188 10 54MB
German Pages 186 [188] Year 1992
Linguistische Arbeiten
284
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Gerhard Heibig, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese
Phraseologie und Wortbildung Aspekte der Lexikonerweiterung Finnisch-deutsche sprachwissenschaftliche Konferenz, 5.-6. Dezember 1990 in Berlin
Herausgegeben von Jarmo Korhonen
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1992
Prof. Dr. sc. phil. Dieter Viehweger zum Gedenken
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Phraseologie und Wortbildung - Aspekte der Lexikonerweiterung / Finnisch-Deutsche Sprachwissenschaftliche Konferenz, 5. - 6. Dezember 1990 in Berlin. Hrsg. von Jarmo Korhonen. - Tübingen : Niemeyer, 1992 (Linguistische Arbeiten ; 284) NE: Korhonen, Jarmo [Hrsg.]; Finnisch-Deutsche Sprachwissenschaftliche Konferenz ; GT ISBN 3-484-30284-4
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1992 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Hugo Nadele, Nehren
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
VII
Jarmo Korhonen: Idiome als Lexikoneinheiten. Eine Auswahl von Beschreibungsproblemen
l
Irma Hyvärinen: Zum Festigkeitsgrad des Verbs und zur aktionalen Reihenbildung bei deutschen und finnischen Verbidiomen. Ein Werkstattbericht im Rahmen des Projekts "Kontrastive Verbidiomatik Deutsch - Finnisch"
21
Marja-Leena Pütulainen: Zu den Unterschieden in der äußeren quantitativen Valenz der deutschen und finnischen Verbidiome
39
Wolfgang Fleischer. Konvergenz und Divergenz von Wortbildung und Phraseologisierung
53
Lauri Seppänen: Wortbildung gestern und heute. Kompositum als Abbild der Wirklichkeit?
67
Matti Luukkainen: Zur Attribution als Zwischenstufe von Illokution und Nomination
81
Wolfgang Motsch: Wortbildungsaffixe. Einheiten des Lexikons oder Indikatoren für semantische Wortstrukturen?
99
Andreas F. Kelletat: Aus der Wortschatztruhe des Richard Pietraß. Zu Metrik, Morphologie, Wortbildung und Lautsymbolik des Gedichts "Generation"
123
Leena Tossavainen: Lexikonorientierter Beschreibungsansatz der Substantivkomposita in der Gegenwartssprache
143
Gerd Wotjak: Zur Struktur des Lexikons
149
Anschriften der Autoren
177
VORWORT
Am 5. und 6. Dezember 1990 fand in Berlin unter Leitung von Prof.Dr. Dieter Viehweger eine Tagung statt, die ursprünglich als gemeinsame Veranstaltung von Sprachwissenschaftlern aus der DDR und Finnland geplant war (vgl. auch einen ausführlichen Bericht von Hartmut E.H. Lenk in der Zeitschrift für Germanistik. Neue Folge l, 1991, S. 473-477). Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands wurde daraus eine d e u t s c h - finnische Tagung, die die Tradition der folgenden fünf bilateralen Treffen fortsetzt: Oulu 1980 ("Kommunikation und Sprache in ihrer geschichtlichen Entwicklung bis zum Neuhochdeutschen"), Neubrandenburg 1982 ("Aspekte und Probleme semasiologischer Sprachbetrachtung in synchronischer und diachronischer Sicht"), Turku 1984 ("Grammatik im Unterricht"), Berlin 1986 ("Lexikologie und Lexikographie") und Mukkula/Lahti 1988 ("Forschungen zum Text"). Anliegen der Tagung war die Vorstellung und Diskussion von Ergebnissen neuerer Phraseologie- und Wortbildungsforschung, ihrer Integration sowie ihrer Beziehungen zu einer übergreifenden Lexikontheorie. Ein weiterer zentraler Gesichtspunkt war die Verknüpfung rein theoretischer Überlegungen und empirischer Forschung zur Lexikonerweiterung, desgleichen war - etwa mit Blick auf fremdsprachendidaktische Fragestellungen - an praktische Anwendungsmöglichkeiten u.a. in der Lexikographie gedacht. Das Tagungsthema geht auf Gespräche zurück, die Dieter Viehweger und ich 1989 und 1990 in Berlin und an verschiedenen Orten in Finnland führten. Vorbereitet wurde die Tagung in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Deutschlektorat Helsinki und Prof.Dr. Wolfgang Fleischer, der im Frühjahrs- und Herbstsemester 1990 am Germanistischen Institut der Universität Turku als Gastprofessor tätig war. Da wir für die Tagungen einen Zweijahresrhythmus beibehalten wollten, entstand infolge der politischen Ereignisse im Laufe des Jahres 1990 eine Situation, in der es unklar war, aus welcher Quelle das geplante Treffen finanziert werden sollte. Dank der Bemühungen Dieter Viehwegers und des Deutschlektorats Helsinki sowie eines freundlichen Entgegenkommens des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ist es jedoch gelungen, die Tagung zustande zu bringen. Allerdings tauchten dann Probleme mit Tagungsräumlichkeiten und Unterkunftsmöglichkeiten auf, weshalb die Zahl der Teilnehmer und die Dauer der Tagung reduziert werden mußten. In dieser etwas ungünstigen Lage haben deutsche Kollegen zugunsten der Teilnehmer aus Finnland auf ein Referat verzichtet. Außerdem führte das dazu, daß der wissenschaftliche Nachwuchs auf der Tagung nur mit einem Beitrag repräsentiert war. Insgesamt nahmen an der Berliner Tagung, die in den Räumen des Zentralinstituts für Sprachwissenschaft durchgeführt wurde, knapp 30 Wissenschaftler teil. Dem wissenschaftlichen Programm lagen fünf Hauptreferate zugrunde: jeweils ein Referat zur Phraseologie (Jarmo Korhonen), zu Beziehungen von Phraseologie und Wortbildung (Wolfgang Fleischer) und zur Lexikontheorie (Gerd Wotjak) sowie zwei Referate zur
VIII
Wortbildung (Lauri Seppänen und Matti Luukkainen). Wie bereits bei früheren Tagungen, waren die Thesen der Hauptreferate im "Ginkgo-Blatt" (Beigabe zum Germanistischen Jahrbuch für Nordeuropa Nr. 11, Helsinki 1990) vorab veröffentlicht worden. Zu den Hauptreferaten wurden sechs Korreferate gehalten, von denen einige nur auf einen, einige andere dagegen auf mehrere thematische Schwerpunkte Bezug nahmen. Noch im Dezember 1990 faßten Dieter Viehweger und ich den Beschluß, einen Sammelband herauszugeben, der neben Referaten von der Tagung einen weiteren Beitrag zur Lexikontheorie, und zwar aus der Feder Dieter Viehwegers, enthalten sollte. Die zu publizierenden Referate wurden von Dieter Viehweger ausgewählt, und er wollte die Redaktion der Bereiche Lexikontheorie und Wortbildung besorgen. Infolge seiner schweren Erkrankung im Frühjahr 1991 war er jedoch nicht mehr imstande, für den Sammelband einen Beitrag zu verfassen oder an der Herausgabe mitzuwirken. Deshalb habe ich die gesamte Redaktion übernommen und die Referate mit meinen Mitarbeitern in Turku für den Druck vorbereitet. Das war anfangs mit gewissen Koordinierungsproblemen verbunden, denn zwei Referenten aus den nichtphraseologischen Bereichen hatten mit ihren Beiträgen inzwischen schon andere Pläne gehabt. Unter diesen Umständen ist es besonders erfreulich, daß alle vorgesehenen Beiträge, wenn auch teilweise neu konzipiert bzw. stark überarbeitet, im vorliegenden Sammelband vereint sind. Bei der Anordnung der Referate in diesem Tagungsband wurde jeweils von einem Hauptreferat ausgegangen; dabei stehen die Korreferate bei dem Hauptreferat, auf das sie sich in erster Linie beziehen. An den Anfang wurde der phraseologische Bereich gesetzt, dann folgen die Referate zur Wortbildung, und danach kommt der Bereich Lexikontheorie. Im Laufe der Redaktionsarbeit hat die äußere Gestaltung der Beiträge viel Zeit beansprucht, denn es wurde sowohl für den Textteil als auch für das Literaturverzeichnis eine einheitliche Darstellungstechnik angestrebt. Besonderer Wert wurde auf die Vereinheitlichung und eine möglichst vollständige und zuverlässige Erfassung bibliographischer Informationen gelegt. Zu diesem Zweck waren z.T. recht eingehende Nachforschungen von seiten der Autoren und des Herausgebers in Bibliotheken, Bibliographien usw. erforderlich. Für die Durchführung der Tagung hat der Deutsche Akademische Austauschdienst eine finanzielle Unterstützung bewilligt, wofür ich ihm an dieser Stelle herzlich danken möchte. Sehr dankbar bin ich dem Leiter des nunmehr aufgelösten Deutschlektorats Helsinki, Herrn Dr. Armin Krause, und seinen Mitarbeitern für die Hilfe, die sie den Organisatoren während der Tagungsvorbereitung haben zuteil werden lassen. Großen Dank schulde ich ebenfalls den Autoren dieses Bandes für so viel Geduld im Zusammenhang mit der langwierigen Redaktionsarbeit, Herrn Prof.Dr. Wolfgang Motsch zusätzlich noch für die sprachliche Durchsicht der Beiträge der finnischen Referenten. Schließlich danke ich meinem Kollegen Prof.Dr. Kari Keinästö Qetzt Universität Oulu) für computerspezifische Beratung und meinen Turkuer Mitarbeitern Frau Raija Nylund, Frau Marja-Liisa Ahosola und Herrn Jouko Parad für ihre Beteiligung an der Redaktion und der Herstellung der Druckvorlage.
IX
Denjenigen aber, der sich nicht nur für die Tagung so tatkräftig eingesetzt, sondern sich auch während der Sitzungen um eine gute Atmosphäre und außerdem um ein angenehmes Rahmenprogramm bemüht hatte, erreichen diese Dankesworte betrüblicherweise nicht mehr: Dieter Viehweger erlag am 19. September 1991 einer schweren, heimtückischen Krankheit. Es war ihm nicht vergönnt, die Realisierung vieler seiner wissenschaftlichen Bestrebungen und Vorhaben, darunter dieses Sammelbandes, zu erleben. Vorwärts blickend bleibt - nicht zuletzt im Sinne Dieter Viehwegers - zu hoffen, daß sich die Zusammenarbeit deutscher und finnischer Germanisten in der Zukunft so gewinnbringend entwickelt wie in den vergangenen Jahren. Mit seinem unermüdlichen Arbeitseinsatz hat Dieter Viehweger auch hier ein Erbe geschaffen, das einer sorgsamen Pflege wert ist. Turku, im Mai 1992 Jarmo Korhonen
Jarmo Korhonen IDIOME ALS LEXIKONEINHEITEN Eine Auswahl von Beschreibungsproblemen
1. Phraseologie und Idiomatik Die Idiomatik ist ein Teilbereich der Phraseologie, einer linguistischen Theorie über feste Wortverbindungen einer Sprache.1 Den zentralen Beschreibungsgegenstand der Phraseologie stellen Ausdrücke dar, die zwei oder mehr Komponenten in einer syntaktischen Verbindung aufweisen. Die Komponenten, die sich in die beiden größeren Klassen Autosemantikon und Synsemantikon einteilen lassen2, sind miteinander entweder zu einer Wortgruppe oder zu einem Satz zusammengefügt worden.3 Wenn die Gesamtbedeutung eines phraseologischen Ausdrucks nicht oder nicht vollständig aus den Bedeutungen der Komponenten erschlossen werden kann, liegt eine Idiomatisierung vor. Es kann zwischen voll- und teilidiomatischen Phraseologismen unterschieden werden4: (1)
das Hasenpanier ergreifen 'fliehen; schnell davonlaufen'
(2)
bis an die Zähne bewaffnet sein 'stark, schwer bewaffnet sein'
Alle festgeprägten Ausdrücke sind jedoch nicht idiomatisiert, d.h., der Bereich der Phraseologie ist größer als der der Idiomatik.5 Zu nichtidiomatischen phraseologischen Einheiten zählen u.a, nicht wenige Funktionsverbgefüge (die beiden wichtigen Merkmale der Phraseologisiening, die hier zutreffen, sind Stabilität und Legalisierung), vgl.: (3)
etw. zum Ausdruck bringen 'etw. ausdrücken'
Außer in der Phraseologie werden in der Wortbildung Verbindungen lexikalischer Komponenten u.a. in semantischer Hinsicht untersucht. Wenn als Voraussetzung für Idiomatizität eine Zusammenfügung von Wörtern bzw. Wortstämmen festgelegt wird, kann in der Wortbildung primär nur im Rahmen der Komposition von Konstruktionen mit idiomatischer Gesamtbedeutung gesprochen werden.6 Entsprechende Beispiele wären u.a.: (4)
Augenblick; Polterabend; hinrichten
Ein Gebiet der Wortbildung, wo abgeleitete idiomatische Konstruktionen im Vordergrund stehen, ist die dephraseologische Derivation. Als Grundlage der Derivation dient meistens ein verbaler Phraseologismus: (5)
Phrasendrescher (< Phrasen dreschen); augenfällig (< jmdm. ins Auge/in die Augen fallen); nasführen (< jmdn. an der Nase herumführen)8
Obwohl die Grenze zwischen Phraseologie und Wortbildung etwa aufgrund orthographischer Konventionen manchmal künstlich erscheinen mag9, sollte man zumindest den Terminus "Idiom" nur auf einen phraseologiebezogenen Gebrauch beschränken und im Falle der Wortbildung einfach von Idiomatisierung (Idiomatizität) bzw. idiomatischen Konstruktionen sprechen. Demgegenüber hat man es bei Konstruktionen folgender Art überhaupt nicht mit Idiomatizität (oder mit Phraseologie) zu tun: (6)
die Ansichten ihres Mannes haben auf sie abgefärbt
(7)
vom Thema abschweifen11
Sowohl (6) als auch (7) sind Beispiele für eine Bedeutungsübertragung. Der konkrete Ausgangspunkt für (6) ist die Bedeutung 'die eigene Farbe (unerwünscht) auf etw. anderes übertragen'12, für (7) die Bedeutung 'den Weg, auf dem man geht, vorübergehend verlassen'13. Die übertragene Bedeutung in (6) hängt mit der semantischen Besetzung des Subjekts und des Präpositionalobjekts, in (7) mit der des Präpositionalobjekts zusammen. Ebensowenig wie bei (6) und (7) mit je einer Wortbildungskonstruktion als Prädikat geht es bei (8) und (9) um Idiomatizität. Als Prädikat mit übertragener Bedeutung fungiert jetzt jeweils ein Simplex: (8)
Kanonen bellen an der Front14
(9)
jmds. Aufmerksamkeit fesseln
Die konkrete Ausgangsbedeutung des Verbs in (8) ist '(von Hund u. Fuchs) wiederholt kurze, kräftige Laute von sich geben'16, in (9) 'mit Ketten od. Stricken jmds. Hände, Füße zusammenbinden, jmdn. binden, anketten, in Ketten legen'17. In (8) geht die Bedeutungsübertragung auf das semantische Merkmal des Subjekts, in (9) auf das des Akkusativobjekts zurück. Die Konstruktionen in (6) bis (9) können hinsichtlich ihrer Bedeutung nicht als idiomatisiert angesehen werden, weil sie keine feste Verbindung mit lexikalischen Komponenten in einer nicht regulär interpretierbaren Gesamtbedeutung aufweisen. Die Subjekt- und Objektstellen sind nicht lexikalisch festgelegt und tragen jeweils in bezug auf ein bestimmtes semantiscb.es Merkmal nur zur Bedeutung des Verbs bei.
2. Lexikologie und Phraseologie Den Kern des Lexikons bilden Einwortlexeme und Wortgruppenlexeme. Zu den ersteren zählen Simplizia sowie idiomatische und nichtidiomatische Wortbildungskonstruktionen, zu den letzteren unterschiedlich strukturierte Phraseologismen, die idiomatisch oder nichtidiomatisch sein können. Ein Wortgruppenlexem kann einen so geringen Umfang haben, daß es beispielsweise nur aus einer Präposition und einem Adjektiv besteht: (10)
in bar
Wortgruppenlexeme mit einer derartigen Minimalstruktur sind jedoch relativ selten im Deutschen18; viel stärker sind Einheiten vertreten, die drei oder mehr Komponenten enthalten. Besonders zahlreich sind Wortgruppenlexeme mit einem Verb. Wie aus (1) bis (3) hervorgeht, kann das Wortgruppenlexem in der lexikalischen Grundform (Nennform) einen Infinitiv aufweisen, d.h., als Subjekt sind verschiedene Personen möglich. Weitere verbale Wortgruppenlexeme sind Konstruktionen, in denen das Verb an eine bestimmte Person gebunden ist und demnach in einer finiten Form angeführt werden muß. In den meisten Lexemen mit finiter Verbform ist eine Stelle für ein Objekt vorgesehen: (11)
jmdm. rutscht die Hand aus
Charakteristisch für Einwort- und Wortgruppenlexeme ist vor allem, daß sie sowohl eine referentielle als auch eine syntaktische Funktion ausüben: Ihnen kommt eine lexikalische Bedeutung zu, und sie können als verschiedene Satzglieder verwendet werden.19 Diese Eigenschaften sind im Hinblick auf die Einrichtung des Lexikons ganz zentral, und damit läßt sich auch für Wortgruppenlexeme begründen, daß sie als wichtiges Beschreibungsobjekt der Lexikologie anzusehen sind. Bislang ist auch ein Teil der festgeprägten Ausdrücke in Satzform, nämlich die idiomatischen Satzphraseologismen (Satzidiome), im Rahmen der Lexikologie beschrieben worden, weil sie aber nur beschränkt als Satzglieder fungieren können, müssen sie außerhalb des Kerns des Lexikons angesiedelt werden. Eine Einbettung in einen zusammengesetzten Satz ist für Satzidiome die einzige Möglichkeit, eine Rolle als Satzglied, etwa als Objekt, zu übernehmen: (12)
"Da hört sich doch alles auf", rief sie aus.
Die restlichen satzwertigen Ausdrücke wie z.B. Sprichwörter, Sagwörter, Maximen, Sentenzen und Aphorismen sind eher unter textlinguistischem Gesichtspunkt zu erfassen - so lassen sich u.a. Sprichwörter als eigene Mikrotexte20 auffassen. Im ganzen ist der phraseologische Bestand des Deutschen sehr heterogen und beansprucht für eine adäquate Darstellung jeweils spezifische Methoden21, die beispielsweise im Zusammen-
hang mit der Beschreibung von Einwortlexemen in der Lexikologie nicht üblich sind. Vor allem die Mehrgliedrigkeit phraseologischer Ausdrücke bringt es mit sich, daß Methoden der Syntax vielfach zur Anwendung kommen. Dies zeigt sich u.a. für die Beschreibung der Zahl und der Reihenfolge der Komponenten, bei der etwa auf die nicht wenigen Variationsmöglichkeiten einzugehen ist, vgl.: (13)
die Karten [offen] auf den Tisch legen
Desgleichen setzt die Art der Komponenten den Einsatz syntaktischer Methoden voraus: Gesichtspunkte, an die hier erinnert sei, sind formbezogene Anomalie und transformationelle Defektivität. Im Bereich der Lexik wiederum wird von einer Methode, die es erlaubt, synonyme Ausdrücke in einer Nennform zusammenzufassen, Gebrauch gemacht. Den Ausgangspunkt dafür bildet die Austauschbarkeit einer lexikalischen Komponente, d.h., die anderen konsumtiven Komponenten bleiben erhalten: (14)
eine reine/saubere/weiße Weste haben
Für die Semantik kann z.B. auf die Erfassung verschiedener Aktionsarten hingewiesen werden.22 Sie erfolgt nicht anhand von Präfixen wie in der Wortbildung bzw. Lexikologie, sondern anhand von Wortgruppen, in denen der Wechsel am deutlichsten an der verbalen Komponente sichtbar wird: (15)
auf die Palme gehen - auf der Palme sein - von der Fahne [wieder] herunterkommen
Auch sonst werden für die Bedeutungsdeskription in der Phraseologie Methoden verwendet, die - durch den Beschreibungsgegenstand bedingt - in der Lexikologie seltener zum Tragen kommen. Ein Beispiel dafür wären pragmatische Kommentare, mit denen eine Bedeutungsparaphrase ergänzt werden kann. Manchmal werden solche Kommentare in der Phraseologie (besonders im Falle der Satzidiome) anstelle einer Paraphrase eingesetzt: (16)
Das durfte nicht kommen! '[spöttischer Ausruf, mit dem eine unpassende Bemerkung oder ein unangenehmes Ereignis quittiert wird]'23
Angesichts des spezifischen Gegenstandes und der dafür erforderlichen Beschreibungsmethoden ist es berechtigt, für die Phraseologie eine eigene linguistische Teildisziplin zu postulieren.24 Für die Wortgruppenlexeme ergibt sich nun daraus, daß sie einmal im Rahmen der Lexikologie und zum anderen im Rahmen der eigenständigen Disziplin Phraseologie beschrieben werden können. Satzphraseologismen könnte man aufgrund von Restriktionen in der syntaktischen Verwendung allein der Phraseologie zuweisen.
3. Satzidiome vs. Wortgruppenidiome Wenn man die lexikographische Praxis der Darstellung des deutschen Idiomguts kritisch untersucht, stellt sich heraus, daß hier keine Einheitlichkeit herrscht.25 Als besonders problematisch hat sich eine Grenzziehung zwischen Satz- und Wortgruppenidiomen erwiesen, was darauf zurückgehen dürfte, daß das Kriterium der Stabilität verschieden streng gehandhabt wird.26 Man kann zwar die Tatsache, daß der lexikalische Komponentenbestand und die syntaktische Struktur bei Satzidiomen wesentlich fester sind als bei Wortgruppenidiomen, als einen grundlegenden Unterschied zwischen den beiden Einheiten betrachten27, aber für eine eindeutige Abgrenzung in allen Einzelfällen reicht das nicht aus. Ein weiterer Grund für unterschiedliche lexikographische Beschreibungen und für Grenzziehungsprobleme ist, daß einige Wörterbücher eine typische Realisation eines Idioms gleich als Nennform ansetzen28, während andere hier eine abstraktere Grundstruktur gewählt haben. U.a. in folgenden Fällen sind in Wörterbüchern voneinander abweichende Nennformen anzutreffen: (17)
er kann mir gestohlen bleiben (BW 6, 40; HWDG 1100); du kannst mir gestohlen bleiben (Griesbach/Schulz 207); j-d (od. etw.) kann mir gestohlen bleiben (Friederich 461); jmdm. gestohlen bleiben können/sollen (Görner 70); jmdm. gestohlen bleiben können/(seltener.) werden können (DUW 1460)
(18)
das ist klar wie Kloßbrühe (Görner 102; DUW 848); das ist doch klar (wie Kloßbrühe) (Griesbach/Schulz 102); klar wie Kloßbrühe (Friederich 49029; BW 4,149; HWDG 653)
Bei (17) ist die Nennform in BW, HWDG und Griesbach/Schulz als Satzidiom zu interpretieren: Die lexikalische Besetzung und die syntaktische Struktur sind jeweils fest. Die Nennformen lassen aber zugleich erkennen, daß im Subjekt zwei Personen möglich sind, worauf auch die Kennzeichnung in Friederich hindeutet. Nach Görner und DUW sind beide Personenbestimmungen variabel, so daß sie das Verb können im Infinitiv anführen und den Ausdruck damit als verbales Wortgruppenidiom (Verbidiom) auffassen. Bei (18) wiederum ist einem Satzidiom in Görner, DUW und Griesbach/Schulz ein Wortgruppenidiom in Friederich, BW und HWDG gegenübergestellt. In der Wortgruppe ist kein Verb vorhanden, was in zweierlei Weise verstanden werden kann: 1. Das Verb sein ist eingespart worden, wie es bei Vergleichen mit einem Adjektiv in Wörterbüchern mitunter geschieht; 2. Die Wortgruppe kann an mehrere Verben angeschlossen werden. Ein Wörterbuch, das bei der Klassifizierung satzförmiger Idiome auffällig oft schwankt, ist DUW. Der Beschreibungspraxis dieses Wörterbuchs ist zu entnehmen (es wird in den Bemerkungen zu "Anlage und Artikelaufbau" nicht gesagt), daß für die Kennzeichnung von Satzidiomen das Symbol R ("Redensart") vorgesehen ist; Wortgruppenidiome dagegen erscheinen halbfett gedruckt in einer Abteilung des Wortartikels, die mit dem Symbol * eingeleitet wird (sie werden als "idiomatische Ausdrücke" be-
zeichnet30). Unter dem Symbol R sind beispielsweise die untenstehenden Idiome eingeordnet: (19)
da lachen [ja] die Hühner! (DUW 740); da beißt die Maus keinen Faden ab (DUW 998); [ach] du kriegst die Tür nicht zu! (DUW 1570)
Demgegenüber sind u.a. folgende Ausdrücke in einer Abteilung für "idiomatische Ausdrücke" untergebracht: (20)
da liegt der Hase im Pfeffer (DUW 668); da ist/sitzt der Wurm drin (DUW 1759); [ach,] du kriegst die Motten! (DUW 1039)
Wie inkonsequent DUW mit der Klassifizierung des Idiombestandes vorgeht, läßt sich noch anhand von (21) veranschaulichen. Es sind Beispiele für eindeutige Wortgruppenidiome, die jedoch den "Redensarten" zugeordnet wurden: (21)
R bei jmdm. liegt der Kamm neben/bei der Butter (DUW 804); R dümmer sein, als die Polizei erlaubt (DUW 1163)
Ein phraseologischer Ausdruck läßt sich vor allem dann als Satzidiom klassifizieren, wenn an der lexikalischen und syntaktischen Struktur kaum Änderungen durchführbar sind. Ausdrücke, auf die dieses Kriterium am ehesten zutrifft, sind Ausrufe des Typs [Ach,] du kriegst die Motten! Sind aber lexikalische und/oder syntaktische Variationen möglich, so daß etwa eine Komponente verschiedene Besetzungen zuläßt bzw. die Reihenfolge der Komponenten geändert werden kann, könnte man schon vom Wortgruppenidiom (genauer: Verbidiom) sprechen. Eine Nennform mit Satzstruktur ließe sich dann anwenden, wenn das syntaktisch regierende Verb im Infinitiv nicht üblich ist. Mit Bezug auf solche Eigenschaften erschiene u.a. folgende Nennform adäquat: (22)
jmd. kann jmdn. gern haben
Aus einer Nennform wie (22) wären z.B. diese Realisationen ableitbar: Du kannst/Er kann mich/uns gern haben und Jetzt könnt ihr mich aber gern haben.
4. Subklassifizierung von Wortgruppenidiomen Klassifikationen, die in der einschlägigen Literatur für Wortgruppenidiome bislang vorgelegt wurden, orientieren sich an kategorialen und funktionalen Gesichtspunkten, indem sie einmal die Wortklasse einer Basiskomponente und zum anderen die Satzgliedrolle des Idioms berücksichtigen.32 Die vier Hauptgruppen, die sich dabei ergeben haben, sind verbale, substantivische, adjektivische und adverbiale Idiome, wobei die
letzte Gruppe Idiome mit Verb, Substantiv, Adjektiv und Adverb als Basiskomponente umfaßt. Es wäre aber auch denkbar, daß man systematisch von der jeweiligen syntaktisch regierenden Basiskomponente ausgeht und das Idiommaterial auf diese Weise in strikt kategorienbezogene Gruppen einteilt. Diese Vorgehensweise würde auch der üblichen Einrichtung des Lexikons, bei der keine funktionalen, sondern kategoriale Kriterien von primärer Bedeutung sind, Rechnung tragen. In einer zweiten Phase könnte man dann für die kategorial gewonnenen Gruppen die syntaktischen Funktionen (Prädikat, Subjekt, Objekt usw.) festlegen. Wortklassen, denen der Status einer Basiskomponente eines Idioms zugesprochen wird, sind Verben, Substantive, Adjektive und Adverbien.33 Präpositionen zählen nicht zu den Basiskomponenten, können aber bei anderen Wortklassen als weiteres Unterteilungskriterium herangezogen werden. Unter Berufung auf diese Prämissen lassen sich nun die Wortgruppenidiome in die vier Klassen Verb-, Substantiv-, Adjektiv- und Adverbidiom differenzieren. Voraussetzung für die Klassifizierung eines Wortgruppenidioms als Verbidiom ist, daß das konjugierbare Verb lexikalisch weitgehend fest ist; wenn eine größere Austauschbarkeit (drei bis vier oder mehr Verben mit verschiedener Bedeutung) gegeben ist, handelt es sich um ein Substantiv-, Adjektiv- oder Adverbidiom.34 Die Verbidiome, die sehr vielfältig strukturiert sind, lassen sich zunächst auf der Basis der Personengebundenheit des konjugierbaren Verbs in die beiden Untergruppen infinitivische bzw. nichtinfinitivische Idiome aufteilen (vgl. z.B. (1) bzw. (11) oben); eine weitere Differenzierung kann anhand der nichtverbalen Basiskomponenten erfolgen. Verbidiome mit einer selteneren Struktur sind u.a. folgende: (23)
sage und schreibe; sagen wir [(ein)mal]; wenn alle Stricke reißen; wie jmd. leibt und lebt; wes Geistes Kind jmd. ist
Die typischste syntaktische Funktion von Verbidiomen ist die des Prädikats. Außerdem kommen z.B. Objekt und Adverbial, bei einem Ausdruck wie sage und schreibe auch das Attribut, in Frage. Unter Zugrundelegung syntaktischer Anschlußmittel zerfallen die Substantividiome in die beiden Gruppen präpositionale bzw. nichtpräpositionale Idiome. Letztere Gruppe umfaßt nicht nur rein kasuelle, sondern auch mit einer Partikel versehene Ausdrücke, wobei es sich um die Vergleichspartikel wie oder um die Negationspartikel nicht handeln kann: (24)
in Bausch und Bogen; nach Adam Riese; ein großer Bahnhof; der Mann auf der Straße; unverrichteter Dinge; wie ein geölter Blitz; nicht die Bohne36
Die syntaktischen Funktionen, die die Substantividiome übernehmen können, sind Subjekt, Objekt, Adverbial, Prädikativ und Attribut.
Im Vergleich zu den Verb- und Substantividiomen sind die Adjektiv- und Adverbidiome recht gering an der Zahl. Den Substantividiomen und den Adjektiv- bzw. Adverbidiomen ist gemeinsam, daß als Unterteilungskriterium der Präpositionsanschluß angewendet werden kann: Auch die Adjektiv- und Adverbidiome lassen sich also in präpositionale und nichtpräpositionale Einheiten einteilen. Ein besonderes strukturelles Kennzeichen der Adjektiv- und Adverbidiome ist das Wortpaar; die meisten Vertreter der beiden Klassen weisen eine entsprechende Struktur auf. Die Komponenten des Wortpaars können verschiedenen Wortarten angehören, wobei eine spezifische Untergruppe (Adjektiv-/Adverbidiome bzw. Adverb-/Adjektividiome) entsteht: (25)
über kurz oder lang; frank und frei
(26)
im voraus; dann und wann; gut und gern37
Hinsichtlich ihrer syntaktischen Funktion sind die Adjektiv- und Adverbidiome Adverbiale.
5. Verbidiome vs. Substantiv- bzw. Adjektividiome Die Abgrenzung von Verb- und Substantiv- bzw. Adjektividiomen verursacht mitunter Schwierigkeiten; es geht hierbei vor allem darum, ob das Verb sein als Kopula eine idiomkonstituierende Komponente darstellt oder nicht.38 In Idiomen, die eine substantivische Basiskomponente aufweisen, erscheint neben dem Substantiv meistens ein adjektivisches oder präpositionales Attribut. Beispiele rinden sich aber auch für Idiome mit einem genitivischen Attribut und für Idiome, in denen sowohl ein adjektivisches als auch ein präpositionales Attribut vorhanden sind. In Wörterbüchern gehen die Meinungen über die Obligatheit von sein auseinander: (27)
ein Faß ohne Boden (Friederich 115; BW 2, 677); ein Faß ohne Boden [sein] (DUW 488); etw. ist ein Faß ohne Boden (HWDG 371; DSW 265: etwas ...)
Für Friederich ist typisch in solchen Fällen, daß das Verb sein nicht in der Nennform, sondern erst im Anwendungsbeispiel angeführt wird.39 Die Methode der Einklammerung der verbalen Komponente, wie sie in DUW praktiziert wird, ist selten.40 Die Nennform ohne sein impliziert, daß der nominale Teil mit verschiedenen Verben kombinierbar ist, weshalb von einem Verbidiom nicht gesprochen werden kann. In der phraseologischen Forschungsliteratur wurde für Idiome vom Typ (27) als Unterscheidungskriterium die Nominalisierungstransformation verwendet: Ist der nominale Teil als Subjekt oder Objekt möglich, so hat man es mit einem Substantividiom zu tun41, vgl.:
(28)
Er war in diesem Institut der Hecht im Karpfenteich. --> Jetzt sind die Mitarbeiter den Hecht im Karpfenteich los. --> der Hecht im Karpfenteich
Auch für Idiome mit adjektivischen Basiskomponenten sind divergierende Wörterbuchbeschreibungen nachweisbar. In den betreffenden Idiomen liegt jeweils ein Wortpaar vor: (29) fix und fertig (Friederich 130; BW 2, 765; Griesbach/Schulz 39; DUW 512); fix und fertig sein (Göraer 62; HWDG 394)
Alle Wörterbücher, in denen fix und fertig als Nennform aufgeführt wird, bringen im Beispielteil jedoch Konstruktionen mit sein als Kopula. Es ist auch darauf verwiesen worden, daß Ausdrücke vom Typ (29) als Adjektividiome zu betrachten sind, wenn sie sich attributiv verwenden lassen: (30)
eine klipp und klare Stellungnahme42
Im Sinne einer Vereinheitlichung der Beschreibungen könnte man sich nun vorstellen, daß für Idiome des hier besprochenen Typs eine verbale Struktur mit sein als primär angesetzt wird. Diese Struktur würde auf der einen Seite die Gebrauchshäufigkeit widerspiegeln und auf der anderen Seite eine abstrakte Grundform darstellen, aus der sich die nichtverbale Verwendung durch Transformationen ableiten ließe. In einem Lexikoneintrag für Idiome mit substantivischer Basiskomponente könnten die verschiedenen nominalen Verwendungsmöglichkeiten im Anschluß an die verbale Nennform etwa wie folgt als zusätzliche Information dargeboten werden: (31)
ein stilles Wasser sein; nominal u.a. als Objekt und Prädikativ möglich: In diesem Kreis hat man ein stilles Wasser nicht gern; Man nennt ihn ein stilles Wasser
Das syntaktische Verhalten von Idiomen mit adjektivischer Basiskomponente könnte in einem entsprechenden Lexikoneintrag z.B. so erläutert werden (unten wird nur die Bedeutung Völlig erschöpft sein* berücksichtigt): (32) fix und fertig sein; nominal u.a. als adjektivisches und prädikativisches Attribut sowie als Prädikativ möglich: der fix und fertige IL; K. kam fix und fertig nach Hause; Der Umzug hat K. fix und fertig gemacht43
Auch Idiome mit Partizip II, die sich einmal mit dem Verb sein verbinden lassen und zum anderen - wie die Adjektive - die Rolle des Attributs und des Prädikativs wahrnehmen können, wären vorrangig als Verbidiome zu klassifizieren: (33)
aus der Luft gegriffen sein; aus der Luft gegriffene Argumente
10
(34)
erstunken und erlogen sein; eine erstunkene und erlogene Geschichte ; Das bezeichne ich als erstunken und erlogen
Ebenso sollte für Vergleichsidiome mit Adjektiv das Verb sein in die Nennform aufgenommen werden. Eine Nennform ohne sein ist u.a. schon deshalb inadäquat, weil der attributive Gebrauch eingeschränkt ist: (35)
blau sein wie ein Veilchen ; Wir trafen ihn auf der Party blau wie ein Veilchen an
(36)
arm sein wie eine Kirchenmaus ; Diese Familie, arm wie eine Kirchenmaus, braucht dringend Hilfe
Idiome mit dieser Struktur können nicht als vorangestelltes adjektivisches Attribut verwendet werden.
6. Spezifische Probleme Beschreibungsprobleme spezifischerer Art beziehen sich hauptsächlich auf die Struktur von Verbidiomen. Was zunächst die Valenz betrifft, so differieren die Auffassungen darüber, welche Bestimmungen bei einem Idiom als Ergänzungen bzw. freie Angaben einzustufen sind.47 Problematisch sind insbesondere Präpositionalbestimmungen mit an, bei, für und mit: In einigen Wörterbüchern werden sie in der Nennform aufgeführt und damit als Ergänzungen gewertet, andere Wörterbücher wiederum nehmen sie nicht in die Nennform auf (sie sind dann als freie Angaben zu betrachten)48: (37)
sich an, bei etwas die Finger verbrennen (BW 2, 755); sich die Finger verbrennen (Friederich 126; Corner 59; Griesbach/Schulz 228; HWDG 392; DSW 275; DUW 509)49
Schwierig ist ebenfalls die Frage der fakultativen Ergänzungen, und auch hier stehen Präpositionalbestimmungen (u.a. solche mit über und vor) an zentraler Stelle. In Wörterbuchbeschreibungen können für ein Idiom alle drei Möglichkeiten (obligatorische Ergänzung, fakultative Ergänzung, freie Angabe) gegeben sein: (38)
über etw. im Bilde sein (HWDG 184); [über etw.) im Bilde sein (DUW 259); im Bilde sein (Friederich 53; Corner 32; BW l, 685; Griesbach/Schulz II)50
Wie für verbale Einwortlexeme, läßt sich für Verbidiome bei der Differenzierung von Ergänzungen und freien Angaben von den beiden Kriterien Obligatheit und Selektion Gebrauch machen.51 Mit ihrer Hilfe gelangt man auch in der Idiomatik zu relativ sicheren Ergebnissen (so wären z.B. die präpositionalen Bestimmungen in (37) und (38) als fakultative Ergänzungen zu charakterisieren).
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Im Unterschied zu nichtidiomatischen Einheiten wird für Verbidiome in einigen Wörterbüchern das Subjekt in der Nennform mit aufgeführt. Das ist u.a. in HWDG und DUW dann der Fall, wenn das Subjekt keine Personenbezeichnung sein kann (Markierung: "etw."); darüber hinaus wird in HWDG das Subjekt angegeben, wenn die Stelle nur durch eine Personenbezeichnung besetzbar ist (Markierung: "jmd."). Die Wörterbücher sind in ihrer Praxis jedoch nicht konsequent: (39)
etw. geht weg wie warme Semmeln (DUW 1389); etw. haut jrndn. aus den Stiefeln (DUW 1468); ins Gewicht fallen (DUW 606); zum Tragen kommen (DUW 1547)
Alle vier Idiome haben ein Sachsubjekt, aber für die beiden letzten wird es nicht vermerkt. - Wird die Nennform mit Subjekt wie in (39) gebildet, kann der Eindruck entstehen, daß das konjugierbare Verb nicht im Infinitiv stehen kann.52 Deshalb könnte man sich für die Subjektinformation folgende Notation überlegen: (40)
auf Draht sein - jmd.; jmdm. in den Schoß fallen - etw.
Idiomkernbezogene Beschreibungsschwierigkeiten betreffen u.a. die Fakultativität der Komponenten.53 Zu den Komponenten, die in der Lexikographie hinsichtlich der Fakultativität nicht einheitlich erfaßt worden sind, gehören z.B. Adjektive und Präpositionalbestimmungen: (41)
jmdm. den ganzen Bettel vor die Füße werfen (BW l, 658); jmdm. den [ganzen] Bettel vor die Füße werfen (DUW 251)
(42)
jmdm. wird der Boden [unter den Füßen] zu heiß (HWDG 1%; DUW 273); ihm wird der Boden zu heiß (Friederich 61); der Boden wird jmdm. zu heiß (BW l, 739)
Auch bei Negationsidiomen erhebt sich gelegentlich die Frage, ob das Negationselement einen obligatorischen Bestandteil eines Idioms darstellt oder nicht. Über den Status der Negationspartikel nicht z.B. gehen die Meinungen in Wörterbüchern nicht selten auseinander54: (43)
j-d hat die Weisheit nicht (gerade) mit Löffeln gefressen (Friederich 531; BW 6, 698: er ...); die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen haben (HWDG 1321); die Weisheit [auch nicht] mit Löffeln gefressen haben (DUW 1724)
Ein weiterer Aspekt, für den sich in der Lexikographie unterschiedliche Beschreibungen beobachten lassen, ist die Abfolge der Komponenten. Die betreffenden Klassen sind Vergleichsidiome mit wie und Idiome mit finiter Verbform und nominativischem Nominalteil. Die Nennformen differieren nicht nur zwischen verschiedenen Wörterbüchern, manchmal differieren sie auch in ein und demselben Wörterbuch (vgl. dazu (44)):
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(44)
blau sein wie ein Veilchen (HWDG 189); blau wie ein Veilchen sein (HWDG 1230)
(45)
kein Hahn kräht nach jmdm., nach etwas (DSW 346); nach jmdm., etw. kräht kein Hahn (DUW 651)
Man könnte in diesen Fällen die Nennformen vereinheitlichen, indem man bei Vergleichsidiomen die mit wie eingeleitete Komponente dem Verb und bei Idiomen mit finiter Verbform den nominativischen Nominalteil den Ergänzungen nachstellt (vgl. HWDG 189 bzw. DUW 651). Für letztere Idiome würde man dadurch eine Ähnlichkeit mit infinitivischen Verbidiomen erreichen, bei denen die Ergänzungen dem Idiomkern in der Nennform vorangehen.
7. Probleme der Semantik Auf der semantischen Ebene fallen in erster Linie die zahlreichen voneinander abweichenden Bedeutungserklärungen von Verbidiomen in verschiedenen Wörterbüchern auf.55 Nicht wenige Idiome weisen einen erheblichen Bedeutungsumfang auf, so daß sie in sehr verschiedenartige Kontexte eingesetzt werden können.56 Die Wörterbuchbeschreibungen variieren je nachdem, wie genau man die Bedeutungen gegeneinander abgrenzt und welche Bedeutungen man für üblich hält. Im folgenden Beispiel schwankt die Anzahl der Bedeutungen zwischen eins und vier: (46)
aus den Latschen kippen l.'um-, hinfallen', 2.Ohnmächtig werden', 3.'die Beherrschung verlieren', 4.'(übennäßig) begeistert sein' (Friederich 284); l.'ohnmächtig werden', 2.'die Fassung verlieren; sehr überrascht sein* (DUW 930); l.'einen Schwächeanfall haben, ohnmächtig werden', 2.'(bei seelischer Belastung) die Beherrschung, Fassung verlieren' (BW 4, 413); 'in Ohnmacht fallen; die Fassung verlieren' (HWDG 716); 'unangenehm überrascht sein' (Görner 111)
Für bestimmte Verbidiome läßt sich jeweils eine generelle Grundbedeutung ansetzen, die in Abhängigkeit vom Kontext unterschiedlich spezifiziert werden kann. Auf der Basis der Wörterbuchzitate in (47) wäre die generelle Bedeutung des Idioms etwa mit 'dem Tod nahe sein' zu paraphrasieren: (47)
mit einem Fuß im Grabe stehen 'durch sein Alter, durch eine Gefahr dem Tod sehr nahe sein' (DGW 925); 'so krank sein, daß man wenig Hoffnung auf Genesung hat' (Griesbach/Schulz 9); 'dem Tod sehr nahe sein, in einer gefährlichen Lage sein' (DSW 295)
Aus den Bedeutungserläuterungen könnten als spezifizierende Komponenten 'Alter', 'schwere Krankheit' und 'gefährliche Lage' abgeleitet werden. Inhaltlich können also die Bedeutungsbeschreibungen in einzelnen lexikographischen Quellen mehr oder weniger stark variieren. Ein Umstand, der die Wörter-
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bücher in dieser Angelegenheit verbindet, ist die Form der Beschreibung: Es werden vorwiegend nur Wortäquivalente bzw. umfangreichere lexikalisch-semantische Paraphrasen verwendet. Da sich nun Verbidiome zu einem großen Teil durch eine relativ hohe Komplexität im Bereich der denotativen und konnotativen Beziehungen kennzeichnen und die bisherigen lexikographischen Beschreibungen im Hinblick auf einen adäquaten Gebrauch nicht selten ungenügend sind, wurde in der einschlägigen Diskussion das Postulat aufgestellt, den Beschreibungsgegenstand prinzipiell anders, und zwar unter sprachhandlungstheoretischem Aspekt, zu erfassen.57 Dazu ist jedoch zu bemerken, daß sich Verbidiome in semantischer Hinsicht nicht so stark von Einwortlexemen unterscheiden, daß sie anstelle gängiger lexikographischer Methoden unbedingt eine eigene Beschreibungspraxis mit sehr differenzierten und ausführlichen semantisch-pragmatischen Kommentaren erfordern.58 Die Bedeutungen von Verbidiomen könnten nach wie vor durch lexikalisch-semantische Paraphrasen erläutert werden, dabei sollten diese aber wesentlich sorgfältiger gestaltet werden als bis jetzt. An die Paraphrase könnten pragmatische Informationen angeschlossen werden, die sich einmal auf die Ergänzungen und zum anderen auf die Gebrauchssituation im ganzen beziehen.59 Durch ein derartiges Verfahren wäre auch die praktische Handhabbarkeit der Beschreibung in einem Wörterbuch besser gewährleistet. Die wichtigste Voraussetzung für eine angemessene und einheitliche Erfassung von Verbidiomen in der Lexikographie ist natürlich, daß man sich überhaupt darüber im klaren ist, wo jeweils ein Verbidiom vorliegt. Nicht immer wurde nämlich der Idiomcharakter eines Ausdrucks in Wörterbüchern richtig erkannt - in solchen Fällen taucht bei der betreffenden Wortgnippe meistens ein Vermerk wie "in der Verbindung" oder eine Notation für übertragene Bedeutung bzw. metaphorischen Wortgebrauch auf60: (48)
Affe [...] I'm der Verbindung/ s a l o p p einen Affen haben (betrunken sein) (HWDG 30); 1 August [...] /in der Verbindung/ v e r a l t e n d der dumme A. Clown (HWDG 101)
(49)
0 der Ärger, Zorn frißt ihm an der Leber (verursacht ihm Kummer) (HWDG 722)61
Die Ausdrücke in (48) und (49) sind eindeutig Idiome, d.h., sie hätten mit dem Zeichen + versehen werden sollen (entsprechend der Praxis in HWDG müßte die Nennform des Idioms in (49) so lauten: etw. frißt jmdm. an der Leber). Es gibt aber auch Beispiele dafür, daß Idiome ohne jede Notation freien Wortverbindungen mehr oder weniger gleichgestellt worden sind. Die verkannten Idiome sind einem bestimmten Bedeutungspunkt, der auf der Basis der idiomspezifischen Bedeutung des betreffenden Wortes formuliert wurde, zugeordnet und erscheinen unter den syntaktischen Beispielen mit oder ohne Bedeutungserläuterung: (50)
Korb [...] 4. ablehnende Antwort auf ein Angebot, einen [Heiratsjantrag: einen K. bekommen (DUW884)
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(51)
Wort [...] 5. förmliches Versprechen; Versicherung: jmdn. beim Wort nehmen (von jmdm. erwarten, verlangen, das, was er versprochen hat, auch zu tun) (DUW1755)
Auf der anderen Seite klassifizieren einige Wörterbücher bestimmte Konstruktionen (z.B. Adjektiv + sein + Präposition und Verb + Präposition) fälschlich als Idiome. U.a. bei folgenden Wortgruppen hat man es jeweils mit einer Kombination von Einwortlexem und valenzbedingter Umgebung zu tun: (52)
* arm an etw. sein (DUW 140); * zu etw. fähig sein (DUW 478); * reich an etw. sein (DUW 1233)
(53)
* auf etw. husten (DUW 744); + auf jmdn. pfeifen, auf etw. pfeifen (HWDG 865)
In den Konstruktionen von (52) stellt sein keine obligatorische Komponente dar, d.h., die Adjektive sind nicht auf prädikativen Gebrauch fixiert. Für eine Idiomatisierung fehlen hier wie bei (53) die Voraussetzungen, denn eine Verbindung einer adjektivischen bzw. verbalen Komponente und einer lexikalisch frei besetzbaren Ergänzung entbehrt einer Grundlage für die Herausbildung einer ganzheitlichen, isolierten Bedeutung. Die Adjektive und die Verben fungieren als Valenzträger, denen jeweils eine bestimmte lexikalische Bedeutung zukommt und die auf der Basis dieser Bedeutung ihre Umgebung syntaktisch (Präposition) und semantisch (Bedeutungsmerkmale) determinieren.62
8. Abschließende Bemerkungen Die im vorstehenden besprochenen Beschreibungsprobleme hängen weitgehend damit zusammen, daß das Gebiet der Phraseologie recht umfassend ist und daß an einer rein linguistischen Theoriebildung auf diesem Gebiet noch nicht sehr lange gearbeitet wird. Nicht nur über spezifische Fragen, sondern auch über ganz grundlegende theoretische Aspekte gibt es divergierende Auffassungen. Es herrscht z.B. keine volle Einigkeit darüber, ob Phraseologie eine eigenständige linguistische Teildisziplin darstellt oder wie sich Idiomatik und Phraseologie zueinander verhalten. Einige Wörterbuchbeschreibungen lassen sogar erkennen, daß Lexikographen nicht immer in der Lage sind, idiomatische und nichtidiomatische Ausdrücke auseinanderzuhalten. Ebenso sind für eine idiomatikinterne Abgrenzung von Einheiten Unklarheiten zu verzeichnen; diese betreffen die Unterscheidung von Satz- und Wortgruppenidiomen auf der einen Seite und die Subklassifizierung von Wortgruppenidiomen auf der anderen Seite. Der Grund für die meisten Beschreibungsprobleme steckt in der strukturellen Mehrgliedrigkeit: Dies ist leicht zu verstehen, wenn man bedenkt, daß die Beschreibungseinheiten einen Bezug zur Text-, Satz- und Wortgruppenebene haben und dabei sowohl formal als auch inhalt-
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lieh zu erfassen sind. Der hier gegebene Überblick, in dem das Hauptgewicht auf Aspekte der Syntax und Semantik gelegt wurde, hatte sowohl einen theoretischen als auch einen praktischen Zweck. In theoretischer Hinsicht wollte er für eine exaktere und konsequentere Erfassung einiger zentraler Aspekte der Phraseologie Vorschläge entwickeln, in praktischer Hinsicht wiederum wollte er auf Mängel und Unzulänglichkeiten in Wörterbüchern aufmerksam machen und damit für eine adäquatere Darstellung phraseologischer Einheiten in der Lexikographie Grundlagen schaffen.
Anmerkungen 1 Vgl. dazu auch Burger (1973:10). Siehe außerdem Fleischer (1982:34ff.). 2 Zu Auto- und Synsemantika als Bestandteilen phraseologischer Verbindungen vgl. z.B. Fleischer (1982: 87) und Eckert (1987:39). 3 Umfangreichere Konstruktionen mit Texteigenschaften (Sprichwörter, Maximen, Aphorismen usw.) gehören nicht ins Zentrum der Phraseologie. 4 Zum Begriff der voll- und teilidiomatischen Phraseologismen vgL Fleischer (1982: 38 und 1983a: 318), s. aber u.a. auch Eckert (1989:9). 5 Im Gegensatz dazu meint Schemann (1987: 26), "daß die 'Idiomatik' prinzipiell a l l e Formen der Flxiertheit oder Gebundenheit ('Zusammenfügungen') umfaßt". Zu einer ähnlichen Auffassung vgl. Pilz (1978: 770f. und 1981:18) sowie Henschel (1987: 839), die den extremen Idiombegriff von Ch. Hockett zitieren. Pilz (1978:778) wiederum unterbreitet den Vorschlag, "Idiom" ausschließlich als semantischen Terminus zu verwenden. Dies würde bedeuten, daß sprachliche Einheiten jeder Größenordnung (also auch Einzelwörter) in den Bereich der Idiomatik einzubeziehen wären (vgl. dazu auch Pilz 1981:53). 6 Siehe dazu u.a. auch Henschel (1987: 842f., 846); vgl. außerdem Probleme der semantischen Analyse (1977: 302f.). Zu einer breiteren Auffassung von Idiomatizität im Bereich der Wortbildung vgl. Fleischer (1976:13f.) und Stepanowa/Fleischer (1985:70f.). 7 Vgl. Fleischer (1976:13,93,311). 8 Vgl. Fleischer (1982:189ff. und 1983* 317f.). 9 So stellt das Verb in mit etw. zurechtkommen eine Wortbildungskonstruktion dar, wohingegen mit etw. [nicht] zu Rande kommen als phraseologische Einheit zu klassifizieren ist. Hier sind auch differierende Wörterbuchbeschreibungen nachweisbar, vgl. rotseben [= Wortbildungskonstruktion] (DUW 1268) und rot sehen [= phraseologische Einheit] (HWDG 958). Konstruktionen des Typs zugrunde gehen möchte Fleischer (1982: 99) eher der Wortbildung zuordnen; in einer strikt orthographiebezogenen Auffassung wären sie jedoch als Phraseologismen zu bezeichnen. 10 Schaufelbücl (1986:12). 11 Schaufelbüel (1986:12). 12 DUW 55. 13 DUW 69. 14 Vgl. WOG 511. 15 Schaufelbüel (1986:36). 16 DUW 233. 17 BW 2,720. 18 Siehe z.B. Fleischer (1982:156). 19 Voraussetzung ist also, daß jeweils zumindest ein Autosemantikon vorliegt (für Wortgruppenlexeme vgl. dazu auch Fleischer 1982: 34). Dieser Auffassung gemäß müßten - etwa im Unterschied zu Pilz (1981: 61) - zweiteilige Konjunktionen und Präpositionen (sowohl - als auch, von - an usw.) ausgeklam-
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mert werden. Auch Präpositionalkonstruktionen wie in Anbetracht und mit Hilfe (vgl. dazu Rothkegel 1973: 73,141f.) würden hier entfallen. Vgl. Fleischer (1982: 80), s. aber auch Burger (1973: 55), Burger/Buhofer/Sialm (1982: 39) und Häusermann (1977:113ff.). Vgl. z.B. Pilz (1981:47f.) und Korhonen (1987b: 1). Vgl. u.a. Roos (1985: 79) und Korhonen (1991: 49). Fleischer (1982:132). Vgl. dazu beispielsweise Pilz (1981: 47f.), Burger/Buhofer/Sialm (1982: 1), Fleischer (1982: 15), Daniels (1985:171) und Korhonen (1987b: 1). Die lexikographische Erfassung phraseologischer Ausdrücke des Deutschen wurde in letzter Zeit mehrmals zum Gegenstand einer kritischen Prüfung gemacht. Vgl. dazu genauer u.a. Burger (1983, 1987,1988,1989a und 1989b), Kühn (1984 und 1989), Kempcke (1987), Kjaer (1987), Pilz (1987) sowie Korhonen (1988b, 1990c und 1991). Zur Abgrenzung von Satz- und Wortgruppenidiomen vgl. auch die Beobachtungen in Korhonen (1990b). Vgl. etwa Reichstem (1973: 215) sowie Fleischer (1982: 81, 130ff. und 1983a: 319f.). Eine umfassende Forschungsübersicht zu satzwertigen Phraseologismen einschließlich Satzidiomen wird in Pilz (1978: 613ff.) geboten (s. aber auch Pilz 1981:69ff.). Zur Kritik an der Praxis, ein Wortgruppenidiom in Form eines konkreten Satzes zu präsentieren, vgl. z.B. Burger (1983: 35f.), Petermann (1983:173f.), Pilz (1987:132f.) und Korhonen (1990c: 198f.). Friederich hat vergessen, für diesen Ausdruck einen Eintrag mit Bedeutungserläuterung und Anwendungsbeispiel anzusetzen. Er erscheint nur als synonymischer Verweis bei klar wie dicke Tinte. Vgl. DUW11. In Wörterbüchern sieht die Beschreibung dieses Idioms aus wie folgt: du kannst mich gern haben (BW 3, 163); er kann mich gern haben (Griesbach/Schulz 52); der, die kann mich mal gern haben (HWDG 470); der kann/du kannst usw. mich gern haben! (DUW 593); j-d kann mich gern haben (Friederich 155). Wenn man die Formen dem Befund in (17) gegenüberstellt, tritt wieder die Unsicherheit von DUW deutlich zutage, für Idiome dieses Typs eine bestimmte Nennform festzulegen. Die Idiome in (17) und (22) verhalten sich syntaktisch gleich, aber einmal steht das regierende Verb in finiter, zum anderen in infiniter Form. Vgl. Fleischer (1982:142ff.); s. außerdem Pilz (1981: 60ff.). Siehe z.B. Fleischer (1982:177). Zu diesbezüglichen Klassifikationsschwierigkeiten vgl. u.a. Kempcke (1987:158ff.). Ausdrücke dieser Art wurden bislang u.a. als adverbiale Phraseologismen und als "phraseologisierte Teilsätze" klassifiziert; vgl. etwa Fleischer (1982:107f., 156). Nach bisherigen Einteilungskriterien würden solche Ausdrücke auf der einen Seite den Status eines substantivischen (ein großer Bahnhof und der Mann auf der Straße), auf der anderen Seite den eines adverbialen Phraseologismus (der Rest) erhalten. Vgl. z.B. Fleischer (1982:147ff., 154ff.). Die Einheiten in (25) und (26) stellen im Sinne der früheren Phraseologieforschung adverbiale Phraseologismen dar (vgl. u.a. Fleischer 1982: 156f.). Zu Wortpaaren mit Adjektiv- und/oder Adverbkomponenten vgl. auch Bürger (1973: 42ff.), Pilz (1978: 746ff. und 1981: 81f.), Fleischer (1982: 113) und Kantola (1987:114f.). Zu einer ausführlichen Besprechung dieses Problems vgl. Fleischer (1982:144ff.). Weitere Beispiele dafür sind u.a. ein heißes Eisen, des Pudels Kern, das beste Pferd im Stall, ein weißer Rabe, ein Buch mit sieben Siegeln und ein stilles Wasser (Friederich 102, 244, 360, 373, 444, 523). Vgl. jedoch auch Friederich 180: (nur) eine halbe Portion (sein). Siehe dazu Fleischer (1982:145). Vgl. Fleischer (1982:153).
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Das erste und das dritte Beispiel wurden im Anschluß an Fleischer (1982:153) bzw. DUW 512 formuliert. Das Beispiel für eine attributive Verwendung wurde aus Fleischer (1982:153) übernommen. Vgl. aber z.B. DUW 1629: blau wie ein Veilchen; vgL ferner DUW 1479, wo eine weitere Inkonsequenz begegnet: voll/betrunken/blau o.a. wie eine Strandhaubitze sein. Vgl. z.B. Friederich 247 und HWDG 643: arm wie eine Kirchenmaus (in Friederich sein jedoch im Beispielsatz). Zur Valenz verbaler Phraseologismen allgemeiner vgl. beispielsweise Burger (1973: 35f.), Kolde (1979), Fleischer (1982: 164f.), Pankratova (1983), Torzova (1983), B. Wotjak (1985 und 1986), G. Wotjak (1986), Korhonen (1988a und 1988b) und Sternkopf (1988). VgL auch Korhonen (1988b: 109f., Ulf.). Bemerkenswert ist, daß einige Wörterbücher eine Präpositionalbestimmung erst im Beispielteil unterbringen; vgl. Griesbach/Schulz (Bestimmung mit an) und DSW (Bestimmung mit bei). In DUW wiederum erscheint eine Präpositionalbestimmung in der entsprechenden Bedeutungsparaphrase: '[durch Unvorsichtigkeit] bei etw. Schaden erleiden'. Die Beschreibung dieses Idioms in BW ist insofern auffällig, als eine Präpositionalbestimmung mit Ober nicht in der Nennform, dafür aber in der Bedeutungsparaphrase und in einem Beispielsatz angeführt wird. Vgl. Korhonen (1988b: 109). Zur Bedeutung morphosyntaktischer Restriktionen für die Gestaltung von Nennformen vgl. allgemeiner Burger (1983:61f. und 1989a: 597f.) und Petermann (1983:176ff.). Vgl. auch Korhonen (1990c: 199f.). Siehe dazu u.a. auch Korhonen (1990a: 6 und 1990c: 199). Vgl. z.B. auch Kühn (1984: 200ff., 1985: 41f., 1987: 125f. und 1989: 142ff.), Pilz (1987: 133, 153) und Korhonen (1991:41). Vgl. dazu u.a. Koller (1977:70f.), Fleischer (1982:170f., 184) und Burger (1988:93f.). Näheres dazu in Kühn (1984: 207ff., 1985: 44f., 1987:131ff. und 1989:150f.). Siehe auch Fleischer (1983b: 188) sowie Burger (1988: 94 und 1989a: 5%). Vgl. Korhonen (1990c: 202f.). Vgl. Korhonen (1990c 198); s. außerdem Burger (1989b). Zur Kennzeichnung des metaphorischen Gebrauchs wird in HWDG der Rhombus verwendet. Trotz der spezifischen, nichtprimären Bedeutung des jeweiligen Adjektivs bzw. Verbs sind solche Konstruktionen nicht anders zu erfassen als Ausdrücke wie an jmdn., etw. denken und auf jmdn., etw. warten. Vgl. dazu außerdem Rothkegel (1973: 58) und Fleischer (1982: 34), für die Ausdrücke dieses Typs auch nicht als phraseologische Einheiten gelten.
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Irma Hyvärinen ZUM FESTCGKEITSGRAD DES VERBS UND ZUR AKTIONALEN REIHENBILDUNG BEI DEUTSCHEN UND FINNISCHEN VERBIDIOMEN Ein Werkstattbericht im Rahmen des Projekts "Kontrastive Verbidiomatik Deutsch - Finnisch"1
1. Begriffsbestimmung Unter V e r b i d i o m e n sind komplexe Einheiten besonderer Art zu verstehen, (i) Das Basiswort des zusammengesetzten Terminus unterstreicht den i d i o m a t i s c h e n C h a r a k t e r dieser komplexen Einheiten: Ihre Gesamtbedeutung ist nicht auf gleiche Art und Weise wie bei freien Wortverbindungen aus den Bedeutungen der Einzelteile ableitbar. Es handelt sich aber nicht etwa um okkasionelle bildhafte Ausdrücke, sondern um feste, reproduzierbare Wendungen, die en bloc memorisiert werden, (ii) Der erste Teil des Kompositums hebt wiederum hervor, daß der s y n t a k t i s c h e K e r n dieser Einheiten ein V e r b ist; außerdem liegt zumindest ein weiteres Element vor.2 Das Verbidiom bildet als Ganzes das Prädikat, das i d i o m e x t e r n eine bestimmte Zahl von Valenzleerstellen eröffnet. Von einer i d i o m i n t e r n e n Valenzstruktur kann man nur insofern sprechen, als man die syntaktische Struktur der idiomatischen Einheit mit der einer freien Wortverbindung vergleichen kann. - Als Verbidiome gelten demnach sowohl Konstrukte, die in ihrer idiomexternen Valenz eine variable Subjektleerstelle (und eventuelle weitere Leerstellen) haben (z.B. etw. in die Waagschale werfen - heittää jtak vaakakuppiin), als auch sog. prädikative Konstruktionen mit einem schon idiomintern fest besetzten Subjekt, aber mit einer oder mehreren idiomexternen Nicht-Subjekt-Leerstellen (z.B. jmdn reitet der Teufel). Verbidiome können zum einen v o l l i d i o m a t i s c h sein, wobei keiner der Teile in der "normalen" Bedeutung verwendet wird. Unter den vollidiomatischen Verbidiomen gibt es sowohl völlig verdunkelte, metaphorisch nicht nachvollziehbare Verbindungen (etwa Kohldampf schieben 'ständig Hunger haben') als auch transparente Wendungen, die oft eine gleichlautende freie Wortverbindung neben sich haben (jmdm. den Kopf waschen 'jmdn. scharf zurechtweisen'). - Ein zweiter Haupttyp sind t e i l i d i o m a l i s c h e Ausdrücke, wobei zumeist der nominale Teil idiomatisch ist und der verbale Teil in einer "normalen" Bedeutung vorkommt (z.B. etw. mit langen Zähnen essen 'etw. widerwillig essen').3 - Zu diesem zweiten Typ sind wohl die Verbidiome zu zählen, die weiter unten im Kap. 3 näher betrachtet werden, nämlich Verbindungen mit semantisch weiten bzw. vagen, funktionsverbähnlichen "Allerweltsverben". Es geht u.a. um Verben der Befindlichkeit wie liegen, stehen, sein, weiter um direktionale Verben, z.B.
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kommen, geraten oder bringen, sowie um Verben der Besitzbeziehungen wie geben, bekommen, haben. Die in allen Definitionen von Idiomen oder Phraseologismen - auch oben - betonte Festigkeit bzw. Stabilität4 der Bestandteile ist ein relativer Begriff: In bestimmten Grenzen sind Variationen z.B. in der formalen Struktur (etwa Artikelgebrauch, Kasusform, Numerus, Wahl der Präposition) möglich. Laut Reischer geht man bei solchen p h r a s e o l o g i s c h e n S t r u k t u r v a r i a n t e n immerhin davon aus, daß die idiomatisch-semantische Bedeutung und die Stilebene im wesentlichen unverändert bleiben5, vgl. die Beispiele (l)-(2) unten. Sog. v a r i i e r t e P h r a s e o l o g i s m e n liegen dagegen vor, wenn Komponenten im Wortbestand des Idioms ausgetauscht werden und "Differenzierungen in der Bedeutung, der Konnotation oder in anderer Hinsicht" entstehen.6 In (3) liegen stilistisch ziemlich gleichwertige, d.h. synonyme Verbidiome vor, obwohl die Struktur und/oder der Wortbestand variiert. Beispiel (4) zeigt dagegen, wie Veränderungen im Wortbestand mit Stilunterschieden verbunden sein können. In (5) ist ein Austausch im Wortbestand mit einem Struktur- und einem Stilunterschied verbunden. Vgl.: Unterschied in der Struktur: (1)
etw. aus dem Ärmel schütteln (Singular! etw. aus den Ärmeln schütteln (Plural)
(2)
ottaa jtak nokkaansa (Singular) ottaa jtak nokldlnsa (Plural)8 ('etw. übelnehmen') (word.: etw. in seine Nase(n) nehmen)
Unterschied in der Struktur undoder im (3)
Äpfel mit Birnen addieren/zusammenzählen (Präposition) Äpfel und Birnen addieren/zusammenzählen (Konjunktion)9
Unterschied im Worth estajjd und in der Stilebene: (4)
den Mund halten (ugs.); die Klappe halten (salopp); das Maul halten (salopp derb); die Schnauze halten (salopp derb)10
Unterschied im Wortbestand. in der Struktur und in der Stilebene: (5)
soittaa toista viulua (Attr. + Subst.; 'zweite Geige'; stilistisch neutral) soittaa kakkosviulua (Kompositum; 'die zweite Geige spielen'; ugs.) (wörtl.: Zweitgeige)
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Mein Interesse gilt den v a r i i e r t e n V e r b i d i o m e n , und insbesondere solchen, bei denen der Austausch des Verbs mit einer a k t i o n a l e n Bedeutungsveränderung verbunden ist und zu mehr oder weniger systematischen Reihenbildungen führen kann. Damit von Reihenbildung die Rede sein kann, müssen die sonstigen lexikalischen Bestandteile, vor allem der s e m a n t i s c h e I d i o m k e r n sowie der Stilwert mit Konnotationen im wesentlichen invariant bleiben. Unter Umständen bewirkt der Austausch des Verbs aber eine Formveränderung in anderen Komponenten des Idioms, z.B. in der Präpositionalgruppe (dt.) oder in der Kasusform (dt. und fi.), vgl. das deutsche Beispiel (6): (6)
etw. in den Griff bekommen - etw. im Griff haben
Da die Verbkomponente den Ausgangspunkt für meine Betrachtungen bildet, möchte ich im folgenden Abschnitt zuerst auf den Festigkeitsgrad des Verbs bei idiomatischen Ausdrücken im allgemeinen eingehen.
2. Hierarchie der Verbfestigkeit bei idiomatischen Ausdrücken In älteren Arbeiten zur Idiomatik und Phraseologie pflegte man idiomatische Ausdrücke in syntaktische Gruppen einzuteilen11, z.B. je nachdem, ob sie (i) kleiner als ein Satzglied sind (an Hand von in der Funktion einer Konjunktion), (ii) ob sie als nominales Satzglied wie Subjekt/Objekt (parempi puolisko - bessere Hälfte) bzw. Adverbial (viime k&dessä; wörtL: in letzter Hand - letzten Endes) auftreten können, (iii) ob sie (quasi) mehrere Satzglieder aber nicht eine vollständige Satzstruktur repräsentieren (etwa nuolla haavojaan - seine Wunden lecken) oder (iv) ob sie eine vollständige SatzStruktur aufweisen (etwa Ei meillä napeilla pelata! Wörtl.: Bei uns wird nicht mit Knöpfen gespielt in der Bedeutung 'Wir sind nicht arm, wir können's uns leisten'12). Bei der obigen Gruppe (iii) handelt es sich um Verbidiome in dem eingangs definierten Sinn. In neueren Arbeiten geht man allerdings davon aus, daß ein Verbidiom als Ganzes e i n Satzglied, das Prädikat, bildet, und man unterscheidet zwischen einer idiominternen Valenz einerseits und der eigentlichen, idiomexternen Valenz andererseits, vgl. oben S. 21. Im oben angeführten Beispiel seine Wunden lecken läßt sich nämlich - in Analogie zu freien Wortverbindungen mit dem zweiwertigen Verb lecken + Subjekt + Akkusativobjekt - die Komponente Wunden als idiominternes Akkusativobjekt identifizieren. Idiomextern liegt aber Einwertigkeit vor: Die komplexe Einheit seine Wunden lecken weist eine Subjektleerstelle auf. Nach den Prinzipien der verbozentrischen Valenzgrammatik bildet das Verb bekanntlich das strukturelle Zentrum eines prototypischen Satzes. Demnach gilt pauschal, daß auch jedes Idiom des Typs (ii) nur durch ein Verb in den Satz hineingelangt. Die
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Grenze zwischen (ii) und (iii) ist jedoch nicht immer ganz einfach zu ziehen. Hier wie überall in der strukturellen Erfassung einer Sprache gibt es fließende Übergänge. Veränderungen finden in beiden Richtungen statt. Eine frequente Kollokation eines nominalen Idioms mit einem bestimmten Verb kann zur Phraseologisierung zu einem Verbidiom führen, und andererseits können durch dephraseologische Derivation nominale Komponenten aus Verbidiomen isoliert werden (rukkaset - Korb; vgl. antaa jklle rukkaset bzw. saada rukkaset - jmdm. einen Korb geben bzw. einen Korb bekommen).13 Um den Rahmen abzustecken, in dem ich das oben umrissene Problem der aktionalen Modifizierbarkeit von Verbidiomen angehen will, betrachte ich zuerst, welche Festigkeitsgrade man für das Verb in Sätzen mit idiomatischen Ausdrücken unterscheiden kann. Für das Finnische hat A.-L. Kuusi eine ähnliche Klassifizierung vorgenommen14; insbesondere unter den sog. Adverbialphraseologismen (fi. 'adverbiaalifraasit'), die definitorisch in etwa dem obigen Typ (ii) entsprechen, subsumiert sie jedoch auch Fälle, die m.E. eher zu den Verbidiomen zu zählen sind. Hierher gehören viele Ausdrücke, die mit dem Verb olla 'sein' verwendet werden, z.B. olla yhtä tyhjän kanssa 'gleich wie Null sein' (wörtl.: dem Leeren gleich sein), olla tohvelin alia 'unter dem Pantoffel stehen'.15 Hier kann z.B. der adverbiale Ausdruck tohvelin alia 'unter dem Pantoffel' aber nicht mit beliebigen (oder mit einer größeren Menge von anderen Verben) verbunden werden. NS 3/1, 709 erwähnt s.v. tohveli neben dem schon angeführten Idiom mit olla die ingressive Verbindung joutua tohvelin alle (wörtl.: unter den Pantoffel geraten) sowie die kausativ-durative Verbindung pitää jkta tohvelin alia (wörtl.: jmdn. unter dem Pantoffel halten). Diese variierten Verbidiome bilden mit dem erstgenannten eine aktionale Reihe. Weitere, freiere Verbindungen haben einen mehr oder weniger okkasionellen Charakter, vgl. etwa: ?Tohvelin alia hän vähitellen katkeroitui 'Unter dem Pantoffel wurde er allmählich bitter'. Was die Verbfestigkeit bei idiomatischen Ausdrücken betrifft, sind zumindest folgende Stufen zu unterscheiden: (i) Nur ein Verb ist möglich. - Hier gibt es sowohl voll- als auch teilidiomatische Ausdrücke: Vollidiomatisch: (7)
antaa palttua jklle/jllek 'auf etw. pfeifen' (wörtl.: jmdm./einer Sache Blutkuchen geben) vgl. *lahjoittaa/*viedä palttua jklle (jmdm. Blutkuchen schenken/bringen); 'saada palttua jklta (von jmdm. Blutkuchen bekommen)
Teilidiomatisch: Verb in normaler Bedeutung: (8)
kyetä kynnelle '(auch nur irgendwie) können' (wörtl.: auf die Kralle können) vgl. *pystyä kynnelle (pystyfl 'können, imstande sein')
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(9)
ymmärtää yskä 'den Wink/die Anspielung verstehen' (wörtl.: den Husten verstehen) vgl. »käsittää yskä (kasittäfi 'begreifen')
Teilidiomatisch; Nominaler Teil in normaler Bedeutung: (10)
tappaa aikaa 'Zeit totschlagen'
vgl. *tappaa päivää (den Tag totschlagen)
(11) Das Verb ist gegen ein Synonym, Hyponym, Hyperonym oder Ko-Hyponym austauschbar, der nominale Teil kann aber in der idiomatischen Bedeutung nicht isoliert werden. - Hierfür gibt es in beiden Sprachen zahlreiche Beispiele. Inwieweit meine Intuition stimmt, daß diese Variabilität im Finnischen - insbesondere, was die Hypo- und Ko-Hyponyme betrifft - größer ist als im Deutschen, müßte durch einzelsprachliche statistische Untersuchungen und Informantentests sowie durch Übersetzungsvergleiche in beiden Richtungen überprüft werden.16 Einige Beispiele: Austauschbares Verb in beiden Sprachen: (11)
Fi. erottaa ('trennen')/seuloa ('sieben') jyvät akanoista Dt. die Spreu vom Weizen trennen/scheiden
(12)
R. nousta ('steigen')/hypätä ('springen')/rynniä ('stürzen') barrikadeille Dt. auf die Barrikaden gehen/steigen
(13)
Fi. ottaa ('nehmen')/tarttua ('packen') härkää sarvista Dt. den Stier bei den Hörnern packen/fassen
Austauschbares Verb im Finnischen: (14)
R. pitää/hoitaa/helliä jkta kuin kukkaa kämmenellä
(wörtl.: ;/ndn. wie eine Blume auf der Handfläche Dt. jmdn. auf Händen tragen
halten/pflegen/venvöhnen)
(15)
R. astua/tallata/polkea jkn varpaille (wörtl.: aufjmds. Zehen treten/stampfen) Dt. jmdm. auf die Zehen treten
(16)
Fi. kääntyä ('sich wenden')/pyöriä ('sich herumdrehen') haudassaan Dt. sich im Grabe herumdrehen
(17)
R. ajautua ('getrieben werden')/joutua ('geraten')/päätyä ('enden') umpikujaan Dt. in eine Sackgasse geraten
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Austauschbares Verb im Deutschen; (18)
den Spieß umdrehen/umkehren; jmdm. den Rücken kehren/wenden; jmdm. auf den Wecker gehen/fallen; jmdm. in die Quere kommen/geraten/laufen; über die Stränge schlagen/hauen
(iii)Es existieren idiomatische Reihen mit aktional unterschiedlichen Verben, die jeweils Anfang, Anhalten, Ende oder aber Kausation einer dieser drei aktionalen Stufen bezeichnen. Der nominale Teil des Idioms ist aber nicht in einer entsprechenden idiomatischen Bedeutung frei isolierbar. (19)
Fi. joutua liemeen/liisteriin - olla liemessä/liisterissä (wörtl.: in die Brühe/in den Kleister geraten - in der Brühe/im Kleister sein) Dt. in die Patsche kommen - in der Patsche sitzen in die Tinte geraten - in der Tinte sitzen1
Die Grenze zwischen einer freien Wortverbindung mit einem Verb + einem bildhaften bzw. übertragenen Substantiv einerseits und einem ähnlich aussehenden festen Verbidiom andererseits ist nicht immer eindeutig. Falls die Loslösung des Substantivs und seine Umsetzung in einen anderen Kontext blockiert ist, handelt es sich zwar ohne Zweifel um ein Verbidiom, vgl. Beispiel (20) unten. Das Gelingen einer solchen Umpflanzungstransformation ist aber nicht unbedingt ein Nachweis für primäre Vorkommensfreiheit des Substantivs, sondern es kann sich um sekundäre, durch Dephraseologisierung bedingte Selbständigkeit handeln. In den Sätzen unter (21) scheint eine okkasionelle Loslösung des Substantivs durch Dephraseologisierung zumindest möglich. Vgl.: (20)
*Dies ist die schlimmste Tinte meines Lebens.
(21)
?Tämä on elämäni pahin liemi/liisteri. ?Dies ist die schlimmste Patsche meines Lebens.18
Die obigen Beispiele zeigen einerseits, daß die Isolierungstransformation bei der Grenzziehung zwischen freien und idiomatischen Verbindungen kein zuverlässiges Kriterium ist. Andererseits wird klar, daß die Möglichkeiten zur Dephraseologisierung sogar bei Verbidiomen mit gleicher Syntax und Gesamtbedeutung unsystematisch ausgenutzt werden. Reihenbildende Variabilität ist von Fällen zu unterscheiden, in denen aus der gleichen nominalen Quelle verschiedene, voneinander unabhängige, also jeweils singuläre idiomatische Ausdrücke gebildet worden sind. In Analogie zu den zwischensprachlichen "faux amis" könnte man hier von innersprachlichen "falschen Nachbarn" sprechen, die allerdings zumeist gerade dem Fremdsprachler ein Fallstrick sein können. Den Muttersprachler können sie wiederum zu Wortspielen animieren. Wenn man z.B. seine Schnauze voll nimmt, folgt daraus nicht, daß man die Schnauze voll hat. Vgl.:
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(22)
seine Schnauze/den Mund [zu] voll nehmen 'übertreiben und sich mit etw. wichtig tun' die Schnauze/die Nase voll haben '(einer Sache) überdrüssig sein, keine Lust mehr haben'
(iv) Der nominale Teil tritt in gleicher oder ähnlicher Bedeutung auch in anderen Satzzusammenhängen auf, wird aber besonders oft mit bestimmten Verben verbunden. - Insbesondere im Finnischen ist man geneigt, Verbindungen mit Alliteration eher als phraseologisch zu empfinden als solche ohne Alliteration.19 So gilt z.B. menettää malttinsa 'seine Geduld/Selbstbeherrschung verlieren' als "fester" als etwa menettää itsehillintänsä ('Selbstbeherrschung')/rohkeutensa ('Mut')/uskonsa ('Glauben'). Aber nicht nur das Substantiv, auch das Verb der Verbindung menettää malttinsa ist austauschbar. NS 2/1,388 führt für maltti u.a. folgende Verwendungszusammenhänge an: (23)
säilyttää, menettää malttinsa 'seine Selbstbeherrschung bewahren, verlieren' jklta menee/loppuu maltti (vrörü.: jmdm. geht die Selbstbeherrschung aus) Päällikön maltti ja rauhallisuus pclasti tilanteen (Subjekt; wörtl.: Die Geduld und die Ruhe des Befehlshabers retteten die Situation)
Die obigen Austauschproben zeigen, daß beide Komponenten eine selbständige, nichtidiomatische Bedeutung haben. Die sprachliche Entwicklung könnte aber dazu führen, daß das Substantiv maltti nur bei der frequenten alliterierenden Verbindung erhalten bliebe. Wäre dies der Fall, wäre aus einer freien Wortverbindung ein Verbidiom mit einer unikalen Komponente entstanden. Zahlreiche idiomatische Ausdrücke kommen nur in einer bestimmten Form vor - die Stabilität in der Form ist ja ein Kennzeichen von phraseologischen bzw. idiomatischen Ausdrücken. Viele idiomatische Ausdrücke sind oder enthalten erstarrte Adverbialformen. Einige erstarrte idiomatische Adverbialausdrücke treten nur bei einem bestimmten, andere bei einigen wenigen und wieder andere bei fast beliebigen Verben auf. Der eine Pol gehört deutlich unter Gruppe (i), der andere unter (v). Wo soll man aber auf der Skala dazwischen die Grenze ziehen? So taucht im Deutschen mit langen Zähnen nur bei etw. mit langen Zähnen essen auf; somit läge ein eindeutiges Verbidiom vor. Im Finnischen kann die wortwörtliche Entsprechung pitkin hampain dagegen nicht nur im Kontext syödä jtak ~ 'etw. mit Widerwillen essen', sondern überhaupt in Zusammenhängen, wo etwas mit Widerwillen getan wird, verwendet werden; belegt wurde z.B. ein Kontext, wo der zentrale finnische Sportverband die Tänzer nur mit langen Zähnen als Sportler anerkennt. Ein zweites Beispiel: Im Finnischen wird z.B. kynsin hampain (wörtL: mit Krallen und Zähnen) bei mehreren Verben verwendet, die eine aggressive Kampf- bzw. Verteidigungssituation bezeichnen, vgl. die Liste unter (24).20 Somit kann die Klassifikation als adverbiales Idiom als berechtigt gelten.
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(24)
puolustautua puolustaa jtak ~ panna vastaan ~ harata vastaan ~ yrittää jtak ~ pitää ~ kiinnijstak riippua elämässä -
NS NS S-K NS NS S-K NS
+b
'sich wehren/sich verteidigen' 'ctw. verteidigen' 'sich gegen etw. stemmen' 'sich sträuben' 'etw. versuchen' 'an etw. festhalten' 'am Leben hängen/festhalten'
Im Deutschen scheint der entsprechende Ausdruck mit Zähnen und Klauen dagegen nur bei dem Ausdruck etw. mit Zähnen und Klauen verteidigen vorzukommen21, so daß es legitim erscheint, hier anders als im Finnischen ein Verbidiom anzunehmen. (Dabei kann die Akkusativobjekt-Leerstelle des Idioms natürlich auch durch ein Reflexivpronomen ausgefüllt werden: sich mit Zähnen und Klauen verteidigen.) Die so mögliche kommunikative Äquivalenz zwischen puolustaa jtak kynsin hampain (Verb + Adverbialidiom) - etw. mit Zähnen und Klauen verteidigen (Verbidiom) (oder aber zwischen den reflexiven Varianten) muß aus systematisch-struktureller Sicht nur als Teiläquivalenz gelten. Zu dem Unterschied in dem "idiomatischen Areal" treten noch die unterschiedliche Reihenfolge der koordinierten nominalen Komponenten sowie der Unterschied in der asyndetischen (fi.) vs. syndetischen (dt.) Koordination hinzu. (v) Der nominale Teil läßt sich mit den verschiedensten Verben verbinden, auch wenn er nur in erstarrter Form in der gleichen Satzgliedfunktion (meist adverbial) auftreten kann; es liegt kein Verbidiom vor. - So passen yllin kyllin - in Hülle und Fülle allgemein in Kontexte, in denen eine 'mehr als ausreichende Menge' ausgedrückt wird. Ähnlich passen kaikin voimin - aus allen Kräften in Kontexte, in denen von extremen Anstrengungen die Rede ist. (vi) Der nominale Teil ist (fast) als beliebiges Satzglied verwendbar. - Hierher gehören Beispiele wie kansan syvät rivit (wörtl.: die tiefen Schichten des Volkes) - die breite Masse. - Schwierigkeiten bei der Abgrenzung dieser Gruppe verursacht manchmal die sog. dephraseologische Derivation, vgl. oben.
3. Typen der aktionalen Variabilität In der oben aufgestellten Hierarchie der Verbfestigkeit bilden die Beispiele unter (19) einen besonderen Typ. Es geht um a k t i o n a l e M o d i f i z i e r b a r k e i t . Gemeint sind Fälle, in denen das gleiche Bild z.B. einmal aus einem p e r f e k t i v e n (bzw. dynamischen, transformativen), ein andermal aus einem d u r a t i v e n (bzw. statischen, kursiven, kontinuativen) Aspekt her geprägt wird, vgl. in die Tinte geraten - in der Tinte sitzen. Weiter gibt es zu vielen Verbidiomen k a u s a t i v e Pendants. So läßt sich z.B. um die Präpositionalgruppe in Schwung das folgende aktionale Feld aufbauen22:
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(25)
Kausativ (tr.)
Nichtkausativ (itr.)
Perf. Jmd. bringt etw. in Schwung Dur. Jmd. hat/hält etw. in Schwung
Etw. kommt in Schwung Etw. ist in Schwung
Prinzipiell läßt sich dieses Netz mit den Termini von C. Fabricius-Hansen (1975) noch genauer untergliedern, (i) Es gibt einerseits t r a n s f o r m a t i v e Verben, die einen Übergang von einem Zustand in einen anderen bezeichnen, vgl. z.B. werden oder aber kommen und bringen in den Beispielen unter (25). (ii) Ihr Gegenpol sind k u r s i v e Verben, die einen andauernden Zustand bezeichnen, etwa sein und haben, (iii) Darüber hinaus gibt es i n t r a n s f o r m a t i v e Verben, die ausdrücklich betonen, daß ein bestehender Zustand andauert und ein Übergang nicht stattfindet, so z.B. bleiben, halten. Wenn wir weiter die Transformativität in zwei Untergruppen einteilen je nachdem, ob der Übergang in einen neuen Zustand ( I n g r e s s i v i t ä t ) oder aber der Übergang aus dem alten Zustand heraus ( E g r e s s i v i t ä t ) sprachlich perspektiviert wird, kommen wir schon an die Grenze der A n t o n y m i e, vgl. die beiden extremen Pole in der Reihe sich jmdm. in den Weg stellen - jmdm. im Wege stehen - jmdm. aus dem Wege gehen. Diese semantischen Achsen können in einer Matrix zusammengefaßt werden. Die verlaufsaktionale Achse läuft hier von oben nach unten, die Kausationsachse von links nach rechts: (26)
+caus
-caus
Transfonnativingressiv
IA
IB
Durativ
IIA
Intransformativ
IIIA
Transformativegressiv
IVA
IVB
Weitere mögliche semantische Beziehungen zwischen Verbidiompaaren sind K o n v e r s e n wie antaa/geben vs. saada/bekommen, vgl. antaa jklle suunvuoro - saada (jklta) suunvuoro 'jmdn. zu Wort kommen lassen - zu Wort kommen' oder jmdm. etw. mit auf den Weg geben - etw. mit auf den Weg bekommen. Dieses Konversenpaar kann auch als Opposition kausativ-ingressiv (LA) - nichtkausativ-ingressiv (IB) aufgefaßt werden. - Ein Ereignis kann weiter aus einer 'tun'-Perspektive (jnid. bricht sich keinen Zak-
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ken aus der Krone) oder aus einer 'passieren'-Perspektive (jmdm. bricht/fällt kein Zakken aus der Krone)23 dargestellt werden. Als Konverse kann man weiter u.a. die Relation zwischen sein/stehen (oder anderen Befindlichkeitsverben) einerseits und haben (oft mit einem reflexiven Element) andererseits betrachten, z.B. X steht auf Y:s Seite hat X auf seiner Seite. Eine Art Umkehrung der Perspektive liegt zwar zwischen den Verbidiomen sich aus dem Staube machen und den Staub (von etw., z.B. einer Stadt) von den Füßen schütteln. Hier handelt es sich jedoch nicht mehr um eine regelmäßige Umkehrbeziehung, sondern um zwei singuläre Idiome, um oben schon behandelte "falsche Nachbarn". Es entspricht dem Wesen von idiomatischen Ausdrücken bzw. Phraseologismen, daß solche Reihen kaum je flächendeckend vorkommen, so daß etwa alle Flächen der Matrix ausgefüllt werden könnten. Es läßt sich schlecht voraussagen, bei welchen Ausdrücken symmetrische Reihen entstehen und wo Lücken bleiben. Bei der aktionalen Variation handelt es sich z.T. um ähnliche Reihenbildungen, wie sie bei den sog. F u n k t i o n s v e r b g e f ü g e n vorkommen. Funktionsverbgefüge, in denen ein Nomen actionis in seiner eigentlichen Bedeutung verwendet wird, etwa zur Aufführung kommen 'aufgeführt werden', sind hier aus der näheren Betrachtung ausgeschlossen, weil sie das Kriterium der Idiomatizität nicht erfüllen.24 Grenzfälle sind Gefüge wie am Abkratzen sein oder ins Rollen kommen - etw. ins Rollen bringen. Hier hat das Verb aber nicht nur als substantivierter Infinitiv bei einem Funktionsverb, sondern z.T. auch als minimales Zeichen eine übertragene Bedeutung, vgl.: (27)
Der Alte ist am Abkratzen. --> Der Alte ist gestern abgekratzt.
(28)
Die Geschäfte kamen wieder ins Rollen. --> Nach der Flaute rollen die Geschäfte hoffentlich wieder.25
Es gibt aber auch Kontexte, in denen eine ähnliche Reduktionstransformation nicht möglich ist und wo also nur die "Streckform" eine übertragene bzw. idiomatische Bedeutung hat: (29)
Die Hippies brachten eine Protestbewegung ins Rollen.26 -> ? »Rollt die Protestbewegung noch?
Als Verbidiome anzusehen sind auf jeden Fall jmdn. ins Schleudern bringen 'bewirken, daß jmd. die Kontrolle über sich verliert' - ins Schleudern geraten/kommen 'die Kontrolle über etw. verlieren, unsicher werden, sich einer Situation plötzlich nicht mehr gewachsen sehen'27, denn eine transformationelle Reduktion ist hier ausgeschlossen, vgl.:
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(30)
Mit solchen Fragen kannst du ihn ganz schön ins Schleudern bringen. Bei solchen Fragen kommt er ganz schön ins Schleudern. - > *Bei solchen Fragen schleudert er entsetzlich.
Die Tendenz zur aktional-semantischen Reihenbildung schlägt sich auch im Wortbestand der Verbidiome nieder: Bei der Bildung der jeweiligen aktionalen Typen werden bestimmte sprachliche Mittel besonders oft verwendet. Um frequente Bildungstypen aufzufinden, wurden belegte und in Wörterbüchern angeführte Verbidiome in die Felder des Schemas in (26) plaziert. Verbidiome, die eine gleiche oder ähnliche nominale Komponente enthalten, wurden zu Oppositionspaaren geordnet. Folgende Tendenzen konnten festgestellt werden:
Im D e u t s c h e n gibt es folgende typische Paare bzw. Reihen: -IB
Die Opposition bringen - kommen, die im System der Funktionsverbgefüge eine zentrale Rolle spielt, war besonders oft anzutreffen. Oft waren die Verben mit anderen Verben derselben Aktionsklasse austauschbar, so etwa bringen mit fördern oder holen oder aber kommen mit treten oder geraten (31)
etw. ans [Tages-JLicht bringen (/ziehen/zerren/holen) ans [Tages-]Licht kommen
(32)
etw. zutage bringen/fördern zutage kommen/treten
(33)
etw. aufs Tapet bringen aufs Tapet kommen
Wie bei freien Verbindungen, kann auch bei den Verbidiomen das Verb lassen als eine Art kausatives Hilfsverb verwendet werden. Die kausative Erweiterung ist prinzipiell bei jedem aktionalen Typ möglich, vgl. weiter unten. Um die Opposition LA - IB geht es u.a. bei folgenden Idiompaaren: (34)
etw. ins Wasser fallen lassen ins Wasser fallen
(35)
etw. unter den Tisch fallen lassen unter den Tisch fallen
(36)
jmdn. zu Wort kommen lassen zu Wort kommen
32
Wie oben auf S. 29 festgestellt wurde, kann das Verb geben als lexikalische kausative Konverse von bekommen gelten. Inwieweit es sich um Ingressivität handelt, hängt von dem sonstigen lexikalischen Bestand der Idiome ab. Während das erste der folgenden zwei Beispiele aufgrund des direktionalen Adverbiale auf den Weg als ingressiv aufgefaßt wird, ist das zweite Beispiel durchaus mit einer durativen Adverbialangabe, etwa zwei Stunden lang, kompatibel: (37)
jmdm. etw. mit auf den Weg geben etw. mit auf den Weg bekommen
(38)
jmdm. Schützenhilfe geben Schützenhilfe bekommen
-
Diese Gegenüberstellung ergab besonders viele Paare mit Verben, die zur selben Wurzel gebildet sind und deren Zusammengehörigkeit noch transparent ist, auch wenn der Wortbildungstyp nicht mehr produktiv ist. Gemeint sind die Verben der Befindlichkeit liegen, stehen und sitzen mit ihren kausativen Pendants legen, stellen und setzen: (39)
etw. in Schutt und Asche legen/verwandeln in Schutt und Asche liegen
(40)
jmdn. vor vollendete Tatsachen stellen vor vollendeten Tatsachen stehen
(41)
sich zwischen zwei Stühle setzen zwischen zwei Stühlen sitzen
Weiter steht das kausative Verb bringen oft in Opposition zu haben oder sein: (42)
sein[e] Schäfchen ins trockene bringen sein[e] Schäfchen im trockenen haben
(43)
jmdn./etw. auf Zack bringen auf Zack sein
IB - IIB
Für dieses Oppositionspaar wurden u.a. Verben des Besitzwechsels bzw. des Besitzens wie bekommen/kriegen - haben ausgenutzt, vgl.: (44)
das Sagen bekommen das Sagen haben
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(45)
von etw. Wind bekommen von etw. Wind haben
Zwischen dem kausativ-ingressiven Typ LA (vgl. geben, das eine "Fremdkausation" ausdrückt) und dem ingressiven Typ IB (etwa bekommen) liegt dagegen das Verb der "Eigenkausation" nehmen, das ebenfalls haben als Pendant haben kann: (46)
jmdn. in die Zange nehmen jmdn. in der Zange haben
Während bei den obigen Verbpaaren die Sachverhalte aus einer Besitz-Perspektive gesehen werden, vertritt die folgende Opposition IB - IIB mit geraten/kommen/fallen ... · sein eine Sein-Perspektive: (47)
in eine Sackgasse geraten in einer Sackgasse sein
(48)
zum Zuge kommen am Zuge sein
(49)
in Ungnade fallen in Ungnade sein
/
- II/IIIB
Wenn durative Verben um das kausative Verb lassen erweitert werden, wird die Verbindung im Sinne einer Veranlassung des Weiterbestehens eines Zustande aufgefaßt. Oft ist es schwierig, zwischen Durativität und Intransformativität zu trennen, wenn der Ausdruck keine expliziten intransformativen Elemente, etwa weiter, enthält. Vgl.: (50)
jmdn. im eigenen Saft schmoren lassen im eigenen Saft schmoren
Die Verben halten und bleiben werden oft als intransformative Entsprechungen zu haben und sein aufgefaßt. Somit könnte das folgende Idiompaar als Vertreter der Opposition - IIIB gelten: (51)
jmdn. bei der Stange halten bei der Stange bleiben
IIB - IVA
Jede Opposition, bei der die Horizontalachse IV das zweite Oppositionspaar zu einer der Achsen I-III bildet, tangiert eigentlich schon den Bereich der (Teil-)Antonymie, so
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auch das folgende Paar haben - nehmen aus dem semantischen Feld der Besitzverhältnisse: (52)
Wind in den Segeln haben jmdm. den Wind aus den Segeln nehmen
-IVB
Um Befindlichkeit und ihr Aufhören geht es wiederum beim folgenden Paar, dessen zweites Glied ein 'Woher'-Adverbial enthält: (53)
[tief] in den roten Zahlen stecken aus den roten Zahlen herauskommen
Durch das Zusammenspiel von 'Wohin'-, 'Wo'- und 'Woher'-Adverbialen und unterschiedlichen Verben können auch längere Reihen entstehen, etwa: (54)
IA / IVA
jmdn. in den Sattel heben fest im Sattel sitzen/sich im Sattel halten jmdn. aus dem Sattel heben/werfen
Für das F i n n i s c h e begnüge ich mich mit einigen kontrastiven Beobachtungen: (i) Auch wenn es im Finnischen kein so ausgeprägtes System von F u n k t i o n s v e r b g e f ü g e n gibt wie im Deutschen, gibt es im System der V e r b i d i o m e ein weit ausgebautes, ziemlich systematisches Netz. Die Verben der aktionalen Modifikation können somit sowohl im Deutschen als auch im Finnischen als eine Art analytische Affixe aufgefaßt werden, die an den semantischen Kern des Idioms angeheftet werden. (ii) Ziemlich häufig ist die symmetrische Ausnutzung der für das finnische Kasussystem typischen Dreierreihe der Lokalkasus 'Wohin' - 'Wo' - 'Woher'. (iii)Oft sind die Wortbildungszusammenhänge zwischen den unterschiedlichen aktionalen Modifikationsverben morphologisch transparent, und es handelt sich um Wortbildungsmuster, die immer noch produktiv sind, vgl.: (55)
päästää '(los)lassen' - päästä 'kommen, gelangen' jättää 'lassen' - jäädä 'bleiben'
(iv) Typisch ist u.a. eine deutliche Distribution zwischen joutua 'irgendwohin kommen + Notwendigkeit' in negativen Kontexten und päästä 'irgendwoher/irgendwohin kommen + Möglichkeit' in positiven Kontexten. Im Deutschen ist eine entsprechende Opposition geraten - gelangen vorhanden, sie wird aber nicht so konsequent ausgenutzt, sondern kommen steht für beides, und die negative oder positive Interpretation muß sich auf den Kontext stützen.
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(v) Vollständige oder lange aktionale Reihen sind in beiden Sprachen selten; es scheint aber, daß das Finnische dazu neigt, längere Reihen zu bilden als das Deutsche. Vgl.: (56)
IA
jmdn. im Stich lassen
IA IB IIB IVA IVB
Jättaljkupulaan Jäada/joutua pulaan olla pulassa piastäftjkupulasta päästi pulasta
(57)
(58)
'jmdn. im Stich lassen' '*in Stich kommen' '*im Stich sein' '*jmdm. aus dem Stich helfen' '•aus dem Stich kommen'
auf dem Holzweg sein IA IB
johtaa jku/jk hakoteille menni/joutua hakoteille olla hakoteillä
IB
auf [kjeinen grünen Zweig kommen
IB IIB
pa&stfi vihreälle oksalle olla vihreällä oksalla
'führen, bringen' 'gehen, geraten* 'sein'
'kommen' 'sein'
4. Ausblick Die erste Sichtung des deutschen und finnischen Materials unter dem Aspekt der aktionalen Modifizierbarkeit ergab folgendes Bild: Die Mittel zur aktionalen Modifizierung von Verbidiomen sind in den beiden Sprachen - in den Grenzen ihrer allgemeinen morphologisch-syntaktischen Komparabilität - sehr ähnlich. Aus dem Vorhandensein eines bestimmten aktionalen Typs läßt sich nicht direkt auf die Existenz eines aktional variierten Verbidioms schließen, sondern die Möglichkeiten und Grenzen einer aktionalen Reihenbildung müssen eigens vermerkt werden. Da schon innersprachlich keine vollständige Symmetrie besteht und die vorhandenen Lücken unsystematisch sind, leuchtet es ein, daß es nur selten zur vollständigen zwischensprachlichen Parallelität kommt. - Neben echten innersprachlichen Symmetrien und zwischensprachlichen Parallellismen ist im Fremdsprachenunterricht auf (innersprachliche) "falsche Nachbarn" und (zwischensprachliche) "falsche Freunde" zu achten. Die ersten Ergebnisse geben Anlaß zu der Hypothese, daß Finnisch zu einer größeren aktionalen Variabilität neigt als Deutsch. Demnach kann man vermuten, daß sich bei einer längeren aktionalen Reihe im Deutschen zwar in der Regel finnische aktionale Entsprechungen finden lassen, falls der semantische Idiomkern überhaupt eine finnische idiomatische Entsprechung hat. In der anderen Richtung muß man aber öfter mit Lükken rechnen.
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Was die Derivation von synthetischen (Einwort-)Lexemen betrifft, gilt Finnisch als eine morphologisch reiche Sprache mit vielen produktiven Wortbildungsmustern. In dieser Hinsicht übertrifft Finnisch das ebenfalls recht ableitungsfreudige Deutsch. Werden die zur aktionalen Variierung von Verbidiomen (Mehrwortlexemen) verwendeten Verben nun als eine Art analytisches Wortbildungsmittel betrachtet, so kann die Tendenz des Finnischen zu längeren Reihenbildungen als Ausdruck derselben größeren Derivationsträchtigkeit gedeutet werden.
Anmerkungen 1
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Das Projekt wird unter Leitung von Prof. Jarmo Korhonen, Turku, an den Universitäten Turku, Oulu und Helsinki sowie in Zusammenarbeit mit dem Zentralinstitut für Sprachwissenschaft, Berlin, durchgeführt. Siehe Korhonen (1987b: 4). Zur Idiomatizität s. auch Fleischer (1982: 35-41). Eine terminologische Trennung zwischen "Idiomen" mit einer "instabilen" Verbbedeutung (z.B. Er winkt mit dem Zaunpfahl) und "Phraseologismen" mit "stabiler" Verbbedeutung (z.B. Er schläft mit offenen Augen), wie sie U. Fix in ihren Untersuchungen zu "Wortgruppenlexemen" durchfuhrt, vgl. z.B. Fix (1979: llf.), wird hier nicht vorgenommen. Vgl. Fleischer (1982: 38). Zu diesem Idiom und seiner finnischen Entsprechung vgl. weiter unten S. 27. Siehe Fleischer (1982: 41-67). Fleischer (1982: 209f.). Fleischer (1982: 210). Siehe DUW141. Daß die Singularform bei einem pluralischen Subjekt vorkommen kann, entspricht durchaus einem distributiven Gebrauch, wie er auch bei freien Wortverbindungen möglich ist. Dagegen ist die häufig anzutreffende Pluralform bei einem singularischen Subjekt eine Anomalie, ein Anzeichen für den nichteigentlichen, idiomatischen Gebrauch. Eine ähnliche Variation ist für alle sog. logisch-reziproken Verben bzw. Verbidiome typisch, vgl. Helbig/Buscha (1984: 217f.). Hessky (1987: 74). Siehe z.B. Hessky (1987: 84ff.) und die dort angegebene Literatur. Übersetzung aus Schellbach-Kopra (1985:178). Vgl. z.B. Cernyseva (1979:84) und Fleischer (1982:189ff., 213f.). Kuusi (1971:50-56). Kuusi (1971: 54). Die Grenzen einer solchen Variabilität lassen sich in der eigenen Sprache natürlich besser intuitiv überprüfen als in einer Fremdsprache. - In diesem Zusammenhang sei auch auf die These von Schellbach-Kopra (1985: 48) hingewiesen, Finnisch sei im Bereich der Idiomatik eher eine nominale, Deutsch eine verbale Sprache. Vgl. DUW 1128 resp. 1535 s.v. Patsche resp. Tinte. Siehe auch Anm. 18. DUW 1128 resp. 1535 scheint hier tatsächlich einen Unterschied im Idiomatizitätsgrad zu postulieren: Anders als die Einheiten in die Tinte geraten, in der Tinte sitzen sind die Ausdrücke in eine Patsche geraten/kommen, in der Patsche sein/stecken, jmdm. aus der Patsche helfen nicht fett geschrieben. Demnach läge nur im ersteren Fall ein Verbidiom vor. Im letzteren Fall würde es sich um eine freie Verbindung des Substantivs Patsche 'unangenehme, schwierige Lage, Bedrängnis' mit unterschiedlichen Verben handeln. Somit wäre es nur logisch, wenn das Substantiv in der gleichen übertragenen
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Bedeutung auch in ganz anderen syntaktischen Umgebungen - wie hier z.B. als Prädikativ - vorkommen könnte. 19 Zur Bedeutung der Alliteration in der Phraseologie des Finnischen siehe u.a. Kuusi (1973: 781) und Schellbach-Kopra (1985: 44). - Typische alliterierende Beispiele wurden oben unter (8)-(9) angeführt. 20 Die Liste wurde anhand von Beispielen in NS, Schellbach-Kopra (1985) (S-K) und der Beleglisten des Projekts "Kontrastive Verbidiomatik Deutsch - Finnisch" (+b) erstellt und durch die eigene Kompetenz um das Verb puolustaa ergänzt. 21 Vgl. u.a. DUW1764 s.v. Zahn. Auch die Beleglisten weisen nur diese Kombination auf. 22 Vgl. Fleischer (1982: 141), der mit Heibig (1979) drei •Phasen-Aktionsarten" unterscheidet, nämlich die durative (bzw. kursive), die inchoative und die kausative. 23 Vgl. DUW 1762 s.v. Zacken sowie Friederich (1976: 273) s.v. Krone. 24 Vgl. Fleischer (1982: 139-142), der sich vor allem auf Fa (1974-76: 60ff.) bezieht. Nach Fix sind die Funktionsverbgefüge nicht Thraseolexeme', sondern 'Phraseoschablonen'. 25 Vgl. DUW 61 und WOG 34 s.v. abkratzen: derb für 'sterben'. DUW 1263 gibt s.v. rollen nur bei den durch Fettdruck als idiomatisch gekennzeichneten Gefügen ins Rollen kommen bzw. etw. ins Rollen bringen die übertragene Bedeutung 'in Gang kommen' bzw. 'in Gang bringen' an, wogegen WDG 3067 als übertragene Verwendungen sowohl das minimale Prädikat die Sache, die Aktion rollt ('ist in Bewegung, in Gang, läuft') als auch das Gefüge die Sache, die Angelegenheit kommt ins Rollen ('kommt in Gang1) anführt 26 Vgl. DUW 1263. 27 Siehe DUW 1328 s.v. schleudern. 28 Diese Verben können sowohl mit 'Wohin'- als auch mit 'Woher'-Adverbialen verbunden werden.
Literatur Cernyseva, M. (1979): Feste Wortkomplexe des Deutschen unter dem Aspekt 'Struktur - Semantik - Funktion*. Forschungsstand und Ausblick. In: Wort, Satz und Text. Aktuelle Probleme der grammatischen und lexikologischen Beschreibung der deutschen Sprache der Gegenwart. Hrsg. von W. Fleischer (Berlin) (= Linguistische Studien. Reihe A 63) 73-86. DUW = Duden. Deutsches Universalwörterbuch (1989). 2., völlig neu bearb. und stark erw. Aufl. Hrsg. und bearb. vom Wissenschaftlichen Rat und den Mitarbeitern der Dudenredaktion unter der Leitung von G. Drosdowski. Mannheim/Wien/Zürich. Fabricius-Hansen, C. (1975): Transformative, intransformative und kursive Verben. Tübingen ( = Linguistische Arbeiten 26). Fix, U. (1974-76): Zum Verhältnis von Syntax und Semantik im Wortgruppenlexem. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Halle a.d.S.) 95,214-318; 97,7-78. (1979): Zum Verhältnis von Syntax und Semantik im Wortgruppenlexem. In: Beiträge zur Phraseologie und Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache (Berlin) (= Linguistische Studien. Reihe A 56) 1-19. Fleischer, W. (1982): Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig. Friederich, W. (1976): Moderne deutsche Idiomatik. Alphabetisches Wörterbuch mit Definitionen und Beispielen. 2., neubearb. Aufl. München. Heibig, G. (1979): Probleme der Beschreibung von Funktionsverbgefügen im Deutschen. In: Deutsch als Fremdsprache 16,273-285. Heibig, G./Buscha, J. (1984): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. 8., neubearb. Aufl. Leipzig. Hessky, R. (1987): Phraseologie. Linguistische Grundfragen und kontrastives Modell deutsch --> ungarisch. Tübingen (= Reihe Germanistische Linguistik 77).
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Korhonen, J. (Hrsg.) (1987a): Beiträge zur allgemeinen und germanistischen Phraseologieforschung. Internationales Symposium in Oulu 13.-15. Juni 1986. Oulu (= Veröffentlichungen des Germanistischen Instituts der Universität Oulu 7). (1987b): Überlegungen zum Forschungsprojekt "Kontrastive Verbidiomatik Deutsch-Finnisch". In: J. Korhonen (Hrsg.) (1987a) 1-22. Kuusi, A.-L. (1971): Johdatusta suomen kielen fraseologiaan. Helsinki (= Suomi 115:4). (1973): On Factors Promoting Phrase Formation. In: Proverbium 21,776-782. NS = Nykysuomen sanakirja (1978). Hrsg. von Suomalaisen KirjaUisuuden Seura. 3 Bde. 6. Aufl. Porvoo/ Helsinki/Juva. Schellbach-Kopra, I. (1985): Suomi-saksa fraasisanakirja. Finnisch-deutsche Idiomatik. Porvoo/Helsinki/ Juva. WOG = Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (1978-1981). Hrsg. von R. Klappenbach/W. Steinitz. 6 Bde. Berlin.
Marja-Leena Piitulainen ZU DEN UNTERSCHIEDEN IN DER ÄUSSEREN QUANTITATIVEN VALENZ DER DEUTSCHEN UND FINNISCHEN VERBIDIOME
0. Den folgenden Überlegungen liegt als Materialgrundlage ein Korpus zugrunde, das im Rahmen des deutsch-finnischen Phraseologieprojekts an den Universitäten Oulu und Turku zusammengestellt worden ist. Das Korpus umfaßt ca. 2500 deutsche Verbidiome und deren finnische Äquivalente. Ich konzentriere mich auf die Fälle, in denen die Anzahl der Aktanten der deutschen und finnischen Idiome voneinander abweicht, und zwar die Anzahl der Aktanten, die auf die äußere Valenz des Idioms zurückgeht. Bekanntlich wird bei den Verbidiomen zwischen der inneren bzw. konstruktionsinternen und der äußeren bzw. konstruktionsexternen Valenz unterschieden.1 Die innere Valenz bezieht sich auf das Verhältnis des verbalen Teils zu den festen nominalen Komponenten des Idioms. Sie kann mit der Valenz des entsprechenden Verbs in freien Wortverbindungen übereinstimmen, z.B. beim Verb setzen im Idiom alles auf eine Karte setzen (z.B. Karl setzte alles auf eine Karte) und im freien Gebrauch (z.B. Karl setzte den Hut auf den Kopf). Als Beispiel für die Nichtübereinstimmung kann das Verb kriegen genannt werden: kriegen + Akkusativobjekt im freien Gebrauch und sich + kriegen + Präpositionalphrase im idiomatischen Gebrauch (sich in die Haare/in die Wolle kriegen).2 Die äußere Valenz wiederum betrifft das Verhältnis des verbalen Idioms als semantischer und syntaktischer Ganzheit (einschließlich der nominalen, durch die innere Valenz bedingten Komponenten) zu den lexikalisch variablen Satzgliedern innerhalb der Satzstruktur. Das Idiom verhält sich als Valenzträger wie ein einfaches Verb: Man kann Valenzträger verschiedener Wertigkeit unterscheiden, und die geforderten Ergänzungen können auf ihre Obligatheit bzw. Fakultativität und ihre morphosyntaktischen und semantischen Eigenschaften hin analysiert und beschrieben werden. Weil die äußere Valenz auf das ganze Idiom (und nicht nur auf das zugrundeliegende Verb) zurückgeht, liegt es auf der Hand, daß die Valenzstruktur des Idioms von der des Verbs im freien Gebrauch abweichen kann. So sind z.B. viele dativische Bestimmungen in Idiomen als Ergänzungen anzusehen, in freien Wortverbindungen dagegen nicht (z.B. jmdm. die Pistole auf die Brust setzen). In den meisten Fällen stimmen die deutschen und finnischen Idiome in der Anzahl der Ergänzungen überein. In beiden Sprachen sind die einwertigen Idiome am häufigsten, danach kommen die zweiwertigen, und die null- und dreiwertigen sind in der Minorität. Im Finnischen sind die nullwertigen Idiome üblicher als im Deutschen, weil ein idiominterner variabler Genitiv (besonders als Entsprechung der deutschen Dativergänzung) relativ häufig anzutreffen ist.
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Der Verfahrensweise des deutsch-finnischen Phraseologieprojekts gemäß gehe ich im folgenden von der deutschen Sprache aus. Die Aufmerksamkeit wird nur auf solche Unterschiede gerichtet, die einigermaßen systematisch vorkommen. Beispiele für Idiome mit unterschiedlicher quantitativer Valenz gibt es bei allen Typen der Wertigkeit. Auch kann die Anzahl der Aktanten im Deutschen größer sein als im Finnischen und umgekehrt. Ich versuche primär der Frage nachzugehen, wie die Unterschiede in der Wertigkeit erklärbar sind, d.h., worauf sie zurückgeführt werden können und was für Divergenztypen sich demgemäß unterscheiden lassen. Faktoren, die bei der Analyse berücksichtigt werden müssen, sind u.a.: wörtliche und denotative Bedeutung des Idioms3 und ihr Verhältnis zueinander und zur syntaktischen Valenz Valenz des Verbs im Idiom und im freien Gebrauch Verhältnis von semantischen Beziehungen und syntaktischer Aktantifizierung, d.h., Verhältnis von semantischer Argumentstruktur und syntaktischer Struktur einerseits und Verhältnis von signifikativ bestimmten semantischen Beziehungen als Perspektive und syntaktischer Aktantifizierung andererseits4 innere und äußere Valenz und ihr Verhältnis zueinander kontextuelle Faktoren Die Fälle, in denen in der einen Sprache ein Aktant vorhanden ist, für den es in der anderen Sprache keine Entsprechung gibt, lassen sich unter Berücksichtigung der genannten Faktoren in fünf Hauptgruppen einordnen.
1. Die erste Hauptgruppe bilden die Idiompaare, bei denen dem Aktanten in der einen Sprache ein Genitivattribut bzw. ein Possessivpronomen oder -suffix in der anderen Sprache entspricht. Besonders üblich ist, daß einem deutschen Aktanten ein Genitivattribut oder Possessivpronomen oder -suffix im Finnischen entspricht. Beispiele: (la)
jmdm. klebt die Zunge am Gaumen - jkn kieli tarttuu kitalakeen jmdm. blutet das Herz - jkn sydän vuotaa verta jmdm. gehen die Augen auf - jkn silmät avautuvat jmdm. stehen die Haare zu Berge - jkn tukka nousee/hiukset nousevat pystyyn jmdm. sind die Hände/Hände und Füße gebunden - jkn kädet ovat sidotut jmdm. bleibt der Verstand stehen/jmdm. steht der Verstand still - jkn järki seisoo jmdm. kommt/steigt die Galle hoch/schwillt die Galle/läuft die Galle über - jkn sappi kiehuu
(Ib)
jmdm. im Nacken sitzen - olla jkn niskassa/kannoilla; hengittää jkn niskaan sich jmdm. an den Hals werfen - heittäytyä/hypätä jkn kaulaan
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jmdm. das Messer an die Kehle setzen - panna puukko jkn kurkulle jmdm. ans Leder gehen/wollen - käydä/yrittää käydä jkn kimppuun jmdm. auf der Seele liegen/lasten - painaa jkn mieltä jmdm. aufs Gemüt schlagen - masentaa jkn mieltä jmdm. ins Garn/Netz gehen - joutua jkn haaviin jmdm. ins Gehege kommen - astua jkn reviirille jmdm. unter die Finger kommen/geraten - joutua jkn kynsün (Ic)
jmdm. etw. vor der Nase wegschnappen - viedä jtak jkn nenän edestä jmdm. etw. in den Mund legen - panna jtak jkn suuhun jmdm. etw. ans Herz legen - panna/laskea jtak jkn sydämelle jmdm. jmdn. auf den Hals hetzen/schicken - usuttaa jku jkn kimppuun jmdm. etw. an den Augen ablesen - lukea/nähdä jtak jkn silmistä jmdm. etw. an der Nasenspitze/Nase ansehen - nähdä jtak jkn naamasta
Der deutsche Aktant steht in den meisten Fällen im Dativ und ist in den entsprechenden freien Wortverbindungen als Pertinenzdativ oder als Dativus commodi bzw. incommodi aufzufassen. Auch dabei kommt das Genitivattribut bzw. Possessivpronomen (-suffix) als Entsprechung des deutschen Dativs vor (vgl. z.B. Die Mutter wäscht dem Kind das Haar - Äiti pesee lapsen tukan; Karl trägt der Mutter den Koffer zum Bahnhof - Kalle kantaa äidin matkalaukun asemalle). Der Dativaktant des Idioms ist in der Regel eine obligatorische Ergänzung - anders als die entsprechenden Dativbestimmungen im freien Gebrauch. Ein weiterer syntaktischer Unterschied besteht darin, daß der possessive Dativ in freien Wortverbindungen bei Bedeutungsäquivalenz in ein Genitivattribut oder in ein Possessivpronomen transformierbar ist, während das beim Dativ im idiomatischen Gebrauch nicht möglich ist (vgl. z.B. Ihr stehen die Haare zu Berge - 'Ihre Haare stehen zu Berge). Wenn die Transformation rein strukturell möglich ist, handelt es sich um eine Konstruktion, die eine idiomatische und eine nichtidiomatische Bedeutung haben kann (z.B. Die Mutter wäscht dem Kind den Kopf) und bei der die Transformation in ein Genitivattribut oder Possessivpronomen zur Monosemierung beiträgt, d.h., die idiomatische Bedeutung ausklammert. Mit dem unterschiedlichen syntaktischen Status hängen Unterschiede in den semantischen Kasusrollen zusammen.5 Der finnische Genitiv bzw. das Possessivpronomen (oder -suffix), die dem deutschen Dativaktanten entsprechen, stehen als Attribute zu einem nominalen Teil des Idioms. Dasselbe semantische Argument wird also im Deutschen idiomextern, im Finnischen idiomintern realisiert. Anders als die festen nominalen Glieder des Idioms ist der Genitiv bzw. das Possessivpronomen jedoch lexikalisch variabel - wie der selbständige deutsche Aktant. Es sind also verschiedene lexikalische Füllungen möglich, so daß kommunikativ gesehen zwischen den deutschen und finnischen Idiomen kein Unterschied besteht. Mit dem Genitiv variiert bei einigen Idiomen der Allativ, ohne daß der Variation explizite Regeln zugeordnet werden können (z.B. jkn sappi kiehuu - jklla kiehuu sappi; jkn järki seisoo - Jklla seisoo järki; jkn tukka nousee/hiukset nousevat pystyyn - fklla nousee tukka/nousevat hiukset pystyyn). Im Deutschen gibt es wiederum eine Variation
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zwischen Dativ und Akkusativ (z.B. jmdm./jmdn. jucken die Finger nach etw.; jmdm./ jmdn. auf die Zehen treten). Wie aus den Beispielen unter (1) zu ersehen ist, gibt es sowohl einwertige als auch zwei- und dreiwertige deutsche Idiome mit einer Dativergänzung, der im Finnischen ein ins Idiom eingebauter Genitiv entspricht.6 Die einwertigen Idiome stellen sog. feste prädikative Konstruktionen dar, die ein festes Prädikat in finiter Form sowie ein festes Subjekt enthalten.7 Semantisch bezeichnen sie primär verschiedene psychische und physische Zustände, deren Träger in Form des Dativs bzw. des Genitivs zum Ausdruck gebracht werden. Die zwei- und dreiwertigen Idiome bezeichnen dagegen vorwiegend verschiedene zwischenmenschliche Verhaltensweisen, weshalb die Ergänzungen in der Regel Personenbezeichnungen sind. Aus den gegebenen Beispielen ist weiter zu schließen, daß die (nominalen) Komponenten der deutschen und finnischen Idiome sich lexikalisch weitgehend entsprechen - wie auch die Metaphern, die den Idiomen zugrunde liegen. Der Äquivalenztyp selbständige Ergänzung im Deutschen - idiominterner Genitiv im Finnischen ist aber auch bei Idiomen anzutreffen, deren wörtliche Bedeutungen einander nicht entsprechen, z.B.: bei jmdm. fällt der Groschen pfennigweise - jkn äly toimü aikasytytyksellä (wörtl.: jmds. Vernunft funktioniert mit Zeitzündung). In beiden Sprachen haben wir eine feste prädikative Konstruktion, zu der im Deutschen eine Präpositionalergänzung, im Finnischen ein Genitivattribut zum festen Subjekt äly tritt. Als ein Sondertyp von Fällen, in denen dem deutschen Dativaktanten ein Genitiv im Finnischen entspricht, können die Idiompaare betrachtet werden, bei denen das finnische Idiom ein nominales Glied enthält, das einen Körperteil bezeichnet und im Deutschen keine lexikalische Entsprechung hat. Zu dieser festen nominalen Komponente tritt dann ein Genitivattribut oder ein Possessivpronomen (oder -suffix), das den Körperteilbesitzer angibt und dem deutschen Personenobjekt (in Form eines Dativs oder Präpositionalkasus) entspricht, z.B.: (2)
jmdm. kein Härchen krümmen - jku ei taita hiuskarvaakaan jkn päästä vor jmdm. Gnade finden - saada anno jkn silmissä jmdm. blauen Dunst vormachen - heittäa sumua jkn sllmiin jmdm. zu dumm werden - jk alkaa käydä jkn hennoiUe wie ein Damoklesschwert fiber jmdm. schweben - jkn pään pfifillä roikkuu Damokleen miekka bei jmdm. gut/schlecht angeschrieben sein - olla hyvissä/huonoissa kirjoissa jkn silmissä bei jmdm. in Mißkredit geraten/kommen - joutua huonoon huutoon jkn silmissä
Die Person, die den Träger oder den Betroffenen des im Idiom genannten Zustande oder Vorgangs bezeichnet, wird also im Finnischen idiomintern, im Deutschen idiomextern zum Ausdruck gebracht. Im Verhältnis zum deutschen Idiom stellt die finnische Ausdrucksweise eine Art Explizitation8 (vgl. z.B. über jmdm. - jkn pään päällä 'über
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jmds. Kopf) oder eine Pars-pro-toto-Relation dar (vgl. z.B. bei jmdm. - jkn silmissä 'in jmds. Augen'). Der Entsprechungstyp mit einem im Deutschen selbständigen, in erster Linie dativischen Aktanten und einer ins Idiom eingebauten genitivischen Bestimmung ohne eigenen Satzgliedwert im Finnischen ist häufig anzutreffen, während der umgekehrte Fall (ein attributiver Genitiv bzw. ein Possessivpronomen im Deutschen - ein selbständiger Aktant im Finnischen) bedeutend seltener vorkommt. Hier handelt es sich zunächst um Fälle, wo dem deutschen personenbezogenen Genitivattribut eine selbständige adessivische Personenbezeichnung entspricht, z.B.: (3)
an jmds. Händen klebt Blut - jldla on verta käsissä jmds. Hosen sind voll - jklla on kurat/vetelät housuissa
Das Subjekt des finnischen Idioms entspricht (inhaltlich) entweder dem deutschen Prädikativ (das zweite Beispiel) oder dem deutschen Subjekt (das erste Beispiel). Diese Fälle können auch als Umkehrung einer 'sein'-Perspektive (im Deutschen) in eine 'haben'-Perspektive (im Finnischen) aufgefaßt werden: 'Etw. ist irgendwo bzw. ist x-artig' vs. 'Jmd. hat etw. irgendwo'. Dem deutschen idiominternen Genitiv entspricht eine selbständige Ergänzung im Finnischen auch bei Idiompaaren, die zwischenmenschliche Beziehungen bezeichnen. In folgenden Beispielen entspricht dem deutschen personenbezogenen Genitiv im Finnischen eine allativische bzw. postpositionale Bestimmung als selbständige Ergänzung; auch hier werden im Deutschen und im Finnischen also die gleichen semantischen Argumente realisiert, jedoch mit unterschiedlichen morphosyntaktischen Mitteln. Beispiele: (4)
jmds. Bekanntschaft machen - tehdä tuttavuutta jkn kanssa [tief] in jmds. Schuld sein/stehen - olla [suuressa] kiitollisuudcnvelassa Jklk
Beim folgenden Beispiel kann der strukturelle Unterschied zwischen dem deutschen und dem finnischen Idiom durch eine Implizitation8 erklärt werden: Der deutschen Struktur mit einer festen Präpositionalphrase plus Genitiv als Komponente des Idioms entspricht im Finnischen eine Lokalkasusergänzung, die der deutschen Genitivbestimmung entspricht, zugleich aber implizit die durch die deutsche Präpositionalphrase ausgedrückte Sache mitbezeichnet: (5)
hinter jmds. Schliche kommen - päästä perille jksta
2. Den zweiten Haupttyp unter den Fällen mit unterschiedlicher quantitativer Valenz bilden die Idiompaare, bei denen einem auf der äußeren Valenz beruhenden Aktanten der einen Sprache ein auf der inneren Valenz beruhender Aktant in der anderen Spra-
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ehe entspricht. Der Unterschied besteht hier also darin, daß der lexikalischen Variabilität der konstruktionsexternen Ergänzung die lexikalische Stabilität der konstruktionsinternen Komponente gegenübersteht. Die Anzahl von Aktanten beträgt im Falle der konstruktionsexternen Valenz meist zwei, und entsprechend sind die Idiome mit konstruktionsinterner Realisierung einwertig. Bei folgenden Beispielen liegt im Deutschen eine lexikalisch variable Ergänzung vor, im Finnischen dagegen eine feste, durch die innere Valenz bedingte Komponente des Idioms: (6a)
jmdm. über den Berg helfen - auttaa miestä mäessä etw. an den Nagel hängen - heittää rukkaset naulaan etw. in die Hand nehmen - ottaa johto käsiinsä/homma hoitoonsa
(6b)
jmdm./sich etw. ans Bein hängen - laittaa/panna pallo jkn jalkaan jmdm. etw. in den Mund legen - panna sanat jklle suuhun
Bei den folgenden Idiompaaren hat das finnische Idiom einen Aktanten mehr als das deutsche, d.h., das finnische Idiom hat eine lexikalisch variable Ergänzung, das deutsche eine stabile, durch die innere Valenz bedingte Komponente: (7)
von Ackerbau und Viehzucht/Tuten und Blasen keine Ahnung haben - jku ei tiedä höykäsen pöläystä jstak sich [geschickt] aus der Affäre ziehen - selvitä kunnialla jstak Nägel mit Köpfen machen - tehdä jtak viimeisen päälle sich einen hinter die Binde/Krawatte gießen/kippen - kaataa/kumota jtak kurkkuunsa
Weil die durch die innere Valenz bedingte Bestimmung lexikalisch nicht variabel ist, kann sie nicht die gleiche kommunikative Funktion erfüllen wie die auf die äußere Valenz zurückgehende Ergänzung. Diese Lücke wird vor allem kontextuell gefüllt: Wem geholfen wird bzw. was einer nicht weiß, ergibt sich aus dem Kontext.
3. Der dritte Haupttyp umfaßt die Idiompaare, die eine Umkehrung von syntaktischen Relationen aufweisen. Bei den Beispielen unter (8a) entspricht dem deutschen transitiven Verb ein intransitives Verb im Finnischen, was die syntaktische Aktantifizierung beeinflußt. Die festen nominalen Komponenten der Idiome entsprechen weitgehend einander. Beispiele: (8a)
schmutzige Hände haben - jkn kädet ovat ükaiset ein Herz aus Stein haben - jkn sydän on kiveä/kova kuin kivi ein langes Gesicht/lange Gesichter machen - jkn naama venähtää pitkäksi vgl. auch: Geschmack an etw. finden - olla jkn makuun
(8b)
in den Knien weich werden - jkn polvet alkavat tutista/lyodä loukkua (auch Adessiv: jklla)
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noch nicht trocken hinter den Ohren sein - jkn korvantaustat/korvantaukset eivät öle vielä kuivat
Die deutschen Idiome unter (8a) enthalten u.a. das Verb haben, und der Subjektaktant erscheint als einzige Ergänzung. Im Finnischen sind die entsprechenden Idiome syntaktisch nullwertig; den verbalen Teil des Idioms bildet das Verb olla ('sein') oder ein entsprechendes inchoatives Kopulaverb (z.B. venähtää), zu denen eine (adjektivische) prädikative Bestimmung tritt, die lexikalisch dem deutschen Adjektiv- bzw. Präpositionalattribut entspricht. Dem deutschen Subjektaktanten entspricht ein substantivabhängiger Genitiv. Anders liegen die Umkehrungsverhältnisse beim letzten Beispiel unter (8a): Der finnische konstruktionsinterne Genitiv entspricht dem deutschen Subjektaktanten und das finnische Subjekt der deutschen Präpositionalphrase an etw. Bei den Beispielen unter (8b) zeigt sich die Umkehrung darin, daß das Wort, das lexikalisch der deutschen konstruktionsinternen Präpositionalphrase entspricht, im Finnischen als Subjekt erscheint, zu dem die Personenbezeichnung, die im Deutschen als Subjekt steht, als Attribut tritt. Bei folgenden Beispielen ist die Anzahl der Aktanten im Finnischen größer als im Deutschen. Der finnische Aktant entspricht dem deutschen konstruktionsinternen Genitiv. Das dem Idiom zugrunde liegende Verb ist im Deutschen intransitiv, im Finnischen transitiv. Dementsprechend ist das deutsche Idiom ein-, das finnische zweiwertig. Beispiele: (9)
jds. Herz gehört einer Sache - jku on menettänyt sydämensä jltek nicht auf jmds. Mist gewachsen sein - jku ei öle keksinyt jtak omasta päästään
Beim ersten Beispiel entsprechen die nominalen Komponenten der Idiome lexikalisch einander (Herz - sydän), beim zweiten dagegen nicht (vgl. Mist - pää 'Kopf). Die Metaphern, auf die die Idiome zurückgehen, stimmen also nicht überein, weshalb die Zuordnung zu unserem letzten Divergenztyp auch - und sogar noch eher - möglich wäre. Bei den folgenden Beispielen ergeben sich aus der Umkehrung der deutschen 'haben'-Relation in eine 'sein'-Relation im Finnischen Unterschiede für die syntaktische Valenz: (10)
den Himmel/das Paradies auf Erden haben - olla jklle maanpäällinen paratiisi die Hölle auf Erden haben - olla jklle maanpäällinen helvetti
Der finnische allativische Personenaktant entspricht dem deutschen Personensubjekt, das die einzige Ergänzung des deutschen Idioms ist. Wegen der 'sein'-Perspektive kann im Finnischen aber durch das Subjekt auch das zum Ausdruck gebracht werden, worauf der höllische bzw. paradiesische Zustand zurückgeht; der Zustandsträger wird durch eine allativische Personenergänzung bezeichnet. Im Deutschen muß die Ursache des Zustande kontextuell zum Ausdruck gebracht werden. Sie kann sich z.B. aus der lexikali-
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sehen Bedeutung des Subjekts ergeben, wie etwa beim folgenden Beispiel von Friederich (1976: 221): (11)
Manche Gefangene haben die Hölle auf Erden.
Die Übersetzung müßte entsprechend der finnischen Konstruktion formuliert werden, z.B.: Vankila on monelle vangüle/monen vangin maanpäällinen helvetti (wörtl.: Das Gefängnis ist für manche Gefangene die Hölle auf Erden).
4. Dem vierten Haupttyp ordne ich solche Idiompaare zu, die trotz einer ähnlichen Metapher und wörtlichen Bedeutung eine unterschiedliche syntaktische Aktantenstruktur aufweisen. Unter (12a) werden Beispiele für Idiompaare angeführt, bei denen die Anzahl der Aktanten im Deutschen größer ist als im Finnischen, und unter (12b) für den umgekehrten Fall: (12a)
jmdm. ins Haus stehen - olla ovella jmdm. die Schau stehlen - varastaa show für jmdn./etw. in Frage kommen - tulla kysymykseen/ kyseeseen jmdm./bei jmdm. die Daumenschrauben anziehen - kiristää peukaloruuvia jmdn. mit etw. in Ruhe/Frieden lassen - jättää jku rauhaan jmdm. für etw. grünes Licht geben - näyttää jllek vihreää valoa
(12b)
auf den Trichter kommen - päästä jyvälle jstak sein ganzes Gewicht in die Waagschale werfen - panna koko arvovaltansa peliin jkn puolesta mit heiler Haut davonkommen - päästä/selvitä jstak ehjin nahoin mit einem blauen Auge davonkommen - päästä/selvitä jstak pelkällä säikähdykseUä
Diese Gruppe ist sehr problematisch. Auf unserer Idiomliste ließen sich relativ viele solcher Fälle finden, aber bei genauerer Überprüfung stellte sich heraus, daß einige Unterschiede nur scheinbar sind, d.h., es handelt sich nicht immer um einen Unterschied in den zu untersuchenden Idiomen, sondern lediglich um eine Beschreibungsdifferenz: Die Darstellung in Wörterbüchern und Handbüchern, die der Aufstellung von Idiomlisten zugrunde lagen, weichen bezüglich der Angabe der Valenz voneinander ab. Z.B. werden die Idiome das/sein Maul halten, die/seine Klappe halten und den/seinen Mund halten in den deutschen Wörterbüchern als einwertig beschrieben.9 Als finnische Äquivalente stehen auf unserer Idiomliste dagegen die zweiwertigen pitää turpansa/päänsä/ suunsa kiinni jstak. Sie enthalten also eine elativische Bestimmung, die angibt, worüber geschwiegen wird. Man kann sich aber fragen, ob eine ähnliche Bestimmung auch im Deutschen möglich wäre (z.B. Halte den Mund darüber/zu diesem Thema!). Die Bestimmung ist in beiden Sprachen nicht sehr üblich; sie scheint aber u.a. in Imperativsätzen durchaus möglich zu sein. Ähnliche Beispiele ließen sich auch für viele andere solcher Idiompaare finden.
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Daß eine Bestimmung in der einen oder der anderen Sprache nicht als eine Ergänzung erscheint, braucht also noch keinen Unterschied auf der sprachlichen Ebene zu bedeuten, sondern bezieht sich nur auf metasprachliche Differenzen. Die Unterschiede in der Beschreibung lassen sich z.T. auf allgemeine valenztheoretische Probleme zurückführen, wie z.B. darauf, wie die semantische Argumentstruktur und die Perspektivierung gesehen werden, d.h., wie die semantischen Beziehungen denotativ und signifikativ bestimmt werden und wie das Verhältnis von semantischer Struktur und syntaktischer Aktantifizierung aufgefaßt wird. Weitere Probleme ergeben sich daraus, ob auf der syntaktischen Ebene mit der sog. Gesamtvalenz oder der Grundvalenz operiert wird.10 Bei der Bestimmung der Valenz von Idiomen kommen dazu noch weitere Probleme, die phraseologiespezifisch sind. Es kann vermutet werden, daß der Bestimmung der Valenz eines Idioms einmal die wörtliche Bedeutung (des Verbs), ein anderes Mal wiederum die paraphrasierbare idiomatische Bedeutung zugrunde gelegt wird. Das braucht natürlich nicht bewußt zu erfolgen, dürfte aber neben allgemeinen valenztheoretischen Gesichtspunkten eine Erklärung für die Beschreibungsdifferenz sein. Wie z.B. J. Korhonen in seinen Aufsätzen gezeigt hat11, gibt es in den Beschreibungen von Idiomen nicht nur Unterschiede zwischen verschiedenen Wörterbüchern und Handbüchern, sondern auch Inkonsequenzen selbst innerhalb ein und desselben Buches. So kann z.B in Beispielen ein Aktant erscheinen, der in der Nennform des Idioms gar nicht erwähnt wird. Als Beispiel können wir das Idiompaar auf den Trichter kommen - päästä jyvälle jstak nehmen. Das deutsche Idiom wird in den Wörterbüchern als einwertig betrachtet (Subjekt als einzige Ergänzung).12 Zum finnischen Idiom kann außer dem Subjektaktanten eine elativische Bestimmung treten, die angibt, was man gemerkt, erkannt usw. hat. Aber z.B. aufgrund des Beispiels von Friederich (1976: 498) läßt sich vermuten, daß auch das deutsche Idiom zweiwertig wäre: (13)
Endlich bin ich auf den Trichter gekommen, wie man Kurven fährt.
Der wie-Nebensatz kann durchaus als eine Ergänzung eingestuft werden. Auf Ähnliches weisen die Bedeutungsparaphrasen in Wörterbüchern hin. In DUW 1289 wird z.B. als Paraphrase angegeben: 'merken, erkennen, wie etw. funktioniert, wie etw. zu machen, anzufassen ist, was zu tun ist u.a.' Von der paraphrasierten Idiombedeutung läßt sich also eine Ergänzung ableiten, die die wörtliche Bedeutung und das zugrundeliegende Verb nicht zulassen. Das trifft auch für viele andere Idiome zu. Bestimmungen, die besonders problematisch sind, sind im Deutschen meist Präpositionalphrasen (oft mit den Präpositionen mit und bei) und im Finnischen Lokalkasusbestimmungen (vor allem inessivische und elativische) oder Postpositionalphrasen (z.B. jnk suhteen), vgl. auch z.B.: (14)
mit etw. Schiffbruch erleiden - kärsiä haaksirikko
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Man kann sich fragen, ob auch im Finnischen eine Ergänzung möglich wäre, die dem deutschen mit-Präpositionalaktanten entsprechen würde (z.B. jnk suhteen/jssak). Die valenztheoretische Beschreibung dieser Bestimmungen ist auch deswegen sehr problematisch, weil die Selektion als Kriterium nicht sehr viel weiterhelfen kann: Die mit- und bei-Präpositionalphrasen z.B. sind bei vielen Verben als freie Angaben möglich. In der kontrastiven Phraseologie vervielfachen sich natürlich die Probleme. Das Verhältnis von semantischer Struktur und syntaktischer Aktantifizierung kann jeweils anders gesehen werden, ohne daß sich die Idiome an sich valenzmäßig voneinander unterscheiden. Es muß also darauf geachtet werden, daß bei der Erfassung von Unterschieden in der quantitativen Valenz Unterschiede erfaßt werden, die es in den zu vergleichenden Sprachen tatsächlich gibt, und nicht Unterschiede, die nur in den vorliegenden Beschreibungen bestehen. Eine Sondergruppe bilden die zwei letzten Idiompaare unter (12b). Im Deutschen sind die Idiome einwertig, im Finnischen dagegen zweiwertig. Bei den deutschen Idiomen kann man sich fragen, wie der Status der Komponente davon zu verstehen ist, d.h., ob davon als Teil des Verbs oder als erstarrtes Präpositionalobjekt aufzufassen ist. Im Falle des Präpositionalobjekts wäre der Bezugspunkt im Kontext zu suchen.13 Unabhängig davon, wie der Status von davon aufgefaßt wird, ist klar, daß die Rolle des Kontextes im Deutschen wichtiger wird als im Finnischen, wo z.B. das, was einer überstanden hat, durch einen lexikalisch variablen Aktanten bezeichnet werden kann. Der syntaktischen Realisierung in Form von Aktanten im Finnischen steht eine kontextuelle Erschließung im Deutschen gegenüber.
5. Den letzten Typ in meiner Klassifikation bilden die Idiompaare, bei denen die dem Idiom zugrunde liegende Metapher und dementsprechend die wörtliche Bedeutung des Idioms im Finnischen und im Deutschen voneinander abweichen, was zugleich die verschiedene Anzahl von Aktanten erklärt. Dabei kann auch der Idiomatizitätsgrad jeweils unterschiedlich sein. Die deutschen Idiome, deren Ergänzungszahl größer ist als die der entsprechenden finnischen Idiome, sind meistens zweiwertig, z.B.: (15)
einer Sache die Krone aufsetzen - olla kaiken huippu mit etw. am Ende sein - jklta on konstit lopussa jmdm. über die Hutschnur gehen - mennä liian pitkälle bei jmdm. auf den Busch klopfen - koettaa/kokeilla kepillä jäätä mit fliegenden Fahnen zu jmdm./etw. übergehen/überlaufen - pettää lippunsa sich etw. von der Seele schreiben; sich etw. von der Seele/vom Herzen reden - keventää sydäntään eine glückliche Hand bei/mit etw. haben - hallita homma etw. an/bei den Haaren herbeiziehen - olla kaukaa haettu bei jmdm. auf Granit beißen - iskeä/hakata päätään seinään sich mit etw. in den Finger schneiden - iskeä kirveensä kiveen
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Bei folgenden Idiompaaren hat das finnische Idiom mehr Aktanten als das deutsche. Die finnischen Idiome weisen neben der Subjektergänzung (oder einer ins Idiom eingebauten Genitivbestimmung) eine weitere Ergänzung auf; die deutschen Idiome haben nur einen Subjektaktanten (bzw. eine Dativergänzung). Beispiele: (16)
den Pantoffel schwingen - pitää jkta tohvelin/tossun alia klebrige Finger/Hände haben - jklla tarttuu jk hihaan ein Auge riskieren - katsoa syrjäsümällä/syrjäsUmin/vaivihkaa jkta/jtak sich Zeit lassen - tehdä jtak ajan kanssa jmdm. rutscht die Hand aus - antaa jklle korvapuusti das Pferd/den Gaul vom Schwanz her/am/beim Schwanz aufzäumen - ryhtyä jhk väärästä päästä; aloittaa jtak väärästä päästä jmdm. fällt keine Perle/kein Zacken/kein Stein aus der Krone - jkn kunnia ei kärsi jstak mit sich [selbst] ins reine kommen - tehdä jtak selväksi itselleen
Die Aktanten, die keine syntaktische Entsprechung in der anderen Sprache haben, stellen oft fakultative Ergänzungen dar, die auch unrealisiert bleiben können. In solchen Fällen erscheint in beiden Sprachen nur der Subjektaktant, vgl. z.B. (Friederich 1976: 32): (17)
Niemand durfte es sehen, wenn Papa den Weihnachtstisch vorbereitete. Aber trotzdem habe ich manchmal ein Auge riskiert.
Ein Auge riskieren ist im Deutschen ein einwertiges Idiom, das entsprechende finnische katsoa syrjäsilmällä/svrjäsilniin/vaivihkaa dagegen zweiwertig; der partitivische Aktant bleibt aber oft - wie z.B. in der Übersetzung des obengenannten Beispielsatzes von Friederich - unrealisiert (Siitä huolimatta katsoin joskus vaivihkaa).
6. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die deutschen und finnischen Idiome mit unterschiedlicher quantitativer Valenz, bei denen einer selbständigen Ergänzung der einen Sprache ein substantivabhängiger, aber lexikalisch variabler Genitiv im Idiomkern in der anderen Sprache entspricht, aus kontrastiver Sicht relativ unproblematisch sind. Die gleichen semantischen Argumente werden nur syntaktisch unterschiedlich realisiert. Eine systematische Gegenüberstellung ist relativ einfach auch bei Idiompaaren, bei denen aus einer semantischen und syntaktischen Umkehrung eine unterschiedliche Aktantifiziening folgt. Das trifft auch für die Fälle zu, in denen einer durch die äußere Valenz bedingten Ergänzung der einen Sprache eine durch die innere Valenz bedingte Komponente in der anderen Sprache entspricht, wobei die durch das Fehlen der lexikalischen Variabilität entstandene kommunikative Lücke kontextuell gefüllt werden kann. Theoretisch einigermaßen befriedigend lassen sich auch die Unterschiede in der quantitativen Valenz erklären, die auf die Unterschiede in Metaphern und wörtlichen Bedeutungen von Idiomen zurückführbar sind (unsere fünfte Gruppe). Das theoretische Pro-
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blem bezieht sich hier vor allem auf die Äquivalenz, d.h. auf die Frage, ob und inwieweit eine semantische Äquivalenz von Idiomen trotz unterschiedlicher Distribution angenommen werden kann. Die größten theoretischen Probleme bereiten aber solche Idiompaare, denen eine ähnliche Metapher zugrunde liegt und die in der wörtlichen und denotativen Bedeutung übereinstimmen und trotzdem eine unterschiedliche syntaktische Aktantifizierung aufweisen (unsere vierte Gruppe). Dabei soll genau überprüft werden, ob die Unterschiede wirklich auf eine jeweils unterschiedliche Argumentstruktur und Perspektivierung zurückgehen, also in den zu vergleichenden Sprachen selbst verankert sind, oder ob es sich um Unterschiede handelt, die es nur in den vorliegenden Beschreibungen der Idiome gibt. Die sprachliche und metasprachliche Ebene müssen also auseinandergehalten werden. Im interlingualen Vergleich können wir vor diesem Gesichtspunkt nicht die Augen verschließen, obwohl er neben allgemeinen valenztheoretischen und phraseologischen Problemen die praktische Analysearbeit sehr schwierig und mühsam macht.
Anmerkungen 1 2 3 4
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Vgl. z.B. Fleischer (1982:12,164). Vgl. Heischer (1982:164). Vgl. Hessky (1987:65-76). Bei der syntaktischen Aktantifizierung wird gefragt, welche Ergänzungen auf der syntaktischen Ebene realisiert (aktantifiziert/vertextet) werden und unter welchen Bedingungen (vgl. z.B. B. Wotjak/G. Wotjak 1983, B. Wotjak 1985, G. Wotjak 1985 und Welke 1988:55), während sich die Perspektivierung auf die Stärke der Presupposition bezieht: "Wir stoßen hier auf ein Problem [...]: das Problem der d e n o t a t i v e n oder s i g n i f i k a t i v e n Auffassung von semantischen Beziehungen [...] Man kann semantische Beziehungen, z.B. Valenzstrukturen, denotativ und signifikativ bestimmen. Eine denotative Bestimmung bezieht sich auf den bezeichneten Sachverhalt als solchen. Eine signifikative Bestimmung bezieht sich auf die Perspektive, aus der heraus der bezeichnete Sachverhalt von einem Verb in einer bestimmten Verwendung dargestellt (also sprachlich gefaßt) wird." (Welke 1988:58). Vgl. Genaueres dazu B. Wotjak (1985: 270-274). Beim morphosyntaktischen interlingualen Vergleich ist immer eine bestimmte Relativierung nötig. Wegen der rypologischen Verschiedenheit der deutschen und der finnischen Sprache können nur solche Unterschiede berücksichtigt werden, die über die allgemeinen regulären Unterschiede hinauslaufen, d.h., von Unterschieden wie Artikel im Deutschen - Nulläquivalent im Finnischen bzw. Präposition im Deutschen - Lokalkasus im Finnischen usw. muß abgesehen werden. Vgl. dazu z.B. Heischer (1982:121,128). Vgl. zur Explizitation und Implizitation als Typen von Transposition z.B. Malblanc (1968), Vmay/ Darbelnet (1968) und Bausch (1968). Vgl. z.B. Friederich (1976: 248,315,325), DUW 690,832,859 und HWDG 646, 766, 797. Vgl. z.B. Welke (1988: 62ff., 83ff.). Vgl. z.B. Korhonen (1988a: 203f. und 1990:200f.). Vgl. z.B. Friederich (1976:498), DUW 1289 und HWDG 1166. Vgl. Genaueres dazu Korhonen (1988b: 107f.). Eine ähnliche Struktur haben auch u.a. die Idiome die Finger davonlassen und den/seinen Finger darauf haben.
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Literatur Bausch, K.R. (1968): Die Transposition. Versuch einer neuen Klassifikation. In: Linguistica Antverpiensia 2, 29-50. DUW = Duden. Deutsches Universalwörterbuch (1983). Hrsg. und bearb. vom Wissenschaftlichen Rat und den Mitarbeitern der Dudenredaktion unter Leitung von G. Drosdowski. Mannheim/Wien/Zürich. Fleischer, W. (1982): Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig. Friederich, W. (1976): Moderne deutsche Idiomatik. Alphabetisches Wörterbuch mit Definitionen und Beispielen. 2., neubearb. Aufl. München. Hessky, R. (1987): Phraseologie. Linguistische Grundfragen und kontrastives Modell deutsch --> ungarisch. Tübingen (= Reihe Germanistische Linguistik 77). HWDG = Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache in zwei Bänden (1984). Von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von G. Kempcke. Berlin. Korhonen, J. (1988a): Valenz und kontrastive Phraseologie. Am Beispiel deutscher und finnischer Verbidiome. In: Valenzen im Kontrast. Ulrich Engel zum 60. Geburtstag. Hrsg. von P. Mrazovic/W. Teubert (Heidelberg) 200-217. (1988b): Valenz und Verbidiomatik. In: Valenz, semantische Kasus und/oder "Szenen". Hrsg. von G. Heibig (Berlin) (= Linguistische Studien. Reihe A 180) 105-118. (1990): Zur (Un-)Verständlichkeit der lexikographischen Darstellung von Phraseologismen. In: T. Magay/J. Zigäny (eds.): BudaLEX '88 Proceedings. Papers from the 3rd International EURALEX Congress, Budapest, 4-9 September 1988 (Budapest) 197-206. Malblanc, A. (1968): Stylistique compared du francais et de l'allemand. Essai de representation linguistique comparde et Etude de traduction. Quatrieme edition revue. Paris (= Bibliotheque de Stylistique comparee 2). Vinay, J.P./Darbehiet, J. (1968): Stylistique compared du francais et de l'anglais. Mlthode de traduction. Paris (= Bibliotheque de Stylistique compared 1). Welke, K. (1988): Einfuhrung m die Valenz- und Kasustheorie. Leipzig. Wotjak, B. (1985): Zu Inhalts- und Ausdrucksstruktur ausgewählter somatischer Phraseolexeme. In: Deutsch als Fremdsprache 22,216-223,270-277. Wotjak, B./Wotjak, G. (1983): Zur semantischen Mikrostrukturanalyse ausgewählter deutscher Verben. In: Deutsch als Fremdsprache 20,144-151. Wotjak, G. (1985): Zur Vertextung von Argumenten ausgewählter deutscher Verben. In: Grammatik im Unterricht. Dritte sprachwissenschaftliche Konferenz Finnland-DDR 5.-7. September 1984. Hrsg. von K Nyholm (Abo) (= Meddelanden frän Stifteisens for Abo Akademi forskningsinsütut 103) 199-210.
Wolfgang Fleischer KONVERGENZ UND DIVERGENZ VON WORTBILDUNG UND PHRASEOLOGISIERUNG
Wenn hier von Konvergenz und Divergenz die Rede ist, so soll das zunächst einfach heißen: Wortbildung und Phraseologisierung sind Verfahren der Bildung von Nominations- (Benennungs-)einheiten, dienen - in einer wesentlichen Funktion - der Erweiterung des Wortschatzes. Aus dieser gemeinsamen allgemeinen Funktion ergeben sich weitere Gemeinsamkeiten. Doch andererseits bestehen beträchtliche Unterschiede im Sinne einer Komplementarität, einer Funktionsaufteilung; deshalb neben 'Konvergenz' auch 'Divergenz'. Doch die Komplementarität ist nicht ausgewogen. Es finden sich auch Überschneidungen; das Sprachsystem ist nicht völlig durchrationalisiert. In der sowjetischen Forschungstradition werden die Unterschiede stärker betont; Lexik einerseits und Phraseologie (= phraseologischer Bestand) andererseits sind zwei verschiedene Bereiche, Phraseologismen keine lexikalischen Einheiten, keine Lexeme. Ich habe bisher an der Zusammenfassung von Einzelwort (Simplex), Wortbildungskonstruktion und Phraseologismus unter dem Lexembegriff festgehalten und denke, daß es dafür gute Gründe gibt, wenn die Bildung speicherfähiger Nominationseinheiten als entscheidende Gemeinsamkeit angesehen wird. Die Erörterung der dabei benutzten verschiedenen Verfahren und der Funktionsaufteilung innerhalb des Rahmens der Nominationsbildung kann einen Beitrag zur Beschreibung des Sprachsystems leisten und läßt sich auch textlinguistisch, stilistisch und sprachdidaktisch auswerten. Im folgenden greife ich Fragen heraus, zu denen ich mich bisher noch nicht ausführlicher geäußert habe. Es geht um eine vergleichende - um nicht zu sagen: kontrastive - Betrachtung der Wortbildungs- und Phraseologisierungsprozesse in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden.
1. Betrachten wir zunächst das Verhältnis von Ausgangs- und Zieleinheiten. Ich lege hier den Phraseologismusbegriff zugrunde (mit Zentrum und Peripherie), wie ich ihn in Fleischer (1982) dargelegt habe; die satzförmigen Phraseologismen werden im folgenden weitgehend ausgeklammert. Ergebnis der Wortbildung ist eine Nominationseinheit mit der Stabilität der Wortstruktur. Ergebnis der Phraseologisierung ist eine Nominationseinheit in Wortgruppen(Mehrwort-)struktur. Ausgangseinheit der Wortbildung kann sein a) ein Einzelwort oder -stamm (bei expliziter Derivation, Konversion, Analogiebildung wie Wundererwachsener nach Wunderkind);
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b)eine syntaktische Wortverbindung (z.T. bei Komposition, Initialwortbildung, Konversion von Wortgruppen und Sätzen, z.B. Wirkenwollen, aber nicht Wirkenkönnen; Stelldichein, dann stets verbunden mit Univerbierung); c) mehrere Einzelwörter bzw. -stamme ohne syntaktisch explizierte Beziehung: Kompositionsmetaphern (Ölpest), Komposita als ehrende Benennung (FriedrichSchiller-Universität Jena), korrelative Bildungen (entsorgen : versorgen nach dem Verhältnis von entflechten : verflechten), Konfixkomposita (Tele-skop; über den Begriff 'Konfix' vgl. Schmidt 1987), Wortkreuzungen (jein < ja + nein), Reduplikationen (im Klein-Klein des Alltags). Die damit angedeutete Verschiedenartigkeit der durch die unterschiedlichen Ausgangseinheiten bedingten Prozesse der sog. Wort-Bildung verbietet offensichtlich eine verabsolutierende, pauschalierende Behandlung der Wortbildung auf der Grundlage generativer Wortbildungsregeln, die sich an syntaktischen Regeln orientieren. Nun zur Phraseologisierung. Als Ausgangseinheiten kommen größtenteils - doch nicht vollständig - die gleichen Strukturen in Frage, doch sind die Gewichte proportional anders verteilt. An erster Stelle sind wohl konkrete syntaktische Wortverbindungen zu nennen: als freie nominale oder verbale Wortgruppe ohne prädikative Struktur (kalter Kaffee, jmdm. den Kopf waschen), als festgeprägte prädikative Konstruktion (Der Hut geht jmdm. hoch.) und als festgeprägter Satz (Da beißt die Maus keinen Faden ab!). Die Phraseologisierung vollzieht sich in diesen Fällen a) als semantische Umdeutung (Metapher, Metonymie bei partieller oder totaler Idiomatisierung); b) als kommunikativ-pragmatische Fixierung (Routineformeln, kommunikative Formeln); c) als nominative Fixierung ohne semantische Umdeutung (Nominationsstereotype). Bei den Ausgangseinheiten kann es sich zweitens handeln um feste Strukturen wie Sprichwörter (Stille Wasser sind tief. — > Der Oskar ist aber ein stilles Wasser.; Wer ändern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. — > jmdm. eine Grube graben) oder auch Phraseologismen (etwas/viel zu sagen haben — > das Sagen haben). In diesen Fällen handelt es sich um sekundäre Phraseologisierung. Der Vorgang ist hier nicht so weit verbreitet wie bei der Wortbildung, wo sekundäre und tertiäre Wortbildungskonstruktionen massenhaft als Grundlage für die Weiterbildung dienen. Das genannte Phraseologisierungsverfahren entspricht in gewisser Weise auf Seiten der Wortbildung der Komposition syntaktischer Wortverbindungen, nur mit dem Unterschied, daß bei der Wortbildung zugleich eine Univerbierung eintritt und damit eine formativstrukturell gekennzeichnete Statusveränderung, während bei der Phraseologisierung der Formativstatus der syntaktischen Wortverbindung erhalten bleibt (abgesehen von der syntaktischen Auflockerung der satzförmigen Sprichwörter). Ausgangseinheit für die Phraseologisierung muß aber nicht in jedem Falle eine konkrete syntaktische Wortverbindung, sondern kann auch ein syntaktisches Modell
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sein, das lexikalisch phraseologisiert wird: etw. auf etw. haben in freier lexikalischer Füllung Schminke auf den Lippen haben, aber phraseologisiert Haare auf den Zähnen haben. Die konkrete phraseologische Struktur hat hier kein vor- oder nichtphraseologisches Gegenstück, sondern ist originell in ihrer lexikalischen Füllung. Diese Art der Phraseologisiening entspricht bis zu einem gewissen Grade einem Teil der Kompositions- und Derivationsmodelle in der Wortbildung; dort kann es ebenfalls originelle lexikalische Füllungen geben, die außerhalb von Wortbildungskonstruktionen nicht existieren (Kompositionsmetaphern wie Brustkorb). Als Modelle für die Phraseologisiening dieser Art kommen wohl alle syntaktischen Modelle in Frage; eine besonders ausgeprägte Phraseologisierungsaffinität haben jedoch offensichtlich komparative Konstruktionen (stumm wie ein Fisch) und Wortpaare (Haus und Hof, hegen und pflegen). Mit der Phraseologisiening können sich Verschiebungen der syntaktischen Konstruktion ergeben, die zu neuen phraseologismusspezifischen Valenzverhältnissen führen: in der/ einer Schlange stehen (mit "normaler" Adverbialbestimmung bei dem Verb stehen) wird phraseologisiert zu Schlange stehen (ohne Präposition, mit Akkusativobjekt), wobei wohl auch das Modell Wache/Posten stehen/schieben u.a. mitgewirkt hat. Die für die Wortbildung so charakteristische Transpositionsfähigkeit (syntaktische "Umkategorisierung" in eine andere Wortart) ist in der Phraseologie weniger ausgeprägt; eine gewisse Entsprechung stellen aber doch die folgenden Erscheinungen dar: a) Partizip II wird zu einem a d j e k t i v i s c h e n Phraseologismus durch Kombination mit einer adjektivischen Komponente (angebunden -> kurz angebunden). b) Substantiv wird (auch orthographisch) desubstantiviert und zum festen Bestandteil eines v e r b a l e n Phraseologismus (außer acht lassen). c) Präpositionale Substantivgruppe wird zu einem a d v e r b i a l e n Phraseologismus (auf Anhieb, zu Hause). Obwohl syntaktisch die Präposition dominiert, liegt kein präpositionaler Phraseologismus vor. Der adverbiale Charakter zeigt sich in der mangelnden Fähigkeit der Verbindung, wie ein Substantiv als Subjekt oder Objekt fungieren zu können. d) Konstruktionen mit Partizip II werden funktional zu K o n j u n k t i o n e n bzw. P r ä p o s i t i o n e n : gesetzt den Fall, daß (= 'wenn'); es war, Omnibusfahrten abgerechnet, meine erste Autofahrt (= Ohne'). Es ist die phraseologische Fixierung, die in diesen Fällen die syntaktische Transposition in eine andere Wortart ("phraseologische Wortart": Häusermann 1977: 56; Weiteres dazu Fleischer 1982:142f.) bewirkt. Eine Phraseologisiening ganz anderer Art kann endlich von einem einzelnen Wort ausgehen. Das ist der im Vergleich zur Univerbierung durch Wortbildung umgekehrte Weg der Bindung einer Konstituente an eine (oder auch zwei, drei...) feste syntaktische Konstruktionen: auf der Lauer liegen/sich auf die Lauer legen, etw. ausfindig machen. Dieser Typ der Phraseologisiening muß nicht (aber kann) mit speziellen semantischen Umdeutungsprozessen verbunden sein; er bewirkt - wie z.T. die Wortbildung - eine entscheidende Statusveränderung der Ausgangseinheit: Ein frei bewegliches Einzelwort
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verliert den autonomen Lexemcharakter und konstituiert eben dadurch eine phraseologische Wortgruppe. Das ist das Gegenstück zu den Wortbildungskonstruktionen, die umgekehrt aus einer syntaktischen Wortgruppe durch Univerbierung ohne semantische Umdeutung entstehen: Kredit von fünf Millionen Mark -> Fünf-Millionen-Mark-Kredit. Freilich handelt es sich hier um einen in der Phraseologie weniger stark vertretenen Typ als in der Wortbildung, jedenfalls im Deutschen. Dies stellt A.D. RajhStejn (1980: 91) im Vergleich mit dem Russischen fest, und D. DobrovoPskij (1988) kommt zu dem Ergebnis, daß das Deutsche hierin sehr dem Niederländischen ähnele, während das Englische mit einem noch geringeren Anteil deutlich abzusetzen sei. Das könnte - nach Dobrovol'skij - mit der im Deutschen und Niederländischen stärker ausgebauten "agglutinativen Wortbildungstechnik" zusammenhängen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Wortbildung und Phraseologisierung besteht ferner darin, daß Wortbildungskonstruktionen dieser Art (also Univerbierung syntaktischer Konstruktionen ohne Idiomatisierung) vielfach als bewußte Bildung geprägt werden, der einen Phraseologismus konstituierende Unikalisierungsprozeß dagegen über längere Zeiträume allmählich abläuft, ohne daß der einzelne Sprachteilhaber hier bewußt handelt. Allenfalls kann ein durch einen Autor bewußt geprägter Okkasionalismus an einen bestimmten syntaktischen Zusammenhang - zitatmäßig - gebunden bleiben, so daß wir es hier tatsächlich mit einer unikalen Schöpfung zu tun haben: Das Substantiv Blutenträume ist nach DUW 271 "nur in der Wendung" nicht alle Blfitenträume reifen geläufig, also als komplexe Konstruktion an die Goethesche Verszeile aus dem 'Prometheus' gebunden; sie ist in den Wortschatz eingegangen, als "Autorphraseologismus" usualisiert in der Bedeutung 'nicht alles, was man erstrebt, läßt sich verwirklichen'.
2. Wenden wir uns nun den Begriffen 'Produktivität' und 'Aktivität' zu. Mit der Differenzierung der 'Produktivität von Modellen' und der 'Aktivität von Lexemen/Lexemgruppen/Wortarten' habe ich in der Wortbildung die unterschiedliche Orientierung der Beschreibung entweder auf die Zieleinheit oder auf die Ausgangseinheit zu fassen gesucht (vgl. Fleischer 1988). Es wird entweder nach den Modellen zur Bildung von Wörtern einer bestimmten Wortart gefragt (Zieleinheit: Substantiv, Verb ...). Oder es wird nach der Entfaltung einzelner Lexeme usw. in der Wortbildung gefragt (Ausgangseinheit: konkretes Lexem, Lexemgruppe, Wortart): Welche Wortbildungskonstruktionen sind von einer bestimmten Ausgangseinheit bildbar? Verbunden damit ist die Frage nach Determinanten der Wortbildung, nach den Gründen für den unterschiedlichen Ausbau der Wortbildungsnester (Wortfamilien), vgl. Barz (1988) und Nga (1989). So ist etwa festgestellt worden, daß prototypische Adjektive (wie unter den Geschmacksadjektiven z.B. süß, sauer) eine stärkere Wortbildungsaktivität entwickeln als Adjektive an der Peripherie dieser Klassen (fad, schal: nur Fad-, Schalheit; vgl. Barz 1988:160f.).
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Auch für die Phraseologie ist m.E. die Unterscheidung von 'Produktivität' und 'Aktivität' sinnvoll, wenngleich der Modellierung hier engere Grenzen gezogen sind. Ich habe mich dazu ausführlicher an anderer Stelle geäußert (vgl. Fleischer 1986), und die Frage ist sicher nicht ausdiskutiert. Es sei hier lediglich allgemein festgehalten, daß die Modellierung - abgesehen von der Phraseologisierung durch Unikalisierung einer Konstituente - auf der Grundlage syntaktischer Strukturtypen (Komparation: Adjektiv + wie; Wortpaare u.a.) in irgendeiner Weise mit vor- oder nichtphraseologischen Bedeutungselementen entweder einzelner Konstituenten oder der gesamten Konstruktion operiert, selbst dort, wo die phraseologische Konstruktion keine nichtphraseologische Parallelform hat (sich ausschütten vor Lachen). Analogie ist auch hier wirksam, doch die mnemotechnische Verfügbarkeit von Phraseologismen ist wohl geringer als die von Wortbildungskonstruktionen und der Bezug auf das richtige Analogiemuster dadurch erschwert, so daß Akzeptabilität und Verständlichkeit von Analogiebildungen stärker eingeschränkt sein können; vgl. zu dem Phraseologismus mit allen Wassern gewaschen mögliche bzw. tatsächliche Analogiebildungen wie: von allen Winden getrieben/gejagt, mit allen Mitteln kuriert, mit allen Salben geschmiert, durch alle Feuer gejagt, von allen Hunden gehetzt u.a. Etwas anders verhält es sich mit dem Begriff der phraseologischen Aktivität. Damit läßt sich die mehr oder weniger starke Affinität bestimmter Lexeme bzw. Lexemgruppen zur Verwendung als phraseologische Konstituente erfassen. Neben "superaktiven phraseologischen Konstituenten" finden sich solche mit äußerst geringer phraseologischer Aktivität (vgl. Dobrovol'skij 1988: 125f.), und den Gründen dafür wäre nachzugehen. Es öffnet sich ein weites Feld für die Beschreibung der phraseologischen Aktivität etwa der Somatismen, der Eigennamen, der Fremdwörter, des Pronomens es oder der Indefinitpronomina ein/eine/einer, eins, etwas, bestimmter Wortbildungstypen u.a. Dabei werden Vergleiche möglich zwischen der Aktivität von Einheiten einerseits in der Wortbildung und andererseits in der Phraseologie. Für das Partizip II etwa - hier exemplarisch vorgeführt - sind in der Wortbildung charakteristisch: a) die Konversion zum Adjektiv (eingebildet);
b) die Konversion zum Substantiv (der/die Angestellte, das Abgeschriebene); c) die Verwendung als Zweitglied adjektivähnlicher Komposita (kompromißgeneigt, gehbehindert); d) die explizite Derivation von substantivischen Eigenschaftsbezeichnungen mit Hilfe vor allem der Suffixe -heit (Aufgeregtheit) und -schaff (Errungenschaft); e) die Adverbialisierung durch explizite Derivation mit -maßen ('wie + Part. II + ist/wird'): erwiesener-, anerkannter-, eingestandenermaßen; f) die Negation durch un-, die in einer Reihe von syntaktischen Konstruktionstypen nicht durch nicht ersetzt werden kann: die Briefe ungeöffnet lassen. Nur gering (oder ganz gleich Null) ist dagegen die Aktivität des Partizips II in folgenden Fällen:
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a) als Erstglied substantivischer Komposita (Gebrauchtwaren); b) als Erstglied adjektivischer Komposita und dies im Unterschied zur ausgeprägten Verwendung als Zweitglied (s.o. unter c)); mit Partizip I vgl. dagegen Bildungen wie siedendheiß; c) als Derivationsbasis für adjektivische Suffixbildungen (*aufgeregtlich, -haft, -mäßig usw.), während ja einschlägige deadjektivische Suffixderivate etwa mit -lieh (kränklich) durchaus üblich sind; d) die explizite Derivation wie auch die Konversion zum Verb (*vergebildeten, »eingebildeten u.a.). Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen: (l)Die partizipialen Bildungselemente (ge-, -t, -en) vertragen sich nicht mit der Verwendung des Partizips II als kompositionelles Erstglied und mit Wortbildungssuffixen. Daher dominiert einerseits die phraseologische Konstruktion (anstelle der Komposition) und andererseits die affixlose Konversion zum Substantiv und Adjektiv (anstelle der expliziten Derivation). (2) Es gibt davon nur zwei Ausnahmen. Die eine liegt auf der Linie deadjektivischer substantivischer Eigenschaftsbezeichnungen (-heit, -schaft). Eben diese Transpositionsrichtung entspricht offenbar einem wesentlichen Benennungsbedürfnis und stellt ein Minimum auch deadjektivischer Wortbildungsaktivität dar, wie auch die obengenannten einzigen Fälle von fad - Fadheit und schal - Schalheit zeigen. Die andere Ausnahme betrifft die Adverbialisierung. Die Transposition des Partizips zum Adverb durch das Suffix -maßen ist innerhalb eines kleinen Bereiches ein Ersatz für die in der deutschen Gegenwartssprache fehlende Möglichkeit deadjektivischer Adverbialisierung; das Modell mit -lieh ist nur in Resten erhalten (schwerlich). (3) Der Doppelcharakter des Partizips II als Adjektiv und als Verb zeigt sich darin, daß sich weder adjektivische noch verbale Derivate bilden lassen (abgesehen von der Präfixnegation mit un-); es fungiert zwar adjektivisch wie auch verbal, aber doch mit speziellen Einschränkungen. Die Konversion zum Verb funktioniert nicht, weil die grammatischen Bildungselemente dieser i n f i n i t e n Verbform sich nicht mit deren f i n i t e n Personalendungen vertragen. Betrachten wir nach der Wortbildungsaktivität des Partizips II nun seine phraseologische Aktivität, so ist auch hier festzustellen: Sie ist durch den Doppelcharakter einerseits als Form des Verbparadigmas und andererseits als syntaktisches (und z.T. semantisches) Äquivalent von Adjektiven bestimmt; aus der letztgenannten Eigenschaft ergibt sich z.B. die besondere Aktivität als attributive Konstituente von substantivischen Phraseologismen (da keine Kompositionsaffinität, s.o.), vgl. ungelegte Eier, aufgeblasener Kerl, gemachter Mann. Substantivierte Partizipialfonnen haben dagegen nur eine geringe phraseologische Aktivität (alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen), was wohl mit der starken Kompositionsaktivität der Substantive zusammenhängt (der Schutzbefohlene). Phraseologismen mit partizipialer Konstituente schließen Lücken innerhalb der adjektivischen Phraseologismen (kurz angebunden, von allen guten Gei-
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stern verlassen): Das Partizip II bietet stärker als das Adjektiv die Möglichkeit syntaktischer Erweiterung durch Präpositionalgruppe oder Adjektiv bzw. Adverb. Stark ausgeprägt ist die phraseologische Aktivität des Partizips in komparativen Phraseologismen (lügen wie gedruckt); dabei ist eine Bindung an bestimmte (Gruppen von) Verben kennzeichnend. Die Mehrzahl verbaler Phraseologismen mit partizipialer Konstituente ist an die Hilfsverben haben und sein gebunden, wobei sein bei weitem überwiegt (jmdm. verbunden sein, angewiesen sein auf jmdn., zerfallen sein mit jmdm., etwas/nichts ausgefressen haben). Univerbierung von Konstruktionen mit diesen Verben (also haben, sein) tritt im Unterschied zu manchen anderen Verben (verlorengehen, gefangennehmen) nicht ein, so daß die Konstruktionen mit haben und sein ein Reservoir für Phraseologismen bilden. Was die für Phraseologismen kennzeichnende lexikalische Stabilität (fehlende oder stark beschränkte Möglichkeit synonymischer Variation einzelner lexikalischer Konstituenten) betrifft, so zeigt sich diese auch auf Seiten der Wortbildung; hier in der unterschiedlichen Kompositionsaktivität von Synonymen, wie an den beiden synonymen Substantiven Anfang und Beginn exemplarisch zu demonstrieren ist. Als kompositionelle Z w e i t glieder finden sich beide nebeneinander in stattlicher Anzahl: Arbeitsbeginn/ -anfang, Herbstbeginn/-anfang u.v.a. Als kompositionelles E r s t glied tritt jedoch nur Anfang- auf; es gibt kein kodifiziertes Kompositum mit Beginn-, doch verzeichnet das DUW 107 zwölf Komposita mit Anfang(s)-: -erfolg, -gehalt, -geschwindigkeit u.a. Vom Substantiv Beginn ist übrigens auch kein explizites adjektivisches Derivat üblich, wohl aber von Anfang (anfänglich). Ähnlich verhält es sich mit den adjektivischen Synonymen effektiv und wirksam, offiziell und amtlich, wobei der heimische bzw. nichtheimische Charakter eine Rolle spielt. Als Zweitglieder werden die heimischen Entsprechungen deutlich bevorzugt: publikums-, erziehungs-, praxis-, rechts-, werbewirksam; ehren-, neben-, hauptamtlich, aber regierungsanitlich/-offiziell (vgl. Safronova 1989). Zwischen amtlich und offiziell besteht allerdings noch ein semantischer Unterschied; amtlich hat ein Semem, das von offiziell nicht abgedeckt wird. Das skizzierte Verhältnis von Aktivität in der Wortbildung und Aktivität in der Phraseologie hat noch eine andere Seite der Wechselwirkung: die phraseologische Aktivität von Wortbildungskonstruktionen einerseits und die Wortbildungsaktivität von Phraseologismen andererseits. Zur erstgenannten Frage ließen sich - über die oben getroffene Feststellung des Zusammenhangs von Wortbildungstechnik und Unikalisierung von Konstituenten hinaus - wohl noch Einsichten in das unterschiedliche Verhalten bestimmter Wortbildungstypen finden. Darauf kann hier nicht mehr eingegangen werden. Was die zweite Frage betrifft, so ist über die dephraseologische Derivation (das/sein Gesicht verlieren -> Gesichtsverlust) an anderer Stelle gesprochen worden (vgl. Fleischer 1982:189ff.).
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3. Zur Funktionsaufteilung zwischen Wortbildungskonstruktionen und Phraseologismen als Nominationseinheiten soll hier noch folgendes vermerkt werden (im übrigen vgl. Fleischer 1991). Das konverse Verhältnis von Wortbildungskonstruktionen und Phraseologismen in bezug auf die Wortarten Substantiv und Verb kommt auch in der Limitierung der Komplexität zum Ausdruck. In der Wortbildung sind die polymorphemischen Komposita (mit vier und mehr Grundmorphemen) lediglich beim Substantiv vertreten; das Verb zeigt bekanntlich nur eine äußerst geringe Kompositionsaffinität und überhaupt geringe Komplexität. In der Phraseologie dagegen sind die Konstruktionen mit der größten Zahl von Basiskonstituenten gerade beim Verb zu finden (ein Gesicht machen wie drei Tage Regenwetter, nicht alle Tassen im Schrank haben u.v.a.). Die substantivischen und adverbialen Phraseologismen zeigen allenfalls Erweiterungen durch eine präpositionale Gruppe (Liebe auf den ersten Blick) oder ein Genitivattribut. Die im Deutschen durchaus syntaktisch möglichen umfangreichen Substantivgruppen mit Reihen oder Blöcken von Attributen werden offensichtlich nicht phraseologisiert, sondern hier tritt die substantivische Komposition ein, vielfach mit Durchkopplungsbindestrich (Feld-Wald-und-Wiesen-Doktor). Dem in der Wortbildung eher ausgewogen erscheinenden Verhältnis von Möglichkeiten der Diminution (Suffixe beim Substantiv, auch beim Adjektiv -lieh, beim Verb -l-(n) und Augmentation (Präfixe wie erz-, un-, super- u.a., Komposition) gegenüber erscheint das phraseologische System eher unproportional nach dem Pol der Augmentation ausgebaut (auch Intensivierung, Steigerung): Phraseoschablonen mit Wiederholung, expressive Bilder, modellhafte Konstruktionen wie sich umbringen vor, sich ausschütten vor, Körperteilbeschädigung (sich die Augen ausgucken), vgl. Fleischer (1982: 136, 184, 200 u.ö.). Die leisen Töne scheinen hier zu fehlen oder doch stark zurückzutreten; dies sei mit aller Vorsicht gesagt. Es gibt eine ganze Serie verstärkender Adverbien mit phraseologischer Bindung an ein bestimmtes Verb oder eine begrenzte Verbgruppe: windelweich (schlagen), hochkantig (hinauswerfen), weidlich (auslachen, sich plagen), lauthals (loslachen) u.a. Entsprechende abschwächende, diminuierende Gegenstücke scheinen - wie ich gegenwärtig annehmen möchte - zu fehlen.
4. Wenden wir uns noch einigen Fragen des Auftretens der hier besprochenen Nominationsstrukturen im Text zu. Da die Phraseologisierung - wie gezeigt - im Unterschied zur Wortbildung (von den Konstruktionen mit unikaler Komponente abgesehen) nicht zwangsläufig mit einer Statusveränderung der Formativstruktur verbunden ist, spielt eine anderweitige Indizierung des phraseologischen Charakters einer Konstruktion im Text eine größere Rolle. Besonders relevant wird diese Frage natürlich bei historischen Texten, wo die sprachliche Kompetenz des heutigen Rezipienten eingeschränkt ist. Ich beziehe mich hier aber nur auf die Gegenwartssprache. Es gibt verschiedene Typen von Phraseologie-Signalen. Sie zeigen u.a., daß die Feststellung, die Phraseologisierung erfolge auf der Grundlage der gleichen syntakti-
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sehen Strukturen, die für freie syntaktische Wortverbindungen gelten, tatsächlich nur mit dem Akzent auf "Grundlagen" gilt. Diese "Grundlagen" bilden den Bezugspunkt für die phraseologische Spezifik. Ich verweise auf folgende Indizierungsphänomene: (1) Phraseologismusspezifische Verbvalenz (konstruktionsinterne Valenz, vgl. über "Konstruktionsgerüst" Fix 1976: 41): staunen + Akkusativobjekt ('etw.') - Hauklötze staunen; jmdm. gehen auf etw. (den Docht/den Geist/die Nerven). Dabei ist nicht nur die syntaktische Wertigkeit, sondern auch die semantische Subkategorisierung der Ergänzungsbestimmungen zu berücksichtigen. Während die Wortbildung über spezifische nicht wortfähige Elemente als Bestandteile der Wortstruktur verfügt (Affixe, Konfixe), gibt es in der Phraseologie als syntaktisches Gegenstück spezifische syntaktische Strukturen, die eben an phraseologische Konstruktionen gebunden sind. Welche Rolle die semantische Subkategorisierung dabei spielt, zeige folgendes Beispiel: etw. (Wohnung. Zimmer) auf den Kopf stellen ist phraseologisch; jmdn. (Mann, Sohn) auf den Kopf stellen ist dagegen nicht phraseologisch. (2) Besonders zu nennen sind hier ferner die sog. Phraseoschablonen, syntaktische Modelle mit variabler lexikalischer Füllung und einer an das syntaktische Modell gebundenen idiomatischen Bedeutung. Zu den in den gängigen grammatischen Darstellungen in diesem Zusammenhang, soweit ich sehe, gewöhnlich nicht erwähnten Strukturtypen gehören u.a.: a) sich geben + Partizip II eines Verbs der Gefühlsäußerung - sich gelassen/verärgert geben 'den Eindruck erwecken, als ob man... wäre' (auch mit Adjektiven wie ruhig, heiter u.a.); b) sich sehen + Partizip II eines Verbs der Nötigung - sich gezwungen/veranlaßt sehen 'zu der subjektiven Feststellung kommen, daß man zu einer bestimmten Handlung gezwungen/veranlaßt wird'; c) etw. wissen wollen + Partizip II eines Tätigkeitsverbs - Er will die Angelegenheit erledigt wissen. 'Er wünscht, daß ... erledigt wird'. (3) Nicht selten sind weiterhin, wie schon oft festgestellt, spezifische morphosyntaktische Formen phraseologischer Konstituenten ("Anomalien"), etwa im Artikelgebrauch: auf Draht sein - auf dem Draht sein, Lunte riechen - die Lunte riechen. Die Artikelspezifik steht bisweilen in Verbindung mit weiteren Spezifika z.B. der Flexion (zu Stuhle kommen - zum/zu dem Stuhl kommen) und der Wortstellung (gewonnenes Spiel haben - das Spiel gewonnen haben). (4) Phraseologismusspezifische semantische Kompatibilität, die für nichtphraseologische Kombinationen nicht gegeben ist, tritt insbesondere in hyperbolischen Konstruktionen (Steigerung, Intensität, s.o.) auf: sich die Lunge aus dem Halse schreien, aus der Haut fahren. (5) Wo sich die Möglichkeit orthographischer Indizierung einer phraseologischen Konstruktion bietet, wird auch diese genutzt, und zwar sowohl in dudengemäßer als auch in dudenwidriger Weise. Die Möglichkeit bietet sich einerseits bei verbalen Phraseologismen mit substantiviertem Adjektiv und andererseits bei substantivischen Phra-
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seologismen mit attributivem Adjektiv durch den Kontrast von Groß- und Kleinschreibung. Im erstgenannten Fall ist die Kleinschreibung des "substantivierten" Adjektivs dudengemäß in Phraseologismen wie im dunkeln tappen 'im Ungewissen sein'. Hier schreibt der Duden die orthographische Indizierung des Phraseologismus durch kontrastierende Kleinschreibung vor. Doch wird diese Regel keineswegs konsequent befolgt; DUW 938 kodifiziert ins Leere gehen, vgl. auch: "die Pfeile [...] trafen ins Leere" (Süddt. Zeitung 22.11.90). - Was den zweiten Fall betrifft, so begegnen heute zunehmend Fälle mit Großschreibung des Adjektivs wie der Runde Tisch '(beratendes) Gremium gleichberechtigter Repräsentanten', der Rote Hahn 'Feuer' u.a. Die Schreibungen widersprechen dem Duden, der Großschreibung nur in Eigennamen und Titeln vorschreibt. Nichtsdestoweniger setzen sich nicht nur die Presse, sondern auch Autoren wissenschaftlicher Arbeiten über die Dudenregelung hinweg, indem beispielsweise auch Mehrworttermini mit Adjektiv großgeschrieben werden: Prinzip der Inneren Führung (in der Bundeswehr), Forschungsinstitute für Künstliche Intelligenz u.a. (6) Schließlich werden auch verschiedene Möglichkeiten metasprachlicher Markierung phraseologischer Konstruktionen verwendet. Am meisten verbreitet sind wohl die Anführungszeichen. Mit Bezug auf die Anpflanzung von Bäumen ist in einer Zeitung die Rede davon, daß man die "Grüne Lunge" des Kreises erweitern müsse (Leipziger Volkszeitung 14.4.80). - Dasselbe Mittel wird zur Kennzeichnung auffälliger Wortbildungskonstruktionen verwendet: "kinderfeste" Bohlen- und Palisadenkonstruktionen (Weltbühne 37/79). Findet sich keine Indizierung einer phraseologischen Konstruktion entsprechend den genannten Möglichkeiten, dann bleiben die semantischen Textrelationen. - Die eingeschränkte syntaktische Expansions- und Transformationsfähigkeit (Nominalisierung, Passiv-, Relativsatz, Fragesatz usw.), die für eine große Zahl von Phraseologismen in abgestufter Weise gilt, ist ja an einem gegebenen Textvorkommen nicht unmittelbar abzulesen.
5. Der entscheidende Unterschied zwischen Wortbildungskonstruktion und Phraseologismus liegt also nicht in der semantischen Umdeutung (partieller oder totaler Idiomatisierung durch Metaphorisierung oder Metonymisierung); die gibt es in beiden Typen von Benennungsstrukturen, und zwar in beiden auch in abgestufter Weise, vgl. einerseits gesalzene Rechnung - Kopfbahnhof (Idiomatisierung der ersten Konstituente), alter Hase - Kostenlawine (Idiomatisierung der zweiten Konstituente), unbeschriebenes Blatt - Augenblick (Idiomatisierung des Gesamtausdrucks). Für beide Strukturen gibt es auch die Remotivation, die Rückgängigmachung der Idiomatisierung (Demotivation). Allerdings geschieht dies auf unterschiedliche Weise. In einer Wortbildungskonstruktion wird die konstruktions e x t e r n e Bedeutung der beiden unmittelbaren Konstituenten - und damit konstruktions i n t e r n die entsprechende semantische Beziehung zwischen ihnen - reaktualisiert. Durch den Kontrast zwi-
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sehen der "eigentlichen" idiomatischen Gesamtbedeutung der Wortbildungskonstruktion und der reaktualisierten Eigenbedeutung der Konstituenten entsteht eine expressive Bildung, deren stilistischer Effekt an den Textzusammenhang gebunden ist. Bewirkt wird dies in der Regel durch den Gebrauch formaler Mittel wie etwa den distanzierenden Bindestrich: "Dafür werden andere Erinnerungszeichen [.„] merk-würdig" (Chr. Wolf). Bei Wortbildungskonstniktionen wird das Verfahren derartiger Remotivation weit seltener angewandt als bei phraseologischen Konstruktionen. Hier geschieht die Remotivation weniger durch konstruktions i n t e r n e Mittel (wie bei der Wortbildung), sondern im allgemeinen durch entsprechende Gestaltung der wendungs e x t e r n e n Textstruktur. Auch hier lebt die besondere Wirkung vom Spannungsverhältnis zwischen idiomatischer und wörtlicher Bedeutung, einer "Überlagerung der beiden Partituren" (Grociano 1987: 203); nur sind natürlich die Gestaltungsmöglichkeiten für die phraseologische Wortgruppenstruktur vielfältiger: "Man kann sich nicht aufs hohe Roß setzen, wenn das Roß ein alter Gaul ist und hinkt." (Weltbühne 31/90).
6. Ich fasse abschließend zusammen. In der Bildung von komplexen Nominationseinheiten liegt eine entscheidende Gemeinsamkeit von Wortbildung und Phraseologisierung, wobei allerdings jedes dieser Verfahren in sich stark differenziert ist. (1) Beide Verfahren nutzen nur teilweise die gleichen Bausteine für ihre Komplexe: a) Nur für die Wortbildung kommen in Frage Einzelstämme unterhalb der Wortgrenze (Affixe, Konfixe). b) Vorwiegend für die Wortbildung kommen in Frage Einzelwörter (teilweise auch für Phraseologismen). c) Typisch für die Phraseologisierung ist die syntaktische Wortverbindung geeignet (teilweise auch für die Wortbildung). (2) Beide Verfahren können (aber müssen nicht) die Formativstruktur der Ausgangseinheit ändern: Wortverbindungen werden durch die Wortbildung univerbiert; phraseologische Unikalisierung eines Einzelwortes führt zu einer festen Wortverbindung (Multiverbierung). (3) Beide Verfahren erfolgen auf der Grundlage von Modellen oder als Analogiebildung zu bestimmten Einzelkonstruktionen. Den Modellen der Wortbildung entsprechen bei der Phraseologisierung die Modelle syntaktischer Wortverbindungen, die in phraseologismusspezifischer Weise mit lexikalischem Material gefüllt werden, also keine nichtphraseologische Parallele haben. Von Produktivität der Modelle läßt sich mit Bezug auf Phraseologismen allerdings nicht in gleicher Weise sprechen wie in der Wortbildung, wohl aber von einer gewissen phraseologischen Affinität von komparativen Strukturen und Wortpaaren. Dagegen läßt sich die phraseologische Aktivität einzelner Konstituenten eher mit der Wortbildungsaktivität vergleichen.
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(4) Beide Verfahren kennen auch die syntaktische Transposition der Ausgangseinheit in eine andere Wortart. Diese für die Wortbildung so charakteristische Funktion (mit Affigierung oder als Konversion) hat auf Seiten der Phraseologie ihr Gegenstück z.B. in der phraseologischen Verbalisierung von Substantiven und Adjektiven sowie der phraseologischen Adverbialisierung von präpositionalen Substantivgruppen. (5) Beide Verfahren nutzen die semantische Umdeutung (Idiomatisierung, Metaphorisierung), doch ist sie weder für die Fixierung der Wortstruktur noch der phraseologischen Wortgruppenstruktur obligatorisch. Einen prinzipiellen Unterschied zwischen Wortbildung und Phraseologisierung konstituieren weder die semantische Umdeutung vorhandener Konstruktionen noch die konstitutive Metaphorisierung. (6) Dieser liegt vielmehr begründet in der Differenzierung von Wortstruktur (Wortbildung) und Wortgruppenstruktur (Phraseologisierung). Die speziellen nominativen und textstrukturellen, stilistischen Möglichkeiten der Wortbildung liegen in der einerseits begriffskonsolidierenden und andererseits syntaxverdichtenden Wortstruktur. Die speziellen nominativen und textstrukturellen, stilistischen Möglichkeiten der Phraseologie liegen in der assoziationsaktivierenden und Vorstellungskonkretisierenden Expressivität sowie den vielfältigen Modifikationsweisen der Wortgruppenstruktur. Die textgebunden modifizierte Verwendung des phraseologischen Stereotyps ist in Presse und Publizistik wie auch in der Belletristik sehr verbreitet (ausführlich dazu Wotjak 1989); hier liegen ergiebige "textbildende Potenzen" (vgl. Dobrovol'skij 1980) von Phraseologismen. Mit Wortbildungskonstruktionen kann in ähnlicher Weise operiert werden, nur ist dort der Aktionsradius - entsprechend der stärker gebundenen Wortstruktur - geringer, weitgehend auf einen Ganzsatz beschränkt. Aus der Verschiedenartigkeit von Wortstruktur und Wortgruppenstruktur ergeben sich schließlich die Spezifik der Indizierung des phraseologischen Charakters syntaktischer Wortverbindungen auf verschiedenen Ebenen und die umgekehrt proportionale Limitierung des Grades der Komplexität von Wortbildungskonstruktionen und Phraseologismen bei Substantiv und Verb.
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Lauri Seppänen WORTBILDUNG GESTERN UND HEUTE Kompositum als Abbild der Wirklichkeit?
1. In einer repräsentativen, modernen Einführung in die Wortbildungslehre heißt es, die Komposita seien "pieces of frozen reality". In einer ebenso repräsentativen Untersuchung zur modernen Sprachphilosophie lautet eine zentrale These, die sprachliche Bedeutung sei "frozen action". Die Ansicht, die Sprache sei eine Art Gefriertruhe, die sprachliche Zeichen mit treuen Abbildchen der Realität schön aufbewahre, scheint durchaus natürlich zu sein. Sie war ja schon immer die herrschende Lehre, ihre Wurzeln reichen bis in die frühesten Schriften der griechischen Philosophen, für die die Sprache einfach ein Reflex der Wirklichkeit war. Daß unter Reflex und Wirklichkeit je oft sehr Verschiedenes, sogar Gegensätzliches, verstanden wurde, ändert an dieser Grundposition nichts. Nach dieser fast einmütigen Lehre ist die Sprache nur Folgeerscheinung und als solche ein recht belangloses Ding im Vergleich mit der Realität, die man - wenn vielleicht nicht vollständig, so doch zur Genüge - zu erkennen glaubte. Oft genug, beispielsweise in mittelalterlicher Religiosität, wurde die "äußere" Sprache sogar als das Böse schlechthin gekennzeichnet. Allerdings ist die uns so selbstverständliche Natürlichkeit der besagten Ansicht wahrscheinlich alles andere als universell bzw. angeboren, sondern eher geschichtlich oder kulturell bedingt und recht jungen Datums. Man denke an die magisch-mythischen Vorstellungen von der Zaubermacht des Wortes, oder an den biblischen Bericht vom göttlichen Wort, verbum, das in principio erat, und durch welches das ganze Sein erschaffen wurde. "Natürlich" ist die Reflexvorstellung eventuell nur in der abendländischen Kulturtradition, und belegbar ist sie etwa seit dem ersten großen griechischen Philosophen Heraklit, also etwa seit dem 6. Jahrhundert v. Chr.
2. Heraklit und nach ihm die meisten griechischen Denker scheinen der Ansicht gewesen zu sein, daß derselbe logos das gesamte Sein, Denken und Sprechen gestaltet, weshalb die Struktur aller dieser Bereiche analog oder völlig identisch war. Hieraus ergab sich die Notwendigkeit, Denken und Sprechen (fast) nur von der Realität abzuleiten, sie waren ja nur passive Spiegelbilder der Dinge. Etwa hundert Jahre später beschrieb der Begründer der atomistischen Lehre, Demokrit, sehr anschaulich die Widerspiegelung der Wirklichkeit in den Menschen: Die Gegenstände senden ununterbrochen Atomgruppen, Eidola, aus, welche feine und unsichtbare, aber nichtsdestoweniger materielle Abbildchen der Dinge sind und die durch Eindringen in die Sinnesorgane Wahrnehmen, Denken und Sprechen ermöglichen. Denken und Sprechen waren daher (mindestens prinzipiell) treuer Spiegel des Seins - eine Metapher, die noch das ganze Mittelalter und
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z.T. sogar die Neuzeit oft wiederholt. Die so verstandene Sprache mochte einerseits eine belanglose Entität sein. Andererseits brachte sie jedoch einen riesigen Gewinn: Eben als Analogen des Seins bot sie prinzipiell einen direkten Zugang zum letzten Grund der Wirklichkeit. Als dann dieser Gewinn durch spätmittelalterliche und besonders neuere Entwicklungen der Philosophie sehr fragwürdig wurde, blieb von dieser Analogielehre nur noch der Reflexstatus der Sprache übrig. Das Dogma lautet seitdem etwa so: Irgendwie m u ß das Sein in der Sprache abgebildet sein, aber durch ärgerliche Begriffe wie etwa Vernunftkategorien (I. Kant), kategoriale Wahrnehmung (E. Husserl), Bilateralität des Zeichens (F. de Saussure) usf. ist der einmal so klare Spiegel der Sprache so weit verdunkelt, daß er uns den Einblick in die Wirklichkeit möglicherweise ganz verwehrt. Aber von der Antike bis zum Hochmittelalter waren solche Skrupel kaum bekannt. Die entscheidende Frage nach der "Natur der Wirklichkeit" galt ja damals zumeist als gelöst, wie das vorhin genannte Logos-Dogma des Heraklit und vor allem die Ideenlehre Platos zeigen. Deshalb konnten die Griechen wie auch noch die mittelalterlichen Scholastiker und Modisten guten Gewissens die Sprache mit der Wirklichkeit vergleichen. Ihnen waren ja, ganz im Gegensatz zu uns, beide sehr wohl bekannt. Besonders in der Nachfolge Platos dachten wohl die meisten, vereinfacht gesagt, daß jedem Sprachzeichen eine Idee in der übersinnlichen Realität entspricht. Falschheit der Sprache wurde schon von Plato dadurch erklärt, daß der Sprecher nicht die angemessene, sondern eine andere, falsche Idee und entsprechend ein falsches Wort wählt (vgl. unten 'Hermogenes'). Und bei den Sprachspekulationen jener Zeit handelte es sich auch vor allem um die Wahrheit, um die "Richtigkeit der Wörter" (lat. recntudo nominum). Wahrheit bestand natürlich in der adaequatio intellectus ad rem, d.h. in der Übereinstimmung der Sprache mit der (ideell verstandenen) Wirklichkeit. Die Übereinstimmung wurde entweder als i k o n i s c h oder als s y m b o l i s c h aufgefaßt, m.a.W., die Sprache war entweder ein materielles Bild (die sog. physei-These) oder nur ein Symbol (die sog. f/iesei-These) der Realität - im letzten Falle herrschte zwischen Sprache und Wirklichkeit nur die Ähnlichkeit der Struktur, nicht die des konkreten Abbildes. Da keine Einigkeit darüber erreicht wurde, ob nur Sätze oder vielleicht auch Wörter wahr oder falsch sein konnten, zog man bei den Wahrheitsspekulationen mit Vorliebe eben Komposita als konkrete Beispiele heran. Diese haben ja den Vorteil, daß sie als beides (Satz und Wort) gedeutet und offenbar für wahrheitsfähig gehalten werden können; sie scheinen ja etwas zu behaupten. Dies ist der Fall auch im 'Kratylos' Platos, dem wohl wichtigsten antiken Traktat zur Sprachphilosophie. Dort wird beispielsweise erklärt, der Name Hermogenes bedeute nach seinem etymologischen Sinn 'jmd. gehört zur Sippe des Hermes', stelle also eine Behauptung dar. Logisch sei der Name zwar richtig, da er ja den Gesprächsteilnehmer mit diesem Namen wirklich bezeichnet. Dies sei jedoch von sekundärem Wert, die Wahrheitsfrage betreffe die Übereinstimmung der im Namen enthaltenen Definition ('zur Sippe des Hermes gehörend') mit der Wirklichkeit.
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Und da der Hermogenes des 'Kratylos' gerade nicht zu dieser Sippe gehörte, sei sein Name ontologisch falsch.
2.1. Interessanterweise - dies sei vorwegnehmend kurz angedeutet - ist das, was Sokrates im 'Kratylos' "falsch" nennt, im Grunde nichts anderes als was in der modernen Linguistik "lexikalisiert", "demotiviert", "idiomatisiert" etc. heißt. Der Gedankengang ist fast derselbe: Die Komposita sind Definitionen der Dinge, leider nur oft oder fast immer falsche, weshalb sie korrigiert werden müssen, und zwar durch den Vergleich mit der Wirklichkeit. In einem vielzitierten Artikel heißt es, z.B. Uhrmacher bedeute 'jmd. macht Uhren'. In der heutigen Wirklichkeit sei diese Bedeutung (Definition) jedoch nicht mehr zutreffend, jetzt müsse sie lauten: 'jmd. repariert Uhren oder sendet sie in Fabriken ein'. Dies erscheint in einer gewissen Weise genau so einleuchtend wie die Sokratische Erklärung von Hermogenes. Uns gegenüber hatte Sokrates jedoch eine sehr starke Legitimation für sein Verfahren: Ihm - und im Glauben seiner Zeit - war die Wirklichkeit genau bekannt. Uns ist sie ja wenigstens in dieser Schlichtheit längst abhanden gekommen. Wir sind absolut nicht mehr zu der "edlen Einfalt" der Griechen berechtigt. Trotzdem wird wohl jeder von uns mindestens momentan dieser bequemen Praxis verfallen. Ein führender Linguist und Sprachphilosoph sagte neulich, die meisten Linguisten schrieben heute noch, als hätte Kant nicht gelebt.
3. Kehren wir zu unserer kurzen Forschungsgeschichte zurück. Verglichen mit der Antike bringt das europäische Mittelalter kaum etwas prinzipiell Neues, wenn man sich auf die damals weitaus wichtigste Schule beschränkt, nämlich auf den Aristotelischen Realismus. Die hier fundamentale Realitätsauffassung, die wir bis auf Heraklit zurückverfolgen konnten, gewinnt jetzt höchstens schärfere Konturen. Bereits in der Frühscholastik verwandeln sich nämlich die autonomen Ideen von Plato und Aristoteles in die Gedanken eines persönlichen Gottes, der eben nach diesen ursächlichen Gedanken das gesamte Sein erschafft. Und was noch wichtiger ist, er gibt in seiner Offenbarung dem Menschen die Möglichkeit, aus dem so Erschaffenen (als dem vestigium Dei) diese Gedanken-Ideen in wahrhafter Weise zu erkennen. Also: Die Welt ist in ihrem Grunde eine streng durchgliederte Ganzheit, ein ordo universi, und alles Vergängliche ist buchstäblich nur ihr Gleichnis, selbstverständlich auch die menschliche Sprache. Die weitaus bedeutendste sprachwissenschaftliche Schule des Mittelalters, die Modistik, zog aus dieser ontologisch-epistemischen Lage klare Konsequenzen. Grundlage jeglichen Denkens und Sprechens ist die gotterschaffene Ordnung der Realität, der modus essendi. Diese Ordnung spiegelt sich vor allem in dem passiven modus intelligendi (d.h. in dem intellectus possibilis), letztlich aber auch in dessen aktivem Modus (in dem inteüectus agens) unverfälscht wider, und hieraus leitet sich dann der modus significandi,
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d.h. die Sprachform, direkt ab. Was den modus significandi activus betrifft, gab es freilich gewisse Komplikationen. Warum war z.B. lat. piscis Maskulinum und lat. aquila Femininum? Gewisse Modisten neigten dazu, zu sagen, die entsprechenden Eigenschaften 'Aktivität' und 'Passivität' seien nicht den Wesen (d.h. den göttlichen Ideen) dieser Tiere, sondern vielleicht nur den zufälligen Sprachformen zuzuschreiben. Aber die Mehrzahl der Modisten, z.B. der brillante Thomas von Erfurt, lehnte einen so gottlosen Gedanken ab: Der maskuline Name spiegelt immer die gotterschaffene Realeigenschaft Aktivität des bezeichneten Dinges wider, der feminine entsprechend die Eigenschaft Passivität.1 Unter solchen Umständen war die Erklärung auch der Komposita kein allzu schwieriges Geschäft. Sie wurde innerhalb der Modistik auch nicht als Problem empfunden und deshalb nicht eigens thematisiert. Soweit ich sehe, taucht das Kompositum eigentlich nur im Zusammenhang mit dem umstrittenen philosophischen Problem des mixtum auf, d.h. eines aus mehreren Teilen zusammengesetzten Ganzen. Gemäß der eben genannten modistischen Hierarchie ging es hier natürlich vorrangig um die Dinge der Realität, und nur sekundär um Gedanken- oder Sprachdinge. Die ontologische Frage lautete: War z.B. das aus zwei Realdingen 'bene' und 'dictio' zusammengesetzte mixtum 'benedictio' nur Summe der autonomen Teile oder eine ungeteilte Neuschöpfung, in der die ursprünglichen Teile keine Autonomie mehr haben (sondern höchstens akzidentell vorhanden sind)? Mit Thomas von Aquin entschieden sich die meisten Realisten für die letztere Lösung. Da sich die Sprache streng nach dem Sein richtet, war damit auch der Status des sprachlichen Kompositums benedictio festgelegt: Es ist ontologisch falsch, da es durch seine zwei Teile die Existenz von zwei Dingen der Realität suggeriert, wo doch nur eins vorliegt. In Wirklichkeit ist das Kompositum benedictio ein Simplex.2
4. Die angedeuteten Sprachvorstellungen der Griechen und der Modisten mögen heute absonderlich klingen. Im Grunde genommen sind sie aber in der linguistischen Theorie und Praxis auch der Neuzeit keineswegs unbekannt. Ein eklatantes Beispiel hierfür ist J. Grimm, ein Begründer der modernen Sprachwissenschaft und Zeitgenosse Kants und W. von Humboldts. Die von diesen Männern herbeigeführte "kopernikanische Wende" bestand ja gerade darin, daß der uralte, naive Glaube an die Ordnung und die direkte Zugänglichkeit der "Wirklichkeit" zerstört wurde - der Akzent des abendländischen Denkens wurde von den "Objekten" auf das Subjekt, das Ich, verlagert. Kant tat dies bezüglich des menschlichen Denkens durch das "Apriori reiner Formen der Anschauung und des Denkens", Humboldt wiederum bezüglich der Sprache durch die "innere Sprachform". Da nunmehr jede Wirklichkeit, wenn es sie an sich überhaupt gibt, nur Produkt subjektiver Gestaltungskräfte sein kann, möchte man meinen, daß den antikmodistischen Wirklichkeits- und Sprachauffassungen endgültig der Boden entzogen wäre. Erstaunlicherweise scheinen aber gerade die Linguisten, die durch diese Wende doch am stärksten betroffen sein sollten, davon am wenigsten Notiz genommen zu ha-
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ben. Im Gegensatz zu vielen anderen Wissenschaftlern rekurrieren wir immer noch zumeist auf die jungfräuliche Wirklichkeit der Griechen, auf die Objekte an sich. Dies tat im romantischen Sinne nun auch Grimm. Aber ihm war zumindest völlig klar, was er tat. Er war nämlich fest davon überzeugt, daß in den von ihm jahrzehntelang gesammelten Volksliedern, Sagen, Märchen, Mythen und besonders in den Ursprachen die unberührte Wirklichkeit selbst irgendwie enthalten ist und sich selbst unmittelbar ausspricht. Man muß diese Aussprache nur hören, keineswegs über sie meditieren. Die apriorischen Anschauungs- und Denkformen Kants und die innere Sprachform Humboldts waren aber gerade solche Meditation, für Grimm also intellektualistische Verfälschung der schlichten Wirklichkeit. Deshalb lehnte er diese Formen, d.h. den zwischen Welt und Sprache vermittelnden Intellekt (die subjektgebundene Bedeutung) ausdrücklich ab: Zwischen Welt und Sprache besteht für Grimm ein unmittelbares 1:1-Verhältnis. Und dieses Verhältnis besteht bei jedem Sprachzeichen. Jedem "buchstaben", jedem Wort, sei es auch z.B. eine Konjunktion, jeder Satzform etc. entspricht jeweils e i n Gegenstand der Wirklichkeit. Grimm übernimmt beispielsweise die vorhin genannte modistische Auffassung, daß das Genus eines Wortes direkter Reflex einer sexuellen Realeigenschaft des betreffenden Gegenstandes ist. So erstaunlich es auch klingen mag: Grimm schließt sich ausdrücklich der antiken physei-These an, der Abbildthese in ihrer radikalsten Form.3 Geht nun der allgemeine Sprachbegriff Grimms über den der mittelalterlichen Modistik nicht hinaus - er bleibt eher dem antik-mythischen verhaftet -, so müßte auch seine Kompositionslehre in diesen Schranken befangen bleiben. Das scheint tatsächlich auch der Fall zu sein. Vor allem zwei grundlegende Züge der Grimmschen Lehre sind Beweis dafür. Erstens können nach Grimm als e i g e n t l i c h e Z u s a m m e n s e t z u n g e n nur Sprachgebilde gelten, die nachträgliche, einfache Namen der vorgegebenen, einfachen Dinge der Realität sind. Ein Beispiel: Haushund, sagt Grimm, sei ein einfacher Name, weil haus hier nur ein Prädikat von hund sei, allerdings ein wesentliches Prädikat, da es allein genüge, um haushund etwa vom Jagdhund zu unterscheiden. Haushund besage als Name also so viel wie 'hund, der etwas mit haus zu tun hat', sei also völlig allgemein (im Gegensatz zu etwa 'im haus liegender hund', was nach Grimm nur etwas Akzidenteiles bedeutet). Diese einfache und allgemeine Funktion der eigentlichen Zusammensetzung geht nach Grimm zurück auf die ursprüngliche (und daher "wahre") Bedeutung des "compositionsvocals", d.h. des Fugenzeichens, das zwar nur historisch nachweisbar ist (es ist ursprünglich a, wie im Gotischen vein-a-tains), aber noch heute nachwirkt. Modern gesprochen würde also in den echten Komposita ein Nullmorphem stecken, dessen Bedeutung eine allgemeine Definition wäre. - Da nun die Zusammensetzungen Definitionen sind, so sind sie mit allen ihren Eigenschaften von den Dingen der Realität kausal hervorgebracht. Eine eigentliche Zusammensetzung kann schon nicht gebildet werden, wenn vorher kein gemeinschaftlich bekanntes Ding existiert. Einen Haushund kennt jeder, deshalb ist das Wort haushund ein echtes Kompositum,
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ein geläufiges Instrument im Alltagsleben. Er ist offensichtlich "e i n Ding", durch die Eigenschaft 'Haus' für den Alltagsgebrauch genügend spezifiziert. Somit decken sich Ding und Wort vollständig ab. Hingegen kann beispielsweise aus der Fügung der sperling auf dem dach nicht dachsperling gebildet werden, da keine solche Art der Sperlinge bekannt ist. Modistisch gesprochen wäre dachsperling ontologisch falsch, da ihm ja nichts Reales entspricht. Zweitens: Außer der Existenz der realen Dinge führt Grimm noch eine andere, ebenso starke Restriktion für die Bildung der echten Komposita ein, d.h. eigentlich für deren Wortstatus. Das Kompositum Gottesfurcht beispielsweise ist für Grimm etwas völlig anderes als haushund, es ist nämlich nur eine u n e c h t e Z u s a m m e n s e t z u n g . Warum? Grimm zeigt hier, wie treu er seiner antik-modistischen Tradition bleiben will: Jedes Sprachzeichen stammt aus einem Ding der Außenwelt. In haushund ist haus völlig "unconstruierbar", wie Grimm sagt, d.h. ohne jegliche aktualisierende Determination wie Numerus, Kasus etc., daher die eben erklärte allgemeine Bedeutung der eigentlichen Zusammensetzung: Eine allgemeine Form ergibt eine allgemeine Bedeutung, und dieser entspricht ein ebenso allgemein definiertes Ding. Grimm hält m.a.W. auch hier streng fest an der l:l-Beziehung zwischen Zeichen und Ding. An den Sprachformen sind also die Formen der Welt ablesbar. Im Kompositum Gottesfurcht ist aber nun - im Gegensatz zu haushund - das Bestimmungsglied Gottes "construiert", es hat die Flexionsendung -es. Die Bedeutung des Kompositums und damit das gemeinte Realding müssen mithin etwas ganz anderes sein als bei haushund. Grimm zögert auch nicht, eben diese Konsequenz zu ziehen: Die Bedeutung von Gottesfurcht und einer jeden unechten Zusammensetzung sei keine allgemeine und einfache, sondern eine "enge und bestimmte", wie Grimm sagt, und außerdem eine geteilte. Gottesfurcht sei eben wegen seines Flexionszeichens ein Satz, es beinhalte die Behauptung 'jmd. hat Furcht vor Gott'. Und die Entität der Realität, durch die das unechte Kompositum hervorgebracht wurde, sei der aus Teilen zusammengesetzte Sachverhalt, daß jemand vor Gott Furcht hat.4
5. Der Übergang von Grimm zu den Junggrammatikern bedeutet einen zumindest äußerlich sehr starken Wechsel des Forschungsklimas. Dies war die Zeit der aufkommenden Naturwissenschaften (besonders der Biologie und der Medizin) und der weitgehend naturwissenschaftlich-mathematisch orientierten Psychologie (J.F. Herbart). Unter dem Einfluß Ch.R. Darwins schlössen sich A. Schleicher und mit ihm viele Junggrammatiker den biologischen Ideen der Zeit an. Beispielsweise H. Osthoff meinte, die Sprache sei ein Naturorganismus wie die Pflanzen, deshalb sei ihr Sein und Werden ganz von physischen Umweltbedingungen wie Klima, geographische Lage etc. abhängig. Dies ist natürlich auch eine Abbildthese, sicher die primitivste, die je aufgestellt worden ist; ihr gegenüber sind die Ideen Demokrits, der Modisten und Grimms geradezu fortschrittlich. Der scharfsinnige Gegner Schleichers, der Amerikaner W. Whitney, be-
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merkte einmal, daß ihm auch in den Schriften Schleichers selbst keine einzige Sprachform begegnet ist, die durch den Organismusgedanken erklärt wäre. Wie wäre es, wenn wir heute die Frage Whitneys - etwas modifiziert - wiederholten: Welche Fakten der menschlichen Sprachen sind bis heute durch die außersprachliche Realität erklärt? Die psychologisch orientierten Junggrammatiker, H. Paul vor allem, lehnten solchen Organismusgedanken als Unfug ab, überließen aber die "grundlage alles sprachlebens" den dem menschlichen Willen und Wissen völlig entrückten, mechanisch ablaufenden Prozessen der individuellen Seelen. Diese Prozesse sind "ursprünglich durch die Aussenwelt gegeben"5, sie sind m.a.W. direkte Abbilder der Welt, und die so gebildeten psychologischen Kategorien sind ausdrücklich v o r der Sprache da und 'Von der Sprache unabhängig".6 Die sprachlichen Elemente sind dann nichts anderes als nachträgliche Namen solcher psychologischer Kategorien: "Jede grammatische Kategorie erzeugt sich auf Grundlage einer psychologischen. Die erstere ist ursprünglich nichts als das Eintreten der letzteren in die äussere Erscheinung".7 Da für Paul die Sprache nur festhält, was die lebendige Psyche von der Außenwelt uns direkt vermittelt, ergibt sich eine Sprachkonzeption, die mit dem eingangs genannten Gefriertruhegedanken völlig übereinstimmt: "Die grammatische Kategorie ist gewissermassen eine Erstarrung der psychologischen".8 Das stark veränderte, allgemeine wissenschaftliche Klima hat somit in den Grundlagen der Sprachauffassungen, und d.h. vor allem in der Frage nach der Beziehung zwischen Welt und Sprache, keine nennenswerte Änderung gebracht. Obwohl H. Paul W. von Humboldt ausdrücklich als sein Vorbild nennt und von ihm vieles übernimmt, bleibt er in der genannten, entscheidenden Frage ein ausgesprochener Gegner der Humboldtschen Grundidee.9 Hier fügt sich Paul schön in die mittelalterliche Tradition der Modisten ein. Soweit mir bekannt ist, hat Paul nie Kant beim Namen genannt. So ist die Kompositionslehre Pauls wie auch der anderen Junggrammatiker im Grunde nichts anderes als eine mit wenigen Modifikationen ausgestattete Weiterführung der Grimmschen Gedanken. Die wichtigste Änderung gegenüber Grimm ist wohl die verminderte Signifikanz der äußeren Sprachform, die ja für Grimm entscheidend war. Paul verzichtete schon weitgehend auf die formal begründete Unterscheidung zwischen eigentlichen und uneigentlichen Zusammensetzungen - bereits bei Grimm war dies eher Programm als Praxis. Maßgebend wurde zunehmend das dem modistischen mixtum nachgebildete "einfache Ding" der Realität; dieser Grimmsche Terminus wurde nur zum "festen Begriff1 umbenannt. War ein solcher Begriff vorhanden, so war sein Name ein Kompositum. Natürlich führte dies dazu, daß auch Redewendungen und Wortgruppen verschiedenster Art als Komposita charakterisiert werden mußten, z.B. der siebenjährige Krieg.10 Deshalb versucht Paul noch, zwischen Weltding und Sprachform irgendwie zu balancieren, indem er zumindest die Kontaktstellung der Kompositionsglieder verlangt. Aber auch dies bleibt nur Programm, er muß letztlich zugeben, daß z.B. Kap der guten Hoffnung doch eine Zusammensetzung ist.11 K. Brugmann aber schafft ein für allemal klare Verhält-
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nisse und verkündet, daß die Existenz eines gesellschaftlich gültigen "festen Begriffes" allein den Ausschlag gibt. Die Form des sprachlichen Zeichens ist gleichgültig, sie kann ein Satz, eine Wortgruppe oder ein Kompositum im üblichen Sinne sein; wenn sie Name des "festen Begriffes" ist, ist sie in Wirklichkeit ein Simplex.12 Unter dem Druck einer Semantik, die Bedeutung mit außersprachlichen Gegenständen, "festen Begriffen" etc., gleichsetzt, gelangt die junggrammatische Schule zu einer Kompositionslehre, die uns heute vor allem aus vielen transformationalistischen Untersuchungen bekannt ist: Satz, Wortgruppe und Kompositum sind Varianten mit gleichem Inhalt, oder Oberflächenformen mit gleicher Tiefenstruktur, wenn sie denselben Wahrheitswert, d.h. einen gemeinsamen "festen Begriff' haben. Also: Unsere Alltagssprache besteht aus oberflächlichen Zufälligkeiten, aus Unwahrheiten. Sie muß wieder wahr gemacht werden; dies geschieht durch die Wiederherstellung ihrer Korrespondenz mit der Wirklichkeit (mit den "festen Begriffen"). Die lange Geschichte dieser Art der Semantik (vgl. die rationalistischen und logischen Grammatiken) wird von den Junggrammatikern treu fortgesetzt. Gerade mit solchen Falschheiten und Wahrheiten beschäftigen sich im Grunde die meisten junggrammatischen Kompositionslehren. Sehr deutlich zeigt sich dies in einem Beispiel Pauls: "So ist in der botanischen Sprache viola odorata nicht ein wohlriechendes Veilchen, sondern eine bestimmte Veilchenart, die noch durch andere Eigenschaften, als durch den Wohlgeruch charakterisiert wird, und es wird mit diesem Namen auch ein getrocknetes Veilchen bezeichnet, welches keine Spur von Wohlgeruch mehr von sich gibt, und ebenso die nichtblühende Pflanze".13 Der Passus könnte aus einem Lehrbuch der Botanik stammen, denn hier wird eine wissenschaftliche Definition des außersprachlichen Gegenstandes als Bedeutung des Kompositums angegeben. Dies ist grundsätzlich das Verfahren der Junggrammatiker. Odorata' als Definition der gemeinten Veilchenart ist entweder falsch oder zumindest ungenügend, es müssen viele andere Eigenschaften des Gegenstandes hinzugefügt werden, damit Korrespondenz zwischen Kompositum und Sache garantiert ist. Solche Zusätze heißen in der junggrammatischen Literatur "Bereicherungen"; dies war wohl ihr wichtigster Terminus. Ein weiteres Beispiel: Das erste Glied des Kompositums, klagt Paul, sei meistens "in seiner eigentlichen Bedeutung gar nicht mehr zutreffend [...] Unter franz. moyen äge ['Mittelalter'] versteht man ein bestimmt begrenztes Zeitalter, ohne dass sich aus dem Worte moyen ['Mittel'] an sich eine solche Begrenzung ergibt".14 Diese Definition ist nun aus dem Geschichtsbuch in die deutsche Grammatik transplantiert. Fällt auf diese Weise Bedeutung mit wissenschaftlicher Definition zusammen, so wird aus der Alltagssprache ein riesiger catalogus mundi, eine aus Terminologien bestehende, wissenschaftliche Welterklärung.
6. Wiederholen wir: Grundzug auch der meisten modernen Kompositionslehren ist immer noch die schlichte Korrespondenzidee des 'Kratylos'. Das heißt, z.B. Uhrmacher und Schreibfeder seien "lexikalisiert" bzw. unwahr, da sie etwas behaupten, was mit un-
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serer heutigen Welt nicht mehr übereinstimmt. Hier haben wir einen unvermittelten Übergang von der Klasse der Uhrmacher zum Wort Uhrmacher. Es sei Aufgabe des Linguisten, die in der jeweiligen Weltlage angemessene Definition dieser Klasse bereitzustellen, woraufhin es dann möglich sei zu beurteilen, ob das Wort wahr oder falsch ist. Die zu definierende Entität hieß früher "Idee", "modus essendi" oder "fester Begriff1, heute meistens 'Tiefenstruktur". Nehmen wir an, in dem Wort Uhrmacher stecke tatsächlich die Behauptung: 'jmd. macht Uhren'. Was ist hier falsch und wieso kann der Linguist es wissen? Müßte er nicht untersucht haben, womit sich die Uhrmacher der Welt (oder des europäischen Kulturkreises) beschäftigen? Holen wir stattdessen aus einem Konversationslexikon Auskunft: "Uhrmacher, vollhandwerklicher Lehrberuf, der Reparaturen einschließlich Anfertigung bestimmter nicht gängiger Ersatzteile [...] sowie Regulierungen bei Klein-, Groß- und elektrischen Uhren vornimmt. Die Herstellung und der Zusammenbau neuer Uhren wird heute meist in Uhren- oder Uhrenteilfabriken vorgenommen. Der Handwerksbetrieb ist in der Regel mit einem Ladengeschäft verbunden. Die Verknüpfung mit dem Optikerberuf setzt eine entsprechende Zusatzprüfung voraus".15 Also: Die Uhrmacher mögen heute weniger ganze Uhren als deren Ersatzteile machen. Deshalb kann man aber sicher nicht das Wort Uhrmacher zum Lügner stempeln; es sagt nur - wenn es überhaupt etwas sagt - zu wenig aus und kann durch sehr viele andere, genau so treffende Sätze ersetzt werden, z.B.: 'x repariert, kauft, verkauft, reguliert, vermittelt, evaluiert, putzt Uhren, sendet sie in Fabriken ein' etc. etc. Nimmt man außer den Uhren noch die optischen Geräte und alle anderen im Uhrmacherladen erhältlichen Dinge hinzu, so ist vollends klar, daß zur Realdefinition der Klasse der Uhrmacher eine infinite Menge von Sätzen zur Verfügung steht. Auch von der logischen oder syntaktischen Form dieser Sätze läßt sich nichts sagen, denn der Uhrmacher kann z.B. auch definiert werden als jemand, dem die Uhren den Lebensunterhalt gewähren etc. Wie soll man hieraus eine durch Kasusrollen oder Satzglieder markierte Tiefenstruktur oder auch eine einigermaßen überschaubare Menge von solchen Strukturen ableiten? Offensichtlich müßte man eine infinite Menge der Tiefenstrukturen annehmen, was sinnlos ist. Gerade deshalb wollte Chomsky hier nicht mehr mitmachen, er hatte immerhin so viel Respekt vor der "oberflächlichen" Sprachform, daß er Operationen wie Austausch von Macher gegen Reparierer nicht zuließ. Läßt man solche und ähnliche Operationen wuchern, trennt man sich m.a.W. immer weiter von der konkreten Sprachform selbst, so gerät man in den undurchdringlichen Dschungel der sog. "Realität", in eine "gestaltlose Nebelwolke", wie de Saussure sagte. Von der außersprachlichen Welt her - man kann sie verstehen wie man will - läßt sich kein Denken und keine Sprache aufbauen.16 Im Gegensatz zu den lexikalisierten Komposita soll es laut uralter Lehre "nichtlexikalisierte" bzw. "regelmäßige", d.h. wahre Bildungen geben. So heißt es in einer Untersuchung, colour-blind bedeute 'blind with regard to colour' und sei darum nicht lexikalisiert, d.h., es sei eine zureichende Definition des realen Farbenblinden. Nun würde
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sicher kein Augenarzt dies akzeptieren, die Farbenblinden sind ja nicht blind. Und wiederum besteht die Definition des Sachverhaltes aus so heterogenen Sätzen, daß von ihnen keine syntaktisch eindeutige Tiefenstruktur abgeleitet werden kann. Bei farbenblind scheint zumindest ein Bezugspunkt in der Außenwelt zu existieren, nämlich die Klasse der farbenblinden Menschen. Sehr bezeichnend ist nun, daß in Wortbildungsuntersuchungen schon immer fast nur Komposita behandelt wurden, die einen solchen Fixpunkt aufweisen, einen "modus essendi", einen "festen Begriff' etc. Nur so sind ja die Realdefinitionen sowie die Tiefenstrukturen möglich. D.h., die schon immer entscheidende Frage nach der Wahrheit ist ganz von solchen Fixpunkten abhängig. Was geschieht aber, wenn ich aus der heute rapide zunehmenden Masse der ad /»oc-Bildungen ein Exempel aufgreife, sagen wir Brautstau ("Der Spiegel")? Grimm und die Junggrammatiker fanden Bildungen dieser Art uninteressant, da sie eben keine Namen von existierenden Dingen sind. Heute gelten sie als die regelmäßigsten, ihre Wahrheit müßte damit garantiert sein. Aber welche Wahrheit? In der Gemeinschaft ist kein Ding bekannt, das dem Brautstau Existenz und Bedeutung verleiht; das Wort hängt in der Luft, es ist weder wahr noch falsch. In Ermangelung eines handfesten Weltdinges ist ja nicht einmal klar, was Brautstau behauptet, geschweige denn, womit es übereinstimmen soll. Worin besteht dann die "Regelmäßigkeit" der ad Äoc-Komposita? Wohl nur darin, daß ihre Falschheit nicht gezeigt werden kann. Übersehen wurde, daß dies auch von ihrer Wahrheit gilt. Jedenfalls machte man diesen unbequemen Bildungen neuerdings wieder den Status der echten Zusammensetzungen (oder der echten Wörter) streitig und schob sie in die Klasse der Synkategoremata ab.17
6.1. Die Komposita behaupten jedoch eigentlich nichts. Der seit 'Kratylos' dem Kompositum unterschobene Satz (die Behauptung) ist nichts weiter als ein Präparat, hergestellt mit der ausdrücklichen Absicht, das Kompositum dem bezeichneten Gegenstand anzugleichen. So ist aus farbenblind die Behauptung 'x ist blind bezüglich der Farben' herauspräpariert worden, damit es gemäß der Devise ein Wort - ein Ding mit der Definition des farbenblinden Menschen übereinstimmt. Neulich bemerkte man freilich hier und da, z.B. einem farbenblind fehle doch dem Satz gegenüber manches, beispielsweise Tempus, Modus, Person, auch das Verb etc.; es könne deshalb schwerlich eine Behauptung im üblichen Sinne sein. Trotzdem gab man gemeinhin nicht den traditionsreichen Gedanken auf, daß die Bedeutung des Kompositums einfach die bezeichnete Gegenstandsklasse sei. 'Blind bezüglich der Farben' wäre folglich eine medizinische Definition, wenn auch vielleicht nur eine volkstümliche. Aber in farbenblind ist ja nichts dergleichen da, belegbar sind nur die zwei Wörter blind und Farbe und deren attributive Beziehung, also etwa 'blind durch Farbe irgendwie bestimmt'. Hiermit ist nun offensichtlich über den farbenblinden Menschen eigentlich nichts ausgesagt, es wurde lediglich die sprachliche Bedeutung des Kompositums angegeben. Da farbenblind selbst etwas ganz anderes sagt als der Begriff des Farbenblinden (etwa: 'farbenfehlsichtig'),
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kann es auch nicht von diesem stammen, es kann kein Abbild eines "festen Begriffes" sein. Die Bedeutung 'blind durch Farbe irgendwie bestimmt' steckt umgekehrt den begrifflichen Rahmen ab, innerhalb dessen z.B. über den Farbenblinden erst gedacht und gesprochen werden kann. Sie ist reine Möglichkeit und als solche v o r jeder Existenz und Wahrheit. D.h., vor der Bedeutung von farbenblind gab es in der Sprachgemeinschaft keinen "festen Begriff* des Farbenblinden. Dieser ist folglich auch keine Bedeutung, sondern nur eine mögliche Realisierung der sehr weitgespannten Bedeutung von farbenblind. Als abstrakte Möglichkeit ist farbenblind auch nicht auf e i n e Gegenstandsklasse angewiesen, es kann prinzipiell beliebig viele Klassen bezeichnen. Je nach Kontext kann es jemand sein, den grelle Farben erblindet haben, dessen Augen auf gewisse Farben allergisch reagieren, der keine Farben sehen will, der die richtigen Farbenkombinationen nicht beurteilen kann, der für die Schönheit der Farben nichts übrig hat usw. usf. 'Jmd., der Farben verwechselt', also die Definition des Farbenbünden, hat hier prinzipiell kein Privileg, sie ist nur häufiger belegt als viele andere.
6.2. Die Überzeugung, farbenblind sei nur der nachträgliche Name eines einzigen, wohldefinierten Gegenstandes, des Farben-Verwechslers, und habe keine andere Bedeutung als eben diese Definition, beruht natürlich auf den psychischen Mechanismen der Alltagsrede. Erstens beschäftigt sich ja die Rede (parole) mit dem Farbenblinden selbst, nicht mit der Bedingung seiner Möglichkeit, also mit der Bedeutung 'blind durch Farbe irgendwie bestimmt'. Zweitens liegt für das Wort farbenblind im Alltagsbewußtsein (im Kurzzeitgedächtnis) sicher nur ein Ding parat, nämlich der Farbenblinde, da er in den meisten Redekontexten vorkommt, d.h. die üblichste Realisierung ist. Beides - die Sprachbedeutung und ihre möglichen Realisierungen - zu klären ist Sache der linguistischen oder philosophischen Wissenschaft. Nun waren z.B. die Junggrammatiker expressis verbis Psychologen in diesem alltäglichen Sinne wie heute noch die meisten Transformationalisten. Deshalb ist die Grundlage ihrer Linguistik und Sprachphilosophie die eben skizzierte einfache Namensrelation. Um zur Sprachbedeutung als der unendlichen Möglichkeit der Realisierungen zu gelangen, muß man folglich den Psychologismus dieser Art ablehnen.18 Die oben (6.1.) angedeutete, im Wesentlichen auf Humboldt (philosophisch letztlich auf Kant) zurückgehende Deutung der Komposita (und der Sprache überhaupt) ist nur durch solche Ablehnung möglich. Der psychische Realismus muß durch Evidenz (im Sinne Husserls) ersetzt werden. Für das kontextlose Wort farbenblind ist zwar die Bedeutung TarbenVerwechsler' wohl die einzige psychisch reale, sie führt aber zu den oben erläuterten und noch zu vielen anderen Schwierigkeiten. Die Bedeutung 'blind durch Farbe irgendwie bestimmt' und seine unendlich vielen Realisierungsmöglichkeiten (z.B. 'jmd., der keine Farben mag') wirken psychisch irreal, sind aber rational durchaus evident und eröffnen einen Weg zur einheitlichen, semantischen Lösung der Wortbildungs- und Sprachprobleme überhaupt. Außerdem erscheinen Realisierungen wie 'jmd. mag keine
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Farben' meistens nur außerhalb konkreter Kontexte unmöglich. Niemandem sind ja alle möglichen Kontexte jederzeit gegenwärtig. In passenden Kontexten können sie durchaus "psychisch real" wirken.19
6.3. Die metasprachliche Angabe 'blind durch Farbe bestimmt' definiert nur das Kompositum farbenblind und keine außersprachliche Gegenstandsklasse. Sie sagt mir zwar, daß die Anwendung des Wortes farbenblind auf Gegenstände durch Farbe, blind und deren attributive Beziehung bestimmt ist. Aber das sind selbstverständlich lauter sprachliche, keine realen Bestimmungen. Wie man sich die Beziehung zwischen Meta- und Objektsprache auch vorstellen mag, auf jeden Fall hat das Wort blind auch im Sinne des volkstümlichen Alltagswissens mit einer medizinischen Definition ebenso wenig zu tun wie das Wort Farbe mit einer physikalischen (vgl. "blinder Haß", "Farbe bekennen"). Das bedeutet, daß sie frei bzw. schöpferisch auf die verschiedensten, sogar untereinander gegensätzlichen Dingklassen angewendet werden und darum über diese selbst praktisch nichts auszusagen vermögen. Die Sprache reflektiert m.a.W. keine Eigenschaften der Dinge, sondern legt sie diesen zu (Walfisch) oder schafft völlig neue Dinge (etwa Blindenfarbe). Folglich kann ich das Kompositum mit nichts in der Welt vergleichen. Auf der Ebene der Bedeutung (des Sprachsystems) ist das Kompositum somit weder "lexikalisiert" noch "regelmäßig" im herkömmlichen Sinne, es ist umgekehrt Bedingung der Möglichkeit solcher Kategorien. Meine Sprachkenntnis als solche Möglichkeit sagt mir, daß z.B. Tagebau 'Bau durch Tag bestimmt' bedeutet; hier brauche ich von Lexikalisierung und Lexikon nichts zu wissen. Zum Lexikon muß ich erst greifen, wenn ich wissen will, auf welches Weltding sich die besagte Bedeutung üblicherweise bezieht (es bezieht sich laut Wörterbuch gewöhnlich auf 'Abbau von Mineralien auf Erdoberfläche'), also wie sich die Möglichkeit gewöhnlich realisiert. Nur dies kann in unserer sprachsemantischen Perspektive logischerweise "Lexikalisierung" heißen. In dieser Perspektive ist dann u.a. das Paradebeispiel der herkömmlichen Wortbildungslehren, Großvater, nicht deshalb "lexikalisiert", weil es selbst etwas Falsches sagt ('großer Vater'), denn das sagt es ja nicht, sondern eben nur, weil es e i n e stark geprägte Realisierung hat, ('Vater des Vaters bzw. der Mutter'), die andere mögliche Realisierungen vorläufig in den Schatten stellt. Mit der "Lexikalisierung" zeigen sich jetzt auch fast alle anderen wichtigen Begriffe der traditionellen Kompositionslehren in einem ganz anderen Licht. Ich kann sie hier nur kurz nennen. Die Zweiteilung "eigentliche-uneigentliche Zusammensetzung" ist jetzt im Sprachsystem überhaupt ausgeschlossen, gewissermaßen aber auch in der realisierenden Norm, denn alles im System Mögliche kann realisiert werden. Nur in der schon realisierten Norm, in der "psychischen Realität" also, ist der Unterschied da. Auch wird das Kompositum nicht zum Simplex, obgleich ihm in der realisierten Norm scheinbar nur ein einfaches Ding entspricht. Entsprechen ihm mehrere solche Dinge (Goldwaage 'Waage aus Gold', 'Waage für Gold' etc.), so zerfällt es nicht in mehrere Wörter, denn
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es hat ja nur e i n e Bedeutung. Ferner sind die Komposita nicht wegen eines einfachen Denotats "demotiviert", "idiomatisiert", "Verdunkelt" usf. Schließlich können sie durchaus als Textbindewörter fungieren und trotzdem ihren kompositionellen Status voll bewahren. Der sprachsemantische Standpunkt ergibt eine einheitliche Behandlung jedes Kompositums, das aus mehreren existierenden Wörtern einer Sprache besteht, denn ihre Bedeutung ist immer vom gleichen Typ: Zweitglied durch Erstglied bestimmt. Anstelle der außersprachlichen Realität ist die Grundlage nun immer die Semantik im Sinne der einzelsprachlichen Inhalte. Die Komposita zählen hier weder zum Lexikon noch zur Syntax, sondern sind ein autonomer Bereich zwischen den beiden. Sie bestehen nämlich nicht z.B. aus den üblichen satzsyntaktischen Beziehungen zwischen den Wörtern, sondern aus viel allgemeineren, den sog. "grammatikähnlichen" Beziehungen (Zweitglied durch Erstglied i r g e n d w i e bestimmt). Die Klassifizierung der Komposita erfolgt nun aufgrund der Art dieser Beziehungen.20
Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
17 18 19 20
Bursil-Hall (1971:164f., Anm. 120 und 121). Seppänen (1985a: 34ff., 51f.). Seppänen (1985b: 9ff.). Seppänen (1977:127ff.). Paul (1970:26). Paul (1970: 263). Paul (1970: 263). Paul (1970: 263). Seppänen (1984). Paul (1903:253). Paul (1903:253ff.). Brugmann (1900: 392). Paul (1970: 334). Paul (1970: 334). Der Grosse Brockhaus 11,727. Die Behauptung, mit einer Tiefenstruktur der GTG sei keine außersprachliche Wirklichkeit an sich, sondern nur ein Modell gemeint, ändert an dem vorliegenden Problem nichts, denn soll ein Modell hier einen Sinn haben, so muß es eben ein Modell der Wirklichkeit sein. Vgl. z.B. Johnson-Laird (1983: 182ff.). Herbermann (1981: 291). Coseriu (1987:41f.). Vgl. Heringer (1984). Den sprachsemantischen Standpunkt in der Wortbildungslehre hat E. Coseriu am eingehendsten entwickelt. Verwiesen sei hier z.B. auf Coseriu (1977).
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Literatur Brugmann, K. (1900): Über das Wesen der sogenannten Wortzusammensetzung. Eine sprachpsychologische Studie. In: Sitzungsberichte der Philologisch-Historischen Classe der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 52,359-401. Bursill-Hali, G.L. (1971): Speculative Grammars of the Middle Ages. The Doctrine of Paries orationis of the Modistae. The Hague/Paris (= Approaches to Semiotics 11). Coseriu, E. (1977): Inhaltliche Wortbildungslehre (am Beispiel des Typs "Coupe-papier"). In: Perspektiven der Wortbildungsforschung. Beiträge zum Wuppertaler Wortbildungskolloquium vom 9.-10. Juli 1976. Anläßlich des 70. Geburtstags von Hans Marchand am 1. Oktober 1977. Hrsg. von H.E. Brekle/D. Kastovsky (Bonn) (= Gesamthochschule Wuppertal. Schriftenreihe Linguistik 1) 48-61. (1987): Über die Wortkategorien ("partes orationis"). In: E. Coseriu: Formen und Funktionen. Studien zur Grammatik. Hrsg. von U. Petersen (Tübingen) (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 33)24-44. Der Grosse Brockhaus (1953ff.). 16., völlig neubearb. Aufl. in zwölf Bänden. Wiesbaden. Herbermann, CLP. (1981): Wort, Basis, Lexem und die Grenze zwischen Lexikon und Grammatik. Eine Untersuchung am Beispiel der Bildung komplexer Substantive. München. Heringer, HJ. (1984): Wortbildung: Sinn aus dem Chaos. In: Deutsche Sprache 12,1-13. Johnson-Laird, PJ4. (1983): Mental Models. Towards a Cognitive Science of Language, Inference, and Consciousness. Cambridge. Paul, H. (1903): Das Wesen der Wortzusammensetzung. In: Indogermanische Forschungen 14,251-258. (1970): Prinzipien der Sprachgeschichte. Studienausg. der 8. Aufl. [Unveränd. Abdr. der 5. Aufl. Halle a.d.S. 1920]. Tübingen (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 6). Seppänen, L. (1977): Die Beziehung zwischen Satz (Wortgruppe) und Kompositum bei Grimm, Paul und Brugmann. In: Neuphilologische Mitteilungen 78,126-164. (1984): Hermann Paul. Sprache zwischen Naturorganismus und Energeia. In: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 15,2-18. (1985a): Meister Eckeharts Konzeption der Sprachbedeutung. Sprachliche Weltschöpfung und Tiefenstruktur in der mittelalterlichen Scholastik und Mystik? Tübingen (= Hermaea. N.F. 51). (1985b): Unschuld und Verderbnis der Sprache. Sprachphilosophische Überlegungen Jacob Grimms. In: Der Ginkgo-Baum. Germanistisches Jahrbuch für Nordeuropa 4,9-17.
Matti Luukkainen ZUR ATTRIBUTION ALS ZWISCHENSTUFE VON ILLOKUTION UND NOMINATION
1. Zur Bilateralität und Beliebigkeit des sprachlichen Zeichens In der Wortbildung ist mir der Vorgang der Nomination entscheidend, d.h. die Benennung von Dingen und Begriffen, Eigenschaften und Arten, Tätigkeiten, Prozessen und Beziehungen.1 Ebenso wichtig in diesem Zusammenhang sind die zwei miteinander verflochtenen, aber auf den ersten Blick vielleicht widersprüchlichen Saussureschen Axiome von der "Bilateralität" und "Beliebigkeit des sprachlichen Zeichens".2 Aus der ersteren These geht hervor, daß die Wortinhalte nicht aus "fertigen Vorstellungen" bestehen, "die schon vor den Worten vorhanden" wären, sondern daß zwischen dem "Lautbild" und der "Vorstellung", zwischen dem "Ausdruck" und dem "Inhalt", von vornherein eine festere Verbindung besteht. Die letztere These dagegen besagt, daß der Sprachteilhaber bei der Wahl einer neuen Bezeichnung r e l a t i v freie Hand hat oder daß - anders ausgedrückt - zwischen der "Motivbedeutung" und der "Wortbedeutung" - um schon in diesem Zusammenhang auf die belangvolle Distinktion von M. Schröder aufmerksam zu machen3 - keine semantische Äquivalenz besteht. Sowohl auf die Bilateralität als auch auf die Beliebigkeit des sprachlichen Zeichens gründet sich der illokutive Charakter der Wortbildung, die Möglichkeit der Beeinflussung durch die Wortschöpfung. Die althergebrachten deutschen Wörter Weihnachtsengel und Schokoladenosterhase wurden in der offiziellen Sprache der ehemaligen DDR durch die Neubildungen Jahresendflugelfigur und Frühlingsschokoladenhohlkörper ersetzt.4 Wenn sich auch die alten und neuen Wörter auf das gleiche Denotat beziehen, sind ihre Inhalte sicher nicht identisch, was seinerseits dazu beigetragen haben kann, daß sich die letztgenannten im privaten Sprachgebrauch kaum je eingebürgert haben. Mit der Verwandlung des Signifikanten kann sich also auch im Signifikat eine Verschiebung vollziehen. Daraus ergibt sich schließlich, daß sich die Wortbildung mit der Begriffsbildung überschneidet.
2. Zum Zusammenspiel von Nomination und Illokution in der Wortbildung Die Begriffe "Nomination" und "Illokution" können als zwei polare Aspekte der Sprachbetrachtung angesehen werden. In jeder linguistischen Analyse ist es meiner Ansicht nach wichtig, explizit zwischen "Prozeß" und "Produkt", zwischen "Vorgang" und "Ergeb-
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nis" zu unterscheiden. Die vielen diskrepanten Meinungsäußerungen im Bereich der Wortbildungsanalyse sind weitgehend darauf zurückzuführen, daß die einen vom "Vorgang", die anderen vom "Ergebnis" sprechen, ohne daß der Unterschied explizit bewußtgemacht wird.5 Die "Wörter" sind als nominative Einheiten zu betrachten, die entstanden sind durch den Vorgang der Nomination, als Ergebnis eines "Benennungsaktes". Demgegenüber sind die "Sätze" als Ergebnisse eines "Sprechaktes" zu deuten, entstanden durch den Vorgang der Illokution.6 Doch sind Nomination und Illokution in einer für das System der natürlichen Sprache typischen Weise miteinander verflochten.7 Von dieser Verflochtenheit zeugt eben die Tatsache, daß auch die Ausdrucksseite von W o r t bildungen - wie wir oben gesehen haben - ihre eigene Botschaft zu verkünden hat.8 Der vorliegende Beitrag baut sich auf einem Zusammenspiel von sprachlichen Oppositionen verschiedenster Art auf. Wir haben bereits hingewiesen auf die Begriffspaare "Illokution" vs. "Nomination", "Sprechakt" vs. "Benennungsakt", "Satz" vs. "Wort", "Vorgang" vs. "Ergebnis" und "Ausdruck" vs. "Inhalt". Darüber hinaus werden im folgenden eine wichtige Rolle spielen u.a. die Oppositionen "Teil" vs. "Ganzes", "Art" vs. "Gattung", "untergeordnet" vs. "übergeordnet", "parataktisch" vs. "hypotaktisch", "paradigmatisch" vs. "syntagmatisch" oder "spektral" vs. "hierarchisch". Als Schlüsselbegriffe werden jedoch die Oppositionen "Kondensierung" vs. "Multiplizierung" oder - anders ausgedrückt - "Nominalisierung" vs. "Reihenbildung" dienen, die die zwei Hauptarten der nominalen Wortbildung darstellen und den Weg vom "Satz" zum "Wort" beleuchten. Ich gehe im folgenden von der prozessualen Seite der Wortbildung aus und gelange schließlich zur Klassifizierung der fertigen Ergebnisse, wobei sich zeigen wird, daß letzteres durch ersteres bedingt ist. Als Prototyp der Wortbildung kann die K o m p o s i t i o n gelten, deren Ergebnisse ich mit Henne/Wiegand K o m p o s i t e m e nenne.9 Ich konzentriere mich hier auf die nominale Komposition. Meine Beispiele stammen in der Hauptsache von zwei modernen deutschen Schriftstellern, und zwar von Christa Wolf und Heinrich Böll. Als Begründung dafür gilt, daß sich beide genannten Autoren durch eine überaus große Sprachsensibilität ausgezeichnet haben, weshalb ihre Texte besonders gut geeignet sind für linguistische Analysen. Böll sagte 1958 in seiner ersten Wuppertaler Rede: "Worte wirken, wir wissen es, wir haben es am eigenen Leib erfahren. Worte können Krieg vorbereiten, ihn herbeiführen, nicht immer sind es Worte, die Frieden stiften."10 Gerade aus diesem Grund hat Böll stets einen besonderen Nachdruck auf die Ausdrucksseite der Wörter gelegt, d.h. auf die Motivationsstruktur der Lexeme.11 Er hat explizit, wie G. Stötzel im einzelnen gezeigt hat12, Abstand genommen vom Etiketten-Begriff der Sprache, von der Sprache als Nomenklatur, "als eine Liste von Ausdrücken, die ebensovielen Sachen entsprechen", von einer Sprachauffassung also, die schon de Saussure seinerzeit abgelehnt hat.13 In ihrem zweitletzten Buch "Sommerstück" stellt Christa Wolf zu "Wörtern" folgendes fest: "Ein Wort gibt das andere. Wie dicht der Zusammenhalt zwischen Wörtern werden kann, so daß sich Wortketten bilden, die uns mehrfach, vielfach umschlingen,
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eine unauflösliche Einkreisung, eine Wort-Verfilzung, die sich, anstatt sie nur zu bezeichnen, allmählich an die Stelle der wirklichen Verhältnisse schiebt."14 M. Jäger hat das Verhältnis Christa Wolfs zur Sprache untersucht und dabei auf ihren dauernden, leidvollen Drang aufmerksam gemacht, "die Dinge beim richtigen Namen zu nennen".15 Der Kampf gegen die "Grenzen des Sagbaren" ist typisch für Christa Wolf. Ihre Romanfigur Christa T. konnte nicht schreiben, weil sie Angst hatte "vor den ungenauen, unzutreffenden Wörtern".16 Inmitten des "Rauschs der Neubenennungen" zweifelte sie "an der Wirklichkeit von Namen, mit denen sie doch umging". Sie ahnte, "daß die Benennung kaum je gelingt und daß sie dann nur für kurze Zeit mit dem Ding zusammenfällt, auf das sie gelegt wurde".17 In ihrer bekannten Rede anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises von 1980 hat sich Christa Wolf u.a. damit nicht einverstanden erklärt, daß die Ausdrücke Frieden durch nukleares Patt, Mond durch Erdsatellit, Stadt durch Siedlungsgroßraum, Wies« durch Grünland, Leben durch Bewegungsform der Materie und Tod durch Exitus ersetzt werden, wie es die Naturwissenschaftler getan hätten, um "ihre Erfindungen [...] vor ihren eigenen Gefühlen in Sicherheit" zu bringen.18 Christa T. hegte "die äußerste Abneigung gegen das Ungeformte". Deshalb wollte sie gern " d i c h t e n". Ich zitiere Christa Wolf: "Dichten, dicht machen, die Sprache hilft. Was denn dicht machen und wogegen?"19 Dementsprechend gilt unser nächster Abschnitt der "Verdichtung" oder "Kondensierung" als sprachliche Erscheinung.
3.
Zur Rolle der Kondensierung und Multiplizierung bei der Bildung von Kompositemen
Für die paradigmatischen Einheiten der Sprache ist die spektrale Strukturierung mit fließenden Übergängen typisch, während die syntagmatischen Einheiten der Sprache durch die hierarchische Struktur gekennzeichnet sind. So ist auch die Grenze zwischen "Kondensierung" und "Multiplizierung" als den zwei Hauptarten der Wortbildung unscharf. Die Kompositeme sind einerseits als kondensierte Sätze, andererseits als Glieder von analogen Reihen zu deuten. Mein Beitrag konzentriert sich auf die erste Gattung, will aber den Anteil der Analogie in der Wortbildung, d.h. die auf der Multiplikation beruhende Reihenbildung, mit besonderem Nachdruck hervorheben. Die Entstehung von multiplizierenden Kompositemen läßt sich auch bei deutschen Autoren unschwer nachweisen, wie aus den folgenden Beispielen bei Christa Wolf in den zwei Büchern "Der geteilte Himmel" und "Sommerstück" ersichtlich wird. Im Hinblick auf unser Thema sind auch die häufigen alternativen Attributkonstruktionen in der dritten Textprobe von besonderem Interesse: "Jetzt müssen wir Wein trinken, nicht?" sagte Manfred. Rita nickte. [...] Der Wein war grünlich-gelb, er hatte seinen Duft und seine herbe Leichtigkeit schon n20 in der Farbe. Mondwein, dachte sie. Nachtwein, Erinnerungswein [...]
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"An einem kühlen Aprilsonntag [...] zeigte Manfred seiner künftigen Frau die Wohnung seiner Eltern. 'Mein Lebenssarg. Eingeteilt in Wohnsarg, Eßsarg, Schlafsarg, Kochsarg.'"21 "Dieser Abend eröffnete die Reihe der lindlichen Feste [...]. Wir Stadtmenschen, wir strikten Arbeitsmenschen hatten ja keine Ahnung gehabt, was Feste sind, ein Versäumnis, das wir aufholen mußten. Später, das ist schon wahr, gerieten wir in den Sog eines Wirbels, eine Art Festessucht kam auf: Tages- und Nachtfeste, Feste zu dritt und Feste zu zwanzig, Feste unter freiem Himmel, Feste in Wohnstuben, Küchenfeste, Scheunenfeste. Feste mit den verschiedensten Speisen. [...] Es gab Feste mit Musik und Tanz, Feste, bei denen gesungen, Feste, bei denen geschwiegen, und Feste, bei denen geredet wurde. Feste zum Streiten und Feste zum Versöhnen. Spiel-Feste."22 Entsprechende Beispiele bei Böll sind etwa Industriellenvilla, Erstvilla, Luxusvilla, Nullkommafunf-Millionen-Luxusvilla oder Staatsanwalt, Kriminalanwalt, Industrieanwalt, Erfolgsanwalt.23 Die Reihenbildung kann aufgrund der ersten oder der zweiten Konstituente, d.h. aufgrund des Rhemas oder des Themas24, erfolgen. Wir können also das untergeordnete Glied in einer Zusammensetzung als Rhema und das übergeordnete Glied als Thema bezeichnen. Die Konstituenten einer Zusammensetzung sind jedoch eigentlich als Morpheme bzw. Synmorpheme zu deuten; diesen morphematischen Charakter der Konstituenten einer Zusammensetzung unterstreichen meine Bezeichnungen "Rhem" und "Them". Die obigen Reihen mit -wein, -sarg, -villa und -anwalt wurden aufgrund der zweiten Konstituente, aufgrund des Thems also, gebildet. Allerdings kann Erfolgsanwalt genausogut der Reihe Erfolgsautor, Erfolgsbuch, Erfolgsstück, Erfolgsmensch usw. zugeordnet werden, wobei die erste Konstituente, das Rhem also, ausschlaggebend ist. Die nächste Etappe der diachronen Entwicklung kann ein Affixoid sein - auf diesem Weg entstehen schließlich die Affixe der Sprache. Wenn auch ein Teil der "multiplizierenden Kompositeme" auf einen Satz als Benennungsmotiv zurückfuhrbar ist, fehlt ihnen in der reinen Form jedoch die Satzbasis. Anders verhält es sich mit den "sententiven Kompositemen", die als Ergebnis einer Kondensierung, Nominalisierung, entstanden sind. Wir können den Weg von der "Illokution" zur "Nomination" oder vom "Satz" zum "Wort" anhand der untenstehenden Figur veranschaulichen. Daß mit der Wortbildung ein illokutives Element verknüpft ist, wird aus dieser Tabelle handgreiflich deutlich. Dabei ist also zu beachten, daß die Satzbasis lediglich die "Motivbedeutung" im Sinne von M. Schröder wiedergibt25, nicht aber die "Wort- bedeutung" der Zusammensetzung angibt.26 Das Schema bezieht sich also eindeutig auf den Prozeß, nicht auf das fertige Produkt.
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ILLOKUnON
NOMINATION
--> SUBORDINATION
--> ATTRIBUTION
--> ISOLATION
--> UNIVERBIERUNG
SATZ
WORT
Figur l
4. Zur Attribution als Vorstufe der Komposition Der Übergang vom "Satz" zum "Wort" ist ein Ausdruck der allgemeinen Entwicklungstendenz vom expliziten Sprachbau zum komprimierten bzw. kompakten oder kondensierten Sprachbau, wie sie u.a. P. von Polenz beschrieben hat.27 Das häufigere Vorkommen von komplizierten Satzperioden und die Entstehung von sog. "Bandwurmkomposita" fällt zeitlich zusammen. Als Zwischenstufe zwischen ülokution und Nomination kommen Nebensätze, Nominalsätze und vor allem Attributgruppen verschiedener Art in Frage.28 Die letztgenannten können dann als Folge der Isolierung bzw. Idiomatisierung zu Phrasemen und als Folge der Univerbierung zu Kompositemen werden. Weil es sich hier um eine syntagmatische Einheit handelt, ist die Verbindung hierarchisch strukturiert. Entscheidend schon auf der Attributstufe ist der Vorgang der Thematisierung, die Wahl des "Kopfes".29 Dabei kann die Thema/Rhema-Relation des Basissatzes entweder beibehalten oder umgekehrt werden. Im ersteren Fall liegt eine q u a l i t a t i v e , im letzteren eine p o s s e s s i v e Z u o r d n u n g vor.30 Die hierarchischen Verhältnisse der Attributstufe bleiben beim Kompositem bestehen, woher eben kommt, daß die Attribution als relevante Zwischenstufe von Illokution und Nomination gelten kann. Weil das Deutsche - was die Wortbildung betrifft - eine "rechtsköpfige" Sprache ist, ist das übergeordnete Glied des Kompositems stets auf der rechten Seite angesiedelt - bei At-
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tributen dagegen kann es entweder auf der rechten Seite (z.B. im Adjektivattribut) oder auf der linken Seite (im Genitivattribut) stehen. Aufgrund der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Typus von Attributen kann auch das einzelne Kompositem benannt werden. Im folgenden wird dargestellt, wie z.B. aus einem A d j e k t i v a t t r i b u t ein a d j e k t i v a l e s K o m p o s i t e m (vgl. (1)), aus einem q u a l i t a t i v e n G e n i t i v a t t r i b u t ein q u a l i t a t i v e s K o m p o s i t e m (vgl. (2)), aus einem p o s s e s s i v e n G e n i t i v a t t r i b u t e i n p o s s e s s i v e s K o m p o s i t e m (vgl. (3)) und aus einem p a s s i v e n G e n i t i v a t t r i b u t ("Genitivus objectivus") ein p a s s i v e s K o m p o s i t e m (vgl.(4))entsteht: Qualitative Zuordnung: (1) Das Land (Thema) ist grün (Rhema). - > Daß das Land grün ist. --> Ein grünes (Rhema) Land (Thema) --> Grünland (Rhem+Them) (Adjektivattribut — > Adjektivales Kompositem) (2) Der Mensch (Thema) hat Vernunft (Rhema). --> Daß der Mensch Vernunft hat. --> Ein Mensch (Thema) der Vernunft (Rhema) --> Vernunftmensch (Rhem+Them) (Qualitatives Genitivattribut --> Qualitatives Kompositem)
Possessive Zuordnung: (3) Die —> --> -->
Erde (Thema) hat einen Satelliten (Rhema). Daß die Erde einen Satelliten hat. Ein Satellit (Thema) der Erde (Rhema) Erdsatellit (Rhem+Them) (Possessives Genitivattribut --> Possessives Kompositem)
(4) Die --> -> -->
Erde (Thema) wird umkreist (Rhema). Daß die Erde umkreist wird. Die Umkreisung (Thema) der Erde (Rhema) Erdumkreisung (Rhem+Them) (Passives Genitivattribut --> Passives Kompositem)
Als erste Stufe auf dem Weg von der Illokution zur Nomination kann also die Subordination gelten - der betreffende Sachverhalt - wir können ihn auch wohl als "propositionalen Gehalt" bezeichnen - wird in der Form eines Nebensatzes ausgedrückt (Die Erde wird umkreist --> Daß die Erde umkreist wird) - man könnte in der Konjunktion daß sogar noch einen Schimmer vom neutralen bestimmten Artikel das erblicken.31 Die nächste Stufe vertritt die Nominalisierung (Die Umkreisung der Erde), die gleichzeitig auch eine Attributkonstruktion darstellt - wir sehen also, daß hier die beiden Begriffe
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"Nominalisierung" und "Nomination" zusammenfallen. In dem Kondensierungsvorgang im hier gemeinten Sinn wird also das Prädikat des Basissatzes sozusagen getilgt - das Prädikat kann ein Verb mit stärkerer aktionaler Potenz sein wie im letztgenannten Beispiel oder aber das pseudoaktive Verb sein bzw. haben (Das Land ist grün --> Ein grünes Land bzw. Der Mensch hat Vernunft --> Ein Mensch der Vernunft). Die Zwischenstellung der Attributstufe, die als ein Kernpunkt dieses Referats gilt, zeigt sich darin, daß sie je nach dem Kontext entweder als Nominalsatz (d.h. als syntaktisch-illokutive Einheit) oder als Phrasem (d.h. als lexikalisch-nominative Einheit) ausgelegt werden kann. Weil die Attributkonstruktionen definitionsgemäß hypotaktische Strukturen darstellen, spielen auf dem Weg vom "Satz" zum "Wort" die hierarchischen Verhältnisse und ihre eventuellen Verschiebungen eine besondere Rolle. Bei der Analyse muß von der Situation im Basissatz ausgegangen werden. Wir können das Thema des Basissatzes als "Satzkopf' bezeichnen. Das übergeordnete Glied des Kompositems, sein Them also, kann dann "Wortkopf1 heißen. Der Basissatz muß den Normalfall (den merkmallosen Fall) des Satzes darstellen, wo das Subjekt als semantisch dominierende Größe, als Wiedergabe der Ganzheit, Gattung u.dgl. das Thema bildet (in den obigen Beispielen Land, Mensch, Erde). Das Rhema dagegen besteht aus einer subsidiären Größe, aus einem Ausdruck des Teils, der Art u.dgl. (in den obigen Beispielen Grün, Vernunft, Satellit, Umkreisen). Oben wurde schon angedeutet, daß bei qualitativer Zuordnung die hierarchische Struktur des Basissatzes unverändert bleibt, der "Satzkopf und der "Wortkopf' also identisch sind. Bei possessiver Zuordnung dagegen vollzieht sich infolge der Umkehrung der Thema-Rhema-Relation auch eine Verwandlung der hierarchischen Struktur. Der Tatbestand wird unten anhand der Figur 2 graphisch dargestellt (dabei bildet der "Großraum" stets den "Satzkopf ab, der "Kleinraum" das rhematische Glied des Basissatzes):
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Qualitative Zuordnung ("Satzkopf' = "Wortkopf1):
(l)
(2)
(Das Land ist grün) --> Grünland
(Der Mensch hat Vernunft) -> Vernunftmensch
Possessive Zuordnung ("Satzkopf' ? "Wortkopf'):
(3)
(4)
(Die Erde hat einen Satelliten) --> Erdsatellit
(Die Erde wird umkreist) —> Erdumkreisung
Figur 2
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Es liegt auf der Hand, daß nicht bei jeder Komposition alle drei Stufen, d.h. der Basissatz, die Attributstufe und das fertige Kompositem, in der Oberflächenstruktur realisierbar sind. Einerseits entstehen neue Kompositeme direkt aufgrund der bereits vorhandenen Modelle - die hier dargestellten Klassen sind also lediglich als Wortbildungsmuster anzusehen. Andererseits verändert sich die Sprachstruktur in diachroner Dimension, was z.B. darin sichtbar wird, daß Genitivattribute ersetzt werden durch Präpositionalattribute oder aber durch andere Kasusformen - ich meine besonders die sog. "Nebenstellung".32 Im folgenden werden die Präpositionalattribute allerdings als "Modalattribute" bezeichnet, weil durch sie verschiedenste Modalitäten (wie "Ort", "Zeit", "Mittel") ausgedrückt werden.33 Diese wie die aus ihnen entstandenen m o d a l e n K o m p o s i t e m e und auch die partitiven Genitivattribute mit den p a r t i t i v e n K o m p o s i t e m e n spalten sich in zwei Gruppen je nachdem, ob bei ihnen die qualitative oder die possessive Zuordnung nachweisbar ist. Das modale Glied des Modalkompositems bezieht sich stets auf den "Kopf des Basissatzes, auf den "Großraum" in den obigen graphischen Darstellungen. Im Normalfall ist er ein Subjekt in einem pseudotransitiven Satz mit haben als Prädikat oder alternativ eine Präpositionalphrase in einem inaktiven Satz mit sein als Prädikat - das Prädikat kann allerdings auch ein Verb mit stärkerer aktionaler Potenz sein.34 Falls in einem modalen Kompositem der "Wortkopf1, d.h. das Them, das modale Element ist, muß also qualitative Zuordnung vorliegen, weil die originale hierarchische Relation beibehalten worden ist, vgl. Lupinenfeld in (S) und Wohnstube in (6). Wo das Rhem dagegen die Modalität ausdrückt, ist die Umkehrung der originalen Thema/Rhema-Relation erfolgt und liegt die possessive Zuordnung vor, vgl. Dorffriedhof in (7) und Morgentraum in (8). Das Beispiel Dorffriedhof wiederum verrät, wie sich die verschiedenen Arten der Kompositeme überlappen, d.h. spektral nebeneinander stehen - hier kann genausogut ein possessives wie ein modales Kompositem vorliegen. Qualitative Zuordnung: (5) Das Feld (Thema) hat Lupinen (Rhema). --> Auf dem Feld sind Lupinen. --> Ein Feld (Thema) von Lupinen (Rhema) -> Lupinenfeld (Rhem+Them) (6) In der Stube (Thema) wird gewohnt (Rhema). --> Eine Stube (Thema) zum Wohnen (Rhema) --> Wohnstube (Rhem+Them) (Modalattribute - > Qualitative Modalkompositeme)
Possessive Zuordnung: (7) Das Dorf (Thema) hat einen Friedhof (Rhema). —> Im Dorf ist ein Friedhof.
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- > Der Friedhof (Thema) im Dorf (Rhema) --> Dorffriedhof (Rhem+Them) Vgl. Der Friedhof des Dorfes (8) Am Morgen (Thema) wird geträumt. ~ > Ein Traum (Thema) am Morgen (Rhema) —> Morgentraum (Rhem+Them) (Modalattribute --> Possessive Modalkompositeme)
Wie die Modalkompositeme, spalten sich also auch die auf den "Genitivus partitivus" zurückgehenden p a r t i t i v e n K o m p o s i t e m e in zwei Subklassen je nachdem, ob sie die qualitative oder die possessive Zuordnung aufweisen. Diese Verschiedenheit deckt sich mit der in der historischen Syntax bekannten Dichotomic "partitiver Genitiv des ungeteilten (unbegrenzten) Ganzen" vs. "partitiver Genitiv des geteilten (bestimmt umgrenzten) Ganzen".35 Im ersteren Fall, der die hierarchische Struktur des Basissatzes aufbewahrt hat, liegt die qualitative Zuordnung vor, s. das Beispiel Kaffeetasse in (9). Im letzteren Fall ist wegen der Umkehrung der hierarchischen Relationen die possessive Zuordnung nachweisbar, vgl. Lebensjahr in (10). (9)
(10)
Die Tasse (Thema) hat Kaffee (Rhema). -> In der Tasse ist Kaffee. --> Eine Tasse (Thema) schwarzen Kaffees (Rhema) Vgl. Eine Tasse schwarzer Kaffee/Eine Tasse mit schwarzem Kaffee --> Kaffeetasse (Rhem+Them) (Partitives Genitivattribut — > Qualitatives Partitivkompositem) Das Leben (Thema) hat Jahre (Rhema). -- > Im Leben sind Jahre. - > Ein Jahr (Thema) des Lebens (Rhema) --> Lebensjahr (Rhem+Them) (Partitives Genitivattribut - > Possessives Partitivkompositem)
Nun ist ja auch der qualitativ-partitive Genitiv wie der reine "Genitivus partitivus" im Verlauf der diachronen Entwicklung seltener geworden. An seine Stelle sind das präpositionale Modalattribut oder aber die "Nebenstellung" getreten, s. Beispiel (9). Die für die Struktur der natürlichen Sprache typische Überlappung der paradigmatischen Einheiten zeigt sich darin, daß der Typus Kaffeetasse aus dem genannten Grund heute als partitives, modales oder s u b s t a n t i v a l e s K o m p o s i t e m interpretiert werden kann. Im Fall der Nebenstellung gleicht das Rhema Kaffee nämlich einem Substantivattribut (ich würde dafür allerdings die Bezeichnung "Attributiv" verwenden)36, s. Beispiel (11), wobei wie beim Adjektivattribut die qualitative Zuordnung erkennbar ist, vgl. das Beispiel Frauensperson in (12), das ein reines substantivales Kompositem darstellt. Infolge der Verschiebung zur Nebenstellung sind die Begriffe Tasse und Kaffee mehr oder weniger identisch geworden (vgl. Ich trinke eine Tasse/Ich trinke Kaffee). Für qualitative Zuordnung ist eben typisch, daß sich die sonst gewichtige Opposition hat vs. ist
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verwischen kann (vgl. Erfolgsfilm Eine Tasse (Thema) Kaffee (Rhema) -> Kaffeetasse (Rhem+Them) (Substantivattribut -> Substantivales Kompositem)
(12)
Die Person (Thema) ist eine Frau (Rhema). -> Die Person (Thema), eine Frau (Rhema) --> Frauensperson (Rhem + Them) (Substantivattribut ~ > Substantivales Kompositem)
(13)
Der Himmel (Thema) ist wie ein Gewölbe (Rhema). --> Das Gewölbe (Thema) des Himmels (Rhema) --> Himmelsgewölbe (Rhem+Them) (Identisches Genitivattribut -- > Identisches Kompositem)
Oben hat sich herausgestellt, daß außer dem Sonderfall der modalen und partitiven Kompositeme, die sich jeweils in zwei Klassen spalten, die adjektivalen (vgl. (1)), substantivalen (vgl. (11)-(12)) und qualitativen (vgl. (2)) Kompositeme qualitativ strukturiert sind. Demgegenüber sind die identischen (vgl. (13)), possessiven (vgl. (3)) und passiven (vgl. (4)) Kompositeme possessiv strukturiert. Auch die nächsten drei Klassen weisen die possessive Zuordnung auf. Hierher gehören die I n f i n i t i v e n K o m p o s i t e m e , die mit den identischen Kompositemen eng verwandt sind, aber sich auf ein Infinitivattribut zurückführen lassen, vgl. Schweigepflicht in (14) gegenüber Himmelsgewölbe in (13). Die a k t i v e n K o m p o s i t e m e , als deren Basis ein aktiver Satz mit einem Agens als Subjekt fungiert, gehen auf ein aktives Genitivattribut zurück38, s. Polizeibericht in (15). Die Basis der m e d i a l e n K o m p o s i t e m e besteht aus einem Medialsatz mit einem Patiens als Subjekt. Dieser kann in ein mediales Genitivattribut verwandelt werden, s. Handlungsablauf in (16). Das aktive und das mediale Genitivattribut decken sich mit dem traditionellen Begriff "Genitivus subjectivus". Die a g e n t i v e n K o m p o s i t e m e dagegen, s. Todesherbeiffihrer in (17), basieren gleich den passiven Kompositemen, s. Erdumkreisung in (4), auf einem "Genitivus objectivus". Weil der Basissatz jedoch außer dem Patiens auch das Agens enthält, das im "Wortkopf' mit ausgedrückt ist, kann die Zwischenstufe als "agentives Genitivattribut" bezeichnet werden. Hier liegt im Gegensatz zu den drei vorigen Klassen statt der possessiven Komposition eine qualitative Zuordnung vor, weil bei der Nominalisierung das Agens das Thema geblieben ist, und zwar in der Form des Nomen Agentis-Suffixes -er.
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(14)
Das Schwelgen (Thema) ist eine Pflicht (Rhema). --> Die Pflicht (Thema) zu schweigen (Rhema) --> Schweigepflicht (Rhem+Them) (Infinitivattribut --> Infinitives Kompositem)
(15)
Die Polizei (Thema) berichtet (Rhema). --> Der Bericht (Thema) der Polizei (Rhema) --> Polizeibericht (Rhem+Them) (Aktives Genitivattribut --> Aktives Kompositem)
(16)
Die Handlung (Thema) läuft ab (Rhema). -- > Der Ablauf (Thema) der Handlung (Rhema) --> Handlungsablauf (Rhem+Them) (Mediales Genitivattribut --> Mediales Kompositem)
(17)
Jmd. (Thema) führt den Tod herbei (Rhema). --> Der Herbeiführen (Thema) des Todes (Rhema) -- > Todesherbeifuhrer (Rhem+Them) (Agentives Genitivattribut -- > Agentives Kompositem)
5. Schlußwort Als ein Schwerpunkt dieses Beitrags hat u.a. gegolten, daß sich die paradigmatischen Einheiten der Sprache (z.B. die verschiedenen Arten der Zusammensetzungen) überlappen, also spektral strukturiert sind, und daß die syntagmatischen Einheiten der Sprache (z.B. die Zusammensetzungen) hierarchisch strukturiert sind, also einen "Kopf haben. Aus dem letztgenannten Tatbestand ziehe ich u.a. die Schlußfolgerung, daß die Kompositeme in der Regel eine hypotaktische, nur in sehr seltenen Fällen eine parataktische Struktur aufweisen.39 Ich würde folglich z.B. in Strumpfhose und Dichter-Komponist40, um die traditionellen Bezeichnungen zu gebrauchen, eher ein "Determinativkompositum" als ein "Kopulativkompositum" erkennen. Es handelt sich um substantivale Kompositeme, in denen bei der Thematisierung, bei der Wahl des "Kopfes", die Entscheidung zugunsten der Glieder hose bzw. komponist gefallen ist. Weil sich einerseits die sprachliche Struktur infolge der diachronen Entwicklung verändert und andererseits die Analogie im Rahmen der entstandenen Wortbildungsmuster stark mitwirkt, ist die Klassenzugehörigkeit vieler Kompositeme nicht eindeutig bestimmbar, was allerdings für alle Bereiche der Sprachstruktur gleichermaßen gilt. Es gibt "reine" Kompositeme einer bestimmten Klasse, und es gibt "Mischformen". Trotzdem ist es meiner Ansicht nach nützlich, nach den Vorgängen hinter der lexikalischen Seite der Sprache in der oben umrissenen Weise Ausschau zu halten. Dabei erweist sich als wichtig, zwischen "Prozeß" und "Produkt" strikt zu unterscheiden. Aus diesem Grund sind die Konstituenten einer fertigen Wortzusammensetzung als "Morpheme" bzw. "Synmorpheme", nicht als "Lexeme" bzw. "Wörter" zu betrachten. Deshalb sollte man sich
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auch grundsätzlich davor hüten, der Wortart oder den sonstigen oberflächenstrukturellen Eigenschaften der Konstituenten eine allzu große Bedeutung beizumessen - statt der Teile entscheidet die Ganzheit. Bei der Bildung von Zusammensetzungen tritt auch die kreative Potenz des Sprachteilhabers in Erscheinung. Aus dem Grund habe ich hier Beispiele besonders bei Christa Wolf und Heinrich Böll gesucht. In "Sommerstück" spielt der Kuckuck eine besondere Rolle, und deshalb finden sich dort z.B. das adjektivale Kompositem Wahnsinnskuckuck, das identische Kompositem Kuckuckspaar, das aktive Kompositem Kuckucksruf, die possessiven Kompositeme Kuckucksweib und Kuckucksflöte - die Neuschöpfung Kuckucksoper wäre vielleicht schon als multiplizierendes Kompositem einzustufen. Sonstige typische adjektivale Kompositeme in "Sommerstück" bzw. in "Katharina Blum" sind z.B. Hitzesommer, Westhimmel, Leerstelle, Schwachstelle, Schmerzpunkt, Bruchbude, Schnappverschluß, Wanderbursche, Putzfrau, Reinemachefrau, Untersuchungsbehörde, Vernehmungskommando, Prüfungssausschuß, Ordnungsvorgang, Verdachtsmoment, Zufallskontakt, Plankontakt, Rüttelzug, Schüttelzug usw. (auch in diesen Beispielen wird trotz einer eventuell vorhandenen sententiven Basis der Aspekt der Multiplizierung deutlich ersichtlich). Substantivale Kompositeme sind weit seltener. Bei Christa Wolf finden sich u.a. folgende Beispiele, die jedoch stark multiplizierend sind: Märchengarten, Traumgebäude, Handwerkerbrüder, Aschenputtel-Schwester. Bölls Wörter sind neben Frauensperson auch etwa Damenbesuch, Herrenbesuch, Männerbesuch, Herrgott, Kommunistensau. Auch Infinitivkompositeme sind nicht so häufig belegbar, vgl. Beispiele wie Freudefähigkeit, Besuchserlaubnis, Trunksucht, Vernehmungsmethode, Überwachungsmethode usw. Identische Kompositeme begegnen oft in metaphorischer Verwendung, z.B. Himmelsgewölbe, Himmelszelt, vgl. ferner Wiesenwildnis, Weltraumkälte, Totenstille, Räuberromantik, Karnevalsrummel usw. Noch spärlicher sind die aktiven Kompositeme wie Männerblick, Clownslächeln, Kuckucksruf, Hundegebell usw. in den von mir untersuchten Quellen - ursprünglich haben hierher wohl auch später stark lexikalisierte Bildungen wie etwa Diebstahl usw. gehört. Ein wenig häufiger sind die medialen Kompositeme wie Sonnenuntergang, Lichteinfall, Blütentaumel, Bärenschlaf, Wort-Verfilzung, Körpergeruch, Redefluß, Arbeitsausfall, Verdienstausfall usw. Wesentlich frequenter sind die passiven Kompositeme wie Haussuche, Händedruck, Haaraufstecken, Körperpflege, Arbeitszeitvergeudung, Lebensmitteleinkauf, Steuerzahlung, Verhandlungsführung, Vertrauensbruch usw. Zu agentiven Kompositemen gehören u.a. Bildungen wie Ofensetzer, Arbeitgeber, Vertragsbrecher, Ehebrecher, Zärtlichkeitsanbieter, Zärtlichkeitsempfinder und Wartburgfahrer (ein qualitatives oder multiplizierendes Kompositem wäre dagegen Wartburgtyp). Zu den umfangreichsten Klassen der Zusammensetzungen gehören die possessiven Kompositeme wie Menschenseele, Mädchenzimmer, Küchenfenster, Handwerkertrick, Handwerkerfrühstück, Chefsekretärin, Mörderbraut, Katharina-Herrenbesuch, Rote-
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Trude-Banditen, Millionärsfrau, Männerherz usw. Als qualitative Kompositeme, die in der heutigen Sprache in der reinen Form nicht mehr so häufig sind, könnten z.B. Biedermeierbett, Liebesroman, Eifersuchtsdrama, Schreckensnachricht, Erfolgsanwalt usw. gelten. Zu den partitiven Kompositemen gehören neben Lebensjahr (possessives Kompositionsverhältnis) und Kaffeetasse (qualitatives Kompositionsverhältnis) wohl auch u.a. Akademikerkreis, Menschenmenge, Baumgruppe, Blumenstrauß, Rasenfläche, Misthaufen, Vermißtenliste, Zärtlichkeitskatalog usw. Die unvergleichlich größte Gruppe bilden jedoch die Modalkompositeme, wenn wir die multiplizierenden Zusammensetzungen außer acht lassen. Modalkompositeme mit qualitativer Zuordnung, d.h. mit dem modalen Glied als "Kopf, sind u.a. Sinnbild, Sternenhimmel, Blumenwiese, Getreidefeld, Keksschachtel, Aschenbecher, Werkzeugschrank, Villenvorort, Appartementhaus, Zwei-Zimmer-Küche-Bad-Appartement usw. Ein verbales Element beibehalten haben die Beispiele Schweigetag, Klettergerüst, Waschküche, Schlachtbank, Schreibtisch, Schlafzimmer, Spiel-Fest. Modalkompositeme mit possessiver Zuordnung, d.h. mit dem modalen Glied als Rhein, sind u.a. Eckschrank (vgl. die multiplizierenden Bildungen Eckstück, Randstück), Bodenfliese, Himmelsloch, Ostersonntag, Pfingstsonnabend. Beispiele mit einem verbalen Element sind etwa Erkenntnisfreude, Tagesgespräch, Nachtgespräch, Abendessen, Abendgedanke, Landleben, Bombendrohung usw. In Kompositemen kann also das verbale Element des als Benennungsmotiv dienenden Basissatzes entweder ausgedrückt oder unterdrückt werden. Letzteres ist typisch für multiplizierende Kompositeme, die wir deshalb mit S. Olsen als "Nichtrektionskomposita" bezeichnen können.41 Derartige Beispiele bei Christa Wolf und Heinrich Böll sind etwa Stadtmensch, Stadtmüdigkeit, Landmüdigkeit, Sommerweg, Jahrhundertsommer, Abendstern, Morgenhimmel, Tagfest, Nachtfest, Küchenfest, Scheunenfest, Nachtwein, Erinnerungswein, Nullkommafünf-Millionen-Luxusvilla, Kreml-Tante, Liebesaffäre, Zäpfchenaffäre usw. Das unterdrückte Element kann aus dem Kontext eindeutig erschließbar sein (Stadtmensch aufklären (x, y, z)) beschreiben lassen (Viehweger 1988). Die propositionalen Strukturen können Relationsprädikate, wie eben bei aufklären (x, y, z), oder Eigenschaftsprädikate, wie z.B. krank sein (x), darstellen. Die Prädikate gehören zu einer semantischen Klasse, die den semantischen Typ der Funktor-Argument-Struktur angibt, z.B. Handlung, Prozeß, Zustand. Nach H. Schumacher (Verben in Feldern 1986) werden die Makrofelder unter Berücksichtigung von Aktionsarten mit Hilfe von Verbtypen (Zustande-, Vorgangs-, Handlungsverben usw.) in Felder und Subfelder gegliedert. Bei der Nomination eines Sachverhalts durch ein zweiteiliges Kompositum wird von der zugrundeliegenden Funktor-Argument-Struktur ein Argument vererbt und vor oder hinter den Funktor gestellt, wie bei Expertenversammlung, wo das x-Argument, in die-
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sem Fall Experten, vor dem Funktor steht. Es verkörpert relationales Wissen, da es dem Funktor gegenüber eine semantische Funktion, eine semantische Rolle, einnimmt. Es beinhaltet aber auch kategoriales Wissen, da diese Argumentstelle nach bestimmten Selektionsregeln besetzt worden ist; ich verweise auf Viehweger (1988). Bei der Analyse hat es sich als sinnvoll erwiesen, die Funktor-Argument-Struktur in einer "erweiterten" Auffassung (vgl. Abb. 1) anzuwenden, d.h., in Komposita des vorliegenden Typs kann zusammen mit dem Funktorteil außer dem Argument auch eine Modifikation aus dem Funktorbereich, z.B. Direktflug, oder - unter Umständen - ein Funktor aus einer weiteren Proposition, z.B. Rettungsversuch - retten (x, y), versuchen (x, y), oder aber auch ein Operator, z.B. Nichtausdehnung, als weiteres Kompositionsglied vorkommen. ERWEITERTE PROPOSITION: Bombenanschlag Direktflug Rettungsversuch Nichtausdehnung
Argument - Funktor Modifikation - Funktor Funktor - Funktor Operator - Funktor Abb. l
4. Semantische Rollen Wie schon anfangs festgestellt, kann man Komposita nach den semantischen Rollen der belegten Argumente in Strukturtypen gruppieren, z.B. Aufklärungssatellit in den IN8™ ^8 1 , Tempobeschränkung in den OBJEKTIV-Strukturtyp. Da Komposita als Lexikoneinträge eine onomasiologische Funktion erfüllen, sind die semantischen Rollen auch als Benennungsmotive aufzufassen, vgl. M. Schröder (1980) und ihr Konzept über die außersprachliche Motivation. Expertenversammlung wäre somit durch den Täter, den Agens und durch die Handlung außersprachlich motiviert. ExpertenversammluQg
l
Täter
l
Handlung
BENENNUNGSMOTTVE
Abb. 2
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Die Klassifizierung der Komposita in Strukturtypen wie AGENS, INSTRUMENTAL usw. bezieht sich somit auf ihre außersprachliche Motivation. Die Benennungsmotive entspringen nach Schröder einem bestimmten außersprachlichen Sachverhalt, sie stellen allgemeine Kategorien dar und sind durch die Kenntnis des zu bezeichnenden Gegenstands oder Sachverhalts - auf Grund unseres Weltwissens - zu gewinnen. Bei den Bildungen des vorliegenden Kompositionstyps können die semantischen Rollen durch Lexikoneinheiten, wie eben der INSTRUMENTAL durch Satellit bei Aufklfirungssatellit, aber auch durch Suffixe, wie z.B. bei Asylbewerber der AGENS bei dem Zweitglied durch das Suffix -er, realisiert werden. Die Suffixrealisierungen der semantischen Rollen sind analog zu den semantischen Klassen der Verbalsubstantive: Nomen agentis, Nomen facti, Nomen instrumenti und Nomen loci. Komposita, bei denen der eine oder andere Teil ein Verbalsubstantiv darstellt, können also durch eine semantische Rolle, z.B. Aufklärungssatellit durch die INSTRUMENTAL-Rolle, oder aber auch durch zwei Rollen, wie z.B. Asylbewerber durch FINAL und AGENS gekennzeichnet sein. Zu beachten ist noch, daß bei einer Anzahl der Komposita des erwähnten Typs eine semantische Rolle "zweimal" vorkommen kann, wie etwa die AGENS-Rolle bei Expertenversammlung durch das Erstglied Experten und das Suffix -ung bei der Lesart, wo -Versammlung als Nomen agentis-Büdung aufzufassen ist. (Weitere Beispiele für dieses Phänomen sind Gipsverband INSTRUMENTAL; Zeitgewinn 'Zeitersparnis' RESULTATTV und Flußmitte LOKATIV.) Die unterschiedlich, durch verschiedene lexikalische Elemente realisierten Rollen weisen offenbar inhaltliche und funktionale Statusunterschiede auf; es ist anzunehmen, daß bei einer Suffixrealisierung nur relationales Wissen eine Rolle spielt, während bei den Lexikoneinheiten immer auch kategoriales Wissen vorhanden ist. Mit Hufe der erweiterten Proposition lassen sich Komposita bei den sich ergebenden Strukturtypen in Subklassen einteilen, wie z.B. Expertenversammlung bei dem AGENS-Strukturtyp: 1. AGENS 1.1.EG+ZGV 1.1.1. Nomen agentis 1.1.1.1. Handlungsprädikat Expertenversammlung;"... ist laut Beschluß der Expertenversammlung..." (SZ 25/111985, S. 1) Die Komposita, die sich nach dieser propositionalen Struktur beschreiben lassen, weisen die Alternativen EGV+ZG oder EG+ZGV auf, gemäß der Reihenfolge ihrer Glieder. Innerhalb der Strukturtypen lassen sich somit die Belege mit einem deverbalen Glied miteinander vergleichen, wobei ersichtlich ist, welche Abfolge bei den einzelnen Struk-
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turtypen bevorzugt wird. Weiter gibt es Hinweise darüber, wie die semantischen Rollen als Suffixrealisierungen auftreten, also wie sie bei den semantischen Rollen, die durch Lexikoneinheiten realisiert sind, vorkommen. Dies soll z.B. mit folgenden Diagrammen zu OBJEKTIV-, AGENS- und LOKATIV-Strukturtypen veranschaulicht werden (vgl. Abb. 3,4 und 5).
OBJEKTIV 62 60 · 50 · 40 ;
• EG^+ZG -5
30
DEG + ZGv -147
20 11 10 :
.
2 0 : _JM·
Nomen actionis
Nomen agentis
Nomen facti
. rzL Nomen instrument!
Abb. 3
AGENS
Nomen actionis
Nomen agentis
Nomen instrument!
148
LOKATIV
Nomen actionis
Nomen agentis
Nomen facti
Nomen instrument!
Nomen loci
Abb. 5
Literatur Fanselow, G. (1988): Word Formation and the Human Conceptual System. In: The Contribution of WordStructure-Theories to the Study of Word Formation. Ed. by W. Motsch (Berlin) (= Linguistische Studien. Reihe A179) 31-52. Motsch, W. (1988): On Inactivity, Productivity and Analogy in Derivational Processes. In: The Contribution of Word-Structure-Theories to the Study of Word Formation 1-30. Schröder, M. (1980): Zum Zusammenhang zwischen Benennungsmotiv, Motivbedeutung und Wortbedeutung. In: Deutsch als Fremdsprache 17,327-330/383. Schwarze, Chr./Wunderlich, D. (Hrsg.) (1985): Handbuch der Lexikologie. Königstein. Verben in Feldern (1986). Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik deutscher Verben. Hrsg. von H. Schumacher. Berlin/New York (= Schriften des Instituts für deutsche Sprache 1). Viehweger, D. (1988): Die Makrostruktur des Lexikons. Theoretische Explikation und Darstellung im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch des Deutschen. In: Symposium on Lexicography IV. Proceedings of the Fourth International Symposium on Lexicography April 20-22,1988 at the University of Copenhagen. Ed. by K. Hyldgaard-Jensen/A. Zettersten (Tübingen) (= Lexicographica. Series Maior 26) 7-31.
Gerd Wotjak ZUR STRUKTUR DES LEXIKONS
0. In den letzten Jahren hat sich das Interesse an der Beschreibung des Lexikons wie der lexikalischen Einheiten nach Jahren paradigmenspezifisch dominierter partieller Abstinenz1 deutlich verstärkt. Dabei richtet sich die Hauptaufmerksamkeit auf eine möglichst umfassende, oft für die jeweilige übergreifende Grammatikbeschreibung unzureichend paßgerechte Beschreibung der einzelnen Inventareinheit, vor allem auf die Bedeutung der lexikalischen Einheiten LE als Systemgrößen (LEtype) mit ihrer Systembedeutung (Semem, s e m a n t i s c h e M i k r o S t r u k t u r e n ) , zumeist mit deutlicher Akzentuierung der lexikalischen Bedeutung. Von großem Interesse scheint dabei die - vermutete bzw. bezweifelte - Isomorphiebeziehung zwischen Semem und den morphosyntaktischen Charakteristika2 einerseits und von Bedeutung als einer kognitiven Entität sui generis (shared knowledge, durchschnittliches Abbild, Stereotyp, Prototyp etc.3) und weiteren kognitiven Entitäten wie den Wissensrepräsentationen (Frames, Szenen, Skripts etc.) andererseits zu sein. Bereits weniger intensiv beachtet erscheinen dagegen die Beziehungen der einem (polysemen/homonymen) Formativ zugeordneten Sememe untereinander (mitE.Agricolaals s e m a n t i s c h e M e d i o s t r u k t u r e n bezeichnet) wie auch die Beschreibung der Beziehungen zwischen LEtype-Bedeutungen (Sememen) und Kontextbedeutungen/LEtoken-Bedeutungen (Allosememen) in konkreten Texten.4
0.1. Wiewohl man eine Kontinuität hinsichtlich der vor allem auf J. Trier und L. Weisgerber zurückgehenden Feldbeschreibungen (allgemeiner der Beschreibung p a r a d i g m a t i s c h e r s e m a n t i s c h e r M a k r o s t r u k t u r e n ) nicht bestreiten und bereits G.S. Sftir (1974) auf eine sehr stattliche (ca. 1000 Titel umfassende) Liste verweisen kann, scheint doch das Hauptaugenmerk der moderneren lexikalischen Semantik/Lexikontheorie weniger der Auslotung der globalen Feldstruktur selbst gegolten zu haben, dienten entsprechende semantische Makrostrukturanalysen bevorzugt als heuristisch-diagnostisches Verfahren zur semantischen Mikrostruktur(Semem)beschreibung. Daß selbst in einem solchen Fall - gewissermaßen indirekt - Teilstrukturen des Lexikons mit erhellt werden, wie umgekehrt auch semantische Mikro- wie Mediostrukturanalysen auf übergeordnete Ordnungszusammenhänge/Makrostrukturen wie auch deren Interrelationen5 und mögliche Gliederungsprinzipien im Lexikon aufmerksam machen können, liegt auf der Hand, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Frage nach dem Vorhandensein und der konkreten Gestalt von Strukturen/Ordnungsprinzipien im Lexikon bislang nicht die u.E. gebührende Aufmerksamkeit erfahren hat, wobei diese Feststellung auch nicht durch die von M. Alinei angeregte verdienstvolle
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und aufschlußreiche Rundtischdiskussion zur Struktur des Lexikons in Quaderni di semantica l und 2 (1983) außer Kraft gesetzt wird.
0.2. Angesichts der wachsenden Anforderungen seitens der Sprachdatenverarbeitung, insbesondere der Schaffung ein- wie mehrsprachiger lexikalischer Datenbanken, scheint eine Trendwende überfällig, sollten die nicht seltenen, bislang aber entweder zu wenig beachteten oder systematisierten bzw. nicht hinreichend im Lichte moderner Einsichten hinterfragten Aussagen der lexikalischen, in der Regel als strukturalistisch "stigmatisierten" Semantik, hier vor allem der Feldtheorie, einer neuerlichen sorgfältigen Prüfung unterzogen werden. Dies umso mehr als von Anfang an hinsichtlich der Strukturiertheit der Lexik von einem weniger strikten und stärker diversifizierten Charakter die Rede war. Daß dies nicht im Rahmen eines limitierten Aufsatzes geschehen kann, liegt ebenso auf der Hand wie auch, daß mit einer solchen kritischen Sichtung auch wichtige Fragen der Lexikographie berührt werden.
0.3. Daß im folgenden mehr Hypothesen formuliert und Fragen aufgeworfen, denn verläßliche Ergebnisse oder aber Problemlösungsstrategien aufgezeigt werden können, dürfte nur z.T. dem subjektiven Unvermögen von Verf. selbst angelastet werden. Aus einsichtigen Gründen mußte an dieser Stelle auf eine wissenschaftsgeschichtliche Würdigung von Einzelleistungen wie auch auf die Nachzeichnung der Genesis der Problemstellungen und Methodenangebote verzichtet werden; dazu finden sich - nicht nur, was die Feldtheorie im engeren Sinne angeht - neben Überblicksdarstellungen Spezialmonographien und -artikel.6
1. Auf die Frage, ob das Lexikon als die Gesamtheit des zu einem Zeitpunkt gesellschaftlich überindividuell virtuell allgemein disponiblen, wenn auch vom einzelnen Sprachbenutzer in seinem individuellen, subjektiv interiorisierten Lexikon nie vollständig (aktiv wie passiv) beherrschten Zeichenvorrats einer historischen Einzelsprache als Diasystem in toto strukturiert ist, kann in Anbetracht der unzureichenden Forschungslage zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine gesicherte Antwort gegeben werden. Bezug nehmend auf Einsichten der kognitiven Psychologie (besonders Hoffmann 1986) und Künstlichen Intelligenzforschung schiene es uns plausibel anzunehmen, daß tendenziell eine Vereinnahmung/Einbindung einzelner LE-Neuaufnahmen in bereits bestehende Lexikonteilstrukturen bzw. aber zumindest eine Anbindung an diese erfolgt, sofern diese Erstnominationen (Primär- wie Sekundärnominationen wie Phraseologismen) nicht selbst als Bestandteile größerer Erfahrungskomplexe, d.h. eingebettet in ein wie auch immer geartetes umfassenderes Strukturganzes, Aufnahme ins Lexikon finden/
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fanden. Da nicht nur das individuell interiorisierte, sondern auch das historisch tradierte und synchron disponible lexikalische System als Gesamtheit des Wortschatzes per definitionem auf Zuwachs (Neuaufnahmen) und auch auf Veränderung (Ausscheiden aus dem disponiblen aktuell verfügbaren Wortschatz; vgl. Historismen, Archaismen etc., aber auch Bedeutungs- und Bezeichnungswandel) angelegt, also in diesem Sinne virtuell offen ist, scheint der Zweifel - wenn schon nicht hinsichtlich des Vorhandenseins von mehr oder minder klar und stringent strukturierten Teilbereichen, so doch einer durchgängigen und vollständigen Strukturiertheit des Lexikons - wohl nur allzu einleuchtend. In der Tat ist die Lexikontheorie wie insbesondere die praktische Lexikonbeschreibung noch nicht so weit, um hier wirklich überzeugende Fakten anbringen zu können. Immerhin lassen die Experimente der kognitiven Psychologie wie auch eigene nicht systematische Beobachtungen vermuten, daß die meisten Neuaufnahmen bereits bestehenden Strukturierungen zugeordnet werden und im Falle einer relativen Isolierung solche Einzellexeme entweder keine lange Lebensdauer aufweisen oder aber tendenziell sehr schnell an größere konzeptuelle Familien angeschlossen werden, wobei dem von Wittgenstein betonten Prinzip der Familienähnlichkeit (Teilkongruenzen auf der formalen Ausdrucks- und/oder der Inhaltsebene) keine geringe Bedeutung zukommt.
1.1. Daß sich die mit der Nominationspraxis erreichte Feinauflösung - mitunter nach Tätigkeitsfeldern der sozialen Praxis differenziert - von Sprache zu Sprache - und dies sogar bei genetisch verwandten Sprachen - z.T. signifikant unterscheidet, macht die ganze Beschreibung nicht einfacher. Da sich in der Lexik der Erfahrungsschatz der betreffenden Sprachgemeinschaft vergesellschaftet und usualisiert kommunikativ für den einzelnen Sprachbenutzer disponibel gemacht und historisch tradiert, synchron relativ stabil eingefroren findet, sollte von Kongruenzen und besonders Divergenzen nicht vordergründig auf die Erkenntnisfähigkeit/Weltanschauung, wohl aber durchaus in ausgewogener Weise und ohne Verabsolutiening der muttersprachlichen Prägung im Sinne eines wehrlosen Eingebundenseins auf eine historisch dokumentierte spezifische "Weltsicht" geschlossen werden können. Nicht zufällig hat - beginnend mit Trier und Weisgerber - gerade die Forschung zu den Begriffs-, weniger zu den Sprach-/Wortfeldern - wobei deren Interrelation beachtet und kaum eine leichte Trennung zwischen beiden vorgenommen werden kann - zu so brisanten, "völkerpsychologischen1' und oft nicht von ideologischen Bezügen und Überspitzungen freien Feststellungen geführt, daß die Deutschen (nichtsosehr das Deutsche) stärker dem Detail verpflichtet, die Franzosen dagegen eher dem Abstrakten zugewandt und "kühle Rechner" seien.
1.2. Hinsichtlich der mitunter geäußerten Zweifel, ob es sich bei den aufgezeigten/angenommenen Strukturen (z.B. Felder) um realiter, d.h. um objektiv gegebene, historisch
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entstandene und als solche weitgehend synchron invariant tradierte immanente Strukturen des Lexikons handelt, oder ob diese nicht vielmehr dem gliedernden und systematisierenden Bemühen des Linguisten geschuldet und damit subjektiv geprägte, hineininterpretierte Gliederungen sind, möchten wir hier - ohne argumentative Untermauerung - feststellen, daß man - eine sorgfältige Intersubjektivierung der eigenen Intuition des Forschers über Wörterbucheinträge und Informantentest vorausgesetzt - davon ausgehen kann, daß der Linguist letztlich meist zu objektiv so gegebenen, d.h. vergesellschaftet und usualisiert und unabhängig von seinem Kategorisierungswillen vorgegebenen Konfigurationen im Lexikon vorstößt (vgl. aber 2.2. (iv)). Gewiß gilt es dabei in Rechnung zu stellen, daß auch die paradigmatischen semantischen Makrostrukturen neben den Mikro- und Mediostrukturen, aber selbst diatopische, diastratische wie diaphasische Markierungen der LEtype als Bestandteil ihres kommunikativen Potentials7 und damit der Ausdrucksstrukturebene, einer direkten Beobachtung nicht zugänglich sind und eine jede Beschreibung letztlich notgedrungen über die Intuition des Linguisten als Sprachbenutzer vermittelt erfolgen muß.8 Nichts spricht - bis auf schlüssigen Gegenbeweis9 - dagegen, daß der Linguist nicht in der Lage sein sollte, allein über eine sorgfältige Rekonstruktion der in seinem interiorisierten Individualwortschatz (subjektives Lexikon) auffindbaren Strukturierungen unter Beachtung des Prinzips von Zentrum (Core, Prototyp) und Peripherie10 wesentliche Strukturbeziehungen im gesamtgesellschaftlichen Lexikon unverfälscht zu erfassen (zumindest für das Zentrum und den sog. fonds lexical commun) und über die Einbeziehung von einsprachigen Synonym-, Antonymund Bedeutungswörterbüchern sowie gezielte, strukturierte Informantenbefragungen z.B. auch noch weitere, periphere Feldbestandteile zu ermitteln und deren behauptete Interrelationen intersubjektiv zu validieren.
1.3. Die von uns behauptete weitgehende Koinzidenz von zentralen Bereichen ausgewählter Makrostrukturen im Individualwortschatz und im Lexikon, dessen immanente Strukturen ja letztlich nur kommunikativ vergesellschaftete und usualisierte, synchron relativ beständige Objektivierungen subjektiv-individueller Welterfahrung und sprachlicher Anverwandlung/Wortung/Nomination(szwänge) darstellen, will nicht besagen, daß die konkrete psychisch-neurophysiologische Speicherung und Organisiertheit tatsächlich so weitgehend kongruiert wie angenommen wird. So wenig wie die zu Recht betonte offene Struktur, die virtuell unbegrenzte Erweiterfähigkeit des gesamtgesellschaftlichen wie des individuellen Lexikons (hier liegt ohnehin eine beträchtliche quantitative Diskrepanz vor11) selbst gegen die Annahme einer durchgängigen Strukturierung des Lexikons in seiner Gesamtheit spricht, so wenig dürften realiter nachweisbare individuelle Abweichungen hinsichtlich der Anzahl und selbst der Art/Beschaffenheit der Komponenten ausgewählter Makrostrukturen wie auch Schwierigkeiten hinsichtlich der Zuordnung peripherer LE zu bestimmten Makrostrukturen zu einer Überbetonung des subjektiven Charakters von Lexikonstrukturen oder gar zur Ablehnung überindividuell
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vergesellschaftet übereinstimmender Gliederungen führen. Ja, mehr noch, wir halten dafür, daß auch mögliche Abweichungen bezüglich der Festlegung der strukturkonstituierenden Kriterien (Merkmale) und eine scheinbar recht große Variabilität bei der Bestimmung dessen, was als Systematisierungs-/Erfassungskriterium für LE (neben dem unverbindlich-willkürlichen dominanten Ausdrucksstrukturkriterium des Alphabets) herangezogen werden kann, aber auch die nachweisbar mögliche Mehrfachzuordenbarkeit von LE zu divergierend bestimmten Makrostrukturen, das Vorhandensein homogener Strukturierungen/lexikalisch-semantischer Paradigmen wie etwa Synonymic und Antonyme, aber auch von heterogenen lexikalisch-semantischen Paradigmen (vgl. Bidu-Vränceanu 1983) nicht prinzipiell gegen das Vorhandensein historisch-soziokulturell bedingter "immanenter" Ordnungsprinzipien und Klassifizierungspräferenzen sprechen. Dies ist nicht selten allein dadurch bedingt, daß wir es bei solchen archisemformelhaften mengenbildenden, prototypischen Kategorisierungen (Feldoberbegriffe, untermengenbildende Begriffe) in der Regel mit komplexeren Merkmalsbündeln zu tun haben, von denen virtuell auch ein jedes isoliert und für sich genommen als mengenidentifizierendes Ordnungskriterium herausgestellt werden könnte.
1.4. In der Tat ist anzunehmen, daß die Sememe im allgemeinen dank der in ihnen vorhandenen "Adresse" in Gestalt etwa der sog. Basisproposition12 dominant und prototypisch unverwechselbar e i n e r paradigmatischen Makrostruktur (gegebenenfalls als Teil einer noch generischeren HyperStruktur) zugeordnet werden können, wobei polyseme bzw. homonyme Mediostrukturen eine abweichende Sememzuordnung zu jeweils anderen Feldern implizieren. Andererseits macht die tatsächliche Komplexität der Binnenstruktur der Sememe - und dies nicht nur bei heteroinzidenten LE (dazu Pottier 1971) - verständlich, daß sich sehr vielschichtige, mehrdimensionale Interrelationen/ Netze mit partiell kongruierenden Kanten und Knoten ergeben können. Hinsichtlich dessen, was aus naiver, unmittelbarer, natürlicher Evidenz im Sinne des shared knowledge als tradierte, vorgegebene prototypisch-normale Teilstruktur des Lexikons betrachtet wird (vgl. auch die Annahme von Szenen, Szenarien, MOPs und MIPs, Wissensrepräsentationen der unterschiedlichsten Art) und was aufgrund unbestreitbar auch feststellbarer intersememisch kongruierender Komponenten/Charakteristika als zusammenordenbar herausgestellt werden könnte, ohne daß dafür eine psychologisch-sprachliche unmittelbare Prädisposition ausgeprägt wäre, gibt es noch wenig verläßliche Aussagen. Für uns scheint es neben als relevant signalisierten, vorgegeben o b j e k t i v i m m a n e n t e n Strukturierungen a priori auch solche, eher tieferliegende und sich erst bei einer semantischen MikroStrukturanalyse im Detail und a posteriori erschließende Zusammenordnungen/Klassenbildungen auf der Grundlage von Invarianten zu geben, die damit wohl dem gliedernden Bemühen des Linguisten geschuldet sind. Zu letzteren könnten wohl u.a. die Stelligkeit des Argumentenpotentials und dessen qualitative, funktional-semantische Ausprägung in Gestalt der semantischen Satzmodelle
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(Moskalskaja 1978, Heibig 1982) bzw. syntaktisch-semantischen Satzparadigmen nach Bäez San Joso/Penados (1990) gezählt werden, die zwar in direkter Beziehung zur archisemformelhaften Basisproposition stehen, aber nicht wie diese dominante sprachlichvergesellschaftete Sachverhaltsklassenbildungen/systemhaft wie kommunikativ als relevant ausgezeichnete paradigmatische semantische Makrostrukturen (Felder, Sachgruppen, Intensitätsstaffeln etc.) darstellen. Die Archisemfonnehi als feldkonstitutive Oberbegriffe (Generische Archisemformeln GAS) bzw. die Untermengen/Mikrofelder/Domänen bzw. Dimensionen charakterisierende spezielle Archisemformeln (SASl...n) stellen in dem Maße natürliche, naiv evidente Designatsklassenbildungen dar, als die in ihnen vergesellschaftet und usualisiert sowie in spezifischer Weise historisch-kulturell perspektiviert/modalisiert (anteilig) eingefrorenen, mehr oder minder komplexen Sachverhalts/Denotationswissensrepräsentationen für das Alltagswissen relevante Ausschnitte aus der zu bewältigenden Diskurswelt der Sprachbenutzer bilden. Meist wird dabei der als minimal festgelegte Grundbestand an zwei Semen für eine Archisemformel (Bidu-Vränceanu 1983) deutlich überschritten, können auch partiell divergierende SAS herausgestellt werden und umfassen die GAS bzw. SAS - insbesondere bei heteroinzidenten LE - neben einer Sukzession von Teilpropositionen der gleichen Art auch Propositionen deutlich unterschiedlicher Art, d.h., es findet eine Überlappung, eine Überlagerung von elementaren Sachverhaltsrepräsentationen im Sinne einer Sachverhaltskomplexion, statt (vgl. die Interpenetration der Sachverhaltsrepräsentationen/Designatsklassenbildungen DELOK/ ORTSVERÄNDERUNG/MOVE = Fortbewegung und LOKUTION = Spezifikation des Sprecher-/Hörerstandpunktes bei Verben wie kommen, gehen, hinuntersteigen...; dazu G. Wotjak 1991a).
1.5. Semem-Semem-Beziehungen - und um diese geht es uns im folgenden als inhaltsstrukturbezogene Gliederungen vorrangig - können auf sehr unterschiedliche Phänomene, immer jedoch auf Überlappungen/Gemeinsamkeiten oder spezifische semantische Relationen (z.B. Hyponymie-Hyperonymie-Beziehungen, synonyme und konverse Beziehungen, Antonymie ...), zurückgeführt werden, die indes ein unterschiedliches Gewicht hinsichtlich der - psychologisch unmittelbar und spontan einsichtigen - Plausibilität der durch sie signalisierten LE-Zusammengehörigkeit aufweisen können. So können beispielsweise die Sememe in ihrer Gesamtheit als Ordnungsfaktoren unter Berücksichtigung von zwischen ihnen bestehenden Kongruenzen/Invarianten klassifiziert werden; dabei gäbe es zu beachten: (i) die unterschiedlichen Formativen zugeordneten Sememe können sememisch-intensional völlig bis weitgehend identisch sein; in diesem bekannten Fall handelt es sich um synonyme LEtype, die - da eine Systemidentität des kommunikativen Potentials der betreffenden Inventareinheit wenig wahrscheinlich ist (selbst eine semantisch-sememische völlige Identität = absolute, totale Synonymic, erscheint wenig plausibel) - in der
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Regel diatopisch, diastratisch und/oder diaphasisch als abweichend markiert erscheinen dürften; (ii) die Sememe können hinsichtlich ihrer denotativen Basisproposition (denotativer Kern = bei denotatszentrierter Beschreibung einer außersprachlich-begrifflichen, onomasiologisch-noematischen Sachverhaltsbeschreibung sehr nahe kommend) völlig oder sehr weitgehend (sememisch-extensional) deckungsgleich sein, aber hinsichtlich der "signifikativen Brechung" (dazu G. Wotjak 1986a) Abweichungen aufweisen hinsichtlich a) einzelner Modifikatoren, b) von Teilpropositionen/Elementarpropositionen (Differentiaseme von felduntermengenkonstituierenden Archisemformeln gegenüber dem Feldoberbegriff und untereinander) und c) der semantisch-denotativen Bestimmung des Argumentenpotentials (die semantisch-funktionale Bestimmung müßte dagegen wohl immer gleich sein bei einer paradigmatischen Makrostruktur zugehörenden LE-Sememen).
2. Uns will scheinen, daß als besonders vielversprechender Anwärter der Inhaltsebene auf das Prädikat "Gliederungsindikator" für historisch-sprachlich tradierte Strukturierungen/Designatsklassenbildungen (dazu G. Wotjak 1986b) im Bereich der Inhaltsebene die a r c h i s e m f o r m e l h a f t e n B a s i s p r o p o s i t i o n e n in ihrer Ganzheit fungieren, wobei die Zusammenordnung vom Zentrum zur Peripherie hin immer weniger überzeugend wird. Besonders augenfällig ist sie bei völliger Kongruenz der Sememe (sememisch-intensionale wie extensional-denotative Identität), bei weitgehender intensionaler Kongruenz der Sememe bei totaler Kongruenz der Basispropositionen und bei völliger Kongruenz der Basispropositionen (sememisch-extensional totale Kongruenz bei Teildivergenz der Modifikatoren); aber auch bei nur partieller Kongruenz der Basispropositionen (Differentiaseme von Felduntermengen) scheint noch eine relativ sichere Einordnung gewährleistet zu sein. Den durch die archisemformelhafte Basisproposition geleisteten Einordnungsdiensten bei heteroinzidenten LE/Sememen (vor allem von Verben) vergleichbar scheinen insbesondere für autoinzidente LE zutreffende Hyperonymie-Hyponymie-Beziehungen zu sein, die als Element/ExemplarKlassen/Mengen-Beziehungen mit den unter 1.4. aufgeführten Semem-Semem-Beziehungen das Vorhandensein einer Inklusionsbeziehung teilen.
2.1. Dabei gehen wir davon aus, daß die Gliederungskriterien für paradigmatische semantische Makrostrukturen - mindestens, was deren Feinstrukturierung/Untergruppenbildungen/Mikrofelder angeht - als dominant s p r a c h i n d i z i e r t zu betrachten sind, während für weitere inhaltlich-kognitive Strukturierungen/Konzeptualisierungen
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(Kernkonzepte, Konzeptfamilien, thematische Reihen, Skripte, Szenen, Szenarien, MOPs und MIPs etc.) eher von s a c h i n d i z i e r t e n Gliederungsprinzipien auszugehen ist. Eine klare Trennung zwischen diesen beiden Einteilungen fällt jedoch nicht zufällig schwer, wobei sich sprachindizierte Erscheinungen im Bereich der Bedeutung nicht minder als kognitiv auffassen lassen, allerdings für erstere der Faktor der Sozialisierung und Usualisierung wie auch der historisch-soziokulturellen Tradierung als distinktiv zu veranschlagen ist. Die umstrittene, von uns jedoch im Einklang mit Bierwisch (1983) bejahte Heraushebung der lexikalischen Bedeutung als eine kognitive Entität sui generis aus den weiteren Wissensrepräsentationen/Konzeptualisierungen findet auch ihren Niederschlag bei der Charakterisierung als sprach- bzw. sachindizierte Gliederungskriterien: So könnten zumindest die GAS als obermengenbildende onomasiologische Klassifikationskriterien von Makrofeldern, aber wohl auch die SAS generell als letztlich sach- bzw. denotatswissensbedingte Erscheinungen betrachtet werden, würden also auch die denotativen Basispropositionen der Sememe im wesentlichen als sachverhaltswissensbasiert und eher sachindiziert, die die Sememe eines Mikrofeldes differenzierenden Modifikatoren dagegen wohl als sprachindiziert (einzelsprachspezifisch) zu werten sein.
2.2. Auf der Inhaltsebene können im wesentlichen drei große Untergruppen von paradigmatischen semantischen Makrostrukturen unterschieden werden: (i) solche LE-LE-Beziehungen, die s e m e m i s c h indiziert, prädeterminiert sind (Synonyme, Antonyme, Hyperonym-Kohyponym-Beziehungen, Bedeutungsfelder in einem weiteren Sinne). Dabei dürfte - im Normalfall und natürlich evident - eine mehr oder minder große K o i n z i d e n z der B a s i s p r o p o s i t i o n e n der Sememe makrostrukturkonstitutiv sein (mit möglichen internen Differenzierungen als Mikrofelder/Untermengen eines umfassenderen Makrofeldes); wir könnten von b a s i s p r o p o s i t i o n s i n d i z i e r t e n (semantisch-denotativ bzw. extensionalsemantisch determinierten) LE-LE-Beziehungen sprechen; (ii) solche LE-LE-Beziehungen, die s e m i s c h motiviert erscheinen, d.h. auf der Übereinstimmung hinsichtlich e i n e s semantischen Merkmals beruhen, das als Teilkomponente als D i f f e r e n t i a s e m eine spezifische Untermenge von Basispropositionen (untermengenbildende spezielle Archisemformeln SAS) konstituiert; wir könnten hier von d i f f e r e n t i a s e m i n d i z i e r t e n Designatsklassenbildungen/LELE-Beziehungen sprechen; (iii) solche LE-LE-Beziehungen, die p r o z e d u r a l s e m a n t i s c h motiviert sind, d.h. etwa auf solche Phänomene semantischer Transposition/Interrelation wie Metapher, Metonymie, Synästhesie etc. zurückgeführt werden können, wobei es sich hierbei wohl um Zusammenordnungen von LE durch den Forscher, nicht aber um unmittelbar evidente Inhaltsstrukturierungen handeln dürfte.
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Es schiene angebracht, die unter (i) und (ii) (Mikrofelder bis zu minimalen Paaren) aufgeführten Lexikonstrukturen als psychisch dominant zu betrachten, während die unter (iii) aufgeführten Mediostrukturen einer tieferen Schicht des (sprachlichen) Wissens zugeordnet erscheinen (beispielsweise auch nicht bei psycholinguistischen Tests wie in Lurija/Vinogradova 1972 nachgewiesen wurden). (iv) Es kann aber auch die Übereinstimmung hinsichtlich der Kasusrahmen, der semantisch-funktional bestimmten Argumentenpotentiale als Ordnungskriterium herangezogen werden, wobei bei kongruierenden Sememen/Basispropositionen auch eine Kongruenz der Kasusrahmen (semantischen Satzmodelle) angenommen werden kann, Übereinstimmungen in diesem Bereich jedoch nicht automatisch auf kongruierende Basispropositionen/Archisemformeln schließen lassen; wir könnten von k a s u s r a h m e n i n d i z i e r t e n (semantisch-funktional determinierten) LE-LE-Beziehungen sprechen, wobei bei basispropositions- und kasusrahmenindizierten LE-LE-Beziehungen immer mehrere Komponenten der Sememe kongruieren; bei kasusrahmenindizierten LE-Zusammenordnungen (semantische Kasusrahmen/Satzmodelle), die in der Regel über die Beschreibung einer GAS-LE-Gliederung hinausgehen, handelt es sich um ein gliederndes Eingreifen des Linguisten.
2.3. Gesondert erwähnt zu werden verdient als ein sehr weitgehendes durchgängiges Gliederungsprinzip, das auf der Inklusion beruht und nicht die Beziehung Genus proximum - Differentia specifica, sondern vielmehr die von Ganzem und Teil signalisiert, die P a r s - R e l a t i o n , die sowohl LE zu Gruppen strukturiert wie aber auch Sememe signifikativ semisch näher präzisieren hilft.
2.4. Einen Spezialfall basispropositionsindizierter wie sememisch determinierter LELE-Beziehungen stellen die antonymischen Semem-Semem-Beziehungen dar, die sich durchaus nicht für alle LE nachweisen lassen und offenbar bei Verben seltener vorliegen als bei Substantiven und beispielsweise bei Wertadjektiven, wobei deren Übereinstimmung wohl sememisch bestimmt ist.
2.5. Weniger gewichtig, wenn auch nicht minder unmittelbar evident, erscheinen die den paradigmatischen semantischen Makrostrukturen gleichfalls zuzuordnenden, realiter wesentlich seltener auftretenden I n t e n s i t ä t s s t a f f e l n , denen als Gliederungsprinzip die Graduierung der Quantifikation hinsichtlich einer als wichtig erachteten Eigenschaft < Geschwindigkeit >, < Wärme/Temperatur > zugrunde liegt.
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2.6. Einen Spezialfall von Gliederung des Wortschatzes - hier nun im Sinne schöpferischer Einwirkung des Linguisten - stellt die Zusammenordnung von LE gemäß e i n e m übereinstimmenden Merkmal (Sem) dar, das zwar Bestandteil der Sememe, häufig aber nicht zentral, sondern peripher ist, wobei faktisch keine weiteren gemeinsamen Komponenten der Sememe/LE vorhanden sind (vgl. "audible" bei Dupuy-Engelhardt 1990).
2.7. Bislang nur im Hinblick auf ausgewählte LE, nicht aber als ein möglicherweise generisches Strukturierungsprinzip von Wortschatzteilbereichen betrachtet, erscheinen solche Beziehungen, wie sie sich beispielsweise in Grundstrukturen der Sachverhaltskomplexion (z.T. widergespiegelt in Aktionsart- bzw. Aspektangaben) der folgenden Art zeigen: 'Noch-Nicht-Sein' --> 'Sein' als eine Existentialprädikation (als Allaussage spezifizierbar) bzw. 'So-Sein' als eine Art Eigenschaftsprädikation/P(x) --> 'Nicht-Mehr(So)-Sein' bzw. 'Anders-Sein' mit sehr unterschiedlichen Lexikalisierungen/Anteilen an Sememen; aber z.B. auch mit entsprechenden generischen wie spezifizierten Relationsprädikationen (d.h. zwischen und y besteht eine - so und so zu spezifizierende - Relation). Für die spezifizierten Relationen ließen sich u.a. solche Teilbereiche herausstellen wie: Identitäts- bzw. Nichtidentitätsprädikation Quantifizierung/Komparation im Hinblick auf Eigenschaften wie z.B. < Geschwindigkeit >, , emotionale Beziehung von und y (Designatsdomäne Opsych) soziale Interaktionsbeziehungen zwischen und y (Designatsdomänen Osoz, darunter Okomm und Oling - dazu G. Wotjak 1986b)
2.8. Hinsichtlich der paradigmatischen semantischen Makrostrukturen wie - allgemeiner und oft auch unpräziser - der Felder sowie ihrer Binnenstruktur sind in der Vergangenheit z.T. recht divergierende Beobachtungen angestellt worden. Abgesehen von Einwänden hinsichtlich des lückenlosen Ausgegliedertseins der Feldbestandteile und der so sicher überspitzten Behauptung, daß eine LE Bedeutung nur im Feldganzen habe, dieses also in toto präsent oder aktualisierbar sei, hat es nicht an Versuchen gefehlt, an die Stelle des Feldes andere, in der Regel komplexere Gebilde zu setzen: so beispielsweise Netzstrukturen mit Knoten als Sememen oder auch als Seme (Sajkevid 1963) bzw. mehrdimensionale Felder neben den durch das Feldbild zunächst suggerierten eindimensionalen (dazu u.a. Weisgerber 1950: 137f.); zur terminologischen Vielfalt und möglichen Untergliederung vgl. u.a. Schlaefer (1987: 86). Weisgerbers Typologie sieht vor:
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Typen von Feldern
Beispiele
Reihengliederung
Zahlenreihe
Flächengliederung
Verwandtschaftsbez.
Tiefengliederung (körperhafte Gliederung
Farbbezeichnungen
einschichtige Felder
Wortfeld 'Aufhören des Lebens'
mehrschichtige Felder
Dabei ist die Unterscheidung in Bedeutungs- und Begriffsfelder (Sinnbezirke etc.) zumindest hinterfragbar und in der Tat auch in praxi nicht immer als solche konsequent durchgehalten worden; aber auch die Unterscheidung in Bedeutungs- und/oder Begriffsfelder einerseits und Sprachfelder (morphosyntaktische) andererseits ist bislang noch relativ wenig beschrieben. Mit Coseriu (1975) könnte nachstehende Aufstellung von Feldbeschreibungen einer wünschenswerten Detailstudie unter Heranziehung des modernen Standes der semantischen und Lexikontheorie zugrunde gelegt werden:
Lexematische Strukturen paradigmatische Strukturen (auf Opposition beruhend)
syntagmatische Strukturen ( = lexikalische Solidaritäten auf Kombination beruhend)
Primärstrukturen
Sekundärstrukturen
Lexike
Modifikation Entwicklung Komposition
lexikalische Klasse (unabhängig von Feld durch gleiches Klassem)
prolexematische
lexematische
Affinität Selektion Implikation
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Dabei sollte auch Coserius Subspezifikationsvorschlag für eine Feldtypologie einbezogen werden: Lexikalische Felder eindimensionale
mehrdimensionale
l
/\ mehrdimensionale
antonymische
zweidimensionale
l
graduelle serielle
korrelative
geordnete ungeordnete
. . .
/ \ korrelative
hichtkorrelative
/\
hierarchisierende
selektive
nichtkorrelative einfache
Azusammengesetzte
3. Relativ kurz abgehandelt, wiewohl nicht zuletzt auch unter lexikographischem Gesichtspunkt wie auch unter dem Blickwinkel einer prozeduralen Semantik von Gewicht, erscheinen die s e m a n t i s c h e n M e d i o s t r u k t u r e n als spezifische Strukturierungen des Lexikons im Sinne von Nischenbildungen, von Zuordnungen von Sememen zu einem homophonen und/oder homographen Formativ: Dabei kann davon ausgegangen werden, daß die genetischen textsemantischen Prozeduren der Metaphorik und Metonymie, seltener der Synästhesie, die zur Ausbildung der legalisierten Semem-Semem-Beziehungen im Rahmen des sog. semasiologischen Feldes, des Signifikats, geführt haben, als eingefrorener Reflex jederzeit weiterwirkender generischer semantischer Prozeduren betrachtet werden können, deren konkrete Mechanismen - insbesondere was die Metonymie angeht - kaum (vgl. D. Müller 1990), hinsichtlich der Metaphernproblematik dagegen eher zu stark untersucht wurden. Es liegt auf der Hand, daß auch die semantischen Mediostrukturen spezifische Strukturierungen im Lexikon durchscheinen lassen, beispielsweise eine hochgradige Präferenz zur Homophonie wie im Französischen, wobei die einzelnen Sememe auf der Inhaltsstrukturebene jeweils in entsprechende unterschiedliche paradigmatische semantische Makrostrukturen einbezogen erscheinen.
4. Zur Inhaltsebene in einem weiten Verständnis, dabei aber wohl nicht direkt zu den paradigmatischen semantischen Makrostrukturen wie überhaupt nicht zu semantisch
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(sememisch, semisch und prozedural) motivierten Strukturierungen der Lexik dürften solche Gruppierungen von LE zu zählen sein, die - unmittelbar evident - zwischen LEKomponenten sog. thematischer Reihen/Gruppen, aber generell in solchen stets auch sprachlich-lexikalisch fixierten Wissensrepräsentationen wie den Skripts, Frames, Szenen, Szenarien etc. nachgewiesen werden können. Über die individuelle wie vergesellschaftete Erfahrung tradiert reflektieren sich in LE-LE-Beziehungen hier Sachzusammenhänge (vgl. z.B. Hallig/Wartburg 1952; Dornseiff 1959, Thesauri von Roget bis in die Gegenwart), wobei solche thematischen Reihen/Sachgruppen nicht zufällig bei Autosemantika aufgezeigt wurden, die in ihrer semantischen/sememischen Struktur keine über die Selbstreferenz hinausweisenden semantischen Indikatoren für Mitspieler, Korrelate beinhalten. Besonders augenfällig wird die enzyklopädisch-denotatswissensmäßige Motiviertheit der Lexikonteilstrukturen solcher Art bei Fachtermini mit ihren im Rahmen einer bestimmten Theorie fest definierten Begriffen/Inhalten, mit denen zugleich neben den Knoten und den Kanten in einem komplexen Wissensnetz auch weitere Knoten verbunden bzw. verbindbar erscheinen. Dabei bedürfen solche begrifflichthematischen Reihen insofern einer sorgfältigen Überprüfung, als sie bislang weniger beachtet bzw. ihre Beschreibung nicht als zum Gegenstand der lexikalischen Semantik (strukturalistischer Prägung - es geht um Bedeutung, nicht um Bezeichnung nach Coseriu!) gehörig betrachtet wurde, sich andererseits nicht wenige Gründe finden lassen, zwischen Bedeutung und enzyklopädischem Wissen - wenn überhaupt - keine zu strikte Grenzziehung vorzunehmen (dazu u.a. Viehweger 1987). Wenn wir davon ausgehen, daß die Bedeutung von LE eine vergesellschaftete und usualisierte, kondensierte Aussage, eine Sachverhaltswiderspiegelung, eine Art umgangssprachlichen Begriff darstellt und die zu Recht immer wieder betonte enge Beziehung von Bedeutung und enzyklopädischem Wissen/Konzeptualisierung in Rechnung stellt, so scheint sich eher die Frage zu ergeben, inwieweit wir es bei den als semantisch (und damit sprachlich) bezeichneten Mikro-, Medio- und Makrostrukturen mit zumindest partiell eigenständigen linguistischen Designatsklassenbildungen sui generis zu tun haben und nicht vielmehr mit - notwendig lexikalisch indizierten - Wissensrepräsentationen außersprachlich-kognitiver/konzeptueller Art. Wiewohl konkrete Forschungen zu den Überschneidungen von Feldbeschreibung und Szenendarstellung (Kaufskript z.B.) bislang selten sind (dazu G. Wotjak 1988), sollte bis zum Gegenbeweis davon ausgegangen werden, daß semantische Makrostrukturen eine spezifisch unverwechselbar andere Qualität (beispielsweise hoher Sozialisierungsgrad gegenüber möglicherweise stärker individuell und berufsgruppenspezifisch geprägten Wissensrepräsentationen) aufweisen, daneben aber nicht wenige Gemeinsamkeiten mit den korrespondierenden Wissensrepräsentationen besitzen.
5. Neben solchen paradigmatisch-sememisch oder auch semisch, in jedem Fall aber inhaltlich-semantisch motivierten Lexikonstrukturen kommen mit den formalgrammatisch
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ausdrucksstrukturmotivierten Lexikonstrukturen auf der einen und den sog. begrifflichthematischen Reihen auf der anderen Seite, aber auch mit den kollokationell-syntagmatische (usuelle) Aspekte systematisch erfassenden LE-Zusammenordnungen weitere Strukturierungen ins Spiel, die auf den komplexen Charakter der LEtype als bilaterale Zeicheneinheiten von Ausdrucks- und Inhaltsstruktur mit dominant sachverhaltsnominierender Darstellungsfunktion (K. Bühler) zurückzuführen sind. Schließlich verdienen auch die kognitiven Wissensrepräsentationen schlechthin in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und Interrelationen zu den paradigmatischen semantischen Makrostrukturen Beachtung.
5.1. Neben den als entscheidend und besonders interessant betrachteten Gliedemngsprinzipien der Inhaltsebene, zu denen wohl am ehesten auch die thematischen Reihen hinzugezählt werden könnten (von den Begriffsfeldern, Sinnbezirken etc. und ihren andernorts - G. Wotjak 1970a - diskutierten Interrelationen zu den Bedeutungsfeldern einmal ganz abgesehen), können darüber hinaus auch bestimmte Ordnungen vorgenommen oder sogar als vorgegeben betrachtet werden, die auf Kongruenzen/partiellen oder weitgehenden Invarianten auf der Ausdrucksebene basieren. Wir verweisen in diesem Zusammenhang u.a. auf sog. assoziative Felder mit gleichen Endungen (-ment z.B. in Bally 1950), hierzu wären beispielsweise auch rückläufige Wörterbücher besonders augenscheinliche Materialisierungen, aber auch Wortfamilien, morphosemantische Teilfelder nach P. Guiraud etc. zu nennen, aber auch auf gleiche syntaktische Satzmodelle/ morphosyntaktische Distributionen zu verweisen.
5.2. LE-LE-Beziehungen im Wortschatz finden sich indes nicht nur in inhaltsstrukturell motivierten semantischen Feldern, thematischen Reihen, in den sog. sense relations von J. Lyons (Hyponymie-Hyperonymie-Beziehungen, Synonymic, Antonymie etc.) bzw. den auf Ausdrucksstrukturgemeinsamkeiten beruhenden Wortfamilien, assoziativen Feldern, sondern auch zwischen durch Rekurrenz und Stabüität/Fixiertheit im Zusammenvorkommen charakterisierten Mehrwortvorkommen (Phraseologismen im weiteren Sinne) als Einheiten der 'wiederholten Rede' im Sinne Coserius (vgl. nachstehend (i) und (ii)). Bei solchen vielleicht gegenüber den ersterwähnten Lexikonstrukturen als syntagmatisch-kollokationell zu bezeichnenden LE-LE-Beziehungen könnten u.a. folgende Untergruppen unterschieden werden, denen bei (i) und (ii) gemeinsam ist, daß sie als mehrgliedrige Lexeme betrachtet werden, ihnen also jeweils l Eintrag im Wörterbuch entsprechen würde: (i) sog. Funktionsverbgefüge (auch als Streckformen des Verbs bezeichnet) des Typs dar las gracias - mit und ohne Parallelverb - agradecer; vgl. auch in Bewegung sein - in Bewegung kommen - in Bewegung setzen;
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(ii) Nominationsstereotype, Phraseoschablonen und Phraseologismen im engeren Sinne (d.h. mit idiomatisierter Bedeutung) von 2...n LE-Teilkomponenten bis hin zu satzwertigen sprichwörtlichen Redewendungen und Sprichwörtern. Werden im Einklang mit der neueren Forschung solche LE-LE-Beziehungen als jeweils ein komplexes Zeichen der sekundären Nomination betrachtet, so scheiden solche Phänomene aus unseren auf paradigmatische LE-LE-Beziehungen orientierten Untersuchungen aus (die mehrgliedrige Binnenstruktur des Phraseologismen-Lexems rechnet nicht mit).
5.3. Etwas anders gestaltet sich die Situation bei den Wortfamilien, den assoziativen Feldern, aber auch bei solchen Zusammenordnungen, die gewissermaßen als Pendant zur Klassifizierung gemäß übereinstimmenden Kasusrahmen (Argumentenpotentialen) übereinstimmende A k t a n t e n p o t e n t i a l e (Wertigkeit und syntaktisch-funktional gleich ausgezeichnete syntaktische Satzmodelle) als Ordnungsprinzip heranziehen, wie auch bei (iii) und (iv) - hier könnte zumindest teilweise von Wortfeldern gesprochen werden (dazu u.a. Püschel 1975 und G. Müller 1957): (iii)usualisierte Kollokationen wie etwa blecken, das kombinatorisch nur Zähne zuläßt oder runzeln - Stirn, fletschen - die Zähne, wobei es sich gewissermaßen um komplementäre Erscheinungen zu den sog. elementaren Bedeutungsbeziehungen W. Porzigs handelt, die als Argumentimplikationen/Inkorporationen von Argumentkonstanten in der jeweiligen Basisproposition - etwa von Verben - verstanden werden könnten und in der Regel keine Miterwähnung dieses mitverstandenen Arguments tolerieren (Bsp.: küssen - Lippen als Instrument); (iv) Hoffnung und seine virtuellen "Mitspielerverben" - haben, hegen, aufgeben, sich nicht nehmen lassen, der H. Ausdruck geben/verleihen; Wein, Kartoffeln - lesen ... (vgl. hierzu Pottiers (1974) Bemerkungen zum halo der LE).
6. Der von uns gebotene eher rudimentäre Aufriß hinsichtlich der sich aus der Einheit von Ausdrucks- und Inhaltsebene bilateraler sprachlicher Zeichen/LE ergebenden möglichen Interrelationen/Gliederungen und Lexikonstrukturen macht den unzureichenden Forschungsstand und damit auch zugleich deutlich, warum sich die lexikographische Praxis im allgemeinen mit den willkürlichsten und sicherlich am wenigsten immanenten Interrelationen Rechnung tragenden Anordnungsprinzipien von LE zufrieden gibt: der alphabetischen Auflistung von LE. Gewiß gibt es daneben auch Synonym- wie Antonymwörterbücher, die auf herausragende semantisch-sememisch wie -semisch motivierte Interrelationen von LE zurückgehen, wobei die Lemmata wiederum alphabetisch angeordnet werden. Gewiß gibt es auch Ansätze, inhaltliche Zusammengehörigkeiten umfassenderer Art im Wörterbuch oder Thesaurus (vgl. die onomasiologisch geord-
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neten Auflistungen) widerzuspiegeln (vgl. beispielsweise den diccionario ideologico von Casares, aber auch Analogiewörterbücher, in denen neben inhaltlichen u.U. auch formale Gemeinsamkeiten bei der Zusammenordnung berücksichtigt scheinen). Ein Problem unter vielen ist dabei auch die Berücksichtigung fachsprachlicher Termini (in ihren theoriesignalisierten Interrelationen) wie von diatopischen, diastratischen und diaphasischen LE sowie der Interrelation von historischem Diasystem und den einzelnen funktionalen Sprachen im Sinne von Coserius Unterscheidung.
6.1. Es wird eine wesentliche Aufgabe der Lexikontheorie wie letztlich der lexikalischen Semantik sein, verstärkt Licht in die Strukturiertheit des Lexikons zu bringen und dabei u.a. auch die Frage zu beantworten, ob das Lexikon durchgehend strukturiert ist und ob es nicht hinsichtlich der einzelnen Kategorien/Wortarten z.T. signifikante Strukturierungsunterschiede gibt. So könnte beispielsweise untersucht werden, inwiefern sich nicht nur bei den sog. Autosemantika, sondern auch bei den Synsemantika (u.a. Präpositionen, Konjunktionen, Partikeln, Funktionswörtern allgemein) entsprechende Gliederungen nachweisen lassen. Zugleich dürfte einleuchten, daß LE-LE-Beziehungen ohne eine gründliche Beschreibung des kommunikativen Potentials (das die Inhaltsebenenbeschreibung - semantische Mikro-, Medio- und Makrostrukturbeschreibung - einbezieht) dieser einzelnen LE wohl kaum schlüssig erfaßt werden können, wobei die aufgezeigte inhaltlich relevante Unterscheidung in autoinzidente und heteroinzidente LE hinsichtlich ihrer möglichen Konsequenzen für die Lexikonstruktur weiter verfolgt werden sollte.
6.2. Nützlich schiene in diesem Zusammenhang eine Zusammenstellung der lexikalischen Teilbereiche zu sein, die bislang bei entsprechenden Strukturanalysen im Vordergrund standen, wobei bereits aus der Anlage beispielsweise die dominant sememische oder semische Herangehensweise offensichtlich werden kann wie bei den Analysen von Dupuy-Engelhardt zum Hörbaren.
6.3. Schließlich schiene es zweckmäßig, nicht nur - wie bislang meist gehandhabt - LE einer Kategorie (z.B. verba dicendi, Besitz und Verfügungswechsel, Fortbewegung als Verben) als zu einem Feld gehörig zu betrachten, sondern ausgehend von der bestimmten - unmittelbar evidenten - Archisemformel (Generische Archisemformel GAS - vgl. G. Wotjak 1984) für das Makrofeld und/oder den untermengencharakterisierenden spezifischeren Archisemformeln (SAS) nach all den LE Ausschau zu halten, die in ihrer Bedeutung einen möglichst großen gemeinsamen Durchschnitt mit diesen GAS/SAS
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aufweisen (z.B. Substantive, eventuell Adjektive; Phraseolexeme etc. - dazu besonders Alinei 1974). Dabei können als GAS/SAS u.a. auch bestimmte Sprechakte, kommunikatives wie interaktionales Handlungsmusterwissen und Verhaltensstereotypwissen repräsentierende Designatsklassen angenommen werden, was wiederum zu bislang weniger beachteten LE-LE-Zusammenordnungen im Sinne etwa von kommunikativ-funktionalen oder semantisch-funktionalen Feldern (z.B. sprachliche und sonstige kommunikative Mittel zum Ausdruck/zur Wiedergabe von AUFFORDERN, DROHEN, ZWEIFELN, ZU5 als illokutiven Rollen/Funktionsgebungen etc.) führen würde. Das einigende Band sind dabei Übereinstimmungen hinsichtlich der Sememe bzw. der zu realisierenden kommunikativen Funktion; daß dazu spezifische LE-Kategorien besonders geeignet erscheinen (beispielsweise Verben), ist demgegenüber sekundär; eine Eingrenzung entsprechender Feldbeschreibungen auf Verben z.B. ist eher beschreibungspraktischen denn gegenstandsimmanenten Gründen geschuldet.
Anmerkungen 1 2 3 4
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Vgl. dazu besonders das manifeste Desinteresse solcher dominanter Ansätze wie der Transformationsgrammatik Chomskyscher Prägung an der Beschreibung des Lexikons. Vgl. die Ausführungen zur Aktantifizierung von Argumenten der Basisproposition bei G. Wotjak (1984 und 1986a). Vgl. dazu u.a. Kleiber (1990), aber auch Bierwisch (1983) und G. Wotjak (1986a). Dies u.a. auch deshalb, weil die Textlinguistik bislang ein Top-down-Vorgehen bevorzugte bzw. nicht wenige, vor allem der Gebrauchstheorie von L. Wittgenstein wie der pragmatischen Orientierung verpflichtete Bedeutungsforscher die Beschreibung der LEtoken-Bedeutungen/Textwortvorkommensbedeutungen - vgl. auch die Möglichkeiten der PC-Nutzung - verabsolutierten. Dazu besonders Agricola [...] (1987), Salvador Caja (1984) und Gruber (1986). Vgl. hierzu nur u.a. Hoberg (1973), Lutzeier (1981), Schlaefer (1987), Bidu-Vränceanu (1986), Scur (1974), Duchatek (1968), Geckeier (1971a und 1971b), Öhman (1951), Osswald (1977), Bergenholtz (1980), Lehrer (1974), Gipper (1963), Schwarz (1973), Kotschi (1974) und Probleme der semantischen Analyse (1977). Dazu besonders G. Wotjak (1991b). Vgl. zum Nachvollzug der eigenen Position G. Wotjak (1987). Diesen dürften auch empirische Befragungen durch Betz (1954) u.a. noch nicht erbracht haben. Dazu u.a. Fdipec (1970), Bierwisch/Kiefer (1969) und Kleiber (1990). Das interiorisierte subjektive Lexikon ist virtuell erweiterungsfähig, dürfte hinsichtlich des sog. passiven Bestands jedoch kaum 30.000, hinsichtlich des aktiven dagegen kaum mehr als 10.000 LE umfassen, wobei beispielsweise in den Werken von Goethe ca. 100.000 unterschiedliche LE nachgewiesen wurden. Vgl. dazu besonders G. Wotjak (1986a und 1989).
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ANSCHRIFTEN DER AUTOREN Prof.Dr.Dr.h.c. Wolfgang Fleischer: Andromedaweg 17, D-O-7063 Leipzig Prof.Dr. Inna Hyvärinen: Universität Jyväskylä, Germanistisches Institut, Seminaarinkatu 15, SF-40100 Jyväskylä Dr. Andreas F. Kelletat: Universität Vaasa, Abteilung für Neuere Sprachen, Postfach 297, SF-65101 Vaasa Prof.Dr. Jarmo Korhonen: Universität Turku, Germanische Philologie, Henrikinkatu 2, SF-20500 Turku Prof.Dr. Matti Luukkainen: Universität Tampere, Germanische Philologie, Postfach 607, SF-33101 Tampere Prof.Dr. Wolfgang Motsch: Institut für deutsche Sprache, Postfach 101621, D-6800 Mannheim l Prof.Dr. Marja-Leena Piitulainen: Universität Helsinki, Germanistisches Institut, Hallituskatu 11, SF-00100 Helsinki Prof.Dr. Lauri Seppänen: Postfach 26, SF-33841 Tampere Leena Tossavainen: Universität Jyväskylä, Germanistisches Institut, Seminaarinkatu 15, SF-40100 Jyväskylä Prof.Dr. Gerd Wotjak: Universität Leipzig, Theoretische und Angewandte Sprachwissenschaft, Augustusplatz 9, D-O-7010 Leipzig