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German Pages 434 [436] Year 1993
Philosophie und Logik
Perspektiven der Analytischen Philosophie Perspectives in Analytical Philosophy Herausgegeben von Georg Meggle und Julian Nida-Rümelin
Band 3
w DE
G Walter de Gruyter • Berlin • New York 1993
Philosophie und Logik Frege-Kolloquien Jena 1989/1991 Herausgegeben von Werner Stelzner
w DE
G_ Walter de Gruyter • Berlin • New York 1993
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ClP-Einheitsaufnahme
Philosophie und Logik / Frege-Kolloquien Jena 1989/1991. Hrsg. von Werner Stelzner. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1993 (Perspektiven der analytischen Philosophie'; Bd. 3) ISBN 3-11-014069-1 NE: Stelzner, Werner [Hrsg.]; GT
© Copyright 1993 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin Einbandentwurf: Rudolf Hübler, Berlin
Vorwort Durch seine wissenschaftlichen Leistungen wurde Gottlob Frege zu einem Wegbereiter auf wesentlichen Gebieten der Wissenschaftsentwicklung des 20. Jahrhunderts. Mit seinem Namen ist die epochemachende Entwicklung der modernen formalen Logik verbunden, als deren Begründer er unbestritten ist. Im engen Zusammenhang damit stehen seine Beiträge zur Grundlegung und Philosophie der Mathematik. Wesentliche Entwicklungen auf dem Gebiet der Informatik und künstlichen Intelligenz, der modernen Linguistik und Sprachphilosophie und der in der analytischen Traditionslinie stehenden Philosophie, für deren Herausbildung und Entwicklung Freges Arbeiten unverzichtbare Quellen sind, Anregungen liefern und Maßstäbe für Begründungsstandards setzen, können ohne den Fregeschen Beitrag nicht adäquat in ihrer Genesis erfaßt werden. Die anhaltende und wachsende Aufmerksamkeit, die Freges Wirken nach seinem Tode erreichte, unterstreicht allerdings auch die dem wissenschaftlichen Werk Freges unangemessen geringe Resonanz, die Frege zu seinen Lebzeiten erfuhr. Wenn die Bedeutung Freges einem breiteren Publikum auch erst nach seinem Tode bewußt wurde, ist das Bild des lediglich in der Rückblende späterer Generationen zu wissenschaftlicher Bedeutung kommenden Frege zwar als ergreifende Legende auch heute noch verbreitet, aber eben doch eine irreführende Legende. Denn Freges aktuelle Einflußnahme auf die zu seinen Lebzeiten geführten Diskussionen um Grundlagenprobleme von Logik, Mathematik und Philosophie war sowohl durch seine Veröffentlichungen als auch durch seine Kommunikation mit den Schlüsselfiguren der neuen Philosophie und Logik Russell und Wittgenstein, aber auch über den bei ihm studierenden Carnap, äußerst intensiv. Durch das nahezu fünfzigjährige Wirken Gottlob Freges an der Jenenser Universität, beginnend 1869 mit den Studentenjahren, bis hin zur Emeritierung 1918, ist Jena untrennbar mit diesen, unser Jahrhundert prägenden Entwicklungen verbunden. Mit Organisation und Durchführung der Frege-Kolloquien 1989/91, aus denen die in diesem Band vorgelegten Arbeiten hervorgingen, sollten in der Tradition der Jenaer Frege-Konferenzen von 1979 und 1984 verstärkte Anstrengungen zur Erhöhimg des Beitrags der Jenenser Universität für die produktiven Pflege des Fregeschen wissenschaftlichen Erbes eingeleitet werden. Dieses Bestreben trifft auf ein anhaltendendes nationales und internationales Interesse an den wissenschaftlichen Leistungen und Anregungen Freges. Daß sich diese Orientierung auf Frege nicht in wissenschaftshistorischer oder zeitgeschichtlicher Retrospektive erschöpft, sondern auf weite-
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Vorwort
re substantielle Entwicklungen in relevanten Wissenschaftsgebieten gerichtet ist, dokumentiert sich in der besonderen Rolle, die der explizite oder ideengeschichtliche Bezug auf Frege heute in der nichtklassischen Logik, der modernen Semantik, der Linguistik, Sprachphilosophie und analytischen Philosophie spielt. Derartigen Tendenzen der modernen Wissenschaftsentwicklung entsprechend, wurde das Frege-Kolloquium 1989 zum Thema "Epistemische Komponenten nichtklassischer Logiken" durchgeführt. Die Wahl eines solchen systematisch orientierten Themas war dabei nicht gegen die fiir ein FregeKolloquium unverzichtbare Beschäftigung mit dem Originalwerk Freges und dessen Wirkungsgeschichte gerichtet, sondern verstand sich als Anregung zu einer thematischen Bündelung von systematischen Beiträgen, die von der Mehrheit der Teilnehmer des Kolloquiums aufgenommen wurde und so zur inhaltlichen Geschlossenheit des Kolloquiums beitrug. Diese Erfahrung wurde zum Frege-Kolloquium 1991 wieder aufgegriffen und auch auf die historische Sektion des Kolloquiums übertragen, die dem Problemkreis "Voraussetzungen und Wirkungsgeschichte von Freges Auffassungen zu Extensionalität, Intensionalität und Funktionalität" gewidmet war, während die systematische Sektion zur damit verbundenen Problematik "Extensionalität, Intensionalität und Hyperintensionalität in der modernen Logik" stattfand. Angesichts des doch schon beträchtlichen Zeitabstandes zwischen dem Vortrag auf dem Kolloquium und der jetzt erfolgenden Veröffentlichung, wurde den hier vertretenen Autoren Gelegenheit gegeben, ihre Beiträge zu überarbeiten, was nicht nur in aktualisierten Literaturangaben und stilistischen Änderungen, sondern teilweise auch in wesentlich veränderten und erweiterten Beiträgen resultierte. Deshalb - aber auch wegen des eng verflochtenen theoretischen Kontextes dieser Frege-Kolloquien - erschien nach Durchsicht der vorgelegten Beiträge eine von rein chronologischen Gesichtspunkten bestimmte Edition des wissenschaftlichen Ertrags dieser Kolloquien als wenig sinnvoll. Im Interesse einer besseren inhaltlichen Orientierung der Leser wurde deshalb der vorliegende Band in einen historisch orientierten ersten Teil "Zum logisch-philosophischen Kontext Freges" und in einen zweiten Teil "Nichtklassische Logik und Epistemologie" geteilt, die nun jeweils Beiträge der Frege-Kolloquien 1989 und 1991 in sich vereinen. Ich möchte diese Vorbemerkung nicht schließen, ohne Herrn Professor Dr. Thiel (Erlangen) für seine Hilfe bei Konzipierung und Durchführung der Jenaer Frege-Kolloquien und bei der Vorbereitung des jetzt vorliegenden Bandes herzlich zu danken. Mein Dank gebührt aber auch Herrn Dr. Peckhaus (Erlangen), für seine Hinweise zur drucktechnischen Gestaltung des Bandes, auch wenn diesen Hinweisen nicht in allen Punkten entsprochen werden konnte. Danken möchte ich aber auch Herrn Torsten
Vorwort
VII
Heblack (Jena), durch dessen verläßliche Arbeit die dem vorliegenden Band angefügten Register entstanden sind. Besonderen Dank schulde ich der Gesellschaft für analytische Philosophie e. V. (GAP) und deren Präsidenten, Herrn Professor Dr. Meggle (Saarbrücken), sowohl für die Unterstützung bei Organisation und Durchführung des Frege-Kolloquiums 1991 als auch für die Ermutigung, die Ergebnisse der Kolloquien zu publizieren.
Jena, April 1993
Werner Stelzner
Inhaltsverzeichnis Teil I: Zum logisch-philosophischen Kontext Freges CHRISTIAN THIEL
Zum Verhältnis von Syntax und Semantik bei Frege
3
HELMUT METZLER
Zur Einordnung Fregescher Erkenntnisse in paradigmatische Wandlungen der Wissenschaften am Ausgang des 19. Jahrhunderts
16
EVELYN DÖLLING
Brentanos und Freges Urteilslehre - Ein Vergleich
24
HARTWIG FRANK
Inhalts- und Umfangslogik zur Zeit Freges
33
UWE DATHE
Theoretische Quellen des frühen Frege
39
KLAUS WUTTICH
Gottlob Frege - Philosoph der Sprache oder Philosoph des Geistes
45
HARTWIG FRANK
Frege und Herbart
52
RAINER STUHLMANN-LAEISZ
Warum sind ein Zeichen, sein Sinn und seine Bedeutung paarweise verschieden?
57
EDWIN D. MARES
Fictional Objects and Fregean Sinne
65
PETER STREHLE
Kann eine erweiterte Frege-Semantik für Begriffe auf andere logischsemantische Kategorien analogisiert werden?
73
PETR KOLÄR AND PAVEL MATERNA
On the Nature of Facts
77
FREDERIK TRUYEN
Did Frege really have a logicist conception of functionality?
97
VOLKERPECKHAUS
Ernst Schröder und der Logizismus
108
X
Inhaltsverzeichnis
LEON GUMÄSJSKJ
Logische und semantische Antinomien
120
MICHAEL ASTROH
Der Begriff der Implikation in einigen frühen Schriften von Hugh McColl 128 WERNER STELZNER
Hugh MacColl - Ein Klassiker der nichtklassischen Logik
145
ALEXANDER V. BESSONOV
Non-Fregean Foundations of Quantificational Logics
155
UWE DATHE
Eine Ergänzung zur Biographie Edmund Husserls
160
LOTHAR KREISER
Logische Hermeneutik und Rhetorik
167
MAX URCHS
Über Aberglauben im "Tractatus"
174
Teil II: Nichtklassische Logik und Epistemologie MICHAELASTROH
Grundbegriffe einer Logik epistemischer Einstellungen
181
KLAUS PESCHEL
Auf Satzmengen relativierte epistemische Akzeptationsprädikate
196
JURI V . IVLEV
Quasi-Functional Logic and Logic of Propositional Attitudes
200
NGOC DUC HO
Ein System der epistemischen Logik
205
STEFAAN E. CUYPERS
Searle, Dennett and Davidson on Original Intentionality
215
UWE MEIXNER
An Ontology of Intensional Entities
226
LOTHAR KREISER
Gong-sun Long: Ein weißes Pferd ist kein Pferd
229
Inhaltsverzeichnis
XI
PETER STREHLE
Erbringt die dialogische Logik einen neuen Zugang zur Logiknutzung? PETER PHILIPP
Logik deskriptiver normativer Begriffe
243 249
WERNER STELZNER
Normen, freie Wahl und Relevanz
294
HORST WESSEL
Zur Lösung einiger Paradoxien
302
GERHARD TERTON
Metamethodologische Aspekte in der Erklärungsdiskussion
309
PETER STEINACKER
Die epistemische Komponente einer nichtklassischen Negation
329
KLAUS WUTTICH
Innere, äußere und präsupponierende Negation
338
RALF DOMBROWSKI
Existentiell präsupponierende Objektquantifikation, singulare Subjekttermini und Glaubenskontexte 345 INGOLF MAX
Möglichkeiten der Explizierung von Präsuppositionen in einer um GFunktorenvariablen erweiterten klassischen Aussagenlogik 353 KARL-HEINZ KRAMPITZ
Über einige Definitionen von Existenztermini
362
UWE SCHEFFLER
Logische Folgebeziehung und Konditionalaussagen
366
INGOLF MAX
Generalized variable functors representing precausal connectives
371
MAX URCHS
Schwach folgerichtige Kausallogik
383
UWE SCHEFFLER
Zur Ersetzbarkeit von Ereignistermini in einfachen Kausalaussagen
387
JOHANNES DÖLLING
Some Aspects of the Semantics of Group Expressions
398
Personenregister Sachregister
407 413
Teil I
Zum logisch-philosophischen Kontext Freges
CHRISTIAN THIEL
Zum Verhältnis von Syntax und Semantik bei Frege Das Thema unserer Tagung lautet "Epistemische Komponenten nichtklassischer Logiken", ein Bereich, zu dem das Thema des von mir angekündigten Vortrags offensichtlich nicht gehört. Ebenfalls nicht gleich ersichtlich ist der Bezug des Tagimgsthemas zu Frege, der sich über nicht-klassische Logiken, jedenfalls soweit ich weiß, niemals geäußert hat. Aber Frege hat dem heute als "epistemische Logik" bezeichneten Forschungsbereich eine Fülle von Anregungen hinterlassen, nicht zuletzt durch die Analysen in seinem Aufsatz "Über Sinn und Bedeutung".1 Dort hat Frege ja keineswegs nur das neuerdings als "Frege's puzzle" bezeichnete Problem des Erkenntniswerts von Gleichheitsaussagen mit Hilfe seiner beiden semantischen Grundbegriffe erörtert. Er hat vielmehr auf ihrer Grundlage eine ganze Theorie der obliquen Kontexte skizziert, zu denen insbesondere epistemische Kontexte gehören. Wie für diese, so empfiehlt sich auch für mein Thema - das Verhältnis von Syntax und Semantik bei Frege - der Versuch einer Einordnung in das Spektrum der gegenwärtigen Fregeforschung, das ich also einleitend erst einmal vorzustellen habe, nolens volens in subjektiv gefärbter Sicht. Ich konzentriere mich dabei auf Arbeiten seit 1985 und beginne mit den philosophischen Fragen, bei denen ich die systematischen von den philosophie- und wissenschaftshistorischen Problemen trenne. Unter den letzteren sind die nach meiner Meinung aktuellsten tatsächlich überwiegend neu, wie die folgenden vier Beispiele belegen mögen. Erstens wird heute versucht, Freges Eingliederung in ältere Traditionslinien der Philosophie einerseits, in die philosophischen Bemühungen des 19. Jahrhunderts andererseits nochmals zu überdenken - zum Teil im Anschluß an die Kontroverse zwischen Michael Dummett und Hans Sluga.2 Dabei sind nicht nur die vor einem Vierteljahrhundert in Ignacio Angelellis Fregestudie begonnenen historischen Vergleiche fortgesetzt worden (etwa durch Beuchot3 und González4), es ist auch gegenüber der traditionellen Einordnung Freges in die an Leibniz anknüpfende Tradition die Kantische Seite seines Denkens intensiver untersucht und hervorgekehrt worden. Was zweitens Freges Ort und Bedeutung in der zeitgenössischen Philosophie angeht (wie wir sie heute rückblickend
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3 4
Frege (1892). Ausgehend von Dummett (1973) und Sluga (1980). Die Kontroverse soll hier nicht bibliographisch dokumentiert werden; zu Dummetts Position vgl. jedoch noch dessen (1981). Beuchot (1986). Gonzales (1987).
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Christian Thiel
sehen), so haben Gabriel 5 und Roger Schmit6 Freges Beziehung zu Lotze neu dargestellt, in fünf Studien ist nochmals das Verhältnis Frege-Husserl untersucht worden. 7 Vergleiche zur Gegenstandstheorie und der von Herbart ausgehenden Tradition sind hinzugekommen, 8 und auch die Zahl der Arbeiten zum Einfluß Freges auf Wittgenstein ist in dem von mir betrachteten Zeitraum gewachsen, wobei Rezeption und Wirkung der verloren geglaubten, erst kürzlich publizierten Briefe Freges an Wittgenstein zwischen 1914 und 1920 9 noch ausstehen. Drittens sind nun freilich auch Arbeiten zu nennen, die sich einem gegenwärtig starken Trend einordnen, Freges Bedeutung für die Logik und erst recht für die Philosophie allgemein abzuwerten. Überraschenderweise ist diese Tendenz keineswegs Teil des seit längerem zu beobachtenden Übergangs von einer analytischen Philosophie, die seit jeher Frege in ihre Ahnenkette integriert hatte, zu verschiedenen Formen einer "postanalytischen" Philosophie. Sie stammt vielmehr aus einer Art Paradigmawechsel innerhalb der späten analytischen Philosophie selbst, die eine referentielle Semantik Fregeschen Typs zugunsten einer stärker handlungstheoretisch orientierten Semantik verwirft, sei es aufgrund systematischer Erwägungen und aus gewissen, der vorherrschenden Orientierung an Frege angelasteten Ermüdungserscheinungen heraus, 10 sei es, indem man wie Baker und Hacker in ihrem Buch von 1984 11 einen überlegenen Wittgenstein gegen den wissenschaftlich ebenso engstirnigen wie ahnungs- und niveaulosen Frege ausspielt. Ohne Stilbruch anschließen läßt sich hier viertens der schwelende Streit über das Verhältnis zwischen den politischen Anschauungen des alten, vom Nationalliberalismus nach rechts abdriftenden Frege zu seinem damit angeblich korrelierenden Konservatismus auf mathematischem und allgemeinmethodologischem Gebiet. 12 In der systematischen Diskussion von Beiträgen Freges zur Philosophie sehe ich dagegen weiterhin die "klassischen" Themen im Zentrum, von denen ich ebenfalls vier nennen will. Erstens die im allgemeinen Sinne sprachphilosophischen Beiträge Freges, eine Nennung, mit der ich mich natürlich von jenen radikalen Kritikern distanziere, die gegen Dummetts Fregebuch mit der Behauptung polemisiert haben, der erste grobe Fehler dieses Buches finde sich bereits in seinem Titel "Frege: Philosophy of Language", denn Frege habe überhaupt keine Sprachphilosophie entwickelt. 13 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Gabriel (1989). Schmit (1990). Drummond (1985), Haaparanta (1987), Mclntyre (1987), Sokolowski (1987) und Weiten (1987). Schmit (1985), Parsons (1987b). Frege (1989). Hintikka (1981) und (1984). Baker/Hacker (1984). T6th (1984), Menzler-Trott (1989), Mehrtens (1990). Vgl. Baker/Hacker (1983), insbesondere S. 246: "Frege's philosophy of language is an hallucination arising from failures to locate his thought in the context of nineteenth-cen-
Zum Verhältnis von Syntax und Semantik bei Frege
5
Viele Beiträge der Sekundärliteratur betreffen nach wie vor das sog. Kontextprinzip, an dessen bisheriger Erörterung ich allerdings einen wertenden Vergleich aller Stellen vermisse, an denen Frege Ausdrücken Sinn oder Bedeutung nur "im Zusammenhang" eines umfassenderen sprachlichen Ausdrucks zugesteht. Einen zweiten Themenkreis bildet auch weiterhin Freges Begriff der Bedeutung, insbesondere dessen mit verschiedener Schärfe vertretene Interpretation als oder Assoziation mit "Bedeutsamkeit"14 sowie das axiologische Verständnis des Fregeschen Begriffs des "Wahrheitswertes".15 Ebenso großen Raum wie früher nehmen drittens Abhandlungen zu Freges Zahlbegriff und zum logizistischen Programm ein. Geringeren Raum, doch kaum geringeres Gewicht hat schließlich viertens der Disput um das Abstraktionsverfahren - ob Frege der Erfinder der von Angelelli so genannten "modernen Abstraktion" sei oder dieselbe bei ihm - das andere Extrem - überhaupt nicht auftritt. 16 Diesen philosophischen Themen stehen nun bei Frege und damit auch in der Sekundärliteratur der Gegenwart solche gegenüber, die man pauschal als "technische" bezeichnen kann. Sie ergeben sich bei der Analyse des besonderen logisch-mengentheoretischen Systems Freges und seiner algorithmischen Eigentümlichkeiten, aber ganz ebenso wie diese sind sie fast alle durch inhaltliche, meist philosophische Erwägungen und Entscheidungen motiviert oder erzwungen. Häufig sind sie zudem insofern gar keine speziellen Probleme des Fregeschen Systems, als sie in kaum abgewandelter Form auch in den Systemen anderer Denker (etwa Georg Cantors oder Dedekinds) auftreten, also nicht sozusagen "Privatprobleme" Freges sind. Aber für ihr Auftreten bei Frege charakteristisch ist, daß sie ausnahmslos mit dem Begriff des Wertverlaufes und seiner Behandlung durch Frege zusammenhängen. Konzentrieren wir uns dabei auf die Darstellung in Freges ausgereiftem System in den beiden Bänden der Grundgesetze der Arithmetik17 (im folgenden oft kurz als "GGA" bezeichnet), so sind wir bereits bei dem angekündigten Verhältnis von Syntax und Semantik. Ich will auch hier vier paradigmatische Problemkreise herausgreifen, sie allerdings nicht nur erwähnen, sondern genauer beschreiben. Im Unterschied zu den vorgenannten Fällen halte ich sie für ungelöste echte Aufgaben der gegenwärtigen Fregeforschung. Den ersten dieser Themenkreise möchte ich das Inkonsistenzproblem nennen. Es hat zwei Teilbereiche. Zum ersten gehört die Problematik der Fregeschen Einfuhrung seiner Wertverläufe von Funktionen erster Stufe. Man kann dabei von einer dreifachen Einfuhrung sprechen. Erstens fuhrt Frege die Rede von Wertverläufen semantisch ein, indem er die Aussage der
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tury logic and mathematics), and to identify the motivations underlying the evolution of his ideas." Tugendhat (1970/1976), Angelelli (1979), Gabriel (1984). Gabriel (1984). Thiel (1972), (1986), (1988), Angelelli (1979), (1981), (1984), Simons (1981). Frege (1893/1903).
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Christian Thiel
Gleichheit zweier Wertverläufe als gleichbedeutend erklärt mit der Aussage der generellen Äquivalenz der beiden Funktionen, deren Wertverläufe sie sind. 18 Freges Formulierungen sprechen dafür, daß er unter dieser Bedeutungsgleichheit sogar die Sinngleichheit beider Aussagen verstanden wissen will. Das Problem, welchen Sinn andere Aussagen über Wertverläufe haben sollen, führt in den von mir gleich zu erörternden zweiten Problemkreis. Neben dieser semantischen Einfuhrung der Wertverläufe finden wir aber bei Frege zwei weitere, nämlich syntaktische Arten der Einführung, die deshalb auch besser als Einführung der Wertverlaufswawe« bezeichnet werden. Einmal nämlich werden Wertverlaufsnamen dadurch als rechtmäßig gebildete Namen in das System GGA eingeführt, daß unter die im § 31 von Frege zusammengestellten "ursprünglichen Namen" (sie sind ausschließlich Funktionsnamen) der Name "¿(a—> —> b)" (Satz Ia, S. 65), und mit den beiden Hälften der Zermelo-Russellschen Antinomie (Formel i und X in GGA II 257a) erhält man also jede beliebige für "b" einsetzbare, d. h. jede rechtmäßig gebildete Aussage, insbesondere "¿(— e) = (-vä/~a=a)". Hier muß ich mich also dahingehend berichtigen, daß natürlich die obige Einschränkung "ohne über einen Widerspruch zu gehen" hinzuzufügen ist, und ich vermute, daß die meisten Leser dies stillschweigend als von mir intendiert angesehen haben. In der Tat war es das, und in der ergänzten Fassung dürfte die These gelten, auch wenn dies erst noch metalogisch zu beweisen wäre. Und es bleibt die Aufgabe, die genannte Einschränkung formal zu fassen. Das "ex falso quodlibet" ist ja, wenn ich recht sehe, nicht aus GGA hinauszuwerfen, ohne auch die "duplex negatio" oder gar a —> (b —> ä) zu opfern. Ich vermute daher, daß es seine Gründe hatte, wenn Bartlett in seiner Dissertation von 1961 lediglich die verbale Formulierung "ohne über einen Widerspruch zu gehen" verwendet hat. Ebenfalls in den ersten Teilbereich des ersten Problemkreises fällt die Debatte um die "wahren" Ursachen des Auftretens der Zermelo-Russellschen Antinomie. Ferner gehört dazu die Analyse von "Frege's Way Out", der 1903 von Russell vorschnell begrüßt,21 1908 von Greiling und Nelson verworfen, 22 aber erst 1938 von Lesniewski aufgrund einer wirklichen (und erst 1949 von Sobocinski veröffentlichten) Analyse 23 abgelehnt wurde. Heute ist bekannt, daß der hier von Frege beschrittene Weg keinen Ausweg bietet und auch weitere Verschärfungen desselben zu eigenen Antinomien führen. 24 Wie vielen von Ihnen bekannt ist, bin ich selbst der Meinung, daß nicht das Grundgesetz V an der Inkonsistenz von GGA schuld ist, sondern die Regeln der rechtmäßigen Bildung von Wertverlaufsnamen. Aber dieses Thema ist trotz scharfsinniger, noch unveröffentlichter Untersuchungen von Carlos Dufour bisher ungeklärt, und ich lasse auch offen, ob mein Vorschlag nicht letztlich doch auf eine verzweigte Typentheorie für das System hinausläuft. 21
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Russell (1903), hier zitiert nach der 2. Auflage (1937), Appendix A ("The Logical and Arithmetical Doctrines of Frege"), S. 522: "As it seems very likely that this (sc. der Lösungsvorschlag Freges im Nachwort zu GGA II) is the true solution, the reader is strongly recommended to examine Frege's argument on the point". Grelling/Nelson (1908), (S. 314-317: § 8. " 'Auflösung' und 'Berichtigung'. Freges Lösungsversuch. Kritik dieses Versuchs"), wiederabgedruckt in Nelson (1959), S. 55-87 (§ 8: S. 68-71) und Nelson (1974), S. 95-119 (§ 8: S. 110-113). Sobocinski (1949), (S. 220-228 = "IV. La correction de Frege"); engl. Übersetzung: Sobocinski (1984), ("IV. Frege's Correction", S. 20-24). Resnik (1963), (1977), (1980),
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Christian Thiel
Der zweite Teilbereich des Inkonsistenzproblems ist durch den Verdacht bestimmt, daß der von Frege als Funktionsname eingeführte "Waagerechte" aufgrund der Erklärung,"—A" sei Name des Wahren genau dann, wenn "A" selbst Name des Wahren sei, ein Wahrheitsprädikat darstelle und somit Freges System eine interne Wahrheitsdefinition enthalte. Eine solche ist aber nicht widerspruchsfrei möglich, und Peter Aczel 25 hat nahegelegt, daß in GGA die Tarskische Wahrheitsantinomie ableitbar sein könnte. Ich habe daraufhin ein solches Argument skizziert und die Revisionsbedürftigkeit der Fregeschen Semantik konstatiert.26 So recht ich damit vielleicht habe, die von mir genannten Gründe sind vermutlich nicht triftig. Denn erstens ist unsicher, ob die Mittel des Fregeschen Systems zur Konstruktion der Tarskischen Antinomie überhaupt ausreichen, ohne über einen Widerspruch zu gehen. Und zweitens hat Carlos Dufour meinen Rekonstruktionsversuch der Aczelschen Idee durch einen ähnlichen ersetzen können, in dem Freges Waagerechter gar nicht mehr vorkommt - so daß er wohl auch nicht schuld daran sein könnte, wenn die Tarskische Antinomie in GGA herleitbar wäre. Ich darf schließlich nicht verschweigen, daß Peter Schroeder-Heister der Meinung ist, Aczel habe lediglich die Unmöglichkeit der internen Wahrheitsdefinition, nicht aber die Herleitbarkeit der Tarskischen Antinomie behauptet. Es ist offensichtlich, daß dieser Themenkreis noch eingehender Untersuchimg bedarf. Der zweite von mir aufgesuchte Problemkreis betrifft das sogenannte Permutationsargument. Frege will bekanntlich im § 10 der Grundgesetze auch solchen rechtmäßig mit Wertverlaufsnamen gebildeten Aussagen eine Bedeutung zuweisen, die nicht die Gestalt von Wertverlaufsgleichungen haben. Da das System außer den Wertverlaufsnamen nur Namen der beiden Wahrheitswerte enthält und die junktorenlogischen Verknüpfungen durch die Gleichheit bestimmt sind, genügt es, Gleichungen eine Bedeutung zuzuordnen, auf deren einer Seite ein Wertverlaufsname und auf deren anderer Seite ein Name eines Wahrheitswertes steht. Frege löst das Problem so, daß er zwei Wertverlaufsnamen als Namen des Wahren und des Falschen festsetzt; damit werden Gleichungen der zu behandelnden Art gleichwertig mit Wertverlaufsgleichungen des bisher betrachteten Typs. Die Berechtigung zu diesem Vorgehen leitet Frege aus seiner "Identifizierbarkeitsthese" her, nach der zwei Namen beliebiger verschiedener Wertverläufe als Namen der beiden Wahrheitswerte gewählt werden können, ohne mit dem Grundgesetz V in Widerstreit zu geraten. Diese These begründet er damit, daß wir den Bereich der Wahrheitswerte und Wertverläufe eineindeutig auf einen gleichmächtigen anderen Bereich von Gegenständen abbilden und letzteren Namen geben können, denen einstellige Funktionen erster Stufe in gleicher Weise mehreindeutig zugeordnet sind, wie dies bei den Fregeschen Wert-
25 26
Aczel (1979), (1980). Thiel (1983a).
Zum Verhältnis von Syntax und Semantik bei Frege
9
Verläufen der Fall ist (so daß wir etwa Namen der Gestalt "r[(r|)" haben). Dann erweitert sich die Festsetzung von Grundgesetz V, (¿O(E)
= d ¥ ( a ) ) = -\ä/-(0(a) = ¥(a))
durch Anwendung der herangezogenen eineindeutigen Funktion X(£) zu (X(d4>(e)) = X(d v P(a))) = (¿O(e) = d ¥ ( a ) ) = -va/"(®(a) = ¥(a)). Wir sehen, daß die erste und die zweite Gleichung dieselben Wahrheitsbedingungen haben, daß also durch Festsetzungen von der Form des Grundgesetzes V allein die Bedeutung der enthaltenen funktionsnamenabhängigen Namen im höchsten Grade unbestimmt bleibt. Das von dieser Situation ausgehende Permutationsargument ist eine allgemeine Überlegung, deren von Frege intendierter Spezialfall sich dadurch ergibt, daß als Abbildung eine eineindeutige Abbildung des Bereichs der Wahrheitswerte und Wertverläufe in sich selbst genommen wird und dabei dem Wahren der Wertverlaufsname "¿(— e)", dem Falschen der Wertverlaufsname "¿(e = -r\a >i -a=a)" zugeordnet wird. Wie gezeigt, ist eine solche Festsetzung mit dem Grundgesetz V verträglich und Frege braucht nur noch darauf hinzuweisen, daß die von ihm getroffene spezielle Wahl intuitiv plausibel ist: Der mit dem Wahren identifizierte Wertverlauf ist der Wertverlauf der Funktion — also eines Begriffes, unter den das Wahre und nur das Wahre fällt, und der mit dem Falschen identifizierte Wertverlauf ist der Wertverlauf der Funktion = -j-va/-a=a, unter die als Begriff das Falsche und nur das Falsche fällt. Die Debatte um das Permutationsargument wurde von Peter SchroederHeister auf der Schweriner Frege-Konferenz 1984 mit einem Vortrag eröffnet, in dem er aufgrund einer modelltheoretischen Rekonstruktion der Fregeschen Überlegungen erstens behauptet, das Permutationsargument stütze, obwohl selbst korrekt, die Identifizierbarkeitsthese nicht, und zweitens, daß auch diese These selbst in der von Frege beanspruchten Allgemeinheit nicht gelte, was durch ein Gegenbeispiel gezeigt wird. 27 Im gleichen Frege-Heft des Notre Dame Journal of Formal Logic, in dem Schroeder-Heister eine erweiterte Fassung seines Schweriner Vortrages veröffentlichte, erschien freilich auch eine Arbeit "Frege's Permutation Argument" von A. W. Moore und Andrew Rein, die behaupten, Schroeder-Heisters modelltheoretische Rekonstruktion gehe an Freges Argument vorbei, das seinerseits völlig korrekt sei. Man dürfe nicht wie Schroeder-Heister aus dem System der Grundgesetze das Teilsystem erster Ordnung plus Grundgesetz V herausschneiden und isoliert untersuchen, sondern müsse das volle System nehmen und zunächst eine einstellige Funktion zweiter Stufe als Abstraktionsoperator bestimmen. Die beiden Ansätze unterscheiden sich also dadurch, daß Schroeder-Heister Wertverlaufsnamen wie ursprüngliche Namen behandelt, während Moore und Rein ihre Zusammensetzung aus dem Namen der 27
Schroeder-Heister (1984), das Gegenbeispiel auf S. 187; erneut in Schroeder-Heister (1987), S.77.
10
Christian Thiel
Wertverlaufsfunktion "¿" als eine völlig andere, nichtklassische "Folgerungsrelation" zwischen (vorerst elementaren) Aussagen interpretierbar. Dann gelten einige Paradoxien, die bei der Interpretation der Subjunktion als Folgerungsre-
7
Klaua (1969).
Frege-Semantik für Begriffe und andere logisch-semantische Kategorien
75
lation auftreten, nicht. Beispielsweise gilt die Beziehung A1 -> (Ai -> A1) nicht für beliebiges A).8 Wir wollen nun untersuchen, ob sich auch auf die Normen und Fragen analoge Betrachtungen anstellen lassen. Durch Strehle9 wurde die folgende Auffassung über eine Normensemantik ausfuhrlich diskutiert:
NORM reflektiert Bedürfnisse ist gerichtet auf Adressatenmenge
wird ausgedrückt Normsatz
wird begründet Aussagesystem legt fest Menge erfüllbarer Handlungen
Interpretieren wir die Menge der einen Norm 71 gleicher Modalität erfüllenden Handlungen H als deren Repräsentanten durch die Einfuhrung einer Funktion "rep" aus einer Normenmenge in die Klasse von Handlungen als Zuordnung der Erfüllungsmenge H zu einer Norm U, so sind Normen bis auf ihre Modalität extensional eindeutig bestimmbar.10 Analog zu den Aussagen läßt sich nun die Vagheit einer Norm, die Deutigkeit ihrer Erfüllbarkeit, Beziehungen zwischen Normen (Identität, Überschneidung, Schärfer-sein) u.a. definieren. Auch an dieser Stelle verdient eine "Folgebeziehung " zwischen elementaren Normsätzen etwa interpretiert als "Aus der Norm 71' erwächst die Norm W , die analog zu der zwischen elementaren Aussagesätzen definiert wird, besondere Beachtung (wir führen hier den dreiwertigen Fall an): Eine Handlungsanweisung W verlangt eine Handlungsanweisung 71) , mit H' = rep (71') und H¡ = rep ( TV ) , i, j e N, gemäß (*): a) streng b) schwach c) symmetrisch
gdw gdw gdw
HÍ c+ H1 H¡ c++ H1 B¡ a). Instead of ((ax)co) we write aX(0. Thus (oa)XCJ is the type of properties of the objects of the type a. (oi)xa) is the type of properties of individuals, (o*j)Tca is the type of properties of the constructions of the 1st order. d) w,t are variables of the type co,x, respectively. Instead of [[Cw]t], where C is a construction of the type a xco , we write C ^ . e) Quantifiers are also objects. Let a be a type. Then universal and existential a-quantifiers are objects of the type (o(oa)). Their application to a class of a-objects can be abbreviated so that we can use the usual symbols V and 3. 5. Examples a) Having to analyze the expressions 3+2, 3>2, i.e. to find the respective constructions, we must first determine the types of the objects constructed by »3, 02, 0+, 0>. 22
For further discussion, see Tichy (1988).
Petr Kolàr and Pavel Materna
96
The objects 3,2 are obviously of the type i. The object + is a function of the type (TTT), the object > is a binary numeric relation, i.e. a function of the type (cm). Thus (see 1 -composition) we have [°3
°2], [°3 °> °2],
The expression a number less than 3 will be analyzed as follows: \x[x°/(OTT)
x/x b) Consider the expression (8). Here, the respective types can be determined as follows: George Bush can be taken (for the sake of simplicity) as a label for an individual (so GeorgeBush/i). The U.S. President names a construction of an 'individual concept' (Pr). So Pr/tT03. The is is meant as the identity relation between individuals. Thus (9) constructs a function which takes every possible world to a chronology of truth values, i.e. it constructs a proposition which is true just in those possible world-times where the individual enjoying the U.S. Presidency is identical with the individual George Bush. c) The construction (6") is justified by the assumption that Fact is a property of constructions. Compare (6") with #(6"") XwA.t[°Factwt [«Select; °P]] (6"") constructs the proposition that the proposition constructed by (6) is a fact; thus Fact would be a property of propositions rather than of constructions. (6"), on the other hand, constructs the proposition that the construction (6) is a fact (°[°Selectj °P] constructs the construction [ 0 Selectj °P], whereas [°Selectj °P] constructs a proposition).
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Did Frege really have a logicist conception of functionality? It is known that Frege used an extended mathematical notion of function to elaborate his Begriffsschrift as well as the Grundgesetze. As Frege himself points out in Funktion und Begriff, this extension amounts to an application of the function-argument-analysis to propositions.1 Concepts are taken to be that particular kind of functions which have a truth-value as their value. 2 One can indeed state that the function/argument-distinction is the most profound one in Frege's Philosophy. A quite systematic - but nevertheless still questionable - exposition of both Frege's views on concept and object and on sense and reference can be given from within functional analysis. Consider a mathematical expression as: 'x2 + 4'. One can recognize this expression as being a formula due to the presence of a variable. For Frege, such a variable has two functions: on the one hand, it marks an open place, where argument-names can be fit into the expression.3 In this sense it provides the functional expression in which it occurs with a definite structure. On the other hand it is a sign of generality, since it shows the expression to be a general pattern, which can be recognized in different closed expressions^). We will stress that this twofold characterisation of functionality through the variable is Frege's most fruitful insight. In no way, Frege states in Was ist eine Funktion, the variable can be seen as the name of something.5 Once one fills in the name of an argument in the place kept free by the variable, say '2', the functional expression turns into a compound name for a value, say '8'.6 The striking feature of this analysis lies in the fact that there is a strict and systematic parallelism between the relation name-argument and the relation compound name-value. This gains importance when Frege makes his historic move from functional analysis to logic. The move takes place very naturally, when one takes into consideration a special set of operands one can isolate in functional expressions. The set consists of the equal sign and alike, such as 'is greater than', 'is smaller than' etc. When one considers an expression as 'x2 + 4 = 8', one finds out that it behaves differently when one makes substitutions for the variable by argu1 2 3 4
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Frege (1891), pp. 17f. Frege (1891), p. 15. Frege (1891), pp. 7f.; Frege (1893), pp. 5f. Frege (1904), p. 662. G. Baker rightly shows irritation over the fact that this point isn't understood by a lot of commentators), in spite of the textual evidence (Baker (1988), p. 9, footnote 2). Frege (1904), p. 659. Frege (1914), p. 253.
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ment-names. When one fills in the argument '2', the value obtained is no longer a number, but a truth-value.7 For example, '2' gives the truth as value, '3' gives the false as value. The output of functions for arguments can thus be of a different type than the type of the argument itself. Functions which have a logical or truth-value as their output are called concepts.8 This move consists in a broadening of functional analysis from functional expressions to all open sentences in general. Just as 'x2 + 4 = 8' for the argument '2' generates the truth, 'x crossed the Rubicon' generates the truth for the argument 'Caesar'. We have then a parallelism function/argument/ value - concept/object/truth-value. One can hardly overestimate the importance of Frege's insight: the idea of a concept as a function (in a next move - not conceived of by Frege - of a function as a procedure) is vital to some parts of research in Artificial Intelligence, not in the least the research in Natural Language Understanding. More generally, mathematical functional expressions make it possible to understand things in relation to each other, for example energy as a function of mass and time, or more commonly, the volume of a box in function of its height and base. Porting this functionality to the broader set of concepts in natural languages, makes it possible to analyse concepts in their truth-functional relationships. Conceptual analysis based on this Fregean extension of functionality rivals a hermeneutics which would base its 'deep understanding' of concepts only on paraphrase. Not only the output of a fiinction can be of different types. There are also different types of input. One can distinguish functions that take numbers as input from those that take truth-values as input, the so-called truth-funcions. Frege however doesn't stress this distinction: on the contrary, he claims that a function should be defined for any object as input. A well-defined function should be able to handle '0' as an input as well as 'The sun'. 9 It is known well enough, however, that in a higher predicate logic a typehierarchy of objects is inevitable. Whereas Frege did not accept a hierarchy of object-types, he did make a categorical distinction between objects on the one hand, and functions of different levels on the other hand, as Hans Sluga rightly noted in his book on Frege.10 In this way, a function of first order 7 8 9
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Frege (1891), p. 15. Frege (1891), p. 15. "Es ist also nötig, Festsetzungen zu machen, aus denen hervorgeht), was z. B. "0 + 1" bedeutet, wenn "0" die Sonne bedeuten soll. Wie diese Festsetzungen geschehen, ist verhältnismäßig gleichgültig ; wesentlich ist aber, daß sie gemacht werden, daß "a + b" immer eine Bedeutung erhalte, welche Zeichen bestimmter Gegenstände auch fur "a" und "b" eingesetzt werden mögen. Für die Begriffe haben wir hierin die Forderung, daß sie fiir jedes Argument einen Wahrheitswert als Wert haben, daß für jeden Gegenstand bestimmt sei, ob er unter den Begriff falle oder nicht; mit anderen Worten : wir haben für die Begriffe die Forderung ihrer scharfen Begrenzung, ohne deren Erfüllung es unmöglich wäre, logische Gesetze von ihnen aufzustellen." (Frege (1891), p. 19f.). This theoretical postulate of Frege survives today as a practical guidance for programming: a good programmer will define his procedures in such a way that they can handle any environment. Sluga (1980), p. 143.
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cannot take a first-order function as its argument. Second-order functions, like the quantifiers, take first-order functions as their argument but cannot take objects for argument. This means that the statement that both firstorder-functions as well as second-order-functions are functions is a category-mistake, and can therefore not be expressed in Begriffsschrift-language. It is precisely this kind of claim Frege wants to make in Uber Begriff und Gegenstand.11 We will return to this issue, since it will be our major point to discuss. Not only the fundamental distinction between concept and object can be clarified by means of its roots in functional analysis; the same holds for the sense-reference distinction. When one considers an equality of the form: '(x - 1)(JC + 1) = (JC2 - 1)' it is clear that both sides of the equation sign have the same value-range. For every substitution, the values of the right- and left-hand are the same. Nevertheless, the way in which the value is presented (this is how Frege calls it) or is constructed differs from the left- to the right-hand. Already Lotze remarked that Mathematics somehow depended on the possibility to 'equate the unequal'.12 Frege's theory of sense and reference has precisely as its chief objective to clarify what is happening in mathematical equations. His own examples are however, except from passages in Logik in der Mathematik, borrowed from geometry rather than number theory or analysis.13 But they offer a very clear picture. The best example probably comes surprisingly enough from the Begriffsschrift, before the distinction was even invented of by Frege (I don't want to enter the discussion about the 1891-turning point in Frege's work, however). Frege wonders how an equation as "a = b" works.14 Suppose, he says, that a be the point where a straight line meets a circle at the outside. Call b the point where a line drawn perpendicular on a through the centre of the circle hits the other border of the circle. When one pivots this line ab, b will come closer to a, and will be the same as a when the line ab falls together with the original line. In this hypothesis it is 1) quite right to state 'a = b' and 2) very informative to make the distinction between a en b. The fact that Frege's example stems from geometry raises the question whether it is still in line with Frege's claim that the need for a theory of sense and reference is necessary for the claim that arithmetical truths be analytical. If one tends to look at analyticity as being the same as deducibility, as Frege does on some occasions,15 the answer can be favourable: the hypothetical situation described follows within geometry from the definitions of circle and perpendicular; in this sense the truth of the complex hypothetical statement which describes the whole example would be deductible and hence analytical. 11 Frege (1892). 12 Lotze (1989b), pp. 583-584. 13 Frege (1892), p. 26; (1914), p. 250ff. 14 Frege (1879), p. 14. 15 Frege's conception of analyticity can be found in Grundlagen (Frege (1884)).
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Again, one finds that Frege makes a parallel of the sense-reference distinction in function theory, where the reference is for Frege the value of the expression, and the sense-reference distinction as regards to concepts and sentences, where the referent of the sentence is claimed to be the truthvalue. At this point Frege's very clear parallelism yields a quite counterintuitive result. While it is clear that an expression as 'sine(O)' stands for 0 or that an expression as '7 + 5' stands for 12, it is more unnatural to conceive of 'Caesar crossed the Rubicon' as standing for the truth. However, I am inclined to say our intuition is misguiding, and that it is Frege who is on the right track. As Tugendhat rightly remarked, Frege's Bedeutung is not reference in the sense of 'that which the expression stands for', but rather the semantic value.16 This is not something a name mysteriously "has', like I have a dog or a wrist-watch, but something which is the result of the interpretation of an expression. In the same way, a sentence doesn't really stand for something, but yields a truth-value when interpreted. The real problem concerning this Fregean view today, is Frege's Platonist conception of interpretation. Interpretation is in Frege's view not an act of assigning a value to an expression on the basis of a certain valence, but the straightforward recognition of a third realm which is the interpretation of a language. A main issue in Frege's theory of sense is then the question whether this sense can be referred at, i.e. can be the Bedeutung of an expression. This is the case in intensional or opaque contexts, such as indirect speech. Frege however didn't raise the question what would be the sense of expression embedded in such a context. This cannot be the sense of the expression in oratio recta, since it doesn't lead to the same Bedeutung. David Bell did address the question on Frege's behalf, rightly stating that this sense ought to be that what allows to determine the Bedeutung, i.e. the oratio recta-sense of the expression.17 Indeed, the sense ought to be that what allows an interpretation in a given context, the valence. The fact that Frege didn't wonder about senses of indirect speech-expressions, shows that he wrongly conceived of sense as belonging to a definite and static ontological realm, instead of considering it as a relative notion, applicable to discern aspects of interpretation. Considering senses as meta-functions, which map values to expressions relative to context, would strongly improve Frege's theory (losing the predicate of being 'Fregean', presumably). It would take too long to argue that the sense-reference distinction should not be looked at mainly from an epistemological point of view, but rather from a semantical one, as Dummett holds against Sluga.18 It can suffice here to remark that since Frege shows that there are contexts where the Bedeutung, i.e. the semantic value is in fact the sense of the expression, the semantic relevance is patent. 16 17 18
Tugendhat (1976), p. 53. Bell (1984), pp. 184f. Dummett (1981b), pp. 393-397, pp. 520-526.
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At this point, having shown that both the concept-object-distinction and the sense-reference distinction are more easily understood from function theory, I should clarify my position in comparison with the one taken by Baker and Hacker in their book Frege: Logical Excavations (Baker & Hacker 1984). It is certainly their merit to have stressed the importance of the function/argument-distinction for a better understanding of Frege's theory. And one can agree that Dummett did not sufficiently elaborate this point in his famous book of 1973 19 . On the other hand the conclusions that Baker and Hacker want to make go far beyond this point. Their fundamental claim is that Frege's mathematical approach doesn't fit questions of soundness of reasoning, and that these questions should be treated in a Wittgensteinian way, by conceptual clarification from within natural language. 20 This seems to be dogmatic, while it is not based on a proof that natural language can express everything that can be expressed by formal language. As such, their position shows a misconception of the power of formal languages. On the other hand there are interesting criticisms of Frege to be found in the Tractatus, which will be turned to at the end of this exposition. Whereas our analysis of Frege's mathematical inspiration is congruent with the view of Baker and Hacker, our evaluation of this inspiration clearly differs from theirs. The function-theoretic approach to concepts is to be appreciated as very fruitful. What we would like to concentrate on, is the idea that this approach to concepts is at odds with a genuine logistic foundation of arithmetics. If arithmetics is to be reduced to a logical system - a theory of valid reasoning - , it would be more natural to conceive of concepts as the prototype of functions, as Russell does in his Principles of Mathematics?-1 In his interesting article Frege, Russell and Logicism: A Logical Reconstruction22, Nino Cocchiarella minimizes somehow this point by rightly stating that Frege anyway was unable to provide a sound explanation of what for him is essential to a function, i.e. its alleged unsaturatedness, other than by referring to the unsaturatedness of a concept as obtained from a proposition. This leads Cocchiarella to the conclusion that for both Frege and Russell the predicative nature of concepts is the basis of the laws of logic. We would like to suggest and evaluate two possible objections to this statement. The first one is circumstantial, and bears on Frege's views on arithmetics. A close reading of important texts, such as Uber Formale Theorien der Arithmetic, shows that part of the motivation of Frege's 19
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As does Mr. Dummett himself in Dummett 1981: "There is one leading idea of Frege's mature philosophy of language which I now think that, in FPL (Dummett (1973)) I seriously undervalued. This is the conception of concepts and relations as functional in character " Baker/Hacker (1984), p. 390; see also pp. 11 If. Russell (1903), Appendix A. Cocchiarella (1986), pp. 202f. Frege (1885), pp. 94ff.
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logistic reduction programme resides in his belief that arithmetics is just as universally applicable and fundamental as logic itself. His logicism is, then, not so much a genuine reduction theory as it is a mere exposition of a theory which embraces both what we call logic and what we call arithmetics: "Hierdurch wird die Arithmetik in einem Gegensatz zur geometrie gebracht, welche, wie wohl kein Mathematiker bezweifelt, gewisser, ihr eigentümlicher Axiome bedarf, deren Gegenteil - rein logisch betrachtet ebenso möglich, d.h. ohne Widerspruch wäre. Von allen den Gründen, welche für diese Ansicht sprechen, will ich nur einen hier anfuhren, der auf der umfassenden Anwendbarkeit der arithmetischen Lehren beruht. In der Tat kann man so ziemlich alles zählen, was Gegenstand des Denkens werden kann: Ideales so gut wie Reales, Begriffe wie Dinge, Zeitliches so gut wie Räumliches, Ereignisse wie Körper, Methoden so gut wie Lehrsätze; auch die Zahlen selbst kann man wieder zählen. [...] Daraus ist doch wohl so viel zu entnehmen, daß die Grundsätze, auf denen sich die Arithmetik aufbaut, sich nicht auf ein engeres Gebiet beziehen dürfen, dessen Eigenthümlichkeit sie so zum Ausdruck bringen wie die Axiome der Geometrie dies des Räumlichen; sondern jene Grundsätze müssen sich auf alles Denkbare erstrecken; und einen solchen allgemeinsten Satz zählt man doch wohl mit Recht der Logik zu." 24 The second objection is related to the idea that the predicative or unsaturated nature of concepts is the only intelligible way to understand the unsaturated nature of functions in general. Our aim is to illustrate that unfortunately, as it has already been shown in numerous studies on Frege, it is as difficult to make sense of the unsaturatedness of concepts as it is to explain the unsaturatedness of functions in general. Not one of the metaphors used by Frege to clarify this point can be considered as appropriate. On the other hand, it is arguably possible to understand the indeterminacy of a concept outside its prepositional context on the basis of the indeterminacy of the function-value when no arguments are specified. It is indeed a fact - and a great crux for any interpreter of Frege's work that Frege's theory of the function itself poses a lot of problems. It is my claim that these problems arise from Frege's unfortunate attempt to clarify what is shown in his formalism, i.e. the categorical distinction between concepts and objects, by means of natural language, though he was one of the first to rightly stress the inability of ordinary language to express such insights. Frege tries to clarify the nature of functions or concepts by using some metaphors. These were firmly criticised amongst others by Marshall in the fifties, Dudman and Black in the seventies and again by Pavel Tichy and Baker and Hacker in the eighties.25 Frege's principal defendant, M. Dummett, had a hard time showing Frege's views as consistent. Only in the 24 25
Frege (1885), pp. 94. See Marshall (1953), Marshall (1956), Bartlett (1961), Wells (1963), Bartlett (1964), Black (1968), Höchberg (1971), Dudman (1976).
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second edition of Frege: Philosophy of Language26 and the article More about Thoughts (in discussion with David Bell) 2 ', one finds an interesting approach to a solution of the difficulties in Frege's views. But first let us quickly overview the metaphors Frege used. Frege speaks of a function as being unsaturated (ungesättigt) or incomplete. Frege uses various metaphors to illuminate this point. One comes from Funktion und Begriff, where Frege gives the example of a line. 28 One can conceive of the line as being broken in to pieces at one particular point. This entails however, that this endpoint can only be part of one of the two pieces. The other one is then, what Frege calls 'unsaturated'. On other occasions Frege hints at the chemical inspiration for his term 'unsaturated'.29 Already Marshall questioned these metaphors. His main point was, that when one completes an incomplete line, or an incomplete house, the result is a complete line or house, whereas Frege claims that a function completed by its argument yields something categorically different, i.e. a value. 30 Another problem is related to the so-called part-whole-loops, discussed by Marshall, Dummett, Baker and Hacker and Pavel Tichy 31 . When Frege says that in an equation as the one quoted above, both sides have the same number as their Bedeutung, one can wonder whether the numbers corresponding to the numerals occurring in these expressions are to be conceived of as being parts of the reference of the whole expression. In this way, '2' would be a part of '3', since ' 2 + 1 ' equals '3', but '3' should itself also be a part of two, since ' 3 - 1 ' equals '2'. 32 In fact, any number should be part of every other. This is a kind of situation which reminds Leibniz' Monadology, where every monad is a mirror of the whole universe. It is also impossible to know if 0 is in fact a sine function saturated by 0 or a sine function satured by n, or is it the function '2 - x' saturated by 2? On some occasions, Frege seems to be aware of this problem: "Ich habe nämlich das Verhältnis des Ganzen und des Teils vom Satze auf seine Bedeutung übertragen, indem ich die Bedeutung eines Wortes Teil der Bedeutung des Satzes genannt habe, wenn das Wort selbst Teil dieses Satzes ist, eine Redeweise, die freilich anfechtbar ist, weil bei der Bedeutung durch das Ganze und einen Teil der andere nicht bestimmt ist, und weil man bei Körpern das Wort Teil schon in andern Sinne gebraucht." 33 "Der Satz kann als Abbildung des Gedankens betrachtet werden in der Weise, dass dem Verhältnisse vom Teil zum Ganzen bei den Gedanken und Gedankenteilen im Grossen und Ganzen dasselbe Verhältnis bei den Sätzen und Satzteilen entspricht. Anders ist es im Reiche der Bedeutung. Man kann 26 27 28 29 30 31 32 33
Dummett (1981). Dummett (1989). Frege (1891), p. 7. Frege (1879). Marshall (1953), pp. 377f. Tichy 1988), pp. 35f. Tichy (1988), pp. 35f. Frege (1892a), pp. 35f.
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nicht sagen, dass Schweden ein Teil der Hauptstadt von Schweden sei." (ALD, 275) 34. Anyhow, there is no way to make sense of a part-whole metaphor regarding functionality, and the whole talk about unsaturatedness should be dismissed as an unhappy effort by Frege to express in natural language what is clearly shown in the symbolism of Begriffsschrift. Wittgenstein clearly acknowledged this as the major flaw of both Russell and Frege, as one can see from the passages 4.121, 4.126 and 4.1272, where Wittgenstein says that formal concepts as 'function' and 'object' cannot be expressed in the language itself, but show themselves through the structure of the language. The idea that function (i.e. the Bedeutung of a functional expression) and object would be part of the truth-value, reflects a naive conception of understanding, which is clearly more than just finding names for things, an idea Frege was on the other hand one of the first to dismiss. Understanding an object as falling under a concept should be regarded instead as applying a concept to the object, i.e. calculating its value for that object. Nevertheless, the part-whole-metaphor seems important to Frege's theory, being the unique way to grasp Frege's principle of composition. To Frege, the sense as well as the reference of a complex expression is a function of the sense and reference of its constituents, which are then to be understood as parts of the sense and reference of the whole expression. This is why Dummett, in the passages already hinted at, proposes to make a distinction between constituent-analysis, which shows how complex sentences are truth-functionally build up from atomic ones, and where the principle of composition holds, and decomposition, which reveals in an atomic sentence a functional structure. Function and argument are then not constituents of the sentence, but components of it. 35 Constituent-analysis shows the validation of arguments, when one can show how a complex thought follows logically from thoughts which are constituent parts of it. In this context, the sense-reference-distinction explains how there are many ways to say the same thing. But each time, there is a unique analysis of the thought involved. Decomposition is an activity prior to this: it allows to recognize patterns in sentences, functions, which can then be used to link sentences together. In fact, logic never starts from zero: one departs from sentences from which one knows the truth, decomposes them to get functional patterns, which can be used as building-blocks of new, more general sentences. Decomposition is then Frege's alternative to the psychologistic abstraction-theory. Frege's originality is not so much, that he offered century-long known inference-rules in a compact axiomatic system, but his 34
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This citation was first mentioned by Dummett in 1956 (Dummett (1956a), p. 229)), in a debate against Marshall concerning the question whether functional expressions can have Bedeutung. Dummett had a look at the manuscript before it was to be published. The feet that Dummett seems to refer to it from memory explains that he mistakenly speeks of the capital of Denmark instead of Sweden. See Dummett (1981b), pp. 264ff.
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n e w analytical toolkit, decomposition, which allows to recognise various functional patterns in one and the same sentence. Our conclusion would then be that function-argument analysis or decomposition is for Frege not only a genuine kind o f analysis as Dummett puts it, but the most fundamental one, which broadens the notion of logic considerably and prefigures somehow modern formalist theories. In this sense Frege's logicism is somewhat ambivalent: the logical system Frege used to elaborate his logistic programme was very different from what logic used to be, i.e. a means o f making explicit rules of ordinary reasoning. Frege's system w a s really a functional calculus, and it is clear that the possibilities of such a calculus, as to what concerns expressibility and deductibility, exceed largely those of verbal reasoning. Frege's logicism is then not so much intended to demonstrate h o w verbal reasoning can incorporate arithmetics, as it is to show that a formal device can calculate propositions as well as numbers.
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Frederik Truyen
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Did Frege really have a logicist conception of functionality?
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VOLKERPECKHAUS
Ernst Schröder und der Logizismus1 Gleich zu Beginn der Einleitung zum ersten Band der Grundgesetze der Arithmetik resümiert Gottlob Frege das Hauptanliegen seines neun Jahre zuvor erschienen Bandes über die Grundlagen der Arithmetik^- wie folgt: 3 In meinen Grundlagen der Arithmetik habe ich wahrscheinlich zu machen gesucht, dass die Arithmetik ein Zweig der Logik sei und weder der Erfahrung noch der Anschauung irgendeinen Beweisgrund zu entnehmen brauche.
Diese für den Logizismus charakteristische Formel umfaßt bekanntlich zwei Aspekte:4 1. die Auffassung, daß alle mathematischen Begriffe durch rein logische Begriffe definierbar sind und 2. die Auffassung, daß alle mathematischen Sätze durch rein logische Schlußweisen begründbar sind. Frege wird üblicherweise als Begründer dieser logizistischen Auffassung genannt, und die Principia Mathematica von Alfred North Whitehead und Bertrand Russell 5 gelten als deren Hauptwerk. Die von George Boole begründete Algebra der Logik wird in der Logikgeschichtsschreibung dem Logizismus als Vorläuferrichtung und als für kurze Zeit konkurrierende Logikauffassung gegenübergestellt. Als Kerngedanke der Algebraiker der Logik wird die Annahme hervorgehoben - hier sei William und Martha Kneales logikhistorisches Standardwerk zitiert6 "that all logic must be capable of presentation in algebraic form". Als Hauptwerk der Algebra der Logik werden die monumentalen, gleichwohl unvollendet gebliebenen Vorlesungen über die Algebra der Logik (3 Bde., 1890-1905)7 des Karlsruher Mathematik-Professors Ernst Schröder (1841-1902) angeführt. 8 Ich halte den in dieser Standardinterpretation ausgesprochenen Antagonismus zwischen einer Algebra der Logik, die durch eine Darstellung der 1
2 3 4 5 6 7 8
Revidierte Fassung eines Vortrages, gehalten auf dem "Frege-Kolloquium 1991" am 26. September 1991. Eine andere Version wurde unter dem Titel "Ernst Schröder und die logizistische Grundlegung der Mathematik" am 20. September 1991 in der Sektion "Geschichte der Mathematik" auf der Jahrestagung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung in Bielefeld vorgetragen. Die Recherchen zu dieser Untersuchung wurden im Rahmen des von Christian Thiel in Erlangen geleiteten Projektes "Fallstudien zur Begründung einer Sozialgeschichte der formalen Logik" von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefordert. Ich danke Christian Thiel und Thony Christie (Erlangen) für wichtige Hinweise und Anregungen. Frege (1884). Frege (1893), S. 1. Thiel (1984), S. 703. Whitehead/Russell (1910-13). Kneale/Kneale (1962), S. 427. Schröder (1890; 1891; 1895b; 1905). Zur Biographie vgl. zuletzt Dipert (1991).
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Logik in algebraischer Form charakterisiert ist, und dem Logizismus, für den die Mathematik Teil einer umfassenden Logik ist, in seiner Allgemeinheit für verfehlt. In diesem Beitrag wird daher eine alternative Deutung der Logikgeschichte des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts vorgeschlagen. Danach hat der in den algebraisch-logischen Arbeiten erbrachte Nachweis der Leistungsfähigkeit symbolischer und mathematischer Methoden in der Logik zu einer Wiederaufnahme der Leibnizschen Utopie einer mathesis universalis, also einer wissenschaftlichen Universalsprache geführt. Die zuvor bei den Algebraikern der Logik durchaus feststellbare Zielsetzung, die philosophische Disziplin Logik zu reformieren, trat zugunsten der Herausarbeitung der Logik als Grundlagendisziplin für alle der formalen Behandlung zugänglichen Wissensgebiete in den Hintergrund. Als Kronzeugen für diese "logizistische" oder eher "quasi-logizistische Wende" in der symbolischen Logik des ausgehenden 19. Jahrhunderts soll hier Ernst Schröder präsentiert werden, der Algebraiker der Logik par excellence. Es muß zunächst festgehalten werden, daß die von Kneale und Kneale gegebene Charakterisierung der Algebra der Logik durch Schröders eigene Worte im ersten Band seiner Vorlesungen über die Algebra der Logik9 unterstützt wird. Schröder strebte eine "rechnerische Behandlung" der deduktiven oder formalen Logik an, um sie dadurch von den "Fesseln, worein die Wortsprache durch die Macht der Gewohnheit den Menschengeist geschlagen" zu befreien und eine "exakte Logik" zu begründen. 10 Schröder wollte die Logik in einer eigenen Zeichensprache als "Buchstabenrechnung" 11 darstellen. Er unterschied aber stets die Struktur der Logik von ihrem Gegenstand. Die Struktur der Logik, den Kalkül, identifizierte er als algebraische Struktur und symbolisierte sie durchaus konsequent mit algebraischen Zeichen. Für die Darstellung speziell logischer Verhältnisse wie z.B. der Subsumtion wählte er spezielle Zeichen, wobei die zu verwendende Symbolik zunächst beliebig war. Die Auswahl erfolgte nach den Kriterien der Einfachheit und Handhabbarkeit und war aus diesem Grunde dem eingebürgerten Zeichensystem der Mathematik angelehnt. Ivo Thomas trifft daher nicht den Punkt, wenn er behauptet,12 Schröder habe mit der Einführung des Subsumtionszeichens " unabhängig von Frege die algebraische Form der Logik aufgegeben. Schröder hat das Subsumtionszeichen erstmals in seinem Lehrbuch der Arithmetik und Algebra13 verwendet. Er gebraucht die Subsumtionszeichen "=€' und " zusammen mit den Zeichen "=", " M " und "(=)" für den (logischen) Vergleich der Umfangsverhältnisse von Begriffen. 14 Dabei bedeuten: 9
Schröder (1890). Schröder (1890), S. III. 11 Schröder (1890), S. 11. 12 Thomas (1967), S. 554. 13 Schröder (1873). 14 Schröder (1873), S. 28-31. 10
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a a a M a A (=) B A =B
Der Begriff A ist dem von ihm umfaßten Individuum (Zahlenwert) a übergeordnet oder superordiniert. a ist A untergeordnet oder subordiniert. a und a' sind einander beigeordnet oder koordiniert. Die Ausdrücke A und B besitzen mindestens einen übereinstimmenden Wert. A und B stimmen vom Inhalt und vom Umfang her überein.
Diese Symbolik kommt im Gebiet der "vieldeutigen Werthgemeinschaften" (z.B. Lösungsmengen) zum Einsatz,15 sie wird also, obwohl als Notation für logische Operationen eingeführt, zum Bestandteil der Symbolik der von Schröder vertretenen Algebra. Selbst im ersten Band der Vorlesungen, wo das Subsumptionszeichen "=€' (Unterordnung oder Gleichheit, also Einordnung) eine zentrale Rolle spielt, betont Schröder dessen Bedeutung für die Mathematik, in der sich Abschnitte ohne dieses Zeichen nicht korrekt darstellen ließen. Schröder gibt seiner Überzeugung Ausdruck, daß "mit fortschreitender Entwickelung der mathematischen Wissenschaft [...] diese Zeichen [Subsumptions- und Unterordnungszeichen "C"] daselbst immer unentbehrlicher werden". 16 Der hier als auch auf Schröder zutreffend konzedierte Gebrauch algebraischer Zeichen neben logischen Spezialzeichen in seiner logischen Symbolik konstituiert in der Tat einen Unterschied zur Begriffsschrift Freges, dem es ja darum gegangen war, logische und mathematische Operationen schon durch die Notation voneinander zu unterscheiden und damit eine eindeutige Anwendung der Logik auf die Arithmetik zu ermöglichen.17 Über diesen Unterschied in der "Philosophie der Symbolik" hinaus, insbesondere über eine eventuell bestehende Differenz in der Auffassung vom Verhältnis zwischen Mathematik und Logik ist damit noch nichts ausgesagt. Und gerade bezüglich dieser Auffassung zeigen sich bemerkenswerte Parallelen. Im August 1897 hielt Schröder beim Ersten Internationalen Mathematiker-Kongreß in Zürich einen Vortrag mit dem Titel "Über Pasigraphie, ihren gegenwärtigen Stand und die pasigraphische Bewegung in Italien". 18 Über das Verhältnis zwischen Logik und Mathematik sagte er folgendes: 19 Als eine vielleicht noch nicht allgemein geteilte persönliche Ansicht möchte ich beiläufig aussprechen, dass mir die reine Mathematik bloss als ein Zweig der allgemeinen Logik erscheint.
Diese Aussage Schröders ist konsistent zu der in der traditionellen, als Denklehre oder Denkkunst begriffenen Logik seiner Zeit evidenten Einsicht, daß die Tätigkeit des Mathematikers eine Art des Denkens sei und damit natürlich auch den Gesetzen der Logik unterworfen sei. Eine solche Auffas15 16 17 18 19
Schröder (1873), S. 148ff. Schröder (1890), S. 136f.,Zit. 137. Frege (1882/83), S. 100. Schröder (1898a), engl. (1898b). Schröder (1898a), S. 149.
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sung hat Rudolf Hermann Lotze in seiner Logik treffend ausgedrückt: 20 Lotze weist dort daraufhin, daß alles Rechnen eine Art des Denkens ist, daß die Grundbegriffe und Grundsätze der Mathematik ihren systematischen Ort in der Logik haben, daß wir uns endlich das Recht wahren müssen, auch später überall [in der Lotzeschen Darstellung der Logik], wo das Bedürfhiß es verlangt, unbedenklich auf die Ergebnisse zurückzugreifen, welche die Mathematik unterdessen, als ein sich für sich selbst fortentwickelnder Zweig der allgemeinen Logik, gewonnen hat.
Es soll im folgenden deutlich werden, daß Schröder noch weiter ging und eine Auffassung vom Verhältnis zwischen Mathematik und Logik hatte, die der Fregeschen recht nahe kam. Schröders Zürcher Vortrag gehört zu einer ganzen Reihe von Beiträgen, mit denen er die Publikation des im Juli 1895 vollendeten und im Oktober desselben Jahres ausgegebenen ersten Teiles von Band 3 der Vorlesungen über die Algebra der Logik begleitet hat. Diesem Teilband hatte Schröder den Titel Algebra und Logik der Relative gegeben. 21 Schon im ursprünglichen Plan seiner Vorlesungen über die Algebra der Logik war Schröder von dem von Leibniz entlehnten "Gedanken einer philosophisch wissenschaftlichen Universalsprache"22 ausgegangen, der in der "Verwirklichung des gedachten Ideals einer wissenschaftlichen Klassifikation und systematischen Bezeichnung alles Benennbaren" seine Erfüllung finden sollte. Dieses Ziel zu erreichen, habe, so Schröder, "die vollendete Kenntnis der die Begriffselemente zu verknüpfen bestimmten Grund Operationen und die Bekanntschaft mit deren Gesetzen" zur Voraussetzung. 23 Die Vorarbeiten für ein solches Projekt habe die Logik zu leisten, für die Schröder eine Dreiteilung vorschlug. Der erste Teil, der Gebiete- oder Klassenkalkül, untersucht die Verknüpfungen von Begriffen. Der zweite Teil der Logik, der Aussagenkalkül, behandelt die Verknüpfungen und Beziehungen zwischen Urteilen, der dritte und "schwierigste" Teil, so Schröder, sei die "Logik der unter 'relativem' Namen zu begreifenden Gedankendinge", die "Logik der Beziehungen". Erst nach deren Ausbau könne "die Disziplin der Logik den Anspruch erheben[,] die obenerwähnte Vorarbeit für die dereinstige wahre Philosophie geleistet zu haben". Diesen Teil müsse er aber, so schrieb Schröder, 24 "dermalen grossenteils noch unfertig lassen". Seiner Einteilung entsprechend behandelte Schröder im ersten Band der Vorlesungen25 ausführlich den Klassenkalkül. Den 1891 erschienenen ersten Teil des zweiten Bandes widmete er dem Aussagenkalkül. Für diesen zweiten Band hatte Schröder ursprünglich auch Ausführungen über den Relativkalkül vorgese20
21 22 23 24 25
Lotze (1874), §18, S. 34. In der Einleitung zu Bd. 1 der Vorlesungen (1890), insbesondere S. 99-105), setzt sich Schröder ausführlich mit den von Lotze in seiner Logik vertretenen Ansichten auseinander. Schröder (1895b); zum Erscheinungsdatum vgl. Schröder (1898c), S. 306, Fn. 1. Schröder (1890), S. 93. Schröder (1890), S. 95. Schröder (1890), S. 96. Schröder (1890a).
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hen. In Folge einer eingehenderen Beschäftigung mit den relativlogischen Arbeiten von Charles S. Peirce wuchs die Algebra und Logik der Relative über das vorgesehene Maß hinaus. Schröder sah sich gezwungen, einen eigenen, dritten Band dafür einzuplanen, dessen erster (und einzig erschienener) Teil 1895 veröffentlicht wurde und damit noch vor dem zweiten Teil des zweiten Bandes, der erst 1905 posthum von dem Gymnasialprofessor Karl Eugen Müller herausgegeben wurde.26 Im folgenden seien kurz die Grundelemente der Algebra und Logik der Relative skizziert,27 für die Schröder nie die Priorität beanspruchte, sondern immer wieder betonte, daß er die wesentlichen Bestandteile bei Peirce entlehnt habe. Schröder geht von einem ersten Denkbereich l 1 aus, der aus "spezifizierten" Elementen/l, B, C, ... besteht, von denen nichts weiter vorausgesetzt wird, als daß sie sich gegenseitig ausschließen und von dem Nichts (0) verschieden sein sollen. Die adjunktive Verknüpfung dieser Elemente läßt sich als "identische Summe" darstellen. H=A+B+C+...=Zi i
Zwei beliebige, "allgemeine" Elemente / und j des ersten Denkbereichs, für die anders als bei den "spezifizierten" Elementen sowohl / = j als auch i * j möglich wären, lassen sich als ein in einer bestimmten Beziehung stehendes Elementepaar i.j symbolisieren. Die Gesamtheit dieser Elementepaare bildet den zweiten Denkbereich: i2=2>y >j Die allgemeine Form eines binären Relativs a stellt Schröder als logische Summe von Elementepaaren in diesem zweiten Denkbereich dar: a = 2>0'.7'), V
wobei die Indizes i und j unabhängig voneinander die Elemente des Denkbereichs l 1 durchlaufen und die Koeffizienten auf die Werte 1 und 0 beschränkt sind. Für die Algebra der Relative bezeichnet es Schröder als unwesentlich, für die Logik der Relative jedoch von fundamentaler Bedeutung, daß sich die dem Aussagenkalkül unterworfenen Relativkoeffizienten auch als Aussagen deuten lassen, daß also % auch als "/' ist ein a von j" gelesen werden kann mit a als "relativem Namen" (z.B. "Teiler", "Liebender", "Schwiegermutter") des Relativs.28 Für die Algebra und Logik der Relative übernimmt Schröder aus seiner Klassen- und Aussagenlogik die Symbole 0 und 1 zur Darstellung der Wertbereiche "Nichts" und "All". Bestandteile sind weiterhin die für Schröder grundlegende logische Operation der Subsumtion (Gleichheit oder Unterordnung, also "Einordnung") sowie die Operationen der Adjunktion 26 27 28
Schröder (1905), vgl. Peckhaus (1988). Vgl. Schröder (1895), S. 2-16; (1898a). Schröder (1895), S. 22f.
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"+", Konjunktion "•" und Negation Aus dem Aussagenkalkül übernimmt Schröder die Zeichen für das Aussagenprodukt ("II") und die Aussagensumme (" E"). Im Relativkalkül treten die folgenden Zeichen hinzu: • Das relative Modul 1' ("Einsap") steht für die Menge aller individuellen •SWiwfrelative [(/' = j)(ijj] des Denkbereichs l 2 und das relative Modul 0' ("Nullap") für die Menge aller individuellen /i/zorelative dieses Denkbereiches [(/ *j)(i:j)l • Die relative Multiplikation a,b ("a von b") bezeichnet die Verknüpfung oder Komposition zweier Relative. • Die relative Addition a J- b ("a piu ¿") 2 9 wird über die relative Multiplikation definiert: a J- b = a j>. Bedeutet z.B. t "Teiler von ...", dann bedeutet t & 0 bei Beschränkung des Denkbereichs auf die natürlichen Zahlen etwas, was Teiler von jeder Zahl ist, also die Zahl 1 und keine andere. 30 • Die Konverse a eines Relativs a bezeichnet dasjenige binäre Relativ, das alle diejenigen binären Relative umfaßt, die zu den in a enthaltenen konvers sind. So ist z.B. die Ursache von etwas die Konverse der Wirkung von etwas. Sie läßt sich, wie Schröder später zeigte, 31 auf die relative Multiplikation zurückführen: (/ =€ aj) = { j < a;t). Bei flüchtiger Durchsicht der 649 Seiten von Schröders Algebra und Logik der Relative entsteht in der Tat der Eindruck, als sei es Schröder lediglich darum gegangen, eine Logik der Relationen in algebraisch-mathematischer Form darzustellen. Und man kann sich dann natürlich mit Recht wie William und Martha Kneale fragen, "whether this attempt to present the theory of relations as an algebra is worth the trouble it involves". 32 Wer dies einfach negiert, berücksichtigt nicht, daß Schröder mit der Hervorhebung der algebraischen Struktur der Logik der Relative bestimmte Zwecke verfolgte. Er hat z.B. in den dritten Band der Vorlesungen eine ausführliche Auseinandersetzung mit der von Richard Dedekind in Was sind und was sollen die Zahlen?33 vorgelegten Begründung des Zahlbegriffs aufgenommen. 34 Schröder zitiert dort zunächst ausführlich und zustimmend Dedekinds Vorwort, worin dieser unabhängig von Frege das logizistische Programm formuliert hat: 35 29 30 31 32 33 34 35
"Piu" nach dem italienischen Wort für "+". Beispiel in Schröder (1898), S. 153. Schröder (1898a), S. 162), "Nachschrift". Kneale/Kneale (1962), S. 430. Dedekind (1888). Schröder (1895b), S. 346-404. Dedekind (1888), Vorwort, zitiert nach der 8. Aufl, (1960), S. III. Bei Schröder zitiert in (1895b), S. 347.
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Indem ich die Arithmetik (Algebra, Analysis) nur einen Teil der Logik nenne, spreche ich schon aus, daß ich den Zahl begriff für gänzlich unabhängig von den Vorstellungen oder Anschauungen des Raumes und der Zeit, daß ich ihn vielmehr für einen unmittelbaren Ausfluß der reinen Denkgesetze halte.
Dedekind fordert einen "rein logischen Aufbau der Zahlen-Wissenschaft", die nur unter der Bedingung der Fähigkeit des Geistes stehen soll, "Dinge auf Dinge zu beziehen, einem Dinge ein Ding entsprechen zu lassen, oder ein Ding durch ein Ding abzubilden."36 Im Verlauf seiner Auseinandersetzung mit Dedekind diskutiert Schröder insbesondere die im § 4 von Was sind und was sollen die Zahlen? entwickelte "Theorie der Ketten", die in der Grundlegung des Schlusses der vollständigen Induktion gipfelt. Durch kritische Reformulierung der Theorie in seiner relativlogischen Symbolik will er seine "Bezeichnungsweise" als die "ausdrucksvollere" erweisen, 37 der Dedekindschen Theorie eine größere Allgemeinheit geben und schließlich auch durch "Nebenstudien" ergänzen.38 Für den hier behandelten Gegenstand ist es von wesentlicher Bedeutung, daß sich Schröder vollinhaltlich hinter das logizistische Programm Dedekinds stellte: Er kritisierte an den Dedekindschen Grundlagen lediglich die möglicherweise "zu weit gefasste" Auffassung vom "Element eines Systems", das von Dededind schlechtweg als "Gedanken-D/«g" hingestellt werde. 39 Schröder traf damit den Kern der Defizienz dieser Spielart des Logizismus, in der der Mengenbegriff als logisch vorausgesetzt wird, wenn Dedekind feststellt: 40 Es kommt sehr häufig vor, daß verschiedene Dinge a, b, c ... aus irgendeiner Veranlassung unter einem gemeinsamen Gesichtspunkte aufgefaßt, im Geiste zusammengestellt werden und man sagt dann, daß sie ein System S bilden.
Schröder resümiert die Zielsetzung der Dedekindschen Zahlentheorie (und seiner eigenen "rechnenden Logik") wie folgt: 41 Endziel der Arbeit ist: Zu einer streng logischen Definition des relativen Begriffs "Anzahl von -" zu gelangen, aus welcher sich alle auf diesen Begriff bezüglichen Sätze rein deduktiv werden ableiten lassen.
Da der Begriff der Anzahl nur auf endliche Mengen anwendbar sei, "ist zur Verwirklichung unsres Zieles die vorgängige Feststellung des Endlichkeitsbegriffs unerlässlich". 42 Diese hier mit aller Deutlichkeit formulierte systematische Zielsetzung der Anwendimg der Logik der Relative bei der Begründung von Mengenlehre und Arithmetik trat allerdings der Eigenart der Schröderschen For36 37 38 39 40 41 42
Dedekind (1888), Vorwort; «i960, S. III; bei Schröder in (1895b), S. 348, hervorgehoben. Schröder (1895b), S. 353. Schröder (1895b), S. 387-404. Schröder (1895b), S. 351. Dedekind (1888), § 1.2. Schröder (1895b), S. 349f. Schröder (1895b), S. 350.
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schungsplanung und -Präsentation entsprechend zunächst gegenüber dem Ziel in den Hintergrund, die technische Leistungsfähigkeit der Algebra und Logik der Relative durch Reformulierung bereits bekannter mathematischer Begriffe und Sätze zu erweisen und damit die Anwendbarkeit der von ihm vertretenen Disziplin auf die Mathematik und andere formalisierbare Wissensgebiete aufzuzeigen. In diesem Sinne hat Schröder wohl auch die Arbeiten verstanden, mit denen er die Herausgabe des Bandes 3 seiner Vorlesungen begleitete. In dem Aufsatz "Note über die Algebra der binären Relative", den er noch vor Publikation der Algebra und Logik der Relative bei den Mathematischen Annalen zur Veröffentlichung eingereicht hatte, 43 nahm er die Auseinandersetzung mit Dedekind noch einmal auf und formulierte diejenigen Sätze der Kettentheorie, die der Begründung der vollständigen Induktion dienen, in seiner Symbolik. Schröder konnte zeigen, daß die relativlogische Umschrift der Dedekindschen Kettentheorie an einigen Stellen zu Vereinfachungen fuhrt. In dem in den Nova Acta der Hallenser Deutschen Akademie der Naturforscher veröffentlichten Aufsatz "Ueber zwei Definitionen der Endlichkeit und G. Cantor'sche Sätze"44 verglich Schröder mit relativlogischen Mitteln zunächst die Cantor-Dedekindsche Definition der Unendlichkeit mit der Peirceschen Endlichkeitsdefinition (deren Negation dann die Unendlichkeit ergibt). Dann wendete er sein Instrumentarium auf die Cantorsche Mengenlehre an. Er untersuchte die Cantorschen Sätze über den Größenvergleich von Mächtigkeiten und bewies, wie sich später herausstellte allerdings lückenhaft, den Cantorschen Äquivalenzsatz. In einem letzten Paragraphen diskutierte Schröder noch einige weitere Ergebnisse aus Cantors Theorie der geordneten Mengen. Am Schluß der Arbeit 45 gestand Schröder ein, daß in der Algebra der Logik bisweilen ein Ergebnis "für etwas schon a priori Einleuchtendes nicht leicht zu erbringen" sei, andererseits zeige sie sich aber fähig, in ungleich grössrer Fülle Aufschlüsse zu liefern, die dem verbalen Denken unzugänglich und für deren Gewinnung selbst die bisher üblichen mathematischen Ausdrucksformen nicht mehr ausreichend erscheinen.
Schröder betonte, er halte es für gesichert, daß sich die Cantorsche Mengenlehre vollständig mit dem "Bezeichnungskapital unserer algebraischen Logik pasigraphisch darstellen" lasse. "Die neue Peirce'sche Disziplin", so Schröder, "hat hiermit [...] Gelegenheit gehabt, schon eine kleine Feuerprobe zu bestehen. Die G. Cantor'sehe Theorie auch." Aus einer begonnenen Studie über "Einfachgeordnetsein im Ringe herum" schöpfe er zudem die Hoffnung, daß sich die Algebra der Logik auch dazu eigne, die Axiome der Geometrie darzustellen.46 43 44 45 46
Schröder Schröder Schröder Schröder
(1895a). (1898c). (1898c), S. 361. (1898c), S. 361.
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Volker Peckhaus
In einer zweiten in den Nova Acta veröffentlichten Abhandlung mit dem Titel "Die selbständige Definition der Mächtigkeiten 0, 1, 2, 3 und die explizite Gleichzahligkeitsbedingung"47 gab Schröder u.a. eine logische Definition des Anzahlbegriffs. Der eingangs erwähnte Vortrag "Über Pasigraphie, ihren gegenwärtigen Stand und die pasigraphische Bewegimg in Italien" 48 diente ihm vor allem dazu, seine relativlogische Notation von konkurrierenden Symbolsystemen abzusetzen, insbesondere von dem Formalisierungsprojekt Giuseppe Peanos und seiner Schule.49 Der wichtigste Unterschied beider Notationssysteme sei, so Schröder, daß in der Peanoschen Symbolik die relativen Operationen fehlten. Die "Tragweite unserer neuen Relativlogik" illustrierte Schröder wieder durch Reformulierung einer Auswahl wichtiger mathematischer Grundbegriffe: Mengenbegriff, Anzahlen 0, 1, und 2, die Beziehungen der Gleichzahligkeit und der Gleichmächtigkeit, die Endlichkeit, die aktuale Unendlichkeit, Funktionsbegriff, Substitutionsbegriff, der Begriff der Ordnung sowie Größerbeziehung, Nachfolgerbeziehung, Teilerbeziehung und der Begriff der Primzahl. 50 Darüber hinaus gab er Beispiele aus der Geometrie ("z ist ein Punkt") und aus dem außermathematischen Bereich der Darstellung von menschlichen Verwandtschaftsbeziehungen. Schröder versuchte in diesen Schriften nicht, einen lückenlosen logizistischen Aufbau von Arithmetik und Mengenlehre zu geben. Es ging ihm vielmehr um die sinnfällige Demonstration der Möglichkeiten seiner relativlogischen Symbolik als Instrumentarium für eine alternative Darstellung von formalen Zusammenhängen und den Nachweis, daß diese Symbolik Vorteile hinsichtlich der Kürze und Übersichtlichkeit der Notation sowie der Einfachheit der mathematischen Beweisführung besitze. In einem Brief an Felix Klein, 51 dem er drei der genannten Aufsätze für eine Aufnahme in die Mathematischen Annalen angeboten hatte, bezeichnete er die konkurrierenden Bemühungen von Frege, dessen Begriffsschrift für ihn allerdings "quantitativ und qualitativ weniger in Betracht" komme, und von Peano als "Bezeichnungskünsteleien", die ihn "wie Stammelversuche eines Kindes anmuten". Sie befanden sich mit ihrem "Signicismus" auf dem Holzwege. "Über kurz oder lang", schrieb Schröder, "wird niemand umhin können, auch Freund Peano nicht, die ungeheure Überlegenheit des Peirce'schen Bezeichnungssystems und der darauf gegründeten Disziplin [...] anzuerkennen oder wenigstens inne zu werden". Dieses Zitat zeigt allerdings auch deutlich, daß es Schröder um mehr als allein um die treffende Symbolisierung ging. Die Symbolisierungsarbeiten 47 48 49 50 51
Schröder (1898d). Schröder (1898a). Vgl. Peckhaus (1991). Schröder (1898a), S. 155-159. Schröder an Klein, dat. Karlsruhe, 11.3.1896, Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Handschriftenabteilung, Cod. Ms. F. Klein, 11; ediert in Peckhaus (1991), S. 198200, Zit. 199.
Ernst Schröder und der Logizismus
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sollten die Grundlage einer eigenen Disziplin bilden. In einer autobiographischen Notiz, die er kurz vor seinem Tod in dem Prachtband Geistiges Deutschland publizierte, 52 verdeutlicht Schröder dies in einer Art Synthese seines wissenschaftlichen Lebenswerkes: Sein ureigenstes Forschungsgebiet, so schrieb er dort, seien Arbeiten zur Schaffung einer "absoluten Algebra", d.h. einer "allgemeinen auch über das Assoziativgesetz hinausgehenden Theorie der Verknüpfung". Deren Grundlinien hatte Schröder schon in seinem Lehrbuch der Arithmetik und Algebra53 entwickelt und damit eine frühe Antizipation der modernen Verbandstheorie geliefert. 54 Mit der Algebra der Logik und insbesondere der Algebra der Relative hat er ein grundlegendes Modell dieser universalen Strukturtheorie der absoluten Algebra ausgearbeitet. Die Logik der Relative sollte zudem ein pasigraphischen Hilfsmittel bereitstellen, um die Schaffung einer "wissenschaftlichen Universalsprache" auf den Weg bringen zu können, die "von den linguistischen Bestrebungen ä la Volapük himmelweit verschieden, sich mehr als Zeichenwie als Lautsprache darstellt". Diese angestrebte, von Leibniz entlehnte Verbindung von lingua characteristica und calculus ratiocinator zeigt die Parallelität zwischen der Schröderschen Begründungskonzeption und dem Fregeschen Logizismus, der das Leibnizsche Programm einer mathesis universalis ebenfalls in diesem Sinne umzusetzen versuchte. Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß hinsichtlich der Frage, wie denn nun eine "rein logische" Definition der mathematischen Begriffe auszusehen habe, tiefgreifende Unterschiede bestanden, so daß Schröders Logizismus bestenfalls als "Quasi-Logizismus"55 gelten kann. Schröder geht von "gegebenen", "irgendwie begrifflich bestimmten" Elementen eines Denkbereichs aus, 56 von "Objekten des Denkens" a,b,... , 5 7 die als Begriffe, Mengen, Aussagen oder Relative interpretiert werden. Hier erhält die formal nicht näher bestimmbare "Denktätigkeit" der traditionellen Begriffs- und Urteilslehre Einfluß auf die symbolische Logik, dem Frege durch seine funktionale Deutung des Begriffs einen Riegel vorgeschoben hat. Die historischen Quellen zeigen, daß die säkulare Leistung des Fregeschen Logizismus weniger in der programmatischen Neubestimmung der Stellung der Logik zur Mathematik lag, als vielmehr in 52 53 54
33 36 37
Schröder (1901). Schröder (1873). In seiner Untersuchung zur Geschichte der Verbandstheorie hat Herbert Mehrtens ausfuhrlich die Arbeiten Schröders zur absoluten Algebra behandelt, vgl. insbesondere Mehrtens (1979), S. 29-65, sowie den Vergleich zwischen Schröder und Dedekind, Mehrtens (1979), S. 114—127. Die in diesem Zusammenhang relevanten Teile von Bd. 3 der Schröderschen Vorlesungen hat Mehrtens außer acht gelassen. Sein Urteil, Schröder zeige sich in seiner Logik anders als Dedekind nicht als Grundlagenforscher Mehrtens (1979), S. 116, wird durch Schröders relativlogische Arbeiten widerlegt, den dort bemüht er sich, wie gezeigt, u.a. um eine logische Begründung des Zahlbegriffs. Oder "Logizismus im weiteren Sinne", um einen von Christian Thiel geprägten Terminus aufzunehmen. Schröder (1895b), S. 4. Schröder (1890), S. 128.
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Volker Peckhaus
der konsequenten Umsetzung des auch von Zeitgenossen vertretenen Begründungsprogramms und in der Weiterentwicklung der Logik selbst, z.B. in der Analyse des Verhältnisses von Funktion und Begriff. Wie sehr jedoch Schröder von der Leistungsfähigkeit seines Grundlegungsansatzes überzeugt war, zeigt ein Brief an Felix Klein vom 16. März 1896 in dem Schröder "Propaganda" für sein Instrument der Relativtheorie machte, indem er seine Darstellung der Mengenlehre mit der Cantors verglich:58 Herr G. Cantor, mit dessen Genialität ich weit entfernt bin, meine bescheidnen Anlagen in Vergleich stellen zu wollen, hat sich seit 20 Jahren mit dem Thema seiner Forschungen beschäftigt; obwohl eine Vertiefung in diese mir stets als Desideratum vorgeschwebt, bin ich erst seit dessen letztem Annalenaufsatz[,]^9 der im November vorigen Jahres herauskam, dazu gekommen. Wenn ich ihn trotz solchen Vorsprungs nun in kürzester Frist in gewissem Sinne gleichsam eingeholt habe, so dürfte dadurch gerechtfertigt erscheinen, dass mein Instrument einem "Fahrrad" verglichen wird, womit sich auch der rüstigste Fussgänger rasch einholen lässt (ob dasselbe auch zum Breschebrechen geeignet, ist eine andre Frage[,] über die erst die Zukunft Entscheidung bringen kann).
Literatur Cantor, Georg (¡895), Beiträge zur Begründung der transfiniten Mengenlehre (Erster Artikel). Mathematische Annalen46, S. 491-512 Dedekind, Richard (1888), Was sind und was sollen die Zahlen?, Braunschweig, "i960 Dipert, Randall R. (1991), The Life and Work of Ernst Schröder. Modern Logic 1 (1990/91), S. 119-139 Frege, Gottlob (1882/83), Ueber den Zweck der Begriffsschrift". Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft 16, 1-10. Repr. in: Gottlob Frege, Begriffsschrift und andere Aufsätze, hg. v. Ignacio Angelelli, Darmstadt 31977, S. 97-106 - (1884), Die Grundlagen der Arithmetik. Eine logisch mathematische Untersuchung über den Begriff der Zahl, Breslau; Centenarausgabe, mit ergänzenden Texten kritisch hg. v. Christian Thiel, Hamburg 1986 - (1893), Grundgesetze der Arithmetik. Begriffsschriftlich abgeleitet, Bd. 1, Jena Lotze, Rudolf Hermann (1874), Logik. Drei Bücher vom Denken, vom Untersuchen und vom Erkennen, S. Hirzel, Leipzig (= Lotze, System der Philosophie, Tl. 1) Kneale, William/Kneale, Martha (1962), The Development of Logic, Oxford, Repr. with corrections 1986 Mehrtens, Herbert (1979), Die Entstehung der Verbandstheorie, Hildesheim (= arbor scientiarum; A.IV) Peckhaus, Volker (1988), Karl Eugen Müller (1865-1932) und seine Rolle in der Entwicklung der Algebra der Logik. History and Philosophy of Logic 9, S. 43-56 - (1991), Ernst Schröder und die 'pasigraphischen Systeme' von Peano und Peirce. Modern Logic 1 (1990/91), S. 174-205 Rudio, Ferdinand (Hg.) (1898), Verhandlungen des Ersten Internationalen MathematikerKongresses in Zürich vom 9. bis 11. August 1897, Leipzig
58
59
Schröder an Klein, dat. Karlsruhe, 16.3.1896, Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Handschriftenabteilung, Cod. Ms. F. Klein, 11; ediert in Peckhaus (1991), S. 201202. Cantor (1895).
Ernst Schröder und der Logizismus
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Schröder, Ernst (1873), Lehrbuch der Arithmetik und Algebra für Lehrer und Studirende, Bd. 1: Die sieben algebraischen Operationen, Leipzig - (1890), Vorlesungen über die Algebra der Logik (Exakte Logik), Bd. 1, Leipzig - (1891), Vorlesungen über die Algebra der Logik (Exakte Logik), Bd. 2, T l . 1, Leipzig - (1895a), Note über die Algebra der binären Relative. Mathematische Annalen 46, S. 144-158 - (1895b), Vorlesungen über die Algebra der Logik (Exakte Logik), Bd. 3: Algebra und Logik der Relative, Abt. 1, Leipzig - (1898a), Über Pasigraphie, ihren gegenwärtigen Stand und die pasigraphische Bewegung in Italien, in: Rudio 1898, S. 147-162 - (1898b), On Pasigraphy. Its Present State and the Pasigraphie Movement in Italy. The Monist 9 (1899), H. 1 [erschienen 1898], S. 44-62, Corrigenda, 320 - (1898c), Ueber zwei Definitionen der Endlichkeit und G. Cantor'sche Sätze". Nova Acta Leopoldina. Abhandlungen der Kaiserlich Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher 71, Nr. 6, S. 301-362 - (1898d), Die selbständige Definition der Mächtigkeiten 0, 1, 2, 3 und die explizite Gleichzahligkeitsbedingung. Nova Acta Leopoldina. Abhandlungen der Kaiserlich Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher 71, Nr. 7, S. 364-376 - (1901), Grossherzoglich Badischer Hofrat Dr. phil. Emst Schröder ord. Professor der Mathematik an der Technischen Hochschule Karlsruhe i. Baden. In: Geistiges Deutschland. Deutsche Zeitgenossen auf dem Gebiete der Litteratur, Wissenschaften und Musik, Berlin-Charlottenburg, unpag. - (1905), Vorlesungen über die Algebra der Logik (Exakte Logik), Bd. 2, Tl. 2, hg. v. Karl Eugen Müller, Leipzig [Thiel, Christian] C.T. (1984), Art. "Logizismus", in: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 2: H-O, hg. v. Jürgen Mittelstraß, Mannheim/Wien/Zürich, S.703-704 Thomas, Ivo (1967), Abschnitt des Artikels "Logic, History of'. In: The Encyclopedia of Philosophy, hg. v. Paul Edwards, Bd. 4, New York/London, S. 551-554 Whitehead, Alfred North/Russell, Bertrand (1910-13), Principia Mathematica, 3 Bde., Cambridge
LEON GUMAÜSKI
Logische und semantische Antinomien Bis zum XIX. Jahrhundert wurden Antinomien fast nur von Philosophen diskutiert. Fachwissenschaftler interessierten sich im allgemeinen nicht für eine solche Thematik, weil alle damals bekannten Antinomien die Wissenschaft nicht zu betreffen schienen. Die Lage änderte sich jedoch wesentlich, als einige Antinomien in der Mengenlehre von Cantor und im Axiomensystem der Arithmetik von Frege entdeckt und veröffentlicht wurden. Die Antinomie der Menge aller Mengen, die nicht Element von sich selbst sind, spielte vom historischen Standpunkt aus wahrscheinlich die Hauptrolle. Als Russell diese Antinomie im Jahre 1901 konstruierte, glaubte er noch nicht, daß sie so wichtig sei. Erst Frege hat ihn davon überzeugt - wie Gregory H. Moore in seinem Artikel The roots of Russell's paradox1 bemerkt. David Hilbert schreibt in seiner Arbeit Über das Unendliche, daß die Russellsche Antinomie erhebliche Wirkung hatte. Z. B. zögerte Dedekind deshalb eine neue Auflage seines Buches Was sind und was sollen die Zahlen? zu veröffentlichen. Frege befand den Hauptgedanken seiner Grundgesetze der Arithmetik für fehlerhaft. Russell veränderte das X. Kapitel seines Werkes The Principles of Mathematics. Seit jener Zeit spricht man durchgängig über die Gefahr der Antinomien für die Mathematik und die Logik. Um eine Lösung des Problems waren viele berühmte Personen bemüht, und verschiedene Konzeptionen sind vorgelegt worden. Alle Autoren stimmen jedenfalls darin überein, daß solche Gedankengänge auf Irrtümern beruhen müssen und die entstandenen Widersprüche zu vermeiden seien. Wie soll man das aber machen? Durch welche Verfahren soll man die bekannten Antinomien eliminieren? Das ist eine Frage, auf welche mannigfache Antworten gegeben werden. Die Analyse der entdeckten Antinomien zeigt, daß sie alle eine ähnliche Struktur haben. Die Beschreibungen dieser Struktur sind aber nicht einfach und oft kontrovers. Anfangs sagte man, daß ein fehlerhafter Zirkel in jeder Antinomie zu finden wäre, heute spricht man lieber von einer gewissen Diagonalisation. Die vorgeschlagenen Lösungen hängen jeweils davon ab, wo der Entstehungsgrund der Antinomien gesehen wird. Entsprechend sind verschiedenartige Theorien entwickelt worden, von ihnen allen aber wurde auch behauptet, daß sie Mißerfolge seien. Zu den bekanntesten gehört die sogenannte Typentheorie, zuerst in Gestalt der verzweigten und dann der einfachen Typentheorie. Die verzweigte Version ist ziemlich kompliziert und - wie A. Urquhart in seinem Aufsatz "Russell's zigzagpath to the ramified theory of types"2 betont - war bereits Russell, ihr Schöpfer, sehr unzufrieden mit den Beschränkungen, welche 1 2
Vgl. Winchester/Blackwell (1989), S. 46. Urquhart (1989).
Logische und semantische Antinomien
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diese Theorie einführte. Er war nämlich mit Frege der Meinung, daß die Logik sich auf alle Objekte ohne Ausnahmen beziehen muß. Außerdem waren die Verfasser der Principia Mathematica gezwungen, das Reduzibilitätsaxiom einfuhren, das sehr zweifelhaft ist und vom konstruktivistischen Standpunkt streng kritisiert wurde. Aber auch die einfache Typentheorie hat ihre Nachteile. Manche abstrakte Objekte und gewisse Aussagefunktionen sind nämlich auf Grund der Theorie nicht zugelassen, unter anderem die, welche zu den bekannten Antinomien fuhren. Die Theorie scheint außerdem eine künstliche Schöpfung zu sein, ad hoc eingeführt, um die Antinomien zu eliminieren. Der Begriff der systematischen Mehrdeutigkeit, den Russell anwandte, um einigen Schwierigkeiten auszuweichen, ist ebenfalls unbefriedigend. Warum soll man annehmen, daß sowohl die Identität von Menschen als auch die Identität der Zahlen denselben Typus haben, während die Identität der Mengen zu einem anderen Typus als die Identität von Mengen von Mengen gehört? Die einfache Typentheorie löst überdies das Problem der sogenannten semantischen Antinomien nicht. Der Lösung dieses Problems soll die Unterscheidung zwischen Objektsprache, Metasprache, Metametasprache usw. dienen. Aber diese Hierarchie ist nicht weniger künstlich als die Typentheorie. Alle künstlich abgesonderten Schichten oder Stufen der Sprache bestehen nebeneinander in natürlichen Umgangssprachen und es ist nicht zu verneinen, daß die Umgangssprachen sich Verdienste für die Entwicklung der Kultur und Zivilisation erworben haben. Gerade die Wissenschaft selbst ist im bedeutsamen Maße mit Hilfe der natürlichen Sprachen aufgebaut. Diese Sprachen sind also nicht zu mißbilligen. Verständlicherweise lehnen viele Logiker, wie z.B. Kripke, die Theorie der Sprachschichten ab. Kripke versucht in seiner Arbeit "Outline of a theory of truth"3 zu zeigen, daß der Begriff der Wahrheit ohne antinomische Konsequenzen eingeführt werden kann. Dieses Resultat erzielt er aber auf der Grundlage der dreiwertigen Logik von Kleene. Gerade aus dem Grunde kann ich seine Theorie nicht akzeptieren. Die klassische Logik halte ich nämlich für das fundamentale Instrument der wissenschaftlichen Erkenntnis. Für Mathematiker besitzen die logischen Antinomien (manchmal auch "mengentheoretische" genannt) im Unterschied zu den semantischen Antinomien größere Bedeutung, weil die semantischen Antinomien außerhalb formaler Systeme entstehen. Die Anwendung der axiomatischen Methode ist seit 1908 das dominierende Verfahren, das zur Beseitigung der Antinomien in der Mengenlehre dient. Es sind verschiedene Axiomensysteme der Mengenlehre bekannt, aber - wie A. Urquhart feststellt4 - neigt heute die Mehrheit der Mathematiker dazu, dogmatisch die Zermelo-Fraenkel Version zu billigen. Doch alle Versionen sind so konstruiert, daß jeder Satz der 3 4
Kripke (1975). Vgl. Urquhart (1989).
Leon Gumaóski
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naiven ursprünglichen Fassung von Cantor anerkannt bleibt. Das gilt auch für die Sätze, die mit Hilfe des Diagonalverfahrens bewiesen wurden, obwohl (wie ich schon einmal gezeigt habe) 5 diese Methode nicht richtig ist. Kritische Bemerkungen über das Aussonderungsaxiom habe ich damals auch formuliert. Daß die mengentheoretischen Antinomien auf einem anderen Wege als die semantischen ausgeschaltet werden müssen, wird oft als Nachteil beurteilt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn Urquhart in seinem Aufsatz schreibt: "Es gibt keine Absurdität in der Suche nach einer gemeinsamen Auflösung aller Antinomien". In diese Richtung gehen neuerdings die Verfasser des Buches "The Liar. An Essay on Truth and Circularity", J. Barwise und J. Etchemendy. Darauf soll etwas ausführlicher eingegangen werden. Die Autoren bemühen sich um so eine Lösung, die erstens alle Antinomien umfaßt und zweitens auf einer Mengentheorie begründet ist. Als Basis ihrer Untersuchungen nehmen sie die Mengenlehre von Peter Aczel, die nichtstandarde Mengen (s.g. Hypermengen) zuläßt und statt des Komprehensionsaxiom ein anderes Axiom enthält. Die Hypermengen können dort Element von sich selbst sein. Die Verfasser betrachten zwei Interpretationen des Begriffes "Urteil": die Russellsche und die Austinsche, wobei sie die zweite - welche die Wahrheit an Situationen bindet - bevorzugen. Sie konstruieren zu diesem Zweck entsprechende Modelle in Aczels Mengenlehre und zeigen dann, daß der Ausdruck (L)
Diese Aussage ist falsch
im Russellschen Sinne falsch ist, aber die Tatsache, daß er falsch ist, nicht zum Modell gehört. Derselbe Ausdruck 'L' kann in der Austinschen Fassung entweder falsch oder wahr sein, je nach der Situation, aber wieder gehört die Tatsache, daß 'L' falsch (wahr) mit Rücksicht auf die Situation S ist, nicht zum Modell. Barwise und Etchemendy ziehen daraus den Schluß, daß keine universale Menge existieren kann. Die Ähnlichkeit mit der Typentheorie und der Theorie der Sprachstufen ist hier leicht ersichtlich. Nach der Meinung dieser Autoren beweist ihre Methode jedoch, daß jede Antinomie gewisse Objekte aus einer Vielheit diagonalisiert. Mit der Wendung "diagonalisiert" meinen sie - wenn ich mich nicht irre - ungefähr dasselbe wie "bestätigt so wie in der diagonalen Methode von Cantor, daß ein diagonales "Objekt" aus einer gegebenen Menge ausgeschlossen ist". Leider kann ich hier auf Einzelheiten nicht eingehen, aber meiner Ansicht nach stellt sich das Ergebnis der Bemühungen der Verfasser dieses Buches als sehr problematisch heraus. Von manchen Unklarheiten (wie z.B. bei der Unterscheidung der grundlegenden Begriffe: Urteil, Behauptung, Aussage) und zweifelhaften Annahmen (z.B. Wahrheit ist keine Eigenschaft der Aussage) abgesehen, sei hier nur darauf hingewiesen, daß die mengentheoretischen 5
Vgl. Gumañski (1986).
Logische und semantische Antinomien
123
Modelle zu Bedenken Anlaß geben. Es ist nicht sicher, ob sie adäquat sind. Selbst die Verfasser müssen zugeben, daß es nur eine Idealisierung ist. Der ganze Versuch, genau so wie viele andere auf diesem Gebiet, erweckt den Anschein, als wenn das ein Angriff einer großen Armee mit dem Befehl wäre, einen einzigen kleinen Floh zu vernichten. Stephen Kleene macht in seinem Buch Introduction to Metamathematics 1952 die Bemerkung, daß keine Lösung der Antinomien allgemein anerkennt ist. Zwanzig Jahre später schrieben Lothar Kreiser und Karl Berka im Kommentar zur Auswahl Logik-Texte: "Es gibt heute aber weder eine allgemein anerkannte Lösung des Antinomienproblems noch einen einheitlichen Standpunkt in der Frage nach ihrem Entstehungsgrund. Was erreicht wurde ist, daß die bekannten Antinomien durch verschiedene Verfahren vermieden werden, ohne daß man aber durch die Verfahren selbst die Gewißheit hat, in Zukunft nicht auf andere, bisher imbekannte Antinomien zu treffen". 6 Ich glaube, daß sich die Lage bis jetzt nicht geändert hat. Erlauben Sie mir daher, eine ganz andere Auffassung des Problems der Antinomien vorzustellen. Der Grundgedanke ist folgender: Antinomien sind nicht gefährlich und brauchen überhaupt nicht eliminiert zu werden. Sie stellen kein Problem, vielmehr lösen sie Probleme. Es ist wahr, daß ein Widerspruch in jeder Antinomie zu finden ist, aber nicht jeder Widerspruch muß vom logischen Standpunkte aus gefährlich sein. In erfolgreichen indirekten Beweisen ist ein Widerspruch sogar unbedingt notwendig. Diese Beobachtung soll uns jetzt als Leitfaden dienen. Jede Antinomie stellt sich nämlich als ein Teil eines indirekten Beweises heraus. Bemerkenswert ist, daß - wie schon früher erwähnt - alle Antinomien eine ähnliche Struktur haben, die man auf folgende Weise beschreiben kann: Zunächst gibt es eine Reihe von Sätzen S, die man annimmt. Sie können eine ganze Theorie bilden oder nur eine beliebige Menge von gewählten Prämissen sein. Dann gibt es auch eine Definition D, die häufig explizit formuliert wird, aber manchmal auch unter dem Mantel der Gebrauchsweise eines Wortes verborgen ist, wie z.B. die Definition der Aussage in der Antinomie des "Lügners". Ferner kommt eine Reihe von logischen Schlüssen, nach allgemein anerkannten Schlußregeln gezogen, und endlich entsteht ein Widerspruch. Es ist ein bedeutungsvolles Merkmal aller Antinomien, daß man dabei keine Gewißheit hat, ob die Definition D ein sinnvolles Wort einfugt. Die Herleitung ist aber so konstruiert, als wäre das selbstverständlich und sicher. Eine wesentliche Rolle spielt in der Herleitung die versteckte oder verschwiegene Behauptung, daß das definierte Zeichen Z sinnvoll ist, d.h. die Definition D auf solche Weise den Sinn des Zeichens Z bestimmt, daß Z nur echte, existierende Objekte (ein Objekt, falls Z ein Einzelname ist) denotiert und der Sinn des Zeichens Z widerspruchsfrei sei. Wenn man diese Behauptung als eine zusätzliche Voraussetzung V hinzufugt, fehlt uns zum vollen indirekten Beweis nur die These T, welche lautet, 6
Berka/Kreiser (1973), S. 327.
124
Leon Gumanski
daß das definierte Zeichen Z sinnlos ist und das vermeintliche Objekt nicht existiert. Die These T ist also äquivalent mit der Negation der Voraussetzung V. Auf diese Weise kann die Konstruktion jeder Antinomie die Gestalt eines indirekten Beweises annehmen. Die bewiesene These T zeigt dann, daß auf Basis der angenommenen Sätze S das definierte vermeintliche Objekt O nicht existiert, also die Definition D nicht zu den Sätzen S hinzugefugt werden darf. Zum Zwecke größerer Verständlichkeit möchte ich jetzt einige Beispiele geben. Die Cantorsche Antinomie
Sätze S:
(I) (II) (III) (IV)
2X > X, wobei 'X' beliebige Mengen bezeichnet, wenn Y c X, so Y < X, wenn a < b, so ~ a > b, X=X,
Definition D:
X= C o V7 (Y c X),
1. Schluß:
Y s C,
2. Schluß:
C,
3. Schluß: 4. Schluß
(aus D und IV) (aus 1)
< C, C
2 > C,
(aus II und 2) f Kontradiktion (aus I) (aus III und 3)J
5. Schluß
~(2C > C),
Voraussetzung V:
C existiert (der Sinn des Zeichens 'C' ist widerspruchsfrei, C' ist sinnvoll),
These T:
C existiert nicht.
Die Russellsche Antinomie
(der Menge aller Mengen, die nicht Element von sich selbst sind)
Satz S: (I) In der Definition Dj darf man 'R' für 'X einsetzen, Definition D^ l e R o l i l , 1. Schluß 2. Schluß 3. Schluß
R e R o R € R, ^ ^ j^j Kontradiktion (aus 1)
Voraussetzung Vj: R existiert (der Sinn des Zeichens 'R' ist widerspruchsfrei, 'R' ist sinnvoll), These T j: R existiert nicht Greilings Antinomie
Sätze S:
(I) Für 'w'darf man jedes Prädikatsnomen einsetzen, (II) 'heterologisch' ist ein Prädikatsnomen,
Logische und semantische Antinomien
125
Definition D2 'w' ist heterologisch o 'w' ist nicht w, 1. Schluß: Tieterologisch' ist heterologisch o 'heterologisch' ist nicht heterologisch, 2. Schluß: Tieterologisch' ist heterologisch 3. Schluß: Tieterologisch' ist nicht heterologisch Kontradiktion Voraussetzung V2: Die in D2 definierte Eigenschaft existiert (der Sinn des Wortes 'heterologisch', so definiert wie in D2, ist widerspruchsfrei, Tieterologisch' ist sinnvoll), These T2' Die in D2 definierte Eigenschaft existiert nicht. Antinomie
des
"Lügners"
Sei 'L' die Abkürzung für 'Diese Aussage ist falsch.' Sätze S:
(I) (II) (III) (IV) (V) (VI)
Der Ausdruck 'L' ist aus einem Subjekt und Prädikat ge bildet, Wenn 'p' wahr ist, dann ist es so wie 'p' besagt, Wenn 'p' falsch ist, dann ist es nicht so wie 'p' besagt, In den Sätzen (II) und (III) darf man A für 'p' einsetzen, falls der Ausdruck A eine Aussage ist, Wenn es so ist, wie 'L' besagt, dann ist 'L' falsch, Wenn es nicht so ist, wie 'L' besagt, dann ist 'L' wahr,
Verschwiegene Definition D3: Aussage =Df Ausdruck, der aus einem Subjekt und Prädikat gebildet ist, 1. Schluß: 2. Schluß: 3. Schluß: 4. Schluß: 5. 6. 7. 8. 9.
Schluß: Schluß: Schluß: Schluß: Schluß:
Der Ausdruck 'L' ist eine Aussage (aus D3 und I), In den Sätzen (II) und (III) darf man 'L' für 'p' einsetzen (aus IV und 1), Wenn 'L' wahr ist, dann ist es so wie 'L' besagt (aus II und 2), Wenn 'L' falsch ist, dann ist es nicht so wie 'L' besagt (aus III und 2), Wenn 'L' wahr ist, dann ist 'L' falsch (aus 3 und V), Wenn 'L' falsch ist, dann ist 'L' wahr (aus 4 und VI), 'L' ist wahr o 'L' ist falsch (aus 5 und 6), 'L'ist wahr! Tjr , J.f . 'L'ist falsch) Kontradiktion (aus 7)
Voraussetzung V3: Das in D3 definierte Objekt existiert (der Sinn des Wortes 'Aussage' - so definiert wie in D3 - ist widerspruchsfrei, das Wort 'Aussage' ist sinnvoll), These T3: Das in D3 definierte Objekt existiert nicht. Die gegebenen Beispiele sind, glaube ich, einleuchtend genug. Mit drei Bemerkungen möchte ich meine Ausfuhrungen schließen. Vor allem sollte klar sein, daß der Begriff von Existenz, den ich hier benutze, nicht viel mit der empirischen Existenz zu tun hat. Es handelt sich hier nur
126
LeonGumanski
um Existenz im mathematischen Sinne. Hilbert schreibt in einem Brief an Frege, daß Widerspruchsfreiheit ein Kriterium der mathematischen Existenz ist. Manche Mathematiker, die Intuitionisten besonders, sind der Meinung, daß man Existenz mit Widerspruchsfreiheit nicht identifizieren darf. Doch gibt die Mehrheit zu, daß Widerspruchsfreiheit eine notwendige Bedingung der Existenz ist, und das ist eben auch unser Standpunkt. Ferner sei noch bemerkt: Wenn das definierte vermeintliche Objekt nicht existiert, also die Definition auf Grund der gegebenen Sätze unzulässig ist, kann man oft die Definition ändern, um die Kontradiktion zu vermeiden. Jedenfalls zeugt die Unzulässigkeit einer Definition auf Grund der Sätze S nicht von einer absoluten Fehlerhaftigkeit dieser Definition. Sowohl die Existenz der Objekte im hier benutzten Sinne, als auch die Zulässigkeit der Definition sind keine absoluten Eigenschaften. Ein und dieselbe Definition D kann mit Sätzen Sj zu Widersprüchen fuhren, mit S2 aber nicht. Dies sei durch ein Beispiel veranschaulicht. Betrachten wir die Definition: D+:
x = der Gemahl von y o y hat x zum Mann genommen.
Wenn man die Definition D + zu den Sätzen Sj beifugt, aus denen folgt, daß jede Frau nur einen Mann hat, so verursacht diese Definition keine Nachteile. Wenn sich aber auf Grund der Sätze Sj beweisen läßt, daß Franz nicht identisch mit Rudolf ist und Anna zwei Männer - Franz und Rudolf - hat, so kann man mit Hilfe des logischen Gesetzes (x=y
A
x=z) => y=z,
den Schluß ziehen, daß Rudolf identisch mit Franz ist, also einen Widerspruch erlangen. Viele Wissenschaftler, besonders Mathematiker, benehmen sich so, als ob sie eine göttliche Schöpferkraft hätten und beliebige Objekte mittels Definition schaffen könnten. In der axiomatischen Mengenlehre ist die Existenz (also Widerspruchsfreiheit!) der definierten Objekte sogar axiomatisch garantiert. Das ist ein sehr gefährliches Verhalten, insbesondere wenn man die Mengenlehre bezüglich einer anderen Theorie T verwendet. Auf Basis der Axiome der Mengenlehre M und der Theorie T kann eine Definition D zu Kontradiktionen führen. Man sollte deswegen zeigen, daß dies nicht der Fall ist, also die Widerspruchsfreiheit der Menge TuMu{D} beweisen. Leider haben wir bis jetzt nicht einmal einen Beweis der Widerspruchsfreiheit der Mengenlehre.
Logische und semantische Antinomien
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Der Begriff der Implikation in einigen frühen Schriften von Hugh McColl Von der Notation einer Algebra der Logik zur Darstellung einer nichtklassischen Aussagenlogik
Für die Entwicklung der symbolischen Logik1 im 19. Jahrhundert sind gegenüber der traditionellen Logik zumindest zwei allgemeine Veränderungen maßgeblich. Erstens wandelt sich die Beziehung zwischen Logik und Mathematik. Zweitens wird das Verhältnis der logischen Teildisziplinen zueinander neu bestimmt. Zum einen gelingt es allmählich, logische Ordnungen mit mathematischen, insbesondere algebraischen Mitteln darzustellen. Methodisch betrachtet wird dieses Instrument, d. h. eine schon vorliegende, zu nicht genuin logischen Zwecken entwickelte Sprache verwendet, um eine, wenn nicht gar die logische Ordnung so einheitlich und präzise zu artikulieren, daß sich deduktive Schlüsse nach mathematischem Vorbild errechnen lassen. Mit diesem technischen Fortschritt verbindet sich gegebenenfalls der philosophische Anspruch, den Gegenstand logischer Forschimg in seinem Wesen angemessener zu begreifen und ihn gerade deshalb, zum Beispiel in emer » Mathematik des menschlichen Intellekts" einheitlicher und präziser zu erfassen, als es der traditionellen Logik möglich war. 2 Zum anderen versucht man die Hauptgebiete der traditionellen Logik, kategorische und hypothetische Syllogistik, nicht nur in einer einzigen, symbolischen Sprache darzustellen, sondern auch in ihrem gemeinsamen Gehalt zu erfassen, mithin das Verhältnis von Prädikation und Implikation grundlegend zu bestimmen. Zumeist wird zu diesem Zweck das Vokabular einer Algebra verwendet. Eine wesentliche und prominente Ausnahme von dieser Tendenz ist jedoch Frege, der stattdessen das arithmetische Verhältnis zwischen Argument und Funktion 2mm methodischen Ausgangspunkt seiner Logik wählt. Der produktive Vorteil dieser Alternative liegt unter anderem darin, daß sie die Identitätsbeziehung aus ihrer Rolle als Mittel der logischen Darstellung befreit und so überhaupt erst zum Gegenstand der Theoriebildung werden läßt. Mit dieser Option ist Frege insbesondere gezwungen, die Be1
2
Der Ausdruck "Symbolische Logik" wird nachfolgend in Übereinstimmung mit seiner Einfuhrung und Rechtfertigung durch C. I. Lewis als historischer Terminus für den von ihm dargestellten Teil der jüngeren Logikgeschichte verwendet. Vgl. Lewis (1960), S. 1-5. In diesem Sinne formuliert Boole in Vorwort und Einleitung seiner Mathematical Analysis of Logic den Anspruch, daß die mathematisch darzustellenden Gesetze der Logik der Konstitution des menschlichen Geistes innewohnen. Vgl. Boole (1847), insbesondere S. 1 und S. 4fF.
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griffe der Implikation und der logischen Konsequenz unabhängig vom Begriff der Identität zu bestimmen. Weil ihm dieses Mittel der Analyse fehlt, muß er einen Begriff der Prädikation eigens entwickeln. Genau dieses Erfordernis erlaubt es ihm nicht nur, Prädikatenlogik und Aussagenlogik in einem symbolsprachlichen Kontext darzustellen. Es gelingt ihm insbesondere, ihre Einheit als das Verhältnis zwischen einer elementaren, logischen Satzform und den sie regierenden "Gesetzen des Wahrseins" zu begreifen. So wird es ihm nicht zuletzt möglich, die Begriffe der logischen Konsequenz und der materialen Implikation unabhängig von einer als Äquivalenz gedeuteten Identität in ihrem Eigenwert anzuerkennen. Das Werk des schottischen Logikers und Mathematikers Hugh McColl (1837-1909) 3 ist für die Geschichte der Logik im 19. Jahrhundert bedeutsam, da es ihm ausgehend vom Instrument einer algebraischen Logiksprache gelingt, seine Position aus den Grenzen dieses Mediums zu lösen. Implikation und Negation kommen in seiner symbolischen Sprache schon bald eigenständig und nicht erst vermittelt über die Form algebraischer Gleichungen zum Ausdruck. In der nachfolgenden Erörterung seiner ersten Ansätze zu einer symbolischen Logik möchte ich zeigen, wie dies geschieht. Vor allem aber werde ich versuchen darzulegen, daß McColls schwankender Umgang mit Begriffen der Implikation die eingangs genannte, systematische Schwierigkeit dokumentiert, den Begriff einer elementaren, logischen Satzform adäquat zu erfassen und zu dem einer logischen Folgerung systematisch ins Verhältnis zu setzen. Weder Frege noch McColl noch andere Logiker aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts haben den Begriff einer Schlußregel so bestimmt, daß sich sein Verhältnis zu einem Begriff der logischen Implikation systematisch hätte angeben lassen. Freges Logik zeugt zumindest partiell von einem Bewußtsein für diese Probematik. Denn ist I A) ... I— An das Schema einer echten, begriffsschriftlich4 gültigen Schlußregel, so ist in Freges System zwar stets ein Behauptungssatz H~
A.1
T— A An
L
ableitbar, der den entsprechenden hypothetischen Schluß zum Ausdruck bringt. Doch umgekehrt ist aufgrund der Ableitbarkeit eines Satzes dieser Form eine entsprechende Schlußregel nicht in jedem Fall zulässig. Echte Schlüsse präsupponieren die Wahrheit ihrer Prämissen. Daß aus Falschem 3 4
Zu biographischen Angaben über McColl vgl. Broadbent (1973), S. 590, und McCall (1967), S. 545ff. Der Ausdruck I— wird hier als Behauptungszeichen im Sinne Freges verwendet.
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Beliebiges folge, gilt in Freges Logik deshalb nur hypothetisch. Die Paradoxie, daß Wahres aus Beliebigem, das wahr ist, folge, und entsprechende Schlußregeln gültige Regeln seien, bleibt hingegen erhalten. In McColls frühen Beiträgen zu einer symbolischen Logik wird eine Unterscheidung zwischen «echten" und «hypothetischen" Schlüssen nicht explizit angegeben. Seine zahlreichen und in ihren Unterschieden von ihm nicht näher untersuchten Implikationsbegriffe bezeugen jedoch zumindest seine Unruhe und Unentschiedenheit in dieser zentralen Frage. In den nachfolgenden Überlegungen möchte ich mich darauf beschränken, McColls frühe Ansätze zu einer nichtklassischen Logik in dieser Hinsicht darzulegen. Ich werde mich zu diesem Zweck auf drei Aufsätze aus den Jahren 1877 und 1878 beziehen, die als Teile einer einzigen, sich fortsetzenden Abhandlung in den Proceedings of the London Mathematical Society unter dem Titel "The Calculus of Equivalent Statements I—III" veröffentlicht wurden. Im wesentlichen besteht diese Arbeit aus einer Folge von Definitionen, Regeln, Beispielen ihrer Anwendung und gelegentlichen, kurzen Kommentaren. Die Aufgabe, Sinn und Berechtigung von McColls Logikkonzeption zu bestimmen, bleibt mithin ganz dem Leser überlassen.
1. Grundbausteine einer symbolischen Sprache Anders als Boole beginnt McColl nicht mit einer algebraischen Formulierung der kategorischen Syllogismen, sondern entwirft sogleich eine Aussagenlogik. Betrachten wir kurz die Elemente der symbolischen Sprache, die er zu diesem Zweck einsetzt: Große Druckbuchstaben sollen statements oder propositions denotieren. 5 Zui• Übersetzung dieser von McColl nicht näher erläuterten Begriffe werde ich im weiteren die Ausdrücke Satz und Aussage verwenden. Es ist nicht klar, ob er Ausdrücke A, B, C, ... als schematische Zeichen nicht nur für elementare, sondern auch für komplexe Aussagen benutzt. An späteren Stellen 6 werden kleine Druckbuchstaben und kleine griechische Buchstaben verwendet, die zweifellos schematische Zeichen für zusammengesetzte Einheiten sind. Es ist aber zumindest nicht ausgeschlossen, daß er auch die Großbuchstaben in diesem Sinne gebraucht. Denn die logischen Konstanten 5
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Siehe McColl (1877), S. 9. An späterer Stelle hat McColl zwischen statement und proposition unterschieden: "I define a Statement as any sound, sign, or symbol [...] employed to give information; and I define a proposition as a statement which, in regard to form, may be divided into two parts respectively called subject and predicate." Vgl. McColl (MacColl) (1906), § 2. Vermutlich dient die Unterscheidung zwischen großen Druckbuchstaben und kleinen griechischen Buchstaben zu Beginn des zweiten Artikels nur einer deutlichen Unterscheidung zwischen Antezedenz und Sukzedenz einer Implikation. Vgl. McColl (1878a), S. 178, aber auch McColl (1878b), S. 19. Im dritten Aufsatz werden kleine Druckbuchstaben eindeutig als schematische Zeichen auch für komplexe Aussagen verwendet. Vgl. McColl (1878b), S. 16.
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der Konjunktion, Disjunktion und Negation werden anscheinend nur für elementare A u s s a g e n eingeführt, dann j e d o c h sogleich auf k o m p l e x e Einheiten angewandt.' U m auszudrücken, daß ein Satz wahr, beziehungsweise falsch ist, schreibt M c C o l l nach dem Vorbild einer algebraischen Sprache: 8 A = l , beziehungsweise A=0. D i e s e Ausdrücke sollen selbst Schemata für statements s e i n . 9 U m entscheid e n z u können, in w e l c h e m Sinne sie es sind, müßte für diese elementaren Fälle s o g l e i c h geklärt sein, w i e sich Implikation und Prädikation zueinander verhalten. Andernfalls bleibt ungeklärt, auf w e l c h e m W e g e sich ein uniformes Logiksystem ergeben soll. Mit Hinblick auf den Sinn solcher Notierung e n stellen sich bekanntlich j a schon für eine Algebra der Logik wesentliche P r o b l e m e . 1 0 Faßt man M c C o l l s Schemata A = 0 , b e z i e h u n g s w e i s e A = 1 als 7 8
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McColl (1877), S. 9, Definition 1 und Definition 4. In seinem Survey of Symbolic Logic beurteilt C. I. Lewis die Eigenständigkeit von McColls frühen Arbeiten mit folgenden Worten: "[...] the date of these papers indicates that their content was arrived at independently of Peirce's studies which deal with this topic. In fact, MacColl writes, in 1878, that he has not seen Boole." Lewis (1960), S. 108. Lewis suggeriert zu Unrecht, McColl habe seinen Ansatz entwickelt, ohne Booles Theorie der Logik überhaupt zu kennen. Im betreffenden Abschnitt bezieht sich McColl ausdrücklich auf den ersten Teil der Logik von A. Bain, in dem Booles Arbeiten ausfuhrlich besprochen werden. Überhaupt macht McColl schon zu Beginn des ersten Artikels deutlich, daß er sich der Ausdrucksmittel einer algebraischen Sprache bedient. Boole wird an dieser Stelle allerdings nicht erwähnt. " . . . the equation A=1 asserts that the statement A is true, the equation A=0 asserts that the statement A is false; and the equation A=B asserts that A and B are equivalent statements." McColl (1877), S. 9. C. I. Lewis schreibt zurecht: "Boole does not symbolize the relation 'x is included in y'. Consequently the only copula by which the relation of terms in a proposition can be represented is the relation =. And since all relations are taken in extension, x = y symbolizes the fact that x and y are classes with identical membership. Propositions must be represented by equations in which something is put =0 or =1, or else the predicate must be quantified. . . . " "Just as there is, with Boole, no symbol for the inclusion relation of classes, so there is no symbol for the implication relation of propositions. For classes, 'All X is Y' or 'X is contained in Y' becomes x= vy. Correspondingly, 'All times when X is true are times when Y is true' or 'If X then Y' is x = vy." Vgl. Lewis (1960), S. 56 und S. 65. McColl ergänzt seine Notation zunächst durch ein Implikationszeichen, für das er unterschiedliche Deutungen angibt. Seine prädikatenlogische Verwendung in Einheit mit schematischen Satzzeichen x, y oder z, die die Zugehörigkeit eines repräsentativen Individuums zu einer Klasse X, beziehungsweise Y oder Z mitteilen, läßt das Implikationszeichen in diesem Kontext zu einem Ausdruck der Inklusion werden. Vgl. McColl (1878), S. 181. Die Beziehung ,jst Element von" wird, um Lewis' Bemerkungen zu ergänzen, aber auch in McColls frühen Schriften nicht durch ein eigenes Relationszeichen artikuliert. Erst wenn es in einer klassenlogisch verstandenen Notation einen symbolischen Ausdruck dieser Art gibt, ist es jedoch möglich, darin auch singuläre Sätze wiederzugeben. Ferner bewirkt McColls Einfuhrung eines satzlogischen Negationszeichens, daß die symbolischen Ausdrücke für die Prädikate der Wahrheit und Falschheit nicht mehr erforderlich sind, um logische Relationen innerhalb des Systems als solche zu artikulieren. Nach dem Stand seiner logischen Technik zu urteilen, kann er eine Redundanztheo-
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elementare, nicht schon junktorenlogische Satzschemata auf, ergibt sich zumindest eine logisch grammatische Schwierigkeit. Die schematischen Zeichen für Sätze treten innerhalb eines Satzschemas an Stellen für nominale Ausdrücke auf. Das Problem ist aus Freges Konzeptionen der logischen Satzform bekannt, betrifft dort aber nicht allein die begrifTsschriftliche Notation, sondern auch ihre semantische Deutung. In McColls Ansatz ist zunächst nur die Notation problematisch. Denn der Ausdruck = wird zweifellos als Prädikat verwendet. Prädikate bilden zusammen mit Sätzen jedoch keine sinnvollen sprachlichen Einheiten. Im übrigen schreibt McColl auch Schemata der Form A=(B=C) nieder. 11 Diese Formel findet sich allerdings an späterer Stelle, im dritten der hier diskutierten Texte, nachdem für den Implikationsbegriff ein besonderes Zeichen eingeführt wurde und das Gleichheitszeichen für den zugehörigen Äquivalenzbegriff steht. Es ist daher fraglich, ob ein Satz der Form A=1 unter dieser Voraussetzung überhaupt noch als eine Aussage über die Wahrheit von A gelten darf. Aufgrund der Korrekturen, die McColl von einem Aufsatz zum nächsten einfließen läßt, ohne die Konsequenzen seiner Interventionen zu diskutieren, ist es zumindest mit Hinblick auf seine frühen Schriften schwierig, ihm von vornherein eine einheitliche Position zu unterstellen, die er nur zunehmend genauer zu artikulieren wüßte. Der Leser ist im Gegenteil mit einem System der Logik in statu nascendi konfrontiert. Jeder Fortschritt der Lektüre zwingt ihn zu retrospektiven Revisionen. Es liegt insofern nahe, den Ausdruck A=(B=C) im Sinne eines aussagenlogischen Schemas zu verstehen, das wie in Freges Begriffsschrifit logische Konstanten durch eine besondere Art von Funktionszeichen artikuliert. Wenn die Ausdrücke A, B und C mithin schematische Zeichen für Namen
rie der Wahrheit vertreten. McColl überwindet auf diesem Wege die syntaktische Ambivalenz der Symbolisierungen, aus der Boole die logische Relevanz seiner Algebra gewinnt. Weil die einstelligen Prädikate der Wahrheit und Falschheit mittels einer zweistelligen, für diesen Fall durch die Konstanten 1, beziehungsweise 0 ergänzten Relation symbolisiert werden, gelingt es, die relativ zur Gleichheit charakterisierten algebraischen Beziehungen als logische Verhältnisse aufzufassen. Wird McColls Rekonstruktion starker Syllogismen in dem nachfolgend zu entwickelnden Sinne interpretiert, so ist es zumindest partiell berechtigt, ihm einen Begriff der logischen Satzform zu unterstellen, der Prädikation und Implikation einheitlich erfaßt. In Freges Begriffsschrift wird dieses Ziel insofern erreicht, als ein Implikationsverhältnis und eine elemenare Aussage, die u. U. darin vorkommt, gleichermaßen Konkretionen einer allgemeinen Satzform sind. Sie selbst kann allenfalls durch das arithmetische Verhältnis zwischen Funktion und Argument erläutert werden. In McColls früher Logik wird dieses Ergebnis m. E. durch einen nichtklassischen Implikationsbegriff angestrebt, der Subalternationen ermöglichen soll, ohne sie durch eine Existenzvoraussetzung zu begründen. Durch diesen Implikationsbegriff wird der Begriff der logischen Satzform jedoch nicht am Modell individueller Aussagen entwickelt, sondern bleibt grundsätzlich auf das Paradigma quantifizierter Aussagen bezogen. Näher als Freges Ansatz steht McColls Position deshalb der Satzkonzeption, die Peirce in seinem Aufsatz "On the Algebra of Logic" entwickelt hat. Vgl. Peirce (1880), insbesondere §3. 11 McColl (1878b), S. 16.
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sind, so ließe sich jener Ausdruck vorbehaltlos in das begriffsschriftliche Schema •A B C C
B B •c
C B A übersetzen. Den Formeln A=1 und A=0 entsprächen die begriffsschriftlichen Ausdrücke I
A , beziehungsweise
i
A .
Diese Zuordnung setzt allerdings eine Deutung der Ausdrücke 1 und 0 voraus, die die Alternativen I
A , beziehungsweise I i
A
ausschließt. Der relationale Ausdruck = und seine Ergänzungen zu =1 oder =0 dürfen in diesem Kontext allenfalls wie eine Art Funktionszeichen gelesen werden. Nur dann bleiben Ausdrücke der Form (A=l)=l oder (A=1)=0 unproblematisch. Zu Beginn des zweiten der hier besprochenen Aufsätze fuhrt McColl in Form eines Doppelpunktes ein eigenes Implikationszeichen ein, das er vorübergehend im Sinne einer philonischen Implikation zu deuten scheint. Das Gleichheitszeichen artikuliert die entsprechende materiale Äquivalenz. Für diesen Fall werden die Ausdrücke 1 und 0 analog etwa zu Lorenzens Ausdrücken Y und A verwendet.12 Es ist allerdings nicht berechtigt, McColl diese junktorenlogische Deutung des Gleichheitszeichens und eine entsprechende Verwendung der Ziffern 0 und 1 grundsätzlich zu unterstellen. Im
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"The implication A:B is not of course equivalent to B:A, but to B':A', for when we transpose the statements, we must change their signs, i. e., affix or remove the accent of negation. The implication A:0 asserts that A is false; but A: 1 does not assert that A is true." McColl (1878a), S. 177f. Siehe ebenda, S. 180, Anmerkung zu Regel 18 und S. 183. Die Verwendung der Ausdrücke =1 und =0 in der ersten Definition des ersten Artikels, siehe Anmerkung 4, erlaubt es nicht, die Ausdrücke 1 und 0 als Namen oder schematische Zeichen für logisch wahre, beziehungsweise logisch falsche Aussagen aufzufassen. Zu einer solchen Deutung, die Lorenzens erster auf Peano zurückgehenden Einführung von Verum und Falsum entspricht, gibt erst die Verwendung der beiden Ziffern in der vierten Definition Anlaß: "The symbol A1 is the denial of the statement A. The two statements A and A1 are so related that they satisfy the two equations A + A - l and AA-0;..." McColl (1877), S. 9. Vgl. ferner Lorenzen (1970), S. 37ff. im Unterschied zur operationalen Einführung der entsprechenden Figuren, S. 86ff. Auch Boole verwendet die Ziffern 1 und 0 in dem hier angezeigten Sinne äquivok. Siehe Boole (1847), S. 51.
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ersten der hier besprochenen Aufsätze kommt diese Position nicht eindeutig zum Ausdruck, im dritten ist sie schon nicht mehr maßgeblich. Wenn andererseits in einem Schema (A=l)=l, beziehungsweise (A=1)=0 die Ausdrücke =1 und =0 in der Tat als prädikative Bestimmungen gelten und insbesondere in der Klammer als Attribute verwendet werden, dann ist ein Satz, der dem ersten oder selbst dem zweiten Schema entspricht, für den Fall, daß A falsch ist, so sinnlos, wie es unter solchen Umständen Freges r A im Unterschied zu H A sein muß. McColls kurze Kommentare zu den Ausdrücken A=1 und A=0 lassen diese Problematik unentschieden. Daß sie zu Beginn seiner logischen Untersuchungen nur angelegt ist, jedoch nicht bearbeitet wird, bedeutet keineswegs, daß sie für McColls Werk ganz unerheblich wäre. Die Symbolic Logic von 1906 entfaltet einen Begriff der logischen Satzform, der einerseits zwischen der prädikativen und attributiven Rolle eines Zeichens unterscheidet, andererseits Prädikate und logische Konstanten einheitlich als Funktionen auszeichnet.13 Im Unterschied zu Frege entwickelt McColl eine symbolische Logik, in der eine Unterscheidung zwischen Subjekt und Prädikat stattfindet.14 Die mehrdeutige Verwendung des Identitätszeichens in den Aufsätzen über „The Calculus of Equivalent Statements" ist noch nicht vollständig beschrieben. Im ersten dieser Artikel verwendet es McColl außerdem als ein Regelzeichen, mithin als Ausdruck eines wechselseitig gültigen, praktischen Wenn-Dann. 15 Nicht nur das Verhältnis zwischen prädikativer und implikativer Satzstruktur ist demnach ungeklärt. Auch das Verhältnis zwischen satzimmanenten Relationen einerseits und Beziehungen zwischen Sätzen andererseits ist nicht hinreichend bestimmt. Regeln bringt McColl in seinen frühen Schriften auf drei verschiedene Arten zum Ausdruck: erstens durch ein konditionales Satzgefüge der Form If ..., then, zweitens durch das Gleichheitszeichen und schließlich ab dem dritten Aufsatz mit Hilfe des Doppelpunkts. Unter einer Regel versteht er nicht nur praktische Bestimmungen, die den Übergang von symbolischen Ausdrücken zu weiteren Zeichen dieser Art festlegen. Auch Bestimmungen, die überhaupt zur Verwendung symbolischer Ausdrücke fuhren, werden als rules bezeichnet. 16
13
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Vgl. McColl (MacColl) (1906), insbesondere §§ 3, 4 und 13. Die attributive Rolle eines Zeichens nennt McColl "adjectival". Frege (1977), § 3. McCol (1877), S. 10. Ein Beispiel für diesen zweiten Gebrauch des Ausdrucks rule ist die noch im einzelnen zu besprechende zweite Regel im ersten Aufsatz, die zur Einführung des Schemas A=AB fuhrt. Vgl. McColl (1877), S. 10. Auch Boole verwendet den Ausdruck in diesem Sinne; vgl. z. B. Boole (1847), S. 52.
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2. Konjunktion, Disjunktion und Negation Die logischen Konstanten der Konjunktion, Disjunktion und Negation werden von McColl gesondert eingeführt: 17 Einen Satz, der sich aus Sätzen A, B, C konjunktiv zusammensetzt, bezeichnet er als Compound Statement. A, B und C heißen Faktoren eines zusammengesetzten Satzes AxBxC oder kurz ABC. Wiederum stellt sich die Frage, was für eine Art Zeichen eingeführt wird und in welchem Sinne es zur Bildung eines komplexen Satzes beiträgt. Selbstverständlich kann es sich nicht um das Zeichen einer Auswahlfunktion im Sinne Booles 18 handeln. Es liegt gewiß nahe, in diesem wie in den beiden nachfolgenden Fällen von einer Wahrheitsfunktion zu sprechen. McColl bestimmt die Junktoren einer Aussagenlogik jedoch weder einheitlich, noch gelingt es ihm, die prädikatenlogischen Bestandteile seiner Logik explizit von ihren rein propositionalen Elementen zu trennen. Einen Satz, der sich aus Sätzen A, B, C alternativ zusammensetzt, bezeichnet er als indeterminate Statement. A, B und C heißen in diesem Fall Terme eines indeterminierten Satzes A+B+C. Ein Satz, der einen anderen verneint, wird anders als in einer algebraischen Logik Boole'scher Art durch ein eigenes Zeichen artikuliert. Die einem Satz A zugehörige Verneinung kommt durch A' zum Ausdruck. Aussagen der Form A und A' verhalten sich so zueinander, daß sie die Gleichungen A+A'=l und A A - 0 erfüllen müssen. Das Negationszeichen wird von vornherein auf komplexe zusammengesetzte oder indeterminierte Sätze angewandt. McColl erläutert Konjunktion und Disjunktion durch die Wahrheit aller Faktoren in ABC, beziehungsweise die Falschheit nicht aller Terme in A+B+C. Da er das Verhältnis zwischen Wahrheit und Falschheit aber nicht wechselseitig durch die Negation auszeichnet - erst im dritten der hier betrachteten Aufsätze werden 0=1' und 1=0' explizit genannt, ist für McColl A + A - l zunächst kein hinreichender Ausdruck des tertium non datur. Erst in Einheit mit der Kontraposition von A+A-l kommt das Gesetz zum Ausdruck. 19 17 18 19
Zum Folgenden vgl. McColl (1877), S. 9f. Vgl. Anm. 30. "The statements A and A1 are what logicians call 'contradictories'; and the two equations A + A - l and A A - 0 combined express the principle known in logic as the 'Law of Excluded Middle'." McColl (1877), S. 9. Wenngleich McColl weder das Schema (A=1)=A noch (A=0)=A' explizit als Bestandteile seiner Logik angibt, halte ich es doch zumindest insoweit für angemessen, ihm in Einheit mit dem Tertium non datur ein Prinzip der Zweiwertigkeit zu unterstellen, als er die zu erforschenden logischen Verhältnisse fast immer mit Hinblick auf den Wert der darin vorkommenden Aussagen charakterisiert. Sätze, die weder wahr noch falsch sind, werden in McColls früher Logik nicht ausdrücklich behandelt. Anders als in späteren Schriften beziehen sich modale Bestimmungen im übrigen stets auf die logisch maßgeblichen Relationen und nicht auf die Aussagen selbst.
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McColls weitere Charakterisierungen der Disjunktion und Konjunktion sind im gegenwärtigen Zusammenhang nicht von besonderem Interesse. Da er logische Konstanten in erster Linie durch Begriffe der Wahrheit und Falschheit erläutert, kann er im Unterschied zu Boole und in Übereinstimmung mit Jevons die Disjunktion sogleich als nicht ausschließendes Verhältnis einfuhren. Die Schwierigkeit der Booleschen Algebra der Logik, den Begriff einer Disjunktion durch die Funktion einer alternativen Auswahl kennzeichnen zu müssen, und auch das zugehörige Problem einer logischen Deutung algebraischer Koeffizienten sind für dieses System mithin gleichgültig. 20 McColl symbolisiert die Negation unmittelbar, durch einen einstelligen Ausdruck. Es erübrigt sich daher, eine algebraische Relation auch nur als syntaktische Entsprechung dieser logischen Bestimmung anzugeben. Im Gegensatz zu Booles Algebra der Logik ist es für McColls System daher gleichgültig, den Begriff der Disjunktion mit Lewis gesprochen als „Inverse einer logischen Subtraktion"21 einzuführen. In Booles Ansatz muß aus rein methodischen Gründen, genauer gesagt aufgrund der algebraischen Darstellungsform dem Begriff der vollständigen Disjunktion ein Vorzug eingeräumt werden, den sie inhaltlich gesehen nicht besitzt. McColls fortschreitende Emanzipation vom Modell einer algebraisch dargestellten Logik vermeidet diese Diskrepanz zwischen logischem Gehalt und formaler Darstellung. Im übrigen formuliert McColl Regeln, nach denen sich ein aussagenlogisches Schema in eine konjunktive oder disjunktive Normalform übersetzen läßt. Die Symmetrieeigenschaften der Konjunktion und Disjunktion und eine Substitutionsregel für aussagenlogische Schemata, auf die er in den entsprechenden Ableitungen zurückgreift, werden allerdings nicht explizit gemacht. Im ersten Artikel charakterisiert McColl den Begriff einer Disjunktion durch die Angabe ihrer Wahrheitsbedingungen. Im zweiten Artikel 22 ergänzt er diese Erläuterung durch eine logische Regel, die meines Erachtens die Verifikationsbedingungen einer disjunktiven Behauptung artikuliert: A+B+C+D+ ... = A+A'B+A'B'C+A'B'C'D ... Von links nach rechts gelesen kommt im rechten Teil der Regel mit jedem weiteren um die Negation eines zuvor positiven Faktors ergänzten Term ein nächster Verifikationsschritt zum Ausdruck, der aufgrund der vorangehenden erfolglosen Schritte jeweils erforderlich wird. Gelingt es für einen dieser Terme, nicht nur seine ohnehin verifizierten negativen Faktoren, sondern auch seinen positiven Abschluß zu verifizieren, so ist die gesamte Disjunktion erfolgreich verifiziert. Andernfalls sind die Faktoren des nächsten Terms nach dem vorgegebenen Schema wiederum auf ihren Wert hin zu prüfen. Endet der Prozeß erfolglos, so ist die Disjunktion falsifiziert. So 20 21 22
Vgl. Boole (1847), S. 16f. und S. 51f.; ferner Lewis (1960), S. 52ff. Siehe Lewis (1960), S. 53. McColl (1878a), S. 177.
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verstanden zeigt sich an dieser Regel ein konstruktives Moment der Disjunktion einander wechselseitig ausschließender Terme. Für den Fall, daß die Terme B und A' identisch sind, wird die Verifikationsregel gleichgültig: A+A' = A+A'A' Der Ausdruck A'A' artikuliert keinen weiteren Verifikationsschritt. 3. Wandlungen des Implikationsbegriffs Von besonderen Interesse sind die zahlreichen Versuche McColls, den Implikationsbegriffs genau zu fassen. Sie zeigen erstens ein Schwanken zwischen modalen und nicht modalen Versionen des Implikationsbegriffs an und lassen ferner erkennen, daß eine klare Trennung zwischen materialer und logischer Implikation nicht erreicht wird. Wie schon erwähnt, unterscheidet McColl in seinen frühen Schriften außerdem nicht hinreichend zwischen dem praktischen Wenn-Dann einer expliziten Regel und dem zugehörigen semantischen Bedingungsverhältnis. Schon die erste und sogleich doppelte Umschreibung von Implikationsverhältnissen, die sich noch an Booles Schematisierung allgemeiner Aussagen orientiert, deutet darauf hin, daß McColl zwei Anforderungen zugleich gerecht werden möchte: Zum einen ist er bestrebt, ein praktisches oder zumindest doch am natürlichen Sprachgebrauch orientiertes Verständnis von Implikationsverhältnissen zwischen Sätzen theoretisch zu fixieren. Zum anderen versucht er in Analogie zu Booles Algebra der Logik einen Begriff der Implikation durch eine Bestimmung ihrer Wahrheitsbedingungen zu erläutern. McColl schreibt: "Let A be any statement whatever, and let B be any statement which is implied in A (and which must therefore be true when A is true, and false when A is false), or else let B be any statement which is admitted to be true independently of A; then (in either case) we have the equation A=AB." 23 Die eine Bestimmung des Implikationsbegriffs fordert erstens, daß die Sätze A und B jeweils denselben Wahrheitswert besitzen und sich zweitens der Wert des bedingten Satzes B nach dem der ihn bedingenden Aussage A richtet. Notwendigerweise wahr, beziehungsweise falsch scheint B nur respektive der Folgerungsbeziehung zu sein, die McColl zur Umschreibung des Implikationsbegriffs heranzieht. Nachfolgende Bemerkungen zum Begriff der Implikation24 lassen mich andererseits bezweifeln, ob McColl zwischen materialer und logischer Implikation hinreichend genau trennt. Es besteht deshalb jedoch kein Anlaß, ihm für dieses frühe Stadium seines Denkens den strikten Implikationsbegriff zu unterstellen, der seiner Symbolic Logic zugrundeliegt. 23 24
McColl (1877), S. 10. Siehe unten S. 142.
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Auch die andere Bestimmung - "... or eise let B be any Statement which is admitted to be true independently of A; ..." - macht deutlich, daß McColl nicht jenen philonischen Implikationsbegriff zu umschreiben versucht, den zum Beispiel Frege wahrheitsfixnktional gefaßt hat. Ein Bedingungsverhältnis dieser Art liegt auch dann vor, wenn A falsch ist. B darf unter dieser Voraussetzung eine Kontradiktion sein. Selbst dann »haben wir" wahrheitsfunktional A—»B. Doch genau diesen Fall schließt McColls zweite Bestimmung aus. Denn es ist unzulässig, wenn nicht unmöglich, eine Kontradiktion für wahr zu halten. Das Verständnis des Implikationsbegriffs, den McColl mittels A=AB darstellen möchte, wird durch die grammatische Konstruktion der zitierten Passage wesentlich erschwert. Einerseits nennt sie disjunkte, hinreichende Bedingungen für A=AB, andererseits bleibt jedoch offen, ob diese Bedingungen für sich genommen oder als Disjunktion eine notwendige Voraussetzung für A=AB sind. In seinen späteren Arbeiten hat McColl die hier anklingenden modalen und epistemischen Aspekte seiner Logik durch die Einführung entsprechender intensionaler Prädikate eigens berücksichtigt. Ein rein wahrheitsfünktionales Implikationsverständnis, das diese Prädikate der Unmöglichkeit und Gewißheit sodann qualifizieren, wird dort nur noch mittelbar, durch Konjunktion, beziehungsweise Disjunktion, und Negation definiert. 25 Im zweiten Artikel fuhrt McColl einen Doppelpunkt als Implikationszeichen ein: "The symbol A:B (which may be called an implicatiori) asserts that the Statement A implies B; or that whenever A is true B is also true." 26 McColl erläutert diese Bestimmung mit dem Hinweis, daß die Implikation A:B und die Gleichung A=AB äquivalente Aussagen seien. Das erste Schema ist mithin keine bloße Abkürzung für die zweite Notierung. McColls Logik differenziert sich durch die Einführung des neuen Zeichens. Denn es gibt aussagenlogische Schemata, die nur in dieser neuen Darstellungsform unterscheidbar sind. Zum Beispiel steht das Schema A=AA gleichermaßen für die Ausdrücke A:A und (A:AA)(AA:A). Auch McColls Erläuterung zu Beginn des zweiten Aufsatzes, läßt unbestimmt, was genau unter einer Implikation zu verstehen ist: "The symbol A:B ... asserts ... that whenever A is true B is also true." Wiederum verzichtet McColl darauf, den Fall, daß der Satz A falsch ist, eigens zu berücksichtigen. Desweiteren weist der Ausdruck "whenever" darauf hin, daß die Wahrheit oder Falschheit von Sätzen hier von einem zusätzlichen Parameter, gegebenenfalls zeitlicher Art, abhängig ist. Mit der zitierten Umschreibung nähert sich McColl wieder Booles Bestimmung der Implikation an. 27 Unter diesen Umständen wären McColls statements nunmehr doch als eine Spielart jener propositional functions anzusehen, die nach Lewis die elementaren Bestandteile der Booleschen Darstellung hypothetischer Syllo25 26 27
Vgl. McColl (MacColl) (1906), §§ 8 und 9. McColl (1878a), S. 177. Vgl. z. B. B o d e (1847), S. 54.
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gismen sind. 28 Vermutlich ist hier keine zeitliche Abhängigkeit, sondern ein Bezug auf die Individuen eines Bereichs intendiert. Denn der zweite Aufsatz soll insbesondere darlegen, wie sich in McColls System kategorische Syllogismen rekonstruieren lassen. Zunächst werden nun generelle Aussagen als formale Implikationen gedeutet, deren quantorenlogischer Anteil durch die Verwendung kleiner Buchstaben x, y, z oder griechischer Zeichen a, ß, y artikuliert ist. Die Quantifikation selbst und ihre Bindung an eine Variable werden somit nicht zum Ausdruck gebracht. Im Kontext kleiner Druckbuchstaben steht der Doppelpunkt demnach für ein formales Implikationsverhältnis: "The Statement All X is Y may be denoted by the implication x:y in which x denotes the statement that a certain representative individual belongs to the class X, and y denotes that he belongs to the class Y." 2 9 Partikuläre Aussagen gibt McColl als negierte, generelle Aussagen wieder, deren zweiter Teilsatz seinerseits negiert ist: (x:y')\ Abkürzend schreibt er stattdessen: x+y'. Auf diesem Wege erübrigt es sich für McColl ein Analogon zu Booles Auswahlfunktion v einzuführen. 30 Wie sich im weiteren zeigen wird, hat dieser Schritt weitreichende Folgen für McColls Implikationsverständnis. Mit Hinblick auf die Rekonstruktion einer modalfreien Syllogistik formuliert er jedoch zunächst die erforderlichen Schlußregeln der Kontraposition und Transitivität für Implikationen und deren Negate, die er als Nicht-Implikationen bezeichnet: Wenn Wenn Wenn Wenn
A:B, dann B'.A' A:B, B:C, dann A:C A-B, dann B'-A' A:B, A+C, dann B C
Um starke Syllogismen direkt rekonstruieren zu können, bedarf es nun ferner einer Regel, die von einer Implikation auch ohne die Zusatzprämisse einer Nicht-Implikation zu einer Nicht-Implikation führt: "If A (assuming it to be a consistent statement) implies B, then A does not imply B'."31 In der Rekonstruktion der Syllogistik steht damit Wenn A:B, dann A-B' für die Geltung der Subalternation 28 29 30
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Lewis (1960), S. 67. McColl (1878a), S. 181. Dieser Fortschritt wird von McColl selbst angemerkt, ohne Boole zu erwähnen. Die Verbesserung wird im Gegenteil als ein Stück Selbstkorrektur ausgegeben: "In my former method I expressed the statement Some X is Y by the implication v=xy, in which v denoted the statement that the representative individual spoken of belonged to some class V common both to the class X and the class Y. This was the point objected to in the report on my former paper." McColl (1878a), S. 182. McColl (1878a), S. 180. Diese Regel ist in einem klassischen oder konstruktiven Kalkül der Aussagenlogik offensichtlich nicht zulässig.
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SaP => SiP. Ein Beispiel für die Anwendung dieser Regel, die im weiteren auch als Subalternationsregel bezeichnet wird, ist die Rekonstruktion für DARAPTI: y:z
y;x
x+z x+z1 folgt nach ihrer Anwendung auf y:z durch die Transitivität der NichtImplikation. Nach dem bisher leitenden Verständnis des Implikationsbegriffs zu urteilen, besteht die Annahme, unter der diese problematische Regel gültig sein soll, gewiß nicht allein in der Konsistenz, sondern vielmehr in der Wahrheit der Bedingung A. McColls anscheinend schwächere Annahme wird verständlicher, wenngleich noch nicht akzeptabel, sobald er beginnt, seinen Implikationsbegriff zugunsten jener Regel zu erläutern. In einem Anhang zum zweiten Artikel heißt es: "... since a:b asserts that b is a factor of a ,.." 32 Dieses Argument kann entsprechend der bis hierhin eingeführten Terminologie nur Folgendes besagen: Zumindest in jeder Implikation der Form A:B, die eine Prämisse oder Konklusion in einem kategorischen Syllogismus darstellt, setzt sich der Subjektterm A aus Faktoren Fj, ..., F n zusammen. Einer von ihnen ist der für das Prädikat stehende Term B. Die übrigen Faktoren können durch einen schematischen Ausdruck C oder D zusammengefaßt werden, so daß A:B für CB:B steht. Das Argument für die Konsistenz der Bedingung scheint darin zu liegen, daß mit einem Satz der Form A:B, genauer gesagt CB:B, nicht auch A:B' gültig sein kann, weil für diesen Fall A die Form DBB' haben müßte und inkonsistent wäre. Unter der Voraussetzung eines wahrheitsfünktionalen Implikationsbegriffs wäre die Subalternationsregel aber nichts anderes als ein Ausdruck für die Annahme, daß der Teilsatz A nicht nur wahr sein könnte, sondern es ist. Denn die Sätze CB+B' und CB sind in diesem Fall äquivalent. Im übrigen müßte mm aber auch die Konverse der Subalternationsregel gelten. Der Unterschied zwischen generellem und partikulärem Urteil wäre somit aufgehoben. McColls weitere Kommentare zur Subalternationsregel können andererseits den Versuch motivieren, ihre Begründung durch die Konsistenz von A modal zu verstehen. Erläuternd schreibt McColl, daß (a:y) (a^-y') impliziere, bedeute anzunehmen, daß a ein konsistenter Satz sei "... - i. e. which may be true." 33 Ferner heißt es in diesem Kontext : "The implication a:ß' asserts that a and ß are inconsistent with each other; the non-implication ß' asserts that a and ß are consistent which each other." 32 Die Konsistenz, die in einer Nicht-Implikation behauptet wird, könnte aufgrund dieser Erläuterungen als Möglichkeit dessen verstanden werden, was die Kon32 33
McColl (1878a), S. 183. McColl (1878a), S. 184.
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junktion der Teilaussagen A und B zum Ausdruck bringt. Die Inkonsistenz, die eine Implikation behauptet, ließe sich als Unmöglichkeit dessen verstehen, was die Konjunktion der Teilaussagen A und B' zum Ausdruck bringt. Diese Unmöglichkeit und jene Möglichkeit hätten ihren Grund darin, daß B ein Faktor von A ist. In moderner Schreibweise stünde für einen Satz A:B mithin ein Ausdruck der Form • [ ( C A B ) - > B ] , anders gesagt - I O [ ( C A B ) A - I B ] , Entsprechend ergibt sich für einen Satz der Form A+B' ein Ausdruck der Form - . • [ ( C A B ) - > - I B ] , anders gesagt O ( C A B ) . Unabhängig davon, in welchem Sinne die Subalternationsregel nunmehr berechtigt ist, erhält sich auch für diese Interpretation jenes unannehmbare Ergebnis, daß auch ihre Konverse gültig ist. Das Argument, mit dem McColl von der Voraussetzung konsistenter Subjektterme zu einer Rechtfertigung der Subalternationsregel gelangen möchte, ist demnach zu stark. Die Annahme, daß der Prädikatterm ein Faktor des Subjektterms sei, zerstört die quantitative Ordnung, die es zu rekonstruieren gilt. Lassen wir McColls Argument auf sich beruhen, und beschränken wir uns darauf, die geforderte Konsistenz allein durch die Verwendung modaler Operatoren explizit zu machen. Für diesen Fall wäre die Subalternationsregel wie folgt zu schreiben: •
(A->B)=>0(AAB)
Das aber ist keine modallogisch gültige Regel. Ihre Ergänzung zu 0AAD(A->B)=>0(AAB) ist es zwar, doch widerstreitet sie McColls modaler Bestimmung genereller und partikulärer Aussagen, die hier schematisch zu rekapitulieren ist. Denn nunmehr ist 0AAIH(A—»B)die logische Form einer generellen Affirmation SaP, so daß O(AAB) nicht mehr für die partikuläre Affirmation SiP stehen kann, vielmehr durch - I O A V O ( A A B ) dargestellt werden müßte. Es ergeben sich mithin modale Analoga jener Probleme, die Strawson zur Einführung eines Präsuppositionsbegriffs veranlaßten.34 In seiner späten Logik vermeidet McColl dieses Problem durch einen Begriff der Aussage, der Strawsons bekannten Lösungsvorschlag geradezu vorwegnimmt.35 Wenn dieser Versuch, McColls Verständnis der Subalternationsregel in modallogische Regel zu übersetzen korrekt ist, so beruht seine Rekonstruktion einer modalfreien, starken Syllogistik auf einem modalen Implikationsbegriff, der den einer strikten Implikation anscheinend durch die Möglichkeit der Bedingung sei es explizit durch eine entsprechende Teilaussage, sei es implizit im Sinne einer Präsupposition ergänzt. In dieser Perspektive läßt sich McColls späte termlogisch orientierte Konzeption der Syllogistik als eine Differenzierung und Klärung seiner frühen Bestimmung der Implikation begreifen. 34 35
Siehe Strawson (1952), Kapitel 6, Teil III. Vgl. Astroh (1993).
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Andererseits ist es möglich, McColls umschreibenden Gebrauch modaler Verben nicht schon als Bestandteil seiner logischen Theorie zu werten, ihn somit nur als Hilfsmittel ihrer Darstellung anzuerkennen. Diese Position ist historisch exegetisch betrachtet inadäquater. Denn sie unterstellt, daß sich McColls Implikationsverständnis nicht im Sinne einer Differenzierung entwickelt hat. Sie erscheint systematisch betrachtet jedoch fruchtbarer, da sie über den Rahmen einer modalen Konzeption hinaus zu einer relevanzlogischen Bestimmung des Implikationsbegriffs fuhrt. Es ist möglich, die Subaltemationsregel in einem System zu rekonstruieren, in dem weder der wahrheitsfunktionale noch der strikte, vielmehr ein konnexer Implikationsbegriff maßgeblich ist, der im allgemeinen mit Chiysipp assoziiert wird. 36 Wahrheitsfunktional verstanden ist a—>->a äquivalent mit - . a ; als striktes Bedingungsverhältnis aufgefaßt mit D - i a . Der konnexe Implikationsbegriff besagt hingegen, daß a—»-.a logisch ungültig ist, mithin - i ( a - > - i a ) gültig und a forteriori nicht mit a äquivalent ist. In einer Aussagenlogik der konnexen Implikation ist aber ( a - » b ) - » - i ( a - » - i b ) n i c h t jedoch das konverse Verhältnis gültig; mit a für b ergibt sich - i ( a - > - i a ) . McColls früher Versuch einer Rekonstruktion der modalfreien, kategorischen Syllogistik ließe sich auch unter der Voraussetzung dieses Implikationsbegriffs formalisieren. 3 7 Es bleibt zu entscheiden, ob sich in den hier untersuchten, frühen Schriften McColls ein einheitliches Implikationsverständnis ausmachen läßt. Zumindest ein negatives Ergebnis scheint gewiß: McColl hat von Beginn an keinen wahrheitsfunktionalen Implikationsbegriff vertreten. Dafür spricht erstens die von vornherein modale und epistemische Umschreibimg der Relation. Vor allem wird erst in dieser Perspektive verständlich, weshalb McColl, wie schon Bochenski bemerkte 38 , im Kontext jener Erläuterung schreibt: " ... let B be any Statement which is implied in A ... " 3 9 - und nicht : by A. McColls Ausdrucksweise läßt an ein Moment des Enthaltenseins denken. In der Rekonsturktion einer generellen Affirmation SaP durch a : ß kennzeichnet er dementsprechend das Imlikat ß als einen Faktor des Implikans a. Desweiteren verwendet McColl auch in seinem zweiten Aufsatz modale Termini, um den Begriff der Nicht-Implikation und gleichermaßen das Verhältnis zwischen Prämissen und Konsequenz einer logischen Regel zu bestimmen. 40 Ferner werden zu Beginn des dritten Artikels eine Reihe von Aussagenschemata aufgeführt, die sich wie folgt auszeichnen: "The ... formulae are all either self-evident or easily verified and some of 36 37 38 39 40
Vgl. Bochenski (1956), 20.09. Vgl. Astroh "Predication and Implication". In Vorbereitung. Vgl. Bochenski (1956), 43.02. McColl (1877), S. 10. "Thus the implication A:B and B':A' are equivalent, each following as a necessary consequence of the other." "The symbol A-^B thus asserts that the truth of B is not a necessary consequence of the truth of A; in other words, it asserts that the statement A is consistent with B', but it makes no assertion as to whether A is consistent with B or not." McColl (1878a), S. 177 und S. 180.
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them will be found useful in abbreviating the Operations of the calculus ... "41 Anhand dieser Schemata, in denen der Doppelpunkt in Übereinstimmung mit den Erläuterungen des zweiten Artikels auch als Regelzeichen verwendet wird, ist zwar die Formel (a:b):(a'+b) ein Axiom, ihre Umkehrung jedoch nicht ableitbar. Auch hierin kann ein Indiz für einen modalen Implikationsbegriff gesehen werden. Denn a'+b könnte nur dann a:b äquivalent sein, wenn auch die Disjunktion modal bestimmt wäre. Diese Anhaltspunkte allein reichen jedoch nicht aus, um McColl in seinen frühen Schriften ein Implikationsverständnis unterstellen zu können, das sich eindeutig in modalen Begriffen erfassen ließe. Erstens steht die einleitende Umschreibimg einer hinreichenden Bedingung für A=AB dieser Möglichkeit entgegen. Die Äquivalenz der Werte für A und B, die in der ersten Bestimmung gefordert wird, ist auch dann keine hinreichende Bedingung für ein striktes Implikationsverhältnis, wenn es die Möglichkeit, bzw. Konsistenz der Bedingimg präsupponiert. Allerdings ist dieser Fall mit der Forderung vereinbar, daß die Wahrheit des Implikats unabhängig von der des Implikans zugelassen werde. Zweitens ist es nicht plausibel, die Schemata A=1 und A=0, mit denen auch McColl Aussagen über die Wahrheit, beziehungsweise Falschheit einer Aussage symbolisiert, in einem modalen Sinne zu verstehen. Denn nicht jede Aussage ist notwendigerweise wahr. Es wurde allerdings schon darauf hingewiesen, daß die Verwendung der Ziffern 1 und 0 äquivok ist, inhaltliche und logische Wahrheit zumindest symbolisch nicht klar unterschieden sind. 42 Im übrigen ist die inhaltliche Bewertung einzelner Aussagen nicht genuiner Bestandteil des McCollschen Systems. Es ist meines Erachtens nicht möglich, McColl in den wenigen hier untersuchten Schriften ein uniformes modales oder gar konnexes Implikationsverständnis zu unterstellen. Die Tendenz zu einer modalen Auffassung wird allerdings durch seine späten Schriften bestätigt. Interessanterweise versucht McColl nicht, die Subjunktionsregel durch Existenzvoraussetzungen zu rechtfertigen. Sie soll schon durch die Konsistenz des Subjektterms begründet sein. Zum einen legt es McColls Text nahe, hierin eine Präsupposition der Möglichkeit dessen zu sehen, was der Subjektterm bestimmt. Zum anderen liegt es systematisch nahe, dieses präsuppositionale Moment von vornherein als einen Aspekt des maßgeblichen Implikationsbegriffs zu fassen. Unter der Voraussetzung eines konnexen Implikationsbegriffs wird diese für die Geltung starker Syllogismen hinreichende Bedingung nicht mehr als eine sachliche Voraussetzung relevant, vielmehr als Moment eines Begriffs der logischen Satzform verständlich. Im Gegensatz zu Freges funktionalem Begriff des Urteils kann diese Konzeption der traditionellen Unterscheidung zwischen Subjekt und Prädikat Rechnung tragen, ohne sich deshalb den Fortschritten der modernen Logik verschließen zu müssen. 41 42
McColl (1878b), S. 16. Vgl. Anm. 12.
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Das Ergebnis dieser historisch orientierten Untersuchung wirft zahlreiche systematische Fragen auf. Der Begriff einer konnexen Implikation müßte es erlauben, den Begriff der Kopula in seinem logischen Gehalt systematisch zu erfassen. Überhaupt wäre zu untersuchen, ob sich mit Hilfe dieses Begriffs eine Logik der Präsupposition entwickeln ließe. Auch für die Rekonstruktion modaler Syllogismen - vor allem hinsichtlich der Unterscheidimg zwischen Modalaussagen sensu diviso und sensu composito - könnte sich dieser Implikationsbegriff als ein wichtiges Interpretationsmittel erweisen. Die schrittweise Prüfung dieser Vermutungen wird Gegenstand weiterer Arbeiten sein.
Literatur Astroh, M. (1993), Präspposition und Implikatur. In: Dascal, M./Gerhardus, D./Lorenz, K./Meggle, G. (Hrsg.): Sprachphilosophie. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. W. de Gruyter, Berlin/New York Bochenski, I. M. (1956), Formale Logik, Karl Alber Verlag, Freiburg/München Boole, G. (1847), The Mathematical Analysis of Logic (Being an Essay Towards a Calculus of Deductive Reasoning), Cambridge, (repr. Oxford 1948, 1951, New 1965 (Collected Logical Works I, 49-124)) - (1854), An Investigation of the Laws of Thought, on which are founded the mathematical theory of Logic and Probabilities, London, (repr. New York 1951, 1961, Nachdr. LaSalle III. 1952 (=Collected Logical Works II)) Broadbent, T. A. A. (1973), McColl, Hugh. In : Gillispie, C. C. (Hrsg.): Dictionary of Scientific Biography (Band 8, p. 590). Charles Scribner's Sons, New York Frege, G. (1977), Begriffsschrift und andere Aufsätze (Mit E. Husserls und H. Scholz1 Anmerkungen, 3. Aufl., herausgegeben von I. Angelelli), Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Lewis, C. I. (1960), A Survey of Symbolic Logic, Dover Publications, London [This Dover edition, first published in 1960, is a corrected reduplication of the original work with the omission of the original chapters V and VI. These chapters were omitted for the reasons stated in the author's Preface to Dover Edition. This work was originally published by the University of California Press in 1918.] Lorenzen, P. (1970), Formale Logik (4. Aufl.), W. de Gruyter & Co, Berlin McCall, S. (1967), MacColl. In: Edwards, P. (Hrsg.): The Encyclopedia of Philosophy (Band 4, S. 545-546). The Macmillan Company & The Free Press, London [Bibliographie, p. 570] McColl, H. (1877), The Calculus of Equivalent Statements and Integration Limits. Proceedings of the London Mathematical Society IX (1877-1878), pp. 9-20 - (1878a), The Calculus of Equivalent Statements (II). Proceedings of the London Mathematical Society IX (1877-78), pp. 177-186 - (1878b), The Calculus of Equivalent Statements (III). Proceedings of the London Mathematical Society X (1878-79), pp. 16-28 - (MacColl, H.) (1906), Symbolic Logic (and its Applications), Longmans, Green, and Co., London Peirce, C. S. (1880), On the Algebra of Logic. American Journal of Mathematics 3, 15-57 Strawson, P. F. (1952), Introduction to Logical Theory, New York
WERNER STELZNER
Hugh MacColl - Ein Klassiker der nichtklassischen Logik* Heute findet der Name Hugh MacColl häufig Erwähnung, wenn es um das Nennen von Vorläufern dominierender Richtungen der Logikentwicklung geht, vor allem in Bezug auf die Modallogik und die Relevanzlogik. Eine umfassende inhaltliche Aufarbeitung der Ideen Hugh MacColls steht aber noch aus, obwohl MacColl unzweifelhaft verdient, als Klassiker der modernen Logik charakterisiert zu werden1, und das sowohl für die klassische Logik, schließlich hat er noch vor Frege eine eigenständige Aussagenlogik entwickelt2, als auch für die nichtklassische Logik, führen doch die von ihm erarbeiteten Ideen und Anregungen unmittelbar in das nichtklassische logische Denken hinüber. Einige dieser Ideen, die den Problemkreis Funktionalität, Extensionalität, Intensionalität berühren und sich signifikant vom Fregeschen Ansatz unterscheiden, möchte ich hier darstellen und analysieren. Ich beziehe mich dabei auf die Arbeiten der im 20. Jahrhundert einsetzenden zweiten Schaffensperiode von Hugh MacColl.3
1. Proposition und Aussage Hugh MacColl verweist auf zwei Grundprinzipien seiner Vorgehensweise, von denen das erste Prinzip den Weg freimacht für die Entwicklung divergierender nichtklassischer Logiken und das zweite Prinzip als die Zentraleinheiten logischer Bemühungen statement oder proposition heraushebt: "There are two leading principles which separate my symbolic system from all others. The first is die principle that there is nothing sacred or eternal about symbols; that all symbolic conventions may be altered when convenience requires it, in order to adapt them to new conditions, or to new classes of problems [...] The second principle which separates my symbolic system
Diese Arbeit entstand im Rahmen des von der Volkswagen-Stiftung geförderten Forschungsvorhabens "Alternativen zur klassischen Logik:Parakonsistenz und Relevanz". Für die von der Volkswagen-Stiftung erhaltene Unterstützung möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. ' Von seinen Zeitgenossen wurden seine Arbeiten durchaus beachtet. Sowohl bei Frege (vgl. Frege (1973), S. 181), als auch bei Russell finden sich Verweise auf MacColl. Russell rezensierte MacColls Symbolic Logic and its Applications (Russell (1906)). Eine Erwiderung auf diese Rezension ist zu finden in MacColls zweiter Bemerkung If and Implies (MacColl (1908). 2 Vgl. Astroh (1993). 3 MacColl (1906), (1906a), (1906b) und (1908).
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Werner Stelzner
from others is the prinicple that the complete statement or proposition is the real unit of all reasoning"4. Die hier ausgedrückte Orientierung auf Statement und Proposition scheint ganz im Fregeschen Sinne zu sein, fur den bekanntlich das Urteile bzw. die Aussage Ausgangs- und Zentralpunkt der Entwicklung seiner Logikkonzeption ist: "In der Tat, es ist einer der bedeutendsten Unterschiede meiner Auffassungsweise von der booleschen und ich kann wohl hinzufugen, von der Aristotelischen, daß ich nicht von den Begriffen, sondern von den Urteilen ausgehe."5 Und doch werden wir hier zugleich mit der Wurzel für die Entwicklung einer nichtfregeschen Logikkonzeption bei MacColl konfrontiert, die im nichtfregeschen Propositionsverständnis von MacColl zu suchen ist. Hugh MacColl ist auch in seiner zweiten, eindeutig und explizit nichtklassisch orientierten, Schaffensperiode von seiner logischen Grundintuition her durchaus kein Antiklassiker, was ihn aber nicht daran hindert, über die Fregesche Logik durch Einfuhrung neuer objektsprachlicher Mittel hinauszugehen, deren logische Rechtfertigung darauf beruht, daß MacColl keine Aussagenlogik fur Zentraleinheiten im Fregeschen Sinne des Wortes "Aussage" aufbaut. Für Frege und die klassische Logik besitzt eine Aussage nicht parameterrelativiert Wahrheitswerte, und unterschiedliche Wertezuordnungen für in Formeln vorkommende Aussagenvariablen werden nicht dadurch zustandegebracht, daß die gleiche Aussage in unterschiedlichen Kontexten oder Parametern unterschiedliche Wahrheitswerte annehmen kann, sondern dadurch, daß in unterschiedlichen Wertebelegungen dieser Variablen unterschiedliche (aber jeweils wahrheitswertdefinite) Aussagen und, damit ermöglicht, unterschiedliche Wahrheitswerte eingesetzt werden. Anders bei Hugh MacColl: Hier wird statt der klassischen Aussage im Fregeschen Sinne der linguistische und physisch wahrnehmbare Aussagesatz (bei MacColl eben "Statement" oder "Proposition") zur elementaren Einheit der "Aussagenlogik". Diese Einheiten sind aber durchaus kontextsensitiv: Es gibt solche MacColl-Propositionen, die im Kontext Ki wahr sind, in einem anderen Kontext K2 aber falsch sind: "Some logicians [und Frege ist z. B. einer davon - W.S.] say that it is not correct to speak of any statement as "sometimes true and sometimes false"; that if true, it must be always; and if false, it must be false always. To this I reply, as I did in my seventh paper published in the Proceedings [...], that when I say "A is sometimes true and sometimes false", or "A is a variable," I merely mean that symbol, word, or collection of words, denoted by A sometimes represents a truth and sometimes an untruth. For example, suppose the symbol A denotes the statement "Mrs. Brown is not at home." This is not a formal certainty, like 3>2, nor a formal impossibility, like 3 express being a state-of-affairs, an individual, a property (of individuals) respectively; they are mutually exclusive; Z ° is assumed to be non-empty. For P we assume the formal characteristics of a complete atomistic Boolean algebra (as far as these are expressible in a first-order language). All Boolean functions and constants can then be defined by the itself definable operator cxA[x]: the conjunction of all states-of-affairs that are A: ix[Z 1 (x)aVy (Z 1 (y)AA[y]=>yPx)a Vz(Z 1 (z)a Vy(Z 1 (y)AA[y]3yPz)=>xPz)]. For example: dis(x,y) := cz(zPx a zPy) (the [state-of-affairs which is the] disjunction of x and y), con(x,y) := cz(zPx v zPy) {the conjunction of x and >>), t := cz(z^z) (the tautological state-of-affairs), c := c z Z ^ z ) {the contradictory state-of-affairs). Moreover, modal functions can be defined as well: nec(x) := cz(x*t a z=c), for example, is the modal function expressed by the sentential operator of analytical necessity. By introducing a special constant w {the real world) we can define truth/actuality for states-of-affairs by: T(x) := xPw. w is a possible world, which is a maximal-consistent state-of-affairs; being a maximal-consistent state-of-affairs is in its turn readily definable: MC(x) := Z*(x) a x * c a Vy(Z'(y) a -iyPx id con(x,y)=c). Thus, truth-laws become provable for the various Boolean functions, and for the modal functions as well; for example, for all states-of-affairs x,y: T(con(x,y)) a T(x) a T(y), T(nec(x)) = Vy(MC(y) =5 xPy). W e now introduce two more expressions: (y,x) {the satiation of y by *), A.07i[o] {the n-extract), which are characterized as follows: V y V x Z ^ y . x ) ) , Z(A.O7t[o]) (o,o',... are called "extraction-variables"; they occur only in connection with A.; note that the ^.-operator operates on terms, not on predicates); V y V x ( - i Z < 0 > ( y ) v -.Z°(x) => (y,x)=c), Vx(-,Z 1 (u[x]) => (^oti[o],x)=c) (x not in 7t[o]); Vx(Z 1 (7t[x]) A Z°(x) =5 (Xo7t[o],x)=7i[x]) (x not in 7T[o]>.
An Ontology of Intensional Entities
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For properties we have the following identity-principle: VxVy(Z < 0 > (x) a Z < 0 > ( y ) a Vz(Z°(z) => (x,z)=(y,z)) => x=y). And for states of affairs: VxVy(xPy a yPx 3 x=y). What can be done with this theory? The theory is a small part of a much larger intensional ontology which has infinitely many categorial predicates, while the presently considered one has only three. Yet its expressive power is surprisingly great: f(x) := T((f,x)) (:= (f,x)Pw); this is the definition of "x exemplifies f " f is satisfied by x". E Z < 0 > ( y ) := Z < 0 > ( y ) a Vx(Z°(x) => (y,x)=t v (y,x)=c); this is the definition of "y is an essential property". We can prove: VfVg(EZ(f) a EZ(g) a Vz(Z°(z) 3 (f(z) = g(z)) 3 f=g); 3f(EZ (f) a Vz(f(z) s A[z])), provided Vz(A[z] 3 Z°(z)) [consider Xocy(-iA[o] a y=c)]. This shows that essential properties can serve as sets of individuals. The following functions are the equivalents of the quantifiers on all individuals: cy3z(Z°(z) a yP(f,z)) (of the all-quantifier), cyVz(Z°(z) =>yP(f,z)) (of the existential-quantifier). They can be shown to satisfy mirror-images of the theorems of predicate logic. Boolean and modal functions for properties are easily definable. For example: con < 0 > (f,g) := Xo con((f,o), (g,o)) (the property of being f and g), n e c < 0 > ( f ) := Xo nec((f,o)) (the property of being necessarily/). The next step is to introduce more than two-placed satiation-expressions, and more than one-place extract-expressions: (x,zi,...,z n ), Xoi...o n 7t[oi,...,o n ]. This means that besides properties n-place relations (n greater 1) between individuals are drawn into consideration. By this move the theory is strengthened to such an extent that the semantics of modal (first-order) predicate logic becomes expressible (the expressions of the formal language are being treated as abstract individuals) without making use of sets (as primitive entities). This kind of intensional semantics in intensional ontology has a considerably different appearance from orthodox modal semantics that is developed within the extensional framework of sets and possible worlds (which, in the eyes of extensionalism, are special individuals). It seems that the intensional ontology of which a fragment has been sketched in this paper (and which may be considered as a synthesis of ontological ideas derived from Frege and Wittgenstein) can be a real competitor to set-theory. It is no less precise than the latter, and it is closer to our ontological intuitions, albeit these are nowadays somewhat obscured by the long habituation to set-theory and (needlessly) intimidated by extensionalistic polemics (especially Quine's); but (non-nominalistic philosophical tradition up to the 19th century is intensionalistic throughout.
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Uwe Meixner
A final remark: For comprehensive details concerning all the points addressed in this paper the interested reader is referred to the book and the article named at the end. Literature Meixner, U. (1991), Axiomatische Ontologie, Roderer Verlag, Regensburg - (1992% An Alternative Semantics for Modal Predicate Logic. Erkenntnis 37, pp. 377—400
LOTHAR KREISER*
Gong-sun Long: Ein weißes Pferd ist kein Pferd Die Spezifizierung eines Allgemeinen ist als ein nunmehr Besonderes nicht mehr dieses Allgemeine. Wenn dem so ist, spricht wahr, wer behauptet: Ein weißes Pferd ist nicht ein Pferd. Insofern aber das Besondere eben dieses nur als Besonderes eines Allgemeinen ist, wird es vom Allgemeinen umfaßt, und so weigert sich unser eingeübtes subsumtives Denken, ganz dem tatsächlich bestehenden Verhältnisses entsprechend, diese Behauptung als wahr anzuerkennen; es besteht auf der Wahrheit ihrer Negation: Ein weißes Pferd ist ein Pferd. Wie aber ist dann, unter Voraussetzung der klassischen Wahrheitsdefinition, zu erklären, daß eine Aussage falsch ist, obwohl sie tatsächlich Bestehendes behauptet? Bevor man nach der Lösung eines Problems sucht, ist angemessen zu fragen, ob es nicht Resultat unangemessener Sichtweise eines Gegenstandes ist. Daß dem so ist, weiß sofort der dialektische Logiker zu sagen, dem seine Bezeichnung ein Name ist, der also nicht als Logiker auch Dialektiker oder als Dialektiker auch Logiker ist. Für ihn sind ein dialektisches Verhältnis zerreißende Aussagen, und eben solche liegen im obigen Problemansatz vor, Produkte voreiliger Anwendung logischer Formen über ihre Geltungsbereiche hinaus. Sie sind weder wahre noch falsche Aussagen, weil sie überhaupt keine Behauptungen sind. Die scheinbaren Aussagesätze sind höchstens über sich hinausweisende sinntragende Satzfragmente, die sich wieder zu einem solchen Satzfragment vereinigen lassen, weil sie auch aufeinander verweisen. Das vereinigende Satzfragment dadurch diskreditieren zu wollen, daß auf logische Ungereimtheiten in ihm hingewiesen wird, etwa darauf, es sei in sich logisch widersprüchlich, wiederholt nur die schon gerügte, dialektische Verhältnisse unterschlagende Sicht des Logikers. Stehen die Dinge so, ist dem Logiker eine Aufgabe abgenommen, und im Grunde besteht zwischen ihm und dem dialektischen Logiker ein geradezu ideales Verhältnis, denn beide haben einander nichts zu sagen. Einer anderen Sichtweise des Problemansatzes folgt R. Moritz.1 Er deutet die überlieferte Argumentation von Gong-sun Long, derzufolge ein weißes Pferd kein Pferd ist, als zunächst implizite Konfrontation von Logik und Dialektik, deren Auflösungsversuch Gong-sun Long dann zu einer Konfrontation von Begriffswelt und Dingwelt führte. Auch Gong-sun Long habe über das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem (bzw. über das typgleiche Verhältnis von Allgemeinem und Einzelnem) reflektiert, aber sein 1
Moritz (1990), S. 164ff.
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Lothar Kreiser
Versuch, es begrifflich zu erfassen, sei mißlungen, da er keinen Zugang zur Dialektik dieses Verhältnisses fand. Konfrontation ist Gegenüberstellung in einer Sache, zu der beide Seiten sich etwas wie auch immer Motiviertes zu sagen haben. Der casus bellum ist das logisch Mögliche und das real Seiende. Dem chinesischen Philosophen sei hier, so Moritz, ein folgenreicher Denkfehler unterlaufen: "Was logisch-begrifflich trennbar ist, wird von Gong-sun Long als in der Realität getrennt betrachtet. Allgemeines und Einzelnes, die in der Realität in einer dialektischen Einheit bestehen, werden ihrer logischen Trennung wegen auseinandergerissen."2 Die logische Trennung ist möglich, aber sie so als Seiendes zu denken, falsch. In der Tat spricht nach Aristoteles falsch, wer Unzertrennbares trennt. Falsches zu behaupten hat in der Aristotelischen Tradition seinen Grund aber nicht in der Falschheit der logischen Möglichkeit, sondern in der logischen Möglichkeit von Falschheit. So ist es denn logisch möglich, daß eine Möglichkeit als Wirklichkeit behauptet die Behauptung einer Falschheit ist. Worin besteht die Möglichkeit, etwas "logisch-begrifflich" zu trennen, was dann als Wirklichsein behauptet falsch ist? Doch wohl darin, daß etwas, dem Verstehen zugänglich, diesem zunächst als Ungetrenntes gegeben ist. Das Denken bemächtigt sich des Gegebenen und zerlegt es begrifflich gemäß der dem Logischen eigenen Maßstäbe. Das so erhaltene Begriffliche in seiner Getrenntheit für das Wirkliche auszugeben, ist der Salto mortale des logischen Denkens in seine Falschheit. Dieser Erklärung zufolge ist das gegebene Ungetrennte ein dialektisches Verhältnis. Wäre es ohne begriffliche Arbeit als solches einsehbar, gäbe es eine bisher vielleicht schon benutzte, jedoch noch nicht bewußt genutzte Quelle menschlichen Erkennens. Ihr wäre freilich der Nachteil eigen, daß sie in ihrer Sprachlosigkeit gleich den Wahrnehmungen vollkommen an das schauende Individuum gebunden und jeder Versuch sprachgebundener Mitteilung eine in Abstruses verwandelnde Verzerrung wäre. Einem solchen Vermögen könnten viele psychische Leistungen angedichtet werden, verschwindet es doch, wenn man seiner wenigstens intersubjektiv überprüfbar habhaft werden wollte. Denken kann nur Denkbares gegeben sein. Es ist denkbar, eine Wahrnehmung zu haben, die Wahrnehmung selbst ist jedoch nicht denkbar. Dagegen könnte ein entsprechend weit gefaßter Begriff des Denkens gesetzt werden. In dem nunmehr nicht erschauten, sondern wahrgenommenen dialektischen Verhältnis hätte das so weit gefaßte Denken vor aller Begrifflichkeit schon die nur noch zu benennende Wahrheit. Das sich an ihr weiter betätigende Denken, das doch eigentlich mit dem Besitz dieser Wahrheit zufrieden sein sollte, findet seine gerechte Strafe für diese Mißachtung durch Verlust seiner Erinnerung an das, wovon es einst ausgegangen ist. Im Ergebnis hebt die Falschheit des begrifflichen Denkens die Wahrheit des 2
Moritz (1990), S. 165.
Gong-sun Long: Ein weißes Pferd ist kein Pferd
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wahrnehmenden Denkens auf. Über dem Gebiet des Dialektischen besitzt das derart begrifflich erweiterte Denken alle Anzeichen einer Schizophrenie. Die benannte Wahrheit von Dialektischem, von der eben die Rede war, ist benannte Wahrnehmung ihrer Existenz nach, mehr nicht. Die Benennung erhält den semantischen Status eines Eigennamens, wenn sie zur Bildung von Aussagen herangezogen wird, also (der Frege-Semantik folgend) die Argumentstelle einer Subsumtion oder mindestens eine solche Stelle der Identität einnimmt. Die Subsumtion behauptet etwas über das, was der in ihr vorkommende Eigennamen bezeichnet. Mit Hilfe eines Eigennamens allein kann man nichts aussagen. Eine nur aus einem Eigennamen bestehende Antwort auf eine Frage widerlegt das nicht. Die durch den Kontext ermöglichte Verkürzung kann immer durch eine Aussage rückgängig gemacht werden, zu deren Bildung allein auf die Frage und den Eigennamen zurückgegriffen wird. Erkennen ist mit der Formulierung sinnvoller Aussagesätze untrennbar verbunden, bei deren Produktion sich (bewußt oder unbewußt) logischbegriffliches Denken betätigt. Erkennen schließt somit in seinem Strang von Aussagen logisch-begriffliches Denken notwendig ein. Dieser Strang ist im Erkennen weder gelegentlich noch peripher, er ist auf der Subjektseite Erkennen konstituierend. Wie von einer Selbstverständlichkeit kann deshalb R. Moritz vom logisch-begrifflichen Denken ausgehen, das, so R. Moritz nun aber deutend weiter, in ein Mißverhältnis zum realen Dialektischen dann gerät, wenn es das ihm logisch Mögliche als das Wirkliche setzt. Da zwar alles Wirkliche auch möglich, jedoch nicht alles Mögliche wirklich ist, bedarf es bei dieser vermuteten Anmaßung des Denkens der Einschränkung auf das Dialektische nicht. Auch da, wo - aus welchen Gründen auch immer - reale Dialektik nicht Gegenstand von Erkennen ist, muß, um wahrheitsgemäß zu denken, Zusammengehörendes auch als solches gedacht werden. Die auch durch die Sprache mitbedingte Linearität logisch-begrifflichen Denkens (um bei diesem ja nicht nur von R. Moritz verwendeten Terminus zu bleiben) bringt mit sich, daß Zusammengehörigkeit immer gesondert dazugedacht werden muß. Bei Aussagen leisten das aussagenlogische Junktoren. Wie aber, muß nun gefragt werden, ist dialektische Zusammengehörigkeit zu denken? Solange keine "Dialektoren" angegeben werden, die ihrerseits auch mit festlegen, welches Getrennte es überhaupt ist, was durch sie aufeinander bezogen wird, ist die vermutete Konfrontation keine Erklärung, sondern selber der Notwendigkeit einer Erklärung unterliegende, in philosophische Termini gehüllte Rede. Unbestritten blieb die logisch-begriffliche Grundstruktur des überlieferten Textes von Gong-sun Long. Logische Hermeneutik hat Texte mit rationaler Argumentation zur Voraussetzung. Notwendige Bedingung rationaler Argumentation ist zumindest der Versuch des Durchhaltens einer wie auch immer gewählten Art des Logischen, z.B. des klassisch-logischen oder des modallogischen Schließens. Insofern sie logische Hermeneutik ist, setzt sie
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selbst das Verständnis dieser Komponente von Rationalität fest. Das aber, was Logisches als eine notwendige Komponente an sich hat, wird vorausgesetzt, nämlich die Rationalität oder das Rationale. Die Literatur zu diesem Thema ist groß ihrer Anzahl und reich an Ideen ihrem Inhalt nach. Wenn in dem, was durch den Satz vom zureichenden Grunde bestimmt wird, der Inhalt und der Umkreis dessen gesehen wird, was mit "Rationalität" hier gemeint ist, wird kaum etwas Neues zu dieser Diskussion beigetragen, wohl aber der Forderung Rechnung getragen, eine nicht selbstverständliche Voraussetzung mindestens soweit zu erläutern, daß die Grenzen ihrer Tragfähigkeit sichtbar werden. Dem Satz wird zugestimmt in der Version: Innerhalb der Art seines Seins ist nichts ohne Grund warum es ist. A. Schopenhauer hat seiner Philosophie folgende vier verschiedene Seinsarten uns gegebener Denkobjekte unterschieden und dementsprechend vier, ihrem Geltungsbereich nach verschiedene Sätze vom zureichenden Grunde angegeben. 3 Dem Klassifikationsprinzip kann man zustimmen, auch wenn die einzelnen Sätze heute nicht mehr so formuliert würden. So ist z.B. die Einschränkung des Satzes vom zureichenden Grunde des Erkennens auf wahre Prämissen im Hinblick auf den allgemeineren Ableitungsbegriff aufzugeben. Der Satz vom zureichenden Grunde ist eine Aussage über das Verbundensein von Objekten des Denkens und der Fähigkeit des Denkens, in der Ordnung seiner Ideen dem Verbundensein ihrer Objekte zu folgen (Spinoza). Von dieser Fähigkeit des denkenden Subjekts und nichts anderem sonst an ihm macht der Satz Gebrauch. So fällt denn alles, was mit dem sogenannten pragmatischen Aspekt eines Sprachausdrucks erfaßt werden soll, aus dem Satz und somit auch aus der logischen Hermeneutik heraus. Die logisch-semantisch geregelte Variation von Sätzen eines vorliegenden Textes in Theoreme einer (eventuell erweiterten) logischen Theorie oder in Ausdrücke eines (eventuell erst zu konstruierenden) Kalküls ist methodischer Leitfaden der logischen Hermeneutik. Gelingt die Variation, ist der Text als ein rationaler mit logisch bestimmten Eigenschaften gedeutet. Der bei Variation in Theoreme einer logischen Theorie erhaltene Sinn der variierten Sätze des gegebenen Textes ist im Regelfall nicht der, dem der Autor Ausdruck verschaffen wollte. Ganz abgeschnitten sind die Wege von der deutenden Variation zum gemeinten Sinn nicht. Der überlieferte Text von Gong-sun Long wird so aufgefaßt, als ob er die sprachlich zunächst in das Chinesische, dann von da her in das Deutsche geglättete Interpretation von Ausdrücken eines Kalküls ist. Ihn gilt es zu finden. Wegen der dabei allein einzuhaltenden logisch-semantischen Kategorien ist die "Reinterpretation" eine logisch-hermeneutische Aufgabe. Was im einzelnen an Ausdrucksmitteln benötigt wird, ergibt sich aus Erfordernissen der Textvariation. Eine Durchsicht des Textes hinsichtlich seiner prädikatenlogischen Deutung stößt sofort auf Schwierigkeiten, die nur durch
3
Schopenhauer (1891).
Gong-sun Long: Ein weißes Pferd ist kein Pferd
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eine Erweiterung der Ausdrucksmittel behoben werden können. Diese Erweiterung ist Gegenstand der folgenden Erörterungen. "X","Y",... sind Mitteilungszeichen für benannte scharfe Begriffe. Das Zeichen "e" zeigt an, daß nicht der Begriff X, sondern ein von X abhängiger Name vorliegt. sX bedeutet: Etwas, was X ist. eX ist kein Eigenname, sondern ein aus dem Begriffsnamen von X gebildeter Name, mit dem ein Gegenstand benannt wird, dessen Eigenschaften den im Begriff zusammengefaßten Merkmalen entsprechen. Die Verwendung von eX setzt die Kenntnis des Begriffes voraus, da er die Berechtigimg der Anwendimg dieser Namenart als das begrifflich Gemeinsame von Gegenständen regelt. eX ist ein Allgemeinname. Ein Allgemeinname ist keine Aussage. Da ein Begriff seinen semantischen Status als Begriff nicht verliert, wenn er seinem Umfang nach leer ist, kann der aus seinem Namen gebildete Allgemeinname auch nicht mit dem Anspruch der Existenz des durch ihn als ein X-seiend benannten Etwas auftreten. Semantisch ist ein Allgemeinname, so wie er hier bestimmt worden ist, Name eines gegenständlich repräsentiert gedachten und insofern erfüllten Begriffes. Daraus ergibt sich, daß ein Allgemeinname nicht die Stellen besetzen kann, die den mit seinem Begriff gleichstufigen Begriffen vorbehalten sind, und umgekehrt. Ein Allgemeinname ist nicht wie der von ihm repräsentierte Begriff eine einstellige Funktion. EX bedeutet irgendeinen gedachten Gegenstand, der nur soweit spezifiziert ist, daß er das an Eigenschaften an sich hat, was der Begriff X an Merkmalen vereint. Da es bei dem gedachten Gegenstand nur auf das Haben dieser Eigenschaften ankommt, unterscheiden sich solche Gegenstände, sofern sie diese Eigenschaften haben, voneinander nicht. Ein Allgemeinname kann daher syntaktisch wie ein Eigenname verwendet werden, obwohl er seiner semantischen Natur nach eine andere Klasse von Namen bildet. Das Zeichen "/" steht für: ist klassifizierbar als. Der Klassifikator ist ein zweistelliger aussagenbildender Funktor. Die Wertebereiche seiner Argumentstellen sind die Mengen der Allgemeinnamen jeweils gleichstufiger Begriffe. Die Klassifikation (X/Y) behauptet: Dasselbe Etwas, das ein X ist, ist klassifizierbar als ein Etwas, das ein Y ist. Die Klassifikationsbehauptung (X/Y) ist wahr genau dann, wenn jedes Merkmal von Y auch ein Merkmal von X ist. Ist (X/Y) wahr, kann dasselbe Etwas, was ein X ist, auch als ein Etwas benannt werden, was ein Y ist. Der Klassifikator ist reflexiv und transitiv. Man könnte meinen, daß sich die Klassifikation von Allgemeinnamen auch wie folgt (als Theorem eingeführt) definieren läßt: X/Y=AX[X(X)-»Y(X)]. Ob von einem Allgemeinnamen zu einem anderen für dasselbe Etwas in der festgelegten Weise übergegangen werden kann oder nicht, ist jedoch keine gegenständlich, sondern eine nur begriffsanalytisch zu lösende Aufgabe. Im Rahmen der Begriffsanalyse ist die Bildung einer solchen ihr untergeordneten Implikation nicht ausgeschlossen. ( X / / Y ) steht abkürzend für: ( X / Y ) und ( Y / X ) , also für die wechselseitige Klassifizierbarkeit. Die wechselseitige Klassifizierbarkeit von Allgemeinnamen ist symmetrisch. Wie die Identität, so ist auch die wechselseitige Klassifizier-
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barkeit eine Äquivalenzrelation. Diese Gemeinsamkeit kann leicht zu ihrer Nichtunterscheidung fuhren. Nur Allgemeinnamen können Argumentwerte des Klassifikators sein. Vielleicht wird der Klassifikator entbehrlich sein, weil die Klassifikation eben doch nur eine generalisierte Implikation ist. Vor allem bei historischen Texten ist jedoch eine gewisse Zurückhaltung vor zu großer Vereinfachung geboten. Die Klassifikation (X/Y) gehört zur syntaktischen Kategorie der Ausdrücke. X*Y bedeutet: Y, determiniert durch X. Der Definitionsbereich der Determination sind jeweils gleichstufige scharfe Begriffe. Farbe*Pferd bedeutet demnach: farbiges Pferd, Pferd*Farbe hingegen Pferde-Farbe (oder pferdige Farbe; bei Interpretation in einer natürlichen Sprache muß immer mit solchen Deutungsschwankungen gerechnet werden, die aber hingenommen werden können, solange sie nicht die Determination berühren). In der formallogischen Tradition entspricht der Determination die Multiplikation von Begriffen, wie sie z.B. von Wilhelm Wundt in seiner "Logik"4 definiert worden ist. Sie ist dort aber gewöhnlich der Regel unterstellt, daß bei der Determination aus einem Gattungsbegriff ein Artbegriff entsteht. Damit wird jedoch die Ausführbarkeit der Determination an die Erfüllung einer Wahrheitsbedingung gebunden. Um das zu vermeiden, wird die Determination hier nicht mit dieser Regel verbunden. Würde die Regel beibehalten werden, wäre die Determination noch immer nicht einfach die Umkehrung der Klassifikation. Letztere ist Ausdrucksbildung über Allgemeinnamen, eine Determination hingegen ist Begriffsbildung über scharfe Begriffe. Ersichtlich aber ist die Regel Wahrheitsbedingung der Klassifikation geworden. Die Determination ist nicht dasselbe wie die Vereinigung, die Summation zweier Begriffe X,Y. Die Vereinigung ist die Bildung eines die Merkmale der Begriffe X, Y umfassenden Begriffes, der ein leerer Begriff sein kann, obwohl weder X noch Y leere Begriffe sind, wie z.B. die Summe der Begriffe Apfel und Eisen. Im Text von Gong-sun Long könnte man das Zusammen von Getrenntem (9.A:d.) als Operation der Vereinigungsbildung verstehen. Was an dieser Stelle gemeint ist, wird auch durch die Relation "Z(X,Y)" erfaßt. Die Determination dagegen ist eine Begriffseinschränkung, die vor allem dann eintritt, wenn die Begriffe X, Y keine Merkmale gemeinsam haben. Der Fall, daß eine Determination leer ist, obwohl die vorkommenden Begriffe für sich nicht leer sind, ist auch hier nicht ausgeschlossen. So ist zwar die Determination von Apfel durch Eisen der nicht leere Begriff eiserner Apfel, der Begriff apfelartiges Eisen wird jedoch leer sein. Statt X*Y wird auch XY als Bezeichnung einer Determination zugelassen. Wenn vom Text her Begriffsbildung durch Determination erfolgt, wird die Bezeichnung "X*Y" bevorzugt. -"X ist zu lesen als: ohne X genommen. Der Abstraktor ^ bezieht sich immer nur auf den ihm unmittelbar folgenden Begriff. Statt ( _, X)Y kann somit auch geschrieben werden: ~XY, wenn Y ohne X zu nehmen ist. ^ 4
Wundt (1906), S. 230ff.
Gong-sun Long: Ein weißes Pferd ist kein Pferd
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weißes Pferd bedeutet dieser Bestimmung gemäß: Pferd ohne Farbe weiß genommen; weißes Pferd hingegen: Farbe weiß ohne Pferd. In formallogischer Tradition ist das eine Begriffsverallgemeinerung, nämlich der Übergang vom Begriff weißes Pferd durch Absehen von dem Merkmal weiß zum Begriff Pferd, bzw. durch Absehen vom Merkmal Pferd zum Begriff weiß. ^XY ist somit gleichbedeutend mit Y und X-'Y gleichbedeutend mit X. Die Abstraktion, nicht die Klassifikation, ist in dieser Tradition die Umkehrung der Determination. Die Nichtannahme der Determinationsregel hebt diesen Zusammenhang jedoch auf und damit auch die Bindung der beiden Operationen an einen Abstraktionsbegriff. Auch hier ist zu beachten, daß der Abstraktor über scharfe Begriffe definiert ist, auch wenn das semantische Resultat in bestimmten Fällen dasselbe ist. Mit Hilfe von Anfuhrungszeichen wird angezeigt, daß nicht ein benannter Begriff, sondern seine Benennung gemeint ist. Eine solche Benennung ist ein Gemeinname. Ein Gemeinname kann zur Bezeichnung jedes unter den betreffenden Begriff fallenden Gegenstandes verwendet werden. Allein schon durch diese Eigenschaft unterscheidet sich ein Gemeinname von einem Allgemeinnamen. Dazu kommt, daß ein Gemeinname nicht die Stelle einnehmen kann, die der syntaktischen Kategorie nach einem Eigennamen vorbehalten ist. Ein Gemeinname ist kein Eigenname. Da nun ein Allgemeinname etwas bedeutet, was unter den Begriff fallt, mit dessen Hilfe er gebildet worden ist, kann auch er mit dem Gemeinnamen bezeichnet werden, der von demselben benannten Begriff ausgehend gebildet wurde. Anfuhrungszeichen kommen nur bezogen auf Begriffs- oder Relationsausdrücke vor. Die hier eingeführten Zeichen werden einer Sprache des Prädikatenkalküls erster Stufe hinzugefügt, und die Ausdrucksdefinition ist entsprechend der syntaktischen Kategorie der Zeichen zu ergänzen. Einer logisch-hermeneutischen Variation (oder Deutung) liegen logischsemantische (kurz: semantische) Kategorien zugrunde. Da nur innerhalb einer semantischen Kategorie variiert werden darf, haben diese Kategorien die Funktion von Übersetzungsregeln. Welche semantischen Kategorien zur Verfügung stehen, hängt von der gewählten logisch-semantischen Theorie ab. In der hier herangezogenen Frege-Semantik, einer semantischen Theorie der klassischen Logik, werden der Verschiedenheit ihrer logischen Struktur wegen drei Aussagearten unterschieden: Subsumtion, Subordination und Subalternation. Die Subsumtion ist eine semantische Kategorie, die darin abweichend von G. Frege, n-stellige Beziehungen umfaßt (n>l). Die Subsumtion behauptet im Fall n = 1 das Fallen eines Gegenstandes unter einen Begriff, im Fall n > 1 das Stehen von n geordneten Gegenständen in einer Relation. Die Gegenstände und die n-stelligen Beziehungen werden als sprachlich benannt vorausgesetzt, z.B. mit Hilfe der deutschen Sprache. Allgemeinnamen, Eigennamen und Kennzeichnungen bilden zusammen eine semantische Kategorie, die der Namen. Die Gemeinnamen bilden eine eigene se-
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Lothar Kreiser
mantische Kategorie. Die Klassifikation ist eine Subsumtion. Sie behauptet ähnlich der Identität das Bestehen einer Relation zwischen Gegenständen. Die n-stelligen Beziehungen bilden zusammen mit den Determinationen und Abstraktionen die semantische Kategorie der Prädikate. Eine Variation innerhalb der Kategorie der Beziehungen ist mit der Bedingung verbunden, daß die jeweilige Stellenzahl der zu variierenden Beziehung beibehalten wird. Die Subordination ist eine semantische Kategorie, die quantifizierte aussagenlogisch verknüpfte Subsumtionen umfaßt, die ihrerseits - in Übereinstimmung mit der Ausdrucksdefinition der gewählten prädikatenlogischen Sprache - wieder quantifiziert sein können. Die Subordination behauptet unter Rückgriff auf die Umfänge von Beziehungen einen Zusammenhang zwischen gleichstufigen Beziehungen. Die Subalternation ist eine semantische Kategorie, die Beziehungen umfaßt, deren Argumentwerte sämtlich um eine Stufe niedrigere Beziehungen sind. Dieser Bedingung zufolge kommen Subalternationen in der hier vorausgesetzten Prädikatenlogik 1. Stufe nicht vor. Der Variation die zweiwertige Logik zugrunde zu legen wird insbesondere durch die Textstelle 6.B:f. gefordert. Die Auswahl der semantischen Theorie muß sich über ihre durchgehende Anwendbarkeit bewähren. Eine mit ihr konsistente Erweiterung ist zulässig und hier auch erfolgt. Der nächste Schritt ist die Identifizierung von Textstellen ihrer semantischen Kategorie nach. Dafür gibt es keinen abzuarbeitenden Algorithmus. Man wird mit Textstellen rechnen müssen, die sich unter keine der zur Verfugung stehenden semantischen Kategorien bringen lassen. Ihr Übergehen muß sich aus dem rationalen Argumentationsgang des Textes rechtfertigen lassen. Im gegebenen Text sind das Fragen; Fragen lassen sich in der klassischen Prädikatenlogik nicht ohne deren Erweiterung formulieren. Der Text erzwingt das nicht. l.A: kann als die Eröffhungsbehauptung einer Argumentation verstanden werden und 3.A: als Aufforderung zu der mit 4.B:a. einsetzenden Begründung. 4.B:a. schließt unmittelbar an 2.B: an. Beides rechtfertigt das Übergehen von 3.A:. 5.A:b.ist der rhetorisch verkleidete Behauptungsteil: dann ist es ein Pferd. 5.A:d. wird wie l.A: als eine zur weiteren Argumentation gesetzte Aussage gedeutet. 6.B:e. wird so gelesen: Wenn aber das, was man sucht, nicht verschieden ist, dann kommt nicht ein gelbes oder ein schwarzes Pferd in Frage und nicht in Frage. Der Verlust liegt bei dieser Lesart ganz auf rhetorischer Seite. 7.A:d. kleidet eine Negation ebenfalls in eine rhetorische Frage, die ohne den Negator auskommt. 8.B:c. wird so gedeutet, daß man unter derselben, in 8.B:b. formulierten, Voraussetzung nicht das Weißsein eines Pferdes behaupten kann. 1 l.A: kann ohne die Frage in 10.B: verstanden werden als Verneinung der dort aufgestellten Behauptung. In 12.B:c. ist der ab dem Gedankenstrich folgende Textteil gedeutet als torisch effektvollere Umschreibung eines Paradoxons, auf das es in der Argumentation allein ankommt.
Gong-sun Long: Ein weißes Pferd ist kein Pferd
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Im zu variierenden Text kommen gemäß der semantischen Kategorie der Prädikate folgende Begriffe und zweistellige Beziehungen vor: P WP (bzw. W*P) GP (bzw. G*P) SP (bzw. S*P) G F Fo V B(x,y) S(x,y) K(x,y) Z(x,y)
- Pferd - weißes Pferd - gelbes Pferd - schwarzes Pferd - Gegenstand - Farbe - Form - Vogel - x bezeichnet y - x sucht y - für x kommt y in Frage - x zusammen mit y
Im Text tritt noch auf: x wird y gegeben (6.B:a.der nachfolgenden Zählung der Aussagen im Text). Im gegebenen Kontext ist diese Beziehung äquivalent mit der Beziehung K(x,y). Die nachfolgend vorgeschlagene Variation dürfte nunmehr im Grundsatz verständlich sein, aber an verschiedenen Stellen noch eines erläuternden Kommentars bedürfen. Um die Variation zunächst in ihrer Gesamtheit vorzustellen, wird die Kommentierung im Anschluß an sie erfolgen. In der linken Spalte steht der in seinen Aussagen durchnumerierte Text von Gong-sun Long in der Übersetzung von R. Moritz. In der rechten Spalte steht auf der gleichen Höhe des jeweiligen Satzanfanges der Ausdruck, in den variiert worden ist. Gong-sun Long 1.A:
Kann man sagen, daß ein weißes Pferd nicht ein Pferd ist ? 2.B: Das kann man sagen. 3.A: Wieso ? 4.B:a. Mit Pferd wird die Form bezeichnet; b. mit Weiß wird die Farbe bezeichnet c. Die Farbe bezeichnen ist nicht dasselbe wie die Form bezeichnen. d. Darum heißt es, ein weißes Pferd ist nicht ein Pferd. 5.A:a. Hat man ein weißes Pferd, so kann man doch nicht sagen, daß man kein Pferd hat. b. Wenn man nicht sagen kann, daß es kein Pferd ist - ist es dann nicht ein Pferd ?
Variation 1. ~(eWP/eP) 2. ~(eWP/eP) 3. 4.a. B("P",eFo) b. B("W",eF) c.~(B("X",eFo)= sB("X",eF)) d. ~(eWP/eP) 5.a. H(a,sWp)—»—(H(a,eP))
b. —(H(a,eP) —» H(a,eP))
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c.
Lothar Kreiser
Ein weißes Pferd haben - das heißt also ein Pferd zu haben. d. Wieso ist dann ein weißes Pferd kein Pferd ? 6.B:a. Sucht jemand ein Pferd, so kann man ihm auch ein gelbes oder schwarzes Pferd geben. b. Sucht einer aber ein weißes Pferd, so kommt ein gelbes oder schwarzes Pferd gar nicht in Frage. c. Wenn ein weißes Pferd ein Pferd ist, so ist das, was man sucht, gleich. d. Wenn das, was man sucht, gleich ist, so ist ein weißes Pferd nicht von einem Pferd verschieden. e. Wenn aber das, was man sucht, nicht verschieden ist, wieso kommt dann ein gelbes oder ein schwarzes Pferd einmal in Frage und einmal nicht in Frage? f. In-Frage-Kommen und Nicht- inFrage-Kommen - das schließt sich gegenseitig aus; das ist doch wohl einleuchtend. g. So kann man ein gelbes Pferd und ein schwarzes Pferd als gleich betrachten und sagen, daß man ein Pferd hat. h. Aber man kann nicht behaupten, daß man ein weißes Pferd hat. i. Deshalb ist ein weißes Pferd offenkundig nicht ein Pferd. 7.A:a. Wenn man meint, daß ein Pferd, was eine Farbe hat, kein Pferd ist, b. es aber doch auf der Welt kein Pferd ohne Farbe gibt, c. dann hieße das, daß es auf der Welt keine Pferde gibt. d. Kann man so etwas denn sagen? 8.B:a. Ein Pferd hat stets eine Farbe. Deshalb gibt es auch ein weißes Pferd. b. Angenommen, ein Pferd ist ohne Farbe, dann wäre es einfach ein Pferd - und weiter nichts.
c. H(a,eWP)-> H(a,eP) d. (eWP/eP)
6.a. S(a,eP)-> K(a,EGP)vK(a,sSP) b. S(a,eWP)—» ~(K(a,eGP)vK(a,eSP)) c. (EWP/EP)—>S(a,eP)
d. S(a,eP)-KeWP//eP)
e S(a,eP)—> (K(a,eGP)vK(a,eSP)A ~(K(a,eGP)vK(a,eSP))
f. ~ ( K ( X , Y ) A ~ K ( X , X ) )
g. E G P = E S P - > ((EGP=SSP)=EP)
h. G P = E S P - > ~ ( ( E G P = E S P ) = EP) i. ~(EWP/EP)
7.a. Vx~(F*P(x)) b. Vx~(-F*P(x)) c. Vx~P(x) d. P(x) 8.a. VX(P(X)-»F*P(X))A
3xWP(x) b. Vx(F*P(x)—>P(x))
239
Gong-sun Long: Ein weißes Pferd ist kein Pferd
c.
Wie sollte man da von einem weißen Pferd sprechen? d. So ist das Weiße nicht Pferd. e. Weißes Pferd ist Pferd und weiß. f. Pferd und weiß ist nicht Pferd. g. Deshalb ist ein weißes Pferd nicht ein Pferd. 9.A:a. (Du sagst:) Pferd, noch nicht mit weiß vereint, heißt nur Pferd. b. Weiß, noch nicht mit Pferd vereint, heißt nur weiß. c. Pferd zusammen mit weiß - das ergibt den zusammengesetzten Namen "weisses Pferd". d. So aber wird das Getrennte genommen, um das Zusammen zu benennen. Das aber ist nicht richtig. e. Deshalb zu sagen, daß ein weißes Pferd kein Pferd ist - das ist falsch. 10.B:a. Wenn du meinst, daß ein weißes Pferd ein Pferd ist, dann sagst du damit, daß ein Pferd als ein gelbes Pferd gilt. Kann man das etwa? 11.A: Nein. 12.B:a. Wenn ein Pferd etwas anderes ist als ein gelbes Pferd, dann ist ein gelbes Pferd von einem Pferd verschieden. b. Ist ein gelbes Pferd etwas anderes als ein Pferd, dann gilt, daß ein gelbes Pferd nicht ein Pferd ist. c. Zu sagen, ein gelbes Pferd ist nicht ein Pferd, zugleich aber zu behaupten, ein weißes Pferd ist ein Pferd das ist wie ein Vogel, der in den Teich fliegt oder als ob innerer und äußerer Sarg an getrennten Orten sind. Das sind fürwahr widersinnige Argumente und wirre Worte unter dem Himmel. 13.B:a. Wenn behauptet wird, daß man dann, wenn ein weißes Pferd da ist, nicht sagen könne, es sei nicht ein Pferd, wird weiß weggestrichen.
c. Vx(-F*P(x)->~WP(x)) d. ~ ( E W = E P )
e. Vx(WP(x)-»W*P(x)) f. Vx~(P(x)->W*P(x)) g. ~(eWP/eP) 9.a. B("P",eP) b. B("W",eW) c. B("WP",Z(eP,eW))
d. B ( " X Y " , Z ( E X , E Y ) )
e. — ( E W P / E P )
10.
EWP/EP-»EP/EGP
11. ~(EP/EGP) 12.a. ~(EP/EGP)—>~(EP = E
GP)
b. ~(EP =
EGP)->~(EGP/E
P) c. ( E G P / E P ) A ~ ( E W P / E P )
V(a)A~V(a)
13.a. EWP/EP->-WP(EP)
240 b.
Lothar Kreiser
Streicht man weiß jedoch nicht weg, dann gilt, daß ein weißes Pferd nicht Pferd genannt werden kann. c. Darum wird, wenn Pferd gesagt wird, nur Pferd als Pferd genommen, aber nicht ein weißes Pferd als Pferd. d. So sagen wir Pferd, aber wir sagen nicht einmal Pferd (als solches für sich) und zum anderen Pferd (als weißes Pferd). 14.B:a. Weiß, was nicht an einem Gegenstand ist - das kann außer acht gelassen werden. b. Aber weißes Pferd - hier ist weiß an einem Gegenstand. c. Der Gegenstand, an dem weiß ist, ist nicht das Weiße (an sich). d. Pferd schließt nicht Farben aus. e. Sowohl ein gelbes als auch ein schwarzes Pferd entspricht dem. f. Weißes Pferd hingegen schließt (andere) Farben aus. g. So entsprechen gelbes und schwarzes Pferd ihrer Farbe wegen nicht. h. Allein ein weißes Pferd ist hier zutreffend. i. Das, was nicht (Farben) ausschließt, kann nicht das gleiche sein, was (Farbe) ausschließt. j. Deshalb ist ein weißes Pferd nicht ein Pferd.
b.~( _, WP(eP)->~(eWP/eP)
c. B ( " P " , e G ) - >
(eG = eP)A~(eG=eWP)
d. B ( " P " , e P ) a ~(B("P",bP) aB("P",eWP))
14.a. Vx(W~~W(x))
b. Vx(WP(x)—>W*G(x)) c. W ( e G ) - > ~ G ( e W )
d. Vx(P(x)—>FP(x)) e. 3x(P(x)aGP(x))a 3x(P(x)aSP(x)) f. Vx(WP(x)-> ~(GP(x)v SP(x)) g. ~3x(WP(x)aGP(x))a ~3x(WP(x)aSP(x)) h. Vx(WP(x)->WP(x)) i. ~(WP(x)=P(x))
j. ~(eWP/eP)
Zur Textdeutung ist noch zu bemerken, daß 6.B:g. und h. bei dieser Variation keiner weiteren Voraussetzungen bedürfen, die dann gemacht werden müssen, wenn der Textteil "daß man ein Pferd hat" in H(a,£P) bzw. der Textteil von h. in H(a,EWP) variiert wird. 9.A:a. und b. sind in Rücksicht auf die beiden folgenden Argumente in der vorliegenden Weise gedeutet worden. Dadurch fällt "noch nicht mit weiß vereint" bzw. "noch nicht mit Pferd vereint" aus der Variation heraus. Die Rechtfertigung dafür ist im Zusammenhang mit dem Abstraktor bereits gegeben worden: X-"Y ist gleichbedeutend mit Y. Wollte man das nicht, böte sich für 9.A:a. auch die Deutung mittels folgender semantischer Kategorien an: VxB("P",- , W*P(x)); analog dann auch 9.A:b. Das ergäbe aber nicht mehr einen so zusammenhängenden Argumentationsgang mit den folgenden Aussagen. 9.A:c. erscheint vom Kalkülausdruck her folgendermaßen neu übersetzbar zu sein:
Gong-sun Long: Ein weißes Pferd ist kein Pferd
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"Pferd zusammen mit weiß - das ergibt, was den zusammengesetzten Namen "weißes Pferd" hat." Die Objektebene der in 9. vorkommenden Aussagen wäre dann nämlich durchgehend dieselbe. Über die rechts stehenden Kalkülausdrücke kann nunmehr die logische Folgerichtigkeit der Argumentation analysiert werden. Dazu können z.B. als Ableitungsregeln die des prädikatenlogischen natürlichen Schließens verwendet werden. Es kann aber auch gefragt werden, welche logischen Schlußregeln Gong-sun Long allein vom Text her bekannt gewesen sind und worin eigentlich das logische Problem besteht, mit dem sich der vorliegende Text beschäftigt. Diesen Fragen nachgehend kann erstens gesagt werden, daß Gong-sun Long der gegebenen Variation zufolge mindestens bekannt waren die Abtrennungsregel (12.B:c.), die Transitivität der Implikation (12.B.a.,b.), die Beseitigung der doppelten Negation (5.A:b.). Die Prämissen des modus tollens bildet er, zieht aber nicht die dieser Regel gemäße Schlußfolgerung, sondern keine (5.A:b.). Daß ( _, X*Y) gleichbedeutend ist mit Y, ist ihm gleichfalls bekannt (7.A:b.). Wenn kein Gegenstand unter einen von einem Begriff determinierten wie nicht determinierten Begriff fällt, dann fällt unter den Begriff selber kein Gegenstand, so lautet 7. als Schlußregel. lO.a. markiert in einem Ausdruck das logische Problem. Gong-sun Long will deutlich machen, daß ein Gattungsname eine Art der Gattung nur wiederum als Gattung bezeichnet. Versteht man die Klassifikation (sX*Y/eY) in der Weise, daß Y ein Y zusammen mit X ist (vgl. die diese Verstehensweise belegende Argumentation in 13.B:), dann kommt man zu inhaltlich falschen Aussagen (z.B. das Antezedenz in 10.B), einem logischen Widerspruch (6.B:e.) oder zu einer paradoxen Schlußfolgerung (12.B:c.). Der Fehler wird vermieden, wenn man deshalb z. B. den Ausdruck (eX*Y/eY) aus logischen Gründen als falsch verwirft. Der Text ist der Versuch einer rationalen Begründung dieser radikalen Entscheidung. Das Resultat scheint die von R. Moritz vorgeschlagene Verstehensweise des Textes zu bestätigen. Ist das Absehen von den Artmerkmalen eines Begriffes schon beim Übergang zu einem nächsthöheren Gattungsbegriff nicht doch in ontologischer Sicht eine Gegenüberstellung von Art (Besonderem) und Gattung (Allgemeinem)? Es werde ja ausdrücklich anerkannt, daß im Gattungsbegriff die Spur zu einem unter ihm stehenden Artbegriff im allgemeinen gelöscht sei. Damit werde etwas aufgegeben, was bereits ein fester Besitz des erkennenden Denkens war. Wäre, um dieses Bedauern in seiner Konsequenz aufzugreifen, Determination eines Begriffes durch einen Begriff allein mittels logischer Regeln so festlegbar, daß der dabei entstandene determinierte Begriff stets ein erfüllter Begriff sein würde, könnte man sich auf diesem Wege der Wirklichkeit annähern durch Bildung immer konkreterer Artbegriffe ohne Rückgriff auf Erfahrungswissen; die Logik wäre ihr begrifflicher Demiurg. Daß dem nicht so ist, kann man nicht bestreiten, sicher aber philosophisch unterschiedlich interpretieren, der Blick allein auf den Gattungsbegriff verdeckt den tatsächlichen Gewinn, das durch Anwen-
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dung des Klassifikators entstandene Begriffssystem. Was der einzelne Begriff nicht aufzubewahren vermag, nämlich seine Vorgänger und seine koordinierten Begriffe, das geht in die durch den Klassifikator erzeugten Begriffsbeziehungen eines klassifikatorischen Systems ein. Da der Klassifikator Aussagen erzeugt, besteht das Begriffssystem nicht in sich verzweigenden Folgen von Begriffen, sondern aus Aussagen über Beziehungen zwischen Begriffen. Es gibt in ihm keine isolierten Begriffe. * Dieser Beitrag greift ein Thema auf, daß bereits in meinem Artikel "Logische Hermeneutik"5 unter dem Gesichtspunkt logischer Argumentationsfehler behandelt worden ist.
Literatur Moritz, Ralf (1990), Die Philosophie im alten China, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin Schopenhauer, Arthur (1891), Arthur Schopenhauers sämtliche Werke, herausg. von J. Frauenstädt, 2. Auflage, 1. Band, Schriften zur Erkenntnislehre, Brockhaus, Leipzig Wundt, W. (1906), Logik. Eine Untersuchung der Prinzipien der Erkenntnis und der Methoden wissenschaftlicher Forschung. Bd. I: Allgemeine Logik und Erkenntnistheorie. 3. Auflage, Verlag von F. Enke, Stuttgart
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Ruch Filozoficzny, Tom XLVII, Heft 3-4, 1990, S.230-240.
PETER STREHLE
Erbringt die dialogische Logik einen neuen Zugang zur Logiknutzung? Angefangen von der Antike über die Scholastik, Leibniz und Russell, Frege und Wittgenstein bis in den heutigen Tag gibt es eine Vielzahl von Versuchen, die Logik, im engeren Sinne die logischen Regeln, zur Erhöhung des rationalen Niveaus der wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Diskussionen, zur besseren Fundierung von Beweis- und Begründungsmethoden durch den bewußten Einsatz der logischen Mittel zu nutzen. Und obwohl es in der Wissenschaftsgeschichte sowohl Zeiten ausgesprochener Irrationalität, verbunden mit der bewußten oder unbewußten Logikabstinenz, als auch Zeiten, in der die Logik entsprechend ihres jeweiligen Entwicklungsstandes eine angemessene Benutzung erfuhr, gab, kann auf die interessanten Fragen nach deren Ursachen und Wirkungen hier nicht eingegangen werden. Betrachten wir die heutige Situation, so darf man wohl unumstritten feststellen, daß die moderne, auf Frege zurückgehende Form der formalen Logik ein wichtiges Fundament für die Wissenschaftssprachen und -methodologie vor allem solcher klassischen Disziplinen wie der Mathematik und Physik bildet. Die Notwendigkeit für das Hinterfragen der logischen Basis erwuchs bekanntlich u.a. aus den Grundlagenkrisen um die Jahrhundertwende. Auf die Bedeutung der Logik für die Informatik hinzuweisen, erübrigt sich, aber auch in andere geistes- und technikwissenschaftlichen Disziplinen findet die Logik zunehmend Eingang. Trotzdem ist der Grad der bewußten Verwendung der logischen Regeln und Beschreibungsmittel auch zur Abgrenzung und Unterscheidung von nichtdeduktiven Prinzipien (denen damit keineswegs die Notwendigkeit abgesprochen werden soll und darf) in wissenschaftlichen und außerwissenschaftlichen Diskursen und zur methodologischen Grundlegung (zum Wissenserwerb), zur Wissensrepräsentation (z.B. axiomatische Systeme) und zur Wissensvermittlung (u.a. folgerichtiger Unterricht) letztlich unbefriedigend, sowohl für die Wissenschaftler selbst (insofern sie soweit in ihre Disziplin eingedrungen sind, um auf Mängel in den Erkenntnismethoden zu stoßen) als auch für den mit Anwendungsfragen befaßten Logiker. Welche Ursachen kommen hierfür in Frage? Es sind wohl in erster Linie die folgenden: 1. Der Entwicklungsstand der modernen Logik selbst setzt ihrer Anwendung in Bereichen Grenzen, die solchen klassischen Postulaten wie - jeder Satz (Behauptung) ist entweder "wahr" oder "falsch" (Prinzip der Zweiwertigkeit und des ausgeschlossenen Dritten); damit verbunden:
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Peter Strehle
- der Wahrheitswert ist (zumindest potentiell) feststellbar; - der Sprachgebrauch ist weder vage noch mehrdeutig; - im Aussagensystem treten keine logischen Widersprüche auf; nicht genügen können, obwohl es eine Reihe brauchbarer Ansätze zur Überwindung der Forderungen der modernen klassischen Logik gibt. Dazu gehören die mehrwertigen Systeme 1 , die nichtklassischen Theorien zur logischen Folgebeziehung 2 , prädikatenlogische Systeme mit speziellen prädikatenlogischen Konstanten, z.B. modale und epistemische Logiken 3 , mehrdimensionale Ansätze 4 , parakonsistente Logiken 5 . Obwohl einige dieser Ansätze ihre Praktikabilität bereits gezeigt haben, kann deren Anwendungsbreite nicht befriedigen. Das liegt wohl zu einem großen Teil daran, daß diese Systeme nicht einfach zu handhaben sind und ihre Beherrschung die Kenntnis der modernen klassischen Logik voraussetzt. Das führt zum nächsten Grund. 2. Es besteht ein insgesamt sehr geringes Niveau der Ausbildung in der Logik und Wissenschaftstheorie überhaupt, an deren Überwindung an verschiedenen Stellen gearbeitet wird. Historisch ist diese Unterschätzung der modernen formalen Logik - zumindest im Beitrittsgebiet - u.a. durch eine völlig ungerechtfertigte Entgegensetzung zur Dialektik (auch dialektischen Logik) 6 und durch die Nichtbeachtung der Grenzen der Anwendbarkeit der klassischen Systeme mit den damit zwangsläufig verbundenen Mißerfolgen entstanden. 3. Die irrige Annahme, man komme mit dem sogenannten "gesunden Menschenverstand" aus, von dem diejenigen, die das behaupten dann auch noch annehmen, sie hätten davon genug. Man verdeutliche sich bloß, wie das aus der Relativitätstheorie erwachsene Phänomen der Relativität der Zeit (der Großvater kommt nach einem Weltraumflug unter bestimmten Bedingungen zur Erde zurück und ist "jünger" als seine Enkel) mit diesem Menschenverstand vereinbar ist, um dessen Grenzen zu erkennen. Daß die Erde eine Scheibe sein muß und man nur auf und nicht unter ihr stehen kann, weil man sonst herunterfällt, entsprach zu seiner Zeit ebenfalls diesem gesunden Menschenverstand. In diesem Zusammenhang erscheint nun die von Kamiah und Lorenzen begründete Erlanger Schule 7 mit ihrem Ansatz zur Grundlegung der Logik (die sogenannte dialogische oder konstruktive Logik); verbunden mit einem neuen Zugang zu den logischen Regeln von Interesse 8 .
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Gottwald (1989). Wessel (1984), S. 140-175. Stelzner (1984). Rescher (1968), Strehle (1984). Jaskowski (1969). Wessel (1984), S. 32-36. Kamlah/Lorenzen (1973). Lorenzen (1987).
Erbringt die dialogische Logik einen neuen Zugang zur Logiknutzung?
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Thiel unterscheidet zunächst drei Hauptarten des Zugangs zu den logischen Regeln: 9 1. der klassische (semantische) Zugang, der von einem Wahrheits oder Folgerungsbegriff ausgeht; 2. der syntaktische oder axiomatische Zugang, begründet von einem evidenten oder aber durch vorhergehende semantische Überlegungen gerechtfertigten Axiomensystem und den dazugehörigen Deduktionsregeln; 3. der dialogische oder argumentationstheoretische Zugang, bei dem die Allgemeingültigkeit eines (logischen) Ausdrucks als Verteidigbarkeit der damit behaupteten Aussagenverbindung gegen alle Bedenken und Zweifel erklärt wird. Beim ersten Zugang ist das Metaprinzip "Jede Aussage ist entweder wahr oder falsch" grundlegend. Die Regeln werden über die Wahrheitswertetabellen direkt gewonnen und können "direkt" kalkülisiert werden (Kalkül des natürlichen Schließens, Gentzenkalkül). Für den zweiten Zugang sind die Kalküle des Hilbert-Typs kennzeichnend. Die logischen Regeln sind indirekt als ableitbare Ausdrücke mit einem als Folgerungsbeziehung deutbaren Hauptfunktor enthalten. Gehen wir bei einem insgesamt noch recht umstrittenen Logikbegriff davon aus, daß sich die Logik einmal 1. mit den Gesetzen des Wahrseins 10 und zum anderen 2. mit den Regeln, wie man von vorhandenem Wissen zu weiterem "verborgenen" Wissen gelangt, befaßt. Dabei wird nach 1. das "Reich der ewigen (tautologischen) Wahrheiten" beschrieben, nach 2. bearbeitet die Logik die Gesetze des korrekten Schließens, d.h. des korrekten (sicheren) Übergangs von wahren (oder angenommen wahren) Behauptungen zu dann auch wahren Behauptungen. Es ist offensichtlich, daß der oben angeführte erste Zugang die zweite Aufgabe und der zweite Zugang die erste intendiert. Dabei gehen nun die Vertreter der konstruktiven resp. dialogischen Logik davon aus, daß die zweite Aufgabe die wichtigere ist, die außerdem der Logik in ihrem ursprünglichen Anliegen bei den Griechen entspricht: Ein Hilfsmittel bei der politischen, forensischen, rhetorischen oder didaktischen Argumentation zu sein. 11 Obwohl der Autor eine solche Gewichtung nicht für glücklich hält, ist doch auf Grund der Wissenschaftsentwicklung auch die erste Aufgabe für die Wissensrepräsentation bedeutsam, so ist dennoch die grundlegende Relevanz dieser Aufgabe unbestritten. Zuzustimmen ist auch der Auffassung, daß bei beiden Aufgaben das Subjekt, das die Operationen vollzieht, zwar in den Hintergrund tritt, aber doch vorhanden sein muß, beispielsweise in einem nach logischen Regeln vollzogenen Beweis in einer Wissenschaftsdisziplin. Man kann nun einen solchen Beweis als eine monologische 9 10 11
Thiel (1980), S. 117. Frege (1918), S. 58. Thiel (1980), S. 118.
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Argumentation interpretieren und gelangt zu der Einsicht, daß eine dialogische Argumentation im allgemeinen das für die Erkenntni sgewinnung bedeutsamere ist und es außerordentlich glücklich zu nennen wäre, entspräche der dritte Zugang zur Logik eben diesen Intentionen. Leider ist das nur in einem engen Rahmen der Fall, wie nun gezeigt werden soll. Dazu ist es unumgänglich, einige Grundprinzipien der dialogischen Logik (je nach Blickwinkel auch "argumentative" genannt) einzuführen. Zunächst muß ein Regelsystem angegeben werden. Wir folgen dabei Thiel, der eines der gebräuchlichsten wie folgt formuliert:12 1. Eine normierte Argumentation besteht aus abwechselnd vom Opponenten O und vom Proponenten P vorgebrachten Argumenten, deren Aussehen von gewissen Partikelregeln und deren Zulässigkeit von gewissen Rahmenregeln bestimmt werden. Sie beginnt mit der Behauptung einer i. A. zusammengesetzten Aussage (der These) durch P und endet mit Gewinn oder Verlust für je einen der beiden Argumentierenden gemäß einer Gewinnregel. 2. Elementaraussagen (auch: Primaussagen) werden durch schlichtes bezweifeln angegriffen (Notation: "?") und durch Vorlegen einer Begründung (Notation: "(a)" im Falle einer Elementaraussage "a") verteidigt. 3. Partikelregeln zur Mitteilung (Festlegung) des Sinnes der in der Argumentation vorgebrachten zusammengesetzten Argumente: a) Ein Negat "-V' wird unter Vorbringen des Gegenargumentes angegriffen: "?, A". Eine Verteidigung ist nicht möglich (dies entspricht der Herleitung eines Widerspruchs allein aus A im Verständnis der Aufgabenlogik) b) Ein Konjugat"" wird entweder durch Zweifel an der linken Teilaussage (durch "L?") oder durch Zweifel an der rechten Teilaussage (durch "R?") angegriffen; als Verteidigung gilt das Vorbringen des Arguments A bzw. B. c) Ein Adjungat " v " wird wie eine Elementaraussage durch schlichten Zweifel angegriffen; als Verteidigimg gelten A und B, zwischen denen der Behauptende jedoch zum Zwecke der Verteidigimg wählen muß. d) Ein Subjungat " -» " wird angegriffen, indem der Angreifende selbst A als Argument vorbringt (notiert insgesamt als "?,A"); die Verteidigung besteht im Vorbringen des Arguments B. e) Eine Allaussage "VxAx" wird angegriffen durch einen Zweifel unter Nennung eines Namens "c" aus dem Variabilitätsbereich von x durch den Angreifenden. Die Verteidigimg besteht aus dem Vorbringen des Arguments Ac. f) eine Existenzaussage "3xAx" wird angegriffen durch einen schlichten Zweifel "?" und verteidigt durch Vorbringen eines Arguments Ad mit einem Eigennamen "d" aus dem Variabilitätsbereich von x nach Wahl des Behauptenden.
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Thiel (1980), S. 124ff.
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4. Rahmenregeln: a) Jedes auf die These folgende Argument ist ein Angriff auf ein vorhergegangenes Argument des Argumentationspartners oder aber eine Verteidigung eines eigenen vorhergegangenen Arguments gegen einen Angriff. b) Jeder Argumentationspartner ist berechtigt, sich auf einen Angriff erst dann zu verteidigen, wenn er nicht mehr angreifen kann; dabei ist er verpflichtet, stets den zuletzt geführten Angriff zuerst zu beantworten. c)Gewinnregel: Der Argumentationspartner, der zuerst ein angegriffenes Argument nicht verteidigen kann, hat verloren, der andere gewonnen. Es ist offensichtlich, daß die Gewinnbarkeit eines Dialogs und damit die formale Wahrheit der These von den gewählten Dialogregeln, insbesondere von den gewählten Gewinnregeln abhängt. Die Frage ist nun, wie sich diese Regeln selbst rechtfertigen lassen. Lorenzen verweist auf die "Vernünftigkeit" der von ihm angegebenen Spielregeln.13 Bedauerlich ist nur, daß der Appell an die Vernunft hinfällig wird, wenn verschiedene Formulierungen der Dialogregeln vorgelegt werden, deren Äquivalenz noch zu zeigen ist 14 und es Fachleute gibt, die gerade diese Vernünftigkeit in Zweifel ziehen. Ohne auf die technischen Einzelheiten genauer einzugehen, fallt sofort die Asymmetrie der Rechte und Pflichten des Opponenten und Proponenten auf, die einer Rechtfertigung bedarf. Akzeptiert man etwa das Prinzip "Der Behauptende hat recht, solange er nicht widerlegt werden kann", so hat man vielleicht eine "moralische" Rechtfertigung für den Umstand, daß in den gebräuchlichsten Regelsystemen zwar der Opponent bei der Behauptung einer elementaren Aussage "a" in einer Zeile und deren Negation "-ia" in einer anderen den Dialog verliert, während das beim Proponenten nicht der Fall ist, da dieser nur jeweils den letzten Angriff verteidigen muß. Neben diesen und weiteren Einwänden15 muß für die praktische Anwendung der dialogischen Logik für die Belange der Bildung weiter diskutiert werden: 1. Wieso sollen gerade die klassischen Funktoren eine ausgezeichnete Rolle spielen? In Dialogen kommen weitere in den Ausdrücken vor. Der Einwand, diese seien durch äquivalente Umformung in Ausdrücke mit den Funktoren "V", " 3", " —> ", "->" überfuhrbar, ist wenig sinnvoll, denn funktional vollständig sind bereits Systeme mit den Funktoren "-I" und " - » " oder "-T und " A " u.a. 2. Lassen sich tatsächlich die in den praktischen Dialogen verwendeten Funktoren durch logische interpretieren? Wenigstens muß deren Gebrauch und Verstehensweise durch den Behauptenden hinterfragbar sein. So wird beispielsweise bei der Interpretation des "wenn, dann" 16 behauptet, es entspräche der Verstehensweise in der natürlichen Sprache, wenn gefordert wird: "Behauptet der eine Partner des Dialogs 'wenn a, dann b', so 13 14 15 16
Kamlah/Lorenzen (1973). Thiel (1980). Thiel (1980), S. 132f. Lorenzen (1969), S. 66.
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habe der andere das Recht, seinerseits 'a' zu behaupten. Kann er dies verteidigen, so hat der erste die Pflicht, 'b' zu behaupten und zu verteidigen:" Weiter hat der Proponent (der "wenn a, dann b" behauptet) dann gewonnen, wenn "nicht a" gilt bzw. der Zweifel an "a" nicht beseitigt werden kann. Das ist m.E. eine ungerechtfertigte Interpretation der Behauptung eines Zusammenhangs "wenn a, dann b". Behaupten wir "Wenn es regnet, wird die Straße trocken" so gilt das, wenn es nicht regnet? Praktisch würde beim Zweifel an "wenn a, so b" doch so argumentiert, der Behauptende muß bei der Annahme, daß "a" gilt zeigen, daß dann auch "b" gilt. Insgesamt kann also festgestellt werden: Die dialogische bzw. konstruktive Logik bildet eine andere Darstellungsweise der bekannten Logiksysteme, die zweifellos vielen Anwendungen entgegenkommt. Es bedarf jedoch noch weiterer Untersuchungen und Begründungen, bis der von Lorenzen erhobene Anspruch einer "natürlichen" Charakterisierung der Logik akzeptiert werden kann. Das ist aber für deren verbreitete Einfuhrung als Inhalt und Methode der Ausbildung schlechthin notwendig.
Literatur Frege, Gottlob (1918), Logische Untersuchungen. Erster Teil: Der Gedanke. Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus 1, S. 58-77 Gottwald, Siegfried (1989), Mehrwertige Logik, Akademie Verlag, Berlin Jaskowski, S. (1969), Propositional Calculus for Contradictory Deductive Systems. Studia Logika 24, S. 143-157 Kamlah, Wilhelm/Lorenzen, Paul (1973), Logische Propädeutik: Vorschule des vernünftigen Denkens, MannheimAVien/Zürich Lorenzen, Paul (1969), Methodisches Denken, Frankfurt/M. - (1987), Lehrbuch der konstruktiven Wissenschaftstheorie, Mannheim/ Wien/Zürich Kreiser, LJGottwald, S./Stelzner, W. (Hrsg) (1988), Nichtklassische Logik, AkademieVerlag, Berlin Rescher, Nicolas (1968), Topics in Philosophical Logic, Reidel, Dordrecht Strehle, Peter (1984), Zur Notwendigkeit und zum Aufbau mehrdimensionaler mehrwertiger Logiken. Untersuchungen zur Logik und zur Methodologie 1, S. 65-92 Stelzner, Werner (1984), Epistemische Logik: Zur logischen Analyse von Akzeptationsformen, Akademie Verlag, Berlin Thiel, Christian (1980), Über Ursprung und Problemlage des argumentationstheoretischen Aufbaus der Logik. In: Gethmann, Carl Friedrich (ed.): Theorie des wissenschaftlichen Argumentierens. Suhrkamp, Frankfurt/M. Wessel, Horst (1984), Logik, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin
PETER PHILIPP
Logik deskriptiver normativer Begriffe Der Aufsatz beginnt mit einer Motivierung für den Aufbau einer Logik deskriptiver normativer Begriffe; es wird gezeigt, daß die in den meisten Normenlogiken anerkannten Prinzipien normativer Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit nicht zu halten sind und daß normenlogische Folgerungsbeziehungen im üblichen Sinne weder zwischen Normen noch zwischen Normsätzen bestehen. Wir formulieren dann die normenlogische Sprache ¿Nl und bauen System N\ auf, mit dessen Hilfe sowohl die Statuierung expliziter Normen als auch die Gewinnung abgeleiteter Normen durch deontische Autoritäten charakterisiert werden können. Mit der Aufnahme des Systems S^2 von Stelzner in System können wir deontische Autoritäten als epistemische Subjekte hinsichtlich ihrer logischen Fähigkeiten klassifizieren. Dies genügt jedoch nicht, um deontische Autoritäten auch bezüglich ihres Umgangs mit spezifisch normativen Begriffen zu qualifizieren. Das geschieht dann mit dem sukzessiven Aufbau von A^-A^: Für System N j beschränken wir die Sprache auf absolute Normen bzw. Normativakte, A/3 bezieht auch relative Normen und Normativakte ein, und N4 erfaßt schließlich auch den Umgang mit Handlungsbegriffen. Bei all diesen Erweiterungen von N\ bleibt für unsere Vorgehensweise bestimmend, daß keine logischen Forderungen nach einem bestimmten Gebrauch normativer Begriffe aufgestellt werden, sondern Konsequenzen aus einem gewissen Gebrauch gezeigt werden. Abschließend unternehmen wir den Versuch, die Leistungsfähigkeit von System A/4 bei der formalen Rekonstruktion normativer Gegebenheiten und bei der Behandlung von Paradoxien der deontischen Logik nachzuweisen.
1. Methodologische Vorüberlegungen Normenlogische Untersuchungen werden gewöhnlich so betrieben, daß die Existenz von Normen und von Beziehungen zwischen Normen als deren triviale Voraussetzung erscheint. Die - eventuell philosophisch unreflektierte - Annahme von Normen als selbständige Wesenheiten gestattet es, sich auf recht einfache sprachliche Mittel beim Aufbau einer Normenlogik zu beschränken. Überschaut man die normenlogische Literatur, so zeigt sich, daß deren größter Teil damit auskommt, an relevanten sprachlichen Mitteln die deontischen Modalitäten P, F, O für 'erlaubt', 'verboten', 'geboten' resp. einzuführen und dann Ausdrücke wie Pp, F(p v q), 0(p z> q) usw. zuzulassen. Derartige Ausdrücke können zwei grundsätzlich verschiedene Deutungen erfahren: In dem einen Fall dienen sie dazu, Normen auszudrücken
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(Logik der Normen), im anderen dazu, das Bestehen oder Nichtbestehen von Normen zu beschreiben (Logik der Normsätze). Bemerkenswerterweise werden jedoch dadurch im Regelfall keine zwei verschiedenen Richtungen normenlogischer Untersuchungen konstituiert; sobald man die inhaltliche Deutung hinter sich gelassen hat, betreibt man Normenlogik im gleichen Stil.1 In der vorliegenden Arbeit wählen wir dagegen einen Ansatz zum Aufbau einer Normenlogik, der einer Logik der Normsätze zuzuordnen ist und zu Ergebnissen fuhrt, die es ausschließen, beliebig zwischen beiden Deutungen hin und her zu wandern. Der erste Schritt dazu besteht darin, daß wir mit unseren Überlegungen nicht erst dort einsetzen, wo bereits ein Reich der Normen als gegeben angenommen wird. Wir beschränken uns dabei auf solche Normen, die durch Normativakte zustande kommen. Typisches Beispiel dafür sind Rechtsnormen, doch gehören in den Bereich unserer Untersuchungen alle die Fälle, in denen man sinnvoll von NormSetzungen sprechen kann. Normsetzungen sind Handlungen, und zwar gemeinhin Sprechhandlungen. Für Sprechhandlungen eines bestimmten Types gibt es spezifische Vollzugsbedingungen, deren Nichteinhaltung zum Mißglücken der Handlung führt. Wir untersuchen nicht, welche Vollzugsbedingungen für Normsetzungshandlungen bestehen, sondern unterstellen lediglich, daß es soziale Verhältnisse gibt, die als Autorität-Adressat-Beziehung charakterisiert werden können und auf Grund derer gewisse Personen/Personengruppen gegenüber anderen Personen/Personengruppen Normativakte (Normsetzungsakte bzw. Normaufhebungsakte) ausführen können.2 Sowohl das Bestehen derartiger sozialer Beziehungen als auch die Erfüllung anderer (insbesondere konventioneller) Vollzugsbedingungen für Normativakte sind mit außerlogischen Mitteln festzustellen. Folgt man dem Sprachgebrauch Kutscheras, so könnten Imperative ein erster Untersuchungsgegenstand von Normenlogik sein: "Ein Imperativ ist eine sprachliche Form des Gebietens, Verbietens, Erlaubens, Aufforderns etc. [...] Imperative stellen Handlungen dar, die sich in sprachlichen Äußerungen vollziehen."3 Wir stimmen allerdings mit Kutschera in der Ableh1
2
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Vgl. z. B. Äqvist (1964). Nimmt man Normen als selbständige Wesenheiten an, so kann man neben einer Logik der Normen, die sich auf diese Weise konstituieren läßt, auch noch eine Logik der Normsätze errichten. Werden Normen aber als Resultat präskriptiven Sprachgebrauchs verstanden, so bleibt nur eine Logik der Normsätze. Bezogen auf diese beiden Arten von Logiken der Normsätze kommen Alchourrön/Bulygin (1981) zu dem Schluß: "We now have the impression that the same conceptual distinctions appear in both conceptions, though, of course, expressed in different languages. The choice between them is motivated by ontological considerations regarding the nature of norms, but there seems to be no crucial test that would justify a decision in favor of one of them. So, after all, it looks more like a problem of philosophical style and even personal preference than a question of truth." (S. 99f). Dabei ist es insbesondere auch möglich, daß eine soziale Gemeinschaft sich selbst Normen setzt, so daß also Autorität und Adressat identisch sind, bzw. jedem ihrer Mitglieder diese Normen setzt. Kutschera (1973), S. 12.
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nung einer Logik der Imperative überein, denn es "lassen sich Imperative als Handlungen nicht aus anderen Imperativen ableiten. Folgebeziehungen sind nur für Aussagen, nicht aber für Handlungen erklärt... Wo aber keine Folgebeziehungen bestehen, bleibt für eine Logik kein Raum."4 Versucht man nun, Normen als Gegenstand der Normenlogik zu retten, so ergibt sich, wenn man von Normativakten ausgeht, daß Normen (abstrakte?) Entitäten sind, deren Existenz von der Ausführung von Normativakten abhängt. Wie zwischen diesen Entitäten logische Beziehungen bestehen sollten, ist nicht zu erkennen: "Thus the existence of a norm ... is dependent on certain empirical facts [...] Therefore, as there are no logical relations between facts, there is no room for a logic of norms."5 Der von uns gewählte Ausgangspunkt läßt also weder eine Logik der Imperative noch eine Logik der Normen zu. Während wir aber bislang keine Gründe für die Annahme von Normen als selbständige Entitäten vorgebracht haben, kann das empirische Vorkommen von Normativakten als unbezweifelbar gelten. Der erste Schritt bei der Absolvierung unseres Programms bestehen daher darin, sprachliche Mittel einzuführen, mit deren Hilfe Aussagen über die Ausführung von Normativakten gemacht werden können. Wir unterscheiden drei Modi von Setzungsakten, nämlich Erlaubnis-, Verbots-, Gebotssetzungsakte, und entsprechend Erlaubnis-, Verbots-, Gebotsaufhebungsakte als die Modi von Aufhebungsakten.6 Aus den bisherigen Überlegungen ergibt sich, daß wir nicht nur den Inhalt eines Normatiwaktes ('Hiermit verbiete ich, zu stehlen!') auszudrücken haben, sondern die einzuführenden Begriffe auch auf Autorität und Adressat des Normativaktes relativieren müssen; schließlich muß auch ausgedrückt werden, wann der Normativakt ausgeführt wird. Normativakte können in der Umgangssprache vielfältige Gestalten haben; da wir hier jedoch nicht Normativakte ausdrücken wollen, sondern beschreiben, legen wir uns auf eine Standardform für die Angabe des Inhalts eines Normativaktes fest, ohne damit die Äußerung der Autorität anzuführen, mit deren Hilfe der Normativakt vollzogen wird. Dabei ist die Entscheidung zu fällen, ob Sachverhalte oder Ereignisse (insbesondere Handlungen) normiert werden7; obwohl dies die Frage nach einer Logik des Sein-Sollens oder des Tun-Sollens tangiert und somit philosophische Argumente eine Rolle spielen könnten, ist die meist zugunsten der Sachverhalte 4 5
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Ebenda, S. 14. Alchourrön/Bulygin (1981), S. 101. Will man trotzdem Logik der Normen betreiben, so muß auf jeden Fall die Abhängigkeit der Existenz von Normen von Normativakten bestritten werden. Eine solche Position nimmt z. B.ä Heitsch ein, der eine Normenlogik unter Bezugnahme auf objektive Aufforderungssituationen entwickeln will, wobei letztere im Unterschied zu Aufforderungsverhältnissen ein aufforderndes Subjekt überflüssig machen. Die objektive Gültigkeit (Geltung) von Normen läßt sich dann mit direktem Bezug auf die Aufforderungssituation begründen. (Vgl. Heitsch (1977), S. 109ff). Die Beschränkung auf diese drei Modi ist willkürlich; man könnte noch Freistellungen berücksichtigen und eventuell auch noch andere Modi finden. Vgl. z.B. Wright( 1981).
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vollzogene Entscheidung vor allem durch technische Vorteile gerechtfertigt. Wir entscheiden uns dafür, daß Handlungen normiert werden, allerdings Handlungen bezüglich ihres Resultats, das in einem Sachverhalt besteht. Dazu fuhren wir die 4-stelligen Prädikate T und H ein: T(x,p,t',t 2 ) ist zu lesen als 'x bemüht sich im durch t 1 und t 2 begrenzten Zeitintervall darum, p herbeizufuhren' und Hfop.t'.t 2 ) als 'x bemüht sich im durch t 1 und t 2 begrenzten Zeitintervall erfolgreich darum, p herbeizuführen'. Wir legen nun fest, daß derartige atomare Handlungsausdrücke die Inhalte von Normativakten sein können sowie aussagenlogische Komplexe von solchen atomaren Handlungsausdrücken, in denen an erster Argumentstelle das gleiche Handlungssubjekt vorkommt. Zugelassen sind auch Allquantifizierungen derartiger Ausdrücke, wobei der Aliquanter, durch den das Handlungssubjekt gebunden wird, an erster Stelle steht (falls er überhaupt vorkommt). Als Prädikate für Normsetzungsakte wählen wir E s , V s , G s ; ESfoTfyjp.t^t 2 ), t^t 4 ) ist zu lesen als 'Die Autorität x setzt im durch t 3 und t 4 begrenzten Zeitintervall dem Adressaten y die Erlaubnis, sich im durch t 1 und t 2 begrenzten Intervall um die Herbeiführung von p zu bemühen'; entsprechend stehen V s und G s für Verbots- bzw. Gebotssetzungen und E R , V R , G R für Erlaubnis-, Verbots-, Gebotsaufhebungen resp. Bei der angeführten Formel handelt es sich um einen singulären Normsetzungsakt, da er auf einen Adressaten, das Handlungssubjekt y, gerichtet ist. Dagegen haben wie es bei E s (x,(Vy)T(y, p.tM 2 )^ 3 ,! 4 ) (zu lesen als 'Die Autorität x setzt... allen Adressaten y die Erlaubnis ...') mit einem genereller Normsetzungsakt zu tun. Nachdem von Normsetzungsakten und Normaufhebungsakten die Rede ist, kann uns die Sprache leicht dazu verführen, davon zu sprechen, daß eine Norm gesetzt bzw. aufgehoben wird oder daß eine Norm besteht. Im nächsten Schritt beginnt man dann möglicherweise, darüber nachzudenken, was für eine Art von Entitäten Normen sind. Für uns besteht allerdings kein Grund, solche Überlegungen anzustellen, vielmehr gehen wir folgendermaßen vor: Nehmen wir an, eine Autorität habe in einem gewissen Intervall einen Erlaubnissetzungsakt und in einem später endenden Intervall einen Erlaubnisaufhebungsakt mit demselben Inhalt und Adressaten ausgeführt: E s (x,T(y,p,t 1 ,t 2 ),t 3 ,t 4 ) bzw. E R (x,T(y,p,t 1 ,t 2 ),t 5 ,t 6 ). Falls die Autorität keine anderen relevanten Handlungen ausgeführt hat, so sagen wir, daß nach Abschluß des Setzungsaktes bis Abschluß des Aufhebungsaktes für den Adressaten y die Erlaubnis durch x besteht, sich im durch t 1 und t 2 begrenzten Intervall um die Herbeiführung von p zu bemühen. Dies ist eine rein technische Sprechweise, die uns nicht dazu verpflichtet, Normen für irgendwelche Gegenstände zu halten, die durch Normativakte erzeugt bzw. zerstört werden. Obwohl solche ontologischen Annahmen mit unserer Vorgehensweise verträglich sind, bleiben sie für den Gesamtaufbau überflüssig, da es genügt, sich an die empirisch feststellbaren Normativakte zu halten. 8 8
In unserem Aufbau entfallt die Unterscheidung zwischen der Geltung von Normen und dem Bestehen von Normen. Ist ein Nonnsetzungsakt erfolgreich ausgeführt worden, so
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U m über das "Bestehen" von Normen reden zu können, fuhren wir die 4stelligen Prädikate P e , F e imd O e ein. P e (x,T(y,p,t 1 ,t 2 ),t 3 ,t 4 ) ist zu lesen als 'Durch Setzung der Autorität x besteht für den Adressaten y im durch t 3 und t 4 begrenzten Intervall die explizite Erlaubnis, sich im durch t 1 und t 2 begrenzten Intervall um die Herbeiführung von p zu bemühen'; entsprechend stehen F e und O e für explizite Verbote bzw. Gebote. (Für explizite Normen lassen wir als Inhalte die gleichen Ausdrücke zu wie für Normativakte.) Auch diese Begriffe sind demnach auf Autorität, Adressat, Inhalt und Zeitintervall des Bestehens der Norm relativiert. Dagegen sind in den meisten normenlogischen Systemen die normativen Begriffe nur auf den Inhalt der Norm bezogen, von den anderen Parametern wird abstrahiert. Wir haben nun sprachliche Mittel zur Verfugung, mit deren Hilfe wir über die Ausfuhrung von Normativakten und das Bestehen von expliziten Normen reden können. Allein schon mit diesen auf die angegebenen Parameter relativierten normativen Begriffen lassen sich sprachliche Differenzierungen vornehmen, die in den meisten Sprachaufbauten normenlogischer Systeme nicht durchführbar sind. Verschiedene Konstellationen von Normen erweisen sich jetzt als unter logischem Gesichtspunkt völlig unproblematisch, obwohl manche dem praktischen Verhalten der Adressaten durchaus Schwierigkeiten bereiten können. Betrachten wir dazu die folgenden Formeln: (1) (2) (3) (4) (5) (6)
pe(x,T(y,p,tl,t2), t 3,t4) A Fe(x,T(y,p,tl,t2),t5,t ~Fp u. ä. m. als logische Prinzipien zu rechtfertigen, laufen gewöhnlich darauf hinaus, eine Logik rationaler Normenbegriffe aufzubauen, d. h., es werden Beziehungen angegeben, die "vernünftigerweise" zwischen Normen bestehen sollten. Dagegen sind die von uns verwendeten Begriffe deskriptiv, insofern sie zur Beschreibung faktisch anzutreffender normativer Situationen dienen können. Es steht dann die Frage, ob sich überhaupt eine Logik deskriptiver normativer Begriffe aufbauen läßt, und eine unserer Bestrebungen besteht gerade darin, den Nachweis zu liefern, daß dies möglich ist. Mit der Anerkennung von (5) als logisch zulässig und damit der Verwerfung von Pp Z3 ~Fp entsprechenden Sätzen wird die aufzubauende Logik deskriptiver normativer Begriffe schwächer sein als die meisten in der Literatur anzutreffenden normenlogischen Systeme. Während dort fast durchweg normative Widerspruchsfreiheit als metatheoretisches Prinzip gesetzt wird, ist die Anerkennung des Prinzips der normativen Vollständigkeit weniger verbreitet. 13 Für unseren Aufbau ist normative Vollständigkeit i. d. S., daß jede Handlung (jeder Sachverhalt) einen normativen Status besitzt, natürlich nicht zu halten. Wenn mit Pp v Fp v Op und Op 3 Pp auf ~Fp => Pp geschlossen wird, so besagt das für die von uns eingeführten Begriffe: 10 11
12
13
Vgl. dazu auch Stelzner (1974). Vgl. z. B. Wright (1974), Iwin (1972), Hintikka (1975), Castañeda (1981, 1982), Kutschera (1973, 1976). Das Erfordernis, Normenlogik auf den Umgang mit Normenkonflikten einzurichten, wird dagegen anerkannt von Ross (1944), Stenius (1963), Lemmon (1962, 1965), Alchourrón/Bulygin (1971, 1977, 1981), Alchourrón/Makinson (1981). Zu arbeitsteiligen Normensystemen vgl. Cornides (1976). - Für Rechtssysteme, insbesondere für die Rechtsanwendung, werden häufig Regelungen erlassen, mit deren Hilfe im jeweiligen Einzelfall Normenkonflikte aufgelöst werden sollen (z. B. lex posterior, lex superior, lex specialis). Zu den formalen Problemen, Normenkonflikte innerhalb eines Kodexes aufzulösen, vgl. Alchourrón/Makinson (1981). Zum Thema rationale vs. deskriptive Normenlogik vgl. Kutschera (1976), Philipp (1986); zur Unvollständigkeit von Kodizes vgl. z. B. Weinberger/Weinberger (1979).
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(7)
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~Fe(x,T(y,p,tl,t2),t3,t4) =D pe(x,T(y,p,tl,t2),t3,t4),
d. h., wenn kein Verbotssetzungsakt bezüglich Tfy.p.t^t 2 ) ausgeführt wurde (oder ein entsprechender Verbotsaufhebungsakt ausgeführt wurde), so wurde ein entsprechender Erlaubnissetzungsakt ausgeführt; dies ist jedoch faktisch inakzeptabel. Wir verwerfen also (7) und lassen zu, daß Handlungen keinen normativen Status haben. 14 Nach den bisherigen Feststellungen sind also die Begriffe P e und F e voneinander unabhängig. Gegen unsere Argumentation kann jedoch vorgebracht werden, daß zwar von der Unterlassung einer expliziten Normsetzung tatsächlich nicht auf die Ausführung einer anderen expliziten Normsetzung geschlossen werden kann, jedoch sei die entsprechende andere Norm implizit gesetzt. In der Literatur wird die Unterscheidung zwischen expliziten (explizit gesetzten) und impliziten (implizit gesetzten) Normen nur selten vorgenommen, denn dies macht nur Sinn, wenn überhaupt von Normsetzungen ausgegangen wird. 15 Die übliche Position ist dann die, daß ein Normenkodex zunächst aus allen explizit gesetzten Normen besteht und sodann aus allen aus der Menge der expliziten Normen ableitbaren Normen, den impliziten Normen. In diesem Fall lassen sich Prinzipien annehmen, die zur normativen Vollständigkeit des Kodexes führen, z. B. (8)
~Fe(x,T(y,p,tl,t2),t3,t4) 3 P'(x,T(y,p,tl,t2),t3,t4),
wobei P1 für 'implizite Erlaubnis' steht. Nun gilt aber mit ~Fp z> Pp auch ~Pp ZD Fp und als Entsprechung dazu (9)
~pe(x,T(y,p,tl,t2),t3,t4) 3 F>(x,T(y,p,tl,t2),t3,t4),
wobei F' für 'implizites Verbot' steht. Dann ergibt sich aber mit (8) und (9) die normative Widersprüchlichkeit eines Kodexes, falls (10)
~Pe(x,T(y,p,t1,t2),t3,t4) A ~F'(x,T(y,p,t1 ,t 2 ),t 3 .t 4 )
der Fall ist. - Den einfachsten Weg zur Vermeidung dieser Komplikationen schlagen Alchourrön/Bulygin16 ein, indem sie gar keine expliziten Erlaubnisse zulassen, sondern einen schwachen (impliziten) Erlaubnisbegriff einführen als das Fehlen eines entsprechenden impliziten Verbots. Dieser technisch gangbare Weg erscheint aber sachlich als fragwürdig, denn es ist 14
15 16
Hier ist zu beachten, wie vielgestaltig und verwirrend umgangssprachlicher Gebrauch normativer Ausdrücke sein kann: Wenn die Mutter sagt "Du darfst nicht ins Kino gehen!", so hat dies neben der ungewöhnlichen Deutung "Du darfst (nicht ins Kino gehen)!", die Sinn hat, falls das Kind befurchtet, ins Kino gehen zu müssen, gewöhnlich dieselbe Bedeutung wie "Ich verbiete Dir, ins Kino zu gehen!". In beiden Fällen liegt ein präskriptiver Sprachgebrauch vor, eine Normsetzung. Daneben kann dies auch noch deskriptiv im Sinne von "Es ist dir (von Vater) verboten, ins Kino zu gehen." sowie "Vater hat dir keine Erlaubnis gegeben (aber eventuell auch kein Verbot), ins Kino zu gehen." gebraucht werden. Vgl. Alchourrön/Bulygin (1971, 1981). Alchourrön/Bulygin (1981).
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Peter Philipp
nicht zu sehen, wie empirisch anzutreffende explizite Erlaubnissetzungsakte ("Jeder Bürger hat das Recht...", "Du darfst ins Kino gehen") hinwegerklärt werden sollten. Um explizite Erlaubnisse zu halten, könnte man statt dessen entweder (8) oder (9) aufgeben, doch wird dann erst recht deutlich, daß diese Formeln nur scheinbar logische Prinzipien sind, tatsächlich eher den Charakter von Supernormen haben.17 Ob derartige Supernormen bestehen, ist wiederum eine faktische Frage. Jedoch wird in der Literatur das Bestehen von impliziten Normen nicht mit Verweis auf entsprechende Supernormen gerechtfertigt, sondern mit der Annahme einer normenlogischen Folgerungs- bzw. Ableitbarkeitsrelation,18 Dann stehen wir vor der Frage, welche Menge impliziter Normen bezüglich einer gegebenen Menge expliziter Normen auszuzeichnen sei, da doch eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme der Normenlogik mit entsprechend unterschiedlichen Ableitbarkeitsrelationen zu finden ist. Wenn wir unterstellen, daß Normen eine regulative Wirkung auf das Verhalten von Menschen haben, wie können wir dann diese Annahme auch für implizite Normen halten, solange wir keine bestimmte normenlogische Ableitbarkeitsrelation auszeichnen können? Falls aber die Normenlogiker sich auf eine gewisse Ableitbarkeitsrelation einigen könnten, sollte das wirklich Einfluß darauf haben, welche impliziten Normen bestehen? 19 In diesem Aufsatz gehen wir von der Annahme aus, daß es wiederum von den deontischen Autoritäten abhängt, welche Normen aus den von ihnen explizit gesetzten Normen gewonnen werden. Während man gemeinhin die impliziten Normen als die aus den expliziten Normen ableitbaren Normen versteht und ihnen die gleiche regulative Wirkung wie den expliziten zuschreibt, fuhren wir den Begriff der durch die Autorität abgeleiteten Norm ein. Wir sprechen damit der Autorität die normative Kraft zu, nicht nur explizite Normsetzungen vornehmen zu können, sondern auch noch aus den expliziten Normen weitere Normen ableiten zu können. Es ist also wiederum über Handlungen der Autorität zu reden. Wir werden es nicht zur logischen Bedingung machen, daß die Autorität dabei einem gewissen oder einem beliebigen normenlogischen Kalkül folgt; aber wir werden zulassen, daß dies eine soziale Bedingung erfolgreicher Ableitungshandlungen ist, und wir werden auch zeigen, welche logischen Konsequenzen es hat, wenn als soziale Bedingimg oder Normalitäts- bzw. Rationalitätsforderung die Forderung nach Einhaltung gewisser logischer Regeln gestellt wird. 20
17
Zu Supernormen vgl. z. B. Moritz (1968). Vgl. Alchourrön/Bulygin (1981). >9 Vgl. Philipp (1986). 20 Wir folgen hier den konzeptionellen Ideen von Stelzner (1984) zum Aufbau einer effektiven epistemischen Logik. 18
Logik deskriptiver normativer Begriffe
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2. Die Sprache In diesem Abschnitt bauen wir die Sprache eines mehrsortigen angewandten Prädikatenkalküls 1. Stufe mit Identität auf. Grundzeichen: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (8.1) (8.2) (8.3) (8.4) (8.5) (8.6) (8.7) (8.8) (8.9) (8.10) (8.11) (8.12) (8.13) (8.14) (8.15) (9)
abzählbar unendlich viele Aussagenvariablen (AV): p, q, r, p 1 , q 1 , r 1 , p 2 , ... abzählbar unendlich viele Individuenvariablen (IV): u, v, w, u 1 , v 1 , w 1 , u 2 ,... abzählbar unendlich viele Namenvariablen (NV): x, y, z, x 1 , y 1 , z 1 , x 2 , ... abzählbar unendlich viele Zeitpunktvariablen (ZV): t 1 , t 2 , t 3 , ... abzählbar unendlich viele Prädikatenvariablen (PV): Q, Q 1 , Q 2 , ... aussagenlogische Funktoren: A, V, 3 Allquantor: V Prädikatenkonstanten: Identitätsprädikat: = Ordnungsprädikat: > Setzungsprädikat für absolute Normen: E s , V s , G s Aufhebungsprädikate für absolute Normen: E R , V R , G R Prädikate explizit bestehender absoluter Normen: P e , F e , O e Prädikate implizit bestehender absoluter Nonnen: P', F', O' Prädikate abgeleitet bestehender absoluter Normen: P a , F a , O a Setzungsprädikate für relative Normen: E s ', V s ', G s ' Aufhebungsprädikate für relative Normen: E R ', V R ', G R ' Prädikate explizit bestehender relativer Normen: Pe', Fe', O e ' Prädikate implizit bestehender relativer Normen: pi', F'1, O e ' Prädikate abgeleitet bestehender relativer Normen: Pa', F a ', O a ' Behauptungsprädikat: A Handlungsprädikate: T, H Sortenprädikate für Behaupter: A 1 , A 2 , A 3 , A 4 Hilfszeichen: ( ) / ,
Formeln: (1) Eine alleinstehende AV ist eine Formel. (2) Wenn f eine n-stellige PV ist und al,...,a n IV, NV oder ZV sind, so ist f(al,...,a n ) eine Formel. (3) Wenn Kl und K 2 Formeln sind, so sind auch - K 1 , (K 1 A K 2 ), (Kl v v K 2 ) , (Kl 3 K 2 ) Formeln. (4) Wenn K eine Formel und a eine IV, NV oder ZV ist, so ist (Va)K eine Formel. (5) Wenn al und a 2 beides IV (beides NV, beides ZV) sind, so ist al = a 2 eine Formel. (6) Wenn t' und ti ZV sind, so ist (t1 > ti) eine Formel.
258 (7) (8) (9) (9.1) (9.2)
(9.3) (10)
(11)
21
Peter Philipp Wenn x k N V ist, K Formel ist, t' und t> Z V sind, so ist A(x k , K^.ti) eine Formel. Wenn x k N V ist und 1 < i < 4, so ist A'(x k ) eine Formel. r-Formeln: Wenn K eine Formel ist, y k N V ist, t1 und ti ZV sind, so sind T(y k ,K,t i ,t') und H(y«SK,tf,ti) T-Formeln. Wenn K 1 und K 2 T-Formeln sind und in allen ihren gemäß ( 9 . H gebildeten Teilformeln an erster Argumentstelle die gleiche N V y* steht, so sind auch ~K), (Kl A K 2 ), (K 1 V K 2 ), (Kl 3 K 2 ) T-Formeln. Etwas ist T-Formel nur auf Grund von (9.1) und (9.2). T-Formeln sind Formeln. Wenn xl N V ist, Kl T-Formel ist und y k die N V ist, die in allen gemäß (9.1) gebildeten Teilformeln von Kl an erster Argumentstelle steht, K 2 Formel ist, al,...,a n IV, N V oder Z V sind, darunter aber nicht y k , sowie t' und t) ZV sind, so ist C(xl,K,t',ti) Formel, falls K die Gestalt (10.1) Kl bzw. (Val)...(Va n )Kl, oder (10.2) (Vy k )K! bzw. (Vy k )(Val)...(Va n )Kl hat und C Grundzeichen der Art (8.3) - (8.7) ist, sowie falls K die Gestalt (10.3) ( K l / K 2 ) bzw. (Val)...(Va n )(Kl/K 2 ) oder (10.4) ( V y k ) ( K l / K 2 ) bzw. (Vy k )(Val)...(Va n )(Kl/K 2 ) hat und C Grundzeichen der Art (8.8) - (8.12) ist. Etwas ist nur Formel gemäß (1) - (10). 2 1
Erläuterungen zum Formelbegriff: A ist das Behauptungsprädikat (Prädikat der äußeren Anerkennung); wir lesen A(x,K,t',t2) als 'x erkennt im durch t 1 und t 2 begrenzten Intervall äußerlich den Satz K an'. A1, A2, A3, A4 sind Sortenprädikate für epistemische Subjekte; wir lesen A'(x) als 'x ist elementarlogischer Behaupter', A2(x) als 'x ist nichtwidersprüchlicher Behaupter', A3(x) als 'x ist schwach folgerichtiger Behaupter', A4(x) als 'x ist streng folgerichtiger Behauptet. Die Handlungsprädikate T und H haben wir bereits im Abschnitt 1 erläutert, ebenso die Prädikate für absolute Normen bzw. Normativakte: Formeln gemäß (10.1) beschreiben demnach singuläre absolute Normen bzw. Normativakte, Formeln gemäß (10.2) generelle absolute Normen bzw. Normativakte. Mit Formeln gemäß (10.3) bzw. (10.4) werden singuläre bzw. generelle relative Normen bzw. Normativakte beschrieben. Wir lesen Es'(x,(T(y,p,t1,t2)/q),t3,t4) als 'Die Autorität x setzt im durch t 3 und t 4 begrenzten Intervall, daß für den Adressaten y die Erlaubnis besteht, sich, wenn q der Fall ist, im durch t 1 und t 2 begrenzten Intervall um die Herbeiführung von p zu bemühen. Vs' und G s ' stehen wiederum für Setzung relativer Verbote bzw. Gebote, ER', VR', GR' für die Aufhebung relativer Erlaubnisse, Gebote, Verbote. Entsprechend sind auch die mit Prädikaten gemäß (8.10) - (8.12) gebildeten Formeln zu lesen, durch die explizite, implizite bzw. abgeleitete relative Normen beschrieben werden, z. B. O'foOXy.p.t'^Vq), t3,!4) als 'Für den Adressaten y besteht im durch t 3 und t 4 begrenzten Intervall das abgeleitete Gebot der Autorität x, sich, wenn q der Fall ist, um die Herbeiführung von p im durch t1 und t 2 begrenzten Intervall zu bemühen'.
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Definitionen: Dl D2 D3 D4 D5 D6 D7
(K1 s K 2 ) := (K1 3 K2) A (K2 3 K 1 ) (3a)K := ~(Va)~K (VaL.a^K := (Va!)...(Van)K (3a1...an)K := (3a!)...(3an)K (t j > ti) := ~(t) > t') (t'< ti) := (ti > t') (t1 < ti) := (ti > t1)
Es gelten die üblichen Regeln zur Klammereinsparung. Wir unterscheiden in der Benennung nicht zwischen Definitionen und Definitionsschemata, Axiomen und Axiomenschemata, Theoremen und Theoremschemata; der Unterschied ist stets aus dem Zeichengebrauch ersichtlich. Zur Vereinfachung der Symbolik vereinbaren wir, daß im Falle relativer Normen bzw. Normativakte statt E s ' usw. geschrieben werden darf E s usw., wenn aus der Formelgestalt ersichtlich ist, daß es sich um relative Normen bzw. Normativakte handelt. Weiterhin treffen wir folgende Regelungen: Sei K eine Formel, A m mit 1 < m < 4 Grundbegriff gemäß (8.15), seien Cj und Grundbegriffe gemäß (8.3H8-14). (i) Falls die ZV t1 und ti (t1 * ti) nur in Teilformeln von K der Gestalt Ci(xk,K.l,t',ti) vorkommen, so darf anstelle von Ciix^K^t 1 ,^) geschrieben werden Ci(x k ,K'), falls t' und ti an diesen Stellen frei in K vorkommen und falls auch anstelle jeder anderen Teilformel C2(x1,K2,t',ti) geschrieben wird C2(x1,K2), sofern t' und ti an diesen Stellen frei in K vorkommen. (ii) Falls die Namenvariable xk nur in Teilformeln von K der Gestalt k Ci(x ,Kl, t',ti) oder Am(xk) vorkommt, so darf anstelle von C i ^ K . 1 , ^ ) bzw. A m (x k ) geschrieben werden Ci(K',t',ti) bzw. Am, falls x k an diesen Stellen frei in K vorkommt und falls auch anstelle jeder anderen Teilformel C2(xk,K2,tk,t1) bzw. An(xk) geschrieben wird C2(K2,tk,t') bzw. An, sofern xk an diesen Stellen frei in K vorkommt. (iii) Beide Regelungen dürfen auch gemeinsam angewendet werden. (iv) Beide Regelungen dürfen auch angewendet werden im Falle von Iterationen beliebiger der angegebenen Begriffe, d. h., wenn A m (x k ) bzw. C2(xk,K2,t'.ti) in der Formel K1 aus C^x^K 1 ,^,«) vorkommen. (v) Diese Regelungen dürfen nicht angewendet werden, falls sie für K bereits bezüglich eines anderen Paares oder einer anderen NV x1 angewandt wurden. (vi) Diese Abkürzungen von Formeln dürfen auch innerhalb von Beweisen und Regel benutzt werden.22 22
Vgl. Stelzner (1984), S. 112f. - Als Beispiel für die Anwendung dieser Regelungen: Statt (1) A(x,Oi(x,T(y,p,t1,t2) A ~H(y,q,t , ,t 2 ),t 3 ,t 4 ) ) t 3 ,t 4 ) darf jede der folgenden Formeln geschrieben werden:
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Peter Philipp
3. Normsetzungen und Normen. - System Ny Wir geben zunächst Axiomenschemata und Ableitungsregeln für den klassischen Prädikatenkalkül 1. Stufe mit Identität an: Axl.O Axl.l Axl.2 Axl.3 Axl.4
RS 1.1 RS 1.2
Alle Theoreme des klassischen Aussagenkalküls sind Axiome von Ny (VaXK1 3 K2) 3 (K1 3 (Va)K2), wobei a beliebige IV, NV, ZV ist, die nicht frei in K1 vorkommt (Va)K 3 K(a/b), wobei kein freies Vorkommen von a in K sich in einer Teilformel von K befindet, die Hie Gestalt (Vb)K1 hat, und wobei a und b beides IV (beides NV, beides ZV) sind. (a = a) (a = b) 3 (K1 3 K2), wobei K 2 aus K1 entsteht durch Ersetzung von b für gewisse Vorkommen von a in K1, die sich weder im Wirkungsbereich eines Quantors (Va) noch eines Quantors (Vb) befinden und wobei a und b beides IV (beides NV, beides ZV) sind Aus (K1 3 K 2 ) und K1 ist ableitbar K2. (AR) Wenn a IV, NV oder ZV ist, so ist aus K ableitbar (Va)K. (GR)
Die Prädikatenkonstante > wird durch die folgenden Postulate charakterisiert: Axl.5 Axl.6 Axl.7 Axl.8 Axl.9
(Vt')-(t 1 > t 1 ) ( V t W X t 1 > t 2 A t2 > t3 3 1 1 > t 3 ) (Vt^Xt 1 > t 2 v t1 = t2 v t 2 > t 1 ) ( V t 1 ) ^ 2 ) ^ > t2) (Vt>X3t2Xt2 > t 1 )
Mit Axl.5 - Axl.7 nehmen wir also an, daß die Menge der Zeitpunkte total geordnet ist, Axl.8 und Axl.9 sichern, daß es keinen ersten und keinen letzten Zeitpunkt gibt. Wir deuten t1 > t 2 intuitiv als 't1 liegt nach t2'. Der Begriff des Zeitintervalls gehört nicht zu unseren objektsprachlichen Begrifen; wir verwenden ihn nur in informaler Weise in der Metasprache. Axl. 10 C(x,K,t!,t2) = C(x,K,t2,tl), wobei C Grundbegriff der Art (8.3) - (8.14) ist Axl. 11 CfcK.t 1 ,! 2 ) 3 (Vt¥)(t 3 < t1 A t3 < t 2 A t 4 > t1 A t 4 > t 2 3 3 C(x,K,t 3 ,t% wobei C Grundbegriff der Art (8.3), (8.4), (8.8), (8.9) ist
(2) (3) (4) (5)
A(x,0'(x,Tp A ~Hq,t3,t4),t3,t4) AO i (T(y,p,t 1 ,t 2 ) A ~H(y,q,t',t2)) A(x,O i (x,T(p ) t',t 2 ) A ~H(q,t',t2))) A(0'(T(y,p) A ~H(y,q),t3,t«),t3,t«)
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Axl. 12 C(x,K,t1,t2) 3 (VtVXt 1 < t 3 a tl < t 4 a t 2 < t 3 a t 2 < t 4 zj 3 C(x,K,t3,t4), wobei C Grundbegriff der Art (8.5)-(8.7), (8.10H 8 -14) ist Die Eigenschaften unserer normativen Begriffe bezüglich Zeitbestimmungen werden durch Axl. 10-Axl. 12 geregelt. Wegen der totalen Ordnung der Menge der Zeitpunkte ist mit der Angabe zweier Zeitpunkte (in beliebiger Reihenfolge) eindeutig das Intervall der Zeitpunkte bestimmt, die zwischen diesen beiden Zeitpunkten (einschließlich) liegen. Wenn wir Handlungen zeitlich fixieren, so entsteht folgendes Problem: Falls jemand gestern von 12.00 bis 13.00 Uhr in einem Buch gelesen hat, folgt daraus, daß er gestern von 12.15 bis 12.45 Uhr darin gelesen hat, oder folgt, daß er gestern darin gelesen hat? Im umgangssprachlichen Gebrauch lassen sich beide Verwendungsweisen finden. - Mit Axl. 11 entscheiden wir uns im Falle der Normativakte für einen Sprachgebrauch, wonach ein Normativakt, der in einem gewissen Intervall ausgeführt wird, auch in jedem dieses umschließenden Intervall ausgeführt wird. Bei den Handlungsbegriffen T und H gehen wir den entgegengesetzten Weg: Obwohl wir Intentionalität von Handlungen formal nicht fassen, sichert Axl. 12 bei einer inhaltlichen Deutung, daß die intentionale Gerichtetheit auf die Herbeiführung eines Sachverhaltes während des gesamten Intervalls durchweg besteht, auch wenn dabei Teilziele oder nebenher andere Ziele angestrebt werden. 23 Während diese beiden Entscheidungen von einer gewissen Willkür getragen sind, ist die Annahme von Axl. 12 für die Begriffe, mit denen wir das Bestehen von Normen beschreiben, durchaus plausibel: Wenn eine Norm in einem gewissen Intervall besteht, so auch in jedem Teilintervall. Ebenso nehmen wir an: Wenn jemand über ein gewisses Intervall hin eine Behauptung aufrechterhält, dann auch in jedem Teilintervall. - Definitorisch können wir nun Begriffe einführen, die sich auf das jeweils kleinste Intervall beziehen, in dem ein Normativakt ausgeführt wird, und Begriffe, die sich auf das jeweils größte Intervall beziehen, in dem eine Norm besteht, eine Handlung (in den Begriffen T und H) ausgeführt wird bzw. eine Behauptung aufrechterhalten wird: D8
C*(xk,K,tk,t') := C(xk,K,tk,t!) a (Vt'.^^xk.K.t^t») 3 ((t* > t k a t) > > t k A t' < t1 A t) < t1) V (t' > t1 A ti > t1 A t1 < t k A t) < t k ) 3 t' = t k A A t> = t1 V t' = t 1 A ti = t k )),
wobei C für Grundbegriffe der Art (8.3), (8.4), (8.8), (8.9) steht
23
Andererseits läßt sich mit Axl. 12 nicht rechtfertigen, eine Menge von zeitlich aufeinanderfolgenden Handlungen eines Subjekts, deren Resultate jeweils faktische Voraussetzungen für die nächste Handlung schaffen, als eine komplexe Handlung zu interpretieren, die auf die Herbeiführung des Resultats der letzten Einzelhandlung gerichtet ist. Dies geht nur, wenn die einzelnen Handlungen um das Resultat der letzten willen geschehen sind.
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D9
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C*(x k ,K,t k ,t') := C(x k ,K,t k ,t') A (Vti,t))(C(xk,K,ti,t)) 3 ((t* < t k A TL < < t1 A tl > t k A t> > t1) V (t) < t k A tl < t1 A t1 > t k A t'> t1) =D t' = t k A A t) = t1 V t' = t1 A tl = tk)), wobei C für Grundbegriffe der Art (8.5)-{8.7)> (8.10)-(8.14) steht
Wir vereinbaren, daß die oben getroffenen Regelungen zur Weglassung von ZV und N V auch für die mit D8 und D9 eingeführten Begriffe Anwendung finden, ebenso für die später mit D10 und D i l einzuführenden Begriffe. Die nächsten drei Axiome regeln die Beziehungen zwischen Normativakten und dem expliziten Bestehen von Normen: 24 Axl. 13 P ^ t M 2 ) = (3t¥)(£«*(K,t 3 ,t 4 ) A t 1 > t 3 A t 1 > t 4 A t 2 > t 3 A 2 A t > t 4 A (Vt5t6)(ZTR*(K,t5,t6) A (t 5 > t 3 A t 5 > t 4 V t 6 > t 3 A A t 6 > t 4 ) => t 5 > t 1 A t 5 > t 2 v t 6 > t 1 A t 6 > t 2 )), wobei pe, ER* e s R e s R für P , E *, E * resp. oder für P ', E *', E *' resp. stehen Axl. 14 ^ ( K . t ' . t 2 ) s (BtVXFS'CK.t^t 4 ) A t 1 > t 3 A t 1 > t 4 A t 2 > t 3 A 2 A t > t 4 A (Vt 5 t 6 )(F R *(K,t 5 ,t 6 ) A (t 5 > t 3 A t 5 > t 4 V t 6 > t 3 A A t 6 > t 4 ) ID t 5 > t 1 A t 5 > t 2 v t 6 > t 1 A t 6 > t 2 )), wobei Fe, V** für F e , V s *, V R * resp. oder für F e ', VS*\ VR*' resp. stehen Axl. 15 O ^ K ^ t 2 ) 3 (3t¥XG s *(K,t 3 ,t 4 ) A t 1 > t 3 A t 1 > t 4 A t 2 > t 3 A 2 A t > t 4 A (Vt 5 t 6 )(G R *(K,t 5 ,t 6 ) A (t 5 > t 3 A t 5 > t 4 v t 6 > t 3 A A t 6 > t 4 ) 3 1 5 > t 1 A t 5 > t 2 v t 6 > t 1 A t 6 > t 2 )), wobei O«, GS*, GR* für O e , G s *, G R * resp. oder für O e ', G s< ", G R *' resp. stehen Damit nehmen wir also an, daß eine Norm während eines gewissen Intervalls explizit besteht, wenn vor diesem Intervall eine entsprechende Normsetzungshandlung abgeschlossen wurde und jede entsprechende Normaufhebungshandlung vor der Setzungshandlung abgeschlossen wurde oder nicht vor Ende des Intervalls des Bestehens der Norm abgeschlossen wurde. 2 5 Die bislang angenommenen Axiome regeln zeitliche Beziehungen zwischen normativen Begriffen sowie Beziehungen zwischen Normativakten und expliziten Normen. Dies genügt nicht, um eine Normenlogik zu konstituieren, denn wir bekommen so keine logischen Beziehungen zwischen 24
25
In Philipp (1984) gehörten P e , Fe, O e nicht zu den Grundbegriffen, sondern wurden durch Definitionen eingeführt, die Axl.13-Axl.15 entsprechen; ebenso waren die Begriffe impliziter und abgeleiteter Normen deflatorisch eingeführt worden. Beide Wege sind zunächst technisch gleichwertig; mit der jetzigen Verfahrensweise entgehen wir aber dem Problem, klären zu müssen, ob die deontischen Autoritäten definierte Begriffe im Sinne der Definitionen verstehen. Zu regeln war auch der Fall, daß ein Setzungsakt und ein entsprechender Aufhebungsakt im selben Zeitpunkt abgeschlossen werden; mit Axl. 13-Ax 1.15 haben wir festgelegt, daß dann der Aufhebungsakt "überwiegt". Nicht berücksichtigt haben wir den Fall, daß z. B. ein Gesetz erlassen wird und dabei festgelegt ist, daß es erst zu einem gewissen späteren Zeitpunkt in Kraft tritt. Dies zu erfassen, erfordert einen gewissen technischen Aufwand, liefert aber keine interessanten Ergebnisse; und gewiß ist dies nicht der Grund, der manche Autoren verleitet, zwischen dem Bestehen und der Geltung von Normen zu unterscheiden.
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Normativakten bzw. Normen unterschiedlicher Modalität bzw. unterschiedlichen Inhalts. Allerdings haben wir bereits in unseren Vorüberlegungen festgestellt, daß gewisse vermeintlich logische Beziehungen nicht zu den angestrebten Ergebnissen gehören. So schließen wir insbesondere solche spezifisch normenlogischen Beziehungen zwischen dem Bestehen verschiedener expliziter Normen aus, durch die Normenkonflikte als logisch immöglich postuliert werden. Wir hatten außerdem dargelegt, weshalb in einer Normenlogik die impliziten Normen nicht den Platz einnehmen sollten, der ihnen z. B. von Alchourrön/Bulygin (1981) zugewiesen wird; statt dessen hatten wir die von der deontischen Autorität abgeleiteten Normen favorisiert. Wir nehmen an, daß Begriffe impliziter Normen (P1, F', O') durchaus zum normativen Sprachgebrauch gehören ("Aus dieser Norm ist jene Norm ableitbar") und daß deontische Autoritäten diese Begriffe auch verwenden, um aus expliziten Normen weitere Normen abzuleiten; es geht uns aber im weiteren um jene Normen, die tatsächlich von der Autorität abgeleitet werden, und nicht um jene, die in irgendeinem Sinne ableitbar sind. C Kl A ... A CK" A A(CK 1 A ... A CK n ) A A(CKl A ... A CK n a ZD OK) A AC'K 3 C K a Axl.17 C K 3 AC'K (In Axl. 16 und Axl. 17 stehen C, C\,..., C n für beliebige der Symbole: P, P', F, F , O, 0 \ ) Axl.16
Mit Axl.16 setzen wir als hinreichende Bedingung für das Bestehen einer abgeleiteten Norm (mit dem Inhalt K), daß die Autorität eine Reihe von Behauptungsakten ausführt: Sie muß bezüglich einer Menge explizit bestehender Normen behaupten, daß diese Normen explizit bestehen; sie muß weiterhin behaupten, daß, wenn diese Normen bestehen, eine implizite Norm (mit dem Inhalt K) besteht; sie muß schließlich auch behaupten, daß diese implizite Norm besteht. Als notwendige Bedingung für das Bestehen einer abgeleiteten Norm nehmen wir mit Axl.17 an, daß die Autorität behauptet, diese Norm bestehe implizit. - Betrachten wir dazu zwei Beispiele: (I)
(1) Pe(T(y,p) A T(y,q),t 1 ,t 2 ) (2) A(Pe(T(y,p) A T(y,q),tl,t2),tl,t2) (3) A(Pe(T(y,p) A T(y,q),tl,t 2 ) pi(T(y,p),tl,t2),tl,t2) (4)A(Pi(T(y,p),tl,t2),t»,t2 ) (5)Pa(T(y,p), t l,t2)
Der Übergang von (1) zu (5) mit Hilfe von (2)-(4) und Axl.16 entspricht grob der in vielen normenlogischen Systemen akzeptierten These P(pAq)=>Pp; aber auch der folgende Schluß ist eine Instanz von Axl. 16: (II)
(1) (2) (4) (5)
P e T(y,p,t 1 ,t 2 ) APeT(y,p,tl,t2) AF'T(y,p,t 1 ,t 2 ) F a T(y,q,tl,t 2 )
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Dies entspricht Pp 3 Fq und wird wohl kaum als These eines normenlogischen Systems anerkannt. Allerdings dienen Axl.16 und Axl.17 auch nicht dazu, die Menge der von einem gewissen normenlogischen System anerkannten Sätze auszuzeichnen. Sie lassen vielmehr beliebige Übergänge von expliziten zu abgeleiteten Normen zu, sofern sich die Autorität an das vorgegebene Schema hält. Wir legen somit keine normenlogische Folgerungsrelation fest, sondern charakterisieren die Prozedur der Gewinnung von abgeleiteten Nonnen durch deontische Autoritäten.26 Möglicherweise machen manche Autoritäten nur solche Behauptungen über Beziehungen zwischen expliziten und impliziten Normen (in unseren Beispielen jeweils Satz (3)), die ihrem Verständnis normativer Sprache entsprechen, doch über diesen Sprachgebrauch haben wir weder Feststellungen getroffen noch Festsetzungen vorgenommen. Dies geschieht auch im weiteren Aufbau nicht; statt den Sprachgebrauch deontischer Autoritäten zu normieren, klassifizieren wir Autoritäten hinsichtlich ihres Sprachgebrauchs. Eine solche Klassifikation nehmen wir bezüglich der logischen Fähigkeiten der Autoritäten vor, wobei zunächst im System N\ der Umgang mit spezifisch normativen Begriffen nicht berücksichtigt wird. Dazu verwenden wir mit gewissen Modifikationen das System S& von Stelzner27: Axl.18 Axl.19 Axl.20 Axl.21 Axl.22 Axl.23 Ax 1.24 Axl.25 Axl.26 Ax 1.27
Axl.28 RS
13.
RS 14.
A) 3 A', für j > i A 1 3 (AK 1 3 A(K2 3 K 1 ) A 1 3 (A(Kl 3 K 2 ) A AK 1 3 AK2 A 1 3 (AKl v AK2 3 A(Kl v K 2 )) A 1 3 (A(K v K) 3 AK) Al 3 (AKl a A K 2 3 A ( K 1 AK 2 )) Al 3 (AK = A~~K) Al 3 (AK = AAK) Al 3 (AK' 3 A(3a)K) A1 3 (A(Va)K 3 AK') (In Axl.26, 1.27 entsteht K' dadurch aus K, daß anstelle der freien Variablen a die Variable b korrekt eingesetzt wird.) A23(AK3~A~K) 2 Wenn gegenüber x in N\ ein Beweis von Kd 'K geleistet wur1 2 de bzw.wenn K D K aussagenlogisch beweisbar ist (symbolisch: b ( x ^ K 1 => K 2 ), so gilt: A3(x) 3 (A(x,Kl) 3 ~A(x,~K 2 )) Wenn | - (x^V,) K, so gilt: A 4 (x) 3 A(x,K)
Die Axiome 1.19-1.27 charakterisieren elementarlogische epistemische Subjekte, die also aus ihren eigenen Behauptungen gewisse Schlußfolgerungen ziehen können. Mit Axl.28 legen wir fest, daß nichtwidersprüchliche 26
27
Selbstverständlich nehmen wir nicht an, daß die faktische Ableitung von Normen genau in dieser Weise verläuft; Argumentationen zur Rechtfertigung abgeleiteter Normen lassen sich aber grob nach diesem Schema charakterisieren. Stelzner (1984).
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Subjekte keine einander explizit widersprechenden Behauptungen aufstellen, während RS 1.3 für schwach folgerichtige Behaupter auch implizite Widersprüche ausschließt. Streng folgerichtige Behaupter schließlich anerkennen alle aussagenlogisch gültigen Sätze sowie alle Sätze des Systems N\, für die ihnen gegenüber ein Beweis geleistet wurde. D10
C ^ x k K ^ t i ) := C ^ K , ^ ) A A(XKC*(xk,KÄtÖ.tW, wobei C für die Symbole P, P', F, F, O, O' steht
Mit D10 definieren wir Begriffe argumentativ wirksamer Normen; diese sind also solche explizit bestehende Nonnen, von denen die Autorität auch behauptet, daß sie bestehen. Gerade diese Normen bilden gemäß Axl. 16 die Basis für die Gewinnung abgeleiteter Normen.28 Ansonsten aber könnte die Autorität durchaus vergessen haben, daß sie gewisse explizite Normsetzungen vorgenommen hat; diese Normen benutzt sie natürlich auch nicht für weitere Ableitungen. Schließlich definieren wir den Begriff der behaupteten impliziten Norm: C'^x^.Kjt'.ti) := A(xk,Ci(xk,K,ti,t)),ti,ti), wobei C für die Symbole P, P', F, F, O, O' steht Wir bekommen zunächst als Theoreme von System N\ (wobei in T1 - T4 C für die Symbole P, P', F, F',0, O' steht): D11
T1 12
C*(K,t',t2) = C*(K,t2,t') Wenn | - ( x , ^ ) Ce(x,K,tl,t2) = Ce(x,K,t2,t1), so A4(x) 3 (C*»(x,K,t1,t2) s C»(x,K,t2,t1))
Unter der Bedingung, daß der Autorität gezeigt wurde, daß die entsprechende Spezialisierung von Axl. 10 gilt, erhalten wir für streng folgerichtige Autoritäten somit ein Resultat, das T1 analog ist. Dies entspringt den Eigenschaften des von uns verwendeten Behauptungsbegriffs, der hyperintensional ist. 29 - Bei der Angabe von Theoremen für schwach bzw. streng folgerichtige Autoritäten verzichten wir in Zukunft auf die Bedingimg, daß ihnen gegenüber ein entsprechender Beweis erbracht wurde, und unterstellen, daß dies stets geschehen ist. T3
A4 3 (C'^Kjt'jt 2 ) = C ^ K ^ t 1 ) )
Wir erhalten keine solchen Theoreme, die für die üblichen Aufbauten von Normenlogiken charakteristisch sind (z. B. Pp ~Fp bzw. in unserer Sprache PeT(y,p) z> ~FaT(y,p)). Vergleichbare Theoreme von N\ sind wesentlich schwächer, da in sie stets Behauptungen der Autorität über gewisse Beziehungen zwischen Normen als Bedingungen dafür eingehen, daß gewisse Beziehungen zwischen Normen bestehen. - Es gilt 28
29
Zu beachten ist allerdings, daß OK» A ... A C»Kn = CK1 A ... A CK" A A(CK' A ... A CK") erst für elementarlogische Subjekte gilt. Vgl. Stelzner (1984), S.30, 47ff.
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T4 A1 3 (A(CeK 3 C'K) 3 (C^K 3 CaK)) Wenn eine elementarlogische Autorität also bereit ist, den Übergang von expliziten Normen zu impliziten Normen gleicher Modalität und gleichen Inhalts zu vollziehen, so besteht zu einer argumentativ wirksamen Norm stets auch die entsprechende abgeleitete Norm. T5 T6
A2 3 (A(PeK 3 - P K ) 3 (P^K 3 ~FaK)) A2 3 (A(PeK 3 PK) A A(FeK 3 F'K) A A(P'K 3 ~F'K) 3 3 (P^K 3 ~F«K))
Wir benötigen demnach drei faktische Prämissen, um auf die Vermeidung eines expliziten Normenkonfliktes P ^ K A F^K schließen zu können. 30 Als Entsprechung zum obigen Beispiel I erhalten wir: T7
AI 3 (A(Pe(T(y,p) A T(y,q)) 3 PT(y,p)) 3 (P«>(T(y,p) A T(y,q)) 3 3 P a T(y,p)))
Ebenso bekommen wir aber auch T8
A1 3 (A(PeT(y,p) 3 FT(y,q)) 3 (P^T(y,p) 3 FaT(y,q)))
als Entsprechung zu Beispiel II. Dies ändert sich auch nicht für streng folgerichtige Autoritäten, da unsere Charakterisierungen von Sorten epistemischer Subjekte gerade den Umgang mit normativen Begriffen nicht erfaßt. Damit lassen wir zwar zu, daß eine Autorität - bewußt oder unbewußt - bei ihrer Ableitung von Normen einer gewissen Normenlogik folgt, verlangen dies jedoch nicht; es genügt, daß sie Behauptungen über faktische Beziehungen zwischen Normen aufstellt. Wenn sie aber solche Behauptungen aufstellt, dann unterliegt sie hinsichtlich dieser Behauptungen und der Konsequenzen, die sie aus diesen Behauptungen zieht oder nicht zieht, unserer Klassifikation von epistemischen Subjekten. Insofern können wir nicht den Anspruch erheben, mit N j ein System der Normenlogik errichtet zu haben. Worauf Normenlogik üblicherweise abzielt, läßt sich aber innerhalb der konzeptionellen Voraussetzungen von Ny klarmachen: Es wird den deontischen Autoritäten vorgeschrieben, welche Sätze über Beziehungen zwischen Normen sie anerkennen und welche sie verwerfen müssen. - Im weiteren werden wir allerdings nicht diesen Weg einschlagen, sondern zu den Axiomen und Regeln, mit denen wir Autoritäten hinsichtlich ihrer logischen Fähigkeiten charakterisieren, lügen wir weitere Axiome und Regeln hinzu, die den Umgang mit normativen Begriffen betreffen. Dies führt nicht dazu, daß wir nun den Autoritäten vorschreiben, wie sie sich verhalten sollen, sondern wir bleiben dabei, Autoritäten lediglich danach zu klassifizieren, wie sie sich verhalten. 30
Allerdings ist damit nicht P e K A F e K ausgeschlossen; die Autorität könnte durchaus beide Normen gesetzt, aber wenigstens eine von beiden vergessen haben, so daß bei der Ableitung weiterer Normen keine Konflikte auftreten. Vgl. dazu auch Wittgenstein (1978), S. 253f.
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4. Normiening von Normsetzern. - System A^ absoluter Nonnen Für die Adressaten von Normen ist es unter verschiedenen Gesichtspunkten (wenn auch nicht unbedingt unter allen) vorteilhaft, wenn die Autorität bei der Gewinnung abgeleiteter Normen eine gewisse Folgerichtigkeit wahrt und den Adressaten damit die Möglichkeit gerechtfertigter Erwartungen an die Handlungen der Autorität gibt. Dabei bleibt es gleichgültig, ob die Autorität z. B. stets von P ^ K 1 A K 2 ), aber nie von P e (K [ v K 2 ) zu P'K 1 übergeht oder umgekehrt stets von P e (K J v K 2 ), aber nie von P e (K' A K 2 ). Mit dem Aufbau von System N j schlagen wir nun folgenden Weg ein: Zu den Axiomen und Regeln von N\, mit denen wir die deontischen Autoritäten hinsichtlich ihrer logischen Fähigkeiten charakterisieren, fugen wir weitere Axiome und Regeln hinzu, die den Umgang mit normativen Begriffen betreffen. Dabei beschränken wir uns zunächst auf die Betrachtung absoluter Normen; in N3 werden dann auch relative Nonnen einbezogen.-Die Sprache ¿N2 entsteht aus dadurch, daß aus der Menge der Grundzeichen die Zeichen gemäß (8.8)-(8.12) entfernt werden und in der Formeldefinition die Punkte (10.3), (10.4) gestrichen werden. Axiome und Regeln von N j sind Ax 1.0-1.28, RS 1.1-1.4, es gelten die Definitionen Dl-11 (mit Rücksicht auf die Beschränkung der Sprache). Spezifisch für System N2 sind die folgenden Axiome und Regeln:
Ax2.5 Ax2.6 Ax2.7 Ax2.8
A 1 3 (AC e K 3 AC'K) Al 3 ( P ' ^ V a L . a ^ K A F«^Va i ...a n )~K = O ia (Va 1 ...a n )K) A 1 3 (C ia (Va 1 ...a n )K 5 O ^ V a L - a ^ — K Al 3 (C ia (Va)K 3 C ia K'), wobei K' aus K dadurch entsteht, daß anstelle der freien Variablen a die Variable b korrekt eingesetzt wird A 2 3 (P' a K 3 ~F' a K) A3 3 (P i a K! v P i a K 2 3 - F ' ^ K l v K 2 )) A 3 3 (F'aKl A F' a K 2 3 - P ^ K 1 v K 2 )) A 3 3 (P^K 1 A F^K 2 3 - F ' ^ K 1 A ~K 2 ))
RS2 Ax2.9 Ax2.10 Ax2.11
Wenn (\,N2) K1 = K2, so A 3 (x) 3 (C ia (x,Kl) 3 C ia (x,K 2 )) 4 a A 3 (P' (Va 1 ...a n )K 1 v P ' ^ V a L . a ^ K 2 3 P ia (Va 1 ...a n )(Kl v K 2 )) A 4 3 (F ia (Va 1 ...a n )K 1 A F ^ V a 1 . . ^ " ) * ^ = F ia (Va 1 ...a n )(Kl v K 2 )) A« 3 (Pia(Va 1 ...a n )K 1 AF' a (Va 1 ...a n )K 2 3 P ia (Va 1 ...a n )(Kl A~K 2 ))
Ax2.1 Ax2.2 Ax2.3 Ax2.4
(In den Axiomen 2.2, 2.3, 2.6-2.11 und in RS2 sind K, K 1 , K 2 sowie daraus gebildete aussagenlogische Komplexe T-Formeln; in Ax2.2, 2.3, 2.9-2.11 kann die Folge von Alloperatoren (VaL.a 11 ) leer sein. Hier und im weiteren steht C für die Symbole P, F, O.)
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Wir erhalten als Theoreme, die für elementarlogische Autoritäten spezifisch sind: 31 T9 T10 Tll
Al 3 (C^K 3 C a K) Al 3 (PeaK A F«»~K 3 O a K) A 1 3 (O^K 3 P a K A F^-K)
Erst an dieser Stelle ergeben sich Beziehungen zwischen Erlaubnissen und Verboten einerseits und Geboten andererseits. Als Entsprechungen zu diesen beiden Theoremen finden wir in den meisten Systemen der deontischen Logik (1)
Pp a F~p = Op;
gewöhnlich wird aber sogar Interdefinierbarkeit der normativen Begriffe angenommen: (2) (3) (4)
Pp = ~Fp, Op = F~p, Op = ~P~p.
Wir haben schon oben diskutiert, daß die Entsprechungen zu (2) imd (4) in unserem Aufbau nicht erwünscht sind, da vom Fehlen eines Setzungs- bzw. Behauptungsaktes nicht auf die Ausführung eines anderen geschlossen werden kann. Aber auch die Verstärkung von (1) zu (3) ist für uns nicht akzeptabel, wie sich noch zeigen wird. Ax2.4 regelt insbesondere den Übergang von generellen Normen zu singulären: T12
AI z, (C ea (Vy)T(y,p) 3 CaT(z,p)).
Ax2.5 schließt für nichtwidersprüchliche Autoritäten "explizite Normenkonflikte" aus (vgl. hierzu auch T5 und T6): T13 T14 T15 T16 T17
A2 A2 A2 A2 A2
3 3 3 3 3
(peaK 3 ~FaK), (P ea K => ~F ea K), (P a K 3 ~F a K), (P a K 3 - O ä - K ) , (F a K 3 ~OaK).
(Entsprechende Theoreme bekommen wir auch für generelle Normen.) Gemeinhin finden wir, daß auf Grund von (2), (4) sowie (5)
Op 3 Pp
(6) (7)
Fp 3 ~Pp, Pp3~0~p, Fp 3 ~Op.
(8) 31
gilt:
Da die Theoreme von jV, - mit der entsprechenden Beschränkung der Sprache - auch in N2 gelten, setzen wir ihre Numerierung hier fort.
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Damit wird in die logische Eigenschaften der normativen Begriffe gelegt, daß Normenkonflikte ausgeschlossen sind; solche Annahmen treffen wir nicht, sondern mit Ax2.5 charakterisieren wir eine Sorte von Autoritäten gerade so, daß diese Autoritäten gewisse Setzungs- bzw. Behauptungsakte nicht gemeinsam ausfuhren und so explizite Normenkonflikte vermeiden. Da wir keine logischen Beziehungen zwischen Erlaubnis-, Verbots- und Gebotsbegriff von vornherein annehmen, läßt sich der Begriff 'Normenkonflikt' zwar intuitiv fassen, im formalen Aufbau bleibt aber nur: explizite Normenkonflikte sind gerade das, was nichtwidersprüchliche Autoritäten vermeiden. In diesem Sinne können wir sagen, daß schwach folgerichtige Autoritäten auch implizite Normenkonflikte vermeiden:32 T18 T19 T20 T21 122 T23 T24
A3 A3 A3 A3 A3 A3 A3
3 3 3 3 3 3
(P*Kl v P a K 2 3 -F^K 1 v K2)) (FaK1 A F a K 2 3 - P ^ K 1 v K2)) (PaK.I A P a K 2 3 - F ^ K 1 A K2)) (P^K 1 A K 2 ) 3 ~F a K' A ~FaK2) (O^K 1 A K 2 ) 3 ~FaKl A ~FaK2) (OK 1 A O a K 2 3 ~pa(~Kl v ~K2)) 3 ( O K 1 v O K 2 3 -F^K 1 v K2))
Distributive Gesetze für normative Begriffe bekommen wir erst für streng folgerichtige Autoritäten: T25 T26 T27 T28 T29 T30
A4 3 A4 3 A4 3 A4 3 A4 3 A4 3
(P^K 1 A K 2 ) 3 P ^ 1 A P a K 2 ) (PaK 1 v P a K 2 3 pa(K 1 v K2)) (F a K' A F a K 2 = F^K 1 v K2)) (F a K' v F a K 2 3 F^K 1 A K2)) (OaKl A O a K 2 = O^K 1 A K2)) (OK 1 v O a K 2 3 O^K 1 v K2))
Bereits mit Ax2.5 läßt sich ableiten: T31
A 2 3 -(O^K A O ^ K )
Dagegen ist (9) F^Ka F ^ K nicht einmal für streng folgerichtige Autoritäten auszuschließen. Allerdings gilt T32
A 4 3 (PeaK1 A F^K 2 3 P^K 1 A ~K2))
auf Grund von Ax2.11 und daher auch T33 32
A4 3 (PeaKl 3 -(F^K 2 A F^K 2 )).
Mit der Annahme von RS2 bereits für schwach folgerichtige Autoritäten verstoßen wir gegen die konzeptionelle Idee, die hinter Stelzners Klassifikation von epistemischen Subjekten steht, da wir nun z. B. A 3 3 (P^K 1 =3 P ^ K 1 A K2) V (K1 A ~K 2 )) erhalten; wir brauchen jedoch RS2 zur Gewinnung anderer, willkommener Resultate.
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Wie T31 und (9) zeigen, ist also für uns eine Entsprechung zu (3) inakzeptabel, denn eine Autorität gerät nicht in Widerspruch, wenn sie alles verbietet. Wenn sie aber überhaupt etwas erlaubt und damit zuläßt, daß sich der Adressat normenkonform verhalten kann, dann muß sie als streng folgerichtige Autorität gemäß T33 bezüglich jeder Handlung des Adressaten die Möglichkeit normenkonformen Verhaltens sichern. Mit T32 gelten auch T34 T35
A4 3 (PeaKl 3 (F a K 2 =5 pa~K 2 )) A^ 3 ( P ^ K 1 3 (O a K 2 = Fa~K 2 ))
Unter der Voraussetzung, daß dem Adressaten irgendetwas erlaubt ist, erhalten wir also mit T35 eine schwache Form der "Interdefinierbarkeit" von O und F; dagegen läßt sich keine Entsprechung für P und F ableiten. Dem Anliegen unseres Aufbaus von System A^ entsprach es, keine normenlogische Folgerungsrelation anzunehmen, durch die spezifische Beziehungen zwischen den Begriffen 'erlaubt', 'verboten', 'geboten' gestiftet werden. Resultat unseres Aufbaus ist lediglich die Charakterisierung gewisser Sorten von Autoritäten hinsichtlich ihres Umgangs mit normativen Begriffen. Daher wird Ni auch nicht inkonsistent, wenn wir eine weitere Sorte A 4 * von Autoritäten aufnehmen, für die alle Axiome und Regeln bis einschließlich Ax2.5 gelten sowie zusätzlich (10)
A4* 3 (P' a (Va 1 ...a n )(K 1 v K 2 ) 3 P»(Va 1 ...a n )K 1 A P' a (Va l ...a n )K 2 ).
Derartige Autoritäten gebrauchen die alternative Erlaubnis somit als free choice permission33, und es gibt keinen Grund, ihnen das auszureden. Die Grundideen unseres Aufbaus werden nicht zerstört, solange die Einführung weiterer Sorten von Autoritäten in der Weise läuft, daß im Stil von Ax2.1-2.11 und RS2 die Autoritäten nur hinsichtlich ihrer Behauptungen über das Bestehen von Normen charakterisiert werden. Es ergibt sich auf jeden Fall, daß sich normative Widerspruchsfreiheit für explizite Normen nicht logisch erzwingen läßt; es können immer nur Sorten von Autoritäten ausgezeichnet werden, die Konflikte zwischen argumentativ wirksamen bzw. abgeleiteten Normen vermeiden. Normative Vollständigkeit i. d. S., daß jede Handlung (jeder Sachverhalt) einen deontischen Status besitzt, läßt sich für explizite Normen ebenfalls nicht logisch erzwingen; zudem gibt es auch keinen Weg, Sorten von Autoritäten einzuführen, für die sich eine abgeschwächte Form normativer Vollständigkeit bezüglich abgeleiteter Normen ergibt. 34 Kodizes können selbstverständlich (im eingeführten Sinne) normativ widerspruchsfrei bzw. vollständig sein, aber dies sind kontingente Eigenschaften von Kodizes, und da wir diese Eigenschaften nicht
33 34
Vgl. z. B.Wright(1968). Vgl. Philipp (1984), S. 125ff„ 115ff.
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als logische ausgeben, wird es gerade wieder sinnvoll, empirisch anzutreffenden Kodizes danach zu qualifizieren, ob sie widerspruchsfrei bzw. vollständig sind. 35
5. Normierung von Normsetzem. System N^ absoluter und relativer Normen Viele Probleme und Paradoxien der deontischen Logik stehen in engem Zusammenhang mit der formalen Behandlung bedingter (relativer, hypothetischer) Normen. Versucht man, bei der Darstellung bedingter Normen mit den Mitteln auszukommen, die üblicherweise für absolute Normen eingeführt werden, so ergeben sich unüberwindliche Schwierigkeiten. Es ist dann zu entscheiden, ob man für bedingte Gebote (entsprechend für bedingte Erlaubnisse und Verbote) Ausdrücke der Form (1)
0(p zd q)
oder der Form (2)
PDOq
wählen will. Wir erhalten jedoch in SDL36 und in den meisten anderen Systemen der deontischen Logik im Fall von (1) (3)
Op 3 0(~p 3 q),
im Fall von (2) (4)
P
3(~P^Oq).
Beides ist inakzeptabel: (3) besagt 'Wenn p absolut geboten ist, so ist jeder beliebige Sachverhalt q unter der Bedingung ~p geboten'; d. h., die Verletzung eines absoluten Gebotes verpflichtet uns zu allem. (4) besagt 'Wenn p der Fall ist, ist jeder beliebige Sachverhalt q unter der Bedingung ~p geboten'. Daneben lassen sich für beide Fassungen bedingter Normen noch viele andere Paradoxien finden. 37 Der Zustand bleibt auch dann imbefriedigend, wenn es gelingt, diese Paradoxien hinwegzuintepretieren: In (1) ist es der komplexe Sachverhalt p =) q, der der Normierung unterliegt, und nicht q unter der Bedingung p; in (2) wird zwar nur q normiert, aber hier besteht eine absolute Norm unter der 35
36 37
Es ergibt sich somit eine bemerkenswerte Verkehrung der Situation gegenüber rationaler Normenlogik: Folgt normative Widerspruchsfreiheit (Vollständigkeit) schon aus den logischen Eigenschaften der normativen Begriffe, so wird die Annahme gehaltlos, ein gewisser Kodex sei widerspruchsfrei (vollständig). SDL ist die standard deontic logic aus Wright (1951); s. a. die Formulierung von SDL in Hansson (1971, 1977). Zu Paradoxien der deontischen Logik, die sich bei der Darstellung bedingter Normen ergeben, vgl. z. B. Iwin (1972), Áqvist (1984), Castañeda (1981).
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Bedingung p und nicht eine bedingte Norm. Wir schlagen daher einen Weg ein, der in vielen Systemen der deontischen Logik gewählt wird, nämlich spezielle Prädikate (Modalitäten) für bedingte Nonnen einzuführen, die sich nicht auf Modalitäten für absolute Normen zurückführen lassen. 38 System N3 bauen wir so auf, daß im Stil von N j Axiome und Regeln aufgestellt werden, die spezifisch sind für den Umgang von deontischen Autoritäten mit relativen Normen. Im Unterschied zu N j beschränken wir die Sprache aber nicht auf Ausdrucksmittel für relative Normativakte und Normen, sondern ist Z^l- Damit wird insbesondere auch zugelassen, daß eine Autorität behauptungen aufstellt, in denen sie zugleich über absolute und relative Normen spricht, und daß solche Behauptungen für die Gewinnung von (absoluten und relativen) abgeleiteten Normen eine Rolle spielen. A 1 3 (C ea (Va 1 ...a n XK 1 /K 2 ) 3 C' a (Va 1 ...a n )(Kl/K 2 )) A 1 (P ia (Va 1 ...a n )(K 1 /K 2 ) A Fi*(Val...anX~K1/K2) = 3 O i a(Va 1 ...a n )(K 1 /K 2 )) 1 Ax3.3 A 3 (C i a(Va 1 ...a n )(K l /K 2 ) = C ia (Va 1 ...a n )(~~Kl/K 2 )) Ax3.4 Al 3 (C'ia( Va 1 ...a n )(K'/K 2 ) = C ia (Va'...a n )(Kl/~~K 2 )) Ax3.5 Al 3 (Cia(Vaa1...an)(K 1 /K 2 ) 3 Cia(Va1...an)(K17K2')), wobei K 1 ' bzw. K 2 ' aus K 1 bzw. K 2 dadurch entstehen, daß anstelle der freien Variablen a die Variable b korrekt eingesetzt wird Ax3.6 A 2 3(A(3a 1 .a n )K 2 3((P' a (Va 1 ..a n )K 1 /K 2 )3~(F' a (Va 1 ..a n )K 1 /K 2 ))) Ax3.7 A 3 3 (P'^K'/K 2 ) A P'^KV-K 2 ) 3 - F ^ K ' / K 2 ) v -F'^KV-K 2 )) Ax3.8 A 3 3 (P'^K'/K 2 v ~K2) 3 - F ^ K J / K 2 V ~K 2 )) Ax3.9 A 3 3 (P'^K'/K 2 v ~K2) 3 - F ' ^ / K 2 ) v -F'^KV-K 2 )) Ax3.10 A 3 3 (F'^K'/K 2 v ~K2) 3 -P'^K'/K 2 ) v ~Fia(K.V~K2)) RS3 Wenn ~(x,N3) (K 1 = K3) A (K 2 B K 4 ), so A 3 3 (C ia (Va 1 ...a n )(K '/K 2 ) 3 C ia (Va 1 ...a n )(K 3 /K 4 )) Ax3.11 A 4 3 (P ia (Va 1 ...a n )(K 1 /K 3 ) v P ia (Va 1 ...a n )(K 2 /K 3 ) 3 3 P' a (Va 1 ...a n )(K 1 v K 2 /K 3 )) 4 Ax3.12 A 3 (F ia (Va'...a n )(K 1 /K 3 ) A F ia (Va 1 ...a n )(K 2 /K 3 ) S = F^Va^-anXK 1 v K 2 /K 3 )) 4 Ax3.13 A 3 (P' a (Va 1 ...a n )(K 1 /K 3 ) A F ia (Va 1 ...a n )(K 2 /K 3 ) 3 3 P' a (Va 1 ...a n )(K 1 A ~K 2 /K 3 )) 4 Ax3.14 A 3 (C ia (Va 1 ...a n )(K 1 /K 2 ) v C ia (Va 1 ...a n )(Kl/K 3 ) 3 3 C ia (Va 1 ...a n )(K 1 /K 2 A K 3 )) 4 Ax3.15 A 3 (C ia (Va 1 ...a n )(K 1 /K 2 ) A C ia (Va 1 ...a n XK'/K 3 ) = s C' a (Va 1 ...a n )(K 1 /K 2 v K 3 )) 4 Ax3.16 A 3 (C'ia(Va1...an)K1 = C ia (Va 1 ...anXK 1 /K 2 v ~K 2 )) Ax3.17 A 4 3 (~A(Va1...an)~K2 3 (P ia (Va 1 ...a n )(K l /K 2 ) 3 3~F'*(Va 1 ...a n XK 1 /K 2 )) Ax3.1 Ax3.2
38
Bereits in der ersten Phase der Entwicklung der modernen Normenlogik wurde mit Wright (1956, 1963, 1964, 1965), Rescher (1958, 1966), Fenstad (1959) der Weg zu dyadischen Normbegriffen eingeschlagen.
Logik deskriptiver normativer Begriffe
273
(In Ax3.1 - 3.5, 3.11 - 3.17 und RS3 kann die Folge von Alloperatoren (VaL.a") leer sein; in Ax3.6 kann es sein, daß sowohl (3a 1 ...a n ) als auch (V a'...a n ) leer sind. Hier und im weiteren steht C für die Symbole P, F, O.) Für elementarlogische Autoritäten erhalten wir nun als Theoreme: T36 T37 T38 T39
A 1 (C«i(Kl/K2) 3 C ^ / K 2 ) ) AI 3 ( P e a ^ / K 2 ) A F ^ - K ^ / K 2 ) 3 O^K'/K 2 )) A 1 3 ( O ^ K ' / K 2 ) 3 P ^ / K 2 ) A F^-Ki/K 2 )) AI 3 (C«KVy)(T(y,p)/q) 3 C*(T(z,p)/q))
Diese Theoreme entsprechen T9 - 12 von System N2. Dort ergab sich für nichtwidersprüchliche Autoritäten, daß sie explizite Normenkonflikte vermeiden. Hätten wir anstelle von Ax3.6 angenommen (5)
A 2 3 (P'^K'/K 2 ) 3 -F'^K'/K 2 )),
so könnten wir für relative Normen analoge Ergebnisse erzielen; Ax3.6 ist jedoch wesentlich schwächer. Erst wenn die Autorität behauptet, daß die Bedingung der jeweiligen Norm besteht, lassen sich explizite Normenkonflikte ausschließen: T40
A 2 3 (AK 2 3 (P*(Kl/K2) 3 -F^K'/K 2 )))
Für schwach folgerichtige Autoritäten gelten die folgenden Theoreme: T41 T42 T43 T44
A3 3 A3 3 A3 3 A3 3
(P^K'/K 2 ) A Pa(KV~K2) 3 -F^KJ/K 2 ) V ~Fa(KV~K2)) (Pa(Kl/K 2 v ~K 2 ) 3 - F ^ / K 2 ) v ~F*(KV~K2)) (Fa(Kl/K 2 v ~K 2 ) 3 ~Pa(K'/K 2 ) v ~pa(K'/~K 2 )) (Oa(Kl/K 2 ) A O^KV-K 2 ) 3 ~0*(~Kl/K 2 v ~K 2 ))
Distributive Gesetze für relative Normen erhalten wir wiederum erst für streng folgerichtige Autoritäten: T45 T46 T47 T48 T49 T50
A4 3 A4 3 A4 3 A4 3 A4 3 A4 3
(P^K 1 A K 2 /K 3 ) 3 P ^ / K 3 ) A P*(K2/K3)) (Pa(Kl/K 3 ) v P*(K2/K3) 3 P^K 1 v K 2 /K 3 )) (F»(K l/K 3 ) v F*(K2/K3) 3 F*(K 1 A K 2 /K 3 )) (F^K'/K 3 ) A F*(K2/K3) = F ^ K 1 v K 2 /K 3 )) (Oa(Kl A K 2 /K 3 ) = O ^ / K 3 ) A 0 ( K 2 / K 3 ) ) (O^K'/K 3 ) v 0 ( K 2 / K 3 ) 3 Oa(K> v K 2 /K 3 ))
Diese Theoreme entsprechen den distributiven Gesetzen für absolute Normen; die folgenden Theoreme betreffen Distributionen bezüglich der Bedingungen relativer Nonnen: T51 T52
A4 3 (0»{Kl/K 2 ) v C^K'/K 3 ) 3 C^K'/K 2 A K 3 )) A 4 3 (OKK'/K 2 ) A C^K'/K 3 ) = C^Kl/K 2 v K 3 ))
Mit Ax3.16 wird fiir streng folgerichtige Autoritäten ein Zusammenhang zwischen absoluten und relativen Normen hergestellt; daraus ergibt sich: T53
A 4 3 ( O K 1 = C^K'/K 2 V ~K 2 ))
274 T54
Peter Philipp A^ 3 ( O K
1
E= C ^ K ' / K 2 ) A C * ( K l / ~ K 2 ) )
Mit Hilfe von T51 erhalten wir: T55
A 4 3 (P*(Kl/K2) A F^K'/K 3 ) 3 pa(Kl/K2 A K 3 ) A F ^ K ' / K 2
A
K 3 ))
Dies könnte als implausibel erscheinen und zur Kritik an Ax3.14 fuhren; allerdings gilt wegen Ax3.17: T56
A 4 3 (Pa(K l/K 2 ) A F^K'/K 3 ) 3 A~(K2 A K 3 ))
P^K'/K 2 ) A F^K'/K 3 ) ist für eine streng folgerichtige Autorität demnach nur zulässig, wenn sie die Möglichkeit ausschließt, daß die Bedingungen K 2 und K 3 gemeinsam auftreten. Ersetzen wir P^K'/K 2 ) durch P ^ K ' / K 2 A ~K 3 ), so ergibt sich T57
A 4 3 (Pa(Kl/K 2 A ~K 3 ) A F*(Kl/K3) 3 A~(K2 A ~K 3 A K 3 ))
Jetzt ist die Autorität lediglich zu einer Behauptung gezwungen, die sie, da streng folgerichtig, ohnehin macht, und in Kombination mit F ^ K 1 ^ 3 ) dürfte P ^ K ' / K 2 A ~K 3 ) in vielen Fällen die korrekte Formulierung der Norm sein, die vorschnell oder unsauber mit P^K'/K 2 ) ausgedrückt wurde. 39
6. Handlungsausdrücke im Bereich von Normen. - System Mj Wir haben die Sprache L^i so aufgebaut, daß als Inhalt (Fokus) einer Norm nur T-Formeln zugelassen sind, in relativen Normen können dagegen als Bedingung der Norm beliebige Formeln fungieren, insbesondere auch TFormeln. Mit den Systemen A^ und A/3 charakterisieren wir zwar den Umgang der Autoritäten mit Normen und daher auch mit Norminhalten, treffen aber keine Regelungen, die den spezifischen Umgang mit T-Formeln betreffen. Obwohl sich schon in N\ ableiten läßt: (1)
AI 3 (A(PeT(y,p A q,tl,t 2 ) 3 P'T(y,p,tl,t 2 )) A P^T(y,p A q,tl,t 2 ) 3 3 paT(y,p,tl,t2)),
ist in JV2 zwar ableitbar (2)
A 4 3(Pea(T(y,p, t l,t2)AT(y,q,tl,t2))3PaT(y,p,tl,t 2 )),
jedoch nicht (3)
A 4 3 (P ea T(y,p A q,tl,t2) 3 P*T(y,p,tl,t2)).
System /V4 formulieren wir nun als eine Erweiterung von Nj, um gerade den Umgang von Autoritäten mit dem Inhalt atomarer T-Formeln charakterisie39
In Philipp (1984), Kap. IV.2.3, haben wir noch eine weitere Art von Begriffen für bedingte Normen eingeführt, die sich von den hier verwendeten insbesondere darin unterscheiden, daß die Entsprechungen zu T51 zwar für Verbote, aber nicht für Erlaubnisse gilt.
Logik deskriptiver normativer Begriffe
275
ren zu können. Erforderlich ist also zunächst eine logische Explikation unserer Handlungsbegriffe T und H. Unseren bisher entwickelten konzeptionellen Positionen entspricht es, T und H als deskriptive Handlungsbegriffe aufzufassen und daher eine Handlungslogik zu entwerfen, die in ihren Grundideen der Stelznerschen Logik deskriptiver epistemischer Begriffe S ^ folgt, mit der wir den Behauptungsbegriff A charakterisiert haben. So lassen sich z. B. Thesen wie (4) (5)
T(y,p) A T(y,q) = T(y,p A q), T(y,p)=>~T(y,~p),
die für rationale Handlungslogik akzeptabel sind, nicht halten, wenn T deskriptiv gedeutet wird. Ein Handlungssubjekt, das intentional gerichtet ist auf die Herbeiführung von p und auf die Herbeiführung von q, braucht nicht von vornherein auf die Herbeiführung von p A q gerichtet zu sein; es könnte sogar passieren, daß es in seinen Handlungen innehält, sobald ihm klar wird, daß es im Falle des Erfolgs beider Handlungen p A q herbeiführt. Ebenso kann (6)
T(y,p) A T(y,~p)
adäquate Beschreibung einer empirisch anzutreffenden Verhaltensweise sein, auch wenn das Handlungssubjekt dann nicht "rational" zu nennen ist. Diese und andere Gründe haben uns in Philipp (1984) dazu geführt, eine Logik deskriptiver Handlungsbegriffe aufzubauen, mit deren Hilfe Handlungssubjekte hinsichtlich der Erfüllung von Rationalitätsforderungen klassifiziert werden können. Dagegen wollen wir jetzt einen etwas anderen Weg einschlagen: Sätze wie (7)
pea T (y,p >t l,t2) 3 pa~T(y,~p,tl,t2),
(8)
Fea~T(y,~p,tl,t2)
3
sind unterm Blickwinkel rationaler Normen- und Handlungslogik akzeptabel; wenn wir deskriptive Normen- und Handlungsbegriffe untersuchen wollen, müssen beide Sätze abgeschwächt werden. In A^ und JV3 geschah dies dadurch, daß entsprechenden Sätzen Bedingungen über die "logische Stärke" der Autorität vorangestellt wurden; wie ist nun im Falle von (7) und (8) zu verfahren? Müssen wir beim Aufbau von System N4 berücksichtigen, daß für manche Handlungssubjekte (6) charakteristisch ist, oder muß dies die Autorität bei der Ableitung von Normen berücksichtigen? Offensichtlich gibt es für beides keine Gründe: Deontische Autoritäten gewinnen abgeleitete Normen entsprechend ihres Verständnisses von normativen und Handlungsbegriffen (dies haben wir mit Axl.16, 1.17 gesichert), und wir qualifizieren deontische Autoritäten hinsichtlich der Ableitung von Normen nach unserem Verständnis von normativen Begriffen und nun auch von Handlungsbegriffen. Wenn eine Autorität, die (5) als Rationalitätsforderung an Handlungssubjekte akzeptiert, berücksichtigen will, daß manche Adressaten gegebenenfalls im Sinne von (5) nicht rational handeln, so kann sie ihre
276
Peter Philipp
(üblicherweise mit Normsetzungen verbundenen) Zwecke nicht dadurch erreichen, daß sie von (9)
Fea~T(y > ~p ) tl,t2)
zu (10)
Fea~T(Y,~p )t l,t2) A P*T(y,p,tl,t 2 )
übergeht, sondern dadurch, daß sie von (9) auf Grund von (8) zu (11)
F e a ~T(y,~p,t 1 ,t 2 ) A F a T(y,p,tl,t 2 )
übergeht. 4 0 Für den Aufbau von System N4 kommen wir daher zu dem Ergebnis, daß bei Wahrung unserer konzeptionellen Positionen eine selbständige Handlungslogik 41 als Logik deskriptiver Handlungsbegriffe aufgebaut werden muß, im Rahmen unserer Normenlogik geht es jedoch darum, den Umgang der deontischen Autoritäten mit Handlungsbegriffen zu erfassen. Dabei spielt es keine Rolle, ob im Verständnis der Autorität Handlungsbegriffe rational oder deskriptiv zu gebrauchen sind. - Der im folgenden aufgebaute handlungslogische Kalkül T ist nur mit Blick auf seine Verwendung im System A/4 entwickelt; wir beanspruchen nicht, mit diesem Kalkül logische Eigenschaften von Handlungsbegriffen adäquat zu explizieren. Erst aus der Sicht von 7V4 lassen sich die logischen Eigenschaften der Handlungsbegriffe von Positionen einer deskriptiven Handlungslogik aus bewerten. System T Die Sprache Lj hinzu:
ist L ^ i ; zu den Axiomen und Regeln von N^ fugen wir
A x T l TK 1 A TK 2 3 T(Kl A K 2 ) AxT2 HK 1 A HK 2 3 H ( K ' A K 2 ) AxT3 TK 3 ~T~K AxT4 HK 3 TK A K RST Wenn | - (T) K l 3 K 2 , so | - (T) TK 1 3 TK 2 und (- (7) HK 1 3 HK 2 . Zu den Theoremen von System T gehören u. a.: Tt1 Tt3 Tx5
T K ' v T K 2 3 T(K' v K2) T(K! 3 K2) A T K 1 3 TK2 T(Va)K 3 TK'
Tt2 Tj4 Tj6
T(K] A K2) = T K 1 A T K 2 TK1 3 T ( K 2 v ~ K 2 ) TK' 3 T(3a)K
(In T j 5 und Ty6 entsteht K' aus K dadurch, daß anstelle der freien Variablen a die Variable b korrekt eingesetzt wird.) X T l - T 7 6 entsprechende Theoreme gelten auch für H; als Entsprechimg zu AxT3 erhalten wir mit AxT4: 40
41
Autoritäten, die (5) selbst nicht akzeptieren, denen in anderer Hinsicht der Überblick fehlt oder die mit der Setzung von (9) gar nicht das Ziel verfolgen, daß p eintritt, können natürlich zu (10) gelangen, aber dann qualifizieren wir die Autoritäten als nicht rational und nicht die Adressaten. Vgl. Philipp (1984).
277
Logik deskriptiver normativer Begriffe
TT7
HK 3 ~H~K
Iterationsprinzipien für T und H sind: T t 8 HHKDHK T x l l HTK 3 TK Tt14 H - H K 3 - H K
Tt9 HHK3TK T t 1 2 THK 3 TTK Tt15 H - T K 3 - H K
T t 1 0 HHKzdK T t 1 3 THK 3 TK
Nicht ableitbar sind dagegen: (12)
TTK=>TK
(13)
TK 3 TTK
(14)
HK=>HHK
System Die Sprache i s t wiederum L^l- System die folgenden Regeln hinzufügen:
entsteht, indem wir zu N^
RS4 Seien K 1 und K 2 Formeln gemäß Punkt 10.1 oder 10.2 der Formeldefinition; dann gilt: Wenn | - (x,7) K 1 3 K 2 , so 4.1 A 3 3 (P' a Kl 3 ~F' a K 2 ) 4.2 A3 (P'*(Kl/K3) A P'^KV-K 3 ) 3 ~F ia (K 2 /K 3 ) v ~F'a(K 2 /~K 3 )) 4.3 A 3 (P'^Ki/K 3 v ~K 3 ) 3 ~F ia (K 2 /K 3 v ~K 3 )) 4.4 A 3 (P ia (Kl/K 3 v ~K 3 ) 3 ~F ia (K 2 /K 3 ) v ~F ia (K 2 /~K 3 )) 4.5 A 3 3 (F ia (K 2 /K 3 v ~K 3 ) 3 ~P ia (Kl/K 3 ) v - P ^ K V - K 3 ) ) 4.6 A 4 3 (P ia (Va 1 ...a n )K 1 3 P'^VaL.a'OK 2 ) 4.7 A 4 3 (F'^Va^-.a^K 2 3 F ia (Va 1 ...a n )K 1 ) 4.8 A 4 3 (P' a (Va 1 ...a n )(K'/K 3 ) 3 P ia (Va 1 ...a n )(K 2 /K 3 )) 4.9 A 4 3 (F ia ( Va1.. ,a n )(K 2 /K 3 ) 3 F ia (Va 1 ...a n XK 1 /K 3 )) 4.10 A 4 3 (C ia ( V a 1 ...a n )(K 3 /K 2 ) 3 C ia (Va 1 ...a n )(K 3 /K 1 )) (In RS4.6 - 4.10 kann die Folge von Alloperatoren (Va!...a n ) leer sein.) 42 Schwach folgerichtige Autoritäten werden hinsichtlich ihres Umgangs mit dem Inhalt absoluter Normen durch die folgenden Theoreme charakterisiert: T58 T59 T60 T61 T62 T63 T64 42
A3 A3 A3 A3 A3 A3 A3
3 (PaT(y,p A q,tl,t 2 ) 3 ~FaT(y,p,tl,t2)) 3 (P a T(y,p,t',t 2 ) 3 ~FaT(y,p v q.t^t 2 )) 3 (paT^p.t 1 ,t 2 ) 3 ~Fa~T(y-p.tM 2 )) a 2 3 ( O A ^ Y . P , ! 1 , ! 2 ) 3 ~O T(y-p.tM )) a 1 2 a 3 (P T(y,(Vz)Q(z),t ,t ) 3 ~F T(y,Q(z),tl,t 2 )) 3 (P a T(y,Q(z),tl,t 2 ) 3 ~F a T(y,(3z)Q(z),tl,t 2 )) 3 (P a H(y,p,tl,t 2 ) 3 ~F a T(y,p,tl,t 2 ))
Die Regeln 4.6 bzw. 4.7 sind in System N+ auf Grund von Ax3.16 abhängig von den Regeln 4.8 bzw. 4.9. Wir haben sie trotzdem in unseren Aufbau aufgenommen, weil sich so bequemer ein Teilsystem N4, formulieren läßt, das auf absolute Normen beschränkt ist: Zunächst bilden wir System T mit Lj, = Z,N,, indem wir AxTl-4, RST zu den Axiomen und Regeln von N2 hinzufügen. Dann erhalten wir JV4. mit Z.N4. = LN2, indem wir zu den Axiomen und Regeln von N2 hinzufügen: R4.1, 4.6, 4.7. Außerdem erweisen sich mit der Annahme von R4 auch gewisse Axiome von N2 bzw. N3 als abhängig; wir verzichten hier jedoch auf eine Reformulierung der Axiomenmenge von N4.
278
Peter Philipp
Den Inhalt relativer Normen betreffen die folgenden Theoreme: T65 T66 T67
A3 3 (Pa(T(y,p A q,tl,t 2 )/r) A pa(T(y,p A q,tl,t 2 )/~r) 3 3 ~F8(T(y,p,t1 ,t2)/r) v ~Fa(T(y,p,tl,t2)/~r)) 3 A ^ (PaCTCy.CKzXt^yr v ~r) 3 ~Fa(T(y,(3z)Q(z),t 1 ,t 2 )/r) v v ~Fa(T(y,(3z)Q(z),t1,t2)/~r)) A3 3 (T(y,Q(z),t1 ,t2)/r v ~r) 3 ~pa(T(y,(Vz)Q(z)>t1>t2)/r) v v~paCr(y,(Vz)Q(z),tl,t2)/~r))
Für streng folgerichtige Autoritäten erhalten wir bezüglich absoluter Normen: T68 T69
A4 3 (Pa(T(y,p,tl,t 2 ) A T(y,q,tl,t2)) = paT( y , p A q , t l,t 2 )) A 4 3 (P a T(y,p,t',t 2 ) v paT(y,q,t1,t2) 3 P a T(y,p A q.t'.t 2 ))
T70
A 4 3 (PaT(y,p, t l,t 2 ) 3 P*~T(y ,~p,tl,t 2 ))
T71 112 T73 T74 T75 T76
A4 3 A4 3 A4 3 A4 3 A4 3 A4 3
(F a T(y,p,tl,t 2 ) v F a T(y,q,tl,t 2 ) 3 FaT(y,p A q.t^t 2 )) (FaT(y,p v q,tM 2 ) 3 FaT(y,p,tl,t2) A F a T(y,q,tl,t 2 )) (F a ~T(y,p,t 1 ,t 2 ) 3 F a T(y-p.t^t 2 )) (F a T(y,p,t',t 2 ) 3 F a H ^ t M 2 ) ) (OaT(y,p A q.tM 2 ) = OaT(y,p,tl,t2) A O a T(y,q,tl,t 2 )) (O a T(y,p,t',t 2 ) 3 Oa~T(y-p,! 1 ,! 2 ))
Für relative Normen ergibt sich: T77 T78 T79 T80
A4 3 A4 3 A4 3 A4 3
(PaOXy.p A q,tl,t 2 )/r) 3 Pa(T(y,p,t',t 2 )/r)) (F a (T(a,p,t 1 ,t 2 )/r) 3 Fa(T(y,p A q,tl,t 2 )/r)) (Oa(T(y,p A q,tl,t 2 )/r) 3 0*(T(y,p,tl,t 2 )/r)) (OKK/Tfr.p.tM 2 )) 3 Ca(K/T(y,p A q,t',t 2 )))
(Zu all den Theoremen, in denen an Handlungsprädikaten nur T vorkommt, erhalten wir analoge Theoreme, in denen T durch H ersetzt ist.)
7. Formale Rekonstruktion normativer Gegebenheiten Nachdem wir System aufgebaut und eine Reihe von Theoremen angegeben haben, ist es an der Zeit, die Leistungsfähigkeit und Ausdruckskraft unseres Systems und seiner Sprache in der Anwendung auf charakteristische normative Gegebenheiten nachzuweisen. - In der normenlogischen Literatur nehmen die Auffassungen von Castañeda insofern eine Sonderstellung ein, als dieser viele wichtige Eigenheiten normativen Sprachgebrauchs berücksichtigt, die meistens nicht gesehen oder als unwesentlich beiseite gelassen werden. 43 Da wir mit Castañeda darin übereinstimmen, daß diese Eigenhei43
Im folgenden beziehen wir uns nur auf Castañeda (1981), daneben gibt es aber eine Vielzahl von anderen Arbeiten Castañedas zum gleichen Problemkreis.
Logik deskriptiver normativer Begriffe
279
ten beachtet werden müssen, messen wir unsere Ergebnisse insbesondere an denen von Castañeda.44 Beginnen wir mit folgendem Beispiel: (1) (a) (b)
Alchourrón is obliged... to do the following: Both if Bulygin sends him the second draft of their latest joint paper and he is not working in his farm, revise it, and write the outline of their next paper, if and only if Bulygin calls him up to report that he will be going to Copacabana.45
Wir stimmen Castañeda zu, daß ein grundsätzlicher semantischer Unterschied besteht "between a circumstance or condition and an action deontically considered as the focus of obligatoriness"^, der sich in der Umgangssprache als Unterschied zwischen Indikativsatz ('Bulygin sends him the second draft of their latest joint paper and he is not working in his farm') und Infinitivsatz ('(to) revise it') darstellt und der sachlich als proposition/>raci/7/o«-Unterscheidung zu fassen ist. Diese Unterscheidung muß auch durch die formalen Mittel des Kalküls gewahrt werden. Gemäß unserer Formeldefinition ist K 1 in Formeln der Gestalt Cix^K^/K 2 ),^^ 2 ) als Fokus der Norm stets eine T-Formel und steht also für die Handlung des Adressaten, der ein deontischer Status verliehen wird. Dagegen ist K 2 , die Bedingung der Norm, eine beliebige Formel. K 2 kann zwar auch eine T-Formel sein und insbesondere eine Handlung des Adressaten ¿eschreiben, aber nicht vorschreiben. Während Castañeda bereits in der Symbolik zwischen propositions (p, q, r, ...) und practitions (A, B, C, ...) unterscheidet, wird in unserer Sprache die Unterscheidung von propositions und practitions durch die Stellung beider innerhalb atomarer normativer Ausdrücke gewährleistet. Dabei kann es vorkommen, daß ein und dieselbe Handlung einmal als Fokus der Norm, ein andermal als Bedingung der Norm auftritt: (2)
Alchourrón is obliged ...by his work agreement with Bulygin to do the following: (a) re-write the footnotes, if and only if he mislays them, and (b) send the footnotes to Carrió, only if he re-writes them A"1 Wir können versuchen, diese Norm folgendermaßen in unserer Sprache auszudrücken: (2 P )
O e (x,(H(y,Q 1 (y),t 1 ,t 2 )/Q 2 (y)),t 3 ,t 4 ) A AOe(x,(H(y,Q3(y),t5,t6)/H(y,Ql(y),tl,t2)),t3,t4)
(Hier steht x für die Autorität Alchourrón/Bulygin, die allen Elementen der Menge {Alchourrón, Bulygin} Normen setzen kann ('by their work agree44 45 46 47
Castañeda (1981). Vgl. Castañeda (1981), S.39. Ebenda, S.42. Vgl. ebenda. In den Beispielsätzen geben wir nicht immer ein genaues Zitat; ebenso ändern wir mitunter die originale Symbolik.
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Peter Philipp
ment'), y für Alchourrón, Q 1 für '... re-writes the footnotes', Q 2 für '... mislays the footnotes', Q 3 für'... sends the footnotes to Carrió'.)48 Gegenüber der von Castañeda eingeführten Sprache erweist es sich als Vorzug von L^i, daß H(y,Q1(y),t1,t2) in beiden Konjunktionsgliedem von (2p) vorkommt, während Castañeda im ersten Fall Symbole für practitions, im zweiten für propositions verwenden muß, wodurch gerade der Zusammenhang zwischen beiden verloren geht. Dagegen scheint Castañedas Sprache einen anderen wichtigen Vorzug gegenüber Lj^i zu haben: Nach Castañeda gibt es Normen mit notwendigen Bedingungen (2b), mit hinreichenden Bedingungen (la) sowie mit notwendigen und hinreichenden Bedingungen (2a). Diese Unterscheidung können wir nicht durchführen; in unserer Lesart stehen Formeln der Gestalt Cix^K'/K 2 )^ 1 ^ 2 ) für Normen bzw. Normativakte mit hinreichender Bedingung, und daher kann (2p) nicht als adäquate Darstellung von (2) gelten. Wir müßten also noch zwei weitere Formeltypen einführen, was Castañeda nicht nötig hat, denn er kann mit 0(p A), 0(A ZD p), 0(p = A) alle drei Fälle ausdrücken. Wir wollen zeigen, daß hier kein Mangel von L^i vorliegt;vielmehr läßt sich Castañeda durch die Oberflächenstruktur umgangssprachlicher deontischer Ausdrücke in die Irre führen - die logische Struktur bedingter Normen entspricht stets unserem Typ von Normen mit hinreichender Bedingimg. Betrachten wir dazu (2a); dies hatten wir oben mit (2a P ) O e (x,(H(y,Q 1 (y),t 1 ,t 2 )/Q 2 (y)),t 3 ,t 4 ) ausgedrückt, was wir inzwischen als inadäquat erkannt haben. Wenn wir (2a) inhaltlich analysieren, ergibt sich zunächst: (2a') Alchourrón is obliged to re-write the footnotes, if he mislays them. Dies kann Castañeda mit (2a)
Oj(p 3 A)
ausdrücken (wobei der Index i unserem Parameter für Autoritäten entspricht), in unserer Sprache steht dafür gerade (2ap). Was aber, wenn Alchourrón die Fußnoten nicht verlegt, ist es ihm dann geboten, die Fußnoten nicht neu zu schreiben, oder ist es ihm nicht geboten, die Fußnoten neu zu schreiben? Wir können beides ausdrücken: (2a) (2a")
O e (x,(H(y,~Q 1 (y),t 1 ,t 2 )/Q 2 (y)),t 3 ,t 4 ), ~O e (x,(H(y,Q 1 (y),t 1 ,t 2 )/Q 2 (y)),t 3 ,t 4 ).
Obwohl 'if and only if in (2a) formal (2a') nahelegt, scheint inhaltlich eher (2a") akzeptabel zu sein, denn mit (2a) würde gefordert werden, daß sich Alchourrón keine überflüssige Arbeit macht (zum Nachteil seiner Farm). 48
Im ersten Konjuktionsglied von (2 P ) hätten wir als Bedingung der Norm auch einen Handlungsausdruck schreiben können, falls wir 'Alchourrön mislays the footnotes' als eine Handlung ansehen.
Logik deskriptiver normativer Begriffe
281
Welche Deutung die richtige ist, muß die Autorität Alchourrón/Bulygin entscheiden; mit der Konjunktion von (2ap) und (2a) bzw. (2ap) und (2a") können wir beide Varianten ausdrücken. Nach Castañeda folgt aus (2b) (3)
Alchourrón is allowed... by his work agreement with Bulygin to send the footnotes to Carrió, only if he re-writes them,49
Das ist also ein Beispiel fur eine notwendige Bedingung, und wir können dies nicht ausdrücken. Was wir ausdrücken könnten, wäre (4)
Alchourrón is not allowed by his work agreement with Bulygin to send the footnotes to Carrió, if he not re-writes them.
(4 P )
~Pe(x,(H(y,Q3(y),tl,t2)/~Ql(y)),t3,t4)
bzw. (5)
Alchourrón is forbidden by his work agreement with Bulygin to send the footnotes to Carrió, if he not re-writes them.
(S P )
F e (x, (H(y,Q3(y), t 1 , t 2 )/~Q 1 (y)), t 3 , t 4 )
Castañeda kann zwar (3) mit einem Ausdruck der Form (3c)
Pi(A^p)
darstellen, doch wird damit nicht geklärt, unter welchen Umständen Alchourrón die Fußnoten an Carrió schicken darf, denn p ist ja gerade nur eine notwendige Bedingung. Es steht dann die Frage, ob für Castañeda aus (3) wenigstens folgt: (6)
Alchourrón is allowed by his work agreement with Bulygin to send the footnotes to Carrió, if he re-writes them.
(6 P )
pe(x,(H(y,Q3(y),tl,t2)/Ql(y)),t3,t4)
Dann läge es nahe, 'only if in (3) nicht als "höchstens wenn' zu lesen, sondern als Lesart zu wählen: 'if he re-writes them, but not, if he not re-writes them'; dies ist aber kaum mehr als eine Norm mit notwendiger Bedingimg anzusehen. Da in System A/4 die Begriffe 'erlaubt' und 'verboten' nicht interdefinierbar sind, haben wir vielfältige Möglichkeiten zur Darstellung bedingter Normen, unter denen sich gewiß auch eine Entsprechung zu dem findet, was Castañeda mit (3) meint: neben (4p) und (5p) kommen insbesondere die Konjunktion von (6p) und (4p) bzw. von (6p) und (5p) in Betracht. Da in (3) lediglich von 'erlaubt' die Rede ist, scheint zunächst die Konjunktion von (6p) und (4p) eine adäquate Deutung zu sein; allerdings läßt (4p) zu, daß bezüglich irgendeines von Q'(y) verschiedenen Sachverhaltes K gilt: 49
Vgl. ebenda, S.43.
282
(7 P )
Peter Philipp
Pe(x,(H(y,Q3(y),tl,t2)/K),t3,t4)
und daher für streng folgerichtige Autoritäten auch: (8 P )
pa( x ,(H(y,Q3(y),tl,t2)/K A - Q ^ y ) ) , ^ ) ,
also z. B.: (8)
Alchourrón is allowed by his work agreement with Bulygin to send the footnotes to Carrió, if he is ill and he not re-writes them.
Dagegen bekommen wir fur streng folgerichtige Autoritäten aus (5p): (9P)
Fa(x,(H(y,Q3(y),tl,t2)/K A Q ^ y ) ) ^ , ^ ) .
Damit ist ausgeschlossen, daß es doch noch Umstände gibt, unter denen Alchourrón die Fußnoten an Carrió schicken darf, obwohl er sie nicht neu schreibt. Unser Vorschlag ist somit, die Konjunktion von (6p) und (5p) zur Darstellung von (3) zu wählen. Eine grundsätzliche Differenz zu Castañeda gibt es in folgendem Punkt: Castañeda behauptet, es sei klar, daß aus (la) folge: (10)
If Bulygin sends him the second draft of their lates joint paper, and he is not working in his farm, Alchourrón is obliged... to revise /f.50
Während (la) bei Castañeda in der Form ( l a c ) Oj(pA~q=>A) darzustellen ist und in (lap)
mit
Oe(x,(H(y)Q4(y),tl,t2)/Q5(z,y) A ~Q6(y))jt3)t4)
(wobei Q 4 für '... revise the paper', Q 5 fur '... sends ... the second draft of their latest joint paper', Q 6 für '... is working in his farm' und z für Bulygin stehen), entspricht (10) (10 C ) p A ~q O A (10p) Q 5 (z,y) A ~Q6(y) 3 O a (x,H(y,Q 4 (y),t 1 ,t 2 ),t3,t 4 ). Castañedas Begründimg für den Übergang von (la^) zu (10 c ) ist: "the indicative clause, which express circumstances, can be taken out of the scope of the deontic prefix" 51 Dies soll stets gelten, wenn keine Quantoren und keine anderen Modalitäten als deontische in dem entsprechenden Ausdruck vorkommen. Demnach verwandelt sich also eine bedingte Norm in einer gewissen Situation in eine absolute Norm, wenn in dieser Situation die Bedingungen der Norm erfüllt sind. Das läßt sich jedoch für unseren Aufbau nicht halten: Eine bedingte bzw. absolute Norm besteht auf Grund gewisser Handlungen der Autorität; was ansonsten außerhalb des Rahmens der Normsetzungshandlung noch der Fall ist, spielt dafür keine Rolle. Darum 50 51
Vgl. ebenda, S. 41. Ebenda; vgl. auch S. 48, S. 78. Vgl. auch Anderson (1959).
Logik deskriptiver normativer Begriffe
283
muß der Unterschied zwischen absoluten und relativen Normen auch dann erhalten bleiben, wenn die Bedingungen der relativen Norm erfüllt sind. Bei Castañeda verwischt sich der Unterschied zwischen einer Norm und einer Situation, in der jemand etwas tun soll oder darf. Wenn Q 5 (z,y) A ~Q 6 (y) der Fall ist, soll gemäß (lap) Alchourrón für 4 Q (y) sorgen, aber das ist ihm in dieser Situation nicht absolut geboten, sondern bedingt, und die Bedingungen der Norm sind erfüllt. 52 Wir wollen nun noch an einem Beispiel den Ausdrucksreichtum und die Differenzierungsmöglichkeiten unseres Systems illustrieren; es stehe die freie Variable x für 'Hans', z für 'Maria', das 2-stellige Prädikat Q für '... küßt...'. Dann können wir die folgenden Erlaubnisse unterscheiden:53 (10a) (10b) (10c)
(lOd) (lOe) (lOf)
P e H(x,Q(x,z),t 1 ,t 2 ) P e H(z,Q(x,z),tl,t 2 )
pe(Vy)H(y,Q(y,z),tl,t 2 )
P e (Vy)H(z,Q(y,z),t',t 2 ) P e H(z,( Vy)Q(y,z),t1 ,t 2 ) P e H(z,(3y)Q(y,z),t 1 ,t 2 )
Als umgangssprachliche Lesart wählen wir: (10a1) Es ist Hans erlaubt, daß er Maria küßt. (10b') Es ist Maria erlaubt, daß Hans sie küßt. (10c') Es ist jedem erlaubt, daß er Maria küßt. (10d') Es ist Maria erlaubt, daß jeder sie küßt. (10e') Es ist Maria erlaubt, daß alle sie küssen. (10f) Es ist Maria erlaubt, daß jemand sie küßt. Die entsprechenden Formen erhalten wir auch für Verbote und Gebote. Die singulären Normen (10a) und (10b) sind unmittelbar klar, auch die generelle Norm (10c) bedarf keiner Erläuterung. Anders steht es mit den drei folgenden Formeln; unsere Verwendung von 'jeder', 'alle', 'jemand' wird gerechtfertigt durch die folgenden Theoreme. Wir können zunächst feststellen, daß gilt: Tt16 T81 T82 52
53
H(z,(Vy)Q(y,z),t 1 ,t 2 ) 3 (Vy)H(z,Q(y,z),tl,t2) Beweis: mit TT5, RS1, Axl.4 A4 3 (PeaH(z,(Vy)Q(y,z),t1,t2) 3 P*(Vy)H(z,Q(y,z),tl,t2)) A4 => (F ~~P p v qR o q v p ~p A (p v q) R - > q ~q A (p 3 q) R - > ~p ~(p => q) r O p A ~q p v q R (p v q) A (q v p) (P =5 ~P) Rqv~q PR^PV~P P R-* P 3 P ~(p q) R - > p => ~q
Ungültige positiv relevante Entailments el. e5. e7. e9. eil. el3. el5.
PR-^Pvq p R - > ( P V q) A ( p v ~q) p R - > q => p P A ~p R - > q ~ P R - > P =>P P A q R ->P 3 q p A ~ q R - > ( p v q) A (~p v ~q)
P
~P R - >
2. Vergleich der positiv relevanten Folgebeziehung mit einigen anderen Arten nichtklassischer Folgebeziehung Aus F1 und F3 folgt unmittelbar, daß wenn G R—» H gilt, auch G f- H ein Theorem des Systems der strengen logischen Folgebeziehung (und damit des Systems der analytischen Implikation) ist. 3 Das könnte zur Frage füh3
Vgl. Zinov'ev (1973), Sinowjew/Wessel (1976), Pany (1933), Dunn (1972).
298
Werner Stelzner
ren, warum wir nicht die ausgesprochen einfache und klare Variablenbedingung des Systems der strengen logischen Folgebeziehung (oder das System der strengen Folgebeziehung selbst) der Relation G R-> H zugrunde gelegt haben. Und tatsächlich werden durch die erwähnte Variablenbedingung viele der wohlbekannten Paradoxien der deontischen Logik und anderer philosophischer Logiken ausgeschlossen. Das System des positiv relevanten Entailments ist ein echtes Teilsystem der Systeme der strengen logischen Folgebeziehung. Alle gültigen positiv relevanten Entailments sind Theoreme des Systems der strengen logischen Folgebeziehimg, aber nicht umgekehrt. So sind el0-el5 sämtlich Theoreme des Systems der strengen logischen Folgebeziehung aber keine gültigen relevanten Entailments, und das ist im Hinblick auf die intendierte Anwendung als Basissystem für die deontische Logik ein durchaus gewünschtes Resultat, da die Gültigkeit eines jeden dieser Ausdrücke mit dem Prinzip (P) unmittelbar zu Interpretationsparadoxien fuhren würde. Im Falle von elO würde aus der Verpflichtung zur Realisiation von p die freie Wahl folgen, p oder auch ~p zu realisieren. Analoges läßt sich zu el 1 und el2 sagen. Allgemein gilt für alle Ausdrücke el0-el5, daß falls sie zur Gewinnung abgeleiteter Normen benutzt werden, in der abgeleiteten Norm Realisierungen freigestellt werden, die durch die Basisnormen gerade verboten sind. Wessel 4 hat ein Untersystem zum System der strengen logischen Folgebeziehung, das System der strikten logischen Folgebeziehung entwickelt, das es nicht erlaubt, Schlüsse aus Widersprüchen zu ziehen bzw. auf Tautologien zu schließen. Es existieren gültige positiv relevante Entailments, deren Analoga keine Theoreme im System der strikten logischen Folgebeziehimg sind (z.B. El5. p A (q A ~q) p), und das System der strikten logischen Folgebeziehung enthält Theoreme, die keine gültigen positiv relevanten Entailments sind (z. B. el4). ~(p n> q) R-> p z> ~q). Durch Weingartner/Schurz5 wird die erwähnte Variablenbedingung der strengen logischen Folgebeziehung mit einer zweiten Bedingung für das Aussondern von Formeln verbunden. Weingartner und Schurz verwenden in Ergänzung zu dieser Bedingung eine Extension des Körner-Kriteriums (KRelevanz in der Terminologie von Weingartner/Schurz), die von einer Formel erfüllt wird, wenn diese Formel keine unwesentlichen Komponenten enthält. "Unwesentliche Komponente einer gültigen Formel" wird von Körner folgendermaßen eingeführt: "A component of a valid formula (of the type considered here) is inessential if, and only if it can be salve veritate replaced by its negation."6 Von Weingartner/Schurz7 wird eine Extension
4 5 6 7
Vgl. Wessel (1979), S. (1983). Weingartner/Schurz (1986). Körner (1979), S. 378. Weingartner/Schurz (1986), S. 9.
Normen, freie Wahl und Relevanz
299
des Körner-Kriteriums eingeführt, indem dieses Kriterium nicht nur auf gültige Formeln angewandt wird, sondern auf beliebige Formeln8: "Def3: Def 3.1:
A formula mula of a the logical a and b (where ^
a is K^-relevant iff no single occurence of a subforcan be replaced by its own negation without changing content of a. have the same logical content iff a^b and b^a is the semantic relation of consequence)."9
Die Menge der gültigen positiv relevanten Entailments ist breiter als die Menge relevant gültiger Ausdrücke im durch Weingartner/Schurz 1986 auf dieser Basis aufgebautem System: Die gültigen positiv relevanten Entailments El8 - E23 erfüllen sämtlich nicht die von Weingartner/Schurz benutzten Relevanz-Kriterien. Das ist kein Defizit des positiv relevanten Entailments, sondern ein gewünschtes Resultat: Der Hauptpunkt ist, daß all diese durch das Körner-Kriterium ausgesonderten gültigen positiv relevanten Entailments keineswegs inkonsistent mit der von uns vorn in den Prinzipien 1 bis 3 formulierten Intuition sind und diese Intuition voll und ganz befriedigen. Das K-Kriterium macht z. B. keinen Unterschied zwischen E21. ~p A q R-> p 3 q und E13. p A q p =3 q. Diese Formeln befriedigen dieses Kriterium nicht, da in beiden Formeln für das erste Vorkommen von p dessen Negation substituiert werden kann, ohne den logischen Wert dieser Formeln zu verändern. Aber in el3 haben wir, daß die Konklusion dieser Formel erfüllt wird, wenn ~p wahr ist, was in keiner Weise zur Erfüllung der Prämisse p Aq dieser Formel beiträgt. Nicht so mit E21: Hier würden sowohl die Wahrheit von ~p als auch die Wahrheit von q die Konklusion erfüllen, und beides würde zur Erfüllung der Prämisse ~p A q beitragen. Entsprechend Definition (DRE) ist somit E21 ein gültiges positiv relevantes Entailment, während el3 kein solches Entailment ist. 3. Widersprüchliche Prämissenmengen: Parakonsistenz und positiv relevante Folgebeziehung Obwohl negative Relevanz der Konklusion im oben dargestellten Sinne vermieden wird, hat die positiv relevante Folgebeziehung im Falle widersprüchlicher Prämissenmengen (die natürlich in sich negativ relevant sind) eine intuitiv nicht befriedigende Eigenschaft. Zwar gilt weder pA~p R—> q (wie in der klassischen Logik) noch gilt p A ~p A q ~q (wie in strenger logischer Folgebeziehung). Es gilt aber p A ~p A (q v ~q) q A ~q. In der Perspektive der Normenlogik bedeutet das, daß bei Vorliegen eines lokalen normativen Widerspruchs jede Verpflichtung zur Erfüllung ei 8 9
Vgl. Cleave (1973/1974). Andere interessante Relevanz-Kriterien werden in Schurz/Weingartner (1987), Weingartner (1988) und Schurz (1989) betrachtet.
300
Werner Stelzner
ner Form des ausgeschlossenen Dritten neue widersprüchliche Verpflichtungen nach sich ziehen würde. Wenn also durch eine Normsetzung freie Wahl zur Erfüllung von q und ~q gewählt wird, führt das im Zusammenspiel mit davon völlig unabhängigen Setzungen widersprüchlicher Normen dazu, daß sowohl q als auch ~q erfüllt werden müßten, also weder q noch ~q realisiert werden können, ohne damit gegen eine Norm zu verstoßen. Das in der Basisnorm geforderte q v ~ q hätte aber durchaus erfüllt werden können, ohne damit gegen ein Verbot zu verstoßen. Das Auftreten dieses Defekts hängt damit zusammen, daß wir in der Bestimmung des positiv relevanten Entailments Gültigkeit auf der Basis der klassischen Folgebeziehung definiert haben. Eine parakonsistente positiv relevante Folgebeziehung kann aufgebaut werden, wenn Bedingung (S) in der Weise revidiert wird, daß die Irrelevanz widersprüchlicher Erfüllungsbedingungen der Prämissenmenge für die Erfüllung der revidierten Bedingung (S*) überwunden wird. Da die Existenz widersprüchlicher Normen nicht ausgeschlossen wird, müßten Erfüllungsbedingungen, die Widersprüche enthalten in gleicher Weise behandelt werden wie in sich nicht widersprüchliche Erfüllungsbedingungen. In (S*) wäre also die Forderung, daß nichtwidersprüchliche Erfüllungsbedingungen der Prämissen mindestens eine Erfüllungsbedingung der Konklusion voll enthalten müssen, auf alle Erfüllungsbedingungen der Prämissen auszudehnen. Das bedeutet aber, daß jede gültige parakonsistente positiv relevante Folgebeziehung ein gültiges Tautological Entailment10 ist. Die parakonsistente positiv relevante Folgebeziehung wird in dieser Weise also auf Basis des Systems der Tautological Entailments aufgebaut. (DRE*)
Gi,...,G n p—> H gilt genau dann, wenn beide folgenden Bedingungen erfüllt sind: (S*) Tautologische Gültigkeitsbedingung: VGi3Hi(GieCF(G1,...,Gn) => H'eCF(H) A GtoH1) (R) Relevanzbedingung: Vg(3H'(geH' A H'eCF(H)) => 3G1 (geGi A Gie CF(Gi,...,G n )))
Durch die Basierung der parakonsistent relevanten Folgebeziehung auf dem Gültigkeitskriterium der Tautological Entailments (ausgedrückt in Bedingung (S*)) erweisen sich folgende Ausdrücke, deren Analoga gültige positiv relevante Entailments sind, als ungültige parakonsistente relevante Entailments: pl. p2. p3. p4.
10
(p A ~p) A (q v ~q) P -> q A ~q (p A ~p) v (q A ~q) P -> (p A ~p) A (qA~q) p A (p z> q) p-> q p A (~p v q) P -> q
Vgl. Anderson/Belnap (1975), Dünn (1986).
Normen, freie Wahl und Relevanz
301
Weiterhin gültig sind aber die folgenden Abschwächungen von p3 und p4: PI. P2. P3.
p p p
A A A
(p 3 q) p—» q v (p A ~p) (~p v q) P -> q v (p A ~p) ~p A (q v ~q) P - > (p A ~p) v (q
A
~q)
Auch für die parakonsistente relevante Folgebezeichnung gelten die entsprechenden Analoga von Fl bis F7, also auch Einsetzungs- und Ersetzbarkeitsregel sowie Monotonie und Transitivität. Die für eine Anwendung der parakonsistenten relevanten Folgebeziehung im Bereich der deontischen Logik wünschenswerte Relevanzsicherung auch für den Fall widersprüchlicher Basisnormen ist hier allerdings mit schwerwiegenden Einschränkungen für die Ableitung von Normen in nichtwidersprüchlichen normativen Situationen verbunden (vgl. p3 und p4).
Literatur Anderson, A: R./N. D. Belnap Jr. (1975), Entailment: The Logic of Relevance and Necessity, vol. 1, Princeton University Press, Princeton Castañeda, H. N. (1981), The Paradoxes of Deontic Logic. In: Hilpinen, R. (ed.): New Studies in Deontic Logic. Reidel, Dordrecht, pp. 37-85 Cleave, J. P. (1973/74), An Account of Entailment Based on Classical Semantics. Analysis 34, pp. 118-122 Dunn, J. M. (1972), A Modification of Parry's Analytic Implication. Notre Dame Journal of Formal Logic 13, pp. 195-205 - (1986), Relevance Logic and Entailment. In: Gabbay, D./Guenthner (eds.): Handbook of Philosophical Logic. Vol. 3. Reidel, Dordrecht, pp. 117-224 Körner, S. (1979), On Logical Validity and Informal Appropriateness. Philosophy 54, pp. 377-379 Parry, W. T. (1933), Ein Axiomensystem fur eine Art von Implikation (analytische Implikation). Ergebnisse eines Mathematischen Kolloquiums 4, Leipzig/Berlin, S. 5-6. Reprint in: Berka, K./Kreiser. L. (eds.): Logik-Texte. 3. Aufl., Akademie-Verlag, Berlin 1983, pp. 163-64 Ross, A. (1941), Imperatives and Logic. Theoria 7, S. 53-71 Schurz, G. (1989), The Is-Ought-Problem. Investigations in Alethic-Deontic Systems of Modal Predicate Logic, Salzburg Schurz, G./Weingartner, P. (1987), Verisimilitude Defined by Relevant ConsequenceElements. In: Kuipers, T. A. F. (ed.): What is Closer to the Truth. Rodopi, Amsterdam, pp. 47-77 Sinowjew, A. A./Wessel, H. (1976), Logische Sprachregeln, Verlag der Wissenschaften, Berlin. Weingartner, P. (1988), Remarks on the Consequence-Class of Theories. In: E. Scheibe (ed.): The Role of Experience in Science, de Gruyter, Berlin/New York, pp. 161-181 Weingartner, P./Schurz, G. (1986), Paradoxes Solved by Simple Relevance Criteria. Logique et Analyse 29, pp. 3-40 Wessel, H. (1979), Ein System der strikten Folgebeziehung. In: Begriffsschrift. Jenaer Frege-Konferenz. Universitätsverlag, Jena, S. 505-518 Wessel, H. (1983), Logik, Verlag der Wissenschaften, Berlin Zinov'jev, A. A. (1973), Complex Logic, Reidel, Boston/Dordrecht
HORST WESSEL
Zur Lösung einiger Paradoxien In ihrem Aufsatz "Paradoxes solved by simple relevance criteria"1 zeigen Paul Weingartner und Gerhard Schurz, wie eine ganze Reihe von logischen, wissenschaftstheoretischen und philosophischen Paradoxien mit Hilfe von einfachen Relevanzkriterien, die den Regeln der klassischen Logik zusätzlich auferlegt werden, auf einfache und einsichtige Weise gelöst werden können. Sie betrachten zwei Typen von Relevanzkriterien: die Aristotelischen Kriterien (A-Relevanz) und die Körner-Kriterien (K-Relevanz). Diese Relevanzkriterien besagen folgendes: Eine Ableitung (Folgebeziehung) ist A-relevant genau dann, wenn in der Folgerung nur solche Aussagenvariablen und Prädikatenvariablen vorkommen, die auch in der Voraussetzung vorkommen. Eine Ableitung (Folgebeziehimg) ist K-relevant genau dann, wenn sie kein einzelnes Vorkommen einer Teilformel enthält, die durch ihre Negation ersetzt werden kann salva validitate. Es werden folgende Typen von A- und K-Relevanz definiert: A-Relevanz: A°-Relevanz für die Aussagenlogik: D1. Eine Formel A D B ist A°-relevant genau dann, wenn in B keine Aussagenvariable vorkommt, die nicht in A vorkommt. A 1 -Relevanz für deontische, epistemische, volitive Operatoren sowie Wertoperatoren: D2. Eine Formel A ZD B ist A1-relevant genau dann, wenn 1) A z> B ist A°-relevant, 2) es gibt keinen Operator, der in B vorkommt und nicht in A, wobei definierbare Operatoren nicht als verschiedene angesehen werden. A 2 -Relevanz für die Quantorenlogik: D3. Eine Formal A 3 B der Quantorenlogik ist A2-relevant genau dann, wenn es kein Prädikat gibt, das in B, aber nicht in A vorkommt (definierbare Prädikate werden nicht als verschieden angesehen). A 3 -Relevanz für die Quantorenlogik: D4. Eine Formel A 3 B der Quantorenlogik ist A3-relevant genau dann, wenn 1) A z> B ist A2-relevant, 2) wenn A die Form C A D hat, wo C ein Gesetz oder eine Konjunktion von Gesetzen ist und D ein singulärer Satz (nicht notwendig atomar), so ist C D ( D D B )
1
Weingartner/Schurz (1986).
A2-relevant.
Zur Lösung einiger Paradoxien
303
3) es gibt keine Individuenkonstante oder freie Individuenvariable, die in B und nicht in A vorkommt, ausgenommen als Ergebnis der V-Beseitigung oder möglicherweise durch Herbrands Passierregeln zu A. K-Relevanz: D5.
Eine Formel A ist K°-relevant genau dann, wenn kein einzelnes Vorkommen in A durch ihre Negation ohne Änderung des logischen Inhalts von A ersetzt werden kann. Dabei gilt: A und B haben den gleichen logischen Inhalt genau dann, wenn A | - B und B (- A.
D6.
Eine Formel A der Quantorenlogik ist K 2 -relevant genau dann, wenn kein einzelnes Vorkommen einer Teilformel in A ohne Änderung des logischen Inhalts von A durch ihre Negation ersetzt werden kann.
D7. Eine Formel der Quantorenlogik A ist K 3 -relevant genau dann, wenn 1) A ist K 2 -relevant, 2) wenn A die Form B 3 C hat, so gilt: für jedes Konjunktionsglied Cj von C ist die Subjunktion B D Q K 2 -relevant. Mit Hilfe dieser Relevanzkriterien gelingt es Weingartner und Schurz, eine Vielzahl von Paradoxien auszuschließen. Ich halte ihr Vorgehen für legitim und für methodisch sinnvoll. Sie halten an der klassischen Logik fest und formulieren zusätzlich ihre Relevanzkriterien, die inhaltlich einsichtig sind. Wenn man aber zwischen relevanten und irrelevanten klassisch gültigen Folgebeziehungen unterscheiden kann, so ergibt sich die Frage, ob man die relevanten klassisch gültigen Folgebeziehungen nicht kalkülmäßig darstellen kann, denn sie sind ja für die praktische Anwendung die wichtigen und auch einzig notwendigen. Für die A-Relevanz hat dies A.A.Sinowjew lange vor der Arbeit von Weingartner/Schurz in seiner Theorie der strengen logischen Folgebeziehimg für die verschiedensten Bereiche der Logik realisiert, 2 wobei die A 2 Relevanz verstärkt wie folgt formuliert wird: in B gibt es keine Variablen gleich welchen Typs und keine Termini, die nicht in A vorkommen. Für die K-Relevanz sehe ich keine Möglichkeiten einer kalkülmäßigen Behandlung, und es besteht das Problem, ob man nicht mit schwächeren Forderungen auskommt. Bestimmte K-irrelevante Formeln der klassischen Logik lassen sich auf andere Weise ausmerzen. So gelten etwa in der Theorie der strengen logischen Folgebeziehung die folgenden Formeln: A A ~A A B | — B A A ~A A ~B | - B Aa~AA(B v~B)|-B A A ~A A (B v ~B) |—B 2
Vgl. Sinowjew (1970), Sinowjew/Wessel (1975).
304
Horst Wessel
AA~AAB|-BA~B AA~AA~B|-BA~B A A ~A A (B v ~B) | - B
A
~B
Alle diese Formeln sind A°-relevant, wenn wir | - durch die Subjunktion ersetzen, aber nicht K°-relevant. Das gleiche gilt für A | - A v ~A. Um diese Formeln auszuschließen, habe ich die Theorie der strikten logischen Folgebeziehung aufgebaut und sie 1979 hier in Jena vorgestellt. 3 Diese Folgebeziehung F s wir folgendermaßen definiert: Eine Formel A (- B ist eine gültige Regel der strikten logischen Folgebeziehung genau dann, wenn 1) A 3 B eine Tautologie ist, 2) B nur solche Variablen enthält, die auch in A vorkommen, 3) A keine Kontradiktion und B keine Tautologie ist. Für dieses System wurde die Paradoxienfreiheit bewiesen. Alle von Weingartner und Schurz erwähnten Paradoxien der Aussagenlogik, außer den unter 3.7. formulierten, sind in diesem System nicht beweisbar. Außerdem sind die eben formulierten Paradoxien der strengen logischen Folgebeziehimg nicht beweisbar, die K°-irrelevant sind. Unter 3.7. formulieren Weingartner und Schurz folgende Paradoxien der Implikation, die A-relevant und nur K-irrelevant sind: 3.7.
p A q 3 (p => q) P v(p=>q) (p 3 q) v (q 3 p) (p 3 q) v (p 3 ~q) (P => q) v (~p 3 q) (p 3 q) v (~p 3 ~q).
Die Bezeichnung "Paradoxien der Implikation" ist irreführend. Die Formeln 3.7. sind Tautologien der Aussagenlogik und nur die erste enthält eine Subjunktion als Hauptoperator, ihr Analogon p A q | - p 3 q ist in F s beweisbar, hat aber nichts Paradoxes, wenn man pz>q als ~pvq versteht. Für die anderen Formeln gibt es keine Analoga in F s , und sie sind auch nicht paradox, wenn man p =5 q als ~p v q versteht. Weingartner und Schurz können mit ihren Relevanzkriterien die Rabenparadoxie nicht lösen. In Logik4 habe ich die von Sinowjew stammende nichttraditionelle Prädikationstheorie mit einer inneren Negation zu3 4
Wessel (1979). Wessel (1989).
Zur Lösung einiger Paradoxien
305
sätzlich zur aussagenlogischen Negation ~ mit folgenden semantischen Regeln dargestellt. 1)
2) 3) 4) 5)
Prädikatformeln P(si, ..., SjJ und ->P(si, ..., Sn) werden die Wahrheitswerte v und f genauso zugeschrieben wie den Aussagenvariablen. Dabei sind zwei Prädikatformeln genau dann verschieden, wenn sie sich graphisch unterscheiden. Wenn A den Wert v hat, so hat -.A den Wert f. Wenn -iA den Wert v hat, so hat A den Wert f. Wenn A den Wert f hat, so hängt der Wert von -iA nicht vom Wert von A ab, d. h., -.A kann sowohl den Wert v als auch den Wert f haben. Wenn ->A den Wert f hat, so hängt der Wert von A nicht vom Wert von -iA ab.
Ich habe an anderer Stelle gezeigt, daß man im Rahmen dieser Theorie das Paradox der Veränderung, das Haufenparadox und andere Paradoxien vager Prädikate lösen kann.5 Mit ihrer Hilfe läßt sich auch das Rabenparadox lösen. Doch bevor ich dazu übergehe, möchte ich noch eine allgemeine Bemerkung machen. Auf der Grundlage der strikten logischen Folgebeziehimg und der nichttraditionellen Prädikationstheorie lassen sich all die anderen von Weingartner und Schurz betrachteten Logiksysteme mit den analogen Einschränkungen aufbauen, und in ihnen sind alle A-irrelevanten und einige K-irrelevanten Folgebeziehungen nicht beweisbar. Für die weitere Argumentation nennen wir diese, zum Teil noch nicht ausgearbeiteten Systeme F-Systeme. Wir stellen jetzt zunächst die Rabenparadoxie in ihrer üblichen Formulierung dar. Trifft man die folgenden plausiblen Annahmen: A1. A2. A3.
Eine Generalisierung wird durch jede ihrer Instanzen bestätigt. Wenn zwei Hypothesen logisch äquivalent sind, so bestätigt jede Instanz, die die eine bestätigt, auch die andere. Sind zwei Instanzen logisch äquivalent, so bestätigen sie in gleicher Weise eine Hypothese.
Betrachtet man nun die Hypothese: Hl. Alle Raben sind schwarz, so ist diese logisch äquivalent mit: H2. Alles Nichtschwarze ist ein Nichtrabe. Nach AI-A3 bestätigt dann der Satz "Dieser Elefant ist rosa" die Hypothese Hl. Bei der Behandlung der Hempelschen Rabenparadoxie stützen wir uns auf R. Hegselmann und W. Raub.6 Sie untersuchen die Logikabhängigkeit 5 6
Vgl. Wessel (1988). Hegselmann/Raub (1982).
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wissenschaftstheoretischer Paradoxien, insbesondere betrachten sie die Paradoxie der Dispositionsprädikate, die Rabenparadoxie, die Goodmansche Paradoxie und die Paradoxie der Verpflichtung. Dabei fuhren sie folgende Begriffe ein: Eine Paradoxie im starken Sinne zu einem Logikkalkül kj wird definiert als ein geordnetes Paar aus einer Menge P von plausiblen Annahmen und einer Menge G von gegenintuitiven Annahmen, so daß für alle g e G gilt: P g. Eine Paradoxie im schwachen Sinne relativ zu kj wird als ein geordnetes Paar >P, G< derart definiert, daß für mindestens ein g e G gilt: P g. Eine Paradoxie ist stark (schwach) logikunabhängig relativ zu einer Menge K von Logikkalkülen genau dann, wenn für alle kjeK gilt, daß das betreffende geordnete Paar Paradox im starken (schwachen) Sinne relativ 201 kj ist. Im Zusammenhang mit der Diskussion verschiedener Varianten der Rabenparadoxie verwenden Hegselmann und Raub eine zweistellige Bestätigungsrelation "ein Beobachtungssatz B bestätigt eine Hypothese H" (BEST(B,H)) mit folgenden plausiblen Annahmen PR für beliebige Beobachtungssätze B, B' und Hypothesen H, H': 1) 2) 3)
BEST(B,H) A (H -\ |- H') 3 BEST(B,H') BEST(B,H) A (B -\ b B') 3 BEST(B',H). Geeignete Substitutionen von Formeln in BEST(FaAGa, VX(FXZDGX)) werden als Bestätigungsrelationen akzeptiert.
Die dritte Bedingung ist meines Erachtens schon problematisch, wenn man bedenkt, was ein Beobachtungssatz oder eine Bestätigungsinstanz ist. Ergebnis einer unmittelbaren Beobachtung können nur einfache Sätze der Form Fa, Ga, ..., -.Fa, -iGa, ... (mit innerer Negation ->) sein. Schon der Übergang zu Sätzen der Form ~Fa setzt logische Operationen voraus, bei denen nicht immer die erforderliche Äquivalenz gewährleistet ist. So folgt zwar ~Fa aus -iFa, aber aus ~Fa folgt logisch nicht -iFa. Insofern ist es problematisch, beliebige Einsetzungen in 3 als Bestätigungsrelationen zu akzeptieren. Die Konjunktion in 3 ist nur solange unproblematisch, solange die Konjunktionsglieder einfache Sätze sind. Im weiteren akzeptieren wir 3 trotzdem, um zu zeigen, daß man selbst dann in den F-Systemen die entsprechenden Paradoxien nicht erhält. Hegselmann und Raub betrachten dann folgende Gruppen von gegenintutiven Formeln: 4) 5) 6) 7)
BEST(~Fa A ~Ga, Vx(Fx 3 Gx)) BEST(~Fa A Ga, Vx(Fx 3 Gx)) BEST(~Fa, Vx(Fx 3 Gx)) BEST(Ga, Vx(Fx 3 Gx))
(GR 1) (GR2) (GR3) (GR4).
Die Paradoxien >PR, GR1PR, GR2PR, GR3< sind dann schwach und >PR, GR4< ist stark logikunabhängig bezüglich der klassischen, intuitionistischen und minimalen Logik. Ersetzt man in den gegenin-
Zur Lösung einiger Paradoxien
307
tuitiven Formeln GR1-GR4 Gx (bzw. Ga) durch ~G'x (~G'a), so sind die entsprechenden Paradoxien sogar alle stark logikunabhängig bezüglich der entsprechenden Kalküle. Um die Formel 4 aus PR zu gewinnen, benötigt man die klassisch gültige Formel 8) Vx(~Gx =3 ~Fx)
\- Vx(Fx 3 Gx).
Berücksichtigen wir, daß Beobachtungssätze nur die Form P(a) oder -iP(a) (mit innerer Negation) haben können, so benötigen wir in den auf der nichttraditionellen Prädikationstheorie aufbauenden F-Systemen die Formel Vx(-iGx 3 -iFx) -) |- Vx(Fx 3 Gx) , um die Paradoxie abzuleiten. Diese Formel ist aber nicht gültig, da weder (-iGx 3 -iFx) 3 (Fx 3 Gx), noch (Fx 3 Gx) 3 ( i G x 3 -iFx) Tautologien der nichttraditionellen Prädikationstheorie sind. Zur Herleitung der abgeschwächten Paradoxie in der intuitionistischen und minimalen Logik benötigt man die Formel: 9) Vx(—G'x 3 ~Fx) H
Vx(Fx 3 ~G'x).
Die analoge Formel der F-Systeme Vx(—.G'x 3 -iFx) -\ 1- Vx(Fx 3 -iG'x) ist wiederum nicht gültig, da (Fx 3 -iG'x) -| |- (—iG'x 3 Fx) keine Tautologie ist. Außerdem ist es problematisch, einen Satz der Form —.G'a als eine Beobachtungsinstanz anzusehen. Um die Formel 5 aus PR zu gewinnen, benötigt man die klassisch und intuitionistisch gültige Formel Vx((Fx v ~Fx) v (Gx v ~Gx) 3 (~Fx v Gx)) -\ h Vx(Fx 3 Gx). Deuten wir die Negation vor den Prädikatformeln als innere Negation, so ist die analoge Formel der F-Systeme nicht gültig, da die Formel (Fx 3 Gx) 3 ((Fx v -iFx) v (Gx v -iGx) 3 (-iFx v Gx)) keine Tautologie der nichttraditionellen Prädikationstheorie ist. Ebensowenig gültig ist die Formel, nach der man die abgeschwächte Paradoxie in der intuitionistischen und minimalen Logik erhält, da die folgende Formel keine Tautologie der nichttraditionellen Prädikationstheorie ist: Fx 3 -iG'x 3 ((Fx v -iFx) v (-,G'x v —,G'x) 3 (-,Fx v -,G'x)). Für die Herleitung der Formel 6 aus PR benötigt man die klassisch gültige Formel Vx(~Fx v ~Gx 3 ~Fx) H |- Vx(Fx 3 Gx), deren Analogen in den F-Systemen wiederum nicht gültig ist, da schon
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(-iFx v —iGx 3 -iFx) => (Fx 3 Gx) keine Tautologie der nichttraditionellen Prädikationstheorie ist. Auch die intuitionistische bzw. minimale Variante dieser Paradoxie mit ~G'x anstelle von Gx läßt sich in den F-Systemen nicht herleiten, da auch die Formel (Fx 3 -iG'x) 3 (-.Fx v —iG'x 3 -.Fx) keine Tautologie der nichttraditionellen Prädikationstheorie ist. Die Formel 7 läßt sich in den F-Systemen auch nicht aus PR herleiten, da die nötige Äquivalenz Ga H |- Ga A (Fa v Ga) in den F-Systemen schon wegen der Verletzung der Variablenbedingungen nicht gilt, da F nur in der rechten Formel vorkommt. Die Rabenparadoxie ist in den F-Systemen nicht herleitbar und darum logikabhängig. In dem Streit zwischen Hegselmann und Gethmann spricht dies für die Gethmannsche Auffassung. Die von Hegselmann und Raub betrachtete Goodman Paradoxie erhält man auch in den F-Systemen.
Literatur Gethmann, C. F. (1980), Die Logik der Wissenschaftstheorie. In: Gethmann, C. F. (Hrsg.): Theorie des wissenschaftlichen Argumentierens. Frankfurt a. M. Hegselmann, R./Raub, W. (1982), Zur Logikabhängigkeit wissenschaftstheoretischer Paradoxien. Erkenntnis 17, S. 349-359 Sainsbury, R. M. (1988), Paradoxes, Cambridge Sinowjew, A. A. (1970), Komplexe Logik, Berlin Sinowjew, A./Wessel, H. (1975), Logische Sprachregeln, Berlin Weingartner, P./Schurz, G. (1986), Paradoxes solved by simple relevance criteria. Logique et Analyse 113, S. 3-40 Wessel, H. (1975), Kritik der Kantschen Antinomien der reinen Vernunft. In: Zum Kantverständnis unserer Zeit, Berlin - (1975), Ein System der strikten logischen Folgebeziehung. In: "Begriffsschrift", Jenaer Frege-Konferenz. Jena - (1988), Einige Anwendungen der nichttraditionellen Prädikationstheorie. In: Logische Philosophie. Thematische Information Philosophie, Jahrgang 12, Heft 2, Berlin - (1989), Logik, Berlin
GERHARD TERTON
Metamethodologische Aspekte in der Erklärungsdiskussion 1. Vorbemerkungen Erklärungsbegriffe gibt es bereits in der Philosophie und Logik des 18. und 19. Jahrhunderts. Dabei dominierte die auf Kant und auf Mill zurückgehende Vorstellung, daß ein Ereignis oder ein allgemeiner Zusammenhang dann als erklärt gelten kann, wenn es gelingt, diese deduktiv auf ein allgemeines Gesetz zurückzufuhren.1 Erklären blieb in der traditionellen Logik und in der Philosophie des 19. Jahrhunderts jedoch ein Randproblem, das hier keine detaillierte systematische Ausarbeitung erfuhr. Von einer Erklärungsdiskussion in der Methodologie der empirischen Wissenschaften sprechen wir erst seit Popper und Hempel, die versucht haben, diesen Begriff als einen Grundbegriff der Methodologie der empirischen Wissenschaften einzuführen und ihn dort systematisch zu verankern. Mit Beginn der Erklärungsdiskussion setzten sehr bald metamethodologische Reflexionen über die Art des Vorgehens, über die Bestimmimg und den Umgang mit den zur methodologischen Rekonstruktion von Erklärungen benutzten Begriffen und Methoden ein. Das beginnt bereits bei Hempel selbst, von dem es eine Reihe von recht klaren Äußerungen über die von ihm verfolgten Zielstellungen und den dabei benutzten methodischen Standards gibt. Das setzt sich fort in den fachmethodologischen Diskussionen über Grenzen und Anwendbarkeit des Hempelschen Erklärungsansatzes und das dauert bis in die Gegenwart an. So spricht G. Schurz in dem 1988 von ihm herausgegebenen Sammelband mit dem Titel: "Erklären und Verstehen in der Wissenschaft" im Zusammenhang mit den von C. G. Hempel in der Erklärungsdiskussion erzielten Resultaten von einem Paradigma, das nach seiner vollen Ausprägung nach und nach durchlöchert wurde und das nun seit Beginn der achtziger Jahre durch ein neues Paradigma, das in Gestalt der epistemisch-pragmatischen Wende in der Erklärungsdiskussion entstanden sei, abgelöst werde.2 Derartige Einschätzungen liefern Orientierungen in der methodologischen Erklärungsdiskussion. Sie fordern zugleich dazu auf, sich genauer mit dem Wechsel in der erwähnten Betrachtungsweise zu beschäftigen, was etwa dadurch geschehen könnte, daß die dabei zugrundegelegten Ansätze auf der konzeptionellen Ebene miteinander verglichen werden, damit die Momente der Diskontinuität, aber auch solche der Kontinuität genauer fixiert werden können, denn die Kennzeichnung eines Wandels in der Betrachtungsweise als Paradigmawechsel liefert eine allzu 1 2
Mill (1885), S. 179 f., Kant (1956), S. 35 lf. Schurz (1988).
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grobe Charakterisierung. Mit der vorliegenden Arbeit soll ein Beitrag in dieser Richtung geleistet werden, wobei zugleich beabsichtigt ist, die Rolle, die Hempels Ansatz für den Fortgang der Erklärungsdiskussion gespielt hat, zu würdigen. Dabei geht es weniger um spezielle Einzelergebnisse als vielmehr um die Erfassung und Würdigung der konzeptionellen Leistung und der besonderen Rekonstruktionsweise, in der nach Hempel Erklärungsphänomene in der Wissenschaft durch spezifische methodologische Begriffe abgebildet werden. Bei der Darstellung des Hempelschen Erklärungsansatzes gehen wir davon aus, daß ein methodologisches Erklärungskonzept nicht auf eine begriffliche Fassung eines Erklärungsbegriffes beschränkt werden kann, sondern daß hier ein auf inhaltlichen und methodischen Voraussetzungen basierendes Begriffssystem zu untersuchen ist, dessen Funktion vor allem darin besteht, konkrete Erklärungen zu identifizieren, Korrektheits- und Gütekriterien zu formulieren und Anwendungsbedingungen für Erklärungsmodelle festzulegen.
2. Zur Charakteristik der Hempelschen Erklärungskonzeption Hempel hat sich seit Beginn der 50er Jahre verstärkt mit der Methodologie des Erklärens beschäftigt3 und zu diesem Thema bis Mitte der siebziger Jahre publiziert. 4 Unter Bezugnahme auf diese Arbeiten soll hier der konzeptionelle Ansatz in seinen Umrissen dargestellt und gewertet werden. Was die Einordnimg des Erklärens in die empirischen Wissenschaften anbetrifft, so ist Hempel ganz offensichtlich der Auffassung, daß es sich beim Erklären ähnlich wie beim Vorhersagen um ein Hauptmotiv für das "wissenschaftliche Streben" des Menschen handelt, wenn er sich mit empirischer Wissenschaft beschäftigt.5 Dabei versteht er die Ausdrücke "empirische Wissenschaft" und "wissenschaftliche Erklärung" so, "[...] daß sie sich auf den gesamten Bereich empirischer Forschimg beziehen, also auf die Natur- und Sozialwissenschaften ebenso wie auf die Geschichtsforschung."6 Erklärung wird damit zu einer grundlegenden, die empirische Forschung schlechthin kennzeichnenden Operation. Dabei soll zunächst noch keine Vorentscheidung über die einzelnen in den verschiedenen Wissenschaften benutzten Verfahren getroffen werden. Dennoch wird von ihm angenommen, "[...] daß die in diesen verschiedenen Bereichen benutzten Verfahren alle gewissen grundlegenden Objektivitätsnormen genügen."7 Solche sind z. B. die Überprüfbarkeit der bei der Erklärung herangezogenen Erkenntnisse sowie die Möglichkeit ihrer Revision durch besser bestätigte 3 4 5 6 7
Hempel (1942), S. 35 ff. Hempel (1977), S. lff. Ebenda, S. 1. Ebenda. Ebenda, S. 2.
Metamethodologische Aspekte in der Erklärungsdiskussion
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konkurrierende Wissenselemente, die Anerkennung von objektiven Daten, die am Ausgangspunkt einer jeden empirischen Forschung stehen. Die Erklärungsproblematik wird hier eingeordnet und das innerhalb dieses Rahmens zu entwickelnde Konzept soll nach Hempel zugleich einen "wichtigen Baustein" zur methodologischen Einheit aller empirischen Wissenschaft liefern. 8 Damit wendet er sich gegen die von den geisteswissenschaftlich orientierten Methodologen eingeführte Beschränkung der Methode des Erklärens auf die naturwissenschaftlichen Disziplinen. Der Titel seines ersten Aufsatzes zur Erklärungsproblematik "The Function of General Laws in History" ist diesbezüglich programmatisch.9 Ganz in diesem Sinne soll in der Hempelschen Erklärungskonzeption der Erklärungsbegriff ein Zentralbegriff der sich im Aufbau befindlichen Methodologie der empirischen Wissenschaften sein. Dabei orientiert er sich, was die strategische Vorgehensweise anbetrifft, am Beweisbegriff in der Metamathematik und schlägt vor, den Erklärungsbegriff auf analoge Weise einzuführen. Zunächst wird nachdrücklich betont, daß es im Rahmen seines Erklärungskonzeptes nicht darum geht, wiederzugeben, "[...] wie Wissenschaftler in ihrer Arbeit ihre Erklärungen tatsächlich formulieren." 10 Vielmehr geht es Hempel von Anbeginn um eine Explikation des Erklärungsbegriffes im Sinne einer theoretischen Idealisierung. Eine solche Explikation lag im Falle des mathematischen Beweisbegriffes bereits vor, wobei auch hier nicht beabsichtigt war "[...] mit diesem Begriff deskriptiv anzugeben, wie Beweise in den Arbeiten von Mathematikern formuliert werden: die meisten dieser Formulierungen erfüllen strenge und sozusagen ideale metamathematische Maßstäbe nicht. Aber das theoretische Modell hat gewisse andere Funktionen: es zeigt die Begründungsstruktur von mathematischen Beweisen auf, indem es die logischen Verknüpfungen deutlich macht, die den aufeinanderfolgenden Schritten zugrunde liegen; es liefert Maßstäbe für die kritische Einschätzung eines vorgeschlagenen Beweises, der innerhalb des mathematischen Systems konstruiert wird, auf das sich das Modell bezieht; und es gibt eine Grundlage ab für eine präzise und weitreichende Theorie über Beweis, Beweisbarkeit, Entscheidbarkeit und verwandte Begriffe." 11 Hempel ist der Ansicht, daß der von ihm explizierte Erklärungsbegriff"[...] wenn auch nur in viel bescheidenerem Rahmen, dieselbe Funktion" erfüllen kann. 12 Damit ist das Ziel des Hempelschen Erklärungskonzeptes ziemlich deutlich umrissen. Sieht man es als ein allgemeines Anliegen einer jeden Erklärungskonzeption an, daß durch sie Erklärungen unter dem Aspekt ihrer Struktur oder ihres Ablaufs rekonstruiert werden, so ist das Rekonstruktionsziel in diesem Fall eine Begriffsexplikation, d. h. die Ersetzung eines verhältnismäßig vagen, unscharfen Begriffs durch einen präziseren, syste8 9 10 11 12
Hempel (1970), S. 236. Hempel (1942), S. 35 ff. Hempel (1970), S. 221. Ebenda, S. 231. Ebenda.
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matisch fruchtbareren Begriff. Die hier genannte Analogie zum Beweisbegriff dient zur Rechtfertigung des Vorgehens. Gegenstand des rekonstruierenden Vorgehens ist, wenn man die Analogie zum Beweisbegriff ernst nimmt, offenbar die logische Struktur einer Erklärung. Dafür gibt es in Gestalt der von J. St. Mill und anderen traditionellen Logikern geprägten Begriffe der Ereignis- und der Gesetzeserklärung bereits ein Explikandum. Hier werden auch schon Angaben über die Struktur einer Erklärung gemacht und es wird auf die deduktive Beziehung zwischen erklärenden und zu erklärenden Bestandteilen hingewiesen. Die Relevanz des deduktiven Moments beim Erklären wird von J. St. Mill besonders betont, indem er die Auffassung vertritt, daß eine vollständige Erklärung nur dann aufgefunden werden kann, wenn es gelingt, lückenlose Deduktionszusammenhänge zu jenen Voraussetzungen herzustellen, die die elementaren Voraussetzungen unseres Weltbildes ausmachen.13 Damit sind begriffliche und methodische Ansatzpunkte gegeben, die präziser zu fassen sind, die sich als Gegenstand einer Explikation anbieten, zumal in Gestalt der modernen Logik hierfür ein entsprechendes begriffliches und methodisches Instrumentarium vorlag. Innerhalb dieses begrifflichen Rahmens wurde die von Hempel angestrebte Explikation vorgenommen, wobei er sich zunächst vorrangig auf Beispiele aus den Naturwissenschaften konzentrierte. Dabei ging es um eine rein semantische Analyse eines Zusammenhangs der Form "x erklärt y", wobei sowohl die Relation selbst als auch ihre Glieder zu einem Gegenstand der Diskussion wurden. Aus logischer Sicht interessierten dabei insbesondere die Argumentformen, die gewissermaßen den Kern der bekannten Hempelschen Erklärungsmodelle ausmachen. Die beiden Grundtypen von Erklärungsmodellen, das deduktiv-nomologische Erklärungsmodell (D-N-Modell) und das induktiv-statistische Erklärungsmodell (I-S-Modell) unterscheiden sich ja vor allem durch die Folgerungsbeziehung, die im ersten Fall rein deduktiv ist, was bedeutet, daß im Falle einer gültigen Schlußform allein aus strukturellen Gründen eine wahre Prämisseneinsetzung die Wahrheit der Konklusion garantiert. Im I-S-Modell folgt die Konklusion dem gegenüber nicht mit deduktiver Gewißheit, sondern lediglich mit annähernder Gewißheit oder mit hoher Wahrscheinlichkeit. Die Prämissen stützen die Konklusion induktiv, bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit, was ganz im Sinne des von Carnap vertretenen Konzepts der induktiven Logik zu verstehen ist. (D. h. das "beinahe sicher", bzw. das "sehr wahrscheinlich, daß", qualifiziert nicht die Konklusion als solche, sondern es kennzeichnet die Relation, die zwischen den Prämissen und der Konklusion besteht.) Prämissen und Konklusionen haben im Falle einer im Erklärungsmodell erfaßten Struktur einen besonderen, semantisch näher charakterisierbaren Aufbau. Im Falle des D-N-Modells handelt es sich bei der Konklusion um eine 13
Mill (1885), S. 189.
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Aussage, die ein generisches Ereignis beschreibt, wobei generische Ereignisse Instanzierungen von Ereignistypen sind, was die Erklärungsmöglichkeit im Unterschied zu konkreten Ereignissen erheblich einschränkt.14 Darüber hinaus ist die Explanandumaussage nach Hempel Bestandteil einer Erklärungsverlangenden Warum-Frage der Form: "Warum ist es der Fall, daß p?." Eine solche Frage ist nach Hempel von einer epistemischen Warum-Frage: "Welche Gründe gibt es für die Annahme, daß p?" vor allem dadurch unterschieden, daß im letzten Fall Gründe dafür gesucht werden, weshalb man glauben sollte, daß p zutrifft, während im 1. Fall von der Wahrheit von p ausgegangen wird. Auf diese Weise wurde eine präzisere Fassung des Explanandums ereicht, indem ein Bezug zur allgemeineren Form der Erklärungsfrage hergestellt wird, was nicht bedeutet, daß die Erklärungsfrage zugleich Bestandteil des Modells geworden ist. 15 Nicht gleichermaßen erfolgreich waren die Bemühungen um die Klärung des semantischen Status von Gesetzesaussagen. Die allgemeine Diskussion über Kriterien der Gesetzesartigkeit, die eine zentrale Diskussion in der Wissenschaftstheorie war, erbrachte im Resultat wohl eine Reihe von notwendigen Kriterien für Gesetzesartigkeit, wobei das Problem einer eindeutigen Charakteristik des Status einer Gesetzesaussage nicht gelöst werden konnte. Dabei geht es beim Erklären nicht darum, daß man sich auf irgendwelche Gesetzesaussagen bezieht, sondern ausschließlich auf solche, die für die jeweilige Erklärung von Relevanz sind. Dazu ist es zunächst erforderlich, daß die Gesetzesaussagen sowie die Aussagen über Anfangs- und Randbedindungen für die Herleitung des Explanandums auch tatsächlich gebraucht werden. Aber diese Bedingung ist wiederum keineswegs hinreichend für die Angemessenheit einer Erklärung, bzw. für ein akzeptables Erklärungsargument. Eine Vielzahl von sogenannten Pseudoerklärungen (also von Argumentformen, die den Modellbedingungen genügen, die aber aus intuitiven Gründen nicht als Erklärungen akzeptiert werden können) bestätigen dies. Dazu seien zwei Beispiele angeführt: Beispiel(l)
Beispiel(2)
Verbalerklärung: Alle Raben sind schwarz. Dieser Vogel ist ein Rabe.
Verbalerklärung: Alle Raben sind schwarz. Dieser Schornsteinfeger ist ein Rabe oder er ist schwarz. Daher ist dieser Schornsteinfeger schwarz.
Daher ist dieser Vogel schwarz oder krank.
Die entsprechende formale Struktur lautet:
14 15
Hempel (1977), S. 139. Hempel (1977), S. 3.
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G: Vx (F(x)-> G(x)) A: Fa E: Ga v Ha
G: Vx (F(x) -> G(x)) A: Fa v Ga E: Ga
In beiden Fällen ist die Bedingung der logischen Herleitbarkeit des Explanandums aus dem Explanans erfüllt. Auch wenn die verbalen Formulierungen der beiden Erklärungsbeispiele recht seltsam klingen, gibt es keinen Grund, die restlichen Adäquatheitsbedingungen für eine korrekte Erklärung wie das Kriterium der empirischen Stützung der Explanansaussagen und ihre Eingruppierung in die Klasse empirisch gehaltvoller Aussagen in Frage zu stellen. Pseudoerklärungen bilden seit einiger Zeit einen eigenen Forschungsgegenstand. G. Schurz, der intensiv auf diesem Gebiet gearbeitet hat, konnte nachweisen, daß sich alle Pseudoerklärungen auf genau vier Grundtypen zurückfuhren lassen. 16 Um Pseudoerklärungen zu vermeiden, sind Relevanzkriterien aufgestellt worden, die sich einerseits auf den deduktiven Zusammenhang zwischen Explanans und Explanandum und andererseits auf die Prognosefunktion des Explanans richteten. In diesem Sinne verlangte man beispielsweise von einem korrekten Erklärungsargument, daß keine Prämisse und auch keine konjunktive Prämissenkomponente überflüssig für die Herleitung des Explanandums sein darf. Darüber hinaus muß im Falle eines Explanandums, das die Form einer Alternative hat, beachtet werden, daß keine seiner alternativen Komponenten durch ihre Negation ersetzbar sein darf, d. h. beide Alternativglieder müssen gesondert aus dem Explanans herleitbar sein (Vgl. Beispiel 1). Diese Kriterien, die sich noch erweitern lassen, legen fest, was unter einem deduktiv relevanten Erklärungsargument zu verstehen ist. Hauptanliegen der Diskussion über Relevanzkriterien ist es, Erklärungsparadoxien dadurch zu vermeiden, daß man die Deduktionsmöglichkeiten, die durch die klassische Folgerungsbeziehung zugelassen werden, einschränkt. Weitere Einschränkungen kommen dadurch zustande, daß man fordert, daß das Argument zugleich noch prognostisch relevant sein soll. Prognostisch relevant ist ein Argument, wenn seine Explanansbestandteile sowohl jede einzelne Prämisse, als auch ihre konjunktiven Komponenten unabhängig vom Explanandum verifizierbar oder bestätigbar sind. Damit erweist sich die prognostische Relevanzforderung als stärker als die deduktive Relevanzforderung, da hier neben der Struktur des Arguments zugleich der Verifikations- bzw. Bestätigungszusammenhang der Prämissen zur Bewertung herangezogen werden muß. Für die hier interessierende metamethodologische Betrachtungsweise ist es wichtig festzuhalten, daß es im Ergebnis der Relevanzdiskussion offensichtlich gelungen ist, den Erklärungsbegriff in Form eines einfachen Modells mit metalogischen und anderen methodologischen Begriffen (wie Folgerung, Prognose, Verifikation und Bestätigung) zu verknüpfen und ihn auf diese Weise in die Begriffssysteme der Semantik und der Wissenschafts16
Schurz (1983), S. 254 f.
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theorie systematisch zu verankern. Eine ähnliche Tendenz läßt sich auch im Falle des Modells der induktiv-statistischen Erklärung nachweisen, die durch die unten bereits erwähnte Interpretation der induktiven Folgerungsbeziehung mit dem von Carnap begründeten System einer induktiven Logik verbunden ist. Es kommt hinzu, daß der erklärende Schluß einer I-S-Erklärung im einfachsten Fall die Form eines statistischen Syllogismus hat und daß er wie dieser mehrdeutig ist, d. h. in Abhängigkeit von der Wahl der jeweiligen Bezugsklasse, auf die man das zu erklärende Ereignis bezieht, lassen sich rivalisierende Argumente aufbauen. Dabei sind Extremfälle möglich, die unter Bezugnahme auf jeweils wahre Prämissen eine Aussage als auch deren Negation induktiv stützen. Hierzu gibt es bei deduktiven Schlüssen kein Analogen. Eine noch so genaue Analyse der KonklusionPrämissen-Struktur vermag das hier entstandene Problem nicht zu lösen. Hempels Lösungsvorschlag dieses Problems läuft darauf hinaus, bei der genaueren Formulierung des Arguments ein Hintergrundwissen W (d. h. eine zur gegebenen Zeit von einer Wissenschaftlergemeinschaft als wahr akzeptierte Menge von Sätzen) zu berücksichtigen. Relativ auf ein solches W soll die Antezendensaussage A für E (Explanandum) maximal bestimmt sein. Das bedeutet, daß es in W nach der Auswahl einer bestimmten Antezedensaussage Fa kein Wissen F*a geben darf, das stärker als Fa ist und daß die Wahrscheinlichkeit des bestimmten Explanandums Ga verändert. M. a. W., es gibt kein F* mit F*aeW und Vx(F*(x) -> F(x))eW, wobei für die Wahrscheinlichkeit p(Ga/F*a) gilt: p(Ga/F*a)*p(Ga/Fa) und F und F* dürfen weder G noch ~G logisch implizieren.17 Die damit vorgenommene Relativierung des induktiven Erklärungsarguments auf W verbietet es, die Konklusion vom Prämissenteil abzutrennen und sie gesondert zu bewerten - "[...] man darf also nicht sagen "die induktive Wahrscheinlichkeit von E ist r", sondern nur "des Explanans (das relativ zu W die stärkste probabilistische Information für E enthält) macht E im Grade r induktiv wahrscheinlich".18 Mit der Relativierung des erklärenden Textes auf ein Hintergrundwissen ist genau genommen die Grenze der semantischen Charakterisierung der Erklärungsrelation bereits überschritten, da das Hintergrundwissen eigentlich pragmatisch charakterisiert werden müßte, was in der Hempelschen Fassung allerdings noch nicht geschieht. Hempel hält noch in der 76er Ausgabe seiner "Aspekte wissenschaftlicher Erklärung" am Explikationsziel, einen logisch-systematischen Erklärungsbegriff zu formulieren, der von pragmatischen Bezügen abstrahiert, fest. 19 Die Gründe für die Ausklammerung pragmatischer Bezüge beruhen allerdings auf einem recht eng gefaßten Begriff von Pragmatik, der einer objektiven und logischen Analyse unzugänglich ist und der wie seine Analogiebetrachtung zu Piagets psychologisch orientierten Untersuchungen von mathematischen Beweisen bei 17 18 19
Hempel (1977), S. 79. Hempel (1977), S. 80. Hempel (1977), S. 144.
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Jugendlichen verschiedener Altersstufen zeigt, vorrangig mit empirischen Verfahren zu untersuchen ist. 20 Hempel bleibt so aus Gründen der Objektivierbarkeit bei einer rein semantischen Orientierung in der Explikation der Erklärungsrelation, wobei er sich im klaren darüber ist, daß seine Modelle Idealisierungen sind, die in der bisher erläuterten Form noch wenig mit der wirklichen Erklärungspraxis zu tun haben. 21 Um dennoch einen Zusammenhang mit der Erklärungspraxis herstellen zu können und um tatsächliche Erklärungen methodologisch analysieren, bewerten und kritisieren zu können, entwickelt er eine Erklärungstypologie, durch die verschiedene Erklärungsarten als mehr oder weniger modifizierte Spezialfälle der logisch-systematischen Erklärungsbegriffe eingeführt werden. für den Aufbau einer solchen Typologie sind insbesondere zwei Gesichtspunkte von Bedeutung. Da sind zum einen die Erklärungsprinzipien wie das der Kausalität, der Funktionalität oder Finalität sowie das der Rationalität und der genetischen Abfolge, die den Erklärungsarten ihren Namen geben, zu beachten und da spielt zum anderen der Gesichtspunkt der zulässigen Abweichimg vom Idealfall eine Rolle, durch den die beiden Idealtypen der Erklärung in Gestalt der Modelle mit mehr oder weniger praktikablen Realtypen von Erklärungen in Beziehung gesetzt werden. In dem 1962 erstmals erschienenen und 1970 erneut veröffentlichten Aufsatz "Erklärung in Naturwissenschaft und Geschichte" gibt Hempel einen kurzen Überblick über diese Typologie. Dabei wird deutlich, daß kausale Erklärungen stets deduktiv-nomologische Erklärungen sind, für die zumindest ein kausales Gesetz benötigt wird, wobei die Antezedensereignisse nicht später als das Explanandumereignis stattgefunden haben dürfen. 22 Funktionale Erklärungen schließen insofern an kausale Erklärungen an, als das in kausalen Erklärungen angewandte Erklärungsprinzip in gewisser Weise umgekehrt wird. Wenn etwa zu erklären ist, weshalb es zweckmäßig ist, daß ein gewisses Ereignis p eingetreten ist (wenn also zweckmäßig, daß p gilt), so ist für p eine hinreichende Bedingung q aufzusuchen, von der p hervorgebracht wird. Darüber hinaus ist zu zeigen, daß q im Hinblick auf p selbst zweckmäßig ist. Rekonstruiert man die hierzu gehörige Argumentform, so ist diese als gültige Argumentform nicht mehr für ein bestimmtes Ereignis (als Konklusion) gültig, sondern nur noch für eine Klasse von Ereignissen, in denen das Explanandumereignis als Element enthalten ist. 23 Trotz dieser Modifikation lassen sich damit auch funktionale Erklärungen auf die Grundmodelle zurückfuhren. Das läßt sich auch im Falle der genetischen und der rationalen Erklärungen zeigen. So lassen sich genetische Erklärungen beispielsweise als Verkettungen mehrerer nomologischer (deduktiver oder statistischer) Erklärungen unter Hinzufügimg unerklärter 20 21 22 23
Hempel (1977), S. Hempel (1977), S. Hempel (1970), S. Stegmüller (1969),
143. 143f. 217. S. 566 f.
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Daten bei jedem neuen Erklärungsschritt auffassen, wobei Elemente der Beschreibung mit denen der Erklärung verkoppelt werden. Auch Erklärungen, die eine Handlung unter Bezugnahme auf einen rationalen Beweggrund des Handelnden erklären, stimmen mit der eingangs genannten Grundform einer nomologischen Erklärung überein, wobei die hier verwendeten nomologischen Aussagen insofern einen Sor.derstatus haben, als in ihnen Dispositions- und Situationsterme enthalten sind. 24 Die zweite typologische Aufgliederung unterscheidet neben den Idealfällen einer D-N-Erklärung und einer I-S-Erklärung in Gestalt von elliptischen, partiellen Erklärungen und Erklärungsskizzen verschiedene Formen von Unvollkommenheit und Unvollständigkeit im Erklärungsfall. So unterscheiden sich elliptische Erklärungen etwa dadurch von idealen Erklärungen, daß sie gewisse Gesetze oder Tatsachen, weil sie als "[...] stillschweigend gegeben vorausgesetzt werden", gar nicht erst erwähnen. Sie sind vollständig in einem "ziemlich harmlosen Sinn", da sie verhältnismäßig leicht zu vollständigen Erklärungen ergänzt werden können. Unvollständig aus Erkenntnisgründen sind partielle Erklärungen. Partiell bedeutet hier, daß das Explanans das ExplanandumEreignis nicht mit der Bestimmtheit erklärt, mit der es durch den Explanandum-Satz beschrieben wird, "[...] und deshalb ist das Erklärungsvermögen des Arguments kleiner als es zu sein scheint, bzw. zu sein vorgibt." 25 Das bedeutet, daß das Explanans nicht schon das eigentliche Explanandum (E) erklärt, sondern einen logisch schwächeren Satz (E1) von dem der Explanandumsatz ein Spezialfall ist. Damit gilt hierfür E E' und das Explanans erklärt E1. Da zwischen E und dem Explanans verschiedene E' liegen können, die die erwähnte Bedingung erfüllen, sind auch verschiedene partielle Erklärungen möglich. Dazu bemerkt Hempel: "Eine partielle Erklärung kann offensichtlich stärker oder schwächer sein, je nachdem, um wieviel größer die Klasse, in die das Explanans den vorliegenden Fall einordnet gegenüber der Klasse ist, in die der Explanandum-Satz ihn einordnet." 26 Damit ist eine Richtung angegeben, durch die eine partielle Erklärung in eine vollständige Erklärung umgeformt werden kann. Noch weiter als elliptische und partielle Erklärungen weichen Erklärungsskizzen von den Richtlinien der idealen Modelle ab. "Wenn zum Beispiel eine vorgeschlagene Erklärung nicht explizit und spezifisch genug ist, um zu Recht als elliptisch formulierte oder als partielle Erklärung eingestuft werden zu können, dann kann man sie doch oft als Erklärungsskizze ansehen, die in allgemeinen Grundzügen etwas beschreibt, das sich vielleicht durch allmähliche Ausarbeitung und Ergänzung zu einem besser begründeten Erklärungsargument entwickeln läßt, welches dann auf Hypothesen beruht, die ausfuhrlicher formuliert sind und die durch Rückgriff auf empirische Evidenzen kritisch bewertet werden können." 27 24 25 26 27
Hempel Hempel Hempel Hempel
(1970), (1977), (1977), (1977),
S. S. S. S.
230f. 128. 136. 140.
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Somit ist die Erklärungsskizze, gemessen am idealen Modell, die wohl schwächste formale Charakteristik eines Erklärungszusammenhangs. Zur eindeutigen Abgrenzung der verschiedenen Formen von unvollkommenen Erklärungen sind hier wohl Intentionen der an einer Erklärung beteiligten Personen, Hintergrundannahmen, kontextuale Bezüge, die wohl insgesamt eher der Pragmatik als der Semantik zuzuordnen sind, zu berücksichtigen. Damit berührt Hempels Erklärungskonzeption auch unter dem Anwendungsaspekt wiederum die Pragmatik, von der Hempel sie eigentlich abgrenzen wollte. Insgesamt kann zum Hempelschen Erklärungskonzept festgestellt werden, daß in diesem ein hohes Maß an systematischer Geschlossenheit angestrebt wird, die den Anwendungsaspekt einschließt. Die dabei verfolgten Normierungen sind letztlich reduktionistisch, da sie von der Möglichkeit der Zurückführung aller wissenschaftlich relevanten Erklärungsarten auf die beiden Grundmodelle ausgehen. Ausgangspunkt des Hempelschen Vorgehens bildet ein bereits in der Logik und Philosophie vorgeprägter Erklärungsbegriff, der im Hinblick auf seine logisch-systematischen Eigenschaften präzisiert und expliziert wird, wobei die ursprüngliche Grundidee, daß das Erklärte stets etwas ist, das auf Grund von Gesetzen erwartet werden kann, beibehalten wird. Das ursprüngliche Ziel der von Hempel angestrebten Explikation, einen vollständig bestimmten Erklärungsbegriff zu definieren, der in einer eigenständigen Erklärungstheorie integriert ist, konnte nicht erreicht werden. Insofern gibt es wohl auch erhebliche Unterschiede zu der von Hempel selbst angeführten Parallele zur Beweistheorie. An Stelle einer Theorie entsteht bei Hempel eine Erklärungstypologie, durch die verschiedene, für die Erklärungskonzeption relevante Gesichtspunkte miteinander verknüpft werden. Aus definitionstheoretischer Sicht werden diese Typen jeweils durch partielle Definitionen repräsentiert. Es kommt hinzu, daß sich über die Bestimmimg der Adäquatheitsbedingungen eine Reihe von begrifflichen Verknüpfungen zur logischen Folgerungstheorie sowie zu solchen tragenden methodologischen Begriffen wie dem der Bestätigung, der Verifikation und der Prognose herstellen lassen. Die Konzeption benutzt ihre eigenen Rekonstruktions- und Begründungsverfahren. Gegenüber neuen Erklärungsverfahren und Erklärungspraktiken ist sie nur dann offen, wenn sich diese als Modifikationen der Unterarten der mehrfach erwähnten Grundtypen interpretieren lassen. In der logisch-systematischen Ausarbeitung stützt sich dieses Konzept vorrangig auf das begriffliche und methodische Instrumentarium der Semantik und der klassischen Logik, das hier bis an seine Grenzen ausgeschöpft wird. Die Hempelsche Vorgehensweise beim Aufbau seines Erklärungskonzepts ist insgesamt ein Beispiel für eine metamethodologische Vorgehensweise, die dadurch charakterisiert werden kann, daß sie sich beim Aufbau
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der Methodologie der empirischen Wissenschaften am Aufbau der Methodologie der deduktiven Wissenschaften orientiert, wobei die in den deduktiven Wissenschaften üblichen Standards als Ideal dienen. 3. Zum Phänomen der Kontextabhängigkeit Gründe für die Aufnahme von epistemischen und pragmatischen Komponenten in die methodologische Analyse von Erklärungen ergaben sich bereits aus der semantisch orientierten Diskussion der Hempelschen Erklärungsmodelle. So konnte G. Schurz im Zusammenhang mit der Diskussion von Pseudoerklärungen zeigen, daß es bei Erklärungsargumenten mit gleicher logischer Struktur oftmals Interpretationen gibt, die zu Pseudoerklärungen führen und daß zugleich auch Interpretationen möglich sind, die zu akzeptablen Erklärungen führen, so daß man am rein strukturellen Aufbau des Arguments noch nicht erkennen kann, ob es sich um eine Pseudoerklärung oder um eine korrekte Erklärung handelt.28 Bei genauerer Analyse dieses Tatbestandes stellte sich dann heraus, daß eine zu einer akzeptablen Erklärung führende Interpretation immer dann möglich ist, wenn mit der Interpretation zugleich ein Bestätigungsverfahren angegeben werden kann, das von einer Bestätigungsbasis B(A) aus von dem Hintergrundwissen WT Gebrauch macht und durch das die prognostische Relevanz der Argumentform nachgewiesen wird. Dabei muß zugleich die deduktive Relevanz gelten. Allgemein gilt für den Zusammenenhang beider Relevanzformen, daß ein Argument, das aus Gesetzesaussagen G und Antezedensien A als Prämissen sowie dem Explanandum E als Konklusion (TA/E) besteht, genau dann prognostisch relevant ist, wenn das substituierte Argument (TB(A)/E) deduktiv relevant ist, wobei B(A) die Bestätigungsbasis für A ist und wenn darüber hinaus gilt, daß A aus B(A) folgt. 29 Dies weist mit Nachdruck auf die Notwendigkeit der Einbeziehung des Hintergrundwissens bei der korrekten Bestimmung der Erklärungsrelation hin. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Bas C. van Fraassen, der sich gründlich mit dem Phänomen der Kontextabhängigkeit bei der Analyse von Erklärungszusammenhängen befaßt hat. Im Ergebnis seiner Analyse kommt er zu dem Schluß, daß Kontextabhängigkeit, die sich bei Erklärungen bereits bei der Formulierung der Erklärungsfrage (die dabei betrachteten Komponenten eingeschlossen) nachweisen läßt und die bis zur Antwort und der hier gültigen Relevanzbeziehung reicht "[...] ein essentieller, wenn auch gewöhnlich stillschweigend vorausgesetzter Bestandteil einer jeden Forderung nach Erklärung sein muß." 30 Das Hintergrundwissen, das hier als der zu berücksichtigende Kontext in Frage kommt, ist ein eindeutig epistemisch-pragmatischer Begriff, denn er 28 29 30
Schurz (1983), S. 275. Schurz (1984), S. 170. van Fraassen (1988), S. 50.
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bezieht sich auf ein Wissen, das aus rationalen Gründen von bestimmten Personen zu bestimmten Zeitpunkten als wahr angenommen wird bzw. als rational akzeptiert gilt. Rationale Akzeptanz bezeichnet eindeutig eine epistemische Einstellung. Eine sich am realen Erkenntnisprozeß orientierende Erklärungskonzeption muß diese Umstände berücksichtigen und kontextuale Faktoren relativ zum Hintergrundwissen genauer benennen sowie Analysemethoden zur Verfugung stellen, mit deren Hilfe kontextuale Faktoren und Kontextabhängigkeit näher untersucht werden können, wobei ein intersubjektives und möglichst formal orientiertes Vorgehen gefordert ist. Dies leisten zumindestens im gewissen Umfang in jüngster Zeit entwickelte pragmatische Erklärungskonzepte, denen wir uns nachfolgend etwas näher zuwenden wollen. 4. Pragmatische Erklärungskonzepte 4.1 Das Konzept von Bas C. van Fraassen Nach Bas C. von Fraassen lief die bisherige, sich vor allem auf Hempel stützende Erklärungsdiskussion "[...] von Anfang an in die falsche Richtung, weil Erklärung als eine der Beschreibimg gleichartige Beziehung aufgefaßt wurde, als eine Beziehung zwischen Theorie und Tatsache."31 Seiner Auffassimg nach ist Erklärung stets als eine dreistellige Relation zu analysieren - als eine Relation "zwischen Theorie, Tatsache und Kontext." 32 Dabei ist die gegebene Erklärung stets eine Antwort auf eine Frage, wobei die Frage die Aufforderung nach einer Information enthält, die durch die Erklärung erfüllt wird. Aus dieser Sicht wird für van Fraassens Erklärungskonzept die Theorie der Warum-Fragen von besonderer Wichtigkeit. In seinem Konzept werden daher die Elemente der Fragelogik, insbesondere die hier entwickelte Typologie von Fragen sowie weitere für die Charakterisierung von Fragen relevante Begriffe wie z. B. der Begriff des Themas der Frage, "Fragepräsuppositionen" und der Begriff der Kontrastklasse genutzt, um die eingangs genannten kontextualen Bezüge zu spezifizieren. Zu den genannten Begriffen sei die folgende Erläuterung angefügt. Lautet die Frage "Warum ist die Stromleitung verbogen"?, so wird hierdurch impliziert, daß die Leitung verborgen ist und es wird nach dem Grund dafür gefragt. Die Proposition, daß die Leitung verbogen ist, wäre in diesem Fall das Thema der Frage. Es wird durch die Betonung, die durch die Formulierung der Frage auf den veränderten Zustand der Leitung gelegt wird, näher eingegrenzt. Die Kontrastklasse ist durch die Menge der Alternativen, die aus der Variation des Themas entsteht, gegeben (z. B., daß es diese Leitung war, die sich verbog und nicht eine andere oder daß die Leitung sich verbog, anstatt ihre Gestalt zu behalten). Präsuppositionen der Frage sind, daß die Leitung verbogen ist, daß es einen Grund dafür gibt, daß es eine Leitung gibt usw. 31 32
van Fraassen (1988), S. 86. Ebenda.
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Wichtig für die Beantwortung der Erklärungsfrage ist in van Fraassens Konzeption die Relation der erklärenden Relevanz. Durch sie wird die spezifische Hinsicht ausgedrückt, in der nach dem Grund gefragt wird, und es wird durch sie bestimmt, was als möglicher erklärender Faktor in Frage kommt. Wichtig ist dabei, daß die erklärende Relevanz nicht absolut auf das Thema oder auf eine bestimmte Kontrastklasse bezogen ist. "Vielmehr können wir von einer gegebenen Proposition nur sagen, daß sie (in diesem Kontext) für dieses Thema in bezug auf jene Kontrastklasse entweder relevant oder nicht relevant ist."33 Eine abstrakte Warum-Frage, die durch einen Fragesatz in einem gegebenen Kontext ausgedrückt wird, läßt sich nach van Fraassen formal durch folgende Komponenten bestimmen: 1) durch das Thema der Frage PK, 2) durch die Kontrastklasse X = {Pj ...PK ...}, die PK als Element enthält und 3) durch die Relevanzrelation R. 3 4 Über die Relation R wird der Bezug zur Antwort hergestellt. Die sprachliche Form der Antwort lautet: "PK im Kontrast (zu allen anderen Elementen) von X, weil A", wobei die Proposition A genau dann relevant für die Frage ist, wenn A zu dem Paar in der Relation R steht. 35 Damit ist ein formaler Rahmen angegeben, innerhalb dessen kontextuale Bezüge systematisch analysierbar werden. Dabei kann gezeigt werden, daß die Information, die zur Beantwortung auf ein und dieselbe Erklärungsfrage gegeben wird, von Kontext zu Kontext variiert. "Darüber hinaus sind die Hintergrundtheorie und die Daten, aufgrund derer eine Frage als sich stellend oder nicht stellend bewertet wird, vom Kontext abhängig und sogar jener Teil der Hintergrundinformation, welcher zur Bewertung einer Antwort als mehr oder weniger gute Antwort auf die gestellte Frage herangezogen wird, ist ein kontextuell determinierter Faktor."36 Das sich Stellen einer Frage, deren Zurückweisung sowie die Bewertimg einer Antwort als gute bzw. aufschlußreiche Antwort sind Themen, die innerhalb des Hempelschen Erklärungskonzeptes entstanden sind, die innerhalb dieses Konzeptes jedoch keine befriedigende Antwort gefunden haben. Sie werden im Rahmen der von van Fraassen entwickelten Konzeption analysierbar, wobei zumindest partielle Antworten gegeben werden. So stellt sich eine Frage in einem Kontext K nach van Fraassen immer nur dann, wenn K die zentrale Präsupposition der Frage impliziert, d. h. diese muß Teil des akzeptierten Kontextwissens sein. (Die zentrale Präsupposition einer Frage Q ist die Proposition, daß P^ gilt und fur alle i*k, gelte nicht Pj). Weiterhin muß mindestens eine der Propositionen A, die für das Thema und ihre Kontrastklasse relevant sind, wahr sein. 37 Die Phrase "die Frage stellt sich in diesem Kontext" kann demnach wie folgt definiert werden: "K impliziert die zentrale Präsupposition und K impliziert nicht die Negation 33 34 35 36 37
van Fraassen (1988), S. 66. Ebenda, S. 70. Ebenda, S. 71. Ebenda, S. 86. Ebenda, S. 70.
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irgendeiner Präsupposition."38 Analoge Lösungen gibt es für das Problem der Erklärungsasymmetrie, wie sie durch den Gebrauch von Äquivalenzgesetzen in Erklärungstexten zustande kommen und für die Bewertung von Erklärungsantworten.39 All dies spricht für die systematische Fruchtbarkeit dieses Erklärungskonzeptes, das bisher nur in seinen Umrissen ausgebaut ist. 4.2 Das Konzept von P. Gärdenfors Auch P. Gärdenfors beginnt seinen konzeptionellen Einstieg mit einer Kritik an der Hempelschen Position, die Erklärungsbeziehung lediglich als eine besondere Art von Folgerungsbeziehung aufzufassen, die dann mit den formalen Mitteln der klassischen Logik zu explizieren ist. Er hält es wie auch van Fraassen für unzureichend "[...] bloß die Sätze des Explanans und des Explanandums zu betrachten, wenn man herausfinden will, ob etwas eine Erklärung bildet." 40 Gärdenfors meint vielmehr, daß zu diesem Zweck auch die epistemischen Umstände, insbesondere die Glaubensannahmen der an der Erklärung beteiligten Personen berücksichtigt werden müssen. Daher stellt er sich das Ziel, "[...] eine Theorie der Erklärung zu präsentieren, in der die Beziehung zwischen den Explananssätzen und dem Explanandum immer relativ zu einem epistemischen Zustand bewertet wird." 41 Erklärung wird also auch bei Gärdenfors als eine kontextgebundene Operation aufgefaßt, wobei für ihn im Unterschied zu van Fraassen epistemische Zustände die grundlegenden kontextuellen Elemente eines Erklärungszusammenhanges bilden. 42 Zur näheren Bestimmung epistemischer Zustände entwickelt Gärdenfors Modellvorschläge, die mit Mitteln der Wahrscheinlichkeitstheorie und der epistemischen Logik eine entsprechende formale Fassung erhalten. Diese Modelle bestehen im wesentlichen aus Wahrscheinlichkeitsmaßen (erster Ordnung), "[...] die über Eigenschaften definiert sind, und Wahrscheinlichkeitsmaßen (zweiter Ordnung) für Glaubensgrade von Propositionen."43 Ein epistemischer Zustand K enthält dabei folgende Komponenten: (1) eine Menge W möglicher Welten mit einer fixierten Individuenmenge, (2) für jede Welt w e W gibt es ein Wahrscheinlichkeitsmaß P w , das über Individuenmengen in w definiert ist 44 , (3) eine Glaubensfunktion B, die die Wahrscheinlichkeiten der Menge möglicher Welten mißt. 45 Mit Hilfe dieser Begriffsbildungen lassen sich Expansionen (Erweiterungen) und Kontraktionen (Verengungen) von Glaubenssystemen beschreiben. 38 39 40 41 42 43 44 45
van Fraassen (1988), S. 71. Ebenda, S. 72f. Gärdenfors (1988), S. 92. Ebenda, S. 96. Ebenda. Ebenda, S. 93. Ebenda, S. 101. Ebenda.
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Fügt man etwa zu K den Gehalt eines Satzes A hinzu, so kommen, falls A als Wissen akzeptiert wird, nur noch jene Welten als möglich in K vor, in denen A wahr ist. Für den neuen epistemischen Zustand K^ sind bis auf P w alle weiteren Komponenten neu zu bestimmen. Auf analoge Weise lassen sich Reduktionen beschreiben. Die Möglichkeit, Änderungen von epistemischen Zuständen begrifflich zu erfassen, gehört zu den Vorzügen dieses Modells, was bei der üblichen Charakterisierung des Wissens als einer bestimmten Satzmenge, die in bezug auf die Folgerungsbeziehimg abgeschlossen ist, nicht ausdrückbar ist. Für die formale Analyse von Erklärungen innerhalb des Gärdenfors-Modells ist aber gerade die Veränderbarkeit epistemischer Zustände von Bedeutung. Das beginnt bereits bei der Formulierung eines Erklärungsproblems innerhalb dieses Modells. So wird die intuitive Einsicht, daß eine Erklärung immer dann erforderlich ist, wenn ein Ereignis, bezogen auf ein Vorwissen, eine gewisse Überraschung darstellt, im Modell wie folgt präzisiert. Ist der Glaubensgrad von E im epistemischen Zustand Kg gering, (wobei Kg ein fiktiver Wissenszustand ist, der die Kontraktion von K hinsichtlich E bezeichnet) und man erfährt, daß E wahr ist, wobei von Kg zu K übergegangen wird, so hat E einen großen Überraschungswert. Dabei gilt, je kleiner der Glaubensgrad von E in Kg, desto größer der Überraschungswert von E in K. Es entsteht eine Situation, in der Erklärungsbedarf gefordert ist. Die Frage: "Warum E?" wird zu einer erklärungssuchenden Warum-Frage. Mit der Erklärung soll dann eine adäquate Antwort auf die Erklärungsfrage gefunden werden, wobei der epistemische Zustand so zu verändern ist, "daß sich der Glaubensgrad des Explanandums erhöht." 46 Dabei ist nicht gefordert, daß der Glaubensgrad des Explanandums nahe bei 1 liegt. Vielmehr genügt es, daß er höher ist als er es war, bevor man die in den Explananssätzen enthaltene Information hatte. In der Sprache des Modells bedeutet das, daß eine Erklärung eines singulären Satzes E relativ zu einem epistemischen Zustand K aus einer Konjunktion T einer endlichen Menge von Wahrscheinlichkeitssätzen und einer Konjunktion C einer endlichen Menge von singulären Sätzen besteht, wobei Bg (E/TAC)>Bg (E) gilt. Dabei ist Bg die Glaubensfunktion in Kg. Weiterhin gilt TAC^K. 4 7 Durch die hier genannten Charakteristika werden zugleich die notwendigen Bedingungen für eine Ereigniserklärung in Gärdenfors' epistemischen Erklärungskonzept festgelegt (Gärdenfors 1988, 107). Einige wichtige Konsequenzen des Gärdenforsschen Standpunktes sind: (1) die obige Bestimmung einer Erklärung läßt verschiedene Erklärungen eines Satzes E zu. Die Differenz aus Bg (E/TAC) und Bg(E) ermöglicht es, Erklärungen zu bewerten und die beste Erklärung für E auszuwählen. (2) deduktive Erklärungen erhöhen den Glaubenswert von E auf den Maximalwert. Sie sind demnach Spezial- oder Sonderfalle von Erklärungen. 46 47
Gärdenfors (1988), S. 107. Ebenda.
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(3) die Annahme von expandierenden epistemischen Zuständen kann dazu führen, daß Erklärungen entwertet werden. (Das ist immer dann der Fall, wenn eine Expansion von K zu K' stattfindet, die in K akzeptiertes Explananswissen ausschließt). (4) nach obiger Definition von Erklärungen wird der Fall zugelassen, daß das Explanans nur aus einem singulären Satz oder nur aus einem Wahrscheinlichkeitssatz besteht, während der fehlende Explanansteil in K enthalten ist. Das wiederum bedeutet, daß es nach Gärdenfors' Erklärungskonzeption keine elliptischen Erklärungen gibt, was der Erklärungspraxis recht gut entspricht , 4 8 (5) der ErklärungsbegrifF wird vom Prognosebegriff abgekoppelt, da bei einer minimalen Erhöhung des Glaubenswertes von E nach dem Erklärungsvollzug das Eintreten von E kaum als vorhergesagt gelten kann. Damit zeigen sich erhebliche Abweichungen vom Hempelschen Erklärungskonzept, die offensichtlich mit dem von Hempel verschiedenen Explikationszielen zusammenhängen. Der Gärdenforssche Ansatz richtet sich von vornherein auf die Einbeziehung der Kontextabhängigkeit in einer besonderen Form. Dabei wird die Hempelsche Auffassung, daß Erklärungen durch Gesetze abgestützte Argumentformen sind, nicht vorausgesetzt. 4.3 Das Konzept von R. Tuomela Einen sehr weit gefächerten Versuch zur Einbeziehung pragmatischer Komponenten in die methodologische Erklärungsdiskussion findet man bei R. Tuomela, der sich für den Aufbau einer pragmatisch-nomologischen Theorie des Erklärens ausspricht.49 Zur näheren Charakterisierung seiner Konzeption bemerkt er: "Unsere Theorie ist pragmatisch in dem Sinne, daß sie sich ausdrücklich auf die Handlungen des Fragens und Erklärens von Wissenschaftlern bezieht, von denen angenommen wird, daß sie zu einer wissenschaftlichen Gemeinschaft (scientific Community) gehören und ein bestimmtes (Kuhnsches) Paradigma teilen (eine bestimmte Konstellation von Gruppen-Verbindlichkeiten)."50 Erklären wird hier als ein sozialer Vorgang betrachtet, der als eine kommunikative illokutive Handlung mit zwei Handelnden A und B stattfindet "[...] wobei B's Handlungskomponente darin besteht, eine (erklärungssuchende) Frage an A zu richten und A's Handlungskomponente darin, B eine Erklärungsantwort zu geben mit der illokutiven Absicht, B zum Verstehen zu bringen, warum die erfragte Tatsache der Fall ist." 51 Dabei wird der intendierte Anwendungsbereich des Konzeptes sehr weit gefaßt. Es soll sich auf deduktive, nichtdeduktive, strikte und approximative Erklärungen sowie auf Ereignis- und auf Gesetzeserklärungen beziehen. 52 Zu Hempel besteht insofern eine gewisse Kontinuität als sowohl D-N- wie auch I-S-Erklärungen in ihren Grundstrukturen 48 49 50 51 52
Gärdenfors (1988), S. 109. Tuomela (1988), S. 123. Ebenda, S. 125. Ebenda, S. 126. Ebenda, S. 125.
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beibehalten werden, wobei beide Modelle in den erwähnten pragmatischen Kontext integriert werden, was zu erheblichen Modifikationen in der konkreten Ausformung der Modelle, sowohl im Hinblick auf den argumentativen Zusammenhang als auch im Gesetzesaufbau fuhren kann. Das bedeutet nicht, daß Tuomela beim Aufbau seiner Modelle auf Gesetzesaussagen verzichtet. Vielmehr bildet die Bezugnahme auf wissenschaftliche Gesetze nach Tuomela ein notwendiges Element einer jeden wissenschaftlichen Erklärung. 53 Die auf Gesetzesprämissen beruhenden Argumentformen von Erklärungen, die in Tuomelas Erklärungskonzeption vorkommen, werden jedoch nicht definitorisch gesetzt, sondern sie ergeben sich bei Tuomela als Resultat der Explikation des oben angedeuteten Beziehungsgefuges von Begriffen, das beim Begriff der Erklärungssituation seinen systematischen Ausgangspunkt hat. Von hier aus wird der Erklärungsbegriff eingeführt, wobei die in diesem Begriff enthaltenen Komponenten wie Fragen und deren Präsuppositionen, illokutive Handlungen, Erklärungsantworten, Paradigmen und das durch das Erklären bewirkte Verstehen im Anschluß daran näher expliziert und präzisiert werden. Insofern ist der pragmatische Bezug auch für Tuomela von grundlegender konzeptioneller Bedeutung und nicht etwa nur die nachfolgende Korrektur eines vorausgesetzten Subsumtionsmodells von Erklärung. Erklären als Beantworten einer Frage q ist in Tuomelas Erklärungsansatz mehrstellig und intentional. Es findet in einer gewissen Erklärungssituation C und in Abhängigkeit von einem Paradigma P zwischen einem Explananden und einem Explanator statt, uzw. auf sprachlicher Ebene durch die Erzeugung von sprachlichen Zeichen u, wobei zusätzlich gelten soll: (a) der Explanator A glaubt, daß u in der Situation C und bei einem gegebenen Paradigma P eine wissenschaftliche Erklärungsantwort auf q ist, (b) A erzeugt u mit einer dahingehenden Intention, daß diese Erzeugung bewirkt, daß der Explanand B in der Situation C und gegebenem Paradigma P q wissenschaftlich versteht, (c) dabei ruft die Erzeugung von u in der intendierten Weise B's Glauben hervor, daß in der Situation C und gegebenem P u eine wissenschaftliche Erklärungsantwort auf q ist. 54 Der strukturelle Aufbau einer Erklärung findet erst in der Explikation des Terminus "wissenschaftliche Erklärungsantwort" eine Berücksichtigimg, die eben nur eine Komponente der Erklärung und der Antwort als illokutionäre kommunikative Handlung ist. Andere wichtige Komponenten bilden die Frage und ihre Bestandteile sowie die Erklärungssituation und der paradigmatische Hintergrund. Die Analyse der Fragehandlung, insbesondere die Analyse der Struktur der Erklärungsfrage und ihre Komponenten erlauben Hinweise zur Formulierung der Antwort.
53 54
Tuomela (1988), S. 139f. Ebenda, S. 128f.
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Sei (?f) s(f) die der Frage q entsprechende Frageform (f läuft über den Bereich der Gründe, s ist eine Variable für einen Deklarativsatz), so daß die obige Frageform die Frage: Welches ist der Grund für s? ausdrückt, so ist der Satz 3f s(f) die vollständige Präsupposition der Frage. Einschränkungen ergeben sich, wenn 3f s(f) im Hinblick auf C und P relativiert wird. Eine Antwort u bekommt man, wenn der Existenzquantifikator weggelassen wird und für f eine Konstante eingesetzt wird. Weitere Einschränkungen sind möglich, wenn man zusätzlich fordert, daß u im Kontext von C und P verständlich sein soll und daß die eingesetzte Konstante die Konjunktion der Prämissen eines Erklärungsarguments für q bilden soll. 55 Die sich hieraus ergebenden Anwendungsbedingungen bewähren sich, wie Tuomela selbst nachweisen konnte, insbesondere bei der Analyse von paradigmaabhängigen Erklärungen. 56 Darüber hinaus zeigt sich hierin eine weitgehende Integration der Erklärungsproblematik in die moderne wissenschaftstheoretische Diskussion.
Zusammenfassende Gesichtspunkte des Vergleichs (1) Alle der hier diskutierten Ansätze sind wiederum Rekonstruktionen mit einer explikativen Zielstellung. Dabei wird der systematische Ansatz von Hempel vorausgesetzt und Probleme, die im Hempelschen Konzept nicht oder nur unzureichend gelöst worden sind, werden häufig der Ausgangspunkt für speziellere Explikationen. Im Hempel-Konzept nicht funktionierende Beispiele werden übernommen und in Übereinstimmung mit den neuen Ansätzen interpretiert und analysiert. Die neuen Ansätze haben ihren Ausgangspunkt also übereinstimmend in einem durch das Hempel-Konzept bestimmten begrifflichen Rahmen, während das explikative Resultat jeweils in verschiedene Begriffsrahmen integriert wird. (Vgl. die hier genannten Begriffssysteme der Fragelogik, der Wahrscheinlichkeitstheorie und der epistemischen Logik sowie der Sprechakttheorie.) (2) Wenngleich die von Hempel erzielten Ergebnisse zu den D-N-Erklärungen in die neuen Ansätze übernommen werden, verlieren sie dort ihre zentrierende, begriffsbestimmende Funktion. Sie gelten hier meist nur als Spezialfälle von Erklärungen oder finden eine neue Interpretation. Der im Hempel-Konzept vertretene reduktionistische Anspruch wird in den neuen Erklärungskonzeptionen übereinstimmend zurückgewiesen. (3) Dennoch wird zumeist am Anspruch eines einheitlichen, für alle Wissenschaften verbindlichen Erklärungsansatzes festgehalten, wobei sich in den wissenschaftsphilosophischen Begründungen durchaus Unterschiede zeigen, die z. B. von essentialistischen Positionen (bei Tuomela) bis zu antiessentialistischen Positionen (bei van Fraassen) reichen können. 55 56
Tuomela (1988), S. 140. Ebenda, S. 166f.
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(4) Die vorgeschlagenen Erklärungsbegriffe sind systembezogen formuliert und insofern nicht aufeinander zu reduzieren. Zumeist werden nur partielle Definitionen von Erklärungen gegeben. Dabei gibt es, was die Sichtweise der erklärenden Relation anbetrifft, eine wichtige Übereinstimmung zwischen den Begriffen der hier diskutierten Erklärungsansätze, durch die sie sich von Hempels Erklärungsbegriff unterscheiden. Es ist dies die Explikation der Erklärungsbeziehung als einer wissensdynamischen Relation. Dies zeigt sich insbesondere in der Auffassung der Erklärung als einer FrageAntwort-Beziehung sowie in der Tatsache, daß der Erklärungseffekt von einem Wechsel der Wissenszustände abhängig gemacht wird oder in dem Umstand, daß Erklären als Ergebnis von zu vollziehenden kommunikativen Akten angesehen wird. Die dabei formulierten Erklärungsbegriffe sind dynamische Begriffe. Der Hempelsche Erklärungsbegriff ist dagegen ein statischer Begriff. (5) Wenngleich die epistemisch-pragmatischen Erklärungskonzepte nicht aufeinander reduziert werden können, so gibt es in diesen Konzeptionen immerhin einen gemeinsamen Problemvorrat und analoge Inhalte. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, analoge Problemstellungen in verschiedenen Konzepten auf formal verschiedene Weise zu behandeln. Dies wird durch einen Hinweis von Gärdenfors belegt, der unter Bezugnahme auf Stegmüller darauf aufmerksam macht, daß durch Referenzklassen näher charakterisierte Warum-Fragen genau das Gleiche ausdrücken können, wie epistemische Zustände. Insofern sind verschiedene Arten von Warum-Fragen nichts anderes "als sprachliche Manifestationen verschiedener Arten von Wissenssituationen". (Wissenssituationen und epistemische Zustände sind als bedeutungsgleich zu verstehen.)57 Dies verweist auf die Notwendigkeit, die vorliegenden epistemischpragmatischen Erklärungskonzepte unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Synthese näher zu untersuchen, wozu insbesondere G. Schurz in jüngster Zeit einen Vorstoß unternommen hat. 58 (6) Dabei darf nicht vergessen werden, daß die zur Zeit vorliegenden epistemisch-pragmatischen Konzeptionen zwar realistische Forderungen in bezug auf die Erklärungspraxis stellen, daß sie aber insgesamt noch sehr abstrakt und systematisch lückenhaft entwickelt sind. Auf solche Lücken verweisen sowohl Tuomela als auch Gärdenfors. So hält es Gärdenfors für einen großen Mangel seiner Erklärungskonzeption, daß sie auf die Erklärung singulärer Sätze beschränkt ist und daß sie nicht in der Lage ist, die redundanten Elemente aus dem Explanans auszugliedern. Darüber hinaus fordert er den Aufbau von "verfeinerten und psychologisch realistischeren Modellen" zur Charakterisierung epistemischer Zustände. 59 Ahnlich macht Tuomela darauf aufmerksam, daß eine Theorie der Para 57 58 59
Gärdenfors (1988), S. 95. Schurz (1988), S. 235fF. Gärdenfors (1988), S. 121.
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digma-Muster zur Bestimmung der Schlüsselbegriffe seines Erklärungskonzeptes noch aussteht. 6 0 (7) Damit wird deutlich, daß diese Konzepte noch über erhebliche innovative Möglichkeiten verfugen, die zunächst einmal ausgeschöpft werden müssen, bevor über Grenzen und Anwendbarkeit endgültig entschieden wird. Zum weiteren Ausbau der neueren Erklärungskonzepte sind die Mittel und Möglichkeiten der nichtklassischen Logiken, als deren Experimentierfeld sich die methodologische Erklärungsdiskussion mehr und mehr erweist, voll z u nutzen. Mit der Einbeziehung dieser Analysemittel und begrifflicher Instrumentarien entfällt zugleich die Notwendigkeit einer strengen Orientierung der Methodologie der empirischen Wissenschaften am Ideal der M e thodologie der deduktiven Wissenschaften, die die fundamentale Grundlage für Hempels Erklärungskonzeption war.
Literatur Gärdenfors, Peter (1988), Die Epistemologie von Erklärungen. In: Schurz, Gerhard (Hrsg.): Erklären und Verstehen in der Wissenschaft. München, S. 91-122 Hempel, Carl G. (1942), The Function of General Laws in History. The Journal of Philosophy 39, S. 3 5 ^ 8 - (1970), Erklärung in Naturwissenschaft und Geschichte. In: Krüger, Lorenz (Hrsg.): Erkenntnisprobleme der Naturwissenschaften. Köln/Berlin, S. 215-137 - (1977), Aspekte wissenschaftlicher Erklärung, Berlin/New York Kant, Immanuel (1956), Kritik der Urteilskraft, Reclam, Leipzig Mi II, John Stuart (1885), System der deduktiven und induktiven Logik, Leipzig Schurz, Gerhard (1983), Wissenschaftliche Erklärung, Diss., Graz - (1984), Das deduktive Relevanzkriterium von St. Körner und seine wissenschaftstheoretischen Anwendungen. In: Haller, Rudolf (Hrsg.): Die Philosophie von St. Körner. Grazer Philosophische Studien, S. 149-177 - (Hrsg.) (1988), Erklären und Verstehen in der Wissenschaft, München - (1988), Was ist wissenschaftliches Verstehen? In: Schurz, Gerhard (Hrsg.): Erklären und Verstehen in der Wissenschaft. München, S. 235-297 Stegmüller, Wolfgang (1969), Wissenschaftliche Erklärung und Begründung, Springer, Berlin/Heidelberg/New York. Tuomela, Raimo (1988), Eine pragmatisch-nomologische Theorie des wissenschaftlichen Erklärens und Verstehens. In: Schurz, Gerhard (Hrsg.): Erklären und Verstehen in der Wissenschaft. München, S. 125-169 van Fraassen, Bas C. (1988), Die Pragmatik des Erklärens. In: Schurz, Gerhard (Hrsg.): Erklären und Verstehen in der Wissenschaft. München, S. 31-89
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Ebenda.
PETER STEINACKER
Die epistemische Komponente einer nichtklassischen Negation Zu den Eigenheiten der meisten nichtklassischen Logiken gehört zweifellos das Vorkommen von nichtklassischen Negationen. In der vorliegenden Arbeit wird gezeigt, daß eine spezielle nichtklassische Negation, die innere Negation, als Produkt der Verschmelzung der klassischen Negation mit einem epistemischen Satzoperator rekonstruiert werden kann. Für die innere Negation wird eine adäquate Welten-Semantik nachgewiesen; gleichzeitig wird diese Herangehensweise auf verwandte Kalküle innerer Negation übertragen. Eine solche Rekonstruktion hat zwei eng miteinander verknüpfte Effekte: Einerseits wird die Frage beantwortet, wo die nichtklassischen Eigenschaften der inneren Negation ihren Ursprung haben, andererseits wird eine enge Beziehung zwischen nichtklassischen Logiken und der Logik epistemischer Prädikate nachgewiesen. 1. Innere und äußere Funktoren Bevor wir den Unterschied zwischen inneren und äußeren Funktoren erörtern, sei ein Beispiel vorangestellt, wo sie zusammenfallen. Wir betrachten den folgenden Satz: (1) Bobs Konzert in Berlin war erfolgreich. Wendet man nun auf (1) einen "es ist wahr, daß"-Operator an, so erhält man den Satz (1') Es ist wahr, daß Bobs Konzert in Berlin erfolgreich war. Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten den Satz (1') zu negieren; wir vergleichen (le) Es ist nicht wahr, daß Bobs Konzert in Berlin erfolgreich war. und (Ii) Es ist wahr, daß Bobs Konzert in Berlin nicht erfolgreich war. Es ist nun naheliegend, den Satz (Ii) die innere Negation von (1) zu nennen, entsprechend nennen wir (le) die äußere Negation von (1). Im Normalfall unterscheiden wir nicht zwischen (le) und (Ii), sind doch die Wahrheitsbedingungen (ebenso wie die Falschheitsbedingungen!) für beide Sätze gleich.
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Peter Steinacker
Daß die Einschränkung auf den Normalfall notwendig ist, zeigen die folgenden Beispiele. Neben Sätzen vom Lügner-Typ sind (2) Der gegenwärtig regierende König von Frankreich ist kahlköpfig, und (3) Einige Primzahlen sind gelb. Sätze, für die die innere und die äußere Negation nicht zusammenfallen. Wir wollen nun Sätze, für die die gemäß (Ii) und (le) gebildeten Negationen zusammenfallen, normale Sätze nennen. Unsere Untersuchung sei im folgenden auf normale Sätze beschränkt. Die Unterscheidung von innerer und äußerer Negation ist natürlich auf den "es ist wahr, daß"-Operator relativiert. Dasselbe gilt für die Bestimmung normaler Sätze. Wir müssen also präziser von innerer und äußerer Negation hinsichtlich des "es ist wahr, daß"-Operators sprechen. Dasselbe gilt für innere und äußere (hinsichtlich des genannten Operators) Konjunktion, Implikation usw. Bisher waren wir nicht veranlaßt, unterschiedliche Eigenschaften innerer und äußerer Funktoren festzustellen, es scheint daher zweckmäßig, vom inneren und äußeren Gebrauch der Funktoren (hinsichtlich eines Satzoperators) zu sprechen. Darauf bezogen lassen sich Unterschiede fixieren. So läßt sich für den äußeren Gebrauch von Negation und Disjunktion (hinsichtlich des "es ist wahr, daß "-Operators) das tertium non datur leicht als ein gültiges Prinzip nachweisen. (Das gilt auch für Sätze wie (2) oder (3). Die Situation ändert sich aber wesentlich, wenn wir "es ist wahr, daß" durch einen anderen Satzoperator ersetzen und den inneren Gebrauch der Negation als die Negation des zu betrachtenden Satzes ansehen. Dann findet man gute Gründe, das tertium non datur als gültiges Prinzip abzulehnen. 1
2. "es ist wahr, daß" Für eine minimale formale Exposition dieses Satzoperators benötigen wir eine zweistufige Sprache. Sei L° das Basisniveau, eine Sprache der Aussagenlogik mit den Funktoren -., A, V, —», , o sind die entsprechenden äußeren Funktoren. Aus Gründen der Einfachheit der Darstellung sind Iterationen von T nicht zugelassen, ebenso sind Vermischungen der Sprachniveaus ausgeschlossen (d. h. T(H) => H, -I(-IHVT(H)) u. ä. sind keine wohlgeformten Ausdrücke). Die Bildungsregeln der Sprache L sind nun: 1
Vgl. Kutschera (1985), S. XHf.
Die epistemische Komponente einer nichtklassischen Negation
(i) (ii)
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Ist H ein Ausdruck von Lo, so ist T(H) ein Ausdruck von L. Mit Hi, H 2 sind auch - , U H H! A H 2 , H[ V H 2 , H, => H 2 , H! O H 2 Ausdrücke von L.
Die folgenden Prinzipien drücken nun die relevanten Eigenschaften des "es ist wahr, daß "-Operators aus 2 : (Tl) (T2) (T3) (T4) (T5)
-iT(H) T(HI)AT(H 2 ) T(H,) v T(H 2 ) T(H,)=>T(H 2 ) T(H,)OT(H2)
o O o O O
T(-iH) T(H, AH 2 ) T(H, v H 2 ) T(H,->H2) T(H,OH2)
Das Prinzip (Tl) drückt nun gerade das Zusammenfallen der Wahrheitsbedingungen für äußere und innere Negation (hinsichtlich T) aus. Dasselbe gilt für alle anderen klassischen Funktoren (erinnert sei noch einmal an die Einschränkung der Untersuchung auf normale Sätze!). Diese Beziehung entspricht unseren Erwartungen, zeigt sie doch, daß die Grundidee der klassischen Logik als eine Logik, die sich ausschließlich am klassischen Wahrheitsprädikat orientiert, erfolgreich umgesetzt wurde. Es fällt darum auch nicht schwer, die Logik für T zu beschreiben. Zu ihren Theoremen gehören T(Hv-,H), -,T(HA-,H), T(H)V -,T(H) u. ä.. Wie bereits erwähnt, gilt das letzte Theorem auch für Sätze wie (2) oder (3), da aber (Tl) für solche Sätze nicht gilt, können wir auch nicht auf die Gültigkeit von T(Hv-iH) schließen. Die Logik von T ist so beschaffen, daß für normale Sätze T redundant ist und folglich weggelassen werden kann. Wenn wir also T als Repräsentanten klassicher Wahrheitsprädikation ansehen und unsere Betrachtung auf normale Sätze beschränken, besteht auch keine Notwendigkeit zwischen dem inneren und äußeren Gebrauch der Funktoren (hinsichtlich T) zu unterscheiden. Das ist aber nur dann der Fall, wenn beide genannten Bedingungen erfüllt sind; wird eine von ihnen nicht beachtet, kann leicht Konfusion entstehen oder gar Mißtrauen in die Prinzipien der klassischen Logik erzeugt werden. Wir wenden uns nun anderen Satzoperatoren und dem inneren und äußeren Gebrauch von Funktoren hinsichtlich dieser Satzoperatoren zu. Dabei sei die Darstellung ausschließlich auf Negationen beschränkt.
3. Andere Operatoren 3.1. Beweisbarkeit Ersetzt man T durch einen anderen Operator B ("hinsichtlich einer gegebenen Theorie ist mit bestimmten Mitteln beweisbar, daß"), so ist das Analogon von (Tl) - -,B(-,H)
eine vernünftige Minimalforderung. Andere Postulate sind denkbar, so etwa B(Hj A H2) B(Hj) A B(H2) oder - wenn wir die Bildungsregeln der Sprache leicht modifizieren - auch B(H) => H. 3.2. Akzeptation Sei A ein Akzeptationsoperator, der das Ergebnis eines epistemischen Akts oder die epistemische Einstellung einer Person hinsichtlich eines Satzes ausdrückt. Wie zuvor werden wir die Parameter eines solchen Operators außer acht lassen, d. h. wir betrachten Adressaten, Subjekt, Situation u. ä. als fixiert und lassen sie weg. Natürlich ist A(H) v A(->H) in dieser Lesart nicht zu akzeptieren, d. h. -iA(H) => A (->H) ist nicht gültig. Damit ist auch das Analogon von (Tl) nicht gültig. Ein diskussionswürdiges, wenn auch nicht für jede Art von Akzeptation gültiges Postulat ist aber (1 A )
A(H) =>-iA(-iH). 3
3.3. Nichttraditionelle Prädikationstheorie. In der Prädikatenlogik wird mit P(s) (bzw. P(sj, ..., s n ) üblicherweise das Zukommen eines Prädikats P zu einem Subjekt (bzw. zu einem n-Tupel von Subjekten dargestellt. Dann gilt selbstverständlich P(s) v -iP(s) (bzw. P(sj, ..., s n ) v - . P ( s 1 , . . . , s n ) ) . Will man aber P(s) als Ergebnis des Zuschreibens eines Prädikats P zu einem Subjekt s verstehen (will man also mit anderen Worten (P(s) als Ergebnis eines epistemischen Akts auffassen), so ist dies eine völlig andere Art der Prädikation. Diese wird in der nichttraditionellen Prädikationstheorie beschrieben.4 I11 der entsprechenden Notation bezeichnet sE(a),
woraus man durch Kontraposition (11)
~E(a)
~W(a,p) A W(a,p)
erhält. Die Folgerung von (11) ist ein Widerspruch, und in der klassischen Logik folgt bekanntlicherweise aus einer widersprüchlichen Aussage jede beliebige Aussage, d.h. es gilt (12)
~W(a,p) A W(a,p) 3 q,
und aus (11) und (12) erhält man die paradoxe Formel (13)
~E(a)
q
(wenn ein epistemisches Subjekt a nicht existiert, so gilt jede beliebige Aussage). Verwendet man jedoch für die Symbolisierung des Wortes "nicht" in dem angeführten Fall die innere Negation der nichttraditionellen Prädikationstheorie, so nehmen die Formeln (10) und (11) folgendes Aussehen an (10') W(a,p) v -W(a,p) 3 E(a) (11') ~E(a) 3 ~W(a,p) A ~-W(a,p). Die Folgerung von (11') ist keine Kontradiktion und das paradoxe Resultat kommt nicht mehr zustande. Die Negation in der angeführten Wissensaussage kann meines Erachtens sinnvollerweise nur durch die innere Negation beschrieben werden, wenn der Satz "Wenn a nicht weiß, daß p, so existiert a" gelten soll. Wird nämlich die gesamte Wissensaussage negiert, d.h. gilt die äußere Negation, so kann ein Grund für das Falschsein von W(a,p) gerade darin bestehen, daß a nicht existiert, und die Gültigkeit von (14)
~W(a,p) => E(a)
kann schon aus diesem Grunde nicht angenommen werden. Auch in diesem Fall erfüllt die innere Negation die Rolle einer präsupponierenden Negation, und zwar einer existenzpräsupponierenden Negation. Innere Negation im Sinne der nichttraditionellen Prädikationstheorie und
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Klaus Wuttich
präsupponierende N e g a t i o n sind unterschiedliche Phänomene. D a s Vorhandensein v o n präsupponierenden Negationen ist ein sprachlicher Fakt, innere N e g a t i o n ist Ausdrucksmittel einer logischen Theorie, der nichttraditionell e n Prädikationstheorie und dort Bestandteil des logischen Operators des Absprechens. D i e nichttraditionelle Prädikationstheorie liefert die l o g i s c h e Grundlage für die Verwendung eines zweiten Negationszeichens, und es bietet s i c h an, dieses Zeichen in der Analyse epistemischer und anderer A u s s a g e n für die Darstellung der präsupponierenden N e g a t i o n z u v e r w e n den.
Literatur Barwise, J./Perry, J. (1987), Situationen und Einstellungen, Walter de Gruyter, Berlin/ New York Grewendorf, G./Hamm, F./Sternefeld, W. (1987), Sprachliches Wissen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main Kemmerling, Andreas (1976), Probleme der Referenz. In: Savigny, E. von (Hrsg.): Probleme der sprachlichen Bedeutung. Kronberg/Ts., S. 39-71 Kutschern, Franz von (1976), Einführung in die intensionale Semantik, Walter de Gruyter, Berlin/New York Lenzen, Wolfgang (1980), Glauben, Wissen und Wahrscheinlichkeit, Springer, Wien/New York Peschel, Klaus (1979), Möglichkeiten der formallogischen Darstellung von Problemen der journalistischen Argumentation, Dissertation A, Karl-Marx-Universität, Leipzig. Sinowjew, Alexander (1970), Komplexe Logik, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin - (1975), Ocerk epistemiceskoi logiki. Teorie a metoda 7, S. 37-46 Stelzner, Werner (1984), Epistemische Logik, Akademie-Verlag, Berlin Wessel, Horst (1981), Studienmaterial zum Lehrgebiet Logik. Heft 4, Berlin, Herausgeg. von der Abteilung Fernstudium und Weiterbildung der Sektion Marx.-lenin. Philosophie der Humboldt-Universität zu Berlin - (1984), Logik, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin Wessel, Horst/Wuttich, Klaus (1977), Ein System der epistemischen Logik. In: Wessel, Horst (Hrsg.): Logik und empirische Wissenschaften. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, S. 150-163 Wuttich, Klaus (1991), Glaube, Zweifel, Wissen, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin
RALF DOMBROWSKI
Existentiell präsupponierende Objektquantifikation, singulare Subjekttermini und Glaubenskontexte Im vorliegenden Text soll untersucht werden, unter welchen Bedingungen bei vorgegebenen Einschränkungen mit existentiell präsupponierender Objektquantifikation in Glaubenskontexte quantifiziert werden kann, wenn die Wahrheit einer gegebenen Normalformel für subjektiven Glauben vorausgesetzt wird. Die Analyse geht von einer speziellen Deutung der MöglicheWelten-Semantik aus, welche ich pragmatisch nennen möchte und verzichtet auf das Postulieren von vorgegebenen, bzw. aus epistemischen Gründen angenommenen, Weltlinien1 Mittels der Analyse werden explizite Falluntersuchungen für subjektiven Glauben deutlich, und über die Frage danach, wenn in Glaubenskontexte hineinquantifiziert werden darf, kann befunden werden. 1. Einschränkungen der Analyse a) Es werden zunächst nur Normalformeln der folgenden Art untersucht: "Glaubena(P(b)", wobei "a" der Subjektindex für das Glaubenssubjekt, "P" eine Prädikaten konstante und "b" ein singulärer Subjektterminus (d. h. ein Terminus, der für gewöhnlich zum Bezeichnen für einen Gegenstand benutzt wird) ist. Der Terminus "b" kann von der syntaktischen Kategorisierung her entweder Name oder definite Deskription sein, womit Demonstrativa vorerst von der Analyse ausgeschlossen bleiben. b) Bei dem zu analysierendem Glauben soll es sich um subjektives Glauben handeln. Dies meint, daß die angenommene Wahrheit der Normalformel dadurch verbürgt ist, daß das Glaubenssubjekt selbst von seinem Glauben an "P(b)" berichtet hat oder aber auf eine entsprechende Anfrage der Art "Hälst Du "P(b)" für wahr?" mit "ja" geantwortet hat. c) Das Glauben des Subjektes soll von Gegenständen handeln, die das Subjekt für real existierende Gegenstände hält. Damit ist die Formel "Glaubena (P(b)) => Glauben a (P(b)) (3x P(x))" in der jeweiligen Analytik wahr. d) Der für die Analyse eigentlich relevante Terminus soll der Subjektterminus "b" sein. Für ihn wird zwischen einem Analysesprachengebrauch und einem Subjektsprachengebrauch in Abhängigkeit von seinem Vorkommen unterschieden (vgl. hierzu weiter unten). Die Prädikatenkonstanten sollen unabhängig von ihrem Vorkommen immer analysesprachlich gedeutet werden (was eine Vereinfachung aus Gründen der vorläufigen Übersichtlichkeit darstellt). 1
Vgl. zu letzteren z. B. Hintikka (1975), Kapitel 2, 3 und 6.
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Ralf Dombrowski
2. Erläuterung der Analysevoraussetzungen Quantifikation hat vor allem im Zusammenhang mit der logischen Analyse natürlicher Sprache eine Reihe sehr unterschiedlicher Deutungen erfahren. Grob gesprochen sind Quantoren einer früheren Logiktradition zufolge variablenbindende Operatoren (vor allem von Interesse fiir den Prädikatenkalkül 1. Stufe). Einer späteren Traditionslinie der sogenannten generalisierten Quantoren folgend sind sie spezielle einstellige Prädikate der 2. Stufe (wenn die Betonung auf das Quantifizierte gelegt wird), bzw. spezielle Relationen zwischen einstelligen Prädikaten (wenn diese Betonung fallen gelassen wird). 2 In der früheren Tradition nimmt vor allem die Objektquantifikation mit existentiellen Voraussetzungen einen hervorragenden Platz ein. Dies bedeutet, daß die durch Quantoren gebundenen Variablen in Formeln der Art 3x G(..x..) bzw. Vx G(..x..) über definite "Gegenstände" rangieren, deren Existenz durch die Zugehörigkeit zum Diskursbereich D des entsprechenden Modells verbürgt ist. Strenggenommen enthält der Diskursbereich D nur Zeichen, welche als Modellsurrogate für die Gegenstände dienen, von denen im Modell angenommen wird, daß sie existieren. Für D könnte somit auch angenommen werden, daß dieser Bereich auch "nichtexistente Gegenstände" enthält (bzw. deren Modellsurrogate), wodurch die Ontologie der entsprechenden Modellierung geändert würde und andere Objektquantifikationsarten definierbar würden. In der vorliegenden Arbeit wird nur existentiell präsupponierende Quantifikation untersucht. Betreffs dieser Quantifikationsart nun besteht die Frage nach Erhalt bzw. Verwerfen eines traditionell für logisch wahr gehaltenen Gesetzes, der Existenzgeneralisierung (EG) F(..b..) n> 3x F(..x..). Ist dieses Gesetz schon für Sprachen ohne Einstellungsoperatoren (wie Glaubena (...) einer ist) durch die freien Logiken in Frage gestellt worden,3 so gilt diese Fragestellung um so mehr für Glaubenskontexte. Die Frage nach einer Begründung für das Ablehnen von (EG) für Glaubenskontexte manifestiert exemplarisch für Einstellungskontexte das traditionelle Problem des "Quantifying in" 4 Objektquantifizieren ist referenzsemantisch eine transparente Aktion und diese wird fragwürdig, wenn sie in opake (d.h. nicht-transparente) Kontexte hinein unternommen wird, trotzdem es auch Fälle gibt, in welchen Objektquantifikation in Einstellungskontexte hinein vernünftig erscheint. Hintikka hat gezeigt, daß bei seiner Deutung von Einstellungen mittels der MöglicheWelten-Semantik für die Frage, wann denn nun "Quantifying in" gestattet sei, eine hinreichende Erfolgsbedingung angegeben werden kann. Diese besteht in der Wahrheit von Aussagen des Typs "3x Einstellunga (x = b)" 2
3 4
Eine Taxonomie fiir unterschiedliche Deutungen der früheren Traditionslinie findet sich in Garson (1984) und einen Überblick über die spätere Tradition gibt Westerstahl (1989). Vgl. z.B. Bencivenga (1985). Vgl. Hintikka (1975), Kap. 6.
Existentiell präsupponierende Objektquantifikation
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für den fraglichen Subjektterminus "b"5 Letztere Aussagen bringen das Erfassen von sogenannten objektiv gegebenen Weltlinien (Individuationsfunktionen) bezüglich einer gegebenen Menge von möglichen Welten zum Ausdruck. Diese Weltlinien sind sprachunabhängig und fixieren die Definitheit des fraglichen Individuums "an sich" über mehrere mögliche Welten hinweg. Die oben erwähnten Aussagen manifestieren das Erfassen der Weltlinie durch die jeweilige Einstellung, wodurch Objektquantifikation auch in Einstellungskontexte hinein möglich wird. Smith und Mclntyre haben zwei verschiedene Gründe für das mögliche Verwerfen von (EG) festgestellt.6 Zum einen ist es möglich, daß eine Weltlinie bezüglich des Objektes, das mit "b" bezeichnet werden soll, gar nicht existiert, weil das Objekt, auf welches "b" zu referieren scheint, gar nicht existiert. Zweitens ist es möglich, daß, obwohl "b" defrnit referiert (und ein Gegenstand b mithin als Weltlinie im Modell vorhanden wäre), der Terminus "b" vom Glaubenssubjekt indefinit benutzt wird (im Sinne, wer auch immer b sein mag). Im zweiten Fall kann also streng genommen das Glaubenssubjekt die Weltlinie nicht erfassen. Ein oft gegebener Beispielstyp ist der Fall, in welchem das Glaubenssubjekt etwas von einer unbekannten Person oder Sache glaubt. In beiden unterschiedlichen Fällen jedoch sind die Bedingungen für existentiell präsupponierende Objektquantifikation in Glaubenskontexte hinein nicht erfüllt, im ersten Fall wegen der Verletzung der Existenzpräsupposition und im zweiten Fall auf Grund der Nichterfüllung der Definitheitsvoraussetzung der Objektquantifikation. Sicher lassen sich andere Quantifikationsarten fmden, mittels derer dann auch in den genannten Fällen das Prinzip (EG) zu rechtfertigen wäre. Diese fallen dann aber nicht mehr unter das Thema "Existentiell präsupponierende Objektquantifikation". Smith und Mclntyre haben den zweiten Fall hauptsächlich in bezug auf definite Deskriptionen untersucht. Es lassen sich leicht Fälle fmden, in denen auch Namen vom Subjekt des jeweiligen Glaubens indefinit benutzt werden. Generell zeigen die genannten Fälle auf, daß, semantisch gesehen, der Subjektterminus "b" im Scopus des Einstellungsoperators irgendwie anders zu deuten ist, als außerhalb dieses Scopus. Will man das Problem "Quantifying in" einer Lösung zuführen, muß dieser Umstand reflektiert werden. Ich möchte daher im Anschluß an Donellan's Problem des attributiven und referentiellen Gebrauchs von Termini,7 Kripke's Unterscheidung von semantischer und Sprecherreferenz8 und Stelzner's expliziter Einführung des Begriffs der Analysesprache zwecks Definition verschiedener Akzeptationsformen 9 betreffs des Terminus "b" zwischen Analysesprachengebrauch und Subjektsprachengebrauch unterscheiden. Da im vorliegenden Text nur sub5 6 7 8 9
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
z.B. Hintikka (1975), S. 31f. Smith/Mclntyre (1982), Kap. 1. Donellan (1966). Kripke (1979). Stelzner (1984), S. 47, S. 61f.
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Ralf Dombrowski
jektiver Glaube (vgl. Einschränkung b) weiter oben) untersucht werden soll, reichen die beiden Arten des Sprachgebrauches aus. Würden nämlich Übermittler für die Verbürgtheit von Glaubena(P(b)) mit herangezogen werden, müßte für diese entweder noch ein Übermittlersprachengebrauch eingeführt werden oder angenommen werden, daß die Übermittler phonologisch (oder graphemisch) getreu übermitteln. Für subjektiven Glauben kann angenommen werden, daß die Erschließung von dem, was das Subjekt glaubt ("P(b)" in unserem Fall) mittels des Subjektsprachengebrauches zu erfolgen hat. Das Subjekt hat quasi seine eigene Sprache, mittels derer es auf äußere Gegenständlichkeit Bezug nimmt. Genau diese muß erschlossen werden, um analysesprachlich zu orten, was das Glaubenssubjekt denn nun wirklich glaubt. Das Zusammenfallen von Analysesprachengebrauch und Subjektsprachengebrauch ist somit nur ein Spezialfall für subjektiven Glauben. Selbst in diesem Fall ist die für übliche Kontexte gültige Anreicherung der Aussage, welche über den Glauben Bericht ablegt, mit objektiv gültigen Bestimmungen der Analysesprache nicht ohne Zusatzbedingungen gerechtfertigt (Letzteres gilt zum Beispiel für die Substitution koreferentieller Termini.).
3. Definiter und indefiniter Gebrauch von singulären Subjekttermini in Glaubenskontexten In der üblichen Deutung der Mögliche-Welten-Semantik geschieht das semantische Erschließen von Glaubensformeln der genannten Art im Anschluß an Hintikka mittels der Bedingung: (BEL) a(Glaubena (P(b))(w) = 1 o
Für alle möglichen Welten w', die kompatibel mit dem sind, was das Subjekt a glaubt, gilt a(P(b))(w') = 1 (a - Interpretationsfunktion; w, w' - Index der möglichen Welt w bzw. w') In der Regel werden dabei die möglichen Welten im Sinne eines objektiven Realismus als reale mögliche Situationen, als Wege, wie die Welt sein kann, letztendlich als objektiv gegeben vorausgesetzt.10 Die Kompatibilität der möglichen Welten w', mittels derer diese Welten eigentlich erschlossen werden, ist ebenfalls analytisch vorgegeben. Beide Voraussetzungen beruhen auf philosophisch ziemlich weitgehenden Annahmen, wobei hinzukommt, daß eine praktisch nicht effektiv zu handhabende Vielzahl möglicher Welten durch die Kompatibilitätsannahme ins Spiel kommt. Es ist deshalb sicher von Vorteil, für Glaubenssätze die Mögliche-Welten-Semantik pragmatisch-konstruktiv zu deuten, d.h. als Mögliche-Modelle-Semantik. Dieser Deutung zufolge sind die "möglichen Welten" lediglich mögliche Modelle vorausgesetzter Gegenständlichkeit. Ein solches mögliches Modell 10
Vgl. z.B. Hintikka (1975), S. 216.
Existentiell präsupponierende Objektquantifikation
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kann man sich als eine Menge prädikatenlogischer Sachverhaltsbeschreibungen vorstellen. Innerhalb der Menge dieser möglichen Modelle nimmt das Analysesprachenmodell @ von dem, was eine hinreichend große Kommunikationsgemeinschaft "reale Welt" nennt, einen besonderen Platz ein. Alle anderen Modelle werden als "von Glaubenssubjekten in Erwägung gezogene Modelle der realen Welt" gedeutet, wobei diese Ausgerichtetheit auf die reale Welt für die vorliegende Arbeit aus der Einschränkung c) resultiert. Bei anderen Bestimmungen, deren erkenntnistheoretische Voraussetzungen reichere Ontologien erheischen, kann die Deutung z.B. auf die Form "Modelle angenommener Gegenständlichkeit-überhaupt" erweitert werden. Bei dieser Interpretation kann es nun auch für Namen geschehen, daß sie nicht-starr referieren, was z.B. der Fall ist, wenn jemand Smith mit Jones verwechselt, d.h. "Jones" sagt, realiter aber Smith meint. Um generell im Analysesprachenmodell das (möglicherweise leere) Referenzobjekt des vom Subjekt gebrauchten Terminus "b" in Subjektsprachendeutung zu erschließen, führe ich den terminibildenden Funktor "wthat" ein: (wthat): a(wthat(b)) ( @ ) = df a(b)(w), wenn a(b)(w)e D ( @ ), sonst nicht definiert Im indefiniten Fall für die Glaubensnormalform sahen wir, daß das Glaubenssubjekt für "b" unterschiedliche Referenzobjekte in Betracht zieht. Konstruktiv kann man dies so deuten, daß das Glaubenssubjekt explizit mehrere Modelle für die reale Welt in Betracht zieht, die sich jeweils dadurch unterscheiden, daß "b" auf unterschiedliche Gegenstände (sagen wir, einmal auf x, einmal auf y, einmal auf z usw.) referiert, obwohl "b" natürlich analysesprachlich definit (sagen wir, auf x) referiert bzw. überhaupt nicht referiert (z. B. bei Einbildungen). Im indefinitiven Fall erscheint es mir daher nützlich, über einen satzbildenden Operator für doxische Möglichkeit zu verfügen: (Og): a(Oa(A))(w) = 1 Es gibt ein vom Subjekt a in Erwägung gezogenes Modell der Wirklichkeit w' mit a(A)(w') = 1 Für definiten Glauben nehme ich die plausibel scheinende Zusatzbedingung an, daß das Glaubenssubjekt immer nur ein Modell der Wirklichkeit in Betracht zieht und lege die Interpretationsbedingung für subjektiven Glauben wie folgt fest: (BEL 1): a(Glaubena(P(b))( @ ) = 1 Für alle vom Glaubenssubjekt in Betracht gezogenen Modelle gilt a(P(b))(w)=l (Uns interessiert im vorliegenden Fall nur die Bewertung der Glaubensnormalformel im Analysesprachenmodell). Die Mögliche-Modelle-Analytik ist hiermit immer noch logisch unterbestimmt, wobei die Beseitigung dieses Umstands auf sicher sehr vielfältige
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Weise erfolgen kann. Im vorliegenden Artikel geschieht das jedoch nicht, da mich nur eine "Analytik", keine explizite "Logik" interessiert. Für eine erste Näherung wollen wir jedoch annehmen, daß die Modelle unvollständige, aber widerspruchsfreie PK 1-Modelle seien, wobei @ am reichsten bestimmt sein soll und die Diskursbereiche D(w) sich überschneiden. Es läßt sich zeigen, daß dann bei unseren Einschränkungen und bei Wahrheit einer angenommenen Normalformel für Glauben jeweils für den definiten und den indefiniten Fall fünf verschiedene Fälle eintreten können, wobei in jeweils drei Fällen "Quantifying in" gestattet ist und damit (EG) gilt (leicht modifiziert im indefiniten Fall). Das soll in Tabellenform dargestellt werden, indem die jeweiligen Referenzobjekte für "b" und "wthat(b)" in dem indefiniten Falle) bezüglich des Analysesprachenmodells @ dem Referenzobjekt (bzw. den unterschiedlichen Referenzobjekten im indefiniten Fall) bezüglich des Subjektsprachenmodells w (bzw. der Subjektsprachenmodelle bei indefinitem Gebrauch) gegenübergestellt werden. Dabei werden unterschiedliche Referenzobjekte durch unterschiedliche Variablen dargestellt. Falls im Analysesprachenmodell kein Referenzobjekt vorhanden ist, steht "?". Im (bzw. in den) Subjektsprachenmodell(en) ist ein Referenzobjekt auf Grund der Einschränkung c) immer vorhanden. Dieses kann jedoch im Analysesprachenmodell fehlen, wenn es sich z.B. um eine Einbildung handelt oder wenn das Glaubenssubjekt etwas Neues entdeckt, bzw. über eine neue Theorie verfügt, in welcher etwas bisher inexistent gehaltenes für existent gehalten wird. (TAB 1) defmiter Fall Modell (2} Fall 1 Fall 2 Fall 3 Fall 4 Fall 5
wthat
b
X
X
X
X
y y ? ?
X
?
X
?
Modell w
b
X X X
Folgende Formeln gelten im Analysesprachenmodell jeweils: Fall Fall Fall Fall Fall
1 2 3 4 5
3x (x = b & x = wthat(b) & Glauben., (P(x)) ) + 3x (x = b & x = wthat(b) & Glaubena (P(x)) + 3x (x = b & x = wthat(b)) & -, 3x (x = wthat(b)) 3x (x = b & x = wthat(b) & Glaubena(P(x)) ) & - , 3 x ( x = b) + - , 3x(x = b) & -, 3x(x = wthat(b))
Im Fall 2-4 differieren Analysesprachengebrauch und Subjektsprachengebrauch, Fall 5 läßt sich vom Standpunkt des Analysesprachengebrauchs überhaupt nicht bewerten, obwohl auch dieser Fall nicht trivial sein muß (z.B. im Fall einer neuen Theorie oder einer Entdeckung). Generell involvieren die Fälle 2-5 gewisse Mißverständnisse, die jedoch vorkommen und zwecks ihrer späteren Beseitigung als distinkt fixiert werden müssen. In den Fällen, die mit "+" gekennzeichnet sind, kann in den Glaubenskontext hin-
Existentiell präsupponierende Objektquantifikation
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einquantifiziert werden. Betrachten wir der Erläuterung halber ein Beispiel für den Fall 4: Nehmen wir an, jemand äußert sich dahingehend, daß er den gegenwärtigen König von Frankreich für einen Kahlkopf halte. Fall 4 trifft genau dann zu, wenn er mittels des Terminus "der gegenwärtige König von Frankreich" auf jemanden referiert, z.B. auf den Präsidenten von Frankreich oder, da dieser jemand ein eingefleischter Monarchist ist, auf einen ganz bestimmten lebenden Verwandten (Ahn) des letzten König von Frankreich. Im indefiniten Fall müssen wir im Analysesprachenmodell mehrere unterschiedliche "wthat(b)" betreffs ihrer Referenzobjekte überprüfen. Da uns jedoch im vorliegenden Artikel nur die Frage danach, wann und wie "Quantifying in" gestattet ist, interessiert, brauchen wir nur eine indefinite Deskription: "Tx (0a(x = b))" auf Existenz zu prüfen. ("T" ist das Zeichen für den indefiniten Deskriptor). Wie wir bereits festgestellt haben, kann nach Smith und Mclntyre pur in Glaubenskontexte im indefiniten Fall wohl nicht hineinquantifiziert werden. Nehmen wir einen Beispielfall, in welchen eine Person verwickelt ist, welche indefinit glaubt, daß in einem Mordfall der Mörder Gift benutzte und die, gemäß der pragmatisch-konstruktiven Deutung, dafür Smith, Jones und Mulligan in Betracht zieht, daß sie jeweils der mögliche Mörder seien. Diese Person muß offenbar nicht glauben, daß Smith Gift benutzte, wohl aber sollte sie glauben, daß es möglich ist, daß Smith Gift benutzte. Gleiches gilt in bezug auf Jones und Mulligan. Diese Möglichkeit trägt doxischen Charakter, zieht also alle die Glaubensmodelle in Erwägung, über die das Glaubenssubjekt konstruktiv-pragmatisch gewissermaßen "verfügt". Das Beispiel verrät uns auch, wie wir im indefiniten Fall in Glaubenskontexte hineinquantifizieren dürfen. (TAB 2) indefiniter Fall Modell T x(Oa(x=b)) Fall 6 Existiert Fall 7 Existiert Fall 8 Existiert Fall 9 Existiert nicht Fall 10 Existiert nicht
b x xj ? xj ?
Modell W| Modell w? Modell b b b x y z x y z x y z x y z x y z
Folgende Formeln gelten jeweils im Analysesprachen-Modell: Fallò Fall 7 Fall 8 Fall 9 Fall 10
3x(x = b & 0 a (x = b) & Glaubena 0 a (P(x)) ) + 3x(x = b & 0 a (x = b) & Glaubena 0 a (P(x)) ) + 3x(0 a (x = b) & x = b & GlaubenaOa(P(x))) & -,3 x(x = b) + -i3x(0 a (x = b)) & 3x(x = b) -i3x(0 a (x = b)) & -,3x(x = b)
Im indefiniten Fall ist die Bedingung -i3x( 0 a (x = b)) sicher selten, da unter der Vielzahl von Objekten, die das Glaubenssubjekt subjektiv existenzpräsupponierend (gemäß Einschränkung c)) für "b" in Betracht zieht, sicher
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ein Objekt zu finden sein wird, welches auch real existiert. Fall 9 und 10 sind daher sicher sehr selten. Resümierend läßt sich feststellen, daß eine Beantwortung der Frage nach dem Zutreffen von "Quantifying in" immer das Erschließen der subjektsprachlichen Referenz des zu ersetzenden singulären Subjektterminus und deren Ortung im Analysesprachenmodell erfordert. Gilt das fragliche Referenzobjekt als zugehörig zum Analysesprachendiskursbereich, kann ein Hineinquantifizieren in den Glaubenskontext zugesichert werden. Für einen indefiniten Fall gelten dabei die folgenden unterschiedlichen Bedingungen: (3-»def) (3—»indef)
Glaubena(P(b)) & 3x(x = wthat(b)) z> 3x Glaubena(P(x)) Glaubena(P(b)) & 3x (0a(x = b)) id 3x Glaubena 0 a (P(x))
Die Fallunterscheidung kann auch als disjunktiv-deduktive Analysedefinition einer einzelnen Glaubensnormalformel genutzt werden, indem diese bei den vorliegenden Einschränkungen in 10-facher Weise paarweise disjunktiv mehrdeutig aufgefaßt wird. Über Zusatzbedingungen könnten dann schrittweise einige Disjunkte bis hin zur Eindeutigkeit eliminiert werden. Literatur Hintikka, J. (1975), The intentions of intentionality, Reidel, Dordrecht Garson, J. W. (1984), Quantification in Modal Logic. In: Handbook of philosophical logic. Vol. 2. Reidel, Dordrecht, pp. 249-308 Westerstahl, D. (1989), Quantifiers in Formal and Natural Languages. In: Handbook of philosophical logic. Vol. 4. Reidel, Dordrecht, pp. 1-132 Bencivenga, E. (1985), Free Logics. In: Handbook of philosophical logic. Vol. 3. Reidel, Dordrecht, pp. 373-426 Smith, D. W./Mc Intyre, R. (1982), Husserl and intentionality, Reidel, Dordrecht Donellan, K. (1966), Reference and definite descriptions. The philosophical review 75, 281-304 Kripke, S. (1979), Speaker's Reference and Semantic Reference. In: French, P. et al. (eds.): Contemporary perspectives in the Philosophy of Language. University of Minnesota Press, Minneapolis, pp. 6-27 Stelzner, W. (1984), Epistemische Logik, Akademie-Verlag, Berlin
INGOLF MAX
Möglichkeiten der Explizierung von Präsuppositionen in einer um G-Funktorenvariablen erweiterten klassischen Aussagenlogik 0. Zielstellung Anknüpfend an die Arbeiten des Autors von 1987/881 wird in knapper Form die Leistungsfähigkeit eines um G-Funktorenvariablen erweiterten Systems der klassischen Aussagenlogik hinsichtlich seiner Darstellungsmöglichkeiten natürlichsprachlicher Voraussetzungen (Präsuppositionen) demonstriert. Präsuppositionen werden ausschließlich als notwendige Voraussetzungen der Wahrheit bzw. Falschheit von Sätzen verstanden. Die Minimalforderung für Präsuppositionsrelationen ist: S präsupponiert P genau dann, wenn sowohl S als auch nicht-S P implizieren. P heiße dann Präsupposition von S. G-Funktorenvariablen als ein neuartiger Typ von Funktorenvariablen zeichnen sich u.a. durch folgende formale Charakteristika aus: (1) Werte dieser Funktorenvariablen sind ausschließlich jeweils genau zwei geraistellige Funktoren der klassischen (d.h. 2-wertigen und extensionalen) Aussagenlogik. (2) Diejenigen G-Funktorenvariablen, die gemeinsam in einer Formel vorkommen, sind in einer speziellen Weise miteinander verknüpft (konnektiert). (3) Mittels einer speziellen G-Funktorenvariablen (Abkürzung: G-FV) lassen sich Elementarausdrücke einfuhren, die als formale Entsprechung zu natürlichsprachlichen Sätzen aufgefaßt werden können, wobei sie sowohl die Assertions- (Behauptungs-) als auch die Präsuppositionskomponente syntaktisch zu erfassen gestatten. Zuerst wird das G-Funktorenvariablen enthaltende System GP aufgebaut. Dann zeige ich (a) einige Möglichkeiten 4-stellige G-FV als Präsuppositionen mit unterschiedlichen Relationseigenschaften zu interpretieren und (b) wie sich die Elementarausdrücke innerhalb des Systems analysieren lassen, wobei das Verhältnis von faktischen und logischen Präsuppositionen demonstriert wird.
1. Das System GP Grundzeichen 1. p, q, r, s, pi, ... 2. 0 1
n
, wobei n = 1, 2,... und 1 < i < 2
Max (1987), (1988a), (1988b).
(Aussagenvariablen) 2-i
n
(Funktoren)
354
IngolfMax
3. Gjg wobei n = 1, 2, ... und 1 < f,g < 2 4 "
(G-FV)
Metavariablen: für Aussagenvariablen P, für Funktoren 0 " , für G-FV G^ g und für Formeln A, B, C. Der obere Index der Funktoren bzw. G-FV gibt die Stellenzahl der Funktoren bzw. G-FV an. Die unteren Indizes sind Unterscheidungsindizes der Funktoren bzw. die beiden Komponenten der G-FV, wobei letztere die als Werte in Frage kommenden Funktoren anzeigen (d.h. die Werte der G-FV der Form G^g sind die Funktoren der Formen 0 f " und 0 g " ). Formregeln 1. Allein stehende Aussagenvariablen sind Formeln von GP. 2. Wenn Ai,..., A n Formeln von GP sind, so ist auch 0"Aj...A n eine Formel von GP. 3. Wenn A und B Formeln von GP sind, die keine G-FV enthalten, so ist 2 auch G 4 6 AB eine Formel von GP. 4. Wenn Ai,...,A n Formeln von GP sind, so ist auch Gf^AiAi...A n A n eine Formel von GP. 5. Aj ist eine Formel von GP gdw dies aufgrund von 1. bis 4. der Fall ist. Formeltypen (1) Eine K-Formel A K (klassische Formel) ist eine Formel von GP, die ohne Bezugnahme auf die Formregeln 3. und 4. gebildet wurde, also keine GFV enthält. (2) Ein Elementarausdruck ist jeder Ausdruck der Form G 4 6 A K B K . Definitionen Dl
(A K /B K ) = d f G 24 6 A k B k
D4
D2:
~A = d f 0 j A
D5
(A z> B) =df 0?AB 5r ( A « B ) =df 0 ? A B
D3:
(AvB)=df02AB
D6
(A A B) = d f 0 g AB
Schlußregeln: Einsetzungsregeln AK A K (P/B) Abtrennungsregel A 3 B,A B
A A(P/B k )
Möglichkeiten der Explizierung von Präsuppositionen
355
Die Regel RG Gegeben sei eine beliebige Formal A von GP, die beliebig viele G-FV enthält. Die Haupt-G-FV dieser Formel A bzw. einer beliebigen Teilformel von A definiere ich als diejenigen G-FV der Formel A bzw. der Teilformel von A, die keine G-FV als übergeordnetes Verknüpfungszeichen haben. Die Formeln A E 1 und A E 2 , die die Prämissen der Schlußregel RG bilden, werden in zwei Schritten definiert:2 (a) Es sei G 2 n eine G-FV mit 2n Argumenten. Dann bilde das 2m-l-te und das 2m-te Argument, wobei 1 < m < n, ein Argumentenpaar. Aus der Formel A wird nun die Zeichenreihe Z A erzeugt, indem bezüglich aller GFV der Form G 2 n und aller jeweiligen m folgende Einsetzungen von Funktoren für G-FV vorgenommen werden: Wir setzen jeweils für die Haupt-GFV des 2m-1-ten Arguments von G 2 n den durch die linke (erste) Komponente aufgewiesenen Funktor und für die Haupt-G-FV des 2m-ten Arguments von G 2 n den durch die rechte (zweite) Komponente dieser Haupt-GFV aufgewiesenen Funktor ein. Außer für die Haupt-G-FV von A sind damit für alle anderen G-FV von A Funktoren eingesetzt worden. Falls G 2 n die G-FV einer Formel der Form G4 6 A K B K bzw. der Form G ^ A^ A p . . K
K
...An A n ist, kann natürlich keine derartige Einsetzung erfolgen, da das Argumentenpaar A K B K bzw. die Argumentenpaare von G ^ keine G-FV enthalten. (b)
G a b ,...,G f g seien alle Haupt-G-FV der Formel A und somit alle G-
FV der Zeichenreihe Z A . Dann AE1
=df
Z\Gll/02a\...,%0?)
A E2
=df ZA(Gfb/0f,..,g/0f). Die beiden Prämissen der folgenden Schlußregel sind somit beide K-Formeln, da sie keine G-FV mehr enthalten: AE1, AE2 A Semantische Festlegungen
1. Aussagenvariablen sind Variablen im Definitionsbereich {1,0}. 2. Wir können auf folgende Weise eine eineindeutige Beziehung zwischen Funktoren und Wertetabellen herstellen: Die a^ ...,a", ... , a ^ ,..., a" n und kj,..., k2n seien Elemente aus der Wertmenge {1,0}. Die Wert-Struktur eines nstelligen Funktors habe in Abhängigkeit von den Werten der n Argumente folgendes Aussehen: 2
Vgl. Max (1990), S.61f.
356
Ingolf Max
0 "l 1 a l
n a l
kl
1 V
a n
n 2
V
D.h. der obere Index m von a™ gibt gewissermaßen die Nummer der Spalte und der untere Index j die der Zeile an, wobei 1 < m < n und 1 < j < 2 n . Die durch 0 " repräsentierte Wertfunktion ordnet nun für jedes j dem j-ten n-Tupel (a* , ..., a") von Werten aus der Menge {1,0} genau einen Wert Kj aus der Menge {1,0} zu. Jedes n-Tupel von Werten läßt sich auch als eine (von links nach rechts gelesene) Dualzahl auffassen. Die 2 n n-Tupel seien nun von oben nach unten mit entsprechend abnehmender Dualzahlgröße geordnet: D.h. n m=l Beispiele:
Für j = 1:
a| = ... =a"=l.
Für j = 2:
a^ = ... =aij 1= 1; a"=0 usw.
Weiterhin können wir die ki,..., k2n von oben nach unten als Dualzahl lesen. Wir legen nun fest: 2n
i = 22 n -Xkj*2(2 n -j) j=l Die eineindeutige Beziehung zwischen dem Funktor der Form 0 " und der Wertetabelle, die er repräsentiert, besteht nun in folgender Weise: (1) Wenn eine Wert-Struktur gegeben ist, läßt sich der Unterscheidungsindex i einfach nach obiger Formal berechnen. Beispiel: Für n=2 und Ki=l, k2=k3=k4=0 erhalten wir i=8 und somit 0 g (Konjunktion). (2) Wenn der Unterscheidungsindex i gegeben ist, so ermitteln wir die gesuchte Wert-Struktur, indem wir die zu 2 2 - i gehörige Dualzahl finden, die allerdings mit einer Reihe von Nullen beginnen kann. Beispiel: Für n=4 und i=4704 erhalten wir k2=k5=l, sonst k;=0.
Möglichkeiten der Expliziemng von Präsuppositionen
357
3. Gf g ist eine Variable mit dem Definitionsbereich , . Die G-FV einer Formel A von GP sind so miteinander konnektiert, daß für sie analog zur Erzeugung der Formeln A E 1 bzw. A E 2 Funktoren aus dem Definitionsbereich dieser G-FV eingesetzt werden. 4. Wir lesen " A K " bzw. 'V A K " als "A K ist K-allgemeingültig" bzw. "A K ist nicht K-allgemeingültig". Def.: ( - A K gdw die K-Formel A K für jede Belegung der in A K vorkommenden Aussagenvariablen den Wert 1 annimmt. 5. Wir lesen " | = A" bzw. " A" als "A ist G-allgemeingültig" bzw. "A ist nicht G-allgemeingültig". Def.: | = A gdw (- A E 1 und | - A E 2 . Satz 1: | = A K gdw \-A K . Äquivalenz mit der klassischen Aussagenlogik Diese Äquivalenz drückt sich in GP durch folgenden Satz aus: Satz 2: | = A gdw | - (A E1 A A E2 ). 2. 4-stellige G-Funktorenvariablen als materiale Präsuppositionsrelationen Wir geben der Minimalbedingung für materiale Präsuppositionsrelationen folgende Fassung: A präsupponiert material B gdw A material B impliziert und nicht-A material B impliziert. Wie verstehen wir nun das "nicht" in dieser Formulierung? D7: - A = d f G2n 6 A Die 2-stellige G-FV "-" läßt sich als behauptende / präsuppositionsbewahrende Negation auffassen: 2
(- 0 [ 3 p p = ~ p (Negationskomponente) ~P I 2 (- 0 6 p p = p (Behauptungskomponente) D8: A ^ B = d f Gi 3 1 0 8 Wegen Tl:
2056 ,AABB.
| = (A -> B) = (A 3 B) A ( - A 3 B)
können wir die 4-stellige G-FV "-»" als materiale Präsuppositionsrelation auffassen. Man sieht unmittelbar die Korrespondenz von Tl zur oben angeführten Minimalbedingung für materiale Präsuppositionsrelationen: Im Gegensatz zu bekannten objektsprachlichen Explikationen der materialen Präsuppositionsrelation als Funktor (z.B. in 3- oder 4-wertigen Logiken), erfolgt hier eine Explikation als 4-stellige G-FV. Auch die Negation wird als G-FV gedeutet. Andererseits bleiben "A", "3" und "=" klassisch.
358
Ingolf Max
|*A->A; T2: | = (A
(A -» B) = (B -> A) B) A (B -> C) 3 (A -> C)
Die materiale Präsuppositionsrelation "->" ist somit nicht-reflexiv, nichtsymmetrisch und transitiv. Wegen T3: | = (A -> B) d (A D B) h a t " — d i e Eigenschaft, Spezialfall der materialen Implikation zu sein. Die Hinzuziehung von Elementarausdrücken Wir betrachten Elementarausdrücke der Form (P1/P2). Die Einfuhrung solcher Elementarausdrücke ermöglicht einen unkonventionellen Zugang zur Darstellung von Assertions- und Präsuppositionskomponente eines Satzes in einem syntaktischen Ausdruck auf neue Weise. Ich postuliere, daß Pl den Assertionsteil und P2 den Präsuppositionsteil eines Satzes repräsentieren soll. Die G-FV G 4 6 konstituiert ein geordnetes Paar von logisch unabhängig bleibenden Aussagenvariablen: Assertionskomponente: fGi,6 p l p 2
Präsuppositionskomponente: | - 0gPiP2 = P2
Nun zeigt sich auch, daß "-" und rieren: T4: T5:
P1P2 = Pi
bezüglich des Negationsskopus' diffe-
| = - (p/q) = (~p/q) | = ~(p/q) = (~p/~q)
"-" läßt die Präsupposition "q" unberührt. Dies rechtfertigt die Bezeichnimg "präsuppositionsbewahrend". Dagegen läßt die klassische Negation keine Unterschiede bezüglich "p" und "q" zu. Eine Präsuppositionsrelation im Sinne von Bergmann Bergmanns3 Formulierung einer logischen Präsuppositionsrelation lautet: A präsupponiert logisch B gdw gilt: Wenn A korrekt ist, so ist B wahr. Wenn wir A als (p/q) und B als (r/s) deuten, heißt "A ist korrekt" "q ist wahr" und "B ist wahr" "r ist wahr". Bergmann expliziert ihren logischen Präsuppositionsbegriff mit Hilfe eines 2-stelligen 4-wertigen (2-dimensionalen) Funktors, der als materiale Präsuppositionsrelation deutbar ist. In Max [1988a] habe ich gezeigt, daß sich 2-stellige 4-wertige Funktoren generell als 4-stellige 2-komponentige G-FV lesen lassen. Folgende G-FV liefert das von Bergmann Gewünschte: 3
Bergmann (1981).
Möglichkeiten der Explizierung von Präsuppositionen
D9:
(A Tf B) = d f Gi 2 3 3 7
T6:
|= ( p / q ) f ( r / s ) E ( q D r )
359
12337 AABB
MT1: A präsupponiert logisch B gdw | = (A B). Eine wesentliche Besonderheit dieser Präsuppositionsrelation ist deren Nicht-
Transitivität:
I* (p/q)
(r/s)) a ((r/s)
(pi/qi))3((p/q) ^ (pj/qj))
und gemäß T6 natürlich auch [/(qDr)A(sDp1)D(qDp1). D.h. es fehlt die Voraussetzung (r 3 s). Zwischen der Behauptung von (r/s) und der dazugehörigen Präsupposition muß eine logische (genauer: eine implikative) Beziehung bestehen. Gewisse Arten von Fehlschlüssen können auf der Unterstellung bzw. Annahme einer solchen Beziehung beruhen! Darüber hinaus kann ein Schluß von p auf q2 nur erfolgen, wenn weiterhin: (p => q) und (p!=> q t ). MT2: | = ( A - ^ B ) l=(B-#C) I- (BE2 3 CE1) l=(A-^C) Das Problem der
T7: T8:
Konnexität
| = (A - » B) v (B - » A) v (A = B) | = (A B) v (B A) v (A = B)
T7 und T8 besagen, daß sowohl "->" als auch die Relationseigenschaft der Konnexität besitzen. Diese Eigenschaft, die viele in der Literatur behandelten materialen Präsuppositionsrelationen besitzen, ist intuitiv unbefriedigend: Sie besagt, daß, wenn zwei Ausdrücke nicht miteinander äquivalent sind, stets eine der beiden die andere präsupponiert. Ich stelle jetzt eine G-FV vor, die nicht reflexiv, nicht symmetrisch, transitiv und nicht konnex ist: D10: (A ^ B) = d f G; o577>30577 AABB T9: |=(A^B)A(B^C)3(A^C) A^A; = A); | * ( A ^ B ) v ( B ^ A ) v ( A = B) T10: ( ( p / q ) f ( r / S ) ) . ( p v q ) D ( r A S ) . Aufgrund der folgenden beiden gültigen Formeln läßt sich kimg von auffassen: Tll: T12:
| = ((p/q) a (r/s)) 3 ((p/q) (r/s)) |=((p/q)*(r/s))=>(q=>r).
als Verstär-
360
Ingolf Max
3. Die Analyse der Elementarausdrücke und Präsuppositionen Angenommen der Elementarausdruck (p/q) sei die formale Entsprechimg eines natürlichsprachlichen Satzes, wobei p den Assertions- und q den Präsuppositionsteil dieses Satzes repräsentieren soll. Wie läßt sich nun zeigen, daß q Präsupposition von (p/q) ist? Die materiale Präsuppositionsrelation im Sinne von Bergmann ermöglicht eine derartige Analyse: T13: 1= T14: |=
(p/q) q - (p/q) q.
p stellt dagegen in keiner Weise eine Präsupposition des Ausdrucks (p/q) dar: (p/q) —> p -(p/q) —> PFaktische vs. logische Präsuppositionen Die Unterscheidung zwischen faktischen und logischen Präsuppositionen wird in der einschlägigen Literatur häufig dahingehend vorgenommen, ob zwischen Assertion und Präsupposition ein und desselben Satzes eine logische Folgebeziehung besteht. Liegt eine solche vor, spricht man von logischer Präsupposition, liegt sie nicht vor, von faktischer Präsupposition. Typische Vertreter logischer Präsuppositionen sind die sogenannten Existenzpräsuppositionen. Die eingeführten Elementarausdrücke ermöglichen nun, diesen Unterschied formal auszudrücken: ßK heiße faktische Präsupposition von (A K /B K ) gdw (1) (2)
| = (AK/ßK) ^ B K | = -(AK/ßK) ßK
(3)
\l- AK 3 B K .
B K heiße logische Präsupposition von (A K /B K ) gdw (1) und (2) wie oben (3) | - A k 3 B K ; daraus ergibt sich (4) j= (AKßK) =3 ß K . Prädikatenlogische Wir verwenden: Beispielsatz 1:
Demonstration a für Anton, K für ... kommt. Auch Anton kommt. (Hauptakzent auf Anton) Assertion: Anton kommt = Ka awcA-Präsupposition: Jemand, der nicht Anton ist, kommt) = 3x(Kx A x^a)
T15: | = (Ka / 3x(Kx AX *a)) T16: | = - (Ka / 3x(Kx A x*a)) Ka ZD 3x(Kx A x*a)
3x(Kx A x*a) 3x(Kx A x*a)
Möglichkeiten der Explizierung von Präsuppositionen Beispielsatz 2:
T17: T18: T19: T20:
361
Anton kommt. Assertion: Anton kommt = Ka Existenzpräsupposition: Es gibt jemanden, der kommt = 3xKx
|=(Ka/3xKx)-^3xKx 1= - (Ka / 3xKx) 3xKx f - Ka Z3 3 x K x | = (Ka / 3xKx) => 3xKx.
Literatur Bergmann, M. (1981), Presupposition and two-dimensional logic. Journal of Philosophical Logic 10, S. 27-53 Max, 1. (1987), Logische Explikation von Präsuppositionen und Negationen mittels Funktorenvariablen. Wiss. Z. Univ. Halle XXXVIG, H. 5, S. 14-23 - (1988a), Vorschläge zur logischen Explikation von Negationen mittels Funktorenvariablen. Linguistische Studien, Reihe A, H. 182, S. 105-161 - (1988b), A new formal tool: Funcional variables representing assertions and presuppositions. In: COLING '88 BUDAPEST. Proceedings of the 12th International Conference on Computational Linguistics, 22-27 August 1988, Vol. I, S. 408-410 - (1990), Zur Interpretierbarkeit vierstelliger Funktorenvariablen als Kausalrelationen. Eine Kritik an Urchs' Einwänden. In: Wiss. Z. Univ. Halle XXXIX '90 G, H. 2, S. 59-68
KARL-HEINZ KRAMPITZ
Über einige Definitionen von Existenztermini Mit der logischen Analyse von Existenztermini und Existenzaussagen ist eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Probleme verbunden. Im vorliegenden Beitrag sollen zwei von ihnen diskutiert werden. Das erste betrifft die Voraussetzungen zur Darstellung von Existenzaussagen in einer formalisierten Logiksprache. Das zweite ergibt sich aus unterschiedlichen Verwendungsweisen des Wortes "Existenz" und wirft Fragen nach entsprechenden "Existenzdefmitionen" auf. Die Mehrheit der Logiker steht heute auf dem Standpunkt, daß "Existenz" kein Prädikat I.Stufe ist und Existenzaussagen keine prädikative Struktur besitzen. Die dafür angeführten Argumente sollen hier nicht im einzelnen dargestellt werden. Es sei nur vermerkt, daß prinzipielle Probleme entstehen, wenn versucht wird, Existenzaussagen in der Sprache der klassischen Quantorenlogik als elementare prädikative Ausdrücke zu deuten. Das hängt in erster Linie damit zusammen, daß der Verwendung prädikativer Aussagen bestimmte Existenzannahmen zugrunde gelegt werden, die, sofern man sie auf Existenzaussagen selbst bezieht, zu Paradoxien fuhren. Traditionelle Auswege bestehen darin, die prädikative Struktur der Existenzaussagen oder die Existenzvoraussetzungen prädikativer Aussagen aufzugeben. Beides ist imbefriedigend. Existenzaussagen erscheinen in der Umgangssprache als normale Subjekt-Prädikat-Aussagen. Wenn sich Logik an der natürlichen Sprache als ihrer empirischen Basis orientiert, sollten auch in der Logiksprache prädikative Strukturen zur Darstellung von Existenzaussagen gefunden werden. Versteht man dabei das Prädizieren als Akt des Zu- oder Absprechens einer Eigenschaft bzw. eines Merkmals, so muß das, worüber prädiziert wird, auch in irgendeiner Weise existieren. Es ist gewissermaßen eine "technische" Voraussetzung für die Ausführbarkeit der Operation des Prädizierens und kann nicht aufgegeben werden, ohne diese Operation sinnlos zu machen. Beide Annahmen lassen sich in der nichttraditionellen Prädikationstheorie von Sinowjew und Wessel in Einklang bringen. Der Schlüssel dazu liegt in der Unterscheidung von zwei Formen der Negation. Elementare prädikative Aussagen werden in dieser Theorie durch (sj, S2, ..., s n | are formulas of the form V 1 B. B. An NC-formula Z (i.e. a non-classical formula) is a formula of C which is (i) not a CL-formula, and (ii) not an E-formula.
•Ir 43)
2.4. Generalized substitutions as reduction rules What should reduction rules produce in the system C? Roughly speaking, reduction rules should support a complete transformation of any non-classical formula Z to a formula of the form (i.e. an E-formula of a special kind). 5 2.4.1. Reduction rules for classical functors: We use the following abbreviation of X => X F Y ^ ] : YJ => Y 2 . Both 'X X [ Y ! / Y 2 ] ' and ' Y , => Y 2 ' were read as 'From X to infer X[Yi/Y2]', where by 'X[Yi/Y 2 ]' we mean that formula which is the result of substituting any formula Y 2 for the formula Y) in all of its occurrences in X.
~A
(a) •
f
t
~B
AAC BAD. AaC "A" "CAA AC CA B. BAD CAB. (c) Disjunction, implication, equivalence, and negequivalence (exclusive disjunction) as in (b). (b)
[B]
@
2.4.2. Reduction rules for variable functors: The general form of substitution is SR X => X[«(»/e], where by X[/e] we mean the result of substituting the E-formula e for the F-formula 4> in one or more occurrences in X. 5
Cp. MAX (1992).
374
IngolfMax
The special forms of V-substitution are
vß}
C' ^J 3 D.
~ [
(
"C" D.
"A" B.
)
because of H- (A A C A (B#D)) 3 ~(C A A A (D#B))
4:
4-IH-
(A A C A (B^D)) 3 (~C A ~A A (~D^~B)) because of ||-|(B A D A ~A A C) 3 (~D A ~ B A ~~C A ~A). A C ^ ( A E C 5-IH- _B_ - > D. M B A F D because of ||-|-
(A A C A (B^D)) 3 ( A A E A C A ( B A
(B
D A ~A A C
FA A 6-IHB V because of H- ( A A C A ( B # D ) ) 3 ((E A C A (B v F^D A
3
(B
A
F#D))
D A ~(A A E) A C). E C F -> D A A (F^B)) 3 ( ( A v E)
A
7-IHbecause of |-f (A A E A C A (F^D) A (B#F A D A ~E A C)) 3 3 (E A A A C A (B^D) A (F^B A D A ~A A C)) A C ) ( A C 3 D -> B B D H -IH-C (A 3 C) 3 (A A C A (B^D)) because of |f-f(B 3 D) 3 (B A D A ~A A C).
Generalized variable functors representing precausal connectives
(
A C B -> D (A A C) =J (A A C A (B?éD)) because of |[-f .(B A D) =5 (B A D A ~A A C). ~A 3 (A A C A (B^D)) A C ( A 10-IH- B B D I, because of ~B =3 (B A D A ~A A C). A D (C A A A (DáB)) A A C 11" IH- B B |, because of ||-|- B d ( D A B A ~C A A). D
9-IH-
A B
377
C 1 D
H
A
(
Therefore it is shown that' z>' respects the pair of lists (L + , L ): Theorem 2
The variable functor' =>' is precausal in the system C because of r(->, L+.IT).
3.1.2. Another variable functor "A" B.
">2
"C" D.
=>
A A C A ~B A D" B A D A (AéC) _
The strong analogy with '->' is immediately clear. Therefore the following result is not surprising: Theorem 3
The variable functor '->2' is precausal in the system C because of r(-> 2) L+, L-).
3.2. A possible causal interpretation of E-expressions Let us repeat the reduction rule for A "C" A A C A (B^D) ~ B_ - • l _D => B A D A ~A A C_ In the first line we interpret 'A' and 'C' as 'the cause' and 'the effect', respectively. Further we interpret 'B' as 'the time of (the cause) A' and 'D' as 'the time of (the effect) C. In the second line we interpret in a dual manner 'B' and 'D' as 'the cause' and 'the effect', respectively. Further we interpret now 'A' as 'the time of (the cause) B' and 'C' as 'the time of (the effect) D'. Finally we interpret
and
as 'the cause event and 'the effect event',
respectively. Take into consideration that the parts of these E-formulas get a context-dependent interpretation as time or cause/effect. What follows is an intuitive interpretation of the right part of the reduction rule: 'A A C A (B í D)' can intuitively be read as 'The cause exists and the effect exists and the cause-time differs from the effect-time'. In the same manner 'B A D A ~A A C' can be read as 'The cause exists and the effect exists and the cause-time ends before the effect-time starts'
378
Ingolf Max
(without further specification). The part '(Eî é D)' in the first line realizes the non-antisymmetry of the precausal variable functor (cf. 4"), and the part (~A A C) in the second line realizes the non-symmetry. But take into account that the first and the second line remain independent from each other. In the next section we will demonstrate that the conjunction of the first and the second line '(A A C A (B é D)) A (B A D A ~A A C)' forms an inconsistency. 3.3. Precausal variable functors as implicit inconsistencies Definition 9
The classical formula A is classical inconsistent (is a contra-
diction) [ symb.: —J A] iff the truth-value of A is 0 for all truth-values of the prepositional variables. Definítion 10 The E-formula
is ¡-inconsistent [symb.:
Definition 11 The E-formula
is 2-inconsistent [symb.: 2—1|
Definition 12 The E-formula
is inconsistent [symb.: - j |
j|
] i f f - | A. ] iff H
B.
] iff
H (A A B). Definition 13 The E-formula
is explicit inconsistent [symb.: ¡ 2—1|
]
i f f H A and—| B. Definition 14 The E-formula (O HI
(ü) 1-HI
is implicit inconsistent iff
A" . and(iii) 2 ~\\ B
Definition 15 Let Z be any NC-formula and
that E-formula which is the
result of complete reduction of Z, i.e., that both all occurrences of variable functors and all occurrences of classical functors outside the scope of brackets are eliminated: TA"
Z is inconsistent in any sense defined above iff g
is inconsistent in the
same sense. Regarding inconsistency the characteristic properties of'—>' are: "A" 1-HI B. "A 2-HI B
— >
— »
"C" D "C D_
because of -H
(AACA(BÍD))
because of -j-j (B A D A ~A A C)
Generalized variable functors representing precausal connectives
HI
->
"C D.
"A
1,2-HI _B_
»
379
because of —| ( A A C A ( B I D ) ) A (B A D A ~ A A C)
"C D , because of
-H (AACA(B^D)) and *H (BADA ~AAC)
It follows that the variable functor '-»' characterizes an inconsistent, additionally implicit inconsistent, but not an explicit inconsistent precausal connective. Concerning '->2' holds the same. 3.4. Precausal variable functors are stronger than classical conjunction The precausal connection between E-expressions is stronger than the conjunctive connection between the same expressions:
A lh
B
-»
C
A
D J13 B
A
c D
But the precausal connection between E-expressions and the conjunctive connection between all components of the E-expressions are logically independent from each other: IH-
"A" _B_
— »
"C" D.
|H-AABACAD:
IAABACAD "A" _B_
— >
"C" D.
[
analogously]
Therefore, precausal connection in the sense of the variable functor could be described as partial classical conjunction relative to E-expressions. It follows that the sign '-»' is rather misleading. It suggests a strong analogy with some kind of implication or entailment. But the above mentioned properties of '->' point out that such precausal connection should be better described as some kind of partial, non-symmetrical, and non-antisymmetrical conjunction. 3.5. Non-extensionality of precausal variables functors The variable functors '->' and '->2' ^ sense: IH-
non-extensional in the following C D
M
C
IH-
M
->2 D
E F
=
=
G H
E G F ->2 H
380
Ingolf Max
3.6. Analogous 4-valued representation of precausal connectives One of the results of Max 6 is that a logically equivalent representation of any functionally complete 4-valued propositional logic can be constructed by means of variable functors. Using this result I support the 4-valued truthtables concerning the counterparts of both the classical functors and the variable functors '—and '->2 A 1 2 3 4 A=B 1 2 3 4
~A
AAB
4 3 2 1
1 2 3 4
123 4 123 4 2 143 34 12 1111
1234 1234 2244 343 4 4444
A^B 1 2 3 4
AvB 1 2 3 4
1234 1111 12 12 113 3 1234
1 2 3 4 A-»B 43 2 1 1 2 3 4 12 2 143 3 1234 4
Az)B 1 2 3 4
123 4 1234 113 3 12 12 1111
1 2 3 4 A-> 9 B 4244 1 2444 2 3 444 3 4 4444
123 4 443 4 2444 3 444 4444
The designated value is '1'. It can be easily shown that all formulas corresponding to the list L + get the designated value for all truth-values of the propositional variables, and all formulas corresponding to the list L~ are not valid in this sense. 4. Modality and causality In Max (1987) was shown that special variable functors can be interpreted as S5-like modal operators: If H S 5 is a S5-valid formula, then Xh§5 is valid in the sense of |— where the biunique mappings concerning the translation of formulas are: Pi] a i LMl (propositional variables vs. E-expressions containing propositional variables with the same index) , 0 c> xM,
where
•
where
N,
•ft]
AvBl AvB. AA B AAB.
and the functors are the classical ones.
6
Max (1988).
(possibility) (necessity)
Generalized variable functors representing precausal connectives
381
Example: A A
because of ||—
it- 4B] -
A A
B = ~(~A v ~B) B • ~(~A v ~B).
Non-extensionality of modal variable functors: M
IH-
sM
Now I introduce variable functors with other reduction rules: "A" B.
- >
4
:
"A" B.
->3
->4
"C"
AABAC
D_
AABAD
C => D.
AACAD BACAD.
Using these two variable functors and the above standing modal variable functors we get the following equivalencies: "A" "C B. ">3 D.
"C" D.
"A" "Cl B^ " > 4 D ,
• K H D_
"C"
With respect to the intuitive reading in part 3.2 a possible interpretation would be: 'The necessity of the cause event causes the effect event', and 'The cause event causes the necessity of the effect event, respectively. In the first case the effect-time remains unspecified and in the second case the cause-time. What are the properties of '->3' and '->4'? Both meet the list L + without + 1 , i.e., they are not irreflexive. Both omit the list L" without T and 8". So these two variable functors can be named 'precausal-like connectives'. Another example: Finally, I provide a formalization of an explication of a causal junctor by means of the modal operators Bf and B p characterized by Urchs.' • f B p H B p B f H Definitions: • H
= D H =DF I F I P H
OH = D F ~ D ~ H
Definition of the causal junctor: 7
Urchs (1987), S. 74f.
H
=df
If ~ H
•pH
=df
•N~H
•
F
382
H
IngolfMax
G = "A" • f _B_ =>
AvB' B "A" "A" l h " f " p B « "p"f B TA' B
•f~
"A" "C B . - > k D . => "A" "C" B_ - > k D . M
•P
"A" B . =>
"A IHN B "A" • p B.
"A" B
-
AAB " A " AVB. "A" % " p _B. "A" B.
(A5ÉB) A (C^D) A ( B A C D D )
(
"A" rci^ rrci =>4f B. DJMLD. - • P ^
b e c a u s e of
A
"A" • P B . =>
AAB" B
b
H
D
]
A M~
"A" B. AM-
A "C D
|— ( ( A ^ B ) A (CÚD) A (BAC 3 D ) ) = ( A Z D CVD)A (C=>A) A
A (B=>D) A ( D ID A v B ) A ( A v B ) A (CVD) A ( ~ A V ~ B ) A ( ~ C V ~ D )
References Lesniewski, Stanislaw (1929), Grundzüge eines neuen Systems der Grundlagen der Mathematik. Fundamenta Mathematicae 14, 1-81 Lukasiewicz, Jan (1970), On Variable Functors of Prepositional Arguments. In: Lukasiewicz, Jan: Selected Works. North-Holland Publishing Company, Amsterdam, 311324 Max, Ingolf (1987), Zur Explikation der Modaloperatoren von S5 mittels G-Funktorenvariablen. In: Logik in der Semantik - Semantik in der Logik, ed. Evelyn Dölling, AdW Berlin, Berlin, 123-133 - (1988), Vorschläge zur logischen Explikation von Negationen mittels Funktorenvariablen. Linguistische Studien, Reihe A, Berlin, 182, 105-161 - (1992), Generalized variable functors representing paraconsistent operators. Konstanzer Berichte Logik & Wissenschaftstheorie, Report 19-1992 Stelzner, Werner (1979), Effektive epistemische Logik (= Dissertation B), Leipzig Urchs, Max (1987), Kausallogik ( = unpublished Habilitation), Leipzig - (1992), On the logic of event causation II. Jaskowski-systems of causal logic. Konstanzer Berichte Logik & Wissenschaftstheorie, Report 26-1992
MAX URCHS
Schwach folgerichtige Kausallogik Wir wollen untersuchen, inwieweit Konzepte und formale Techniken epistemischer Logik (in der Form, wie sie etwa von Stelzner betrieben wird) 1 für kausallogische Untersuchungen nutzbar gemacht werden können. Kausallogik untersucht metamathematische Entsprechungen realer Kausalzusammenhänge in speziell zu diesem Zweck aufgebauten Kalkülen. Derartige formale Kausalrelationen werden in bestmöglicher Adäquatheit zu realsprachlich als Bezeichnungen kausaler Zusammenhänge funktionierenden Termini konstruiert. Die Gegenstände der beiden Disziplinen nichtklassischer Logik unterscheiden sich offenbar sehr voneinander: Werden in der Kausallogik ontologische Zusammenhänge zwischen objektiv-real bestehenden Ereignissen untersucht, so beschäftigt sich die epistemische Logik mit Beziehungen zwischen Subjekten und Sachverhalten, mit Verhältnissen epistemischen Charakters. Ganz im Gegensatz zur epistemischen Logik interessieren die Kausallogik nur Eigenschaften kausaler Zusammenhänge - nicht aber die Charakteristik des Subjekts, welches das Bestehen solcher Zusammenhänge behauptet. Ebenso unerheblich ist, ob ein epistemisches Subjekt glaubt, weiß, überzeugt davon ist usw., daß dies oder jenes der Fall ist - es interessiert nur, was der Fall ist, soweit es sich um Kausalzusammenhänge handelt. Die Verschiedenartigkeit des Gegenstandes schließt nicht aus, daß in beiden Disziplinen ähnliche Techniken verwendbar sind. Tatsächlich findet man in der Literatur zur Kausallogik nicht selten solche Versuche. Auch die epistemische Logik verweist mitunter auf angeblich enge Bezüge zur Kausallogik. Zur Klärung dieser Frage sollen zwei Ebenen unterschieden werden. Einmal interessiert uns die Möglichkeit des direkten Einsatzes von Techniken epistemischer Logik bei der kausallogischen Formalisierung, zum anderen geht es um die Brauchbarkeit von Ansätzen aus der epistemischen Logik beim Begründen der kausalen Logik, wie auch bei der Klassifikation kausaler Relationen. Auf dieser zweiten Ebene gibt es Gemeinsamkeiten. So etwa die von beiden Disziplinen zu überwindende Schwierigkeit, grundlegende und dabei unzureichend explizierte philosophische Begriffe logisch zu analysieren. Es stellt sich heraus, daß die zu formalisierenden Gegebenheiten wesentlich von den Rahmen abhängen, in welchen sie stattfinden. Ein solcher Rahmen muß demzufolge durch eine adäquate Formalisierung mit erfaßt werden. Für die formale Behandlung bietet sich aus kausallogischer Sicht Stelzners Konzept des epistemischen Subjekts2 als vielversprechender 1 2
Stelzner (1984). Stelzner (1984), S.34f.
384
Max Urchs
Ausgangspunkt an. Allerdings macht es sich erforderlich, den Begriff schärfer als bei Stelzner zu fassen und infolgedessen den Menschen aus der Klasse der epistemischen Subjekte auszuschließen. Menschen sind nach dieser Modifikation stets Konglomerate verschiedener epistemischer Subjekte. (Auch für Begründungsversuche in der epistemischen Logik scheint dieser schärfere Begriff des epistemischen Subjekts der geeignetere: z. B. ist Stelzners Einteilung der Behauptenden in "elementar logische", "schwach folgerichtige" usw. keine Klassifikation konkreter Menschen, da sie bezüglich der Menge aller Menschen nicht disjunkt ist.) Ausgehend vom Begriff des epistemischen Subjekts kommt man zur Definition von "Ereignis bezüglich eines bestimmten epistemischen Subjekts" 3 . Indem man auf diese Weise einen präzisen Ereignisbegriff vorlegen kann, wird eine notwendige Bedingung jeder sinnvollen Kausalanalyse erfüllt. Durch die Relativierung des Ereignisbegriffs auf epistemische Subjekte und der sich mithin ergebenden Parametrisierung kausaler Zusammenhänge kommt man darüber hinaus auf natürliche Weise zu einer Klassifikation der formalen Kausalrelation nach dem epistemischen Subjekt des der Formalisierung zugrunde liegenden Kausalzusammenhangs. Man erhält so mechanische, juristische, historische usw. Kausalrelationen mit teilweise verschiedenen Eigenschaften und kann eine Reihe herkömmlich problematischer Fälle aus dem gemeinsamen Auftreten unterschiedlicher Kausalrelationen erklären. Mitunter versucht man, Kalküle mit kausalen Junktoren nach dem Muster von Systemen der epistemischen Logik aufzubauen. Insbesondere scheint die Verwendung solcher Techniken für die Formalisierung der von Wrightschen sog. Handlungskausalität4 naheliegend und soll im Folgenden skizziert werden. Der Ausdruck H R -> G bedeutet, daß H unter den Umständen R die Ursache von G ist. PR(X,H) steht für "x bringt H unter den Umständen R hervor" und 0(x,H) wird als "x beobachtet H" verstanden. Der Einfachheit halber nehmen wir an, daß 0(x,H) = -iO(x,-iH) gilt und daß PR(X,-IH) bedeutet "x verhindert (bzw. unterdrückt) H unter den Umständen R". Mittels zweier epistemischer Prädikate A(x,H) ("x hält es für akzeptabel, daß H") und W(x,H) ("x weiß, daß H") kann von Wrights Konzeption folgendermaßen formalisiert werden. Sei x die Klasse derjenigen epistemischen Subjekte, über deren Handlungen und Beobachtungen x informiert ist. (Rl)
(R2a)
P R (x,H) 0(x,G) P R (x,^H)AVy ex: ^P R (y,H) A(x,H R ->G) P R (x,H) -> Q(x,G) W(X,-I(Hr->G))
3 4
Urchs (1990). Siehe Wright (1974).
Q(x,^G)
Schwach folgerichtige Kausallogik (R2b)
385
Pr(x,-iH)aVv e x : -iPr(v,H) -> 0(x,-nG) W(x,-i(Hr->G))
wobei -» jeweils Konditionaloperator ist. Ausdrücke der Form A(x,HR-*G) und W(x,->(HR->G)) werden nur durch obige Regeln eingeführt. Man kann dann mittels einer kausalen Implikation neue Ausdrücke HR—>XG, die "aus Sicht von x wird G unter den Umständen R durch H verursacht" gelesen werden, folgendermaßen definieren: H
R->x G =df Vyex: A(y,HR->G) Da es natürlich scheint, x e x anzunehmen, erhielte man wegen (R2a), (R2b) nichts wesentlich neues, wenn man (naheliegenderweise) das Definiens zu Vyex: A ( y , H R - > G ) a - . W ( x , - , ( H r - » G ) ) verschärfen würde. Schon bei obiger, skizzenhafter Darstellung deuten sich interessante Aspekte dieser Formalisierung an. Die Kausalimplikation R -» x ist z. B. weder transitiv noch symmetrisch und besitzt nicht die Transpositionseigenschaft. Weitere, vor allem auch positive Eigenschaften von R -> x lassen sich nachweisen, wenn die epistemischen Prädikate in geeigneten Kalkülen der epistemischen Logik genauer expliziert werden. Im vorliegenden Entwicklungsstadium ist dieser Ansatz noch mit sehr vielen Mängeln behaftet, unter denen die Gültigkeit von H R -> x H für beliebige H fast als harmlos erscheint. Das eigentliche Problem besteht darin, daß die Schwierigkeiten bei der Definition der Kausalrelation auf die Explikation der betreffenden epistemischen Prädikate verschoben, nicht aber beseitigt werden. Dieses bloße Verlagern der Problematik scheint für Formalisierungsversuche des Kausalzusammenhangs, die aus Richtung der epistemischen Logik unternommen werden, typisch. Die mangelnde Präzision, mit der epistemische Prädikate üblicherweise erklärt sind, ist für kausallogische Untersuchungen ungleich nachteiliger als für solche der epistemischen Logik: Während letztere aus der Anerkennung mancher Prädikatformeln und aus dem Verwerfen anderer auf Eigenschaften des in den Prädikaten figurierenden epistemischen Subjekts schließt, geht es der Kausallogik um die Eigenschaften der mittels dieser Prädikate definierten Kausaloperatoren. Es soll nicht behauptet werden, daß epistemische Formalisierungsansätze in der Kausallogik unmöglich seien. Nur ist meiner Ansicht nach der Weg, der zur Konstruktion kausaler Junktoren über die epistemische Logik führt, ein Umweg. Konzepte der epistemischen Logik erlauben brauchbare, möglicherweise sogar elegante Lösungen in kausallogischen Grundlegungsfragen zu fmden. Beim Aufbau logischer Kalküle haben epistemische Logik und Kausallogik jedoch nicht mehr miteinander zu tun, als irgendsonst zwei Disziplinen moderner Logik.
386
MaxUrchs Literatur
Stelzner, Werner (1984), Epistemische Logik. Zur logischen Analyse von Akzeptationsformen, Akademie-Verlag, Berlin Urchs, Max (1990), Ereignisse in Kausalzusammenhängen. Untersuchungen zur Logik und zur Methodologie 7, Leipzig Wright, Georg Henrik von (1974), Causality and Determinism, New York, London
UWE SCHEFFLER
Zur Ersetzbarkeit von Ereignistermini in einfachen Kausalaussagen 1. Untersuchungen über die logischen Eigenschaften von Kausalaussagen werden zumeist mit konditionallogischen oder wahrscheinlichkeitslogischen Mitteln gefuhrt. Während das Problem der Ersetzbarkeit in alethischen, epistemischen oder deontischen Modalkontexten über Jahre hinweg ständig diskutiert wurde, spielt die Ersetzbarkeit in der Kausallogik keine prominente Rolle. Das liegt daran, daß - wie viele Beispiele zeigen - die Ersetzbarkeit in Kausalkontexten Uberhaupt kein Problem mehr ist, wenn die davor liegende Frage geklärt worden ist: Was soll gegeneinander ersetzt werden? Die üblichen Lehrbuchbeispiele für "ungerade Vorkommen" in alethischen oder epistemischen Modalsätzen lassen sich grundsätzlich auf zweierlei Weise diskutieren. Betrachten wir je eine ungültige Ersetzung: Adam weiß, daß 10 x 10 = 100. Adam weiß, daß 10 x 10 = 102. Es ist notwendig, daß der Morgenstern morgens als letzter Stern zu sehen ist. Es ist notwendig, daß der Abendstern morgens als letzter Stem zu sehen ist. Die erste Reaktion ist die, keinen Zweifel an der Identität von "100" und "10 2 " und von "Morgenstern" und "Abendstern" zu lassen und zu erklären, daß in solchen undurchsichtigen Kontexten identische Termini nicht ersetzt werden dürfen. Wenn dann weiter keine Erklärung erfolgt, hat das aber den Nachteil, daß "undurchsichtige Kontexte" oder "ungerade Vorkommen" zumeist über die fehlende Ersetzbarkeit identischer Termini erläutert oder gar definiert werden. Ein zweiter Zugang zum Problem ist möglich, wenn die Frage gestellt wird, aus welchem Grund die entsprechenden Termini identisch sind: Warum bekommt der Satz a = b, in dem a und b Termini sind, den Wahrheitswert "wahr" zugeschrieben? Unter bestimmten Bedingungen können dann Ersetzungen zugelassen werden. Die Aussage 100=102 gilt aufgrund mathematischer Regeln und Definitionen, und Adam aus den Beispielsätzen ist nicht verpflichtet, diese zu kennen. So wird er diese Aussage auch nicht für wahr halten: für ihn sind die beiden Termini nicht identisch. Um eine gültige Ersetzbarkeitsregel zu formulieren, reicht es aus, die Identität unter Bezug auf das Wissen des epistemischen Subjekts zu definieren: In "X weiß (glaubt), daß p" darf a gegen b ersetzt werden, wenn "X weiß, daß a = b" gilt. Die Aussage, "der Morgenstern = der Abendstern" kann auf verschiedene Weise als wahre Aussage gewonnen werden. Zwei
388
Uwe Scheffler
davon sind wichtig für das Beispiel und sollen deshalb hier erwähnt werden: Man hat aufgrund irgendwelcher Beobachtungen (beispielsweise der Lichtstärke und -färbe) empirisch festgestellt, daß Morgenstern und Abendstern derselbe Stern sind, oder es folgt aus bestimmten astronomischen Gesetzen, daß der morgens als letzter sichtbare Stern auch der abends als erster sichtbare Stern ist. Im Zusammenhang mit einem intuitiv akzeptablen Begriff der physischen Notwendigkeit wird die Ersetzung im ersten Fall als unerlaubt, im zweiten als erlaubt gelten. Mehr noch, sollte zunächst die Beobachtung vorliegen und später das Gesetz formuliert werden, so ändert sich der Wahrheitswert der zweiten Aussage im Beispiel von "falsch" zu "wahr". Auch hier ist es also möglich, Ersetzbarkeit aufgrund eines anderen Identitätsbegriffs zu erlauben: In "Es ist notwendig (möglich), daß p" darf a gegen b ersetzt werden, wenn "Es ist notwendig, daß a = b" gilt. Bei der Ersetzung in sogenannten undurchsichtigen Kontexten, so lautet die These, die begründet werden sollte, muß zunächst untersucht werden, wie die Identitätsaussage gewonnen wurde. In Kausalkontexten darf ersetzt werden, die Untersuchung, wie Identitätsaussagen gewonnen werden, ist aber aus anderen Gründen wichtig. Kausalaussagen können in der natürlichen Sprache sehr kompliziert strukturiert sein. Mit dem Terminus "einfache Kausalaussagen" im Titel der Arbeit werden hier Aussagen der Struktur "das A-Ereignis ist Ursache für das B-Ereignis" (künftig: U(sA, sB)) bezeichnet, die eine Kausalrelation zwischen konkreten Einzelereignissen behaupten. Ohne Zweifel entstehen bei der Bearbeitung von komplizierten Kausalaussagen noch mehr Probleme, als die im folgenden gelösten. Diese sind aber nicht mehr prinzipiell schwierig, wenn die im Zusammenhang mit einfachen Kausalaussagen entstehenden ontologischen Fragen beantwortet sind. Wahrscheinlich ist es das Mitschwingen von "außerordentlich, bemerkenswert, bedeutsam" in der natürlichsprachlichen Verwendung von "Ereignis", was den dramatischen Tod von Julius Caesar geradezu zum Pflichtbeispiel für ein singuläres Ereignis werden ließ. Auch die Ersetzbarkeit in Kausalaussagen läßt sich am Beispiel dieses schnöden Verrates diskutieren: Das Ereignis, daß Brutus auf Caesar einstach, ist Ursache für das Ereignis, daß Caesars Toga noch mehr zerriß. Das Ereignis, daß Brutus Caesar ermordete, ist Ursache für das Ereignis, daß Caesars Toga noch mehr zerriß. Da die Dolchstöße sicherlich Caesars Gewand zerrissen haben, besteht an der Wahrheit der ersten Aussage kein Zweifel. Gegen die zweite Aussage wird oft eingewendet, daß Brutus Caesar schließlich hätte auch erwürgen können, um ihn zu ermorden, und damit die Toga vielleicht nicht noch mehr zerrissen hätte. Bezüglich der Ersetzimg von "das Ereignis, daß Brutus auf Caesar einstach" gegen "das Ereignis, daß Brutus Caesar ermordete" kann mm angenommen werden: 1. Die Ereignisse sind gar nicht identisch, die
Zur Ersetzbarkeit von Ereignistermini in einfachen Kausalaussagen
389
Ersetzung ist deshalb unzulässig; oder 2. es gilt keine Ersetzbarkeitsregel in Kausalkontexten, die Ersetzung ist deshalb unzulässig; oder 3. die Ereignisse sind identisch, die Ersetzbarkeitsregel ist gültig, beide Sätze sind wahr. Für die dritte Variante soll in dieser Arbeit argumentiert werden, das setzt aber die Klärung folgender Fragen voraus: Soll die Ersetzbarkeitsregel gelten, muß über die Identität von Ereignissen geredet werden. Läßt sich Quines Regel (No entity without identity) auch so verstehen, daß allein durch die Verwendung wahrer Aussagen über die Identität von Ereignissen Entitäten postuliert werden? Welchen ontologischen Status müssen singuläre Ereignisse haben? Singulare Ereignisse werden bei diesem Zugang mit singulären Subjekttermini bezeichnet. Muß nicht, bevor über die Identität von Ereignissen gesprochen werden kann, geklärt werden, nach welchen Kriterien "Identität von Ereignissen" überhaupt funktionieren soll? 2.
Die Formulierung "das Ereignis, daß..." ist eine steife aber immer noch umgangssprachliche Phrase zur Bezeichnung eines Ereignisses. Viele Ereignisse werden anders bezeichnet: "die Ermordung von Julius Caesar", "der Verkehrsunfall letzte Woche auf dem Parkplatz vor Adams Haus", "Adams plötzliches Verschwinden gegen Mitternacht auf der Party" sind sprachliche Formen, mit denen Ereignisse bezeichnet werden. Klar ist, daß solche Entitäten Eigenschaften zugesprochen beziehungsweise abgesprochen bekommen können: die Ermordung von Caesar war später, als Caesars Überschreiten des Rubikon, der Verkehrsunfall vor Adams Haus war unerwartet und Adams Verschwinden auf der Party war nicht nett. Dies legt den Gedanken nahe, daß es neben Caesar, Brutus, konkreten Fahrzeugen, Adam, seinem Haus und anderen der gleichen Art auch "Dinge" gibt, wie Caesars Ermordung und Adams Verschwinden auf der Party. Weiter verlangt der verbreitete Gebrauch von generellen Termini wie "Ermordung", "Tod", "Verkehrsunfall" und "Verschwinden" eine Klärung, inwieweit Ermordungen, Todesfälle und andere generelle Ereignisse in die Ontologie aufgenommen werden müssen. Für eine Aufnahme zumindest der singulären Ereignisse in die Liste der "Gegenstände" spricht auch, daß verschiedene Ereignistermini intuitiv dasselbe Ereignis beschreiben können: "die Ermordung von Julius Caesar", "das Abstechen des mächtigsten Mannes in Rom 44 v. u. Z.", "das unter Logikern bekannteste Attentat der Weltgeschichte". Dazu kommt, daß es unterschiedliche "Tiefen" der Beschreibung eines Ereignisses geben kann: "die Ermordung von Julius Caesar", "die blutige Ermordung von Julius Caesar", "die blutige Ermordung von Julius Caesar am Vormittag" und so weiter. Wenn dies verschiedene Beschreibungen desselben Ereignisses sind, so muß es wohl etwas geben, was gleichermaßen durch alle Beschreibungen
390
Uwe Scheffler
bezeichnet wird. Um Quines bereits zitierten Gedanken umzukehren: No identity without entity, und Identität liegt vor. Gegen ein Hinzufugen der Ereignisse zur Ontologie spricht das allgemein anerkannte Bestreben, ontologische Voraussetzungen so klein wie möglich zu halten. Um dies zu erreichen, wird hier ein einfacher Weg gewählt: es wird zunächst definiert, was ein Ereignisterminus ist, und dann eine minimale ontologische These formuliert: Ein Ereignis ist, was durch einen Ereignisterminus bezeichnet wird. Ausgangspunkt ist eine Terminologie, in welcher singulare und generelle Subjekttermini und Prädikattermini untersciiieden werden.1 Singulare Subjekttermini werden benutzt, um einen Gegenstand zu bezeichnen (Adam; Adams Haus; der Dolch, mit dem Caesar niedergestochen wurde), generelle Subjekttermini werden zum Bezeichnen mehrerer Gegenstände benutzt (Verschwörer; Haus; Dolch, mit dem gemordet wurde). Prädikattermini bezeichnen Eigenschaften oder Relationen, die Gegenständen zu- oder abgesprochen werden können. Außerdem soll die Sprache weiterhin neben logischen Operatoren Ausdrücke enthalten, mit denen über Ort und Zeit gesprochen werden kann. Aufgabe ist es nun, "Ereignisterminus" so zu definieren, daß ein Ereignisterminus ein singulärer Terminus ist, der (intuitiv) zur Postulierung der oben genannten These geeignet ist, und der die spätere Definition von generellen Ereignistermini erlaubt. Es ist oft beobachtet worden, daß viele Sätze der natürlichen Sprache keine Aussagen in dem Sinn sind, daß ihnen ein eindeutiger Wahrheitswert zugeschrieben werden könnte: Brutus sticht auf Caesar ein ist wahr in einem bestimmten Moment des Jahres 44 v. u. Z., aber falsch im gesamten Jahr davor; und Verschwörer töteten Caesar ist mehrdeutig, weil vielleicht alle, vielleicht aber nur einige Caesar töteten. Der Kontext, in dem solche Sätze fallen, spätestens aber eine Nachfrage klären in einer realen Gesprächssituation solche Probleme: durch Angeben von Zeit und Ort oder unter Verwendimg von "immer", "manchmal" und ähnlichen Worten läßt sich der Koordinatenbezug solcher Aussagen festlegen, und durch Verwenden von "alle" oder "einige" kann ein konkreter Subjektbezug festgelegt werden. Wenn der Koordinatenbezug explizite und vollständig aufgegeben ist, soll eine Aussage universal heißen;2 wenn der 1
2
Auf den Unterschied zwischen generellen Subjekttermini und Prädikattermini kann hier nicht eingegangen werden. Sinowjew und Wessel haben die dieser Arbeit zugrunde liegende Auffassung von "Terminus" und Terminiklassifikation entwickelt, sie ist in Wessel (1984), S. 308 ff. ausführlich beschrieben. Die Unterscheidung von universalen und lokalen Aussagen (die letzteren ohne angegebenen Koordinatenbezug) erweist sich nicht nur für die Definition von Ereignistermini
Zur Ersetzbarkeit von Ereignistermini in einfachen Kausalaussagen
391
Subjektbezug explizite und vollständig angegeben ist, so soll sie singulär heißen. Eine singuläre und universale Aussage ist also eine Aussage, die keine unquantifizierten Koordinatenvariablen und keine unquantifizierten generellen Subjekttermini enthält. Wenn künftig von Aussagen die Rede ist, sind immer - falls nicht ausdrücklich anderes vereinbart ist - universale und singuläre Aussagen gemeint. Zur Bildung von singulären Ereignistermini wird eine terminibildende Regel angegeben, die aus Aussagen Termini produziert: Wenn A eine Aussage ist, so ist sA ein Ereignisterminus, sofern A folgenden Bedingungen genügt: 1. A ist weder logisch wahr noch logisch falsch, noch aufgrund allein terminologischer Festlegungen wahr oder falsch; 2. Die in A vorkommenden Termini sind empirische Termini. Mit der ersten Einschränkung werden tautologische und kontradiktorische Ereignisse genauso ausgeschlossen, wie etwa "das Ereignis, daß ein Junggeselle ein unverheirateter Mann ist". Mit der zweiten Einschränkimg werden alle Ereignisse ausgeschlossen, die "abstrakten Objekten passieren"; also etwa "das Ereignis, daß 7 eine Primzahl ist" oder "das Ereignis, daß das Nichts nichtet". Ereignisse werden auf diese Weise grundsätzlich in der Form "das Ereignis, daß A" gegeben, wobei A eine Aussage ist. Wie erwähnt ist das in der natürlichen Sprache nicht so, jedoch lassen sich die Nominalkonstruktionen ("Caesars Ermordung") leicht als Abkürzungen für die stilistisch unschöne "..., daß ..."-Form auffassen ("das Ereignis, daß Caesar ermordet wird"). Der Vorteil einer solchen Konstruktion aus ontologischer Sicht liegt auf der Hand: Um zu Ereignistermini zu kommen, braucht man nur Aussagen und einen Operator, also allein sprachliche Entitäten. Die genannte minimale ontologische These besagt nur, daß das, was Ereignis genannt wird, auf diese Weise mit Hilfe (ganz bestimmter) Aussagen in der Sprache erscheint. Das ist sowohl mit einer Auffassung vereinbar, in der Caesars Tod neben Caesar gleichberechtigt und im gleichen Sinne existiert, als auch mit einer, in der allein materielle Dinge im Sinne von "Sehen-und-anfassen-können" existieren, und auch mit einer, in der Caesars Tod eine Raum-Zeit-Einsetzungsinstanz in der Idee "Sterben" ist. Eine Existenzdefinition für singuläre Ereignisse, die singuläre Ereignisse vorsichtig und der Intuition entsprechend in die Ontologie einfuhrt, läßt sich sehr leicht finden: Ein Ereignis sA existiert genau dann, wenn die Aussage A wahr ist. Damit hängt die Existenz eines Ereignisses von der Wahrheitsdefinition ab, und diese ist offensichtlich von Existenzauffassungen über die "gewöhnlichen Dinge" abhängig: "das Ereignis, daß Homer blind ist" existiert, wenn "Homer ist blind" wahr ist. Wenn Homer existiert, so existiert das Ereignis wichtig. Sinowjew und Wessel haben sie für ihren Zugang zur Konditionaltheorie genutzt, eine Darstellung ist in Wessel (1984), S. 293 ff. zu finden.
392
Uwe Scheffler
(nach Tarski) dann, wenn er blind ist; wenn er nicht existiert, so wird das Ereignis je nach vertretener Auffassung über die Wahrheitswerte von Sätzen mit leeren Termini existieren oder nicht. Das Verfahren, wie generelle Ereignistermini zu bilden sind, und deren Existenzbedingungen sollen hier nicht diskutiert werden.
3.
Es gibt eine beeindruckende Anzahl von unterschiedlichen Versuchen, Identitätskriterien für Ereignisse zu formulieren. Keines dieser Kriterien ist unwidersprochen geblieben, auch hier werden einige Ansätze kritisch diskutiert werden. Von dem in dieser Arbeit vertretenen Zugang aus ist es aber auch verständlich, warum kein Ansatz endgültig aus der Diskussion verschwunden ist: weil in jedem ein bestehender Zusammenhang zwischen den jeweiligen Kriterien und der Identität aufgezeigt ist. Wittgensteins beiläufiger Bemerkung über den Unsinn, von zwei Dingen zu sagen, sie seien identisch, und die Leere der These, eines sei mit sich identisch, kann auf die übliche Art und Weise die Schärfe genommen werden: Zwei Ereignisse sind identisch, wenn die entsprechenden Ereignistermini bedeutungsgleich sind.3 Selbstverständlich kann man im strengen Sinn nicht von zwei Ereignissen sprechen, sondern genaugenommen von einem Ereignis, was durch bedeutungsgleiche Ereignistermini beschrieben wird. Die Bedeutungsgleichheit von Termini wird mit Hilfe des Bedeutungseinschlusses definiert: Der Terminus a schließt den Terminus b der Bedeutung nach ein (a->b) =tjf alles, was mit a bezeichnet werden kann, wird auch mit b bezeichnet, a ^ b =(jf (a->b) a (b-^a) Die Bedeutungsgleichheit zweier Termini, und da liegt meines Erachtens die Ursache für alle Schwierigkeiten mit den Identitätskriterien, kann nicht allein aufgrund logischer Gegebenheiten festgestellt oder festgelegt werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, warum Ereignistermini bedeutungsgleich sind: 1. Die Bedeutungsgleichheit von Ereignistermini kann aufgrund empirischer Gegebenheiten festgestellt werden. Das ist häufig der Fall, wenn in der natürlichen Sprache "durch"-Konstruktionen verwendet werden: Caesar wurde durch Auf-ihn-einstechen ermordet heißt, "das Ereignis, daß Caesar ermordet wurde" und "das Ereignis, daß auf Caesar eingestochen wurde" sind identisch. Adam grüßte durch Hutheben heißt, "das Er3
Die Vorteile und die philosophische Leistungsfähigkeit eines solchen Herangehens an "Identität" sind in Wessel (1984), S. 231 ff. beschrieben.
Zur Ersetzbarkeit von Ereignistermini in einfachen Kausalaussagen
393
eignis, daß Adam den Hut hob" und "das Ereignis, daß Adam grüßte" sind identisch. Der häufigste Einwand gegen die Bedeutungsgleichheit der beiden Ereignistermini im Caesar-Beispiel besteht in der Bemerkung, daß Ermorden nicht Auf-jemanden-einstechen ist, schließlich kann ohne Dolche gemordet werden und nicht alle Dolchstiche fuhren zum Tode. Das ist richtig, geht aber an der These vorbei, da nicht die Bedeutungsgleichheit der generellen Ereignistermini "das Ereignis, daß jemand ermordet wird" und "das Ereignis, daß auf jemanden eingestochen wird" behauptet wird, sondern das ganz konkrete singulare Ereignis, bei dem Julius Caesar 44 v. u. Z. in Rom starb, den Gegenstand der Erörterung bildet. Hier von einem Ereignis in zwei Beschreibungen zu sprechen entspricht genauso der Intuition, wie in folgendem, Gegenstände betreffenden Beispiel: Im Blickfeld sei ein (und nur ein) Ball, der um sich rotiert und dabei seine Farbe ändert. Dann sind folgende beiden singulären Subjekttermini bedeutungsgleich: "der Ball, der dort um sich rotiert" und "der Ball, der dort die Farbe ändert". Es handelt sich zweifellos nicht um zwei Bälle. Ein zweites Argument für zwei Ereignisse im Beispielfall ist die Beobachtung, daß das Auf-Caesar-einstechen mit dem letzten Stich, Caesars Ermordung aber erst mit seinem Tod beendet war (immerhin hat er, falls korrekt überliefert, noch "Auch du, mein Brutus..." sagen können). Dieser scharfsinnige Einwand hängt ganz offensichtlich von der Definition von "Ermordung" ab. Eine natürliche Interpretation, die die Bedeutungsgleichheit der Termini unangetastet läßt, ist folgende: "Caesars Ermordung" ist die Bezeichnung eines Ereignisses mit Blick auf seine Folgen. Für das Ereignis selbst, die Handlungen der Beteiligten, kommt durch Caesars Tod nichts hinzu. "Das Ereignis, in welchem die Verschwörung gegen Caesar gipfelte", schließt ja ebenfalls die Absprachen der Verschwörer nicht mit ein. 2. Ereignistermini sind bedeutungsgleich, wenn die sie konstituierenden Aussagen in der Relation gegenseitiger logischer Folgebeziehung zueinander stehen. Das wird kaum bezweifelt werden und besagt ja auch nur, daß allein logische Umformungen der konstituierenden Aussage nicht zu anderen Ereignissen (aber zu einem anderen Ereignisterminus) fuhren. 3. Ereignistermini sind bedeutungsgleich, wenn die jeweils konstituierenden Aussagen auseinander durch Ersetzen bedeutungsgleicher Termini gewonnen werden können. Ob es also um "das Erdolchen des mächtigsten Mannes in Rom" oder "das Erdolchen von Caesar" zu dem entsprechenden Zeitpunkt geht: es ist dasselbe Ereignis, da Caesar zu dieser Zeit der mächtigste Mann in Rom war. 4. Die Bedeutungsgleichheit von Ereignistermini kann auch aufgrund von naturgesetzlichen, mathematischen oder anderen gesetzesartigen Beziehungen bestehen. Diese etwas vage Formulierung wird durch ein bereits in an-
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Uwe Scheffler
derem Zusammenhang genanntes Beispiel illustriert: wenn nach astronomischen Gesetzen der Stern, der abends als erster erscheint, auch morgens als letzter sichtbar sein muß, so ist "der Aufgang des Abendsterns" auch "der Aufgang des Morgensterns". In diesem Punkt ist aus zwei Gründen keine genauere Formulierung möglich; zum einen spielen in solchen Fällen empirische Tatsachen, logische Folgerungen und Bedeutungsgleichheit von Termini oft eine große Rolle, zum anderen gilt folgende einfache und zunächst naheliegende Regel nicht: Wenn (A
B) A (A
B), so sA^sB.
Ein einfaches Gegenbeispiel läßt sich aus den beiden Aussagen "Zum Zeitpunkt t ist an dieser Stelle Flut" und "Zum Zeitpunkt t+6 Stunden ist an dieser Stelle Ebbe" konstruieren, die eindeutig verschiedene Ereignisse konstituieren. Auch wenn es noch weitere Wege geben sollte, auf denen man zu Aussagen über die Bedeutungsgleichheit von Ereignistermini kommen kann - die beschriebenen reichen aus, rein logische Identitätskriterien als nicht ausreichend zu erkennen. Alle Versuche, ein und nur ein Identitätskriterium für Ereignisse zu formulieren, gehen an der schlichten Tatsache vorbei, daß es mehrere gibt und nicht alle in der Kompetenz der Logik allein liegen. So liegt die Stärke der folgenden Konzeptionen, die den Kern der Diskussion um Ereignisidentität bilden, darin, daß bestehende Zusammenhänge richtig erfaßt werden; die Schwäche liegt in der Hoffnung, mit einem Zugang das ganze Problem erledigt zu haben. 4.
Von Davidson stammt der Versuch, die Identität von Ereignissen explizite über eine Kausalrelation zu definieren4: Zwei Ereignisse sind identisch genau dann, wenn sie exakt die gleichen Ursachen und die gleichen Wirkungen haben. Beim Nachdenken über dieses Kriterium entsteht der Verdacht, daß es zirkulär ist. Davidson hat formale Zirkularität mit Recht zurückgewiesen, dennoch bleiben einige Einwände bestehen. Zunächst benutzt Davidson das Kriterium zur Individuation von Ereignissen, will damit klären, was ein Ereignis eigentlich ist. Die Termini "Ursache" und "Wirkung" sind aber auch Bezeichnungen für (bestimmte) Ereignisse, müssen also irgendwie unabhängig definiert werden. Außerdem verwendet er "gleiche Ursache" und "gleiche Wirkimg", und wenn auch wegen der Quantoren in der formalen Notation keine Gleichheitszeichen auf der rechten Seite der Definition vorkommen, wird zumindest inhaltlich die Gleichheit (bestimmter) Ereignisse 4
Vgl. Davidson (1990).
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benutzt. Weiterhin ist die Kausalrelation nicht so klar, daß sie ohne weiteres schon in Untersuchungen über Ereignisse vorausgesetzt werden kann. Gerade kausallogische Fragen sind wesentliche Motive für den Aufbau einer widerspruchsfreien funktionsfähigen Ereignis-Terminologie. Dazu kommt, daß Davidsons Kriterium nicht anwendbar ist: niemand hat Überblick über alle Ursachen und alle Wirkungen von Ereignissen.5 Ein Zusammenhang zwischen der Identität von Ereignissen und ihren Ursachen und Wirkungen besteht jedoch, und zwar die Ersetzbarkeit bedeutungsgleicher Ereignistermini in Kausalaussagen. Tatsächlich gilt: Wenn sAr-sB und U(sA, sC), so U(sB. sC). Wenn s A ^ s B und U(sC, sA), so U(sC, sB). Mit Hilfe dieser Ersetzbarkeitsregeln läßt sich eine Richtung von Davidsons Bikonditional beweisen, nämlich daß identische Ereignisse gleiche Ursachen und gleiche Wirkungen haben. Als philosophische These ist das Teil vieler Kausalkonzeptionen: "Gleiche Ursachen produzieren gleiche Wirkungen". Die Analyse der zweiten Richtung des Bikonditionals setzt wie erwähnt eine Kausalitätstheorie voraus und verlangt weiterhin die Möglichkeit, über Ereignisse zu quantifizieren. Kim geht bei seiner Definition der Ereignisidentität davon aus, daß Ereignisse durch Sätze mit einer Subjekt-Prädikat-Struktur gegeben werden.6 Werden, der Einfachheit halber, Zeitgleichheit und unkomplizierte Sätze vorausgesetzt, läßt sich Kims Idee folgendermaßen formulieren: Zwei durch A und B beschriebene Ereignisse sind genau dann identisch, wenn die jeweiligen Prädikat- und Subjekttermini bedeutungsgleich sind. Diese Formulierung beseitigt bereits einen Haupteinwand gegen diesen Zugang, da Kim von "Gleichheit von Eigenschaften" und "Gleichheit von (physischen) Objekten" spricht. Gegen Kim wurde die Existenz von Ereignissen ohne physisches Objekt geltend gemacht, die obige Formulierung trifft dieser Einwand nicht. Bei den im vorigen Abschnitt gegebenen Erläuterungen, auf welche Weise Aussagen über die Bedeutungsgleichheit von Ereignistermini (und damit über die Identität von Ereignissen) gewonnen werden, wurde auf zwei rein logische Verfahren verwiesen: gegenseitige logische Folgebeziehung und Ersetzung bedeutungsgleicher Termini. Vom dort formulierten Standpunkt aus hat Kim nicht die Relation "identisch" definiert, sondern die (engere) Relation "identisch aufgrund allein logischer und terminologischer Beziehungen". Nach Kims Kriterium sind "das Ereignis, daß Caesar ermordet wurde" und "das Ereignis, daß auf Caesar eingestochen wurde" genauso wenig identisch, wie "das Ereignis, daß Adam den Hut hebt" und "das Ereignis, daß Adam freundlich grüßt" - und zwar
5
6
"ein richtiges Kriterium zu sein, ist eine Sache, ein nützliches Kriterium zu sein, eine andere" (Davidson (1990), S. 256). Vgl. Kim (1966).
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auch dann, wenn dieses konkrete Stechen ein Morden war, und Adam durch Hutheben grüßte. Das liegt daran, daß "Morden" und "Auf-jemanden-einstechen" ebensowenig bedeutungsgleich sind, wie "Hutheben" und "Grüßen". Es lassen sich jedoch immer Ereignistermini finden, die identische Ereignisse bezeichnen und Kims Kriterium nicht genügen, eben weil Ereignisse zwar durch Aussagen konstituiert werden, aber durch diese nicht vollständig beschrieben werden. Der bei Kim fehlende Bezug auf nichtlogische Komponenten kann durch die Betonung der Raum-Zeit-Gleichheit identischer Ereignisse erhalten werden. Lemmon hat vorgeschlagen, Ereignisse als identisch zu betrachten, die gleiche Raum-Zeit-Regionen einnehmen.7 Ein bekanntes Gegenbeispiel ist der rotierende, gleichzeitig die Farbe ändernde Ball: "das Ereignis, daß dieser Ball sich um sich selbst dreht" und "das Ereignis, daß dieser Ball seine Farbe ändert" finden im genau gleichen Raum-Zeit-Intervall statt, sie sind jedoch verschieden. Lewis versucht diesem Einwand zu begegnen, indem Raum-Zeit-Gleichheiten über möglichen Welten betrachtet werden. 8 Damit wird jedoch der ganze ontologische Apparat der Mögliche-WeltenSemantiken ins Spiel gebracht, so ist Lewis Ansatz auch nicht ausgebaut worden. Außerdem trifft jeder Versuch, die Raum-Zeit-Gleichheit zur Identifikation von Ereignissen zu verwenden auf die Schwierigkeit, "Ereignis" zu definieren: Hat jedes Raum-Zeit-Stück "sein" Ereignis? Wenn Armheben die Eigenschaft einer Raum-Zeit-Region ist, welches ist dann die Eigenschaft der gleicher-Raum-halbe-Zeit-Region und wodurch unterscheidet diese sich von denen der halber-Raum-ganze-Zeit-Region und der halberRaum-halbe-Zeit-Region? Allerdings gilt: Wenn Ereignisse identisch sind, dann sind sie Raum-Zeit-gleich. Die Diskussion der Identitätskriterien hat Ergebnisse gebracht, die in jedem neuen Ansatz aufgenommen werden können: 1. Identische Ereignisse sind Raum-Zeit-gleich, aber nicht alle Raum-Zeitgleichen Ereignisse sind identisch. 2. Logische und terminologische Regeln erlauben die Konstruktion bedeutungsgleicher Ereignistermini, aber nicht alle identischen Ereignisse werden durch Aussagen konstituiert, die durch Anwendung logischer und terminologischer Regeln ineinander umformbar sind. 3. Identische Ereignisse haben die gleichen Ursachen und die gleichen Wirkungen; vielleicht sind Ereignisse, die die gleichen Ursachen und die gleichen Wirkungen haben, auch identisch - das kann man nicht nachprüfen. 4. Daß identische Ereignisse die gleichen Ursachen und die gleichen Wirkungen haben, folgt aus der Ersetzbarkeit bedeutungsgleicher Ereignistermini in Kausalaussagen. 5. Um über Identität von Ereignissen sprechen zu können, müssen keine komplizierten neuen Entitäten (wie Propositionen, Eigenschaften von 7 8
Vgl. Lemmon (1967). Vgl. Lewis (1986).
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Raum-Zeit-Gebieten, Veränderungen) postuliert werden. Mehr Ontotogie, als für die Wahrheit v o n Aussagen nötig ist, ist auch für Ereignisse nicht nötig.
Literatur Davidson, D. (1990), Zur Individuation von Ereignissen. In: Davidson, D.: Handlung und Ereignis. Suhrkamp, Frankfurt a. M., S. 233-258 Kim, J. (1966), On the psycho-physical identity theory. American Philosophical Quarterly 3, 227-235. Lemmon, J. (1967), Comments on D. Davidson's "The logical form of action sentences". In: Rescher, N. (ed): The Logic of Decisions and Actions. Pittsburgh University, Pittsburgh, S. 96-103 Lewis, D. (1986), Philosophical papers (vol. II), Oxford University Press, New York, Oxford Wessel, H. (1984), Logik, Verlag der Wissenschaften, Berlin
JOHANNES DOLLING
Some Aspects of the Semantics of Group Expressions 1. Group expressions In the last years, semantics of natural language has been turning to expressions which refer to objects of different ontological sorts. Following the task to characterize the semantic properties of such expressions, it appears that the commonsense ontology reflected in natural language has to be investigated. Thus, the concerning semantic analysis is associated with a clarification of the conceptual conditions which give internal structures to the corresponding domains. In this connection, it has become evident that algebraic and mereological, i. e. part-whole theoretical, points of view are of great importance in this field of semantic investigations. In this paper, I will consider so-called group expressions. Although the specific of such nominal expressions is often mentioned in the literature, till now there are only few proposals for approaches to their semantics. In the following, some possibilities of an account for semantic problems of group expressions are explored. I will suggest, in particular, that the referents of such expressions have to be recognized as objects of a separate ontological sort with characteristic attributes. The definite noun phrases (NPs) in the following sentences are examples of group expressions: (1) (2) (3) (4)
The committee will take a decision The regiment retreated The group of children is gathering The deck of cards was shuffled
In each case these definite NPs include a collective noun which is, moreover, combined with a prepositional phrase in examples (3) and (4). Although they are syntactically singular, the NPs do not denote a single individual but a certain collection of individuals. This fact is sometimes used in justification of the assumption that such expressions have to be accounted semantically as plurals.1 But in my opinion, such a proposal is not acceptable. Following the suggestions of Simons, Link and Landman,2 I assume that collective nouns like committee, regiment, family, orchestra or party refer to groups. Moreover, collective nouns like group, herd, deck or heap as well as collective constructions formed with such nouns refer to groups, too. Although groups are consisting of pluralities of persons, animals or 1 2
Cf. e. g. Bennett (1975). Simons (1982, 1987), Link (1983) and Landman (1989).
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things, they must besides satisfy specific conditions of constitution to be a group. For example, a committee is not simply a plurality of people. Rather, these people have to be organized and to function in a certain way. Analogously, a group of children is not any number of children living at different times or being without relations between themselves. The children must, for instance, come collectively into activity like making a match to constitute a group. However, not only collective nouns and nominal constructions including such nouns are group expressions. In my opinion, also plural NPs appearing in context of collective predicates take over this role. For example, the definite plural NPs in the sentences (5)-(8) denote groups: (5) The cards were shuffled (6) The children and the teachers are gathering (7) The Leitches and the Latches met (8) John and Mary are a happy couple In each case, only the groups constituted by the pluralities of individuals have the concerning property. Furthermore, given a sentence being ambiguous between distributive and collective reading like (9) The boys carry a table upstairs there are two ways of interpretation. On the distributive reading, each of the boys carries a table upstairs. On the collective reading, the boys are together involved in carrying a table upstairs. To my way of thinking, on the former the plural NP denotes a simple plurality, whereas on the latter it denotes the group consisting of those boys. The plan of the paper is as follows: Section 2 contains a discussion of Link's theory of semantic plural. Section 3 gives the outline of an ontology which is sufficiently general to grasp the properties of pluralities as well as of groups. Section 4 deals with some specific mereological features of groups and, in this connection, first accounts for the semantic analysis of group expressions are provided.
2. Plurals, pluralities and groups Before I will present considerations on the semantic account of group expressions, let me make some general remarks on the semantics of plurals. This is useful for two reasons: firstly, because of the above-mentioned possibility that plural NPs in certain contexts refer to groups; secondly, because of the functions of plurals in the formation of collective constructions. Moreover, the knowledge of the ontological status of pluralities is an essential foundation to define the specificity of groups.
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In my view, the first promising approach in the area of the semantics of plurals is that of Link. His theory-* has many advantages in comparison with previous proposals. Particularly, Link's theory offers an explanation of the following phenomena involving plural constructions: the mode of semantic plural operation, the use of only one definite article for both singular and plural NPs and the existence of mixed predicates with respect to the distributive/collective distinction. Two crucial points of this theory can be summarized as follows: (i) In contrast to assumptions like such of Bennett or Scha,4 the semantic distinction between singular and plural NPs is not a distinction between concrete individuals and abstract sets. Following Massey's suggestions,5 the referents of plurals, i. e. the pluralities, are peculiar sums being as concrete as objects making them up. Particularly, conjunctions of NPs like John and Mary and definite plural NPs like the children do not denote sets but algebraic sums. In this sense, in sentence (10) the NP John and Mary denotes the sum of the individuals John and Mary and, analogously, in (11) the NP the children denotes the sum of the concerning children. (10) John and Mary are sleeping (11) The children are sleeping Moreover, in (10) and (11) the predicate are sleeping distributes over the individuals constituting these sums. (ii) The distinction between the distributive and the collective reading of a sentence like (9) is not the result of an ambiguity of the occurring plural NP. Rather, it is derived from a lexical property of the verb involved in such a sentence. Thus the interpretation of both readings of (9) involves one and the same object: the sum denoted by the NP the boys. On the collective reading of the sentence, the VP carry a table upstairs is straightly predicated of this sum; on the distributive reading it is predicated of the individuals making up the sum. According to Link's approach, in sentence (5) the collective predicate were shuffled applies to the sum denoted by the NP the cards. Whereas it seems that this account is correct for sentences like (5), there are some difficulties in cases involving a collective predicate and a conjoined plural NP. For example, consider the sentence (6). Obviously, this sentence is ambiguous: On one reading, it says that all the individuals that are children or teachers are gathering (in the same place). On another (distributive) reading, sentence (6) says that the children and the teachers are gathering separately. Only in the first case, the VP are gathering can considered as a predicate of the sum of the children and the teachers. In second one, such an analysis is impossible. 3 4 5
Founded in Link (1983). Bennett (1975), Scha (1981). Massey (1976).
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In his later papers 6 , Link has argued that the distributive reading of sentences like (6) indicates that plural NPs can also take over the role of group expressions. By it, certain occurrences of such NPs do not denote pluralities but objects being more as the sums of its parts. Therefore, in (6) the collective predicate distributes over the two groups being denoted by the NPs the children and the teachers. In the same way, on the distributive reading of (7), it appears that the group of the Leitches and the group of the Latches had separate meetings. For that reason, Link has revised his theory. He has now added groups to the ontology and group interpretations to the semantics of plurals. However, it seems to me that this change is not sufficient. Here I would like to make only two remarks: Firstly, following Landman 7 ,1 suppose that all plural NPs being the subject of group-level predications are group expressions. Therefore, for example, also the cards in (5) or the children and the teachers in (6) denotes a group, viz. in each case that group which is constituted by the plurality being normally the denotation of the NP. Secondly, I argue that plural NPs can denote not only extensional groups, i. e. groups consisting of a fixed sum, but also groups which are relatively independent of their actual members. For instance, there is a further reading of (8). On this reading the sentence says that the Leitches as a family and the Latches as a family met. But this is also possible if not all members of the families were involved.
3. General mereological principles According to Link, the domain of pluralities has the structure of a complete atomic join semilattice. In addition, the sum operation forming pluralities induces a part-whole relation which is a partial order on the domain. Being atoms in the semilattice, single individuals and groups are specific pluralities by this. The lattice-theoretical approach of Link profits from the fact that extensional mereology developed by Lesniewski and by Leonard & Goodman bears an intended algebraic similarity to set theory.8 Indeed, the models of extensional mereology have the structure of a complete Boolean algebra with zero deleted. Thus there are two principles characterizing systems of extensional mereology: the principle of mereological extensionality and the principle of existence of mereological sums. The first is the thesis that objects with the same parts are identical (by analogy with extensionality of sets). According to the second, the existence of sums of arbitrary objects is generally supposed (by analogy, in a way with unions of sets). 6 7 8
Link (1984, 1991). Landman (1989). This circumstance is explicitly used by Landman (1989) and Lenning (1989).
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In contrast to other authors using mereological arguments,9 Link rightly takes for granted that different domains of objects are determined by different part-whole relations. In this sense, the part relation of pluralities is distinct from the one of individuals, masses, events or groups. Especially, the possible parts of individuals or groups are not parts defined by mereology of pluralities. However, Link assumes that the basic structure of interesting domains is a certain type of lattice fulfilling the above mentioned mereological principles. 10 Following the critical discussion of extensional mereology, 11 just this assumption is insufficient in regard to several ontological sorts of objects. Particularly, in contrast to pluralities, the domain of groups has not the structure of a join semilattice. In the following, I will propose an approach which is sufficiently general to capture also the mereological properties of groups. The principles given below can be considered as elements of the formal commonsense ontology of concrete objects. They characterize conceptual conditions which underlie the structure of corresponding ontological domains. Assuming that these statements are formulated in a suitable type-theoretic language, I will additionally use some special symbols. Let O be a predicate variable for sorts of concrete objects and < 0 the two-place predicate of proper part relation in regard to objects of sort O. Then the following postulates are principles of the general mereology of concrete objects (with x, y, z and u as variables ranging over objects): (PI) (P2) (P3) (P4) (P5) (P6) (P7) (P8)
x -,(y < 0 x) x < 0 y & y < 0 z -» x < 0 z x = 0 y