Autor- und Stücktitelkürzel]’ bzw. ‘cf. infra Studien II s.v. [Lemma/Kurztitel]’. Ein Verweis auf die Besprechung der Ichneutai hat also die Gestalt ‘vide supra/infra Studien I, S. Ichn.’; ein Verweis auf das Lemma ‘Weinmischen’ dagegen ‘vide infra Studien II s.v. Weinmischen’. Innerhalb von Studien II wird auf die jeweiligen Lemmata nur mit ‘cf. supra/infra s.v. [LemmaKurztitel]’ verwiesen. Frühere Fassungen einzelner Kapitel und Ausführungen Kap. 4 ist die überarbeitete Version meines Artikels “Der eingeschlossene Dritte. Funktionen des Dionysos im Satyrspiel”, in: A. Bierl, R. Lämmle, K. Wesselmann (edd.), Literatur und Religion I, de Gruyter, Berlin/New York (= Lämmle 2007). Kurzfassungen verschiedener Textpassagen der vorliegenden Arbeit (insbesondere aus Kap. 1-3 und Studien I) finden sich in meinem Artikel “Das Satyrspiel”, der in dem von Bernhard Zimmermann unter Mitarbeit von Anne Schlichtmann herausgegebenen Handbuch der griechischen Literatur der Antike (Handbuch der Altertumswissenschaften VII.1) bei C.H. Beck in München erschienen ist (= Lämmle 2011). Bibliographie und Forschungsliteratur Der zweite Teil der Bibliographie verzeichnet in gesonderten Rubriken Editionen von und Kommentare zu dramatischen Texten, daneben entsprechende Übersetzungen und Konkordanzen. Unter ‘Weitere Texte (Auswahl)’ sind, nach anti-

16

Vorwort

ken Autoren geordnet, zunächst Kommentare zu nicht-dramatischen Texten verzeichnet, ferner Editionen oder konkurrierende Editionen von zitierten Texten, sofern nicht bereits die entsprechenden Stellenangaben innerhalb des Buches mit einem Hinweis auf die jeweils verwendete Edition versehen sind, sowie schliesslich Editionen, die nicht oder noch nicht in der Textdatenbank des Online Thesaurus Linguae Graecae figurieren.

Basel, Dezember 2012

Rebecca Lämmle

Einleitung und Ausblick

Einleitung Im Morgengrauen eines Theatertages um das Jahr 440 v.Chr. sehen die Zuschauer im Dionysostheater in Athen zu, wie eine junge Frau nach unerbittlichem Ringen mit dem obersten Machthaber ihrer Stadt für ihre Überzeugung in den Tod geht, dass der Leichnam ihres politisch renitenten Bruders nicht den Hunden zum Frass vorgeworfen und der Regierung zur Machtdemonstration überlassen werden dürfe. Man sieht, wie die junge Frau in ihre Grabkammer abgeführt wird, und wie ihr Bräutigam, der zugleich der Sohn des Regenten ist, der ihr Todesurteil verhängt hat, sich mit dem Vater überwirft. Man kann mitverfolgen, wie der Machthaber sich umbesinnt und zur Grabkammer eilt, um das Urteil zu widerrufen, dort jedoch auf seinen Sohn trifft, der neben dem Leichnam der Braut kniet, das Schwert zieht, es erst gegen den Vater, dann aber gegen sich selbst richtet und sich den Tod gibt. Im Verlaufe ebendieses Theaterbesuchs, bei dem ihnen in dieser und in zwei weiteren Tragödien vorgeführt wird, dass vieles ungeheuer, aber nichts ungeheurer ist als der Mensch, sehen die Athener irgendwann eine Horde laut lärmender, hoch hüpfender, dreiviertelnackter Mensch-Tier-Wesen in die orchestra einziehen, die Satyrn, die einen erigierten Phallos am Lendenschurz tragen und sich benehmen, als litten sie an schwerstem ADHS. Auf die tragische Trilogie folgt ein Satyrspiel. Dies zu verstehen war und ist für die Nachwelt nicht einfach. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass die bedeutendsten Theateraufführungen im Athen des fünften vorchristlichen Jahrhunderts und rund sechs Dekaden darüber hinaus Jahr für Jahr ebendiesen Verlauf hatten. An den Grossen Dionysien, dem neben den Panathenäen wichtigsten Polisfest der Athener, stand der dreitägige Tragikeragon im Mittelpunkt des Interesses. Seit einer Reform des Festes um 502/501 v.Chr. bestanden die Beiträge zu diesem Agon regelmässig aus einer Tetralogie von drei Tragödien und einem Satyrspiel. Beim Satyrspiel handelt es sich um einen Dramentypus von relativer Kürze, der tragische und komische Elemente in sich vereint.1 Das wichtigste Merkmal 1

Während ‘tragisch’ hier im Wortsinn ‘tragödienhaft, aus der Tragödie stammend, der Tragödie entlehnt’ vel sim. meint, ist ‘komisch’ weniger direkt auf die Komödie bezogen. Eine begriffliche Unschärfe beim Terminus des ‘Komischen’, ‘komisch’ etc. ist in der vorliegenden Studie nicht vollständig zu vermeiden, es sei denn unter Inkaufnahme störender sprachlicher Umständlichkeit. Wo nicht anders vermerkt, ist hier die allgemeine Verwendung i.S.v. ‘lachhaft’, ‘lachenerregend’ vel sim. gemeint, ohne unmittelbaren Bezug zur Komödie, von der sich der Begriff herleitet. Wo ein solcher Bezug jedoch intendiert ist, wird er explizit markiert.

20

Einleitung

des Genres ist sein immergleicher Chor, der Chor der Satyrn, sowie, den Satyrn aufs engste zugehörig, die Figur des Silen. Mit ihnen stellen also die aus Mythos, Literatur, Kult und Ikonographie allseits bekannten engsten Anhänger des Festgottes Dionysos den wesentlichen Teil des Personals dieser Dramen,2 die – wie alle Darbietungen an diesem Fest – in Dionysos’ Namen und zu seinen Ehren aufgeführt werden. Nach den Satyrn ist die Gattung benannt: häufig schlicht (οἱ) σάτυροι, ‘die Satyrn’,3 oder – äquivalent –4 σατυρικὸν δρᾶµα.5 Manche Stücktitel führen diese Gattungsbezeichnungen als Zusätze.6 Im Satyrspiel werden die Satyrn und der Silen regelmässig in mythische Zusammenhänge entsandt, in denen sie ‘fremd’ sind und sich fremden Mächten und Einflüssen ausgesetzt

2

Zu Terminologie und Geschichte der Satyrn/Silene vide infra Kap. 5, p. 156. Die einzige bekannte antike Monographie über das Satyrspiel, aus der Feder des Peripatetikers Chamaileon, heisst Περὶ Σατύρων; cf. Chamael. F 37 Wehrli (ap. Suda α 3668 s.v. Ἀπώλεσας τὸν οἶνον ἐπιχέας ὕδωρ; Suda α 3907 s.v. Ἀρίστιος Κύκλωψ; Apostolios 3.60 s.v. Ἀπώλεσας τὸν οἶνον ἐπιχέας ὕδωρ etc.). Cf. ferner Ar. Th. 157 (ὅταν σατύρους τοίνυν ποῇς …; cf. infra § Interaktionen von Satyrspiel und Komödie); D.L. 2.133 (… ἔπειτα Σοφοκλεῖ, καὶ δὴ καὶ Ἀχαιῷ, ᾧπερ καὶ τὸ δευτερεῖον ἐν τοῖς Σατύροις, Αἰσχύλῳ δὲ τὸ πρωτεῖον ἀπεδίδου …); D.L. 2.140 (ἃ πάντα φησὶν ὁ Λυκόφρων ἐν τοῖς πεποιηµένοις σατύροις αὐτῷ …); D.L. 9.110 (… καὶ τραγῳδίας καὶ σατύρους …). In Demetr. Eloc. 169 findet sich auch der Singular ὁ σάτυρος als Genrebezeichnung (cf. infra Kap. 1, p. 53). Ein weiterer Beleg für diese Verwendung findet sich möglicherweise bei Stobaios, der F 670 des sophokleischen Dramas Hybris mit dem Titelzusatz σάτυρος überliefert (Stob. 3.26.3). Guggisberg 1947, 109 weist darauf hin, dass ein Satyr des Namens ‘Hybris’ ikonographisch dokumentiert ist und merkt an (ibid. n. 25), dass sich diese ungewöhnliche singularische Genrebezeichnung damit erklären liesse, cf. München, Staatliche Antikensammlungen 2360, ARV2 1186, 30; dazu Scheurer/Kansteiner/Krumeich in KPS 278 mit weiterführender Literatur und einer Abbildung in KPS Tafel 13a. Schon Fränkel 1912, 28-29, 72-73 bringt diese Darstellung mit einem Satyrspiel in Zusammenhang. Das zweite Hybris-Fragment, S. F 671, stammt aus Athenaios (14.656f), wo der Stücktitel jedoch ohne gattungsidentifizierenden Zusatz erscheint. 4 Cf. Ath. 2.55c-d (Λυκόφρων δ’ ὁ Χαλκιδεὺς ἐν σατυρικῷ δράµατι, ὃ ἐπὶ καταµωκήσει ἔγραψεν εἰς Μενέδηµον τὸν φιλόσοφον …) vs. Ath. 10.420a: (… Λυκόφρων ὁ Χαλκιδεὺς γράψας σατύρους Μενέδηµον …). 5 Die Bezeichnung σατυρικὸν δρᾶµα wird e.g. verwendet in Pl. Smp. 222d: τὸ σατυρικόν … δρᾶµα τοῦτο καὶ σιληνικόν; D.H. Rh. 9.6.115-116, 121: τὸ σατυρικὸν δρᾶµα (bis, in einer Paraphrase von Platons Symposion); Poll. 10.68: ἐν σατυρικῷ δράµατι Κήρυξι τοῖς Αἰσχύλου; Ath. 2.50f: σατυρικόν τι δρᾶµα; D.L. 3.56: … ὧν (sc. der vier Dramen einer Tetralogie) τὸ τέταρτον ἦν Σατυρικόν. – Σατυρικὸν δραµάτιον nennt Athenaios den nachklassischen Agen des Python, cf. Ath. 13.586d, 595e, dagegen aber Ath. 2.50f); bei diesem Satyrspiel oder ‘-spielchen’ handelt es sich aber insgesamt um einen Sonderfall; vide infra p. 22 n. 11, p. 39 n. 48, p. 80-81 n. 173. 6 Detailliertere Ausführungen zur Titelbildung: Guggisberg 1947, 29-31; Steffen 1971a, 209-210; Sutton 1974e; Lämmle 2011, 614-615. 3

Einleitung

21

sehen; für ihr ureigenes, dionysisches Verhalten gibt es am neuen Ort nie Platz. Das hindert die Satyrn freilich nie lange daran, ihn sich zu schaffen. Der Ursprung der Gattung wird kontrovers, stets aber eng auf die Tragödie bezogen diskutiert. Bereits in der Antike stehen sich zwei grundsätzliche Theorien gegenüber: Entweder ist die Tragödie aus dem Satyrspiel hervorgegangen, das damit die ursprüngliche Dramenform ist, oder das Satyrspiel wurde erst sekundär zu der Tragödie hinzugefügt, nachdem diese bereits etabliert war. Wahrscheinlich ist beides falsch oder mindestens unvollständig; vielmehr dürften die beiden Ansätze zu verbinden sein.7 Die Tragödie ist höchstwahrscheinlich aus einem satyrspielartigen Ritualkonglomerat hervorgegangen, das ein dominantes chorisches Element enthielt; umgekehrt trat das ‘Satyrspiel’ im letzten Viertel des 6. Jahrhunderts erstmals in Erscheinung, als es bereits eine ‘Tragödie’ genannte Darbietungsform gab.8 In den rund drei Dekaden, die zwischen der Etablierung der Grossen Dionysien (um 534 v.Chr.)9 und ihrer Reform (502/501 v.Chr.) liegen, gehörten ‘Tragödien’ auf den Spielplan; seit 520 scheinen auch ‘Satyrspiele’ aufgeführt worden zu sein.10 Weil aber von der Dramenproduktion des sechsten Jahrhunderts nur spärliche Reste auf uns gekommen sind, lässt sich kaum entscheiden, um welche Darbietungsformen es sich dabei handelte. Mit der Jahrhundertwende trat die ‘tetralogische Regel’ in Kraft, nach deren Massgabe die drei Tragiker, die zur Teilnahme am Agon der Grossen Dionysien auserkoren worden waren, je eine Tetralogie von drei Tragödien und einem Satyrspiel zu produzieren hatten. Dabei blieb es über das ganze fünfte Jahrhundert hinweg – die grosse und ‘klassische’ Zeit der attischen Tragödie. Satyrspiele wurden immer in direkter Juxtaposition mit Tragödien gespielt; von der Tragödie unab7

Seaford 1984, 10-16. In Kap. 3.2.1 findet sich eine sehr knappe Skizze derjenigen Aspekte der ‘Ursprungsproblematik’, die das Satyrspiel involvieren. 9 Die Jahrzahl 534 basiert auf einer Rekonstruktion des Marmor Parium (FGrH 239): vide e.g. Csapo/Slater 1994, 107, 120 Nr. 45. 10 Ab 520 v.Chr. beginnen sich die Satyr-Darstellungen in der attischen Vasenmalerei in einer Weise zu wandeln, die man auf den Einfluss des Satyrspiels zurückführt; cf. Buschor 1943/1945, bes. 74, 83; Seaford 1984, 13. – Wenn auch die ‘tetralogische Regel’ erst ab 502/501 sicher etabliert gewesen zu sein scheint (cf. e.g. DFA2 103), lassen Nachrichten über Pratinas vermuten, dass beim Tragödien-Agon schon früher Satyrspiele aufgeführt wurden: Von den 50 Stücken, die Pratinas zur Aufführung gebracht habe, sollen 32 Satyrspiele gewesen sein (Pratin. T 1 ≅ Suda π 2230 s.v. Πρατίνας· … καὶ δράµατα µὲν ἐπεδείξατο νʹ, ὧν σατυρικὰ λβʹ …), also deutlich mehr als die nach Massgabe der tetralogischen Regel zu errechnenden 25%. Erklärbar wird dieses Zahlenverhältnis, wenn man mit Satyrspielaufführungen schon vor 502/501 rechnet. Cf. e.g. von Blumenthal 1934, 1078; Thomson 21946, 235; Collinge 1958/1959, 28 n. 5; Seidensticker in KPS 9 n. 49 mit weiteren Argumenten und weiterer Literatur; Voelke 2001, 19. – Wiesmann 1929, 58 dagegen nutzt dieses Zahlenverhältnis zur Untermauerung seiner These, dass es keine ‘tetralogische Regel’ gegeben habe; cf. Kap. 2. 8

22

Einleitung

hängige Aufführungen sind nicht belegt.11 Das gilt zu einem hohen Grad auch umgekehrt: Jede in klassischer Zeit für die Grossen Dionysien produzierte Tragödie ist Teil einer nach stets demselben Muster komponierten Tetralogie – die einzige bekannte Ausnahme ist die Tetralogie, die Euripides an den Grossen Dionysien des Jahres 438 v.Chr. zur Aufführung brachte.12 Die vermeintlichen Glücksfälle ‘vollständig erhaltener’ Tragödien – das wird allzuoft vergessen –, sind ihrerseits Fragmente eines grösseren Stückzusammenhangs, der in einem Satyrspiel kulminiert. Wenn ich im Folgenden die Poetik des klassischen Satyrspiels formuliere, gehe ich von der Feststellung der überaus engen Zugehörigkeit des Genres zur Tragödie aus, die sich bereits in den wenigen genannten festgeschichtlichen Daten erkennen lässt.

11

Ein Zusammenhang mit der Tragödie ist, soweit wir sehen, für die gesamte ‘Lebensdauer’ des Satyrspiels verbindlich, selbst nach der Auflösung der ‘tetralogischen Regel’. – Nicht im Zusammenhang mit einer Tragödie scheint der Agen des Python gestanden zu haben, ein Satyrspiel, das im Lager Alexanders des Grossen während des Indienfeldzugs aufgeführt wurde und also nicht als repräsentativ für die Gattung gelten kann. 12 Das vierte Drama dieser Tetralogie ist die (vollständig erhaltene) Alkestis, die keinen Satyrchor hat und daher nicht als Satyrspiel gelten kann; cf. TrGF I, DID C 11 (Dion. 438). – Zum Konzept des satyrlosen Dramas in vierter Position der Tetralogie bzw. des ‘prosatyrischen Dramas’, das man mit einer Reihe weiterer Tragödien (e.g. E. Helena, Ion, Iphigenie bei den Taurern, Orestes) in Verbindung gebracht hat, cf. Humphreys 1880; Decharme 1899; Dale 1954, xxxviii-xl; Sutton 1972; Calder 1973; Sutton 1973a und 1993b; Marshall 2000; Goldhill 2006, 96-97 (Helena und Alkestis); (dezidiert ablehnend:) Wright 2006, bes. 42-46. Hinzuweisen ist insbesondere auf den programmatischen Artikel von Slater 2005. In Harrison 2005a, wo Slaters Beitrag erschienen ist, setzen sich eine Reihe weiterer Arbeiten mit der Alkestis in ihrem Verhältnis zum Satyrspiel auseinander (insb. Ambrose 2005 und Roisman 2005). Eine Diskussion der Art von Tragödie, die mit Alkestis, Helena, Ion und Orestes vorliegt, findet sich in Silk 1996b, 7-8. Während beispielsweise Seidensticker in KPS 9-10 das Phänomen der tragikomischen Alkestis als ein später möglicherweise mehrfach wiederholtes Experiment des “unermüdliche[n] Neuerer[s] Euripides” deutet, macht Marshall 2000 den hochinteressanten Vorschlag, die Alkestis als Euripides’ Reaktion auf ein im Vorjahr für die Komödie erlassenes Verbot von ὀνοµαστὶ κωµῳδεῖν zu deuten. Mit dieser These schliesst Marshall nicht aus, dass Euripides später weitere ‘satyrlose Satyrspiele’ produzierte. Ein gesicherter Fall einer Wiederholung dieser Versuchsanlage ist bisher jedoch nicht bekannt. Zu Marshalls These: infra p. 45-46.

Die Poetik des Satyrspiels Dass die Tragödie in ihrer Frühform eine Art Satyrspiel war, mag strittig sein; sicher ist indessen, dass das Satyrspiel des 5. Jahrhunderts eine Art Tragödie war – eine Art Tragödie allerdings, deren differentia specifica es deutlich von seinem genus proximum absetzt. In Kapitel 1: Τραγῳδία παίζουσα fächere ich die facettenreiche differentia specifica der ‘spielenden, scherzenden, tanzenden’ Tragödie nach aufführungsbezogenen und kompositionellen Kriterien auf. Ehe ich mich in Kapitel 3: Das vierte Element der vieldiskutierten Frage nach der Funktion des Satyrspiels zuwende, widme ich mich in Kapitel 2: Das Rätsel der Tetralogie zunächst dem Phänomen der tetralogischen Kompositionsweise. Ich gehe von der Beobachtung aus, dass die Abfolge von Tragödie und Satyrspiel kein zufälliges Nebeneinander disparater Elemente ist. Vielmehr ist der Zusammenhang der beiden Genera ein konstitutiver Bestandteil der Theaterpraxis an den Grossen Dionysien, und er ist stets nach demselben Muster gestaltet: Auf drei Tragödien folgt ein Satyrspiel. Erst eine solche vierteilige Stück-Sequenz macht einen Wettbewerbsbeitrag zum Agon der Tragiker aus. Gegenstand der Betrachtung sind in diesem Kapitel zunächst die bezeugten Tetralogien und die grundsätzlichen Möglichkeiten ihrer Komposition, ehe es dann um die in der Forschung getätigten Versuche geht, das Phänomen systematisch zu begründen. Über die Analyse sowohl dieser Systematisierungsversuche als auch der vorgebrachten Charakterisierungen der Position des Satyrspiels in der Tetralogie gelange ich zum Schluss, dass es sich bei der Tetralogie um die Anverwandlung eines Denkmusters indo-europäischer Herkunft handelt, das die Form “1,2,3/4” hat (Brandt 1991). Bei dieser einfachen Form der Wissensorganisation kommt dem vierten Element, das zu einer Trias (als einer in sich geschlossenen Einheit dreier distinkter Teile) hinzutritt, stets eine Spezialfunktion zu. Nicht selten kommentiert und reflektiert es die vorangehende Trias. Um ein solches Element in der vierten Position scheint es sich beim Satyrspiel zu handeln. Aus welchem Ursprung sich die “erhabenste literarische Schöpfung” (Burkert 1990, 13), die Tragödie, auch immer herausgebildet haben mag, bleibt in jedem Fall das Faktum antiker Theatergeschichte zu erklären, dass das Satyrspiel in klassischer Zeit ein integraler Bestandteil der tragischen Didaskalie war. Ohne Satyrspiel wäre sie unvollständig. Unsere Quellen suggerieren indessen, dass das Satyrspiel erst nach der Etablierung der Tragödie zu einem verbindlichen Bestandteil des Agons wurde. Diese sekundäre Etablierung der Gattung legt nahe, dass das Satyrspiel etwas ergänzt, was der Tragödie fehlt oder ihr im Laufe ihrer Entwicklung abhanden gekommen ist. Entsprechend zahlreich sind die Versuche, aus den diversen Differenzen zwischen den beiden Gattungen auf die Funktion des Satyrspiels zu schliessen. Viele dieser Versuche dürfen eine hohe

24

Poetik des Satyrspiels

Plausibilität und gewiss auch Gültigkeit für sich beanspruchen. Die entscheidende (bereits in der Antike formulierte)1 Funktion aber, so legen es eine Reihe von Studien des letzten Jahrzehnts – allen voran Richard Seafords und Pierre Voelkes – in je eigenen argumentativen Zusammenhängen nahe, ist die Rückführung oder der reentry des in den Tragödien marginalisierten Festgottes Dionysos und seiner heiteren, festlichen Seiten auf die tragische Bühne. Im Anschluss an diese Feststellung, und um sie weiterzuführen, rekurriere ich zugleich auf die reflexive Funktion des Satyrspiels – die Funktion also, die nicht nur aus der Differenz des Satyrspiels zur Tragödie und aus meiner Lektüre der Satyrspielfragmente, sondern zugleich aus der tetralogischen Struktur “1,2,3/4” hergeleitet ist. Im Kern der Gattungspoetik des Satyrspiels steht die Auseinandersetzung mit der Tragödie – und das heisst immer: mit dem Bild von Tragödie, das im Satyrspiel selbst Kontur gewinnt oder konstruiert wird. Das Satyrspiel ist das Gefäss, das sich die Tragiker bereitstellen, um ihr tragisches Schaffen der komischen Reflexion zu unterziehen. Gegenstand dieser Reflexion ist zunächst die marginalisierende Behandlung des Festgottes Dionysos, seines Kults und ihrer heiteren und festlichen Seiten in der Tragödie. Das Satyrspiel wiederholt regelmässig die Tendenz der Tragödie, Dionysos und seine heiteren Seiten an den Rand zu drängen und andere Götter und Mythen in den Vordergrund zu stellen, indem es sein dionysisches Personal in fremde Gefilde versetzt und auf der Abwesenheit des Gottes und alles ‘Dionysischen’ insistiert.2 Dies geschieht freilich in einer Art und Weise, welche die Abwesenheit des Gottes alsbald als Ab-/Anwesenheit zu erkennen gibt – die der Tragödie unterstellte Vernachlässigung des Gottes wird auf komische Weise in ihr Gegenteil überführt. Zu diesem Zweck greift das Satyrspiel auf das in der Dionysosmythologie angelegte ‘Widerstandspattern’ zurück, wonach Dionysos von einem beliebigen System zunächst negiert oder ausgegrenzt wird, um diesen Widerstand dann aber mit Vehemenz zu überwinden und den Beweis seiner Zugehörigkeit zum ausschliessenden System zu erbringen. Dieses pattern kann mit Joachim Ritters Konzept des Komischen und Lachhaften enggeführt werden, das einer Bewegung zentralen Stellenwert zuerkennt, die ich als ‘inkludierende Ex1

Kap. 3.2 und Kap. 3.2.1 (Diskussion des Sprichworts ‘οὐδὲν πρὸς τὸν Δ∆ιόνυσον’). Die ‘Rückführung’ des Dionysos auf die tragische Bühne kommt nur in Ausnahmefällen dadurch zustande, dass Mythen über Dionysos inszeniert werden und der Gott als dramatis persona auftritt. Es scheint aber, dass das Satyrspiel, wenn es Episoden der DionysosMythologie aufgreift und den Gott zu seinem Personal zählt, stets das pattern des Widerstandsmythos bespielt. Dies legt ja schon die Tatsache nahe, dass fast alle Episoden der Dionysos-Mythologie nach diesem pattern strukturiert sind (cf. infra p. 127-128, Kap. 4.1.3). – In mindestens einem Stück, dem Hephaistos des Achaios, scheint es sogar um die Rückführung des Dionysos in den Olymp zu gehen (im Zuge der Rückführung des Hephaistos, die nur Dionysos gelingt und für die Dionysos mit der Aufnahme in den Olymp honoriert wird): cf. infra p. 145-146. 2

Poetik des Satyrspiels

25

klusion’ bezeichne. Es bietet sich an, mit dieser strukturellen Übereinstimmung das komische Potential dionysischer Mythen und Riten zu erklären. Diese Überlegungen sind Gegenstand von Kapitel 4: ‘Der eingeschlossene Dritte’. Die im vierten Kapitel gewonnenen Erkenntnisse vertiefe ich in den darauffolgenden Kapiteln 5: Der Chor der Satyrn und 6: Sprechen über den Chor. Eine im Satyrspiel häufig gewählte Art und Weise, das dionysische Element zunächst zu negieren und zu marginalisieren, um ihm dann zu einem effektvollen reentry zu verhelfen, besteht darin, dass die Satyrn, die eigentlich ins Gefolge des Dionysos gehören, im Dienste einer anderen und oftmals dezidiert fremdenfeindlichen Macht in fremden Rollen und beim Ausüben fremder Tätigkeiten gezeigt werden. Es versteht sich, dass die Satyrn ihre neuen Rollen und Beschäftigungen alsbald dionysisch unterlaufen (Kapitel 5.2: Satyrn in fremden Rollen).3 Das Konzept der fremden Rolle setzt eine Idee der ‘eigentlichen’ Rolle oder Daseinsform voraus, und diese zu fassen ist das Anliegen von Kapitel 5.1: Das ‘eigentliche’ Dasein von Satyrn und Silen. Dieses ‘eigentliche’ Dasein ist grösstenteils nur in seiner Negation zu greifen, i.e. in Passagen, in denen es ex negativo geschildert wird. Vielen dieser Passagen wende ich mich in Kap. 6 erneut zu, um einen weiteren Aspekt der im Satyrspiel betriebenen Tragödienreflexion zu untersuchen. Im Anschluss an eine Reihe von Studien, die sich mit der dionysischen Choreia und ihrer Thematisierung in der Tragödie (Henrichs)4 und im Satyrspiel selbst (Easterling und andere)5 auseinandersetzen, analysiere ich die zahlreichen Satyrspiel-Stellen, an denen die Choreia der Satyrn thematisiert – und das heisst stets: problematisiert – wird. Die Art und Weise, wie das Satyrspiel seine Choreia diskursiviert, verläuft parallel zum Umgang des Satyrspiels mit dem Dionysischen überhaupt. Die genannten Untersuchungen widmen sich besonders dem Verhältnis der beiden Funktionen des dramatischen Chores, der einerseits eine Rolle im Drama innehat und andererseits mit seiner performance in der orchestra den Ritus vollzieht, welcher der dramatischen Darbietung am Dionysos-Fest zugrundeliegt. Demgegenüber tritt in meinen Ausführungen das lebensweltlich relevante, im Hier und Jetzt des Aufführungsortes Athen stattfindende Ritual in den Hintergrund. Vielmehr konzentriere ich mich – in Ergänzung dieses ‘rituellen’ Verständnisses – auf die ‘innerdramatische’ Chor-Reflexion: Dem in Kap. 5.2 erläuterten Konflikt zwischen dem ‘eigentlichen’ Dasein als Satyr und dem durch den Aufenthalt in der Fremde erforderten ‘uneigentlichen’ Verhalten nämlich entspricht auf formaler Ebene der Gegensatz von Chor- und Schauspiel-Partien (i.e. von Partien, die von Gesang und Tanz dominiert sind, und gesproche3

So lautet auch der Titel eines Artikels von Hamdorf 1990. Henrichs 1994/1995, 1996a, 1996b. 5 Easterling 1997b; Bierl 2001, 64-86 (bes. 76-79) und 2006; Kaimio et al. 2001; d’Alessio 2007. 4

26

Poetik des Satyrspiels

nen Partien). Letztere sind im Satyrspiel in der Regel durch den fremden Mythos bestimmt, in den die Satyrn interpoliert werden. Der Rollenkonflikt der Satyrn lässt sich damit als Widerstreit von Choreia und Schauspiel im Drama verstehen. Der inszenierte Konflikt wirft ein Licht auf die formale Gestalt der Tragödie und reflektiert besonders deren Tendenz, die Choreia in ihrer Bedeutung und Ausdehnung einzuschränken. Im Kern der Poetik des Satyrspiels steht nicht nur die dionysische Identität des Chores, sondern darüber hinaus die Tatsache ihrer Permanenz. Dass der Chor der Satyrn – und darüber hinaus ein Schauspielerpart (sc. der Silen) – in den Stücken ‘gesetzt’ sind, ist die entscheidende differentia specifica des Genres gegenüber den beiden anderen dramatischen Gattungen seiner Zeit, der Tragödie und der Komödie, deren Chöre von Stück zu Stück wechselnde Identitäten haben. Dass der Chor (und ihm zugehörig der Silen) in jedem Satyrspiel identisch ist und bleibt, lässt einzelne Satyrspiele als Abenteuer oder Episoden der Vita von Dionysos’ Thiasoten verstehbar werden, als Teile einer ‘Serie’, die von den Tragikern verfasst wird. Dabei eröffnen sich zum einen Möglichkeiten der Bezugnahme auf frühere Satyrdramen, zum anderen wird die Herausbildung von Topoi begünstigt. Die Satyrspieldichtung ist ein in emphatischem Sinne kollektives Projekt der Tragiker, eine Serie, an der mit jedem Drama weitergeschrieben wird. In dieser Perspektive ist auch die Rede von der Poetik des Genres zu verstehen, welche die Tragiker gemeinsam kreieren und verfolgen. Dieses Kollektivprojekt hat seinerseits ein Kollektiv zum Gegenstand, den Chor der Satyrn, nicht-individualisierter, nur generisch markierter Figuren, die typische Eigenschaften und Verhaltensweisen aufweisen und damit wesentlich den seriellen Charakter der Dramen prägen. Es kommt hinzu, dass auch die dem Satyrspiel zugrundeliegenden mythischen Stoffe bei näherer Betrachtung nicht unwesentliche Gemeinsamkeiten haben. Bevorzugt werden mythische Stoffe, die in sich bereits eine Tendenz zum Seriellen tragen. Demonstriert werden soll dies am Beispiel einer ganzen Reihe von Satyrspielen, deren Mythen um einen Figurentypus kreisen, den ich ‘Satyrspiel-Serientäter’ nenne. Dabei handelt es sich um Unholde – Söhne eines Gottes (in der Regel des Poseidon und einer unbedeutenden Mutter) und Könige über ein (nicht-griechisches) Reich –, die jeden Fremden und Vorbeireisenden zu einem Kräftemessen herausfordern und dabei töten. Diese Serientäter werden ihrerseits (und im von ihnen anberaumten Agon) Opfer von ‘Serienhelden’ – in der Regel von Herakles oder Theseus. Damit markieren diese Satyrspiele den Wendepunkt, an dem die eine Serie (die Morde) von der anderen (der Aristie des Helden) abgebrochen wird. Dieser Abbruch einer Serie durch eine plötzlich eintretende zweite erweist sich als Denkfigur, mittels derer das Satyrspiel – das, wenn man so will, selbst eine Serie ist, die eine andere (sc. die tragische Trilogie) abbricht – sein Verhältnis zur Tragödie und seine Position in der Tetralogie produktiv reflektieren kann (Kapitel 7: Poetik der Serie).

Poetik des Satyrspiels

27

Nur ein einziges Exemplar der Gattung ist vollständig überliefert, der Kyklops des Euripides; mindestens vier weitere Satyrspiele aber sind in so grossem Umfang erhalten, dass wir ihren Handlungsverlauf, ihre Thematik etc. relativ gut überblicken: Aischylos’ Diktyulkoi und Isthmiastai oder Theoroi sowie Sophokles’ Ichneutai und Inachos. Diese fünf Stücke thematisiere ich je einzeln unter Studien zu einzelnen Satyrspielen (Studien I). Nach einigen Ausführungen zu Überlieferung, mythischer Stoffgrundlage und den wichtigsten Versuchen, Handlung, Figurenkonstellation, Szenerie etc. zu rekonstruieren, spreche ich im jeweiligen Kommentar kurz an, was in früheren Kapiteln ausführlich zur Sprache gekommen ist, und biete vertiefende Lektüren da, wo Ergänzungen am Platze scheinen – so etwa im Falle der Diktyulkoi, wo ich die Beschwerde der Danaë in einer Gegenüberstellung mit ihrer Klage bei Simonides (F 543 PMG) untersuche, oder im Kommentar zum Kyklops, wo ich über den selbstbewussten Umgang des Dramas mit der homerischen Kyklopeia im neunten Gesang der Odyssee spreche. Neben diesen in grösserem Umfang erhaltenen Stücken umfasst das Satyrspielkorpus zahlreiche Papyrusfragmente, e.g. jene des aischyleischen Glaukos Pontios,6 des Prometheus Pyrkaeus (oder Pyrphoros),7 des ‘Dike-Dramas’8 und des sophokleischen ‘Oineus-Satyrspiels’9 sowie schliesslich zahlreiche incerta 6

P.Oxy. 2159 (Lobel 1941 in POxy XVIII) ≅ A. Gl.Pont. F 25e in TrGF III. Die Zuweisung zum Glaukos Pontios ist durch ein Zitat zweier Zeilen mit Autor- und Stückangabe bei Strabon (10.1.9) gesichert: Gl.Pont. F 25e.13-14. Dem Stück zugewiesen sind bei Radt (basierend auf Snell 1953, 437-438) in TrGF III ferner P.Oxy. 2255 fr. 12 und fr. 13 (Lobel 1952 in POxy XX, 21-22); P.Oxy. 2255 fr. 12 col. I.5 ≅ Gl.Pont. **F 25c; P.Oxy. 2255 fr. 12 col. II + fr. 13 ≅ Gl.Pont. **F 25d. 7 P.Oxy. 2245 (Lobel 1952 in POxy XX, 2-6); Zuweisung zum Prometheus Pyrkaeus: Fraenkel 1942, 245-246; ≅ A. Prom.P. **F 204a-d Radt. Zur Frage nach dem Titel des Stücks vide supra p. 12 n. 3. 8 Lobel 1952 in POxy XX, bes. 36-41. Die Fragmente des ‘Dike-Dramas’ sind bei Radt in TrGF III teils unter die fragmenta incerta, inc. F 281a und inc. F 281b (≅ P.Oxy. 2256 fr. 9 a und b), teils unter die fragmenta dubia gereiht: **F 451n (≅ P.Oxy. 2256 fr. 8), **F 451s 6, 7, 11, 12 (≅ P.Oxy. 2256 fr. 6, 7, 11, 12). Die Zuweisung von inc. F 281a und inc. F 281b zum aischyleischen Korpus verdankt sich der Überschneidung mit einem Vers, der verschiedenenorts als aischyleisch bezeugt ist: Vers F 281a.28 (πό]λ̣ις τι̣ς̣ οὔτε δῆµος οὔτ’ ἔτη̣ς ἀνήρ) wird in Schol. Hom. Il. 6.239c (2.173.50-51 Erbse) = Hdn.Gr. Περὶ Ἰλιακῆς προσῳδίας, II.I, p. 55.21-22 Lentz als aischyleisch ausgewiesen, ebenso bei Eust. Il. 6.262 (2, p. 311.17 van der Valk). 9 P.Oxy. 1083 (Hunt 1911) + P.Oxy. 2453 (Turner 1962); relativ sicher dem ‘OineusSatyrspiel’ zuweisbar ist aus diesem Fund nur ein Fragment: P.Oxy. 1083 fr. 1 (≌ **F 1130 Radt). Zum konjizierten Titel dieses Stücks ist folgendes festzuhalten: Am Rand von Vers 19 findet sich die Sprecherangabe ]ο̣ινευς; der Brautvater war also entweder Oineus (Hunt 1911, e.g. 60; Carden 1974, 137 mit weiterer Literatur) oder Schoineus (Maas 1912/1973a, 53). Durchgesetzt hat sich die Ansicht, dass es sich um Deianeiras Vater Oineus handelt, den ἥρως ἐπώνυµος des Weins. Vielleicht handelt es sich auch beim Oi-

28

Poetik des Satyrspiels

und adespota.10 Das restliche Material – und das heisst nicht zuletzt: alles, was vom Satyrspiel der tragici minores erhalten ist – ist indirekt überliefert und besteht in einer stattlichen Anzahl meist sehr kleiner Buchfragmente, Zitate einzelner Wörter und Verse, die über das ganze antike Schrifttum verstreut sind. Eine Vielzahl dieser Fragmente analysiere ich unter thematischen Gesichtspunkten sowohl in den einzelnen Kapiteln als auch den Studien zu typischen Motiven und Themen des Satyrspiels (Studien II), die das Buch abrunden. Um das bisher Gesagte zusammenzufassen: Das Satyrspiel ist das dionysische und das komische Gedächtnis der Tragödie. Im Kern seiner Gattungspoetik steht die Auseinandersetzung der Tragiker mit ihrem eigenen tragischen Schaffen. Sind die Mechanismen einmal freigelegt, mittels derer das Satyrspiel die Tragödie der komischen Reflexion unterzieht, so zeigt sich, dass das Satyrspiel die marginalisierende tragische Behandlung des Festgottes Dionysos, der dionysischen Choreia und deren unbeschwerter, heiterer, festlicher Seiten nicht nur kommentiert, sondern auch zu kompensieren und aufzuheben sucht. Das Satyrspiel gewährleistet die Rückführung oder den reentry dessen, was in der Tragödie an den Rand gedrängt ist, in und mit diesem Reflexionsprozess selbst. Dabei operiert es mit dem pattern der inkludierenden Exklusion, das nicht nur die Mythen um Dionysos strukturiert, sondern auch – und davon unabhängig – ein Grundmoment des Komischen ausmacht (Kap. 4-6). In einer weiteren Brechung dieses Reflexionsprozesses macht das Satyrspiel diesen selbst zum Gegenstand der (auto)poetologischen Reflexion (Kap. 7).

neus des Chairemon um ein Satyrspiel, vide infra p. 66 n. 76. Oineus-Dramen sind auch für Euripides (F 558-570) und Philokles (Philocl. I TrGF 24 T 1) belegt, cf. auch trag. adesp. F 625. Cf. auch die Anspielungen auf den Oineus-Stoff in der Komödie: Ar. Ach. 418-419 (mit Olson 2002 ad loc., wo die Belege für den Oineus-Mythos aufgearbeitet sind); Timocl. Dionysiazusai F 6.16 K./A. 10 Ein Überblick über die wichtigsten Papyri findet sich bei Seidensticker in KPS 3-4.

Der Niedergang des Satyrspiels Das Satyrspiel erlebt eine kurze Blütezeit und erleidet einen früh einsetzenden, kontinuierlichen Bedeutungsverlust. Die tetralogische Komposition der Wettbewerbsbeiträge an den Grossen Dionysien wird spätestens 341/340 v.Chr. aufgegeben – von diesem Moment an wird am Fest nunmehr ein einziges Satyrspiel aufgeführt, und zwar als Teil des vom eigentlichen Wettbewerb ausgenommenen Auftakts zum Tragikeragon, der auch die Wiederaufführung eines ‘Klassikers’ umfasst.1

Kanon, Klassik, Schauspiel – Wandlungen der Tragödie Zu einem Teil ist der Bedeutungsverlust des Satyrspiels der Entwicklung der Tragödie geschuldet. Zwar ist über das nachklassische Drama insgesamt sehr wenig bekannt,2 doch scheint mir eine Anekdote über den Tragiker Astydamas den Jüngeren von einiger Aussagekraft zu sein,3 die sich im Jahr 340 und also genau zu der Zeit ereignet haben soll, für welche die Aufhebung der tetralogischen Kompositionsweise dokumentiert ist:4 Nach seinem Sieg an den Grossen Dionysien des Jahres 340 v.Chr. mit der Tragödie Parthenopaios5 wurde Astyda-

1

TrGF I, DID A 2a (≅ IG II2 2320) zu den Tragikerproduktionen an den Grossen Dionysien der Jahre 341-339 v.Chr. 2 Zum nachklassischen Satyrspiel: die wichtigsten Quellen nennt Seaford 1984, 25-26; cf. auch Seidensticker in KPS 10-12. Zur nachklassischen Tragödie cf. e.g. Webster 1954; Xanthakis-Karamanos 1980; Gallo 1992c, 101-104; Gallo 1992d; Easterling 1993a; die entsprechenden Beiträge in Martina 2003; die Beiträge von Teil A in Gildenhard/Revermann 2010. – Für die Umbrüche im Theaterwesen, die sich im Zeitraum 430-380 v.Chr. ereignet haben dürften, einem Zeitraum, in dem wichtige Weichenstellungen für die hier diskutierten Entwicklungen und Tendenzen zu konstatieren sind, ist insbesondere Hall 2007b zu konsultieren. 3 Cf. zu Astydamas dem Jüngeren Snell 1966, 33-37. 4 Die Anekdote ist über die Attizisten und Parömiographen auf uns gekommen: Paus.Gr. Ἀττικῶν ὀνοµάτων συναγωγή, σ 6 s.v. σαυτὴν ἐπαινεῖς ὥσπερ Ἀστυδάµας, γύναι; cf. für die weitere Überlieferung des Sprichworts die in TrGF I, p. 198-199 zu 60 T 2a und 2b genannten loci. 5 Dieser Sieg ist auch in den Didaskalien bezeugt; cf. Astyd. II T 6 ≅ TrGF I, DID A 1.304-314 (a. 340) und DID A 2a.16-22 (a. 340).

30

Der Niedergang des Satyrspiels

mas von den Athenern der Wunsch gewährt, sein Bildnis im Theater aufstellen zu dürfen.6 Folgendes Epigramm soll er dazu verfasst haben: εἴθ’ ἐγὼ ἐν κείνοις γενόµην ἢ κεῖνοι ἅµ’ ἡµῖν, οἳ γλώσσης τερπνῆς πρῶτα δοκοῦσι φέρειν, ὡς ἐπ’ ἀληθείας ἐκρίθην ἀφεθεὶς παράµιλλος· νῦν δὲ χρόνῳ προέχουσ’, οἷς φθόνος οὐχ ἕπεται. Wenn ich doch mit jenen geboren wäre oder jene zugleich mit mir, die den Ruhm haben, den ersten Preis der erfreuenden Rede davonzutragen, damit ich der Wahrheit entsprechend als gleichzeitig gestarteter Rivale beurteilt würde! Nun aber sind mir an Zeit sie voraus, denen kein Neid mehr folgt. (Astyd. II T 2a.6-9; Text und Übersetzung: Musa Tragica 135)7

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass wir hiervon nicht etwa wissen, weil Astydamas auch von der Nachwelt als seinem Ur-Ur-Grossonkel8 Aischylos und den beiden anderen ‘grossen’ Tragikern ebenbürtig angesehen worden wäre, sondern weil er wegen seiner Forderung zum sprichwörtlichen Beispiel für Eigenlob wurde, über dessen Lächerlichkeit man sich schon in der zeitgenössischen Komödie prächtig amüsierte.9 Gleichwohl haftet der Anekdote, wie Webster es ausdrückt, der ‘Charakter eines Manifests’ an.10 Sie zeugt von dem Empfinden oder der Befürchtung, dass die grosse Zeit der attischen Tragödie unwiederbringlich vorbei ist, als Astydamas der Jüngere die Bühne des Dionysostheaters bespielt.11 Sollte es stimmen, dass das tragische Formenrepertoire zu dieser Zeit um keine nennenswerten Innovationen mehr bereichert wird, so würde sich für den Niedergang des Satyrspiels die folgende Erklärung anbieten: In dem Moment, da die Tragödie aufhört, sich zu wandeln, entfällt für die Tragiker auch die Notwendig-

6

Cf. auch Astyd. II T 8a und 8b. Cf. zum Epigramm auch Page 1981, 33; Bing 1988, 60-62; Wilson 2006, 316-317. 8 Cf. das stemma familiae von Astydamas’ Ur-Ur-Ur-Grossvater Euphorion (dem Sohn des Aischylos) unter den Testimonien zu Euphorion TrGF 12 T 3; cf. ferner Philocl. I TrGF 24 T 2 (Urgrossvater). 9 Dem Zitatkontext ist zu entnehmen, dass Astydamas’ Prahlerei von den Komikern, zum Beispiel von seinem Zeitgenossen Philemon, verspottet und so sprichwörtlich geworden sei (cf. PCG 7, p. 306 ad Philem. inc. F 160 K./A.). 10 Cf. Webster 1954, 306: “The verses which he composed for the statue became a proverb for self-praise, but also show his awareness that the modern tragedian has a hard battle to establish himself against his great predecessors of the fifth century. As we have little evidence for originality in tragedy after 340 …, Astydamas’ statue and epigram take on the character of a manifesto.” 11 E.g. Wilson 2006, 317. 7

Kanon, Klassik, Schauspiel – Wandlungen der Tragödie

31

keit, sich mit dem Satyrspiel ein Instrumentarium bereitzuhalten, das die eigenen Innovationen kritisch hinterfragt und ausbalanciert. Nun wissen wir aber, dass Athen im 4. Jahrhundert und weit darüberhinaus einen florierenden Theaterbetrieb aufrechterhielt, bei dem jährlich zahlreiche Stücke (auch Satyrspiele) uraufgeführt wurden, und in dem einige Tragiker, wie gerade Astydamas der Jüngere, Erfolge verzeichnen konnten,12 die den Vergleich mit den ‘Grossen’ des 5. Jahrhunderts nicht scheuen mussten.13 Das Problem, von der die Astydamas-Anekdote zeugt, besteht jedoch vielleicht gerade in der Tatsache, dass dieser Vergleich permanent gezogen wird: Vom Moment an, da der Tragikeragon der Grossen Dionysien mit der Wiederaufführung einer παλαιά eröffnet wird, bringen die Tragiker ihre Stücke buchstäblich im Anschluss an das zur Aufführung, was als Höhepunkt der Gattung gilt. Richard Seaford zufolge ist der Bedeutungsverlust des Satyrspiels seiner Eigenschaft als “Übergangsphänomen” zuzuschreiben. Ist das Satyrspiel, wie Seaford festhält, “the specific solution to a transient problem” (1984, 29), so erklärt das Verschwinden des Problems auch das Verschwinden des Bedürfnisses, es zu lösen. Das vorübergehende Problem besteht darin, dass sich die Tragödie rascher von ihrer kultischen Herkunft entfernt hatte, als ihre kultische Herkunft vergessen war. Das Satyrspiel wurde eingeführt, weil es das verkörperte, was die Tragödie inzwischen nicht mehr war: eine unbeschwerte Auseinandersetzung mit und eine Hommage an den Gott Dionysos. Dass der kultische Hintergrund der Tragödie im weiteren Verlauf der Geschichte gleichwohl in Vergessenheit geraten konnte, scheint wesentlich auf ihre zunehmende Literarisierung und die Entstehung einer Buchkultur zurückzuführen zu sein. Diese manifestiert sich nicht zuletzt in der Kanonbildung und der Etablierung der ‘Tragischen Trias’ (Aischylos, Sophokles, Euripides), deren Grundsteine spätestens dann gelegt sind, wenn Aristophanes 405 v.Chr. in den Fröschen den Gott Dionysos in den Hades schickt, um einen guten Dichter an die Oberwelt zurückzuholen, wo zwar noch zehntausend Tragiker ihr Unwesen treiben, aber keiner, der etwas taugt.14 12

Um nur zwei signifikante Zeugnisse herauszugreifen: In der Poetik erwähnt Aristoteles Astydamas’ Tragödie Alkmeon unmittelbar nach Sophokles’ Ödipus und ohne eine qualitative Differenz zu implizieren (Arist. Po. 1453b29 = Astyd. II F 1b); bei Plutarch, in De gloria Atheniensium, wird sein Sieg mit der Tragödie Hektor in einem Atemzug mit den Triumphen von Aischylos und Sophokles erwähnt (Plu. mor. 349f = Astyd. II F 1(h)). Cf. infra p. 33 mit n. 22. 13 Easterling 1993a. – Zu Astydamas II: Snell 1971; Musa Tragica 134-145, 287-288. Was Satyrspielproduktion Astydamas’ des Jüngeren angeht, sind die Titel Herakles und Hermes bekannt. Zum Hermes cf. Günther und Bielfeldt in KPS 574-579; Cipolla 2003, 286-287 (Text, app. crit. und Übersetzung), 303-304 (Kommentar). Zum berühmten metapoetischen Fragment aus dem Herakles (Astyd. II F 4): infra Studien II s.v. Hunger. 14 Cf. bes. Ar. Ra. 71b-72, 89-97. – Zum starken Einfluss des Aristophanes und der Alten Komödie auf das “classicizing” der Tragödie: e.g. Rosen 2006; Porter 2006, bes. 301-307.

32

Der Niedergang des Satyrspiels

Die Literarisierung und Kanonisierung der ‘Grossen Drei’ zeigt sich weiter in dem Phänomen der Klassiker-Reprisen an den Grossen Dionysien, das schon im fünften vorchristlichen Jahrhundert vereinzelt zu beobachten ist,15 ab 386 v.Chr. aber zum verbindlichen Festbestandteil geworden zu sein scheint. Signifikant ist dabei, dass diese Reprisen im Rahmen eines Schauspielerwettbewerbs erfolgen, bei dem ausschliesslich Klassiker, sogenannte παλαιαί, gespielt werden.16 In diesem Wettbewerb konvergieren also gleich zwei dominant gewordene und immer dominanter werdende Kräfte, welche die zeitgenössischen Tragiker herausfordern: Nicht nur die Klassik, sondern auch das in seiner Bedeutung rapide gewachsene Schauspielerwesen.17 Bereits 449 v.Chr. dürfte an den Grossen Dionysien ein tragischer Schauspielerwettbewerb eingerichtet worden sein,18 um 432 v.Chr. wurde ein vergleichbarer Wettbewerb an den Lenäen geschaffen, einem weiteren Dionysosfest in Athen.19 Ein nächster Aspekt der Konvergenz 15 Hier ist zunächst an Wiederaufführungen aischyleischer Stücke zu denken, die breit bezeugt sind: Cf. Vita Aeschyli 12 (A. T A1.12) und (A. T Gm); ferner Ar. Ach. 10 und Ra. 866-870. – Allgemein zu den verschiedenen Arten von Evidenz für Klassikerreprisen: e.g. Webster 1954; Easterling 1993a. 16 Musa Tragica 20: “Sichtbaren Ausdruck findet dies [sc. die Etablierung der KlassikerTrias Aischylos, Sophokles, Euripides] in der Einführung eines Schauspieleragons, in dem nur ‘alte Tragödien’ gespielt wurden (erstmals 386 v.Chr.: in den ab 341 v.Chr. fragmentarisch erhaltenen Urkunden dominiert Euripides).” – Zum ersten Schauspieleragon an den Grossen Dionysien, bei dem nur ‘alte Tragödien’ aufgeführt wurden (386 v.Chr.): TrGF I, DID A 1.201-203: ἐπὶ Θεοδότου παλαιὸν δρᾶµα πρῶ- / το[ν] παρεδίδαξαν οἱ τραγ[ῳδοί]. 17 Zur Bedeutung des Schauspielwesens und zum Startum einzelner Schauspieler: e.g. Page 1934/1987, 15 et passim; Snell 1971; die Beiträge in Easterling/Hall 2002; Slater 2002, 22-41 (Kap. “The Emergence of the Actor”); in der Ikonographie: Csapo 2010. 18 Allgemein zu den Testimonien für die Schauspielerwettbewerbe: Csapo/Slater 1994, 226-229 Nr. 11-16. Zu einem tragischen Schauspielerwettbewerb an den Grossen Dionysien um 449 v.Chr. cf. die Fasti Victorum Dionysiorum Atheniensium zum Jahr 447 v.Chr.: TrGF I, DID A 1.67-70 (IG II2 2318 col. III.68-70) ≅ Csapo/Slater 1994, 226 Nr. 11. In Z. 70 (in der Zählung von TrGF I) findet sich hier zum ersten Mal der Eintrag für den siegreichen Schauspieler. Die Datierung dieses Eintrags auf das Jahr 447 v.Chr. errechnet sich aus der relativen Position der Inschrift am Monument. Gemäss Csapo/Slater (ibid.) lässt sich aus dieser Position und den Abständen zum nächstoberen, vollständig erhaltenen Eintrag (zum Jahr 458 v.Chr.), in dem noch kein Schauspielername fällt, 449 v.Chr. als das Jahr errechnen, in dem der Schauspielerwettbewerb eingerichtet wurde. 19 Die Existenz eines Schauspielerwettbewerbs an den Lenäen ist bezeugt durch die (fragmentarisch erhaltene) Siegerliste tragischer Schauspieler an diesem Fest; cf. die entsprechenden Teile von IG II2 2325 (IG II2, p. 669-671). Die Institutionalisierung des Agons fällt in die Jahre zwischen 440 und 423 v.Chr., am ehesten auf das Jahr 432 v.Chr. (IG II2 2325 col. I fr. r), cf. TrGF I, p. 7 mit n. 1 und p. 29-30 ad DID A 3b und Csapo/Slater 1994, 227 Nr. 12 und bes. Nr. 13.

Kanon, Klassik, Schauspiel – Wandlungen der Tragödie

33

von Schauspielertum und Klassik ist darin zu sehen, dass sich die Schauspieler, deren Wirkungsfeld sich durch Auftritte auch jenseits der Athenischen Theaterwettbewerbe professionalisiert, rapide ausweitet und in den internationalen Raum erstreckt,20 Repertoires zulegen müssen. Wie sich dies auf die Kanonbildung auswirkt, hat Easterling (1997c) eindrücklich gezeigt. Es liegt auf der Hand, dass die Professionalisierung und massive Aufwertung des Schauspielwesens im Laufe der Zeit zu einer Marginalisierung der Choreia im Drama geführt hat.21 Um bei meinem Kronzeugen Astydamas dem Jüngeren zu bleiben: In den Fragmenten, die wir von seiner äusserst wirkmächtigen Tragödie Hektor haben,22 ist zu erkennen, dass die Choreia nur noch mit dem ‘Platzhalter’ χοροῦ µέλος (Astyd. II Hektor **F 1h [?] Z. 10), i.e. als ἐµβόλιµα in der aristotelischen Definition (Arist. Po. 1456a29-30), Eingang in den Dramentext gefunden hat.23 Es versteht sich, dass der hierin sich manifestierende Bedeutungsverlust des Chores die von ihrem Chor lebende Gattung Satyrspiel in besondere Bedrängnis bringt. Zudem geht mit der Expansion der Schauspieler-Tätigkeit weit über Athens Grenzen hinaus eine Dekontextualisierung des Theaters einher, das sich zunehmend vom dionysischen Festrahmen emanzipiert. Diese Entwicklung muss sich verheerend auf das Satyrspiel auswirken, das aufs engste nicht nur an die Tragödie gebunden ist, sondern auch an das Fest der Grossen Dionysien, für das es Ende des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts ‘(neu) erfunden’ worden ist. Um das Jahr 440 v.Chr. bereits werden an den Lenäen innerhalb weniger Jahre erst ein Komödien-24 und dann ein Tragödienwettbewerb (sowie der erwähnte Schauspielerwettbewerb) ins Leben gerufen, bei dem nur (noch) Tragödien, jedoch keine Satyrspiele (mehr) aufgeführt werden.25 Dass das Satyrspiel hier nicht berücksichtigt wird, ist ein eindeutiger Ausdruck seines früh einsetzenden Bedeutungsverlusts. 20

Zur Verbreitung des Theaterwesens jenseits von Attika cf. insbesondere die Arbeiten von Taplin und Csapo, e.g. Taplin 1993; 2007; Csapo 2010. 21 Vide infra Kap. 6.5. 22 Zu Wirkmacht und Rezeption des Hektor: Snell 1971; Musa Tragica 136-139 und supra p. 31 n. 12. 23 Arist. Po. 1456a25-32: Aristoteles spricht an dieser Stelle vom Usus der späteren Dichter, in den Tragödien nur noch Einlagen, embolima, singen zu lassen, i.e. austauschbare Chorlieder, deren Texte nichts mehr mit dem mythos der jeweiligen Tragödie zu tun haben. Angefangen damit habe Agathon. Cf. Agathon T 17 und dazu Musa Tragica 282 n. 8 und die dort genannte Literatur. 24 Zur Datierung der Einführung der Komödienwettbewerbe an den Lenäen (frühestens 450/449, spätestens 435/434, wahrscheinlich Mitte bis Ende der 440er Jahre): Olson 2007, 387-388 mit n. 14. 25 IG II2 2319 col. II ≅ TrGF I, DID A 2b: Liste der in den Jahren 420-417 v.Chr. an den Lenäen aufgeführten Tragödien. Dass an den Lenäen keine Satyrspiele aufgeführt wurden, ist nur sehr vereinzelt und erst für das 4. Jh. bezweifelt worden: Sutton 1980b; GhironBistagne 1991.

34

Der Niedergang des Satyrspiels

Besonders deutlich ist die Festschreibung der Tragischen Trias in den kulturpolitischen Massnahmen zu sehen, die der tatkräftige Staatsmann Lykurg wahrscheinlich in den 330er Jahren erwirkte. Aus dem Plutarch zugeschriebenen Traktat Über die Leben der zehn Redner ist nicht nur zu ersehen, wie die Tragische Trias gesetzlich verankert wird, sondern auch, dass das Schauspielerwesen in diesem Prozess eine Rolle spielt. Die Festschreibung der Klassikertexte wird hier als Massnahme präsentiert, mit der sichergestellt werden kann, dass die Schauspieler keine Eingriffe am Text vornehmen können:26 εἰσήνεγκε (sc. Λυκοῦργος) δὲ καὶ νόµους, τὸν µὲν … τὸν δέ, ὡς χαλκᾶς εἰκόνας ἀναθεῖναι τῶν ποιητῶν, Αἰσχύλου Σοφοκλέους Εὐριπίδου, καὶ τὰς τραγῳδίας αὐτῶν ἐν κοινῷ γραψαµένους φυλάττειν καὶ τὸν τῆς πόλεως γραµµατέα παραναγινώσκειν τοῖς ὑποκρινοµένοις· οὐκ ἐξεῖναι γὰρ 〈παρ’〉 αὐτὰς ὑποκρίνεσθαι. Lykurg führte auch Gesetze ein, zum einen …, zum andern ein Gesetz, wonach Bronze-Statuen der Dichter Aischylos, Sophokles und Euripides aufgestellt und ihre Tragödien niedergeschrieben und im Schatzhaus sicher aufbewahrt werden sollten. Ferner sollte der Staatsschreiber diese Niederschriften den Schauspielern verlesen: Denn es war nicht gestattet, die Tragödien anders aufzuführen als dort festgehalten. (Ps. (?) Plu. Vitae decem oratorum, mor. 841f)

Der hier beschriebene Prozess der buchstäblichen Monumentalisierung der Tragischen Trias ist der Hintergrund, vor dem die genannte Anekdote über Astydamas den Jüngeren zu verstehen ist. Die Errichtung seines Bronzebildes soll nota bene erfolgt sein, noch ehe Lykurg die Drei Grossen verewigen liess – entsprechend geniesst sie bei Diogenes Laertios den zweifelhaften Ruhm eines der grossen und grotesken faux-pas attischer Kulturpolitik.27 Bezeichnenderweise beruft sich Diogenes Laertios hier auf das Urteil des Herakleides Pontikos, seines Zeichens Verfasser der Schrift Περὶ τῶν τριῶν τραγῳδοποιῶν.28 26

Zu den Schauspieler-Interpolationen in der griechischen Tragödie cf. die monumentale Studie von Page 1934/1987. – Zu Lykurgs Gesetz cf. Page 1934/1987, 2; DFA2 100; Ghiron-Bistagne 1976, 204; Wilson 2006, 316. 27 D.L. 2.43: Ὁ µὲν οὖν ἐξ ἀνθρώπων ἦν· Ἀθηναῖοι δ’ εὐθὺς µετέγνωσαν, ὥστε κλεῖσαι καὶ παλαίστρας καὶ γυµνάσια. καὶ τοὺς µὲν ἐφυγάδευσαν, Μελήτου δὲ θάνατον κατέγνωσαν. Σωκράτην δὲ χαλκῇ εἰκόνι ἐτίµησαν, ἣν ἔθεσαν ἐν τῷ Ποµπείῳ, Λυσίππου ταύτην ἐργασαµένου. Ἄνυτόν τε ἐπιδηµήσαντα αὐθηµερὸν ἐξεκήρυξαν Ἡρακλεῶται. οὐ µόνον δ’ ἐπὶ Σωκράτους Ἀθηναῖοι πεπόνθασι τοῦτο, ἀλλὰ καὶ ἐπὶ πλείστων ὅσων. καὶ γὰρ Ὅµηρον καθά φησιν Ἡρακλείδης, πεντήκοντα δραχµαῖς ὡς µαινόµενον ἐζηµίωσαν, καὶ Τυρταῖον παρακόπτειν ἔλεγον, καὶ Ἀστυδάµαντα πρότερον τῶν περὶ Αἰσχύλον ἐτίµησαν εἰκόνι χαλκῇ. 28 Heraclid.Pont. F 179 Wehrli, ap. D.L. 5.88 (Katalog von Herakleides’ Werken).

Wandlungen der Komödie

35

Diese Entwicklungen im Bereich der Tragödie sind gewiss für den Niedergang des Satyrspiels verantwortlich zu machen, das schon Aristoteles nicht mehr für der Rede wert hält, wenn er sich mit dem attischen Drama auseinandersetzt,29 und das sich, im Gegensatz zu vielen anderen antiken Gattungen, so gut wie keines Fortlebens in der abendländischen Literaturtradition rühmen kann. Wandlungen der Komödie30 Die Suche nach Gründen für das allmähliche Verschwinden des Satyrspiels führt uns jedoch noch weiter, und zwar zum dritten dramatischen Genre im Athen des fünften Jahrhunderts. Es drängt sich nämlich die Frage auf, wie das Satyrspiel gegenüber der Komödie zu positionieren sei, die viele Eigenschaften mit dem Satyrspiel teilt. Ich werde diese Frage in künftigen Arbeiten zu beantworten suchen und beschränke mich hier auf einen thesenhaften Problemaufriss. Wie wir im Folgenden sehen werden, weist die Komödie zahlreiche Eigenschaften auf, die auch das Satyrspiel ausmachen.31 Viele Unterschiede der beiden Gattungen lassen sich nur graduell fassen – die Komödie ist extremer als das Satyrspiel. Auch die Komödie setzt den ‘komischen Dionysos’,32 das Lachhafte, Obszöne, Wilde, Rustikale etc. in Szene, soweit wir dies beurteilen können, jedoch stets in drastischerer Weise. Von entscheidender Bedeutung scheint mir die Tatsache zu sein, dass auch die Komödie die Tragödie reflektiert und sich ihr gegenüber positioniert (Gegenstand der Reflexion ist auch hier mitunter Dionysos)33 – auch dies in viel drastischerer und expliziterer Weise als das Satyrspiel. Ein einfaches Beispiel mag 29

Lediglich im Rahmen der ‘Tragödienentstehungshypothese’ bringt Aristoteles in der Poetik die frühe Tragödie mit einer mit dem Satyrspiel verwandten Darbietungsform in Zusammenhang, die er mit σατυρικόν bezeichnet; cf. Kap. 3.2.1. Dass er dem Satyrspiel wie auch der tetralogischen Kompositionsweise sonst keinerlei Beachtung schenkt, konvergiert mit der Tatsache, dass er die fraglos vorhandene kultisch-religiöse Dimension der Tragödie in klassischer Zeit mit keinem Wort erwähnt. Der Traktat des Peripatetikers Chamaileon Περὶ Σατύρων (vide supra p. 20 n. 3) ist verloren. 30 Auch in meinen Bemerkungen zur Komödie spreche ich, so nicht anders vermerkt, von den Dramen des 5. Jh. v.Chr. – Von einer weiteren Differenzierung oder Periodisierung sehe ich ab. 31 In jüngerer Zeit konstatiert Voelke 2003 diese Ähnlichkeit anhand wichtiger Beispiele. 32 Cf. e.g. Riu 1999 zu “Dionysism and Comedy” (der das Satyrspiel – symptomatischerweise – mit keinem Wort erwähnt); Casolari 2003, 112-126; Zimmermann 2011b, 673674; speziell zu den Fröschen cf. Lada-Richards 1999. 33 Zimmermann 2011b, 674: “Es scheint, dass manche Dichter wie Kratinos sich ganz bewusst – vielleicht im Gegensatz zu anderen Strömungen in der zweiten Hälfte des 5. Jh. – in eine dionysische Tradition stellten und eine implizite dionysische Poetik entwickelten” (meine Hervorhebung).

36

Der Niedergang des Satyrspiels

dies veranschaulichen: Der Tragiker Euripides ist bekanntlich eine besonders beliebte Zielscheibe aristophanischen Spottes und zählt mehrfach zu den dramatis personae von Aristophanes’ Stücken (Acharner, Thesmophoriazusen und Thesmophoriazusai B' (?),34 Frösche, Proagon,35 Dramata).36 Demgegenüber findet sich im ganzen erhaltenen Satyrspiel nur eine einzige, noch dazu umstrittene Erwähnung des Euripides. Es handelt sich dabei jedoch um keine namentliche Nennung, vielmehr spricht der Silen an der betreffenden Stelle vom ἀοιδὸς Σαλαµῖνος, dem ‘Sänger von Salamis’ (trag. adesp. *F 646a.19). Selbst diese diskrete Referenz aber gilt als ein die Grenzen der klassischen Gattung überstrapazierender Sonderfall und ist mitunter der Grund dafür, dass man in in der Forschung entweder die Identifikation des ἀοιδὸς Σαλαµῖνος mit Euripides37 oder die Satyrspielqualität des Fragments geleugnet hat, mindestens aber die Zugehörigkeit des Texts zum klassischen Satyrspiel.38 Als weitere auffällige Ähnlichkeit der Genera lässt sich ferner festhalten, dass die Komödie gegenüber der Tragödie – wie das Satyrspiel gegenüber der tragischen Trilogie – die Position des “vierten Elementes” innerhalb einer “1,2,3/4”-Struktur innehat: An den Grossen Dionysien nämlich findet im Normalfall39 an einem Tag der Komödien-, an den darauffolgenden drei Tagen der Tragödienagon statt.40 34

Ar. Thesmophoriazusai B': PCG III.2, p. 182-200, T i-ii; F 331-358. Ar. Proagon: PCG III.2, p. 253-257, T i-iii; F 477-486. 36 Ar. Dramata A' B': PCG III.2, p. 158-169, Dramata A' B' T i-*vi, Dramata oder Kentauros F 278-288; Dramata oder Niobos (eirophoros) F 289-298; Dramata F 299304. – Zum Auftritt des Euripides in den fragmentarisch überlieferten Komödien des Aristophanes vide: Ar. Proagon T iv K./A. und, diesem zu Teilen entsprechend, Ar. Dramata A' B' T iv K./A. (sc. Schol. Ar. V. 61c). – Zu Euripides bei Aristophanes: e.g. Rau 1967, 19-97; Rau 1971; Hubbard 1991, 214-219; Silk 2000a, 48-52; Slater 2002; Nieddu 2004; Voelke 2004; Rosen 2004, 2005 und 2006; Tammaro 2006; Platter 2007, bes. Kap. 5. 37 Zur Identifikation mit Euripides (und den Alternativen) cf. Material und Diskussionen bei Kramer 1979, 12; Maresch 1987, 45; Bierl 1990, 356 (“probably Euripides”), ibid. 383 (Diskussion und Forschungsbericht); Battezzato 2006, 50-53 (eingehende Diskussion). 38 So schlägt etwa di Marco 2003, 68-74 eine Zuweisung zu Sositheos’ Daphnis oder Lityerses vor. 39 Die Anordnung der dramatischen Wettbewerbe und die Anzahl Tage, die dafür eingesetzt wurden, werden in jüngerer Zeit kontrovers diskutiert. Ich gehe hier von der (früheren) communis opinio aus, derzufolge vor und nach dem Peloponnesischen Krieg (431404 v.Chr.) am 11. Elaphebolion der Agon der Komödiendichter und an den darauffolgenden drei Tagen der Tragikeragon mit täglich je einer Tetralogie von drei Tragödien und einem Satyrspiel stattfand. Cf. die Diskussion bei Csapo/Slater 1994, 107, 119-120 Nr. 41-43. 40 Das Muster hat in diesem Falle die Form “1/2,3,4”. Zu dieser zweiten Erscheinungsform und ihrer grundsätzlichen Synonymität mit “1,2,3/4” cf. Brandt 1991, bes. 11-12. 35

Wandlungen der Komödie

37

Wenden wir uns noch einmal der attischen Theatergeschichte zu, um das Verhältnis der beiden komischen, dem Lachen verpflichteten Gattungen näher zu betrachten: Beide gelangen später als die Tragödie auf den Spielplan der Grossen Dionysien. Während die Tragödie seit der Etablierung des Festes um 534 v.Chr. fester Bestandteil war, dürfte das Satyrspiel ab 520 Eingang gefunden haben;41 die Komödie, ‘deren Anfänge im Dunkeln bleiben, weil sie nicht ernstgenommen wurde’ (διὰ τὸ µὴ σπουδάζεσθαι ἐξ ἀρχῆς ἔλαθεν) erhielt ‘erst spät’ (ὀψέ ποτε; Arist. Po. 1449a38-1449b2) ihren festen Platz im offiziellen Spielplan. Erst in den 80er Jahren des 5. Jahrhunderts,42 ungefähr vier Dekaden nach der wahrscheinlichen Etablierung des Satyrspiels und rund zwei Dekaden nach der Einführung der ‘tetralogischen Regel’, wird an den Grossen Dionysien der vom Tragikerwettbewerb unabhängige eintägige Komödienagon institutionalisiert, zu dem jeweils fünf Komödiendichter mit je einem Drama antreten. Von hier an gilt, dass Tragödie, Komödie und Satyrspiel gemeinsam das dramatische Geschehen an den Grossen Dionysien konstituieren und sich also ihren zunächst einzigen offiziellen Aufführungsrahmen teilen. Die Zahlenverhältnisse der aufgeführten Dramen implizieren möglicherweise eine zeitgenössische Wertung der Genera: Werden an drei Festtagen jeweils drei Tragödien und ein Satyrspiel gespielt, so ist dem Komödienagon nur ein Tag vorbehalten. Im Normalfall streiten im Komödienagon aber fünf Konkurrenten um den ersten Preis,43 was für die Grossen Dionysien ein Zahlenverhältnis von 9 (Tragödien) : 5 (Komödien) : 3 (Satyrspielen) ergibt. Die dramatische Produktion an den Lenäen weist einen vergleichsweise hohen Komödienanteil auf –44 zwei Tragiker scheinen mit je zwei Tragödien, fünf 41

Supra p. 21 mit n. 10. Spätestens 478/477, wahrscheinlich aber bereits 487/486 v.Chr. Cf. e.g. DFA2 82-83; Csapo/Slater 1994, 107, 120-121 Nr. 46. – Die aktuellste Diskussion der epigraphischen Belege für die Chronologie der attischen Komödie findet sich bei Olson 2007, 279-391. Zur Institutionalisierung der Komödie an den Grossen Dionysien: ibid. 383-384. 43 Zur These, wonach zur Zeit des Peloponnesischen Krieges jeweils nur drei Komödiendichter zum Agon antraten: Körte 1905 und seither viele, e.g. DFA2 66, 83; Mastromarco 1975 (These, dass von 426-421 und 415-402 v.Chr. jeweils nur drei Dichter am Komödienagon beteiligt waren, von 420-416 dagegen fünf); Mastromarco 1994, 9-10. Contra Luppe 1972 (mit weiterer Literatur ibid. 53-54); Luppe 1988b. Diskussionen finden sich e.g. bei Csapo/Slater 1994, 107, 119-120, Nr. 41-45; MacDowell 1995, 8-9; Olson 2007, 19 (mit der relevanten neueren Literatur in n. 52). 44 Die verschiedentlich geäusserte These, dass Komödienaufführungen an den Lenäen bereits vor 440 v.Chr. ihren festen Platz hatten, ist nicht belegt; sie wurzelt in dem auf Symmetrie bedachten Umgang mit der eindeutig bezeugten Dominanz der Tragödie an den Grossen Dionysien, cf. DFA2 40, 41 mit n. 1 (mit weiteren entwicklungsgeschichtlichen Hypothesen und Literaturhinweisen). – Zur Anzahl der an den Lenäen gespielten Komödien cf. Csapo/Slater 1994, 120 Nr. 43, 137 Nr. 77. In der Nachkriegszeit waren an den Komikerwettbewerben beider Feste jeweils fünf Konkurrenten beteiligt; cf. ibid. 120 42

38

Der Niedergang des Satyrspiels

Komödiendichter mit je einer Komödie angetreten zu sein. Das Verhältnis 4 (Tragödien) : 5 (Komödien) suggeriert eine Mehrgewichtung der Komödie an diesem Fest. Freilich ist zu betonen, dass die Theaterwettbewerbe der Lenäen deutlich weniger Prestige genossen als die der Grossen Dionysien.45 Ich schlage vor, das Verhältnis der beiden komischen dramatischen Gattungen in den Kategorien der Rivalität und der Sukzession zu denken. Der ‘Wettstreit’ um die Position des komischen Gegenparts zur Tragödie fällt klar zugunsten der Komödie aus.46 Die Komödie prägt im Satyrspiel angelegte Tendenzen

Nr. 43 (vierte Hypothesis zu Ar. Pl.), 137 n. 77 (IG II2 2319 col. I [Didaskalien zu den Komödien, die an den Lenäen 289/288 v.Chr. aufgeführt wurden]). 45 Die Lenäen (in DFA2 25-42 als eines der ‘Lesser Festivals’ eingeordnet) fanden im Monat Gamelion statt, der in etwa unserem Monat Januar entspricht (Testimonia in DFA2 26 Nr. 3) und damit in die Jahreszeit fällt, die der Eröffnung der Schiff-Fahrt-Saison vorausging. Gespielt wurde also für ein einheimisches Publikum und nicht vor Auswärtigen (cf. e.g. Ar. Ach. 502-507; Schol. vet. Ar. Ach. 504b). An den Lenäen durften ferner, anders als an den Dionysien, Fremde als Choreuten mitwirken und ansässige Fremde als Choregen wirken – auch das kann als Indiz für das geringere Prestige des Festes interpretiert werden (cf. Schol. vet. Ar. Pl. 953; Plu. Phoc. 30.6; DFA2 41 mit n. 9). Die unterschiedliche Gewichtung der beiden Feste äussert sich auch in der jeweiligen Zuständigkeit der Beamten: Die Grossen Dionysien gehörten in den Kompetenzbereich des Archon Eponymos, des höchsten Politikers, die Lenäen hingegen waren Sache des Archon Basileus, der mit der Verwaltung religiöser Angelegenheiten betraut war. Die ‘grossen Tragiker’ traten nie oder nur ausnahmsweise an den Lenäen auf, cf. DFA2 41. Obwohl die Ko– mödie an den Lenäen stärker gewichtet worden zu sein scheint und auch bedeutende Komödiendichter regelmässig an diesem Fest auftraten (cf. DFA2 41), war auch für diese ein Sieg an den Grossen Dionysien weit prestigeträchtiger; cf. e.g. Ar. Ach. 504 und P.Oxy. 2737 fr. 1 col. ii.10-17. An der letzteren Stelle wird (als Ansicht des Eratosthenes) berichtet, dass der Komödiendichter Platon nur so lange erfolgreich gewesen sei, wie andere seine Stücke produzierten; dass er aber, als er erstmals selber produzierte und einen schlechten vierten Rang erreichte, zurückgestuft und an die Lenäen verwiesen worden sei (Ar. *F 56.44-51 Austin (CGFP) ≅ inc. F 590.44-51 K./A.). Cf. e.g. Musa Tragica 16; Csapo/Slater 1994, 135 Nr. 71. Anders als die Lenäen waren die Grossen Dionysien kein ‘organisch’ gewachsenes, sondern ein unter den Peisistratiden eingeführtes, konstruiertes, politisch motiviertes Fest (daher ist auch ihre Entstehung datierbar, während die Ursprünge der anderen Dionysosfeste unbekannt sind). Die herausragende Bedeutung des Festes verdankte sich also politischen Kräften, cf. e.g. Kolb 1979, 504-543; Meier 1988, 54-74; Cartledge 1997, bes. 18ff. Die Relevanz des Festes geht auch aus den Studien von Goldhill 1987a; 1987b; 1990; 1997 und aus den Beiträgen in Winkler/Zeitlin 1990 (zu denen Goldhill 1990 gehört); cf. auch Finkelberg 2006. – Die Testimonien für die dramatischen Wettbewerbe der beiden Dionysosfeste sind (in englischer Übersetzung) gesammelt bei Csapo/Slater 1994, 103-121 (Grosse Dionysien); 122-124 und 132-137 (Lenäen). 46 In seiner Definition der ‘Autonomie’ der (aristophanischen) Komödie lehnt es Silk 1988 und 2000a mit Nachdruck ab, die Komödie nur in Opposition zur Tragödie zu den-

Wandlungen der Komödie

39

aus und geniesst ausserdem den Vorteil, ein von der Tragödie unabhängiges Genre zu sein. In der jeweiligen Beziehung zur Tragödie liegt nämlich der wesentliche Unterschied der beiden sonst in vielem sehr ähnlichen Gattungen: Die Komödie wird von anderen Dichtern verfasst, von anderen Darstellern gespielt, an einem anderen Tag, in einem eigenen, vom tragischen Agon unabhängigen Wettbewerb aufgeführt. Anders als das Satyrspiel ist sie nicht in tragischer Diktion und tragischen Metren gehalten (es sei denn, um die Tragödie zu parodieren); auch hat sie kein auf den Mythos beschränktes Stoffrepertoire.47 Während das Satyrspiel weitgehend ein innerliterarisches, auf Tragödie und Mythos bezogenes Spiel bleibt, ist die Komödie ein unabhängiges, weit aggressiveres Genre, dem dank dieser Aggression der ‘Durchschlag’ zur extradramatischen Realität und damit zu einer breiten und aktuellen Themenpalette gelingt. Dieser ‘Durchschlag zur Realität’ manifestiert sich unter anderem im herausragenden Merkmal der Komödie des fünften Jahrhunderts, dem ὀνοµαστὶ κωµῳδεῖν (das für das klassische Satyrspiel nicht nachzuweisen ist),48 und in der direkten Adressierung des Publikums,49 die im Satyrspiel wenn überhaupt, dann

ken. Gleichwohl ist mit Taplin 1996, 188 festzuhalten, dass die Gattungen zu einem gewissen Grad als Gegenpole aufgestellt sind und sich gegenseitig kontrastierend definieren. 47 Die mythischen Stoffe jedoch, die in der Komödie (der sog. Mythentravestie) zum Zuge kommen, sind weitgehend diejenigen, die auch den Satyrspielen zugrundeliegen: cf. infra p. 277 mit n. 103 (‘Serientäter-Stoffe’), insbesondere aber die Listen von Guggisberg 1947, 36-38, ferner die bei Storey 2005 genannten Titel. – Zur Mythentravestie in der Komödie cf. Casolari 2003; ferner Mangidis 2003 (Antiphanes); Thévenaz 2004 (Aristophanes, Acharner und Plautus, Amphitryo). 48 Selbst wenn der ‘Sänger von Salamis’ (trag. adesp. *F 646a.19) einem klassischen Satyrspiel entstammen sollte, wäre damit nur eine ‘onomasti-Erwähnung’ belegt; dass ‘Euripides’ dabei auch verspottet worden wäre, lässt sich aus der Stelle nicht ersehen. – Der ad personam-Spott ist erst für das nachklassische Satyrspiel nachweisbar; e.g. für Lykophrons Menedemos (F 2-4) oder den Sonderfall von Pythons Agen. – Zum Phänomen des ὀνοµαστὶ κωµῳδεῖν respektive dem Privileg der Spottfreiheit der Alten Komödie: e.g. Hor. S. 1.4.1-5; die Arbeiten von Halliwell 1984; 1991; 2000; 2004; Sommerstein 1986; 1996b. 49 Zur Adressierung des Publikums in der Komödie: Bain 1975; 1977. – Adressierung des Publikums im Satyrspiel: Wahrscheinlich sind die Hilferufe in Sophokles’ Ichneutai und Aischylos’ Diktyulkoi ans Publikum gerichtet (cf. infra n. 52 und p. 298 mit n. 19, p. 315316 mit n. 15). Diese Hilferufe erwachsen aber aus der dramatischen Logik, und soweit wir sehen wird das Publikum in keiner darüberhinausgehenden Weise angesprochen. – Erwähnung des Publikums im Satyrspiel: Achae. Athl. F 3 in der Interpretation von Drago 1936, 231 und Guggisberg 1947, 41, wonach mit den θεωροί und ἀγωνισταί in V. 1 auf die Zuschauer und Schauspieler im Theater referiert werde; Astyd. II Herakles F 4, dazu infra p. 394-395; cf. auch trag. adesp. *F 646a, dazu infra p. 48-50.

40

Der Niedergang des Satyrspiels

viel seltener und weniger exponiert zum Einsatz kommt.50 Grob vereinfacht ist folgendes Szenario denkbar: Mit der Komödie übernimmt eine Gattung, die auch jenseits der Tragödie relevant und lebensfähig ist, die vom Satyrspiel versehene Aufgabe, die Tragödie zu reflektieren und zu kritisieren. Dabei absorbiert sie, wie wir gleich sehen werden, auch andere bewährte Eigenschaften des Satyrspiels –51 und entzieht diesem damit letztlich seine Legitimität.

Interaktionen von Satyrspiel und Komödie In jüngerer Zeit sind verschiedene Momente der Interaktion zwischen den beiden komischen Gattungen beschrieben worden –52 ich komme auch in diversen Pas50

Auch im Satyrspiel, das lehrt uns der euripideische Kyklops, klingen zeitgenössische Stimmen und Ideen nicht nur an, sondern werden auch reflektiert und der Lächerlichkeit preisgegeben. In der Regel bleibt es dabei aber beim Allgemeineren; der partikulare Angriff auf individuelle Zeitgenossen und Ereignisse bleibt weitgehend aus. Cf. jedoch die Arbeiten von Paganelli 1979; 1980 zu den ‘echi storici e politici’ im Kyklops, ferner infra p. 332 n. 13, p. 345 n. 64. Mit einer tagespolitischen Anspielung in den Ichneutai rechnet Maltese 1982, 76 (ad S. Ichn. 103). Es ist jedoch mit Nachdruck festzuhalten, dass diese im Satyrspiel durchaus vorhandenen Anspielungen auf tagespolitische Geschehnisse stets ohne die Nennung individueller Namen auskommen – und darin besteht ein wesentlicher Unterschied zur Komödie. 51 In eine ähnliche Richtung scheint mir Shaw 2010 zu gehen, der ein Modell entwirft, das die Ablösung der Alten durch die Mittlere Komödie mit dem Einfluss des Satyrspiels erklärt. Einen radikaleren Theorie-Entwurf verspricht Shaws noch unveröffentlichte PhD Thesis aus dem Jahr 2005 (cf. die folgende n.). 52 E.g. die ‘Athleteninvektive’ in Euripides’ Autolykos, die Pechstein (1998, 70-85) zufolge als Replik auf den bei Aristophanes wiederholt und besonders gegen Euripides erhobenen Vorwurf zu verstehen ist, die sophistische Redekunst halte junge Männer von der palaistra fern. – Scharffenberger 1995 sieht in Peisetairos’ angedrohter Behandlung der Iris in Ar. Av. 1253-1256 eine Anleihe beim Satyrspiel. Zagagi 1999 isoliert komödienhafte Züge in Sophokles’ Ichneutai. Kirkpatrick/Dunn 2002 untersuchen Momente der Interaktion anhand der Herakles-Figur. Voelke 2003 macht auf zahlreiche Gemeinsamkeiten der Gattungen aufmerksam. Revermann 2006, 103-104 spricht von der “cross-generic appropriation of satyr play” (103) durch die Komödie. Shaw 2005 greift darwinistische Konzepte auf (‘natural and artificial selection’), um das Verhältnis von Satyrspiel und Komödie zu beschreiben. Eine Reihe von neueren Studien untersuchen die seit langem vermutete Beziehung von Ar. Pax 296-300 zum Hilferuf in A. Dikt. **F 46a: Jouan 1997, 222224; Hall 2006d, bes. 338-341; Bakola 2010, 108-110. In seiner noch unveröffentlichten Dissertation zur Intertextualität im Frieden äussert sich Fabian Zogg (Zürich) allerdings sehr kritisch über die Ergebnisse dieser Studien, er sieht keinen Anlass, von einem intertextuellen Verhältnis zu sprechen. Angesichts des sehr ähnlich gestalteten Hilferufs in den Ichneutai rechne ich beim Frieden mit Referenzen auf die Gattung Satyrspiel (“Systemreferenz” in der Terminologie Zoggs).

Interaktionen von Satyrspiel und Komödie

41

sagen dieser Arbeit auf solche Momente zu sprechen. Hervorzuheben sind unter diesen Studien insbesondere jene von Bakola (2005; 2010)53 zu Kratinos’ Dionysalexandros, dessen Hypothesis in einem Oxyrhynchus-Papyrusfragment (P.Oxy. 663)54 überliefert ist. In dieser Anfang der 30er- (437 v.Chr.)55 oder Anfang der 20er-Jahre (429 v.Chr.)56 an den Grossen Dionysien aufgeführten Komödie ist ein “cross generic play” (Bakola 2010, e.g. 101) zwischen Komödie und Satyrspiel zu beobachten. Das Hypothesis-Fragment gibt zu erkennen, wie sich eine Komödie elementare Satyrspieleigenschaften anverwandeln kann, ohne dabei komödienspezifische Verfahrensweisen aufzugeben. Sie hat folgenden Wortlaut: col. i

col. ii

]. . . . . . . . . . . ]ζητ( ) . . . . . . . . . . ]παν . . . . . . . ] α̣υτον µη . . . . . κ]ρ̣̣ίσιν ὁ Ἑρµ(ῆς) ἀπέρχ]εται κ(αὶ) οὗτοι µ(ὲν) πρ(ὸς) τοὺς θεατάς τινα π(ερὶ) ὑῶν ποιή(σεως) διαλέγονται κ(αὶ) παραφανέντα τὸν Δ∆ιόνυσον ἐπικώ(πτουσι) (καὶ) χλευάζου(σιν)· ὁ δ(ὲ) παραγενοµένων 〈 〉 αὐτῷ παρὰ µ(ὲν) ῞Η̣̣ρ̣α̣[ς] τυραννίδο(ς) ἀκινήτου, πα[ρ]ὰ δ’ Ἀθηνᾶς εὐψυχί(ας) κ(α)τ(ὰ) πόλεµο(ν), τῆς δ’ Ἀφροδί(της) κάλλιστό(ν) τε κ(αὶ) ἐπέραστον αὐτὸν ὑπάρχειν, κρίνει ταύτην νικᾶν. µ(ε)τ(ὰ) δ(ὲ) ταῦ(τα) πλεύσας εἰς Λακεδαίµο(να) (καὶ) τὴν Ἑλένην

Δ∆ΙΟΝΥΣ[ΑΛΕΞΑΝΔ∆ΡΟΣ Η̅ [ ΚΡΑΤ[ΕΙΝΟΥ

53

5 τὸν Ἀλέξαν[δ(ρον). τὴν µ(ὲν) οὖν Ἑλένη(ν) εἰς τάλαρον ὡς τ̣̣ά̣[χιστα 30 κρύψας, ἑαυτὸν δ’ εἰς κριὸ[ν µ(ε)τ(α)σκευάσας ὑποµένει ⸏τὸ µέλλον. παραγενό10 µενος δ’ Ἀλέξανδ(ρος) κ(αὶ) φωράσας ἑκάτερο(ν) ἄγειν ἐπὶ τὰς 35 ναῦς πρ(οσ)τάττει ὡς παραδώσων τοῖς Ἀχαιοῖ(ς). ὀκνούσης δ(ὲ) τῆς Ἑλένη(ς) ταύτην µ(ὲν) οἰκτείρας ὡς γυναῖχ’ ἕξων ἐπικατέχ(ει), 15 τὸν δ(ὲ) Δ∆ιόνυ(σον) ὡς παραδοθη40 σόµενο(ν) ἀποστέλλει, συνακολουθ(οῦσι) δ’ οἱ σάτυ(ροι) παρακαλοῦντές τε κ(αὶ) οὐκ ἂν προδώσειν 20 ⸏αὐτὸν φάσκοντες. κωµῳδεῖται δ’ ἐν τῷ δράµατι Πε45

Eine längere Version des Artikels von Bakola 2005 findet sich in Bakola 2010, 82-102, cf. ferner Bakola 2010, 285-294 (Kap. 5.3.2: “The Beauty Contestants in Dionysalexandros”), sowie die Appendices 1 (zur Parabase des Dionysalexandros, P.Oxy. 663 col. i.6-9), 4 (Text der Hypothesis des Dionysalexandros [P.Oxy. 663] nach K./A. in PCG 4, p. 140) und 5 (neue Edition der Hypothesis des Dionysalexandros). 54 Ed. pr.: Grenfell/Hunt 1904 (in POxy IV). 55 Storey 2006, 113-116 und 124 (a) und (b). 56 Jüngst Bakola 2010, 303 und bereits die Erstherausgeber Grenfell/Hunt 1904, 70 sowie e.g. Körte 1904, 486.

42

Der Niedergang des Satyrspiels

ἐξαγαγὼν ἐπανέρχετ(αι) εἰς τὴν Ἴδην. ἀκού(ει) δ(ὲ) µετ’ ὀλίγον τοὺς Ἀχαιοὺς πυρπολ]εῖν τὴν χώ(ραν) (καὶ) [ζητεῖν

ρικλῆς µάλα πιθανῶ δι’ ἐµφάσεως ὡς ἐπαγηοχὼς ⸏τοῖς Ἀθηναίοις τὸν πόλεµον 25

… suchen … ihn nicht … Urteil, Hermes (5) geht weg und diese sagen zu den Zuschauern einige Dinge über ?57 und als Dionysos auftritt (10), verhöhnen und verspotten sie ihn. Dieser, nach der Ankunft 〈der Göttinnen, und dem Angebot〉 unerschütterlicher Macht seitens der Hera, seitens Athene Mut im Krieg und wunderschön und begehrenswert zu werden von Aphrodite, kürt diese zur Siegerin. Darauf segelt er nach Sparta, entführt Helena und kehrt zum Ida zurück. Kurz darauf hört er, dass die Achaier die Stadt verwüsten und den Alexandros [suchen]. Die Helena versteckt er unverzüglich in einem Korb, sich selber verwandelt er in einen Widder und harrt dessen, was kommt. Alexandros kommt an, entdeckt die beiden und gibt (dem Chor) die Anweisung, sie zu den Schiffen zu bringen, damit er sie den Achaiern übergeben könne. Weil Helena jedoch so davor zurückschreckt, erbarmt er sich ihrer und behält sie als künftige Ehefrau zurück, den Dionysos hingegen schickt er los, damit er ausgeliefert werde. Die Satyrn begleiten ihn (sc. Dionysos), sprechen ihm Mut zu und beteuern, dass sie ihn niemals verraten würden. In diesem Stück wird Perikles sehr treffend aufs Korn genommen; insinuiert wird, dass er den Krieg über die Athener gebracht habe. (Cratin. Hypoth. Dionysalexandros T i K./A. ≌ P.Oxy. 663 col. i.1-25 und col. ii.26-48; Text: PCG 4)

Schon die Erstherausgeber des Papyrus und die ersten Kommentatoren waren der Ansicht, dass Kratinos im Dionysalexandros mit einem Satyr-Chor operiere – zu diesem Schluss gelangt auch Bakola (2005; 2010).58 Dabei handelt es sich nicht, wie auch behauptet worden ist, um einen subsidiären,59 sondern um den alleinigen Chor des Stückes. Mit dem Chor der Satyrn nimmt Kratinos das primäre Gattungskonstituens des Satyrspiels für die komische Bühne in Anspruch. Wie Bakola nachweist, erschöpfen sich die Anleihen des Dionysalexandros beim Satyrspiel darin aber noch lange nicht: Der Satyrchor gerät hier in ein burlesk verzerrtes mythisches setting, und es wird eine Reihe typischer Satyrspielmotive aufgegriffen.60 Bemerkenswert ist insbesondere, dass sich die Satyrn im Dionys57 Die Lesart π(ερὶ) ὑῶν ποιή(σεως) (P.Oxy. 663 col. i.8), die Kassel und Austin drucken, bedeutet so etwas wie ‘die Produktion von Söhnen’, vide infra n. 65 zu den alternativen Lesarten und den möglichen Interpretationen der Stelle. 58 Grenfell/Hunt 1904 (ed. pr.); Körte 1904, 483; Croiset 1904, 299; Bakola 2005, 46-51; Bakola 2010, 82-88. Für weitere Vertreter dieser These cf. die bei Bakola 2010, 82 n. 5 genannten Arbeiten; cf. auch Storey 2005, 202, 211-212; Storey 2006, 119-122. 59 Cf. zur gegenteiligen Annahme, Kratinos operiere im Dionysalexandros mit einem Chor von Hirten und einem subsidiären Satyr-Chor die bei Bakola 2005, 46 n. 5 genannte Literatur. 60 Bakola 2010, 89-97 benennt folgende Satyrspiel-Eigenschaften des Dionysalexandros: (i) das mythische Thema, (ii) die burleske Aufbereitung dieses Themas, (iii) die Präsenz

Interaktionen von Satyrspiel und Komödie

43

alexandros phasenweise von Dionysos distanzieren – sie verhöhnen und verspotten ihn – (P.Oxy. 663 col. i.10-12), um bei Stückende in seine Obhut zurückzukehren (col. ii.41-44). Das Spiel mit der Ab-/Anwesenheit und dem temporären ‘Ausschluss’ des Dionysos, das ich zu den zentralen Satyrspielstrategien rechne (Kap. 4), wird im Dionysalexandros also ebenfalls adaptiert.61 Selbstredend ist die Funktion dieser Strategie bei Kratinos nicht völlig kongruent mit jener, die sie im Satyrspiel besitzt; ein reentry des Gottes auf die tragische Bühne kann die Komödie per definitionem nicht leisten. Sehr wohl aber könnte auch der Komödie die Rückführung des ‘unbeschwerten Dionysos’ in sein Theater angelegen sein – es steht zu vermuten, dass der Dionysalexandros diesem Zweck diente.62 Der Hypothesis des Dionysalexandros lässt sich entnehmen, dass die Satyrn in der kurz auf den Stückbeginn folgenden Parabase ihr Wort an die Zuschauer richten (col. i.6-9).63 Hier setzt Kratinos also das für die Komödie typische (dem Satyrspiel fremde) dramatische Element der Adressierung des Publikums ein. Unklar ist, worüber die Satyrn ihr Publikum informieren. Geht es um die ‘Produktion von Schweinen?’64 oder doch eher die ‘Produktion von Söhnen’? Und dabei spezifisch um die Adoption des jüngeren Perikles? Oder allgemein um das Zeugen von Kindern? – Oder um den Dichter? Die Dichter? Die Dichtkunst?65 des Satyrchors, (iv) den Motivkomplex ‘estrangement of the satyrs from their master Dionysus – engagement with some unaccustomed and un-Dionysiac activity – reunion with Dionysos’, (v) das Motiv der Gefangenschaft, (vi) List und Betrug, (vii) das ländliche setting, (viii) das Liebesabenteuer eines Gottes mit einer Sterblichen und/oder den gamos eines Gottes oder eines Heros, (ix) das Thema eines Wettbewerbs (in diesem Fall der κρίσις des Paris, bei der es sich vermutlich auch um den Gegenstand von Sophokles’ Satyrspiel Krisis handelt), (x) das Motiv der Verkleidung und Verwandlung, (xi) das Motiv der Gastfreundschaft und ihrer Verletzung. 61 Cf. Bakola 2005, 51-54. 62 Vide supra p. 35 n. 33 zur ‘impliziten dionysischen Poetik der Komödie’. 63 Dass sich die Verse P.Oxy. 663 col. i.6-9 auf die Parabase beziehen, legen die expliziten Hinweise auf Schauspielerabgang bzw. Schauspielerauftritt in den rahmenden Worten nahe (col.i. 5-6: ὁ Ἑρµ(ῆς) / ἀπέρχ]εται; col. i.10-11: παραφανέντα τὸν / Δ∆ιόνυσον). Bakola (2010, 297 mit n. 3) nennt ausserdem sprachliche Parallelen zu anderen Zusammenfassungen von Parabasen in hellenistischen Hypotheseis. 64 Cf. Storey 2006, 107. 65 Die Buchstabenfolge des Papyrus πυωνποιη (P.Oxy. 663 col. i.8) wurde von den Erstherausgebern Grenfell und Hunt (1904, 71) bei πυων ποιη belassen, jedoch zögernd gemäss Blass’ Vorschlag υπερ του ποιη(του) übersetzt: “on behalf (?) of the poet” (ibid. 72). Cf. bei Grenfell/Hunt 1904, 72 n. zu Z. 8 auch den Hinweis auf Körtes Alternative π(ερι) των ποιη(των), ‘über die Dichter / die Dichter betreffend’ (sc. Körte 1904, 484). Dagegen bezieht Rutherford, an der Überlieferung festhaltend (bzw. π als π' auffassend), die Wendung auf “the legitimizing of the younger Pericles” und paraphrasiert: “Turning to the audience they talk with one another on the question how men may get themselves sons” (Rutherford 1904, 440). Während dies meist zugunsten der Parallele zu den

44

Der Niedergang des Satyrspiels

So oder so verrät abschliessenden Bemerkung, wonach in diesem Stück Perikles verspottet werde, dass im Dionysalexandros auch die zweite Satyrspiel-fremde Komödienstrategie am Werk ist: der ad personam-Spott, ὀνοµαστὶ κωµῳδεῖν.66 Der Dionysalexandros stellt eine Fortsetzung der Satyrspiel-Serie (cf. Kap. 7) auf der komischen Bühne dar. Ob und inwieweit Kratinos sich dabei die Dynamik dieser spezifischen Form von Serialität zunutze gemacht hat, ist schwer einzuschätzen. Dass aber die Serie des Satyrspiels auf der komischen Bühne fortgeführt wird, ist kein Einzelfall – im Gegenteil ist gewissermassen eine komödieneigene Satyrspiel-Serie zu verzeichnen. Für die Jahre nach 440 v.Chr. wissen wir neben dem Dionysalexandros von sieben (oder acht)67 Komödien, in denen ein Satyrchor auftrat – fünf oder sechs dieser Stücke tragen den Titel Σάτυροι. Mit Nachdruck ist hervorzuheben, dass diese Komödien also nicht nur das essentielle Merkmal der Gattung des Satyrspiels, den Chor der Satyrn, appropriiert haben,68 sondern sogar dessen Namen, i.e. die Gattungsbezeichnung.69 An den Lenäen des Jahres 437 v.Chr. (i.e. in dem Jahr, in dem Storey 2006 zufolge auch der Dionysalexandros aufgeführt wurde) errang Kallias mit seiner Komödie Satyroi den vierten Rang (1);70 unter dem Namen des Phrynichos ist eine SatyroiKomödie überliefert, die Geissler zufolge in die Jahre zwischen 425 und 420 zu datieren ist (2);71 an den Lenäen im Jahr 424 belegte Kratinos mit Satyroi den

‘Dichter-zentrierten’ aristophanischen Parabasen fallengelassen worden ist (so etwa bei Whittaker 1935, 188 der Körtes π(ερι) των ποιη(των) als “the best of the proposed restorations” bezeichnet, macht Handley 1982 einen Vorschlag in Rutherfords Richtung: π(ερὶ) ὑῶν ποιή(σεως). Handley deutet dies, unter Berücksichtigung von P.Oxy. 2806, jedoch i.S.v. ‘about the getting of sons’. Während Handleys Lesart von Kassel und Austin übernommen wird, wird sie von Luppe 1988c abgelehnt, der wiederum ganz klar für π(ερὶ) τῶν ποιη(τῶν) argumentiert; cf. auch Storey 2006, 108 und 124 (d). Cf. die Diskussion bei Bakola 2010, 297-304, die an den ‘Söhnen’ (ὑῶν) festhält und für die Lesart π[(ερὶ)] ὑῶν ποιη(τῶν) plädiert und dies als Ausdruck für die ‘Adoption von Söhnen’ vel sim. interpretiert. – Obbink 2011, 287 lässt die Frage offen und übersetzt: “about the making of sons (or: about poets).” 66 Freilich bleibt offen, ob Perikles tatsächlich mit Namen genannt oder ob nur in wenig verschlüsselter Weise über ihn gesprochen wird; sicher scheint jedoch, dass hier eine dem Satyrspiel fremde Form von ad personam-Spott betrieben wird. Eine Diskussion über den möglichen Gegenstand des Spotts findet sich bei Storey 2006, 116-119. 67 Cf. Storey 2005, 201-202. 68 Revermann 2006, 103. 69 Zur Gattungsbezeichnung Σάτυροι: supra p. 20 mit n. 3. 70 Call.Com. *T 4.4 K./A. 71 Phryn.Com. T 1 K./A. = Suda φ 763 s.v. Φρύνιχος, Ἀθηναῖος, κωµικὸς τῶν ἐπιδευτέρων τῆς ἀρχαίας κωµῳδίας. ἐδίδαξε γοῦν τὸ πρῶτον ἐπὶ πϛʹ ὀλυµπιάδος. δράµατα δὲ αὐτοῦ ἐστι ταῦτα· Ἐφιάλτης, Κόννος, Κρόνος, Κωµασταί, Σάτυροι, Τραγῳδοὶ ἢ Ἀπελεύθεροι, Μονότροπος, Μοῦσαι, Μύστης, Ποάστριαι, Σάτυροι. – Zur Datierung: Geiss-

Interaktionen von Satyrspiel und Komödie

45

zweiten Rang hinter Aristophanes (3);72 Satyroi-Komödien sind weiter auch für Ekphantides (4),73 Ophelion (5)74 und einen anonymen Komödiendichter (6)75 überliefert. Unter dem Namen des Timokles schliesslich sind zwei Titel überliefert, die auf einen Satyrchor schliessen lassen: Demosatyroi (7) und Ikarioi Satyroi (8).76 Die erste dieser Satyroi-Komödien fällt in das Jahr 437 v.Chr. Marshall (2000) legt dies als Reaktion des Komödiendichters Kallias auf Euripides’ Aufführung der Alkestis im Vorjahr (438 v.Chr.) aus, jenes Stücks in vierter Position der Tetralogie also, das keinen Satyrchor hat.77 Die Absenz von Satyrn in der ler 1925, 25 und xiii. – Phrynichos’ Satyroi sind mit sechs Fragmenten (F 46-51 K./A.) vergleichsweise gut dokumentiert. 72 So ist es Hypoth. II 4 Ar. Eq. zu entnehmen, cf. PCG 4, p. 232 ad loc. 73 Gemäss Ecphantid. T 1 K./A. = IG II2 2325 col. I. fr. d.49 (Poetae comoediarum Dionysiis victores; IG II2, p. 666) siegte Ekphantides nach 458 v.Chr. viermal bei den Grossen Dionysien (cf. PCG 5, p. 126). PCG 5 nennt zwei Titel unter seinem Namen: Πεῖραι und Σάτυροι. Unter letzterem Titel sind zwei der insgesamt sechs Fragmente überliefert: Ecphantid. F 1 und 2 K./A.; cf. PCG 5, p. 127 ad loc. 74 Zu Ophelion cf. Suda ω 272 s.v. Ὠφελίων, κωµικός. µέµνηται αὐτοῦ καὶ Ἀθηναῖος ἐν τῷ δευτέρῳ βιβλίῳ τῶν Δ∆ειπνοσοφιστῶν. φησὶ δὲ τῶν δραµάτων αὐτοῦ εἶναι ταῦτα· Δ∆ευκαλίωνα, Κάλλαισχρον, Κένταυρον, Σατύρους, Μούσας, Μονοτρόπους. – Die letzten drei Titel sind Meineke 1839 (FCG I), 415 zufolge aber wahrscheinlich Phrynichos zuzuschreiben, unter dessen Namen sie im entsprechenden Suda-Artikel (φ 763, cf. supra n. 71) ebenfalls angeführt werden. Cf. PCG 7, p. 97 ad Ophel. T 1 K./A. 75 CGFP Λέξεις κωµικαί com. adesp. F 343 Austin (P.Oxy. 1801 recto) bewahrt Bruchstücke einer Liste von Wörtern aus der Alten Komödie mit dem Anfangsbuchstaben β. Im Lemma βδύλλειν findet sich ein Hinweis auf ein Stück des Titels Σάτυροι. Selbstredend kann sich hinter diesem Anonymus einer der hier genannten Dichter verbergen. 76 Δ∆ηµοσάτυροι: Cf. Timocl. T 1 K./A. = Suda τ 623 s.v. Τιµοκλῆς, Ἀθηναῖος, κωµικός. τῶν δραµάτων αὐτοῦ ἐστι Δ∆ηµοσάτυροι, Κένταυρος, Καύνιοι, Ἐπιστολαί, Ἐπιχαιρέκακος, Φιλοδικαστής, Πύκτης· ὥς φησιν Ἀθήναιος ἐν Δ∆ειπνοσοφισταῖς. Ein Fragment der Demosatyroi ist erhalten: Timocl. F 5 K./A. – Ἰκάριοι Σάτυροι: Timocl. F 15-19 K./A. Die Suda reiht diesen Titel unter die Werke eines vermeintlichen ‘anderen Komödiendichters Timokles’: τ 624 s.v. Τιµοκλῆς ἕτερος, καὶ αὐτὸς κωµικός. τῶν δραµάτων αὐτοῦ ἐστι Δ∆ιονυσιάζουσαι, Πολυπράγµων, Ἰκάριοι, Δ∆ῆλος, Λήθη, Δ∆ιόνυσος, Κονίσαλος, Πορφύρα (ἥτις καὶ δοκεῖ Ξενάρχου εἶναι), Ἥρωες, Δ∆ρακόντιον, Νέαιρα (ἑταίρας δὲ ὄνοµά ἐστιν ἡ Νέαιρα), Ὀρέστης, Μαραθώνιοι. ταῦτα Ἀθήναιος λέγει ἐν τοῖς βιβλίοις τῶν Δ∆ειπνοσοφιστῶν. εἰσὶ δὲ καὶ ἄλλα. 77 Cf. die Hypothesis der Alkestis aus der Feder des Grammatikers Aristophanes: … δεύτερος Εὐριπίδης Κρήσσαις, Ἀλκµαίωνι τῷ διὰ Ψωφῖδος, Τηλέφῳ, Ἀλκήστιδι … συνέστηκε δὲ ὁ χορὸς ἔκ τινων πρεσβυτῶν ἐντοπίων, οἳ καὶ παραγίνονται συµπαθήσοντες ταῖς Ἀλκήστιδος συµφοραῖς … – Marshalls Erklärung wird bei Storey 2005 und 2006 auf die Satyroi des Ekphantides und auf Kratinos’ Dionysalexandros ausgedehnt. Er gruppiert die Komödien der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts, die einen Satyrchor haben, in zwei “clusters” und ordnet eines den mittleren 430er Jahren (Call.Com. Satyroi, Ecphan-

46

Der Niedergang des Satyrspiels

Alkestis wiederum interpretiert er als Euripides’ Reaktion auf das 440/439 v.Chr. unter dem Archon Morychides erlassene Gesetz, das die Spottfreiheit der Komödie einschränkte.78 In das Jahr 440 v.Chr. fällt aber auch die Einführung des Tragikeragons an den Lenäen, der keine Satyrspiele mehr beinhaltet. Ohne die Interpretation Marshalls auszuschliessen, scheint mir dies der entscheidende Grund für das nach 440 v.Chr. zu verzeichnende plötzliche Auftreten von Satyrn auf der komischen Bühne zu sein. Nicht nur Dionysos, auch seine Anhänger sind aus dem Theater offenbar nicht eliminierbar. Im Lichte der Feststellung, dass die Komödie des fünften Jahrhunderts in so vielfältiger Weise mit dem Satyrspiel interagiert und sich zahlreiche Charakteristika dieser Gattung aneignet, frappiert die Tatsache, dass die sonst so überexplizite Komödie das Satyrspiel in den erhaltenen Dramentexten selbst so gut wie nie erwähnt.79 Dieses auffällige Schweigen über das Satyrspiel verstehe ich, ent-

tid. Satyroi und Cratin. Dionysalexandros), ein zweites (Cratin. Satyroi, Phryn.Com. Satyroi) den 420er Jahren zu. Ersteres “cluster” deutet er auf der Grundlage von Marshalls Theorie ebenfalls als Reaktion der Komödiendichter auf die Satyrlosigkeit der Alkestis (Storey 2005, 216; Storey 2006, bes. 114-115). 78 Schol. Ar. Ach. 67. – Im Gegensatz zu anderen Berichten über Gesetze, welche die Freiheit des ὀνοµαστὶ κωµῳδεῖν einschränkten oder verboten, wird die Historizität des Morychides-Dekrets kaum angezweifelt, cf. die Diskussion und den Überblick über die relevante Forschung bei Zimmermann 2011b, 701-702. – In diesen Zusammenhang ist vielleicht auch Euanthius’ eigenwillige ‘Periodisierung der Komödie’ in De comoedia vel De fabula einzuordnen, derzufolge in Reaktion auf ein Gesetz, das die Redefreiheit der Dichter der Alten Komödie einschränkte, eine neue Art von fabula entstand: die nach den Satyrn benannte satyra: Sed cum poetae (sc. der Alten Komödie) licentius abuti stilo et passim laedere ex libidine coepissent plures bonos, ne quisquam in alterum carmen infame proponeret lata lege siluerunt. Et hinc deinde aliud genus fabulae, id est satyra, sumpsit exordium, quae a satyris, quos in iocis semper ac petulantes deos scimus esse, uocitata est …. Haec satyra igitur eiusmodi fuit, ut in ea quamuis duro et uelut agresti ioco de uitiis ciuium, tamen sine ullo proprii nominis titulo, carmen esset. … coacti omittere satyram, aliud genus carminis τὴν νέαν κοµῳδίαν, hoc est nouam comoediam, reppererunt poetae (Evanth. De com. 2.4-6). Bei aller begrifflichen Unschärfe, an der die Stelle insgesamt leidet, stellt sich die Frage, ob Euanthius hier nicht eine Abfolge ‘Alte Komödie – Satyroi-Komödien – Neue Komödie’ beschreibe. Cf. die Diskussion bei Nesselrath 1990, 41-45. 79 Jüngst hat Gregory Dobrov die Frage gestellt, warum die beiden komischen Genera sich gegenseitig auffällig und geradezu ‘systematisch’ ignorieren und jegliche Auseinandersetzung miteinander vermeiden. Er spricht von einer “firewall” (253) zwischen Komödie und Satyrspiel, die ein einziges Mal durchbrochen werde, in der anodos-Szene in Aristophanes’ Frieden 426-526. Dobrov erklärt die (angeblich einmalige) Kooperation der beiden Genera im Frieden damit, dass das Satyrspiel der extra- oder panhellenischen Realität zugeordnet sei und bleibe, derweil die Komödie sich direkt mit der Polis anlege, und dass die Komödie in dem Moment auf das Satyrspiel zurückgreife, wo es eine

Interaktionen von Satyrspiel und Komödie

47

sprechend meiner These, wonach das Verhältnis von Komödie und Satyrspiel in den Kategorien der Rivalität und der Sukzession zu denken ist, als einen Überlegenheitsgestus der Komödie, die den Konkurrenten ausblendet, dessen bewährte Eigenschaften sie absorbiert hat. An einer einzigen Stelle im ganzen Komikerkorpus ist explizit vom Satyrspiel die Rede.80 Der Verwandte des Euripides in Aristophanes’ Thesmophoriazusen, der unschwer als die Verkörperung eines Komödiendichters schlechthin zu erkennen ist, empfiehlt dem Tragiker Agathon, den er zusammen mit Euripides zuhause aufgesucht hat, auf ihn zu setzen, wenn er Satyrspiele dichte: ὅταν σατύρους τοίνυν ποῇς, καλεῖν ἐµέ, ἵνα συµποῶ σοὔπισθεν ἐστυκὼς ἐγώ. Und wenn du ein Satyrspiel dichtest, dann ruf mich, damit ich mit meinem Ständer von hinten kollaborieren kann. (Ar. Th. 157-158)

Damit reagiert er auf die Dichtungslehre, die Agathon den beiden Eindringlingen dargelegt hat. Ein Aspekt dieser Theorie besteht in der Forderung an den Dichter, sich seinem Gegenstand in jeder Hinsicht anzupassen. Der Verwandte des Euripides wendet Agathons Theorem auf das Satyrspiel an. Die sexuelle Irreverenz der Satyrn hat vom Dichter antizipiert zu werden. Bezeichnenderweise wird der Satyrspiel-Dichter aber nicht als hyperviriler Potenzheld gezeigt, sondern soll den passiven Part übernehmen. In diesen zwei Versen manifestiert sich, was die gegenwärtige Erforschung des Verhältnisses der beiden Gattungen herausgearbeitet hat: Offensichtlich hat der Verwandte/Komödiendichter etwas zu bieten, was im Satyrspiel erfordert ist: ein aktiver Phallos und überschäumende sexuelle Energie; der Phallos, wenn man so will, markiert die thematischen Überschneidungen der beiden Gattungen,81 oder ihren “close conceptual link” (Revermann 2006, 104).82 Zugleich aber insinuiert der Verwandte, dass sein “utopian heuresis of peace by a pan-Hellenic discovery team” (2007, 251) inszeniere. Die Radikalität von Dobrovs Beobachtung lässt sich keinesfalls halten. 80 Cf. Austin/Olson 2004, 108 ad Ar. Th. 157-158: “The reference is clearly to satyr play.” Die anderen Erwähnungen von Satyrn in der Komödie sind nicht eindeutig als direkte Nennungen der Gattungsbezeichnung auslegbar: Hermippos Moirai *F 47.1 K./A. (Apostrophe des Perikles als König der Satyrn: βασιλεῦ σατύρων); Alexis Epidaurios F 77.4 K./A. (ἐν τοῖς σατύροις i.S.v. ‘unter (den) Satyrn’ gemäss Bergk in einem Brief von 1835 [cit. ap. K./A. in PCG 2, p. 61]). 81 Vide supra p. 35ff. sowie infra p. 64-65. 82 Revermann nennt in seiner Diskussion dieser Stelle den berühmten ‘Cleveland Dionysus’-Glockenkrater (400-380 v.Chr.; Abb.: Revermann 2006, Plate 7, Bildnachweis ibid. ix; der ‘Cleveland Dionyus’ ziert auch das Umschlagsbild von Bakola 2010), der das Antlitz des Dionysos und eine ‘komödienhafte’ Version des Papposilenos zeigt, mit einer Ko-

48

Der Niedergang des Satyrspiels

eigener Phallos geeigneter sei für die Aufgabe als jener des Tragödiendichters – die Differenz ist gradueller Natur.83 Sein Angebot, als ‘Mitautor’84 zu wirken (συµποιεῖν, Th. 158), entspricht dem Paradigma der ‘Kollaboration’ oder ‘Kooperation’ der beiden Gattungen:85 Der Verwandte will sich der Satyrspieldichtung bereitwillig zuwenden. Sein Angebot ist nicht nur ein Ausdruck der Aggressivität der Komödie, die dem Satyrspiel abgeht, sondern auch des Willens zur Appropriation.86 So gelesen, sind diese Verse – die einzige Stelle, an der das Schweigen über das Satyrspiel gebrochen und an der explizit über die Gattung gesprochen wird – ein Ausdruck des Versuchs der Komödie, ihre Überlegenheit gegenüber dem Satyrspiel zu implementieren.87 Zugleich zeigen sie, dass sich die Komödie des Aristophanes, deren erklärtes Anliegen es ist, sich als der Tragödie ebenbürtig zu erweisen, auch an der Gattung Satyrspiel abzuarbeiten hat, die zur tragischen Dichtkunst gehört. * Unter den adespota tragica befindet sich das in seiner Genrezugehörigkeit kontrovers diskutierte *F 646a,88 in dem der hier skizzierte Status des Satyrspiels mödienmaske und einem langen herunterhängenden Phallos. Revermann macht hier die interessante Bemerkung, dass diese Darstellung womöglich das Verhältnis der Komödie zum Satyrspiel reflektiere; er hat hierbei aber explizit nicht die aristophanische Komödie im Blick: “This conzeptualization, which stresses comedy’s link with satyr play while celebrating its power of integration, is fundamentally different from the Aristophanic positioning of the genre which continually establishes not satyr play but tragedy as its point of reference, and may echo thoughts about the genre articulated or implied in the plays of rival playwrights” (154). Während Revermann Recht zu geben ist, dass Aristophanes’ Hauptbezugspunkt immer die Tragödie ist, argumentiere ich mit meiner Lektüre von Thesmophoriazusen 157-158 dafür, dass das Satyrspiel und das Verhältnis der Komödie zu diesem, bei Aristophanes thematisiert wird. In meiner Interpretation der Verse 537-540 und 541 aus der Parabase der Wolken, die ich infra Studien II s.v. Kindheit (p. 410-411 mit n. 249) dargelege, vertrete ich ausserdem die These, dass Aristophanes hier seine Komödiendichter-Rivalen zu diskreditieren versucht, indem er, über den Rückgriff auf die Bildwelt und Motivik des Satyrspiels, deren Komödien mit dem Satyrspiel in eins setzt. Diese Spielart von “Aristophanes Versus the Rest” (Silk 2000b) scheint mir bisher übersehen worden zu sein. – Zum ‘Cleveland Dionyus’: Green 1995; Revermann 2006, 245. 83 Supra p. 35. 84 Slater 2002, 156 übersetzt: “Whenever you’re writing a satyr play, call me: / I’ll coauthor your rear nice and hard.” 85 Supra p. 41ff. 86 Supra p. 38-40, 40 n. 52. 87 Supra p. 46-47. 88 Ich zitiere den Text von trag. adesp. *F 646a nach der neuesten Edition von Kannicht 2004 (TrGF V.2, p. 1135-1136); cf. zu den wichtigsten Stationen der Publikationsgeschichte den entsprechenden Paragraphen in der Bibliographie infra p. 453. Dass der Text gleich zweifach als Papyrus überliefert ist, könnte für seine Popularität sprechen. Für die

Interaktionen von Satyrspiel und Komödie

49

gegenüber den beiden grossen Schwestergattungen reflektiert zu werden scheint. Die in anapästischen Tetrametern gehaltenen Verse werden zweifellos vom Silen gesprochen.89 Zunächst ist wahrscheinlich von Hermes die Rede, der jemandem – den Nymphen von Nysa? dem Silen? –90 ‘Semeles Sohn’ (Σ̣εµέ̣λ̣ης [τέ]κ[̣ο]ς̣̣, 4) übergab. Der Erzähler fährt in der 1. Pers. Sg. fort und berichtet, wie er, ‘noch jung’, ‘in der Höhle spielte’, ‘unschelmisch, einfältig, von jeder Schlechtigkeit rein’ und wie er ‘den Sterblichen den neuen Trank des Dionysos offenbarte’, nachdem er sich für die Weinlese und das Keltern eingesetzt hatte (8-14). Weiter ist von einem µύστης die Rede (15), von einer βάκχη (?) (16)91 und dem θίασος (18). Mit den Worten τοιάδε̣̣⌟ κοµπεῖν ἐδιδάχθην – ‘dies zu rühmen hat man mich gelehrt’ (18), schliesst der Sprecher den Passus über die herrliche Vergangenheit, und wendet sich der Gegenwart zu, die zu jener in krassem Kontrast steht, weil sie offenbar grosse Mühsal (πόνος, 23) mit sich bringt. Νῦν δέ92 sei er in ‘List und Tücke’ geraten (20); es folgt ein Apell an weibliche Gottheiten, wahrscheinlich die Musen: ⏖–⏖– ⏖–⏖– ⏖–⏖–

– ]γνωτε, θεαί· τραγ̣̣⌟ικῶν ὁ παρὼν πόνος ὕµνων – ].ος ὁρίζει· µὴ τ̣̣⌟ὰ δικαίως καλὰ µό̣χθωι – ]φθέντα µόλις θ̣̣⌟ῆτε παρέργου τρίτα φόρτου

Zugehörigkeit zu einem Satyrspiel argumentieren e.g. Luppe 1988a, 36; Kannicht in TrGF und Musa Tragica; Conrad 1997, 216-220; d’Alessio 2007. – Meine Paraphrase ist sprachlich an die Übersetzung in Musa Tragica 253 angelehnt. 89 Diskutiert werden zwei Möglichkeiten: Entweder sind die Verse der gesamten Partie vom Silen gesprochen, so e.g. Luppe 1988a; Kannicht in Musa Tragica und TrGF V.2. Alternativ: Die Verse gehören Dionysos, so Kramer 1979, 3-5 (im Kommentar zu ihrer editio princeps von P.Fackelmann 5 fr. b); V. 7-12 sind von Dionysos gesprochen, so Snell/Kannicht in TrGF II, p. 217. Zur Sprecherfrage cf. auch Bierl 1991, bes. 360-362; 373-376. Die jüngste Forschung geht vom Silen als dem alleinigen Sprecher der Verse aus: Cf. Gallo 1992d, 115; Conrad 1997, 216; Kruschwitz/Lehmann/Schloemann in KPS 637-638; di Marco 2003, 47-48; Kannicht in TrGF V.2; Battezzato 2006 (cf. 20: “il frammento sembra essere pronunciato da una persona che ha curato Dioniso bambino, quasi sicuramente Sileno …”); D’Alessio 2007, 120-121. 90 Cf. V. 12: παιδεύσας ὥριον ἥβ̣̣⌟ην ἐφύλαξα; zum Satyrspieltopos der παιδοτροφία/παιδαγωγία cf. e.g. die Szene in A. Dikt. F 47a.802-820 und die weiteren Stellen in Studien II s.v. Kindheit. Cf. ibid. zur Ähnlichkeit dieser Verse mit den ersten Prologversen des Silen im Kyklops. 91 Kannichts Konjektur βάκχη (16) ist abgedruckt im Text von Musa Tragica, nicht jedoch in der Edition von TrGF V.2, wo sie aber im kritischen Apparat verzeichnet ist. 92 Mit νῦν δὲ leitet auch Kyllene die Ichneutai-Passage ein, in der sie das frühere Thiasosleben mit dem gegenwärtigen Jägertum der Satyrn in Kontrast setzt, S. Ichn. 229. Umgekehrt verwendet der Silen die Wortfuge in den Diktyulkoi, wenn er der Pein, die Danaë zu erleiden hatte, das ihr bevorstehende Leben im Kreise des Thiasos entgegensetzt, A. Dikt. F 47a.829 (νῦν δ’ οὖν).

50

Der Niedergang des Satyrspiels … seht ein, ihr Göttinnen: die gegenwärtige Mühsal der tragischen Lieder … festgelegt: das rechtens Schöne, mit Mühe … erlangt zur Not, macht’s nicht als drittrangig zur Nebenfracht (?).93

Der Text endet mit der Erwähnung des Dionysos als ‘Richter im Agon’: ⏖–⏖– ⏖–⏖–

⏖–⏖– – ]α̣δεν ὀ̣ρθῆι Δ∆ιόνυσος ⏖–⏖– –⏑ β]ρ̣αβεύσας̣ γ̣’ ἐν ἀγῶνι ⊗

… aufrichtig Dionysos … als Richter entscheidend im Wettkampf. (trag. adesp. *F 646a.23-25, 26-27; Text nach Kannicht in TrGF V.2; Übersetzung angelehnt an Musa Tragica)

Wegen seines offensichtlich parabasenhaften Tones beziehungsweise seiner ‘metatheatral(isch)en’ Dimension, wurde das Fragment verschiedentlich dem Satyrspiel abgesprochen und der Komödie zugewiesen.94 Vieles spricht aber dafür, dass hier der Silen wie so oft im Satyrspiel sein ‘eigentliches’, als vergangenes Ideal vorgestelltes Leben der aktuellen Mühsal im Theater gegenübergestellt: Die Klage über die ‘gegenwärtige Arbeit der tragischen Lieder’ scheint mit der Klage des Chores in Euripides’ Kyklops verwandt, σὺν τᾷδε τράγου χλαίνᾳ µελέᾳ – ‘mit diesem erbärmlichen Pelz eines τράγος’ (80) sein Dasein fristen zu müssen.95 Die Aufforderung an die Musen in den Versen 24-25 dürfte zugleich an die Jury und das Publikum gerichtet sein: Somit stellt sie die Bitte dar, das Satyrspiel nicht wie drittrangiges Beiwerk neben Tragödie und Komödie zu behandeln.96

93

Bzw. ‘macht nicht drittrangig zum lästigen Beiwerk (?)’, so übersetzt bei Kruschwitz/ Lehmann/Schloemann in KPS. 94 So e.g. bei Bierl 1990. Primär aufgrund metrischer Analysen: Battezzato 2006, mit einer differenzierten Diskussion. 95 Zur inhaltlichen Ähnlichkeit der beiden Stellen: Lämmle 2007, 376 sowie infra p. 149, 350 und bes. 243. 96 Ähnlich bereits Musa Tragica 250-251: hier scheine “Silenos … dem ‘einstudierten Rühmen’ der Wohltaten des Dionysoskultes (1-18a) ein kritisches Raisonnement über den Rang des Satyrspiels innerhalb der dramatischen Festspielpoesie der Dionysien entgegenzusetzen … (18b-27): möglicherweise im Sinne eines Plädoyers für die Rehabilitation des alten Spieles.” Ähnlich Conrad 1997, 220. – Luppe 1988a, 36 indes bezieht ‘als drittes’ (25) auf den letzten Platz im aktuellen Agon, ἐν ἀγῶνι (27), und deutet die Stelle als Bitte um eine gute Bewertung durch die Jury.

Voraussetzungen

1 Τραγῳδία παίζουσα Die chronologische und insbesondere die genealogische Beziehung zwischen Satyrspiel und Tragödie wurde schon in der Antike kontrovers diskutiert.1 Als gesichert darf gelten, dass es sich beim Satyrspiel des fünften Jahrhunderts um eine Art Tragödie handelt. So bestimmt Demetrios in seiner Stilfibel – im Rahmen einer Erörterung des Unterschieds zwischen dem Anmutigen (τὸ εὔχαρι) und dem Lachhaften (τὸ γέλοιον)2 – das Satyrspiel implizit als eine Spezialform der Tragödie: Ἔνθα µὲν γὰρ γέλωτος τέχναι καὶ χαρίτων, ἐν σατύρῳ καὶ ἐν κωµῳδίαις. Τραγῳδία δὲ χάριτας µὲν παραλαµβάνει ἐν πολλοῖς, ὁ δὲ γέλως ἐχθρὸς τραγῳδίας· οὐδὲ γὰρ ἐπινοήσειεν ἄν τις τραγῳδίαν παίζουσαν, ἐπεὶ σάτυρον γράψει ἀντὶ τραγῳδίας. Dort sind die Spielarten des Lachens und der Anmut gemeinsam am Werk: im Satyrspiel und in den Komödien. Die Tragödie nimmt an vielen Stellen Anmutiges auf, das Lachen aber ist der Tragödie feind. Niemand ersänne nämlich eine spielende [scherzende/tanzende] Tragödie, weil er sonst ein Satyrspiel statt einer Tragödie verfassen würde. (Demetr. Eloc. 169)

Vielzitiert ist die aus diesen Zeilen extrapolierte Definition des Satyrspiels als einer τραγῳδία παίζουσα. Die so gewonnene, knappe Formel erfasst zweierlei treffend: Das genus proximum des Satyrspiels ist die Tragödie; seine differentia specifica aber eine Eigenschaft, die mit der klassischen Tragödie weitgehend unvereinbar scheint. Das Satyrspiel teilt mit der Tragödie seine Kompositions-, Produktions- und Aufführungsbedingungen. Satyrspiele werden von den Tragikern verfasst, am tragischen Agon der Grossen Dionysien, im Rahmen eines Wettbewerbsbeitrags, gespielt; dieser Wettbewerbsbeitrag besteht aus einer Tetralogie von drei Tragödien und einem Satyrspiel, die höchstwahrscheinlich von ein und demselben Chor und von ein und demselben Schauspielerensemble (das, vom Silen-Darsteller abgesehen, die Kostüme tragischer Schauspieler trägt) bestritten wird. Zudem gehorcht das Satyrspiel weitgehend (und von einigen Lizenzen abgesehen) denselben strukturellen, sprachlichen und metrischen Gesetzen wie die klassische Tragödie. 1 2

Infra Kap. 3.2.1. Dieser Unterscheidung sind die Paragraphen Eloc. 163-172 gewidmet.

54

Voraussetzungen

Die Spezifizierung mit dem Attribut παίζουσα (‘scherzend, spielend, tanzend’) begründet Demetrios damit, dass im Satyrspiel wie in der Komödie γέλωτος τέχναι, die ‘Spielarten des Lachens’ am Werk seien; Lachen aber (und was Lachen erregt) sei der Tragödie feind (ὁ δὲ γέλως ἐχθρὸς τραγῳδίας, Eloc. 169). Wiewohl dieses Urteil eine allzu grobe Vereinfachung darstellt,3 kann es doch als in der Tendenz richtig gelten: Das Satyrspiel atmet einen viel heitereren Geist als die Tragödie. Der evidente Wesensunterschied der beiden Gattungen ist dem essentiellen Merkmal des Satyrspiels geschuldet: der permanenten Anwesenheit des immergleichen Chors der Satyrn sowie des Silen.4 Dem Einsatz dieser Wesen ist die zu beobachtende Lockerung der strukturellen Rigidität der Tragödie zuzuschreiben; sie unterlaufen die in der Tragödie strikte Trennung 3

Zum Komischen in der Tragödie grundlegend ist nach wie vor Seidensticker 1982; cf. ferner e.g. Taplin 1986; Taplin 1996 (mit der Replik von Gredley 1996); Jouanna 1998; Seidensticker 2005, 52-53; speziell zur euripideischen Tragödie Burnett 1971/1985; Gregory 2000; zu komischen sprachlichen Elementen in der Tragödie Sommerstein 2002; zu ‘Intersektionen des Tragischen und des Komischen’ im Drama des 5. Jh. v.Chr. cf. die Beiträge in Medda/Mirto/Pattoni 2006 (cf. ibid. die Klammerbemerkung von Goldhill 2006, 87 zum Verhältnis des Satyrspiels zur Tragödie: “Satyr plays are the tragedian’s offering to the ribald and the slapstick: and keep such humour from tragedy”). Vide infra p. 151-152 mit n. 141 zur Frage nach dem komischen Potential von Euripides’ Bakchen. 4 Der Satyrchor darf als gattungskonstituierendes Merkmal des Satyrspiels angesehen werden; so schon Welcker 1826, 335. Nur in einigen wenigen Fällen (und ohne schlagende Beweise) ist bezweifelt worden, dass im Satyrspiel immer ein Satyrchor figurierte, cf. den Hinweis (u.a. auf Steffen 1971b, 215-216) bei Seidensticker 1989b, 338 mit n. 20. Diese Zweifel wurden nicht zuletzt wegen einer Notiz des Grammatikers Diomedes laut, die zu suggerieren scheint, dass der Chor der Satyrn durch andere lächerliche Figuren ersetzt werden konnte: in satyrica (sc. fabula) fere Satyrorum personae inducuntur, aut siquae sunt ridiculae similes Satyris, Autolycus[,] Busiris (Diom. gramm., Grammatici Latini I, p. 490.18-20 Keil). Das ist inzwischen widerlegt. Aus der Hypothesis des euripideischen Busiris in P.Oxy. 3651 Z. 23-27, geht hervor, dass das Stück einen Satyrchor hatte, cf. Z. 27: σ]ά̣τυ ̣ ̣ροι προ.[ (P.Oxy. 3651: ed. Cockle 1984 in POxy LII, 17-22, tab. III). Ebenso lässt sich aus der Inhaltszusammenfassung von Euripides’ Autolykos bei Tzetzes (H. 8.442-460) auf die Präsenz der Satyrn in diesem Stück schliessen; dazu Masciadri 1987, 3-4; Pechstein 1998, bes. 50. Zu Diomedes’ Notiz cf. Pechstein 1998, 43-46. – Exemplarisch für die communis opinio: Seaford 1984, 2 zu Euripides’ Alkestis: “… having no chorus of satyrs, it cannot be called a satyr-play …”; 29: “… satyric drama retained for centuries the constituent of its identity: the ancient Dionysiac nucleus, the thiasos of satyrs …”; Voelke 2001, 28: “… l’identité sémantique du drame satyrique est définie en premier lieu par la présence constante d’un chœur de satyres et de Silène …”; 393: Bezeichnung des Satyrchors als “élément constitutif du genre”; ähnlich die Bezeichnung des Satyrchors bei Sourvinou-Inwood 2003, 170-171, als “what most basically defines satyr drama”; Slater 2005, 87: “… the satyr chorus is the defining feature of satyr drama”; Storey 2006, 121: “Satyrs … are the sine qua non of that dramatic genre”. – Zum Konzept des ‘prosatyrischen Dramas’ etc.: supra p. 22 n. 12.

Τραγῳδία παίζουσα

55

zwischen Chor- und gesprochenen (oder monodischen) Partien, und in ihren Reden und Gesängen sind primär jene lexikalischen und metrischen Freiheiten zu beobachten, die das Satyrspiel von der Tragödie absetzen.

1.1 Modalitäten der Aufführung Was Schauspieler, Choreuten und Requisiten angeht, unterliegen Tragödie und Satyrspiel weitgehend denselben Bestimmungen. Anzahl der Schauspieler, Stellung des Silen Die Sophokles zugeschriebene Erhöhung der Anzahl der Schauspieler von zwei auf drei5 scheint auch für das Satyrspiel übernommen worden zu sein. Als wichtigste Konsequenz der Einführung des Tritagonisten ergab sich die formale Möglichkeit, die Rolle des Silen zum Schauspielerpart zu entwickeln. Fungierte er ursprünglich als Koryphaios, so wurde ihm nun eine vom Chor losgelöste und vergleichsweise eigenständige Rolle zuteil, was wiederum eine Vielzahl neuer Kompositionsmöglichkeiten mit sich brachte.6 Die Tatsache indessen, dass einer der Schauspieler mit der Rolle des Silen so gut wie ausgelastet ist,7 trägt gewiss mit dazu bei, dass Satyrspiele generell mit einer geringeren Anzahl dramatischer Rollen operieren als die Tragödie.8 5

E.g. Arist. Po. 1449a18-19; D.L. 3.56; cf. auch die Vita Sophoclis 4 (S. T A1.4 Radt) – Ein anderer Traditionsstrang scheint die Einführung Aischylos zuzuschreiben, cf. A. T A1.15. Cf. Knox 1972; Slater 2002, 25-30. 6 DFA2 236, 238; Collinge 1958/1959, 30. – Conrad 1997, 222, anerkennt zwar in der Einführung des dritten Schauspielers die Möglichkeit der Entwicklung des Silen zum “Einzelindividuum”, versucht dies aber, ihrem Vorhaben getreu, eine Biographie des Silen vorzulegen, primär aus ‘genreinternen’ Gegebenheiten herzuleiten. Ähnlich ging bereits Kuhnert in Roscher 4, 456 davon aus, dass die Figur des ‘Papposilenos’ ein Produkt des Theaters war (was wiederum durch die Vasenmalerei nicht widerlegt werden kann). 7 Der Silen ist aber, seit er von einem Schauspieler dargestellt wird, imstande, die Bühne im Verlauf des Stücks zeitweise zu verlassen – eine Möglichkeit, die ihm, als er noch vom Koryphaios verkörpert wurde, nicht offenstand. Theoretisch könnte also der Silen-Darsteller noch eine weitere, wenn auch sehr kleine Rolle übernommen haben. 8 Neben Satyrn und Silen gibt es in den Satyrdramen meist eine vergleichsweise kleine Anzahl anderer dramatischer Rollen: in Aischylos’ Diktyulkoi anscheinend nur noch die Rollen ‘Diktys’ und ‘Danaë’ (mit dem stummen Kleinkind Perseus), in Sophokles’ Ichneutai nur noch Apollon, Kyllene und Hermes (der wohl ebenfalls keine Sprechrolle hatte). Mit einer grösseren Anzahl von dramatis personae ist lediglich bei Sophokles’ Inachos zu rechnen, wo der Titelheld, Hermes, Argos und Iris aufgetreten sind, unter Umständen Zeus (was das Stück in die kleine Gruppe der Dramen reihen würde, in denen er zu sehen war) und evtl. Io – je nachdem, ob sie wie in Aischylos’ (?) Prometheus Vinctus nur partiell oder aber ganz in eine Kuh verwandelt wurde. In Sophokles’ Achilleos Erastai

56

Voraussetzungen

Grösse des Chores Offenbleiben muss bis auf weiteres, ob für das Satyrspiel auch die Erhöhung der Anzahl Choreuten von zwölf auf fünfzehn9 im Gleichschritt mit der Tragödie eingeführt wurde. Diese Unklarheit ist abhängig von der ebenfalls nicht abschliessend beantworteten Frage, ob das Satyrspiel von demselben Chor bestritten wurde wie die vorangehenden Tragödien.10 Im wahrscheinlicheren Fall, dass die ganze Tetralogie von ein und demselben Chor begleitet wurde, ist es nicht plausibel, dass nach drei Vierteln des Spektakels ein Fünftel des Chores aus der orchestra weggeschickt worden sein soll.11 Ikonographische (primär von der berühmten ‘Pronomosvase’ ausgehende) sowie choreographische Erwägungen deuten indes eher auf einen Satyrchor von zwölf Mitgliedern hin: Die Pronomosvase zeigt (auf ihrer A-Seite)12 lediglich elf Satyr-Darsteller; zusammen mit dem Silen käme man so auf genau ein Dutzend, was verschiedentlich zur Annahme geführt hat, dass der Satyrchor immer aus zwölf Choreuten bestand.13 Krumeich argumentiert, dass hier (wie auf Satyrspielvasen üblich)14 nur die “Abbreviatur” eines Satyrspielchors dargestellt sei – hier ist jedoch gegenzufragen, warum eine Abbreviatur so umfangreich ausfalle.15 Aus choreographischer Warte wiederum lässt sich zugunsten der Zwölfzahl argumentieren, dass die Möglichkeiten der Chorteilung zahlreicher sind als bei 15 Choreuten.16 Ein anderes Argument für die Zwölfzahl liegt

befanden sich in der Zählung von Scheurer/Kansteiner in KPS 233 auf der Bühne (ausser dem Silen und den Satyrn) Achilleus, Peleus, Phoinix, möglicherweise Herakles oder Patroklos und vielleicht eine Frau (“der sich die Begierde der Satyrn zuwenden konnte”; cf. hierzu aber auch infra Studien II s.v. Homosexualität). Zur möglichen Anzahl dramatischer Rollen (in Abhängigkeit der Anzahl Schauspieler) im Satyrspiel cf. auch Collinge 1958/1959, 29-30. 9 E.g. Vit. S. 4; Suda σ 815 s.v. Σοφοκλῆς; Poll. 4.109. Siehe auch DFA2 234-237; Melchinger 1974, 69; Pechstein 1998, 15 n. 19. 10 Verschiedene Chöre wurden nur selten und zögernd in Erwägung gezogen: Seaford 1984, 4; Green 1994, 10 mit n. 23. – Einige Theorien über das Satyrspiel wiederum basieren nicht zuletzt auf der Annahme, dass es von ein und demselben Chor aufgeführt worden sei wie die vorausgegangene Trilogie: e.g. Easterling 1997b, 38-39, 42. Dezidiert gegen die These der verschiedenen Chöre: Griffith 2002, 196. 11 Collinge 1958/1959, 30-32. 12 Benennung der Seiten gemäss Taplin/Wyles 2010 (Introduction), 2. 13 E.g. Buschor 1943, 80-81; Hedreen 1992, 118 n. 8. 14 E.g. Green 1991, 41-42. 15 In KPS 53; cf. auch die weiterreichenden Bedenken von Collinge 1958/1959, 30-31 gegen die Verwendung der Pronomosvase als Evidenzgrundlage für die Choreutenzahl; ferner Winkler 1990, 45 n. 72. 16 Im Satyrspiel ist verschiedentlich mit einer szenenbedingten Chorteilung zu rechnen, etwa in der Suchszene in Sophokles’ Ichneutai. Die ältere Literatur zur Frage der Chortei-

Τραγῳδία παίζουσα

57

schliesslich darin, dass Kallimachos in seinem Demeterhymnos, der sich passagenweise auf Achaios’ Satyrspiel Aithon zu beziehen scheint, von zwölf Dienern spricht, die den Wein schöpften: … δυώδεκα δ’ οἶνον ἄφυσσον (Call. Cer. 69).17 Gerade das scheinbare Zeugnis des Pronomos-Kraters ist aber nicht unproblematisch: Die A-Seite der Vase zeigt, wie gesagt, elf Satyr-Darsteller. Auf der B-Seite indessen sind vier Satyrn zu sehen. Zwar muss festgehalten werden, dass die vier Satyrn der B-Seite ohne Theaterattribute (insbesondere ohne perizoma), sondern “au naturel” (Griffith 2010, 55) dargestellt sind. Neuere Forschungen zum Pronomos-Krater kritisieren indessen zu Recht, dass die B-Seite des Kraters in der Forschung allzuoft übersehen, unterbewertet und zugunsten einer Betrachtung der A-Seite ausgeklammert worden sei. Zugleich erbringen diese Arbeiten den Nachweis einer engen Bezogenheit von A- und BSeite.18 Im Lichte der hier formulierten Poetik des Satyrspiels könnten die Satyrn auf der B-Seite in der Tat als die vier ‘Satyrn’ aufgefasst werden, die auf der ASeite ‘fehlen’.19 In jedem Fall darf die Pronomos-Vase nicht als Zeugnis für die Zwölfzahl des Satyrchores gelten. Kostüme, Masken Vom Silendarsteller abgesehen tragen die Schauspieler Kostüme und Masken, die sich von denjenigen, die in der Tragödie verwendet werden, nicht unterscheiden.20 Auch in dieser Hinsicht präsentiert sich das Satyrspiel also als eine Art Tragödie. Seine differentia specifica artikuliert sich in der Erscheinung von Silen und Satyrn, denn selbstredend tragen diese Figuren Kostüme, die nicht aus dem tragischen Fundus stammen. Unsere Kenntnis über die Aufmachung des Silendarstellers und der Satyr-Choreuten verdanken wir einigen literarischen Quellen

lung ist gesammelt bei Guggisberg 1947, 34-35. Zu einer systematischen Erfassung von Doppel- und Halbchören im antiken Drama: Lammers 1931, zu den Ichneutai ibid. 72-78. 17 Cf. den zaghaften Vorschlag von Schloemann/Krumeich in KPS 504 n. 41. 18 Im Band von Taplin/Wyles 2010 sind hier insbesondere die Beiträge von Calame, Lissarrague und Griffith zu nennen. 19 Cf. Seidensticker 2010, 213 n. 1. 20 E.g. DFA2 180: “There is no evidence from the monuments that the actors, except of course Silenus, were dressed differently for the satyr-play than they had been for the tragedies which preceeded it. Pollux confirms this, listing no difference in dress other than those which were peculiar to satyrs [iv. 118] and, in the section on masks, listing satyrmasks only [iv. 142].” – Für die Darstellung e.g. von Polyphem ist jedoch auch mit einer speziellen Maske zu rechnen. Cf. Marshall 1999, 192; Valakas 2002, 87. Zum Einsatz von Tragödien-Kostümen auch im Satyrspiel cf. ferner Aly 1923, 244; Collinge 1958/1959, 29; Kossatz-Deissmann 1982, 69.

58

Voraussetzungen

sowie insbesondere einem Korpus von rund 20 Vasenbildern aus spätarchaischer und klassischer Zeit, die nachweislich sogenannte Theatersatyrn abbilden.21 Von unschätzbarer Bedeutung für diese und andere Fragen ist insbesondere die erwähnte Pronomos-Vase (410/400 v.Chr.),22 die das Personal einer Satyrspielinszenierung (bzw. der Aufführung einer Tetralogie)23 eines Tragikers De-

21

Zur umstrittenen Frage nach der Zuweisbarkeit von Satyr-Darstellungen zur Gruppe der Bilder, die Theatersatyrn abbilden oder als Reflexe von Satyrspielen zu klassieren sind, cf. e.g. Lissarrague 1990a, 228-234; Krumeich in KPS 41-73. 22 ARV2 1336, 1; Napoli, Museo Archeologico Nazionale H 3240. Lit. zur Pronomosvase: Bieber 1920, 91-95, Abb. 97-98, Taf. 48; Aly 1923, 243-244 (mit Hinweisen auf die ältere Lit.); Séchan 1926, 43-46 mit Abb. 12; Séchan 1930, 202-206; Campo 1940, 124-127, Abb. 1; Buschor 1953, 90-95; Beazley 1955, 313-314; Brommer 21959, 10-16, Abb. I, 72 ad Abb. I; Bieber 21961, 10-11, fig. 31-33; Arias 1962, 377-380, pl. 218, 219; Brommer 1964, 109-114; Metzger 1965, 99 n. 10, pl. 34/2; DFA2 166, 186-187, 206, 208, 236, 254, Fig. 49; Froning 1971, 5-15, 93-95, 117 n. 469; Simon 1971; Trendall/Webster 1971, 2829 Nr. II 1; Ussher 1971; Sutton 1974a; Blume 21984, 36, 93, 97, Tafel IV; Simon 1981a, 28-32 Taf. 9; Simon/Hirmer 21981, 153-154 Abb. 228-229; Seaford 1984, 3-4, Taf. 3; Calame 1986, 101-117; Calame 1987; Caruso 1987, 103; Vollkommer 1988, 65 Kat. 474, 67-69, Abb. 88; Lissarrague 1990a, 228-230, 233 und in demselben Band (Winkler/Zeitlin 1990) Winkler 1990, 43-47, Pl. 1; Jouan 1991a, 28-31; Hedreen 1992, 107-108, pl. 32; Green 1994, 44, Abb. 2.19, 84-85; Himmelmann 1994, 143, 145, 150151; Csapo/Slater 1994, 69-70 Nr. 137, Pl. 8; Green/Handley 1995, 22-26, fig. 5; Simon 1997a, 1124 Nr. 152; Taplin 1997, 73-74, Abb. 7; Graf 1998, 25; Mastropasqua 1998, 3955; Pechstein 1998, 15 n. 19; Krumeich in KPS e.g. 53, 562-565, KPS Tafeln 8 und 9; Vogt 1999, 67, Tafel V.2; Voelke 2001, 211, 329, 409, 458 (fig. 3); Green 2002, 94-97, 121-122 (94, Fig. 13); Wilson 2002, 39-41 (40, Fig. 6), 52; Junker 2003; Seidensticker 2003; Carpenter 2005, 222-226, fig. 5; Storey 2005, 203, 205, 209; Hall 2007a; Hall 2007b, 266-267; Hedreen 2007, 151-152, fig. 43-44, 176-178, 186; Seaford 2007, 384. Die bereits aus diesen zahlreichen Forschungsarbeiten ersichtliche Bedeutung der Pronomos-Vase spiegelt sich weiter im Umstand, dass ihr unlängst ein eigener Sammelband gewidmet worden ist: Taplin/Wyles 2010. Für eine detaillierte Beschreibung der Vase ist der Beitrag von Mannack in diesem Band zu konsultieren. 23 Selbstredend wird es sich dabei zugleich um das Personal gehandelt haben, das Demetrios’ Beitrag zum Tragikeragon (sc. die Tetralogie) insgesamt aufgeführt hat. Griffith 2010, 51 notiert: “Because every tragic performance … routinely ended with a satyr play, it would presumably be customary for a tragic troupe of performers to be seen, or imagined, as celebrating its victorious achievement with the chorus still dressed as … satyrs …”. Zu unterstreichen ist Griffith’ Bermerkung, dass es sich hierbei um eine naheliegende Vorstellung handeln dürfte, die man sich von einem solchen Ensemble machte. Denn ob das Ensemble eines siegreichen Tragikers, der seine Tetralogie beispielsweise am ersten Tag des Tragikeragons aufgeführt hat, nach Abschluss des dreitägigen Wettbewerbs wirklich in ‘Satyrspiel-Aufmachung’ zur Siegesfeier erschienen ist oder wäre, lässt sich nicht sagen. Die Frage nach dem ‘Ende einer Tetralogie’ stellt auch Taplin 2010.

Τραγῳδία παίζουσα

59

metrios (TrGF 49) abbildet.24 In zwei Registern übereinander finden sich hier Choreuten und Akteure im jeweiligen Kostüm; die (unmaskierten) Choreuten sind alle bartlos (i.e. jugendlich), die Schauspieler dagegen bärtig. Die drei Schauspieler und die meisten Choreuten tragen ihre Masken in der Hand; ein Choreut dagegen hat seine Satyrmaske aufgesetzt und tanzt;25 ein anderer trägt das Satyr-Kostüm, hält jedoch keine Maske in der Hand. Auf dem Bild sind ausserdem, im Zentrum des oberen Registers, Dionysos und eine weibliche Gestalt (wahrscheinlich Ariadne)26 auf einer Kline zu sehen; bei ihnen sitzt eine weitere weibliche Gestalt, welche die Maske einer weiblichen Figur27 in den Händen hält und der sich ein kleines geflügeltes Wesen, ‘Himeros’ (das personifizierte ‘Begehren’), zuwendet. Die Identifikation der weiblichen Gestalt ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen – einem verbreiteten Vorschlag zufolge handelt es sich dabei um eine Personifikation (ein Schauspieler scheint aufgrund der weiblichen Geschlechtsattribute der Figur ausgeschlossen). Vorgeschlagen worden sind die Personifikation von Paidia ‘Spiel, Unterhaltung’ ebenso wie von Tragoidia oder, weniger plausibel, dem Drama Satyrikon.28 In verschiedenen Beiträgen hat Hall die Gestalt unter Beibringung gewichtigen Vergleichsmaterials als personifizierte Tragoidia identifiziert.29 Die Kline ist flankiert von drei Schauspielern, die einen orientalischen König, Herakles und Papposilenos darstellen (vorausgesetzt, es handelt sich beim Papposilenos um einen Schauspielerpart und nicht um den Koryphaios). Die 24

Zum Namen ‘Demetrios’, der zwar ein verbreiteter Name, als Name eines Tragikers der Zeit indessen nicht sicher belegt ist cf. Osborne 2010, 149, 153; Griffith 2010, 63 n. 49. – Unter den bei Diogenes Laertios 5.85 aufgelisteten zwanzig nennenswerten Demetrioi findet sich ein als σατυρόγραφος bezeichneter Demetrios ‘Tarsikos’. Gegen den sich aufdrängenden Schluss, dass damit just der gesuchte Dichter Demetrios gemeint sein könnte, argumentiert Osborne 2010, 149 mit n. 2: Der einzig andere bekannte Dichter, der als σατυρόγραφος bezeichnet wird, ist ein Markos Aimilios Hymettos aus Thespiai im 2. Jh. n. Chr (IG VII.1773.29), was für besagten Satyrographen Demetrios Tarsikos ebenfalls eine viel spätere Datierung nahelege. – Anderen Theorien zufolge handelt es sich bei Demetrios nicht um den Dichter, sondern den Chorodidaskalos der entsprechenden Aufführung: e.g. Hall 2010. 25 Dieser Choreut ist ein eindrückliches Zeugnis für die auch andernorts zu beobachtende Verwandlung eines Darstellers in die Figur, die er repräsentiert: Seidensticker 2010, 213. 26 E.g. Mannack 2010, 5, 7; Griffith 2010, 53, 54. 27 Sc. eine Maske, die der Verkörperung einer der Schauspielerrollen gedient haben muss. Zu den in Frage kommenden Rollen, die mit dieser Maske dargestellt worden sein könnten, und den damit verbundenen Stoffen vide e.g. Winkler 1990, 45 n. 72 und infra p. 286287 n. 144. 28 Vide e.g. Griffith 2010, 60 mit einer knappen Besprechung der entsprechenden Thesen (Bieber 21961, 10 für die Identifikation der Figur mit Paidia, contra Buschor 1932, der mit Tragoidia rechnet, was Hall produktiv weitergeführt hat, cf. folgende n.). 29 Hall 2007a; Hall 2007b, 266-267; Hall 2010.

60

Voraussetzungen

Schauspieler sind ihrerseits flankiert von vier jugendlichen Satyr-Choreuten, von denen sich sieben weitere im unteren Register befinden. Ein Satyr-Darsteller im unteren Register trägt ein besonderes Gewand, das ihn von den anderen Choreuten abhebt und als Koryphaios kennzeichnet. Im unteren Register befinden sich schliesslich drei weitere, mit ihrem Namen beschriftete Figuren: der eponyme Flötenspieler Pronomos,30 der Dichter (oder Chorodidaskalos)31 Demetrios sowie der Lyra-Spieler oder der Choregos Charinos.32 Beschriftet sind weiter, mit bürgerlichen Namen,33 neun der Choreuten; sowie ‘Herakles’, ‘Dionysos’ und ‘Himeros’. Bei den Theatersatyrn der Ikonographie ist als Kostümbestandteil eine kurze Stoffhose erkennbar, das perizoma (περίζωµα). An diese oft geometrisch gemusterte Hose waren vorne ein erigierter Phallos und hinten ein Pferdeschweif angebracht.34 Diese Stoffhose wurde in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts durch einen Fellschurz ersetzt.35 Auf der Pronomosvase sind beide Arten des perizoma zu sehen; der Satyr-Darsteller ganz links auf dem Bild trägt die gemusterte Stoffhose, die anderen Choreuten hingegen den Fellschurz. Das perizoma wurde offenbar über einem hautfarbenen Ganzkörperstrumpf getragen.36 Ebenfalls zur ‘untragischen’ Satyraufmachung gehört die Maske. Sie hat die Attribute, die auch die Gesichter der Satyrn jenseits des Theaters kennzeichnen: lange und struppige Kopf- und Gesichtsbehaarung (i.e. einen Vollbart), spitze Pferdeohren, eine Stupsnase und eine hohe Stirn, die sich zur Glatze ausweitet.37

30

Zu dem in der Forschung lange Zeit vernachlässigten Namensgeber der Vase, dem ‘Star-Auleten’ Pronomos: Wilson 2007; Wilson 2010. 31 Vide supra n. 24. 32 Gemäss Wilson 2010 handelt es sich bei Charinos nicht, wie normalerweise angenommen, um einen Musiker, sondern um den Choregos (i.e. den Sponsor der betreffenden Produktion). 33 Verschiedene Beiträge in Taplin/Wyles 2010 widmen sich diesen bürgerlichen Namen: Osborne 2010 und Junker 2010 (cf. bereits Junker 2003) argumentieren dafür, dass es sich dabei um erfundene Namen handle, um einen “generic chorus” abzubilden; demgegenüber rechnen Wilson 2010 und Taplin 2010 damit, dass die abgebildeten Choreuten mit den Namen an der Aufführung beteiligter Individuen bezeichnet sind. 34 Kurz, aber konzis: Krumeich in KPS 53-54 mit ausführlichen Literaturhinweisen; ferner DFA2 186 (zu den Choreuten-Kostümen auf der Pronomosvase), 183-186 (allgemein zur Kostümierung des Satyrchors); Kossatz-Deissmann 1982, 68ff.; Simon 1982, 142-145; Simon 1989, 396-399; Simon 1997a, 1124 Nr. 155-156. 35 Kossatz-Deissmann 1982, 70-71; Simon 1989, 399; Simon 1997a, 1124 Nr. 157. 36 DFA2 238; Kossatz-Deissmann 1982, 70; Simon 1989, 396; weitere Literatur: Krumeich in KPS 54 n. 57. 37 Poll. 4.142 unterscheidet drei Typen von Satyrmasken, die verschiedene Altersstufen darstellen: den grauhaarigen, den bärtigen und den bartlosen Satyrn. Die Theatersatyrn der Vasenmalerei entsprechen dem bärtigen Typus. Hinweise auf den Satyrbart in Satyr-

Τραγῳδία παίζουσα

61

Die Satyrn auf den Theatervasen, die ihre Masken aufgesetzt haben, sind von den ‘regulären’ Satyrn (i.e. der nicht direkt auf das Theater bezogenen Ikonographie) nur in Ausnahmefällen zu unterscheiden.38 Die Maske des Silen wiederum kennzeichnet ihn als gealterten Satyrn (Papposilenos) mit weissem Haupt- und Gesichtshaar. Sein Kostüm scheint seit der Mitte des fünften Jahrhunderts ein Ganzkörpertrikot zu sein, das aus einem weissen, zotteligen, fellartigen Stoff gearbeitet ist (der sogenannte µαλλωτὸς χιτών, alternativ auch χορταῖος).39 Unter den tragischen fragmenta adespota findet sich der Begriff χορταιοβάµων, den Hesych mit ὁ Σειληνός glossiert.40 Sehr wahrscheinlich stammt der Begriff aus einem Satyrspiel41 (vielleicht aus einer ‘metatheatralen’ Passage, in der mit einem terminus technicus auf das Kostüm des Silen referiert wird).42 Die bisweilen gehegte Vermutung, dass die Maske des Silen mit roter Farbe bemalt war, dürfte einer allzu wortgetreuen und unschuldigen Interpretation von µ]ι̣λτ̣̣[ό]πρεπ̣̣τ̣ο̣ν φαλακ̣̣ρόν (der ‘rotglänzenden ‘Glatze’’) in A. Dikt. F 47a.788 zuzuschreiben sein.43 spieltexten: A. Prom.P. **F 207; S. Ichn. 367. – Pollux bezieht also nachklassische Neuerungen mit ein; cf. Seaford 1984, 4 und 118 ad Cyc. 80. 38 Krumeich in KPS 54-55 mit n. 60. Allg. zu den Theatervasen cf. Webster 1962 und 1967. 39 In der präzisen Beschreibung einer griechisches Brauchtum abbildenden römischen Prozession in Dionysios von Halikarnassos’ Antiquitates Romanae tragen die als Satyrn verkleideten Männer περιζώµατα und ausserdem ‘Ziegenfelle’, δοραὶ τράγων, und ‘Kopfschmuck – emporragende Mähnen und dergleichen’ (καὶ ὀρθότριχες ἐπὶ ταῖς κεφαλαῖς φόβαι καὶ ὅσα τούτοις ὅµοια, 7.72.10). Als Kostüm derjenigen Tänzer wiederum, die als Silene verkleidet sind, nennt Dionysios µαλλωτοὶ χιτῶνες, οὓς ἔνιοι χορταίους καλοῦσι – ‘zottelige Gewänder, die einige chortaioi nennen’, sowie Überwürfe aus Blüten aller Art. Zum χορταῖος cf. Poll. 4.118 (im Rahmen seiner Beschreibung der σατυρικὴ ἐσθής); Hsch. χ 649 s.v. χορταῖος· δασὺς χιτών, οἷος τῶν Σειληνῶν. Cf. ohne expliziten Bezug auf den Silen e.g.: Ael.Dion. Ἀττικὰ ὀνόµατα χ 15 s.v. χορταῖος; Paus.Gr. Ἀττικῶν ὀνοµάτων συναγωγή, χ 15 s.v. χορταῖος; Suda χ 413 s.v. χορταῖος; Et.Gud. s.v. Χορταῖος. Cf. DFA2 238. Diese Beschreibungen des χορταῖος hat man verschiedentlich mit dem zotteligen Gewand in Verbindung gebracht, das der SilenDarsteller auf der Pronomosvase trägt. 40 Trag. adesp. F 601 ap. Hsch. χ 650 + 651; χ 650 s.v. χορταιόβαµος· ὁ Σειληνός; χ 651 s.v. χορταιοβάµων· χορταῖον τὸ ἔνδυµα τοῦ Σειληνοῦ. 41 Cf. mit der Form χορταιόβαµος auch die Wortbildung νυµφόβας, die Hesych ebenfalls auf den Silen bezieht und als Achaios-Zitat deklariert (Hsch. ν 722 s.v. νυµφόβας ergibt Achae. inc. F 52). 42 Weitere Stellen, die möglicherweise ‘metatheatralen’ Charakters sind, insofern nämlich, als sie auf typische Elemente der Kostümierung referieren: A. Dikt. F 47a.790: ποικιλονω-, (der Silen scheint sich hier als παπας (789) ‘mit buntem Rücken’ zu beschreiben); A. Prom.P. **F 204b.3: χιτῶν̣α. Zum Fall von E. Cyc. 80: infra p. 243 mit n. 84, p. 350. 43 Zum Wortspiel φαλακρός/φαλλός (ἄκρος), cf. Studien II s.v. Kindheit. Cf. auch E. Cyc. 227, eine Stelle, die in ähnlicher Weise rötlichen Teint und φαλακρός zu kombinie-

62

Voraussetzungen

Bühnenbild, Schauplatz, Szenerie Gemäss dem römischen Architekten, Ingenieur und Schriftsteller Vitruv (De architectura) soll sich die Satyrspielszenerie von der tragischen eindeutig und massiv unterschieden haben. Vitruv kennt nämlich drei Arten von Szenerie (generum scaenarum, Vitr. 5.6.1) im griechischen Theater: die tragische, die komische und die satyrische; Tragödien spielen vor ‘königlichem’, Komödien vor urbanem, Satyrspiele aber vor einem ländlichen Hintergrund, der ‘mit Bäumen, Höhlen, Bergen und weiteren ländlichen Elementen nach dem Bild einer Landschaft’ gestaltet sei (satyricae [sc. scaenae] uero ornantur arboribus, speluncis, montibus reliquisque agrestibus rebus in topeodis speciem deformati, Vitr. 5.6.9).44 Nun haben tatsächlich eine Reihe von Satyrspielen ein setting in der freien Natur (am Ufer des Meeres,45 vor Grotten und Höhlen,46 auf Felsen,47 Inseln,48 Hügeln, auf einem πάγος,49 im Gebirge,50 im Gehölz51 etc.);52 und dabei handelt es sich um die Orte, an denen die Satyrn des Mythos von alters her anzutreffen sind.53 Da nun aber die Komik im Satyrspiel wie auch in der Satyrikonographie zu einem nicht unerheblichen Teil darauf basiert, dass die Satyrn in fremde Kontexte gebracht, dass sie in fremden Rollen und im Umgang mit Errungenschaften ren scheint, was gleichermassen als Indiz für die Maskenfarbe gewertet worden ist. Cf. Seaford 1984 ad loc., aber auch seine revidierende ‘obszöne’ Lektüre der Stelle: Seaford 1987. 44 Text nach Saliou 2009; eine Schwierigkeit stellt die Form ‘topeodis’, in einigen Mss. ‘topeodis’ dar. 45 E.g. A. Dikt.; evtl. Proteus; evtl. S. Nausikaa oder Plyntriai. 46 S. Ichn.; E. Cyc.. Evtl. handelt es sich bei den ‘von selbst entstandenen Häusern’ (αὐτοκτίστους δόµους) in S. Kedalion F 332 um Höhlen, so Scheurer/Kannsteiner in KPS 347 n. 8. 47 E. Skir., cf. P.Oxy. 2455 fr. 6.78 (Skir. T iia Kannicht): … πετρῶνα … 48 A. Dikt.; E. Cyc.; wahrscheinlich A. Kirke; evtl. S. Hel.Gam., so Pearson 1917, I, 127, der vermutet, dass das Stück auf der Insel Cranae spielt (cf. Hom. Il. 3.443-445). 49 S. Ichn. 221; E. Cyc. 95. 50 Evtl. S. Epi Tainaro; evtl. S. Krisis (im Idagebirge, gemäss dem Vorschlag von Churmuziadis 1974, 80; gefolgt von Voelke 2001, 38). 51 Evtl. A. Prom.P., cf. **F 204b.24: ]β̣[α]θ̣υξυλο̣[. 52 Cf. Voelke 2001, 37-44, der, im Rahmen seiner Deutung des Satyrspiels als ‘théâtre de la marge’, das Satyrspiel an den Rändern der zivilisierten Welt verortet, und den ‘espace satyrique’ ausserdem als ‘espace dionysiaque’ deutet. Cf. ferner Cipolla 2003, 2. 53 Schon in ihrer frühesten belegten Erwähnung (Hes. Gynaikōn Katalogos F 5.17-19 H. ≅ F 123 M./W.) werden die Satyrn in Juxtaposition mit den Nymphen des Gebirges (οὔρειαι νύµφαι θεαί) genannt; ebenso lokalisiert die älteste Erwähnung der Silene (h.Ven. 262-263) diese bei den Bergnymphen (νύµφαι … ὀρεσκῷοι … / αἳ τόδε ναιετάουσιν ὄρος µέγα, 257-258), mit denen sich die Silene ‘in den Winkeln lieblicher Grotten’ (µυχῷ σπείων ἐροέντων, 263) ‘in Liebe vermengen’ etc.

Τραγῳδία παίζουσα

63

der Zivilisation gezeigt werden, wäre es absurd anzunehmen, dass auf die Generierung solcher Komik auch durch ‘atypische’ Szenerien gänzlich verzichtet wurde. Dass die Satyrspieldichter durchaus von nicht-unkultivierten settings Gebrauch gemacht haben, dass die Ländlichkeit der Szenerie kein notwendiges, ein royaler oder urbaner Hintergrund kein ausschliessendes Kriterium ist, belegen die zahlreichen ‘Ausnahmen’, wo wir Satyrn vor Palästen,54 Tempeln,55 Kampfplätzen,56 in der Werkstatt57 vel sim.58 antreffen. Eine andere typische Form von Satyrspielkomik generiert der Kontakt der Satyrn mit Wein, entsprechend häufig spielen die Dramen an Symposia.59 Was schliesslich den Wechsel des Schauplatzes innerhalb der Stücke angeht, ist für das Satyrspiel kaum etwas bekannt. Fr. 1 von P.Oxy. 2257, das vermutlich die Hypothesis der aischyleischen Aitn(ai)ai enthält, lässt erkennen, dass hier die offenbar ungewöhnlich zahlreichen Ortswechsel in dem Stück verhandelt wurden. Als weiteres Beispiel für (mindestens einen, wenn nicht mehrere) Wechsel des Schauplatzes innerhalb eines Stücks scheint Sophokles’ Satyrspiel Achilleos Erastai angeführt zu werden.60 Am Wechsel der Szenerie lässt sich diesem Zeugnis zufolge also kein Differenzkriterium zwischen Tragödie und Satyrspiel festmachen.

54 S. Ach.Er. (einer der Schauplätze dürfte Peleus’ Palast in Phthia gewesen sein, vide infra zur Hypothesis der aischyleischen Aitn(ai)ai; S. Ina. (einzelne Szenen nahe dem Palast des Inachos); S. ‘Oineus-Satyrspiel’ (vor dem Palast des Oineus); E. Eurystheus (wohl unweit vom Palast des Titelhelden, cf. den Hinweis auf Statuen in F 372; ferner Pechstein/Krumeich in KPS 428 mit n. 22); Ion Trag. Omph. (vor dem Palast der Omphale, cf. Pechstein/Krumeich in KPS 488). 55 E.g. A. Isth. (vor dem Poseidon-Tempel in Isthmia); E. Bus. (evtl. vor der Tempelanlage des Busiris); Achae. Alkmeon (Apollon-Tempel in Delphi, cf. den Zitatkontext von F 12 und 13, i.e. Ath. 4.173c-e). 56 Evtl. Achae. Athl. 57 Einige Satyrspiele spielten möglicherweise in der Werkstatt des Hephaistos, e.g. S. Kedalion (cf. Scheurer/Kansteiner in KPS 348); S. Pand. (cf. Heynen/Krumeich in KPS 380); Achae. Heph. (cf. Schloemann/Krumeich in KPS 522). 58 E. Epeios (evtl. vor den Mauern Troias); E. Syl. (ein Platz vor dem Hof des Syleus, cf. Tz. Proll.Com. 11 a 2). 59 E.g. A. Lykurgos (F 124); S. Salm. (F 537); E. Syl. (F 691); Ion Trag. Omph. (F 20-29, *F 30); Astyd. II Hermes (F 3 enthält eine Aufzählung von Trinkgefässen, die am ehesten in ein symposiastisches setting passt); Lyc. Menedemos F 2-3. Besonders häufig scheint Achaios vom Symposion als Szenerie Gebrauch gemacht zu haben: Aith. F 9; Alkmeon F 14; Heph. F 17; Linos F 26; Omph. F 33; inc. F 41 (?). Freilich ist ein Symposion auch in der freien Natur möglich, zumindest in komischer Verzerrung wie im Kyklops. 60 Ed. Lobel 1952 in POxy XX, 66-69. Cf. TrGF III, p. 126-127 und ibid. A. dub. **F 451t fr. 1; TrGF IV, p. 165-166.

64

Voraussetzungen

1.2 Modalitäten der Komposition Auch der Blick auf die dramatische Struktur, die Bauformen, die Sprache und die Metrik des Satyrspiels offenbart, wie treffend die Charakterisierung des Satyrspiels als τραγῳδία παίζουσα ist. Seine formale Struktur (Prolog, Parodos, erstes Epeisodion, erstes Stasimon etc.) und seine Metren sind grundsätzlich tragisch, ebenso seine Diktion; die für die Tragödie charakteristischen formalen Elemente – Monodie, Chorlieder, Botenberichte, ‘Agon’, Rhesis, Stichomythie etc. – sind in unterschiedlicher Prägung die Bausteine, aus denen Satyrspiele gemacht sind.61 Dass sich diese Art von Tragödie aber auch diesbezüglich als παίζουσα beschreiben lässt, ist der steten Präsenz des immergleichen Chors von Satyrn und des Silen geschuldet, die das Genre wesentlich ausmacht. Diesen Figuren ist primär die Lizenz erteilt, die auffällig rigiden und über lange Zeit bemerkenswert konstanten ‘Vorgaben’ der Tragödie zu unterlaufen oder zu sprengen.62 Sprache, Lexikon Das Satyrspiel ist in tragischer Diktion gehalten,63 doch deutet das Vorkommen einer Reihe von Phänomenen, die in der Tragödie selten bis nie auftreten, auf die relative Freiheit in der sprachlichen Gestaltung und auf eine vielseitige Nähe zur Komödie. Vereinfachend lässt sich sagen, dass das Satyrspiel manche sprachliche Tendenz (wie überhaupt eine lange Reihe von Eigenschaften) mit der Komödie teilt, aber einen weniger plakativen oder frequenten Gebrauch davon macht. Beiden Gattungen ist etwa ein Hang zum Obszönen gemein, das Satyrspiel aber bringt – so will es die öfter repetierte denn belegte communis opinio – 61 Eine Auffälligkeit der einzelnen formalen Elemente dürfte ihre relative Kürze sein; eine Eigenschaft, die das Satyrspiel insgesamt auszuzeichnen scheint: Der Kyklops ist mit seinen 709 Versen das weitaus kürzeste erhaltene griechische Drama; obwohl das stückchronologisch letzte Papyrusfragment der Diktyulkoi (F 47a) mit Vers 832 vor Stückende abbricht, ist es sehr wahrscheinlich, dass darauf nur noch die Schluss-Szene folgte, das Stück folglich ebenfalls deutlich kürzer war als eine Tragödie; auch die euripideische Alkestis, als viertes Stück in der Tetralogie in ‘Satyrspielposition’, fällt mit 1163 Versen deutlich kürzer aus als die erhaltenen Tragödien. Zum allgemein akzeptierten Charakteristikum der brevitas des Satyrspiels cf. Casaubon 1605/1989, 15: “Propria etiam satyricae uidetur fuisse fabulae simplicitas et breuitas ….” Cf. ferner e.g. Conacher 1967, 323; Storey/Allan 2005, 157. 62 Seidensticker 1996/2005, 252-254. 63 Zur Sprache cf. e.g. Guggisberg 1947, 40-41 (zur Verwandtschaft von Satyrspiel und Komödie in sprachlicher Hinsicht); Seaford 1984, 47-48; Melero 1991b; Seidensticker in KPS 15-16; López Eire 2003; Griffith 2005b, 166-167. – Linguistische Einzeluntersuchungen: e.g. Guarini 1925 (zur Sprache von Sophokles’ Ichneutai); Melero 1991a (zu Pratinas’ ‘Hyporchema’, inc. F 3, und der Diktion des Satyrspiels); 1992 (zu Pratinas und der Sprache des Satyrspiels); Redondo 2003 (zur Satyrspieldiktion in den Fragmenten des Sophokles); Griffith 2005a (zur Sprache der sophokleischen Satyrspiele).

Τραγῳδία παίζουσα

65

das Obszöne in subtilerer Weise an.64 Charakteristisch sind umgangssprachliche65 Elemente, Vulgarismen66 oder “a touch of slang” (Lobel 1941, 12). Als besondere ‘untragische’ Auffälligkeiten seien folgende Phänomene hervorgehoben und anhand von Beispielen erläutert: Diminutiva; Interjektionen; seltene Vokabeln; Neologismen und hapax legomena; homerische hapax legomena; Dialektformen; Fremd- und Lehnwörter; sexuelle Sous-entendus; Anzüglichkeiten und Obszönitäten; skatologische Scherze; Wort- und Silbenwiederholungen; ‘verbale Akkumulation’. Diminutiva67 Diminutiva sind im Satyrspiel wie in der Komödie häufig, in der Tragödie jedoch kaum anzutreffen.68 Beliebt sind etwa Diminutivformen von Namen; 64

Guggisberg 1947, 40-43; Henderson 1975, 26-28; Sutton 1980a, 142; Seaford 1984, 4748; Hedreen 1992, 158; Easterling 1997b, 28; Seidensticker in KPS 15 mit n. 82, 33; Voelke 2003, 349-350; Storey/Allan 2005, 163; Slenders 2006, 133. – Die Probe aufs Exempel: Das membrum virile wird im Satyrspiel nie, wie in der Komödie häufig, πέος genannt, doch heisst es, im Plural, φάλητες (S. Ichn. 151); ebenfalls im Pl. φαλλία (A. Isth. **F 78a.29; dagegen Henry/Nünlist 2000, 15, wozu infra p. 308-309 n. 18); φαλακρός (Stellen infra p. 72, 409-410); ἥβη (A. Dikt. F 47a.830; cf. Voelke 2001, 233 mit n. 60); σίφων (E. Cyc. 439); οὐρά (S. inc. F 1078); αὐχήν (evtl. in S. inc. F 756; evtl. in Chaerem. Oineus (Sat.?, cf. infra p. 66 n. 76) F 14.17; E. Cyc. 184; cf. Henderson 1975, 114; Seaford 1984 ad Cyc. 184); γέρων (S. Pand. F 483, Konjektur, cf. infra s.v. Anzüglichkeiten und Obszönitäten n. 121); oder er wird nur mit τουτί – und gewiss einer entsprechenden Geste – designiert (E. Cyc. 169; cf. Seaford 1984 ad loc.). Eine weitere (postklassische) Variante findet sich evtl. in einem anonymen Papyrusfragment, das neuerdings in den TrGF figuriert (als Addendum zu TrGF II, ediert von Kannicht in TrGF V.2, p. 1137-1142). In diesem evtl. einer Mēdeia Satyrikē entstammenden Fragment trag. adesp. F 667a findet sich der Ausdruck ε̣ὐφλεβὲς κέρας (97), der mit Blick auf E. Augē F 278 (κέρας ὄρθιον) und die zugehörige Interpretationsgeschichte (cf. TrGF V.1, p. 341 ad loc.) wohl ebenfalls in die hiesige Liste gehört. 65 Die hier angeführten Kategorien, zumal jene des Umgangssprachlichen, des Vulgären, des Anzüglichen und Obszönen, sind begrifflich ebenso ungenau, wie die Anordnung einzelner Sprachphänomene nach ihnen willkürlich ausfällt. Vermittelt werden soll hier der Eindruck der sprachlichen Vielfalt des Satyrspiels. 66 Cf. Guggisberg 1947, 41 mit n. 22; Seaford 1984, 47; Melero 1991b, 176-177; López Eire 2003, 406-412; vereinzelt zu Euripides Kyklops, Sophokles Ichneutai und einigen Satyrspielfragmenten cf. auch Stevens 1976 (allerdings nur mit Kolloquialismen, die im Satyrspiel zwar gehäuft, aber auch in der Tragödie vorkommen). 67 Allgemein zu den Diminutiva im Satyrspiel cf. e.g. Schmid/Stählin I 2, 83 n. 7; Guggisberg 1947, 41 mit n. 21; Seaford 1984, 47, 156 ad Cyc. 266-7 (Parallelen bei Aristophanes); Melero 1991b, 177; Diggle 1996, 8. – Die Vorkommnis von Diminutiva ist ein wichtiges Indiz für die Satyrspielqualität eines nicht zugewiesenen Tragikerfragments, cf. Seidensticker in KPS 15 mit n. 80. 68 Zur Ausnahme des Diminutivums χλανίδιον in der Tragödie cf. Stevens 1976, 5 n. 12.

66

Voraussetzungen

zwei Satyrspiele sind mit solchen betitelt: Sophokles’ Dionysiskos69 und Herakleiskos. Zu nennen ist ferner Silens Anrede an Polyphem in E. Cyc. 266: ὦ κάλλιστον ὦ Κυκλώπιον – ‘O schönstes, o Kyklöpchen’; vergleichbar mit dieser Anrede ist jene an Herakles durch die Satyrn in Achae. Linos F 26: ὦ κάλλιστον Ἡρακλεί〈διον〉 – ‘O schönstes Herakleslein’.70 In trag. adesp. F 590 ist mit Ἥρυλλος eine alternative Verkleinerungsform des Namens bezeugt – zwei der Fragmentträger notieren dazu, dass Herakles ἐν τοῖς σατυρικοῖς mit diesem Diminutiv bezeichnet werde;71 sofern hier δράµασι zu ergänzen (und nicht ein Titelteil entfallen) ist, impliziert dies, dass der Name in der Gattung überhaupt geläufig war.72 Ein weiteres Diminutiv eines Namens soll in Sophokles’ Inachos verwendet worden sein: Πλούτων ist gemäss Schol. vet. Ar. Pl. 727, das F 273 und 283 des Inachos liefert, die Diminutivform von Πλοῦτος.73 Eine Reihe von Diminutiva im Satyrspiel dient der abschätzigen Bezeichnung bestimmter Individuen als ‘Männchen’, ‘Menschlein’ vel sim: e.g. E. Autolykos F 282a: ἀνδρίον; E. Cyc. 185: ἀνθρώπιον, 267: ὦ δεσποτίσκε, 316: ἀνθρωπίσκε. Ebenfalls abschätzig: A. **F 78a.29: … τὰ̣ φ̣[αλλί]α. In S. Ichn. 147 scheint der Silen die Satyrn u.a. als ‘Tiermistknödel’ zu beschimpfen: ὀνθία;74 Diminutiva von Gegenständen sind e.g.: Astyd. II Hermes F 3.2: κυµβία; evtl. A. Dikt. **F 46a.9: κιβώτιον.75 Chaerem. Oineus F 14.9 χλανίδιον könnte für eine Zuweisung zum Satyrspiel sprechen.76

Zum Titel cf. den Zitatkontext von S. Dion. F 171 (Lex. Mess. fol. 283r 18, cf. Rabe 1892, 411); die Satyrspielqualität bezeugen die Tradenten von F 172, cf. TrGF IV, p. 176 ad loc. 70 Ἡρακλείδιος figuriert als ‘new word’ Nr. 8 in Sutton 1977a, 209. 71 Paus.Gr. Ἀττικῶν ὀνοµάτων συναγωγή, η 18 s.v. Ἥρυλλος; Eust. Il. 14.324 (3, p. 655 van der Valk). 72 Kannicht und Snell in TrGF II versehen trag. adesp. F 590 mit den einführenden Worten “Hercules ἐν τοῖς σατύροις appellatur”; damit wird die Aussage der entsprechend zitierten Fragmentträger eindeutig zum gattungsbezogenen Statement. 73 Perpillou 1973, 189. 74 Zu dieser Konjektur Walkers vide infra p. 221-222 mit n. 15. 75 Pfeiffer 1938, 7. 76 Collard 1970 reiht den Oineus ohne zu zögern unter die Tragödien Chairemons, cf. e.g. 27. Interessanterweise aber ignoriert er just das Diminutivum in seinem Kommentar zu F 14, wo er ausserdem die überexplizite Sprache (sc. zur Beschreibung sich entblössender Mänaden) bemerkt (“the language is remarkably explicit for tragedy”, Collard 1970, 34). Auch Xanthakis-Karamanos 1980, 75 lässt das Diminutivum, Cipolla 2003 den Oineus insgesamt unkommentiert. 69

Τραγῳδία παίζουσα

67

Interjektionen und unartikulierte Laute77 Interjektionen treten häufig in Chorpassagen auf oder leiten sie ein: S. Ichn. 88: ἰὼ ω̣[, 89: ϋηο̣[, 176: ὗ ὗ ὗ, ψ ψ, ἆ ἆ, 213: ἶ̣ώ;78 S. Ina. **F 269c.25: ὠή̣̣;79 E. Cyc. 656: ἰὼ ἰώ. Auch extra metrum und in gesprochenen Partien gibt es zahlreiche Interjektionen: e.g. S. Ichn. 66: ἀπαπαπ[, 67: ὢ ὤ, σέ τοι …, 117: ἔα µάλα, 131: ὕ̣ [ὗ] ὕ̣ ὗ̣, 443: ἰοὺ ἰού; S. Ina. **F 269a.51: ἰώ; **F 269b: … ὤ ἰού ἰού; E. Cyc. 49: ψύττ’, 51: ὠή, 157: ἆ ἆ ἆ,80 464: ἰοὺ ἰού. Unartikulierte Laute (Jauchzer, Grunzen, Gebell, Schmatzlaute, Schnalzen mit der Zunge etc.) sind naturgemäss schwierig zu bestimmen, weil sie in den eigentlichen Dramentexten in der Regel nicht notiert sind. In P.Oxy. 1174 col. IV.18 (≌ S. Ichn. 104) beispielsweise finden wir aber ⟦ε⟧ vor τί δρῶµεν, das Turner (1988, 155) wie folgt kommentiert: “I suppose it to be onomatopoetic, a doggy snuffle, extra metrum.” Ein weiteres Beispiel ist die παρεπιγραφή in A. Dikt. F 47a zwischen V. 792 und 794: πο]ππυσµός.81 Seltene Vokabeln82 E.g. A. Proteus F 210.1: φάβα, Akk. zu φαψ, ‘Taube’; A. Proteus F 215: ἐπάσω, ‘du hast erworben’;83 S. Momos F 420: ἄµφιον, ‘Kleid’; A. Proteus F 210.2 πτύοις, Dat. Pl. zu πτύον, ‘Worfschaufel’.84 Das Verb ὁδᾶν, ‘verkaufen’, tritt im Kyklops in verschiedenen Flexionsformen auf, ist sonst aber so gut wie nie belegt.85 77

Cf. Pfeiffer 1938, 11, 42; Pfeiffer 1958, 12, 36; Seaford 1976b, 212 mit n. 25; Melero 1991b, 177 n. 20; Griffith 2005b, 170. 78 Zu den auffällig zahlreichen Interjektionen (und Geräuschen) in Sophokles’ Ichneutai: infra p. 319-320. 79 Cf. hierzu Carden 1974, 87, der den Ausruf als Angstschrei deutet, mit dem Hinweis auf E. Cyc. 51 und A. Eu. 94; Pfeiffer 1938, 42 wiederum vergleicht den Ausruf mit den Interjektionen, welche die Lieder in den Ichneutai einleiten. 80 Zu dieser Stelle: infra p. 80. 81 Cf. zur Interpretation dieses Geräuschs infra p. 305 mit n. 48 und 49. 82 Zahlreiche Beispiele nennt López Eire 2003, 388. 83 Hsch. ε 4255 s.v. ἐπάσω· ἐκτήσω. Αἰσχύλος Πρωτεῖ Σατυρικῷ. – Föllinger bemerkt, dass sich in den Eumeniden, der Tragödie, die dem Proteus unmittelbar vorausging, eine andere Form des zugrundeliegenden, seltenen Verbums *παοµαι findet (A. Eu. 177: πάσεται); sie interpretiert dies als Beweis dafür, dass “die Satyrspiele mit Selbstzitaten arbeiteten und so, durch die Hereinnahme des Tragödienvokabulars, die Verbindung mit den zugehörigen Tragödien hervorgehoben wurde” (2003, 52-53). Zu Föllingers Theorie: infra n. 89 und p. 86 n. 7. 84 Πτύον findet sich auch in S. inc. F 1084. 85 E. Cyc. 12: ὁδηθείης, glossiert bei Hsch. o 81 s.v. ὁδηθείης· ληφθείης. πραθείης; E. Cyc. 98: ὁδῆσαι, eine Form, die gemäss Photios nur zweimal bei Euripides belegt ist (Phot. ο 315 s.v. ὁδῆσαι: τὸ ὠνήσασθαι· Εὐριπίδης Ἀλόπη [sc. F 113, RL] καὶ Κύκλω-

68

Voraussetzungen

Neologismen und hapax legomena86 E.g. A. Prom.P. **F 204b.12: σπευσίδωρ̣[ος, ‘Mit-Geschenken-Herbeieiler’; A. Prom.P. **F 204c Z. 5: τ]η̣λέγνω̣τον (τηλέγνωτος, ‘weithin sichtbar’);87 A. Prom.P. **F 204c Z. 6: ἀ̣[ν]τ̣ισέλην̣ο̣ν̣ (ἀντισέληνος: “Gegen-Mond” [KPS 173] oder ‘mondgleich’, ‘hell wie der Mond’);88 A. Sphinx F 237: κνοῦς, ‘Knarren?’;89 A. Trophoi F 246b: ἑψιοῦσα (Bedeutung unklar);90 S. Ichn. 169: συµποδηγέτε[ι;91 S. Ina. **F 269a.37: ἐκβουτυποῦται, ‘sie nimmt Kuhgestalt an’; S. Salm. F 541: θῆµα, ‘Grabmal’;92 E. Cyc. 79: τῷ µονοδέρκτᾳ (ὁ µονοδέρκτας),‘dem Einäuger, dem Einäugigen’; E. Cyc. 158: διεκάναξε (διακανάσσω);93 E. Cyc. 456: ἐξαποξύνας (ἐξαποξύνειν, ‘gut spitzen’); E. Cyc. 561: ἀποµυκτέον, ‘man muss sich die Nase putzen’;94 πι); cf. ferner die bei Hesych in zwei Glossen erscheinende unaspirierte Form: Hsch. o 60 s.v. ὀδαίων· ὠνίων. ὀδῆσαι γὰρ τὸ ὠνήσασθαι; Hsch. ο 79 s.v. ὀδῆσαι· πρίασθαι. ἀποδόσθαι. ὠνήσασθαι; E. Cyc. 133: ὅδησον, eine Form, die sonst nirgends erwähnt ist. Unaspiriert: Hsch. ο 80 s.v. ὄδησον· πώλησον. Das zugehörige Kompositum ἐξοδᾶν in E. Cyc. 267 ist ein hapax legomenon. 86 Carden 1974, 65-66; weitere Beispiele finden sich auch in Sutton 1977a und bes. Sutton 1977b; cf. ferner López Eire 2003, 388-389. 87 Sutton 1977b, 214 Nr. 9. 88 Sutton 1977b, 213 Nr. 3. 89 Hsch. κ 3141 s.v. κνοῦς· ὁ ἐκ τοῦ ἄξονος ἦχος. λέγεται δὲ καὶ κνοή. καὶ ὁ τῶν ποδῶν ψόφος, ὡς Αἰσχύλος Σφιγγί. τινὲς δέ φασιν κνοῦν µὲν ἦχον, χνόην δὲ περὶ ὃ µέρος τοῦ ἄξονος, ἡ χοινικίς. Cf. Phot. κ 826 s.v. κνοῦς· τὸ πρὸς τῷ ἄκρῳ ἄξονι τοῦ τροχοῦ. – Zu diesem hapax legomenon äussert sich Föllinger 2003, 137 ausführlich, die von der bei Hesych erwähnten alternativen Erklärung ausgeht, κνοῦς bezeichne das Geräusch der Wagenachse, während χνόη ein Teil der Achse selbst sei (sc. die Radnabe). In Sieben gegen Theben nämlich (i.e. jener Tragödie, die gemäss A. T 58 derselben Tetralogie angehörte wie die Sphinx und dieser unmittelbar vorausging) fällt zweimal der in Hesychs Glosse erwähnte Begriff für die Radnabe, ‘χνόη’ (A. Th. 153, 371. [Ausserdem, ebenfalls bei Aischylos: dub. **F 451m fr. 35: … χνό̣α̣ι π.[. Ferner S. El. 717, 745; E. Rh. 118]). Ausgehend von der Beobachtung, dass χνόαι in A. Th. 153 ‘Radnaben’, in V. 371 jedoch “metaphorisch … die eiligen Füsse des Boten …” bezeichne, formuliert Föllinger die Vermutung, dass die Sphinx mit κνοῦς (F 237; das Hesych zufolge ebenfalls das ‘Knarren der Füsse’, ὁ τῶν ποδῶν ψόφος, bezeichnet haben soll) einen sprachlichen Bezug zur vorangegangenen Tragödie herstellt. Dies ist eine sehr interessante Erklärung für die Funktion eines hapax legomenon im Satyrspiel; cf. infra p. 86 n. 7. 90 Radt setzt die Konjektur ἐµψίουσα anstelle des überlieferten ungeklärten hapax ἑψιοῦσα, ist aber insgesamt sehr skeptisch, ob das Fragment überhaupt Aischylos zuzuschreiben sei: TrGF III, p. 351 ad loc. 91 Zu meiner Deutung von συµποδηγετεῖν: infra p. 228-230. 92 Cf. die von Scheurer/Bielfeldt in KPS 385 n. 22 genannte Literatur. 93 Cf. infra p. 412 n. 259. 94 Die handschriftliche Lesart ἀποµυκτέον wird in mehreren Editionen mit der Form ἀποµακτέον (conj. Cobet 21873/2003) ersetzt, zu Unrecht: vide infra p. 120-121 n. 37.

Τραγῳδία παίζουσα

69

E. Cyc. 658: τοῦ ξενοδαίτα (ξενοδαίτας, ‘Fremdenschmauser, -vertilger’);95 E. Cyc. 661: ἐξοδυνηθείς (ἐξοδυνάω), ‘vom Schmerz überwältigt’; Achae. Alkmeon F 12: καρυκκοποιούς (καρυκκοποιός) ‘die Blutsossenkocher’);96 Achae. inc. F 52: νυµφόβας, ‘der Nymphen-/Mädchenbesteiger’. Eine Ballung von hapax legomena stellen die zusammengesetzten Epitheta in Pratinas’ ‘Hyporchema’ (inc. F 3) dar; gerade diese aber sind wiederholt angeführt worden, wenn es darum ging, der Dithyrambos-Qualität des Liedes das Wort zu reden:97 So e.g. πολυπάταγα (1),98 θυραµάχοις (7), ὀλεσιαλοκάλαµον (12), λαλοβαρύοπα (13), 〈πα〉ραµελορυθµοβάταν (13), θριαµβοδιθύραµβε (16).99 Homerische hapax legomena Ein weiteres sprachliches Phänomen, das wiederum nicht ausschliesslich im Satyrspiel anzutreffen ist, im Kyklops jedoch in extremer Dichte zum Einsatz kommt, sind die homerischen hapax legomena, also Begriffe, die für die homerischen Epen genau einmal belegt sind.100 95

Cf. E. Cyc. 610: τοῦ ξενοδαιτυµόνος und die Diskussion dieser Begriffe infra p. 286. Zu καρυκκοποιός: infra p. 392 n. 171. 97 Cf. Voelke 2001, 119 mit n. 68; zur Gattungszuweisung vide infra p. 160-161 n. 18. 98 Diskussion des Adjektivs: infra Kap. 5.1.8, p. 183. Cipolla 2003, 55 weist hin auf einen Beleg für πολυπάταγι als einer metaplastischen Dativbildung zu einem Adjektiv πολυπάταγος bei Choerob. in Theod., Grammatici Graeci IV.I, p. 377.10-11 Hilgard. Aber das ist natürlich kein Argument gegen die Bezeichnung des Adjektivs als hapax. Cf. in Ergänzung zu Cipolla die entsprechende Vorkommnis von πολυπάταγι bei Theodosius Alexandrinus selbst: Theodos. Can., Grammatici Graeci IV.I, p. 37.20-21 Hilgard sowie ferner in Arc. De accentibus (Ἐπιτοµὴ τῆς καθολικῆς προσῳδίας Ἡρωδιανοῦ, ed. Schmidt 1860) p. 148: ὁ πολυπάταγος τοῦ πολυπατάγου τῷ πολυπατάγῳ καὶ κατὰ µεταπλασµὸν πολυπάταγι ἀναβιβάζει. Hinzu kommt der (von Cipolla ebenfalls erwähnte) Eintrag in EM s.v. Δ∆ιχόµηνος: Δ∆ιχοµήνου, διχοµήνῳ, καὶ κατὰ µεταπλασµὸν διχόµηνι, ὡς πολυπάταγος πολυπατάγῳ, bei dem πολυπατάγῳ mit Sicherheit zu πολυπάταγι korrigiert werden muss (cf. Gaisford ad loc.). An keiner dieser Grammatiker-Stellen wird jedoch eine Belegstelle für πολυπάταγι (geschweige denn πολυπάταγα) genannt. 99 Cf. für weitere Beispiele Ussher 1974; Melero 1991a, 77-80 (Beispiele ausschliesslich aus dem Kyklops); Melero 1991b, 175; López Eire 2003, 388, 390, 393; Redondo 2003, 423-425. 100 Die Dissertation von Kumpf 1974 (und die daraus hervorgegangene Publikation statistischen Materials von 1984) ist den homerischen hapax legomena und ihrer Verwendung in der späteren Literatur gewidmet. Dabei konzentriert sich Kumpf auf Euripides (v.a. auf den Kyklops) und Apollonios Rhodios (v.a. Argonautika 1), weil der Kyklops im Vergleich zu den anderen Dramen des Euripides und Buch 1 der Argonautika im Vergleich zu den Büchern 2-4 die höchste Dichte an homerischen hapax legomena aufweisen. Für den Kyklops errechnet Kumpf einen Durchschnitt von einem homerischen hapax pro 9.45 Verse (1974, 115 und 279). Ein grosser Teil der Arbeit entfällt also auf Euripides’ Kyk96

70

Voraussetzungen

E.g. ἀπάλαµνος (Cyc. 598: ἀπάλαµνον; Il. 5.597: ἀπάλαµνος); δασύµαλλος (Cyc. 360: δασυµάλλῳ; Od. 9.425: δασύµαλλοι); δεῖ (Cyc. 201, 472; Il. 9.337); δὶς τόσ(σ)ον (Cyc. 147: δὶς τόσον; Od. 9.491: δὶς τόσσον); ἐκπατάσσω (Cyc. 152: ἐκπάταξον (ΜSS.);101 Od. 18.327: ἐκπεπαταγµένος); εὖρος (Cyc. 390; Od. 11.312); ἡνίκ’ (Cyc. 3; Od. 22.198); κρανίον (Cyc. 647, 683: κρανίον; Il. 8.84: κρανίῳ); λευκαίνω (Cyc. 17: λευκαίνοντες; Od. 12.172: λεύκαινον); Λευκὰς πέτρα/η (Cyc. 166: Λευκάδος πέτρας; Od. 24.11: Λευκάδα πέτρην); Μάρων (Cyc. 141, 616; Od. 9.197);102 µηδέν (Cyc. 314, 338, 355, 570, 651; Il. 18.500); µιαρός (Cyc. 677; Il. 24.420); πάχος (Cyc. 380; Od. 9.324); ποικίλλω (Cyc. 339: ποικίλλοντες; Il. 18.590: ποίκιλλε); ῥάχιν (Cyc. 643; Il. 9.208); σκέλος (Cyc. 183: σκελοῖν; Il. 16.314: σκέλος); σκύφος (Cyc. 390, 411; Od. 14.112);103 Σούνιον (Cyc. 293: Σουνίου; Od. 3.278: Σούνιον); συµµάρψας (Cyc. 397; Il. 10.467); τοκάς (Cyc. 42: τοκάδων; Od. 14.16: τοκάδες); τρύπανον (Cyc. 461: τρύπανον; Od. 9.385: τρυπάνῳ); ὑδρηλός (Cyc. 89: ὑδρηλούς; Od. 9.133: ὑδρηλοί); φύσις (Cyc. 649: φύσει; Od. 10.303: φύσιν); χηρεύω (Cyc. 440: χηρεύοµεν; Od. 9.124: χηρεύει).

lops, cf. bes. 113-138. Kumpfs Appendix I, ein ‘Index of the Homeric Hapax Legomena’ (160-274), besteht in einer Liste der Begriffe und Namen, die bei Homer einmal belegt sind und im Kyklops wieder erscheinen, jeweils in der Grundform. Problematisch ist aber, dass keine Rücksicht auf Unterschiede wie etwa Endung -(ι)η vs. -(ι)α, unaugmentierte vs. augmentierte, unkontrahierte vs. kontrahierte Formen etc. genommen wird. Einige Beispiele: Kumpf 1974, 166 nennt als ein homerisches hapax im Kyklops den Namen Ἀλθαῖα; Cyc. 39: Ἀλθαίας. Die Endung des entsprechenden hapax in der Ilias aber ist nicht mit α, sondern mit η gebildet: Il. 9.555: Ἀλθαίῃ. Unter dem Eintrag ἐπῳδή findet sich der Hinweis auf Cyc. 646: ἐπῳδήν und Od. 19.457: ἐπαοιδῇ, Kontraktion spielt also ebenfalls keine Rolle. Der Rekurs auf einen homerischen Begriff im Drama ist nun aber ungleich markanter, wenn typische Charakteristika der epischen Sprache beibehalten werden und die Form, idealerweise, als Epizismus auffällig werden lassen. Überhaupt versäumt es Kumpf, die jeweiligen Flexionsformen zu nennen, in denen die Begriffe auftreten; interessant wären ja insbesondere die Fälle, in denen ein homerisches hapax tel quel übernommen wird. In meiner Auswahl von Beispielen sind alle in diesem Sinne signifikanteren Fälle berücksichtigt. Hier nenne ich jeweils nur die entsprechende Form. Bei den anderen Beispielen für homerische hapax legomena im Kyklops nenne ich die Grundform und führe die jeweilige Flexionsform im Kyklops bzw. bei Homer in Klammern an. 101 Die handschriftlich überlieferte Form ἐκπάταξον in Cyc. 152 wird in den meisten Editionen zugunsten von ἐγκάναξον unterdrückt; dies zu Unrecht: vide infra p. 183-184. Zu den wenigen Herausgebern, die ἐκπάταξον beibehalten: p. 183 n. 129. 102 Ferner Cyc. 412: Μάρωνος. 103 Ferner Cyc. 256: σκύφου; 556: σκύφον.

Τραγῳδία παίζουσα

71

Dialektformen wie e.g. Dorismen104 E.g. µικκός (dorisch und böotisch für µικρός) in A. Dikt. F 47a.787: ὁ µικκός und 813: µικκῶ[ι],105 802: φίντων (dorisch für φίλτων, ‘Liebling’[?])106, 818: θῶσθαι (dorisch für δαίνυσθαι, εὐωχεῖσθαι);107 Ion Trag. Omph. F 21: τὴν ὁρτήν (ionisch für τὴν ἑορτήν);108 Achae. Omph. F 33.4: σάν (san, dorischer Buchstabe).109 Fremd- und Lehnwörter, exotische Wörter E.g. βάκκαρις (bakkaris, ein wohlduftendes orientalisches Kosmetikum und Luxusgut);110 A. Sisyphos F 227: σµίνθoς (mysisch für ‘Maus’); S. Hel.Gam. (Sat.?) F 183: ὀροσάγγαι (persisch für ‘Leibwächter [des Königs]’);111 S. Ina. **F 269a.54: κάρβανος, ‘evtl. ägyptisch für Barbar’.112 Einige weitere Beispiele stammen aus Sophokles’ Poimenes, deren Zugehörigkeit zum Satyrspiel allerdings strittig ist:113 F 503.1: πηλαµύς, ‘Noch unter einem Jahr alter Thunfisch’,114 F 513: Βερέκυντα βρόµον (bei Hsch. β 523 mit Φρύγιον αὐλόν glossiert), *F 515 phryg. ἰὼ βαλλήν für ὦ βασιλεῦ.115 104 Cf. Sutton 1980a, 20 mit n. 72 zu Lobels These, A. ‘Dike’ inc. F 281b aufgrund der dorischen Form ]ερρύθµιξα in V. 4 dem Satyrspiel zuzuweisen; ferner Sutton 1980a, 142. 105 Zu µικκός: Sutton 1980a, 142 n. 423. 106 Wessels/Krumeich in KPS 117 n. 32; anders Sutton 1985b, 109, der dies für einen Satyrnamen hält. 107 Chantraine s.v. θοίνη. 108 Easterling 2007, 286. 109 I.e. der dorische Buchstabe san (geschrieben M), ein stimmhafter S-Laut, der noch im 5. Jh. von der dorisch sprechenden Bevölkerung Griechenlands verwendet wurde. Cf. infra p. 111 mit n. 2 und p. 365. 110 Diskussion der zahlreichen Vorkommnisse: infra Studien II s.v. Bakkaris und myron. 111 Das Wort findet sich in der nämlichen Form allerdings auch in Sophokles’ Tragödie Troilos F 634 und bei Herodot (8.85.3), mit dem er hiermit wohl in einen Dialog tritt, cf. López Eire 2003, 389. 112 Gemäss Redondo 2003, 428 “possibly an Egyptian loan;” cf. die Diskussion der verschiedenen Herkunftstheorien bei Chantraine s.v. καρβάν – sicher ist, dass es sich um ein Lehnwort handelt. Nach LSJ ist κάρβανος ein Synonym von βάρβαρος. 113 Für die Satyrspielzugehörigkeit der Poimenes argumentiert in jüngerer Zeit Rosen (2003); ich werde an anderer Stelle weitere Argumente für diese These zur Diskussion stellen und mich dort auch mit der Argumentation von Lindsay Coo (Cambridge) auseinandersetzen, die zur Zeit für die Cambridge Classical Texts and Commentaries die Poimenes-Fragmente kommentiert und von deren tragischer Qualität überzeugt ist. – Einige Verbindungslinien, die sich m.E. von den Poimenes zum Satyrspielkorpus ziehen lassen, deute ich in dieser Arbeit bereits an, cf. neben der folgenden Anmerkung auch p. 173, 253 mit n. 18, p. 357, 366, 443. 114 Rosen 2003 stützt sein Plädoyer für die Satyrspielqualität der Poimenes ausser auf *F 501, dessen Tonfall ubiquitär als untragisch klassifiziert worden ist, auf das betreffende F

72

Voraussetzungen

Sexuelle sous-entendus116 E.g. φαλακρός (für φαλλός oder φαλλὸς ἄκρος) in A. Dikt. F 47a.788; S. Dion. F 171; S. Ichn. 368; E. Cyc. 227.117 Anzüglichkeiten und Obszönitäten E.g. A. Dikt. F 47a.795: π̣οσθοφιλὴς ὁ νεοσσός – ‘schwanzliebend ist das Küken’; A. Amymone F 13: σοὶ µὲν γαµεῖσθαι µόρσιµον, γαµεῖν δ’ ἐµοί – ‘Dein Los ist es, geheiratet zu werden, meines ist es, (dich) zu heiraten’,118 A. Amymone F 15: θρῴσκων κνώδαλα, ‘bespringend die Untiere’; S. Momos *F 421: ἀναστῦψαι, ‘erigieren’,119 S. Momos F 423: ἀποσκόλυπτε (gemäss LSJ zu ἀποσκολοπίζω, “skin, strip off”), ‘beschneide’;120 S. Pand. F 483: καὶ πλῆρες ἐκπιόντι χρύσεον κέρας / τρίψει γέροντα121 µαλθακῆς χλαίνης ὔπο;122 – ‘Und wenn er das volle goldene Horn leergetrunken hat, wird er/sie 503 sowie auf F 504 ab, die beide ein ichthyologisches Register bedienen. F 503 dreht sich um die Überwinterung des noch nicht ausgewachsenen Thunfischs (πηλαµύς), während F 504 thematisiert, wie die Gattung des ‘violetten Fisches’, i.e. des Myrex (πορφύρας γένος), mittels κηµοί (geflochtener Körbe oder Fallen) gefangen resp. ‘vernichtet’ wird, cf. Rosen 2003, bes. 380-381. Athenaios, aus dessen Katalog von Meeresfrüchten F 503 stammt (Ath. 7.319a-b), führt für πηλαµύς neben den Poimenes-Versen nur Komiker-Zitate an; überhaupt zitiert er im ganzen Katalog nur aus Texten von zweierlei Art: aus ‘komischen’ und unernsten oder aber aus wissenschaftlichen. Ein Tragödienzitat ist also weniger zu erwarten als eines aus einem Satyrspiel: Rosen 2003, 381. 115 Wilamowitz 1926/1962, 410 über die Poimenes: “Sehr stark war die asiatische Farbe aufgetragen.” 116 Zum Obszönen und Anzüglichen im Satyrspiel cf. e.g. Slenders 1992 (intendierte Ambiguitäten und sexuelle sous-entendus im Satyrspiel des Aischylos); Slenders 2005 (“λέξις ἐρωτική” im Kyklops); Slenders 2006 (“λέξις ἐρωτική” im Satyrspiel des Sophokles); Craik 2003, 53-56 (suggestiver Gebrauch der Medizinalsprache zur Designation von Geschlechtsteilen und -verkehr; Anspielungen auf Masturbation und Homoerotik); López Eire 2003, 400-406. 117 Diskussion der Stellen: infra, Studien II s.v. Kindheit, p. 409-410. 118 Dieser unter dem Namen des Ammonius (Περὶ ἀκυρολογίας 120) überlieferte Vers exemplifiziert die sexuelle Dimension von γαµεῖν und γαµεῖσθαι, cf. Slenders 1992, 193195 sowie bereits Cameron 1998 und Bain 1991, 54. 119 Via Hsch. α 4620 s.v. ἀναστῦψαι· ἐπᾶραι τὸ αἰδοῖον, ἢ στυγνάσαι. Σοφοκλῆς Μώµῳ. Cf. Phot. α 1685 s.v. ἀναστῦψαι· ἢ τὸ αἰδοῖον ἐπᾶραι, ἢ στυγνάσαι. Σοφοκλῆς. 120 Via Hsch. α 6632 s.v. ἀποσκόλυπτε· ἀπολέπισον καὶ ἀποκόλουε. φασὶ καὶ τὸν περιτετµηµένον τὸ αἰδοῖον ἀπεσκολυµµένον. Σοφοκλῆς Μώµῳ. Die Bedeutung ‘beschneiden’ und die Vorkommnis des Verbs in Sophokles’ Momos ist bereits belegt bei Ael.Dion. Ἀττικὰ ὀνόµατα α 162 s.v. ἀποσκολύψαι. 121 Adam, Heath, v. Herwerden: γέµοντα cod. Cf. Lloyd-Jones 1994, 145-146. LloydJones 22003, 253 merkt zu seiner Übersetzung von “the old one” an: “I.e., the penis”. 122 Text nach Lloyd-Jones 22003, 252.

Τραγῳδία παίζουσα

73

ihm den Alten unter dem sanften Umhang massieren’;123 S. Pand. F 484: βλιµάζειν, ‘begrapschen’124; E. Cyc. 180: διεκροτήσατ’ [sc. Ἑλένην], ‘habt ihr [sie] durchbohrt?’; Achae. Moirai F 28: βαβαὶ βαβαί, βήσοµαι γυναῖκας – ‘Babai! Babai! Ich werd’ Frauen besteigen!’.125 Skatologische Scherze, Witze über Körperausscheidungen Wie die Komödie bedient sich auch das Satyrspiel nicht selten des skatologischen Registers, wahrscheinlich aber in moderaterer Weise als diese:126 Im Satyrspiel wird zwar auch gefurzt,127 aber nicht geschissen; cf. S. Ichn. 128: ἀποθυµαίνεις,128 168: ψοφή[σ]ετε;129 S. ‘Oin.’ **F 1130.15-16: τῶν κάτω / λάλησις, ‘die Geschwätzigkeit der unteren Region’ i. S. v. ‘unsere unteren Teile sind mit Sprache begabt’;130 E. Cyc. 327-328: … πέπλον / κρούω, Δ∆ιὸς βρονταῖσιν εἰς ἔριν κτυπῶν – ‘ich sprenge mein Gewand und lärme mit Zeus’ Donnerschlägen um die Wette’;131 S. Kedalion F 333: τερθρία πνοή, ‘Achterwind’, was in Et.M. s.v. mit ἡ ὀπισθία, ‘hinterem Wind’, glossiert 123

Eine andere Deutung dieser korrupten Verse findet sich bei van Groningen 1930c. Gemäss Sutton 1974c/1989, 323 Nr. 21: “to grab by the breast.” 125 Cf. Voelke 2001, 218 zu βαίνω mit Akkusativ als einem Ausdruck für die Kopulation bei Tieren (Stellen in n. 21). Cf. auch das supra s.v. Neologismen und hapax legomena verzeichnete Beispiel von Achae. inc. F 52 νυµφόβας. 126 Zum Skatologischen in der Komödie cf. Edwards 1991. 127 Zum Wind in der Komödie äussert sich Radermacher 1953: “Man muss sich wundern, wie zahlreich die Möglichkeiten sind, die er [sc. Aristophanes] besitzt, um auch aus der πορδή einen Schlager zu machen”; cf. Henderson 1975, 187-203. 128 Cf. Wilamowitz 1912, 458 n. 1. 129 Mit Lloyd-Jones 1994, 140; Lloyd-Jones 22003, 157. Gemäss Maltese 1982, 80 ad loc. ist ψοφέω hier als eine intendierte und ironische Wiederaufnahme (“intenzionale e ironica ripresa”) des ψόφος zu bezeichnen, der sich leitmotivisch durch das Stück zieht, cf. Studien I, S. Ichn. Maas 1912/1973b, 1075-1077 wiederum hatte für ψοφέω die Bedeutung angenommen, die das Verb in byzantinischer Zeit angenommen und im Neugriechischen noch immer hat: ‘krepieren’; dafür gibt es jedoch keine früheren Belege. Maltese selbst fasst es als Synonym von ‘κλαίειν’ auf (1982, 80; cf. zur Verwendung von κλαίειν wiederum Stevens 1976, 100). Lloyd-Jones schlägt dagegen die Bedeutung “make a noise” (22003, 157) oder sogar “excrete out of mere terror” (ibid. n. b) vor, womit die eingangs formulierte ‘Regel’, dass im Satyrspiel nur gefurzt wird, dahingehend zu relativieren wäre, dass die Defäkation zwar mit diskreteren Begriffen bezeichnet wird als in der Komödie, aber gleichwohl auch im Satyrspiel ihren Platz hat. Bain 1995 widmet diesem locus einen ganzen Artikel. 130 Eine Parallele findet sich im ‘Arschloch-Rätsel’ in Eub. Sphingokarion F 106.1, 6-7 K./A. (ἔστι λαλῶν ἄγλωσσος, … πρωκτὸς µὲν οὖν οὗτός 〈γε·〉 … / οὗτος γὰρ αὑτός ἐστιν ἄγλωττος λάλος). Cf. auch López Eire 2003, 404; Voelke 2003, 336 mit weiteren Referenzen in n. 23. 131 Cf. aber Seaford 1984 ad loc., hier gehe es um Masturbation, dagegen Paduano 2005, 82 n. 76. 124

74

Voraussetzungen

wird.132 Eine Bemerkung, die evtl. aus demselben Stück stammt, könnte ebenfalls skatologisch ausgelegt werden: in S. Kedalion *F 328 sagt jemand, er habe ‘etwas von der Würze fallen lassen vor Angst’: καὶ δή τι καὶ παρεῖκα τῶν ἀρτυµάτων / ὑπὸ τοῦ δέατος. Campo (1940, 46) fasst dies als ‘in die Hose machen vor Angst’ auf – i.e. als einen Scherztypus, der aus der Alten Komödie wohlbekannt ist.133 Wie in der Komödie dürfte es auch in Dionysios’ Limos zugegangen sein, wo der Silen den Herakles purgiert (Dionys.Trag. F 3a). Auch einige Witze, die sich auf andere Körperausscheidungen und -absonderungen beziehen, sind dokumentiert: e.g. E. Cyc. 561: ἀποµυκτέον;134 A. inc. F 435: ὀµείχµατα (ὄµειχµα, ‘Urin’); S. Pand. F 485: ἐνουρήθρα (‘Nachttopf’ oder “piss-pot” [Sutton 1974c/1989, 323 Nr. 21]); cf. auch die Diskussion der κάκοσµος οὐράνη (des ‘übelriechenden Nachttopfs’) in A. Ostol. *F 180.2, die dem Sprecher an den Kopf geschleudert wurde, sowie die fast wortgetreue Aufnahme dieser Verse in S. Synd. F 565.135 In Achaios’ Satyrspiel Alkmeon F 12 sagt ein Satyr, er müsse ‘kotzen’: βδελύσσοµαι. Unmittelbare Wort- und Silbenwiederholungen Sehr häufig werden im Satyrspiel Wörter oder Silben in unmittelbarer Folge wiederholt:136 e.g. S. Ichn. 100: θεὸς θεὸς θεὸς θεός (und zahlreiche weitere Stellen s.v. Interjektionen); Achae. Moirai F 28: βαβαὶ βαβαί, βήσοµαι γυναῖκας; Pratin. inc. F 3.1: ἐµὸς ἐµὸς ὁ Βρόµιος; nahezu wortgetreue Wiederholung eines Verses: S. Ina. **F 269c.36-37: ἐπί µε πόδα νέµει. / ἔ̣χ̣ε̣ µε· πόδα νέµει. Hinzuweisen ist hier auch auf die ‘Rhetorik der Empörung’ vieler Satyrspielpassagen, die sich durch den intensiven Einsatz rhetorischer Wiederholungsfiguren auszeichnet.137 ‘Verbale Akkumulation’ Hierbei handelt es sich um eine oft asyndetische Aneinanderreihung mehr oder weniger synonymer Begriffe – ein aus der Sprache der Komödie wohlbekanntes Phänomen.138 Im Satyrspiel finden wir solche an zahlreichen Stel132 Zur textkritischen Problematik der Stelle cf. Scheurer/Kansteiner in KPS 347 n. 9; zur Uneinigkeit darüber, ob es sich dabei um einen terminus technicus des Schiffbaus oder nicht vielmehr um einen ‘Furz’ handle (so Mekler bei Pearson 1917, II, 13 ad Kedalion F 333), cf. KPS 347 n. 10. 133 Begrifflich gibt es dafür keine Parallelen, wohl aber motivisch: cf. e.g. Ar. Eq. 1057; Ran. 308, 479. 134 Vide supra (Neologismen und hapax legomena) n. 94. 135 Zu Ostologoi und Syndeipnoi: vide supra p. 12 n. 2, infra p. 414-417. 136 Zahlreiche Beispiele (aus den Ichneutai) nennt Guarini 1925, 319-320. 137 Dazu bes. infra Kap. 6.2, p. 225-226, 227, 230. 138 Spyropulos 1974, aufgenommen bei López Eire 2003, 412.

Τραγῳδία παίζουσα

75

len, e.g. Aristias Keres F 3: σύνδειπνος ἢ ’πίκωµος ἢ µαζαγρέτας, / Ἅιδου τραπεζεύς, ἀκρατέα νηδὺν ἔχων; S. Ichn. 145-151: µάλθης ἄναγνα σώ[µα]τ̣’ ἐκµεµαγµένα / κάκιστα θηρῶν ὀνθ̣[..]ν [π]ά̣σῃ σκιᾷ / φόβον βλέποντες, πάν[τα] δειµατούµενοι, / ἄνευρα κἀκ̣όµιστα κἀν̣ε[λε]ύθερα / διακονοῦντες, σώ̣µατ’ εἰ[σ]ιδ[ε]ῖ̣ν̣ µόνον / κα̣[ὶ γ]λ̣ῶ̣σσα κα[ὶ] φ̣άλητες; S. Kedalion F 329: µαστιγίαι, κέντρωνες, ἀλλοτριοφάγοι; Achae. Linos F 26.1-2: ῥιπτοῦντες ἐκβάλλοντες ἀγνύντες, τί µ’ οὐ / λέγοντες; trag. adesp. F 163a (zu E. Skir. gehörig?): ἕξιππα καὶ τέθριππα καὶ ξυνωρίδας, ‘Sechsspänner und Vierspänner und Zweigespanne’;139 E. Syl. F 687: πίµπρη, κάταιθε σάρκας, ἐµπλήσθητί µου / πίνων κελαινὸν αἷµα· πρόσθε γὰρ κάτω / γῆς εἶσιν ἄστρα, γῆ δ’ ἄνεισ’ ἐς αἰθέρα, / πρὶν ἐξ ἐµοῦ σοι θῶπ’ ἀπαντῆσαι λόγον – ‘Brate, verschlinge mein Fleisch, trink dich satt / an meinem schwarzen Blut, denn eher sinken unter die Erde / die Sterne, steigt die Erde zum Aither empor, / ehe du aus meinem Munde ein unterwürfiges Wort vernimmst’.140 Alliterationen verstärken den Effekt der verbalen Akkumulation: e.g. in S. Ichn. 149: ἄνευρα κἀκ̣όµιστα κἀν̣ε[λε]ύθερα. Von diesen und weiteren nicht-tragischen Phänomenen machen die Dichter primär in den Reden und Gesängen der Satyrn und des Silen Gebrauch, weshalb verschiedentlich die “Theorie von den zwei Stilebenen des Satyrspiels” (Seidensticker in KPS 15-16) vertreten wurde.141 Diesem Ansatz zufolge sprechen die dramatis personae (von dem Silen abgesehen) eine von der tragischen kaum zu unterscheidende, gehobene Sprache, Chor und Silen hingegen eine ungleich derbere und ungehobeltere. Freilich ist hier vor Simplifikationen zu warnen: So zeigt sich am Beispiel des euripideischen Kyklops, dass auch ein Schauspielerpart wie etwa der des Polyphem (eines der vielen Satyrspiel-‘Monster’) zu unverhohlenen sexuellen sous-entendus, Anzüglichkeiten und dergleichen imstande ist, während sich die Sprache des Helden Odysseus als parodistisch überformt erweist.142 Zwar kann man Odysseus ein weitgehend hohes und tragisches Stilregister attestieren, doch fallen gerade deshalb die stilistischen Tiefschläge, die er sich erlaubt, besonders auf.143 Zudem ist seine Sprache in der Konfrontation mit 139 Hier dürfte von Münzen und Geldbeträgen die Rede sein, wie in Skir. F 675; cf. Pechstein in KPS 454 n. 16; cf. infra Studien II s.v. *Geld. 140 Übersetzung mit geringfügiger Änderung von Pechstein in KPS 462. 141 E.g. Schmid/Stählin I 2, 83 n. 7; Kassel 1955/1989, 176. 142 Ähnlich Griffith 2005b, 170. 143 Nachdem Odysseus, um ein prägnantes Beispiel zu nennen, bei seinem ersten Auftritt in hohem und homerischem Tone drei Verse gesprochen hat, unterbricht er sich abrupt mit dem völlig unhomerischen, kolloquialen (und e.g. bei Aristophanes sehr häufigen) Ausruf τί χρῆµα, als er die Satyrn bemerkt (E. Cyc. 99), cf. Kumpf 1974, 119-120 mit Literaturangaben. Cf. ferner e.g. Cyc. 145, 147, 149, 153-154, 626; cf. Biehl 1986a ad Cyc. 153-154 (“Die Wortklauberei (‘Kalauer’) zeigt, dass Od[ysseus] in diesem Stück nicht

76

Voraussetzungen

jener seiner Gegen- und Mitspieler einer Lächerlichkeit preisgegeben, die auf ihre stilistische Einstufung zurückwirken muss. Gleichwohl ist gerade im Kontext der verschiedenen Stilregister, derer sich das Satyrspiel bedient, ein Ort, auf die Problematik der Zuweisung tragischer fragmenta incerta oder adespota hinzuweisen. Grundsätzlich nämlich können diese nur dann als Satyrspielfragmente erkannt werden, wenn sie Passagen entstammen, die der Tragödie vorenthaltene Lizenzen aufweisen. Das heisst, dass nicht nur hinter den Fragmenten, die einem Titel ohne gattungsidentifizierenden Zusatz zugewiesen sind, sondern auch hinter jenen, die ohne Titel und/oder Autorenangabe auf uns gekommen sind, manch ein Satyrspiel lauert. Metrik, gesprochene Partien In ähnlicher Weise ist die Metrik des Satyrspiels als eine ‘freiere’ Spielart der tragischen Formgesetze zu verstehen. Wie in der Tragödie dominiert in den gesprochenen Partien der iambische Trimeter; daneben tritt auch der trochäische Tetrameter auf.144 Der Dramentypus, den Aristoteles in der Poetik als τὸ σατυρικόν und als Urform der Tragödie bezeichnet, ist unter anderem dadurch ausgezeichnet, dass er als bestimmendes Metrum in den gesprochenen Partien vorwiegend den trochäischen Tetrameter aufweist, ‘weil die Dichtung satyr(spiel)hafter und mehr tänzerischer Natur’ sei. Hier, in der ‘Tragödienentstehungshypothese’,145 wie auch an anderer Stelle hält Aristoteles fest, dass der trochäische Tetrameter im (tragischen) Drama durch den iambischen Trimeter verdrängt worden sei;146 dies im Zuge des Adelungsprozesses, den das ursprüngliche σατυρικόν seiner Meinung nach durchlaufen habe (… διὰ τὸ ἐκ σατυρικοῦ µεταβαλεῖν ὀψὲ ἀπεσεµνύνθη, τό τε µέτρον ἐκ τετραµέτρου ἰαµβεῖον ἐγένετο. τὸ µὲν γὰρ πρῶτον τετραµέτρῳ ἐχρῶντο διὰ τὸ σατυρικὴν καὶ ὀρχηστικωτέραν εἶναι τὴν ποίησιν … – ‘weil sie ja aus dem Satyr(spiel)haften hervorgegangen war, wurde sie erst spät respektabel, und hinsichtlich des Versmasses wurde das iambische (sc. der iambische Trimeter) mit dem trochäischen (sc. dem trochäischen Tetrameter) ersetzt. Denn zunächst hatte man den Tetrameter verwendet, weil die Dichtung satyrspielartig und mehr dem Tanz zugewandt war’, Arist. Po. 1449a20-23). Der Trochäus sei für die gesprochene Sprache auch weniger geeignet als der Iambus, erklärt Aristoteles diesen Befund,147 da er dem kordax näher stehe (ὁ δὲ τροχαῖος konsequent als tragische Figur dargestellt ist …”). Ad Cyc. 626 (mit den Begriffen σκαρδαµύσσειν und χρέµπτεσθαι): Duchemin 1945, xix. 144 Guggisberg 1947, 33-34; zum trochäischen Tetrameter in Tragödie und Satyrspiel: West 1982, 78; Sommerstein 2002, 152 n. 5; Griffith 2005b, 167. 145 Cf. infra Kap. 3.2.1. 146 Arist. Rh. 1404a31-32; 1408b33-34. 147 In einer Umkehr des Gedankens heisst es in der Poetik, dass, nachdem das Sprechen (sc. in der Tragödie, in der zuvor gesungen wurde) aufgekommen sei, die Natur selbst das

Τραγῳδία παίζουσα

77

κορδακικώτερος, Rh. 1408b36), was wiederum aus den Tetrametern ersichtlich sei, die einen ‘laufenden’, ‘trippelnden’ Rhythmus erzeugen (τροχερός, 1409a1). Eine Reihe von Satyrspielpassagen sind in trochäischen Tetrametern gehalten;148 möglicherweise wurden diese Verse zu aulos-Begleitung rezitiert (sog. παρακαταλογή).149 Auch iambische akatalektische Tetrameter sind belegt.150 Was den iambischen Trimeter angeht, den dominanten Sprechvers im erhaltenen Satyrspiel, so sind hier wiederum Lizenzen zu beobachten, welche die Tragödie nicht kennt:151 1. Die lex Porsoniana wird des öfteren nicht eingehalten (Wortende nach langem dritten anceps ist also möglich);152 2. das zweite153 und das dritte anceps sowie das erste und das zweite breve sind des öfteren – und nicht nur, wie in der Tragödie, bei Eigennamen – geteilt (‘prosodischer’ bzw. ‘komischer’ Anapäst);154 3. dreifacher tribrachys ist möglich (drei aufgelöste Längen in Folge).155 Metrik, gesungene und rezitierte Partien Die Chorlieder des Satyrspiels ähneln insofern jenen der Alten Komödie, als sie allesamt kurz sowie metrisch vergleichsweise einfach gestaltet sind und hand-

geeignete Versmass gefunden habe; am sprechbarsten von allen Metren sei nämlich das iambische, was damit bewiesen sei, dass wir in der Alltagssprache am ehesten in Iamben sprechen – in Hexametern dagegen nur selten (… αὐτὴ ἡ φύσις τὸ οἰκεῖον µέτρον εὗρε· µάλιστα γὰρ λεκτικὸν τῶν µέτρων τὸ ἰαµβεῖόν ἐστιν· σηµεῖον δὲ τούτου, πλεῖστα γὰρ ἰαµβεῖα λέγοµεν ἐν τῇ διαλέκτῳ τῇ πρὸς ἀλλήλους, ἑξάµετρα δὲ ὀλιγάκις καὶ ἐκβαίνοντες τῆς λεκτικῆς ἁρµονίας, Arist. Po. 1449a24-28). 148 A. Isth. **F 78a.18-22; A. Sisyphos F 227; S. Ina. **F 269c.21-24, 31(?), 40-47. – Metrische Analysen dieser Stellen bietet Voelke 2001, 159-164; cf. ibid. 165 n. 81, 167-168, 286. 149 West 1982, 78: “From Agamemnon on the metre is associated with scenes of heightened tension, which were perhaps delivered in recitative.”– Allgemein zur παρακαταλογή im Satyrspiel und zu ihren Rhythmen: Voelke 2001, 159-167. 150 S. Ichn. 298-328. 151 E.g. Guggisberg 1947, 33; Seaford 1984, 45; Jouan 1991b, 18; Seidensticker in KPS 16. Zu den Trimetern in Euripides Kyklops: Biehl 1977. 152 Cf. e.g. A. Isth. **F 78a.7, 23; S. Ichn. 114, 120, 341, 353; E. Cyc. 210, 681, 682; cf. auch Cyc. 304 (mit Seaford 1984 ad loc.); Astyd. II Hermes F 3.4; weitere Bsp., aus Isthmiastai und Inachos: Sutton 1974a, 135. Eine gegenteilige Auswertung dieses Befunds findet sich bei Griffith 2005b, 167: “Within the trimeter, Porson’s Bridge … is almost unfailingly observed in satyr plays, as it is in tragedy”. 153 Die Auflösung des zweiten anceps, auch in der Komödie anzutreffen, ist viel seltener als die des dritten; cf. E. Cyc. 234. 154 Siebzehnmal in E. Cyc.; Stellen bei Seaford 1984, 45 n. 137. 155 E. Cyc. 203, 210. – Dreifacher tribrachys tritt in den gesprochenen Trimetern der Tragödie so gut wie nie auf: Descroix 1931, 152-155.

78

Voraussetzungen

lungsbegleitenden Charakter haben.156 In den Ichneutai wie im Kyklops finden sich einstrophige Lieder, Strophenpaare, die durch Sprechverse voneinander getrennt sind, die ‘volksliedartige’ Wiederholung derselben Strophe157 und bisweilen astrophische Lieder.158 Mit Dochmiern, langen Folgen von Kürzen und häufigem Wechsel der Metra vermitteln diese Lieder ausserdem einen Eindruck grosser Agitation – was als Hinweis auf die Lebendigkeit der dabei getanzten Satyrtänze gewertet werden kann.159 Charakteristisch für das Satyrspiel scheinen nämlich “konkret-pantomimische” Tänze (Seidensticker in KPS 21),160 welche die ‘Aktionen und Reaktionen’ der Satyrn darstellen – dies gilt besonders für die sogenannten ‘Arbeitslieder’.161 Daraus erhellt auch, warum die Satyrspieltitel, die sich auf den Chor beziehen, die Satyrn in der Regel als Ausübende einer bestimmten Tätigkeit kennzeichnen; Sophokles’ Satyrn, welche den Spuren der gestohlenen Rinder zu folgen versuchen, sind ἰχνευταί, und ihre Spurensuche generiert die Tänze des Stücks.162 Zwar hat das Satyrspiel, soweit wir sehen, eine ‘tragische’ Struktur, doch ist der Gesang und Tanz des Satyrchors (zumal in den früheren Satyrspielen, wie oft beobachtet worden ist)163 nicht so strikt zwischen die Epeisodia gebannt wie in der Tragödie: “It is impossible to resist the impression that the chorus of satyrs is at any moment ready to burst out into vigorous dance and song” (Seaford 1976,

156 Guggisberg 1947, 34-35; Seaford 1984, 46-47; Seidensticker in KPS 17; Voelke 2001, 167-182; Griffiths 2005, 168-170. Zu den Chorliedern des Kyklops: Willink 2001. 157 E. Cyc. 495-518; cf. auch A. Prom.P. **F 204b. 158 S. Ichn. 64-78, 176-202; E. Cyc. 608-623, 656-662; cf. Seaford 1984, 46, 172-173 ad Cyc. 356-374. 159 Rode 1971, 85-87; Seaford 1984, 46; Voelke 2001, 180-181 mit weiteren Beispielen. 160 Zur mimetischen Dimension der Satyrtänze, die derjenigen der Tänze in der Komödie ähnelt: Voelke 2003, 332-336. Cf. auch Griffith 2005, 168-169. 161 Pfeiffer 1938, 18; Guggisberg 1947, 35. 162 Weitere Titel, welche die Satyrn als in bestimmter Weise handelnd zu präsentieren scheinen, sind e.g.: Pratinas: Palaistai, Aischylos: Diktyulkoi, Thalamopoioi (Sat.?), Isthmiastai oder Theoroi, Kerykes, Ostologoi (Sat.?), Propompoi (Sat?), Trophoi (zur Zuweisung zum Satyrspiel cf. den entsprechenden Paragraphen in Kap. 4.1.3), Psychagogoi (Sat.?); Sophokles: Plyntriai (Alternativtitel: Nausikaa; Sat.?), Sphyrokopoi (Alternativtitel: Pandora), Syndeipnoi (Alternativtitel: Syndeipnon und evtl. Achaiōn Syllogos, Sat.? vide supra p. 12 n. 2; zu den Titelvarianten p. 13 n. 4); Euripides: Theristai; Achaios:Athloi (Alternativtitel: Athla); Iophon: Aulodoi. 163 Cf. e.g. Taplin 21989, 57-58: “In the fragments of Aeschylus and Sophocles choral lyrics, …, are not related with any consistency to entrances and exits, and conversely the movements of actors are not grouped round the songs. Compared with tragedy satyr play has a loose and undefined structure that makes for a rambling continuity which does not really fall into parts”; zur weit ‘tragischeren’ Struktur des euripideischen Kyklops: 57; cf. ferner Seaford 1984, 16-18; Seidensticker in KPS 14-15; Voelke 2001, 20.

Τραγῳδία παίζουσα

79

211).164 Beredtes Zeugnis von der Rastlosigkeit der Satyrn legt jene Stelle im Kyklops ab, wo der Chor von Odysseus ermahnt wird, keinen Mucks mehr von sich zu geben, weder mit der Wimper zu zucken noch zu atmen, geschweige denn, sich zu rühren.165 Überhaupt ist das silentium! an den Chor ein charakteristischer Zug des Satyrspiels.166 Die ‘Verwischung’ der Grenzen, die dem Chor in der Tragödie gesteckt sind, wird durch den Silen versinnbildlicht, der ‘seit der Einführung des dritten Schauspielers’167 einen eigenständigen Part als Akteur innehat, zugleich aber als ‘Vater der Satyrn’ und damit des Chores figuriert.168 In der erhaltenen Tragödie und Komödie sind Eltern-Kind-Beziehungen zwischen Protagonisten und Chor kaum anzutreffen.169 Die in diesem Sinne enge Beziehung zwischen einem Schauspielerpart und dem Chor im Satyrspiel ist dadurch noch enger, dass der Silen und die Satyrn derselben hybriden Mensch-Tier-Gattung angehören, was ihre Zusammengehörigkeit auch optisch unterstreicht. Dieser Umstand wird besonders dann vernachlässigt, wenn behauptet wird, dass die Rolle des Chores im Satyrdrama parallel zu jener des Tragödienchores einer allmählichen Marginalisierung unterworfen worden sei. Wer die Gewichtung des Chores errechnet, muss die Tatsache miteinbeziehen, dass mit der Figur des Silen dem Satyrspiel 164

Cf. auch Seidensticker 2010, 215. E. Cyc. 624-628: σιγᾶτε πρὸς θεῶν, θῆρες, ἡσυχάζετε, / συνθέντες ἄρθρα στόµατος· οὐδὲ πνεῖν ἐῶ, / οὐ σκαρδαµύσσειν οὐδὲ χρέµπτεσθαί τινα, / ὡς µὴ ’ξεγερθῇ τὸ κακόν, ἔστ’ ἂν ὄµµατος / ὄψις Κύκλωπος ἐξαµιλληθῇ πυρί. 166 Cf. in E. Cyc.: σιγήσατ’, ὦ τέκν’ (82, der Silen zum Chor); ἀλλ’ ἥσυχοι γίγνεσθ’ (94, Silen zum Chor); σιγᾶτέ νυν (476, Odysseus zum Chor); σίγα σίγα (Selbstadhortation des Chores, 488); σιγᾶτε πρὸς θεῶν, θῆρες, ἡσυχάζετε (Odysseus zum Chor, 624). – Cf. ferner A. Isth. **F 78a.4: ἄκουε δὴ πᾶς σῖγα; S. Ichn. 103: σίγ[α] (ein Choreut zum anderen). – Für die permanente Unruhe, welche die Satyrn verbreiten, spricht auch die Irritation, die sich einstellt, wenn die Satyrn für einmal verstummt sind: e.g. S. Ichn. 135, 203. 167 Dazu infra Kap. 6.3. 168 Dazu infra p. 82, 155-156 mit n. 5, p. 402-403. 169 Cf. Aischylos, Hiketiden: Danaos und der Chor der Danaiden; [A.] Prometheus Vinctus: Okeanos und der Chor der Okeaniden. Cf. für weitere enge, wenn auch nicht Vater-Kinder-Bindungen zwischen einem Protagonisten und dem Chor: Kranz 1933, 19, der glaubt, das Phänomen sei in der älteren Tragödie häufig eingesetzt und daher als formgebendes Prinzip vom Satyrspiel übernommen worden. Dass nach den Hiketiden keine Tragödie mehr auf uns gekommen ist, die eine vergleichbar enge Beziehung wie diejenige zwischen Silen und Satyrn aufzuweisen hätte, bemerkt auch Collinge 1958/1959, 29. Kranz ging allerdings von einer Frühdatierung der Hiketiden aus, was seit der Entdeckung von P.Oxy. 2256 fr. 3 (editio princeps durch Lobel 1952 in POxy XX, 3031 ≅ TrGF I, DID C 6 (Dion. 467-456) ≅ A. T 70 Radt) nicht länger haltbar ist; cf. zu diesem Fragment Lesky 1954; Garvie 1969, 1-28; Lesky 31972, 78-80. Zur sich daraus ergebenden Datierung der Hiketiden ferner ibid. e.g. 61, 88, 98. 165

80

Voraussetzungen

eine permanente Möglichkeit gegeben ist, die Grenzen zwischen Chor und Schauspiel aufzuheben. Dass beispielsweise direkt vor der skene (i.e. in Bühnenbereichen jenseits der orchestra, die nur den Schauspielern zugänglich sind)170 getanzt und gehüpft werden kann, dürfte eine untragische Auffälligkeit des Satyrspiels sein: Zwar unterscheidet sich die basale Struktur von Euripides’ Kyklops von der tragischen tatsächlich kaum (und gilt deswegen als ‘degeneriert’),171 dennoch bricht hier der Silen, der sich zu Stückbeginn in seinem versuchsweise tragischen Prolog über die munter herantanzenden Satyrn ärgerte und deutlich vom Chor abgehoben war, nach dem ersten Schluck Wein, den Odysseus ihn kosten lässt, in ein Freudentänzchen aus und jauchzt: βαβαί· χορεῦσαι παρακαλεῖ µ’ ὁ Βάκχιος. ἆἆἆ (E. Cyc. 156-157).

Ist schon der Tanz eines Akteurs bemerkenswert, so ist ebenso hervorzuheben, dass wiederum im Kyklops verschiedene Verse der gesprochenen Partien auf einen zeitgleich stattfindenden Tanz des Satyrchors deuten. Dass sich nämlich Polyphem bei seinem ersten Auftritt (mitten im ersten Epeisodion) über den Radau empört, den die Satyrn veranstalten, und ihnen klipp und klar zu verstehen gibt, hier gebe es keinen Dionysos und nichts, was mit ihm zu tun habe (τί βακχιάζετ’; οὐχὶ Δ∆ιόνυσος τάδε κτλ., 204), lässt den Schluss zu, dass die Satyrn hier in wildem Tanz begriffen sind. Seine Bemerkung nur wenig später, sie würde er nie verschlingen, weil sie ihn mit ihren Tanzfiguren umbringen würden, lässt sogar vermuten, dass die Satyrn grundsätzlich und immer in Bewegung sind.172 Stoffe und Themen Wie die Tragödie inszeniert das Satyrspiel fast ausschliesslich mythische Stoffe,173 und wie in der Tragödie wird dem jeweiligen Mythos durch individuelles 170

Zu den verschiedenen Teilen der Spielfläche im Theater cf. Poll. 4.123. Seaford 1984, 17. 172 Cyc. 220-221. Cf. infra Kap. 4.1.1, p. 116-117 und Kap. 6.1. 173 Ausnahmen sind für beide Gattungen belegt. Tragödie: Phrynichos’ Miletou Halosis und Phoinissai. Letztere Tragödie soll laut Glaukos von Rhegion (in der Schrift Περὶ Αἰσχύλου µύθων, die in der Hypothesis zu Aischylos’ Persern zitiert wird) den Persern als Vorbild gedient haben (A. T 86 ≅ Phryn.Trag. T 5), dem dritten Drama klassischer Zeit, das bekanntermassen keinen mythischen Stoff als Grundlage hatte. Die weiteren Fälle sind nachklassisch: Theodect. TrGF 72 Mausolos (F 3b; T 6.7-8) und Moschions Themistokles (Moschio Trag. TrGF 97 F 1). Zu denken ist ferner an ‘enkomiastische Auftragsarbeiten’ wie Aischylos’ Aitn(ai)ai und Euripides’ Achelaos, cf. Zimmermann 2011b, 494. – Satyrspiele ohne mythische Stoffgrundlage sind erst für die nachklassische Zeit 171

Τραγῳδία παίζουσα

81

Hervorheben respektive Ausblenden von Elementen, die in ihm angelegt sind,174 sowie durch Interpolationen von ‘neuen’ Figuren und Handlungselementen ein neues und eigenes Gesicht verliehen.175 Die Dichter legen im Mythos Nischen frei, in denen sich zeitgenössische wie allgemein-menschliche Probleme spiegeln und diskutieren lassen. Doch während in der Tragödie individualisierte, spezifisch auf den Kontext abgestimmte Figuren und Handlungselemente in den Mythos interpoliert werden, sind die ‘neuen’ Figuren, die im Satyrspiel in den Mythos eingeführt werden, stets – in so gesehen konservativerer Manier – ein und dieselbe Horde von stock-figures, seltsamer Naturwesen mit einer eigenen Biographie oder zumindest einem eigenständigen mythologischen Hintergrund und typischen Eigenarten.176 An diese Figuren ist im Satyrspiel in besonderem Masse die Neuprägung des Mythos gebunden.177

nachzuweisen: Der Agen des Python, ein Satyrspiel, das wohl 326 v.Chr. während des Indienfeldzugs im Lager Alexanders des Grossen aufgeführt worden sein soll, birgt eine Polemik gegen Harpalos, einen Intimus Alexanders des Grossen, scheint überhaupt einige ‘historische’ dramatis personae zu haben und weist also für das klassische Satyrspiel nicht nachweisbare Momente von ὀνωµαστὶ κωµῳδεῖν auf (cf. Musa Tragica 195). Zu den historischen Hintergründen des Stücks cf. Musa Tragica 194-195, 294 n. 4; Günther in KPS bes. 595-597; Cipolla 2003, 333-334 et passim. Zur Datierung des Agen cf. Musa Tragica 194 und insbesondere die erschöpfenden Ausführungen von Cipolla 2003, 347360, die zu einer Datierung auf 326 v.Chr. führen (und nicht, so die alternative Datierung, 324). – Sositheos’ ‘Kleanthes-Drama’, dessen Satyrspielqualität allerdings nicht gesichert ist, verspottet im einzigen erhaltenen Buchfragment (Sosith. inc. F 4 via D.L. 7.173) den zeitgenössischen Philosophen Kleanthes; Lykophrons Menedemos schliesslich (F 2-4), bei Athenaios (2.55c-d; 10.420a) und Diogenes Laertios (2.140) als Satyrspiel bezeugt, ist nach dem (auch andernorts parodierten) eritreischen Philosophen benannt, und wurde (so Guggisberg 1947, 141-142) um 280 in Athen oder Eretria aufgeführt. Guggisberg sieht im Menedemos ein Beispiel “eines verbürgerlichten Satyrspiels, das eine Kreuzung aus dem alten Satyrspiel und der ἀρχαία (in Vers, Sprache, Inhalt) darstellt” (1947, 142, mit Literaturangaben 141-142; cf. auch 41-44). 174 So wird etwa aus dem σκοπός des Aigisthos, der Proteus gegenüber Menelaos in der Odyssee kurz erwähnt (Od. 4.524-528) der Prologsprecher in Aischylos’ Agamemnon (sc. der Wächter auf dem Dach des Atridenhauses). 175 Freilich ist hier grösste Vorsicht geboten. Erste Erscheinung eines Handlungselements oder einer Figur ist, zumal bei dem allgemein schlechten Überlieferungsstand antiker Texte, niemals mit ‘Erfindung’ gleichzusetzen. Cf. e.g. die Diskussion um euripideische Innovationen in den Bakchen: Sind Pentheus’ Transvestismus und seine Ermordung durch die eigene Mutter Euripides’ Erfindung? Cf. Seaford 1993, 123 n. 38; Seaford 1996a, 27 contra March 1989. 176 Die Satyrn gehören schon vor der Institutionalisierung der dramatischen Wettbewerbe ins Gefolge des Dionysos: vide infra p. 156 mit n. 11. 177 Cf. Aly 1923, 246: “Das Wesentliche am S[atyrspiel] ist das burleske, lustige, feige, geile Wesen der Satyrn, was eine eigene Gattung geschaffen hat.”

82

Voraussetzungen

Die Tragödie zeigt aussergewöhnliche Menschen in Extremsituationen und lässt sie mit extremer Leidenschaft, mit extremer Emotion darauf reagieren. Dass diese Passionen und Leiden in aller Regel den Kreis einer Familie erschüttern, dass ‘Täter’ und ‘Opfer’ miteinander verschwistert, verschwägert, verwandt sind, steigert die emotionale Intensität ins Unerträgliche. Dieser inhaltliche Sprengstoff wird in ein hochformalisiertes, sprachliches und strukturelles Korsett geschnürt und der Polis als Tragödie präsentiert. Die dargestellten Menschen sind Figuren der mythischen Vergangenheit; die Distanz, die sich dadurch auftut, steht in Spannung zur Verkörperung dieser Figuren durch die Bühnendarsteller; weit spannungsreicher noch ist die Überblendung des Mythos mit Interessen und Anliegen der Gegenwart. Ist der Mythos (und zuerst und zuvorderst seine Verarbeitung in den homerischen Epen) am heroischen Individuum, am zum Archetypos erhobenen Heros ausgerichtet, so wird dieses Individuum in der Tragödie auf seine Tauglichkeit im gegenwärtigen Poliskontext hin befragt und einer kritischen Problematisierung unterworfen. Dieser Zusammenprall von mythisch-heroischem Individuum und den Anliegen des Poliskollektivs wird im Satyrspiel in komischer Verzerrung aufgegriffen, wo Figuren wie Odysseus,178 Herakles oder Theseus einem nicht-individualisierten Satyrkollektiv gegenübergestellt werden.179 In der Begegnung mit diesem durch und durch unheroischen Kollektiv wird bisweilen auch der Status des Heroischen fragwürdig. Mit Sicherheit spricht Ovid im zweiten Buch der Tristia vom Satyrspiel,180 wenn er von der Existenz einer Tragödie erzählt, in der das Heroische heruntergebrochen, mit Obszönität und Lachen vermengt und in der Achilles als ‘mollis’ dargestellt werde.181 Die tragische Konzentration auf die Familie spiegelt sich in der Vater-KindBeziehung, die Silen und Satyrn verbindet.182 Dieser Vater-Söhne-Konstellation wird einiges abgewonnen: Es finden sich ins Groteske verzerrte väterliche Mahnreden, Spannungen und Loyalitätskonflikte zwischen den beiden Generationen,183 die zu ihrer Entzweiung zu führen drohen, ebenso wie der selbstgefällige Versuch des Silen, die eigene einstmalige Exzellenz gegen die Unfähigkeit seiner Kinder auszuspielen.184 Die Prominenz, die dem Familienthema in der 178 Gesichert ist Odysseus als dramatis persona nur in Aristias’ und Euripides’ Kyklops, höchstwahrscheinlich aber trat er in einer Reihe weiterer Satyrspiele auf, wie e.g. in Aischylos’ Kirke, den Ostologoi und Psychagogoi, in Sophokles’ Achilleos Erastai, Nausikaa oder Plyntriai, den Syndeipnoi und wohl auch in Euripides’ Epeios. 179 Zu Herakles und Theseus: infra Kap. 7, bes p. 266-274. 180 Cf. Guggisberg 1947, 66; Ambrose 2005, 37-38 n. 26; Ingleheart 2010, 322-325 ad Ov. Tr. 2.409-410 und 411-412. 181 Ov. Tr. 2.409-412; zu diesen Versen cf. infra Studien II s.v. Homosexualität. 182 Cf. supra n. 168. 183 Cf. infra Studien II s.v. * Familie (weiterfürende Literatur). 184 Cf. infra Studien II s.v. Prahlerei.

Τραγῳδία παίζουσα

83

Tragödie zukommt, wird im Satyrspiel aber auch durch die Wahl mythischer Stoffe wiederholt, die sich im Rahmen einer Familie abspielen.185 Das Beispiel der aischyleischen Diktyulkoi zeigt, wie der tragische Familienkonflikt im Angesicht der Satyrfamilie und dem Lebensentwurf, den ihre Mitglieder verkörpern und propagieren, zunächst seine Drastik vollends entfaltet, diese Drastik aber dem Lachen preisgibt und dadurch einbüsst.186 Die Rede vom Satyrspiel als einer τραγῳδία παίζουσα gibt treffend das Verhältnis von Satyrspiel und Tragödie wieder: An zahlreichen Punkten hat sich gezeigt, wie eine Dialektik von Nähe, Verwandschaft, Ähnlichkeit und dezidierter Andersartigkeit die Beziehung der beiden Gattungen bestimmt. Im folgenden Kapitel soll die Frage nach einer Interdependenz von Tragödie und Satyrspiel weiter vertieft werden, indem ihr Zusammenspiel innerhalb der tragischen Tetralogie genauer untersucht wird.

185

Um nur einige Beispiele zu nennen: in Aischylos, Proteus: Proteus und Eido (cf. A: Proteus F 212) sowie wahrscheinlich Menelaos und Helena (cf. Cunningham 1994); Sophokles, Inachos: Inachos und Io; Euripides, Autolykos: der um seine Tochter geprellte Vater und seine Tochter (cf. Tz. H. 8.448-451); Achaios, Aithon: Erysichthon und Mestra. 186 Cf. infra Studien I, Aischylos, Diktyulkoi, § Kommentar.

2 Das Rätsel der Tetralogie 2.1 Systematisierungsversuche Wettbewerbsbeiträge an den Grossen Dionysien bestanden seit ca. 502/501 v.Chr. aus Tetralogien, drei Tragödien gefolgt von einem Satyrspiel.1 Dabei blieb es über das ganze fünfte Jahrhundert hinweg; die Auflösung der ‘tetralogischen Regel’ ist ab ca. 341/340 v.Chr. dokumentiert.2 Der Begriff der τετραλογία selbst ist nachklassisch und in Bezug auf die Tragödie erst für die alexandrinische Zeit, Aristarch und Apollodor, sicher nachweisbar.3 Wahrscheinlich stammt der Terminus aus der Rhetorik, wo er Gruppen von vier logoi bezeichnete, die sich auf denselben Gerichtsfall bezogen.4 Einer anderen modernen Ansicht zufolge haben “wahrscheinlich … die beiden Dialogtrilogien Platons den Anlaß zur Erfindung der Termini [sc. der Tri- bzw. Tetralogie]” gegeben (Blumenthal 1934, 1077). Ein Zusammenhang zwischen der tetralogischen Edition der platonischen Dialoge und der tragischen Kompositionsweise wird schon in der Antike vermutet, allerdings mit verkehrten Vorzeichen. So berichtet Diogenes Laertios als Ansicht des Thrasyllos, Platon habe seine Dialoge nach dem Vorbild der Tragiker ediert. An ebendieser Stelle findet sich nota bene die einzige explizite antike Definitionen der tragischen Tetralogie: … Θράσυλλος δέ φησι καὶ κατὰ τὴν τραγικὴν τετραλογίαν ἐκδοῦναι αὐτὸν τοὺς διαλόγους, οἷον ἐκεῖνοι τέτρασι δράµασιν ἠγωνίζοντο … ὧν τὸ τέταρτον ἦν Σατυρικόν· τὰ δὲ τέτταρα δράµατα ἐκαλεῖτο τετραλογία. … Thrasyllos sagt, letzterer (sc. Platon) habe seine Dialoge nach dem Vorbild der Tetralogie der Tragiker ediert, die bei den Agonen mit vier Dramen teilnahmen … wovon das letzte ein Satyrspiel war. Diese vier Dramen hiessen Tetralogie. (D.L. 3.56)

Ein (weiterer) verzerrter Reflex dieses Zusammenhangs ist in der Anekdote Aelians über Platon zu sehen, wonach dieser unmittelbar vor der Aufführung 1 Eine ausführlichere Beschäftigung mit dem Gegenstand dieses Kapitels erscheint voraussichtlich 2013 in R. Brandt (ed.), Die Macht des Vierten. Über eine Ordnung der europäischen Kultur, Hamburg (Felix Meiner) ≅ Lämmle (forthcoming). 2 Cf. supra p. 29 mit n. 1. 3 Richards 1882; Wiesmann 1929, bes. 27; von Blumenthal 1934, 1077-1078; DFA2 8081; Gantz 1979. 4 DFA2 80.

86

Voraussetzungen

einer eigenen tragischen Tetralogie an den Grossen Dionysien Sokrates sprechen hörte und sich sogleich vom Wettbewerb und der tragischen Dichtkunst überhaupt zurückzog.5 Unterschieden wird in der modernen Forschung zwischen Tetralogien, deren vier Dramen alle demselben Sagenkreis zugeordnet sind – entweder schlicht ‘Tetralogien’ oder ‘echte Tetralogien’ (von Blumenthal 1934), ‘Inhaltstetralogien’ (e.g. Latacz 1993/2003; KPS passim) oder ‘tétralogies liées’ (Croiset 1888) genannt –,6 und Tetralogien, deren Dramen verschiedene Stoffe zugrundeliegen, die aber eine anderweitige Verbindung zueinander aufweisen können, indem sie einer übergreifenden Idee verpflichtet sind.7 Ob es sich bei der Inhaltstetralogie 5

Ael. VH 2.30: Πλάτων ὁ Ἀρίστωνος τὰ πρῶτα ἐπὶ ποιητικὴν ὥρµησε, καὶ ἡρωϊκὰ ἔγραφε µέτρα· εἶτα αὐτὰ κατέπρησεν ὑπεριδὼν αὐτῶν, ἐπεὶ τοῖς Ὁµήρου αὐτὰ ἀντικρίνων ἑώρα κατὰ πολὺ ἡττώµενα. ἐπέθετο οὖν τραγῳδίᾳ, καὶ δὴ καὶ τετραλογίαν εἰργάσατο, καὶ ἔµελλεν ἀγωνιεῖσθαι, δοὺς ἤδη τοῖς ὑποκριταῖς τὰ ποιήµατα. πρὸ τῶν Δ∆ιονυσίων δὲ παρελθὼν ἤκουσε Σωκράτους, καὶ ἅπαξ αἱρεθεὶς ὑπὸ τῆς ἐκείνου σειρῆνος, τοῦ ἀγωνίσµατος οὐ µόνον ἀπέστη τότε, ἀλλὰ καὶ τελέως τὸ γράφειν τραγῳδίαν ἀπέρριψε, καὶ ἀπεδύσατο ἐπὶ φιλοσοφίαν. 6 In der Antike scheint sich der Begriff der τετραλογία, wenn er für die tragische Didaskalie verwendet wird, hierauf (und nicht auf inhaltlich nicht verbundene Stückgruppen) zu beschränken: DFA2 80. 7 E.g. Schöll 1859, 10 et passim; von Blumenthal 1934, 1084; Latacz 1993/2003, 92-93. – Aus den Bemerkungen von Föllinger 2003 zum Verhältnis des aischyleischen Satyrspiels zur jeweiligen Tetralogie, der es angehört, geht kein wesentlicher Unterschied zwischen ‘Inhalts-’ respektive ‘unechter’ Tetralogie hervor, diese Differenzierung wird denn auch gar nicht erst eingeführt: Föllinger stellt in einigen Satyrspielen “Selbstzitate” aus Tragödien der zugehörigen Tetralogie fest und zwar dergestalt, dass in einigen Satyrspielfragmenten auffällige Vokabeln auftreten, die sich auf dieselben (oder, im Fall von Sphinx F 237, nur semantisch nahe) Begriffe aus den vorangehenden Tragödien beziehen lassen. Ihre Beispiele sind A. Proteus F 215 und Eu. 177 (Föllinger 2003, 52-53; vide supra Kap. 1.2 p. 67 n. 83); Sphinx F 237 und Th. 153, 371 (Föllinger 2003, 137-138; vide supra Kap. 1.2 p. 68 n. 89); Prom.P. **F 207 und Pers. 1056 (Föllinger 2003, 240). Ihr viertes Beispiel zum Bezug des Satyrspiels auf andere Stücke der Tetralogie beschränkt sich auf den oft bemerkten thematischen roten Faden der φυξανορία (A. Supp. 8, gemäss Ahrens 1832, 34), der sich durch die Danaiden-Tetralogie gezogen zu haben und der im Satyrspiel Amymone in lachenerregender Weise ausgeschlachtet worden zu sein scheint, cf. bes. A. Amymone F 13 und dazu supra p. 72 mit n. 118. (Zum Zusammenhang der Amymone mit der zugehörigen Trilogie cf. auch Sutton 1980a, 16 mit weiterführender Literatur in n. 58). So interessant Föllingers Ansatz ist, mahnt just ein Fragment der Amymone zur Vorsicht: Transitives θρῴσκω in sexuellem Sinne (‘besamen, bespringen’) findet sich bei Aischylos neben Amymone F 15 ein weiteres Mal in Eu. 660 (ὁ θρῴσκων), also in einer Tragödie, die eindeutig nicht derselben Tetralogie angehört; zu bedenken ist ferner das von Föllinger selbst erwähnte Beispiel von Sphinx F 235, das man als Selbstzitat aus einem Prometheusdrama des Aischylos hat deuten wollen: Föllinger 2003, 137-138 mit dem Hinweis auf Simon 1981b, 32 n. 111.

Das Rätsel der Tetralogie

87

um die ursprünglichere, die ‘echte’ Form der Tetralogie handelt oder um ein sekundäres Phänomen,8 ist strittig. Im Vergleich zu den jüngeren Tragikern Sophokles9 und Euripides10 privilegiert Aischylos die Inhaltstetralogie;11 die früheste bekannte aischyleische Tetralogie – Phineus, Perser, Glaukos (Potnieus), Prometheus aus dem Jahr 472 v.Chr. –12 scheint jedoch gerade keine Inhaltstetralogie zu sein.13 8

Eine Vermutung von Wiesmann 1929, bes. 8, 25-26. Für Sophokles ist eine Telepheia bezeugt, also eine Inhaltstetralogie (oder -trilogie) über Telephos (TrGF I, DID B 5.8 (ca. 380a?)). In der Tat verweisen einige Tragödientitel aus dem sophokleischen Korpus auf diesen Mythenkomplex (Aleadai, Mysoi, Telephos, Achaiōn Syllogos, Eurypylos; cf. die Literatur bei Radt in TrGF IV, p. 434) – es ist aber nicht auszumachen, welche drei dieser Stücke (und welches Satyrspiel) der Telepheia angehörten. – Ebenso könnten der Palamedes und die beiden Nauplios-Stücke, Nauplios Katapleon und Nauplios Pyrkaeus, einer Inhaltstetralogie angehört haben: Lloyd-Jones 2 2003, 4, 32-33. 10 Die sprachliche und inhaltliche Nähe des Satyrspiels Eurystheus zum Hercules Furens legt gemäss Pechstein 1998, 145, 172-176 die Zugehörigkeit der beiden Stücke zu derselben Inhaltstetralogie nahe (der ausserdem der Peirithoos angehört haben könnte). – Zur troianischen Inhaltstetralogie aus dem Jahre 415 (Alexander, Palamedes, Troerinnen, Sisyphos) cf. Marshall 2005, 103. – Nicht zu überzeugen vermag Wright (2006; andeutungsweise bereits 2005, 54-55), demzufolge der Kyklops mit Helena, Andromeda und Iphigenie bei den Taurern eine Tetralogie (412 v.Chr.) bildete. 11 Gantz 1979; 1980; Latacz 1993/2003, 92-93. Sämtliche Versuche, aischyleische Inhaltstetralogien (und -trilogien) zu rekonstruieren, verzeichnet Radt in TrGF III, p. 111119 (vide infra); cf. auch Latacz 1993/2003, 94-95. Gesichert sind: Ödipus-Tetralogie bzw. ‘Thebaïs’, 467 v.Chr.: Laios, Ödipus, Sieben gegen Theben, Sphinx (Tetral. A II; A. T 58); Danaiden-Tetralogie, zw. 465 und 459 v.Chr.: Hiketiden, Aigyptioi, Danaiden, Amymone (Tetral. A V, B I; T 70); Ὀρέστεια/Oresteia, 458 v.Chr.: Agamemnon, Choephoren, Eumeniden, Proteus (Tetral. A III; T 65a.c); Λυκούργεια/Lykurgeia (evtl. zwischen 466 und 459, cf. infra Kap. 4.1.3): Edonoi, Bassarides (alternativ Bassarai), Neaniskoi, Lykurgos (Tetral. A IV; T 68); zur These einer weiteren aischyleischen Dionysos-Pentheus-Tetralogie, cf. TrGF III, p. 116-117, TRI B XI; ferner e.g. Gantz 1980, 154-158; Gantz 1981, 29 n. 63; Jouan 1992, 76-79. Konjiziert wurden ferner (mit variierender Stückbesetzung oder Anordnung): ‘Promethie’ (cf. TrGF III, TRI B II); ‘Achilleis’ (III); Odysseus-Tetralogie (IV); ‘Aiantie’ (V); ‘Aethiopis tragica’ (VI); Iphigenie-Tetralogie (VII); Telephos-Tetralogie (VIII); Philoktet-Tetralogie (IX); Epigonoi-Tetralogie (X); Argonauten-Tetralogie (XII); Perseus-Tetralogie (XIII); Herakles-Tetralogie (XIV); Ixion-Tetralogie (XV); Melikertes-Tetralogie (XVI). 12 Hypoth. A. Pers.: … Ἐπὶ Μένωνος [472 v.Chr.] τραγῳδῶν Αἰσχύλος ἐνίκα Φινεῖ, Πέρσαις, Γλαύκῳ, Προµηθεῖ. Cf. TrGF III, Tetral. A I, T 55a. 13 Cf. von Blumenthal 1934, 1078, aber auch die Skepsis e.g. von Latacz 1993/2003, 94, der die vier Stücke mit dem Vermerk “unklar, ob Inhaltstetralogie” versieht. Sommerstein 2010 sieht in den Resten von Phineus und Glaukos Potnieus Bezüge zu den Persischen und Punischen Kriegen von 480/479 v.Chr., verortet auch das Prometheus-Satyrspiel in 9

88

Voraussetzungen

Versuche, die Tetralogie zu systematisieren, sind nicht ausgeblieben; in der Regel sind diese aber auf die tragische Trilogie konzentriert14 und – weil keine Tetra- und nur eine Trilogie (sc. die aischyleische Oresteia) vollständig erhalten ist – an den drei Tragödien der letzteren ausgerichtet. So hat man in der Trilogie e.g. die Strukturprinzipien ‘Strophe – Antistrophe – Epodos’, ‘Schlag – Gegenschlag – Ausgleich’, ‘Thesis – Antithesis – Synthesis’ am Werk gesehen und auf eine systematische Einbindung des Satyrspiels einfach verzichtet.15 Dies, obwohl sich gerade am Beispiel der Oresteia mitsamt ihrem Satyrspiel Proteus zeigen lässt, dass es sehr wohl markante und markierte Zusammenhänge zwischen Satyrspiel und vorangehender Trilogie gab. Der Proteus muss die Frage beantwortet haben, die im ersten Stück der Tetralogie vom Chor aufgeworfen und weder vom angesprochenen Herold noch im Verlauf der restlichen Trilogie beantwortet wird – die Frage nach dem nostos des Menelaos: Χο. … σὺ δ’ εἰπέ, κῆρυξ, Μενέλεων δὲ πεύθοµαι, εἰ νόστιµός τε καὶ σεσωµένος πάλιν ἥκει σὺν ὑµῖν, τῆσδε γῆς φίλον κράτος. Κη. οὐκ ἔσθ’ ὅπως λέξαιµι τὰ ψευδῆ καλά, ἐς τὸν πολὺν φίλοισι καρποῦσθαι χρόνον. Chor. … Du aber sag uns, Herold, ich wünsche von Menelaos zu erfahren, ob er heimgekehrt ist und wohlerhalten wieder mit euch gekommen, dieses Landes liebes Haupt. diesem Kontext, und erklärt die Tetralogie zu einer ‘Perser-Tetralogie’ (die sich wiederum zu den Perserkrieg-Stücken von Phrynichos in Beziehung setzen lässt). Cf. zur PerserTetralogie auch Deichgräber 1974. 14 E.g. Stoessl 1937. Cf. Welcker 1924 zur “Aeschylischen Trilogie Prometheus” und seine “Winken über die Trilogie überhaupt”, jedoch auch Welcker 1926, den monumentalen “Nachtrag” zu Welcker 1924 mit dem Titel “Über das Satyrspiel”. Herington 1963 untersucht den Einfluss der Alten Komödie auf die späteren Trilogien des Aischylos; cf. aber Herington 1965 (Tetralogien). – Eine Theorie zur ‘Viererstruktur’ findet sich in Kranz’ Studie Stasimon (Auffassung der Tetralogie als Analogiebildung zur Einzeltragödie in vier Akten oder als eine ausgedehnte Form eines am Ursprung stehenden Einzeldramas), cf. Kranz 1933, 24. 15 E.g. Stoessl 1937, 226. – Lesky 31972, bes. 123-124, 131-132 konzentriert sich primär auf die Symmetrie von Agamemnon und Choephoren. In der Studie von van Erp Taalman Kip 1996 zur “Unity of the Oresteia” (sic!) und ebenso in Garvies Antwort darauf (Garvie 1996) wird das Satyrspiel mit keinem Wort erwähnt. Das ist erstaunlich, erklärt sich aber aus dem Programm des Bandes, dem sie angehören (Silk 1996a): Hier wird der Versuch unternommen, ‘das Tragische’ zu bestimmen. Zur Veranschaulichung: Ein Blick in den Index des Bandes verrät, dass das Satyrspiel gleich viel Raum einnimmt wie die Studien von D.C. Muecke.

Das Rätsel der Tetralogie

89

Herold: Es ist nicht möglich, dass ich gute Nachrichten erheuchle, an denen sich die Lieben lange erfreuen könnten. (A. Ag. 617-621)16

Erst im Proteus wird der Nostos des anderen Atriden, des kleinen Bruders, thematisiert – eine Heimreise, die schon in der Odyssee in einen krassen Gegensatz zum Heimkehrerschicksal des Agamemnon gestellt worden ist. Die Ausrichtung der Systematisierungsversuche an den drei Tragödien der Oresteia ist nun aber dem Verständnis der Tetralogie ebenso abträglich wie die in der Tragödienforschung allzuoft im Vordergrund stehende isolierte Betrachtung einzelner Stücke: Viel zu oft gerät in Vergessenheit, dass jede in Athen produzierte Tragödie eines Aischylos, dass jede an den Grossen Dionysien aufgeführte Tragödie klassischer Zeit nur ein Viertel einer Darbietung ausmacht, die mit einem burlesken und heiteren Satyrspiel endet.17 Auch jenseits des Studiums der Oresteia ist verschiedentlich eine Konzentration auf das Modell der Trilogie zu konstatieren. So spricht etwa Albin Lesky (31972, 154) von der “Inhaltstrilogie Ὅπλων κρίσις, Θρῆσσαι, Σαλαµίνιαι, deren Satyrspiel wir nicht kennen.” Die sich in einer solchen Ausdrucksweise manifestierende Konkurrenz zwischen der tetralogischen und der trilogischen Ordnung in der philologischen Betrachtung der Stücke ist im übrigen bereits für das 2. Jh. v.Chr. nachweisbar. So heisst es etwa in einem älteren Scholion zu Aristophanes Fröschen über die alexandrinischen Gelehrten Aristarch und Apollonios, sie bezeichneten die Oresteia als Trilogie, ohne das Satyrspiel: Τετραλογίαν φέρουσι τὴν Ὀρέστειαν αἱ διδασκαλίαι, Ἀγαµέµνονα, Χοηφόρους, Εὐµενίδας, Πρωτέα σατυρικόν. Ἀρίσταρχος καὶ Ἀπολλώνιος τριλογίαν λέγουσι, χωρὶς τῶν σατυρ[ικ]ῶν. Die Didaskalien führen die Oresteia als Tetralogie – Agamemnon, Choephoren, Eumeniden, Proteus Satyrikos. Aristarch und Apollonios nennen sie Trilogie, ohne das Satyrspiel. (Schol. vet. Ar. Ra. 1124)

16

Cf. den ganzen Dialog A. Ag. 615-680, bes. 674-679. – Andeutungsweise notiert den Zusammenhang dieser Stelle mit dem Proteus bereits Fraenkel 1950, Vol. II, 313 ad Ag. 626ff.: “The sympathy and respect with which Menelaus is treated in the Agamemnon serve also to increase the effect of the Proteus”. Hiervon abgesehen äussert sich Fraenkel allerdings nicht zum Satyrspiel; cf. ferner e.g. Lesky 31972, 134; Churmuziadis 1974, 32. 17 Eindringlich hierauf aufmerksam macht jüngst Wise 2008 (mit besonderem Fokus auf das Happy End); zum Verständnis der Tragödie als Viertel einer Komposition cf. bereits eine der ältesten systematischen Auseinandersetzungen mit dem Phänomen: Schöll 1859.

90

Voraussetzungen

2.2 “1,2,3/4”-Muster Forschungsgeschichtlich aufschlussreich sind auch die verschiedenen Etiketten, die dem Satyrspiel bezüglich seiner klassischen Position als viertem Drama in der Tetralogie verliehen worden sind. Diese Begriffe sind selten neutral in dem Sinne, dass sie rein temporal gefasst wären – in aller Regel sind sie subordinierender Natur. So hat e.g. bereits der Begriff des “Nachspiels” (Seidensticker in KPS 1) oder des “afterpiece” (Seaford 1984, 1) eine subordinative Nuance, insofern nämlich, als er von der Tragödie als dem ‘eigentlichen Ereignis’ aus gedacht ist.18 Eindeutig (ab)wertend sind Bezeichnungen wie “a subordinated attachment of tragedy” (Nagy 1990, 391), “sub-genre of tragedy” (Gibert 2002, 79), “the tragic tetralogy’s coda” (sic!) (Friedrich 1996, 274).19 Neutrale Formulierungen sind aber ebenso möglich – “fourth-place play” (e.g. Sutton 1971; 1974f, 176; Marshall 2000, 229) oder, über die Tetralogie, “trois tragédies suivies d’un drame satyrique” (Voelke 2001, 15) – wie überordnende – “culmination” (Easterling 1997b, 38; Hall 2006b, 150, 165) oder ‘Krönung’20 – oder augenzwinkernd gleichzeitig über- wie unterordnende wie “dessert” 21 (Storey/Allan 2005, 161). Dieses Begriffsspektrum lässt sich im Rahmen eines Phänomens diskutieren, das, wie Reinhard Brandt in D’Artagnan oder die Urteilstafel (1991) nachweist, bis ins 19. Jahrhundert hinein mit erstaunlicher Persistenz das europäische Denken geprägt hat. Es handelt sich dabei um das Muster “1,2,3/4”, eine “vor allem europäische Organisationsform des Denkens, des poietischen und des praktisch-kommunikativen Handelns … Dieses Muster hat die simple Form einer in sich abgeschlossenen Dreiheit von Elementen, zu denen eine vierte Grösse hinzutritt; die Trias also ist vollständig, sie bedarf jedoch einer weiteren Komponente, sei es nun als ihres Fundaments, sei es als ihrer Verknüpfung mit der Wirklichkeit, als eines Impulses der Bewegung oder aus einem anderen Grund” (11).

18

Easterling 1997b, 38. Cf. Sourvinou-Inwood 2003, 170: “It is not impossible to see the connection (sc. between the satyr-play and tragedy, RL) as one of subordination…”. 20 Cf. Arrowsmith 1959/1989, 179: “… satyr-play, that ribald piece which … crowned … a tragic trilogy.” 21 Cf. die Rede von den “satyric desserts” der Tragiker bei Seidensticker 2003, 107. Ähnlich bereits Ziegler 1937, 1960-1961: “In der Tetralogie stellte … die Trilogie der ernsten Stücke eine engere Einheit und, wenn es drei inhaltlich verschiedene Stücke waren, wenigstens eine Einheit des Stiles dar, zu der das Scherzo-Finale (trotz des gleichen Ursprunges) als ein nach Ton und Stil Wesensverschiedenes hinzutrat, das sich nur zuweilen mit der Trilogie inhaltlich berührte und gewissermassen … burleske Variationen zu dem ernsten Thema der grossen dreisätzigen Symphonie brachte.” 19

Das Rätsel der Tetralogie

91

Die vierte Grösse, das geht aus diesen Zeilen hervor, ist in ihrer genauen Funktion “schwer zu bestimmen” (11). Logisch lässt sich das Muster nicht herleiten oder erklären; es handle sich dabei vielmehr um eine ‘Disposition’, “die nicht dem Schema der einfachen Subordination (in Form von Genus und Species) folgt, sondern einer Kombination von Koordination und Subordination. Drei Glieder werden nebeneinander oder untereinander aufgereiht, dann tritt das vierte hinzu, das einerseits die gleiche Position einnimmt, andererseits eine begründende, zusammenfassende, das Vorhergehende reflektierende (oder eine ähnliche) Funktion hat” (15).

So unterschiedliche Phänomene wie die drei Titel ‘Quantität’, ‘Qualität’, ‘Relation’ in Kants Urteilstafel, die drei Musketiere Athos, Porthos und Aramis in Dumas’ Drei Musketieren oder die drei Göttinnen, über die Paris urteilt, haben Brandt zufolge die Gemeinsamkeit, eine Trias zu bilden, die durch ein hinzutretendes viertes Element in besonderer Weise affiziert, geordnet, reflektiert oder vervollständigt wird.22 Die “wirkungsmächtigste Intonation” der Gedankenfigur 1,2,3/4 datiert ins 4. vorchristliche Jahrhundert: die Sozial- und Seelenordnung, die Platon in der Politeia entwirft.23 Es steht nun zu fragen, ob und wiefern es sich bei der tragischen Tetralogie um eine Instanz des 1,2,3/4 Musters oder mindestens eine Anverwandlung davon handelt, denn selbstredend ist nicht jede ‘3+1-Konstellation’ als 1,2,3/4-Muster zu werten.24 Die Triaden, auf denen Brandts Theorie gründet, bestehen aus jeweils drei gesonderten Begriffen. Demnach gilt es zu präzisieren, inwieweit sich die drei Tragödien der tragischen Tetralogie als drei von einander geschiedene Elemente einer Trias begreifen lassen. Die genannten Systematisierungsversuche, die von der Oresteia abgeleitet sind, gelangen zwar alle zu Triaden gesonderter Begriffe, dass darüber hinaus aber keine tragische Trilogie, geschweige denn eine Tetralogie, vollständig erhalten ist, erschwert eine verbindliche Stellungnahme. In einer umfassenden Interpretation des Satyrspielkorpus lassen sich allerdings, wie sich zeigen wird, In22

Also Quantität, Qualität, Relation / Modalität; Athos, Porthos, Aramis / D’Artagnan; Athene, Aphrodite, Hera / Paris. 23 Brandt 1991, 27-33. Die Polis und die individuelle Seele haben eine aufeinander bezogene und analoge triadische Struktur (Cf. e.g. Pl. R. 441c4-7: … καὶ ἡµῖν ἐπιεικῶς ὡµολόγηται τὰ ἀυτὰ µὲν ἐν πόλει, τὰ αὐτὰ δ’ ἐν ἑνὸς ἑκάστου τῇ ψυχῇ γένη ἐνεῖναι καὶ ἴσα τὸν ἀριθµόν). Von den vier Kardinaltugenden lassen sich drei – σωφροσύνη (Mässigkeit), ἀνδρεία (Tapferkeit), σοφία (Klugheit) – den drei Polisschichten, χρηµατιστικόν, ἐπικουρητικόν, βουλευτικὸν γένος (dem unteren Stand, den Wächtern, den Philosophen), ebenso zuordnen wie den drei Teilen der affektiven Seele, τὸ ἐπιθυµητικόν (Begierde), τὸ θυµοειδές (Mut), τὸ λογιστικόν (Überlegung). Die vierte Tugend aber, δικαιοσύνη, die Gerechtigkeit, ist ohne eigenen Bereich, reflektiert und gewährleistet aber die Ordnung des Gesamtgefüges – der Polis ebenso wie der individuellen Psyche (cf. für die Begrifflichkeiten: Pl. R. 440e8-441a3). 24 Brandt 1991, 12.

92

Voraussetzungen

dizien gewinnen, dass es sich bei der tragischen Tetralogie tatsächlich um eine Anverwandlung des 1,2,3/4-Musters handelt. Es ist die Funktion des Satyrspiels, nicht nur die vorausgegangene tragische Trilogie in die ausgelassene Feier am Abend überzuleiten und im Festrahmen zu verankern, sondern auch und besonders, sie zu kommentieren und zu reflektieren: Das vierte Stück der Tetralogie weist die Eigenschaften eines ‘vierten Elementes’ auf.

3 Das vierte Element Kaum eine andere antike literarische Gattung wird mit solcher Insistenz auf ihre Funktion hin befragt wie das Satyrspiel. Dies dürfte in erster Linie auf die Daten der antiken Literaturgeschichte zurückzuführen sein, wonach es sich beim Satyrspiel entweder um ein Genre handelte, das einer frühen Form der Tragödie sehr ähnlich, und/oder das eine spätere Zutat zum tragischen Agon war.1 Zwar liegt mit der Komödie ein Genre vor, das noch später auf den offiziellen Spielplan der Grossen Dionysien gelangte;2 dass aber die Frage nach ihrer Funktion vergleichsweise weniger dringlich gestellt wird, liegt daran, dass sie in einem eigenen und unabhängigen Agon gespielt wird und nicht, wie das Satyrspiel, direkt der tragischen Darbietung angegliedert ist. Aus der Tatsache, dass mit dem Satyrspiel der Tragödie etwas hinzugefügt wird – sei es ihre ursprüngliche Form, sei es ein neues Genre –, ist die Idee abgeleitet, dass der Tragödie etwas fehle, was das Hinzugefügte zu kompensieren oder zu komplettieren habe. Entsprechend sind sämtliche Funktionserklärungen an Unterschieden zwischen der Tragödie und dem Satyrspiel orientiert. Die bisher vorgebrachten Erklärungsansätze lassen sie sich grob nach zehn Punkten einteilen.3

3.1 Funktionserklärungen 1. Delectatio, relaxatio, comic relief: Psychologische Funktion Die bis heute am häufigsten vorgebrachte Funktionserklärung ist die psychologische. Sie ist zuerst bei Horaz greifbar (Ars 220-224), findet sich wieder bei Photios4 oder Grammatikern wie Diomedes5 und Marius Victorinus6 (4. Jh.

1

Cf. Kap. 3.2.1. Vermutlich um 487/486 v.Chr., vide supra p. 37 mit n. 42. 3 Doxographische Zusammenstellugen finden sich e.g. auch bei Seaford 1984, 26-33; Voelke 1998; Kaimio et al. 2001, 74-78; Voelke 2001, 30-31, 381-412; Griffith 2002, 197-203. – Wer die Funktion des Satyrspiels bestimmt, versteht darunter die dominante Funktion und leugnet in der Regel nicht die Existenz weiterer Funktionen; entsprechend treten einzelne Ansätze in unterschiedlicher Gewichtung und in unterschiedlichen argumentativen Zusammenhängen immer wieder auf. 4 Phot. σ 502 s.v. σατυρικὰ δράµατα: πλείονα (sc. δράµατα) ἦν ἔθος ὑποκρίνεσθαι, ἐν οἷς µεταξὺ ταῦτα (sc. σατυρικὰ δράµατα) ἐµίγνυον πρὸς διάχυσιν. 5 Satyrica est apud Graecos fabula, in qua item tragici poetae non heroas aut reges sed Satyros induxerunt ludendi causa iocandique, simul ut spectator inter res tragicas serias2

94

Voraussetzungen

n.Chr.).7 Dabei werden unterschiedliche konzeptuelle Akzente gesetzt: Ist es bei Horaz und Diomedes die delectatio, die als Funktion des Satyrspiels genannt wird, so findet sich bei Photios und Victorinus das später bei A.W. Schlegel ausformulierte Konzept der relaxatio, die Befriedigung des “Bedürfnis(ses) einer Erholung des Geistes nach dem Ernst der Tragödie”.8 Ein ähnlicher Gedanke unterliegt Suttons Konzept des comic relief, den das Satyrspiel gewähre, indem es den Zuschauern eine Möglichkeit weise, dem tragischen Kosmos zu entkommen.9 – Antike Zeugnisse für einen durch das Satyrspiel gewährten comic relief gibt es keine; freilich sind Publikumsreaktionen auf antike dramatische Darbietungen insgesamt sehr spärlich belegt; Zeugnisse von der unmittelbaren Rezeption eines Satyrspiels liegen keine vor. Die älteste ausführliche Lehre eines durch theatrale Darbietungen gewährten emotionalen relief ist die Aristotelische Katharsis-Lehre in der Poetik; ihr zufolge verdankt sich diese Wirkung jedoch der (dem Satyrspiel vorangestellten) Tragödie. 2. Wie die Odyssee zur Ilias: Eskapistische Funktion Sutton (1974f) nennt zahlreiche Berührungspunkte zwischen dem Satyrspiel und der Odyssee.10 Der Märchencharakter des Satyrspiels, sein Fokus auf Gastfreundschaft und deren Verletzung, das Thema der Gefangenschaft (bei einem Oger) und der Befreiung (durch einen listigen Helden) stünden ebenso unter dem Einfluss der Odyssee wie ganz grundsätzlich sein Moral- und Wertesystem. Indem sie ihre Satyrspiele an der Odyssee ausrichten, bezweckten die Tragiker, que Satyrorum iocis et lusibus delectaretur … (Diom. gramm., Grammatici Latini I, p. 491.4-7 Keil; meine Hervorhebung). 6 Beachtenswert, bei aller Ähnlichkeit im Wortlaut, ist die Akzentverschiebung bei Victorinus hin zu einem Konzept von ‘comic relief’: superest satyricum, quod inter tragicum et comicum stilum medium est. haec apud Graecos metri species frequens est sub hac condicionis lege, ut non heroas aut reges, sed Satyros inducat ludendi iocandique causa, quo spectatoris animus inter tristes res tragicas Satyrorum iocis et lusibus relaxetur (Mar. Victorin. Gramm., Grammatici Latini VI, p. 81.37-82.4 Keil; meine Hervorhebung). 7 Cf. Seaford 1984, 26; Seidensticker 2002, 401. 8 Schlegel 1809/1889, 18. 9 Sutton 1985a, 353: “The satyr play provides comic relief by allowing us to escape from the universe of tragedy … The satyr play thus presents a roseate vision of life counterbalancing that of tragedy”; ähnlich bereits Sutton 1980a, 165: The function of the satyr play in the tetralogy is to allay the anxieties provoked by tragedy …”. Cf. ferner Sutton 1974f, 172-173, 176-177, wo er sich (innerhalb einer Diskussion der Funktion des Satyrspiels) auf W. Schmid bezieht, der die Theorie vertritt, im Satyrspiel ironisiere sich die Tragödie selbst und erwirke damit “Indemnität für das Übermass der leidvollen Affekte …, die sie entfesselt hat” (Schmid/Stählin I 2, 82). 10 Sutton 1974f. – Einen Reflex dieser Theorie mag man in der Untersuchung von Xanthakis-Karamanos 1998 zum Kyklops und den Troerinnen in ihrem Verhältnis zu Odyssee und Ilias sehen.

Das vierte Element

95

in ihren Tetralogien das Paradigma des Verhältnisses von Ilias und Odyssee zu reproduzieren: Wie die ‘untragische’, mit fantastischen, eskapistischen Elementen durchsetzte Odyssee ein Gegengewicht zur an heroisch-aristokratischen Idealen orientierten ‘tragischen’ Ilias darstelle (“essentially tragic, or at least prototragic”, 178), diene das Satyrspiel dazu, die ‘Ilias-artige’ Tragödie und ihre pessimistische, strenge, ernste Weltsicht augenzwinkernd auszubalancieren.11 3. Demographische Osmose: Soziopolitische Funktion L.E. Rossi hebt den ‘comic relief’-Ansatz gleichsam auf eine Makroebene und bestimmt die Funktion des Genres primär als eine soziopolitische. Die ländlichen Elemente des Satyrspiels müssen, so Rossi, das ländliche Publikumssegment in besonderem Masse angesprochen haben: “Das Satyrspiel trug so nicht nur zu einem psychologischen Ausgleich für den einzelnen und die Masse bei, sondern auch zu einem politisch-soziologischen für die Masse: die Wiedereinführung des ländlichen Elements im Zusammenhang mit einem Theater, das von nun an ein städtisches geworden war, kam den Bedürfnissen entgegen, die auf der Ebene der demographischen Osmose und Distribution immer wichtiger wurden”12. 4. “something for the groundlings”: ‘Entertainment’-Funktion Vom Ansatz einer entertainment-Funktion kann man bei Suttons “twoaudiences-theory” sprechen; das Satyrspiel sei eine Konzession an den Geschmack der tieferen Bildungsschichten, habe doch manch ein Bürger vom Theater nichts als Unterhaltung erwartet.13 Ein Tragiker habe daher seine Tragödien in hoher Kunst verfassen, mit dem folgenden Satyrspiel dann aber auch bescheidenere Bedürfnisse befriedigen können. – Gemäss Horaz (Ars 223) dient das Satyrspiel dazu, den betrunkenen Zuschauer davon abzuhalten, das Theater vor Ende der Darbietungen zu verlassen. 5. Stimmung und Stimmen machen: Werbe-Funktion Aus einer solchen ‘populärkulturellen’ Auffassung leitet wiederum Sutton ab, dass das Satyrspiel eine Werbe-Funktion habe; ein Satyrspiel nämlich, das Furore machte, sei dem Stimmenfang für den Sieg im Agon dienlich gewesen.14

11

Hierbei scheint es sich um die modifizierte Wiederaufnahme einer spätantiken Theorie zu handeln: Euanthius in De comoedia (oder De fabula) lässt den Gegensatz von Ilias und Odyssee jenem von Tragödie und Komödie entsprechen: … Homerus tamen, qui fere omnis poeticae largissimus fons est, etiam his carminibus exempla praebuit et uelut quandam suorum operum legem praescripsit: qui Iliadem ad instar tragoediae, Odyssiam ad imaginem comoediae fecisse monstratur … (Evanth. De com. 1.5). 12 Rossi 1972/1989, 249. 13 Sutton 1974f, 172; Sutton 1980a, 163. 14 Sutton 1980a, 163.

96

Voraussetzungen

6. Anti-Athener auslachen: Erzieherische Funktion Eine erzieherische Funktion unterstellt dem Satyrspiel etwa François Lasserre:15 Der Satyr sei ein Anti-Typ und Gegenmodell zum idealen attischen Bürger; die Inszenierung seiner ‘Anti-Ethik’ diene der Bestärkung der ‘richtigen Werte’. François Lissarrague sieht hierin Parallelen zur Satyrikonographie: Die Funktion der Bilder jenseits ihres komischen Aspektes sei es, “de réaffirmer la norme, le bon usage, les belles manières, celles des buveurs qui manipulent de tels vases, au symposion” (Lissarrague 2000, 118). Ebenso seien die Satyrn des Dramas als Anti-Typen zum gültigen kulturellen System zu begreifen.16 Der Übergang zur anthropologischen Funktion des Satyrspiels (8.) ist fliessend. 7. Phallosfixiert: Männlichkeit-stabilisierende Funktion Aus einer gendertheoretischen Warte kommt Edith Halls These der Phallos-zentrierenden, Männlichkeit-stabilisierenden Funktion des Satyrspiels. In Form der hypermaskulinen, dauererigierten Satyrn und mittels sexueller, obszöner Inhalte werde im Satyrspiel die Männlichkeit wieder gefestigt, die in den vorangegangenen Tragödien der Tetralogien durch das Erwecken ‘feminin’ konnotierter Emotionen weggedrängt worden sei.17 Halls Theorie, die in Auseinandersetzung mit Froma Zeitlins wichtigem Paradigma des ‘Playing the Other’ in der attischen Tragödie entstanden ist,18 wird im englischsprachigen Raum mit grosser Aufmerksamkeit bedacht.19 Die Theorie hat indessen mit einigen Schwierigkeiten umzugehen: Die Satyrn entsprechen allein deshalb, weil sie ihre Triebe nie zu kontrollieren vermögen, in keiner Weise dem Ideal attischer Männlichkeit; dass es ihnen aber darüber hinaus nie gelingt, sich das Objekt ihrer Begierde gefügig zu machen,20 und sie höchstens bei Wesen Erfolg haben, die eine vergleichbar animalische Sexualität pflegen, zieht ihre Funktion als role models für Athens Männer in Zweifel.21 Es ist oft beobachtet worden, dass die Satyrn in den Satyr15

Lasserre 1973/1989. Lissarrague 1990a, 236. 17 Hall 1998, 13-37; cf. die Wiederaufnahme dieses Arguments in Hall 2006b. 18 Zeitlin 1996 versammelt die Artikel, in welchen Froma Zeitlin dieses Paradigma entwickelt hat. 19 Gibert 2002 widmet Halls Artikel gut die Hälfte seiner Rezension der drei zweifellos wichtigsten Werke zum Satyrspiel seit Seaford 1984: Pechstein 1998, KPS und Voelke 2001. 20 Cf. e.g. die Ausführungen von Hedreen 1994; OKell 2003. 21 Voelke 2001 geht sogar so weit, den Satyrn als ‘Figur des Intermediären’ in einer Zwischenstellung zwischen Mann und Frau zu verorten (Kap. 3.3. “Entre masculin et féminin”). In Voelkes Diskussion der zeitweiligen Feminisierung der Satyrn ist die Beobachtung miteinzubeziehen, dass mehrere Satyrspieltitel im Feminin Plural gehalten sind. Da für alle dramatischen Gattungen gilt, dass sich pluralische Titel auf den Chor des jeweiligen Stücks beziehen (cf. infra p. 206-207), sind für Stücke wie Aischylos’ Phorkides, 16

Das vierte Element

97

dramen keiner weiblichen Gestalt begegnen und über keine sprechen können, ohne sie über kurz oder lang mit der eigenen Sexualität zu konfrontieren. Die fraglos überbordende sexuelle Energie der Satyrn macht auch vor Kindern und jungen Männern nicht halt.22 Das sexuelle Verhalten der Satyrn als (karikierte) männliche Wunschphantasien aufzufassen, scheint so nicht unmöglich. Nicht zuletzt ist es Halls grosses Verdienst, mit ihrer These eine reiche Diskussion angeregt zu haben. 8. Männerphantasien: Das Satyrspiel als doppeltes Identifikationsangebot Die Wirkkraft von Halls Theorie zeigt sich insbesondere in ihrer Weiterentwicklung bei Mark Griffith (2005b), der die Theorie vom Identifikationsangebot des Satyrspiels an das Publikum radikal aussdifferenziert. Griffith argumentiert, dass das männliche Publikum sich sowohl mit den Satyrn als auch mit den heroischen personae habe identifizieren können. Dieses doppelte Identifikationsmöglichkeit erfülle ‘prä- und postödipale’ männliche Wunschphantasien zugleich: “one high the other low, but both whole-heartedly endorsed by the dramatic logic of satyr drama” (174). Griffith attestiert dem Satyrspiel eine wichtige soziale Funktion in zweierlei Hinsicht: einmal als Beitrag zum Prozess der Stiftung und (Re)Konsolidierung der Identität Athens und seiner Bürger.23 Zum anderen weist er auf die soziale Relevanz der Gattung, indem er nachweist, wie sie in den SklavereiDiskurs einbezogen ist. Die Satyrn, so sein Argument, dienen den Athener Bürgern als Projektionsfläche für ihre Vorurteile und Phantasien über ihre Sklaven. Gewinnbringend ist hier Griffith’ komparatistischer Zugang zur Materie, i.e. sein Versuch, Analogien zur Amerikanischen ‘blackface minstrelsy’ im 19. und frühen 20. Jh. herzustellen. 9. Identitätsstiftendes Lachen über die Satyrn, die Mitbürger, sich selbst Die Idee der identitätsstiftenden Funktion des Satyrspiels findet sich in anderer Nuancierung bereits bei Voelke (2000; 2001) formuliert: Er erinnert zu Recht daran, dass die Satyr-Choreuten (wie alle Choreuten an den Grossen Dionysien) aus der Bürgerschaft Athens rekrutiert sind. Das Satyrspiel erregt Gelächter, und dieses Gelächter hat einen “effet cohésif”, der in seiner identitätsstiftenden Wirkung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.24 Das Lachen des Publikums Aristias’ Keres, Achaios’ Moirai, Sophokles’ Plyntriai (alternativ: Nausikaa) Satyrn in weiblichen Rollen nicht auszuschliessen. Die Zuweisbarkeit dieser Stücke zum Satyrspiel wird vielenorts eben wegen des titelgebenden Femininums angezweifelt oder radikal verneint – das ist zu engstirnig; cf. Lämmle 2011, 614-615. – Zuweisung dieser Stücke zum Satyrspiel: Sutton 1974c/1989, 297 Nr. 6 (Aristias, Keres); ibid. 299 Nr. 18 (Achae. Moirai); (tentativ) ibid. 322 Nr. 20 (S. Nausikaa oder Plyntriai). 22 Cf. Studien II s.v. Homosexualität und s.v. Kindheit. 23 Griffith 2005, 173 et passim. 24 Voelke 2001, bes. 403-404.

98

Voraussetzungen

über die Spässe der Satyrn ist immer (auch) ein Lachen über diejenigen Bürger, die in der aktuellen Aufführung die Satyrn verkörpern.25 Man kann diesen Gedanken weiterdenken und sagen, dass auch die Erinnerung an einen eigenen einstmaligen Auftritt als Satyr dieses Lachen genährt haben wird. Über die Identifikation mit den Satyrn begibt sich das Publikum in die Randgebiete der eigenen Welt, die im Satyrspiel in Szene gesetzt werden. Eine solche Distanznahme erlaubt es den Zuschauern, die eigene Kultur und ihre Errungenschaften wiederzuentdecken, und dieser Prozess stiftet (und festigt) ihre geteilte kulturelle Identität.26 10. Wiederentdecken der eigenen Kultur: Anthropologische Funktion In einer ähnlichen Argumentation wird dem Satyrspiel verschiedentlich eine anthropologische Funktion zugeschrieben: Satyrn und Silen sind Naturgeister, dem ‘Wilden’ zugeordnet; sie halten sich oft da auf, wo Kultur aus Natur entsteht: Sie sind dabei, wenn der erste Mensch in den Besitz des Feuers kommt (Aischylos Prometheus Pyrkaeus/Pyrphoros), wenn Dionysos den Wein (Sophokles Dionysiskos), das Kleinkind Hermes die Lyra (Sophokles Ichneutai) erfindet. “This position gives them a special perspective on mankind”, heisst es bei Seaford 1984, 33 – das Satyrspiel kann als komischer Zerrspiegel aufgefasst werden, der sich der Gesellschaft vorhalten lässt.27 Ähnlich heisst es bei Lissarrague: “Satyric drama … plays with culture by first distancing it and then reconstructing it through its antitypes, the satyrs …. It plays in a different key, with the displacement, distortion, and reversal of what constitutes the world and culture of men; it reintroduces distance and reinserts Dionysos in the center of the theater” (1990a, 236).28 Damit bindet Lissarrague die anthropologische Erklärung an die wohl entscheidende Funktion des Satyrspiels an, Dionysos in das tragische Bühnengeschehen zu (re)integrieren. Diese Funktion ist Gegenstand des folgenden Kapitels.

25

Voelke 2001, 411: “Ainsi le public, tout en riant du spectacle du satyre, riait sans doute tout autant du spectacle de concitoyens jouant le satyre et de sa propre expérience, indirecte, d’une telle identité”. 26 Voelke 2001, 412. 27 Cf. Lissarrague 1990a, 235: “That is, everything takes place as if the satyrs were a means to explore human culture through a fun-house mirror; the satyrs are antitypes of the Athenian male citizenry and present us with an inverted anthropology (or andrology) of the ancient city-state”. 28 Cf. Lissarrague 2000, 118 mit n. 25 und Abb. 16: Eine Auseinandersetzung der Satyrn mit den Errungenschaften der Zivilisation findet sich auch da, wo die Satyrn in kindlicher Weise mit solchen spielen, e.g. eine Töpferscheibe als Karussell benutzen: “Dans ce domaine, le jeu est comme une expérimentation du réel, et l’on voit à nouveau les satyres détourner les objets de la culture, sur le mode plaisant.”

Das vierte Element

99

3.2 ‘damit nicht der Eindruck entstehe, man habe den Gott vergessen’ Diese Funktion ist kultisch und literarhistorisch zugleich: Das primäre Anliegen des Satyrspiels ist es, Dionysos – und besonders dessen komische und heitere Seiten – auf die tragische Bühne (zurück)zuführen.29 Das Satyrspiel leistet dies, indem es mit seinem Chor der Thiasos-Mitglieder und seinem permanent gesetzten Akteur, dem Silen, durch und durch ‘dionysisches’ Personal auf die Bühne bringt, indem es typische ‘dionysische’ Orte inszeniert oder evoziert und indem es Motive und Strukturen aus der Mythologie und dem Kult des Dionysos einsetzt. – Die einzige antike Funktionserklärung (neben derjenigen des Horaz) deutet just in diese Richtung; sie lässt sich indirekt aus Zenobios’ Erklärung des Publikumsprotestrufs ‘οὐδὲν πρὸς τὸν Δ∆ιόνυσον’ gewinnen, wonach man ‘später Satyrspiele einführte, um nicht den Eindruck zu erwecken, man habe den Gott vergessen’ (Zen. 5.40; vide infra). Die ‘Rückführung’ des Dionysos auf die tragische Bühne kommt indes nur selten dadurch zustande, dass genuin dionysische Stoffe inszeniert werden, in denen die Satyrn einen angestammten Platz hätten.30 Sie folgt im Gegenteil komplizierteren Wegen: Im Satyrspiel wird die Abwesenheit des Gottes und all dessen, was seinen Kult konstituiert, inszeniert, alsbald jedoch als Ab-/Anwesenheit entlarvt – mit dem Ziel, ihm zu einer um so effektvolleren Reintegration ins Bühnengeschehen zu verhelfen. Dies wiederum ist in erster Linie als Kommentar, Replik und Reflexion auf die Tragödie zu verstehen, auf die das Satyrspiel intensiv bezogen ist.

3.2.1 Ursprungsfragen Dass es eine enge Beziehung von Satyrspiel und Tragödie gibt, gehört zu den wenigen Gewissheiten in der Frühgeschichte der dramatischen Gattungen: Sie zeigt sich allein darin, dass das Satyrspiel in direkter Juxtaposition mit der Tragödie – und im hier fokussierten Zeitraum niemals ohne Tragödie – aufgeführt wird. Was aber die chronologische und genealogische Beziehung der beiden Gattungen angeht, kommen wir über Hypothesen und Wahrscheinlichkeiten nicht hinaus: Die Ursprünge des Satyrspiels entziehen sich unserer Kenntnis ebenso wie jene der anderen dramatischen Gattungen.31 Die diversen antiken Theorien über die Ursprünge von Tragödie, Satyrspiel und auch Komödie haben einen 29

Zu diesem Ergebnis gelangen, in je eigenen argumentativen Zusammenhängen und entsprechend nuanciert, e.g. Seaford 1984, bes. 10-16; Lissarrague 1990a; Easterling 1997b; Kaimio et al. 2001, 74-78; Voelke 2001, bes. 389-412; Lämmle 2007. 30 Cf. jedoch die infra Kap. 4.1.3 diskutierten Stücke. 31 Für die aktuellste Diskussion dieser Fragen sei auf die Beiträge im qualitativ hochstehenden Band von Csapo/Miller 2007 verwiesen.

100

Voraussetzungen

gemeinsamen Nenner: Ausnahmslos verorten sie die Ursprünge in Ritualen; in Ritualen, die von einer Gruppe von Sängern, einem Chor, getragen werden. Indes ist alles, was darüber hinausgeht – der Anlass und die spezifische Artung dieser Rituale, die Identität der Chöre, bis heute heftig umstritten.32 Die wichtigste dieser antiken Theorien bietet zugleich die Schlüsselstelle für die Frage nach dem Ursprung der Tragödie und ihrer Beziehung zu satyr(spiel)haften Dramenformen. Es handelt sich dabei um die vieldiskutierte ‘Tragödienentstehungshypothese’ in Aristoteles’ Poetik (1449a9-31), wo die Tragödie in voraussetzender Selbstverständlichkeit nicht nur von den ‘Improvisationen der Anstimmer des Dithyrambos’ (ἀπ’ ἀρχῆς αὐτοσχεδιαστικῆς … ἡ µὲν ἀπὸ τῶν ἐξαρχόντων τὸν διθύραµβον, 1449a9-11), sondern zugleich von einer Art performance hergeleitet wird, die mit σατυρικόν bezeichnet ist. Die Implikation, dass damit die Dithyrambenaufführungen charakterisiert sind, stellt eine der grossen Schwierigkeiten in diesem Bereich dar: Sie suggeriert die Existenz eines ‘Satyr-Dithyrambos’ in früher Zeit – eine Hypothese, gegen die sich viel Widerstand geregt hat.33 Diese performance stellt Aristoteles an den Anfang des langen Adelungsprozesses, den die Tragödie habe durchlaufen müssen, ehe sie ihre Natur erreicht und ihr Wesen – und das heisst aus heutiger Perspektive: ihre klassische Form – verwirklicht habe (πολλὰς µεταβολὰς µεταβαλοῦσα ἡ τραγῳδία ἐπαύσατο, ἐπεὶ ἔσχε τὴν αὑτῆς φύσιν, 14-15). Erst ‘spät’, nach ihrer langwierigen Umfor32

So e.g. die nüchterne Bilanz von Graf 2006 bezüglich der antiken Versuche, die Ursprünge der verschiedenen Dramenformen zu bestimmen – eine Bilanz, die es ebenso aus den modernen Erklärungsversuchen zu ziehen gibt. – Für eine umfassende ‘Ursprungsproblem’-Darstellung cf. e.g. Patzer 1962; Lesky 31972, 17-48 und Latacz 1993/2003, 51-65. 33 Die Aristoteles-Stelle brachte Wilamowitz 1889, 82-86 mit der Suda-Notiz α 3886 s.v. Ἀρίων zusammen, die Arion nicht nur die (e.g. auch bei Pi. O. 13.16-19; Hdt. 1.23; Hellanic. FGrH 4 F 86; Schol. vet. Ar. Av. 1403 bezeugte) wichtige Rolle in der Geschichte des Dithyrambos zuschreibt, sondern ausserdem besagt, er habe als erster Satyrn Verse rezitieren lassen (καὶ Σατύρους εἰσενεγκεῖν ἔµµετρα λέγοντας). Wilamowitz verband die beiden Stellen zur Theorie, wonach Arion Chöre von Satyrn habe auftreten und Dithyramben singen lassen. In diese Erklärung fügt sich weiter die Nachricht des Johannes Diakonus, derzufolge Solon Arion als Erfinder der Tragödie bezeichnet habe, cf. Solon F 30a West (≅ 39 Gentili/Prato) mit der Diskussion bei Ieranò 1997, 183. Als Erfinder der tragischen Weise wird Arion auch in seinem Suda-Artikel bezeichnet, doch wird kein Urheber der Theorie genannt (cf. Suda α 3886 s.v. Ἀρίων: λέγεται καὶ τραγικοῦ τρόπου εὑρετὴς γενέσθαι). In diesem Suda-Eintrag findet sich auch die Bezeichnung des Arion als Sohn des Kykleus, die ihn mit dem Rundtanz (κύκλικος χορός) assoziiert, cf. Zimmermann 2011b, 463. – Zur Dithyramben-Aufführung durch Thiasoten (ob Satyrn oder nicht) als einer Entwicklungsstufe der Tragödie cf. Seaford 1977/1978, 88, 94; Seaford 1981, 269-270; Seaford 1984, 10-11; Seaford 1994a, 268; cf. aber auch Privitera 1991 und dessen frühere Arbeiten. – Zur Geschichte des Dithyrambos: Zimmermann 22008.

Das vierte Element

101

mung aus einem σατυρικόν, sei die Tragödie respektabel geworden (διὰ τὸ ἐκ σατυρικοῦ µεταβαλεῖν ὀψὲ ἀπεσεµνύνθη, 1449a20-21). Davor aber habe sie sich durch ‘kleine Geschichten’ (µικροὶ µῦθοι, 19), eine ‘lachenerregende Diktion’ (λέξις γελοία, 19-20) und den trochäischen Tetrameter als bestimmendes Metrum ausgezeichnet, letzteres, ‘weil die Dichtung satyr(spiel)artig und mehr tänzerischer Natur war’ (διὰ τὸ σατυρικὴν καὶ ὀρχηστικωτέραν εἶναι τὴν ποίησιν, 22-23). Die Übersetzung von τὸ σατυρικόν in 1449a20 (das Satyrspiel?34 Satyrhafte?35 Satyrspielartige?36) hat folgenreiche Schwierigkeiten bereitet, vom Konzept an sich ganz zu schweigen.37 Diese Schwierigkeiten ergaben sich nicht zuletzt in Zusammenhang mit der Etymologie von τραγῳδοί bzw. τραγῳδία.38 Die nach Wilamowitz über lange Zeit verbindliche Etymologie τραγῳδία nämlich involviert wiederum Satyrn, indem sie die σάτυροι mit den τράγοι (Böcken) identifiziert, um deren Gesang es sich bei der τραγῳδία handle – τραγῳδία wird als ein von (als) Satyrn (verkleideten Männern) aufgeführter ‘Bocksgesang’ gedeutet.39 34

Dieses Verständnis von σατυρικόν kommt insbesondere dort zustande, wo die Stelle mit Chamaileons Exegese des Sprichworts ‘οὐδὲν πρὸς τὸν Δ∆ιόνυσον’ übereingebracht wird (Περὶ Θέσπιδος F 38 Wehrli). Er leitet die Tragödie aus σατυρικά her, was des öfteren als ‘Satyrspiele’ interpretiert worden ist. 35 So übersetzen e.g. Thomson 21946, 236; Graf 1998, 17; sicher belegt ist diese Bedeutung von σατυρικόν allerdings erst bei Plu. Cat. Ma. 7. 36 Seaford 1984, 11: “σατυρικόν here means neither ‘satyr-play’, which would probably have been expressed ἐκ τῶν σατυρικῶν, nor merely ‘boisterous’, but ‘satyr-play-like’, just as by τραγικόν Aristotle can mean a quality appropriate to tragedy (Rhet. 1506b 8).” 37 Lämmle 2007, 357-359. 38 Cf. zu den verschiedenen Etymologien von τραγῳδία und der primären Wortbildung (Else 1957, 19; Else 1965, 55-56; Burkert 1966, 91-92; Burkert 1990, 15-16) τραγῳδός respektive τραγῳδοί: Lämmle 2007, 360-362. – En détail äussern sich zur Debatte um die Etymologie von τραγῳδία e.g. Burkert 1966; Silk/Stern 1981, 142-150; Latacz 1993/2003, 53-56. Zu den diversen antiken “master narrations on the topic”: Graf 2006, 104-106. 39 Diese Identifikation erscheint erstmals in EM s.v. Τραγῳδία nach drei alternativen Erklärungen: ἢ ὅτι τὰ πολλὰ οἱ χοροὶ ἐκ σατύρων συνίσταντο· οὓς ἐκάλουν τράγους. Welcker 1826, 240 findet die darauf basierende Etymologie von τραγῳδία “nicht verwerflich”; Wilamowitz 1889, 81-84 befürwortet sie klar. Ebenso Pohlenz 1930, 2-4; Pohlenz 21954, 18-20; tendenziell wieder Webster in DTC2 23-124. Für weitere Vertreter dieser lange Zeit dominanten These cf. Burkert 1966, 88 n. 2. – Als gewichtiges Gegenargument wird hier oft eingewandt, dass es sich bei den Satyrn/Silenen klassischer Zeit um Mensch-Pferd-, nicht um Mensch-Bock-Wesen handelt, cf. Lämmle 2007, 360 n. 88. Freilich ist hier wiederum kritisch gegenzufragen, ob vom Tieranteil einer hybriden, und überdies primär menschlichen Kreatur (ibid. 370 n. 129) tatsächlich eine so spezifische Tiergattungsidentifikation erwartet werden kann (cf. auch Lesky 31973, 37), zumal im Satyrspiel selbst die Apostrophierung eines Satyrn als τράγος und ein Vergleich mit ihm auffällig häufig belegt sind, cf. die Stellen infra Studien II s.v. Tiere (Ende des Lemmas).

102

Voraussetzungen

Ein anderes Problem der ‘Ursprungsfrage’ stellt die verschiedentlich vorgeschlagene Übersetzung von σατυρικόν mit ‘Satyrspiel’, die Aristoteles’ Theorie in Widerspruch zum bei Horaz (Ars 221)40 bewahrten alexandrinischen Ansatz geraten lässt, wonach das Satyrspiel eine spätere Zutat zum tragischen Agon war.41 Dieser Widerspruch lässt sich nun aber beheben, wenn man die beiden Erklärungen für komplementär erklärt und auf je verschiedene Stadien einer Entwicklung bezieht.42 Wenn nämlich die Tragödie, wie es bei Aristoteles heisst, aus einem σατυρικόν hervorgegangen ist, dann ist unklar, warum neben der gereiften Tragödie weiterhin σατυρικόν τι (etwas Satyrhaftes oder Satyrspielhaftes) aufgeführt wird, nämlich das Satyrspiel wie wir es kennen. Umgekehrt vermag Horaz’ Theorie nicht zu erklären, warum man das Satyrspiel, wenn es sich dabei um eine völlig neue und neuartige Erscheinung gehandelt hätte, mit einem Mal zum über so lange Zeit verbindlichen und integralen Bestandteil der tragischen Didaskalie erhoben hätte. Als Erklärung bietet sich an, dass das Satyrspiel (wie Horaz behauptet) später eingeführt wurde – dies aber, um etwas zu bewahren, was der Tragödie (in ihrer bei Aristoteles nachvollzogenen Entwicklung) abhanden gekommen war. So suggeriert es denn auch nicht zuletzt die obgenannte Erklärung der Funktion des Satyrspiels, die sich aus Zenobios’ Exegese des Sprichworts ‘οὐδὲν πρὸς τὸν Δ∆ιόνυσον’ gewinnen lässt. Der Ausspruch zeugt von der Tendenz oder Praxis der Tragödie, Dionysos und das Dionysische zu marginalisieren und auszuklammern, die, wie wir im Folgenden darlegen wollen, im Satyrspiel parodiert, der komischen Reflexion unterzogen und dabei rückgängig gemacht wird. Das Sprichwort ist in der antiken parömiographischen Tradition mehrfach43 – aber mit unterschiedlichen Erklärungen – auf uns gekommen.44 Als grösster – Zur Deutung der in Cyc. 80 von den Satyrn bejammerten Pflicht, eine τράγου χλαῖνα tragen zu müssen: infra p. 243, 350. – Zu den weiteren “wohlbekannten Schwierigkeiten” dieser Theorie (sc. zu den Postulaten eines Satyr-Dithyrambos und eines Proto-Satyrspiels vor Pratinas, der notwendigen Verortung desselben nicht in Athen, sondern in der Peloponnes, dem Fehlen eines archäologischen Belegs für Chöre von ‘singenden Böcken’ sowie zu besagten Problemen der Wortbildung): Burkert 1966, 88-93; Burkert 1990, 1416. 40 Cf. infra Kap. 3.1. 41 Zum hellenistischen Ursprung von Horaz’ Ansatz, cf. Pohlenz 1927/1965, 478. – Auch Ovid scheint von einer chronologischen Priorität der Tragödie auszugehen: Ingleheart 2010, 323 ad Ov. Tr. 2.409-410 mit der handschriftlich überlieferten Wendung ‘deflexa tragoedia’ in V. 409; cf. infra p. 384-385 n. 137. 42 Seaford 1984, bes. 10-11. 43 Cf. die diversen Stellenangaben zu Zen. 5.40 in Leutsch/Schneidewin 1839, 137 ad loc. 44 Zur modernen Diskussion des Sprichworts cf. e.g.: DTC1 166-168; Pohlenz 1927/1965, 474-478; Ziegler 1937, 1931-1935; Murray 1943, 52; Roos 1951, 136-137; DTC2 124126; Else 1965, 18; Burkert 1966, 89 mit n. 3; Seaford 1976b, 209; Seaford 1981, 269 mit n. 155; Vernant 1981/1986; Friedrich 1983, 159, 212 et al. n. 1; Seaford 1984, 11-12;

Das vierte Element

103

gemeinsamer Nenner der verschiedenen Interpretationen lässt sich herausstellen, dass es sich dabei um einen Protestruf des Theaterpublikums, eine Reaktion auf Veränderungen der Theaterdarbietungen handelte. Als Anlass zum Protest werden genannt: a) das Verfassen einer Tragödie zu Ehren des Dionysos durch Epigenes von Sikyon. Diese verknappte, weil als wertlos erachtete Erklärung findet sich in der Suda.45 Ιhre “Urform” scheint in der Sprichwörtersammlung von Coislin erhalten zu sein, wo der Ausruf als Reaktion darauf erklärt wird, dass Epigenes, nachdem die Dichtung ihren Auftakt im Dithyrambos genommen und τὰ πρὸς τὸν Δ∆ιόνυσον ἀνήκοντα – ‘die Dinge, die mit Dionysos zu tun haben’ thematisiert habe, sein Lied in anderer Weise forsetzte (οὐχ οὕτω ποιήσας – ‘nicht in dieser Weise dichtend’);46 b) das Ersetzen ursprünglicher σατυρικά über Dionysos durch Tragödien über andere Stoffe und Geschichten, die nicht mehr von Dionysos handelten. So soll Chamaileons Erklärung in seiner Monographie Περὶ Θέσπιδος F 38 Wehrli gelautet haben; c) die Verdrängung der ursprünglichen Heiterkeit der Stücke, als Phrynichos und Aischylos µύθοι und πάθη einzuführen begannen. Plutarch lässt diese Erklärung in einem Vergleich verlauten: Ihm sei danach – ganz wie jene, die auf die Einführung von µύθοι und πάθη mit (der rhetorischen Frage) τί ταῦτα πρὸς τὸν Δ∆ιόνυσον – ‘Was hat denn das mit Dionysos zu tun?’; reagierten –, mit den Worten Ὦ ἄνθρωπε, τί ταῦτα πρὸς τὸν Δ∆ιόνυσον – ‘Menschenkind, was hat denn das mit Dionysos zu tun?’ zu protestieren, wenn Gespräche beim Symposion zu ernst und zu tiefsinnig werden (Plu. Quaestiones convivales, mor. 615a-b). d) die Verdrängung von Dithyramben zu Ehren des Dionysos durch ‘Aianten und Kentauren’. Letztere Erläuterung des Protestrufs findet sich bei Zenobius (5.40), bei dem als einzigem eine Reaktion auf den Publikumsprotest erwähnt wird: Man habe daraufhin Satyrspiele eingeführt, damit nicht der Eindruck entstehe, man habe den Gott vergessen (Δ∆ιὰ γοῦν τοῦτο τοὺς Σατύρους ὕστερον ἔδοξεν αὐτοῖς προεισάγειν, ἵνα µὴ δοκῶσιν ἐπιλανθάνεσθαι τοῦ θεοῦ). Zenobios bezeichnet das Satyrspiel also als spätere Zutat zu den Dar-

Introduction zu Winkler/Zeitlin 1990, 3; Bierl 1991, 5-8; Schlesier 1995b, 132-133; Friedrich 1996, 259, 263, 272, 274, 278 n. 10 und 11; Graf 1998, 12; Voelke 2001, 395; Bierl 2011, 319-320, 341. 45 Suda ο 806 s.v. Οὐδὲν πρὸς τὸν Δ∆ιόνυσον: Ἐπιγένους τοῦ Σικυωνίου τραγῳδίαν εἰς τὸν Δ∆ιόνυσον ποιήσαντος, ἐπεφώνησάν τινες τοῦτο· ὅθεν ἡ παροιµία. … 46 Leutsch/Schneidewin 1839, 137 ad Zen. 5.40. Cf. Pohlenz 1927/1965, 475; Ziegler 1937, 1933-1934.

104

Voraussetzungen

bietungen im Theater,47 suggeriert aber zugleich, dass damit ein einstmals vorhandenes, inzwischen verlorenes Element wieder eingeführt wurde; ob er damit die σάτυροι – Satyrspiele oder einfach Satyrn – selbst meint oder schlicht etwas, das mit dem späteren Satyrspiel in irgendeiner Hinsicht wesensverwandt ist, sei dahingestellt. Das Frühstadium der Tragödie wird auch hier dionysisch und vergleichsweise heiter gedacht. Eines der grössten Probleme in der Frage nach der Beziehung von Tragödie und Satyrspiel ist der sich aus der Aristoteles’ Theorie aufdrängende Schluss, dass das hehre und erhabene Genre der Tragödie aus dem als niedrig und wertlos erachteten Satyrspiel oder eines nahen Verwandten desselben erwachsen sein soll. Das Unbehagen gegenüber dieser Hypothese hat ernste Zweifel an der Richtigkeit von Aristoteles’ Ausführungen mit sich gebracht48 und ist mitverantwortlich für die Herausbildung diverser moderner Theorien, die ohne die Annahme auszukommen versuchen.49 Dieses Unbehagen müsste sich freilich an anderer und früherer Stelle einstellen. Aristoteles ist zwar der erste, der die Tragödie einer systematischen Betrachtung unterwirft; aber davon, dass Tragödie und Satyrspiel in einer nur schwer nachvollziehbaren Weise miteinander assoziiert wurden, zeugt bereits besagte ‘tetralogische Regel’. Dass das Missbehagen der Philologen sich seltener an dieser Feststellung entfacht, liegt nicht zuletzt an der Überlieferung: Keine Tetralogie und nur ein einziges Satyrspiel sind vollständig überliefert. Das Satyrspiel zu übersehen oder auszublenden fällt nicht schwer. Wo das Satyrspiel dagegen nicht ausgeblendet wurde, erwies sich ein komparatistischer Zugang als gewinnbringend: Der Vergleich mit späteren europäischen wie aussereuropäischen Theaterkulturen wie etwa der japanischen hat uns gelehrt, dass die rasche Entwicklung von einer improvisatorischen, mitunter komischen und obszönen, hauptsächlich vom Chor getragenen performance hin zu einer erhabenen Dramenform wie der 47

Hor. Ars 221 konserviert das alexandrinische Theorem, wonach das Satyrspiel eine späte Zutat zum Tragödienagon war: Seaford 1984, bes. 10-12. 48 E.g. Pickard-Cambridge in DTC2 95: “We have, in short, to admit with regret that it is impossible to accept his (sc. Aristotle’s) authority without question, and that he was probably using that liberty of theorizing which those modern scholars who ask us to accept him as infallible have certainly not abandoned.” Widerspruch gegen diese Ansicht erhebt beispielsweise Thomson 21946, 237. Zu ablehnenden beziehungsweise skeptischen Positionen gegenüber den relevanten Passagen der Poetik (e.g. Nilsson, Schmid, Cantarella, Patzer, Else, Burkert) beziehungsweise weitgehender Akzeptanz (Wilamowitz, Kranz, Pohlenz, Ziegler, Lesky) cf. Lesky 31972, 22-23. – Die jüngste Rehabilitation der Aristotelischen Theorie findet sich bei Depew 2007 in Csapo/Miller 2007; cf. im selben Band auch Seaford 2007, bes. 379 sowie Isler-Kerényi 2007 zum Unbehagen gegenüber dem dionysischen Ursprung der Tragödie von Wilamowitz und seinen Nachfolgern. 49 Lämmle 2007, bes. 358-364.

Das vierte Element

105

Tragödie klassischer Zeit weit weniger singulär und auffällig ist, als man lange Zeit geglaubt hatte.50 Um diese knappe Problemskizze an einen sicheren Punkt zu führen, von dem aus wir weitergehen können, lässt sich folgendes festhalten: Die bei weitem plausibelste Hypothese, ist die, dass die attische Tragödie einem Konglomerat von Ritualen aus dem Dionysoskult entsprungen ist, das die Inszenierung von Mythen über Dionysos beinhaltete und lachenerregenden, heiteren Charakters war. 51 Die Geschichte des Satyrspiels beginnt für uns erst mit Pratinas von Phleius.52 Ob und in welcher Form es davor existierte, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls deutet vieles auf eine Art von performance, die älter ist als die uns bekannte Tragödie und die einige Charakteristika mit dem Satyrspiel teilt: Sie ist auf den Chor und dessen Darbietung ausgerichtet, hat ‘komische’ Züge und kreist um den Gott Dionysos und seine Mythen. Zwar werden im Satyrspiel nur selten Mythen über Dionysos inszeniert;53 die mythischen Episoden aber, die es darstellt, werden ‘dionysisch’ durchdrungen und geprägt. Ehe ich mich im Folgenden der Funktion des Satyrspiels zuwende und diese aus der Behandlung des Dionysos und des ‘Dionysischen’ in den Stücken selbst herleite, seien einige weitere grundsätzliche Überlegungen vorausgeschickt. Die seit langem geführte Diskussion um die Bezüge der Tragödie zum Dionysoskult hat zwischen den Polen οὐδὲν πρὸς τὸν Δ∆ιόνυσον und πᾶν πρὸς τὸν Δ∆ιόνυσον

50

Am häufigsten ist der Verweis auf die Entwicklung des japanischen Noh-Dramas, cf. Chamberlain 51905, 463; Dieterich 1908, 192 mit Hinweis auf eine in diese Richtung weisende Bemerkung von Karl Florenz in dessen Geschichte der japanischen Literatur von 1904-1906; Arnott 1959, 8-9 (allerdings ohne einen Vergleich der Entwicklung der beiden dramatischen Traditionen); Takebe 1960 mit einem Nachwort von Lesky (Lesky 1960); Lesky 1963; Sutton 1979b; Nagy 1990, 385; zum rituellen Ursprung des japanischen Dramas: Dunn 1983; Gontard 1987; Zobel 2007; Griffith 2010, 52 n. 21. Das japanische Kyogen, ein komisches Intermezzo zwischen den ernsthaften Noh-Stücken, war ein konservativer Speicher für die Komik des älteren Sarugaku. In ähnlicher Weise wurde die Antimasque zum Gefäss für Groteskes und Komisches, als sich die English Court Masque als ernsthaftes Drama etabliert hatte, cf. Seaford 1976b, 210-211; Seaford 1984, 12. 51 Ein Moment des Lachhaften, als pièce de résistance, hat fast jede bisher vorgebrachte Theorie über den Ursprung und/oder die Etymologie der Tragödie in Erklärungsnotstand gebracht: Lämmle 2007, 362-364. 52 Zu Pratinas cf. e.g. Hermann 1848; Blass 1888; Becker 1912; Aly 1921, 236-237; Pohlenz 1927/1965; Stoessl 1954; DTC2 17-20, 65-69; Lloyd-Jones 1966/1990; Lesky 31972, 27-28, 30-31, 62-64 u.ö.; Seaford 1984, 13-16; Campbell 1991, 11-13; Melero 1992; Csapo/Slater 1994, 95, 101 Nr. 16, 359-360 Nr. 304; Conrad 1997, 29-30; Ieranò 1997, 218226; Schloemann/Bielfeldt in KPS 74-87 (mit umfassenden Literaturangaben bis 1999); Hedreen 2007, 155-156, 159-160, 166, 168, 176-177; Seaford 2007, 385, 387-388, 389. 53 Die entsprechenden Stücke sind Gegenstand von Kap. 4.1.3.

106

Voraussetzungen

jede denkbare Position hervorgebracht.54 Für das Satyrspiel aber ist diese Diskussion weitgehend hinfällig, denn das Satyrspiel hat fraglos mit Dionysos zu tun. Mit dem essentiellen Merkmal der Gattung, dem Thiasos von Silen und Satyrn, ist die stete Präsenz dionysischen Personals gegeben. Die häufige Erwähnung des Gottes (sei es auch nur seiner Nicht-Anwesenheit)55 sowie von Elementen, die für seinen Kult konstitutiv sind – des Weines, des Tanzes und des Gesangs, also der Choreia, der freien Liebe und Natur, des Theaters etc. – lassen dies ebenso deutlich werden wie die Tatsache, dass das Genre hauptsächlich von einem immergleichen Chor nicht individualisierter stock-figures und seinem wilden Gesang und Tanz getragen wird, der, zumal in den früheren Satyrspielen, nicht so streng zwischen die Epeisodia gebannt ist wie in den anderen dramatischen Genera.56 Das Satyrspiel verfügt über vergleichsweise stark typisierte ‘Themen’ und Motive,57 was von einem konservativeren Charakter, einer, wenn man so will, rituellen Repetitivität zeugt. Satyrspiel-settings sind nicht selten ‘dionysische Orte’;58 eine Reihe typischer Motive des Genres werden durch ihre Verortung in einem mythisch-rituellen Kontext erklärbar.59 Dass beim Satyrspiel, wie bei der Tragödie, vergleichsweise selten auf Stoffe aus dem dionysischen Mythenkomplex zurückgegriffen wird,60 ändert nichts am Befund, dass das Genre eng auf den Gott des Thiasos bezogen ist.61 Dies findet nicht zuletzt darin seinen Ausdruck, dass die Satyrn, die in den Stücken regelmässig von Dionysos getrennt sind und fremden Herren mit entsprechend frem-

54

Aufschlussreich sind die Publikationen, die der Streit zwischen Rainer Friedrich und Richard Seaford gezeitigt hat: Friedrich 1996 (mit einem sehr detaillierten Forschungsbericht); Seaford 1996d contra Friedrich 1996; Friedrich 2000 contra Seaford 1996d; Seaford 2000 contra Friedrich 2000; Friedrich 2001 contra Seaford 2000. – Eine sehr ausführliche Studie über Dionysos und dionysische Elemente in der Tragödie hat Bierl 1991 vorgelegt. – Ausserordentlich kritisch gegenüber einer dionysos-fokussierenden und ‘ritualistischen’ Lektüre der Tragödie sind in jüngerer Zeit die Arbeiten von Scott Scullion (2002, 2005a, 2005b). 55 Cf. infra Kap. 4. 56 E.g. Seaford 1976b, 211 (zitiert supra p. 78). 57 Cf. infra Studien II. 58 So ein zentraes Ergebnis von Voelke 2001. 59 Die Isolation typischer Satyrspielthemen hat bei Richard Seaford und Pierre Voelke in je eigener Nuancierung die rituelle wie mythische Verankerung des Genres, seine dionysische Durchdrungenheit, zutage gefördert: Seaford 1984, bes. 33-44 und Voelke 2001, bes. 378-381. 60 Die Dramen über Stoffe aus der Dionysos-Mythologie bespreche ich in Kap. 4.1.3. 61 Die gängige Erklärung für die Wahl nicht-dionysischer Mythen, dass nämlich auch hier, wie beim Verfassen von Tragödien, der sich aus dem agonalen Rahmen ergebenden Forderung nach alljährlicher Neuerung Genüge getan werden musste (so e.g. Seaford 1984, 28-29, 44), greift m.E. zu kurz.

Das vierte Element

107

den Tätigkeiten zu dienen haben, in diesen fremden Rollen topischerweise versagen, weil ihnen ihre dionysische Natur in die Quere kommt.62 In den Satyrspielen ist ausserdem häufig von ‘neuen’ und ‘neuartigen’ Dingen und Gegebenheiten, auch von Erfindungen und Entdeckungen die Rede.63 Dies betrifft zum einen kulturelle Neuerungen und Gegenstände, die für den dionysischen Bereich konstitutiv sind – wie etwa Wein und bestimmte Musikinstrumente, mit denen die Satyrn im Mythos wie im Kult viel zu tun haben. Zum anderen begegnen die Satyrn, als notorische Fremdlinge in fremden mythischen Gefilden, allerlei Neuem und Neuartigem, zu dem sie in einem problematischen Verhältnis stehen. Geben sie sich dieser Form von Neuem hin, verhalten sie sich ‘uneigentlich’ und ‘nicht-dionysisch’. Die ἡδονή des Satyrspiels basiert just auf der Integration dieses Neuartigen in den eigentlichen (Un)tätigkeitsbereich der Satyrn. Seine Komik besteht nicht nur in der evidenten Inkongruenz dieser zu einem grotesken ‘double’64 vereinten Bereiche,65 sondern in der zelebrierten ReIntegration des Dionysos ins Zentrum des Geschehens, oder, präziser noch, in der Inszenierung der Tatsache, dass er aus dem (tragischen) ‘System’, das ihn auszuschliessen versucht, nicht wegzudenken ist, weil er ihm angehört.

62

Cf. infra Kap. 5.2. Cf. infra Studien II s.v. Erfindung. 64 Begriffsanleihe bei Kristeva 1967, 146. 65 Cf. Lissarrague 1990a, 236: “The comic effect springs from this collage of satyrs and myth, the revision of myth through this specific filter. The joke is one of incongruity, which generates a series of surprises.” – Auf dem in vielen Theorien des Lachhaften und Komischen oft allzu dominanten Moment der Inkongruenz beruht auch Seidenstickers Erläuterung der Satyrspiel-Komik: Er spricht von einem “sudden clash between two entirely different worlds” (Seidensticker 2002, 397); cf. auch Sutton 1980a, e.g. 159-161. 63

Tragödienreflexion

4 ‘Der eingeschlossene Dritte’ 4.1 Dionysos im Satyrspiel In seinem Satyrspiel Omphale lässt Achaios die Satyrn sagen: ὁ δὲ σκύφος µε τοῦ θεοῦ καλεῖ πάλαι τὸ γράµµα φαίνων· δέλτ’, ἰῶτα καὶ τρίτον οὖ, νῦ τό τ’ ὖ πάρεστι, κοὐκ ἀπουσίαν ἐκ τοὐπέκεινα σὰν τό τ’ οὖ κηρύσσετον Der Becher des Gottes ruft mich seit langem schon, er zeigt den Buchstaben delta, ein iota und als drittes ein ou [≅ o]1, ein ny, und auch das y ist da, und nicht bekunden ihre Abwesenheit von der anderen Seite her das san2 und das ou. (Achae. Omph. F 33)

Buchstabe für Buchstabe wird in diesen Versen in ebenso verrätselnd-verfremdender wie kindlich-ungelenker Weise die Aufschrift Δ∆ΙΟΝΥΜΟ, i.e. Δ∆ιονύσου, ‘des Dionysos’, enthüllt. Man könnte diese Stelle als emblematisch für den Umgang des Satyrspiels mit Dionysos bezeichnen: In einem nicht unkomplizierten Spiel mit dem inkludierenden Potential der Negation stellt sich hier allmählich heraus, wessen Stempel das Satyrspiel trägt und wem es zugedacht ist. Der erste Vers von F 33 impliziert den Gedanken des Getrenntseins von Dionysos und 1

Der hier zweifach erscheinende, οὖ genannte Buchstabe, wurde gemäss Athenaios (in unmittelbarem Anschluss an das Zitat, 11.466f-467a) ‘von den Alten’ ‘O’ geschrieben und sowohl verwendet, um o (mikron) als auch den unechten Diphtong ου schriftlich auszudrücken. Cf. Jeffery 1961/2003, 32 s.v. οὖ, later ὂ µικρόν (‘ayin): “This sound became in Greek pronunciation the vowel ο …, and the sign was used for both the pure vowel and the improper diphthong ου (exept in Corinthian …).” – Die Becheraufschrift sah demnach wie folgt aus: Δ∆ΙΟΝΥΜΟ. 2 Σάν, geschrieben ‘Μ’, heisst der dorische Buchstabe, der den stimmhaften S-Laut bezeichnet, und den man in der dorisch-sprachigen Region Griechenlands bis Mitte 5. Jh. v.Chr. benutzte, ehe er durch das σίγµα fast überall verdrängt wurde: Jeffery 1961/2003, 33 s.v. σάν, 34 s.v. σίγµα. – Cf. auch Hdt. 1.139: … τὠυτὸ γράµµα, τὸ Δ∆ωριέες µὲν σὰν καλέουσι, Ἴωνες δὲ σίγµα. Im Anschluss an das Zitat von Achae. Omph. F 33 kommentiert Athenaios 11.467a zunächst hiermit übereinstimmend: τὸ δὲ σὰν ἀντὶ τοῦ σίγµα Δ∆ωρικῶς εἰρήκασιν. Seiner Erklärung allerdings, warum hier ‘san’ statt ‘sigma’ gesagt wird, scheint ein etwas eigentümliches Verständnis asigmatischen Dichtens zugrundezuliegen, cf. infra p. 365 (Studien II s.v. Buchstaben).

112

Tragödienreflexion

vom Wein, der zu den Topoi des Genres zählt: Schon seit langem ruft der Becher, ehe er endlich erhört wird. Diese Sehnsucht nach Dionysos wird möglicherweise auch in F 32 der Omphale artikuliert: Hier scheint ein Satyr über Dionysos zu sprechen und sich daran zu erinnern, ‘wie gut er zu den Sklaven, wie gut er zu den Dienern war’ (ὡς εὔδουλος, ὡς εὔοικος ἦν); wohl spielt er den Gott damit gegen die aktuelle Herrschaft (sc. Omphale) aus.3 Ein Spiel mit der Negation lässt sich für das zweite Verspaar von F 33 konstatieren: Die Rätselhaftigkeit der Verse beruht darauf, dass die Silbe ου nicht weniger als fünf Mal ausgesprochen wird,4 dabei aber nur ein Mal negierende Funktion hat (3). Diese Negation aber ist ihrerseits Teil einer ‘gedanklichen’ Litotes: Von den Buchstaben san und ou wird nämlich gesagt, sie verkündeten, dass sie nicht abwesend (i.e. nicht nichtanwesend) seien. Die gedankliche Bewegung, die mit dieser Litotes vollzogen wird, ist nicht identisch, wohl aber verwandt mit der inkludierenden Exklusion, die wir im Folgenden als Wirkprinzip der Dionysos-Behandlung im Satyrspiel herausstellen werden. Dionysos und das Dionysische – so unsere zunächst jeder Intuition zuwiderlaufende Beobachtung – werden im Satyrspiel regelmässig ausgeklammert, unterdrückt, marginalisiert, weggeredet und wegprojiziert. Hinter der Inszenierung dieser Abwesenheit verbirgt sich jedoch, wie sich herausstellen wird, die Absicht, dem Gott zu einer hocheffektiven Rückkehr ins Bühnengeschehen zu verhelfen. Stets wird nämlich vorgeführt, dass sich die Ausklammerung des Dionysos nicht aufrechterhalten und letztlich nicht bewerkstelligen lässt. Indem das Satyrspiel permanent die Ab-/Anwesenheit des Gottes bespielt und ihn ausschliesst, um seine Nicht-Ausschliessbarkeit unter Beweis zu stellen, positioniert sich das Satyrspiel selbstbewusst gegenüber der Tragödie, deren Tendenz, Dionysos zu marginalisieren und andere Mythen ins Zentrum zu rücken, es zunächst imitiert und auf komische Weise in ihr Gegenteil überführt. Wenden wir uns nun dem Phänomen der inszenierten Ab-/Anwesenheit des Gottes zu – zunächst im Kyklops, dann im restlichen Satyrspielkorpus.

3

Der einleitende Teil des Zitatkontexts bei Athenaios 6.267d (Ἀχαιὸς δ’ ἐν Ὀµφάλῃ περὶ τοῦ σατύρου λέγων φησίν· 〈 … 〉 ὡς κτλ.; zitiert nach Olsen 2008) suggeriert freilich, dass ein Satyr Subjekt, nicht Sprecher des Zitats ist (so deutet e.g. Snell die Stelle; cf. TrGF I, p. 124) – was inhaltlich aber recht unwahrscheinlich ist. Cf. Pechstein/Krumeich in KPS 541-542, die ebenfalls mit der Interpretation liebäugeln, dass die Satyrn hier den ‘guten alten Zeiten’ unter Dionysos’ Ägide nachtrauern, wie sie es im Kyklops tun. – Eine weitere Parallele zum Kyklops sehen Pechstein/Krumeich im Subjekt-Objekt-Tausch in F 33, wo ein Satyr behauptet, der Becher rufe ihn seit langem, und dabei dem Silen im Kyklops ähnelt, der beteuert, der Wein habe ihn geküsst (weil er so schön sei), nicht etwa er den Wein (E. Cyc. 553-555). Cf. infra Studien II s.v. ‘Inversion der Begierde’. 4 Achae. Omph. F 33.3-4: οὖ, νῦ τό τ’ ὖ πάρεστι, κοὐκ ἀπουσίαν / ἐκ τοὐπέκεινα σὰν τό τ’ οὖ κηρύσσετον.

‘Der eingeschlossene Dritte’

113

4.1.1 Dionysos ab-/anwesend in Euripides’ Kyklops Warum wächst auf Euripides’ Kyklopeninsel kein Wein?5 Auf der homerischen Insel, deren vegetative, agrarische, ökonomische und soziopolitische Verhältnisse sich im Kyklops in allenfalls leicht modifizierter Form wiederfinden,6 wachsen ἄµπελοι, αἵ τε φέρουσιν / οἶνον ἐριστάφυλον – ‘Reben, die einen Wein von grossen Trauben tragen’ (Od. 9.110-111). Dass Wein vor der Ankunft der Griechen nicht vorhanden ist, stellt eine der entscheidenden Abweichungen von der homerischen Version der Κυκλωπεία dar. Richard Seaford gibt hierfür zwei Erklärungen: Einmal könne so der Satyrspiel-Topos der Einführung oder Offenbarung eines Kulturguts eingehalten werden,7 zweitens, und hier fügt sich ersteres in einen weiteren Zusammenhang, stelle Polyphems Unkenntnis von Wein die Bedingung für seine Initiation in die Dionysosmysterien dar, die im Kyklops in komisch verzerrter Weise dargestellt werde. Die Offenbarung eines Kulturguts ist demnach in Analogie zur Enthüllung heiliger Objekte (ἱερά) bei der Initiationsfeier zu verstehen. Diese These ist ein wichtiges Glied in Seafords ebenso beachteter wie umstrittener,8 auf ähnlich rezipierten Vorarbeiten aufbauender Theorie, wonach Euripides’ Kyklops, wie seine Bakchen, nach der mystischen Initiation in den dionysischen Thiasos und damit nach dem anlässlich der Initiation inszenierten ἱερὸς λόγος der Mysterien modelliert sei.9 Der in den Bakchen dargestellte Widerstand gegen Dionysos, der 5

Cyc. 123-124. – Dieselbe Frage stellt Kassel 1955/1989, 174, der die Trennung der Satyrn und des Silen von Dionysos als “poetisches Grundmotiv des Stückes” (175) bezeichnet, die Funktion des Motivs aber nicht weiter untersucht. 6 Anders Seaford 1984 ad 121-124. Als sich Odysseus erkundigt, wovon man sich auf der Insel ernähre und ob man die Frucht der Demeter anbaue (Cyc. 121), antwortet der Silen, nur auf die Teilfrage ἢ τῷ ζῶσι; Bezug nehmend, man lebe von Milch, Käse und dem Verzehr von Kleinvieh. Daraus mit Seaford den Schluss zu ziehen, dass Euripides den Kyklopen nicht nur den Wein, sondern auch das Getreide ‘weggenommen’ habe, und damit seiner Vertrautheit mit dem zeitgenössischen Konzept “of an earlier time in which man had neither agriculture nor its benefits” (Seaford 1984, 125) Ausdruck verleihe, ist kein zwingender Interpretationsschritt. 7 Seaford 1977/1978, 91; Seaford 1984, 37. Zum Topos: infra Studien II s.v. Erfindung. 8 Seaford 1981. Für eine kritische Würdigung dieses Aufsatzes: Schlesier 1995a, 411-415. 9 Seafords Ansatz stellt in vielerlei Hinsicht eine Aufnahme und Weiterentwicklung von Theorien dar, die von den ersten Jahrzehnten des 19. bis zum Beginn des letzten Jahrhunderts virulent waren, zunächst bei Karl Otfried Müller (1925); in der Folgezeit e.g. bei Jacob Bernays (1857); Erwin Rohde (cf. Crusius 1902, 226 = Rohde 1870, Cogitata 17 in; Rohde 1894); Friedrich Nietzsche (1872; zum Einfluss von Nietzsches Geburt der Tragödie auf die Formierung der ‘ritual theory’ cf. e.g. Else 1965, 9, 30; Friedrich 1980; Silk/Stern 1981, 142; Friedrich 1983, 160-162); Hermann Usener (cf. Schlesier 1995a, 402 mit n. 64, 403); Albrecht Dieterich (1908); Martin Persson Nilsson (1911; cf. auch Nilsson 1957); Jane Ellen Harrison und Gilbert Murray (jeweils 21927 [11912]) und seit-

114

Tragödienreflexion

in der Gefangennahme des Gottes respektive seiner Anhänger gipfelt, findet in der Gefangenschaft der Satyrn und des Silen im Kyklops sein Pendant.10 Eine solche Gefangenschaft oder ein zu verrichtender Sklavendienst gehört zu den konventionellen Motiven des Satyrspiels. Von vielen schlicht damit erklärt, dass der Satyrspieldichter die Anwesenheit der Satyrn in ihnen fremden mythologischen Gebieten am einfachsten so begründen könne, dass er sie zu Gefangenen eines fremden Herrschers mache,11 wird das Motiv bei Seaford zum Relikt der Mythen um Dionysos. Die “original story” des Satyrspiels sei die folgende: Der Thiasos wird von einem Feind und Leugner des Gottes gefangen, schliesslich aber befreit (und zu Dionysos zurückgebracht); in der Bezwingung des Feindes und in seiner anschliessenden Anerkennung der Göttlichkeit des Dionysos kann demnach ein Reflex des gelungenen Initiationsprozesses gesehen werden, durch den ein Wissen erlangt worden ist, das dem Uninitiierten verborher nur vereinzelte Renaissancen erlebt haben, e.g. bei George Thomson (1941 = Thomson 21946); Henri Jeanmaire (1951); J.-P. Guépin (1968). Pionierarbeit leistet Seaford aber gerade im Bereich des Satyrspiels, dem er wesentlich mehr Bedeutung beimisst als seine Vorläufer. Dass das Satyrspiel in diesem Bereich lange kaum zur Kenntnis genommen wurde, liegt natürlich an der Überlieferungsgeschichte – wesentliche Teile des Satyrspielkorpus sind erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts erschlossen worden). – Zu einem detaillierten Nachvollzug der Interpretationsgeschichte, die Tragödientheorie und Mysterienwesen verbindet, sowie zu neuen Forschungsperspektiven: Schlesier 1995a. – Diskussion von Seafords Thesen in Bezug auf das Satyrspiel: Voelke 2001, 384-386. 10 Seaford nennt eine lange Reihe paralleler Motive zwischen den beiden Stücken (1981, 272-274) und erklärt ihre Ähnlichkeit damit, dass sie die einzigen unter den erhaltenen Dramen seien, die das ‘ursprüngliche Drama’ repräsentieren, in dem der Chor ein dionysischer Thiasos ist und die Handlung sich um die Initiation in den Thiasos drehe. Während in den Bakchen aber der traditionelle Mythos des Thiasos, der ἱερὸς λόγος seiner Mysterien, thematisiert werde, bleibe im Kyklops lediglich diese traditionelle “‘initiatory’ form fused (often with humorous results) with a novel and somewhat discrepant (Homeric) content” (Seaford 1981, 274). – Selbstparodie ist schon aufgrund der Datierung der Stücke ausgeschlossen: der Kyklops ist wohl 408 v.Chr., andernfalls aber früher aufgeführt worden; die Bakchen dagegen frühestens 406 v.Chr. (cf. Schol. Ar. Ra. 67; Cropp/Fick 1985, e.g. 20, 23) – Zur Datierung des Kyklops: infra p. 327-330. 11 So e.g. bei Seidensticker in KPS 28-29; cf. auch Sutton 1974f, 165; Seaford 1981, 272 n. 181; Seaford 1984, 34. – Dem Problem der Erklärung hat man sich auch zu entziehen versucht: Verschiedentlich wurde davon ausgegangen, dass der Aufenthalt der Satyrn in fremden mythischen Gefilden ein unhinterfragter Bestandteil der Dramen sei: Conrad 1997, 35 (“Die kritiklose Hinnahme der Gegenwart der Satyrn in beliebigem mythologischen Rahmen gehörte in der Blütezeit der Gattung zu den stillschweigenden Konventionen”); ähnlich bereits Werre-de Haas 1961, 33 (“There is no reason to assume that their presence … needs to be explained, only because a circumstantial explanation is given in the Cyclops. Everyone takes it for granted that satyrs appear in satyric drama”). Sutton 1980a dreht das Problem vollends um: “… the more irrational their presence, the funnier it seems.”

‘Der eingeschlossene Dritte’

115

gen bleibt. Dem Kyklops liege das initiatorische pattern des ursprünglichen Dramentyps zugrunde, heisst es bei Seaford, es werde aber durch die Amalgamierung mit einem homerischen Stoff komisch verzerrt. Die resultierende “mock-initiation”12 setzt das Nicht-Eingeweihtsein des Kyklopen ebenso voraus wie seinen Widerstand gegen Dionysos: “It is in a sense Dionysos who prevails (454 etc.). Despite his sophistication Polyphemos knows nothing of wine or of Dionysos, is disdainful of the thiasos (204-5, 220-1) and has to be instructed in the manners of the symposium” (1984, 57).13 Das folgende close reading einiger Passagen des Kyklops ergibt demgegenüber aber den Befund, dass es eines immensen rhetorischen Aufwands seitens der Akteure bedarf, um darstellen zu können, wie ‘dionysos-los’ die Kyklopeninsel sei, die von Odysseus auf den ersten Blick für eine ‘Bromios-Stadt’ gehalten wird: τί χρῆµα; Βροµίου πόλιν ἔοιγµεν ἐσβαλεῖν· Was ist denn das? Wir scheinen in eine Bromios-Stadt geraten zu sein. (E. Cyc. 99)

Die Unterdrückung des Thiasos durch den Kyklopen ist tatsächlich ein Thema zu Stückbeginn, hauptsächlich aber im Prolog (Cyc. 1-40), den sein Sprecher, der Silen, zur breitgefächerten Inszenierung seiner selbst nutzt. Der Prologbeginn Ὦ Βρόµιε, διὰ σὲ … (1) leitet scheinbar ein Dankgebet an Dionysos ein (‘O Bromios, dank dir …’),14 mutiert aber sogleich zu einer Art Lobgesang auf die eigene Jugend, in der er Dionysos in den abenteuerlichsten Situationen tatkräftig und rettend zur Seite gestanden haben will (1-9). Καὶ νῦν (10) ist Dionysos auf den Silen angewiesen: Er ist von tyrrhenischen Piraten geraubt und entführt worden; der Silen und die τέκνα, die Satyrn, wären ihnen dicht auf den Fersen, hätte sie nicht just das Schicksal ereilt, das aus der homerischen Version der Geschichte als Schicksal des Odysseus bekannt ist: Beim Kap Malea sind sie in einen Sturm geraten, haben Schiffbruch erlitten und sind auf die Insel der Kyklopen verschlagen worden (10-22). Einer der Inselbewohner, ‘man nennt ihn … Polyphem’ (24-25), hat den Silen und die παῖδες ergriffen und knechtet sie seither aufs abscheulichste: Während die selbst noch 12

Auch im Falle der ‘Initiation’ des Pentheus in den Bakchen spricht Seaford 1984, 44 von einer “mock-initiation”. Das Attribut ‘mock’ ist demnach nicht hinsichtlich der Amalgamierung mit einem homerischen Stoff gewählt, sondern deshalb, weil auch in den Bakchen keine eigentliche Initiation dargestellt, sondern nur auf eine angespielt wird. 13 Cf. bereits Seaford 1981, 272-273 (zur Feindseligkeit des Kyklopen gegenüber Dionysos und dem Thiasos); 273 mit n. 199 (zur Initiation des Kyklopen: “… Polyphemos is introduced to wine for the first time”). 14 Cf. infra p. 163 mit n. 27.

116

Tragödienreflexion

jungen Kinder das junge Vieh weiden müssen (28: νέµουσι µῆλα νέα νέοι πεφυκότες), muss der Silen σαίρειν στέγας – ‘den Palast wischen’ (29),15 i.e. die Höhle mit einer eisernen Harke sauberkratzen (33-35). Der Silen – DionysosRetter, Piraten-Jäger, Odysseus und tragisch gefallener König zugleich –16 steht einem Sklavenschinder gegenüber, der ἀνόσιος (26; cf. 31) ist und δυσσεβής (30). Die Selbststilisierung zum Opfer eines Dionysosfeindes fügt sich demnach in eine ganze Reihe fremder Rollenbilder, die der Silen sich andichtet. Der Effekt der Rede wird durch die Parodos des Chores weiter konterkariert, der ‘nun wie damals, als er mit Bakchos zum Haus der Althaia zog’ (38-39), die sikinnis tanzend am Horizont erscheint, und sich zudem erstaunt zeigt über die offenbar ungewohnte σπουδή des Vaters:17 … ἀτὰρ δὴ τίνα, πάτερ, σπουδὴν ἔχεις; … Was legst du denn da für einen Ernst an den Tag, Vater? (E. Cyc. 84)

Das Einzugslied endet jedoch mit einer epodos, in der auch der Chor behauptet, an einen völlig ‘dionysoslosen’ Ort gelangt zu sein (63-81): οὐ τάδε Βρόµιος, οὐ τάδε χοροὶ κτλ.18 Hier schildern die Thiasos-Mitglieder die Unterdrückung bakchischen Treibens durch den Kyklopen; hinzu kommen die von Seaford genannten Verse des Polyphem. Bei seinem Auftritt schilt er den Chor: … τί τάδε; τίς ἡ ῥᾳθυµία; τί βακχιάζετ’; οὐχὶ Δ∆ιόνυσος τάδε, οὐ κρόταλα χαλκοῦ τυµπάνων τ’ ἀράγµατα. … Was soll denn das? Was ist das für ein Lärm? Was tanzt ihr da bakchisch herum? Hier gibt’s keinen Dionysos, keine Erz-Kastagnetten und keine Paukenschläge! (E. Cyc. 203-205)19

15 Der ganze Vers (Cyc. 29) lautet: ἐγὼ δὲ πληροῦν πίστρα καὶ σαίρειν στέγας. Patterson 1898, 358 kommentiert den verächtlichen Ton dieses Verses (“an air of contempt”), der durch Alliteration und Sibilation zustande komme. 16 Der Silen stilisiert sich hier zum tragisch gefallenen König, cf. Seaford 1984 ad E. Cyc. 25 und 29. Mitglieder königlicher Familien, die wie der Silen zum Wischen (σαίρειν) eines Hauses (δῶµα) verdammt sind – Cyc. 29: … σαίρειν στέγας und 33: σαίρειν … δόµους –, finden sich e.g. in: E. Andr. 166 (σαίρειν τε δῶµα …); Hec. 363 (σαίρειν τε δῶµα …); Hyps. F 752f.116-117 (πότερα δώµατος εἰσόδους / σαίρει[ς], …). 17 Zur sikinnis: infra p. 195-196, 199-201. 18 Diskussion dieser Stelle: infra p. 158-160, 233-234. 19 Kontextualisierung dieser Schelte: Kap. 6.1.

‘Der eingeschlossene Dritte’

117

Wenn Polyphem ‘nichts über Dionysos weiss’, warum verfügt er dann über ein so präzises dionysisches Vokabular, wie es sich hier in seiner Schelte artikuliert? Woher kennt er,20 um vorerst nur ein Detail herauszugreifen, die τύµπανα, die im fünften vorchristlichen Jahrhundert ausschliesslich in kultischem Kontext erscheinen?21 Der zweite von Seaford beigebrachte Beleg für Polyphems Feindseligkeit gegenüber dem Thiasos ist eine Replik des Kyklopen auf die ängstliche Bitte des Chores, ihn beim Frühstück nicht mitzuverschlucken: ἥκιστ’· ἐπεί µ’ ἂν ἐν µέσῃ τῇ γαστέρι πηδῶντες ἀπολέσαιτ’ ἂν ὑπὸ τῶν σχηµάτων. Nein danke! Ihr würdet mir im Magen herumhüpfen und mich umbringen mit euren Tanzfiguren! (E. Cyc. 220-221)

Dass es sich hier um einen Ausdruck des Widerstands gegen den Thiasos und nicht etwa um Angst vor Bauchschmerzen handelt, erscheint alles andere als klar. Ist es ferner wirklich so, dass Polyphem in den Regeln des Symposions unterwiesen werden muss?22 Aus den Worten bei seinem ersten Auftritt geht hervor, dass er sich seine Milch – im Gegensatz zu seinem homerischen Vorbild – gerne mischen lässt, er trinkt ‘Ziegenmilch, Kuhmilch oder ein Gemisch’ (Cyc. 218: µήλειον ἢ βόειον ἢ µεµειγµένον; dagegen Od. 9.297: ἄκρητον γάλα23). Die dionysische Kunst des Mischens, von Wein und Wasser natürlich, gehört zu den fundamentalen Regeln zivilisierten Weinkonsums. Gemischt wird beim Kyklopen in Gefässen, die für Wein angemessener wären: in κρατῆρες, πίθοι und ἀµφορῆς (Cyc. 216: κρατῆρες, 217: πίθον, 327: ἀµφορέα, 388: κρατῆρα … ὡς δεκάµφορον)24, und dass er einen ‘drei Ellen weiten und vier Ellen tiefen’ Becher aus Efeuholz (390: σκύφος … κισσοῦ) besitzt, aus dem er die Milch zu trinken pflegt, ist ein in der Forschung mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit hingenommenes Detail.25 Der hier mit σκύφος … κισσοῦ paraphrasierte κισσύ20 Zum Phänomen des ‘Mehr-’ bzw. ‘Zuviel-Wissens’ der Figuren im Kyklops: infra Studien I, E. Cyc. 21 Seaford 1984 ad Cyc. 205; Wegner 1949, 64-65, 228-229; Voelke 2001, 107-111; infra Kap. 5.1.8. 22 Cf. zum Symposion im Kyklops mit teilweise ähnlichen Beobachtungen Rossi 1971; Hamilton 1979; Napolitano 2000a. 23 Dass es sich bereits bei dieser Homer-Stelle um eine komische Bezugnahme auf die Praxis des Weinmischens handelt (und nicht, wie auch behauptet wurde, um ein Indiz für spezifische Arten der Milchverarbeitung), hat man längst erkannt: cf. infra p. 349 n. 79. 24 Cf. Voelke 2001, 185-189, 326 mit n. 68. 25 Anders Napolitano 1999, 58. – Zum Efeu: infra Kap. 5.1.6.

118

Tragödienreflexion

βιον, in dem der homerische Odysseus dem Kyklopen den Wein serviert (Od. 9.346), stammt dagegen nicht aus Polyphems Besitz.26 Seafords Initiationsthese ist aufgrund unserer naturgemäss bescheidenen Kenntnisse27 der Dionysosmysterien problematisch. Insofern aber, als sie sich in erster Linie auf einen Mythos um Dionysos stützt, i.e. auf die Version des Pentheus-Dionysos-Mythos der Bakchen (die er als Dramatisierung des ἱερὸς λόγος der Dionysosmysterien begreift), ist sie in neuerer Zeit durchaus weitergeführt worden. Voelke 2001 beispielsweise liest Euripides’ Kyklops und diverse Satyrspieltopoi vor dem Hintergrund des Festmythos, der den Grossen Dionysien zugrundeliegt: des Mythos von Dionysos Eleuthereus.28 Auch hier finden sich, wie in Seafords aus den Bakchen (und Kyklops) extrapoliertem ἱερὸς λόγος, die Motive der anfänglichen Missachtung des Gottes, des Widerstands und der axenia29 gegen ihn, die erst durch eine Bestrafung der Widerständischen gebrochen und in eine Initiation in dionysisches Wissen überführt werden können. Drei antiken Zeugnissen zufolge gestaltet sich der Mythos von Dionysos Eleuthereus folgendermassen:30 Als in Athen einer aus Eleutherai in Böotien eingeführten Statue des Dionysos jede Ehrerbietung verweigert wurde, bestrafte der erzürnte Gott die athenischen Männer mit einer Geschlechtskrankheit. Erst die Herstellung kultischer Phalloi seitens der Athener vermochte ihn zu besänftigen. An den Tisch des Athener Königs Amphiktyon gebeten, führte Dionysos diesen in die Kunst zivilisierten Weingenusses ein – und das heisst vor allem: in die Kunst des Weinmischens.

26 Seaford 1984 ad loc. bemerkt zwar den ‘Besitzerwechsel’, reflektiert ihn aber nicht. – Zu Beschaffenheit, antiken wie modernen Etymologien, Synonyma und den gängigen Umschreibungen von κισσύβιον cf. Dale 1952/1969. Dass es sich bei der Verbindung mit κισσός um eine Volksetymologie handelt, ist möglich, doch “Euripides, and Timotheus after him, writing as town poets, not country craftsmen, assumed the derivation ‘vessel of ivy-wood’ for κισσύβιον, and used the (more conveniently iambic) periphrases in place of this perhaps slightly outlandish-sounding name”, befindet Dale 1952/1962, 102. 27 Cf. aber e.g. Burkert 1987; 1994; 1995 zu den Mysterienkulten im allgemeinen; Seaford 1981; Seaford 1994b; Schlesier 1995a, bes. 389-397; Seaford 1996a, 39-44. 28 Voelke 2001, 386-389. Cf. auch Voelke 2001, 19 n. 10, 49-50, 307-309; Stellungnahme zu Seafords Theorie: Voelke 2001, 384-386. – Zur Bedeutung dieses Mythos und der ihm zugrundeliegenden oder auf ihn bezugnehmenden Rituale im Kontext der Grossen Dionysien cf. auch Sourvinou-Inwood 1994; Sourvinou-Inwood 1997; Sourvinou-Inwood 2003, bes. 72-75, 100-104 und 149-154; Sourvinou-Inwood 2005, bes. 14-15. Zum rituellen xenismos (der in der Einladung des Dionysos an den Tisch des Amphiktyon sein mythisches Pendant findet): Sourvinou-Inwood 1994; Sourvinou-Inwood 2003, 69-100. 29 Zur axenia gegen Dionysos cf. Massenzio 1970; Flückiger-Guggenheim 1984, 101-119; Voelke 2001, 378, 381, 386-387, auch 301-313. 30 Schol. Ar. Ach. 243a; Paus. 1.2.5; Philoch. FGrH 328 F 5b. Cf. ferner DFA2 57-58.

‘Der eingeschlossene Dritte’

119

Auf dieser Basis konzipiert Voelke Dionysos als ‘Gott der Mischung’:31 Euripides’ Polyphem, der als ἄµεικτος ἀνήρ (Cyc. 429) charakterisiert wird, nach dem Weingenuss eine ἄκρατος χάρις (577) erlebt und von Odysseus in einen ὕπνος ἄκρατος (601-602) gewünscht wird, denkt er in Opposition zum ‘Gott der Mischung’ und als einen Widersacher des Gottes, wie ihn im Festmythos der Grossen Dionysien die Athener, in weiteren Dionysos-Mythen Figuren wie Lykurg oder Pentheus verkörpern:32 “… son châtiment viendra d’un vin bu en solitaire et sans mélange, qui le fera jouir d’une joie sans mélange …, avant de le plonger dans un sommeil également pur …” (Voelke 2001, 387). Die Selbstverständlichkeit, mit der Voelke davon ausgeht, dass der Kyklop seinen Wein ungemischt trinke, fügt sich zwar stimmig in ein diskursives Umfeld, das die fraglos vorhandenen barbarischen Züge des euripideischen Kyklopen betont, ist angesichts verschiedener Überlegungen aber nicht zwingend berechtigt: Im Verlaufe ihrer ersten Begegnung bietet Odysseus dem Silen eine Kostprobe des von ihm mitgebrachten Weines an und fragt: βούλῃ σε γεύσω πρῶτον ἄκρατον µέθυ; Willst du nicht kosten von dem ungemischten Wein? (E. Cyc. 149)

Wie erklärt sich Odysseus’ Betonung der Weinkonzentration besser als dadurch, dass er den Wein nachher zu mischen gedenkt? Innerhalb der Symposionszene, in welcher der diebische Silen allen Wein, dessen er nur habhaft werden kann, verstohlen wegzutrinken sucht, besteht der Kyklop auf seinem Recht, auch aus dem Becher trinken zu dürfen. Der Silen legitimiert seine Unverschämtheit damit, dass er die Mischung begutachten müsse: πῶς οὖν κέκραται; φέρε διασκεψώµεθα. Wie ist er denn gemischt? Das muss man doch wohl prüfen! (E. Cyc. 557)

Zu diesen textinternen Indizien dafür, dass der Kyklop den Wein mit den erforderten belles manières zu sich nimmt, kommen folgende weitere Überlegungen: Das Mischen von Wein ist ein beliebtes Satyrspiel-Motiv.33 Besondere Aufmerksamkeit gebührt hier dem einzigen Fragment des gleichnamigen ‘Vorläufers’ des euripideischen Kyklops, Aristias F 4, einem sprichwörtlich gewordenen Vers: 31

“Le dieu étranger s’avère ainsi également dieu du mélange: mélange entre vin et eau et, grâce à lui, mélange entre citoyens buveurs” (Voelke 2001, 386). 32 Zu den Widerstandsmythen: infra p. 127-128, Kap. 4.1.3, Kap. 4.3, 151-153 u.ö. 33 Cf. infra Studien II s.v. Weinmischen.

120

Tragödienreflexion ΠΟΛΥΦ. ἀπώλεσας τὸν οἶνον ἐπιχέας ὕδωρ ΟΔ∆ΥΣΣ. — — Polyph. Verdorben hast du den Wein, weil du Wasser hineingegossen hast! Odyss. — — (Aristias Kyklops F 4).34

Die im Umgang mit Fragmenten häufig zu beobachtende und in der Materialnot begründete Methode, Ähnliches miteinander zu identifizieren, scheint auch am Werk, wenn die Replik des euripideischen Kyklopen auf die oben zitierte Aussage des Silen, er wolle die Weinmischung prüfen: ἀπολεῖς· δὸς οὕτως – ‘Du verdirbst ihn bloss, gib ihn so’ (E. Cyc. 558) als “direkte Parallele” (Schloemann/Krumeich in KPS 220) zum Aristias-Fragment gewertet wird, das einen Polyphem zeigt, der in barbarischer Manier35 gemischten Wein für verdorbenen Wein hält (und daher wohl ungemischten verlangt). Abgesehen davon, dass das Objekt zu ἀπολεῖς keineswegs der Wein sein muss,36 lässt sich darüber streiten, worin sein Verderben bestünde.37

34

Überliefert ist das Sprichwort u.a. in der Suda α 3668 s.v. ἀπώλεσας … und beim byzantinischen Sprichwortsammler Michael Apostolios (Apostol. 3.60 [Leutsch 1851, 300-301]), mit dem Quellenverweis auf die nur an dieser Stelle erwähnte Schrift des Peripatetikers Chamaileon Περὶ Σατύρων; cf. auch Zen. 2.16 (Leutsch/Schneidewin 1839, 35-36); Diogenian. 2.32 (Leutsch/Schneidewin 1839, 200). 35 Den Skythen wird e.g. nachgesagt, dass sie ungemischten Wein trinken, cf. Hdt. 6.84; Anacr. F 11b PMG bezeichnet ihn als Σκυθικὴ πόσις, ‘Skythentrank’ (zitiert bei Ath. 10.427a-b, wo auch auf die Herodot-Passage verwiesen wird). Cf. ferner Page 1955, 308; Seaford 1984, 130-131 ad Cyc. 149. Cf. auch Achae. Aith. F 9, und dazu infra Studien II s.v. Weinmischen. 36 Seaford 1984 ad loc. erklärt ἀπολεῖς denn auch als ‘ἀπολεῖς µε’ und fügt vorsichtig hinzu, dass möglicherweise, als sous-entendu, der Wein mitgemeint sei. 37 Es ist zu erwägen, ob mit dem Verderben des Weines nicht die Berührung des lechzenden Silen gemeint sei (cf. Seaford 1984 ad loc.), der interessanterweise wenige Verse später den Kyklopen auffordert, sich erst die Nase zu schneuzen oder – hier gibt es keinen philologischen Konsens – den Mund abzuwischen (Cyc. 561). Die handschriftliche Überlieferung lautet ἀποµυκτέον; die Stelle bedeutete demnach, dass sich der Kyklop erst die Nase von mucus säubern müsse. Dass mucus sich auch in Haar und Mund verfangen kann, hat Kassel mit einer Plautus-Parallele gezeigt (1955/1989, 170). Seaford 1984 ad loc. schlägt dagegen vor, die in den kritischen Ausgaben von Wecklein, Méridier, Duchemin und Diggle, nicht aber von Murray und Biehl übernommene Emendation Cobets (21873/2003), ἀποµακτέον, zu halten – beides ist unappetitlich und dem Weingenuss abträglich. Eine in dieser Debatte übersehene Passage aus einem anderen Satyrspiel des Euripides spricht für das handschriftliche ἀποµυκτέον: In einer bei Tzetzes widergegebenen Szene aus Autolykos A' ist von einem Tauschhandel des gerissenen Diebes Autolykos die Rede. Er gibt einem Mann im Tausch gegen dessen schöne Tochter ἢ σειληνὸν ἢ

‘Der eingeschlossene Dritte’

121

Über Stück- und Genregrenzen hinausgedacht, ist es ferner nicht unergiebig, den wichtigsten Bezugstext des Kyklops miteinzubeziehen: die entsprechenden Passagen in Homers Odyssee. Dort heisst es vom Wein, den der von den Griechen verschonte Maron Odysseus aus Dankbarkeit schenkt, es sei ein göttlicher Wein, von dem man nur einen Becher auf zwanzig Becher Wasser giesse: τὸν δ’ ὅτε πίνοιεν µελιηδέα οἶνον ἐρυθρόν, ἓν δέπας ἐµπλήσας ὕδατος ἀνὰ εἴκοσι µέτρα χεῦ’, ὀδµὴ δ’ ἡδεῖα ἀπὸ κρητῆρος ὀδώδει, θεσπεσίη· Und wenn sie ihn trinken wollten, den honigsüssen roten Wein, so füllte er einen Becher auf zwanzig Masse Wasser und goss ein, und ein süsser Duft duftete von dem Mischkrug auf, ein göttlicher … (Od. 9.208-211).

Die Beteuerung der ungeheuren Potenz dieses Weines ist für den homerischen Odysseus entscheidend, um plausibel machen zu können, dass der Inhalt des von ihm mitgeführten Weinschlauchs ausgereicht habe, um einen Riesen trunken zu machen, ‘der keinem brotessenden Manne gleicht, sondern einer bewaldeten Felsenkuppe’ (Od. 9.190-191),38 dessen Türstein nicht einmal ‘zweiundzwanzig Wagen, tüchtige, vierrädrige, wegwuchten könnten von dem Boden’ (241-243). Dass darüber hinaus der Silen über Odysseus’ Weinschlauch befindet: οὗτος µὲν οὐδ’ ἂν τὴν γνάθον πλήσειέ µου – ‘Der wird mir ja kaum die Backen richtig füllen’ (Cyc. 146), nährt die Vermutung, dass der Kyklops mit diesem homerischen Motiv spielt. Halten wir kurz inne: Der von der Forschung zum barbarischen Uninitiierten stilisierte Kyklop wird von den Thiasosmitgliedern als Dionysosfeind eingeführt, und bei seinem Auftritt verbittet er sich tatsächlich jegliches dionysisches Treiben auf der Insel; dabei verfügt er aber über ein präzises dionysisches Vokabular, einen eigenen Becher aus Efeuholz sowie die beim Symposion üblichen Gerätschaften und Manieren: Sowohl seine Milch als auch den Wein trinkt er gemischt und – wie es sich gehört – nach dem Essen.39 Dass σάτυρον, γερόντιον σαπρόν τι, / σιµόν, νωδόν, καὶ φαλακρόν, µυξῶδες, τῶν δυσµόρφων (Tz. H. 8.449-450 = Chil. VIII Hist. 202.449-450 Leone). 38 Die darin zu Tage tretende Barbarei des Kyklopen bereitet Odysseus bereits im Rahmengespräch mit den Phäaken vor, in seinem berühmten Lob der Freuden des Festmahls, an dem ‘der Weinschenk den Wein aus dem Mischkrug schöpft, ihn herbeibringt und in die Becher füllt’: … µέθυ δ’ ἐκ κρητῆρος ἀφύσσων / οἰνοχόος φορέῃσι καὶ ἐγχείῃ δεπάεσσι (Od. 9.9-10). 39 Cyc. 325-327. Voelke 2001, 185-186 mit n. 7 führt ferner an, dass die in der Rhesis des Kyklopen verwendeten, auf seinen Milchkonsum bezogenen Begriffe τέγγω und ὑπτίος (326) auch in den Bereich der Sprache des Weins gehören: ersteres, ‘(an)feuchten’, kann sich auf den Konsum von Wein beziehen, letzteres ist ein Adjektiv, das die Lage eines

122

Tragödienreflexion

es sich bei Polyphem um einen Dionysosfeind handele, erscheint schon aufgrund dieser Beobachtungen als fraglich. Wie im zuvor der Silen (cf. Cyc. 156-174), ist Polyphem bereits nach dem ersten Schluck Wein glücklich, lobt den herrlichen Trank und beginnt zu singen. So berichtet es Odysseus, der vor die Höhle getreten ist, um die Satyrn über das grausame Schauspiel, das sich im Höhleninnern abspielt, und seinen Rache- und Fluchtplan ins Bild zu setzen (375-376, 379-380, 382-436). Das grösste Problem für Odysseus scheint nicht die unmittelbar vorhergegangene Verspeisung zweier seiner Gefährten zu sein, sondern vielmehr die sich offenbarende SymposionKompatibilität des Kyklopen: ἐπὶ κῶµον ἕρπειν πρὸς κασιγνήτους θέλει Κύκλωπας ἡσθεὶς τῷδε Βακχίου ποτῷ. Er will zum Zechen gehen, zum Komos, mit seinen Brüdern, den Kyklopen, beglückt durch meinen Bakchos-Trank. (E. Cyc. 445-446)

Die für einmal pragmatische Idee der Satyrn, den Unhold auf dem Weg zu seinen Brüdern von einem Fels zu stürzen,40 schmettert Odysseus kurzerhand ab: οὐδὲν τοιοῦτον· δόλιος ἡ προθυµία. Nichts dergleichen! Listiges hab’ ich im Sinn. (E. Cyc. 449)

Er wolle ihn von der Idee eines κῶµος abbringen, ihm zureden, er solle den Wein alleine trinken. Odysseus verschwindet in der Höhle, der Chor beginnt ein Lied zu singen, in das der im Höhleneingang erschienene Polyphem bei Vers 503 einstimmt: παπαπαῖ· πλέως µὲν οἴνου, γάνυµαι 〈δὲ〉 δαιτὸς ἥβᾳ, σκάφος ὁλκὰς ὣς γεµισθεὶς ποτὶ σέλµα γαστρὸς ἄκρας. ὑπάγει µ’ ὁ φόρτος εὔφρων ἐπὶ κῶµον ἦρος ὥραις

Betrunkenen bezeichnen kann. So bereits Burzacchini 1979, 66-68, der die Verse als Anspielung auf Alkaios auffasst (vide infra p. 344 n. 56, cf. ibid. n. 55; Seaford 1984 ad Cyc. 326, 329). 40 Hierbei handelt es sich um eine Anspielung auf den Skiron-Mythos und sehr wahrscheinlich auf das Satyrspiel Skiron des Euripides: infra p. 288.

‘Der eingeschlossene Dritte’

123

ἐπὶ Κύκλωπας ἀδελφούς. φέρε µοι, ξεῖνε, φέρ’, ἀσκὸν ἔνδος µοι. Lalala! Bin voll des Weines, freue mich der Kraft des Mahls, wie ein Lastkahn schwer befrachtet, bis zum Deck des Bauches oben! Mich verlockt die Freudentrift zum Gelag zur Frühlingszeit, lockt mich hin zu den Kyklopenbrüdern! Los doch, Fremdling, los, gib mir den Schlauch zur Hand! (E. Cyc. 503-510; Übersetzung: Ebener 1980)

Auf das Chorlied folgt eine Stichomythie zwischen Odysseus und Polyphem über Bakchos, die Odysseus in durchaus initiatorischem Wortlaut eröffnet: Κύκλωψ, ἄκουσον· ὡς ἐγὼ τοῦ Βακχίου τούτου τρίβων εἴµ’, ὃν πιεῖν ἔδωκά σοι. Hör zu, Kyklop; ich verstehe mich ja gut auf den Bakichos, den ich dir da zu trinken gegeben habe. (E. Cyc. 519-520)

Polyphem ist interessiert und erkundigt sich nach dem Gott; die Antwort des Odysseus, es handle sich um den grössten Gott für die Freude der Menschen, kommentiert er beipflichtend. Auf Odysseus’ Aussage hin, der Gott schade auch keinem Menschen, zeigt sich Polyphem nur darüber verwundert, dass ein Gott sich freiwillig einsperren lasse, und ist von Odysseus nicht davon abzubringen, seinem Befremden Ausdruck zu verleihen: Κυ. θεὸς δ’ ἐν ἀσκῷ πῶς γέγηθ’ οἴκους ἔχων; Οδ. ὅπου τιθῇ τις, ἐνθάδ’ ἐστὶν εὐπετής. Κυ. οὐ τοὺς θεοὺς χρὴ σῶµ’ ἔχειν ἐν δέρµασιν. Ky. Wie kann der Gott nur gern in einem Schlauch hausen? Od. Wohin man ihn auch tut, er passt sich an. Ky. Kein Gott sollte seinen Körper in einem Fell stecken haben. (E. Cyc. 525-527)

Ein paar weitere Verse werden ausgetauscht, der Kyklop bekundet abermals seine Begeisterung für den Inhalt des Schlauches. Als Odysseus ihn zum Weitertrinken auffordert, unterbricht ihn der Kyklop mit der Frage:

124

Tragödienreflexion οὐ χρή µ’ ἀδελφοῖς τοῦδε προσδοῦναι ποτοῦ; Muss ich denn nicht den Brüdern von diesem Trank etwas abgeben? (E. Cyc. 531)

Hier bezieht sich der Kyklop offensichtlich auf den Verhaltenskodex des Symposions; und Odysseus kann ihn nur unter Aufbietung seines (selbst unter den Satyrn) legendären41 rhetorischen Talents von der Idee eines κῶµος abbringen: Οδ. ἔχων γὰρ αὐτὸς τιµιώτερος φανῇ. Κυ. διδοὺς δὲ τοῖς φίλοισι χρησιµώτερος. Οδ. πυγµὰς ὁ κῶµος λοίδορόν τ’ ἔριν φιλεῖ. Κυ. µεθύω µέν, ἔµπας δ’ οὔτις ἂν ψαύσειέ µου. Οδ. ὦ τᾶν, πεπωκότ’ ἐν δόµοισι χρὴ µένειν. Κυ. ἠλίθιος ὅστις µὴ πιὼν κῶµον φιλεῖ. Οδ. ὃς δ’ ἂν µεθυσθείς γ’ ἐν δόµοις µείνῃ σοφός. Κυ. τί δρῶµεν, ὦ Σιληνέ; σοὶ µένειν δοκεῖ; Σι. δοκεῖ· τί γὰρ δεῖ συµποτῶν ἄλλων, Κύκλωψ; Od. Behältst du ihn für dich, wirst du um so ehrwürdiger. Ky. Geb’ ich meinen Lieben davon ab, aber um so nützlicher. Od. Ein Komos führt führt doch bloss zu Schlägereien und erbittertem Streit. Ky. Gut, ich bin betrunken: Doch wird mich ja wohl Niemand42 anfassen. Od. Mein lieber Freund, wer gezecht hat, soll zu Hause bleiben! Ky. Ein Dummkopf, wer nicht den Komos liebt, wenn er getrunken hat! Od. Weise hingegen, wer im Rausch zu Hause bleibt! Ky. Was tun, Silen? Μeinst auch du, wir sollen bleiben? Si. Wir bleiben!43 Wozu braucht man schon andere Zechgenossen, Kyklop? (E. Cyc. 532-540)

Nicht nur verfügt Polyphem über diverse symposion- und komosbezogene Sentenzen und den erforderten Witz, er drängt geradezu darauf, dem betreffenden Verhaltenskodex zu entsprechen:44 Er ist, so scheint es, schon vor der Begeg41

Cf. e.g. Cyc. 314-315. Zum Wortspiel niemand/Niemand: Biehl 1986a ad loc.; Collins 2004, 46; pace Seaford 1984 ad loc. Zum Phänomen des ‘Zuviel-Wissens’ der Figuren in diesem Stück, das sich insbesondere in der Kenntnis der homerischen Kyklopeia artikuliert: infra Studien I, Euripides, Kyklops, § Kommentar. 43 Mit dieser Übersetzung versuche ich das “capping” von δοκεῖ/δοκεῖ am Übergang von Vers 539 zu Vers 540 zu imitieren, cf. Collins 2004, 46 und folgende n. 44 Cf. Collins 2004, 45 zu Polyphems gewitzter Antwort in E. Cyc. 533 (meine Hervorhebung): “On the face of it, this is a good retort, respectable by Greek standards of sympotic behaviour”. Collins (2004, 44-48) untersucht die Stichomythien des Kyklops und die damit einhergehenden σκώµµατα und erweist sie als eine Form des ‘capping’, i.e. eines 42

‘Der eingeschlossene Dritte’

125

nung mit Odysseus in die Abläufe des Symposions initiiert und erweist sich somit als allzu dionysosfreundliche Postfiguration eines Pentheus oder Lykurg. Im Kyklops wird also wiederholt auf der Abwesenheit des Dionysos beharrt, der doch allenthalben hervorschimmert: Obwohl sie vom erbitterten Dionysosgegner jeder dionysischen Freude beraubt und von ihrem geliebten Herrn getrennt zu sein vorgeben, tanzen die Satyrn noch vor der Ankunft der ‘weinbringenden’ Griechen die sikinnis, als ob sie in Begleitung des Dionysos wären. Obwohl auf der Insel keine Traube wachse und Wein ein unbekanntes Gut sei und obwohl der Kyklop kein dionysisches Treiben dulde und ein ἀπαίδευτος sei, den es in (oder durch?) den Komos zu ‘initiieren’ gelte (492-493: φέρε νιν κώµοις παιδεύσωµεν / τὸν ἀπαίδευτον – ‘Los! Wir wollen ihn im Komos unterweisen, den Unwissenden’), verfügt er über die beim Symposion erforderten Geräte und Manieren, ist der ‘Sprache des Weines’ mächtig und will zum Komos mit seinen Brüdern schreiten. Halten wir an Seafords These fest, derzufolge dem Kyklops eine initiatorische Struktur zugrundeliege, so muss das permanente Betonen der Abwesenheit des Gottes zu Stückbeginn demnach als der Versuch gewertet werden, dem initiatorischen pattern zu entsprechen. Die eigentümliche Spannung zwischen der Abund Anwesenheit, der ‘Unterdrückung’ und dem ‘Hervordrängen’ des Dionysos, soviel mindestens lässt sich sagen, tritt im Fall der Richtigkeit der Initiationsthese nur um so deutlicher zutage. Zunächst ist aber nach dem Vorkommen dieses Phänomens im übrigen Satyrspielkorpus zu fragen.

4.1.2 … und im übrigen Satyrspiel Auch in den neben dem Kyklops am besten erhaltenen Satyrspielen lässt sich das Phänomen der inkludierenden Exklusion alles Dionysischen nachweisen. In den Ichneutai des Sophokles sind die Satyrn im Auftrag Apolls auf der Suche nach den Rindern, die Hermes gestohlen hat,45 ehe die plötzlich erklingenden und nie zuvor gehörten Töne der Lyra sie derart in ihren Bann schlagen, dass ihre Suche nur noch der Quelle der Töne gilt. Dabei geraten die Satyrn vor die Höhle der Nymphe Kyllene, in deren Obhut sich der Erfinder der geheimnisvollen Klangquelle befindet. Kyllene tritt hervor und zeigt sich über die Ankunft des Chores wenig erfreut. Was das für ein Verhalten sei, will sie wissen, und was für eine Abkehr von den üblichen Diensten, deren Verrichtung dem Herrn – und damit kann sie keinen anderen meinen als Dionysos –46 Freude bereitete: ‘Schlagabtauschs’ verschiedener singender Partien in Versen oder Versteilen, den er als zentralen Modus des dichterischen Wettstreits identifiziert. Cf. infra Studien II s.v. Rätsel. 45 Zu Handlungsverlauf und Kontext: infra Studien I, S. Ichn. 46 Die Identität des Herrn ist freilich Gegenstand zahlreicher Diskussionen: vide infra p. 158 n. 13.

126

Tragödienreflexion … τίς µετάστασις πόνων, οὓς πρόσθεν εἶχες δεσπότηι χάριν φέρων (S. Ichn. 223-224).47

Was folgt, ist ein Porträt dessen, was das ‘eigentliche’ Satyrleben ausmacht; in scharfer Antithese wird es dem gegenwärtigen Tun der Satyrn entgegengehalten. Das Verhalten, das die Satyrn hier und jetzt an den Tag legen, befindet Kyllene als unpassend und dem Wesen der Satyrn fremd. Wie ich in Kapitel 5.1 darlege, wo ich mich detaillierter mit Kyllenes Rede auseinandersetze, wird dieses eigentliche Tätigkeitsprofil in vergleichbarer Weise auch in anderen Satyrspielen formuliert – angefangen bei Pratinas’ ‘Hyporchema’ (inc. F 3), wo ein Satyrchor auf die Spielfläche stürmt, sich über eine dort stattfindende performance entrüstet und auf sein exklusives Recht pocht – ἐµὸς ἐµὸς ὁ Βρόµιος … (2) – für Dionysos singen, toben, tanzen und mit den Najaden übers Gebirge stürmen zu dürfen. In ihrer Begrüssung in den Ichneutai bringt Kyllene demnach die Spannung zum Ausdruck, die sich für die Satyrn zwischen ihrer eigentlichen und der neuen, im Auftrag eines anderen Gottes übernommenen Rolle ergibt. Diese Spannung findet ihre extreme Ausprägung in den aischyleischen Isthmiastai oder Theoroi,48 wo die Satyrn offensichtlich aus freien Stücken aus dem Dienst bei Dionysos ausgebrochen sind, um im Poseidon-Heiligtum in Isthmia Zuflucht zu suchen. Hier weihen sie in einem ebenso symbolischen wie metapoetischen Akt dem neuen Herrn zunächst Bildnisse (wahrscheinlich Masken) ihrer selbst und bringen sie am Tempel an; zum anderen zeigen sie sich entschlossen, sich als Athleten an den Isthmischen Spielen zu beteiligen. Was ihr einstmaliges Leben unter der Ägide des Dionysos ausmachte – und das heisst nicht zuletzt den Chortanz –,49 haben sie hinter sich gelassen, um sich nun wie Athleten zu gerieren. Das neben ihrem Antlitz, dessen sie sich symbolisch in Form der Bildnis- oder Masken-Weihe entledigt haben,50 vielleicht wichtigste Merkmal der Satyrn – der exponierte Phallos – ist wie der Penis bei echten Athleten zurückgebunden;51 sie haben bereits das Training aufgenommen und sind auf einen Fichtenkranz aus – von der üblichen Efeubekränzung wollen sie nichts mehr wissen. Mehr noch: Die Satyrn lästern über Dionysos und ver-

47

Übersetzung dieser Stelle: infra p. 158. Die Übersetzungen der Isthmiastai-Passagen sowie die (auf den Vorschlägen Bruno Snells und anderer basierende) Rekonstruktion des Plots sind jene von Wessels und Krumeich in KPS 136-141. Cf. Studien I, A. Isth. 49 A. Isth. **F 78a.32-33, **F 78c.37-38, evtl. F 79. Zum Aspekt der Choreia (und dem Problem ihres Ausbleibens): infra Kap. 6.2. 50 Zu dieser Maskenweihe: infra p. 307-308. 51 A. Isth. **F 78a.29. 48

‘Der eingeschlossene Dritte’

127

schwenden sein Geld.52 Dionysos zögert nicht, den Abtrünnigen zu folgen und ihnen die Leviten zu lesen. So schwierig sich eine Rekonstruktion der Isthmiastai oder Theoroi angesichts der Fragmentarität des Textes auch gestalten mag, wird doch klar, dass hier eine vergleichsweise extreme Form von Spannung zwischen der An- und Abwesenheit des Dionysos und des Dionysischen vorliegt: Ihre eigentliche Daseinsform unter und mit dem Gott treten die Satyrn hier selbst mit Füssen. Bezeichnenderweise provoziert dieser radikale Emanzipationsversuch der Satyrn einen der seltenen Auftritte des Gottes in persona im Satyrspiel. Die Gefangenschaft des Satyr-Thiasos bei einem fremden Herrscher, wie sie sich im Kyklops zeigt, oder ein Aufenthalt bei einer ihm fremden Gottheit oder Person ist der in der Forschung am häufigsten konstatierte Topos des Genres.53 Damit einher geht die Ausübung fremder Rollen – fremd in Bezug auf die eigentliche Rolle der Satyrn, die an diversen Satyrspielstellen dem aktuellen Leben der Satyrn kontrastierend gegenübergestellt wird; die Satyrn und/oder der Silen scheinen, entsprechend der grossen Anzahl fremder Herren, denen sie zu dienen hatten, in unzähligen Rollen aufgetreten zu sein.54 Dass die Abwesenheit oder versuchte Eliminierung des Gottes und dessen, was ihm zugehört, in diesen Stücken thematisiert wurde, lässt sich, auch wo die Texte nicht oder in zu geringem Umfang erhalten sind, mit gutem Grund vermuten. Dionysos in den Händen von Piraten;55 kein Wein auf der Kyklopen-Insel; Milch- statt Weingemisch in den κρατῆρες; Dionysos in einen engen Schlauch gesperrt; Jagd nach Kühen und Klängen statt nach Nymphen; ‘Infibulation’ statt freier Phalloi; Sport statt Tanz; Fichten- statt Efeukränze; Dienst bei fremden Göttern und Herren, bei Bösewichtern und Monstern statt bei Dionysos; der Thiasos in fremden Rollen:56 Das Phänomen der inszenierten Abwesenheit und der versuchten Eliminierung des Dionysos und des dionysischen Elements erweist sich als äusserst persistent. Damit einher geht nun aber stets das Scheitern des Versuchs, Dionysos zu unterdrücken und das ‘Bekunden seiner Nicht-Abwesenheit’, das sich spätestens zum Stückende einstellt. Die Abfolge ‘Widerstand gegen Dionysos – Niederschmettern dieses Widerstands durch den Gott’ – ein pattern, das sich aus den genannten Beispielen extrapolieren lässt – kann auf die Dionysos-Mythologie zurückgeführt werden. Die Mythen um Dionysos sind nicht sehr zahlreich. Zwei zentrale Motive sind

52

A. Isth. **F 78a.35. Das Motiv dürfte nicht zuletzt in den vielen Satyrspielen präsent gewesen sein, die auf den ‘Serientäter’-Mythen basieren, derer ich mich in Kap. 7 annehme. 54 Cf. infra Kap. 5.2. 55 Zur Entführung des Dionysos durch Piraten im Kyklops, cf. auch Olson 1988. 56 Nur ein relativ geringer Anteil der überlieferten Satyrspieltitel lässt sich dem dionysischen Mythenkomplex zuordnen; cf. aber infra Kap. 4.1.3. 53

128

Tragödienreflexion

seine Geburt und der Widerstand gegen ihn,57 den er mit Vehemenz überwindet, was wiederum meist zur Anerkennung seiner Göttlichkeit und zur Etablierung seines Kults im erschütterten Kreis der Widerständischen führt. Selbst der Mythos von Dionysos’ Geburt ist primär die Geschichte der Überwindung eines Widerstands gegen den Gott,58 der auf spektakuläre und in der griechischen Mythologie einzigartige Weise zur Welt kommt.59 Der Widerstand gegen Dionysos und dessen Überwindung dieses Widerstands ist also das basale Mythem der Dionysos-Mythologie. Ehe wir nun aber weitergehen und nachvollziehen, mit welcher Motivation und zu welchem Zweck das Satyrspiel so oft mit diesem pattern operiert, wollen wir kurz innehalten und nach den Stücken fragen, in denen der Gott Dionysos als dramatis persona anwesend ist und/oder in denen eine Episode aus seiner Mythologie gespielt wird.60 Bedenken wir, wie zentral das Widerstandsmythem für die Dionysos-Mythologie ist, so ist damit zu rechnen, dass es auch in diesen Satyrspielen auftritt.

4.1.3 Dionysos als dramatis persona, Stoffe der Dionysos-Mythologie Aischylos, Isthmiastai Für die Isthmiastai oder Theoroi ist bereits festgehalten worden, dass der Auftritt des Gottes in persona eine Extremreaktion auf einen extremen Versuch seiner Eliminierung, durch seine eigenen Anhänger, darstellt. Der Widerstand gegen Dionysos und die Überwindung dieses Widerstands sind in diesem Stück also zentrale Themen. Aischylos, Diktyulkoi Zwar nicht Dionysos in persona, wohl aber einen seiner erbitterten Widersacher liess Aischylos auch im Satyrspiel Diktyulkoi auftreten: Perseus, den Sohn des 57

In ihrem Versuch, aus der gesamten Überlieferung die Differenz des Gottes Dionysos zu benennen, isoliert Gödde 2011 fünf Merkmale; darunter die doppelte Geburt (94-95) und seine Konfrontation mit Theomachoi (101-103). 58 Den Einwand von Gödde 2011, 95 mit n. 40, die Tötung der Semele durch den Blitz sei “keinesfalls gegen Dionysos gerichtet” gewesen, halte ich nur sehr bedingt für berechtigt. Sexuelle Verbindungen des Zeus mit Sterblichen haben immer die Zeugung eines Kindes zur Folge; somit richtet sich die von Hera angestiftete Tötung der Semele sehr wohl auch gegen das entstehende Kind. 59 Zu der sich in seiner Geburt artikulierenden ‘mythologischen Differenz’ des Dionysos: Schlesier 2007. 60 Diskutiert werden hier die bezeugten Stücke. – Zur auf entsprechenden Theatervasendarstellungen gründenden These, dass es ein Gigantomachie-Satyrspiel gab: infra p. 165 mit n. 33, p. 184-185.

‘Der eingeschlossene Dritte’

129

Zeus und der Danaë, in dieser mythischen Episode noch ein Kleinkind. Der Text ist brüchig, doch liegt es im Bereich des Wahrscheinlichen, dass Perseus hier in noch sehr kindlicher Manier dem Ressentiment Ausdruck verleiht, das er als Erwachsener gegen Dionysos und dessen Anhänger hegen wird: Perseus heult, als der Silen auf ihn zugeht und ihm die Freuden des Lebens im Thiasos schildert.61 Aischylos, Lykurgos Aischylos’ Lykurgos-Satyrspiel fusst auf einer wohlbekannten Episode der Dionysos-Mythologie. Hier wird – wie in der ganzen Tetralogie, der das Stück angehört (sc. Lykurgeia) –62 der thrakische63 Widerstand gegen den Gott und das Überwinden dieses Widerstands thematisiert.64 Der Inhalt des zugehörigen Satyrspiels lässt sich nicht genauer ausmachen, ebensowenig, ob Dionysos zu den dramatis personae gehört oder nicht. Man hat jedoch versucht, aus späteren Texten, die von einem Zusammenprall Lykurgs mit den Satyrn berichten – vornehmlich aus Apollodor und Nonnos –, auf den Inhalt des Stücks rückzuschliessen.65 61

Vide infra p. 305. Die These bezieht zusätzliche Plausibilität daraus, dass Götter und Heroen im Kindesalter, die bereits jene Eigenschaften an den Tag legen, die sie als Erwachsene kennzeichnen werden, ein Topos der Gattung sind (so Voelke 2001, 379). Dazu infra Studien II s.v. Kindheit. 62 Der Lykurgos ist nach dem Zeugnis eines Scholions zu Aristophanes’ Thesmophoriazusen das Satyrspiel der Lykurgeia-Tetralogie, der die Tragödien Edonoi, Bassarai (alternativ Bassarides) und Neaniskoi angehören (Schol. Ar. Th. 135 ≅ A. T 68). Die vier Titel der Lykurgeia finden sich auch im Κατάλογος τῶν Αἰσχύλου δραµάτων (in den Anmerkungen fortan: Κατάλογος), cf. A. T 78.3c: Βασσάραι, T 78.5d: Ἠδωνοί, T 78.10a: Λυκοῦργος, T 78.11a: Νεανίσκοι. – Zur Lykurgeia: e.g. Welcker 1826, 103-122; Hermann 1834; Deichgräber 1939; Gantz 1980, 140-141; West 1983/1990. – Zu den Inhaltstetralogien: supra Kap. 2.1. 63 Mindestens eines der vier Dramen der Lykurgeia, die Bassarai (oder Bassarides), wahrscheinlich aber auch das dritte Stück der Tetralogie, die Neaniskoi, dürften wenig mit Lykurg zu tun haben. Im Zentrum der Bassarai steht Lykurgs Landsmann Orpheus, der sich nach seiner Katabasis von Dionysos abgewandt hat und zu einem Verehrer von Helios/Apollon geworden ist, wofür ihn Dionysos durch die rasenden Bassarai in Stücke reissen lässt. Zu den Bassarai: West 1983/1990, 32-46; Seaford 2005b. – Von den Neaniskoi ist kaum etwas bekannt; als Thema denkbar ist eine Versöhnung von Dionysosund Helios/Apollon-Kult; cf. West 1983/1990, 46-47; Seaford 2005b, 605-606. 64 Cf. Il. 6.130-140; S. Ant. 955-965; D.S. 3.65.4-7; Apollod. 3.34-35 sowie die langen Lykurg-Passagen der Bücher 20 und 21 von Nonnos’ Dionysiaka. – Den Fragmenten des aischyleischen Satyrspiels lassen sich nur wenig Informationen abtrotzen; sicher ist lediglich, dass Lykurg als böser Tyrann auftritt. Wie ich infra Kap. 7.4.2 ausführe, scheint ihn Aischylos dem Typus des Satyrspiel-‘Serientäters’ angeglichen zu haben. 65 Die Präsenz von Satyrn/Silenen in einer Episode aus der Dionysos-Mythologie, wie etwa Nonnos sie erzählt, ist für sich genommen zwar unauffällig und noch kein zwingender Grund, mit dem Einfluss des Satyrspiels zu rechnen. Da aber der LykurgStoff bezeugtermassen als Satyrspiel inszeniert worden ist (und das sogar öfter als

130

Tragödienreflexion

Bei Apollodor (3.34) flieht Dionysos, von Lykurg vertrieben, zu Thetis ins Meer; sein Gefolge von Bakchen und Satyrn aber gerät in Lykurgs Gefangenschaft (Βάκχαι δὲ ἐγένοντο αἰχµάλωτοι καὶ τὸ συνεπόµενον Σατύρων πλῆθος αὐτῷ). In der Folge entfaltet sich die Macht des Dionysos in ihrer ganzen Drastik: Die Bakchen werden mit einem Mal wieder frei; Lykurg aber wird mit Wahnsinn erfüllt (Λυκούργῳ δὲ µανίαν ἐνεποίησε Δ∆ιόνυσος, 3.35), erschlägt seinen Sohn, den er für eine Weinrebe hält, mit der Axt, verstümmelt sich anschliessend selbst, findet aber erst später den Tod, und zwar κατὰ Δ∆ιονύσου βούλησιν – ‘nach dem Willen des Dionysos’ (ibid.).66 Von den Satyrn indessen ist nicht mehr die Rede. Im ersten Teil der Lykurgeia im 20. Gesang von Nonnos’ Dionysiaka wiederum hält Lykurg Dionysos’ ganze Entourage gefangen. In einer Rede erklärt Lykurg, welche Behandlung er sich für die ‘Silene’ ausgedacht habe: … ἐκταδίην δὲ ταµὼν δολιχόσκιον οὐρήν Σιληνῶν λασίην τελέσω πλήξιππον ἱµάσθλην. … Σιληνοὶ δὲ γέροντες ἐµῆς παρὰ δαῖτα τραπέζης εὔιον ἀείσωσι, καὶ ἠθάδος ἀντὶ Λυαίου κῶµον ἀνακρούσωσι καὶ Ἄρεϊ καὶ Λυκοόργῳ. … Den langen Schwanz der Silene, der einen langen Schatten wirft, will ich abschneiden und eine buschige Pferdepeitsche daraus machen. … Die gealterten Silene sollen an meiner festlichen Tafel ‘Euhoi!’ singen, und anstatt wie gewohnt für Lyaios ein Komoslied für Ares und Lykurg anschlagen. (Nonn. D. 20.226-227, 248-250)

Auf der Basis der Versionen von Apollodor und Nonnos über den Zusammenprall der Satyrn mit Lykurg versuchte Lionello Levi zu Beginn des letzten Jahreinmal!), kann ein Einfluss von ‘Lykurgoi Satyrikoi’ auf spätere Versionen der DionysosLykurg-Episode nicht ausgeschlossen werden. Neben Aischylos’ Lykurgos ist mit zwei weiteren Satyrspielen über Lykurg zu rechnen: Im Jahr 467 v.Chr. wurde Polyphrasmon TrGF 7 mit einer Λυκούργεια τετραλογία Dritter hinter Aischylos (7 T 3; A. T 58) und Aristias (T 1). Zum Aufführungsjahr: TrGF I, DID C 4. Polyphrasmons Lykurgeia dürfte somit älter sein als die aischyleische Tetralogie, die vermutlich zwischen 466 und 459 zu datieren ist; cf. West 1983/1990, 48-50. Die einzelnen Titel der Tetralogie sind nicht erhalten, Polyphrasmons Satyrspiel könnte aber sehr wohl von Lykurg gehandelt haben. Für das Jahr 340 wiederum ist sicher ein Λυκοῦργος σατυρικός von Timokles TrGF 86 bezeugt (T 2; DID A 2a.17). 66 Versionen von Lykurgs Ende: infra p. 282-283 n. 130.

‘Der eingeschlossene Dritte’

131

hunderts Lykurgos des Aischylos zu rekonstruieren;67 in eine ähnliche Richtung ging einige Jahrzehnte zuvor schon der Versuch Gottfried Hermanns, die Dionysiaka für den Lykurgos und überhaupt für die Lykurgeia des Aischylos fruchtbar zu machen – ein Versuch, auf den wir im Kontext der ‘SatyrspielSerientäter’ genauer zu sprechen kommen werden.68 In der Tat wird insbesondere bei Nonnos eine ganze Reihe von SatyrspielTopoi bedient: So finden sich neben der Gefangenschaft des Thiasos bei einem Unhold und der damit einhergehenden Androhung physischer Gewalt insbesondere auch die pointierte Kontrastierung der ‘eigentlichen’ gegen die neue Herrschaft und die damit einhergehenden Tätigkeiten (die gealterten Silene werden gezwungen, an der Tafel des neuen Herrn zu dienen und für ihn und einen fremden Gott zu singen). Überhaupt fügt sich Nonnos’ Darstellung der erzwungenen Abkehr von Dionysos bestens ins Bild der inszenierten Abwesenheit des Dionysos im Satyrspiel. Dionysos ist auch hier ab-/anwesend: Die Silene werden zwar gezwungen, für einen fremden Herrn zu singen, ihr Lied ist aber weiterhin Dionysos’ ‘Euhoi!’.69 Die aus den späteren Autoren gewonnene These, dass Dionysos’ Thiasoten im Lykurgos in Gefangenschaft geraten, erfährt Bestätigung aus den Fragmenten des Stücks. Auch sie sprechen dafür, dass die Satyrn im Lykurgos Gefangene im Dienste des eponymen Unholds waren und von diesem auch misshandelt wurden oder werden sollten. Zu denken ist hier an die ‘Maulkörbe’, κηµοὶ στόµατος, in F 12570 und ebenso an F 126: ἄκουε δ’ ἀν’ οὖς ἔχων Hör zu und spitz die Ohren / halt die Ohren nach oben! (A. Lykurgos F 126)

Der Befehl, die Ohren ‘nach oben zu halten’ ist möglicherweise als Aufforderung zu verstehen, eine entsprechende Körperhaltung einzunehmen, i.e. sich auf67

Cf. Levi 1909, 245; zur Lykurgeia im Kontext der Mythenchronologie von Inhaltstetralogien cf. bereits Levi 1908, 230-240. Den Nonnos-Versen wiederum gewinnt Levi mindestens zwei Hinweise auf ihre inhaltliche Herkunft aus einem Satyrspiel ab: “il trattamento non tanto crudele quanto comico che Licurgo si propone di far subire ai seguaci di Bacco e la loro condizione di schiavi costretti a servire a tavola un signore duro e ferocem cantando lui stesso e Marte in luogo del diletto Dioniso, cui non possono che rimpiangere in segreto” (1909, 246); als Parallele für das zweite Motiv nennt er den euripideischen Kyklops, insbesondere die Verse 63-81 (cf. 1909, 246 mit n. 3 und bereits Levi 1908, 239-240). – Aischylos’ Lykurgos wird oft als Quelle für Apollod. 3.34-35 betrachtet: cf. e.g. Dodds 21960, xxxii; West 1983/1990, 47-48. 68 Hermann 1934. 69 Dazu infra Kap. 5.1.8: Lärm und Lieder, p. 178. 70 Fragmentträger ist Schol. Ar. Eq. 1150a.II.

132

Tragödienreflexion

zurichten, statt in einer ängstlichen Duckpose zu verharren. Hierzu gibt es mindestens zwei Parallelen aus besser bekannten Stückzusammenhängen: Als Polyphem im Kyklops die Satyrn zur Rede stellen will, kommt es zu folgendem Wortwechsel: Κυ. … βλέπετ’ ἄνω καὶ µὴ κάτω. Χο. ἰδού· πρὸς αὐτὸν τὸν Δ∆ί’ ἀνακεκύφαµεν καὶ τἄστρα καὶ τὸν Ὠρίωνα δέρκοµαι Ky. … Blickt rauf und nicht runter! Ch. Schau: Zu Zeus höchstpersönlich strecken wir den Kopf empor – und da sehe ich sowohl die Sterne als auch den Orion. (E. Cyc. 211-213)

In den Ichneutai wiederum ärgert sich der Silen darüber, dass die verängstigten Satyrn in Duck- oder Schlafpose am Boden verharren, und versucht sie mit allen Mitteln dazuzubringen, sich wieder aufzurichten.71 Der Vers von Lykurgos F 126 stammt am ehesten aus einer solchen Szene, in der die Satyrn dafür gescholten werden, dass sie ihren Kopf einziehen – wahrscheinlich wird der Befehl (wie im Kyklops) von der bösen Herrschaft persönlich ausgesprochen.72 Aischylos, (Dionysou) Trophoi Der Titel eines weiteren Satyrspiels, das auf einer Episode der Dionysosmythologie fusst, lautet dem Κατάλογος τῶν Αἰσχύλου δραµάτων zufolge Τροφοί (A. T 78.17a), ist aber bei dem wichtigsten Zeugen für das Stück, Dikaiarchos’ Hypothesis der euripideischen Medea, um den Titelzusatz Δ∆ιονύσου ergänzt. Dieser Hypothesis verdankt sich auch unsere (partielle) Kenntnis vom Inhalt des Stücks sowie die relative Gewissheit, dass es sich dabei um ein Satyrspiel handelt. Der entsprechende Passus lautet wie folgt: Φερεκύδης δὲ καὶ Σιµωνίδης φασὶν ὡς ἡ Μήδεια ἀνεψήσασα τὸν Ἰάσονα νέον ποιήσειεν. περὶ δὲ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ Αἴσονος ὁ τοὺς Νόστους ποιήσας φησὶν οὕτως· 71

Cf. S. Ichn. 124-128: τίν’ αὖ τέχνην σὺ τήν[δ’ ἄρ’ ἐξ]ηῦρες, τίν’ αὖ, / πρόσπαιον ὧδε κεκλιµ[ένος] κυνηγετεῖν / πρὸς γῆι; τίς ὑµῶν ὁ τρόπος; οὐχὶ µανθάνω· / [ἐ]χῖνος ὥς τις ἐν λόχµηι κεῖσαι πεσών, / [ἤ] τ̣ις πίθηκος̣ κύβδ’ ἀποθυµαίνεις τινί; 165: εὕδετε (‘ihr schläft’). – Zu dieser Szene: infra Kap. 6.1; Übersetzung der Verse 124-128: ibid. p. 220-221. 72 Ein weiterer Beleg für das ‘Duckmäusertum’ der Satyrn ist Aristid. Πρὸς Πλάτωνα ὑπὲρ τῶν τεττάρων Or. 46.310 Keil. Hier ist von einem Bühnensatyr die Rede, der den Herakles lauthals verfluchte, dann aber den Kopf einzog, als dieser sich näherte: ἤδη δέ τις καὶ Σάτυρος τῶν ἐπὶ σκηνῆς κατηράσατο τῷ Ἡρακλεῖ, εἶτά γ’ ἔκυψεν προσιόντος κάτω.

‘Der eingeschlossene Dritte’

133

αὐτίκα δ’ Αἴσονα θῆκε φίλον κόρον ἡβώοντα γῆρας ἀποξύσασα ἰδυίῃσι πραπίδεσσι, φάρµακα πόλλ’ ἕψουσ’ ἐνὶ χρυσείοισι λέβησιν. Αἰσχύλος δὲ ἐν {ταῖς Δ∆ιονύσου} Tροφοῖς ἱστορεῖ ὅτι καὶ τὰς Δ∆ιονύσου τροφοὺς µετὰ τῶν ἀνδρῶν αὐτῶν ἀνεψήσασα ἐνεοποίησεν. Pherekydes und Simonides erzählen, dass Medea Iason junggekocht habe. Über dessen Vater Aison sagt der Dichter der Nostoi folgendes: “Sogleich aber machte sie Aison zu einem lieben, vor Jugendlichkeit strotzenden Burschen und streifte ihm mit ihrem erfindungsreichen Verstand sein Greisenalter ab, indem sie in einem goldenen Kessel viele Zaubermittel zusammenbraute.” Aischylos aber erzählt in den Ammen des Dionysos, dass sie auch die Ammen des Dionysos zusammen mit ihren Männern aufgekocht und verjüngt habe. (A. Trophoi F 246a + PEG I, F 7 Bernabé)

Von der Verjüngung der Ammen berichtet nach Aischylos erst wieder Ovid, der in den Metamorphosen Bacchus zum Zeugen von Aesons Verjüngungskur macht und ihn Medea um dieselbe Behandlung für seine Ammen bitten lässt – was sie ihm auch gewährt. Die ‘Männer der Ammen’ aus Aischylos’ Drama indessen erwähnt Ovid nicht.73 Die verbreitete Ansicht, dass unter diesen ‘Männern der Ammen’ die Satyrn zu verstehen seien, stützt sich zum einen auf eine Reihe von Passagen im Satyrspiel selbst, in denen die Satyrn und insbesondere der Silen an der Erziehung des kleinen Dionysos beteiligt sind,74 auch auf entsprechende spätere literarische Zeugnisse,75 zum anderen auf die zeitgenössische Ikonographie, insbesondere auf einen um 460 v.Chr. entstandenen attisch rotfigurigen Glockenkrater in Ancona, der verschiedentlich mit den Trophoi in Beziehung ge73

Ov. Met. 7.294-296: Viderat ex alto tanti miracula monstri / Liber et admonitus iuuenes nutricibus annos / posse suis reddi capit hoc a Colchide munus. Aufgenommen ist die Geschichte dann auch bei Hygin (Fab. 182); weitere Erwähnungen in der Mythographie nennt Bömer 1976 ad Ov. Met. 7.294-296 74 S. Dion., vide infra; E. Cyc. 1-4, vide infra; trag. adesp. *F 646a.1-12; cf. infra Studien II s.v. Kindheit. 75 E.g. Nic. Al. 30-34, wo die Silene als Ammen des Dionysos bezeichnet werden: ὡς δ’ ὁπότ’ ἀγριόεσσαν ὑποθλίψαντες ὀπώρην / Σιληνοὶ κεραοῖο Δ∆ιωνύσοιο τιθηνοί / πρῶτον ἐπαφρίζοντι ποτῷ φρένα θωρηχθέντες / ὄθµασι δινήθησαν ἐπισφαλεροῖσι δὲ κώλοις / Νυσαίην ἀνὰ κλιτὺν ἐπέδραµον ἀφραίνοντες. Ferner e.g. in einem Epigramm der Anthologia Planudea, APl. 16.15b, wo der Adressat, der ‘springfüssige Satyros’ (σκιρτοπόδη Σάτυρε, 2), als derjenige angesprochen wird, der vormals ‘den Bromios in Windeln gewickelt’ habe (τὸν Βροµίῳ σπάργαν’ ἑλιξάµενον, 4). – Satyrn und Silen sind zusammen mit den Nymphen (sowie den gealterten Faunen und Pan) auch in Nemesians 3. Ekloge für die frühkindliche Betreuung des Dionysos zuständig (Ecl. 3.25-34) – einem Gedicht, das (ebenso wie die anderen hier genannten Stellen) von der Kenntnis des klassischen Satyrspiels zeugt; vide infra p. 140 n. 97.

134

Tragödienreflexion

setzt worden ist:76 Der Krater zeigt auf der einen Seite einen greisen Satyrn/ Silen, der von einer efeubekränzten Frau (einer Nymphe?) mit einer einladenden Geste zu einem Dreifuss-Kessel geleitet wird. Dieses Szenario nun scheint in engem Bezug zur Rückseite des Gefässes zu stehen, wo eine kleine Familie abgebildet ist – Vater (ein Satyr/Silen), Mutter (eine Nymphe) und Kind (ein kleiner Satyr/Silen). Beim Greis auf der Vorderseite, der offenbar ‘junggekocht’ werden soll, handelt es sich vielleicht um den Grossvater77 der Familie auf der Rückseite – der Krater wäre demnach dem im 5. Jh. v.Chr. gut dokumentierten Thema der Satyrfamilie mit zwei bis drei Generationen verpflichtet.78 Einer anderen Deutung zufolge handelt es sich beim Kind auf der Rückseite um das Ergebnis der in diesem Fall allzu effizienten Verjüngungskur auf der Vorderseite. 79 So oder so erlaubt die Darstellung keinen Rückschluss auf die Trophoi. Plausibel ist jedoch die Annahme, dass hier wie dort, in Aischylos’ Satyrspiel ebenso wie auf dem Krater, mit der mythologischen respektive mythographischen Tradition von Medeas Verjüngungskur des Aison bzw. des Pelias gespielt wird und dass der Mythos in beiden Fällen in die dionysische Welt der Satyrn/Silene und Nymphen transponiert und weitergesponnen worden ist –80 eine Art ‘Kettenreaktion’ gehört dem Mythos (oder mindestens der Kur, von der er handelt) ja ohnehin von jeher an.81 76

Ancona, Museo Archeologico Nazionale delle Marche 3198. – Die einschlägige Literatur ist genannt bei Germar/Krumeich in KPS 199-200. Eine Abbildung von Vorder- und Rückseite findet sich in KPS, Tafel 23 a und b. 77 Germar/Krumeich in KPS 200; contra e.g. Kerényi und Simon, cf. die übernächste Anmerkung. 78 Germar/Krumeich in KPS 199. 79 So e.g. Kerényi 1961, 166; Simon 1982, 140 und Simon 1989, 392 (Angaben gemäss Germar/Krumeich in KPS 200 n. 12). – Mit vergleichbaren Erfolgen von Medeas Verjüngungskur bei den Satyrn/Silenen rechnet Simon auch bei der Darstellung eines Fackellaufs von Satyrkindern auf einer attisch rotfigurigen Oinochoe des Altamura-Malers (um 460 v.Chr.; Berlin, Staatliche Museen, Preussischer Kulturbesitz, 1962.33; ARV2 1660, 71 bis; Greifenhagen 1963, Taf. 1-4; Simon 1997a, 1111 Nr. 2; KPS Taf. 24a), cf. Simon 1981b, 27-28, Simon 1982, 140, Simon 1989, 392-393; contra: cf. Germar/Krumeich in KPS 200-201 und die dort in n. 15 genannte Literatur. 80 Zum “Spiel mit der mythographischen Überlieferung” (Germar/Krumeich in KPS 200) ist auf mehrere Darstellungen auf attisch-rotfigurigen Vasen aus dem Zeitraum 470/460430 v.Chr. hinzuweisen, die zeigen, wie der greise Pelias von einer seiner Töchter zu Medeas Kessel geführt wird; Simon 1994, p. 275-276 Nr. 17-21; Germar/Krumeich in KPS 200 n. 10. 81 Medea kocht Iasons Vater Aison jung – die Töchter des Pelias wünschen für ihren Vater dieselbe Behandlung. Natürlich setzt Medea dafür andere Kräuter ein und Pelias ist nach der Kur nicht jung, sondern tot. Es ist sehr gut möglich, dass Aischylos (wie später Ovid) Dionysos zum Zeugen der effizienten Kur werden und ihn Medea um dieselbe Behandlung für seine Ammen bitten liess.

‘Der eingeschlossene Dritte’

135

Vom Element der Verjüngung der Ammen des Dionysos und ihrer Männer abgesehen, liegt bei den Trophoi jedoch vieles im Dunkeln. Zum einen ist nicht einmal unumstritten, wer die Ammen sind – Nymphen? Keine Nymphen? –,82 zum andern lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, worin die Motivation zu ihrer Verjüngung respektive worin die weitere Handlung des Stücks bestanden haben könnte. Die Identifikation der Ammen mit Nymphen scheint mir zunächst relativ unproblematisch. Im kürzeren Homerischen Dionysoshymnos (h.Hom. 26) sowie in zahlreichen anderen Quellen sind die Ammen des Dionysos zumeist als Nymphen gekennzeichnet;83 alternativ haben allenfalls der Silen oder die Satyrn die Ammen-Funktion inne –84 in der Regel jedoch nicht anstelle der Nymphen, sondern mit ihnen zusammen.85 Im Prolog des Kyklops sind explizit die Gebirgsnymphen als die Ammen, τροφοί, des Dionysos bezeichnet; und aus den entsprechenden Versen geht weiter hervor, dass auch der Silen an der Erziehung des Kleinkinds beteiligt war (1-4). Die Einwände gegen die Identifikation der Ammen mit Nymphen in den Trophoi vermögen denn auch nicht zu überzeugen. So wird einerseits argumentiert (1), bei der ältesten Erwähnung der Ammen des Dionysos überhaupt, in der Ilias, sei nicht von Nymphen, sondern lediglich von τιθῆναι, Ammen, die Rede (Il. 6.132). Andererseits sei es unwahrscheinlich (2), “dass auch Aischylos an Nymphen gedacht haben könnte” (Germar/Krumeich in KPS 202 n. 20), weil diese ja nicht altern und demnach auch kein Verjüngungsbedarf bestanden haben könnte. Zu (1). Der Umstand, dass die Ammen in der Ilias nur als Ammen und nicht auch als Nymphen bezeichnet sind, beweist mitnichten, dass sie nicht als Nymphen gedacht waren. Die Passage ist sehr kurz: οὐδὲ γὰρ οὐδὲ Δ∆ρύαντος υἱός, κρατερὸς Λυκόοργος, δὴν ἦν, ὅς ῥα θεοῖσιν ἐπουρανίοισιν ἔριζεν· ὅς ποτε µαινοµένοιο Δ∆ιωνύσοιο τιθήνας σεῦε κατ’ ἠγάθεον Νυσήϊον, αἳ δ’ ἅµα πᾶσαι 82

Pluralische Dramentitel beziehen sich in aller Regel auf den Chor: supra p. 96-97 n. 21, infra p. 206-207. Wäre nur der Titel Trophoi bekannt, so wäre entweder mit einer Tragödie mit einem Ammen-Chor oder mit einem Satyrspiel zu rechnen, in dem sich die Satyrn als Ammen betätigen (wie der Silen und evtl. die Satyrn in Sophokles’ Dionysiskos). – Der Hypothesis zur Medea ist jedoch zu entnehmen, dass in den Trophoi ‘Ammen und ihre Männer’ auftraten. 83 Cf. e.g. h.Hom. 26.1-5: Κισσοκόµην Δ∆ιόνυσον ἐρίβροµον ἄρχοµ’ ἀείδειν / Ζηνὸς καὶ Σεµέλης ἐρικυδέος ἀγλαὸν υἱόν, / ὃν τρέφον ἠΰκοµοι νύµφαι παρὰ πατρὸς ἄνακτος / δεξάµεναι κόλποισι καὶ ἐνδυκέως ἀτίταλλον / Νύσης ἐν γυάλοις· ….; Philoch. FGrH 328 F 5b.9-10: καὶ γὰρ Δ∆ιονύσου τροφοὶ αἱ Νύµφαι λέγονται. Cf. auch F 5a: … διὸ καὶ τροφοὺς τοῦ Δ∆ιονύσου τὰς νύµφας ὀνοµασθῆναι … 84 Cf. supra p. 133 mit n. 75. 85 Zur engen Assoziation der Satyrn/Silene mit den Nymphen, der auch das Satyrspiel Rechnung trägt: infra Kap. 5.1.2.

136

Tragödienreflexion θύσθλα χαµαὶ κατέχευαν, ὑπ’ ἀνδροφόνοιο Λυκούργου θεινόµεναι βουπλῆγι. Δ∆ιώνυσος δὲ φοβηθείς δύσεθ’ ἁλὸς κατὰ κῦµα, Θέτις δ’ ὑπεδέξατο κόλπῳ δειδιότα· κρατερὸς γὰρ ἔχε τρόµος ἀνδρὸς ὀµοκλῇ. τῷ µὲν ἔπειτ’ ὀδύσαντο θεοὶ ῥεῖα ζώοντες, καί µιν τυφλὸν ἔθηκε Κρόνου πάϊς· οὐδ’ ἄρ’ ἔτι δήν ἦν, ἐπεὶ ἀθανάτοισιν ἀπήχθετο πᾶσι θεοῖσιν. Es hat ja auch des Dryas Sohn, der mächtige Lykurgos, nicht lang gelebt, der sich mit Himmelsgöttern messen wollte. Der hat einstmals die Ammen des Dionysos, als dieser raste, gescheucht am heil’gen Berge Nysa, und die liessen alle miteinander die Thyrsosstäbe auf den Boden fallen, von dem männertötenden Lykurgos geschlagen mit dem Ochsenstachel, und Dionysos, verängstigt, tauchte hinunter in des Meeres Woge, Thetis aber nahm ihn an den Busen, den Ängstlichen, hielt ihn doch starkes Zittern fest vor dem Gebrüll des Mannes. Dem zürnten daraufhin die Götter, die da leichthin leben, und blind liess Kronos’ Sohn ihn werden, und dann blieb er nicht mehr lange am Leben, war er den Unsterblichen doch nun verhasst, den Göttern allen. (Il. 6.130-140; Text: M.L. West; Übersetzung: J. Latacz, in BK IV.1).

In diesen zehn Ilias-Versen werden die Ammen insgesamt nur einmal mit einem Substantiv bezeichnet, und zwar als τιθῆναι (132). Sie befinden sich, wie die Nymphen in anderen Versionen des Mythos, im heiligen Nysa-Gebirge und sind offenbar Trägerinnen von θύσθλα, bei denen es sich wohl um die Vorläufer der Thyrsoi handelt, jener Stäbe also, welche die Nymphen/Mänaden im dionysischen Thiasos stets bei sich haben.86 Ausserdem werden sie, wie die Nymphen/ Mänaden im Gefolge des Dionysos, von einem Dionysosfeind bedroht und verjagt. Diese kurze iliadische Passage handelt ausserdem in erster Linie von König Lykurgos und nur in zweiter von Dionysos, gegen den er gefrevelt hatte – Dionysos’ Ammen kommt also bestensfalls drittrangige Bedeutung zu. Schliesslich ist Thetis, die in der Passage ebenfalls nur einmal erwähnt wird (136), auch nur mit ihrem Namen – und nicht wie an anderer Stelle in der Ilias als Nereide – bezeichnet.87 Der Dichter der Ilias scheint die Ammen sehr wohl als Nymphen konzipiert zu haben. 86

Henrichs 1994, 44. Allenfalls handelt es sich dabei auch um anderes Kultgerät von Mänaden; cf. Stoevesandt 2008 (BK VI.2) 55 ad Il. 6.134 mit der entsprechenden Literatur. – Zum Thyrsos im Satyrspiel: infra Kap. 5.1.5. 87 Thetis wird e.g. in Il. 18.35-52 eindeutig als eine Nereide identifiziert. Die entsprechende Genusbezeichnung tritt zwar nur im Plural auf (Νηρηΐδες, 38, 49, 52), doch ist klar, dass Thetis eine von ihnen ist: Sie wird explizit eine Tochter des greisen Nereus genannt (36), hält sich zusammen mit den anderen Nereiden/Töchtern des Nereus am Meeresgrund auf (38-51) und spricht die Nereiden als ihre Schwestern an (κασίγνηται Νηρηΐδες, 52).

‘Der eingeschlossene Dritte’

137

Dem Argument wiederum (2), Nymphen kämen als Ammen in den Trophoi nicht in Frage, weil Nymphen nicht altern, ist e.g. eine Passage aus dem Homerischen Aphroditehymnos entgegenzuhalten, die der Episode über die Erziehung des Dionysos durch die Gebirgsnymphen sehr ähnlich ist (eine Ähnlichkeit, auf die wir sogleich zu sprechen kommen).88 Unter anderem wird im Aphroditehymnos erklärt, dass Nymphen weder den Menschen noch den Göttern zugehören (259), und Wesen seien, die zwar lange leben (δηρὸν µὲν ζώουσι, 260) und einige göttliche Privilegien geniessen,89 die aber dennoch irgendwann sterben. Ihr Tod nun wird als Alterungs- und Verfallsprozess des jeweiligen Baumes beschrieben, der bei der Geburt einer Nymphe entsteht:90 ἀλλ’ ὅτε κεν δὴ µοῖρα παρεστήκῃ θανάτοιο ἀζάνεται µὲν πρῶτον ἐπὶ χθονὶ δένδρεα καλά, φλοιὸς δ’ ἀµφιπεριφθινύθει, πίπτουσι δ’ ἄπ’ ὄζοι, τῶν δέ χ’ ὁµοῦ ψυχὴ λείποι φάος ἠελίοιο. Wenn aber der vom Schicksal verhängte Tod naht, verwittern zuerst die schönen Bäume an ihrem Platze, ringsum stirbt die Rinde ab, es fallen ab die Äste, und zugleich lässt ihre Seele das Tageslicht hinter sich. (h.Ven. 269-272)

Das Problem alternder und letztlich sterbender Nymphen, das hier so anschaulich und detailliert ausgeführt wird, könnte in den aischyleischen Trophoi also durchaus bestanden haben, und entsprechend der Bedarf, den Verfallsprozess mit einer Verjüngungskur aufzuhalten. Der Aphroditehymnos ist vermutlich ins letzte Drittel des siebten Jahrhunderts zu datieren und gehört damit zu den ältesten homerischen Hymnen.91 Im Zentrum des Hymnos steht die Geschichte darüber, wie Aphrodite auf Veranlassung des Zeus genau das widerfährt, was sie schon allzu oft den anderen Göttern angetan hat: Sie verliebt sich unsterblich in einen Sterblichen, Anchises, und kann nicht anders als ihn zu verführen. Indem sie ihm mit einer elaborierten 88 Reinhardt 1961, 520 sieht in der Pflege des Aineias durch die Gebirgsnymphen vom Ida ein typisches Element von Geburtsmythen und vergleicht die Geschichte mitunter mit jener von Dionysos. Ähnlich Faulkner 2008, 284 ad h.Ven. 256-7 und Richardson 2010, 251 ad h.Ven. 256-80 – beide nennen als Parallele die Erziehung des kleinen Dionysos durch die Nymphen. 89 Wie etwa ἄµβροτον εἶδαρ, h.Ven. 260. 90 h.Ven. 264-265. 91 West 2003, 16. Karl Reinhardt (1961, 507-521) geht so weit, den Aphroditehymnos dem Dichter der Ilias zuzuweisen (und aus dem Verhältnis dieser Texte Hinweise über Homers Biographie zu gewinnen); cf. zu Reinhardts These und den Reaktionen darauf West 2003, 14-16, mit der entsprechenden Literatur in n. 18.

138

Tragödienreflexion

Lüge vorschwindelt, selbst eine Sterbliche zu sein, bringt sie ihn, der zunächst in heiliger Scheu vor ihrer göttlichen Schönheit zurückgeschreckt war, dazu, sich ihr hinzugeben. Aphrodite erwartet sodann ein Kind: den Knaben Aineias. Nach dem Liebesakt allerdings weicht ihre Verliebtheit rasch einem hohen Problembewusstsein für die Situation. Sie setzt an zu einem langen Monolog, in dem sie Anchises genau instruiert, wie er sich zu verhalten habe (und warum). Zudem unterbreitet sie ihm en détail, was nach der Geburt mit dem Kind geschehen werde. Die Kunde von dieser Schwangerschaft nämlich dürfe keinesfalls zu den Göttern, geschweige denn an eine weitere Öffentlichkeit gelangen. Das Kind müsse in einem sicheren Versteck untergebracht werden, und zwar bei den ‘tiefbusigen Gebirgsnymphen’ am Ida, die es ernähren und grossziehen würden. Innerhalb ihrer Beschreibung von Aineias’ Ammen erwähnt Aphrodite auch die enge Beziehung, die diese mit den Silenen unterhalten:92 τὸν µὲν ἐπὴν δὴ πρῶτον ἴδῃ φάος ἠελίοιο, νύµφαι µιν θρέψουσιν ὀρεσκῷοι βαθύκολποι, αἳ τόδε ναιετάουσιν ὄρος µέγα τε ζάθεόν τε· αἵ ῥ’ οὔτε θνητοῖς οὔτ’ ἀθανάτοισιν ἕπονται· δηρὸν µὲν ζώουσι καὶ ἄµβροτον εἶδαρ ἔδουσι, καί τε µετ’ ἀθανάτοισι καλὸν χορὸν ἐρρώσαντο. τῇσι δὲ Σειληνοί τε καὶ εὔσκοπος Ἀργειφόντης µίσγοντ’ ἐν φιλότητι µυχῷ σπείων ἐροέντων. Ihn aber, sobald er das Licht der Welt erblickt, werden die tiefbusigen Gebirgsnymphen ernähren, die auf diesem grossen und heiligen Berg leben, die weder den Sterblichen noch den Göttern zugehören. Sie leben lange und essen die Speise der Unsterblichen, und tanzen mit den Unsterblichen einen schönen Reigen, Silene und der treffsichere Argostöter vereinen sich in Liebe mit ihnen, in den Winkeln lieblicher Höhlen. (h.Ven. 256-263)

Diese Erwähnung des Liebeslebens der Ammen des Aineias nun führt uns zurück zu jener Nachricht über Aischylos’ Trophoi, in der ‘die Ammen des Dionysos und ihre Männer’ erwähnt werden, die man, im Lichte all dieser Texte und Überlegungen, bedenkenlos mit den Nymphen vom Nysa respektive den Satyrn und dem Silen gleichsetzen darf. Über die Art der Inszenierung dieser Ammen/Nymphen ist damit freilich noch nichts gesagt – ob die Ammen/Nymphen von einem zusätzlichen Chor

92

Hierbei handelt es sich um den ältesten literarischen Beleg für die enge Assoziation der Nymphen und Silene, vide infra Kap. 5.1.2, p. 168.

‘Der eingeschlossene Dritte’

139

(Doppelchor-Variante) dargestellt wurden93 oder von der Hälfte der Choreuten, die sonst alle Satyrn dargestellt hätten (Halbchor-Variante I), oder von der Hälfte der Satyr-Choreuten, die sich qua Satyrn als Ammen/Nymphen verkleidet haben (Halbchor-Variante II),94 lässt sich nicht entscheiden.95 Ausgeschlossen scheint die Variante, dass die Satyrn sich in toto als Ammen/Nymphen versucht haben – das widerspräche der Nachricht, in diesem Stück seien die ‘Ammen mit ihren Männern’ junggekocht worden. Ungeklärt bleibt schliesslich auch die Motivation für die Verjüngung. Einen interessanten Erklärungsversuch unternimmt Kaibel (1895b); er geht von den ersten Versen des Kyklops aus, wo der Silen sich an die eigene Kindheit und auch an jene des Dionysos erinnert: Ὦ Βρόµιε, διὰ σὲ µυρίους ἔχω πόνους νῦν χὤτ’ ἐν ἥβῃ τοὐµὸν εὐσθένει δέµας· πρῶτον µὲν ἡνίκ’ ἐµµανὴς Ἥρας ὕπο Νύµφας ὀρείας ἐκλιπὼν ᾤχου τροφούς· O Bromios, deinetwegen habe ich unzählige Mühen auszustehen, heut’ so wie damals, als mein Körper noch vor Jugend strotzte. Das Leid begann, als du, von Hera in Wahnsinn versetzt, vor den Gebirgsnymphen davonliefst, deinen Ammen. (E. Cyc. 1-4)

Seit Waltz’ Analyse dieser Verse im Jahr 1931 wurde immer wieder seine These aufgegriffen, dass der Silen hier auf frühere Satyrspiele anspiele – vielleicht gerade auf Aischylos’ Trophoi. Bereits bei Kaibel (1895b) lässt sich eine rudimentäre Form dieses Interpretations-Ansatzes erkennen; in seinen Ausführungen zeichnet sich nämlich die Idee einer Biographie der Satyrn und des Silen ab, die sich aus sämtlichen je aufgeführten Satyrspiel-Episoden konstituiert. Die Informationen, die sich aus den Prologversen des Kyklops gewinnen lassen, verbindet Kaibel zu folgender Rekonstruktion des Handlungsverlaufs der Trophoi: Dionysos war, von Hera mit Wahn geschlagen, von seinen Betreuerinnen und Betreuern am Nysa davongerannt, die ihn während langer Jahre vermisst und vergeblich gesucht haben. Dionysos hat in der Zwischenzeit den Osten erobert. Nun, im Handlungszeitraum der Trophoi, kehre Dionysos von seinen “siegreichen Fahrten” zurück “voll von Lebenskraft und Lebensfreude”, finde aber die Nymphen, den Silen und die Satyrn “in bürgerlicher Langeweile erkaltet, 93

Kaibel 1895b, 89, bezeichnet die Annahme eines Doppelchors als “nothwendig, aber doch auch nichts unerhörtes”. Skepsis gegenüber dieser Annahme wird geäussert in DFA2 236 n. 5. 94 Vide supra p. 135. 95 Cf. Lammers 1931, 54: “Ob [in A. Trophoi] zwei Halbchöre oder ein Doppelchor vorlag, bleibt in der Schwebe.”

140

Tragödienreflexion

gealtert, vergrämt” vor und werde mit Vorwürfen nur so überhäuft (Kaibel 1895b, 89). Da komme es sehr gelegen, dass Dionysos ein wertvolles Mitbringsel aus dem fernen Osten dabei hat: Die Zauberin Medea, welche die Vergrämten in ihren Zauberkessel tauchen und jungkochen kann. Mit dieser Interpretation siedelt Kaibel die Trophoi also nicht in der frühen Kindheit des Dionysos an, in jedem Fall aber bilden die Ereignisse dieser Zeit einen wichtigen Referenzpunkt des Stücks. Sophokles, Dionysiskos Eindeutig der Kindheit, sogar der sehr frühen Kindheit, des Dionysos zuzuordnen ist die mythische Stoffgrundlage von Sophokles’ Dionysiskos.96 Zwei der drei Fragmente legen für dieses Stück eine besonders enge Beziehung des Kleinkinds zu den Satyrn und dem Silen nahe: In F 171 berichtet der Silen davon, wie das Baby auf ihn reagiere, wenn er es füttere; F 172 bezeugt, dass das ‘Dionysoslein’ in diesem Stück den Wein erfand –97 ein Mittel, das insbesondere die Satyrn, aber auch alle Menschheit in Zukunft beglücken und vom Kummer befreien solle.98 So lieblich, idyllisch und vielleicht sogar drollig sich der Aufenthalt des kleinen Dionysos am Berg von Nysa in Dion. F 171 aber auch präsentieren mag, dürfen wir doch nicht vergessen, dass dieser Aufenthalt durch den Widerstand gegen den Gott (bzw. den Versuch, ihn davor zu schützen) bedingt ist: Am Nysa gilt es, den kleinen Dionysos vor der Aggression Heras abzuschirmen, der Gattin 96

Aus F 171 geht hervor, dass Dionysos noch so klein ist, dass er mit Brei gefüttert werden muss. 97 Zum kleinen Dionysos als dem Erfinder des Weines cf. auch D.S. 3.70.7-8; 4.1.6-7; Apollod. 3.33 (‘Entdecker der Rebe’; Δ∆ιόνυσος δὲ εὑρετὴς ἀµπέλου γενόµενος …); Opp. C. 4.277-279 (hier ist Dionysos bereits ein κοῦρος und kann mit einem narthex Wein aus Steinen schlagen). – In einen Zusammenhang mit den Satyrn bringt den (hier wiederum sehr jungen) Erfinder des Weins auch Nemesian in seiner 3. Ekloge, wo Pan für Lenaeus (Ecl. 3.15)/Bacchus (16) ein Lied über dessen ‘Geburt und die Samen der Rebe’ (15) anstimmt. Dieses ‘Lied im Lied’ nimmt den Grossteil der Ekloge ein (18-65). Es beginnt mit einer blumigen Apostrophe des Gottes (18-21) und geht über zu Semeles und anschliessend Iuppiters Schwangerschaft mit ihm (21-24). Dann werden all jene genannt, die mit der Erziehung des Kleinkinds betraut sind (vide supra p. 133 n. 75). Besonders hervorgehoben wird dabei der alte Silen (27-34). Die Bilder, die in die Beschreibung des Silen mit dem Kleinkind auf dem Arm einfliessen, stammen ziemlich sicher aus dem Dionysiskos (F 171) und verwandten Satyrspiel-Stellen. In Ecl. 3.37 wendet sich Pan dem Wein und der Kunst des Kelterns zu und thematisiert dabei insbesondere die Reaktion der Satyrn darauf. Die Satyrn kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus, als ihnen Lyaeus (38) seine Frucht vorstellt und sie in der Kunst unterweist, daraus Wein zu machen (3745). 98 S. Dion. F 173 besteht aus dem einen Wort, das die Erfindung auf den Punkt bringt: θωχθείς, ‘betrunken’.

‘Der eingeschlossene Dritte’

141

seines Vaters und seiner ältesten und primären Widersacherin, die schon die tödlichen Komplikationen in der Schwangerschaft seiner Mutter Semele zu verantworten hat. Den Fragmenten des Dionysiskos (und ebensowenig jenen der Trophoi) lässt sich nicht entnehmen, ob – und wenn ja, wie sehr – es in den Stücken um Hera und ihren Zorn ging. Einen Hinweis darauf, dass Heras Zorn auf das Kind Dionysos das Thema eines früheren Satyrspiels gewesen sein dürfte, geben allenfalls besagte Verse 3-4 des euripideischen Kyklops. Wir haben die Trophoi als wahrscheinlichen Referenztext dieser Verse bereits diskutiert; in Frage kommen also weiter der Dionysiskos und die Iris des Achaios,99 auf die wir sogleich zu sprechen kommen. Achaios, Iris Aus einem Papyrusfragment von Philodems Schrift De pietate lässt sich ersehen, dass Dionysos zu den dramatis personae von Achaios’ Satyrspiel Iris gehörte, und dass es ihm in diesem Stück schlecht erging. Philodem illustriert an der Stelle mit diversen Beispielen, welche Gebrechen die Menschen den Göttern anzudichten pflegen: ἀλλὰ [δ]ὴ καὶ νοσοῦντα πεποι[ή]κασι τ[ὸν] ῾Ηρακλέ[α κ]αὶ τὴ[ν Λητ]ὼ [κατ]ὰ τὰς [ὠδῖ]νας· [κ]ἄνακ[τα θε]ῶ[ν ἐλ]εινὸν [εἶν]αι τὸν Δ∆ία, τὸν [δ’] Ἡρακλέα καὶ µα[νί]ᾳ κατά[σ]χετον, [ὡς] Σοφοκλῆς [καὶ Ε]ὐριπίδης, κ[αὶ τὸ]ν Δ∆ιόνυσον, ὡ[ς Ἀχ]αιὸς ἐν Ε[ἰ]ρίδει σατ[ύρ]οις καὶ [Φερ]εκ[ύδης ὁ] Ἀθη[ναῖ]ος aber sie stellen Herakles als krank dar und Leto unter den Wehen; und Zeus, den Herrn der Götter, so, dass er Mitleid erregt, den Herakles sogar als von Wahnsinn besessen, wie Sophokles und Euripides, und auch den Dionysos, wie Achaios im Satyrspiel Iris und Pherekydes der Athener (Phld. Piet. p. 36 Gomperz).100

Diesem schwierigen Passus lässt sich nun aber nicht sicher entnehmen, woran Dionysos in der Iris zu leiden hatte. Je nach Interpretation der syntaktischen Struktur des Satzes sind verschiedene Schlüsse möglich. Von den meisten Herausgebern favorisiert wird die Interpretation, wonach ‘von Wahnsinn besessen’ (µανίᾳ κατάσχετος) nicht nur auf Herakles bei Sophokles und Euripides, sondern ebenso auf Dionysos in der Iris und bei Pherekydes zu beziehen sei.101 Nur in diesem Fall ist die Iris ein möglicher Referenztext für die Anspielung auf das in Wahn versetzte Dionysos-Kind in Kyklops 3-4. Auszuschliessen ist indes

99

Diskussion dieser Vorschläge: Seaford 1984 ad Cyc. 3-4. Daraus gewonnen sind: S. inc. F 810 und Achae. Iris F 20. Ich zitiere den PhilodemText nach Radt in TrGF IV, p. 545. 101 E.g. Henrichs 1994, 42 mit n. 39. 100

142

Tragödienreflexion

nicht, dass Philodem in der Fortsetzung des erhaltenen Textes eine weitere Form von νόσος nennt, die man Dionysos angedichtet habe.102 Eine Darstellung von Dionysos als wahnsinnig ist allerdings aus weiteren Gründen plausibel: Verschiedentlich wird in der Mythologie berichtet, dass Hera Dionysos einst mit Wahnsinn schlug –103 wahrscheinlich erklärte man sich so die µανία, die seine Kultanhänger erfassen konnte.104 Dass Hera die Rolle der Urheberin seines Wahnsinns zufällt, ist durchaus einsichtig: Ihr Versuch, Dionysos zu schaden, ist mit ihrer Eifersucht und Wut über die ausserehelichen Affären ihres Gatten hinreichend begründet. Dabei handelt es sich ja auch um keinen Einzelfall – mit Herakles, dem Kind aus einer anderen Liaison ihres Gatten, verfährt sie genauso. Wenn bei Philodem von der Darstellung des Dionysos als ‘vom Wahn befallen’ die Rede ist, dann ist dieser Parallele zu Herakles mit dem Zeugma in der sprachlichen Konstruktion Rechnung getragen. Diese Parallele zwischen Herakles’ und Dionysos’ von Hera induziertem Wahnsinn wird auch bei den Tragikern kultiviert und ist für die Interpretation der Iris von tragender Bedeutung. Der Wahnsinn, mit dem Hera den Herakles erfüllt, wird in seiner ganzen Wirkkraft und Konsequenz im euripideischen Hercules Furens entfaltet. In diesem Stück ist auch Iris präsent: Sie ist die Komplizin Heras, die Lyssa – die Göttin des Wahnes – dazu drängt, Herakles zu befallen.105 Iris könnte demnach ebenso in ein Komplott Heras involviert gewesen sein, das sich diesmal gegen Dionysos richtete. So fände auch der Auftritt des von Wahn besessenen Dionysos im eponymen Drama Iris des Achaios eine Erklärung. In der Tat gibt es einen, wenn auch deutlich späteren, Text, der Iris just dabei zeigt, wie sie als Agentin Heras gegen Dionysos vorgeht. In Nonnos’ epischer Lykurgeia – die, wie wir im Kontext des aischyleischen Lykurgos gesehen haben,106 auf die klassische Satyrspieldichtung rekurriert – beteiligt sich Iris in Heras Auftrag mit grossem Engagement an einer multiplen Intrige: In der Gestalt von Ares und später eines Vogels hetzt Iris Lykurg gegen Dionysos auf –107 als Hermes verkleidet wiederum bringt sie Dionysos dazu, unbewaffnet und mit 102

Cf. Schloemann/Krumeich in KPS 528-529. E. Cyc. 3-4; Apollod. 3.33; Nonn. D. 32.98-152. 104 Cf. Dodds 21960 ad E. Ba. 120-134; Seaford 1984 ad E. Cyc. 3-4. 105 Cf. bes. den ‘zweiten Prolog’ des Stücks, E. HF 822-873. 106 Cf. ferner infra Kap. 7.4.2. 107 Nonn. D. 20.182-252: In Heras Auftrag stachelt Iris Lykurg in der Gestalt von dessen Vater Ares zum Kampf gegen Dionysos an; 253-261: Iris erscheint Lykurg als Sperber, was jener für ein Omen hält, das den Sieg verheisst; 261-290a: Im Auftrag von Hera erscheint Iris Dionysos in der Gestalt des Hermes und überzeugt ihn davon, unbewaffnet zu Lykurg zu ziehen; 290b-303: Dionysos und der Thiasos treffen vor Lykurgs Palast ein; 304-351: Lykurg bedroht und attackiert sie; 352-369: Dionysos flieht ins Meer und findet Trost bei Thetis und Nereus etc. 103

‘Der eingeschlossene Dritte’

143

seinem ganzen Thiasos vor Lykurgs Palast zu erscheinen. Lykurg attackiert daraufhin den Pazifisten-Thiasos; Dionysos ergreift die Flucht und stürzt sich zu Thetis ins Meer, wie er es bereits Homer zufolge getan hat, wo er nota bene das Epitheton µαινόµενος trägt (Il. 6.132). Mit Aischylos’ Trophoi, Sophokles’ Dionysiskos und Achaios’ Iris wissen wir also von drei Satyrspielen, die davon gehandelt haben könnten, wie Hera den jungen Dionysos in den Wahnsinn trieb. Achaios, Aithon Ein weiteres Satyrspiel des Achaios, in dem Dionysos eine Rolle gespielt haben dürfte, ist der Aithon. Das Satyrspiel handelt vom unersättlichen Erysichthon, der gegen Demeter gefrevelt und sich so die Qual ewigen und brennenden (sc. αἴθων) Hungers eingehandelt hatte.108 Mindestens drei Gründe sprechen dafür, dass der Titelheld auch Durst leidet, und dass nicht nur Demeter, sondern auch Dionysos in den Konflikt involviert ist. Erstens wird in F 9 diskutiert, wie hoch der Wasseranteil einer bestimmten Weinmischung sei. Athenaios, der die Verse überliefert, führt sie mit dem Hinweis darauf ein, dass sich die Satyrn hier abfällig über den Konsum mit Wasser gemischten Weins unterhalten.109 Das legt nahe, dass die Satyrn in diesem Drama für Aithons Bewirtung zuständig sind. Der Fragmenttext selbst deutet allerdings eher umgekehrt darauf hin, dass die Satyrn sich darüber beschweren, dass der Wein, von dem sie selber nicht kosten dürfen, mit zu wenig Wasser gemischt sei. Bedenkt man, wie der ‘Gott der Mischung’ mit denjenigen verfährt, die den Wein ungemischt trinken, so kann man spekulieren, dass die Satyrn hier ein Komplott gegen ihre aktuelle Herrschaft, Erysichthon, anzetteln und ihm ungemischten Wein verabreichen wollen.110 Kallimachos’ Demeterhymnos, der die Erysichthon-Geschichte ausführlich behandelt, scheint sich in gelehrten Anspielungen mitunter auf den Aithon zu beziehen.111 Aufschlussreich ist insbesondere folgender Passus: σχέτλιος, ὅσσα πάσαιτο τόσων ἔχεν ἵµερος αὖτις. εἴκατι δαῖτα πένοντο, δυώδεκα δ’ οἶνον ἄφυσσον. καὶ γὰρ τᾷ Δ∆άµατρι συνωργίσθη Δ∆ιόνυσος· (71)112 τόσσα Δ∆ιώνυσον γὰρ ἃ καὶ Δ∆άµατρα χαλέπτει. (70)

108

Cf. hierzu auch infra Studien II s.v. Hunger. Ath. 10.427c: Ἀχαιὸς δ’ ἐν Αἴθωνι σατυρικῷ τοὺς σατύρους ποιεῖ δυσχεραίνοντας ἐπὶ τῷ ὑδαρῆ πίνειν καὶ λέγοντας· [Achae. Aith. F 9]. 110 Cf. supra p. 119-121 und infra Studien II s.v. Weinmischen. 111 Cf. McKay 1962, 22-26 (mit der früheren Literatur); zurückhaltend, aber nicht ablehnend: Hopkinson 1984, 20; Schloemann/Krumeich in KPS 503-504; contra: Sutton 1980a, 69. 112 Cf. zur Umstellung der handschriftlich überlieferten Anordnung der Verse: Hopkinson 1984, 137-138 ad 71-70. 109

144

Tragödienreflexion Der Unglückliche, wieviel er auch ass, nach ebensoviel ergriff ihn sofort wieder heftiges Verlangen. Zwanzig mühten sich um seine Mahlzeiten, zwölf schöpften für ihn Wein. Denn mit Demeter zusammen zürnte auch Dionysos: Was Demeter, erfüllt nämlich ebenso auch Dionysos mit Zorn. (Call. Cer. 68-71; Text: Hopkinson 1984; Übersetzung: Asper 2004, 453).

Aus dem Hymnos scheint (wie bereits aus besagtem F 9) hervorzugehen, dass der Satyrchor im Aithon die Aufgabe hatte, für Erysichthon den Wein zu mischen und zu servieren – das bei Kallimachos erwähnte Dutzend dürfte sich auf die Choreuten im Satyrchor beziehen.113 Ob Erysichthon den Zorn des Dionysos dadurch erregt hat, dass er sich auch gegen ihn verfehlte, oder ob Dionysos schlicht aus Solidarität mit Demeter zürnt, lässt sich nicht entscheiden; der mögliche Komplott der Satyrn würde auf ersteres deuten.114 Ein dritter Hinweis auf die dionysische Dimension des Aithon findet sich in F 10, wo von jemandem die Rede ist, der sich mit Bakkaris eingesalbt und mit gefächerter Luft imposant frisiert hat:115 x〉 βακκάρει χρισθέντα καὶ ψυκτηρίοις πτεροῖς ἀναστήσαντα προσθίαν τρίχα … den, der sich mit Bakkaris eingesalbt und mit den kühlenden Schwingen (eines Fächers) das Stirnhaar zum Stehen gebracht hat (Achae. Aith. F 10).

So hier nicht, wie auch vermutet worden ist, von der Aufmachung eines Satyrn die Rede ist,116 liegt in diesen Versen eine Parallele zu einer Szene aus Achaios’ Hephaistos (F 17) vor, wo der Widerstand, den Hephaistos leistet (zunächst

113

In der Annahme, dass die Zwölfzahl hier auf den Chor der Satyrn deutet, schliesse ich mich Schloemann/Krumeich in KPS 504 an; freilich scheint es überzogen, die Stelle als Argument in der Frage der Anzahl der Choreuten im Satyrspiel heranzuziehen; cf. supra Kap. 1.1, § Grösse des Chores. 114 Die Paarung von Demeter und Dionysos – im Kontext von Speise und Trank ebenso wie e.g. hinsichtlich des Mysterienwesens – ist schon fast ein Gemeinplatz; cf. e.g. Pi. I. 7.3-5; E. Ba. 274-283; Moschio Trag. TrGF 97 inc. F 6.23-26 (cf. bereits 9-13); Schol. vet. Ar. Ra. 324; Orph. H. 40.10 Quandt: Βροµίοιο συνέστιος (sc. Demeter) etc. Nicht zuletzt deshalb aber ist sie auch im Aithon durchaus wahrscheinlich. – Die Assoziation von Demeter und Dionysos ist im Satyrspiel auch in Cyc. 121 und 123 gegeben. 115 Cf. infra Studien II s.v. Bakkaris und myron. 116 So die Deutung in Musa Tragica 278 n. 14, die aus einem schlichten Hinweis auf die Beschreibung der Satyrmaske von Bieber 1930, 2084, besteht, wo unter anderem “langsträhnige, über der Stirn aufstrebende Haare” genannt werden.

‘Der eingeschlossene Dritte’

145

sicher nicht spezifisch gegen Dionysos, sondern vielmehr gegen die Olympier), von Dionysos gebrochen wird. Achaios, Hephaistos In F 17 des Hephaistos, einem Ausschnitt aus einem Dialog von Hephaistos und Dionysos,117 wird manifest, wie und mit welchen Mitteln Hephaistos der dionysischen Sphäre symbolisch einverleibt wird: Dionysos verspricht ein Festmahl und eine Salbung mit myron.118 Von diesem Fragment hat als erster Welcker auf die mythische Grundlage des Stücks geschlossen: Es geht um die Rückführung des Hephaistos in den Olymp.119 Der detailliertesten Version des Mythos zufolge, jener von Libanios (Περὶ Ἡφαίστου, Narr. 7, Bd. 8 p. 38-39 Förster), warf Hera einst ihren Sohn Hephaistos aus dem Himmel, weil sie sich für die Lahmheit seiner Füsse schämte. Hephaistos aber überlistet sie, indem er ihr einen Sessel mit unsichtbaren Fesseln als Geschenk zukommen lässt, in dem sie alsbald festsitzt. Niemand ausser Hephaistos kann sie befreien; der Götterrat ist ratlos. Ares, der sich bereiterklärt, Hephaistos zurückzuholen, kommt kleinlaut und ohne Hephaistos zurück. Erst Dionysos gelingt das Unmögliche: Er macht Hephaistos betrunken und bringt ihn dazu, in den Olymp zurückzukehren und Hera aus den Fesseln zu lösen. Zum Dank überzeugt Hera die Olympier (und allen voran sich selbst), Dionysos fortan zu den Ihren zu zählen. Obwohl dieser Mythos schon früh bekannt gewesen sein muss und offenbar sehr populär war, sind die literarischen Zeugnisse dafür geringer Anzahl; die

117 Ath. 14.641d überliefert die Verse allerdings lediglich mit Autor, Stücktitel und gattungsidentifizierendem Zusatz, jedoch ohne Identifikation der Sprecher (ὡς Ἀχαιὸς ἐν Ἡφαίστῳ σατυρικῷ). 118 Cf. infra Studien II s.v. Bakkaris und myron. 119 Welcker 1826, 300; cf. Welcker 1860, 688. Wilamowitz 1895/1937, 5 n. 1 bezeichnet Welckers These als unwahrscheinlich, allerdings mit der nicht überzeugenden Begründung, dass sich aus Phld. Piet. p. 48 Gomperz (Achae. Heph. F 16b) der Ehebruch der Aphrodite mit Ares aus dem 8. Gesang der Odyssee als mythische Grundlage des Stücks sichern lasse. Wohl um Beispiele für rhetorisches Übertreiben (ὑπερβολικῶς εἰπεῖν) zu geben, erwähnt Philodem an dieser Stelle den Hephaistos, wo Achaios über Ares’ Verhältnis mit Aphrodite gesagt habe, alle Göttinnen hiessen es gut. Der Philodem-Text ist an dieser Stelle sehr brüchig (cf. den Rekonstruktionsversuch von Luppe 1985), doch selbst wenn man mit Wilamowitz davon ausgeht, dass Heph. F 16b von der Fesselung von Ares und Aphrodite handelt, spricht nichts dagegen, dass es im Hephaistos um die Rückführung des Titelhelden ging. Diese Rückführung wurde ja durch eine List des Hephaistos notwendig, die jener, die er gegen seine Gattin und ihren Liebhaber anwandte, überaus ähnlich ist – wie das Liebespaar liess er auch seine Mutter in eine unsichtbare Falle tappen. Es ist also durchaus möglich, dass eine Figur die Fesselung der Aphrodite und des Ares erwähnte, ohne dass diese das zentrale Thema des Stücks bildete.

146

Tragödienreflexion

ausführlicheren Versionen ausserdem recht jung.120 Neben Libanios’ Version ist eine Zusammenfassung der Geschichte auch bei Pausanias greifbar (allerdings entfällt hier die Mission des Ares). Pausanias’ Bericht ist vor allem deshalb von grosser Bedeutung, weil er die Beschreibung eines Gemäldes enthält, das sich in einem Tempel von Dionysos Eleuthereus unweit des Dionysostheaters befunden haben soll.121 Überhaupt ist das Thema seit dem frühen 6. Jh. v.Chr. ikonographisch reich dokumentiert –122 erstmals auf der François-Vase.123 Hedreen (2004) macht die hochinteressante Beobachtung, dass die bildlichen Darstellungen von Hephaistos’ Rückführung stets auf die Bildwelt des DionysosKults rekurrieren. Insbesondere orientieren sie sich am Bild-Repertoire des epiphanischen Festzuges, mit dem der Gott nach Athen geführt wird. Aitiologisch stehen solche Prozessionen im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen Dionysos, der Überwindung dieses Widerstandes und der schliesslichen Anerkennung des Gottes durch das widerständische System. So wird die Rückführung des Hephaistos mit dem dionysischen Widerstandsmythos enggeführt. Während Hedreen hierin eine Besonderheit der Ikonographie sieht, die sich in literarischen Zeugnissen nicht beobachten lasse, scheint mir mit Achaios’ Hephaistos ein Drama vorzuliegen, das einen sehr ähnlichen Darstellungsmodus verfolgt: Der Schmiedegott wird hier symbolisch in den Bereich des Dionysos eingeordnet. Angesichts der Tatsache, dass das Satyrspiel grundsätzlich das pattern des Widerstandsmythos bespielt (vide infra), wäre es absurd anzunehmen, dass das Satyrspiel den Zusammenhang der Rückführung des Hephaistos mit dem Widerstandsmythos nicht aufgriffe und es sich entgehen liesse, ihr Potential in den Dienst der Gattungsreflexion zu stellen.

120

Alkaios verarbeitete den Mythos in einem Hymnos (cf. Alc. F 349 Lobel/Page; Wilamowitz 1895/1937; Page 1955, 258-261); Reflexe davon finden sich auch in den homerischen Hymnen; Pindar soll ihn gekannt haben (Pi. F 283 Maehler via Suda η 481 s.v. Ἥρας δὲ δεσµοὺς ὑπὸ υἱέος [≅ Phot. η 230 s.v. Ἥρας δεσµοὺς ὑπὸ υἱέος], wo von Pl. R. 378d ausgegangen wird (Ἥρας δὲ δεσµοὺς ὑπὸ ὑέος …) und u.a. auch die Komödie Komastai oder Haphaistos Epicharms [PCG 1, p. 51 mit F 73-75 K./A.] genannt wird). Überhaupt setzt seine Erwähnung in Platons Politeia das Alter des Mythos voraus. 121 Paus. 1.20.3. 122 Die entsprechende Ikonographie ist sehr gut erforscht: cf. e.g. Brommer 1937b; Christopulu-Mortoja 1964, 29-35; Brommer 1978, bes. 10-17, 199-204; Carpenter 1986, 13-29; Halm-Tisserant 1986; Hermary/Jacquemin 1988, 637-645 Nr. 103-172; Hedreen 1992, bes. 13-30, 183-184; Shapiro 1995, 1-14; Carpenter 1997, 41-49; Schloemann/Krumeich in KPS 518, 519-521 (mit der einschlägigen Forschung bis 1999); Hedreen 2004. 123 Attisch schwarzfiguriger Volutenkrater, Firenze, Museo Archeologico 4209, ca. 580560 v.Chr., Kleitias und Ergotimos (ABV 76.1; Simon/Hirmer 21981, 75 Abb. 56; Simon 1997a, 1113 pl. 22; KPS Taf. 1a). Seine Bebilderung gehört zu den ältesten Darstellungen von ‘Silenen’. – Cf. e.g. die Beiträge in Minto 1960; Henrichs 1987, 94-97 (95 fig 1.), 100, 104; Hoffmann 1987; Hedreen 1994, 48; Larson 2001, 94; Burkert 2011, 17.

‘Der eingeschlossene Dritte’

147

4.2 Die komische Reflexion tragischen Schaffens Ich gehe von der Hypothese aus, dass die attische Tragödie – in welcher Weise auch immer – aus dem Dionysoskult hervorgegangen ist, aus einem Ritualkonglomerat, das unter anderem die Inszenierung von Mythen über Dionysos und ein lachhaftes Element barg. Dass die sich entwickelnde Tragödie über eine schrittweise Erweiterung ihres Stoffkreises der sich aus dem agonalen Rahmen ergebenden Forderung nach Neuerung zu entsprechen versuchte, ist eine plausible und in weiten Kreisen anerkannte These.124 Die Mythen über Dionysos sind, wie dargelegt worden ist, nicht sehr zahlreich und strukturell auf wenige Handlungselemente reduzierbar; dass ein Übergang zum wettbewerbstauglichen Drama daher nur über die Öffnung für andere Handlungselemente und Stoffe möglich wird, ist plausibel. Fest steht – das geht aus den Statistiken der ‘Ritualistengegner’ nur zu deutlich hervor –, dass die uns erhaltenen Tragödien sowohl Dionysos als Akteur als auch Stoffe aus seinem Mythenkomplex vergleichsweise marginal behandeln. Bedenkt man nun die Ergebnisse jenes Forschungszweigs, der die nicht offen zutage liegenden Beziehungen der Tragödie zu Dionysos untersucht hat,125 so kann man präzisierend zumindest festhalten, dass die Tragödie die heiteren und/oder komischen Aspekte des Gottes weitgehend ausblendet. Stimmt die Hypothese, dass am Ursprung der Tragödie ein Ritualkomplex mit explizit dionysischen und komischen Elementen stand, so liegt in der Tragödie, wie sie für uns greifbar ist, das Produkt eines Sublimierungsprozesses vor. Dionysos und insbesondere seine heiteren Seiten, Komik,126 Wein, Ausgelassenheit, Obszönität, wildes Tanzen und Singen etc. sind weitgehend aus ihr verdrängt. Die Komik des Satyrspiels, so scheint es, funktioniert nun just über den Versuch, das in den vorangegangenen Tragödien Sublimierte als Dionysos und dem tragischen System zugehörig auszuweisen. Das Satyrspiel, so meine These, ist nicht nur das dionysische, sondern auch das komische Gedächtnis der Tragödie, i.e. die Erinnerung nicht nur an das verlorene explizit dionysische Element, wie es bei Zenobios heisst,127 sondern zugleich, und vielleicht gar nicht davon zu

124

E.g. Friedrich 1983, 186-187; Seaford 1981, 272; Seaford 1984, 28-29, 31, 33-34, 44. Stellvertretend für die Flut von Publikationen in den letzten Jahrzehnten seien hier die Arbeiten von Richard Seaford genannt (jüngst 2005a und 2006, bes. 94-98); ferner Bierl 1991 (zum Stand der Forschung bis 1991: 2-4); Easterling 1988; 1993b; 1997b; Foley 1980; 1985; Henrichs 1994/1995; 1996a; 1996b; 2000; Schlesier 1985; 1988; 1993a; 1993b; 1995b; 1998; Segal 1982; Sourvinou-Inwood 1994; 2003; 2005; die Beiträge in Winkler/Zeitlin 1990. 126 Freilich bestreitet niemand jegliches Vorkommen lachhafter Momente in der Tragödie; vide supra p. 54 mit n. 3. 127 Cf. supra Kap. 3.2.1. 125

148

Tragödienreflexion

trennen, an das komische Element aus dem Ritualkonglomerat, aus dem sie hervorgegangen ist. Nun haben wir aber in den Kap. 4.1.1 und 4.1.2 gesehen, dass das Betonen der Abwesenheit des Dionysos ein in früheren Satyrspielen mehrmals zu beobachtendes, ein im Kyklops dominantes Motiv ist. Wir haben ausserdem festgehalten, dass sich die Satyrn im Satyrspiel grundsätzlich in Situationen wiederfinden, die mit ihrer eigentlichen Daseinsform als Thiasoten des Dionysos nicht vereinbar sind und in denen sie sich zur Übernahme fremder Rollen gezwungen sehen.128 Sind das Wegdrängen des Dionysos aus dem Satyrspiel und die Übernahme fremder Rollen durch die Satyrn demnach als spielerische Antworten auf die Tendenz oder die Praxis der Tragödie zu verstehen, sich des Dionysos zu entledigen und anderen ‘Mythen’ zuzuwenden? Wenn wir das Satyrspiel nicht nur für “something for the groundlings” (Sutton 1980a, 163) halten und seinen Verfassern, die zugleich die Verfasser der als “erhabenste literarische Schöpfung” (Burkert 1990, 13) anerkannten Tragödie sind, stattdessen die Möglichkeit zugestehen, auch das Potential dieses Genres zur poetologischen und kulthistorischen Reflexion genutzt und im Satyrspiel ihr tragisches Schaffen der komischen Reflexion unterzogen zu haben, so ist diese Frage unbedingt zu bejahen. Das Satyrspiel steht in einem komplexen Verhältnis zur Tragödie. Es ist intensiv, um nicht zu sagen: parasitär, auf sie bezogen;129 es kommentiert, reflektiert und unterwandert sie und behauptet in der Auseinandersetzung mit ihr seine Legitimität.130 Ein Grossteil der bei Seaford und Voelke genannten131 typischen Themen des Satyrspiels erhalten dann eine weitere Bedeutungsebene: Der fremde, aus der Mythologie bekannte Herr oder Despot wird lesbar als die die heiteren Aspekte des Dionysos unterdrückende Tragödie; die Freilassung der Satyrn zum StückEnde als die Freilassung des heiteren Dionysos am Ende der Tetralogie, i.e. im 128

Diese Aspekte vertiefe ich in den folgenden Kap. 5 und 6. Cf. auch die Charakterisierung des Verhältnisses der beiden Genera bei Marshall 2000, 230: “Satyr drama injects elements of κῶµος into tragedy.” Das Satyrspiel verhalte sich gegenüber der Tragödie wie der auf zwei attischen Oinochoen (5. Jh.; Bildnachweis ibid. n. 4; cf. die Abb. auf dem Umschlag dieser Studie) abgebildete Satyr Kissos, der eine schlafende oder sich kleidende Nymphe Tragoidia anspringt: “like the satyr itself, satyr drama rapes (corrupts, attacks, dissects, deconstructs …) an innocent and unsuspecting tragedy; and satyr drama clings parasitically to its host like ivy.” Cf. zu diesen Darstellungen auch Herter 1937. 130 In diese Überlegung miteinzubeziehen ist auch der Umstand, dass im Rahmen des ca. 440 v.Chr. eingerichteten tragischen Agons der Lenäen keine Satyrspiele aufgeführt wurden. Dies ist ein früher Hinweis auf die häufig konstatierte allmähliche Auflösung der engen Bindung von Tragödie und Satyrspiel, die Mitte des 4. Jh. manifest wird. Cf. supra p. 33 mit n. 25, p. 46. 131 Dazu infra p. 351-352. 129

‘Der eingeschlossene Dritte’

149

Satyrspiel; die mit viel Freude verbundene Offenbarung oder Erfindung132 eines Kulturguts weist auf die Frühform der Tragödie, zu der das Satyrspiel – über die Elemente des explizit Dionysischen und des Komischen – eine grosse Affinität besitzt;133 dass sich die Satyrn fast ausschliesslich in fremden Rollen und im Dienste fremder Herren versuchen, kann als Replik auf die Erweiterung des Stoffkreises der Tragödie verstanden werden; die Zentralität des Athleten-Motivs wird lesbar als eine Bezugnahme auf den agonalen Rahmen, in dem sich die Dramen zu bewähren haben.134 Auf dieser Basis ist auch die vielzitierte Klage der Satyrn in Euripides’ Kyklops, σὺν τᾷδε τράγου χλαίνᾳ µελέᾳ – ‘mit diesem erbärmlichen Ziegenpelz’ (80) dem Kyklopen statt Dionysos dienen zu müssen, zu überdenken und als Klage über die Mühen zu deuten, die das ‘tragische Spiel’ den Satyrn abverlangt.135 Wir kehren hierauf zurück.136 Dass im Kyklops zunächst beteuert wird, weder Dionysos, noch Wein, noch Sex, noch wilder Tanz und Ausgelassenheit sei auf der Insel vorhanden oder zugelassen, um damit eine um so effektvollere Rückkehr des und Rückkehr zu Dionysos herbeizuführen, erweist sich als komische Wiederholung des Ablaufs der Tetralogie, die in tiefem Ernst beginnt und im Satyrspiel, in das sie mündet, ihr heiteres, dionysisches Finale findet.

4.3 … als Anverwandlung des Widerstandspatterns Im Satyrspiel wird die in den Tragödien praktizierte Ausklammerung des Dionysos und seiner heiteren Aspekte sowie die Öffnung für andere mythische Stoffe wiederholt und – auf Basis der in den Mythen um Dionysos angelegten Bewegung, dass nämlich Dionysos von einem beliebigen System zunächst versuchsweise geleugnet, unterdrückt, eliminiert wird, um schliesslich den Beweis seiner Zugehörigkeit zu diesem System zu erbringen – auf komische Weise in ihr Gegenteil überführt. Zwar werden auch ins Satyrspiel µῦθοι aufgenommen und gerade darob entstehen πάθη (Sehnsucht nach Dionysos, Streit mit ihm, Ängste vor den fremden Herren und Situationen), doch wird in komischer Weise vorgeführt, dass dieses Projekt zum Scheitern verurteilt ist. Die im Satyrspiel sich offenbarende komische Selbstreflexion der tragischen Dichter legt dar, dass es zwar zu Dionysos gehört, dass man ihn zu eliminieren sucht, dass man damit aber nicht reüssieren kann, weil er nicht eliminierbar ist. Das Satyrspiel ist 132

Dazu infra Studien II s.v. Erfindung. Man könnte, so eine von mir dankbar aufgenommene Anregung Glenn W. Mosts zur ursprünglichen Fassung dieses Textes, das Satyrspiel in diesem Sinne selbst als ‘Kulturgut im Anfangsstadium’ verstehen – oder vielmehr als die Inszenierung eines solchen. 134 Cf. infra Studien II s.v. Athleten. 135 Vide supra p. 50 mit n. 95. 136 Infra Kap. 6.5, p. 243. 133

150

Tragödienreflexion

demnach die lachenerregende Offenbarung der wesenhaften Zugehörigkeit des Dionysos, besonders seiner heiteren Aspekte, zum tragischen System.

4.3.1 Inkludierende Exklusion Warum ist das komisch? Ich will diese Frage unter Einsatz einer Theorie des Lachens beantworten, die sich als besonders geeignetes Modell erweist, im Kontext des Dionysos-Kults erscheinende Formen des Lachhaften oder Komischen zu beschreiben. In einem Aufsatz mit dem Titel Über das Lachen von Joachim Ritter heisst es vom Komischen, es entstehe “in einer doppelten Bewegung, einmal im Hinausgehen über die jeweils gegebene Ordnung zu einem von ihr ausgeschlossenen Bereich, und zweitens darin, dass dieser ausgeschlossene Bereich in und an dem ihn ausschliessenden Bereich selbst sichtbar gemacht wird.” In jeder Ordnung, in der Sitte, im Anstand, im Ernst, so Ritters Gedanke, werden unzählige Verhaltensweisen oder Dinge als unzulässig, als nichtig ausgeschlossen, hören dadurch aber nicht auf zu existieren, im Gegenteil: Dadurch, dass die Ordnung etwas ausgrenzt, ist das Ausgegrenzte nur – in der Negation – über diese Ordnung fassbar. Daher ist was “mit dem Lachen ausgespielt und ergriffen wird, … diese geheime Zugehörigkeit des Nichtigen zum Dasein” (1940, 75-76).137 Ausschliessendes und Ausgeschlossenes werden im Komischen derart verschmolzen, dass eine Identifizierung der beiden erfolgt: “Im Komischen geht es darum, die Identität zwischen dem Entgegenstehenden und Ausgegrenzten mit dem Ausgrenzenden herzustellen” (78). Sofern es nicht der Allgemein- und Vagheit der hier gewählten Begriffe zuzuschreiben ist, liest sich Ritters Charakteristik des Lächerlichen oder Komischen wie die Beschreibung einer in den Mythen um Dionysos und in dem, was seinen Kult konstituiert, häufig zu beobachtenden Bewegung.138 Nehmen wir zum Beispiel die Figur des Satyrn. In seiner Grundgestalt ist er ein menschliches 137

Mit diesem theoretischen Entwurf gelingt Ritter manches: Einmal überwindet er, freilich nicht als erster, jeden Ansatz zur Bestimmung des Komischen ohne Rücksichtnahme auf ein den komischen Stimulus rezipierendes Subjekt, womit er, und hierin ist ein nächster Gewinn seiner Theorie zu sehen, der Möglichkeit einer ahistorischen Konzeption des Komischen eine klare Absage erteilt. Dies gelingt ihm, weil er das Theorem der ‘Inkongruenz’ oder des ‘Kontrasts’ insofern, als er es in Abhängigkeit von der jeweils gültigen Norm definiert, klar relativiert (1940, 68): Inkongruenz allein, um es lakonisch zu sagen, macht noch keine Komik. 138 Zur Diskussion von Ritters Theorie in der Erforschung der aristophanischen Komödie cf. von Moellendorff 1995, 47-49, der auf die Parallelen zwischen Ritters Theorem der lachenerregenden Wahrnehmung und Michail Bachtins ‘dialogischer Perzeption’ sowie die sich bei beiden manifestierende Konzeption einer Ambivalenz des Lachens hinweist.

‘Der eingeschlossene Dritte’

151

Wesen.139 Er ist aber mit tierhaften und göttlichen Attributen ausgestattet und daher eine hybride Figur. Stellen wir ihn, ausgehend von seiner menschlichen Grundgestalt,140 dem klassischen Ideal des zivilisierten Menschen gegenüber, so lässt er sich als Mensch begreifen, an dem das, was bei jenem unterdrückt ist, alle Triebhaftigkeit und Masslosigkeit, sichtbar gemacht ist. Mensch, der er ist, kennt der Satyr die Errungenschaften und Gepflogenheiten der Zivilisation oder lernt sie gerade kennen – er kann sich als Athlet gebärden, über Helena fachsimpeln, kennt den Ablauf eines Symposions – und ist dennoch seinen Trieben und seiner Ungeschicklichkeit ausgeliefert, ist zu faul für den Sport, will mit Helena ins Bett und den Wein alleine trinken. Sein einziges, aber nie viel ausrichtendes ‘Über-Ich’ ist der fremde Herrscher, in dessen Fängen er gerade gehalten wird. Dass sich der Satyr oft da aufhält, wo Kultur aus Natur entsteht, wo Kulturgüter neu sind oder gerade entdeckt werden, oder wo Wesen aus der Welt geschafft werden, welche Kultur und Zivilisation bedrohen, entspricht der Liminalität seines eigenen Wesens: Er ist, könnte man in Nietzsches’ Sinn sagen, Körper gewordene Erinnerung an den ‘Naturzustand’ des Menschen. Sein lächerliches Potential besteht wesentlich darin, all das sichtbar zu machen, was beim zivilisierten Menschen effizient unterdrückt ist. Das wichtigste Beispiel für das ‘Sichtbarmachen des Ausgeschlossenen in und am Ausschliessenden’ im Kontext des dionysischen Mythos und Kults ist nun aber der Widerstandsmythos selbst. Als Beispiel für diesen diene uns die Geschichte des Pentheus, wie sie Euripides in den Bakchen erzählt. Dionysos erscheint in Gestalt eines Jünglings in seiner Geburtsstadt Theben – er ist der Sohn der Semele, einer Tochter aus dem thebanischen Königshaus –, um Anerkennung als Gott zu finden und seinen Kult zu institutionalisieren. Dabei erfährt er härtesten Widerstand seitens fast aller Thebaner und ganz besonders ihres Regenten Pentheus, der Dionysos’ Göttlichkeit leugnet und den ‘Fremden’, den er nicht als den Gott erkennt, in Fesseln legt. Es folgt eine eindrückliche Machtdemonstration des ‘Fremden’, die Pentheus immer mehr in ihren Bann zieht, was aber seine Vernichtung durch die von Dionysos besessenen Mänaden nicht mehr aufhalten kann. Der zu Beginn Geleugnete findet Anerkennung als Gott in Theben: Dionysos wird, abstrakt formuliert, als Teil des Systems kennt-

139

Cf. e.g. Seaford 1984, 6: “[satyrs] are in general more human than animal …”; Lissarrague 1988, 336 über die Satyrn der Ikonographie des ausgehenden 6. und beginnenden 5. Jh.: “[Les satyres] sont plus proches de l’homme que du cheval, et ont presque toujours des pieds humains.” 140 Seaford 1984, 31 weist auf eine kontinuierliche ‘Vermenschlichung’ der Satyrn vom 6. bis ins 3. Jh. v.Chr. hin. Cf. auch, speziell zur Vermenschlichung, die sich in der Herausbildung von Familienstrukturen unter den Satyrn/Silenen und Nymphen artikuliert, Germar/Krumeich in KPS 199 mit n. 9 (mit der relevanten Literatur).

152

Tragödienreflexion

lich gemacht, das ihn auszuschliessen versucht.141 Dies gilt gleichermassen für den in Kapitel 4.1.1 referierten Mythos von Dionysos Eleuthereus und die weiteren Mythen, in welcher eine (oftmals durch ihren Regenten repräsentierte oder symbolisierte) Gemeinde oder eine Gruppe von Menschen sich weigert, den 141

Mag man diese Inhaltsangabe auch als ein Beispiel für die inkludierende Exklusion anerkennen, dürfte ihrer Kontextualisierung in einer Theorie des Lachhaften dennoch mit Skepsis begegnet werden. Um Missverständnissen vorzubeugen, ist hier festzuhalten, dass es mir um den Nachweis einer strukturellen Übereinstimmung geht: Die Bakchen – wie überhaupt der Widerstandsmythos, den sie repräsentieren – sind nach dem Prinzip strukturiert, das Ritter dem Komischen unterstellt. – Sind die Bakchen bisher auf ihre ‘Komik’ hin untersucht worden, so geschah dies hauptsächlich in Bezug auf die Teiresias-KadmosSzene im ersten Epeisodion, in der die beiden Ältesten Thebens sich in dionysischer Kluft auf den Weg zum Gottesdienst in den Bergen machen (Ba. 170-369) sowie auf die Szene, in der sich Pentheus als Bakchantin verkleidet (Ba. 912-970): Seidensticker 1978 und 1982, 115-129; ibid. 115-116 zu Skepsis gegenüber bzw. Anerkennung einer ‘komischen’ Lektüre dieser Szenen in der Forschung vor 1982; ibid. 127-129 zu weiteren Stellen der Bakchen, an denen sich “mehr oder minder deutliche komische Töne” (127) konstatieren lassen; cf. ferner Segal 1982, 255; Bierl 1991, Kap. 5; Goldhill 2006, 90-91. Zu Ironie in den Bakchen cf. ferner Foley 1980 und 1985, 205-258; in einer allgemeinen Perspektive: Rosenmeyer 1996, 504. – Hatte Seidensticker ein an der “irritierenden Ambivalenz des Dionysischen” (1982, 129) ausgerichtetes Modell des Tragi-Komischen entworfen, das die spezifische Geartetheit komischer Elemente dieser Tragödie ausmache, diente Segal die konstatierte Koexistenz komischer und ernster, grausamer, ‘tragischer’ Elemente als ein Argument für eine ‘metatragische’ Lektüre des Stücks. Gerade in den beiden Travestieszenen werde manifest, dass “Euripides … also depicts the ambiguity of illusionistic representation in the theater, the paradox that the same mimetic art may give us both pleasure and pain” (1982, 255). Segal beschränkt seine ‘komische Lektüre’ der Bakchen nicht auf die Travestieszenen, sondern betrachtet auch das Verhältnis der beiden Protagonisten: “The play … shifts ambiguously between hero and monster, and we are not fully sure who is the more monstrous. Likewise, rather than developing a full-blown comic mood in the grotesque scenes of the bacchantic elders or the king dressed as maenad, Euripides gives us a problematical and elusive shifting of tone. We do not know for certain whether we should laugh or grieve” (1982, 255). Dies kommt Ritters Konzeption einer im Komischen stattfindenden Identifizierung dessen, was sich ‘entgegensteht’, nahe. – Sansone 1978 stellt in seinem Versuch, Burnett 1971/1985 zu widerlegen, die rhetorische Frage, ob die Bakchen ein Satyrspiel seien. Burnetts Auflistung von ‘satyrplay elements’ oder ‘motifs’ in verschiedenen euripideischen Tragödien versucht er dadurch zu diskreditieren, dass er die Bakchen, “this most tragic of plays” (Sansone 1978, 46), als das Stück mit dem grössten Anteil ‘satyrischer’ Elemente ausweist. Wie Seaford 1981 deckt er eine Affinität zwischen Bakchen und dem Satyrspiel aufgedeckt wird, wiewohl in gegenteiliger Absicht. Im Kontext der hier vorgebrachten Überlegungen, die auf das komische Potential des ‘Konzepts Dionysos’ zielen, überrascht es nicht, dass just in der einzigen erhaltenen Tragödie, in der Dionysos in persona auftritt, zahlreiche Stellen dem Verdacht ausgesetzt sind, komisch und/oder satyrspielhaft zu sein.

‘Der eingeschlossene Dritte’

153

Gott anzuerkennen.142 Auch in den diesen Mythen zugrundeliegenden, aus ihnen hervorgegangenen oder sie begleitenden Ritualen, das sei hier nur angedeutet, ist das Prinzip der inkludierenden Exklusion wirksam. Hier möge das Beispiel jenes Rituals genügen, das am Vorabend der Grossen Dionysien stattfand und in der Regel als ‘re-enactment’ der ursprünglichen Ankunft des Dionysos aus Eleutherai verstanden wird: Eine zuvor zur Akademie gebrachte Statue des Dionysos, die normalerweise im Dionysos-Tempelbezirk plaziert war, wurde in einer Prozession zurück ins Zentrum geholt.143 In dieser εἰσαγωγὴ ἀπὸ τῆς ἐσχάρας wird plastisch nachvollzogen, wie das Ausgeschlossene im ausschliessenden Bereich eingeschlossen wird.144

142

Weitere Dionysosgegner aus der Mythologie sind Lykurgos, die Minyas-Töchter, die Nachbarn des Ikarios, Perseus, die Proetiden, die Töchter des Eleuther und die tyrrhenischen Seefahrer. – Marcello Massenzio präsentierte 1970 eine strukturale Analyse dionysischer Mythen, deren Zentrum die Gabe des Weinbaus bildet und die er zunächst in zwei Gruppen teilte: Mythen über “gli ospiti di Dionysos” (Ikarios, Oineus, Ankaios, Oinopion, Orestheus, Staphylos) beziehungsweise “gli antagonisti di Dionysos” (Lykurgos, Pentheus, Minyaden und Proetiden). Ungeachtet der ideologisch-marxistischen Vereinseitigung von Massenzios Lektüre dieser Mythen ist sein Hinweis auf ihre Komplementarität interessant, die er darin begründet, dass Dionysos permanent den Status eines xenos hat, i.e. sowohl eines Fremden als auch eines Gastes (Massenzio 1970, 104-108). – Unbedingt zu beachten ist weiter der Umstand, dass auch im Falle seiner gastlichen Aufnahme das Motiv des Widerstands gegen Dionysos (oder gegen jemanden, der mit ihm assoziiert ist) auftreten kann. So e.g. im Mythos über Ikarios, der Dionysos gastlich aufnimmt und von ihm die Gabe des Weins erhält, der aber von seinen Nachbarn, denen er Wein anbietet und die sich dadurch vergiftet glauben, getötet wird. Cf. auch die Kontextualisierung des Ikariosmythos in ihrem Modell des rituellen xenismos bei SourvinouInwood 2003, e.g. 100-104, 151; weitere Literatur zu Ikarios: ibid. 187 n. 54. 143 Cf. Paus. 1.29.2; Deubner 21966, 139; DFA2 59-61. 144 Zu einer sehr ausführlichen Kontextualisierung dieses Rituals und seiner Bedeutung für die Grossen Dionysien cf. Sourvinou-Inwood 1994, bes. 281-285; Sourvinou-Inwood 2003; cf. ferner Seaford 1981, 270; Csapo/Slater 1994, 104, 105, 110-111 Nr. 9-13; Hedreen 2004, 46-47.

5 Der Chor der Satyrn Das prägende Merkmal des Satyrspiels ist sein immergleicher, grundsätzlich nicht-individualisierter Chor von Satyrn, die zusammen mit dem Silen auftreten. Zu den Begriffen ‘Satyr’ und ‘Silen’ ist folgendes festzuhalten:1 In der antiken Literatur und in den Beschriftungen der attischen Ikonographie besteht schon früh, wie noch in der gegenwärtigen archäologischen und philologischen Forschung, keine klare begriffliche Differenzierung von σάτυροι und σιληνοί. Dies ist der frühen Amalgamierung der Termini geschuldet;2 sei sie unter dem Einfluss von Pratinas erfolgt oder nicht.3 Im Satyrspiel aber sind die Begriffe klar differenziert: Die Choreuten sind σάτυροι, ihr “Mittelsmann” (Conrad 1997, 20) jedoch heisst Σιληνός.4 Diese Differenzierung ist freilich insofern wieder aufgehoben, als dieser Silen sehr früh, wenn nicht gar von Anfang an, in den Dramen als Vater der Satyrn5 1

Cf. Brommer 1941. Seaford 1984, 6 mit n. 13 datiert diese Amalgamierung ins 6. Jh. v.Chr.; Brommer 1941, bes. 225 und 227 glaubt die Austauschbarkeit der Begriffe erst für das 5. Jh. sicher nachweisen zu können. Cf. dagegen Kossatz-Deissmann 1994b: “[Es] ergibt sich, dass man wohl in Athen keine (optische oder sonstige) Unterscheidung zwischen Satyr oder Silen kannte, sondern die Benennung Silenos für die gesamte Gattung bevorzugte. Diesen alten in Athen üblichen Ausdruck für das Dionysosgefolge, der uns durch die Françoisvase … für die Zeit ab 570/560 v.Chr. gesichert ist, behielt man wohl auch später nach der Einführung des (dorischen) Satyrspiels (δρᾶµα σατυρικόν) von der Peloponnes nach Athen bei. So scheint es, dass sich der Begriff Satyroi wohl nur auf das Theater beschränkte, während die Gattung der dionysischen Mischwesen generell weiterhin Silenoi benannt wurde …”. Cf. ferner Hedreen 2007, 187 n. 1. 3 Da die σάτυροι ursprünglich in der Peloponnes, die σιληνοί im attisch-ionischen Raum beheimatet zu sein scheinen, wird gemeinhin angenommen, dass die synchrone Verwendung der Bezeichnungen auf den Peloponnesier Pratinas zurückgehe, der als Erfinder oder Neuerer des Satyrspiels in Athen gilt. Seaford 1976b und 1984, 14-15 vertritt im Rückgriff auf Thomson 21946, Kap. 7-11, die Ansicht, dass Pratinas mit dem von ihm eingeführten Genre deshalb auf Akzeptanz gestossen sei, weil er ein spezifisch attisches Phänomen, nämlich die im Kult längst vorhandenen σιληνοί, in seinen Stücken habe auftreten lassen. 4 Zur Etymologie von Σιληνός und Σάτυρος: Solmsen 1912; Brommer 1937a, 2-5. 5 Zur Vater-Söhne-Beziehung zwischen Silen und Satyrn cf. e.g. A. Dikt. F 47a.805; S. Ichn. 53, 71, 75, 142, 153, 203; E. Cyc. 13, 16, 27, 36, 82, 84, 269, 272, 431; für diese Differenzierung spricht auch die Bezeichnung des Silen als Ältesten (τὸν γεραίτατον) des Σατύρων … ὅµιλον durch Odysseus (Cyc. 100-101), cf. 145, 194, 229, 466; ferner e.g. E. Autolykos F 282a (mit Tz. H. 8.448-450); E. Eurystheus F 372.1. Gemäss Conrad 1997, 2

156

Tragödienreflexion

(‘Papposilenos’, cf. Poll. 4.142) gilt und sich von seinen Söhnen, was die Figurencharakteristik angeht, wesentlich nur hinsichtlich des Alters unterscheidet.6 Die alternierende Verwendung der Termini wird hier folgendermassen gehandhabt: Wo von den Satyrspielfiguren die Rede ist, werden die genrespezifischen Bezeichnungen verwendet, sofern zwischen dem Silen und den Satyrn unterschieden werden kann. Ist hingegen von den kultischen oder mythischen Wesen im allgemeinen, also nicht spezifisch dem Personal des Satyrspiels, die Rede, spreche ich von Satyrn/Silenen.7 Wo es um ein spezifisches literarisches oder ikonographisches Werk geht, halte ich mich an die dort verwendete Terminologie: Alkibiades in Platons Symposion vergleicht Sokrates also mit einem Satyr/Silen;8 auf der François-Vase sind Silene zu sehen (entsprechend der Aufschrift ΣΙΛΗΝΟΙ).9 Auch in der Rede über die Gattung hat sich in der Antike keine einheitliche Terminologie durchgesetzt; das zeigt sich e.g. in Xenophons Symposion, wo Kritobulos indirekt sagt, Sokrates sei πάντων Σειληνῶν τῶν ἐν τοῖς σατυρικοῖς αἴσχιστος – ‘von allen Silenen in den Satyrspielen der hässlichste’ (X. Smp. 4.19), oder wiederum in Platons Symposion, wo von Sokrates’ σατυρικόν … δρᾶµα … καὶ σιληνικόν – ‘Satyr- und Silenenspiel’ gesprochen wird (Pl. Smp. 222d). Biographien von Satyrn/Silenen und auch den Satyrn des Satyrspiels sind anderswo verfasst worden.10 Im Folgenden zeige ich auf, was im Satyrspiel, i.e. in den Dramen selbst, als das eigentliche Satyrleben konzipiert und vorgestellt wird, und beleuchte die Rolle dieses ‘Eigentlichen’ im Kontext des jeweiligen mythischen Geschehens, das in den Satyrspielen inszeniert wird. Im sechsten vorchristlichen Jahrhundert, etwa zeitgleich mit der Amalgamierung der Begriffe σάτυροι und σιληνοί, dürfte sich die zuvor nicht universale (aber aufgrund der grossen Affinität naheliegende) Assoziation der Satyrn/Silene mit Dionysos fest etabliert haben;11 sie ist im Satyrspiel von entscheidender Bedeutung.

e.g. 223 ist dieses im Mythos nicht angelegte Familien- und Generationenverhältnis ein Stadium im Aufstieg des Silen vom Koryphaios zum vom Chor losgelösten Schauspielerpart. 6 Cf. infra Studien II s.v. Prahlerei. 7 Entsprechend legt sich Brommer 1941, 228 zur Bezeichnung von Satyrn und Silenen auf ‘Silene’ als Oberbegriff fest; Conrad 1997 auf ‘Satyrwesen’, cf. ibid. 22 et passim. 8 Pl. Smp. 215a6-7: φηµὶ γὰρ δὴ ὁµοιότατον αὐτὸν (sc. Σωκράτην) εἶναι τοῖς σιληνοῖς …; aber 215b3-4: καὶ φηµὶ αὖ ἐοικέναι αὐτὸν τῷ σατύρῳ τῷ Μαρσύᾳ. 9 Zur François-Vase: supra p. 146 mit n. 123. 10 Hartmann 1927; Brommer 1937; Kuhnert in Roscher s.v. ‘Satyros/Satyroi’; Seaford 1976b; Seaford 1984, 5-10; Seaford 1996c; Hedreen 1992; 1994; 2007; Voelke 2001; Conrad 1997 (speziell zum Silen). 11 Seaford 1984, 6; Easterling 1997b, 38; Burkert 2011, 17.

Der Chor der Satyrn

157

5.1 Das ‘eigentliche’ Dasein von Satyrn und Silen Aus der Zusammenschau folgender Satyrspielpassagen lässt sich ein klares Bild dessen gewinnen, was im Satyrspiel selbst als eigentliches Satyrleben, als eigentliche Satyr-‘Tätigkeiten’, als ‘condition satyrique’ vorgestellt wird: Pratinas ‘Hyporchema’ inc. F 3.1-4, 15-17 Aischylos Diktyulkoi F 47a.802-820 Aischylos Isthmiastai oder Theoroi **F 78a.29-35 Aischylos Prometheus Pyrkaeus/Pyrphoros **F 204b Sophokles Ichneutai 221-232 Sophokles ‘Oin.’ **F 1130 Euripides Kyklops 1-9, 25, 37-40, 63-81, 425-430, 434-436, 495-502 Achaios inc. F 52. Bemerkenswert ist, dass das Satyrleben an diesen Stellen fast ausschliesslich ex negativo beschrieben wird: Die Satyrn leben gerade nicht ihr eigentliches Leben. ‘Uneigentlich’ verhalten sich die Satyrn aus verschiedenen Gründen; entweder, weil sie sich freiwillig einer anderen, nicht-eigentlichen Tätigkeit zugewandt haben, oder weil sie, in die Macht eines Fremden geraten, dazu genötigt werden. Bei den hier betrachteten Stellen handelt es sich um Reaktionen darauf, dass sich die Satyrn uneigentlich gebärden. Tun sie dies freiwillig, wird es ihnen von anderen dramatis personae zum Vorwurf gemacht; werden sie dazu gezwungen, beklagen sich die Satyrn selbst darüber. Auf der Suche nach den gestohlenen Rindern des Apoll in Sophokles’ Ichneutai geraten der Silen und die Satyrn an die Nymphe Kyllene, in deren Obhut sich der Rinderdieb befindet: der neugeborene Hermes. Zähneknirschend begrüsst Kyllene den Chor: θῆρες, τί̣ [τό]νδε χλοερὸν ὑλώδη πάγον ἔν̣[θ]ηρο̣ν ὡρµήθητε σὺν πολλῆι βοῆι; τίς ἥδε τέχνη; τίς µετάστασις πόνων, οὓς πρόσθεν εἶχες δεσπότηι χάριν φέρων, ὕπ̣ο̣ι̣νος12 αἰεὶ νεβρίνηι καθηµµέν[ο]ς δορᾶι χερ[ο]ῖ̣ν τ̣ε̣ θ̣ύ̣ρ̣σ̣[ο]ν̣ εὐπαλῆ φέρων ὄπισθεν εὐίαζες ἀµφὶ τὸν θεὸν σὺν ἐγγόνοις νύµφαισι καἰπόλων ὄχλωι; νῦν δ’ ἀγνοῶ τὸ χρῆµα· ποῖ στροφαὶ νέα̣ι̣ µανιῶν στρέφουσι; θαῦµα γὰρ κατέκλ̣[υ]ο̣ν

12

Bei ὕποινος in V. 225 handelt es sich um eine Konjektur von Maltese 1982, die von Diggle in TrGFS (cf. bereits Diggle 1996, 9 ad loc.) und in KPS übernommen wird.

158

Tragödienreflexion ὁµοῦ πρέπον κέλευµά πως κυ̣ν̣η̣γετ[ῶ]ν ἐγγὺς µολόντων θηρὸς εὐναί[ου] τ̣ρο̣[.]ης … Ihr Tiere! Was stürmt ihr über diesen grünen, bewaldeten, tierreichen Hügel mit lautem Geschrei? Was ist das für eine Kunst? Was für eine Abwendung von deinem Dienst, mit dem du deinem Herrn früher Freude bereitetest, stets betrunken und ins Rehfell gehüllt, den leichten Thyrsosstab in der Hand, und im Gefolge eiai! zu jauchzen pflegtest um den Gott herum, im Verein mit den verwandten Nymphen und dem Schwarm der Ziegenhirten? Das jetzt aber ist mir unbekannt! Wohin führen euch die neuen Pirouetten eurer Raserei? Verwundert hörte ich zugleich ein hellklingendes Rufen, wie von Jägern, die sich … einem ruhenden Tier nähern … (S. Ichn. 221-232).

Kyllene kontrastiert hier die gegenwärtige Aktivität der Satyrn als Spurensucher/Jäger für ‘Lohn’ (µισθός, 44) mit ihren Tätigkeiten im Gefolge des Dionysos.13 Dieselben Schlüsselbegriffe fallen in der epodos des Einzugslieds des Kyklops: οὐ τάδε Βρόµιος, οὐ τάδε χοροὶ Βάκχαι τε θυρσοφόροι, 13

Die Diskussion um die Identität des δεσπότης, von dem Kyllene spricht (224), scheint inzwischen beigelegt. Mit Dionysos identifizieren ihn e.g. Maas 1912/1973b, 43; Reinach 1912, 67; Robert 1912b, 550-551; Maltese 1982, 21-22; Martino 1987/1988, 13-19; Lloyd-Jones 22003, 141-142; Conrad 1997, 100-104; Zagagi 1999, 182-183 n. 10; Voelke 2001, 77; Bakola 2005, 52. Alternative Vorschläge sind Apollon (diskutiert bei Maltese 1982 und Martino 1987/1988) oder Pan (Siegmann 1941; Seaford 1984, 34-35 mit n. 89 und 90). Die Argumente für Pan sind ernstzunehmen: Pan ist eng mit dem Tanz und dem Berg Kyllene assoziiert, cf. e.g. seine Anrede in S. Aj. 695-698: ὦ Πὰν Πὰν ἁλίπλαγκτε, Κυλ- / λανίας χιονοκτύπου / πετραίας ἀπὸ δειράδος φάνηθ’, ὦ / θεῶν χοροποί’ ἄναξ oder seine Bezeichnung als φιλόχορος in A. Pers. 448-449; ferner Pi. *F 99 Maehler; E. Ion 190; Ar. Av. 745-746; Schol. Theoc. 4.62/63d.e = Tradent von A. Gl.Pont. F 25b (cf. Wessels/Krumeich in KPS 125 n. 1 und 2). Pan gehört zum dionysischen Thiasos e.g. in Luc. Bacch. 2, 4, 6, 7. Zur Zugehörigkeit Pans zu Dionysos’ Entourage: Henrichs 1994/1995, 72, 73-75, 88, 101 n. 78 und 79, 102 n. 83 und 84; Henrichs 1996b, 49. Nichts spricht aber dagegen, dass hier statt an einen nahen Verbündeten an den Anführer selbst gedacht wird. Voelke 2001, 77 liegt sicher richtig mit der Bemerkung, dass Kyllene in der zitierten Passage “évoque … une époque où ils servaient un maître qui ne peut être que Dionysos.”

Der Chor der Satyrn

159

οὐ τυµπάνων ἀλαλαγµοί, (65) οὐκ οἴνου χλωραὶ σταγόνες (67) κρήναις παρ’ ὑδροχύτοις· (66) οὐδ’ ἐν Νύσᾳ µετὰ Νυµ- (68) φᾶν ἴακχον ἴακχον ᾠδὰν µέλπω πρὸς τὰν Ἀφροδίταν, ἃν θηρεύων πετόµαν Βάκχαις σὺν λευκόποσιν. †ὦ φίλος ὦ φίλε Βακχεῖε ποῖ οἰοπολεῖς ξανθὰν χαίταν σείεις;† ἐγὼ δ’ ὁ σὸς πρόπολος Κύκλωπι θητεύω τῷ µονοδέρκτᾳ δοῦλος ἀλαίνων σὺν τᾷδε τράγου χλαίνᾳ µελέᾳ σᾶς χωρὶς φιλίας. Hier weilet kein Bromios, hier gibt es kein Tanzen und keine thyrsosschwingenden Bakchen, kein Dröhnen der Pauken an plätschernden Quellen, keine perlenden Tropfen des Weines. Auch nicht in Nysa, den Nymphen gesellt, lass den Iakchos ich, den Iakchos erschallen, an Aphrodite, die zu erhaschen dahin ich gestürmt im Schwarme weissfüssiger Bakchen. Mein Lieber, du! Mein lieber Bakchos, wohin gehst du, allein? Wo schüttelst du dein blondes Haar? Ich, dein Gefährte, muss für den Kyklopen, das Einaug, mich tummeln im Sklavendienst, mit diesem erbärmlichen Ziegenpelz, ohne deine Liebe! (E. Cyc. 63-81; Übersetzung: Ebener 1980)14

14

Cf. die Neubearbeitung des hier abgedruckten Texts von Diggle 1984: Biehl 1986a und 1986b zu den Versen 63-67. Biehl schlägt, zur Untermauerung seiner These, dass die Epodos zweigeteilt sei, statt einer Umstellung der Verse 66 und 67, wie Diggle sie vornimmt, eine Wiederholung von οὐ τάδε Βρόµιος [63] nach V. 65 vor. Ist dies korrekt, so verstärken sich die hier beobachteten rhetorischen Charakteristika des Liedes. – Jüngste textkritische Bearbeitung der Verse 73-81: Willink 2001, 522-523.

160

Tragödienreflexion

Der starke anaphorische Einsatz15 negierender Partikeln (63 bis, 65, 67, 68) in diesen Versen ist ebenso augenfällig wie die Verwendung von Begriffen und Gedankenfiguren, die das Getrenntsein von Bromios unterstreichen: die Frage nach dem Verbleib des Dionysos (73-75); die pointierte Kontrastierung der eigentlichen Funktion als Diener des Dionysos mit der aktuellen Dienerschaft beim Kyklopen (76-77). Explizit heisst es im Schlussvers (81): σᾶς χωρὶς φιλίας. Weniger ausführlich, aber mit derselben empörten Rhetorik artikulieren die Satyrn ihr eigentliches ‘Tätigkeitsprofil’ im vieldiskutierten16 Lied des Pratinas, das Athenaios unter dem deutungsoffenen Etikett ‘Hyporchema’17 überliefert und über dessen generische Identität ebensowenig Einigkeit herrscht18 wie über

15

Cf. das Spiel mit der Negation in Achae. Omph. F 33.3-4: supra p. 112. Pratin. inc. F 3, ap. Ath. 14.617c-f: Reinach 1898, 419; Diehl 1914, 338-348; Garrod 1920; Wilamowitz 1921, 132; Aly 1921, 237; noch immer elementar: Pohlenz 1927/1965; Lammers 1931, 65-70; Kranz 1933, 11, 13, 270-271, n. zu 11 Z. 17ff.; Dale 1950/1969, 39-40; Roos 1951, Exkurs II, 209-235 sowie bereits 136 n. 2; Del Grande 21967; DTC2 5, 17-20, 35; Di Marco 1973/1974, bes. 331 n. 13; 334-335, 348; Seaford 1977/1978; Sutton 1980a, 7-12; Seaford 1984, 15-16; Zimmermann 1986; Campbell 1991, 320-323 (F 708); Melero 1991a; van der Weiden 1991, 5-7, 19; West 1992, 179, 343 mit n. 65; Zimmermann 11992, 124-126, 141; Csapo/Slater 1994, 332, 338-339 Nr. 268; Henrichs 1994/1995, 59-60; Conrad 1997, 29-30; Ieranò 1997, (T 6), T 72; 194, 207, 301, 218-226; Cipolla 1999; Schloemann in KPS 81-87; Napolitano 2000b; Kaimio et al. 2001, 35, 4445, 51-53, 68; Voelke 2001, 125; Seaford 2004, 86; Bierl 2006, 120-128; cf. Bierl 2011, 328-331; Hedreen 2007, 150-151, 166, 183-187; del Rincón Sánchez 2007, 311-316; Seaford 2007, 385, 387, 388-390, der in gewinnbringender Weise die Einleitung des Zitats bei Athenaios (14.617b) in seine Interpretation miteinbezieht. – Allg. zum Hyporchema: Diehl 1914; Dale 1950/1969. 17 Der Terminus wird ebenso für lyrische wie für dramatische (sophokleische und Satyrspiel-)Chorlieder verwendet. Zur Erforschung des Terminus und seiner Bedeutung cf. jüngst den Überblick bei D’Alessio 2007, 106-108 (mit Hinweisen auf Centanni 1991; Perusino 1993, 43, 88; Dale 1950/1969; Di Marco 1973/1974). 18 Das Fragment wurde dem Satyrspiel, dem (frühen oder aber dem jungattischen) Dithyrambos oder der Tragödie zugewiesen. Für aktuelle Forschungsüberblicke cf. Cipolla 2003, 62-77; D’Alessio 2007, bes. 106-108. – Für die Zuweisung zum Satyrspiel cf. e.g. Garrod 1920; Pohlenz 1927/1965; Roos 1951; Seaford 1977/1978 (Satyrspiel, das den Dithyrambos des Lasos von Hermione parodiert); Seaford 1984; 2007; Melero 1991a; Easterling 1997b, 44; Bierl 2006; D’Alessio 2007; Hedreen 2007, bes. 150-151, 185. Für die Zuweisung zur Tragödie cf. Bierl 1991, 240-241; Ieranò 1997, der das Fragment dem unter Pratinas’ Namen überlieferten Titel Dymainai oder Karyatides (F 1) und den Titel wiederum der Tragödie zuweist (220). – Für die Zuweisung zum Dithyrambos cf. e.g. Wilamowitz 1913, 132-136 (Dithyrambos vom Ende des 6. Jh. aus der Feder des Satyrspieldichters Pratinas); Webster in DTC2 20; Lloyd-Jones 1966/1990; Zimmermann 1986 und 1992, 126 (jungattischer Dithyrambos aus der 2. Hälfte des 5. Jh. aus der Feder eines Lyrikers Pratinas oder Pseudepigraphie); Bierl 2001, 309 mit n. 24; 343 n. 109. – In 16

Der Chor der Satyrn

161

die Sprecheridentität, die Zielscheibe der darin zum Ausdruck kommenden Aggression und überhaupt die historischen Umstände und Datierung.19 Hier tut ein Satyrchor20 seinen Ärger darüber kund, dass ein neuartiger ‘Lärm’, ein ‘freches Tun an Dionysos’ lärmumtosten Altar gedrungen’ sei. Er pocht auf seine Ursprungs- und Urheberrechte und formuliert dabei, was seine genuine, ja die ihm vorbehaltene Aufgabe sei. Die Flöte, die zu viel Lärm verursache, verweist der Chor in die Sphäre des Komos, ehe er demonstriert, wie man sich zu Ehren des Gottes zu bewegen habe: τίς ὁ θόρυβος ὅδε; τί τάδε τὰ χορεύµατα; τίς ὕβρις ἔµολεν ἐπὶ Δ∆ιονυσιάδα πο- (1) λυπάταγα θυµέλαν; (1) ἐµὸς ἐµὸς ὁ Βρόµιος, ἐµὲ δεῖ κελαδεῖν, ἐµὲ δεῖ παταγεῖν (2) ἀν’ ὄρεα σύµενον µετὰ Ναϊάδων (2) οἷά τε κύκνον ἄγοντα ποικιλόπτερον µέλος. (3) τὰν ἀοιδὰν κατέστασε Πιερὶς βασίλειαν· ὁ δ’ αὐλός (4) ὕστερον χορευέτω· (5) καὶ γάρ ἐσθ’ ὑπηρέτας. κώµῳ µόνον θυραµάχοις τε πυγµαχίαισι νέων θέλοι παροίνων ἔµµεναι στρατηλάτας. παῖε τὸν φρυνεοῦ (10) ποικίλου πνοὰν ἔχοντα· φλέγε τὸν ὀλεσιαλοκάλαµον, λαλοβαρύοπα 〈πα〉ραµελορυθµοβάταν †θυπα τρυπάνῳ δέµας πεπλασµένον. den Bereich der nicht-dramatischen Dichtung weisen das Fragment Sutton 1980a, 12; Cipolla 1999 und 2003, 62-77; Napolitano 2000b; Schloemann in KPS 81-87. 19 Cf. die nüchterne ‘Nicht-Bestandsaufnahme’ bei Voelke 2001, 118, der sich entsprechend von eindeutigen Zuweisungen zurückhält; cf. ibid. 117-125. Zurückhaltend mit der Zuweisung zum Satyrspiel sind ferner auch e.g. Kannicht et al. in Musa Tragica 272 n. 9; Kaimio et al. 2001, 35-36, 51-53. 20 Die maskulinen Partizipien in den Versen 2 und 3 (σύµενον; ἄγοντα) suggerieren einen Chor männlicher Identität; die enge Zugehörigkeit zu Dionysos und den Nymphen, die er für sich beansprucht, lassen für die Rolle nur Satyrn in Frage kommen. Zur Satyr-Identität des Chores cf. Pohlenz 1927/1965, 490; Voelke 2001, bes. 118, 120-121; d’Alessio 2007, 111-112 (“si tratta di un coro di Satiri”, 111); Hedreen 2007, 150, 187 n. 2. An der Satyridentität des Chores zweifeln Ieranò 1997; Cipolla 1999 und 2003; Napolitano 2000b, 112-113, 140-141 sowie bereits Wilamowitz 1913, 134 n. 1. Zimmermann hat seine 1986, 151-152 geäusserten Zweifel an einem Satyrchor in Zimmermann 11992, 126 n. 27 leicht relativiert, in Zimmermann 22008, 123-124 aber wieder bestärkt.

162

Tragödienreflexion ἢν ἰδού· ἅδε σοι δεξιᾶς καὶ ποδὸς διαρριφά· (15) θριαµβοδιθύραµβε, κισσόχαιτ’ ἄναξ, 〈ἄκου’〉 ἄκουε τὰν ἐµὰν Δ∆ώριον χορείαν. Was ist das für ein Lärm? Was sind das für Tänze? Welch freches Tun ist gedrungen an Dionysos’ lauten Altar? Mein, mein ist Bromios! Mein Werk ist es zu singen, mein Werk, laut zu toben, übers Gebirge zu stürmen mit den Najaden und wie ein Schwan anzustimmen das buntgefiederte Lied. Den Gesang hat die Muse zur Königin bestimmt; die Flöte soll als Begleitung zum Tanz aufspielen: Denn sie ist ja Dienerin. Beim Gelage nur, bei Raufereien an den Türen, die betrunkene Halbstarke sich liefern, da mag sie Anführerin sein. Schlag sie, die den Hauch der wechselfarbigen Kröte hat! Brenn sie, dies Speichel verlierende Rohr, den tiefbrummelnden, aus Musik und Takt fallenden …, vom Bohrer fabriziert! Schau her! So wirft man Hand und Fuss hin und her, dir zu Ehren, Thriambodithyrambos, efeubekränzter Gebieter! Vernimm, vernimm mein dorisches Tanzlied! (Pratin. inc. F 3; Text und Kolometrie: TrGF I; Übersetzung: Schloemann in KPS 82)

Aus diesen drei Tiraden lässt sich die eigentliche ‘condition satyrique’ bereits in den Grundzügen ableiten; folgende Zusammenschau sämtlicher genannten Stellen verleiht ihr schärfere Konturen.

5.1.1 Diener und Darlings des Dionysos Die Satyrn gehören aufs engste zu Dionysos und erheben bisweilen exklusiven Besitzanspruch auf ihn (Pratin. inc. F 3.2: ἐµὸς ἐµὸς ὁ Βρόµιος). Der Gott ist ihr Gebieter (S. Ichn. 224: δεσπότηι; Pratin. inc. F 3.16 und E. Cyc. 17: ἄναξ). Die Satyrn sind seine Diener, die Βακχίου ὑπηρέται (S. ‘Oin.’ **F 1130.7); das wird auch im Kyklops mehrfach betont (πρόπολος, 76; Δ∆ιονύσου παῖδες, 590;21 cf. auch den Schlussvers des Stücks: τὸ λοιπὸν Βακχίῳ δουλεύσοµεν, 709). Ihre 21

Die Satyrn, das weiss auch Odysseus, sind die Kinder des Silen (cf. 431, wo Odysseus den Silen dem Chor gegenüber als σὸς πατήρ bezeichnet) und nicht des Dionysos; παῖδες hat hier also primär die Bedeutung ‘Diener, Sklaven’. Cf. zur doppelten Bedeutung Kind/Sklave von παῖς: Golden 1985.

Der Chor der Satyrn

163

Beziehung zu Bromios (Cyc. 63)22/Bakchios (Cyc. 73)23/Thriambodithyrambos (Pratin. inc. F 3.16)/Dionysos (Cyc. 436 et al.)24 ist kein negativ konnotiertes Herr-Diener-Verhältnis, sondern eine gegenseitige philia:25 Im Kyklops beklagt sich der Chor, ohne Dionysos’ philia, σᾶς χωρὶς φιλίας (81), darben zu müssen; davor adressiert er ihn mit ὦ φίλος ὦ φίλε Βακχεῖε (73).26 Die Intimität dieser Beziehung wird im Stück immer wieder betont, so etwa von Odysseus, als er den Satyrn in Aussicht stellt, ihren alten Freund, ἀρχαῖον φίλον Δ∆ιόνυσον, endlich wiederzusehen (435-436). Dass diese philia seit langem Bestand hat, geht gleichermassen aus Kyllenes Vorwurf an die Satyrn, sich nicht wie früher (πρόσθεν, S. Ichn. 224) zu benehmen, wie aus den ersten Versen des Kyklops hervor: Der Prolog des Silen ist zunächst eine direkte Ansprache an den Gott. Der Beginn des eröffnenden Verses suggeriert ein Dankgebet:27 Ὦ Βρόµιε, διὰ σέ (Cyc. 1). Im unmittelbar Folgenden wird allerdings klar, dass hier weniger Dank gesagt als vielmehr vorwurfsvoll gejammert wird: Seinetwegen, hält der Silen dem Bromios vor, habe er ‘ungezählte Mühen’ auszustehen (µυρίους ἔχω πόνους, 1) – nun wie damals, als Hera Dionysos mit Wahnsinn schlug und er vor den Gebirgsnymphen davonlief, die ihn grossgezogen hatten (Cyc. 3-5).28 22

So auch in E. Cyc. 1, 99, 112, 123, 620. Zum Namen ‘Bromios’: infra p. 179 n. 106. E.g. E. Cyc. 9, 38, 144, 156, 429, 446, 454, 521, 575, 709; zum sonst nirgends belegten scheinbaren Nomen Βακχεῖε in Vers 73, einer Form, die vermutlich eine metrische Konjektur ist: Seaford 1984 ad loc. 24 E. Cyc. 139, 204, 415, 590; cf. auch in Pratin. inc. F 3.1: Δ∆ιονυσιάδα θυµέλαν. 25 Seaford 1984 ad Cyc. 81; Voelke 2001, 81. 26 Zur neueren Textkritik an diesen Versen cf. die supra p. 159 n. 14 genannte Literatur. 27 Seaford 1984 ad loc. Zu vergleichbaren Dankgebetsformeln: Fraenkel 1917/1918, 178. 28 Mit dem prominent ans Versende gesetzten Wort πόνοι mögen auch die Mühen anklingen, die der religiöse Anhänger für seinen Gott gerne in Kauf nimmt: e.g. in E. Ba. 66-67 (Βροµίῳ πόνον ἡδὺν / κάµατόν τ’ εὐκάµατον). Cf. Dodds 21960 ad Ba. 65-67: “That the humblest and most toilsome work, when performed in God’s service, is transfigured by the blessing which rests upon it, is a standing paradox of the religious consciousness … (Silenus, of course, feels otherwise, Cycl. 1 …)”. Auch Kyllene in den Ichneutai erwähnt dem Gott zuliebe ausgeführte ‘Arbeiten’ (πόνοι): τίς µετάστασις πόνων, / οὓς πρόσθεν εἶχες δεσπότηι χάριν φέρων … (S. Ichn. 223-224); zu bedenken ist hier auch die Beschwerde über den τραγ̣̣⌟ικῶν ὁ παρὼν πόνος ὕµνων in trag. adesp. *F 646a.25. Eine andere Begriffsverwendung, die jener des Silen in Cyc. 1 vielleicht ebenso nahesteht, könnte in A. Xantriai **F 172 vorliegen (τῶνδε βούλευτις πόνων). Dodds liest dieses Fragment als Beleg für Heras aus anderen Versionen des Dionysos-Mythos wohlbekannte Rachsucht; die πόνοι, die sie beschert, sind dementsprechend nur negativ konnotiert. Cf. aber die alternative Zuweisung dieses Fragments, das u.a. in EM s.v. Μύστις bewahrt ist, zum gleichnamigen Stück von Plato Comicus durch Gaisford 1810, 91; Meineke 1814, 39 n. 5 und 40 n. 0 (zit. nach Radt in TrGF III ad A. **F 172). Der Terminus πόνοι in seiner religiösen Dimension ist den Satyrn des Kyklops vermutlich 23

164

Tragödienreflexion

Über weite Teile des Prologs adressiert der Silen seinen Herrn direkt: σοι (E. Cyc. 11) … ὁδηθείης (12) … σέθεν (14) … ἐζήτουν σ’, ἄναξ (17). Der kurze Wechsel von der Apostrophe in die dritte Person bei Vers 8-9 (Βακχίῳ, 9), in einem Moment aufflackernder Luzidität, der seine Prahlereien unterbricht, scheint erst vollzogen, als der Silen das nach dem neunten Gesang der Odyssee modellierte Narrativ aufnimmt, mit dem in die aktuelle Situation des Dramas eingeführt wird: ἤδη δὲ Μαλέας πλησίον πεπλευκότας – ‘Schon segelten wir am Kap Malea vorbei’ (18).29 Explizit in der dritten Person erscheint Bakchios gar erst zum Prologende, als die Parodos des Chores angekündigt wird. Die ‘ungezählten Mühen’, die der Silen wegen Dionysos zu tragen gehabt habe, suggerieren, bei aller komischen Hyperbole,30 eine sehr enge Beziehung zwischen den beiden: Der Silen war schon als Jugendlicher in der Nähe des Gottes, in der er sich ‘noch heute’ befindet (νῦν χὤτ’ ἐν ἥβῃ τοὐµὸν εὐσθένει δέµας, 2); er war zugegen, als Dionysos von Hera mit Wahnsinn geschlagen wurde und vor seinen Ammen davonlief (πρῶτον µὲν ἡνίκ’ ἐµµανὴς Ἥρας ὕπο / Νύµφας ὀρείας ἐκλιπὼν ᾤχου τροφούς, 3-4). Dionysos’ Ammen sind hier eindeutig die Nymphen, welche wie die Satyrn und der Silen mit παιδό- und κουροτροφία im allgemeinen und mit der Erziehung des Dionysos im besonderen assoziiert sind.31 Dass der Silen hier aber seine Begleitung des Kleinkindes Dionysos beteuert, spricht ebenso für ein ‘Paidotrophos-paisVerhältnis’ zwischen den beiden wie die Aussage des Silen im ersten Epeisodion des Kyklops, er habe den Dionysos-Sohn Maron (Μάρων … παῖς θεοῦ, 141; cf. 143: ὁ Βακχίου παῖς) einst ‘in seinen (eig. diesen) Armen genährt’ (ὃν ἐξέθρεψα ταῖσδ’ ἐγώ ποτ’ ἀγκάλαις, 142). Die Intimität, die der Silen mit diesen Worten ausdrückt, wird deutlich, wenn wir sie einer Stelle in Euripides’ Hypsipyle gegenüberstellen, wo die Titelheldin beteuert, sie habe ihren Zögling Opheltes wie eine Mutter geliebt. Ihre Gefühle zum Kind des Lykurgos und der Eurydike schildert Hypsipyle mit demselben Bild und in sehr ähnlichem

selbst geläufig: In Cyc. 471 bezeichnen sie die Blendung des Kyklopen, die sie in den unmittelbar vorausgehenden Versen als ein Opfer präsentieren, als πόνος (sofern Naucks Emendation korrekt ist), an dem sie gerne teilhaben möchten: ἔστ’ οὖν ὅπως ἂν ὡσπερεὶ σπονδῆς θεοῦ / κἀγὼ λαβοίµην τοῦ τυφλοῦντος ὄµµατα / δαλοῦ; πόνου γὰρ τοῦδε κοινωνεῖν θέλω (469-471). Die handschriftliche Überlieferung hat statt πόνου allerdings φόνου (was gemäss Seaford 1984 ad E. Cyc. 469-471 zu halten ist). – Zu πόνοι als einer Bezeichnung spezifisch für die körperlichen Anstrengungen des Tanzens (die natürlich im Theater ebenso wie allgemein im Kult empfunden werden können), e.g. in Pindars drittem Dithyrambos (F 70c.16 Maehler: πόν̣ο̣ι̣ χορῶν) und E. Ba. 65-68, cf. Henrichs 1994/1995, 84; cf. auch Battezzato 2006, 55-56. 29 Cf. infra p. 337; Studien II s.v. Figurendoppelung. 30 Zur Hyperbole: Davies 1999; Compton-Engle 2001. 31 Seaford 1984, 38, 40; infra Studien II s.v. Kindheit.

Der Chor der Satyrn

165

Wortlaut: ὃν ἐπ’ ἐµαῖσιν ἀγκάλαις … ἔφερβον – ‘den ich in meinen Armen nährte’ (F 757.841-843).32 Als nächstes rühmt sich der Silen im Prolog des Kyklops seines Beistands in der Gigantomachie. Dionysos’ Beteiligung an der Gigantomachie ist aus Euripides wohlbekannt; seine Begleitung durch die Satyrn/Silene ist ikonographisch gut dokumentiert (insbesondere auf den ‘Theatervasen’).33 Der Silen will an der rechten Seite seines Herrn gekämpft haben; die Positionierung als ἐνδέξιος … παρασπιστής, ‘Schildträger zur Rechten’ (6), impliziert eine ebenso beschützende34 wie heroische Position in der Schlacht.35 Das Bild, das der Silen

32

Für eine komische Lektüre der Verse Cyc. 141-143 vide infra p. 405-406. Zur vorhellenistischen Ikonographie von Dionysos’ Teilnahme an der Gigantomachie cf. Vian 1952, 83-90 (und bereits Vian 1951); in Begleitung von Satyrn und Mänaden, vor Phidias: ibid. 86-90, 87; cf. 201, 215; in Begleitung von Satyrn und Mänaden bei Phidias und in der klassischen Epoche: ibid. 138-142; zu Satyrspielen, Komödien und Parodien der Gigantomachie: ibid. 215-217. – Cf. ferner Krumeich in KPS 58, der die Gigantomachie als traditionell mit den Satyrn verbundenen Mythos begreift. Zu den entsprechenden schwarz- und rotfigurigen Darstellungen spätarchaischer und frühklassischer Zeit, welche die Satyrn leichtbewaffnet (mit Pelta, Lanze und Trompete) an der Seite des Dionysos zeigen, cf. Buschor 1943, 88-91, Abb. 49-53; sowie Krumeich in KPS 58 n. 75 und 79 mit weiterer Literatur und Bildnachweisen. – Zum Motiv des Satyrn in der Gigantomachie, dessen Wagen von zwei weiteren Satyrn gezogen wird: Lissarrague 1987b, 115. Unter den Darstellungen von Satyrn in der Gigantomachie findet sich eine ganze Reihe, die Theatersatyrn abbildet; diese Bilder haben verschiedentlich zur Annahme geführt, dass es ein Gigantomachie-Satyrspiel gab, cf. e.g. Buschor 1943, 88-90; Vian 1952, 89-90; Hedreen 1992, 70, und bes. 110. Letzterer scheint soweit zu gehen, sämtliche Darstellungen von Satyrn/Silenen in der Gigantomachie auf ein Satyrspiel zu beziehen, cf. 70: “When the silens begin to assist Dionysos in the battle, in red-figure vase-painting of the late sixth and early fifth centuries, it is almost certainly in depictions of satyr-play”. 34 Der Kämpfer zur Rechten bietet dem Kämpfer zur Linken Schutz mit dem Schild: Th. 5.71. Cf. auch Wecklein 1903 ad loc. 35 Der rechte Flügel ist der prestigeträchtigste in der Schlachtreihe (Hdt. 9.26.6, 28.2) – den rechten Heeresflügel kommandiert der Silen nota bene auch bei Dionysos’ Eroberung Indiens: Luc. Bacch. 4. Signale für die Selbststilisierung des Silen zum Heros sind überdies bereits die µυρίοι πόνοι in Cyc. 1. Solche haben bei den Tragikern grosse Helden auszustehen – nicht zuletzt Herakles, mitunter in der Gigantomachie; so e.g. in E. HF 1353: ἀτὰρ πόνων δὴ µυρίων ἐγευσάµην (über die vielen Mühen des Herakles, wie bereits 1275, wo eine Reihe seiner Taten genannt wird, u.a. sein Einsatz in der Gigantomachie, 1272); cf. ferner E. Hel. 603 (der Diener über die Mühsal des Menelaos: λέγω πόνους σε µυρίους τλῆναι µάτην); E. Or. 689 (Menelaos über die Leiden, die er auszustehen hatte), 1615, 1662-1663 (über die Leiden, die Helena Menelaos beschert hat); E. Heracl. 331 (über die Mühen Griechenlands); E. Archelaos F 236: σὺν µυρίοισι τὰ καλὰ γίγνεται πόνοις. – Cf. aber auch, der Aussage des Silen in anderer Hinsicht vergleichbar, E. Oinomaos F 575.2-3: εἰς γῆρας ἐλθεῖν, οὐ λογίζεται καλῶς· / µακρὸς 33

166

Tragödienreflexion

hier von sich zeichnet, ist nach Euripides’ Iolaos modelliert, dem treuen Kampfgefährten des Herakles gegen die Hydra von Lerna, wie er in der Tempelfriesbeschreibung durch den Chor in Euripides’ Ion präsentiert wird:36 ἀ σ π ι σ τ ὰ ς Ἰόλαος, ὃς κοινοὺς αἰρόµενος π ό ν ο υ ς Δ∆ίῳ παιδὶ συνα ν τ λ ε ῖ der Schildträger Iolaos, der – die gemeinsame Mühsal schulternd – Zeus’ Sohn beisteht (E. Ion 198-200).

Hierauf bezieht sich der Silen im Prolog des Kyklops möglicherweise direkt, wenn er sagt:37 ἐνδέξιος σῷ ποδὶ παρ α σ π ι σ τ ὴ ς γεγώς38 … καὶ νῦν ἐκείνων µείζον’ ἐξα ν τ λ ῶ π ό ν ο ν . Zur Rechten Dir (wörtl. deinem Fuss) als Schildträger … … Und nun stehe ich eine Mühsal viel grösser noch als jene aus. (E. Cyc. 6, 10)

Wir werden später sehen, was es mit der Bezwingung des Enkelados auf sich hat, die der Silen für sich reklamiert. Vorerst soll nur festgehalten werden, dass auch in dem Moment, wo er die Apostrophe an Dionysos unterbricht (Cyc. 8-9), seine Wortwahl von einem überaus vertrauten Verhältnis zu Dionysos zeugt.39 Auch jetzt, καὶ νῦν, so der Silen weiter, beschere ihm Dionysos einen πόνος, und zwar einen, der alles bisher Erduldete in den Schatten stelle (10). Dionysos sei von tyrrhenischen Seefahrern entführt worden und drohe in die Ferne verkauft zu γὰρ αἰὼν µυρίους τίκτει πόνους, wo das Erdulden ungezählter Leiden nicht als etwas Heroisches erscheint, sondern als eine unvermeidliche Nebenwirkung langen Lebens. 36 Zu Mitstreitern des Herakles im Kampf gegen die Hydra scheinen sich auch die Satyrn in Euripides’ Eurystheus stilisiert zu haben (F 373), cf. Kap. 5.2. 37 Cf. die ähnlichen Ergebnisse bezüglich dieser Korrespondenz mit dem Ion von Melero 1984, 162, der sie als Moment von paratragodia versteht und ihr gar ein Argument für die Datierung des Kyklops abzugewinnen sucht (163 n. 13). Zur Datierung des Kyklops: infra p. 327-330. 38 Ich setze hier – mit Biehl 1986a und 1986b – das handschriftlich überlieferte γεγώς. Diggle dagegen übernimmt hier βεβώς (Kassel 1973). 39 Cf. Seaford 1984 ad loc.: “ἔδειξα suggests a delightful intimacy with the god”.

Der Chor der Satyrn

167

werden; daher habe er, der Silen, mitsamt den Satyrn per Schiff die Verfolgung der Unholde aufgenommen.40 Dass die Retter dabei Schiffbruch erlitten haben, begründet ihre peinvolle Anwesenheit auf der Insel der Kyklopen. Die im Prolog des Kyklops zelebrierte enge Beziehung der Satyrn und des Silen zu Dionysos scheint im ganzen Satyrspiel immer wieder hervor: Die Satyrn in Pratinas’ ‘Hyporchema’ demonstrieren zum Liedende hin, wie für ihren Herrn getanzt wird, den sie dabei in der zweiten Person ansprechen (σοι, inc. F 3.15).41 Kyllene in Sophokles’ Ichneutai wiederum spricht von den einstigen (und adäquaten) πόνοι,42 mit denen die Satyrn dem Herrn Freude bereiteten (Ichn. 224: δεσπότηι χάριν φέρων) – im Herakleiskos (S. **F 223a) sprechen möglicherweise die Satyrn selbst davon, dass es ‘besser sei, dem Gott als den Menschen gefällig zu sein’ ([θεῷ] χάριν φέρειν).43 An die Nähe zu Dionysos erinnert wiederum Kyllene die Satyrn mit der Aussage, dass sie um ihren Gott herum zu tanzen pflegten: ἀµφὶ τὸν θεόν, S. Ichn. 227.44

5.1.2 Mit den Nymphen, von den Nymphen, hinter Nymphen her Im Gefolge des Gottes befinden sich die Satyrn üblicherweise im Verbund mit den Nymphen (S. Ichn. 228: σὺν … νύµφαισι; E. Cyc. 68-69: µετὰ Νυµφᾶν) oder den Najaden45 (Pratin. inc. F 3.2: µετὰ Ναϊάδων; E. Cyc. 430: Ναΐδων 40

Der Silen formuliert auch diese Tat in episch-heroischer Manier; cf. Seaford 1984 ad Cyc. 14-17, 15, 16-17, 18-20; vide infra. 41 Hierin manifestiert sich die Vorstellung, dass der Gott, von dem zu Liedbeginn in der dritten Person gesprochen wird, durch den Tanz präsent gemacht wird: infra p. 182, 227. 42 Zum Begriff πόνος bzw. πόνοι im Dienste bei Dionysos: supra p. 163-164 n. 28. 43 Der Vers erscheint in verschiedenen Gnomen- und Florilegiensammlungen; an einigen Stellen allerdings auch mit der Pluralform θεοῖς statt (wie hier zitiert) dem Singular θεῷ, cf. die Nachweise bei Radt in TrGF IV, p. 230 ad loc. Scheurer/Bielfeldt in KPS 269 n. 14 deuten diesen Singular als Hinweis darauf, dass hier die Satyrn von Dionysos sprechen, den sie “jedem anderen als Herrn vorziehen”; die wörtliche Parallele zu Ichn. 224 stützt diese These. 44 Hiermit scheint plastisch ein Tanzen um den Gott herum imaginiert zu sein, wie in A. Prom.P. **F 204b, wo es von den Nymphen heisst, sie werden ‘einen schönen Hymnos um den Geber (sc. Prometheus) herum singen’, κα̣λ̣[ὸ]ν̣ δ’ ὕ̣µνον̣ ἀ̣µφὶ τὸν δόντα µολ- / πάσε̣ιν (9-10). 45 Bei den Najaden handelt es sich um eine Untergattung der Nymphen; in der Regel sind sie Quell- oder Gewässernymphen, im Gegensatz e.g. zu den Oreaden, den Gebirgsnymphen (cf. Käppel in DNP s.v. ‘Nymphen’). Dass die Satyrn im ‘Hyporchema’ aber mit den Najaden übers Gebirge stürmen, deutet auf eine Austauschbarkeit der Begriffe; cf. auch E. Hel. 187: οἷα Ναῒς ὄρεσι †φυγάδα. Austauschbar scheinen die Bezeichnungen auch in A. Prom.P. **F 204b, cf. V. 4: Ναίδων, aber in V. 6 und 15: Νύµφας. – Nymphen sind aber generell mit Wasser, Quellen, Flüssen, Seen assoziiert: cf. die jüngste

168

Tragödienreflexion

νυµφῶν µέτα). Die Assoziation der Satyrn/Silene mit Nymphen ist alt und bereits für eine Zeit nachzuweisen, in der eine Nähe beider Gruppen zu Dionysos noch nicht explizit dokumentiert ist –46 sie ist bereits in den ältesten Erwähnungen der Satyrn und Silene gegeben, bei Hesiod und im Homerischen Aphroditehymnos.47 Wie aus einer Reihe von Papyrusfunden und Zeugnissen hervorgeht, gehören die Satyrn bei Hesiod zu den Nachfahren des Doros und stehen über Iphitime, die sowohl als Doros’ Tochter als auch als seine Partnerin erscheint, in einer Geschwister-Beziehung mit den Nymphen.48 Gelegentlich präsentieren sich die Satyrn auch als Kinder der Nymphen (S. Ichn. 41: νυµφογεννή[τ49 und S. ‘Oin.’ **F 1130.7: παῖδες δὲ νυµφῶν),50 was nicht zuletzt daher rühren dürfte, dass die Nymphen des Gebirges auch als Ammen des Dionysos gelten (Cyc. 4)51 und überhaupt zur Gruppe des kurotrophos-Typs gehören.52 Detailstudie, Larson 2001, 4 no. 1 (zur in den antiken Quellen häufigen Juxtaposition der Begriffe ‘Nymphe’ und ‘Najade’); 5 no. 6 (zur Personifikation von Gewässern durch Nymphen) und no. 8 (zur kultischen Funktion der Nymphen, die sich, aufgrund von deren Assoziation mit Gewässern, derjenigen der Heilgötter annähert). Siehe ferner Larsons Kapitel 1.2 “Nymphs in the Landscape” (8-11). Die über das Gebirge stürmende Najade ist auf der Basis von Larsons Ergebnissen damit erklärbar, dass ihr ‘microhabitat’ eine Quelle, ihr ‘macrohabitat’ aber ein Berg ist (8-9); zu den Oreaden cf. ibid. 9. 46 Der älteste Beleg für die Zugehörigkeit von – in diesem Fall – Silenen (σιληνοί) und Nymphen (beschriftet mit ‘νύφαι’) zu Dionysos ist die Françoisvase; cf. supra p. 146 mit n. 123. – Zur Schreibweise ‘νύφαι’ cf. Threatte 1980, Bd. 1, 486; Bd. 2., 755. 47 Cf. Hes. Gynaikōn Katalogos F 5.17-19 H. ≅ F 123 M./W.: .....] οὔρεια⌞ι νύµφαι⌟ θεαὶ ἐξεγένοντο / καὶ γ⌟ένος οὐ⌞τιδανῶν Σα⌟τύρων καὶ ἀµηχανοεργ⌞ῶν / Κουρ⌟ῆτές τε ⌞θεοὶ φιλοπα⌟ίγµονες ὀρχησ⌞τῆρες; h.Ven. 257-263: νύµφαι µιν θρέψουσιν ὀρεσκῷοι βαθύκολποι, / αἳ τόδε ναιετάουσιν ὄρος µέγα τε ζάθεόν τε· / αἵ ῥ’ οὔτε θνητοῖς οὔτ’ ἀθανάτοισιν ἕπονται· / δηρὸν µὲν ζώουσι καὶ ἄµβροτον εἶδαρ ἔδουσι, / καί τε µετ’ ἀθανάτοισι καλὸν χορὸν ἐρρώσαντο. / τῇσι δὲ Σειληνοί τε καὶ εὔσκοπος Ἀργειφόντης / µίσγοντ’ ἐν φιλότητι µυχῷ σπείων ἐροέντων. Zur Zugehörigkeit der Nymphen, respektive einer Untergruppe von ihnen, zu Dionysos, cf. Larson 2001, 91-96. 48 Cf. die Zusammenstellung der Zeugnisse bei Most 2007, p. 51 ad Hes. Gynaikōn Katalogos F 10 M. (≅ F 5 H.), ibid. 11 mit Hes. Gynaikōn Katalogos F 11 M. (ap. Str. 10.3.19); Hischberger 2004, 181-182 ad Hes. Gynaikōn Katalogos F 5.13-19 H. 49 Scheurer und Bielfeldt in KPS 295 n. 19 beziehen dies ebenso auf die Satyrn wie beispielsweise Larson 2001, 92. Natürlich könnte hiermit (weil die Satyrn ja noch nicht aufgetreten sind) auch der Nymphensohn Hermes gemeint sein, falls Apollon schon eine Ahnung hat, wer hinter dem Rinderdiebstahl stehen könnte. In diesem Fall wäre aber unklar, warum er seine Verbrecherjagd ratlos aufgibt. 50 Cf. auch X. Smp. 5.7: … ὅτι καὶ Ναΐδες θεοὶ οὖσαι τοὺς Σειληνοὺς … τίκτουσιν …; Theopomp.Hist. FGrH 2b 115 F 75c.1 via Ael. VH 3.18: νύµφης δὲ παῖς ὁ Σ[ε]ιληνὸς οὗτος. 51 Wohl auch in A. Trophoi und S. Dion.; cf. Kap. 4.1.3; Kap. 5.1.10. 52 Henrichs 1987, 100. Cf. e.g. h.Ven. 256-290. Cf. infra Studien II s.v. Kindheit.

Der Chor der Satyrn

169

Die Satyrn neigen Nymphen bekanntermassen auch sexuell zu: Hier ist e.g. an ein Fragment aus den Moirai sowie an ein fragmentum incertum aus dem Korpus des Achaios zu denken, wo der Silen als νυµφόβας charakterisiert wird (Achae. inc. F 52; cf. Moirai F 28).53 Angedeutet ist eine solche erotische Dimension auch im Kyklops: … πρὸς τὰν Ἀφροδί- / ταν, ἃν θηρεύων πετόµαν / Βάκχαις σὺν λευκόποσιν (Cyc. 70-72)54 und möglicherweise in A. Prom.P. **F 204b.45.55 In Aischylos’ Trophoi schliesslich waren die Satyrn wahrscheinlich die Ehegatten der Ammen des Dionysos.56 Die Begleiterinnen der Satyrn heissen nicht immer ‘Nymphen’ oder ‘Najaden’, sondern, wie an der eben zitierten Stelle, bisweilen auch ‘Bakchen’ oder ‘Mänaden’ (µαινάδες, trag. adesp. F 681.14). Von ‘thyrsostragenden Bakchen’ singt der Chor in Cyc. 64 (Βάκχαι τε θυρσοφόροι), von ‘weissfüssigen’, i.e. barfüssigen57 Bakchen nur wenige Verse später (Βάκχαις σὺν λευκόποσιν, 72).58 Seaford notiert diesbezüglich, dass ursprünglich die Nymphen Begleiterinnen der Satyrn waren, wie etwa im Homerischen Aphroditehymnos, dass diese aber seit 53

Hsch. ν 722 s.v. νυµφόβας· Ἀχαιός [inc. F 52]. ὁ Σειληνὸς ἐπιβαίνων ταῖς Νύµφαις. καὶ ἐν Μοίραις· ‘βαβαί, βαβαί, βήσοµαι γυναῖκας’ [Moirai F 28]. ἐπὶ τῆς Ἀφροδίτης. 54 Auch aus den sarkastisch-enigmatischen und (infolgedessen) teilweise korrupten Versen Cyc. 514-518 geht hervor, dass Nymphen einen wichtigen Platz in der sexuellen Imagination der Satyrn haben. Cf. zur Textproblematik insbesondere der Verse 514-515 die ausführliche Diskussion der in den Editionen von Murray, Dindorf und Diggle sowie der bei Diggle 1972, 345-346 und Stinton 1977/1990, 288-290 vorgebrachten oder verteidigten Lesarten bei Seaford 1984 ad loc. 55 Cf. infra p. 238-239; p. 401. 56 Cf. die Ausführungen zur Hypothesis zur euripideischen Medea und deren Implikationen für die Trophoi in Kap. 4.1.3, § Aischylos, (Dionysou) Trophoi. 57 Dodds 21960 ad E. Ba. 664-667; Seaford 1984 ad E. Cyc. 72. 58 Hierbei ist wieder auf die Bakchen des Euripides zu verweisen, wo der Chor asiatischer Mänaden den ‘weissen Fuss’ besingt (Ba. 862-864): ἆρ’ ἐν παννυχίοις χοροῖς / θήσω ποτὲ λευκὸν / πόδ’ ἀναβακχεύουσα, … Cf. auch E. Ba. 664-665: βάκχας ποτνιάδας εἰσιδών, αἳ τῆσδε γῆς / οἴστροισι λευκὸν κῶλον ἐξηκόντισαν; E. Ion 220-221: ὑπερ- / βῆναι λευκῷ ποδί; E. Med. 1164: παλλεύκῷ ποδί. Letztere Stelle stammt aus dem Botenbericht der Medea, in dem über die wahnsinnig gewordene Medea wie über eine Mänade gesprochen wird: Medea trägt πέπλους ποικίλους (E. Med. 1159; cf. zu diesem Adjektiv infra p. 174) und bekränzt ihre Locken (Med. 1160); ihre Glieder werden von einem Zittern ergriffen, und sie fällt beinahe zu Boden: χωρεῖ τρέµουσα κῶλα καὶ µόλις φθάνει / θρόνοισιν ἐµπεσοῦσα µὴ χαµαὶ πεσεῖν (Med. 1169-1170), κτλ. Diese implizite Angleichung Medeas an eine Mänade wird weiter verdeutlicht, wenn von einer alten Dienerin berichtet wird, die einen rituellen Schrei ausgestossen habe, weil sie offenbar glaubte, Pan oder ein anderer Gott sei in Medea gefahren: καί τις γεραιὰ προσπόλων, δόξασά που / ἢ Πανὸς ὀργὰς ἤ τινος θεῶν µολεῖν, / ἀνωλόλυξε … (Med. 1171-1173). Zum Phänomen der Stilisierung von Heroinnen zu Bakchantinnen: Schlesier 1993a und 1993b.

170

Tragödienreflexion

dem Ende des 6. Jahrhunderts allmählich durch Mänaden ersetzt wurden.59 Die Überblendung von Mänaden und Nymphen dürfte damit in Zusammenhang stehen, dass sich die (lebensweltlichen) Kultanhängerinnen des Dionysos als (mythische) Nymphen inszenierten, den Männern vergleichbar, die sich im Kult als Satyrn verkleideten.60

5.1.3 Im Hintergrund die Hirten Was den von Kyllene in den Ichneutai genannten ‘Hirten-Haufen’ angeht (καἰπόλων ὄχλῳ, S. Ichn. 228), in dessen Beisein sich die Satyrn normalerweise tummeln, ist nicht ohne weiteres klar, inwieweit dieser ins Thiasos-Treiben involviert ist.61 Die Frage nach der Zugehörigkeit von Hirten zum Thiasos drängt sich schon allein deshalb auf, weil Hirten in die Szenerie gehören, in der die Feiern des Thiasos ausgetragen werden: in die freie Natur, auf Weiden, an Berghänge, auf Hügel, an Waldränder, auf Felsen. Auch in Euripides’ Bakchen sind Hirten bei den mänadischen Feiern zugegen; von einer Thiasos-Zugehörigkeit kann in ihrem Fall allerdings keine Rede sein.62

59

Seaford 1984 ad 72, u.a. mit Verweis auf Edwards 1960, 78-79; cf. auch Henrichs 1987, 100: “Nymphs and maenads must be conceptually related. In light of their relationship, the maenads may be defined as ritual nymphs or even ritual mothers, as they were by Jane Harrison, or alternatively, the nymphs of Dionysiac myth may be regarded as proto-maenads who have not yet acquired the ritual identity that constitutes the hallmark of the true maenad in myth as well as in actual cult” (meine Hervorhebung). Über den limitierten Wert solcher Systematisierungen für die Interpretation griechischer Kunstwerke cf. ibid.; zu weiteren Differenzierungen zwischen Nymphen und Mänaden: 100-106. 60 Cf. e.g. Pl. Lg. 7.815c. – Zur Bezeichnung der weiblichen Begleiterinnen der Satyrn/Silene in der Ikonographie als ‘Nymphen’: Hedreen 1994. 61 Lloyd-Jones 1981c, 177 löst diese Unklarheit dahingehend auf, dass er die Hirten aus dem Vers streicht: “Steffen’s καἰπόλων is palaeographically neat but does not suit the sense; nymphs dance with satyrs, not with goatherds”; in seiner Edition 1996 und 22003 setzt er stattdessen Wilamowitz’ Lesart καὶ παίδων. 62 Im Gegenteil: Es ist einer der Hirten, der Pentheus über das mänadische Treiben informiert (erster Botenbericht, E. Ba. 677-774; cf. bes. 714: ξυνήλθοµεν δὲ βουκόλοι καὶ ποιµένες). Ein unsympathischer, in städtischen Belangen gewandter Mann (καί τις πλάνης κατ’ ἄστυ καὶ τρίβων λόγων, 717) – ob es sich dabei um einen der Hirten handelt oder nicht, bleibt offen – habe die Hirten dazu überredet, den Mänaden aufzulauern, ja sie einzufangen und zu Pentheus zu führen, um dessen Gunst zu erwerben (717-721). Der Plan liess sich zwar nicht umsetzen, man musste fliehen; doch vermag der Hirte Pentheus zu berichten, was es zu sehen gab (721-735). – In Vergils sechster Ekloge wird der Silen von zwei Hirten eingefangen und zum Singen gezwungen (Verg. Ecl. 6.1330).

Der Chor der Satyrn

171

Ob Hirten den Thiasos-Feiern aktiv oder, wie in den Bakchen, nur peripher beiwohnen, lässt sich aus dem Satyrspiel allein nicht sagen. In trag. adesp. F 681, dessen Genrezugehörigkeit zum Satyrspiel mir nicht zuletzt wegen einer Projektion thiasotischen Treibens in die (unmittelbar bevorstehende) Zukunft höchst plausibel erscheint,63 werden Hirten – nach Fachgebiet gesondert – in einem Atemzug mit den Mänaden genannt: π̣[α]ῖδες α̣ἰ̣πόλων καὶ ....σο[ πης ποι[µένε]ς βουκόλοι µαινάδες Kinder der Ziegenhirten und … … Schafhirten, Rinderhirten, Mänaden (trag. adesp. F 681.13-14).64

In jedem Fall ist die häufige Nennung von Hirten und ihrer Tätigkeit im Satyrspiel offenkundig; sie gehören in den Erfahrungshorizont der Satyrn.65 Die 63

Cf. die Aufforderung χορεύσατε in Z. 10. – Zur chorischen Projektion: infra Kap. 6.4. An einer (freilich brüchigen) Stelle in A. Prom.P. **F 204b.18 ist ]α̣ι ποι̣µέν̣[.]ς πρ̣έπει̣ν̣ zu entziffern; Hirten werden also auch hier im Kontext einer nächtlichen Thiasosfeier genannt, in der Nymphen und mit Sicherheit auch Satyrn zugegen sind. – Die Zugehörigkeit der Hirten zur dionysischen Sphäre zeigt sich auch in E. Andromeda F 146, wo ‘Hirtenvolk’, ‘Efeu(!)becher mit Milch’, ‘Wein’ und ‘Erholung nach den ponoi’ genannt werden: 〈 × ‒ ⏑ 〉 πᾶς δὲ ποιµένων ἔρρει λεώς, / ὁ µὲν γάλακτος κίσσινον φέρων σκύφος, / πόνων ἀναψυκτῆρ’, ὁ δ’ ἀµπέλων γάνος; cf. E. Antiope F 203: ἔνδον δὲ θαλάµοις (…?) βουκόλου (…?) / κοµῶντα κισσῷ στῦλον εὐίου θεοῦ. Zu nennen ist hier auch die Schimpftirade des Momos gegen Dionysos in Lukians Götterversammlung, wo er über dessen Gefolgschaft schimpft: καὶ θεοὺς ἀπέφηνε τὸν Πᾶνα καὶ τὸν Σιληνὸν καὶ Σατύρους, ἀγροίκους τινὰς καὶ αἰπόλους τοὺς πολλούς, σκιρτητικοὺς ἀνθρώπους καὶ τὰς µορφὰς ἀλλοκότους – ‘und zu Göttern macht er Pan, Silen und die Satyrn, Bauernvolk und Hirten grösstenteils, Springinsfelde, von sonderbarer Gestalt’ (Luc. Deor.Conc. 4.13-16). – Die Assoziation von Hirten und Mänaden ist überdies auch ausserhalb des Dramas, im lebensweltlichen Kult, verschiedentlich belegt. In einer Inschrift aus Physkos in Lokris (2. Jh. n.Chr.) findet sich das Kult-Gesetz eines Thiasos, dessen männliche Mitglieder βουκόλοι, Kuhhirten, dessen weibliche Mitglieder Mänaden genannt werden: Sokolowski 1969, Nr. 181 und dazu Henrichs 1978, 155-156 (sowie 121 n. 2 no. 5). Cf. auch Dodds 21960 ad E. Ba. 654-5 zum Kulttitel βουκόλοι oder βουκολικοί von gewissen Mitgliedern späterer dionysischer Gruppen, die sich in der Rolle von Hirten an einem mimetischen Tanz oder “sacred drama” beteiligten; sowie Buxton 1992, 11, der in n. 101 mit der gebotenen Vorsicht hervorhebt, dass es sich bei den Hirten wie bei den Frauen/Mänaden um (an besagten Stellen als äquivalent erscheinende) soziale Randgruppen handle, die während ritueller Feiern im ‘Gebirge’ in den Genuss invertierter sozialer Verhältnisse kommen. 65 A. Dikt. **F 46a.19; A. Gl.Pont. F 25e.8; S. Ichn. 39, 160 (wo der Silen sich darüber ärgert, dass die Satyrn um eines läppischen ‘Hirtenrufes willen’ in Panik geraten, was 64

172

Tragödienreflexion

Satyrn scheinen sich ausserdem in mehreren Dramen selbst als Hirten betätigt zu haben: im Kyklops,66 wahrscheinlich in Sophokles’ Inachos67 und möglicherweise in zwei weiteren sophokleischen Stücken, deren Satyrspielqualität freilich nicht gesichert ist, Admetos68 und Poimenes,69 vielleicht auch in Euripides’ Theseus und Agathons Telephos, deren Gattungszugehörigkeit jedoch ebenfalls strittig ist.70 Im Dasein der Satyrn als Hirten ist jedoch gewiss auch eine Spielart des Genrespezifikums zu sehen, demgemäss die Satyrn sich grundsätzlich in ‘fremden Rollen’ betätigen (oder betätigen sollten).71 An mindestens zwei Stellen wird das Leben im Thiasos explizit mit dem (im Stück aktuellen und – angeblich – leidvollen) Hirtendasein kontrastiert: … ἀντὶ δ’ εὐίων βακχευµάτων ποίµνας Κύκλωπος ἀνοσίου ποιµαίνοµεν. παῖδες µὲν οὖν µοι κλειτύων ἐν ἐσχάτοις νέµουσι µῆλα νέα νέοι πεφυκότες, … ἤδη δὲ παῖδας προσνέµοντας εἰσορῶ ποίµνας. … anstatt uns bakchisch-froh zu tummeln besorgen wir das Vieh des greulichen Kyklopen. suggeriert, dass die Anwesenheit von Hirten zum ‘Normalzustand’ des Satyrlebens gehört), Ichn. 167, cf. auch Ichn. 114 mit der Konjektur von Maltese 1982 sowie, befürwortend, Turner 1988, 158 mit 157 n. 5; S. Ina. **F 269c.7 (zur Hirtenflöte syrinx). Zur These, dass sich die Satyrn im Inachos als Hirten zu betätigen hatten, cf. Heynen/Krumeich in KPS 338 (mit weiterer Literatur in n. 103). In der etwas abenteuerlichen Rekonstruktion von Allan 2003 fungieren die Satyrn im Inachos jedoch als Rinderdiebe bzw. Diebe der Kuh Io. Das Motiv des Rind-Hütens ist im Stück mit Sicherheit als Amt des Argos gegeben. 66 Cf. E. Cyc. 25-28; 41-83; 206-208. 67 Cf. infra p. 325. 68 Bei Sophokles’ Admetos dürfte es sich um ein Satyrspiel handeln, in dem die Satyrn zusammen mit Apoll als Hirten im Dienste des Titelhelden tätig sind; cf. die bei Heynen/ Krumeich in KPS 389 n. 8 genannte Literatur. – Argumente für die wahrscheinliche Satyrspielqualität des Stücks: Sutton 1974c/1989, 314-315 Nr. 1. 69 Zu den Poimenes: supra p. 71 n. 113. 70 Athenaios (10.454b) nennt als Sprecher der Verse von E. Theseus F 382 einen ‘illiteraten Schäfer’, βοτὴρ … ἀγράµµατος, und für die Verse aus dem Telephos des Agathon (F 4), die nach E. Theseus F 382 modelliert sind, schlicht einen ἀγράµµατός τις (Ath. 10.454d), bei dem es sich natürlich ebenfalls um einen Hirten handeln könnte. Sollte der Theseus und/oder Telephos also ein Satyrspiel sein, so kämen für die Rolle des illiteraten Schäfers die Satyrn und der Silen in Frage: Voelke 2001, 282. Cf. infra Studien II s.v. Buchstaben, p. 366-367; zur Satyrspielqualität des Theseus bzw. des Telephos ibid. n. 62. 71 Dazu infra Kap. 5.2.

Der Chor der Satyrn

173

So weiden meine Söhne, selbst noch junges Volk, das junge Vieh an fernen Hängen … … Doch da seh’ ich meine Jungen schon, sie treiben her das Vieh. (E. Cyc. 25-28, 36-37; Übersetzung: Ebener 1980)

Die zweite Stelle, wiederum aus dem Kyklops, spielt die τυµπάνων … ἀράγµατα, die eindeutig in den Bereich des eigentlichen Satyrlebens weisen, gegen die νεόγονα βλαστήµατα (205-206) aus, die hier den Pflichtbereich des Hirten repräsentieren – der Kontrast gewinnt durch das Homoioteleuton an Prägnanz.72 So es sich bei den Poimenes des Sophokles um ein Satyrspiel handelt, waren die Satyrn in diesem Drama nicht nur in der Rolle von Hirten zu sehen, sondern gaben dem Stück in dieser Funktion auch seinen Titel;73 auch hier beklagt sich der Chor über den Hirtenberuf: τούτοις γὰρ ὄντες δεσπόται δουλεύοµεν, καὶ τῶνδ’ ἀνάγκη καὶ σιωπώντων κλύειν, Wir sind zwar ihre Herren, aber dennoch ihre Sklaven, und müssen auf sie hören, obschon sie stumm sind (S. Poim. *F 505).74

Im Kyklops geht schliesslich die Ankündigung, dass die Satyrn, die sich gerade als Hirten betätigen, in die orchestra einziehen, in die Feststellung über, dass sie einen komastischen Thiasos-Zug darstellen.75 Die blosse Anwesenheit von Hirten, soviel lässt sich sagen, stört das Bild einherziehender Thiasoten also nicht, sondern gehört vielmehr fast notwendig dazu – wahrscheinlich ist es nur die Hirten-Arbeit, die nicht Sache der Satyrn ist.76

5.1.4 ‘Ins Rehfell gehüllt’ Die reguläre Kluft im Thiasos ist die Nebris, ein Rehfell, und anscheinend nicht die τράγου χλαῖνα, über die sich der Chor im Kyklops beschwert (E. Cyc. 80). 72

Ähnlich Biehl 1986a ad loc. Bezug pluralischer Dramentitel auf Chor(tätigkeit): p. 96-97 n. 21, p. 206-207. 74 Diese Verse, mit denen sich der Chor über seine Herden beschwert, dienen Plutarch im Leben des Agis 1.3, im Zuge allgemeiner Reflexionen über die Ruhmsucht, zur Illustration des sklavischen Verhältnisses, das einige Menschen zu ihren Trieben unterhalten. 75 Cyc. 36-40. 76 Auch in Kratinos’ Dionysalexandros scheint sich der Chor der Satyrn als Hirten betätigt zu haben, cf. supra p. 42. 73

174

Tragödienreflexion

‘Du warst ins Rehfell gehüllt’ (νεβρίνηι καθηµµέν[ο]ς / δορᾶι, S. Ichn. 225226), sagt Kyllene zum Chor, als sie ihn an seinen Normalzustand erinnert und darauf aufmerksam macht, wie sehr er gegenwärtig davon abweicht.77 Die Nebris wird in den Bakchen als dionysische Kluft par excellence, ja als ἱερὸν ἐνδυτόν (E. Ba. 138) bezeichnet78 und wird als ποικίλος qualifiziert (249: ἐν ποικίλαισι νεβρίσι).79 Dieses Adjektiv wiederum ist in den aischyleischen Diktyulkoi Teil einer Wortbildung, die das Kostüm des Silen zu beschreiben scheint: ποικιλονω- in F 47a.790 lässt sich sinnvoll nur zu einer Form von ποικιλόνωτος, ‘mit buntem Rücken’, ergänzen.80 Es ist demnach davon auszugehen, dass der Silen hier die Nebris trägt.

5.1.5 Thyrsos in der Hand In der Hand trägt man im Thiasos den Thyrsos (S. Ichn. 226: χερ[ο]ῖ̣ν τ̣ε̣ θ̣ύ̣ρ̣σ̣[ο]ν̣ εὐπαλῆ φέρων; E. Cyc. 64: Βάκχαι τε θυρσοφόροι)81, der bisweilen auch als narthex bezeichnet wird.82 Der Thyrsos ist mit einer besonderen Macht versehen;83 wer ihn berührt, hat an ihr teil.84 ‘Waffe’ kann er genannt werden und als solche auch zum Einsatz kommen.85 77

Auch in der Vasenmalerei sind mit einer Nebris bekleidete Satyrn/Silene gut belegt; cf. e.g. attisch-rotfigurige Spitzamphora 500-490 v.Chr. aus Vulci, Kleophrades-Maler, ARV2 182, 6, München, Staatliche Antikensammlung 2344. 78 Cf. E. Ba. 24, 111, 696, bei Euripides ferner Ph. 791 und 1753; Hyps. F 752.1. 79 Cf. e.g. (ähnlich) E. Hel. 1358-1359 (µέγα τοι δύναται νεβρῶν παµποίκιλοι στολίδες); D.S. 1.11.4. Cf. in diesem Zusammenhang auch das Adjektiv στικτός ‘gesprenkelt’, e.g. E. Ba. 111 (στικτῶν τ’ἐνδυτὰ νεβρίδων), 835 (νεβροῦ στικτὸν δέρος) bzw. κατάστικτος in 697 (καταστίκτους δοράς). 80 Ποικιλόνωτος: Pi. P. 4.249; E. IT 1244; E. HF 376; Nonn. D. 2.575. 81 Im Tragikerkorpus ferner: E. Bakchen passim (über 20 Mal); E. HF 890; E. Ph. 791; E. Hyps. F 752.1; trag. adesp. F 397; trag. adesp. F 406; trag. adesp. F 681.12. – Cf. ferner Bierl 1991, 246 zum “Thyrsos als festem Attribut des Dionysos” mit weiteren Literaturangaben, auch zur Erforschung des Thyrsos in der Ikonographie. 82 E. Ba. 113, 147, 251, 1157-1158 (νάρθηκά τε †πιστὸν Ἅιδα† / ἔλαβεν εὔθυρσον); ferner e.g. E. Hel. 1361. 83 Cf. e.g. E. Ba. 704-711, wo die Mänaden mit einem einzigen Thyrsos-Schlag Weinund Wasserquellen erschliessen können und wo Honig von den Thyrsoi trieft. 84 Cf. e.g. E. Ba. 253 mit Seaford 1996a ad loc. (“physical contact with the sacred equipment puts one in its power”); wie von Pentheus befürchtet (Ba. 341-343) und erlitten (Ba. 912-976). 85 E. Ba. 25: κίσσινον βέλος. Die Mänaden in den Bakchen setzen ihre Thyrsoi mitunter als Waffen ein: e.g. Ba. 733, 762-764 (als Waffen, die Verletzungen verursachen), 799 (als Waffen, denen mit dem Schild nicht beigekommen werden kann), 1099 (als Speere, mit denen nach Pentheus geworfen wird), 1141 (Agaue spiesst das Haupt ihres Sohnes mit

Der Chor der Satyrn

175

5.1.6 Efeu! Efeu! Der Thyrsos ist mit Efeu umwunden,86 die Thiasoten selbst87 ebenso wie der anführende Gott sind mit Efeu bekränzt (Pratin. inc. F 3.16: κισσόχαιτ’ ἄναξ).88 In Dionysos’ Scheltrede gegen die abtrünnigen Satyrn in Aischylos’ Isthmiastai oder Theoroi wirft der Gott den Satyrn mitunter vor, dass sie sich mit Fichtenzweigen statt mit Efeu bekränzt haben: σὺ δ’ ἰσθµιάζεις καὶ πίτυος ἐστ[εµµένος κλάδοισι̣ κισσοῦ̣ δ’ ο̣ὐ̣δ[α]µοῦ τιµη[

dem Thyrsos auf); cf. ferner Seaford 1996a ad Ba. 113, der auch auf den kriegerischen oder kämpferischen Einsatz des Thyrsos in der Ikonographie verweist, und dazu wiederum Lissarrague 1987b, bes. 111 mit n. 18-20, 112 fig. 3, 4, 9B und 10A. – Diese Ambivalenz des Thyrsos (Kultobjekt/Waffe) ist auch in Abhängigkeit von Dionysos’ ambivalenter Haltung gegenüber dem Krieg zu sehen: Er liebt zwar Eirene (E. Ba. 419420), aber auch an Ares hat er seinen Teil (Ba. 302). In pointierter Gegenüberstellung finden sich Dionysos’ Pazifismus und sein Hass auf Menschen, die ihn verachten, im ersten Stasimon (Ba. 417-432). Möglicherweise hatte der Thyrsos im Ritual eine “violent function”: Seaford 1996a ad Ba. 1157 (zur Assoziation des Thyrsos mit dem Tod). – Cf. jedoch, von Seaford nicht erwähnt, die Bezeichnung des Thyrsos als unkriegerisch in E. Ion 216-217 (Text infra p. 180). Abgesehen davon, dass er als kultisches Objekt nicht primär für kriegerische Zwecke gedacht ist, hängt dies m.E. nicht zuletzt mit der Tatsache zusammen, dass der Thyrsos nicht aus Eisen geschaffen ist; cf. Ba. 1104: ἀσιδήροις µοχλοῖς (eine Ambivalenz, die auch graphisch ausgelotet wird: Lissarrague 1987b, 111 mit n. 20). – Zu denken ist hier auch an die Gigantomachie-Szenen, in Bild und Text auf uns gekommen, in denen Dionysos seine Feinde mit einem efeu- oder rebenumwundenen Thyrsos bezwingt; dazu infra Kap. 5.1.8, § Enkelados’ kelados, keladein und patagein. 86 E. Ba. 25, 363, 710-711, 1054-1055. – Im erhaltenen Satyrspiel ist ein efeuumwundener Thyrsos nicht belegt. 87 Zur Efeubekränzung der Tänzer: Philod.Scarph. Paean in Dionysum 146-147: … ἅµα σὺγ [χοροῖσ]ι κ[ι-] / [κλῄσκετε] κισσ[οχ]αίταις. 88 Cf. auch in E. Cyc. 620: τὸν φιλοκισσοφόρον Βρόµιον. – Zum Efeu als charakteristischem Kultattribut des Dionysos cf. Dodds 21960 ad E. Ba. 81; Wiesner 1965, 788; Käppel 1992, 223 n. 68a, 245-246 mit n. 158, 270 und die vielen Stellen, die Bierl 1991, 243 (zu Chaerem. Dionysos F 5) und ibid. 255 (zu trag. adesp. F 726; Stellen entsprechen mehrheitlich den ibid. 243 genannten, sind aber ergänzt um einen Hinweis auf Blech 1982, 302-210). Cf. ferner e.g. S. Tr. 218-221, wo sich die Trachinierinnen vorstellen, Efeu veranlasse sie zu bakchischem Tanze. – Die Apostrophe des Dionysos in Pratin. inc. F 3.16 findet sich in identischer Form bei Kratinos (der an dieser Stelle vorgibt, Ekphantides zu zitieren): Cratin. inc. *F 361 K./A. und daraus extrapoliert Ecphantid. inc. F 4 K./A.: εὔιε κισσοχαῖτ’ ἄναξ χαῖρε. – Cf. ferner Philod.Scarph. Paean in Dionysum 1-3: [Δ∆εῦρ’ ἄνα Δ∆]ιθύραµβε Βάκχ’ / ε[ὔιε, ταῦρε, κισσο]χαῖ- / τα, Βρόµι’, ἠρινα[ῖς ἵκου].

176

Tragödienreflexion du aber isthmiazierst tatsächlich mit den Zweigen der Fichte bekränzt, für den Efeu aber (gibt es) nirgends (Ehre) (A. Isth. **F 78c.39-40).

5.1.7 Weinselig Ὕποινος αἰεί (sc. υ..ι̣νος αἰεί (Radt), ‘stets betrunken’, S. Ichn. 225)89 – die Satyrn laben sich gerne am Trank ihres Meisters. ‘Ja, wer am Trank sich nicht erfreut, ist wahnsinnig!’ – ὡς ὅς γε πίνων µὴ γέγηθε µαίνεται (Cyc. 168), ruft der Silen in witziger Umkehr dessen aus, was er unmittelbar zuvor gesagt hat: ὡς ἐκπιών γ’ ἂν κύλικα µαινοίµην µίαν (164) – ‘auch um nur einen Becher auszutrinken, gerate ich in Raserei!’90 Völlige Trunkenheit hingegen gehört in die Sphäre des Komos: Im ‘Hyporchema’ betrifft sie den Komos nicht näher definierter jugendlicher Rauschtrinker (κώµῳ µόνον … / … νέων … παροίνων, Pratin. inc. F 3.7-8) und scheint im sonstigen Thiasos-Leben eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.91 In der epodos des Einzugslieds im Kyklops wird das Fehlen der οἴνου χλωραὶ σταγόνες (E. Cyc. 67) beklagt. Mit dem ersten Schlückchen aber, das der Silen von Odysseus’ Wein kosten darf, ist aller Kummer, den ihm die Schinderei bei Polyphem beschert hat, vergessen; sogleich hört er die Stimme des Bakchios, die ihn zum Tanzen auffordert (Cyc. 156). Damit ist er ein lebender Beweis nicht nur dafür, dass Dionysos’ Trank von Sorgen befreit,92 indem er Unangenehmes vergessen macht (κακῶν τε λῆστις, Cyc. 172) und erotisches Empfinden spriessen lässt (Cyc. 169-171, 169: ἵν’ ἔστι τουτί τ’ ὀρθὸν 89

Cf. p. 157 n. 12. Der Zusammenhang von Wein und mania, dort aber sehr negativ konnotiert, findet sich e.g. auch in Cyc. 618. 91 Cf. auch E. Ba. 686-688, wo der Bote Pentheus’ Behauptung dementiert, die Mänaden seien betrunken (und jagten Aphrodite hinterher): … οὐχ ὡς σὺ φῂς / ᾠνωµένας κρατῆρι καὶ λωτοῦ ψόφῳ / θηρᾶν καθ’ ὕλην Κύπριν ἠρηµωµένας. Pentheus hatte im ersten Epeisodion in heilloser Erregung und ohne jede kritische Distanz die Gerüchte reproduziert, die ihm kolportiert worden seien (Ba. 215-245): inmitten der Thiasoi seien krateres aufgestellt, krateres voll Weines, dessen Konsum wiederum an wilde freie Liebe, an Aphrodite gekoppelt sei: πλήρεις δὲ θιάσοις ἐν µέσοισιν ἱστάναι / κρατῆρας, ἄλλην δ’ ἄλλοσ’ εἰς ἐρηµίαν / πτώσσουσαν εὐναῖς ἀρσένων ὑπηρετεῖν, / πρόφασιν µὲν ὡς δὴ µαινάδας θυοσκόους, / τὴν δ’ Ἀφροδίτην πρόσθ’ ἄγειν τοῦ Βακχίου (Ba. 221-225). Das in verschiedenen Kommentaren angesprochene Problem, dass jener Bote, der sich auf diese Rhesis des Pentheus im ersten Epeisodion bezieht, gar nicht auf der Bühne anwesend war, als Pentheus so sprach, halte ich für eine unnötige Spitzfindigkeit. Wer so realistisch denkt, muss damit rechnen, dass Pentheus auch hinter der Bühne seine Vorurteile verbreitete. 92 E.g. E. Ba. 278-285, 381-382, 423. 90

Der Chor der Satyrn

177

ἐξανιστάναι), sondern auch dafür, dass er einen verjüngt und zu künstlerischem Ausdruck inspiriert.93 Von diesen Eigenschaften des Weines wird später im Stück auch Polyphem Zeugnis ablegen, der, kaum im Genuss des Getränks, zu singen beginnt – auch wenn sich sein Gesang wie ‘amusisches’ Grölen ausnimmt,94 das an den betrunkenen Herakles der Alkestis und des Syleus (?) erinnert.95 Was nun den künstlerischen Ausdruck der Thiasoten angeht, so ist sowohl auf das akustische Kunstwerk, das sie darstellen und produzieren, als auch auf ihren Tanz (dessen Hüpf- und Stampf-Elemente ihrerseits Lärmquellen sind) hinzuweisen.

5.1.8 Lärm und Lieder Zunächst zur akustischen Dimension des Thiasos. Zentral ist die Verwendung der eigenen, menschlichen Stimme – ‘die pierische Muse hat den Gesang zur Königin bestimmt’, heisst es im ‘Hyporchema’ (Pratin. inc. F 3.4), wo die Flöte, über deren Dominanz man sich beschwert, zur Dienerin des Gesangs erklärt wird.96 Um blosses Geschrei handelt es sich beim Gesang im Thiasos idealerweise nicht: Kyllene empört sich über den unpassenden Lärm, den die Satyrn veranstalten (σὺν πολλῆι βοῆι, S. Ichn. 222) und hält ihnen die 93 Hier dürfte auch das vermutlich einem Satyrspiel entstammende trag. adesp. *F 440a (ap. Schol. A. Pr. 591) einzuordnen sein: Ἔρως µέθη ζῆλός τε καὶ δαίµων ἴσα. – Cf. e.g. Archil. F 120 West: ὡς Δ∆ιωνύσου ἄνακτος καλὸν ἐξάρξαι µέλος / οἶδα διθύραµβον οἴνῳ συγκεραυνωθεὶς φρένας; Epich. Philoktetas F 131 K./A.: οὐκ ἔστι διθύραµβος, ὅκχ’ ὕδωρ πίῃς; Cratin. Pytine *F 203 K./A.: ὕδωρ δὲ πίνων οὐδὲν ἂν τέκοις σοφόν; Pl. Lg. 2.666b-c (Wein als probates Heilmittel für Männer über vierzig, um den Gram des Alters abzuschütteln, die Seele zu verjüngen, Sorgen zu vergessen und ungehemmt Gesänge zu Dionysos’ Ehren anzustimmen). Im Kyklops selbst ist der Zusammenhang von Wein und Tanz bereits in den vorausgehenden Versen derselben Stichomythie angedeutet: Die Frage des Odysseus, ob auf der Insel Wein angebaut werde, verneint der Silen mit dem explikativen Hinweis auf die Tanzlosigkeit der Insel: Οδ. Βροµίου δὲ πῶµ’ ἔχουσιν, ἀµπέλου ῥοάς; / Σι. ἥκιστα· τοιγὰρ ἄχορον οἰκοῦσι χθόνα (Cyc. 123-124). – Eine ähnliche Motivverbindung wie an der Kyklops-Stelle findet sich im brüchigen Text von trag. adesp. F 681, das m.E. aus einem Satyrspiel stammt: ‘Befreiung von meinen Übeln’, ἀπαλλα[γὴν ἐµ]ῶν κακῶν und ‘tanzt’, χορεύσατε (10), ‘… und … nicht … erinnert (euch?)’, κ̣αὶ̣ µὴ .[.].[..].άθητε µνηµονεύσατ[ε (11). Übersetzung nach Kruschwitz/Lehmann/Schloemann in KPS 641. 94 E. Cyc. 425-426: ᾄδει δὲ παρὰ κλαίουσι συνναύταις ἐµοῖς / ἄµουσ’; 488-490: καὶ δὴ µεθύων / ἄχαριν κέλαδον µουσιζόµενος / σκαιὸς ἀπῳδὸς … 95 E. Alc. 756-760 (760: ἄµουσ’ ὑλακτῶν); E. inc. F 907, von Pechstein 1998, 355-357 dem Syleus zugeordnet (V. 2: ἄµουσ’ ὑλακτῶν); cf. infra Studien II s.v. Weinmischen. 96 Vide Pratin. inc. F 3.4-5 mit Roos 1951, 215 n. 4. In diesen Zusammenhang gehört auch Hartungs Vorschlag für den verderbten Text von Vers 14: θῆτα, ‘den Diener’.

178

Tragödienreflexion

Alternative vor: ‘(früher) pflegtest du euai! zu jauchzen’, εὐίαζες (227). Offenbar soll man in qualifizierter Weise lärmen: Man ruft euhoi! oder euai! (εὐιάζει, E. Cyc. 495);97 man lässt ‘den Iakchos, das Iakchos-Lied’ erklingen (ἴακχον ἴακχον ᾠ- / δὰν µέλπω, Cyc. 69-70),98 das ‘buntgefiederte Lied’ (ποικιλόπτερον µέλος, Pratin. inc. F 3.3), das ‘dorische Tanzlied’, Δ∆ώριον χορείαν (Pratin. inc. F 3.17), man singt mit der Stimme des Schwans (οἷά τε κύκνον, Pratin. inc. F 3.3) und ist mit ‘Liedern voller Musenkunst’ erfüllt (ἔνεισι δ’ ὠιδαὶ µουσικῆς, S. ‘Oin.’ **F 1130.12). Enkelados’ kelados, keladein und patagein Wichtig in akustischer Hinsicht sind für den Dionysoskult respektive seine Repräsentation insbesondere bei Euripides der Begriff κελαδεῖν und seine Derivate. Besonders aufschlussreich sind diesbezüglich jene fünf Prologverse aus dem Kyklops, in denen sich der Silen der Bezwingung des fürchterlichsten aller Giganten und ihres Anführers99 Enkelados rühmt (E. Cyc. 5-9). Der Sieg über Enkelados gehört sonst bis in die hellenistische Zeit immer in die Aristie Athenes –100 gerade bei Euripides selbst, im Hercules Furens (in einem Stossgebet des Amphitryon)101 ebenso wie im Ion (im Rahmen der Tempelfriesbeschreibung in der Parodos).

97 Cf. εὐίων βακχευµάτων, Cyc. 25 (ebenso Ba. 608, allerdings im Singular: εὐίου βακχεύµατος); ferner Cyc. 192; S. Ant. 1135; E. Ba. 67, 1034. Zur Bedeutung von εὐάζειν cf. EM s.v. Εὐάζω: Τὸ βακχευτικὸν ἐπίρρηµα καὶ ἐπίφθεγµα, ὥς φησιν Εὐριπίδης, “Εὐάζω ξένα µέλεσι βαρβάροις”. Παρὰ τὸ εὔϊος τὸ ἐντελὲς εὐϊάζω, ὡς ἄν τις εἴποι διονυσιάζω, ὡς ἥλιος, ἡλιάζω· βάκχιος, βακχιάζω· ἄντιος, ἀντιάζω· καὶ συγκοπῇ. 98 Cf. Seaford 1984 ad loc., auch zur Herleitung des Begriffs von ἰάχω und zu seiner Bedeutung – dem enthusiastischen Schrei oder dessen Personifikation, die beide mit den Eleusinischen Mysterien assoziiert sind. Die Gottheit Ἴακχος wird schon im 5. Jh. v.Chr. mit Dionysos identifiziert (e.g. E. Ba. 725). 99 Ov. Pont. 2.2.11; Aristid. Ἀθηνᾶ Or. 37.9 Keil; Philostr. Her. 31; Claud. rapt. Pros. 3.351 (Stellen nach Seaford 1984 ad E. Cyc. 7). 100 Cf. neben den im Folgenden genannten Stellen auch Hor. Carm. 3.4.56-57; Apollod. 1.37; Paus. 8.47.1; Schol. Ar. Eq. 566a; Aristid. Ἀθηνᾶ Or. 37.9 Keil. – Zur entsprechenden Ikonographie cf. Mayer 1887, 309-316; Vian 1952, 201 mit n. 5. – Die Bezwingung des Enkelados ist die wichtigste Tat Athenes überhaupt. Seit der Mitte des 6. Jh. v.Chr. wird sie mit ihr in Verbindung gebracht. Vor der hellenistischen Epoche hat Enkelados (vom Silen im Kyklops abgesehen) keinen anderen Gegner; später treten als Gegner auch Zeus (Batr. 283; Q.S. 5.641-642; Nonn. D. 48.70) oder Dionysos (Nonn. D. 25.90) auf. 101 Cf. E. HF 906-909, wo Amphityron auf den Schrei des Chores hin, der Palast stürze ein, Pallas anruft: ἢ ἤ· τί δρᾷς, ὦ Δ∆ιὸς παῖ, µελάθρῳ; / τάραγµα ταρτάρειον ὡς ἐπ’ Ἐγκελάδῳ ποτέ, Παλλάς, / ἐς δόµους πέµπεις.

Der Chor der Satyrn

179

Der Silen aber will den Enkelados niedergestreckt haben, und zwar, indem er ihn ‘mit dem Speer mitten auf den Schild traf’ (Cyc. 7-8: Ἐγκέλαδον ἰτέαν ἐς µέσην θενὼν δορὶ / ἔκτεινα). Bei dieser merkwürdigen Tötungsart handelt es sich um eine komische (wohl obszöne) Aufnahme der ihrerseits seltsamen Variante von Enkelados’ Tod im Ion: Der Chor betrachtet den Tempelfries in Delphi und entdeckt da die Darstellungen der Gigantomachie (E. Ion 206-207). Als erstes kommentiert er die Szene, in der Pallas Enkelados niederstreckt, indem sie ihren Schild mit der Gorgo102 auf ihn schwingt (πάλλουσαν):103 — λεύσσεις οὖν ἐπ’ Ἐγκελάδῳ γοργωπὸν πάλλουσαν ἴτυν …; — λεύσσω Παλλάδ’, ἐµὰν θεόν. — Siehst du sie, die über Enkelados den Schild mit dem Gesicht der Gorgo schwingt …? — Ich sehe Pallas, meine Göttin. (E. Ion 209-211)104

Unmittelbar neben Pallas sieht der Chor Zeus und daneben Dionysos,105 der hier, wie im Kyklops-Prolog, Bromios, ‘der Lärmende’,106 genannt wird: 102

Zur Ikonographie der Athene mit Gorgo-Aigis in der Gigantenschlacht, cf. e.g. LIMC IV s.v. ‘Gigantes’, Nr. 15, 24, 222B [Aigis, deren Schlangen den Gegner schrecken], 300, 342 [Athene richtet die Lanze gegen ΕΓΚΕΛΑΔ∆ΟΣ, der vor ihr in die Knie sinkt], 348, 350 [Athene richtet die Lanze gegen ΕΓΚΕΛΑΔ∆ΟΣ, der zurückweicht, einbricht und seine Waffe fallen lässt]; Athene mit Schild mit Gorgonenhaupt in der Gigantomachie: ibid. Nr. 61h B, [207 zeigt sie mit einem Schild, auf dem die protome einer Schlange abgebildet ist; 61 A: ΕΓΚΕΛΑΔ∆ΟΣ]. 103 Zu diesem namensetymologischen Wortspiel: infra p. 186-187. 104 Bei Homer ist ἴτυς die Felge eines Rads (Il. 4.486, aus Pappelholz; cf. 5.724); bei Hes. Sc. 314 und Hdt. 7.89 der Rand eines Schilds; auch der Schild selbst: Tyrt. F 856 PMG; E. Tr. 1197; X. An. 4.7.12. – Ἰτέα (wie hier in Cyc. 7) heisst zunächst die Weide; dann der Schild aus Weide: E. Heracl. 376; Supp. 695; Tr. 1193; Ar. Babylonioi F 65 K./A. – In E. Tr. 1193 und 1197 werden die beiden Begriffe – ἰτέα ist ergänzt um das Attribut χαλκόνωτος – synonym verwendet, auch mit ἀσπίς (Tr. 1156). 105 Zur Nähe von Dionysos und Athene im Kampf cf. e.g. D.S. 3.70.6: τὴν δὲ µητέρα τοῦ θηρίου γῆν ὀργισθεῖσαν ἀνεῖναι τοὺς ὀνοµαζοµένους Γίγαντας ἀντιπάλους τοῖς θεοῖς, οὓς ὕστερον ὑπὸ Δ∆ιὸς ἀναιρεθῆναι, συναγωνιζοµένης Ἀθηνᾶς καὶ Δ∆ιονύσου µετὰ τῶν ἄλλων θεῶν oder Apollod. 1.37: Εὔρυτον δὲ θυρσῷ Δ∆ιόνυσος ἔκτεινε … Ἀθηνᾶ δὲ Ἐγκελάδῳ φεύγοντι Σικελίαν ἐπέρριψε τὴν νῆσον … 106 Die Bedeutung dieses häufigen Namens von Dionysos ist nicht restlos geklärt. Dodds 2 1960 ad E. Ba. 74 leitet Bromios von βρέµω her. D.S. 4.5.1 erklärt den Namen mit dem Donner (βρόµος), der Dionysos’ Zeugung begleitete. Dionysos, wendet Dodds zu Recht ein, produziert aber selber donnernden Lärm, etwa dann, wenn er sich in einen Löwen verwandelt oder wie ein Löwe brüllt, e.g. h.Bacch. 44-45; daher auch seine schon in der

180

Tragödienreflexion 〈—〉 καὶ Βρόµιος ἄλλον ἀπολέµοισι κισσίνοισι βάκτροις ἐναίρει Γᾶς τέκνων ὁ Βακχεύς. 〈—〉 und Bromios, der Bakcheus, bezwingt ein anderes Kind der Erde mit unkriegerischem Efeustab! (E. Ion 216-218)107

Doch zurück zum Silen und dem vorläufigen Höhepunkt seiner Münchhausiade, seinem Anspruch, Enkelados bezwungen zu haben. Enkelados hat einen interessanten Namen, einen Namen, der ursprünglich wohl als bahuvrihi verwendet wurde.108 Enkelados ist also durch seinen Namen als ‘des κέλαδος habhaft’ ausgewiesen.109 Κέλαδος bezeichnet zunächst eine Art von Lärm, der mit der menschlichen Stimme erzeugt werden kann (κέλαδος bzw. κελαδεῖν sind verwandt mit καλέσαι und κλητός).110 Bei den Dramatikern ist κέλαδος aber auch ein Lärm,111 den die Stimme eines Gottes112 oder eines Orakels, den Gewässer –

archaischen Dichtung verwendeten Epitheta: ἐρίβροµος – e.g. h.Bacch. 56; h.Hom. 26.1; Anacr. F 20 PMG: πολλὰ δ’ ἐρίβροµον / Δ∆εόνυσον; Panyas. F 13.2 Matthews – oder ἐριβόας – e.g. Pi. F 75.10 Maehler (τὸν Βρόµιον, τὸν Ἐριβόαν τε βροτοὶ καλέοµεν). Auch die für seinen Kult charakteristischen Instrumente machen entsprechende Geräusche, cf. E. Ba. 160-161: λωτὸς … βρέµῃ; 156: βαρυβρόµων ὑπὸ τυµπάνων; Ar. Nu. 313 καὶ µοῦσα βαρύβροµος αὐλῶν; cf. auch E. Hel. 1350-1352: δέξατό τ’ ἐς χέρας / βαρύβροµον αὐλὸν / τερφθεῖσ’ ἀλαλαγµῷ. 107 Dieser andere Gigant bleibt im Ion namenlos; bei Apollodor, der den ausführlichsten Bericht über die Gigantomachie liefert, heisst er Eurytos (Apollod. 1.37, cf. den Textausschnitt supra n. 105). – Zu Text und Quelle von Apollodors Gigantomachie: Vian 1952, bes. 3, 220-221; zu den Varianten des Dionysosgegners in der Gigantomachie-Überlieferung: ibid. 206 und bereits Mayer 1887, 200-201. 108 Frisk s.v. Ἐγκέλαδος. 109 Cf. Chantraine s.v. κέλαδος und bes. Frisk s.v. Ἐγκέλαδος: “… von κέλαδος, aber auch auf κελαδέω beziehbar”. Diese Etymologie verzeichnet ansatzweise bereits Et.Gud. Additamenta s.v. Ἐγκέλαδος: ἢ ἀπὸ τοῦ κελαδῶ τοῦ σηµαίνοντος τὸ µελῳδῶ; cf. EM s.v. Ἐγκέλαδος. 110 Cf. Frisk s.v. κέλαδος: Der Bildung nach ist κέλαδος zu Schallwörtern wie ὅµαδος, χρόµαδος, ῥοῖβδος zu gruppieren und gehört zu καλέσαι, κλητός, bezeichnet also primär einen durch die Stimme produzierten Lärm, ein lautes Rufen. 111 Die Begriffe κελαδεῖν und κέλαδος sind bereits Homer und Hesiod geläufig. Bei Homer bezeichnen sie das Produzieren lauten Tumults, respektive den Tumult; bei Hesiod erscheint κέλαδος spezifisch im Kontext von Kampf und Schlacht (Th. 852; 926), vermochte sich als terminus technicus der Kriegssprache aber offensichtlich nicht zu etablieren (mit der Ausnahme des Kompositums πολεµοκέλαδε; cf. Trümpy 1950, 155). Im Drama sind κελαδεῖν und κέλαδος ausschliesslich in den lyrischen Passagen und, seltener, in den Anapästen anzutreffen.

Der Chor der Satyrn

181

besonders das Meer und seine Wellen –,113 der Wind,114 eine Schlacht,115 ein Instrument116 – nicht zuletzt die Flöte117 – oder ein Vogel118 produzieren können. Für unser Anliegen aber entscheidend: Κέλαδος ist ein Lärm, dessen Erzeugung die Satyrn als ihr Vorrecht betrachten.119 So jedenfalls präsentiert es sich in Pratinas’ ‘Hyporchema’ (inc. F 3), das Athenaios als Beispiel dafür zitiert, dass die Professionalisierung der Darbietungen ‘in den Orchestren’ empörte Reaktionen hervorgerufen habe:120 ἐµὸς ἐµὸς ὁ Βρόµιος – ‘Mein, mein ist ‘der Lärmende’!’, reklamieren die Satyrn da, ἐµὲ δεῖ κελαδεῖν, ἐµὲ δεῖ παταγεῖν – ‘ich muss lärmen/laut singen, ich muss rasseln’ (2)!121 112 E. Ion 92-93: Δ∆ελφίς, ἀείδουσ’ Ἕλλησι βοάς, / ἃς ἂν Ἀπόλλων κελαδήσῃ; E. HF 792: εὐγαθεῖ κελάδῳ (Klang eines Chors von Nymphen). Cf. E. Ba. 578-579: τίς ὅδε, τίς πόθεν ὁ κέλαδος / ἀνά µ’ ἐκάλεσεν Εὐίου; (Euios/Dionysos). 113 Ar. Th. 44: κυµά τε πόντου µὴ κελαδείτω; Nu. 283-284: καὶ ποταµῶν ζαθέων κελαδήµατα / καὶ πόντον κελάδοντα βαρύβροµον. 114 E. Ph. 213. 115 Vide supra. 116 E.g. die krotala, die im Kult des Dionysos zum Einsatz kommen: E. Hel. 1308-1309 (κρόταλα δὲ βρόµια διαπρύσιον / ἱέντα κέλαδον ἀνεβόα); lyra: E. IT 1129 (κέλαδον ἑπτατόνου λύρας); tympanon: Opp. C. 3.283 (τύµπανον εὐκέλαδον). 117 E. El. 716-717: λωτὸς δὲ φθόγγον κελάδει / κάλλιστον, Μουσᾶν θεράπων; trag. adesp. F 629.5: ⏔]ης αὐλὸς ˈ κελαδεῖ Φρύγι̣[ος ˈ; cf. E. Ba. 160: λωτὸς … εὐκέλαδος; Nonn. D. 11.124: εὐκελάδων θρόον αὐλῶν. 118 Ar. Pax 799-801: … ὅταν ἠρινὰ µὲν / φωνῇ χελιδὼν / ἡδοµένη κελαδῇ. Bei dieser Stelle handelt es sich Schol. vet. Ar. Pax 800 zufolge um eine Anleihe bei Stesichoros (sc. Stesich. Oresteia F 211 PMGF: 〈– ⏖ –〉 ὅκα ἦρος / ὥρα κελαδῇ χελιδών; entspricht F 34 PMG). 119 Den hier genannten Stellen für κέλαδος im Satyrspiel ist möglicherweise S. Ichn. 318 (sc. ]λάδος) hinzuzufügen (so vorgeschlagen von Schenkl 1913, 155, trotz des Akzents). 120 Ath. 14.617b; cf. zum ‘Hyporchema’ auch Kap. 6. 121 Κέλαδος und πάταγος sind nach Melero 1991a, 86 termini technici der Kultsprache, mindestens aus der Warte der Satyrn verstanden: “… es una terminología técnica con la que se designa la música y la danza que los sátiros consideran específicas del culto dionisíaco …”; nahezu identisch Melero 1991b, 183-184. – Während κέλαδος ursprünglich Lärm zu bezeichnen scheint, der durch die menschliche Stimme erzeugt wird, bezeichnet πάταγος so gut wie nie die menschliche Stimme, sondern den Lärm, der durch das Zusammenschlagen von Dingen verursacht wird, von fallenden Bäumen, klappernden Zähnen, in Epos und Tragödie auch vom Donner; παταγέω heisst ‘πάταγος produzieren’ und kann bisweilen auch das Schreien bestimmter Vögel bezeichnen (Arist. HA 632b berichtet vom κόττυφος, der Schwarzdrossel/Amsel, sie singe im Frühling, ἐν µὲν γὰρ τῷ θέρει ᾄδει, im Winter aber mache sie einen spezifischen Lärm, τοῦ δὲ χειµῶνος παταγεῖ καὶ φθέγγεται θορυβῶδες). Cf. Chantraine s.v. πάταγος. Die Aristoteles-Stelle ist wiederum interessant im Zusammenhang mit Pratin. inc. F 3.3, wo der Chor den eigenen Gesang mit der Stimme zwar nicht einer Schwarzdrossel, aber doch eines anderen Vogels, des Schwans, vergleicht: οἷά τε κύκνoν ἄγοντα … µέλος. – Es ist nicht ausgeschlossen,

182

Tragödienreflexion

Im Lichte dieser Stelle, so ein erstes Zwischenergebnis, ist die Angabe des Silen in Cyc. 5-9 vielleicht nicht ganz so aus der Luft gegriffen, wie es sich zunächst präsentiert hat. Wohl hat er nicht den Giganten niedergestreckt – ist er aber vielleicht doch in Besitz von dessen κέλαδος gelangt?122 Ein Auswuchs unbewusster Witz- oder Traumarbeit also? Das fragt sich der Silen in einfacheren Worten nämlich selbst: φέρ’ ἴδω, τοῦτ’ ἰδὼν ὄναρ λέγω; Aber lass uns nachsehen: Habe ich etwa nur geträumt, was ich da erzähle? (E. Cyc. 8)

Der Silen verwirft den Gedanken aber sogleich, weil es ja Evidenzmaterial gegeben habe: οὐ µὰ Δ∆ί’, ἐπεὶ καὶ σκῦλ’ ἔδειξα Βακχίῳ Nein, beim Zeus, wo ich dem Bakchios die Beute doch vorgeführt habe! (E. Cyc. 9)

Diese σκῦλα, so es sich dabei, wie ich vermute, um Enkelados’ κέλαδος handelt, könnte der Silen dem Bakchios sehr wohl vorführen – in derselben Weise wie die Satyrn, die Pratinas’ Tanzlied aufführen: ἢν ἰδού· ἅδε σοι δεξιᾶς καὶ ποδὸς διαρριφά – ‘Schau her! So wirft man Hand und Fuss hin und her, dir zu Ehren’, θριαµβοδιθύραµβε, κισσόχαιτ’ ἄναξ – ‘Thriambodithyrambos, efeubekränzter Herr’ (inc. F 3.15-16)! Mit diesem deiktischen Gestus geht im ‘Hyporchema’ der Wechsel von der dritten Person123 in die Apostrophe einher, der offenbar von der Vorstellung zeugt, dass der Chor durch seine performance die Präsenz des Gottes bewirke.124 Der Chor bleibt danach bei der direkten Anrede und endet mit der Aufforderung an den Herrn, zuzuhören, ihm zuzuhören: 〈ἄκου’〉 ἄκουε τὰν ἐµὰν Δ∆ώριον χορείαν – ‘vernimm, vernimm mein dorisches

dass in der zweiten antistrophos des 2. Stasimons von Euripides’ Herakles ein direkter Bezug zu Pratinas’ ‘Hyporchema’ vorliegt: παιᾶνας δ’ ἐπὶ σοῖς µελάθροις / κύκνος ὣς γέρων ἀοιδὸς / πολιᾶν ἐκ γενύων / κελαδήσω (E. HF 691-694). 122 Ähnlich argumentiert Melero 1984, 163-164. 123 Pratin. inc. F 3.2: ἐµὸς ἐµὸς ὁ Βρόµιος. 124 Analog der Wechsel von der dritten Person in die Apostrophe in der Epodos des Einzugslieds in Euripides’ Kyklops: οὐ τάδε Βρόµιος (63) … ὦ φίλος ὦ φίλε Βακχεῖε / ποῖ οἰοπολεῖς / ξανθὰν χαίταν σείεις; (73-75); zur textkrit. Problematik dieser Verse: p. 159 n. 14. Zum Präsent-Machen des Gottes durch den Tanz: p. 167 mit n. 41, p. 227, 233.

Der Chor der Satyrn

183

Tanzlied’ (17). Es steht zu vermuten, dass Bromios nach dem Lärm benannt ist, mit dem ihn seine Kultgemeinde präsent macht.125 Man ist längst auf die Ringkomposition des ‘Hyporchema’ aufmerksam geworden: Es finden sich die Begriffe χορεύµατα im Eröffnungs-, χορεία im Schlussvers sowie, genau in der Liedmitte126, χορευέτω (5); bemerkenswert ist aber auch eine zweite Korrespondenz: die chiastische Stellung von θόρυβος, dem Lärm der Flöte und der dazu aufgeführten Tänze und gesungenen Lieder (1), und χορείαν, dem eigenen Tanzlied (17). Diese Anordnung suggeriert, dass in diesem Lied eine Lärmart durch eine andere ersetzt oder verdrängt wird. Und diese zweite Lärmquelle, der Chor der Satyrn, formuliert sein Vorrecht aufs Lärmen nicht nur lautstark und in der satyrspieltypischen ‘Rhetorik der Empörung’127, sondern auch darüber hinaus rhetorisch geschickt: Über das Verb παταγεῖν (ἐµὲ δεῖ κελαδεῖν, ἐµὲ δεῖ παταγεῖν, 2), das hier vermutlich einen durch stampfende, hüpfende, tanzende Füsse erzeugten Lärm bezeichnet, wird auf verbaler Ebene eine Verbindung zwischen den Satyrn und der θυµέλη (dem Dionysosaltar im Theater)128 hergestellt, die mit dem Adjektiv πολύπαταξ versehen ist (πολυπάταγα θυµέλην, 1). Das Primat im Dionysoskult, das die Satyrn hier für sich beanspruchen, findet hier zu einem starken Bild und wird sprachlich und bühnenarchitektonisch verankert. Inwiefern es sich bei κελαδεῖν und παταγεῖν um termini technici der dionysischen Kultsprache handelt – oder sie auch nur von Euripides zu solchen stilisiert werden –, lässt sich schwer sagen. Ein Indiz ist die in den KyklopsEditionen selten berücksichtigte handschriftliche Lesart ἐκπάταξον (L) in Vers 152,129 mit dem der Silen Odysseus offensichtlich dazu auffordert, ihm Wein einzuschenken. Alternativ wurden die Lesarten ἐκκάναξον,130 ἐγκάναξον,131 ἐκ125

Vide supra p. 179 mit n. 106 zur Herleitung des Namens ‘Bromios’ von βρέµω. Χορευέτω ist das 46. von 92 Wörtern: Schloemann in KPS 86 n. 31. 127 Dazu infra Kap. 6.2, p. 225-226, 227, 230. 128 Die θυµέλη, in ihrer genauen Bedeutung bereits in der Antike umstritten, war vermutlich eine Art Tisch, der als Altar verwendet werden konnte, wenn das dramatische Spiel es erforderte (εἴτε βῆµά τι οὖσα εἴτε βωµός – ‘ein Podium oder ein Altar’ [Poll. 4.123]). Cf. zur Problematik des Begriffs und zu weiteren Stellen Burkert 1966, 101 n. 32; zur θυµέλη ferner Gow 1912; Vernant 1981/1986, 18, 20; Rehm 1988, 264-274, bes. 270271; Poe 1989; Burkert 1990, 19-20. – Vielleicht wird in mit E. Cyc. 346 (βωµός) auf die θυµέλη gedeutet. 129 Verteidigt und/oder beibehalten wurde die MSS.-Lesart bei Bothe [non vidi, cit. ap. Schmid 1896, 50]; Paley 1860; Knapp 1896; Murray 1901; Duchemin 1945; Ussher 1978 (dessen Text auf Murray 1901 basiert); Ebener 1980; Biehl 1983; 1986a; Paduano 2005. – Vorkommnis von ἐκπατάσσειν: Od. 18.327; ferner AP 9.309 (Antip. Thess.); cf. Hsch. ε 3721 s.v. ἐξεπατάχθη· ἐξεπλάγη. 130 Musgrave 1778; übernommen von Duncan/Duncan 1819; Paganelli 1981a. Cf. Eup. F 292 K./A. (τὴν δ’ αὐτὸς ἐκκανάξει) aus Poll. 10.86, der ἐκκανάξαι mit ἐκκενῶσαι ἢ ἐκπιεῖν paraphrasiert. Cf. Hsch. ε 1423 s.v. ἐκκανάξειν· ἐκκενώσειν, ἀπὸ τοῦ κανοῦ. 126

184

Tragödienreflexion

πάλαξον,132 ἐκλάταξον133 gesetzt; doch sind all diese Lesarten entweder gar nicht oder ebenso spärlich belegt wie ἐκπάταξον. Vielleicht ist ἐκπατάσσειν in der esoterischen Sprache des Symposions ein Synonym von ἐκχέειν (‘Ausgiessen’):134 ἐκπατάσσειν dürfte das Geräusch bezeichnen, das beim Ausgiessen entsteht.135 Doch wenden wir uns wieder dem Anspruch des Silen zu, ausgerechnet den Giganten bezwungen zu haben, der dem Namen nach ‘den κέλαδος hat’, den anderen in Frage stehenden ‘esoterischen’ Begriff also. Über die Beteiligung der Satyrn/Silene an der Gigantomachie wissen wir primär aus der Ikonographie Bescheid. Eine Reihe schwarz- und rotfiguriger Darstellungen spätarchaischer und frühklassischer Zeit zeigt leichtbewaffnete Satyrn an der Seite des Dionysos; ein weiteres Motiv ist das des Satyrn, der zur Gigantomachie fährt, und dessen Wagen von zwei Satyrn (statt Pferden oder Eseln) gezogen wird.136 Da ein auffällig grosser Anteil der Gigantomachiebilder mit Satyrn Theatersatyrn zeigt,137 hat man schon früh mit einem Gigantomachie-Satyrspiel gerechnet, auf das sich der Silen im Prolog des Kyklops beziehe.138 Von einem solchen Satyrspiel fehlt jedoch bislang jegliche schriftliche Evidenz. Nun gibt es eine einzige, wenn auch erst hellenistische schriftliche Darstellung der Beteiligung der Satyrn am Kampf gegen die Giganten, und zwar in den Katasterismoi des Eratosthenes von Kyrene: Im Sternbild des Καρκίνος, des ‘Krebses’, findet sich eine Subkonstellation, die den Namen Ὄνοι, ‘die Esel’, trägt. Sie wurde nach den Eseln benannt, die Dionysos verstirnte, nachdem sie ihm zum Sieg über die Giganten verholfen hatten:

θορυβήσειν; Phot. ε 388 s.v. ἐκκανάξαι· ἐκκενῶσαι. Ἐκκανάξει korrigiert Blaydes 1896, 45 mit Hinweis auf Ar. Eq. 105 (cf. folgende n.) zu ἐγκάναξον. Cf. für korruptes ἐκ- statt ἐγ- auch A. Ag. 322; S. OC 699. 131 Valckenaer; aufgenommen in die Edition von Duncan/Duncan 1821 [cit. ap. Paganelli 1981a, 15]; übernommen bereits von Pierson 1752 [cit. ap. Diggle 1984]; Wecklein 1903; Méridier 1925; Diggle 1984. – Cf. Ar. Eq. 105-106: Ἴθι νυν, ἄκρατον ἐγκάναξόν µοι πολὺν / σπονδήν; Alciphr. 2.34.3. 132 So vorgeschlagen von Schmid 1896, 50. 133 Knapp 1896. Λατάσσειν bedeutet ‘die Kottabosspende schleudern’ (λάταγα ἀφιέναι); ἐκλατάσσειν wäre wie ἐκπαλάσσειν (Schmid 1896) ein hapax, was aber angesichts der vielen hapax legomena im Satyrspiel kein Ausschlusskriterium sein muss (cf. Kap. 1.2: Modalitäten der Komposition; Sprache, Lexikon). Cf. infra Studien II s.v. Kottabosspiel. 134 Seaford 1984 ad loc. 135 Biehl 1986 ad loc. 136 Zum Motiv von Satyrn, die an Esel oder Pferdes Statt Wagen ziehen, e.g. Simon 1997a, 1122 Nr. 1325*. Zur Assoziation von Satyrn/Silenen und Eseln cf. infra Studien II s.v. Tiere. 137 Vide supra p. 165 mit n. 33. 138 E.g. Buschor 1943/1945, 89.

Der Chor der Satyrn

185

ὅτε ἐπὶ Γίγαντας ἐστρατεύοντο οἱ θεοί, λέγεται Δ∆ιόνυσον καὶ Ἥφαιστον καὶ Σατύρους ἐπὶ ὄνων πορεύεσθαι· οὔπω δὲ ἑωραµένων αὐτοῖς τῶν Γιγάντων πλησίον ὄντες ὠγκήθησαν οἱ ὄνοι, οἱ δὲ Γίγαντες ἀκούσαντες τῆς φωνῆς ἔφυγον· διὸ ἐτιµήθησαν ἐν τῷ Καρκίνῳ εἶναι ἐπὶ δυσµάς. Als die Götter gegen die Giganten zu Felde zogen, sollen Dionysos, Hephaistos und die Satyrn auf Eseln geritten sein. Obwohl die Giganten von ihnen noch nicht gesehen wurden, brüllten die Esel, da sie schon nahe bei ihnen waren, “I-A”, und die Giganten ergriffen, als sie dieses Brüllen hörten, die Flucht. Deshalb erhielten die Esel einen Ehrenplatz im westlichen Teil des Krebses. (Eratosth. Cat. 11)139

Diesem einzigen schriftlichen Zeugnis für die kriegerische Begegnung der Satyrn mit den Giganten ist also zu entnehmen, dass ein grosser Lärm die Giganten in die Flucht geschlagen hat. Dionysos’ Mitwirkung ist dabei ebenso passiv wie in der Schilderung des Silen im Kyklops: Den Sieg über die Söhne der Erde erringt seine Entourage oder vielmehr der Lärm, den sei produziert.140 Dass die Satyrn ihre Gegner grundsätzlich mit Lärm oder vielmehr mit (noch lauterem) ‘Gegen-Lärm’ zu bezwingen pflegen, geht auch aus einer anderen Stelle im Kyklops hervor:141 Als es darum ginge, am glühenden Pfahl mitanzupacken, der dem Kyklopen ins Auge gerammt werden soll, ziehen sich die Satyrn, die sich eben noch in heroische Posen geworfen hatten, zurück, und bieten stattdessen an, ein orphisches Zauberlied zu singen.142 Das Lied sei so wirksam, dass es den Pfahl von alleine in das Auge des Erdensohns fahren lasse (E. Cyc. 646-648). Die Anmassung des Silen im Kyklops, Enkelados bezwungen zu haben, ist damit aber noch nicht in ihrer ganzen Vielschichtigkeit dargelegt. Zunächst 139

Text nach der Epitome (Edition von Pàmias 2004a; deutsche Übersetzung nach K. Geus in Pàmias/Geus 2007). 140 Interessanterweise ist der einzige Satyr, der in den Katasterismoi jenseits der Gigantomachie erwähnt wird, wiederum von viel Lärm umgeben (den er auch selber produziert): Katasterismos 28 handelt vom Satyrn mit dem sprechenden Namen ‘Krotos’, der das Beifall-Spenden (mittels Händeklatschen oder Stampfen der Füsse) erfunden hat; cf. infra p. 192-193. 141 Neben der Bezwingung des θόρυβος durch das eigene Tanzlied bei Pratinas im ‘Hyporchema’ und derjenigen der Giganten, deren Anführer ‘der des Lärms habhafte’, Enkelados, ist (E. Cyc. 5-9; Eratosth. Cat. 11), ist an Sophokles’ Ichneutai zu erinnern, wo ein unbekannter Lärm die Satyrn zunächst in eine Art Totenstarre verfallen lässt (vor V. 124; cf. 138-139, 142-145, 157, 159-161), ehe sie Mut fassen und beschliessen, den Boden mit schnellem Springen und Stampfen erdonnern zu lassen (217-220; Text und Übersetzung infra n. 180). – Zur ‘Akustik’ der Ichneutai: infra Studien I, Sophokles, Ichneutai, § Kommentar. 142 Cf. infra p. 215, 335, 346 n. 66, 362 n. 41.

186

Tragödienreflexion

scheint eine weitere Pointe darin zu bestehen, dass der Silen, während er von seiner Heldentat berichtet, am Fusse des Ätna, auf sizilischem Boden steht.143 Sizilien ist nämlich die Insel, welche die reguläre Bezwingerin des Enkelados, Athene, einer Tradition zufolge auf den Riesen geworfen hat.144 Der Silen prahlt im Kyklops-Prolog also damit, dass er buchstäblich über Enkelados stehe. Schildbürger-Streiche Es scheint aber, dass der Silen im Prolog des Kyklops noch ein weiteres Verdienst der Athene für sich in Anspruch nimmt: die mit ihrer Bezwingung des Enkelados assoziierte Erfindung des Waffentanzes pyrrhiche. Die Varianten von Ursprungslegenden und protoi heuretai der pyrrhiche sind zahlreich,145 ein lokalpatriotischer athenischer Strang aber assoziiert die Göttin nicht einfach mit dem Tanz, sondern lässt Athenes Beteiligung an der Gigantomachie mit der Erfindung der pyrrhiche zusammenfliessen:146 Ihr Name Παλλάς wird dabei mit dem ‘Schwingen’, πάλλειν, des Schildes im Kampf mit Enkelados erklärt.147 Ein 143

Zur auffällig betonten Lokalisation des Kyklops auf Sizilien: infra p. 332 mit n. 13. Gesichert ist der Wurf von Sizilien auf Enkelados erst bei Kallimachos, bekannter ist die Version, wonach Typhon/Typhoeus unter Sizilien zu liegen kommt. Euripides dürfte aber bereits mit der Enkelados-Variante vertraut sein, er scheint auch im Herakles (907909) darauf anzuspielen (“clearly” nach Bond 1981 ad HF 907; zurückhaltender Vian 1952, 201-202). – Athene-Sizilien/Ätna-Enkelados-Komplex: Call. Aet. F 1.36 Pf. (P.Oxy. 2079 fr. 1, 36): τριγ⌋λ̣ώ⌊̣ χι⌋ν̣ ὀλ⌊οῷ⌋ νῆσος ἐπ’ Ἐγκελάδῳ und das Zitat dieses Verses in Schol. vet. Pi. O. 4.11c, p. 132 Drachmann; Call. Aet. F 40 Pf. (≅ 44 Asper) zur Identifikation der Insel mit Sizilien. Cf. ferner Call. Del. 141-142; Dian. 46-61. Q.S. 14.582-585 (cf. auch Q.S. 5.641-643, jedoch mit Zeus an Athenes Statt); Verg. A. 3.578582; Lucan. 6.293-295; Stat. Theb. 3.594-595, 11.8, 12.275; Opp. C. 1.273-275. Enkelados erscheint als Gigant, der sich unter dem Ätna wälzt, auch bei Claudius Claudianus, e.g. rapt. Pros. 2.258-161, 3.124; carm. min. 17.31-34. – Typhon: [A.] Pr. 351-356; Pi. O. 4.6-7; Pi. P. 1.16-17; Ov. Met. 5.346-348; Sil. 14.196; V. Fl. 2.24; Philostr. Im. 2.17.5 (Typhon unter dem Ätna, Enkelados in Italien, i.e. unter dem Vesuv). Lyc. Alexandra 688 erwähnt eine Insel – Pithekussai (cf. Hurst 2008, 203 ad loc.) –, die auf den Rücken der Giganten niedergefallen sei, nennt aber nur Typhon (689), nicht die den Inselwurf verantwortende Instanz. – Enkelados oder Typhon: Favorin. F 96.9 Z. 24 Barigazzi. Auch Kallimachos scheinen beide Varianten geläufig zu sein: τυφοµένοιο in Del. 141 ist m.E. ein Namens-Wortspiel, ähnlich der figura etymologica bei Flavius Philostratus in der Vita Apollonii (5.14: … Τυφῶ … τύφει …). – Enkelados und Typhon: Philostr. VA 5.16; gemäss Apollod. 1.37 kommt nach Enkelados auch Typhon unter Sizilien zu liegen; in seinem Fall ist es aber Zeus, nicht Pallas Athene, der den Ätna, nicht die ganze Insel, auf ihn wirft (Apollod. 1.44). 145 Grundlegend zur pyrrhiche: Ceccarelli 1998. 146 Ceccarelli 1998, 27-29 mit n. 14, 30 mit n. 15, et passim. 147 Der Zusammenhang klingt bei Platon im Rahmen der Diskussion von Waffentänzen in den Nomoi an (Pl. Lg. 7.796b). Im Kratylos wird der Name ‘Pallas’ im Kontext bewaffneten Tanzens auf πάλλειν zurückgeführt (Pl. Cra. 406d-407a). Cf. ferner die 144

Der Chor der Satyrn

187

Beispiel für das Spiel mit dieser Etymologie haben wir bereits in den obgenannten Versen aus der Gigantomachie-Szene in Euripides’ Ion gesehen (209-211, Tempelfriesbeschreibung), wo es von Pallas heisst, sie schwinge (πάλλουσαν, 210) ihren Schild auf Enkelados. Wir haben ausserdem festgestellt, dass sich der Silen in Cyc. 7-8 auf diese Tötungsart bezieht und damit die traditionelle Rolle der Athene usurpiert. Er tut dies mit einer für ihn typischen komischen Verdrehung: Er hat Enkelados nicht wie Pallas mit dem Schild erschlagen, sondern ihn mit dem Speer ‘mitten auf den Schild getroffen’. Bemerkenswert ist nun aber die angebliche Bewaffnung des Silen: Er ist mit einem Speer (δορί, Cyc. 7) zugange und erklärt sich zum ἐνδέξιος παρασπιστής (6), dem ‘Schildträger zur Rechten’ des Bromios (1) in der Gigantomachie.148 Den Gott bezeichnet er dabei mit der auf den Tanz deutenden Synekdoche σῷ ποδί.149 Die Bezeichnung der Satyrn, welche die sikinnis tanzend einziehen (37), als συνασπίζοντες150 des Gottes zum Ende des Prologs (39) verbindet abermals den Tanz mit der Bewaffnung der Thiasoten. Die Frage nach einem Zusammenhang ihres Tanzes mit dem Waffentanz, der pyrrhiche, drängt sich auf, zumal eine Verbindung zwischen den beiden Tänzen in der späteren Literatur verschiedentlich belegt ist.151 In Lukians Dialogus Deorum 13, einem weiteren Text, der den Namen der Παλλάς mit πάλλειν in Verbindung bringt, treffen eine Reihe von Begriffen aufeinander, die für die Interpretation der Anmassung des Silen relevant sind. Hier heisst es von Pallas, die eben aus Zeus’ Haupt geboren worden ist: ἡ δὲ πηδᾷ καὶ πυρριχίζει καὶ τὴν ἀσπίδα τινάσσει καὶ τὸ δόρυ πάλλει. Sie springt und tanzt die pyrrhiche und schüttelt den Schild und schwingt den Speer. (Luc. DDeor. 13.225-226 MacLeod)

komische Bezugnahme auf die Etymologie in Ar. Ach. 964-965, wo es über Lamachos heisst: Ὁ δεινός, ὁ ταλαύρινος, ὃς τὴν Γοργόνα / πάλλει …; ferner Hermipp. Athenas gonai F 2 K./A. 148 Vide supra p. 166. 149 Cf. infra Kap. 5.1.9, § Termini technici der Tanzkunst, p. 198-199. 150 I.e. mit einem Synonym von συνασπισταί, ‘Schildgesellen’. 151 E.g. Ath. 14.630d; Eust. Il. 16.608-629; cf. seinen Kommentar zu Il. 16.616, 616-618, 623-625, 617 (3, p. 904-907 van der Valk). Zur Verbindung der beiden Tänze bei Dionysios von Halikarnassos im Rahmen der Coriolanus Erzählung in den Antiquitates Romanae wenden wir uns im Folgenden zu. – Detaillierte Studien zu der Verbindung von pyrrhiche und sikinnis: Ceccarelli 1998, 213-215 und insbesondere das Kapitel “danse satyrique et pyrrhique” bei Voelke 2001, 149-157. Ceccarelli 1998 thematisiert den euripideischen Kyklops jedoch nicht in seinem hier vertretenen Bezug zur pyrrhiche. Zu einer Gegenüberstellung von sikinnis und pyrrhiche: infra p. 190-191.

188

Tragödienreflexion

Mit seiner Wortwahl παρασπιστής (Cyc. 6) und συνασπίζοντες (39) greift der Silen die ἀσπίς auf, δορί (7) entspricht δόρυ, und selbst wenn von σαυλούµενοι (40) kein Bezug zum Springen der Pallas (πηδᾷ) herstellbar ist,152 so gibt es doch genug Belege für die Gewohnheit der Satyrn, ebenso heftig zu springen: In Cyc. 221 charakterisiert Polyphem die ‘Tanzfiguren’ der Satyrn mit πηδᾶν (πηδῶντες ἀπολέσαιτ’ ἂν ὑπὸ τῶν σχηµάτων).153 Der Begriff δόρυ ist auffällig frequent im Prolog: Noch vor V. 7 bestimmt der Silen seinen Einsatz in der Schlacht: ἀµφὶ γηγενῆ µάχην δορός (5); weiter erscheint δόρυ (Akkusativ) in V. 15 und abermals Dativ δορί in V. 19. An den letzten beiden Stellen ist der Begriff, den einschlägigen Kommentaren zufolge, auf das Schiff bezogen, das der Silen zur Kyklopeninsel gelenkt haben will. Ein Blick über den Kyklops hinaus erbringt den Befund, dass der Speer, δόρυ, auch in anderen Satyrspielen häufig präsent ist: Den Anspruch auf µάχην δορός, den der Silen in Cyc. 4 erhebt, artikulieren die Satyrn auch im grotesken Katalog ihrer Tugenden im ‘Oineus-Satyrspiel’ (S. **F 1130.9-10): ἔστι µὲν τὰ πρὸς µάχην / δορός.154 Im Zuge seiner Scheltrede in den Ichneutai hält der Silen den Satyrn seine eigene einstmalige Exzellenz vor, auch hier beruft er sich auf den Ruhm, den er im Speerkampf erwirkt habe, den er diesmal allerdings mit einem anderen Begriff ausdrückt (α[ἰχ]µαῖσιν, S. Ichn. 157).155 Δ∆ορύ wiederum erscheint zweimal in unterschiedlichen Genitivformen in einem Fragment der Achilleos Erastai: ἢ δορὸς διχόστοµον πλᾶκτρον· δίπτυχοι γὰρ ὀδύναι µιν ἤρικον Ἀχιλληΐου δόρατος oder die zweischneidige Spitze des Speeres; ihn zerstörten nämlich die zweifachen Schmerzen von Achilleus’ Speer (S. Ach.Er. F 152).

Schliesslich ist an einen aus Scholien zu Aristophanes gewonnenen Vers von Achaios’ Momos zu denken, bei dem nicht nur der auch im Kyklops-Prolog zweifach erscheinende Dativ δορί, sondern auch der andere für die pyrrhiche zentrale Begriff, ἀσπίς, wiederum im Dativ erscheint: 152 Das Partizip σαυλούµενοι impliziert einen affektierten, femininen Hüftschwung, kein heftiges Springen: Voelke 2001, 102, 176 und Melero 1991a, 78. 153 Vide infra Kap. 5.1.9, § Termini technici der Tanzkunst. – Zur Bedeutung des Springens bei der pyrrhiche: Borthwick 1967. 154 Cf. p. 204. Daneben erscheint die Speerspitze, αἰχµή, als Wortbestandteil am nur noch schwer zugänglichen Beginn des Fragments: αἰχµαλ̣[ωτ (S. ‘Oin.’ **F 1130.2). 155 Vide infra Studien II s.v. Prahlerei, p. 423 mit n. 320.

Der Chor der Satyrn

189

Ἄρης ὁ λῃστὴς ξὺν δορὶ ξὺν ἀσπίδι Ares, der Räuber, mit Speer, mit Schild (Achae. Momos F 29).

Überliefert ist der Vers, weil seine zweite Hälfte zweimal bei Aristophanes, einmal im Frieden und einmal in den Wespen, zitiert wird (Ar. Pax 356 und V. 1081: ξὺν δορὶ ξὺν ἀσπίδι). Angesichts der Tendenz der Satyrn und des Silen, alles zu sexualisieren, liegt es auf der Hand, δόρυ für eine obszöne Metapher zu halten. Bestätigung findet dies unter anderem in einer unlängst veröffentlichten Studie zu Hermippos’ Moirai *F 47 K./A., wo der notorische ‘König der Satyrn’, Perikles, gefragt wird: βασιλεῦ σατύρων, τί ποτ’ οὐκ ἐθέλεις δόρυ βαστάζειν, ἀλλὰ λόγους µὲν περὶ τοῦ πολέµου δεινοὺς παρέχεις König der Satyrn, warum willst du nicht deinen Speer emporrichten, sondern hältst stattdessen schreckliche Reden über den Krieg? (Hermipp. Moirai *F 47.1-3 K./A.).156

Δ∆όρυ ist hier zum phallischen Symbol geworden.157 Ich schlage zweierlei vor: Erstens möchte ich Cyc. 5-9 als den lachhaften Versuch des Silen lesen, die Erfindung der pyrrhiche durch Athene im Kampf gegen Enkelados pari passu mit dessen Bezwingung für sich zu reklamieren. Der abrupte Wechsel von der Apostrophe an Bromios in den ersten acht Versen des Prologs (Cyc. 1-8) hin zur dritten Person bei Vers 9 könnte dabei von der ekneusis begleitet worden sein, der Kopfbewegung und Geste, die für die pyrrhiche charakteristisch ist. Stellen wir uns einmal vor, wie der Silen zunächst direkt die Dionysos-Statue anspricht, die sich im Theater befindet, um dann schnell sein Gesicht abzuwenden, wenn er sich, wohl in einem aside ans Publikum, selber fragen muss, ob er alles nur erträumt habe. Im Kommentar zu einer Alten Komödie, der mit P.Oxy. 2738 frag-

156

Zu diesem Fragment: Olson 2007, 190, 209-210. Jones 2011, 280-291, bes. 281. Ibid. 283 weist Jones zurecht auf die Analogie mit der Prahlerei des Silen über die Erfolge im Speerkampf in S. Ichn. 158 und notiert, dass die rechte Handhabung des δόρυ dabei ebenso wie im Moirai-Fragment in Opposition zum richtigen Einsatz von Worten (λόγοι) gebracht werde: Der verdiente Speerkämpfer Silen wirft den Satyrn in Ichn. 152 vor, sie seien ‘verlässlich nur mit Worten’ (π̣ι̣σ̣τ̣οὶ λόγοισιν ὄντες). – In obszönem Sinne fasst δόρυ und die entsprechende Passage der Ichneutai auch OKell 2003, 389 auf. Für eine (homo)erotische Lektüre von S. Ach.Er. F 152: Voelke 2001, 252 und Fantuzzi (vide infra p. 385 mit n. 139). 157

190

Tragödienreflexion

mentarisch erhalten ist,158 wird eine solche Drehung des Kopfes (ἀποκλίν[ων] [τ]ῆι κεφαλῆι) als θε[ο]ῦ σχῆµα, als eine ‘Tanzfigur der (pyrrhiche-tanzenden) Göttin (sc. Athene)’ bezeichnet (col. ii.13-14).159 Ist meine Interpretation korrekt und usurpiert der Silen an dieser Stelle nicht nur Enkelados’ κέλαδος, sondern darüber hinaus auch Athenes Rolle als Pyrrhichistin und Erfinderin des Tanzes, so entspräche dies einer Vorstellung, welche die Gattung Satyrspiel durchzieht: Die Vorstellung vom Primat des Silen und der Satyrn im Tanz für und um eine Gottheit.160 Bleibt der zweite Interpretationsvorschlag: Die pyrrhiche, die der Silen im Kyklops nachempfindet, und wahrscheinlich auch der Einzug der sikinnis tanzenden Satyrn, ist eine stark sexualisierte, obszöne und parodische Form dieses Tanzes. Während zum Beispiel Dionysios von Halikarnassos die sikinnis explizit zur Parodie der ernsthaften pyrrhiche erklärt,161 könnte man auch an eine

158

Ed. Lobel in POxy XXXV, 1968, 46-47. Cf. dazu Borthwick 1970; Ceccarelli 1998, 29-30. 159 Cf. zur Bedeutung von ἀποκλίνω die bei Borthwick 1970, 320 n. 5 genannten Literaturhinweise und Stellen; zur Tanzbewegung und ihren möglichen Bedeutungen, denen hier im einzelnen nicht nachgegangen werden kann, ibid. 320-323; dazu auch Voelke 2001, 155. 160 Vide supra p. 183. Die Vorstellung von Satyrn/Silenen als Erfindern von Tänzen – zwar nicht der pyrrhiche, aber jener seit der Antike als die drei dramatischen Tänze schlechthin gehandelten emmeleia, kordax und sikinnis (dazu infra p. 200-201) –, findet sich auch in Lukians dialogischem Traktat Über den Tanz: Τὰ µὲν γὰρ Δ∆ιονυσιακὰ καὶ Βακχικὰ οἶµαί σε µὴ περιµένειν ἐµοῦ ἀκοῦσαι, ὅτι ὄρχησις ἐκεῖνα πάντα ἦν. τριῶν γοῦν οὐσῶν τῶν γενικωτάτων ὀρχήσεων, κόρδακος καὶ σικιννίδος καὶ ἐµµελείας, οἱ Δ∆ιονύσου θεράποντες οἱ Σάτυροι ταύτας ἐφευρόντες ἀφ’ αὑτῶν ἑκάστην ὠνόµασαν, καὶ ταύτῃ τῇ τέχνῃ χρώµενος ὁ Δ∆ιόνυσος, φασίν, Τυρρηνοὺς καὶ Ἰνδοὺς καὶ Λυδοὺς ἐχειρώσατο καὶ φῦλον οὕτω µάχιµον τοῖς αὑτοῦ θιάσοις κατωρχήσατο (Luc. Salt. 22). 161 Innerhalb der Beschreibung einer Prozession spricht Dionysios zunächst von Chören von Männern, die kriegerische Bewegungen aufführen; dabei handle es sich um eine althergebrachte Institution der Griechen: um den Waffentanz pyrrhiche. Dieser sei von Athene eingeführt worden, die ihre Freude über die Bezwingung der Titanen (sc. Giganten) damit bekundete, dass sie Chöre in Waffen tanzen liess, oder, früher noch, von den Kureten, die Zeus grosszogen und beim Beaufsichtigen des Kleinkinds mit ihren Waffen rasselten (7.72.7). Um das hohe Alter des Tanzes nachzuweisen, wartet Dionysios mit nichts Geringerem als mit der Schildbeschreibung der Ilias auf, unter deren Chorschilderungen sich Hinweise auf die Bewaffnung der Tanzenden finden. Nun gebe es aber nicht nur diese ernsthaften Chöre, sondern auch solche, die einen anderen Tanz, der spottender und höhnender Art sei (ἀλλὰ καὶ ἐκ τῆς κερτόµου καὶ τωθαστικῆς, 7.72.10): auf die bewaffneten Tänzer nämlich folgten in der Prozession Choreuten, die als Satyrn und Silene verkleidet den griechischen Tanz sikinnis aufführen. Dabei verspotteten sie die ernsten Bewegungen der voranziehenden Tänzer der pyrrhiche, äfften sie nach und verkehrten sie ins Lachhaft(er)e: οὗτοι κατέσκωπτόν τε καὶ κατεµιµοῦντο τὰς σπουδαίας

Der Chor der Satyrn

191

dionysisch-sexualisierte pyrrhiche im Stile jener Darstellungen von Satyrn denken, die mit Phallos-Speer bewaffnet in die Gigantomachie marschieren.162 Mit Pauken und Trompeten Auch Instrumente spielen in diesem akustischen Kunstwerk eine bedeutende Rolle.163 Während die Dominanz der Flöte, nicht ihr grundsätzliches Vorhandensein, im ‘Hyporchema’ angeprangert und in den Bereich des Komos verwiesen wird, bedauert der Chor im Kyklops die Absenz der ‘Schläge der Tympana’ (οὐ τυµπάνων ἀλαλαγµοί, 65); und wenig vorher sieht sich der Silen beim Einzug des Chores an den festlichen Zug zu Althaia erinnert, als sich die Satyrn ἀοιδαῖς βαρβίτων – ‘im Klang der grossen Leiern’ (40) wiegten.164 Als Polyphem auftritt, wettert er gegen die bakchische Aufregung, die er vorfindet, und erkärt, hier gebe es ‘keine ehernen Kastagnetten und keine Paukenschläge’: οὐ κρόταλα χαλκοῦ τυµπάνων τ’ ἀράγµατα (205). Das κρόταλον, die im Tragikerkorpus sonst ausschliesslich im Kontext von (dionysischen) Kultfeiern vorkommen,165 findet im Kyklops ein weiteres Mal Erwähnung, wenn nämlich der Silen Odysseus als ein κρόταλον δριµύ betitelt (Cyc. 104).166 κινήσεις ἐπὶ τὰ γελοιότερα µεταφέροντες (7.72.10-11). Dionysios begreift die sikinnis also als einen Tanz, der die ernsthafte pyrrhiche ins Komische verkehrt. 162 Lissarrague 1987; 1990b. 163 Detailliert zu den Instrumenten im Satyrspiel: Voelke 2001, 97-103 (barbitos), 103107 (krotala), 107-111 (tympanon), 111-125 (aulos), 125-126 (syrinx), 127-129 (lyra). 164 Dass der barbitos in den Bereich des komos gehört, geht auch aus Admetos’ Gelöbnis in der euripideischen Alkestis hervor, fortan von komos und anderen Vergnüglichkeiten abzulassen: παύσω δὲ κώµους συµποτῶν θ’ ὁµιλίας / στεφάνους τε µοῦσάν θ’ ἣ κατεῖχ’ ἐµοὺς δόµους. / οὐ γάρ ποτ’ οὔτ’ ἂν βαρβίτου θίγοιµ’ ἔτι / οὔτ’ ἂν φρέν’ ἐξάραιµι πρὸς Λίβυν λακεῖν / αὐλόν (E. Alc. 343-347). – Cf. zum barbitos (nach Schol. E. Alc. 345 und Hsch. β 211 s.v. βάρβιτος eine Art κιθάρα oder eine Lyra) neben Voelke 2001 (vide supra) auch Wegner 1949, 42-45; Maas/McIntosh Snyder 1989, 113-138; West 1992, 57-59. 165 Cf. E. Hel. 1308; trag. adesp. F 629.8; ferner auch die κρόταλα spielende weibliche Figur, von der in E. Hyps. F 769 die Rede ist (τῆς κροταλισάσης). Ordnet man F 769 in die stark dionysisch gefärbte Ambiance ein, von der einige Fragmente des Stücks zeugen (und die sich mit der Rolle des Dionysos im Hypsipyle-Mythos erklären lässt), so liegt hier ein weiterer Beleg für den Einsatz von κρόταλα im dionysischen Bereich vor; cf. auch F 752f.8: ἰδοὺ κτύπος ὅδε κροτάλων (aus metrischen Gründen wurde diese klassische Schreibung von Maas 1914/1973 zu κορτάλων verbessert; Kannicht druckt die korrigierte Form). Cf. auch die Lesart κρότος ὅδε κροτάλων, die Page für die Stelle vorschlägt (F 12.23 PMG in seiner Notation). Zur dionysischen Dimension der Hypsipyle cf. e.g. auch F 752. 166 Als Übersetzung vorgeschlagen worden sind: “Schreihals, pfiffige[(r) Spross des Sisyphos]” (Hartung 1852); “a regular rattle-trap” (Patterson 1898, 360); “une castagnette retentissente” (Masqueray 1902, 175 n. 2); “quel bindolo” (Romagnoli 1911); “ein höchst

192

Tragödienreflexion

Krotalon und krotos Dass die Metapher, derer sich der Silen hier bedient, der dionysisch-kultischen Sphäre entlehnt ist, begründet ihre Wahl hinlänglich. Das κρόταλον passt aber auch davon abgesehen gut zum geschwätzigen Odysseus (cf. λαλίστατος, Cyc. 315).167 Der Begriff des κρόταλον leitet sich von κρότος her, in der Grundbedeutung ein klangvoller Schlag, der mit den Händen (beim Klatschen), den Füssen (beim Tanzen), mit Hufen, Rudern, oder mit Schlägen auf Gegenstände aus Metall erzeugt werden kann.168 Κρότος und das korrespondierende Verb κροτέω sind im Tragikerkorpus selten belegt, aber doch oft genug, um eine Auffälligkeit preiszugeben: Sie gehören in der Tragödie in die Sphäre des Tanzens. In den Bakchen will Kadmos in seiner Begeisterung ‘Tag und Nacht unermüdlich mit dem Thyrsos die Erde schlagen’ (ὡς οὐ κάµοιµ’ ἂν οὔτε νύκτ’ οὔθ’ ἡµέραν / θύρσῳ κροτῶν γῆν …, E. Ba. 187-188). Ansonsten ist κρότος der Lärm, den tanzende Füsse erzeugen.169 Das gilt auch für das Satyrspiel: Als der Silen im Kyklops den Einzug des Chores bemerkt, sieht er sich an den κρότος σικινίδων (37) erinnert, der ertönte, als sich der Thiasos zum Haus der Althaia begab.170 In diesem Zusammenhang ist weiter an jenen Krotos zu erinnern, der als Τοξότης, ‘Schütze’, an den Himmel versetzt worden sein soll. In den Sternsagen geriebner Kujon” (Wilamowitz 51919a, 29); “quel chiacchierone”, alternativ: “quel buratto, che t’entra nel cervello” oder: “un chiacchierone forte” (Mancini 1928, 17 ad Cyc. 102-105); “quel fanfaron” (Della Valle 1933); “quella nacchera squillante” (Taccone 1935); “a bitter rattle” (Ussher 1978 und Roisman 2005, 68); “Ein Fuchs!” (Ebener 1980); “scharfmäulige[r] Radaumacher” (Biehl 1986a); “the wheedling chatterer” (Kovacs 1994); “ein durchdringendes Klappermaul” (Pechstein/Krumeich in KPS 435); “a sponger if I ever saw one!” (McHugh 2001); “chiacchiera arguta” (Napolitano 2003); “a glib sharper” (Seidensticker 2003, 120); “un furbo chiacchierone” (Paduano 2005); “a noisy loudmouth” (Roisman 2005, 68); “a shrill chatterer” (Worman 2008, 130); “a cunning trickster” (Hunter 2009, 60). 167 Cf. auch die verwandte Bezeichnung des Odysseus als κρότηµα: E. Rh. 498-499: … ἔστι δ’ αἱµυλώτατον / κρότηµ’ Ὀδυσσεὺς λῆµά τ’ ἀρκούντως θρασὺς …; S. inc. F 913: ⏓ πάνσοφον κρότηµα, Λαέρτου γόνος und Schol. UEAP Theoc. 15.48-50c-d, wo diese Stelle als Beispiel für den metaphorischen Gebrauch von κροτέω angeführt wird: ἡ δὲ µεταφορὰ ἀπὸ τοῦ κεκροτηµένου χαλκοῦ. Weiter ist hier an die in Schol. Ar. Nu. 260f bewahrte Epitheton-Variante πολύκροτον statt πολύτροπον für Od. 1.1 zu erinnern, und ebenso an Hes. Gynaikōn Katalogos F 106 H. ≅ F 198 M./W., wo Odysseus als υἱὸς Λαέρταο πολύκροτα µήδεα εἰδώς beschrieben wird. 168 Chantraine s.v. κρότος. 169 Κρότος tanzender Füsse bei den Tragikern: E. Heracl. 783 (mit Kontext): ὀλολύγµατα παννυχίοις ὑπὸ παρ- / θένων ἰαχεῖ ποδῶν κρότοισιν; Tr. 546 (mit Kontext): Φρύγιά τε µέλεα, παρθένοι δ’ / ἄειρον ἅµα κρότον ποδῶν / βοάν τ’ ἔµελπον εὔφρον’. 170 Cf. ferner S. Ina. **F 269a.40-41: ποδῶν δὲ χηλ[αὶ / κροτοῦσι θράν̣̣[ und evtl. Ina. F 287.

Der Chor der Satyrn

193

berichtet Eratosthenes (Cat. 28), dieser werde fälschlicherweise meist als Kentaur bezeichnet, sei in Wahrheit aber ein Satyr gewesen, der – wie ein Kentaur – Pferdebeine und -schweif hatte, im Gegensatz zu diesem aber aufrecht gehen und ausserdem mit einem Bogen umgehen konnte. Die Kunst des Bogenschiessens soll gar seine Erfindung gewesen sein, zu der ihm seine Milchschwestern, die Musen, verhalfen. Auch eine zweite Erfindung, wiederum eine Handfertigkeit, soll Toxotes im Dunstkreis der Musen gelungen sein: Als er nämlich einmal unter ihnen weilte, habe er ihnen Beifall gezollt, indem er in die Hände klatschte. Alle anderen taten ihm dies nach, und so wurde er zum Erfinder des Applauses; die Musen erbaten dafür bei Zeus seine Verstirnung. Bezeugt ist dieser Katasterismos 28 für Sositheos,171 den im 3. Jh. v.Chr. tätigen Tragiker,172 der von seinem Zeitgenossen Dioscorides in einem fingierten Grabepigramm als Erneuerer des Satyrspiels verewigt wurde.173 Wir wissen nicht, ob Sositheos ein Satyrspiel über den Stoff verfasst hat. Sollte er das aber getan haben, so enthielt es vielleicht das von der restlichen Überlieferung abweichende Detail, das der Germanicus-Scholiast Nigidius Figulus anführt:174 Krotos beobachtete die Musen heimlich beim Singen und Tanzen und schlug dabei (im Takt?) mit dem Fuss auf den Boden. Doch zurück zum Kyklops. Der κρότος σικινίδων (Cyc. 37), von dem der Silen spricht, wird vom Thiasos produziert, dessen Mitglieder der Silen als συνασπίζοντες (39) bezeichnet. Ganz ähnlich erhebt er sich selbst zum παρασπιστής (6) des Gottes. Damit enthüllt sich eine weitere Bedeutungsdimension der Verse 5-9, und es tritt zugleich ein weiteres Indiz dafür zutage, dass die Bezwingung des Enkelados durch den Silen nicht etwa viel Lärm um nichts, sondern vielmehr mit nichts als Lärm erfolgt ist.

5.1.9 Hüpfen, Springen, Tanzen Für gewöhnlich tanzen die Satyrn. τοὔρχηµα µᾶλλον εἰκὸς ἦν σε, hält Dionysos ihnen vor, als sie sich von ihm ab- und der Athletik zugewandt haben (A. Isth. **F 78a.33). Wie der Gesang ist auch der Tanz eigentlich qualifiziert: ‘So wirft

171

Cf. die Entsprechungen der Eratosthenes-Testimonien zu den unter Sosith. inc. F 5 zusammengefassten Texten. 172 Sositheos soll der ‘tragischen Pleias’ angehört haben, den sieben besten Tragikern zur Zeit des Ptolemaios Philadelphos (282-246 v.Chr.); cf. Sosith. T 1. Zu Quellen für und Literatur über die ‘tragische Pleias’: Musa Tragica 296 n. 1. Neuere Literatur zu Sositheos: Xanthakis-Karamanos 1994 und 1997; Günther in KPS 602-616; Cipolla 2003, 381-420; Cozzoli 2003. 173 Cf. Sosith. T 2 ≅ Diosc. AP 7.707. 174 Nigid. Schol. in German. Basil., p. 90; zit. nach Pàmias/Geus 2007, 236 n. 117.

194

Tragödienreflexion

man Hand und Fuss hin und her’, demonstriert der Chor in Pratin. inc. F 3.15: ἅδε σοι δεξιᾶς καὶ ποδὸς διαρριφά. Ähnliche choreographische Anweisungen erhält Pentheus in den euripideischen Bakchen, als er sich bei Dionysos erkundigt, wie er den Thyrsos zu halten habe: Πε. πότερα δὲ θύρσον δεξιᾷ λαβὼν χερὶ ἢ τῇδε βάκχῃ µᾶλλον εἰκασθήσοµαι; Δ∆ι. ἐν δεξιᾷ χρὴ χἄµα δεξιῷ ποδὶ αἴρειν νιν· Pe. Soll ich den Thyrsos in der rechten Hand halten oder in der da, um einer Bakche ähnlicher zu sehen? Di. In der Rechten. Und gleichzeitig musst du ihn mit dem rechten Fuss anheben. (E. Ba. 941-944)

Der hier geschilderte, aus der Perspektive der dramatis personae betrachtete Tanz der Mänaden in der freien Natur stimmt – darauf wird zurückzukommen sein – also wesentlich mit dem überein, was die Satyrn des ‘Hyporchema’ auf der Bühne vorzuführen angeben. Termini technici der Tanzkunst Satyrn/Silene springen und hüpfen zumeist.175 Sie geben sich also Bewegungsformen hin (e.g. σκιρτᾶν,176 πηδᾶν177 und Derivate178), die als jungtierhaft,179

175

Grundlegend hierzu ist Voelke 2001, Kap. 5.2 “Du bond à la danse” (133-138). Cf. zu den Satyrsprüngen das Kapitel 5.1, “Satyres bondissants”, bei Voelke 2001, 132-133. 177 Zu πηδάω als typischem Ausdruck zur Bezeichnung der Tanzbewegung von Chören der Komödie und des Satyrspiels cf. Bierl 2001, 151 n. 118 (Stellen, v.a. aus Aristophanes), 232-233 n. 351; cf. ferner e.g. Naerebout 1997, 281-282; Ceccarelli 1998, passim. Grundlegend zu den verschiedenen Ausdrücken für Hüpfen, Springen und Tanzen und zur entsprechenden Begriffsgeschichte ist Petersmann 1991. 178 Cf. e.g. den sprechenden Satyrnamen Σκίρτος (wie er etwa im Epigramm auf Sositheos Diosc. AP 7.707 oder Nonn. D. 14.111 vorkommt); zu diesem Namen, der zu σκιρτάω, σκαίρω gehört und mit dem neuhochdeutschen ‘Scherz’ verwandt ist: Petersmann 1991, 78. 179 Cf. Voelke 2001, 131 n. 2 mit Belegen für das Erscheinen der Verben σκιρτᾶν und πηδᾶν in Bezug auf die Sprünge von Fohlen, Kälbern, Hirschkälbern etc. bei Euripides. In der Parodos der Bakchen zum Beispiel projiziert der Chor der Bakchen seinen hüpfenden Tanz auf ein Füllen in Begleitung seiner Mutter: … ἡδοµέ- / να δ’ ἄρα πῶλος ὅπως ἅµα µατέρι / φορβάδι κῶλον ἄγει ταχύπουν σκιρτήµασι βάκχα (E. Ba. 163-169, Notation gemäss Diggle). 176

Der Chor der Satyrn

195

unkontrolliert und unkontrollierbar konnotiert sind.180 Paradoxerweise werden diese Bewegungen dennoch regelmässig als orchestriert oder choreographiert vorgestellt – so spricht selbst Polyphem im Kyklops vom Hüpfen, aber vom choreographierten (!)181 Hüpfen der Satyrn, wenn er auf deren Bitte, sie nicht zu verschlingen, antwortet: ἥκιστ’· ἐπεί µ’ ἂν ἐν µέσῃ τῇ γαστέρι πηδῶντες ἀπολέσαιτ’ ἂν ὑπὸ τῶν σχηµάτων182 . (E. Cyc. 220-221)183

Das spannungsreiche Verhältnis zwischen dem wilden und ungezähmten Hüpfen und Springen und dem nach festgelegten Bewegungsabläufen gestalteten Tanzen verrät seine Komplexität erst recht, wenn man feststellt, dass die Kategorien nicht einfach zwei Formen körperlichen Ausdrucks bezeichnen, sondern in bestimmten Kontexten gar nicht klar getrennt werden184 und auch nicht zu trennen sind. Bezeichnenderweise ist es nicht zuletzt der Begriff der sikinnis,185 jenes Tanzes, der in der Antike vielerorts, in der modernen Forschung fast ausnahmslos im Rufe steht, der Satyrspieltanz par excellence zu sein,186 dessen genuine 180

Satyrspielpassagen, die hüpfende und springende Satyrn zeigen, sind e.g. S. Ichn. 217220 (ἀλλ’ ἐγὼ τάχα / φ[έρ]ω̣ν κτ̣ύ[π]ο̣ν πέδορτον ἐξαναγκάσω / π̣[η]δήµ̣ασιν κραιπνοῖσι καὶ λακτίσµασιν / ὥ̣[σ]τ̣’ εἰσακοῦσαι κεἰ λίαν κωφός τις ἦι; eine Form von λακτίσµατα findet sich wohl auch in Ichn. 237 (καὶ τ[α]ῦ̣τ’ ἀφεῖσα ... ποδῶν λακ[); S. Momos *F 422 (ἄνθρῳσκε); Hsch. ε 4904 s.v. ἐπίκρουµα zitiert S. Ina. F 287 (ἐπίκρουµα χθονὸς Ἀργείας), womit das Schlagen der Füsse auf die Argivische Erde gemeint sei, das seinerseits wiederum (wie der κρότος σικινίδων in Cyc. 37) auf ein Hüpfen, Springen, Stampfen schliessen lässt; cf. auch S. inc. F 756, evtl. zum ‘OineusSatyrspiel’ gehörig (ἀνακειµένῳ [sc. Herculi] / µέσον εἰς τὸν αὐχέν’ εἰσαλοίµην); A. Amymone F 15 (via Hsch. θ 814 s.v. θρώσκων κνώδαλα, gemäss Hesych aber in obszönem Sinne, i.e. ‘besamend’). 181 Zum Kipp-Punkt zwischen unkontrollierten, manischem Gehüpfe und von Rhythmus, Harmoniegefühl und göttlichem Mitwirken beseeltem Tanz, an dem die Tänze der Satyrn angesiedelt sind, vide infra Kap. 6.1. 182 Zu Bedeutung und Verwendung des Begriffs σχῆµα cf. e.g. Plu. Quaestiones convivales, mor. 747c und dazu Lawler 1954, bes. 158; Ceccarelli 1998, 13 mit n. 12. – Im Drama erscheinen σχήµατα i.S.v. ‘Tanzfiguren’ ferner e.g. in Ar. V. 1485; Pax 323; in der Prosaliteratur in X. Smp. 2.15-16; 7.5; cf. auch die σχηµάτια bei Hdt. 6.129. 183 Übersetzung: supra p. 117. 184 Hierbei ist für das Satyrspiel (bzw. dessen Exegese) etwa an die Hesych-Glosse zu denken, die das Wortfragment *F 422 (ἄνθρῳσκε) von Sophokles’ Satyrspiel Momos überliefert, wo die Form ἄνθρῳσκε sowohl mit ‘spring auf’ als auch mit ‘tanz’ glossiert ist: Hsch. α 5161 s.v. ἄνθρωσκε· ἄνω θρῶσκε, ὀρχοῦ. Σοφοκλῆς Μώµῳ. 185 Cf. infra p. 199-201. 186 Cf. e.g. Wilamowitz 51919b, 18: “… den konventionellen Satyrtanz …, die s.g. Sikinnis …”; Croiset 31929, 423: “Leur danse, qui n’était qu’à eux (sc. aux satyres), se

196

Tragödienreflexion

Bedeutung nach heutigem Wissensstand “springen” ist, i.e. “vielleicht zu κηκίω, dor. κακίω, lit. šokti, slaw. skočiti, skakati ‘springen’ zu stellen” (Petersmann 1991, 78).187 Auch in Aischylos’ Isthmiastai oder Theoroi finden sich Hinweise auf die qualifizierte und nicht willkürliche Art des Satyrtanzes. Im Zuge seiner Standpauke hält Dionysos den Satyrn vor: κοὐδεὶς παλαιῶν οὐδὲ τῶν νεωτέρω[ν ἑκὼν ἄπεστι τῶνδε διστοίχω[ν σὺ δ’ ἰσθµιάζεις … und kein alter und kein junger Mensch hält freiwillig sich fern von diesen Zweierreihen, du aber isthmiazierst … (A. Isth. **F 78c.37-39).

Kamerbeek schlägt mit Verweis auf Poll. 4.108-109 vor,188 διστοίχων auf die Satyrchor-Formation zu beziehen: “fortasse chorus satyrorum δίστοιχος orchestram inibat, ut τρίστοιχος chorus tragoediae dici potuit” (1955, 10) – er nommait la sikinnis: c’était, semble-t-il, une suite de bonds plutôt que de pas, une agitation violente et rapide qui ressemblait à une course rythmée. Cette danse était pourtant accompagnée de chants, et elle avait sa grâce sauvage”; Séchan 1930, 202: “… la danse la plus importante du drame satyrique était la sikinnis …”; Arrowsmith 1959/1989: “… they (sc. the satyr-plays) had their own peculiar choral dance, the sikinnis …”; Lasserre 1973/1989, 265 kennt sogar das “Repertoire der choreographischen Figuren der Sikinnis”, die er zum “Satyrspieltanz par excellence” erklärt; cf. ibid. 277 zu den “Figuren der Sikinnis” in Sophokles’ Ichneutai; ibid. 281 zum “lasziven Charakter der Sikinnis”; cf. ferner Kossatz-Deissmann 1994a: “Sikinnis ist der Name des charakteristischen Tanzes im Satyrspiel zu Ehren des Dionysos”; Naerebout 1997, 289, gibt in seiner Appendix “Greek vocabulary of the dance”, s.v. ‘sikin(n)is’ die simple Quellenangabe “Euripides, Sophocles” und glossiert den Begriff folgendermassen: “Originally the dance of satyric drama”. 187 In dieselbe Richtung geht bereits, von Petersmann nicht erwähnt, die Vermutung von Solmsen 1909, 145, 2, wonach das Wort ‘sikinnis’ zu einer Wurzel kāk “springen, tanzen, sich flink bewegen” gehöre. Cf. auch die etymologischen Wörterbücher von Fick, Boisacq, Frisk und Chantraine s.v. κηκίω respektive κηκίς. – Zum Hüpfen und Springen als integralem Bestandteil der sikinnis, ohne Rekurs auf die Etymologie des Begriffs, cf. Voelke 2001, bes. 142. – Seidensticker 2010, 217 mit n. 22 macht darauf aufmerksam, dass die Namen einer ganzen Reihe für das Satyrspiel bezeugter schemata auf flinke Bewegungen deuten: so etwa σοβάς, στρόβιλος und κονίσαλος. 188 Pollux diskutiert an dieser Stelle die rechteckige Formation des tragischen, 15köpfigen und des komischen, 24köpfigen Chores. – Kritik an der auf dieser Information gründenden Auffassung, dass der tragische Chor grundsätzlich in rechteckiger Formation getanzt habe, übt Davidson 1986.

Der Chor der Satyrn

197

interpretiert die Stelle also, wenn man so will, als ‘metatheatrale’ Bezugnahme auf eine bestimmte (wohl in dieser Szene eingesetzte) Anordnung des Chores. Dafür könnte auch die deiktische Form τῶνδε sprechen. Gerade der deiktische Gestus aber wirft die Frage auf, worauf sich Dionysos beziehe. Wer sind die Choreuten, die hier in zwei Reihen tanzen? Handelt es sich dabei, wie für ein Satyrspiel zu erwarten, um die Satyrn, wäre es ja unlogisch, ihnen das Fernbleiben aus diesen Reihen vorzuwerfen. Haben nur einige Satyrn den Chor verlassen?189 Oder verweist Dionysos mit τῶνδε gar nicht auf die Tanzformation, die er vorfindet, sondern schlicht auf die Zugehörigkeit solcher Chöre zu seinem Kult?190 Auffällig ist in jedem Fall die Verwendung eines terminus technicus für den Tanz, zumal im Stück noch ein zweiter erscheint, diesmal auf die Bewegung und Gestik der Tänzer bezogen. Es ist wohl abermals Dionysos, der gegenüber dem Chor eine spezifische Tanzfigur erwähnt, das σκώπευµα – Photios zufolge ein σχῆµα σατυρικόν:191 καὶ µὴν παλαιῶν τῶνδέ σοι σκωπευµάτων und freilich dieser für dich alten σκώπευµα-Tanzfiguren (A. Isth. F 79). 189

Die verschiedenen Interpretationsvorschläge sind bei Voelke 2001, 136 gesammelt. – Cf. ausserdem Seidensticker in KPS 23 zur Tendenz der Satyrspielchöre, anders als diejenigen der Tragödie nicht grundsätzlich in geschlossenen Formationen zu tanzen, sondern häufig in Teilchöre oder Einzeltänzer aufgelöst zu werden. – Zur Chorteilung: Lammers 1931, Churmuziadis 1974, 72-90. 190 Cf. Voelke 2001, 136: “Toutefois, loin d’impliquer nécessairement une référence métathéâtrale, le pronom hode peut simplement marquer l’appartenance des chœurs ainsi désignés au locuteur, Dionysos …”. Auch Wessels/Krumeich in KPS 139 n. 36 halten es für wahrscheinlicher, dass Dionysos “im Rahmen seiner Rolle von einem konstitutiven, alle Anhänger seines Kultes betreffenden Element dionysischer Feste” spreche. Es scheint angebracht, die Frage mit Kaimio et al. 2001, 41, offenzulassen. Kaimio et al. (ibid.) bemerken zwar zu Recht, dass hier der Tanz und die rituelle Rolle der Satyrn, die den Chor bilden, thematisiert wird, und man mag hierin auch eine “metatheatrical self-reflexion” sehen – doch scheint der Begriff “metatheatrical” – mindestens im Rahmen ihrer eigenen Erklärung – zu kurz zu greifen, heisst es doch da, im Zuge dieser metatheatralen Selbstreflexion werde “the raison d’être of the satyric chorus and the significance of ritual dance for the cult of Dionysos” (meine Hervorhebung) reflektiert. Ritueller Tanz im Kult von Dionysos ist nun aber beileibe nicht auf sein Theater beschränkt. Die Aussage ist m.E. dahingehend abzuändern, dass man sagt, es werde die Bedeutung des rituellen Tanzes im Dionysoskult für sein Theater reflektiert. 191 Phot. σ 527 s.v. σκώπευµα. – Bei Athenaios, aus dem das Fragment stammt, ist nicht spezifisch von Satyr-, sondern schlicht von Tanzfiguren die Rede: Ath. 14.629f. Zu der Tanzfigur: Poll. 4.103; Ael. NA 15.28; ferner Lawler 1939, 485; 1964, 114-116; Voelke 2001, 136.

198

Tragödienreflexion

Ein weiteres Fragment dieses Dramas stammt möglicherweise aus demselben Kontext: Theoroi F 20b Mette (aus Hsch. σ 218 s.v. σκωπευµάτων), lautet unter Berücksichtigung von Musurus’ Emendation ὑπόσκοπον χέρα, ‘die augenbeschattende Hand’.192 Damit wird die Geste bezeichnet, die zum σκώπευµα gehört, einer Tanzfigur, mit der die Bewegungen einer ins Licht blickenden Eule imitiert werden.193 Ein mit der Verwendung choreographischer termini technici verwandter Fall ist der Gebrauch allgemeinerer Begriffe, die eine choreographische Spezialbedeutung annehmen können. Hier ist etwa an die auffällig zahlreichen Stellen zu denken, an denen der Fuss, die Füsse und das zugehörige semantische Feld zur Sprache kommen. Nicht immer sind die Texte und Kontexte zufriedenstellend restituiert, doch ist an diversen Stellen mit Doppeldeutigkeiten und Referenzen auf den Tanz zu rechnen. Wenn der Silen im Kyklops zu Bromios sagt, er sei ‘seinem Fusse Schildträger’ gewesen (σῷ ποδὶ παρασπιστής, 6),194 dürfte er damit ebenso auf den Tanz referieren wie die Satyrn in Sophokles’ Ichneutai, wenn sie den Silen dazu auffordern, ihre ‘Bewegungen mitzuvollziehen’ (συµποδηγετεῖν, 169).195 Eine Häufung der Silbe ‘ποδ’ ist für Sophokles’ Inachos zu konstatieren,196 insbesondere für eine Szene, die **F 269c bewahrt, in welcher die Satyrn in Raserei (µανία, 27) und Panik197 geraten, weil Hermes – von der Hadeskappe unsichtbar gemacht und die Syrinx spielend –198 um sie herumschleicht. Es lässt sich weder sagen, wie der unsichtbare Hermes dargestellt wurde – als Off-Stimme? Oder unsichtbar und ohne Stimme? Für die Zuschauer sichtbar? – noch, wie wir uns die Sprecherverteilung und die Chorformation vorzustellen haben. Die lyrischen Verse 36-37 deuten aber darauf hin, dass sich der Chor – vielleicht in kleine Gruppen geteilt –199 einem Tanz hingibt, mit dem er seine Reaktionen auf ein herumspukendes, imaginiertes (?) Gegenüber darstellt: 192 Bei Radt in TrGF III ist das entsprechende Fragment (inc. F 339) mit der nicht emendierten, aber in cruces gesetzten MSS.-Lesart ὑποσκεπόν belassen. – Zur Zuweisung des Fragments in den Kontext von A. Isth. F 79 siehe die in TrGF III, p. 411 ad loc. genannte Literatur. 193 Zahlreiche weitere Beispiele für choreographische termini techici – wie etwa διπλοῦς ὀκλάζων (S. Ichn. 96) oder ῥικνοῦσθαι (S. Ichn. F 316) – diskutiert Seidensticker 2010. 194 Cf. auch Cyc. 638. 195 Cf. infra p. 228-230. 196 S. Ina. **F 269a.40: ποδῶν δὲ χηλ[αὶ, **F 269c.13: ]πο̣δίζεται, **F 269d.1: ποδὶ; cf. auch F 287 (via Hsch. ε 4904 s.v. ἐπίκρουµα): ἐπίκρουµα χθονὸς Ἀργείας, ‘das Schlagen/Stampfen (der Füsse) auf die Argivische Erde’ und dazu wiederum den κρότος, den bei den Tragikern tanzende Füsse erzeugen (cf. supra p. 192 n. 169). 197 Cf. S. Ina. **F 269c.39-40: µ̣έ̣γ̣α δέος ἀραβεῖ. / τῶν ἐν̣αντ̣ί̣ων τὸ τάρβ̣[ος. 198 Cf. S. Ina. **F 269c.7: σ̣ύρι̣γ̣γ̣ο̣[ς] δ̣ὲ̣ κ̣λ̣ύω. 199 Carden 1974, 54 spricht vom “disorderly excitement” des Chores.

Der Chor der Satyrn

199

ἐπί µε πόδα νέµει. ἔ̣χ̣ε̣ µε· πόδα νέµει. Auf mich lenkt er den Fuss! Halt mich! Er lenkt den Fuss! (S. Ina. **F 269c.36-37)

Von diesem Gegenüber sagt ein Choreut einige Verse zuvor, er habe ‘hierher in meine Richtung den Fuss gewandt’ (ὅ̣ς̣ µ̣ο̣ι̣ δεῦρ’ ἀνέστρεψεν πόδα, Ina. **F 269c.23); in Vers 26 ist π̣όδ’ ἔχειν, ‘den Fuss halten’, zu lesen – wenig später wiederum fragt wahrscheinlich abermals ein verängstigter Choreut, ‘wohin man den Fuss zu setzen’ habe: ποῦ δὲ χ̣ρ̣ὴ̣ πόδα στατίζε̣[ιν (43).200 Unter den weiteren Stellen, an denen im Kontext des Tanzens von ‘Füssen’ die Rede ist,201 sticht schliesslich Vers 15 von Pratinas’ ‘Hyporchema’ hervor: ἢν ἰδού· ἅδε σοι δεξιᾶς καὶ ποδὸς διαρριφά,202 womit Seidensticker zufolge die ‘ποδὸς ῥιφή’, die Tanzfigur “Beinwerfer” (KPS 22 n. 108), umschrieben wird. Was die Verwendung genuiner termini technici angeht, ist insbesondere der bereits angesprochene Satyrspiel-Vers hervorzuheben, in dem der Name just jenes Tanzes fällt, der in den späteren Quellen als Satyrspieltanz schlechthin gilt: die sikinnis.203 Der Begriff selbst erscheint im ganzen Tragikerkorpus nur dieses eine Mal,204 und zwar in der Ankündigung der Parodos des Kyklops (κρότος σικινίδων, 37), wo er mit den Bewegungen des komastischen Zugs von Dionysos und seinen Begleitern zu Althaia (i.e. in einer Episode der Dionysos-Mytho-

200

Kaimio et al. 2001, 41 deuten diese Stellen aus dem Inachos als “self-referential remarks about choral dance – or at least about some movement of the chorus”. 201 Cf. e.g. S. Ichn. 65, 73, 237 (ποδῶν λακ[). Zu Ichn. 237 im Zusammenhang mit Ichn. 219: infra p. 232-233); nicht auszuschliessen ist ein Bezug auf Tanzen beispielsweise auch an folgenden Stellen: A. dub. **F 451s 10 (a).4 (aus der ‘Dike’?); Dikt. F 47a.816; Isth. **F 78c.9: π̣ο̣λυπ̣[.]δ̣ο[̣ , evtl. ergänzbar zu πολύποδος, ‘vielfüssig’ (so bei Lobel, Setti, Snell, cf. Radt in TrGF III, p. 201 ad loc.); Sphinx F 237 (via Hsch. κ 3141 s.v. κνοῦς· … ὁ τῶν ποδῶν ψόφος, ὡς Αἰσχύλος Σφιγγί); evtl. S. inc. **F 772 (cf. n. 204); E. inc. F 876: τροµὸν δράµηµα γηραιοῦ ποδός. 202 Cf. supra p. 162, 182, 194. 203 Vide supra p. 195-196 n. 186. 204 In einem aus Demetrios Lakon extrapolierten, in TrGF IV Sophokles zugewiesenen fragmentum incertum – S. inc. **F 772: τόθ’ ηὗ]ρον ἐς πόσι[ν] ῥυτόν, / σίκιννι]ν – übernimmt Radt die von Diels vorgeschlagene Konjektur σίκιννι. Als Beleg für die Vorkommnis des Begriffs im Tragikerkorpus kann die Stelle natürlich nicht gelten, zumal Diels’ Konjektur dem Demetrios-Herausgeber Puglia 1988, 237-240 zufolge auf einer Fehldeutung des Zitatkontexts beruht.

200

Tragödienreflexion

logie und evtl. in einem früheren Satyrspiel205) überblendet wird. Hierbei handelt es sich zugleich um den frühsten ‘literarischen’ Beleg für den Begriff.206 Ein weiterer choreographischer terminus technicus, jener der ἐµµέλεια, soll in einem Satyrspiel des Aischylos den Tanz der Satyrn bezeichnet haben (inc. F 424a (19) Radt ≅ F 266 Mette). Hesych, aus dem dieses Wortfragment gewonnen ist, notiert, emmeleia sei der Tanz der Tragödie, und Aischylos beziehe ihn fälschlicherweise (ἀκύρως) auf den Satyrtanz, der sikinnis heisse (Hsch. ε 2367 s.v. ἐµµέλεια: … ἀκύρως δὲ Αἰσχύλος ἀντὶ τοῦ σατυρική, ἥ ἐστι σίκιννις).207 Damit beruft sich Hesych auf eine im antiken Schrifttum häufig aufgegriffene Klassifikation der dramatischen Tänze, die sich bis Aristoxenos von Tarent (4. Jh. v.Chr.) zurückverfolgen lässt. Im ersten Buch seines Traktats Περὶ τραγικῆς ὀρχήσεως klassifiziert Aristoxenos die dramatischen Tänze folgendermassen:208 … ἦν δὲ τὸ µὲν εἶδος τῆς τραγικῆς ὀρχήσεως ἡ καλουµένη ἐµµέλεια, καθάπερ τῆς σατυρικῆς ἡ καλουµένη σίκιννις, τῆς δὲ κωµικῆς ὁ καλούµενος κόρδαξ. … der spezifische Tanz der Tragödie war die sogenannte emmeleia, wie jener des Satyrspiels die sogenannte sikinnis und jener der Komödie der sogenannte kordax. (Aristox. F 104 Wehrli)

205

Vide infra p. 245 n. 1. Die vermutlich ältesten Belege für den Begriff stammen aus der attischen Vasenmalerei, wo gelegentlich Satyrn mit diesem oder einem verwandten Namen beschriftet sind. Cf. Beazley 1939 (bereits 1937; erg. 1940) zu Darstellungen der Begegnung von Prometheus mit den Satyrn, von denen einer mit ΣΙΚ[Ι]ΝΝΙΣ beschriftet ist; cf. Beazley 1939, 620 zu einer Diskussion des Satyrnamens ‘Sikinnis’ und seiner potentiellen Vorkommnis auf weiteren Vasen. Zu mit ΣΙΚΙΝΟΣ oder ΣΙΚΙΝΝΟΣ beschrifteten Satyrn auf attischen rotfigurigen Vasen cf. Fränkel 1912, Vasen β, γ, δ, R (≅ ARV2 1184.1, 1608, 1214.1, 61); und dazu wiederum Kossatz-Deissmann 1991, 168; ibid. zur Beschriftung ΣΙΚ[Ι]ΝΝΙΣ, die bei Fränkel fehlt; Kossatz-Deissmann 1994a. Von diesen ikonographischen Dokumenten und von E. Cyc. 37 abgesehen, sind aus der Blütezeit des Satyrspiels keine schriftlichen Belege für die sikinnis erhalten. Zu den späteren Zeugnissen cf. e.g. Rohde 1870 (über Pollux’ Quellen zum Tanz); Bapp 1885 (über Athenaios’ Quellen zum Tanz); Latte 1913, bes. 13; DFA2 254; Lawler 1964, 35, 90-91 (eher oberflächlich und ohne exakte Belege); Seaford 1984 ad Cyc. 37; KPS 22-23; Voelke 2001, 138-143, 149-151, 176-177. – Cf. für Rekonstruktionsversuche der zur sikinnis gehörigen Tanzbewegungen, vorwiegend auf der Basis ikonographischer Dokumente, e.g. Festa 1918, bes. 51 (mit der Kritik von Roos 1951, 167-183); Delavaud-Roux 1995, 127-135. 207 Cf. auch Hsch. α 6521 s.v. ἀποξιφίζειν; ξ 75 s.v. ξιφισµός; σ 618 s.v. σίκιννις. – Die ἐµµέλεια wird auch in der Suda π 3159 s.v. Πυλάδης als Satyrspieltanz bezeichnet, vide infra n. 209. 208 Cf. Phot. σ 511 s.v. σίκιννις und dem nahezu identischen Eintrag in EM s.v. Σίκιννις (≅ Aristox. F 106 Wehrli). 206

Der Chor der Satyrn

201

Die Zuordnung je eines Tanzes zu den drei dramatischen Gattungen ist mehrfach belegt – mit oder ohne Referenz auf Aristoxenos.209 Im Lichte dieser Einteilung, deren Richtigkeit freilich nicht bewiesen werden kann, muss Hesychs Aussage reevaluiert werden. Hat Aischylos in einem seiner Satyrdramen den Tanz der Satyrn mit dem terminus technicus für den Tragödientanz bezeichnen lassen (sc. emmeleia), so lässt sich dahinter – weit eher als eine fehlerhafte Begriffsverwendung – ein Moment von Tragödienreflexion im Satyrspiel erahnen.210

5.1.10 Eis oros, eis oros! Getanzt wird in den Bergen (Pratin. inc. F 3.2: ἀν’ ὄρεα; Cyc. 68: ἐν Νύσᾳ), was in Griechenland bedeutet: auf einem Hügel, auf einer Erhebung in der Landschaft, an einem Ort fernab der polis.211 Schon bei Hesiod und im Homerischen Aphroditehymnos sind die Satyrn respektive Silene mit den ‘Nymphen des Gebirges’ (νύµφαι οὔρειαι bzw. ὀρεσκῷοι) assoziiert.212 Diese enge Verbindung macht sich auch im Satyrspiel bemerkbar, in der Begegnung der Satyrn mit der Nymphe Kyllene im nach ihr benannten Gebirge in den Ichneutai ebenso wie beispielsweise in den Prologversen des Kyklops, wo der Silen die Episode aus Dionysos’ Kindheit erwähnt, als dieser von den Nymphen des Gebirges davonlief (ὀρείας ἐκλιπὼν ᾤχου τροφούς, 4). Herausragend unter den Bergen in den Mythen um Dionysos ist der Berg von Nysa.213 Einer Tradition zufolge ist Dio209

Ohne Referenz auf Aristoxenos: e.g. Ammon. De adfinium vocabulorum differentia 275, s.v. κόρδαξ καὶ κάρδαξ; Luc. Salt. 22, 26; Poll. 4.99; Ael.Dion. Ἀττικὰ ὀνόµατα ε 34 s.v. ἐµµέλεια; Ath. 1.20e, andeutungsweise auch in 14.630d (mit einem Hinweis auf Aristoxenos in verwandtem Zusammenhang in 630e), cf. bereits Ath. 14.629d; Eust. Il. 18.606 (4, p. 272 van der Valk) (unter Berufung auf Aelius Dionysius:); Ptol.Ascal. Περὶ διαφορᾶς λέξεων s.v. κόρδαξ εἶδος ὀρχήσεως (Heylbut 1887, 401); ferner in diversen Scholien, e.g. Schol. vet. Ar. Nu. 540b; Schol. rec. Ar. Nu. 540d; Schol. Luc. 4.1 (ad Bacch.). – Eine dreifache Klassifikation nach kordax, sikinnis und emmeleia kennt auch die Suda π 3159 s.v. Πυλάδης; allerdings erscheint die σίκιννις hier als tragische, die ἐµµέλεια als Satyrspieltanzart. Wiederum anders werden die τρία εἴδη ὀρχήσεως in der Suda π 3225 s.v. Πυρρίχη präsentiert, wo pyrrhiche, sikinnis und kordakismos als die drei dramatischen Tänze angeführt werden. Diese letztere Einteilung verzeichnet auch EM s.v. Ὀρχηστής. 210 Cf. allerdings Roos 1951, 269ff. 211 Buxton 1992; 1994, 80-96. 212 Vide supra Kap. 5.1.2. 213 Der Berg von Nysa ist ein mythischer Ort und wird ganz unterschiedlich lokalisiert. In Il. 6.133 ist es der Ort, an dem Lykurgos Dionysos’ Ammen verfolgt; in h.Bacch. 5 heisst es von den Nymphen, sie hätten den neugeborenen Dionysos Νύσης ἐν γυάλοις an die Brust genommen; in h.Cer. 17 spielt Persephone in der Ebene von Nysa (Νύσιον … πεδίον), als sie von Hades geraubt wird; bei Nic. Al. 30-34 rasen die Silene, die als Ammen

202

Tragödienreflexion

nysos nach seinem Vater und Nysa benannt, dem Ort seiner Geburt und Kindheit.214 Im Kyklops erscheint Nysa als Stätte einer idealtypischen Thiasosfeier,215 in Sophokles’ Dionysiskos und wahrscheinlich in Aischylos’ Trophoi als Schauplatz der Handlung.216 Satyrspielhandlungen sind, wie Voelke (2001) mit Nachdruck hervorhebt, grundsätzlich an den Rändern der zivilisierten Welt angesiedelt und haben daher als Schauplätze oft Berge, Hügel, Felsen –217 er deutet dieses Gebiet (unter Berufung auf die Bedeutung des Berges von Nysa in der Dionysos-Mythologie, des Tmolos,218 des Kithairon219 und verschiedener weiterer Berge und Gipfel in den des Dionysos bezeichnet werden, als sie das erste Mal Wein kosten, wie von Sinnen über den Berg von Nysa. – Nysa liegt τηλοῦ Φοινίκης σχεδὸν Αἰγύπτοιο ῥοάων (Fragmenta h.Bacch. 9), in Äthiopien (Hdt. 2.146), in Arabien (‘Wiege des Dionysos’, D.S. 1.15.6-9, 3.64.5-6), in Libyen (D.S. 3.66.4-6) oder in Asien (Apollod. 1.43; 3.29 – an letzterer Stelle ist Nysa der Ort, an dem die Nymphen wohnen, zu denen Hermes Dionysos brachte, den Zeus zuvor in ein Böckchen verwandelt hatte, um ihn vor der zürnenden Hera zu schützen). – Zu Dionysos und Nysa im Drama cf. ferner e.g. E. Ba. 556-559; Ar. Ra. 215-216. 214 Hdn.Gr. (?) Περὶ ὀρθογραφίας, II.I, p. 492.28-30 Lentz; EM s.v. Δ∆ιόνυσος (ergibt Pi. *F 85a Maehler): … οἱ δέ, ἀπὸ τοῦ Δ∆ιὸς καὶ τῆς Νύσσης τοῦ ὄρους ὠνοµάσθαι· ἐπεὶ ἐν τούτῳ ἐγεννήθη, ὡς Πίνδαρος, καὶ ἀνετράφη. Ob und inwieweit Pindar sich mit der Etymologie des Namens beschäftigt hat, geht hieraus nicht klar hervor; cf. van der Weiden 1991, 227-228. Cf. zur Etymologie von Nysa auch LfgrE s.v. mit der entsprechenden Literatur. 215 E. Cyc. 68-70. 216 Zum Berg von Nysa als Schauplatz des Dionysiskos: Voelke 2001, 38, 45; allgemein zu diesem Ort ferner ibid. 42, 44, 47-48, 89, 135. – Zu Nysa als möglichem Schauplatz der Trophoi: Germar/Krumeich in KPS 201. 217 Cf. supra Kap. 1.1, § Bühnenbild, Schauplatz, Szenerie, p. 62. – Die Ichneutai spielen am Berg Kyllene, der, wie der Ätna, an dessen Fuss Euripides’ Kyklops angesiedelt ist, als πάγος bezeichnet wird, i.e. als felsige und bewaldete Landschaft (S. Ichn. 221; E. Cyc. 95). Cf. auch die Beschreibung der Stätte seiner Jugend durch den Silen in Ichn. 155-160, wo sowohl die Behausung der Nymphen (Ichn. 155) als auch ‘berggenährtes Vieh’ (157) erscheinen. – Sophokles’ Krisis, eine Dramatisierung des Paris-Urteils, spielt mit Sicherheit im Ida-Gebirge: e.g. Pearson 1917, II, 29; Lloyd-Jones 22003, 194-195. – In S. Ach.Er. F 154 ist der Berg Pelion erwähnt; der Pelion wiederum ist dem Mythographen Konon zufolge der Ort, an dem auch Syleus lebte, der Titelheld eines euripideischen Satyrspiels; die Sphinx wiederum, die Titelfigur eines Satyrspiels des Aischylos, ist ebenfalls im Gebirge wohnhaft, einigen Quellen zufolge auf dem Berg Phikion; S. Kophoi F 364, 365 und *F 366 deuten auf die Erwähnung des Ida-Gebirges und dort angesiedelter Mythen im Stück. Dass drei unabhängige Autoren dies erwähnen, lässt es als unwahrscheinlich erscheinen, dass es sich dabei bloss um eine Nebensächlichkeit des Stücks handelte. Gemäss Bates 1934, 172-173 ist das Ida-Gebirge Schauplatz der Kophoi. Cf. ferner Voelke 2001, 37-44 zum “espace satyrique”, speziell zu Gebirgslandschaften ibid. 37-40. 218 Cf. e.g. E. Ba. 462-463.

Der Chor der Satyrn

203

Bakchen) als “espace dionysiaque”, insbesondere deswegen, weil es sich dabei um Orte handelt, an denen auch die lebensweltlichen mänadischen Riten gefeiert wurden.220 In der Epodos des Einzugslieds im Kyklops, jener für das Verständnis der Poetik des Satyrspiels zentralen Stelle,221 bedauern die Satyrn nicht nur die Abwesenheit des Bromios, seiner Tänze, seiner Entourage, seiner Instrumente und seines Tranks, sondern ebenso, dass sie nicht ‘in Nysa mit den Nymphen den Iakchos erschallen lassen’ können, auch kein Lied an Aphrodite, ‘die zu erhaschen’ sie ‘dahin gestürmt’ sind ‘im Schwarme weissfüssiger Bakchen’. Stellen sich die Satyrn hier ihre Teilnahme an einer ὀρειβασία vor? Hatten die Satyrn in der mythischen Ausprägung dieses Rituals ihren Platz? Für Euripides mindestens scheint sich dies so zu verhalten. In der Parodos der Bakchen heisst es von den Satyrn, dass sie von Rhea die von den Korybanten erfundenen Instrumente in Empfang nahmen und sie in die ‘Reigen des zweijährlich stattfindenden Festes, an dem sich Dionysos freut’, einführten, und bei diesem Fest handelt es sich gewiss um die Oreibasie.222

5.2 Satyrn in fremden Rollen Πᾶσα δ’ ἥρµοσται τέχνη / πρέπουσ’ ἐν ἡµῖν – ‘Jede Kunstfertigkeit ist glänzend in uns angelegt’, sagen die Satyrn in Sophokles’ ‘Oineus-Satyrspiel’ bei der Brautwerbung im Namen des Kollektivs zum Vater der Braut (**F 1130.8-9), und das hat einen wahren Kern. Denn in der Tat versuchen sich die Satyrn im Satyrspiel in ungezählten Künsten. Schon der aktuelle Versuch aber, Oineus mit einem grotesk-vermessenen Ausweis der eigenen Expertise und noch dazu als kollektiver Bräutigam davon überzeugen zu wollen, ihnen seine Tochter zur Frau zu geben, zeigt, dass sie mindestens die Kunst der Brautwerbung nicht zur Meisterschaft beherrschen:223 219

Zum Kithairon in den Bakchen cf. Buxton 1992, 12-13. Voelke 2001, 45 mit n. 29 (loci sowie Hinweise auf Henrichs 1978, 148-149; Bremmer 1984, 276-277; Buxton 1994, 94-95). 221 Cf. supra p. 116, 158-160 und infra p. 233. 222 E. Ba. 130-134 (Text und Übersetzung dieser Verse: infra p. 374). – Zum alle zwei Jahre im Winter stattfindenden mänadischen Ritual der Oreibasie: Dodds 21960, bes. xiiixvii; ferner ibid. 82-83 ad Ba. 115, ibid. 85 ad Ba. 133 sowie die Anmerkungen zur Oreibasie-Schilderung im ersten Botenbericht ibid. 159-171. 223 Voelke 2001, 379-380 bezieht die entsprechende Prahlerei der Satyrn (S. ‘Oin.’ **F 1130.7-18) auf das ‘Satyrspiel-Thema’ (“thème satyrique”) der Übernahme fremder Rollen durch die Satyrn, das er an ein weiteres ‘thème satyrique’ koppelt: an das sexuelle Bedrängen von jungen Mädchen, parthenoi, durch die Satyrn, das regelmässig durch einen einschreitenden Heros oder Gott vereitelt wird (“les prétentions sexuelles affichées 220

204

Tragödienreflexion 〈]ΟΙΝΕΥΣ·〉 ἀλλ’ ἐξεροῦµεν. ἀ̣λλὰ πρῶτα βούλοµ[αι γνῶναι τίνες π̣[ά]ρεστε καὶ γένους ὅ̣[του β̣λαστόντες· οὐ γ̣[ὰρ] ν̣ῦν γέ πω µαθ[ ΧΟ. ΣΑΤΥΡΩΩΝ· παῖδες δὲ νυµφῶν, Βακχίου δ’ ὑπηρέται, θεῶν δ’ ὅµαυλοι· πᾶσα δ’ ἥρµοσται τέχνη πρέπουσ’ ἐν ἡµῖν· ἔστι µὲν τὰ πρὸς µάχην δορός, πάλης ἀγῶνες, ἱππικῆς, δρόµου, πυγµῆς, ὀδόντων, ὄρχεων ἀποστροφαί, ἔνεισι δ’ ᾠδαὶ µουσικῆς, ἔνεστι δὲ µαντεῖα π̣αντάγνωτα κοὐκ ἐψευσµένα, ἰαµάτων τ’ ἔλεγχος, ἔστιν οὐρανοῦ µέτρησις, ἔστ’ ὄρχησις, ἔστι τῶν κάτω λάλησις· ἆρ’ ἄκαρπος ἡ θεωρία; ὧν σοι λαβεῖν ἔξεστι τοῦθ’ ὁποῖον ἂν χρῄζῃς, ἐὰν τὴν παῖδα [π]ροστιθῇς ἐµοί. ]ΟΙΝΕΥΣ· ἀλλ’ οὐχὶ µεµπτὸν τὸ γένος. ἀλλὰ βούλοµαι καὶ τ̣όνδ’ ἀθρῆσαι πρῶτο̣[ν] ὅστις ἔρχεται

(5)

(10)

(15)

(20)

Oineus: Nun gut, ich werde es sagen. Aber zuerst will ich wissen, wer ihr seid, und aus welchem Geschlechte ihr stammt. Das (weiss) ich nämlich jetzt noch nicht. Satyrn: Du sollst alles erfahren: Als Bräutigame kommen wir, wir sind Söhne von Nymphen, Diener des Bakchios, Gefährten der Götter. Jede Kunstfertigkeit ist glänzend in uns angelegt. Als da sind: Was man zum Kampf im Kriege braucht, Ringkämpfe, Wettkämpfe mit Pferden im Lauf, mit der Faust und mit den Zähnen, Hoden-Drehen; in uns stecken Lieder voller Musenkunst, in uns steckt allbekannte Sehergabe ohne Lug und Trug, prüfender Blick für Heilmittel, in uns steckt Messung des Himmels, steckt Tanzen, steckt Palaver über das, was unter der Erde ist. – Ist fruchtlos unser festlicher Zug hierher? Von diesen Dingen kannst du dir nehmen, was immer du brauchst – wenn du mir nur deine Tochter zur Frau gibst. Oineus: Aha, dies Geschlecht ist nicht zu tadeln, aber ich will auch den zuerst prüfen, der … geht/kommt. (S. ‘Oin.’ **F 1130.3-20; Übersetzung: Pechstein/Krumeich in KPS 372)

Doch nicht nur die Brautwerbung, sondern die meisten τέχναι, auf die sie sich in den Dramen einlassen, sind den Satyrn fremd, und der Versuch, sich ihnen hinpar les satyres à l’égard de parthenoi et déjouées par l’intervention d’un héros ou d’un dieu”, 379). Zu Voelkes weiteren “thèmes satyriques”: infra p. 352 n. 6.

Der Chor der Satyrn

205

zugeben, ist vordergründig betrachtet eine komisch-groteske Übung in Selbstüberschätzung und Dilettantismus. Dass die Satyrn in vielen ‘fremden Rollen’ agieren, gehört zu den offensichtlichen und oft beschriebenen Topoi des Genres;224 es handelt sich dabei um einen Motor seiner Handlungen und einen Katalysator seiner Komik. Im vorangehenden Kapitel (5.1) habe ich mich der Frage angenommen, wozu genau das Attribut ‘fremd’ in Beziehung zu setzen sei, i.e. was als ‘eigentliche’ Betätigung und als ‘eigentlicher’ Zustand der Satyrn vorausgesetzt werde, vor deren Hintergrund eine Beschäftigung oder eine aktuelle Daseinsform als fremd und unpassend erscheinen kann. Dabei ging es um die Vorstellung des eigentlichen Satyrdaseins, wie sie im Satyrspiel diskursiv hergestellt und präsentiert wird. Gerade das Phänomen der ‘Satyrn in fremden Rollen’ ist eine zur Erzeugung dieser Vorstellung häufig gewählte Strategie. Am Anfang dieser Ausführungen standen verschiedene Passagen, an denen sich eine dramatis persona über das ‘uneigentliche’, fremde, neuartige Benehmen des Chores wundert, beklagt oder empört – Stellen also, an denen der Topos der fremden Rolle binnendramatisch explizit thematisiert wird. Wiederholt fällt dabei der (auch bei der Brautwerbung im ‘Oineus-Satyrspiel’ verwendete) Begriff der τέχνη. Kyllene fragt den Chor, weil er sich viel zu laut und zu aggressiv, ja: ‘wie Jäger’ (S. Ichn. 231) geriere:225 τίς ἥδε τέχνη; τίς µετάστασις πόνων … (S. Ichn. 223).

Dionysos in den Isthmiastai oder Theoroi bemerkt mit viel Missfallen, dass die Satyrn sich in der Kunst des Isthmiazierens aufreiben: ὁ̣ρ̣ῶ̣ν̣ … ὡς ἐξέτριβες Ἰσθµιαστικὴν̣ [τέχνη]ν226 (A. Isth. **F 78a.29-30).

224 Sutton 1980a, 157; Seidensticker in KPS 17-18; Voelke 2001, 379-380; cf. für die Ikonographie e.g. Hamdorf 1990. 225 Kontext und Übersetzung dieser Stelle: supra p. 157-158. 226 So Reinhardt 1957, 6 und Steffen. Reinhardt begründet überzeugend, warum diese Lesart zu bevorzugen ist: “…[τέχνη]ν besser als [πάλη]ν, da es doch die ‘Künste’ sind, die dionysischen und die gymnischen, die miteinander streiten. Derselbe Gegensatz zwischen τοὔρχηµα ἐπ[ισκοπ]εῖν (Snell) und ἰσθµιάζεις.” – Cf. aber auch die alternativen Vorschläge, alle genannt bei Radt in TrGF III, p. 198 ad loc.: [κόνι]ν (Fraenkel); [πάλη]ν (Tovar 1943, 439; Cantarella 1948; erg. Mette 1959, p. 8, Tetralogie II D F 17.30); [τριβή]ν (Lloyd-Jones 1957); [µαθώ]ν (Kamerbeek 1955, 6). – Radt lässt die Frage offen: [....]ν.

206

Tragödienreflexion

Der Silen in den Ichneutai wiederum parodiert die geradezu topische Empörung227 über das Ausüben neuer τέχναι und verkehrt sie in ihr Gegenteil, wenn er die Satyrn, als sie ihren bakchischen228 ‘Angsttanz’ aufführen, fragt: τίν’ αὖ τέχνην σὺ τήν[δ’ ἄρ’ ἐξ]ηῦρες, τίν’ αὖ (S. Ichn. 124).

Ehe ich mich mit der Frage auseinandersetze, welche Funktion der Topos in den Stücken hat, will ich mich ihm zunächst phänomenologisch nähern und betrachten, wie, wo und wann er zum Einsatz kommt. Der Topos wird, naturgemäss, oft unter dem Etikett des ‘Neuen’ und ‘Neuartigen’ diskutiert. Bedingt wird er indessen in aller Regel durch den Aufenthalt der Satyrn in der Fremde und/oder die Dienerschaft oder Gefangenschaft bei einem fremden Herrn oder Unhold.229 In diesen fremden Gefilden sind die Satyrn mit neuen und daher fremden Gegenständen (Erfindungen, Entdeckungen)230 und Tätigkeiten konfrontiert – und geben sich diesen in manchen Stücken freiwillig, in anderen erzwungenermassen hin. Nicht immer ist der Topos der Satyrn in fremden Rollen von den Prahlereien der Satyrn und insbesondere des Silen zu trennen, mit denen sie sich entweder für wesensfremde angebliche Ruhmestaten der Vergangenheit in die Brust werfen oder den Mund zu voll nehmen, wenn es um bevorstehende Ereignisse und zu bewältigende Aufgaben geht. Öfter denn nicht inszenieren sich die Satyrn und der Silen vor allem in Worten als Ausübende fremder Rollen.231 Eine Spezialform der Prahlerei wiederum ist das Phänomen, das ich als Figurendoppelung bezeichnen möchte, die zu wesentlichen Teilen auf erdichteten Rollen oder Handlungssequenzen basiert, die in der Mythologie spezifisch einer anderen Figur zugeschrieben sind: Hier schmücken sich der Silen und die Satyrn also mit fremden Lorbeeren.232 Im Kyklops stehen die Satyrn als Hirten im Dienste Polyphems, in den Ichneutai betätigen sie sich als Spurensucher oder witternde Jagdhunde, und in den Isthmiastai oder Theoroi haben sie sich nach Isthmia begeben, als Schutzflehende an den Altar des Poseidon gewandt und schicken sich an, als Athleten an den Spielen zu partizipieren. Pluralische Titel jeder Art antiken Dramas beziehen sich grundsätzlich auf deren Chor –233 und es gibt keinen Grund zu vermuten, dass dies nicht auch für das Satyrspiel gelte. Ein Blick etwa auf die Fragmente, die unter dem Titeln Ichneutai überliefert sind, bestätigt diesen Eindruck. Satyr227

Vide infra Kap. 6.1, p. 220. S. Ichn. 133: τί ποτε βακχεύεις ἔχων; κτλ. 229 Cf. infra Kap. 7.4; Studien II s.v. *Sklaverei. 230 Studien II s.v. Erfindung. 231 Studien II s.v.Prahlerei. 232 Studien II s.v. Figurendoppelung. 233 Eine Ausnahme bilden Euripides’ Herakliden. 228

Der Chor der Satyrn

207

spieltitel erlauben demnach grundsätzlich Rückschlüsse auf die jeweilige Rolle der Satyrn im betreffenden Stück.234 Umgekehrt lassen sich einige Fragmente deshalb einem Titel zuteilen, weil ihm die darin erkennbaren ‘fremden Rollen’ der Satyrn entsprechen. Das gilt zum Beispiel für die Fragmente des P.Oxy. 2162, die den Isthmiastai oder Theoroi zugewiesen werden können. Hier finden sich zahlreiche Hinweise auf die Teilnahme der Satyrn an den Isthmischen Spielen: e.g. **F 78a.29-31 (ὁ̣ρ̣ῶ̣ν̣ … ὡς ἐξέτριβες Ἰσθµιαστικὴν̣ … ἀλλ’ ἐγυµνάζ[ου κα]λῶς), **F 78a.34 (σὺ δ’ ἰσθµ̣̣ιάζεις); **F 78c.39 (σὺ δ’ ἰσθµιάζεις). Folgende Liste möge das breite Spektrum der fremden Rollen veranschaulichen, welche die Satyrn und/oder der Silen in den Dramen ausgeübt haben. In die Liste aufgenommen sind auch Rollen, für die es keine eindeutige Evidenz gibt, für deren Vorkommen aber erhaltene pluralische Titel, Vasenbilder oder Ähnliches sprechen. Die Satyrn und/oder der Silen scheinen unter anderem aufgetreten zu sein als Anwärter für die Lösung des Sphinx-Rätsels,235 Athleten,236 Aufseher/Aussenposten (πρόσκοπος),237 Bräutigame/‘Kollektivbräutigam’,238 Flötenspieler,239 Gastroenterologen,240 Hämmerer,241 Händler,242 Haushofmeis-

234

Cf. e.g. Guggisberg 1947, 30. A. Sphinx; cf. infra Studien II s.v. Rätsel. 236 Cf. infra Studien II s.v. Athleten. 237 Evtl. der Silen in E. Skir.; cf. P.Oxy. 2455 fr. 6.81-82 mit Pechstein in KPS 455. 238 Der Silen oder ein Satyr in A. Amymone F 13; der Silen in A. Dikt. F 47a.821-832, cf. 831: γάνυται νυµφ[ί]ο̣ν [ο]ἷον. ‘Kollektivbräutigam’: die Satyrn in S. ‘Oin.’ **F 1130.6: ν̣υµφίοι µὲν ἥ[κοµε]ν (vide supra). Cf. infra Studien II s.v. ‘Inversion der Begierde’. 239 Iophon Aulodoi. – Cf. die beiden anonymen Satyrspiel-Verse, mit denen ein Satyr (Marsyas?) Minerva vom Flötenspiel abrät, weil es ihr Gesicht verzerre (trag. adesp. F 381). 240 Sc. der Silen in Dionys.Trag. Limos F 3a; cf. den Zitatkontext bei Eustathios, demzufolge der Silen in diesem Stück versucht habe, Herakles zu purgieren: Eust. Il. 11.514-515 (3, p. 242 van der Valk). Cf. Süss 1966, 301. – Im ‘Oineus-Satyrspiel’ rühmen sich die Satyrn unter anderem auch ihres ‘prüfenden Blicks für Heilmittel’: **F 1130.14 (ἰαµάτων τ’ ἔλεγχος [sc. ἔνεστι]). 241 Evtl. in Sophokles’ Pandora oder Sphyrokopoi. Der zweite der beiden Titel ist mit höchster Wahrscheinlichkeit auf die Satyrn zu beziehen, die hier als Hämmerer im Dienste des Hephaistos an der Schaffung der Pandora (cf. *F 482) beteiligt sein dürften; cf. Heynen/Krumeich in KPS 380. Zur entsprechenden Ikonographie cf. ibid. 378-379 und Krumeich in KPS 63 mit n. 106. – Lloyd-Jones 22003, 251, vermutet, dass Satyrn mit ihren Hämmern Pandora (die in diesem Fall in der Erde entstanden sein muss) aus dem Boden befreien. 242 Als der Silen im Kyklops vom hungrigen Odysseus um Lebensmittel gebeten wird, spielt er sich nicht nur als Händler auf, sondern spricht oder persifliert auch die Sprache des athenischen Marktes, cf. infra p. 346 n. 68. 235

208

Tragödienreflexion

ter,243 Heloten,244 Herolde,245 Hirten,246 Hochzeitsplaner,247 Holzsammler,248 Jäger,249 Jungfrauen (πάρθενοι),250 Kampfgenossen,251 Käser,252 Keren,253 Köche,254 Kultanhänger und Schutzflehende am Altar des Poseidon,255 Lohndiener,256 lydische Harfenspielerinnen (Λυδαὶ ψάλτριαι),257 Mädchen,258 Magier,259 Metzger (µάγειροι),260 Mitstreiter des Herakles (im Kampf gegen die lernäische Hydra),261 Moiren,262 Netzzieher,263 Opferdiener,264 Piratenjäger,265

243

E.g. der Silen in Euripides’ Kyklops und Syleus, evtl. in Sophokles’ Inachos. Cf. Conrad 1997, bes. 171 (der Silen als “Majordomus” im Kyklops); ibid. 129-130 (im Inachos); Pechstein in KPS 466, 468 (der Silen als Haushofmeister im Syleus). 244 S. Epi Tainaro, cf. Scheurer/Kansteiner in KPS 265. 245 Evtl. die Satyrn in A. Kerykes. Möglicherweise handelt es sich um die Herolde des Königs Erginos, denen Herakles begegnet, cf. van Groningen 1930b. 246 Cf. supra Kap. 5.1.3. 247 A. Dikt. F 47a.821-832. 248 Evtl. S. Herakles F 225. 249 S. Ichn. 172-175 (sc. der Silen), 230-232 (Satyrn und Silen). 250 Evtl. Ion Trag. Omph. F 20, cf. s.v. ‘lydische Harfenspielerinnen’. 251 E.g. Kampfgenossen des Odysseus gegen Polyphem im Kyklops. 252 E. Cyc. 208-209. 253 Evtl. Aristias Keres, cf. supra p. 96-97 n. 21. 254 E. Cyc. 214-219. Aufgrund von Achae. Aith. F 9 (sowie F 7) kann man annehmen, dass die Satyrn Erysichthon mit Speis und Trank zu versorgen hatten und für deren Zubereitung zuständig waren. Cf. s.v. Metzger (µάγειροι). 255 A. Isth. **F 78a.11-22, **F 78c.43-48. 256 S. Ichn. 8, 44 κτλ.; evtl. S. Salm., cf. F 540 und dazu Scheurer/Bielfeldt in KPS 387 und bes. die ibid. n. 31 genannte Literatur. 257 Evtl. Ion Trag. Omph. F 22; cf. dazu Easterling 2007, 283, 288. 258 Sc. der Silen als Tochter desjenigen, der von Autolykos um seine richtige (und sehr schöne) Tochter geprellt wird; E. Autolykos, cf. Tz. H. 8.448-451. 259 Python Agen F 1.5: τῶν βαρβάρων τινὲς µάγοι, cf. Musa Tragica 195; Günther in KPS 599; Cipolla 2003, 344-345 ad loc. 260 Cf. S. Herakles F 225 und dazu Scheurer/Bielfeldt in KPS 270 n. 3, 272. 261 Evtl. E. Eurystheus F 373: πᾶς δ’ ἐξεθέρισεν ὥστε πύρινον 〈στάχυν〉 / σπάθῃ κολούων φασγάνου µελανδέτου. Zur These, dass hier von der Hydra die Rede ist: 2 Nauck, 474; Steffen 1971a, 212; Steffen 1971b, 219-220; Steffen 1979, 60. Πᾶς deutet auf eine Gruppe, und dafür kommt im Satyrspiel am ehesten der Chor der Satyrn in Frage (cf. E. Ba. 1135-1136: … πᾶσα δ’ ᾑµατωµένη / χεῖρας διεσφαίριζε σάρκα Πενθέως, über die Mänaden beim Sparagmos des Pentheus). Zum Sprecher der Verse, bei dem es sich wohl um den Silen handelt, cf. Pechstein 1998, 152-153. 262 Evtl. Achae. Moirai, cf. supra p. 96-97 n. 21. 263 A. Dikt. 264 Denkbar e.g. in E. Bus.; cf. Pechstein/Krumeich in KPS 418. 265 E. Cyc. 10-17, 112.

Der Chor der Satyrn

209

Raumpfleger,266 Reiseleiter/Fremdenführer/Schutzherren (πρόξενοι),267 Schmiedegesellen,268 Schnitter,269 schöne Jünglinge (καλοί),270 Schüler,271 Seefahrer,272 Seher,273 Sportreporter resp. Boxkampf-Kommentatoren,274 Spürhunde,275 Türsteher (“portinaio” Pavese 1967, 35),276 Wächter eines Heiligtums277 und Winzer-Gehilfen.278 Ebenso charakteristisch wie das Ausüben einer fremden Rolle ist für die Satyrn das Scheitern dabei: Sie versagen in ihren fremden Rollen grundsätzlich – und zwar deshalb, weil ihnen ihre (für das Ausüben der Rolle

266

Sc. der Silen in E. Cyc. 32-35. Sc. der Silen; A. Dikt. F 47a.768 (zur Verwendung des Begriffs πρόξενος an dieser Stelle vide infra p. 298 n. 20), cf. E. Cyc. 113-132. 268 Evtl. S. Kedalion. Ein kaiserzeitliches Marmorrelief im Louvre (1.-2. Jh. n.Chr.; cf. Vollkommer 1990, 978-979 Nr. 2; Simon 1997b, 289 Nr. 65; Scheurer/Kansteiner in KPS 347-348) gewährt Einblick in die Werkstatt des Hephaistos, wo gerade die Waffen des Achilleus geschmiedet werden. Zu sehen sind sowohl Hephaistos als auch die Satyrn (einer davon mit perizoma, i.e. ein Theatersatyr!) und der kleinwüchsige Kedalion; ein bruchstückhaft erhaltenes Relief in Catania (cf. KPS 347 mit n. 12), das die nämliche Szene abzubilden oder gar eine “Replik” (Vollkommer) zu sein scheint, lässt auf die Existenz eines älteren gemeinsamen Vorbilds aus dem 5. oder 4. Jh. v.Chr. schliessen (Lippold 1951, 131). Obwohl nicht mit einem direkten Zusammenhang mit einem Satyrspiel zu rechnen ist, hat man vermutet, dass im Kedalion die Satyrn als Gehilfen des Titelhelden in Hephaistos’ Werkstatt tätig gewesen sein könnten, wo vielleicht auch S. Pandora oder Sphyrokopoi (cf. supra s.v. ‘Hämmerer’) und der Anfang von Achaios’ Hephaistos spielt. Als µαστιγίαι, κέντρωνες, ἀλλοτριοφάγοι in S. Kedalion F 329 werden mit Sicherheit die Satyrn betitelt – vielleicht von einem Arbeitgeber? 269 Evtl. E. Theristai; evtl. Sosith. Daphnis oder Lityerses. Cf. ferner E. Eurystheus F 373.1 (πᾶς δ’ ἐξεθέρισεν), vide supra s.v. Mitstreiter des Herakles …). 270 Evtl. Achae. Aith. F 6; cf. Studien II s.v. Kottabosspiel. 271 Cf. das anonyme Titelfragment trag. adesp. F 5g: ΜΑΘΗΤΑΙ ΣΑΤΥΡΟΙ. 272 E. Cyc. 10-22. 273 S. ‘Oin.’ **F 1130.12-13; evtl. S. Amphiareos, cf. F 113 (mit der bei Scheurer/Kannsteiner in KPS 238 n. 12 genannte Literatur). Welcker 1826, 318 vermutet, dass die Satyrn sich in Nachahmung des Amphiareos in der Seherkunst versuchten; damit läge ein weiteres Moment von Figurendoppelung vor. Handelt es sich bei S. Manteis oder Polyidos, wie verschiedentlich vermutet (dazu infra Studien II s.v. Rätsel), um ein Satyrspiel, so wäre der pluralische Titel wohl auf die Satyrn zu beziehen; cf. ferner infra Studien II s.v. Prophetie. 274 Evtl. S. Amykos; cf. F 112 (‘und jetzt drischt er ihm den Kiefer weich’); dass die Verse vom Silen oder dem Chor gesprochen werden, schlägt Churmuziadis 1974, 211 n. 29 vor. 275 S. Ichn.; cf. infra Studien II s.v. Tiere, p. 438-439 n. 382 und n. 383. 276 Sc. der Silen in S. Ina.: Conrad 1997, 133. 277 Gemäss der Rekonstruktion von Olivieri 1934, 55-60 in S. Amphiareos F 113 (vide supra s.v. πινοτήρης). 278 E. Syl.: Pechstein in KPS 466. 267

210

Tragödienreflexion

zeitweilig unterdrückte) dionysische Natur in die Quere kommt.279 Zwei Beispiele sollen dies illustrieren: die Teilnahme an den Isthmischen Spielen in den Isthmiastai oder Theoroi und der Einsatz an der Blendung des Polyphem im Kyklops. Als es in den Isthmiastai oder Theoroi für die wettkampffertigen Satyrn zur Sache zu schreiten, i.e. die ‘neuen’ Sportgeräte in Betrieb zu nehmen gilt,280 versucht sich einer nach dem anderen der Aufgabe zu entziehen: ....[.]α̣ καινὰ ταῦτα µα̣[...]νειν φιλεῖ[ ἐγ̣ὼ [φέ]ρ̣ω σοι νεοχµὰ [....] ἀθύρµατα̣ ἀπὸ [σκε]πάρνου κἄκµ[ονος ν]εόκτ[ιτα. τουτ[ὶ τὸ] πρῶτόν ἐστί σοι τ[ῶ]ν π̣αι̣γ̣[νίω]ν. ἐµοὶ µὲν οὐχί· τῶν φίλων νεῖµόν τι̣νι. µὴ ἄπειπε µηδ’ ὄρνιθος οὕνεκ’, ὠγαθέ, — τί δὴ γανοῦσθαι τοῦτο; καὶ τί χρήσοµαι; ἥνπερ µεθειλ[.. τὴ]ν τέχνην ταύτη̣[ι] π̣ρεπ̣[ τί δ’ ἀ̣ντιποιεῖν [...]τιπλουν µου[.]ανδαν[ ξυνισθµιάζειν [.....] ἐµµελέστατο̣ν. φέρω[ ca. 17 litt. ] ἐµβήσεται. ἐπισ̣[ ca. 17 litt. ]β̣άδην ἐλ[ᾶ]ι̣ς ..]ει̣[ ca. 19 litt. ]φ.ρ̣ων σφυρά ..]σε̣[ ... Das Neue zu (lernen) lieb(st du) ich bringe dir neuartige … Spielzeuge, ganz neugeschaffen von Axt und Amboss. Dies ist für dich das erste von dem Spielzeug. (A.) Für mich nicht; gib’s einem meiner Lieben. (B.) Ach, schlag’s, mein Guter, doch um Himmels willen (wegen eines Vogelzeichens) nicht aus. (A.) Warum soll das denn Freude machen? Und was soll ich damit tun? (B.) In der Kunst, die du aufgenommen hast, zeichne dich aus (oder: Es ist der Kunst angemessen, die du aufgenommen hast). (A.) Wie aber (beliebt’s) zu danken … (Ich trage) … wird hineingehen … (Schritt für Schritt) (treibst du) … Knöchel (A. Isth. **F 78c.49-62). 279

Cf. Voelke 2001, 381: “… lorsqu’en effet les satyres tentent de franchir les limites qui séparent les marges des territoires cultivés pour assumer des rôles qui leur sont étrangers, tels que celui d’athlète, leurs prétentions ne tardent pas à être contrecarrées, notamment par l’intervention de Dionysos qui les ramène sur la voie de leurs rôles traditionells.”. 280 Für den weiteren Kontext dieses Fragments: infra Studien I, A. Isth.

Der Chor der Satyrn

211

Der erste Satyr versucht die Aufgabe auf die anderen abzuwälzen, und diese warten mit ihrem jeweiligen Rückzieher auf;281 der letzte, dessen Text noch teilweise lesbar ist, offenbar wegen etwas, was mit den Knöcheln (σφυρά, 61) zu tun hat. Vermutlich hat ihn ein ähnliches Leiden ereilt wie die Satyrn im Kyklops vor der Blendung des Kyklopen: In just dem Moment, in dem es zur Blendung zu schreiten gälte, verstauchen sich diese den Fuss (638-639).282 Doch alles der Reihe nach: Die Satyrn reagieren begeistert, als ihnen Odysseus seinen Plan offenbart und in einer nur dem Homer-Kundigen verständlichen Weise die Verwendung des Olivenbaumstamms als Drillbohrer erläutert, der mit Doppelriemen in Bewegung gesetzt werde (454-463).283 Schwieriger zu verstehen ist der Vorschlag der Satyrn, wie sich ihr Beitrag zur bevorstehenden Blendung (φόνου … κοινωνεῖν, 471)284 gestalten könnte. Sie bemühen dazu ein Bild aus der Sphäre des Opfers, indem sie nämlich das Hineinstossen des glühenden Pfahls ins Auge mit dem Eintauchen der Fackel in die χέρνιψ bei der Opfervorbereitung vergleichen.285 Somit ersetzen sie das homerische (von Odysseus ex eventu verwendete) simile vom Schmied,286 der glühendes Metall in kaltes Wasser taucht, durch eine kultisch geprägte Visionierung der noch gar nicht erfolgten Tat. In dem, was folgt, ist aber dieses Opferszenario vergessen – die Satyrn stimmen sich auf ihren heroischen Einsatz bei der Blendung ein: Χο. ἄγε, τίς πρῶτος, τίς δ’ ἐπὶ πρώτῳ ταχθεὶς δαλοῦ κώπην ὀχµάσαι Κύκλωπος ἔσω βλεφάρων ὤσας λαµπρὰν ὄψιν διακναίσει; Wer wird als erster, wer als der zweite getreu dem Befehl, den glühenden Stamm ergreifen, ihn stossen ins Aug’ des Kyklopen, verlöschen den glänzenden Stern? (E. Cyc. 483-486; Übersetzung: Ebener 1980).

281

Ich gehe davon aus, dass V. 53 (ἐµοὶ µὲν οὐχί· τῶν φίλων νεῖµόν τι̣νι) von einem Satyrn gesprochen wird, der die Gegenstände selbst nicht in die Hand nehmen und den anderen Satyrn überlassen will, und dass in den folgenden Versen 55, 57, 59 und 61 je ein Satyr mit seiner Ausrede zum Zug oder vielmehr Rückzug kommt. 282 Auch zu Beginn der Parodos der Ichneutai könnte das eine oder andere Chormitglied von akutem Fuss-Schmerz befallen sein: πόδα … / ἀπαπαπ … / ὢ ὤ … (S. Ichn. 65-67). 283 Zur Adaption dieses homerischen similes im Kyklops: infra p. 342-343. 284 Cf. die von Seaford 1984 ad loc. beigebrachte Parallelstelle Porph. Abst. 2.29.28-29, p. 159.16-17 Nauck [erg. e.g. Thphr. De pietate F 18.18; aber auch bereits bei Euripides: Andr. 915; El. 1048; Or. 1591]. Zu Diggles Lesart πόνου: supra p. 164 n. 28. 285 Detaillierte Interpretation bei Seaford 1984 ad Cyc. 469-471. 286 Od. 9.391-394.

212

Tragödienreflexion

Von einer enigmatischen Anspielung in der dritten Strophe des anschliessenden Stasimons abgesehen bleibt dies die letzte Erwähnung der Blendung, ehe das groteske Symposion von Polyphem, Odysseus und Silen über die Bühne gegangen ist, die beiden Mittrinker sich zurückgezogen haben und Odysseus allein vor die Höhle tritt, um zu verkünden, dass es nun zur Tat zu schreiten gelte – ἄγε δή, Δ∆ιονύσου παῖδες, εὐγενῆ τέκνα – ‘auf denn, Kinder des Dionysos, edle Jungen’ (590) –, weil der Unhold vom Wein übermannt eingeschlafen sei. πέτρας τὸ λῆµα κἀδάµαντος ἕξοµεν – ‘Felsengleich wird unser Mut sein und stählern!’, antworten die ‘edlen Jungen’ (596). Es folgen ein Stossgebet des Odysseus und ein kurzes astrophisches Lied der Satyrn, das erste Anzeichen des späteren Rückzugs erkennen lässt (der einhergeht mit dem Hervortreten des Dionysischen): Ging es den Satyrn in den V. 483486 und im vorangehenden Dialog noch darum, wer von ihnen als erster zupacken und den Kyklopen blenden werde, so wird die Aufgabe bereits hier an einen dritten, und zwar an Maron, den Wein, delegiert: … ἀλλ’ ἴτω Μάρων, πρασσέτω, µαινοµένου ’ξελέτω βλέφαρον Κύκλωπος, ὡς πίῃ κακῶς. … und nun avanti, Maron! Es gilt zur Tat zu schreiten und das Augen(lid) des rasenden Kyklopen herauszuziehen, damit dieser zu seinem Verderben getrunken hat. (E. Cyc. 616-618)

Dann ist es aber so weit: Der Pfahl sei schön durchgeglüht, lässt Odysseus verlauten; die Satyrn sollen mit beiden Händen zupacken (630-631). In einem letzten Anflug von Mut antwortet einer der Satyrn, Odysseus möge Weisung erteilen, wer zuerst anpacken und dem Kyklopen das Auge ausbrennen solle. Seine Worte entpuppen sich als das um jeglichen Heldenmut beraubte Echo der Liedzeilen 483-486:287 οὔκουν σὺ τάξεις οὕστινας πρώτους χρεὼν καυτὸν µοχλὸν λαβόντας ἐκκαίειν τὸ φῶς Κύκλωπος, ὡς ἂν τῆς τύχης κοινώµεθα; Wirst du denn nun diejenigen bestimmen, die als erste den Pfahl packen und das Augenlicht des Kyklopen ausbrennen sollen, damit wir am glücklichen Ausgang teilhaben können? (E. Cyc. 632-634)

287

Anders Biehl 1986a ad Cyc. 632ff., der diese Verse als “Ausdruck massloser Selbstüberschätzung der Satyrn” deutet; die Verse 483ff. dagegen als “etwas bescheidener”.

Der Chor der Satyrn

213

Aus ταχθείς in einem Vers, in dem man auf die Nennung des Befehlshabers noch bereitwillig verzichtete (Cyc. 483), ist σὺ τάξεις (632) geworden: Hier wird Odysseus also in seiner Funktion als Befehlshaber angesprochen und daran erinnert, dass er für die Aktion verantwortlich zeichne. Der heldenhafte ‘Erste’, πρῶτος (ein Satyr!), der am glühenden Pfahl hatte anpacken sollen, ist mehreren ‘Ersten’ (πρώτους) unbestimmter Anzahl – und eher griechischer als ‘satyrischer’ Identität –288 gewichen. Ebenso ist die Willensäusserung der Satyrn, Mithilfe zu leisten … … φόνου γὰρ τοῦδε κοινωνεῖν θέλω. … ich will mich an diesem Mord beteiligen. (E. Cyc. 471)

… zu einer (nur leicht zweideutigen)289 Aussage mutiert, wonach die Satyrn sich nicht mehr an der Tat, sondern vielmehr an deren Happy End beteiligen wollen, nämlich der Flucht, die Odysseus ihnen in Aussicht gestellt hat: … ὡς ἂν τῆς τύχης κοινώµεθα … Wir wollen uns am glücklichen Ausgang beteiligen/am glücklichen Ausgang teilhaben (E. Cyc. 634).290

288

Die Satyrn scheinen darauf anzuspielen, dass Odysseus bei Homer die Männer, die beim Drillbohrer mitanpacken sollten, per Los ausgesucht hatte; cf. Od. 9.331-335. 289 Der Vers ist in verschiedenerlei Hinsicht deutungsoffen; Ebener 1980 übersetzt e.g. “damit wir unsern Beitrag leisten zum Erfolg”; auch Biehl 1986a überschätzt den Charakter der Satyrn; er übersetzt zwar “damit wir auf jeden Fall am gemeinsamen Gelingen [sc. τῆς τύχης i.S.v. εὐτυχίας] unseren Anteil haben”, glossiert dann aber “d.i. Motiv der φιλία … die Satyrn versichern, noch einmal, dass sie sich mit Od[ysseus] durch das enge Band der Freundschaft verbunden fühlen und zur gemeinsamen Sache stehen wollen.” 290 Die nächste Parallelstelle hierzu findet sich in Euripides’ Iphigenie bei den Taurern; sowohl spezifisch zum Vers (Cyc. 634, cf. IT 1067) wie überhaupt zu seinem Kontext. Iphigenie adressiert hier den Chor der griechischen Tempelsklavinnen, appelliert an die weibliche Solidarität und bittet die Frauen, ihren Fluchtplan nicht zu verraten. Als Gegenleistung verspricht sie den Frauen Beteiligung an ihrem Glück, so ihr die Flucht gelinge – sie will die Frauen in die Heimat zurückzuführen: σωθεῖσα δ’, ὡς ἂν καὶ σὺ κοινωνῇς τύχης, / σώσω σ’ ἐς Ἑλλάδ’ (IT 1067-1068). Ganz ähnlich versucht Odysseus die Satyrn an seinem Plan zu beteiligen und stellt ihnen in Aussicht, sie mit sich zu retten und zu Dionysos zurückzuführen: … ἐξελθὼν δ’ ἐγὼ / σιγῇ σὲ σῶσαι κἄµ’, ἐὰν βούλῃ, θέλω. / ἀλλ’ εἴπατ’ εἴτε χρῄζετ’ εἴτ’ οὐ χρῄζετε / φεύγειν ἄµεικτον ἄνδρα καὶ τὰ Βακχίου /

214

Tragödienreflexion

Was sich hier schon ankündigt, wird im Folgenden manifest – die Satyrn ziehen sich grüppchenweise mit faulen (aber metatheatralen) Ausreden von ihrem Vorhaben zurück:291 Χο.α ἡµεῖς µέν ἐσµεν µακροτέρω πρὸ τῶν θυρῶν ἑστῶτες ὠθεῖν ἐς τὸν ὀφθαλµὸν τὸ πῦρ. Χο.β ἡµεῖς δὲ χωλοί γ’ ἀρτίως γεγενήµεθα. Χο.α ταὐτὸν πεπόνθατ’ ἆρ’ ἐµοί· τοὺς γὰρ πόδας ἑστῶτες ἐσπάσθηµεν οὐκ οἶδ’ ἐξ ὅτου. Οδ. ἑστῶτες ἐσπάσθητε; Χο.α καὶ τά γ’ ὄµµατα µέστ’ ἐστὶν ἡµῖν κόνεος ἢ τέφρας ποθέν. Ch.(α) Wir stehen doch zu weit vom Höhleneingang ab, als dass wir das Feuer ins Auge stossen könnten! Ch.(β) Und wir haben soeben lahme Füsse bekommen! Ch.(α oder γ) Da geht es euch wie uns! Im Stehen hat ein Krampf unserer Beine erwischt, wir wissen nicht, woher! Od. Ein Krampf? Im Stehen? Ch.(α oder γ) Ja, und unsere Augen sind voll von Asche oder Staub, von irgendwoher! (E. Cyc. 635-640)

Witzig ist dabei nicht nur das Spiel mit den Bühnenkonvention,292 dass nämlich der Chor erstens in der orchestra tanzt und also tatsächlich fernab des ‘Höhleneingangs’ steht und dass er zweitens die orchestra zwischen seinem Ein- und Auszug niemals verlässt, sondern ebenso der Umgang der Satyrn mit den Gepflogenheiten ihrer Choreia. Die Satyrn, die nie still und immer in Bewegung ναίειν µέλαθρα Ναΐδων νυµφῶν µέτα. / ὁ µὲν γὰρ ἔνδον σὸς πατὴρ τάδ’ ᾔνεσεν· /… / σὺ δέ (νεανίας γὰρ εἶ) / σώθητι µετ’ ἐµοῦ … (Cyc. 426-435). 291 Die Sprecherverteilung und die Aufteilung des Chores, für die sie stehen sollte, sind umstritten. Klar ist, dass die MSS.-Verteilung nicht stimmen kann (L), cf. e.g. Duchemin 1945 ad loc. und ihre Erläuterung zu den Symmetrien dieser Verse (aufgrund derer sie für zwei Halbchöre argumentiert): ἡµεῖς µέν (635) … ἡµεῖς δὲ (637); τοὺς γὰρ πόδας (638) … καὶ τά γ’ ὄµµατα (640) [zu ergänzen ist: οὐκ οἶδ’ ἐξ ὅτου (639) … ποθέν (641)]. – Die Szene lebt vom schnellen Vorbringen verschiedener aufeinander bezogener Ausreden und kann von zwei oder von drei Halbchören bestritten worden sein. 292 Arnott 1972, 24-26 sowie Biehl 1986a ad 635-636; Koenen, Humorous Play (zu meinem grossen Bedauern ist Ludwig Koenens Abschiedsvorlesung mit dem Titel ‘Humorous Play with Theater Conventions in Euripides’ Cyclops’ bisher unveröffentlicht (ebenso die deutsche Fassung ‘Lustiges Spiel mit den Theaterkonventionen in Euripides’ Kyklops’, gehalten im Frühjahr 1999 am Kolloquium zu Ehren von Joachim Latacz in Castelen); rezipiert hat sie Bierl 2001, 64-86, cf. ibid. 77 n. 158. Dankenswerterweise hat mir Ludwig Koenen seine Arbeit ebenfalls zur Verfügung gestellt; Hinweise auf seine Thesen markiere ich im folgenden mit der Sigle ‘Koenen, Humorous Play’ und einem Verweis auf diese Anmerkung.

Der Chor der Satyrn

215

sind, verstauchen sich nicht etwa wie Normalsterbliche den Fuss, wenn sie wild springen und hüpfen, sondern gerade dann, wenn sie zum Stillstehen verdammt sind (in den Versen 624-628 hatte Odysseus absolute Ruhe und Stillstand befohlen – kein Atmen, kein Zwinkern, kein Räuspern –, damit der Kyklop nicht vor der Blendung aufwache).293 Damit scheitert ihr Einsatz als Mitstreiter im Kampf gegen den Kyklopen ebenso an ihrer Feigheit, die sich nicht länger leugnen lässt, wie daran, dass man sie vom Singen und Tanzen hat abhalten wollen. ἄνδρες πονηροὶ κοὐδὲν οἵδε σύµµαχοι – ‘Untauglich und nichts wert sind diese Kampfgenossen’ (642), quittiert Odysseus diesen nie erfolgten Auftritt der Satyrn in einer fremden Rolle. Die Satyrn rechtfertigen sich in sublimer Feigheit – es sei doch gewiss legitim, um seinen Rücken und die Wirbelsäule besorgt zu sein, sich nicht die Zähne einschlagen lassen zu wollen etc. (cf. 643-645) – und bieten ihre Hilfe nunmehr in Form eines orphischen Beschwörungszaubers an:294 ἀλλ’ οἶδ’ ἐπῳδὴν Ὀρφέως ἀγαθὴν πάνυ, ὥστ’ αὐτόµατον τὸν δαλὸν ἐς τὸ κρανίον στείχονθ’ ὑφάπτειν τὸν µονῶπα παῖδα γῆς. Aber ich kenne ein Zauberlied des Orpheus, so nützlich, dass der Pfahl von allein in den Schädel gelangen und den einäugigen Erdensohn in Brand stecken wird. (E. Cyc. 646-648)

Und so sind die Satyrn in der Rolle der heroischen Kämpfer grandios gescheitert, indem sie ihre wahre, dionysische Natur haben zutagetreten lassen. Satyrn können nicht, wie von Odysseus verlangt, still sein und kämpfen, Satyrn können – und das bleibt ihr letztes Angebot – singen und tanzen. Hinter der vordergründigen Lächerlichkeit der feigen Geste blitzt jene seltsame Form der Erhabenheit hervor, die den Satyrn kennzeichnet; ἐν τῷ Καρὶ κινδυνεύσοµεν – ‘Wir werden im Karer-Modus Risiko eingehen’295, beschliessen sie (Cyc. 654) und schicken also Odysseus und seine Gefährten vor – sollen die sich doch die Zähne einschlagen lassen. Auf eine Metaebene gehoben, entfaltet dieser Vers eine Bedeutung, die weit über den unmittelbaren Kontext hinausgeht und sich auf die Poetik des Satyrspiels insgesamt bezieht: Zwar lassen sich die dionysischen Choreuten auf die Anforderungen ihrer neuen Rolle ein und unterstellen sich der Logik des fremden, handlungsbestimmenden Mythos. Sie tun dies aber nur bis zu dem Grad, der ihren eigenen Status als Chor nicht gefährdet. Der Rest wird den Schauspielern überlassen. 293

Cf. infra Kap. 6.1, p. 224. Zur kult-historischen Auswertbarkeit dieser Verse: infra p. 346 n. 66. 295 Die Karer sind die sprichwörtlichen Söldner, vide infra p. 335 n. 23. 294

6 Sprechen über den Chor Das Satyrspiel, so hat es sich im letzten Kapitel gezeigt, insistiert darauf, die Daseinsform der Satyrn immer neu zu verhandeln. Viel ist vom eigentlichen Satyrdasein die Rede, jedoch stets in einer problematisierenden Weise: Was eigentlich ist oder sein sollte, wird vermisst, ist gefährdet oder verboten – in der Tat gewinnt das ‘Eigentliche’ klare Konturen nur über seine Negation. Demgegenüber steht der Versuch der Satyrn, einer fremden Rolle gerecht zu werden und sich uneigentlich zu gebärden – ein Versuch, der an der wahren Natur der Satyrn scheitert, beziehungsweise daran, dass die Satyrn in ihre eigentlichen Verhaltensweisen zurückfallen. Die Gegenüberstellung des eigentlichen Satyrdaseins mit den fremden Rollen, welche die Thiasoten mit Mühe übernehmen, lässt sich auf einer abstrakten Ebene reformulieren: Der inhaltlichen Differenz von eigentlicher und fremder Rolle entspricht eine formale Unterscheidung. Das eigentliche Dasein der Satyrn besteht wesentlich in deren ausgelassenem Tanz und Gesang, also in ihrer Choreia. Demgegenüber ergibt sich die fremde Rolle aus dem jeweiligen Mythos, der den Handlungszusammenhang und -verlauf des Satyrspiels bestimmt. Mit dem Satyrspiel liegt eine Dramengattung vor, deren Chor vom immergleichen dionysischen Personal gestellt wird; entsprechend sind es die Aktionen des Chores, in denen die dionysische Natur der Satyrn zum Tragen kommt (oder kommen müsste). Demgegenüber bestimmt der fremde, meist dezidiert nicht-dionysische Mythos die Dramenhandlung und findet folglich besonders in den Schauspiel-Partien seinen Niederschlag. Die Art und Weise, wie das Satyrspiel seine Choreia und besonders deren performative Aspekte diskursiviert, verläuft parallel zum Umgang des Satyrspiels mit dem Dionysischen überhaupt (cf. Kap. 4). Dem Sprechen über den Chor liegt dieselbe Bewegung der inkludierenden Exklusion zugrunde, wie wir sie im Kern der Gattungspoetik des Satyrspiels am Werk sehen. Im Folgenden sollen die in den vorangegangenen Kapiteln gewonnenen Einsichten noch einmal überdacht und besonders auf diesen ‘formalen’ Aspekt einer Gegenüberstellung von Choreia und Schauspiel hin gelesen werden. Habe ich zunächst danach gefragt, was als eigentliches Satyr-Dasein vorgestellt werde, so enge ich die Fragestellung nun ein und konzentriere mich darauf, welche Bedeutung der Choreia der Satyrn zukommt respektive welche Bedeutung ihr in den Stücken zugesprochen wird. Es wird sich zeigen, dass das Spannungsverhältnis zwischen Chor- und Schauspiel-Partien, das auch die klassische Tragödie prägt, im Satyrspiel thematisiert, ja regelrecht in Szene gesetzt wird. Dieser inszenierte Widerstreit von Choreia und Schauspiel lässt sich als weiterer Aspekt der im Satyrspiel betriebenen Tragödienreflexion identifizieren.

218

Tragödienreflexion

Die Überlegungen dieses Kapitels schliessen an eine Zahl von Forschungsarbeiten an, die den Status des Chores im attischen Drama – besonders in der Tragödie – hinterfragt und beschrieben haben, versuchen aber zugleich, der Spezifität des Satyrspiels gerecht zu werden. Verschiedentlich ist dargelegt worden, dass in der Bühnen-performance des Chores immer auch die rituelle Dimension des attischen Dramas aufscheine. Insbesondere in selbst-referentiellen Verweisen des Chores auf seine Choreia werde die Aufmerksamkeit auf deren rituelle Bedeutung gelenkt und das hic et nunc seiner Bühnenhandlungen als Vollzug eines Rituals ausgewiesen. Die Choreuten verkörpern zwar Figuren aus vergangenen mythischen Geschichten, bringen zugleich aber auch als athenische Bürger ihren Gesang und Tanz im Rahmen eines religiösen Festes dem Gott Dionysos dar.1 Sie bewegen sich zwischen der Fiktion der dramatischen Handlung und der Äusserungssituation im Theater. Zwar geht damit nicht notwendig der Bruch der ‘dramatischen Illusion’ einher, dennoch ist zu beobachten, dass in den Momenten chorischer Selbstreferenz das Dargestellte hinter der rituellen Aktualhandlung zurücktritt.2 Dass im Satyrspiel indes der immergleiche Chor der Satyrn auftritt, stellt einen grundlegenden Unterschied zur Tragödie und deren Handhabung des Chores dar. Entsprechend scheint es mir unzureichend, Ergebnisse, die besonders aus der Auseinandersetzung mit der Tragödie gewonnen sind, ohne Modifikation auf das Satyrspiel zu übertragen. Es mangelt nicht an Versuchen, das Sprechen über den Chor im Satyrspiel wie in der Tragödie als ein Mittel zu beschreiben, das den kultischen Aspekt des Dramas in den Vordergrund rücke.3 Dass aber die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf den dionysischen Charakter von Chortanz und -gesang gelenkt werden soll, scheint müssig angesichts der Tatsache, dass mit dem Satyrchor ohnehin das Kultpersonal des Festgottes Dio1

Grundlegend sind die Studien von Henrichs 1994/1995; 1996a; 1996b; Calame 1999; cf. auch Davidson 1986; Heikkilä 1991. Bierl 2001, 37-64 bietet einen erschöpfenden Überblick. Zum Satyrspiel cf. insbes. Easterling 1997b; Kaimio et al. 2001; D’Alessio 2007. 2 Cf. e.g. Bierl 2001, 16: “Gerade dem Chor, dessen Aufführung immer zugleich im Hier und Jetzt der festlich-kultischen Okkasionalität eingebettet ist, gelingt diese Transparenz zur Ritualität immer da, wo der fiktionale Charakter, das ‘Dargestellte’ zugunsten seiner simultan vorhandenen rituellen Funktion als Darsteller (‘Performer’) ausgeblendet wird. Dies geschieht vornehmlich in Passagen, wo alles Narrativ-Deskriptive aufgehoben wird und die Präsenz des Aufführungsereignisses in den Vordergrund gerückt wird, oder beide Kategorien einfach im Akt einer rituellen Tätigkeit zur Deckung kommen.” 3 Cf. e.g. Kaimio et al. 2001, 44: “Thus we can say that choral self-referentiality, choral projection, and metatheatrical comments on dancing are used in satyr-play […] often and in similar ways as in tragedy and comedy, adapted to the situation of the drama, but at the same time evoking in the audience an awareness of the Dionysiac ritual of the performance in the theatre festival of the god.” Cf. auch Easterling 1997b, 44; Voelke 2001, 393-396.

Sprechen über den Chor

219

nysos im Mittelpunkt der Darbietungen steht. Jedenfalls greift m.E. eine Interpretation des Satyrspiel-Chores zu kurz, die sich auf diesen Aspekt beschränkt. Während in der Tragödie der Chor grundsätzlich in die Figurenkonstellation des dargestellten Mythos integriert ist und der Bezug zum Dionysos-Kult durch Verweise auf die Äusserungssituation im Dionysos-Theater hergestellt wird, präsentiert sich die Situation im Satyrspiel grundlegend anders:4 Innerhalb der Welt der dargestellten Ereignisse treten mit Satyrn und Silen kultische Agenten auf. Der Bezug zum Dionysos-Kult ist also nicht nur qua Aufführungssituation im Theater gegeben, sondern besteht ebenso in der Logik des Dargestellten.5 Die Choreia des Satyrspiels ist damit – radikaler als in der Tragödie – doppelt bestimmt. Sie kennt eine interne Differenz zu den Schauspiel-Partien des Satyrspiels, während sie extern auf den ‘lebensweltlichen’ Kult bezogen, aber dennoch von diesem unterschieden bleibt. Im Folgenden werde ich diese externen Referenzen zurückstellen und mich auf die interne Differenzierung von Chorund Schauspiel-Partien konzentrieren. Es wird sich zeigen, dass das Sprechen über den Chor im Satyrspiel metatheatrale Reflexionen beinhaltet.6 Diese beleuchten indes nicht nur die Bedingtheiten des Satyrspiels selbst; vielmehr gelten sie der Tragödie und deren Umgang mit der Choreia. Die Choreia des Satyrspiels ist stets prekär, oder vielmehr: sie wird als prekär inszeniert. Die performative Entfaltung von Gesang und Tanz im hic et nunc der Stücke ist einer permanenten Problematisierung unterworfen – durch die Mitund Gegenspieler, durch den Silen und nicht zuletzt durch die Satyrn selbst. Das Problematisieren hat zunächst zwei privilegierte Ausdrucksformen: das Schimpfen über das Stattfinden der Choreia zum einen, das Schimpfen über ihr Ausbleiben zum anderen.

4

Unter den vollständig erhaltenen Tragödien sind es allein die Bakchen des Euripides, in denen in vergleichbarer Weise ein Chor von Dionysos’ Thiasoten auftritt. Entsprechend ist wiederholt auf die Sonderstellung der Choreia in den Bakchen hingewiesen worden; nicht zuletzt ist die aussergewöhnliche Präsenz des Dionysischen wie auch des Gottes selbst in diesem Drama in einer Reihe von Studien als Moment ‘metatheatraler’ Reflexion interpretiert worden. Cf. dazu bes. Foley 1980; Segal 1982; Foley 1985; Bierl 1991; Segal 1997; Bierl 2001; Dobrov 2001. Ein fundierter, wenn auch sehr kritischer Forschungsüberblick findet sich bei Radke 2003, 256-315. M.E. muss aber die Singularität der Bakchen und ihres dionysischen Chores vom Satyrspiel und seinem Chor unterschieden werden; im Satyrspiel wird in jedem Stück ein Thiasos-Chor in Szene gesetzt! ReflexionsMomente, die sich in den Bakchen durchaus in vergleichbarer Weise finden, liegen im Kern der Gattungspoetik des Satyrspiels begründet. 5 Cf. e.g. Voelke 2001, 395: “… les satyres, à la différence de la plupart des choeurs tragiques, portent dans leur identité même la qualité de danseur dionysiaque et leur présence même dans l’orkhêstra assure l’imbrication entre monde dramatique et contexte rituel”. 6 Cf. D’Alessio 2007, 119-122.

220

Tragödienreflexion

6.1 Die Beschwerde über die stattfindende Choreia Rufen wir uns noch einmal in Erinnerung, wie Polyphem im Kyklops die Bühne zum ersten Mal betritt: ἄνεχε πάρεχε· τί τάδε; τίς ἡ ῥᾳθυµία; τί βακχιάζετ’; οὐχὶ Δ∆ιόνυσος τάδε, οὐ κρόταλα χαλκοῦ τυµπάνων τ’ ἀράγµατα. (E. Cyc. 203-205)7

Polyphems Aufmerksamkeit gilt dem Chor, der offenbar Lärm macht und ‘bakchisch tanzt’ (βακχιάζειν, Cyc. 204). Polyphem verbittet sich dies entschieden und erkundigt sich unmittelbar darauf nach dem Stand der Arbeiten, welche die Satyrn in seinem Dienst zu verrichten haben. Der bakchischen Choreia stellt Polyphem schroff das Pflichtenheft unter seiner Herrschaft gegenüber. Die Satyrn scheinen ihm nicht zuzuhören; dazu bedarf es erst seiner Drohung mit Keule und Tränen (… τάχα τις ὑµῶν τῷ ξύλῳ / δάκρυα µεθήσει … – ‘gleich wird einer von Euch unter meinem Holzknüppel / Tränen vergiessen’, Cyc. 210211). Er muss sie dazu auffordern, ‘rauf-, nicht runterzublicken’ (… βλέπετ’ ἄνω καὶ µὴ κάτω, 211) – und das wird nichts anderes heissen als aufrecht zu stehen und ihm in die Augen zu schauen, statt sich in (Tanz)posen zu werfen, bei denen der Kopf zur Erde geneigt ist.8 Die Satyrn hüpfen und tanzen unentwegt; das wird sogar explizit gesagt, als Polyphem ihnen nämlich versichert, dass er sie nie verschlingen würde, weil sie ihn mit ihrem Gehüpfe und den Tanzfiguren schlicht umbringen würden (Cyc. 220-221). Drastischer noch ist die Schimpftirade, die sich die Satyrn nicht lange nach ihrem Auftritt in den Ichneutai einhandeln. Unter der Ägide des Silen haben sie die Suche nach den gestohlenen Rindern aufgenommen, als die unbekannten Laute der Lyra erklingen. Die Satyrn werfen sich vor Angst zu Boden und in tierhafte Posen. Der Ärger darüber, dass sie sich bakchisch und damit völlig unpassend benehmen (τί ποτε βακχεύεις ἔχων, S. Ichn. 133), kommt diesmal aus dem Mund des Silen: 〈ΣΙ.〉 τίν’ αὖ τέχνην σὺ τήν[δ’ ἄρ’ ἐξ]ηῦρες, τίν’ αὖ, πρόσπαιον ὧδε κεκλιµ[ένος] κυνηγετεῖν πρὸς γῆι; τίς ὑµῶν ὁ τρόπος; οὐχὶ µανθάνω· [ἐ]χῖνος ὥς τις ἐν λόχµηι κεῖσαι πεσών, [ἤ] τ̣ις πίθηκος̣ κύβδ’ ἀποθυµαίνεις τινί. [τ]ί̣ ταῦτα; ποῦ γ̣ῆς ἐµάθετ’; ἐν πο̣[ί]ωι τόπωι; σ̣[η]µήνατ’· ο̣ὐ γ̣ὰρ ἴδρις εἰµὶ τοῦ τρόπου. 7 8

Übersetzung dieser Verse: supra p. 116. Cf. supra Kap. 4.1.3, § Aischylos, Lykurgos zu A. Lykurgos F 126.

Sprechen über den Chor

221

〈ΧΟ.〉 ὕ̣ [ὗ] ὕ̣ ὗ̣. 〈ΣΙ.〉 τ̣[ί........] τ̣ίνα φοβῆι; τίν’ εἰσορᾶις; τ̣[ί........]ις; τί ποτε βακχεύεις ἔχων; α[........]. κέρχν[ο]ς ἱµείρει[ς] µαθεῖν τ[ί.....] ⌊σιγ⌋ᾶτ’, ὦ πρ⌊ὸ τοῦ⌋ [λαλίστ]ατοι9; SI. Was ist das nun wieder für eine Kunst,10 die du dir da ausgedacht hast? Was ist das denn, mit einem Mal so am Boden liegend zu jagen? Was ist das für ein Benehmen? Ich versteh’s nicht! Wie ein Igel im Gebüsch liegst du da, hingefallen, oder wie ein Affe furzt du, steissüber, einen an. Was soll das? Wo in aller Welt habt ihr sowas gelernt? An welchem Ort? Sagt an: Ich bin nicht kundig dieses Brauchs. CH. U, uh, u, uh. SI. Was … Wen fürchtest du? Wen siehst du? Was … was ist mit dir, dass du dich solch bakchischem Tanze/solch bakchischer Raserei11 hingibst? … wo Hirse12 ist, verlangst du zu wissen was … schweigt ihr denn, die13 ihr ehedem so überaus geschwätzig wart? (S. Ichn. 124-135; Übersetzung angelehnt an Scheurer/Bielfeldt in KPS 298-299).

Er versteht zwar, dass irgendetwas die Satyrn schreckt – ‘Was … Wen fürchtest du? Wen siehst du?’, fragt er den Chor (τ̣[ί........] τ̣ίνα φοβῆι; τίν’ εἰσορᾶις, Ichn. 132) –, doch begegnet er den Erklärungen der Satyrn nur mit Hohn: 〈ΣΙ.〉 τί µοι ψ[ό]φον φοβ[εῖσθε] κα[ὶ] δειµαίνετε14 µάλθης ἄναγνα σώ[µα]τ̣’ ἐκµεµαγµένα κάκιστα θηρῶν ὀνθ̣[ί’ ἐ]ν15 [π]ά̣σηι σκιᾶι

9

Mit der Ergänzung von Wilamowitz; cf. Radt in TrGF IV und Diggle 1996, 7 ad loc. Ich übersetze den Begriff der τέχνη hier wie bei seinem Erscheinen in der Rede der Kyllene in Ichn. 223, die auch in weiteren Hinsichten wie ein Echo dieser Verse ausnimmt, mit ‘Kunst’. 11 Scheurer und Bielfeldt in KPS 299 übersetzen τί ποτε βακχεύεις ἔχων (133) mit “Was ist mit dir, dass du dich so verrückt benimmst?”. Ebenso unspezifisch übersetzt Conrad 1997, 110: “Was bist du ausser dir?” Das greift zu kurz, vide infra. 12 Hirse: infra p. 391 n. 170. 13 Cf. für ὦ die sinnvolle Variante οἱ am Rande des Papyrus und dazu Scheurer/Bielfeldt in KPS 299 n. 33. 14 In Abweichung von Radt setze ich diesen Vers gemäss seiner Auffassung durch Hunt; cf. Diggle 1996, 8 ad loc. 15 Bei der hier wiederum in Abweichung von Radt berücksichtigten Lesart ὀνθία (Walker) handelt es sich um einen Diminutiv zu ὄνθος, ‘Mist’ (analog κόπριον zu κόπρος), cf. 10

222

Tragödienreflexion φόβον βλέποντες, πάν[τα] δειµατούµενοι, ἄνευρα κἀκ̣όµιστα κἀν̣ε[λε]ύθερα διακονοῦντες, σώ̣µατ’ εἰ[σ]ιδ[ε]ῖ̣ν̣ µόνον κα̣[ὶ γ]λ̣ῶ̣σσα κα[ὶ] φ̣άλητες. εἰ δέ που δέηι, π̣ι̣σ̣τ̣οὶ λόγοισιν ὄντες ἔργα φεύγετε Was fürchtet ihr mir ein Geräusch und habt Angst, ihr verdammten Wachs-Knetfiguren, wertlose Tiermistknödel, in jedem Schatten seht ihr Schreckgespenster, alles ängstigt euch, ihr verliert die Nerven, ihr unaufgeräumten, unfreien Handlanger, nichts als Bäuche – wenn man euch so anschaut, und Zunge und Schwänze! Wenn man euch aber mal bräuchte, seid ihr nur mit Worten zuverlässig, vor Taten drückt ihr euch (S. Ichn. 145-152).

Nach einem Exkurs in die Exzellenz seiner eigenen Jugend16 besinnt sich der Silen abermals auf die Schande, die ihm sein Nachwuchs bereitet und droht – ganz ähnlich wie Polyphem im Kyklops –17 den Satyrn, dass sie noch heulen (κλαίοντες) und aus Feigheit Töne oder anderes von sich geben werden (ψοφή[σ]ετε, Ichn. 168),18 wenn sie sich nicht unverzüglich wieder ihrer Aufgabe zuwenden und die Spuren der Kühe und ihres Diebes aufnehmen. ‘Schlafen’ (cf. Ichn. 165: εὕδετε) – und das heisst: am Boden liegen und sich damit das Preisgeld verwirken – ist schlicht keine Option. An der Kyklops- wie an der Ichneutai-Stelle wird also der Chor dafür ausgeschimpft, dass er sich vor der neuen Aufgabe drückt (cf. Ichn. 152: ἔργα φεύγετε) und sich – statt Tiere zu versorgen, Frühstück zuzubereiten, Kühe zu suchen – nur bakchischem Gebaren und Tanz hingibt: βακχιάζειν (Cyc. 204), βακχεύειν (Ichn. 133). Die Satyrn verhalten sich wie Kinder –19 jedenfalls dem Bild der menschlichen Kinder entsprechend, das ‘der Athener’ in Platons Nomoi entwirft. Kinder, heisst es hier, seien nicht in der Lage, stillzuhalten (ἡσυχίαν ἄγειν οὐ δύνασθαι, 2.653d8), sondern suchten unentwegt, sich zu bewegen und Lärm zu machen (κινεῖσθαι δὲ ἀεὶ ζητεῖν καὶ φθέγγεσθαι, 2.653e1), zu hüpfen, zu springen und zu spassen.20 Diese Charakteristik findet sich im Rahmen der Diggle 1996, 8 ad loc. – Zur häufigen Verwendung von Diminutiva im Satyrspiel: supra Kap. 1.2 s.v. Diminutiva. 16 Dazu infra Studien II s.v. Prahlerei. 17 Sc. E. Cyc. 210-211, vide supra p. 220. 18 Wahrscheinlich handelt es sich hier um Fäkalhumor: cf. p. 73 n. 129. 19 Zum kindlichen und kindischen Wesen der Satyrn sowie zum Zusammenhang von Kind und Spiel cf. auch Bierl 2006. 20 Pl. Lg. 2.653d-e: φησὶν δὲ τὸ νέον ἅπαν ὡς ἔπος εἰπεῖν τοῖς τε σώµασι καὶ ταῖς φωναῖς ἡσυχίαν ἄγειν οὐ δύνασθαι, κινεῖσθαι δὲ ἀεὶ ζητεῖν καὶ φθέγγεσθαι, τὰ µὲν ἁλ-

Sprechen über den Chor

223

Erörterung richtiger Bildung und der damit anzuerziehenden richtigen Ordnung von Lust und Unlust zu Beginn des zweiten Buches von Platons Nomoi. Weil den Kindern anerzogen werde, das Hüpfen, Springen und Spassen zu unterdrücken, fährt der Athener fort, hätten die Götter sich der Menschen erbarmt und ihnen in der Form von Festen, die von Chortänzen beseelt sind, die Möglichkeit zur temporären Rückkehr in diese kindheitsähnlichen Zustände gewährt. Indem sie den Menschen die Musen, Apoll, und Dionysos als Mittänzer (συγχορευταί, cf. Pl. Lg. 2.654a1) und einen Sinn für Rhythmus und Harmonie geschenkt hätten, habe nicht nur der Chortanz entstehen können, sondern sei den Menschen auch die Möglichkeit zuteilgeworden, immer wieder zum freudigen Zustand, der χαρά, zurückzufinden, nach der die χοροί benannt seien (654a1; ganze Passage: 653c-654a). Wenig später wird das Argument noch einmal resümiert: Das Verhalten der Kinder wird, gepaart mit anerzogenem Sinn für Rhythmus und Harmonie sowie mit göttlicher Intervention und den genannten Gottheiten als συγχορευταί und χορηγοί (665a4) in Chortanz überführt (ganze Passage: 664e-665a). Im Anschluss daran wendet sich der Athener den Chören des Dionysos zu (665bff.). Es folgt eine Bechreibung dieser Tänze und eine längere Debatte, die den Erweis der Legitimität dionysischer Chöre im Staat erbringt. Der althergebrachte Vorwurf, Dionysos’ Tänze seien schlecht und daher im Staat nicht zulässig, wird zurückgewiesen (672a). Die negativen Vorurteile gegenüber den Tänzen des Dionysos, so stellt es sich im folgenden heraus, gründen in einer Geschichte, wonach das Kind Dionysos, von Hera in Wahnsinn versetzt, sich mit der Einführung ‘backischer Riten’ und ‘manischer Choreia’ (βακχείαι und µανικὴ χορεία, 672b)21 an der Göttin gerächt habe. Die Legitimität der bakchischen Tänze aber wird just mit dem beschriebenen angeborenen Verhalten menschlicher Kinder begründet (672b-c). Wenn wir nun zum Satyrspiel zurückkehren, so können wir also sagen, dass die Tänze der Satyrn am ‘Kipp-Punkt’ zwischen kindlichem, manischem Verhalten und Choreia angesiedelt sind – die Satyrn bewegen sich auf dem schmalen Grat zwischen dem unkontrolliertem, unwillkürlichen Bewegensverhalten des Kindes und einem von Rhythmus, Harmoniegefühl und göttlicher Mitwirkung beseelten Tanz. Es versteht sich, dass ebendieses Verhalten der Satyrn mit der jeweils fremden Rolle unvereinbar ist und deren Ausüben verunmöglicht. Und genau das ist Gegenstand der Verärgerung oder Irritation: Es ärgert den Silen, dass der Chor seinem paratragischen und paraepischen Prolog über die aktuelle Misere ein völlig unpassendes Ende bereitet, indem er munter und die sikinnis tanzend in λόµενα καὶ σκιρτῶντα, οἷον ὀρχούµενα µεθ’ ἡδονῆς καὶ προσπαίζοντα, τὰ δὲ φθεγγόµενα πάσας φωνάς. – Hüpfen, Springen, Spassen im Satyrspiel: vide supra Kap. 5.1.9. 21 Pl. Lg. 2.672b: Λόγος τις ἅµα καὶ φήµη ὑπορρεῖ πως ὡς ὁ θεὸς οὗτος ὑπὸ τῆς µητρυᾶς Ἥρας διεφορήθη τῆς ψυχῆς τὴν γνώµην, διὸ τάς τε βακχείας καὶ πᾶσαν τὴν µανικὴν ἐµβάλλει χορείαν τιµωρούµενος.

224

Tragödienreflexion

die orchestra einzieht.22 Auch Odysseus verbittet sich den leisesten Mucks, als es zur Blendung des Kyklopen zu schreiten gilt: σιγᾶτε πρὸς θεῶν, θῆρες, ἡσυχάζετε, συνθέντες ἄρθρα στόµατος· οὐδὲ πνεῖν ἐῶ, οὐ σκαρδαµύσσειν οὐδὲ χρέµπτεσθαί τινα, ὡς µὴ ’ξεγερθῆι τὸ κακόν, ἔστ’ ἂν ὄµµατος ὄψις Κύκλωπος ἐξαµιλληθῆι πυρί. Bei den Göttern, schweigt nun, ihr Tiere, seid still, haltet fest den Mund. Ich dulde weder Atmen noch ein Augenzwinkern noch ein Räuspern, damit das Böse nicht aufgeweckt wird, ehe das Augenlicht des Kyklopen ausgebrannt ist. (E. Cyc. 624-628)

Den Satyrn wird zum Vorwurf gemacht, dass sie sich fortwährend bewegen und nicht zur Ruhe kommen können. Sie widmen sich der bakchischen Choreia – auch in jenen Momenten, wo dies, jedenfalls nach der Einschätzung der andern Figuren, nicht opportun ist. Und dass Chortanz und -gesang inopportun sind, liegt stets im mythischen Handlungszusammenhang begründet, der dem Satyrchor fremde Rollen aufzwingt.

6.2 Die Beschwerde über die ausbleibende Choreia Demgegenüber steht die zweite Form, die der Tadel gegen die Satyrn annehmen kann: das Schimpfen darüber, dass sich die Satyrn in fremden Rollen versuchen, statt im angestammten Metier zu verbleiben. In der Tat scheint Dionysos in den Isthmiastai oder Theoroi auf just das griechische Pendant zu unserem Ratschlag an den Schuster zu referieren,23 wenn er den Chor dafür ausschimpft, statt bei seinem Leisten zu bleiben, sich dem Leistungssport zuzuwenden: εἰ δ’ οὖν ἐσώιζου τὴν πάλαι παρο̣[ιµία]ν̣, τοὔρχηµα µᾶλλον εἰκὸς ἦν σε.[.....]ε̣ιν. σὺ δ’ ἰσθµ̣ιάζεις καὶ τρόπους και[νοὺς µ]α̣θὼν̣ βραχί̣ο̣[ν’ ἀ]σ̣κ̣εῖς, … Hieltest du es mit dem alten Sprichwort, so wär’s weit passender, dass (du) den Tanz … 22

E. Cyc. 36-40. Von der Existenz eines solchen Sprichworts zeugt Ar. V. 1431: ἔρδοι τις ἣν ἕκαστος εἰδείη τέχνην. Cf. hierzu auch Voelke 2001, 135. 23

Sprechen über den Chor

225

du aber isthmiazierst, erlernst neue Moden und trainierst den Bizeps [sc. den Arm] … (A. Isth. **F 78a.32-35).

Ungehalten über das neuartige Verhalten der Satyrn ist auch Kyllene bei ihrem Auftritt in den Ichneutai. Wir haben ihrer Rede bereits in Kapitel 4.1.2 und insbesondere zu Beginn von Kapitel 5.1 einige Aufmerksamkeit zuteil werden lassen: Kyllene formuliert hier ex negativo das eigentliche Leben der Satyrn im dionysischen Thiasos und kontrastiert es mit dem, was sie vorfindet: einem viel zu laut herbeistürmenden Rudel Satyrn, das sich wie Jagdhunde und Jäger benehme. Wenden wir uns dieser Rede noch einmal zu, deren eröffnende Verse folgendermassen lauten: θῆρες, τί̣ [τό]νδε χλοερὸν ὑλώδη πάγον ἔν̣[θ]ηρο̣ν ὡρµήθητε σὺν πολλῆι βοῆι; τίς ἥδε τέχνη; τίς µετάστασις πόνων, … (S. Ichn. 221-223).

Diese Verse teilen mit den eingangs zitierten ersten Versen des Kyklopen (Cyc. 203-205) und der langen Schimpftirade des Silen in den Ichneutai ihren schmetternden Stil und die Prominenz von rhetorischen Figuren der Wiederholung. Alle drei Stellen sind in einer Rhetorik gehalten, die sich auszeichnet im anaphorischen Einsatz der Formen von τίς/τις und τί/τι, vorwiegend in interrogativer Verwendung,24 sowie von deiktischen Pronomina,25 die fast ausnahmslos der Ich-Deixis zuzuordnen sind.26 Damit einher geht die hochfrequente Verwendung von Alliteration, Silbenalliteration und Assonanz (insbesondere mit Dental27 und 24

Cf. S. Ichn. 221-223: … τί̣ … /… / τίς … τίς … mit E. Cyc. 203-204: … τί … τίς … / τί … und S. Ichn. 124-135: τίν’ … τίν’ … /… /… τίς … /… τις … /… τ̣ις … τινί. / [τ]ί̣ … / … / … / τ[̣ί ........] τ̣ίνα … τίν’… / τ[ί̣ ........] … τί … / … / τ[ί .....]; 25 Cf. S. Ichn. 221-223: … τόνδε / … / … ἥδε … mit E. Cyc. 203-204: … τάδε … / … τάδε und S. Ichn. 124-135: τήν[δ’ (124), ὧδε (125), ταῦτα (129), τοῦ (130). 26 Grundlegend zur Bedeutung der ‘Ich-Deixis’ in den Chorpartien des Dramas cf. D’Alessio 2007, 96-105; spezifisch zur Gestalt von Pratinas’ ‘Hyporchema’ (inc. F 3): ibid. 105-122. 27 Cf. S. Ichn. 221-223: θῆρες, τί̣ [τ]όνδε χλοερὸν ὑλώδη πάγον / ἔν̣[θ]ηρο̣ν ὡρµήθητε σὺν πολλῆι βοῆι; / τίς ἥδε τέχνη; τίς µετάστασις πόνων, mit E. Cyc. 203-205: … τί τάδε; τίς ἡ ῥᾳθυµία; / τί βακχιάζετ’; οὐχὶ Δ∆ιόνυσος τάδε, / οὐ κρόταλα χαλκοῦ τυµπάνων τ’ ἀράγµατα und S. Ichn. 124-135: τίν’ αὖ τέχνην σὺ τήν[δ’ ἄρ’ ἐξ]ηῦρες, τίν’ αὖ, / πρόσπαιον ὧδε κεκλιµ[ένος] κυνηγετεῖν / πρὸς γῆι; τίς ὑµῶν ὁ τρόπος; οὐχὶ µανθάνω· / [ἐ]χῖνος ὥς τις ἐν λόχµηι κεῖσαι πεσών, / [ἤ] τ̣ις πίθηκος̣ κύβδ’ ἀποθυµαίνεις τινί. / [τ]ί̣ ταῦτα; ποῦ γ̣ῆς ἐµάθετ’; ἐν πο̣[ί]ωι τόπωι; / σ̣[η]µήνατ’· ο̣ὐ γ̣ὰρ ἴδρις εἰµὶ τοῦ τρόπου. / … / τ̣[ί……..] τ̣ίνα φοβῆι; τίν’ εἰσορᾶις; / τ̣[ί……..]ις; τί

226

Tragödienreflexion

mit a-Lauten). In dieser ‘Rhetorik der Empörung’ ist bereits jenes vielleicht älteste Fragment eines griechischen Dramas überhaupt verfasst, das ‘Hyporchema’ des Pratinas, in dem ein Satyrchor ausruft:28 τίς ὁ θόρυβος ὅδε; τί τάδε τὰ χορεύµατα; τίς ὕβρις ἔµολεν ἐπὶ Δ∆ιονυσιάδα πολυπάταγα θυµέλαν; κτλ. (Pratin. inc. F 3.1).

Die Verse Polyphems bei seinem Auftritt (E. Cyc. 203-205) sind also nicht nur ein Echo der epodos des Einzugslieds (cf. Kap. 5.1),29 der ich mich weiter unten zuwenden werde, sondern – wie auch die entsprechenden Passagen der Ichneutai – wahrscheinlich auch des ‘Hyporchema’ (inc. F 3). Bei Pratinas ist die Empörung nun aber nicht gegen die Satyrn und ihre Choreia gerichtet, sondern geht vielmehr von ihnen aus: Im ‘Hyporchema’ artikulieren die Satyrn ihren Ärger über eine fremde künstlerische Darbietung –30 über irgendwelche Tänze zum ei-

ποτε βακχεύεις ἔχων; / α[........]. κέρχν[ο]ς ἱµείρει[ς] µαθεῖν / τ[ί.....] ⌊σιγ⌋ᾶτ’, ὦ πρ⌊ὸ τοῦ⌋ [λαλίστ]ατοι. 28 Zur Gattungszugehörigkeit des Fragments und zur Identität des Chores cf. Kap. 5.1. 29 Cf. die Verse E. Cyc. 63-81, die zwar nicht durch eine hohe Dichte der Formen von τίς/τις und τί/τι gekennzeichnet sind, deren Reichtum an Anaphern (οὐ τάδε … οὐ τάδε … οὐ … οὐκ … οὐδ’), an deiktischen Pronomina (τάδε … τάδε … τᾷδε …), an Alliteration und Assonanz mit Dentallauten jedoch den zitierten Passagen in nichts nachsteht: οὐ τάδε Βρόµιος, οὐ τάδε χοροὶ / Βάκχαι τε θυρσοφόροι, / οὐ τυµπάνων ἀλαλαγµοί, (65) / οὐκ οἴνου χλωραὶ σταγόνες (67) / κρήναις παρ’ ὑδροχύτοις· (66) / οὐδ’ ἐν Νύσᾳ µετὰ Νυµ- (68) / φᾶν ἴακχον ἴακχον ᾠ- / δὰν µέλπω πρὸς τὰν Ἀφροδί- / ταν, ἃν θηρεύων πετόµαν / Βάκχαις σὺν λευκόποσιν. / †ὦ φίλος ὦ φίλε Βακχεῖε / ποῖ οἰοπολεῖς / ξανθὰν χαίταν σείεις;† / ἐγὼ δ’ ὁ σὸς πρόπολος / Κύκλωπι θητεύω / τῷ µονοδέρκτᾳ δοῦλος ἀλαίνων / σὺν τᾷδε τράγου χλαίνᾳ µελέᾳ / σᾶς χωρὶς φιλίας. Auch was die Häufung von a-Lauten angeht, sind diese Verse der epodos mit Polyphems Schelte der Satyrn (Cyc. 203-205) vergleichbar: οὐ τάδε Βρόµιος, οὐ τάδε χοροὶ / Βάκχαι τε θυρσοφόροι, / οὐ τυµπάνων ἀλαλαγµοί, / … / οὐδ’ ἐν Νύσᾳ µετὰ Νυµ- / φᾶν ἴακχον ἴακχον ᾠ - / δὰν µέλπω πρὸς τὰν Ἀφροδί- / ταν, ἃν θηρεύων πετόµαν. 30 Die heftig debattierte Frage, wessen tänzerische performance hier neben der Flöte angeprangert werde – die des eigenen oder eines Teils des eigenen, eines fremden Halb-, eines fremden Chores? –, spielt für unser hiesiges Anliegen eine untergeordnete Rolle. An das Vorhandensein zweier Chöre oder zweier Halbchöre denken e.g. Becker 1912, 30; Pohlenz 1927/1965, bes. 49-50; Ziegler 1937, 1936-1939; Stoessl 1954, 1725-1727; Seaford 1977/1978, 86-87; contra Lammers 1931, 65-70, cf. ibid. 67: “Mir scheint, dass das Fragment sich mit der Annahme eines einzigen anwesenden Chores interpretieren lässt.” – Zum Antagonismus zweier Chöre oder Halbchöre in der Komödie (e.g. Ar. Lys. 254-386; Cratin. Archilochoi F 2 K./A.; Eup. Marikas F 192 und F 193 K./A.): Voelke 2001, 21 mit n. 77.

Sprechen über den Chor

227

nen (τί τάδε τὰ χορεύµατα, 1), ganz besonders aber über die alles übertönende, den Chorgesang dominierende statt begleitende Musik der Flöte (4-14).31 Offenbar unterbrechen die Satyrn die Anstoss erregende performance,32 um ihr eigenes Lied vorzutragen, mit dem sie unmissverständlich ihr Vorrecht auf Gesang und Tanz für Dionysos formulieren. Zum Schluss des Liedes wird dieser Anspruch auch eingelöst: Der deiktische Gestus der letzten drei Verse weist explizit auf den eigenen Tanz (… ἰδού· ἅδε …, 15) und den eigenen Gesang (〈ἄκου’〉 ἄκουε τὰν ἐ µ ὰ ν … χορείαν, 17) hin. Das Sprechen über Bromios in der dritten Person (ἐµὸς ἐµὸς ὁ Βρόµιος, 2) ist ausserdem der direkten Apostrophe des Gottes gewichen – und genau darin, in diesem Präsent-Machen des Gottes, zeigt sich die Effektivität des Liedes:33 ἢν ἰδού· ἅδε σοι δεξιᾶς καὶ ποδὸς διαρριφά· θριαµβοδιθύραµβε, κισσόχαιτ’ ἄναξ, 〈ἄκου’〉 ἄκουε τὰν ἐµὰν Δ∆ώριον χορείαν. (Pratin. inc. F 3.15-17)

Gleichwohl steht im Mittelpunkt des Liedes die Gefährdung der dionysischen Satyr-Choreia; die Satyrn müssen sich ihren Platz in der orchestra und an der thymele ersingen, ertanzen und zurückerobern. Noch in dem Moment, wo die eigene, legitime Choreia die Präsenz des Gottes evoziert, steht sie im Kontrast und in Konkurrenz zur fremden Darbietung. Die letzten besprochenen Stellen weisen den Gesang und Tanz der Satyrn als prekär und bedroht aus; zugleich zeigen aber die Referenzen und Selbstreferenzen auf die Choreia, dass diese trotz allem hic et nunc stattfindet. Die Situation ist paradox gebrochen: Die Choreia der Satyrn wird negiert und geleugnet, während sie sich doch zur selben Zeit unleugbar auf der Bühne ereignet. Wir wenden uns später dem Widerspruch zu, der sich zwischen der Chor-performance und dem Sprechen über sie eröffnet. Halten wir kurz inne. Den bisher betrachteten Stellen ist die Eigenschaft gemein, dass sie die Choreia der Satyrn zum Problem machen; die meisten von ihnen in derselben ‘Rhetorik der Empörung’. Mit Nachdruck ist hervorzuheben, dass hier nicht eine beliebige Form des Chortanzes angeprangert wird, sondern die dionysische Choreia von Dionysos’ Thiasoten. Sehen wir vom ‘Hyporchema’ einmal ab, so lässt sich präzisierend festhalten, dass die Gefährdung der dionysischen Choreia in den Anforderungen der neuen Rolle besteht, die den Satyrn im jeweils neuen und fremden mythischen Kontext auferlegt wird.

31

Cf. auch die einleitenden Worte zum ‘Hyporchema’ bei Ath. 14.617b. Die Deiktika ὅδε und τάδε in Vers 1 deuten darauf hin, dass die angeprangerte performance soeben stattfindet beziehungsweise stattgefunden hat. 33 Kontext und Übersetzung dieser Stelle: supra Kap. 5.1.8. 32

228

Tragödienreflexion

Es ist kaum als Zufall zu werten, dass Dionysos selbst und eine Nymphe – ein Figurentypus, der in den Umkreis des Thiasos gehört –34 dem Chor vorwerfen, sich von der Choreia distanziert zu haben, derweil sich ein Odysseus oder ein Polyphem (Figuren, die eindeutig im fremden Mythos angestammt sind) damit schwertun, dass sie nicht von ihr ablassen können.

6.3 Zwischen Choreia und Schauspiel Der Behauptung dieser Dichotomie scheint nun aber zuwiderzulaufen, dass die längste und erbittertste dieser Schimpftiraden gegen die dionysische Choreia der Satyrn vom Silen gesprochen wird – von einer Figur also, die nicht nur selbst im dionysischen Thiasos beheimatet ist, sondern noch dazu als Vater der Satyrn figuriert. Wie ist es zu erklären, dass die performance der Thiasoten hier von einem Mitglied des Thiasos kritisiert wird? Der Silen insistiert, er könne nicht verstehen und habe nie gesehen, was die Satyrn tun, als sie sich, von den fremden Klängen geschreckt, in irrwitzige Posen werfen (cf. S. Ichn. 124-135, e.g. 130: ο̣ὐ γ̣ὰρ ἴδρις εἰµὶ τοῦ τρόπου). Absurderweise aber wählt er, um das angeblich unbekannte und unbegreifliche Verhalten der Satyrn zu beschreiben, mit dem Terminus βακχεύειν (Ichn. 133) ausgerechnet einen Begriff, der aus der Kultsprache stammt und ekstatischdionysisches Handeln bezeichnet.35 Dass die Satyrn sich hier einem typischen körperlichen Ausdruck hingeben, statt Kühe und Kuhdieb ausfindig zu machen, und dabei den in Aussicht gestellten Goldpreis verwirken, ärgert den Silen so masslos, dass er sich sogar dazu hinreissen lässt, seine Vertrautheit mit der Kunst des βακχεύειν radikal zu leugnen. Der Silen wettert weiter – wir wissen, wie –, als endlich die Aufforderung des Chores an ihn erfolgt: πάτερ, παρὼν αὐτός µε συµποδηγέτε[ι (S. Ichn. 169).

Der Wortlaut ist erklärungsbedürftig: συµποδηγετεῖν ist ein hapax legomenon;36 am nächsten kommt ihm das Verb συµποδηγεῖν.37 Auch συµποδηγεῖν ist sehr

34

Cf. supra Kap. 5.1.2. Hdt. 4.108; cf. e.g. Cole 1980, 223-238; Henrichs 1994, bes. 50 mit weiteren Literaturhinweisen in n. 75. 36 Die einzige andere Vorkommnis von συµποδηγετεῖν im antiken Schrifttum, in Joannes Philoponus’ De aeternitate mundi 228.12, dürfte auf einem Schreibfehler beruhen (‘συµποδηγετεῖ’ statt ‘συµποδηγεῖ’). Es handelt sich bei der Stelle um ein Zitat aus Pl. Plt. 269c; cf. dazu die folgenden Ausführungen. – Zu hapax legomena im Satyrspiel: supra Kap. 1.2, § Sprache und Lexikon. 35

Sprechen über den Chor

229

spärlich belegt; es findet sich aber an zwei Stellen in Platons Politicus, die in unserem Zusammenhang beachtenswert sind: Der ‘Fremde aus Elea’ doziert, in einer bestimmten Periode des Weltgeschehens gehe der Gott selbst mit dem Universum einher, als dessen Führer, und vollziehe die Kreisbewegungen mit – in einer anderen Phase aber überlasse er das Universum seinem eigenem Lauf. Um nun die Führung und Begleitung durch den Gott in der ersten Phase zu bezeichnen, verwendet der Spreche den in Frage stehenden Begriff συµποδηγεῖν (sowie συγκυκλεῖν, Plt. 269c). Der Terminus fällt nur wenig später noch einmal, in identischer Bedeutung, aber in allgemeiner formuliertem Zusammenhang – das Universum werde zeitweilig von einer äusseren göttlichen causa begleitet und gelenkt: ὑπ’ ἄλλης συµποδηγεῖσθαι θείας αἰτίας (Plt. 270a). Mit ihrer Bitte, er möge ‘συµποδηγετεῖν’, fordern die Satyrn den Silen also dazu auf, sie anzuführen und ihre Bewegungen mitzuvollziehen. Das mag man auf einer Ebene als Aufforderung verstehen, der Silen solle sich als Führer mit auf die Suche nach dem Rinderdieb begeben. Insofern aber, als der Ausdruck – wie συµποδηγεῖν im Politicus – nicht nur die anführende Funktion, sondern auch und in erster Linie den physischen Mitvollzug von Bewegungen meint, handelt es sich hier m.E. um die Aufforderung an den Silen, sich als Anführer des Chores, als Koryphaios, zu betätigen und mitzutanzen – wir haben an ande– rer Stelle gesehen, dass ‘Füsse’ und das entsprechende Wortfeld (dem auch συµποδηγετεῖν angehört) im Satyrspiel, wie überhaupt in der Sprache der Chordichtung, in der Regel Chiffren für Choreia sind.38 Im Anschluss an Collinges und Conrads These, wonach der Silen in den Ichneutai nicht mehr als Koryphaios, sondern als unabhängiger Akteur auftrete,39 halte ich es für plausibel, dass dieser Karriereschritt des Silen im Stück thematisiert wird; der Silen wird dazu eingeladen, seine frühere Funktion als mittanzender Chorführer wieder einzunehmen. Er lässt sich aber zunächst nicht auf das Angebot ein, sondern hört aus den Worten des Chors nur dessen Wunsch heraus, unter seiner Anleitung die Jagd fortzusetzen. Entsprechend untermauert der Silen – in geradezu militärischem Pflichtgefühl – seine Rolle als Anführer der Jagd. Die Aufforderung des Chores πάτερ, π α ρ ὼ ν α ὐ τ ό ς µε συµποδηγέτε[ι – ‘Vater, komm selbst und führe uns an’ (Ichn. 169), greift er zwar auf, wandelt sie aber in signifikanter Hinsicht ab: ἐγὼ π α [ ρ ] ὼ ν α ὐ τ ό ς σε προσ̣βιβῶ λόγωι, Ich komme schon selbst und treibe dich mit dem Wort an (S. Ichn. 172). 37

Gemäss Maltese 1982 ad loc. sind die Verben synonym und bedeuten “una partecipazione concreta nel ruolo di guida”. 38 Dazu supra Kap. 5.1.9, p. 198-199. 39 Collinge 1958/1959, 29-30; Conrad 1997, 120-126.

230

Tragödienreflexion

Der Silen fährt fort: κυν̣ο̣ρ̣τικὸ̣ν σύριγµα διακαλούµεν[ος. ἀλλ’ εἷ’ [ἐ]φίστω τριζύγης οἵµου βάσιν· ἐγὼ δ’ ἐν [ἔ]ρ̣γ̣οις παρµένων σ’ ἀπευθυνῶ. Ich dränge euch von allen Seiten mit Pfiffen wie die Hunde bei der Jagd. Aber los jetzt, stell dich auf am Dreiweg,40 ich aber werde bei den Aufgaben verharren und dir den rechten Weg weisen. (S. Ichn. 173-175)

Anders als im Wort συµποδηγετεῖν sind im Ausdruck, den der Silen für seine leitende Funktion wählt, ἀπευθύνειν, Assoziationen zur Choreia nicht gegeben. Das Verhältnis, das der Silen zum Chor einnehmen möchte, zeichnet sich durch eine distanzierte Überlegenheit und hierarchische Differenz aus: Der Silen will nicht συµποδηγετεῖν, i.e. nicht die Bewegungen des Chores anführend mitvollziehen, sondern den Chor mittels λόγος anleiten (172). Nicht zuletzt will der Silen die Jagd nicht aufgeben, damit er seine Pflicht erfüllen – und also in der Rolle bleiben kann: ἐν [ἔ]ρ̣γ̣οις παρµένων – ‘bei den Taten bleiben’ (175). Damit stellt er dem zuvor angeprangerten Verhalten der Satyrn, die ‘vor Taten fliehen’, pointiert das eigene entgegen – ἐν ἔρ̣γ̣οις παρµένειν gegenüber ἔργα φεύγειν (152)! Das Pflichtgefühl des Silen, seiner neuen Rolle gerecht zu werden, ist aber nicht von Dauer. Als nämlich die Satyrn in ihre Rolle als Jagdhunde zurückgefunden haben (Ichn. 176-202), erklingen abermals die Klänge, die sie zuvor in Panik versetzt haben. Diesmal wird aber der Silen von der Angst gepackt und verfällt in eine Starre. Der Text ist an dieser Stelle stark fragmentiert; es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es zur totalen Inversion der Verhältnisse kommt – und dass jetzt die Satyrn in die Rolle des Empörten schlüpfen (und sich dessen Rhetorik bedienen): ‘τί σι̣γᾶις;’, fragen sie ihn (203), und ‘τί ἔ̣σ̣τ̣ι̣ν;’ (205b): πά̣τερ, τί σι̣γᾶις; µῶν ἀληθ[ὲς εἴποµεν; οὐ[κ ε]ἰσακο[ύε]ις; ἦ κεκώφη[σαι 〈ΣΙ.〉 ἔ̣α̣. 〈ΧΟ.〉 τί ἔ̣σ̣τ̣ι̣ν; 〈ΣΙ.〉 οὐ µενῶ. 〈ΧΟ.〉 µέν’, ε[ἰ] θέλεις. 〈ΣΙ.〉 οὐκ ἔστιν. ἀλλ’ αὐτὸς σὺ ταῦ̣θ̣⌊’ ὅπηι θέλεις⌋ ζήτει τε κἀξίχνευε̣ καὶ πλού[τει λαβὼν41 40

(205a) (205b) (205c) (205d)

Zur Problematik dieser Konstruktion cf. die Literaturhinweise von Scheurer/Bielfeldt in KPS 300 n. 39. 41 Ich übernehme hier Hunts Konjektur πλού[τει und, wie von Wilamowitz hinzugefügt, λαβών (i.e. den Text, den Lloyd-Jones 22003, 158 druckt).

Sprechen über den Chor

231

τὰς βοῦς τ̣ε κα[ὶ] τὸν χρυσὸν [ ]ε[.] µὴ πλει̣σ̣τ[̣ ..]ε̣τι.[.].[..]α̣σ̣[ ] χρόνον. Vater, was schweigst du? Haben wir nicht die Wahrheit gesagt? Hörst du’s denn nicht? Oder bist du taub? Si. Oh! Ch. Was ist los? Si. Ich bleib nicht! Ch. Bleib doch, bitte! Si. Unmöglich! Such selbst, wie du willst, verfolg die Spuren, schnapp dir die Kühe und das Gold und werde schnell reich! nicht (die meiste) … Zeit (S. Ichn. 203-209).

Nun hat es dem Silen die Sprache verschlagen.42 Jetzt ist er es, der wimmert43, das Weite suchen will44 und sich nicht dazu bewegen lässt, die Fährte wieder aufzunehmen. Jetzt ist er es, der bereitwillig auf Kühe und Gold verzichtet.45 – Der Silen ist aus seiner Rolle gefallen und von der dionysischen Choreia buchstäblich eingeholt worden. Das Drama ist damit nicht bloss ein Beleg für die Entwicklungsgeschichte des Silen vom Koryphaios zur dramatis persona; vielmehr wird eine solche Entwicklung hier auf den Prüfstand gestellt, thematisiert und zuletzt gleichsam aufgehoben. Der Chor der Satyrn wird in den einzelnen Satyrdramen immer wieder in fremde mythische Kontexte versetzt und damit einem vorbestimmten Handlungszusammenhang einverleibt. Hieraus erwächst für die Satyrn die Notwendigkeit, sich in die fremden Rollen einzufügen, die der jeweilige Myhos vorgibt. An dieser Assimilationsleistung aber scheitern die Satyrn – und letztlich auch der Silen –, indem sie aus ihrer Rolle herausfallen und zu dem zurückfinden, was sie wirklich können: für Dionysos singen und tanzen. Die Betrachtung der Stellen, an denen sich eine Auseinandersetzung mit der Choreia des Satyrspiels abzeichnet, ergibt folgenden Befund: Das Sprechen über den Chor im Satyrspiel ist – weit deutlicher als in den anderen Dramenformen – als Verschränkung von Inhalts- und Ausdrucksdimension zu verstehen. Innerhalb der Diegese der Dramen wird über das richtige und adäquate Verhalten der Satyrn debattiert. Die Debatten lassen sich aber zugleich als Inszenierung jener Spannung rekonstruieren, die zwischen der performance des Chors und der Dra42

Satyrn zum Silen (Ichn. 203): τί σι̣γᾶις; vs. Silen zu den Satyrn: τ[ί.....] ⌊σιγ⌋ᾶτ’ κτλ. (Ichn. 135). 43 Silen: ἔ̣α̣ (Ichn. 205a) vs. Satyrn: ὕ̣ [ὗ] ὕ̣ ὗ (Ichn. 131). 44 Silen: οὐ µενῶ (Ichn. 205c). 45 Ichn. 206-208 (der Silen überlässt es den Satyrn, sich Gold und Kühe und schnellen Reichtum zu sichern, will selbst aber darauf verzichten) vs. Ichn. 162-165 (Vorwurf des Silen an die Satyrn, das von Apoll in Aussicht gestellte Gold und die Freilassung zu verwirken).

232

Tragödienreflexion

menhandlung in den ‘Schauspiel-Partien’ besteht. Ganz besonders mit der Figur des Silen, der zwischen Chor und Schauspiel steht und bald hierhin, bald dorthin strebt, wird diese Spannung ins Bild gesetzt. Ein weiterer Aspekt ist aber ans Licht gekommen. Die Choreia der Satyrn wird im Satyrspiel stets problematisiert, wenn nicht gar negiert: die Satyrn singen und tanzen, wenn sie dies nicht sollten, sie singen und tanzen nicht, wie sie eigentlich sollten, oder sie erklären selbst, dass im Moment nicht gut Singen und Tanzen sei. Dennoch zeigt sich, dass die Choreia in ebendiesen Momenten, an denen ihre Fragwürdigkeit, Gefährdung und Unmöglichkeit diskutiert wird, stattfindet. Im Folgenden soll die zugrundeliegende Paradoxie untersucht werden.

6.4 Paradoxe Bezugnahmen auf die Choreia In den Isthmiastai trifft der erzürnte Dionysos auf die Satyrn, die zu Poseidon und dem Athletenberuf übertreten wollen, und schilt sie heftig für ihre Treulosigkeit. Gegenstand des Vorwurfs ist nicht zuletzt das Ausbleiben der gewohnten Choreia. Wie kommt es aber, dass er den Renegaten vorwirft, sie hielten sich ‘von diesen Zweierreihen hier’ (τῶνδε διστοίχω[ν, A. Isth. **F 78c.38) fern? Das Deiktikon (τῶνδε) weist den Chortanz, dessen Ferne Dionysos beklagt, als gegenwärtig aus. Das muss nicht notwendig als Hinweis gewertet werden, dass der Satyrchor zu einem Teil bereits den Tanz aufgenommen hat, während ein anderer noch säumt.46 Vielmehr ist hier bereits der Hiat zwischen dem Bühnenhandeln der Choreuten und dessen Thematisierung angelegt. Ähnliches geschieht in der ebenfalls schon besprochenen Scheltrede Kyllenes in den Ichneutai.47 Wie Dionysos wirft die Nymphe dem Chor vor, er gebe sich einer neuen Rolle hin und vernachlässige seinen Dienst an dem Gott. Auch in ihrer Rede finden sich aber Hinweise darauf, dass vom Chor gesungen und getanzt wird. Die Nymphe klagt über den Lärm des Chores, der ‘mit viel Geschrei’ auftritt (σὺν πολλῆι βοῆι, S. Ichn. 222), und fragt nach seinen ‘neuartigen Drehbewegungen’ (στροφαὶ νέα̣ι,̣ 229).48 Schliesslich kann in V. 237 ποδῶν λακ[ 46

Zu dieser Stelle supra p. 196-197, wo die massgebliche Literatur diskutiert wird. Cf. auch Kaimio et al. 2001, 42, die in der Stelle “some metatheatrical reflexion about the role of the satyrs” am Werk sehen, dabei aber den Aspekt der Schelte nicht in ihre Überlegungen einbeziehen. 48 Cf. Voelke 2001, 134, der darauf hinweist, dass Kyllene hier die Sprünge und das Ausschlagen (“les sauts et les ruades”) des Chores mit einem Ausdruck bezeichne, der später zum choreographischen Spezialbegriff avancieren wird (cf. seinen Hinweis auf Luc. Salt. 71 ibid. in n. 10). Wie Voelke an derselben Stelle bemerkt, kann στροφή das Chortanzen im Kreis in der orchestra bezeichnen und ebenso die zu diesen Bewegungen gesungenen Lieder, so etwa in Ar. Th. 68 oder Pherecr. Cheiron F 155.9 K./A. Dass sich Kyllene hier auf die aktuelle dramatische Choreia bezieht, ist also wahrscheinlich. 47

Sprechen über den Chor

233

gelesen werden, womit wohl eine Form von λάκτισµα vorliegt – ein Terminus, der kurz zuvor vom Chor selbst gebraucht worden ist, um seine (Tanz-)Bewegungen zu charakterisieren (219).49 Kyllenes Rede erweist sich demnach als ebenso ‘unstimmig’: Der Chor wird für das Ausbleiben seines üblichen Gottesdienstes ausgeschimpft, zugleich zeigen aber die Verweise auf die Choreia der Satyrn, dass das wichtigste Element dieses Dienstes nicht ausbleibt. Wohl am deutlichsten tritt diese Paradoxie zum Ende der Parodos des Kyklops zu Tage. Die Diskrepanz zwischen Chorgesang und dem Sprechen über den Chor wird in einen performativen Widerspruch überführt. Singend und tanzend deklarieren die Satyrn hier die Unmöglichkeit ihres Singens und Tanzens: οὐ τάδε Βρόµιος, οὐ τάδε χοροὶ Βάκχαι τε θυρσοφόροι, οὐ τυµπάνων ἀλαλαγµοί, (65) οὐκ οἴνου χλωραὶ σταγόνες (67) κρήναις παρ’ ὑδροχύτοις· (66) οὐδ’ ἐν Νύσᾳ µετὰ Νυµ(68) φᾶν ἴακχον ἴακχον ᾠδὰν µέλπω πρὸς τὰν Ἀφροδίταν, ἃν θηρεύων πετόµαν Βάκχαις σὺν λευκόποσιν. (E. Cyc. 63-72)50

Im Chorgesang öffnet sich eine ‘Schere’ zwischen der chorischen performance und ihrer Diskursivierung.51 Auch wenn die Satyrn die Bedingungen ihrer eigenen Choreia negieren, evozieren sie zugleich die Präsenz des Gottes. Wurde von Dionysos zu Beginn des Liedes noch in der dritten Person gesprochen, so adressieren ihn die Satyrn – wie in Pratinas’ Hyporchema (vide supra) – zum Liedende direkt. Zwar findet sich diese Anrede erst in einer Frage; dennoch klingt die Überwindung der Dionysos-Ferne an, die sich dann mit Odysseus’ 49

Zu dieser Selbstdarstellung des Chores: Kaimio et al. 2001, 42. Zur Textkritik zu diesen Versen vide supra p. 159 n. 14. 51 Ich übernehme die Metapher der ‘Schere’ von Bierl 2001, 77-79, dessen Überlegungen ich hier weiterführen möchte. Nach Bierls Interpretation öffnet sich in dieser Parodos die “Schere zwischen der Performance und der Fiktion” (79): Das dionysische Chorlied negiere zwar den eigenen Status als dionysisches Kult-Lied; durch die Verweise auf die Choreia werde aber der Aufführungskontext der Grossen Dionysien vordergründig, in deren Rahmen das Lied als Festgabe für den Gott dient. – Gemäss den Ausführungen zu Beginn dieses Kapitels schlage ich dagegen eine metatheatrale Lektüre vor, die nicht denselben Gegensatz von Theaterfiktion und ritueller Performanz des Theaters beachtet. Im Zentrum meiner Interpretation steht vielmehr der Gegensatz von Schauspiel- und Chorpartien im Drama, dem erst auf einer weiteren Ebene die lebensweltliche, rituelle Bedeutung des Theaters im Festkontext entspricht. 50

234

Tragödienreflexion

Landung einlöst, der Wein auf die Insel bringt (Cyc. 73-81): †ὦ φίλος ὦ φίλε Βακχεῖε / ποῖ οἰοπολεῖς / ξανθὰν χαίταν σείεις;† / ἐγὼ δ’ ὁ σὸς πρόπολος … σᾶς χωρὶς φιλίας. Diese Unstimmigkeit wird auch dadurch eingefangen, dass der Chor, der lamentiert, er darbe ohne Dionysos’ Freundschaft (χωρὶς φιλίας), den Herrn emphatisch als seinen Freund anspricht (ὦ φίλος ὦ φίλε Βακχεῖε). Nicht minder bedeutungsvoll ist aber ein weiterer Aspekt der Parodos. Die grundsätzliche Unmöglichkeit von Tanz und Gesang (οὐ τάδε χοροί) wird zugleich den idealen Bedingungen dionysischer Choreia gegenübergestellt. Thyrsostragende Bakchantinnen, das Dröhnen der Tympana, Weingenuss, Rauschen von Quellwasser, freier Himmel und freie Liebe sind das Inventar thiasotischer Festkultur. Das Tanzen und Singen des Bühnenchores wird zur Feier eines idealen Thiasos in Beziehung gesetzt; eine ‘chorische Projektion’ liegt vor.52 Einerseits wird so die archetypische Kultfeier evoziert, als deren Aktualisierung die Choreia im Theater verstanden werden kann. Andererseits wird – im Falle der problematisierten, negierten Bühnen-Choreia scheint dies besonders akzentuiert – die Diskrepanz von theatraler Chor-Darbietung und unverfälschtem, urwüchsigem Ritus auffällig.53 In solchen chorischen Projektionen wird der Tanz der Satyrn in die ideale bzw. idealisierte mythische Vergangenheit oder in eine verheissungsvolle Zukunft projiziert – ‘ideal’ und ‘verheissungsvoll’ sind in diesem Fall synonym: beides bedeutet ‘im mythischen dionysischen Thiasos befindlich’, bedeutet (innerdramatisch gesehen) ‘nicht in fremden mythischen Gefilden’ bzw. (mit Blick auf die Aufführungssituation) ‘nicht in der orchestra’. Das wahre Thiasosritual, so suggerieren es die Satyrspieldichter, hat in der orchestra keinen Platz – oder muss ihn sich, mit dem Satyrspiel, erst erkämpfen. Besondere Beachtung gebührt in diesem Zusammenhang dem Chorlied aus Aischylos’ Prometheus Pyrkaeus (oder Pyrphoros), das als **F 204b erhalten ist: σ̣ί̣α54 ̣ δέ µ’ εὐµενὴς χορεύει χάρις φ[α]ε̣ν̣ν[ὸ]ν 〈⏑ –〉 χιτῶν̣α πὰρ̣ πυρὸς ἀκάµατον αὐγάν.

(στρ.)

52 Zum Konzept der ‘choral projection’ (mit der ein Chor die performance eines anderen Chores beschreibt, dabei aber indirekt auch die eigene Chor-performance zu thematisieren scheint) cf. Henrichs 1996b. In eine ähnliche Richtung weisen die Überlegungen von Davidson 1986, bes. 41. 53 Cf. D’Alessio 2007, 121: “[I]n entrambi i casi [sc. in Pratin. inc. F 3 e trag. adesp. *F 646a, erg. RL], a quanto pare, il tipico motivo del dramma satiresco, per cui Sileno e i Satiri contrappongono la loro naturale e passata felicità al servizio del dio con le loro presenti sofferenze, mostra una simile declinazione: essi continuano ad essere servi del dio, ma nel contesto, che mostrano di non gradire, delle rappresentazioni teatrali celebrate in suo onore”. 54 Νυ]'σία (Fraenkel 1942), ἑκου]'σία (Terzaghi 1954, 337, 345).

235

Sprechen über den Chor κλυοῦσ’ ἐµοῦ δὲ Ναΐδων τις παρ’ ἑστιοῦχον σέλας πολλὰ διώξετ̣αι̣. — Νύµφας δέ τοι πέποιθ’ ἐγὼ στήσει[ν] χ̣οροὺς Προµηθ̣έ̣ω̣ς δῶ[ρ]ον ὡς σεβούσας. — κα̣λ̣[ὸ]ν̣ δ’ ὕ̣µνον̣ ἀ̣µφὶ τὸν δόντα µολπάσε̣ιν̣ [.]ο̣λ̣[. . .]ω̣ λεγούσας τόδ’ ὡς Προµηθε[ὺς βρο]τ̣οῖς φερέσ̣βιός τ̣.[. . .].[] σπευσίδωρ̣[ος. χορεύσειν . [. . . . . .]νί̣’ ἐλπὶς ὡρ]ίου χε̣[ί]µατ̣[ος . . .]ερ.ι̣χ̣[. .]. .· 〈—〉 Νύµφ̣̣⌟ας δέ τ̣⌞οι̣̣⌟ π̣έπ̣⌞ο̣̣⌟ιθ̣’ ἐγὼ στήσε̣̣⌟ιν χοροὺ̣ς̣ Προµ̣̣⌟η⌞θ̣̣⌟έως δῶρ̣ον ὡς̣ σ̣εβ̣ούσα⌊ς. 〈—〉 ]α̣ι ποι̣µέν̣[.]ς πρ̣έπει̣ν̣ ]το νυκτ̣ι̣π̣λ̣αγ... ]β̣[α]θ̣υξυλο̣[

(ἐφύµν.)

(ἀντ.)

(ἐφύµν.)

(19) (24)

Mich aber bringt die wohlgesinnte Charis zum Tanzen, … den glänzenden … chiton beim unermüdlichen Glanz des Feuers. Hört sie mich, wird vielem eine der Najaden beim Schein des Herdfeuers hinterherjagen.55 Nymphen, davon bin ich überzeugt, werden im Chor tanzen, in Verehrung für die Gabe des Prometheus, und einen schönen Hymnos um den Geber herum singen … sagend dies: Prometheus ist den Sterblichen Lebensbringer (und) ‘Mit-Geschenken-Herbeieiler’ … tanzen werden … Hoffnung der winterlichen Kälte … Nymphen, davon bin ich überzeugt, werden im Chor tanzen, in Verehrung für die Gabe des Prometheus. 55

Alternative Übersetzung: ‘wird heftig/oft eine der Najaden beim Schein des Herdfeuers mir hinterherjagen’; cf. infra n. 57.

236

Tragödienreflexion … dass es Hirten angemessen ist, … … (nächtliches Tanzen) … … … (dichtes Gehölz) … (A. Prom.P. **F 204b.1-19, 24).

(19) (24)

In heller Begeisterung über Prometheus’ Geschenk an die Menschheit, das Feuer, stimmen die Satyrn56 dieses Lied an und besingen zunächst ihren eigenen Tanz, der eben einsetzt (… µ’ εὐµενὴς χορεύει χάρις, 1). Hierbei handelt es sich um eine der wenigen Stellen im Satyrspielkorpus, an denen der Chor der Satyrn, während er tanzt, unmittelbar und positiv (i.e. nicht-negierend) auf sein eigenes Tanzen referiert. In einer raschen Bewegung wird dann aber die Aufmerksamkeit von der eigenen performance abgelenkt und auf eine andere gerichtet:57 Der Rest des Liedes malt eine zeitlich wie örtlich entrückte Phantasie; das ‘Ich’ macht sich nur mehr im Refrain bemerkbar (πέποιθ’ ἐγώ, 6, 15). Der Chor, der dieses Lied singt und tanzt, imaginiert eine Chor-performance von Nymphen: Das Phänomen der ‘chorischen Projektion’ dürfte hiermit bereits für Aischylos belegt sein.58 Die Chor-performance der Nymphen wird in die Zukunft projiziert,59 in eine zukünftige Nacht, die von einem Feuer erleuchtet wird.60 Νυκτίπλαγ[κτον] 56

Es ist communis opinio, dass hier ein Satyrchor singt. Terzaghis Argument, hier singe kein Satyrchor, weil Satyrn keinen χιτών tragen (und von einem solchen in V. 3 die Rede ist), ist nicht ernstzunehmen (Terzaghi 1954, 348-349): cf. die Widerlegung dieses Arguments bei Kaimio et al. 2001, 55 mit n. 78 (u.a. mit Verweis auf Poll. 4.118 und D.H. 7.72.10, wo der Begriff in Bezug auf die Kostümierung des Silen erscheint; cf. supra Kap. 1.1). Aber auch ein Hinweis der Satyrn auf ein unübliches Kostüm ist möglich: e.g. E. Cyc. 80 (cf. dazu das Ende dieses Kapitels). 57 In κλυοῦσ’ ἐµοῦ (4) ist das eigene Singen noch impliziert, und allenfalls evoziert die Formulierung der ‘jagenden’ Najade (Ναΐδων τις … διώξετ̣αι, 4-5) die Vorstellung des ‘Ich’ als von ihr Gejagtem (womit der Bewegung des ‘Ich’ abermals Ausdruck verliehen wäre). Für diese Interpretation spricht, dass die Satyrn ihr Begehren gerne auf das Objekt ihrer Begierde projizieren. Cf. infra Studien II s.v. ‘Inversion der Begierde’. 58 Henrichs 1994/1995, 58, 92 n. 14 zitiert das Fragment als ein Beispiel für chorische Selbstreferenz im Satyrspiel, nicht jedoch für chorische Projektion, die er als Erscheinung sophokleischer und euripideischer, nicht aber aischyleischer Chorlieder sieht: cf. ibid. 68, 75, 102 n. 80, 81, 86; Henrichs 1996a, 49. Cf. ferner Kaimio et al. 2001, 39 n. 13. 59 ‘Eine Najade wird … hinterherjagen’ (Ναΐδων τις … / … διώξετ̣αι̣, 4-5), Nymphen werden im Chor tanzen (Νύµφας … / στήσει[ν] χ̣ορούς, 6-7) und einen Hymnos singen (ὕ̣µνον̣ … µολ- / πάσε̣ιν̣ …, 9-10), und abermals: Nymphen werden tanzen (χορεύσειν, 13), sie werden im Chor tanzen (Νύµφας … / στήσειν χορού̣ς̣, 15-16). 60 Cf. V. 3: … πὰρ̣ πυρὸς ἀκάµατον αὐγάν. Hierbei handelt es sich um eine Kontamination formelhafter homerischer und hesiodeischer Verwendungen des Adjektivs ἀκάµατος ‘unermüdlich’. Cf. die homerische Schlussformel ἀκάµατον πῦρ: Il. 5.4; 15.731; 16.122; 18.225; 21.13, 341; 23.52; Od. 20.123; 21.181; das Adjektiv wird im homerischen Epos jenseits dieser Formel nicht verwendet. In Hesiods Theogonie findet sich ἀκάµατος als

Sprechen über den Chor

237

ὄρχηµ(α) (19),61 ‘nächtliches Tanzen’, suggeriert, dass eine pannychis dionysischer Thiasosoten besungen wird.62 Was nun die örtlichen Aspekte dieser Projektion angeht, so ist zunächst auf das sehr seltene Adjektiv β̣[α]θ̣υξυλο̣[ (24) hinzuweisen, der in der antiken griechischen Literatur nur drei weitere Male belegt ist.63 Es ist daher um so mehr bemerkenswert, dass es an einer dieser Stellen den Ort charakterisiert, an dem eine andere dramatisch vorgestellte Thiasosfeier (von Mänaden, dem kultischen Pendant der mythischen Nymphen) stattfindet: In Euripides’ Bakchen berichtet der Diener des Pentheus vom Sparagmos an seinem Herrn und von den jubelnden Frauen, die mit dem jeweiligen Körperteil, an dem sie gezogen hatten, davongelaufen seien. Der Körper indes liege nun über das Geröll und im Dickicht des Waldes verstreut: ὕλης ἐν βαθυξύλῳ φόβῃ (E. Ba. 1138).64 Das Chorgeschehen ist also in der freien Natur lokalisiert; dafür sprechen auch die ‘winterliche Kälte’ in **F 204b.14 (χε̣[ί]µατ̣[ος) oder einzelne auf anderen Fragmenten des Papyrus entzifferbare Wörter: In **F 204c erkennbar sind die Begrife λειµών, ‘Wiese’ (Z. 2), ἱερὰ ἀκτὶς σελ[, ‘der heilige Lichtstrahl (des Mondes?)’ (Z. 4), τηλέγνωτον ‘weithinbekannt’ (wohl im Sinne von ‘weithin sichtbar’, in Bezug auf das Feuer) (Z. 5),65 ἀντισέληνον, ‘den mondgleichen’ (Z. 6).66 In **F 204d fr. 12 schliesslich finden sich die Ausdrücke πέλας πυρός, ‘nah beim Feuer’ (Z. 3), χιών, ‘Schnee’ (Z. 6) und ὄµβρου, ‘des Regens’ (Z. 7). In **F 204c Z. 3 liegt ein erneuter Hinweis auf Choreia vor; hier ist χορευµασ zu entziffern, die Form eines Begriffs also, der uns bereits bei Pratinas be-

Attribut von Stimme (ἀκάµατος ῥέει αὐδή, 39), Händen (ἀκαµάτῃσι χέρεσσιν, 519, 747) und Füssen (πόδες ἀκάµατοι, 824) – und, in hiesigem Kontext von besonderem Interesse – zweimal in Bezug auf das von Prometheus gestohlene Feuer: Th. 563 (πυρὸς … ἀκαµάτοιο) und 566. In Th. 566 befindet sich das Adjektiv in unmittelbarer Nähe des Begriffs αὐγή, auf den sich das Attribut im Prometheus Pyrkaeus-Fragment bezieht: κλέψας ἀκαµάτοιο πυρὸς τηλέσκοπον αὐγήν. Zu dieser Stelle cf. auch Th. 569: ὡς ἴδ’ ἐν ἀνθρώποισι πυρὸς τηλέσκοπον αὐγήν und das Echo der Formel in Prom.P. **F 204c Z. 5 τ]η̣λέγνω̣τον (cf. n. 65). 61 Diese Lesart ergibt sich aus einer Fragmentverbindung von Lobel, cit. ap. Radt in TrGF III, p. 323 ad loc. (vide die folgende Seite mit n. 68). 62 In den Bakchen lehrt Dionysos Pentheus, dass Thiasosfeiern bei Tag und bei Nacht stattfinden, jedoch ‘meistens in der Nacht’ (νύκτωρ τὰ πολλά, E. Ba. 486); cf. Ba. 485486 und 187-188; 1008-1009, ferner 424-426. 63 Neben den hier diskutierten Stellen: B. Epinikie 13.169 Maehler und Arist. Mu. 392b18. 64 E. Ba. 1137-1139: κεῖται δὲ χωρὶς σῶµα, τὸ µὲν ὑπὸ στύφλοις / πέτραις, τὸ δ’ ὕλης ἐν βαθυξύλῳ φόβῃ, / οὐ ῥᾴδιον ζήτηµα. 65 Zu τη̣λέγνω̣τος: supra Kap. 1.2 s.v. Neologismen und hapax legomena p. 68 mit n. 87. 66 Zu ἀντισέληνον: supra Kap. 1.2 p. 68 mit n. 88. Dass der Mond ein oder zwei Mal erwähnt wird, ist wiederum Anzeichen für die zeitliche Projektion in die Nacht.

238

Tragödienreflexion

gegnet (sc. τί τάδε τὰ χορεύµατα, inc. F 3.1).67 In die Sphäre des Tanzes weisen auch zwei weitere Fragmente, die zu **F 204d zu gruppieren sind: χ]ορεύεισ (Mette) in fr. 4 Z. 3 und ὄρχηµα in fr. 5 Z. 3: **F 204d fr. 4

**F 204d fr. 5

... ].ο̣ιακ̣ω̣[ ] . ιτ . . . . [ ]ορευεισ̣[ ]δεσµων.[ ]. .ο̣κλαιεισο.[ ]υ̣ωζην̣.τ̣ . [ ]τ̣ . σ̣. . [ ]..[ ...

... ].[ ]ι . [.]κ[ ]ορχηµα̣[ ] . οισ. .[ ...

**F 204d fr. 5 kann mit **F 204b.18-21 verbunden werden; auf diesem Vorschlag Lobels68 basiert die obgenannte Lesart νυκτίπλαγ[κτον] ὄρχηµ(α) für Vers 19. Hinsichtlich des ‘Sprechens über die Choreia’ kehren wir noch einmal zu **F 204b zurück, und zwar zu den Zeilen 4-5: κλυοῦσ’ ἐµοῦ δὲ Ναΐδων τις … πολλὰ διώξετ̣αι̣. Verschiedene Interpreten fassen das ‘Ich’ als implizites Objekt zu διώξεται auf und übersetzen sinngemäss ‘hört sie mich, wird eine der Najaden oft/heftig mir hinterherjagen.’ Diese Übersetzung ist angesichts der für die Satyrn typischen ‘Inversion der Begierde’ durchaus plausibel.69 Eine weitere Interpretationsmöglichkeit,70 die erstere nicht ausschliessen muss, besteht nun aber darin, πολλά nicht als Adverb, sondern als Objekt zu διώξεται zu interpretieren und die Wendung πολλὰ διώξετ̣αι als eine Variation von Ausdrücken wie µέλος, µοῦσαν oder παιᾶνα διώκειν aufzufassen.71 So heisst es etwa in den folgenden Singversen (unbestimmter Herkunft) des Pratinas:72 67

Cf. auch Kaimio et al. 2001, 40 mit n. 19. Pace Zimmermann 1986, 151, der in seinem Versuch, das hohe Alter von Pratinas’ ‘Hyporchema’ zu relativieren, die Vorkommnis des Begriffs χόρευµα vor dem späten Euripides negiert. 68 Cf. Lobel (cit. ap. Radt ad **F 204b, 18-21: “I think it possible that fr. 5 [≅ **F 204d fr. 5] stands opposite this [sc. **F 204b.18] and the following three lines in such a way that ll. 19-21 run: νυκτίπλαγ|[κτον] ὄρχηµα[..]…[οι]σιν ἐπιστε[φεῖς| [φύλ]λ̣οις .[, or similarly. But the point of attachment would be so narrow and the fibres are so ambiguous that I do not trust myself to make the join.” 69 Cf. infra Studien II s.v. 70 Hierauf hat mich Giambattista d’Alessio dankenswerterweise aufmerksam gemacht. 71 Zur passiven Form des Futurs mit aktiver Bedeutung cf. e.g. Ar. Eq. 368. 72 Cf. e.g. Pi. *F 107a.3 Maehler (… µέλος διώκων); Pi. (Paian) D 2.3 Rutherford

Sprechen über den Chor

239

µήτε σύντονον δίωκε µήτε τὰν ἀνειµέναν {Ἰαστὶ} µοῦσαν, … Weder die angespannte verfolge noch die gelockerte Muse, … (Pratin. inc. F 6.1-3).

Es handelt sich bei diesen Wendungen um Metaphern aus dem Bereich des Wagenrennsports; sie implizieren Gesang und gleichzeitige Bewegung.73 Ist auch πολλὰ διώξετ̣αι (A. Prom.P. **F 204b.4-5) diesen Ausdrücken zuzurechnen, so wird auch in diesen Zeilen explizit über die Choreia gesprochen. Die Satyrn, die dieses Lied singen, denken sich aus der aktuellen Situation – aus der inner-dramatischen und ebenso aus der Aufführungssituation im Dionysostheater – hinaus in eine künftige Thiasosfeier von und mit Nymphen. In diese Feier ein weiteres Ritual eingebettet: Die Nymphen werden einen Hymnos auf den Lebensbringer und Geschenkebesorger Prometheus singen. Dass dabei ein Lied, das erst in der Zukunft gesungen werden wird, wörtlich zitiert wird, erzeugt eine besondere ‘performative Situation’: Einerseits kommt es, da die Satyrn den ‘Hymnos’ wörtlich zitieren (cf. das deiktische Pronomen τόδ(ε) in Vers 10, welches das Zitat einleitet), zu einer doppelten Ausführung des Rituals: Prometheus wird besungen und gepriesen, hier und jetzt, in der orchestra – und anlässlich der imaginierten nächtlichen Thiasosfeier. Andererseits ist die Aufführung des Liedes mehrfach gebrochen – nicht einmal die Rede von einer performance within the performance vermag dem Phänomen gerecht zu werden. Mit Nachdruck ist zu betonen, dass die Bühnen-Satyrn, Mitglieder des dionysischen Thiasos, mit dem Lied der Nymphen eine performance dionysischer Thiasoten imaginieren.74 Auch der Anlass zur Aufführung des Liedes auf erster Ebene und jene des projizierten Liedes stimmen weitgehend überein: Aus Dankbarkeit für die Gabe des Feuers besingen die Satyrn Prometheus und singen dabei von Nymphen, die aus Dankbarkeit für die Gabe des Feuers Prometheus besingen werden. Die chorische Projektion markiert aber zugleich die Differenz beider performances, die wesentlich im unterschiedlichen Aufführungskontext besteht:75 Während (παι]ᾶνα [δι]ώξω); Pi. I. 3/4.21 (ὑµετέρας ἀρετὰς ὕµνῳ διώκειν). 73 So Rutherford 2011, 266-267, der zum Ausdruck παιᾶνα διώκειν bei Pindar (cf. die vorangehende n.) notiert: “The expression is a metaphor derived from chariot-driving, with the παιάν as the chariot, and although it need mean no more than ‘sing’, it seems to suggest the idea of singing while moving” (meine Hervorhebung). 74 Zu den Nymphen und ihrer Zugehörigkeit zum dionysischen Thiasos: supra Kap. 5.1.2. 75 In diesem Punkt scheint mir die Interpretation von Kaimio et al. 2001, 38-40, zu kurz zu greifen, wonach die Satyrn mit dem Zitat des zukünftigen Hymnos zugleich dessen

240

Tragödienreflexion

das Lied der Satyrn in der orchestra seinen Platz hat, kommt der imaginierte Hymnos im Rahmen einer idealtypischen Thiasos-Feier (bei Nacht und in der freien Natur) zur Aufführung. Die chorische Projektion, wie sie Henrichs für die Tragödie definiert hat, findet sich im erhaltenen Satyrspiel vergleichsweise selten. Ungleich häufiger ist jedoch die Kommentierung und Projektion des Chorgeschehens aus dem Munde der Akteure; man kann von ‘externen chorischen Referenzen’ und ‘externen chorischen Projektionen’ sprechen. In jedem umfangreich belegten Stück gibt es – wie gesehen – mindestens eine Passage, in der eine dramatis persona das Tanzen oder Nicht-Tanzen des Chores kommentiert, sich verbittet oder in anderer Weise darauf reagiert. Das lässt auf eine hohe Konzentration auf die orchestra schliessen, nicht nur von den Zuschauerrängen, sondern auch vom logeion und von der skene aus.76 Als Beispiel für diese Interaktion, die sich aus den Spannungen von fremdem Mythos und dionysischem Personal, von Schauspiel und Choreia ergibt, diene der Prolog des Silen im Kyklops. Nachdem der Silen sich in allerlei tragische und epische Posen geworfen und wortreich die Trennung von seinem Herrn Dionysos beklagt hat, gewärtigt er irritiert die einziehenden Choreuten. Diese geben sich dem lärmigen Spektakel des dionysischen Komos hin: τί ταῦτα; µῶν κρότος σικινίδων ὁµοῖος ὑµῖν νῦν τε χὤτε Βακχίῳ κῶµος συνασπίζοντες Ἀλθαίας δόµους προσῇτ’ ἀοιδαῖς βαρβίτων σαυλούµενοι; Was soll denn das? Macht ihr etwa den Lärm der sikinnis heut, ähnlich wie damals, als ihr, als komos, als Schildgesellen, zum Haus der Althaia zogt und euch im Klang der barbita wiegtet? (E. Cyc. 37-40) Vollzug im Hier und Jetzt übernehmen: “… the satyrs cite in an ‘illocutionary’ way. Just as the dance is only projected on the nymphs, but in reality performed by the chorus themselves, this applies also to the paean [sic!] and so the chorus perform this ritual themselves” (40). Diese Lektüre verabsolutiert m.E. zu Unrecht den Vollzug dieses Rituals durch die Satyrn. Zwar wird hier die rituelle Dimension der Satyr-Choreia vordergründig; zugleich wird aber die chorische Performanz der Satyrn auf der Bühne mit dem idealen Thiasos-Fest der Zukunft verglichen und dabei in seiner Differenz beleuchtet. – Selbst wenn es sich hierbei um ein ‘performatives Futur’ (‘performative future’) handeln sollte (cf. dazu Calame 1994/1995, 144, 152 mit n. 25; Henrichs 1994/1995, 80, 104 n. 97; Faraone 1995), scheint mir entscheidend, dass die Projektion in die Zukunft (wie auch die Projektion in die Vergangenheit oder die Negation der Möglichkeit einer Thiasosfeier in der Gegenwart) eine Spielart der ideellen Distanzierung von der aktuellen performance ist. – Cf. auch die Vorbehalte gegenüber der Anwendung des Konzepts des ‘performative future’ von d’Alessio 2004, bes. 272-276. 76 Zu Struktur und Segmentierung des Theatergebäudes vide Blume 21984, 45-48.

Sprechen über den Chor

241

Der Silen vergleicht den Einzug des Chores mit dem Tanz des Komos, als Dionysos und sein Gefolge zu Althaia zogen.77 Neben der Vergegenwärtigung dieses früheren Erlebnisses scheint mir hier aber ein zweiter Aspekt der vorliegenden Projektion erwägenswert. Zugleich wird nämlich der komastische Zug der Satyrn diskursiv aus dem hic et nunc des Bühnengeschehens verbannt. Die Choreia der Satyrn erscheint gleichsam als Anachronismus: Dort und damals fand sie ihren legitimen Platz, jetzt wird sie zum Ärgernis. Anders als in der Tragödie dient die chorische Projektion im Satyrspiel m.E. vermehrt dazu, die Verschiedenheit von Bühnengeschehen und imaginierter Ideal-Choreia zu betonen.78 In aller Regel wird in den chorischen Projektionen des Satyrspiels die Choreia der Bühnen-Satyrn mit den Kulthandlungen des dionysischen Thiasos selbst in Verbindung gesetzt. Die Choreuten, die in ihrem Lied eine andere Darbietung imaginieren und die eigene performance mit der fremden engführen, sind also mit den Performern der imaginierten Aufführungssituation identisch. Diese Identität lässt aber die Unterschiede um so augenfälliger werden, die zwischen den Aufführungskontexten und -bedingungen der Darbietungen bestehen: Der Choreia auf der Bühne, die für fragwürdig und unpassend erklärt wird, steht das Bild einer idealen Thiasos-Feier gegenüber. Die Satyr-Choreia im Theater wird damit geradezu als defiziente Stufe und Derivat der eigentlichen Kultfeier ausgewiesen.

6.5 Die Choreia des Satyrspiels und die Tragödie Fassen wir kurz die Ergebnisse des vorliegenden Kapitels zusammen. Wir sind von der Feststellung ausgegangen, dass im Satyrspiel der Inhalt der Stücke in besonderer Weise mit deren formalen Aspekten verschränkt ist. Der dionysische Thiasos wird stets zu fremden Mythen hinzugefügt und in deren Erzähllogik eingespeist. Die Zutat von Satyrn und Silen assimiliert sich aber nie vollständig an den neuen Kontext; vielmehr bleibt sie, allen gegenläufigen Bemühungen zum Trotz, ein Fremdkörper. Es ergibt sich folglich eine stets prekäre Gemengelage von dionysischen und nicht-dionysischen Elementen im Drama. Dabei findet sich der dionysische Anteil des Satyrspiels besonders in den Aktionen der

77

Cf. Bierl 2001, 78: “Der Ritus der aktuellen Performance zitiert und vergegenwärtigt dabei das mythische Ereignis der Vergangenheit”. Zugleich wird hier vermutlich ein früheres Satyrspiel zitiert, cf. infra p. 245 mit n. 1. 78 Um Missverständnissen vorzubeugen: Man könnte einwenden, der Bezug auf ein früheres Satyrspiel erbringe den Erweis der Differenz zwischen der aktuellen und der imaginierten Choreia gerade nicht. Mir scheint aber, dass sich diese beiden Aspekte, Vergegenwärtigung einer idealen Situation des Mythos und Rekurs auf ein früheres Satyrspiel, nicht wechselseitig ausschliessen.

242

Tragödienreflexion

Satyrn, also des Bühnenchores, während der fremde Mythos die Handlung der Stücke und damit wesentlich deren Schauspielpartien bestimmt. Die Auseinandersetzung mit der Choreia im Satyrspiel kann damit als ein Aspekt der Unterdrückung und der Inszenierung der Ab-/Anwesenheit des Dionysos verstanden werden (supra Kap. 4). Wie der Gott selbst unterdrückt, geleugnet und vom Bühnengeschehen ausgeschlossen, damit aber desto auffälliger und präsenter gemacht wird, so lässt sich auch im Sprechen über den Chor eine Bewegung der inkludierenden Exklusion ausmachen. An allen betrachteten Stellen wird die Choreia der Satyrn im Hier und Jetzt des Bühnengeschehens als unpassend, verwerflich und unmöglich oder – gerade umgekehrt – als zu Unrecht ausgeblieben, mangelhaft oder verbesserungsbedürftig ausgewiesen. Wir haben gesehen, dass in der Problematisierung der Satyr-Choreia immer auch die grundsätzliche Spannung zwischen den Chor- und Schauspiel-Partien im Drama verhandelt wird. Das Sprechen über den Chor im Satyrspiel ist mitunter als Auseinandersetzung mit der Tragödie zu begreifen und als Reflexion über deren Bedingtheiten und Verfahrensweisen.79 Nun ist eine der im Satyrspiel reflektierten Tendenzen der Tragödie das allmähliche Zurücktreten von Chortanz und -gesang zugunsten einer immer mehr in den Vordergrund rückenden Schauspielhandlung.80 Diese Marginalisierung der Choreia im Theater hängt wesentlich mit der Emanzipation des Dramas von seinen kultisch-rituellen Ursprüngen zusammen.81 Jenseits von den Spekulationen über die genaue Defiliation des klassischen Dramas aus dem dionysischen Kult lässt sich diese Entwicklung am überlieferten Tragikerkorpus nachvollziehen und belegen. Sie liegt nicht zuletzt auch in einer eigendynamischen Entwicklung der Gattung und ihrer Darstellungslogik begründet: Gerade die lebensbejahende, lustvolle, heitere Seite, die dem Tanzen des Chores eignet, ist mit den inszenierten Mythen der Tragödie letztlich nicht vereinbar.82 Das Element des Chores sorgt dafür, dass im Kern der Tragödie “der extreme Kontrast von tragischer Katastrophe und untragischem Spiel” steht (Henrichs 1996a, 35). Entsprechend prekär ist der Status der Choreia – besonders des Tanzes – in der Tragödie, bis sie ihre Bedeutsamkeit schliesslich vollständig einbüsst. Das Satyrspiel setzt sich mit dieser Tendenz der Tragödie, von der Choreia abzurücken, auseinander. Mit grösster Insistenz wird im Satyrspiel die Choreia der Satyrn zum Problem erklärt und in ihrer Unvereinbarkeit mit den dargestell79

Dies schliesst die Ergebnisse der Chor-Forschung nicht aus, denen zufolge das Sprechen des Chores den Fest-Kontext der Theater-Darbietung und damit deren genuine religiöse Bedeutung auffällig werden lasse (cf. Bierl 2001, 44; Kaimio et al. 2001, 36-38). Vielmehr sehe ich in der Tragödienreflexion einen zusätzlichen Aspekt. 80 Zur schwindenden Bedeutung des Chores: e.g. Henrichs 1996a, 57-61. 81 Zum Dramen-Chor, der zwischen kultischem Handeln und dramatischem Bühnenspiel oszilliert, cf. Henrichs 1996a, 21, 42-43, 54-56. 82 Henrichs 1994/1995, 73.

Sprechen über den Chor

243

ten Mythenhandlungen ausgestellt. Die im Satyrspiel besonders akzentuierte Dichotomie von Schauspiel und Chor, von fremdem, tragischem Mythos und dionysischem Thiasos-Kult, erlaubt es, die in der Tragödie angelegten Spannungen auf die Spitze zu treiben und kritisch zu beleuchten. Nicht zuletzt wird der Widerstreit von Choreia und mythischer Erzählung in den Versuchen der Satyrn und des Silen komisch kommentiert, unter Preisgabe ihrer eigenen Identität und Wesenheit in neue, durch den fremden mythischen Kontext vorgegebene Rollen zu schlüpfen. Gerade dies dürfte der Chor am Ende der Parodos des Kyklops kommentieren (E. Cyc. 73-81). Die Choreuten, die singend und tanzend zum Lamento über die Unmöglichkeit ihrer Choreia angehoben haben, stellen ihrem eigentlichen Dienst (Tanz und Gesang zu Ehren ihres Gottes) die unselige Diener-Rolle beim Kyklopen gegenüber. Sie sehen sich gezwungen, ihren Platz im Thiasos mit einer Nebenrolle im homerischen Mythos einzutauschen83 und klagen, diesen Part ‘in diesem erbärmlichen Ziegenpelz’ versehen zu müssen: σὺν τᾷδε τράγου χλαίνᾳ µελέᾳ (80). Es ist anzunehmen, dass die unliebsame neue Kostümierung (τράγου χλαίνα) auf die Absorption der Thiasoten durch den Ernst des tragischen Bühnenspiels verweist.84

83

Freilich findet hier die vom Chor problematisierte Choreia trotz der Problematisierung respektive in der Problematisierung statt. 84 Die Stelle wurde bisher entweder als Hinweis auf die “goatishness” der Bühnensatyrn verstanden – und damit zum Argument für die Etymologie von Tragödie als ‘Gesang der Böcke’ – oder aber mit dem perizoma (sc. dem typischen Bestandteil des Satyrkostüms im Theater) in Verbindung gebracht, cf. Seaford 1984 ad Cyc. 80. Brommer 1937a, 38-39 liest die Stelle als Beleg dafür, dass die Satyrn im Satyrspiel “Pferdewesen” und nicht “Bockwesen” sind, da es “kaum anzunehmen [sei], dass Bockwesen über ihrem Bockgewand noch einmal eine τράγου χλαῖνα tragen.” Das ist eine ‘metatheatrale’ Lektüre avant la lettre; cf. Kaimio et al. 2001, 54-55; Bierl 2006, 131. Einen anderen Zugang zu dieser Stelle schlägt Worman 2008, 140 vor: “… it [sc. the chlaina] may well index the genre by means of a saucy metonymy (i.e., a nasty cloak for an irreverent mode).”

7 Poetik der Serie 7.1 Die Gattung Satyrspiel als Serie und Kollektivprojekt Wenn auch für jegliche Dichtung gilt, dass sie sich in Gattungstraditionen einschreibt, diese damit aber auch modifiziert, so hat dies für das Satyrspiel doch besondere Gültigkeit. Die differentia specifica des Satyrspiels besteht im Chor der Satyrn und, darüber hinaus, in der Tatsache von dessen Permanenz. Dass im Satyrspiel stets der immergleiche Chor der Anhänger des Festgottes agiert, unterscheidet das Genre von der Tragödie und ebenso von der dritten dramatischen Gattung der Zeit, der Komödie, Gattungen, in denen Stück für Stück Chöre mit unterschiedlichsten Identitäten figurieren (Seeleute aus Salamis, Greise aus Argos, Kriegsgefangene aus Troia, Frösche, Wolken usw.). Die Permanenz des Satyrchores verleiht dem einzelnen Satyrdrama episodischen Charakter; sie lässt es als Teil einer Serie erkennbar werden. Jedes einzelne Stück ergänzt die Vita dieser Figuren um eine neue Episode oder ein neues Abenteuer – mit der Konsequenz, dass sich den Dichtern mittels des frequenten Motivs der Erinnerung der Satyrn oder der Assoziationen, die diese haben und äussern, die Möglichkeit eröffnet, auf frühere Satyrdramen aus eigener oder fremder Feder zu referieren.1

1

Die Idee, fiktionsinterne Bezugnahmen auf frühere Zeiten und Erlebnisse des Thiasos als Referenzen auf frühere Satyrspiele aufzufassen, formuliert erstmals ausführlich Waltz 1931; in Ansätzen ist sie bereits bei Wilamowitz 51919b, 27 n. 1 zu erkennen, und zwar in Bezug auf die Althaia-Anspielung in E. Cyc. 39. Wilamowitz merkt an dieser Stelle an: “So gut wie ganz verschollen ist die Einkehr des Gottes bei Althaia, …, man ahnt eine ausgebildete Geschichte, ein Satyrspiel”. Cf. zur Annahme eines Althaia-Satyrspiels ferner Waltz 1931, 292; Seaford 1984, 105 ad E. Cyc. 39 (“Almost certainly, E[uripides] … has in mind a previous satyr-play”). Cf. auch, in einer allgemeineren Perspektive (hier in Bezug auf Menelaos’ Aussage in E. Hel. 1056), die Rezeption von Waltz 1931 bei Burnett 1971/1985: “This explicit consciousness, on the part of the stage figure, of the genre in which he works, may have been typical of some of the personnel of satyr dramas. At any rate Silenus, in the Cyclops, opens with a quick series of references to other satyr plays” (92 n. 10, meine Hervorhebungen). – Selbstredend ist es angesichts der Fragmentarität unseres Materials nicht immer einfach, eine Unterscheidung zwischen der Bezugnahme auf einen konkreten Text und der Referenz auf einen Topos zu treffen, zumindest nicht zugunsten der konkreten Referenz. Die in dieser Hinsicht vielleicht am meisten traktierten Satyrspielverse sind E. Cyc. 3-4. Kaibel 1895b, 88-89 vermutet dahinter eine Anspielung auf Aischylos’ (Dionysou) Trophoi; Drago 1936 auf Achaios’ Iris; Sutton 1974g auf Sophokles’ Dionysiskos. Cf. Seaford 1984 ad Cyc. 3-4, der selbst als weiteren möglichen Referenztext Aischylos’ Lykurgos anführt, zugleich aber konzediert: “If there were

246

Tragödienreflexion

Das einzelne Satyrdrama ist damit besonders eng in eine kontinuierliche Gattungsentwicklung eingebunden, die stückimmanent stets gegenwärtig bleibt und thematisiert werden kann. Während das Satyrspiel innerhalb der tragischen Tetralogie als einziges nicht-tragisches Stück eine Sonderstellung einnimmt, ist es zugleich Teil einer kontinuierlichen Folge von Satyrdramen. Das Satyrspiel ist damit notwendig ein Kollektivprojekt der attischen Tragiker, die Tetralogie für Tetralogie eine neue Episode zur Serie der Satyr-Abenteuer beisteuern. Mit jedem Satyrdrama schliessen die Tragiker an die Stücke ihrer Vorgänger an, erzählen sie neu oder schreiben sie fort, während ihre eigenen Stücke sich ebenso in das Gemeingut der Satyr-Erzählungen einfügen und von fremder Hand aufgegriffen und fortgesetzt werden können.2 Die Poetik des Genres wird so als ein im emphatischen Sinne kollektives Anliegen der Tragiker erkennbar. Wenn die Permanenz des Satyrchores in zweierlei Hinsicht den seriellen Charakter der Gattung bedingt (das Stück ist eines von vielen Satyrabenteuern und der Beitrag eines Tragikers zum Kollektivprojekt), so wird dies durch die Identität der Choreuten noch weiter akzentuiert: Der Chor besteht aus zwölf (oder fünfzehn) nicht-individualisierten, mehr oder weniger identisch kostümierten und maskierten Figuren, die über stereotype Eigenschaften verfügen und sich ebenso stereotyp gebärden. Die Satyrn sind in diesem Sinne nur generisch markierte Figuren; das schlägt sich auch in der wiederholt auftretenden Bezeichnung des Chores als eines γένος nieder.3 In diesem Kapitel soll der Nachzuweis erbracht werden, dass der Charakter des Satyrspiels als Serie und Kollektivprojekt die Bearbeitung bestimmter Mythen befördert. Nicht zuletzt werden Stoffe, die ihrerseits eine Anlage zur Wiederholung und Vervielfachung haben, im Satyrspiel als Mittel der Gattungsreflexion eingesetzt.

several such plays, E[uripides] may not have had a particular one in mind here”; cf. supra Kap. 4.1.3 und infra Studien II s.v. Kindheit. 2 Für das Verständnis der Satyrspieldichtung als eines Kollektivprojekts der Tragiker könnte auch sprechen, dass spätestens ab 341/340 v.Chr. nur noch ein einziges Satyrspiel gegeben wurde (nicht mehr eines pro Wettbewerbsbeitrag), und zwar als Auftakt zum Wettstreit der Tragiker, cf. Einleitung, Der Niedergang des Satyrspiels, § Kanon, Klassik, Schauspiel – Die Wandlungen der Tragödie. 3 Die Bezeichnung auch der nicht-dramatischen Satyrn als eines γένος liegt bereits bei Hesiod vor: Gynaikōn Katalogos F 5.18 H. ≅ F 123.2 M./W. Auf den Chor der Satyrn im Satyrspiel angewandt findet er sich in S. ‘Oin.’ **F 1130.19 (cf. ibid. 4); Achae. Aith. F 9; evtl. auch in S. Ichn. 364. In E. Autolykos A' F 282 wird zwar das ἀθλητῶν γένος verurteilt, der dahinterstehende Konflikt aber könnte sich wohl an den Satyrn, die sich als Athleten gebärden, entzündet haben. Odysseus’ Frage nach der Inselbevölkerung in Cyc. 117 (ἦ θηρῶν γένος;) scheint mir eine witzige Anspielung auf die Satyrn zu sein.

Poetik der Serie

247

7.2 Serienmord im Satyrspiel Eine in der Satyrspielforschung oft repetierte These besagt, dass mythische Monster und Unholde, Oger und Bösewichte zum Inventar des Genres gehören.4 Eine Sichtung des Satyrspielkorpus erlaubt uns aber, diesen Befund weiter zu präzisieren. Besonders häufig scheinen im Satyrspiel Mythen behandelt worden zu sein, die von Räubern, Wegelagerern und Monstern erzählen, die ihre Schandtaten wiederholt, aber stets in derselben Weise begehen. So ist ein Satyrspiel des Sophokles dem mythischen Boxchampion Amykos gewidmet, dem König der Bebryker, der jeden Vorbereisenden zum Kampf herausfordert und erschlägt, bis er auf den Argonauten Polydeukes trifft, der besser boxt (S. Amykos).5 Der Ringer Antaios fordert ebenfalls alle Vorbeireisenden zu einem ungleichen Kräftemessen heraus und tötet sie, um mit ihren Schädeln den Tempel seines Vaters Poseidon zu dekorieren. Schliesslich fordert er Herakles zum Ringkampf heraus und findet unter dessen Hand den Tod. Die Geschichte des Antaios könnte gleich in mehreren Satyrspielen behandelt worden sein (Aristias, Antaios; Pratin. Palaistai [?]; Phryn.Trag. Antaios oder die Libyer [Sat.?]).6 4

So e.g. Guggisberg 1947, 59-63; Sutton 1980a, bes. 145-148; Pechstein 1998, 139-140, 183-184, 206-207, 272, 285; Seidensticker in KPS 28. 5 Zum Mythos: E.g. Theoc. 22.27-134; A.R. 2.1-163; V. Fl. 4.99-344; Orph. A. 658-666; Hyg. Fab. 17; Apollod. 1.199; Mythogr.Vatican. 1.92, 2.6 Zorzetti. Die Quellen unterscheiden sich in der Frage, ob Amykos zum Schluss getötet oder nur besiegt und gefesselt wird. – Zur Satyrspiel-Bearbeitung des Stoffs (S. Amykos): Zwei Fragmente sind erhalten, beide bei Athenaios (Ath. 3.94e = F 112; 9.400b = F 111), der jeweils Stücktitel und Autor nennt sowie, im Zitatkontext von F 111, das Stück als Satyrspiel ausweist. F 112, ein Kommentar zu einer Kampfszene, scheint zu einem Bericht über den Kampf zwischen Polydeukes und Amykos zu gehören; cf. Scheurer/Bielfeldt in KPS 247-248. 6 Zum Mythos: E.g. Pi. I. 3/4.70-73 mit Schol. vet. Pi. I. 4.87a, p. 235 Drachmann; Lucan. 4.589-660; Apollod. 2.115; Hyg. Fab. 31; Mythogr.Vatican. 1.55 Zorzetti. Pi. P. 9.105124 kennt ausserdem die Erzählung von einem athletischen Agon der Freier von Antaios’ Tochter. – Zu den Satyrspiel-Bearbeitungen des Stoffs: Im Falle von Aristias’ Antaios lässt sich nur anhand des Titels auf die Stoffgrundlage schliessen. Dem einzigen Fragment des Antaios (F 1) ist zu entnehmen, dass der Titelheld von sich sagt, er sei ein Kind des Poseidon. Für Pratinas ist aus einer Aischylos-Hypothesis ein Satyrspieltitel Palaistai, Die Ringer, bekannt (Hypoth. A. Th.), dessen Stoffgrundlage möglicherweise Herakles’ Kampf mit Antaios ist, cf. Sutton 1980a, 12. Als alternativer Stoff der Palaistai wurde aber auch Theseus’ Kampf gegen Kerkyon in Betracht gezogen, vide infra die n. zu Kerkyon I. Ein Drama über den Antaios-Stoff ist ferner für Phrynichos überliefert; cf. Schol. Ar. Ra. 689; Tz. ad Ar. Ra. 688a (3.880.9 Koster) und insbesondere die Zeilen 6-7 von Phryn.Trag. T 1 = Suda φ 762 s.v. Φρύνιχος, wo der Titel Antaios um den AlternativTitel Libyes ergänzt erscheint: Ἀνταῖος ἢ Λίβυες, Antaios oder die Libyer. Die Träger von F 3a, Schol. Ar. Ra. 689 und Tz. ad Ar. Ra. 688a, berichten, dass Phrynichos’ Antaios

248

Tragödienreflexion

Der Ägypterkönig Busiris kann eine langanhaltende Dürre mit dem jährlichen Opfer eines Fremden beheben und opfert – einer etwas blutigen Eigendynamik erliegend – fortan jeden Fremden, der in sein Land gerät. Als er eines Tages Herakles an den Opferaltar führen will, opfert dieser ihn selbst mitsamt den Opferdienern. Seine Geschichte ist Gegenstand eines Satyrspiels des Euripides (E. Bus.).7 Der Eleusiner Kerkyon, der jeden Vorbeireisenden herausfordert und im Ringkampf umbringt, bis er von Theseus niedergerungen und getötet wird, dürfte wiederum in verschiedenen Satyrspielen eine Rolle gespielt haben (A. Kerkyon [?]; Choeril.Trag. Alope [?]; Karkinos II, Alope [?]; E. Kerkyon; E. Alope [?]; Pratin. Palaistai [?]).8 περὶ Ἀνταίου τοῦ Λίβυος καὶ Ἡρακλέους παλαισµάτων πολλά enthalten habe. Dies veranlasste e.g. Sutton 1974c/1989, 296 Nr. 3 dazu, das Stück als Satyrspiel aufzufassen (“conjecturally satyric”). 7 Zum Mythos: Hdt. 2.45 (jedoch ohne Namensnennung des Busiris); Pherecyd. FGrH 3 F 17 (ap. Schol. A.R. 4.1396); Hyg. Fab. 31; Apollod. 2.116-117; D.Chr. 8.32; Tz. H. 2.370-371; Mythogr.Vatican. 1.65 Zorzetti; cf. ferner Isoc. 11 (Busiris). – Zur SatyrspielBearbeitung des Stoffs: Der Titel Βούσειρις ist inschriftlich verzeichnet; cf. Catal. fab. I (= E. T B 6 col. I 16). Bruchstückhaft erhalten ist die Papyrus-Hypothesis (P.Oxy. 3651 Z. 23-27 = E. Bus. T iiia), die Teile des Anfangsverses enthält (Z. 24 = E. Bus. F 312b). Kannicht hat vier weitere Fragmente in seiner Edition; Pechstein in KPS lässt Kannichts (mit ‘?’ versehenes) E. Bus. F 313a weg, und schlägt stattdessen vor, inc. F 920a zum Busiris zu gruppieren, das bei Kannicht als F 479 unter die Fragmente von Euripides’ Likymnios gereiht ist. E. F 312a, das Welcker und Nauck dem Busiris zugeschrieben hatten, weist Pechstein wie Kannicht (F 472m) der Lamia zu (cf. KPS 415; 475-476; TrGF V.1, p. 518). Eine detaillierte Besprechung der Busiris-Testimonien und Fragmente findet sich bei Pechstein 1998, bes. 123-130, cf. zu den unsicheren Fragmenten auch ibid. 344-346. E. Bus. F 314 bezeugt das Wort ἁγνίσαι (opfern) und dürfte damit auf Busiris’ Serientat hinweisen; das von Pechstein angeführte euripideische inc. F 920a könnte in eine Szene gehören, in der Busiris befiehlt, Herakles gefangenzunehmen und vor den Altar zu führen. In E. Bus. F 313 geht es um die begrenzte Redefreiheit eines Sklaven; die Verse könnten von Herakles (als einem Sklaven des Eurystheus) oder auch vom Silen gesprochen sein, der unter die Herrschaft des Busiris geraten ist. 8 Zum Mythos: E.g. D.S. 4.59.5; Plu. Thes. 11; Paus. 1.39.3; Schol. Luc. JTr. 21, p. 65 Rabe; Ov. Met. 7.439; Hyg. Fab. 187; Apollod. Epit. 1.3. – Zu den Satyrspiel-Bearbeitungen des Stoffs: Titel und Satyrspielqualität von Aischylos’ Kerkyon sind durch zwei Hesych-Glossen (cf. F 104 und 106) gesichert; bei den insgesamt 6 Fragmenten (F 102106, *F 107) handelt es sich ausschliesslich um Wortfragmente aus den Lexikographen. In F 102 wird mit ἀµφωτίδες eine Art Ohrenschützer erwähnt, die von Boxern getragen wurde (so e.g. Poll. 10.175; Hsch. α 4171 s.v. ἀµφωτίδες), es könnte somit – ebenso wie die Erwähnung von ‘Ohnmacht’ in F 104 (sc. ἀπεψύχη – ‘er fiel in Ohnmacht’) – auf den Zweikampf zwischen Kerkyon und Theseus zu beziehen sein. – Eine weitere Geschichte rankt sich um die Kerkyon-Tochter Alope als Geliebte des Poseidon (Pherecyd. FGrH 3 F 147; Hyg. Fab. 187). Die Alope-Erzählung ist verschiedenlich als Dramenstoff bezeugt,

Poetik der Serie

249

Das Satyrspiel Kyknos des Achaios galt wohl dem Ares-Sohn Kyknos (im folgenden: Kyknos I), der jeden Vorbeireisenden zu einem Wagenrennen herausfordert und die Verlierer tötet, um mit ihren Schädeln ein Heiligtum seines Vaters zu schmücken; zuletzt gerät er an Herakles und wird von diesem erschlagen (Achae. Kyknos [?]).9

wobei aber unklar ist, inwiefern Kerkyons Serientat dabei von Belang war. Die Alope des Choirilos ist bei Guggisberg 1947, 75 in die Liste der Satyrspiele mitaufgenommen; in TrGF und KPS aber findet diese Zuweisung nicht einmal Erwähnung. Unser einziger Zeuge für das Stück, Paus. 1.14.3 (cf. Choeril.Trag. Alope F 1), nennt nur den Stücktitel und paraphrasiert die Genealogie des Kerkyon, die im Stück angegeben worden sei. Pausanias deklariert das Stück weder als Satyrspiel noch als Tragödie. Eine Alope ist auch für Karkinos II TrGF 70 bezeugt, wobei Campo 1940, 80 sie als Satyrspiel klassifiziert (cf. Guggisberg 1947, 77, 138-139). Der einzige Zeuge für dieses Stück, Arist. EN 7.8 1150b10, suggeriert, dass hier Kerkyon einem nicht weiter spezifizierten heftigen Leiden erliege; erst ein anonymer Kommentar zu dieser Stelle weiss zu ergänzen, dass es sich dabei um Kerkyons Kummer über die Liebesbeziehung Alopes zu Poseidon handle; vide Snell/Kannicht in TrGF I, p. 211 ad Carc. II TrGF 70 F 1b]). Eustathios zitiert wiederholt einen sonst nirgends bezeugten Kerkyon des Euripides, meint aber vielleicht dessen Alope (so Heath 1762 und nach ihm die meisten); cf. Kannicht ad E. Alope F 106. Cf. auch Pechstein 1998, 14, der den Kerkyon (mit Verweis auf Guggisberg 1947, 125) als mögliche Tragödie im Stile der Alkestis diskutiert und ihr Satyrspielqualität abspricht, ohne dies näher zu begründen; die Alope lässt er im ganzen Euripides Satyrographos unerwähnt. Bei beiden Stücken ist aber die Zugehörigkeit zum Satyrspiel nicht auszuschliessen (cf. Guggisberg 1947, 76, 122 n. 44, 125). Ebensowenig lässt sich ausschliessen, dass in der Alope nicht auch Kerkyons Serientat (und sein Tod durch Theseus) behandelt wurden; E. Alope F 105 nennt eine Gruppe von Athleten und könnte mit Kerkyons Ringen in Verbindung stehen. Zur Frage der Stoffgrundlage cf. Collard/Cropp 2008a, 116-117 (mit weiterer Lit.). Cf. zur Euripides’ Alope auch Mills 1997, 256-257. Daneben wurde der Kerkyon-Stoff verschiedentlich als Grundlage von Pratinas’ Palaistai vorgeschlagen, cf. Jahn 1853, 139 n. 12; Aly 1921, 237 bis; Campo 1940, 14-15; Guggisberg 1947, 61; Radt in TrGF III, p. 223. Der Antaios-Stoff kommt dafür aber ebenso in Frage (vide supra, n. 6). 9 Zum Mythos (Kyknos I): Hes. Sc. 57-Ende; Stesich. Kyknos F 207 PMGF; Paus. 1.27.6; Hyg. Fab. 31; Apollod. 2.114, 155. Die Satyrspielqualität von Achae. Kyknos ist nicht bewiesen; erhalten sind dreieinhalb Verse (F 24+43, F 25). In F 24 + 43 wird geschildert, wie jemand zu Kyknos’ Haus gelangt; neben dem Namen gibt es aber keine Hinweise auf den Protagonisten. Gemäss Schloemann in KPS 543-544 ist Kyknos am ehesten mit dem Aressohn (Kyknos I) zu identifizieren; es lässt sich aber nicht ausschliessen, dass das Stück die Geschichte von Kyknos II zum Gegenstand hatte, einem Kämpfer im Troianischen Krieg (vide infra p. 253 n. 18). Handelt das Stück tatsächlich von Kyknos I, könnte F 25, das von Heisshunger berichtet, auf den notorisch hungrigen Helden Herakles verweisen (so von Schloemann in KPS 544 n. 7 angedacht); cf. infra Studien II s.v. Hunger.

250

Tragödienreflexion

Bei Sositheos und möglicherweise bereits bei Euripides findet sich die Geschichte des phrygischen König Lityerses: Dieser zwingt Fremde und Durchreisende dazu, seine Felder zu mähen, um ihnen dann ihre Köpfe abzumähen und ihre kopflosen Körper in die Garben zu binden – bis er Herakles den Kopf abmähen will und selber geköpft wird (Sositheos, Daphnis oder Lityerses; E. Theristai).10 Sicher bezeugt ist ein euripideisches Satyrspiel über den megarischen Wegelagerer Skiron, der sich am Rande des nach ihm benannten Skironischen Felsens von jedem Fremden und Vorbeireisenden die Füsse waschen lässt, ehe er ihnen, gewaschenen Fusses, einen Tritt verpasst und sie über die Klippe hinabstösst, einer Riesenschildkröte zum Frass. Als Theseus vorbeikommt, und Skiron sich von ihm die Füsse waschen lassen will, stürzt ihn Theseus vom Felsen (E. Skir.).11 In demselben Stück werden mit Prokrustes12 und Sinis/Pityokamptes13 10

Zum Mythos: Suda λ 626 s.v. Λιτυέρσης; Schol. Theoc. 10.41c, e; Serv. Verg. Ecl. 8.68; Mythogr.Gr. anon. p. 346-347 Westermann. – Zu den Satyrspiel-Bearbeitungen des Stoffs: Am besten belegt ist jene des Sositheos im Stück Daphnis oder Lityerses, wo der Stoff mit der Daphnis-Sage verbunden wurde; cf. zu Daphnis bes. Stesich. Daphnis dub. F 279 PMGF (via Ael. VH 10.18); D.S. 4.84.2-4. 24 Verse des Stücks sind erhalten (Sosith. Da.Li. F 2 und 3); weitere Hinweise sind aus Scholien zu Theokrit und aus Servius gewonnen (F 1a und **F 2a). Die Stoffgrundlage ist gut dokumentiert: Serv. Verg. Ecl. 8.68 berichtet (wenn auch ohne expliziten Bezug zu Sositheos), dass die Geliebte des Hirten Daphnis in den Sklavendienst des grausamen Lityerses geraten sei; Herakles habe sie aus Mitleid mit Daphnis befreit und Lityerses im von diesem anberaumten Wettbewerb (sc. einem Mähen um die Wette) bezwungen. Im umfangreichen F 2 kommen Lityerses’ axenia und sein blutrünstiger Agon ebenfalls zur Sprache. Die Zugehörigkeit von Daphnis oder Lityerses zum Satyrspiel ist vereinzelt bestritten worden, so von Xanthakis-Karamanos 1994. Cf. aber ibid. 242 mit n. 32 die lange Aufzählung all derjenigen, die Daphnis oder Lityerses für ein Satyrspiel halten. Xanthakis-Karamanos rückt das Stück – aufgrund metrischer und inhaltlicher Erwägungen, des Fehlens von Satyrn im erhaltenen Text und des Schweigens der Quellen über ein Satyrspiel dieses Titels – in die Nähe der Alkestis und klassifiziert es als “hellenistic specimen” (250) der “Euripidean romance” (249). In einem späteren Aufsatz rückt sie nicht von diesem Standpunkt ab, formuliert ihn aber etwas vorsichtiger (Xanthakis-Karamanos 1997, 125 mit n. 13). Ihre lange Aufzählung von ‘satyric features’ des Stücks gefährdet indessen ihre eigene These. Cf. auch Günther in KPS 605-613. Der Lityerses-Stoff kommt auch als Grundlage des euripideischen Satyrspiels Theristai, Die Schnitter, in Frage. Cf. Guggisberg 1947, 129 und die dort genannte Literatur. In der Hypothesis des Aristophanes von Byzanz zu Euripides’ Medea werden alle vier Titel der entsprechenden Tetralogie von 431 v. Chr angeführt, Medea, Philoktet, Diktys, Theristai, das vierte Stück wird explizit als Satyrspiel, jedoch als verloren bezeichnet: … τρίτος Εὐριπίδης Μηδείᾳ, Φιλοκτήτῃ, Δ∆ίκτυϊ, Θερισταῖς σατύροις. οὐ σώζεται. Cf. zu den Theristai auch Pechstein 1998, 19, 177, 180 n. 9, 186188, 193-194, 243 n. 2, und bes. 284-286. 11 Zum Mythos: B. Dith. 18.24-25 Maehler; D.S. 4.59.4; Plu. Thes. 10; Paus. 1.44.8; Schol. E. Hipp. 979; Schol. Luc. JTr. 21, p. 65 Rabe; Ov. Met. 7.443; Apollod. Epit. 1.2; Hyg. Fab. 38; Mythogr.Vatican. 2.65 Zorzetti. – Zur Satyrspiel-Bearbeitung des Stoffs:

Poetik der Serie

251

gleich zwei weitere Bösewichte desselben Schlages erwähnt: Prokrustes ist der Erfinder jenes unbequemen Bettes, auf dessen Länge er Fremde und Vorbeireisende streckt beziehungsweise zurechtstutzt, während Sinis/Pityokamptes (der ‘Fichtenbieger’) Fremde und Vorbeireisende mit einer Fichten-Katapultvorrichtung ums Leben bringt (er bittet sie um Hilfe beim Herunterbiegen einer Fichte, lässt dann schnell los, und der Fremden schnellt empor). Beide, Prokrustes und Sinis, fordern zuletzt Theseus heraus und werden von ihm nach ihrer jeweiligen Methode bezwungen. In Sophokles’ Daidalos schliesslich treibt der eherne Riese Talos sein Unwesen: er hindert sämtliche Schiffe daran, vor Kreta Anker zu legen und ergreift alle Fremden, die dennoch auf die Insel gelangen, presst sie an seine vorgängig zum Glühen gebrachte Brust und tötet sie. Als er sich gegen die vorbeireisenden

Testimonien für den Skiron des Euripides sind e.g.: P.Oxy. 2455 fr. 6 (= Hypoth. F 18 Austin); *P.Oxy. 2455 fr. 7 (= Hypoth. F 17 Austin; die Zuweisung dieses Fragments ist umstritten, erfolgt aber mit der gebotenen Vorsicht bei Pechstein in KPS 451-452 mit n. 7 sowie bereits in Pechstein 1998, 223-228). Sieben der acht sicheren Fragmente sind mit Autorname und Titel überliefert; als Satyrspiel weist den Skiron Poll. 10.35 (mit F 676) aus. Die Papyrus-Hypothesis macht deutlich, dass die Sage von Skiron behandelt wird und gibt Anlass zur Vermutung, dass der Silen und die Satyrn als Diener des Skiron am Geschehen beteiligt sind (cf. bes. P.Oxy. 2455 fr. 6.77-84 und fr. 7). Skir. F 678 enthält eine Gnome über die Bestrafung von Übeltätern und dürfte auf Theseus’ Bezwingung des Skiron deuten, vide infra. Kommentar zu Testimonien und Fragmenten: Pechstein 1998, 218-237. Unsichere Fragmente, die evtl. dem Skiron zugehören sind e.g. inc. F 879 (Busi-­‐‑ ris oder Skiron), cf. Pechstein 1998, 345-346 (inc. F 879 erscheint allerdings nicht unter den Skiron-Fragmenten bei Pechstein in KPS!); E. inc. F 1084 und trag. adesp. F 163a (beide unter den Skiron-Fragmenten bei Pechstein in KPS 454), cf. zu diesen beiden Fragmenten Pechstein 1998, 353-354. – Zu P.Oxy. 2455 fr. 5-8 und der Reihenfolge der mit Σ beginnenden Dramenhypotheseis vide Pechstein 1998, 196-204. 12 Zum Mythos: B. Dith. 18.29-30 Maehler; X. Mem. 2.1.14; D.S. 4.59.5; Ov. Met. 7.438; Plu. Thes. 11; Hyg. Fab. 38. – Verarbeitung des Stoffs im Satyrspiel: Auf Prokrustes wird in Skir. F 676 angespielt; erstmals bemerkt wurde dies von Snell 1967, 186 n. 3. Siehe auch den Kommentar zu E. Skir. F 676 bei Pechstein 1998, 232-233; Collard/Cropp 2008b, 155 n. 1. 13 Zum Mythos: B. Dith. 18.19-22 Maehler; Hyg. Fab. 38; Schol. Luc. JTr. 21, p. 65 Rabe; Apollod. 3.218. – Verarbeitung des Stoffs im Satyrspiel: In P.Oxy. 2455 fr. 7, das Pechstein 1998 und in KPS Euripides’ Skiron zuweist (vide supra), ist in Z. 93 die Verbform ἐπέζευξεν, ‘(er) verband miteinander’ zu lesen. Pechstein 1998, 226 ad loc. zieht als Subjekt hierfür Sinis/Pityokamptes in Betracht. Die Erwähnung von Sinis/Pityokamptes in der Hypothesis ist plausibel, weil mit Pechstein davon auszugehen ist, dass auch in Skir. F 679 und 680 auf diesen angespielt wird; cf. Pechstein 1998, 235237. Als Anspielung auf Sinis deuten Skir. F 679 auch Collard/Cropp 2008b, 157 n. 1.

252

Tragödienreflexion

Argonauten wendet, findet er durch Medeas Zauber (oder durch die Hand des Poias) den Tod.14 Schon diese kurze Zusammenstellung lässt erkennen, dass die Mythen der einzelnen Unholde durch eine ganze Anzahl von Parallelen und Ähnlichkeiten zueinander in Beziehung stehen. Ehe wir diese Beziehungen systematisch untersuchen, sei noch eine Reihe von Satyrspiel-Stoffen genannt, welche die hier untersuchten mythischen Strukturen zumindest teilweise aufweisen. So tritt der Schelm Syleus, ein am Fusse des Pelion oder im Herrschaftsgebiet der Königin Omphale in Lydien15 wohnhafter Räuber, der einem Satyrspiel des Euripides den Namen gibt, in einem Weinberggleichnis der besonderen Art ebenfalls als Wiederholungstäter in Erscheinung und ist darin den genannten Serientätern vergleichbar: Syleus zwingt jeden Vorbeireisenden zur Arbeit in seinem Weinberg, verweigert aber jegliche Entschädigung. Er wird von Herakles, der bei ihm Sklavendienst leisten müsste, stattdessen aber ein Gelage feiert und Syleus’ Wein trinkt, mit Winzerwerkzeug erschlagen (E. Syl.).16 14

Zum Mythos: Simon. F 568 PMG; A.R. 4.1638-1688. – Zur möglichen Satyrspiel-Bearbeitung des Stoffs: Es lässt sich nicht sicher feststellen, ob es sich bei Sophokles’ Daidalos um ein Satyrdrama handelt (cf. die bei Radt in TrGF IV, p. 171 genannte Literatur; auch Lloyd-Jones 22003, 65 n. a ad S. Daidalos F 162 deutet die potentielle Satyrspielqualität des Stücks an). Die Stoffgrundlage des Daidalos ist unklar. Um den bronzenen Riesen Talos drehen sich aber die Daidalos-Fragmente 160 und *161, und m.E. auch F 162, cf. infra Studien II s.v. Mistkäfer. – Allgemein zu Talos: Buxton 2002. 15 Cf. Pechstein/Krumeich in KPS 459 n. 5 zum Fehler ‘ΕΝ ΑΥΛΙΔ∆Ι’ statt ‘ΕΝ ΛΥΔ∆ΙΑΙ’ in der Überlieferung von Apollod. 2.132. 16 Zum Mythos: D.S. 4.31.7; Apollod. 2.132; Tz. H. 2.435-438; cf. auch Konon FGrH 26 F 1.17. – Zur Satyrspiel-Bearbeitung des Stoffs: Beim Syleus handelt es sich um das nach dem Kyklops am besten überlieferte Satyrspiel des Euripides. Verschiedene Papyrusfragmente liegen als Testimonien für das Stück vor: cf. bes. P.Strasb. 2676 A a (= E. Skir. T ii.1-12); P.Oxy. 2455 fr. 8.103-107 (= Hypoth. F 20 Austin = E. Skir. T ii.13-17). Die Satyrspielqualität scheint unter anderem gesichert durch den Dramenkatalog P.Oxy. 2456 (= E. T B 8 = Catal. fab. III Kannicht) Z. 5. Für weitere Testimonien cf. TrGF V.2, p. 671-674. Der Handlungsverlauf und einzelne Szenen des Syleus sind rekonstruierbar aufgrund von P.Strasb. 2676 A a und P.Oxy. 2455 fr. 8, sowie der Hypothesis bei Tzetzes, in Proll.Com. 11 a 2 (= E. Syl. T iiia), schliesslich aus dem Zitatkontext der F 687-691, einer längeren Passage des Traktats Quod omnis probus liber sit des Philon von Alexandria (99-104). Herakles wird zur Sühnung der Tötung des Iphitos als Sklave an Syleus verkauft (nicht, wie in anderen Versionen, an Königin Omphale, die ihrerseits Titelheldin zweier Satyrspiele ist, sc. von Achaios und Ion); er soll auf dessen Weingut arbeiten, zerstört aber die Reben und tut sich an Syleus’ Besitz gütlich. Als Syleus Herakles konfrontiert, wird er von ihm getötet. Ausserdem ist dessen Tochter Xenodike das Opfer sexueller Nachstellungen, wird aber zum Stückende gerettet. Es ist möglich, dass es die Satyrn sind, die sich, wohl ebenfalls als Diener des Syleus fungierend, an Xenodike heranmachen, daran aber von Herakles gehindert werden. Auch Herakles kommt aber als Freier der Xenodike in Frage (cf. Konon FGrH 26 F 1.17). Kannicht weist dem Syleus

Poetik der Serie

253

Ähnlich verhält es sich mit der Zaubererin Kirke, der Titelheldin eines Satyrspiels des Aischylos. Kirke ist tierlieb, aber misanthrop und scheint nicht nur die Gefährten des Odysseus, sondern jeden Menschen, der auf ihre Insel gelangt, in ein Tier zu verwandeln. Sie wird zwar von Odysseus überlistet, unterscheidet sich aber von den anderen Serientätern darin, dass ihrem Treiben kein Ende gesetzt wird (A. Kirke).17 Der durch Erz und Eisen unverwundbare Kyknos, ein Poseidon-Sohn (im folgenden: Kyknos II), ist den genannten mythischen Unholden dadurch vergleichbar, dass er als Verbündeter der Troianer reihenweise Griechen erschlägt, ehe er selbst – durch die Hand Achills – den Tod findet (Achae. Kyknos [?]; S. Poimenes [Sat.?]).18 Zu nennen sind ferner der Nemeische Löwe, der in Aischylos’ Leon wütet, bis ihn Herakles erlegt (A. Leon),19 und die Sphinx, die in Theben ohne Unterschied jeden tötet, der ihr Rätsel nicht zu lösen vermag. Als Ödipus die Lösung gelingt, stürzt sie sich in den Tod. Auch ihr hat Aischylos ein Satyrspiel gewidmet (A. Sphinx).20 neun Fragmente zu: F 686a-694. Den besten Kommentar zu den Testimonien und Fragmenten des Syleus bietet Pechstein 1998, 243-271; cf. auch Collard/Cropp 2008b, 169-183. 17 Zum Mythos: E.g. Od. 10.210-574; Apollod. Epit. 7.14-18; Hyg. Fab. 125; Mythogr.Vatican. 1.15 Zorzetti. – Zur Satyrspiel-Bearbeitung des Stoffs: Die Satyrspielqualität von Aischylos’ Kirke ist durch Herodian und Hesych, die Tradenten von F 113a und 115, sowie den Κατάλογος τῶν Αἰσχύλου δραµάτων gesichert. Es handelt sich dabei um den einzigen der zehn sicheren Satyrspieltitel im Κατάλογος, der auch als solcher gekennzeichnet ist (Κίρκη σατυρική, A. T 78.8c). Erhalten sind drei umfangarme Buchfragmente, die keine weitergehende Rekonstruktion des Stückes erlauben. 18 Zum Mythos: D.S. 5.83; Apollod. Epit. 3.23-25, 31. – Zu denkbaren Satyrspiel-Verarbeitungen des Stoffs: Die Erzählung um den Poseidon-Sohn Kyknos II könnte in Achaios’ Kyknos behandelt worden sein (cf. aber supra n. 9 zu Kyknos I). Bezeugt ist Kyknos II als Figur in Sophokles’ Poimenes (*F 501; cf. F 500), wo die Anfänge des Troianischen Kriegs mit Protesilaos’ Tod und Achills Tötung des Kyknos geschildert waren. Ob es sich bei den Poimenes um ein Satyrspiel handelt, ist umstritten; vide supra p. 71 Anm 113. 19 Zum Mythos: Hes. Th. 326-332; Theoc. 25.168-281; Call. fr. 54 Pf.; Apollod. 2.74; Hyg. Fab. 30; Mythogr.Vatican. 1.51 Zorzetti. – Zur Satyrspiel-Bearbeitung des Stoffs: Der Titel figuriert im Κατάλογος (A. T 78.9c); ferner wird das Drama vom Tradenten des einzigen Fragments, Stephanos von Byzanz, als Satyrspiel bezeichnet (St.Byz. 699.13-14 = A. Leon F 123). In F 123 scheint vom Löwen die Rede zu sein, der als Bedrohung für Reisende bezeichnet wird (dazu cf. infra p. 279-280). Es wurde auch erwogen, dass Leon ein Alternativtitel des Satyrspiels Kerykes sein könnte, cf. die bei Scheurer/Krumeich in KPS 161 n. 1 genannte Literatur. 20 Zum Mythos: e.g. E. Ph. 45-54 (mit Schol. Ph. 45); D.S. 4.64; Apollod. 3.52-55; Hyg. Fab. 67; Mythogr.Vatican. 1.67 Zorzetti. – Zur Satyrspiel-Bearbeitung des Stoffs: Der Titel ist im Κατάλογος verzeichnet (A. T 78.16b) und wird in der Hypothesis zu Sieben gegen Theben als Satyrspiel ausgewiesen (A. T 58a = DID C 4b); ebendort wird die Sphinx als viertes Stück einer Thebais (mit den drei Tragödien Laios, Ödipus und Sieben

254

Tragödienreflexion

Schliesslich ist auch der Protagonist des einzigen vollständig erhaltenen Satyrspiels, der Kyklop Polyphem, in die Reihe der hier behandelten Serientäter einzuordnen. Bereits bei Homer weist Polyphem ansatzweise das Profil eines Serienmörders auf, was im Satyrspiel – so wird es zu zeigen sein – aufgegriffen und akzentuiert wird (E. Cyc.; Aristias, Kyklops).21 Alle genannten Protagonisten sind als Missetäter in die Geschichte eingegangen; sie alle vereint der Umstand, dass sie sich nicht nur ein Verbrechen zuschulden kommen lassen, sondern eine ganze Anzahl; noch dazu begehen sie stets dieselbe Tat: Sie sind ‘Serientäter’. Die meisten vereint aber auch die Tatsache, dass sie zur Strecke gebracht werden. In der Tat ist die narrative Dynamik der entsprechenden Mythen klar auf dieses telos hin angelegt: Der Serientäter vollführt seine Taten wieder und wieder und einmal zuviel: bis er auf eine Figur trifft, die ihm überlegen ist und ihn – meist mit den eigenen Waffen – schlägt. Wir gehen im folgenden davon aus, dass im Satyrspiel wesentlich das Aufeinandertreffen von Serientäter und Serienheld geschildert wird und dass dabei der Silen und die Satyrn zu Zeugen werden, wie der Serientäter sein Ende findet. Euripides’ Kyklops ist nicht nur ein Beispiel für diesen Typus des SatyrspielPlots, sondern setzt sich mit ihm auch auseinander (cf. Kap. 7.4.3). Angesichts der bisweilen spärlichen Überlieferung – aussagekräftige Fragmente fehlen fast gänzlich – ist diese tentative Rekonstruktion der Serientäter-Satyrspiele jedoch methodisch zu prüfen. gegen Theben) ausgewiesen. In A. Th. 775-777 wird evtl. auf die Sphinx vorverwiesen (so e.g. Germar/Krumeich in KPS 189 n. 2). Die drei erhaltenen Fragmente erlauben kaum Rückschlüsse auf die Dramenhandlung: F 236 nennt die Sphinx; F 235 spricht von der Bekränzung eines Fremden und dürfte sich damit auf Ödipus und die Lösung des Rätsels beziehen; bei F 237 handelt es sich um ein Wortfragment ohne allen Kontext. Eine Vasendarstellung (Kalpis aus der Sammlung T. Fujita, Tokio = LIMC 7.1, 1994, 8, Nr. 42; KPS Taf. 22b; cf. Germar/Krumeich in KPS 191-195) zeigt fünf Satyrn/Silene, die der Sphinx gegenübersitzen und deren Rätsel zu lauschen scheinen. Als möglicher Reflex des aischyleischen Satyrspiels würde das darauf hinweisen, dass der Silen und die Satyrn sich als Parallelfiguren zu Ödipus ebenfalls am Rätsel versuchen, womit die Sphinx das im Satyrspiel beliebte Verfahren der Figurendoppelung aufweisen würde; cf. infra Studien II s.v. Figurendoppelung; s.v. Rätsel; ferner p. 263 mit n. 61. 21 Zum Mythos: Hom. Od. 9.105-566. Zu den Satyrspiel-Bearbeitungen: Erhalten ist von Aristias’ Kyklops ein mit Titel und Autorangabe versehener Vers über das Weinmischen, der sprichwörtlich wurde (Aristias F 4); die Satyrspielqualität des Stücks ist durch die Nachricht gesichert, dass Chamaileon es im Traktat Περὶ Σατύρων zitiert habe (Chamael. F 37 Wehrli). Cf. zur Herkunft des Fragments Kap. 4.1.1 und Studien II s.v. Weinmischen. – Der unbestritten zentrale Bezugstext für Euripides’ Kyklops (und sicher auch für den Kyklops des Aristias), die Kyklopeia im neunten Buch der Odyssee, zeigt einen Polyphem, der dem hier untersuchten Figurentypus zwar in vieler Hinsicht entspricht, jedoch weit weniger prägnant als derjenige, den uns Euripides im Kyklops vorführt, cf. infra Kap. 7.4.3.

Poetik der Serie

255

7.2.1 Zum Problem der fragmentarischen Überlieferung Von den meisten angeführten Satyrspielen ist nichts als der Titel und wenige Verse oder Worte erhalten. In aller Regel sind die Stücke nach dem jeweiligen Serientäter benannt und verweisen so auf bestimmte mythische Zusammenhänge, die aus anderen – bisweilen erst späten – Quellen bekannt sind. Es fragt sich also, inwiefern von einem Namen auf einen bestimmten Mythos rückgeschlossen werden kann. Der nicht unproblematische, in der Arbeit mit Fragmenten jedoch unverzichtbare methodische Schritt, von einem titelgebenden mythischen Namen auf die ungefähre Handlung und Figurenkonstellation eines Stücks zu schliessen, findet ausgerechnet in einem komischen Text eine frühe Legitimation: In seinem Stück Poiesis gibt Antiphanes einen ironischen Makarismos der Tragödie zum Besten und lässt dabei jemanden die Vorteile preisen, die der Tragiker gegenüber dem Komödiendichter geniesse. Er streicht dabei die Bekanntheit der tragischen Stoffe und Helden heraus:22 µακάριόν ἐστιν ἡ τραγῳδία ποίηµα κατὰ πάντ’, εἴ γε πρῶτον οἱ λόγοι ὑπὸ τῶν θεατῶν εἰσιν ἐγνωρισµένοι, πρὶν καί τιν’ εἰπεῖν· ὥσθ’ ὑποµνῆσαι µόνον δεῖ τὸν ποιητήν. Οἰδίπουν γὰρ † φῶ τὰ δ’ ἄλλα πάντ’ ἴσασιν· ὁ πατὴρ Λάιος, µήτηρ Ἰοκάστη, θυγατέρες, παῖδες τίνες, τί πείσεθ’ οὗτος, τί πεποίηκεν. ἂν πάλιν εἴπῃ τις Ἀλκµέωνα, καὶ τὰ παιδία πάντ’ εὐθὺς εἴρηχ’, ὅτι µανεὶς ἀπέκτονε τὴν µητέρ’ … Was für eine gesegnete Dichtungsgattung ist doch, in jeder Hinsicht, die Tragödie! Zunächst einmal: Ihre Handlungen sind dem Zuschauer bekannt, bevor auf der Bühne auch nur ein Wort gesprochen wurde; der Dichter braucht dazu nur einen kleinen Hinweis zu geben. Sagt er (?)23 etwa ‘Ödipus’, so wissen sie über 22

Einen ähnlichen Gedanken scheint Krates in den Paidiai artikuliert zu haben, und zwar in einem anapästischen Tetrameter, der gemäss Whittaker 1935, 188 Teil eines “literary ἁπλοῦν” der Parabase ist, in dem Komödien- und Tragödiendichtung gegeneinander ausgespielt werden: Crates Com. Paidiai F 28 K./A. (τοῖς δὲ τραγῳδοῖς ἕτερος σεµνὸς πᾶσιν λόγος ἄλλος ὅδ’ ἔστιν). 23 Die Lesart Οἰδίπουν γὰρ † φῶ (5) der MSS. ist metrisch nicht haltbar. Olson 2007, 154 übernimmt den Vorschlag von Coulon: Οἰδίπουν γ’ ἂν φῇ 〈µόνον〉, und verteidigt diese Lesart mit der 3. Pers. Sg. in V. 9 (εἴπῃ τις …): Olson 2007, 173.

256

Tragödienreflexion alles Bescheid: dass dessen Vater Laïos, die Mutter Iokaste ist, wer seine Töchter und Söhne sind, was er erleiden wird, was er getan hat. Sagt ein anderer wiederum ‘Alkmaion’, so hat er damit auf einen Schlag all dessen Kinder erwähnt und auch, dass dieser im Wahn seine Mutter tötete … (Antiph. Poiesis F 189.1-11 K./A.).

Was hier in ironischem Ton vorgetragen wird, erweist sich mit Blick auf den Glücksfall der drei erhaltenen Tragödien über den Elektra-Stoff (Aischylos’ Choephoren, Sophokles’ Elektra und Euripides’ Elektra) im Kern als wahr: Das rudimentäre Handlungsgerüst, die basalen Handlungsträger und ihre Beziehungen zueinander sind, bei aller Varianz im Detail, weitgehend konstant: Orestes mag zum Palast kommen oder die Stadt nicht betreten können, weil ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt ist; Elektra mag im Palast oder mit einem (von Euripides ‘erfundenen’) Bauern auf dem Land leben – am Ende gelingt es den beiden, Klytaimestra und Aigisth zu töten und Agamemnon zu rächen, usf.24 Nun spricht Antiphanes freilich von der Tragödie und nicht vom Satyrspiel; es gibt jedoch keinen guten Grund, weshalb seine Aussage nicht auch für das Satyrdrama gelten sollte. Wie uns das Beispiel des euripideischen Kyklops lehrt, ist auch hier, bei aller satyrspielspezifischer Veränderung und komischer Verzerrung, das aus Homer bekannte mythische Grundgerüst beibehalten. Der Rückschluss von einem Namen auf die zugehörige mythische Erzählung ist also – trotz der inhärenten Zirkularität – ein unverzichtbarer erster Schritt der Annäherung an ein Drama. In der Mehrheit der hier behandelten Fälle verweisen die Namen der Protagonisten auf kleinere Erzählzusammenhänge, die – wie ihre mythographische Rezeption uns lehrt – auf die Begegnung mit dem Heros hin angelegt sind. Eine beliebige andere Episode aus der immer gleichförmigen, sich stets wiederholenden Vita eines solchen Serientäters zum Besten zu geben, wäre dramatisch wohl kaum ergiebig. Ein zweiter Faktor tritt aber hinzu, wenn die Figuren einem grösseren Mythenkomplex zugehören, der verschiedene Episoden umfasst, die als stoffliche Grundlage eines ganzen Dramas denkbar sind. Hier erlaubt der Vergleich zu anderen Satyrspielen, den Stoff einzugrenzen. Insbesondere der Umstand, dass Herakles und Theseus als Satyrspielfiguren sehr gut vertreten sind, plausibi24

Cf. in diesem Zusammenhang auch Arist. Po. 1453b23-25: τοὺς µὲν οὖν παρειληµµένους µύθους λύειν οὐκ ἔστιν, λέγω δὲ οἷον τὴν Κλυταιµήστραν ἀποθανοῦσαν ὑπὸ τοῦ Ὀρέστου καὶ τὴν Ἐριφύλην ὑπὸ τοῦ Ἀλκµέωνος, αὐτὸν δὲ εὑρίσκειν δεῖ καὶ τοῖς παραδεδοµένοις χρῆσθαι καλῶς. – Schwieriger zu positionieren ist das AntiphanesFragment gegenüber Arist. Po. 1451b25-26, wonach ‘auch die bekannten Geschichten nur wenigen bekannt und dennoch eine Freude für alle sind’ (καὶ τὰ γνώριµα ὀλίγοις γνώριµά ἐστιν, ἀλλ’ ὅµως εὐφραίνει πάντας), cf. die Diskussion bei Olson 2007, 173 und die dort genannte Literatur sowie die relativierende Bemerkung bei Lucas 1968 ad loc. (“this statement can hardly be taken at its face value”).

Poetik der Serie

257

lisiert die Annahme, dass in den meisten der Serientäter-Satyrspielen das entscheidende Zusammentreffen mit dem Helden geschildert wird. So käme etwa für das Satyrspiel Antaios des Aristias neben dem Kampf des Titelhelden mit Herakles auch der athletische Agon der Freier um seine Tochter (wie er bei Pindar bezeugt ist) als zugrundeliegende mythische Episode in Frage. Der Vergleich zu anderen Satyrspiel-Stoffen macht aber die Begegnung mit Herakles als Dramenhandlung wahrscheinlich.25 Dass das Zusammentreffen von Serientäter und Serienheld als basaler Plot den Dichtern ausreichend Raum zur spezifischen Gestaltung lässt, geben die Reste des euripideischen Syleus zu erkennen: Zwar schildert das Stück die Auseinandersetzung des Titelhelden mit Herakles und endet mit seiner Bezwingung; dennoch zeigt es zugleich einen Herakles, dessen Verhalten den Zuschauer daran zweifeln lässt, ob er tatsächlich als Held oder selbst als Unhold einzustufen ist.26

7.3 Charakteristika der Serientäter-Stoffe Wie wir gesehen haben, begehen die genannten Figuren unterschiedliche Verbrechen, stimmen aber darin überein, dass sie diese systematisch und wiederholt vollführen; die Vergleichbarkeit der Erzählungen erschöpft sich darin jedoch nicht. Es ergeben sich weitere Übereinstimmungen: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Die Serientäter befinden sich in einem klar definierten Gebiet, über das sie – oft als König – autonom herrschen. Ihre Machtstellung und besondere Kraft ergibt sich aus ihrer – meist göttlichen – Herkunft (viele Serientäter sind Söhne des Poseidon). Auffällig oft richtet sich die Aggression der Serientäter spezifisch gegen Fremde und Vorbeireisende. Erst ein Heros – meist Herakles oder Theseus – bezwingt sie. Oft fordern die Serientäter ihre Opfer zu einem Agon heraus. Entsprechend werden sie vom Heros oft in dem von ihnen selbst anberaumten Agon bezwungen; auch sonst zeigt sich aber, dass sie meist durch ihre eigenen Methoden zu Tode kommen (Talion).

Aus der synoptischen Darstellung in Kap. 7.3.4 lässt sich leicht ersehen, dass die Serientäter-Mythen in diesen Punkten wesentliche Übereinstimmungen zeigen. 25

Pi. P. 9.106-125; cf. Sutton 1980a, 148. Cf. Binder in DNP s.v. Syleus: “Eine [vom gängigen Mythos] abweichende Darstellung findet sich in einem Satyrspiel des Euripides […], in dem Herakles – nicht S[yleus], der ihn als Sklaven erworben hat – als eigentlicher Unhold auftritt.” – Allgemein zum Phänomen der Verkehrung des Herr-Knecht-Verhältnisses im Satyrspiel (am Beispiel der Ichneutai): Zagagi 1999, bes. 183-184. 26

258

Tragödienreflexion

Die Feststellung, dass die Mythen damit einem besonderen Typus zugehören und miteinander verwandt sind, ist auch für die Poetik des Genres bedeutsam: Wie schon verschiedentlich herausgestellt wurde, wird im Satyrspiel oft auf frühere Erlebnisse der Satyrn und des Silen Bezug genommen, die sich als frühere Satyrspiele diskutieren lassen. Der Rückgriff auf vergleichbare Abenteuer akzentuiert diese Möglichkeit weiter und lässt den Status des einzelnen Satyrspiels als Teil einer kontinuierlichen Serie von Satyrspielen auffällig werden.

7.3.1 Die Serientäter Eine systematische Betrachtung der ‘Serientäter’ gibt zu erkennen, dass in nahezu allen Mythen die soziale Stellung des Täters besonders gewichtet wird. In den meisten Fällen regiert er als König über ein bestimmtes Gebiet: Amykos als König der Bebryker,27 der Gigant Antaios als König von Libyen,28 Busiris als König von Ägypten,29 der Ares-Sohn Kyknos I als König von Amphanai,30 Lityerses als König von Phrygien,31 der Poseidon-Sohn Kyknos II als König von Kolone auf Tenedos.32 Der eherne Riese Talos steht in engem Bezug zur Königsherrschaft des Midas von Kreta, dem er dient;33 und die Nymphe Kirke scheint autonom über ihre Insel Aiaia zu bestimmen. Die Betonung der Königsherrschaft in diesen Mythen ist aber nicht einfach ein Merkmal sozialer Distinktion. Vielmehr dient sie dazu, die Protagonisten und ihre Handlungen zuverlässig zu verorten: Mit der Ausnahme des Poseidonsohnes Kyknos II, der vor Troia und damit zwar in der Nähe seiner Heimat, aber auf dem Gebiet der Bundesgenossen kämpft, beschränkt sich der Handlungskreis der Serientäter immer auf das eigene Territorium, in dem sie selbstbestimmt und eigengesetzlich leben. Diese Eigenschaft wird auch von jenen Serientätern geteilt, die nicht als Könige herrschen, sondern etwa als Räuber oder Wegelagerer ihr Leben fristen. Auch sie beschränken ihre Handlungen auf einen bestimmten Ort oder Landstrich, wo sie ihre Autonomie behaupten und sich jeglicher sozialen und politischen Kontrolle entziehen: Kerkyon lebt in Eleusis,34 Skiron bei seinem Felsen

27

E.g. A.R. 2.2; Theoc. 22.110, 122; Apollod. 1.119. Schol. vet. Pl. Lg. 796a Greene. 29 E.g. Apollod. 2.116. 30 Walde in DNP s.v. ‘Kyknos’, allerdings ohne Quellenangabe. In Euripides’ Hercules Furens bezeichnet ihn der Chor unspezifisch als Ἀµφαναί- / ας οἰκήτορ’ ἄµεικτον  (HF 392-393). 31 Mythogr.Gr. anon. p. 346 Westermann; Serv. Verg. Ecl. 8.68. 32 D.S. 5.83.1. 33 Simon. F 568 PMG. 34 E.g. Apollod. Epit. 1.3. 28

Poetik der Serie

259

in Megara,35 der Kyklop auf seiner Insel,36 Syleus am Fusse des Pelion in Thessalien37 oder in Lydien38, Prokrustes in Attika39 und Sinis/Pityokamptes am korinthischen Isthmos.40 Ähnlichen Eingrenzungen unterliegt auch das Handlungsgebiet des Nemeischen Löwen, und die Sphinx kommt zwar von aussen zur Stadt Theben, setzt sich aber dort fest und zieht nicht weiter. Nur wer in das von den Serientätern beanspruchte Gebiet gerät, kann ihnen zum Opfer fallen. Die Serientäter zeichnen sich weiter durch besondere Kräfte aus, die ihnen die Durchsetzung ihres gesetzlosen (oder eigengesetzlichen) Lebens erlauben. In fast allen Fällen wird dies mit der Abstammung von einer Gottheit erklärt: Kyknos I stammt vom Kriegsgott Ares,41 Kirke von Helios,42 der Nemeische Löwe wie die Sphinx von Echidna,43 und Talos wird – ein Spezialfäll göttlicher Vaterschaft – vom Schmiedegott Hephaistos hergestellt oder stammt vom ehernen Geschlecht der Halbgötter.44 Bei allen andern Serientätern handelt es sich auffälligerweise um Kinder des Gottes Poseidon (und meist einer Nymphe);45 für Euripides ergibt sich gar, dass alle für seine Satyrspiele belegten Serientäter Söhne des Poseidon sind.46

35

E.g. E. Hipp. 979-980; Hdt. 8.71.2; Paus. 1.44.6. Die Kyklopen kennen keine politischen oder gesellschaftlichen Strukturen, keine Gesetze; jeder wohnt auf seinem eigenen Berggipfel, in seiner eigenen Höhle, ist sein eigener Gesetzgeber; keiner schert sich um den anderen (Od. 9.112-115). 37 Konon FGrH 26 F 1.17. 38 Apollod. 2.132. Die Überlieferung ist hier freilich strittig: Vide supra p. 252 n. 15, wonach die Lesart ‘ΕΝ ΛΥΔ∆ΙΑΙ’ vorzuziehen sei. 39 E.g. D.S. 4.59.5. 40 B. Dith. 18.17 Maehler; E. Hipp. 977; D.S. 4.59.3. 41 E.g. Hes. Sc. 57. 42 E.g. Hom. Od. 10.138-139; Hes. Th. 956-957; Apollod. 1.83, Epit. 7.14. 43 Zum Nemeischen Löwen: Hes. Th. 326-327; zur Sphinx: Hes. Th. 326. Schol. vet. Hes. Th. 326 nennt dagegen die Chimaira als Mutter der Sphinx. 44 Cf. Simon. F 568 PMG (Hephaistos); A.R. 4.141-142; Apollod. 1.140 (eherner Halbgott). A.R. 4.1641-1643 spricht ferner davon, dass Talos ein Geschenk des Zeus an Minos’ Mutter Europa sei. 45 Amykos: Theoc. 22.110, 122; Antaios: Aristias Antaios F 1; Pherecyd. FGrH 3 F 17; Busiris: Pherecyd. FGrH 3 F 17; Kerkyon: Paus. 1.14.3 (anders Apollod. Epit. 1.3); Polyphem: Od. 1.70-73; Skiron: P.Oxy. 2455 fr. 6.79-80; Apollod. Epit. 1.2 (Alternativen bei Apollod. ibid.; Plu. Thes. 25.6); Syleus: Konon FGrH 26 F 1.17; Prokrustes: Hyg. Fab. 38 (anders Schol. Ov. Ibis 407; cf. aber van der Kolf 1957, 609); Sinis/Pityokamptes: B. Dith. 18.21-22 Maehler; Kyknos II: Procl. Chr. 148; Ov. Met. 12.93-94; Hyg. Fab. 157.3, 273.12. 46 Im Falle von Euripides gilt das gar für all seine Satyrspiel-Serientäter: Busiris, Polyphem, Skiron und Syleus sind Söhne des Poseidon. Lamia, möglicherweise die Titelheldin eines weiteren euripideischen Satyrspiels, ist seine Tochter. Cf. Pechstein 1998, 221 mit 36

260

Tragödienreflexion

Der Aspekt der Vaterschaft Poseidons scheint dabei ein Element der SerientäterSystematik darzustellen, das schon in der Antike bemerkt wurde: So stellt Aulus Gellius fest, dass die dichterische Darstellung von Neptuns Kindern jener von Jupiters Kindern diametral entgegengesetzt ist: Quod a poetis Iouis filii prudentissimi humanissimique, Neptuni autem ferocissimi et inhumanissimi traduntur: … ferocissimos et inmanes et alienos ab omni humanitate tamquam e mari genitos Neptuni filios dixerunt, Cyclopa et Cercyona et Scirona et Laestrygonas. Dass von den Dichtern nämlich überliefert wird, dass die Söhne Jupiters besonders klug und human seien, jene Neptuns aber äusserst wild und unmenschlich … sie sagten nämlich, die Söhne Neptuns, etwa der Kyklop, Kerkyon, Skiron oder die Laistrygonen, seien äusserst wild und gewalttätig, und als Kindern des Meeres läge ihnen alle Menschlichkeit fern. (Gell. 15.21)

In jedem Fall sind diese beiden Aspekte, die Abstammung von einer Gottheit und das autonome Leben in einem distinkten Gebiet, als verbindende Merkmale des Serientäter-Typus hervorzuheben (s. auch die Synopse in Kap. 7.3.4).

7.3.2 Wiederholbarkeit und ‘Fremdgerichtetheit’ der Tat Aus der besonderen Macht des Serientäters als eines Göttersohnes, der weitgehend autonom agiert, ergibt sich überhaupt die Möglichkeit, die meist willkürliche Logik der Untaten gleichsam zum Gesetz zu erheben und mit Regelmässigkeit und Konsequenz durchzusetzen. Die invariante Iteration ihrer Verbrechen ist der zentrale Wesenszug der hier untersuchten Serientäter. Sie begehen ihre Schandtaten immer wieder und immer gleich. Hinzu tritt aber ein eigentümlicher Umstand, der mit der territorialen Gebundenheit der Serientäter zusammenhängt: In einer Mehrheit der Mythen richtet sich die Gewalt der Protagonisten nicht gegen beliebige Opfer, sondern stets gegen Fremde oder Vorbeireisende. Davon, dass die einheimische Bevölkerung unter den Verbrechen zu leiden hätte, ist in den entsprechenden Quellen keine Rede. Dass Fremde den Serientätern zu Opfer fallen, wird dagegen meist auffällig betont: Amykos etwa zwingt alle ‘an ihn geratenden Fremden’ (Apollod. 1.119: τοὺς προσσχόντας ξένους) zum Boxkampf. Er hält es damit gleich wie

n. 5; zur umstrittenen Lamia: Steffen 1971a; Pechstein 1998, 177-184; Pechstein in KPS 475-476.

Poetik der Serie

261

die Ringer Antaios,47 Kerkyon48, der Wagenlenker Kyknos I49 und Lityerses, der Vorbeireisende zum Mähen zwingt und sie dabei umbringt.50 Ebenso richten Skiron,51 Prokrustes,52 Sinis/Pityokamptes,53 Syleus54 und der Nemeische Löwe55 ihre Gewalt gegen jeden, der in ihren Machtbereich eindringt, und treffen damit besonders Fremde auf der Durchreise. Polyphem56 und Kirke57 wenden sich gegen jeden, der auf ihrer Insel an Land geht, der Ägypterkönig Busiris tötet alle ‘ins Land geratenden Fremden’ (Apollod. 2.117: τοὺς κατιόντας ξένους),58 und 47

Schol. vet. Pi. I. 4.87a, p. 235-236 Drachmann: ὁ γὰρ Ἀνταῖος … πάλῃ καταγωνιζόµενος τ ο ὺ ς π α ρ ι ό ν τ α ς ἀνῄρει … (cf. Pi. I. 3/4.70-73); Schol. vet. Pl. Lg. 796a Greene: Ἀνταῖος … ὃς τ ο ὺ ς ξ έ ν ο υ ς ἀναγκάζων παλαίειν αὐτῷ ἀνῄρει; cf. ferner Apollod. 2.115. 48 Apollod. Epit. 1.3: οὗτος ἠνάγκαζε τ ο ὺ ς π α ρ ι ό ν τ α ς παλαίειν καὶ παλαίων ἀνῄρει. 49 Schol. vet. Pi. O. 10.19b, p. 316 Drachmann: ἐµαχέσατο δὲ Ἡρακλῆς ὅτι κ α κ ό ξ ε ν ο ς ἦν Κύκνος καὶ ἐν παρόδῳ τῆς Θεσσαλίας οἰκῶν ἀπεκαρατόµει τ ο ὺ ς π α ρ ι ό ν τ α ς ναὸν τῷ Ἀπόλλωνι βουλόµενος ἐκ τῶν κεφαλῶν οἰκοδοµῆσαι, καὶ αὐτῷ π α ρ ι ό ν τ ι ἐπιβουλεῦσαι ἠθέλησε. Cf. bereits Hes. Sc. 70, 479-480; Stesich. Kyknos F 207 PMGF. 50 Mythogr.Gr. anon. p. 346 Westermann (= Einleitung zu Sosith. Da.Li. F 2): Λιτυέρσης Μίδου υἱὸς νόθος, ὃν ὁ Ἡρακλῆς ἀνεῖλεν ὄντα κ α κ ό ξ ε ν ο ν . ἠνάγκαζε γὰρ τ ο ὺ ς ξ έ ν ο υ ς συνθερίζειν αὐτῷ, εἶτα εὐωχῶν ἀπεκεφάλιζε, τὰ δὲ σώµατα ἐκόµιζεν ἐν τοῖς δράγµασιν ὡς παραλελογισµένων; cf. ferner Sosith. Da.Li. F 2; Schol. Theoc. 10.41c, e (= Sosith. Da.Li. **F 2a I-II); Serv. Verg. Ecl. 8.68 (= Sosith. Da.Li. F 1a III). 51 Apollod. Epit. 1.2-3: οὗτος ἐν τῇ Μεγαρικῇ κατέχων τὰς ἀφ’ ἑαυτοῦ κληθείσας πέτρας Σκειρωνίδας, ἠνάγκαζε τ ο ὺ ς π α ρ ι ό ν τ α ς νίζειν αὐτοῦ τοὺς πόδας, καὶ νίζοντας εἰς τὸν βυθὸν αὐτοὺς ἔρριπτε βορὰν ὑπερµεγέθει χελώνῃ  (Apollod. Epit. 1.23). 52 D.S. 4.59.5: οὗτος δὲ τ ο ὺ ς π α ρ ι ό ν τ α ς ὁ δ ο ι π ό ρ ο υ ς ἠνάγκαζεν ἐπί τινος κλίνης ἀναπίπτειν …; cf. Apollod. Epit. 1.4. 53 Hyg. Fab. 38: … Scironem, qui ad mare loco quodam praerupto sedebat et, qui iter gradiebatur, cogebat eum sibi pedes lavare et ita in mare praecipitabat …; cf. D.S. 4.59.3; Ov. Met. 7.440-442; Paus. 2.1.4; Schol. vet. Pi. I. Hypoth. b, p. 193-194 Drachmann; Schol. Luc. JTr. 21, p. 65 Rabe. 54 D.S. 4.31.7: Συλέα δὲ τ ο ὺ ς π α ρ ι ό ν τ α ς ξ έ ν ο υ ς συναρπάζοντα καὶ τοὺς ἀµπελῶνας σκάπτειν ἀναγκάζοντα …; cf. Apollod. 2.132. 55 A. Leon F 123: Hier, im Satyrspiel, wird die Aggression gegen Fremde und Vorbeireisende akzentuiert, die in der mythologischen Tradition in dieser spezifischen Ausprägung vorher nicht zu fassen ist; cf. infra Kap. 7.4.1 p. 279-280. 56 Schon in der Odyssee wird betont, dass Polyphem Xenia und Zeus Xeinios geringschätze (e.g. Od. 9.273-280 etc.); dass er sich gegen jeden Fremden wendet, ist aber ein Umstand, der im Satyrspiel besondere Gewichtung erfährt; cf. infra Kap. 7.4.3. 57 Od. 10.133-574; Ov. Met. 14.243-309; cf. ferner Apollod. Epit. 7.14-15; Hyg. Fab. 125. 58 Cf. auch in Pherecyd. FGrH 3 F 17 das seltene Verb ξενοκτείνω (ἐξενοκτόνουν) zur Bezeichnung dessen, was Busiris und sein Gefolge regelmässig tun.

262

Tragödienreflexion

der Riese Talos hat gar seine ganze Bestimmung darin, Fremde an der Landung in Kreta zu hindern.59 In der Regel zeichnen sich die Serientäter dadurch aus, dass sie ihre Taten dezidiert an Fremden begehen. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass sich im Satyrspiel der Silen und die Satyrn ebenso regelmässig in der Fremde aufhalten, wird schnell klar, dass die Inszenierung der Serientäter-Stoffe im Satyrspiel besonderes dramaturgisches Potential mit sich bringt: Zeigen die Satyrn ohnehin schon immer Schwierigkeiten, sich an die Sitten und Lebensumstände in der ungewohnten Umgebung anzupassen, so treffen sie hier zudem auf dezidiert fremdenfeindliche Figuren.

7.3.3 Symmetrien in den Serientäter-Mythen Für die Serientäter-Mythen scheint es nun aber bezeichnend, dass das Moment der Wiederholung sich nicht auf die Serientat beschränkt. Vielmehr zeigt sich, dass die Struktur der Mythen auch darüber hinaus von Doppelungen und Symmetrien bestimmt ist. Viele der Serientäter fordern ihre Opfer zu einem Kräftemessen heraus: Wer sich diesem Wettbewerb stellt, gleicht sich damit unwillkürlich dem Serientäter an und ist gezwungen, sich in dessen Handlungsfeld zu betätigen. So ergibt sich eine kurzzeitige Angleichung von Opfer und Täter. Zugleich treten auch alle Opfer des Serienmörders in eine symmetrische Beziehung zueinander: Sie alle scheitern in derselben Weise, am selben Ort und kommen durch denselben Mörder ums Leben. Die Angleichung an den Serientäter bestimmt aber auch den Auftritt des Helden Herakles oder Theseus, der den Serientäter an weiteren Taten hindert: Durch die Tötung des Serienmörders beendet er zwar dessen Serie, er setzt sie aber zugleich fort und komplettiert sie, indem er einen weiteren, letzten Mord hinzufügt. Damit scheint zusammenzuhängen, dass der Heros überhaupt in vielem mit dem Serientäter übereinstimmt: Als bewährter Held ist er selbst eine Figur, die zwar nicht immer dieselbe Tat begeht, sich aber wieder und wieder neuen Aufgaben stellt und kämpfend obsiegt. Nicht zuletzt begegnen ihm in seiner Karriere mehrere der genannten Serientäter. Wie zu zeigen ist, beschränken sich die Ähnlichkeiten zwischen Serienheld und Serientäter aber nicht hierauf; vielmehr lassen sich zwischen ihnen auch genealogische Beziehungen nachweisen. Agon und Talion Mit dem Boxer Amykos, den Ringern Antaios und Kerkyon sowie dem Wagenlenker Kyknos I fordern vier der Serientäter ihre Opfer zu einem athletischen 59

Cf. Simon. F 568 PMG; A.R. 4.1638-1648.

Poetik der Serie

263

Agon heraus, der auf Leben und Tod ausgefochten wird.60 Diesen Athleten ist die Sphinx vergleichbar, die ihre Opfer mit ihrem Rätsel ebenfalls auf eine harte Bewährungsprobe stellt, ehe sie sie tötet, sich aber geschlagen gibt, sobald jemand ihre Herausforderung erfolgreich pariert und das Rätsel löst.61 Und auch in einer Version des Lityerses-Stoffes begegnet uns die aufällige Feststellung, dass der Unhold seine Opfer zu einem Agon (certamen) im Mähen (sic!) herausgefordert habe.62 Zwar lässt sich hier nicht sicher entscheiden, ob das Motiv zum traditionellen Erzählbestand des Mythos gehörte oder erst in der SatyrspielAdaption Daphnis oder Lityerses des Sositheos hinzugefügt wurde. Letzteres spräche dafür, dass Sositheos das Stück in die Tradition der Serientäter-Satyrspiele stellt.63 In den Serientäter-Mythen kommt damit jedenfalls einem Motiv eine zentrale Rolle zu, das ganz allgemein als typisches Satyrspiel-Motiv gehandelt wird: dem (athletischen) Agon.64 Das agonale setting der Serientaten bestimmt wesentlich die Handlungsstruktur der Erzählungen: Zunächst zwingen die Serientäter ihre zahlreichen Opfer, sich auf dem von ihnen bestimmten Feld zu bewähren, um sie dann zu besiegen und zu töten. Zuletzt geraten sie aber an einen Heros, der sich ebenso wie seine glücklosen Vorgänger auf den Wettbewerb einlässt, ihn aber gewinnt. Weil der Held damit den Untaten des Serientäters ein Ende setzt, wird sein Sieg zugleich als Bestrafung des Missetäters vorgestellt. Bezeichnenderweise erfolgt die Strafe dabei stets nach der Massgabe der Talion: Der Mörder büsst den Tod seiner Opfer mit dem eigenen Tod. Noch dazu wird er aber eben so umgebracht, wie er seine Opfer getötet hat. 60

Cf. zu Amykos: γενναῖος δὲ ὢν οὗτος τοὺς προσσχόντας ξένους ἠ ν ά γ κ α ζ ε π υ κ τ ε ύ ε ι ν καὶ τοῦτον τὸν τρόπον ἀνῄρει (Apollod. 1.119); zu Antaios: π ά λ ῃ κ α τ α γ ω ν ι ζ ό µ ε ν ο ς τοὺς παριόντας ἀνῄρει (Schol. vet. Pi. I. 4.87a, p. 235 Drachmann; cf. Pi. I. 3/4.70-73); zu Kerkyon: οὗτος ἠ ν ά γ κ α ζ ε τοὺς παριόντας π α λ α ί ε ι ν κ α ὶ π α λ α ί ω ν ἀνῄρει (Apollod. Epit. 1.3); zu Kyknos I: Hes. Scutum. 61 Cf. aber den möglichen Zusammenhang der Sphinx mit einem Glockenkrater des Malers Python (Neapel, Museo Nazionale H 2846), wo ein Bühnensilen dargestellt ist, welcher der Sphinx ein Rätsel aufzugeben scheint. Die Darstellung bezeugt damit möglicherweise eine Satyrspielszene, in welcher der Silen die Sphinx mit ihren Mitteln zu schlagen versucht (i.e. ‘partielle Talion’). Cf. Studien II s.v. Rätsel. 62 Serv. Verg. Ecl. 8.68 (= Sosith. Da.Li. F 1a III). Cf. infra p. 279 mit n. 107. 63 Ähnlich liegt der Fall bei Busiris: Der Kyniker Diogenes soll in einer allegorischen Schilderung der Begegnung von Herakles mit Busiris den Ägypterkönig zu einem Ringkämpfer stilisiert haben (D.Chr. 8.32). Damit könnte eine beliebige alternative Mythenvariante anklingen; wahrscheinlicher ist m.E. jedoch, dass es sich dabei um einen Reflex auf das euripideische Satyrspiel Busiris handelt, in dem das Motiv des Agons der traditionellen Erzählung aufgepropft wurde; cf. Pechstein/Krumeich in KPS 418. 64 Freilich entfallen einige Belege für dieses Motiv im Satyrspiel just auf die SerientäterDramen. Cf. Studien II s.v. Athleten.

264

Tragödienreflexion

Schon im athletischen Zweikampf gegen einen Meister (also jemanden, der bereits andere besiegt hat) ist die Grundform der Talion, ‘Gleiches wird mit Gleichem vergolten’, greifbar: Der entthronte Champion erfährt zuletzt dieselbe Niederlage, die er seinen Gegnern zugefügt hat. Herakles und Theseus ringen nicht nur besser, sie töten die künftigen Ex-Champions in deren letztem Ringkampf genauso, wie diese all jene getötet haben, die ihnen einst unterlagen. Dem Serienhelden kommt so die ambivalente Rolle zu, am pervertierten Agon zu partizipieren und sogar zu exzellieren, zugleich aber der Perversion strafend und rächend ein Ende zu setzen.65 Es zeigt sich darüber hinaus, dass das Motiv der Talion auch in jenen Serientäter-Mythen zu finden ist, die ohne expliziten Agon auskommen: So wird Busiris von Herakles an dem Altar ‘geopfert’ (cf. Plu. Thes. 11.2: ἔθυσε τὸν Βούσιριν), an dem dieser und seine Schergen die Fremden zu töten pflegten (cf. Pherecyd. FGrH 3 F 17: ἔνθα ἐξενοκτόνουν);66 Skiron wird von Theseus von demselben Felsen gestürzt, von dem dieser seine Opfer gestossen hat;67 Prokrustes findet den Tod im eigenen Bett;68 der Weinbauer Syleus wird mit einer Hacke erschlagen;69 Sinis/Pityokamptes endet auf seinem Fichtenkatapult.70 65

Hinzu kommt, dass das Motiv des sportlichen Agons in den Mythen beider Helden eine wichtige Rolle spielt. So soll Theseus die Isthmischen Spiele begründet oder reformiert haben (Schol. vet. Pi. I. hyp., Drachmann 1927, p. 192-195), wobei Plutarch zu ergänzen weiss, dass er damit Herakles als dem Begründer der Olympischen Spiele nacheiferte (Plu. Thes. 25.4-6). In einer alternativen Erklärung bringt Plutarch die Begründung der Spiele auch mit der Tötung von Skiron oder Sinis in Verbindung: Aufgrund ihrer Verwandtschaft zu Theseus habe dieser ihren Tod mit der Stiftung der Isthmia gesühnt. Zu einem alternativen Gründungsmythos cf. infra p. 306 n. 5. 66 Pherecyd. FGrH 3 F 17 (mit Kontext): … Εἶτα ἀφικνεῖται (sc. Ἡρακλῆς) ἐπὶ τὸν Νεῖλον εἰς Μέµφιν, παρὰ Βούσιριν τὸν Ποσειδῶνος· ὃν κτείνει, καὶ τὸν παῖδα αὐτοῦ Ἰφιδάµαντα, καὶ τὸν κήρυκα Χάλβην, καὶ τοὺς ὀπάονας, πρὸς τῷ βωµῷ τοῦ Δ∆ιὸς, ἔνθα ἐξενοκτόνουν. Cf. ferner Apollod. 2.117. Der Moment, in dem Herakles Busiris und seine Entourage auf dem Altar tötet, an dem er geopfert werden sollte, ist ein beliebtes Sujet der Vasenmalerei v.a. in der 1. Hälfte des 5. Jh. in Athen (Laurens 1986, 149-150, Nr. 8-28); die Vasenmaler setzten sich also sicher mit der Frage nach einem Menschenopfer unter der Hand des Herakles auseinander; cf. dazu Durand/Lissarrague 1983. – Zur auf D.Chr. 8.32 gründenden These, dass es auch in Euripides’ Busiris das Element eines athletischen Agons gab, vide supra n. 63. 67 Plu. Thes. 10.1; Apollod. Epit. 1. 68 Plu. Thes. 11.1. 69 So D.S. 4.31.7. Andere Quellen berichten, Herakles hätte die Weinstücke des Syleus mitsamt ihren Wurzeln ausgegraben (und also das Weingut zerstört) und ihn danach erschlagen (Apollod. 2.132; Tz. H. 2.438) oder einen Fluss umgeleitet und damit das gesamte Weingut überflutet (Tz. Proll.Com. 11 a 2.59-70). Diesen Mythenvarianten (in TrGF als E. Syl. T iiia-c verzeichnet) scheint die Idee einer der Talion verwandten ‘spiegelnden Strafe’ zugrundezuliegen, mit der eine Tat an dem Glied vergolten wird, mit dem

Poetik der Serie

265

Dieses Charakteristikum der Serientäter-Mythen ist bereits in der Antike beschrieben worden. Im Zuge seines Berichts über Theseus’ Reinigung der Küste des Saronischen Golfes, hält Plutarch einmal inne und vergleicht Theseus’ Taten mit jenen des Herakles. Das tertium ist just die Talion: Ἐν δ’ Ἐλευσῖνι Κερκυόνα τὸν ἐξ Ἀρκαδίας καταπαλαίσας ἀνεῖλε, καὶ µικρὸν προελθὼν Δ∆αµάστην ἐν Ἐρινεῷ71 τὸν Προκρούστην, ἀναγκάσας αὑτὸν ἀπισοῦν τοῖς κλιντῆρσιν, ὥσπερ τοὺς ξένους ἐκεῖνος. ἔπραττε δὲ ταῦτα µιµούµενος τὸν Ἡρακλέα. καὶ γὰρ ἐκεῖνος οἷς ἐπεβουλεύετο τρόποις ἀµυνόµενος τοὺς προεπιχειροῦντας, ἔθυσε τὸν Βούσιριν καὶ κατεπάλαισε τὸν Ἀνταῖον καὶ τὸν Κύκνον κατεµονοµάχησε καὶ τὸν Τέρµερον συρρήξας τὴν κεφαλὴν ἀπέκτεινεν. ἀφ’ οὗ δὴ καὶ τὸ Τερµέρειον κακὸν ὀνοµασθῆναι λέγουσι· παίων γὰρ ὡς ἔοικε τῇ κεφαλῇ τοὺς ἐντυγχάνοντας ὁ Τέρµερος ἀπώλλυεν. οὕτω δὴ καὶ Θησεὺς κολάζων τοὺς πονηροὺς ἐπεξῆλθεν, οἷς µὲν ἐβιάζοντο τοὺς ἄλλους ὑπ’ ἐκείνου καταβιαζοµένους, ἐν δὲ τοῖς τρόποις τῆς ἑαυτῶν ἀδικίας τὰ δίκαια πάσχοντας. In Eleusis rang er [sc. Theseus] den Arkadier Kerkyon nieder und tötete ihn, und, als er ein wenig weitergegangen war, tötete er in Erineos Damastes alias Prokrustes, indem er ihn zwang, seinen Körper selbst auf die Länge seiner Liege zu bringen, wie dieser es mit den Fremden gemacht hatte. Mit dieser Tat ahmte er Herakles nach. Denn auch dieser pflegte diejenigen, die ihn angriffen, mit den Mitteln zu bestrafen, mit denen sie gegen ihn hatten vorgehen wollen: So opferte er Busiris, rang er Antaios zu Tode, tötete er Kyknos im Zweikampf und Termeros, indem er ihm den Schädel zerschmetterte. Von daher rührt, wie man sagt, auch die Redewendung vom ‘Termeros-Übel’, denn Termeros, so scheint es, tötete diejenigen, die ihm über den Weg liefen, indem er seinen Schädel in ihren rammte. So machte sich denn auch Theseus auf, die Schlechten zu bestrafen: Was sie den anderen angetan hatten, das erlitten sie unter seiner Hand; ihnen widerfuhr Gerechtigkeit nach der Massgabe ihres eigenen Unrechts. (Plu. Thes. 11.1-3 )

Während einzelne Autoren punktuell darauf hinweisen, dass Herakles oder Theseus ein Opfer in derselben Art und Weise töten, wie diese ihre Opfer getötet hatten, erfasst Plutarch das Phänomen mit einiger Systematik: Die Serientäter werden in der Form des von ihnen begangenen Unrechts bestraft (11.3: ἐν δὲ τοῖς τρόποις τῆς ἑαυτῶν ἀδικίας τὰ δίκαια πάσχοντας). Mit dem expliziten Vergleich von Herakles und Theseus trifft Plutarch zugleich einen weiteren zensie verübt worden ist (Syleus’ Tat bestand ja darin, dass er den Vorbeireisenden Winzerinstrumente und die Arbeit an den Weinstöcken aufzwang). Zur spiegelnden Strafe cf. Hengstl in DNP s.v. ‘Talion I, Allgemein’ und die dort angegebene Literatur. 70 Apollod. 3.218. 71 Die MSS. haben hier ἑρµιόνῃ/ἑρµιόνι, was zu Ἕρµει (Palmerius) oder, wohl korrekt, zu Ἐρινεῷ (wie hier; cf. Paus. 1.38.5; Pl. Tht. 143b) geändert worden ist.

266

Tragödienreflexion

tralen Punkt der hier besprochenen Mythen: Die Helden absolvieren je eine ganze Reihe solcher Aufgaben und sind einander überhaupt sehr ähnlich. Serienhelden als Antagonisten der Serientäter72 Beseitigt werden die Serientäter durch Helden, die sich nicht allein durch eine Serie von Heldentaten ausgezeichnet haben, sondern dadurch, dass sie eine Reihe just dieser Serientäter beseitigt haben. Das Moment der Vervielfachung und des Seriellen zeichnet also in den hier betrachteten Mythen nicht nur die Serientäter und ihre Verbrechen, sondern ebensosehr ihre Gegenspieler aus. Ein Grossteil der Satyrspiel-Serientäter fällt Herakles oder Theseus zum Opfer:73 Herakles tötet Antaios, Busiris, Kyknos, Lityerses, den Nemeischen Löwen und Syleus; Theseus Kerkyon und Skiron sowie Sinis und Prokrustes.74 72

Ich diskutiere Herakles und Theseus hier in ihrer Funktion als Beseitiger von Satyrspiel-Serientätern; für ein Porträt des Herakles im Satyrspiel insgesamt sei auf das Kapitel 11.1 “Héraclès” von Voelke 2001, 329-339 verwiesen. Zu Theseus im Satyrspiel cf. ibid. Kap. 11.2: “Héros rusés: de la dikê à l’hubris”, 340-341. – Allgemein zu Herakles cf. die grundlegende Studie von Galinsky 1972; zu Herakles im Satyrspiel (und in der Komödie) ibid. 81-100. 73 Ein weiterer Held dieses Schlags ist der Dioskure Polydeukes, der Amykos bezwingt. – Zwischen Polydeukes und Herakles oder Theseus bestehen diverse Analogien und Verbindungen: Wie Herakles und Theseus ist er an diversen mythischen Gemeinschaftsabenteuern beteiligt; e.g. – mit Herakles und Theseus (cf. Apollod. 1.111) – an der Argonautenfahrt (anlässlich derer er Amykos begegnet) oder – mit Theseus – an der Jagd auf den Kalydonischen Eber (Apollod. 1.67). Wie Herakles ist er ein Sohn des Zeus und hat einen Zwillingsbruder, Kastor, der nach einigen Quellen sterblich und der Sohn des Tyndareos ist (Apollod. 3.126). Der Mythos kennt Polydeukes aber wie Theseus (und Herakles) auch als Sohn zweier Väter bzw. als Kind mit obskurer Vaterschaft (cf. e.g. Paus. 5.8.4, wo Polydeukes Tyndareos’ Sohn ist). Diese “joint paternity, divine and human” der Dioskuren, die auch Tyndaridai sind, setzt auch Barrett 1964, 333-334 ad E. Hipp. 887 explizit in Analogie zu den Vätern von Herakles und Theseus; vide infra). Wie Herakles und Theseus ist Polydeukes ein begnadeter Athlet; er ist wie Herakles ein Olympionike, und zwar im Boxkampf (Paus. 5.8.4). – Polydeukes gerät aber auch in Opposition zu Theseus: Als dieser im Hades weilt, ziehen Polydeukes und Kastor gegen Athen, um Helena, die Theseus dorthin entführt hatte, zurückzuholen und zugleich Theseus’ Mutter Aithra zu entführen (Apollod. 3.128). 74 Der Herakles- wie der Theseus-Mythos kennen eine Reihe weiterer Opfer der beiden Helden, die dem hier analysierten Figurentypus entsprechen, die aber nicht als Satyrspielfiguren belegt sind. Cf. e.g. Eryx, den König der Elymer und Sohn des Poseidon, der Herakles zum Ringkampf (Agon) zwingt, von diesem aber gleich dreimal besiegt und schliesslich getötet wird (Apollod. 2.110-111). Die Begegnung mit Eryx, die während Herakles’ Bewältigung der 10. Aufgabe – er soll die Rinder des Geryones zu Eurystheus führen – erfolgt, findet unmittelbar nach Herakles’ Auseinandersetzung mit zwei anderen Figuren statt, die partiell dem hier besprochenen Typus entsprechen: Ialebion/Alebion und Derkynos sind Söhne des Poseidon und Räuber oder Rinderdiebe in Ligyen, die Herakles

Poetik der Serie

267

Zwar sind von den hier besprochenen Satyrspielen kaum Fragmente erhalten, die Herakles oder Theseus eindeutig in der Rolle des Bezwingers von Serientätern zeigen. Zwei Stellen scheinen indes ihren Status als strafende Rächer anzusprechen. In beiden finden sich Formulierungen, die über den konkreten Einzelfall hinausweisen und das Vorgehen des Helden als allgemeines Gesetz beschreiben. Diese gnomische Ausdrucksweise reflektiert die Tatsache, dass die Helden wiederholt und regelmässig gegen Unholde zu Felde ziehen. So findet die Problematik der Talion zunächst in einem Fragment von Euripides’ Syleus einen prägnanten Ausdruck: τοῖς µὲν δικαίοις ἔνδικος, τοῖς δ’αὖ κακοῖς πάντων µέγιστος πολέµιος κατὰ χθόνα. den Gerechten gerecht, den Schlechten aber von allen der grösste Feind auf Erden. (E. Syl. F 692)

Auch wenn, wie wir gesehen haben, Herakles im Syleus nicht nur heroische Züge trägt, wird hier mit Sicherheit über ihn gesprochen.75 Dass gerechtes Handeln gerechte Behandlung nach sich zieht, Unrecht aber Feindschaft, bringt in knapper und pauschaler Form das Prinzip der Talion auf den Punkt.76 Syl. F 692 finder sich in Stobaios’ Anthologium am Anfang eines Kapitels (Stob. 4.5.1), das den Titel Περὶ ἀρχῆς καὶ περὶ τοῦ ὁποῖον χρὴ εἶναι τὸν ἄρχοντα trägt, ‘Über die Herrschaft und darüber, wie man als Herrscher sein soll’, und besonders der Frage des angemessenen Urteils und der gerechten Strafe gewidmet ist. Aus demselben Abschnitt stammt auch auch die zweite Stelle, wo Theseus – oder jemand über ihn – sagt: ἔστι τοι καλὸν {τοὺς} κακοὺς κολάζειν Es ist etwas Schönes, die Schlechten zu strafen. (E. Skir. F 678 ap. Stob. 4.5.6) tötet, als sie ihn zu überfallen versuchen (Apollod. 2.109). Ein Beispiel für ein Opfer des Theseus, das dem Serientäter-Typus entspricht, ist Korynetes, vide infra p. 269 mit n. 80. 75 Zur Situierung des Fragments: Pechstein 1998, 268 mit weiterer Literatur. 76 Interessanterweise treffen wir hier auf eine Formulierung, die bereits in einem früheren Satyrspiel erscheint: In dem Papyrusfragment P.Oxy. 2256 fr. 9a (= A. ‘Dike’ inc. F 281a), das ein Gespräch zwischen den Satyrn und Dike widergibt, wird die Vorgehensweise der Gerechtigkeit in demselben Wortlaut formuliert: το]ῖ̣ς̣ µὲν δ[ι]καίοις̣ ἔνδι̣κ̣ον … (17). Es ist möglich, dass im Syleus auf dieses aischyleische Drama angespielt wird, sodass der Serienheld auch intertextuell als Vertreter der Gerechtigkeit selbst ausgewiesen würde.

268

Tragödienreflexion

Dass die Bösen hier – wieder – in der Mehrzahl (οἱ κακοί) und in einer Gnome auftreten, ist kein Zufall: Theseus ist der κολαστὴς τῶν κακῶν im allgemeinen (und wird als solcher auch in der Tragödie präsentiert).77 Noch dazu haben wir gesehen, dass der Skiron neben dem eponymen Bösewicht mit Prokrustes und Sinis/Pityokamptes mindestens zwei weitere Serientäter-Figuren ins Spiel bringt, die durch die Hand des Theseus umkommen. Es ist daher anzunehmen, dass mit der Nennung von weiteren Serientätern im Skiron betont und bedacht wird, dass Theseus immer aufs Neue gegen das Böse kämpft und damit ein Serienheld ist.78 Beide Helden, Herakles und Theseus, gehören also demselben Typus an. Die Beziehung der beiden ist, wie bereits angedeutet worden ist, überhaupt durch diverse Symmetrien und Reziprozitäten gekennzeichnet. Nicht wenige davon sind bereits in der Antike beobachtet und thematisiert worden. Die Parallelen zwischen den beiden Heroen und ihren jeweiligen Heldentaten sind nun aber nicht einfach akzidentiell, sondern sie sind zugleich das Produkt verschiedener diskursiver Mächte. Wie bei jeglichem Mythos und jeglicher mythischer Figur, sind auch Biographie und Charakterzeichnung von Herakles und Theseus stetiger Modifikation und Erneuerung unterworfen, und lassen sich zu diversen Zwecken usurpieren und manipulieren. Eine Reihe von Studien der letzten zwei Dekaden hat sich der Frage angenommen, wie und warum die im archaischen Mythos eher zweitrangige Figur des Königs von Athen, Theseus, ein Angehöriger der ‘Vorkriegsgeneration’, zum Nationalhelden avancieren konnte, zum role model und Ideal, das die grossen Tugenden Athens verkörpert. Der lange Prozess, der aus Theseus die ideale Verkörperung attischer Demokratie und Tugend werden lässt, ist eine Kette unzähliger und weder historisch noch chronologisch immer eindeutig nachvollziehbarer diskursiver Bewegungen lokalpatriotischer, macht-, religions-, kultur- und baupolitischer, ikonographischer wie literarischer Natur.79 77

Cf. E. Hipp. 979-980: οὐδ’ αἱ θαλάσσῃ σύννοµοι Σκιρωνίδες / φήσουσι πέτραι τοῖς κακοῖς µ’ εἶναι βαρύν; E. Supp. 339-341: … πολλὰ γὰρ δράσας καλὰ / ἔθος τόδ’ εἰς Ἕλληνας ἐξεδειξάµην, / ἀεὶ κολαστὴς τῶν κακῶν καθεστάναι. 78 Bemerkenswert ist auch die rhetorische Ausgestaltung der beiden Fragmente. E. Syl. F 692.1 akzentuiert besonders mit der figura etymologica (δικαίοις ἔνδικος) den Gedanken der Vergeltung von Gleichem durch Gleiches. Die auffällige Alliteration in Skir. F 678 καλὸν / κακοὺς κολάζειν bildet ihrerseits die Idee der Talion ab. Dass hier auch noch ein ‘Silben-Schüttelreim’ (καλο κολα) vorliegt, mag diesen Eindruck verstärken. 79 Cf. insbesondere Calame 1990 (zur Herausbildung von Theseus-Mythos und -Kult; zur Appropriation des Theseus durch die Athener gegen Ende des 6. Jh. v.Chr. und seiner Umformung zum wichtigsten Nationalhelden); Walker 1995 (zu Theseus als idealem Herrscher über Athen und als role model für die Athener zu und seinem Weg dahin); Mills 1997 (zur Entwicklung des Theseus-Bildes vor und in der Tragödie); grundlegend zu Theseus sind nach wie vor auch der materialreiche RE-Artikel von Herter 1973 (cf. bereits Herter 1936 und 1939) sowie Brommer 1982 (zur Darstellung des Theseus in der antiken Ikonographie und Literatur).

Poetik der Serie

269

Diesem Prozess und seiner Dynamik ist auch die Darstellung der Beziehung von Theseus zu Herakles unterworfen. Einem Diodor, Plutarch oder Apollodor mag höchstens punktuell, keinesfalls aber primär an einer Analyse der diskursiven Formation des Theseus- oder auch des Herakles-Bildes gelegen sein – aufschlussreich ist aber, wie bei diesen Autoren die Verbindung der beiden Heroen in die mythische Erzählung eingespeist und narrativiert wird. Die Parallelisierung der beiden Heroen-Viten findet ihren Ausdruck besonders in den Motiven der Nachahmung, der Nachfolge und der Verwandtschaft: Diodor etwa führt seinen langen Bericht über Herakles und dessen Nachfahren (D.S. 4.08-4.58) direkt in die Darstellung der Taten des Theseus über, und begründet diesen Übergang damit, dass Theseus ein Nacheiferer der Taten des Herakles gewesen sei: Ἐπεὶ δὲ περὶ Ἡρακλέους καὶ τῶν ἀπογόνων αὐτοῦ διήλθοµεν, οἰκεῖον ἂν εἴη περὶ Θησέως εἰπεῖν διὰ τὸ τοῦτον ζηλωτὴν γενέσθαι τῶν Ἡρακλέους ἄθλων. Nachdem wir nun über Herakles und seine Nachfolger gesprochen haben, mag es wohl am Platz sein, auch von Theseus zu berichten, weil er ja ein Nacheiferer der Taten des Herakles war. (D.S. 4.59.1)

Wie Herakles will sich Theseus durch seine Taten Ruhm erwerben (ἐπεβάλετο τελεῖν ἄθλους περιέχοντας ἀποδοχήν τε καὶ δόξαν – ‘er machte sich daran, Taten zu vollbringen, die ihm Beifall und Ruhm einbringen würden’). Darauf folgt die Aufzählung der Taten des Theseus am Isthmos, die sich – wie die berühmten zwölf und die ungezählten anderen ἆθλοι des Herakles auch – an sich als eine Serie begreifen lassen. Von den sechs Bedrohungen, die Theseus bei Diodor (4.59.2-5) zu Beginn seiner Heldenlaufbahn beseitigt, sind fünf dem Figurentypus des Serientäters zuzuordnen: Als erstes tötete Theseus Korynetes, der mit einer Keule die Vorbeireisenden erschlug;80 als zweites Sinis (vide supra), drittens die Sau von Krommyon, dann Skiron, Kerkyon und Prokrustes. Dass Korynetes Theseus’ erstes Opfer war, berichten auch Apollodor81 und 80 Korynetes ist der Beiname des Periphetes/Periphantos, eines Sohns der Antikleia und des Hephaistos (Apollod. 3.217) oder – wie es für die Serientäter typisch ist – des Neptun/ Poseidon (Hyg. Fab. 38, cf. aber Fab. 158), der mit einer Keule (κορύνη) bewehrt, nach der er seinen Beinamen hat, die Vorbeireisenden (τοὺς παριόντας, D.S. 4.59.2) erschlägt; cf. ferner Plu. Thes. 8.1. – Korynetes entspricht dem hier diskutierten Figurentypus des Serientäters; doch ist keine Erwähnung seines Namens oder Beinamens im Satyrspiel bezeugt. Ein einziges Mal lässt sich im Satyrspiel die eponyme κορύνη nachweisen; ein Zusammenhang mit Korynetes/Theseus (etwa in Gestalt einer Anspielung auf diese mythische Episode), lässt sich indessen nicht ausmachen; cf. S. Ina. **F 269c.46: ⸏µὴ λέγ̣’ α... ἐ̣κ̣ κορύν̣ησ̣ [. 81 Apollod. 3.217.

270

Tragödienreflexion

Plutarch. Letzterer setzt diese Tat explizit mit dem Karrierebeginn des Herakles in Verbindung: Theseus habe Korynetes die Keule abgenommen und davon denselben Gebrauch gemacht wie Herakles vom Fell des Löwen (χρώµενος ὥσπερ ὁ Ἡρακλῆς τῷ δέρµατι τοῦ λέοντος, Plu. Thes. 8.1).82 Überhaupt erscheinen bei den drei Autoren sämtliche sechs ersten Taten des Theseus, und zwar in derselben Reihenfolge.83 Insbesondere bei Plutarch ist die psychische Motivation des Theseus so differenziert ausgestaltet, dass man versucht ist zu sagen, Plutarch habe sich im Leben des Theseus weit mehr mit den Parallelen zur Vita des Herakles auseinandergesetzt als, wie zu erwarten wäre, mit denen zur Romulus-Vita.84 Plutarch, und vor ihm bereits Diodor, motiviert Theseus’ Handlungen immer wieder damit, dass Theseus an einer imitatio/aemulatio Herculis gelegen sei.85 Freilich erschöpft sich die Relation der beiden Helden und ihrer Aristien keineswegs darin, dass Theseus Herakles schlicht zu kopieren suchte. Neben das Paradigma der Nachahmung wird jenes der Nachfolge gestellt. Plutarch erzählt, dass die Gegend um den Saronischen Golf besonders gefährlich gewesen sei, weil Herakles zwar eine Reihe der Unholde und Gefahren beseitigt habe, aber lange nicht alle: τούτων Ἡρακλῆς τοὺς µὲν ἐξέκοπτε καὶ ἀνῄρει περιιών, οἱ δὲ λανθάνοντες ἐκείνου παριόντος ἔπτησσον καὶ ἀνεδύοντο καὶ παρηµελοῦντο ταπεινὰ πράττοντες. ἐπεὶ δ’ Ἡρακλῆς ἐχρήσατο συµφορᾷ, καὶ κτείνας Ἴφιτον εἰς Λυδίαν ἀπῆρε, καὶ συχνὸν ἐκεῖ χρόνον ἐδούλευε παρ’ Ὀµφάλῃ, δίκην τοῦ φόνου ταύτην ἐπιθεὶς αὑτῷ, τότε τὰ µὲν Λυδῶν πράγµατα πολλὴν ἔσχεν εἰρήνην καὶ ἄδειαν, ἐν δὲ τοῖς περὶ τὴν Ἑλλάδα τόποις αὖθις ἐξήνθησαν αἱ κακίαι καὶ ἀνερράγησαν, οὐδενὸς πιεζοῦντος οὐδὲ κατείργοντος. Von diesen (Unholden) hatte Herakles einige ausradiert und vernichtet, als er vorbeiging; andere aber hatte er übersehen, weil sie sich duckten und verkrochen und in ihrer Verborgenheit unbemerkt blieben. Als nun aber Herakles das Unglück 82

Von diesem Löwenfell war wahrscheinlich in den F 109 und F 110 von Aischylos’ Satyrspiel Kerykes die Rede; cf. Welcker 1826, 318; Radt in TrGF III, p. 225-227. 83 D.S. 4.59.2-5; Apollod. 3.217; Epit. 1.1-4; Plu. Thes. 8-11; cf. auch schon B. Dith. 18.16-30 Maehler, wo einzig die Bezwingung des Korynetes fehlt. 84 Die konzeptuelle Anlage der Parallelviten und die Ankündigung zu Beginn der Theseus-Vita lassen einen Vergleich mit Romulus erwarten; cf. zunächst Plu. Thes. 2.1: Ἐδόκει δ’ οὖν ὁ Θησεὺς τῷ Ῥωµύλῳ κατὰ πολλὰς ἐναρµόττειν ὁµοιότητας. 85 Cf. Plu. Thes. 6.7-9 (zu Theseus’ Wahl der Reiseroute nach Athen); Plu. Thes. 11.1 (in Bezug auf seine ersten sechs Taten): ἔπραττε δὲ ταῦτα µιµούµενος τὸν Ἡρακλέα; Plu. Thes. 25.5 (in Bezug auf die Gründung der Isthmischen Spiele durch Theseus): καὶ τὸν ἀγῶνα πρῶτος ἔθηκε κατὰ ζῆλον Ἡρακλέους, ὡς δι’ ἐκεῖνον Ὀλύµπια τῷ Δ∆ιί, [καὶ] δι’ αὐτὸν Ἴσθµια τῷ Ποσειδῶνι φιλοτιµηθεὶς ἄγειν τοὺς Ἕλληνας.

Poetik der Serie

271

ereilte, dass er Iphitos erschlug, und er sich infolgedessen nach Lydien begab und dort bei Omphale Sklavendienst leistete, was er sich selbst als Busse für den Totschlag auferlegt hatte, da erlangte Lydien tiefen Frieden und Sicherheit. In den griechischen Regionen dagegen keimten die alten Missetaten wieder auf und brachen hervor, da niemand da war, sie niederzudrücken und zu verhindern. (Plu. Thes. 6.5-6)

Erst Theseus wird die Gegend vollends sicher machen. Er nimmt sich dabei der Versäumnisse der herakleischen Reinigung an. Plutarch schreibt Theseus das Verdienst zu, mit all denjenigen aufzuräumen, die Herakles übersehen hatte (Theseus komplettiert also Herakles’ Serie), und noch dazu zu der Zeit, als jener ausser Landes weilt (er vertritt ihn und führt seine Serie fort). Ähnliches weiss auch Apollodor zu berichten, der mit der Fahrt der Argonauten, der Hatz auf den Kalydonischen Eber und der ‘Reinigung des Isthmos’ die herausragenden Taten des Theseus in just die Zeit datiert, da Herakles bei Omphale diente (Apollod. 2.133).86 Ein weiteres Beispiel dafür, wie Theseus zum Vollender dessen erhoben wird, was Herakles begonnen hat, findet sich bei Diodor (4.59.6): Theseus bemächtigt sich in Marathon des Stiers, den Herakles von Kreta in die Peloponnes geholt hat, und führt ihn nach Athen, wo ihn König Aigeus dem Apollon opfert.87 Auch hier ist Theseus also nicht nur Herakles’ Imitator, indem er wie dieser einen Stier, ein und denselben Stier sogar,88 bezwingt und abführt; sondern er erweist sich vielmehr als Vollender von Herakles’ Taten. Es ist das Verdienst des Theseus, dass der Stier letzten Endes getötet werden kann. Dieser Anekdote ist überhaupt ein hoher symbolischer Wert zu attestieren; denn nicht nur erhebt sie Theseus zum eigentlichen Bezwinger des Stiers, sondern sie demonstiert zugleich, wie Theseus die panhellenische Leistung des Herakles in eine attische übersetzt. Die Ähnlichkeit der beiden Helden mag sich auch in der Redensart niedergeschlagen haben, dass ein ein tapferer Mann als ‘zweiter Herakles’ betitelt wird (ἄλλος οὗτος Ἡρακλῆς): In der Anwendung auf Theseus

86 In diesem bemerkenswerten Paragraphen der Bibliotheke berichtet Apollodor ausserdem davon, wie Herakles eines Nachts ein lebensechtes Bildnis seiner selbst mit einem Stein beworfen habe. Dass Apollodor unmittelbar danach auf Herakles’ Sklavendienst bei Omphale und die Aristie des Theseus zu sprechen kommt, ist m.E. ebenfalls als Reflex der Sukzessions-Vorstellung zu werten. 87 Bei Isokrates ist der Stier von Marathon dagegen von Poseidon gesandt (Isoc. 10.25); die Identifikation mit dem Stier, den Herakles herbeigeholt hatte, fehlt auch bei Plutarch, der die Bezwingung des Marathonischen Stiers in die Geschichte von Theseus’ Aufenthalt bei Hekale bettet (Thes. 14). 88 Auch bei Apollodor ist der Marathonische Stier mit demjenigen identisch, den Herakles aus Kreta herbeigeführt hatte (Apollod. 2.95).

272

Tragödienreflexion

soll sie nämlich zuallererst in die Welt gekommen sein.89 Die von den Athenern über lange Zeit und mit viel diskursivem Aufwand produzierte Analogie zwischen Theseus und Herakles stiess unter anderem deshalb auf breite Akzeptanz, weil Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den beiden bestehen. So begründet etwa Isokrates die ‘Einzigartigkeit’ der beiden Helden damit, dass sie über ihre Väter, die Brüder Zeus und Poseidon, Vettern seien.90 Plutarch wiederum negiert zwar für Theseus die Vaterschaft des Poseidon, macht die beiden aber über ihre Mütter zu Vettern zweiten Grades.91 Neben den Motiven der Nachahmung und der Nachfolge bietet damit jenes der Verwandtschaft eine weitere Möglichkeit, die Ähnlichkeit (und Gleichwertigkeit) der beiden Heroen zu thematisieren und plausibel zu machen. Verwandschaftsbeziehungen zwischen Herakles, Theseus und ihren Opfern Mit der potentiellen Vaterschaft des Poseidon92 ist eine weitere Doppelung in der Vita des Theseus zu nennen: Der Heros hat einen göttlichen Vater, Poseidon,93 und/oder einen sterblichen, Aigeus.94 Dass Herakles den Gott Zeus zum Vater 89 Plu. Thes. 29.3; Ael.Dion. Ἀττικὰ ὀνόµατα α 79 s.v. ἄλλος οὗτος Ἡρακλῆς· παροιµιῶδες ἐπὶ Θησεῖ λεχθὲν τὸ πρῶτον ἢ τῷ τῶν Ἰδαίων Δ∆ακτύλων Ἡρακλεῖ ἢ τῷ Ἀλκµήνης διὰ τοὺς παλαιοτέρους. 90 Isoc. 10.23: Ἐξ ἀδελφῶν γὰρ γεγονότες, ὁ µὲν ἐκ Δ∆ιὸς, ὁ δ’ ἐκ Ποσειδῶνος, ἀδελφὰς καὶ τὰς ἐπιθυµίας ἔσχον. Μόνοι γὰρ οὗτοι τῶν προγεγενηµένων ὑπὲρ τοῦ βίου τοῦ τῶν ἀνθρώπων ἀθληταὶ κατέστησαν. Cf. bereits E. HF 1154, wo die Verwandtschaft allerdings nicht näher expliziert wird, weder patri- noch matrilinear. 91 Plu. Thes. 7.1. – Dass Herakles und Theseus über ihre Mütter verwandt sind, die beide von Pelops abstammen, geht bereits aus E. Heracl. 207-212 hervor. 92 Ich diskutiere die Vaterschaft Poseidons hier nur unter dem Aspekt der Verwandtschaft von Theseus mit den Poseidonsöhnen, die er bezwingt; für weitere Facetten cf. Walker 1995, bes. 84-92 (zu B. Dith. 17 Maehler), 115; Mills 1997, 37-40 (insb. zu B. Dith. 17), 70, 163, 176, 213-214, 218, 250; Boulogne 1998. 93 E.g. Pi. F 243 Maehler; B. Dith. 17 Maehler; Isoc. 10.18; E. Hipp. 887; D.S. 4.59.1; Paus. 2.33.1. – In der Odyssee werden Theseus und Peirithoos als Göttersöhne (θεῶν ἐρικυδέα τέκνα, 11.631) bezeichnet. 94 Das vehementeste Plädoyer für die Vaterschaft des Aigeus und gegen jene des Poseidon findet sich m.W. bei Plutarch, demzufolge Aigeus durch eine List von Aithras Vater Pittheus dazu gebracht wird, mit Aithra ein Kind zu zeugen (Plu. Thes. 3.5-6). Aigeus seinerseits wird mit einer Proto-DNA-Analyse feststellen, dass Theseus tatsächlich sein Kind ist (er hinterlegt in Troizen σύµβολα, die Theseus nur entdecken kann, wenn er sein Sohn ist. Mit den πατρῷα σύµβολα (Thes. 6.3.1) gibt er sich Aigeus in Athen zu erkennen; Thes. 3.6-7, 4, 6.2-3, 12.4-5; cf. zu den σύµβολα auch D.S. 4.59.1, 6). Die Vaterschaft Poseidons wiederum ist Plutarch zufolge ein von Pittheus in Umlauf gesetztes Gerücht, um Theseus’ wahren Vater geheimzuhalten; die Wahl sei auf Poseidon gefallen, weil dieser der Schutzpatron von Troizen war (Thes. 6.1). Apollodor (3.208) wiederum kennt wie Plutarch das Element von Pittheus’ List, wodurch Aigeus dazu verleitet wird,

Poetik der Serie

273

hat, ist zwar vergleichsweise eindeutig und unbestritten; gleichwohl finden wir im Umstand, dass er in Amphitryon einen irdischen Vater hat, eine weitere Analogie zu Theseus.95 Wichtiger für die unseren Ausführungen zugrundegelegte Systematik ist jedoch die Frage nach Theseus’ potentieller Verwandtschaft mit seinen Opfern: Poseidon hat eine wahre Serie böser Kinder, und viele dieser Kinder werden durch just denjenigen bezwungen, der selbst im Rufe steht, Poseidons Sohn zu sein. Das Thema der Verwandtschaft zwischen Theseus und seinen Opfern erwähnt bemerkenswerterweise sogar Plutarch – derjenige Autor, der die Vaterschaft Poseidons dementiert. Auch hier motiviert er die Verwandtschaftsbeziehungen matrilinear: Theseus sei, einigen zufolge, über seine Mutter Aithra mit Skiron verwandt, dem Sohn von Aithras Schwester Henioche; nach anderen wiederum sei Sinis, nicht Skiron, Henioches Sohn – sowohl Skiron als auch Sinis werden also als Theseus’ Vettern gehandelt.96 Inwiefern im Satyrspiel thematisiert wird, dass Serienhelden und Serientäter einander verwandt sind, lässt sich aus den erhaltenen Fragmenten nicht ermitteln. Die einzige Stelle, an der sicher die Abkunft eines Serientäters von Poseidon erwähnt wird, stammt aus Aristias’ Antaios (F 1) und bezeichnet da gerade einen Täter, der von Herakles überwunden wird. Daneben lässt sich nur für die schlecht dokumentierte und in ihrer Gattungszugehörigkeit umstrittene Alope des Choirilos zeigen, dass mit Kerkyon ein weiterer Serientäter als Poseidon-Sohn ausgewiesen wird, der von Theseus bezwungen wird.97 Die Problematik kann aber durchaus in einem Drama zur Sprache kommen und reflektiert werden, so lehrt es uns das Beispiel von Euripides’ Tragödie Hippolytos. In Vers 887 bittet Theseus “Vater Poseidon” (ὦ πάτερ Πόσειδον) Aithra zu schwängern; allerdings schläft Aithra in derselben Nacht auch mit Poseidon. Zur Polyandrie der Aithra, bes. im Vergleich mit den Müttern von Herakles und den Dioskuren/Tyndariden: Boulogne 1998, 125-126. – Freilich ist selbst Plutarch in der Frage nach Theseus’ Vater nicht völlig konsistent: Als erste Ähnlichkeit zwischen Theseus und Romulus, mit der er sein Unterfangen legitimiert, Parallelviten der beiden zu verfassen, nennt er die ungewisse und obskure Herkunft der beiden sowie den Umstand, dass beide in den Ruf kamen, Söhne von Göttern zu sein (Plu. Thes. 2.1). An späterer Stelle insinuiert er, dass Theseus Poseidons Sohn sei, und zwar im Kontext der Gründung der Isthmischen Spiele. Nach dem Modell des Herakles, der für seinen Vater Zeus die Olympia stiftete, soll Theseus die Isthmia zu Ehren des Poseidon institutionalisiert haben (Thes. 25.5); vide supra p. 264 n. 65, p. 270 n. 85. 95 Euripides scheint im Herakles bezüglich dieser Vaterschaft eine Unsicherheit aufzubauen: cf. HF 149, 184, 340, 696-700, 1258-1265. 96 Plu. Thes. 25.6. – Beide Versionen (Skiron und Sinis) sind Versuche, die Variante zu begründen, wonach Theseus nicht für Poseidon, sondern für Skiron oder Sinis die Isthmischen Spiele gestiftet habe, und zwar als Sühne für die Tötung eines Blutsverwandten (vide supra n. 65). 97 Paus. 1.14.3 (= Choeril.Trag. F 1); zur Alope: supra p. 248-249 n. 8.

274

Tragödienreflexion

ihm einen Wunsch zu gewähren und seinen Sohn, Hippolytos, zu töten. Wie man längst beobachtet hat,98 ist Theseus im Hippolytos immer dann Poseidons Sohn, wenn es um die Verfluchung des Hippolytos geht,99 sonst aber ein Sohn des Aigeus.100 Während Theseus den Fluch spricht, beruft er sich auf die Bezwingung der Poseidonsöhne Sinis und Skiron, die nichts mehr gelten würde, wenn er Hippolytus unbestraft liesse.101 So bahnt sich eine Szene höchster tragischer Ironie an. Theseus ruft unwissentlich nicht eine, sondern zwei Serien auf, in die sich Hippolytos’ Tod einfügen wird: Zum einen wird Theseus den Tod des Hippolytos verantworten, wie er schon den Tod von Sinis und Skiron zu verantworten hat. Zugleich aber widerfährt ihm eine Strafe nach der Massgabe der Talion: So wie er einst die Söhne des Poseidon getötet hat, wird Poseidon seinen Sohn töten, an denselben Schauplätzen und in vergleichbarer Brutalität.102

98

Barrett 1964, 334 ad Hipp. 887. E. Hipp. 887, 1169, 1315, 1318, 1411; cf. auch 1169, wo sich herausstellt, dass Theseus bezweifelt hat, dass Poseidon sein Vater sei. 100 E. Hipp. 1283, 1431. 101 E. Hipp. 976-980. 102 Im langen Botenbericht (E. Hipp. 1173-1254), in dem der Weg bekanntgegeben wird, auf dem Theseus’ Fluch Realität geworden ist, und Hippolytos den Tod gefunden hat, tauchen nach und nach die Stationen auf, an denen Theseus einst die Söhne des Poseidon beseitigt hat. – Auf den symbolischen Charakter von Hippolytos’ letztem Weg weist auch Walker 1995, 115 hin. Die hier interessierende Konstellation, dass ein Vater den Sohn eines Vaters tötet, der Söhne von ihm getötet hat, kommt in Walkers Interpretation aber nicht zur Sprache. 99

Serientat und Agon

Zwingt vorbeireisende Fremde zum Boxkampf (Agon) und tötet sie dabei.

Zwingt vorbeireisende Fremde zum Ringkampf (Agon) und tötet sie dabei.

Opfert jeden Fremden, der sein Land betritt.

Zwingt Vorbeireisende zum Ringkampf (Agon) und tötet sie dabei.

Verwandelt die Menschen, die auf ihre Insel gelangen, in Tiere.

Beraubt Vorbeireisende, fordert sie zum Wagenrennen (Agon). Köpft die Verlierer und baut aus ihren Schädeln einen Tempel.

Zwingt alle Vorbeikommenden, in einem Agon mit ihm zu mähen, und mäht ihre Köpfe ab.

Tötet jeden, der in sein Gebiet gelangt.

Serientäter

Amykos

Antaios

Busiris

Kerkyon

Kirke

Kyknos I

Lityerses

Nemeischer Löwe Herrscher (%&(#$')*') über Tretos und Apesas in Nemeia.

König in Phrygien

König (?) in Amphanai

Gebieterin über die Insel Aiaia

Unhold in Eleusis

König von Aigyptos

König von Libyen

König der Bebryker

Soziale Stellung

Echidna

Midas und eine unbekannte Mutter

Ares und Pyrene oder Pelopia

Helios und die Okeanide Perse oder Perseïs

Poseidon oder Branchos und die Nymphe Argiope

Poseidon und die Nereide Lysianassa

Poseidon und evtl. G!

Poseidon und die Nymphe Bithynis

Eltern

Herakles

Herakles

Herakles

Odysseus

Theseus

Herakles

Herakles

Polydeukes

Bezwinger

Nein

Ja: Herakles enthauptet ihn mit einer Sichel.

Nein (?): Kyknos fordert den vorbeireisenden Herakles zum Kampf heraus und unterliegt.

Ja: Kirke bezwingt Gäste mit !"#µ$%$ und wird mit einem !"#µ$%&' ausgetrickst.

Ja: Theseus ringt Kerkyon nieder.

Ja: Herakles opfert Busiris am Altar, an dem dieser die Fremden zu töten pflegt.

Ja: Herakles bezwingt Antaios im Ringkampf.

Ja: Polydeukes besiegt Amykos im Boxkampf.

Talion

Poetik der Serie

275

7.3.4 Tabelle: Synopse der Serientäter-Mythen

Serientat

Frisst dreimal zwei Gefährten des Odysseus (Homer)/Vorbereisende überhaupt (E. Cyc.)

Passt jeden Vorbeireisenden seinem Bett an und tötet ihn.

Tötet jeden Vorbeireisenden mit einem Fichten-Katapult.

Zwingt jeden Vorbeireisenden, ihm die Füsse zu waschen, und stürzt sie in die Tiefe, einer Riesenschildkröte zum Frass.

Begibt sich nach Theben und tötet jeden, der zu ihr kommt und ihr Rätsel nicht zu lösen vermag.

Zwingt jeden Vorbeireisenden, in seinem Weinberg zu graben.

Umschreitet dreimal am Tag Kreta, hält Schiffe mit Steinwürfen fern und tötet jeden Fremden, der an Land kommt, indem er ihn an seine glühende Brust presst.

Serientäter

Polyphem

Prokrustes

Sinis/Pityokamptes

Sk(e)iron

Sphinx

Syleus

Talos Diener und Wächter des Königs Minos von Kreta

‘Räuber’ am Fusse des Pelion oder im Reich der Königin Omphale

Ungeheuer, Mischwesen, Räuberin

Megarischer Lokalheld und Wegelagerer.

Wegelagerer auf dem korinthischen Isthmos

Wegelagerer in Attika

Herrscher in seinem Reich.

Soziale Stellung

Geschmiede des Hephaistos, Spross des Ehernen Geschlechts und/oder Geschenk des Zeus an Europa

Poseidon, unbekannte Mutter

Echidna oder Chimaira und Typhon

Poseidon oder Pelops oder Kanethos und Henioche

Erderschütterer Lytaios/Poseidon, unbekannte Mutter

Poseidon oder Polypemon, unbekannte Mutter

Poseidon und die Nymphe Thoosa

Eltern

Medea oder Poias

Herakles

Stürzt sich zu Tode, als Ödipus ihr Rätsel löst.

Theseus

Theseus

Theseus

Odysseus

Bezwinger

Nein

Ja (?): Herakles erschlägt Syleus mit einer Hacke oder gräbt seine Weinstöcke aus und tötet ihn.

Ja (?): Wird durch die Lösung des eigenen Rätsels bezwungen (oder ihr wird ein Rätsel gestellt).

Ja: Theseus packt Skiron an den Füssen und stürzt ihn in die Tiefe.

Ja: Theseus tötet Sinis wie dieser seine Opfer.

Ja: Theseus tötet Prokrustes so wie dieser seine Opfer.

Nein

Talion

276 Tragödienreflexion

Poetik der Serie

277

7.4 Besondere Eignung des Stoffs für das Satyrspiel Die hier besprochenen Mythen nehmen im erhaltenen Satyrspiel vergleichsweise viel Raum ein, und es liegt nahe, nach dem besonderen Reiz zu fragen, den sie auf die Dichter dieser Gattung ausübten, und ihre Eignung als Satyrspiel-Stoffe genauer zu untersuchen. Zunächst ist aber festzuhalten, dass dieselben Stoffe auch als Grundlage zahlreicher Komödien belegt sind.103 Wie insbesondere Giuseppe Mastromarco (1987; 1989; 1994, 102-105) und Alan Sommerstein (2002/2009) angedeutet haben, steht das Motiv auch hier mitunter im Dienst der Gattungsreflexion.104 Dabei ist aber zu beachten, dass diese Interpretation wesentlich von der Selbstdarstellung des Aristophanes in den Parabasen der Wespen (1029-1037) und des Friedens (751-760) geprägt ist, in denen sich der Dichter als ‘zweiter Herakles’ geriert. In beiden Stücken entspricht der Dichter dem Helden des Mythos insofern, als er sich wiederholt und ohne Rücksicht auf den eigenen Stand gegen die Widrigkeiten des athenischen Alltags stellt. Die führenden Politiker sind die Monster, die er bekämpft. Inwieweit die Identifikation des Komödiendichters und seiner Gattung mit den Heroen des Mythos etwas zum Ausdruck bringt, das auch in den nur fragmentarisch bekannten Komödien eine Rolle spielt, die zur Gänze einem Serientäter-Stoff gewidmet sind, lässt sich nicht feststellen. In den Serientäter-Satyrspielen scheint demgegenüber eher eine Identifikation der Gattung Satyrspiel mit dem Helden des Mythos eine Rolle gespielt zu haben (vide infra Kap. 7.5). Für die Bedeutung des Stoffes ist aber zunächst ein anderer Faktor entscheidend, der einen deutlichen Unterschied zur Komödie markiert: Die den mythischen Stoffen inhärente Neigung zur Doppelung und Vervielfachung spiegelt die serielle Anlage des Satyrspiels selbst. Die Struktur des Serientäter-Stoffes erweist sich für die Gattung als systematisch bedeutsam. Ein zentrales Charakteristikum des Serientäter-Typus ist die Feindseligkeit gegenüber Fremden und Reisenden. Entsprechend darf man annehmen, dass der 103

Von den hier diskutierten Titeln figurieren als Komödientitel e.g.: Amykos (Epicharmos: T 36.4 und Amykos F 6-8 K./A.); Antaios (Antiphanes: Antaios F 35 K./A.); Busiris (Epicharmos, Kratinos, Antiphanes, Ephippos, Mnesimachos: Epich. T 36.8 und Bus(e)iris F 18-19 K./A.; Cratin. Busiris F 23 K./A.; Antiph. Busiris F 66-68 K./A.; Ephipp. Busiris F 2 K./A.; Mnesim. Busiris F 2 K./A.); Kirke (Anaxilas, Ephippos: Anaxil. Kirke F 12-14 K./A.; Ephipp. Kirke F 11 K./A.); Kyklops (Epicharmos, Kratinos, Kallias: Epich. Kyklops F 70-72 K./A.; Cratin. Odyssēs F 143-157 K./A.; Call.Com. Kyklopes F 5-13 K./A.); Skiron (Epicharmos, Alexis: Epich. Sk(e)iron PCG 1, p. 95-96, Titel und F 123-124 K./A.; Alexis, Skeiron F 210 K./A.). In diversen weiteren Komödien finden Serientäter Erwähnung, so e.g. in Kratinos’ Drapetides, cf. PCG 4, p. 147-155; in Cratin. Drapetides F 53 K./A. ist von der Bezwingung Kerkyons die Rede; in Cratin. inc. F 328 K./A. evtl. von der Beseitigung des Sinis, vide PCG 4, p. 282. 104 Cf. auch Galinsky 1972, 81-100 (Kap. ‘The Comic Hero’).

278

Tragödienreflexion

Silen und die Satyrn, die sich im Satyrspiel definitionsgemäss in der Fremde aufhalten, in den meisten der hier besprochenen Stücke in einen Konflikt mit dem Serientäter geraten. Also ergibt sich für die Stücke über den Figurentypus des Serientäters stets die brisante Konstellation ‘Fremde/Vorbeireisende versus Aggressor gegen Fremde/Vorbeireisende’. Dieser Zusammenprall generiert überaus komische Szenen, denn der Silen und die Satyrn geraten ins Visier der Serientäter, sind aber gegen deren Gewalt immun und tanzen ihnen wohl nicht selten auf der Nase herum. In der Wendung gegen diese Fremden wird der Serientäter aber unwillkürlich zu einem Widersacher des Dionysos; und seine Versuche, die Satyrn ebenso zu behandeln, wie er alle Fremden zu behandeln pflegt, müssen notwendig scheitern. So erweist sich das Aufeinandertreffen zwischen diesen Fremden und dem Fremdenvertilger aber auch als Aufnahme des Widerstandspatterns aus der Dionysosmythologie, dessen Verwendung, wie wir an anderer Stelle ausgeführt haben, der im Satyrspiel betriebenen Tragödienreflexion und dem Bestreben zudient, Dionysos ins tragische Bühnengeschehen zu reintegrieren.105 Das Beispiel des Kyklops lehrt aber, dass sich der Satyrspiel-Plot nicht auf eine solche einfache Opposition beschränken muss: Zwar geriert sich der Kyklop Polyphem ausgesprochen feindselig gegen die dionysischen Begierden der Satyrn und unterdrückt sie nach Kräften. Dies hindert ihn indes nicht, die Satyrn bei sich zu behalten und in seine Dienste aufzunehmen. Damit kommt den Satyrn im Mythos, der vom Antagonismus zwischen Polyphem und Odysseus bestimmt ist, eine merkwürdige Mittelstellung zu. Sind sie Diener Polyphems, Schicksalsgenossen von Odysseus’ Gefährten, oder gar Prä- und Postfigurationen des listigen Helden Odysseus? Wie wir gesehen haben, sind die Serientäter-Erzählungen von einer Reihe von Symmetrien bestimmt, welche die Aktantenpositionen an Trennschärfe verlieren lassen: Der Täter trifft auf ein vermeintliches nächstes Opfer, dem er dann seinerseits zum Opfer fällt, und der Rächer wird zuletzt selbst zu einem Täter. Ebendiese Unbestimmtheit spiegelt wesentlich die Position der Satyrn, die im Satyrspiel bekanntermassen immer in Handlungsgefüge geraten, in denen sie keinen Platz haben, so dass sie sich in den schwelenden Konflikten mal als unbeteiligte Zuschauer geben, dann aber als Diener, Helfer oder Ratgeber bald der einen, bald der anderen Partei beistehen oder dies zumindest vorgeben; sie übernehmen dabei aber stets eine Rolle, die sich als Doppelung oder Vervielfachung der Rollen erweist, die in der traditionellen Geschichte vergeben sind.106 Zuletzt ist noch einmal zu betonen, dass die Serientäter-Stoffe, wie wir sie im vorliegenden Kapitel definiert haben, in zweierlei Weise von Serien geprägt sind: Der Unhold begeht seine Taten ebenso wiederholt und häufig, wie der Held 105 106

Kap. 4. Cf. infra Studien II s.v. Figurendoppelung.

Poetik der Serie

279

seinerseits gegen das Böse zu Felde zieht. Beide, Serientäter und Serienheld, treten damit in eine Ähnlichkeitsbeziehung zu den Satyrn, deren Abenteuer von Satyrspiel zu Satyrspiel ergänzt, bereichert oder erneut durchlebt werden. Der Serientäter-Stoff reflektiert damit die anfangs herausgestellte Eigenschaft der Gattung Satyrspiel als Serie und Kollektivprojekt.

7.4.1 Angleichungen an den Serientäter-Stoff Dass dem Serientäter-Stoff im Satyrspiel besondere Bedeutung zukommen muss, lässt sich ferner daraus ersehen, dass Stoffe, die nach der allgemeinen Überlieferung nur oberflächlich und in einzelnen Punkten mit dem Serientäter-Typus in Verbindung stehen, im Satyrspiel an diesen angeglichen werden. Wir hatten schon gesehen, dass im (zwar als Satyrspiel umstrittenen) Daphnis oder Lityerses des Sositheos der frevlerische König die Fremden womöglich nicht nur zwingt, auf seinem Feld zu arbeiten, sondern sie zu einem Agon im Mähen herausfordert: Dass um die Wette gemäht wird, geht aus einer einzigen Quelle zum Mythos hervor, die unter dem Einfluss des Satyrspiels stehen dürfte.107 Es ist also plausibel, dass das (im Satyrspiel ohnehin häufige)108 Motiv des Agons damit in die traditionelle Geschichte Eingang gefunden hat. Ist dem so, so düfte der Daphnis oder Lityerses gleich zwei Agon-Szenen aufweisen: Der Hirte Daphnis scheint in demselben Stück an einem bukolischen Gesangswettbewerb beteiligt zu sein.109 Ein ähnlicher Fall liegt in Euripides’ Syleus vor. Während der traditionelle Erzählbestand der Syleus-Geschichte keinen Agon zu kennen scheint, fordert Herakles in F 691 des Syleus den erbosten Herrn zu einem Trinkwettbewerb heraus. Damit wird einerseits die spätere, für Syleus tödliche Auseinandersetzung präfiguriert, andererseits wird auch diese als Rivalität und agonales Kräftemessen fassbar. Womöglich liegt also auch hier der Integration des agonalen Elements das Bemühen zugrunde, den Syleus-Stoff weiter an die anderen Serientäter-Mythen anzugleichen. Ein deutliches Beispiel für solche Angleichungen findet sich auch in Aischylos’ Leon. Hier wird mit der Aggression, die sich spezifisch gegen Fremde und Vorbeireisende richtet, ein anderes wichtiges Charakteristikum des SerientäterTypus akzentuiert.110 Der traditionelle Mythos kennt den Nemeischen Löwen als allgemeine Bedrohung: Bei seiner frühesten Erwähnung, in Hesiods Theogonie (326-332), wird der Nemeische Löwe als ‘Unheil für die Menschen’ (πῆµ’ 107

Serv. Verg. Ecl. 8.68 (= Sosith. Da.Li. F 1a III). Cf. infra Studien II s.v. Athleten 109 Schol. Theoc. 8 arg. b (= Sosith. Da.Li. F 1a I). 110 Diese Akzentuierung bemerkt auch Voelke 2001, 305 (“… le Lion de Némée dont l’évocation … s’articule autour de l’opposition entre étranger et indigène …”, meine Hervorhebung). 108

280

Tragödienreflexion

ἀνθρώποις, Th. 329) bezeichnet, das die Menschengeschlechter schädigt (ἐλεφαίρετο φῦλ’ ἀνθρώπων, Th. 330); Theokrit wiederum nennt ihn θηρίον, αἰνολέοντα, κακὸν τέρας ἀγροιώταις (‘ein Untier, einen schrecklichen Löwen, ein Ungeheuer furchtbar für alle Landbewohner’, Theoc. 25.168). Demgegenüber heisst es vom Löwen im Satyrspiel, er sei ὁδοιπόρων δήληµα, χωρίτης δράκων Zerstörer der Vorbeireisenden, ein ortsansässiger Drache (A. Leon F 123).

Wiederum scheint hier ein Mythos, der zwar bereits in seiner herkömmlichen Gestalt dem Serientäter-Typus verwandt ist, in seiner Verarbeitung zum Satyrdrama jedoch um einen spezifischen Aspekt des Serientäter-Typus bereichert worden zu sein.

7.4.2 Konvergenz von Widerstandspattern und Serientäter-Stoff Instruktiv für den Zusammenhang des Serientäter-Stoffes zum Widerstandspattern der Dionysos-Mythologie ist eine Betrachtung der Figur des Lykurg. Die Lykurgeia in Nonnos’ Dionysiaka, die unter dem Einfluss der aischyleischen Lykurgeia und damit auch des zugehörigen Satyrspiels Lykurgos steht, wird dieser Prototyp eines Dionysosgegners, der schon dem Ilias-Dichter bekannt ist,111 mit Zügen des Serientäters ausgestattet. In seiner ältesten Erwähnung, in der Ilias, ist Lykurg ein Sohn des Dryas, der Dionysos’ Ammen (τιθῆναι, Il. 6.132) über den Berg von Nysa jagt und den ‘rasenden’112 Dionysos, wohl noch ein kleines Kind,113 so einschüchtert, dass er sich zu Thetis ins Meer stürzt.114 Lykurg zieht den Zorn der Götter auf sich und wird von Zeus mit Blindheit geschlagen. Sohn des Dryas ist Lykurg auch in Sophokles’ Antigone, wo er als König der Edoner bezeichnet wird (955-956). Sein Widerstand gegen Dionysos äussert sich wie bei Homer unter anderem in einem Versuch, Frauen zu bezwingen,115 die mit

111

Vide supra p. 135-135. – Zum Mythos von Lykurg im Kontext der Agrionia cf. Burkert 1997, 197-200. 112 Dionysos ist mit dem Epitheton ‘µαινόµενος’ versehen (Il. 6.132); zur Ursache dieses Wahnsinns: supra p. 143. 113 Cf. e.g. Jouan 1992, 73 mit Hinweis auf Jeanmaire 1951, 60-67. 114 Il. 6.130-140. 115 Bei Sophokles sind es nicht wie bei Homer τιθῆναι, sondern ἔνθεοι γυναί, auf die es Lykurg abgesehen hat: παύεσκε µὲν γὰρ ἐνθέους / γυναῖκας (S. Ant. 963-964).

Poetik der Serie

281

dem Gott assoziiert sind – um die Bestrafung des theomachos indessen ist Dionysos hier selbst besorgt.116 In Nonnos’ epischer Lykurgeia dagegen tritt uns ein Lykurg entgegen, der ein Kind zweier Väter ist (eines sterblichen und eines göttlichen),117 und der zwar immer noch als Sohn des Dryas,118 ungleich häufiger aber als Sohn des Ares bezeichnet wird.119 Fast der gesamte 20. und der Anfang des 21. Gesangs der Dionysiaka sind der Auseinandersetzung Lykurgs mit Dionysos gewidmet;120 doch geht aus der Exposition seines Charakters zum Auftakt der Erzählung ganz klar hervor,121 dass Lykurg grundsätzlich ein Fremdenvertilger und dass Dionysos nur das prominenteste (und letzte) seiner Opfer ist. Nonnos’ Lykurg lauert vorbeireisenden Fremden an Wegkreuzungen auf, packt und verschleppt sie und opfert sie seinem Vater Enyalios/Ares.122 Er ist ein gesetzloser Unhold, der unschuldige Fremde ins Verderben zerrt (ὀθνείους ἀθέµιστος ἀµεµφέας εἰς µόρον ἕλκων, D. 20.151), um mit ihren Schädeln und Gebeinen seine Palast- und Tempelanlage zu schmücken.123 In seinem Herrschaftsgebiet betreibt er eine Kultpolitik, die seinen Vater Ares und ihn selbst in eine krasse Opposition zu Zeus Xeinios bringt.124 Lykurgs Feindseligkeit gegen Dionysos und gegen dessen Ammen und Anhängerinnen, die hier en détail ausgearbeitet125 und auf die Satyrn/Silene ausgedehnt ist,126 steht zweifelsohne im Zentrum von Nonnos’ Lykurgeia. Dieser 116 Lykurg wird ‘auf Geheiss des Dionysos in ein felsiges Gefängnis gesperrt’ (ἐκ Δ∆ιονύσου πετρώ-/ δει κατάφαρκτος ἐν δεσµῷ, S. Ant. 957-958). 117 Zum Phänomen der ‘doppelten Vaterschaft’ in den hier behandelten SerientäterMythen: vide supra p. 272-274. 118 Nonn. D. 20.187; 21.1, 66, 159. 119 Nonn. D. 20.149, 168, 196, 214, 217, 286-287; 21.11, 148-149. Ferner (implicite): D. 20.250, 363, 372; Ares’ Vaterschaft wird auch dadurch impliziert, dass Lykurg mit dem Epitheton ‘mordbefleckt’ (µιαιφόνος, D. 20.149) bedacht wird, das bei Homer dem Ares vorbehalten ist (Il. 5.31, 455, 844; 21.402). 120 Nonn. D. 20.35-148: Präliminarien; 149-404: eigentliche Lykurgeia (Teil 1); 21.1-169 (Teil 2). 121 Nonn. D. 20.149-181. 122 Nonn. D. 20.166-170: … Ἀχθοφόρους δέ / πολλάκις ἐν τριόδοισιν ἀλήµονας ἄνδρας ὁδίτας / δήσας εἰς δόµον εἷλκεν, Ἐνυαλίῳ δὲ τοκῇ / δαιτρεύων ἱέρευε· δαϊζοµένων δὲ µαχαίρῃ / ἄκρα λαβὼν ἐπύκαζε κακοξείνους πυλεῶνας. 123 Nonn. D. 20.152-153: … ἀποκταµένων δὲ σιδήρῳ / ἔστεφεν ἀνδροµέοισιν ἑὸν πυλεῶνα καρήνοις …; cf. 20.168-169, 170. 124 Nonn. D. 20.176-181. 125 Nonn. D. 20.222-223, 232-247, 259-261, 325-345 etc. Nonnos arbeitet auch die schon früh bezeugte Geschichte von Dionysos’ Amme Ambrosia aus, einer der Hyaden, die von Gaia in einen Rebstock verwandelt wurde, sich um Lykurg rankte und ihn so fesselte: Nonn. D. 21.1-61. Cf. Asclep.Tragil. FGrH 12 F 18; ferner Pherecyd. FGrH 3 F 90. 126 Nonn. D. 20.226-227, 248-250, 314-315.

282

Tragödienreflexion

Widerstand ist durch Hera motiviert, die nicht müde wird, Lykurg gegen Dionysos aufzuhetzen, doch wird aus seiner Charakterexposition klar, dass er als Fremdenvertilger dazu prädestiniert ist, von Hera auserwählt und zum Kampf gegen Dionysos eingesetzt zu werden. Mit anderen Worten ist Nonnos’ Lykurg primär ein Feind jedes Fremden und erst sekundär ein Widersacher des Dionysos. In F 124 des aischyleischen Lykurgos ist möglicherweise von den Schädeln der Lykurg-Opfer die Rede. Erwähnt werden Gegenstände, die Lykurg austrocknen lasse, um dann Bier aus ihnen trinken zu können.127 Gottfried Hermann deutet diese Trinkbehältnisse als die Schädel der Fremden, mit denen Nonnos’ Lykurg seine Tore schmückt.128 Wir haben im Kontext der Satyrspiele über Episoden des Dionysos-Mythos in Kapitel 4.1.3 bereits die mögliche Abhängigkeit verschiedener späterer Autoren von Aischylos’ Lykurgeia – und dabei auch von seinem Satyrspiel Lykurgos – diskutiert. So ist es etwa durchaus plausibel, dass die Passagen der Dionysiaka über Lykurgs Umgang mit den ‘Silenen’ vom Lykurgos beeinflusst sind. Im hiesigen Kontext nun aber ist vor allem die Frage von Belang, ob und inwieweit Nonnos’ Porträt des Lykurg selbst unter aischyleischem Einfluss steht.129 Nur wenn die Annahme stimmt, dass Nonnos’ Lykurg mit Zügen des Lykurg ausgestattet ist, wie ihn Aischylos in den Edonoi und insbesondere in seinem Lykurgos gezeichnet hat, können wir aus den Dionysiaka auf das Satyrspiel rückschliessen. Wir hätten dann im Lykurgos-Satyrspiel einen Serientäter vor uns, der jeden Fremden und Vorbeireisenden attackiert und tötet, der König in einem Barbarenland und Sohn eines Gottes (respektive eines Sterblichen und eines Gottes) ist, der aber einen Überfall zuviel begeht, und zwar gegen denjenigen, der von alters her als die Zielscheibe seiner Aggression bekannt ist – gegen Dionysos und dessen Entourage.130 Ein solcher Lykurg entspräche dem Typus des Satyrspiel127

A. Lykurgos F 124: κἀκ τῶνδ’ ἔπινε βρῦτον ἰσχναίνων χρόνῳ / κἀσεµνοκόµπει τοῦτ’ ἐν ἀνδρείᾳ τιθείς. – Cf. die viel häufiger zitierte Interpretation von Deichgräber 1939, 274-275, wonach F 124 Zeugnis davon ablege, wie Lykurg in diesem Satyrspiel vom Bier- zum Weintrinker konvertiert sei und dazu die ergänzenden Bemerkungen von von Blumenthal 1942, 109-110. 128 Hermann 1834, 28. 129 Cf. supra p. 130-131 zu den Rekonstruktionsversuchen von Levi und Hermann. – Lykurg scheint ausser im Satyrspiel nur noch im ersten Stück der aischyleischen Lykurgeia, in den Edonoi, in persona aufgetreten zu sein, so Sommerstein 2008, 60; cf. supra p. 129. 130 Lykurgs Ende wird in vielen Versionen erzählt. Bereits erwähnt worden ist die durch Zeus induzierte Blindheit; cf. Il. 6.139 (καί µιν τυφλὸν ἔθηκε Κρόνου πάϊς); cf. ferner D.S. 3.65.5, wo Dionysos Lykurg blendet, quält und kreuzigt; Nonn. D. 21.162-169, wo Zeus, nachdem Hera für Lykurgs postume Apotheose zur arabischen Gottheit gesorgt hat (148-161), ihn für den Rest seiner irdischen Existenz zum blinden Bettler macht. Dies wiederum geschieht erst nach einer langen Reihe von Qualen, die durch diverse Akteure verursacht werden (21.1-147). Die sophokleische Variante, wonach Lykurg von Dionysos

Poetik der Serie

283

Serientäters, und wäre spezifisch der Gestalt des Kyknos (I) angeglichen, der wie er ein Sohn des Ares ist und aus den Schädeln und Gebeinen der Fremden und Vorbeireisenden Tempelschmuck macht.131 In Aischylos’ Lykurgos sind also möglicherweise der Dionysosgegner und der Serientäter zu einer Person verschmolzen.

7.4.3 Spiel mit dem Serientäter-Stoff in Euripides’ Kyklops Die hier vorgestellte Serie von Satyrspielen wird im einzig vollständigen Satyrspiel, in Euripides’ Kyklops, in einem intelligenten intertextuellen Spiel aufgegriffen und weitergeführt. Das zeigt sich zunächst in der Art und Weise, wie sich die Figur des Polyphem von seinem homerischen Vorbild unterscheidet. Die Missachtung des Gastrechts durch den Kyklopen und sein Kannibalismus an den Griechen ist bei Homer als eine einzelne Begebenheit präsentiert, als ein einzelnes, wenn auch gewaltiges Verbrechen. Ex eventu betitelt Odysseus den Polyphem zwar als ἀνδρόφαγος –132 eine Verallgemeinerung, die nach allem, was die Griechen auf der Kyklopeninsel erlebt haben,133 sicher nachvollziehbar ist. Es ist jedoch bei Homer nie davon die Rede, dass je andere Menschen auf die Kykloeingekerkert wurde, haben wir in anderem Zusammenhang bereits erwähnt. Zu diesen Todesarten kommt die Variante hinzu, die Apollodor überliefert, wonach Dionysos Lykurg Wahnsinn einflösste (Λυκούργῳ δὲ µανίαν ἐνεποίησε Δ∆ιόνυσος) und diesen dazu bringt, seinen Sohn Dryas für einen Rebstock zu halten, mit einer Axt zu erschlagen und sich anschliessend selbst zu verstümmeln (ὁ δὲ µεµηνὼς Δ∆ρύαντα τὸν παῖδα, ἀµπέλου νοµίζων κλῆµα κόπτειν, πελέκει πλήξας ἀπέκτεινε, καὶ ἀκρωτηριάσας αὐτὸν ἐσωφρόνησε, Apollod. 3.35). Die Selbstverstümmelung führt aber noch nicht seinen Tod herbei, sondern zunächst wieder geistige Klarheit; getötet wird er erst von den Edonern, die das Orakel erhalten haben, dass sie nur so die Unfruchtbarkeit ihres Landes abwenden können. Als spiritus rector waltet Dionysos; nach seinem Willen wird Lykurg von Pferden vernichtet. Bei keiner all dieser Todesarten kann von einer für den Serientäter typischen Bezwingung und Bestrafung Lykurgs nach dem Prinzip der Talion die Rede sein. Gleichwohl lässt sich sagen, dass in der bei Apollodor überlieferten Variante eine (für die Talion charakteristische) logische Beziehung zwischen Tat und Strafe besteht: Die Aggression gegen die in den dionysischen Bereich gehörende Rebe wird auf Veranlassung des Dionysos in eine Aggression gegen das eigene Fleisch und Blut umgewandelt. 131 Man könnte sogar mutmassen, dass Lykurgs Tod durch Pferde, wie Apollodor ihn erzählt (ὑπὸ ἵππων διαφθαρεὶς ἀπέθανε, 3.35), eine Kyknos-Reminiszenz ist. Kyknos pflegt seine Opfer, ehe er sie köpft und ihre Schädel rezykliert, zunächst im Wagenrennen zu bezwingen (Belegstellen: supra p. 249 mit n. 9). Das Schädel-Motiv kommt ausserdem auch bei Antaios vor, also in einem weiteren Serientäter-Mythos (Belegstellen: supra p. 247 mit n. 6). 132 Od. 10.200: Κύκλωπός τε βίης µεγαλήτορος, ἀνδροφάγοιο. 133 Dreimal zwei von ihnen wurden aufgefressen: Abendbrot, Frühstück, Abendbrot.

284

Tragödienreflexion

peninsel gelangt, geschweige denn, dass sie dort aufgefressen worden wären.134 Demgegenüber wird im Kyklops mit Nachdruck darauf insistiert, dass noch jedem Fremden, der auf die Insel gelangte, dasselbe widerfahren sei: οὐδεὶς µολὼν δεῦρ’ ὅστις οὐ κατεσφάγη. Noch keiner ist hierher gelangt, der nicht geschlachtet wurde. (E. Cyc. 128)

Nichts nämlich schmecke den Kyklopen so sehr wie Fremde: γλυκύτατά φασι (sc. Κύκλωπες) τὰ κρέα τοὺς ξένους φορεῖν. Die Fremden bringen das süsseste Fleisch, sagen sie. (E. Cyc. 126)

Sprecher der Verse ist die erste Ausnahme zu dieser Regel, der Silen, der mit seinen Söhnen schon länger in den Fängen Polyphems weilt. Offensichtlich sind weder er noch die Satyrn aufgefressen worden. Schon im Prolog führt der Silen die Kyklopen als ἀνδροκτόνοι, ‘Menschenschlächter’ (22), ein und klagt darüber, dass er dem ‘gottlosen’ Kyklopen (ἀνόσιος, 26), der ihn und die Satyrn ergriffen habe, ‘bei seinen unfrommen Mahlzeiten zu Diensten’ zu stehen habe (δείπνων ἀνοσίων διάκονος, 31). Entsprechend reagiert der Silen, als er zu Beginn des ersten Epeisodions die Griechen erblickt, die sich der Höhle seines Herrn nähern, mit tiefem Mitleid: … ὦ ταλαίπωροι ξένοι· τίνες ποτ’ εἰσίν; οὐκ ἴσασι δεσπότην Πολύφηµον οἷός ἐστιν ἄξενόν τε γῆν τήνδ’ ἐµβεβῶτες καὶ Κυκλωπίαν γνάθον τὴν ἀνδροβρῶτα δυστυχῶς ἀφιγµένοι. … Ach ihr unglückseligen Fremden! Wer sie wohl sein mögen? Sie wissen nicht, wie mein Herr, Polyphem, geartet ist, noch, in welch ungastliche Gegend sie hier geraten sind, noch, dass sie sich zu ihrem Unglück dem menschenfressenden Schlund des Kyklopen genähert haben! (E. Cyc. 89-93) 134

Zu Beginn des sechsten Gesanges heisst es von den Phaiaken, dass sie ursprünglich nahe beim Land der Kyklopen wohnten, die ihnen schadeten und an Kraft überlegen waren, was zur Folge hatte, dass sie ihr Gebiet verliessen und sich in Scheria niederliessen (Od. 6.4-8); hier ist jedoch nicht von Kannibalismus die Rede und erst recht nicht von Kannibalismus an Fremden.

Poetik der Serie

285

Auch Polyphem selbst, der später im Stück hinzutreten wird, spricht über seinen Kannibalismus mit grösster Selbstverständlichkeit, selbst wenn er ihn als Strafmassnahme gegen das unbotmässige Verhalten der Griechen ausgibt.135 Als er die Schlachtung der Griechen vorzubereiten beginnt, erklärt er: ὡς ἔκπλεώς γε δαιτός εἰµ’ ὀρεσκόου· ἅλις λεόντων ἐστί µοι θοινωµένωι ἐλάφων τε, χρόνιος δ’ εἴµ’ ἀπ’ ἀνθρώπων βορᾶς. Wie hab’ ich doch die Bergwild-Speisen satt! Die Löwen und Hirsche, an denen ich mich gütlich getan habe, sind mir über – schon ewig habe ich kein Menschenfleisch genossen! (E. Cyc. 246-248)

Dies weiss der Silen zu bekräftigen: Es sei ja in der Tat seit einiger Zeit kein Fremder mehr auf die Insel gelangt.136 Damit kokettiert er mit dem Umstand, dass er selbst und die Satyrn zwar Fremde, aber nicht-essbare Fremde sind.137 Das Motiv des Kannibalismus spezifisch an den Gefährten des Odysseus bestimmt fortan das Stück,138 doch wird an etlichen Stellen in den Chorliedern immer wieder betont, dass der Kyklop grundsätzlich Fremde fresse: Das 1. Stasimon (356-374) beginnt bei der bevorstehenden Mahlzeit, nimmt dann aber rasch seinen Lauf zum Allgemeinen: im ephymnion heisst Polyphem Κύκλωψ Αἰτναῖος ξενικῶν / κρεῶν κεχαρµένος βορᾷ (‘Kyklop vom Ätna, der höchsterfreut das Fleisch seiner Gäste verschlingt’, 366-367);139 in späteren lyrischen

135

Cf. Cyc. 222-244. Cyc. 251-252: … οὐ γὰρ οὖν νεωστί γε / ἄλλοι πρὸς ἄντρα σοὐσαφίκοντο ξένοι (Diggle): … οὐ γὰρ αὖ νεωστί γε / ἄλλοι πρὸς ἄντρα τὰ σά γ’ἀφίκοντο ξένοι (Biehl). 137 Cf. die struktural-anthropologische Analyse von Konstan 1981/1990, bes. 209-210. 138 Odysseus versucht Polyphem im Rede-Agon von der Freveltat abzubringen (288-289; 307-312); der Silen dagegen empfiehlt Polyphem am Ende dieser Rede, besonders Odysseus’ Zunge gut zu zerkauen, um so dessen Eloquenz habhaft zu werden (314-315); der Kyklop erklärt das Feuer und den Kochtopf, in dem er Odysseus gar zu kochen gedenkt, zum Gastgeschenk, das jener von ihm verlangt (340-344; cf. auch 550, wo der Polyphem Odysseus als Gastgeschenk verspricht, ihn zuletzt aufzufressen), und die Griechen-Mahlzeit zum Opfer, das er sich selbst als dem Höhlengott bringt (345-346); im Botenbericht erfolgt die detaillierte Schilderung der ersten Mahlzeit etc. 139 Der Text ist im Folgenden so unsicher, dass nicht jeder Zweifel ausgeräumt werden kann, dass es sich bei 368-374 um die antistrophos handelt; die Verse scheinen aber gnomischen Charakters (und also sicher auf ‘das Allgemeine’ bezogen) zu sein: νηλής, ὦ τλᾶµον, ὅστις δωµάτων / ἐφεστίους [ξενικοὺς] ἱκτῆρας ἐκθύει δόµων, (370/371) / ἑφθά τε δαινύµενος, µυσαροῖσί τ’ ὀδοῦσιν (373) / κόπτων βρύκων (372) / [ἀνθρώπων] θέρµ’ ἀπ’ ἀνθράκων κρέα (374) (Text hier nach Ebener 1980). 136

286

Tragödienreflexion

Partien wird er als ξενοδαιτυµών (610)140 und ξενοδαίτης (658) bezeichnet. Die beiden Adjektivbildungen scheinen hapax legomena zu sein.141 Am nächsten verwandt sind sie mit den in der griechischen Literatur wiederum nur je einmal belegten Adjektiven ξενοδαΐκτας beziehungsweise ξεινοδαΐκτας. Es wird kein Zufall sein, dass sich das Attribut in beiden Fällen auf mythische Gestalten bezieht, die von Herakles zu Fall gebracht werden: ξεινοδαΐκτας ist in Euripides’ Hercules Furens Attribut des ‘Serientäters’ Kyknos.142 Ξενοδαΐκτας wiederum finden wir in einem Fragment ungewisser Zuordnung bei Pindar (F 140a.56 Maehler) in Bezug auf den mythischen König Laomedon von Troia. Laomedon steht dem Serientäter-Typus nahe143 und tritt möglicherweise selbst als Satyrspielfigur in Erscheinung.144 Polyphem, dessen homerisches Vorbild 140

Die MSS.-Lesart lautet τοῦ ξένων δαιτυµόνος (LP); daraus machte Hermann 1938 τοῦ ξενοδαιτυµόνος, um einen daktylischen Tetrameter herzustellen. Die Konjektur wird in den meisten Editionen übernommen (e.g. Biehl 1983; Diggle 1984) und in den Kommentaren gutgeheissen (e.g. Duchemin 1946; Ussher 1974; Seaford 1984; Biehl 1986a). 141 Cf. supra Kap. 1.2 s.v. Neologismen und hapax legomena p. 69 n. 95. 142 E. HF 391-393: Κύκνον ξεινοδαΐκταν / τόξοις ὤλεσεν, Ἀµφαναί- / ας οἰκήτορ’ ἄµεικτον. Die Form ξεινοδαΐκταν ist die in den meisten Editionen berücksichtigte Korrektur von δὲ ξενοδαίκταν in den MSS.; alternativ wurde, unter Berufung auf Cyc. 658, δὲ ξενοδαίταν vorgeschlagen (Duport, zitiert bei Bond 1981 ad loc.). 143 Die in Details divergierenden Quellen für seine Geschichte sind: Il. 5.640-651; 7.452453; 20.145-148; 21.441-457; Apollod. 2.103-104, 134, 136; 3.146, 162; D.S. 4.32, 42, 49; cf. auch Ov. Met. 11.199-215; Hyg. Fab. 89. – Apollon und Poseidon absolvieren bei Laomedon einen einjährigen Dienst (was in den Quellen unterschiedlich motiviert wird). Dabei bauen sie ihm gegen Lohn die göttliche Mauer, die Troia umgibt. Als Laomedon ihnen den vereinbarten Lohn verweigert und sie verjagt, schickt ihm Poseidon ein menschenfressendes Meerungeheuer, von dem Troia, wie sich in einem Orakel herausstellt, nur befreit werden kann, wenn ihm Laomedons Tochter Hesione überlassen wird. Als dies ruchbar wird, reist gerade Herakles vorbei, der sich zum Preis von Laomedons unsterblichem Gestüt zur Rettung Hesiones bereiterklärt. Laomedon erweist sich als Wiederholungstäter und prellt abermals einen Fremden um den vereinbarten Lohn; Herakles aber tötet ihn und erobert die Stadt. – Laomedon steht dem hier analysierten Figurentypus insofern nahe, als er wie diese ein König ist, wiederholt an Fremden eine Freveltat begeht (wenn auch nicht an jedem Fremden, der sein Reich betritt, und nicht mit tödlichen Konsequenzen für seine Opfer, bei denen es sich ja um Götter handelt); er begeht die Tat zweimal, ehe ihm Herakles das Handwerk legt. Er ist nicht Sohn des Poseidon, doch ist Poseidon in seine Geschichte involviert; als Geprellter zunächst, dann als derjenige, der das Ungeheuer schickt. 144 Evtl. im Satyrspiel des Demetrios TrGF 49, dessen cast auf der Pronomosvase abgebildet ist. Die auf der Vase erkennbaren Schauspielerrollen neben jener des Silen deuten auf die Figurenkonstellation Herakles – Barbarenkönig – junge Orientalin. Verschiedentlich wurde angenommen, dass dem Stück die Geschichte der Befreiung von Laomedons Tochter Hesione durch Herakles zugrundelag; cf. die bei Krumeich in KPS 564 n. 9 genannte Literatur. Zu einem anderen apulischen Krater, der Hesione und die

Poetik der Serie

287

durchaus die Anlage dazu hat, wird im Kyklops also als radikaler Kannibale und Fremdenfeind inszeniert – er ist nach dem Typus des Satyrspiel-Serientäters modelliert. Dies bestätigt sich, wie wir im Folgenden sehen werden, auch darin, dass Polyphems Widersacher Odysseus mindestens in einer Passage dem Theseus als typischem Antagonisten des Serientäters angeglichen wird. Als Odysseus den Satyrn die Offenbarung seines Plans ankündigt, den Kyklopen zu beseitigen, sind sie, wie immer, wenn es etwas zu rätseln und zu erraten gibt, Feuer und Flamme:145 Οδ. ἄκουε δή νυν ἣν ἔχω τιµωρίαν θηρὸς πανούργου σῆς τε δουλείας φυγήν. Χο. λέγ’, ὡς Ἀσιάδος οὐκ ἂν ἥδιον ψόφον κιθάρας κλύοιµεν ἢ Κύκλωπ’ ὀλωλότα. Od. Hör zu, wie ich die unverfrorne Bestie büssen lassen und dich aus dieser Sklaverei befreien will. Ch. Sprich! Den Klang der asiatischen Kithara höre ich nicht lieber als: “Der Kyklop ist tot!” (E. Cyc. 441-444).

Odysseus holt weit aus, um seine Strategie zu erläutern; der Kyklop wolle zum Komos mit den Kyklopenbrüdern gehen (ἐπὶ κῶµον ἕρπειν πρὸς κασιγνήτους θέλει / Κύκλωπας … (445-446). Darauf antworten die Satyrn: Χο. ξυνῆκ’· ἔρηµον ξυλλαβὼν δρυµοῖσί νιν σφάξαι µενοινᾷς ἢ πετρῶν ὦσαι κάτα. Ch. Verstehe. Du planst ihn zu packen, wenn er allein im Gehölz ist, und zu schlachten – oder ihn über die Klippen hinabzustossen! (E. Cyc. 447-448)

Satyrn abbildet: Birchler/Chamay 1995. Anders deutet Simon 1971 die abgebildete Konstellation auf dem Pronomos-Krater: Sie deutet die junge Orientalin als Königin Omphale (deren Begegnung mit Herakles im Satyrspiel ja gut bezeugt ist: Ion Trag. Omph. und Achae. Omph.). Jüngere Studien wiederum identifizieren die Figuren mit Iole und ihrem Vater Eurytos (oder ihrem Bruder Iphitos) oder aber mit Deianeira und ihrem Vater Oineus (ein Stoff, den Sophokles in seinem ‘Oineus-Satyrspiel’ aufgegriffen haben dürfte): Hall 2010, 161 n. 7 nennt die entsprechende Literatur. Dezidiert gegen den Versuch, von den Schauspielermasken auf eine mythische Stückgrundlage und überhaupt auf die tatsächliche Aufführung eines entsprechenden Satyrspiels zu schliessen äussert sich Calame 2010, 75, der gerade aufgrund des Forschungsdisputs beim Versuch, den Mythos zu bestimmen, festhält, dass “a generic rather than an a specific satyr play is depicted on the Pronomos Vase”. 145 Cf. Studien II s.v. Rätsel.

288

Tragödienreflexion

Diese letzten beiden Verse sind textkritisch umstritten. Die handschriftliche Lesart für die in nahezu allen Editionen übernommene Konjektur Tyrwhitts ‘δρυµοῖσί νιν’146 lautet ‘ῥυθµοῖσί νιν’. Ohne Tyrwhitts Eingriff lautet der Text also: Χο. ξυνῆκ’· ἔρηµον ξυλλαβὼν ῥυθµοῖσί νιν σφάξαι µενοινᾷς ἢ πετρῶν ὦσαι κάτα. Ch. Verstehe, du planst ihn zu packen, wenn er allein ist, und den Regeln gemäss zu schlachten – oder ihn über die Klippen hinabzustossen!

Eine kleinere Abweichung von der handschriftlichen Lesart stellt Dobrees Lesart ῥυθµῷ τινι dar (Vers 447 lautet demnach: ξυνῆκ’· ἔρηµον ξυλλαβὼν ῥυθµῷ τινι);147 ich stelle sie zunächst der handschriftlichen Variante zur Seite. In beiden Fällen nun wird Odysseus zum Theseus (in der Rolle des Satyrspiel-Serienhelden) überformt: 1. Im Text Tyrwhitts berufen sich die Satyrn auf zwei Methoden, mit denen sich Theseus eines Serientäters entledigt: Im Gehölz packt und tötet er Sinis/Pityokamptes; über die Klippen hinab stürzt er Skiron. Wir wissen nun mit Sicherheit, dass Euripides ein Satyrspiel über letzteren verfasst hat – die Satyrn beziehen sich hier also vermutlich spezifisch auf die Beseitigung Skirons durch Theseus im Satyrspiel Skiron. Ein Stück über Sinis ist nicht bezeugt, wohl aber wissen wir um Erwähnungen des Sinis im Satyrspiel, und zwar wiederum im Skiron.148 In Frage kommt also sowohl, dass an dieser Kyklops-Stelle auf die entsprechende ‘Sinis-Szene’ im Skiron referiert wird, als auch, dass hier wie dort die Reminiszenz eines verlorenen Sinis-Satyrspiels vorliegt. 2. Interessant ist aber auch eine zweite Assoziation, die sich ergibt, wenn wir an der handschriftlichen Lesart für 447 ῥυθµοῖσί νιν festhalten oder mit Dobree zu ῥυθµῷ τινι verbessern: Nach beiden Lesarten hallt hier ein Vers aus dem Botenbericht nach (398), mit dem die Zubereitung der Griechenmahlzeit durch Polyphem geschildert worden ist. Diese Zubereitung fällt um vieles grausamer aus als ihr homerisches Vorbild.149 Der darin geschilderte rohe Kannibalismus des Kyklopen ist um die Raffinessen zivilisierten Opferns und Kochens bereichert:150

146

Die bei Seaford 1984 ad loc. angeführte ‘Parallelstelle’ E. Hipp. 1128 ist m.E. zu schwach und stammt aus einer zu korrupten Passage, um zugunsten der Konjektur ins Gewicht zu fallen. 147 Dobree 1874, 92. 148 Vide supra p. 250-251 mit n. 13. 149 E.g. Od. 9.288-291. 150 Cf. zur grotesken Überformung des Kannibalismus an den Griechen zum zivilisierten und regelkonform vorbereiteten Opfer auch Cyc. 244-246, 334-335, 345-346.

Poetik der Serie

289

ὡς δ’ ἦν ἕτοιµα πάντα τῷ θεοστυγεῖ Ἅιδου µαγείρῳ, φῶτε συµµάρψας δύο ἔσφαζ’ ἑταίρων τῶν ἐµῶν, ῥυθµῷ τινί151 τὸν µὲν λέβητος ἐς κύτος χαλκήλατον τὸν δ’ αὖ, τένοντος ἁρπάσας ἄκρου ποδός, παίων πρὸς ὀξὺν στόνυχα πετραίου λίθου ἐγκέφαλον ἐξέρρανε· καὶ †καθαρπάσας† λάβρῳ µαχαίρᾳ σάρκας ἐξώπτα πυρί, τὰ δ’ ἐς λέβητ’ ἐφῆκεν ἕψεσθαι µέλη. Als nun alles bereitstand für den gottverhassten Hadeskoch, packte er zwei meiner Gefährten und schlachtete sie, ganz regelkonform/kunstgerecht, den einen (warf er) in den erzgetriebenen Kessel, den anderen packte er an der Sehne am Ende des Fusses,152 schlug ihn gegen die scharfe Kante eines Felsens und liess sein Gehirn ausfliessen. Mit dem unerbittlichen Messer schälte er das Fleisch ab und briet es über dem Feuer; die übrigen Glieder warf er zum Garen in den Kessel. (E. Cyc. 396-404)

Lesen wir in Vers 447 das handschriftliche ῥυθµοῖσί νιν oder Dobrees ῥυθµῷ τινι und behalten wir für Vers 398 die handschriftliche Lesart bei, so manifestiert sich hier die Idee der Talion, jenes Strafmasses, mit dem Theseus den Serientätern beizukommen pflegt: ῥυθµῷ τινι σφάξαι (447-448) korrespondiert mit ἔσφαζ’… ῥυθµῷ τινί (398). Das heisst, dass mit dem Verspaar 447-448 die Satyrn entweder an zwei verschiedene Methoden denken, mit denen der Satyrspiel-Serienheld Theseus schon erfolgreich war (Variante 1), oder dass sie von Odysseus eine Bestrafung des 151 ῥυθµῷ θ’ ἑνί (i.S.v. “mit einem Schwung”) nach Wilamowitz 1875, 225 (cf. dagegen die Übersetzung von Wilamowitz 51919a, 44 welche wieder die handschriftliche Lesart berücksichtigt; sc. “kunstgerecht”). Die Lesart ῥυθµῷ θ’ ἑνὶ wird übernommen bei Murray 1901; Ussher 1978 und Diggle 1984 (cf. bereits Diggle 1971, 47-48). – Die MSS.Lesart wird jedoch beibehalten bei Musgrave 1778 (i. S. v. “ordine quodam et methodo”); Paley 1860 (“with a certain deliberate method’); Wecklein 1903 (“es lag Art und Schick darin, wie er’s tat”); Duchemin 1945 (“selon les règles, pourrait-on dire”); Ammendola 1952 (“con un certo ordine”); Ebener 1980 (“geschickt”); Biehl 1983, 1986a ad loc. (“wohl zu verstehen µετά τινος εὐρυθµίας”; cf. 1987, 46: “in einem gewissen kontinuierlich fliessenden Vorgang”); Paduano 2005, 87-88 (“con un movimento regolare”; cf. Paduanos Hinweis (2005, 87 n. 96) auf Nonn. D. 13.156); Hinzuweisen ist insbesondere auf die Verteidigung von ῥυθµῷ τινί durch Biehl 1987, der die Textkritik an den Versen Cyc. 382-408 mit Recht einer radikalen Kritik unterzieht. 152 Wörtl. an der ‘Spitze des Fusses’, ein etwas bizarrer Ausdruck wohl für die Ferse: Biehl 1986a ad loc.

290

Tragödienreflexion

Kyklopen nach Massgabe der Talion erwarten und als zweites eine Tötungsart vorschlagen, die ihnen schon aus dem Skiron bekannt sein dürfte (Variante 2). In beiden Varianten erweist sich der Serientäter-Stoff, den wir anhand anderer Satyrspiele in seinen wichtigsten Zügen rekonstruiert haben, als wichtige Bezugsgrösse des euripideischen Kyklops. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis bietet sich auch eine Erklärung für den Begriff des ῥυθµός an, der in den MSS. zweifach vorkommt – an beiden Stellen auf einen Mord bezogen (Cyc. 398: ῥυθµῷ τινί; Cyc. 447: ῥυθµοῖσί) – und in zahlreichen Editionen an einer oder an beiden Stellen unterdrückt worden ist: Gehen wir von der Grundbedeutung des ῥυθµός als einer ‘beliebigen wiederkehrenden Bewegung’ aus (LSJ: “any regular recurring motion”), so lässt sich vermuten, dass damit der Regelmässigkeit Ausdruck verliehen ist, mit der die Serientäter (und Serienhelden) im Satyrspiel zuschlagen.

7.5 Poetologische Erklärung des Stoffes So fragmentarisch unsere Kenntnis der Stücke, denen die Serientäter-Stoffe zugrundeliegen, sein mag, haben wir doch genügend Anhaltspunkte für die These, dass im Satyrspiel vielfach Mythen bespielt werden, die dem hier rekonstruierten Serientäter-Stoff zuzurechenen sind. Es ist anzunehmen, dass die Dramen jeweils den Wendepunkt markieren, an dem die eine Serie (die Serientat) von der anderen (der Aristie des Serienhelden) abgebrochen wird. Dieser Abbruch der einen Serie durch eine plötzlich eintretende zweite erweist sich als Denkfigur, mittels derer das Satyrspiel sein Verhältnis zur Tragödie und seine Position in der tragischen Tetralogie reflektiert. Das Genre des Satyrspiels lässt sich, wie eingangs festgehalten, selbst als Serie beschreiben: Jedes einzelne Stück ist dezidiert ein Teil des Ganzen der Gattung. Die Lebensgeschichte der Satyrn und des Silen wird mit jedem Drama aufgegriffen, bereichert und vervollständigt. Nicht selten erinnern sich der Silen und seine Söhne an frühere Erlebnisse und referieren damit auf frühere Satyrspiele. Innerhalb der tragischen Tetralogie ist die Position des Satyrspiels eine andere: Hier ist das Satyrspiel der Fremdkörper, jenes der vier Stücke, das den anderen drei spannungsvoll gegenübersteht und das die relativ homogene tragische Trias beschliesst. Die ‘Serie’ der tragischen Trilogie endet mit einem Satyrspiel. Wie der Serienheld dem Serienmörder das Handwerk legt, setzt das Satyrspiel der Tragödien-Folge ein Ende. Es ist die Serie des Satyrspiels, deren Episoden eine andere Serie, die vorausgehende tragische Trilogie, abbricht (die ihrerseits nicht selten eine Serie von verübten oder mindestens geplanten Morden darstellt). Überspitzt formuliert, geriert sich das Satyrspiel als Serienheld. Nicht zuletzt wird damit die Hierarchie der Genera in Frage gestellt: Der Heros ist den Monstern und Mördern, die er erlegt, klar überlegen. Ein einziger Handstreich des Serienhelden genügt, um das unheilvolle Treiben des Serientäters abrupt zu

Poetik der Serie

291

beenden. Danach zieht er weiter und stellt sich einer neuen, ebenso fordernden Aufgabe. Die Begegnung mit dem Serientäter ist aus seiner Perspektive, als Teil seiner Aristie, nur ein unbedeutendes Zwischenspiel – der Serientäter ist danach tot. Mit einem vergleichbaren Überlegenheitsgestus sorgt das Satyrspiel für das Ende der tragischen Trilogie ebenso, wie ein Satyrspiel schon die letzte und vorletzte Trilogie beschlossen hatte. Und auch im Fall der kommenden Tetralogien wird ein schneller Streich der Satyrn das Ende der Tragödie besiegeln.153

153

Die Serientäter-Stoffe, an deren Beispiel wir das Konzept des Seriellen ausgeführt haben, gehören zu einer Gruppe typischer Satyrspiel-Stoffe, die von der Idee des Seriellen geprägt oder strukturiert werden. Zu nennen sind etwa die Satyrspielstoffe über Meisterdiebe wie Autolykos oder Sisyphos, die sich ihren Titel dadurch verdient haben, dass sie reihenweise Leute betrogen haben, oder die Mythen über jene Figuren wie Proteus, Thetis oder Mestra (die Tochter des Titelhelden von Achaios’ Satyrspiel Aithon), die ihre Gestalt multiplen Metamorphosen unterziehen können (sog. shape-shifter). Cf. Studien II s.v. Metamorphose.

Einzelstudien

Studien zu einzelnen Satyrspielen (Studien I) Im Folgenden finden sich Überblicksdarstellungen zu Euripides’ Kyklops und den vier in grösserem Umfang erhaltenen Satyrspielen, Aischylos’ Diktyulkoi und Isthmiastai oder Theoroi sowie Sophokles’ Ichneutai und Inachos. Auf eine knappe Skizze der Überlieferung und, soweit bekannt, der Stoffgrundlage des jeweiligen Stückes folgen eine Inhaltsangabe und ein Kommentar. Neben einigen vertiefenden Lektüren bieten die Kommentare eine Synopse der wichtigsten Aspekte, die in früheren Kapiteln oft ausführlicher, aber in gesonderten argumentativen Zusammenhängen diskutiert worden sind.

Aischylos, Diktyulkoi Überlieferung Der Titel ‘Die Netzzieher’ war von den Trägern dreier Grammatiker-Buchfragmente (F 47, 48, 49) zwar längst bekannt, galt aber stets als unsicher, da der Κατάλογος τῶν Αἰσχύλου δραµάτων in den Mss. nicht diesen, wohl aber den ähnlich-klingenden Titel Diktyurgoi, ‘Die Netzwerker’ anführt (A. T 78.4b). Erst der Papyrusfund in Oxyrhynchos förderte grössere Fragmente des Stücks zutage, die nicht nur die Richtigkeit des Titels Diktyulkoi, sondern zugleich die Satyrspielqualität des Stücks bestätigten.1 Die Identifikation des umfangreichsten dieser Fragmente (P.Oxy. 2161 ≅ A. Dikt. F 47a Radt)2 gelang unter anderem deshalb, weil ihre Verse Vokabeln enthalten, die von den Grammatikern den Diktyulkoi zugeschrieben werden.3 Die zwischen 1934 und 1935 in Florenz edierten Papyrusfragmente (≅ Dikt. **F 46a und b)4 entstammen einem Papyrus (P.S.I. 1209), der von derselben Hand geschrieben ist wie P.Oxy. 2161; der Wortlaut dieser Papyri deutet darauf hin, dass sie auch Verse desselben Stücks enthalten. Schliesslich gibt es ein paar kleinere Papyrusfragmente, die mög-

1

Zur brisanten Fund- und Publikationsgeschichte der zwischen 1933 und 1941 edierten Papyrusfragmente cf. Fraenkel 1942; Werre-de Haas 1961, 3-4. Cf. ferner Körte 1933; 1935. Einen interessanten Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte stellt Harvey 2005 dar, zu den Diktyulkoi cf. ibid. 34. 2 Ed. pr.: Lobel 1941 in POxy XVIII, 9-13. 3 F 48 = F 47a.809; F 49 = F 47a.818. 4 P.S.I. 1209; ed. pr.: Norsa/Vitelli 1933, 115; Norsa/Vitelli 1934, 965; cf. ferner Vitelli 1934, 247; endgültige Publikation: Norsa/Vitelli 1935, Nr. 1209.

296

Studien I

licherweise zu den Diktyulkoi gehören.5 Didaskalische Daten liegen keine vor; verschiedentlich wurde angenommen (um nicht zu sagen: vorausgesetzt)6, dass die Diktyulkoi Teil einer Perseus-Tetralogie waren.7 Mythos8 Stoffgrundlage ist eine Episode des weit verbreiteten Mythos von Danaë und Perseus: Danaës Vater Akrisios hatte seine Tochter, aus Angst vor der Bewahrheitung eines Orakels, wonach ein männlicher Nachkomme ihn töten werde, in ein unterirdisches ehernes Gemach sperren lassen. Hier wurde sie von Zeus9 geschwängert, der sich in einen Goldregen verwandelt und sich so Zugang zu ihrem Verlies verschafft hatte,10 und gebar Perseus. Als Akrisios dessen gewahr 5 **F 46c ≅ P.Oxy. 2256 fr. 72 (ed. Lobel 1952 in POxy XX, 58); für die Zugehörigkeit dieses Fragments zu den Diktyulkoi cf. Snell 1953, 440; **F 47b und c ≅ P.Oxy. 2255 fr. 21 und 20 (ed. Lobel 1952 in POxy XX, 23); Zuweisung zu den Diktyulkoi von P.Oxy. 2255 fr. 21 (≅ **F 47b) durch Pfeiffer (cf. Snell 1953, 440 n. 2) aufgrund der Form Σ̣έρ̣ιφον̣ in Z. 1; Zuweisung von fr. 20 (≅ **F 47c) durch Mette (wie von Pfeiffer und bereits Lobel vorgeschlagen, cf. TrGF III, p. 174 ad loc.) aufgrund der Nähe zu fr. 21. 6 So. e.g. von Howe 1953. 7 Für Aischylos sind die in denselben Sagenzusammenhang verweisenden Titel Polydektes und Phorkides überliefert, von letzterem Drama existieren ausser dem Titel zwei Fragmente. Möglicherweise gehörten diese beiden Stücke zusammen mit den Diktyulkoi zu einer Inhaltstetralogie, so erstmals Pfeiffer 1938, 2; 20-21; cf. TrGF III, TRI B XIII. – Die dritte Tragödie der entsprechenden Tetralogie ist nicht bekannt; vorgeschlagen wurden von Gantz 1980, 149-150 die Thalamopoioi (deren Titel sich dann auf den Bau von Danaës eherner Kammer bezöge), doch bleibt dies, weil wir von diesem Stück sonst so gut wie nichts wissen, reine Spekulation. Die Thalamopoioi wurden überdies auch als Satyrspiel in Betracht gezogen, cf. Wessels/Krumeich in KPS 209. – Weitere Versuche, das dritte Stück der ‘Perseus-Tetralogie’ zu eruieren, finden sich e.g. bei Howe 1953, 271-275. – Zur Datierung dieser ‘Perseus-Tetralogie’ cf. Goins 1997. – Der Titel Phorkides, den diejenigen, die von der Existenz einer Perseus-Tetralogie ausgehen, für den Titel einer der drei Tragödien der Tetralogie halten, ist inschriftlich für das Jahr 339 v.Chr. auch als Titel eines Satyrspiels belegt (TrGF I, DID A 2a.31 = trag. adesp. F 10b, vide supra); entsprechend wurden Stimmen laut, wonach auch Aischylos’ Phorkides möglicherweise ein Satyrspiel seien, das in diesem Fall natürlich einer anderen Tetralogie angehören müsste; nach Pfeiffer 1938, 20 ist dies freilich ein “oft wiederholter Irrtum”; cf. ferner Wessels/Krumeich in KPS 207. 8 Einen Überblick über die Zeugnisse für den Mythos auch jenseits der hier genannten Stellen bieten Werre-de Haas 1961, 5-10 und höchst ausführlich Karamanou 2006, 1-17; cf. 119-131; ferner Gantz 1993, 299-304, 309-310, 852-853. 9 Von der Liebschaft von Zeus und Danaë weiss bereits Homer, cf. Il. 14.319-320. 10 Das Detail von Zeus’ Verwandlung in einen Goldregen ist ein in der antiken Literatur sehr beliebtes Motiv; cf. die Stellensammlung bei Karamanou 2006, 3-4 n. 9; in ihrer

Aischylos, Diktyulkoi

297

wurde, sperrte er Tochter und Enkel in eine Kiste und warf sie ins Meer (Apollod. 2.34-35).11 Die Fortsetzung berichtet Pherekydes, dem wir die früheste mehr oder weniger vollständige Version des Mythos verdanken (FGrH 3 F 10.22-26):12 Die Kiste mit Danaë und Perseus treibt auf dem Meer, wird ans Ufer der Insel Seriphos gespült und von Diktys in einem Fischernetz an Land gezogen; Danaë und Perseus entsteigen der Kiste, erzählen, was ihnen widerfahren ist, und werden von Diktys ‘in sein Haus geführt’ und ‘wie Verwandte umsorgt’. In den meisten Versionen verliebt sich später13 Polydektes, der Bruder des Diktys14 und König von Seriphos, in Danaë, will sie heiraten, und tut dies auch gegen ihren und ihres Sohnes Willen.15 Liste zu ergänzen sind einige Fragmente aus Hesiods Gynaikōn Katalogos (und evtl. den Megalai Ēhoiai): Hes. Gynaikōn Katalogos F 52.2 H. ≅ F 134.2 M./W.: ]χρυσο[ (cf. Hirschberger 2004, 304-305 ad loc.); ferner Hes. *F 5.4-5 H. ≅ F 135.4-5 M./W. (cf. Hirschberger 2004, 465-466 ad loc.) und Hes. Gynaikōn Katalogos F 46.15 H. ≅ F 129.15 M./W. (cf. Hirschberger 2004, 296 ad loc.). 11 Cf. bereits Hes. *F 5 H. (wie in der vorangehenden n.); Hirschberger reiht dieses unter die Fragmente ungewisser Werkzuweisung ein. Weitere Stellen sind genannt bei Karamanou 2006, 4 n. 10. 12 Für den vollständigen Text und eine detaillierte Paraphrase von Pherecyd. FGrH 3 F 10 (via Schol. A.R. 4.1091): Karamanou 2006, 2-3. 13 Der Zeitpunkt der Heiratsabsicht variiert (Werre-de Haas 1961, 8): Hygin zufolge heiratet Polydektes Danaë, als Perseus noch ein infans ist, und schickt diesen in den Minerva-Tempel: … delata est (sc. arca) in insulam Seriphum, quam piscator Dictys cum inuenisset, effracta ea uidit mulierem cum infante, quos ad regem Polydectem perduxit, qui eam in coniugio habuit et Perseum educauit in templo Mineruae (Hyg. Fab. 63); in den meisten überlieferten Versionen aber zwingt Polydektes Danaë erst in die Ehe, als Perseus schon erwachsen ist. 14 In der Mehrheit der Versionen ist Diktys der Bruder des Königs Polydektes: Werre-de Haas 1961, 7. 15 Apollod. 2.36. Breit belegt ist der auch bei Apollodor thematisierte Konflikt zwischen Polydektes und Perseus, der sich am Heiratsbegehren des Polydektes entzündet. Bei Apollodor versucht sich Polydektes des Perseus zu entledigen, indem er ihn nach dem Haupt der Gorgo aussendet, das er als Geschenk zur angeblich ausstehenden Hochzeit mit Hippodameia, der Tochter des Oinomaos, zu erhalten fordert. Nachdem Perseus des Hauptes habhaft geworden ist, kehrt er damit nach Seriphos zurück, wo Danaë aus lauter Angst vor Polydektes zusammen mit Diktys Zuflucht ‘an den Altären’ gesucht hat. Perseus geht zum Königspalast und versteinert Polydektes mitsamt seiner Entourage (2.45), ernennt Diktys zum König von Seriphos und eilt mit Danaë und Andromeda (die er auf dem Rückweg vom Gorgonenabenteuer befreit hatte) weiter nach Argos. – Bereits bei Pindar, P. 12.11-18, rächt sich Perseus mit der Versteinerung der Bewohner von Seriphos für die Versklavung und das ‘erzwungene Ehebett’ seiner Mutter an Polydektes (… µατρός τ’ ἔµπεδον / δουλοσύναν τό τ’ ἀναγκαῖον λέχος, 12.14-15); so auch e.g. bei Str. 10.5.10. – Für weiteres Material zum Konflikt zwischen Danaë und Polydektes cf. Gantz 1993, 303-304.

298

Studien I

Schauplatz, Plot, Personen Mit der Kiste, die auf Seriphos strandet, setzen die Diktyulkoi ein; der Strand ist Schauplatz der Handlung.16 Das stückchronologisch erste Fragment, **F 46a, weist eine Stichomythie zwischen zwei nicht sicher identifizierbaren Figuren A und B auf, die im Meer einen grossen Gegenstand (sc. die Kiste) sichten, über seine Natur spekulieren, ihn an Land zu ziehen versuchen und zu diesem Zwecke nach Verstärkung rufen. Sprecher B scheint erfahrener zu sein als Sprecher A,17 A wirkt sehr agitiert. A’s Reaktion auf den unbekannten Gegenstand erinnert an die verschiedenen Szenen im Satyrspiel, wo die Satyrn sich in wilde Spekulationen über die Natur irgendwelcher Gegenstände (oder Ereignisse) hineinsteigern.18 **F 46c dürfte diesem ‘Hilferuf’ angehören, der wahrscheinlich das Prolog-Ende ausmacht und den Auftritt der Satyrn und des Silen zur Folge hat; die Satyrn werden sich dann zu einem Tanz angeschickt haben, mit dem sie pantomimisch das Ziehen am Netz darstellten (darauf deutet ja der Titel des Stücks hin).19 Der Text von F 47a nimmt mit einer rhesis des Silen seinen Auftakt, der die Götter anruft und Danaë glücklich preist, dass sie samt ihrem Sohn in seine Obhut und unter seine Vormundschaft gelangt sei. Während dieser selbsternannte pater familias in matrimonialjuristischem Jargon20 schwatzend (und mit erigiertem Phallos und einem Schwarm heiratswilliger Satyrn im Rücken) auf Danaë zugeht, adressiert auch sie Zeus und die Götter – allerdings aus blanker Verzweiflung, an diese κνώδαλα (‘Untiere’, 775) geraten zu sein, und droht mit Selbstmord, so ihr Zeus, der ihr Leid ja mitzuverantworten habe, keinen Helfer schicke. Der Silen indes ignoriert Danaë und wendet sich dem Söhnchen zu, das sich, mindestens seiner Einschätzung nach, über seinen Anblick und insbesondere seine ‘Glatze’, also wohl seinen Phallos, prächtig amüsiere,21 und verheisst ihm eine glückliche Zukunft im Kreise der naturverbundenen Satyr-Familie.22 Während er sich als idealen Papa für Perseus anpreist, heisst er die Satyrn seine Hochzeit mit Danaë organisieren, und verhehlt dabei keineswegs die sexuelle Dimension des γάµος.23

16

Seriphos wird im Stück genannt: Dikt. **F 47b Z. 1. Wessels/Krumeich in KPS 121. 18 Cf. infra Studien II s.v. Rätsel. 19 Pfeiffer 1938, 18-19. 20 Cf. in F 47a κηρύσσω, στρατῷ (766), πρόξενον (768), προπράκτορα (769), nach Conrad 1997, 42 Begriffe “aus politisch-staatsrechtlichem Bereich”. 21 Die Szene hat eine Parallele u.a. in S. Dion. F 171; cf. infra p. 409-410. 22 Cf. infra p. 408-409. 23 Zur Sprecherverteilung in der entsprechenden Passage: Halleran 1989. Zur Szene: infra Studien II s.v. ‘Inversion der Begierde’. 17

Aischylos, Diktyulkoi

299

Neben dem Silen, Danaë und dem Chor der Satyrn (dessen Anwesenheit auf Seriphos im erhaltenen Text nirgends begründet wird)24 lassen sich als dramatis personae die beiden Netzzieher von **F 46a sichern, deren Identität viel diskutiert worden ist: Bei Sprecher B handelt es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit um Diktys;25 als Sprecher A kommt am ehesten der Silen in Frage – der in diesem Fall aber (wie in späteren Satyrspielen) getrennt vom Chor, i.e. in einer Schauspielerrolle und nicht als Koryphaios, aufgetreten sein muss.26 Auf der Bühne war ausserdem – in einer stummen Rolle – der kleine Perseus zu sehen.

Kommentar Man hat die Diktyulkoi als Beispiel dafür angeführt, wie im Satyrspiel unbeschwerte Episoden eines Mythos dramatisiert werden, der auch tragische Sequenzen hat, mit denen sich das Satyrspiel jedoch nicht (etwa belustigend oder parodierend) auseinandersetze – dies im Rahmen der Theorie, wonach das Satyrspiel anders als die zeitgenössische Komödie weder die Tragödie noch den Mythos parodiere.27 Dem Satyrspiel unter diesen Prämissen aber jegliche komisch-reflexive Dimension abzusprechen, ist mit Sicherheit falsch. Gerade die Diktyulkoi legen Zeugnis davon ab, wie die Tragiker kritische Aufmerksamkeit auf eine mythische Sequenz zu lenken vermögen, indem sie diese zum Satyrspiel umarbeiten. Danaës Geschichte ist weitgehend eine Leidensgeschichte; und die attischen Tragiker nahmen sich des Stoffes mit grosser Aufmerksamkeit an:28 Der frühe Konflikt zwischen Danaë und Akrisios scheint Sophokles’ Akrisios ebenso zugrundegelegen zu haben wie seiner Danaë;29 die frühen Phasen des Danaë24

Werre-de Haas 1961, 33 hält eine Begründung der Anwesenheit von Satyrn für unwahrscheinlich, weil überflüssig (“Everyone takes it for granted that satyrs appear in satyr drama. A detailed and rational explanation would spoil the effect of their quite fantastic appearance”); ähnlich argumentiert Conrad 1997, 35. 25 In der mythographischen Tradition ist es, bei allem Variantenreichtum, stets Diktys, der mit seinem δίκτυον die Kiste mit Danaë und Perseus aus dem Meer zieht; cf. Pfeiffer 1938, 17-18. 26 Zur Sprecherfrage an dieser Stelle cf. den ausführlichen Forschungsbericht von Wessels/Krumeich in KPS 121-122 n. 51. 27 Wessels/Krumeich in KPS 36-37. 28 Daneben sind auch Verarbeitungen des Stoffes (bes. der Vergewaltigung der Danaë durch Zeus in Gestalt des Goldregens) in der Komödie bekannt (Sannyrion, Danaë; Apollophanes, Danaë; Eubulos, Danaë; Diphilos, Chrysochoos); cf. Hunter 1983, 114; Karamanou 2006, 13-15. 29 Die Argumente für die Annahme, dass es sich hierbei nicht um zwei alternative Titel für ein und dasselbe Stück handelt, sind gesammelt bei Karamanou 2006, 10, die ausserdem vermutet, dass der Akrisios das Orakel, das an Akrisios ergeht, und die Einkerkerung

300

Studien I

Mythos werden auch in der Antigone evoziert, und zwar durch den Chor, der Antigones Schicksal mit jenem der Danaë vergleicht.30 Euripides wiederum verfasste zwei Tragödien auf dieser Stoffgrundlage: Danaë31 und Diktys.32 Es dürfte kein Zufall sein, dass wir in keinem Fragment dieser Tragödien den Gedanken artikuliert finden, dass Zeus für Danaës Misere verantwortlich sei, einen Gedanken, den die Danaë der Diktyulkoi ganz unverblümt ausspricht (F 47a.773-785) – ein solcher Gedanke wird im tragischen und überhaupt im erhabenen poetischen Diskurs tendenziell unterdrückt. Inhaltlich am nächsten kommt ihrer Klage in den Diktyulkoi jene Passage der griechischen Literatur, in der Danaë am ausführlichsten zu Wort kommt – ein in beträchtlichem Umfang erhaltenes Gedicht des Simonides: der Danaë beinhaltet, und dass in der Danaë die Fortsetzung der Geschichte, Danaës Schwängerung, die Entdeckung ihrer Schwangerschaft, die Geburt und ihre und Perseus’ Aussetzung auf dem Meer inszeniert wurde (ibid. 10-12). 30 Cf. S. Ant. 944-954. 31 Die bisher ausführlichste Studie zur Danaë legt Karamanou 2006, 17-117 vor. Themen des Stücks sind die Einkerkerung der Danaë; ihre Schwängerung durch Zeus; die Geburt des Perseus; Akrisios’ Entdeckung von Gold im Zimmer der Tochter, dann ihrer Schwangerschaft; eine List der Danaë (wahrscheinlich mit dem Beistand ihrer Amme), um Perseus vor Akrisios zu retten; Danaës Flehen darum, dass Akrisios sie gemeinsam mit ihrem Sohn aussetze; die Aussetzung in einer Kiste auf dem Meer; der Auftritt einer Gottheit ex machina, welche die Rettung von Danaë und Perseus voraussagt (und möglicherweise auch die künftigen Heldentaten des Jungen); cf. Karamanou 2006, 22-24. – Zu E. dub. F 1132 (Hypothesis der Danaë) cf. West 1981; und neben in TrGF V.2, p. 1030-1031 genannten Literatur auch Karamanou 2006, 225-238 (Appendix); Collard/ Cropp 2008, 338-345. 32 Karamanou 2006, 131-224 legt die bisher detaillierteste Untersuchung des Stücks vor. Themen des Diktys sind die Ankunft der Kiste mit Danaë und Perseus auf Seriphos; Schutz der beiden durch Diktys; Polydektes’ Auftrag an Perseus, ihm das Gorgonenhaupt zu bringen (all dies wird vermutlich im Prolog dargelegt). Die aktuelle Situation des Stücks scheint diejenige zu sein, dass Perseus seit längerem abwesend ist, und der König Polydektes Danaës habhaft zu werden versucht, die sich mit Diktys hilfesuchend an den Altar des Poseidon gerettet hat. Zentral war offenbar diese Altarszene. Weiter lässt sich eine Szene nachweisen, in der Diktys Danaë tröstet (beide glauben, Perseus sei tot), sowie ein Konflikt zwischen Diktys und Polydektes. Erhalten sind Spuren eines Agons zwischen Polydektes und (vermutlich) Diktys sowie eines Gesprächs zwischen Polydektes und einer anderen dramatis persona, evtl. mit seinem Sohn. In diesem Gespräch scheint es darum zu gehen, was Polydektes mit Danaë vorhat, und was diese Plände wiederum für seine eigene Familie bedeuten. Im Verlauf des Stücks kehrt Perseus nach Seriphos zurück und versteinert mit dem Haupt der Gorgo Polydektes und dessen Gäste, als diese gerade ein Fest feiern (Perseus’ Rache ist mit Sicherheit Gegenstand des Botenberichts). Evtl. endet das Stück damit, dass eine Gottheit ex machina auftritt und Diktys für seine Rechtschaffenheit belohnt, und dabei womöglich das Aition für das Gorgoneion auf Athenes Aigis liefert; cf. Karamanou 2006, 134-139.

Aischylos, Diktyulkoi λάρνακι ἐν δαιδαλέᾳ, ἄνεµός τέ µιν πνέων κινηθεῖσά τε λίµνα δείµατι ἤρειπεν· οὐδ’ ἀδιάντοισι παρειαῖς ἀµφί τε Περσέϊ βάλλε φίλαν χέρα εἶπέν τ’· ‘ὦ τέκος οἷον ἔχω πόνον· σὺ δ’ ἀωρεῖς, γαλαθηνῷ δ’ ἤτορι κ'νώσσεις ἐν ἀτερπεῖ δούρατι χαλκεογόµφῳ, νυκτί 〈τ’ ἀ〉λαµπεῖ κυανέῳ τε δ'νόφῳ ταθείς· ἅλµαν δ’ ὕπερθεν τεᾶν κοµᾶν βαθεῖαν παριόντος κύµατος οὐκ ἀλέγεις οὐδ’ ἀνέµου φθόγγον πορφυρέᾳ κείµενος ἐν χλανίδι, π'ρόσωπον καλόν. εἰ δέ τοι δεινὸν τό γε δεινὸν ἦν καί κεν ἐµῶν ῥηµάτων λεπτὸν ὑπεῖχες οὖας. κέλοµ’· εὗδε β'ρέφος, εὑδέτω δὲ πόντος, εὑδέτω 〈δ’〉 ἄµετ'ρον κακόν· µεταβουλία δέ τις φανείη, Ζεῦ πάτερ, ἐκ σέο· ὅτι δὴ θαρσαλέον ἔπος εὔχοµαι κ〈αὶ〉 νό〈σ〉φι δίκας, σύγγνωθί µοι.’ (Danaë) … im kunstvoll gearbeiteten Kasten. Der Wind heulte, die Wogen rollten, sie drohten, Danaë in ihrer Angst zu verderben. Mit tränenüberströmten Wangen schlang sie ihren Arm um Perseus und sprach: “Mein Kind, grenzenlos ist mein Kummer. Du aber machst dir nichts daraus; zarten Herzens schläfst du in dieser düsteren Holzkiste, bronzener Nägel 〈Werk〉; in finsterer Nacht und schwarzem Dunkel liegst du 〈ausgestreckt〉 da. Über deinem Haar die hohe Gischt der vorbeiziehenden Wellen, du beachtest sie nicht, ebensowenig das Pfeifen des Windes; eingewickelt in deinen purpurnen Mantel liegst du da, mein friedliches Gesicht! Wenn das Schreckliche auch für dich schrecklich wäre, du würdest meinen Worten dein feines Ohr zuwenden.

301

302

Studien I Schlafen sollst du, mein Kind, glätten sollen sich die Wogen, ein Ende finden das unermessliche Leid! Möge ein Umbesinnen erfolgen, Vater Zeus, bei dir. Dass ich hier ein kühnes Gebet spreche und Ungehöriges sage, verzeih mir. (Simon. F 543 PMG ≅ 271 Poltera).33

Simonides’ Danaë ist nach einer tragischen Heldin modelliert;34 sie klagt, während sie mit ihrem kleinen Kind in der engen Kiste, in die ihr Vater sie gesperrt hat, auf dem unruhigen Meer treibt und grösste Ängste auszustehen hat. Wiewohl sie einer mythenchronologisch früheren Episode angehört, bietet es sich an, diese lyrische lamentatio aus der Feder des Simonides den Versen der aischyleischen Danaë gegenüberzustellen: Simonides’ Danaë richtet die Klage an ihr schlummerndes Kind Perseus und wirft ihm unterschwellig vor, wie unbekümmert es trotz der widrigen Umstände schlafe und wie allein es sie mit ihrer Angst und Sorge lasse. Erst der Schluss ihrer Rede ist an Zeus adressiert.35 Sie bittet ihn, sich umzubesinnen, und entschuldigt sich vorauseilend für den Fall, 33

Text und Übersetzung nach Poltera 2008, 219-222 (der Einheitlichkeit halber ersetze ich Polteras Schreibweise ‘Danae’ mit ‘Danaë’). Die Gattungszuweisung dieses Fragments bleibt bis heute Sache der Spekulation, cf. ibid., 498. Es scheint sich bei den Versen um einen Gedichtausschnitt zu handeln (ibid. 496; ähnlich nennt Karamanou 2006, 5 die Verse “a fragmentary poem”; cf. ibid. 5-6 Text und Apparat nach Usener und Rademacher, ergänzt um Konjekturen von Page und Hutchinson). Überliefert sind die Verse bei Dionysios von Halikarnassos (Comp. 26.15) als Beispiel für lyrische Verse, die für Prosa gehalten werden könnten. Etwas mehr als einen Vers des Gedichts überliefert auch Athenaios (9.396e). Athenaios’ Text erweist sich als ‘ungleich verlässlicher’, weil weniger prosaisch als jener des Dionysios (Poltera 2008, 505 ad 9). Es ist nicht zu entscheiden, ob diese ‘Prosaisierung’ auf Dionysios zurückgeht, der seinem Beweisziel zudienen wollte, dass die Verse sich wie Prosa lesen, oder ob er schlicht aus einer schlechten Quelle schöpfte und deren prosaisierende Tendenz bemerkte; cf. Poltera 2008, 496. 34 Cf. Parsons 2001, 64: “And then Danae (543) – what genre did that belong to? The metrical structure and often the text remain uncertain: but we seem to see a monody crowded with adjectives, rich with colors, and fully dramatic in portraying a mounting hysteria. Simple paratactic sentences rise in 21 to a triple appeal for peace; at this climax she reproaches Zeus, only to fall back into apology. It could be the model for a tragic heroine” (meine Hervorhebung). Cf. auch Howe 1953, 275: “In his poem Simonides has brought to artistic fulfillment a scene which could have never appeared on the stage. But from its loveliness we seem to regain the quality of a choral ode from the lost drama [sc. besagter fehlender Tragödie von Aischylos’ ‘Perseus-Tetralogie’]” (meine Hervorhebung und Ergänzung). 35 Die Apostrophe an Perseus dauert an bis V. 20 und geht erst nach V. 23 in die Adressierung des Zeus über.

Aischylos, Diktyulkoi

303

dass ihre Worte allzu dreist seien (23-26). Dieser Bitte und insbesondere der Apostrophe ‘Ζεῦ πάτερ’ (24) kann der informierte Leser einen ironischen Unterton nicht absprechen.36 Während es hier aber bei einem leisen, sich mit einer traditionellen Gebetsformel bedeckt haltenden Unterton bleibt, redet die Danaë der Diktyulkoi Klartext:37 Ihr Gebet ist an die γενέθλιοι θεοί, allen voran aber an Zeus gerichet. Den πόνος, den Simonides’ Danaë noch buchstäblich auf sich genommen und dem schlafenden Kind vorgehalten hatte (οἷον ἔχω πόνον· / σὺ δ’ ἀωρεῖς (Poltera)/ἀωτεῖς (PMG), 7-8), führt sie im Satyrspiel ohne Umschweife auf Zeus zurück: τά̣σδε µοι πόνων τιθεις (F 47a.774). Zusätzliche Drastik verleiht ihrem Vorwurf der Numeruswechsel: Aus πόνος werden πόνοι.38 Und obwohl auch Aischylos’ Danaë Zeus zunächst um Hilfe bittet, ‘so es ihm geraten scheine’ (εἰ δοκεῖ, F 47a.782), erinnert sie ihn unmissverständlich daran, dass er zwar grösseren Anteil an der Schuld,39 deren Sühne aber vollumfänglich ihr überlassen habe – dem Kind hat diese Danaë nichts vorzuwerfen. Was also bei Simonides allenfalls zwischen den Zeilen herausgelesen werden kann, dass nämlich der Vorwurf der Unbekümmertheit gegenüber ihrem Leiden eigentlich nicht dem Baby, sondern dessen Vater gilt, wird in den Worten der aischyleischen Danaë manifest – und genau darin ist zu erkennen, wie das Satyrspiel sichtbar macht, was in der seriösen Version eines Mythos unter Verschluss gehalten wird.40 An dieser Stelle lässt sich überdies einmal mehr die ‘Verwandschaft im Geiste’ von Satyrspiel und Komödie erkennen: Das einzige erhaltene Fragment der Danaë des Eubulos, F 22 K./A., scheint einer (vielleicht paratragischen)41 Klage der Danaë zu entstammen;42 das Fragment ist ein Zitat bei Photios:43 36

Zeus ist ja der leibliche Vater des Perseus. Cf. Poltera 2008, 510 ad 24; Fränkel 21962, 361; zur Ironie bei Simonides ibid. 496 n. 23. 37 Zu den Vorwürfen, die Danaë in den Diktyulkoi erhebt, gibt es sehr unterschiedliche Ansichten: cf. Siegmann 1948, 108-111; Gallo 1981; di Marco 1991, 57. 38 Die entsprechenden Verse sind sehr brüchig, die Form τιθεις in Dikt. F 47a.774: 〈Δ∆Α.〉 ]... κ̣α̣ὶ̣ γενέθλιοι θεοί̣ / [ ]..α̣ς τά̣σδε µοι πόνων τιθεις (773-774) verrät aber, dass hier eine Gottheit speziell herausgehoben wird, ob es sich nun um ein Partizip im Nom. oder Vok. Sg. (τιθείς), oder um die 2. Pers. Sg. Indikativ (τιθεῖς) handelt; cf. Werre-de Haas 1961, 45-46. – Der Imperativ πέµπ’ [Schreibweise TrGF: π̣εµπ’] in V. 782 erweist sich in den folgenden Versen (783-785) als eindeutig an Zeus adressiert. 39 F 47a.783: εἶχες [Schreibweise TrGF: εῖχες] αἰτίας τῆς µείζονος – Zur komplexen Syntax dieses Verses: Pfeiffer 1955; Werre-de Haas 1961, 52-54; Gallo 1981. 40 Roisman 2005, 79 bezeichnet das “voicing of thoughts that need not or should not be spoken” als ein typisches Satyrspielelement. 41 Cf. Hunter 1983, 114 ad loc.: “… the fragment may come from a paratragic lament in lyric iambics.” 42 Cf. Hunter 1983, 114: “The only clue to Eubulus’ treatment (sc. of the myth of Danae, erg. RL) is the possibility that the one fragment comes from a lament by the drifting

304

Studien I † ἐκεῖνος δ’ ἦν ἰϲχυρὸς ϲφόδρα † καὶ ἀτεράµων, ὅς µε κλάουϲαν τότε οὐκ ἠλέηϲε. jener war äusserst streng und hartherzig, der damals, als ich weinte, kein Erbarmen mit mir hatte. (Phot. α 1921 s.v. ἀνηλέητος)

Hier beschwert sich Danaë über den unbarmherzigen Zeus (οὐκ ἠλέηϲε), der unerbittlich war und auch mit Tränen nicht zu erweichen – die Komödie ist wie das Satyrspiel ein Ort, an dem solche Kritik an Zeus ausgesprochen werden kann. Es ist verlockend anzunehmen, dass sich Aischylos in den Diktyulkoi direkt auf Simonides beziehe; ob und inwieweit das der Fall ist, lässt sich aber nicht sagen:44 Die beiden Vergleichspartner sind ein brüchiges Papyrusfragment einerseits und ein wenig verlässlicher, ‘prosaisierter’ Gedichtausschnitt andererseits. Der Bezug ist, soviel nur können wir festhalten, nicht ausgeschlossen – verschiedene Testimonien legen es nicht nur nahe, dass Aischylos und Simonides sich kannten, sondern auch, dass ein Rivalitätsverhältnis zwischen den beiden bestand, und zwar gerade hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Mitleid zu erzeugen.45 In den herkömmlichen Interpretationen der Diktyulkoi ist schliesslich eine weitere Dimension des Stücks und die damit verbundene Pointe untergegangen: Danae …”; PCG 5, 203 ad loc. (“queritur Danae a Iove violata”); Karamanou 2006, 1314. Cf. bereits Leo 1907/1960, II, 411. 43 Der Begriff selbst ist allerdings aus dem Zitat, mit dem er illustriert werden soll, weggefallen. 44 Cf. aber Hutchinson 2001, 307-308: “It is hard to think Aeschylus was not aware of Simonides in his Dictyulci … In any case, the passionate speech of Danae there, and the contrasted cheerfulness of the child, show a dramatized and extended form of what the lyric concentrates in its speech. We may surely see in this fragment seeds of Euripidean monologue, monody, and female pathos …”. – Über die Stimmung des Kindes lässt sich freilich streiten, cf. infra n. 48. 45 Cf. die Vita Aeschyli (A. T 1.8): Aischylos soll zu Hieron gegangen sein, weil er von den Athenern verspottet wurde, nachdem er eine Niederlage gegen den jungen Sophokles erlitten hatte, oder aber weil er mit einer Elegie auf die Gefallenen der Schlacht bei Marathon Simonides unterlag. Die Vita führt nur die zweite Erklärung weiter aus: Die Elegie verlange den delikaten Hauch von Mitgefühl, der Aischylos bekanntermassen nicht eigne. – Interessanterweise gehört Simonides ebenfalls in das Umfeld des Hieron; es ist also denkbar, dass Aischylos dort auf denjenigen stiess, dem er hatte aus dem Weg gehen wollen; cf. Paus. 1.2.3. Die genannten Textstellen finden sich als Simonides-Testimonien 32, 56 und 57 bei Poltera 2008. – Für den hier in Frage stehenden Zusammenhang der beiden Danaë-Klagen ist weiter erwähnenswert, dass die Fähigkeit der beiden Dichter, Mitleid zu erzeugen, Gegenstand eines weiteren Zeugnisses ist, das die beiden verbindet: Basileios der Grosse attestiert Aischylos diese Fähigkeit in deutlich höherem Masse als dem Simonides (Epistula 74.2), Hinweis bei Poltera 2008, 42 n. 44.

Aischylos, Diktyulkoi

305

dass hier nämlich mit Perseus einer der grossen Widersacher des Dionysos als Kleinkind gezeigt wird;46 ob er nun, wie der Silen behauptet,47 grossen Spass an ihm und den anderen Satyrn hat oder im Gegenteil bereits die Antipathie zeigt, die er als Erwachsener gegen den Gott hegen wird. Für den ungleich wahrscheinlicheren letzteren Fall spricht sein vieldiskutiertes Heulen und Wimmern bei V. 803.48 Während der Silen darüber ins Schwärmen gerät, wie sehr der Kleine an ihm Gefallen finde, bricht dieser offenbar in Tränen aus.49 Damit verschmelzen in der Figur des kleinen Perseus zwei Satyrspieltopoi: ein Heros wird als Kleinkind dargestellt, mit den Eigenschaften, die ihn als Erwachsenen auszeichnen werden;50 und dieser übt eine noch sehr kindliche Form von Widerstand gegen Dionysos und die dionysische Welt aus.

46

Pi. F 70a Maehler in der Interpretation von Kowalzig 2007, bes. 227-228. – Zum Mythos cf. Paus. 2.20.4, 22.1, 23.7; und bereits Euphorio Chalcidensis SH F 418; Dienarchos von Delos FGrH 399 F 1a; Apollod. 3.37 (ohne namentliche Erwähnung des Perseus); Nonn. D. 25.31-147; 47.496-741. 47 Dikt. F 47a.786-795. 48 Bei V. 803 ist zu lesen ‘ποππυσµός’, nach Werre-de Haas 1961, 63 zweifellos eine παρεπιγραφή. Aus dem Folgevers wird klar, dass Perseus weint (τί κινύρηι, 804. Entweder, so Werre-de Haas, bezieht sich die παρεπιγραφή auf das Weinen des kleinen Kindes, oder aber auf den Versuch, es zu beruhigen, wofür θάρσει δή im selben Vers spricht. Vide Werre-de Haas 1961, 63-64 und die dort genannte Literatur. 49 Die Schuld für die Tränen des Kindes ist freilich nicht immer dem Silen gegeben worden. Fraenkel 1942 glaubt dem Silen, dass das Baby seinen Spass an ihm habe, und deutet das plötzliche Weinen als Reaktion des Kindes auf das – an dieser Stelle freilich nicht belegbare – Auftreten des Diktys; darüber wiederum mokiert sich Setti 1948/1981, der seinerseits mit der These aufwartet, der Chor der Satyrn mache einen Lärm, ποππυσµός, der den Kleinen so erschrecke, dass er zu heulen beginne. 50 Cf. Studien II s.v. Kindheit.

306

Studien I

Aischylos, Isthmiastai oder Theoroi1 Überlieferung Zwei der vier Buchfragmente (A. Isth. F 79-82) enthalten einen musikalischen2 und einen choreographischen terminus technicus; letzterer – der Begriff des σκώπευµα in Ath. 14.629f (F 79) –, war schon vor Entdeckung der Papyrusfragmente ein starkes Indiz für die Satyrspielqualität des Stücks.3 – Die Veröffentlichung der Fragmente des P.Oxy. 2162 (≅ **F 78a-d) liess diese Vermutung zur Gewissheit werden.4 Didaskalische Daten liegen keine vor; bisweilen wurde vermutet, dass das Stück derselben Tetralogie angehörte wie der Athamas.5

Mythos Trotz der vergleichsweise grossen Anzahl erhaltener Verse lassen sich die Isthmiastai oder Theoroi keiner distinkten mythischen Episode zuordnen. Sollte es im Stück um die Stiftung der Isthmischen Spiele gehen, so käme als Thema eine Episode aus dem Leben des im Satyrspiel wohlbekannten und oft vertretenen ‘Erzschelms’ Sisyphos in Frage.6 Wahrscheinlich distanziert sich Aischylos hier aber von der gängigen Praxis, die Satyrn in einen allseits bekannten mythischen Zusammenhang zu entsenden, und wartet stattdessen mit einer freier konzipierten Handlung auf, welche die im Satyrspiel topische versuchte Unterdrückung 1 Der Doppeltitel ist im Κατάλογος (A. T 78.6c) und bei Hsch. ι 46 s.v. ἰαµβίς (≅ A. Isth. F 81) bezeugt. Die anderen Buchfragmente (A. Isth. F 79, F 80 und F 82) zitieren das Stück unter jeweils einem der beiden Titel. Wahrscheinlich verdankt sich der Doppeltitel dem Rollenkonflikt, den die Satyrn in diesem Stück haben, cf. e.g. di Marco 1969/1970, 381-382. 2 A. Isth. F 81. 3 Photios zufolge handelt es sich beim σκώπευµα um eine Satyrspieltanzfigur: p. 197-198 mit n. 191. 4 Lobel 1941 in POxy XVIII, 14-22. 5 So von Welcker 1824, 339, der das Stück aber noch für eine Tragödie hielt; ferner von Mette 1963, 162-170. Die Zugehörigkeit zu derselben Inhaltstetralogie ist insofern denkbar, als sich Verbindungslinien zur Figur des Athamas ziehen lassen: Einer Tradition zufolge stiftet Sisyphos die Isthmischen Spiele zu Ehren von Athamas’ Sohn Melikertes (cf. e.g. Pi. I. F 6.5; Paus. 1.44.7-8; 2.1.3). 6 Reinhardt 1957, 2; di Marco 1969/1970, 357; Wessels/Krumeich in KPS 132. – Sisyphos ist für eine Reihe von Satyrspielen als Titelheld, für einige weitere als dramatis persona gesichert: A. Sisyphos Drapetes, Sisyphos Petrokylistes; S. Sisyphos (Sat.?); E. Autolykos, Sisyphos; evtl. Achae. Aithon; Euripides oder Kritias (TrGF 43 F 19) Sisyphos; erwähnt wird er e.g. auch in E. Cyc. 104.

Aischylos, Isthmiastai oder Theoroi

307

des Dionysos und alles Dionysischen in einer Extremform präsentiert: Hier sind es die Thiasoten selbst, die sich mutwillig von ihrem Herrn distanzieren, bei einem anderen Zuflucht gesucht haben und sogar gegen ihn hetzen.

Schauplatz, Plot, Personen Das Stück spielt in Isthmia, vor dem Tempel des Poseidon.7 Neben Satyrchor und Silen sind mindestens zwei weitere dramatis personae zu verzeichnen: (wahrscheinlich) Sisyphos,8 König des nahe gelegenen Korinth und Stifter der Isthmischen Spiele, und, ebenso bedeutsam wie aussergewöhnlich: der Gott Dionysos in persona. Die Anordnung der aus jeweils zwei Kolumnen bestehenden Papyrusfragmente ist strittig;9 sicher aber macht **F 78a col. I den Anfang des erhaltenen Textes aus. Es beginnt mit zwei Versen eines mit dem Heiligtum assoziierten Sprechers, wahrscheinlich des Sisyphos, der den Satyrn offenichtlich ‘wohlgesonnen’ ist (der dafür vom Chor oder dem Silen gewählte Ausdruck πρόφρων in V. 3 suggeriert den Status eines Beschützers).10 Die Satyrn und der Silen scheinen beim Poseidon-Heiligtum Asyl gefunden zu haben. ‘Sisyphos’ spricht von ‘Bildnissen’ (V. 1: εἰκοὺ[ς]; V. 6: εἴδωλον), bei denen es sich um Porträts, wahrscheinlich um Masken11 der Satyrn handeln dürfte.12 Diese gilt es zu weihen

7

Das Poseidon-Heiligtum wird erwähnt in **F 78a.18 und **F 78c.44-47. Dies der Vorschlag von Snell 1956/1966; cf. dessen Würdigung bei Lloyd-Jones 1957, 546-547 und die von ihm vorgebrachten Alternativen ‘Daidalos’ (547) oder, mit stärkeren Argumenten, ‘Hephaistos’ (547-549). Ein weiterer Kandidat für die Rolle ist Theseus, der alternative Gründer der Isthmischen Spiele neben Sisyphos (vide supra p. 264 n. 65, 270 n. 85, 272-273 n. 94); cf. Melero 1988. 9 Dazu Henry/Nünlist 2000, 14-15. 10 Snell 1956/1966, 170-171; Wessels/Krumeich in KPS 134 n. 18. 11 Die Interpretation dieser ‘Bildnisse’ als Masken geht m.W. auf E. Fraenkel zurück, zit. bei Lobel 1941b, 14 n. 1, und erneut Fraenkel 1942, 11. Aufgegriffen wird diese These e.g. von Setti 1952/1981, 80-81, 83-84; Pohlenz 21954, I, 134; II, 66; Snell 1956/1966, 169ff.; Mette 1963, 165; di Marco 1969/1970, 392-293, cf. auch Sommerstein 2008, 83. In den letzten Jahren wurde sie verschiedentlich einer metatheatralen Lektüre des Stücks dienstbar gemacht: Kaimio et al. 2001, 56ff.; Dobrov 2007, 252 und bereits Zeitlin 1994, 138-139, 295 (cf. Zeitlin 1994, 138: “The entire aesthetic vocabulary of figurational terms makes its appearance in this scene of self-reflexive theatrical viewing: eikōn, eidōlon, morphē, mimēma, tupos and graphē [eugrapton, kalligrapton] …”). – Gegen die Annahme, dass es sich um Masken handelt, führt Krumeich ihre Charakterisierung als καλλίγραπτος ‘schön gemalt’ in V. 12 ins Feld, cf. Krumeich in KPS 143 mit n. 53 und 54; sowie detailliert: Krumeich 2000. Dieses Argument Krumeichs entkräften Kaimio et al. 2001, 57 sowie Marconi 2005, 77-78 und n. 8. 8

308

Studien I

(aus welchem Anlass bleibt unklar) und am Heiligtum zu befestigen. Eifrig spekulieren die Satyrn über deren Wirkung.13 Die lyrische (mit einigen Trimetern durchsetzte) Verspartie 8-17 geht über in die in trochäischen Tetrametern gehaltene Aufforderung (18-22), die Bildnisse endlich anzubringen, wobei zugleich der ‘Herr’ Poseidon als ‘Beschützer’14 angerufen wird. Wohl möglich, dass der Wechsel des Metrums eine Gehetztheit anzeigt, die durch den nächsten Auftritt bedingt ist: Vor den Satyrn nämlich erscheint kein Geringerer als der Gott Dionysos! In ironischem Ton begrüsst er die Abtrünnigen: ἔµελλον εὑρήσειν ἄρ’ ὑµᾶς, ὠγαθο[ί. οὐ τοῦτ’ ἐρῶ σ’· ‘οὐ δῆλος ἦσθ’ ὁδοιπο[ρῶν’ (DIONYSOS?)15 Ich musste euch wohl finden, meine Guten. Nicht dies werd’ ich dir sagen: “Ganz unbemerkt bist du gereist” (A. Isth. **F 78a.23-24; Übersetzung: Wessels/Krumeich in KPS 136).

Und schon hagelt es Vorwürfe. Offenbar sind ihm die Satyrn untreu geworden und nach Isthmia ausgebüxt, um sich dort an den athletischen Wettkämpfen16 zu beteiligen. Sie haben bereits das Training aufgenommen17 und, in Athleten-Manier, ihre φαλλία ‘kurz wie bei Mäusen’ zurückgebunden.18 12 Neben der Maske wurden auch andere Vorschläge bezüglich der Natur der Bildnisse gemacht; gemäss Krumeich handelt es sich dabei am ehesten um mit (Ganzkörper-)Porträts bemalte hölzerne oder tönerne Tafeln (Pinakes): cf. den Forschungsüberblick von Krumeich in KPS 142-144. 13 Zunächst unterstreichen sie den Realismus dieser ihrer ‘Porträts’, welche selbst die eigene Mutter nur mit Mühe vom richtigen Sohn werde unterscheiden können (V. 13-17), ehe sie sich dann ihrer apotropäischen Wirkung zuwenden: die Bildnisse werden Reisende und Fremde abschrecken und an der Reise hindern (V. 20-21). – Zu Kunstobjekten im Satyrspiel, deren Lebensechtheit in Schrecken versetzen kann, cf. auch E. Eurystheus F 372 (via Schol. E. Hec. 838; über die Statuen des Daidalos). – Cf. ferner Stieber 1994 sowie O’Sullivans diskursive Verortung der hier in komischer Verzerrung vorgetragenen Ideen über die Macht von Bildern und überhaupt von visueller Kunst bei (O’Sullivan 2000). 14 V. 22: χαῖρ’ ἄναξ, χαῖρ’ ὦ Π̣όσειδον ἐπιτροπ.[..]..[. 15 Cf. zur Zuweisung dieser Verse an Dionysos Wessels/Krumeich in KPS 136, n. 24 und 137, n. 30. 16 **F 78a.30, 34; **F 78c.39, 46, 58. 17 **F 78a.30-31, 34-35; **F 78c.39-40. 18 **F 78a.29: … µύουρα καὶ βραχέα τὰ̣ φ̣[αλλί]α. – Hier wird höchstwahrscheinlich auf die griechische Athleten-Praxis angespielt, den Penis mit einer die Vorhaut umlaufenden, um die Hüfte gebundenen Schnur eingerollt zurückzubinden; eine Praxis, die man mangels eines besseren Begriffs oft fälschlicherweise als ‘Infibulation’ bezeichnet; cf. Mette 1958. Begriffskritik und Beschreibung des Phänomens finden sich bei Sansone

Aischylos, Isthmiastai oder Theoroi

309

‘Würdest du auf das alte Sprichwort hören’, hält Dionysos dem Chor vor, ‘so wär’s wohl passender, dass (du) den Tanz …’ – ‘du aber isthmiazierst, lernst neue Sitten und stählst den Arm …’: εἰ δ’ οὖν ἐσῴζου τὴν πάλαι παρο̣[ιµία]ν̣, τοὔρχηµα µᾶλλον εἰκὸς ἦν σε.[.....]ε̣ιν. σὺ δ’ ἰσθµ̣ιάζεις καὶ τρόπους και[νοὺς µ]α̣θὼν̣ βραχί̣ο̣[ν’ ἀ]σ̣κ̣εῖς, … (A. Isth. **F 78a.32-35).

Ja, die Satyrn beissen die Hand, die sie füttert: Sie haben Dionysos’ Hab und Gut verschleudert: … χρήµατα φθείρων ἐµὰ κτεα[8-9 litt.]ε ταῦτ’ ἐπ.ρανωι πονων̣ … und bringst dabei mein Geld durch und (Besitz)… dies dem (Helfer) (in Mühen) (A. Isth. **F 78a.35-36).

Doch damit nicht genug.19 Die Satyrn lästern über Dionysos20 und haben hinterrücks das Gerücht verbreitet, er sei ‘ein Nichts in der Schmiede(-kunst)’ (67) und ‘ein weibischer Schlappschwanz’ (γύννις, 68),21 der sich mit Chortanz (?)22 abgebe:

1988, 119-122. – Sommerstein 2008, 89 n. 7 zieht für die Stelle sexuelle sous-entendus in Erwägung, denn πάλη und Derivate, (ἐκ)τρίβειν, γυµνάζεσθαι sowie der Isthmos sind verschiedentlich sexuell konnotiert, und ‘Palaistra’, ‘Gymnasium’, ‘Isthmia’ sind auch als Namen von Hetären belegt; cf. Henderson 1975, 137-148, 169, 176. So gelesen, wäre übermässige Beanspruchung für die ungewöhnliche Kürze der Penisse verantwortlich. – Hier ist freilich gegenzufragen, wie die Komik dieser Stelle, die offensichtlich auf einer spezifischen Genitalhandhabung basiert, von sous-entendus profitieren könnte. Die Praxis der ‘Infibulation’ hat hohen symbolischen Wert und die Funktion, den Sexualtrieb im wahrsten Sinne zu unterbinden, um die sexuelle Energie in andere Bahnen zu lenken; im Falle des Athleten zur Steigerung seiner Wettkampftauglichkeit (cf. Sansone 1988, bes. 120). Hier sind also ausgerechnet die ithyphallischen Satyrn mit ‘Keuschheitsgürtel’ versehen und sollen zu athletischer Höchstleistung angetrieben werden. – In jüngerer Zeit wurden vereinzelt Zweifel an der Lesart φαλλία laut: Henry/Nünlist 2000, 15 (jedoch ohne Gegenvorschlag). 19 A. **F 78a col. II. 20 A. **F 78a.64-72; **F 78c.40, 42. 21 Dieser Vorwurf wird öfters gegen Dionysos erhoben; cf. A. T 67, T 68, Edonoi F 61 (Zitat bei Ar. Th. 134ff.; cf. Schol. rec. Ar. Th. 134-135); E. Ba. 353 (θηλύµορφον), Ba. 453-459 (mit Dodds 21960 ad loc. mit weiteren Stellen).

310

Studien I σάκει καλύψασ[...]εν[ σπείρεις δὲ µῦθον τ[ό]ν̣δε.[ καὶ ῥηµατίζεις ε̣ἰ̣ς ἔµ’ ἐ̣κ̣τρ..[ ὡς οὐδέ̣ν εἰµι τὴν σιδηρῖτι[ν γύννις δ’ ἄναλκις οὐδ̣ενειµ.[ καὶ νῦν τάδ’ ἄλλα καὶ ποται̣ν̣[ι ἔχθιστα πάντων τω[ πλύνεις τ’ ἔµ’ αὐτ̣ὸν [ ἐφ’ ἣν ἀγείρω πλ[ (DIONYSOS?) (hinter?/mit) dem Schild verbergend … verbreitest du dieses Gerücht … und schwadronierst gegen mich … ich sei ein Nichts in der Schmiede(kunst) doch so ein weibischer Schlappschwanz (bin ich keineswegs) … und jetzt noch dieses andere und (unerhört) … von allem am verhasstesten … mich selbst begiesst du … zu (der) ich versammle … (A. Isth. **F 78a.64-72).

**F 78b enthält elf Zeilen mit lesbaren Buchstaben, aber nur in Z. 4 ist mit ο]ὐδαµως, ‘in keiner Weise’, ein einziges Wort zu entziffern. Mit **F 78c sind weitere Teile von Dionysos’ Schimpftirade erhalten. Unklar bleibt zwar, worauf sich die Erinnerung an eine durch einen Eid besiegelte Verpflichtung bezieht (einen gegenüber Dionysos geleisteten Treueschwur der meineidig gewordenen Satyrn? einen Treueschwur der Satyrn gegenüber dem neuen Herrn, Poseidon?), so oder so aber provozieren Eid und/oder Meineid die Verfluchung: ] ἔ̣ν̣ο̣ρκόν ἐστι σο[ι] κα[...]φ̣ρ̣ον̣εῖν ]κ̣α̣κῶς ὄλοιο καὶ τ̣.ε......ε (DIONYSOS?) Durch Eid gebunden bist du, … zu (denken?) bös sollst du verrecken und … (A. Isth. **F 78c.1-2).

Anscheinend haben sich die Satyrn auch über die Bedingungen ihres früheren Dienstes beschwert, wo man Sklave (oder Sklave in der dritten Generation)23 war 22

Cf. die Interpretation der V. 71-72 von Snell 1956/1966, 168. In V. 72 ist von etwas die Rede, ‘zu der ich (sc. Dionysos) versammle’ (ἐφ’ ἣν ἀγείρω), und als weibliches Bezugswort in V. 71 kommt ausser χορεία kaum ein Begriff in Frage. 23 **F 78c.5: ]ο̣υ̣λον η τριδουλ[.

Aischylos, Isthmiastai oder Theoroi

311

und schlecht gelagert unter freiem Himmel schlafen musste etc.24 In **F 78c col. II, im stückchronologisch zweifellos letzten der Papyrusfragmente, erinnert Dionysos an die Anziehungskraft seines Tanzes für Jung und Alt (ob allgemein im Kult oder spezifisch im Theater25 ist ungewiss), so dass es um so unpassender erscheint, dass die Satyrn sich als Athleten aufführen: κοὐδεὶς παλαιῶν οὐδὲ τῶν νεωτέρω[ν ἑκὼν ἄπεστι τῶνδε διστοίχω[ν σὺ δ’ ἰσθµιάζεις καὶ πίτυος ἐστ[εµµένος κλάδοισι̣ κισσοῦ̣ δ’ ο̣ὐ̣δ[α]µοῦ τιµη[ und kein alter und kein junger Mensch hält freiwillig sich fern von diesen Zweierreihen du aber isthmiazierst tatsächlich mit den Zweigen der Fichte bekränzt, für den Efeu aber (gibt es) nirgends (Ehre) (A. Isth. **F 78c.37-40).

Die Satyrn, droht ihnen Dionysos, werden das früh genug ‘beweinen’ (δακρύσεις, 41).26 Was die im unmittelbar folgenden angesprochenen Objekte sind, die es nun zu beachten gelte (42), ist ebenso schwierig zu beantworten wie die davon abhängige Frage, wer Sprecher der Zeilen sei; am ehesten will ihnen ‘Sisyphos’ Sportgeräte für den Wettkampf überreichen.27 Jedenfalls beginnen sich die Satyrn im unmittelbar folgenden von ihrem Vorhaben zu distanzieren, indem sie 24

**F 78c.7: ]ωι τε κο̣[ίτ]ω̣ι̣ καὶ κακαῖς δ[υσ]αυ̣λ̣ί̣α̣ι̣ς. Lange bevor die Kategorie des Metatheatralen in die Erforschung des attischen Dramas Einzug hielt, vermutete Kamerbeek 1955, 10, dass mit δίστοιχος (V. 38) auf die zweireihige Formation des tragischen Chores Bezug genommen werde; dies unter Berufung auf Poll. 4.108-109. Cf. Kap. 5.1.9, § Termini technici der Tanzkunst. 26 Henry 2001, ergänzt den von Dionysos gesprochenen Vers 42 Radt (77 bei Snell bzw. Henry) zu παρόντα δ’ ἐγγὺς οὐχ ὁρᾶ̣ι̣ς τα[ κλαύµατα und übersetzt ‘You don’t see the trouble you’re going to get into when it’s on you’. 27 Snell 1956/1966 denkt an Speere, also an das Sportgerät, das es jetzt zu beachten gelte; ähnlich Reinhardt 1957, 11. Kamerbeek 1955, 11 dagegen ergänzt in Vers 51 θ]εόκτ[ιτα und versteht unter den ἀθύρµατα thyrsoi; dies vor dem Hintergrund der Opposition der dionysischen und der isthmischen Sphäre, die das Stück fraglos strukturiert. Zur Möglichkeit eines Sprecherwechsels bei V. 42 cf. Taplin 21989, 421; Wessels/Krumeich in KPS 139 n. 39; Henry 2001 (der allerdings aufgrund einer in Henry/Nünlist 2000 vorgenommenen Änderung der Fragment-Anordnung gegenüber der hier verwendeten Edition von Radt eine andere Verszählung hat). – Sommerstein 2008 favorisiert Dionysos als Sprecher und denkt, dass dieser mit νεοχµὰ [....] ἀθύρµατα̣ (A. **F 78c.50) wie bereits mit παρόντα δ’ ἐγγὺς οὐχ ὁρᾶ̣ι̣ς (A. **F 78c.42) den Satyrn mit ehernen Fesseln drohe; cf. Sommerstein 2008, 97 mit n. 20, im Anschluss an Taplin 21989, 422 und bereits Setti 1952/1981. Henry 2001 jedoch argumentiert gegen eine Zuweisung dieser Verse an Dionysos. 25

312

Studien I

sich einerseits weigern, das Poseidon-Heiligtum zu verlassen, und andererseits auf die Aufforderung des Sprechers hin, sich nun der ‘neuartigen Spielzeuge, ganz neu geschaffen von Axt und Amboss’ (νεοχµὰ [....] ἀθύρµατα̣ / ἀπὸ [σκε]πάρνου κἄκµ[ονος ν]εόκτ[ιτα, 50-51) anzunehmen, mit allerlei Ausreden aufwarten und die Aufgabe auf die jeweils anderen abzuwälzen suchen.28 Schliesslich scheint ihnen der neue Herr seinerseits in einer witzigen Spiegelung von Dionysos’ Vorwurf vorzuhalten, was angebracht wäre: ξυνισθµιάζειν [.....] ἐµµελέστατο̣ν Mitzuisthmiazieren … am passendsten (A. Isth. **F 78c.58).

In einer früheren Szene war es Dionysos, der ihnen seine Auffassung von decorum ins Gedächtnis rief: τοὔρχηµα µᾶλλον εἰκὸς ἦν σε.[.....]ε̣ιν so wär’s wohl passender, dass (du) den Tanz… (A. Isth. **F 78a.33).

Kommentar In diesem Stück sind die Satyrn nicht in die Fänge eines Unholds, nicht in den Dienst bei einem fremden Herrn geraten, sie sind im Gegenteil aus freien Stücken (und aus grösster Unzufriedenheit mit ihrem Meister und dem Leben unter seiner Ägide) zu abtrünnigen Schutzflehenden an einem fremden Altar geworden. Dieser Emanzipationsversuch scheint radikal: Sie bringen einem fremden Gott Weihgaben dar, verschleudern die Güter ihres ‘eigentlichen’ Herrn; statt zu tanzen, treiben sie Sport und tragen ihre Phalloi zurückgebunden statt frei und aufrecht; sie sind mit Fichte statt mit Efeu bekränzt und schicken sich an, neue Spielzeuge ausprobieren – kein Wunder, dass dies zu einem der wenigen Auftritte des Dionysos im Satyrspiel in persona führt. Freilich ist die eigentliche, die ‘dionysische’ Natur der Satyrn nie vollständig und nie längerfristig unterdrückbar; denn spätestens, wenn es gälte, das Sportgerät zu ergreifen, scheitert der Chor in der neuen Rolle spektakulär: Der eine Satyr weiss nicht, was tun, und den anderen schmerzt der Knöchel.29

28

Cf. zu dieser Szene Kap. 5.2. A. **F 78c.61 (lesbar ist nur σφυρά). Die Szene erinnert an E. Cyc. 632-641, wo sich die Satyrn zur Blendung des Kyklopen anschicken sollten: cf. Kap. 5.2. 29

Sophokles, Ichneutai

313

Sophokles, Ichneutai Überlieferung Zu Beginn des 20. Jh. wurden in Oxyrhynchos grössere Textteile (ca. 450 Verse) der Ichneutai entdeckt,1 eines Stücks, das davor nur in drei Buchfragmenten bezeugt war, die keinerlei Aufschluss über die Stoffgrundlage zu geben vermochten. Es waren aber nicht zuletzt diese Buchfragmente, die eine eindeutige Identifikation der Papyrusfragmente erlaubten. Nach der Publikation des Papyrus wiederum konnte dem Stück ein weiteres Fragment (*F 318) zugewiesen werden.2 Didaskalische Daten liegen keine vor.3 Mythos4 Stoffgrundlage sind zwei Episoden aus der frühesten Kindheit des Gottes Hermes: die Erfindung der Lyra und der Rinderdiebstahl. Ausführlich berichtet der Homerische Hermeshymnos über diese Begebenheiten: Hermes wird in den frühen Morgenstunden von der Nymphe Maia, einer heimlichen Geliebten des Zeus, in einer Grotte am Berg Kyllene geboren, und sogleich zieht es ihn nach draussen, wo er Apolls Rinder entführen will. Vor der Höhle aber stolpert er über 1

Editio princeps in zwei Teilen: P.Oxy. 1174, herausgegeben und kommentiert von Hunt 1912b in POxy IX, 30-86, stellt den Hauptteil dessen dar, was wir von den Ichneutai haben; P.Oxy. 2081, ediert von Hunt 1927 in POxy XVII, 72-73, ergänzt das Stück um einige Wörter und Buchstaben; für ausführlichere Angaben cf. infra Bibliographie s.v. Sophokles, Fragmente. 2 Wilamowitz 1912, zitiert bei Hunt 1912b, 68. – Weitere frühe Reaktionen auf die Entdeckung der Ichneutai in Oxyrhynchos: Maas 1912/1973a; Maas 1912/1973b; Reinach 1912; Robert 1912a (eine Übersetzung für eine Theater-Aufführung); Robert 1912b. 3 Sutton 1980a, 47-48, Sutton 1985, 349 vermutet im Rahmen seiner Theorie, wonach im Satyrspiel Motive aus den vorangegangenen Tragödien in parodistischer Absicht wiederaufgenommen werden, dass die Ichneutai derselben Tetralogie angehören wie der Aias. Cf. dazu bereits Robert 1912b, 543 und O. Kern zit. bei von Blumenthal 1934, 1080. Zur Datierung äussern sich ferner: Wolf 1926; Maltese 1982, 12-17. 4 h.Merc. Der Mythos war wahrscheinlich schon Hesiod bekannt: In den Megalai Ēhoiai F 14 H. ≅ F 256 M./W. erwähnt er evtl. einen Magnes, der wiederum in Antoninus Liberalis’ Geschichte von Battos (dem alten Weinbauern, der Hermes an Apoll verrät) eine zentrale Rolle einnimmt (Ant. Lib. 23; die subscriptio nennt u.a. die Megalai Ēhoiai als Quelle), cf. Hirschberger 2004, 454. Mit Sicherheit kannte Alkaios den Mythos; sein Hermeshymnos soll von ähnlichen Episoden gehandelt haben (e.g. dem Rinderdiebstahl, cf. Paus. 7.20.4; Porphyrio ad Hor. Carm. 1.10.9-12) und dürfte dem Homerischen Hermeshymnos als Vorlage gedient haben; Page 1955, 252-258; West 2003, 14; cf. Apollod. 3.112-115; Philosteph.Hist. Περὶ Κυλλήνης (FHG 3, F 9).

314

Studien I

eine Schildkröte, deren Potential er sofort erkennt: Er tötet sie und stellt aus ihrem Panzer die Lyra her, auf der er zur Mittagszeit traurige Weisen spielt. Spät abends findet er sich in Pylos ein, mitsamt fünfzig prächtigen Rindern, die er aus der Herde seines Halbbruders Apollon entführt hat. Die Spuren hat er dabei so geschickt verwirrt, dass selbst der Bestohlene ihn dafür bewundern wird: Hermes lässt die Rinder rückwärts über sandigen Boden laufen und bindet sich selber grosse Sandalen aus Reisig unter die Füsse. Den ganzen Tag über ist er höchst vergnügt. Unterwegs wird er allerdings von einem alten Weinbauern5 erblickt, der ihn – unbeeindruckt von seinen Drohungen – bei Apollon verraten wird. In einer Höhle in Pylos zündet Hermes ein Feuer an (und erfindet bei dieser Gelegenheit die Methode des ‘Feuerbohrens’), tötet zwei Rinder und bereitet ein Opfermahl zu,6 bei dem er sich selbst trotz grössten Appetits zurückhält. Nachdem er die potentiellen Spuren dieses ‘Opfers’ beseitigt hat, kehrt er zu seiner Mutter zurück (die ihm sofort auf die Schliche kommt) und legt sich mitsamt der Lyra in die Wiege wie ein Baby. Apollon indes bemerkt den Rinderdiebstahl und erfährt vom alten Weinbauern (und durch ein Vogelzeichen), wer der Dieb sei – bei Morgengrauen steht er in Rage vor Hermes, der es sich in seiner Wiege gemütlich gemacht hat, und stellt ihn zur Rede. Der kleine Gott spielt in einer so gewitzten Weise das unschuldige Kind, dass sich Apollon ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. Gleichwohl packt er ihn am Schlafittchen und bringt ihn vor das Gericht des Zeus, wo Hermes sich mit den nämlichen Argumenten wie bereits vor Apollon verteidigt – er sei ein Baby und habe nichts als Schlaf, Muttermilch und Windeln im Sinn. Zeus bricht in schallendes Gelächter aus und fordert seine beiden Söhne dazu auf, sich friedlich zu einigen. Zur Wiedergutmachung schenkt Hermes Apollon die Lyra, und verspricht, ihm weder Lyra noch Bogen jemals zu stehlen.7 Im Gegenzug erhält Hermes den goldenen Stab, den er fortan mit sich führt. Apollon stellt ihm ausserdem ein Losorakel anheim und ernennt ihn zum Herr über verschiedene Tiere sowie zum Boten der Unterwelt.

Schauplatz, Plot, Personen Die Ichneutai weichen von der Version des Mythos, wie er im homerischen Hermeshymnos präsentiert wird, in mehreren Punkten ab; und lange nicht alle dieser Abweichungen sind mit den Erfordernissen und den Bedingungen des 5

In einem Traditionsstrang heisst dieser Alte Battos/Battus, so bei Ant. Lib. 23; Ov. Met. 2.687-703; evtl. bereits in Hesiods Megalai Ēhoiai, cf. die vorangehende Anmerkung. 6 Damit liefert der Hermeshymnos das Aition für das Opfer an die zwölf Götter am Alpheios in Olympia, cf. Burkert 1984/1988. 7 In einigen Versionen stiehlt Hermes Apollons’ Bogen, Köcher und Pfeile: Hor. Carm. 1.10.11; Philostr. Im. 1.26; Schol. Hom. Il. 15.256.

Sophokles, Ichneutai

315

Genres begründbar. Schauplatz ist der Berg Kyllene in Arkadien: hierhin hat Hermes die Rinder entführt und hier die Lyra geschaffen. Mindestens ein Teil der Handlung dürfte sich vor der Höhle abspielen, in der Kyllene ihren Schützling versteckt. Dass nicht Apoll selbst, sondern der Silen und die Satyrn sich auf die Suche nach den gestohlenen Rindern und ihrem Dieb machen, mag der notwendigen Integration der Thiasoten ins Stück geschuldet sein; dass sich Hermes aber in der Obhut seiner Amme Kyllene befindet und nicht bei seiner Mutter Maia, ist nicht ohne weiteres einsichtig. Bemerkenswerterweise wird im Stück eigens darauf hingewiesen: Ungefragt erklärt Kyllene, sie sei deshalb für das Kleinkind zuständig, weil dessen Mutter von einer Krankheit geschwächt sei (Ichn. 273). Ebensowenig durch gattungsspezifische Bedingungen erklärbar scheint die Angabe, dass Hermes schon sechs Tage alt sei (279). Eine intelligente, weil verdichtende Neuerung gegenüber der Version des Hermeshymnos ist die Tatsache, dass der Rinderdiebstahl dem Bau der Lyra vorangeht, und dass die Kuhhaut, mit welcher der Schildkrötenpanzer bespannt wird, die eines der gestohlenen Rinder ist (372-376). Implizit wird hier also die Tötung der beiden Rinder im Hymnos um eine zweite aitiologische Dimension bereichert.8 Der erhaltene Text dürfte gut die erste Hälfte9 des Stücks ausmachen und verläuft folgendermassen: Prologsprecher ist Apollon (1-44), der ins Kyllenegebirge geeilt ist (37), nachdem er den Rinderdiebstahl bemerkt und überall nach dem Dieb gesucht hat (22-32). Er bittet um Hilfe bei der Suche und setzt einen Lohn dafür aus.10 Ähnlich wie in den Diktyulkoi erscheint auf den Hilferuf hin unverzüglich der Silen (und mit ihm wahrscheinlich der Chor).11 Zwar nennt der Silen als Motivation den Wunsch, Phoibos Apollon ‘Freund und Wohltäter’ zu sein ([σ]οί, Φοῖβ’ Ἄπολλον, προσφιλὴς εὐε[ργέτης / θέλων γενέσθαι …, 48-49), doch verhehlt er nicht, dass sein Interesse primär dem in Aussicht gestellten Lohn gilt (τ[ὸ] γ̣ὰρ̣ γέ[ρα]ς µοι κείµενον χρ[υ]σ̣ο[̣ σ]τεφὲς̣ / µά[λι]στ’ … – ‘denn der Preis, der hier für mich liegt, der goldgeflochtene, am

8 Sehr ausführlich zu Sophokles’ kreativer Adaptation des Hermeshymnos äussert sich Allègre 1913. 9 Dass mit F 314 die erste Hälfte des Stücks erhalten ist, ist dank stichometrischer Zeichen gesichert; cf. Siegmann 1973. 10 V. 8: ὑπισ]χνοῦµα̣ι̣ τελεῖ[ν (Schreibweise TrGF: ]χνοῦµα̣ι̣ τελεῖ[ν]); V. 44: τὸ χρῆµα, µισθός ἐσθ’ ὁ κε̣[ίµενος. 11 Da der Chor im ersten Chorlied bereits über den Diebstahl und die vereinbarte Entlöhnung für seine Aufdeckung unterrichtet ist, wird damit gerechnet, dass die Satyrn schon davor (zeitgleich mit dem Silen, wenig später oder nach und nach) auf die Bühne gekommen sind. Die verschiedenen Vorschläge sind dokumentiert bei Scheurer/Bielfeldt in KPS 296 n. 24.

316

Studien I

meisten’, 51-52).12 Mehr noch: offenbar handelt er sich zugleich seine Freilassung aus (und die der Satyrn, wie sich herausstellen wird).13 Mit V. 64-78 erklingt das erste Chorlied des Stücks; auch hier verrät sich als Motivation für die Diebesjagd der versprochene Preis von Freiheit und Gold.14 Wie vor ihm Apollon, lässt der Silen dann einen Hilferuf erklingen, der in leicht verschobenem gedanklichem Arrangement Begriffe aus seinen Auftrittsversen aufnimmt: προσφιλή[ς], ‘ein lieber Freund’ (84) wäre dem Silen und ein εὐεργ[έ]της, ‘Wohltäter’ (85) dem Apoll, wer etwas vom Verbleib der Rinder wüsste – das Gold, auf das der Silen so erpicht ist, bleibt unerwähnt. Der Ruf (79-85) – der verschiedentlich als ‘Durchbrechung der szenischen Illusion’ interpretiert wurde, weil er ans Theaterpublikum gerichtet zu sein scheint –15 bleibt unbeantwortet, und die Satyrn nehmen, in Gruppen aufgeteilt,16 wie Jagdhunde17 die Witterung auf. Bald werden erste Spuren entdeckt: ταῦτ’ ἔστ’ ἐκεῖνα· τῶν βοῶν τ[ὰ] β̣ήµατα – ‘Das sind sie, die Fussstapfen der Kühe’ (102) – die Zeichen verdich12

Cf. auch V. 54-55, wo der Silen Apoll dazu auffordert, zur ausgesetzten Belohnung zu stehen, und Apollon sie ihm zusichert. 13 V. 63: ἐλεύθερος; cf. 75: πατρί τ’ ἐλεύθερον; 164-165: καὶ τὴν ἐλευθέρωσιν ἣν κατῄνεσ̣εν / ὑµῖν τε κἀµοί; 457: ἐλευθερο̣[. 14 Witzigerweise hat der Silen andere Prioritäten als der Chor; in V. 161-165 wirft er den eingeschüchterten Satyrn vor, dass sie den goldnen Reichtum preisgeben, erst dann, dass sie sich die versprochene Freilassung verwirken. 15 So angenommen bereits vom Erstherausgeber Hunt; ferner Reinach 1912, 67; Robert 1912b, 541-542; Allègre 1913, 248; Süss 1935, 183ff.; Süss 1938, 134-135; Guggisberg 1947, 41. – Dasselbe wurde vorgeschlagen für den Hilferuf in Aischylos’ Diktyulkoi, cf. Werre-de Haas 1961, 37. – Bain 1975 hält sich in seinem ‘Epimetrum’ zur ‘audience address in satyr-drama’ (ibid. 23-25) mit dem Hinweis auf die dürftige Überlieferung des Satyrspiels bedeckt und gesteht sie erst dem Satyrspiel des 4. Jh. zu; zur vorliegenden Stelle cf. ibid. 24 § 2. 16 Die zahlreichen Paragraphoi bei den V. 100-123 deuten auf eine Chorteilung in zwei oder gar drei Gruppen. – Aus der Frage τί; τοῖ̣σ̣[ι] ταύτηι πῶς δοκεῖ; in V. 105 schliessen Siegmann 1941, 56 und Steffen 1960, 70 auf die Dreiteilung des Chores. Auf der Basis von V. 174 hatte auch Wilamowitz 1912, 456ff. auf die Dreiteilung des Chores geschlossen. An eine Dreiteilung bereits formierter Halbchöre, i.e. an eine Sechsteilung, denkt e.g. Robert 1912b, 543; damit stützt er zugleich die Befürworter der These, dass der Satyrchor auch nach der Erhöhung der Anzahl der Choreuten in der Tragödie 12 Choreuten behielt (vide supra p. 56-57). Ebenfalls für die Zwölfzahl, jedoch gegen die Drei- und stattdessen für zweimalige Zweiteilung des Chores argumentiert, auf der Basis der Ergebnisse von Münscher 1914, Lammers 1931, 72-78, cf. hier bes. 78. – Cf. ferner Guggisberg 1947, 34; Lloyd-Jones 22003, 142. 17 Zu den zahlreichen Stellen der Ichneutai, an denen die Suche des Silen und der Satyrn als Hundehatz, die Satyrn als hundehafte Wesen dargestellt werden: infra Studien II s.v. Tiere, p. 438-439 mit n. 382 und 383.

Sophokles, Ichneutai

317

ten sich (cf. 106: σαφῶ̣[ς γ]ὰρ αὔθ’ ἕκαστα σηµαίνει τά̣δ̣ε – ‘Jede Einzelheit deutet klar darauf hin’̣); die Satyrgrüppchen entdecken hier wie da dieselben Hufabdrücke (108: καὶ τοὐπίσηµον αὐτὸ τῶν ὁπλῶν π̣ά̣λ̣ι̣[ν – ‘Und wiederum dieselbe Spur der Hufe!’; 110: αὔτ’ ἐστι τοῦτο µέτρον … – ‘Genau dasselbe Mass ist das …’; 115-116: ἀλλ’ αὐτὰ µὴν ἴχ̣[νη τε] χὠ σ̣τίβος τάδε / κείνων ἐναργῆ τ̣ῶν β[ο]ῶν µαθεῖν πάρα – ‘Doch da sind genau dieselben Spuren und die Fährten jener Kühe klar zu erkennen.’). Ist eine Entdeckung für die Satyrn an sich ein Grund, sich sehr zu echauffieren,18 so ist ihre Aufregung hier noch viel grösser, weil die Spuren ein schier unlösbares Rätsel darstellen –19 Hermes hat ja, um eine falsche Fährte zu legen, die Kühe rückwärts nach Pylos gehen lassen. Man kann sich vorstellen, was aus den wertvollen Spuren wird, die es hier zu sichern gälte, wenn der ganze Chor der Satyrn auf ihnen herumhüpft. ἔα µάλα· παλινστραφῆ τοι ν̣α̣ὶ̣ µὰ Δ∆̣ί̣α̣ τὰ̣ β̣ή̣µ̣α̣τ̣α̣ εἰς τοὔµπαλιν δέδορκεν· αὐτὰ δ’ εἴσιδε. τί ἐστὶ τουτί; τίς ὁ τρόπ̣ος20 τοῦ τάγµατ[ος; εἰ̣ς̣ τοὐπίσω τὰ πρόσθεν ἤλλακται, τὰ δ’ αὖ ἐναντί’ ἀλλήλοισι συµπ̣[επλεγ]µένα21· δεινὸς κυκησµὸς εἶχ[ε τὸν βοη]λάτην. Hoppla! Verkehrt herum sind ja die Tritte, bei Zeus, und schauen rückwärts; sieh sie dir an! Was ist das? In welche Richtung geht die Truppe jetzt? Die vorne sind nach hinten gerückt, die anderen ihrerseits sind entgegengesetzt durcheinander geraten: entsetzliche Verwirrung hatte den Kuhtreiber befallen. (S. Ichn. 117-123; Übersetzung: Scheurer/Bielfeldt in KPS 298)

So scheinen die Satyrn also in aufgeregtem Tanz begriffen zu sein, als ein Klang sie plötzlich derart in Schrecken versetzt, dass sie sich – wie sich aus den Worten des Silen schliessen lässt – zu Boden werfen und in den seltsamsten Posen erstarren. Der Silen, der von der Truppe entfernt (vielleicht auf dem logeion, nicht in der orchestra) steht, hört nichts, und will wissen, was das für eine neue τέχνη sei, was für ein ihm unbekannter τρόπος, warum der Chor in Angst geraten sei und warum er bakchisch rase (βακχεύεις, 133). Die Satyrn fordern ihn auf, den 18

Cf. infra Studien II s.v. Erfindung. Cf. infra Studien II s.v. Rätsel. 20 Ich übernehme hier (120) anstelle von τρόχ̣ος (Siegmann, Radt) die Lesart von Hunt. 21 Auch hier (122) setze ich Hunts Ergänzung anstelle von συµβ̣[εβλη]µένα (Snell, von Blumenthal, Radt); cf. Diggle 1996, 7 ad loc. 19

318

Studien I

Klängen zu lauschen; er steigert sich jedoch in eine Schimpftirade gegen die Satyrnatur hinein und kontrastiert sie in Nestor’scher Manier22 mit seiner eigenen einstmaligen Exzellenz, ehe ihm die Belohnungen einfallen, welche die Satyrn ihm gerade verwirken, und er ihnen mit Schlägen droht, so sie die Witterung nicht wieder aufnehmen.23 Es folgt eine überaus agitierte Jagdszene in Form eines astrophischen Chorlieds, bei der sich der Chor in kleine Gruppen aufteilt (176-202), ehe abermals die fremden Klänge erklingen und diesmal den Silen in Schrecken versetzen (203-205); so sehr, dass ihn weder Kühe noch Gold mehr zu halten vermögen (206-209). Die Satyrn ihrerseits haben offenbar Mut gefasst und wollen mit Sprüngen und Stampfen den Boden erbeben lassen (210-220), als Kyllene auftritt und sich über das Benehmen der Satyrn höchst befremdet zeigt. Ihre Worte lassen die Schimpftirades des Silen widerhallen, wenn auch mit signifikanten Abweichungen (221-242). Die Satyrn versuchen sie zu besänftigen (243-250), um in Erfahrung zu bringen zu, woher die unbekannten Laute stammen (258261). Kyllene gibt daraufhin preis, dass man ihr Hermes, einen wundersamen und überaus schnellwachsenden Säugling, anvertraut habe, und dass die Klänge einem Instrument entstammen, das dieser ganz allein gefertigt habe (262-289). Es folgt eine stichomythische Rätselszene (290-328), in der die Satyrn zu erraten suchen, welchem toten Tier Hermes mit dem Bau der Lyra zu einer Stimme verholfen habe. Allmählich begreift der Chor, dass Erbauer der Lyra und Rinderdieb ein und dieselbe Person sind (329-335). Dass ihr Zögling verdächtigt wird, erregt Kyllenes Zorn und heftigen Widerspruch; und dass ein Satyr sie inmitten der inquisitorischen Szene sexuell bedrängt, macht ihre Laune auch nicht besser (366-368). Der Chor aber hat seinen Dieb gefunden; Apollon wird gerufen (um V. 450); er stösst dazu – hier bricht das Fragment ab. Kommentar Die Ichneutai weisen eine Reihe von Motiven auf, die zu den Satyrspieltopoi gehören: Die wundersame Erfindung eines Kulturguts, eines Musikinstruments, dessen Klänge die Satyrn ebenso erschrecken wie faszinieren; ein Gott (oder Heros) im Kleinkindalter, der bereits die Eigenschaften hat, die ihn als Erwachsenen auszeichnen werden; erfolgloses sexuelles Bedrängen einer weiblichen Figur durch die Satyrn; Rätselraten (in stichomythischer Form) etc.24 22

Voelke 2001, 62-63. Zu der grossen Schimpftirade: supra Kap. 6.1, p. 220-223. 24 Cf. Studien II s.v. Erfindung; s.v. Kindheit; s.v. Rätsel; s.v. *Sexualität. Zu stichomythischen Rätselszenen: Seaford 1976b, 216-219; Seaford 1984, 41 mit n. 122 (weitere Satyrspielstellen); Collins 2004. 23

Sophokles, Ichneutai

319

Mit der Schelte des Silen (Ichn. 124-130, 145-168) und der rhesis der empörten Kyllene sowie ihren Reaktionen im Verlauf des anschliessenden Wortgefechts (221-234 etc.) sind zwei Schlüsselstellen nicht nur des Stücks, sondern des erhaltenen Satyrspiels überhaupt erreicht: Der Silen und Kyllene bringen hier die grosse Spannung zum Ausdruck, die zwischen dem ‘eigentlichen’ Satyrdasein im Gefolge des Dionysos und dem aktuellen Leben unter der Ägide eines anderen Gottes in der fremden Rolle des ‘Jägers’ und Spurensuchers besteht. Kyllenes Vorwurf ist dem des Silen zunächst diametral entgegengesetzt: er hält das bakchische,25 sie das eifrige Benehmen der Satyrn und, dass sie nicht mehr um den Herrn tanzen,26 für völlig deplaziert; ihn ärgert, dass die Satyrn, zur Rede gestellt, nur schweigen (135). Demgegenüber ärgert sie sich darüber, dass die Satyrn, die sich wie eine Jagdgesellschaft benehmen, unsäglichen Lärm machen (222, 232) – er wird aber bald von seiner eigenen dionysischen Natur eingeholt; sie wiederum wird feststellen, dass die eigentliche Natur der Satyrn unverwüstlich ist.27 Das ganze Drama ist ‘ἔµµεστον β̣οῆς’ (cf. 289), dominiert von der Akustik und den entsprechenden Wortfeldern – Geräusche und verbale wie nonverbale Artikulation;28 Hören/Nicht Hören, Taub Sein;29 Schweigen;30 Interjektionen.31 25

Ichn. 133: τί ποτε βακχεύεις ἔχων; Ichn. 227: εὐίαζες ἀµφὶ τὸν θεὸν. 27 Cf. Kap. 5.2. 28 Geräusche und (verbale wie nonverbale) Artikulation: ἀγγέλλω (Ichn. 7), ]χνοῦµαι (sehr wahrscheinlich: ὑπισχνοῦµαι, 8), κήρυγµ’ ἔχων (19), ἐν λόγῳ (40), πᾶσιν ἀγγέλ[λω (42), φώνηµα (45), [βοῶ]ντος ὀρθίοισι σὺν κηρύγµασ[ιν (46), ἅπε[ρ] λέγεις (54), πατρικὰν γῆρ̣[υν (71), [προφήνας, (77)], φράσας τόδε (84), φησίν τις; (91), ῥοίβδηµ’ (113; cf. dazu Turner 1988; bei ῥοῖβδος in der Zeile unterhalb handelt es sich um eine Regieanweisung, cf. Hunt 1912, POxy IX, 72 ad P.Oxy. 1174 col. V.2; Wilamowitz 1912), φθ̣[έγ]µατ̣ος (114), ἀποθυµαίνεις (128), σ̣[η]µήνατ’ (130), [κέρχν[ο]ς (134; sofern hier vom rauhen Klang der Lyra, und nicht, wie von Lloyd-Jones 1994, 136-139 argumentiert, von ‘Hirse’ die Rede ist, vide infra p. 391 n. 170)], οὐδεν]ὸς φωνὴν κλύων (139), ψόφῳ (144), τί µοι ψ[ό]φον; (145), γ]λῶσσα (151), λόγοισιν (152), ψόφοισι (157), [ψ]όφῳ (160), εἶπε κ[ἀ]νεδέξατο (163), κλαίοντες αὐτῇ δειλίᾳ ψοφή[σ]ετε (168; cf. jedoch auch Lloyd-Jones’ Interpretation dieser Stelle, supra p. 73 n. 129); λόγῳ (172), κυν̣ο̣ρ̣τικὸ̣ν σύριγµα διακαλούµεν[ος (173), λέγ’ (176), τί µάτην ὑπέκλαγες, ὑπέκριγες (177), εἴποµεν (203), φθέγ̣⌊µ’ ἀφύσεις⌋ (214; cf. KPS 302 n. 48 zu alternativen Lesarten), ὁ[..]ῦ φ̣αν.[..]α̣ιτοισιν. ἀλλ’ ἐγὼ τάχα / φ[έρ]ω̣ν κτ̣ύ[π]ο̣ν πέδορτον ἐξαναγκάσω / π̣[η]δήµ̣ασιν κραιπνοῖσι καὶ λακτίσµασιν / ὥ̣[σ]τ̣’ εἰσακοῦσαι κεἰ λίαν κωφός τις ᾖ (217-220), ὡρµήθητε σὺν πολλῇ βοῇ (222), εὐίαζες (227), ὁµοῦ πρέπον κέλευµά πως κυ̣ν̣η̣γετ[ῶ]ν (231), γλώσσης (234), κηρυκ[..]..ι[.....]. κ̣ηρυγµα [ (236), ποδῶν λακ[ (eine Form von λάκτισµα?, 237; cf. KPS 303 n. 52), γλ[ῶ]σσαν (246), ἐγήρυσε θέσπιν αὐδά̣[ν (250), ὀρθοψάλακτον εν[.]...[..]ιν̣[ (255), ἀλλ’ ἥσυχος πρόφαινε καὶ µ̣[..]..[ (256), φράσω (259), τὸ φθέγµα δ’ ἡµῖ̣ν̣ τοῦ[θ’] ὅπερ φωνεῖ φράσον (260), εἰ φανεῖτε τὸν λ̣[ό]γ̣ον τὸν ἐξ ἐµοῦ (263), Ἥραν ὅπως µ[ὴ 26

320

Studien I

Der Silen erscheint auf den Ruf von Apoll; zunächst lauschen die RinderdiebJäger angestrengt nach einem Muhen der Kühe; die wildesten Satyrbewegungen und -tänze sind Reaktionen auf die Klänge der Lyra, an denen sich auch der Streit zwischen Silen und Satyrn entzündet. Auffällig oft greift der Silen den Begriff ψόφος auf.32 Kyllene ärgert sich über den Lärm der Satyrn. Das zentrale Ereignis im Stück ist die Schöpfung der Lyra durch Hermes. Der Rinderdiebstahl, der im Homerischen Hermeshymnos ein vom Bau der Lyra unabhängiges Element der Geschichte darstellt, steht in den Ichneutai im Dienste der Erschaffung des Instruments: Hermes hat seine Lyra mit der Haut eines der gestohlenen Rinder überzogen. Diese Verschmelzung der im Hermeshymnos voneinander unabhängigen Episoden, auf die im Stück verschiedentlich hingewiesen zu werden scheint, wird dadurch besonders betont, dass mit der klanglichen Verwandtschaft von βοῦς/βοή/βοᾶν gespielt wird.33 πύ]στ[ι]ς ἵξετα[ι] λ̣όγου (266), [.............φ]θ̣έγµα µηχανῇ βρέµ[ (284), ἔµµεστον α[ ca. 10 ll. ] παῖς β̣οῆς (289), λεγε.[ (291), φώνηµ[ (293), τος πορίζειν τοιάνδε γῆρυν (297), ἔπη (298), φθέγµα τοιοῦτον βρέµειν (299), θανὼν γὰρ ἔσχε φωνήν, ζῶν δ’ ἄναυδος ἦν ὁ θήρ (300), τ̣[......]φ̣ων[..]ν̣ ἐστιν αὐτοῦ, τοὐντὸς ἢ τοὔξω, φράσον (309; cf. die Konjektur von Hunt: τ[ί δ’ αὖ τὸ] φων[οῦ]ν), λύραν ὁ παῖς κ̣αλεῖ (312), ὧδ[ε] κλαγγάνε̣ι̣ .[ (315), … χα[ί]ρει δ’ ἀλύων καί τι προσφων[ / ξύµφωνον· ἐξα[ί]ρει γὰρ αὐτὸν αἰόλισµα τῆς λ[ύ]ρ̣α̣ς̣. / οὕτως ὁ παῖς θανόντι θηρὶ φθέγµ’ ἐµηχανήσατ[ο. / 〈×〉οψάλακτός̣ τις ὀµφὴ κατοιχνεῖ τόπου, / πρεπτὰ 〈 –〉 δὴ̣ τ̣όνου φάσµατ’ ἔγ̣- / χωρ’ ἐπανθεµίζει (326-331), λ̣έ̣[γεις (342), σαφεῖ λόγῳ (358), λόγον (359), [χ]ανόντα κλαίειν ὕστερ’ ὡς ἐγὼ γελῶ (370), στρέφου λυγίζου τε µύθοις, ὁποίαν θέλεις / βάξιν εὕρισκ’ ἀπόψηκτον· οὐ / γάρ µε ταῦτα πείσεις (371-373), ἥν τ’ ἔφης̣ .[ (444). 29 Hören, Nicht Hören, Taub-Sein: ἐπέκλυον (45), κατήκοος (83), οὖς (113), εἰσακούω̣ (114), ἄ[κουε δή (138), καλ̣ῶς [: καὶ πῶς] ἀκούσ[οµ’ οὐδεν]ὸς φωνὴν κλύων (139), ἄκουσον αὐτὸ̣ς̣ ν̣ῦ̣[ν, πά]τε̣ρ̣, χρόνον τινὰ / ⌊ο⌋ἵῳ π⌊λ⌋αγέντες ἐν⌊θάδ’⌋ ἐξενίσµεθα / ψόφῳ, τὸν οὐδε[ὶ]ς π̣[ώπο]τ’ ἤκουσεν βροτῶν (142-144), οὐ[κ ε]ἰσακο[ύε]ις; ἦ κεκώφη[σαι (204), ὥ̣[σ]τ̣’ εἰσακοῦσαι κεἰ λίαν κωφός τις ᾖ (220), … θαῦµα γὰρ κατέκλ̣[υ]ο̣ν / ὁµοῦ πρέπον κέλευµά … (230-231), ἀκο̣[ύ]σ̣ασ̣’ (240). 30 Schweigen: σίγ[α] (103), τ[ί.....] ⌊σιγ⌋ᾶτ’, ὦ πρ⌊ὸ τοῦ⌋ [λαλίστ]ατοι; (135), οὐδὲν λέγω[ν (171), τί σι̣γᾷς; (203), ἥσυχος (256), ἄφραστ̣[ (290), ζῶν δ’ ἄναυδος ἦν ὁ θήρ (300; cf. 328: οὕτως ὁ παῖς θανόντι θηρὶ φθέγµ’ ἐµηχανήσατ[ο). 31 Interjektionen: ἴθ’ ἄγε (64), ἀπαπαπ[ (66), ὢ ὤ (67), ἰὼ ω̣[ (88), ἄγ’ εἷ̣α δὴ πᾶς̣ (93), θεὸς θεὸς θεὸς θεός (100), ἴσχε (101), ἰδοὺ ἰδού (107), ἔα µάλα (117), ν̣αὶ̣ ̣ µὰ Δ∆̣ί̣α̣ (118), ὕ̣ [ὗ] ὕ̣ ὗ̣ (131), ὗ ὗ ὗ, ψ ψ, ἆ ἆ (176), ἐφέπου, ἐφέπου µ.[ / ὀπποποῖ· ἆ µιαρέ, γε̣[ (196-197), ἔπ[ι]θ’ [ἔ]πεχ’ εἴσιθ’ ἴθι̣[ (201), ἔ̣α̣ (205) ἶὼ γ.[ (213), µή µε µὴ προψαλ̣[ (247), ὦ πόνηρ’ (399), ἰοὺ ἰοὺ [ (443). 32 144, 145, 157, 160, cf. auch ψοφέω in Vers 168. 33 β]οῦς (11), [βοῶ]ντος (46), βοῦς (82), τῶν βοῶν (102), τῶν β[ο]ῶν (116), τὰς βοῦς (167), β[ο]ῦς (191), τὰς βοῦς (208), βοῇ (222), ἔµµεστον α[ca. 10 ll.] παῖς β̣οῆς (289), βοῦς (345), βοῶν (376), βόες (397), τὰς βοῦς (402), βόες (403), [β]οῶ[ν (450); ferner F 314a fr. 20 Z. 1: βοω; *F 318 (via Ath. 9.409b, mit dem Vermerk παρὰ Σοφοκλεῖ Ἑρµῆς): βοόκλεψ.

Sophokles, Inachos

321

Sophokles, Inachos Überlieferung Mit 28 Buchfragmenten, von denen 25 den Titel nennen, gehörte der Inachos schon vor den Papyrusfunden zu den gut dokumentierten Dramen des Sophokles. Dies spricht ebenso für die Beliebtheit des Stücks wie die Tatsache, dass sich Aristophanes wiederholt darauf bezog.1 Die Fragmentträger weisen den Inachos weder im Titel2 noch durch explizite Hinweise auf die Präsenz der Satyrn oder des Silen als Satyrspiel aus; gleichwohl hat sich die schon früh gehegte Ansicht, es handle sich dabei um ein Satyrspiel, inzwischen durchgesetzt.3 Dies besonders, seit 1933 der Tebtunis-Papyrus 692 mit 78 fragmentarischen Versen publiziert wurde, die stofflich und stilistisch sehr gut zu einem Satyrspiel Inachos passen.4 Der 1956 veröffentlichte P.Oxy. 2369 (≅ **F 269a-b)5 lässt sich dank der Überschneidung mit einem Buchfragment dem Inachos zuweisen.6 Didaskalische Daten sind nicht erhalten; zwei Anspielungen auf das Stück bei Aristophanes ergeben die tentative Datierung auf vor 425 bzw. 421 v.Chr. 7 1

S. Ina. F 275 (Ar. Pl. 806-818); F 278 (ap. Schol. Ar. Pax 531); F 281 (Ar. Ec. 79-81). Der fehlende Titelzusatz ist kein Argument gegen die Satyrspielqualität; cf. Radt 1983, 194: “Aber auch hinter anderen, uns eventuell ganz tragisch anmutenden, Titeln können Satyrspiele stecken! Wer wäre z.B. ohne das ausdrückliche Zeugnis unserer Quellen je auf den Gedanken gekommen, in dem Amphiareos und dem Herakles des Sophokles oder in dem aischyleischen Lykurgos Satyrspiele zu vermuten?” Cf. auch Pearson 1917, I, 198: “…the more famous the play the less need was there to cite it with a title distinctive of its character.” Beim Titelzusatz σατυρικῷ in Hdn.Gr. Περὶ µονήρους λέξεως Β, II.II, p. 940.23 Lentz: παρὰ Σοφοκλεῖ ἐν Ἰνάχῳ σατυρικῷ handelt es sich um eine Konjektur Dindorfs, die Lentz berücksichtigt, die Nauck jedoch verworfen hatte (cf. Lentz app.crit. ad loc.), und die in der späteren Literatur ignoriert worden ist. 3 Für die Satyrspielqualität: e.g. Hemsterhuis 18112, 248; Guggisberg 1947, 112; Pfeiffer 1938, 23-62, bes. 59-62; Pfeiffer 1958; Pavese 1967; Sutton 1974h; Lloyd-Jones 22003, 113; Seaford 1980, 28-29; contra: Wilamowitz 1889, 88-89 n. 53 (der das Stück für eine Tragödie “an stelle des satyrspiels” [sic] im Stile der Alkestis hält); ferner Calder 1958; Collinge 1958/1959, 34-35 (beide in Unkenntnis von Pfeiffer 1958 verfasst!); zur Tragödie tendiert auch West 1984. Gemäss den jüngsten Studien ist die Satyrspielqualität inzwischen communis opinio: Allan 2003, 310; Voelke 2003, 223 n. 8. 4 Editio princeps: Hunt/Smyly, The Tebtunis Papyri 3.1, 1933. Entspricht S. Ina. **F 269c-e Radt. In S. Ina. **F 269d Radt (entspricht P.Tebt. 692 fr. 2) fällt der Name ‘Inachos’ (23: Ἰνάχωι). 5 E. Lobel, POxy XXIII, 1956. 6 S. **F 269a.51 Radt ≅ F 290 Pearson. 7 Gemäss Schol. vet. Ar. Pax 531 bezieht sich Aristophanes hier auf ein Lied des Inachos, cf. S. Ina. F 278. Pfeiffer 1938, 34 hört in Ar. Ach. 390 einen Anklang an S. Ina. **F 269c.19-20. Ersteres bedeutet als terminus ante quem 421 v.Chr., letzteres 425. 2

322

Studien I

Mythos Der Flussgott Inachos war König von Argos und Stammvater der Argiver. Als Hera und Poseidon beide Anspruch auf Argos erhoben, wurde er zum Schiedsrichter erkoren; er entschied sich für Hera, worauf Poseidon sein Flussbett trockenlegte.8 Bekannter (und dem Inachos wahrscheinlich zugrundegelegt) sind spätere Episoden des Inachos-Mythos, die seine schöne Tochter Io involvieren, zu der Zeus in Liebe entbrannte.9 Die Nähe seiner Gattin Hera zu Argos bescherte Zeus bei diesem Liebesabenteuer besondere Komplikationen; es endete mit der Verwandlung der Io in eine Kuh (die Bedingungen der Verwandlung variieren stark). Diese Kuh unterstellte die misstrauische Hera der Aufsicht des ‘Allessehers’ (Πανόπτης) Argos, der im Auftrag des Zeus von Hermes (dem Ἀργειφόντης) getötet wurde. Io floh nach Ägypten, erlangte dank Zeus wieder menschliche Gestalt, gebar Epaphos und wurde zur Ahnherrin bedeutender Geschlechter und von den Ägyptern mit der Göttin Isis gleichgesetzt.

Schauplatz, Plot, Personen Die Szenerie ist ungewiss – ein Teil der Handlung dürfte sich auf einer Kuhweide abgespielt haben,10 ein anderer in der Nähe eines Palastes.11 Als dramatis personae gesichert sind neben dem Silen und den Satyrn Inachos, Hermes, Argos,12 ziemlich sicher Iris13 und möglicherweise, in welcher Form auch immer,14 Io; strittig ist nach wie vor die Rolle des Zeus. Gewöhnlich wird davon 8

Paus. 2.15.4; bei Apollodor (2.13-14) fallen dieses Urteil und seine Konsequenzen in eine spätere Phase des Inachos-Mythos. 9 Den Stoff kennen bereits die Epiker des 7. Jh. v.Chr., und er findet sich ebenso in der argivischen Lokalhistorie wie bei den Lyrikern und Dramatikern. Für das Drama zu nennen sind insbesondere A. Supp. 291-315 und [A.] Pr. 561-900. Die detailliertesten Versionen finden sich bei Ovid und Apollodor: Ov. Met. 1.583-750; Apollod. 2.5-9. – Zu den Varianten cf. Eitrem 1916; Jacoby in FGrH IIIb, 11-12; Robert 1920, 253ff.; Sutton 1979a, 1-8. 10 S. Ina. **F 269c; cf. Carden 1974, 80. 11 S. Ina. **F 269a.21-28; ein Szenenwechsel ist möglich, aber nicht zwingend; in Frage käme auch eine Weide in Palastnähe, so Heynen/Krumeich in KPS 338. 12 S. Ina. F 281, F 281a, **F 269a.56; evtl. auch **F 269d.19, wenn ἡ φύσασα γῆ mit seiner in einigen Versionen genannten Eigenschaft, erdgeboren zu sein, zu tun hat; cf. Lloyd-Jones 22003, 115. 13 Cf. S. Ina. F 272 und den Zitatkontext: Schol. Ar. Av. 1203. 14 Aus der Form ἐκβουτυποῦται in Ina. **F 269a.37 und den entzifferbaren Details in den umliegenden Versen schliesst Pfeiffer 1958, 20-22, dass Io vollständig in eine Kuh verwandelt wurde; möglich ist aber auch, dass die Verwandlung nur einzelne Körperteile

Sophokles, Inachos

323

ausgegangen, dass Zeus der dunkle Fremde (S. Ina. **F 269a.54: κάρβανος αἰθός) ist, dessen Berührung Io in eine Kuh verwandelt.15 Der Hinweis auf seinen dunklen Teint scheint eine Antizipation des κελαινὸς Ἔπαφος ([A.] Pr. 851) zu sein, den Io dem Zeus gebären wird.16 Viele Interpreten aber stossen sich an der Annahme von Zeus’ Präsenz auf der dramatischen Bühne, für die es in klassischer Zeit keine sichere Parallele gibt,17 und mutmassen daher, dass Zeus nicht aufgetreten, sondern nur erwähnt oder durch Hermes ersetzt worden sei.18 Hochinteressant ist der Vorschlag von Seaford 1980, der in dem ‘schwarzen Zeus’ den Ζεὺς ἄλλος (A. Supp. 231; cf. 154), den Herrn über das Totenreich, Ζεὺς Χθόνιος zu erkennen glaubt, der bisweilen mit Hades oder Pluton gleichgesetzt19 wird.20 Diese Identifikation verleiht S. Ina. **F 269c.16-20 einen witzigen Dreh, wo der Chor den unsichtbaren, syrinxspielenden Hermes mit Hades in Zusammenhang bringt. Darüber hinaus erklärt sich so ‘das Erscheinen des Pluton’21 oder ‘Plutos’ in F 273 und 283. Der Stückverlauf ist nicht rekonstruierbar; drei Szenen aber sind in Umrissen auszumachen: **F 269b, das den Schrei ἔχ’ αὐτόν, ὤ ἰού ἰού – ‘halte ihn, los, los…’ enthält, dürfte dem stürmischen Auftritt des Inachos angehören. Im darauf folgenden **F 269a berichtet dieser dem Chor von dem Fremden, den man für einen Wohltäter gehalten, der sich dann aber als grosser Missetäter herausgestellt habe, und der flüchtig sei, nachdem er Io in eine Kuh verwandelt habe. Nachdem der Chor sich vergewissert hat, dass dieser Fremde tatsächlich verschwunden ist, folgt der auffällig kurze (und daher in ein Satyrspiel passende) ‘Botenbericht’ des Inachos über Ios Verwandlung. Der Chor zeigt sich erstaunt und entsetzt; der Fremde wird als πολυφάρµακος und als ‘sonnenverbrannter Barbar’ (53-54) bezeichnet. betraf (Carden 1974, 64-65). In letzterem Fall könnte Io, so sie überhaupt auf der Bühne zu sehen war, als Frau mit Kuhmaske aufgetreten sein. 15 S. Ina. **F 269a.34-40; der Verwandlung zuzuordnen sind auch Ina. **F 295a (Hsch. σ 1906 s.v. στολοκρατές) und *F 279; zu letzterem cf. Pfeiffer 1958, 33-35; Carden 1974, 66-68; ganz anders auch Luppe 1976. 16 So bereits angenommen vom Erstherausgeber Lobel; cf. Carden 1974, 70; en détail diskutiert die Hautfarbe West 1984, 293-297. 17 Zu der auf Poll. 4.130 gründenden These, dass er in Aischylos’ Psychostasia auftrat, vide Carden 1974, 54. West 1984, 294-295 hält einen Auftritt von Zeus in Euripides’ Alkmene für wahrscheinlich. – Cf. ferner Timesitheos TrGF 214 tit. 8 Ζηνὸς Γοναί; und Zeus’ diverse Auftritte in der Komödie e.g. Cratin. Nemesis. 18 Heynen/Krumeich in KPS 339 mit der betreffenden Literatur. 19 Zur Ambivalenz des Zeus Chthonios [Hades], der sowohl als “extension” als aber auch als “counterpart” von Zeus aufgefasst werden kann: West 1978, 276 ad Hes. Op. 465, s.v. Δ∆ιὶ χθονίῳ. 20 Affirmativ: Lloyd-Jones 22003, 114; Voelke 2003, 342; anerkennend, aber kritisch: West 1984, 293; 297 n. 25. 21 So die deutsche Übersetzung von F 273: Πλούτωνος (i.e. Πλούτου) δ’ ἐπείσοδος.

324

Studien I

Der Tebtunis-Papyrus wiederum (**F 269c-e) enthält kurze lyrische sowie stichomythische Partien in trochäischen Tetrametern und lässt grosse Aufregung des Chores erkennen (**F 269c):22 Hermes trägt die Hadeskappe, die ihn unsichtbar macht, und narrt die Satyrn,23 indem er die Syrinx erklingen lässt. Der Chor versteht in seiner wachsenden Aufregung nur langsam, dass er den ‘alles mit List ersinnenden’ (33) Hermes (und nicht, wie er zuerst dachte, Hades)24 vor sich hat. Hermes scheint im Auftrag des Zeus gekommen zu sein, um Argos zu erlegen und Io zu befreien. In der stichomythischen Verspartie 40-48 klappern jemandes Zähne vor Furcht und ein anderer sagt von sich, er klage. Vielleicht handelt es sich dabei um einen Ausschnitt aus einem Streitgespräch zwischen Hermes und dem Chor.25 **F 269d, das vor oder nach **F 269c gestanden haben kann, scheint ebenfalls aus einem Streitgespräch zu stammen, wahrscheinlich zwischen Hermes und Inachos.26 Den Buchfragmenten lässt sich die eine oder andere Hypothese über weitere Szenen abgewinnen; sicher ist, dass die beiden anapästischen Fragmente F 270 und *F 271 Teile der Parodos sind, in der Inachos besungen wird.27 F 286 und evtl. F 289 sowie die obskuren F 28428 und 285 deuten auf eine Dürre, die Argos getroffen hat.29 Mit Zeus’ Kommen scheint der Dürre aber – einem Scholion zu Aristophanes Plutos 807 zufolge – ein Ende gesetzt worden und grosser Fruchtbarkeitssegen über das Land gekommen zu sein.30 Die Hinweise auf eine üppige Zeit könnten allerdings auch einer nostalgischen Klage angehören, in der die Vergangenheit mit der aktuellen Misere kontrastiert wird.31 In allen Versionen des Mythos bezwingt Hermes den Argos; das dürfte auch für den Inachos seine Gültigkeit haben (wenn auch die Tötung, der Theaterkonvention gemäss, sicher nicht auf der Bühne gezeigt wurde). Da der Scholiast, dem sich F 281a verdankt, berichtet, Sophokles habe Argos singend auf die Büh22

Zu dieser (Tanz-)Szene: supra p. 198-199. Pfeiffer 1938, 36. 24 Eine Vermutung von Lloyd-Jones 1965, 241-243, die wiederum für die These des ‘black Zeus’ von Seaford 1980 spricht. 25 Zu den verschiedenen Identifikationsversuchen der Sprecher cf. Heynen/Krumeich in KPS 328 n. 66. 26 Hermes scheint gesetzt; in Frage für das Gegenüber kommt auch Argos, cf. LloydJones 22003, 115. 27 Heynen/Krumeich in KPS 340. 28 Cf. Heynen/Krumeich in KPS 335 mit der relevanten Literatur. 29 Es könnte sich dabei um besagte Austrocknung des Flussbetts durch Poseidon handeln (cf. supra § Mythos), cf. Lloyd-Jones 22003, 114; dagegen aber Heynen/Krumeich in KPS 341 mit n. 127, wo die Dürre als eine Strafe der Hera wegen Ios Liaison mit Zeus ausgelegt wird. 30 F 275; cf. F 273 und *F 279. 31 Heynen/Krumeich in KPS 341. – Nostalgisch ist auch der Sprecher von F 278, welcher der goldenen Zeit unter Kronos gedenkt. 23

Sophokles, Inachos

325

ne gebracht, rechnet Lloyd-Jones mit einem musikalischen Agon zwischen Argos und Hermes;32 in diesem Kontext liessen sich auch die beiden aufs Richter- und Abstimmungswesen deutenden F 288 und 295 verorten.33

Kommentar Gemessen am erhaltenen Material, ist unser Wissen über den Inachos enttäuschend gering. Mit Hermes tritt im Stück eine im Satyrspiel prominente Figur auf –34 spezifisch wie auch allgemein als Archetyp des gerissenen Diebs und Schlaumeiers.35 Der ‘Betrug’, der stattfindet, ist in erster Linie aber jener des ‘dunklen Fremden’, die List des Hermes kommt wohl erst bei der Beseitigung des Argos zum Zuge. Für den Stückzusammenhang, so weit er sich uns erschliesst, ist das Auftreten diverser Satyrspieltopoi denkbar: Zauberei (des Fremden, der πολυφάρµ̣[ακος sei, **F 269a.53), Verwandlung,36 die Erfindung eines Musikinstruments oder der erste Kontakt der Satyrn mit diesem,37 Angst, Staunen, Feigheit der Satyrn; und wie immer ‘die fremden Rollen’38: die Satyrn vielleicht als Hirten, der Silen als Haushofmeister oder Türsteher.39 Ist Seafords These des ‘black Zeus’ richtig, so ist der Inachos unter die zahlreichen Satyrspiele zu reihen, welche die Unterwelt und die anodos aus dieser thematisieren.40 Stimmt die auf dem genannten Scholion zu Aristophanes Plutos 807 basierende These, dass Zeus’ Besuch in Argos letztlich grossen Segen über das Land brachte, ist die Nähe zu einem anderen Satyrspiel, der Amymone des Aischylos, noch grösser, als sie aufgrund des mythischen Zusammenhangs ohnehin ist:41 Als Poseidon nämlich aus Zorn über Inachos’ Schiedsspruch die Dürre über Argos gebracht hatte, schickte Danaos seine Tochter Amymone zum Wasserholen; ihr begegnete ein zudringlicher Satyr, den Poseidon verscheuchte, um sich 32

Lloyd-Jones 22003, 116-117. Eine abenteuerliche Rekonstruktion des Inachos legt jüngst Allan 2003 vor. 34 S. Ichn.; E. Syl.; Ion Trag. Omph.; Achae. Omph.; cf. auch den nachklassischen Hermes des Astydamas II (F 3). – Bei einer Reihe weiterer Stücke ist ein Auftritt von Hermes nicht auszuschliessen; so etwa in A. Sisyphos; S. Dion.; S. Krisis; E. Skir.; Achae. Iris (zu letzterem cf. Schloemann/Krumeich in KPS 526-527). 35 Dazu Seidensticker in KPS 29-30. 36 Cf. Studien II s.v. Metamorphose. 37 Cf. Studien II s.v. Erfindung. 38 Cf. Kap. 5.2. 39 Pavese 1967, 35 und Conrad 1997, 129-130; Heynen/Krumeich in KPS 338. 40 E.g. A. Sisyphos bes. F 228 und 229; S. Epi Tainaro (evtl. mit Kerberos und Herakles identisch); E. Eurystheus, bes. F 371; cf. auch E. inc. F 936; Aristias Keres. Cf. infra Studien II s.v. * Unterwelt. 41 Apollod. 2.13-14; Hyg. Fab. 169a. 33

326

Studien I

ihr dann selber zu nähern. Aus Dankbarkeit offenbarte er ihr die lernäischen Quellen. In beiden Fällen befände sich ein für die Gemeinde letztlich segensreicher γάµος eines Gottes mit einer Sterblichen im Zentrum des Stücks.42

42

Dieses Motiv leitet sich wahrscheinlich von einem Ritual her, das Männer involviert, die sich als Satyrn verkleiden. An den Anthesterien wurde ein hieros gamos gefeiert, bei dem sich die Frau des Archon Basileus, die Basilinna, im Bukolion mit Dionysos vereinte. Zahlreiche Vasenbilder zeigen, wie das Paar von Satyrn eskortiert wird. Auf den mit diesem Ritual zusammenhängenden Mythos von Althaia, die von ihrem Gatten Oineus freiwillig seinem Gast Dionysos überlassen wird, spielt der Silen in E. Cyc. 37-40 an, als er die Parodos der Satyrn mit dem einst abgehaltenen festlichen Zug des Thiasos zu ihrem Haus vergleicht. In der offenbar attischen Version oder Adaption des Althaia-Mythos im 5. Jh. v.Chr. ist es König Theseus, der Dionysos seine Frau Ariadne überlassen muss. Zum hieros gamos des Dionysos cf. Flückiger-Guggenheim 1984, 117, 196 n. 196 (moderne Literatur); Burkert 1985, 109, 164, 239, 441 n. 19 (antike Literatur); Seaford 1994a, e.g. 238, 240, 263, 266-269. Cf. die in Studien II s.v. Hochzeit, (hieros) gamos genannte Literatur.

Euripides, Kyklops

327

Euripides, Kyklops Überlieferung Der Erhalt von Euripides’ Kyklops ist dem glücklichen Zufall zuzuschreiben, dem sich auch der relative Umfangreichtum seines überlieferten tragischen Œuvres verdankt: Er gehört zu jenem 10 Stücke umfassenden Teil einer Euripides-Gesamtausgabe, die neben der spätantiken Tragiker-Schulauswahl (die keine Satyrspiele enthält) auf uns gekommen ist.1 Die Frage nach der Datierung des Stücks, die in der Forschung mit jedem erdenklichen im Bereich der euripideischen Schaffenszeit liegenden Datum beantwortet worden ist, findet bei Dale, Seaford und anderen ihre überzeugendste Antwort: Der Kyklops ist vermutlich 408, sicher nach 411 v.Chr. aufgeführt worden.2 Die gewichtigsten Gründe hierfür liefern hochspezifische intertextuelle Referenzen auf Stücke, deren Datierung gesichert ist. Die Argumentation von Seaford 1982 ist eine lange Replik auf die von Sutton (1974a; 1974b) verfochtene Datierung des Kyklops auf das Jahr 424 v.Chr. Entscheidend ist dabei zunächst Seafords Verteidigung der bereits von Humphreys 1880 vorgebrachten und von Sutton zurückgewiesenen Ansicht, dass die in fast ungebrochen tragischer Sprache gehaltenen Verse des Odysseus denselben metrischen Analysemethoden unterzogen werden können wie Euripides’ tragische Texte.3 Analysiert man Odysseus’ Verse nach den Kriterien, die auch für die Tragödie eingesetzt werden, so kommt man auf eine Datierung zwischen 412 und 408.4 Bestechend ist wie gesagt die Möglichkeit, den Kyklops mit Passagen aus Stücken gesicherten Datums in Verbindung zu setzen; doch wurde gerade für dieses Verfahren fast jedes Datum bemüht. So arbeitet Sutton 1974b insbesondere mit den (unbestritten grossen) Ähnlichkeiten zwischen dem Ky1 Snell 1935/1968; Magnelli 2003. – Die Literatur, die 1970 - 2000 zur Überlieferung des Kyklops erschienen ist, ist aufgearbeitet bei Knöbl 2005, 26-27. 2 Dale 1956/1969, 129; Seaford 1982; Seaford 1984, 48-51, 53, 55 n. 17; Spätdatierung ferner e.g.: Marquart 1912; Parry 1930/1971, 319-320 mit n. 5-7; Kassel 1955/ 1989, 178 n. 20; Paganelli 1979; Guardini 1989; Marshall 2001 und 2005; Collins 2004, 44; Hunter 2004, 244; Hunter 2006, 74-75; Worman 2008, 122. Datierung auf 412 v.Chr. (mit unterschiedlichen Argumentationen): Grégoire 1948; (tentativ) Matthiessen 1964, 91-92 und Ussher 1978, 204; Wright 2005, 54-55 und 2006. – Datierung in die mittlere Schaffenszeit: Melero 1984, 163 n. 13. – Frühdatierung: Kaibel 1895a, 82-88; Patterson 1900, xxxv; Murray 1901, xviii; Mancini 1928, xv; (tendenziell) Arrowsmith 1959/1989, 179-180 n. 1; Bieber 21961, 10; Sutton 1974b; Hose 1995, 198-203; (tendenziell) Müller 2 1997, 103-104 mit n. 25; 110. 3 Vide supra p. 75 mit n. 141 die Ausführungen zur “Theorie von den zwei Stilebenen des Satyrspiels” (Seidensticker). 4 Seaford 1982, 161-168.

328

Studien I

klops und der Hecuba, die auf 424 v.Chr. datiert wird.5 Dale und Seaford wiederum argumentieren mit intertextuellen Bezugnahmen auf andere Stücke. Folgendes ist das bekannteste – und auch schlagendste – Beispiel: Als Perseus in Euripides’ Andromeda (aus dem Jahre 412) die Titelheldin erblickt, lauten seine ersten Worte: ἔα· τίν’ ὄχθον τόνδ’ ὁρῶ περίρρυτον (E. Andromeda F 125.1).

Der Vers wurde im folgenden Jahr von Aristophanes in den Thesmophoriazusen parodierend aufgegriffen: ἔα· τίν’ ὄχθον τόνδ’ ὁρῶ καὶ παρθένον (Ar. Th. 1105),

lässt er Euripides/Perseus fragen, als dieser seine ‘Andromeda’ erblickt.6 Die ersten Worte des Kyklopen im Kyklops, als er die Griechen bemerkt, lauten in nicht zu übersehender Ähnlichkeit: ἔα· τίν’ ὄχλον τόνδ’ ὁρῶ πρὸς αὐλίοις; (E. Cyc. 222)

5

Während die inhaltlichen und strukturellen Übereinstimmungen tatsächlich frappant sind, will Sutton mit dem Argument der angeblich von Euripides konstruierten Ähnlichkeit der Namen Polyphems und Polymestors und gewissen wörtlichen Übereinstimmungen in Szenen ähnlichen Inhalts (cf. e.g. Hec. 1035ff. gegenüber Cyc. 663ff.) das Ergebnis erzwingen, dass a) der Kyklops Elemente der Hecuba parodierend aufnehme, was b) belegen sollte, dass die beiden Stücke derselben Tetralogie angehörten, was wiederum c) dem (unhaltbaren) übergeordneten Beweisziel dient, dass das Satyrspiel generell Elemente aus der vorangegangenen tragischen Trilogie parodierend aufnehme. (Zur Inhaltstetralogie und zur tetralogischen Kompositionsweise vide supra Kap. 2). Suttons Annahme, dass Euripides die Ähnlichkeit der Namen Polyphems und Polymestors konstruiert habe, ist überaus unwahrscheinlich, zumal die Polymestor-Episode auf einen lokalen Mythos (mit bereits etabliertem Namen) zurückzugehen scheint; cf. Verg. A. 3.41-68; Serv. Verg. A. 3.15; Plin. HN 4.18.43; Méridier 1927, 172-175; Seaford 1982, 170, n. 72. – Eine Gegenüberstellung des Kyklops und der Hecuba unternimmt auch Mancini 1928, xv, der jedoch die Chronologie der Stücke umgekehrt deutet und im Ende der Hecuba einen Reflex auf den Kyklops zu erkennen glaubt, den er dementsprechend noch früher datiert. Auch Arrowsmith 1959/1989, 179-180 n. 1 sympathisiert mit der Idee, der Kyklops könnte in dieselbe Tetralogie gehören wie die Hecuba. Zum Verhältnis Kyklops – Hecuba cf. ferner auch Mossman 1995, 67 mit n. 63, 191-192 (ohne Rückschluss auf eine Frühdatierung). 6 Cf. Kannicht in TrGF V.1, p. 247 ad E. Andromeda F 125a.

Euripides, Kyklops

329

Milman Parry hat mit der prägnanten Feststellung, dass “Euripides was answering Aristophanes’ mockery by mocking himself” (Parry 1930/1971, 319-320), als erster die drei Stellen miteinander in Verbindung gebracht und daraus auf eine Aufführung im Jahr 409 (oder nicht viel später) geschlossen.7 Einen wichtigen Anhaltspunkt für die Spätdatierung bietet eine weitere hochspezifische Anspielung auf ein Drama: Im Kyklops wird mindestens ein-, wenn nicht sogar zweimal8 auf ein Detail des sophokleischen Philoktet referiert, der in das Jahr 409 datiert: Als Odysseus mit seinen Gefährten triumphierend abzieht, will Polyphem mit einem Fels-Wurf intervenieren. Dazu muss er sich in die richtige Position bringen und auf den Hügel gelangen; er tut dies, so seine letzten Worte im Stück (die eine grandiose Pointe des Stücks darstellen), indem er die Höhle durch den Hinterausgang verlässt: ἄνω δ’ ἐπ’ ὄχθον εἶµι, καίπερ ὢν τυφλός, δι’ ἀµφιτρῆτος τῆσδε †προσβαίνων ποδί†. Hinauf auf die Anhöhe will ich gehen, auch wenn ich blind bin, durch von beiden Seiten durchbohrten (Felsen) schreitend. (E. Cyc. 706-707)

Der Bezug auf den Philoktet besteht nun sowohl im Vorhandensein einer Höhle mit zwei Ausgängen (und überhaupt in der Erwähnung dieser Eigenschaft)9 als auch spezifisch in der Wahl des Adjektivs ἀµφιτρη´´ς, das im Prolog des Philoktet als Attribut zu Philoktets Höhle erscheint (S. Ph. 19: δι’ ἀµφιτρῆτος αὐλίου; auch hier also im Genitiv nach διά). Ἀµφιτρής ist jenseits vom Philoktet und vom Kyklops nicht belegt. Hinzuzufügen ist, dass αὔλιον (Ph. 19) in der Bedeutung ‘Höhle’,‘Grotte’ ebenfalls nur für diese beiden Dramen bezeugt ist.10 Dale (1956/1969, 129) hat diese nur mit Mühe von der Hand zu weisenden Bezüge zum Philoktet zum (hinreichenden) Grund genommen, den Kyklops auf das Folgejahr, 408, zu datieren. Ein letztes Argument für die Spätdatierung sind die beiden in herausforderndem oder ermahnendem Tonfall gehaltenen “brief end-ofscene prayers” (Dale 1963/1969, 183-184) im Kyklops (sc. 350-355; 599-607),

7

Basierend auf der Datierung der Thesmophoriazusen ins Jahr 410, cf. Parry 1930/1971, 319 n. 7. 8 Cyc. 706-707, cf. dazu die folgenden Bemerkungen, sowie ect. bereits Cyc. 60, cf. Seaford 1982, 171 n. 79; Seaford 1984 ad Cyc. 60. 9 Cf. Ph. 16-18, 159, 952. 10 In Bezug auf Polyphems Höhle in Cyc. 345. LSJ führt diese Stelle wohl fälschlicherweise als Beleg für die Bedeutung ‘fold, stable’ auf. Biehl 1986a ad loc. umgeht das Problem, indem er schreibt: “… im Stall (in der Grotte) …”; Kovacs 1994/2001 wiederum umgeht das Problem, indem er übersetzt: “within” (i.e. ohne Substantiv).

330

Studien I

laut Dale eine typische Erscheinung des euripideischen Spätwerks.11 Das alles macht eine Datierung auf 408 respektive auf nach 411 mehr als wahrscheinlich.

Mythos Dem Stück liegt Odysseus’ Begegnung mit dem Kyklopen Polyphem im 9. Buch der Odyssee (105-566) zugrunde, die Odysseus am Hof der Phäaken erzählt. Von Abenteuerlust getrieben, gelangt Odysseus in Begleitung von zwölf Gefährten auf die Insel der Kyklopen und zur Höhle des menschenfressenden Riesen Polyphem; im Gepäck hat er einen Schlauch mit kostbarem Wein. Die Gefährten drängen ihn, sich bei den dort reichlich vorhandenen Käsevorräten und Jungtieren zu bedienen und zum Schiff zurückzueilen; Odysseus aber will abwarten und sehen, ob er Gastgeschenke erhalte. Die Griechen bleiben, bringen ein Opfer dar und tun sich an den Vorräten gütlich. Als Polyphem sich der Höhle nähert, fliehen sie in deren hinterste Winkel; und weil er den Eingang mit einem riesigen Stein versperrt, stecken sie darin fest. Polyphem entdeckt sie, hat für Odysseus’ Aufforderung zur Gastfreundschaft und die Drohung mit Zeus Xenios nur Hohn übrig, und verschlingt, Mahlzeit für Mahlzeit, zwei Griechen. Odysseus indessen sinnt auf Rache und hofft auf Athenes Unterstützung; töten kann er den Unhold ja nicht, da nur dieser den Türstein wegwälzen kann. Odysseus fasst einen Plan und präpariert einen Olivenbaumstamm, mit dem er den Kyklopen blenden will. Nach dem Abendessen gewinnt er die Sympathie des Kyklopen, indem er ihm den unvergleichlich starken Wein kredenzt, den ihm Maron einst auf Ismaros geschenkt hatte. Im Gegenzug verspricht ihm Polyphem nun doch ein Gastgeschenk und fragt ihn nach seinem Namen. Odysseus gibt sich als ‘Niemand’ aus und erhält als Gastgeschenk die Zusicherung, als letzter der Griechen auf dem Teller des Riesen zu landen. Als dieser betrunken eingeschlafen ist und Menschenfleisch und Wein erbricht, bohren ihm Odysseus und seine Männer einen glühenden Pfahl ins Auge. Die Schreie des Geblendeten gellen in die Nacht; besorgt eilen die anderen Kyklopen herbei, wenden sich jedoch wieder ab, als sie ihn jammern hören, ‘Niemand’/niemand habe ihm etwas angetan. Da der Riese ausgerechnet in der Tatnacht gegen seine Gewohnheit die ganze Schafherde mit in die Höhle genom11 Cf. E. Hel. 1093-1106, 1441-1450; IT 1082-1088, 1230-1233; Andromeda F 136; Ph. 84-87. Dale 1963/1969, 182: “… the Cyclops contains two brief end-of-scene prayers in the same nouthetetic manner; which suggests once more [cf. Dale 1956/1969, 129, n. RL] that this play belongs to the latest group.” Zu “nouthetetic manner” cf. 182: “The tone of this address to a god from a mortal [sc. in E. Hel. 1441-1450, n. RL] – what might be called a ‘challenging-nouthetetic’ – at the close of a scene, just before going off to a climax of the action, is typical of Euripides’ latest plays.”

Euripides, Kyklops

331

men hatte, bietet sich den Griechen die Möglichkeit zur Flucht: mit Weideruten bindet Odysseus die Schafe zusammen – und die Gefährten unter sie; er selbst klammert sich an den Bauch des prächtigsten und kräftigsten Widders. Polyphem indes wälzt den Türstein weg, setzt sich an den Ausgang, und betastet jedes Wesen, das die Höhle verlässt, in der sicheren Überzeugung, so über kurz oder lang der Griechen habhaft zu werden. Da er nur die Rücken der Schafe tätschelt, bemerkt er deren Fracht nicht; zwar fällt ihm auf, dass der Widder, sein Liebling, an dessen Bauch sich Odysseus klammert, statt wie üblich als erster, diesmal als letzter die Höhle verlässt, doch deutet er dies als Mitleidsäusserung des Tiers. Die Griechen entkommen; Odysseus bindet die Gefährten von den Schafen los; man eilt, mitsamt dem Vieh, zum Schiff. Kaum auf See, ruft Odysseus dem Kyklopen höhnisch zu, jetzt habe ihn die Strafe des Zeus ereilt. Blind vor Wut bricht Polyphem ein Felsstück von einer Bergspitze und schleudert es so nahe an das Schiff heran, dass es an den Strand zurücktreibt. Die Gefährten rudern um ihr Leben; als sie wieder etwas Entfernung gewonnen haben, ruft Odysseus abermals dem Kyklopen zu und gibt triumphierend seine Identität preis. Der Kyklop erkennt, dass eine alte Prophetie sich eingelöst hat, und betet zu seinem Vater Poseidon, er möge Odysseus’ Heimkehr verhindern oder mindestens sehr erschweren (und beschert Odysseus damit eine Dekade der Irrfahrten). Die Griechen teilen die Beute unter sich auf; Odysseus erhält den Leithammel für sich allein und opfert ihn Zeus, der das Opfer jedoch nicht annimmt.

Schauplatz, Plot, Personen Der Kyklops ist in intensiver und hoch selbstbewusster Weise auf die homerische Kyklopeia bezogen. Von einigen notwendigen Änderungen abgesehen, die dem Medienwechsel und den Grenzen der technischen Realisierbarkeit geschuldet sind, ist jede Abweichung signifikant; und selbst die notwendigen Änderungen sind meist dem vielschichtigen poetischen Programm dienstbar gemacht, das hier verfolgt wird.12 12

A) die zeitliche Kondensation: die sich bei Homer über 3 Tage und 2 Nächte erstreckende Handlung ist auf die Stückdauer von ca. einer Stude geschrumpft; b) die räumlichen Veränderungen: die homerische Handlung spielt sich weitgehend im Höhleninnern ab; im Kyklops wird sie entweder auf die Bühne verlagert oder in den Botenbericht verlegt; c) die gigantischen Ausmasse des Kyklopen und seines Reichs: der Riese Polyphem dürfte auf Menschenmass zurückgeschrumpft sein; der Mythos von seiner Übergrösse wird signifikanterweise lediglich – und natürlich zu komischem Effekt – in Odysseus’ Botenbericht aufrechterhalten; vide infra p. 336; d) der gigantische Türstein, der in der Odyssee die Blendung und Flucht unter den Schafen bedingt, rückt zwar in den Hintergrund, da sich das Geschehen weitgehend vor der Höhle abspielt; gleichwohl

332

Studien I

Der Schauplatz ist gegenüber der homerischen Variante verändert und wird in auffälliger Insistenz genannt: das Stück spielt vor der Höhle Polyphems am Fusse des Ätna, auf Sizilien.13 Bei Homer dagegen wird die Insel nicht lokalisiert; im Gegenteil: Die Griechen gelangen in einer lichtlosen, nebligen Nacht ohne etwas sehen zu können in ihre Nähe und haben nicht die leiseste Ahnung, wo sie sind (Od. 9.142-148). Dramatis personae sind neben den im Mythos angestammten Figuren, Odysseus und Polyphem, der Silen und der Chor der Satyrn – die ursprünglich dyadische Struktur des Mythos wird damit zu einer triadischen;14 zudem dürfte eine Reihe von Statisten im Einsatz gewesen sein – als Schafe in der Parodos, als Gefährten des Odysseus (im ersten Epeisodion und evtl. am Stückende), als Diener (cf. die πρόσπολοι, die sich im Anschluss an die Parodos um das Vieh kümmern sollen).15 Den Prolog spricht der Silen. Was erst nach einem Gebet an Dionysos aussieht,16 entpuppt sich sogleich als Lobgesang auf die unzähligen πόνοι, mit denen er sich um den Gott verdient gemacht hat. Davies (1999) hat darauf aufmerksam gemacht, dass die ersten 10 Verse des Prologs eine sorgfältig komponierte17 (komische) Priamel darstellen und sich ausserdem der rhetorischen Strategie der ‘mythologischen Hyperbole’ bedienen.18 Die Priamel führt hin zum wird mit dem homerischen Motiv der Unmöglichkeit, die Höhle zu verlassen, gespielt, vide infra p. 346-348 zum Spiel mit den Theaterkonventionen. – Literatur zu Fragen der Inszenierung: Stoessl 1984 (Sprecherverteilung, Handlungsverlauf); Guardini 1989 (Gestik, Bewegung); Visa-Ondarçuhu 2000 (Raumsemantik) (cf. Knöbl 2005, 29-30). 13 Die Lokalisierung auf Sizilien ist keine Erfindung des Euripides, cf. Th. 6.2; Str. 1.2.9; cf. aber die schiere Menge von Hinweisen im Kyklops; auf den Ätna: 62, 95, 114, 130, 298, 366 (bis), 395, 599, 660; auf Sizilien: 95, 106, 114, 703. Paganelli 1979, 116 mit n. 6 spricht von sieben weiteren “allusioni alla terra trinacria” mittels der Begriffe γαῖα, χθών, was aber in eine Liste der expliziten Erwähnungen Siziliens und des Ätnas gerade nicht gehört und für sein Argument der evidenten häufigen Nennung Siziliens auch nicht nötig ist. Cf. ferner Cusset 2004. – Zum denkbaren Bezug auf die Sizilische Expedition im Jahr 413 v.Chr. cf. e.g. Seaford 1982, 173 und bereits Grégoire 1948, bes. 276-280. – Allgemein zu Fragen der Szenerie und der entsprechenden Szenographie cf. e.g. Wieseler 1881, 4-9; Patterson 1900, xxxiv; Churmuziadis 1965, 48-49; Seaford 1984, 91 14 Konstan 1981/1990. 15 E. Cyc. 82-83: … ἄντρα δ’ ἐς πετρηρεφῆ / ποίµνας ἀθροῖσαι προσπόλους κελεύσατε. Cf. Kassel 1955/1989, 174; Stoessl 1984, 6. 16 Vide supra p. 163 mit n. 27. 17 West 1978 ad Hes. Op. 435-6 definiert die Priamel als eine Abfolge von drei (oder mehr) ähnlich geformten parataktischen Aussagen mit besonderer Emphase auf der letzten Aussage; darauf basiert Davies’ Analyse (1999, 428 mit n. 3). Cf. die Zeitangaben: πρῶτον µέν (3) … ἔπειτα δ’ (5) … καὶ νῦν (10). 18 Mit der ‘mythological hyperbole’ macht Davies 1999 ein aus Zagagis Plautus-Studie (Zagagi 1980) gewonnenes Konzept für die Interpretation des Kyklops fruchtbar. Während Davies hierin eine Strategie der Neuen Komödie antizipiert sieht, macht Comp-

Euripides, Kyklops

333

bisher grössten πόνος, der zugleich die Anwesenheit der Thiasoten auf der Insel begründet: Dionysos sei von tyrrhenischen Piraten entführt worden, und bei ihrem Rettungsversuch sind der Silen und die Satyrn in einen Sturm, auf die Kyklopeninsel und in die Fänge des gottlosen Polyphem geraten, der sie seither aufs abscheulichste knechte und sich jegliche Form bakchischer Freude verbitte. Die im Prolog verfolgte Selbstinszenierung des Silen wird durch den Einzug des fröhlich tanzenden Chores konterkariert. Die Parodos ist zunächst an den aus der Odyssee bekannten Widder adressiert und spricht von der Arbeit der Satyrn, das Vieh von der Weide zu treiben19. In der Epodos aber klagt der Chor, wie Dionysos-, wie tanz-, wie freudlos die Insel sei – und negiert für die Gegenwart das Ideal seines eigentlichen Daseins im dionysischen Thiasos en détail. Zum Liedende hin wendet er sich direkt dem Gott zu,20 fragt ihn nach seinem Verbleib und schliesst mit einer Klage, mit der er die gegenwärtige Schinderei mit dem üblichen Dienst bei Dionysos kontrastiert.21 Das erste Epeisodion beginnt mit der Ankunft der Griechen, die Lebensmittel erstehen wollen. In einer langen Stichomythie unterbreitet der Silen Odysseus die um einige Details ergänzten oder modifizierten Fakten über die Insel und ihre Bewohner, die aus dem ethnographischen Exkurs in Od. 9.106ff. bekannt sind. Neben der Lokalisierung des Geschehens am Fusse des Ätna ist insbesondere die Angabe auffällig, dass auf der Insel kein Wein wachse. Das Detail des Kannibalismus der Kyklopen lässt der Silen lange unerwähnt; als er es schliesslich preisgibt, stürzt sich Odysseus in die Geschäftsverhandlungen. Ausgehandelt wird ein Tausch von Lebensmitteln gegen einen Becher des Weines (von Maron), den Odysseus mitgebracht hat. Als der Silen davon kostet, vergisst er jeglichen Arbeitsauftrag und Kummer und gibt sich einem Tänzchen und sexuellen Phantasien hin. Als er in der Höhle verschwindet, ist der Moment für den Chor gekommen, seinerseits ein Schwätzchen mit Odysseus abzuhalten. Die Satyrn sind bestens über die Geschehnisse vor Troia informiert, brennen aber darauf, ton-Engle 2001 auf die Nähe der eröffnenden Verse des Kyklops-Prologs zum Auftakt des Prologs der Acharner aufmerksam. Anhand der jeweiligen Aneignung der “tragic priamel formula” (Compton-Engle 2001, 561) zu komischem Effekt in den beiden Stücken diskutiert sie Gemeinsamkeiten und (im wesentlichen graduelle) Unterschiede der beiden Gattungen. Cf. infra Studien II s.v. Figurendopplung und s.v. Prahlerei. 19 Cf. die detaillierte Interpretation der Parodos von Kassel 1955/1989, 172-174, der das darin angesprochene Tier mit dem berühmten homerischen Widder identifiziert, an dessen Bauch sich Odysseus in der Odyssee klammert, als es aus der Höhle zu fliehen gilt. So bereits Wilamowitz 51919b, 18. Cf. Willink 201, 516. 20 Dass die Satyrn vom Tanz und Dionysos zunächst in der 3. Pers. singen und den Gott gegen Liedende plötzlich direkt adressieren, ist auch in Pratinas’ ‘Hyporchema’ zu beobachten; dies zeugt von der Vorstellung, dass durch den Chortanz die Epiphanie des Gottes bewirkt wird. 21 Cyc. 76-81.

334

Studien I

Näheres über den (sexuellen) Umgang der Griechen mit Helena zu erfahren. Der Silen kommt eben mit der Ware aus der Höhle hervor, als sich die Rückkehr des Kyklopen ankündigt. Dieser empört sich über die ῥᾳθυµία, den Radau, den er vorfindet, und lässt anklingen, was die Satyrn in der Parodos bejammerten: dass es hier weder Dionysos noch den Klang von dessen Instrumenten gebe.22 Er erkundigt sich nach der Verrichtung der Arbeiten, und der Chor erklärt, alles sei erledigt – auch das Frühstück sei bereit und die Mischkrüge mit Milch gefüllt. Erst jetzt erblickt er die Griechen und neben ihnen seine Schafe und Körbe voller Käse, zum Abtransport bereit. Der Silen indes gibt sich als Opfer eines Raubüberfalls aus, und Polyphem lässt sogleich ein Feuer zünden, um sich zwei Griechen zu braten. Es kommt zum Rede-Agon zwischen Odysseus und Polyphem. Die Rede des Odysseus, in der er jede Verantwortung für die griechischen Machenschaften in Troia ablehnt und den Kyklopen (abwechslungsweise schmeichelnd, flehend, prahlend; mit tagespolitischen Argumenten, Hinweisen auf den nomos, schliesslich einer miseratio über die Verluste im Krieg), von seinem Vorhaben abzubringen sucht, ist so geschliffen, dass der Silen dem Kyklopen rät, Odysseus mit Haut und Haar aufzufressen und ganz besonders seine Zunge, um ebenso geistreich und eloquent zu werden. Das hat der Kyklop allerdings nicht nötig, der seinerseits zu einer äusserst gewitzten Rede ansetzt, mit der er Odysseus’ Anliegen Punkt für Punkt abschmettert und gleichzeitig die eigene Weltanschauung darlegt. Das 1. Epeisodion endet mit einem zweifelhaften Stossgebet des Odysseus, in dem er um Athenes Beistand bittet und Zeus mit der Aberkennung seiner Göttlichkeit droht, so dieser seine Hilfe unterlasse. Das erste Stasimon ist an den Kyklopen adressiert und zeichnet in schaurigen Bildern das hinterszenische Geschehen: die perverse Opferung Schutzflehender, die der Menschenfresser nun zuzubereiten und zu verzehren im Begriff ist. Das zweite Epeisodion besteht grösstenteils aus dem Botenbericht des Odysseus, mit dem er den Satyrn schildert, wie der Kyklop ein gigantisches Feuer gezündet, einen riesigen Mischkrug mit Milch gefüllt, einen überdimensionierten Becher aus Efeuholz bereitgestellt und dann zwei Griechen gegrillt, gekocht und verspeist habe. Noch im Botenbericht legt Odysseus den Grundstein seines Racheplans; ihm sei ein göttlicher Gedanke gekommen: Nach dem Mahl habe er dem Kyklopen einen Becher Maron gereicht, und dieser sei davon so begeistert gewesen, dass er sogleich zu singen begonnen und einen Becher nach dem anderen geleert habe. Er, Odysseus, habe die Höhle nur kurz verlassen, um in Erfahrung zu bringen, ob die Satyrn gerettet und zu Bakchos und den Nymphen zurückgebracht werden wollten. Die Satyrn willigen ein; Odysseus unterbreitet ihnen seinen Plan, den Kyklopen zu blenden, der inzwischen mit den anderen Kyklopen den Wein zu teilen und zum Komos zu schreiten beabsichtigt; die Satyrn sichern Odysseus ihre tatkräftige Unterstützung zu. 22

Cyc. 203-205. Cf. supra Kap. 6.1.

Euripides, Kyklops

335

In den Anapästen, die zum zweiten Stasimon überleiten, malen sich die Satyrn die Blendung und ihre heroische Rolle dabei aus. Das Stasimon ist ein Amoibaion zwischen dem Chor und Polyphem, der inzwischen ‘voll des Weines’ im Höhleneingang steht und zu einem Komos der Kyklopen aufbrechen will. Das dritte Epeisodion ist grösstenteils ein (vor der Höhle abgehaltenes) Symposion von Odysseus, Polyphem und dem Silen, bei dem über Bakchos, den Wein und die Kunst von dessen Genuss gefachsimpelt wird, und bei dem der Silen von der Redseligkeit der beiden Symposiasten zu profitieren und möglichst viel Wein zu stibitzen versucht. Polyphem entwickelt zusehends ein erotisches Interesse am Silen, und die beiden verschwinden schliesslich in der Höhle. Da fordert Odysseus die Satyrn auf, Stellung zu beziehen, und spricht abermals ein wenig frommes Gebet. Im dritten Stasimon vergegenwärtigt der Chor die Blendung und bekundet seine Freude darüber, endlich zu Bakchos zurückkehren zu können. Im vierten Epeisodion heisst Odysseus die Satyrn am glühenden Pfahl mitanpacken; diese aber ziehen sich mit allerlei faulen Ausreden zurück – und bieten nunmehr an, ein orphisches Zauberlied zu singen, wodurch der glühende Pfahl das Auge ganz von alleine ausbrenne – Kampfparänese wollen sie betreiben, und ‘des Karers Leben dran setzen’.23 In einer kurzen lyrischen Partie ermuntern sie die Griechen und visualisieren zugleich die Blendung. In der Exodos tritt Polyphem aus der Höhle hervor; er schreit vor Schmerz und schwört Rache. Die Satyrn halten den Geblendeten mit Variationen auf das Οὖτις/οὔτις-Thema zum Narren, derweil er sie vergeblich zu packen versucht. Als Odysseus sich in sicherer Entfernung befindet und seine Identität preisgibt, erkennt Polyphem, dass eine alte Prophezeiung sich eingelöst hat und fügt eine weitere hinzu, indem er nämlich Odysseus eine lange und beschwerliche Heimkehr voraussagt. Ausserdem kündigt er an, seiner Blindheit ungeachtet durch den Hinterausgang der Höhle auf eine Anhöhe zu steigen und Felsbrocken gegen die Griechen zu schleudern. Die Satyrn freuen sich auf die Rückkehr zu Bakchos.

Kommentar Mit dem Kyklops inszeniert Euripides das 9. Buch der Odyssee aus der Perspektive oder vielmehr aus diversen Perspektiven des fünften vorchristlichen Jahr23 Cyc. 654. Die Karer sind die sprichwörtlich gewordenen ersten Söldner. Cf. Archil. F 216 West; Pl. La. 187b, Euthd. 285c; Apostolios 7.39 (Leutsch 1851, 404-405), sinngemäss übertragen: ‘Wir werden andere für uns an die Front schicken und den Erfolg für uns reklamieren.’ Siehe auch Cratin. Bukoloi F 18 K./A.: ἐν Καρὶ τὸν κίνδυνον· ἐν ἐµοὶ δὴ δοκεῖ / πρώτῳ ποιεῖσθαι πεῖραν und PCG 4, 132 ad loc. mit weiteren Hinweisen. Cf. supra Kap. 5.2, p. 215. Bei den Καρικοὶ τράγοι in S. Salm. F 540 handelt es sich vermutlich um eine höhnische Bezeichnung der Satyrn, cf. infra p. 440.

336

Studien I

hunderts: Der Monolog über seine Erlebnisse, den der homerische Odysseus am Hof der Phäaken zum Besten gibt, wird in ein im wahrsten Sinne polyphones Drama überführt. Die grösste Nähe zur homerischen Variante erreicht das Drama im Botenbericht des Odysseus, im Moment also, in dem die Erzählsituation der Odyssee (sc. der Apologe) reproduziert ist, wo nämlich Odysseus als einziger Augenzeuge ex eventu von seinen Erlebnissen berichtet.24 Im Botenbericht, und nur hier, sind die gigantischen Ausmasse des Kyklopen – der dem homerischen Odysseus zufolge ‘keinem brotessenden Manne gleicht, sondern einer bewaldeten Felsenkuppe’ – und seiner Welt beibehalten:25 Hier erfahren wir von Odysseus, Polyphem habe ‘drei Wagenladungen von Holz, die Stämme hoher Eichen’, angezündet (sc. um sich zwei Griechen zu braten): ἀνέκαυσε µὲν πῦρ πρῶτον, ὑψηλῆς δρυὸς κορµοὺς πλατείας ἐσχάρας βαλὼν ἔπι, τρισσῶν ἁµαξῶν ὡς ἀγώγιµον βάρος, (E. Cyc. 383-385).

Nur was sich im hinterszenischen Raum abspielt und sich der Möglichkeit der Augenzeugenschaft des Publikums (und auch der anderen Akteure im Stück, die auf der Bühne oder in der Orchestra verweilen) entzieht, ist mit dem Bericht des homerischen Odysseus kongruent. Das Lachen über die Inkommensurabilität dieser Angaben mit dem, was man von dem kleinen Riesen bisher gesehen hat, ist zugleich ein Lachen über die masslos übertriebene Schilderung des Kyklopen, die der homerische Odysseus den Phäaken auftischt – dieser Kyklop pflegt für die Zubereitung seiner Mahlzeit ja gleichermassen eine Unmenge Brennholz abzufackeln.26 Denselben komischen Effekt erzielen im Kyklops die Angaben, Polyphem fülle sich zum Abendbrot einen κρατῆρ mit Milch, der zehn Amphoren fasse, und sein σκύφος‚ der Becher, den Odysseus mit Wein gefüllt und ihm gereicht haben will, sei ‘drei Ellen weit und vier tief’ (Cyc. 388-391; 411-412). Auf die ‘Kongruenz’ seines Botenberichts mit dem homerischen Prätext (respektive die Inkongruenz mit dem Bühnengeschehen im Kyklops) scheint Odysseus eigens hinzuweisen, wenn er den Botenbericht mit den Worten ankündigt:27

24

Als ‘sekundärer Erzähler-Fokalisator’, in der Terminologie von de Jong 1987, 101-148. Od. 9.190-192: καὶ γὰρ θαῦµ’ ἐτέτυκτο πελώριον, οὐδὲ ἐῴκει / ἀνδρί γε σιτοφάγῳ, ἀλλὰ ῥίῳ ὑλήεντι / ὑψηλῶν ὀρέων, ὅ τε φαίνεται οἶον ἀπ’ ἄλλων. 26 Od. 9.233-235. 27 Die Relevanz dieser Verse für die Interpretation des Stücks ist spätestens seit Kassel 1955/1989, 178 allgemein anerkannt. 25

Euripides, Kyklops

337

ὦ Ζεῦ, τί λέξω, δείν’ ἰδὼν ἄντρων ἔσω κοὐ πιστά, µύθοις εἰκότ’, οὐδ’ ἔργοις βροτῶν; O Zeus, was soll ich sagen? Schreckliches habe ich im Höhleninnern gesehn, und Unglaubliches, den Mythen, nicht den Taten der Menschen vergleichbar. (E. Cyc. 375-376)

In Ansätzen mag bereits das homerische Epos Odysseus’ Erzählung als ‘Seemannsgarn’ präsentieren; diese Tendenz intensiviert das Drama aber in höchstem Masse: Die Schafe, um nur ein Beispiel zu nennen, die der homerische Odysseus ‘mit wohlgedrehten Weideruten’ (ἐϋστρεφέεσσι λύγοισι, Od. 9.427) zusammengebunden haben will, um seinen Gefährten die Flucht aus der Höhle zu ermöglichen, erscheinen auch im Kyklops ‘mit gedrehten Weidenruten fest verschnürt’ (στρεπταῖς λύγοισι σῶµα συµπεπλεγµένους, Cyc. 225) – jedoch nicht als Fluchtfahrzeug, sondern als transportfertig verpacktes Diebesgut.28 Der Kyklops, das zeigt sich allein in der Art und Weise, wie mit der homerischen Vorlage umgegangen wird, ist ein in hohem Ausmass selbstbewusstes Drama – so sehr, dass selbst die Figuren im Stück sich darüber im Klaren sind, dass sie gerade die homerische Kyklopeia geben: Sie kennen den Text bis in den Wortlaut hinein, zitieren ihn, referieren auf ihn, treiben mit ihm ihr Spiel.29 Selbstredend ist die Grundvoraussetzung für die Adaption des KyklopeiaStoffes in einem Satyrspiel, dass der Silen und die Satyrn in die Handlung einbezogen werden. Erst ihre Teilnahme macht den althergebrachten Mythos zum Satyrspiel-Plot. Schon der unumgängliche Einbezug der Satyrn gibt aber im Kyklops Anlass zu mythenchronologischen Spielereien. So berichtet der Silen im Prolog, wie er mit den Kindern am Kap Malea in einen Sturm geraten und als Schiffbrüchiger auf die Insel verschlagen worden sei: Die Thiasoten hat also just das Schicksal ereilt, das den homerischen Odysseus und seine Männer in die Nähe der Kyklopen-Insel gebracht hatte (Od. 9.80ff.) und also den euripideischen Odysseus zum Kyklopen bringen wird. Als bei ihrer ersten Begegnung Odysseus dem Silen erklärt, er sei wegen eines heftigen Sturms auf die Insel geraten (Cyc. 109), staunt dieser nicht schlecht:

28

Cyc. 224-225: ὁρῶ γέ τοι τούσδ’ ἄρνας ἐξ ἄντρων ἐµῶν / στρεπταῖς λύγοισι σῶµα συµπεπλεγµένους, cf. Od. 9.427: τοὺς ἀκέων συνέεργον ἐϋστρεφέεσσι λύγοισι. 29 Ähnlich Hunter 2009, 59-64 et passim. Ansätze dieser Theorie finden sich, stets in Bezug auf die Figur des Odysseus, bereits e.g. bei Duchemin 1945, 176 ad Cyc. 592 (i.e. zu der “imitation” von Od. 9.373-374): “L’Ulysse d’Euripide connaît son Homère, il sait d’avance ce qui va se passer”; Seaford 1984 ad Cyc. 591-2: “This prediction derives from the description at Od. 9.373-374. Od[ysseus] … appears to have read his Homer”; Mureddu 1993, e.g. 599-600; Garguilo 1996.

338

Studien I παπαῖ· τὸν αὐτὸν δαίµον’ ἐξαντλεῖς ἐµοί Au weia: du machst ja genau dasselbe durch wie ich! (E. Cyc. 110)

Odysseus wird damit en passant zur Postfiguration des Silen und der Satyrn degradiert. Mit andern Worten: Der euripideische Odysseus kommt fast zu spät, um seine eigene Geschichte zu erleben.30 Ein solches Spiel mit dem Verhältnis zwischen der homerischen Vorlage und ihrer Adaption ist ein bestimmendes Element des Kyklops. Polyphem beispielsweise antwortet im Rede-Agon Punkt für Punkt auf die Argumente der vorangehenden rhesis des Odysseus im Kyklops, darüber hinaus aber auf dessen wichtigstes Argument bei Homer: die Drohung mit Zeus Xenios. ἀλλ’ αἰδεῖο, φέριστε, θεούς· ἱκέται δέ τοί εἰµεν. Ζεὺς δ’ ἐπιτιµήτωρ ἱκετάων τε ξείνων τε, ξείνιος, ὃς ξείνοισιν ἅµ’ αἰδοίοισιν ὀπηδεῖ. So scheue denn, Bester, die Götter! Schutzsuchende sind wir dir. Ist Zeus der Rächer doch der Schutzsuchenden und der Fremden, der Gastliche, der mit den Gästen ist, denen Scheu gebührt. (Od. 9.269-271)

Der Polyphem des Kyklops erklärt, dass ihn Zeus herzlich wenig kümmere: Ζηνὸς δ’ ἐγὼ κεραυνὸν οὐ φρίσσω, ξένε, οὐδ’ οἶδ’ ὅτι Ζεύς ἐστ’ ἐµοῦ κρείσσων θεός. οὔ µοι µέλει τὸ λοιπόν· ὡς δ’ οὔ µοι µέλει ἄκουσον· ὅταν ἄνωθεν ὄµβρον ἐκχέῃ, ἐν τῇδε πέτρᾳ στέγν’ ἔχων σκηνώµατα, ἢ µόσχον ὀπτὸν ἤ τι θήρειον δάκος δαινύµενος, εὖ τέγγων τε γαστέρ’ ὑπτίαν, ἐπεκπιὼν γάλακτος ἀµφορέα, πέπλον κρούω, Δ∆ιὸς βρονταῖσιν εἰς ἔριν κτυπῶν. Ich zittre nicht vor Zeusens Blitz, mein Freund, auch wüsste ich nicht, wie er ein mächtigerer Gott sein sollte als ich. Im übrigen ist er mir gleich. Wie gleich, das hör dir an: wenn er von oben Regen ’runterschüttet, dann find’ ich in dieser Höhle hier ein wasserdichtes Dach und gönne mir ein gebratenes Kälbchen oder etwas Wild und befeuchte mir, langhingestreckt, fein den Magen, 30

Cf. zu diesem Vers auch Griffith 2002, 207 n. 39; Hunter 2009, 61.

Euripides, Kyklops

339

indem ich eine Amphore Milch leertrinke, bringe das Gewand zum Erzittern und krache mit dem Gedonner des Zeus um die Wette. (E. Cyc. 320-328)

Zu dieser Rede Polyphems gibt es im Kyklops aber eigentlich keinen Anlass, denn Euripides’ Odysseus hat den Schützer des Gastrechts zuvor mit keinem Wort erwähnt. Polyphem erwähnt Zeus schlicht deshalb, weil er seinen Homer gelesen hat und weiss, dass Odysseus dort mit ihm gedroht hat.31 Da man lange Zeit nicht oder in zu geringem Masse mit einem solch selbstbewussten Umgang mit der Kyklopeia auch der Figuren im Stück gerechnet hat, gaben Stellen wie diese Anlass zu einiger textkritischer und interpretatorischer Akrobatik oder zu grotesk-vernichtender Kritik an Euripides’ Schreibweise.32 Eine solche Textkritik33 verfährt im wesentlichen nach zwei Methoden: Entweder konjiziert man vor oder nach der Stelle, an der man sich stösst, eine lacuna34 oder man emendiert die Stelle. Ein dritter methodischer Ansatz besteht im Wegdiskutieren,35 ein vierter im schlichten Ignorieren des Problems.36 Um ein weiteres von einer ganzen Reihe von Beispielen zu nennen, sei hier der Vers 129 erwähnt, wo Odysseus auf die langen Ausführungen über die konsequent im Plural gehaltene37 Inselbevölkerung (i.e. die Kyklopen) hin plötzlich und unvermittelt nach dem Kyklopen fragt: 31

So auch Hunter 2009, 63. Cf. e.g. Masqueray 1902 und dort beispielsweise 180-181 über die Verwendung des entsprechenden homerischen Gleichnisses in einer Antizipation dessen, was noch bevorsteht, in Cyc. 460-463; Arnott 1961 (mit der Replik von Pathmanathan 1963). 33 Cf. Biehl 1987 zu den textkritischen Missbräuchen an Cyc. 382-408. 34 Um (wie in den beiden folgenden Anmerkungen) beim Beispiel von Cyc. 320-328 zu bleiben: Weil man in Odysseus’ rhesis keinen Hinweis auf Zeus findet, wurde in diversen Editionen eine lacuna in die rhesis gesetzt: cf. Hartung 1852 ad 296; dazu Murray 1901 ad 295: “Post 295 lacunam indicat Hartung; et videtur sane aliquid de fulmine Iovis dictum fuisse: cf. v. 320 seq.”; eine lacuna (vor 322) findet sich noch in der Edition von Kovacs 1994. 35 Wo man von einer lacuna absehen wollte, las man zwischen den Zeilen eine implizite Drohung des Odysseus mit Zeus heraus und unterstellte ebendiese Lektüre dem Kyklopen (der demnach auf das Insinuierte antworte): cf. Kassel 1955/1989, 177-178 n. 19. Ähnlich Ussher 1978 ad Cyc. 318-320 und bereits ad Cyc. 316-317; Seaford 1984 ad Cyc. 320322. Diese Erklärung hat sich weitgehend durchgesetzt. 36 Duchemin 1945 vermerkt das Problem weder im Text noch im Kommentar, ebensowenig Biehl 1983 (Edition); Biehl 1986a (Kommentar) oder Zanetto 1998. Pechstein/Krumeich in KPS 437 gehen so weit, die Verse des Kyklopen als direkte Antwort auf Odysseus’ “zweite[s] Argument” zu werten! 37 In Cyc. 113 und 117 fragt Odysseus den Silen nach den Inselbewohnern: τίς δ’ ἥδε χώρα καὶ τίνες ναίουσί νιν; (113) und τίνες δ’ ἔχουσι γαῖαν; ἦ θηρῶν γένος; (117) – Fragen, die der Silen mit Pluralformen beantwortet: Κύκλωπες, ἄντρ’ ἔχοντες, οὐ στέγας 32

340

Studien I αὐτὸς δὲ Κύκλωψ ποῦ ’στιν; ἦ δόµων ἔσω; Und der Kyklop selbst? Wo ist er? Im Haus drin? (E. Cyc. 129)

Hier ist es Odysseus, der ‘zuviel weiss.’ Der Vers und sein Kontext haben eine Interpretationsgeschichte, die jener der vorhergenannten genau entspricht: Entweder setzte man eine lacuna unmittelbar vor diesen Vers, und spekulierte, hier sei der Numeruswechsel vorbereitet worden, oder man erklärte die Stelle damit, dass Odysseus in dieser Szene freien Blick auf einen Ein-Personen-Haushalt habe und selbstverständlich im Singular nach dessen Herrn frage, oder man attestierte dem Dichter schlicht die Pfuscherei, die man an zahlreichen weiteren Stellen im Stück zu erkennen glaubte.38 Das Spiel mit der homerischen Kyklopeia findet auf verschiedenen Ebenen des Textes statt; Zielscheibe des Spotts ist nicht zuletzt der Held Odysseus, dessen Monolog in der Odyssee ja die autoritative Version der Geschichte darstellt, die hier in ihren Inkonsistenzen und in ihrer Unglaubwürdigkeit blossgelegt, und mit allerlei slapstick und Gags durchsetzt wird.39 Hier gilt, was Genette in knappe Worte fasst: “Il n’existe pas de transposition innocente”.40 Es werden Verse aus der Odyssee zitiert,41 nur leicht abgeändert oder dem Kontext δόµων (118). Auch im Fortlauf der Stichomythie ist von der Inselbevölkerung stets im Plural die Rede: Οδ. τίνος κλύοντες; ἢ δεδήµευται κράτος; / Σι. µονάδες· ἀκούει δ’ οὐδὲν οὐδεὶς οὐδενός. / Οδ. σπείρουσι δ’— ἢ τῷ ζῶσι; — Δ∆ήµητρος στάχυν; / Σι. γάλακτι καὶ τυροῖσι καὶ µήλων βορᾷ. / Οδ. Βροµίου δὲ πῶµ’ ἔχουσιν, ἀµπέλου ῥοάς; / Σι. ἥκιστα· τοιγὰρ ἄχορον οἰκοῦσι χθόνα. / Οδ. φιλόξενοι δὲ χὥσιοι περὶ ξένους; / Σι. γλυκύτατά φασι τὰ κρέα τοὺς ξένους φορεῖν. / Οδ. τί φῄς; βορᾷ χαίρουσιν ἀνθρωποκτόνῳ; Σι. οὐδεὶς µολὼν δεῦρ’ ὅστις οὐ κατεσφάγη (Cyc. 119-128). 38 Folgende Methoden kommen in der Edition der Passage zum Einsatz: a) Konjektur einer lacuna: Hermann 1838 konjiziert eine lacuna nach V. 128, ebenso, unabhängig von/ohne Hinweis auf Hermann, Mancini 1928; cf. ibid. 18-19 n. ad Cyc. 127-128: “… Dopo il v. 128 pare de ammettersi lacuna di qualche verso: è strano che Ulisse risponda col v. 129 alle terribile rivelazione fattagli da Sileno, e nemmeno si spiega come Ulisse che finora conosce solo Ciclopi (118), ci parli qui subito del Ciclope Polifemo.” (meine Hervorhebung); b) ‘Emendation’ der handschriftlichen Überlieferung: Kirchhoff 1868 konjiziert für ‘αὐτὸς δὲ’ ‘ὁ σὸς δὲ’; c) ‘Literaturkritik’, schlechte Rezensionen für Euripides: e.g. Duchemin 1945 ad Cyc. 129: “Ulysse ne devrait pas parler d’un seul Cyclope: Silène ne lui a jusqu’ici nommé que les Cyclopes, et il a l’air déjà connaître Polyphème! Il faut voir là sans doute les traces d’un travail hâtif.” 39 Cf. Wilamowitz 51919b, 22: “Wenn wir das hören, so sagen wir uns, in der Manier wird Odysseus auch vor Alkinoos aufgeschnitten haben.” 40 Genette 1982, 340: “Il n’existe pas de transposition innocente – je veux dire: qui ne modifie d’une manière ou d’une autre la siginification de son hypotexte.” 41 Cf. e.g. Cyc. 14ff. mit e.g. Od. 9.177-180.

Euripides, Kyklops

341

völlig entfremdet; einige Motive werden so sehr betont, bis sie ihre Glaubwürdigkeit verlieren42 oder ihre Inkonsistenz verraten;43 andere werden aus ihrem Kontext gelöst und neu motiviert44 oder, in der Handlungschronologie gedacht, zu früh gewusst und angesprochen,45 usw. Letzteres Phänomen ist Ausdruck eines ‘Zuviel-Wissens’, über das im Kyklops sämtliche Figuren (und nicht nur in Bezug auf die homerische Kyklopeia) verfügen. Bisweilen wird dies gar von den Figuren expliziert; so sagt etwa der Silen über Odysseus bei der Begrüssung: οἶδ’ ἄνδρα, κρόταλον δριµύ, Σισύφου γένος. (E. Cyc. 104)

42 Cf. die genannten riesigen Ausmasse des Kyklopen und seiner Welt im Botenbericht. – Über die Massangaben des homerischen Odysseus belustigen sich im Kyklops auch die Satyrn (473-474), wenn sie beteuern, dass sie gerne eine Last von hundert Wagen (ἁµαξῶν ἑκατὸν βάρος) hochhöben (ἀραίµην ἄν), könnten sie nur den Kyklopen blenden. Damit nehmen die Satyrn in einiger Verdrehung einen Vergleich des homerischen Odysseus auf, der über den Kyklopen berichtet, jener hebe mit Leichtigkeit einen Stein in die Höhe (ὑπός ἀείρας), den keine zweiundzwanzig vierrädrigen Wagen (ἄµαξαι) von der Stelle bewegen könnten (Od. 9.241-242). 43 Cf. e.g. die Art und Weise, wie der eben geblendete Kyklop betont, dass er, obwohl er blind sei (καίπερ ὢν τυφλός, 706), eine Anhöhe erklimmen und von da aus Felsbrocken nach den Griechen schleudern werde. Dies lässt die entsprechenden Odyssee-Passagen in zweifelhaftes Licht geraten, wo nämlich der Blinde wiederholt das Schiff der Griechen um ein Haar getroffen haben soll, Od. 9.481-486, 537-542. 44 Beispielsweise dient das Zusammenbinden der Schafe nicht der Flucht der Griechen sondern dem Diebstahl der Schafe, vide supra p. 337 mit n. 28. 45 Als Odysseus gegenüber dem zürnenden Polyphem beteuert, der Silen habe sich freiwillig auf ein Handelsgeschäft eingelassen, verrät der Silen dem Kyklopen in nur geringfügig verschlüsselter Weise, was die Griechen ihm anzutun gedenken: “(sie sagten), sie würden dich mit einer Halskette von drei Ellen Länge fesseln und dann das Mittelauge … [Aposiopese]”, cf. Cyc. 234-235 und Biehl 1986a ad loc. Die Griechen, so der Silen weiter, gedenken Polyphem in die Fremde zu verkaufen, zum Steinebrechen – oder um πυλῶνα καταβαλεῖν, ‘das Tor/die Tür niederzuwerfen/einzureissen’, Cyc. 240; Steine bricht der Kyklop, wenn die Griechen absegeln; und zum ‘Tür’-Öffnen, i.e. den gigantischen Stein vom Höhleneingang weghieven brauchen die Griechen ihn bei Homer natürlich auch; darauf spielt der Silen hier an. πυλῶνα ist ein weiterer Fall einer handschriftlichen lectio, die einer zu simplen Interpretation des Kyklops geopfert wurde. Die modernen Herausgeber setzen fast ausnahmslos Ruhnkens Lesart ἢ’σ µυλῶνα für ἢ πυλῶνα der MSS. (LP). Eine Ausnahme ist Patterson 1900, 59 ad loc., der seine Entscheidung, die handschriftliche Lesart jener von Ruhnken vorzuziehen, damit begründet, dass die Wendung bedeute “to be used in the work of Cyclopean wallbuilding”; das ist vielleicht etwas zu phantasievoll und kompliziert gedacht.

342

Studien I

Und als Odysseus den Satyrn seinen listigen Plan offenbaren will, antworten die Satyrn, sie hätten ‘schon von alters her davon gehört, dass er klug sei’: … σοφόν τοί σ’ ὄντ’ ἀκούοµεν πάλαι. (E. Cyc. 450)

Das ‘Zuviel-Wissen’ hinsichtlich des Stückverlaufs wiederum ist die komische Aufnahme eines weiteren homerischen Motivs: der Gabe der weisen Voraussicht des Odysseus.46 Odysseus selbst verfügt über diese Gabe im Kyklops in so frappanter Weise, dass er die Beschreibungen aus seinem homerischen Erlebnisbericht nahezu wörtlich aufgreifen, und in seine Voraussagen kleiden kann;47 eine besonders groteske Blüte treibt sie da, wo er sein homerisches Gleichnis48 (in nur leicht kondensierter Form) ins Futur setzt. Das simile, mit dem Odysseus in der Odyssee die Blendung schildert … … ἐγὼ δ’ ἐφύπερθεν ἐρεισθεὶς δίνεον, ὡς ὅτε τις τρυπᾷ δόρυ νήϊον ἀνὴρ τρυπάνῳ, οἱ δέ τ’ ἔνερθεν ὑποσσείουσιν ἱµάντι ἁψάµενοι ἑκάτερθε, τὸ δὲ τρέχει ἐµµενὲς αἰεί· ὣς τοῦ ἐν ὀφθαλµῷ πυριήκεα µοχλὸν ἑλόντες δινέοµεν, τὸν δ’ αἷµα περίρρεε θερµὸν ἐόντα. πάντα δέ οἱ βλέφαρ’ ἀµφὶ καὶ ὀφρύας εὗσεν ἀϋτµὴ γλήνης καιοµένης· … … aber ich stemmte mich von oben her auf ihn und drehte. Wie wenn ein Mann einen Schiffsbalken anbohrt mit dem Bohrer, und die andern fassen zu auf beiden Seiten und wirbeln ihn unten herum mit dem Riemen, er aber läuft beharrlich fort und fort: so fassten wir den feuergespitzten Pfahl und drehten ihn in seinem Auge, und Blut quoll um ihn herum, den heissen. Und alle Wimpern rings und Brauen versengte ihm die Glut des Augapfels, der brannte, … (Od. 9.383-390),

… verwendet auch Euripides’ Odysseus, der noch in der Planungsphase steckt: ναυπηγίαν δ’ ὡσεί τις ἁρµόζων ἀνὴρ διπλοῖν χαλινοῖν τρύπανον κωπηλατεῖ, 46 Odysseus präsentiert sich oft als ‘Weise-Voraussehender’ und macht sich zu diesem Zweck das Wissen des ‘Im-nachhinein-Erzählenden’ zunutze, e.g. nimmt er den Wein mit, weil er erwartet, ihn im Umgang mit dem Riesen zu benötigen; Od. 9.196ff., cf. bes. 213-215; cf. de Jong 2001 ad 5.354-364 und 408-423; ad 10.91-96 und bes. ad 9.196-215. Cf. infra Studien II s.v. Prophetie. 47 Cf. Cyc. 591-592 mit Od. 9.371ff. 48 Od. 9.383ff.

Euripides, Kyklops

343

οὕτω κυκλώσω δαλὸν ἐν φαεσφόρῳ Κύκλωπος ὄψει καὶ συναυανῶ κόρας. Wie wenn ein Mann, der ein Schiff baut, den Bohrer mit doppeltem Riemen in Gang setzt, so werde ich den Pfahl im lichtbringenden Auge des Kyklopen drehen und ihm die Pupillen austrocknen. (E. Cyc. 460-463)

Doch nicht nur Odysseus, sondern auch sein Gegenspieler Polyphem ist mit einem Wissen über Künftiges ausgestattet, mindestens von dem Augenblick an, als er, seines Augenlichts beraubt, plötzlich einsieht, dass eine alte Prophezeiung sich eingelöst habe: αἰαῖ· παλαιὸς χρησµὸς ἐκπεραίνεται· τυφλὴν γὰρ ὄψιν ἐκ σέθεν σχήσειν µ’ ἔφη Τροίας ἀφορµηθέντος. ἀλλὰ καὶ σέ τοι δίκας ὑφέξειν ἀντὶ τῶνδ’ ἐθέσπισεν, πολὺν θαλάσσῃ χρόνον ἐναιωρούµενον. O weh: ein altes Orakel bestätigt sich: geblendete Sehkraft würde ich deinetwegen erhalten, der du von Troia zurückkehrst. Aber auch, dass du dafür Strafe zu erleiden habest, hat es prophezeit, indem du lange Zeit auf dem Meer treiben wirst. (E. Cyc. 696-700)

Als der homerische Polyphem bei der Enthüllung des wirklichen Namens in Odysseus den Mann erkennt, der ihn, wie ihm längst prophezeit war,49 blenden sollte, und ihn vergeblich zur Rückkehr auf die Insel überreden will, verflucht er ihn bei seinem Vater: ‘Κλῦθι, Ποσείδαον γαιήοχε, κυανοχαῖτα· εἰ ἐτεόν γε σός εἰµι, πατὴρ δ’ ἐµὸς εὔχεαι εἶναι, δὸς µὴ Ὀδυσσῆα πτολίπορθον οἴκαδ’ ἱκέσθαι, [υἱὸν Λαέρτεω, Ἰθάκῃ ἔνι οἰκί’ ἔχοντα.] ἀλλ’ εἴ οἱ µοῖρ’ ἐστὶ φίλους ἰδέειν καὶ ἱκέσθαι οἶκον ἐϋκτίµενον καὶ ἑὴν ἐς πατρίδα γαῖαν, ὀψὲ κακῶς ἔλθοι, ὀλέσας ἄπο πάντας ἑταίρους, νηὸς ἐπ’ ἀλλοτρίης, εὕροι δ’ ἐν πήµατα οἴκῳ.’ “Höre, Poseidon! Erdbeweger, mit der schwarzen Mähne! Bin ich wahrhaftig dein und rühmst du dich, dass du mein Vater bist: gib, dass Odysseus, der Städtezer49

Od. 9.507-516.

344

Studien I störer, nicht heimgelange, des Laertes Sohn, der auf Ithaka die Häuser hat! Doch ist sein Teil, dass er die Seinen sieht und in sein wohlgebautes Haus und in sein väterliches Land gelangt: spät komme er heim auf schlimme Weise, nachdem er verloren alle die Gefährten, auf einem fremden Schiff, und finde Leiden in seinem Hause!” (Od. 9.528-535).

Hat der Kyklop in der Odyssee seinen Vater um eine erschwerte Heimkehr für Odysseus gebeten, so kann er sie ihm bei Euripides verbindlich prophezeien (Cyc. 698-700), und zwar im Rückgriff auf jenes ‘alte Orakel’, παλαιὸς χρησµός. Diese Formulierung ist zwar nicht weit entfernt vom homerischen Prätext – Homers Polyphem beruft sich auf παλαίφατα θέσφαθ’, ‘althergebrachte Göttersprüche’ –,50 doch ist nicht auszuschliessen, dass παλαιός hier ein Signalwort ist, das den Status Homers bzw. der Odyssee als eines Klassikers markiert.51 Was schon in der besagten Aussage der Satyrn σοφόν τοί σ’ ὄντ’ ἀκούοµεν πάλαι (Cyc. 450) anklingt, wird hier manifest. Mit der Kenntnis der homerischen Kyklopeia, welche die Figuren hierbei an den Tag legen, ist ihr ‘Zuviel-Wissen’ aber bei weitem nicht erschöpft. Referenzen auf diverse Gattungen der griechischen Literaturgeschichte finden in ihre Äusserungen ebenso Eingang wie eine breite Palette attischer Diskurse des fünften Jahrhunderts: die homerischen Epen überhaupt,52 die homerischen Hymnen,53 Hesiod,54 Lyriker – Sappho,55 Alkaios,56 Anakreon57–, Tragödien von 50

Od. 9.507: ὢ πόποι, ἦ µάλα δή µε παλαίφατα θέσφαθ’ ἱκάνει. Zur Verwendung des Adjektivs παλαιός in Bezug auf klassische Tragödien und Satyrspiele: supra p. 32 mit n. 16, infra p. 403 mit n. 218. 52 Cf. e.g. Cyc. 596 und Od. 17.463-464 (ὁ δ’ ἐστάθη ἠΰτε πέτρη / ἔµπεδον); cf. zum “epischen Motiv” des ‘eisernen Willens’, der ‘felsernen oder stählernen Härte’ cf. Biehl 1986a ad Cyc. 596 mit zahlreichen Stellen. 53 Cf. e.g. Cyc. 11-14 und h.Hom. 7.6-12. 54 Hunter 2009, 75-76 macht darauf aufmerksam, dass die in einigen Scholien zu Od. 9.106 beigebrachten Verse Hes. Op. 277-279 respektive der Passus Op. 274-280 der Argumentation des Odysseus im Kyklops entsprechen, und dass die in Op. 209-210 artikulierte Haltung des Habichts in der Fabel vom Habicht und der Nachtigall mit den Aussagen des Kyklopen (bei Homer und bei Euripides) konvergiert. 55 Di Marco 1980 liest die spöttischen Bemerkungen des Chores über Helena in Cyc. 182186 als parodierende Anspielung auf Sapph. F 16.6-9 Lobel/Page und entdeckt weitere Bezüge zu Versen der Sappho (i.e. F 22.13-14 und F 31.5-6 Lobel/Page) und des Alkaios (cf. folgende n.). Die literarische Technik bezeichnet er als Kombination von “parodia mitologica” und “parodia letteraria” (45). Cf. ferner Worman 2008, 130 m. n. 29. 56 Cf. di Marco 1980, 45 zu einer Alkaios-Reminiszenz innerhalb der ‘Sappho-Parodie’ von Cyc. 182-186: Alc. F 283.3-4 Lobel/Page (über den coup de foudre der Helena bei ihrer Begegnung mit Paris). – Burzacchini 1979 sieht in Cyc. 320-331 eine Anspielung auf Alc. F 338 Voigt. 51

Euripides, Kyklops

345

Euripides selbst58 wie von anderen Tragikern,59 frühere Satyrspiele,60 Komödien61 etc. hallen im Kyklops in keineswegs zufälliger Art und Weise ebenso nach, wie zeitgenössische intellektuelle Bewegungen,62 zumal ein prominenter Zweig der Sophistik,63 historiographische und zeitgeschichtliche64 moralische 57

Cf. Cyc. 166, wo der Silen auf den poetischen Topos des Sturzes vom leukadischen Felsen rekurriert, der sich e.g. bei Anacr. F 31 PMG findet; cf. auch Ov. Ep. 15.163-172; Biehl 1986a ad Cyc. 166. – Zum anakreontischen Lied Cyc. 495-518: Willink 2001, 525528. 58 Cf. e.g. Cyc. 186-187 mit E. Med. 573-574; Hipp. 616-650; Seaford 1984 ad loc. mit weiterer Literatur. – Paganelli 1980 untersucht das Verhältnis von Kyklops und Andromache, insbesondere in Bezug auf die Motive der Iliupersis und des Troianischen Kriegs überhaupt. – Zu den verschiedenen Studien, die ein enges intertextuelles Verhältnis des Kyklops zur Hecuba nachweisen wollen: supra p. 328 n. 5. 59 Cf. e.g. Cyc. 25, 29: Der Silen stilisiert sich zum tragisch gefallenen König, cf. supra p. 116 mit n. 16, infra p. 381. – Zur Paratragodia im Prolog des Kyklops (‘Gattungsreferenz’) cf. e.g. Compton-Engle 2001. – Zur komischen Aufnahme einer spezifischen Tragikerstelle oder eines Motivs aus einer spezifischen Tragödie (‘konkrete Textreferenz’): cf. e.g. E. Cyc. 707 mit S. Ph. 19 (sowie 16-18, 159 und 952), dazu supra p. 329-330. – Ein weiteres Tragödienzitat, oder vielmehr die Replik auf ein parodistisch überformtes Euripides-Zitat bei Aristophanes ist besagter Vers Cyc. 222, dessen Dialog mit Ar. Th. 1105 und E. Andromeda F 125 (und 125a) ich supra p. 328-329 diskutiere. 60 Cf. supra Kap. 7 p. 245 n. 1 et passim. Die Satyrn spielen auch auf Satyrspieltopoi an, vide infra in Studien II s.v. Erfindung, p. 380 zu E. Cyc. 464-465. 61 Cf. e.g. die Replik auf Aristophanes in Cyc. 222 (vide supra); vermutlich ist auch die ‘Selbstparodie’ in Cyc. 186-187 als Reaktion auf Aristophanes’ Thesmophoriazusen (bes. 85, 389-390, 545) zu werten; cf. Seaford 1984 ad loc. Exemplarisch sei auch F 145 K./A. aus Kratinos’ Odyssēs angeführt, ein Ausschnitt aus der Οὖτις/οὔτις-Szene, wo Odysseus eine vergleichbare Homerkenntnis an den Tag legt wie er selbst und seine Mitspieler im Kyklops. Als Odysseus Polyphem den Becher mit Maron reicht (cf. Cratin. Odyssēs *F 146 K./A.), sagt er zu ihm: τῆ νῦν τόδε πῖθι λαβὼν ἤδη, καὶ τοὔνοµά µ’εὐθὺς ἐρώτα – ‘Da, trink schon einmal das, und frag mich sogleich nach dem Namen’ (Cratin. Odyssēs F 145 K./A.). Cf. Seaford 1984 ad Cyc. 591-592; PCG IV, p. 194 ad loc. 62 Cf. e.g. Marshall 2005. 63 Der sophistische Zynismus des Kyklopen ist zuerst mit Figuren wie Kallikles oder Thrasymachos (wie sie Platon darstellt) in Zusammenhang gebracht worden von Schmid 1896, 57. Eine Ansicht, die geradezu kanonisch geworden ist, cf. e.g. Arrowsmith 1959/1989, 182: “Polyphemus is less Caliban than Callicles, an outright exponent of philosophical egoism and the immoralist equation of might and right”; ibid. 185: “He speaks exactly the language of Plato’s Thrasymachos and Callicles, a straightforward egoism resting on appeal to Nature for the disregard to morality. Nomos, so far as he is concerned, is a mere convention of the weak to elude the strong.” – Zu einer Revision dieser These cf. Hunter 2004, 244-245; O’Sullivan 2005 und Marshall 2005. 64 Paganelli 1979. Ein in jüngerer Zeit herausgearbeiteter Bezug des Kyklops auf die Gegenwartsgeschichte ist die Stilisierung des Polyphem zum τύραννος: O’Sullivan 2005; Marshall 2005, 104.

346

Studien I

Diskurse,65 verschiedene religiöse Strömungen und Kulte,66 diverse Soziolekte – e.g. die zeitgenössische Medizinalsprache,67 der Jargon der Athener Markt- und Handelsleute –68 etc. darin aufgegriffen werden. Als besonders ausgeprägt erweist sich das Selbstbewusstsein der Figuren in ihrem Spiel mit den Theaterkonventionen:69 Im 4. Epeisodion beispielsweise heisst Odysseus die Satyrn am glühenden Pfahl mitanpacken. Just da aber bemerken die einen, dass sie zu weit vom Höhleneingang entfernt stehen, die anderen, dass eine Lähmung ihre Glieder, ein Krampf ihren Fuss befallen hat, oder dass ihre Sicht getrübt ist: Mit ihrer wohlbekannten Feigheit motivieren die Satyrn demnach die Theaterkonvention, dass nämlich der Chor die orchestra während des Stücks niemals verlässt (und machen sich dabei auch den Umstand zunutze, dass sie in der orchestra weiter vom Bühnengebäude, i.e. vom ‘Höhleneingang’, entfernt stehen als die Schauspieler).70 Das Lied, das der Chor ‘während der Blendung’ erklingen lässt, dürfte mit pantomimischen Gesten untermalt sein: Das hinterszenische Geschehen wird dem Publikum durch die performance der Satyrn akustisch und visuell vermittelt. Die wichtige dramatische Konvention, dass Brutalitäten wie die Ermordung und Verspeisung der Griechen oder die Blendung des Kyklopen nicht auf der Bühne gezeigt werden können, wird im Kyklops besonders da thematisiert, wo Odysseus als sein eigener Bote fungiert und über das hinterszenische Geschehen informiert und seinen Racheplan ankündigt:71 Auch hier dient die Theaterkonvention der Charakterzeichnung zu und vice versa, vermengen sich also innerdramatische und externe, aufführungsbedingte Motivation: Odysseus berichtet, den Riesen trunken gemacht zu haben und heimlich (σιγῇ, 427) aus der Höhle geschlichen zu sein. Hier bereits ist also die zentrale Bedingung für die Blendung der Odyssee aus den Angeln gehoben: kein Türstein steht den Griechen mehr im 65

Cf. e.g. Cyc. 177-187; 280-284 zur ‘Helena-Frage’. Cf. e.g. E. El. 213-214; IT 525; Gorg. Hel. F 11. 66 E.g. Cyc. 646-648. Im Angebot der Satyrn, ein ‘sehr effizientes’ orphisches Lied zu singen, wurde jüngst die Imitation orphischen Beschwörungszaubers erkannt: Faraone 2008. Es wird kein Zufall sein, dass die Satyrn dem Kyklopen in diesem orphischen Kontext (implizit) eine Verwandtschaft mit den Titanen attestieren (cf. παῖδα γῆς, 648), während er sonst wiederholt als Poseidons Sohn bezeichnet wird (cf. Cyc. 21, 262, 286, 290, 318, 413 etc.); zum orphischen Mythos über Dionysos und die Titanen cf. u.a. Bernabé 2003. – Sowohl die Darstellung des Menschenmahls als auch die Blendung des Kyklopen bedient sich an Bildern und Begriffen von Opfer-Bräuchen, cf. Cyc. 245-246, 334-335, 469-471. 67 Cf. Cyc. 227 und dazu Arnott 1972. 68 Zum ‘kommerziellen Umgangston’, welcher ‘der Sprache des athenischen Marktes abgelauscht’ ist, cf. Biehl 1986a ad 138; 145ff.; 160. 69 Hierzu auch Koenen, Humorous Play (vide supra p. 214 n. 292). 70 So auch Koenen, Humorous Play. 71 I.e. im ganzen zweiten Epeisodion.

Euripides, Kyklops

347

Wege, den Kyklopen zu töten und/oder schlicht die Flucht zu ergreifen. Im Gespräch, das sich nach dem Botenbericht zwischen Odysseus und dem Chor entspinnt, wird dies mit mehr Nachdruck hervorgehoben. Zum Epeisodion-Ende hin nämlich wird eine für den homerischen Odysseus typische deliberative Szene parodiert:72 καίτοι φύγοιµ’ ἂν κἀκβέβηκ’ ἄντρου µυχῶν· ἀλλ’ οὐ δίκαιον ἀπολιπόντ’ ἐµοὺς φίλους ξὺν οἷσπερ ἦλθον δεῦρο σωθῆναι µόνον. Zwar könnte ich fliehen und bin den Winkeln der Höhle schon entkommen, doch wäre es nicht gerecht, meine Freunde im Stich zu lassen, mit denen ich hergekommen bin, und als einziger Rettung zu finden. (E. Cyc. 480-482)

Diese Stelle leistet verschiedenerlei: Das Spiel mit der Theaterkonvention (dass es zur Darstellung von Ereignissen, die auf der Bühne nicht dargestellt werden können oder dürfen, eines Boten bedarf) dient der Ridikularisierung des Odysseus,73 der sich zu einer allzu unheroischen Erwägung hinreissen lässt. Zugleich wird schon hier der auf einem (bereits im Kontext der Stückdatierung angesprochenen) Philoktet-Zitat basierende finale Gag vorbereitet, dass nämlich die Höhle zwei Ausgänge hat (was man dahingehend auslegen kann, dass die Geschichte, die sich in der homerischen Höhle abspielt – die Verspeisung all der Gefährten, die Blendung, die Flucht unter den Schafen – vollumfänglich hätte umgangen werden können).74 Dieses Spiel mit der Kontingenz der Kyklopeia-Geschichte (es hätte auch anders kommen können…) bestimmt den Kyklops von Anfang an. Besonders augenfällig wird dies im Dialog zwischen Odysseus und dem Silen im ersten Epeisodion. Als die Ankunft des Kyklopen angekündigt wird, ist Odysseus’ erster Impuls die Flucht; die Geschichte droht beinahe nicht stattzufinden:

72

Cf. e.g., auch thematisch mit dieser Stelle verwandt, Il. 11.401ff. Bezeichnenderweise wurden die Verse 480-482 in diversen Editionen athetiert (del. anonymus; cf. Philolog. Anzeiger 4, 1872, 332 [zit. nach app. crit. von Diggle 1984]), und diese Athetese hält sich hartnäckig in zahlreichen Editionen bis heute; Wecklein 1903, Appendix 35; Zwierlein 1967 (= Rez. Wetzel 1965) 451 argumentiert vehement für die (von Wetzel abgelehnte) Athetese. Noch Diggle 1984, Kovacs 1994 und Napolitano 2003 nehmen die Athetese so ernst, dass sie die entsprechenden Verse in eckige Klammern setzen. Dagegen markieren diese Verse e.g. Patterson 1990, Mancini 1928, Ussher 1978, Paganelli 1981a, Biehl 1984 in ihren Texten nicht als unsicher, ebensowenig e.g. Sidgwick 1893, Romagnoli 1911, Della Valle 1933, Taccone 1935 in ihren Übersetzungen. 74 Cf. dazu auch Hunter 2009, 64. 73

348

Studien I Οδ. ἀπολώλαµέν τἄρ’, ὦ γέρον· ποῖ χρὴ φυγεῖν; Od. Verloren sind wir, Alter. Wohin muss man fliehen? (E. Cyc. 194)

Der Silen erinnert sich an die homerische Version der Geschichte und empfiehlt Odysseus, sich in der Kyklopenhöhle zu verstecken. Odysseus aber verwirft dies als zu gefährlich – er scheint sich noch besser an die Kyklopeia zu erinnern: “Etwas Wahnwitziges schlägst du vor, direkt in die Falle laufen!” (196). Kurz danach entschliesst sich Odysseus dann aber, ganz von der Flucht abzusehen: Οδ. οὐ δῆτ’· ἐπεί τἂν µεγάλα γ’ ἡ Τροία στένοι, εἰ φευξόµεσθ’ ἕν’ ἄνδρα, µυρίον δ’ ὄχλον Φρυγῶν ὑπέστην πολλάκις σὺν ἀσπίδι. ἀλλ’, εἰ θανεῖν δεῖ, κατθανούµεθ’ εὐγενῶς ἢ ζῶντες αἶνον τὸν πάρος συσσώσοµεν. Si. Es ist kein Wahnwitz; es gibt viele Verstecke dort. Od. Dann also nicht! Troia würde laut aufstöhnen, wenn wir vor einem einzigen Manne davonliefen, wo ich doch Tausenden von Phrygern oft standgehalten habe mit dem Schild. Nein, wenn wir sterben müssen, werden wir in Ehre sterben, oder, falls wir leben, werden wir den früheren Ruhm bewahren. (E. Cyc. 198-202)

In einer grosstönenden Rede75 vergewissert sich Odysseus seiner früheren Heldentaten und ermannt sich, dem Kyklopen gegenüberzutreten. So kann Odysseus seine frühere Reputation (αἶνον τὸν πάρος, 202) schadlos halten. Das polyseme Wort αἶνος kann aber auch ein Loblied oder, weiter gefasst, eine Geschichte bezeichnen. Odysseus’ Entschluss nicht zu fliehen bewahrt also auch die frühere Geschichte – i.e. die homerische Kyklopeia, die mit Odysseus’ Flucht zu einem vorzeitigen Ende gekommen wäre.76 Bleibt der Kommentar zur vielleicht signifikantesten Abweichung des Kyklops von der Kyklopeia, dass es nämlich auf der Insel keinen Wein gibt.77 Dies wird im Rahmen des Spiels mit der Ab-/Anwesenheit von Dionysos verständlich, das im ganzen Kyklops und überhaupt im Satyrspiel (cf. Kap. 4.1) betrieben wird. Polyphem wird im Kyklops fast zwanghaft zum Dionysosfeind stilisiert, obwohl er sich nur oberflächlich betrachtet und nur zu Stückbeginn als 75

Dazu infra Studien II s.v. Prahlerei. Ähnlich Hunter 2009, 59. Cf. auch Wright 2006, 34. 77 Cf. dagegen Od. 9.110-111. – Schon Kassel 1955/1989, 174-175 deutet das Fehlen des Weines auf Euripides’ Kyklopen-Insel als entscheidende Abweichung von der homerischen Variante. Vide supra Kap. 4.1.1. 76

Euripides, Kyklops

349

solcher erweist: Der Silen im Prolog und die Satyrn in der epodos des Einzugslieds beteuern, wie ἀνόσιος (26; cf. 31) und δυσσεβής (30) Polyphem sei, der ἀντὶ δ’ εὐίων βακχευµάτων (25) nur Sklavenschinderei zulasse – und dass auf der Insel kein Tanz, keine thyrsosschwingenden Bakchantinnen, keine Paukenklänge, kein Wein u.s.w. vorhanden seien. In der Tat scheint der Kyklop dies zu bestätigen, der bei seinem ersten Auftritt seinerseits verkündet, hier gebe es keinen Dionysos, nicht die Klänge von dessen Instrumenten u.s.w. Aber bereits die Worte, in die er dieses Verdikt fasst, ziehen seine Feindseligkeit gegen Dionysos in Zweifel, da sie von einem überaus präzisen Wissen um den Gott und seinen Kult zeugen.78 Hinzu kommt, dass der Kyklop über die Kompetenzen und die Ausstattung verfügt, die beim Symposion gefragt sind. Seine Milch kosumiert er wie ein kundiger Symposiast den Wein: gemischt79 und nach dem Essen.80 Die Mischung der Milch erfolgt in Gefässen, die für Wein angemessener wären: in κρατῆρες, πίθοι und ἀµφορῆς;81 er trinkt aus einem gigantischen Becher aus Efeuholz (σκύφος κισσοῦ, 390),82 dem Holz der Pflanze also, mit der sich Dionysos zu bekränzen pflegt.83 Nach dem ersten Schluck Wein beginnt er (wie im 1. Epeisodion der Silen) Dionysos zu preisen und zu singen; er gibt symposion-taugliche Sentenzen von sich – ja, er wünscht den Wein mit den anderen Kyklopen zu teilen und einen Komos abzuhalten (445-446), und es gelingt Odysseus und dem Silen nur mit Mühe, ihn davon abzubringen. Die Unterdrückung des Dionysos und alles Dionysischen durch den Kyklopen wirkt überaus forciert, zumal auch das im Widerstandsmythos wurzelnde typische Satyrspiel-Motiv der Feindseligkeit spezifisch gegen Fremde deutlich hervorgehoben wird.84 Der Kyklops weist, in komischer Ver-

78

Cyc. 203-205; vide supra p. 116-117, Kap. 6.1. Cf. Cyc. 218: µήλειον ἢ βόειον ἢ µεµειγµένον dagegen Od. 9.297: ἄκρητον γάλα. Dass es sich bereits bei Homer-Stelle um eine komische Bezugnahme ex negtivo auf die Praxis des Weinmischens handelt (und nicht, wie auch behauptet wurde, um ein Indiz für ortsspezifische Arten der Milchverarbeitung), hat man längst erkannt: Robbins 1915; Lofberg 1921. – Die dionysische Kunst des Mischens – von Wein und Wasser – gehört zu den fundamentalen Regeln zivilisierten Weinkonsums; zur Bedeutung des Mischens in Kult und Mythologie des Dionysos und zum entsprechenden Satyrspieltopos cf. supra Kap. 4.1.1; infra Studien II s.v. Weinmischen. 80 Cyc. 325-327. 81 Cf. Cyc. 216-217, 327, 388. 82 Cf. supra p. 117. 83 Cf. supra Kap. 5.1.6. 84 Der Kyklop habe noch jeden Fremden gefressen, der zur Insel gelangt sei, beteuert der Silen in Cyc. 128; cf. 125-126, 359, 366-367, 374. – Dem Typus des ‘SatyrspielSerientäters’ entspricht der Kyklop freilich in vieler Hinsicht schon bei Homer, cf. Kap. 7.4.3. Cf. ferner die supra p. 345 n. 64 genannte Literatur zur Modellierung des Kyklopen nach einem τύραννος. 79

350

Studien I

zerrung, den typischen Verlauf der tragischen Tetralogie auf, die in tiefem Ernst beginnt und im Satyrspiel ihre heitere dionysische Krönung erfährt. Die Klage der Satyrn in der Parodos (Cyc. 80), σὺν τᾷδε τράγου χλαίνᾳ µελέᾳ – ‘mit diesem erbärmlichen Pelz eines τράγος’ dem Kyklopen statt Dionysos dienen zu müssen, lässt sich, wie an anderer Stelle ausgeführt, auf einer Meta-Ebene als Klage über die Mühen interpretieren, die das ‘tragische Spiel’ (mit dem Zwang zur ‘fremden Rolle’, zur Dionysos-Ferne etc.) ihnen abverlangt.85 Gleichzeitig erbringt das Ensemble des Kyklops den lebendigen Beweis für die inkludierende Kraft der Exklusion: Wie in den nur wenige Jahre später (405 v.Chr.) aufgeführten Bakchen des Euripides wird im ganzen Stück die Reintegration des Dionysos auf der tragischen Bühne zelebriert.86 Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass die Didaskalien des Wettbewerbsbeitrags, dem die Bakchen angehören, keinen Satyrspiel-Titel nennen – vermutlich folgte auf die Bakchen kein Satyrspiel mehr;87 erfüllt doch bereits diese Tragödie in dritter Position den Auftrag des Satyrspiels, nämlich darzulegen, dass Dionysos von der tragischen Bühne nicht wegzudenken ist.

85

Supra p. 243. Koenen, Humorous Play (vide supra p. 214 n. 292): “In the satyr-play, a Dionysiac theme was part of the dramatic convention, but Euripides developed this theme so that, behind the burlesque laughter, we already feel the deeply tragic, yet crushingly comic, crisis of the Bakchai.” 87 TrGF I, DID C 22 (Dion. 405- ca. 400) via Schol. Ar. Ra. 67: Den Didaskalien zufolge habe Euripides’ gleichnamiger Sohn postum die Werke seines Vaters Iphigenie in Aulis, Alkmaion, Bakchen in Athen aufgeführt. Cf. Lämmle 2007, 370-371 mit n. 131. Cf. dagegen Pickard-Cambridge in DFA2 80, wonach die Tatsache, dass im entsprechenden Scholion kein Satyrspiel genannt werde, nicht zwingend bedeute, es habe keines gegeben. 86

Studien zu typischen Motiven und Themen des Satyrspiels (Studien II) In den grundlegenden Arbeiten zum Satyrspiel sind unterschiedliche Listen dessen, was für die Gattung typisch sei, erstellt worden; in verschiedenen kleineren Beiträgen ist ausserdem auf einzelne typische Elemente aufmerksam gemacht worden. Zahlreiche dieser Topoi, Themen und Motive des Satyrspiels haben in den vorangehenden Kapiteln bereits Erwähnung gefunden. Im Folgenden biete ich Studien zu einer Selektion verschiedener Themen und Motive. Dabei ist mir in erster Linie daran gelegen, Texte aus dem Satyrspielkorpus zu erschliessen, die ich im Zuge der Überlegungen zur Gattungspoetik noch nicht eingehend besprochen habe. Darüberhinaus sollen die Studien dazu dienen, einige Punkte zu vertiefen, die zuvor nur knapp angesprochen worden sind. Der Anspruch des Folgenden liegt also darin, Einzelstudien zu Motivkomplexen des Satyrspiels vorzulegen; auf eine Bearbeitung aller in der Forschung als typisch identifizierten Elemente wird bewusst verzichtet. Dennoch wird in (mit ‘*’ markierten) Schlagworten auch auf Elemente verwiesen, denen ich keine Einzelstudie widme, sei es, dass ich sie in anderen argumentativen Zusammenhängen bereits eingehend behandelt habe, sei es, dass sie in der Forschungsliteratur ausführlich besprochen worden sind. Hervorzuheben sind zunächst die Studien von Guggisberg 1947, 60-74;1 Fischer 1958;2 Sutton 1980a, 145-159;3 Seidensticker in KPS;4 sowie die umfassende Motivliste in 1

Guggisberg 1947 nennt als Motive und Themen (ohne numerische Gliederung, die ich hier der Übersichtlichkeit halber verwende): 1) Knechtschaft oder Abhängigkeit der Satyrn (meist von einem Unhold); Befreiung der Satyrn (durch einen tragischen Helden); 2) das erotische Motiv, a) Zudringlichkeit der Satyrn gegenüber Mädchen und Frauen; b) päderastische Liebe; 3) diverse “Märchenmotive”, so etwa der Kampf mit dem Tod, die Überlistung des Todes, die (assistierte) Rückkehr aus der Unterwelt; (aber auch Einbüssen eines Mittels gegen den Tod durch Dummheit); das Märchen vom Meisterdieb; Heisshunger als Strafe; 4) Begegnung mit einem τέρας durch die Satyrn und ihre Reaktion darauf (Schrecken, Neugier etc.); wobei das τέρας oft eine auftauchende Gestalt darstellt; 5) Begegnung mit einem εὕρηµα, einer Erfindung oder Entdeckung, und Reaktion der Satyrn darauf (Entzücken etc.). 2 Fischer 1958 isoliert fünf Motive, die weitgehend denjenigen von Guggisberg entsprechen, bietet aber zu den jeweiligen Motiven mehr Material. Hinzukommen bei ihr die bei Guggisberg entweder nicht oder nur am Rande angesprochenen Motive des Silens als παιδαγωγός und des Rätsels. 3 Sutton 1980a identifiziert zunächst als “commonest satyric situation” die Bezwingung eines Ogers oder eines Unholds (145) und assoziiert damit verschiedene Themen: 1) Gast-

352

Studien II

KPS 666-667. Seaford unternimmt in seinem Kommentar zum Kyklops den Versuch, typische Themen und Motive nicht nur zu benennen und zu beschreiben – hierin stimmt er weitgehend mit den anderen Studien überein –, sondern auch, sie zu erklären, indem er sie auf rituelle und mythische Gegebenheiten, vornehmlich die Dionysischen Mysterien, jedoch auch den öffentlichen Dionysoskult zurückführt (Seaford 1984, 33-44).5 Einen vergleichbaren Versuch unternimmt Voelke 2001, 378-380. Auch er benennt fünf bekannte zentrale Themen für die Gattung, akzentuiert sie aber jeweils etwas anders als die genannten Studien und situiert sie in einem weiteren mythischen, kultischen und (theater)soziologischen Kontext.6

freundschaft (xenia) bzw. Missbrauch der Gastfreundschaft (146-147); 2) Gefangenschaft und Befreiung (147-148); 3) athletische Wettkämpfe, agonale Situationen (148-149). Als weiteres wichtiges narratives Element bezeichnet er Lug, Trug (149) und Machenschaften von “tricksters” (150); Magie (151-153); Wiederauferstehung und Verjüngung (153); Geburt, Kindheit, Erziehung von Göttern und Heroen (153). Als weiteres charakteristisches “feature” stellt Sutton die settings der Satyrspiele in der freien Natur oder in fremden, exotischen Ländern heraus (153-154). Entsprechend werde in Satyrspielen oft das Thema “barbarism versus Hellenism” ausgelotet (154). Wie Guggisberg 1947 betont auch Sutton die zahlreichen Anleihen des Satyrspiels beim Märchen und in der Folklore (154-157). 4 Seidensticker in KPS 28-32 führt unter “typische Stoffe und Motive” die bei Guggisberg, (Fischer), Sutton und Seaford genannten zusammen und ergänzt sie um den bisher etwas zu kurz gekommenen Hinweis auf die Bedeutung der Motive der Sehnsucht der Satyrn nach Wein, des Symposions sowie des Tanzes der Satyrn (32, 8b und 8c), zum Tanz ibid. 21-23. 5 Seaford 1984, 33-44, nennt als 5 wichtigste Themen und Motive 1) Gefangenschaft, Versklavung und Befreiung der Satyrn; 2) wundersame Erfindungen und Gestalten; 3) die anodos aus der Unterwelt; 4) die Betreuung von göttlichen oder heroischen Kleinkindern; 5) Sexualität; 6) Athletik. 6 Voelke 2001, 378-380 nennt als 5 wichtigste Themen: 1) Neutralisation einer Figur, welche die Werte der Zivilisation – wie etwa die Gastfreundschaft – negiert, und anschliessende Befreiung der Satyrn; 2) “la production d’objets, de figures et de phénomènes revêtant un caractère prodigieux et l’experience dont en font les satyres” (378); 3) göttliche und heroische Kleinkinder, die sich bereits als Träger der Eigenschaften erweisen, durch die sie sich im Erwachsenenalter auszeichnen werden; 4) die “prétentions sexuelles affichées par les satyres à l’égard de parthenoi et déjouées par l’intervention d’un héros ou d’un dieu” (379); 5) die Übernahme fremder Rollen durch die Satyrn.

Athleten

353

Athleten Als Athleten1 versuchen sich die Satyrn in Aischylos’ Isthmiastai oder Theoroi,2 in Achaios’ Athla oder Athloi, vielleicht bereits in Pratinas’ Palaistai. Bei der Brautwerbung um Deianeira rühmen sie sich nicht zuletzt ihrer athletischen Fähigkeiten.3 Es handelt sich dabei um eine oft wiederholte Spielart des Motivs der ‘Satyrn in fremden Rollen’ (cf. Kap. 5.2), von deren Beliebtheit auch ihre reiche Ikonographie zeugt.4 In den Athla oder Athloi wird gegen eine Gruppe von Athleten, die als ‘Fremde aus Böotien’ bezeichnet werden, der Vorwurf der Gefrässigkeit erhoben (F 3) – ein Vorwurf, der auch in der grossen Athleteninvektive von Euripides’ Autolykos A' F 282 figuriert.5 An beiden Stellen scheinen die Satyr-Athleten Zielscheibe der Kritik zu sein;6 im Falle der Athla oder Athloi spricht dafür ebenso das Detail der böotischen Herkunft der ‘Fremden’ (F 3.3)7 wie der Vorwurf in *F 4, dass sie nichts als herumstolzieren (cf. s.v. Prahlerei), dem Luxus frönen und sich einölen (cf. s.v. Bakkaris und myron). Der sportliche Agon (ob mit aktiver Beteiligung der Satyrn oder nicht) dürfte auch im Zentrum jener Reihe von Stücken gestanden haben, die in Kap. 7 unter dem Aspekt der Serialität dis-

1 Bisherige Arbeiten haben entweder a) das Motiv der Athleten selbst oder b) das Motiv des athletischen Agons herausgearbeitet. Zu a): Campo 1940, 144-146; Lasserre 1973/1989, 260-261; Sutton 1975; Seaford 1984, 39-40; Simon 1989, 373-376; Voelke 2001, 261-272; cf. auch Pavese 1995; Iannucci 1998. Zu b): Sutton 1974f, 162; Sutton 1975, 209; Sutton 1980a, 148-149; KPS ‘Motive’, 666. Cipolla 2003, 5 notiert auf der Basis von S. ‘Oin.’ **F 1130, dass die Siegesprämie bei diesen Agonen in der Heirat mit der Königstochter bestand; das lässt sich allerdings für das Satyrspiel nicht nachweisen. 2 Cf. supra Kap. 4.1.2; Kap. 5.2; Kap. 6.2 und Studien I, A. Isth. 3 S. ‘Oin.’ **F 1130.9-11. 4 Cf. e.g. Brommer 21959, 60-61 mit Abb. 59-60, 78 Nr. 108-113, 115; Simon 1982, 129130 mit Abb. 34a; Simon 1989, 374-375 mit Abb. 4; KPS Tafel 16b: ‘Satyrn als Athleten und Paidotriben’, attisch rotfiguriger Volutenkrater des Nikoxenos-Malers, Halsbilder (510/500 v.Chr.), München, Staatliche Antikensammlungen 2381. Cf. Krumeich in KPS 66-67 mit n. 119 (mit weiterführender Literatur); Schloemann/Bielfeldt in KPS 79 zu dieser und anderen Darstellungen von Satyrn, die in der Palaistra mit Sportgeräten hantieren oder, in Himatien gekleidet und Phallosstäbe schwingend, ihre Artgenossen beim Training anleiten. 5 Zu einer Kontextualisierung dieser Athleteninvektive cf. Pechstein 1998, 56-85; Harris 2009, bes. 163-166. 6 Cf. die motivische Nähe zum Vorwurf an die Satyrn in S. Ichn. 150-151: … σώ̣µατ’ εἰ[σ]ιδ[ε]ῖ̣ν̣ µόνον / κα̣[ὶ γ]λ̣ῶ̣σσα κα[ὶ] φ̣άλητες. 7 Schloemann/Krumeich in KPS 513 n. 6 sehen darin einen Hinweis auf die Satyrn (als Anhänger des in Böotien gebürtigen Dionysos).

354

Studien II

kutiert worden sind (e.g. A. Kerkyon, S. Amykos).8 Seaford führt diesen Topos auf athletische Wettkämpfe am Anthesterienfest zurück, an denen als Satyrn verkleidete Buben und Männer teilgenommen haben sollen.9

Bakkaris und myron Bakkaris10 ist ein fein duftendes11 edles Kosmetikum, ein Parfümöl oder Körperpuder,12 das in den Satyrspiel-Fragmenten eine beachtliche Präsenz hat: Es wird genannt in A. Amymone F 14; im vermutlich Sophokles’ Helenes Gamos (Sat.?) zuzuordnenden trag. adesp. F 656;13 in Ion Trag. Omph. F 24; schliesslich in Achae. Aith. F 10. Diese Fragmente stammen (von trag. adesp. F 656 abgesehen) alle aus Athenaios 15.690a-d, wo sie zusammen mit Zitaten aus Hipponax (F 104 West), Magnes (Lydoi F 3 K./A.), Semonides von Amorgos (F 16 West) und Aristophanes (Thesmophoriazusai B' F 336 K./A.) als Belege für ‘eine Art myron namens bakkaris’ angeführt werden (Ath. 15.690a). Im nämlichen Katalog hält Athenaios (jedoch ohne Zitat oder Angabe eines Titels) fest, auch Sophokles erwähne bakkaris (Ath. 15.690c; S. inc. F 1032). Da es sich bei den anderen Tragikerzitaten, die sich an der Stelle finden, um Satyrspielverse handelt, ist davon auszugehen, dass sich Athenaios auch hier auf ein Satyrspiel bezieht –

8

Möglicherweise auch in S. Amphiareos (der Titelheld, alternativ Amphiaraos genannt, wird mit der Gründung der Nemeischen Spiele assoziiert: Apollod. 3.66). Zum Agon in den ‘Serientäter-Satyrspielen’: supra Kap. 7.3.3. 9 Seaford 1984, 40 mit n. 40, mit Verweis auf Fackelläufe, die man in Satyrverkleidung bestritten habe. 10 Cf. allgemein: Wagler 1896, 2803; zu ‘βάκκαρις’ als typischem Satyrspielmotiv cf. Musa Tragica 276 n. 19; Heynen/Krumeich in KPS 393 n. 34. 11 Baccar ist eine Pflanze, aus deren Wurzel eine dem Zimt ähnliche Duftessenz gewonnen wird, die wiederum bei der Herstellung von Salben verwendet wurde, cf. Plin. HN 21.29, mit Hinweis auf Aristophanes Thesmophoriazusai B' F 336 K./A. (eine Stelle, die auch Athenaios 15.690a-d anführt. 12 Cf. e.g. Hsch. β 107 s.v. βάκκαρις· µύρον ποιὸν ἀπὸ βοτάνης ὁµωνύµως· ἔνιοι δὲ ἀπὸ µυρσίνης· ἄλλοι δὲ µύρον Λυδόν. ἔστι δὲ καὶ ξηρὸν διάπασµα τὸ ἀπὸ τῆς ῥίζης; cf. auch Hsch. β 1099 s.v. βρένθον· µύρον τι 〈τῶν παχέων〉, ὡς βάκκαρις. οἱ δὲ ἄνθινον µύρον. 13 Cf. trag. adesp. F 656.30: κεχριµένη[ν οἶ]µαί σε β[ακκάρει ⏑– (= P.Oxy. 2804 fr. 2a col. ii.3 mit Ergänzungen, die auf die Diskussionen des Erstherausgebers Lobel 1971b in POxy XXXVII, 15 und Carden 1974, 249 zurückzuführen sind). Das stärkste Argument für die Ergänzung zu β[ακκάρει ist die folgende Zeile des Fragments (4 ≅ trag. adesp. F 656.31): ἦ Λυδικὸν β[ρ]έ̣νθει[ο]ν (‘fürwahr eine lydische Kostbarkeit …’); cf. Lobels Hinweis auf EM s.v. Βρένθειον (1971b, 15).

Bakkaris und myron

355

vielleicht auf das Stück, dem auch das schon genannte trag. adesp. F 656 zugehört (S. Helenes Gamos?).14 Was bakkaris genau sei – vielleicht ein Duftöl –,15 diskutiert Athenaios im Kontext des Amymone-Zitates, wo zwischen bakkaris und anderen Duftessenzen unterschieden wird (15.690c). Allen Erwähnungen von bakkaris wie auch von myron (wohlduftendem Öl, Parfüm) und dergleichen ist aber die Funktion gemein, “die Vorstellung von orientalischem Luxus zu evozieren” (Musa Tragica 276 n. 19). In Ions Satyrspiel Omphale, dem der Mythos von Herakles’ einjährigem Dienst bei der lydischen Königin Omphale zugrundeliegt, ist dies besonders augenfällig. In einem der Fragmente wird Herakles’ Fron als ein Fest bezeichnet, das ein Jahr lang gefeiert werden müsse.16 Hier scheint der opulente Lebensstil der Lyder am Beispiel parfümierter Kosmetika mit dem einfachen der Spartaner kontrastiert zu werden:17 … βακκάρις δὲ καὶ µύρα καὶ Σαρδιανὸν κόσµον εἰδέναι χροός ἄµεινον ἢ τὸν Πέλοπος ἐν νήσῳ τρόπον … bakkaris und myron-Salben und sardische Schminke für die Haut zu kennen, ist besser als der Lebensstil auf Pelops’ Insel. (Ion Trag. Omph. F 24)

Ist die Form Σ]παρτ[ι]ᾶτ̣ιν, ‘eine Spartanerin’, in trag. adesp. F 656.5 (aus S. Helenes Gamos (Sat.?)?) korrekt interpretiert, so dürfte in diesem adespotum die ‘lydische Kostbarkeit’ (Λυδικὸν β[ρ]έ̣νθει[ο]ν, 31) ebenso dazu gedient haben, den lydischen gegen den spartanischen Lebensstil auszuspielen.18 Auch in dieser Hinsicht würde das Fragment sehr gut in ein Satyrspiel über Helena passen, deren Biographie ja durch den orientalisch-spartanischen Konflikt wesentlich 14

Lobel 1971b, in POxy XXXVII, 11, neigte bereits dazu, eine Autorschaft des Sophokles anzunehmen (und zog ausserdem eine Zuordnung zu dessen Akrisios in Erwägung). Von Carden 1974, 248 stammt die Idee, das Fragment könnte, so es denn sophokleisch sei, zu Helenes Gamos gehören; cf. zur Vorbereitung dieses Arguments ibid. 245, 247. 15 Cf. dazu in einigem Detail KPS 93-94 n. 9. 16 Ion Trag. Omph. F 21: ἐνιαυσίαν γὰρ δεῖ µε τὴν ὁρτὴν ἄγειν. 17 Cf. Ion Trag. Omph. F 25, wo ebenfalls von einem Kosmetikum die Rede ist. – Zum üppigen Lebensstil (τρυφή), der den Lydern nachgesagt wird und zum spöttischen Vorwurf der Verweichlichung und Weichlichkeit (ἁβροσύνη) an die Adresse derjenigen, die diesen nachahmen, cf. Kaletsch in DNP s.v. Lydia, IIIB: Materielle Kultur, Alltagsleben, mit Hinweis auf Boardman 1981, 114. 18 Zudem findet sich in Z. 35 die Wortfuge ἐ̣ν τ̣άπητι Σ̣αρδ[ιανικῶι. In der Bezeichnung eines anderen Luxusguts als sardisch fände sich also eine weitere Parallele zu Ion Trag. Omph. F 24.

356

Studien II

geprägt wird. Dieser Konflikt findet in Euripides’ Kyklops einen vergleichbaren Ausdruck, wenn die Satyrn über Helena spotten, der Anblick von Paris in seinen bunten Pluderhosen und das goldene Collier um seinen Hals habe sie veranlasst, den armseligen Menelaos sitzenzulassen (Cyc. 182-186).19 In der Krisis, deren Satyrspielqualität der Träger des einzigen erhaltenen Fragments bezeugt (F 360, aus Herodian)20, spielt Sophokles, wie wir aus Athenaios (15.687c) wissen, eine spröde Athene gegen Aphrodite aus, die das ‘Vergnügen’ verkörpert. Dabei werden auch ihre Körperpflegeprodukte kontrastiert: Σοφοκλῆς δ’ ὁ ποιητὴς ἐν Κρίσει τῷ δράµατι τὴν µὲν Ἀφροδίτην Ἡδονήν τινα οὖσαν δαίµονα µύρῳ τε ἀλειφοµένην παράγει καὶ κατοπτριζοµένην, τὴν δὲ Ἀθηνᾶν Φρόνησιν οὖσαν καὶ Νοῦν, ἔτι δ’ Ἀρετὴν ἐλαίῳ χριοµένην καὶ γυµναζοµένην. Der Dichter Sophokles bringt in dem Drama Krisis Aphrodite als eine das Vergnügen verkörpernde Gottheit auf die Bühne, die sich mit wohlriechendem myron salbt und im Spiegel betrachtet. Athene dagegen (bringt er auf die Bühne) als Verstand und Vernunft und ausserdem als Tugend, die sich mit Olivenöl salbt und ihren Körper ertüchtigt. (S. Krisis *F 361, I)

Das Motiv der Kosmetika bakkaris und myron gehört in die im Satyrspiel gut vertretenen Themenbereiche des Luxus und der Effeminiertheit, des Ausspielens des hellenischen Lebenswandels gegen den orientalischen (“Barbaren-HellenenAntithese”, Seidensticker in KPS 28);21 sowie in den weiteren Kontext des Fremdseins, des Reisens, des Aufenthalts in exotischem Gebiet. Vor allem aber hat all dies auch mit Dionysos zu tun: Dem Gott eilt, wie Pentheus im ersten Epeisodion der euripideischen Bakchen berichtet, in Theben der Ruf eines gefährlichen Exoten (aus Lydien)22 voraus, dessen gepflegtes Haar auffällt (Ba. 233-236, hier 235: ξανθοῖσι βοστρύχοισιν εὔοσµος κόµην – ‘mit blonden Locken und parfümiertem Haar’). Pentheus macht sich diese Vorurteile zu eigen und wiederholt sie in der Konfrontation mit dem geheimnisvollen Fremden, wobei dessen lydische Herkunft wiederum betont wird (Ba. 453-464). 19

Cf. allerdings auch die obszöne Lektüre dieser Stelle, wie sie etwa Hall 2006b, 148 mit n. 15 vorschlägt, vide supra Kap. 1.2, p. 65 n. 64. 20 Hdn.Gr. Περὶ διχρόνων, II.I, p. 15.35-16.1 Lentz; Hdn.Gr. Περὶ µονήρους λέξεως Β, II.II, p. 942.7-8 Lentz. 21 Zum Gegensatz Barbaren – Hellenen im Satyrspiel cf. e.g. auch Kassel 1955/1989, 176; Sutton 1980a, e.g. 154; Griffith 2005, 172 mit n. 62. 22 Dionysos selbst deklariert schon im Prolog, dass er aus exotischen Gefilden in seine Heimat zurückkehre, als erstes erwähnt er dabei Lydien, cf. Ba. 13-22: λιπὼν δὲ Λυδῶν τοὺς πολυχρύσους γύας … cf. neben den hier genannten Stellen auch Ba. 55, 140, 571572.

Bakkaris und myron

357

Zusammengenommen erweisen sich diese Bakchen-Passagen als derselben Dichotomie verpflichtet wie Sophokles’ Krisis *F 361, I. In zwei Achaios-Fragmenten, von denen eines sicher, das andere mit höchster Wahrscheinlichkeit dem Satyrspiel Athla oder Athloi angehört, ist ebenfalls von Salben die Rede: in F 5 wird der Wert einiger Luxusgüter diskutiert; darunter befinden sich ägyptische Salben. Athl. *F 423 dagegen ist ein Ausschnitt aus einer Athleteninvektive, in der eine Gruppe nackt einherstolzierender Jugendlicher bezichtigt wird, sich mit Unmengen Öl die Brust eingerieben zu haben und allzusehr dem Luxus zu frönen. Hier vereint also eine Gruppe von Menschen beide Seiten des üblichen Gegensatzes zwischen Hingabe an die Athletik und Neigung zum Luxus in sich. Als Bezugspunkt dieser Verse kommen nicht zuletzt die Satyrn in Frage, die schlechthin eine Verkörperung von Widersprüchlichkeiten sind. An drei weiteren Stellen bei den Tragikern wird myron erwähnt, oder vielmehr seine Negation oder explizite Absenz. Die betreffenden Stellen, an denen jeweils ein entsetzlicher Gestank beschrieben wird, stammen alle aus Dramen, deren Gattungszugehörigkeit umstritten ist:24 Aischylos’ Ostol. *F 180, Sophokles’ Synd. F 565 sowie Sophokles’ Poim. F 512. An den ersten beiden Stellen klagt jemand, man habe ihm einen Nachttopf an den Kopf geschleudert, sodass es οὐ µύρου πνέον, ‘nicht nach wohlriechendem Öl geduftet’ (S. Synd. F 565.3) bzw. χωρὶς µυρηρῶν τευχέων, ‘anders als Salbtöpfchen’ gerochen habe (A. Ostol. *F 180.5).25 An der dritten Stelle ist von Viehställen die Rede, die mit dem Adjektiv ἄµυρος (‘myron-los, ohne myron’) bezeichnet sind: ἀµύρους τόπους (S. Poim. F 512).26 Der bathos, der Nachttopf und Viehstall anhaftet, gibt an sich schon Anlass, bei der Zuweisung der Fragmente zur Tragödie zu zögern; die Charakterisierung eines Gestanks als ‘nicht-wie-myron’ aber deutet erst recht auf die Herkunft des Fragments aus einem Satyrspiel. Ιn Achaios’ Hephaistos, einem Satyrspiel über die Rückführung des Hephaistos auf den Olymp, ist der hier diskutierte Topos manifest dionysisch verankert.27 Nur zwei Fragmente sind von diesem Stück erhalten. In Heph. F 16b wird Aphrodite erwähnt (jedoch ohne erkennbaren Zusammenhang mit Dionysos oder dem hier diskutierten Topos). Heph. F 17 aber ist ein Ausschnitt einer Stichomythie zwischen Dionysos und Hephaistos, aus einem Gespräch über den Ablauf eines bevorstehenden Symposions, bei dem Hephaistos trunkengemacht 23

Die Zuordnung dieses Fragments zu den Athla oder Athloi verdankt sich dem Umstand, dass für kein anderes Stück des Achaios das Thema Sport und Athletik bezeugt ist; cf. Schloemann/Krumeich in KPS 512. 24 Vide supra p. 12 n. 2 (Ostol., Synd.). Ich bespreche diese Fragmente infra s.v. Kottabosspiel. 25 A. Ostol. *F 180.5: χωρὶς µυρηρῶν τευχέων πνέουσ’ ἐµοί. 26 Zur Frage nach der Gattungszugehörigkeit der Poimenes: supra p. 71 n. 113. 27 Vide supra Kap. 4.1.3, p. 145-146.

358

Studien II

und für die Rückkehr in den Olymp gewonnen werden soll, gegen die er sich bisher erfolgreich gewehrt hat: 〈Δ∆Ι.〉 θοίνῃ σε πρῶτον τέρψοµεν· πάρεστι δέ. 〈ΗΦ.〉 τὸ δεύτερον 〈δὲ〉 τῷ µε κηλήσεις τρόπῳ; 〈Δ∆Ι.〉 µύρῳ σε χρίσω πάµπαν εὐόσµῳ δέµας. 〈ΗΦ.〉 ὕδωρ δὲ νίψαι χεῖρας οὐ πρόσθεν δίδως; 〈Δ∆Ι.〉 ἡνίκα τράπεζά γ’ ἐκποδὼν ἀπαίρεται. Di. Mit einem Festmahl werden wir als erstes dich erfreuen; es steht bereit. He. Und als zweites, wie wirst du mich da bezirzen? Di. Mit Myrrhe salbe ich dir ganz, mit wohlriechender, den Leib. He. Und Wasser zum Händewaschen gibst du mir vorher nicht? Di. Wenn der Tisch herausgetragen wird, dann schon. (Achae. Heph. F 17; Übersetzung: Schloemann/Krumeich in KPS 519)

Diese Verse vermitteln einen Eindruck davon, wie die Einordnung des Hephaistos in die dionysische Sphäre erfolgt: Nicht nur wird er (wie es die einschlägigen Versionen des Mythos überliefern) betrunken gemacht, sondern auch am ganzen Leib ‘mit wohlriechendem myron’ (µύρῳ εὐόσµῳ, 3) eingerieben.28 Im skolion schliesslich, das der Chor in Euripides’ Kyklops anstimmt, wird der vom Wein berauschte Symposiast gepriesen, dessen Lockenpracht glänzt; er ist µυρόχριστος – ‘mit myron gesalbt’ (Cyc. 501).

Buchstaben, Schrift und Schreibgerät Zu den zivilisatorischen Errungenschaften, deren Erfindung oder vielmehr deren Entdeckung durch die Satyrn im Satyrspiel inszeniert wird, gehören Buchstaben,29 Schrift30 und Schreibgerät. In Aischylos’ ‘Dike’ treffen die Satyrn auf die Göttin Dike und entdecken deren Zuständigkeiten und Instrumente. Das substantiellste der relativ sicher zuweisbaren Fragmente ist A. inc. F 281a, dessen erste 23 Verse lauten: 〈Δ∆ΙΚΗ·〉 µακάρων .[ αυτη θε̣ων[ .]αι̣’ ..λ̣.π̣ε.δ.[ .].[......].ν.[ ἵζει δ’ ἐν αὐτ̣ῶ̣ι̣ .[.]..[.]..[.].[ 28

Ein Salböl erwähnt Achaios auch in seinem Satyrspiel Iris (F 19); der Kontext ist jedoch unbekannt. 29 Cf. Voelke 2001, 279-283. 30 KPS ‘Motive’, 667.

Buchstaben, Schrift und Schreibgerät

359

δίκηι κρατήσας τῶ̣ι̣δε.[ πατὴρ γὰρ ἦρξεν̣, ἀνταµ[ ἐκ τοῦ δέ τοί µε Ζεὺς ἐ̣τίµ̣[ησεν ὁτιὴ παθων ηµ̣[..].[ ἵζω Δ∆ι̣ὸς θρόνοισιν [...]ϊσµέν̣η̣· πέµπει δέ̣ µ’ αὐτὸς οἷσι̣ν̣ εὐµεν[ Ζ̣[ε]ύ̣ς̣, ὅσπερ ἐς γῆν τήν̣δ̣’ ἔπε̣µψέ µ’ ..[ .[..]εσθε δ’ ὑµεῖς εἴ τι µὴ µά̣[την] λ̣έγω. 〈ΧΟ.〉 .[..]οῦ[. προ]σ̣ε̣ν̣ν̣έποντες εὐ.[].ήσοµε̣[ν; 〈Δ∆Ι.〉 Δ∆ίκην µ.[...]ο̣ν π̣ρ̣εσβο̣.η.ε̣...ρο̣.[ 〈ΧΟ.〉 ποίας δὲ τ[ιµ]ῆς ἀρχ.......εισ.[ 〈Δ∆Ι.〉 το]ῖ̣ς̣ µὲν δ[ι]καίοις̣ ἔνδι̣κ̣ον τειν..ο̣[ 〈ΧΟ.〉 ].σα θέ̣[σ]µ̣[ι]ο̣ν̣ τ̣ό̣δ̣’ ἐν β̣ρ̣[ο]τ̣ο̣[ῖς. 〈Δ∆Ι.〉 τοῖς δ’ αὖ µα]ταίοις .[.].[.]....[..]....φ̣[ 〈ΧΟ. 〉 ἐ]πωιδαῖ̣ς ἢ κατ’ ἰσχύος τρόπο̣[ν]; 〈Δ∆Ι.〉 γράφουσα] τ̣ἀ̣〈µ〉π̣λακ̣ήµατ’ ἐ̣ν δέλτωι Δ∆ιό̣[σ. 〈ΧΟ.〉 ].ωι δ̣ὲ̣ πίνακ’ ἀναπτύσσει̣[ς] κακ[ 〈Δ∆Ι. 〉 ]ηι σφιν ἡµέρα τὸ κύριον. DIKE der glückseligen … ich (?) selbst der Götter … (…) er (?) sitzt darauf …31 nachdem er mit Recht triumphiert hat32 (diesem) … denn der Vater begann … /erlangte die Herrschaft … und seither denn hat Zeus mich geehrt, weil (nachdem er erlitten hat/der Leiden)33 … ich sitze (und werde … von) Zeus’ Thron … Er selbst schickt mich denjenigen, die … (wohlwollend), Zeus, der mich in dieses Land hier schickte … und ihr …, wenn ich denn nicht (umsonst) rede. CHOR (wie?) sollen wir dich ansprechen, um (es genau zu treffen?) …? DIKE ‘Dike’ … Gegenstand der Verehrung … 31

Angesichts von V. 6 dürfte αὐτ̣ῶ̣ι (5) auf den Thron des Kronos zu beziehen sein, cf. Lloyd-Jones 1956, 60. 32 Cf. Sommerstein 2008, 279 mit n. 2: Es ist anzunehmen, dass der Triumph des Zeus über Kronos und die ältere Göttergeneration gemeint ist. So bereits Lloyd-Jones 1956, 60. 33 Abhängig von der Akzentuierung handelt es sich bei παθων (9) um ein Partizip (παθών) oder ein Substantiv im Gen. Pl. (παθῶν). Der Erstherausgeber Lobel tendiert zu παθών, Vyzoký 1957 dagegen argumentiert für παθῶν, cf. Radt in TrGF III ad loc. Radt selbst setzt wie auch Wessels in KPS 100 παθων ohne Akzent; Wessels favorisiert aber ebenfalls παθών, indem sie diese Form übersetzt und die andere nur in einer Anmerkung erwähnt, cf. KPS 101 mit n. 13. Lloyd-Jones 1956, 60 erwähnt nur παθών, ebenso Sommerstein 2008, 280-281, der den Vers wie folgt ergänzt: ὁτιὴ παθὼν ηµ̣[είψατ’ (“because, having suffered wrong, he re[quited it with just punishment (?).]”).

360

Studien II CH. Über was für ein (ehrenvolles) Amt (herrschst du)? … DI. den Gerechten … ein gerechtes … CH. … (dieses Gesetz) unter den Menschen DI. Den Frevlern jedoch … CH. … mit Ζauberliedern oder nach der Methode der Gewalt? DI. (indem ich) die Fehler auf einer Schreibtafel des Zeus (aufschreibe) CH. und (wann?)34 klappst du (die) Schreibtafel (den Missetätern?) auf (?) DI. … ihnen der Tag das Gebührende. (A. ‘Dike’ inc. F 281a.1-23)35

Das Strafmass der Dike besteht im Aufschreiben der Vergehen auf der ‘Schreibtafel des Zeus’ (δέλτος Δ∆ιός, 21), für welche die Satyrn den synonymen Begriff πίναξ (22) verwenden.36 Das hierin erkennbare Motiv von Dikes repektive Zeus’ Buchführung über menschliche Verstösse gegen die Gerechtigkeit findet sich auch in einem Melanippe-Drama des Euripides wieder, vermutlich in der Weisen Melanippe.37 Hier wird die bei Aischylos so plastisch vor Augen geführte Vorstellung der Schreibtafel des Zeus wie überhaupt die anthropomorphe Konzeption der Dike in ironischer und kritisch-rationalisierender Weise ad absurdum geführt: δοκεῖτε πηδᾶν τἀδικήµατ’ εἰς θεούς πτεροῖσι, κἄπειτ’ ἐν Δ∆ιὸς δέλτου πτυχαῖς γράφειν τιν’ αὐτά, Ζῆνα δ’ εἰσορῶντά νιν θνητοῖς δικάζειν; οὐδ’ ὁ πᾶς ἂν οὐρανὸς Δ∆ιὸς γράφοντος τὰς βροτῶν ἁµαρτίας ἐξαρκέσειεν οὐδ’ ἐκεῖνος ἂν σκοπῶν πέµπειν ἑκάστῳ ζηµίαν· ἀλλ’ ἡ Δ∆ίκη ἐνταῦθά πού ’στιν ἐγγύς, εἰ βούλεσθ’ ὁρᾶν Meint ihr, die Missetaten springen auf Flügeln zu den Göttern hinauf, und irgendjemand schreibe sie auf Zeus’ zusammenklappbarer Schreibtafel nieder, und Zeus schaue das an und richte danach über die Sterblichen? Der ganze Himmel würde 34

Gemäss dem Vorschlag von Lobel in POxy XX, 1952, 41 ad P.Oxy. 2259 fr. 9a.22: “The answer in the next line can hardly be other than an indication of time, presumably, therefore, ποίῳ χρό]νῳ δέ … (ποίου χρόνου δέ, [A. Ag.] 278) …”. 35 Zur unproblematischen Identifikation der Sprecher-Rollen in diesem Fragment cf. Lobel in POxy XX, 1952, 39 ad P.Oxy. 2256 fr. 9a. 36 Zur synonymen Verwendung der Begriffe cf. Heubeck 1979, 143; zur Geschichte dieser (aufklappbaren) hölzernen Tafeln, deren Innenfläche mit einer dünnen Wachsschicht ausgestrichen ist, cf. ibid. 141-146. Cf. ferner zu δέλτος (oder δέλτιον) auch Heubeck 1979, 135, 148, 152-154, 157 sowie die zahlreichen antiken Stellen und Literaturangaben bei Austin/Olson 2004, 260-261 ad Ar. Th. 778-80 s.v. πινάκων ξεστῶν δέλτοι; zu πίναξ: Heubeck 1979, 135-136, 138-139, 152-153. 37 Collard/Cropp/Lee 1995, 278.

Buchstaben, Schrift und Schreibgerät

361

Zeus nicht reichen, um die Sünden der Menschen darauf zu notieren, noch könnte er sie genau studieren und jedem seine Strafe schicken! Nein, Dike/dike ist hier irgendwo in der Nähe, wenn du sie denn sehen willst. (Ε. Melanippe A' vel B' F 506)

Man kann so weit gehen, aus den literarischen Darstellungen der Art und Weise, wie Dike Zeus über menschliches Unrecht ins Bild setzt, eine kleine Mediengeschichte abzuleiten. Die in Aischylos’ ‘Dike-Satyrspiel’ greifbare Vorstellung, dass Dike Zeus über jegliche menschliche Untat Bericht erstatte, findet sich in der griechischen Literatur bereits in Hesiods Erga kai Hemerai (256-262)38 und lässt sich wohl auf nahöstliche Einflüsse zurückführen.39 Bei Hesiod jedoch verfügt Dike noch nicht wie bei Aischylos über Schrift und Schreibmaterial – stattdessen geht sie, sooft eine menschliche Verfehlung vorgefallen ist, unverzüglich zu Zeus, setzt sich neben ihn und berichtet: καί ῥ’ ὁπότ’ ἄν τίς µιν βλάπτῃ σκολιῶς ὀνοτάζων, αὐτίκα πὰρ Δ∆ιὶ πατρὶ καθεζοµένη Κρονίωνι γηρύετ’ ἀνθρώπων ἀδίκων νόον, … Und wann immer einer sie verletzt, indem er sie auf krumme Weise schmäht, setzt sie sich unverzüglich neben ihren Vater Zeus hin, den Kroniden, und tut Kunde vom Sinn der ungerechten Menschen … (Hes. Op. 258-260).

Auch die aischyleische Dike gibt zwar an, neben Zeus zu sitzen (cf. A. inc. F 281a.10: ἵζω Δ∆ι̣ὸς θρόνοισιν [...]ϊσµέν̣η̣),40 doch geht aus ihrer Wortwahl und dem deiktischen Gestus (… ἐς γῆν τ ή ν ̣ δ ̣ ’ ἔπε̣µψέ µ’…, 12) ihrer Antwort klar hervor, dass sie, hat Zeus sie einmal losgeschickt (wie jetzt, im inszenierten Moment ihrer Begegnung mit den Satyrn), Notizen macht, und zwar auf ihrer Schreibtafel. Dabei wird das Niederschreiben der Sünden auf der Schreibtafel als eine Methode der Massregelung der Sünder präsentiert, die effizienter ist als die-

38

Cf. zum Zusammenhang des Dike-Fragments mit den Erga kai Hemerai auch LloydJones 1956, 60-61. 39 Die Vorstellung göttlicher Buchführung über menschliche Sünden scheint eine unmittelbare Folge der ersten Verwendung der Schrift zu Verwaltungszwecken und der Erfindung der schriftlichen Listenführung im antiken nahen Osten zu sein; cf. Collard/Cropp/ Lee 1995, 279 und die dort genannte Literatur. 40 Das Motiv der Dike als πάρεδρος des Zeus ist überhaupt sehr verbreitet: e.g. S. OC 1380-1382; Orph. H. 62 Quandt; Arr. An. 4.9.7; Plu. Alex. 52.6; Plu. Ad principem ineruditum, mor. 781b.

362

Studien II

jenigen, die den Satyrn einfallen (20): ‘Beschwörungszauber’/Zauberlieder (ἐπῳδαί) oder ‘Gewalt’ (ἰσχύς).41 In Euripides’ Melanippe (F 506) dagegen wird in spöttischem Ton der Nachweis der Begrenztheit des Mediums erbracht: Eine Schreibtafel wäre für die Niederschrift all der menschlichen Sünden schlicht zu klein, selbst dann, wenn sie ein Format grösser als das Himmelsgewölbe hätte. Hier werden also die Vorstellungen von einer zentralistisch organisierten göttlichen Sünden- und Strafverwaltung ebenso demontiert wie diejenige von Dike als anthropomorpher Göttin.42 Hier, bei Euripides, ist von Dike, die im aischyleischen Satyrspiel eine sprechende (und eine schreibende) Rolle innehatte, bestensfalls ein Konzept übriggeblieben, ein “matter for human comprehension and judgment” (Collard/Cropp 2008a, 609 ad loc.). Zwei weitere Formen von Schriftträgern kommen in der Iris des Achaios zur Sprache: σκυτάλη und κύρβις. Die skytale wurde in Sparta zur Überbringung geheimer Botschaften eingesetzt. In einer kryptischen Beschreibung, die ihrem Gegenstand Ehre macht, scheint sie hier in eine metaphorische Beziehung mit kyrbeis gebracht zu werden, einer bestimmten Art Schreibtäfelchen.43 Ausserdem wird eine Zinnflasche erwähnt; der Zusammenhang der Gegenstände ist jedoch ebenso obskur wie die Syntax dieser Verse: λιθάργυρος {δ’} ὄλπη παρῃωρεῖτο χρίµατος πλέα τὸν Σπαρτιάτην γραπτὸν {κύρβιν} ἐν διπλῷ ξύλῳ 〈κύρβιν〉 … eine zinnerne Flasche hing daran, mit Salbe gefüllt, der Spartiate, auf doppeltem Holz beschriftet, die kyrbis (Achae. Iris F 19).

Dass hiermit die skytale umschrieben ist, geht einzig aus dem Zitatkontext hervor: Athenaios berichtet, dass Achaios zwar eine elegante Wortkomposition pfle41

Mit einer ἐπῳδή wollen die Satyrn auch ‘dem Frevler’ im Kyklops beikommen: E. Cyc. 646-648. Die Reaktion der Satyrn hat ausserdem eine Parallele in Cyc. 447-448, wo die Satyrn über die Methode rätseln, mit der Odysseus den Kyklopen bezwingen will. 42 Die Demontage der Vorstellung einer menschengestaltigen Göttin ‘Gerechtigkeit’ findet ihren Ausdruck mitunter auch darin, dass in F 506 zunächst von ‘jemand’ die Rede ist, der die Verfehlungen ‘auf Zeus’ Schreibtafel aufschreibe’ (… ἐν Δ∆ιὸς δέλτου πτυχαῖς / γράφειν τιν’ αὐτά …, 2-3), zwei Verse später jedoch mit der (ihrerseits als irreal markierten) Idee eines schreibenden oder sündenregisterführenden Zeus argumentiert wird (Δ∆ιὸς γράφοντος τὰς βροτῶν ἁµαρτίας, 5). 43 Zur kyrbis vide infra.

Buchstaben, Schrift und Schreibgerät

363

ge, aber dennoch bisweilen ‘die Redeweise verdunkle’ (µελαίνει τὴν φράσιν) und ‘vieles rätselhaft ausdrücke’ (πολλὰ αἰνιγµατωδῶς ἐκφέρει). Die Rätselhaftigkeit der vorliegenden Stelle erklärt Athenaios damit, dass Achaios hier den (zur skytale gehörenden) Lederriemen als ‘beschrifteten Spartiaten, eine kyrbis’ statt – mit der vox propria – als ‘spartanische skytale’ bezeichne.44 Zur Methode der skytale sei folgendes angemerkt: Damit die Geheimbotschaft erfolgreich überbracht werden kann, müssen Sender und Empfänger über einen Stab identischen Durchmessers verfügen. Der Sender wickelt einen Lederstreifen regelmässig und “spiralisch ansteigend” (Birt 1907, 274) um den Stab und beschriftet das Band dem Stab entlang. Daraufhin wird der Lederstreifen (der in losem Zustand mit willkürlich angeordneten Buchstaben beschriftet zu sein scheint) dem Empfänger übermittelt, der ihn um seinen Stab wickeln und entziffern kann.45 Die skytale ist also der kryptographischen Methode der Transposition verpflichtet, bei der es zur Umordnung der Buchstaben eines Textes, nicht zu deren Substituierung durch andere Buchstaben oder Zeichen kommt. Auf den Sender- und Empfängerstab nun bezieht sich der Ausdruck vom ‘doppelten Holz’ in Iris F 19.3 (ἐν διπλῷ ξύλῳ). In Achaios’ Umschreibung der skytale kommt indessen noch eine weitere Metapher aus dem Bereich der Schriftkultur zum Zuge: diejenige der κύρβις. Der Begriff ‘kyrbis’ tritt für gewöhnlich im Plural auf (κύρβεις)46 und bezeichnet wiederum eine spezifische Art von Schriftträgern. Auf kyrbeis waren in Athen die Gesetze Drakons aufge-

44

Ath. 10.451c: … Ἀχαιὸς δ’ ὁ Ἐρετριεὺς γλαφυρὸς ὢν ποιητὴς περὶ τὴν σύνθεσιν ἔσθ’ ὅτε καὶ µελαίνει τὴν φράσιν καὶ πολλὰ αἰνιγµατωδῶς ἐκφέρει, ὥσπερ ἐν Ἴριδι σατυρικῇ. λέγει γάρ·[Achae. Iris F 19]. τὸν γὰρ λευκὸν ἱµάντα βουληθεὶς εἰπεῖν, …, Σπαρτιάτην γραπτὸν ἔφη κύρβιν ἀντὶ τοῦ Σπαρτιᾶτιν σκυτάλην. – Gemäss Plu. Lys. 19.7 heissen bei den Spartanern sowohl der Stab als auch der Lederriemen (den Plutarch βιβλίον nennt) ‘skytale’ (καλεῖται δὲ ὁµωνύµως τῷ ξύλῳ σκυτάλη τὸ βιβλίον, ὡς τῷ µετροῦντι τὸ µετρούµενον). 45 Zur skytale cf. Aulus Gellius’ Ausführungen unter dem Titel De notis litterarum, quae in C. Caesaris epistulis reperiuntur; deque aliis clandestinis litteris ex vetere historia petitis; et quid skytale sit Laconica (Gell. 17.9.6-15); Plu. Lys. 19.5-7. Das Material ist aufgearbeitet bei Birt 1907, 273-276, 280. Birt sieht in der Art und Wiese, wie der Lederriemen um die skytale gewickelt wurde – er vergleicht sie mit dem Bild der sich um einen Stab windenden Schlange – das “Prinzip der Trajanssäule” vorweggenommen (1907, 274, 280). Im Unterschied zu dieser aber wurde der Lederriemen der skytale dem Stab entlang und über die Ränder der aneinanderliegenden Flächen hinweg beschrieben (per transversas iuncturarum oras, Gell. 17.9.10). 46 Im Singular tritt der Begriff selten und meist in metaphorischem Sinne auf; in der klassichen Literatur nur bei Achaios auf bei Ar. Nu. 448 (cf. Schol.), in der hellenistischen bei Call. Aet. F 103. Unter den späteren Zeugnissen für den Singular sind Nonnos’ Dionysiaka hervorzuheben, wo er in verschiedenen Flexionsformen gleich vierfach erscheint (Nonn. D. 12.37, 43, 55, 64).

364

Studien II

schrieben.47 Gemäss LSJ handelte es sich dabei um “triangular tablets, forming a three-sided pyramid, turning on a pivot, upon which the early laws were inscribed.” Auch hier ergibt sich demnach ein (freilich nicht vollkommen entsprechendes) Bild einer um eine Achse laufenden Buchstabenanordnung, und eben hierin scheint das tertium comparationis zu liegen, auf das Achaios abzielt. Was den einen als “nicht sehr glücklich[e Umschreibung]” (Musa Tragica 279 n. 20) erscheinen mag, kann umgekehrt als ein Zeugnis für die hohe Poetizität dieser Stelle gewertet werden. Wie der Lederriemen, von dem sie spricht, kann sie nur dann verstanden werden, wenn sie um den passenden interpretativen Stab gewickelt wird. Über das Stück, aus dem diese Verse stammen, ist nur wenig bekannt. Titelfigur ist die Götterbotin Iris.48 Bisherige Rekonstruktionsversuche haben sich im wesentlichen auf zwei mögliche Elemente der Iris konzentriert: 1) die sexuelle Belästigung der Iris durch die Satyrn und 2) den von Wahnsinn ergriffenen Dionysos. 1) ist Gegenstand mehrerer ikonographischer Darstellungen.49 Da die Satyrn sich weiblichen Gestalten grundsätzlich sexuell zu nähern versuchen, ist es durchaus wahrscheinlich, dass dies auch für die Iris bei Achaios gilt. 2) basiert auf der textkritisch umstrittenen Aussage des Philodemos in De pietate, wonach Dionysos in der Iris als ‘vom Wahnsinn ergriffen’, µανίᾳ κατάσχετος, dargestellt worden sei.50 Als drittes Thema kommt nun aber die Kommunikationskultur hinzu. Dass nämlich in einem Stück über die Götterbotin Iris ein Instrument zur schriftlichen Übermittlung geheimer Botschaften erwähnt wird, zieht die Frage nach sich, ob auch hier, ähnlich wie in Aischylos’ ‘Dike’, eine Göttin ihr Amt neuerdings mit Instrumenten der Schriftkultur ausübt. Sicher ist jedenfalls, dass Achaios’ Iris in eine Welt geraten ist, in der die Schrift bereits eine Rolle spielt. Zudem scheint aus Iris F 19 hervorzugehen, dass ein Zinnfläschchen am Lederriemen der skytale hängt und also von dem Lederriemen im losen (i.e. im nicht um den Stab gewickelten) Zustand die Rede ist. Im Wissen um die zahl47

Cf. Rhodes in DNP s.v. Kyrbeis. Neben den hier diskutierten Fragmenten sind drei Wortfragmente der Iris überliefert, F 21-23, welche die Vorkommnis der Begriffe ἀκτηρίς (F 21 ap. Poll. 10.157), ἐκολλόπωσε (F 22) sowie schliesslich σελῆναι (F 23) sichern. Die σελῆναι, ‘Mondkuchen’, in F 23 (ap. Paus.Gr. Ἀττικῶν ὀνοµάτων συναγωγή, β s.v. βοῦς ἕβδοµος) sind schwierig unterzubringen; hinter ἀκτηρίς, ‘Stab’ (F 21), liesse sich allenfalls ein Synonym für die skytale vermuten (Pollux bemerkt dazu allerdings nur, Achaios habe in der Iris die βακτηρία mit ἀκτηρίς bezeichnet); F 22, das wie F 23 über den Attizisten Pausanias auf uns gekommen ist, besteht in der Verbform ἐκολλόπωσε, ‘leimte zusammen’ (cf. Paus.Gr. Ἀττικῶν ὀνοµάτων συναγωγή, ε 25 s.v. ἐκολλόπωσε). 49 Cf. die bei Schloemann/Krumeich in KPS 527 genannte Literatur. 50 Phld. Piet. p. 36 Gomperz (≅ Achae. Iris F 20 ≅ S. inc. F 810). Diskussion der Stelle: supra Kap. 4.1.3, § Achaios, Iris, p. 141-142. 48

Buchstaben, Schrift und Schreibgerät

365

reichen Satyrspielstellen über den Kontakt mit oder die Entdeckung der Buchstaben kann man vermuten, dass hier das Durcheinander der Buchstaben auf dem aufgerollten Lederriemen für Unruhe sorgt. Wenn schon die Entzifferung eines normalen Namens zum Problem werden kann,51 so wird die wilde Buchstabenfolge des Lederriemens der skytale die Satyrn erst recht in grosse Verwirrung gestürzt haben. Denken lässt sich auch eine Szene, in der es zu einer Kollision zweier Kommunikationsmodelle kommt: Vielleicht wollte jemand auf Iris verzichten und stattdessen mit der skytale arbeiten – und scheiterte dabei oder geriet in einen Streit mit der Göttin? In Achaios’ Satyrspiel Omphale (F 33) kommt es zum Kontakt der Satyrn mit einer Buchstabenfolge, die in diesem Fall den Genitiv eines einfachen Namens bildet. Dieser Stelle haben wir uns in anderem Kontext bereits angenommen:52 Der Silen oder ein Satyr entziffert in kindlich-ungelenker Manier, Buchstabe für Buchstabe, die Aufschrift Δ∆ΙΟΝΥΜΟ (i.e. Δ∆ιονύσου, ‘des Dionysos’) auf einem Becher. Bemerkenswert ist das Auftreten des dorischen Buchstabens ‘san’ (geschrieben ‘M’) anstelle eines ‘sigma’.53 Die Verse sind bei Athenaios überliefert, der auch ausführt, warum hier ‘san’ statt ‘sigma’ gesagt werde: οἱ γὰρ µουσικοί, καθάπερ πολλάκις Ἀριστόξενός φησι, τὸ σίγµα λέγειν παρῃτοῦντο διὰ τὸ σκληρόστοµον εἶναι καὶ ἀνεπιτήδειον αὐλῷ – ‘denn die Dichter, wie Aristoxenos mehrmals bemerkt, vermieden es, ‘sigma’ zu sagen, weil der Buchstabe schwierig auszusprechen ist und nicht zu (dem Klang) der Flöte passt’ (Ath. 11.467a-b). Das ist einigermassen bizarr: Beim asigmatischen Dichten geht es ja nicht nur darum, den Buchstaben sigma zu vermeiden, sondern den Klang des stimmhaften S-Lauts.54 Das leistet das Ersetzen des ‘sigma’ durch das klanglich gleichwertige ‘san’ jedoch nicht;55 und davon abgesehen kommt in den vier Versen von Omph. F 33 viermal ‘σ’ und einmal ‘σσ’ vor. Gleichwohl ist es interessant, dass Athenaios hier einer Satyrspielpassage intendierten Asigmatismus unterstellt – ein wichtiges Thema in der Diskussion des anonymen ‘Atlas’ (vide infra). Hier wird in einem Drama über Begebenheiten am königlichen Hof der Lyder, das von einem in Eretria gebürtigen Dichter verfasst ist und in Athen aufgeführt wird, ein dorischer Buchstabe erwähnt, der zur Zeit, in die das Stück zu datieren ist, weitgehend ausser Gebrauch gekommen ist. Die Inschrift, so die These einiger Interpreten, verrate die dorische Herkunft des Bechers, den sie ziert. Im Omphale-Mythos wiederum gibt es nur einen Dorer, der für den Import des Bechers nach Lydien verantwortlich zeichnen könnte, und das ist Herakles, der – so kann man spekulieren – bei Königin Omphale auf die armen Satyrn 51

Vide infra. Cf. supra p. 111. 53 Cf. supra p. 111 n. 2. 54 Luz 2010, 229 diskutiert das Aristoxenos-Zitat. 55 Zur klanglichen Gleichwertigkeit von ‘san’ und ‘sigma’: Stanford 1967, 8 mit 23 n. 28. 52

366

Studien II

stösst und sie mit einem gefüllten σκύφος (wie Odysseus den Silen im Kyklops) von lange erlittener Abstinenz erlösen kann.56 Dass der Import (fremdartiger) Schriftsysteme im Satyrspiel thematisiert worden ist, mag durch ein Fragment aus Sophokles’ Poimenes Bestätigung finden, das aus einer Hesych-Glosse gewonnen ist, die ihrerseits vermutlich auf Aelius Dionysius’ Ἀττικὰ ὀνόµατα zurückgeht:57 Φοινικίοις γράµµασι· Σοφοκλῆς Ποιµέσιν. ἐπεὶ δοκεῖ Κάδµος αὐτὰ ἐκ Φοινίκης κεκοµικέναι. Mit phoinikischen Buchstaben. Sophokles in den Poimenes. Weil Kadmos sie aus Phoinikien importiert zu haben scheint. (S. Poim. F 514)

Zwar ist das Fragment im Stückzusammenhang nicht verortbar, doch deutet sowohl die Rede von den ‘phoinikischen Buchstaben’ als auch ihre Erklärung durch den Attizisten bzw. den Lexikographen auf eine Diskussion über Herkunft und Historie der Schrift hin. Bemerkenswert ist das Fragment aber schon deshalb, weil es eine der wenigen Stellen im erhaltenen Œuvre des Sophokles ist, an denen die Schriftlichkeit zum Thema gemacht –58 oder als ‘Hintergrundmetaphorik’ wirksam wird (cf. infra zu S. Amphiareos).59 Sind die Poimenes ein Satyrspiel,60 so liegt hier zugleich ein weiteres Zeugnis für die Faszination der Satyrn für ‘Ursprünge’ und Entdeckungen vor. Eine längere Passage der Deipnosophistai, aus der auch Achaios’ Iris F 19 stammt, handelt von sogenannten γρῖφοι, Buchstabenrätseln.61 Hier berichtet Athenaios unter anderem von drei in ihrer Gattungszugehörigkeit strittigen

56

Krumeich/Pechstein in KPS 540; supra Kap. 4.1. Ael.Dion. Ἀττικὰ ὀνόµατα φ 16 s.v. Φοινικίοις γράµµασι· ἐπεὶ δοκεῖ Κάδµος ἀπὸ Φοινίκης αὐτὰ κεκοµικέναι (aus Eust. Od. 1757.55 restituiert durch Erbse, cf. Radt in TrGF IV, p. 401 ad loc.); Hsch. φ 688 s.v. Φοινικίοις γράµµασι. 58 Cf. e.g. S. Ant. 454-455: … ἄγραπτα κἀσφαλῆ θεῶν / νόµιµα …; Achaiōn Syllogos F 144: σὺ δ’ ἐν θρόνοισι γραµµάτων πτυχὰς ἔχων / νέµ’ εἴ τις οὐ πάρεστιν ὃς ξυνώµοσεν; OT 411: ὥστ’ οὐ Κρέοντος προστάτου γεγράψοµαι; inc. F 784: γράµµα κηρύκειον. Ἐπιστολαί bedeutet bei Sophokles nicht ‘Brief’, sondern schlicht eine mündlich überbrachte ‘Botschaft’, ‘Aufforderung’ oder Ähnliches, so e.g. Easterling 1982 ad S. Tr. 493. Cf. S. Aj. 781, OC 1601, Andromeda F 128. 59 Cf. e.g. S. Ph. 1325: καὶ ταῦτ’ ἐπίστω, καὶ γράφου φρενῶν ἔσω; ähnlich Tr. 682-683: παρῆκα θεσµῶν οὐδέν, ἀλλ’ ἐσῳζόµην, / χαλκῆς ὅπως δύσνιπτον ἐκ δέλτου γραφήν und Triptolemos F 597: θοῦ δ’ ἐν φρενὸς δέλτοισι τοὺς ἐµοὺς λόγους. Ferner inc. F 811: ὅρκους ἐγὼ γυναικὸς εἰς ὕδωρ γράφω. 60 Cf. supra p. 71 n. 113. 61 Ath. 10.448b-459b. 57

Buchstaben, Schrift und Schreibgerät

367

Stücken62 verschiedener Dramatiker, in denen jeweils ein Analphabet die Buchstabenfolge ΘΗΣΕΥΣ beschreibt: ein illiterater Schäfer, βοτὴρ … ἀγράµµατος (Ath. 10.454b) in Euripides’ Theseus (F 382), ein ἀγράµµατός τις (Ath. 10.454d) im Telephos des Agathon (F 4), schliesslich ein ‘illiterater Bauer’, ἄγροικός τις ἀγράµµατος (Ath. 10.454d-e), in einem Stück des Theodektas aus Phaselis (Theodect. TrGF 72 inc. F 6). Ganz ähnlich, fährt Athenaios fort, sei Sophokles verfahren, der in seinem Satyrspiel Amphiareos jemanden auf die Bühne gebracht habe, der die “Buchstaben tanze”.63 Ob es sich hier abermals um die Buchstaben des Namens ‘Theseus’ gehandelt hat, geht aus Athenaios ebensowenig hervor wie die Identität des Tänzers. In Frage kommen ein beliebiger ἀγράµµατός τις wie in den drei genannten Stücken oder aber einer der Satyrn: Im ersteren Fall könnten die Satyrn ihrer Begeisterung für das Erraten von Rätseln freien Lauf gelassen haben, im letzteren ihrer Tanzfreude.64 Die Zusammenschau dieser Stellen zeigt deutlich, dass Schrift im Satyrspiel verschiedentlich in den Fokus gerät, dabei aber stets problematisiert wird: Sie steht in einem prekären Verhältnis zum eigentlichen mündlichen Diskurs, wird auf ihre Erinnerungsleistung hin befragt, erscheint bald als innovative Praxis, bald als Mittel zur Geheimhaltung oder als Import aus der Fremde. Statt Verständigung zu ermöglichen, droht sie stets unverstanden zu bleiben und für Missverständnisse und Unverständnis zu sorgen. Wiederholt wird Schrift – und damit Sprache überhaupt – als hermeneutisches Problem auffällig gemacht und in Szene gesetzt. Einerseits wird damit das (Satyr)Drama selbst als ein Sprachgebilde ausgewiesen, das vieldeutig ist, oder um dessen Deutung die Zuschauer zu ringen haben. Andererseits handelt es sich bei der Schrift um eine vergleichbar 62 Die Satyrspielqualität ist für jedes dieser drei Stücke diskutiert worden. Für einen ‘Theseus Satyrikos’ cf. insbesondere Sutton 1978b; Sutton 1980a, 65 n. 201 und 67-68; vehement gegen Sutton äussert sich Pechstein 1998, 14, 38, 198 n. 33, der sich jedoch weit mehr um die Widerlegung von Suttons Argumenten als um das Anbringen eindeutiger Evidenz für die tragische Qualität des Theseus bemüht. Zurückhaltend ist Voelke 2001, 281-282. – Dass es sich bei Agathons Telephos, dessen F 4 sich ebenso offensichtlich auf E. Theseus F 382 bezieht wie Theodect. TrGF 72 inc. F 6, um ein Satyrspiel handelte, vermutet wiederum Sutton 1978b, 52-53; cf. auch Voelke 2001, 282, beide mit dem Hinweis auf die metrischen Eigentümlichkeiten der Verse sowie einen inschriftlich bezeugten Satyrspieltitel Telephos (TrGF I, DID A 5g.4: σατυ]ρικὸν Τήλεφ̣[ον), der jedoch ohne Autorennamen überliefert ist. Zur potentiellen Satyrspielqualität von Theodektas’ titellos überliefertem Drama cf. Sutton 1978b, 53; Voelke 2001, 282-283. Zur wichtigen Rolle, die Theseus im Satyrspiel innehat, cf. supra Kap. 7 passim. 63 Ath. 10.454f ≅ S. Amphiareos F 121: … καὶ Σοφοκλῆς δὲ τούτῳ παραπλήσιον ἐποίησεν ἐν Ἀµφιαράῳ σατυρικῷ τὰ γράµµατα παράγων ὀρχούµενον. 64 Aus dem Singular ὀρχούµενον schliesst Churmuziadis 1974, 97ff., dass hier der Koryphaios gemeint sei; cf. zur ganzen Diskussion Scheurer/Kansteiner in KPS 241. Voelke 2001, 279-280 neigt zur Annahme, dass die Satyrn die Buchstaben tanzten.

368

Studien II

junge Errungenschaft, die sich noch nicht in allen Bevölkerungsschichten und -gruppen der griechischen Welt vollständig durchgesetzt hat.65 Der Effekt der Entdeckung dieses Kulturguts durch die Satyrn ist demnach ein etwas anderer als etwa ihr Umgang mit Wein, Feuer oder der Lyra: Die Satyrn dilettieren hier auf höherem Niveau und haben in dieser Rolle für all jene im Publikum ein gewisses Identifikationspotential, die sich die Schriftkultur noch nicht – oder noch nicht sehr virtuos – zu eigen gemacht haben. * Anders liegt der Fall des sogenannten ‘asigmatischen Atlas’, in dem Schrift in doppelter Weise auffällig gemacht wird: Durch die Textgestalt des Dramas selbst und durch ihre Thematisierung im Drama. Die Rede ist von einem in sechs Teilen erhaltenen Papyrus aus dem 2. Jh. n.Chr.,66 der die Reste von ca. sechzig Versen (elf davon vollständig, einige weitere problemlos rekonstruierbar)67 aus einem dramatischen Agon der Figuren ‘Herakles’ und ‘Atlas’ enthält. Weder die Autorschaft oder Datierung des Dramas noch seine Zugehörigkeit zum Satyrspiel sind gesichert –68 die grösste Eigentümlichkeit des Textes indessen ist die unmöglich zufällige Absenz des Buchstabens σ.69 65

Wise 1998 diskutiert in ihrer interessanten und eigenwilligen Theorie von der Erfindung des Dramas, die sich wesentlich der Literarisierung Griechenlands verdanke, zahlreiche Stellen aus Dramen, an denen Schrift und Schriftlichkeit zum Thema gemacht werden. Leider ignoriert sie dabei das Satyrspiel – wahrscheinlich aus ihrem allzu radikalen ‘anti-ritualistischen’ Impetus heraus, den sie eingangs formuliert (1-13). 66 P.Bodmer XXVIII = trag. adesp. F 655; ed. pr.: Turner 1976; zur Datierung des Papyrus ibid., 4. 67 Turner 1976, 5. 68 Ein Atlas-Satyrspiel klassischer Zeit ist indirekt bezeugt: Wie mit TrGF I, DID A 4a (ed. Meritt 1938, 116ff.; cf. Körte 1938) belegt ist, wurden im Jahr 255/4 v.Chr. (cf. Snell/Kannicht in TrGF I, p. 30 ad loc.) im Rahmen eines Schauspielerwettbewerbs ‘παλαιοὶ σάτυροι’ (DID A 4a.12: [σατύροι]ς παλαιοῖς) wiederaufgeführt, darunter ein Atlas (DID A 4a.14: δευ Ἀτλαν[) (in derselben Inschrift findet sich auch der Titel Μαθηταὶ Σάτυροι, cf. infra p. 403 mit n. 218). Der daraus gewonnene Titel Ἄτλας Σατυρικός figuriert in TrGF III als trag. adesp. F 1f. Die Stücktitel der entsprechenden Inschrift erscheinen alle im Dativ, die Titelnennung käme also selbst hier ohne sigma aus (sc. Ἄτλαντι). Selbst wenn das ‘Atlas-Fragment’ (sc. trag. adesp. F 655) mit dem in DID A 4a.14 genannten Atlas in Beziehung stehen sollte, bleibt unklar, ob es sich dabei um ein Fragment des ‘alten’ Satyrspiels oder um eine spätere (asigmatische) Bearbeitung handelt. Eine dritte Ansicht, vertreten etwa von Gallo 1992c, 104, sieht in dem Fragment einen Text, der in hellenistischer Zeit (neu) entstanden ist. 69 E.W. Handley hat den asigmatischen Charakters dieses Papyrus als erster entdeckt, cf. Turner 1976, 5. Die Sprecherbezeichnungen müssen zwar fast überall ergänzt werden, sind aber dort, wo sie erscheinen, abgekürzt und erscheinen also in asigmatischer Form: Cf. in P.Bodmer XXVIII col. II fr. D am Rand der Verse 14 und 16 die Bezeichnungen ηρακλ respektive ατλα. – Eingehend diskutiert den Atlas Luz 2010, 234-240.

Buchstaben, Schrift und Schreibgerät

369

Eric Turner, der Erstherausgeber des Papyrus Bodmer XXVIII, geht davon aus, dass es sich bei dem Fund um ein Satyrspielfragment handelt. Dafür nennt er zahlreiche Gründe: Zum einen hält er den Stoff, i.e. die List des Atlas und die anschliessende Gegenlist des Herakles für “inconsistent with the dignity of tragedy, but compatible with the σπουδαιογέλοιον of satyr-drama…” (Turner 1976, 16). Turners Einschätzung, dass die Sprache hier zwar durchwegs ‘tragisch’, ja pompös und hochartifiziell sei, dass sich hieraus aber eine lachhafte Inkongruenz mit der etwas grotesken Position des Herakles ergebe (“the Heracles we see on the stage, legs straddled to support the sky, and powerless to act against Atlas’ taunts” [Turner 1976, 17]), fügt sich stimmig in das Bild, das sich aus anderen Satyrspielszenen gewinnen lässt.70 Wahrscheinlich haben auch die dem Asigmatismus geschuldeten Umständlichkeiten der Formulierung einen intendierten komischen Effekt.71 Stoffgrundlage ist die elfte Arbeit des Herakles, das Herbeiholen der Äpfel der Hesperiden:72 Herakles gelangt zu Atlas und bittet ihn, die Äpfel für ihn zu holen. Im Gegenzug bürdet er sich sich das Himmelsgewölbe auf, das Atlas normalerweise trägt. Atlas holt die Äpfel und kehrt zu Herakles zurück, jedoch nur, um ihm mitzuteilen, er gedenke die Last nie wieder auf sich zu nehmen. Herakles besinnt sich auf einen listigen Ratschlag, den ihm Prometheus einst erteilt hat, und bittet Atlas, den Himmel noch einmal kurz zu tragen, damit er, 70 Die ‘untrüglichen’ Merkmale der Sprache des Satyrspiels, die untragischen Lizenzen, sind in erster Linie dem Silen und den Satyrn vorbehalten – und es ist in zahlreichen Fällen gerade der hochtrabend pompöse Sprachduktus ihrer Mit- oder Gegenspieler, die auch den Reden dieser Figuren lachhafte Effekte zu verleihen vermag. Cf. supra Kap. 1.2. 71 Dass der Asigmatismus des Fragments auch Textkritiker vor Probleme stellt, lässt sich beispielhaft an Vers 19 zeigen, wo von Dike gesagt wird, sie habe ‘ihre Bahn (?) als Beisitzerin der Götter erworben’ (ἥ τοι πάρ[ε]δρον θ〈εῶ〉ν δρόµον κεκτ̣η̣µένη). Verschiedentlich hat man vorgeschlagen, aus δρόµον den θρόνον der ‘neben den Göttern sitzenden’ Dike zu machen, von der im Kontext der ‘Dike’ bereits die Rede war. Dieser Vorschlag jedoch wird von zahlreichen Herausgebern als zu banal abgelehnt: cf. Turner 1976, 12 (“to be rejected because of its banality”); Musa Tragica 303 n. 4 (“Aus dem schwierigen δρόµον wird schwerlich das simple θρόνον hergestellt werden dürfen”). Man könnte dem Geschmacksurteil von Turner und Kannicht et al. freilich die Mühen entgegenhalten, die der Zwang zum Lipogramm dem Dichter bereitet haben mag (der sowohl das simple θρόνον als auch das schwierige δρόµον legitimieren würde). Luz 2010, 236 erwähnt die Variante ‘θρόνον’ nicht, führt die merkwürdige Wendung δρόµον aber ebenfalls auf die Bedingungen asigmatischen Dichtens zurück. Für δρόµον könnte die Nähe vergleichbarer Begriffe in S. OC 1380-1382 sprechen: τοιγὰρ τὸ σὸν θάκηµα καὶ τοὺς σοὺς θ ρ ό ν ο υ ς / κρατοῦσιν, εἴπερ ἐστὶν ἡ παλαίφατος / Δ∆ίκη ξ ύ ν ε δ ρ ο ς Ζηνὸς ἀρχαίοις νόµοις. Musa Tragica rechnet stattdessen mit einer Kontamination der Göttin Dike als πάρεδρος θεῶν mit dem Sternbild Dike, deren Laufbahn mit δρόµος bezeichnet wird. 72 Pherecyd. FGrH 3 F 17 (via Schol. A.R. 4.1396).

370

Studien II

Herakles, die Druckstellen mit einem Kissen polstern könne. Atlas willigt ein, Herakles aber nimmt die Äpfel und verabschiedet sich. Das erhaltene Fragment bewahrt einen langen Ausschnitt aus dem Streitgespräch zwischen Herakles und Atlas, das entflammt, als Atlas mit den Äpfeln zurückkehrt und sich weigert, die Himmelslast wieder auf sich zu nehmen. Der Geprellte beklagt sich lauthals, schwört Rache, und droht Atlas mit Themis (‘Atlas’ trag. adesp. F 655.10) und mit Dike, der kein Unrecht entgehe (19-20). Er beruft sich auf seine Abstammung von Zeus, erinnert an seine früheren Heldentaten (21ff.), und frohlockt, dass er auch denjenigen bestrafen werde, der ihn nun verhöhne.73 Atlas indessen zeigt sich von den Drohungen ungerührt und erinnert Herakles seinerseits daran, dass auch er selbst nicht von geringen Eltern abstamme (15-18). Zudem beruft sich Atlas auf eine Prophezeiung, wonach er einen Helfer finden werde, der ihn von seiner Last befreie. Bemerkenswerterweise scheint die Prophezeiung aber als Schriftstück vorzuliegen: ἐγὼ δὲ µοιρῶν [.]ν..[ ο̣ὕτω γε γραµµα̣[.]ων̣[ ἀρωγὸν εὕρω κ..τιδ[ φρούρηµ’ [Ὀλ]ύµπ̣ου τη[ παῦλάν τιν’ ἥξειν π[ ich aber der Moiren … so jedenfalls (die Schrift) … ich einen Helfer finde … Wache über den Olymp … eine Erlösung kommen werde … (‘Atlas’ trag. adesp. F 655.35-39).

Das ‘Atlas-Drama’, das in seiner asigmatischen Gestaltung selbst in einem besonderen und fragwürdigen Verhältnis zu Sprache und Schrift steht, macht hier die Schrift explicite zum Thema. Zwar lässt sich anhand des überlieferten Fragments nur schwer einschätzen, was die Erwähnung der Schrift im Drama leistet. Hervorzuheben ist indes, dass sie sich im unmittelbaren Kontext einer dezidiert mündlichen Sprechhandlung findet, die in ihrer Deutungsoffenheit thematisiert wird: Herakles klagt den Kontrahenten des Eidbruchs an (2: τὴν µεθ’ 73

In Herakles’ Verweis auf seine früheren Heldentaten (22-25) könnte sich eine Referenz auf andere Satyrspiele verbergen, wo Herakles’ Taten oft thematisiert werden (vide supra Kap. 7). Dazu würde passen, dass Herakles mehrfach bekundet, den für ‘nicht gerecht’ befundenen Atlas (10-11: οὐ δίκαιον … / Ἄτλαντα̣ …) bestrafen zu wollen, cf. V. 13 (µέτειµ[ι) und 24-25: καὶ τὸν ἐγγελ̣ῶ̣ν̣τ’ ἐ[µοί / έ]λθοιµ’. Καί am Satzbeginn suggeriert einen wiederholten Auftritt des Herakles als Strafender: ‘Auch den, der mich jetzt verhöhnt, werde ich bestrafen’. Auch dies spricht für die Zuordnung des ‘Atlas’-Fragments zum Satyrspiel.

Erfindung, Entdeckung

371

ὁρκ̣[ίων φάτιν), worauf Atlas mit einer überaus differenzierten Analyse der eigenen Schwüre repliziert: µήλ̣ων ἐπώνυµον δεῦρ[(ο) ἰδού̣ φέρου τόνδ’· ἄλλο δ’οὐ̣ ὅρκοι διεῖπαν (den Korb?) mit Äpfeln schwor ich her (zu bringen). Da, schau: nimm ihn dir! Anderes haben meine Eide nicht versprochen. (‘Atlas’ trag. adesp. F 655.4-6)

Wenn in der Folge Herakles ‘Themis zur Zeugin ruft’ (10: µαρτύροµαι δὲ τὴν κατ’οὐρανὸν Θέµιν) und die Göttin Dike ins Feld führt, die auch aus der Ferne Unrecht wahrnehme (19-20), drängt sich die Frage auf, ob das Stück womöglich am Mediendiskurs der anfangs genannten Dike-Dramen teilhat.

Erfindung, Entdeckung Die Erfindung oder Entdeckung (εὕρηµα),74 insbesondere von Kulturgütern, die den Satyrn als Wunder oder Schrecknis (τέρας,75 δεῖµα etc.) erscheint und ihnen entsprechende Reaktionen entlockt – Staunen, Schrecken, Faszination, Raserei sowie ein aufgeregtes Rätselraten über die Natur der Erfindung –, gehört zu den oft notierten Topoi des Satyrspiels. Der Aspekt des Neuartigen, der im Satyrspiel überhaupt eine wichtige Rolle spielt,76 ist naturgemäss eine häufig betonte Eigenschaft der εὑρήµατα. In den Stücken erfunden und/oder von den Satyrn entdeckt und als Neuartigkeit gefeiert werden zum Beispiel Musikinstrumente: die Lyra in Sophokles’ Ichneutai, die Syrinx in seinem Inachos, die Auloi in einem Satyrspiel ungewisser Zuweisung. Die Ichneutai zeigen im Vergleich zu ihrem zweifellos wichtigsten Prätext, dem Homerischen Hermeshymnos, eine grössere Prominenz des Motivs der Lyra.77 Zwar motiviert der Wunsch, die gestohlenen Rinder 74

Fraenkel 1942, 245: “It seems to have been a favourite device with the writers of satyrplays to make the audience witnesses of the invention or first application of a thing which in their own day was familiar to everyone”; Guggisberg 1947, 74, der für diesen Kontext die Begriffe εὕρηµα und τέρας einführt; Churmuziades 1974, 96-99; Seaford 1976, 216219; 1984, 36-37 (Beschreibung und Stellen), 41-43 (Erklärung; kultische Verankerung); Paganelli 1989, 258-263; KPS ‘Motive’, 666; Voelke 2001, 273-299; contra: Sutton 1980a, 157 n. 455. 75 Guggisberg 1947, 71-72 und 74. 76 Vide supra e.g. p. 107. 77 Cf. supra p. 320.

372

Studien II

Apolls ausfindig zu machen, den Auftritt der Satyrn im Stück. Ihr gesamtes Handeln – ihre Tänze, Gesänge und Ausrufe – gerät aber alsbald in den Bann der nie zuvor gehörten Klänge der Lyra, die Hermes soeben erfunden hat: Der Silen hat grösste Mühe, den in Angst erstarrten Chor zurück zur Diebesjagd zu bewegen. Selbst als sich der Chor aus seiner Starre gelöst hat, gilt seine Aufmerksamkeit nur noch den Klängen. Das manifestiert sich deutlich in den Worten des Chors an die aufgebrachte Kyllene, die ihm den Weg in die Höhle versperrt, in der sich Hermes aufhält: τόπων ἄνασσα τῶν[δ]ε, Κυλλήνης σθένος, ὅτου µὲν οὕνεκ’ ἦλθ[ο]ν̣, ὕστερον φράσω· τὸ φθέγµα δ’ ἡµῖ̣ν̣ τοῦ[θ’] ὅπερ φωνεῖ φράσον καὶ τίς ποτ’ αὐτῶι δι[α]χαράσσεται βροτῶν. Herrin dieser Gegend, mächtige Kyllene, weswegen ich gekommen bin, will ich dir später erklären; das Geräusch aber, und woher es erklingt, erkläre du uns, und welcher der Sterblichen uns damit ärgert. (S. Ichn. 258-261)

Die mit der Rindersuche betrauten Satyrn schieben den eigentlichen Auftrag zugunsten der Aufklärung des Rätsels auf, das sie ungleich mehr beschäftigt: die Herkunft der Klänge. Im Hermeshymnos indessen stürmt der Suchende, Apollon persönlich, an der für das Kleinkind zuständigen Nymphe78 vorbei in die Höhle hinein, um den Rinderdieb am Schlafittchen zu packen – und erst nachdem er diesen zur Rede gestellt hat, wird er auf das Instrument aufmerksam. Wie sehr die Ichneutai von der Akustik und der Sprache über sie dominiert sind, habe ich bereits an früherer Stelle ausgeführt.79 Die gesteigerte Aufmerksamkeit für die Lyra wird auch in der Verbindung der beiden Erzähleinheiten ‘Rinderdiebstahl’ und ‘Instrumentbau’ deutlich, die das Satyrspiel im Gegensatz zum Hermeshymnos herstellt: Hermes bespannt sein Instrument nicht mit irgendeiner Rinderhaut (wie im Hymnos), sondern mit der Haut eines der gestohlenen Rinder. Diese Verknüpfung findet einen sprachlichen Ausdruck in der Wort- und Silbenspielerei um die klangliche Verwandtschaft von βοῦς/βοή/βοᾶν. Auch in Sophokles’ Inachos (**F 269c) stehen die Satyrn im Bann eines Musikinstruments des Hermes. Der Schreck, den die nie gehörten Klänge verursachen, ist wie in den Ichneutai dadurch potenziert, dass der Spieler des Instruments unsichtbar ist. Hermes’ Unsichtbarkeit wird im Inachos aber anders moti-

78 In diesem Fall Hermes’ Mutter Maia, die in den Ichneutai von Kyllene vertreten wird (S. Ichn. 272-276). 79 Vide supra p. 318-320.

Erfindung, Entdeckung

373

viert: Er trägt die Hadeskappe,80 heisst es, und befindet sich direkt unter den Satyrn.81 Dies provoziert einen äusserst agitierten Tanz.82 Dass das Instrument in diesem Stück als Erfindung eingeführt und nicht nur als bekannt vorausgesetzt wird, lässt sich mit den Fragmenten nicht belegen –83 Hermes rüstet sich mit Syrinx84 und Hadeskappe für die Bezwingung des Argos – es scheint aber nicht zuletzt deswegen wahrscheinlich, weil die Satyrn auch hier zu rasen beginnen, als sie die Klänge der Syrinx wahrnehmen: µανία τάδε κλύειν – ‘Wahnsinn, dies zu hören’, heisst es in **F 269c.27. In trag. adesp. F 381 (≅ sat. inc. F 35 Steffen), rät ein Satyr der Göttin Athene, vom Flötenspiel abzulassen und sich wieder ihren Waffen zuzuwenden, weil das erforderliche Aufblasen der Wangen den Gesichtsausdruck verunstalte.85 Das ist insofern auffällig, als in anderen Versionen des Mythos Athene selbst – ohne fremdes Zutun – ihren Gesichtsausdruck beim Flötenspiel für so hässlich befindet, dass sie das Instrument wegwirft.86 Ein Satyr kommt erst in der Fortsetzung ins Spiel:87 Er gerät in den Besitz der weggeworfenen Flöte und macht mit seinem virtuosen Spiel alsbald dem Gott Apollon Konkurrenz (in manchen Versionen handelt es sich um den Satyrn Marsyas).88 Auch hier geht es also um die Erfindung der Flöte, um erste Kontakte mit dem Instrument und um die (in diesem Fall allzu) heftige Reaktion eines Satyrn darauf. Im Fall der Ichneutai und des Inachos erlaubt es die Überlieferung, genauer einzuschätzen, was die Begegnung der Satyrn mit dem Musikinstrument im Drama leistet: Die Begegnung mit der Musik generiert besonders agitierte Tänze des Satyrchors und dient zugleich als Mittel, die Choreia im Stück zu thematisieren. Diese Interpretation kann durch die Parodos von Euripides’ Bakchen gestützt werden. In einem Moment von ‘choral projection’ erzählt hier der ein80

S. Ina. **F 269c.19-20: τὸν Ἀϊδοκ̣υνέας / σκότον ἄ〈β〉ροτον ὑπαί̣. Zu dieser Szene: supra p. 198-199. 82 S. Ina. **F 269c.21-43. 83 Im Homerischen Hermeshymnos wird auch die Syrinx von Hermes erfunden (h.Merc. 512). Diese dient ihm in einigen Versionen des Io-Mythos dazu, Argos einzuschläfern: e.g. B. Dith. 19.29-36 Maehler; [A.] Pr. 574-575. – In Ov. Met. 1.671-719 schläfert Hermes Argos dadurch ein, dass er ihm die Entstehung der Syrinx erzählt (689-712) und dabei auch auf dem Instrument spielt (682-684). 84 S. Ina. **F 269c.7: σ̣ύρι̣γ̣γ̣ο̣[ς] δ̣ὲ̣ κ̣λ̣ύω. 85 Trag. adesp. F 381: οὔτοι πρέπει τὸ σχῆµα· τοὺς αὐλοὺς µέθες / καὶ θὦπλα λάζευ καὶ γνάθους εὐθηµόνει. 86 Bereits Melanipp. F 758 PMG; ferner e.g. Prop. 2.30.16-18; Ov. Ars 3.505-506; Fast. 6.699-701. 87 Cf. Ov. Fast. 6.695-708; Hyg. Fab. 165; Apollod. 1.24. 88 In Ovids Version des Marsyas-Mythos in Met. 6.382-400 spielen Athenes Erfindung der Flöte, das Auffinden des Instruments durch Marsyas und die Herausforderung Apollons keine Rolle, jedenfalls nicht explizit (cf. zu einer virtuosen Kontextualisierung dieser Stelle in Ovids Œuvre: Feldherr/James 2004). 81

374

Studien II

ziehende Tragödienchor von einer Begegnung der Satyrn mit Musik: So heisst es von den Satyrn, die mit dem Attribut µαινόµενοι versehen sind, sie hätten Musikinstrumente in Empfang genommen und am zweijährlich stattfindenden Fest für Dionysos eingeführt: ἔνθα τρικόρυθες ἄντροις βυρσότονον κύκλωµα τόδε µοι Κορύβαντες ηὗρον· βακχείαι δ’ ἅµα συντόνῳ κέρασαν ἡδυβόᾳ Φρυγίων αὐλῶν πνεύµατι µατρός τε Ῥέας ἐς χέρα θῆκαν, κτύπον εὐάσµασι βακχᾶν· παρὰ δὲ µαινόµενοι Σάτυροι µατέρος ἐξανύσαντο θεᾶς, ἐς δὲ χορεύµατα συνῆψαν τριετηρίδων, αἷς χαίρει Δ∆ιόνυσος. Dort in den Grotten erfanden im Schmuck ihrer dreifach gebuckelten Helme die Korybanten mir die lederbespannte Pauke, vereinten die bakchischen Schläge harmonisch dem lieblich klingenden Hauch der phrygischen Flöten und reichten sie Rhea, der Mutter, damit sie begleite der Bakchen Jubelgeschrei; und aus der Hand der göttlichen Mutter erbaten die tollenden Satyrn sie und führten sie ein in den Reigen des alle zwei Jahre begangenen Festes, an dem sich Dionysos freut. (E. Ba. 123-134; Übersetzung: Ebener 1980)

Den Satyrn kommt hier die Rolle zu, die neuen Instrumente ihrer Choreia und einem Dionysosfest einzuverleiben und dienstbar zu machen. Durch diese Erzählung im Einzugslied des Chores wird auch seine eigene Choreia thematisiert und an ihre Verortung im Dionysos-Fest erinnert. Dass an dieser Stelle indes ein Tragödien-Chor auf einen ‘Satyrchor’ referiert, wäre genauer auf Implikationen hin zu überprüfen – womöglich liegt eine Form von ‘cross-generic play’ (oder eine Satyrspiel-Referenz)89 vor.

89

Seaford 1996a, 164 ad Ba. 130-1.

Erfindung, Entdeckung

375

In der Bakchen-Passage aber werden mit auloi und tympana zwei eng mit Dionysos assoziierte Instrumente genannt;90 Lyra (Ichneutai) und Syrinx (Inachos) dagegen weisen keine solche Konnotation auf. In anderen Satyrspielen kommt es aber durchaus zur Begegnung der Satyrn mit Erfindungen und Errungenschaften aus der Sphäre des Dionysos. Ein Fragment von Sophokles’ Dionysiskos bezeugt, dass im Mittelpunkt dieses Stücks die Erfindung des Weines durch das Kleinkind Dionysos und die Offenbarung des Tranks an die Satyrn stand. Es dokumentiert die begeisterte Reaktion des Satyrchors auf die Erfindung, die in diesem Fall explizit (ηὗρον) benannt und gefeiert wird:91 πόθεν ποτ’ ἄλυπον ὧδε ηὗρον ἄνθος ἀνίας; Wo in aller Welt fand ich diese Blüte, die (einen) so vom Schmerz der Sorge befreit? (S. Dion. F 172)

Das ebenfalls dem Dionysiskos zugeschriebene Wortfragment F 173 (θωχθείς, ‘betrunken’) mag einen Satyr oder den Silen charakterisieren, der sich der Entdeckung mit besonderer Hingabe zugewandt hat. Die Erfindung des Weines kommt in einem weiteren Satyrspiel zum Zuge: Im anonymen Papyrusfragment trag. adesp. *F 646a, für dessen Satyrspielqualität ich an anderer Stelle argumentiere,92 berichtet der Ich-Erzähler, der niemand anderes sein kann als der Silen:93 ⏖–⏖–

]ν εἰς θνητοὺς ἀνέ̣̣⌟φηνα ποτὸν Δ∆ιονύσου

den Sterblichen offenbarte ich den Trank des Dionysos (trag. adesp. *F 646a.14).

Entstammt das Sophokles zugewiesene Papyrusfragment P.Oxy. 1083 fr. 1 (S. **F 1130) einem ‘Oineus-Satyrspiel’, so könnte darin die ‘Erfindung’ des Weinbaus thematisiert worden sein. Oineus, der von Dionysos für seine grenzenlose

90

Cf. supra p. 117 mit n. 21; Kap. 5.1.8, § Mit Pauken und Trompeten, p. 191. Cf. den Zitatkontext bei Phot. α 1058 s.v. ἄλυπον †ἄνθος† ἀνίας· εἰ θέλοις εἰπεῖν ἐπί τινος πράγµατος, ὃ λύπης ἀπαλλάττει, οὕτως ἂν χρήσαιο, ὡς καὶ Σοφοκλῆς ἐν τῷ †Δ∆ιονυσιακῷ† τῷ σατυρικῷ ἐπὶ οἴνου πρῶτον γευσαµένων τῶν κατὰ τὸν χορὸν σατύρων· κτλ. 92 Cf. supra p. 48-50, infra p. 404. 93 Zur Identifikation des Silen als Sprecher dieser Verse: supra p. 49 n. 89. 91

376

Studien II

Gastfreundschaft mit der Einführung in die Kunst des Weinbaus belohnt wird, gilt gemeinhin als der erste Weinbauer.94 Eine Entdeckung, um die sich mehrere Satyrspiele gedreht haben dürften, ist ferner das Feuer. In Aischylos’ Prometheus-Satyrspiel wird vorgeführt, wie die Satyrn für diese Entdeckung entflammen. Dass Prometheus das Feuer gestohlen und den Menschen überbracht hat, wird als unermessliche Wohltat für die Menschheit gefeiert. Die Satyrn brechen darob in begeistertes Tanzen aus (A. Prom.P. **F 204b), und mindestens einer von ihnen gerät so ‘nahe ans Feuer’95, dass er sich beinahe den Bart anzündet (A. Prom.P. **F 207)96 und ‘das Schicksal einer schlimm angesengten Motte’ erleidet (A. inc. F 288).97 Auch das sophokleische Satyrspiel Kophoi scheint den Diebstahl und die Einführung des Feuers bei den Menschen durch Prometheus aufzugreifen (F 362) wie schliesslich auch ein unbekanntes Drama des Aristias.98 Die wiederholte Erwähnung der Idäischen Daktylen (i.e. den ersten Schmieden im Mythos) in F 364, F 365 und *F 366 der Kophoi lässt vermuten, dass das Stück ausserdem die Entdeckung des Eisens und die Erfindung der Schmiedekunst behandelte.99 Auch in diesem Drama dürften die Satyrn heftig auf die Entdeckung reagiert haben: Ein weiteres Fragment der Kophoi erinnert jedenfalls an die seltsamen Posen, welche die Satyrn in ihrer lyra-induzierten Panik in den Ichneutai einnehmen. Es scheint einen Satyrn zu beschreiben, der ‘eingerollt wie eine Assel’ (κυλισθεὶς ὥς τις ὄνος ἰσόσπριος) am Boden liegt (S. Kophoi F 363).100 Ein Scholion zu Hesiods Erga kai Hemerai wiederum bringt das ‘Fass der Übel’ aus dem Mythos von Prometheus, Epimetheus und Pandora mit den Satyrn in Verbindung: Es berichtet, Prometheus habe das Fass, das er Epimetheus anvertraute, der es wiederum an Pandora weitergab, von den Satyrn erhalten.101 Da die Satyrn jedoch in den kanonischen Versionen des Prometheus-Pandora-

94

Zum Oineus-Mythos cf. Satyros FGrH 631 F 1; Hyg. Fab. 129; Apollod. 1.63 (cf. auch 1.64-69, 74-78; 2.148, 150; 3.88). – Zu dramatischen Bearbeitungen des Oineus-Stoffs: supra p. 27-28 n. 9. 95 Vielleicht bezieht sich darauf πέλας πυρός in Prom.P. **F 204d fr. 12 Z. 3. 96 Cf. infra p. 440. 97 Cf. infra p. 438 n. 381. Zur plausiblen Zuweisung von A. inc. F 288 zum PrometheusSatyrspiel cf. Radt in TrGF III, p. 387 ad loc.; Germar/Pechstein/Krumeich in KPS 172 und die dort genannte Literatur. 98 Aristias inc. F 8 mit dem Zitatkontext bei Ael. NA 6.51. 99 Scheurer/Krumeich in KPS 354-355. 100 Zu diesem Fragment: infra s.v. Tiere, p. 439 n. 384. 101 Cf. A. Prom.P. **F 207a (Schol. Hes. Op. 89 Pertusi): 〈…〉 φησὶν ὅτι Προµηθεὺς τὸν τῶν κακῶν πίθον παρὰ τῶν Σατύρων λαβὼν καὶ παραθέµενος τῷ Ἐπιµηθεῖ παρήγγειλε µὴ δέξασθαί τι παρὰ Δ∆ιός, ὁ δὲ παρακούσας ἐδέξατο τὴν Πανδώραν.

Erfindung, Entdeckung

377

Mythos mit Sicherheit nicht figurieren,102 lässt sich diese Nachricht auf ein Satyrspiel beziehen. Das Scholion nennt indessen keinen Verfasser für das entsprechende Stück; in Frage kommen sowohl Aischylos mit Prometheus (Pyrkaeus/Pyrphoros) als auch Sophokles mit Pandora103, dessen Alternativtitel Sphyrokopoi, ‘die Hämmerer’, zur Vermutung Anlass gegeben hat, dass in diesem Stück die Herstellung der Pandora durch Hephaistos in Szene gesetzt wurde.104 Festhalten lässt sich aber, dass in einem Satyrspiel über den Prometheus-Pandora-Komplex zwei weitere ‘kulturelle Neuerungen’ ins Spiel gebracht werden: der πίθος mitsamt dem Unheil, das er enthält, sowie die Überbringerin des Behältnisses, die zugleich das grösste Unheil überhaupt darstellt: die (erste) Frau. Weitere Erfindungen oder Entdeckungen im Satyrspiel sind ferner die Göttin Dike, ihr Amt und die zu dessen Ausübung notwendigen Gerätschaften;105 sowie – nicht zuletzt in eben dem Dike-Satyrspiel – Buchstaben, Schrift und Schreibgerät (cf. s.v.). Eine ganz andere Art nützlicher Entdeckungen ist ferner jene von Wasserquellen, wie sie wahrscheinlich am Ende von Aischylos’ Satyrspiel Amymone,106 vielleicht auch zum Ende des Inachos eintrat.107 Wiederum anderer Natur ist die Entdeckung, die der Fischer Glaukos in Aischylos’ Glaukos Pontios rein zufällig macht. Glaukos verzehrt ein Kraut und wird dabei auf dessen wundersame Wirkung aufmerksam: Er verwandelt sich in eine Meeresgottheit mit der Fähigkeit der Prophetie. F 25e dokumentiert das Staunen einer dramatis persona (wohl eines Satyrn oder des Silen) beim Anblick eines Schrecknisses bzw. eines Wunders (cf. δεῖµα, 7; κατεῖ̣δ̣ον θαῦµ̣α.[, 12). Sehr wahrscheinlich handelt es sich dabei um jenes ‘menschengestaltige, im Wasser lebende Tier’ (ἀνθρωποειδὲς θηρίον ὕδατι συζῶν), das in *F 26 erwähnt wird, nämlich den zum Meeresdaimon mutierten Glaukos, der aus dem Meer aufgetaucht ist, von ‘Muscheln, Miesmuscheln und Austern’ trieft (F 34)108

102

Gerade bei Hesiod kommen Satyrn nicht vor, weder in den Erga kai Hemerai noch in der Theogonie, die beide den Prometheus-Pandora-Komplex aufgreifen. 103 So der Vorschlag von Pearson 1917, II, 136. 104 Weitere Argumente sind genannt bei Heynen/Krumeich in KPS 379-380. 105 A. ‘Dike’ inc. F 281a (P.Oxy. 2256 fr. 9a) zeigt einen Chor von Satyrn, der die Göttin Dike eben erst kennenlernt und interessiert befragt. Vide s.v. Buchstaben, Schrift und Schreibgerät. 106 Cf. zu den Amymonischen Quellen Apollod. 2.78 (αἱ πηγαὶ τῆς Ἀµυµώνης); Hyg. Fab. 169a; mit diesen synonym sind die lernäischen Quellen: Apollod. 2.14 (αἱ ἐν Λέρνῃ πηγαί). 107 Seaford 1984, 37 mit n. 101. 108 A. Gl.Pont. F 34: κόγχοι, µύες κὤστρεια. Zu weiteren Nennungen von Muscheln und Meerestieren im Satyrspiel: e.g. S. Amphiareos F 113; cf. auch p. 71-72 n. 144 (S. Poim.).

378

Studien II

und eine dichte Gesichtsbehaarung hat.109 Zwei weitere Fragmente, die dem Glaukos Pontios zugewiesen sind, handeln von dem ‘unsterblichen Kraut’ (ἀείζως πόα): Während in F 28 von jemandem die Rede ist, der davon gegessen hat (wahrscheinlich Glaukos), artikuliert in *F 29 jemand seine Absicht, davon zu kosten; vielleicht ein von besonderer curiosité intellectuelle getriebener Satyr?110 Das Motiv der Entdeckung kommt bei Euripides wiederholt zum Einsatz.111 Zu erinnern ist hier an ein Fragment aus Euripides’ Satyrspiel Eurystheus, das von den verblüffend lebensechten Statuen des Daidalos handelt:112 οὐκ ἔστιν, ὦ γεραιέ, µὴ δείσῃς τάδε· τὰ Δ∆αιδάλεια πάντα κινεῖσθαι δοκεῖ βλέπει〈ν〉 τ’ ἀγάλµαθ’· ὧδ’ ἀνὴρ κεῖνος σοφός. Nicht doch, mein Alter, du brauchst dich davor nicht fürchten: Daidalos’ Statuen scheinen sich alle zu bewegen und sehen zu können; so geschickt ist der Mann. (E. Eurystheus F 372)

Das nur durch eine kaiserzeitliche Inschrift bezeugte euripideische Drama Epeios dürfte sich um die Erfindung und Herstellung des Troianischen Pferdes gedreht haben. Der Titelheld, der listenreiche Epeios, der das Pferd baut, figuriert bereits bei Homer als “ridicula persona” (Pechstein/Krumeich in KPS 420)113 und kommt daher eher als Satyrspiel- denn als Tragödien-Figur in Frage.114 In dem in seiner Autorschaft bis heute umstrittenen, vielleicht aus der Feder des Euripides stammenden sogenannten ‘Sisyphos-Fragment’,115 das lange Zeit 109

A. Gl.Pont. *F 27: δαῦλος δ’ ὑπήνη καὶ γενειάδος πυθµήν (i.e. barba Glauci Anthedonii), – ‘dicht bewaldet der Bart an Oberlippe und unter dem Kinn’. Die Zuweisung zum Glaukos Pontios erfolgt aufgrund von Paus. 10.4.7-8. 110 Zum Text von Gl.Pont. F 28 und *F 29 vide infra s.v. Prophetie. 111 Man kann spekulieren, dass Erfindungen auch im schlecht bezeugten und in seiner Satyrspielqualität strittigen Daidalos des Sophokles vorkamen. Cf. Heynen/Krumeich in KPS 389-390 mit weiterführender Literatur. 112 Das Thema der Lebensechtheit von Artefakten (in diesem Fall von Masken) ist auch in Isthmiastai oder Theoroi präsent; cf. supra p. 307-308. 113 Cf. Il. 23.664-669. 114 Pechstein/Krumeich in KPS 420-421. 115 Einen ausgezeichneten Forschungsüberblick hat Pechstein 1998, 289-302, der mit einer erneuten Analyse des Fragments zum Schluss gelangt, dass mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit Euripides der Verfasser dieses Fragments ist, und der Text aus dessen Autolykos A' stammen dürfte: 302-343. Der Frage ‘Euripides oder Kritias?’ nahmen sich zuletzt Obbink 1995, 196-198 und Collard/Cropp 2008b (Appendix) an. Ältere Literatur zum Sisyphos-Fragment: Sutton 1974d; Dihle 1977; Pančenko 1980; Sutton 1981a; Winiarczyk 1987; Yunis 1988; Davies 1989; Luppe 1992; Lefkowitz 1991. – Kannicht in

Erfindung, Entdeckung

379

als Fragment aus einem Satyrspiel des Kritias (TrGF 43 F 19) gehandelt wurde, präsentiert Sisyphos ein Aszendenzmodell der Kulturentwicklung, die als Abfolge zweier Erfindungen gedacht ist: Die erste Stufe ist mit der Erfindung der Gesetze als ‘Züchtiger’ erreicht (5-6). Da diese Erfindung die Menschen aber nur davon abhält, Verbrechen offen, nicht aber, sie im Verborgenen zu begehen, habe ein ‘gerissener Mann mit klugem Verstand für die Menschen die Furcht (vor den Göttern) erfunden, damit es eine Abschreckung für die Bösen gebe, wenn sie im Geheimen etwas tun, sagen oder auch nur denken’ (〈⏑–〉 πυκνός τις καὶ σοφὸς γνώµην ἀνήρ / 〈θεῶν〉 δέος θνητοῖσιν ἐξευρεῖν, ὅπως / εἴη τι δεῖµα τοῖς κακοῖσι, κἂν λάθρᾳ / πράσσωσιν ἢ λέγωσιν ἢ φρονῶσι 〈τι〉, 12-15). Während Erfindungen im Satyrspiel bei den Satyrn heftige Reaktionen wie Furcht und Schrecken hervorrufen, ist diese zweite Erfindung im Sisyphos-Fragment eigens dazu da, diese Reaktionen zu provozieren, nicht nur bei den Satyrn, sondern bei jedermann. Eine andere Erfindung zur Erzeugung von Furcht und Schrecken mag die Blitz- und Donner-Maschine sein, die der Gotteslästerer und Titelheld des sophokleischen Salmoneus herstellt.116 Wohl möglich, dass es sich dabei um das bronteion handelt, die Maschine, die im Theater zur Erzeugung von Gewitter-Geräuschen eingesetzt wird.117 Die Handlungssequenz von der Erfindung und Entdeckung unerhörter Neuerungen bis zur Reaktion der Satyrn setzt das Verhältnis von Satyrspiel und Tragödie ins Bild. Wie das Satyrspiel insgesamt als Reaktion auf die DionysosFerne der entwickelten Tragödie und deren innovatives Stoffrepertoire verstanden werden kann, wird diese Grundkonstellation hier im Kleinen wiederholt: Der Chor der Satyrn, Konstituens der Gattung und Bild für deren serielle Qualität und Gleichförmigkeit, trifft immer wieder auf Dinge, die unerhört sind und neu und sich mindestens dem Erwartungshorizont der Satyrn entziehen. Das dionysische Personal des Satyrspiels gerät in Staunen und Schrecken und letztlich verfällt es in Raserei: Die Mania, welche die Satyrn im Angesicht des Neuen befällt, ist ein ur-dionysischer Zustand. An einer Satyrspielstelle wird der Topos der Erfindung selbst zum Thema: dann nämlich, wenn die Satyrn im Kyklops auf Odysseus’ allmähliche Enthül-

TrGF 5.2, p. 658-659 weist das Fragment Kritias zu, ebenso Hunter 2009, 69-70, der jedoch auf die inhaltliche Nähe der Verse 1-8 zu Polyphems “straightforward approach to pleasure” in E. Cyc. 332-341 aufmerksam macht. 116 S. Salm. F 538 und 539. – Zum Mythos von Salmoneus, der Zeus zu imitieren und Donner und Blitz zu produzieren versuchte: S. Aias Lokros **F 10c; ferner D.S. 6.7.1; Verg. A. 6.590-591. Cf. Gantz 1993, bes. 171-173. 117 So die metatheatrale Lektüre von Scheurer/Bielfeldt in KPS 386-387. – Zum bronteion sowie zum keraunoskopeion, einer Vorrichtung zur Erzeugung von Blitz-Effekten: Blume 2 1984, 72.

380

Studien II

lung seines Racheplans reagieren. Sogleich für das Vorhaben entflammt,118 das Odysseus ihnen unterbreitet, verfallen die Satyrn alsbald in wilde Spekulationen über seine Strategie.119 Als Odysseus seinen Plan preisgibt und das homerische Gleichnis vom Schiffbauer bemüht,120 um die Blendungsmethode zu erläutern, reagiert der Chor mit heller Begeisterung und den programmatischen, um nicht zu sagen poetologischen Versen:121 ἰοὺ ἰού· γέγηθα µαινόµεσθα τοῖς εὑρήµασιν. Juuhuu! Wir freuen uns (immer) riesig, geraten in Raserei bei Erfindungen! (E. Cyc. 464-465).122

* Familie Zum Thema Familie cf. Ambrose 2005 (Diskussion des Satyrspielkorpus unter dem Gesichtspunkt der Loyalität und des Treuebruchs innerhalb der Familie); supra Kap. 1.2 § Stoffe und Themen; Kap. 4.1.3 § Aischylos, (Dionysou) Trophoi; Studien II, A. Dikt.; infra s.v. Kindheit.

Figurendoppelung Satyrspiel für Satyrspiel werden der Chor der Satyrn und der Silen in einen fremden mythischen Kontext interpoliert, der den Handlungsverlauf des Dramas vorbestimmt. So erwächst für die Satyrn und den Silen jeweils die Notwendigkeit, sich in neue, fremde Rollen zu fügen und fremde Tätigkeiten auszuüben (cf. Kap. 5.2). Die Übernahme fremder Rollen durch die Thiasoten kennt zwei prominente Formen: Entweder fungieren die Satyrn als Adlaten einer im Mythos angestammten Figur und wohnen – oftmals als Sklaven und Diener – der Ausführung von deren (durch den Mythos vorgegebenen) Tätigkeiten und Handlungen bei, oder sie fungieren gleichsam als Vertreter einer Figur und sind an deren 118

Cf. Cyc. 443-444: λέγ’, ὡς Ἀσιάδος οὐκ ἂν ἥδιον ψόφον / κιθάρας κλύοιµεν ἢ Κύκλωπ’ ὀλωλότα. 119 Cf. supra p. 287-290. 120 Cf. supra p. 342-343. 121 Cf. Seaford 1976b, 218-219; 1984 ad loc.; Hunter 2009, 56-57. 122 In dieser Lektüre wird auch die Pluralform εὑρήµασιν erklärbar, antworten die Satyrn doch vordergründig nur auf die Offenbarung des Plans, für den Odysseus ausschliesslich Singularformen verwendet; 411: ἐσῆλθέ µοί τι θεῖον; 441: ἄκουε δή νυν ἣν ἔχω τιµωρίαν.

Figurendoppelung

381

Statt tätig: Im Kyklops haben sie Odysseus und seine Männer bei der Blendung des Kyklopen zu unterstützen, in den Ichneutai aber suchen sie die gestohlenen Rinder an Apollons Stelle. Beiderlei Fall erfordert eine Assimilationsleistung, an der die Satyrn und der Silen im Verlauf der Stücke scheitern. Um die fremde Tätigkeit in ‘konventioneller’ Weise auszuführen, bedürfte es der Unterdrückung der eigenen, dionysischen Natur und Gepflogenheiten – und diese gelingt nie vollständig, um nicht zu sagen: gar nicht. So wird die jeweils fremde Tätigkeit dionysisch unterwandert; in der daraus folgenden dionysischen Anverwandlung des Fremden besteht die dem Satyrspiel eigene Form von Parodie. Diese Parodie fremder Rollenbilder nimmt allgemeine oder ganz spezifische Formen an: So können die Satyrn Athleten parodieren und mit geölter Brust einherstolzieren (Achae. Athl. *F 4), sich zu Helden homerischen Formats stilisieren (E. Cyc.) und fremde Heldentaten für sich reklamieren, wie etwa die Bezwingung der Hydra von Lerna, die in die Aristie des Herakles und Iolaos gehört (E. Eurystheus F 373).123 Noch beflissener in der Aneignung neuer Rollen ist aber der Silen: davon zeugt allein die ganze Reihe von Rollenbildern, die er im Prolog des Kyklops für sich beansprucht.124 Auch er findet seine role models im Allgemeinen wie im Besonderen: Er kann den Piratenjäger, den tragisch gefallenen König, den Jägermeister geben – sich aber ebenso mit Athenes Bezwingung des Enkelados schmücken125 (E. Cyc.) oder sich zum besseren Diktys/Polydektes erheben (A. Dikt.).126 Im Kyklops geht der Silen gar so weit, sich nicht nur zum Odysseus zu stilisieren,127 sondern die Verhältnisse vollends umzukehren und Odysseus zu seiner Postfiguration zu erklären. Als ihm dieser nämlich die Umstände seiner Anwesenheit auf der Insel unterbreitet, antwortet der Silen: παπαῖ· τὸν αὐτὸν δαίµον’ ἐξαντλεῖς ἐµοί (E. Cyc. 110).128

Die Strategie der Figurendoppelung indessen machen sich nicht nur die Satyrn und der Silen zu eigen. Zu erinnern ist etwa an den Zeus-Imitator Salmoneus, den Titelhelden eines sophokleischen Satyrspiels,129 der die Rolle des Zeus zu usurpieren versucht, indem er eine Maschine erfindet, die Blitz und Donner erzeugen kann (F 538 und 539).130 123

Vide supra p. 208 n. 261. Cf. supra p. 116-117; Kap. 5.1.8. 125 Cf. supra p. 178-191. 126 In Dikt. F 47a.800 spricht der Silen Klartext: ὄλοιτο Δ∆ίκτυς. Cf. p. 298, p. 408. 127 Dazu supra p. 115-116, 164, 337. 128 Auswertung dieser Stelle: supra p. 337-338. 129 Salmoneus: S. F 537-541, **F 541a. 130 Vide supra s.v. Erfindungen p. 379 mit n. 117. 124

382

Studien II

* Fremde und Vorbeireisende Vide supra Kap. 7.

* Fremde Rollen Zum Thema der Satyrn in fremden Rollen: e.g. Sutton 1980a, 157; Voelke 2001, 379-380. Vide supra, Kap. 5.2.

* Fuss, Füsse Vide supra Kap. 5.1.9 § Termini technici der Tanzkunst, p. 198-199.

* Gastfreundschaft Zum Thema der Gastfreundschaft und insbesondere ihrer Verweigerung und Verletzung: Sutton 1974f, 162; Sutton 1980a, 146-147; KPS ‘Motive’, 666; Voelke 2001, 301-313 (unter ‘Figures monstrueuses’). Vide supra, bes. Kap. 4.1.1, p. 118 mit n. 29 und Kap. 7.3.2, Kap. 7.4.

* Geld Zu dem für das attische Drama des fünften vorchristlichen Jahrhunderts insgesamt sehr wichtigen Motiv des Geldes (und des Goldes): Seaford 2003; Seaford 2004.131

131

Das im Satyrspiel nicht seltene Motiv des Geldes ist im Kontext der weitgehenden Monetarisierung der griechischen Welt im sechsten vorchristlichen Jahrhundert zu sehen. Sie führt zu radikalen Veränderungen sozialer Bande und Verhältnisse. Damit einher gehen ebenso radikale kulturelle Neuerungen, nicht zuletzt kommt es zur Herausbildung von Metaphysik und einer differenzierten Theaterkultur – so lautet das zentrale Argument von Seaford 2004. Seaford 2003 untersucht die Einflüsse dieser Entwicklungen auf den Dionysoskult und die daraus hervorgegangenen Dramen; zum Satyrspiel cf. Seaford 2003, bes. 4-7 (wichtige Stellen im Satyrspiel, an denen die der vormonetären Welt angehörenden Satyrn auf Vertreter einer monetarisierten Gesellschaft prallen) et passim.

Homosexuelle und päderastische Liebe

383

* Gottlosigkeit Zum Thema der Gottlosigkeit: Voelke 2001, 317-321 (unter ‘Figures monstrueuses’). Vide supra, Kap. 4.1.1.

* Herabsetzung des Heroischen Literatur: Seidensticker in KPS 25-28; Jouan 1997; speziell zu E. Cyc.: Wilamowitz 51919b, 21-22.132 Vide supra p. 82, p. 340ff., infra s.v. Homosexualität; p. 417; p. 424-425.

* Hochzeit, hieros gamos Literatur zum hieros gamos im Satyrspiel: Seaford 2004, 266-267; Voelke 2001, 383. Zum Motiv des gamos im Satyrspiel: Seaford 1980, 28 mit n. 31 und bes. Voelke 2001, 231-243 et passim. Vide infra s.v. ‘Inversion der Begierde’.

Homosexuelle und päderastische Liebe Dass die homosexuelle und päderastische Liebe,133 insbesondere zu Heroen im Knabenalter, verschiedenenorts zu einem typischen Motiv des Satyrspiels erklärt wird, kann keine Frage der Häufigkeit ihres Auftretens sein.134 Die Stellen, die als Belege für das Motiv angeführt werden, sind von geringer Anzahl und nicht immer von grosser Aussagekraft. Es muss also anderen Faktoren zuzuschreiben sein, dass man dem Motiv eine spezielle Bedeutung für das Satyrspiel beimisst. Ein solcher Faktor ist gewiss die erotische Unersättlichkeit der eigentlichen Satyrspielprotagonisten, der Satyrn und des Silen. Wichtiger noch scheint aber der Beigeschmack eines ‘TragödienTabus’, der dem Motiv anhaftet. Freilich sind Sexualität, Erotik und andere Formen von Körperlichkeit in dem Ausmass und in der auf Lachen abzielenden Art 132

Gegen die Theorie der ‘Herabsetzung des Heroischen’ im Kyklops: Goins 1991. Seidensticker in KPS 31; Voelke 2001, 251-256; Hall 2006b, 155 mit n. 41. 134 Guggisberg 1947, 63, 65-68 widmet der ‘päderastischen Liebe’ ein eigenes Kapitel; bei Fischer 1958, 33-36, figuriert sie als eine von zwei Varianten (sc. ‘B. Satyrn als päderastische Liebhaber’ vs. ‘A. Satyrn als Liebhaber des anderen Geschlechts’) eines der nur fünf typischen Motive (sc. ‘II. Das erotische Motiv’). – KPS ‘Motive’, 667 hat einen Eintrag ‘Homosexualität’, der sich, abgesehen vom Hinweis auf trag. adesp. F 355, auf die auch von Guggisberg und Fischer angeführten Stellen bezieht. Ambrose 1995/1996 ist mir leider nicht zugänglich. 133

384

Studien II

und Weise, wie sie im Satyrspiel verbalisiert, thematisiert und inszeniert werden, in der Tragödie insgesamt undenkbar – dennoch wirken in vergleichsweise hohem Masse anachronistische moralische Vorurteile mit, wenn dieses Thema abgehandelt wird. Dass nämlich die nicht nur seelisch empfundene, sondern auch körperlich gelebte Homosexualität gerade eines grossen Heroen (wenn auch nicht in der Rolle des ἐρώµενος) ein Thema der ernsten Tragödie sein kann, ist mit den Fragmenten der aischyleischen Myrmidonen belegt.135 Homosexuelle Neigungen im Satyrspiel sind nicht einfach auf männliche Wesen, sondern spezifisch auf junge Männer gerichtet, die künftige Heroen sind. Das Motiv ist demnach als Erweiterung des Topos ‘Götter und Heroen im Kindesalter’ (vide infra s.v. Kindheit) und auch als Spielart der ‘Herabsetzung des Heroischen’ (vide supra s.v.) zu begreifen; den grossen Helden der Zukunft wird jeweils die passive Rolle des ἐρώµενος zuteil. Im zweiten Buch seiner Tristien verteidigt der römische Dichter Ovid sein Schaffen gegenüber Augustus und begegnet dem Vorwurf eines allzu frivolen und freizügigen Umgangs mit Sexualität. Ovid versucht die erotische Qualität seines Schaffens dadurch zu legitimieren, dass er den gesamten griechischen und römischen Literaturkanon auf Momente der Vergleichbarkeit mit seinem Werk hin absucht. Dabei kommt er auf eine spezielle Art von Tragödie zu sprechen, bei der es sich unverkennbar um das Satyrspiel handelt:136 est et in obscenos deflexa tragoedia risus, multaque praeteriti uerba pudoris habet; nec nocet auctori, mollem qui fecit Achillem infregisse suis fortia facta modis. Es gibt auch eine Art Tragödie, die sich dem obszönen Gelächter zugewandt hat,137 und sie enthält manch ein Wort, das jegliches Schamgefühl ausser acht

135

Cf. A. F 135-137. Hier wird in der Tragödie ein homerisches Tabu gebrochen. Zur Umdeutung der innigen Freundschaft von Achilleus und Patroklos bei Homer zu einer homosexuellen Liebesbeziehung cf. Dover 1978, 196-199; zu den Myrmidonen: Michaelakis 2002, 22-57; zur homosexuellen Beziehung von Achilleus und Patroklos: ibid. 41-46; zur Rezeption des Tabubruchs, den sie darstellt: ibid. 46-53. 136 Zurückhaltender bei der Identifikation der Gattung sind e.g. Owen 1924, 224-226; Luck 1977, 139; Scheurer/Kansteiner in KPS 228 mit n. 6, die vermuten, dass hier von einer tragikomischen dramatischen Form (i.e. ἱλαροτραγῳδίαι), jedoch nicht direkt von der attischen Gattung ‘Satyrspiel’ die Rede sei. Ambrose 2005, 37-38 n. 26 wiederum deutet die Stelle ohne zu Zögern als explizite Bezugnahme auf das Satyrspiel; Ingleheart 2010 liefert dazu schlagende Gründe. 137 In zahlreichen Editionen findet sich in V. 409 ‘commixta’ statt ‘deflexa’ (Die Übersetzung müsste dann lauten: ‘Es gibt auch eine Mischform der Tragödie …’. Beide Formen sind handschriftlich überliefert. Luck 1977 interpretiert deflectere hier i. S. v. “‘to

Homosexuelle und päderastische Liebe

385

lässt, und dem Verfasser, der Achilles als Weichling dargestellt hat, wird es nicht zum Verhängnis, dass er mit seinen Versen dessen tapfere Taten geschmälert hat. (Ov. Tr. 2.409-412; Text: Ingleheart 2010)

In dieser ‘Kurzpoetik’ des Satyrspiels erscheint eine Reihe von Phänomenen, die aus dem Rahmen des Schicklichen fallen, das in der klassischen Tragödie gezeigt werden kann: Lachen, Lachen über Obszönes, eine unanständige, vulgäre Wortwahl, das unmännliche Portät des Achilles, das Herabsetzen des Heroischen. Ovid scheint hier aber nicht nur das lachhaft Obszöne zu illustrieren, das die Gattung kennzeichnet, sondern ein typisches Motiv des Genres, i.e. die päderastische Liebe für einen Helden, anklingen zu lassen. Die Erwähnung von Achilles (411) legt sogar nahe, dass er ein konkretes Beispiel im Sinn hatte, am ehesten die Achilleos Erastai des Sophokles,138 aus deren Titel die Rolle des Achilleus als ἐρώµενος und jene der Satyrn als ἐρασταί plausibel erschlossen werden kann.139 Wie gegenüber zahlreichen weiblichen Figuren, werben die Satyrn auch in diesem Stück wohl als Kollektiv um ihren Liebling, sozusagen als “‘fan-club’ erastai” (Davidson 2007, 473-474).140 So geht es aus dem Zitatkontext von F 153 hervor, Photios’ Glosse zu παιδικά,141 wo wir ausserdem erfahren, dass es in den Achilleos Erastai zu einem Konflikt zwischen homo- und heteroerotischen Regungen der Satyrn kommt:142 Παιδικά· ἐπὶ θηλειῶν καὶ ἀρρένων ἐρωµένων τάττεται ἡ λέξις· παραδείγµατα δὲ τοῦ ἐπὶ µὲν τῶν ἀρρένων τάττεσθαι πολλά· καὶ ἐν τοῖς Ἀχιλλέως δ’ ἐρασταῖς δῆλον ὡς οὕτως ἐξείληπται· ἐπιδόντων γάρ τι τῶν Σατύρων εἰς τὴν γυναικείαν ἐπιθυµίαν, φησὶν ὁ Φοίνιξ· Παπαῖ, τὰ παιδίχ’, ὡς ὁρᾷς, ἀπώλεσας.

tune to a different pitch’, i.e. transpose to a different genre”, cf. Ingleheart 2010, 50-51, 323 ad loc. (Zitat 323). 138 Cf. Pearson 1917, I, 104; Owen 1924, 226 ad Ov. Tr. 2.411; Guggisberg 1947, 66; Luck 1977, 139 ad Ov. Tr. 2.411f. 139 Es ist freilich nicht völlig auszuschliessen, dass Ov. Tr. 2.411-412 sich auf nicht-komische tragische Verse bezieht; in diesem Fall am ehesten auf Aischylos’ Myrmidonen; vide supra p. 384 mit n. 135. – Marco Fantuzzi, der mir dankenswerterweise das Ms. seiner demnächst erscheinenden Studie Achilles in Love. Intertextual Studies zugesandt hat, bezieht Ovids Verse auf das Satyrspiel (Introduction, § Achilles and the crossing of boundaries – of heroism, and of the epic genre) und zwar spezifisch auf die Achilleos Erastai. 140 Zu kollektiven Heirats- und Vergewaltigungsabsichten gegenüber Frauen: supra p. 203-204 mit n. 223 und infra p. 400-401 mit n. 209. 141 Παιδικά ist ein Synonym von ἐρώµενος, cf. Dover 1978, 16. 142 Fischer 1958, 34.

386

Studien II Liebling: Das Wort wird für weibliche wie für männliche Geliebte gebraucht. Beispiele für die männliche Verwendung gibt es viele; auch in den Achilleos Erastai wird es offensichtlich so aufgefasst. Als sich die Satyrn nämlich ihrer Begierde nach der Frau hingeben, sagt Phoinix: ‘Ojeoje, den Liebling, wie du siehst, hast du verloren’. (Phot. π 23 s.v. παιδικά; S. Ach.Er. F 153)143

Nun ist freilich nicht klar, wer die Frau ist, welche die Satyrn von ihrem Liebling ablenken könnte, und wer der durch den Aufmerksamkeitsentzug vergraulte Liebling. Als letzterer kommt sicher Achilleus in Frage, der dem Titel zufolge im Verlauf des Stückes als ἐρώµενος aufgetreten sein muss. Weil aber der klassische griechische ἐρώµενος jung ist, und weil eine Reihe anderer Faktoren impliziert, dass dieses Drama über erfüllte und unerfüllte Liebe144 in Achilleus’ Jugend spielt,145 hat man unter anderem jene Episode des Mythos als Stoffgrundlage in Erwägung gezogen, in der Achilleus inkognito und als Mädchen verkleidet in Skyros untertaucht. Damit käme Achilleus auch als die weibliche Figur in Frage, auf die sich die Aufmerksamkeit der Satyrn mit einem Mal richtet.146 Die Skyros-Episode ist in den Grundzügen die folgende:147 Weil es Achilleus bestimmt ist, in Troia zu fallen, bringen ihn Peleus oder Thetis heimlich bei König Lykomedes in Skyros unter, wo er als Mädchen getarnt im Kreise von Lykomedes’ Töchtern aufwachsen soll (und irgendwann eine dieser Töchter, Deïdameia, schwängert).148 Als die Griechen das Orakel erhalten, Troia sei ohne Achilleus nicht zu erobern, machen sich Odysseus und zwei Gefährten auf die Suche und kommen ihm mit einer genderspezifischen List bald auf die Schliche: 143 Entspricht in den Grundzügen Suda π 858 s.v. παιδικά; Schol. Ar. V. 1026; Ael.Dion. Ἀττικὰ ὀνόµατα π 1 s.v. παιδικά. 144 Cf. neben den in diesem Kapitel besprochenen Fragmenten der Achilleos Erastai auch F 149 und 157, die von Liebesleiden und Nicht-Loslassen-Können von etwas, was eigentlich schmerzt, handeln (F 149), bzw. dem ‘Augenverlangen’ (ὀµµάτειος πόθος, via Hsch. ο 736 s.v. ≅ F 157) und auf homo- oder heterosexuelle Gefühle bezogen sein können. 145 Cf. neben den im Folgenden genannten Hinweisen auch Phot. ε 1095 s.v. ἐξανάξει, eine Glosse zu einer Futurform aus den Achilleos Erastai (F 157a). Erklärt wird die Form mit ἀνάξει πρὸς τὴν Ἴλιον. Zur Illustration folgen Stellen aus der Ilias, an denen es um Helena geht, die nach Troia gebracht werden soll. Die Verbform bezieht sich also sehr wahrscheinlich auf einen der griechischen Gesandten, die Achilleus nach Troia holen müssen. Entsprechend deutet Ach.Er. F 157a auf eine mythenchronologische Verortung des Stücks in der Jugend Achills. 146 Cf. e.g. Scheurer/Kansteiner in KPS 233, 235. 147 Cf. zu diesem Mythos e.g. E. Skyrioi F 681a-686 und insbesondere die fragmentarisch erhaltene Papyrus-Hypothesis P.S.I. 1286 ≅ E. Skyrioi T iia; [Bion] 2 (Ἐπιθαλάµιος Ἀχιλλέως καὶ Δ∆ηιδαµείας); Ov. Met. 13.156, 162-170; Apollod. 3.174; Hyg. Fab. 96. 148 Neben Schol. Il. 19.326 Bekker (wie in der folgenden n.) e.g. auch in der Hypothesis zu E. Skyrioi (cf. T iia.17-21).

Homosexuelle und päderastische Liebe

387

Sie legen Waffen und Webgeräte vor das Mädchengemach und ergreifen dasjenige Mädchen, das nach den Waffen greift. Einem Scholion zu Ilias 19.326149 zufolge besteht diese Gesandtschaft aus Odysseus, Phoinix150 und Nestor151. Ausserdem rankt sich eine Reihe von Erzählungen um die homoerotischen Beziehungen des überaus schönen Jünglings Achilleus – vor allem zu Patroklos.152 Marco Fantuzzi macht den interessanten Vorschlag, dass in den Achilleos Erastai die zwei un-homerischen und typisch tragischen Eigenschaften von Achilleus’ Sexualität – die Feminisierung in Skyros (Anspielung auf das “crossdressing” in Euripides’ Skyrioi) und die passive Rolle in der homosexuellen Beziehung zu Patroklos (wie in den Myrmidonen des Aischylos) – parodierend aufgegriffen und radikalisiert werde: “Difficult to think of a more systematic example of satyr drama as ‘tragedy diverted into obscene laughter’ (… according to the definition of Ov. Tr. 2.409 …).”153 Er interpretiert das Stück als eine obszöne Umdeutung der traditionell erhabenen Erziehung des Achilleus: In den Händen der Satyrn erfahre Achilleus eine Initiation zum ἐρώµενος. Ein weiteres Moment von erotischen Regungen der Satyrn gegenüber einem jungen Heros findet sich in Achaios’ Linos.154 Erhalten ist ein einziges Fragment. Wie Herakles vermutlich selbst erzählt, haben ihm die Satyrn beim Kottabosspiel den Weinrest gewidmet, sich damit als seine Verehrer zu erkennen gegeben, und ihn adressiert als ὦ κάλλιστον Ἡρακλεί〈διον〉 – ‘Schönstes Herakleslein’ (Achae. F 26).155 Weil der Titel des Stücks, Linos, auf eine Episode aus Hera-

149

In der Edition von Bekker, nicht aber bei Dindorf und Erbse (Hinweis von Scheurer/Kansteiner in KPS 228 n. 11). – Cf. für Phoinix’ Beteiligung an dem Plan, Achilleus zu überlisten und nach Troia zu holen auch Kypria F 19 Bernabé. 150 Dass sich Phoinix durch den Zitatkontext von F 153 als dramatis persona sichern lässt, ist nur bedingt ein Indiz dafür, dass die Skyros-Episode die Stoffgrundlage des Stücks darstellt. Phoinix erscheint auch in anderen mythischen Episoden in Achilleus’ Nähe: Peleus macht ihn in Phthia zu Achilleus’ Erzieher (Il. 9.438-496); Phoinix versucht Achilleus vom Kampfboykott abzubringen (ibid.; cf. ferner e.g. A. Myrmidonen **F 132b) und gehört zu denjenigen, die Achilleus zu trösten versuchen, als er um Patroklos trauert (Il. 19.310-312). 151 Vielleicht ist als zweite Figur dieser Delegation auch Nestor mit im Spiel. In F 155 ist von jemandem die Rede, dem Honig von der Zunge fliesst; dem homerischen Nestor ‘flossen die Worte süsser als Honig von der Zunge’ (τοῦ καὶ ἀπὸ γλώσσης µέλιτος γλυκίων ῥέεν αὐδή, Il. 1.249); cf. Pearson 1917, I, 109 ad loc. Cf. dagegen Voelke 2001, 254, der die Verse auf Achilleus bezieht. 152 Cf. A. Myrmidonen F 135-137; Pl. Smp. 179e-180a. 153 Fantuzzi, Achilles in Love, Introduction, § Perceptions of Achilles’ Love (cf. supra p. 385 n. 139). 154 Dass “die Päderastie im Linos des Achaios die Hauptrolle gespielt” habe (Fischer 1958, 33), ist jedoch nicht nachweisbar. 155 Cf. infra s.v. Kottabosspiel, p. 414.

388

Studien II

kles’ Kindheit deutet –,156 hat man aus dem Fragment auf die päderastische Liebe der Satyrn zum Knaben Herakles geschlossen.157 Vom homoerotischen Interesse der Satyrn an Herakles zeugt vielleicht auch ein sophokleisches incertum fragmentum, das via Athenaios (1.23d) überliefert ist. Sprecher ist ein Satyr, der in Liebe zu Herakles entbrannt ist und über ihn sagt (oder: der in Liebe zu einer Braut entbrannt ist und über Herakles sagt):158 ἀνακειµένῳ µέσον εἰς τὸν αὐχέν’ εἰσαλοίµην. Wenn er bei Tisch liegt, will ich ihm mitten an den Hals159 springen. (S. inc. F 756)

Plutarch zitiert zweimal einen Dialogausschnitt, in dem von Bisexualität die Rede ist. Vermutlich entstammt das Zitat einem Satyrspiel, eine genauere Zuordnung ist indes unmöglich:160

156

Linos war der Musiklehrer des Herakles oder derjenige, der ihm die Buchstaben beibrachte, ehe ihn Herakles im Jähzorn erschlug (cf. e.g. Theoc. 24.105; D.S. 3.67.2; Apollod. 2.63; Ael. VH 3.32; Suda ε 935 s.v. ἐµβαλόντα). 157 Unklar ist allerdings, womit das deutlich höhere Alter, das im päderastischen Verhältnis den ἐραστής kennzeichnet, für die Satyrn im Linos nachgewiesen werden könnte. Cf. e.g. die stille Voraussetzung bei Schloemann/Krumeich in KPS 535: “Die homoerotische Komponente liegt auch darin, dass Herakles viel jünger ist als die Satyrn …”. Ein in dieser Hinsicht besserer Kandidat für die Rolle des ἐραστής wäre der Silen, der im Gegensatz zu den Satyrn, deren Status zwischen Kind und Erwachsenen in diversen Stücken thematisiert wird (cf. Voelke 2001, bes. Kap. 3.2: Entre enfance et âge adulte), eindeutig ‘alt’ ist und dessen typische Rolle als παιδαγωγός man sich gut in einer Erweiterung zum Unterweiser in Liebesdingen (i.e. ἐραστής) oder gar als Gegenpol zum unbeliebten Lyra-Lehrer Linos denken könnte. In Achae. Linos F 26 ist jedoch eindeutig von den Satyrn, in der Mehrzahl, die Rede. 158 Eingeleitet wird das Zitat mit den Worten: σάτυρος παρὰ Σοφοκλεῖ τοῦτό φησιν ἐπικαιόµενος τῷ Ἡρακλεῖ· (Ath. 1.23d); die Wortstellung scheint mir auf erstere Übersetzungsmöglichkeit (und damit auf eine homoerotische Neigung zu Herakles) zu deuten; cf. aber Pechstein/Krumeich in KPS 373 n. 26, deren Interpretation auf der anderen Übersetzungsmöglichkeit basiert: Ihnen zufolge könnte das Fragment dem ‘Oineus-Satyrspiel’ entstammen und der Vers von einem Satyrn gesprochen sein, der den Nebenbuhler Herakles ausstechen will. Als Äusserung der Aggression gegen Herakles, der offenbar als Rivale wahrgenommen wurde, deutet das Fragment bereits 2Nauck, mit dem Hinweis auf Aristid. Πρὸς Πλάτωνα ὑπὲρ τῶν τεττάρων Or. 46.310 Keil, wo die Aggression eines Bühnensatyrn gegen Herakles ebenfalls belegt ist. 159 Αὐχήν kann in der Komödie und im Satyrspiel in obszönem Sinne verwendet werden; cf. supra Kap. 1.2, p. 65 n. 64.

Homosexuelle und päderastische Liebe

389

〈A.〉 πρὸς θῆλυ νεύει µᾶλλον ἢ ἐπὶ τἄρσενα; 〈B.〉 ὅπου προσῇ τὸ κάλλος, ἀµφιδέξιος A. Hat er mehr für das Weibliche übrig oder für das Männliche? B. Wo auch immer die Schönheit weilt, er ist für beides offen. (trag. adesp. F 355)

Homo- und bisexuelle Regungen werden schliesslich auch in Euripides’ Kyklops gehegt. Im Makarismos, den die Satyrn in Vers 495 anstimmen, preisen die Satyrn denjenigen glücklich, der dem Bakchos zujubelt (µάκαρ ὅστις εὐιάζει),161 der vom Wein berauscht einen geliebten Mann (φίλον ἄνδρα, 498) und eine zarte, blonde Gefährtin (ἑταίρα, 499-500) in Reichweite – und also die Wahl zwischen den beiden hat. Der Makarismos erweist sich wenig später als grotesk verzerrte Prolepse. Sobald der Kyklop nämlich in den Genuss des Weines gekommen ist, beginnt er nicht nur wonnig zu singen, sondern wähnt sich von den Chariten umworben. Zugleich aber verkündet er, sich viel stärker zum Silen hingezogen zu fühlen. Er hat also die im Makarismos angedeutete Wahl zwischen hetero- und homosexueller Erotik zu treffen. Polyphem fällt die Entscheidung leicht – er will nicht die Chariten küssen, sondern den Silen, den er zum ἐρώµενος, und zwar zu seinem Ganymed ernennt – Knaben nämlich sagen ihm mehr zu als die Weiber:162 οὐκ ἂν φιλήσαιµ’; αἱ Χάριτες πειρῶσί µε. ἅλις· Γανυµήδη τόνδ’ ἔχων ἀναπαύσοµαι κάλλιον ἢ τὰς Χάριτας. ἥδοµαι δέ πως τοῖς παιδικοῖσι µᾶλλον ἢ τοῖς θήλεσιν. Ich will nicht küssen! Die Chariten verführen mich. Genug! Mit diesem Ganymed hier ruht es sich schöner aus als mit den Chariten. Mir sagen Jünglinge mehr zu als Weibsbilder.163 (E. Cyc. 581-584)

160

Cf. Plu. Quomodo adulescens poetas audire debeat, mor. 34a und Amatorius, mor. 766f. Aus diesen beiden Zitaten ist trag. adesp. F 355 (≅ sat. inc. F 34 Steffen) gewonnen. 161 Zur kultischen Betätigung ‘εὐιάζειν’: supra p. 178 n. 97. 162 Shaw 2010, 13 sieht in dieser Szene die Vorwegnahme typischer Charakteristika der Mittleren Komödie. 163 Mit der Übersetzung ‘Weibsbilder’ übersetze ich ‘τοῖς θήλεσιν’ (584) als Dativ zu Neutrum Plural τὰ θήλεα. Nicht unerwähnt lassen will ich indessen den Ansatz, den Zuntz den vielen Kyklops-Editoren unterstellt, die τοῖς und nicht, wie es seiner Meinung nach korrekt wäre, ταῖς drucken (Zuntz 1965, 56 n.). Zuntz zufolge fassen diese Editoren den Artikel als Maskulinum, das Substantiv aber als Femininum auf (also [αἱ] θήλειαι

390

Studien II

Der alte Silen, der sich für gewöhnlich als ἐραστής versucht haben wird, wird somit zum Opfer einer besonders unangenehmen Inversion der Verhältnisse und Figurendoppelung (vide supra s.v.), und gerät in die Rolle des Lustknaben. Das sei sein Ende, ruft er den Kindern zu; der zurückgewiesene Liebhaber ist gekränkt – dem Silen aber schmeckt in dem Moment sogar der Wein bitter: Σι. ἐγὼ γὰρ ὁ Δ∆ιός εἰµι Γανυµήδης, Κύκλωψ; Κυ. ναὶ µὰ Δ∆ί’, ὃν ἁρπάζω γ’ ἐγὼ ’κ τῆς Δ∆αρδάνου. Σι. ἀπόλωλα, παῖδες· σχέτλια πείσοµαι κακά. Κυ. µέµφῃ τὸν ἐραστὴν κἀντρυφᾷς πεπωκότι; Σι. οἴµοι· πικρότατον οἶνον ὄψοµαι τάχα. Si. Ich soll der Ganymed des Zeus sein, Kyklop? Ky. Ja, beim Zeus, den ich aus der Stadt des Dardanos entführe. Si. Ich bin verloren, Kinder. Unsägliches Unheil werde ich erleiden. Ky. Tadelst du den Liebhaber und verspottest den, der getrunken hat? Si. Au weh, gleich werde ich sehen, wie äusserst bitter der Wein ist. (E. Cyc. 585-589)

Ob sich die Satyrn im Gegensatz zum Silen in der Rolle des ἐρώµενος zurechtfanden, ist müssig zu fragen, da sich, nicht anders als beim weiblichen Geschlecht, das Interesse an ihnen auch bei den Männern in Grenzen gehalten haben dürfte. Das wird die Satyrn nicht gross beirrt haben. Aus zwei Versen von Achaios’ Aithon lässt sich ersehen, wie es sich die Satyrn zurechtlegen, wenn jemand keine erotische Aufmerksamkeit für sie übrighat. Sie sagen sich: ×〉 ἐν κενῇ γὰρ γαστρὶ τῶν καλῶν ἔρως οὐκ ἔστι· πεινῶσιν γὰρ ἡ Κύπρις πικρά … In einem leeren Bauch nämlich gibt es kein Liebesbegehren nach dem Schönen: den Hungrigen schmeckt Kypris bitter. (Achae. Aith. F 6)

Dass hier vom Titelheld (Aithon/Erysichthon) die Rede ist, dessen Hunger jeglichen erotischen Trieb bei ihm ersticke, liegt auf der Hand. Verbergen sich hinter τῶν καλῶν aber καλοί, schöne Knaben, so kommen als Sprecher der Verse am

mit maskulinem Artikel), womit Polyphem mit “some fantastic perversion of sentiment and grammar” ausgestattet würde. Das Problem verschwindet mit der Auffassung, dass es sich hier um Neutra handle. Cf. Kassel 1973, 105-106, der darauf aufmerksam macht, dass auch in trag. adesp. F 355 (vide supra) Neutra verwendet werden.

Hunger

391

ehesten die Satyrn in Frage, die sich selbst erklären, warum Erysichthon nicht daran denke, sie zu vernaschen.164

Hunger Der Hunger in all seinen Ausprägungen (Appetit,165 Fleischgier166 bis hin zu kannibalischen Gelüsten,167 akuter168 und chronischer Ηunger oder Heisshunger, Unersättlichkeit169 etc.) ist ein im Satyrspiel verbreitetes Motiv. Entsprechend häufig finden sich auch die Mittel, diesen zu stillen: die Nahrungsmittel170

164

Ähnlich erklärt der Silen in E. Cyc. 553-555, der Wein versuche ihn zu küssen, weil er so schön ausschaue, und liebe ihn, weil er so schön sei. Cf. ferner die Bezeichnung eines Satyrn mit καλός auf einer attisch rotfigurigen Schale des Oltos in Napoli, Museo Archeologico Nazionale 2617; ARV2 65, 108 (Hinweis von Schloemann/Krumeich in KPS 503 n. 37). – Zur Bezeichnung καλός als Synonym von ἐρώµενος (jedoch ohne Bezug auf Satyrn/Silene): Davidson 2007, 37, 61, 427-428, 474, 493. 165 S. Eris F 199: ἐγὼ δὲ πεινῶσ’ αὖ πρὸς ἴτρια βλέπω. Πεινᾶν ist bei den Tragikern weitere drei Mal und wahrscheinlich ausschliesslich fürs Satyrspiel belegt (E. inc. F 895; Achae. Aith. F 6.2; Kyknos F 25); das Verb ist hingegen geläufig in der Komödie: Pechstein 1998, 288. – Ein weiterer Beleg für Appetit im Satyrspiel ist vermutlich S. Hel.Gam. F 181; cf. Heynen/Krumeich in KPS 392 und die dort genannte Literatur zur Frage der Satyrspielqualität dieses Helena-Dramas. 166 E.g. A. inc. F 309; S. Hybris F 671; E. inc. F 907 (aus dem Syleus?; cf. infra p. 442 mit n. 402); Achae. Aith. F 7. 167 Das Motiv des Kannibalismus prägt den euripideischen Kyklops und gewiss auch Aristias’ gleichnamiges Satyrspiel. Cf. ferner E. Syl. F 687.1-2. Kannibalismus oder die Angst davor dürfte auch in Euripides’ Busiris eine Rolle gespielt haben, wo Menschenopfer im Zentrum der Handlung standen, cf. supra p. 248 mit n. 7; 264 n. 66. 168 E.g. Achae. inc. F 47: χάσκοντα λιµῷ µόσχον ὡς χελιδόνος. 169 Cf. KPS ‘Motive’, 666. Der unstillbare Hunger des Erysichthon ist das zentrale Thema von Achaios’ Aithon. Cf. ferner e.g. Aristias Keres F 3.2: ἀκρατέα νηδὺν ἔχων. 170 E.g. S. Eris F 199: ἴτρια (‘Kuchen’); Achae. Iris F 23: σελῆναι (‘Mondkuchen’); Sosith. Da.Li. F 2: ἄρτους (6), σιτία (9). Von Getreide(produkten) ist überhaupt auffällig häufig die Rede, cf. e.g. S. Ina. F 294: ἄναντα (‘Ungeschrotetes’, gemäss den Fragmentträgern) und F 276: σιροὶ κριθῶν (‘Gerstensilos’); Cyc. 121 (Δ∆ήµητρος στάχυν), 133 (σῖτον). Lloyd-Jones 1994, 136-139 fasst κέρχν[ο]ς in S. Ichn. 134 als ‘Hirse’ und die entsprechende Stelle als Anspielung auf unterirdische Hirsesilos auf. Auf den Bereich der Getreideproduktion weist auch der Begriff πτύον (‘Worfschaufel’), der in A. Proteus F 210.2 und in S. inc. F 1084 erscheint. Cf. auch die µαζαγρέται ‘Gerstenbrotjäger’ in Aristias Keres F 3. – Im Kyklops ist ferner wiederholt die Rede von Milch (e.g. 122, 136), Käse (e.g. 122, 136, 162, 190) und verschiedenen Arten Tierfleisch (e.g. 122, 162, 188, 249).

392

Studien II

ebenso wie deren Zubereitung,171 Konsum172 und Verabreichung.173 Oft tritt der Motivkomplex im Kontext von Opfern auf. Zunächst ist freilich vor der “food fallacy” (Arnott 2010, 281) zu warnen,174 die sich bei der Arbeit an den zahlreichen Satyrspiel- ebenso wie an den Komödienfragmenten ergeben kann, die aus Athenaios’ Deipnosophistai gewonnen sind. Die Textzitate bei Athenaios sind unter dem spezifischen Interesse an der cuisine, dem Symposion und allem, was damit zu tun hat, gesammelt. Natürlich spricht die Tatsache, dass Athenaios zur Erhellung dieser Zusammenhänge auf eine grosse Anzahl Fragmente aus dem Satyrspiel und der Komödie zurückgreifen konnte (insbesondere der Mittleren Komödie, wie immer wieder bemerkt worden ist), dafür, dass die entsprechenden Dramen oft von Essen und Trinken handelten.175 Dass sich jedoch aus den Deipnosophistai ein einseitig verzerrtes Bild der entsprechenden Genera ergeben könnte, ist stets mitzubedenken. Ein Blick über die in grösserem Umfang erhaltenen Satyrspiele ergibt ein ausgewogenes Bild: Der Kyklops dreht sich zu beträchtlichen Teilen ums Essen – das eigentliche Skandalon des zugrundeliegenden Mythos besteht ja im Kannibalis-

171

E.g. A. inc. F 309-311 (Zubereitung eines Ferkels); E. Cyc. 214-219 (Frühstücksvorbereitungen für den Kyklopen), 241-246 (Anweisungen des Kyklopen für das Grillen und Garkochen der Griechen), 382-404 (den Anweisungen entsprechende Zubereitung der Griechen); Achae. Aith. F 7.1 (Kleinmachen der Speisen); Alkmeon F 12: καρυκκοποιούς (‘Blutsossenkocher’; cf. Musa Tragica 85 mit 279 n. 17 zur καρύκη, einer Art Suppe aus Blut und Gewürzen); (Opfer-)Küchengeräte: e.g. Achae. Alkmeon F 13: †σαραβάκων κοπίδων (Schlachtmesser, cf. E. Cyc. 241-242: κοπίδας … µαχαίρας); E. Cyc. 343, 392 (λέβης); Herdfeuer: e.g. E. Cyc. 383-384: ἀνέκαυσε µὲν πῦρ πρῶτον, ὑψηλῆς δρυὸς / κορµοὺς πλατείας ἐσχάρας βαλὼν ἔπι. Cf. hierzu Ion Trag. Omph. F 28, wo Herakles (?) ‘einen gutbrennenden Eichenstamm zu Asche verbrannt hatte’, mit Sicherheit, um darüber Fleisch zu braten: ἐξανθρακώσας πυθµέν’ εὔκηλον δρυός. – In trag. adesp. F 327f, das aus Philodem gewonnen ist, wird das geblendete Auge des Kyklopen mit jenem eines gut durchgebratenen Fischs verglichen; vielleicht stammen die Verse aus Aristias’ Kyklops. Den Zusammenhang mit dem Auge des Kyklopen hat schon Gomperz gesehen; für den Vorschlag, das Fragment Aristias’ Kyklops zuzuweisen, cf. Schloemann/Krumeich in KPS 221 (andeutungsweise bereits Snell/Kannicht in TrGF II, p. 101 ad loc.). 172 E.g. E. inc. F 907. 173 E.g. S. Dion. F 171.1; Achae. Heph. F 17.1; Sosith. Da.Li. F 2.12-13, **F 2aII: τοὺς παριόντας τῶν ξένων εὐωχῶν. 174 Ähnlich spricht Nesselrath 1990, 65 von der “nur höchst einseitige[n] ‘deipnologi– sche[n]’ Thematik” der bei Athenaios gesammelten Fragmente. Cf. ferner, jedoch deutlich weniger kritisch, Wilkins 2000, 38-40 (39: “Much of the organization of this book [sc. the Deipnosophistae] is by topic or by food rather than by play”). 175 Cf. die Arbeiten von Wilkins 1993; 1997; 2000 zum Thema der “Comic Cuisine” (Titel von Wilkins 1997).

Hunger

393

mus an der Entourage des Odysseus;176 in den Diktyulkoi, Isthmiastai oder Theoroi, Ichneutai und im Inachos hingegen sind Hunger und Essen kaum ein Thema. Wie in der Komödie ist auch im Satyrspiel die somatische Dimension des Hungers von Bedeutung. So werden Körperteile wie Bauch, Magen, Schlund, Gaumen, Zähne etc. thematisiert.177 Das Motiv des Hungers tritt in diversen Zusammenhängen auf – bei einem Satyrspiel, das Dionysios zugeschrieben wird, ist der Hunger, Λιµός, sogar titelgebend (vide infra).178 Sehr häufig ist das Motiv an einzelne Figuren gekoppelt (e.g. Herakles, Erysichthon, Lityerses) oder an Kollektive (e.g. Athleten), deren Hunger notorisch und zur Eigenschaft der 176 Nach der Parodos erblickt der Silen die Griechen, sieht, dass sie mit leeren Gefässen kommen und weiss, dass sie hungrig sind (… βορᾶς κεχρηµένοι, 88); dies bestätigt sich in den ersten Worten des Odysseus – man suche eine Wasserquelle und jemanden, der den ausgehungerten Seeleuten Lebensmittel verkaufen wolle (… εἴ τέ τις θέλει / βορὰν ὁδῆσαι ναυτίλοις κεχρηµένοις, 97-98); das folgende Zwiegespräch mit dem Silen versucht Odysseus immer wieder auf die Hunger-/Essensthematik zu lenken (121, 133, 135, 137, 162); Odysseus bietet dem Silen Wein an, um an die Lebensmittel heranzukommen; Polyphem ist bei seinem Auftritt zunächst nur an seinem Milch- und Käse-Frühstück interessiert, ehe er die überaus aufwendige Griechenmahlzeit vorzubereiten beginnt. Interessanterweise wird der eigentliche Verzehr der Griechen in der Beschreibung des Botenberichts ausgespart. Auf die Schilderung der Vorbereitung, die 22 Verse umfasst (383-404), folgt Odysseus’ Kommentar zu seiner eigenen Reaktion und derjenigen der Gefährten (405-408), und daran schliesst sich der Bericht über den göttlichen Plan des Odysseus an, der mit der Alkoholisierung des Kyklopen beginnt. Das eigentliche Auffressen der Griechen geht lediglich aus dem Vers hervor, der diesen Passus einleitet: ἐπεὶ δ’ ἑταίρων τῶν ἐµῶν πλησθεὶς βορᾶς (409). – Die Art und Weise, wie im Kyklops gegessen (und gesprochen) wird, ist Gegenstand von einem Artikel und dessen Überarbeitung zu einem Buchkapitel Nancy Wormans dar (Worman 2002; Worman 2008, 121-152). Worman analysiert die Konvergenz von Ess- und Sprechverhalten bei den Figuren des Odysseus und des Polyphem – dies im Rahmen ihrer grossangelegten Theorie über die “orale Fixierung” antiker griechischer Invektive und der entsprechenden Rhetorik. 177 Magen: γαστήρ (S. inc. F 848, sehr wahrscheinlich aus einem Satyrspiel, cf. Radt in TrGF IV ad loc.; E. Cyc. 220, 326, 335, 506; E. inc. F 915); νηδύς (e.g. Aristias Keres F 3.2; E. Autolykos A' F 282.5; E. Cyc. 244, 303, 574 [νηδύς in der Bedeutung ‘Magen’ ist für Euripides einmal auch in der Tragödie belegt: Supp. 207; das Wort bedeutet sonst ‘Unterleib’ oder ‘Mutterleib’: Pechstein 1998, 59]); Schlund, Rachen, Kiefer vel sim.: γνάθος (S. inc. F 848; E. Autolykos A' F 282.5, 17; Cyc. 92, 146, 303 [wie in S. inc. F 848 und E. Autolykos A' F 282.5 verbunden mit νηδύς], 310; Plural: Cyc. 289, 395. Der Begriff tritt, ebenfalls im Plural, auch in dem mit Sicherheit aus einem Satyrspiel stammenden trag. adesp. F 381 auf, wo der Satyr Marsyas der Athene empfiehlt, vom Flötenspiel abzulassen, um ‘ihre Wangen/ihren Kiefer wieder in gute Ordnung zu bringen’: γνάθους εὐθηµόνει [in der Bedeutung ‘Unterkiefer eines Menschen’ ist der Begriff der Tragödie fremd, in der Komödie hingegen häufig: Pechstein 1998, 59]); φάρυγξ (E. Cyc. 215, 356357, 410, 592); Zähne: Ion Trag. Omph. *F 30. 178 Dionys.Trag. Limos F 3a.

394

Studien II

Gefrässigkeit ausgewachsen ist. Herausragend unter den Hungrigen ist Herakles, der ja für seine Gefrässigkeit auch jenseits des Satyrspiels bestens bekannt ist. Pindar179 weiss ebenso davon wie die dorische180 und die attische181 Komödie. Athenaios schreibt sogar: ἦν καὶ ὁ Ἡρακλῆς ἀδηφάγος. ἀποφαίνονται δὲ τοῦτο σχεδὸν πάντες ποιηταὶ καὶ συγγραφεῖς. Auch Herakles war ein Vielfrass. Dies stellen fast alle Dichter und Schriftsteller so dar. (Ath. 10.411a)

Diese Bemerkung folgt auf das eröffnende Zitat von Buch 10 der Deipnosophistai, ein vier Verse umfassendes Fragment aus dem Satyrspiel Herakles von Astydamas dem Jüngeren (F 4) und leitet eine Passage über die ‘Gefrässigkeit’ (ἀδηφαγία) des Herakles ein,182 in der einige der hier genannten Stellen zitiert werden.183 Die rahmenden Texte des Fragments, des einzigen, das wir von Astydamas’ Herakles haben, lassen also ein Beispiel für Herakles’ Unersättlichkeit erwarten. Diese Erwartung wird nun aber unterlaufen. Zwar ist von einer Mahlzeit und der Kochkunst die Rede, doch handelt es sich um metapoetische Verse, in denen erklärt wird, dass ein Dichter seine Darbietung den Zuschauern wie ein buntes Mahl zu servieren habe:184 ἀλλ’ ὥσπερ δείπνου γλαφυροῦ ποικίλην εὐωχίαν τὸν ποιητὴν δεῖ παρέχειν τοῖς θεαταῖς τὸν σοφόν, ἵν’ ἀπίῃ τις τοῦτο φαγὼν καὶ πιών, ὅπερ λαβών χαίρει 〈τις〉, καὶ σκευασία µὴ µί’ ᾖ τῆς µουσικῆς … 179

Pi. F 168a-b Maehler. Epich. Bus(e)iris F 18 K./A. 181 Cf. die umfangreiche Stellensammlung bei Orth 2009, 96-99 zu Stratt. Kallipides F 12 K./A.. 182 Cf. die Ankündigung des Übergangs zum nächsten Thema am Ende von Buch neun (Ath. 9.411a): ἡµεῖς δ’ ἐνταῦθα καταπαύσαντες τὸν λόγον ἀρχὴν ποιησόµεθα τῶν ἑξῆς ἀπὸ τῆς τοῦ Ἡρακλέους ἀδηφαγίας. 183 Epich. Bus(e)iris F 18 K./A.; Ion Trag. Omph. F 29; Pi. F 168b Maehler. 184 Zum Herakles cf. Günther in KPS 568-573; Cipolla 2003, 288-289 (Text, app. crit. und Übersetzung), 304-306 (Kommentar). F 4 des Herakles ist in der Forschung wegen seines sehr expliziten metatheatralen Charakters viel Aufmerksamkeit zuteil geworden; nicht zuletzt dann, wenn es darum ging, für die potentielle Satyrspielqualität von Fragmenten zu argumentieren, die ähnliche Züge aufweisen; cf. e.g. Gallo 1992d, 117118; Di Marco 2003 zu trag. adesp. *F 646a; D’Alessio 2007, 120-121. Revermann 2006, 279-280 bezeichnet das Fragment als Beispiel für “cross-generic intertextuality”: Das Satyrspiel inkorporiere hier das Element der komischen Parabase. 180

Hunger

395

doch vielmehr von erlesener Speise ein buntes Mahl hat der Dichter seinen Zuschauern zu kredenzen, wenn er klug ist, damit ein jeder heimgeht, wenn er das gegessen und getrunken hat, was er mit Freude zu sich nimmt, und die Zubereitung der Musenkunst nicht nur eine einzige ist. (Astyd. II Herakles F 4)

Eine solche Überlagerung der Sphäre der Dicht- mit derjenigen der Kochkunst ist im Zusammenhang mit Herakles oft zu beobachten – vielleicht ist er selbst Sprecher der Verse.185 Dionysios’ Limos scheint ein Satyrspiel über Herakles’ Hunger zu sein; hier versucht offenbar der Silen, Herakles zu purgieren (F 3a),186 weil dieser an einem (vermutlich durch übermässige Völlerei verursachten) gastritischen Fieber leidet.187 Im euripideischen Syleus soll Herakles beim Titelhelden Sklavendienst verrichten. Statt zu arbeiten, schlachtet er jedoch – unter dem Vorwand, Zeus ein Opfer zu bringen – als erstes den besten Stier, den Syleus in seiner Herde hat, trinkt grosse Mengen Wein dazu und weist schliesslich den Sklavenaufseher an, ihm zum Nachtisch Obst und Kuchen aufzutischen.188 In Ions Satyrspiel Omphale heisst es über Herakles, er habe (während einer Opferprozedur, wie aus dem ersten Vers zu schliessen ist) Scheite und Kohlen verschlungen: … ὑπὸ δὲ τῆς εὐφηµίας κατέπινε καὶ τὰ κᾶλα καὶ τοὺς ἄνθρακας.189 … während des heiligen Schweigens verschlang er sowohl das Brennholz als auch die Kohlen. (Ion Trag. Omph. F 29)

Ein weiteres Ion-Fragment bewahrt kieferorthopädische Daten von Herakles, die sich so gut ins Bild seiner Gefrässigkeit fügen, dass es bisweilen ebenfalls der Omphale zugeordnet worden ist: 185

Cf. e.g. Ar. Ra. 58-67a (die ‘Minestrone-Analogie’, mit der Dionysos Herakles seine Sehnsucht nach Euripides erklärt); Ra. 107a (Dionysos quittiert Herakles’ Versuche, über das Tragikerwesen der Gegenwart zu fachzusimpeln, mit der Aufforderung: δειπνεῖν µε δίδασκε); Alexis Linos F 140 K./A. (Herakles wird von seinem Lehrer Linos angehalten, sich eine Buchrolle aus dem Regal zu nehmen – aus Hesiod, Homer, den Tragikern etc. wählt er sich ein Kochbuch). 186 Vide supra Kap. 1.2 p. 74. 187 Süss 1966, 301. 188 Cf. Ph. Prob. 102-103; Tz. Proll.Com. 11 a 2. – Zu dieser Rollenverkehrung von Sklave und Herrn: supra p. 257 mit n. 26. 189 Dem Fragmentträger, Ath. 10.411b-c, zufolge stellt dies eine Anleihe bei Pindar (F 168b Maehler) dar.

396

Studien II εἶχεν … τοὺς ὀδόντας … τριστοίχους Ἡρακλῆς Herakles hatte drei Reihen Zähne (Ion Trag. Omph. *F 30).190

Es ist vermutlich wieder Herakles, an den sich die ‘Parasitenschelte’ in Aristias’ Keres richtet: σύνδειπνος ἢ ’πίκωµος ἢ µαζαγρέτας, Ἅιδου τραπεζεύς, ἀκρατέα νηδὺν ἔχων. Tischgenosse oder Schwärmer oder Gerstenbrotjäger Hades’ Kostgänger, mit unbeherrschtem Wanst. (Aristias Keres F 3; Übersetzung aus Musa Tragica)

Notorisch gefrässig ist auch eines von Herakles’ Opfern, der ‘Satyrspiel-Serientäter’ Lityerses.191 Dessen sonderbare Angewohnheit, jeden Vorbeireisenden und Fremden zum Mähen zu zwingen, wird in Sositheos’ klassizistischem Satyrspiel Daphnis oder Lityerses damit begründet, dass er unheimliche Mengen Brot vertilge (und also für die erforderliche Getreideproduktion auf zusätzliche Arbeitskraft angewiesen sei). Sowohl sein Ess- als auch sein Trinkverhalten erinnern an den Kyklopen Polyphem:192 ἔσθει µὲν ἄρτους, τρεῖς ὅλους κανθηλίους, τρὶς τῆς βραχείας ἡµέρας πίνει δ’, ἕνα καλῶν µετρητήν, τὸν δεκάµφορον πίθον. Er isst Brote, drei ganze Eselsladungen dreimal am kurzen Tag. Trinken aber tut er (als ein Mass bezeichnet er das!) ein Fass von zehn Amphoren. (Sosith. Da.Li. F 2.6-7)

Einem unstillbaren Heisshunger verdankt auch Erysichthon seinen Ruhm und den sprechenden Beinamen Αἴθων,193 der zugleich einem Satyrspiel des Achaios 190

In TrGF I ist *F 30 unter die Fragmente der Omphale gereiht, ebenso in Musa Tragica und in KPS. Für die enge Zusammengehörigkeit von *F 30 und F 29 argumentiert bereits Blumenthal 1939, 42. Cf. ferner Easterling 2007, 286. 191 Zu Lityerses: supra p. 250 mit n. 10. 192 Vide infra p. 399. 193 Cf. Schol. Lyc. 1393 mit Hes. Gynaikōn Katalogos F 37.2-4 H. ≅ F 43b M./W.: … ὁ δ’ Ἐρυσίχθων Αἴθων ἐκαλεῖτο, ὥς φησιν Ἡσίοδος διὰ τὸν λιµόν. Cf. auch Hes. Gynaikōn Katalogos F 37.5 H. ≅ F 43a.5 M./W.: ἐπ]ών[υ]µ̣[ο]ν εἵνεκα λιµοῦ und den Kommentar bei Hirschberger 2004, 273 ad V. 5-6. Erysichthons sprechender Beiname ist auch bei

Hunger

397

den Titel gibt. Weil Erysichthon gegen Demeter gefrevelt hatte, strafte sie ihn mit ewigem und ‘brennendem Hunger’ (αἴθων λιµός)194. Dass Erysichthons Hunger ein bestimmendes Sujet des Aithon war, geht nicht nur aus dem Titel, sondern auch aus den F 6-8 und, so es zum Aithon gehört, Achae. inc. F 47195 hervor.196 Aith. F 6 greift einen Gedanken auf, der auch für ein Drama des Euripides (inc. F 895) belegt ist:197 die Unvereinbarkeit von Hunger und erotischem Trieb. Dahinter verbirgt sich möglicherweise ein Scherz der Satyrn über die verhinderte Homosexualität des Erysichthon.198 Der Euripides-Vers hingegen ist in seinem Kontext unbestimmt, wird aber in dieser oder in gekürzter Form sprichwörtlich:199 ἐν πλησµονῇ τοι Κύπρις, ἐν πεινῶντι δ’ οὔ Wahrlich, wo Sattheit herrscht, ist Kypris, beim Hungernden hingegen nicht. (E. inc. F 895).

Den Vorwurf der Gefrässigkeit müssen sich neben Individuen auch ganze Gruppen gefallen lassen; ein regelrechtes cliché ist sie offenbar bei Athleten. So heisst es etwa in Achaios’ Athla oder Athloi in Bezug auf eine Gruppe von Sportlern:

späteren Dichtern ein Thema, cf. e.g. Call. Cer. 66-67: αὐτίκα οἱ χαλεπόν τε καὶ ἄγριον ἔµβαλε λιµόν / αἴθωνα κρατερόν …; Ov. Met. 8.828-829: … furit ardor edendi / perque auidas fauces incensaque uiscera regnat, 837-841: utque rapax ignis non umquam alimenta recusat / innumerasque faces cremat et, quod copia major / est data, plura petit turbaque uoracior ipsa est, / sic epulas omnes Erysichthonis ora profani / accipiunt poscuntque simul, 845-846: tum quoque dira fames implacataeque uigebat / flamma gulae …. Für eine fundierte Diskussion von Erysichthons Beinamen Αἴθων vide Skempis 2008, bes. 371-373. 194 Zur dieser Junktur vide Skempis 2008, 368-369 und die ibid. n. 15 genannte Literatur. 195 Text: supra p. 391 n. 168. Zuordnung des Fragments zum Aithon: Drago 1936, 241 n. 8; McKay 1962, 24-25. 196 Im Aithon dürften auch Erysichthons Tochter Mestra und ihre Versuche, dem Heisshunger des Vaters abzuhelfen, eine Rolle gespielt haben; cf. s.v. Metamorphose. 197 Vermutlich stammt der Vers aus einem Satyrspiel; dafür spricht sein Wortlaut ebenso wie der Umstand, dass Athenaios ihn in Abhängigkeit von Achaios’ Satyrspiel Aithon stellt, indem er sagt, ‘der schlaue Euripides’ habe sich hier bei Achaios bedient. Ath. 6.270b-c (meine Hervorhebung): [Achae. Aith. F 6] Ἀχαιός φησιν ἐν Αἴθωνι σατυρικῷ. παρ’ οὗ ὁ σοφὸς Εὐριπίδης λαβὼν ἔφη· [E. inc. F 895]. Cf. die Diskussion bei Pechstein 1998, 287-288. 198 Cf. s.v. Homosexualität, p. 390-391. 199 Cf. die zahlreichen Stellen bei Kannicht in TrGF V.2, p. 906-907.

398

Studien II πόλλ’ ἐσθίουσιν, ὡς ἐπασκούντων τρόπος. Viel essen sie, wie’s für Trainierte typisch ist. (Achae. Athl. F 3.2)

Derselbe Vorwurf findet sich auch in der grossen Athleteninvektive von Euripides’ Autolykos A', wo das ἀθλητῶν γένος charakterisiert wird als γνάθου τε δοῦλος νηδύος θ’ ἡσσηµένος Sklave seines Kiefers und dem Bauch ergeben (E. Autolykos A' F 282.5).

Diese Stellen sind im weiteren Kontext des polemischen Diskurses zu sehen, der den panhellenischen Kultstatus von Athleten und die damit einhergehenden öffentlichen Privilegien anprangert. Das cliché athletischer Gefrässigkeit dürfte auf das Privileg staatlich finanzierter Speisung zurückzuführen sein, das siegreichen Athleten gewährt wurde.200 Ein weiteres Kollektiv wird in Sophokles’ Kedalion beschimpft und unter anderem des Schmarotzertums bezichtigt – vielleicht sind hier die Satyrn Zielscheibe der Kritik:

200

In Xenophanes’ ‘Polemik gegen die Athleten’ (F 6 Gemelli Marciano ≅ B 2 D./K.) gehört die Speisung auf öffentliche Kosten zusammen mit der Prohedrie und einem nicht näher spezifizierten Geschenk zu den Ehrungen, welche die Polis Olympiasiegern zuteil werden lässt (V. 7-9). Den Vorwurf der Gefrässigkeit erhebt Xenophanes nicht explizit. Man könnte indessen den letzten Vers des Gedichts, dass nämlich ‘ein Sieg im Wettkampf an den Ufern des Pisa die Kammern der Stadt nicht bereichere’ (V. 21-22: εἴ τις ἀεθλεύων νικῷ Πίσαο παρ’ ὄχθας· / οὐ γὰρ πιαίνει ταῦτα µυχοὺς πόλεως), als ironische Wiederaufnahme des Privilegs der öffentlichen Speisung lesen, in dem Sinne nämlich, dass Athleten nicht nur nichts zum ‘Fetter-Machen’ der Kammern der Stadt beitragen, sondern sie im Gegenteil leeren. – Wie auch immer sich die Beziehung von E. Autolykos A' F 282 zu Xenophanes F 6 Gemelli im einzelnen gestalten mag, so treffen wir auch bei Euripides auf die Kritik am Ἑλλήνων νόµος (13), den Athleten öffentliche Speisung zu gewähren; pace Pechstein 1998, 65. Ich gehe mit Marcovich 1991, 126 und anderen davon aus, dass der Text an dieser Stelle verderbt und so auszulegen ist, dass Euripides den Brauch, Athleten die σίτησις ἐν πρυτανείῳ zu gewähren, als ungerechtfertigt kritisiert. Harris 2009, der das Problem en détail und unter Berücksichtigung der relevanten Forschung erörtert, vermittelt zwischen den Positionen, und kommt zum Schluss, dass “the mention of the public assembly and the civic meal in Euripides’ fragment (14-15) recalls, mutatis mutandis, the catalogue of civic honors bestowed upon these victors in the fragment of Xenophanes (7-9) …” (165).

‘Inversion der Begierde’

399

µαστιγίαι, κέντρωνες, ἀλλοτριοφάγοι Galgensticke, Spitzbuben, Schmarotzer (S. Kedalion F 329; Übersetzung: Scheurer/Kansteiner in KPS 346).201

Übermässige Gefrässigkeit geht Hand in Hand mit ungehemmter Trinkfreude: Der Serientäter Lityerses isst nicht nur dreimal am Tag drei Wagenladungen Brot, sondern trinkt dazu jeweils ein Fass von zehn Amphoren. Die Wendung πίθον δεκάµφορον (Sosith. Da.Li. F 2.8) ist eine Anspielung auf κρατῆρα δεκάµφορον in Euripides’ Kyklops (388), i.e. das Behältnis, in dem sich der Kyklop seine Milch mischen lässt (das nota bene an früherer Stelle im Kyklops als πίθος bezeichnet wird (ebenfalls im Akkusativ: πίθον, Cyc. 217). Das Adjektiv δεκάµφορος ist sonst nirgends belegt. Überhaupt erinnern die ungeheuren Dimensionen der Mahlzeiten des Lityerses an diejenigen, die besonders im Botenbericht des Kyklops für Polyphem genannt werden und dort wiederum einen Rückgriff auf die homerische Kyklopeia darstellen;202 in Sositheos’ LityersesFigur überlagern sich also Züge des euripideischen und des homerischen Kyklopen. Im euripideischen Syleus wiederum trinkt Herakles in grossen Zügen den Wein seines Herrn203 und fordert diesen zu einem Wetttrinken heraus – er trinkt also, wie er isst.204 Das scheint ebenso für Achaios’ nimmersatten Erysichthon zu gelten (sc. im Aithon): Von der Weinthematik in Achaios’ Aithon zeugt F 9, wo die Satyrn das Weinmischen kommentieren, und ebenso die mit grösster Wahrscheinlichkeit auf dieses Stück zu beziehende Stelle in Kallimachos’ Demeterhymnos, wonach Erysichthon nicht nur zwanzig Diener hatte, die um sein Essen besorgt waren, sondern weitere zwölf, die den Wein schöpften.205 Kallimachos erklärt dies damit, dass das, was Demeter erzürne, auch Dionysos mit Zorn erfülle.206

‘Inversion der Begierde’ Viele der lachhaften Anmassungen,207 die sich die Satyrn und der Silen gestatten, sind durch das Prinzip der Inversion ihrer Begierde strukturiert: Das eigene Be201

Μαστιγίαι und κέντρωνες sind wörtlich Leute, welche die Peitsche (µάστιξ) bzw. den Stachel (κέντρον) verdienen. 202 Cf. supra p. 336-337. 203 Ph. Prob. 102-103; cf. s.v. Weinmischen. 204 E. Syl. F 691, aus Ph. Prob. 103. 205 Call. Cer. 69. Cf. supra Kap. 4.1.3, p. 143-144. 206 Zur Assoziation von Dionysos und Demeter: supra p. 144 n. 114. 207 Cf. s.v. ‘Figurendoppelung’ und s.v. Prahlerei.

400

Studien II

gehren wird auf das begehrte Objekt projiziert. Dass Danaë in den Diktyulkoi die Zudringlichkeit der Satyrn zum Anlass nimmt, mit Suizid zu drohen, hindert den Silen nicht daran, seine eigene Theorie von Danaës Verzweiflung zu formulieren: καὶ τήνδ̣’ [ἐ]σορῶ νύµφην ἤ̣[δ]η̣ πάνυ βουλοµένην τῆς̣ ἡµετέρας̣ φιλότητος ἅδ̣η̣ν κορέσασθαι. καὶ θαῦµ’ οὐδ̣έν· πολὺς ἦν α̣ὐτῇ χρόνος ὃν χήρα κατὰ ναῦν ὕφαλος τ̣είρετο· νῦν δ’ οὖν ἐ]σ̣ο̣ρ̣ῶσ’ ἥβην τὴν ἡµετέραν ...]ει γάνυται νυµφ[ί]ο̣ν [ο]ἷον ...]σ̣ιν λαµπρ̣αῖς τῆς Ἀ[φ]ροδίτης Auch unsere Braut, ich sehe es ihr an, begehrt schon, reichlich sich an unserer Liebe zu sättigen. Kein Wunder auch: sie hat ja lang genug ohne Mann unter Wasser sich in ihrem Schiff zerrieben. Jetzt aber (lacht ihr Herz?) beim Anblick unserer ‘Jugend’208 und sie freut sich, was für einen Bräutigam … mit glänzenden (Fackeln ?) der Aphrodite. (A. Dikt. F 47a.824-832; Übersetzung angelehnt an jene von Wessels/Krumeich in KPS 118)

Heiratsabsichten, welche die Satyrn sie hier und andernorts äussern, sind bekanntermassen nur wenig verblümte sexuelle Avancen; entsprechend ist der Auftritt der Satyrn als ‘Kollektivbräutigam’, wie er etwa in Sophokles ‘OineusSatyrspiel’ (**F 1130) erfolgt, als kollektive Vergewaltigungs- oder “gangbang”-Phantasie gelesen worden (Hall 2006b, 148).209 Dazu ist anzumerken, dass die Satyrn auch diese Phantasie explizit auf das Objekt ihrer Begierde projizieren, nämlich im Kyklops, wenn sich über das Verhalten der Griechen gegenüber Helena erkundigen: 208

Zur obszönen Bedeutung von ἥβη an dieser Stelle vide supra p. 65 n. 64. Im Satyrspiel werben die Satyrn bisweilen im Kollektiv um die Hand einer jungen Frau, cf. e.g. S. ‘Oin.’ **F 1130.6 (vide supra Kap. 5.2 s.v. Bräutigame/ ‘Kollektivbräutigam’). Selbstredend handelt es sich dabei um eine kollektive Vergewaltigungsphantasie, cf. Voelke 2001, 217-218 zu E. Cyc. 179-180, 186-187; ibid. 232-233 zu A. Dikt. F 47a.821-832 etc. (cf. ibid. 445 [Index] s.v. collectivité); cf. auch Hall 2006b, 148 in Bezug auf S. Helenes Gamos und die obgenannte Kyklops-Stelle, und Griffith 2005, 189 zu “massmarriage, or gang-rape” in den Diktyulkoi. 209

‘Inversion der Begierde’

401

οὔκουν, ἐπειδὴ τὴν νεᾶνιν εἵλετε, ἅπαντες αὐτὴν διεκροτήσατ’ ἐν µέρει, ἐπεί γε π ο λ λ ο ῖ ς ἥ δ ε τ α ι γ α µ ο υ µ έ ν η , τὴν προδότιν Habt ihr denn nicht, nachdem ihr das Mädchen ergriffen hattet, sie alle der Reihe nach durchgebohrt, wo sie doch gern mit vielen verheiratet ist, die Verräterin? (E. Cyc. 179-181)

Auch wenn die Satyrn hier auf Helenas Ehen mit Menelaos und Paris anspielen, wird schnell klar, um wessen Phantasien es sich in Wahrheit handelt. Die Satyrn schliessen mit den Worten: … µηδαµοῦ γένος ποτὲ φῦναι γυναικῶν ὤφελ’, εἰ µὴ ’µοὶ µόνῳ. … wäre doch das Geschlecht der Frauen gar nicht vorhanden – es sei denn, für mich allein. (E. Cyc. 186-187)

Ein vergleichbares Moment von Inversion der Begierde durch die Satyrn liegt möglicherweise in Aischylos’ Prometheus Pyrkaeus/Pyrphoros vor. Begeistert über die Gabe des Feuers durch Prometheus phantasieren sie, wie die Nymphen darauf reagieren werden: κλυοῦσ’ ἐµοῦ δὲ Ναΐδων τις παρ’ ἑστιοῦχον σέλας πολλὰ διώξετ̣αι̣. (A. Prom.P. **F 204b.4-5)

Interpretieren wir V. 5 so, dass der Sprecher (i.e. der Chor der Satyrn) das implizierte Objekt zu διώξετ̣αι̣ ist, so lautet die Übersetzung:210 Hört sie mich, wird oft/heftig eine der Najaden beim Schein des Herdfeuers mir hinterherjagen. (A. Prom.P. **F 204b.4-5) 210

Hall 2006b, 155 übersetzt: “Often shall one of the naiads, when she has heard me tell this tale, pursue me by the blaze within the hearth” (meine Hervorhebung) und schreibt dazu: “The life-transforming arrival of fire allows the satyrs to fantasize that for once it will be they who are the objects of erotic pursuit” (meine Hervorhebung). Sommerstein 2008, 215 übersetzt: “And one of the Naiads, when she hears about it from me / will chase me hard … ” (meine Hervorhebung). Ibid. n. 3 notiert er zu diesen Versen: “Whereas ordinarily it is satyrs who chase nymphs – and to little avail.” Cf. aber für eine alternative Interpretation dieser Stelle supra Kap. 6.4, p. 238-239.

402

Studien II

Ebenso wie mit den Frauen verfahren die Satyrn und der Silen mit dem zweitwichtigsten Objekt ihrer Begierde, dem Wein. Gegen den Vorwurf, er habe heimlich Wein getrunken, verteidigt sich der Silen mit den Worten, der Wein habe ihn geküsst, nicht umgekehrt: Κυ. οὗτος, τί δρᾶις; τὸν οἶνον ἐκπίνεις λάθραι; Σι. οὔκ, ἀλλ’ ἔµ’ οὗτος ἔκυσεν ὅτι καλὸν βλέπω. Κυ. κλαύσῃ, φιλῶν τὸν οἶνον οὐ φιλοῦντα σέ. Σι. οὐ µὰ Δ∆ί’, ἐπεί µού φησ’ ἐρᾶν ὄντος καλοῦ. Ky. He du, was tust du da? Trinkst du etwa heimlich den Wein aus? Si. Nein, aber er hat mich geküsst, weil ich so schön blicke! Ky. Gleich heulst du! Du liebkost den Wein, nicht er dich! Si. Nein, beim Zeus! Er sagt, er liebe mich, weil ich so schön sei! (E. Cyc. 552-555)

Ähnlich scheint ein Satyr in Achaios’ Omphale F 33 zu argumentieren, der zu berichten weiss, ‘der Becher des Gottes rufe schon lange nach ihm’ (1: ὁ δὲ σκύφος µε τοῦ θεοῦ καλεῖ πάλαι).211

Kindheit Die Kindheit und alles, was mit ihr assoziiert ist, hat im Satyrspiel eine privilegierte Stellung.212 Es beginnt bei der Charakteristik des Chors der Satyrn: Sie sind die Kinder (παῖδες, τέκνα) des Silen.213 Dadurch ergibt sich die in der Tragödie nur selten anzutreffende Konstellation, dass der Protagonist in einem Elternverhältnis zum Chor steht.214 Diese Konstellation hat wichtige Implikationen: Zum einen erlaubt sie eine komische Aufnahme der tragischen Konzentration auf die Familie und binnenfamiliäre Konflikte.215 Zum anderen werden dadurch die in der Tragödie gesetzten Grenzen zwischen gesprochenem Schauspiel und gesungenem und getanztem Chorgeschehen nicht nur verwischt, son-

211

Cf. supra Kap. 4.1, p. 111-112. Welcker 1826, 313; Fischer 1958, 37-42; Seaford 1984, 38 (Beschreibung; Stellen), 40 (Erklärung; kultische Verankerung); Sutton 1980a, 153; Seidensticker in KPS 31 mit n. 147, KPS ‘Motive’, 666, Voelke 2001, 379; Hall 2006c (zum Motiv der Geburt im attischen Drama; zu Zusammenhängen mit Dionysos-Mythologie und -Kult 87-93; zum Satyrspiel cf. 89-90); Shaw 2010, 6-9 (zur Adaption dieses Satyrspieltopos durch die Mittlere Komödie). 213 Cf. supra p. 155-156 mit n. 5. 214 Vide supra Kap. 1.2, p. 79-80. 215 Vide supra Kap. 1.2, p. 82-83. 212

Kindheit

403

dern zugleich (implizit) zum Thema und der Tragödienreflexion dienstbar gemacht (cf. Kap. 6). Die Satyrn werden bisweilen auch als Kinder von Nymphen bezeichnet;216 mit ihrer Bezeichnung als Δ∆ιονύσου παῖδες in E. Cyc. 590 wird ihrem ambivalenten Status als Kinder und als Sklaven des Dionysos Rechnung getragen.217 Die Satyrn werden auch sonst als Kinder oder als ‘kindisch’ bezeichnet: ‘Du bist und bleibst ein Kindskopf, auch wenn du schon ein junger Mann bist’ (… αἰὲν εἶ σὺ παῖς· νέος γὰρ ὢν ἀνήρ), sagt Kyllene zu einem von ihnen in den Ichneutai (S. Ichn. 366). Aus einer didaskalischen Inschrift des 3. Jahrhunderts v.Chr., die uns die Titel dreier σάτυροι παλαιοί ‘alter Satyrspiele’ sichert, lässt sich ersehen, dass es auch ein Satyrspiel Mathetai, Die Schüler, gab, dessen Titel aller Wahrscheinlichkeit nach die Satyrn selbst charakterisiert.218 Wie in Kap. 6.1 dargelegt, bewegen sich die Satyrn immerzu auf dem schmalen Grat zwischen unkontrolliert kindlich-manischer Bewegung und einer Choreia, die von Rhythmus-, Harmoniegefühl und göttlicher Mitwirkung geprägt ist. Ihr Bewegungsverhalten gemahnt stark an dasjenige der kleinen Kinder, wie es im zweiten Buch von Platons Nomoi beschrieben wird.219 Die kindlichen Satyrn und der (oft ebenso kindische) Silen haben eine hohe Affinität zu Wesen, die selbst jung sind – entsprechend häufig kommen Kinder und Jungtiere in den Stücken vor.220 Der Silen in der Rolle des paidagogos ist wohlbekannt, ebenso die Tatsache, dass Satyrn, im Zusammenspiel mit den Nymphen, oft mit παιδο- bzw. κουροτροφία betraut werden.221 In den Genuss ihrer Erziehung kommt zunächst das Kleinkind Dionysos: In den ersten Versen des Kyklops erinnert sich der Silen an Dionysos’ Kindheit, an eine Zeit, in der auch er selbst noch jung war.222 Damit referiert er mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht nur auf mythenchronologisch frühe Episoden der Dionysos-Vita, sondern zugleich auf frühere Satyrspiele, die auf diesen Abenteuern basierten: Dionysos’ Aufwachsen bei den Gebirgsnymphen und beim Silen selbst und den Satyrn am Nysa; Dionysos’ Flucht vor ihnen, als er von Hera mit Wahn erfüllt wurde, etc. Wie in Kap. 4.1.3 herausgestellt worden ist, handeln mit Aischylos’ (Dionysou) Trophoi, Sophokles’ Dionysiskos und Achaios’ Iris möglicherweise 216

Kap. 5.1.2. Kap. 5.1.1. 218 Trag. adesp. F 5g; DID A 4a.15; cf. DID A 5b.6. Auf derselben Inschrift findet sich der Satyrspieltitel Atlas (trag.adesp. F 1f), cf. supra s.v. Buchstaben, p. 368 n. 68. – Zu den Mathetai Satyroi: Sutton 1974c/1989, 305 Nr. 45; Voelke 2001, 66. 219 Vide supra p. 222-223. 220 Ein prägnantes Beispiel für die Affinität von Satyrn und Jungtieren ist E. Cyc. 28 (νέµουσι µῆλα νέα νέοι πεφυκότες), cf. infra s.v. Tiere, p. 439 n. 385. 221 Cf. e.g. Seaford 1984, 38; supra e.g. Kap. 4.1.3, § Aischylos, (Dionysou) Trophoi. – Zur Ikonographie e.g. Heydemann 1885. 222 Vide supra p. 135, p. 139. 217

404

Studien II

drei Satyrspiele davon, wie Hera den jungen Dionysos einst in den Wahnsinn trieb. Interessanterweise wird in Platons Nomoi diese Episode vom ‘Athener’ als eine Geschichte bezeichnet, die gerüchtehalber als Aition für die Erfindung der bakchischen Choreia gehandelt werde (Pl. Lg. 2.653d-e).223 Ich nehme an, dass das Satyrspiel, eine Gattung, die in zahlreichen Stücken einen ‘Mythos’ von den Ursprüngen der dionysischen Choreia kreiert zu haben scheint (Kap. 6) und vielleicht ja verschiedentlich im Zusammenhang mit Dionysos’ frühkindlichem Wahnsinn, ein Herkunftsort dieser Gerüchte ist. Auf noch frühere Episoden in der Dionysos-Vita scheint sich der Silen in trag. adesp. *F 646a beziehen:224 In den Versen 5-7 ist vom θ̣εὸς Ἀρκάς die Rede, der etwas ‘übergeben hat’ (παρέδωκεν̣, 7) – hier ist mit Sicherheit Hermes gemeint, der einst das Kleinkind Dionysos den Nymphen am Nysa überreicht hat.225 Wie in den eröffnenden Prologversen des Kyklops ergeht sich der Silen auch hier in Erinnerungen sowohl an die eigene Jugend (cf. V. 8: ἐγ̣̣⌟ὼ νέος, ‘ich als Junger’) als auch an die seines Zöglings Dionysos (V. 4: Σ̣εµέ̣λ̣ης [τέ]κ̣[ο]ς̣, ‘Semeles Sohn’; cf. V. 12: παιδεύσας ὥριον ἥβ̣̣⌟ην ἐφύλαξ̣α – ‘erziehend/als Erzieher bewachte ich die blühende Jugend’). Liegt also allein darin eine enge Parallele zu den Kyklops-Versen,226 so ist diese noch weiter akzentuiert durch den Umstand, dass auch hier die Vergangenheit mit dem Kind Dionysos der gegenwärtigen Situation, einer Misere, kontrastierend gegenübergestellt wird (cf. trag. adesp. *F 646a.20: νῦν δ’ und E. Cyc. 10: καὶ νῦν …). Während sich die Kyklops-Verse mit früheren Satyrspielen in Bezug setzen lassen, scheint dieses Fragment, wie an anderer Stelle ausgeführt,227 einen Kommentar zur Gattung und zu ihrer zeitgenössischen Rezeption insgesamt darzustellen. Ein sophokleisches Satyrspiel ist sogar nach dem Kleinkind Dionysos benannt: der Dionysiskos. Soweit es sich aus den Fragmenten ersehen lässt, befindet sich das ‘Dionysoslein’ in diesem Stück in der Obhut des Silen (cf. F 171) und erfindet den Wein, womit er unter den Satyrn eine beispiellose Begeisterung auslöst (cf. F 172 und 173).228 Aischylos’ (Dionysou) Trophoi wiederum liegt vermutlich eine mythenchronologisch etwas spätere Episode zugrunde: die Flucht des mit Wahnsinn geschlagenen Dionysos vom Nysa und ihre Folgen.229 Das einzig sicher bezeugte Handlungselement des Stücks ist indessen eine von Medea besorgte Verjüngungskur für die ‘Ammen des Dionysos und ihre Männer’, i.e. für die Nymphen und Satyrn. Was eine Verjüngungskur bei notorischen 223

Vide supra, Kap. 6.1, p. 222-223 mit n. 20. Cf. zur Sprecheridentität die supra, Einleitung, p. 49 n. 89 genannte Literatur. 225 E.g. Bierl 1991, 356. 226 Diese Parallelität bemerken auch Maresch 1987, 28 und Luppe 1988a. 227 Cf. supra p. 48-50. 228 Zum Dionysiskos cf. den entsprechenden Paragraphen supra in Kap. 4.1.3 sowie supra s.v. Erfindungen. 229 Cf. supra Kap. 4.1.3 § Aischylos, (Dionysou) Trophoi. 224

Kindheit

405

Kindsköpfen zu leisten vermag, wie die Satyrn es sind, entzieht sich allerdings unserer Kenntnis. Eine weitere Verjüngungskur war ein Thema von Sophokles’ Kophoi: Dieser Kur aber wurden die Satyrn sicher nicht unterzogen; es handelt sich um die Geschichte vom Esel, der ein den Menschen geschenktes Mittel gegen das Altern an eine Schlange abtritt, damit sie ihn aus der von ihr bewachten Quelle trinken lässt.230 Auf jeden Fall aber ist die Verjüngungskur eine geeignete Denkfigur im Dienste der Tragödienreflexion des Satyrspiels: Mit der Rückkehr des Dionysos, der dionysischen Choreia und der ihr innewohnenden χαρά, die das Satyrspiel in der tragischen Tetralogie bewirkt, wird die Tragödie gewissermassen selbst einer Verjüngungskur unterzogen. Neben Dionysos nehmen der Silen, die Satyrn und die Nymphen auch andere Schützlinge in ihre erzieherische Fürsorge: Im Kyklops erinnert Odysseus den Silen an dessen einstmaligen Zögling Maron. Homers’ Odysseus hatte Maron mit den Worten bezeichnet: … Εὐάνθεος υἱὸς, ἱρεὺς Ἀπόλλωνος, ὃς Ἴσµαρον ἀµφιβεβήκει … des Euanthes Sohn, der Priester des Apollon, der Ismaros … umwandelt (Od. 9.197-198).

Euripides’ Odysseus dagegen erklärt ihn mit Nachdruck zum Sohn des Bakchos: Οδ. καὶ µὴν Μάρων µοι πῶµ’ ἔδωκε, παῖς θεοῦ. Σι. ὃν ἐξέθρεψα ταῖσδ’ ἐγώ ποτ’ ἀγκάλαις; Οδ. ὁ Βακχίου παῖς, ὡς σαφέστερον µάθηις. Od. Und dann hat mir auch noch Maron den Trank gegeben, der Sohn des Gottes. Si. Er, den ich in diesen meinen Armen grossgezogen habe? Od. Der Sohn des Bakchios, damit du es ganz genau weisst. (E. Cyc. 141-143)231

Vermutlich steckt in diesen Versen die komische Identifikation von Kind und Weinschlauch, wie wir sie aus Aristophanes kennen,232 gleichwohl setzen sie das

230

S. Kophoi F 362; cf. infra s.v. Tiere p. 438 n. 375. Bereits bei Hesiod ist Maron ein Enkel des Dionysos: Hes. Gynaikōn Katalogos F 116 H. ≅ F 238 M./W. De Falco 1935/1936 geht dennoch von einer ad hoc-Erfindung des Euripides aus; Seaford 1984, 128 ad Cyc. 141 und 142 sympathisiert indessen mit der These, dass Euripides auf ein früheres Satyrspiel über Maron anspiele; so schon Waltz 1931, 294. 232 Ar. Th. 688-764. 231

406

Studien II

Bild des kinderliebenden und -umsorgenden Silen voraus:233 Auch andere bemerkenswerte – göttliche oder heroische – (Klein)kinder stehen im Zentrum diverser Satyrspiele: Hermes (Ichneutai), Achilleus (Achilleos Erastai),234 Herakles (S. Herakleiskos;235 Achae. Linos;236 A. Leon und Kerykes).237 Voelke 2001, 379 erklärt die “marges”, an denen er das Satyrspiel ansiedelt, zum Ort, an dem Götter und Heroen im Kindesalter bereits die Eigenschaften ausbilden und zeigen, die sie im Erwachsenenalter kennzeichnen werden.238 Er definiert damit ein für das Satyrspiel zentrales Thema, das bereits in den Homerischen Hymnen aufgegriffen wurde und auch bei den Dichtern der Mittleren Komödie grossen Anklang findet.239 Sophokles’ Ichneutai drehen sich um den neugeborenen Hermes. Die Erziehung dieses Kleinkinds ist hier aber kein Gemeinschaftsprojekt der dionysischen Thiasoten. Der Silen und die Satyrn figurieren im Gegenteil als Kontrahenten des Kleinkinds, indem sie es des Rinderdiebstahls überführen. Gleichwohl reflektieren auch die Ichneutai die Tradition der Erziehung im Thiasos: Um das Kleinkind kümmert sich Kyllene, eine Nymphe, bei der es sich explizit nicht 233

Cf. supra p. 164-165 die Gegenüberstellung von E. Cyc. 142 (ὃν ἐξέθρεψα ταῖσδ’ ἐγώ ποτ’ ἀγκάλαις) mit E. Hyps. F 757.841-843 (ὃν ἐπ’ ἐµαῖσιν ἀγκάλαις … ἔφερβον). 234 Zu den Achilleos Erastai: Michaelakis 2002, 172-178; supra s.v. Homosexualität. 235 Die beiden Gnomen, die aus dem Sophokleischen Herakleiskos erhalten sind, vermögen nichts über den Inhalt des Stücks auszusagen, bei dem es sich, nach dem Ausweis des Titels, um eine frühkindliche Episode aus dem Herakles-Mythos gehandelt haben muss. Für diverse mögliche Themen cf. Scheurer/Bielfeldt in KPS 269. – Die Präsenz des Kleinkinds Herakles wird von einigen auch für die Aischyleische ‘Dike’ angenommen; dort ist von einem rasenden Kind (παῖς µάργος) der Hera und des Zeus die Rede (inc. F 281a.31), das nicht im Zaume gehalten werden könne und ohne jede Scham sei. Kakridis 1962, 111-121 (der das Fragment allerdings in der Nachfolge von Fraenkel 1954 den aischyleischen Aitn(ai)ai zuordnet) identifiziert den παῖς µάργος ebenso mit Herakles wie nach ihm Sutton 1983b. 236 Genauer festlegen lässt sich die Episode der Herakles-Vita, auf der Achaios’ Linos basiert: Linos ist der Lehrer, der an Herakles’ Lernschwäche scheitert. Der Stoff wird auch von den Komödiendichtern und möglicherweise im postklassischen Satyrspiel aufgegriffen: cf. Alexis Linos F 140 K./A. (bisweilen wird dem Linos auch Alexis Minos F 156 K./A. sowie inc. F 300 K./A. zugewiesen); Anaxandr. Herakles F 16 K./A.; Satyrspiel: Astyd. II Herakles F 4 (zu diesem Fragment: supra Einleitung, § Kanon, Klassik, Schauspiel; supra s.v. Hunger). Meineke schliesslich vermutet, dass es sich auch bei Dionys.Trag. Limos um ein Satyrspiel Linos handle, cf. Nesselrath 1990, 227 n. 227. Zum Limos supra s.v. Hunger. – Bezeugt ist für Achaios’ Linos eine homoerotische Avance gegenüber dem Jüngling seitens der Satyrn, die im Rahmen einer Kottabos-Partie erfolgt; cf. supra s.v. Homosexualität und infra s.v. Kottabosspiel. 237 Zu Leon und Kerykes als Dramen über den Übertritt des jungen Herakles ins Erwachsenenalter: Voelke 2001, 205, 379. 238 Voelke 2001, 329-331. 239 Nesselrath 1995; Shaw 2010, 6-9.

Kindheit

407

um die Mutter des Kindes handelt, sondern um eine Amme. Und was die antagonistische Rolle der Satyrn gegenüber dem Kind angeht, lässt sich relativierend sagen, dass die Satyrn nach einem unbekannten Viehdieb suchen und erst spät innewerden, dass das Kleinkind der Gesuchte ist. Sie hegen grösstes Interesse für den Kleinen und werden von der Kyllene in den familiär-intimen ‘circle of trust’ aufgenommen: Nicht nur berichtet ihnen Kyllene en détail von ihren Betreuungsaufgaben und dem Gedeihen des Kindes, sondern weiht sie auch in die dunkelsten Familiengeheimnisse ein, die keinesfalls an die Öffentlichkeit und schon gar nicht zu Hera gelangen dürfen. Von Hermes’ Mutter wiederum, der AtlasTochter Maia, ebenfalls einer Nymphe, heisst es in den Ichneutai, sie werde deshalb von Kyllene vertreten, weil sie von Krankheit geschwächt sei: Ζ̣[εὺ]ς̣ γ[ὰρ] κρυφ[........].ην Ἀ[τ]λαντίδος [ ]εύσατο· [ ]υ̣..[.]φιλας [.......] λήθῃ τῆς βαθυζώνου θεᾶς [.......].ς δὲ παῖδ’ ἐφίτυσεν µόνον· [........] χερσὶ ταῖς ἐµαῖς ἐγ̣ὼ̣ τρέφω· [...... γ]ὰρ ἰσχὺς ἐν νόσῳ χειµάζεται· [......]α̣ καὶ ποτῆτα καὶ κοιµήµατα [πρὸς σπ]αργάνοις µένουσα λικνῖτιν τροφὴν [ἐξευθ]ετίζω νύκτα καὶ καθ’ ἡµέραν. Zeus nämlich (heimlich) … die Höhle240 der Atlas-Tochter … … seine/r tiefgegürtete/n Göttin vergessend … zeugte einen einzigen Sohn, (den) ich in meinen Armen nähre; … da ihre Kraft von Krankheit erschüttert ist; … und für seinen Trank und Schlaf (bin ich besorgt), bei den Windeln verweilend, sein Gedeihen in der Wiege bewache ich (?) in der Nacht und bei Tag. (S. Ichn. 267-276)

Edith Hall (2006c) sieht in diesen Versen einen Hinweis auf die zweifellos gewaltigen Geburtsstrapazen, von denen sich Maia zu erholen hatte.241 Vielleicht handelt es sich aber auch einfach (oder zugleich) um eine Strategie, um den 240

Diese Übersetzung basiert auf der Konjektur Hunts in POxy IX, 1912, 53 κρυφ[αίαν ἐς στε]γην bzw. der von Radt bevorzugten (jedoch nicht in den Text integrierten) Variante κρυφ[αῖος κτλ., die e.g. Lloyd-Jones 22003 in seinen Text integriert. 241 Cf. Hall 2006c, bes. 90-93 zur Präsenz des Themas ‘Geburtswehen’ in unterschiedlichen literarischen Gattungen. Dass hier auf Maias Geburtswehen angespielt wird, ist aus inhaltlichen Erwägungen zwar denkbar, lässt sich aber nicht nachweisen.

408

Studien II

Genretopos der Fremdbetreuung eines Kleinkinds durch die Nymphen und die Satyrn umzusetzen. Mit ihrer Wortwahl in Vers 272, χερσὶ ταῖς ἐµαῖς ἐγ̣ὼ̣ τρέφω – ‘in meinen Händen nähre ich’, erzeugt Kyllene – wie Hypsipyle und der Silen an den bereits diskutierten Stellen –242 den Eindruck grosser Intimität zum Kleinkind. Nachdem der Silen in Aischylos’ Diktyulkoi beim Anblick der Danaë und des kleinen Kindes sich sofort zu ihrem πρόξενος (‘Schutzherr’) und προπράκτωρ (‘Vormund’) erklärt und damit die Rolle usurpiert hat, die im Mythos dem Diktys zukäme (A. Dikt. F 47a.768-769), scheint er festzustellen, dass das Kind ihn ‘wie eine ehrwürdige Amme’ (µαῖαν ὡς γερασµίαν, 770) anblicke. Von der Klage der Danaë völlig ungerührt,243 wünscht er zunächst den Diktys zum Teufel (ὄλοιτο Δ∆ίκτυς, 800) und malt, als Perseus zu weinen beginnt, dem Kleinen die Zukunft in seinen ‘erzieherischen Händen’ (παιδοτρόφους ἐµά[ς, … χέρας) aus: ἵ̣ξῃ παιδοτρόφους ἐµά[ς, ὦ φίλος, χέρας εὐµενής τέρψῃ δ’ ἴκτ̣ισι κα[ὶ] ν̣ε̣βρο̣[ῖς ὑστρίχων τ’ ὀβρί̣χοι̣σ̣[ι] κοιµήσῃ δ̣ὲ τρίτ̣ος ξὺν µητρὶ [καὶ π]ατρὶ τῷδε. ὁ πάπα[ς δ]ὲ παρέξει τῷ µικκῶ[ι] τ̣ὰ γελ[οῖ]α̣ καὶ τροφὰς ἀνόσ̣ους, ὅπως̣ π[ ἀλδων αὐτὸς ε....[.]...[ χαλᾷ νεβˈροφον.[.]π̣οδ[ µάρπ̣των θῆρας ἄν̣ευ δ[ θῶσθαι µητρὶ παρέξεις̣ κ]η̣δεστ̣ῶν τρόπον οἷσιν [.]ν̣τροπος πελατεύσεις. In meine erzieherischen Hände wirst du, … mein Kleiner, gelangen, gutgelaunt, und wirst dich freuen an Mardern, (Hirschkälbern) und jungen Stachelschweinen schlafen aber wirst du als dritter dann bei Mama und bei diesem Papa und der Papa wird dem Kleinen Spass bereiten und ihm gesunde Nahrung bringen, damit … wenn er (das Kind?) grossgezogen hat (und) selbst … schlapp macht … hirschkälbermordend … Fuss Tiere ergreifend ohne (Speer?) 242 243

Cf. supra n. 233. Vide supra Studien I, Aischylos, Diktyulkoi, § Kommentar.

Kindheit

409

Du der Mutter den Schmaus verschaffen wirst nach Art der Verwandten, zu denen du dich als (Zögling?) gesellen wirst. (A. Dikt. F 47a.806-820; Übersetzung: Wessels/Krumeich in KPS 117-118).

Auch hier lockt also eine enge und vertraute Beziehung zum Silen, ein Leben in der Thiasos-Grossfamilie; auch hier spielen die Kinder mit Jungtieren und haben viel Spass. Die Rollen von Schutzherr, Vormund und Amme, die der Silen sich aneignen will, ergänzt er um jene des Papas, der den Kleinen bei sich und der Mama im elterlichen Bett schlafen lässt. Dass Perseus dabei aber offensichtlich weint, ist, wie an anderer Stelle aufgeführt, eine Aufnahme des Topos des Heros im Kindesalter, der eine Eigenschaft an den Tag legt, die ihn als Erwachsenen kennzeichnen wird: Perseus ist ein Feind des Dionysos. Zugleich wiederholt sich hier im Kleinen die Situation, die sich gegenüber Perseus’ verzweifelter Mutter Danaë ergibt: Beide werden zu Projektionsflächen für den Silen; in beiden Fällen liegt eine ‘Inversion der Begierde’ vor (vide supra s.v.). Für den modernen Leser nicht einfach einzuordnen ist eine frühere Passage der Diktyulkoi, an welcher der Silen über den kleinen Perseus sagt: ]. γελᾶι µου προσορῶν ].. ὁ µικκὸς λιπαρὸν µ]ιλτ[ό]πρεπτον φαλακρὸν … er lacht und schaut auf meinen … … der Knirps meine speckige … rotglänzende Glatze (A. Dikt. F 47a.786-788).

In welcher Stimmung sich Perseus hier befindet, und ob der Silen ihn schon hier zur Projektionsfläche macht, sei einmal dahingestellt.244 Eine sehr ähnliche245 Szene findet sich jedenfalls in Sophokles’ Dionysiskos, wo offensichtlich wieder der Silen erzählt, wie er dem kleinen Dionysos habe sein Essen reichen wollen: ὅταν γὰρ αὐτῷ προσφέρω βρῶσιν διδούς, τὴν ῥῖνά µ’ εὐθὺς ψηλαφᾶι κἄνω φέρει τὴν χεῖρα πρὸς ⟨τὸ⟩ φαλακρὸν ἡδὺ διαγελῶν. Wie ich ihm sein Essen geben will, zupft er mich sodann an der Nase und streckt empor 244

Cf. auch die Aussage in F 47a.813-814: ὁ πάπα[ς δ]ὲ παρέξει| τῶι µικκῶι γελ[οῖ]α. – Zur Frage, in welcher Stimmung sich der kleine Perseus befinde: supra p. 305 n. 48-49. 245 Der erste Hinweis auf die Ähnlichkeit der beiden Stellen findet sich m.W. bei Crusius 1893, 152.

410

Studien II die Hand nach meiner Glatze, süss lächelnd. (S. Dion. F 171)246

An beiden Stellen liegt unverkennbar das Wortspiel beziehungsweise der Klangwitz φαλακρός,-όν / φαλλός,-όν (ἀκρός,-όν)247 vor.248 Das Motiv des Kindes, das über den Phallos lacht, ist nicht einfach zu klassifizieren; die Aussage des Silen in den Diktyulkoi, dass nämlich ‘das Küken schwanzliebend’ sei (π̣οσθοφιλὴς ὁ νεοσσός, F 47a.795), wiederholt das Irritament in unmissverständlicher Weise. Ohne moralischen Untertöne erklärt Aristophanes just diesen im Satyrspiel wiederkehrenden Motivkomplex für unter seinem Niveau, wenn er in der Parabase der Wolken über seine Komödie sagt, sie sei gekommen ‘ohne angenähtes herunterhängendes Lederteil, rot an der Spitze (ἐρυθρὸν ἐξ ἄκρου, Nu. 539) und dick, um die kleinen Kinder zum Lachen zu bringen (τοῖς παιδίοις ἵν’ ᾖ γέλως)’ und ‘belustige sich auch nicht über Glatzköpfe’ (οὐδ’ ἔσκωψεν τοὺς φαλακρούς, 540). Diese Stelle erscheint mir, mit ihrem weiteren Kontext, nicht nur ein Überlegenheitsgestus gegenüber der Komiker-Konkurrenz darzustellen, sondern zugleich gegenüber der anderen komischen Gattung, dem Satyrspiel.249 246

Text bei Rabe 1892, 411. Seaford 1987a. 248 Das Wortspiel erscheint im Satyrspiel prominent auch in Sophokles’ Ichneutai, wo Kyllene einen Satyrn anherrscht: παύου τὸ λεῖον φαλακρὸν ἡδονῆι πιτνάς (S. Ichn. 368). Das Element der kindlichen Freude am exponierten Phallos findet auch in diese Szene Eingang. Kyllene wirft dem Satyrn, der sie belästigt, vor, zwar schon zum Mann herangewachsen, in Tat und Wahrheit aber ein ewiger Kindskopf zu sein (Ichn. 366, vide supra). Der Klangwitz ist oft bemerkt worden: e.g. Cantarella 1947, 46-47; Kamerbeek 1954, 103; Slenders 1992, 156-157; Lloyd-Jones 1994, 142 (mit dem Hinweis auf eine mündliche Bemerkung Edgar Lobels); Voelke 2000, 96; Voelke 2001, 211-214. – Weitere Belege für φαλακρόν im Satyrspiel: Tz. H. 8.450 (Inhaltsangabe zu E. Autolykos); E. Cyc. 227 (dazu Seaford 1987a). – Das sous-entendu findet sich später auch beim Mimographen Herodas 6.76 (φιλεῦσα, τὸ φαλακρὸν κ[α]τ̣αψῶσα): Crusius 1893a. 249 Ar. Nu. 537-540: … ἥτις πρῶτα µὲν / οὐδὲν ἦλθε ῥαψαµένη σκύτινον καθειµένον / ἐρυθρὸν ἐξ ἄκρου, παχύ, τοῖς παιδίοις ἵν’ ᾖ γέλως· / οὐδ’ ἔσκωψεν τοὺς φαλακρούς. – Diese Verse und ihren Kontext werde ich an anderer Stelle auf ihren Bezug auf die Gattung Satyrspiel hin untersuchen. Ich halte es für wahrscheinlich, dass mit dem ‘Alten, der die Verse spricht’, i.e. ‘der eine Hauptrolle hat’, im darauffolgenden Vers Ar. Nu. 541, der Silen gemeint ist. Die Scholien zu dieser Stelle nennen entweder drei Referenzmöglichkeiten – Eupolis’ Prospaltioi, Hermippos oder den Schauspieler Sermon (ΣΕ) – oder nur eine, nämlich den Schauspielernamen Hermon (ΣR) oder Sermon (ΣV). Geht es hier aber um den Silen, gewinnt die Aussage an Relevanz, da sie eine gattungsspezifische Aussage, nicht eine punktuelle Kritik an einer bestimmten Schauspielerpersönlichkeit (oder an einem bestimmten Stück oder Komödiendichter) darstellt. Auch fügt sie sich so besser in Aristophanes’ Argument, das von der spezifischen Betrachtung der Wolken rasch den 247

Kottabosspiel

411

Kottabosspiel Der Kottabos250 ist ein in Sizilien beheimatetes251 Geschicklichkeitsspiel, das man beim Symposion spielt, wobei es gilt, mit dem Weinrest (λάταξ252, λάταγες oder λατάγη) ein Ziel zu treffen. Zum Spiel benötigt man eine Henkelschale mit etwas Wein und einen Kottabosständer (eine Art Leuchter)253, der im Zentrum des Kreises,254 den die Klinen der Mitspieler bilden, aufgestellt wird. Dem Kottabosständer liegt eine lose Metallscheibe (üblicherweise πλάστιγξ;255 in Sophokles’ Satyrspiel Salmoneus auch χάλκειον κάρα, ‘eherner Kopf’, genannt)256 auf; darunter, in der Mitte des Ständers, ist ein Klangkörper (µάνης)257 angebracht. Weg zu einer Charakteristik seines komischen Schaffens überhaupt einschlägt, das er nicht nur von der Komödie seiner direkten Konkurrenten, sondern zugleich vom anderen komischen Dramentypus abzusetzen bestrebt sein dürfte. Diese Interpretation, das sei hier schon angemerkt, fügt sich stimmig zur Darstellung des mit Komödienattributen versehenen Silen auf dem ‘Cleveland Dionysos’, der einen langen herunterhängenden Phallos zeigt. Zu dieser Darstellung und ihrer Interpretation durch Revermann 2006 vide supra p. 47-48 n. 82. – Zum Verhältnis von Satyrspiel und Komödie: supra Einleitung, § Die Wandlungen der Komödie; § Interaktionen von Satyrspiel und Komödie. 250 Ein Grossteil der hier versammelten Fakten und Zitate stammt aus einer längeren und ein paar kürzeren Passagen der Deipnosophistai (Ath. 15.665e-668f etc.). – Kottabos als Satyrspielmotiv: Knapp 1896, 576; KPS ‘Motive’, 667; Voelke 2001, bes. 202-204. – Kottabos als Motiv der Mittleren Komödie: Nesselrath 1990, 234. – Kottabos als ein Motiv, das die Mittlere Komödie vom Satyrspiel übernommen hat: Shaw 2010, 9-12. Allgemeine Literatur zum Kottabosspiel und seiner Darstellung in der antiken Ikonographie und/oder Literatur: e.g. Jahn 1867; Sartori 1893; Knapp 1896, 576; Schneider 1922; Sparkes 1960; Lissarrague 1987a, 75-82; Hoesch 1990; Csapo/Miller 1991; Schäfer 1992, 48-50; Fittà 1998, 92-96; Pütz 2003, 221-227. 251 Cf. e.g. Crit. (88) F B 2 D./K.; Dicaearch.Hist. Περὶ Ἀλκαίου F 94 Wehrli; cf. aus der nämlichen Schrift F 95 Wehrli (zur sizilischen Herkunft des Begriffs λατάγη); beide Dikaiarchos-Zitate stammen aus Athenaios: 15.666b-c (mit Dicaearch.Hist. F 95 Wehrli) und 668d-e (mit Dicaearch.Hist. F 94 Wehrli). Cf. ferner Ath. 10.427d mit Anacr. F 70 PMG; Ath. 11.479d mit Hegesand. FHG 4, p. 419 F 32 (einem längeren Zitat, in dem wiederum auf Dikaiarchos referiert wird); Ath. 15.668b-c mit Call. Aet. F 69.2 Pf. Cf. auch den kurzen Kommentar zu den letzteren Versen bei Ath. 15.668e. 252 Ath. 15.666c. – Im Satyrspiel: S. Ina. F 277.1; Achae. Linos F 26.3. 253 Cf. Ath. 15.666e-f und die ersten beiden Verse der dort überlieferten ‘komischen Kottabos-Lektion’ aus Antiphanes’ Aphrodites Gonai, aus der viele Informationen über das Spiel gewonnen sind: τονδὶ λέγω, σὺ δ’ οὐ συνιεῖς; κότταβος / τὸ λυχνεῖόν ἐστι (Antiph. F 57.1-2 K./A.). Zu diesem Fragment: Shaw 2010, 9-10. 254 Zum Kreis: e.g. Hegesand. FHG 4, p. 419 F 32. 255 Antiph. Aphrodites Gonai F 57.6-9. 256 S. Salm. F 537; vielleicht handelt es sich dabei um einen terminus technicus des Kottabosspiels. – Eine Pointe von Aischylos’ Ostol. F 179.3 (ἦν µὲν γὰρ αὐτῷ †κότταβος ἀεὶ†

412

Studien II

Dabei gilt es, mit einer geschickten Bewegung der gekrümmten Hand258 den λάταξ aus der Henkelschale so gegen die πλάστιγξ zu schleudern (λάταγα ἀφιέναι/ῥίπτειν; λατάσσειν,259 att. λαταγεῖν260), dass diese auf den µάνης fällt und ein lautes Geräusch (ψόφος πάνυ πολύς)261 erzeugt. Von diesem Lärm singt auch der Chor in Sophokles’ Inachos: ξανθὰ δ’ Ἀφροδισία λάταξ πᾶσιν ἐπεκτύπει δόµοις Und der rote Weinrest, der Aphrodite geweiht ist, erschallte im ganzen Haus. (S. Ina. F 277)262

Diese Form von Kottabos ist als κότταβος κατακτός bekannt;263 bei einer κότταβος ἐν λεκάνῃ oder δι’ ὀξυβάφων genannten Variante des Spiels schleudert man den λάταξ auf kleine Gefässe (ὀξύβαφα), die in einem mit Wasser gefüllten Becken (λεκάνη) schwimmen, und versucht sie zu versenken.264

τοὐµὸν κάρα) sowie vermutlich von Ostol. *F 180 und S. Synd. F 565 scheint darin zu liegen, dass statt des Kopfes im übertragenen Sinn ein menschliches Haupt zum Ziel geschleuderter Wein- (?., A. F 179) bzw. Urinreste (A. *F 180 und S. F 565) wird; vide infra. 257 Antiph. Aphrodites Gonai F 57.11. 258 Cf. Ath. 15.667b-e sowie V. 4 des dort zitierten F 179 aus den aischyleischen Ostologoi, vide infra. – Ferner Anacr. F 70 PMG (via Ath. 10.427d). 259 Kretschmer 1894, 87. – Knapp 1896 bildet auf dieser Grundlage die Form ἐκλάταξον, die er anstatt des handschriftlichen ἐκπάταξον in E. Cyc. 152 zu lesen empfiehlt; cf. aber meine Diskussion des Begriffs παταγεῖν supra Kap. 5.1.8. – W. Schmid (cit. ap. Knapp 1896, 576) unterstützt Knapps These mit dem Hinweis auf E. Cyc. 158, wo Odysseus auf den beim Kottabosspiel erzeugten Lärm anspiele (µῶν τὸν λάρυγγα διεκάναξέ σου καλῶς): “Der Gurgelton des trinkenden Silen zeigt an, dass der Kottaboswurf gelungen ist.” Knapps Hinweis, dass die Beschwerde des Silen in V. 146, ‘das bisschen’ werde ihm ‘kaum die Backen einmal füllen’, sich auf die geringe Weinmenge beziehe, die beim Kottabos eingesetzt wird, ist zwar originell, aber nicht haltbar. Der Silen kommentiert hier die dürftigen Ausmasse des noch nicht geöffneten Schlauchs; cf. supra Kap. 4.1.1, p. 121. 260 Luc. Lex. 3. 261 Antiph. Aphrodites Gonai F 57.11-12. 262 Ähnlich heisst es in einer lyrischen Partie in E. Pleisthenes F 631: πολὺς δὲ κοσσάβων ἀραγ- / µὸς Κύπριδος προσῳδὸν ἀ- / χεῖ µέλος ἐν δόµοισιν. Der Pleisthenes indessen ist so gut wie unerschliessbar: weder kann eruiert werden, um welchen Pleisthenes es sich beim Titelhelden handelt, noch, welche mythische Episode dem Stück zugrundeliegen könnte; cf. Collard/Cropp 2008, 79-81. 263 Ath. 15.667e. 264 Ath. 15.667e-f.

Kottabosspiel

413

Die Geschicklichkeit, die dem Spieler abverlangt wird, ist durchaus kein Selbstzweck; es gibt Preise zu gewinnen.265 Und, weit wichtiger: Gewöhnlich geht es darum, sich die Gunst eines begehrten Knaben266 oder einer angebeteten Hetäre zu erwirken, deren Namen man ausruft, während man den Weinrest schleudert.267 Der Weinrest wird also dem geliebten Menschen gewidmet. In einer Widmung dieser Art versuchen sich in Achaios’ Linos die Satyrn; so legt es Herakles’ Bericht nahe: οἱ Σάτυροι ῥιπτοῦντες ἐκβάλλοντες ἀγνύντες, τί µ’ οὐ λέγοντες· ὦ κάλλιστον Ἡρακλεί〈διον〉 λάταξ die Satyrn werfend, herausschleudernd, zerbrechend – was sagten sie nicht alles zu mir: “Schönstes Herakleslein, der Weinrest …” (Achae. Linos F 26).

Bemerkenswert ist hier das Wort ἀγνύντες: Zu ‘zerbrechen’ gibt es beim Kottabos eigentlich nichts, es sei denn bei falscher Handhabung der Trinkschalen, etwa wenn man sie zugleich mit dem Weinrest mitschleudert. Um ein Moment solch falscher Handhabung scheint es hier zu gehen.268 265

Im Dialog von Pl.Com. Zeus Kakoumenos F 46 K./A. werden als Preise Küsse (5), die Plateau-Schuhe einer Anwesenden (8) oder auch der Becher des Mitspielers (9) vorgeschlagen. – Als übliche Preise nennt Ath. 15.667d ‘Eier, Kuchen und Naschwerk’ (ᾠὰ γάρ ἐστι καὶ πεµµάτια καὶ τραγήµατα); Eier gewinnen kann man auch gemäss Antiph. Aphrodites Gonai F 57.2-3. Spezielle πεµµάτια wiederum – nach der Freude, die sie bereiten, χαρίσιοι genannt – soll es bei den Nachtfeiern als Kottabos-Preise gegeben haben, berichtet Athenaios (15.668c-d) unter Berufung auf zwei Stellen in Eubulos’ Komödie Ankulion (F 1 und 2 K./A.), wo wiederum Küsse und ausserdem Bänder (ταινίαι) und Äpfel als Preise genannt werden. – Dionysios Chalkos schliesslich erwähnt als Preis einen Box-Sack, κώρυκος (Dionys.Eleg. F 3.3 West, via Ath. 15.668e-f). – Kottabos-Küsse im Satyrspiel: S. Salm. F 537, vide infra. 266 Cf. Ath. 10.427d-e. 267 Cf. e.g. Pi. *F 128 Snell/Maehler; ferner Cratin. inc. F 299 K./A., wo vermutlich ein zu einer Totenspende gesprochener Vers der euripideischen Stheneboia (F 664) in einen komisch-obszönen Kottabos-Widmungsspruch umgeformt wurde. – Zum ‘KottabosToast’ in der Ikonographie: Csapo/Miller 1991. 268 Musa Tragica übersetzt ἀγνύντες mit ‘zerspritzen liessen.’ Das scheint jedoch den Sinn der Stelle etwas zu entstellen. Hinzuweisen ist zunächst auf die Parallele S. Synd. F 565.3 (κατάγνυται), ferner auf A. Ostol. *F 180.4 (… ἐναυάγησεν ὀστρακουµένη). An beiden Stellen geht es um pervertierte Kottabos-Spenden, vide infra.

414

Studien II

Wer hingegen den Weinrest – und nur diesen – schleudert und auch noch das Ziel trifft, darf sich beim Angebeteten gute Chancen ausrechnen: Kottabos ist eine Art Liebesorakel. Hieraus erhellt auch, warum der Weinrest im Inachos der Aphrodite geweiht ist und warum der Klang, den er in Euripides’ Pleisthenes erzeugt, für Kypris erklingt.269 Hat man Glück, sind als Kottabospreis sogar Küsse ausgesetzt;270 so e.g. in Sophokles’ Salmoneus, wo jemand verkündet:271 τάδ’ ἐστὶ κνισµὸς καὶ φιληµάτων ψόφος· τῷ καλλικοσσαβοῦντι νικητήρια τίθηµι καὶ βαλόντι χάλκειον κάρα Diese Dinge sind ein Kitzeln und das Schmatzen von Küssen: Dem ‘Schönkottabosspielenden’ setzte ich Siegespreise aus, und demjenigen, der das eherne Haupt trifft (S. Salm. F 537).

Das Kottabosspiel ist gewiss kein exklusives Satyrspielmotiv, doch eignet es sich ausgezeichnet für das Genre, in dem – in erster Linie von den Satyrn – nicht nur wild mit den Regeln und Gepflogenheiten am Symposion experimentiert, sondern auch der Zusammenhang zwischen Weingenuss und wachsendem erotischem Empfinden ausgelotet wird. Dass der Kottabos eine lärmreiche Angelegenheit ist, passt zu den Satyrn.272 Ausserdem bietet ihnen das Spiel einen guten Rahmen für die satyrspieltypische Strategie, eine fremde Rolle abzulegen und den wahren dionysischen Trieben freien Lauf zu lassen. Zwei Titel aus dem Tragikerkorpus schliesslich sind in ihrer Gattungszugehörigkeit umstritten, weil sie Kottabos-Szenen oder vielmehr pervertierte Formen davon beinhalten, die das decorum der Tragödie stark strapazieren (was der Tradent zweier der betreffenden Fragmente auch explizit bemerkt):273 Aischylos’ Ostologoi und Sophokles’ Syndeipnoi.274 In den Ostologoi beklagt sich Odysseus darüber, dass ihn Eurymachos, der Freier der Penelope, übermässig beleidigt und sich beim Kottabosspiel seinen Kopf als Zielscheibe ausgesucht habe: 269

E. F 631, vide supra n. 262. Cf. supra n. 265. 271 Shaw 2010, 12 deuet dieses Fragment als ein Beispiel für den spielerischen Umgang des Satyrspiels mit Mythen, der später von den Dichtern der Mittleren Komödie adaptiert werde. 272 Cf. supra Kap. 5.1.8. 273 Ath. 1.17c-d (Zitatkontext von A. Ostol. *F 180 und S. Synd. F 565): Αἰσχύλος γοῦν ἀπρεπῶς που παράγει µεθύοντας τοὺς Ἕλληνας, ὡς καὶ τὰς ἀµίδας ἀλλήλοις περικαταγνύναι. λέγει γοῦν [A. * F 180] καὶ Σοφοκλῆς δὲ ἐν Ἀχαιῶν συνδείπνῳ [S. F 565]. 274 Cf. supra, Vorwort, p. 12 n. 2. 270

Kottabosspiel

415

〈ΟΔ∆.〉 Εὐρύµαχος †οὐκ ἄλλος† οὐδὲν ἡσσον 〈-〉 ὕβριζ’ ὑβρισµοὺς οὐκ ἐναισίους ἐµοί· ἦν µὲν γὰρ αὐτῷ †κότταβος ἀεὶ† τοὐµὸν κάρα, τοῦ δ’ ἀγκυλητοῦ κοσσάβιός ἐστιν σκοπὸς (?) 〈×〉 ἐκτεµὼν (?) ἡβῶσα χεὶρ ἐφίετο Eurymachos (kein anderer?) hat (um nichts weniger?) nicht gerade zimperliche Frevel gegen mich begangen. Es war ihm nämlich (Kottabos stets?) mein Haupt, und Ziel des aus der Armbeuge geschleuderten Weinrests ist’s (?) … trachtete die jugendliche Hand. (A. Ostol. F 179; Übersetzung: Wessels/Krumeich in KPS 206)

Athenaios, der diese Verse zitiert,275 will an dieser Stelle illustrieren, wie Aischylos das beim Spiel Geschleuderte als ‘aus gekrümmter Hand (oder aus der Armbeuge) geworfen’ (ἀγκυλητοί) bezeichne.276 Der gedemütigte Odysseus beschreibt hier offenbar eine pervertierte Form von Kottabos-Partie, bei der anstelle des πλάστιγξ oder vielmehr des χάλκειον κάρα ein menschliches – sein eigenes – Haupt als Ziel dienen muss. Worum es sich bei dem ‘aus der Armbeuge Geschleuderten’ handelt, ob um einen wirklichen Weinrest, der absichtlich in die falsche Richtung (sc. einem Anwesenden ins Gesicht) geschleudert wird,277 oder um etwas ganz anderes, bleibt vorerst unklar. Eine mögliche Antwort findet sich in einem weiteren Aischylos-Fragment, das mit höchster Wahrscheinlichkeit ebenfalls den Ostologoi zugehört:278 〈ΟΔ∆.〉279 × – ὅδ’ ἔστιν, ὅς ποτ’ ἀµφ’ ἐµοὶ βέλος γελωτοποιόν, τὴν κάκοσµον οὐράνην, ἔρριψεν οὐδ’ ἥµαρτε· περὶ δ’ ἐµῷ κάρᾳ πληγεῖσ’ ἐναυάγησεν280 ὀστρακουµένη χωρὶς µυρηρῶν τευχέων πνέουσ’ ἐµοί 275

Ath. 15.667c-d. Cf. auch Ath. 11.782d-e s.v. Ἀγκύλη. 277 Auch diese Situation ist in einem Drama belegt. In Euripides’ Oineus F 562 berichtet ein Diener von der Demütigung, die seinem Herrn, dem alten Oineus, widerfahren sei: πυκνοῖς δ’ ἔβαλλον Βακχίου τοξεύµασιν / κάρα γέροντος· τὸν βαλόντα δὲ στέφειν / ἐγὼ ’τετάγµην, ἆθλα κοσσάβων διδούς. 278 Die Zuweisung dieses Fragments zu den Ostologoi erfolgte erstmals durch Welcker 1824, 452ff. 279 A. Ostol. *F 180 ist mehrfach überliefert (Ath. 1.17c-d; Eust. Od. 17.462; Phld. Poet. D fr. 8 col. II.2-6 Nardelli, cit. ap. Voelke 2001, 350 n. 44), jedoch nie unter einem Stücktitel. Aus Athenaios und Philodemos geht hervor, dass Odysseus der Betroffene ist. 280 Könnte sich in ἐναυάγησεν (4) eine Anspielung auf Epicharms Odysseus Nauagos verbergen (F 104-105 K./A.)? Die Bezeichnung des Gefässes als γελωτοποιόν (2) spricht dafür, dass hier der Komödie die Reverenz erwiesen wird. 276

416

Studien II … Das ist er, der mir einst das lachenerregende Geschoss, den übelduftenden Nachttopf, um die Ohren schleuderte und mich nicht verfehlte: rings um meinen Kopf geschlagen, erlitt es Schiffbruch, zerbrach in Scherben und roch mir gar nicht wie myron-Töpfchen. (A. Ostol. *F 180)

Hier muss nicht nur das menschliche anstelle des ehernen Hauptes als Ziel hinhalten, vielmehr ist die Henkelschale durch einen Nachttopf (οὐράνη) und der Weinrest durch Urin ersetzt, der nicht nach myron duftet,281 und das Gefäss wird (wohl wie in der sonst etwas konventionelleren Kottabos-Partie in Achaios’ Linos) als Geschoss (βέλος) verwendet und also gleich mitgeschleudert. Sprachlich und inhaltlich sehr nahe sind diesem Ostologoi-Fragment vier sophokleische Verse, die Athenaios im nämlichen Abschnitt zitiert (1.17d) und zwar unter dem Stücktitel Ἀχαιῶν Σύνδειπνον (der in TrGF IV dem Alternativtitel Syndeipnoi untergeordnet wird):282 ἀλλ’ ἀµφὶ θυµῷ τὴν κάκοσµον οὐράνην ἔρριψεν οὐδ’ ἥµαρτε· περὶ δ’ ἐµῷ κάρᾳ κατάγνυται τὸ τεῦχος οὐ µύρου πνέον· ἐδειµατούµην δ’ οὐ φίλης ὀσµῆς ὕπο Aber aus Zorn schleuderte er den übelriechenden Nachttopf und nicht verfehlte er sein Ziel; und an meinem Kopf zerbrach das Gefäss, das nicht nach myron duftete; Ich aber fürchtete mich vor dem nicht angenehmen Geruch. (S. Synd. F 565)

Es sind nicht zuletzt die stinkenden Nachttöpfe in A. Ostol. *F 180 und S. Synd. F 565, die von vielen als klares Indiz für die Satyrspielzugehörigkeit der beiden Fragmente gewertet wurden.283 Wir haben bereits festgehalten, dass auch die Charakteristik des Gestanks als ‘nicht-wie-myron’ vel sim. für eine Zuweisung zum Satyrspiel spricht (supra s.v. Bakkaris und myron). Gegen die Satyrspielqualität der Fragmente wird dagegen oft vorgebracht, dass Athenaios Ostol. F 179 als Beleg dafür anführt, dass Aischylos die Griechen ἀπρεπῶς, ‘unangemessen’ dargestellt habe.284 Dies – so das oft wiederholte Argument – hätte er 281

Cf. s.v. Bakkaris und myron. Zu den Titelvarianten: supra, Vorwort, p. 13 n. 4. 283 Cf. die bei Wessels/Krumeich in KPS 206 n. 13 angeführte Literatur (und erg. LloydJones 22003, 282 ad S. Synd. F 565: “both (sc. S. F 565 and A. *F 180) probably come from satyr plays.” – Cf. auch Heynen/Krumeich in KPS 397-398 und die dort genannnte Literatur. Für neuerliche Zuweisungen zur Tragödie: vide supra, Vorwort, p. 12 n. 2. 284 Text: supra n. 273. 282

Metamorphose

417

bei einem Satyrspiel nicht eigens hervorheben müssen.285 Andererseits gilt es zu bedenken, dass es im Satyrspiel zwar durchaus derbe Schilderungen physischer Gewalt gibt, aber doch kaum Szenen, in denen ein Grieche – ein Heros noch dazu – einer solchen zum Opfer fällt. Die Heroen sind zwar bisweilen dem Spott oder auch den amourösen Avancen der Satyrn ausgesetzt,286 aber auch im Satyrspiel ist ein an Odysseus’ Haupt geschleuderter Nachttopf keine Alltäglichkeit – ihre Bezeichnung als ‘unangemessen’ wäre demnach nicht unangebracht.

Metamorphose Das Satyrspiel scheint sich verschiedentlich mit dem Motiv der Metamorphose287 auseinandergesetzt zu haben. Beispiele für die Inszenierung bemerkenswerter Metamorphosen im Satyrspiel sind etwa Aischylos’ Glaukos Pontios;288 wahrscheinlich auch seine Trophoi289 und die Kirke – sowie Sophokles’ Inachos, das Satyrspiel über die Kuhwerdung der Inachos-Tochter Io (cf. ἐκβουτυποῦται in Ina. **F 269a.37).290 Wichtiger noch scheint im Satyrspiel ein anderer Typus von Metamorphose zu sein: die multiple Metamorphose, zu der einige mythische Figuren, die shape-shifters Proteus, Thetis und Mestra, imstande sind. Nach Proteus ist ein Satyrspiel des Aischylos benannt. Thetis spielt vermutlich in mehreren Satyrspielen des Sophokles eine Rolle: In den Syndeipnoi trat sie als dea ex machina auf;291 vielleicht zählt sie auch zu den dramatis personae der Eris.292 In Achilleos Erastai beschwert sich Thetis’ Gatte Peleus über ihre multiplen Metamorphosen:293

285

Jüngst Sommerstein 2008, 181 ad Ostol.; cf. ferner Wessels/Krumeich in KPS 206 mit n. 13 und 207 mit n.14. 286 Cf. supra s.v. *‘Herabsetzung des Heroischen’; s.v. Homosexualität. 287 KPS ‘Motive’, 667; Voelke 2001, 379. 288 Der Glaukos Pontios ist nach dem Fischer benannt, der durch die Einnahme eines wundersamen Krauts zu einem mit der Fähigkeit der Prophetie begabten Meeresgott wurde. 289 Die Trophoi zeigten wahrscheinlich die – ebenfalls durch die Einnahme von Kräutern erwirkte – Verjüngung von Dionysos’ Ammen; cf. Kap. 4.1.3, § Aischylos, (Dionysou) Trophoi. 290 Zu Ios Verwandlung: supra, Studien I, S. Ina., p. 322-323 mit n. 14 und n. 15. 291 S. Synd. F 562 mit Pearson 1917, II, 199; Lloyd-Jones 22003, 281. 292 Cf. dazu Heynen/Krumeich in KPS 390-391 (mit der weiterführenden Literatur). 293 Cf. den Zitatkontext Schol. Pi. N. 3.60, wo auch thematisch entsprechende Verse aus S. Troilos F 618 zitiert werden. Gemäss Campo 1940, 35 gehören F 150 und F 151, das sich ebenfalls um die Beziehungs- und Eheprobleme von Peleus und Thetis dreht, dem Prolog der Achilleos Erastai an.

418

Studien II τίς γάρ µε µόχθος 〈– ⏑ 〉 οὐκ ἐπεστάτει; λέων δράκων τε, πῦρ, ὕδωρ Welche Pein … befiel mich (damals) nicht? Löwe und Schlange, Feuer, Wasser (S. Ach.Er. F 150).

Mestra, die sich von ihrem Vater Erysichthon Tag für Tag als Nutztier verkaufen liess, um jeweils am Abend wieder zu ihm zurückzukehren und für das nächste Handelsgeschäft zur Verfügung zu stehen,294 dürfte in Achaios’ Aithon ebenso eine Rolle gespielt haben295 wie in Euripides’ Autolykos A' und/oder seinem Sisyphos-Satyrspiel.296

Mistkäfer vom Ätna Als erster soll Epicharmos den Mistkäfer vom Ätna ins Theater eingeführt haben.297 In seinem Ἡρακλῆς ὁ ἐπὶ τὸν ζωστῆρα soll ein ganzer Schwarm davon erwähnt worden sein – sie gehören hier in den Tross der Pygmäen, die den schlafenden Herakles attackieren.298 Die Epicharm-Stelle ist eine von meheren Parallelen, die ein Scholiast zu Aristophanes’ Frieden V. 73 anführt, wo Trygaios’ Käfer als Αἰτναῖον µέγιστον κάνθαρον bezeichnet wird. Die anderen Stellen, an denen der Mistkäfer vom Ätna erwähnt wird, stehen zumeist im Schatten der Frage nach Aristophanes’ Abhängigkeit von Epicharmos. Mit der Epicharm-Stelle hat man nämlich zu belegen versucht, dass der Ritt auf dem Käfer im Frieden ein witziger Einfall sei, den Aristophanes bei Epicharmos vorgefunden und übernommen habe.299 Das 294

Zum Mythos der Mestra cf. Hes. Gynaikōn Katalogos F 37 H. ≅ F 43a M./W.; Kommentar bei Hirschberger 2004, 270-285. 295 Der Text von Achae. Aith. F 8 (Ath. 9.376a) ist zwar nicht vollständig wiederherstellbar; doch liegt es auf der Hand, die µορφαί (und auch die πεταλίδες σύες), die darin erwähnt werden, auf Mestras Verwandlungstrick zu beziehen: Snell in TrGF I ad loc. 296 E. Autolykos A', cf. Pechstein 1998, bes. 118-122 (“Exkurs: Autolykos, Mestra und Erysichthon”) und Pechstein in KPS 556. 297 E.g. Cassio 1985b, 42: “… the obvious source of the Aetnean kantharos so popular with fifth-century Athenian playwrights is Epicharmus.” 298 Epich. F 65 K./A.: 〈ὁ〉 Πυγµαρίων λοχαγὸς ἐκ τῶν κανθάρων / τῶν µεζόνων, οὕς φαντι τὰν Αἴτναν ἔχειν. 299 Crusius 1891-1893 hatte als erster das Epicharm-Fragment (das er wiederum mit Philostr. Im. 2.22 zusammenstellt) mit Aristophanes’ Frieden in Zusammenhang gebracht (insb. mit Pax 73, dessen zugehörigem Scholion wir die Mistkäfer-Belege grösstenteils verdanken). Pearson 1914 geht mit Crusius einig und dichtet das Epicharm-Fragment dahingehend weiter, dass dort die Pygmäen auf Kriegswagen einherfahren, die von Mist-

Mistkäfer vom Ätna

419

Bemühen um diese These, die sich mit dem Text des Epicharm-Fragments nicht beweisen lässt, hat anderes aus dem Blick geraten lassen: insbesondere, dass die Erwähnung der immergleichen Käfer-Art an sich das Potential zum running gag hat (und dass der Ritt darauf eine witzige Variation darstellen könnte). Ebenso wurde die Möglichkeit ausser acht gelassen, dass die Einführung des Käfers als dramatisches Motiv auf Aischylos zurückgehen könnte.300 Mit Sicherheit war Aischylos der erste, der – in seinem Satyrspiel Sisyphos (Petrokylistes) – den Mistkäfer vom Ätna in Athen einführte. Einer verschiedentlich geäusserten These zufolge hängt das betreffende Fragment (F 233) unmittelbar mit einem anderen Vers zusammen (F 227). So scheinen die Satyrn, als sie Sisyphos erblicken, der den Stein aus der Unterwelt heraufwälzt, zu fragen: ἀλλ’ ἀρουραῖός τίς ἐστι σµίνθος ὧδ’ ὑπερφυής; Αἰτναῖός ἐστι κάνθαρος βίᾳ πονῶν Aber was für eine Feldmaus ist denn das, so übergross gewachsen? Das ist ein Mistkäfer vom Ätna, der sich so gewaltig abmüht (A. Sisyphos F 227 und 233).301

Muss man auch zugeben, dass es dafür, dass Sisyphos mitsamt dem Stein aus dem Hades an die Oberwelt zurückkehrt, keinen ‘mythologischen Rückhalt’ gibt,302 verfügt die so rekonstruierte Szene doch über so viele Berührungspunkte mit anderen Satyrspielen, dass ihre Richtigkeit kaum bezweifelt werden kann: Nicht nur verleiht diese Rekonstruktion der Rückkehr des Sisyphos aus dem Hades einen unerwarteten komischen Dreh,303 sondern sie bedient diverse Satyrkäfern vom Ätna gezogen werden. Die Interpretation lässt sich allerdings durch den Text nicht stützen. – Weitere Literatur nennt Kerkhof 2001, 146-147. 300 Ebenso aus dem Blick geraten (nicht zuletzt meinem eigenen) ist die Tatsache, dass Aristophanes seinen Trygaios die Fabeln Aesops als ‘Quelle’ für den Mistkäfer angeben lässt: Ar. Pax 129-130. Ich danke Fabian Zogg für den Hinweis. 301 Cf. Taplin 21989, 428-429. – F 227 interpretieren schon Pearson 1914, 224 (und vor ihm Hermann, cf. Pearson ibid. n. 1) als Frage; und verstehen F 233 als Antwort darauf: ‘Was meinst du?’ – ‘Das ist der Käfer’ usw. Cf. van Groningen 1930a. 302 Germar/Pechstein/Krumeich in KPS 188 n. 17. 303 Mit dieser Rekonstruktion kann zugleich ein Argument in die Diskussion über die potentielle Identität von Aischylos’ Sisyphos Drapetes und Sisyphos Petrokylistes eingebracht werden. Für nur ein Sisyphos-Drama plädierte erstmals Pauw 1745; ihm folgten e.g. Wilamowitz 1884, 202 n. 3; Steffen 1934, 4ff.; Steffen 1958, 19-20; in jüngerer Zeit Gantz 1993, 174. – Von zwei Sisyphos-Dramen bzw., tentativ, von zwei Sisyphos-Satyrspielen gehen dagegen Germar/Pechstein/Krumeich in KPS 182 mit n. 1 aus; ebenso, dies gutheissend, Sommerstein 2008, 235. Begründet wird diese Ansicht damit, dass die Dramentitelzusätze den antiken Philologen zur Unterscheidung verschiedener Stücke dienten. Ich bezweifle die Angemessenheit dieses Arguments im vorliegenden Fall. Der

420

Studien II

spiel-Topoi: Sie bietet eine sensationelle anodos-Szene, zugleich eine wundersame Entdeckung durch die Satyrn, eine komische Rätselrateszene; schliesslich passt sie mit der Nennung von Maus und Käfer in den tierreichen Erfahrungshorizont der Satyrn.304 In diesen letzten Punkten ist die Stelle mit der Rätselrateszene in Sophokles’ Ichneutai vergleichbar. Kyllene hat angefangen, Einzelheiten über die Herkunft der wundersamen Töne preiszugeben, jedoch in so verschlüsselter Form, dass die Satyrn sich in wilde Spekulationen versteigen und sie regelrecht ausfragen: Welche Gestalt das Tier (sc. aus dem der kleine Hermes das Instrument gebaut hat) denn habe? Länglich, rundlich, kurz? Ob es eine Katze oder ein Leopard sei? (Ichn. 303). Eine Art Hund (oder ein Wiesel)?305 Oder eher einem Krebs vergleichbar? (305) Kyllene verneint all dies, und erst als die Satyrn mutmassen: ἀλλ’ ὡς κε̣ρ̣άστ̣[η]ς κάνθαρος δῆτ’ ἐστὶν Αἰτναῖος φυήν; Dann hat es gewiss die Gestalt des gehörnten Mistkäfers vom Ätna? (S. Ichn. 307; Übersetzung hier und im folgenden: Scheurer/Bielfeldt in KPS 305), 306

verrät sie, dass dies der gesuchten Antwort am nächsten komme: νῦν ἐγγὺς ἔγν[ως] ᾧ µάλιστα προσφερὲς τὸ κνώδαλον Nun bist du nahe dran: Du hast erkannt, wem das Tier am meisten gleicht (S. Ichn. 308). Κατάλογος verzeichnet nur einen Titel, Σίσυφος δραπέτης (T 78.6a); ein Testimonium zur Vita des Aischylos (und zu der juristischen Bedrängnis, in die er propter sacra mystica evulgata geraten sein soll) bewahrt den Titel Σίσυφος πετροκυλίστης (A. T 93b.3). Letzterer Titelzusatz findet sich an zwei weiteren Stellen, bei den Trägern von F 233 (Schol. vet. Ar. Pax 73b) und F 234 (Hsch. θ 1031 s.v. θώψεις). Die Tradenten der acht anderen Fragmente sprechen dagegen schlicht vom Σίσυφος. Nur ein Drittel der Zeugnisse für Aischylos’ Sisyphos-Drama/Dramen hat also überhaupt einen Titelzusatz, und nur einer davon weicht von den anderen ab. Solange sich keine weiteren Zeugen für das Attribut δραπέτης finden, halte ich es für weit plausibler, dass es nur ein SisyphosSatyrspiel von Aischylos gab. Eine Ahnung davon, wie die beiden mit den Zusätzen angedeuteten Episoden des Sisyphos-Mythos miteinander verbunden waren, gibt die erwähnte Rekonstruktion der Szene, in der Sisyphos samt dem Stein aus dem Hades heraufkommt. 304 Vide supra s.v. Entdeckung, infra s.v. Rätsel, s.v. Tiere, s.v. * Unterwelt. 305 Ἰχνευτής (ἰχνευτῇ, 305) heisst hier entweder ‘Hund’ (so e.g. Pearson 1914, 224) oder, wie ἰχνεύµων, ‘Wiesel’ (e.g. Scheurer/Bielfeldt in KPS 305). 306 Achae. inc. F 42 bewahrt möglicherweise eine weitere Variation des Motivs; hier ist von den vielen ‘gehörnten Schnirkelschnecken’ die Rede, die ‘der Ätna nähre’ (× – ⏑ – ἦ τοσούσδ’ Αἴτνη τρέφει / κοχλίας κεράστας;).

Mistkäfer vom Ätna

421

Der Mistkäfer vom Ätna wird auch in einem weiteren Sophokles-Fragment erwähnt, das dem Stück Daidalos angehört, für dessen Satyrspielqualität als erster Welcker plädierte.307 Der Kommentar ‘Aber das hier ist kein Mistkäfer, auch keiner von denjenigen vom Ätna’ (F 162: ἀλλ’ οὐδὲ µὲν δὴ κάνθαρος τῶν Αἰτναίων / πάντων) bezieht sich m.E. wie die beiden F 160 und *F 161 auf den bronzenen Riesen Talos, der in dem Stück auftrat. Man kann sich gut vorstellen, wie die gegen Monster dieses Schlages immunen Satyrn den Riesen erblicken, über seine Natur spekulieren und dabei, einmal mehr, den Mistkäfer vom Ätna bemühen. All diese Beispiele stammen, von Ichn. 307 abgesehen, und ergänzt um ein weiteres Komödienfragment (aus Plato Comicus’ Heortai, die evtl. im Jahre 415 aufgeführt wurden),308 aus besagtem Scholion zu Aristophanes’ Frieden V. 73. Ein beflissener Scholiast hält fest, es gebe am Ätna eine besondere Art riesiger Käfer, was der einheimische Epicharmos ebenso bezeugen könne wie der so gut wie einheimische Aischylos.309 Trygaios’ Mistkäfer vom Ätna wird mit zwei weiteren Kommentaren versehen: die Grösse der Mistkäfer verhalte sich proportional zur Überhöhe des Ätna (dies scheint die Pointe von Plato Comicus F 36 K./A. zu sein); oder: der Ätna-Käfer sei in Analogie zum Ätna-Pferd benannt, einer überaus berühmten Pferderasse.310 Anders als die meisten Interpreten311 hält Pearson 1914 die dritte Option für die einzig haltbare:312 Trygaios’ Pegasos ist ein Ätna- … nicht -Hengst, sondern -Käfer.313 Ob es nun am Ätna grosse Käfer gab oder nicht, und ob Epicharms Pygmäen auf ihnen ritten oder nicht, ist wohl irrelevant. Dass ein Insekt von eher niedriger Ordnung so gross gemacht wird, hat an sich komisches Potential; und dass es in unterschiedlichen Kontexten immer wieder eingeführt und stets variiert wird, entspricht der Natur eines running gag. Viel wichtiger scheint mir, in einem weiteren Zusammenhang gedacht, die aus den Mistkäfer-Stellen314 erwachsene Fest307

Heynen/Krumeich in KPS 390. Pl.Com. Heortai F 36 K./A. – Zur Datierung cf. Geissler 1925, 53. 309 Schol. Ar. Pax 73b. 310 Schol. vet. Ar. Pax 73c-d. 311 Cf. die bei Pearson 1914, 223 genannten Kommentatoren und in jüngerer Zeit Olson 1998 ad loc. (“Mt. Aitna … was thought to be home to a breed of extraordinarily large beetles …”). – In diesem Zusammenhang wird oft auf den Fund einer Münze hingewiesen (Ätna, vor 463 v.Chr.), die, mit der Umschrift ΑΙΤΝΑΙΟΝ, einen Käfer oberhalb eines Silen-Haupts zeigt: e.g. Pearson 1914, 224; Fraenkel 1962, 56-57; Olson 1998 ad loc.; Conti Bizzarro 2009, 9 mit n. 11. 312 Pearson 1914, 223. 313 Anzufügen ist hier auch Pearsons Hinweis auf das Spiel mit dem ähnlichen Klang von κάνθαρος und κάνθων/κανθήλιος (‘Pack-, Lastesel’; Pearson 1914, 224). 314 Die genannten Stellen sind um einen Vers eines herrenlosen Papyrusfragments zu ergänzen, in dem κανθαρ̣̣[ (i.e. κάνθαρος, evtl. auch der Eigenname Κάνθαρ̣ος) zu lesen 308

422

Studien II

stellung, dass die klassischen Satyrspiel- und Komödiendichter sich bisweilen an ein und demselben Repertoire oder ‘pool’ komischen Materials bedienen.315 * Musik, Musikinstrumente Vide supra s.v. Erfindung; Studien I, S. Ichn. und S. Ina.

Prahlerei Das Satyrspiel kennt Prahlerei in den unterschiedlichsten Ausprägungen.316 Dabei ist es insbesondere der Silen, der sich mit den irrwitzigsten Anmassungen in die Brust wirft; so etwa im Prolog des Kyklops, wo er eine ganze Reihe von Eigenschaften, Taten und Rollen für sich in Anspruch nimmt.317 Sind diese in der ist (trag. adesp. *F 675.2 ≅ Antinoopolis Papyrus [P.Ant.] 16). Dabei könnte es sich Barns/Lloyd-Jones 1964, 34 zufolge um den Namen eines Satyrn/Silens handeln, denn im Folgevers ist καὶ σιµος (3) zu lesen, und Σιµός/Σῖµος ist als Satyrname gut bezeugt (Fränkel 1912, 9, 21, 67). Kannicht/Snell (TrGF II) sympathisieren ebenso mit der These von Barns und Lloyd-Jones wie mit deren Vermutung, dass es sich beim Fragment um ein Satyrspielrelikt handle. Damit hätten wir eine weitere Satyrspielstelle, an welcher der Mistkäfer vorkommt, sei es als solcher, sei es als Name oder Beiname eines Satyrn. – Cf. aber zu Kanntharos als möglichem Eigennamen einer Komödienfigur (die bereits in P.Ant. 15 erwähnt wird): Morel 1963, 151. Morel vermutet, dass die beiden P.Ant. 15 und 16 trotz unterschiedlicher Handschrift Teile derselben Komödie (und zwar aus der Feder Menanders) bewahren. Zu einer Komödienfigur Kantharos in P.Ant. 15 cf. auch Barns/Lloyd-Jones 1964, 25, 27. Barns/Lloyd-Jones 1964 zögern indes, κανθαρ̣ in P.Ant. 16 (≅ trag. adesp. *F 675.2) als Eigennamen aufzufassen, und halten es, anders als Morel, nicht nur nicht für zwingend, sondern im Gegenteil für unwahrscheinlich, dass damit derselbe Kantharos gemeint sei wie in P.Ant. 15, cf. Barns/Lloyd-Jones 1964, 33-34. – Die vom Erstherausgeber Roberts 1950 bemerkten Spuren von Paratragodia, die von Barns/Lloyd-Jones 1964, 33 als Argumente für eine Zuweisung zur Komödie angeführt werden, sowie die gleichenorts genannten tragödiensprachlichen Eigenschaften des Fragments, sind keine Argumente gegen eine Zuweisung zum Satyrspiel, sondern drängen eine solche vielmehr auf. 315 Zum Konzept eines gemeinsamen Repertoires der Komödiendichter: Heath 1990, 152: “Reading through the comic fragments in bulk gives the impression that there was a common pool or repertoire of comic material: anything put on stage in a comedy would become public property and be absorbed into the repertoire, so that all comic poets contributed to it; and all drew on it, although each would aim to give a new and original twist to the material which he borrowed, so that the repertoire constantly evolved.” 316 KPS ‘Motive’, 667. – Zur komischen ‘mythologischen Hyperbole’ im Kyklops: Davies 1999. 317 Davies 1999 verwendet zur Beschreibung der Verse Cyc. 1-10 den von Zagagi 1980 geprägten Ausdruck der ‘mythologischen Hyperbole’, wobei eine Figur zunächst bekann-

Prahlerei

423

Mythologie einer spezifischen Figur zugeschrieben, so spreche ich ausserdem, faute de mieux, von ‘Figurendoppelung’ (vide supra, s.v.). Der Silen prahlt weniger mit bevorstehenden Taten als mit µνήµατα seiner Jugend,318 so auch in den Ichneutai, nachdem er den Satyrn Schimpf und Schande gesagt hat: π̣ι̣σ̣τ̣οὶ λόγοισιν ὄντες ἔργα φεύγετε, τοιοῦ̣[δ]ε πατρός, ὦ κάκιστα θηρίων, οὗ πόλλ’ ἐφ’ ἥβης µνήµατ’ ἀνδρείας ὕπο κ[ε]ῖται παρ’ οἴκοις νυµφικοῖς ἠσκηµένα, οὐκ εἰς φυγὴν κλίνοντος, οὐ δειλ[ο]υµένου, οὐδὲ ψόφοισι τῶν ὀρειτρόφων βοτῶν [π]τήσσοντος, ἀλλ’ α[ἰχ]µαῖσιν ἐξει[ρ]γασµένου [ἃ] νῦν ὑφ’ ὑµῶν λάµ[πρ’ ἀ]π̣ορρυπαίνεται Verlässlich seid ihr mit dem Mund, vor Taten aber drückt ihr euch, und das bei diesem Kerl von Vater, ihr übelsten Kreaturen, von dem in grosser Zahl kunstvolle Trophäen, in jungen Jahren tapfer errungen, in den Behausungen der Nymphen liegen, der nicht gleich flieht, nicht feige ist, der vor den Tönen des berggenährten Viehs sich nicht ängstlich duckt; nein, im Speerkampf hat er Ruhm erwirkt, der nun von euch besudelt wird, … (S. Ichn. 152-159; Übersetzung: Scheurer/Bielfeldt in KPS 299-300).

Diese Prahlreden haben ein komisches Potential: Zum einen erweisen sie sich oft als doppelbödig – wie etwa die ‘Enkelados-Anmassung’ –319 oder spielen, wie die eben zitierten Verse, mit sexuellen sous-entendus.320 Die Prahlerei ist verbunden mit dem zentralen Topos der fremden Rolle (Kap. 5.2); sie geht oft dem Scheitern in der fremden Rolle unmittelbar voraus, also dem Moment, in dem sie (durch die Feigheit der Satyrn und/oder das Hervorscheinen von deren dionysischer Natur) konterkariert wird.321 Um bei der Prahlrede der Ichneutai zu bleite mythische Ereignisse aufzählt, um diesen dann ein gegenwärtiges Ereignis gegenüberzustellen, das sie überschattet. Während dabei in der Regel Erlebnisse (anderer) mythischer Figuren gewählt werden, macht sich der Silen selbst zur Legende und nennt zunächst frühere eigene πόνοι, die er dann mit der aktuellen Pein überbietet. 318 Cf. auch E. Cyc. 2: νῦν χὤτ’ ἐν ἥβῃ τοὐµὸν εὐσθένει δέµας. 319 Vide supra Kap. 5.1.8. 320 So die plausible Deutung von Reinach 1912, 65-69, 67; Lloyd-Jones 1994, 139-140; cf. supra p. 188. Cf. Scheurer/Bielfeldt in KPS 299 n. 34 mit anderen Interpretationsvorschlägen. – Allgemein zu Obszönitäten und sous-entendus cf. die entsprechenden Paragraphen supra Kap. 1.2, § Sprache, Lexikon. 321 Hier ist etwa an die prahlerischen Worte der Satyrn zu erinnern, die als ‘kollektiver Bräutigam’ um die Hand der Tochter des Oineus anhalten (S. ‘Oin.’ **F 1130); vide supra, Kap. 5.2, p. 203-204.

424

Studien II

ben: Nachdem der Silen seine Söhne über fast dreissig Verse hinweg für ihre feige Angst vor den unbekannten Klängen gescholten und sich in seiner Exzellenz gefeiert hat (Ichn. 145-168, 172-175), verschlägt es ihm, als die Lyra abermals erklingt, die Sprache – diesmal ist er es, der wimmert, sich nicht mehr vom Fleck bewegen und Kühe und Kopfgeld fahren lassen will.322 Auf diese komische Juxtaposition von prahlerisch heroischem Anspruch und feigem Rückzug stossen wir auch im Kyklops – und zwar nicht nur bei den Satyrn, die sich zu der Blendung anschicken –,323 sondern auch bei Odysseus. Die beiden Regungen treten bei ihm zwar in umgekehrter Reihenfolge auf, doch wirkt er damit nicht minder lächerlich. Als nämlich die Ankunft des Kyklopen angekündigt wird, ist Odysseus’ erster Impuls die Flucht: Σι. … οἴµοι· Κύκλωψ ὅδ’ ἔρχεται· τί δράσοµεν; Οδ. ἀπολώλαµέν τἄρ’, ὦ γέρον· ποῖ χρὴ φυγεῖν; Si. … Auweia. Da kommt der Kyklop. Was sollen wir tun? Od. Verloren sind wir, Alter. Wohin muss man fliehen? (E. Cyc. 193-194)

Der Silen erinnert sich bestens an die homerische Version der Geschichte und empfiehlt die Höhle mit ihren vielen Schlupfwinkeln. Das verwirft Odysseus als zu gefährlich – auch er hat seine Odyssee genau gelesen –: δεινὸν τόδ’ εἶπας, ἀρκύων µολεῖν ἔσω Schrecklich, was du da sagst, sich ins Netz zu begeben! (E. Cyc. 196)

Und erst, als der Silen nachdoppelt: οὐ δεινόν· εἰσὶ καταφυγαὶ πολλαὶ πέτρας Doch nicht schrecklich! Es gibt viele Schlupfwinkel in der Höhle (E. Cyc. 197),

besinnt er sich eines Besseren: Οδ. οὐ δῆτ’· ἐπεί τἂν µεγάλα γ’ ἡ Τροία στένοι, εἰ φευξόµεσθ’ ἕν’ ἄνδρα, µυρίον δ’ ὄχλον 322 323

S. Ichn. 205-212. Besprechung der Szene: supra Kap. 5.2.

Prophezeiung, Prophetie

425

Φρυγῶν ὑπέστην πολλάκις σὺν ἀσπίδι. ἀλλ’, εἰ θανεῖν δεῖ, κατθανούµεθ’ εὐγενῶς ἢ ζῶντες αἶνον τὸν πάρος συσσώσοµεν. Od. Nein! Troia würde laut aufstöhnen, wenn wir vor einem einzigen Manne davonliefen, wo ich doch Tausenden von Phrygern oft standgehalten habe mit dem Schild. Nein, wenn es zu sterben gilt, dann werden wir in Ehre sterben, oder, falls wir leben, werden wir den früheren Ruhm/das frühere Loblied/die frühere Geschichte324 bewahren. (E. Cyc. 198-202)

Odysseus malt seine Erinnerung an die früheren Kriegsgrosstaten in grellen Farben. Bemerkenswert ist zunächst die Wahl des Numerus: Die Handlungen der prekären Gegenwart und der unsicheren Zukunft formuliert er im Plural und teilt so die Verantwortung mit den anderen (φευξόµεσθ’, κατθανούµεθ’, ζῶντες … συσσώσοµεν). Während die Möglichkeit zu fliehen und das drohende Zu-TodeKommen also Sache des Kollektivs ist, steht mit ὑπέστην die ruhmreiche Tat der Vergangenheit im Singular – denn diese beansprucht Odysseus für sich allein.325 Im Satyrspiel ist die Prahlerei den Thiasoten also ebensowenig vorbehalten wie die Lächerlichkeit an sich. Abschliessend sei darauf hingewiesen, dass die Prahlerei mit früheren Erlebnissen auch eine Form des Bezugs auf frühere Satyrspiele ermöglicht (cf. Kap. 7).

Prophezeiung, Prophetie In der böotischen Stadt Anthedon erzählt man sich die Geschichte vom Fischer Glaukos, der von einem Kraut ass und zum Meeresdaimon wurde, der die Zukunft vorhersagen kann. So berichtet Pausanias (9.22.5-7), der darauf hinweist, Aischylos habe aus Glaukos’ Geschichte ein ganzes Drama gemacht.326 Tatsächlich ist in einem Fragment, das unter dem Titel Glaukos Pontios überliefert ist, von jemandem die Rede, ‘der vom unsterblichen, unvergänglichen Kraut ass’ (F 28: ὁ τὴν ἀείζων ἄφθιτον πόαν φαγών). In *F 29 gibt jemand seine Ab-

324

Zu dieser Auslegung von Cyc. 202: supra, Studien I, E. Cyc., p. 348. Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei dem Passus um eine Anspielung auf Il. 11.401410, wo Odysseus für einen Moment die Flucht erwägt, sich dann aber selbst zurecht- und darauf hinweist, dass ‘nur Schlechte aus dem Kampfe weichen’, dass ‘der Erste in der Schlacht’ hingegen standzuhalten habe. 326 Paus. 9.22.7: … Αἰσχύλῳ δὲ καὶ ἐς ποίησιν δράµατος ἐξήρκεσε (sc. τὰ ἐς Γλαῦκον). 325

426

Studien II

sicht bekannt, ‘einmal davon zu kosten’: καὶ γεύοµαί πως τῆς ἀειζώου πόας.327 Von der krautinduzierten Gabe der Prophetie ist in den Fragmenten allerdings keine Rede. Zentral war das Motiv der Prophetie mit Sicherheit in Aischylos’ Proteus. Dieser basierte auf Menelaos’ Ägypten-Abenteuer im 4. Buch der Odyssee.328 Im Mittelpunkt dieser Episode steht die Prophezeiung des Proteus, die ihm Menelaos mithilfe einer List abzuringen vermag, die Proteus’ Tochter Eidothea ausgeheckt hat. Menelaos erfährt von der ihm bevorstehenden glücklichen Heimkehr und seinem glückseligen Nachleben – jedoch auch vom weniger glücklichen nostos seines Bruders Agamemnon. Nun ist der Proteus, das Satyrspiel der Oresteia, zwar weitgehend verloren, und die wenigen zuweisbaren Fragmente (F 210-215) geben kaum Einblick in seine Handlung. Vom Motiv der Prophezeiung lassen nichts erkennen, sieht man von der Namensnennung der Eidothea (Eido) in F 212 ab.329 Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sich das Stück um Proteus’ Prophezeiung drehte. Wie an anderer Stelle ausgeführt, stellt der Chor im ersten Stück der Tetralogie, im Agamemnon, die Frage, die bis zum Ende der tragischen Trilogie unbeantwortet bleibt: die Frage nach Menelaos’ nostos. Die Antwort darauf gab der Proteus.330 Noch ein weiteres Satyrspiel-Moment, das sich um eine Prophezeiung dreht, basiert auf einem Narrativ der Odyssee: Als Odysseus zum Ende des Kyklops hin seine Identität preisgibt, sieht der Geblendete – wie in der Odyssee –331 mit einem Mal ein, dass eine ‘alte Prophezeiung’ wahr geworden ist. Anders als in der Odyssee aber muss der Polyphem des Euripides nicht länger um eine Strafe für Odysseus ersuchen,332 sondern kann sie ihm gleich voraussagen: Odysseus werde zur Strafe lange Zeit auf dem Meer treiben –, denn auch das sehe die ‘alte Prophezeiung’ vor (παλαιὸς χρησµός, 696, … ἐθέσπισεν, 699).333 Von einer alten Prophezeiung, die sich nun bewahrheitet, ist vermutlich im anonymen ‘Atlas-Drama’ die Rede: Hier scheint sich Atlas auf ein Schriftstück zu besinnen, 327

Der Vers von Gl.Pont. *F 29, u.a. bei Phot. α 409 s.v. ἀείζων, ist unter Aischylos’ Namen, aber ohne Titel überliefert. Die Übereinstimmung im Wortlaut mit dem sicher zugewiesenen F 28 erlaubt aber die Zuweisung auch dieses Verses zum Glaukos Pontios. 328 Od. 4.364-570. 329 Εἰδώ ist eine Abbreviatur und Koseform des Namens Eidothea (cf. e.g. EM s.v. Κερδώ mit app. crit.): Kannicht 1969b, 20 ad E. Hel. 11. 330 A. Ag. 617-621. Cf. supra Kap. 2.1, p. 88-89. 331 Od. 9.507-516. 332 Od. 9.526-531. 333 In meiner Interpretation des selbstbewussten Umgangs des Kyklops mit der Odyssee (Kyklopeia) in Studien I, Euripides, Kyklops, § Kommentar diskutiere ich diese Stelle als ein Moment, mit dem Polyphem seine ‘Homer-Kenntnis’ unter Beweis stellt; in demselben Kapitel lege ich dar, wie im Kyklops die erzählerischen Kniffe ironisiert werden, mittels derer sich der homerische Odysseus als hellsichtiger Held inszeniert.

Prophezeiung, Prophetie

427

das ihm die Ankunft eines Helfers und Erlösung von seiner Pein versprochen hat (trag. adesp. F 655.35-39).334 Wer sich schliesslich ebenfalls in der Zukunft auszukennen vorgibt (und vielleicht ja zu Recht), sind die Satyrn. Bei der Brautwerbung sagen sie zu Oineus: … ἔνεστι δὲ µαντεῖα παντάγνωτα κοὐκ ἐψευσµένα … in uns stecken Orakel, ganz und gar unbekannte und nicht verlogene (S. ‘Oin.’ **F 1130.12-13).

Im Amphiareos des Sophokles werden die Satyrn als ‘Chor aus Sehern’, und wahrscheinlich der Silen (wohl nicht besonders schmeichelhaft) als ihr πινοτήρης bezeichnet:335 ὁ πινοτήρης τοῦδε µάντεως χοροῦ der Pinna-Beschützer dieses prophetischen Chores (S. Amphiareos F 113).

Möglicherweise handelt es sich bei den titelgebenden Sehern in Sophokles’ Manteis oder Polyidos um den Satyrchor; die Gattungszugehörigkeit des Stücks ist indessen umstritten.336 Dass Dionysos und die von ihm Beseelten Einsicht in die Zukunft haben können, ist auch jenseits des Satyrspiels eine gängige Vorstellung. Deutlich zu greifen ist der Gedanke etwa in Euripides’ Bakchen (Ba. 298-301, hier 298-299: µάντις δ’ ὁ δαίµων ὅδε· τὸ γὰρ βακχεύσιµον / καὶ τὸ µανιῶδες µαντικὴν πολλὴν ἔχει – ‘Dieser Gott ist auch ein Hellseher, denn das Bakchische / und die Raserei besitzen grosse prophetische Kraft’).

334

Cf. supra s.v. Buchstaben, p. 370. Πινοτήρης, alternativ πινοφύλαξ, der ‘Pinna-Beschützer’, ist eine kleine (gemäss Plin. HN 9.31 die kleinste bekannte) Krabbenart, die mit der πίννα, ‘Steckmuschel’, in einer symbiotischen Beziehung lebt. Der πινοτήρης lebt in der πίννα und macht sie durch Bisse auf herbeikommende Gefahren und vorbeischwimmende Nahrung aufmerksam: Scheurer/Kansteiner in KPS 238 n. 12 (mit Verweis auf das Glossar griechischer Fische von Thompson 1947, 202) und LSJ s.v. πινοτήρης. 336 Cf. s.v. Rätsel, p. 430 n. 350. 335

428

Studien II

Rätsel, Rateszenen Ein wiederkehrendes Motiv sind die Versuche der Satyrn, die Natur eines ihnen unbekannten und/oder überraschend auftauchenden Gegenstandes zu erraten.337 Das Motiv tritt meist in Kombination mit der topischen Erfindung von Kulturgütern, dem Kontakt mit Neuem, Neuartigem, negativen Kreationen, Metamorphose, Wunder/τέρας, Schrecknis oder Zauberei auf, und ist neben Angst, Faszination, Raserei etc. eine typische Reaktion der Satyrn. Greifbar ist das Motiv in Aischylos’ Diktyulkoi **F 46a, wo höchstwahrscheinlich der Silen über die Natur des grossen Gegenstandes spekuliert, der im Wasser treibt; wahrscheinlich auch im Sisyphos-Satyrspiel (Sisyphos Drapetes/Petrokylistes), in jener Szene, in der Sisyphos mitsamt dem Stein, den er vor sich herzuwälzen hat, aus dem Hades an die Oberwelt gelangt.338 Das Motiv könnte auch in Aischylos’ Glaukos Pontios Verwendung gefunden haben, dessen Fragmente den Eindruck erwecken, dass hier der aus dem Meer auftauchende, wundersam anzuschauende Gott die Satyrn in Angst und Schrecken versetzt. Mit Sicherheit eine wichtige Rolle spielt das Rätselmotiv in Aischylos’ Sphinx. Bei der Sphinx handelt es sich um den seltenen Fall eines Satyrspiels, das sich in direkte Verbindung mit zeitgenössischen Vasendarstellungen bringen lässt.339 Ein besonders schönes Beispiel für eine solche Darstellung ist die attisch rotfigurige Kalpis (470/460 v.Chr.) aus der Sammlung T. Fujita.340 Sie zeigt fünf gealterte Satyrn/Silene (mit weissem Haupt- und Barthaar) in reich verziertem Gewand, das an die Theaterkostüme von Königsdarstellern erinnert. Diese Satyrn/Silene thronen, auf einen Stock gestützt, in feinen Sesseln vor einer Sphinx, die ihrerseits auf einem Felsen hockt. Sie scheinen ihr gebannt zuzuhören und über das Gesagte nachzudenken: für einmal nämlich verharren die sonst undisziplinierten Satyrn in identischer Pose und sitzen in Reih und Glied. Wahr-

337

In Fischers Studie zu den ‘Typischen Motiven im Satyrspiel’ ist das ‘Rätsel-Motiv’ eines der fünf behandelten Motive: Fischer 1958, 43-52. Cf. aber insbesondere Seaford 1976b, bes. 216-218; 1977/1978, 88-91; 1981, bes 254-255; Seidensticker in KPS 30; KPS ‘Motive’, 667; Voelke 2001, 273-299, 378. – Zum Rätsel im Dithyrambos des 4. Jh., in der Mittleren Komödie und im Satyrspiel des 5. Jh. cf. Zimmermann 1998, 210-211. – Zum Rätsel in der Antike, jedoch ohne Rücksicht auf das Satyrspiel: Schultz 1914. 338 Cf. A. F 227 und 233; zur Verbindung der beiden Fragmente zu einer Szene cf. supra s.v. Mistkäfer, p. 419 mit n. 301. 339 Cf. e.g. Simon 1981 und 1989, 393-395; Germar/Krumeich in KPS 191-196; cf. auch Seidensticker in KPS 13 n. 69 zur speziellen Kostümierung der Satyrn in der aischyleischen Sphinx als alte Männer. 340 Tokio; als Leihgabe in Würzburg, Martin-von-Wagner-Museum ZA 20; eine qualitativ hochstehende Abbildung findet sich in KPS Tafel 22b.

Rätsel, Rateszenen

429

scheinlich hat die Sphinx ihnen eben ihr Rätsel gestellt;341 sie kauert auf drei Beinen; das vierte aber, die rechte Vorderpranke, streckt sie waagrecht nach vorne. Erika Simon deutet diese Haltung als “Redegestus” (Simon 1981b, 22). Selbstredend handelt es sich auch bei diesem Bild um kein Dokument einer distinkten Bühnenszene; gleichwohl hat man ihm zahlreiche Informationen über das Satyrspiel, das es reflektiere, abzugewinnen versucht –342 und dabei angenommen, dass das Bild mindestens den Mythos in der Fassung eines distinkten Dramas, der aischyleischen Sphinx, widergebe. Eindeutig zu erkennen ist die Anmassung der abgebildeten Satyrn, die sich nicht nur der Garderobe und der Insignien königlicher Würdenträger bemächtigen, sondern ebenso den Anspruch erheben, der Sphinx und ihrem Rätsel gewachsen zu sein. Ob sie dabei die Gesandtschaften der Thebaner parodieren oder ob hiermit gar eine Figurendoppelung (vide s.v.) vorliegt (sc. dass die Satyrn Ödipus’ Rolle zu usurpieren suchen), ist nicht zu entscheiden. Zu überlegen ist m.E., ob die Darstellung der Satyrn/Silene auf der Kalpis Fujita nicht auch mit dem Inhalt des Sphinx-Rätsels in Zusammenhang stehe, das nach der Identität jenes Wesens fragt, das auf vier, auf zwei und auf drei Beinen gehe:343 Statt wie üblich als dreiviertelnackte, jungtierhafte Kreaturen, die umhertollen, sitzen die Satyrn hier artig – und auf einen Stab gestützt (!) – auf ihren Sesseln, um sich das Ansehen altehrwürdiger Herren zu geben. Man könnte sich eine Szene vorstellen, in der die Satyrn auf ihr ‘drittes Bein’ gestützt nach der 341

Cf. die Arbeiten von Erika Simon, insbesondere Simon 1981b, bes. 21-28 und 36-40 (Publikation der Kalpis Fujita); 1989, 393-395; 1997a, 1125 Nr. 160 und die Zusammenfassung der weiteren relevanten Forschung bei Krumeich in KPS 191-196. 342 So v.a. Simon 1981b. 343 Asclep.Tragil. FGrH 12 F 7a (via Ath. 10.456b und Schol. vet. E. Ph. 50 (Wortlaut in Hexametern); D.S. 4.64.3-4; Apollod. 3.53 (Wortlaut in Prosa), 54 (Lösung). – Auf das Rätsel bezieht sich Aischylos sicher im Agamemnon, cf. 80 und 1258 (mit Fraenkel 1950 ad loc.). – Die älteste erhaltene Erwähnung des Rätsels der Sphinx dürfte sich bei Pindar finden (Schultz 1914, 92), sc. Pi. F 177d Maehler: αἴνιγµα παρθένοι’ ἐξ ἀγριᾶν γνάθων; cf. auch Pi. P. 4.263 Snell/Maehler (Anspielung auf die legendäre Fähigkeit des Ödipus, Rätsel zu lösen). – Ein sehr früher, komischer Reflex des Rätsels der Sphinx ist Epich. inc. F 147 K./A. (ein Witz, von dem möglicherweise Ar. Telemesses F 545 K./A. abhängt). Der Zusammenhang von Sphinx und Rätsel ist in der Komödie überhaupt sehr gut belegt: e.g. Epich. Sphinx F 125-126 K./A.; Eub. Sphingokarion F 105-107 K./A. (F 106 K./A. mit dem ‘Arschloch-Rätsel’); Strato Comicus Phoinikides F 1 K./A. – Eine weitere tragische Bearbeitung des Sphinx-Rätsels findet sich in Euripides Ödipus F 540a.7-10. Für weitere literarische Zeugnisse cf. Thomson 21946, 190; Lloyd-Jones 1978/1990, 332-333; Kannicht in TrGF V.1, p. 572-573 ad E. Ödipus F 540a. –Das Innenbild einer attisch rotfigurigen Schale in den Vatikanischen Museen (ca. 470 v.Chr.; ARV2 451, 1) zeigt eine Sphinx, vor deren Mund ‘[κ]αὶ τρί[πον’ geschrieben steht (für die relevante Literatur zu der umstrittenen Frage, ob das Bild mit einem Satyrspiel in Beziehung zu setzen sei oder nicht, vide Germar/Krumeich in KPS 196 n. 28).

430

Studien II

Lösung des Rätsels ringen, dabei zusehends in Aufregung geraten, ihre ‘fremde Rolle’ wie üblich fallen lassen344 und am eigenen Leib vorführen, wie ein Wesen sogar simultan auf zwei, drei und vier Beinen gehen kann, derweil sie darüber nachdenken, wer das sukzessive tun könnte.345 Im Lichte dieser Überlegung wäre auch zu fragen, ob die Körperhaltung der Sphinx, die auf drei Beinen ruht, ebenfalls der Visualisierung des Rätsels diene. Möglicherweise ist auch eine weitere Sequenz des inszenierten Mythos in einer Vasendarstellung greifbar. Auf einem um 350/325 v.Chr. entstandenen Glockenkrater des Malers Python346 ist ein Bühnensilen zu sehen, der vor der Sphinx steht, die ihrerseits auf einem Felsen kauert. In der rechten Hand hält er einen Vogel und scheint ihr ein Rätsel aufzugeben. Crusius347 assoziierte dieses Bild als erster mit der Fabel Aesops vom Ἀνὴρ κακοπράγµων, der das Orakel in Delphi zu überlisten versuchte, indem er mit einem lebendigen Sperling in der Hand vor das Orakel trat und anfragte, ob er etwas Lebendiges oder etwas Totes in der Hand habe und den Vogel schnell zu erwürgen gedachte, so das Orakel “etwas Lebendiges” antworten sollte (Aesop. 36). Bezieht sich die Darstellung tatsächlich auf diese Fabel, so liegt damit ein Zeugnis für eine SatyrspielRateszene vor,348 in der die Satyrn für einmal nicht in die Verlegenheit kommen, ein Rätsel nicht lösen zu können, sondern selber eines aufgeben.349 Eine weitere Rätselszene findet sich möglicherweise in Sophokles’ Drama Manteis oder Polyidos, bei dem es sich durchaus um ein Satyrspiel handeln könnte.350 Im Zentrum des Dramas steht Polyidos, der ‘Vielwissende’, dem es 344

Vide supra Kap. 5.2. Dass die Satyrn in ihren Tänzen nicht nur im aufrechten Gang, sondern des öfteren auch in Positionen auf allen Vieren zu sehen waren, ist hinlänglich belegt; cf. e.g. Simon 1997a, 1116 Nr. 54; 1118 Nr. 76 (Bilder, die Simon mit den Ichneutai in Beziehung setzt). 346 Napoli, Museo Archeologico Nazionale H 2846; cf. Simon 1981b 25-26 (mit Tafel 13, 1). Weitere Literatur und Hinweise auf Abbildungen bei Simon 1981b, 25 n. 75 sowie bei Germar/Krumeich in KPS 193 n. 16; cf. auch KPS Tafel 22a. 347 1893b, 102-105. 348 Evtl. aus einer Reprise der aischyleischen Sphinx, so Crusius 1893b, 108; cf. weitere Literatur bei Germar/Krumeich in KPS 194 n. 18. 349 Cf. aber zur allgemeinen Skepsis nicht nur gegenüber der Verbindung des Bilds mit der Fabel, sondern auch gegenüber der These, dass es eine Theaterszene abbilde: Simon 1981b, 26 sowie die bei Germar/Krumeich in KPS 194 mit n. 19 und 20 genannte Literatur. 350 So vermutet vom Erstherausgeber Turner 1962 (P.Oxy. 2453), allerdings auf der unsicheren Basis der Rekonstruktion von F 389b (in der Notation von Lloyd-Jones 22003; entspricht S. dub. **F 1133 fr. 45 bei Radt, der nur dub. **F 1133 fr. 44 unter die Fragmente von Manteis oder Polyidos aufnimmt, sc. als **F 389a); Lloyd-Jones 22003, 207 sympathisiert mit Turners Gattungszuweisung zum Satyrspiel, die freilich nicht beweisbar ist; cf. auch Carden 1974, 135-136 und 154-156. 345

Rätsel, Rateszenen

431

mit der Lösung eines Rätsels gelingt, Minos’ und Pasiphaës Sohn Glaukos, der in einen Honigtopf gefallen und erstickt war, aufzufinden und wiederzubeleben.351 Die Bedingung für das Auffinden des Leichnams ist es, einen passenden Vergleich für eine wundersame Kuh in Minos’ Herde zu finden, die dreimal am Tag die Farbe wechselt. Polyidos nennt die Brombeere und löste damit das Rätsel (dessen Wortlaut *F 395 bewahrt). Achaios’ Alkmeon wiederum ist sicher als Satyrspiel bezeugt, und der delphische Kontext, auf den die erhaltenen Fragmente 12 und 13 laut ihrem Tradenten Athenaios (4.173d) verweisen, ermöglicht die Bestimmung der mythischen Episode, auf der das Stück basierte: Alkmeon sucht, nach dem Mord an seiner Mutter wahnsinnig geworden und von den Erinyen verfolgt, das Orakel zu Delphi auf, um dort entsühnt zu werden. Apoll gibt ihm ein rätselhaftes Orakel, das Alkmeon irgendwann versteht: Er muss sich an einem neuen Ort niederlassen, dem Schwemmgebiet des Flusses Acheloos.352 Von der Handlung des Alkmeon ist indessen kaum etwas bekannt: Die Satyrn sollen sich im Stück über die Delphier mokieren, und jemand will ein Opfer bringen, um sich gute See-Reisebedingungen zu schaffen.353 Man kann aber spekulieren, dass die Motivverbindung Rätsel – Raserei hier eine neue Wendung erfahren hat: Während die Satyrn regelmässig in Raserei und Aufruhr geraten, wenn sich ihnen ein Rätsel stellt, ist Alkmeon von einer (nicht Rätsel-induzierten) µανία befallen, derer er sich nur durch die Lösung eines Rätsels oder Orakels entledigen kann. Der Zusammenprall des Rasenden, der sich auf die Möglichkeit seiner Befreiung konzentrieren muss, mit den Satyrn, die sich just bei diesem Befreiungsversuch in die Krankheit versteigen, die dieser heilen soll, hat einiges dramatisches Potential. In Sophokles’ Ichneutai stehen die Satyrn und der Silen im Bann gleich zweier Rätsel; gilt es zunächst, den Rinderdieb und die verlorene Herde ausfindig zu machen, so dreht sich ein wesentlicher Teil des erhaltenen Stücks um die wundersamen Klänge der Lyra, welche die Satyrn von der Lösung des ersten Rätsels abhält, ehe sich zum Schluss herausstellt, dass die Lösungen der beiden Rätsel in engstem Zusammenhang stehen. Die Verse 100-123 legen Zeugnis von der Verwirrung ab, welche die Satyrn befällt, wenn sie ein Rätsel zu lösen haben: Die Satyrn stossen auf die Spuren der gestohlenen Rinder. Die zahlreichen Paragraphoi bei diesem Abschnitt lassen darauf schliessen, dass der Chor hier in zwei

351 Zum Mythos cf. Apollod. 3.17-20; Hyg. Fab. 136; Schol. Lyc. 811. Den Stoff scheinen auch Aischylos in den Kressai (cf. F 116), Euripides im Polyidos behandelt zu haben; mit letzterem Stück scheint sich Aristophanes’ Polyidos (F 468-476 K./A.) auseinanderzusetzen. 352 Cf. Th. 2.102; Apollod. 3.88. 353 Cf. Achae. Alkmeon F 14 (Ath. 11.480f); Schloemann/Krumeich in KPS 509 n. 23 (mit dem Hinweis auf Dover 1993 ad Ar. Ra. 847).

432

Studien II

oder gar drei Gruppen aufgeteilt war.354 Der Passus beginnt mit einem wilden Ausruf und der Entdeckung der ersten Spuren: __ θεὸς θεὸς θεὸς θεός· ἔα [ ] __ ἔχειν ἔοιγµεν· ἴσχε, µὴ συρ[...].τει. __ ταῦτ’ ἔστ’ ἐκεῖνα· τῶν βοῶν τ[ὰ] β̣ηµατα. Ein Gott! ein Gott! ein Gott! ein Gott! Ha! Es sieht so aus, als hätten wir sie! Nein, nicht … Da sind sie: die Spuren der Kühe! (S. Ichn. 100-102)

Links und rechts finden die Satyrn ähnliche Hufabdrucke, rennen hierhin und dorthin, lauschen, ob irgendwo das Brüllen einer Kuh zu hören sei, entdecken abermals Spuren und stellen fest, dass diese ja rückwärts schauen (103-116). Die Satyrn, höchst agitiert, schliessen aus den Spuren, dass ein δεινὸς κυκησµός, ‘eine entsetzliche Verwirrung’ (123), den Kuhtreiber befallen haben müsse. Ein δεινὸς κυκησµός befällt jedoch insbesondere die Satyrn, so ist es der empörten Reaktion des Silen im unmittelbar Folgenden zu entnehmen. Veranlasst ist die Verwirrung aber nicht durch die Spuren, sondern durch das Objekt, dem die nächste und eigentliche Rätselrateszene gewidmet ist: Eine Lyra erklingt, und die Satyrn erstarren vor Angst: Ihnen sind diese Töne fremd. Der Quelle der Töne gilt ihre weitere Suche, sobald sie sich aus der Angststarre gelöst und Mut gefasst haben. Wenig später treffen sie auf die Nymphe Kyllene. Ihr eigentliches Anliegen (den Verbleib der Rinder) schieben sie explizit auf: für den Augenblick wünschen sie nur zu erfahren, was es mit den Klängen auf sich habe (258-261). In geheimnistuerischer Weise beginnt Kyllene – unter Androhung einer Strafe, so Kunde davon zu Hera gelange (262-266) – preiszugeben, dass sie ein nur sechs Tage altes, wundersames Kind in ihrer Obhut habe, das in beunruhigender Geschwindigkeit heranwachse (274-282). Zuvor noch berichtet sie über die Herkunft des Kindes, das einer heimlichen Liebesaffäre des Zeus mit der Atlas-Tochter Maia entsprungen sei (267-271). Das Kind sei ihr, Kyllene, anvertraut, weil Maia krank im Bett liege (273). Die fraglichen Klänge (hier ausgedrückt mit φθέγµα, ‘Laut’, 284), würden mit einem ‘Instrument’ (µηχανῇ, 284) erzeugt, welches das Kind ‘an einem einzigen Tag’ (ἡµέραι µιᾶι, 285) ‘hergestellt’ habe (ἐµηχ]ανήσατο, 286 [eine Konjektur Hunts]). Auf eine Lücke von ein paar Versen folgt eine lange Stichomythie (298-316) zwischen Kyllene und den Satyrn: Sie gibt ein Rätsel auf; die Satyrn versuchen es zu lösen. Der überlieferte Text setzt mit der ‘Glaubensfrage’ ein – aus der ersten Frage der Satyrn aber geht hervor, dass Kyllene bereits verraten hat, der Ton werde von ‘etwas Totem’ erzeugt: 354

Cf. supra Studien I, S. Ichn., p. 316 n. 16, ferner Kap. 1.1, p. 56-57 mit n. 16.

Rätsel, Rateszenen

433

〈ΚΥ.〉 µὴ νῦν ἀπίστει· πιστὰ γάρ σε προσγελᾷ θεᾶς ἔπη. 〈ΧΟ.〉 καὶ πῶς πίθωµαι τοῦ θανόντος φθέγµα τοιοῦτον βρέµειν; 〈ΚΥ.〉 πιθοῦ· θανὼν γὰρ ἔσχε φωνήν, ζῶν δ’ ἄναυδος ἦν ὁ θήρ. Ky. Sei nicht ungläubig: Vertauenswürdig lächeln dich die Worte der Göttin an. Ch. Und wie sollte ich glauben, dass aus etwas Totem ein solcher Klang erklinge? Ky. Glaub’ mir: Ιm Tod erhielt das Tier eine Stimme, lebend war es stumm. (S. Ichn. 298-300)

Die Satyrn beginnen wild zu spekulieren. Einen ersten Höhepunkt erreicht die Stichomythie, als der running gag vom Mistkäfer vom Ätna zum Einsatz kommt (307).355 Das komme der Lösung am nächsten, verrät Kyllene, um einige Rateversuche später den Namen des Instruments, λύρα, zu enthüllen (312). Im Fortgang der Episode lässt sich nun ein zweiter Aspekt greifen, der die Verwendung des Rätselmotivs im Satyrspiel auszeichnen könnte. Bislang haben wir besonders die Komik der ungelenk ratenden Satyrn und die Möglichkeiten, in der entstehenden Aufregung dionysische Zustände zu thematisieren, herausgestrichen. Der Wortlaut von Ichn. 329-331 könnte nun auch spezifischer auf die dionysischen Mysterien hinweisen und damit auf eine religiöse Funktion des Rätselmotivs deuten: Unmittelbar nachdem sie das Rätsel gelöst haben, lassen sich die Satyrn zu ein paar blumigen Versen hinreissen, in welchen sie das zunächst rein akustische Erlebnis mit Worten in ein optisches (πρεπτά, ‘leuchtend’ und φάσµατα, wörtl. ‘Erscheinungen’) übersetzen: 〈×〉οψάλακτός̣ τις ὀµφὴ κατοιχνεῖ τόπου,356 πρεπτὰ 〈–〉 δὴ̣ τ̣όνου φάσµατ’ ἔγ̣χωρ’ ἐπανθεµίζει. Den Saiten entstiegen, legt sich ein Lied über die Flur, hell leuchtend breiten sich Tongebilde wie Blumen über diesen Ort. (S. Ichn. 329-331; Übersetzung: Scheurer/Bielfeldt in KPS 306)

Bemerkenswert ist die Wahl des Begriffs φάσµατα, der in der Sprache der Mysterien beheimatet ist, und dort dasjenige bezeichnet, was während der Mysterienfeier enthüllt und von den Mysten geschaut wird.357 Diese Begriffswahl ist eines von zahlreichen Indizien dafür, dass hier mit der rituellen Struktur der Mysterienweihe operiert wird. So findet Handlungs- oder vielmehr Erlebnis-Sequenz 355

Cf. s.v. Mistkäfer. Zum Problem des Silbenausfalls am Versanfang (〈×〉οψάλακτός̣) cf. ibid. n. 65. 357 Cf. e.g. Pl. Phdr. 250c3 und dazu Riedweg 1987, 55: “Mit φάσµατα (250c3) wird auf den Inhalt der Mysterienschau angespielt, auf das, was der ἱερο-φάντης vorzeigt.” Cf. auch Riedweg 1987, 68; ferner Krummen 2007, 100. 356

434

Studien II

der Satyrn in den Ichneutai etwa eine freilich späte Parallelstelle in Plutarchs fragmentarisch erhaltenem Traktat Über die Seele, die Seele des Sterbenden mit dem Initianden verglichen, der in die ‘Grossen Mysterien’ initiiert wird:358 πλάναι τὰ πρῶτα | καὶ περιδροµαὶ κοπώδεις καὶ διὰ σκότους τινὲς ὕποπτοι | πορεῖαι καὶ ἀτέλεστοι, εἶτα πρὸ τοῦ τέλους αὐτοῦ τὰ δεινὰ | πάντα, φρίκη καὶ τρόµος καὶ ἱδρὼς καὶ θάµβος· ἐκ δὲ | τούτου φῶς τι θαυµάσιον ἀπήντησεν καὶ τόποι καθαροὶ | καὶ λειµῶνες ἐδέξαντο, φωνὰς καὶ χορείας καὶ σεµνότητας | ἀκουσµάτων ἱερῶν καὶ φασµάτων ἁγίων ἔχοντες· … Am Anfang sind die Wanderungen, das ermüdende Herumlaufen, hierhin und dorthin, argwöhnische und ziellose Reisen durch die Dunkelheit, und dann, unmittelbar vor dem Ziel, jeder erdenkliche Schrecken: Zittern und Schlottern, Schweissausbrüche und Verblüffung. Danach aber begegnet (dem Wandernden) ein wunderbares Licht, und ihn heissen reine Felder und Wiesen willkommen, die Stimmen und Tanzen und die Feierlichkeit sakraler Klänge und heiliger Visionen beherbergen. (Plu. Über die Seele F 178.7-13 )

Die Analogien sind offensichtlich: Wie der Initiand laufen auch die Satyrn zu Beginn der Ichneutai ziellos und in heilloser Verwirrung umher; sie zeigen Symptome der Angst und des Schreckens und sind noch im Zustand der Ungläubigen.359 Wie auf den Initianden warten auf sie am neuen Ort (S. Ichn. 329: τόπου; Plu. F 178.11: τόποι), der in der blühenden Natur liegt (S. Ichn. 330: ἐπανθεµίζει; Plu. F 178.11-12: τόποι καθαροὶ καὶ λειµῶνες), leuchtende Erscheinungen (S. Ichn. 330: πρεπτὰ … φάσµατ(α); Plu. F 178.13: φασµάτων ἁγίων ἔχοντες und bereits φῶς τι θαυµάσιον), begleitet von wunderbaren Klängen (S. Ichn. 329-330 (〈×〉οψάλακτός̣ τις ὀµφὴ … τόνου; Plu. F 178.12-13: φωνάς; ἀκουσµάτων ἱερῶν) und Tänzen (Plu. F 178.12: χορείας).360 Haben wir uns hier über die Stichomythie der Ichneutai und die Szenen, die zu ihr hinführen, dem naturgemäss nur schwer zu erschliessenden Paradigma der Initiation in die Mysterien und der dabei vermutlich stattfindenden Enthüllung heiliger Objekte genähert, so finden wir in George Thomsons Aeschylus and Athens den umgekehrten Weg vorgeprägt. Thomson macht seine Theorie, dass die Tragödie Relikte des dionysischen Thiasosrituals aufweise (das seinerseits in der Initiation wurzle), unter anderem am Phänomen der Stichomythie fest. Die 358 Τελευτᾶν, ‘sterben’ und τελεῖσθαι, ‘initiiert werden’ werden dabei in eine etymologische und in eine semantische Relation gebracht, cf. Plu. F 178.6-7. 359 Kyllene fordert die Satyrn in S. Ichn. 298 auf: µὴ νῦν ἀπίστει. Plutarch betont im Fortgang des hier zitierten Fragments die Differenz der Initiierten zu den Uneingeweihten, die im Zustand der Ungläubigkeit (ἀπιστίᾳ, Plu. F 178.19) verharren. 360 Im betreffenden Passus der Ichneutai gibt es keinen expliziten Hinweis auf Tanzen; er ist jedoch Teil eines Chorlieds. Die Satyrn sind mit Sicherheit im Tanzen begriffen.

Rätsel, Rateszenen

435

rätselhafte Sprache und strenge Form der Stichomythie gerade der frühen Tragödien führt er, wie auch die in diversen Kontexten (insbesondere beim Symposion) beliebte Beschäftigung, einander Rätsel aufzugeben, auf den Initiationskatechismus zurück, der zum Ziel hatte, die Novizen auf ihre Kenntnis mystischer Symbole hin zu befragen und zu prüfen.361 Ebenso leitet er das Phänomen der tragischen Anagnorisis von der Enthüllung kultischer Gegenstände während der Initiation her. Thomson versäumt es dabei, das Satyrspiel zu beachten, wo sich, gemessen an der Überlieferungsarmut der Gattung, signifikant gehäuft Belege362 vergleichbarer Handlungssequenzen finden liessen.363 Was aber mag die dramatische Funktion des Motivs gewesen sein? Offensichtlich bot sie den eigentlichen Protagonisten des Genres, dem Silen und den Satyrn, die Möglichkeit, ihre Phantasie und ihren Witz, ihre Gestik und ihre Tänze, ihren Wahnsinn und ihre Leidenschaften zu präsentieren und zu entfalten. Die revelatorische Bewegung, die den meisten Rätselrateszenen zugrundeliegt, verlief vielleicht nicht selten parallel zu der allmählichen Enthüllung der eigentlich dionysischen Natur der Stücke.

361

Thomson 21946, 189-191. Zur ‘Rätselhaftigkeit’ der Mysterien- wie der Tragödientexte: Schlesier 1995b. 362 Spuren von Stichomythien, in denen Kulturgüter vel sim. erklärt oder eingeführt, oder in denen Geheimnisse gelüftet werden, finden wir, neben den in diesem Kapitel besprochenen Stellen etwa auch in Aischylos’ ‘Dike-Drama’, inc. F 281a.14-25, wo die Satyrn Dike über ihr Amt und die Instrumente ausfragen, derer sie bei dessen Ausübung bedarf, cf. s.v. Buchstaben, p. 358-360. – Die Sprecher der stichomythischen Partie von Aischylos’ Dikt. **F 46a rätseln über den Gegenstand, der im Meer treibt (‘ein Walfisch, ein Haifisch oder … ein Geschenk des Meeres …’), erkennbar ist weiter der aufgeregte Ruf um Hilfe an alle Leute in der Umgebung (von dem **F 46c einen weiteren Teil bewahrt); cf. dazu supra Studien I, A. Dikt. – Die Satyrn im Kyklops (441-465) versuchen die Tötungsart zu erraten, mit der Odysseus den Kyklopen bezwingen will und bekunden ihre helle und rasende Freude, als er vom Blendungs-mechanema erzählt, cf. zu dieser Szene bes. supra Kap. 7.4.3. – Initiationskatechetischen Charakter (wenn auch in komisch verzerrter Weise) hat im Kyklops natürlich insbesondere die lange, ins ‘Symposion’ von Odysseus, Polyphem und dem Silen eingebettete Stichomythie über Dionysos, den Wein und seine richtige Konsumation; cf. dazu Seaford 1981 und 1984; Collins 2004, 44-60; supra Kap. 4.1.1, p. 121-125. 363 Diese Lücke bemerkt als erster Seaford 1976b, 216-219; cf. Seaford 1981, 271; Seaford 1984, 41-42. Collins 2004 verbindet die Phänomene Rätselrateszenen, Stichomythie, tragischer Anagnorisis, σκώµµατα, skolia etc. zu einer Theorie der ‘poetic competition’, vide supra in Kap. 4.1.1, p. 124-125 n. 44.

436

Studien II

* Sexualität Literatur: KPS ‘Motive’, 667; Voelke 2001, 201-259; Hall 1998, 2006b. Ferner: Voelke 1995; Lissarrague 1987c; 1990b.

* Sklaverei Literatur zum Thema der Sklaverei/Gefangenschaft: Cf. e.g. Robert 1912b, 550553; Guggisberg 1947, 60-63; Fischer 1958, 4-27; Sutton 1980a, 147-148; Seaford 1984, 33-36; KPS ‘Motive’, 666; Voelke 2001, bes. Kap. 3.4; Griffith 2002; Griffith 2005b; Lämmle, “Das Satyrspiel” in HAS; supra p. 97, 114-115, 206, Kap. 5.1.1, Kap. 7.4, p. 310-311, 380 (s.v. Figurendopplung), p. 403.

Tiere Viel ist im Satyrspiel von Tieren die Rede.364 Ein Grund hierfür liegt sicher darin, dass die Satyrn eigentlich an den Rändern zivilisierter Gegenden und in der freien Natur beheimatet sind, und Tiere somit in ihre Sphäre und in ihren Erfahrungshorizont gehören.365 Als der Silen in Aischylos’ Diktyulkoi etwa um Danaë wirbt und sich zu diesem Zwecke auch die Gunst ihres Söhnchens Perseus sichern will, stellt er dem Kleinen ein Leben in seinen ‘erzieherischen Händen’366 in Aussicht, bei dem man nicht nur im Elternbett übernachten darf,367 sondern sich auch am ‘Mardern, 364

Cf. Voelke 2001, Kap. 3.1: Entre humain et animal. Cf. auch, zu Vergleichen mit Tieren, Carden 1974, 68: “… it is fair to say that these (sc. animal comparisons) are bizarre, and perhaps a recurring feature in satyr-plays …”. 365 Selbst wenn sie sich nicht in der von Menschen unberührten Natur befinden, spielen Tiere eine grosse Rolle im Dunstkreis der Satyrn. So etwa im Inachos, wo ja die Königstochter Io von einem Gast des Hauses in eine Kuh verwandelt wird. Ios Verwandlung in eine Kuh steht gewiss im Zentrum des Stücks (cf. **F 269a.32-45, **F 269c.9, 13, *F 279, F 280). Im Inachos werden auch die Spinne, die Schildkröte, der Fuchs, die Löwin (?) erwähnt oder für Vergleiche bemüht (Erwähnung einer Spinne: *F 269c.41: φαλαγγ[; cf. Pfeifer 1938, 48-49; Carden 1974, 91 ad loc.; cf. ferner die Spinnweben in F 286: πάντα δ’ ἐρίθων ἀραχνᾶν βρίθει; Vergleich mit einer Schildkröte (vermutlich innerhalb der Beschreibung von Ios Verwandlung in eine Kuh, cf. Pfeiffer 1958, 33-37; Carden 1974, 67; contra: Luppe 1976): *F 279: τραχὺς ᾧ χελώνης κέρχνος ἐξανίσταται; Vergleich mit einem Fuchs: F 293 (ἀλωπός); Vergleich mit oder Erwähnung einer Löwin (oder einer Sphinx): **F 269a.42 (γυνὴ λέαινα, cf. den Überblick über die verschiedenen Interpretationen dieser Stelle bei Heynen/Krumeich in KPS 323 n. 40). 366 A. Dikt. 47a.806-807. 367 A. Dikt. F 47a.810-811.

Tiere

437

Hirschkälbern und jungen Stachelschweinen freuen’ kann (τέρψηι δ’ ἴκτ̣ισι κα[ὶ] ν̣ε̣βρο̣[ῖς / ὑστρίχων τ’ ὀβρί̣χοι̣σ̣[ι], F 47a.808-809). Dass der Silen den Kleinen als ‘das Küken’ (ὁ νεοσσός, F 47a.795) bezeichnet, fügt sich stimmig in dieses Ambiente. Von grösserer Relevanz scheint ein anderer Aspekt des Tier-Motivs zu sein: Der Satyr/Silen ist mit seinen Equiden-Attributen – Pferdeohren und Pferdeschweif, Hufen368 etc. – ein halb-tierisches, hybrides Wesen.369 Seine Affinität zu Tieren ist also auch intrinsischer Art. Die Tierhaftigkeit der Satyrn/Silene manifestiert sich nicht nur in anatomischer Hinsicht, sondern auch im zügellosen und ungehemmten Umgang mit sexuellen Trieben sowie ganz allgemein in der Gestik und im Bewegungsverhalten. Der Satyr/Silen ist zwar ein Biped, in der Regel aber steht nur sein auffälligstes anatomisches Attribut aufrecht – derweil er selbst kauert, kuscht, kriecht und auf allen Vieren geht. Er zeigt ein Bewegungsverhalten, das jenem des klassisch-idealen attischen Bürgers diametral entgegensteht und ihn der Lächerlichkeit preisgibt.370 Das Lachen über die Satyrn/Silene verdankt sich nicht zuletzt ihrem ambivalenten ontologischen Status. Dass es sich bei der Fähigkeit zu lachen um eine differentia specifica des Menschen handelt, ist eine Weisheit, die mindestens so alt ist wie Aristoteles (PA 673a8: τὸ µόνον γελᾶν τῶν ζῴων ἄνθρωπον); ebenso selbstverständlich kann man mit Henri Bergson davon ausgehen, dass der Mensch auch das einzige Tier ist, das lachen macht. “Es gibt keine Komik ausser in der menschlichen Sphäre” heisst es bei ihm, und weiter: “Man lacht wohl über ein Tier, aber nur, weil man eine menschliche Gebärde oder einen menschlichen Ausdruck an ihm entdeckt hat” (Bergson 1914, 6).371 Auf die Satyrn/Silene übertragen heisst das: Lachen, das aufgrund der Affinität des Satyrn/Silen zum Tier entsteht, ist eines auf Kosten des (Halb-)Menschen. Wir haben im Zusammenhang des Prinzips der inkludierenden Exklusion dafür argumentiert, dass das lächerliche Potential des Satyrn im Sichtbarmachen dessen besteht, was beim zivilisierten Menschen effizient unterdrückt ist – und zum Unterdrückten gehören wesentlich die ungehemmten, tierhaften Impulshandlungen der Satyrn. Die lachhafte Bewegung und Haltung der Satyrn/Silene, in der Ikonographie omnipräsent,372 lässt sich für das Satyrspiel naturgemäss selten nachweisen. Nur selten wird in den Texten explizit auf die tierhafte Haltung der Satyrn hingewie368

Satyrn mit Hufen sind allerdings erst in hellenistischer und römischer Zeit öfters zu sehen, und zwar in Angleichung an die Pane: Lissarrague 1988, 336. 369 Grundlegend zur halbtierischen Figuration der Satyrn: Lissarrague 1988 und 1997; Voelke 2001, 54-61. – Zur graduellen Vermenschlichung/Verbürgerlichung der ursprünglich sehr tierhaften Satyrn zwischen 6. und 3. Jh. v.Chr.: e.g. Seaford 1984, 31; Krumeich in KPS 65-69 mit weiterer Literatur; Isler-Kerényi 2004; cf. supra Kap. 4.3.1, p. 150-151. 370 E.g. Lissarrague 1988, 336. 371 Cf. Ritter 1940, 62, 66-69, 75, 78, 83 u.ö. 372 Lissarrague 1988; 1993; 1997.

438

Studien II

sen. Am ausführlichsten aber geschieht dies in der Schimpftirade des Silen in den Ichneutai (124-135 etc.).373 Aus diesen Versen lässt sich zunächst erkennen, dass die Satyrn in dieser Szene am Boden liegen (κεκλιµ[ένος] … πρὸς γῆι – ‘liegend … am Boden’, 125-126). Zwei Vergleiche mit Tieren geben dem Rezipienten eine Idee davon, wie ein Satyr am Boden liegt: [ἐ]χῖνος ὥς τις ἐν λόχµηι κεῖσαι πεσών, ‘wie ein Igel im Gebüsch liegst du da, hingefallen’ (Ichn. 127), i.e. zusammengerollt;374 explizit heisst es dann: [ἤ] τις πίθηκος̣ κύβδ’ ἀποθυµαίνεις τινί – ‘(oder) wie ein Affe furzt du, steissüber, einen an’ (Ichn. 128). Hierin zeigt sich, dass nicht nur Pferd und Esel,375 denen der Satyr/Silen anatomisch am nächsten steht, sondern auch andere Tiere mit den Satyrn in Analogieverhältnisse gebracht werden. Neben Igel und Affe376 finden sich in den Texten die Vergleiche von Satyr und Schwan,377 Satyrn und Mäusen,378 Satyr und Eule,379 Satyr und Bock,380 Satyr und Motte,381 Satyrn und Hunden382 bzw. Hün-

373

Cf. supra Kap. 6.1. Diverse antike Autoren attestieren dem Igel die Eigenschaft, sich zur Kugel zu rollen; cf. die Stellen bei Voelke 2001, 59 mit n. 9. 375 Zur Beziehung von Satyr und ‘équidé’: Voelke 2001, 53-54. – Zur in der Ikonographie häufigen Satyr-Namen ‘Hippos’, ‘Hippaios’, ‘Phlebippos’, ‘Stusippos’ vel sim.: KossatzDeissmann 1992, 155, 166, 173. – Zum Verhältnis von Satyrn und Eseln: Es gehört zu den bewährten Strategien visueller Komik, Satyrn/Silene in der mit Eseln zu parallelisieren, (partiell) zu identifizieren oder auszutauschen, etwa, indem ein Satyr/Silen einen Esel auf dem Buckel trägt. Cf. e.g. Simon 1997a, 1117 Nr. 59*: attisch schwarzfigurige Lekythos, Paris, Louvre CA 1730, der zwei Satyrn zeigt, die je einen ithyphallischen Esel auf dem Rücken zu schleppen versuchen; Hoffmann 1983, 66 Abb. 6, cf. auch 61 (über Esel, die Satyrn tragen und Satyrn, die Esel tragen und die entsprechenden Bilder); Lissarrague 1988, 339 Abb. 2a-c; Lissarrague 1990b; Padgett 2000. – Zu Bildern von Satyrn, die an der Stelle von Eseln (oder Pferden) Wagen in die Gigantomachie ziehen: supra p. 184 mit n. 138, p. 165 mit n. 33. – Satyrn und Esel im Satyrspiel: S. Kophoi F 362. In den zu diesem Fragment versammelten Textn wird der Mythos referiert, den Sophokles in den Kophoi verarbeitet habe: Als die Menschen Prometheus für seinen Feuerdiebstahl bei Zeus verraten, schenkt dieser ihnen zum Dank ein Mittel gegen das Altern. Das Mittel wird einem Esel aufgeladen. Der Esel wird von schrecklichem Durst geplagt, gelangt zu einer Quelle, die von einer Schlange bewacht wird, und tauscht das Mittel gegen einen Trank ein. In demselben Stück findet sich nota bene die Bezeichnung einer Assel als ‘bohnengleicher Esel’ (S. Kophoi F 363). 376 Zum fast durchweg negativ (als hässlich, dumm, feige, angeberisch, heuchlerisch, nichtsnutzig, fress- und weinfixiert, unüberlegt nachahmend und vor allem: lächerlich) konnotierten Affen in der antiken Literatur: Lissarrague 1997, 457-462. 377 Pratin. inc. F 3.3-4: οἷά τε κύκνον ἄγοντα ποικιλόπτερον µέλος. 378 A. Isth. **F 78a.29: … µύουρα καὶ βραχέα τὰ̣̣ φ̣̣[αλλί]α. 379 A. Isth. F 79. 380 Vide infra p. 440. 381 A. Prom.P. (?) inc. F 288: δέδοικα µῶρον κάρτα πυραύστου µόρον. 374

Tiere

439

dinnen,383 Satyr und Assel (?),384 Satyrn und jungem Vieh,385 Silen (?) und Kleinkrabbe;386 Silen und Vogel.387 Ausserdem finden wir diverse Stellen, an dem die Satyrn mit den allgemein gehaltenen Bezeichnungen κνώδαλα388 oder θῆρες389 bezeichnet oder adressiert werden. 382

Als Hunde bzw. Hündinnen (cf. folgende n.) gebärden sich die Satyrn den Ichneutai, wo sie die gestohlenen Kühe aufzuspüren haben. Cf. e.g. Ichn. 172-173 (Silen zu den Satyrn): ἐγὼ πα[ρ]ὼν αὐτός σε προσ̣βιβῶ λόγωι, / κυν̣ο̣ρ̣τικὸ̣ν σύριγµα διακαλούµεν[ος, oder die Namen in den V. 183 (ὁ Δ∆ρ̣ά̣κις, ὁ Γράπις), 184 (Οὐρίας), 189 (Στράτι̣ο̣ς̣) sowie 194 (mit der Konjektur von Robert 1912b, 548-549: ὁ Τρέ[χις), bei denen es sich um Hundenamen handeln könnte. Diskussion bei Maltese 1982, 82-85 und Turner (wie in der folgenden n.); Zagagi 1999, 207. Allgemein zu den Satyrn als Hunden in den Ichneutai: Robert 1912b, 542; Walton 1935; Zagagi 1999, 188-189. 383 Turner 1988, 156 weist daraufhin, dass ein Athener Publikum mit Jagdhündinnen gerechnet haben muss; was erklären könnte, warum die in Frage stehenden Namen teils weiblich und mit männlichem Artikel versehen (e.g. ὁ Δ∆ρ̣ά̣κις, ὁ Γράπις) sind; dies wiederum wird einen komischen Effekt gehabt haben. 384 S. Kophoi F 363: × – κυλισθεὶς ὥς τις ὄνος ἰσόσπριος – ‘eingerollt wie ein bohnengleicher Esel’. Der Vers ist in einem Scholion zu Apollonios Rhodios überliefert; sowohl der Scholiast als auch Hesych (ο 917 s.v.) und Photios s.v. glossieren den ὄνος ἰσόσπριος, den ‘bohnengleichen Esel’, als ein vielfüssiges Insekt, das zusammengerollt wie eine Bohne aussieht (i.e. eine ‘wood-louse’ [dt. Landassel] gemäss LSJ). Ich vermute, dass dieser Vergleich auf die (Tanz-)Pose eines Satyrn abzielt. 385 E. Cyc. 27-28 (implizit): παῖδες µὲν οὖν µοι κλειτύων ἐν ἐσχάτοις / νέµουσι µῆλα νέα νέοι πεφυκότες. Mit diesen Versen, insbesondere der Wortfuge νέα νέοι, suggeriert der Silen im Kyklops, dass die Satyrn kaum vom Vieh zu unterscheiden sind, das sie zu weiden haben. Die Bezeichnung der µῆλα als νέα (Cyc. 28) stellt sich aber nur wenig später als völlig unpassend heraus, die Satyrn weiden nämlich explizit die älteren Tiere: In der Parodos mahnen sie zunächst den Leithammel der Jungtiere wegen zur Eile (cf. bes. Cyc. 48), danach die Muttertiere, cf. Cyc. 55-62). Die Juxtaposition identischer oder ähnlicher Wörter, wie sie mit νέα νέοι vorliegt, ist freilich für Euripides insgesamt charakteristisch; cf. Seaford 1984 ad Cyc. 28 und sein Referat der in diesem Zusammenhang relevanten Kategorien von Wiederholungsfiguren nach Fehling 1969. Mit dieser Form von Stilfigur könne bei Euripides ein “logical link (e.g. Alc. 799 …)”, “a mutual relationship (e.g. Ba. 470)”, ein Paradoxon (e.g. IA 466) ausgedrückt werden; bisweilen habe die Wiederholung aber schlicht einen intensivierenden Zweck (e.g. Ba. 160-161); in diese letztere Kategorie falle νέα νέοι. Die Beteuerung des jungen Alters der Schafe habe nämlich etwas Arbiträres an sich und sei mit HF 126-128; Alc. 471 (mit Dale 1954 ad loc.), Ion 712 oder S. Ichn. 359 : ]ων ἐν νέῳ νέον λόγον vergleichbar. Das greift m.E. zu kurz: Die Junktur sorgt nicht für eine willkürliche Betonung des ‘Jung-Seins’, sondern verleiht der topischen ‘Identitätsbehauptung’ prägnanten Ausdruck. 386 Sc. als πινοτήρης in S. Amphiareos F 113; cf. supra s.v. Prophetie. 387 E. Cyc. 433-434: ὥσπερ πρὸς ἰξῷ τῇ κύλικι λεληµµένος / πτέρυγας ἀλύει. 388 A. Amymone F 15; A. Dikt. F 47a.775. 389 S. Ichn. 147: κάκιστα θηρῶν; 153: ὦ κάκιστα θηρίων; 221: θῆρες (cf. auch im folgenden Vers 222 das Adjektiv ἔν̣[θ]ηρο̣ν zum Hügel, den die Satyrn gerade stürmen);

440

Studien II

An vier Stellen im erhaltenen Satyrspiel schliesslich ist von τράγος resp. τράγοι, ‘Bock’ oder ‘Böcken’, die Rede, zweimal sicher und einmal sehr wahrscheinlich in einem Vergleich mit Silen und/oder Satyrn: In Aischylos’ Prometheus Pyrkaeus/Pyrphoros wird ein Satyr als Bock angeredet und vor den Gefahren des Feuers gewarnt, das er zu küssen beabsichtigt: ΠΡΟΜ. (ad Satyrum flammam primitus visam osculaturum) τράγος γένειον ἆρα πενθήσεις σύ γε. Bock, gleich trauerst du deinem Bart nach. (A. Prom.P. **F 207)

In den Ichneutai vergleicht eine empörte Kyllene den Satyrn mit einem Bock, der sie, mitten im Gespräch, sexuell zu belästigen versucht: ἀ[λλ’] αἰὲν εἶ σὺ παῖς· νέος γὰρ ὢν ἀνὴρ π[ώγ]ωνι θάλλων ὡς τράγος κνηκῶι390 χλιδᾶις· Aber du bist und bleibst ein Kind, auch wenn du schon ein junger Mann bist, dem der blonde Bart spriesst (S. Ichn. 366-367).

Die Beschimpfung als ‘Karische Böcke’ in Sophokles’ Salmoneus (F 540: Καρικοὶ τράγοι) könnte gegen die Satyrn gerichtet sein.391 Zu diesen Stellen hinzu kommt die bereits ausführlich diskutierte Klage der Satyrn, den Pelz eines Bockes tragen zu müssen (E. Cyc. 80). Festzuhalten ist damit, dass der Bock dasjenige Tier ist, mit dem die Satyrn am häufigsten in Beziehung gesetzt oder verglichen werden. Das ist kein unbedeutendes Argument in der schwierigen Frage nach der Etymologie der τραγῳδία als eines ‘Bocksgesangs’.392

E. Cyc. 624: θῆρες. Cf. ferner A. dub. **F 451 l.15: θῆρες ο̣̣ιδ (dieses fragmentum incertum wies Mette 1955, 399 dem Satyrspiel zu, das der aischyleischen Achilleis angehört haben muss; als Titel für das Satyrdrama konjizierte er ‘Alexandros’; cf. Wessels/Krumeich in KPS 203-204 mit der weiteren Literatur). 390 Κνηκῶι (statt κνήκωι, Radt): Wilamowitz; Degani 1991, 98-99; cf. Diggle 1996, 14 ad loc., der eine Reihe von Stellen – angefangen bei Thespis TrGF 1 inc. F 4.2 – nennt, in denen das Adjektiv κνηκός (in einer Mehrheit der Fälle in der dorischen Form κνακός) auf τράγοι bezogen wird. 391 Cf. Scheurer/Bielfeldt in KPS 387 und die ibid. n. 30 genannte Literatur für diese These. Freilich ist zu bedenken, dass es im Kyklops die Satyrn sind, die ihre ‘Mitspieler’ – Odysseus und seine Gefährten – implicite als Karer bezeichnet; cf. dazu supra p. 215. 392 Pace Brommer 1937a, 38-39. Cf. supra Kap. 3.2.1, p. 101.

Weinmischen

441

* Unterwelt Zum Thema Unterwelt, das die Motive ‘anodos aus der Unterwelt’; ‘Tod’, ‘Kampf mit dem Tod’, ‘Überlistung des Todes’ etc. umfasst: Guggisberg 1947, 69-70; Seaford 1980, 29; Seaford 1984, 37-38; West 1984; KPS ‘Motive’, 667; vide supra Studien I, S. Ina. (Stellenangaben zum Satyrspiel: ibid. p. 325 n. 40). Zur Ikonographie der anodos aus der Unterwelt: Bérard 1974.

Weinmischen An einer Stelle in der Poetik setzt sich Aristoteles mit dem richtigen und natürlichen Sprachgebrauch in der Dichtung auseinander; er führt als Beispiel den Sprach-Usus (τὸ ἔθος τῆς λέξεως) an, das Wein/Wasser-Mischgetränk schlicht ‘Wein’ zu nennen (τὸν κεκραµένον οἶνόν φασιν εἶναι, Po. 1461a27-28). Um so mehr fällt daher auf, wie häufig das Satyrspiel, wenn es um Wein geht, auch seine Mischung mit Wasser zum Thema macht.393 Das zeigt sich nicht nur bei den beiden Kyklops-Satyrspielen – des Aristias (F 4) bzw. des Euripides –, die auf einem Stoff basieren, in dem das Motiv angelegt ist.394 Wein mischt und über gemischten Wein spricht man auch in Sophokles’ Poimenes,395 in Euripides’ Syleus,396 in Achaios’ Aithon397 und in seinem Alkmeon,398 und auch im nachklassischen Satyrspiel, etwa im Hermes des Astydamas399 oder im Menedemos des Lykophron.400 In Kapitel 4.1.1 haben wir bereits auf die elementare Bedeutung des Weinmischens für den Kult und den Mythos des Dionysos hingewiesen und gesehen, 393

Zum Motiv: Seaford 1984 unter ‘Marvellous Inventions and Creations’, 37; Seidensticker in KPS 32, ‘Motive’, 667. 394 Sc. Od. 9.208-211; cf. 9.297. 395 S. *F 510, vide infra. 396 Sofern Steffens Zuweisung von trag. adesp. F 90 (aus Ath. 2.48a) korrekt ist, cf. Pechstein/Krumeich in KPS 464-465 mit n. 21. Dafür, dass Weinmischen (oder NichtMischen) im Syleus thematisiert wurde, spricht auch jener Text, dem wir die Kenntnis des Handlungsverlaufs sowie F 687-691 des Syleus verdanken: Philon von Alexandrias Quod probus omnis liber sit (99-104). In Ph. Prob. 102-103 heisst es von Herakles, er habe ‘viel Wein hervorgeholt, sich hingelegt und ihn in grossen Zügen unverdünnt getrunken’ (πολὺν δ’ οἶνον ἐκφορήσας ἀθρόον εὖ µάλα κατακλιθεὶς ἠκρατίζετο). 397 Achae. Aith. F 9 (via Ath. 10.427c). 398 Achae. Alkmeon F 14 (via Ath. 11.480f). 399 Astyd. II Hermes F 3 (via Ath. 11.496e); cf. Günther/Bielfeldt in KPS 578-579. 400 Lyc. Menedemos F 2. – Cf. schliesslich auch trag. adesp. F 420 (≅ sat. inc. F 40 Steffen; via Plu. Adversus Colotem, mor. 1109e): σύµµικτον ὥστε γλεῦκος αὐλητήριον ‘gemischt wie junger Wein …’ (die Bedeutung von αὐλητήριον ist unsicher, bezeichnet aber evtl. ein Geräusch, siehe Kruschwitz/Lehmann/Schloemann in KPS 634 mit n. 4).

442

Studien II

wie das Motiv der Gattungspoetik dienstbar gemacht wird. Beim Weinmischen handelt es sich um eine Kunst, die Dionysos die Menschen lehrt und die es beim Symposion zu beherrschen gilt. Der Konsum ungemischten Weins wiederum ist für den Menschen eine grosse Gefahr – und ausserdem ein Anzeichen (skythischer) Barbarei und Unkultiviertheit.401 In Euripides’ ‘prosatyrischer’ Tragödie Alkestis beklagt sich der Diener aus dem Hause des Admetos über den unverschämten Herakles, der sich ein Festmahl auftischen lasse und dazu aus einem ‘Efeubecher’ (ποτῆρα … κίσσινον, E. Alc. 756) ‘ziemlich puren’ (εὔζωρον), i.e. ungemischten, Wein trinke: ποτῆρα δ’ †ἐν χείρεσσι† κίσσινον λαβὼν πίνει µελαίνης µητρὸς εὔζωρον µέθυ, ἕως ἐθέρµην’ αὐτὸν ἀµφιβᾶσα φλὸξ οἴνου. στέφει δὲ κρᾶτα µυρσίνης κλάδοις, ἄµουσ’ ὑλακτῶν … Einen Efeubecher nimmt er in die Hand und trinkt den ziemlich puren Saft der schwarzen Mutter, bis ihn die Flamme des Weins rings umgab und erhitzte. Er kränzt sein Haupt mit Zweigen der Myrte, amusisch bellend … (E. Alc. 756-760).

Dies entspricht einer weiteren euripideischen Darstellung des Herakles in einem fragmentum incertum, das Pechstein zum Syleus gruppiert:402 κρέασι βοείοις χλωρὰ σῦκ’ ἐπήσθιεν ἄµουσ’ ὑλακτῶν, ὥστε βαρβάρῳ µαθεῖν. Zum Rindfleisch ass er grüne Feigen und bellte amusisch, selbst ein Barbar hätte das so verstanden (E. inc. F 907).

Zugleich erinnern diese Stellen an den Kyklopen Polyphem im Kyklops, der, nachdem er (gemischten oder ungemischten,403 sicher aber: zuviel und zu star-

401 Cf. supra p. 120 mit n. 35; der Zusammenhang von Skythen und Wein(nicht)mischung dürfte auch in Achaios’ Aithon Erwähnung gefunden haben. Der Text des betreffenden F 9 ist aber verderbt: 〈ΣΑΤ. Α·〉 µῶν Ἁχελῷος ἦν κεκραµένος πολύς; / 〈ΣΑΤ. Β·〉 ἀλλ’ οὐδὲ λεῖξαι τοῦδε τῷ γένει θέµις. / 〈ΣΑΤ. Α·〉 καλῶς µὲν οὖν †ἄγειν σκύθη† πιεῖν. 402 Pechstein 1998, bes. 355-357; ferner Steffen 1971a, 221 mit n. 120 (Hinweis auf Pohlenz 1930, 237 und Pohlenz 21954, 44-45). 403 Vide supra Kap. 4.1.1, p. 117-122.

Weinmischen

443

ken) Wein aus seinem Efeubecher getrunken hat,404 amusisch zu grölen beginnt (ᾄδει δὲ … / ἄµουσ’, Cyc. 425-426). Ungemischter Wein ist sogar für mit allen Wassern gewaschene Thiasoten zuviel des Guten: Denn selbst der Silen sieht, nachdem er einen Schluck unverdünnten Weines gekostet hat,405 aus, als sei er verprügelt worden oder als habe er einen Kreislaufkollaps erlitten.406 Umgekehrt dient die allzu wässrige Mischung oder überhaupt das Element des Wassers als Bild für die Gefährdung des dionysischen Elements: So ist nicht nur das berühmte Kyklops-Fragment des Aristias (F 4) zu verstehen,407 sondern beispielsweise auch Ion Trag. Omph. F 26: οἶνος οὐκ ἔνι / ἐν τῷ σκύφει – ‘es ist kein Wein im Becher’ in Zusammenhang mit F 27: ἔσπεισας· ἀλλὰ πῖθι Πακτωλοῦ ῤοάς – ‘Du hast das Trankopfer gespendet, nun trink von den Fluten des Paktolos.’408 Ein ähnlicher Fall könnte *F 510 von Sophokles’ Poimenes darstellen:409 ἔµισ[γ’] ὅσον δὴ̣̣ [π]ηλὸν ὀργάσαι ..[...]ν. Die Textkonstitution ist bei diesem Fragment nicht ganz unproblematisch; nach der plausiblen Interpretation von Wilamowitz (1926/1962, 411) jedoch handelt es sich dabei um eine Beschwerde über den zu grossen Wasseranteil einer Weinmischung. Der Wein, klage der Sprecher, sei mit so viel Wasser angemischt ‘wie gut und recht ist, wenn man Ziegel streichen will’ (i.e. nicht jedoch, wenn man ihn trinken soll). Auch der enttäuschte Ausruf der Silen im Kyklops, als er die Ankunft der Griechen bemerkt, ist in diesem Kontext zu sehen: Diese bringen ‘leere Körbe’ (τεύχη … κενά, E. Cyc. 88), und, weit schlimmer noch: κρωσσούς θ’ ὑδρηλούς410 – ‘wässrige Wasserkrüge’ (89).411

404

Efeubecher: supra p. 117-118 mit n. 26. E. Cyc. 149-159. 406 Cf. E. Cyc. 226-228 mit Arnott 1972, 28: Polyphem glaubt, der Silen sei ‘verprügelt’ worden, und der Silen macht sich in Cyc. 228 die Doppeldeutigkeit von συγκεκοµµένος zunutze, was sowohl ‘verprügelt’ heissen kann als auch ‘von einer συγκοπή betroffen’ (medizinalsprachlicher terminus technicus). 407 Vide supra Kap. 4.1.1, p. 119-120. 408 Zur Bezeichnung von Wasser durch einen Flussnamen cf. auch Achae. Aith. F 9 (Text supra in n. 401). 409 Zur umstrittenen Gattungszugehörigkeit der Poimenes: supra, Kap. 1.2, p. 71 n. 113. 410 Suttons Argument (1983a), der Silen könne von weitem nicht erkennen, dass die Krüge wässrig seien, scheint mir den Witz der Stelle zu verkennen. Seine Vorschlag, für ὑδρηλούς in Vers 89 ὑδρηρούς zu setzen (was ‘Wasserkrüge und Wasserkrüge’ ergäbe) ändert nichts an meiner Interpretation. 411 Patterson 1898, 360. 405

Bibliographie und Index locorum

Bibliographie Siglen ARV2

BK

CGFP DFA1 DFA2

D./K. DNP

DTC1 DTC2

FCG FGrH

FHG Frisk HAS

J.D. Beazley: Attic Red-Figure Vases, Oxford 21968 (= überarbeitete und stark erweiterte Fassung der gleichnamigen Ausgabe von 1942, die wiederum eine stark erweiterte Fassung von J.D. Beazley, Attische Vasenmaler des rotfigurigen Stils, Tübingen 1925, darstellt). J. Latacz et al. (edd.): Homers Ilias Gesamtkommentar (Basler Kommentar/BK). Auf der Grundlage der Ausgabe von AmeisHentze-Cauer (1868-1913), Berlin/New York 2000C. Austin: Comicorum Graecorum Fragmenta in Papyris reperta, edidit C. A., Berlin/New York 1973. Sir A. Pickard-Cambridge: The Dramatic Festivals of Athens, Oxford 1953. The late Sir A. Pickard-Cambridge: The Dramatic Festivals of Athens, 2nd edition revised with supplement and corrections by J. Gould and D.M. Lewis, Oxford/New York 1988 (Revised 2nd edition Gould/Lewis 1968). H. Diels, W. Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker, Berlin 16 1972. H. Canzik, H. Schneider, M. Landfester (edd.), Der Neue Pauly, Stuttgart 1996- (dt./engl. Online-Version, Brill’s New Pauly, engl. translation ed. By C. Salazar and F.G. Gentry: http://referenceworks.brillonline.com/browse/brill-s-new-pauly [12. 12. 2012]). A. Pickard-Cambridge: Dithyramb, Tragedy and Comedy, Oxford 1927. The late Sir A. Pickard-Cambridge: Dithyramb, Tragedy and Comedy, zweite, von T.B.L. Webster überarbeitete Auflage, Oxford 1962. A. Meineke: Fragmenta Comicorum Graecorum, Berlin 18391857. F. Jacoby et al.: Die Fragmente der griechischen Historiker; hier zitiert nach der Online-Version Brill’s New Jacoby, ed. by I. Worthington (Part I-III ed. by F. Jacoby; Part IV general ed. S. Schorn; Part V general ed. H.-J. Gehrke). C. Müller: Fragmenta Historicorum Graecorum, 5 Bde., Frankfurt 1975 (Originalausgabe: T. Müller, Paris 1841-1870). H. Frisk: Griechisches etymologisches Wörterbuch, 3 Bde., Heidelberg 1960-1991. H. Heinen et al. (edd.): Handwörterbuch der antiken Sklaverei, im Auftrag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur

448

HWP

IG II2

J.-Wils.

K./A. KPS LAW LfgrE LIMC LSJ Musa Tragica

Nauck2

OCD PCG PEG

PMG PMGF

Bibliographie herausgegeben von H.H. in Verbindung mit U. Eigler, P. Gröschler, E. Hermann-Otto, H. von Hesberg, H. Leppin, H.-A. Rupprecht, W. Schmitz, I. Weiler und B. Zimmermann, Redaktion J. Deissler, Stuttgart 2006-. J. Ritter, K. Gründer (edd.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, unter Mitwirkung von mehr als 950 Fachgelehrten. Völlig neubearbeitete Ausgabe des Wörterbuchs der philosophischen Begriffe von R. Eisler, Basel/Stuttgart 1971ff. Inscriptiones Graecae, 2nd ed., Berlin 1913-1929. (Hier zitiert nach The Scholar’s Reference Edition von J. Kirchner (ed.), Inscriptiones Graecae Voluminis II et III editio minor, pars altera. Inscriptiones Atticae Euclidis anno posteriores, Pars altera, fasciculus posterior, Chicago 1974). D.M. Jones, N.G. Wilson: Prolegomena de comoedia. Scholia in Acharnenses, Equites, Nubes (Scholia in Aristophanem 1.2.), Groningen 1969. R. Kassel, C. Austin: Poetae Comici Graeci, 8 vol. (bisher), Berlin/New York 1983-. R. Krumeich, N. Pechstein, B. Seidensticker (edd.): Das griechische Satyrspiel, Darmstadt 1999. Andresen/Erbse et al., C./H.: Lexikon der Alten Welt, 2 Bde., Zürich/Stuttgart 1965. B. Snell et al.: Lexikon des frühgriechischen Epos, 4 Bde., Göttingen 1955-2010. Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae, Zürich/München 1981-2009. H.G. Liddel, R. Scott, H.S. Jones: A Greek English Lexicon, with a revised supplement, Oxford 1996. B. Gauly, L. Käppel, R. Klimek-Winter, H. Krasser, K.-H. Stanzel, V. Uhrmeister: Musa Tragica. Die Griechische Tragödie von Thespis bis Ezechiel. Ausgewählte Zeugnisse und Fragmente in griechisch und deutsch. Unter Mitwirkung von R. Kannicht, Göttingen 1991. A. Nauck: Tragicorum Graecorum Fragmenta, rec., Leipzig 2 1889 (Nachdruck mit einem Supplementum continens nova fragmenta Euripidea et adespota apud scriptores veteres reperta von B. Snell, Hildesheim 1964). S. Hornblower, A. Spawforth: The Oxford Classical Dictionary, third edition revised, Oxford 2003 (11949). Poetae Comici Graeci (vide supra s.v. K./A.). Poetae Epici Graeci Bernabé 1987-, A.: Poetarum epicorum Graecorum testimonia et fragmenta, Leipzig. D.L. Page: Poetae Melici Graeci, Oxford 1962. M. Davies: Poetarum Melicorum Graecorum Fragmenta; Vol. I: Alcman, Stesichorus, Ibycus, post D.L. Page edidit M. D., Oxford 1991.

Bibliographie POxy RE Schmid/Stählin I 2

SH TDA TrGF I

TrGF II

TrGF III TrGF IV

TrGF V.1 TrGF V.2 TrGFS

449

B.P. Grenfell, A.S. Hunt, E. Lobel et al.: The Oxyrhynchus Papyri, London 1898ff. G. Wissowa: Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearb., Stuttgart 1893-1980. W. Schmid, O. Stählin: Geschichte der griechischen Literatur, erster Teil: Die klassische Periode der griechischen Literatur. Von W. S.; Zweiter Band: Die griechische Literatur in der Zeit der attischen Hegemonie vor dem Eingreifen der Sophistik, München 1934. H. Lloyd-Jones, P. Parsons: Supplementum Hellenisticum, Berlin/ New York 1983. A. Pickard-Cambridge: The Theatre of Dionysus in Athens, Oxford 1946. B. Snell, R. Kannicht: Tragicorum Graecorum Fragmenta; Vol. I: Didascaliae tragicae; Catalogi tragicorum et tragoediarum; Testimonia et fragmenta tragicorum minorum. Ed. B. Snell. Ed. correctior et addendis aucta. Curavit R. Kannicht, Göttingen 1986. B. Snell, R. Kannicht: Tragicorum Graecorum Fragmenta; Vol. II: Fragmenta adespota; Testimonia volumini 1 addenda; indices ad volumina 1 et 2. Ed. R. Kannicht, B. Snell, Göttingen 1981 (2., unveränderte Auflage 2007). S. Radt: Tragicorum Graecorum Fragmenta; Vol. III: Aeschylus, Göttingen 1985 (2., unveränderte Auflage 2009). S. Radt, R. Kannicht: Tragicorum Graecorum Fragmenta; Vol IV: Sophocles. Editio correctior et addendis aucta. Ed. S. Radt (F 730 a – g ed. R. Kannicht), Göttingen 1999. R. Kannicht: Tragicorum Graecorum Fragmenta; Vol. V.1: Euripides, Göttingen 2004. Kannicht, R.: Tragicorum Graecorum Fragmenta; Vol. V.2: Euripides, Göttingen 2004. J. Diggle: Tragicorum Graecorum Fragmenta Selecta, Oxford 1998.

Textausgaben, Kommentare, Konkordanzen und Übersetzungen Euripides, Kyklops Diggle 1984, J.: Euripidis Fabulae, Tomus I, Oxford, 1-29. [Wo nicht anders vermerkt, wird der Kyklops nach dieser Edition zitiert]. Ammendola 1952, G.: Euripide, Il Ciclope. Introduzione, testo e commento, Firenze. Biehl 1983, W.: Euripides, Cyclops, Leipzig. Biehl 1986a, W.: Euripides, Kyklops. Erkl. von W. B., Heidelberg. Della Valle 1933, E.: Il Ciclope di Euripide, tradotto in versi italiani con un saggio critico sul dramma, Bari. Dindorf 1869, W.: Euripides fabulae superstites et perditarum fragmenta, Leipzig.

450

Bibliographie

Duchemin 1945, J.: Euripide, Le Cyclope, édition critique et commentée, Paris. Duncan/Duncan 1819, A./J.M.: Euripidis Cyclops, notis Burneii, Musgravii, Barnesii, Beckii aliorumque illustrata, excudebant A. et J. D., Glasgow. Duncan/Duncan 1821, A./J.M. et al.: Euripidis Opera omnia, ex editionibus praestantissimis fideliter recusa, latina interpretatione, scholiis antiquis et eruditorum observationibus, illustrata, necnon indicibus omnigenis instructa, ex Prelo Academico, Cura et Typis A. et J.M. D., 9 vol., Glasgow. Ebener 1980, D.: Euripides Tragödien, 6. Teil, Griechisch und Deutsch, Berlin. de Falco 1935/1936, V.: Euripide, Il Ciclope, con introduzione, commento ed apparato critico, Napoli. Hartung 1852, J.A.: Euripides’ Werke; Vol. 15: Euripides’ Kyklop, griechisch mit metrischer Übersetzung und prüfenden und erklärenden Anmerkungen, Leipzig. Hermann 1838, G.: Euripidis tragoediae; Vol. 2.3: Cyclops, Leipzig. Kirchhoff 1868, A.: Euripidis fabulae; Vol. 3: Ion, Cyclops, Medea, Orestes, Troades, Phoenissae, Anonymi Rhesus, Berlin. Kovacs 1994, D.: Euripides, Cyclops, Alcestis, Medea, Cambridge, MA/London. Long 1891, W.E.: Euripides, Cyclops, edited with introduction and notes, Oxford. Mancini 1928, A.: Euripide, Il Ciclope, con introduzione e commento, Firenze. McHugh/Konstan 2001, H./D.: Euripides, Cyclops, translated by H. M. with introduction and notes by D. K., Oxford. Méridier 1925, L.: Euripide, Tome I: Le Cyclope, Alceste, Médée, Les Héraclides. Texte établi et traduit par L. M., Paris. Murray 1901, G.: Euripidis fabulae, recognovit brevique adnotatione critica instruxit G. M., Vol. I, Oxford. Musgrave 1778, S.: Euripidis quae exstant omnia, 4 vol., Oxford [non vidi]. Napolitano 2003, M.: Euripide, Ciclope, con testo a fronte, a cura di M. N., introduzione di L.E. Rossi, Venezia. Nauck 31871, A.: Euripidis tragoediae, Vol. 2, Leipzig (11854). Paduano 2005, G.: Euripide, Il Ciclope. Introduzione, traduzione e note di G. P., testo greco a fronte, Milano. Paganelli 1981a, L.: Euripidis Cyclopem, cum apparatu critico edidit L. P., Bologna. Paley 1860, F.A.: Euripides, with an English commentary, Vol. 3, London [non vidi]. Patterson 1900, J.: The Cyclops of Euripides, edited with a prefatory essay, rhythmical scheme of the lyric parts, and exegetical and critical notes, London/New York. Romagnoli 1911, E.: Il Ciclope di Euripide con un saggio sul dramma satiresco, Firenze. Seaford 1984, R.A.S.: Euripides Cyclops, with introduction and commentary, Oxford. Sidgwick 1893, A.: Scenes from Euripides. The Cyclops, new edition, London. Taccone 1935, A.: Euripide, Il Ciclope. Versione in prosa, Modena. Ussher 1978, R.G.: Euripides, Cyclops. Introduction and commentary, Roma. Wecklein 1903, N.: Euripides, Kyklops, mit Einleitung und Kommentar, Leipzig/Berlin. Wecklein 21908, N.: Euripidis fabulae, ediderunt R. Prinz et N. W.; Vol. 1.7: Cyclops, iterum edidit N. W., Leipzig. Wilamowitz 51919a: U. von Wilamowitz-Moellendorff, Griechische Tragödien, übers. von U. v.W.-M.; Bd. 3: Euripides, Der Kyklop, Alkestis, Medea, Troerinnen, Berlin. Zanetto 1998, G.: Euripide, Ciclope, Reso, Milano.

Bibliographie

451

Satyrspielfragmentsammlungen Cipolla 2003, P.: Poeti minori del dramma satiresco. Testo critico, traduzione e commento, Amsterdam. Hunt 1912a, A.S.: Tragicorum Graecorum fragmenta papyracea nuper reperta, Oxford. Pozzoli 2004, O.: Eschilo, Sofocle, Euripide: Drammi Satireschi. Premessa di G. Zanetto, introduzione, traduzione e note di O. P., testo greco a fronte, Milano. Steffen 1935, V.: Satyrographorum Graecorum reliquiae, collegit disposuitque praefatione adnotationibusque criticis instruxit V. S., Poznań. Steffen 1952, V.: Satyrographorum Graecorum Fragmenta, collegit, disposuit, adnotationibus criticis instruxit V. S., Poznań.

Aischylos, Fragmente TrGF III: primär verwendete Ausgabe. Cantarella 1948, R.: I Nuovi Frammenti Eschilei di Ossirinco, Napoli. Lloyd-Jones 1957, H.: “Appendix and Addendum”, zu: Weir Smith 1957, 523-603. Lobel 1952, E.: POxy XX, 29-65, no. 2256 (mit Abb. zahlreicher fr. in pl. V-VIII) [editio princeps u.a. von DID C 6 Snell/Kannicht = A. T 70 Radt (= P.Oxy. 2256 fr. 3); ferner von Teilen von Aischylos’ ‘Dike’, sc. A. inc. F 281a Radt (= P.Oxy. 2256 fr. 9a) und A. inc. F 281b Radt (= P.Oxy. 2256 fr. 9b), A. **F 451n Radt (= P.Oxy. 2256 fr. 8) und **F 451s 6, 7, 11, 12 Radt (= P.Oxy. 2256 fr. 6, 7, 11, 12)]. Mette 1939, H.J.: Supplementum Aeschyleum, Berlin. Mette 1949, H.J.: Nachtrag zum Supplementum Aeschyleum, Berlin. Mette 1959, H.J.: Die Fragmente der Tragödien des Aischylos, Berlin. de Pauw 1745, J.C. : Aeschyli Tragoediae superstites, Graeca in eas scholia et deperditarum fragmenta, cum versione Latina et commentario Thomae Stanleii et notis F. Robortelli, A. Turnebi, H. Stephani et G. Canteri; Curante J.C. de P. cuius notae accedunt, Tom. I-II, Hagae Comitum. Sommerstein 2008, A.H.: Aeschylus. Fragments, edited and translated by A.H. S., Cambridge, MA/London, UK. Weir Smith 21957, H.: Aeschylus. Agamemnon, Libation-Bearers, Eumenides, Fragments, with an English translation by H.W.S., Cambridge, MA/London, UK (11926).

Sophokles, Fragmente TrGF IV: primär verwendete Ausgabe. Bothe 1846, F.H.: Sophoclis dramatum fragmenta, Leipzig. Carden 1974, R.: The Papyrus Fragments of Sophocles. An Edition with prolegomena and commentary by R. C., with a contribution by W.S. Barrett, Berlin/New York.

452

Bibliographie

Hunt 1911, A.S.: POxy VIII, 60-71, no. 1083, mit pl. 3 (Abb. von P.Oxy. 1083 fr. 1) [editio princeps von S. **F 1130 Radt aus dem ‘Oineus-Satyrspiel’ ≅ P.Oxy. 1083 fr. 1]. Hunt 1912b, A.S.: POxy IX, 30-86, no. 1174, mit pl. 4 (Abb. von P.Oxy. 1174, cols. iv-v) [editio princeps des ersten – und wesentlichen – Teils der Ichneutai des Sophokles ≅ F 314 + F 314a Radt]. Hunt 1927, A.S.: POxy XVII, 72-73, no. 2081(a) [editio princeps des zweiten Teils des Ichneutai-Funds, mit dem sich P.Oxy. 1174 teilweise komplettieren liess; entspricht S. Ichn. F 314b Radt]. Lloyd-Jones 22003, H.: Sophocles. Fragments, edited and translated by H. L.-J., Cambridge, MA/London (11996). Maltese 1982, E.V.: Sophocles Ichneutae, introduzione, testo critico, interpretazione e commento a cura di E.V.M., Firenze. Pearson 1917, A.C.: The Fragments of Sophocles, edited with additional notes from the papers of Sir R.C. Jebb and Dr W.G. Headlam, 3 vol., Cambridge. Rabe 1892, H.: “Lexicon Messaniense de iota adscripto”, RhM 47: 404-413 [411: S. Dion. F 171]. Robert 1912a, C.: Die Spürhunde. Ein Satyrspiel des Euripides. Für die Aufführung des Lauchstedter Theatervereins frei übersetzt und ergänzt, Berlin. Sommerstein/Fitzpatrick/Tallboy 2006, A.H./D./T.: Sophocles. Selected Fragmentary Plays, Oxford. Turner 1962, E.G.: POxy XXVII, no. 2453 mit pl. 3 [editio princeps von S. **F 1133 Radt, dessen fr. 44 = **F 389a Radt von Manteis oder Polyidos entspricht, und dessen fr. 45 (= F 389b Lloyd-Jones) evtl. demselben Stück angehört].

Euripides, Fragmente TrGF V: primär verwendete Ausgabe. Collard/Cropp 2008a, C./M.: Euripides VII: Fragments. Aegeus-Meleager, edited and translated by C.C. and M.C. Cambridge, MA/London, UK. Collard/Cropp 2008b, C./M.: Euripides VIII: Fragments. Oedipus-Chrysippus, Other Fragments, edited and translated by C.C. and M.C. Cambridge, MA/London, UK. Collard/Cropp/Gibert 2004, C./M.J./J.: Euripides Selected Fragmentary Plays with Introductions, Translations and Commentaries; Vol. II: Philoctetes, Alexandros (with Palamedes and Sisyphus), Oedipus, Andromeda, Hypsipyle, Antiope, Archelaus, Oxford. Collard/Cropp/Lee 1995, C./M.J./K.H.: Euripides Selected Fragmentary Plays with Introductions, Translations and Commentaries; Vol. I: Telephus, Cretans, Stheneboea, Bellerophon, Cresphontes, Erectheus, Phaethon, Wise Melanippe, Captive Melanippe, Warminster. Jouan/Van Looy 1998-2003, F./H.: Euripide Tragédies; Tome VIII: Fragments, texte établi et traduit par F. J. et H. V.L.; 1re partie: Aigeus – Autolykos, Paris 1998; 2e partie: Bellérophon – Protésilas, Paris 2000; 3e partie: Sthénébée – Chrysippos, Paris 2002; 4e partie: Fragments de drames non identifiés, Paris.

Bibliographie

453

Van Looy 1964, H.: Zes verloren tragedies van Euripides. Studie met kritische uitgave en vertaling der fragmenten, Bruxelles.

Tragici minores TrGF I: primär verwendete Ausgabe. von Blumenthal 1939, A.: Ion von Chios. Die Reste seiner Werke, Stuttgart. Collard 1970, C.: “On the Tragedian Chaeremon”, JHS 90: 22-34. Del Rincón Sánchez 2007, F.M.: Trágicos menores del Siglo V A.C. (de Tespis a Neofrón). Estudio filológico y literario. Diss., Madrid. Hurst 2008, A.: Lycophron. Alexandra. Texte établi, traduit et annoté par A. H. en collaboration avec A. Kolde, Paris. Leurini 1992, L.: Ionis Chii Testimonia et Fragmenta, 2. Auflage, Amsterdam.

Fragmenta tragica adespota (Auswahl) TrGF II: hier primär verwendete Ausgabe. Musa Tragica, 240-267, 301-303. trag. adesp. *F 646a Kannicht 2004, R.: “*F 646a” in: Addenda et Corrigenda in Vol. 2 in TrGF V.2, p. 11351137 = hier zitierte Ausgabe. Kramer 1979, B.: “Zwei literarische Papyrusfunde aus der Sammlung Fackelmann”, ZPE 34: 1-21 [P. Fackelmann 5 fr.b; editio princeps von trag. adesp. *F 646a TrGF]. Luppe 1988a, W.: “Zu den Kölner anapästischen Tetrametern [adesp. F 646a]”, ZPE 72: 35-36. Maresch 1987, K.: “242. Anthologie. Anapästische Tetrameter (= TrGF II fr. 646a) und Hexameter (Hymnus an Aphrodite)”, in: M. Gronewald et al. (edd.) Kölner Papyri 6, Opladen, 26-46 [P.Köln 6, 242 fr. A; editio princeps der Ergänzungen des von den Herausgebern der TrGF nach wie vor trag. adesp. *F 646a bezeichneten Texts]. Musa Tragica 251-253, 302 [252: Kannichts neue Bearbeitung von trag. adesp. *F 646a, auf der Basis von P.Köln 6, 242 fr. A, der bei der Edition des Fragments in TrGF II noch nicht vorlag; ferner unter Berücksichtigung der Ergebnisse von Luppe 1988a]. trag. adesp. 655 (Atlas Satyrikos?) TrGF II, p. 231-235 = zitierte Ausgabe. Musa Tragica 257-260, 302-303. Turner 1976, E.G.: “Papyrus Bodmer XXVIII: A Satyr-Play on the Confrontation of Heracles and Atlas”, MH 33: 1-23 [editio princeps; Faksimile zwischen p. 8 und 9]. West 1976, M.L.: “The Asigmatic Atlas”, ZPE 22: 41-42.

454

Bibliographie

Didascaliae Tragicae [DID], Didascaliae dramaticae TrGF I, p. 3-52 = hier primär verwendete Ausgabe; vide supra s.v. Siglen. IG II2: vide supra s.v. Siglen. Capps 1899, E.: “The Catalogues of Victors at the Dionysia and Lenaea, CIA. II 977”, AJPh 20: 388-405. Capps 1900, E.: “Chronological Studies in the Greek Tragic and Comic Poets”, AJPh 21: 38-61. Capps 1904, E.: The Introduction of Comedy into the City Dionysia. A Chronological Study in Greek Literary History (The University of Chicago Investigations Representing the Departments Greek, Latin, Comparative Philology, Classical Archaeology, The Decennial Publications First Series, Vol. VI), Chicago. Capps 1906, E.: “The Roman Fragments of Athenian Comic Didascaliae Found in Rome”, CPh 1: 201-220. Capps 1907, E.: “Epigraphical Problems in the History of Attic Comedy”, AJPh 28: 179199. Capps 1943, E.: “Greek Inscriptions: A New Fragment of the List of Victors at the City Dionysia”, Hesperia 12: 1-11. Körte 1938, A.: “Bruchstücke einer didaskalischen Inschrift”, Hermes 73: 123-127. Meritt 1938, B.D.: “Greek Inscriptions”, Hesperia 7: 77-160. Snell 1966, B.: Zu den Urkunden dramatischer Aufführungen. Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Klasse 2, Göttingen.

Tragödien und Scholien – Texte und Kommentare Aischylos – Droysen 1884, J.G. : Aischylos, vierte umgearbeitete Auflage, Berlin. Fraenkel 1950, E.: Aeschylus, Agamemnon, edited with a commentary by E. F.; Vol. I: Prolegomena, Text and Translation; Vol. II: Commentary on 1-1055; Vol. III: Commentary on 1065-1673, Appendixes, Indexes, Oxford. West 1990, M.L.: Aeschyli Tragoediae cum incerti poetae Prometheo, Stuttgart. Sophokles – Easterling 1982, P.E: Sophocles, Trachiniae, Cambridge et al. Lloyd-Jones/ Wilson 1990, H./N.G.: Sophoclis fabulae, Oxford (repr. 1992). Sophokles, Scholien – de Marco 1952, V.: Scholia in Sophoclis Oedipum Coloneum, Roma. Euripides – Allen/Italie 1954, J.T./G.: A Concordance to Euripides, Berkeley/Los Angeles/London. Barrett 1964, W.S.: Euripides, Hippolytos, edited with introduction and commentary by W.S. B., Oxford. Bond 1963, G.W.: Euripides, Hypsipyle, Oxford. Bond 1981, G.W.: Euripides, Heracles, with introduction and commentary, Oxford. Collard 1971, C.: Supplement to the Allen and Italie Concordance to Euripides, Groningen. Dale 1954, A.M.: Euripides, Alcestis, Oxford. Diggle 1981-1994, J.: Euripidis Fabulae, edidit J. D., 3 Tom., Oxford.

Bibliographie

455

Dodds 21960, E.R.: Euripides, Bacchae, edited with introduction and commentary, Oxford (11944). Griffiths 2006, E.: Euripides, Heracles, London. Kannicht 1969a, R.: Euripides, Helena, Band 1: Text und Einleitung, Heidelberg. Kannicht 1969b, R.: Euripides, Helena, Band 2: Kommentar, Heidelberg. Kyriakou 2006, P.: A Commentary on Euripides’ Iphigenia in Tauris, Berlin/New York. Méridier 1927, L.: Euripide; Tome II: Hippolyte, Andromaque, Hécube. Texte établi et traduit par L. M., Paris. Owen 1939, A.S.: Euripides Ion, edited with introduction and commentary by A.S. O., Oxford. Pellegrino 2004, M.: Euripide, Ione, introduzione, traduzione, commento a cura di M. P., testo greco a fronte, Bari. Seaford 1996a, R.A.S.: Euripides Bacchae, with an introduction, translation and commentary, Warminster. Euripides, Scholien – Schwartz 1887-1891: Scholia in Euripidem, 2 vol., Berlin, 1:1887; 2:1891 (repr. Berlin/New York 1966).

Aristophanes, Stücke und Scholien Austin/Olson 1994, C./S.D.: Aristophanes, Thesmophoriazusae, edited with introduction and commentary, Oxford. Coulon/van Daele 22002, V./H.: Aristophane, texte établi par V. C., traduit par H. van D.; tome 1: Les Acharniens, les cavaliers, les nuées, 2e ed., 14e tirage revu et corrigé, Paris (11923). Dover 1968, K.J.: Aristophanes, Clouds, Oxford. Dover 1993, K.J.: Aristophanes, Frogs, Oxford. Dunbar 1995, N.: Aristophanes, Birds, Oxford. Guidorizzi/Del Corno 1996, G./D.: Aristofane, Le Nuvole, a cura di G. G., introduzione e traduzione di D. D.C., Milano. Hemsterhuis 21811, T.: ΑΡΙΣΤΟΦΑΝΟΥΣ ΠΛΟΥΤΟΣ. Aristophanis Comoedia Plutus. Adiecta sunt scholia vetusta. Recognovit ad veteres membranas, variis lectionibus ac notis instruxit, et scholiastis locupletavit T. H., editio nova appendice aucta, Leipzig. Heubner 1951, H.: Aristophanes, Die Frösche. Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von H. H., Stuttgart. Holwerda 1982, D.: Scholia in Vespas, Pacem, Aves et Lysistratam (Scholia in Aristophanem 2.2.), Groningen. Koster 1975, W.J.W.: Prolegomena de Comoedia. Scholia in Acharnenses, Equites, Nubes; Pars I, Fasc. I A: continens Prolegomena de Comoedia, Groningen. van Leeuwen 1898, J.: Aristophanes, Nubes, cum prolegomenis et commentariis, Leiden. MacDowell 1971, D.M.: Aristophanes, Wasps, edited with introduction and commentary, Oxford. Olson 1998, S.D.: Aristophanes, Peace, edited with introduction and commentary by S.D. O., Oxford.

456

Bibliographie

Olson 2002, S.D.: Aristophanes, Acharnians, edited with introduction and commentary by S.D. O., Oxford. Sommerstein 1982, A.H.: The Comedies of Aristophanes; Vol. 3: Clouds, edited with translation and notes, Warminster. Sommerstein 2001, A.H.: The Comedies of Aristophanes; Vol. 11: Wealth, edited with translation and commentary, Warminster. Starkie 1911, W.J.M.: The Clouds of Aristophanes, with introduction, English prose translation, critical notes, and commentary, including a new transcript of the Scholia in the Codex Venetus Marcianus 474, London (unveränderter Nachdruck Amsterdam 1966).

Komiker-Fragmente PCG ed. K./A. (vide supra s.v. Siglen; hier primär verwendete Ausgabe) CGFP (vide supra s.v. Siglen) Grenfell/Hunt 1904, B.P./A.S.: “Argument of Cratinus’ Δ∆ΙΟΝΥΣΑΛΕΞΑΝΔ∆ΡΟΣ”, in: POxy IV, no. 663, 69-72. Hunter 1983, R.L.: Eubulus, the Fragments, edited with a commentary by R.L. H., Cambridge et al. Kaibel 1899, G.: Comicorum Graecorum Fragmenta, Vol. I.1: Doriensium comoedia mimi phylaces, Berlin. Meineke 1814, A.: Curae criticae in comicorum fragmenta ab Athenaeo servata, Berlin. Meineke 1839-1857, A.: vide supra s.v. Siglen (sc. FCG). Olson 2007, S.D.: Broken Laughter. Select Fragments of Greek Comedy, edited with introduction, commentary, and translation, Oxford. Orth 2009, C.: Strattis, die Fragmente. Ein Kommentar, Berlin. Paley 1892, F.A.: Fragments of the Greek Comic Poets, with renderings in English verse, second edition, London.

Weitere Texte (Auswahl) Apollodor – Dräger 2005, P.: Apollodor, Bibliotheke. Götter- und Heldensagen, herausgegeben, übersetzt und kommentiert von P. D., Düsseldorf/Zürich. Aristoteles – Lucas 1968, D.W.: Aristotle, Poetics, introduction, commentary and appendixes by D.W. L., Oxford. Rose 1886, V.: Aristotelis qui ferebantur librorum fragmenta, Leipzig (repr. Stuttgart 1967). Ross 1959, W.D.: Aristotelis Ars rhetorica, recognovit brevique adnotatione critica instruxit W.D. R., Oxford. Schmitt 2008, A.: Aristoteles, Poetik, übersetzt und erläutert von A. S., Darmstadt. Vogt 1999, S.: Aristoteles, Physiognomonica. Übersetzt und kommentiert von S. V., Darmstadt.

Bibliographie

457

Athenaios – Olsen 2006-2012, S.D.: Athenaeus, The Learned Banqueters, 8 vol., edited and translated by S.D. O., Cambridge, MA. Bakchylides – Maehler 2003, H.: Bacchylides, ed. H. M., Leipzig. Basileios der Grosse – Courtonne 1957-1966, Y.: Saint Basile, Lettres, 3 vol., Paris. Demetrios Lakon – Puglia 1988, E.: Demetrio Lacone. Aporie testuali ed esegetiche in Epicuro (P.Herc 1012), Napoli. Eratosthenes von Kyrene – Geus 2002, K.: Eratosthenes von Kyrene. Studien zur hellenistischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, München. Maass 1883, E.: Analecta Eratosthenica, Berlin. Pàmias 2004, J.: Eratòstenes de Cirene, Catasterismes, introducció, edició crítica, traducció i notes de J. P., Barcelona. Pàmias/Geus 2007, J./K.: Eratosthenes, Sternsagen, herausgegeben, übersetzt und kommentiert von J. P. und K. G., Oberhaid. Robert 1878, C.: Eratosthenis Catasterismorum Reliquiae, Berlin. Euanthius – Cupaiuolo 1979, G.: Evanzio, De Fabula. Introduzione, testo critico, traduzione e note di commento a cura di G. C., Napoli. Hesiod – Hirschberger 2004, M.: Gynaikōn Katalogos und Megalai Ēhoiai. Ein Kommentar zu den Fragmenten zweier hesiodeischer Epen, Leipzig. [H.] Merkelbach/West 1967, R./M.L.: Fragmenta Hesiodea, Oxford. [M./W.] Most 2007, G.W.: Hesiod, The Shield, Catalogue of Women, Other Fragments, edited and translated by G.W. M., Cambridge, MA/London, UK. [M.] West 1978, M.L.: Hesiod, Works and Days, edited with prolegomena and commentary, Oxford. Hesych – Hansen 1953-2009, P.A.: Hesychii Alexandrini Lexicon, editionem post Kurt Latte continuans recensuit et emendavit P.A. H.; Vol. I: Α-Δ∆ (1953), Vol. II: Ε-Ο (1966), Vol. III: Π-Σ (2005), Vol. IV (recenserunt et emendaverunt P.A. H. et I.C. Cunningham): Τ-ΩΩ (2009), Berlin/New York. Homer – Allen 1917, T.W.: Homeri Opera, recognovit brevique adnotatione critica instruxit T.W. A., Oxford o.J. [Allens jeweils jüngste Ausgabe von Ilias und Odyssee wird hier grundsätzlich verwendet. Einzig für die Ilias greife ich für die Bände, die in der Reihe schon vorliegen, auf den BK zurück, mit dem Text von M.L. West und den Übersetzungen von J. Latacz]. Heubeck/Hoekstra 1989, A./A.: A Commentary on Homer’s Odyssey; Vol. II: Books IX-XVI, Oxford. Schadewaldt 1958, W.: Homer, Die Odyssee. Deutsch von W. S., Reinbeck bei Hamburg, hier zitiert nach der Neuausgabe von 1999. Schadewaldt 1975, W.: Homer, Ilias. Deutsche Übersetzung, Frankfurt a.M. Stoevesandt 2008, M.: BK IV. 6. Gesang; Faszikel 2: Kommentar, Berlin/New York. Homerische Hymnen – Allen/Halliday/Sikes 21936, T.W./W.R./E.E.: The Homeric Hymns, Oxford 21936. Faulkner 2008, A.: The Homeric Hymn to Aphrodite, introduction, text, and commentary, Oxford. Pfeiff 2002, K.A.: Homerische Hymnen. Übertragung, Einführung und Erläuterungen von K.A. P. Herausgegeben von G. von der Gönna und E. Simon, Tübingen.

458

Bibliographie

Richardson 2010, N.: Three Homeric Hymns to Apollo, Hermes, and Aphrodite: Hymns 3, 4, and 5, Cambridge. West 2003, M.L.: Homeric Hymns, Homeric Apocrypha, Lives of Homer, edited and translated by M.L. W., Cambridge MA. Horaz – Brink 1971, C.O.: Horace on Poetry. The Ars Poetica, Cambridge. Hygin – Marshall 22002, P.K.: Hyginus, Fabulae, editio altera, München/Leipzig (11992). Isokrates – Brémond/Mathieu 1929, E./G.: Isocrate, Discours, Vol. 1, Paris (repr. 1963). Livingstone 2001, N.R.: A Commentary on Isocrates’ Busiris, Leiden. Kallimachos – Asper 2004, M.: Kallimachos Werke. Griechisch und deutsch, herausgegeben und übersetzt von M. A., Darmstadt. Hopkinson 1984, N.: Callimachus. Hymn to Demeter, edited with an introduction and commentary, Cambridge et al. Pfeiffer 1949-1953, R.: Callimachus, 2 Bde., Oxford. [Pf.] Mythographi Graeci – Westermann 1843, A.: ΜΥΘΟΓΡΑΦΟΙ. Scriptores Poeticae Historiae Graeci, Braunschweig. Mythographi Vaticani – Zorzetti/Berlioz 1995, N./J.: Le premier Mythographe du vatican. Texte établi par N. Z. et traduit par J. B., Paris. Nonnos – Hopkinson/Vian 1994, N./F.: Nonnos de Panopolis, Les Dionysiaques; Tome VIII: Chants XX-XXIV, texte établi et annoté par N. H. et traduit par F. V., Paris. Keydell 1959, R.: Nonni Panopolitani Dionysiaca, 2 vol., Berlin. Ovid – Bömer 1969-, F.: P. Ovidius Naso. Metamorphosen. Kommentar, 7 Bde, Heidelberg 1969-1986; Bd. 8, Teil 1: Addenda, Corrigenda, Indices, aufgrund der Vorarbeiten von F. B. zusammengestellt durch U. Schmitzer, Heidelberg 2006. Ingleheart 2010, J.: A Commentary on Ovid, Tristia, Book II, Oxford. Luck 1967, G.: P. Ovidius Naso. Tristia; Teil 1: Text und Übersetzung, Heidelberg. Luck 1977, G.: P. Ovidius Naso. Tristia; Teil 2: Kommentar, Heidelberg. Owen 1924, S.G.: P. Ovidi Nasonis Tristium Liber Secundus, edited with an introduction, translation, and commentary by S.G. O., Oxford. Paroemiographi Graeci – Leutsch 1851, E.L.A.: Corpus Paroemiographorum Graecorum, Tomus II, Göttingen. Leutsch/Schneidewin 1839, E.L.A./F.G.: Corpus Paroemiographorum Graecorum, Tomus I, Göttingen. Philodem – Gomperz 1866, T.: Philodem Über Frömmigkeit, Herculanische Studien, Zweites Heft, Leipzig. Janko 2000, R.: Philodemus On Poems, Book 1, edited with introduction, translation, and commentary, Oxford. Janko 2011, R.: Philodemus On Poems, Books 3-4, with the fragments of Aristotle On Poets, edited with introduction, translation, and commentary by R.J. with an unpublished edition by C. Mangoni, Oxford. Luppe 1985, W.: “Zu zwei Papyri aus Philodem ΠΕΡΙ ΕΥΣΕΒΕΙΑΣ”, Philologus 129: 186-192. Obbink 1996, D.: Philodemus On Piety; Part I: Critical text with commentary, Oxford. Photios – Henry 1959-1977, R.: Photius. Bibliothèque, 8 vol., Paris.

Bibliographie

459

Theodoridis 1982-, C.: Photii patriarchae lexicon; Vol. 1: Α–Δ∆, Berlin 1982; Vol. 2: Ε–Μ, Berlin/New York 1998; Vol. 3: Ν–Φ, 2. Auflage, Berlin/New York 2013 (11998). Pindar – Maehler 1989, H.: Pindari carmina cum fragmentis; Pars II: Fragmenta, Indices, edidit H. M., Leipzig. Rutherford 2001, I.: Pindar’s Paeans. A Reading of the Fragments with a Survey of the Genre, Oxford. van der Weiden 1991, M.J.H.: The Dithyrambs of Pindar. Introduction, Text and Commentary, Amsterdam. Plutarch – Cuvigny/Flacelière 1980, M./R.: Plutarque. Œuvres morales; Tome 10: Dialogue sur l’Amour, texte établi et traduit par R. F.; Histoires d’Amour, texte établi et traduit par M. C., Paris. Flacelière/Irigoin/Sirinelli/Philippon 1987, R./J./J./A.: Plutarque. Œuvres morales; Tome 1, 1ère partie: Introduction générale par R. F. (†) et J. I.; L’éducation des enfants, texte établi et traduit par J. S.; Comment lire les poètes, texte établi et traduit par A. P., Paris. Sandbach 1967, F.H.: Plutarchi Moralia; Vol. 7: Fragmenta, Leipzig. Sandbach 1969, F.H.: Plutarch’s Moralia in Sixteen Volumes; Vol. 15: Fragments, edited and translated by F.H. S., Cambridge, MA/London. Ziegler/Gärtner 2000, K./H.: Plutarchus Vitae Parallelae, Vol. I Fasc. 1, quartum recensuit K. Z., editionem quintam curavit H. G., München und Leipzig. Simonides – PMG, vide supra s.v. Siglen. Poltera 2008, O.: Simonides lyricus. Testimonia und Fragmente. Einleitung, kritische Ausgabe, Übersetzung und Kommentar, Basel. Tzetzes – Koster 1975 (cf. supra s.v. Aristophanes, erhaltene Stücke und Scholien). Leone 1968, P.L.M.: Ioannis Tzetzae historiae, recensuit P.A.M. L., Napoli. Vitruv – Saliou 2009, C.: Vitruve De l’Architecture. Texte établi, traduit et commenté par C. S., Paris.

Forschungsliteratur Ahrens 1932, H.L.: De causis quibusdam Aeschyli nondum satis emendati commentatio, Göttingen. D’Alessio 2007, G.B.: “Ἢν ἰδού: Ecce satyri (Pratina, PMG 708 = TrGF 4 F 3). Alucune considerazioni sull’uso della deissi nei testi lirici e teatrali”, in: F. Perusino, M. Colantonio 2007 (edd.): Dalla lirica corale alla poesia drammatica. Forme e funzioni del canto corale nella tragedia e nella commedia greca, Pisa, 95-128. Allan 2003, A.L.: “Cattle-Stealing Satyrs in Sophocles’ Inachos”, in: Sommerstein 2003a, 309-328. Allègre 1913, F.: “Les Limiers. Drame satyrique de Sophocle”, REA 15: 237-263. Aly 1921, W.: “Satyrspiel”, in: RE II A.1, 235-247. Ambrose 1995/1996, Z.P.: “Ganymede in Euripides’ Cyclops. A Study in Homosexuality and Misogyny”, NECN 23: 91-95 [non vidi]. Ambrose 2005, Z.P.: “Family Loyalty and Betrayal in Euripides’ Cyclops and Alcestis: A Recurrent Theme in Satyr Play”, in: Harrison 2005a, 21-38. Ammendola 1952: vide supra s.v. Euripides, Kyklops.

460

Bibliographie

Arias 1962, P.E.: A History of Greek Vase Painting, photographs by M. Hirmer, text and notes by P.E. A., translated and revised by B.B. Shefton, 52 plates in colour, 240 plates in monochrome, London. Arnott 1959, P.D.: “Animals in the Greek Theatre”, G&R 6: 177-179. Arnott 1961, P.D.: “The Overworked Playwright. A Study in Euripides’ Cyclops”, G&R 8: 164-169. Arnott 1972, W.G.: “Parody and Ambiguity in Euripides’ Cyclops”, in: R. Hanslik, A. Lesky, H. Schwabl (edd.), Antidosis. Festschrift für Walther Kraus zum siebzigsten Geburtstag, Wien, 21-30. Arnott 2010, W.G.: “Middle Comedy”, in: G.W. Dobrov (ed.), Brill’s Companion to the Study of Greek Comedy, Boston/Leiden, 279-331. Arrighetti 2000, G. (ed.): Letteratura e riflessione sulla letteratura nella cultura classica (Atti del Convegno Pisa, 7-9 giugno 1999), Pisa. Arrowsmith 1959/1989, W.: “Introduction to Cyclops”, in: D. Greene, R. Lattimore (edd.), The Complete Greek Tragedies; Vol. III: Euripides, Chicago/London, 224230; Paginierung und Zitate hier nach dem Wiederabdruck in: Seidensticker 1989a, 179-187. Asper 2004: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Kallimachos. Assmann/Assmann 1987, A./J. (edd.): Kanon und Zensur. Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation, München. Assmann 1991a, J. (ed.): Das Fest und das Heilige. Religiöse Kontrapunkte zur Alltagswelt, Gütersloh. Assmann 1991b, J.: “Der zweidimensionale Mensch: das Fest als Medium des kollektiven Gedächtnisses”, in: Assmann 1991a, 13-30. Atherton 2002, C. (ed.): Monsters and Monstrosity in Greek and Roman Culture, Bari. Austin/Reeve 1970, C./M.D.: “Notes on Sophocles, Ovid and Euripides”, Maia 22: 3-18. Bagordo 1998, A.: Die antiken Traktate über das Drama. Mit einer Sammlung der Fragmente, Stuttgart/Leipzig. Bain 1975, D.: “Audience Address in Greek Tragedy”, CQ 25: 12-25. Bain 1977, D.: Actors and Audience. A Study of Asides and Related Conventions in Greek Drama, Oxford. Bain 1991, D.: “Six Greek Verbs of Sexual Congress (βινῶ, κινῶ, πυγίζω, ληκῶ, οἴφω, λαικάζω)”, CQ 41: 51-77. Bain 1995, D.: “Farting or Croaking or Just Noise? Sophocles, Ichneutae F 314.168 TrGF 4”, SIFC 88: 182-189. Bakola 2005, E.: “Old Comedy Disguised as Satyr Play: A New Reading of Cratinus’ Dionysalexandros (P.Oxy. 663)”, ZPE 154: 46-58. Bakola 2010, E.: Cratinus and the Art of Comedy, Oxford. Barns/Lloyd-Jones 1964, J.W.B./H.: “A Fragment of New Comedy: P.Antinoop 15”, JHS 84: 21-34. Barrett 1964: vide supra s.v. Tragödien … s.v. Euripides. Bates 1934, W.N.: “The ΚΩΩΦΟΙ of Sophocles”, AJPh 55: 167-174. Battezzato 2006, L.: “La fatica dei canti: tragedia, commedia e dramma satiresco nel frammento adespoto 646a TrGF”, in: Medda/Mirto/Pattoni 2006, 19-68. Beazley 1939, J.D.: “Prometheus Fire-Lighter”, AJA 43: 618-639. Beazley 1940, J.D.: “Postscript to Prometheus”, AJA 44: 212. Beazley 1955, J.D.: “Hydria-Fragments in Corinth”, Hesperia 24: 305-319 + Abb.

Bibliographie

461

Becker 1912, J.: De Pratina, Münster. Bérard 1974, C.: Anodoi. Essai sur l’imagerie des passages chthoniens, Roma. Bérard/Bron/Pomari 1987: C./C./A. (edd.): Images et société en Grèce ancienne. L’iconographie comme méthode d’analyse (Actes du colloque international, Lausanne 8-11 février 1984), Lausanne. Bergson 1914, H.: Das Lachen, Jena (Frz. Originaltitel: Le rire. Essai sur la signification du comique, Paris 1900). Bernabé 2003, A.: “Autour du mythe orphique sur Dionysos et les Titans. Quelque notes critiques”, in: D. Accorinti, P. Chuvin (edd.), Des Géants à Dionysos, Alessandria, 25-39. Bernays 1857, J.: Grundzüge der verlorenen Abhandlung des Aristoteles über Wirkung der Tragödie, Breslau. Wiederabgedruckt und geringfügig ergänzt in: J. Bernays, Zwei Abhandlungen über die Aristotelische Theorie des Drama, Berlin 1880, 1118. Bieber 1920, M.: Die Denkmäler zum Theaterwesen im Altertum, Berlin. Bieber 1930, M.: “Maske”, in: RE XXVIII, 2070-2120. Bieber 21961, M.: The History of the Greek and Roman Theater (2nd, rev. and enlarged edn.) Princeton (11939). Biehl 1977, W.: “Die quantitative Formgestaltung der trimetrischen Stücke in Euripides’ Cyclops. Eine Formanalyse”, Hermes 105: 159-175. Biehl 1983: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Biehl 1986a: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Biehl 1986b, W.: “Zwei Textprobleme in Euripides’ Cyclops. Verse 5-8 und 63-67”, Philologus 130: 175-183. Biehl 1987, W.: “Interpretationsprobleme in Euripides’ Cyclops 382-408”, Hermes 115: 29-46. Biehl 1990, W.: “Textprobleme in Euripides’ Cyclops”, Sileno 16: 83-95. Bierl 1990, A.: “Dionysos, Wine, and Tragic Poetry: A Metatheatrical Reading of P. Köln VI 242A = TrGF II F 646a”, GRBS 31: 353-391. Bierl 1991, A.: Dionysos und die griechische Tragödie. Politische und “metatheatralische” Aspekte im Text, Tübingen. Bierl 2001, A.: Der Chor der Alten Komödie. Ritual und Performativität (unter besonderer Berücksichtigung von Aristophanes’ Thesmophoriazusen und der Phalloslieder fr. 851 PMG), München/Leipzig. Bierl 2006, A.: “Tragödie als Spiel und das Satyrspiel. Die Geburt des griechischen Theaters aus dem Geiste des Chortanzes und seines Gottes Dionysos”, in: J. Sánchez de Murillo und M. Thurner (edd.), Aufgang. Jahrbuch für Denken, Dichten, Musik, Bd. 3, Kind und Spiel, Stuttgart, 111-138. Bierl/Lämmle/Wesselmann 2007, A./R./K.: Literatur und Religion. Wege zu einer mythisch-rituellen Poetik bei den Griechen, 2 Bde. Berlin/New York. Bing 1988, P.: The Well-Read Muse. Present and Past in Callimachus and the Hellenistic Poets, Göttingen. Birchler/Chamay 1995, P./J.: “Hésioné en Apulie: Un chef-d’œuvre de la peinture apulienne”, AK 38: 50-57. Birt 1907, T.: Die Buchrolle in der Kunst. Archäologisch-antiquarische Untersuchungen zum antiken Buchwesen, Leipzig.

462

Bibliographie

Blass 1888, F.: “Zu Pratinas”, Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 137: 663664. Blaydes 1896, F.H.M.: Adversaria in Comicorum Graecorum fragmenta; II: secundum editionem Kockianam, Halle. Blech 1982, M.: Studien zum Kranz bei den Griechen, Berlin/New York. Blume 21984, H.-D.: Einführung in das antike Theaterwesen, zweite, durchgesehene Auflage (11978). von Blumenthal 1934, A.: “Tetralogie (Trilogie)”, in: RE V A.1, 1077-1084. von Blumenthal 1939: vide supra s.v. Tragici Minores. von Blumenthal 1942, A.: “Beobachtungen zu griechischen Texten IV; 4. Zur Lykrugeia des Aischylos”, Hermes 77: 106-110. Boardman 1981, J.: Kolonien und Handel der Griechen. Vom späten 9. bis zum 6. Jahrhundert v.Chr., aus dem Englischen von K. Eberhardt und G. Felten, München 1981 (Übersetzung der neuen und erweiterten Originalausgabe The Greeks Overseas. Their Early Colonies and Trade von 1980, 11964). Boardman et al. 1988, J.: “Herakles; I-III”, in: LIMC 4.1, 728-838. Boardman et al. 1990, J.: “Herakles; IV-XII”, in: LIMC 5.1, 1-192. Borthwick 1967, E.K.: “Trojan Leap and Pyrrhic Dance in Euripides’ Andromache 112941”, JHS 87: 18-23. Borthwick 1970, E.K.: “P.Oxy. 2738: Athena and the Pyrrhic Dance”, Hermes 98: 318331. Boulogne 1998, J.: “Les doubles paternités: le cas de Thésée”, in: D. Auger, S. Saïd (edd.), Généalogies mythiques, Paris, 119-137. Brandt 1991, R.: D’Artagnan und die Urteilstafel. Über ein Ordnungsprinzip der europäischen Kulturgeschichte (1, 2, 3 / 4), Stuttgart. Bremmer 1984, J.N.: “Greek Maenadism Reconsidered”, ZPE 55: 267-286. Brink 1971: vide supra Weitere Texte … s.v. Horaz. Brommer 1937a, F.: Satyroi, Würzburg. Brommer 1937b, F.: “Die Rückführung des Hephaistos”, JDAI 52: 198ff. Brommer 1941, F.: “σιληνοί und σάτυροι”, Philologus 94: 222-228. Brommer 21959, F.: Satyrspiele. Bilder griechischer Vasen, 2., verbesserte und erweiterte Auflage mit 69 Textabbildungen, Berlin 1959 (11944). Brommer 1964, F.: “Zur Deutung der Pronomosvase”, AA 79: 109-114. Brommer 1978, F.: Hephaistos. Der Schmiedegott in der antiken Kunst, Mainz. Brommer 1982, F.: Theseus. Die Taten des griechischen Helden in der antiken Kunst und Literatur, Darmstadt. Brown 1990, A.L.: “Prometheus Pyrphoros”, BICS 37: 50-56. Burkert 1966, W.: “Greek Tragedy and Sacrificial Ritual”, GRBS 7: 87-121. Burkert 1984/1988, W.: “Sacrificio-Sacrilegio: Il ‘trickster’ fondatore”, StudStor 25, 1984, 835-845; repr. in: C. Grottanelli, N.F. Parise (edd.), Sacrificio e società nel mondo antico, Bari 1988, 163-175 und in: W. Burkert, Kleine Schriften, Bd. 1: Homerica, herausgegeben von C. Riedweg, Göttingen 2001, 178-188. Burkert 1985, W.: Greek Religion, translated by J. Raffan (Originaltitel: Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart 1977), Cambridge, MA. Burkert 1987, W.: Ancient Mystery Cults, Cambridge, MA/London. Burkert 1990, W.: Wilder Ursprung: Opferritual und Mythos bei den Griechen, Berlin.

Bibliographie

463

Burkert 1994, W.: Antike Mysterien: Funktionen und Gehalt, 3., durchgesehene Auflage, München 1994 (= deutsche Übersetzung von Burkert 1987). Burkert 1995, W.: “Der geheime Reiz des Verborgenen: Antike Mysterienkulte”, in: H.G. Kippenberg, G.G. Stroumsa (edd.), Secrecy and Concealment. Studies in the History of Mediterranean and Near Eastern Religions, Leiden et al. 1995, 79-100. Burkert 2011, W.: “Dionysos – ‘different’ im Wandel der Zeiten”, in: Schlesier 2011, 1522. Burnett 1971/1985, A.P.: Catastrophe Survived. Euripides’ Plays of Mixed Reversal, Oxford 1971; Paginierung und Zitate hier nach der Auflage von 1985. Burzacchini 1979, G.: “Eur. Cycl. 320-331”, QUCC 32: 65-68. Buschor 1943, E.: Satyrtänze und frühes Drama, München. Buschor 1953, E.: “Zwei Theaterkratere”, in: G.E. Mylonas, D. Raymond (edd.), Studies Prestented to David Moore Robinson on his Seventieth Birthday, Vol. 2, St. Louis, MO, 90-95. Bushnell 2005, R. (ed.): A Companion to Tragedy, Malden, MA. Buxton 1992, R.: “Imaginary Greek Mountains”, JHS 112: 1-15. Buxton 1994, R.: Imaginary Greece. The Contexts of Mythology, Cambridge. Buxton 2002, R.: “The Myth of Talos”, in: Atherton 2002, 83-112. Calame 1986, C.: Le récit en Grèce ancienne. Enonciations et representations de poètes, Paris. Calame 1987, C.: “Quand regarder, c’est énoncer: le vase Pronomos et le masque”, in: Bérard/Brun/Pomari 1987, 79-88. Calame 1990, C.: Thésée et l’imaginaire athénien. Légende et culte en Grèce antique. Préface de P. Vidal-Naquet, Lausanne. Calame 1994/1995, C.: “From Choral Poetry to Tragic Stasimon. The Enactment of Women’s Song”, Arion 3: 136-154. Calame 1999, C.: “Performative Aspects of the Choral Voice in Greek Tragedy: Civic Identity in Performance”, in: Goldhill et al. 1999, 125-153. Calame 2004, C.: Poétique d’Aristophane et langue d’Euripide en dialogue (= EL 4). Calame 2010, C.: “Aetiological Performance and Consecration in the Sanctuary of Dionysos”, in: Taplin/Wyles 2010, 65-78. Calder 1958, W.M. III: “The Dramaturgy of Sophocles’ Inachus”, GRBS 1: 137-155. Calder 1973, W.M. III: “A Prosatyric Helen? Addendum”, RSC 21: 413. Calder 1991, W.M. III (ed.): The Cambridge Ritualists Reconsidered, Atlanta, GA. Calder/Schlesier 1998, W.M. III/R. (edd. unter Mitarbeit von S. Gödde): Zwischen Rationalismus und Romantik. Karl Otfried Müller und die antike Kultur, Hildesheim. Campo 1940, L.: I drammi satireschi della Grecia antica. Essegesi della tradizione ed evoluzione, Milano. Cantarella 1948: vide supra s.v. Aischylos, Fragmente. Carden 1974: vide supra s.v. Sophokles, Fragmente. Carpenter 1986, T.H.: Dionysian Imagery in Archaic Greek Art: Its Development in Black-figure Vase Painting, Oxford. Carpenter 1997, T.H.: Dionysian Imagery in Fifth-Century Athens, Oxford. Carpenter 2005, T.H.: “Images of Satyrs in South Italy”, in: Harrison 2005a, 219-236. Carpenter/Faraone 1993, T.H./C.A. (edd.): Masks of Dionysus, Ithaca/London. Cartledge 1990, P.: Aristophanes and the Theatre of the Absurd, Bristol.

464

Bibliographie

Cartledge 1997, P.: “‘Deep Plays’: Theatre as Process in Greek Civic Life”, in: Easterling 1997a, 3-35. Caruso 1987, C.: “Travestissements dionysiaques”, in: Bérard/Brun/Pomari 1987, 103110. Casaubon 1605/1989, I.: De satyrica Graecorum poesi et Romanorum satira libri duo, Bd. 1, Paris 1605; Paginierung und Zitate hier nach dem Auszug in: Seidensticker 1989a, 13-17. Casolari 2003, F.: Die Mythentravestie in der griechischen Komödie, Münster. Cassio 1985, A.C.: “Two Studies in Epicharmus and his Influence”, HSPh 98: 37-51. Ceccarelli 1998, P.: La Pirrica nell’antichità greco romana. Studi sulla danza armata, Pisa. Centanni 1991, M.: “Emmeleia”, QUUC 37: 97-104. Chamberlain 51905, B.H.: Things Japanese: Being Notes on Various Subjects Connected with Japan. For the Use of Travellers and Others, fünfte, überarbeitete Auflage, London (11890). Christopulu-Mortoja 1964, E.: Darstellungen des Dionysos in der schwarzfigurigen Vasenmalerei, Freiburg. Churmuziadis 1965, N.Ch.: Production and Imagination in Euripides. Form and Function of the Scenic Space, Athen. Churmuziadis 1974, N.Ch.: ΣΑΤΥΡΙΚΑ, Athen. Cipolla 1999, P.: “Un iporchema riscoperto? (Prat. TrGF 4 fr. 3)”, Eikasmos 10: 33-46. Cipolla 2003: vide supra s.v. Satyrspielfragmentsammlungen. Cobet 21873/2003, C.G.: Variae lectiones quibus continentur observationes criticae in scriptores Graecos, Nachdruck der zweiten, erweiterten Auflage Leiden 21873, Hildesheim (London 11854). Cole 1980, S.G.: “New Evidence for the Mysteries of Dionysos”, GRBS 21: 223-238. Collard 1970, C.: vide supra s.v. Tragici Minores. Collard/Cropp 2008a; vide supra s.v. Euripides, Fragmente. Collard/Cropp 2008b: vide supra s.v. Euripides, Fragmente. Collard/Cropp/Gibert 2004: vide supra s.v. Euripides, Fragmente. Collard/Cropp/Lee 1995: vide supra s.v. Euripides, Fragmente. Collinge 1958/1959, N.E.: “Some Reflections on Satyr-Plays”, PCPS 5: 28-35. Collins 2004, D.: Master of the Game: Competition and Performance in Greek Poetry, Washington D.C. Compton-Engle 2001, G.L.: “Mock-tragic Priamels in Aristophanes’ Acharnians and Euripides’ Cyclops”, Hermes 129: 558-561. Conacher 1967, D.J.: Euripidean Drama. Myth, Theme and Structure, Toronto. Conrad 1997, G.: Der Silen. Wandlungen einer Gestalt des griechischen Satyrspiels, Trier. Conti Bizzarro 2009, F.: Comici entomologi, Alessandria. Cozzoli 2003, A.-T.: “Sositeo e il nuovo dramma satiresco”, in: Martina 2003, 265-291. Craik 2003, E.M.: “Medical Language in the Sophoklean Fragments”, in: Sommerstein 2003a, 45-56. Croiset 1888, M.: “De la tétralogie dans l’histoire de la tragédie grecque”, REG 1: 369380. Croiset 1904, M.: “Le Dionysalexandros de Cratinos”, REG 17: 297-310.

Bibliographie

465

Croiset 31929, M.: Histoire de la littérature grecque; Tome III: Période Attique. Tragédie – Comédie – Genres Secondaires, 3., revidierte und erweiterte Fassung, Paris (21898). Cropp/Fick 1985, M./G.: “Resolutions and Chronology in Euripides”, BICS Suppl. 43. Crusius 1893a, O.: “Der Sophokleische Dionysiskos”, RhM 48: 152. Crusius 1893b, O.: “Sphinx und Silen”, in: Festschrift für J. Overbeck, Aufsätze seiner Schüler zur Feier seines 40jährigen Professoren-Jubiläums dargebracht, Leipzig, 102-108. Crusius 1902, O.: Erwin Rohde. Ein biographischer Versuch. Mit einem Bildnis und einer Auswahl von Aphorismen und Tagebuchblättern Rohde’s. Ergänzungsheft zu Rohdes Kleinen Schriften, Tübingen/Leipzig. Csapo 2010, E.: Actors and Icons of the Ancient Theater, Malden, MA et al. Csapo/Miller 1991, E./M.: “The “Kottabos-Toast” and an Inscribed Red-Figured Cup”, in: Hesperia 60: 367-382. Csapo/Miller 2007, E./M. (edd.): The Origins of Theater in Ancient Greece and Beyond. From Ritual to Drama, Cambridge. Csapo/Slater 1994, E./W.J.: The Context of Ancient Drama, Ann Arbor, MI. Cunningham 1994, M.: “Thoughts on Aeschylus: The Satyrplay Proteus – The Ending of the Oresteia”, LCM 19: 67-68. Cusset 2004, C.: “L’Etna dans le Cyclope d’Euripide”, in: D. Bertrand (ed.), Mythologies de l’Etna, études réunies et présentées par D. B., Clermont-Ferrand, 25-32. Dalavaud-Roux 1995, M.-H.: Les danses dionysiaques en Grèce antique, Aix-enProvence. Dale 1950/1969, A.M.: “Stasimon and Hyporchema”, Eranos 48, 1950, 14-20; Paginierung und Zitate hier nach: Dale 1969, 34-40. Dale 1952/1969, A.M.: “ΚΙΣΣΥΒΙΟΝ”, CR 2, 1952, 129-132; Paginierung und Zitate hier nach: Dale 1969, 98-102. Dale 1954: vide supra s.v. Tragödien … s.v. Euripides. Dale 1956/1969, A.M.: “Seen and Unseen on the Greek Stage. A Study in Scenic Conventions”, WS 69, 1956, 96-106; Paginierung und Zitate hier nach: Dale 1969, 119129. Dale 1963/1969, A.M.: “Note on Euripides, Helena 1441-50”, Maia 15, 1963, 310-313; Paginierung und Zitate hier nach: Dale 1969, 180-184. Dale 1969, A.M.: Collected Papers, Cambridge. Davidson 1986, J.F.: “The Circle and the Tragic Chorus”, G&R 33: 38-46. Davidson 2007, J.N.: The Greeks and Greek Love. A Radical Reappraisal of Homosexuality in Ancient Greece, London. Davies 1989, M.: “Sisyphus and the Invention of Religion (“Critias” TrGF 1 (43) F 19 = B 25 DK)”, BICS 36: 16-32. Davies 1999, M.: “Comic Priamel and Hyperbole in Euripides, Cyclops 1-10”, CQ 49: 428-432. Decharme 1899, P.: “Le drame satyrique sans satyres”, REG 12: 290-299. Degani 1991, E.: “Note critico-testuali a frammenti tragici greci”, Eikasmos 2: 91-104. Deichgräber 1939, K.: Die Lykurgie des Aischylos. Versuch einer Wiederherstellung der dionysischen Tetralogie, Göttingen. Deichgräber 1974, K.: Die Persertetralogie des Aischylos. Mit einem Anhang: Aischylos’ Glaukos Pontios und Leon, Mainz.

466

Bibliographie

Del Corno 1974, D.: “Il satiro e la fonte. L’Amycos di Sofocle”, Dioniso 45, 1971/1974, 207-223. Del Grande 21967, C.: “L’iporchema di Pratina parodo di dramma satiresco?”, in: C. Del Grande, Filologia Minore: studi di poesia e storia nella Grecia antica da Omero a Bisanzio; zweite, überarbeitete und ergänzte Auflage, Milano/Napoli (19561). Della Valle 1933: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Depew 2007, D.: “From Hymn to Tragedy: Aristotle’s Genealogy of Poetic Kinds”, in: Csapo/Miller 2007, 126-149. Desclos 2000, M.-L. (ed.): Le rire des Grecs. Anthropologie du rire en Grèce ancienne, Grenoble Descroix 1931, J.: Le trimètre iambique. Des iambographes à la comédie nouvelle, Macon. Deubner 21966, L.: Attische Feste, Berlin (11932). Di Marco 1969/1970, M.: “Studi sul dramma satiresco di Eschilo. 1: Θεωροὶ ἢ Ἰσθµιασταί”, Helikon 9/10: 373-422. Di Marco 1973/1974, M.: “Osservazioni sull’iporchema”, Helikon 13/14: 326-348. Di Marco 1980, M.: “Una parodia di Saffo in Euripide (Cycl. 182-186)”, QUCC 34: 3945. Di Marco 1991, M.: “Il dramma satiresco di Eschilo”, Dioniso 61: 39-61. Di Marco 1999, M.: “Un singolare agone musicale (Eur. Cycl. 323-328)”, SemRom (=Seminari Romani di Cultura Greca) 2: 29-37. Di Marco 2000, M.: “L’ambiguo stato del dramma satiresco”, in: Arrighetti 2000, 31-49. Di Marco 2003, M.: “Poetica e metateatro in un dramma satiresco d’età ellenistica”, in: Martina 2003, 41-74. Diehl 1914, E.: “Hyporchema”, in: RE IX.1, 338-343. Dieterich 1908, A.: “Die Entstehung der Tragödie”, Archiv für Religionswissenschaft 11: 163-199. Diggle 1971, J.: “Notes on the Cyclops of Euripides”, CQ 21: 42-50. Diggle 1972, J.: “Euripides, Cyclops 511-518 (and other Passages) with a Note on Elegiae in Maecenatem I, 93-4”, Maia 24: 345-348. Diggle 1984: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Diggle 1996, J.: “Sophocles, Ichneutae (fr. 314 Radt)”, ZPE 112: 3-17. Dihle 1977, A.: “Das Satyrspiel Sisyphos”, Hermes 105: 28-42. Dobree 1874, P.P.: Adversaria. Editio in Germania prima, cum praefatione G. Wagneri; Vol. IV: Adversaria ad poetas graecos maxime scaenicos, Berlin. Dobrov 2001, G.W.: Figures of Play. Greek Drama and Metafictional Poetics, Oxford. Dobrov 2007, G.W.: “Comedy and the Satyr Chorus”, CW 100: 251-265. Dodds 21960: vide supra s.v. Tragödien … s.v. Euripides. Dodds 1973, E.R.: The Ancient Concept of Progress and other Essays on Greek Literature and Belief, Oxford 1973. Dover 1978, K.J.: Greek Homosexuality, London 1978. Dover 2003: vide supra s.v. Aristophanes. Drago 1936, C.: “Acheo, un satirografo minore del V secolo”, Dioniso 5, 1936, 231-242. Duchemin 1945: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Duncan/Duncan 1819: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Duncan/Duncan 1821: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Dunn 1983, C.: “Religion and Japanese Drama”, in: Redmond 1983, 225-240.

Bibliographie

467

Durand/Lissarrague 1983, J.-L./F.: “Héros cru ou hôte cuit: histoire quasi cannibale d’Héraklès chez Busiris”, in: Image & céramique grecque (Actes du colloque de Rouen, 25-26 novembre 1982), Rouen, 153-167. Easterling 1982: vide supra s.v. Tragödien … s.v. Sophokles. Easterling 1988, P.E.: “Tragedy and Ritual. ‘Cry ‘Woe, Woe’, But May the Good Prevail’”, Mètis 3: 87-109. Easterling 1993a, P.E.: “The End of an Era? Tragedy in the Early Fourth Century”, in: A. Sommerstein, S. Halliwell, J. Henderson, B. Zimmermann (edd.), Tragedy, Comedy and the Polis. Papers from the Greek Drama Conference Nottingham, 18-20 July 1990, Bari, 559-569. Easterling 1993b, P.E.: “Tragedy and Ritual”, in: R. Scodel (ed.), Theater and Society in the Classical World, Ann Arbor, MI, 7-23. (= gekürzte und veränderte Version von Easterling 1988). Easterling 1997a, P.E. (ed.): The Cambridge Companion to Greek Tragedy, Cambridge 1997. Easterling 1997b, P.E.: “A Show for Dionysus”, in: Easterling 1997a, 36-53. Easterling 1997c, P.E.: “From Repertoire to Canon”, in: Easterling 1997a, 211-227. Easterling 2007, P.E.: “Looking for Omphale”, in: Jennings/Katsaros 2007, 282-294. Easterling/Hall 2002, P.E./E. (edd.): Greek and Roman Actors. Aspects of an Ancient Profession, Cambridge 2002. Easterling/Knox 1985, P.E./B.M.W. (edd.): The Cambridge History of Classical Literature; Vol. I: Greek Literature, Cambridge 1985. Ebener 1980: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Edwards 1960, M.W.: “Representations of Maenads on Archaic Red-Figure Vases”, JHS 80: 78-87. Edwards 1991, A.T.: “Aristophanes’ Comic Poetics: Τρύξ, Scatology, Σκώµµα”, TAPhA 121: 157-179. Eitrem 1916, S.: “Io”, in: RE IX.2: 1732-1743. Else 1957, G.F.: “The Origin of ΤΡΑΓῼΔ∆ΙΑ”, Hermes 85: 17-46. Else 1965, G.F.: The Origin and Early Form of Greek Tragedy, Cambridge, MA. van Erp Taalman Kip 1996, A.M.: “The Unity of the Oresteia”, in: Silk 1996a, 119-138. de Falco 1935/1936: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Faraone 1995, C.A.: “The Performative Future in Three Hellenistic Incantations and Theocritus’ Second Idyll”, CPh 90: 1-15. Faraone 2008, C.A.: “Mystery Cults and Incantations. Evidence for Orphic Charms in Euripides’ Cyclops 646-48?”, RhM 151: 127-142. Faulkner 2008: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Homerische Hymnen. Fehling 1969, D.: Die Wiederholungsfiguren und ihr Gebrauch bei den Griechen vor Gorgias, Berlin. Feldherr/James 2004, A./P.: “Making the Most of Marsyas”, Arethusa 37: 75-103. Festa 1918, N.: “Sikinnis, storia di un’antica danza”, Memorie della reale accademia di archeologia, lettere e belle arti di Napoli 3, 2: 35-75. Finkelberg 2006, M.: “The City Dionysia and the Social Space of Attic Tragedy”, in: J. Davidson, F. Muecke, P. Wilson (edd.), Greek Drama III. Essays in Honour of Kevin Lee, London, 17-26. Fischer 1958, I.: Typische Motive im Satyrspiel. Ein Beitrag zum Aufbau und zur Wahl der Themenkreise im Satyrspiel, Göttingen.

468

Bibliographie

Fittà 1998, M.: Spiele und Spielzeug in der Antike. Unterhaltung und Vergnügen im Altertum, Stuttgart. Flückiger-Guggenheim 1984, D.: Göttliche Gäste. Die Einkehr von Götten und Heroen in der griechischen Mythologie, Bern et al. Foley 1980, H.P.: “The Masque of Dionysus”, TAPhA 110: 107-133; Paginierung und Zitate hier nach der überarbeiteten Fassung in: J. Mossman (ed.), Euripides, Oxford 2003, 342-368. Foley 1985, H.P.: Ritual Irony. Poetry and Sacrifice in Euripides, Ithaca/London. Föllinger 2003, S.: Genosdependenzen. Studien zur Arbeit am Mythos bei Aischylos, Göttingen. Fraenkel 1917/1918, E.: “Lyrische Daktylen”, RhM 72: 161-197; 321-352 (Fortsetzung). Fraenkel 1942, E.: “Aeschylus: New Texts and Old Problems”, PBA 28: 237-258. Fraenkel 1950: vide supra s.v. Tragödien … s.v. Aischylos. Fraenkel 1962, E.: Beobachtungen zu Aristophanes, Roma. Fränkel 1912, C.: Satyr- und Bakchennamen auf Vasenbildern, Halle. Fränkel 21962, H.: Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums. Eine Geschichte der griechischen Epik, Lyrik und Prosa bis zur Mitte des fünften Jahrhunderts, 2., überarbeitete Auflage, München (New York 19511). Friedrich 1983, R.: “Drama and Ritual”, in: Redmond 1983, 159-223. Friedrich 1996, R.: “Everything to Do with Dionysos? Ritualism, the Dionysiac, and the Tragic”, in: Silk 1996a, 257-283. Friedrich 2000, R.: “Dionysos Among the Dons: The New Ritualism in Richard Seaford’s Commentary on the Bacchae”, Arion 7: 115-152. Friedrich 2001, R.: “Don Quixote Responds to the Windmill: A Risposte to Richard Seaford on the New Ritualism”, Arion 9: 57-72. Froning 1971, H.: Dityhrambos und Vasenmalerei in Athen, Würzburg. Frye 1990, N.: Anatomy of Criticism. Four Essays, with a Foreword by H. Bloom, Princeton, NJ/Oxford (Princeton, NJ 19571). Galinsky 1972, G.K.: The Herakles Theme. The Adaptations of the Hero in Literature from Homer to the Twentieth Century, Oxford. Gallo 1981, I.: “Colpa ed espiazione in un passo dei Dictyulci”, MPhL 5: 34-36. Gallo 1992a, I.: Ricerche sil teatro greco, Napoli. Gallo 1992b, I.: “Ricerche su Eschilo satiresco”, in: Gallo 1992a, 43-94 (ursprünglich erschienen in: Studi salernitani in memoria di Raffaele Cantarella, Salerno, 97155). Gallo 1992c, I.: “Satirografi Minori”, in Gallo 1992a, 95-106 (ursprünglich erschienen in: Dizionario degli scrittori greci e latini III, Milano 1987, 1915-1925). Gallo 1992d, I.: “Il dramma satiresco posteuripideo: transformazione e declino”, in: Gallo 1992a, 107-123 (ursprünglich erschienen in Dioniso 61, 1991, 151-168). Gantz 1979, T.R.: “The Aischylean Tetralogy: Prolegomena”, CJ 74: 289-304. Gantz 1980, T.R.: “The Aischylean Tetralogy: Attested and Conjectured Groups”, AJPh 101: 133-164. Gantz 1993, T.: Early Greek Myth. A Guide to Literary and Artistic Sources, 2 vol., Baltimore/London. Gargiulo 1994, T.: “Eur. Cycl. 235”, Eikasmos 5: 103-108. Gargiulo 1996, T.: “Osservazioni sull’Odisseo della Ciclopea e del Ciclope”, Eikasmos 7: 13-20.

Bibliographie

469

Garrod 1920, H.W.: “The Hyporcheme of Pratinas”, CR 34: 129-136. Garvie 1969, A.F.: Aeschylus’ Supplices. Play and Trilogy, Cambridge. Garvie 1996, A.F.: “The Tragedy of the Oresteia: Response to van Erp Taalman Kip”, in: Silk 1996a, 139-148. Geissler 1925, P.: Chronologie der altattischen Komödie, Berlin. Genette 1982, G.: Palimpsestes. La littérature au second degré, Paris. Gentili 2003, B.: “Introduzione” zu: Martina 2003, 1-9. Ghiron-Bistagne 1976, P.: Recherches sur les acteurs dans la Grèce antique, Paris 1976. Ghiron-Bistagne 1991, P.: “Le drame satyrique dans les concours dramatiques”, Dioniso 61: 101-119. Ghiron-Bistagne/Schouler 1987, P./B. (edd.): Anthropologie et théâtre antique (Actes du colloque international, Montpellier 6-8 Mars 1986, CGITA 3), Montpellier. Gibert 2002, J.C.: “Recent Work on Greek Satyr Play. Review Article”, CJ 98: 79-88. Gildenhard/Revermann 2010, I./M. (Ed.): Beyond the Fifth Century. Interactions with Greek Tragedy from the Fourth Century BCE to the Middle Ages, Berlin/New York. Gödde 2011, S.: “‘Fremde Nähe’. Zur mythologischen Differenz des Dionysos”, in: Schlesier 2011, 85-104. Goins 1991, S.: “The Heroism of Odysseus in Euripides’ Cyclops”, Eos 79: 187-194. Goins 1997, S.: “The Date of Aeschylus’ Perseus Tetralogy”, RhM 140: 193-210. Golden 1985, M.: “Pais, ‘Child’ and ‘Slave’”, AC 54: 91-104. Golden 1990, M.: Children and Childhood in Classical Athens, Baltimore/London. Goldhill 1986, S.: Reading Greek Tragedy, Cambridge. Goldhill 1987a, S.: “Anthropologie, idéologie et les Grandes Dionysies”, in: GhironBistagne/Schouler 1987, 55-74. Goldhill 1987b, S.: “The Great Dionysia and Civic Ideology”, JHS 107: 58-76. Goldhill 1990, S.: “The Great City Dionysia and Civic Ideology”, in: Winkler/Zeitlin 1990, 97-129 (ausgedehnte Version von Goldhill 1987b). Goldhill 1997, S.: “The Audience of Athenian Tragedy”, in: Easterling 1997a, 54-68. Goldhill 2006, S.: “The Thrill of Misplaced Laughter”, in: Medda/Mirto/Pattoni 2006, 83102. Goldhill et al. 1999, S. (ed.): Performance Culture and Athenian Democracy, Cambridge. Gontard 1987, D.: Nô – Kyôgen. Le masque et le rire; Mask and Laughter; Maske und Lachen, Marburg. Gow 1912, A.S.F.: “On the Meaning of the Word θυµέλη”, JHS 32: 213-238. Graf 1998, F.: “Die kultischen Wurzeln des antiken Schauspiels”, in: G. Binder, B. Effe (edd.), Das antike Theater. Aspekte seiner Geschichte, Rezeption und Aktualität, Trier, 11-32. Graf 2006, F.: “Drama and Ritual. Evolution and Convergences”, in: Medda/Mirto/Pattoni 2006, 103-118. Gredley 1981, B.: “Dance and Greek Drama. A Review Article”, in: J. Redmond (ed.), Drama, Dance and Music, Cambridge et al. 1981, 25-29. Gredley 1996, B.: “Comedy and Tragedy – Inevitable Distinctions. Response to Taplin”, in: Silk 1996a, 203-216. Green 1982, J.R.: “Dedications of Masks”, RA 2: 237-284. Green 1991, J.R.: “On Seeing and Depicting the Theatre in Classical Athens”, GRBS 32:15-50; Taf. 1-12.

470

Bibliographie

Green 1994, J.R.: Theatre in Ancient Greek Society, London/New York. Green 1995, J.R.: “Theatrical Motifs in Non-theatrical Contexts. On Vases of the Later Fifth and Fourth Centuries”, in: Griffiths 1995, 93-121; Plates 5-12. Green 2002, J.R.: “Towards a Reconstruction of Performance Style”, in: Easterling/Hall 2002, 93-126. Grégoire 1948, H.: “La date du Cyclops”, Ant. Class. 17, 1948, 269-286. Gregory 2000, J.: “Comic Elements in Euripides”, in: M. Cropp, K. Lee, D. Sansone (edd.), Euripides and the Tragic Theatre in the Late Fifth Century (ed. with the cooperation of E. Csapo et al., Papers presented at an international conference held in Banff, Alberta, Canada, 13-16 May, 1999) Champaign, IL 2000 (Monographical Issue of ICS 24/25, 1999/2000), 59-74. Gregory 2005, J. (ed.): A Companion to Greek Tragedy, Malden, MA 2005. Greifenhagen 1963, A.: “Ein Satyrspiel des Aischylos?” Berlin 1963 (118. Winckelmannsprogramm der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin). Griffith 2002, M.: “Slaves of Dionysos: Satyrs, Audience, and the Ends of the Oresteia”, CA 21, 2002, 195-258, Fig. 1-10. Griffith 2005a, M.: “Sophocles’ Satyr-Plays and the Language of Romance”, in: I.J.F. de Jong, A. Rijksbaron (edd.), Sophocles and the Greek Language. Aspects of Diction, Syntax and Pragmatics, Princeton 2005, 51-72. Griffith 2005b, M.: “Satyrs, Citizens, and Self-Presentation”, in: Harrison 2005a, 161199. Griffith 2010, M.: “Satyr Play and Tragedy, Face to Face”, in: Taplin/Wyles 2010, 47-63. Griffiths 1995, A. (ed.): Stage Directions. Essays in Ancient Drama in Honour of E.W. Handley, London 1995. van Groningen 1930a, B.A.: “Ad Aeschyli Frag. 226”, Mnemosyne 58: 93. van Groningen 1930b, B.A.: “Ad Aeschyli Κήρυκας”, Mnemosyne 58: 134. van Groningen 1930c, B.A.: “Ad Sophoclis Frag. 442 [F 483 TrGF IV]”, Mnemosyne 58: 300-301. Grossardt 2003, P.: “The Title of Aeschylus’ Ostologoi”, HSPh 101: 155-158. Guardini 1989, M.: “Note per una lettura del Ciclope di Euripide”, in: L. de Finis (ed.), Scena e spettacolo nell’ antichità (Atti del Convegno Internazionale di Studio, Trento, 28.-30. marzo 1988), Firenze 1989, 205-217. Guarini 1925, G.: “La lingua degli Ichneutai di Sofocle”, Aegyptus 6: 313-329. Guépin 1968, J.-P.: The Tragic Paradox. Myth and Ritual in Greek Tragedy, Amsterdam. Guggisberg 1947, P.: Das Satyrspiel, Diss. Zürich. Hall 1998, E.: “Ithyphallic Males Behaving Badly; or, Satyr Drama as Gendered Tragic Ending”, in: M. Wyke (ed.), Parchments of Gender, Deciphering the Bodies of Antiquity, Oxford, 13-37. Hall 2006a, E.: The Theatrical Cast of Athens. Interactions Between Ancient Greek Drama and Society, Oxford. Hall 2006b, E.: “Horny Satyrs and Tragic Tetralogies”, in: Hall 2006a, 142-169 [Überarbeitete Fassung von Hall 1998]. Hall 2006c, E.: “Childbearing Women. Birth and Familiy Crisis in Ancient Drama”, in: Hall 2006a, 60-98. Hall 2006d, E.: “Casting the Role of Trygaeus in Aristophanes’ Peace”, in: Hall 2006a, 321-291.

Bibliographie

471

Hall 2007a, E.. “Tragedy Personified”, in: C. Kraus, S. Goldhill, H.P. Foley, J. Elsner (ed.), Visualizing the Tragic: Drama, Myth and Ritual in Greek Art and Literature, Oxford, 221-256. Hall 2007b, E.: “Greek Tragedy 430-380”, in: R. Osborne (ed.), Debating the Athenian Cultural Revolution. Art, Philosophy, and Politics 430-380, Cambridge, 264-287. Hall 2010, E.: “Tragic Theatre: Demetrios’ Rolls and Dionysos’ Other Woman”, in: Taplin/Wyles 2010, 159-179. Halleran 1989, M.R.: “The Speaker(s) of Aeschylus, Diktyoulkoi fr. 47a Radt, 821-832”, ZPE 79: 267-269. Halliwell 1984, S.: “Ancient Interpretations of ὀνοµαστὶ κωµῳδεῖν in Aristophanes”, CQ 34: 83-88. Halliwell 1991, S.: “Comic Satire and Freedom of Speech in Classical Athens”, JHS 111: 48-70. Halliwell 2000, S.: “Le rire rituel et la nature de l’ancienne comédie attique”, in: Desclos 2000, 155-168. Halliwell 2004, S.: “Aischrology, Shame, and Comedy”, in: I. Sluiter, R. Rosen (edd.), Free Speech in Classical Antiquity, Leiden/Boston, MA, 115-144. Halm-Tisserant 1986, M.: “La représentation du retour d’Héphaistos dans l’Olympe”, AK 29: 8-22. Hamdorf 1990, F.W.: “Satyrn in fremden Rollen”, in: Vierneisel/Kaeser 1990, 411-416. Hamilton 1979, R.: “Euripides’ Cyclopean Symposium”, Phoenix 33: 287-292. Hamilton 1992, R.: Choes and Anthesteria. Athenian Iconography and Ritual, Ann Arbor, MI. Handley 1953, E.W.: “-sis Nouns in Aristophanes”, Eranos 51: 129-142. Handley 1982, E.W.: “P.Oxy. 2806. A Fragment of Cratinus?”, BICS 29: 109-117. Handley 1985, E.W.: “Comedy”, in: Easterling/Knox 1985, 355-425. Harriott 1986, R.M.: Aristophanes. Poet & Dramatist, London/Sidney. Harris 2009, J.P.: “Revenge of the Nerds: Xenophanes, Euripides, and Socrates vs. Olympic Victors”, AJPh 130: 157-194. Harrison 1902, J.E.: “Is Tragedy the Goat-Song?”, CR 16: 331-332. Harrison 1903/1991, J.E.: Prolegomena to the Study of Greek Religion, Cambridge 1903; Neuauflage der dritten Ausgabe von 1922 mit einem neuen Vorwort von R. Ackermann, Princeton 1991. Harrison 21927, J.E.: Themis. A Study of the Social Origins of Greek Religion, with an Excursus on the Ritual Forms Preserved in Greek Tragedy by Gilbert Murray and a Chapter on the Origins of the Olympic Games by F.M. Cornford, London 1927. Zweite, überarbeitete Fassung (Cambridge 11912). Harrison 2005a, G.W.M. (ed.): Satyr Drama. Tragedy at Play, Swansea. Harrison 2005b, G.W.M.: “Positioning of Satyr Drama and Characterization in the Cyclops”, in: Harrison 2005a, 237-258. Hartmann 1927, A.: “Silenos und Satyros”, in: RE III A.1, 35-53. Hartung 1852: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Harvey 2005, D.: “Tragic Thrausmatology: the Study of the Fragments of Greek Tragedy in the Nintheenth and Twentieth Century”, in: F. McHardy, J. Robson, D. Harvey (edd.), Lost Dramas of Classical Athens. Greek Tragic Fragments, Exeter, 21-48. Harvey/Wilkins 2000, D./J. (edd.): The Rivals of Aristophanes. Studies in Athenian Old Comedy, with a foreword by Kenneth Dover, London.

472

Bibliographie

Haupt 1872, M.: “Coniectanea (Cyclops 495ff.)”, Hermes 6: 385-386. Heath 1762, B.: Notae sive lectiones ad tragicorum Graecorum veterum… dramata…., Vol. 3, Oxford. Heath 1990, M.: Aristophanes and His Rivals, G&R 37: 143-158. Hedreen 1992, G.: Silens in Attic Black-figure Vase-painting. Myth and Performance, Ann Arbor, MI. Hedreen 1994, G.: “Silens, Nymphs, and Maenads”, JHS 114: 47-69. Hedreen 2004, G.: “The Return of Hephaistos, Dionysiac Processional Ritual and the Creation of a Visual Narrative”, JHS 124: 38-64. Hedreen 2007, G.: “Myths of Ritual In Athenian Vase-Paintings of Silens”, in: Csapo/Miller 2007, 150-195. Heikkilä 1991, K.: “‘Now I have in Mind to Dance.’ The References of the Chorus to Their Own Dancing in Sophocles”, Arctos 25: 51-68. Henderson 1975, J.: The Maculate Muse. Obscene Language in Attic Comedy, New Haven/London. Henrichs 1978, A. : “Greek Maenadism from Olympias to Messalina”, HSPh 82: 121-160. Henrichs 1987, A.: “Myth Visualized: Dionysos and his Circle in Sixth-Century Attic Vase-Painting”, in: Papers on the Amasis Painter and his World. Colloquium Sponsored by the Getty Center for the History of Art and the Humanities and Symposium Sponsored by the J. Paul Getty Museum, Malibu, CA, 92-124. Henrichs 1994, A.: “Der rasende Gott: Zur Psychologie des Dionysos und des Dionysischen in Mythos und Literatur”, A&A 40: 31-58. Henrichs 1994/1995, A.: ““Why Should I Dance?”: Choral Self-Referentiality in Greek Tragedy”, Arion 3: 56-111. Henrichs 1996a, A.: ‘Warum soll ich denn tanzen?’ Dionysisches im Chor der griechischen Tragödie, Stuttgart/Leipzig. Henrichs 1996b, A.: “Dancing in Athens, Dancing on Delos: Some Patterns of Choral Projection in Euripides”, Philologus 140: 48-62. Henrichs 2000, A.: “Drama and Dromena: Bloodshed, Violence, and Sacrificial Metaphor in Euripides”, HSPh 100: 173-188. Henry 2001, W.B.: “Aeschylus, Isthmiastae 77-89 Snell”, ZPE 134: 12. Henry/Nünlist 2000, W.B./R.: “Aeschylus, Dictyulci (fr. 47a Radt) and Isthmiastae (fr. 78a-d)”, ZPE 129: 13-16. Herington 1963, C.J.: “The Influence of Old Comedy on Aeschylus’ Later Trilogies”, TAPhA 94: 113-125. Herington 1965, C.J.: “Aeschylus: The Last Phase”, Arion 4: 387-403. Hermann 1827, G.: “De compositione tetralogiarum tragicarum”, in: Godofredi Hermanni Opuscula, Vol. II, Leipzig, 306-318 (18191). Hermann 1834, G.: “De Aeschyli Lycurgia Dissertatio”, in: Godofredi Hermanni Opuscula, Vol. V, Leipzig, 3-30 (18311). Hermann 1938: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Hermann 1846, G.: “Über einige Trilogien des Aeschylus”, Berichte über die Verhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig IV: 117-127. Hermann 1847, G.: “Coniectanea critica”, Philologus 2: 131-135. Hermann 1848, K.F.: “Das Satyrdrama des Pratinas”, Philologus 3: 507-509. Hermary/Jacquemin 1988, A./A.: “Héphaistos”, in: LIMC 4.1, 627-654.

Bibliographie

473

Herter 1936, H.: “Theseus der Jonier”, RhM 85: 177-239. Herter 1937, H.: “Tragodia, Τραγῳδία, Tragoedia [Personifikation der Tragödie]”, in: RE VI A.2, 1896-1899. Herter 1939, H.: “Theseus der Athener”, RhM 88: 244-326. Herter 1973, H.: “Theseus”, in: RE Suppl. XIII, 1045-1283. Heubeck 1979, A.: Schrift. Archaeologia Homerica Bd. III Kap. X, Göttingen. Heydemann 1885, H.: Dionysos’ Geburt und Kindheit (zehntes Hallisches Winckelmannsprogramm), Halle. Hoesch 1990, N.: “Das Kottabosspiel”, in: Vierneisel/Kaeser 1990, 272-275. Hoffmann 1983, H.: “ΥΒΡΙΝ ΟΡΘΙΑΝ ΚΝΩΩΔ∆ΑΛΩΩΝ”, in: D. Metzler, B. Otto, C. Müller-Wirth (edd.), Antidoron, Festschrift für J. Thimme zum 65. Geburtstag am 26. September 1982, Karlsruhe, 61-73. Hoffmann 1987, H.: “Notizen zur Françoisvase”, in: Bérard/Brun/Pomari 1987, 27-32. Hölscher 1988, U.: Die Odyssee. Epos zwischen Märchen und Roman, München 1988. Holzhausen 2005, J. (ed.): Bernd Seidensticker. Über das Vergnügen an tragischen Gegenständen. Studien zum antiken Drama, München/Leipzig 2005. Hose 1995, M.: Drama und Gesellschaft, Studien zur dramatischen Produktion in Athen am Ende des 5. Jahrhunderts, Stuttgart 1995. Howe 1953, T.P. : “Illustrations to Aeschylos’ Tetralogy on the Perseus Theme”, AJA 57: 269-275, Fig. 1-5. Hubbard 1991, T.: The Mask of Comedy. Aristophanes and the Intertextual Parabasis, Ithaca/London. Humphreys 1880, M.W.: “The Fourth Play in the Tetralogy”, AJPh 1: 187-196. Hunt 1911: vide supra s.v. Sophokles, Fragmente. Hunt 1912a: vide supra s.v. Satyrspielfragmentsammlungen. Hunt 1912b: vide supra s.v. Sophokles, Fragmente. Hunt 1927: vide supra s.v. Sophokles, Fragmente. Hunter 1981, R.L.: “P. Lit. Lond. 77 and Tragic Burlesque in Attic Comedy”, ZPE 41: 1924. Hunter 1983: vide supra s.v. Komikerfragmente. Hunter 2004, R.L.: “Homer and Greek Literature”, in: R. Fowler (ed.), The Cambridge Companion to Homer, Cambridge, 235-253. Hunter 2006, R.L.: The Shadow of Callimachus. Studies in the Reception of Hellenistic Poetry at Rome, Cambridge. Hunter 2009, R.L.: “Readings of Homer: Euripides’ Cyclops”, in: id., Critical Moments in Classical Literature, Cambridge, 53-77. Hutchinson 2001, G.O.: Greek Lyric Poetry. A Commentary on Selected Larger Pieces. Alcman, Stesichorus, Sappho, Alcaeus, Ibycus, Anacreon, Simonides, Bacchylides, Pindar, Sophocles, Euripides, Oxford. Iannucci 1998, A.: “Euripide (satiresco) e gli “sportivi”. Note di lettura a Eur. Fr. 282 N2”, Quaderni del Dipartimento di filologia linguistica e tradizione classica, Università degli studi di Torino, 31-48. Ieranò 1992, G.: “Zeus e Dioniso: in margine a Eur. Bacch. 1349”, RFIC 120: 286-291. Ieranò 1997, F.: Il ditirambo di Dioniso. Le testimonianze antiche, Pisa/Roma. Ingleheart 2010: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Ovid. Isler-Kerényi 2004, C.: Civilizing Violence. Satyrs on 6th-Century Greek Vases, Freiburg i. Ü.

474

Bibliographie

Isler-Kerényi 2007, C.: “Komasts, Mythic Imaginary, and Ritual”, in: Csapo/Miller 2007, 77-95. Jahn 1853, O.: “Über einige Abenteuer des Herakles auf Vasenbildern”, Bericht über die Verhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften Philosophisch-historischer Klasse 5: 135-150. Jahn 1867, O.: “Kottabos auf Vasenbildern”, Philologus 26: 201-240. Jeanmaire 1951, H.: Dionysos. Histoire du culte de Bacchus, Paris. Jeffery 1961/2003, L.H.: The Local Scripts of Archaic Greece. A Study of the Origin of the Greek Alphabet and its Development from the Eighth to the Fifth Centuries B.C., revised edition with supplement by A.W. Johnston, reprint of the revised edition, Oxford 2003 (19611). Jennings/Katsaros 2007, V./A. (edd.): The World of Ion of Chios, Leiden/Boston 2007. Jones 2011, G.S.: “Perikles and the Sexual Politics of Hermippos’ Moirai: A New Interpretation of Fr. 47”, CJ 106: 273-293. de Jong 1987, I.J.F.: Narrators and Focalizers. The Presentation of the Story in the Iliad, Amsterdam. Jouan 1991a, F.: “Personnalité et costume du choeur satyrique”, Dioniso 61: 25-38. Jouan 1991b, F.: “Sophocle et le drame satyrique”, Pallas 37: 7-23. Jouan 1992, F.: “Dionysos chez Eschyle”, Kernos 5: 71-86. Jouan 1997, F.: “Héros comique, héros tragique, héros satyrique”, in: P. Thiercy, M. Menu (edd.), Aristophane – La langue, la scène, la cité (actes du colloque de Toulouse 17-19 mars 1994), Bari, 215-228. Jouan/Van Looy 1998-2003: vide supra s.v. Euripides, Fragmente. Jouanna 1998, J.: “Le sourire des tragiques grecs”, in: M. Trédé, P. Hoffmann (edd.), Le rire des anciens (Actes du colloque international, Université de Rouen, Ecole normale supérieure, 11-13 janvier 1995), Paris, 161-176. Junker 2003, K.: “Namen auf dem Pronomoskrater”, MDAIA 118: 317-335. Junker 2010, K.: “The Transformation of Athenian Theatre Culture around 400 BC”, in: Taplin/Wyles 2010, 131-148. Kaibel 1895a, G.: “Kratinos’ Ὀδυσσῆς und Euripides’ Κύκλωψ”, Hermes 30: 71-88. Kaibel 1895b, G.: “Aischylos’ Δ∆ΙΟΝΥΣΟΥ ΤΡΟΦΟΙ”, Hermes 30: 88-89. Kaimio 2001, M. et al.: “Metatheatricality in the Greek Satyr-Play”, Arctos 35: 35-78. Kakridis 1962, P.: “Der ΠΑΙΣ ΜΑΡΓΟΣ im Dike-Fragment”, Eranos 60: 111-121Kamerbeek 1954, J.C.: “De Aeschyli Dictyulcis”, Mnemosyne 7: 89-110. Kamerbeek 1955, J.C.: “Adnotationes ad Aeschyli Isthmiastas (Ox. P. 2162)”, Mnemosyne 8: 1-13. Kannicht 1969a: vide supra s.v. Tragödien … s.v. Euripides. Kannicht 1969b: vide supra s.v. Tragödien … s.v. Euripides. Kannicht 2004: vide supra s.v. Fragmenta tragica adespota. Käppel 1992, L.: Paian. Studien zur Geschichte einer Gattung, Berlin/New York. Kassel 1955/1989, R.: “Bemerkungen zum Kyklops des Euripides”, RhM 98, 1955, 279286; Paginierung und Zitate hier nach dem Wiederabdruck in Seidensticker 1989a, 170-178. Kassel 1973, R.: “Zum euripideischen Kyklops”, Maia 25: 99-106 (repr. in H.-G. Nesselrath (ed.), R. Kassel, Kleine Schriften, Berlin/New York 1991, 199-206). Kerényi 1961, K.: “Aischylos und das Werk eines Vasenmalers in Ancona”, MDAI 68: 164-166.

Bibliographie

475

Kerkhof 2001, R.: Dorische Posse, Epicharm und Attische Komödie, München/Leipzig. Kirchhoff 1868: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Kirkpatrick/Dunn 2002, J./F.: “Heracles, Cercopes, and Paracomedy”, TAPhA 132: 29-61. Kleingünther 1933, A.: ΠΡΩΩΤΟΣ ΕΥΡΕΤΗΣ. Untersuchungen zur Geschichte einer Fragestellung, Diss. Göttingen, Leipzig. Knapp 1896, P.: “Zu Euripides’ Kyklops V. 152”, Philologus 55: 575-576. Knöbl 2005, R.: “Euripides, Kyklops 1970-2000”, Lustrum 47: 23-54. Knox 1972, B.M.W.: “Aeschylus and the Third Actor”, AJPh 93: 104-124. Kolb 1979, F.: “Polis und Theater”, in: Seeck 1979, 504-543. van der Kolf 1957, M.: “Prokrustes”, in: RE, Neue Bearbeitung, 45. Halbband, 609-613. Konstan 1981/1990, D.: “An Anthropology of Euripides’ Kyklōps”, Ramus 10: 87-103; Paginierung und Zitate hier nach dem Wiederabdruck in: Winkler/Zeitlin 1990, 207-227. Körte 1904, A.: “Die Hypothesis zu Kratinos’ Dionysalexandros”, Hermes 39: 481-498. Körte 1914, A.: Die griechische Komödie, Leipzig. Körte 1933, A.: “Zwei Kolumnen eines Aischylos-Papyrus. 2. Δ∆ικτυουλκοί”, Hermes 68: 267-275. Körte 1935, A.: “Litterarische Texte mit Ausschluss der Christlichen, Aischylos, Δ∆ικτυουλκοί”, Archiv für Papyrusforschung 2: 249. Körte 1938: vide supra s.v. Didascaliae Tragicae. Kossatz-Deissmann 1982, A.: “Zur Herkunft des Perizoma im Satyrspiel”, JDAI 97: 6590. Kossatz-Deissmann 1991, A.: “Satyr- und Mänadennamen auf Vasenbildern des GettyMuseums und der Sammlung Calm (Basel) mit Addenda zu Ch. Fränkel, Satyrund Bakchennamen auf Vasenbildern (Halle 1912)”, in: Greek Vases in the J.Paul Getty Museum, Vol. 5, California, 131-199. Kossatz-Deissmann 1994a, A.: “Sikinnis, Sikinnos”, in: LIMC 7.1: 761. Kossatz-Deissmann 1994b, A.: “Silenos”, in: LIMC 7.1: 762. Kovacs 1994: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Kowalzig 2007, B.: ““And Now All the World Shall Dance!” (Eur. Bacch. 114): Dionysus’ Choroi between Drama and Ritual”, in Csapo/Miller 2007, 221-251. Kozak/Rich 2006, L./J. (edd.): Playing Around Aristophanes. Essays in Celebration of the Completion of the Edition of the Comedies of Aristophanes by Alan Sommerstein, Cambridge, UK. Kramer 1979: vide supra s.v. Fragmenta tragica adespota. Kranz 1933, W.: Stasimon. Untersuchungen zu Form und Gehalt der griechischen Tragödie, Berlin. Kretschmer 1894, P.: Die griechischen Vaseninschriften ihrer Sprache nach untersucht, Gütersloh. Kristeva 1969, J.: Sémeiotiké. Recherches pour une sémanalyse, Paris. Krumeich 2000, R.: “Die Weihgeschenke der Satyrn in Aischylos’ Theoroi oder Isthmiastai”, Philologus 144: 176-192. Krummen 2007, E.: “Schön nämlich ist das Wagnis. Rituelle Handlung und mythische Erzählung in Platons Phaidon”, in: Bierl/Lämmle/Wesselmann 2007, II, 91-139. Kudlien 1970, F.: “Zu Arats Ὀστολογία und Aischylos’ Ὀστολόγοι”, RhM 113: 297-304.

476

Bibliographie

Kumpf 1974, M.M.: The Homeric Hapax Legomena and Their Literary Use by Later Authors, Especially Euripides and Apollonius Rhodius, Diss. Ohio State Univ., Ohio. Kumpf 1984, M.M.: Four Indices of the Homeric Hapax Legomena, together with Statistical Data, Hildesheim. Lada-Richards 1999, I.: Initiating Dionysus, Oxford. Lammers 1931, J.: Die Doppel- und Halbchöre in der antiken Tragödie, Paderborn. Lämmle 2007, R.: “Der eingeschlossene Dritte. Zur Funktion des Dionysos im Satyrspiel”, in: Bierl/Lämmle/Wesselmann 2007, I, 335-386. Lämmle 2011, R.: “Das Satyrspiel”, in: Zimmermann 2011a, 611-663. Lämmle (forthcoming), R.: “Quartum datur. Das Satyrspiel in der tragischen Tetralogie”, in: R. Brandt (ed.), Die Macht des Vierten. Über eine Ordnung der europäischen Kultur, Hamburg (Meiner). Lange 2002, K.: Euripides und Homer: Untersuchungen zur Homer-Nachwirkung in Elektra, Iphigenie im Taurerland, Helena, Orestes und Kyklops, Stuttgart. Larson 2001, J.: Greek Nymphs. Myth, Cult, Lore, Oxford. Lasserre 1973/1989, F.: “Das Satyrspiel”, in: Seidensticker 1989a, 252-286 (Erstveröffentl. in frz. Sprache, RFIC 101, 1973, 273-301. Aus dem Französischen von Rudolf Harneit). Latacz 1993/2003, J.: Einführung in die griechische Tragödie, Göttingen 1993; Paginierung und Zitate hier nach der zweiten, durchgesehenen und aktualisierten Ausgabe von 2003. Latte 1913, K.: De saltationibus Graecorum capita quinque, Giessen. Lawler 1939, L.B.: “The Dance of the Owl and its Significance in the History of Greek Religion and the Drama”, TAPhA 70: 482-502. Lawler 1954, L.B.: “Phora, Schema, Deixis in the Greek Dance”, TAPhA 85: 148-158. Lawler 1964, L.B.: The Dance in Ancient Greece, London. Lefkowitz 1991, M.R.: “Commentary on Vlastos”, Proceedings of the Boston Area Colloquium in Ancient Philosophy 5: 239-246. Leo 1907/1960, F.: “Zu den neuen Fragmenten bei Photios”, Hermes 42: 153-155; Paginierung und Zitate hier nach dem Wiederabdruck in: id., Ausgewählte Kleine Schriften, herausgegeben und eingeleitet von E. Fraenkel, Bd. II, Roma 1960, 410-411. Lesky 1954, A.: “Die Datierung der Hiketiden und der Tragiker Mesatos”, Hermes 82: 113 (repr. in: Lesky 1966, 220-232). Lesky 1960, A.: “Nachwort”, in: Takebe 1960, 31. Lesky 1963, A.: “Noh-Bühne und griechisches Theater”, Maia 15: 38-44 (repr. in Lesky 1966, 275-280). Lesky 1966, A.: Gesammelte Schriften. Aufsätze und Reden zu antiker und deutscher Dichtung und Kultur, herausgegeben von W. Kraus, Bern/München. Lesky 31972, A.: Die tragische Dichtung der Hellenen. Dritte, völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Göttingen 1972 (11956). Levi 1908, L.: “Intorno al dramma satirico”, RSA 12: 201-242. Levi 1909, L.: “Il Licurgo di Eschilo”, A&R 12: 241-247. Lippold 1951, G.: Antike Gemäldekopien, München, 131.

Bibliographie

477

Lissarrague 1987a, F.: Un flot d’images. Une esthétique du banquet grec, Paris. (Engl.: The Aesthetics of the Greek Banquet. Images of Wine and Ritual, translated by A. Szagedy-Maszak, Princeton, New Jersey 1990.) Lissarrague 1987b, F.: “Dionysos s’en va-t-en guerre”, in: Bérard/Brun/Pomari 1987, 111-120. Lissarrague 1987c, F.: “De la sexualité des satyres”, Mètis 2: 63-90. Lissarrague 1988, F.: “Les satyres et le monde animal”, in: J. Christiansen, T. Melander (edd.), Proceedings of the 3rd Symposium on Ancient Greek and Related Pottery, Copenhagen, August 31-September 4 1987, Kopenhagen, 335-351. Lissarrague 1990a, F.: “Why Satyrs are Good to Represent”, in: Winkler/Zeitlin 1990, 228-236 (= Übersetzung der überarbeiteten Fassung von: “Pourquoi les satyres sont-ils bons à montrer?”, in: Ghiron-Bistagne/Schouler 1987, 93-106.) Lissarrague 1990b, F.: “The Sexual Life of Satyrs”, in: D.M. Halperin, J.J. Winkler und F.I. Zeitlin (edd.), Before Sexuality. The Construction of Erotic Experience in the Ancient Greek World, Princeton, 53-81. Lissarrague 1993, F.: “On the Wildness of Satyrs”, in: Carpenter/Faraone 1993, 207-220. Lissarrague 1997, F.: “L’homme, le singe et le satyre”, in: Cassin/Labarrière 1997, 455472. Lissarrague 2000, F.: “Satyres, sérieux s’abstenir”, in: Desclos 2000, 109-119. Lissarrague 2010, F.: “From Flat Page to the Volume of the Pot”, in: Taplin/Wyles 2010, 33-46. Lloyd-Jones 1956, H.: “Zeus in Aeschylus”, JHS 76: 55-67. Lloyd-Jones 1957: vide supra s.v. Aischylos, Fragmente. Lloyd-Jones 1961, H.: “Rez.: E. Lobel and E.G. Turner: The Oxyrhynchus Papyri, Part XXV (London 1959)”, CR 75: 17-21. Lloyd-Jones 1965, H.: “A Problem in the Tebtunis Inachus-Fragment [= fr. 269c R.]”, CR 15, 1965, 241-243 (repr. in: Lloyd-Jones 1990, 397-400). Lloyd-Jones 1966/1990, H.: “Problems of Early Greek Tragedy. Pratinas and Phrynichus”, in: Estudios sobre la tragedia griega (Cuadernos de la Fundación Pastor 13), Madrid 1966, 11-33; Paginierung und Zitate hier nach: Lloyd-Jones 1990, 225-237. Lloyd-Jones 1978/1990, H.: “Ten Notes on Aeschylus’ Agamemnon”, in: R.D. Dawe, J. Diggle, P.E. Easterling (ed.), Dionysiaca. Nine Studies in Greek Poetry by Former Pupils Presented to Sir Denys Page on his Seventieth Birthday, Cambridge 1978, 46-59; Paginierung hier nach dem Wiederabdruck in Lloyd-Jones 1990, 318-334. Lloyd-Jones 1990, H.: Greek Epic, Lyric and Tragedy. The Academic Papers of Sir Hugh Lloyd-Jones, Oxford. Lloyd-Jones 1994, H.: “Notes on Fragments of Sophocles”, SIFC 12: 129-148. Lloyd-Jones 1998, H.: “Ritual and Tragedy”, in: F. Graf (ed.), Ansichten griechischer Rituale. Geburtstagssymposium für Walter Burkert, Castelen bei Basel 15. bis 18. März 1996, Stuttgart/Leipzig, 271-295. Lloyd-Jones 22003: vide supra s.v. Sophokles, Fragmente. Lobel 1952: vide supra s.v. Aischylos, Fragmente. Lofberg 1921, J.O.: “‘Unmixed Milk’ Again”, CPh 16: 389-391. López Eire 2003, A.: “Tragedy and Satyr-Drama: Linguistic Criteria”, in: Sommerstein 2003a, 387-412. Lucas 1968: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Aristoteles.

478

Bibliographie

Luck 1967: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Ovid. Luck 1977: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Ovid. Luppe 1972, W.: “Die Zahl der Konkurrenten an den komischen Agonen zur Zeit des Peloponnesischen Krieges”, Philologus 116: 53-75. Luppe 1976, W.: “Die Verwandlung der Io in einem Sophoklesverweis bei Erotian (fr. 279 P.)”, Philologus 120: 296-299. Luppe 1985: vide supra s.v. Weiter Texte … s.v. Philodem. Luppe 1988a: vide supra s.v. Fragmenta tragica adespota. Luppe 1988b, W.: “Ein übersehener Hinweis auf die Fünfzahl der Konkurrenten bei Komiker-Agonen zur Zeit des Peloponnesischen Krieges?”, Nikephoros 1: 185-189. Luppe 1988c, W.: “ΠΕΡΙ ΥΩΩΝ ΠΟΙΗΣΕΩΩΣ?”, ZPE 72: 37-38. Luppe 1992, W.: “Eine Interpolation in dem grossen ‘Sisyphos’-Fragment: T.G.F. I (43) F 19 = (88) B 25”, Hermes 120: 118-119. Luz 2010, Ch.: Technopaignia. Formspiele in der griechischen Dichtung, Leiden/Boston. Maas 1912/1973a, P.: “Zu den neuen Klassikertexten der Oxyrhynchos Papyri (Vol. IX)”, Berliner philologische Wochenschrift 32, 1912, 1075-1077; Paginierung und Zitate hier nach: Maas 1973, 44-47. Maas 1912/1973b, P.: “Zu Sophokles Ichneutai”, DLZ 33: 2783-2784 (= Auszug aus der Besprechung von Tragicorum Graec. fragm. nuper reperta ed. A. S. Hunt, Oxford 1912); Paginierung und Zitate hier nach Maas 1973, 43-44. Maas 1914/1973, P.: “κόρταφος und κόρταλος”, Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 46: 159; Paginierung und Zitate hier nach: Maas 1973, 203-204. Maas 1973, P.: Kleine Schriften, herausgegeben von W. Buchwald, München. Maas/McIntosh Snyder 1989, M./J.: Stringed Instruments of Ancient Greece, New Haven/ London. Mac Dowell 1995, D.M.: Aristophanes and Athens. An Introduction to the Plays, Oxford. Magnelli 2003, E.: “Un nuovo indizio (e alcune precisazioni) sui drammi ‘alfabetici’ di Euripide a Bisanzio tra XI e XII secolo”, Prometheus 29: 193-212. Maltese 1982: vide supra s.v. Sophokles, Fragmente. Maltese 1991, E.V.: “Per una rilettura degli Ichneutai Sofoclei”, Dioniso 61: 63-73. Mancini 1928: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Mangidis 2003, T.: Antiphanes’ Mythentravestien, Frankfurt a.M. et al. Mannack 2010, T.: “A Description”, in: Taplin/Wyles 2010, 5-13. March 1989, J.: “Euripides’ Bacchae: A Reconsideration in the Light of Vase-Paintings”, BICS 36: 33-65, Plates 1-4. Marconi 2005, C.: “I Teoroi di Eschilo e le antefisse sileniche siceliote”, Sicilia Antiqua 2: 75-93. Maresch 1987: vide supra s.v. Fragmenta tragica adespota. Marquart 1912, R.: Die Datierung des euripideischen Kyklops, Diss. Leipzig. Marshall 1999, C.W.: “Some Fifth-Century Masking Conventions”, G&R 46: 188-202. Marshall 2000, C.W.: “Alcestis and the Problem of Prosatyric Drama”, CJ 95: 229-238. Marshall 2001, C.W.: “The Consequences of Dating the Cyclops”, in: M. Joyal (ed.), In Altum. Seventy-five Years of Classical Studies in Newfoundland, Newfoundland, 225-241. Marshall 2005, C.W.: “The Sophisticated Cyclops”, in: Harrison 2005a, 103-117. Martina 2003, A. (ed.): Teatro Greco postclassico e teatro latino. Teorie e prassi drammatica (Atti del Convegno Internazionale. Roma, 16-18 ottobre 2001), Roma.

Bibliographie

479

Martino 1987/1988, G.: “Chi è il δεσπότης dei satiri e di Sileno negli Ichneutae di Sofocle?”, AIIS 10: 11-26. Masciadri 1987, V.: “Autolykos und der Silen. Eine übersehene Szene des Euripides bei Tzetzes”, MH 44: 1-7. Masqueray 1902, P.: “Le Cyclope d’Euripide et celui d’Homère”, REA 4: 165-190. Massenzio 1970, M.: Cultura e crisi permanente: la ‘xenia’ dionisiaca, Roma. Mastromarco 1975, G.: “Guerra peloponnesiaca e agoni comici a Atene”, Belfagor 30: 469-473. Mastromarco 1987, G.: “La parabasi aristofanea: tra realtà e poesia”, Dioniso 57: 75-93. Mastromarco 1989, G.: “L’eroe et il mostro (Aristofane, Vespe 1029-1044)”, RFIC 117: 410-423. Mastromarco 1994, G.: Introduzione a Aristofane, Bari. Mastropasqua 1998, F.: “Il cratere di Pronomos”, in: F. Mastropasqua (ed.), Metamorfosi del teatro, Napoli, 39-55. Matthiessen 1964, K.: Elektra, Taurische Iphigenie und Helena: Untersuchungen zur Chronologie und zur dramatischen Form im Spätwerk des Euripides, Göttingen. Mayer 1887, M.: Die Giganten und Titanen in der antiken Sage und Kunst, Berlin. McHugh/Konstan 2001: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. McKay 1962, K.J.: Erysichthon. A Callimachean Comedy, Leiden. Medda/Mirto/Pattoni 2006, E./M.S./M.P. (edd.): Komoidotragoidia: intersezioni del tragico e del comico nel teatro del V secolo a. C., Pisa. Meier 1988, C.: Die politische Kunst der Tragödie, München. Melchinger 1974, S.: Das Theater der Tragödie. Aischylos, Sophokles, Euripides auf der Bühne ihrer Zeit, München. Melero 1984, A.: “La muerte de Encélado: una parodia satírica”, EClás 87: 159-166. Melero 1988, A.: “ΟΥΚ ΑΝΕΥ ΘΗΣΕΩΩΣ. A Propósito de los Teoros de Esquilo”, in: C. Codoñer, M.a P. Fernández Álvarez, J.A. Fernández Delgado (ed.), Stephanion. Homenaje a María C. Giner, Salamanca, 121-128. Melero 1991a, A.: “El hiporquema de Prátinas y la dicción satírica”, in: J.A. López-Férez (ed.), Estudios actuales sobre textos griegos, Madrid, 75-87. Melero 1991b, A.: “La dicción satírica”, Fortunatae 2: 173-185. Melero 1992, A. : “Prátinas y la dicción satírica”, in: Homenatge a Josep Alina (Actes del Xè Simposi de la secció catalana de la SEEC), Tarragona, 231-238. Méridier 1925: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Meritt 1938: vide supra s.v. Didascaliae Tragicae. Mette 1939: vide supra s.v. Aischylos, Fragmente. Mette 1949: vide supra s.v. Aischylos, Fragmente. Mette 1955, H.J.: “Literaturbericht über Aischylos für die Jahre 1900-1954”, Gymnasium 62: 393-406. Mette 1958, H. J.: “Zu Aischylos, ΙΣΘΜΙΑΣΤΑΙ (Pap. Ox. 2162 fr. I a col. I, 28)”, Hermes 86: 255. Mette 1959: vide supra s.v. Aischylos, Fragmente. Mette 1963, H.J.: Der verlorene Aischylos, Berlin. Mette 1964, H.J.: “Euripides’ Skiron”, MH 21: 71-72. Mette 1969, H.J.: “Hypothesis von Euripides’ Syleus?”, ZPE 4: 173. Mette 1983, H.J.: “Peirithoos – Theseus – Herakles bei Euripides”, ZPE 50: 13-19. Metzger 1965, H.: Recherches sur l’imagerie athénienne, Paris.

480

Bibliographie

Michaelakis 2002, P.: Achilles in Greek Tragedy, Cambridge. Michelini 1987, A.N.: Euripides and the Tragic Tradition, Wisconsin. Mills 1997, S.: Theseus, Tragedy and the Athenian Empire, Oxford. Minto 1960, A. (ed.): Il Vaso François, Firenze. von Moellendorff 1995, P.: Grundlagen einer Ästhetik der Komödie. Untersuchungen zu Aristophanes und Michail Bachtin, Tübingen. Morelli 2003, G.: “Per la ricostruzione del Centauro di Cheremone”, in: Martina 2003, 11-27. Mossman 1995, J.: Wild Justice, A Study of Euripides’ Hecuba, Oxford. Müller 21997, C.W.: “Höhlen mit doppeltem Eingang bei Sophokles und Euripides”, in: C.W. Müller, Philoktet, Beiträge zur Wiedergewinnung einer Tragödie des Euripides, Stuttgart 1997, 97-110 (überarbeitete Fassung des gleichnamigen Artikels in RhM 134, 1991, 262-275). Münscher 1914, K.: “Zu Sophokles’ Ichneutai”, RhM 69: 170-190. Mureddu 1993, P.: “Il ‘multiforme Odisseo’: appunti sulla figura e sul ruolo del protagonista del Ciclope”, in: R. Pretagostini (ed.), Tradizione e innovazione nella cultura greca da Omero all’età ellenistica. Scritti in onore di Bruno Gentili, Vol. II, Rom 1993, 591-600. Murray 1901: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Murray 21927, G.: “Excursus on the Ritual Forms Preserved in Greek Tragedy”, in: Harrison 21927, 341-363 (11912). Murray 1943, G.: “Ritual Elements in the New Comedy”, CQ 37: 46-54. Musgrave 1778: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Naerebout 1997, F.G.: Attractive Performances. Ancient Greek Dance: Three Preliminary Studies, Amsterdam 1997. Nagy 1990, G.: Pindar’s Homer. The Lyric Possession of an Epic Past, Baltimore/London. Napolitano 2000a, M.: “Odisseo simposiarca fraudolento e Polifemo simposiasta raggirato nel Ciclope di Euripide”, in: Arrighetti 2000, 51-63. Napolitano 2000b, M.: “Note all’iporchema di Pratina (PMG 708 = TrGF I 4 F 3)”, in: A.C. Cassio, D. Musti, L.E. Rossi (edd.), Synaulía: Cultura musicale in Grecia e contatti mediterranei, Napoli, 111-155. Napolitano 2003: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Nesselrath 1990, H.-G.: Die attische Mittlere Komödie: ihre Stellung in der antiken Literaturkritik und Literaturgeschichte, Berlin/New York. Nesselrath 1995, H.-G.: “Myth, Parody, and Comic Plots: The Birth of Gods and Middle Comedy”, in: Dobrov 2005, 1-27. Nieddu 2004, G.F.: “A Poet at Work: The Parody of Helen in the Thesmophoriazusae”, GRBS 44: 331-360. Nielsen 2002, I.: Cultic Theatres and Ritual Drama. A Study in Regional Development and Religious Interchange between East and West in Antiquity, Aarhus. Nietzsche 1872, F.: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, Leipzig 1872; repr. in: C. Colli, M. Montinari (edd.), Nietzsche Werke. Kritische Gesamtausgabe, 3. Abt., Bd. 1, Berlin/New York. Nilsson 1911, M.P.: “Der Ursprung der Tragödie”, N. Jahrb. f. klass. Altertum 27, 1911, 609-696 (repr. in id., Opuscula Selecta, Bd. 1, Lund 1951, 61-145).

Bibliographie

481

Nilsson 1957, M.P.: The Dionysiac Mysteries of the Hellenistic and Roman Age, Lund 1957. Obbink 1995, D.: “How to Read Poetry about Gods”, in: D. Obbink (Ed.), Philodemus and Poetry. Poetic Theory and Practice in Lucretius, Philodemus, and Horace, Oxford/New York, 189-209 [196-198 zum Sisyphos-Fragment]. Obbink 2011, D.: “Dionysos in and out of the Papyri”, in: Schlesier 2011, 281-295. OKell 2003, E.: “The ‘Effeminacy’ of the Clever Speaker and the ‘Impotency’ Jokes of Ichneutai”, in: Sommerstein 2003a, 283-307. Olivieri 1934, A.: “Drammi satireschi: I: L’argomento dello Scirone di Euripide; II: L’Amfiarao di Sofocle”, RIGI 18: 49-55, 55-60. Olson 1988, S.D.: “Dionysos and the Pirates in Euripides’ Cyclops”, Hermes 116: 502504. Olson 2007: vide supra s.v. Komiker-Fragmente. Orth 2009: vide supra s.v. Komiker-Fragmente. Osborne 2010, R.: “Who’s Who on the Pronomos Vase?”, in: Taplin/Wyles 2010, 149158. O’Sullivan 2000, P.: “Satyr and Image in Aeschylus’ Theoroi”, CQ 50: 353-366. Owen 1924: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Ovid. Pace 2003, G.: “Le parti della tragedia in Giovanni Tzetze ΠΕΡΙ ΤΡΑΓΙΚΗΣ ΠΟΙΗΣΕΩΩΣ 9-74”, in: Martina 2003, 229-263. Padgett 2000, J.M.: “The Stable Hands of Dionysos: Satyrs and Donkeys as Symbols of Social Marginalization in Attic Vase Painting”, in: B. Cohen (ed.), Not the Classical Ideal. Athens and the Construction of the Other in Greek Art, Leiden et al., 43-70. Paduano 2005: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Paganelli 1979, L.: Echi storico-politici nel Ciclope euripideo, Bologna/Padua. Paganelli 1980, L.: “Osservazioni sulla guerra di Troia nell’ Andromaca e nel Ciclope euripideo”, Dioniso 51: 157-166. Paganelli 1981a: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Paganelli 1981b, L.: “Polifemo, Sileno e le Cariti (Eur. Cycl. 578-584)”, Emerita 49: 139143. Paganelli 1989, L.: “Il dramma satiresco. Spazio, tematiche e messa in scena”, Dioniso 59: 213-282. Page 1934/1987, D.L.: Actor’s Interpolations in Greek Tragedy Studied with Special Reference to Euripides’ Iphigenia in Aulis, Oxford 1934 (Paginierung hier nach dem Wiederabdruck: New York/London 1987). Page 1955, D.: Sappho and Alcaeus. An Introduction to the Study of Ancient Lesbian Poetry, Oxford. Page 1981, D.: Further Greek Epigrams. Epigrams before AD 50 from the Greek anthology and other sources, not included in Hellenistic Epigrams or The Garland of Philip, edited by D.L. P., revised and prepared for publication by R.D. Dawe and J. Diggle, Cambridge. Paley 1860: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Palutan 1996, M.G.: “La parodia del cottabo nei Σύνδειπνοι di Sofocle e negli Ὀστόλογοι di Eschilo”, SIFC 14: 10-27. Pančenko 1980, D.V.: “Euripides or Critias?”, VDI 151: 144-161 [Russ. mit engl. Zusammenfassung].

482

Bibliographie

Parry 1930/1971, M.: “Studies in the Epic Technique of Oral Verse-Making. I. Homer and Homeric Style”, HSPh 41, 1930, 73-147; Paginierung und Zitate hier nach: A. Parry (ed.), The Making of Homeric Verse. The Collected Papers of Milman Parry, Oxford 1971, 266-324. Parsons 2001, P.: “These Fragments We Have Shored against Our Ruin”, in: D. Boedeker, D. Sider (edd.), The New Simonides, Oxford, 55-64. Pathmanathan 1963, R. Sri: “A Playwright Relaxed or Over Worked?”, G&R 10: 123130. Patterson 1898, J.: “Satyr-Drama and Euripides’ Cyclops”, Scottish Review 31.62: 349372. Patterson 1900: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Patzer 1962, H.: Die Anfänge der griechischen Tragödie, Wiesbaden. Pavese 1967, C.O.: “L’ Inaco di Sofocle”, QUCC 3: 31-50. Pavese 1995, C.O.: “Ἆθλοι e ἆθλα”, SIFC 14: 3-9. Pearson 1914, A.C.: “ΑΙΤΝΑΙΟΙ ΚΑΝΘΑΡΟΙ”, CR 28: 223-224. Pearson 1917: vide supra s.v. Sophokles, Fragmente. Pechstein 1998, N.: Euripides Satyrographos. Ein Kommentar zu den euripideischen Satyrspielfragmenten, Stuttgart. Peirce 1993, S.: “Death, Revelry, and Thysia”, CA 12: 219-266, Fig.1-18. Perpillou 1973, J.-L.: Les Substantifs grecs en -ευς, Paris. Petersmann 1991, H.: “Springende und tanzende Götter beim antiken Fest”, in: Assmann 1991a, 69-87. Pfeiff 2002: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Homerische Hymnen. Pfeiffer 1938, R.: Die Netzfischer des Aischylos und der Inachos des Sophokles, München. Pfeiffer 1955, R.: “Ein syntaktisches Problem in den Dictyulci des Aischylos”, in: H. Krahe (ed.), Corolla Linguistica. Festschrift Ferdinand Sommer (zum 80. Geburtstag am 4. Mai 1955 dargebracht von Freunden, Schülern und Kollegen), Wiesbaden, 177-180. Pfeiffer 1958, R.: Ein neues Inachos-Fragment des Sophokles, München. Pierson 1752, J.: Verisimilium libri duo, Leiden [non vidi]. Platter 2007, C.: Aristophanes and the Carnival of Genres, Baltimore. Poe 1989, J.P.: “The Altar in the Fifth-Century Theatre”, ClAnt 8: 116-139. Pohlenz 1927/1965, M.: “Das Satyrspiel und Pratinas von Phleius”, Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse 1927, 298-321; Paginierung und Zitate hier nach: M. Pohlenz, Kleine Schriften II, herausgegeben von H. Dörrie, Hildesheim 1965, 473-496. Pohlenz 1930, M.: Die griechische Tragödie, Göttingen. Pohlenz 21954, M.: Die griechische Tragödie, Erläuterungen, Leipzig/Berlin 1954 (= zweite, neu bearbeitete Auflage von Pohlenz 1930). Poltera 2008: vide supra s.v. Weitere Literatur … s.v. Simonides. Poole 2005, A.: Tragedy. A Very Short Introduction, Oxford. Porter 2006, J. (ed.): “Feeling Classical: Classicism and Ancient Literary Criticism”, in: id., Classical Pasts. The Classical Traditions of Greece and Rome, Princeton/Oxford, 301-352. Privitera 1970, G.A.: Dioniso in Omero e nella poesia grecia arcaica, Roma. Privitera 1991, G.A.: “Origini della tragedia e ruolo del ditirambo”, SIFC 9:184-195.

Bibliographie

483

Puglia 1988: vide supra s.v. Weitere Literatur … s.v. Demetrios Lakon. Pütz 2003, B.: The Symposium and Komos in Aristophanes, Stuttgart/Weimar 2003. Rabe 1892: vide supra s.v. Sophokles, Fragmente. Radermacher 1953, L.: “πορδή”, in: RE XXII.1, 235-40. Radke 2003, G.: Tragik und Metatragik. Euripides’ Bakchen und die moderne Literaturwissenschaft, Berlin/New York. Radt 1983, S.: “Sophokles in seinen Fragmenten”, in: Sophocle (Sept exposés suivis de discussions, prép. et présidés par J. de Romilly, Fondation Hardt, VandœuvresGenève 1982 = Entretiens sur l’Antiquité Classique 29), Genève, 185-122. Rau 1967, P.: Paratragodia. Untersuchung einer komischen Form des Aristophanes, München. Rau 1971, P.: “Das Tragödienspiel in den Thesmophoriazusen”; hier zitiert nach dem Wiederabdruck in: H.-J. Newiger (ed.), Aristophanes und die Alte Komödie, Darmstadt, 339-356 (ohne Nachweis der Erstpublikation). Redmond 1983, J. (ed.): Drama and Religion, Cambridge et al. Redondo 2003, J.: “Satyric Diction in the Extant Sophoclean Fragments: A Reconsideration”, in: Sommerstein 2003a, 413-431. Rehm 1988, R.: “The Staging of Suppliant Plays”, GRBS 29: 263-307. Reinach 1898, S.: “Deux fragments d’hyporchèmes anonymes”, in: Mélanges Henri Weil. Receuil de mémoires concernant l’histoire et la littérature grecques, Paris, 413422. Reinach 1912, T.: “Les Satyres limiers”, Revue bleue 50: 65-69. Reinhardt 1957, K.: “Vorschläge zum neuen Aischylos”, Hermes 85: 1-17 (repr. in: Reinhardt 1960, 167-190). Reinhardt 1960, K.: Tradition und Geist: Gesammelte Essays zur Dichtung, herausgegeben von C. Becker, Göttingen. Reinhardt 1961, K.: Die Ilias und ihr Dichter. Herausgegeben von U. Hölscher, Göttingen. Revermann 1997, M.: “Kratinos’ Δ∆ιονυσαλέξανδρος and the Head of Pericles”, JHS 117: 197-200. Revermann 2006, M.: Comic Business. Theatricality, Dramatic Technique, and Performance Contexts of Aristophanic Comedy, Oxford. Richards 1882, H.: “On the History of the Words ΤΕΤΡΑΛΟΓΙΑ and ΤΡΙΛΟΓΙΑ”, Journal of Philology 11: 64-74. Richardson 2010: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Homerische Hymnen. Riedweg 1987, C.: Mysterienterminologie bei Platon, Philon und Klemens von Alexandrien, Berlin/New York. Ritter 1940/1974, J.: “Über das Lachen”, Blätter für Deutsche Philosophie 14, 1940/1941, 1-21; Paginierung und Zitate hier nach: J. Ritter, Subjektivität. Sechs Aufsätze, Frankfurt a.M. 1974, 62-169. Riu 1999, X.: Dionysism and Comedy, Lanham, MD et al. Robbins 1915, F E.: “ ‘Unmixed Milk’: Odyssey ix. 296-98”, CPh 10: 442-444. Robert 1912a, C.: vide supra s.v. Sophokles, Fragmente. Robert 1912b, C.: “Aphoristische Bemerkungen zu Sophokles’ Ἰχνευταί”, Hermes 47: 536-561. Robert 1920, C.: Die Griechische Heldensage I, Berlin. Robertson 1975, M.: A History of Greek Art, 2 vol., Cambridge.

484

Bibliographie

Rode 1971, J.: “Das Chorlied”, in: W. Jens (ed.), Die Bauformen der griechischen Tragödie, München, 85-115. Roemer 1913, A.: “Miszelle [zu Wilamowitz 1912]”, Blätter für das Gymnasial-Schulwesen herausgegeben vom bayer. Gymnasiallehrerverein 49: 239. Rohde 1870, E.: De Julii Pollucis in apparatu scaenico enarrando fontibus scripsit E. R. Accedit de Pollucis libri secundi fontibus epimetrum, Leipzig. Rohde 1894, E.: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, Tübingen (21898). Roisman 2005, H.: “The Cyclops and the Alcestis: Tragic and the Absurd”, in: Harrison 2005a, 67-82. Romagnoli 1911: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Roos 1951, E.: Die tragische Orchestik im Zerrbild der altattischen Komödie, mit 34 Illustrationen, revidierte Ausgabe, Stockholm. Rosen 2003, R.M.: “Revisiting Sophocles’ Poimenes: Tragedy or Satyr Play?”, in: Sommerstein 2003a, 373-386. Rosen 2004, R.M.: “Aristophanes’ Frogs and the Contest of Homer and Hesiod”, TAPhA 134: 295-322. Rosen 2005, R.M.: “Aristophanes, Old Comedy and Greek Tragedy”, in Bushnell 2005, 251-268. Rosen 2006, R.M.: “Old Comedy and the Classicizing of Tragedy”, in: Kozak/Rich 2006, 27-47. Rosenmeyer 1996, T.G.: “Ironies in Serious Drama”, in: Silk 1996a, 497-519. Rossi 1971, L.E.: “Il Ciclope di Euripide come κῶµος mancato”, Maia 23: 10-38. Rossi 1972/1989, L.E.: “Das attische Satyrspiel: Form, Erfolg und Funktion einer antiken literarischen Gattung”, in: Seidensticker 1989a, 222-251 (Erstveröffentlichung in italienischer Sprache in: Dialoghi di archeologia 6, 1972, 248-301. Aus dem Italienischen von R. Harneit). Rutherford 2001: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Pindar. Rutherford 1904, W.G.: “The Date of the Dionysalexander”, CR 18: 440. Sansone 1978, D.: “The Bacchae as Satyrplay?”, ICS 3: 40-46. Sartori 1893, K.: Das Kottabos-Spiel der alten Griechen, München. Schäfer 1997, A.: Unterhaltung beim griechischen Symposion. Darbietungen, Spiele und Wettkämpfe von homerischer bis in spätklassische Zeit, Diss. Köln 1994, Mainz. Scharffenberger 1995, E.W.: “Peisetaerus’ ‘Satyric’ Treatment of Iris: Aristophanes Birds 1253-6”, JHS 115: 172-173. Schenkl 1913, H.: “Zu den Ἰχνευταί des Sophokles”, Hermes 48: 153-156. Schlegel 1809/1989, A.W.: “Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur (1809)”, in: Seidensticker 1989a, 18-19. Schlesier 1985, R.: “Der Stachel der Götter. Zum Problem des Wahnsinns in der Euripideischen Tragödie”, Poetica 17: 1-45. Schlesier 1988, R.: “Die Bakchen des Hades: Dionysische Aspekte von Euripides’ Hekabe”, Mètis 3: 111-135. Schlesier 1991, R.: “Prolegomena to Jane Harrison’s Interpretation of Ancient Greek Religion”, in: Calder 1991, 185-226. Schlesier 1993a, R.: “Mischungen von Bakche und Bakchos. Zur Erotik der Mänaden in der antiken griechischen Tradition”, in: H.A. Glaser (ed.), Annäherungsversuche. Zur Geschichte und Ästhetik des Erotischen in der Literatur, Bern et al., 7-32.

Bibliographie

485

Schlesier 1993b, R.: “Mixtures of Masks: Maenads as Tragic Models”, in: Carpenter/Faraone 1993, 89-114. Schlesier 1994a, R.: Kulte, Mythen und Gelehrte. Anthropologie der Antike seit 1800, Frankfurt a.M. Schlesier 1994b, R.: “Zur Rivalität von Tragödie und Philosophie”, in: J. Huber, A.M. Müller (edd.), “Kultur” und “Gemeinsinn”. Interventionen, Zürich, 127-148. Schlesier 1995a, R.: “Lust durch Leid: Aristoteles’ Tragödientheorie und die Mysterien. Eine interpretationsgeschichtliche Studie”, in: W. Eder (ed.), Die athenische Demokratie im 4. Jahrhundert v.Chr. Vollendung oder Verfall einer Verfassungsform? (Akten eines Symposiums, 3.-7. August 1992 Bellagio), Stuttgart, 389-415 (Diskussion: 416-426). Schlesier 1995b, R.: “Maskierte Texte. Religiöse Anspielung und Verheimlichung in der Griechischen Tragödie”, in: H.G. Kippenberg, G.G. Stroumsa (edd.), Secrecy and Concealment. Studies in the History of Mediterranean and Near Eastern Religions, Leiden et al., 123-138. Schlesier 2007, R.: “Der göttliche Sohn einer menschlichen Mutter. Aspekte des Dionysos in der antiken griechischen Tragödie”, in: Bierl/Lämmle/Wesselmann 2007, I, 303-334. Schlesier 2011, R. (ed.): A Different God? Dionysos and Ancient Polytheism, Berlin/Boston. Schmid 1896, W.: “Kritisches und Exegetisches zu Euripides’ Kyklops”, Philologus 55: 46-61. Schmidt 1987, E.A.: “Historische Typologie der Orientierungsfunktionen von Kanon in der griechischen und römischen Literatur”, in: Assmann/Assmann 1987, 246-258. Schöll 1859, A.: Gründlicher Unterricht über die Tetralogie des attischen Theaters und die Kompositionsweise des Sophokles, zur Widerlegung eines hartnäckigen Vorurtheils aus den Quellen entwickelt, Leipzig. Schöll 1910, F.: Über zwei sich entsprechende Trilogien des Euripides. Mit Bemerkungen zur Tetralogie des attischen Theaters, Heidelberg. Schultz 1914, W.: “Rätsel”, in: RE I.1, 62-125. Scullion 2002, S.: “Tragedy Misconceived as Ritual”, CQ 52: 102-137. Scullion 2005a, S.: “Tragedy and Religion: The Problem of Origins”, in: Gregory 2005, 23-37. Scullion 2005b, S. “Tragedy and Athenian Religion (review)”, CW 99: 89-90. Seaford 1975, R.A.S.: “Some Notes on Euripides’ Cyclops”, CQ 25: 193-208. Seaford 1976a, R.A.S.: “Euripides, Cyclops 393-402”, CQ 26: 315-316. Seaford 1976b, R.A.S.: “On the Origins of Satyric Drama”, Maia 28: 209-221. Seaford 1977/1978, R.A.S.: “The Hyporchema of Pratinas”, Maia 29/30, 81-94. Seaford 1980, R.A.S.: “Black Zeus in Sophocles’ Inachus”, CQ 30, 1980, 23-29. Seaford 1981, R.A.S.: “Dionysiac Drama and the Dionysiac Mysteries”, CQ 31, 1981, 252-275. Seaford 1982, R.A.S.: “The Date of Euripides’ Cyclops”, JHS 102: 161-172. Seaford 1984: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Seaford 1987, R.A.S.: “Silenus Erectus. Euripides’ Cyclops 227”, LCM 12: 142-143. Seaford 1988, R.A.S.: “The Eleventh Ode of Bacchylides: Hera, Artemis, and the Absence of Dionysos”, JHS 108: 118-136.

486

Bibliographie

Seaford 1990a, R.A.S.: “The Structural Problems of Marriage in Euripides”, in: A. Powell (ed.), Euripides, Women, and Sexuality, London/New York, 151-176. Seaford 1990b, R.A.S.: “The Imprisonment of Women in Greek Tragedy”, JHS 110:7690. Seaford 1991, R.A.S.: “Il dramma satiresco di Euripide”, Dioniso 61: 75-89. Seaford 1993, R.A.S.: “Dionysus as Destroyer of the Household: Homer, Tragedy, and the Polis”, in: Carpenter/Faraone 1993, 115-146. Seaford 1994a, R.A.S.: Reciprocity and Ritual. Homer and Tragedy in the Developing City-State, Oxford. Seaford 1994b, R.A.S.: “Sophokles and the Mysteries”, Hermes 122: 275-288. Seaford 1996a: vide supra s.v. Tragödien … s.v. Euripides. Seaford 1996b, R.A.S.: “Satyric Drama”, in: OCD 1361. Seaford 1996c, R.A.S.: “Satyrs and Silens”, in: OCD 1361. Seaford 1996d, R.A.S.: “Something to Do with Dionysos – Tragedy and the Dionysiac. Response to Friedrich”, in: Silk 1996a, 284-294. Seaford 2000, R.A.S.: “The Dionysiac Don Responds to Don Quixote: Rainer Friedrich on the New Ritualism”, Arion 8: 74-98. Seaford 2003, R.A.S.: “Dionysos, Money and Drama”, Arion 11: 1-19. Seaford 2004, R.A.S.: Money and the Early Greek Mind: Homer, Philosophy, Tragedy, Cambridge. Seaford 2005a, R.A.S.: “Tragedy and Dionysus”, in: Bushnell 2005, 25-38. Seaford 2005b, R.A.S.: “Mystic Light in Aeschylus’ Bassarai”, CQ 55: 602-606. Seaford 2006, R.A.S.: Dionysos, London/New York. Seaford 2007, R.A.S.: “From Ritual to Drama: A Concluding Statement”, in: Csapo/Miller 2007, 379-401. Séchan 1926, L.: Etudes sur la tragédie grecque dans ses rapports avec la céramique, Paris. Séchan 1930, L.: La danse grecque antique, Paris. Seeck 1979, G. A. (ed.): Das griechische Drama, Darmstadt. Segal 1982, C.: Dionysiac Poetics and Euripides’ Bacchae, Princeton, NJ. Segal 1997, C.: Dionysiac Poetics and Euripides’ Bacchae, expanded edition, Princeton, NJ. Seidensticker 1978, B.: “Comic Elements in Euripides’ Bacchae”, AJPh 99: 303-320. Seidensticker 1979, B.: “Das Satyrspiel”, in: Seeck 1979, 204-257 (Ausschnitte davon = Seidensticker 1989b). Seidensticker 1982, B.: Palintonos Harmonia. Studien zu komischen Elementen in der griechischen Tragödie, Göttingen. Seidensticker 1989a, B. (ed.): Satyrspiel, Darmstadt. Seidensticker 1989b, B.: “Das Satyrspiel”, in: Seidensticker 1989a, 332-361. Seidensticker 1996/2005, B.: “Die griechische Tragödie als literarischer Wettbewerb”, Ber. u. Abh. der Berlin-Brandenburg. Akad. der Wissensch. 2, 1996, 9-35; Paginierung und Zitate hier nach dem Wiederabdruck in Holzhausen 2005, 246-278. Seidensticker 2002, B.: “Myth and Satyr-Play”, in: J. A. López Férez (ed.), Mitos en la literatura griega arcaica y clásica, Madrid, 387-404. Seidensticker 2003, B.: “The Chorus of Greek Satyrplay”, in: E. Csapo, M.C. Miller (edd.), Poetry, Theory, Praxis. The Social Life of Myth, Word and Image in Ancient Greece, Oxford, 100-121.

Bibliographie

487

Seidensticker 2005, B.: “Dithyramb, Comedy, and Satyr-Play”, in: Gregory 2005, 38-54. Seidensticker 2010, B.: “Dance in Satyr Play”, in: Taplin/Wyles 2010, 213-229. Serrao 1969, G.: “La parodo del Ciclope euripideo”, MCr 4: 50-62. Setti 1948/1981, A.: “Eschilo satirico I”; ANSP 17, 1948, 1-36; Paginierung und Zitate hier nach Setti 1981, 16-67. Setti 1952/1981, A.: “Eschilo satirico II”; ANSP 21, 1952, 205-44; Paginierung und Zitate hier nach Setti 1981, 69-123. Setti 1981, A.: Eschilo satirico ed altri saggi, Roma. Shackle 1915, R.J.: “Notes on the Cyclops of Euripides”, CQ 9: 245-246. Shaw 2005, C.: Greek Comedy and the Evolution of Satyr Drama, PhD Thesis, University of Pennsylvania. Shaw 2010, C.: “Middle Comedy and the ‘Satyric’ Style”, AJPh 131: 1-22. Sidgwick 1893: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Siegmann 1941, E.: Untersuchungen zu Sophokles’ Ichneutai, Hamburg. Siegmann 1948, E.: “Die neuen Aischylos-Bruchstücke”, Philologus 97: 59-124. Siegmann 1973, E.: “Stichometrie und Parodos in den Sophokleischen Ichneutai”, RhM 116: 113-126 (repr. in: Seidensticker 1989a, 154-169). Silk 1988, M.S.: “The Autonomy of Comedy”, Comparative Criticism 10: 3-37. Silk 1996a, M.S. (ed.): Tragedy and the Tragic. Greek Theatre and Beyond, Oxford. Silk 1996b, M.S.: “General Introduction”, in: Silk 1996a, 1-11. Silk 2000a, M.S.: Aristophanes and the Definition of Comedy, Oxford. Silk 2000b, M.S.: “Aristophanes Versus the Rest: Comic Poetry in Old Comedy”, in: Harvey/Wilkins 2000, 299-315. Silk/Stern 1981, M.S./J.P.: Nietzsche on Tragedy, Cambridge. Simon 1971, E.: “Die Omphale des Demetrios. Zur Satyrspielvase in Neapel”, AA 86: 199-206. Simon 1981a, E.: Das antike Theater, Freiburg 21981. Simon 1981b, E.: Das Satyrspiel Sphinx des Aischylos, Heidelberg. Simon 1982, E.: “Satyr-plays on Vases in the Time of Aeschylus”, in: D. Kurtz, B. Sparkes (edd.), The Eye of Greece. Studies in the Art of Athens, Cambridge et al. 1982, 123-148. Simon 1989, E.: “Satyrspielbilder aus der Zeit des Aischylos”, in: Seidensticker 1989a, 362-403 (= überarbeitete Fassung von Simon 1982). Simon 1994, E.: “Pelias”, in: LIMC 7.1, 273-277. Simon 1997a, E.: “Silenoi”, in: LIMC 8.1 Supplementum, 1107-1133. Simon 1997b, E.: “Vulcanus; Einleitung; Kap. I-X”, in: LIMC 8.1, 283-293. Simon/Hirmer 21981, E./M. und A.: Die griechischen Vasen. Aufnahmen von M. und A. H., München (11976). Skempis 2008, M.: “Erysichthon der Jäger: SSH 970.22 und Call. Cer. 81-2”, Mnemosyne 61: 365-385. Slater 2005, N.W.: “Nothing to Do with Satyrs? Alcestis and the Concept of Prosatyric Drama”, in: Harrison 2005a, 83-101. Slenders 1992, W.: “Intentional Ambiguity in Aeschylean Satyr Plays?”, Mnemosyne 45: 145-158. Slenders 2005, W.: “The λέξις ἐρωτική in Euripides’ Cyclops”, in: Harrison 2005a, 3952.

488

Bibliographie

Slenders 2006, W.: “The λέξις ἐρωτική in Sophocles’ Satyr Plays”, in: A.P.M.H. Lardinois, M.G.M. van der Poel, V.J.C. Hunink (edd.), Land of Dreams, Greek and Latin Studies in Honour of A.H.M. Kessels, Leiden, 133-145. Snell 1935/1968, B.: “Zwei Töpfe mit Euripides-Papyri”, Hermes 70, 1935, 119-120; mit Ergänzungen repr. in: E.-R. Schwinge, Euripides, Darmstadt 1968, 102. Snell 1953, B.: “'The Oxyrhynchus Papyri, Part 20 by E. Lobel; E.P. Wegener; C.H. Roberts”, Gnomon 25: 433-440. Snell 1956/1966, B.: “Aischylos’ Isthmiastai”, Hermes 84, 1956, 1-11; Paginierung und Zitate hier nach: B. Snell, Gesammelte Schriften, Göttingen 1966, 164-175. Snell 1963, B.: “Der Anfang von Euripides’ Busiris”, Hermes 91: 495. Snell 1966: vide supra s.v. Didascaliae Tragicae. Snell 1967, B.: “Zu Euripides’ Satyrspiel Skiron”, Aegyptus 47: 184-186. Snell 1971, B.: “Astydamas’ Hektor”, in: id., Szenen aus griechischen Dramen, Berlin, 138-153. Sokolowski 1969, F.: Lois sacrées des cités grecques, Paris. Solmsen 1909, F.: Beiträge zur griechischen Wortforschung, Strassburg. Solmsen 1912, F.: “Σιληνός, Σάτυρος, Τίτυρος”, IF 30: 1-47. Sommerstein 1986, A.: “The Decree of Syrakosios”, CQ 36: 101-108. Sommerstein 1996a, A.: Aeschylean Tragedy, Bari. Sommerstein 1996b, A.: “How to Avoid Being a Komodoumenos”, CQ 46: 327-356. Sommerstein 2002, A.H.: “Comic Elements in Tragic Language: The Case of Aeschylus’ Oresteia”, in: Willi 2002, 151-168. Sommerstein 2002/2009, A.: “Monsters, Ogres, and Demons in Old Comedy”, in: Atherton 2002, 19-40; Paginierung und Zitate hier nach dem mit einigen Addenda versehenen Wiederabdruck in id., Talking about Laughter, and Other Studies in Greek Comedy, Oxford, 155-175. Sommerstein 2003a, A.H. (ed.): Shards from Kolonos: Studies in Sophoclean Fragments, Bari. Sommerstein 2003b, A.H.: “The Anger of Achilles, Mark One: Sophocles’ Syndeipnoi”, in: Sommerstein 2003a, 355-371. Sommerstein 2006, A.H.: “Syndeipnoi”, in: Sommerstein/Fitzpatrick/Tallboy 2006, 84140. Sommerstein 2008, A.H.: vide supra s.v. Aischylos, Fragmente. Sommerstein 2010, A.H.: “La tetralogia di Eschilo sulla guerra persiana”, Dionysus ex machina 1: 4-20. Sommerstein/Fitzpatrick/Tallboy 2006: vide supra s.v. Sophokles, Fragmente. Sourvinou-Inwood 1994, C.: “Something to Do with Athens: Tragedy and Ritual”, in: R. Osborne, S. Hornblower (edd.), Ritual, Finance, Politics. Athenian Democratic Accounts. Presented to David Lewis, Oxford, 269-290. Sourvinou-Inwood 1997, C.: “Tragedy and Religion: Constructs and Readings”, in: C. Pelling 1997 (ed.), Greek Tragedy and the Historian, Oxford, 161-186. Sourvinou-Inwood 2003, C.: Tragedy and Athenian Religion, Lanham, MD et al. Sourvinou-Inwood 2005, C.: “Greek Tragedy and Ritual”, in: Bushnell 2005, 7-24. Sparkes 1960, B.A.: “Kottabos: An Athenian After-Dinner Game”, Archaeology 13: 202207. Spyropulos 1974, E.S.: L’accumulation verbale chez Aristophane: recherches sur le style d’Aristophane, Thessaloniki.

Bibliographie

489

Stanford 1967, W.B.: The Sound of Greek. Studies in Greek Theory and Practice of Euphony, Berkeley CA et al. Steffen 1934, V.: “Studia satyrica II”, Coniectanea Seminarii Philologico Posnaniensis, Poznań, 1-14. Steffen 1935: vide supra s.v. Satyrspielfragmentsammlungen. Steffen 1949, V.: De Sophoclis indagatoribus quaestiones aliquot, Poznań. Steffen 1952: vide supra s.v. Satyrspielfragmentsammlungen. Steffen 1958, V.: Studia Aeschylea praecipue ad deperditarum fabularum fragmenta pertinentia, Breslau. Steffen 1960, V.: Σοφοκλέους Ἰχνευταί, Warschau 1960. Steffen 1971a, V.: “Euripides’ Skiron und der Prolog der Lamia”, Eos 59: 25-33 (repr. in Steffen 1973, 296-305). Steffen 1971b, V.: “The Satyr-Dramas of Euripides”, Eos 59: 203-226 (repr. in Seidensticker 1989, 188-221). Steffen 1973, V.: Scripta minora selecta, Vol. 2, Breslau. Steffen 1979, V.: De Graecorum fabulis satyricis, Breslau. Stevens 1976, P.T.: Colloquial Expressions in Euripides, Hermes Einzelschrift, Wiesbaden. Stieber 1994, M.: “Aeschylus’ Theoroi and Realism in Greek Art”, TAPhA 124: 85-119. Stinton 1977/1990, T.C.W.: “Notes on Greek Tragedy, II”, JHS 97, 1977, 127-154; Paginierung hier nach dem Wiederabdruck in id.: Collected Papers on Greek Tragedy, with a foreword by H. Lloyd-Jones, Oxford 1990, 271-309. Stoessl 1937, F.: Die Trilogie des Aischylos. Formgesetze und Wege der Rekonstruktion, Baden bei Wien. Stoessl 1954, F.: “Pratinas”, in: RE XXII.2, 1721-1730. Stoessl 1984, F.: “Sprecherverteilung, Handlungsverlauf und Aufführung des Kyklops von Euripides”, Prometheus 10: 1-18. Stoevesandt 2008: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Homer. Storey 2005, I.C.: “But Comedy Has Satyrs Too”, in: Harrison 2005a, 201-218. Storey 2006, I.C.: “On First Looking into Kratinos’ Dionysalexandros”, in: Kozak/Rich 2006, 105-125. Storey 2009, I.C.: Storey/Allan 2005, I.C./A.: A Guide to Ancient Greek Drama, Oxford. Süss 1924, W.: De Graecorum fabulis satyricis, Tartu. Süss 1935, W.: “Zur Cistellaria des Plautus”, RhM 84: 161-187. Süss 1938, W.: “Nochmals zur Cistellaria des Plautus”, RhM 87: 97-141. Süss 1966, W.: “Der ältere Dionys als Tragiker”, RhM 109: 299-318. Sutton 1971, D.F.: “The Relation between Tragedies and Fourth Place Plays in Three Instances”, Arethusa 4: 55-72. Sutton 1972, D.F.: “Satyric Qualities in Euripides’ Iphigeneia at Tauris and Helen”, RSC 20: 321-330. Sutton 1973a, D.F.: “Supposed Evidence that Euripides’ Orestes and Sophocles’ Electra Were Prosatyric”, RSC 21: 117-121. Sutton 1973b, D.F.: “Satyric Elements in the Alcestis”, RSC 21: 384-391. Sutton 1974a, D.F.: “Father Silenus: Actor or Coryphaeus?”, CQ 24: 19-23. Sutton 1974b, D.F.: The Date of Euripides’ Cyclops. University Microfilms, Ann Arbor, MI.

490

Bibliographie

Sutton 1974c/1989, D.F.: “A Handlist of Satyr Plays”, in: HSPh 78: 107-143; Paginierung und Zitate hier nach dem Wiederabdruck in Seidensticker 1989a, 287-331. Sutton 1974d, D.F.: “The Nature of Critias’ Sisyphos”, RSC 22: 10-14. Sutton 1974e, D.F.: “The Titles of Satyr Plays”, RSC 22: 176-184. Sutton 1974f, D.F.: “Satyr Plays and the Odyssey”, Arethusa 7: 161-185. Sutton 1974g, D.F.: “Sophocles’ Dionysiscus”, Eos 62: 205-211. Sutton 1974h, D.F.: “Sophocles’ Inachus”, Eos 62: 213-226. Sutton 1975, D.F.: “Athletics in the Greek Satyr Play”, RSC 23: 203-209. Sutton 1977a, D.F.: “Notes on the Vocabulary of Minor Tragic Poets”, Glotta 55: 208212. Sutton 1977b, D.F.: “New Words from Satyric Fragments”, Glotta 55: 212-214. Sutton 1977c, D.F.: “The Greek Origins of the Cacus Myth”, CQ 27: 391-393. Sutton 1978a, D.F.: “Aeschylus’ Diktyulci and Diphilus’ Epitrope”, CJ 74: 22-25. Sutton 1978b, D.F.: “Euripides’ Theseus”, Hermes 106: 49-53. Sutton 1979a, D.F.: Sophocles’ Inachus, Meisenheim am Glan. Sutton 1979b, D.F.: “Euripides’ Cyclops and the Kyôgen Esashi Jûô”, QUCC 32: 53-64. Sutton 1980a, D.F.: The Greek Satyr Play, Meisenheim am Glan. Sutton 1980b, D.F.: “Satyr Plays at the Lenaia?”, ZPE 37: 158-160. Sutton 1980c, D.F.: “A Complete Handlist to the Literary Remains of the Greek Satyr Play”, AncW 3: 115-130. Sutton 1980d, D.F.: “Harpalus as Pallides”, RhM 123: 96. Sutton 1981a, D.F.: “Critias and Atheism”, CQ 31: 33-38. Sutton 1981b, D.F.: “Aeschylus’ Theoroi or Isthmiastai: A Reconsideration”, GRBS 22: 335-338. Sutton 1983a, D.F.: “Euripides’ Cyclops 89”, RhM 126: 363. Sutton 1983b, D.F.: “A Possible Subject for Aeschylus’ “Dike Play””, ZPE 51: 19-24. Sutton 1985a, D.F.: “The Satyr Play”, in: P.E. Easterling, B.M.W. Knox (edd.), The Cambridge History of Classical Literature. I: Greek Literature, Cambridge et al. 346354. Sutton 1985b, D.F.: “Named Choreuts in Satyrplays”, AJPh 106: 107-110. Sutton 1987, D.F.: Papyrological Studies in Dionysiac Literature: P. Lit. Lond. 77, a Postclassical Satyr Play, and P. Ross. Georg. I.11, a Hymn to Dionysus, Oak Park. Taccone 1935: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Takebe 1960, R.: “Die griechische Tragödie und das japanische Noh-Drama”, in: Wiener Humanistische Blätter 3: 25-31. Tammaro 2006, V.: “Poeti tragici come personaggi comici in Aristofane”, in: Medda/Mirto/Pattoni 2006, 249-261. Taplin 1986, O.: “Fifth-Century Tragedy and Comedy: A Synkrisis”, JHS 106: 163-174. Taplin 21989, O.: The Stagecraft of Aeschylus. The Dramatic Use of Exits and Entrances in Greek Tragedy, 2. ed. revised, Oxford (11977).. Taplin 1993, O.: Comic Angels and Other Approaches to Greek Drama through VasePaintings, Oxford. Taplin 1996, O.: “Comedy and the Tragic”, in: Silk 1996a, 188-202. Taplin 1997, O.: “The Pictorial Record”, in: Easterling 1997a, 69-90. Taplin 2006, O.: “Comedy and the Tragic”, in: Silk 1996a, 188-202.

Bibliographie

491

Taplin 2007, O.: Pots and Plays. Interactions between Tragedy and Greek Vase Painting of the Fourth Century B.C., Los Angeles. Taplin 2010, O.: “A Curtain Call?”, in: Taplin/Wyles 2010, 255-263. Taplin/Wyles 2010, O./R. (edd.): The Pronomos Vase and its Context, Oxford. Terzaghi 1955, N.: “Sui θεωροὶ ἢ ἰσθµιασταί di Eschilo”, in: L. Banti, V. Bartoletti, A. Biscardi, A. Ronconi (edd.), Studi in onore di Ugo Enrico Paoli, Firenze, 685-693 (repr. in: N. Terzaghi, Studia Greca et Latina [1901/56], con presentazione di F. della Corte, Vol. 1, Turin 1963, 639-648). Thévenaz 2004, O.: “Comment déjouer la tragédie? Marques tragiques et travestissements comiques dans les Acharniens d’Aristophane et l’Amphitryon de Plaute”, EL 4 (= Calame 2004), 71-94. Thompson 1947, D’A.W.: A Glossary of Greek Fishes, London. Thomson 21946, G.: Aeschylus and Athens. A Study in the Social Origins of Drama, London (11941). Threatte 1980, L.: The Grammar of Attic Inscriptions, 2 Bde., Berlin/New York. Trendall/Webster 1971, A.D./T.B.L.: Illustrations of Greek Drama, London. Trümpy 1950, H.: Kriegerische Fachausdrücke im griechischen Epos. Untersuchungen zum Wortschatz Homers, Basel. Turner 1962: vide supra s.v. Sophokles, Fragmente. Turner 1976: vide supra s.v. Fragmenta tragica adespota. Turner 1988, E.G.: “Some Observations on Stage-Production and the the Papyrus Manuscript of Sophocles’ Ichneutai”, in: J.H. Betts, J.T. Hooker, J.R. Green (edd.), Studies in Honour of T.B.L. Webster, Vol. 2, Bristol, 155-157. Tyrwhitt 1822, T.: Coniecturae in Euripidem, Oxford. Ussher 1971, R.G.: “The Cyclops of Euripides”, G&R 18: 166-179. Ussher 1974, R.G.: “Sophocles’ Ichneutai as a Satyr-Play”, Hermathena 118: 130-138. Ussher 1978: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Van Looy 1964: vide supra s.v. Euripides, Fragmente. Vernant 1981/1986, J.-P.: “Le dieu de la fiction tragique”, Comédie française 98, 1981, 23-28; Paginierung und Zitate hier nach der überarbeiteten Fassung in Vernant/Vidal-Naquet 1986, 17-24. Vernant/Vidal-Naquet 1986, J.-P./P.: Mythe et Tragédie, T. 2., Paris. Vian 1951, F.: Répertoire des Gigantomachies figurées dans l’art grec et romain, Paris. Vian 1952, F.: La guerre des Géants. Le mythe avant l’époque hellénistique, Paris. Vierneisel/Kaeser 1990, K./B. (edd.): Kunst der Schale – Kultur des Trinkens, München. Villard 1987, P.: “Ivresse et théâtre grec”, in: Ghiron-Bistagne/Schouler 1987, 133-148. Visa-Ondarçuhu 2000, V.: “Le Cyclope d’Euripide ou la mise en scène de nouveaux espaces”, Pallas 54: 61-80; 246-247. Voelke 1995, P.: “Les Satyres et Pan: Autour de la sexualité, du mariage et du théâtre”, Anthropozoologica 21: 225-230. Voelke 1998, P.: “Figure du satyre et fonctions du drame satyrique”, Mètis 13: 227-248. Voelke 2000, P.: “Formes et fonctions du risible dans le drame satyrique”, in: Desclos 2000, 95-108. Voelke 2001, P.: Un théâtre de la marge. Aspects figurativs et configurationnels du drame satyrique dans l’ Athènes classique, Bari. Voelke 2003, P.: “Drame satyrique et comédie: à propos de quelques fragments sophocléens”, in: Sommerstein 2003a, 329-351.

492

Bibliographie

Voelke 2004, P.: “Euripide, héros et Poète comique: à propos des Acharniens et des Thesmophories d’Aristophane”, EL 4 (= Calame 2004), 117-134. Vogt 1999: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Aristoteles. Vollkommer 1988, R.: Herakles in the Art of Classical Greece, Oxford. Vollkommer 1990, R.: “Kedalion”, in: LIMC 5.1, 978-979. Wagler 1896, P.: “βάκκαρις”, in: RE II.2, 2803-2304. Walker 1995, H.J.: Theseus and Athens, Oxford. Walton 1935, F.R.: “A Problem in the Ichneutae of Sophocles”, HSPh 46: 167-189. Waltz 1931, F.: “Le drame satyrique et le prologue du Cyclope d’Euripide”, L’Acropole 6: 278-295. Webster 1954, T.B.L.: “Fourth Century Tragedy and the Poetics”, Hermes 82: 294-308. Webster 1962, T.B.L.: Monuments Illustrating Tragedy and Satyr Play, BICS Suppl. 14, London. Webster 1967, T.B.L.: Monuments Illustrating Tragedy and Satyr Play, BICS Suppl. 20, London. Wecklein 1903: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Wecklein 21908: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Wegner 1949, M.: Das Musikleben der Griechen, Berlin. van der Weiden 1991: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Pindar. Weir Smith 21957: vide supra s.v. Aischylos, Fragmente. Welcker 1824, F.G.: Die Aeschylische Trilogie Prometheus und die Kabirenweihe zu Lemnos nebst Winken über die Trilogie überhaupt, Darmstadt. Welcker 1826, F.G.: “Über das Satyrspiel”, in: F.G. Welcker, Nachtrag zu der Schrift über die Aeschylische Trilogie, nebst einer Abhandlung über das Satyrspiel, Frankfurt a.M., 185-346. Welcker 1857-1863, F.G.: Griechische Götterlehre, 3 Bde., Göttingen; Bd. 1: 1857; Bd. 2: 1860; Bd. 3: 1863. Werre-de Haas 1961, M.: Aeschylus’ Dictyulci. An Attempt at Reconstruction of a Satyric Drama, London. West 1976: vide supra s.v. Fragmenta tragica adespota. West 1981, M.L.: “Simonides’ Danae Fragment. A Metrical Analysis”, BICS 28: 30-38. West 1982, M.L.: Greek Metre, Oxford. West 1983/1990, M.L.: “The Lycurgus Trilogy”, BICS 30, 1983, 63-71, 81-82; Paginierung und Zitate hier nach der revidierten und erweiterten Fassung in: West 1990, 26-50. West 1989, M.L.: “The Early Chronology of Attic Tragedy”, CQ 39: 251-254. West 1990, M.L.: Studies in Aeschylus, Stuttgart. West 1992, M.L.: Ancient Greek Music, Oxford. West 2003: vide supra s.v. Weitere Texte … s.v. Homerische Hymnen. West 1984, S.: “Io and the Dark Stranger (Sophocles, Inachus F 269a)”, CQ 34: 292-302. Wetzel 1965, G.: De Euripidis fabula satyrica, quae Cyclops inscribitur, cum Homerico comparata exemplo, Wiesbaden. Whittaker 1935, M.: “The Comic Fragments in their Relation to the Structure of Old Attic Comedy”, CQ 29: 181-191. Wieseler 1881, F.: Scenische und kritische Bemerkungen zu Euripides’ Kyklops, Göttingen. Wiesmann 1929, P.: Das Problem der tragischen Tetralogie, Diss. Zürich.

Bibliographie

493

Wiesner 1965, J.: “Efeu”, in: LAW, 788. Wilamowitz 1875: U. von Wilamowitz-Moellendorff: Analecta Euripidea, Berlin. Wilamowitz 1884: U. von Wilamowitz-Moellendorff, Homerische Untersuchungen, Berlin. Wilamowitz 1889: U. von Wilamowitz-Moellendorff: Euripides Herakles erklärt von U. v.W.M., Bd. I: Einleitung in die Attische Tragödie, Berlin. Wilamowitz 1895: U. von Wilamowitz-Moellendorff: Euripides Herakles, zweite Bearbeitung, erster Band, Berlin. Wilamowitz 1895/1937: U. von Wilamowitz-Moellendorff: “Hephaistos”, Nachrichten der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Phil.-hist. Klasse 1895, 217-245, Paginierung und Zitate hier nach dem Wiederabdruck in: Kleine Schriften 5.2: Glaube und Sage, 5-35. Wilamowitz 1912: U. von Wilamowitz-Moellendorff: “Die Spürhunde des Sophokles”, Neue Jahrbücher für das klassische Altertum 29: 449-476. Wilamowitz 1913: U. von Wilamowitz-Moellendorff: Sappho und Simonides. Untersuchungen über griechische Lyriker, Berlin. Wilamowitz 51919a: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Wilamowitz 51919b: U. von Wilamowitz-Moellendorff: “Der Kyklop. Einleitung”, in: Wilamowitz 51919a, 5-22. Wilamowitz 1926/1962: U. von Wilamowitz-Moellendorff: “Lesefrüchte 203-217”, Hermes 61, 1926, 277-303; Paginierung und Zitate hier nach dem Wiederabdruck in: U. v.W.-M., Kleine Schriften IV, Berlin 1962, 404-430. Wilkins 1993, J.: “The Significance of Food and Eating in Greek Comedy”, LCM 18.5, 66-74. Wilkins 1997, J.: “Comic Cuisine. Food and Eating in the Comic Polis”, in: Dobrov 1997, 250-268. Wilkins 2000, J.: The Boastful Chef. The Discourse of Food in Ancient Greek Comedy, Oxford. Willi 2002, A. (ed.): The Language of Greek Comedy, Oxford. Willink 2001, C.W.: “Notes on the Parodos and Other Cantica of Euripides’ Cyclops”, Mnemosyne 54: 515-530. Wilson 1996, P.J.: “Tragic Rhetoric: The Use of Tragedy in the Fourth Century”, in: Silk 1996a, 310-331. Wilson 2002, P.: “The Musicians among the Actors”, in: Easterling/Hall 2002, 39-68. Wilson 2007, P.: “Pronomos and Potamon: Two Pipers and Two Epigrams”, JHS 127: 141-149, pl. 3 und 4. Wilson 2010, P.: “The Man and the Music (and the Choregos?)”, in: Taplin/Wyles 2010, 181-212. Winiarczyk 1987, M.: “Nochmals das Satyrspiel “Sisyphos””, WS 100: 35-45. Winkler 1990, J.J.: “The Ephebes’ Song: Tragoidia and Polis”, in: Winkler/Zeitlin 1990, 20-62. (= überarbeitete Fassung des Artikels mit demselben Titel in Representations 11, 1985, 26-62). Winkler/Zeitlin 1990, J.J./F. (edd.): Nothing to Do with Dionysos? Athenian Drama in Its Social Context, Princeton. Winnington-Ingram 1959, R.P.: “The Glaukos Pontios of Aeschylus”, BICS 6: 58-59. Wise 1998, J.: Dionysos Writes. The Invention of Theatre in Ancient Greece, Ithaca/London.

494

Bibliographie

Wise 2008, J.: Tragedy as “An Augury of a Happy Life”, Arethusa 41: 381-410. Wolf 1926, J.: “Die Datierung der Ichneutai des Sophokles”, Opuscula Philologica I, 825. Worman 2002, N.: “Odysseus, Ingestive Rhetoric, and Euripides’ Cyclops”, Helios 29: 101-125. Worman 2008, N.: Abusive Mouths in Classical Athens, Cambridge/New York. Wright 2005, M.: Euripides’ Escape-Tragedies: A Study of Helen, Andromeda and Iphigenia Among the Taurians, Oxford. Wright 2006, M.: “Cyclops and the Euripidean Tetralogy”, CCJ (PCPhS) 52: 23-46. Xanthakis-Karamanos 1980, G.: Studies in Fourth-Century Tragedy, Athen. Xanthakis-Karamanos 1994, G.: “The Daphnis or Lityerses of Sositheus”, AC 63: 237250. Xanthakis-Karamanos 1997, G.: “Echoes of Earlier Drama in Sositheus’ Daphnis and Lycophrons’ Menedemus”, AC 66: 121-143. Xanthakis-Karamanos 1998, G.: “Homer and Euripides: The Cyclops and the Troades”, Platon 50: 28-38. Yunis 1988, H.E.: “The Debate on Undetected Crime and an Undetected Fragment from Euripides’ Sisyphos”, ZPE 75: 39-46. Zagagi 1980, N.: Tradition and Originality in Plautus. Studies of the Amatory Motifs in Plautine Comedy, Göttingen. Zagagi 1999, N.: “Comic Patterns in Sophocles’ Ichneutae”, in: J. Griffin (ed.), Sophocles Revisited. Essays Presented to Sir Hugh Lloyd-Jones, Oxford, 177-218. Zanetto 1998: vide supra s.v. Euripides, Kyklops. Zeitlin 1994, F.: “The Artful Eye: Vision, Ecphrasis and Spectacle in Euripidean Theatre”, in: S. Goldhill, R. Osborne (edd.), Art and Text in Ancient Greek Culture, Cambridge, 138-196; 295-304. Zeitlin 1996, F.: Playing the Other. Gender and Society in Classical Greek Literature, Chicago/London 1996. Ziegler 1937, K.: “Tragoedia”, in: RE VI A.2, 1899-2075. Zimmermann 1986, B.: “Überlegungen zum sogenannten Pratinasfragment”, MH 43: 145154. Zimmermann 11992, B.: Dithyrambos, Geschichte einer Gattung, Göttingen. Zimmermann 22008, B.: Dithyrambos. Geschichte einer Gattung, 2. Auflage, Berlin. Zimmermann 1998, B.: Die griechische Komödie, Düsseldorf/Zürich. Zimmermann 2011a, B. (ed.): Handbuch der griechischen Literatur der Antike; erster Band: Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit, herausgegeben von B. Z. unter Mitarbeit von A. Schlichtmann, München. Zimmermann 2011b, B.: “Die attische Komödie”, in: Zimmermann 2011a, 671-800. Zobel 2007, G.: “Ritual and Performance, Dance and Drama in Ancient Japan”, in: Csapo/Miller 2007, 293-328. Zuntz 1965, G.: An Inquiry into the Transmission of the Plays of Euripides, Cambridge.

Index locorum Achaios (TrGF 20) Aithon...................57, 83 n. 185, 143-145, 291 n. 135, 306 n. 6, 390-391, 396397, 399, 418, 441 Aith. F 6-8 ........................................... 397 Aith. F 6 ............209 n. 270, 390-391, 397 Aith. F 7 ............... 208 n. 254, 391 n. 166, 392 n. 171 Aith. F 8 ................................... 418 n. 295 Aith. F 9 ..................... 63 n. 59, 120 n. 35, 143-145, 208 n. 254, 246 n. 3, 399, 441 n. 397, 442 n. 401, 443 n. 408 Aith. F 10 .............................144-145, 354 Alkmeon ...................................... 431, 441 Alkmeon F 12-13......................... 63 n. 55, 392 n. 171, 431 Alkmeon F 12 .................................. 69, 74 Alkmeon F 14 .............................. 63 n. 59, 431 n. 353, 441 n. 398 Athla oder Athloi ....... 63 n. 56, 78 n. 160, 353, 357, 397-398 Athl. F 3 ................39 n. 49, 353, 397-398 Athl. *F 4 ............................ 353, 357, 381 Athl. F 5 .............................................. 357 Hephaistos ..................... 24 n. 2, 63 n. 57, 145-146, 209 n. 268, 357-358 Heph. F 16b ..................... 145 n. 119, 357 Heph. F 17 ...................63 n. 59, 144-145, 145-146, 357-358, 392 n. 173 Iris................................141-143, 245 n. 1, 325 n. 34, 362-365, 403 Iris F 19 ..............358 n. 28, 362-365, 366 Iris F 20 .................. 141 n. 100, 364 n. 50 Iris F 21 ..................................... 364 n. 48 Iris F 22 ..................................... 364 n. 48 Iris F 23 .................. 364 n. 48, 391 n. 170 Kyknos ........................................ 249, 253 Kyknos F 24+43 ........................... 249 n. 9 Kyknos F 25 .............. 249 n. 9, 391 n. 165 Linos ....................................387-388, 406 Linos F 26 ....................... 63 n. 59, 66, 75, 387, 388 n. 157, 411 n. 252, 413

Moirai........................97 n. 21, 208 n. 262 Moirai F 28 .............................73, 74, 169 Momos F 29................................. 188-189 Omphale ..................287 n. 144, 325 n. 34 Omph. F 32..........................................112 Omph. F 33............. 63 n. 59, 71,111-112, 160 n. 15, 365, 402 inc. F 41........................................63 n. 59 inc. F 42................................... 420 n. 306 inc. F 47............................391 n. 168, 397 inc. F 52.........61 n. 41, 69, 73 n. 125, 169 Aelian NA 6.51.......................................376 n. 98 NA 15.28...................................197 n. 191 VH 2.30 .............................. 85-86, 86 n. 5 VH 3.18 ......................................168 n. 50 VH 3.32 ....................................388 n. 156 VH 10.18 ....................................250 n. 10 Aelius Dionysius, Ἀττικὰ ὀνόµατα α 79 s.v. ἄλλος οὗτος Ἡρακλῆς272 n. 89 α 162 s.v. ἀποσκολύψαι ...........72 n. 120 ε 34 s.v. ἐµµέλεια ....................201 n. 209 π 1 s.v. παιδικά........................386 n. 143 φ 16 s.v. Φοινικίοις γράµµασι................. 366 n. 57 χ 15 s.v. χορταῖος ........................61 n. 39 Aesop 36 (Ἀνὴρ κακοπράγµων) ....................430 Agathon (TrGF 39) T 17 ..............................................33 n. 23 Telephos ..............................................172 Telephos F 4 .......................172 n. 70, 367 Aischylos, erhaltene Stücke Agamemnon................81 n. 174, 87 n. 11, 88 n. 15, 89, 426 Ag. 80 .......................................429 n. 343 Ag. 278 .......................................360 n. 34 Ag. 322 ......................................184 n.130 Ag. 615-680 ..................................89 n. 16 Ag. 617-621 .................. 88-89, 426 n. 330 Ag. 1258 ...................................429 n. 343

496

Index locorum

Choephoren ................. 87 n. 11, 88 n. 15, 89, 256 Eumeniden .............. 67 n. 83, 87 n. 11, 89 Eu. 94........................................... 67 n. 79 Eu. 177............................ 67 n. 83, 86 n. 7 Eu. 660........................................... 86 n. 7 Perser.................................................... 87 Pers. 448-449............................. 158 n. 13 Pers. 1056 ...................................... 86 n. 7 Prometheus Vinctus ...... 55 n. 8, 79 n. 169 Pr. 351-356 .............................. 186 n. 144 Pr. 561-900 .................................. 322 n. 9 Pr. 574-575 ................................ 373 n. 83 Pr. 851 ................................................ 323 Supplices/Hiketiden .... 79 n. 169, 87 n. 11 Supp. 8 ........................................... 86 n. 7 Supp. 154 ............................................ 323 Supp. 231 ............................................ 323 Supp. 291-315 .............................. 322 n. 9 Theben, Sieben gegen ................. 68 n. 89, 87 n. 11, 253-254 n. 20 Th. 153 ............................ 68 n. 89, 86 n. 7 Th. 371 ............................ 68 n. 89, 86 n. 7 Th. 775-777................................ 254 n. 20 Aischylos, Fragmente Achilleis (Tetralogie) .................. 87 n. 11, 440 n. 389 Aigyptioi....................................... 87 n. 11 Aitn(ai)ai................. 80 n. 173, 406 n. 235 [Alexandros] ............................ 440 n. 389 Amymone ........ 86 n. 7, 87 n. 11, 325, 377 Amymone F 13 ...... 72, 86 n. 7, 207 n. 238 Amymone F 14 ............................ 354, 355 Amymone F 15 ........................ 72, 86 n. 7, 195 n. 180, 439 n. 388 Athamas .............................................. 306 Bassarai/Bassarides ................... 87 n. 11, 129 n. 62, n. 63 Danaiden-Tetralogie ....... 86 n. 7, 87 n. 11 Danaiden ..................................... 87 n. 11 ‘Dike-Drama’.................... 27, 199 n. 201, 358-362, 364, 369 n. 71, 406 n. 235 ‘Dike’ inc. F 281a ......................... 27 n. 8, 267 n. 76, 377 n. 105 ‘Dike’ inc. F 281a.1-23................359-362 ‘Dike’ inc. F 281a.5, 6 ............... 359 n. 61 ‘Dike’ inc. F 281a.9 ................... 359 n. 33

‘Dike’ inc. F 281a.10, 12.....................361 ‘Dike’ inc. F 281a.14-25 ..........435 n. 362 ‘Dike’ inc. F 281a.17..................267 n. 76 ‘Dike’ inc. F 281a.28......................27 n. 8 ‘Dike’ inc. F 281a.31................406 n. 235 ‘Dike’ inc. F 281b .........27 n. 8, 71 n. 104 Diktyulkoi .................27, 39 n. 49, 55 n. 8, 62 n. 45, 78 n. 162, 83, 128-129, 208 n. 263, 295-305, 315, 316 n. 15, 381, 393, 400, 408, 436-437 Dikt. **F 46a............... 40 n. 52, 295-296, 298, 299, 428, 435 n. 362 Dikt. **F 46a.9......................................66 Dikt. **F 46a.19.........................171 n. 65 Dikt. **F 46b............................... 295-296 Dikt. **F 46c.......................296 n. 5, 298, 435 n. 362 Dikt. F 47.............................................295 Dikt. F 47a....................64 n. 61, 295, 298 Dikt. F 47a.766...........................298 n. 20 Dikt. F 47a.768-770.............................408 Dikt. F 47a.768........209 n. 267, 298 n. 20 Dikt. F 47a.773-785.............................300 Dikt. F 47a.773-774....................303 n. 38 Dikt. F 47a.774....................................303 Dikt. F 47a.775.................298, 439 n. 388 Dikt. F 47a.782....................................303 Dikt. F 47a.783-785....................303 n. 38 Dikt. F 47a.783...........................303 n. 39 Dikt. F 47a.786-795....................305 n. 47 Dikt. F 47a.786-788.............................409 Dikt. F 47a.787......................................71 Dikt. F 47a.788................................66, 72 Dikt. F 47a.789.............................61 n. 42 Dikt. F 47a.790.....................61 n. 42, 174 Dikt. F 47a.792-794...............................67 Dikt. F 47a.795......................72, 410, 437 Dikt. F 47a.800.................381 n. 126, 408 Dikt. F 47a.802-820......................49 n. 90 Dikt. F 47a.802......................................71 Dikt. F 47a.803....................................305 Dikt. F 47a.804...........................305 n. 48 Dikt. F 47a.805.............................155 n. 5 Dikt. F 47a.806-820..................... 408-409 Dikt. F 47a.806-807..................436 n. 366 Dikt. F 47a.808-809..................... 436-437 Dikt. F 47a.809.............................295 n. 3

Index locorum Dikt. F 47a.810-811 ................. 436 n. 367 Dikt. F 47a.813-814 ................. 409 n. 244 Dikt. F 47a.813 ..................................... 71 Dikt. F 47a.816 ........................ 199 n. 201 Dikt. F 47a.818 ...................... 71, 295 n. 3 Dikt. F 47a.821-832 ................ 207 n. 238, 208 n. 247, 400 n. 209 Dikt. F 47a.824-832 ............................ 400 Dikt. F 47a.829 ............................ 49 n. 92 Dikt. F 47a.830 ............................ 65 n. 64 Dikt. F 47a.831 ........................ 207 n. 238 Dikt. **F 47b .............. 296 n. 5, 298 n. 16 Dikt. **F 47c ............................... 296 n. 5 Dikt. F 48 ............................................ 295 Dikt. F 49 ............................................ 295 Diktyurgoi ........................................... 295 Edonoi................. 87 n. 11, 129 n. 62, 282 Edonoi F 61 ............................... 309 n. 21 Glaukos Pontios............................ 27 n. 6, 377-378, 417, 425-426, 428 Gl.Pont. F 25b ........................... 158 n. 13 Gl.Pont. **F 25c-d ........................ 27 n. 6 Gl.Pont. F 25e....... 27 n. 6, 171 n. 65, 377 Gl.Pont. *F 26 .................................... 377 Gl.Pont. *F 27 ......................... 378 n. 109 Gl.Pont. F 28 .......................378, 425-426 Gl.Pont. *F 29 .....................378, 425-426 Gl.Pont. F 34 ...................................... 377 Glaukos Potnieus .................................. 87 Isthmiastai oder Theoroi ...... 27, 63 n. 55, 78 n. 162, 126-127, 128, 206-207, 210, 224, 306-312, 353, 393 Isth. **F 78a ....................................... 306 Isth. **F 78a col. I .......................307-308 Isth. **F 78a col. II.................... 309 n. 19 Isth. **F 78a.1 .................................... 307 Isth. **F 78a.3 .................................... 307 Isth. **F 78a.4 ........................... 79 n. 166 Isth. **F 78a.6 .................................... 307 Isth. **F 78a.7 ........................... 77 n. 152 Isth. **F 78a.8-17 ............................... 308 Isth. **F 78a.11-22 .................. 208 n. 255 Isth. **F 78a.12 ......................... 307 n. 11 Isth. **F 78a.13-17 .................... 308 n. 13 Isth. **F 78a.18-22 ............ 77 n. 148, 308 Isth. **F 78a.18 ........................... 307 n. 7 Isth. **F 78a.20-21 .................... 308 n. 13

497 Isth. **F 78a.22..........................308 n. 14 Isth. **F 78a.23-24 .............................308 Isth. **F 78a.23..........................77 n. 152 Isth. **F 78a.29-31 ..................... 205-207 Isth. **F 78a.29.....................65 n. 64, 66, 126 n. 51, 308 n. 18, 438 n. 378 Isth. **F 78a.30-31 ....................308 n. 17 Isth. **F 78a.30.......205 n. 226, 308 n. 16 Isth. **F 78a.32-35 ............. 224-225, 309 Isth. **F 78a.32-33 ....................126 n. 49 Isth. **F 78a.33...........................193, 312 Isth. **F 78a.34-35 ....................308 n. 17 Isth. **F 78a.34..................207, 308 n. 16 Isth. **F 78a.35-36 .............................309 Isth. **F 78a.35..........................127 n. 52 Isth. **F 78a.39, 46, 58..............308 n. 16 Isth. **F 78a.64-72 ..................... 309-310 Isth. **F 78a.67...................................309 Isth. **F 78a.68...................................309 Isth. **F 78a.71-72 ....................310 n. 22 Isth. **F 78b................................306, 310 Isth. **F 78c............................... 196-197, 210-211, 306, 310-311 Isth. **F 78c col. II .............................311 Isth. **F 78c.1-2 .................................310 Isth. **F 78c.5............................310 n. 23 Isth. **F 78c.7............................311 n. 24 Isth. **F 78c.9..........................199 n. 201 Isth. **F 78c.37-40 .............................311 Isth. **F 78c.37-39 ..................... 196-197 Isth. **F 78c.37-38 ....................126 n. 49 Isth. **F 78c.38.......................... 196-197, 232, 311 n. 25 Isth. **F 78c.39-40 .... 175-176, 308 n. 17 Isth. **F 78c.39..................207, 308 n. 16 Isth. **F 78c.40, 42....................309 n. 20 Isth. **F 78c.41, 42.............................311 Isth. **F 78c.43-48 ..................208 n. 255 Isth. **F 78c.44-47 ......................307 n. 7 Isth. **F 78c.46..........................308 n. 16 Isth. **F 78c.49-62 ..................... 210-211 Isth. **F 78c.50-51 ............311 n. 27, 312 Isth. **F 78c.53, 55, 57............211 n. 281 Isth. **F 78c.58..................308 n. 16, 312 Isth. **F 78c.59........................211 n. 281 Isth. **F 78c.61..................211, 312 n. 29 Isth. **F 78d........................................306

498

Index locorum

Isth. F 79-82........................................ 306 Isth. F 79 ........................... 126 n. 49, 197, 198 n. 192, 306, 438 n. 379 Theoroi F 20b Mette ........................... 198 Kerkyon....................................... 248, 354 Kerkyon F 102-106, *F 107 ......... 248 n. 8 Kerykes .................. 78 n. 162, 208 n. 245, 253 n. 19, 406 Kerykes F 109, 110 .................... 270 n. 82 Kirke ........... 62 n. 48, 82 n. 178, 253, 417 Kirke F 113a, 115 ...................... 253 n. 17 Kressai F 116........................... 431 n. 351 Laios ........................... 87 n. 11, 254 n. 20 Leon .............................253, 279-280, 406 Leon F 123 ................................ 253 n. 19, 261 n. 55, 279-280 Lykurgeia (Tetralogie) ............... 87 n. 11, 129-131, 280, 282 Lykurgos ......................87 n. 11, 129-132, 142, 280-283, 321 n. 2 Lykurgos F 124 .................... 63 n. 59, 282 Lykurgos F 125 ................................... 131 Lykurgos F 126 .............131-132, 220 n. 8 Myrmidonen............. 384, 385 n. 139, 387 Myrmidonen **F 132b............. 387 n. 150 Myrmidonen F 135-137 .......... 384 n. 135, 387 n. 152 Neaniskoi .......... 87 n. 11, 129 n. 62, n. 63 Ödipus......................... 87 n. 11, 254 n. 20 Oresteia (Tetralogie) ..... 86 n. 7, 87 n. 11, 88-91, 426 Ostologoi ..................... 12 n. 2, 78 n. 162, 82 n. 178, 414-417 Ostol. F 179 .....................411-412 n. 256, 412 n. 258, 414-416 Ostol. *F 18074, 357, 411-412 n. 256, 413 n. 268, 414 n. 273, 415-416 Perseus-Tetralogie ........ 87 n. 11, 296 n. 7 Perser-Tetralogie.................... 86 n. 7, 87, 87-88 n. 13 Phineus ................................................. 87 Phorkides ...................... 96 n. 21, 296 n. 7 Polydektes .................................... 296 n. 7 Prometheus ........................................... 87 Prometheus Pyrkaeus/Pyrphoros ............. 12 n. 3, 27, 98, 377, 440 Prom.P. **F 204a-d....................... 27 n. 7

Prom.P. **F 204b78 n. 157, 234-240, 376 Prom.P. **F 204b.1-19, 24......... 234-236 Prom.P. **F 204b.1 ...........234 n. 54, 236 Prom.P. **F 204b.3 ....61 n. 42, 236 n. 56 Prom.P. **F 204b.4-5........................169, 235 n. 55, 236 n. 57, 238-239, 401 Prom.P. **F 204b.4 .........167 n. 44, n. 45 Prom.P. **F 204b.6-7................236 n. 59 Prom.P. **F 204b.6 ...........167 n. 45, 236 Prom.P. **F 204b.9-10............................. 167 n. 44, 236 n. 59 Prom.P. **F 204b.10 ..........................239 Prom.P. **F 204b.12 ............................68 Prom.P. **F 204b.13 .................236 n. 59 Prom.P. **F 204b.14 ..........................237 Prom.P. **F 204b.15-16............236 n. 59 Prom.P. **F 204b.15 .........167 n. 45, 236 Prom.P. **F 204b.18-21.....................238 Prom.P. **F 204b.18 ................171 n. 64, 238 n. 68 Prom.P **F 204b.19-21.............238 n. 68 Prom.P. **F 204b.19 ................237 n. 61, 238 Prom.P. **F 204b.24 ...........62 n. 51, 237 Prom.P. **F 204c Z. 2 ........................237 Prom.P. **F 204c Z. 3 ................ 237-238 Prom.P. **F 204c Z. 4 ........................237 Prom.P. **F 204c Z. 5 ..................68, 237 Prom.P. **F 204c Z. 6 ..................68, 237 Prom.P. **F 204d fr. 4........................238 Prom.P. **F 204d fr. 5........................238 Prom.P. **F 204d fr. 12 Z. 3 .............237, 376 n. 95 Prom.P. **F 204d fr. 12 Z. 6 ..............237 Prom.P. **F 204d fr. 12 Z. 7 ..............237 Prom.P. **F 207 ............61 n. 37, 86 n. 7, 376, 440 Prom.P. **F 207a ................... 376 n. 101 Propompoi..................................78 n. 162 Proteus .........................62 n. 45, 67 n. 83, 86 n. 7, 88-89, 426 Proteus F 210-215...............................426 Proteus F 210 .....................67, 391 n. 170 Proteus F 212 .....................83 n. 185, 426 Proteus F 215 ...........................67, 86 n. 7 Psychagogoi ..............78 n. 162, 82 n. 178

Index locorum Psychostasia .............................. 323 n. 17 Sisyphos (Drapetes/Petrokylistes) ............ 306 n. 6, 325 n. 34, 419, 428 tit. Σίσυφος δραπέτης ......421-420 n. 304 tit. Σίσυφος πετροκυλίστης421-420 n. 304 Sisyphos F 227 ......71, 77 n. 148, 419-420 Sisyphos F 228-229.................... 325 n. 40 Sisyphos F 233 ..........419-420, 420 n. 303 Sisyphos F 234 ......................... 420 n. 303 Sphinx .......................... 68 n. 89, 87 n. 11, 207 n. 235, 253-254 n. 20, 263 n. 61, 428-430 Sphinx F 235 ................. 86 n. 7, 254 n. 20 Sphinx F 236 .............................. 254 n. 20 Sphinx F 237 ........................... 68, 86 n. 7, 199 n. 201, 254 n. 20 Thalamopoioi.............. 78 n. 162, 296 n. 7 Thebaïs (Tetralogie) ....... 86 n. 7, 87 n. 11 (Dionysou) Trophoi .................. 78 n. 162, 132-140, 141, 143, 168 n. 51, 169, 202, 245 n. 1, 403, 404, 417 Trophoi F 246a ............................132-133 Trophoi F 246b ..................................... 68 Xantriai **F 172........................ 163 n. 25 inc. F 288 ......................... 376, 438 n. 381 inc. F 309-311.......................... 392 n. 171 inc. F 309 ................................. 391 n. 166 inc. F 339 ................................. 198 n. 192 inc. F 424a (19)................................... 200 inc. F 435 .............................................. 74 dub. **F 451 l.15 ..................... 440 n. 389 dub. **F 451m fr. 35 ................... 68 n. 89 dub. **F 451n ................................ 27 n. 8 dub. **F 451s ............. 27 n. 8, 199 n. 201 dub. **F 451t fr. 1 ....................... 63 n. 60 Aischylos, Scholien Hypoth. A. Aitn(ai)ai............................ 63 Hypoth. A. Pers. ........................... 12 n. 3, 80 n. 173, 87 n. 12 Hypoth. A. Th. .....247 n. 6, 253-254 n. 20 Schol. A. Pr. 591 ....................... 177 n. 93 Aischylos, Testimonien T 1.8........................................... 304 n. 45 T 1.12........................................... 32 n. 15 T 1.15............................................. 55 n. 5 T 55a ............................................ 87 n. 12

499

T 58 ..............68 n. 89, 87 n. 11, 130 n. 65 T 58a................................... 253-254 n. 20 T 65a.c..........................................87 n. 11 T 67 ............................................309 n. 21 T 68 ............87 n. 11, 129 n. 62, 309 n. 21 T 70 .............................79 n. 169, 87 n. 11 T 78 ..................129 n. 62, 132, 253 n. 17, n. 19, n. 20, 295, 306 n. 1, 420 n. 303 T 86 ............................................80 n. 173 T 93b.3 .....................................420 n. 303 T Gm ............................................32 n. 15 Alexis Epidaurios F 77.4 K./A................47 n. 80 Linos F 140 K./A.....................395 n. 185, 406 n. 236 Minos F 156 K./A.....................406 n. 236 Skeiron F 210 K./A. .................277 n. 103 inc. F 300 K./A.........................406 n. 236 Alkaios Hermeshymnos .............................313 n. 4 F 283.3-4 Lobel/Page .................344 n. 56 F 338 Voigt ................................344 n. 56 F 349 Lobel/Page .....................146 n. 120 Alkiphron 2.34.3........................................184 n. 131 Ammonius (Gramm., ed. Nickau) De adfin. voc. diff. 275 .............201 n. 209 Περὶ ἀκυρολογίας 120..............72 n. 118 Anakreon (PMG) F 11b...........................................120 n. 35 F 20...........................................180 n. 106 F 31.............................................345 n. 57 F 70........................411 n. 251, 412 n. 258 Anaxandrides (K./A.) Herakles F 16 ...........................406 n. 236 Anaxilas (K./A.) Kirke F 12-14 ...........................277 n. 103 Anthologia Graeca (Diosc.) AP 7.707....................193 n. 173, 194 n. 178 (Antip.Thess.) AP 9.309...........183 n. 129 APl. 16.15b.2, 4..........................133 n. 75 Antipater Thessalonicensis AP 9.309...................................183 n. 129

500

Index locorum

Antiphanes (K./A.) Antaios F 35............................. 277 n. 103 Aphrodites Gonai F 57 ........... 411 n. 253, n. 255, 412 n. 257, n. 261, 413 n. 265 Busiris F 66-68 ........................ 277 n. 103 Poiesis F 189 ...............................255-256 Antoninus Liberalis 23 ................................. 313 n. 4, 314 n. 5 Apollodor 1.24 ............................................ 373 n. 87 1.37 ...................... 178 n. 100, 179 n. 105, 180 n. 107, 186 n. 144 1.43 .......................................... 202 n. 213 1.44 .......................................... 186 n. 144 1.63-69 ....................................... 376 n. 94 1.67 ............................................ 266 n. 73 1.74-78 ....................................... 376 n. 94 1.83 ............................................ 259 n. 42 1.111 .......................................... 266 n. 73 1.119 ................. 258 n. 27, 260, 263 n. 60 1.140 .......................................... 259 n. 44 1.199 ............................................ 247 n. 5 2.5-9 ............................................. 322 n. 9 2.13-14 ........................ 322 n. 8, 325 n. 41 2.14 .......................................... 377 n. 106 2.34-35 ................................................ 297 2.36, 45 ...................................... 297 n. 15 2.63 .......................................... 388 n. 156 2.74 ............................................ 253 n. 19 2.78 .......................................... 377 n. 106 2.95 ............................................ 271 n. 88 2.103-104 ................................. 286 n. 143 2.109-111 ............................266-267 n. 74 2.114 ............................................ 249 n. 9 2.115 ........................... 247 n. 6, 261 n. 47 2.116-117 ..................................... 248 n. 7 2.116 .......................................... 258 n. 29 2.117 .................................. 261, 264 n. 66 2.132 ......................................... 252 n. 15, 259 n. 38, 261 n. 54, 264-265 n. 69 2.133 ................................................... 271 2.134, 136 ................................ 286 n. 143 2.148, 150 .................................. 376 n. 94 2.155 ............................................ 249 n. 9 3.17-20 ..................................... 431 n. 351 3.29 .......................................... 202 n. 213 3.33 ......................... 140 n. 97, 142 n. 103

3.34-35 ....................... 129-130, 131 n. 67 3.35.......................130, 283 n. 130, n. 131 3.37.............................................305 n. 46 3.52-55 .......................................253 n. 20 3.53...........................................429 n. 343 3.54...........................................429 n. 343 3.66...............................................354 n. 8 3.88..........................376 n. 94, 431 n. 352 3.112-115 .....................................313 n. 4 3.126, 128...................................266 n. 73 3.146, 162.................................286 n. 143 3.174.........................................386 n. 147 3.208................................... 272-273 n. 94 3.217..........................269 n. 80, 270 n. 82 3.218..........................251 n. 13, 265 n. 70 Epit. 1 .........................................264 n. 67 Epit. 1.1-4...................................270 n. 83 Epit. 1.2-3..................259 n. 45, 261 n. 51 Epit. 1.2 ......................................250 n. 11 Epit. 1.3 .......................................248 n. 8, 258 n. 34, 261 n. 48, 263 n. 60 Epit. 1.4 ......................................261 n. 52 Epit. 3.23-25, 31.........................253 n. 18 Epit. 7.14-18...............................253 n. 17 Epit. 7.14-15...............................261 n. 57 Epit. 7.14 ....................................259 n. 42 Apollonios Rhodios Argonautika 1, 2-4 .....................69 n. 100 2.1-163 .........................................247 n. 5 2.2...............................................258 n. 27 4.141-142 ...................................259 n. 44 4.1638-1688 ...............................252 n. 14 4.1638-1648 ...............................262 n. 59 4.1641-1643 ...............................259 n. 44 Apollonios Rhodios, Scholien Schol. A.R. 4.1091 .....................297 n. 12 Schol. A.R. 4.1396 ......248 n. 7, 369 n. 72 Apollophanes (Kom.) Danaë .........................................299 n. 28 Apostolios 3.60 s.v. Ἀπώλεσας τὸν οἶνον ἐπιχέας ὕδωρ .........................20 n. 3, 120 n. 34 Arcadius Grammaticus (ed. Schmidt) De accentibus p. 148 ....................69 n. 98 Archilochos (ed. West) F 120...........................................177 n. 93 F 216...........................................335 n. 23

Index locorum Aristias (TrGF 9) T 1.............................................. 130 n. 65 Antaios ................................................ 257 Antaios F 1.......... 247 n. 6, 259 n. 45, 273 Keres ........ 97 n. 21, 208 n. 253, 325 n. 40 Keres F 3........................... 75, 391 n. 170, 391 n. 169, 393 n. 177, 396 Kyklops ...............................119-120, 254, 391 n. 167, 392 n. 171 Kyklops F 4 .................................119-120, 254 n. 21, 441, 443 inc. F 8 ....................................... 376 n. 98 Aristides, Aelius (ed. Keil) Ἀθηνᾶ Or. 37.9.............. 178 n. 99, n. 100 Πρὸς Πλάτωνα ὑπὲρ τῶν τεττάρων Or. 46.310 ................ 132 n. 71, 388 n. 156 Aristophanes, erhaltene Komödien Acharner ........36, 39 n. 47, 332-333 n. 18 Ach. 10 ......................................... 32 n. 15 Ach. 390 ....................................... 321 n. 7 Ach. 418-419.................................. 28 n. 9 Ach. 502-507................................ 38 n. 45 Ach. 964-965.....................186-187 n. 147 Av. 745-746................................ 158 n. 13 Av. 1253-1256.............................. 40 n. 52 Ec. 79-81...................................... 321 n. 1 Eq. 105-106 .............................. 184 n.130 Eq. 368....................................... 238 n. 71 Lys. 254-386 .............................. 226 n. 30 Nubes/Wolken ..................... 48 n. 82, 410, 410-411 n. 249 Nu. 283-284 ............................. 181 n. 113 Nu. 313..................................... 180 n. 106 Nu. 448....................................... 363 n. 46 Nu. 537-540 .......48 n. 82, 410-411 n. 249 Nu. 539-540 ........................................ 410 Nu. 541...................... 48 n. 82, 410 n. 249 Pax/Frieden ...........................40-41 n. 52, 46-47 n. 79, 418 Pax 73 ................................................. 418 Pax 129-130............................. 419 n. 300 Pax 296-300................................. 40 n. 52 Pax 323 .................................... 195 n. 182 Pax 356 ............................................... 189 Pax 426-526............................46-47 n. 79 Pax 751-760........................................ 277 Pax 799-801............................. 181 n. 118

501

Pl. 806-818...................................321 n. 1 Pl. 807 .........................................324, 325 Ranae/Frösche .................31, 35 n. 32, 36 Ra. 58-67a ................................395 n. 185 Ra. 71b-72, 89-97.........................31 n. 14 Ra. 107a....................................395 n. 185 Ra. 215-216 ..............................202 n. 213 Ra. 866-870 ..................................32 n. 15 Thesmophoriazusen................ 47-48, 328, 329 n. 7, 345 n. 61 Th. 44........................................181 n. 113 Th. 68..........................................232 n. 48 Th. 85..........................................345 n. 61 Th. 134ff.....................................309 n. 21 Th. 157-158 ..................................... 47-48 Th. 157............................................20 n. 3 Th. 158...................................................48 Th. 389-390 ................................345 n. 61 Th. 545........................................345 n. 61 Th. 688-764 ..............................405 n. 232 Th. 778-780 ................................360 n. 36 Th. 1105..............................328, 345 n. 59 V. 1029-1037 .......................................277 V. 1081 ................................................189 V. 1431 .......................................224 n. 23 V. 1485 .....................................195 n. 182 Aristophanes, Fragmente (K./A.) Babylonioi F 65 ........................179 n. 104 Dramata ................................................36 Dramata A' B' T i-*vi...................36 n. 36 Dramata F 299-304......................36 n. 36 Dramata oder Kentauros F 278-288......... 36 n. 36 Dramata oder Niobos (eirophoros) F 289-298 ...................................36 n. 36 Polyidos F 468-476 ..................431 n. 351 Proagon.................................................36 Proagon T i-iii..............................36 n. 35 Proagon T iv ................................36 n. 36 Proagon F 477-486 ......................36 n. 35 Telemesses F 545......................429 n. 343 Thesmophoriazusai B' ...........................36 Th. B' T i-ii ...................................36 n. 34 Th. B' F 331-358...........................36 n. 34 Th. B' F 336 .........................................354 inc. F 590.44-51 ...........................38 n. 45 *F 56.44-51 Austin (CGFP) ........38 n. 45

502

Index locorum

Aristophanes, Scholien Schol. Ar. Ach. 67........................ 46 n. 78 Schol. vet. Ar. Ach. 504b............. 38 n. 45 Schol. Ar. Av. 1203.................... 322 n. 13 Schol. vet. Ar. Av. 1403............. 100 n. 33 Hypoth. II 4 Ar. Eq. ..................... 45 n. 72 Schol. Ar. Eq. 566a.................. 178 n. 100 Schol. Ar. Eq. 1150a.II .............. 131 n. 70 Schol. Ar. Nu. 260f .................. 192 n. 167 Schol. vet. Ar. Nu. 540b .......... 201 n. 209 ΣΕ, ΣR, ΣV Ar. Nu. 541 .......... 410 n. 249 Schol. Ar. Pax 73................................ 421 Schol. Ar. Pax 73b................... 421 n. 309 Schol. vet. Ar. Pax 73b............ 420 n. 303 Schol. vet. Ar. Pax 73c-d......... 421 n. 310 Schol. Ar. Pax 531....................... 321 n. 1 Schol. vet. Ar. Pax 531................ 321 n. 7 Schol. vet. Ar. Pax 800............ 181 n. 118 Hypoth. 4 Ar. Pl. ....................37-38 n. 44 Schol. vet. Ar. Pl. 727 .......................... 66 Schol. vet. Ar. Pl. 953 ................. 38 n. 45 Schol. Ar. Ra. 67 ...... 114 n. 10, 350 n. 87 Schol. vet. Ar. Ra. 324............. 144 n. 114 Tz. ad Ar. Ra. 688a...................... 247 n. 6 Schol. Ar. Ra. 689 ....................... 247 n. 6 Schol. vet. Ar. Ra. 1124........................ 89 Schol. rec. Ar. Th. 134-135 ....... 309 n. 21 Schol. Ar. Th. 135...................... 129 n. 62 Schol. Ar. V. 61c.......................... 36 n. 36 Schol. Ar. V. 1026 ................... 386 n. 143 Aristoteles EN 7.8 1150b10 ........................... 249 n. 8 HA 632b ................................... 181 n. 121 Mu. 392b18 ................................ 237 n. 63 PA 673a8............................................. 437 Poetik .................... 35 n. 29, 76, 104 n. 48 Po. 1449a9-31..............................100-101 Po. 1449a18-19.............................. 55 n. 5 Po. 1449a20-23..................................... 76 Po. 1449a24-28.....................76-77 n. 147 Po. 1449a38-1449b2............................. 37 Po. 1451b25-26 ......................... 256 n. 24 Po. 1453b23-25 ......................... 256 n. 24 Po. 1453b29................................. 31 n. 12 Po. 1456a25-32............................ 33 n. 23 Po. 1456a29-30..................................... 33 Po. 1461a27-28................................... 441

Rh. 1404a31-32 ..........................76 n. 146 Rh. 1408b33-34 ..........................76 n. 146 Rh. 1408b36 .................................... 76-77 Rh. 1409a1.............................................77 Rh. 1506b8 ..........................................101 Aristoteles, Kommentare Anon. ad Arist. EN 7.8 1150b10..249 n. 8 Aristoxenos (ed. Wehrli) Περὶ τραγικῆς ὀρχήσεως F 104 ............... 200-201 Περὶ τραγικῆς ὀρχήσεως F 106 ............... 200 n. 208 Arrian An. 4.9.7 .....................................361 n. 40 Asclepiades Tragilensis (FGrH 12) F 7a...........................................429 n. 343 F 18...........................................281 n. 125 Astydamas II (TrGF 60) T 2a.................................................. 29-31 T 6 ..................................................29 n. 5 T 8a, b.............................................30 n. 6 Alkmeon........................................31 n. 12 Hektor.....................................31 n. 12, 33 Hektor F 1(h)................................31 n. 12 Hektor **F 1h ? Z. 10 ...........................33 Herakles F 4 .................31 n. 13, 39 n. 49, 394-395, 406 n. 236 Hermes .................................31 n. 13, 441 Hermes F 3 ............................63 n. 59, 66, 77 n. 152, 325 n. 34, 441 n. 399 Parthenopaios .......................................29 Athenaios Deipnosophistai...................................392 1.17c-d.................. 414 n. 273, 415 n. 279 1.17d....................................................416 1.20e .........................................201 n. 209 1.23d.........................................388 n. 158 2.48a .........................................441 n. 396 2.50f ...............................................20 n. 5 2.55c-d...........................20 n. 4, 81 n. 173 3.94e .............................................247 n. 5 4.173c-e........................................63 n. 55 4.173d..................................................431 6.267d...........................................112 n. 3 6.270b-c....................................397 n. 197 7.319a-b......................................72 n. 114 9.376a .......................................418 n. 295

Index locorum 9.396e ........................................ 302 n. 33 9.400b .......................................... 247 n. 5 9.409b ........................................ 320 n. 33 9.411a ...................................... 394 n. 182 10.411a ............................................... 394 10.411b-c ................................. 395 n. 189 10.420a ......................... 20 n. 4, 81 n. 173 10.427a-b ................................... 120 n. 35 10.427c ................. 143 n. 109, 441 n. 397 10.427d-e ................................. 413 n. 266 10.427d ................. 411 n. 251, 412 n. 258 10.448b-459b ...............................366-367 10.451c ...................................... 363 n. 44 10.454b,d ........................... 172 n. 70, 367 10.454d-e ............................................ 367 10.454f ....................................... 367 n. 63 10.456b .................................... 429 n. 343 11.466f-467a................................ 111 n. 1 11.467a-b ............................................ 365 11.467a ........................................ 111 n. 2 11.479d .................................... 411 n. 251 11.480f .................. 431 n. 353, 441 n. 398 11.496e .................................... 441 n. 399 11.782d-e s.v. Ἀγκύλη............. 415 n. 276 13.586d, 595e ................................ 20 n. 5 14.617b ..................................... 160 n. 16, 181 n. 120, 227 n. 31 14.617c-f.................................... 160 n. 16 14.629d .................................... 201 n. 209 14.629f ............................. 197 n. 191, 306 14.630d ................. 187 n. 151, 201 n. 209 14.630e .................................... 201 n. 209 14.641d .................................... 145 n. 117 14.656f ........................................... 20 n. 3 15.665e-668f............................ 411 n. 250 15.666b-c ................................. 411 n. 251 15.666e-f.................................. 411 n. 253 15.667b-e ................................. 412 n. 258 15.667c-d ................................. 415 n. 275 15.667d .................................... 413 n. 265 15.667e-f.................................. 412 n. 264 15.667e .................................... 412 n. 263 15.668b-e ................................. 411 n. 251 15.668c-d, e-f........................... 413 n. 265 15.687c ............................................... 356 15.690a-d ............................................ 354 15.690a ............................................... 354

503

15.690c ........................................354, 355 Bakchylides (ed. Maehler) Dith. 17.............................272 n. 92, n. 93 Dith. 18.16-30 ............................270 n. 83 Dith. 18.17..................................259 n. 40 Dith. 18.19-22 ............................251 n. 13 Dith. 18.21-22 ............................259 n. 45 Dith. 18.24-25 ............................250 n. 11 Dith. 18.29-30 ............................251 n. 12 Dith. 19.29-36 ............................373 n. 83 Epinikie 13.169 ..........................237 n. 63 Basileios der Grosse Epistula 74.2 ..............................304 n. 45 Batrachomyomachia 283............................................178 n. 100 Bion 2 (Ἐπιθαλάµιος Ἀχιλλέως καὶ Δ∆ηιδαµείας) ........................386 n. 147 Chairemon (TrGF 71) Dionysos F 5...............................175 n. 88 Oineus ....................... 27-28 n. 9, 66 n. 76 Oineus F 14 ............................65 n. 64, 66 Chamaileon (ed. Wehrli) Περὶ Θέσπιδος F 38...........101 n. 34, 103 Περὶ Σατύρων F 37........20 n. 3, 35 n. 29, 120 n. 34, 254 n. 21 Choeroboscus (Gramm. Gr., ed. Hilgard) in Theod., IV.I, p. 377.10-11........69 n. 98 Choirilos (TrGF 2) Alope ...........................................248, 273 Alope F 1 ............. 248-249 n. 8, 273 n. 97 Claudius Claudianus carm. min. 17.31-34 .................186 n. 144 rapt. Pros. 2.258-161 ...............186 n. 144 rapt. Pros. 3.124.......................186 n. 144 rapt. Pros. 3.351.........................178 n. 99 Comica Adespota (CGFP) F 343.............................................45 n. 75 Deinarchos von Delos (FGrH 399) F 1a.............................................305 n. 46 Demetrios (TrGF 49) Hesione (?) Satyrike58-60, 286-287 n. 144 Demetrios von Phaleron Eloc. 163-172 .................................53 n. 2 Eloc. 169 ............................ 20 n. 3, 53-54

504

Index locorum

Didascaliae Tragicae (TrGF I) DID A 1.67-70 (a. 447) ............... 32 n. 18 DID A 1.201-203 (a. 386) ...........32 n. 16 DID A 1.304-314 (a. 340) ............. 29 n. 5 DID A 2a (a. 341-339)................... 29 n. 1 DID A 2a.16-22 (a. 340)................ 29 n. 5 DID A 2a.17 .............................. 130 n. 65 DID A 2a.31 (a. 339) ................... 296 n. 7 DID A 2b (a. 420-417) ................ 33 n. 25 DID A 3b ..................................... 32 n. 19 DID A 4a.12, 14 ........................ 368 n. 68 DID A 4a.15 ............................ 403 n. 218 DID A 5b.6 .............................. 403 n. 218 DID A 5g.4 ................................ 367 n. 62 DID B 5.8 (ca. 380a?) .................... 87 n. 9 DID C 4 (Dion. 467).................. 130 n. 65 DID C 4b ............................253-254 n. 20 DID C 6 (Dion. 467-456) .......... 79 n. 169 DID C 11 (Dion. 438).................. 22 n. 12 DID C 22 (Dion. 405 - ca. 400) . 350 n. 87 Dikaiarchos (ed. Wehrli) Περὶ Ἀλκαίου F 94-95 ............ 411 n. 251 Diodorus Siculus 1.11.4 ......................................... 174 n. 79 1.15.6-9 .................................... 202 n. 213 3.64.5-6 .................................... 202 n. 213 3.65.4-7 ...................................... 129 n. 64 3.65.5 ....................................... 282 n. 130 3.66.4-6 .................................... 202 n. 213 3.67.2 ....................................... 388 n. 156 3.70.6 ....................................... 179 n. 105 3.70.7-8 ...................................... 140 n. 97 4.5.1 ......................................... 179 n. 106 4.8-4.58 ............................................... 269 4.31.7 ....................... 252 n. 16, 261 n. 54, 264-265 n. 69 4.32, 42, 49 .............................. 286 n. 143 4.59.1 ....................... 269, 272 n. 93, n. 94 4.59.2-5 .............................. 269, 270 n. 83 4.59.2 ......................................... 269 n. 80 4.59.3 ........................ 259 n. 40, 261 n. 53 4.59.4 ......................................... 250 n. 11 4.59.5 ......................... 248 n. 8, 251 n. 12, 259 n. 39, 261 n. 52 4.59.6 ................................. 271, 272 n. 94 4.64 ............................................ 253 n. 20 4.64.3-4 .................................... 429 n. 343

4.84.2-4 ......................................250 n. 10 5.83.............................................253 n. 18 5.83.1..........................................258 n. 32 6.7.1..........................................379 n. 116 Diogenes Laertios 2.43...............................................34 n. 27 2.133...............................................20 n. 3 2.140..............................20 n. 3, 81 n. 173 3.56..............................20 n. 5, 55 n. 5, 85 5.85...............................................59 n. 24 5.88...............................................34 n. 28 7.173...........................................81 n. 173 9.110...............................................20 n. 3 Diomedes (Gramm. Lat., ed. Keil) I, p. 490.18-20 ................................54 n. 4 I, p. 491.4-7 .............................. 93-94 n. 5 Dion Chrysostomos 8.32.............248 n. 7, 263 n. 63, 264 n. 66 Dionysios (TrGF 76) Limos ........................................406 n. 236 Limos F 3a74, 207 n. 240, 393 n. 178, 395 Linos (?) ...................................406 n. 236 Dionysios Chalkos (ed. West) F 3.3..........................................413 n. 265 Dionysios von Halikarnassos Antiquitates Romanae ..............187 n. 151 7.72.7-11 .......................... 190-191 n. 161 7.72.10.........................61 n. 39, 236 n. 56 Comp. 26.15 ...............................302 n. 33 Rh. 9.6.115-116, 121 ......................20 n. 5 Dioskorides AP 7.707................193 n. 173, 194 n. 178 Diphilos (Kom.) Chrysochoos...............................299 n. 28 Ekphantides (K./A.) T 1 K./A. ......................................45 n. 73 Peirai............................................45 n. 73 Satyroi .............................. 45, 45-46 n. 77 Satyroi F 1-2.................................45 n. 73 inc. F 4........................................175 n. 88 Ephippos (K./A.) Busiris F 2 ................................277 n. 103 Kirke F 11.................................277 n. 103 Epicharmos (K./A.) T 36 ..........................................277 n. 103 Amykos F 6-8............................277 n. 103

Index locorum Bus(e)iris F 18-19 .................... 277 n. 103 Bus(e)iris F 18 ........................ 394 n. 180 Ἡρακλῆς ὁ ἐπὶ τὸν ζωστῆρα......418-419 Ἡρακλῆς … F 65 .................... 418 n. 298 Komastai oder Haphaistos F 73-75.......... 146 n. 120 Kyklops F 70-72....................... 277 n. 103 Odysseus Nauagos F 104-105 .................. 415 n. 280 Philoktetas F 131 ....................... 177 n. 93 Sk(e)iron F 123-124................. 277 n. 103 Sphinx F 125-126..................... 429 n. 343 inc. F 147 ................................. 429 n. 343 Eratosthenes von Kyrene Cat. 11 .........................................184-185 Cat. 28 ......................185 n. 140, 192-193 Etymologicum Gudianum s.v. Χορταῖος ............................... 61 n. 39 Additamenta s.v. Ἐγκέλαδος ................... 180 n. 109 Etymologicum Magnum s.v. Βρένθειον............................ 354 n. 13 s.v. Δ∆ιόνυσος ........................... 202 n. 214 s.v. Δ∆ιχόµηνος ............................. 69 n. 98 s.v. Ἐγκέλαδος ........................ 180 n. 109 s.v. Εὐάζω ................................. 178 n. 97 s.v. Κερδώ................................ 426 n. 329 s.v. Μύστις ................................ 163 n. 28 s.v. Ὀρχηστής.......................... 201 n. 209 s.v. Σίκιννις ............................. 200 n. 208 s.v. Τερθρία πνοή................................. 73 s.v. Τραγῳδία ............................ 101 n. 39 Euanthius De com. 1.5 .................................. 95 n. 11 De com. 2.4-6...............................46 n. 78 Eubulos (K./A.) Ankulion F 1-2 ......................... 413 n. 265 Danaë......................................... 299 n. 28 Danaë F 22 ..................................303-304 Sphingokarion F 105-107 ........ 429 n. 343 Sphingokarion F 106 ................. 73 n. 130 Euphorio Chalcidensis (SH) F 418 .......................................... 305 n. 46 Euphorion (TrGF 12) T 3.................................................. 30 n. 8 Eupolis (K./A.) Marikas F 192-193 .................... 226 n. 30

505

Prospaltioi................................410 n. 249 Euripides, erhaltene Stücke Alkestis ............... 22 n. 12, 45-46, 54 n. 4, 64 n. 61, 177, 250 n. 10, 321 n. 3, 442 Alc. 343-347 .............................191 n. 164 Alc. 471 ....................................439 n. 385 Alc. 756-760 .......................177 n. 95, 442 Alc. 799 ....................................439 n. 385 Alkmaion ....................................350 n. 87 Andromache ...............................345 n. 58 Andr. 166....................................116 n. 16 Andr. 915..................................211 n. 284 Bakchen ..................... 81 n. 175, 113-114, 115 n. 12, 118, 151-152, 170-171, 174 n. 81, 203 n. 219, 219 n. 4, 237, 350, 356, 373 Ba. 13-22 ....................................356 n. 22 Ba. 24 .........................................174 n. 78 Ba. 25 ........................174 n. 85, 175 n. 86 Ba. 55 .........................................356 n. 22 Ba. 65-68 ............................ 163-164 n. 28 Ba. 67 .........................................178 n. 97 Ba. 111 .............................174 n. 78, n. 79 Ba. 113 .......................................174 n. 82 Ba. 123-134 ................................. 373-375 Ba. 130-134 ..............................203 n. 222 Ba. 138 ................................................174 Ba. 140 .......................................356 n. 22 Ba. 147 .......................................174 n. 82 Ba. 156 .....................................180 n. 106 Ba. 160-161 ...........180 n. 106, 439 n. 385 Ba. 160 .....................................181 n. 117 Ba. 163-169 ..............................194 n. 179 Ba. 170-369 ..............................152 n. 141 Ba. 187-188 ........................192, 237 n. 62 Ba. 215-245 ................................176 n. 91 Ba. 221-225 ............................... 176 n. 91 Ba. 233-236 .........................................356 Ba. 235 ................................................356 Ba. 249 ................................................174 Ba. 251 .......................................174 n. 82 Ba. 253 .......................................174 n. 84 Ba. 274-283 ..............................144 n. 114 Ba. 278-285 ................................176 n. 92 Ba. 298-301 .........................................427 Ba. 302 .......................................175 n. 85 Ba. 341-343 ................................174 n. 84

506

Index locorum

Ba. 353....................................... 309 n. 21 Ba. 363....................................... 175 n. 88 Ba. 381-382 ............................... 176 n. 92 Ba. 417-432 ............................... 175 n. 85 Ba. 419-420 ............................... 175 n. 85 Ba. 423....................................... 176 n. 92 Ba. 424-426 ............................... 237 n. 62 Ba. 453-464 ........................................ 356 Ba. 453-459 ............................... 309 n. 21 Ba. 462-463 ............................. 202 n. 218 Ba. 470..................................... 439 n. 385 Ba. 485-486 ............................... 237 n. 62 Ba. 556-559 ............................. 202 n. 213 Ba. 571-572 ............................... 356 n. 22 Ba. 578-579 ............................. 181 n. 112 Ba. 608....................................... 178 n. 97 Ba. 664-665 ............................... 169 n. 57 Ba. 677-774 ............................... 170 n. 62 Ba. 686-688 ............................... 176 n. 91 Ba. 696....................................... 174 n. 78 Ba. 697....................................... 174 n. 79 Ba. 704-711 ............................... 174 n. 83 Ba. 710-711 ............................... 175 n. 86 Ba. 714....................................... 170 n. 62 Ba. 717-735 ............................... 170 n. 62 Ba. 725....................................... 178 n. 98 Ba. 733....................................... 174 n. 85 Ba. 762-764 ............................... 174 n. 85 Ba. 799....................................... 174 n. 85 Ba. 835....................................... 174 n. 79 Ba. 862-864 ............................... 169 n. 58 Ba. 912-976 ............................... 174 n. 84 Ba. 912-970 ............................. 152 n. 144 Ba. 941-944 ........................................ 194 Ba. 1008-1009 ........................... 237 n. 62 Ba. 1034..................................... 178 n. 97 Ba. 1054-1055 ........................... 175 n. 86 Ba. 1099..................................... 174 n. 85 Ba. 1104..................................... 175 n. 85 Ba. 1135-1136 ......................... 208 n. 261 Ba. 1137-1139 ........................... 237 n. 64 Ba. 1138.............................................. 237 Ba. 1141..................................... 175 n. 85 Ba. 1157-1158 ........................... 174 n. 82 Cyclops/Kyklops ................... 27, 40 n. 50, 62 n. 46, 63 n. 59, 64 n. 61, 65 n. 66, 67-68 n. 85, 69-70, 72 n. 116, 75-76,

77 n. 151, n. 154, 78, 79-80, 82 n. 178, 87 n. 10, 94 n. 10, 112 n. 3, 113-125, 132, 139, 148-149, 163-167, 188, 202, 206, 207 n. 242, 208 n. 243, n. 251, 210, 211-215, 220, 223-224, 254, 256, 278, 283-290, 327-350, 366, 381, 391 n. 167, 392-393, 393 n. 176, 399, 405-406, 422, 424-425, 426, 440 n. 391, 441 Cyc. 1-40 .............................................115 Cyc. 1-10 .................. 332, 422-423 n. 317 Cyc. 1-9 ...............................................115 Cyc. 1-8 ...............................................189 Cyc. 1-4 .............. 133 n. 74, 135, 139-140 Cyc. 1.......... 115, 163, 165-166 n. 35, 187 Cyc. 2................................164, 423 n. 318 Cyc. 3-5 ...............................................163 Cyc. 3-4 ...........................141, 142 n. 103, 164, 245-246 n. 1 Cyc. 3....................................70, 332 n. 17 Cyc. 4...................................168, 188, 201 Cyc. 5-9 ....................................... 178-193 Cyc. 5..................................188, 332 n. 17 Cyc. 6.......................................... 165-166, 187, 188, 193, 198 Cyc. 7-8 .......................................179, 187 Cyc. 7........................179 n. 104, 187, 188 Cyc. 8-9 .......................................164, 166 Cyc. 8...................................................182 Cyc. 9.........................................163 n. 23, 164, 182, 189 Cyc. 10-22 ........................115, 209 n. 272 Cyc. 10-17 ................................208 n. 265 Cyc. 10........................................115, 166, 332 n. 17, 404 Cyc. 11-14 ..................................344 n. 53 Cyc. 11.................................................164 Cyc. 12..................................67 n. 85, 164 Cyc. 13..........................................155 n. 5 Cyc. 14ff.....................................340 n. 41 Cyc. 14.................................................164 Cyc. 15.................................................188 Cyc. 16..........................................155 n. 5 Cyc. 17...................................70, 162, 164 Cyc. 18.................................................164 Cyc. 19.................................................188 Cyc. 21........................................346 n. 66 Cyc. 22.................................................284

Index locorum Cyc. 24-25........................................... 115 Cyc. 25-28....................................172-173 Cyc. 25 ...................................... 116 n. 16, 178 n. 97, 345 n. 59, 349 Cyc. 26 ............................................... 116, 284, 349 Cyc. 27-28................................ 439 n. 385 Cyc. 27 ......................................... 155 n. 5 Cyc. 28 ............................. 116, 403 n. 220 Cyc. 29 ............................... 116, 345 n. 59 Cyc. 30 ........................................ 116, 349 Cyc. 31 ................................ 116, 284, 349 Cyc. 32-35................................ 209 n. 266 Cyc. 33-35........................................... 116 Cyc. 36-40................................. 173 n. 75, 223-224 Cyc. 36-37....................................172-173 Cyc. 36 ......................................... 155 n. 5 Cyc. 37-40...................240-241, 326 n. 42 Cyc. 37 ............................... 187, 192, 193, 195 n. 180, 199, 200 n. 206 Cyc. 38-39........................................... 116 Cyc. 38 ....................................... 163 n. 23 Cyc. 39 ...................... 70 n. 100, 187, 188, 193, 245 n. 1 Cyc. 40 ........................................ 188, 191 Cyc. 41-83.................................. 172 n. 66 Cyc. 42 .................................................. 70 Cyc. 48 ..................................... 439 n. 385 Cyc. 49 .................................................. 67 Cyc. 51 .................................................. 67 Cyc. 55-62................................ 439 n. 385 Cyc. 60 ......................................... 329 n. 8 Cyc. 62 ....................................... 332 n. 13 Cyc. 63-81......................... 116, 131 n. 67, 158-160, 203, 226 n. 29, 233-234 Cyc. 63-72........................................... 233 Cyc. 63-67.................................. 159 n. 14 Cyc. 63 ..................... 160, 163, 182 n. 124 Cyc. 64 ........................................ 169, 174 Cyc. 65 ........................................ 160, 191 Cyc. 67 ........................................ 160, 176 Cyc. 68-70................................ 202 n. 215 Cyc. 68-69........................................... 167 Cyc. 68 ........................................ 160, 201 Cyc. 69-70........................................... 178 Cyc. 70-72........................................... 169

507 Cyc. 73-81 .......... 159 n. 14, 233-234, 243 Cyc. 73-75 ........................160, 182 n. 124 Cyc. 73.................................................163 Cyc. 76-81 ..................................333 n. 21 Cyc. 76-77 ...........................................160 Cyc. 76.................................................162 Cyc. 79...................................................68 Cyc. 80.........................50, 102 n. 39, 149, 173, 236 n. 56, 243, 350, 440 Cyc. 81.........................................160, 163 Cyc. 82.........................79 n. 166, 155 n. 5 Cyc. 82-83 ..................................332 n. 15 Cyc. 84..................................116, 155 n. 5 Cyc. 88..............................393 n. 176, 443 Cyc. 89-93 ...........................................284 Cyc. 89...........................................70, 443 Cyc. 92......................................393 n. 177 Cyc. 94........................................79 n. 166 Cyc. 95.........................................62 n. 49, 202 n. 217, 332 n. 13 Cyc. 97-98 ................................393 n. 176 Cyc. 98..........................................67 n. 85 Cyc. 99.......................................75 n. 143, 115, 163 n. 22 Cyc. 100-101 ................................155 n. 5 Cyc. 104................ 191-192, 306 n. 6, 341 Cyc. 106......................................332 n. 13 Cyc. 109...............................................337 Cyc. 110.......................................338, 381 Cyc. 112...................163 n. 22, 208 n. 265 Cyc. 113-132 ............................209 n. 267 Cyc. 113-128 ...................... 339-340 n. 37 Cyc. 114......................................332 n. 13 Cyc. 117....................................... 246 n. 3 Cyc. 121....................113 n. 6, 144 n. 114, 391 n. 170, 393 n. 176 Cyc. 122....................................391 n. 170 Cyc. 123-124 ...............................113 n. 5, 177 n. 93 Cyc. 123...................................144 n. 114, 163 n. 22 Cyc. 125-126 ..............................349 n. 84 Cyc. 126...............................................284 Cyc. 128.............................284, 340 n. 38, 349 n. 84 Cyc. 129....................................... 339-340 Cyc. 130......................................332 n. 13

508

Index locorum

Cyc. 133 ...................................... 68 n. 85, 391 n. 170, 393 n. 176 Cyc. 135 ................................... 393 n. 176 Cyc. 136 ................................... 391 n. 170 Cyc. 137 ................................... 393 n. 176 Cyc. 139 ..................................... 163 n. 24 Cyc. 141-143..............164-165, 165 n. 32, 405-406 Cyc. 141 ........................................ 70, 164 Cyc. 142 ........................... 164, 406 n. 233 Cyc. 143 .............................................. 164 Cyc. 144 ..................................... 163 n. 23 Cyc. 145 ...................... 75 n. 143, 155 n. 5 Cyc. 146 .......................... 121, 393 n. 177, 412 n. 259 Cyc. 147 ............................... 70, 75 n. 143 Cyc. 149-159............................ 443 n. 405 Cyc. 149 ............................. 75 n. 143, 119 Cyc. 152 ............................ 70, 183 n. 129, 183-184, 183-184 n. 130, 184 n. 131n.135, 412 n. 259 Cyc. 153-154.........................75-76 n. 143 Cyc. 156-174....................................... 122 Cyc. 156-157......................................... 80 Cyc. 156 ............................. 163 n. 23, 176 Cyc. 157 ................................................ 67 Cyc. 158 ............................. 68, 412 n. 259 Cyc. 162 ................ 391 n. 170, 393 n. 176 Cyc. 164 .............................................. 176 Cyc. 166 ............................... 70, 345 n. 57 Cyc. 168 .............................................. 176 Cyc. 169-171................................176-177 Cyc. 169 ........................65 n. 64, 176-177 Cyc. 172 .............................................. 176 Cyc. 177-187.............................. 346 n. 65 Cyc. 179-181................................400-401 Cyc. 179-180............................ 400 n. 209 Cyc. 180 ................................................ 73 Cyc. 182-186...................... 344 n. 55, 356 Cyc. 183 ................................................ 70 Cyc. 184 ....................................... 65 n. 64 Cyc. 185 ................................................ 66 Cyc. 186-187............................. 345 n. 58, 400 n. 209, 401 Cyc. 188 ................................... 391 n. 170 Cyc. 190 ................................... 391 n. 170 Cyc. 192 ..................................... 178 n. 97

Cyc. 193-194 .......................................424 Cyc. 194........................ 155 n. 5, 347-348 Cyc. 196.......................................348, 424 Cyc. 197...............................................424 Cyc. 198-202 ....................... 348, 424-425 Cyc. 201.................................................70 Cyc. 202...............................................348 Cyc. 203-205 ...................... 116-117, 220, 225-226, 225 n. 27, 226 n. 29, 334 n. 22, 349 n. 78 Cyc. 203-204 ................... 225 n. 24, n. 25 Cyc. 203......................................77 n. 155 Cyc. 204-205 .......................................115 Cyc. 204..............................163 n. 24, 222 Cyc. 205-206 .......................................173 Cyc. 205...............................................191 Cyc. 206-208 ..............................172 n. 66 Cyc. 208-209 ............................208 n. 252 Cyc. 210-211 ......................220, 222 n. 17 Cyc. 210......................................77 n. 155 Cyc. 211-213 .......................................132 Cyc. 211...............................................220 Cyc. 214-219 .........208 n. 254, 392 n. 171 Cyc. 215....................................393 n. 177 Cyc. 216-217 ..............................349 n. 81 Cyc. 216...............................................117 Cyc. 217.......................................117, 399 Cyc. 218..............................117, 349 n. 79 Cyc. 220-221 .............................80 n. 172, 115, 117, 195, 220 Cyc. 220....................................393 n. 177 Cyc. 221...............................................188 Cyc. 222-244 ............................285 n. 135 Cyc. 222....................328, 345 n. 59, n. 61 Cyc. 224-225 ..............................337 n. 28 Cyc. 225...............................................337 Cyc. 226-228 ............................443 n. 406 Cyc. 227........................... 61-62 n. 43, 72, 346 n. 67, 410 n. 248 Cyc. 229........................................155 n. 5 Cyc. 234-235 ..............................341 n. 45 Cyc. 234......................................77 n. 153 Cyc. 240......................................341 n. 45 Cyc. 241-246 ............................392 n. 171 Cyc. 244-246 ............................288 n. 150 Cyc. 244....................................393 n. 177 Cyc. 245-246 ..............................346 n. 66

Index locorum Cyc. 246-248....................................... 285 Cyc. 249 ................................... 391 n. 170 Cyc. 251-252............................285 n. 136 Cyc. 256 ..................................... 70 n. 103 Cyc. 262 ..................................... 346 n. 66 Cyc. 266 ................................................ 66 Cyc. 267 ................................. 66, 68 n. 85 Cyc. 269 ....................................... 155 n. 5 Cyc. 272 ....................................... 155 n. 5 Cyc. 280-284.............................. 346 n. 65 Cyc. 286 ..................................... 346 n. 66 Cyc. 288-289............................ 285 n. 138 Cyc. 289 ................................... 393 n. 177 Cyc. 290 ..................................... 346 n. 66 Cyc. 293 ................................................ 70 Cyc. 295 ..................................... 339 n. 34 Cyc. 298 ..................................... 332 n. 13 Cyc. 303 ................................... 393 n. 177 Cyc. 304 ..................................... 77 n. 152 Cyc. 307-312............................ 285 n. 138 Cyc. 310 ................................... 393 n. 177 Cyc. 314-315............................. 124 n. 41, 285 n. 138 Cyc. 314 ................................................ 70 Cyc. 315 .............................................. 192 Cyc. 316 ................................................ 66 Cyc. 318 ..................................... 346 n. 66 Cyc. 320-331.............................. 344 n. 56 Cyc. 320-328................................338-339 Cyc. 325-327............. 121 n. 39, 349 n. 80 Cyc. 326 .................. 121 n. 39, 393 n. 177 Cyc. 327-328......................................... 73 Cyc. 327 ............................. 117, 349 n. 81 Cyc. 332-341............................ 379 n. 115 Cyc. 334-335........... 288 n. 150, 346 n. 66 Cyc. 335 ................................... 393 n. 177 Cyc. 338 ................................................ 70 Cyc. 339 ................................................ 70 Cyc. 340-344............................ 285 n. 138 Cyc. 343 ................................... 392 n. 171 Cyc. 345-346......... 285 n. 138, 288 n. 150 Cyc. 345 ..................................... 329 n. 10 Cyc. 346 ................................... 183 n. 128 Cyc. 350-355....................................... 329 Cyc. 355 ................................................ 70 Cyc. 356-374...................... 78 n. 158, 285 Cyc. 356-357............................ 393 n. 177

509 Cyc. 359......................................349 n. 84 Cyc. 360.................................................70 Cyc. 366-367 ......................285, 349 n. 84 Cyc. 366......................................332 n. 13 Cyc. 368-374 ........................... 285 n. 139 Cyc. 374......................................349 n. 84 Cyc. 375-376 ....................... 122, 336-337 Cyc. 379-380 .......................................122 Cyc. 380.................................................70 Cyc. 382-436 .......................................122 Cyc. 382-408 ...........289 n. 151, 339 n. 33 Cyc. 382-404 ............................392 n. 171 Cyc. 383-404 ............................393 n. 176 Cyc. 383-385 .......................................336 Cyc. 383-384 ............................392 n. 171 Cyc. 388-391 .......................................336 Cyc. 388......................117, 349 n. 81, 399 Cyc. 390......................... 70, 117-118, 349 Cyc. 392....................................392 n. 171 Cyc. 395.....................................332 n. 13, 393 n. 177 Cyc. 396-404 .......................................289 Cyc. 397.................................................70 Cyc. 398....................................... 288-290 Cyc. 400....................................289 n. 151 Cyc. 405-408 ............................393 n. 176 Cyc. 409....................................393 n. 176 Cyc. 410....................................393 n. 177 Cyc. 411-412 .......................................336 Cyc. 411..............................70, 380 n. 122 Cyc. 412......................................70 n. 102 Cyc. 413......................................346 n. 66 Cyc. 415......................................163 n. 24 Cyc. 425-426 ......................177 n. 94, 443 Cyc. 426-435 .................... 213-214 n. 290 Cyc. 427...............................................346 Cyc. 429..............................119, 163 n. 23 Cyc. 430...............................................167 Cyc. 431.......................................155 n. 5, 162 n. 21 Cyc. 433-434 ............................439 n. 387 Cyc. 435-436 .......................................163 Cyc. 436 et al.......................................163 Cyc. 439........................................65 n. 64 Cyc. 440.................................................70 Cyc. 441-465 ............................435 n. 362 Cyc. 441-444 .......................................287

510

Index locorum

Cyc. 441 ................................... 380 n. 122 Cyc. 443-444............................ 380 n. 118 Cyc. 445-446....................... 122, 287, 349 Cyc. 446 ..................................... 163 n. 23 Cyc. 447-448...............................287-290, 362 n. 41 Cyc. 447 .......................................288-290 Cyc. 449 .............................................. 122 Cyc. 450 ...................................... 342, 344 Cyc. 454-463....................................... 211 Cyc. 454 ............................. 115, 163 n. 23 Cyc. 456 ................................................ 68 Cyc. 460-463...............339 n. 32, 342-343 Cyc. 461 ................................................ 70 Cyc. 464-465...................... 345 n. 60, 380 Cyc. 464 ................................................ 67 Cyc. 466 ....................................... 155 n. 5 Cyc. 469-471............. 164 n. 28, 346 n. 66 Cyc. 471 ..................... 164 n. 28, 211, 213 Cyc. 472 ................................................ 70 Cyc. 473-474.............................. 341 n. 42 Cyc. 476 ..................................... 79 n. 166 Cyc. 480-482....................................... 347 Cyc. 483-486........................211, 212-213 Cyc. 488-490.............................. 177 n. 94 Cyc. 488 ..................................... 79 n. 166 Cyc. 492-493....................................... 125 Cyc. 495-518............. 78 n. 157, 345 n. 57 Cyc. 495-500....................................... 389 Cyc. 495 ...................................... 178, 389 Cyc. 498 ................................... 389 n. 161 Cyc. 501 .............................................. 358 Cyc. 503-510................................122-123 Cyc. 506 ................................... 393 n. 177 Cyc. 514-518.............................. 169 n. 54 Cyc. 519-520....................................... 123 Cyc. 521 ..................................... 163 n. 23 Cyc. 525-527....................................... 123 Cyc. 531 .............................................. 124 Cyc. 532-540................................124-125 Cyc. 533 ..............................124-125 n. 44 Cyc. 539-540.............................. 124 n. 43 Cyc. 550 ................................... 285 n. 138 Cyc. 552-555....................................... 402 Cyc. 553-555............. 112 n. 3, 391 n. 164 Cyc. 556 ..................................... 70 n. 103 Cyc. 557 .............................................. 119

Cyc. 558...............................................120 Cyc. 561..................................68, 74, 120, 120-121 n. 37 Cyc. 570.................................................70 Cyc. 574....................................393 n. 177 Cyc. 575......................................163 n. 23 Cyc. 577...............................................119 Cyc. 581-584 .......................................389 Cyc. 584............................ 389-390 n. 163 Cyc. 585-589 .......................................390 Cyc. 590.............................162, 163 n. 24, 212, 403 Cyc. 591-592 ..............................342 n. 28 Cyc. 592....................................393 n. 177 Cyc. 596..............................212, 344 n. 52 Cyc. 598.................................................70 Cyc. 599-607 .......................................329 Cyc. 599......................................332 n. 13 Cyc. 601-602 .......................................119 Cyc. 608-623 ..............................78 n. 158 Cyc. 610................................69 n. 95, 286 Cyc. 616-618 .......................................212 Cyc. 616.................................................70 Cyc. 618......................................176 n. 90 Cyc. 620.....................163 n. 22, 175 n. 88 Cyc. 624-628 ..............79 n. 165, 215, 224 Cyc. 624...................79 n. 166, 440 n. 389 Cyc. 626................................ 75-76 n. 143 Cyc. 630-634 ............................... 212-213 Cyc. 632-641 ..............................312 n. 29 Cyc. 635-641 ............................214 n. 291 Cyc. 635-640 ............................... 214-215 Cyc. 638-639 .......................................211 Cyc. 638....................................198 n. 193 Cyc. 642-645 .......................................215 Cyc. 643.................................................70 Cyc. 646-648 ..............................185, 215, 346 n. 66, 362 n. 41 Cyc. 646......................................70 n. 100 Cyc. 647.................................................70 Cyc. 649.................................................70 Cyc. 651.................................................70 Cyc. 654..............................215, 335 n. 23 Cyc. 656-662 ..............................78 n. 158 Cyc. 656.................................................67 Cyc. 658.........................................69, 286 Cyc. 660......................................332 n. 13

Index locorum Cyc. 661 ................................................ 69 Cyc. 663ff. ................................... 328 n. 5 Cyc. 677 ................................................ 70 Cyc. 681 ..................................... 77 n. 152 Cyc. 682 ..................................... 77 n. 152 Cyc. 683 ................................................ 70 Cyc. 696-700....................................... 343 Cyc. 696 .............................................. 426 Cyc. 698-700....................................... 344 Cyc. 699 .............................................. 426 Cyc. 703 ..................................... 332 n. 13 Cyc. 706-707....................................... 329 Cyc. 706 ..................................... 341 n. 43 Cyc. 707 ..................................... 345 n. 59 Cyc. 709 ............................. 162, 163 n. 23 Elektra ................................................ 256 El. 213-214 ................................ 346 n. 65 El. 716-717 .............................. 181 n. 117 El. 1048.................................... 211 n. 284 Hecuba............................... 328, 345 n. 58 Hec. 363..................................... 116 n. 16 Hec. 1035ff. ................................. 328 n. 5 Helena........................... 22 n. 12, 87 n. 10 Hel. 11 ..................................... 426 n. 329 Hel. 187 ..................................... 167 n. 45 Hel. 603 ..................................... 165 n. 35 Hel. 1056 ..................................... 245 n. 1 Hel. 1093-1106 .......................... 330 n. 11 Hel. 1308-1309 ........................ 181 n. 116 Hel. 1308 ................................. 191 n. 165 Hel. 1350-1352 ........................ 180 n. 106 Hel. 1358-1359 .......................... 174 n. 79 Hel. 1361 ................................... 174 n. 82 Hel. 1441-1450 .......................... 330 n. 11 Herakliden ............................... 206 n. 233 Heracl. 207-212......................... 272 n. 91 Heracl. 331 ................................ 165 n. 35 Heracl. 376 .............................. 179 n. 104 Heracl. 783 .............................. 192 n. 169 Hercules Furens ................... 87 n. 9, 142, 178, 286 HF 126-128.............................. 439 n. 385 HF 149 ....................................... 273 n. 95 HF 184 ....................................... 273 n. 95 HF 340 ....................................... 273 n. 95 HF 376 ....................................... 174 n. 80 HF 391-393..............................286 n. 142

511 HF 392-393 ................................258 n. 30 HF 691-694 ..............................182 n. 121 HF 696-700 ................................273 n. 95 HF 792 .....................................181 n. 112 HF 822-873 ..............................142 n. 105 HF 890 .......................................174 n. 81 HF 906-909 ..............................178 n. 101 HF 907-909 ..............................186 n. 144 HF 1154 .....................................272 n. 90 HF 1258-1265 ............................273 n. 95 HF 1272, 1275 ...........................165 n. 35 HF 1353 .....................................165 n. 35 Hippolytos ................................... 273-274 Hipp. 616-650 ............................345 n. 58 Hipp. 887...................................272 n. 93, 273, 274 n. 99 Hipp. 976-980 ..........................274 n. 101 Hipp. 977....................................259 n. 40 Hipp. 979-980 ............................268 n. 77 Hipp. 1128................................288 n. 146 Hipp. 1169..................................274 n. 99 Hipp. 1173-1254 ......................274 n. 102 Hipp. 1283, 1431......................274 n. 100 Hipp. 1315, 1318........................274 n. 99 Hipp. 1411..................................274 n. 99 Ion ................ 22 n. 12, 166, 178-180, 187 Ion 92-93 ..................................181 n. 112 Ion 190 .......................................158 n. 13 Ion 198-200 .........................................166 Ion 206-218 ................................. 179-180 Ion 209-211 .................................179, 187 Ion 210 ................................................187 Ion 216-218 .........................................180 Ion 216-217 ................................175 n. 85 Ion 220-221 ................................169 n. 58 Ion 712 .....................................439 n. 385 Iphigenie bei den Taurern...........22 n. 12, 87 n. 10 IT 525 .........................................346 n. 65 IT 1067-1068............................213 n. 290 IT 1082-1088..............................330 n. 11 IT 1129 .....................................181 n. 116 IT 1230-1233..............................330 n. 11 IT 1244 .......................................174 n. 80 Iphigenie in Aulis .......................350 n. 87 IA 466 .......................................439 n. 385 Medea.........................................250 n. 10

512

Index locorum

Med. 573-574............................. 345 n. 58 Med. 1159, 1160, 1164 .............. 169 n. 58 Med. 1169-1173......................... 169 n. 58 Orestes ......................................... 22 n. 12 Or. 689....................................... 165 n. 35 Or. 1591................................... 211 n. 284 Or. 1615..................................... 165 n. 35 Or. 1662-1663 ........................... 165 n. 35 Ph. 45-54 ................................... 253 n. 20 Ph. 84-87 ................................... 330 n. 11 Ph. 213..................................... 181 n. 114 Ph. 791............................. 174 n. 78, n. 81 Ph. 1753..................................... 174 n. 78 Rh. 118......................................... 68 n. 89 Rh. 498-499 ............................. 192 n. 167 Supp. 207 ................................. 393 n. 177 Supp. 339-341 ............................ 268 n. 77 Supp. 695 ................................. 179 n. 104 Troerinnen .................... 87 n. 10, 94 n. 10 Tr. 546 ..................................... 192 n. 169 Tr. 1156, 1193, 1197 ............... 179 n. 104 Euripides, Fragmente Achelaos..................................... 80 n. 173 Alexander..................................... 87 n. 10 Alkmene ..................................... 323 n. 17 Alope .................................... 248, 249 n. 8 Alope F 105-106 .......................... 249 n. 8 Alope F 113.............................67-68 n. 85 Andromeda........................... 87 n. 10, 328 Andromeda F 125 .............. 328, 345 n. 59 Andromeda F 125a...... 328 n. 6, 345 n. 59 Andromeda F 136 ...................... 330 n. 11 Andromeda F 146 ...................... 171 n. 64 Antiope F 203............................. 171 n. 64 Archelaos F 236......................... 165 n. 35 Augē F 278................................... 65 n. 64 Autolykos ................... 40 n. 52, 83 n. 185, 208 n. 258, 306 n. 6 Autolykos A' .............................. 120 n. 37, 378 n. 115, 418 Autolykos A' F 282 .............. 246 n. 3, 353, 393 n. 177, 398 Autolykos F 282a ................... 66, 155 n. 5 Busiris .............. 63 n. 55, 208 n. 264, 248, 251 n. 11, 263 n. 63, 264 n. 66, 391 n. 167 Bus. F 312a-314 ........................... 248 n. 7

Danaë ..................................................300 Diktys..................................250 n. 10, 300 Epeios..................63 n. 58, 82 n. 178, 378 Eurystheus ......................................87 n. 9 Eurystheus F 371........................325 n. 40 Eurystheus F 372..........63 n. 54, 155 n. 5, 308 n. 13, 378 Eurystheus F 373.......................166 n. 36, 208 n. 261, 209 n. 269, 381 Hyps. F 752 .....................174 n. 78, n. 81, 191 n. 165 Hyps. F 752f.8 ..........................191 n. 165 Hyps. F 752f.116-117.................116 n. 16 Hyps. F 757.841-843 .................. 164-165, 406 n. 233 Hyps. F 769 ..............................191 n. 165 Kerkyon ................................248, 249 n. 8 Lamia.................................. 259-260 n. 46 Lamia F 472m ..............................248 n. 7 Likymnios F 479 ...........................248 n. 7 Melanippe A' vel B' .............................360 Melanippe A' vel B' F 506 ........... 360-362 Ödipus F 540a.7-10..................429 n. 343 Oineus F 558-570...........................28 n. 9 Oineus F 562 ............................415 n. 277 Oinomaos F 575.2-3........... 165-166 n. 35 Palamedes ....................................87 n. 10 Peirithoos .....................................87 n. 10 Philoktet .....................................250 n. 10 Pleisthenes F 631 ............ 412 n. 262, 414 Polyidos....................................431 n. 351 Sisyphos.................87 n. 10, 306 n. 6, 418 Skiron ...................62 n. 47, 75, 122 n. 40, 207 n. 237, 250-251, 251 n. 11, n. 13, 267-268, 288-290, 325 n. 34 Skir. F 675 ..................................75 n. 139 Skir. F 676 ........................251 n. 11, n. 12 Skir. F 678 .................. 251 n. 11, 267-268 Skir. F 679 ..................................251 n. 13 Skir. F 680 ..................................251 n. 13 Skyrioi .................................................387 Skyrioi F 681a-686 ...................386 n. 147 Stheneboia F 664......................413 n. 267 Syleus................63 n. 58, 177, 208 n. 243, 209 n. 278, 252, 257, 267, 279, 325 n. 34, 391 n. 166, 395, 399, 441, 442 Syl. F 686a-694................... 252-253 n. 16

Index locorum Syl. F 687-691......... 252 n. 16, 441 n. 396 Syl. F 687 ........................... 75, 391 n. 167 Syl. F 691 .......... 63 n. 59, 279, 399 n. 204 Syl. F 692 ........................... 267, 268 n. 78 Theristai.......... 78 n. 162, 209 n. 269, 250 Theseus .............................. 172, 367 n. 62 Theseus F 382 ........... 172 n. 70, 367 n. 62 inc. F 876 ................................. 199 n. 201 inc. F 879 ................................... 251 n. 11 inc. F 895 ......................... 391 n. 165, 397 inc. F 907 ............... 177 n. 95, 391 n. 166, 392 n. 172, 442 inc. F 915 ................................. 393 n. 177 inc. F 920a ................................... 248 n. 7 inc. F 936 ................................... 325 n. 40 inc. F 1084 ................................. 251 n. 11 dub. F 1132 ................................ 300 n. 31 Euripides, Scholien (Ar.Byz.) Hypoth. E. Alc. ............ 45 n. 77 (Ar.Byz.) Hypoth. E. Med. ........ 250 n. 10 (Dicaearch.) Hypoth. E. Med......132-133, 135 n. 82, 169 n. 56 Hypoth. E. Bus............................... 54 n. 4 Hypoth. E. Danaë ...................... 300 n. 31 Hypoth. F 17 Austin .................. 251 n. 11 Hypoth. F 18 Austin .................. 251 n. 11 Hypoth. F 20 Austin .................. 252 n. 16 Schol. E. Alc. 345 .................... 191 n. 164 Schol. E. Hec. 838 ..................... 308 n. 13 Schol. E. Hipp. 979.................... 250 n. 11 Schol. E. Ph. 45 ......................... 253 n. 20 Schol. vet. E. Ph. 50 ................ 429 n. 343 Euripides/Stücke, Testimonien T B 6 col. I 16 .............................. 248 n. 7 T B 8 .......................................... 252 n. 16 Bus. T iiia..................................... 248 n. 7 Skir. T ii.1-17............................. 252 n. 16 Skir. T iia ..................................... 62 n. 47 Skyrioi T iia.17-21 ................... 386 n. 147 Syl. T iiia-c..........................264-265 n. 69 Syl. T iiia.................................... 252 n. 16 Eustathios Il. 6.262.......................................... 27 n. 8 Il. 11.514-515 .......................... 207 n. 240 Il. 14.324...................................... 66 n. 71 Il. 16.608-629 .......................... 187 n. 151 Il. 18.606.................................. 201 n. 209

513

Od. 17.462................................415 n. 279 Favorinus (ed. Barigazzi) F 96.9 Z. 24 ..............................186 n. 144 Gellius, Aulus 15.21....................................................260 17.9.6-15 ....................................363 n. 45 Glaukos von Rhegion Περὶ Αἰσχύλου µύθων ..............80 n. 173 Gorgias Hel. F 11.....................................346 n. 65 Hegesander (FHG 4, p. 419) F 32...........................................411 n. 251 Hellanikos (FGrH 4) F 86.............................................100 n. 33 Herakleides Pontikos (ed. Wehrli) Περὶ τῶν τριῶν τραγῳδοποιῶν F 179...... 34 Hermippos (K./A.) Athenas gonai F 2.....................187 n. 147 Moirai *F 47 ........................47 n. 80, 189 Herodas 6.76...........................................410 n. 248 Herodian (ed. Lentz) Περὶ διχρόνων, II.I, p. 15.35-16.1 ............ 356 n. 20 Περὶ Ἰλιακῆς προσῳδίας, II.I, p. 55.21f. ...................................................27 n. 8 Περὶ µονήρους λέξεως Β, II.II, p. 940.23 .................................................321 n. 2 Περὶ µονήρους λέξεως Β, II.II, p. 942.7f. ...............................................356 n. 20 Περὶ ὀρθογραφίας, II.I, p. 492.28-30....... 202 n. 214 Herodot 1.23.............................................100 n. 33 1.139.............................................111 n. 2 2.45...............................................248 n. 7 2.146.........................................202 n. 213 4.108...........................................228 n. 35 6.84.............................................120 n. 35 6.129.........................................195 n. 182 7.89...........................................179 n. 104 8.71.2..........................................259 n. 35 8.85.3..........................................71 n. 111 9.26.6..........................................165 n. 35 9.28.2..........................................165 n. 35

514

Index locorum

Hesiod Theogonie ................................ 377 n. 102 Th. 39 ......................................... 237 n. 60 Th. 326-332.................253 n. 19, 279-280 Th. 326-327................................ 259 n. 43 Th. 329 ................................................ 280 Th. 330 ................................................ 280 Th. 519 ....................................... 237 n. 60 Th. 563-569................................ 237 n. 60 Th. 747 ....................................... 237 n. 60 Th. 824 ....................................... 237 n. 60 Th. 852, 926 ............................. 180 n. 111 Th. 956-957................................ 259 n. 42 Opera et Dies/Erga kai Hemerai.............. 377 n. 102 Op. 209-210 ............................... 344 n. 54 Op. 256-262 ........................................ 361 Op. 258-260 ........................................ 361 Op. 274-280 ............................... 344 n. 54 Scutum ....................................... 263 n. 60 Sc. 57 ......................................... 259 n. 41 Sc. 57-Ende .................................. 249 n. 8 Sc. 70 ......................................... 261 n. 49 Sc. 314 ..................................... 179 n. 104 Sc. 479-480 ................................ 261 n. 49 Gynaikōn Katalogos ................................. F 5.13-19 H................................ 168 n. 48 F 5.17-19 H. ≅ F 123 M./W........ 62 n. 53, 168 n. 47 F 5.18 H. ≅ F 123.2 M./W. .......... 246 n. 3 F 10 M. ≅ F 5 H. ........................ 168 n. 48 F 11 M. ...................................... 168 n. 48 F 37 H. ≅ F 43a M./W. ............ 418 n. 294 F 37.2-4 H. ≅ F 43b M./W....... 396 n. 193 F 37.5 H. ≅ F 43a.5 M./W. ...... 396 n. 193 F 46.15 H. ≅ F 129.15 M./W. .... 297 n. 10 F 52.2 H. ≅ F 134.2 M./W. ........ 297 n. 10 F 106 H. ≅ F 198 M./W. .......... 192 n. 167 F 116 H. ≅ F 238 M./W. .......... 405 n. 231 Megalai Ēhoiai ............. 313 n. 4, 314 n. 5 F 14 H. ≅ F 256 M./W. ................ 313 n. 4 Gynaikōn Katalogos oder Megalai Ēhoiai *F 5 H. ≅ F 135 M./W. .............. 297 n. 11 *F 5.4-5 H. ≅ F 135.4-5 M./W. . 297 n. 10 Hesiod, Scholien Schol. Hes. Op. 89 Pertusi375 n. 101, 375-376

Schol. vet. Hes. Th. 326 .............259 n. 43 Hesych α 4171 s.v. ἀµφωτίδες .................248 n. 8 α 4620 s.v. ἀναστῦψαι..............72 n. 119 α 5161 s.v. ἄνθρωσκε ..............195 n. 184 α 6521 s.v. ἀποξιφίζειν...........200 n. 207 α 6632 s.v. ἀποσκόλυπτε ..........72 n. 120 β 107 s.v. βάκκαρις ...................354 n. 12 β 211 s.v. βάρβιτος .................191 n. 164 β 523 s.v. Βερέκυντα βρόµον ...............71 β 1099 s.v. βρένθον ...................354 n. 12 ε 1423 s.v. ἐκκανάξειν .... 183-184 n. 130 ε 2367 s.v. ἐµµέλεια ...........................200 ε 3721 s.v. ἐξεπατάχθη ...........183 n. 129 ε 4255 s.v. ἐπάσω ........................67 n. 83 ε 4904 s.v. ἐπίκρουµα.............195 n. 180, 198 n. 196 θ 814 s.v. θρώσκων κνώδαλα .................. 195 n. 180 θ 1031 s.v. θώψεις ...................420 n. 303 ι 46 s.v. ἰαµβίς.............................306 n. 1 κ 3141 s.v. κνοῦς ......68 n. 89, 199 n. 201 ν 722 s.v. νυµφόβας....................61 n. 41, 169 n. 53 ξ 75 s.v. ξιφισµός ....................200 n. 207 o 60 s.v. ὀδαίων ...........................68 n. 85 ο 79 s.v. ὀδῆσαι ...........................68 n. 85 ο 80 s.v. ὄδησον ...........................68 n. 85 o 81 s.v. ὁδηθείης ........................67 n. 85 ο 736 s.v. ὀµµάτειος πόθος .....386 n. 144 ο 917 s.v. ὄνος ἰσόσπριος........439 n. 384 σ 218 s.v. σκωπευµάτων ....................198 σ 618 s.v. σίκιννις ...................200 n. 207 σ 1906 s.v. στολοκρατές ...........323 n. 15 φ 688 s.v. Φοινικίοις γράµµασι............... 366 n. 57 χ 649 s.v. χορταῖος ......................61 n. 39 χ 650 s.v. χορταιόβαµος....61 n. 40, n. 41 χ 651 s.v. χορταιοβάµων .............61 n. 39 Hipponax (ed. West) F 104....................................................354 Homer Ilias................................................. 94-95, 190 n. 161, 386 n. 145 Il. 1.249 ....................................387 n. 151 Il. 3.443-445 .................................62 n. 48 Il. 4.486 ....................................179 n. 104

Index locorum Il. 5.4.......................................... 236 n. 60 Il. 5.31, 455, 844...................... 281 n. 119 Il. 5.597................................................. 70 Il. 5.640-651 ............................ 286 n. 143 Il. 5.724.................................... 179 n. 104 Il. 6.130-140 ..............129 n. 64, 135-136, 280 n. 114 Il. 6.132........................135-136, 143, 280 Il. 6.133.................................... 201 n. 213 Il. 6.136............................................... 136 Il. 6.139.................................... 282 n. 130 Il. 7.452-453 ............................ 286 n. 143 Il. 8.84................................................... 70 Il. 9.208................................................. 70 Il. 9.337................................................. 70 Il. 9.438-496 ............................ 387 n. 150 Il. 9.555...................................... 70 n. 100 Il. 10.467............................................... 70 Il. 11.401-410 .......................... 425 n. 325 Il. 11.401ff. ................................ 347 n. 72 Il. 14.319-320 .............................. 296 n. 9 Il. 15.731.................................... 236 n. 60 Il. 16.122.................................... 236 n. 60 Il. 16.314............................................... 70 Il. 18.35-52 ................................ 136 n. 87 Il. 18.225.................................... 236 n. 60 Il. 18.500............................................... 70 Il. 18.590............................................... 70 Il. 19.310-312 .......................... 387 n. 150 Il. 20.145-148 .......................... 286 n. 143 Il. 21.13...................................... 236 n. 60 Il. 21.341.................................... 236 n. 60 Il. 21.402.................................. 281 n. 119 Il. 21.441-457 .......................... 286 n. 143 Il. 23.52...................................... 236 n. 60 Il. 23.664-669 .......................... 378 n. 113 Il. 24.420............................................... 70 Odyssee .....................................89, 94-95, 336 Od. 1.1 ..................................... 192 n. 167 Od. 1.70-73 ................................ 259 n. 45 Od. 3.278 .............................................. 70 Od. 4 ............................................. 89, 426 Od. 4.364-570 .......................... 426 n. 328 Od. 4.524-528 ............................ 81 n. 174 Od. 6.4-8 .................................. 284 n. 134 Od. 8 ........................................ 145 n. 119

515 Od. 9.106-566 (Kyklopeia) ..........27, 121, 124 n. 42, 164, 254 n. 21, 283, 330331, 332, 333, 335-344, 346-348, 399, 424-425, 426 Od. 9.9-10...................................121 n. 38 Od. 9.80ff. ...........................................337 Od. 9.106....................................344 n. 54 Od. 9.110-111.....................113, 348 n. 77 Od. 9.112-115.............................259 n. 36 Od. 9.124...............................................70 Od. 9.133...............................................70 Od. 9.142-148......................................332 Od. 9.177-180.............................340 n. 41 Od. 9.190-192.............................336 n. 25 Od. 9.190-191......................................121 Od. 9.196ff. ................................342 n. 46 Od. 9.197-198......................................405 Od. 9.197...............................................70 Od. 9.208-211...................121, 441 n. 394 Od. 9.213-215.............................342 n. 46 Od. 9.233-235.............................336 n. 26 Od. 9.241-243......................................121 Od. 9.241-242.............................341 n. 42 Od. 9.269-271......................................338 Od. 9.273-280.............................261 n. 56 Od. 9.288-291...........................288 n. 149 Od. 9.297.........117, 349 n. 79, 441 n. 394 Od. 9.324...............................................70 Od. 9.331-335...........................213 n. 288 Od. 9.346..................................... 117-118 Od. 9.371ff. ................................342 n. 47 Od. 9.373-374.............................337 n. 29 Od. 9.383-390......................................342 Od. 9.383ff. ................................342 n. 48 Od. 9.385...............................................70 Od. 9.391-394...........................211 n. 286 Od. 9.425...............................................70 Od. 9.427.............................................337 Od. 9.481-486.............................341 n. 43 Od. 9.491...............................................70 Od. 9.507-516..........343 n. 49, 426 n. 331 Od. 9.507....................................344 n. 50 Od. 9.526-531...........................426 n. 332 Od. 9.528-535.............................. 343-344 Od. 9.537-542.............................341 n. 43 Od. 10.133-574...........................261 n. 57 Od. 10.138-139...........................259 n. 42

516

Index locorum

Od. 10.200 ............................... 283 n. 132 Od. 10.210-574 .......................... 253 n. 17 Od. 10.303 ............................................ 70 Od. 11.312 ............................................ 70 Od. 11.631 ................................. 272 n. 93 Od. 12.172 ............................................ 70 Od. 14.16 .............................................. 70 Od. 14.112 ............................................ 70 Od. 17.463-464 .......................... 344 n. 52 Od. 18.327 ......................... 70, 183 n. 129 Od. 19.457 ................................. 70 n. 100 Od. 20.123 ................................. 236 n. 60 Od. 21.181 ................................. 236 n. 60 Od. 22.198 ............................................ 70 Od. 24.11 .............................................. 70 Homer, Scholien Schol. Il. 6.239c ............................. 27 n. 8 Schol. Il. 15.256........................... 314 n. 7 Schol. Il. 19.326 Bekker ........................... 386 n. 148, 387 Homerische Hymnen h.Bacch. 5 ................................ 201 n. 213 h.Bacch. 44-45 ......................... 179 n. 106 h.Bacch. 56 .............................. 180 n. 106 Fragmenta h.Bacch. 9 ............. 202 n. 213 h.Cer. 17 .................................. 201 n. 213 h.Merc./Hermeshymnos ..............313-314, 315, 320, 371-372 h.Merc. 512................................ 373 n. 83 h.Ven./Aphroditehymnos........................... 137-138, 168, 201 h.Ven. 256-290........................... 168 n. 52 h.Ven. 256-263.................................... 138 h.Ven. 257-263........................... 168 n. 47 h.Ven. 257-258............................. 62 n. 53 h.Ven. 259 ........................................... 137 h.Ven. 260 ........................................... 137 h.Ven. 262-263............................. 62 n. 53 h.Ven. 264-265........................... 137 n. 90 h.Ven. 269-272.................................... 137 h.Hom. 7.6-12 ............................ 344 n. 53 h.Hom. 26 ........................................... 135 h.Hom. 26.1 ......................179-180 n. 106 h.Hom. 26.1-5 ............................ 135 n. 83 Horaz Ars 220-224 .......................................... 93 Ars 221............................... 102, 104 n. 47

Ars 223 ..................................................95 Carm. 1.10.11...............................314 n. 7 Carm. 3.4.56-57 .......................178 n. 100 S. 1.4.1-5 ......................................39 n. 48 Horaz, Scholien Porphyrio ad Hor. Carm. 1.10.9-12 .......... 313 n. 4 Hygin Fab. 17 .........................................247 n. 5 Fab. 30 .......................................253 n. 19 Fab. 31 ...........247 n. 6, 248 n. 7, 249 n. 9 Fab. 38 ......................................250 n. 11, 251 n. 12, 259 n. 45, 261 n. 53, 269 n. 80 Fab. 63 .......................................297 n. 13 Fab. 67 .......................................253 n. 20 Fab. 89 .....................................286 n. 143 Fab. 96 .....................................386 n. 147 Fab. 125 ....................253 n. 17, 261 n. 57 Fab. 129 .....................................376 n. 94 Fab. 136 ...................................431 n. 351 Fab. 157.3 ..................................259 n. 45 Fab. 158 .....................................269 n. 80 Fab. 165 .....................................373 n. 87 Fab. 169a.................325 n. 41, 377 n. 106 Fab. 182 .....................................133 n. 73 Fab. 187 .......................................248 n. 8 Fab. 273.12 ................................259 n. 45 Inschriften IG II2 2318 col. III.68-70 .............32 n. 18 IG II2 2319 col. I .................... 37-38 n. 44 IG II2 2319 col. II .........................33 n. 25 IG II2 2320......................................29 n. 1 IG II2 2325 ....................................32 n. 19 IG II2 2325 col. I fr. r....................32 n. 19 IG II2 2325 col. I. fr. d.49.............45 n. 73 IG VII 1773.29 .............................59 n. 24 Sokolowski 1969, Nr. 181..........171 n. 64 Ion Trag. (TrGF 19) Omphale ..............................63 n. 54, 287, 325 n. 34, 355, 395-296 Omph. F 20-29, *F 30 ..................63 n. 59 Omph. F 20...............................208 n. 250 Omph. F 21...........................71, 355 n. 16 Omph. F 22...............................208 n. 257 Omph. F 24..................................354, 355 Omph. F 25.................................355 n. 17

Index locorum Omph. F 26 ......................................... 443 Omph. F 27 ......................................... 443 Omph. F 28 .............................. 392 n. 171 Omph. F 29-*F 30.................... 396 n. 190 Omph. F 29 ...................... 394 n. 183, 395 Omph. *F 30 .................... 393 n. 177, 396 Iophon (TrGF 22) Aulodoi.................... 78 n. 162, 207 n. 239 Isokrates 10.18 .......................................... 272 n. 93 10.23 .......................................... 272 n. 90 10.25 .......................................... 271 n. 87 11 (Busiris) .................................. 248 n. 7 Joannes Philoponus De aeternitate mundi 228.12 ..... 228 n. 36 Kallias (K./A.) *T 4.4........................................... 44 n. 70 Kyklopes F 5-13 ....................... 277 n. 103 Satyroi.................................... 44, 46 n. 77 Kallimachos Aetia (ed. Pf.) F 1.36 .................................. 186 n. 144 F 40 ..................................... 186 n. 144 F 54 ....................................... 253 n. 19 F 69.2 .................................. 411 n. 251 F 103 ..................................... 363 n. 46 Cer. 66-67 ................................ 397 n. 193 Cer. 68-71 ....................................143-144 Cer. 69 ..........................56-57, 399 n. 205 Del. 141-142 ............................ 186 n. 144 Dian. 46-61 .............................. 186 n. 144 Karkinos II (TrGF 70) Alope .................................... 248, 249 n. 8 Alope F 1b.................................... 249 n. 8 Konon (FGrH 26) F 1.17 ........................ 252 n. 16, 259 n. 37 Krates (K./A.) Paidiai F 28 .............................. 255 n. 22 Kratinos (K./A.) Archilochoi F 2 .......................... 226 n. 30 Bukoloi F 18............................... 335 n. 23 Busiris F 23.............................. 277 n. 103 Dionysalexandros (Hypoth.)...........41-44, 45-46 n. 77, 173 n. 76 Drapetides F 53 ....................... 277 n. 103 Nemesis ...................................... 323 n. 17 Odyssēs F 143-157................... 277 n. 103

517

Odyssēs F 145 ............................345 n. 61 Odyssēs *F 146 ..........................345 n. 61 Pytine *F 203 ..............................177 n 93 Satyroi .............................. 44-45, 46 n. 77 inc. *F 361..................................175 n. 88 inc. F 299..................................413 n. 267 inc. F 328..................................277 n. 103 Kritias (TrGF 43; D./K. 88) Sisyphos F 19................ 306 n. 6, 378-379 Sisyphos F 19.1-8 .....................379 n. 115 Sisyphos F 19.12-15 ............................379 F B 2 D./K. ...............................411 n. 251 Kypria (ed. Bernabé) F 19...........................................387 n. 149 Libanios Περὶ Ἡφαίστου, Narr. 7.....................145 Lucan 4.589-660 .....................................247 n. 6 6.293-295 .................................186 n. 144 Lukian Bacch. 2, 4, 6, 7..........................158 n. 13 Bacch. 4......................................165 n. 35 DDeor. 13.225-226 .............................187 Deor.Conc. 4.13-16....................171 n. 64 Lex. 3 ........................................412 n. 260 Salt. 22...................190 n. 160, 201 n. 209 Salt. 26......................................201 n. 209 Salt. 71........................................232 n. 48 Lukian, Scholien (ed. Rabe) Schol. Luc. 4.1 (ad Bacch.)......201 n. 209 Schol. Luc. JTr. 21, p. 65............248 n. 8, 250 n. 11, 251 n. 13, 261 n. 53 Lykophron (TrGF 100) Menedemos.........................81 n. 173, 441 Menedemos F 2-4 ........................39 n. 48, 81 n. 173 Menedemos F 2-3 .........................63 n. 59 Menedemos F 2 ........................441 n. 400 Lykophron, Alexandra 688-689 ....................................186 n. 144 Lykophron, Scholien Schol. Lyc. 811 .........................431n. 351 Schol. Lyc. 1393 ......................396 n. 193 Magnes (K./A.) Lydoi F 3 .............................................354 Marius Victorinus (Gramm.Lat., ed. Keil) VI, p. 81.37-82.4 ............................94 n. 6

518

Index locorum

Melanippides (PMG) F 758 .......................................... 373 n. 86 Mnesimachos (K./A.) Busiris F 2................................ 277 n. 103 Moschion (TrGF 97) Themistokles F 1 ........................ 80 n. 173 inc. F 6.9-13, 23-26 ................. 144 n. 114 Mythographi Graeci (ed. Westermann) anon. p. 346-347 ........................ 250 n. 10 anon. p. 346 .............. 258 n. 31, 261 n. 50 Mythographi Vaticani (ed. Zorzetti) 1.15 ............................................ 253 n. 17 1.51 ............................................ 253 n. 19 1.55 .............................................. 247 n. 6 1.65 .............................................. 248 n. 7 1.67 ............................................ 253 n. 20 1.92 .............................................. 247 n. 5 2.6 ................................................ 247 n. 5 2.65 ............................................ 250 n. 11 Nemesian Ecl. 3.15, 16, 18-65.................... 140 n. 97 Ecl. 3.25-34................................ 133 n. 75 Nigidus Figulus Schol. in German. Basil., p. 90 ................. 193 n. 174 Nikander Al. 30-34 ..........133 n. 75, 201-202 n. 213 Nonnos Dionysiaka ................................. 363 n. 46 D. 2.575 ..................................... 174 n. 80 D. 11.124 ................................. 181 n. 117 D. 12.37, 43, 55, 64 ................... 363 n. 46 D. 13.156 ................................. 289 n. 151 D. 14.111 ................................. 194 n. 178 D. 20.35-21.169 (Lykurgeia) .... 129 n. 64, 130-132, 142-143, 280-283 D. 25.31-147 .............................. 305 n. 46 D. 25.90 ................................... 178 n. 100 D. 32.98-152 ............................ 142 n. 103 D. 47.496-741 ............................ 305 n. 46 D. 48.70 ................................... 178 n. 100 Ophelion (K./A.) T 1................................................ 45 n. 74 Satyroi................................................... 45 Oppian C. 1.273-275 ............................ 186 n. 144 C. 3.283.................................... 181 n. 116

C. 4.277-279...............................140 n. 97 Orphica A. 658-666 ....................................247 n. 5 H. 40.10 Quandt .......................144 n. 114 H. 62 Quandt ..............................361 n. 40 Ovid Ars 3.505-506.............................373 n. 86 Ep. 15.163-172 ...........................345 n. 57 Fast. 6.695-708 ..........................373 n. 87 Fast. 6.699-701 ..........................373 n. 86 Met. 1.583-750 .............................322 n. 9 Met. 1.671-719, 682-684, 689-712............ 373 n. 83 Met. 2.687-703 .............................314 n. 5 Met. 5.346-348 .........................186 n. 144 Met. 6.382-400 ...........................373 n. 88 Met. 7.294-296 ...........................133 n. 73 Met. 7.438...................................251 n. 12 Met. 7.439.....................................248 n. 8 Met. 7.440-442 ...........................261 n. 53 Met. 7.443...................................250 n. 11 Met. 8.828-829, 837-841, 845-846............ 397 n. 193 Met. 11.199-215 .......................286 n. 143 Met. 12.93-94 .............................259 n. 45 Met. 13.156, 162-170 ...............386 n. 147 Met. 14.243-309 .........................261 n. 57 Pont. 2.2.11 ................................178 n. 99 Tristia 2 .................................................82 Tr. 2.409-412.............. 82 n. 180, 384-385 Tr. 2.409 ....................................102 n. 41, 384-385 n. 137, 387 Tr. 2.411-412............................385 n. 139 Tr. 2.411 ..............................................385 Ovid, Scholien Schol. Ov. Ibis 407.....................259 n. 45 Panyassis (ed. Matthews) F 13.2........................................180 n. 106 Papyri P.Ant. 15........................... 421-422 n. 314 P.Ant. 16........................... 421-422 n. 314 P.Bodmer XXVIII ...... 368 n. 66, 368-371 P.Bodmer XXVIII col. II fr. D.14, 16....... 368 n. 69 P.Fackelmann 5 fr. b ....................49 n. 89 P.Oxy. 663....................................... 41-44 P.Oxy. 1083............................27 n. 9, 375

Index locorum P.Oxy. 1174 ........................... 67, 313 n. 1 P.Oxy. 1801 recto ........................ 45 n. 75 P.Oxy. 2081 ................................. 313 n. 1 P.Oxy. 2159 ................................... 27 n. 6 P.Oxy. 2161 ........................................ 295 P.Oxy. 2162 ................................ 207, 306 P.Oxy. 2245 ................................... 27 n. 7 P.Oxy. 2255 fr. 12+13 ................... 27 n. 6 P.Oxy. 2255 fr. 20, 21 ................. 296 n. 5 P.Oxy. 2256 fr. 3 ....................... 79 n. 169 P.Oxy. 2256 fr. 6-8, 11-12............. 27 n. 8 P.Oxy. 2256 fr. 9a+b ..................... 27 n. 8 P.Oxy. 2256 fr. 9a..................... 267 n. 76, 360 n. 35, 377 n. 105 P.Oxy. 2256 fr. 72 ....................... 296 n. 5 P.Oxy. 2257 fr. 1 .................................. 63 P.Oxy. 2259 fr. 9a.22................. 360 n. 34 P.Oxy. 2369 ........................................ 321 P.Oxy. 2453 ................ 27 n. 9, 430 n. 350 P.Oxy. 2455 fr. 5-8 .................... 251 n. 11 P.Oxy. 2455 fr. 6.78 .................... 62 n. 47 P.Oxy. 2455 fr. 6.79-80 ............. 259 n. 45 P.Oxy. 2455 fr. 6.81-82 ........... 207 n. 237 P.Oxy. 2455 fr. 7 ....................... 251 n. 13 P.Oxy. 2455 fr. 8 ....................... 252 n. 16 P.Oxy. 2456 Z. 5........................ 252 n. 16 P.Oxy. 2737 fr. 1 col. ii.10-17 ..... 38 n. 45 P.Oxy. 2738 col. ii.13-14.............189-190 P.Oxy. 2804 fr. 2a col. ii.3-4 ..... 354 n. 13 P.Oxy. 3651 Z. 23-27 ..... 54 n. 4, 248 n. 7 P.S.I. 1209 .......................................... 295 P.S.I. 1286 ............................... 386 n. 147 P.Strasb. 2676 A a ..................... 252 n. 16 P.Tebt. 692.......................................... 321 Pausanias 1.14.3 ......... 249 n. 8, 259 n. 45, 273 n. 97 1.2.3 ........................................... 304 n. 45 1.2.5 ........................................... 118 n. 30 1.20.3 ....................................... 146 n. 121 1.27.6 ........................................... 249 n. 9 1.29.2 ....................................... 153 n. 143 1.38.5 ......................................... 265 n. 71 1.39.3 ........................................... 248 n. 8 1.44.6 ......................................... 259 n. 35 1.44.7-8 ........................................ 306 n. 5 1.44.8 ......................................... 250 n. 11 2.1.3 ............................................. 306 n. 5

519

2.1.4............................................261 n. 53 2.15.4............................................322 n. 8 2.20.4, 22.1, 23.7........................305 n. 46 2.33.1..........................................272 n. 93 5.8.4............................................266 n. 73 7.20.4............................................313 n. 4 8.47.1........................................178 n. 100 9.22.5-7 ...............................................425 9.22.7........................................425 n. 326 10.4.7-8 ....................................378 n. 109 Pausanias Grammaticus, Ἀττικῶν ὀνοµάτων συναγωγή β s.v. βοῦς ἕβδοµος ...................364 n. 48 ε 25 s.v. ἐκολλόπωσε.................364 n. 48 η 18 s.v. Ἥρυλλος ......................66 n. 71 σ 6 s.v. σαυτὴν ἐπαινεῖς ὥσπερ Ἀστυδάµας, γύναι.............................29 n. 4 χ 15 s.v. χορταῖος ........................61 n. 39 Pherekrates (K./A.) Cheiron F 155.9 .........................232 n. 48 Pherekydes (FGrH 3) F 10......................................................297 F 17.............................248 n. 7, 259 n. 45, 261 n. 58, 264, 369 n. 72 F 90...........................................281 n. 125 F 147.............................................248 n. 8 Philemon (K./A.) inc. F 160........................................30 n. 9 Philochoros (FGrH 328) F 5a.............................................135 n. 83 F 5b............................118 n. 30, 135 n. 83 Philodamus Scarpheus Paean in Dionysum 1-3..............175 n. 88 Paean in Dionysum 146-147......175 n. 87 Philodem De pietate ....................................141, 364 Piet. p. 36 Gomperz ... 141-142, 364 n. 50 Piet. p. 48 Gomperz .................145 n. 119 Poet. D fr. 8 col. II.2-6 Nardelli ................ 415 n. 279 Philokles I (TrGF 24) T 1 ..................................................28 n. 9 T 2 ..................................................30 n. 8 Philon von Alexandria Prob. 99-104 ...........252 n. 16, 441 n. 396 Prob. 102-103 .........................395 n. 188, 399 n. 203, n. 204, 441 n. 396

520

Index locorum

Philostephanos (FHG 3) Περὶ Κυλλήνης F 9 ..................... 313 n. 4 Philostrat Her. 31 ....................................... 178 n. 99 Im. 1.26 ........................................ 314 n. 7 Im. 2.17.5 ................................. 186 n. 144 Im. 2.22 .................................... 418 n. 299 VA 5.14, 16 .............................. 186 n. 144 Photios α 409 s.v. ἀείζων .................... 426 n. 327 α 1058 s.v. ἄλυπον †ἄνθος† ἀνίας ......... 375 n. 91 α 1685 s.v. ἀναστῦψαι ............. 72 n. 119 α 1921 s.v. ἀνηλέητος.................303-304 ε 388 s.v. ἐκκανάξαι.........183-184 n.130 ε 1095 s.v. ἐξανάξει................ 386 n. 144 η 230 s.v. Ἥρας δεσµοὺς ὑπὸ υἱέος ....... 146 n. 120 κ 826 s.v. κνοῦς........................... 68 n. 89 ο 315 s.v. ὁδῆσαι....................67-68 n. 85 ο 357 s.v. ὄνος ἰσόσπριος ....... 439 n. 384 π 23 s.v. παιδικά .........................385-386 σ 502 s.v. σατυρικὰ δράµατα ...... 93 n. 4 σ 511 s.v. σίκιννις................... 200 n. 208 σ 527 s.v. σκώπευµα ............... 197 n. 191 Phrynichos (K./A.) T 1................................................ 44 n. 71 Satyroi.................................... 44, 46 n. 77 Satyroi F 46-51 ............................ 45 n. 71 Phrynichos (TrGF 3) T 1.6-7 ......................................... 247 n. 6 T 5.............................................. 80 n. 173 Antaios F 3a ................................. 247 n. 6 Miletou Halosis.......................... 80 n. 173 Phoinissai .................................. 80 n. 173 Pindar I. 3/4.21...................................... 239 n. 72 I. 3/4.70-73 ................................. 247 n. 6, 261 n. 47, 263 n. 60 I. 7.3-5...................................... 144 n. 114 I. F 6.5.......................................... 306 n. 5 O. 4.6-7 .................................... 186 n. 144 O. 13.16-19 ................................ 100 n. 33 P. 1.16-17 ................................ 186 n. 144 P. 12.11-18 ................................ 297 n. 15 P. 4.249...................................... 174 n. 80 P. 4.263.................................... 429 n. 343

P. 9.105-124 .................................247 n. 6 P. 9.106-125 ...............................257 n. 25 (Paian) D 2.3 Rutherford ... 238-239 n. 72 Fragmente (ed. Maehler) F 70a...........................................305 n. 46 F 70c.16......................................164 n. 28 F 75.10......................................180 n. 106 *F 85a.......................................202 n. 214 *F 99...........................................158 n. 13 *F 107a.3....................................238 n. 72 *F 128.......................................413 n. 267 F 140a.56.............................................286 F 168a-b ...................................394 n. 179 F 168b....................394 n. 183, 395 n. 189 F 177d.......................................429 n. 343 F 243...........................................272 n. 93 F 283.........................................146 n. 120 Pindar, Scholien Schol. vet. Pi. I. (Hypoth.) .........264 n. 65 Schol. vet. Pi. I. (Hypoth. b) ......261 n. 53 Schol. vet. Pi. I. 4.87a .................247 n. 6, 261 n. 47, 263 n. 60 Schol. Pi. N. 3.60......................417 n. 293 Schol. vet. Pi. O. 4.11c.............186 n. 144 Schol. vet. Pi. O. 10.19b.............261 n. 49 Plato Comicus (K./A.) Heortai ................................................421 Heortai F 36 ........................................421 Zeus Kakoumenos F 46 ............413 n. 265 Platon Cra. 406d-407a ........................186 n. 147 Euthd. 285c ................................335 n. 23 La. 187b......................................335 n. 23 Leges/Nomoi........................................403 Lg. 2.653c-654a........................... 222-223 Lg. 2.653d-e ............... 222-223 n. 20, 404 Lg. 2.664e-665a...................................223 Lg. 2.665bff.........................................223 Lg. 2.666b-c ...............................177 n. 93 Lg. 2.672a-c.........................................223 Lg. 7.796b.................................186 n. 147 Lg. 7.815c...................................170 n. 60 Phdr. 250c3 ..............................433 n. 357 Plt. 269c .............................228 n. 36, 229 Plt. 270a ..............................................229 Respublica/Politeia ...............................91 R. 378d .....................................146 n. 120

Index locorum R. 440e8-441a3, 441c4-7............. 91 n. 23 Symposion ........................................... 156 Smp. 179e-180a ....................... 387 n. 152 Smp. 215a6-7 ............................... 156 n. 8 Smp. 215b3-4 ............................... 156 n. 8 Smp. 222d .............................. 20 n. 5, 156 Tht. 143b .................................... 265 n. 71 Platon, Scholien Schol. vet. Pl. Lg. 796a Greene ................ 258 n. 28, 261 n. 47 Plautus Amphitryo .................................... 39 n. 47 Plinius der Ältere HN 4.18.43................................... 328 n. 5 HN 9.31.................................... 427 n. 335 HN 21.29.................................... 354 n. 11 Plutarch Ad principem ineruditum, mor. 781b........ 361 n. 40 Adversus Colotem, mor. 1109e................. 441 n. 400 Agis 1.3 ...................................... 173 n. 74 Alex. 52.6 ................................... 361 n. 40 Amatorius, mor. 766f............... 389 n. 160 Cat. Ma. 7 .................................. 101 n. 35 De gloria Atheniensium, mor. 349f .......... 31 n. 12 Lys. 19.5-7 ................................. 363 n. 45 Lys. 19.7..................................... 363 n. 44 Phoc. 30.6 .................................... 38 n. 45 Quaestiones convivales, mor. 615a-b ....... 103 Quaestiones convivales, mor. 747c .......... 195 n. 182 Quomodo adulescens poetas audire debeat, mor. 34a ................. 389 n. 160 Theseus ............................................... 270 Thes. 2.1.................... 270 n. 84, 273 n. 94 Thes. 3.5-7 ................................. 272 n. 94 Thes. 4........................................ 272 n. 94 Thes. 6.1-3 ................................. 272 n. 94 Thes. 6.5-6 ...................................270-271 Thes. 6.7-9 ................................. 270 n. 85 Thes. 7.1..................................... 272 n. 91 Thes. 8-11 .................................. 270 n. 83 Thes. 8.1............................. 269 n. 80, 270 Thes. 10...................................... 250 n. 11

521

Thes. 10.1 ...................................264 n. 67 Thes. 11 .......................248 n. 8, 251 n. 12 Thes. 11.1-3................................. 264-266 Thes. 11.1 ..................264 n. 68, 270 n. 85 Thes. 12.4-5................................272 n. 94 Thes. 14 ......................................271 n. 87 Thes. 25.4-6................................264 n. 65 Thes. 25.5 ................. 270 n. 85, 273 n. 94 Thes. 25.6 ..................259 n. 45, 273 n. 96 Thes. 29.3 ...................................272 n. 89 De anima F 178.6-7..................434 n. 358 De anima F 178.7-13...........................434 De anima F 178.19...................434 n. 359 Plutarch (?) Vitae decem oratorum, mor. 841f .........34 Poeti Epici Graeci (ed. Bernabé) Nostoi I, F 7.........................................133 Pollux 4.99...........................................201 n. 209 4.103.........................................197 n. 191 4.108-109 ...........................196, 311 n. 25 4.109...............................................56 n. 9 4.118.............................57 n. 20, 61 n. 39, 236 n. 56 4.123........................80 n. 170, 183 n. 128 4.130...........................................323 n. 17 4.142......................57 n. 20, 60 n. 37, 156 10.35...........................................251 n. 11 10.68...............................................20 n. 5 10.86.........................................183 n. 130 10.157.........................................364 n. 48 10.175...........................................248 n. 8 Polyphrasmon (TrGF 7) T 3 ..............................................130 n. 65 Lykurgeia (Tetralogie) ...............130 n. 65 Porphyrios (ed. Nauck) Abst. 2.29.28-29 .......................211 n. 284 Pratinas (TrGF 4) T 1 ................................................21 n. 10 Dymainai oder Karyatides F 1.................. 160 n. 18 ‘Hyporchema’ inc. F 3 ..........64 n. 63, 69, 126, 160-162, 181-183, 185 n. 141, 194, 225 n. 26, 226-227, 233, 234 n. 53, 238 n. 67, 333 n. 20 inc. F 3.1.........................................69, 74, 163 n. 24, 183, 226-227, 238

522

Index locorum

inc. F 3.2 ................... 126, 161 n. 20, 162, 167, 181, 182 n. 123, 183, 201, 227 inc. F 3.3-4............................... 438 n. 377 inc. F 3.3 ......... 161 n. 20, 178, 181 n. 121 inc. F 3.4-5................................. 177 n. 96 inc. F 3.4 ............................................. 177 inc. F 3.5 ............................................. 183 inc. F 3.7-8.......................................... 176 inc. F 3.7, 12, 13 ................................... 69 inc. F 3.14 .................................. 177 n. 96 inc. F 3.15-17...................................... 227 inc. F 3.15-16...................................... 182 inc. F 3.15 ................... 167, 194, 199, 227 inc. F 3.16 ..................... 69, 162, 163, 175 inc. F 3.17 ........................... 178, 183, 227 inc. F 6.1-3...................................238-239 Palaistai..................... 78 n. 162, 247 n. 6, 248, 249 n. 8, 353 Proklos Chr. 148 ..................................... 259 n. 45 Properz 2.30.16-18 .................................... 373 n. 6 Ptolemaeus Ascalonita Περὶ διαφορᾶς λέξεων s.v. κόρδαξ εἶδος ὀρχήσεως .................. 201 n. 209 Python (TrGF 91) Agen ............................... 20 n. 5, 22 n. 11, 39 n. 48, 80-81 n. 173 Agen F 1.5................................ 208 n. 259 Quintus Smyrnaeus 5.641-643 ................................. 186 n. 144 5.641-642 ................................. 178 n. 100 14.582-585 ............................... 186 n. 144 Sannyrion (Kom.) Danaë......................................... 299 n. 28 Sappho (ed. Lobel/Page) F 16.6-9...................................... 344 n. 55 F 22.13-14.................................. 344 n. 55 F 31.5-6...................................... 344 n. 55 Satyros (FGrH 631) F 1 .............................................. 376 n. 94 Semonides von Amorgos (ed. West) F 16 ..................................................... 354 Servius vide infra s.v. Vergil, Scholien Silius Italicus 14.196 ...................................... 186 n. 144

Simonides (PMG) T 32, 56, 57 Poltera ....................304 n. 45 F 543..................... 27, 301-303, 304 n. 44 F 543.7-8 .............................................303 F 543.21.......................................302 n.34 F 543.23-26 .........................................303 F 568.........................252 n. 14, 258 n. 33, 259 n. 44, 262 n. 59 Solon (ed. West) F 30a...........................................100 n. 33 Sophokles, Fragmente Achilleos Erastai ............... 55-56 n. 8, 63, 82 n. 178, 385-387, 406, 417 Ach.Er. F 149 ...........................386 n. 144 Ach.Er. F 150 ........... 417 n. 293, 417-418 Ach.Er. F 151 ...........................417 n. 293 Ach.Er. F 152 ...................188, 189 n. 157 Ach.Er. F 153 ........... 384-385, 387 n. 150 Ach.Er. F 154 ...........................202 n. 217 Ach.Er. F 155 ...........................387 n. 151 Ach.Er. F 157 ...........................386 n. 144 Ach.Er. F 157a..........................386 n. 145 Achaiōn Syllogos...........78 n. 162, 87 n. 9 Achaiōn Syllogos F 144..............366 n. 58 Admetos ...............................................172 Aias Lokros **F 10c.................379 n. 116 Akrisios....... 299, 299-200 n.29, 355 n. 14 Aleadai ...........................................87 n. 9 Amphiareos ...........321 n. 2, 354 n. 8, 367 Amphiareos F 113 ...................209 n. 273, 377 n. 108, 427, 439 n. 386 Amphiareos F 121 ..................... 367 n. 63 Amykos ................................................354 Amykos F 111 ...............................247 n. 5 Amykos F 112 ............209 n. 274, 247 n. 5 Andromeda F 128.......................366 n. 58 Daidalos ................... 251-252, 378 n. 111 Daidalos F 160...................252 n. 14, 421 Daidalos *F 161.................252 n. 14, 421 Daidalos F 162...................252 n. 14, 421 Danaë ......................... 299, 299-300 n. 29 Dionysiskos ....................................66, 98, 133 n. 74, 135 n. 82, 140-141, 143, 168 n. 51, 202, 245 n. 1, 325 n. 34, 375, 403, 404, 409-410 Dion. F 171....................66 n. 69, 72, 140, 298 n. 21, 392 n. 173, 404, 409-410

Index locorum Dion. F 172 .......... 66 n. 69, 140, 375, 404 Dion. F 173 ................ 140 n. 98, 375, 404 Epi Tainaro................................. 62 n. 50, 208 n. 244, 325 n. 40 Eris...................................................... 417 Eris F 199 ................................ 391 n. 165 Eurypylos ....................................... 87 n. 9 Helenes Gamos ................... 62 n. 48, 354, 355, 400 n. 209 Hel.Gam. F 181 ....................... 391 n. 165 Hel.Gam. F 183 .................................... 71 Herakleiskos ................................. 66, 406 Herakleiskos **F 223a ....................... 167 Herakles...................... 321 n. 2, 325 n. 40 Herakles F 225......................... 208 n. 248 Hybris ............................................ 20 n. 3 Hybris F 670 .................................. 20 n. 3 Hybris F 671 ............... 20 n. 3, 391 n. 166 Ichneutai ................ 27, 39 n. 49, 40 n. 52, 55 n. 8, 56-57 n. 16, 62 n. 46, 64 n. 63, 65 n. 66, 67 n. 79, 74 n. 136, 78, 98, 125-126, 132, 196 n. 186, 197 n. 189, 201, 202 n. 217, 206, 209 n. 275, 220, 225-226, 232-233, 257 n. 26, 313-320, 325 n. 34, 371-373, 375, 381, 393, 406-408, 423-424, 430 n. 345, 431434 F 314 (Ichn.) ................................ 315 n. 9 Ichn. 1-44............................................ 315 Ichn. 7 ........................................ 319 n. 28 Ichn. 8 ..................................... 208 n. 256, 315 n. 10, 319 n. 28 Ichn. 11 ...................................... 320 n. 33 Ichn. 19 ...................................... 319 n. 28 Ichn. 22-32.......................................... 315 Ichn. 37 ............................................... 315 Ichn. 39 ...................................... 171 n. 65 Ichn. 40 ...................................... 319 n. 28 Ichn. 41 ............................................... 168 Ichn. 42 ...................................... 319 n. 28 Ichn. 44 ........................... 158, 208 n. 256, 315 n. 10 Ichn. 45 ..................... 319 n. 28, 320 n. 29 Ichn. 46 ..................... 319 n. 28, 320 n. 33 Ichn. 48-49.......................................... 315 Ichn. 51-52.......................................... 316 Ichn. 53 ........................................ 155 n. 5

523 Ichn. 54-55 .................................316 n. 12 Ichn. 54.......................................319 n. 28 Ichn. 63.......................................316 n. 13 Ichn. 64-78 .........................78 n. 158, 316 Ichn. 64.......................................320 n. 31 Ichn. 65-67 ...............................211 n. 282 Ichn. 65.....................................199 n. 201 Ichn. 66, 67...........................67, 320 n. 31 Ichn. 71........................155 n. 5, 319 n. 28 Ichn. 73.....................................199 n. 201 Ichn. 75........................155 n. 5, 316 n. 13 Ichn. 77.......................................319 n. 28 Ichn. 79-85 ..........................................316 Ichn. 82.......................................320 n. 33 Ichn. 83.......................................320 n. 29 Ichn. 84...............................316, 319 n. 28 Ichn. 85................................................316 Ichn. 88.................................67, 320 n. 31 Ichn. 89..................................................67 Ichn. 91.......................................319 n. 28 Ichn. 93.......................................320 n. 31 Ichn. 96.....................................198 n. 193 Ichn. 100-123 ............. 316 n. 16, 431-432 Ichn. 100-102 ......................................432 Ichn. 100...............................74, 320 n. 31 Ichn. 101.....................................320 n. 31 Ichn. 102.............................316, 320 n. 33 Ichn. 103-116 ......................................432 Ichn. 103.....................40 n. 50, 79 n. 166, 320 n. 30 Ichn. 104................................................67 Ichn. 105.....................................316 n. 16 Ichn. 106..............................................317 Ichn. 107.....................................320 n. 31 Ichn. 108..............................................317 Ichn. 110..............................................317 Ichn. 113.....................................320 n. 29 Ichn. 114...................77 n. 152, 172 n. 65, 319 n. 28, 320 n. 29 Ichn. 115-116 ......................................317 Ichn. 116.....................................320 n. 33 Ichn. 117...............................67, 320 n. 31 Ichn. 117-123 ......................................317 Ichn. 118.....................................320 n. 31 Ichn. 120....................77 n. 152, 317 n. 20 Ichn. 122.....................................317 n. 21 Ichn. 123..............................................432

524

Index locorum

Ichn. 124-135...... 220-221, 225 n. 24-25, 225-226 n. 27, 228, 438 Ichn. 124-130...................................... 319 Ichn. 124-128............................. 132 n. 71 Ichn. 124 ......................... 185 n. 141, 206, 221 n. 10, 225 n. 25 Ichn. 125-126...................................... 438 Ichn. 125 .................................... 225 n. 25 Ichn. 127 ............................................. 438 Ichn. 128 ...................... 73, 319 n. 28, 438 Ichn. 129 .................................... 225 n. 25 Ichn. 130 ........... 225 n. 25, 228, 319 n. 28 Ichn. 131 ............. 67, 231 n. 43, 320 n. 31 Ichn. 132 ............................................. 221 Ichn. 133 ......................... 206 n. 228, 220, 221 n. 11, 222, 228, 317, 319 n. 25 Ichn. 134 ................. 319 n. 28, 391 n. 170 Ichn. 135 .................. 79 n. 166, 221 n. 13, 231 n. 42, 319, 320 n. 30 Ichn. 138-139........................... 185 n. 141 Ichn. 138 .................................... 320 n. 29 Ichn. 139 ................... 319 n. 28, 320 n. 29 Ichn. 142-145........................... 185 n. 141 Ichn. 142-144............................. 320 n. 29 Ichn. 142 ...................................... 155 n. 5 Ichn. 144 ................... 319 n. 28, 320 n. 32 Ichn. 145-168.............................. 319, 424 Ichn. 145-152...............................221-222 Ichn. 145-151........................................ 75 Ichn. 145 ................................... 221 n. 14, 319 n. 28, 320 n. 32 Ichn. 147 ......................66, 221-222 n. 15, 439 n. 389 Ichn. 149 ............................................... 75 Ichn. 150-151............................... 353 n. 6 Ichn. 151 ..................... 65 n. 64, 319 n. 28 Ichn. 152-159...............................423-424 Ichn. 152 ................................. 189 n. 157, 222, 230, 319 n. 28 Ichn. 153 ................... 155 n. 5, 439 n. 389 Ichn. 155-160........................... 202 n. 217 Ichn. 157 ................................. 185 n. 141, 188, 319 n. 28, 320 n. 32 Ichn. 158 .................................. 189 n. 157 Ichn. 159-161........................... 185 n. 141 Ichn. 160 ................................... 171 n. 65, 319 n. 28, 320 n. 32

Ichn. 161-165 .............................316 n. 14 Ichn. 162-165 .............................231 n. 45 Ichn. 163.....................................319 n. 28 Ichn. 164-165 .............................316 n. 13 Ichn. 165.............................132 n. 71, 222 Ichn. 167....................172 n. 65, 320 n. 33 Ichn. 168.......................................73, 222, 319 n. 28, 320 n. 32 Ichn. 169........................ 68, 198, 228-229 Ichn. 171.....................................320 n. 30 Ichn. 172-175 ...................208 n. 249, 424 Ichn. 172-173 ...........................439 n. 382 Ichn. 172..................................... 229-230, 319 n. 28 Ichn. 173-175 ......................................230 Ichn. 173.............................230, 319 n. 28 Ichn. 174.....................................316 n. 16 Ichn. 175..............................................230 Ichn. 176-202 .............78 n. 158, 230, 318 Ichn. 176..............67, 319 n. 28, 320 n. 31 Ichn. 177.....................................319 n. 28 Ichn. 183.......................439 n. 382, n. 383 Ichn. 184...................................439 n. 382 Ichn. 189...................................439 n. 382 Ichn. 191.....................................320 n. 33 Ichn. 194...................................439 n. 382 Ichn. 196-197 .............................320 n. 31 Ichn. 201.....................................320 n. 31 Ichn. 203-209 .............................. 230-231 Ichn. 203-205 ......................................318 Ichn. 203.............79 n. 166, 155 n. 5, 230, 231 n. 42, 319 n. 28, 320 n. 30 Ichn. 204.....................................320 n. 29 Ichn. 205-212 ...........................424 n. 322 Ichn. 205.....................................320 n. 31 Ichn. 205a...................................231 n. 43 Ichn. 205b............................................230 Ichn. 205c...................................231 n. 44 Ichn. 206-209 ......................................318 Ichn. 206-208 .............................231 n. 45 Ichn. 208.....................................320 n. 33 Ichn. 210-220 ......................................318 Ichn. 213...............................67, 320 n. 31 Ichn. 214.....................................319 n. 28 Ichn. 217-220 ..........................185 n. 141, 195 n. 180, 319 n. 28 Ichn. 219...........................199 n. 201, 233

Index locorum Ichn. 220 .................................... 320 n. 29 Ichn. 221-242...................................... 318 Ichn. 221-234...................................... 319 Ichn. 221-232...............................157-158 Ichn. 221-223...............................225-226 Ichn. 221 .................. 62 n. 49, 202 n. 217, 439 n. 382 Ichn. 222 .................................... 177, 232, 319, 320 n. 33, 439 n. 382 Ichn. 223-224..............125-126, 163 n. 28 Ichn. 223 ............................ 205, 221 n. 10 Ichn. 224 ............ 158 n. 13, 162, 163, 167 Ichn. 225-226...................................... 174 Ichn. 225 ............................ 157 n. 12, 176 Ichn. 226 ............................................. 174 Ichn. 227 .......... 167, 178, 319 n. 26, n. 28 Ichn. 228 ..................................... 167, 170 Ichn. 229 .............................. 49 n. 92, 232 Ichn. 230-232........................... 208 n. 249 Ichn. 230-231............................. 320 n. 29 Ichn. 231 ............................ 205, 319 n. 28 Ichn. 232 ............................................. 319 Ichn. 234 .................................... 319 n. 28 Ichn. 236 .................................... 319 n. 28 Ichn. 237 ................................. 195 n. 180, 199 n. 201, 232-233, 319 n. 28 Ichn. 240 .................................... 320 n. 29 Ichn. 243-250...................................... 318 Ichn. 246 .................................... 319 n. 28 Ichn. 247 .................................... 320 n. 31 Ichn. 250 .................................... 319 n. 28 Ichn. 255 .................................... 319 n. 28 Ichn. 256 ................... 319 n. 28, 320 n. 30 Ichn. 258-261...................... 318, 372, 432 Ichn. 259 .................................... 319 n. 28 Ichn. 260 .................................... 319 n. 28 Ichn. 262-289...................................... 318 Ichn. 262-266...................................... 432 Ichn. 263 .................................... 319 n. 28 Ichn. 266 .............................319-320 n. 28 Ichn. 267-276...............................407-408 Ichn. 267-271...................................... 432 Ichn. 267 .................................. 407 n. 240 Ichn. 272-276............................. 372 n. 78 Ichn. 272 ............................................. 408 Ichn. 273 ..................................... 315, 432 Ichn. 274-282...................................... 432

525 Ichn. 279..............................................315 Ichn. 284.............................320 n. 28, 432 Ichn. 285..............................................432 Ichn. 286..............................................432 Ichn. 289...................319, 320 n. 28, n. 33 Ichn. 290-328 ......................................318 Ichn. 290.....................................320 n. 30 Ichn. 291.....................................320 n. 28 Ichn. 293.....................................320 n. 28 Ichn. 297.....................................320 n. 28 Ichn. 298-328 .............................77 n. 150 Ichn. 298-316 ......................................432 Ichn. 298-300 .............................. 432-433 Ichn. 298..................320 n. 28, 434 n. 359 Ichn. 299.....................................320 n. 28 Ichn. 300...........................320 n. 28, n. 30 Ichn. 303..............................................420 Ichn. 305..............................................420 Ichn. 307..............................420, 421, 433 Ichn. 308..............................................420 Ichn. 309.....................................320 n. 28 Ichn. 312.............................320 n. 28, 433 Ichn. 315.....................................320 n. 28 Ichn. 318...................................181 n. 119 Ichn. 326-331 .............................320 n. 28 Ichn. 328.....................................320 n. 30 Ichn. 329-335 ......................................318 Ichn. 329-331 .............................. 433-434 Ichn. 341.....................................77 n. 152 Ichn. 342.....................................320 n. 28 Ichn. 345.....................................320 n. 33 Ichn. 353.....................................77 n. 152 Ichn. 358.....................................320 n. 28 Ichn. 359..................320 n. 28, 439 n. 385 Ichn. 364.......................................246 n. 3 Ichn. 366-368 ......................................318 Ichn. 366-367 ......................................440 Ichn. 366...........................403, 410 n. 248 Ichn. 367.......................................61 n. 37 Ichn. 368.............................72, 410 n. 248 Ichn. 370-373 .............................320 n. 28 Ichn. 372-376 ......................................315 Ichn. 376.....................................320 n. 33 Ichn. 397.....................................320 n. 33 Ichn. 399.....................................320 n. 31 Ichn. 402.....................................320 n. 33 Ichn. 403.....................................320 n. 33

526

Index locorum

Ichn. 443 .............................. 67, 320 n. 31 Ichn. 444 .................................... 320 n. 28 Ichn. 450 ............................ 318, 320 n. 33 Ichn. 457 .................................... 316 n. 13 Ichn. F 314a fr. 20 Z. 1 .............. 320 n. 33 Ichn. F 316 ............................... 198 n. 193 Ichn. *F 318 ....................... 313, 320 n. 33 Inachos............... 27, 55 n. 8, 63 n. 54, 66, 83 n. 185, 172, 198-199, 208 n. 243, 209 n. 276, 321-326, 371, 372-373, 375, 377, 393, 414, 417, 436 n. 365 Ina. **F 269a-b................................... 321 Ina. **F 269a ...................................... 323 Ina. **F 269a.21-28................... 322 n. 11 Ina. **F 269a.32-45................. 436 n. 365 Ina. **F 269a.34-40................... 323 n. 15 Ina. **F 269a.37 .......... 68, 322 n. 14, 417 Ina. **F 269a.40-41................. 192 n. 170 Ina. **F 269a.40 ...................... 198 n. 196 Ina. **F 269a.42 ...................... 436 n. 365 Ina. **F 269a.51 .................... 67, 321 n. 6 Ina. **F 269a.53-54............................ 323 Ina. **F 269a.53 ................................. 325 Ina. **F 269a.54 ........................... 71, 323 Ina. **F 269a.56 ........................ 322 n. 12 Ina. **F 269b................................ 67, 323 Ina. **F 269c ..............................198-199, 322 n. 10, 324, 372-373 Ina. **F 269c.7 ......................... 172 n. 65, 198 n. 198, 373 n. 84 Ina. **F 269c.9 ........................ 436 n. 365 Ina. **F 269c.13 ... 198 n. 196, 436 n. 365 Ina. **F 269c.16-20............................ 323 Ina. **F 269c.19-20.................... 321 n. 7, 373 n. 80 Ina. **F 269c.21-43................... 373 n. 82 Ina. **F 269c.21-24................... 77 n. 148 Ina. **F 269c.23 ................................. 199 Ina. **F 269c.25 ................................... 67 Ina. **F 269c.26 ................................. 199 Ina. **F 269c.27 ......................... 198, 373 Ina. **F 269c.31 ........................ 77 n. 148 Ina. **F 269c.33 ................................. 324 Ina. **F 269c.36-37...............74, 198-199 Ina. **F 269c.39-40................. 198 n. 197 Ina. **F 269c.40-48............................ 324 Ina. **F 269c.40-47................... 77 n. 148

Ina. **F 269c.41 ......................436 n. 365 Ina. **F 269c.43 .................................199 Ina. **F 269c.46 ........................269 n. 80 Ina. **F 269c-e ....................321 n. 4, 324 Ina. **F 269d.1 ........................198 n. 196 Ina. **F 269d.19 ........................322 n. 12 Ina. **F 269d.23 ..........................321 n. 4 Ina. F 270 ............................................324 Ina. *F 271 ..........................................324 Ina. F 272 ...................................322 n. 13 Ina. F 273 .....................66, 323, 324 n. 30 Ina. F 275 ....................321 n. 1, 324 n. 30 Ina. F 276 .................................391 n. 170 Ina. F 277 .........................411 n. 252, 412 Ina. F 278 ............................321 n. 1, n. 7, 324 n. 31 Ina. *F 279 ................................323 n. 15, 324 n. 30, 436 n. 365 Ina. F 280 .................................436 n. 365 Ina. F 281 ....................321 n. 1, 322 n. 12 Ina. F 281a .........................322 n. 12, 324 Ina. F 283 ......................................66, 323 Ina. F 284 ............................................324 Ina. F 285 ............................................324 Ina. F 286 .........................324, 436 n. 365 Ina. F 287 ................................192 n. 170, 195 n. 180, 198 n. 196 Ina. F 288 ............................................325 Ina. F 289 ............................................324 Ina. F 290 Pearson........................321 n. 6 Ina. F 293 .................................436 n. 365 Ina. F 294 .................................391 n. 170 Ina. F 295 ............................................325 Ina. **F 295a .............................323 n. 15 Kedalion ....................63 n. 57, 209 n. 268 Kedalion *F 328....................................74 Kedalion F 329..................75, 209 n. 268, 398-399 Kedalion F 332.............................62 n. 46 Kedalion F 333......................................73 Kerberos.....................................325 n. 40 Kophoi ..............................202 n. 217, 405 Kophoi F 362...................376, 405 n. 230, 438 n. 375 Kophoi F 363......................................376, 438 n. 375, 439 n. 384 Kophoi F 364....................202 n. 217, 376

Index locorum Kophoi F 365 ................... 202 n. 217, 376 Kophoi *F 366 ................. 202 n. 217, 376 Krisis............................ 43 n. 60, 62 n. 50, 325 n. 34, 356 Krisis F 360 ........................................ 356 Krisis *F 361, I ............................356-357 Manteis oder Polyidos .............................. 209 n. 273, 427, 430-431 Manteis oder Polyidos **F 389a .............. 430 n. 350 Manteis oder Polyidos F 389b LloydJones ................................... 430 n. 350 Manteis oder Polyidos *F 395............ 431 Momos ....................................... 72 n. 120 Momos F 420 ........................................ 67 Momos *F 421 ...................................... 72 Momos *F 422 ............. 195 n. 180, n. 184 Momos F 423 ........................................ 72 Mysioi ............................................ 87 n. 9 Nauplios Katapleon ....................... 87 n. 9 Nauplios Pyrkaeus ......................... 87 n. 9 Nausikaa oder Plyntriai.............. 62 n. 45, 78 n. 172, 82 n. 178, 97 n. 21 ‘Oineus-Satyrspiel’ ............27, 27-28 n. 9, 63 n. 54, 195 n. 180, 203-205, 287 n. 144, 375-376 ‘Oin.’ **F 1130 ............. 27 n. 9, 353 n. 1, 400, 423 n. 321 ‘Oin.’ **F 1130.2 .................... 188 n. 154 ‘Oin.’ **F 1130.3-20 ...................203-205 ‘Oin.’ **F 1130.4 ........................ 246 n. 3 ‘Oin.’ **F 1130.6 ................... 207 n. 238, 400 n. 209 ‘Oin.’ **F 1130.7-18 ........203-204 n. 223 ‘Oin.’ **F 1130.7 ....................... 162, 168 ‘Oin.’ **F 1130.8-9 ............................ 203 ‘Oin.’ **F 1130.9-11 ................... 353 n. 3 ‘Oin.’ **F 1130.9-10 .......................... 188 ‘Oin.’ **F 1130.12-13 ..... 209 n. 273, 427 ‘Oin.’ **F 1130.12 ............................. 178 ‘Oin.’ **F 1130.14 .................. 207 n. 240 ‘Oin.’ **F 1130.15-16 .......................... 73 ‘Oin.’ **F 1130.19 ...................... 246 n. 3 Palamedes...................................... 87 n. 9 Pandora oder Sphyrokopoi......... 63 n. 57, 78 n. 162, 207 n. 241, 209 n. 268, 377 Pand. *F 482............................ 207 n. 241

527

Pand. F 483 ...................... 65 n. 64, 72-73 Pand. F 484 ...........................................73 Pand. F 485 ...........................................74 Poimenes ............ 71 n. 113, 71-72 n. 114, 72 n. 115, 172, 173, 253, 366, 377 n. 108, 441 Poim. F 500 ................................253 n. 18 Poim. *F 501 .............71 n. 114, 253 n. 18 Poim. F 503 ..........................71, 72 n. 114 Poim. F 504 ................................72 n. 114 Poim. *F 505 .......................................173 Poim. *F 510 ....................441 n. 395, 443 Poim. F 512 .........................................357 Poim. F 513 ...........................................71 Poim. F 514 .........................................366 Poim. *F 515 .........................................71 Salmoneus ...........................379, 411, 414 Salm. F 537-541 .......................381 n. 129 Salm. F 537........63 n. 59, 411 n. 256, 414 Salm. F 538-539 ..........................379, 381 Salm. F 540......208 n. 256, 335 n. 23, 440 Salm. F 541............................................68 Salm. **F 541a.........................381 n. 129 Sisyphos........................................306 n. 6 Syndeipnoi/Syndeipnon/Achaiōn Syllogos .....................................12 n. 2, 13 n. 4, 78 n. 162, 82 n. 178, 414, 416-417 Synd. F 562...............................417 n. 291 Synd. F 565........ 74, 357, 411-412 n. 256, 413 n. 268, 414 n. 273, 416-417 Telephos .........................................87 n. 9 Triptolemos F 597 ......................366 n. 59 Troilos F 618 ............................417 n. 293 Troilos F 634 ..............................71 n. 111 inc. F 756...........65 n. 64, 195 n. 180, 388 inc. **F 772..................199 n. 201, n. 204 inc. F 784....................................366 n. 58 inc. F 810.................141 n. 100, 364 n. 50 inc. F 811....................................366 n. 59 inc. F 848..................................393 n. 177 inc. F 913..................................192 n. 167 inc. F 1032...........................................354 inc. F 1078....................................65 n. 64 inc. F 1084.................67 n. 84, 391 n. 170 dub. **F 1133 fr. 44, 45...........430 n. 350 Sophokles, Testimonien T A1.4 ............................................55 n. 5

528

Index locorum

Sophokles, erhaltene Stücke Aias .............................................. 313 n. 3 Aj. 695-698 ................................ 158 n. 13 Aj. 781........................................ 366 n. 58 Antigone.............................................. 300 Ant. 454-455 .............................. 366 n. 58 Ant. 944-954 .............................. 300 n. 30 Ant. 955-965 .............................. 129 n. 64 Ant. 955-956 ....................................... 280 Ant. 957-958 ............................ 281 n. 116 Ant. 963-964 ............................ 280 n. 115 Ant. 1135.................................... 178 n. 97 Elektra ................................................ 256 El. 717.......................................... 68 n. 89 El. 745.......................................... 68 n. 89 Ödipus.......................................... 31 n. 12 OC 699...................................... 184 n.130 OC 1380-1382 .......... 361 n. 40, 369 n. 71 OC 1601..................................... 366 n. 58 OT 411 ....................................... 366 n. 58 Philoktet...................................... 329, 347 Ph. 16-18 .................... 329 n. 9, 345 n. 59 Ph. 19................................. 329, 345 n. 59 Ph. 159, 952................ 329 n. 9, 345 n. 59 Ph. 1325..................................... 366 n. 59 Tr. 218-221 ................................ 175 n. 88 Tr. 493 ....................................... 366 n. 58 Tr. 682-683 ................................ 366 n. 59 Sositheos (TrGF 99) T 1............................................ 193 n. 172 T 2............................................ 193 n. 173 Daphnis oder Lityerses ............... 36 n. 38, 209 n. 269, 250, 263, 279, 396 Da.Li. F 1a ................................. 250 n. 10 Da.Li. F 1a I............................. 279 n. 109 Da.Li. F 1a III .......... 261 n. 50, 263 n. 62, 279 n. 107 Da.Li. F 2................. 250 n. 10, 261 n. 50, 391 n. 170, 392 n. 173, 396, 399 Da.Li. **F 2aI-II....... 250 n. 10, 261 n. 50 Da.Li. **F 2aII ........................ 392 n. 173 Da.Li. F 3................................... 250 n. 10 ‘Kleanthes-Drama’ inc. F 4 ....... 81 n. 173 inc. F 5 ..................................... 193 n. 171 Statius Theb. 3.594-595 ....................... 186 n. 144 Theb. 11.8 ................................ 186 n. 144

Theb. 12.275.............................186 n. 144 Stephanos von Byzanz 699.13-14 ...................................253 n. 19 Stesichoros (ed. PMGF) Daphnis dub. F 279 ....................250 n. 10 Kyknos F 207...............249 n. 9, 261 n. 49 Oresteia F 211..........................181 n. 118 Stobaios 3.26.3..............................................20 n. 3 4.5.1.....................................................267 4.5.6.....................................................267 Strabon 1.2.9............................................332 n. 13 10.1.9..............................................27 n. 6 10.3.19........................................168 n. 48 10.5.10........................................297 n. 15 Strato Comicus (K./A.) Phoinikides F 1.........................429 n. 343 Strattis (K./A.) Kallipides F 12 .........................394 n. 181 Suda α 3668 s.v. Ἀπώλεσας τὸν οἶνον ἐπιχέας ὕδωρ .........................20 n. 3, 120 n. 34 α 3886 s.v. Ἀρίων ......................100 n. 33 α 3907 s.v. Ἀρίστιος Κύκλωψ.......20 n. 3 ε 935 s.v. ἐµβαλόντα ...............388 n. 156 η 481 s.v. Ἥρας δὲ δεσµοὺς ὑπὸ υἱέος .............................................146 n. 120 λ 626 s.v. Λιτυέρσης .................250 n. 10 ο 806 s.v. Οὐδὲν πρὸς τὸν Δ∆ιόνυσον........ 103 n. 45 π 858 s.v. παιδικά....................386 n. 143 π 2230 s.v. Πρατίνας ...................21 n. 10 π 3159 s.v. Πυλάδης...............200 n. 207, 201 n. 209 π 3225 s.v. Πυρρίχη.................201 n. 209 σ 815 s.v. Σοφοκλῆς ......................56 n. 9 τ 623 s.v. Τιµοκλῆς......................45 n. 76 τ 624 s.v. Τιµοκλῆς ἕτερος..........45 n. 76 φ 762 s.v. Φρύνιχος .....................247 n. 6 φ 763 s.v. Φρύνιχος ............... 44-45 n. 71 χ 413 s.v. χορταῖος ......................61 n. 39 ω 272 s.v. Ὠφελίων .....................45 n. 74 Theodektas (TrGF 72) T 6.7-8 ........................................80 n. 173 Mausolos F 3b ............................80 n. 173 inc. F 6.................................................367

Index locorum Theodosius (Gramm. Gr., ed. Hilgard) Can., IV.I, p. 37.20-21................. 69 n. 98 Theokrit 22.27-134 ..................................... 247 n. 5 22.110, 122 ............... 258 n. 27, 259 n. 45 24.105 ...................................... 388 n. 156 25.168-281 ................................. 253 n. 19 25.168 ................................................. 280 Theokrit, Scholien Schol. Theoc. 4.62/63d.e ........... 158 n. 13 Schol. Theoc. 8 arg. b .............. 279 n. 109 Schol. Theoc. 10.41c, e............. 250 n. 10, 261 n. 50 Schol. UEAP Theoc. 15.48-50c-d ............ 192 n. 167 Theophrast De pietate F 18.18 ................... 211 n. 284 Theopompus Historicus (FGrH 2b 115) F 75c.1 ....................................... 168 n. 50 Thespis (TrGF 1) inc. F 4.2 .................................. 440 n. 390 Thukydides 2.102 ........................................ 431 n. 352 5.71 ............................................ 165 n. 34 6.2 .............................................. 332 n. 13 Timesitheos (TrGF 214) tit. 8 Ζηνὸς Γοναί ...................... 323 n. 17 Timokles (K./A.) T 1................................................ 45 n. 76 Demosatyroi.......................................... 45 Demosatyroi F 5 .......................... 45 n. 76 Dionysiazusai F 6.16 ..................... 28 n. 9 Ikarioi Satyroi F 15-19 ......................... 45 Timokles (TrGF 86) T 2.............................................. 130 n. 65 Lykurgos Satyrikos .................... 130 n. 65 Tragica Adespota F 1f (tit. Ἄτλας [Σατυρικός])................... 368 n. 68, 403 n. 218 F 5g (tit. Μαθηταὶ Σάτυροι) .................... 209 n. 271, 368 n. 68, 403 n. 218 F 10b (tit. Φορκίδες Σάτυροι)..... 296 n. 7 F 90 .......................................... 441 n. 396 F 163a .................................. 75, 251 n. 11 F 327f....................................... 392 n. 171 F 355 ......383 n. 134, 388-389, 390 n. 163 F 381 ............. 207 n. 239, 373, 393 n. 177

529 F 397...........................................174 n. 81 F 406...........................................174 n. 81 F 420.........................................441 n. 400 *F 440a.......................................177 n. 93 F 590......................................................66 F 601.............................................61 n. 40 F 625...............................................28 n. 9 F 629.5......................................181 n. 117 F 629.8......................................191 n. 165 *F 646a........... 39 n. 49, 48-50, 234 n. 53, 375, 394 n. 184, 404 *F 646a.1-18a ...............................50 n. 96 *F 646a.1-12 ..............................133 n. 74 *F 646a.4...............................................49 *F 646a.7-12 ................................49 n. 89 *F 646a.8-14 .........................................49 *F 646a.12....................................49 n. 90 *F 646a.14...........................................375 *F 646a.15.............................................49 *F 646a.16.............................................49 *F 646a.18b-27 .............................50 n. 96 *F 646a.18.............................................49 *F 646a.19..............................36, 39 n. 48 *F 646a.20.............................................49 *F 646a.23-27 ................................. 49-50 *F 646a.23.............................................49 *F 646a.24-25 .......................................50 *F 646a.25.........................50 n. 93, n. 96, 163 n. 28 *F 646a.27....................................50 n. 96 ‘Atlas’ F 655....................... 365, 368-371 ‘Atlas’ F 655.2............................. 370-371 ‘Atlas’ F 655.4-6 .................................371 ‘Atlas’ F 655.10-11, 13 ..............370 n. 73 ‘Atlas’ F 655.10...........................370, 371 ‘Atlas’ F 655.19..........................369 n. 71 ‘Atlas’ F 655.22-25 ....................370 n. 73 ‘Atlas’ F 655.35-39 ............. 370, 426-427 F 656............................................ 354-355 Mēdeia Satyrikē F 667a.97...........65 n. 64 *F 675.2............................ 421-422 n. 314 F 681...................................171, 177 n. 93 F 681.10......................................171 n. 63 F 681.12......................................174 n. 81 F 681.13-14 .........................................171 F 681.14...............................................169 F 726...........................................175 n. 88

530

Index locorum

Tyrtaios (PMG) F 856 ........................................ 179 n. 104 Tzetzes (cf. auch Aristophanes, Scholien) H. 2.370-371 ................................ 248 n. 7 H. 2.435-438 .............................. 252 n. 16 H. 2.438 ..............................264-265 n. 69 H. 8.442-460 .................................. 54 n. 4 H. 8.448-451 ........... 83 n. 185, 208 n. 258 H. 8.448-450 ................................ 155 n. 5 H. 8.449-450 .......................120-121 n. 37 H. 8.450 ................................... 410 n. 248 Proll.Com. 11 a 2....... 63 n. 58, 252 n. 16, 395 n. 188 Proll.Com. 11 a 2.59-70 .....264-265 n. 69 Valerius Flaccus 2.24 .......................................... 186 n. 144 4.99-344 ....................................... 247 n. 5 Vergil A. 3.41-68 .................................... 328 n. 5 A. 3.578-582 ............................ 186 n. 144

A. 6.590-591 ............................ 379 n. 116 Ecl. 6.13-30................................ 170 n. 62 Vergil, Scholien Serv. Verg. A. 3.15 ...................... 328 n. 5 Serv. Verg. Ecl. 8.68................. 250 n. 10, 258 n. 31, 261 n. 50, 263 n. 62, 279 n. 107 Vitruv De architectura 5.6.1............................ 62 De architectura 5.6.9............................ 62 Xenophanes (ed. Gemelli Marciano) F 6 ≅ B 2 D./K. ........................ 398 n. 200 Xenophon An. 4.7.12................................. 179 n. 104 Mem. 2.1.14 ............................... 251 n. 12 Smp. 2.15-16 ............................ 195 n. 182 Smp. 4.19 ............................................ 156 Smp. 5.7 ..................................... 168 n. 50 Smp. 7.5 ................................... 195 n. 182 Zenobios 5.40 .......................99, 102 n. 43, 103-104