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German Pages 290 Year 1995
AXEL BIALEK
Perspektiven der Genossenschaft als Organisationsform
Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von
Heinz Grossekettler, Münster· Bernhard Großfeld, Münster Klaus J. Hopt, München· Christian Kirchner, Berlin Dieter Rückle, Trier· Reinhard H. Schmidt, Frankfurt/Main
Band 24
Perspektiven der Genossenschaft als Organisationsform Von
Axel Bialek
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Bialek, Axel: Perspektiven der Genossenschaft als Organisationsform / von Axel Bialek. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts; Bd. 24) Zug!.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1994/95 ISBN 3-428-08465-9 NE:GT
D6 Alle Rechte vorbehalten
© 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5065 ISBN 3-428-08465-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes, das unter der Förderung durch den Wissenschaftsfonds der DG-Bank gestanden hat. Sie wurde im Wintersemester 1994/95 von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster als Dissertation angenommen. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater und akademischen Lehrer Prof. Dr. Heinz Grossekettler, der den Fortgang der Arbeit stets mit wohlwollendem Interesse begleitet hat und mir durch zahlreiche Anregungen und Diskussionen ganz wesentliche Impulse vermittelte. Herrn Prof. Dr. Bernhard Großfeld danke ich für die rasche Übernahme des Zweitgutachtens. Diese Arbeit wäre ohne die großzügige finanzielle Förderung durch den Wissenschaftsfonds der DG-Bank nicht zustande gekommen, wofür ich sehr dankbar bin. Als Koordinator dieses Forschungsprojektes fungierte der Geschäftsführer des Institutes für Genossenschaftswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität, Akad. Dir. Dr. Wilhelm Jäger. Er hat mir nicht nur mit den ausgezeichneten Arbeitsbedingungen am Institut sowie durch sein großes fachliches Engagement sehr geholfen. Daneben stand er mir gerade in den weniger einfachen Phasen des Projektes auch sehr persönlich mit Rat und Tat zur Seite, wofür ich ihm zu tiefem Dank verpflichtet bin. Zum Schluß und eigentlich doch am Anfang von allem sage ich meinen Eltern meinen besonderen Dank. Sie werden wissen, warum. Münster, im März 1995 Axel Bialek
Inhaltsverzeichnis Einführung
17
Kapitell Die Entwicklung der Genossenschaft
23
I.
Wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Genossenschaft: Eine definitorische Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
11.
Das Wesen der Genossenschaft ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
I. Die Genossenschaft als Verein ............. . .........................
28
2. Die Unternehmung der Genossenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
3. Die organisatorische Verknüpfung von Verein und Unternehmen . . . . . . . . . . . .
49
III. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen für genossenschaftliche Betätigung
52
I. Störungen des Marktes .............................................
52
2. Die genossenschaftliche Ausgangslage ................................
55
3. Die sich ändernden Rahmenbedingungen des Marktes
59
a) Ökonomische Parameter
59
b) Rechtliche und politische Bedingungen .............................
62
c) Auswirkungen auf die Genossenschaften ............................
63
IV. Konsequenzen für die genossenschaftliche Entwicklung
65
I. Marktphasen .....................................................
66
2. Genossenschaftliche Strukturtypen ...... . ........ . ............. . .....
68
8
Inhaltsverzeichnis
V.
Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
Kapitel 2 Das Erscheinungsbild der Genossenschaft: Rechtstyp und Rechtswirklichkeit der Genossenschaft
78
Der Rechtstyp der Genossenschaft: Die Mitglicdcrwidmung als Wesensmerkmal
78
I. Zum Begriff des Rechtstyps ....................... . . . ...............
79
2. Die Förderwirtschaftlichkeit der Genossenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
a) Das Schaffen von Nutzungsrechten .................................
81
b) Das Schaffen von Eigentumsrechten ................................
82
3. Die spezifisch genossenschaftliche Identität .. . .... . ........ . ...... . ....
84
Die Marktintegration der Genossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
I. Die Dynamik des Wettbewerbs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
2. Anpassungsvorgänge in der genossenschaftlichen Zusammenarbeit . . . . . . . . . .
89
3. Die Herausbildung neuer Verbundformen ..............................
92
a) Modelle vertikaler Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
b) Beteiligungs- und Finanzierungsmodelle
95
c) Regiebetriebe und Filialisierung
96
d) Holdingstrukturen ..............................................
98
111. Die Rechtswirklichkeit der Genossenschaft: Die Rechtsforrn eG nach dem Genossenschaftsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100
I.
11.
I. Gesetzliche Normierung und genossenschaftliche Vielfalt ................
100
2. Interpretationen des Förderzwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105
Inhaltsverzeichnis
9
a) Hintergrund der klassischen Überlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105
b) Neufassungen und Umdeutungen
106
c) Gefahren der Nivellierung .......................................
109
3. Reformen des Genossenschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .
110
a) Die Novelle des Jahres 1973 .............................. . . . ....
III
b) Das Auftreten von Organisationsproblemen
113
c) Das Entstehen eines Kontrollvakuums .............................. 120 d) Die Konsequenz: Das Glaubwürdigkeitsproblem .................... . . 125 IV. Zwischenergebnis ...................................... . ............ 127
Kapitel 3 Die Genossenschaftsidee im Wandel
I.
129
Genossenschaft - ein Rechtstyp im Übergang? ...... . ..................... 130 I. Die Notwendigkeit der Erhaltung der Glaubwürdigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130 2. Die Konsequenz: Das Verlassen der Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 134 3. Einordnung in den Zusammenhang der finanzwirtschaftlichen Ordnungspolitik
11.
136
Der Bedarf an förderwirtschaftlichen Kooperationsformen ................... 138 I. Aufgabenfelder einer förderwirtschaftlichen Kooperation ................. 138 2. Die Konsequenz: Sicherung und Weiterentwicklung des Rechtstyps ......... 143
Kapitel 4 Überlegungen zur Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
I.
145
Die Alternative: Grundlegende Reform des Genossenschaftsgesetzes . . . . . . . . . .. 146
10
Inhaltsverzeichnis I. Konzentration des Genossenschaftsgesetzes auf die Mitgliederbedürfnisse .... 146 2. Anpassung an Markterfordernisse ....... . ...... . . . ...... . .... . ....... 148 3. Die Einbindung des Mitglieds: Die Mitgliederwidmung der Genossenschaft. .. 153 4. Das Ausfüllen von Kontrolldefiziten .................................. 157 5. Anforderungen an das genossenschaftliche Management .................. 163 6. Sicherung der genossenschaftlichen Identität: Die Bedeutung der Genossenschaftskultur ..................................................... 167 7. Perspektiven einer rechtlich neugestalteten Genossenschaft ....... . ...... . . 171
II.
Die Alternative: Schaffung eines neuen Rechtstyps wirtschaftlicher Kooperation: "Die Kooperationsgesellschaft" ........................................ 176 I. Berücksichtigung der Besonderheiten der betroffenen Märkte
176
2. Horizontale Kooperation und vertikale Integration ....................... 180 3. Mitgliederwidmung einer verbundwirtschaftlichen Kooperation ............ 183 4. Abhängigkeit und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 188 5. Der Mitgliedereinfluß auf das Kooperationsmanagement .... . .... . . . ...... 191 6. Überlegungen zur Rechtsformgestaltung ............................... 193 7. Zukunftsaussichten eines Rechtstyps dynamischer Verbundwirtschaft . . . . . . .. 196 III. Die Alternative: Rechtsformwandel ..................................... 201 I. Möglichkeiten der Rechtsformwahl ................................... 20\
2. Die veränderte Position des Mitglieds ................................. 204 3. Die Sicherung der Eigentumsrechte: Das Stiftungsvermögen .. . . . . . . . . . . . .. 207 4. Auswirkungen auf das Führungshandeln ............................... 211
Inhaltsverzeichnis 5. Konsequenzen erwerbswirtschaftlicher Unternehmensführung ............ "
11 216
6. Die "genossenschaftliche" Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 219 IV. Übertragung der Untersuchungsergebnisse auf die finanzwirtschaftliche Ordnungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 227
KapitelS Konsequenzen für die Organisation förderwirtschaftlicher Zielsetzungen I.
231
Diskussion der Alternativen .. . ........................................ 231 1. Bedeutung der Rechtsfonn eG nach einer Rechtsnovelle .................. 231
2. Anforderungen der genossenschaftlichen Praxis ......................... 232 3. Konsequenzen für die organisationsrechtliche Gestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . .. 236
11.
Die implizite Problematik des Rechtsfonnwandels ......................... 238 I. Strategische Neupositionierung und Mitglieder-/ Eigentümerselektion ....... 238 240
2. Übernahmegefahren
3. Wettbewerbspolitische Folgen ....................................... 243 4. Exkurs: Fallbeispiel .... . .......................................... 246
III. Kooperationspolitische Schlußfolgerung ................................. 248
Kapitel 6 Zusammenfassende Würdigung
249
Literaturverzeichnis
257
Anhang
275
Abbildungsverzeichnis Abb. I: Güterartenschema ................................................. 31 Abb. 2: Klassifikationsschema .............................................. 72 Abb.3: Beziehungsartenschema - Versorgungsgenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 73 Abb. 4: Beziehungsartenschema - integrierte Genossenschaft ..................... 73 Abb.5: Beziehungsartenschema - Marktgenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 76 Abb.6: Zielsystemskala .................................................. 180
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
AG
Aktiengesellschaft
AktG
Aktiengesetz
Anm.
Anmerkung
Art.
Artikel
BB
Betriebs-Berater
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BGBI
Bundesgesetzblatt
bzw.
beziehungsweise
DB
Der Betrieb
ders.
derselbe
DG-Bank
Deutsche Genossenschaftsbank
d.h.
das heißt
Diss.
Dissertation
DRV
Deutscher Raiffeisenverband
DWiR
Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
EG
Europäische Gemeinschaft
eG
eingetragene Genossenschaft
et al.
et alte ra
e.V.
eingetragener Verein
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FN
Fußnote
GenG
Genossenschaftsgesetz
GG
Grundgesetz
GK
Großkommentar
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHR
GmbH Rundschau
14
Abkürzungsverzeichnis
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
HB
Handelsblatt
HdG
Handwörterbuch des Genossenschaftswesens
HGB
Handelsgesetzbuch
Hrsg.
Herausgeber
hrsg.
herausgegeben
i.e.S.
im eigentlichen Sinne
insb.
insbesondere
i.S.
im Sinne
i.Y.m.
in Verbindung mit
KG
Kommanditgesellschaft
KK
Kölner Kommentar
KMK
Koordinationsmängelkonzept
Komm.
Kommentar
KStG
Körperschaftssteuergesetz
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NF
Neue Folge
NJ
Neue Justiz
Nr.
Nummer
o.ä.
oder ähnlich
0.1.
ohne Jahr
0.Y.
ohne Verfasser
RGBI
Reichsgesetzblatt
RZ
Randziffer
S.
Seite
s.
siehe
sog.
sogenannt
Sp.
Spalte
Tz
Teilziffer
u.a.
unter anderem
Verf.
Verfasser
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
Abkürzungsverzeichnis WGV
Westfälischer Genossenschaftsverband
WiSt
Wirtschaftswissenschaftliches Studium
WISU
Das Wirtschaftsstudium
WR
Wirtschaftsrecht - Zeitschrift für Theorie und Praxis
z.B.
zum Beispiel
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
ZfgG
Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
15
Einführung Die Genossenschaften nehmen als Organisationsfonn in der deutschen Volkswirtschaft eine bedeutsame Rolle ein. Schätzungen gehen davon aus, daß jeder vierte Einwohner der Bundesrepublik Deutschland Mitglied einer Genossenschaft ist. Damit stellt sich das Genossenschaftswesen als die größte Mitgliederorganisation der deutschen Wirtschaft dar.] Nun befindet sich das deutsche Genossenschaftswesen in einer Zeit tiefgreifenden Strukturwandels. Das Rechtskleid der eingetragenen Genossenschaft, das das Genossenschaftsgesetz seit nunmehr über einhundert Jahren zur Verfügung stellt, genügt anscheinend den Anforderungen nicht mehr. 2 Nicht zuletzt der Umstand, daß es sich dabei um das älteste gesellschaftsrechtliche Organisationsgesetz in Deutschland handelt, läßt verstärkte Forderungen nach einer Refonn des Genossenschaftsrechts aufkommen. 3 Diese Diskussion wird durch die voranschreitende europäische Integration zusätzlich belebt. Denn die Entwicklung einer einheitlichen europäischen Rechtsfonn Genossenschaft zwingt dazu, eventuell bestehende Unterschiede in der jeweiligen nationalen Genossenschaftskonzeption einander anzugleichen. 4 Doch dazu ist zunächst Klarheit darüber herzustellen, was unter einer Genossenschaft überhaupt zu verstehen ist. Genau dies erweist sich jedoch bei näherer Betrachtung als gar nicht so leicht. 5 Von entscheidender Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Ausgangslage, aber auch der Wandel des wettbewerblichen Umfeldes. Setzten Genossenschaften vor einhundert Jahren vielfach erst den Wettbewerb auf monopolisierten Märkten durch bzw. erhöhten sie den Wettbewerbs grad, so agieren sie heute auf hochentwickelten Märkten, auf denen ein ungeheurer Konkurrenzdruck besteht. Dies ist nicht ohne Folgen auf das Verhältnis zwischen Mitglied und Genossenschaft geblieben. Der hohe WettV gl. DG-Bank (\ 992), S. 13. Siehe z.B. o.v. [FAZ] (\ 993c). 3 So untennauert Steding seinen Ruf nach einer Gesetzesreform damit, daß es sich bei dem GenG um einen "kodifikatorischen Methusalem" handele, der seine Originalität im System des Gesellschaftsrechts zunehmend eingebüßt habe; vgl. Steding (1994), S.5. 4 Zur europäischen Genossenschaft siehe Schaffland (1991). 5 Vgl. Münkner (\993), S. 5. I
2
2 Bialck
18
Einführung
bewerbsgrad relativiert die Kooperationsvorteile. Darüber hinaus treten nicht selten auch die Mitglieder untereinander in einen Verdrängungswettbewerb. Einer wachsenden Entfremdung der Mitgliedschaftsbeziehung begegnet das Genossenschaftsmanagement mit bewußter Anlehnung an die Organisationsmodelle erwerbswirtschaftlich ausgerichteter Unternehmen. Die Genossenschaft als eine Form von horizontaler Kooperation und vertikaler Integration stößt an ihre Grenzen. Dabei wird die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft als unzweckmäßig kritisiert. Es kommt zu neuen Formen genossenschaftlicher Zusammenarbeit, bei denen rechtstypische Grenzen überschritten werden. Als systemverträglich gelten Verbundformen, die den Modellen vertikaler Kooperation folgen. Man fordert ein "genossenschaftliches Franchising" und diskutiert die Einführung strukturverändernder Beteiligungs- und Finanzierungsmodelle. Das Genossenschaftsgesetz wird bei seiner Interpretation immer weiter auf die Grenzen der Belastbarkeit getestet. Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf das genossenschaftliche Selbstverständnis bleiben. So ist bereits vielfach die Rede davon, daß sich die Genossenschaften heute in weiten Teilen in einer Identitätskrise befänden, die aus einer zunehmenden Profillosigkeit herrühre und letztlich die Existenzberechtigung der Genossenschaft als eigenständiger Organisations form infrage stelle. 6 Damit sind unmittelbar die Perspektiven der Genossenschaft angesprochen. Diese Arbeit soll daher untersuchen, ob und inwiefern die Genossenschaft auch noch für die Zukunft ein institutioneller Rahmen für wirtschaftliche Betätigungszwecke sein kann. Dies ist nicht bloß eine Frage des Organisationsrechts, also danach, ob die genossenschaftliche Rechtsform den Anforderungen der Marktteilnehmer im Wirtschafts- und Rechtsverkehr genügt. Es ist darüber hinaus vielmehr grundsätzlich zu untersuchen, ob die Besonderheit der Genossenschaft - nämlich ihr Zielsystem an den Bedürfnissen ihrer Mitglieder auszurichten - angesichts der Marktkonstellationen des ausgehenden 20. Jahrhunderts noch aufrechtzuerhalten ist bzw. überhaupt aufrechterhalten werden soll. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit stets zwei Betrachtungsebenen zu unterscheiden sein. Zum einen ist zu fragen, aus welchen Gründen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Maß einzelne Wirtschaftssubjekte überhaupt an einer genossenschaftlichen Kooperation interessiert sein könnten. Ist dies geklärt, so muß zweitens untersucht werden, wie eine solche Kooperation institutionell zu organisieren ist, um am Markt bestehen und die in sie gesetzten Erwartungen auch erfüllen zu können.
6
So Münkner (1990), S. 2261227; Wagner (1992), S. 14.
Einführung
19
Nun ist das "Untersuchungs objekt", d.h. die Genossenschaft, kein abstrakt-theoretisches Gedankenmodell, sondern eine höchst reale Erscheinung. Allerdings ist sie in ihrer gegenwärtigen Verfassung nur aus ihrer Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte zu verstehen. Denn die Genossenschaften sind zum Zeitpunkt ihrer Gründung die Antwort auf historisch gegebene Situationen gewesen. Offenkundig ist, daß sich diese Rahmenbedingungen genossenschaftlicher Wirtschaft geändert haben. Wenn die Genossenschaft ursprünglich die Überwindung von Störungen der Marktprozesse bewirkt und dadurch ihren Förderzweck erfüllt hat, stellt sich in hochentwickelten Märkten zusehens die Frage nach ihrer weiteren Funktion. Die Arbeit soll dazu aufzeigen, inwieweit sich unter den Markteinflüssen die genossenschaftliche Rechtsidee und die genossenschaftliche Wirklichkeit voneinander entfernt haben. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Angleichung der Genossenschaften an die herkömmlichen Rechtsformen des Gesellschaftsrechts. Die gegenwärtige Auslegung des Genossenschaftsgesetzes wird dabei näher beleuchtet. Erst dadurch kann beurteilt werden, ob und wie stark es bereits zu inneren Strukturbrüchen im deutschen Genossenschaftswesen gekommen ist. Dabei ist es von erheblicher Bedeutung, daß der Frage nachgegangen wird, worin die Ursachen dieser Entwicklung liegen können. So ist es denkbar, daß sie erst von den Genossenschaften selbst geschaffen worden und deshalb quasi "hausgemacht" sind, daß es sich um systemimmanente Tendenzen der genossenschaftlichen Idee handelt oder daß der externe Datenkranz als die Summe der Rahmenbedingungen nicht generell eine erfolgreiche genossenschaftliche Zusammenarbeit zuläßt. Die Frage nach den Perspektiven der Genossenschaft ist deshalb die Frage danach, welche Zukunftschancen ein Rechtstyp besitzt, bei dem das Zielsystem und die Organisationsstruktur mitgliederorientiert gestaltet sind und der zugleich als Marktteilnehmer konkurrenzfähig sein muß. Will man diesen Rechtstyp Genossenschaft auch für die Zukunft sichern, kommt es deshalb darauf an, der Frage von Glaubwürdigkeit, Legitimität und Legalität nachzugehen. Die Arbeit wird dazu zunächst das Leitbild bzw. das Idealmodell der Genossenschaft hinsichtlich seiner Zukunftsfähigkeit kritisch unter die Lupe nehmen. Die Herausarbeitung des genossenschaftlichen Kerns dieses Rechtstyps soll im weiteren als Basis dienen, um - aus ordnungspolitischer Sicht - notwendige Anpassungen und Reformen des Organisationskleides zu diskutieren. Am Ende stellt sich die Frage, ob die Perspektiven für die Genossenschaft in der Rückbesinnung auf ihre Ursprünge und Wurzeln oder in einem Aufbruch zu neuen Ufern liegen können. Aus der Vielfalt und heterogenen Entwicklung des deutschen Genossenschaftswesens ergeben sich dabei allerdings Zweifel, ob es 2*
20
Einführung
bei einem einheitlichen Organisationsmuster bleiben kann, das für die speziellen Mitglieder- und Marktanforderungen des Einzelfalles "angepaßt" wird. Deshalb soll überlegt werden, ob die Lösung der gegenwärtigen Identitätsprobleme in einer grundlegenden Refonn des Genossenschaftsgesetzes, im Übergang zu vertikalen Verbundfonnen und damit in der Herausbildung eines eigenständigen Rechtstyps oder im Aufgeben der Organisationsfonn, d.h. im Rechtsfonnwandel liegen kann. Alle Anzeichen sprechen jedenfalls dafür, daß die traditionelle Ausprägung der Genossenschaft den veränderten Marktbedingungen nicht mehr in jeder Hinsicht gerecht werden kann. Die Arbeit wird dazu in einem ersten Teil die Genossenschaft ökonomisch analysieren. Dabei ist zunächst darzustellen, wann und warum Individuen miteinander kooperieren. Auf diese Weise erhält man einige erste grundlegende Bedingungen, die in jeder Kooperation erfüllt sein müssen. Daran wird sich eine Darstellung des Wesens der Genossenschaft anschließen. Dies deutet bereits an, daß es sich bei der Genossenschaft nicht lediglich um eine austauschbare, weil beliebig verwendbare Möglichkeit der gesellschaftsrechtlichen Organisation handelt. Vielmehr wird zum Ausdruck kommen, daß das Modell der Genossenschaft einer ganz bestimmten Leitidee folgt. Dieses Modell wird dabei aus verschiedenen Sichtweisen, d.h. mit Hilfe in der Literatur zu findender unterschiedlicher Theorieansätze erklärt. Dieses Instrumentarium ennöglicht es, Bedingungskonstellationen zu fonnulieren, unter denen eine Genossenschaftsgründung vorteilhaft sein kann. Es dient insofern als Referenzmodell einer "idealtypischen" Genossenschaft. Nun wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Genossenschaft wegen ihrer Charakteristika - der mitgliederorientierten Zielsetzung und Organisationsstruktur - immer auch an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gemessen werden muß. Deshalb wird auch untersucht, welche Auswirkungen die Markt- und Wettbewerbsprozesse auf die Entwicklung der genossenschaftlichen "Realtypen", so wie sie sich gegenwärtig darstellen, gehabt haben. Diese tatsächlich existierenden Genossenschaften sollen dann an dem ökonomisch definierten Leitbild gemessen werden; dies wird im weiteren als ordnungspolitische Legitimationsgrundlage dienen. Mit Hilfe des daraus gewonnenen theoretischen Gerüstes wird es möglich, im zweiten Teil die organisationsrechtliche Gestaltung und dabei besonders die mitgliedschaftlichen Beziehungen genossenschaftlicher Wirtschaft darzustellen. Dazu wird gleichsam als Ausgangslage das juristische Leitbild der Genossenschaft, der Rechtstyp, herausgearbeitet. Dies schließt die Frage ein, inwieweit aus der - ökonomisch begründeten - spezifischen Rechtsgestaltung der Genossenschaft bzw. ihren Charakteristika
Einführung
21
eine besondere Identität abgeleitet werden kann. Damit wird die eingangs aufgeworfene Fragestellung aufgenommen. Die Ergebnisse dieser normativen Untersuchung werden im weiteren mit der Rechtswirklichkeit verglichen, um mögliche Soll-Ist-Abweichungen feststellen zu können. Dabei wird zunächst zu berücksichtigen sein, mit welchen Veränderungen in den organisatorischen Arrangements die Genossenschaften auf den Einfluß der Wettbewerbskräfte bzw. der Marktzwänge geantwortet haben und ob diese Anpassungsreaktionen mit der Rechtstypik in Einklang stehen. Dem wird die Rechtsentwicklung gegenübergestellt. Dabei soll herausgearbeitet werden, inwieweit durch Modifikationen des Organisationsrechts die Rechtstypik und damit letztlich die Glaubwürdigkeit der Genossenschaft als eigenständige Organisationsform beeinträchtigt worden ist. Die grundsätzliche Frage dabei lautet, ob sich die genossenschaftliche Zusammenarbeit nur lediglich organisatorisch - also formell - oder bereits materiell, d.h. im Gehalt der Mitgliederbeziehungen verändert hat, was auf einen Wandel der Genossenschaftsidee hindeuten könnte. Der dritte Teil verbindet dazu die Ergebnisse der ökonomischen und der rechtlichen Analyse. Er stellt dar, unter welchen ökonomischen Voraussetzungen und organisationsrechtlichen Strukturen eine genossenschaftliche Zusammenarbeit überhaupt sinnvoll und erfolgversprechend ist. Dies ist die Frage danach, ob für den genossenschaftlichen Rechtstyp überhaupt noch ein Bedarf besteht oder ob es sich nicht vielmehr um einen Rechtstyp im Übergang handelt. Dabei wird diese genossenschaftliche Zusammenarbeit zu einer generell förderwirtschaftlichen Kooperation erweitert, um ihr angesichts der Dynamik der Markt- und Wettbewerbsprozesse und den daraus resultierenden veränderten Mitgliederbedürfnissen neue Perspektiven eröffnen zu können. Die bis hierher gewonnenen Erkenntnisse werden im vierten Teil für Vorschläge zur Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise herangezogen. Die bereits angesprochenen Alternativen einer grundlegenden Reform des Genossenschaftsgesetzes, des Rechtsformwandels und der Schaffung eines neuen Rechtstyps wirtschaftlicher Kooperation dienen dabei als Szenarien. Sie werden daraufhin untersucht, inwieweit sie für die gegenwärtig bestehenden Genossenschaften eine Entwicklungsperspektive darstellen. Den Prüfstein sämtlicher Überlegungen wird dazu das ökonomisch-rechtlich definierte Leitbild bzw. Modell der Genossenschaft bilden. Eine Berücksichtigung erfährt hierbei sowohl die unternehmerischbetriebs wirtschaftliche Seite der Kooperation als auch die Kooperation selbst, d.h. vor allem das Verhältnis zwischen dem einzelnen Mitglied und der Mitgliedergesamtheit. Die organisationsrechtlichen Strukturen werden dazu jeweils daraufhin geprüft, welche Perspektiven sich aus der Wahl der
22
Einführung
betrachteten Alternative für die Verfolgung genossenschaftlicher - bzw. allgemeiner: förderwirtschaftlicher - Ziele ergeben. Im fünften Kapitel werden dann die Vor- und Nachteile der Alternativen miteinander verglichen. Dadurch können die jeweiligen Konsequenzen für die Organisation von förderwirtschaftlichen und dabei konkret genossenschaftlichen Zielsetzungen herausgearbeitet werden. Die Diskussion der Perspektiven der Genossenschaft erfährt dabei eine Abrundung, indem die Mitgliedererwartungen als Beurteilungsmaßstab der Alternativen zusätzlich herangezogen werden. Die Ergebnisse der Untersuchung werden im sechsten Teil der Arbeit in einer zusammenfassenden Würdigung betrachtet.
Kapitell
Die Entwicklung der Genossenschaft Um die Frage beantworten zu können, ob und welche Perspektiven die Genossenschaft besitzt, muß zunächst geklärt werden, worum es sich bei einer Genossenschaft überhaupt handelt. Das folgende Kapitel wird dazu die Genossenschaft ökonomisch analysieren. Dadurch soll nicht nur ein Einblick in die Zusammenhänge der genossenschaftlichen Organisationsform geschaffen werden. Darüber hinaus ermöglicht es die Formulierung eines idealtypischen Genossenschaftsmodells bzw. eines Leitbildes. Im Rahmen dieser normativen Analyse soll dann untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen die Genossenschaft eine Möglichkeit zur Organisation wirtschaftlicher Betätigungszwecke darstellt. Damit wäre gleichsam eine ordnungspolitische Referenzsituation für die Verwendung der genossenschaftlichen Organisationsform gewonnen. Für eine Beurteilung der gegenwärtigen Verfassung der Genossenschaften ist danach zu prüfen, ob und inwieweit sich diese - historische - Ausgangslage infolge der Markt- und Weubewerbsprozesse gewandelt hat. Dazu sind die veränderten Rahmenbedingungen zu betrachten, und es ist zu untersuchen, welche Auswirkungen sie auf die Entwicklung der Genossenschaften gehabt haben. I. Wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Genossenschaft: Eine definitorische Vorüberlegung
Gemeinhin nimmt man eine Genossenschaft als eine Zusammenarbeit, eine Kooperation mehrerer Beteiligter wahr. Deshalb soll als erstes untersucht werden, warum Wirtschafts subjekte eine Zusammenarbeit suchen und in welchen Fällen es sich bei einer Kooperation um eine Genossenschaft handelt. Dadurch kann man einen ersten Einblick in die Funktionsweise von Genossenschaften gewinnen. In hochentwickelten Volkswirtschaften findet sich - unter der Voraussetzung eines ungestört funktionierenden dezentralen Planungs- und Lenkungsmechanismus' - eine Vielzahl von Möglichkeiten, ökonomische Aktivitäten zu organisieren. Unter anderem hat dies seinen sichtbaren Ausdruck in der Existenz von Unternehmen unterschiedlicher Größe, Rechts-
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
fonn, Zielsetzung usw. Diese Vielfalt führt jedoch gleichzeitig zu bestimmten Konsequenzen: Die Unterschiede der Untemehmensfonnen ziehen unterschiedliche Marktpositionen, Chancen wie Risiken, nach sich. Eine Möglichkeit, etwaige Ungleichheiten im Sinne einer Nachteilsminderung bzw. Vorteilsaktivierung 7 abzubauen, besteht darin, Kooperationen einzugehen. Der Begriff der Kooperation wird dabei durchaus unterschiedlich verwendet. 8 Im Rahmen dieser Arbeit soll die Münsteraner Kooperationstheorie zugrunde gelegt werden. Danach bedeutet Kooperation das bewußte Handeln von Wirtschaftseinheiten (natürlichen und juristischen Personen) auf einen gemeinsamen Zweck hin, wobei die Einzelaktivitäten der Beteiligten durch einen gemeinsam aufgestellten, längerfristigen Plan zur Erreichung der Kooperationsziele koordiniert werden. 9 Gegenstand dieser Untersuchung ist eine bestimmte Kooperationsforrn, nämlich die Genossenschaft als ein bedeutendes Kooperationsinstrument. Die Genossenschaft soll in diesem Zusammenhang im wirtschaftlichen und nicht im rechtlichen Sinn verstanden werden. lo Wenn man auf die Anwendung einer Legaldefinition, wie sie das deutsche Genossenschaftsgesetz bietet, verzichtet, um einen Genossenschaftsbegriff zu definieren, müssen andere Merkmale dieser Kooperationsfonn als Abgrenzungskriterium herangezogen werden. Es erscheint sinnvoll, dabei von den beabsichtigten Kooperationsgründen auszugehen, so daß die intendierte Zweck setzung bzw. das Zielsystem eine Genossenschaft definieren kann. 11 Nach einer Formulierung von Draheim besteht die maßgebende Aufgabe einer Genossenschaft darin, "bestimmte, unmittelbar aus den MitgliederVgl. Gruhler (1984), S. 172. Siehe den Überblick bei Blümle/Schwarz (1977), S. 308/309. Dort wird Kooperation definiert als "Zusammenarbeit [... J, bei der Personen und/oder Organisationen aufgrund gemeinsamer Interessen durch Verhandlung oder Abmachung ihr Verhalten gegenseitig koordinieren bzw. über die Erstellung einer Kooperationsleistung bestimmen, die ihnen als Kooperationsträger unmittelbar (Dienstleistungen) oder mittelbar (Interessenvertretung) zugute kommt". ~ Vgl. Boettcher (1974), S. 22. Die auf Boettcher zurückgehende Definition von Kooperation ist in Anlehnung an Grossekettler ergänzt. Er betont den zeitlichen Aspekt der Kooperation, die typischerweise für wiederkehrende Leistungen innerhalb einer längeren Zeitspanne eingegangen wird. Kooperation ist daher eine Zusammenarbeit, bei der "Wirtschaftspläne von wenigstens zwei Unternehmen [... ) auf verbindliche [... J, nicht autoritäre Weise ex ante aufeinander abgestimmt werden", s. Grossekettler (1978), S. 325. Vgl. dazu auch Eickhof(1982), S. 204/205 und Bracht (1979), S. 57. Dort wird - ebenfalls unter Bezugnahme auf Grossekettler - darauf verwiesen, daß sich Kooperation freiwillig und unter Wahrung auch der künftigen Selbständigkeit vollzieht. 10 Zur Unterscheidung siehe Pauliek (1956), S. 3-5. 11 So auch Paulick (1954), S. 5. 7
M
I. Wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Genossenschaft
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wirtschaften erwachsende Bedürfnisse möglichst vorteilhaft für diese zu befriedigen" \2. Somit beruht die Genossenschaft auf dem Gedanken der verbandsmäßig organisierten Selbsthilfe. 13 Die Mitgliederwirtschaften zu unterstützen bzw. zu fördern, ist der Zweck einer Genossenschaft. Daher soll in dieser Arbeit ein Genossenschaftsbegriff fonnuliert werden, wonach eine Kooperation dann als Genossenschaft anzusehen ist, wenn ihr eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung zugrunde liegt. Dabei ist der Ausdruck förderwirtschaftlich im Sinne von "primär leistungs-, nicht renditeorientiert" definiert. Dieser Genossenschaftsbegriff wird im folgenden als leitbildähnliche Zwischendefinition verwandt,14 die es erleichtern soll, zu einer ökonomischen Definition voranzuschreiten, welche sich nach den ökonomischen Funktionen der Kooperation richtet. 15 Der Begriff der Genossenschaft soll dabei nicht allein auf die gemeinsame Unternehmung der Kooperierenden reduziert werden. 16 Vielmehr umfaßt er die Gesamtheit der Mitgliederwirtschaften mit ihren Beziehungen zum gemeinsam betriebenen Unternehmen, so daß sich eine Genossenschaft als Verbundsystem aus Genossenschaftsunternehmung und Mitgliederbetrieben beschreiben läßt. 17 Sie kann aufgefaßt werden als ein Verein der beteiligten Mitgliederwirtschaften, die sich auf diese Weise gegenseitig fördern. Da sich eine organisierte längerfristige Zusammenarbeit im Vergleich zu Spotmarktbeziehungen als vorteilhaft erweist, errichten sie ein Unternehmen - den Genossenschaftsbetrieb -, mittels dessen der Verein auf Absatz- oder Beschaffungsmärkten tätig wird. 18 Die förderwirtschaftliche Zwecksetzung besteht dabei - wie noch genauer zu zeigen sein wird - darin, Vorteile zu erlangen, die nur in der Vereinsfonn realisiert werden können, und den Verein gleichzeitig so mit einem Unterneh-
Draheim (1955), S. 16. Vgl. Schmidt (1986), S. 936, der hieraus einen spezifisch genossenschaftlichen Verbandszweck ableitet. 14 Ein solches Leitbild liegt der Typisierung der Genossenschaft als Wirtschaftsfonn, Organisationstyp oder Rechtstyp zugrunde, vgl. Münkner (1993), S. 9. 15 Paulick (1954), S. 99 spricht von einem überpositiven Genossenschaftsbegriff, der historisch gewachsen sei und über den durch das positive Recht nonnierten - rechtlichen - Genossenschaftsbegriff hinausreiche; er ist somit von der positivrechtlichen Gestaltung unabhängig. 16 Eine solche Darstellung findet sich bei Hahn (1975), siehe insbesondere S. 89/90. 17 V gl. Dülfer (1977), S. 321 der hierfür den Ausdruck Betriebsverbund verwendet. Dagegen lehnen Blümle/Schwarz (1977), S. 308 diesen Begriff ab und sprechen von Betriebsverband. 18 Dieser Gedankengang findet sich bei Jäger (l991a), S. 10/11; ders. (l992a), S. 23-25. 12
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
men - dem Genossenschaftsbetrieb - zu verbinden, daß hieraus zusätzliche Organisationsvorteile resultieren. Eine solche Interpretation der genossenschaftlichen Zusammenarbeit stützt sich auf die von W. Jäger eingeführte Definition, nach der die Genossenschaft ein Verein mit Unternehmung iSt. 19 Diese Definition soll somit als Grundlage der theoretischen Analyse dienen. In einem ersten Schritt wird deshalb danach gefragt, wodurch ein Verein ökonomisch charakterisiert ist und für welche Aufgaben er sich grundsätzlich eignet; auf diese Weise soll die Vorteilhaftigkeit einer Vereinsgründung deutlich gemacht werden. Daran anschließend ist zu untersuchen, in welchen Fällen es sinnvoll sein kann, eine ökonomische Aktivität mittels eines (eigenen) Unternehmens abzuwickeln, anstatt sich des Marktes zu bedienen. Auch hier gilt es, Vorteile herauszuarbeiten, die sich der Verein daraus verspricht, daß er ein Unternehmen selbst betreibt. Beide Überlegungen werden dann zusammengeführt, um dadurch die spezifische Konstruktion der Genossenschaft als Verein mit Unternehmung erklären zu können. Zugleich wird damit versucht, eine "Bedingungskonstellation" genossenschaftlicher Wirtschaft zu gewinnen. Dazu sollen drei Erfordernisse formuliert werden, die - aus ökonomischer Sicht - als konstitutiv für die Errichtung einer Genossenschaft anzusehen sind. Für die sich nun im folgenden anschließende Analyse mag man sich das Beispiel einer Molkereigenossenschaft vorstellen?O Dabei wird eine solche Genossenschaft zunächst nur beschreibend dargestellt. Die jeweiligen theoretischen Überlegungen werden dann schrittweise auf dieses Beispiel übertragen, um erklären zu können, weshalb für die betroffenen Milchbauern der Zusammenschluß zu einem Verein und das gemeinsame Betreiben eines Unternehmens vorteilhaft sind. Dabei wird sich zeigen, daß man die Funktionsweise - bzw. allgemeiner: das Wesen - einer Genossenschaft aus unterschiedlichen Sichtweisen ausdrücken kann. Dies führt dazu, daß für die Beschreibung gleicher oder zumindest ähnlicher Sachverhalte verschiedene Sprachsysteme benutzt werden können. Indem nun von einem konkreten Beispiel aus die jeweiligen theoretischen Ansätze vorgestellt werden, ergibt sich quasi eine "übergeordnete Perspektive", von der aus sichtbar wird, welche unterschiedlichen Wege für die Erklärung der Genossenschaft in der Literatur zu finden sind. 19 Siehe Jäger (l992a), S. 23: "Die Genossenschaft ist keine Unternehmung, sondern sie betreibt eine Unternehmung." (Hervorhebung im Original gespent gedruckt). Zu den nachfolgenden Ausführungen vgl. Jäger (l991a), S. 111-114; ders. (l991b), S. 6-8; ders. (1992a), S. 23-26. 20 Siehe hierzu auch Hansen (1980), Sp. 1248-1262; Bonus (l987a), S. 16-29; Grossekettler (1989a), S. 10-13; Höser (1989), S. 12/13.
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Auf den Höfen der einzelnen Milchbauern wird Rohmilch produziert; um sie in einen vermarktungsfähigen Zustand zu versetzen, ist eine aufwendige Weiterverarbeitung erforderlich. Hierzu bedarf es einer technischen Ausstattung, die für einen einzelnen Milcherzeuger finanziell nicht tragbar ist. Nun sind technische Gegebenheiten dafür verantwortlich, daß ein Milchverarbeitungsunternehmen mit zunehmender Betriebsgröße tendenziell leistungsfähiger wird - wobei Rohmilch nur innerhalb begrenzter Gebiete umgeschlagen werden kann. Daher kann es zu einer Entwicklung kommen, bei der es in einem Gebiet bzw. in einer Region jeweils nur noch eine Molkerei gibt, die dann die Stellung eines Regionalmonopolisten einnimmt. Würden die Milchbauern Spotmarktbeziehungen zu einem solchen Milchverarbeiter unterhalten, bestünde die Gefahr einer monopolistischen Ausbeutung. Um dem zu begegnen, übernehmen die Landwirte den Betrieb der Molkerei in eigener Regie. Dazu schließen sich die Milchbauern eines Gebietes zu einer sog. landwirtschaftlichen Verwertungsgenossenschaft zusammen. Das Genossenschaftsunternehmen fungiert als Abnehmer der Rohmilch; dieses Unternehmen wird auf der den Mitgliederwirtschaften gegenüberliegenden Marktseite errichtet. Auf diese Weise werden die Mitglieder indirekt ihre eigenen Transaktionspartner; sie sind Träger, Kapitalgeber und Lieferanten bzw. Abnehmer ihres eigenen Unternehmens?) Damit umfaßt die Genossenschaft zwei Marktstufen. 22 Das Genossenschaftsunternehmen ist dabei fest in das wettbewerbliehe Umfeld eingebunden; insofern unterscheidet es sich in betriebs wirtschaftlicher Hinsicht nicht von anderen Unternehmen. Trotzdem ist es auf die Bedürfnisse der Mitgliederwirtschaften ausgerichtet. Daher kann es niemals eine völlig verselbständigte Einrichtung sein: Es bleibt immer mitgliederabhängig. 23 Mittels der Genossenschaft gelingt es nun den Mitgliederwirtschaften, Waren bzw. Dienstleistungen zu beschaffen und/oder abzusetzen; die Förderleistung der Genossenschaft besteht darin, daß durch ihre Aktivitäten die Handlungs- und Erwerbsmöglichkeiten der Mitglieder in leistungsorientierter (also nicht bloß renditeorientierter) Hinsicht verbessert werden. 21 Vgl. Boettcher (l980b), S. 24/25. Nach Jäger (l992a), S. 24 handelt es sich daher zwischen dem Genossenschaftsunternehmen und den Mitgliederwirtschaften auch nicht um Marktbeziehungen, sondern um mitgliedschaftliche Geschäftsbeziehungen. 22 V gl. Jäger (l992a), S. 23-25 sowie das dort zu findende genossenschaftliche Organigramm. 23 Jäger (1992a), S. 25 sieht hierin eine einzigartige Spannung zwischen Unternehmenserfolg und Mitgliedererfolg, wobei es letztlich allein um die den Mitgliederwirtschaften zuwachsenden Erfolge gehe.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
Die Tatigkeit der Molkereigenossenschaft besteht nun darin, die Rohmilch zu solchen Produkten zu verarbeiten, mit denen bestmögliche Erlöse am Markt erziel bar sind. Auf diese Weise soll den Bauern ein möglichst hohes Milchgeld gezahlt werden. Würde jeder Landwirt für sich alleine agieren, wäre er gezwungen, die anfallende Rohmilch zu einem relativ niedrigen Preis abzusetzen. Schließlich ist sein Produkt weitgehend austauschbar. Trifft er angesichts dieser Ausgangslage auf eine selbständige und rein erwerbswirtschaftlich orientierte Molkerei in der Position eines Monopsonisten, wird diese den Milchpreis unter das Grenzwertprodukt zu drücken versuchen. Anders verhält es sich im Verein mit den anderen Milchbauern. Denn die Genossenschaftsmolkerei sorgt dafür, daß die Bauern den (wohlfahrtsökonomisch "richtigen") Preis in Höhe des Grenzwertprodukts erhalten. Der Garant hierfür ist die Genossenschaft bzw. ihr Unternehmen, das in der Weise am Markt agiert, daß den Mitgliedern daraus der höchstmögliche Nutzen zufließt. 24 Dies ist zugleich der Förderzweck der Molkereigenossenschaft. 11. Das Wesen der Genossenschaft
1. Die Genossenschaft als Verein In einem ersten Schritt soll nun untersucht werden, inwiefern man eine Molkereigenossenschaft als einen Verein von Milcherzeugern auffassen kann und warum eine derartige Vereinsgründung für die beteiligten Milchbauern vorteilhaft ist. Es wäre ja vorstellbar, daß jeder Landwirt für sich selbst die Weiterverarbeitung der Rohmilch bis hin zum Absatz der Fertigprodukte in die Hand nimmt. Hierzu benötigt man jedoch eine umfangreiche technische Ausstattung, die einen - insbesondere wegen Unteilbarkeiten aus produktions technischen Gründen - bestimmten Mindestumfang des Geschäftsbetriebes erfordert. Als Beispiel sei auf Mindestgrößen für Zentrifugen, Separierer, Erhitzer, Verdampfer, Abfüllmaschinen usw. verwiesen. Daher führt der Betrieb einer Molkerei zu einem relativ hohen Fixkostenblock, der erst ab einer bestimmten Menge an Rohmilch tragbar wird. Entsprechend hoch sind die Kosten der Betriebsbereitschaft. Daher ist eine Ausweitung auf möglichst viele Nutzer vorteilhaft. Eine Mehrauslastung der Kapazitäten ist ohne weiteres möglich; denn die zusätzliche
24 So erhielt die erste in den Niederlanden gegründete landwirtschaftliche Einkaufsgenossenschaft vor gut 100 Jahren von ihren Gründern den Namen "Aus wohlverstandenem Eigeninteresse", zitiert nach Wülker (1993), S. 70.
II. Das Wesen der Genossenschaft
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Verarbeitung von Rohmilch anderer Milcherzeuger wird von den ursprünglichen Mitgliedern der Molkereigenossenschaft - im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten - nicht als störend empfunden. Trotzdem kann die Genossenschaft die Anlieferung von Milch durch Nichtmitglieder ohne Probleme ablehnen bzw. ausschließen: Die von ihr bewirkten Vorteile also das jeweils bestmögliche Milchgeld - kommen daher nur ihren Mitgliedern zugute. Hinzu kommt die immer wichtiger werdende Frage der Vermarktung der verarbeiteten (Roh-)Milch. Hierbei handelt es sich um eine Form von Know-how, das abnutzungsfrei aufgebaut werden kann und daher - ebenfalls - bei einer steigenden Verarbeitungs- und Vermarktungsmenge immer "günstiger" wird?5 Für die Vermarktung spielt außerdem eine Rolle, daß die meisten Anlagen einer Molkerei so beschaffen sind, daß ohne größere Komplikationen auch andere (Milch-)Produkte hergestellt werden können. Die betriebliche Praxis ist daher dadurch gekennzeichnet, daß die Zusammensetzung des Produktionsprogramms jeweils an den Marktgegebenheiten und hierbei insbesondere an den zu erwartenden Erlösen ausgerichtet werden kann und auch wird. Es kommt also deshalb zu einem Zusammenschluß der Milchbauern, weil sie erwarten, gemeinsam mehr zu erreichen, als es jeder einzelne allein auf sich gestellt vermag. Mit anderen Worten schließen sich die Individuen zu einem Kollektiv nur deshalb zusammen, weil sie dadurch Vorteile realisieren können, die außerhalb des Kollektivs nicht möglich wären. Die für eine solche Kollektiv- oder auch Verbandsbildung erforderliche Erwirtschaftung eines Gruppenvorteils ergibt sich nun vor allem aufgrund zweier Phänomene. 26 Gräßenvorteile (economies of scale) bewirken, daß bei einer steigenden Ausbringungsmenge die Durchschnittskosten sinken, d.h. daß die Grenzkosten im relevanten Bereich unter den Durchschnittskosten verlaufen. Hierzu zählen Vorteile von funktionell bedingten Mindestgrößen sowohl physiotechnischer als auch soziotechnischer Art, die bewirken, daß eine Produktionsaufnahme erst ab einer bestimmten Mindestmenge rentabel ist. Ersparnisse aufgrund der Harmonisierung von Leistungsquerschnitten ergeben sich, wenn Aggregate unterschiedlicher Kapazität aufeinander abgestimmt werden müssen. Vorteile entstehen auch bei der Anwendung unternehmensspezisehen Know-hows, da es abnutzungsfrei verwendet 25 Darüber hinaus kann eine Molkerei eine selbständige Rolle als Vermarkter nur dann spielen, wenn sie ein mengenmäßig ausreichendes Angebot ständig vorhalten kann. 26 Die folgende Darstellung geht zurück auf Grossekettler (I 989a), S. 4-7.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
werden kann. Ein technisch bedingter Vorteil ergibt sich durch die sog. Zwei-Drittel-Regel, nach der die vom Volumen abhängige Leistungsabgabe in der dritten, die von der Ober- und Standfläche abhängigen Produktionskosten jedoch nur in der zweiten Potenz steigen. Schließlich sei noch auf Spezialisierungsvorteile, die z.B. aus Lerneffekten herrühren, und Zentralisierungsvorteile im Zuge erhöhter Dispositionssicherheit hingewiesen. Verbundvorteile (economies of scope) sind bei der Produktion unterschiedlicher Güter erziel bar, wenn der für ein Gut bereits erforderlich gewordene Fixkostenblock (als Kosten der Betriebsbereitschaft) zusätzlich für die Produktion anderer Güter herangezogen werden kann. Weitere Synergieeffekte sind bei der Realisierung von Risikovorteilen und von Lebenszyklusvorteilen denkbar, wenn Produkte mit unterschiedlicher Konjunkturanfälligkeit bzw. unterschiedlichen Produktlebensphasen miteinander kombiniert werden können, so daß es zu einer Verstetigung der Einnahmen kommt. Weiterhin sind Informationsvorteile zu nennen, die bei mehrfach verwendbaren Informationen anfallen: Man erhält zusätzliche Informationen ohne Mehrkosten. Komplementierungs- bzw. Integrationsvorteile können realisiert werden, wenn bei der Beschaffung bzw. bei der Produktion eines Gutes anstelle eines mehrteiligen, getrennten Verfahrens durch Konzentration auf eine Stelle Kosten gespart werden können. Werden Standards vereinbart, die die Kombinationsfähigkeit einzelner Güter bzw. deren Normung und Typisierung ermöglichen, entstehen Standardisierungsvorteile. Schließlich sind Symbiosevorteile bei der Kombination sich wechselseitig fördernder Güter denkbar.
Größen- und Verbundvorteile haben zur Folge, daß sich bei der Produktion einer erhöhten bzw. einer weiteren Gütermenge sinkende Durchschnittskosten ergeben. 27 Sind also mehrere Nachfrager an individuellen Mengen eines derartigen Gutes interessiert, so stellen sie sich am besten, wenn sie sich zusammenfinden und gemeinsam Nachfrage entfalten. Deshalb läßt sich die Aussage treffen, daß die Errichtung einer Molkereigenossenschaft - oder generell: einer Genossenschaft - dort angezeigt sein kann, wo zur Bereitstellung einer Leistung über ein Kollektiv (d.h. einen Personenverband) Größen- und/oder Verbundvorteile realisiert werden können. Kommt man jetzt auf das Beispiel der Molkereigenossenschaft zurück, so besteht deren Leistung - bzw. in anderen Worten das von ihr zur Verfügung gestellte Gut - in der Weiterverarbeitung und Vermarktung der (Roh-)Milch. Nun bietet ein Kollektiv seinen Mitgliedern bestimmte Lei27
Vgl. Grossekettler (1989a), S. 4/5.
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II. Das Wesen der Genossenschaft
stungen an. Bezeichnet man solche Leistungen als "Kollektiv güter" , so ist zu fragen, wie derartige Güter beschaffen sein müssen, damit sich Individuen bereit finden, zur Nachfrage danach ein Kollektiv zu bilden. Das Analyseinstrument stellt hierfür die Kollektivgütertheorie zur Verfügung?S Sie unterteilt Güter in Individual- und Kollektivgüter anhand zweier Kriterien. Der Rivalitätsgrad sagt aus, ob ein weiterer Nutzer beim Konsum eines Gutes von den bisherigen Nutzern als störend empfunden wird oder nicht. Während es hier also darum geht, ob ein Ausschluß von der gemeinsamen Nutzung wünschenswert oder notwendig ist, gibt der Exkludierbarkeitsgrad an, ob ein solcher Ausschluß mit privatrechtlichen Mitteln zu tragbaren Kosten überhaupt möglich ist. Anhand dieser zwei Kriterien mit ihren jeweils zwei Ausprägungen können insgesamt vier Gruppen von Gütern gebildet werden. 29 Exklusion
Rivalität im Konsum
I I
möglich
nicht möglich
gegeben
Individualgut
Quasikollektivgut
nicht gegeben
Klubkollektivgut
Protokollektivgut
Abbildung I: Güterartenschema
Die Leistung( -serstellung) einer Molkereigenossenschaft ist demnach als ein Klubkollektivgut anzusehen. 3o Denn sie kann - wie jede andere Genossenschaft auch - jeden einzelnen Nutzer3 ) auf privatrechtlichem Wege von der Inanspruchnahme ihrer Leistungen ausschließen, indem sie 28 Zur Kollektivgütertheorie siehe beispielsweise Arnold (1992); Grossekettler (1985); ders. (1991a); Musgrave et al. (1990); Stiglitz/Schönjelder (1989); Thoma (1985); Zimmermann/Henke (1987). 29 Diese Einteilung geht zurück auf Musgrave et al. (zuletzt 1990), S. 57 und wurde von Grossekettler (1985), S. 212/213 weiterentwickelt. Dabei ist der Begriff "prototypisches Kollektivgut" bzw. "Protokollektivgut" an die Stelle der bislang verwendeten Bezeichnung "Zwangskollektivgut" getreten; siehe dazu den Beitrag von Grossekettler "Mikroökonomische Grundlagen der Staatswirtschaft" in der Festschrift Schumann (erscheint Anfang 1995). 30 Siehe die ausführliche Ableitung bei Grossekettler (1984), S. 61-71 und insb. S. 73. 31 Es sei deutlich darauf hingewiesen, daß an dieser Stelle der Begriff "Nutzer" nicht synonym zu "Mitglied" verwandt wird. Denn hier geht es nur um die technische Ausschlußmöglichkeit der Genossenschaft, nicht jedoch um die genossenschaftsrechtliche Frage, ob sie Mitglieder vom Geschäftsverkehr ausschließen darf.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
etwa die Geschäftsbeziehung zu ihm abbricht. Andererseits dürften es die bisherigen Mitglieder aufgrund des produktionstechnisch erforderlichen Mindestumfanges ihres Geschäftsbetriebes nicht als eine spürbare Beeinträchtigung ansehen, wenn die Einrichtungen der Molkereigenossenschaft durch zusätzliche Nutzer in Anspruch genommen werden. Es ist nun darauf einzugehen, durch welchen Mechanismus bei den einzelnen Güterarten Angebot und Nachfrage zum Ausgleich gebracht werden können. Bei Individualgütern nimmt diese Aufgabe der Markt wahr. 32 Wegen der Rivalität im Konsum müssen bei jeder Mehrnachfrage zusätzliche Gütereinheiten zu den jeweiligen - steigenden - Grenzkosten hergestellt werden. Nach der wohlfahrtsoptimalen Grenzkosten-Preis-Regel sollen die Grenzkosten eines Gutes dem Grenznutzen seines Verwenders entsprechen. Dieser Grenznutzen wird vom Käufer durch die Kaufentscheidung dann in Form von Zahlungsbereitschaft geäußert, wenn er aufgrund der Realisation des Exklusionsprinzips ("Jeder, der ein Gut nutzen will, soll dafür zahlen!") das Nutzungsrecht nicht auf andere Weise erhalten kann. Er enthüllt auf diese Weise seine Präferenzen, gibt dadurch dem Produzenten die notwendigen Informationen für dessen Produktionsentscheidungen und wird auf diese Weise gleichzeitig zur Kostendeckung herangezogen. 33 Dies funktioniert ohne Staatseingriffe aber nur, wenn auf privatrechtlicher Basis entsprechende Ausschlußmöglichkeiten 34 bestehen; und es ist nur sinnvoll, wenn eine Rivalität im Konsum existiert, d.h. wenn die Versorgung zusätzlicher Nutzer zusätzliche Kosten verursacht. Anders verhält es sich im Fall der Nicht-Individualgüter, d.h. der Gesamtheit der Kollektivgüter. Sie sind dadurch charakterisiert, daß es keine Rivalität im Konsum und/oder keine Möglichkeit des Ausschlusses gibt. Die fehlende Rivalität im Konsum äußert sich unter Kostenaspekten darin, daß die Grenzkosten unter den Durchschnittskosten - im Extremfall mit einem Wert von Null - verlaufen. Wegen der Nichtbeeinträchtigung im Nutzen ist zusätzlicher Nutzen kostenlos erzeugbar; bei Grenzkosten von Null wäre es ineffektiv, einen Preis zu erheben. Trotzdem fallen Kosten bei der Bereitstellung des Gutes an. Ein Angebot wird sich daher 32 V gl. im folgenden Musgrave et al. (1990), S. 55-58; siehe dazu auch Grossekettler (1984), S. nn3 mit dazugehörigen Tarifierungsempfehlungen. 33 Vgl. Zimmermann/Henke (1987), S. 42. 34 Die Kollektivgütertheorie spricht vom Begriff der "wirtschaftlich vertretbaren Exklusionstechnik", vgl. Grossekettler (1985), S. 222/223. Die bei einer Durchsetzung des Ausschlußprinzips anfallenden Exklusionskosten sind Transaktionskosten, deren Höhe technisch bedingt ist. Daher gelten die jeweiligen Exklusionsmöglichkeiten als vom Stand des physio- und soziotechnischen Wissens abhängig, vgl. Goldbeck (1991), S. 15.
11. Das Wesen der Genossenschaft
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nur dann finden, wenn zuvor eine Entscheidung über die Bereitstellung und Finanzierung des betreffenden Gutes getroffen wurde. 35 Daher muß die Nachfrage zunächst organisiert werden, um effektiv geäußert werden zu können. Hierfür bietet sich die Bildung eines Kollektives an, das alle interessierten Nutzer umfassen müßte. Besteht nun aber keine Möglichkeit des Ausschlusses, werden Präferenzen nicht oder nur unvollständig enthüllt. 36 Denn einzelne Nachfrager werden zu strategischem Verhalten ermuntert. 37 Da sie wissen, daß Zahlungsunwillige mangels geeigneter Exklusionstechniken nicht vom Konsum ausgeschlossen werden können, versuchen sie, ohne eigenen Beitrag als "Triubreufahrer,,38 an der von anderen herbeigeführten Güterbereitstellung teilzuhaben. Verhält sich jeder Konsument nach diesem Muster, kommt eine effektive Nachfrage nicht zustande; sie muß also wiederum im vorhinein organisiert werden. Nur ist dies mit der Schwierigkeit verbunden, alle in Frage kommenden Nutzer auch wirklich zur Zahlung heranziehen zu können, wozu unter Umständen ein gewisses Maß an Zwang erforderlich ist. Die Organisation der Nachfrage ist damit eine Frage nach dem zu wählenden Typ des Kollektivs. Die Finanzwissenschaft unterscheidet hier bestimmte Verbandstypen, die sich anhand ihres Extensionsniveaus (e) abstufen lassen. 39 Auf einer Skala ergeben sich die einzelnen Verbandstypen wie folgt: e=O Individualniveau e=l Vereinsniveau e=2 Zwangsvereins- bzw. Zwangsgenossenschaftsniveau e=3 Kommunalniveau e=4 Landesniveau V gl. Musgrave et al. (1990). S. 56. Zum Problem der Präferenzenthüllung siehe Pommerehne (1987), insb. S. 5-7, der im weiteren verschiedene Verfahren der Präferenzerfassung bietet. 37 Vgl. Zimmermann/Henke (1987), S. 42. Stiglitz/Schönjelder (1989), S. 114/115 illustrieren das Schwarzfahrerproblem anhand einiger Beispiele. 38 Synonym verwandte Begriffe sind "free rider" oder auch "Außenseiter". 39 Diese Darstellung bezieht sich auf Crossekettler (1991 a), S. 78-81. Das Extensionsniveau gibt die Verbandskompetenz an und beschreibt, worauf sich die Exklusions- und Finanzierungsmöglichkeiten des jeweiligen Verbandstyps erstrecken. Stehen aus transaktionskostentheoretischen Gründen technische Möglichkeiten der Exklusion für privatrechtliche Lösungen nicht (mehr) zur Verfügung, finden hierbei öffentlichrechtliche Mittel Verwendung, die in zunehmendem Maße Zwangselemente - in Übereinstimmung mit der jeweiligen Rechtsordnung - enthalten. 35
36
3 Bialck
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
e=5 Bundesniveau e=6 Staatengemeinschaftsniveau e=7 Weltniveau Die Wahl des angemessenen Extensionsniveaus hat in Abhängigkeit von dem bereitzustellenden Gut zu erfolgen. Bei Individualgütern bestehen wegen der Rivalität im Konsum und der Funktionsfähigkeit des Ausschlußprinzips relativ hohe Grenzkosten und geringe Exklusionskosten. Sie können zu Marktpreisen in Höhe der Grenzkosten gehandelt werden. Hierfür ist das Individualniveau geeignet. Anders verhält es sich bei der Versorgung mit Kollektivgütern. Für sie stehen mehrere Verbandstypen zur Wahl. Eine Entscheidung für einen bestimmten Verbandstyp sollte sich an dem Kongruenz- und dem Subsidiaritätsprinzip orientieren. 40 Das Kongruenzprinzip stellt an die Organisation von Kollektiven drei Anforderungen. Erstens soll der Kreis der Nutzenempfänger dem der Kostenträger entsprechen, so daß dem Grundsatz der fiskalischen Äquivalenz Genüge getan ist. Zweitens sollen die Adressaten einer (Bereitstellungs-)Entscheidung gleichzeitig auch die Kontrollberechtigten sein, um eine demokratische Verbandsorganisation gewährleisten zu können. Drittens sollen die Kontrollberechtigten Kontrollen selbst durchführen oder zumindest Kontrolleure direkt wählen können; die Kontrolle darf also nicht unnötig mediatisiert werden. Daneben stellt sich die Frage, woran sich das Verhältnis zwischen dem einzelnen Mitglied und dem Kollektiv, d.h. der Mitgliedergesamtheit orientieren sollte. Aus der Entstehungsgeschichte der Genossenschaften 41 wie auch angesichts der Rahmenbedingungen einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung42 kann dabei auf das Subsidiaritätsprinzip zurückgegriffen werden. 43 Es wurde ursprünglich durch Pius XI. in der Enzyklika "Quadragesimo Anno" formuliert, fand jedoch schnell auch über die katholische Soziallehre hinaus Beachtung. 44 Nach einer Auslegung von NellBreuning45 bedeutet das Subsidiaritätsprinzip, daß zunächst die GesellVgl. hierzu Grossekettler (l991a), S. 70/71. Vgl. Weiser (1987), S. 12. 42 Vgl. Mändle/Winter (1980), Sp. 891-839. 43 Siehe dazu auch Grossekettler (1991 b), S. 113, der dem ökonomischen Subsidiaritätsprinzip den Eigenwert der Freiheit beimißt. 44 Vgl. Lampert (1986), S. 156; Kramer (1986), S. 234-236; daneben auch Erath (1993), S. 27. 45 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Nell-Breuning (1957), S. 219-222. 40 41
11. Das Wesen der Genossenschaft
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schaft Vorleistungen zu erbringen habe, durch die der einzelne in die Lage versetzt wird, selbst tätig zu werden. Doch heißt dies nicht, daß sich der einzelne zuerst bis an die Grenzen seiner Kräfte zu verausgaben habe und erst danach die Gesellschaft einspringen solle. Damit wird deutlich, daß das Subsidaritätsprinzip nicht als zeitliches Abfolge-, sondern als inhaltliches Unterstützungsprinzip zu verstehen ist. Vorschub dürfte einer diesbezüglichen Fehlinterpretation die unsaubere Übersetzung des Wortes subsiduum geleistet haben, die anstelle von "Beistand" oder "Hilfe" mehr auf "Ersatz" abzielt. 46 Dies jedoch verändert die Tragweite von Subsidiarität beträchtlich. Die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in der genossenschaftlichen Praxis bedeutet analog, daß die Genossenschaft die Voraussetzungen für das Tätigwerden ihrer Mitglieder am Markt zu schaffen hat. Dies ist nichts anderes als die Sicherung der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Mitglieder. Wollte man die unrichtige Interpretation von Subsidiarität zugrunde legen, so hieße das im Extremfall, daß die Genossenschaft den Aktivitäten ihrer Mitglieder teilnahmslos bis zu deren Grenzen des Leistungsvermögens zuschaute, um danach die betreffende Aktivität ohne weitere Mitwirkungsmöglichkeit des Mitglieds an sich zu ziehen. Das jedoch muß auf Dauer zum Scheitern jeder Kooperation führen. Subsidiarität in der Genossenschaft heißt deshalb immer "Hilfe zur Selbsthilfe". Das Subsidiaritätsprinzip berücksichtigt den Umstand, daß die Bildung eines Kollektivs für ein beteiligtes Individuum mit einer Einschränkung seiner Autonomie einhergeht. Jede gemeinschaftliche Aktivität bedeutet einen gewissen Verzicht auf Selbstbestimmung, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Um dem marktwirtschaftlichen Prinzip der dezentralen Lenkung und Planung am besten gerecht zu werden, ist das geringstmögliche Maß an Autonomieverzicht zu wählen - auch in Hinblick darauf, daß bei einem steigenden Extensionsniveau die Eigentumsrechte der Individuen zunehmend verdünnt werden. Da die Bereitstellung von Kollektivgütern letztlich zur individuellen Nutzenmehrung erfolgt, besteht die Funktion von Kollektiven in der Unterstützung von Individuen durch Hilfeleistung oder ersatzweise Aufgabenübernahme. Daraus folgt, daß bei der Entscheidung über die Errichtung eines Verbandes der jeweils dem Individuum nahestehendste Verbandstyp, d.h. das niedrigstmögliche Extensionsniveau gewählt werden sollte (und von wirtschaftlich wohl unterrichteten und freien Individuen auch gewählt würde). Ein Verein sollte unter diesen Voraussetzungen von Individuen dann gegründet werden, wenn es um die Bereitstellung von Kollektivgütern 46
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V gl. Battisti (1987), S. 204 .
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geht, bei denen zwischen den Vereinsmitgliedern keine (oder kaum) Rivalität im Konsum besteht. Dadurch, daß die Grenzkosten niedriger als die Durchschnittskosten sind, besteht ein Anreiz für die Individuen, sich zusammenzuschließen, um bereits vorhandene Einrichtungen bis zur optimalen Auslastung der Bedienungskapazität zu nutzen. Dadurch kann der ohnehin entstandene Fixkostenblock auf eine größere Anzahl von Gütereinheiten verteilt werden; dies bedeutet sinkende Durchschnittskosten und wird als Fixkostendegression bezeichnet. 47 Zusätzliche Nutzer (= Neumitglieder) bedeuten für die bereits vorhandenen Mitglieder keine Nutzeneinbuße, und sie können herangezogen werden, um die ohnehin - jedoch nur einmalig - anfallenden Kosten der Betriebsbereitschaft mitzutragen. Dies wird sich aber nur ermöglichen lassen, wenn es gelingt, Zahlungsunwillige vom Nutzenempfang fernzuhalten. Ein Verein wird daher nur dann gebildet werden, wenn das Ausschlußprinzip funktioniert und diejenigen, die das Vereins gut zu konsumieren wünschen, gezwungen sind, Mitglied zu werden und sich an der Kostendeckung zu beteiligen. Dadurch ist gleichzeitig eine effiziente Tarifierung möglich. Sollen Preise in Höhe der Grenzkosten erhoben werden und verlaufen diese sehr niedrig oder bei Null, ist es erforderlich, die höherliegenden Durchschnittskosten anderweitig zu decken. Zu der Gebühr in Höhe der Grenzkosten tritt die Deckung des Finanzierungsdefizites in Form eines Beitrages, der von der tatsächlichen Inanspruchnahme des Gutes unabhängig ist. Dies ist ein Mitgliedsbeitrag, der - als Optionsfreis verstanden - das Recht der Nutzung des Vereinsgutes ermöglicht. 4 Daher wird eine Vereinslösung nur dann zustande kommen, wenn alle Nutzer zur Zahlung dieses Mitgliedsbeitrages herangezogen werden können. Dies ist bei den Klubkollektivgütern der Fall. Damit kann man zum Beispiel der Molkereigenossenschaft zurückkehren. Sie basiert auf der Idee der horizontalen Kooperation und wird errichtet, um die zur Bereitstellung eines (Klub-)Kollektivgutes erforderliche Nachfrage effizient zu organisieren. Die genossenschaftliche Kooperation erfolgt zweckgerichtet auf die ökonomischen Bedürfnisse der Mitglieder und vollzieht sich auf freiwilliger Basis. Sie kann Mitglieder zu Lasten49 Vgl. Grossekettler (1984), S. 62; ders. (1989a), S. 4/5. Dieses Verfahren wird als gespaltener Tarifbezeichnet, vgl. Grossekettler (1984), S. 76. Man kann in diesem Zusammenhang auch von einem Grund- und einem Arbeitspreis sprechen. 49 Solche Lasten sind z.B. die Verpflichtung zur Zeichnung von Geschäftsanteilen bzw. die Einzahlungen hierauf, die Mitwirkung in der Selbstverwaltung einschließlich der damit verbundenen Zeit- und Informationskosten oder aber auch die sog. Nebenleistungspflichten. Damit wird bereits deutlich, daß das Wort "Beitrag" - speziell bei Ge47 48
H. Das Wesen der Genossenschaft
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heranziehen und Nichtmitglieder von der Nutzung ihres Leistungsspektrums ausschließen. Aufgrund dieser Exklusions- und Finanzierungsmöglichkeiten ist die Genossenschaft ökonomisch gesehen eine Form des Vereins. 5o Die beteiligten Individuen, d.h. die Mitglieder, sehen Vorteile bei der Leistungserstellung, die sich aus der Kollektivguteigenschaft mit einem Rivalitätsgrad < 1 ergeben. Während die Kollektivgütertheorie die Vorteilhaftigkeit eines Vereins anhand der Eigenschaften des nachgefragten Gutes begründet, verfolgt die Münsteraner Kooperationstheorie einen anderen Ansatz. Ihr geht es vor allem um das Verhalten der Beteiligten, d.h. der Kooperationsmitglieder. In einer freiheitlich verfaßten Gesellschaft ist dabei das Postulat der Wirtschaftsfreiheit51 von besonderer Bedeutung. Dies schlägt sich im Fall der Genossenschaft darin nieder, daß die Mitglieder grundsätzlich jederzeit von Aufnahmebedingungen bzw. Kündigungsmodalitäten soll zunächst abgesehen werden - der Kooperation beitreten oder sie verlassen können. So beruht die genossenschaftliche Kooperation auf einer freiwilligen (Teilnahme-)Entscheidung der Mitglieder, bei der Zwang ausgeschlossen ist. 52 Der Bestand einer - nicht-autoritären - Kooperation ist daher von ihrer Gleichgewichtsfähigkeit abhängig. 53 Hierunter ist zu verstehen, daß sich der einzelne zu einer Teilnahme an der Kooperation nur bereitfinden wird, solange dies für ihn mit einem positiven Nutzensaldo bzw. einem nichtnegativen Kooperationswert54 verbunden ist. Dazu müssen sich die nossenschaften - nicht unbedingt allein im engen Sinne eines finanziellen Beitrages interpretiert werden darf. 50 Dies ist sie auch in rechtlicher Hinsicht, wie später noch gezeigt werden wird. Weber (1984), S. 15 charakterisiert die Genossenschaft als "wirtschaftlichen Sonderverein". MunduchlNitschke (1988), S. 318 sprechen in diesem Zusammenhang von einem Klub, den sie als "freiwilligen Gruppenzusammenschluß zur gemeinsamen Nutzung eines Klubgutes" definieren. Durch den Verweis auf ein Klubgut ist diese Definition enger gefaßt als die eingangs verwandten Begriffe der Kooperation und der Genossenschaft. Eine Anwendung der Klubtheorie, die auf Buchanan (1965) zurückgeht, auf die Genossenschaft findet sich bei Sauermann (1978). 51 Vgl. Thieme (1991), S. 36. Herdzina (1991), S. 12-15 sieht die wirtschaftliche Freiheit, verstanden als positive Handlungsfreiheit, nicht bloß als formale, sondern als materiale Freiheit, d.h. als die Fähigkeit oder das Vermögen, die gewünschten Ziele zu erreichen. 52 Siehe auch Boettcher (1974), S. 121. Gleichwohl ist Kooperation auch bei unfreiwilligen Zusammenschlüssen wie z.B. Zwangsverbänden möglich und unterscheidet sich strukturell nicht wesentlich von den freiwilligen Verbänden, so Blümle/Schwarz (1977), S. 311 sowie Grochla (1959), auf den sie sich beziehen. Anderer Ansicht ist Bracht (1979), S.57. 53 Vgl. Boettcher (1974), S. 79-81; Grossekettler (1978), S. 348/349. 54 Vgl. Grossekettler (1978), S. 348; Jäger (I 992b), S. 284.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
Kooperationsteilnehmer auf einen geeigneten Verteilungsmodus verständigen, der die aus der Kooperation resultierenden Vor- und Nachteile zumindest langfristig - so umlegt, daß niemand diskriminiert wird. Die Aufrechterhaltung der genossenschaftlichen Solidarität ist unter diesen Gegebenheiten davon abhängig, inwieweit von dem einzelnen ein Verzicht auf kurzfristig realisierbare Vorteile erwartet werden kann, weil er sicher ist, dadurch mittel- bis langfristig einen höheren Vorteil aus der genossenschaftlichen Kooperation zu ziehen. 55 Kooperation jedoch bedeutet Bindung;56 das permanente Ringen um Kompromisse, wobei der einzelne unter Umständen eine gegen seinen Willen getroffene Entscheidung mittragen muß. 57 Er wird diese Einschränkung seiner Entscheidungsfreiheit nur hinnehmen, wenn dieses durch einen anderweitigen Vorteil zumindest kompensiert werden kann. Berücksichtigt man dabei das Streben nach Selbständigkeit, durch das sich vor allem die mittelständische Wirtschaftsmentalität auszeichnet,58 so kann der mit kooperativem Handeln verbundene Verlust an Autonomie für den Betroffenen einen negativen Eigenwert (= intrinsische Bestrafung) aufweisen. In einem solchen Fall muß der finanzielle Kooperationswert (= extrinsische Belohnung) sogar noch entsprechend höher sein. 59 Die Gleichgewichtsfähigkeit allein ist jedoch nicht ausreichend, um den Bestand einer Kooperation sicherzustellen. Zusätzlich muß eine stabilitätsorientierte Organisation realisiert werden, mittels derer die Vorteilhaftigkeit der Kooperation gegen bewußte Schädigung abgeschirmt werden kann. 60 Ein solches Verhalten kann sich zum einen bei Dritten zeigen, die an den Vorteilen der Kooperation partizipieren, ohne selbst an ihr beteiligt Vgl. Jäger (I 992a), S. 34. Zur sogenannten Synthese von Freiheit und Bindung in der Genossenschaft siehe Paulick (1954), S. 9; Draheim (1967), S. 257-260. 57 Hierbei ist nicht nur an die Beschränkung der Autonomie zu denken, vgl. Küting (1983), S. 7. Es geht dabei auch um eine Minderung der individuellen Anpassungsfähigkeit und der unmittelbaren Marktkontakte, die Schwerfälligkeit von Entscheidungen oder eine organisatorische Aufblähung mit steigenden Kooperationskosten; siehe hierzu Grauel/Mack (1979), S. 15. 55
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5M V gl. Vierheller (1975), S. 13. Die Sicherung der Selbständigkeit sieht auch Grosskopf ( 1991), S. 71 als herausragenden Grund für die Kooperation in der Genossenschaft: vgl. daneben auch Buller (1992), S. 574. 59 Siehe dazu Grossekettler (1978), S. 349 FN 30. ~() Vgl. im folgenden Boettcher (1974), S. 107-114; Grossekettler (1978), S. 355/ 356. Nach Dülfer (1986), S. 42 ist der Stabilitätsgrad einer Genossenschaft neben der Kooperationsneigung auch von der Kooperationsbedürftigkeit ihrer Mitglieder abhängig.
11. Das Wesen der Genossenschaft
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zu sein (A"!ßenseiterproblem). Dies ist das gleiche Phänomen, das die Kollektivgütertheorie im Falle fehlender Exklusionsmöglichkeiten herausstellt und das dazu führt, daß ein Kollektiv letztlich nicht zustande kommt. Ein schädigendes Verhalten ist aber auch genauso bei den Kooperationsteilnehmern selbst denkbar. Dort, wo die Kooperationserträge und die Kooperationsaufwendungen zeitlich auseinanderfallen, kann ein Beteiligter zunächst den Nutzenzuwachs aus der Kooperation (= Leistungen) in Anspruch nehmen und anschließend seine Belastung (= Gegenleistung) verweigern (Saboteurproblem). Weiterhin wäre es möglich, daß ein Kooperationsvorteil nur dann realisiert werden kann, wenn alle Kooperationsteilnehmer ihre Einzelleistungen zugleich, d.h. in einem Team miteinander verknüpft erbringen. Da bereits durch die Verweigerung auch nur eines Einzelbeitrages der gesamte Kooperationsvorteil gefährdet ist, kann hiermit jedes Kooperationsmitglied drohen, um so einen übermäßig hohen Anteil am gemeinsamen Kooperationsvorteil zu Lasten der anderen Mitglieder zu erzielen (Erpresserproblem). Bei dem Erpresser- und dem Saboteurproblem handelt es sich um ökonomische Erscheinungen, die aus zwischenmenschlichen Verhaltensweisen herrühren. Sie werden vor allem dadurch begünstigt, daß die Beteiligten einer Kooperation nicht über denselben Informationsstand verfügen (asymmetrische Informationsverteilung) und sich einzelne diesen Umstand zunutze machen (opportunistisches Verhalten).61 Die Vorteilhaftigkeit eines Vereines besagt aber noch nicht, daß es auch tatsächlich zu seiner Gründung kommen wird. Dazu ist zunächst einmal das Gründungsproblem zu lösen. Es besteht darin, daß bereits die Gründung als solche ein Kollektivgut darstellt. 62 Denn ein Gründer kann andere von den Gründungsvorteilen um der Sache selbst willen nicht ausschließen. Schließlich liegt es ja in seinem Interesse, weitere Mitglieder zu gewinnen, um dadurch mögliche Gruppenvorteile voll ausschöpfen zu können. Dies führt bei potentiellen Gründern zu einer Tendenz der Trittbrettfahrerhaltung. Daher müssen sich Gründer finden, die die Gründungslasten freiwillig übernehmen. Ein solcher Kooperationspromotor ist insbesondere erforderlich, um den späteren Mitgliedern die Nettovorteile der Kooperationsgründung zu verdeutlichen. 63 Denn würden die Betroffenen nur auf die Lasten und Mühen des Gründungsvorganges sehen, dürfte dies zu einer Selbstblockade führen. Dieses Dilemma löst sich in Genossen61 Diese Verhaltensannahmen werden von der im folgenden Abschnitt zu besprechenden Transaktionskostentheorie eingehend diskutiert. 62 Siehe im folgenden Grossekettler (1985), S. 237; ders. (1989a), S. 4. 63 V gl. Grossekettler (1989a), S. 4.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
schaften dadurch, daß in der Gründungsphase in starkem Maße Idealismus vorherrscht, weil durch die großen Erwartungen der Mitglieder an den Erfolg der Kooperation ein hohes Maß an Solidarität besteht. 64 In einer solchen "Idealismusphase" findet sich dann auch in der Regel der notwendige Kooperationspromotor. Damit es überhaupt zu der Errichtung einer Genossenschaft kommt, muß also zunächst eine Vereinsgründung in den Augen der späteren Mitglieder vorteilhaft sein. Diese Voraussetzung soll im folgenden als "Kooperationserfordernis" bezeichnet werden. 2. Die Unternehmung der Genossenschaft
Die Bildung des Vereins erfolgt nach den obigen Überlegungen zur Bereitstellung eines Kollektivgutes. Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, durch wen diese Güterproduktion erfolgen soll.65 Denn der Verein könnte z.B. als Sammelbestellergruppe eine gewünschte Leistung am Markt kaufen bzw. in der Form des Gemeinschaftsabsatzes verkaufen. Das Kollektiv sieht sich daher einem sogenannten Make-or-buyEntscheidungsproblem gegenübergestellt; mit Bezug auf die Genossenschaft ist zu erklären, warum sich die kooperierenden Individuen für die EigenersteIlung entscheiden und hierfür das Genossenschaftsunternehmen errichten. In Hinblick auf die Übertragung betrieblicher Funktionen von den Kollektivmitgliedern auf das Kollektivunternehmen handelt es sich um eine Form der vertikalen Integration. Sie soll nun in Art und Umfang untersucht werden. Zur Aufnahme ihrer Tatigkeiten benötigt eine Molkerei technische Einrichtungen, für die sogenannte spezifische Investitionen nötig sind. Unter dem Begriff Spezifität hat man sich vorzustellen, daß das eingesetzte Sachkapital nur für einen bestimmten (Produktions-)Zweck Verwendung finden kann - in diesem Fall eben nur zur Weiterverarbeitung von Rohmilch. Dadurch entsteht eine hohe Abhängigkeit von der langfristigen Sicherung der Rohstoffbasis. Doch auch die einzelnen Milchbauern müssen Investitionen in Maschinen, Bauten, Viehbestand und Know-how tätigen, so daß auch sie beträchtlich von der Tatigkeit des Milchverarbeitungsunternehmens abhängig sind. Nun ist bereits dargelegt worden, daß Vgl. Hettla/?e (1990), S. 142/143; gleichlautend Röpke (1992), S. 30-32. Siehe Zimmermann/Henke (1987), S. 43, die darauf hinweisen, daß ein öffentliches Angebot eines Gutes, d.h. seine Bereitstellung durch Organisation der Nachfrage, nicht mit seiner öffentlichen Produktion einhergehen muß. 64
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bei der Weiterverarbeitung der Rohmilch Größen- und Verbundvorteile realisierbar sind, die für eine Bündelung der Produktion sprechen. Hinzu kommt jedoch eine Besonderheit. Denn in einem gewissen Umfang fallen Größen- und Verbundvorteile bei nahezu allen Unternehmen an. Bei Molkereien sind solche Vorteile aber so beschaffen, daß innerhalb eines normalen Milchsammelraumes nur ein Unternehmen alle Vorteile ausschöpfen kann (Situation des natürlichen Monopols); auf anderen Märkten ist dagegen trotz Ausnutzung aller Kostendegressionsvorteile eine wett bewerbliche Struktur möglich. Von einem natürlichen Monopol spricht man dort, wo aufgrund der Subadditivität von Kostenfunktionen die Kosten für die Produktion von Teilmengen eines bzw. mehrerer Güter höher sind als bei der zusammengefaßten Produktion der Gesamtmenge. 66 Daher kann die gesamte Nachfrage am kostengünstigsten von einem einzigen Anbieter - dem "natürlichen" Monopolisten - abgedeckt werden. Die Subaddivität hat ihre Ursache in den bereits angesprochenen Unteilbarkeiten, deretwegen vor Herstellung der Betriebsbereitschaft ein relativ hoher Anteil von Fixkosten an den Gesamtkosten anfällt. 67 Unter der Annahme, daß dieser Fixkostenblock konstant ist, sinken bei jeder Ausweitung der Produktion die Durchschnittskosten. Diese Fixkostendegression ist über die von den Nachfragern gewünschte Menge hinaus möglich; daher verlaufen im relevanten Nachfrageraum die Grenzkosten unterhalb der Durchschnittskosten. 68 Die sich ergebenden Kostendegressionseffekte führen damit bei Molkereien zu Regionalmonopolen. Ein solches Regionalmonopol ist dabei nicht allein die Folge kostentheoretischer Gegebenheiten, sondern hängt auch mit der relativen Transportempfindlichkeit von Milch zusammen. Denn die anfallende Rohmilch verlangt zur Vermeidung von Qualitätsverlusten nach einer relativ zügigen Weiterverarbeitung. Sie ist dadurch weder unbegrenzt transportfähig noch lagerfähig - auch in Hinblick darauf, daß es sich bei der Milch um ein Lebensmittel handelt, dem aus Verbrauchersicht ein "Frischeerfordernis" innewohnt. Daraus ergibt sich, daß Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1993), S. 128/129. Zum Auftreten von Unteilbarkeiten und ihren verschiedenen Erklärungsansätzen siehe Fritsch/Wein/Ewers (1993), S. 123-134. 68 Da im Falle des natürlichen Monopols der Markt nicht wettbewerblich organisiert werden kann, und die Anwendung der effizienten Grenzkosten-Preis-Regel zu Finanzierungsdefiziten führen würde, verlangen Musgrave et al. (1992), S. 165/166 nach einer staatlichen Intervention, die zu einer Produktion der öffentlichen Hand führen kann. Dadurch sollen Wohlfahrtsverluste verhindert werden, die sich sonst bei monopolistischer Preisbildung ergeben. Eine Vereinslösung der Betroffenen auf der Grundlage des Privatrechts wird dagegen nicht in Betracht gezogen. 66
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Kapitel I: Die Entwicklung der Genossenschaft
die Transporträume für Rohmilch begrenzt sind. 69 Es wäre nun denkbar, daß einzelne Anbieter in Kenntnis dieser Zusammenhänge am Markt auftreten und versuchen, diese Regionalmonopole zu besetzen. Ein solcher Anbieter wird sich ungeachtet des Kollektivgutcharakters der bewirkten Leistung finden, denn durch die Monopolsituation wäre er in der Lage, über den Grenzkosten liegende Preise durchzusetzen oder, wie im Beispiel der Molkerei, unter dem Grenzwertprodukt liegende Entgelte zu zahlen. Eine erste Absicherung ihrer Position haben die Landwirte bereits mit der Gründung des Genossenschaftsvereins vorgenommen. Dadurch wird bewirkt, daß sich im Gebiet eines Regionalmonopols nur zwei Transaktionspartner, nämlich die Gesamtheit der Nachfrager und der Anbieter des Gutes "Milchverarbeitung" gegenüberstehen. Die Kollektivbildung verhindert damit die einseitige Abhängigkeit des einzelnen Milchbauern, die sich daraus ergäbe, daß dieser mangels Ausweichmöglichkeiten auf den Kontrahierungswillen des Milchverarbeiters angewiesen wäre, während umgekehrt der Milchverarbeiter ohne weiteres den Ausfall eines einzelnen Zulieferes in Kauf nehmen könnte. In einem solchen Fall befände sich daher nur der Milchbauer in der Gefahr, ausgebeutet zu werden. Handelte es sich nun weiterhin bei dem Verein der Landwirte und dem Milchverarbeitungsunternehmen um unabhängige Marktpartner, könnte jede Seite versuchen, die jeweils andere zu erpressen, indem sie damit droht, die Belieferung bzw. Annahme einzustellen. Aus diesem Grund wären zur Absicherung der Geschäftsbeziehung langfristige Verträge zu entsprechend hohen Kosten notwendig. Es ist daher für die Betroffenen, d.h. die Milchbauern, vorteilhaft, wenn sie stattdessen die Weiterverarbeitung ihrer Rohmilch selbst organisieren und dafür nicht allein einen Nachfragerverein, d.h. eine Sammelbestellergruppe, sondern eine Molkereigenossenschaft gründen. Auf diese Weise verbinden sie die Bereitstellung der Kollektivleistung (= Nachfrageorganisation) mit - wie anschließend zu zeigen sein wird - ihrer gemeinsamen Herstellung (= Angebotsübernahme). Dazu werden die Aktivitäten in der Molkereigenossenschaft zusammengefaßt. Es kommt dadurch letztlich zu einer vertikalen Integration des Milchverarbeitungsunternehmens in den Genossenschaftsverein. Die Milcherzeuger werden auf diese Weise von sich selbst - dem Kollektiv - abhängig. Dadurch schließen sie zugleich aus, durch Dritte ausgebeutet zu werden, was ansonsten wegen der Situation des natürlichen Monopoles zu erwarten wäre.
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V gl. in diesem Zusammenhang auch Grossekettler (1989a), S. 11.
II. Das Wesen der Genossenschaft
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Die Frage, wann man Leistungen bzw. Güter kaufen und wann man sie besser selbermachen sollte, untersucht die Transaktionskostentheorie, die als ein Teilgebiet der Neuen Institutionenökonomik einzuordnen ist. 7o Sie fragt danach, weshalb bestimmte ökonomische Aktivitäten über Märkte, andere hingegen innerhalb von Unternehmen abgewickelt werden. Dies weist über die herkömmliche Betrachtungsweise der neoklassischen Theorie hinaus, die den Vorgang der Faktorallokation auf vom Preismechanismus gesteuerte Marktbeziehungen beschränkt. Da die Nutzung des Preismechanismus, d.h. die Koordination über Märkte, jedoch nicht kostenlos ist, hat sich die Unternehmung als zweite Form der Faktorallokation etabliert. 71 In einer arbeitsteiligen Wirtschaft kommt es nun ständig zu einem Austausch von Leistungen und Gütern, der in oder zwischen Unternehmen erfolgen kann. Solche Austauschvorgänge bezeichnet man als Transaktionen; 72 die Transaktionskostenökonomik untersucht die komparativen Kosten der Planung, Ausführung und Kontrolle unter alternativen institutionellen Gegebenheiten. 73 Transaktionskosten74 sind demnach die Kosten der Bereitstellung, Nutzung, Aufrechterhaltung und Umorganisation von Institutionen. 75 Die Frage nach der effizienten Firmengrenze untersucht nun Transaktionen daraufhin, wann sie über Märkte und wann sie innerhalb von Unternehmen, d.h. in Hierarchien eingebunden, abgewickelt werden sollten; dies ist die Suche nach dem zweckmäßigen vertikalen Integrationsgrad. Dazu werden Transaktionen durch mehrere Dimensionen charakterisiert. 76 Die Faktorspezifität beschreibt, in welchem Umfang transaktionsspezifische Investitionen getätigt werden müssen. Dies sind z.B. die bei den Milchbauern, aber auch bei dem Milchverarbeitungsunternehmen erforderlichen Investitionen in technische Einrichtungen oder auch Know-how. 70 Einen Überblick der Neuen Institutionenökonomik und ihrer Teilgebiete findet sich mit kommentierten Literaturhinweisen bei Richter (1992). 71 Vgl. Schumann (1987), S. 212. Nach Coase, dem Begründer dieses Ansatzes, liegt die Hauptentstehungsursache für Unternehmen in "a cost of using the price mechanism" begründet, vgl. Coase (1987), S. 390. 72 Nach einer eingeführten Definition von Williamson (1990) findet eine Transaktion statt, wenn ein Gut oder eine Dienstleistung über eine technisch separierbare Schnittstelle transferiert wird. 73 Vgl. Wi/liamson (1990), S. 25. 74 Dies sind die Kosten der Betreibung eines Wirtschaftssystems, siehe Arrow (1969), S. 48. 75 V gl. Richter (1992), S. 10. Analog zum Markt als Institution kann man die Unternehmung als ein auf Verträgen beruhendes institutionelles Arrangement interpretieren. Zur Darstellung der Unternehmung als Koalition siehe Bonus (1986), S. 326-328. 76 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Wi/liamson (1990), S. 59-69.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
Werden solche Investitionen vorgenommen, hängt ihr Ertrag von der Fortführung der beabsichtigten Transaktion - also dem Fortbestehen der Geschäftsbeziehung - ab, in einer anderen Verwendung verlieren sie an Wert. Das Ausmaß der Faktorspezifität kennzeichnet daher die Abhängigkeit des betrachteten Marktteilnehmers von der zugrundeliegenden Transaktion (Geschäftsbeziehung) und damit letztlich vom Transaktions-, d.h. Tauschpartner; das Maß hierfür ist in der Transaktionskostentheorie die Quasi-Rente. 77 Will man diese Abhängigkeit überwinden, muß folglich die Quasi-Rente abgesichert werden. Insofern fällt sowohl bei den Landwirten als auch bei der Molkerei eine Quasi-Rente an, die um so beträchtlicher ist, je höher die Abhängigkeit vom Geschäftspartner ist. Die gegenseitige Absicherung geschieht durch Verträge; die Kosten hierfür werden aber nicht nur von der zu berücksichtigenden Faktorspezifität bestimmt, sondern richten sich auch nach der Unsicherheit sowie der Häufigkeit der Transaktion. Denn die Unsicherheit über die künftigen Umweltbedingungen bedeutet ein gewisses Maß an Risiko, da man niemals sämtliche zukünftigen Entwicklungen kennen kann. Das bedeutet dann aber auch, daß man nicht für alle Eventualitäten im voraus vertragliche Regelungen schließen kann, was langfristigen Verträgen entgegensteht. Hinzu kommt die Frage der Häufigkeit, denn ausgefeilte Vertragswerke rechtfertigen die dabei anfallenden hohen Kosten nur ab einer bestimmten Dauer der Transaktion. Neben diese drei Dimensionen treten als Bestimmungsgrößen der Transaktionskosten spezielle Verhaltensannahmen, die die Wahl der Koordinationsfonn beeinflussen. 78 Der Aushandlung langfristiger Verträge steht entgegen, daß die beteiligten Partner über einen unterschiedlichen Infonnationsstand verfügen, so daß eine Seite stets befürchten muß, benachteiligt zu sein. Dieses Phänomen wird als asymmetrische Informationsverteilung bezeichnet. Hinzu kommt, daß bei den Beteiligten eine lediglich beschränkte Rationalität zu unterstellen ist. Dies soll in dem Sinne verstanden sein, daß die in der neoklassischen Theorie üblicherweise getroffene Annahme eines vollständig rationalen Verhaltens der Marktteilnehmer nicht übernommen wird. Vielmehr geht man davon aus, 77 Als Quasi-Rente bezeichnet man den Mehrertrag eines Faktors in seiner besten gegenüber der zweitbesten Verwendung. Sie entfällt, wenn die gegenwärtige Transaktion beendigt wird. Dieser Ausdruck geht auf Marshall (zuerst 1890) zurück, der in der Folgezeit sein Gedankengebäude revidierte, modifizierte und erweiterte; vgl. ders. (1961), S. 74. Siehe auch Klein/Crawjord/Alchian (1978), S. 298; Bonus (1987c), S. 92/93. 78 Siehe wiederum Williamson (1990), S. 50-59.
H. Das Wesen der Genossenschaft
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daß sich die Individuen nur innerhalb bestimmter Grenzen rational verhalten. Unter diesen Voraussetzungen wird eine Absicherung transaktionsspezifischer Investitionen und damit der Schutz vor Ausbeutung durch -langfristige - Verträge erschwert, wenn man bei seinem Vertragspartner opportunistisches Verhalten 79 unterstellen muß. Opportunismus zeigt sich dann, wenn Verträge zum Schein zwar eingegangen werden; man in Wirklichkeit jedoch versucht, den Transaktionspartner durch Übervorteilung - etwa das Ausnutzen von Vertrags lücken - auszubeuten. Bezeichnet man nun in den Worten der Münsteraner Kooperationstheorie den positiven Nutzensaldo bzw. den nicht-negativen Kooperationswert als die Quasi-Rente der Kooperation, wird das opportunistische Verhalten einzelner Beteiligter in Form des Erpresser- und des Saboteurproblems deutlich. Im ersten Fall eignet sich der Erpresser einen höheren als den ihm zustehenden Anteil an der gemeinsamen Quasi-Rente an und sorgt damit für deren Neu- bzw. Umverteilung. Dies ist ihm möglich, weil die restlichen Mitglieder der Kooperation - z.B. wegen ihrer nur beschränkten Rationalität - ihre gegenseitig bestehende Abhängigkeit nur mangelhaft abgesichert haben und sie jetzt befürchten müßten, den gesamten gemeinschaftlichen Kooperationsmehrwert zu verlieren. Ähnlich verhält es sich im zweiten Fall. Hier ist die Quasi-Rente als Nutzenzuwachs (= AnreizBeitrags-Saldo) individuell zurechenbar. Der Saboteur weitet seine QuasiRente aus, indem er seinen persönlichen Anreiz-Beitrags-Saldo durch Verweigerung seiner Beiträge maximiert. Die ausfallenden Beiträge müssen dann von den anderen Mitgliedern aufgebracht werden, was deren AnreizBeitrags-Saldo entsprechend mindert und zu einem Abbau ihrer QuasiRenten führt. LetzIich findet eine Umverteilung der einzelnen Quasi-Renten unter den Mitgliedern statt; der Saboteur hat sich Teile der Quasi-Renten seiner Kooperationspartner angeeignet. Auch der Saboteur kann nur deshalb auftreten, weil die ungenügende Absicherung der einzelnen Quasi-Renten - beziehungsweise spiegelbildlich betrachtet die Möglichkeit zur verweigerung der Beiträge - opportunistische Verhaltensweisen lohnend erscheinen lassen. Das Erpresser- wie das Saboteurproblem sind deshalb um so wahrscheinlicher, je stärker ex ante die Asymmetrie in der Informationsverteilung ist und dies zu unvollständigen Verträgen führt. Nun erfordert die Realisierung von Größen- und Verbundvorteilen in der Regel langfristig gebundene Investitionen, die sehr spezifisch sein können. 8o Die daraus entstehende Quasi-Rente führt - bei Molkereien 79 Nach Williamson (1990), S. 54 ist Opportunismus das bösartige Verfolgen des Eigeninteresses. Schumann (1987), S. 214 spricht dabei von Arglist oder Täuschung. 80 Vgl. Grossekettler (1989a), S. 8.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
zusammen mit der Situation des natürlichen Monopols - zu einer hohen transaktionsspezifischen Abhängigkeit; sie muß - z.B. durch Verträge abgesichert werden. Mit zunehmender Spezifität und Häufigkeit der Transaktionen - wie dies für Klubkollektivgüter unterstellt werden kann 8t nehmen die Transaktionskosten zu. Einerseits steigt die Komplexität der Verträge ex ante, andererseits wird eine Vertragsanpassung ex post zunehmend schwieriger. Daher ist es sinnvoll, die Transaktion nicht mehr über den Markt abzuwickeln, sondern zu vertikaler Integration zu greifen. Durch die hierarchische Einbindung wird der Abstimmungsprozeß wegen der unternehmensinternen Anordnungsmöglichkeiten vereinfacht; dadurch lassen sich die Transaktionskosten senken und die Anpassungsflexibilität erhöhen. 82 Hierin kann man einen Bindungsvorteil als Ursache vertikaler Integration erkennen. Die bislang betrachtete genossenschaftliche Zusammenarbeit erstreckt sich nun zwar über zwei Marktstufen; die Milchbauern und das Milchverarbeitungsunternehmen bilden jedoch keinen geschlossenen "agro-industriellen Konzern", in dem etwa alle Produktions stufen von der Erzeugung über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung der Milch in einem Unternehmen zusammengefaßt wären. 83 Es kommt vielmehr nur zu einer Teilintegration, weil lediglich einzelne Produktionsschritte, d.h. die Weiterverarbeitung bzw. Vermarktung der Milch, in die Genossenschaft ausgegliedert werden. Demgegenüber verbleibt die Milcherzeugung im Verantwortungsbereich der einzelnen Mitglieder. Sie besitzen - im Gegensatz zur Molkerei - das hierfür notwendige Know-how. Außerdem ist es aus Gründen der Motivation sinnvoll, ihre Selbständigkeit zu wahren. Für die Molkerei ergibt sich hieraus kein Problem, denn sie kann ohne größeren Aufwand das Produktionsergebnis ihrer Mitgliederwirtschaften, d.h. die Rohmilchqualität, überprüfen und - bei Beanstandungen - gegebenenfalls durch Zurückweisung dafür sorgen, daß die Qualität ihrer eigenen Molkereiprodukte nicht durch schlechten Rohstoff beeinträchtigt wird. Insofern hat es das Milchverarbeitungsunternehmen selbst in der Hand, den Qualitätsstandard der weiterverarbeiteten Milchprodukte sicherzustellen. 81 Dies gilt allerdings nicht für alle Klubkollektivgüter. Kinos z.B. weisen eine eher geringe Spezifität auf. Daraus ergibt sich eine vergleichsweise problemlose Möglichkeit der Abwanderung zu anderen Anbietern. Es genügt, die bestehende Quasi-Rente dann implizit dadurch "abzusichern", daß die betreffende Leistung dem Wettbewerb ausgesetzt ist. 82 Siehe zur Frage der vertikalen Integration Williamson (1990), S. 88-91 u. 102116. 83 Beispiele hierfür bietet die (zwangs-)kollektivierte Landwirtschaft in Zentral verwaltungswirtschaften, wie etwa die Kolchosen.
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Wenn nun wie im Molkereibeispiel also nicht der gesamte Produktionsprozeß in eine gemeinsame Firma eingebracht wird, muß geklärt werden, welche Transaktionen in eine Unternehmung bzw. in eine Hierarchie eingebunden und welche über den Markt abgewickelt werden sollten. 84 Entscheidend für die geeignete Koordination von marktmäßigen und hierarchischen Beziehungen ist die Position des der Transaktion zugrundeliegenden Produktionsfaktors - das wäre hier die Rohmilch - zur betrachteten Firma, d.h. dem Molkereiunternehmen. Sie ist zentral, wenn die Qualität des Endproduktes der Firma nicht von der Qualität des Faktoreinsatzes zu trennen ist; dagegen ist sie peripher, wenn beides unabhängig voneinander ist. 85 Allerdings bedeutet eine solche Einteilung, daß man die Qualität des Faktoreinsatzes überhaupt nachprüfen kann. Dies ist jedoch oft gar nicht möglich - man denke an erbrachte Dienstleistungen wie etwa eine ärztliche Behandlung, eine anwaltliche Beratung oder eine handwerklich-technische Reparatur. Hier ist ein Außenstehender kaum in der Lage, eine objektive Qualitätsbeurteilung vorzunehmen; man bezeichnet in der Transaktionskostentheorie solche Leistungen als plastische Produktionsfaktoren. 86 In einem solchen Fall ist für die Wahl von Markt oder Hierarchie die angemessene Anreizstruktur entscheidend. Denn bei einem zentral eingesetzten Faktor befindet sich die Firma ihm gegenüber in einer Position der Abhängigkeit. Schließlich ist die Qualität des Faktoreinsatzes entscheidend für die Qualität des Endproduktes, ohne daß die Firma ersteres beeinflussen könnte. Deshalb ist es sinnvoll, einen solchen Faktor in die Firmenhierarchie einzubinden, um sich so eine direkte Durchgriffsmöglichkeit zu sichern. Dagegen ist die Firma im Falle von peripheren Faktoren wie der Rohmilch im Molkereibeispiel in der Lage, zwischen der Qualität ihrer Endprodukte und der der eingesetzten Faktoren trennen zu können. Gibt es dabei Grund zu Beanstandungen, kann sie mangelhafte Einsatzmengen jederzeit zurückweisen. Derartige Transaktionen werden besser über den Markt abgewickelt, weil durch den Motivationsvorteil der Selbständigkeit im Wege der erfolgsorientierten Entlohnung der bestmögliche Anreiz besteht. 87 Wie mit den Hinweisen auf den Molkereifall bereits angedeutet, kann die wünschenswerte Realisierung von Skalen- und Verbundvorteilen das 84
85
Siehe hierzu Bonus (l987a), S. 20-30. Ebenda.
86 Der Begriff geht auf Alchian/Woodward (1987), S. 117 zurück und wird von Bonus (I 987a), S. 24 FN 17 im Sinne von Ermessensspielraum gebraucht, der von Außenstehenden schlecht kontrollierbar ist, wie z.B. Fingerspitzengefühl. 87 V gl. Grossekettler (I 989a), S. 12.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
Entstehen von Marktrnacht bedeuten. Da die hiermit verbundene Abhängigkeit nicht (nur) originär durch eine hohe Spezifität der Investitionen, sondern vielmehr durch die - vom Nachfragerverein gewünschte Betriebsgrößenerweiterung bedingt ist, soll sie anstelle von transaktionsspezifischer als "größenbedingte" Abhängigkeit bezeichnet werden. Auch wenn wegen einer geringen Faktorspezifität die gefährdete Quasi-Rente von vernachlässigbarer Größe ist, kann der marktrnächtige Transaktionspartner allein durch seine spezielle Monopolstellung zu darüber hinausgehenden Ausbeutungsstrategien greifen. Daher wären Absicherungs- und damit Vertragskonstruktionen notwendig, deren Transaktionskosten in keinem Verhältnis zur Spezifität der Transaktion mehr stünden. Stattdessen ist eine Absicherung derartiger Transaktionen mittels vertikaler Integration sinnvoll; hierdurch ergibt sich ein Effizienzvorteil. Hinzu kommt, daß der Produzent des Klubkollektivgutes über die Dauer der Geschäftsbeziehung in der Lage ist, ein spezifisches Know-how zu bilden, von dem die Vereinsmitglieder in der Weise abhängig werden, daß eine Abwanderung zu einem anderen Produzenten immer schwieriger wird. 88 Hierbei entsteht eine im Laufe der Zeit zunehmende Abhängigkeit, die sich aus der Besonderheit der arbeitsteiligen Wirtschaftsweise ergibt. Diese Abhängigkeit kann ex ante kaum abgeschätzt und bei marktlicher Koordination entsprechend abgesichert werden. Daher ist es sinnvoll, sie im Zuge der vertikalen Integration hierarchisch einzubinden; hierin liegt ein weiterer Effizienzvorteil. Insgesamt ergibt sich die Vorteilhaftigkeit der vertikalen Integration im Molkereibeispiel also aus transaktions spezifischen Gründen als auch wegen der Furcht vor der Macht eines Regionalmonopolisten. Damit ist man nun in der Lage, zu erklären, warum die Mitglieder des "Kollektivs Genossenschaft" ein eigenes Unternehmen errichten. Sie fassen hierin die zentralen Produktionsfaktoren zusammen, die für die Produktion des gewünschten Kollektivgutes erforderlich sind und realisieren dadurch Transaktionskostenvorteile. Aufgrund marktlicher Gegebenheiten und der daraus entstehenden Abhängigkeiten scheidet ein Fremdbezug aus. Daher greift man zu einer Form der vertikalen Integration in eine Hierarchie, durch die die Möglichkeiten einer Ausbeutung verhindert werden sollen. Aber das Kollektiv wird nicht zu einem einzigen Unterneh88 Die Transaktionskostentheorie nennt diesen Sachverhalt eine fundamentale Transformation; vgl. Williamson (1990), S. 70-72. Der Begriff umschreibt das Phänomen, daß im Laufe einer Transaktionsbeziehung spezifische Investitionen getätigt werden. Bestand zu Beginn eine Auswahl unter mehreren Anbietern bei gleicher Ausgangsposition, so zieht der ausgewählte Partner bei einer Neuvergabe einen Vorteil aus den bereits vorhandenen Investitionen; eine echte Chancengleichheit ist daher nicht mehr gegeben. Dadurch schwächt sich die Verhandlungsposition des Nachfragers.
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men: Die peripheren Faktoren verbleiben bei den Mitgliedern. Es handelt sich also nur um eine Teilintegration; die Genossenschaft enthält sowohl Elemente der marktlichen wie auch der hierarchischen Koordination. Sie ist damit in den Worten der Transaktionskostentheorie eine hybride Organisations/orm,89 in der die Vorteile der vertikalen Integration mit denen der Selbständigkeit verbunden sind. Demnach besteht die zweite Voraussetzung für die Errichtung einer Genossenschaft darin, daß die vertikale Integration eines Unternehmens in den (Genossenschafts-)Verein erforderlich, d.h. vorteilhaft ist. Dieser Sachverhalt soll im weiteren als "Integrationserfordernis" bezeichnet werden. 3. Die organisatorische Verknüpfung von Verein und Unternehmen
Es bleibt nun noch, die organisatorische Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen den Milchbauern als Mitgliedern und ihrer Genossenschaft( -sunternehmung) zu untersuchen. Auf die optimalen Anreizstrukuren im Falle einer Molkerei ist bereits hingewiesen worden. Da die Milchbauern sich in der Milcherzeugung am besten auskennen, sollten sie dieses Wissen in die Molkereigenossenschaft auch einbringen. Für die Genossenschaft ist dies problemlos möglich, weil sie mittels der Milcheingangskontrolle bzw. der Kontrolle durch die Oberleistungsprüfer eventuell minderwertigen Rohstoff ohne weiteres identifizieren und mit Preisabschlägen sanktionieren kann. Gleichzeitig ist sie dadurch vor opportunistischem Verhalten einzelner Mitglieder geschützt. Denn diese könnten versuchen, durch Ablieferung schlechterer Rohmilch das an der Milchqualität aller Mitglieder orientierte Milchgeld zu erhalten, wodurch letztlich die gesamte Milchqualität und somit alle Mitglieder beeinträchtigt würden. Somit besteht ein großer Anreiz für die Milchbauern, qualitativ hochwertige Milch zu erzeugen. Das genossenschaftliche Auszahlungssystem ist daher bestens geeignet, die peripheren Faktoren, d.h. die Verantwortung für die Rohmilcherzeugung, auf den Höfen zu belassen. Diese Anreize kann die Molkereigenossenschaft noch verstärken, wenn sie - dem Grundsatz der Subsidiarität folgend - bei ihren Mitgliedern durch die sog. Erzeugerberatung zu einer Verbesserung der Rohmilchqualität beiträgt, die sich dann in einem höheren Milchgeld niederschlägt. Andererseits bewirkt diese Form der Arbeitsteilung, daß die Milchbauern sich auf die Signale aus der Molkereigenossenschaft verlassen können 89
Dieser Begriff findet sich bei Bonus (1987a), S. 31.
4 Bialck
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
müssen. Das Milchgeld ist auch heute noch der wichtigste - in einigen Regionen der einzige - Einkommensbestandteil in der Landwirtschaft. Das hierfür notwendige Vertrauen, aber auch die nötige Bereitschaft zur "Gefolgschaft" sind nicht ohne weiteres zu erwarten. Die Größe moderner Molkereien läßt ein die Kooperation tragendes Geflecht persönlicher Beziehungen in der Regel nicht mehr zu. Deshalb werden entsprechende Mitwirkungs- und Kontrollrechte benötigt, durch die sichergestellt werden soll, daß sich die einzelnen Milchbauern gegenseitig in ihrer zweifelsohne bestehenden wirtschaftlichen Verwundbarkeit schützen können. Nun ist zur Funktionsfähigkeit der genossenschaftlichen Kooperation ein teilweise hohes Maß an Arbeitsteilung erforderlich. Hierdurch entstehen Abhängigkeiten, die nur tragbar erscheinen, solange es das Vertrauen gibt, daß sie nicht mißbräuchlich ausgenutzt werden. 9o Deshalb spielt das dem Transaktionspartner entgegengebrachte Vertrauen eine wesentliche Rolle. Während das Leistungsvertrauen und das persönliche Vertrauen generell von jedem Marktteilnehmer aufgebaut werden können,91 steht der Genossenschaft vor allem die Möglichkeit des - koalitionsspezifischen Systemvertrauens zur Verfügung. 92 Erschwerend wirkt sich dabei jedoch der Umstand aus, daß es sich in der Regel um eine große Anzahl von Kooperationsteilnehmern handelt. Deren Bindungsintensität untereinander kann niemals so stark sein wie in einer kleinen Gruppe. Daher ist es unwahrscheinlich, daß alle Akteure in gleichem Maße ein gutes persönliches Vertrauensverhältnis zueinander haben; dies schon deshalb nicht, weil aufgrund der ständigen Bewegung in der ~roßen Gruppe von einem variierenden Mitgliederbestand auszugehen ist. 9 Die institutionelle Absicherung dieser Form von Vertrauensvorschuß erfolgt durch die der Genossenschaft immanenten Mitwirkungs- und Kontrollrechte für jedes einzelne Mitglied. 94 Die im Zuge der vertikalen Integration entstehende Hierarchie wird durch die demokratische Struktur für die Mitglieder erst erträglich; dies bedeutet den wechselseitigen Schutz Vgl. Bonus (1987a), S. 14 Das Leistungsvertrauen betrifft die Qualität der von einem Unternehmen erbrachten Leistungen, das persönliche Vertrauen bringt man als Kunde den Mitarbeitern einer Unternehmung entgegen; vgl. Erath (1993), S. 67 m.w.N. 92 Hierunter versteht man das Vertrauen der Mitglieder in die auf die Sicherung ihrer Interessen hin ausgerichteten Prozesse der Genossenschaft; so Grosskopf/Schuler (1988), S. 357. 93 Die hier angesprochene Problematik findet sich in der Untersuchung über die Kooperation in einer sog. "großen Gruppe" von Schmitz-Herscheidt (1981 a), insb. S. 137/138. 9.1 Vgl. Grossekettler (I 989a), S. 14/15; daneben auch Bonus (I 987c), S. 99/100. 90 91
11. Das Wesen der Genossenschaft
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der Kooperationsteilnehmer und gewährleistet so die Stabilität der Kooperation nach innen. 95 Damit bietet diese Kooperationsform spezifische Kontrol/vorteile; der Geschäftsverkehr mit der Genossenschaft ermöglicht den Mitgliedern eine Transaktionskostenersparnis. 96 Sind das Kooperationserfordernis und das Integrationserfordernis notwendige Erklärungsvariablen für die vereinsmäßige Organisation mit eigenerstellter Produktion, so ist also erst die Organisationsstruktur geeignet, die spezielle genossenschaftliche Kooperation zu erklären. Denn nach den bisherigen Überlegungen wäre es auch denkbar, daß eine Kapitalgesellschaft unterhalten wird, deren (einziger) Anteilseigner der Verein wird. Auch könnten sämtliche Vereinsmitglieder - mit oder ohne den Verein als zusätzlichem Beteiligten - Gesellschafter einer Unternehmung werden. Daß diese Konstruktionen nicht gewählt werden, liegt an dem spezifischen Charakter der Genossenschaft, wonach sie ein Verein mit Unternehmen ist, dem eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung zugrunde liegt. Die - im zweiten Kapitel noch eingehend zu untersuchende - Besonderheit der Genossenschaft drückt sich insofern darin aus, daß stets die Interessen der Mitglieder Priorität besitzen. Das führt zu einer Organisations struktur, die sich an den Bedürfnissen des Personenzusammenschlusses (= Verein) ausrichtet und verpflichtet zugleich das gemeinsam betriebene Unternehmen auf ein mitgliederausgerichtetes Zielsystem. Die dritte Voraussetzung, die für das Bestehen einer Genossenschaft erfüllt sein muß, ist demnach eine spezielle organisatorische Kontrollstruktur, durch die die horizontale Kooperation (der Mitglieder des Vereins) und die vertikale Integration (des Unternehmens in den Verein) miteinander verbunden werden. Daraus erwachsen den Mitgliedern - bzw. generell dem Verein - Vorteile bei der Kontrolle des gemeinsamen Unternehmens, die so nur in einer Genossenschaft zum Tragen kommen. Diesen Sachverhalt kann man als das "Organisationserfordernis" bezeichnen. Als ein erstes Zwischenergebnis hat die bisherige Untersuchung somit ergeben, daß das ökonomisch definierte Leitbild der Genossenschaft auf der Vorteilhaftigkeit von horizontaler Kooperation und vertikaler Integration beruht. Beide Merkmale müssen vorhanden und mittels einer spezifischen Organisations struktur miteinander verbunden sein. Um eine Genossenschaft handelt es sich daher nur bei solchen Wirtschaftsgebilden, bei denen die Vereinsdimension und gleichzeitig die Unternehmensdimension gegeben sind. 95
96
4*
Vg1.Jäger(\99Ib),S.8. Siehe dazu Jäger (1992a), S. 27; Erath (1993), S. 67/68.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
IH. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen für genossenschaftliche Betätigung
Es ist nun auf die eingangs getroffene Feststellung zurückzukommen, die genossenschaftliche Zusammenarbeit vollziehe sich angesichts bestimmter Rahmenbedingungen. Die Untersuchungen mit Hilfe der Kollektivgüter- und der Transaktionskostentheorie hatten dazu bereits die Aussage getroffen, eine Genossenschaft sei dann vorteilhaft, wenn die gewünschte Leistung nicht auf dem Wege individueller Spotmarktbeziehungen erhältlich sei. Will man daraus die Feststellung ableiten, die Tätigkeit einer Genossenschaft sei deshalb von Störungen des Marktes abhängig, so soll die Beschaffenheit derartiger Störungen nun näher beleuchtet werden. Dies dient zunächst jedoch nur der definitorischen Klarheit; es wird in dem sich daran anschließenden Abschnitt verwendet, um "genossenschaftstypische" Marktkonstellationen formulieren zu können. I. Störungen des Marktes
Zur Identifikation von Störungen des Marktprozesses soll im weiteren das von H. Grossekettler entwickelte Koordinationsmängelkonzept herangezogen werden. 97 Das Koordinationsmängelkonzept zeigt einen Weg, die Funktionsfähigkeit von Märkten zu testen. 98 Anhand der Beschreibung und Beurteilung von Marktprozessen wird untersucht, ob Märkte ihre Aufgabe als Koordinationsinstrumente erfüllen. Nur bei einer Funktionsstörung im Sinne eines Koordinationsmangels soll ein Eingriff, d.h. eine staatliche Intervention, gerechtfertigt sein. 99 Dieser "Eingriff' kann auch darin bestehen, daß eine Kooperation erlaubt wird, die ansonsten wegen ihres Kartellcharakters verboten wäre. Der Ansatz des Koordinationsmängelkonzeptes besteht darin, zunächst Marktfunktionen zu formulieren, d.h. Aufgaben, die Marktprozesse erfül97 Das Koordinationsmängelkonzept ist von Grossekettler bereits in einer Reihe von - jeweils einen neuen Entwicklungsstand dokumentierenden - Beiträgen dargestellt worden. An dieser Stelle sei z.B. verwiesen auf Grossekettler (1982); ders. (l988a); ders. (1989b); ders. (l99Ib); ders. (l99Ic). 98 Vgl. Grossekettler (l99Ic), S. 2. 99 V gl. Grossekettler (1982), S. 123; ders. (1988a), S. I. Es soll darauf hingewiesen werden, daß es in dieser Arbeit nicht um die Fonnulierung einer ordnungspolitisch legitimierten Wettbewerbspolitik und demzufolge auch nicht um das Verhalten des Staates bei Marktversagen geht. Das Koordinationsmängelkonzept wird daher nur mit dem Ziel verwandt, gestörte Märkte identifizieren zu können. Der "Eingriff" im Sinne von Abhilfe besteht dann in der Errichtung einer Genossenschaft.
III. Rahmenbedingungen für genossenschaftliche Betätigung
53
len sollen und im Normalfall auch erfüllen. Dabei geht es jedoch nicht um die Formulierung von Marktergebnissen im güterwirtschaftlichen Sinn, die durch funktionsfähige Marktprozesse und damit durch funktionsfähigen Wettbewerb ja erst zustandekommen sollen. Vielmehr sollen die Marktprozesse auf ihre Koordinationseffizienz hin untersucht werden, also auf ihre Lenkungsqualität, anhand derer die Selbstregulierungsfähigkeit von Märkten charakterisiert werden kann. tOO Zur Formulierung derartiger Marktfunktionen müssen nun drei Anforderungen erfüllt sein, nämlich die vertragstheoretische Legitimierbarkeit, die theoriegestützte Simulierbarkeit und die empirische Identifizierbarkeit. 101 Unter diesen Voraussetzungen gewinnt Grossekettler einen Katalog von fünf Marktfunktionen: 102
Markträumungsfunktion: Durch Preisvariationen sollen Angebots- und Nachfragemengen ausgeglichen werden, so daß unerwünschte Warteschlangen, Güterhalden oder unausgelastete Kapazitäten verhindert werden. Renditenormalisierungsfunktion: Kapazitätsvariationen sollen dafür sorgen, daß mit Kapazitätsengpässen bzw. Überkapazitäten verbundene Über- oder Unterrenditen beseitigt werden, so daß sich die risikoberichtigte Rendite des Untersuchungsmarktes und die gesamtwirtschaftliche Normalrendite ausgleichen. Übermachterosionsfunktion: Die dauerhafte Übermacht einer Marktseite soll durch korrigierende Strukturvariationen, insbesondere durch Markteintritte auf der stärkeren Marktseite, verhindert werden. Produktfortschrittsfunktion: Fortschrittsrückstände bei Produkten sollen nur vorübergehender Natur sein, da durch sie "automatisch" Aufbolanstrengungen ausgelöst werden. Verfahrensfortschrittsfunktion: Fortschrittsrückstände bei Verfahren sollen nur vorübergehender Natur sein, da durch sie "automatisch" Aufbolanstrengungen ausgelöst werden. Jeder Marktfunktion läßt sich dann ein Selbstregulierungsprozeß zuordnen, der als kybernetischer Regelkreis beschrieben werden kann. IOJ Für Vgl. Grossekettler (1989b), S. 322; ders. (l991c), S. 3. Vgl. Grossekettler (l989b), S. 323-325. Danach ist ein Ziel vertragstheoretisch legitimiert, wenn es zum einen von ökonomisch aufgeklärten Bürgern in einer Situation der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, d.h. unter der Ungewißheit über die eigene Betroffenheit, in einen hypothetischen Gesellschaftsvertrag aufgenommen würde. Zum anderen muß das beobachtbare Verhalten der Bürger darauf hindeuten, daß diese Hypothese zutrifft, es also tatsächlich einen impliziten Gesellschaftsvertrag gibt. 102 Vgl. Grossekettler (\989b), S. 326. 103 Vgl. Grossekettler (\989b), S. 327-335; ders. (I99Ic), S. 9-11. 100 101
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Kapitel 1: Die Entwicklung der Genossenschaft
jeden der fünf Marktprozesse wird eine Regelgröße sowie ein Sollwert hierfür definiert. 104 Tritt jetzt eine exogene Störung auf, kommt es zu einer Abweichung des Istwertes. Infolge einer solchen Gleichgewichtsstörung kommt der Regelkreis in Bewegung. Die Regler, d.h. die betroffenen Wirtschaftssubjekte, verändern sog. Stellgrößen in der Weise, daß sich die Regelgrößen wieder dem Sollwert annähern. Langfristig besteht daher eine Tendenz zum Gleichgewicht (d.h. zu Markträumung, Normalverzinsung, Machtausgleich sowie Eliminierung von Produkt- und Verfahrensrückständen), auch wenn durch eine Vermaschung der Prozesse eine Abfolge von Störungen mit entsprechend schwankenden Bewegungen zum Gleichgewicht auftreten sollte. 105 Von solchen - vorübergehenden - Gleichgewichtsstörungen zu unterscheiden sind die Funktionsstörungen. Dies sind Störungen, die dazu führen, daß Regelkreise instabil werden und ihre Fähigkeit zur Ausregulierung von Gleichgewichtsstörungen verlieren. 106 Eine Funktionsstörung wird dann zu einem Koordinationsmangel, wenn sie nicht nur theoretisch plausibel und empirisch nachgewiesen ist, sondern darüber hinaus als dermaßen dauerhaft angesehen werden muß, daß ihr Verschwinden ohne korrigierende Eingriffe nicht zu erwarten ist. 107 Liegt ein Koordinationsmangel vor, so ist aus dem vorher Gesagten zu schließen, daß Marktprozesse in der Weise gestört sind, daß sie ihre Aufgaben - die Marktfunktionen nicht mehr wahrnehmen können. Die Marktprozesse als Selbstregulierungsprozesse sind beeinträchtigt; in der Konsequenz verschlechtert sich die Koordinationseffizienz des Marktes oder verschwindet sogar ganz. Bei den Koordinationsmängeln kann man zwei Gruppen unterscheiden, die Stabilitäts- und die Niveaudefekte. 108 Stabilitätsdefekte liegen vor, wenn die Dynamik von Marktprozessen dauerhaft gestört ist. Gleichgewichtsstörungen können dann nicht mehr ausreguliert werden. Gründe hierfür sind z.B. amtliche Festpreise, administrative Auflagen (insb. Verbote) oder auch Formen der Marktabschottung (u.a. Markteintrittshemmnisse). Demgegenüber handelt es sich um Niveaudefekte, wenn Gleichge104 Bei den einzelnen Teilprozessen handelt es sich um die folgenden Stellgrößen (S) und Regelgrößen (R): Im Markträumungsprozeß reagieren Preis (S) und Übernachfrage (R) aufeinander, im Renditenormalisierungsprozeß Kapazitätswachstumsrate (S) und Überrendite (R), im Übermachterosionsprozeß Marktstruktur (S) und Übermacht (R) sowie im Produkt- bzw. Verfahrensfortschrittsprozeß Aufholanstrengungen (S) und Fortschrittsrückstände (R); siehe Grossekettler (199le), S. 9-13. 105 Vgl. Grossekettler (1989b), S. 327-330. lOft
107 lOH
Vgl.
ebenda~
S. 347.
Ebenda. Zum folgenden siehe Grossekettler (1989b), S. 348-353.
III. Rahmenbedingungen für genossenschaftliche Betätigung
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wichtswerte zwar erreicht werden können, dieser Prozeß infolge von Verzerrungen jedoch systematisch auf einem falschen Niveau abläuft. Solche Niveauverzerrungen ergeben sich beispielsweise durch das Auftreten von externen Effekten, Informationsmängeln, Entscheidungsmängeln oder beim Fehlen von Gesetzen zur Sicherung des Wettbewerbes gegen machtbedingte Kartellierung und Konzentration. Damit kann man zu einer generellen Unterscheidung von Märkten gelangen. Das Koordinationsmängelkonzept bezweckt, anhand von Marktprozessen die Funktionsfähigkeit von Märkten zu identifizieren. 109 Verlaufen die Marktprozesse ungestört, dann sind die Marktfunktionen erfüllt und der betrachtete Markt gilt als funktionsfähig. Treten demgegenüber Koordinationsmängel in Form von Stabilitäts- und/oder Niveaudefekten auf, bedeutet dies, daß der Markt seine Lenkungsaufgabe nicht erfüllt und daß die Marktteilnehmer letztlich nicht das erreichen, was sie eigentlich erreichen wollen. Diese Definition eines nicht-funktionsfähigen Marktes soll gemeint sein, wenn in dieser Arbeit die synonymen Begriffe Funktions- bzw. Prozeßstörungen verwendet werden. 2. Die genossenschaftliche Ausgangslage
Im weiteren ist jetzt zu untersuchen, unter welchen ökonomischen Rahmenbedingungen bzw. bei welchen Marktkonstellationen eine genossenschaftliche Wirtschaftsweise geboten erscheint. Es ist bereits deutlich geworden, daß Genossenschaften für Leistungen in Frage kommen, die den Charakter von Klubkollektivgütern haben. Grossekettler leitet hieraus unter Zuhilfenahme von fünf ökonomischen Charakteristika von Genossenschaften einen Kernbereich ab, zu dem er die Gesamtheit der Leistungen natürlicher Monopole rechnet. 110 Das natürliche Monopol ist jedoch häufig keine stabile Größe. Größen- und Verbundvorteile sind nicht unerschöpflich; aus solchen produktionstechnischen Gründen kann ab einer bestimmten Produktionsmenge ein Anstieg der Durchschnittskosten resultieren. Daneben bedeutet eine zunehmende Betriebsgröße überproportional ansteigende unternehmensinterne Transaktionskosten, denn die OrgaVgl. Grossekettler (I 989b), S. 322; ders. (l99Ic), S. 16. Vgl. Grossekettler (1984), S. 62-71. Ökonomische Charakteristika der Genossenschaft sind demnach: (I) Gruppenvorteile aus der Nutzung von Kollektivgütern, (2) wirtschaftlich vertretbare Exklusionskosten zur Realisierung des Identitätsprinzips, (3) umfassende Kontrollmöglichkeiten bei überschaubaren Entscheidungskosten, (4) Interesse der Träger an wirtschaftlicher Förderung sowie (5) Förderung der Mitglieder durch Kooperation; gleichzeitig soll das Genossenschaftsunternehmen zur Stärkung der Leistungsfähigkeit einem möglichst intensiven Wettbewerb ausgesetzt sein. 109 110
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
nisation und Überwachung des Arbeitsablaufes wird komplizierter und kann sogar zu Ineffizienzen führen. In diesem Falle wäre ein vollständiges Ausschöpfen der Größen- und Verbundvorteile nicht sinnvoll. Kommt es bei einer derartigen Kostenkonstellation zu einer Erhöhung der Nachfrage, verschiebt sich die Nachfragemenge in den Bereich steigender Durchschnittskosten. Nun ist es effizienter, die Gesamtmenge durch mehrere Produzenten - jeweils mit einer Produktionsmenge im Stückkosten-/ Durchschnittskostenminimum - herzustellen; das natürliche Monopol ist damit überwunden. 111 Weiterhin handelt es sich bei natürlichen Monopolen oft um Regionalmonopole. Dies liegt darin begründet, daß dort, wo insbesondere hohe Transportkosten, aber auch Informationskosten, technische Gegebenheiten, staatliche Schranken oder räumliche Präferenzen auftreten, die Nachfrage regional beschränkt ist. 112 Gelingt es, die Transport- und Informationskosten zu senken, technischen Fortschritt zu realisieren, administrative Hemmnisse zu überwinden oder wandeln sich die Präferenzen, verändert sich der Verlauf der Durchschnittskosten dergestalt, daß es möglich wird, die stückkostenminimale Produktionsmenge bereits innerhalb des Nachfrageraumes zu realisieren. In diesem Fall liegt dann lediglich temporär ein natürliches Monopol vor. Die Existenz einer Genossenschaft ist jedoch nicht ausschließlich vom Vorhandensein eines natürliches Monopols abhängig, denn dieser Fall ist nur einer von mehreren, in denen zugleich ein Kooperations-, ein Integrations- und ein Organisationserfordernis besteht. Die Genossenschaft ist aber auch unter anderen als den genannten Bedingungen in der Lage, ihren Mitgliedern Vorteile zu vermitteln. Dabei handelt es sich bislang immer um Effizienzvorteile, die realer Natur sind. 113 Daneben kann eine zweite Art von Vorteilen treten, die von Genossenschaften erzielt werden können. Diese werden als VerteilungskampJvorteile bezeichnet; sie sind pekuniärer Natur. 114 Die Möglichkeit zur Erzielung pekuniärer Effekte bietet sich aufIII Vgl. Fritsch/Wein/Ewers (1993), S. 127/128, die dieses Phänomen als "temporäres" natürliches Monopol bezeichnen. 112 Vgl. Grossekettler (1984), S. 75; ders. (1989a), S. 11. Zum Einfluß von Informationsvorteilen auf die Bildung regionaler Monopole siehe Bonus (1987a), S. 8-10. 1U Das Ausnutzen derartiger realer Effekte vergrößert das Sozialprodukt und/oder dessen Nutzen, dagegen handelt es sich bei der Ausnutzung der anschließend zu behandelnden pekuniären Effekte um eine Um verteilung des Sozialprodukts, vgl. Grossekettler (1984), S. 62; Hoffmann (1992), S. 132. 114 Diese Unterscheidung geht zurück auf Boettcher (1980b), S. 31-41, der dafür die Begriffe "Produktivitätsvorteile" sowie "Macht- bzw. Wettbewerbsvorteile" verwendet. Diese Arbeit lehnt sich dagegen an den Sprachgebrauch von Grossekettler an, da dies den Sachverhalt treffender beschreiben dürfte; siehe Grossekettler (1989a), S. 15.
III. Rahmenbedingungen für genossenschaftliche Betätigung
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grund bestimmter Koordinationsmängel, wobei drei typische Anlässe unterschieden werden können. 115 Stellen die betroffenen Individuen fest, daß ihrer eigenen Produktion ein Vorprodukt oder eine Absatzmöglichkeit fehlen, wird ein Genossenschaftsunternehmen an die Stelle des nicht vorhandenen Marktpartners treten. In diesem ersten Fall kann man davon sprechen, daß die Genossenschaft den Markt überhaupt erst organisiert. Die Genossenschaftsleistung besteht dabei nicht nur in der Bereitstellung und Produktion des marktmäßig nicht erhältlichen Gutes. Sie liegt in erster Linie in der erstmaligen Bereitstellung eines (zunächst monopolistischen) Marktes für ihre Mitglieder, was einen Kollektivvorteil darstellt. 116 Das zu produzierende Gut tritt demgegenüber in den Hintergrund; daher kann es im Extremfall auch ein Individualgut sein, für dessen Bereitstellung eine Kollektivgründung an sich nicht erforderlich wäre. Ein zweiter Anlaß ergibt sich, wenn den betroffenen Einzelwirtschaften auf der vor- bzw. nachgelagerten Marktstufe von Anfang an bereits ein Monopolist gegenübersteht. Im Falle einer solchen Ungleichverteilung der Ausgangspositionen sind die Individuen dem Monopolisten zunächst ausgeliefert. In dieser Situation errichten die Kollektivmitglieder auf der bis dato monopolisierten Marktstufe das Genossenschaftsunternehmen und sorgen damit für Wettbewerb. Das bedeutet, daß die Genossenschaft für den Marktzutritt ihrer Mitglieder sorgt. Der genossenschaftliche Kollektivvorteil ist jetzt die Erhöhung des Wettbewerbsgrades. Ist der Markt, auf dem die Mitgliederwirtschaften agieren, von stark unterschiedlichen Unternehmensgrößen gekennzeichnet, ergeben sich unterschiedliche Wettbewerbspositionen. Großunternehmen, die auf dieser Marktstufe agieren, ziehen einen Vorteil aus ihrer Verhandlungsposition dergestalt, daß sie wegen ihrer Großaufträge bei den Lieferanten bessere Vgl. zu den folgenden Ausführungen Grossekettler (1984), S. 78-81; ders. Jäger (1990), S. 1l1-1l4. 116 Das Schaffen eines Marktes ist allerdings keine Tätigkeit, die nur für Genosssensehaften typisch ist. Jedes innovative Unternehmen schafft durch seine Aktivitäten neue Märkte. Genossenschaften sind hierfür jedoch überall dort besonders geeignet, wo sie zwei Marktstufen miteinander verbinden. Auf diese Weise sind sie eher in der Lage, Markteintrittsbarrieren zu überwinden, vgl. Jäger (1990), S. 112. Die Genossenschaft kann hierfür insbesondere den ihr innewohnenden Inforrnations- und Haftungspool kostengünstig nutzen. Sie realisiert dadurch Kollektivvorteile. Würde der Markt von einem dritten Unternehmen geschaffen, sähen sich die betroffenen Mitglieder einem marktmächtigen bzw. Monopolunternehmen gegenüber. Die Errichtung einer Genossenschaft bedeutet daher die Erzielung von Bindungs- bzw. Effizienzvorteilen auf dem Wege der vertikalen Integration. 115
(I 989a), S. 15;
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
Konditionen heraushandeln können. Kleinere Unternehmen haben dagegen nur wenig Möglichkeit, eine Ausbeutung der eigenen, vergleichsweise marktschwachen Position - etwa im Zuge der monopolistischen Preisdifferenzierung durch einen marktstarken Lieferanten - zu verhindern. Um diese Asymmetrie zu verringern, können sich die Einzelwirtschaften zu einer Genossenschaft zusammenschließen, die so als Einheit dem marktmächtigen Unternehmen gegenübertreten kann. Dadurch erhöht sich ihr Geschäftsvolumen, sie verfügen über einen höheren Suchradius für Alternativen und damit über mehr Ausweichmöglichkeiten, was zu einer größeren Preiselastizität führt. Auf diese Weise nähern sie sich der Wettbewerbsposition der vertikal integrierten Großunternehmen an. Damit jedoch ist die Möglichkeit, durch monopolistische Preisdifferenzierung nach der Menge ausgebeutet zu werden, wesentlich verringert. Ein dritter Anlaß für die Errichtung einer Genossenschaft besteht also darin, daß bestehende Asymmetrien verringert oder sogar beseitigt werden sollen. 117 Ohne das genossenschaftliche Wirken würden sich die Grenzkosten der benachteiligten Unternehmen erhöhen. Sie wären zum Aufgeben gezwungen, und dies würde einen nicht-leistungsbedingten Konzentrationsprozeß in Gang setzen. 118 Insofern läßt sich hier die Genossenschaftsleistung als "Sicherung der Chancengleichheit" bezeichnen. Nach diesen Überlegungen bleibt festzuhalten, daß sich ein Kooperationserfordernis nicht ausschließlich aus dem Kollektivgutcharakter des zu beschaffenden Gutes ergeben muß. Vielmehr können auch andere Formen von Funktionsstörungen des Marktes auftreten, die sich in den beschriebenen Wettbewerbsmängeln niederschlagen. Damit ist der zweite Grund für die vertikale Integration eines Unternehmens in den (Genossenschafts-)Verein identifiziert. Neben der Erzielung von Transaktionskostenvorteilen (= Effizienzvorteile ) kann es den Mitgliedern ebenfalls bzw. zusätzlich darum gehen, auf diese Weise Koordinationsmängel zu überwinden, die auch in Verteilungskampfvorteilen bestehen können. 119
\17 Gemeint sind in diesem Zusammenhang ausschließlich Asymmetrien, die sich aus der Marktstruktur bzw. dem Organisationsgrad des Marktes ergeben. Sie haben daher eine quantitative Dimension. Hiervon zu unterscheiden sind qualitative Asymmetrien, wie z. B. die asymmetrische Informationsverteilung. 118 Zu den gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen eines derartigen "dysfunktionalen Se1ektions- und Konzentrationszwanges" siehe Grossekettler (1984), S. 81. 119 Siehe dazu auch das Hauptgutachten V der Monopolkommission (1984), Tz 720730. Die Vorteilhaftigkeit bzw. Bestimmungsgründe der vertikalen Integration werden analog zu dem in dieser Arbeit dargestellten Sachverhalt dort mit den Begriffen "Kostenerspamisse" und "marktstrategische Vorteile" belegt.
III. Rahmenbedingungen für genossenschaftliche Betätigung
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3. Die sich ändernden Rahmenbedingungen des Marktes
a) Ökonomische Parameter Die zuvor fonnulierte Ausgangslage als Referenzsituation der genossenschaftlichen Kooperation soll nun der Marktentwicklung gegenübergestellt werden, um so die Zweckmäßigkeit der Genossenschaft als Organisationsfonn tatsächlich gegebener wirtschaftlicher Sachverhalte, d.h. konkreter Markt- und Wettbewerbssituationen, beurteilen zu können. Zur Vorbereitung der weiteren Analyse ist dazu von zentraler Bedeutung, inwieweit sich die Rahmenbedingungen des Marktes gegenüber der historischen Ausgangssituation verändert haben. 120 Diese soll daher kurz skizziert werden. Die im 19. Jahrhundert bestehende wirtschaftsgeographische Situation bedeutete vielerorts ein abgeschlossenes, beinahe autarkes dörfliches Leben. Die zuvor angesprochenen natürlichen Regionalmonopole waren damit eigentlich Lokalmonopole. So war es notwendig und hinreichend, in einem Dorf jeweils nur eine Einrichtung beispielsweise zum gemeinschaftlichen Backen (Backhaus), Mahlen (Mühle) oder Lagern (Kühlhaus) zu unterhalten. 121 Man hatte es insofern mit einer "abgeschinnten" Subsistenzwirtschaft zu tun. Die großen gesellschaftlichen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts stellten nun die Idee von der Freiheit des Menschen allem voran; seinen Ausdruck fand dies im Liberalismus der damaligen Zeit. 122 Durch Bauernbefreiung, weitgehender Gewerbefreiheit und Freihandel lockerten sich die vorher festgefügten Gemeinschaftsfonnen in der Landwirtschaft, im Handel und im Handwerk. 123 Auch wenn das Gegenteil beabsichtigt war, verschlechterte sich doch die wirtschaftliche Situation der Betroffenen, weil sie nicht in der Lage waren, ihre neue Freiheit zu nutzen. 124 Auf dem Land war die Bevölkerung seit Jahrhunderten an die Naturaltauschwirtschaft gewöhnt. Der Übergang zu einer Marktwirtschaft bedeutete nicht nur die Notwendigkeit unternehmerischen Denkens und Handeins, sondern ebenso einen beträchtlichen Kapitalbedarf für die Ablö120 Zur historischen Ausgangslage siehe z.B. Bechtel (1967), S. 325-337; Zerwas (1988), S. 118-120. 121 Vgl. dazu auch Faust (1977), S. 29/30. 122 Vgl. Faust (1977), S. 33. m Vgl. Faust (1977), S. 33; AschhojflHennigsen (1985), S. 17. 124 So war als unmittelbare Folge eine Zunahme der Zahl der Besitzlosen zu beobachten, deren Verelendung durch einen starken Bevölkerungszuwachs noch gesteigert wurde. Dies führte in Deutschland zu einer Ost-West-Binnenwanderung; vgl. Koch (1989), S. 102/103.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
sung aus der bestehenden Herrschaft und den Aufbau einer eigenen Existenz. Für eine rationelle landwirtschaftliche Produktionsweise wurde ein beträchtliches Betriebskapital benötigt. Denn durch die entstehende Konkurrenz waren die Bauern am Markt nur durch eine Intensivierung der Produktionsweise überlebensfähig, d.h. durch den Einsatz kapitalbindender Betriebsmittel wie Maschinen und Ackergeräten. 125 Unter diesen Bedingungen erwiesen sich die hohen Informations- und Kreditsicherungskosten, denen sich die städtischen Banken im ländlichen Kreditgeschäft gegenüber sahen, als Hindernis bei der Kreditbeschaffung. 126 Eine Finanzierung der notwendigen Investitionen war also nur schwer möglich. Daneben stellte die aufkommende industrielle Revolution die Handwerker und Gewerbetreibenden in den Städten vor neue Probleme, weil die Industriebetriebe in der Lage waren, durch kapitalintensive technische Neuerungen Produktionsvorteile zu erlangen, die die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen Anbieter ganz wesentlich beeinträchtigten. 127 Dabei verschärfte die Aufhebung des Zunftwesens den Wettbewerb unter den Handwerkern zusätzlich. 128 Bauern und Handwerker waren dringend auf Finanzierungsmittel angewiesen, die ihnen jedoch auf dem bankmäßigen Weg nicht zur Verfügung standen. 129 In dieser Situation konnten sie nur auf die wucherischen Geldmakler zurückgreifen. 130 Die zweite Voraussetzung für ein wettbewerbsfähiges Angebot bestand darin, mit Hilfe guter und preiswerter Rohstoffe billiger produzieren zu können. 131 Vielfach jedoch gerieten sie an Lieferanten, die sie durch schlechte Qualitäten und überhöhte Preise übervorteilten. Geldwucherer und Lieferanten konnten ihre Praktiken nur aufrecht erhalten, weil sie sich wegen gegebener wirtschafts struktureller Bedingungen - so z.B. primitiver Informations- und Kommunikationstechnologien, jeglicher Absenz eines wirksamen Wettbewerbs schutzes oder mangelnder Mobilität - in einer regionalen und temporären Monopolsituation befanden, in der die jeweils betroffenen Bauern bzw. Handwerker von ihnen abhängig waren.
125 Siehe diesbezüglich die Darstellungen bei Faust (1977), S. 323-325; Tillmann (1980), Sp. 772; Bauer (1993), S. 78-80. 126 Vgl. Bonus (1987a), S. 8/9. 127 Vgl. SchultzlZerche (1983), S. 21. 128 So Koch (1989), S. 103. 129 Vgl. Faust (1977), S. 209. 130 Vgl. Bonus (1987a), S. 7. 131 Vgl. SchultzlZerche (1983), S. 21.
III. Rahmenbedingungen für genossenschaftliche Betätigung
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Insbesondere das pennanente Sinken der Transport- und Infonnationskosten hat nun zu einer Wettbewerbs intensivierung geführt, in deren Folge es vielfach zu einer Auflösung natürlicher Regional- (bzw. Lokal-)Monopole gekommen ist. Ein markantes Beispiel hierfür ist der in die Zeit der Industrialisierung fallende Bau von Eisenbahnlinien, aus dem schließlich ein geschlossenes Verkehrsnetz geschaffen wurde. Dadurch eröffneten sich neue Transportmöglichkeiten und Märkte, so daß sich die Wirtschaftsräume einander annäherten. 132 Daneben ergab sich das Wachstum der Volkswirtschaft durch ständigen technischen Fortschritt, resultierend aus Steigerungen der Produktivität und eine zunehmende betriebliche Spezialisierung. 133 Auch lassen sich ein beträchtlicher Strukturwandel, eine zunehmende Unternehmenskonzentration und eine immer stärkere weItwirtschaftliche Verflechtung der deutschen Volkswirtschaft beobachten. Diese Detenninanten der Marktsituation haben - neben anderen - zu einer wesentlich verbesserten Versorgungslage der Bevölkerung geführt, die einen Massenkonsum ennöglichte, wobei vielfach gesättigte Märkte zu beobachten sind. Dies bedeutet für die Genossenschaften im Vergleich zur historischen Gründungssituation der Monopolüberwindung bzw. Marktorganisation 134 eine wesentlich veränderte Markt- und Konkurrenzsituation. Zu dieser Veränderung haben aber auch institutionelle Einflüsse geführt, wie etwa der Abbau von Infonnationsasymmetrien und -defiziten 135 durch neue Kommunikationstechnologien oder die Schaffung von Finanzierungsmöglichkeiten durch einen immer ausgebauteren Kapitalmarkt. Bezeichnet man die Gesamtheit dieser Sachverhalte als genossenschaftliche Umwelt, so ist ein weiterer Blick auf die genossenschaftliche Innenwelt zu richten. Hier ist die ursprüngliche Homogenität der Mitglieder, die sich aus einer annähernd gleichen wirtschaftlichen La1e infolge ähnlicher Probleme ergab, in weiten Bereichen geschwunden. 13 Dies ist eine Folge der veränderten Rahmenbedingungen, die nicht nur die Genossenschaft, sondern auch die in ihr verbundenen Mitgliederwirtschaften direkt berühren. Zu einem innergenossenschaftlichen Problem wird dieses Phänomen dadurch, daß das stark divergierende Größenwachstum der einzelnen Mit-
Siehe dazu auch Koch (I 989}, S. 103/104. Vgl. Grosskopf(l986), S. 83; ders. (l990b), S. 370. 134 Vgl. Jäger (l986), S. 188. 135 Vgl. North (l992), S. 99, der insbesondere auf die Veränderung der relativen Preise infolge von Informationsgewinnung hinweist. 136 Vgl. Boettcher (1980a), S. 25; Hoffmann (l992), S. 73n4. 132 133
62
Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
glieder zu unterschiedlichen Interessen hinsichtlich des Inhalts und/oder des Umfangs der Kooperation führt. Daß in einer solchen Entwicklung ein erhebliches Konfliktpotential für die genossenschaftliche Kooperation liegt, ist offenkundig. b) Rechtliche und politische Bedingungen Neben den ökonomischen sind die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Genossenschaft von großer Bedeutung. Dabei stehen beide Bereiche nicht isoliert nebeneinander, sondern sind gerade im Bereich des Genossenschaftswesens eng miteinander verzahnt und insoweit interdependent. Ein Beispiel dieser Interdependenz ist die Etablierung der Sozialen Marktwirtschaft nach dem Krieg in Deutschland, deren ordnungspolitische Leitidee die marktlichen Rahmenbedingungen ganz wesentlich erneuerte. Darüber hinaus beeinfIußte sie das rechtsund gesellschaftspolitische Denken, da die Soziale Marktwirtschaft für ihr Funktionieren einer bestimmten, nämlich freiheitlichen Gesellschaftsordnung bedarf und aus diesem Grund determinierend auf ihre eigenen Rahmenbedingungen wirkt. So sieht sich der Staat zu Eingriffen in das Wirtschafts system veranlaßt, um unerwünschte ökonomische oder gesellschaftliche Entwicklungen abzuwenden. 137 Dieser sozio-ökonomische Kontext ist gerade hinsichtlich der Rolle des Staates und der Tragweite seiner Eingriffe in den Wirtschaftsprozeß sehr verschieden von der Situation im freien Kapitalismus bzw. dem Wirtschafts liberalismus. 138 Da sich insoweit die Marktsituation durch politische Entscheidungen verändert hat, sind auch die Genossenschaften betroffen. Ihren Ausdruck finden die ordnungspolitischen Gedanken zum Beispiel in einer ausgefeilten Wettbewerbsordnung mit ihren zahlreichen Normen wie etwa dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder auch dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. 139 Auch hierin wird deutlich, daß die heutige Marktsituation von vollkommen anderen Restriktionen gekennzeichnet ist als vor einhundert Jahren. Der Schutz vor Monopolmacht, den heute das
Vgl. Mändle (1983), S. 409/410. Da an dieser Stelle die vertiefte Vorstellung der Sozialen Marktwirtschaft zu weit führen und darüber hinaus auch keine thematische Perspektive eröffnen würde, sei auf einschlägige Literatur verwiesen; siehe anstelle vieler z.B. CassellGutmannlThieme (1972); ErhardlMüller-Armack (1972); Eucken (\990); Giersch (1961); Herder-Dorneich (\974); Müller-Armack (1974); Tuchtfeldt (\973). 139 Vgl. Thieme (\991), S. 17. 137 138
III. Rahmenbedingungen für genossenschaftliche Betätigung
63
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bewirkt, mußte damals z.B. durch Genossenschaften erbracht werden. Neben diese sich gesamtwirtschaftlich niederschlagenden Eingriffe der Politik sind jedoch auch branchenspezifische Normen bedeutsam. Hierzu zählen unter anderem die EGAgrarpolitik oder das Gesetz über das Kreditwesen, die jeweils spezifische Auswirkungen auf die Wettbewerbslage der betroffenen Genossenschaften haben. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf das Organisationsgesetz der Genossenschaften, das deutsche Genossenschaftsgesetz aus dem Jahre 1889 zu verweisen. Seit dieser Zeit ist es mehrmals an bedeutsamen Stellen novelliert worden. 14o Diese Novellen sind einerseits Antworten auf Anpassungszwänge, die durch die veränderten Rahmenbedingungen entstanden waren. 141 Andererseits ist das Genossenschaftsrecht allgemein selbst eine Rahmenbedingung für die Genossenschaften, so daß jede Reform für sie zu einer neuen Marktsituation führen kann. c) Auswirkungen auf die Genossenschaften Die beobachtbare Wettbewerbsintensivierung führt dazu, daß die Funktionsunfähigkeit von Märkten - zumindest tendenziell - abgebaut wird. Dann jedoch verlieren auch die Formen wirtschaftlicher Zusammenarbeit, wie z.B. die Genossenschaft, zusehens ihre Vorteilhaftigkeit. So bedeutet die Überwindung von natürlichen Regionalmonopolen, daß bei der betreffenden Leistung eine Kollektivgründung nur noch in vermindertem Umfang sinnvoll erscheint. Andererseits bedeutet die Herausbildung von konkurrierenden Großunternehmen eine Verschärfung des Wettbewerbsdrucks, 142 den viele Genossenschaften durch Größenwachstum aufzufangen versuchen. Dadurch verläßt die Genossenschaft ihren ursprünglich übersichtlichen Mitgliederkreis; es kommt zu einer Lockerung der Mitgliederbindung, die Genossenschaftsunternehmung und Mitgliederwirtschaften jeweils unabhängiger voneinander agieren läßt. 143 Allerdings darf die Genossenschaft ihre eigene Marktposition nicht selbst gefährden. Die Gleichgewichtsfähigkeit der Kooperation ist davon 140 Vgl. Großfeld/Aldejohann (1989), S. 7; Kugler (1978), S. 141-144. Einen Überblick über den geschichtlichen Verlauf geben Lang/Weidmüller (1988), S. XXXIXXXV und Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), S. XXIII-XXVII. 141 Vgl. Großfeld/Aldejohann (1989), S. 7. 142 V gl. Lampert (1989), S. 50. 143 V gl. Finis (1985), S. 115. Zickj'eld (1991), S. 116 konstatiert eine wachsende Entfremdung zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
abhängig, inwieweit das Exklusionsprinzip aufrechterhalten werden kann. Seinen sichtbaren Niederschlag findet es darin, daß Nutzungsrechte am Leistungsprogramm der Genossenschaft auch wirklich nur für die - allein berechtigten - Mitglieder eingeräumt werden. Eine Genossenschaft stellt sich als Kooperation daher selbst in Frage, wenn sie zur Verfügung stehende und kooperationstheoretisch auch notwendige Ausschlußmechanismen nicht anwendet, um das generelle, nicht-differenzierende Nichtmitgliedergeschäft zu betreiben. 144 Denn man hat es dabei - entgegen anderslautender Ansichten l45 - nicht mit einem Außenseiterproblem zu tun, das sich der Einflußnahme durch die Genossenschaft entzieht. Vielmehr handelt es sich bei den Nichtmitgliedern um "Gäste", denen gegenüber ein Preis-Leistungs-Verhältnis gefunden werden muß, das für den Verein nicht bestandsgefährdend ist. 146 Auch die rechtlichen und politischen Einflüsse haben die Wettbewerbslage der Genossenschaften entscheidend verändert. Die persönliche Betroffenheit aufgrund der herrschenden Not und damit einhergehend die hohe Abhängigkeit der Mitglieder von ihrer Genossenschaft ist heute kaum noch gegeben. 147 Wird die Genossenschaft aber von ihren Mitgliedern nicht mehr als existenznotwendig empfunden, schwächt sich die Mitgliederbindung ab und die Genossenschaft wird zu einem Wettbewerber wie andere auch. Eine vertikale Integration ist dann immer weniger vorteilhaft bzw. überhaupt erforderlich. Die Wettbewerbsintensivierung 144 Münkner (\987), S. \0 spricht in diesem Zusammenhang von den Gefahren eines Identitätsverlustes der Genossenschaften, der u.a. in einer Sinnentleerung des Identitätsprinzips bestehe. Siehe dazu auch Beuthien (\ 989), S. 31/32. Dagegen dürfte ein ergänzendes und deutlich identifizierbares Nichtmitgliedergeschäft, das aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen wohl auch nicht vollkommen zu vermeiden sein wird (z.B. als Ausgleich bei einer schwankenden Leistungsinanspruchnahme durch die Mitglieder), die Tragfähigkeit der Genossenschaft nicht gefährden. 145 So z.B. Dülfer (\984), S. 93. 146 Kollektivgütertheoretisch könnte man auch von einem "Gästeproblem" sprechen (der Name leitet sich davon ab, daß es in vielen Verbänden neben ständigen Nutzern des Verbandsgutes auch temporäre Nutzer gibt: Gäste in einem Sportclub oder auf einer Ferieninsel). Es unterscheidet sich vom Schwarzfahrerproblem dadurch, daß Gäste durchaus von der Nutzung des von der Genossenschaft (bzw. allgemein von einem Verein) bereitgestellten Kollektivgutes ausgeschlossen werden könnten, dies aber aus Gründen einer optimalen Auslastung der Kapazitäten nicht geschieht, wenn eine "Gästegebühr" (z.B. eine Kurtaxe) gezahlt wird. Diese Gebühren dürfen im Vergleich zu normalen Mitgliedsbeiträgen nicht zu niedrig sein; andernfalls stellt sich für die Vereinsmitglieder unter Anreiz-Beitrags-Überlegungen der weitere Sinn der Mitgliedschaft in Frage. Siehe Grossekettler (\ 985), S. 239/240. 147 Nach Herrmann (\ 988), S. 44 ist daher der hilfswirtschaftliche Charakter der Genossenschaft schrittweise verloren gegangen.
IV. Konsequenzen für die genossenschaftliche Entwicklung
65
gestattet es dann, auf eine vereinsinterne Kontrolle zu verzichten und so werden aus "Klubs" (= Genossenschaften) verselbständigte Anbieter, d.h. Unternehmen, die gleichsam ihren Trägerverein verloren haben oder bei denen der Trägerverein nur noch ein Renditeinteresse hat. Dieser Entwicklung hat nicht nur das Wettbewerbsrecht mit relativ späten Erleichterungen für Kooperationen kleiner und mittlerer Unternehmen (2. Novelle 1973 und 5. Novelle 1989) 148 Vorschub geleistet. Einen noch weitergehenden Einfluß auf die Entwicklung der Genossenschaft nahmen die im 2. Kapitel zu untersuchenden Korrekturen des Genossenschaftsgesetzes durch die Novelle im Jahre 1973. 149 Als Ergebnis dieses Abschnittes ist somit festzuhalten, daß sich die Genossenschaft nur angesichts bestimmter marktstruktureller Gegebenheiten als Organisationsform für wirtschaftliche Betätigungszwecke eignet. Es sind dies Marktstörungen, die sich aus dem Kollektivgutcharakter der gewünschten Leistung ergeben und bis zu einem natürlichen Monopol führen können. Weiterhin kann eine Genossenschaft auch eine Reaktion auf zwar länger anhaltende, aber nicht wirklich dauerhafte Prozeßstörungen sein, die sich aus Wettbewerbsmängeln auf dem betrachteten Markt ergeben. Von großer Bedeutung ist nun die Feststellung, daß derartige Marktstrukturen keine feststehende Größe sind, sondern als Rahmenbedingungen der genossenschaftlichen Zusammenarbeit laufenden Änderungen unterliegen. So unterscheidet sich der gegenwärtige Datenkranz in vielfältiger Weise von der historischen Ausgangssituation. In der Folge zeigen sich unterschiedlich beschaffene Märkte, so daß es nicht ausreichend ist, die Zweckmäßigkeit der Genossenschaft als Organisationsform nur anhand ihres idealtypischen Leitbildes zu beurteilen. Dies muß vielmehr vor dem Hintergrund der konkreten Marktentwicklung und den daraus resultierenden Anforderungen an die Marktteilnehmer erfolgen. Daraus ergibt sich als Schlußfolgerung, daß Genossenschaften auf bestimmten Märkten historisch gerechtfertigt gewesen sein können, daß Datenänderungen zwischenzeitlich aber zu einem Wegfall der Gründungsvoraussetzungen geführt haben können. IV. Konsequenzen für die genossenschaftliche Entwicklung
Auf die bisherigen Ergebnisse soll nun zurückgegriffen werden, wenn jetzt die Genossenschaften in ihrer gegenwärtigen Erscheinung betrachtet 148 149
5 Biolck
Vgl. Schmidt (1990), S. 152-155. V gl. GroßfeldlAldejohann (1989), S. 7; Jäger (1979), S. 12.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
werden. Dazu wird zunächst darzulegen sein, welchen unterschiedlichen Marktsituationen sich Genossenschaften gegenüber gesehen haben bzw. tatsächlich noch gegenüber sehen. Daran anschließend wird zu untersuchen sein, welche Einflüsse die Veränderung der Märkte auf die Entwicklung der Genossenschaften gehabt haben. Der Vergleich mit dem idealtypischen Referenzmodell soll dann die Beurteilung erlauben, wann Genossenschaften dem ihnen zugrundeliegenden Leitbild gerecht werden und damit als ordnungspolitisch legitimiert gelten können. Damit ist zugleich die Beantwortung der Frage verbunden, in welchen Fällen - auch heute noch - die Genossenschaft ein institutioneller Rahmen für wirtschaftliche Betätigungszwecke sein kann. 1. Marktphasen
Märkte, verstanden als Koordinationsinstrument einer arbeitsteilig organisierten Volkswirtschaft, sind keine statische Größe. Sie entwickeln sich in Abhängigkeit von ihren Rahmenbedingungen, vor allem aber von den Aktionen der Marktteilnehmer. Bestimmten Konstellationen läßt sich dann jeweils ein Markttyp zuordnen. Will man für diese Markttypen eine Ordnung entwerfen, zeigt sich, daß in den verschiedenen Wirtschaftszweigen einer Volkswirtschaft ähnliche Entwicklungsprozesse ablaufen. E. Heuss hat daraus auf einen allgemeinen Entwicklungsprozeß geschlossen; er verläuft in gegeneinander abgrenz baren Phasen, die die Formulierung eines Marktphasenschemas erlauben. ISO In der Experimentierungsphase muß das betreffende Gut überhaupt erst geschaffen werden, daher gibt es auch noch keinen Markt. Der Produktkreation, etwa durch eine Erfindung, folgt die Schaffung eines Marktes durch "Nachfrageproduktion" . ISI Für beide Maßnahmen ist ein beträchtlicher Kapitaleinsatz notwendig. Da das Unternehmen praktisch "bei Null" anfangen muß, ist ein hoher Fixkostenblock in Kauf zu nehmen, dessen Erträge ausgesprochen ungewiß sind. In einer solchen Phase werden daher nur Pionierunternehmer, d.h. initiative Unternehmer, tätig. IS2 Gelingt es dann, Nachfrage zu mobilisieren und dadurch einen Markt zu schaffen, befindet sich das Pionierunternehmen wegen der Einmaligkeit seiner Innovation in der Rolle eines Monopolisten. ls3 150 Die grundlegende Darstellung des Marktphasenschemas findet sich bei Heuß (1965), insb. S. 25-104. 151 Vgl. ebenda, S. 30. 152 Vgl. ebenda, S. 39. 153 Vgl. ebenda, S. 34/35.
IV. Konsequenzen für die genossenschaftliche Entwicklung
67
In der Expansionsphase breitet sich die Nachfrage schlagartig aus; die potentielle Nachfrage wird mobilisiert. 154 Das Pionierunternehmen versucht, durch Preis- und Qualitätsvariationen die Verwendungsmöglichkeiten seines Produktes zu vergrößern und damit den Markt zu erweitern. Eine ansteigende Produktivität sorgt für Rationalisierungs- und Kostenreduktionsmöglichkeiten, die sich in einer kräftigen Produktionsausweitung und deutlichen Preissenkungen widerspiegeln. 155 Günstige Gewinnerwartungen - erinnert sei an die Monopolpreissetzung in der Experimentierungsphase - locken neue Anbieter auf den Markt, der allein deshalb schon interessant wird, weil das Pionierunternehmen eine (zunächst) unbegrenzt steigende Nachfrage kapazitätsmäßig kaum verkraften dürfte. Damit wird der Wettbewerb in Gang gesetzt, der sich in einer intensiven Kostenkonkurrenz äußert. 156 Die Marktkonkurrenten finden hierbei einen noch unbegrenzten Spielraum vor, da Nachfrage, Kosten und Produkt ständig Änderungen unterworfen sind. 157 Die Ausreifungsphase ist erreicht, wenn die wichtigsten Absatzmärkte erschlossen sind. Eine Absatzausweitung durch die Schaffung zusätzlicher Nachfrage ist dann nur noch unter hohen Kosten möglich; die Ausreifung der Produktion begrenzt jedoch den Kostensenkungsspielraum. Aufgrund einer geringen Preiselastizität bei den Nachfragern sind Preissenkungen nur bedingt erfolgreich. Somit sind die Möglichkeiten der wettbewerblichen Konkurrenz begrenzt; allerdings scheiden einmal etablierte Anbieter auch nicht mehr aus dem Markt. 158 Eine der wenigen Möglichkeiten, Marktanteile zu verschieben und/oder Nachfrage neu zu schaffen, besteht jetzt in der Produktdifferenzierung. 159 In der Stagnations- und der Rückbildungsphase schließlich wirken verstärkt exogene Einflüsse auf den betrachteten Markt. Bei einer Stagnation nimmt die Nachfragemenge nur noch geringfügig zu; diese Zunahme bewegt sich jedoch unterhalb der Zuwachsrate des Sozialprodukts. Die Produktivitätsfortschritte entsprechen nicht mehr der volkswirtschaftlichen Durchschnittsrate. 160 Die Stückkosten erhöhen sich und Preisauftriebsmomente werden wirksam. Der Markt bleibt hinter der allgemeinen Wirt-
154 155 156 157 158 159 160
S'
Vgl. Vgl. Vgl. V gl. Vgl. Vgl. Vgl.
ebenda, ebenda, ebenda, ebenda, ebenda, ebenda, ebenda,
S. 41/42. S. 44/45. S. 58. S. 60. S. 66. S. 70. S. 87.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
schaftsentwicklung zurück; auch wenn er nicht schrumpft, verliert er doch an Bedeutung. 161 Diese Tendenz verstärkt sich in der Rückbildung. Hier bewirkt die Schaffung neuer Produkte eine Verlagerung der (Gesamt-) Nachfrage, so daß der betrachtete (alte) Markt immer weiter zurückgedrängt wird. Dies kann zum Ausscheiden einzelner Anbieter, der Grenzanbieter, führen. Produktivitätsverbesserungen sind kaum noch zu realisieren, so daß die alten Produkte dieser neuen Konkurrenz nicht standhalten können. 162 Gelingt es den auf diesem Markt tätigen Unternehmen nicht, diese Entwicklung mit neuen Strategien zu durchbrechen, wird der Markt im Laufe der Zeit aus dem Wirtschaftsleben verdrängt werden.
2. Genossenschaftliche Strukturtypen Nun soll untersucht werden, wie die Genossenschaften auf diese Marktentwicklung reagiert haben bzw. durch die unterschiedlichen Marktkonstellationen selbst verändert worden sind. Im Rahmen dieser positiven Analyse ist es sinnvoll, die tatsächlich existierenden Genossenschaften zu differenzieren. Eine Unterscheidung der Genossenschaften hat E. Dülfer mit Hilfe von Strukturtypen vorgenommen. 163 Anhand typischer Fälle von organisatorischen Beziehungen zwischen den Mitgliederbetrieben und dem Genossenschaftsbetrieb werden drei Strukturtypen unterschieden. In kleiner begrifflicher Abweichung sollen sie an dieser Stelle - der eingebürgerten Sprachregelung folgend - als traditionelle, Markt- und integrierte Genossenschaft bezeichnet werden. l64 Dabei wird zunächst lediglich die Klassifikation nach Dülfer referiert. Daran anschließend soll herausgearbeitet werden, inwieweit sich dessen Überlegungen mit der dieser Arbeit zugrundeliegenden Definition der Genossenschaft als Verein mit Unternehmung verbinden lassen. Dies kann schließlich zu einem veränderten Definitionsschema führen. Die traditionelle Genossenschaft entspricht einer Sammelbestellergruppe, die das Angebot oder die Nachfrage ihrer Mitglieder bündelt. In dieser Rolle tritt sie dem monopolistischen Händler der gegenüberliegen-
Vgl. ebenda, S. 87. Vgl. ebenda, S. 89. 163 Vgl. Dülfer (1980), Sp. 995-998; ders. (1984), S. 89-97. Siehe dazu auch Boetteher (I 980b), S. 59-65. 164 Dülfer (1984), S. 91 führt dagegen die Begriffe "organwirtschaftliches Kooperativ", "Marktbeziehungskooperativ" und "integriertes Kooperativ" ein. Hieraus ergeben sich jedoch keine inhaltlichen Abweichungen. 161
162
IV. Konsequenzen für die genossenschaftliche Entwicklung
69
den Marktstufe als Kartell entgegen; sie ist eine Fonn der Bildung von Gegenrnacht. Dazu unterhält sie einen Geschäftsbetrieb nur zur Ergänzung der Mitgliederwirtschaften. 165 Es bestehen starke Leistungsbeziehungen aufgrund der hohen Abhängigkeit der Mitglieder von der Tatigkeit der Genossenschaft. Dabei wird die Genossenschaft von den Mitgliedern geleitet und betreibt keine Fremd- oder Nichtmitgliedergeschäfte; sie ist also in ihrer Existenz ebenfalls von den Mitgliedern abhängig. Die Leistungserstellung der Genossenschaft ist vollkommen auf die Bedürfnisse der Mitglieder ausgerichtet. Neben dieser förderwirtschaftlichen Zwecksetzung verfolgt die Genossenschaft keine eigenen (i.S. von autonomen) Ziele. Bei dem Typ der traditionellen Genossenschaft handelt es sich also offenbar noch um keine Genossenschaft im eigentlichen Sinn. Denn es existiert "nur" ein Verein, der zwar die wirtschaftliche Förderung seiner Mitglieder bezweckt, hierfür aber (noch) kein eigenes Unternehmen unterhält. Da jedoch der Verein und das Unternehmen konstitutive Elemente des Genossenschaftsbegriffes sind, soll die traditionelle Genossenschaft in dieser Arbeit als "Prae-Genossenschaft" verstanden werden. Die Marktgenossenschaft ist mit veränderten Wettbewerbsbedingungen zu erklären. Zunächst haben die Mitglieder auf der Marktgegenseite eine Unternehmung errichtet, um ein natürliches Monopol zu besetzen oder einem künstlichen Monopolisten Konkurrenz zu machen. Durch eine Erhöhung des Marktvolumens betreten weitere Unternehmen den Markt. Die Existenz von Konkurrenzunternehmen neben der Genossenschaft führt zu einer Lockerung der mitgliedschaftlichen Leistungsbeziehungen innerhalb der Genossenschaft, weil die Mitgliederwirtschaften nunmehr auch Marktbeziehungen zu den Konkurrenzunternehmen unterhalten. An diesen Marktbeziehungen muß sich die Genossenschaft hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit messen lassen. Andererseits ist das Genossenschaftsunternehmen aus Wettbewerbsgründen zur Ausweitung der Betriebsgröße gezwungen; um die freien Kapazitäten auszulasten, betreibt es das Nichtmitgliedergeschäft und steht damit in vollen Wettbewerbsbeziehungen zu den Konkurrenzunternehmen. Je mehr Konkurrenzunternehmen auf der Marktgegenseite der Mitgliederwirtschaften agieren, desto mehr verliert die Marktgenossenschaft ihre eigentliche Daseinsberechtigung. Die ursprünglich zu erbringende Förder165 Es soll noch einmal darauf hingewiesen werden, daß ein Verein nicht zwingend eines eigenen Unternehmens bedarf, um am Markt wirtschaftlich tätig werden zu können.
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Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
leistung wird in ihrer Bedeutung abgeschwächt, und der Markterfolg wird zum entscheidenden Leistungskriterium für das Genossenschaftsunternehmen. Die gegenseitige Abhängigkeit von Mitgliederwirtschaften und Genossenschaftsunternehmen ist so stark gesunken, daß die Geschäftsbeziehungen zwischen beiden so ähnlich wie Marktbeziehungen verlaufen. Sichtbaren Ausdruck findet dies darin, daß die Genossenschaft - von externen Managern - selbstgeleitet ist. Im Fall der Marktgenossenschaft bewirkt die veränderte Wettbewerbssituation, daß - auch wenn es sich bei der bewirkten Leistung weiterhin um eine solche mit einem Klubkollektivgutcharakter handelt - denkbare Klubs immer zahlreicher werden. Dadurch haben die Mitglieder der Genossenschaft die Möglichkeit, zwischen mehreren Anbietern beinahe kostenfrei zu wechseln. Die besonderen genossenschaftlichen Kontrollmechanismen verlieren ihre Bedeutung, da an deren Stelle die Kontrolle durch den Wettbewerb tritt. Die Kontrollvorteile, die das genossenschaftliche Organisationsmuster zur Internalisierung bestehender Abhängigkeiten bereitstellt, werden von den Mitgliedern immer weniger in Anspruch genommen - mangels eigener Betroffenheit sinkt ihr Interesse. Das erklärt die immer wieder beklagte Mitgliederapathie in Marktgenossenschaften. 166 Aber es gibt auch keinen ordnungspolitischen Grund mehr, das Genossenschaftsunternehmen einer spezifischen mitgliedschaftlichen Kontrolle zu unterwerfen: Es kann sich als Anbieter verselbständigen. 167 Wenn eine (Markt-)Genossenschaft dergestalt zu einem "freien erwerbswirtschaftlichen Anbieter" mutiert, bedeutet dies, daß der Genossenschaftsverein als Kontrollverein überflüssig geworden ist und nur noch Renditeinteressen verfolgt. Im definitorischen Sprachgebrauch dieser Arbeit handelt es sich daher bei der Marktgenossenschaft um ein Unternehmen ohne wirksamen (Kontroll-)Verein. Sie soll deshalb als "Post-Genossenschaft" bezeichnet werden. Nur dann, wenn ein Verein mit einer Unternehmung verbunden ist und umgekehrt - soll in dieser Arbeit von einer Genossenschaft gesprochen werden. Zur Verdeutlichung dieses Erfordernisses, aber auch als 166 Siehe z.B. Ringle (1983), S. 13/14; ders. (1986) 176/177. Dagegen fordert Hanel (1992), S. 42 gerade bei diesem Strukturtyp die Wahrnehmung von Kontroll- und Wahlbeziehungen, da die Genossenschaft schließlich nicht mehr über die Leistungsbeziehungen gesteuert werden könne. Doch Kontrollrechte werden nur ausgeübt, wenn ein Interesse daran besteht. Förderinteressen existieren nicht mehr - es bleiben also nur Kapitalinteressen, die aber aus der Rechtstypik heraus unzulässig sind. 167 Nach Jäger (199Ic), S. 238 ist damit der Fall eingetreten, daß sich die mitgliedschaftliehe Geschäftsbeziehung (= Leistungsbeziehung, Anm. d. Yerf.) zu einer Marktbeziehung gewandelt hat.
IV. Konsequenzen für die genossenschaftliche Entwicklung
71
Abgrenzung zu den vorher dargestellten genossenschaftsähnlichen Erscheinungen, soll eine derartige Kooperation als "prototypische Genossenschaft" bzw. kurz als "Proto-Genossenschaft" bezeichnet werden. Dies ist der Fall bei denjenigen Kooperationen, die auf der gegenüberliegenden Marktstufe ein Unternehmen errichten, um dadurch einen Kollektivvorteil zu erzielen und unter Umständen - das muß aber nicht so sein - ein natürliches Monopol besetzen. Es handelt sich dann um Weiterentwicklungen des Typs der traditionellen Genossenschaft. 168 Aus Gründen der definitorischen KlarsteIlung soll dieser Fall jedoch als "Versorgungsgenossenschaft" bezeichnet und damit von der traditionellen Genossenschaft abgegrenzt werden. 169 Die Versorgungsgenossenschaft als prototypische Genossenschaft weist zudem eine modeme (und organisatorisch kompliziertere) Unterform auf, die von Dülfer als integrierte Genossenschaft beschrieben wird. Bei der integrierten Genossenschaft handelt es sich um einen Planungsverbund, bei dem Mitgliederwirtschaften und Genossenschaftsunternehmen langfristig ihre Aktivitäten aufeinander abgestimmt haben. Wettbewerbszwänge (vor allem die Tendenz zum Gruppenwettbewerb) und Informationsdefizite verhindern autonome Aktionen der Mitgliederwirtschaften im Konkurrenzkampf und stellen ihre Uberlebensfähigkeit in Frage. Durch die Auslagerung von Funktionen aus den Mitgliederwirtschaften in die Genossenschaftsunternehmung entsteht eine hohe Abhängigkeit auf Seiten der Mitglieder, die ihren Ausdruck in entsprechend starken Leistungsbeziehungen zum Genossenschaftsunternehmen findet. Der geschaffene Planungsverbund bewirkt, daß die Mitgliederwirtschaften als Folge der freiwillig eingegangenen institutionellen Bindung durch die Genossenschaft gesteuert werden. Diese wiederum ist selbstgeleitet und mit den Mitgliederwirtschaften insoweit verbunden, daß sie keine Nichtmitgliedergeschäfte betreibt bzw. betreiben kann. Damit entsteht eine geschlossene Gesamtorganisation. Das Klassifikationsschema zur Einordnung der genossenschaftlichen Strukturtypen ergibt sich damit wie folgt:
168 Boettcher (1980b), S. 60 unterscheidet den traditionellen Genossenschaftstyp nach der Art der Leistungserstellung. Beim Typ Ia ist diese auf die Samme1- und Bestellfunktion beschränkt, während beim Typ Ib bereits ein selbständiger Betrieb als eigenständige, feste technische Einrichtung anzutreffen ist. Siehe dazu auch Dülfer (1984), S. 91/92 u. 213-216. der beim Typ der traditionellen Genossenschaft den Organbetrieb noch nicht als Unternehmen im betriebs wirtschaftlich definierten Sinnn charakterisiert. 169 Zum Begriff Versorgungsgenossenschaft siehe Grossekettler (1989a), S. 10.
72
Kapitel 1: Die Entwicklung der Genossenschaft
Pf(}t(}typlscht Gemmenschaft
=Verein mit Unternehmen
Post..(]enossenscha/t = Unternehmen (ohne Kontrollverein)
Vereine zur wirtschaftlichen Förderung ihrer Mitglieder
Vereine (Kollektivvorteil) mit Unternehmen auf der Marktgegenseite (insb. natürliches Monopol)
Unternehmen, in denen Kontroll vereine nur noch ein traditionelles Anhängsel sind
traditionelle Genossenschaft Ia
traditionelle Genossenschaft Ib wird zur: Versorgungsgenossenschaft
Marktgenossenschaft
Prae-Genossenschaft = Verein (noch ohne Unternehmen)
1
1
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besondere Ausprägung dieses Typs: integrierte Genossenschaft Abbildung 2: Klassifikationsschema
Unter Verwendung der bisherigen theoretischen Überlegungen lassen sich die Strukturtypen näher charakterisieren. Die Versorgungs genossenschaft wird errichtet, weil aufgrund von Funktionsstörungen auf Märkten für bestimmte Güter bzw. Leistungen ein Zwang zur Kooperation besteht. Der betrachtete Markt befindet sich hauptsächlich in der Experimentierungsphase oder in der Expansionsphase. Die möglichen Größen- und/oder Verbundvorteile können jedoch nur bei einer Bündelung der Produktion in einem Unternehmen erzielt werden, was zu einem natürlichen Monopol führt. Ein solcher natürlicher Monopolist besäße eine unangemessene Marktrnacht den Kollektivmitgliedern gegenüber. Um diese Abhängigkeit zu mildem, besetzen sie dieses Monopol selbst und errichten dazu auf der Marktgegenseite ihr Genossenschaftsunternehmen. Damit ist zugleich die Konkurrenzsituation gegenüber der 3. Marktstufe beschrieben. Da die Mitgliederwirtschaften ausschließlich mit ihrer Genossenschaftsunternehmung kontrahieren, steht diese nur mit ihrem Marktpartner in wettbewerblichen Austauschbeziehungen, d.h. Marktbeziehungen. Eine ähnliche Situation liegt beim Strukturtyp der integrierten Genossenschaft vor. Allerdings bestehen stärkere Marktzwänge, denen die Mitgliederwirtschaften auf sich alleine gestellt nicht gewachsen wären; ein Ausweg kann dann in vertikaler Integration bestehen. Dies geschieht jedoch nur teilweise, weil dadurch die jetzt entstehenden Effizienzvorteile mit den Anreizvorteilen der Selbständigkeit auf Seiten der Mitglieder
IV. Konsequenzen für die genossenschaftliche Entwicklung I. Marktstufe Mitgliederwirtschaft
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3.Marktstufe
2. Marktstufe
Mitgliederwirtschaft - - - - - Genossenschaftsunternehmen " Mitgliederwirtschaft
Nichtmitglied - _ _ _ _ _ Nichtmitglied - - - - -
:
: Marktpartner
- . [bisheriger Monopolist] " Geschäftsbeziehungen Marktbeziehungen . . . • . . .. Konkurrenzbeziehungen
Abbildung 3: Beziehungsartenschema - Versorgungsgenossenschaft
kombiniert werden können. Die konkrete Ausgestaltung dieser Kombination vollzieht sich dabei unter dem Primat der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung. Doch hierfür ist ein gewisses Maß an Vertrauen nötig; es wird durch die besondere Konstruktion der genossenschaftlichen Zusammenarbeit - beispielsweise durch das Prinzip der Selbstorganschaft - quasi organisiert, und daraus entstehen Kontrollvorteile. 3. Marktstufe
2. Marktstufe
I. Marktstufe
I I" I ~
~----------------
I
I I
Mitgliederwirtschaft _ _ _ _ Mitgliederwirtschaft
Genossenschaftsunternehmen
Mitgliederwirtschaft _______
. '------------------
r----------~~-----------,/ Filialbetrieb _ _ _ _ _ _ __
Filialbetrieb
Marktpartner
/
/
_ - - - - - - - Konkurrenzzentrale - - - Geschäftsbeziehungen - - - - Marktbeziehungen •••••••• Konkurrenzbeziehungen -
Hierarchiebeziehungen
Abbildung 4: Beziehungsartenschema - integrierte Genossenschaft
Ein Beispiel für Versorgungsgenossenschaften sind die landwirtschaftlichen Verwertungsgenossenschaften wie Winzer- oder Molkereigenossenschaften. Bei der Weiterverarbeitung des Rohstoffes sind Größen- und/ oder Verbundvorteile erzielbar, die nicht selten zu einem natürlichen Regionalmonopol führen. Das Auftreten eines monopolistischen Weiterverarbeitungsuntemehmens dürfte jedoch bei Spotmarktbeziehungen zu
74
Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
erheblichen Prozeßstörungen führen. Der Effizienzvorteil der Versorgungsgenossenschaft besteht deshalb in der transaktionskostensenkenden "Eigen"-Besetzung dieser Monopolposition durch die Betroffenen. Dies ist zugleich die Voraussetzung für eine Anwendung des wohlfahrtsoptimalen gemischten Tarifes. Denn die Nutzung der genossenschaftlichen Einrichtungen (= des Unternehmens) zu Grenzkostenpreisen erfordert die Deckung der Fixkosten mittels eines Beitrages. Doch dazu müssen alle Nutzer in einem Kollektiv (= Verein) zusammengefaßt sein. Beispiele für integrierte Genossenschaften bietet der Lebensmitteleinzelhandel. Die monopolistische Konkurrenz einiger weniger Handelsketten gestattet selbständig agierenden Einzelhändlern kaum noch das Überleben am Markt. Ein wirklicher Wettbewerb kommt erst dann zustande, wenn die Einzelhändler als Kooperation einheitlich nach außen auftreten und dadurch Verteilungskampfvorteile der Großunternehmen ausgleichen. Die Überwindung eines derartigen Wettbewerbsmangels wird also erst durch ein geschlossenes Gruppenauftreten und -management ermöglicht. Eine vollkommen andere Situation ist bei den Marktgenossenschaften feststellbar. Die vormaligen Koordinationsmängel werden zusehens überwunden; die Marktprozesse verlaufen ohne Funktionsstörungen. Daher kann der Markt als funktionsfähig bezeichnet werden. Sichtbaren Ausdruck findet dies in einem hohen Konkurrenzdruck, dem sich das Genossenschaftsunternehmen ausgesetzt sieht. Technische Gegebenheiten oder Nachfragewachstum haben ehemalige natürliche Monopole beseitigt, so daß neue Anbieter auf den Markt drängen; die Genossenschaftsleistung verliert ihren Kollektivgutcharakter. Dadurch schwindet das Erfordernis zur Kooperation: Die Genossenschaften operieren auf Märkten in der Ausreifungsphase. In dem Maße, wie die gewünschte Leistung auch von Wettbewerbern angeboten wird, sinkt die transaktions spezifische Abhängigkeit. Daher gibt es auch keinen Grund mehr für eine Absicherung durch Integration. Eine besondere genossenschaftliche Organisation von Zusammenarbeit wird nicht mehr benötigt; Genossenschaftsunternehmen und Mitgliederbetriebe verselbständigen sich gegeneinander. Besonders deutlich wird dies an (groß-)städtischen Bankplätzen. Die örtlichen Volksbanken sehen sich dort der Konkurrenz von Sparkassen, Groß- und Regionalbanken, Privatbanken, Postbank, ausländischen Kreditinstituten u.a. ausgesetzt. Ein genossenschaftlicher Kontrollverein zur Absicherung von Abhängigkeiten ist bei einer solchen Marktstruktur offensichtlich nicht mehr nötig.
IV. Konsequenzen für die genossenschaftliche Entwicklung
75
Daneben wandeln sich die strukturellen Merkmale der Mitgliederzusammensetzung. 170 So trifft man heute in den Marktgenossenschaften auf Mitglieder, deren verschiedenartige wirtschaftliche Stellung und Herkunft zu unterschiedlichen Interessenlagen führt. Ein einheitliches Mitgliederverhalten ist dabei nicht mehr gegeben; es herrscht eine eher heterogene Mitgliederstruktur vor. Insbesondere die starke Steigerung der absoluten Mitgliederzahlen bzw. die Ausdehnung des Mitgliederkreises hat zu einer verstärkten Anonymisierung der Mitgliedschaft beigetragen. 171 Desweiteren sind die Mitgliederwirtschaften gerade in den traditionellen Geschäftsfeldern des ländlichen Genossenschaftswesens mit Sättigungstendenzen und stagnierenden Märkten 172 konfrontiert. Die Reaktion der Betroffenen hierauf äußert sich z.B. in einem teilweise intensiven Verdrängungswettbewerb untereinander. 173 Eine Belastung für die Kooperationsneigung ergibt sich dabei aus der auseinanderdriftenden Betriebsgrößenstruktur der Mitgliederwirtschaften, aufgrund derer leistungsstarke Mitglieder an der Genossenschaft vorbei direkt mit der nachgelagerten Marktstufe kontrahieren können. Daneben sind die Konkurrenzunternehmen der Genossenschaft gerade bei diesen leistungsstarken Mitgliedern auf Abwerbung aus, bietet sie doch die Möglichkeit, die Position der Genossenschaft zu schwächen. Für die betroffenen Mitglieder besteht dann aber offensichtlich kein wirtschaftliches Erfordernis für eine Kooperation mehr; eine Genossenschaft ist nicht in der Lage, für sie weiterhin besondere Vorteile zu erbringen. Für die Genossenschaft folgt aus diesem Sachverhalt eine veränderte Konkurrenzsituation. Zum einen ist die horizontale Kooperation der Mitgliederwirtschaften der 1. Marktstufe durch Fremdgeschäfte einiger Mitglieder mit den direkten Konkurrenten der Genossenschaft auf der 2. Marktstufe sowie deren Nichtmitgliedergeschäfte gefährdet. Andererseits führt eine zunehmende Konzentration auf der den Mitgliedern abgewandten Marktseite der Genossenschaft,174 also der 3. Marktstufe, zu einem sich verschärfenden Wettbewerb zwischen der Genossenschaft und ihren unmittelbaren Konkurrenten auf der 2. Marktstufe. Daneben versuchen die Marktteilnehmer der 3. Marktstufe, durch Direktgeschäfte mit den einzel-
Vgl. im folgenden Mändle (1983), S. 414/415. V gl. Vierheller (1990), S. 87. 172 Dies gilt insbesondere für den Bereich der Land- bzw. Ernährungswirtschaft, vgl. Petersen (1993), S. 42. 173 V gl. Wohlers (1993), S. 21/22. 174 Vgl. Mändle (1992), S. 727. 170 171
76
Kapitell: Die Entwicklung der Genossenschaft
nen Mitgliedern die MarktsteIlung der Genossenschaft zu schwächen. 175 Die Genossenschaft wird durch die Wettbewerbskräfte gewissermaßen "in die Zange genommen". I. Marktstufe
2. Marktstufe
3. Marktstufe
Mitgliederwirtschaft ~- - - - - - - - - - - - - - __",_ Konkurrenzunternehmen, 1 '" : , 1
Mitgliederwirtschaft Mitgliederwirtschaft
,
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1
Genossenschaftsunternehmen - ~ Marktpartner •
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Geschäftsbeziehungen - - - - -
Marktbeziehungen
• • • • • • • • •• Konkurrenzbeziehungen Abbildung 5: Beziehungsartenschema - Marktgenossenschaft
Es bleibt damit festzuhalten, daß die gegenwärtig bestehenden Genossenschaften aus Gründen unterschiedlicher Marktsituationen zum Teil erheblich von ihrem ursprünglichen Leitbild abweichen. Offensichtlich lassen bestimmte Marktkonstellationen die genossenschaftliche Organisationsform nicht zu, weil bei ihnen die Vereins- und/oder die Unternehmensdimension nicht aufrecht zu erhalten sind. Daraus ist die Konsequenz zu ziehen, daß eine generalisierende Aussage über die weiteren Perspektiven der genossenschaftlichen Organisationsform unsachgemäß ist. Zu dieser differenzierenden Betrachtung gehört dann auch die Feststellung, daß heute Wirtschaftsgebilde als Genossenschaften auftreten, die es dem prototypischen Verständnis nach nicht sind.
v.
Zwischenergebnis
Das erste Kapitel ist der Frage nachgegangen, inwiefern die Genossenschaften einem Strukturwandel ausgesetzt gewesen sind oder auch noch immer sind. Dies war mit der Frage verbunden, ob die geänderten Umweltbedingungen der Märkte auch heute noch die Genossenschaft als institutionellen Rahmen für wirtschaftliche Betätigungszwecke sinnvoll
175
Vgl. Wohlers (1993), S. 16.
V. Zwischenergebnis
77
erscheinen lassen. Dazu ist die Genossenschaft zunächst ökonomisch definiert und vom allgemeineren Begriff der Kooperation abgegrenzt worden. In einem zweiten Schritt wurde dann das der Genossenschaft zugrundeliegende Leitbild herausgearbeitet, das sie als einen Verein mit Unternehmung charakterisiert. Damit ist zugleich die Feststellung verbunden, daß eine genossenschaftliche Betätigung nur in den Fällen bzw. angesichts solcher Marktsituationen sinnvoll und erfolgversprechend erscheint, in denen sie die Vorteilhaftigkeit der horizontalen Kooperation mit denen der vertikalen Integration kombinieren kann. Für die Ausgangsfrage nach der Zukunftsfähigkeit der genossenschaftlichen Organisationsform ist deshalb von Bedeutung, daß man sich diesen Zusammenhang vor Augen hält. Denn angesichts der Marktveränderungen sind auf einer Reihe dieser Märkte die Ausgangsbedingungen einer genossenschaftlichen Betätigung entfallen. Wenn auf solchen Märkten ursprünglich zweckmäßige Genossenschaften weiterhin agieren, wandeln sie sich zu "normalen" (d.h. erwerbswirtschaftlich orientierten) Marktteilnehmern, die ihre ökonomischen Charakteristika nach und nach verlieren. Die Besonderheit der genossenschaftlichen Organisationsweise wird dann immer weniger sichtbar und stellt letztlich deren Existenzberechtigung in Frage. Wenn die Genossenschaft als Organisationsform gegenwärtig Glaubwürdigkeits- und' Identitätsproblemen ausgesetzt ist, so resultieren sie zu einem Teil auch daraus, daß alle Genossenschaftstypen gemeinsam betrachtet werden und ihr Organisationskonzept vielfach in Hinblick auf die Marktgenossenschaften bewertet wird. Doch die Marktgenossenschaft ist gerade der Ausdruck dessen, daß eine genossenschaftliche Organisationsweise nicht mehr möglich bzw. erforderlich ist. Ist man also an der Glaubwürdigkeit der Genossenschaft interessiert, darf sie nur dann als ordnungspolitisch legitimiert gelten, soweit sie dem ihr zugrundeliegenden Leitbild verpflichtet ist. Die Identitätsprobleme der Genossenschaften sind daher zu einem Teil bereits dadurch zu lösen, daß man die Erarbeitung einer Perspektive für sie auf die prototypischen Genossenschaften begrenzt.
Kapitel 2
Das Erscheinungsbild der Genossenschaft: Rechtstyp und Rechtswirklichkeit der Genossenschaft Im vorangegangenen Kapitel ist der Leitgedanke der Genossenschaft als Verein mit Unternehmung ökonomisch analysiert worden. Dies diente dem Zweck, Bestimmungsgründe der Vorteilhaftigkeit von horizontaler Kooperation und vertikaler Integration in dem institutionellen Arrangement der Genossenschaft zu gewinnen. Die Charakterisierung der Genossenschaft als Hybridorganisation sagt aber noch nichts darüber aus, nach welchem Muster sie intern, d.h. in den Beziehungen der Mitglieder untereinander, in dem Verhältnis des einzelnen zur Mitgliedergesamtheit oder auch in der Position des Mitglieds dem Genossenschaftsunternehmen und dessen Führung gegenüber, ausgestaltet ist. Nun ist ein solches Organisationsmodell nicht vollständig frei wählbar; vielmehr ergeben sich wesentliche Strukturen zwingend aus dem vom Gesetzgeber geschaffenen Organisationsrecht. Deshalb soll im folgenden die Rechtskonstruktion der (eingetragenen) Genossenschaft darautbin untersucht werden, inwieweit sie dem beschriebenen Leitgedanken gerecht werden kann. Hierfür wird zunächst - im normativen Sinn - das Organisationskonzept der Genossenschaft betrachtet. Die Besonderheiten und Konsequenzen der (innergenossenschaftlichen) mitgliedschaftlichen Beziehungen, die sich aus der Verbindung eines Vereines mit einem Unternehmen ergeben, sollen so verdeutlicht werden. Hieran wird dann die tatsächliche Rechtsgestaltung gemessen. I. Der Rechtstyp der Genossenschaft: Die Mitgliederwidmung als Wesensmerkmal
Bereits zu Beginn dieser Arbeit wurde darauf hingewiesen, daß ihr Gegenstand nicht die juristisch definierte Genossenschaft sein soll. 176 Denn dann würde es genügen, die Untersuchung lediglich auf die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft zu beschränken. Es geht jedoch 176
Siehe S. 24.
I. Der Rechtstyp der Genossenschaft
79
vielmehr darum, wie die der genossenschaftlichen Zusammenarbeit zugrundeliegende Leitidee - so wie sie sich aus der ökonomischen Analyse ergeben hat - Eingang in die Rechtskonstruktion der Genossenschaft findet. Dafür ist es sinnvoll, die Genossenschaft begrifflich weiter zu fassen und als Rechtstyp zu interpretieren. Damit ist dann die Frage aufgeworfen, wodurch ein solcher Rechtstyp charakterisiert bzw. eindeutig identifizierbar ist. 1. Zum Begriff des Rechtstyps
Aus der Entstehungsgeschichte der Hilfs- und Ergänzungsgenossenschaften wird ihre Besonderheit ersichtlich, nämlich der gemeinschaftliche Betrieb eines Unternehmens durch den Verein der Mitglieder unter Beibehaltung und zur Sicherung der eigenen unternehmerischen Selbständigkeit. Dieses Leitbild im Sinne eines historisch gewachsenen, überpositiven Genossenschaftsbegriffes 177 war vorhanden, bevor der Gesetzgeber daran ging, für die genossenschaftliche Kooperation mit dem Genossenschaftsgesetz eine eigene Rechtsform zu schaffen. 178 Es bildet damit die Grundlage für den Rechtstyp Genossenschaft. 179 Ein solcher Rechtstyp entsteht, indem der Gesetzgeber bestimmte Merkmale oder Merkmalskombinationen in einer typischen, normierten Rechtsform zusammenfaßt, innerhalb derer jedoch ein gewisses Maß an Gestaltungsfreiheit herrscht; der Rechtstyp ist insofern als ein inhaltlich umschriebenes Modell bestimmter Lebenstatbestände aufzufassen. 180 Im Gegensatz zur Rechtsform, die tatbestandlich definiert ist, ergibt sich der Rechtstyp aus der Anschauung des Rechtslebens. 181 Dabei muß sich die Rechtswirklichkeit nicht zwingend mit dem Rechtstypus decken. Die Wirklichkeit kann darüber hinaus von der gesetzlichen Norm bzw. der Rechtsform abweichen, wenn sie eine grundsätzlich mögliche Gestaltungsfreiheit für sich in Anspruch nimmt, womit das Problem der hierbei zulässigen Grenzen aufgeworfen iSt. 182 Es kann dann innerhalb einer RechtsVgl. Pauliek (1956), S. 5. Vgl. GroßfeldlAldejohann (1989), S. 2. 179 Vgl. Münkner (1993), S. 6. 180 V gl. Münkner (1993), S. 6n; ReinhardtlSchultz (1981), RZ 35. 181 Vgl. Schmidt (1986), S. 37/38. Nach Münkner (1993), S. 9 ist der Rechtstyp eine "gesetzlich nonnierte Merkmalskombination mit Modellcharakter und mit unverzichtbarer gesetzlich geregelter Abgrenzung gegenüber anderen Rechtstypen". Einen Überblick über die verschiedenen Meinungen zur Bedeutung des Typus für die Rechtsfonn gibt Wiedemann (1980), s. S. 73 und die dort angegebene Literatur. 182 Vgl. ReinhardtlSchultz (1981), RZ 34. 177
178
80
Kapitel 2: Das Erscheinungsbild der Genossenschaft
fonn zu Typusvariationen kommen, es ist aber auch eine atypische Gestaltung von Rechtsfonnen denkbar, so daß die Rechtsfonn für sich allein keine endgültige Aussage über den Charakter einer Zweckvereinigung trifft. 183 Der Rechtstyp Genossenschaft als Verein mit Unternehmung ist dabei als ein auf subsidiäre Selbsthilfe gegründeter personenbezogener Zusammenschluß zu sehen. Die Genossenschaft ist nicht zweckneutral, wie dies für andere Gesellschaftsfonnen gilt,184 sondern durch die jeweiligen Ziele ihrer Gründer (bzw. im weiteren Verlauf ihrer Mitglieder) detenniniert; 185 letztlich ist sie ein Mittel der in ihr kooperierenden Mitglieder. 186 Die rechtlich relevanten Merkmale des Leitbildes der Genossenschaft stellen sich daher wie folgt dar: 187 personen- bzw. mitgliederbezogene Zusammenarbeit auf der Basis von Selbsthilfe und Solidarität; nichtgeschlossene Mitgliederzahl; Teilnahme am Wirtschaftsverkehr mit einem gemeinsam getragenen Unternehmen; Umsetzung eines Förderungszweckes mittels des gemeinsam getragenen Unternehmens. Dieser ausschließliche Bezug der Genossenschaft auf ihre Mitglieder verdeutlicht das entscheidende Wesensmerkmal des Rechtstyps Genossenschaft: Es soll als die Mitgliederwidmung der Genossenschaft bezeichnet werden. 188 Ausdruck dieser Mitgliederwidmung ist die förderwirtschaftliche Zwecksetzung der Genossenschaft, aus der sich die spezielle genossenschaftliche Identität ergibt.
183 So Schmidt (1986), S. 38. Zur geschichtlichen Entwicklung dieser Frage siehe auch Kühler (1990), S. 19. 184 Vgl. Münkner (1993), S. 11, der als Beispiele die AG und die GmbH anführt. 185 Vgl. Boettcher (I 980a), S. 20/21. Nach Schmidt (1986), S. 936 ist die Genossenschaft "ganz auf den Typus des Selbsthilfeunternehmens zugeschnitten". 186 Pauliek (1956), S. 62 sieht daher die eingetragene Genossenschaft "als Ausdrucksform der gesetzlichen Typenbeschränkung charakterisiert", da sich die genossenschaftliche, "für einen spezifischen Zweck geschaffene Rechtsform nicht außerhalb des vom Gesetzgeber vorgesehenen Typus verwenden" läßt.
187 188
Siehe im folgenden Münkner (1993), S. 19. Dieser Begriff ist entlehnt bei Hettlage (1990), s. S. 133.
I. Der Rechtstyp der Genossenschaft
81
2. Die Färderwirtschaftlichkeit der Genossenschaft
a) Das Schaffen von Nutzungsrechten Aufgrund ihrer Zweckgebundenheit bezieht die Genossenschaft ihre Legitimation als eigenständiger Rechtstyp aus dem genossenschaftsspezifischen Inhalt ihres Zielsystems;189 dies ist bereits als die förderwirtschaftliehe Zwecksetzung der Genossenschaft bezeichnet worden. Die Mitgliederwirtschaften kooperieren, um ein Unternehmen zu errichten, dessen Leistungen sie benötigen und die sie aufgrund von Funktionsstörungen nicht über den Markt beziehen können. 190 Dies verdeutlicht, daß die genossenschaftliche Kooperation leistungsbezogen ist; 191 die Förderung vollzieht sich also "natural".192 Das Bestehen von Leistungsbeziehungen zwischen dem Genossenschaftsunternehmen und den Mitgliederwirtschaften charakterisiert die Genossenschaft als nutzerbezogenen Rechtstyp. 193 Die Definition von Nutzungsrechten ist erforderlich, um die Gleichgewichtsfähigkeit der genossenschaftlichen Kooperation gewährleisten zu können. Da jedes Mitglied neben der bereits angesprochenen Einschränkung seiner Autonomie weitere Lasten, d.h. finanzielle und nicht-finanzielle Beiträge, aufzuwenden hat, müssen entsprechend hohe Anreize geschaffen werden, um insgesamt zu einem positiven Nutzensaldo zu gelangen. 194 Dies sind die Leistungen der Genossenschaft, die jedes Mitglied in Anspruch nehmen kann, aber nicht muß. Eine solche Optionsmöglichkeit wird für die Mitglieder dadurch verbrieft, daß der Verein ihnen entsprechende Rechte auf Nutzung der genossenschaftlichen Einrichtungen einräumt. Dies ist darüber hinaus auch notwendig, um die Stabilität der Kooperation sicherzustellen. Denn die Bereitstellung eines Klubkollektivgutes verlangt, bestehende Exklusionsmöglichkeiten anzuwenden, um Außenseiterpositionen wirksam zu verhindern. Die Nutzungsrechte müssen deshalb auf den Kreis der Mitglieder beschränkt sein.
V gl. Blümle (1981), S. 235/236. Vgl. Eickhof(l982), S. 257. 191 V gl. Beuthien (1989), S. 26. 192 V gl. Jäger (1991 a), S. 10. Die Leistungen der Genossenschaft sind also danach ausgerichtet, daß sie der Natur, d.h. den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Mitglieder entsprechen. 193 Vgl. Mersmann/Novy (1991), S. 31. 194 Zur Anwendung der Anreiz-Beitrags-Theorie auf Genossenschaften siehe Eschenburg (1988), insb. S. 258-260; Ringle (1987), hier S. 5-8; Herder-Dorneich (1989), S. 23-25. 189 190
(i
Bialck
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Kapitel 2: Das Erscheinungsbild der Genossenschaft
Somit drückt sich die Färderwirtschaftlichkeit der Genossenschaft darin aus, daß die Mitglieder am gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb teilnehmen; diese Betriebsbeteiligung grenzt die Genossenschaft von anderen Kooperationsformen ab. 195 Die Existenz von Nutzungsrechten beschreibt damit das Verhältnis zwischen der Genossenschaftsunternehmung und den Mitgliederwirtschaften auf der realwirtschaftlichen Ebene. Da das Unternehmen vom Genossenschaftsverein betrieben wird, um bestehende Abhängigkeiten - in ihrer Gesamtheit - zu internalisieren, bedeutet die Verankerung von Nutzungsrechten (die ja streng genommen gegenüber dem Genossenschaftsunternehmen bestehen) die individuelle Absicherung der Position jedes einzelnen Mitglieds. Dies gilt auch dann, wenn es dabei zu neuen - evtl. weitergehenden - Abhängigkeiten kommen sollte, die sich aus der betriebs bezogenen Mitgliedschaft, d.h. der gegenseitigen Abstimmunf zwischen Mitgliederwirtschaften und Genossenschaftsunternehmung, 19 ergeben. Denn die Färderwirtschaftlichkeit der Genossenschaft wird zusätzlich noch durch die anschließend zu besprechenden Eigentumsrechte bewirkt. b) Das Schaffen von Eigentumsrechten Der Nutzerbezug der Genossenschaftsunternehmung auf der realwirtschaftlichen Ebene findet die notwendige Entsprechung in vermägensrechtlicher Hinsicht durch das Schaffen von Eigentumsrechten. Diese müssen definiert werden, weil die Genossenschaft ja nicht bloß eine Kooperation ohne Verselbständigung des Zusammenschlusses ist, wie dies etwa für formelle oder informelle Absprachen gilt. 197 Vielmehr unterhält der Verein ein Unternehmen. Damit ist die Frage aufgeworfen, in wessen Händen die im Unternehmen gebundenen Produktionsfaktoren liegen sollen. Nun bewegt sich das deutsche Genossenschaftswesen im Bezugsrahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung, die durch dezentrale Planungskompetenz, die Koordination der Einzelpläne auf den Märkten sowie das Privateigentum an den Produktionsmitteln gekennzeichnet ist. 198 Ein charak-
Siehe hierzu Geist (1981), S. 6/7. Vgl. Apel (1978), S. 38-40, der die gegenseitige Abstimmung von Genossenschaftsunternehmung und Mitgliederbetrieben als "Betriebsbezogenheit" bezeichnet. 197 Vgl. Schmitz-Herscheidt (1981a), S. 66. Als Beispiel seien Arbeitsgemeinschaften oder strategische Allianzen genannt. 198 Zu den konstituierenden Prinzipien einer marktwirtschaftlichen bzw. Wettbewerbsordnung siehe Eucken (1990), S. 254-291. 195
196
I. Der Rechtstyp der Genossenschaft
83
teristisches Merkmal der Entwicklung einer Volkswirtschaft ist die Unternehmens- und Betriebskonzentration. 199 Sie kann als Ballung ökonomischer Größen bezeichnet werden, die bei Einkommen, Vermögen, Verfügungsrnacht und Standorten zu beobachten ist. 2OO Unter der Prämisse, daß für eine dezentrale wettbewerbliche Wirtschaftsordnung eine entsprechend dezentrale Verteilung der privaten Eigentumsrechte unabdingbar ist,201 verlangt die Kooperation in der Genossenschaft somit nach Privateigentum der Mitglieder an der Genossenschaft. Dazu fungieren die Nutzer der Genossenschaft gleichzeitig als deren Eigentümer; sie definieren deren förderwirtschaftliche Zwecksetzung und stehen für ihre Entscheidungen ein, was üblicherweise mit den genossenschaftlichen Grundsätzen der Selbstverwaltung, Selbsthilfe und Selbstverantwortung umschrieben wird. 202 In einem marktwirtschaftlich verfaßten Wirtschaftssystem, in dem die Mitgliederwirtschaften auf Privateigentum begründet sind, erfordert die Errichtung einer Genossenschaft private Eigentumsrechte für ihre Mitglieder. Auf diese Weise verbindet sich in ihr privates Eigentum mit einer Form des freiwilligen Gemeineigentums?03 Die privaten Eigentumsrechte der Mitglieder sind dabei nur als Äquivalent bzw. gleichsam als Absicherung der nutzungsbezogenen Bindung zwischen Mitgliederwirtschaft und Genossenschaftsunternehmen zu verstehen; keinesfalls besitzen sie einen Selbstzweck. Dem entspricht die Anschauung vom dienenden Charakter des Kapitals in einer Genossenschaft, nach der nicht die kapitalmäßige, sondern die persönliche Beteiligung der Mitglieder im Vordergrund steht. 204 Die finanzielle Beteiligung ist daher - im Gegensatz zur Kapitalgesellschaft - nicht Voraussetzung, sondern zwangsläufige Folge der Mitgliedschaft,205 da die Genossenschaft selbstverständlich Kapital für die Durchführung ihres Geschäftsbetriebes benötigt. Liegen dann die Eigentumsrechte an der Genossenschaft in Händen der Mitglieder, kann dies als Garantie für ihre förderwirtschaftliche Zwecksetzung gelten.
Vgl. Mändle (1983), S. 408. V gl. Arndt (1971), S. 6. 201 Nach Eucken (1990), S. 274/275 bedarf das Privateigentum explizit der Kontrolle durch die Konkurrenz. Demgegenüber führt Privateigentum in monopolistischen Marktforrnen zu schweren Schädigungen des Wirtschaftsprozesses. 202 V gl. Pauliek (1956), S. 5-9. 203 Vgl. Kloss (1976), S. 7. 204 Vgl. Pauliek (1954), S. 136. 205 V gl. Geist (1981), S. 8. 199
200
0*
84
Kapitel 2: Das Erscheinungsbild der Genossenschaft
Hier nun wird die bestehende Eigentumsproblematik sichtbar. Die persönliche Zuordnung des "Gesamtkapitals" der Genossenschaft auf ihre Mitglieder ist nur in Höhe der jeweils bestehenden Geschäftsguthaben, d.h. den auf die einzelnen Geschäftsanteile eingezahlten bzw. zu- und abgeschriebenen Summen, möglich,z06 Das Geschäftsguthaben wird daher auch als der vermögensrechtliche Kern der Mitgliedschaft bezeichnet. 207 Daneben zählen zum Eigenkapital die Rücklagen. 208 Hier ist eine direkte Zuordnung der Eigentumsrechte auf einzelne Mitglieder nicht möglich; vielmehr gilt dieses Kapital als Eigentum der Genossenschaft bzw. der Gesamtheit der Genossen, es ist "entindividualisiertes Kapital",z09 Da Eigentumsrechte individuell nicht mehr zurechenbar sind, werden sie kollektiv von der Genossenschaft wahrgenommen. Aufgrund dieser eigentumsrechtlichen Entkopplung besteht eine systemimmanente Gefahr der Verselbständigung der Genossenschaft. 210 Für den rechtstypischen Charakter der Genossenschaft als mitgliedergewidmete Kooperation ist deshalb von Bedeutung, daß dieser Gefahr wirksam begegnet werden kann. 3. Die spezifisch genossenschaftliche Identität
Die Kennzeichnung der Genossenschaft als mitgliedergetragene, mitgliederorientierte und mitgliederkontrollierte Selbsthilfeorganisation211 bringt die Anreiz- und Kontrollvorteile zum Ausdruck, die in der genossenschaftlichen Organisation von Kooperation und Integration bestehen. Diese Mitgliederwidmung soll nun als Ausgangspunkt dienen, um zu untersuchen, inwieweit sich aus der beschriebenen Verbindung eines Vereines mit einem Unternehmen zugleich eine spezifisch genossenschaftliche Identität ableiten läßt. Der Begriff Identität wird bei einer Person allgemein verwendet, indem man die Summe bestimmter Merkmale meint, durch die sich diese Person als einmaliges Subjekt von allen anderen unterscheidet. 212 Identität in dieSiehe § 7 GenG; vgl. Lang/Weidmüller (1988), § 7 RZ 13-15. So Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 7 RZ 5. 208 Das Eigenkapital hat mit bei den Komponenten Finanzierungs- und Haftungsfunktion. Doch während die Geschäftsguthaben vornehmlich der Mittelausstattung dienen, ist die Sicherung der Gläubiger vor allem Aufgabe der Nachschußpflicht, vgl. Lang/Weidmüller (1983), § 7 RZ 79. 209 Vgl. Groß/eid (1975), S. 12. 210 Vgl. Kugler (1978), S. 201. 211 VgI.Münkner(1991),S.70. 206
207
212
Vgl. Trux (1985), S. 64.
I. Der Rechtstyp der Genossenschaft
85
sem Sinne bringt Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit zum Ausdruck?!3 Oberhalb der Individualebene besteht Identität in Zusammenhang mit einer Gruppe, wenn die Gruppenmitglieder sich als Teil eines gemeinsamen Ganzen verstehen, mit dessen Werten und Normen sie sich identifizieren. 2!4 Die Genossenschaft ist als Verein eine solche Gruppe?!5 Eine Identität für das "Gruppengebilde" Genossenschaft ergibt sich dabei aus den gleichgerichteten Interessen der Mitglieder, sich freiwillig zwecks Bereit- und Herstellung eines Kollektivgutes bzw. einer Kollektivleistung zu einer Genossenschaft zusammenzuschließen. Dabei bezieht sich das Vorhandensein gleichgerichteter Interessen selbstverständlich nur auf den Rahmen der genossenschaftlichen Kooperation;2!6 ansonsten werden die Mitglieder jeweils eigene Interessen verfolgen, die durchaus miteinander in Konflikt stehen können. Eine allgemeine Interessenharmonie in der Gruppe der Mitglieder wird man kaum erwarten können. 2!7 Dies ist jedoch auch nicht erforderlich. Die spezifisch genossenschaftliche Identität basiert auf dem Leitgedanken der besonderen verbundwirtschaftlichen Kooperation der Mitgliederwirtschaften mittels der Genossenschaftsunternehmung?!8 Die Mitgliedschaft in der Genossenschaft ist personen gebunden und doch auch betriebsbezogen. Ihre Identität bezieht die Genossenschaft deshalb aus der Gesamtheit von Verein und Unternehmung. Ebensowenig, wie sich bereits aus der Wahl einer Rechtsform eine eigenständige Identität ergeben kann,2!9 ist es möglich, allein auf der betriebswirtschaftlichen Ebene der
V gl. Grosskopf (1990a), S. 102. Vgl. Bonus (1993), S. 16; zur kollektiven Identität siehe ders. (1994), S. 1-7. 215 Zur genossenschaftlichen Mitgliedschaft siehe ausführlich Pauliek (1956), S. 131-133. 216 Vgl. Jäger (1985a), S. 16. Die gleichgerichteten Interessen bestehen demnach darin, auf diese Weise den eigenen Handlungsspielraum erweitern bzw. die individuelle Wohlfahrt erhöhen zu können. 217 Interessen sind immer eigennützig. Sie lassen sich nur dahingehend unterscheiden, ob sie lediglich von einem Teil der Mitglieder oder von allen Mitgliedern geteilt werden, vgl. Grossekettler (1982), S. 215/216. Daher führt er die Abgrenzung in "partikulare" und "allgemeine" Interessen ein. Der gleiche Sachverhalt wird von Olson (1968), S. 8 mit "individuelle" bzw. "gemeinsame" Interessen bezeichnet. Ähnlich argumentiert Schmitz-Herscheidt (1981 a), S. 137, der die Eigenart der großen Gruppe im Gesellschaftsrecht darin sieht, daß die einzelnen Akteure aus ihrem Individualbereich jeweils nur einen Interessenausschnitt ausgliedern. 218 Denn allein auf der Intensität der funktionalen Verbindung zwischen Mitgliederwirtschaften und Genossenschaftsunternehmung basiert der dauerhafte Erfolg des Kooperationsgebildes; s. Blümle/Ringle (1986), S. 177. 219 Vgl. Münkner (1987), S. 4; gegenteiliger Meinung ist Steding (1992a), S. 940. 213
214
86
Kapitel 2: Das Erscheinungsbild der Genossenschaft
Genossenschaftsunternehmung eine solche zu fonnulieren. Dieses Unterfangen entspringt der Überlegung, die Genossenschaftsunternehmung habe einen "Förderauftrag" , der sie zu einer besonderen Wirtschaftsweise220 zwinge, nämlich der Förder- anstelle der Erwerbswirtschaft. Die Besonderheit genossenschaftlicher Wirtschaftsweise besteht jedoch "lediglich" in ihrer förderwirtschaftlichen Zwecksetzung, d.h. in der genossenschaftsspezifischen Organisation von Kooperation und Integration. Die Genossenschaftsunternehmung kann sich deshalb nicht durch die Wirtschafts weise, sondern nur durch die Zielsetzung von anderen Unternehmen unterscheiden, die sich ebenfalls am Markt behaupten müssen. Daher ist es unzweckmäßig, analog zur Fonnulierung einer Unternehmensidentität 221 eine besondere genossenschaftliche Identität entwickeln zu wollen,222 da ein solcher Identitätsbegriff zwingenderweise nur die Genossenschaftsunternehmung, nicht jedoch das komplexe Gesamtgebilde Genossenschaft umfassen kann. 223 Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß die Genossenschaft bereits als Organisationsfonn über eine spezifische Identität verfügt. Denn wenn eine Rechtskonstruktion dem Leitbild aus Verein mit Unternehmen folgt, drückt sich dies als Förderwirtschaftlichkeit im Sinne einer mitgliedergewidmeten Ausrichtung bzw. Zielsetzung aus. Daraus ergibt sich schließlich die spezifische genossenschaftliche Identität. Bei den nachfolgenden Betrachtungen des Organisationsrahmens der Genossenschaft ist deshalb zu prüfen, inwieweit das rechtstypische Merkmal der Mitgliederwidmung verwirklicht ist. Dazu ist sowohl auf die Zweckgebundenheit der Kooperation selbst - die sich entsprechend im gemeinsamen Unternehmen auswirken muß - als auch auf den Gehalt der mitgliedschaftlichen Beziehungen innerhalb der Kooperation abzustellen. 224 In beidem muß sich die Förderwirtschaftlichkeit widerspiegeln.
Siehe hierzu Münkner (1993), S. 8. Zum Begriff siehe Grosskopf (1990a), S. 102. 222 Dies ist allein schon deshalb problematisch, weil sich die Vermittlung einer Unternehmensidentität primär an deren Mitarbeiter richtet, siehe hierzu Ouchi (1981), S. 41. 223 Einen solchen Versuch unternimmt Lipfert (1988), S. 80-84. Ausdrücklich ist bei ihm von identitätsorientierter "Unternehmensführung" die Rede. 224 So Großfeld/Apel (1977), S. 211. Nach Westermann (1972), S. 368 u. 372 ist die der Genossenschaft eigene betriebsbezogene Mitgliedschaft im Gegensatz zur finanziell bestimmten eine natural bestimmte Mitgliedschaft; dies erfordert eine personalistische Struktur. 220 221
11. Die Marktintegration der Genossenschaft
87
11. Die Marktintegration der Genossenschaft
Es ist nun zu untersuchen, wie sich die im ersten Kapitel bereits konstatierte Veränderung der marktlichen Rahmenbedingungen auf das innere Organisationsgefüge der Genossenschaft ausgewirkt hat. Dazu sind die Anpassungsreaktionen zu betrachten, die bei den Genossenschaften durch die Markt- und Wettbewerbszwänge ausgelöst worden sind. Die Modifikationen der Organisationsstrukturen sind dann in Hinblick auf die Frage zu prüfen, ob dadurch zugleich auch die mitgliedschaftlichen Beziehungen in ihrem Gehalt verändert worden sind. 1. Die Dynamik des Wettbewerbs
Auch wenn man der Genossenschaft ein einheitliches Leitbild zugrunde legen kann, stellen sich doch die Bestimmungsgründe der horizontalen Kooperation und der vertikalen Integration bei den einzelnen Strukturtypen unterschiedlich dar. Darin spiegeln sich vor allem die marktlichen Entwicklungsprozesse wider. Da sich Genossenschaften bewußt und ausdrücklich auf Märkten und in marktwirtschaftlichen Zusammenhängen bewegen,225 stehen sie in Austauschbeziehungen mit ihrer marktwirtschaftlich organisierten Umwelt und müssen mit nicht-genossenschaftlich organisierten Unternehmen konkurrieren. 226 Märkte sind die Schaltstelle hierfür; dabei hat sich als Ordnungsprinzip der Leistungswettbewerb durchgesetzt, da er sich im Sinne eines Wetteiferns um die Verwirklichung individueller Vorstellungen zu einem dynamischen Wettbewerbsprozeß entwickelt, der zum Vorteil aller Beteiligten beiträgt. 227 Wettbewerb ist damit keine statische Größe, er ist vielmehr laufenden Änderungen unterworfen und entwickelt sich ständig fort; er ist dynamisch. Die Dynamik des Wettbewerbs kann allerdings eine latente Gefahr der Selbstzerstörung der vorhandenen (vorteilhaften) Wettbewerbsstruktur beinhalten. 228 Auf vormals funktionsfähigen Märkten könnten sich deshalb durchaus im Laufe der Zeit Koordinationsmängel zeigen. In diesem dynamischen Wettbewerbsumfeld bewegen sich die Genossenschaften. 229 Dabei werden nicht nur die Genossenschaften von den Vgl. Petersen (1993), S. 41. V gl. Finis (1985), S. 118. 227 Vgl. Thieme (1991), S. 56/57. 228 Vgl. Mortsiefer (1980), S. 3. 229 Kellner (1993), S. 38-41 nennt Beispiele für Märkte, auf denen einzelne Genossenschaftsarten tätig sind. Zu Zahlenangaben siehe DG-Bank (1992), S. 10/11. 225
226
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Kapitel 2: Das Erscheinungsbild der Genossenschaft
Marktprozessen determiniert; genauso verändern sie ihrerseits die Marktprozesse grundlegend. Die dem Wettbewerb innewohnende Dynamik bewirkt, daß sich die - bereits angesprochenen - Rahmenbedingungen des Marktes ständig verändern. 23o Diese Dynamik betrifft dabei die Gesamtheit der genossenschaftlichen Zusammenarbeit, d.h. die Genossenschaftsunternehmung und die Mitgliederwirtschaften. Ändern sich die Marktbedingungen, so dürfen nicht allein die Auswirkungen auf die Genossenschaftsunternehmung untersucht werden; vielmehr ist zu prüfen, inwieweit sich durch geänderte externe Einflüsse auch die Marktsituation der Mitgliederwirtschaften gewandelt hat. Denn daraus könnten sich veränderte Kooperationsbedürfnisse und/oder Integrationsnotwendigkeiten ergeben. Die Genossenschaft als Organisationsform muß somit die Fähigkeit zur "inneren" Dynamisierung aufweisen. 23 J Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß an dieser Stelle kein Entwicklungsgesetz formuliert werden soll, nach dem aus nicht-wettbewerblich organisierten automatisch immer wettbewerblich organisierte Märkte werden. Dem Wettbewerb wohnt - trotz oder gerade wegen seiner Dynamik stets die Tendenz zur Selbstzerstörung inne. Denn die konkurrierenden Marktteilnehmer versuchen ständig, sich wettbewerbsfreie Räume zu verschaffen?32 Die Absicht, die Wettbewerber zu übertreffen und damit die Konkurrenz auszuschalten, führt zum Aufbau von Vorsprungpositionen. Diese sind gleichbedeutend mit temporären Monopolsituationen, in denen das Konkurrenzprinzip vorübergehend ausgeschaltet ist. Insofern kann die Dynamik des Wettbewerbs durchaus für neue Förderungsbedürfnisse sorgen,233 die ihren Niederschlag in einer entsprechenden förderwirtschaftlichen Zwecksetzung der Genossenschaft finden?34 Der Schlüssel zur Sicherung des Rechtstyps liegt demnach in der Fähigkeit der Genossen230 Nach Müller/Goldherger (1986), S. 158 besteht ein Zusammenhang zwischen dem Strukturwandel und den Kooperationsbedürfnissen von Unternehmen. 231 Vgl. Mändle (1983), S. 397/398; Mersmann/Novy (1991), S. 37; gegenteiliger Ansicht ist Hoffmann (1992), S. 124, der der Genossenschaft generell eine Dynamik abspricht. 232 So Glatzner (1990), S. 56, der hierzu beispielsweise auch den Aulbau einer Bindung von Kunden an ein bestimmtes Unternehmen zählt. Man hat es also mit dem künstlichen - Schaffen von Präferenzen zu tun. m Bonus (1993), S. 22 sieht z.B. insbesondere ein informationelies Defizit kleinerer und mittlerer Unternehmen. Bakonyi (1986), S. 116 zählt zur Förderung die Bereitstellung verläßlicher Informationen zu günstigen Konditionen. 234 Die Genossenschaft hat sich insoweit den Mitgliederbedürfnissen anzupassen, vgl. Croll (1990), S. 115. Jäger (1990), S. 117 sieht die Fortschrittsfähigkeit der Genossenschaften davon abhängig, ob sie auf einem Terrain operieren, wo aus einem dynamischen Wechselspiel ständig neue Marktunvollkommenheiten entstehen.
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schaften, sich veränderten Bedürfnissen anzupassen;235 diese Fähigkeit ist jedoch stets eine Funktion der Marktgegebenheiten. Dabei entstehen immer wieder auch neue Märkte, auf denen für die Betroffenen die Errichtung oder Stabilisierung einer Genossenschaft vorteilhaft ist. 236 2. Anpassungsvorgänge in der genossenschaftlichen Zusammenarbeit
Aus der Tatsache, daß die Genossenschaft vollständig in ihre marktwirtschaftliche Umwelt eingebunden ist, ergibt sich, daß sie sich hieran anpassen muß, wenn sie ihre Existenz langfristig sichern Will. 237 Diese Anpassung drückt sich in der Herausbildung der jeweiligen Strukturtypen aus. Die Versorgungs genossenschaft als prototypische Genossenschaft bezieht ihre Vorteilhaftigkeit aus der Existenz (regionaler) natürlicher Monopole. Die Kooperation in Fonn eines Vereines ist folglich solange attraktiv, wie es sich bei der bereitgestellten Leistung um ein Klubkollektivgut handelt. Für den Bestand dieses Strukturtyps ist es nun von Bedeutung, inwieweit sich die anfallenden Größen- und/oder Verbundvorteile aufrechterhalten lassen. Sie können im Zuge der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung schwinden, weil etwa durch technischen Fortschritt geringere Fixkostenblöcke anfallen und damit Fixkostendegressionseffekte nur noch begrenzt erreichbar sind. Der Regelfall ist jedoch, daß Transport- und Infonnationskosten fallen und daß dadurch der Markt so ausgeweitet wird, daß die Degressionsvorteile von so vielen Unternehmen realisiert werden können, daß eine wettbewerbliche Marktstruktur entsteht. Nur dort, wo das nicht der Fall ist und wo die Genossenschaftsleistung deshalb einen unterhalb von 1 verlaufenden Rivalitätsgrad aufweist, bleibt der Kooperationsvorteil erhalten. Solange solchennaßen Größen- und/oder Verbundvorteile zu einem Regionalmonopol führen, ist auch die Errichtung eines eigenen Unternehmens durch den Verein sinnvoll. Denn die Auftragsbündelung führt zu transaktionsspezifischen und größenbedingten Abhängigkeiten. Die dabei entstehende Quasi-Rente wird am effizientesten im Wege der vertikalen Vgl. Rauter (1986), S. 169. Ein Beispiel hierfür sind die sog. freien Berufe, die - im Rahmen ihres Standesrechts - verstärkt zur genossenschaftlichen Zusammenarbeit greifen, um so gesetzlich bedingte Nachteile auf dem Wege der ökonomischen Kooperation zu überwinden; siehe dazu auch ausführlich Sebiger (1986); Betz (1992), insb. S. 38-44 u. 153-155; o.V. [FAZ) (1993a). 237 Vgl. Finis (1985), S. 118. 235
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Integration abgesichert, da Spotmarktverträge mit einem monopolistischen Anbieter wegen ihrer Komplexität wohl zwangsläufig unvollständig wären. Dann jedoch ist eine Ausbeutung der Vereinsmitglieder vor allem dort zu erwarten, wo der Monopolist eine bestehende asymmetrische Informationsverteilung opportunistisch zu seinen Gunsten nutzen kann. Die beschriebene Weiterentwicklung der Märkte hat dann zur Herausbildung der beiden anderen Strukturtypen geführt. Zwar mag eine integrierte Genossenschaft weiterhin Größen- und/oder Verbundvorteile vermitteln. Die Vorteilhaftigkeit ergibt sich aus Mitgliedersicht dabei vor allem aus dem Effizienzvorteil des gruppenspezifischen Know-hows. Aufgrund der bestehenden asymmetrischen Informationsverteilung sind die Mitglieder jedoch nicht in der Lage, dies kollektiv im Rahmen des Vereines zu erarbeiten. Vielmehr bedienen sich die Kooperationsteilnehmer einer Art "Leitkopf', der für die beteiligten Mitgliederwirtschaften ein geschlossenes Gruppenmanagement garantiert. 238 Diese Aufgabe erfüllt der Genossenschaftsbetrieb. 239 Doch angesichts der direkten Konkurrenz mit vertikal integrierten Großunternehmen reicht die Erzielung lediglich von Effizienzvorteilen nicht mehr aus. Bestimmend für die Vorteilhaftigkeit der Kooperation ist daher, inwieweit es gelingt, zusätzlich Verteilungskampfvorteile dadurch zu realisieren, daß man der Einkaufsmacht von Filialisten Paroli bieten kann. Diese ergeben sich aber nur bei einem geschlossenen Auftreten der Mitglieder am Markt. Allerdings entsteht daraus zugleich eine steigende Abhängigkeit der Mitglieder von der Stabilität der Genossenschaft. Denn die beschriebenen Vorteile sind besonders durch Saboteur- und Erpresserstrategien gefährdet. Da ausscherende Großmitglieder den gesamten Kooperationserfolg gefährden könnten, liegt eine wechselseitige "Geiselnahme" im Interesse aller Mitglieder. Dazu wird eine geschlossene Gesamtorganisation geschaffen: Diese entspricht zwar vor allem den Erfordernissen des Marktes; die von den MitSiehe dazu Dülfer (1984), S. 219. Brixner (1971), S. 125/126 legt die Hypothese zugrunde, daß der Entscheidungsfreiheit der Mitglieder ein hoher Stellenwert beigemessen werde und gewinnt daraus zwei Organisationskriterien der Mitgliedersteuerung. Neben das Subsidiaritätsprinzip stellt er das "Prinzip des minimalen Eingriffs" zur Bestimmung des einzusetzenden Instrumentes, weil dadurch die Steuerung des Genossenschaftsuntemehmens unter geringstmöglicher Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Willensbildung bei den Mitgliedern wahrgenommen werden könne. 238
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gliedern zu tätigenden transaktionsspezifischen Investitionen führen gleichzeitig aber zu faktischen Austrittshemnissen. Hierzu zählt z.B. die Umsetzung einer einheitlichen Ladengestaltung mit entsprechenden baulichen Maßnahmen. Die Unterordnung unter eine gemeinsame Produktionspolitik bedeutet einen Verzicht des Mitglieds auf unternehmerische Entscheidungsfreiheit, die seine Marktposition reglementiert. Ein kurzfristiges Verlassen des Gesamtverbundes ist damit nahezu unmöglich. Dies verhindert, daß einzelne Mitglieder sich kooperationsschädigend verhalten, denn sie könnten sich entsprechenden Sanktionsmaßnahmen nicht oder nur schwer durch Abwanderung entziehen. Da das Genossenschaftsunternehmen eine Führungsrolle übernimmt und sich die Mitglieder freiwillig dessen Steuerungskompetenz unterwerfen, zieht die ständige Weiterentwicklung des Systemkonzeptes zusätzlich eine zunehmend asymmetrische Bindung auf Seiten der Mitglieder nach sich. Die Integration des Unternehmens in den Verein erfolgt somit nicht nur zur Absicherung bestehender Quasi-Renten. Vielmehr wird bereits der Aufbau künftiger Quasi-Renten antizipiert. Anders stellt sich die Situation bei den Marktgenossenschaften dar. Die ursprünglich bereitgestellte Genossenschaftsleistung hat hier - z.B. wegen des technischen Fortschritts - ihren Klubkollektivgutcharakter verloren. Eine Kooperation ist unter diesen Umständen nur noch dann vorteilhaft, solange Verteilungskampfvorteile realisierbar sind. Die Möglichkeit hierzu sinkt in dem Maß, wie die Funktionsfähigkeit der Marktprozesse zunimmt. Da die Intensivierung des Wettbewerbs den Mitgliedern eine zunehmende Zahl miteinander konkurrierender Transaktionspartner vermittelt, wird eine Absicherung der eigenen Abhängigkeit mittels der Integration eines Unternehmens in den Verein immer weniger erforderlich. Ungeachtet dieser Differenzierung kann sich eine Entwicklungstendenz bei allen drei Strukturtypen ergeben. Dies ist das genossenschaftliche Größenwachstum. Der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Genossenschaftsunternehmens gelingt oft nur durch die restlose Ausschöpfung aller möglichen Betriebsgrößenvorteile; der Aufbau entsprechender Kapazitäten ist die Folge. Betriebswirtschaftlich ist dieses Vorgehen geboten, denn nur so ist die Steigerung der Effizienz möglich. Daneben kommt es häufig zu einer Ausweitung des genossenschaftlichen Leistungsprogramms, etwa in Form der sog. Full-Service-Genossenschaft. Während ein solches Vorgehen auf der Unternehmens ebene nicht zu nennenswerten Schwierigkeiten zu führen braucht, stößt der Verein als Träger angesichts dieses Wachstums in seiner Funktionsfähigkeit schnell an seine Grenzen. Die gegenseitige Verzahnung wird zusehens schwieriger; nicht selten verselbständigt
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sich das Unternehmen?40 Dies ist besonders dort der Fall, wo freie Kapazitäten durch das Nichtmitgliedergeschäft ausgelastet werden. 24I Eine solche "Emanzipation" des genossenschaftlichen Unternehmens kann dazu führen, daß schließlich der Markterfolg zum Schlüssel des wirtschaftlichen Überlebens der Genossenschaft erhoben wird. 242 Orientiert sich die Genossenschaftsleitung primär an diesem Markterfolg, hat dies Veränderungen in den Beziehungen zwischen der Genossenschaft und den Mitgliederwirtschaften zur Folge?43 weil die förderwirtschaftliche Zwecksetzung als übergeordnetes Ziel einem neuen Ziel weicht, nämlich einem beliebig operationalisierbaren Markterfolg. Deshalb ist es notwendig, die durchaus am Wirtschaftlichkeitsprinzip ausgerichtete Orientierung der Genossenschaftsunternehmung quasi in die förderwirtschaftliche Zwecksetzung der Genossenschaft einzubinden und institutionell abzusichern. Als Fazit bleibt damit festzuhalten: Die Organisationsstruktur der Genossenschaft muß in Abhängigkeit von der Wettbewerbssituation so gestaltet sein, daß sie den jeweiligen Bestimmungsgründen der Kooperation in einem Verein und der Integration eines Unternehmens Rechnung tragen kann. Dazu sind die mitgliedschaftlichen Beziehungen so zu gestalten, daß die dem genossenschaftlichen Leitgedanken immanenten Anreizund Kontrollvorteile auch zum Tragen kommen. Je weniger also die unsichtbare Kontrolle durch den Wettbewerb möglich ist, desto stärker muß die sichtbare Kontrolle mit Hilfe des Genossenschaftsgesetzes ausfallen. 244 Dies spricht für eine Differenzierung der organisatorischen Regelungen nach den Strukturtypen. 3. Die Herausbildung neuer Verbund/ormen
Die Anpassungsreaktionen der Genossenschaften an die Veränderung der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse haben sich nicht nur in der Herausbildung der Strukturtypen niedergeschlagen. Daneben schien es für Genossenschaften erforderlich zu sein, angesichts der Wettbewerbsent240 Vgl. Vierheller (1990), S. 89. Die fortschreitende Bürokratisierung ist nach Fürstenberg (1983), S. 111 der Grund dafür, daß sich die "Genossenschaftsstruktur zu Lasten ihres Verbandsaspekts und zugunsten ihres Unternehmensaspekts [verschiebt]". 241 Siehe hierzu Beuthien (1989), S. 24-26; Glatzner (1990), S. 92-96. 242 So Amann (1993), S. 9. 243 V gl. Finis (1985), S. 118. 244 Vgl. Grossekettler (1984), S. 77.
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wicklung den bestehenden Wettbewerbsnachteilen aufgrund rechtlicher Bestimmungen durch die Schaffung neuer Verbundformen auszuweichen?45 Sie sollen nunmehr daraufhin untersucht werden, inwieweit sie sich mit der Genossenschaftsidee vereinbaren lassen. a) Modelle vertikaler Kooperation Der Strukturtyp der integrierten Genossenschaft weist bereits den Sachverhalt eines Planungsverbundes auf. 246 Die hohe gegenseitige Abhängigkeit von Genossenschaftsunternehmung und Mitgliederwirtschaften manifestiert sich in der Führung der Mitglieder durch die Genossenschaftsleitung und damit letztlich deren Dominanz,247 die die Position der Mitglieder in ihrer Abhängigkeit zusätzlich gefährdet. 248 Aufgrund der Ähnlichkeit dieses Steuerungskonzeptes mit dem eines Franchise-Systems wird die Möglichkeit eines "genossenschaftlichen Franchising" abgeleitet. 249 Gemeinsam mit Franchisesystemen ist den integrierten Genossenschaften, daß beide Kooperationsgruppen Effizienzvorteile (Größen-, Verbundund vor allem Know-how-Vorteile) sowie Verteilungskampfvorteile erschließen. Die Dauerhaftigkeit dieser Vorteile ist jedoch in höchstem Maße vom einheitlichen Auftreten der jeweiligen Kooperationsmitglieder am Markt abhängig. Im Franchisesystem übernimmt der Systemkopf diese Steuerungsaufgabe, wozu ihm vertraglich niedergelegte Weisungsrechte zustehen. Würde eine Genossenschaft im Verhältnis zu ihren Mitgliedern dieses Systemkonzept übernehmen, müßten die Genossenschaftsunternehmung als Franchise-Geber und die Mitgliederwirtschaften als FranchiseNehmer fungieren, wobei auch der dem Franchise-System eigene, straffe Steuerungs- und Planungsstrang "von oben nach unten" zur Sicherung des Gesamterfolges zu gewährleisten wäre. Ungeachtet der genossenschaftsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Konstruktion wird dabei übersehen, daß die Kooperation in der Genossenschaft im Gegensatz zum Franchising horizontalen Charakter hat. 250 Das Vgl. Beuthien (1984), S. 58. Vgl. Boettcher (l980b), S. 63. 247 Vgl. Vierheller (1975), S. 1. 248 V gl. Grossekettler (1984), S. 88. 249 Lederer (1984), insb. S. 75 untersucht die genossenschaftsrechtliche Zu lässigkeit des Franchising und gelangt zu einem positiven Ergebnis. 250 Vgl. Jäger (1991a), S. 5. Diesen Unterschied betont auch Skaupy (1987), s. S. 16. 245
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"genossenschaftliche Franchising" wäre dagegen eine Form vertikaler Kooperation, d.h. sie vollzieht sich nicht mehr zwischen den Mitgliederwirtschaften der gleichen Wirtschaftsstufe, sondern zwischen der Genossenschaftsunternehmung und den Mitgliederwirtschaften, also zwischen unterschiedlichen Wirtschaftsstufen. Möglich wäre dies nur, wenn das Genossenschaftsunternehmen als selbständiges, autonom handlungsberechtigtes Subjekt aufgefaßt wird, das nicht nur unabhängig von den Mitgliedern handeln kann, sondern auch in der Lage ist, seine Entscheidungen gegen deren Willen durchzusetzen. 251 Doch in einer mitgliedergewidmeten Kooperation kann es eine solche Autonomie der gemeinsam getragenen Unternehmung nicht geben. Vielmehr finden sich die betroffenen Nutzer bei einer integrierten Genossenschaft zu einem Verein zusammen, weil auf diese Weise das Kongruenz- und das Subsidiaritätsprinzip am besten gewährleistet sind. Während das Franchisesystem von einem - aus Mitgliedersicht - außenstehenden Dritten vertikal gesteuert wird, ergibt sich der ähnliche Effekt bei der integrierten Genossenschaft aus einer freiwilligen Übereinkunft der Mitglieder, sich ihrer gemeinsamen Leitung zu unterstellen. Diese Leitungsfunktion übernimmt das Genossenschaftsunternehmen, und hierin liegt der zweite Unterschied zu einem Franchisesystem. Denn der Franchisegeber und seine Franchisenehmer sind selbständige - im Sinne von gegeneinander verselbständigte - Wirtschaftseinheiten. Sowohl der Aufbau eines Systemkonzeptes als auch das Tatigen (system-)spezifischer Investitionen bedeutet bei beiden ein hohes Maß an Abhängigkeit voneinander. Die dabei entstehenden Quasi-Renten müssen daher transaktionskostenaufwendig abgesichert werden; trotzdem befinden sich die Franchisenehmer aufgrund der asymmetrischen Bindung (Übermachtposition des Franchisegebers) stets in der Gefahr, ausbeutbar zu werden. 252 Diese Abhängigkeit internalisieren die Mitglieder der integrierten Genossenschaft durch die vertikale Integration des Leitungskopfes (= Genossenschaftsunternehmen) in ihren Verein. Durch das genossenschaftliche Organisationsmuster sichern sie sich Anreiz- und Kontrollvorteile, die sie davor schützen, in ihrer einseitig gestiegenen Abhängigkeit verwundbar zu werden. Auf diese Weise wird durch die Genossenschaftsstruktur die Gefahr der Entmündigung ausgeschlossen, wie sie für die Mit-
251 Der dabei notwendige Führungsdurchgriff verträgt sich kaum mit dem ausgeprägten Selbständigkeitsstreben mittelständisch denkender Mitglieder; vgl. Vierheller (1975), S. 5. 252 Siehe Grossekettler (1989a), S. 14.
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glieder von Franchisesystemen besteht. 253 Wenn auch beide Kooperationssysteme formal Übereinstimmungen aufweisen, sind sie im Kern dadurch abgegrenzt, daß die Genossenschaft im Auftrage ihrer Mitglieder zur Sicherung deren Selbständigkeit tätig wird, wohingegen das Franchising i.e.S. eine fremdbestimmte Leitung erfordert, die nur unter Gefährdung der Selbständigkeit der Mitgliederwirtschaften und damit der Aufhebung genossenschaftlicher Grundsätze 254 zu erreichen wäre. b) Beteiligungs- und Finanzierungsmodelle Die Erhöhung der Schlagkraft der Genossenschaft am Markt kann es erfordern, im Rahmen von Umstrukturierungen operative Betriebe aus dem Genossenschaftsunternehmen zu verselbständigen,255 durch Vorwärts- bzw. Rückwärtsintegration auf den den Mitgliederwirtschaften entgegengesetzen Marktstufen tätig zu werden 256 oder mit anderen Partnern der gleichen Marktstufe ein Gemeinschaftsunternehmen zu betreiben. Die Stärkung der Marktposition der Genossenschaftsunternehmung wird mit der Maßgabe verfolgt, hierdurch die Kooperation insgesamt und damit letztlich die Mitgliederwirtschaften zu stärken. In diesem Sinne läßt § 1 11 GenG eine entsprechende Beteiligung der Genossenschaft an "anderen Gesellschaften" ausdrücklich ZU. 257 Nun verfolgt der genossenschaftliche Rechtstyp seine förderwirtschaftliche Zwecksetzung "mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes" (§ 1 I GenG). Insofern ergibt sich der Umfang dieses Geschäftsbetriebes grundSätzlich aus den Markterfordernissen, d.h. der konkreten Notwendigkeit zu Kooperation und Integration. Bedarf die Genossenschaft neben ihrer Genossenschaftsunternehmung weiterer Mittel, um ihren Aufgaben nachkommen zu können, widerspricht dies nicht den rechts typischen Überlegungen. Ein anderer Sachverhalt ist gegeben, wenn die Genossenschaft auf der Marktstufe ihrer Mitgliederwirtschaften tätig wird. Bei drohender Betriebsaufgabe oder Neugründung von Mitgliederwirtschaften beteiligt sich die Genossenschaftsunternehmung an diesen mit der Begründung der
Vgl. Grossekettler (1989a), S. 16. V gl. Eschenburg (1986), S. 48. 255 V gl. Frotz (1993), S. 20. 256 Vgl. Boettcher (1980b), S. 69-71. 257 Vgl. Lang/Weidmüller (1988), § 1 RZ 37, 38a; Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 1 RZ 55, 56. 253
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Standortsicherung. 258 Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf die Gleichgewichtsfähigkeit der Kooperation bleiben. Denn eine derartige Beteiligung bedeutet, daß die Genossenschaftsunternehmung und damit die Genossenschaft als ganzes bei dem betroffenen Mitglied einen Teil der Kooperationsbeiträge übernimmt. Dies dürften die übrigen Mitglieder als diskriminierend ansehen; der bis dahin gültige Verteilungsmodus ist dadurch infrage gestellt. Daneben widerspricht eine solche Maßnahme auch dem Kongruenzprinzip, da ja die Nutznießer der Kollektivleistung nicht mehr in gleichem Umfang zu ihrer Finanzierung herangezogen werden. Durch das Eindringen in die Marktstufe ihrer Mitglieder gefährdet die Genossenschaft die Geschlossenheit der wirtschaftlichen Kooperation; sie setzt ihre Rolle als Instrument der Verwirklichung der Mitgliederinteressen aufs Spiel. Die vormals horizontale Kooperation wird durch die Beteiligung der Genossenschaftsunternehmung zur invers - auf der Marktstufe der Mitglieder - verlaufenden vertikalen Integration. Erfolgte die Integration der Genossenschaftsunternehmung in den Verein ursprünglich mit dem Ziel, bestehende Abhängigkeiten zu internalisieren, werden jetzt bei der betroffenen Mitgliederwirtschaft neue einseitige Abhängigkeiten geschaffen. Dies ist ein Systemwandel, der schon deshalb die Grenzen des Rechtstyps sprengt, weil die Genossenschaft ja gerade existiert, um die Nachteile der Mitgliederwirtschaften am Markt auszugleichen, die durch den Verzicht auf eine vollständige vertikale Integration als Preis für die Erhaltung einer möglichst weitgehenden Selbständigkeit entstehen?59 c) Regiebetriebe und Filialisierung Das Unterhalten von Filialen, die die Genossenschaft auf der Marktstufe ihrer Mitglieder betreibt, wird damit begründet, daß die Mitgliederwirtschaften nicht in der Lage seien, überall arn Markt präsent zu sein bzw. mögliche Marktanteile voll ausschöpfen zu können. 26o Wenn es jedoch zu einer Errichtung von Filialen der Genossenschaftsunternehmung auf dem gleichen räumlichen Markt wie dem der Mitgliederwirtschaften
258 Siehe das Beispiel des Edeka-Kooperationskaufmannes bei SchultzlZerche (1983), S. 99/100. 259 Vgl. Grossekettler (1984), S. 68. 260 Engelhardt/Schmid (1987), S. 313 sehen vor allem bei einem "Mitgliedersterben" die Notwendigkeit, daß die Genossenschaft selbst die Marktanteilssicherung auf der Mitgliederebene wahrnehmen müsse.
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kommt, d.h. an deren Standort bzw. in deren Einzugsbereich, so bedeutet dies eine Angebotsausweitung, die auf der Stufe der Mitgliederwirtschaften zu einer Verschärfung des Wettbewerbs führen wird. Schließlich kann es unter den Mitgliedern zu einem Verdrängungswettbewerb kommen. 261 Unter solchen Umständen macht die Genossenschaftsunternehmung ihren eigenen Mitgliederwirtschaften Konkurrenz,262 was durchaus zur Mitgliederselektion führen kann?63 Dies ist mit der ursprünglichen Kooperationsidee jedoch nicht mehr vereinbar. Eine juristische Schwierigkeit ergibt sich erst bei einem rechtlich selbständigen Regiebetrieb der Genossenschaft. Derartige Beteiligungen läßt § 1 11 GenG ausdrücklich nur dann zu, wenn sie geeignet sind, die Mitgliederwirtschaften direkt oder den Geschäftsbetrieb der Genossenschaft (die Genossenschaftsunternehmung) zu fördern. 264 Insoweit hat die Beteiligungsgesellschaft selbst den Mitgliedern gegenüber förderwirtschaftliche Zwecke zu verfolgen. 265 Die Legitimität der Regiebetriebe muß sich daher analog zur Genossenschaftsunternehmung aus der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung herleiten. Demgegenüber werden Regiebetriebe häufig seitens der Genossenschaftsleitung unter Hinweis auf einen "Förderauftrag der Standortsicherung" errichtet. 266 Allerdings kann ein Förderungsbedürfnis ausschließlich von den Mitgliedern empfunden werden 267 und nicht von der Genossenschaftsleitung, die nur Mittel zum Zweck ist, vorgegeben werden. Einen genossenschaftlichen Zweck der Standortsicherung müßten demzufolge die Mitglieder äußern. So könnte man vermuten, daß der Genossenschaftsverein z.B. daran interessiert wäre, mögliche Betriebsgrößenvorteile durch eine Ausweitung des "internen Geschäftes" auszuschöpfen. Dies wird aber nur dann auf allgemeine Zustimmung stoßen, wenn es zu keiner vereinsinternen Konkurrenz gegenüber den Mitgliedern führt. Sind diese Filialen allerdings dazu bestimmt, dauerhaft in den Händen der Genossenschaftsunternehmung zu verbleiben, vergrößert dies deren Unabhängigkeit gegenüber ihren Mitgliedern. Für letztere kann daraus die
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7 Bialck
Vgl. Eickhof(1982), S. 272. Vgl. Boettcher (1980b), S. 71-73; siehe hierzu auch Albertz (1978), S. 67. V gl. Finis (1985), S. 119. So Müller (I99\), § 1 RZ 57-59. Vgl. Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 1 RZ 56. V gl. Stubbe (1978), S. 117. Vgl. Großfeld (1979), S. 222.
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Gefahr erwachsen, daß sich die Genossenschaft verselbständigt. 268 Daher wird man die Errichtung von Filialen nur als - vorübergehende - Maßnahme legitimieren können, solange dadurch das Mitgliedergeschäft eine räumliche Ergänzung erfährt. Dies wäre z.B. der Fall, wenn die Genossenschaft einen Regiebetrieb am Standort B errichtet, der die bisherigen Mitglieder am Standort A nicht tangiert.
d) Holdingstrukturen Den Markterfordernissen begegnen einige Genossenschaften dadurch, daß sie Betriebsgesellschaften anderer Rechtsformen gründen, um anschließend ihren Geschäftsbetrieb auf diese neue Gesellschaft zu übertragen bzw. ihre Betriebsanlagen an sie zu verpachten. Man spricht dann von Halte- bzw. Pachtgenossenschaften. 269 Dabei ist es möglich, daß auch mehrere Genossenschaften gemeinsam diese Form der Auslagerung wählen, um dem allgemeinen Konzentrationsprozeß zu begegnen. Aus rechtlicher Sicht ist dies problematisch, da der formelle Genossenschaftsbegriff des § 1 GenG als Mittel der genossenschaftlichen Zusammenarbeit den "gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb" erfordert. 27o Die rechtstypische Grenze ist jedoch bereits überschritten, wenn sich der Gehalt der Kooperation ändert. Die Genossenschaft als Verein mit(!) Unternehmung ist Mittel der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung, deshalb kann beides nicht isoliert betrachtet werden. Um ihren Zweck erfüllen zu können, bedient sich die Genossenschaft eines Geschäftsbetriebes. Der Geschäftsbetrieb erlangt somit keinen Selbstzweck, sondern besitzt instrumentalen Charakter, dessen Ausgestaltung eine betriebs wirtschaftliche Frage ist. Da sich die Kooperationsidee der genossenschaftlichen Zusammenarbeit im Wege der vertikalen Integration niederschlägt, bedeutet eine Auslagerung des Geschäftsbetriebes die Reduzierung der Kooperation um den Bestandteil der Leistungserstellung. Dieser ist jedoch gerade das Besondere der genossenschaftlichen Zusammenarbeit und der Grund für die Existenz eines eigenständigen Rechtstyps Genossenschaft, den das Genossenschaftsgesetz gegen die (nicht-wirtschaftlichen) Vereine abgrenzt. Eine AusgliedeSo Grossekettler (1984), S. 88. Vgl. Beuthien (1979), S. 1-3. 270 Vgl. Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 1 RZ 25 u. 57, die die Zu lässigkeit bejahen; ablehnend dagegen Müller (1991), § 1 RZ 37. 268
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rung des Geschäftsbetriebes würde diese rechtstypische Besonderheit überflüssig machen. Außerdem ändert sich bei einer Auslagerung betrieblicher Tätigkeiten in selbständige Gesellschaften die Position des Mitglieds. Seine Nutzungsrechte bestehen nur noch formal; sie laufen jedoch inhaltlich leer. Der Beteiligungsgesellschaft gegenüber besitzt er jedoch keine gesonderten Nutzungsrechte; allenfalls können diese - wegen der Verpflichtung der Beteiligungsgesellschaft auf die der Genossenschaft zugrundeliegende förderwirtschaftliche Zwecksetzung - faktisch geltend gemacht werden. Daneben müssen die Mitglieder eine Mediatisierung ihrer Eigentumsrechte in Kauf nehmen, da sie ihren Einfluß nur mittelbar über die Genossenschaft ausüben können. 271 Hinsichtlich der Wahrnehmung der Kontrollrechte ist das Kongruenzprinzip daher verletzt. Eine Gefahr für den Bestand der Genossenschaft ergibt sich darüber hinaus, weil sich aufgrund der Entkopplung von Verein und Unternehmung die Betriebsgesellschaft verselbständigen und eigene Ziele verfolgen kann. Sollte ursprünglich die bestehende Abhängigkeit der Mitglieder von der Existenz der Unternehmung im Zuge der vertikalen Integration internalisiert und damit in den Verein eingebunden werden, so läßt man diese Organisationsstruktur wieder fallen und verzichtet zugleich auf die damit verbundenen Anreiz- und Kontrollvorteile. Die Annahme, eine solche Holdingstruktur könne in die förderwirtschaftliche Zwecksetzung der ursprünglichen Genossenschaft eingebunden bleiben,272 ist aus logischen Überlegungen zweifelhaft und aus rechtstypischen Anforderungen unwesentlich. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die beschriebenen neuen Verbundformen in wesentlichen Teilen der Genossenschaftsidee nicht (mehr) gerecht werden. Sie sind keine Weiterentwicklung der Genossenschaftskonzeption als Reaktion auf neue Marktkonstellationen, sondern tragen zur Verfremdung des genossenschaftlichen Leitbildes bei. Dies erklärt sich nicht zuletzt daraus, daß sie von nicht-genossenschaftlich organisierten Marktteilnehmern übernommen worden sind. Doch während diese autonom handlungsfähig und auch -berechtigt sind, bewegt sich die Genossenschaftsunternehmung in engeren Grenzen, die ihr durch die Integration in den Verein der Mitglieder gezogen sind. Die aus rechtstypischer Sicht unabdingbare Berücksichtigung der - naturalen - Interessen der Mitglieder kann daher durchaus den Interessen der Leitung der Genossenschafts271
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Zur rechtlichen Würdigung siehe Holtkamp (1994), hier insb. S. 127-136 u. 142. Dies unterstellt Beuthien (1979), S. 36.
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unternehmung zuwiderlaufen. Die Anpassung des genossenschaftlichen Organisationskonzeptes an veränderte Wettbewerbsparameter muß sich dabei an den Interessen der Mitglieder ausrichten; daher stellen die angesprochenen Strategien aus kooperationstheoretischen Überlegungen heraus kaum den geeigneten Weg dar, den Markterfordernissen gerecht zu werden. Im nächsten Abschnitt soll deshalb nun die - gegenwärtige - Rechtskonstruktion der Genossenschaft daraufhin betrachtet werden, inwieweit in ihr überhaupt das Merkmal der Mitgliederwidmung enthalten ist. III. Die Rechtswirklichkeit der Genossenschaft: Die Rechtsform eG nach dem Genossenschaftsgesetz
Wenn jetzt zu untersuchen ist, inwiefern das Leitbild des Rechtstyps Genossenschaft Eingang in das Organisationsrecht gefunden hat, so ist dazu die vom Gesetzgeber bereitgestellte Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft heranzuziehen. Dies ist aber nur eine mögliche Rechtsform. Denn die Charakterisierung der Genossenschaft als Rechtstyp bedeutet, daß eine Förderwirtschaft auch in anderen als der genossenschaftlichen Rechtsform betrieben werden kann. Ein "Förderzweckmonopol" der Genossenschaft gibt es daher nicht. 273 Gleichwohl bedient sich der überwältigende Teil der Genossenschaften der speziell für sie geschaffenen Rechtsform. Daher soll die eingetragene Genossenschaft als Basis der positiven Analyse dienen. 1. Gesetzliche Normierung und genossenschaftliche Vielfalt
Die klassischen Genossenschaften des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurden vor dem Hintergrund der damaligen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse initiiert. Dabei sind Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen als die bedeutsamsten Genossenschaftspioniere anzusehen. 274 Beide Gründer waren durch ihr jeweiliges persönliches Umfeld geprägt, was sich auf ihre konkrete Genossenschaftskonzeption auswirkte?75 War Schulze-Delitzsch mit den Nöten städtischer Hand-
Siehe hierzu auch Kothe (1991), S. 906. Zum Ursprung der genossenschaftlichen Idee siehe z.B. Großfeld/Jäger/Lenjers (1989), S. 75. 275 V gl. Tillmann (1980), Sp. 763n64. 273 274
III. Die Rechtswirklichkeit der Genossenschaft
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werker infolge der erwachenden industriellen Konkurrenz konfrontiert,276 beschäftigte sich Raiffeisen mit den großen Problemen der ländlichen Bevölkerung, also der Bauern, die im Gefolge der Stein-Hardenbergschen Reformen mit immensen Finanzierungsschwierigkeiten zu kämpfen hatten. 277 Für beide bestand der Ausweg aus der Bedrängnis in der Schaffung eines Zusammenschlusses der Betroffenen. Dabei knüpfte SchulzeDelitzsch an die Überlegungen der historischen Genossenschaften mit der Trias Selbsthilfe, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung an, während Raiffeisen zunächst das Modell des Wohltätigkeitsvereines bevorzugte, später jedoch den Vorstellungen von Schulze-Delitzsch folgte. 278 Allerdings war die Frage der Interessen der Beteiligten bereits für die klassischen Genossenschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Konfliktpunkt, da sich die Handwerker und Gewerbetreibenden in den Städten einer anderen wirtschaftlichen Lage gegenübersahen als die ländliche Bevölkerung. Dies führte zu teilweise unterschiedlichen kooperationspolitischen Folgerungen hinsichtlich der organisatorischen Ausgestaltung - z.B. in der Frage der Geschäftsanteile - bei Schulze-Delitzsch und Raiffeisen, die letztlich im sog. Systemstreit mündeten. 279 Mit der Gründung der Genossenschaften entstand nun ein Organisationsproblem, denn eine Rechtsform für diese neue Art wirtschaftlicher Zusammenarbeit kannte die damalige Rechtsordnung nicht. 28o Die Gründung der klassischen Genossenschaften erfolgte deshalb zunächst als Verein. Im Gegensatz zu einem (ldeal-)Verein unterhielt die Genossenschaft jedoch einen eigenen Geschäftsbetrieb, d.h. das Genossenschaftsunternehmen. 281 Nun vollziehen sich wirtschaftliche Aktivitäten bzw. Transaktionen in aller Regel über einen Markt. Das zu errichtende Genossenschaftsunternehmen mußte daher marktfähig sein. 282 Hier wurde das damals gültige Allgemeine Preußische Landrecht bald zu eng, da es "Genossenschaftsvereine" als Korporationen behandelte, welche nicht rechtsfähig waren und daher weder Eigentum erwerben noch selbständig Erklärungen
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Vgl. Faust (1977), S. 206. Vgl. Faust (1977), S. 327/328. Siehe hierzu Tillmann (1980), Sp. 760-765. Vgl. Faust (1977), S. 347-349. Vgl. Metz (1980), Sp. 795. V gl. Jäger (1992a), S. 23. V gl. Jäger (1991 a), S. 10.
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gegenüber Dritten abgeben konnten. Zudem beruhte eine solche Korporation auf einer Konzession, die jederzeit widerrufen werden konnte. 283 Damit war die Notwendigkeit einer eigenen gesetzlichen Regelung für die Genossenschaften offenkundig. 284 Hierbei spielte der Rechtspolitiker Schulze-Delitzsch die herausragende Rolle?85 Er legte 1860 einen Gesetzentwurf vor, der die ungenügende Rechtsstellung der Genossenschaften beseitigen sollte; daraus entstand das preußische Genossenschaftsgesetz vom 27. März 1867. 286 Es ist ein _Beispiel für eine durch wirtschaftliche Interessen ausgelöste Rechtsentwicklung, die aufgrund des Strebens nach wirtschaftlicher Zusammenarbeit zur Schaffung einer spezifischen Form der juristischen Person führt. 287 Die veränderten Bedürfnisse der Genossenschaften infolge der Marktentwicklung zogen schon bald Reformüberlegungen nach sich288 und endeten im "Reichsgesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften" vom 01. Mai 1889. 289 Damit wurde die Grundlage für das noch heute gültige Genossenschaftsrecht geschaffen. 29o Hier wird bereits deutlich, welche große Bedeutung die ökonomischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Genossenschaftsgesetzes - das stets als reines Organisationsgesetz zu sehen ist 291 - gehabt haben. Die Rechtsform Genossenschaft nach dem Genossenschaftsgesetz ist insoweit als Rechtsrahmen des Rechtstyps Genossenschaft aufzufassen. Der juristische Genossenschaftsbegriff folgte dem wirtschaftlichen und fing ihn normativ ein;292 die Verpflichtung der Genossenschaft auf die rechtstypischen Merkmale nach § 1 GenG ist ein Beispiel gesetzlicher Typenbeschrän-
285
Vgl. Metz (1980), Sp. 795n96. So Großfeld/Aldejohann (1989), S. 7. Siehe die Darstellung seines Werdeganges z.B. bei Junginger (1980), Sp. 1446-
286
Gesetzsammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1867 (Nr. 34), S. 501-
283 284
1448. 515.
Vgl. Paulick (1956), S. 26. Vgl. Schuben (1989), S. 22/23; Metz (1980), Sp. 796. 289 RGBI. 1889 (Nr. 11), S. 55-93. 290 Vgl. Schuben (1989), S. 55/56; Paulick (1956), S. 26; eine Zusammenstellung der Materialien zum Genossenschaftsrecht von 1867 bis 1969 findet sich bei Beuthienl HüskenlAschermann (1989). Derzeit gilt das Genossenschaftsgesetz in der Bekanntmachung vom 09.10.1973, BGBI. I 1973, S. 1451-1464, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.1993. 291 Vgl. Pauliek (1956), S. 26/27. 292 Vgl. GroßfeldlAldejohann (1989), S. 2. 287 288
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kung. 293 Der betriebliche Rahmen wird dabei in der Genossenschaft von der Rechtsform vorgegeben. 294 Die genossenschaftliche Basis Mitte des vorigen Jahrhunderts bildeten zunächst die kleinen Kredit- und Vorschußvereine sowie die Rohstoffvereine. 295 Deren Bedürfnissen entsprechend waren die ersten Genossenschaftsgesetze zugeschnitten. 296 Damit orientierte sich der Gesetzgeber an dem damals vorherrschenden Strukturtyp der traditionellen Genossenschaft. 297 Demgegenüber hat sich im Bereich der genossenschaftlichen Organisationsformen eine beachtliche Differenzierung herausgebildet. Dabei ist eine Unterscheidung nach verschiedenen Kriterien möglich. 298 An dieser Stelle soll zur Unterscheidung bzw. Einteilung von Genossenschaften das bereits eingeführte Konzept der Strukturtypen beibehalten werden. Der Typ der traditionellen, Markt- bzw. integrierten Genossenschaft ergibt sich nun aus jeweils spezifischen organisatorischen Beziehungen zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern. Diese verschiedenen Organisationsmuster führen zu einem materiell jeweils unterschiedlichen Verhältnis zwischen beiden und sind die Folge einer Variation der Leistun~sbeziehungen zwischen den Mitgliedern und der Genossenschaft. 299 Das Genossenschaftsgesetz folgt dieser Differenzierung in Strukturtypen nicht. Denn dies würde bedeuten, die qualitativ unterschiedlichen Beziehungen zwischen den Mitgliedern und ihrer Genossenschaft, wie sie in den verschiedenen Strukturtypen zum Ausdruck kommen, auch mit organisationsrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Geschäftsführung, Kontrolle bzw. Überwachung, Vertretung, Mechanismen der Mitgliedereinflußnahme bzw. der generellen Mitgliederbeteiligung usw. auszugestalten. Dagegen formuliert das Genossenschaftsgesetz durch die Legaldefinition des § 1 vielmehr eine "generelle" Genossenschaft im Sinne eines formalen Genossenschaftsbegriffes, unter die sämtliche eingetragenen Genossenschaften zu subsumieren sind. Damit kann das Genossenschaftsgesetz zwar eine Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen, es muß dafür
V gl. Paulick (1956), S. 61/62. So Jäger (1990), S. 197. 295 Vgl. Tillmann (1980), Sp. 761-763. 296 Vgl. Schubert (1989), S. 22. 297 So auch Münkner (1992), S. 149. 298 V gl. Engelhardt (1984), S. 6; eine umfassende Übersicht findet sich bei Engelhardt (1985), S. 22-33. 299 Vgl. Dülfer (1984), S. 91. 293
294
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aber ein hohes Maß an Freiräumen gewähren, um seine praktische Verwendbarkeit nicht zu gefährden. Während sich die Herausbildung unterschiedlicher Strukturtypen unmittelbar in einer qualitativen Veränderung der Beziehungen zwischen den Mitgliedern und ihrer Genossenschaft niederschlägt, hat das Auftreten genossenschaftlicher Größen unterschiede einen eher mittelbaren Charakter. Sie machen sich zunächst nur quantitativ, in der sog. Großgenossenschaft, bemerkbar. Dabei ist es möglich, auf verschiedene Dimensionen abzustellen. So kann man an die Zahl der Mitglieder, die Höhe des Umsatzes bzw. der Bilanzsumme oder auch an die räumliche Ausdehnung, also das Geschäftsgebiet, denken. Allerdings dürfte in der Regel eine deutliche Interdependenz aller Merkmale feststellbar sein. Nun ist das genossenschaftliche Organisationsmuster bewußt auf die - auch zahlenmäßig überschaubare Gruppe ausgelegt. Die Ausweitung des Geschäftsumfanges z.B. auf dem Wege der Fusion bedeutet demgegenüber ein starkes Ansteigen der Mitgliederzahlen. Die Funktionsfähigkeit der Gruppe ist dadurch nicht mehr automatisch gesichert. Hinzu kommt, daß eine solche Verbreiterung der Mitgliederbasis häufig mit einer Abnahme der Interessenhomogenität einher geht;300 die Willensbildungsprozesse werden dadurch schwieriger. Da die Voraussetzung für das Funktionieren der Kooperation nach wie vor in den gleichgerichteten Interessen liegt, verengt sich der gemeinsam verfolgte Interessenausschnitt immer mehr; der "gemeinsame Nenner" wird immer kleiner. Neben die Heterogenisierung der Mitgliederstrukturen tritt eine räumliche Ausdehnung; im Extremfall entstehen Primärgenossenschaften mit einem bundesweiten Geschäftsgebiet. Hier wird eine unmittelbare Beteiligung der Mitglieder schon aus Gründen der geographischen Distanz zum Sitz der Genossenschaft nahezu unmöglich. Die zahlenmäßige und/oder räumliche Ausweitung der Genossenschaft hat materielle Konsequenzen, zu denen eine Veränderung im Gehalt der Mitgliederbindung, der Ortsverbundenheit bzw. lokalen Kompetenz und der Vertrauensbasis zu den Mitgliedern zählen kann?OI Als Zwischenergebnis bleibt daher festzuhalten, daß die ursprüngliche Konzeption des Genossenschaftsgesetzes natürlich nicht die marktliche Entwicklung vorhersehen konnte. Dementsprechend stellt es weder diffe-
Vgl. Vierheller (1990), S. 84. Zu den Problemen des genossenschaftlichen Größenwachstums siehe Münkner (1989). S. 24. 300 301
III. Die Rechtswirklichkeit der Genossenschaft
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renzierende Regelungen für die einzelnen Strukturtypen zur Verfügung, noch finden sich unterschiedliche "Größentypen" .302
2. Interpretationen des Förderzwecks
Eingangs ist der Leitgedanke der Genossenschaft im rechts typischen Merkmal der Mitgliederwidmung ausgedrückt worden. Der Gesetzgeber hat die sich daraus ergebende Förderwirtschaftlichkeit als sogenannten Förderzweck rechtlich festgeschrieben. Wegen seiner unmittelbaren Bedeutung für die Eigenständigkeit der genossenschaftlichen Rechtsform, aber auch für die Identität der Genossenschaft als Organisationsform schlechthin soll dieser Förderzweck in seiner Entwicklung näher betrachtet werden.
a) Hintergrund der klassischen Überlegung Die eingetragene Genossenschaft ist die einzige Rechtsform, die vom Gesetzgeber explizit mit einer Zielsetzung versehen worden iSt. 303 Gemäß § 1 I GenG erwerben "Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken, [... ] die Rechte einer 'eingetragenen Genossenschaft' [... ]". Während die übrigen juristischen Personen des Gesellschaftsrechts jeden beliebigen Zweck verfolgen können, ist der Zweck der eingetragenen Genossenschaft zwingend auf die - naturalen - Interessen ihrer Mitglieder festgelegt; die eG ist insoweit eine zweckgebundene Gesellschaftsform. 304 Auf diese Weise hat der Gesetzgeber versucht, die ökonomischen Charakteristika durch die Legaldefinition des § 1 I GenG als rechtlichen Genossenschaftsbegriff305 einzufangen. 302 Nur so können die Kontrollmechanismen des Genossenschaftsgesetzes funktionsfähig gehalten werden; vgl. auch Münkner (1990), S. 235. Skeptisch äußert sich Schultz (1980), S. 86, der wegen der Heterogenität der Genossenschaften große Probleme für eine Gesamtreform des Genossenschaftsgesetzes sieht. 303 Zum Zusammenhang von Zielsetzung und Rechtsform siehe auch Barteis (1987). insb. S. 241. 304 Vgl. MeyerlMeulenberghlBeuthien (1983), § 1 RZ 5. 305 Zum Begriff siehe Pauliek (1956), S. 5 u. S. 50-61; GroßfeldlAldejohann (1989), S. 8; Beuthien (1989), S. 10.
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Die förderwirtschaftliche Zwecksetzung ist jedoch kein Programm auftrag an die Genossenschaft. Vielmehr folgt das Genossenschaftsgesetz der genossenschaftlichen Entstehungsgeschichte, nach der Einzelwirtschaften miteinander kooperieren, um einen Vorteil zu erzielen. Daher läßt sich die Genossenschaft auch als Mittel der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung auffassen. Diese dient aber nicht nur als Abgrenzungskriterium, ob eine konkret existierende Kooperation als Genossenschaft anzusehen ist. Dies wäre lediglich ein formelles Verständnis des Förderzwecks. Vielmehr ist er der Ausdruck der Besonderheit des genossenschaftlichen Wirtschaftens, er hat einen materiellen Gehalt: Förderung der Mitglieder bedeutet nicht lediglich die Bereitstellung eines Gutes oder einer Leistung. Denn diese Bereitstellung vollzieht sich in einem ständigen Dialog mit den Mitgliedern, durch den sichergestellt werden soll, daß die Leistungen der Genossenschaft auf die Bedürfnisse der Mitglieder abgestimmt sind. Erst dadurch können sie einen subsidiären Charakter erhalten, wie er sich in der Wahrnehmung von Anreiz- und Kontrollvorteilen niederschlägt. Daher ist eine demokratische, personalistische Struktur die unabdingbare Voraussetzung der Förderwirtschaftlichkeit. Diese Besonderheit des Rechtstyps Genossenschaft bringt die dem Genossenschaftsgesetz zugrundeliegende Wertvorstellung zum Ausdruck. 306 b) Neufassungen und Umdeutungen Auch wenn die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hinsichtlich der geänderten ökonomischen, rechtlichen und politischen Parameter für die deutsche Volkswirtschaft einheitlich verlaufen sein mag, haben sich doch die einzelnen Märkte aus den unterschiedlichsten Gründen sehr differenziert entwickelt. 307 Funktionieren Märkte nicht oder noch nicht, dann befinden sich die unterlegenen Marktteilnehmer in einer der klassischen Gründungssituation durchaus vergleichbaren Lage, wie dies für die traditionelle Genossenschaft kennzeichnend ist. Solange die Erzielung von Kooperationsvorteilen zu einseitigen Bindungen führt, müssen die dabei
306 Nach Pauliek (1956), S. 30 besteht diese Wertgrundlage "in der Billigung und Erleichterung des Zusammenschlusses wirtschaftender Einzelpersönlichkeiten in einem Verband, [... ] um ihre ökonomische Stellung gegenüber sonstigen Kräften des Wirtschaftslebens zu stärken". 307 Daher sind jeweils die Märkte einzelner Branchen zu untersuchen. Eine Zusammenstellung derartiger Branchenstrukturen, die insbesondere die branchenspezifische Wettbewerbssituation berücksichtigen, bietet Oberender (1984). Zur Ergänzung siehe ders. (1989).
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entstehenden Abhängigkeiten abgesichert werden. Da der Wettbewerb versagt, treten an seine Stelle die Anreiz- und Kontrollvorteile der genossenschaftlichen Organisationsweise. Die Marktprozesse sind dadurch gekennzeichnet, daß es den Genossenschaften gelingt, sich eindeutig am Markt zu positionieren; dies findet seinen Ausdruck in der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung. Anders verhält es sich auf funktionsfähigen Märkten mit dem ihnen immanenten hohen Wettbewerbsdruck. Für die Genossenschaft wird es zusehens schwieriger, eine besondere Förderung ihrer Mitglieder zu bewirken?08 Der immer schärfere Wettbewerb und geänderte Marktverhältnisse zwingen die Genossenschaften, sich ihren kapitalistischen Konkurrenten, so z.B. durch Bildung größerer Betriebseinheiten oder durch operative Umstrukturierungen, anzugleichen. 309 Die betriebswirtschaftlich notwendige Auslastung der erweiterten Kapazitäten kann vielfach nur durch die Ausdehnung des Geschäftes auf Nichtmitglieder erfolgen. 3IO In Durchbrechung der genossenschaftlichen Identität3ll wird die Möglichkeit verfolgt, im Nichtmitgliedergeschäft Gewinne zu erzielen, um diese Vorteile im Zuge der Gewinnthesaurierung an die Mitglieder weiterzugeben. 3l2 Wenn ein Markt sich in der Weise entwickelt hat, daß er als ausgereift gelten kann, sind häufig - wenn auch nicht automatisch bzw. zwangsläufig - die Koordinationsmängel soweit abgebaut, daß eine Genossenschaft keine besonderen Vorteile mehr vermitteln muß und kann. Die prototypische Genossenschaft verläßt dadurch ihre Typik und entwickelt sich zur Post-Genossenschaft, d.h. zur Marktgenossenschaft. Ihre förderwirtschaftliche Zwecksetzung ist nicht mehr offensichtlich, sondern wird erklärungsbedürftig: An Stelle der unmittelbaren postulieren sie eine "mittelbare" Förderung. 3I3 Das grundlegende Problem ist dabei die Interpretation des Förderzwecks. 3l4 Die Genossenschaft ist nicht mehr Mittel einer förder-
Vgl. Grosskopf(l990b), S. 107. Auf entsprechende Strategien verweist Frotz (1993), S. 20. 310 Vgl. Grosskopf(l990b), S. 107. 311 Siehe hierzu Beuthien (1989), S. 24/25. 312 Vgl. Apel (1978), S. 33/34; Blomeyer (1989), S. 28. 313 Mändle (1983), S. 411 versteht hierunter die Gewinnerzielung bzw. Erlöserwirtschaftung beim Genossenschaftsunternehmen, damit dieses besser seinen "Förderungsaufgaben" gegenüber dem Mitglied nachkommen könne. Diese Fonn der "indirekten" Förderung kommt der reinen finanziellen anstelle der naturalen Förderung allerdings bedrohlich nahe und ist insofern aus Gründen der Rechtstypik bedenklich. 314 Vgl. Kothe (1991), S. 908. 308
309
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wirtschaftlichen Zwecksetzung, sondern nimmt im Zuge der Verselbständigung den Charakter eines Trägers einer förderwirtschaftlichen Aufgabenstellung an. Aufgabe der Genossenschaft soll demnach die Förderung ihrer Mitglieder sein; es ist folgerichtig von einem Förderungsauftrag die Rede,315 der entsprechend den Umweltbedingungen zu interpretieren sei. 316 In der Konsequenz führt dies zu dem Schluß, daß in jeder Stärkung der Leistungsfähigkeit der Genossenschaftsunternehmung eine Förderung der Mitglieder gesehen werden kann. 317 Das Genossenschaftsunternehmen orientiert sich schließlich am Markterfolg, so daß die Verbindung zu den Mitgliederwirtschaften unabhängiger wird und letztlich zwischen bei den nur noch Marktbeziehungen bestehen. 318 Anders stellen sich die Konsequenzen dar, wenn im Zuge der Wettbewerbsentwicklung asymmetrische Marktstrukturen entstehen, die schließlich zu monopolistischem Wettbewerb führen. Der Typ der integrierten Genossenschaft als Weiterentwicklung der Versorgungsgenossenschaft kann dann geeignet sein, Kooperationsvorteile in Form von (überlebenswichtigen) Verteilungskampfvorteilen wie auch von Effizienzvorteilen gruppenspezifischer Know-how-Produktion zu realisieren. 319 Dabei ist die Genossenschaft als Verein einerseits weiterhin das Mittel zur Verwirklichung von Kooperationsvorteilen. Andererseits findet die qualitative Ausgestaltung des Förderzweckes teilweise im Genossenschaftsunternehmen statt320 - und zwar in dem Umfang, wie sich die Mitglieder freiwillig in das Gruppenmanagement einbinden lassen. Aus der unmittelbaren Förderung entsteht somit eine - via Abtretung von Entscheidungskompetenzen von den Mitgliedern zum Genossenschaftsunternehmen - "delegierte" Förderung. Dies kann allerdings zugleich die Gefahr nach sich ziehen, daß die Tendenz der Verselbständigung autonomer Interessen des Genossenschaftsmanagements immer größer wird?21
m Vgl. Mändle (1986), S. 18; Glatzner (1990), S. 120; LanglWeidmüller (1988), § 1 RZ 27 spricht von einem "genossenschaftlichen Grundauftrag". 316 So jedenfalls BannierlMarelli (1977), S. 106. 317 Diese Interpretation weist Münkner (1990), S. 20/21 deutlich zurück. 318 Vgl. Finis (1985), S. 118. 319 Vgl. Grossekettler (1989a), S. 15. 320 Nach Dülfer (1984), S. 219 wird das Förderungsverlangen nur vage als "unspezifizierter Grundauftrag" geäußert, weshalb er der Interpretation bedürfe. 321 Darauf verweist Laurinkari (1990), S. 410.
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c) Gefahren der Nivellierung Während also die Versorgungs- wie auch die integrierte Genossenschaft als prototypische Genossenschaften eine - wenn auch sich unterschiedlich ausdrückende - förderwirtschaftliche Zwecksetzung aufweisen, ist bei der Marktgenossenschaft die Gefahr zu erkennen, diese Mitgliederwidmung faktisch abzustreifen. 322 Deutlich wird dies dort, wo z.B. ursprünglich erzielbare Effizienzvorteile entfallen und die Klubkollektivgutleistung wegen des gestiegenen Rivalitätsgrades einen Individualgutcharakter annimmt. Genauso ist es denkbar, daß ohnehin ein Individualgut bereitgestellt worden war, für das jedoch aufgrund von Koordinationsmängeln erst ein Markt geschaffen bzw. der Wettbewerbs grad erhöht werden mußte. Diese Verteilungskampfvorteile schwinden nun in dem Maße, wie der Wettbewerb in Gang kommt. In beiden Fällen vergeht der Kooperationsvorteil, da Grenzkostenpreise kostendeckend sind und ein Vereinszusammenschluß zur Güterbereitstellung nicht mehr erforderlich ist. Zugleich bedeutet dies auch, daß wegen der jetzt gegebenen Kostendeckung zusätzlich Nichtmitglieder die Genossenschaftsleistung gegen Zahlung eines den Grenzkosten entsprechenden Preises in Anspruch nehmen können. 323 Da Grenzkostenpreise kostendeckend sind, gibt es keinen Grund mehr, Mitglieder und Nichtmitglieder unterschiedlich zu behandeln. Die auf diesen Märkten agierenden Marktgenossenschaften sind kaum noch in der Lage, ihre Mitglieder mittels konkreter Besserstellung zu fördem. 324 Die unmittelbare, d.h. die subsidiäre und naturale Unterstützung des Mitglieds im Wettbewerb durch Leistungsbeziehungen kann einem mittelbaren Verständnis von Förderung weichen, das in der Gewinnerzielung beim genossenschaftlichen Geschäftsbetrieb die Grundlage für die finanzielle Mitgliederförderung sieht. 325 Es besteht die Gefahr, daß die Gewinnerzielung dann zum eigentlichen Ziel der Genossenschaft wird;326 sie verliert dadurch jedoch ihren rechts typischen Charakter. Daneben steht eine solche Dividendengenossenschaft nicht mehr mit dem GenossenVgl. Großkopf(l990a), S. 105-107. Vgl. dazu Grossekettler (1984), S. 80. 324 Grossekettler (1989a), S. 16 bezeichnet Marktgenossenschaften als Kooperationsgruppen, die ihre Mehrwertvorteile verloren haben. V gl. dazu auch Grosskopf (l990b), S. 107. m Vgl. Mändle (1986), S. 18. 326 So ist Hermann (1988), S. 71 der Ansicht, daß sich die "Förderungsformen in Richtung auf eine indirekte Förderung verändert und damit zum Teil auch erwerbswirtschaftliche Züge angenommen [haben]". Weitergehender Meinung ist Blomeyer (1980), S. 35, der die Zulässigkeit der sog. Dividendengenossenschaft bejaht. 322 323
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schaftsrecht in Einklang. 327 Die zu beobachtende Abkehr von der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung ist mit der gesetzlichen Typenbeschränkung nicht zu vereinbaren,328 da die Grenze zu den reinen Erwerbsgesellschaften nicht nur tangiert, sondern überschritten würde. 329 Die Existenz von entsprechend ausgerichteten Marktgenossenschaften zeigt, daß hier als Folge der Marktgegebenheiten der Zusammenhang von Rechtsform und Zielsetzung kaum noch existiert und daher abstrakte Zielsetzungsaussagen auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüft werden müssen. 330 So ist der Schluß zu ziehen, daß die strukturtypenabhängige Auseinanderentwicklung der Förderzweckinterpretation möglich gewesen ist, weil die Legaldefinition des § 1 GenG - die trotz aller ökonomischen, rechtlichen und politischen Veränderungen unverändert seit 1867 gültig ist lediglich ein Abgrenzungskriterium liefert, welche wirtschaftlichen Kooperationen als eingetragene Genossenschaft angesehen werden können. Eine inhaltliche Bestimmung ist damit jedoch noch nicht gegeben. 331 Um den Förderzweck nicht beliebig interpretierbar werden zu lassen,332 besteht die Notwendigkeit einer Operationalisierung; anders wird man eine Zielerreichung nicht beurteilen können. Jedoch kann man die "Erfüllung" des Förderzweckes nicht im Genossenschaftsunternehmen, sondern nur bei den betroffenen Mitgliederwirtschaften feststellen. 333 Hieran müssen sich diesbezügliche Operationalisierungsmaßstäbe für Genossenschaften orientieren. 334
3. Reformen des Genossenschaftsrechts Das Merkmal des gesetzlichen Förderzweckes allein ist nun aber für die Charakterisierung eines Rechtsgebildes als Genossenschaft nicht ausreichend. Vielmehr müssen sich in ihrem Organisationsmuster die Anreizund Kontrollvorteile wiederfinden, mittels derer erst die Vorteilhaftigkeit eines Vereines mit Unternehmung belegt werden kann. Die Förderwirt327 Vgl. Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 1 RZ 7; Jäger (1991a), S. 11. So auch Müller (1991), § 1 RZ 33, der auf die einschlägige Rechtsprechung verweist. 328 Vgl. Pauliek (1956), S. 62. 329 Auf diese Gefahr weist Apel (1978), S. 36 hin. 330 So Barteis (1987), S. 241. 331 Vgl. Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 1 RZ 5 u. 6. 332 Wie sich dies bei Steding (1992b), S. 99 "als dringliche Aufgabe" findet. 333 So Jäger (1985b), S. 21. 334 Siehe zu diesem Unterfangen z.B. Glatzner (1990), S. 120/121 m.w.N.; problematisch Meyer (1981), S. 131.
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schaftlichkeit des genossenschaftlichen Rechtstyps verlangt dazu nach einem mitgliederorientierten Ziel system und entsprechend gestalteten institutionellen Strukturen. Hierauf ist die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft nun zu untersuchen.
a) Die Novelle des Jahres 1973 In der Absicht, den Organisationsrahmen den Wettbewerbserfordernissen entsprechend anzupassen, wurde das Genossenschaftsgesetz wiederholt reformiert. 335 Das Hauptaugenmerk lag darauf, die Genossenschaftsunternehmung ihren nicht-genossenschaftlichen, d.h. kapitalistischen Konkurrenten vergleichbar zu machen. Ein besonders anschauliches Beispiel hierfür ist die Novelle aus dem Jahre 1973,336 die in zentralen Bereichen die Genossenschaft immer weiter an das Recht der Aktiengesellschaft annäherte. 337 So ist es möglich, die persönliche Haftung der Mitglieder auf den Geschäftsanteil zu beschränken, indem eine Nachschußpflicht ausgeschlossen wird (§ 6 I Nr. 3 GenG). Eine Abkehr vom personenbezogenen Gleichheitsgrundsatz stellt die - wenn auch mit einer Höchstgrenze von drei Stimmen verse.hene - Zulässigkeit von Mehrstimmrechten dar (§ 43 III 2 GenG). Daneben können finanzielle Motive der mitgliedschaftlichen Beteiligung stärker herausgestellt werden, da die Geschäftsguthaben verzinst werden dürfen (§ 21 a GenG). Von Bedeutung sind weiterhin die seit 1973 ausnahmslos zulässige Ausdehnung des Geschäftsbetriebs auf Nichtmitglieder (§ 8 I Nr. 5 GenG) sowie eine umfassende eigenverantwortliche Leitungsmacht des Vorstandes, die den unmittelbaren Mitgliedereinfluß in geschäftspolitischen Fragen entsprechend reduziert (§ 27 I GenG). Insgesamt führte dies zu einer erweiterten Autonomie der Rechtsform Genossenschaft,338 allerdings mit der Folge, daß durch die Mischung von traditionell genossenschaftlichen Elementen und kapitalistischen Aspekten 335 Siehe die Materialen hierzu bei BeuthienlHüskenlAschermann (1989). Ein Überblick findet sich bei SchultzlZerche (1983), S. 38-42; siehe auch Winter (1982), S. 8385; Höser (1989), S. 1-3. 336 Siehe z.B. Schultz (1980), S. 75-86; die amtliche Begründung findet sich in der Bundestags-Drucksache 7/97, abgedruckt bei SchubertlSteder (1973) unter Nr. 8010, S. 1-28. 337 Die Verlagerung von personen- zu kapitalbezogenen Strukturen untersucht Apel (1978), insb. S. 143/144. Die Annäherung an das Aktienrecht konstatiert auch Lenfers (1994), S. 18 bei der Bewertung der Hintergründe der Novelle. Vgl. daneben auch Kothe (1991), S. 913; BinzlFreudenberg (1991), S. 2475. 338 V gl. Apel (1978), S. 143.
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einige Widersprüche in das Genossenschaftsrecht eingeführt wurden. 339 Die Problematik dieses Vorgehens liegt darin, auf die Herausforderungen dynamischer Marktentwicklungen mit einer reduzierten Betrachtung auf das genossenschaftliche Unternehmen zu antworten, indem allein die Rechtsform als dessen Organisationsrahmen herangezogen wird. Der Vereinscharakter der genossenschaftlichen Kooperation, wie er in dem typusbestimmenden Merkmal der Mitgliederwidmung zum Ausdruck kommt, ist dabei immer stärker in den Hintergrund getreten. Eine Anlehnung an die Organisationsformen erwerbswirtschaftlicher Unternehmen ist jedoch nicht nur durch die zwingenden Vorschriften des Gesetzgebers erfolgt. Darüber hinaus ist durch die Novelle des Jahres 1973 ein überaus hohes Maß an Satzungsautonomie geschaffen worden (§ 18 GenG), das im Sinne einer Annäherung an die Organisationsmuster einer Kapitalgesellschaft genutzt werden kann. 34o Der Rechtstyp der Genossenschaft sieht sich demnach einer doppelten Gefahr gegenüber, nach der gesetzesnovellierende Kompromißregeln einerseits systemfremde Regeln einführen und andererseits im Rahmen der Satzungsautonomie auch atypische Regeln erlauben. 341 Da der Rechtstyp der Genossenschaft auf diese Weise immer konturenloser zu werden droht, fällt auch die Aufrechterhaltung einer eigenständigen Rechtsform zusehens schwerer. Es kommt schließlich zu einer Entfremdung von Rechtstyp und Rechtsform. Hiergegen ist der Einwand zu erheben, daß die Rechtsform nur der Organisationsrahmen des speziellen Rechtstyps Genossenschaft ist, und Reformen des Genossenschaftsrechts dazu führen sollten, diesen Rechtstyp durch Fortentwicklung der Grundideen zu einem den veränderten Verhältnissen angepaßten Modell weiterzuentwickeln. 342 Deshalb ist nun die Rechtsform der eG daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie (noch) den Anforderungen des genossenschaftlichen Rechtstyps an einen geeigneten Organisationsrahmen gerecht werden kann. Dabei ist vor allem von Interesse, wie die Verbindung von Verein und Unternehmen rechtlich gestaltet ist. Daneben ist der Gehalt der Mitgliedschaftsrechte, insbesondere der der genossenschaftstypischen Kontrollrechte, heranzuziehen. Da es - wie bereits ausgeführt - eine einheitliche Rechtsform der eG gibt, soll die Rechtsentwicklung auch daraufhin betrachtet werden, ob sie
So Neumann (1975), S. 34. Vgl. Ankele (1982), S. 8; anderer Auffassung ist Feuerborn (1979), S. 85, die der Gestaltungsfreiheit nach § 18 GenG nur einen recht engen Spielraum beimißt. 341 Vgl. Münkner (1993), S. 33. 342 Vgl. Münkner (1993), S. 37. 339
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bei den einzelnen Strukturtypen angesichts deren jeweiliger (Rechtssetzungs-)Bedürfnisse zu unterschiedlichen Konsequenzen führt. b) Das Auftreten von Organisationsproblemen Das Genossenschaftsgesetz ging ursprünglich von der Genossenschaftsunternehmung als reinem Hilfsbetrieb der Mitglieder aus. 343 Dementsprechend sind die Organisationsregelungen primär auf einen vereinsmäßigen Zusammen schluß der Mitgliederwirtschaften abgestellt. 344 Die Marktveränderungen beziehen jedoch den Genossenschaftsbetrieb immer stärker in die bestehende Wettbewerbssituation ein, die ein eigenständiges Agieren am Markt verlangt. Doch genau diese Eigenständigkeit versagt das Organisationskleid der Genossenschaft. Am deutlichsten wird diese Entwicklung am Beispiel der Führung der Genossenschaftsunternehmung?45 Bei der traditionellen Genossenschaft mit einem reinen Hilfs- und Ergänzungsbetrieb war eine - eventuell nebenamtliche - Geschäftsführung ausreichend, die bei der Umsetzung ihrer Geschäftspolitik der Überwachung durch den ehrenamtlich tätigen Vorstand aus dem Kreis der Mitgliederwirtschaften unterlag. Auf diese Weise sollte die Förderwirksamkeit der Geschäftspolitik sichergestellt werden; die Tatigkeit des Managements der Genossenschaft wurde so durch den Vorstand legitimiert. Hierfür stand lange Zeit das sog. Rendantensystem. 346 Die Marktprozesse verlangten allerdings im Laufe der Zeit nach einem professionellen, hauptamtlichen Management mit entsprechenden Handlungsspielräumen, damit die Genossenschaft überhaupt die Möglichkeit erhalten konnte, selbständig den Konkurrenten gegenüber am Markt zu agieren. So läßt sich bei der Marktgenossenschaft wie bei der integrierten Genossenschaft - allerdings aus unterschiedlichen Gründen - eine veränderte Bedeutung der Kooperation im Genossenschaftsverein feststellen. Bei der Marktgenossenschaft besteht aufgrund der weitgehenden Überwindung von Funktionsstörungen des Marktes kaum noch ein Kooperationserfordernis. Der Verein dient nur noch als lediglich formaler Träger des 343 Dem entspricht der Wortlaut des § I GenG ("mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes"), vgl. auch Lang/Weidmüller (1988), § 1 RZ 20. 344 Ihrer Rechtsnatur nach ist die Genossenschaft ein auf körperschaftlicher Grundlage organisierter Verein, siehe hierzu Müller (1991), § I RZ 1; LanglWeidmüller (1988), § I RZ 8; MeyerlMeulenberghlBeuthien (1983), § I RZ 2. 345 Siehe dazu auch Jäger (I 985b), S. 22-25; ders. (1988), S. 7-9. 346 Vgl. Bonus (I 987a), S. 13.
X Bialck
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Genossenschaftsunternehmens, so daß es sich hinsichtlich des Leistungsprogrammes von seinen Mitgliedern emanzipieren kann. Dagegen verstärkt sich im Fall der integrierten Genossenschaft die Kooperation im Verein - allerdings mit der Folge, daß das gemeinsame Gruppenmanagement auf das Genossenschaftsunternehmen delegiert wird. Beiden Strukturtypen ist gemeinsam, daß die Bedeutung des Genossenschaftsunternehmens in den Vordergrund rückt und der Charakter als vereinsmäßiger Zusammenschluß dagegen zurücktritt. 347 Es unterscheidet sie allerdings, daß der Verein bei der integrierten Genossenschaft - wie noch zu zeigen sein wird - wichtige Funktionen erfüllt, während er bei der Marktgenossenschaft überflüssig geworden ist. In der Folge wurde der Vorstand für die Überwachung bzw. förderwirtschaftliche Einbindung des Unternehmens aufgrund seiner Ehrenamtlichkeit als überfordert angesehen. Stattdessen erhob sich der Ruf nach einer professionellen (Gesamt-)Genossenschaftsleitung; die eindeutige Trennung von Verein (Vorstand) und Unternehmen (Management), allerdings auch die unterschiedlichen Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten, war damit aufgegeben. In Anlehnung an das aktienrechtliche Organisationsmodell wurde der Vorstand schließlich gegenüber den anderen Organen der Genossenschaft stark aufgewertet,348 mit der Folge, daß das hauptamtliche Management Teil des Vorstandes und insoweit der ehrenamtliche Charakter dieses Gremiums zurückgedrängt wurde. Der Einzug von Managern in den Vorstand ist dabei keine Frage des Prestiges, sondern folgt dem Bestreben, sich einen größtmöglichen Handlungsspielraum zu bewahren. Denn nach § 27 I GenG ist der Vorstand umfassend zur Leitung der Genossenschaft nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet; hierunter fallen auch alle wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen. 349 Eine Delegation - zumindest der die Genossenschaftsunternehmung ausschließlich betrieblich betreffenden Angelegenheiten - an Angestellte der Genossenschaft ist nicht möglich, selbst wenn es sich dabei um deren Geschäftsführer handeln sollte, da dies nach herrschender Meinung der Pflicht zur eigenverantwortlichen Geschäftsführung - die Teil der Leitung ist - widersprechen würde. 35o Gleichlautend äußert sich Laurinkari (1990), S. 407 u. 410. Seit der Novel1e von 1973 hat der Vorstand die Genossenschaft unter eigener Verantwortung zu leiten, siehe § 27 I GenG. Im Genossenschaftsrecht wird unter dem Begriff der Leitung zusammengefaßt, was im Gesel1schaftsrecht in Geschäftsführung und Vertretung aufgespalten ist; vgl. Lang/Weidmüller (1988), § 27 RZ 3. 349 Vgl. Lang/Weidmüller (1988), § 27 RZ 4. 350 Vgl. Lang/Weidmüller (1988), § 27 RZ 2, 8; Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 27 RZ 3, 4. 347 348
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Eine solche Auslegung berücksichtigt jedoch den Hintergrund der Genossenschaftsrechtsnovelle von 1973 nur ungenügend. Zu keiner Zeit ist unstrittig gewesen, daß die Genossenschaft als Marktteilnehmer ein professionelles Management benötigt. Diese Professionalität der Unternehmensleitung ist mit Hinweis auf den § 27 I GenG in eine Vorstandseigenschaft der Unternehmensleitung verändert worden. 351 Allerdings ist § 27 I GenG nicht isoliert, sondern in Verbindung mit § 34 und § 1 GenG zu sehen. Daraus ergibt sich, daß der Vorstand einer Genossenschaft eben nicht dem Management einer beliebigen erwerbswirtschaftlichen Unternehmung gleichgestellt ist; vielmehr wird durch die Verpflichtung auf den genossenschaftlichen Förderzweck bzw. daraus abgeleitet generell der Mitgliederinteressen die Andersartigkeit - die selbstverständlich nicht wertend zu verstehen ist - betont. Die Vorstände einer Genossenschaft und einer Aktiengesellschaft sind nicht vergleichbar; die zu beobachtende Annäherung des genossenschaftlichen an den aktienrechtlichen Vorstand übersieht dessen grundlegend anderen Aufgaben. 352 Diese Entwicklung war jedoch nur möglich, weil die saubere Abgrenzung zwischen ehrenamtlichem Vereinsvorstand und professionellem Management aufgegeben wurde. 353 Wer dem Vorstand einer Genossenschaft das professionelle Management der Genossenschaftsunternehmung aufbürdet, überfordert die ehrenamtlichen Funktionsträger, deren Hauptaufgabe schließlich darin besteht, ihre eigene Mitgliederwirtschaft professionell und hauptamtlich zu führen. 354 Daher kann der Vereinsvorstand nicht ohne weiteres als Unternehmensmanagement eingesetzt werden; geschieht dies doch, ist mit erheblichen organisatorisch-inhaltlichen Schwierigkeiten zu rechnen, in deren Ergebnis das Ehrenamt in eine
Vgl. Jäger (1988), S. 12. Der Vorstand einer Genossenschaft soll die Förderwirtschaftlichkeit der Unternehmensführung gemäß der Mitgliederbedürfnisse sicherstellen. Dagegen ist der aktienrechtliche Vorstand selbst die Unternehmensführung, die auf beliebigen Märkten nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip ein Maximum an Kapitalrendite erzielen soll. Siehe dazu auch Jäger (1988), S. 6. 353 Jäger (1985b), S. 25 führt dies auf das Schwinden des Bewußtseins zurück, daß Vorstand und Management in einer Genossenschaft wegen des Prinzips der Selbstorganschaft funktional zu trennen sind. Die amtliche Begründung der Novelle von 1973 geht sogar soweit, "dem Vorstand die Stellung zu verschaffen, die er als Leiter eines genossenschaftlichen Unternehmens (sic!) unserer Zeit haben muß" und lehnt sich hierbei an § 76 I AktG an; siehe Bundestagsdrucksache 7/97, abgedruckt bei Schubert/ Steder (1973), Nr. 8010, S. 12. 354 Das Ehrenamt dient daher nach Jäger (1985b), S. 21/22 in der Genossenschaft als legitimatorische Basis des instrumental verstandenen Managements. 351
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Abhängigkeitsposition zum Hauptamt gerät. 355 Die eigentlich als Stärkung der Rechtsform Genossenschaft initiierte Aufwertung des Vorstandes erweist sich bei näherer Betrachtung als Schwächung, weil die mitgliedergewidmete Besonderheit der Genossenschaft als Verein mit Unternehmung in ihrer Substanz verwischt wird. Die beobachtbare Rechtsänderung ist daher als Anpassung des Genossenschaftsgesetzes an die Entwicklung von der traditionellen zur Marktgenossensehaft zu sehen. Damit wird rechtlich nachvollzogen, daß sich die dominierende Rolle der Genossenschaftsunternehmung und seiner Leitung nur deshalb ergeben hat, weil aufgrund der Wettbewerbsintensivierung seitens der Mitglieder ein Kooperationsbedürfnis immer weniger empfunden wird und ein typisches "Vereinsverhältnis" nicht mehr besteht. Genau aus diesem Grund wird diese Rechtsentwicklung jedoch nicht den anderen Strukturtypen gerecht. Denn die Versorgungs- wie die integrierte Genossenschaft beziehen ihre Vorteilhaftigkeit aus der vereinsmäßigen Kooperation. Die "Majorisierung" des Vereins durch das Unternehmen kann die Funktionsfahigkeit dieser Kooperation gefährden; daher ist hier ein Rechtsänderungsbedarf gegeben. Ein weiterer Problemkreis betrifft die Kapitalisierung der Genossenschaft. Auch hier findet sich eine vereinsmäßige Konstruktion, nach der jedes Mitglied einen oder mehrere Geschäftsanteile zeichnen muß. Erst seine Einzahlungen hierauf werden zu Geschäftsguthaben, deren Summe das "Betriebskapital,,356 der Genossenschaft bilden. Diese Konstruktion folgt der Überlegung, nach der bei der genossenschaftlichen Kooperation nicht die kapitalmäßige, sondern die mitgliedschaftliehe Beteiligung der einzelnen Genossen im Vordergrund steht. Demzufolge entsteht die Mitgliedschaft bereits durch die Erklärung des Beitritts sowie seine Zulassung und Eintragung in das Genossenschaftsregister;357 die Übernahme entsprechender Geschäftsanteile und die Einzahlungen hierauf sind Folgen dieses Beitritts und damit ein Kooperationsbeitrag. Entsprechend werden die Einzahlungen der Mitglieder auch als Betriebsvorschüsse für die Zeit der Mit355 Das Recht der eigenverantwortlichen Leitung hat dem Vorstand gegenüber den Mitgliedern ein Überwicht verschafft; gehören ihm in der Mehrheit hauptamtliche externe Manager an, können sich deren Vorstellungen gegenüber divergierenden Mitgliederinteressen durchsetzen; vgl. Holzberger (1987), S. 231/232. Diese Schwächung des Ehrenamtes ist vor allem deshalb als höchst problematisch zu bewerten, da es als "typusbestimmend" anzusehen ist; vgl. auch Großfeld (1988), S. 269. 356 Von Eigenkapital im eigentlichen Sinn kann man bei einer Genossenschaft nicht sprechen, vgl. Paulick (1956), S. 173. 357 Das Verfahren ist in § 15 GenG geregelt.
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gliedschaft interpretiert. 358 Sie haben daher bei einem Ausscheiden aus der Genossenschaft einen Anspruch auf deren Rückzahlung. Für die Genossenschaft ist nun von ausschlaggebender Bedeutung, daß die Mitgliedschaft der einzelnen Genossen nicht unendlich andauert und daher von einem ständig schwankenden Betriebskapital auszugehen ist. 359 Da die Genossenschaft jedoch ein Unternehmen betreibt, das nicht nur passiv am allgemeinen Wirtschaftsverkehr teilnimmt, sondern wettbewerblich in das marktliche Umfeld eingebunden ist, sind für dieses Unternehmen die üblichen betriebswirtschaftlichen Grundsätze gültig. Hierzu zählt insbesondere eine ausreichende und gesicherte Eigenkapitalversorgung; ein Problem, das daher für Genossenschaften besonders gravierend ist. 360 Auch hier bewegt man sich im Spannungsfeld von Vereins- und Unternehmensinteressen, wobei dies bereits von Raiffeisen erkannt wurde und der deshalb dafür eintrat, einen Reservefonds als "unteilbares Vereinskapital" zu schaffen. 361 Dieses Kapital befand sich zwar im Gesamteigentum der Mitglieder, war jedoch ihrem unmittelbaren, wechsel bedingten Zugriff entzogen. Diese Konstruktion bewegte sich durchaus im rechtstypischen Rahmen. Geschäftsguthaben und - wirtschaftlich von nachgeordneter Bedeutung Reservefonds bildeten zwar das Eigenkapital; die Kreditgrundlage der Genossenschaft war jedoch die persönliche Beteiligung der Mitglieder, die in der Haftung zum Ausdruck kam. 362 Angesichts der einfach strukturierten Geschäfte, die in der Genossenschaft als Hilfs- und Ergänzungsbetrieb abgewickelt wurden, war einerseits der Kapitalbedarf nur gering, andererseits das Haftungsrisiko überschaubar, so daß diese eher vereinsmäßige Regelung auch im Wirtschaftsverkehr der Genossenschaft Anwendung finden konnte. Immer anspruchsvollere Geschäfte bedeuteten sowohl einen wachsenden Kapitalbedarf als auch ein gestiegenes Risiko. Die vereinsrechtliche Kapitalisierung der Genossenschaft stieß damit an ihre Grenzen. Denn die Geschäftsguthaben reichten für den Kapitalbedarf der Genossenschaftsunternehmung bald nicht mehr aus, so daß die Rücklagen eine immer größere Bedeutung als Finanzierungsquelle erhielten. Da diese dem unmittel358 359 360
tur.
361 362
Vgl. Pauliek (\ 956), s. 182. Vgl. Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 7 RZ 4. Siehe hierzu ausführlich Blomeyer (1989), S. 5 und die dort angegebene LiteraVgl. Faust (\ 977), S. 341/342. Ein anderer Begriff hierfür ist "Stiftungsfonds". V gl. Paulick (\ 956), S. 281.
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baren Mitgliederzugriff entzogen sind, stärken sie die finanzielle Eigenmacht der Genossenschaft363 und verselbständigen sie zum Teil gegenüber ihren Mitgliedern. Die Marktentwicklung hat insofern bei der Rechtsform der Genossenschaft einen Prozeß in Gang gesetzt, der sie von ihrer rechtstypischen Eigenheit als mitgliedergewidmeter Kooperation entfremdet, da aus Gründen der Eigenkapitalschwäche, d.h. einem lediglich organisatorischen Mangel, deutlich Kapitalinteressen in den Vordergrund treten. Zwar ist dieses Phänomen bei allen Strukturtypen gleichermaßen anzutreffen. Doch es kommt um so stärker zum Tragen, je weniger das Genossenschaftsunternehmen in den Verein eingebunden ist. Daher wird es vor allem für Marktgenossenschaften zu einem Problem. Ihre Entsprechung findet diese Entwicklung in der abnehmenden Bedeutung der Haftung. War sie als eines der genossenschaftlichen Prinzipien ursächlich für die Eigenständigkeit des Rechtstyps Genossenschaft, so büßte sie diese Stellung in dem Maße ein, wie sie aufgrund der steigenden Reserven als überflüssig und des gestiegenen Risikos wegen als untragbar erschien. Auch hier nahm die Rechtsform Genossenschaft Abschied von der Vereinsidee, indem sie die finanzielle Beteiligung des Mitglieds an der Genossenschaft auf eine aktionärsähnliche Rolle reduzierte. 364 Diese Entwicklung fand mit der Novelle aus dem Jahre 1973 ihren Abschluß, nach der eine über den Geschäftsanteil hinausgehende Haftung generell ausgeschlossen werden kann. 365 Hierin dokumentiert sich wiederum der Übergang von der traditionellen zur Marktgenossenschaft. Bei letzterer mag der Haftungsausschluß begründet sein, da eine vereinsmäßige Finanzierung der genossenschaftlichen Leistung aufgrund der kostendeckenden Grenzkostenpreise nicht mehr erfolgen muß. In einem Kollektiv dagegen entspricht es dem Kongruenzprinzip, wenn die Nutznießer einer (Bereitstellungs-)Entscheidung in ihrer Gesamtheit auch für die Finanzierung aufkommen und dafür haften müssen. Im Falle der Versorgungs- und der integrierten Genossenschaft ist ein Ausschluß der Haftung daher nicht gerechtfertigt; die Haftung legitimiert sich aus der nach wie vor gültigen Vereinskonzeption. In eine ähnliche Richtung zielt die durch § 21 a GenG eröffnete Möglichkeit, die Geschäftsguthaben der Mitglieder verzinsen zu können. Der Gesetzgeber meinte, auf diesem Wege den Erwerb der Mitgliedschaft in Genossenschaften attraktiver zu machen und die Kapitalausstattung zu 363 364
365
Vgl. Groß/eid (1975), S. 13. Vgl. Neumann (1975), S. 36; Kramer (1993), S. 21. Vgl. dazu auch Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 2 RZ I u. § 6 RZ 10.
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verbessern. 366 Doch dies ist ja nur dann erforderlich, wenn die Mitglieder die Kooperation nicht mehr als vorteilhaft ansehen. Denn sonst wären sie angesichts zu erwartender Anreize (d.h. der Genossenschaftsleistung) durchaus bereit, erhöhte - finanzielle - Beiträge aufzubringen, solange der gesamte Kooperationswert bzw. Nutzensaldo nicht negativ wird. Der Gesetzgeber dürfte also auch bei dieser Regelung die Entwicklung zur Marktgenossenschaft vor Augen gehabt haben. Die beabsichtigte Verbesserung einer organisatorischen Schwäche der Rechtsform Genossenschaft wird bewerkstelligt, indem deren Rechtstypik als mitgliedergewidmete Kooperation ein Stück weiter verwischt wird. Zwar ist eine völlige Gleichheit mit einer Kapitalgesellschaft noch nicht gegeben, da es sich nur um einen Verzinsungsanspruch und nicht eine Dividende handelt. 367 Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß die förderwirtschaftliche Zwecksetzung der Genossenschaft darauf basiert, daß die einzelnen Mitgliederwirtschaften zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation miteinander kooperieren und der Genossenschaftsbetrieb lediglich die institutionalisierte unternehmerische Form dieser Kooperation ist. Dem entspricht das Wort vom "dienenden Charakter" des Kapitals in einer Genossenschaft. Das Entgelt für die Bereitstellung der Geschäftsguthaben besteht demnach nicht in einer monetären Größe wie bei einer Kapitalgesellschaft, sondern im Fördergeschäftsverkehr mit der Genossenschaft. 368 Nicht lediglich die Kapitalbeteiligung, sondern darüber hinausgehend die Aufnahme von persönlichen Leistungsbeziehungen mit dem Genossenschaftsbetrieb schafft einen Anspruch auf Beteiligung an den genossenschaftlichen Erträgen. 369 Solche Leistungsbeziehungen bestehen bei der Versorgungs- wie bei der integrierten Genossenschaft; zur Sicherung der Kapitalausstattung ist ein Verzinsungsanspruch weder erforderlich noch geeignet. Dagegen durchbricht die mögliche Verzinsung der Geschäftsguthaben die Rechtstypik und begründet ein an den Geschäftsanteil gekoppeltes eigenständiges Kapitalinteresse. Auch dadurch bewegt sich die Genossenschaft von ihrer personalistischen Struktur hin zum Typ der Kapitalgesellschaft. 370 Letztlich werden zwischen diesen und den Genossenschaften die Entscheidungsprozesse und insbesondere die Entscheidungskriterien 366 Siehe hierzu die amtliche Begründung (Bundestagsdrucksache 7/97, abgedruckt bei SchubertlSteder [1973], Nr. 8010, S. 9). 367 Diesen Unterschied betont Lang/Weidmüller (1988), vgl. § 21 a RZ 1. 368 Vgl. Beuthien (1989), S. 29. 369 Vgl. Vierheller (I983b), S. 35. Hierfür eignet sich insbesondere die genossenschaftliche Rückvergütung. 370 So Müller (1991), § 21 a RZ I.
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immer ähnlicher. 371 Auf diese Weise bewirkt die Veränderung der Organisationsformen indirekt auch eine Transformation des Zielsystems. Denn während das erwerbswirtschaftliche Prinzip kapital- oder personenbezogen organisiert werden kann, erfordert die Förderwirtschaftlichkeit zwingend eine personalistische Struktur.
c) Das Entstehen eines Kontrollvakuums Die ursprüngliche Genossenschaftskonzeption bezog sich auf einen örtlichen, überschaubaren Wirkungskreis; dies war bereits geschäftsvolumenmäßig ausreichend, um Kooperationsvorteile realisieren zu können. Geführt war eine solche Ortsgenossen sc haft von einem Vorstand aus dem Kreis der Mitglieder, dessen Aufgabe es war, die Arbeit des angestellten Rendanten im Mitgliederinteresse zu überwachen. Die Arbeit des Vorstandes wiederum kontrollierte der Aufsichtsrat, der als verlängerter Arm der Generalversammlung eine Stellvertreterfunktion für die Gesamtheit aller Mitglieder als höchster Entscheidungsinstanz wahrnahm. Dieses Organisationsmuster bezieht sich auf die Genossenschaft als Verein; davon abzugrenzen ist die betriebs wirtschaftliche Seite, die in der Unternehmung der Genossenschaft ihren Ausdruck findet. Hier hatten die Mitglieder zu keiner Zeit wirkliche Überwachungsmöglichkeiten, für die ihnen in der Regel auch die notwendigen Kenntnisse gefehlt haben dürften. Die Kontrolle dieses Teils der Arbeit des Rendanten oblag vielmehr den Revisoren des genossenschaftlichen Prüfungsverbandes. Die Rückkopplung zur Primärgenossenschaft war dadurch sichergestellt, daß der Prüfungsverband als eingetragener Verein seinerseits durch Organe geführt wurde, die die Mitglieder der angeschlossenen Genossenschaften besetzten. Der Kontrollmechanismus im Genossenschaftswesen war insofern geschlossen und stets auf die Mitgliederbasis zurückführbar;372 neben dieser förmlichen bestand jedoch auch noch eine soziale Kontrolle. Diese ergab sich daraus, daß die Genossenschaft in einem überschaubaren Bezirk einfach strukturierte Geschäfte betrieb. Jedes der Mitglieder konnte sie beurteilen, so daß es ihnen auch möglich war, die Tätigkeit der Genossenschaft als Ganzes zu bewerten. In eine solche Bewertung war .nJ Vgl. Purt.~('hert (1990), S. 268. Röpke (1992), S. 33 sieht hierin eine Mutation des untemehmerischen Inputs, der jetzt durch ein professionelles Routine-Management gekennzeichnet sei. 312 Vgl. Jäger (I 985b), S. 27/28; ders. (1988), S. 7-9.
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dann gleichfalls die Arbeit der ehrenamtlichen Funktionsträger eingeschlossen; dies um so mehr, weil jeder jeden kannte. 373 Die Entwicklung der Märkte hat dieses austarierte Kräftefeld weitestgehend verändert. Die Marktveränderungen haben bei allen Strukturtypen ein qualifiziertes Management erforderlich gemacht. 374 Dieses unterscheidet sich von demjenigen der erwerbswirtschaftlichen Unternehmen zum einen dadurch, daß die förderwirtschaftliche Zwecksetzung der Genossenschaft nur einen eingeschränkten unternehmerischen Handlungsspielraum gewährt. Über diese betriebs wirtschaftliche Seite hinaus fungiert der Leiter eines Genossenschaftsbetriebes gleichsam als "politischer Unternehmer", der aufgrund der Mitgliederwidmung der Genossenschaft ständig in der Gruppe der Mitglieder die Meinungs- und Willensbildung moderierend zu unterstützen hat. 375 Anstatt ein solches rechtstypisches Kooperationsmanagement 376 für die Rechtsform der Genossenschaft zu kodifizieren, ging der Gesetzgeber den Weg, mit der Novelle des Genossenschaftsgesetzes im Jahre 1973 die Leitung der Genossenschaft insgesamt dem Vorstand zu übertragen. Die Trennung zwischen Vereinsführung und - professionellem - Unternehmensmanagement wird dadurch aufgehoben; diese Synthese führt zur Aufnahme hauptamtlicher Geschäftsführer in den Vorstand. Der Vorstand wird insgesamt zu einem professionalisierten Gremium, dessen Hauptaugenmerk den Unternehmensinteressen der Genossenschaft gilt. Die personalistische Struktur der Genossenschaft als mitgliedergewidmeter Kooperation tritt demgegenüber immer stärker in den Hintergrund. 377 Die Folgen hinsichtlich der Kontrollbalance sind evident: Ein professioneller, größtenteils hauptamtlicher Vorstand wird von einem weiterhin in den das Unternehmen betreffenden betrieblichen Fragen unprofessionellen ehrenamtlichen Aufsichtsrat überwacht. 378 Eine effektive Kontrolle aus dem Mitgliederkreis heraus scheitert dann häufig an fehlender Information, mangelnder Motivation und unzureichenden institutionalisierten Möglichkeiten. 379 Vgl. Bonus (1987b), S. 9/10. Siehe dazu auch Schmid (1985), S. 241. 375 Vgl. Eschenburg (1986), S. 49. 376 Zum Begriff Kooperationsmanagement siehe Lipfert (1984b), S. 20. 317 Diese Tendenz wird dadurch verstärkt, daß die hauptamtlichen Vorstandsmitglieder nicht mehr dem Kreis der Mitglieder i.e.S. entstammen; vielmehr wird die Mitgliedschaft erst zum Zwecke der Vorstandseigenschaft erworben, um dem Postulat der Selbstorganschaft Genüge zu tun. Mittel hierfür ist das sog. Institut des "fördernden Mitglieds". 378 VgI.Jäger(l990),S.1l8u.122. 379 Vgl. Boettcher (1980a), S. 29. 373 374
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Der zweite Strang der genossenschaftlichen Kontrolle, die Betreuungsprüfung380 durch den Prüfungsverband, erweist sich ebenfalls als nur bedingt tauglich. Die notwendige "Rückendeckung" der Verbandsrevisoren war ursprünglich durch die Besetzung der Verbandsorgane mit Mitgliedern aus den Primärgenossenschaften garantiert. Die Adressaten der Prüfberichte waren mithin gleichsam die Auftraggeber. Die Aufnahme professioneller Manager in die Vorstände der Genossenschaften bewirkte, daß eben diese hauptamtlichen Vorstände verstärkt in die Organe der Prüfungsverbände entsandt wurden. Die zu Kontrollierenden waren plötzlich die Kontrolleure der eigenen Kontrolleure. Auch auf dieser Ebene ist das Kontrollgleichgewicht daher empfindlich gestört. 381 Das Bemühen des Gesetzgebers, angesichts der veränderten Marktbedingungen die Wettbewerbsfähigkeit der genossenschaftlichen Rechtsform dadurch zu verbessern, daß in Anlehnung an die Organisation der Aktiengesellschaft eine betriebswirtschaftliche Leitung der Genossenschaft durch den Vorstand etabliert wird, hat also nicht nur zur Verwischung der Rechtstypik beigetragen, sondern auch zum Entstehen eines Kontrollvakuums geführt?82 Die Kontrolle des Managements ist in der Genossenschaft durchaus nicht gesichert. Die Notwendigkeit von Kontrollen bemißt sich dabei nicht allein aus rechtlichen Überlegungen heraus. Denn ein funktionsuntüchtiges Kontrollsystem hat zur Folge, daß die zu Kontrollierenden - in diesem Fall das Management - sich in ihren Verhaltensweisen hieran anpassen. Ein Kontrollsystem ist nur dann erfolgreich, solange die Eigentümer zur Wahrnehmung ihrer Interessen motiviert sind. Sie müssen daher ein ungeschmälertes Zugriffsrecht auf die Erträge des Unternehmens haben. In dem Maße, wie dieses Zugriffsrecht beeinträchtigt wird, etwa durch institutionelle Regelungen, verlieren die Eigentümer das Interesse an den laufenden Managemententscheidungen, da sie von deren zukünftigen wirtschaftlichen Konsequenzen - Gewinnen wie Verlusten - weitestgehend ausgeschlossen sind. Da somit für das Management der Kontrolldruck nachläßt, stellt sich tendenziell ein nachlassendes Kostenbewußtsein ein. Eine wirkungsvolle und funktionierende Kontrolle ist deshalb auch eine zwingende Voraussetzung für die Effizienz einer Unternehmensführung. 383 380 Die materielle Betreuungsprüfung nach dem GenG reicht in Art und Umfang über die lediglich formelle Bestätigungsprüfung nicht-genossenschaftlicher Abschlüsse hinaus; siehe hierzu auch Schneider (1967), S. 210-212. 381 Vgl. Jäger (1988), S. 14-16. 382 Zum Kontrollvakuum in Genossenschaften siehe auch Höser (1989), S. 78. 383 Zu entsprechenden Nachweisen siehe Leipold (1978), S. 523; gleichlautend MersmannlNovy (1991), S. 38.
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Die Strukturtypen der Versorgungs- und der integrierten Genossenschaft können auf die genossenschaftsimmanenten Kontrollmechanismen nicht verzichten. In beiden Fällen weist der Markt Koordinationsmängel auf; die Integration des Genossenschaftsunternehmens in den Verein der Mitglieder geschieht schließlich aus dem Grund, bestehende Abhängigkeiten zu internalisieren. Doch diese Abhängigkeiten bestehen ja faktisch weiter allerdings sieht sich jetzt das einzelne Mitglied seiner Genossenschaft (-sunternehmung) als Monopolisten gegenüber. Vor einer Ausbeutung seiner Position können den Genossen daher nur Kontrollrechte schützen, mittels derer er - im Verein mit den anderen Mitgliedern - das Genossenschaftsunternehmen "im Zaume halten kann". Bei beiden Strukturtypen wird die Rechtsentwicklung daher den Kontrollerfordernissen nicht gerecht. Dieses rechtsformabhängige Kontrolldefizit wirkt sich in der Marktgenossenschaft anders aus. Zwar müssen die Mitglieder die "naturale" Leistungsfähigkeit der Genossenschaftsunternehmung nicht mehr kontrollieren, weil dies der Wettbewerb übernimmt. Ihnen bleibt dadurch nur das rechtstypisch bedenkliche, weil unzulässige - Kontrollbedürfnis als Kapitalgeber. Hinzu tritt der Umstand, daß zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit von Genossenschaften angesichts komplizierterer Geschäftsvorfälle nicht nur qualifizierte Manager, sondern auch ein bestimmter, allerdings auch ausgelasteter, Geschäftsumfang notwendig ist. Dies hat dazu geführt, Geschäfte auch außerhalb des Mitgliederkreises zu tätigen. 384 Die generelle Zulässigkeit des Nichtmitgliedergeschäftes 385 bedeutet jedoch implizit, daß bei diesen Geschäften die Genossenschaftsunternehmung einer förderwirtschaftlichen Zwecksetzung nicht mehr unterliegt. Die - hauptamtliche - Genossenschaftsleitung operiert dann in einem "doppelt kontrollfreien" Raum, was letztlich zur Emanzipation des Managements beiträgt. 386 Problematisch erweist sich für die Rechtsform Genossenschaft, daß der Umfang der Nichtmitgliedergeschäfte nicht ausdrücklich geregelt ist. Der Rechtstyp der Genossenschaft ist in seiner Mitgliederwidmung jedoch gefährdet, wenn von einem gewissen Umfang der Nichtmitgliedergeschäfte an spezifische Nutzungsrechte der Mitglieder nicht mehr geWährleistet werden können. Denn Mitglieder wie Nichtmitglieder können prinzipiell dieselben Leistungen erhalten. Weder die VorVgl. Eickhof(1982), S. 271. Siehe § 8 I Nr. 5 GenG; dabei darf das Nichtmitgliedergeschäft nur ergänzenden Charakter besitzen und hat insoweit der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung der Genossenschaft zu dienen, vgl. Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 8 RZ 8; Lang/ Weidmüller (1983), § 8 RZ 14 u. 15. 386 V gl. Schmid (1985), S. 247 FN 131. 384
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teilhaftigkeit noch die Erforderlichkeit einer Mitgliedschaft sind dann zumindest auf der real wirtschaftlichen Ebene noch erkennbar. Daneben ist der steigende Kapitalbedarf nicht mehr allein aus den Geschäftsguthaben zu befriedigen. Daher wird verstärkt von der Möglichkeit der Gewinnthesaurierung und der Bildung von Rücklagen Gebrauch gemacht. 387 Im Gegensatz zur Kapitalgesellschaft schlagen sich diese Vermögenswerte jedoch nicht in höheren Marktpreisen der Anteilspapiere nieder, da der Geschäftsanteil als bloße Rechengröße nicht den Charakter eines Beteiligungspapieres besitzt. 388 Die dem Aktienrecht eigene Kontrolle durch den Kapitalmarkt bzw. die Börse kann deshalb bei der Genossenschaft nicht wirksam werden;389 die jederzeitige Realisierung des Anteilspapieres ohne Vermögensverlust ist nicht möglich. Vielmehr ist das Vermögen der Mitglieder in der Genossenschaft überaus stark gebunden. Bei einem Ausscheiden wird nur der Buchwert des Geschäftsanteils ausgezahlt (vgl. § 73 11 I GenG); die anteilige Verrechnung der stillen und offenen Rücklagen - die durch Bildung eines Reservefonds möglich wäre unterbleibt jedoch. 39o Die Reserven der Genossenschaft als unteilbares, dem Zugriff der Mitglieder entzogenes Vermögen führen somit zu einer Entprivatisierung,391 bei der der Stiftungsfonds die finanzielle Eigenrnacht der Genossenschaftsleitung stärkt. 392 Damit hat sich zum einen die private eigentumsrechtliche Position der Mitglieder verschlechtert, da zum Aufbau des Stiftungsfonds Mittel herangezogen werden, die andernfalls im Zuge der genossenschaftlichen Rückvergütung zur Ausschüttung gekommen Vgl. Höser (1989), S. 93. Einen Ansatz, den "Gesamtwert" einer Genossenschaft zu ennitteln, bietet eine Untersuchung von Schöjj1ing. Siehe zur Problemstellung vor allem Schöjj1ing (1992), S.21-24. 389 Siehe hierzu Neumann (1975), S. 38; ders. (1981), S. 173. Wenn die Anleger durch einen Verkauf ihrer Anteile ihr Mißfallen an der Geschäftsführung ausdrücken, werden die Aktienkurse sinken. Dadurch wird es zum einen schwieriger, neues Eigenkapital zu erhalten, was den Handlungsspielraum des Managements begrenzt, das nun verstärkt auf Fremdkapital angewiesen ist. Zweitens wächst die Gefahr, daß die - jetzt günstig erwerbbare - Aktienmehrheit im Wege der feindlichen Übernahme (take over) erworben wird; dies ist in der Regel immer mit der Auswechslung des bisherigen Managements verbunden. 390 Daher versagt nach GroßfeldlJägerlLenjers (1989), S. 80 auch die Kontrolle durch drohende Abwanderung und Kapitalentzug, denn die Mitglieder können ihren Anteil an den Rücklagen weder durch Verkauf noch durch Ausscheiden mobilisieren. 391 Großfeld (1975), S. 15 stellt deshalb die Frage, ob die Mitglieder noch die Eigentümer der in den Genossenschaften gebundenen Vennögen oder nur noch "auf Zeit Begünstigte" seien. 392 V gl. Bänsch (1972), S. 22. 387 388
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wären. 393 Darüber hinaus steht die Verfügungs gewalt über die Rücklagen der Genossenschaft zu, die wiederum der eigenverantwortlichen Leitung durch den Vorstand unterliegt. Der bereits angesprochene Einzug hauptamtlicher Manager in dieses Organ hat zur Folge, daß das genossenschaftlich-gemeinschaftliche Eigentum der Mitglieder faktisch in fremden Händen liegt. Es ist offensichtlich, daß hier ein problematisches Kontrolldefizit besteht; dies um so mehr, weil die Rücklagen ihres mangelnden Zugriffes wegen gezielt als Mittel der Mitgliederbindung verwendet werden können. 394 d) Die Konsequenz: Das Glaubwürdigkeitsproblem Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß die Modifikationen des Genossenschaftsgesetzes und damit der Rechtsform der eG nur eine unzureichende Antwort auf die Marktentwicklung darstellen. Der Gesetzgeber dürfte sich dabei an einer Situation zunehmender Wettbewerbsintensivierung orientiert haben; dies ist jedoch keinesfalls eine Referenzsituation, wie die fortdauernde Existenz der unterschiedlichen Genossenschaftstypen zeigt. Diese Entwicklung der Rechtsform ist schon deshalb paradox, weil sie die eingetragene Genossenschaft anhand einer Wettbewerbssituation bzw. Marktkonstellation ausrichtet, in der eine genossenschaftliche Zusammenarbeit eigentlich nicht mehr erforderlich bzw. vorteilhaft ist. Dessenungeachtet wurde die Rechtsform eG immer stärker auf die Belange der Genossenschaftsunternehmung zugeschnitten und in ihren Vereinsstrukturen verkürzt. Diese Abkehr vom Rechtstyp bzw. Leitbild gefährdet jedoch die Glaubwürdigkeit der genossenschaftlichen Rechtsform. Im Zuge der Marktentwicklung ist niemals gefragt worden, ob das genossenschaftliche Konzept eine adäquate Antwort auf neue wettbewerbliche Herausforderungen darstellt. Anstatt den Rechtstyp kritisch zu überprüfen, ist lediglich die Rechtsform novelliert worden und dies mit der Folge, daß wesentliche Regelungen, die die Mitgliederwidmung der Genossenschaft sichern, beseitigt worden sind; sinkt aber der Mitgliedereinfluß, ist auch der Förderzweck nicht mehr glaubwürdig?95 Dann ist der Weg frei von der Mitglieder- oder Verbundorientierung hin zur Markt(erfolgs)orientierung: So erklärt sich die Existenz von entsprechend 393 Dabei stehen der Genossenschaft sogar noch weitergehende Möglichkeiten als der Kapitalgesellschaft zur Verfügung, vgl. § 366 HGB und § 58 AktG. 394 Ribhegge (1987), S. 34 sieht hierin eine Möglichkeit, das "Rosinenpicken" durch die Mitglieder, aber auch deren Abwanderung, zu erschweren. 395 V gl. Groß/eid (1988), S. 268.
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ausgerichteten Marktgenossenschaften, die jedoch tatsächlich die Grenzen dieses Rechtstyps überschritten haben. Dies dokumentiert sich in einem verstärkten Gewinnstreben, das dann als Erfüllung eines Förderungs"auftrages" interpretiert wird. 396 Die Glaubwürdigkeit des Rechtstyps Genossenschaft wird vollends erschüttert, wenn schließlich ein "Gewinnauftrag" postuliert wird. 397 Marktgenossenschaften sind dadurch charakterisiert, daß weder Effizienz- noch Verteilungskampfvorteile zu erzielen sind. Da die Grenzkosten nicht mehr unterhalb der Durchschnittskosten verlaufen, kann Kooperation keine Vorteile mehr vermitteln. Zugleich entfällt die Notwendigkeit einer vertikalen Integration, da ein funktionsfähiger Wettbewerb durch seine Ausweichmöglichkeiten die Ausbeutung von Abhängigkeiten wirksam verhindert. In der Folge stellt sich ein Wechsel des Ziel systems ein, und die Genossenschaftsunternehmung strebt ausschließlich einen autonom definierten erwerbswirtschaftlichen Markterfolg an. Da ein besonderer Mitgliederbezug nicht mehr existiert, kann auch nicht mehr vom Bestehen besonderer Geschäftsbeziehungen zwischen den Mitgliedern und der Genossenschaftsunternehmung ausgegangen werden. Denn bei der betreffenden Leistung handelt es sich um eine solche mit einem Individualgutcharakter; diese unterliegt normalen Marktbeziehungen, was schon daraus hervorgeht, daß das Genossenschaftsunternehmen seine Mitglieder als beliebig austauschbare Kunden betrachtet. Um eine Genossenschaft im prototypischen Sinn als Verein mit Unternehmung handelt es sich dann aber nicht mehr. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, daß bei einer solchen Genossenschaft - die eigentlich keine mehr ist - von einer "PostGenossenschaft,,398 gesprochen wird. Das Glaubwürdigkeitsproblem besteht somit für die Genossenschaft darin, daß ihre Rechtsform in einer rechtsuntypischen Weise modifiziert wurde. 399 Dadurch ist die Genossenschaft in ihrer organisationsrechtlichen Gestaltung dem Typ der erwerbswirtschaftlichen Kapitalgesellschaft zusehens angenähert worden. Diese Nivellierung der rechtstypischen Besonderheit der förderwirtschaftlichen Zweckbindung führt im Ergebnis zu einer Identitätskrise mit Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Vgl. Kramer (1993), S. 21. Diese die genossenschaftliche Rechtstypik außer Acht lassende Auffassung findet sich bei Hoffmann (1992), S. 169. 398 Grossekettler (1984), S. 79 verwendet für diesen Sachverhalt auch den Begriff "Quasigenossenschaft" . 399 Nach Blümle (1990), S. 164 bemißt sich die Frage der Glaubwürdigkeit daran, inwieweit Verfassungsnorm und -wirklichkeit auseinandergedriftet sind. Er macht dabei eine wachsende Kluft ausfindig. Siehe daneben auch Hahn (1991), S. 48/49. 396
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IV. Zwischenergebnis
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Genossenschaften. 4OO Denn sollte die Genossenschaft ihrer spezifischen Identität verlustig gehen, ist ihre Existenzberechtigung als eigenständige Organisationsform durchaus zur Disposition gestellt. 401 Soll die Genossenschaft als Organisationsform ihre Glaubwürdigkeit (zurück-)erhalten, ist deshalb ein Rechtsrahmen erforderlich, der den Leitgedanken von Verein und Unternehmen aufnimmt. Dazu ist auf die Bestimmungsgründe der Kooperation einzugehen, was in entsprechend personalistisch ausgestalteten Genossenschaftsstrukturen seinen Niederschlag finden muß. 402 Doch dies heißt nicht, lediglich die bestehende Rechtsform an veränderte Marktbedingungen anzupassen. 403 Vielmehr ist angesichts der Wettbewerbserfordernisse das konkrete Verlangen der evtl. auch potentiellen - Mitglieder nach Art und Umfang von Kooperation und Integration, d.h. das Förderungsbedürfnis, zu identifizieren. Soll darauf dann der Organisationsrahmen abgestellt werden, so ist als Fazit festzuhalten, daß es die geeignete Organisationsstruktur - im Sinne einer einheitlichen Rechts- und Organisationsform für die verschiedenen Struktur- und Größentypen - für Genossenschaften nicht geben kann. 404 IV. Zwischenergebnis
Die nähere Betrachtung der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft bzw. des Genossenschaftsgesetzes hat eine Reihe unsachgemäßer Modifikationen erkennen lassen. Die genossenschaftliche Rechtsform eignet sich daher momentan nur mit Einschränkungen als institutioneller Rahmen für die Bedürfnisse prototypischer Genossenschaften. Die Reformen des Genossenschaftsgesetzes haben die Rechtsform der eG immer weiter in ihrer Identität geschwächt und dadurch als eigenständige Organisationsform gefährdet. Damit ist der zweite Grund für die gesunkene Glaubwürdigkeit des genossenschaftlichen Modells benannt. Neben der im ersten Kapitel festgestellten Entwicklung, daß die genossenschaftliche Organisationsform auch in ordnungspolitisch nicht legitimierten Fällen - d.h. zweckentfremdet - Verwendung findet, hat der Gesetzgeber selbst dieses Modell durch die Rechtsentwicklung in Frage gestellt. Vgl. Münkner (1989), S. 28; Lipfert (1988), S. 78; Wagner (1992), S. 14. So jedenfalls Münkner (1990), S. 227. 402 Siehe auch Müller (1991), § I RZ 3. Beuthien (1989), S. 40 ist der Meinung, daß die Rechtsform der eG derzeit nicht die höchstmögliche Genossenschaftlichkeit erreicht. 403 So wie dies Steding (1990), S. 169 fordert. 404 Siehe zu diesem Ergebnis auch Münkner (1992), S. 150. 400 401
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Kapitel 2: Das Erscheinungsbild der Genossenschaft
Beide Ursachen hängen dabei zusammen. Denn die Verwischung des ökonomisch definierten Leitbildes hat das Bestehen von Genossenschaften am Markt ermöglicht, die zwar überhaupt keine mehr sind, an deren Bedürfnissen der Gesetzgeber die Rechtsänderungen jedoch orientierte. Diese Fehlentwicklung sollte deutlich benannt werden, wenn die Genossenschaft eine Perspektive als eine eigenständige Organisationsform (zurück-)erhalten soll. Denn daraus ergibt sich unmittelbar die Frage nach den zu ziehenden Konsequenzen.
Kapitel 3
Die Genossenschaftsidee im Wandel Dem im vorangegangenen Kapitel dargestellten Auseinanderdriften von Rechtstyp und Rechtsform, d.h. von Norm und Wirklichkeit, ist zu eigen, daß es tendenziell bei allen Genossenschaften gleichermaßen anzutreffen ist. Der Grund hierfür liegt in der veränderten Markt- bzw. Wettbewerbssituation, der sich die Genossenschaften - genauer deren Mitgliederwirtschaften - gegenübersehen. Dabei ist bereits angeklungen, daß die genossenschaftlichen Strukturtypen jeweils unterschiedliche Wettbewerbserfordernisse widerspiegeln. Dieser Gedanke soll im folgenden Kapitel fortgeführt werden. Dazu ist zunächst auf die theoretische Analyse des ersten Kapitels zurückzukommen. Dort hatte sich gezeigt, daß sich die genossenschaftliche Zusammenarbeit aus der Vorteilhaftigkeit von horizontaler Kooperation in Verbindung mit vertikaler Integration herleiten läßt. Die sich daraus ergebende spezifische Genossenschaftskonstruktion als Verein mit Unternehmung war der definitorischen Klarheit halber als prototypische Genossenschaft bezeichnet worden, um sie von denjenigen Erscheinungsformen (= Strukturtypen) abgrenzen zu können, die als Genossenschaften zwar auftreten, ordnungspolitisch als solche jedoch noch nicht (Prae-Genossenschaft, d.h. Typ der traditionellen Genossenschaft) bzw. nicht mehr (PostGenossenschaft, d.h. Typ der Marktgenossenschaft) legitimiert sind. Damit kann ein erster Prüfstein für die nachfolgende Untersuchung formuliert werden. Soll der Genossenschaft eine Entwicklungsperspektive eröffnet werden, muß diese sich an dem ökonomisch analysierten SollZustand orientieren und daher auf die prototypische Genossenschaft beziehen. Damit besteht zugleich die Notwendigkeit, für die "Randformen" der genossenschaftlichen Organisationsweise geeignete und angemessene Konsequenzen zu ziehen. Hierzu erscheint eine weitere Eingrenzung als sinnvoll. Denn der Typ der traditionellen Genossenschaft ist als PraeGenossenschaft ja durchaus in der Lage, sich zu einer prototypischen Genossenschaft zu entwickeln. Einen ordnungspolitischen Handlungsbedarf gibt es bei diesem Strukturtyp insofern nicht. Dies stellt sich im Falle der Marktgenossenschaft anders dar. Denn die Markt- und Wettbewerbsprozesse haben bei diesem Strukturtyp dazu geführt, daß er sich von dem Modell einer prototypischen Genossenschaft deutlich entfernt hat und es 9 Bialck
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Kapitel 3: Die Genossenschaftsidee im Wandel
wenig wahrscheinlich ist, daß er sich zu einem ökonomisch legitimierten Genossenschaftsmodell "zurückentwickeln" wird. Hier ist deshalb ein ordnungspolitischer Handlungsbedarf sehr wohl gegeben. Die Zweckmäßigkeit dieser Differenzierung wird zudem durch die empirische Basis gestützt. So trifft man den Typ der traditionellen Genossenschaft heute kaum noch an. Dagegen ist der der Marktgenossenschaft außerordentlich stark ausgeprägt, wenn er nicht sogar - man denke an die bedeutende Rolle der Kreditgenossenschaften - das Genossenschaftswesen insgesamt dominiert. Dem weiteren Verlauf dieser Arbeit sollen deshalb zwei "Ausgangsszenarien" zugrunde gelegt werden. Einerseits wird sich die Formulierung einer Perspektive für die genossenschaftliche Organisationsform auf die prototypische Genossenschaft als ordnungspolitisch legitimiertes Referenzmodell beziehen. Andererseits muß herausgearbeitet werden, welche organisationsrechtlichen Konsequenzen sich aus der Entwicklung von prototypischen zu Post-Genossenschaften (= Marktgenossenschaften) ergeben. Ein weiterer Prüfstein für die zu leistende Untersuchung ergibt sich aus den Ergebnissen des zweiten Kapitels. Dort war das Fazit gezogen worden, daß die Rechtswirklichkeit der eingetragenen Genossenschaft durch eine Reihe von Rechtsänderungen gekennzeichnet ist, die die Entwicklung vom Typ der traditionellen zu dem der Marktgenossenschaft nachvollzogen haben. Soll die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft noch oder vielleicht besser: überhaupt erst wieder - das "maßgeschneiderte Rechtskleid" dieses Rechtstyps sein, muß sie am Referenzmodell der prototypischen Genossenschaft ausgerichtet werden. Im Zuge dieser Schärfung der genossenschaftlichen Typik im organisationsrechtlichen Bereich ist jedoch zu prüfen, ob die unterschiedlichen Entwicklungen im Genossenschaftswesen ein generelles Leitbild und damit einen einheitlichen Rechtstyp zulassen. Dies wirft die Frage auf, ob es sinnvoll sein kann, aus der Genossenschaft eine modifizierte Organisationsform zu entwickeln, mittels derer sich förderwirtschaftliche Zielsetzungen vielleicht besser verfolgen lassen. I. Genossenschaft - ein Rechtstyp im Übergang?
1. Die Notwendigkeit der Erhaltung der Glaubwürdigkeit
In den vorangegangenen Abschnitten ist die Mitgliederwidmung als das typusbestimmende Merkmal der Genossenschaft herausgestellt worden.
I. Genossenschaft - ein Rechtstyp im Übergang?
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Eine Gefahr für ihre Glaubwürdigkeit ist darin zu sehen, daß sich die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft immer weiter von dem ihr zugrundeliegenden Rechtstyp entfernt hat, was in den dargestellten Organisationsmängeln und Kontrolldefiziten seinen Niederschlag findet. Wenn man diese Entwicklung der Genossenschaft, d.h. die Anpassung an die sich ändernden Markterfordernisse unter Vernachlässigung der Rechtstypik, als zwangsläufig bezeichnen wollte, könnte dies zu dem Schluß verleiten, die Genossenschaft sei grundsätzlich einer solchen "Transformation,,405 unterworfen; die Genossenschaft sei also ein Rechtstyp im Übergang, der mit der fortschreitenden Marktentwicklung entbehrlich werde. Da die Wettbewerbsintensivierung den Charakter eines (Proto-)Kollektivgutes aufweist, bedarf die Genossenschaft zusätzlich anderer Vorteile, um ihre Stabilität dauerhaft zu sichern. Diese liegen vor allem in den organisationstypischen Kontrollvorteilen. Denn auch noch nach dem Marktzutritt kann eine Übermacht auf der Marktgegenseite bestehen bleiben. Dann ersetzt - zumindest teilweise - die genossenschaftsimmanente Kontrolle die fehlende Kontrolle durch den Wettbewerb. 406 Erst wenn die Wettbewerbsintensivierung so weit geht, daß Übermachtpositionen vollständig abgebaut sind, entfällt der Grund, diese Kontrollvorteile auszuschöpfen. Die Verbesserung vormals nicht-funktionsfähiger Marktprozesse bis hin zum - unter Umständen - völligen Abbau von Stabilitäts- bzw. Niveaudefekten bedeutet dann, daß der Grund für die Kooperationsentscheidung der Mitglieder entfällt. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß die Funktionsstörungen von Märkten nicht allein durch die Tätigkeit von Genossenschaften überwunden werden, sondern hierfür ebenso die Veränderung der Rahmenbedingungen verantwortlich ist. Wird eine Genossenschaft also lediglich zur Realisierung von Verteilungskampfvorteilen, d.h. von ~ekuniären Externalitäten, betrieben, stößt sie unweigerlich an Grenzen. 4 7 Denn weder kann sie Nichtmitglieder von den erzielten Vorteilen ausschließen, noch handelt es sich um eine genossenschaftsexklusive Leistung. 408 Daran ändert auch Vgl. hierzu Engelhardt (1981), S. 57-62; Finis (1985), S. 120. So Grossekettler (1984), S. 81/82. 407 Siehe auch Jäger (1990), S. 111-114; ders. (l991a), S. 11. Jäger bezeichnet diesen Sachverhalt als die Wettbewerbsfunktion der Genossenschaft. Hierunter versteht er die Organisation von Märkten, die Errnöglichung des Marktzutritts und die Beseitigung von Asymmetrien. Dem betriebswirtschaftlichen Erfolg des Genossenschaftsunternehmens kommt eine gesamtwirtschaftliche Bedeutung dadurch zu, daß aufgrund der sich einstellenden Konkurrenz der Wettbewerbsgrad steigt. 408 Dies wäre und ist auch von anderen Unternehmungsformen zu leisten. Es sei lediglich auf das breite Spektrum der Verbundformen, wie z.B. dem Franchising, Joint 405
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Kapitel 3: Die Genossenschaftsidee im Wandel
die Tatsache nichts, daß dem Wirken der Genossenschaften gleichzeitig ein gesamtwirtschaftliches Interesse im Sinne der Wettbewerbsförderung,409 der Stabilisierung des Mitteistandes4IO und daraus folgend der Erhaltung einer ausgewogenen Betriebsgrößenstruktur411 beigemessen wird. Jedes Unternehnen - unabhängig von seiner Organisationsform würde durch einen Marktzutritt die Wettbewerbsintensität erhöhen. 412 Dies zeigt sich auch daran, daß die Genossenschaft nicht etwa wettbewerbspolitisch privilegiert, sondern den allgemeinen wettbewerbsrechtliehen Normen unterworfen iSt. 413 Ausschlaggebend für die Sicherung des genossenschaftlichen Rechtstyps ist deshalb, inwieweit es gelingt, Effizienzvorteile zu erzielen. Diese sind realer Natur und kommen ausschließlich den Mitgliedern zugute. Hier ist der Rechtstyp der Genossenschaft weiterhin aktuell, weil er ein Erfordernis zur Kooperation und zur Integration glaubhaft machen kann. Besteht der Zweck der Genossenschaft in der Realisation von Effizienzvorteilen, d.h. im transaktionskostensenkenden Betreiben eines Unternehmens durch den Verein seiner Nutzer, kommt es nicht zwangsläufig zu einem Dilemma. Dies ist überall dort der Fall, wo die erzielbaren Größenund/oder Verbundvorteile so beschaffen sind, daß die Genossenschaftsleistung auch nach einer Intensivierung des Wettbewerbs ihren (Klub-)Kollektivgutcharakter behält. Dann ist nämlich der Abbau von Funktionsstörungen - anders als bei den reinen Verteilungskampfvorteilen - von der Tätigkeit der Genossenschaft abhängig bzw. ergibt sich erst aus deren Existenz und kommt nur ihren Mitgliedern zugute.
Ventures, Arbeitsgemeinschaften usw. verwiesen. Dem widerspricht nicht, daß die Genossenschaft anderen Kooperationsfonnen gegenüber besondere Vorteile aufweist, wie z.B. eine höhere Planungssicherheit aufgrund der garantierten Leistungsabnahme durch die Mitglieder (Erleichterung des Marktzutritts) oder auch eine Transaktionskostenersparnis ennöglicht, die aus dem gemeinschaftlichen Infonnations- und Haftungspool resultiert. 409 Grossekettler (l989a), S. 16 nennt in diesem Zusammenhang ein volkswirtschaftliches Interesse an möglichst viel Wettbewerb auf der Endverbraucherstufe. Gerade in hochkonzentrierten Branchen - wie etwa dem Lebensmitteleinzelhandel - senkt die Existenz von (Einkaufs-)Genossenschaften die Markteintrittshemmnisse. 410 Vgl. Alhertz (1978), S. 31. 411 Vgl. Boettcher (1984), S. 19; Engelhard (1984), S. 27. 412 Grossekettler (1984), S. 77(78 bezeichnet eine derartige Tätigkeit daher auch als "Randbereich", in dem Genossenschaften zwar nicht unersetzbar seien, gleichwohl aber sinnvoll sein könnten. 413 Vgl. Aschhoff/Henningsen (1985), S. 138; Immenga/Mestmäcker (1992), § I RZ 418. Zum Verhältnis von Gesellschafts- und Kartellrecht siehe Beuthien (1978), insb. S. 1630.
I. Genossenschaft - ein Rechtstyp im Übergang?
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Ein Rechtstyp im Übergang ist die Genossenschaft daher nur in den Fällen, wo sie wegen der alleinigen Erzielung von Verteilungskampfvorteilen im Zuge der Marktentwicklung durch das Schwinden von Koordinationsmängeln ihre Vorteilhaftigkeit nicht mehr belegen kann. Dementsprechend ist ihren Mitgliedern ein Erfordernis zu Kooperation und Integration nicht mehr vermittelbar; daher erübrigt sich auch ein spezifisch genossenschaftliches Organisationsmuster. Erweist sich die genossenschaftliche Rechtstypik in dieser Weise nicht mehr als tragfähig, ist dies auf - durch externe Rahmenbedingungen verursachte - veränderte Marktkonstellationen zurückzuführen. Nun sind die Austauschbeziehungen zwischen den Mitgliedern und der Genossenschaftsunternehmung dadurch gekennzeichnet, daß seitens der Mitglieder nüchterne Nutzenerwartungen bestehen sowie daraus folgend beim Genossenschaftsbetrieb ein ständiger Druck zur Leistungssteigerung herrscht. Diese "Ökonomisierung der Genossenschaft,,414 ist allerdings unproblematisch. Denn wenn sich die Genossenschaft als Verein eines am Markt erfolgreichen Unternehmens bedient, muß dessen Wirtschaftsweise selbstverständlich ökonomischen Prinzipien, also insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsprinzip entsprechen. Die Besonderheit der Genossenschaft liegt lediglich darin begründet, daß eine solchermaßen verstandene Unternehmensführung in die förderwirtschaftliche Zwecksetzung eingebunden werden muß. 415 Daher bedeutet die Ökonomisierung der Genossenschaftdie Draheim zutreffenderweise von der Kommerzialisierung, also der erwerbs wirtschaftlichen Ausrichtung bzw. der Gewinnmaximierung unterscheidet - noch keine Gefahr für den Rechtstyp. Diese tritt erst auf, wenn die Einbettung in die förderwirtschaftliche Zwecksetzung entfällt. Daher stellt nicht die Ökonomisierung die Tragfähigkeit der Genossenschaft in Frage; vielmehr ergibt sich diese Situation erst dann, wenn die Grundlagen der genossenschaftlichen Rechtstypik - also die Möglichkeit, Kooperations- und Integrationsvorteile zu erzielen - entfallen sind. Mit dieser Konstellation sehen sich die Marktgenossenschaften konfrontiert. 416 Doch damit ist gleichzeitig ihre Glaubwürdigkeit als Rechtstyp in Frage gestellt. Erlaubt der Wettbewerb auf hochentwickelten Märkten die Erzielung genossenschaftsspezifischer Effizienz- und/oder VerteilungsDieser Begriff geht auf Draheim zurück. Siehe z.B. Draheim (1983), S. 18. Engelhardt/Schmid (1987), S. 311 sprechen in Anlehnung an Gutenberg und Dülfer von der "kategorialen Umklammerung des Wirtschaftlichkeitsprinzips durch den Förderungsauftrag" . 416 Grossekettler (1989a), S. 16 bezeichnet Marktgenossenschaften als Kooperationsgruppen, die ihre Mehrwertvorteile verloren haben. 414
415
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Kapitel 3: Die Genossenschaftsidee im Wandel
kampfvorteile nicht mehr, besteht daneben auf Seiten der Mitglieder angesichts der weitgehenden Überwindung von Prozeßstörungen auch keine Notwendigkeit für eine genossenschaftlich organisierte bzw. abgesicherte Kooperation, ist die Basis für den besonderen Rechtstyp der Genossenschaft nicht mehr vorhanden. 2. Die Konsequenz: Das Verlassen der Rechtsform
Haben sich Norm und Wirklichkeit voneinander entfernt und ist es aufgrund der Marktgegebenheiten nicht mehr möglich, die Wirklichkeit mit der Norm zu vereinbaren, so muß konsequenterweise die Norm diskutiert werden. Können Genossenschaften eine förderwirtschaftliche Zweck setzung nicht mehr kenntlich machen, so ist ihr "ökonomischer Gehalt" auf die erwerbswirtschaftlich organlSlerte Genossenschaftsunternehmung reduziert. 417 Ihre Typik als mitgliedergewidmete Kooperation haben sie jedoch verloren. Genaugenommen handelt es sich dabei um Genossenschaften ohne genossenschaftsspezifisches (= förderwirtschaftliches) Zielsystem. Dann aber können es keine Genossenschaften mehr sein. Dies läßt sich auch nicht dadurch verdecken, sie als "atypische Genossenschaften" zu bezeichnen. 418 Nun ist die eingetragene Genossenschaft die einzige Rechtsform, der der Gesetzgeber mittels § I GenG explizit eine entsprechende Zielsetzung mit auf den Weg gegeben hat. 419 Ist der Zweck ein besonders wichtiger Bestimmungsfaktor für die Wahl der Rechtsform, und entfällt er im Zeitablauf angesichts der Markteinflüsse, so kann nur der Schluß gezogen werden, daß mit der Entwicklung der Genossenschaft zur rein erwerbswirtschaftlichen Unternehmung die genossenschaftliche Rechtsform eine falsche, weil leere Hülse darstellt. 42o In dieser Situation gerät die Genossenschaft unter Druck, weil die Suche nach einem neuen Rechtsrahmen einsetzt. Das Interesse richtet sich auf die Umwandlung in eine andere angemessene Rechtsform. 421 Bei einer 417 Zerehe (1987), S. 196 spricht dabei von "erwerbswirtschaftlichen Genossenschaften". 418 Vgl. Höser (1989), S. 123. Sie sollen dadurch charakterisiert sein, daß nicht die Rechtsform, sondern der Rechtsinhalt atypisch ist. Solche Genossenschaften weisen nicht mehr die notwendigen Wesensmerkmale der genossenschaftlichen Zusammenarbeit, insbesondere eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung auf; siehe hierzu auch Brixner (1961), S. 7. 419 Vgl. BarteIs (1987), S. 241. 420 Vgl. Boettcher (I 980b), S. 77; Ringle (1989), S. 208. 421 Vgl. Boettcher (1980b), S. 77; Purtschert (1990), S. 268.
I. Genossenschaft - ein Rechtstyp im Übergang?
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weitgehenden Anlehnung der Genossenschaften an die Organisationsmuster erwerbswirtschaftlicher Unternehmen und deren Wirtschaftsweise wird eine Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft dann nur konsequent. 422 Schwindet - wie bei der Marktgenossenschaft - der Zusammenhang zwischen Rechtsform und Zielsetzung, kann die Berechtigung für eine eigenständige genossenschaftliche Rechtsform nicht mehr überzeugend nachgewiesen werden. Die mangelhafte Glaubwürdigkeit lediglich der genossenschaftlichen Rechtsform kann schließlich zu der Gefahr führen, daß die gesellschaftspolitische Legitimation für einen eigenen Rechtstyp Genossenschaft entfällt. 423 Dies wiederum trifft alle Strukturtypen, also auch diejenigen, die ordnungspolitisch vollkommen legitimiert sind. Daraus folgt zwangsläufig, daß die - sich als Post-Genossenschaften darstellenden - Marktgenossenschaften dann auch die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft als das rechtstypische Rechtskleid verlassen und die damit verbundenen Vorteile aufgeben müssen. 424 Andernfalls würden rechtsformspezifische Vorteile genutzt, ohne daß die Voraussetzungen dafür noch erfüllt sind. 425 Denn die Wirtschaftsweise der Genossenschaftsunternehmung ist längst auf erwerbswirtschaftliche Zielsetzungen eingeschwenkt, so daß mit dem Wechsel der Rechtsform lediglich die Veränderung in der Rechtstypik nachvollzogen wird. 426 Dadurch wird es möglich, die der genossenschaftlichen Rechtsform innewohnenden Organisationsmängel in Hinblick auf die Marktnotwendigkeiten adäquat zu beseitigen. Gleichzeitig jedoch wird das dem Recht der Kapitalgesellschaften eigene 422 Im Gegensatz dazu sieht Meyer (1981), S. 133/134 die Neigung zur Umwandlung von eingetragenen Genossenschaften in andere Rechtsfonnen in einer zu späten gesetzlichen Beseitigung von Anpassungsschwierigkeiten der eG im Bereich der Finanzierung und der mitglieder- und organisationsrechtlichen Vorschriften. 423 Vgl. Münkner (1993), S. 37. Hettlage (1990), S. 145 sieht ein Auseinanderklaffen von Idee und Realität, das zu einer Aushöhlung der gesellschaftlichen Grundlage führe, die für den Bestand der Wirklichkeit und ihrer Legitimation erforderlich sei. 424 Die Rechtsfonn der eG bietet rechtsfonnspezifische Vorteile - z.B. in steuerrechtlicher Hinsicht, aber auch bei den Vorschriften bezüglich der Rechnungslegung nur bei einer genossenschaftlichen Wirtschaftsführung, vgl. Turner (1993b), S. 366. Henrici (1987), S. 14 fordert deshalb, daß sie für sog. "echte" Genossenschaften reserviert bleiben sollte. 425 Nach NoellelNoelle (1986), S. 18 handelt es sonst um ein "Segeln unter falscher Flagge". 426 Zur KlarsteIlung sei darauf hingewiesen, daß es an dieser Stelle nicht darum geht, ob sich genossenschaftliche Zielsetzungen auch oder sogar vielleicht besser in anderen Rechtsfonnen als der der eingetragenen Genossenschaft verwirklichen lassen. Zu diesen sog. latenten Genossenschaften sei auf die Untersuchungen von Luther (1978) und Kugler (1978) verwiesen. Dagegen geht es hier ausschließlich um den Fall, daß genossenschaftliche Zielsetzungen überhaupt nicht mehr verfolgt werden.
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Kapitel 3: Die Genossenschaftsidee im Wandel
Maß an Kontrollen installiert, dessen es in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung bedarf. Beide Maßnahmen bewirken, daß ein bis dato feststellbares Glaubwürdigkeitsdefizit beseitigt wird, da in der neuen Rechtsform auf eine besondere Mitgliederwidmung verzichtet wird, die bislang infolge des mangelnden Mitgliederinteresses und der zum Erliegen gekommenen Genossenschaftsdemokratie faktisch auch nicht mehr gegeben war.
3. Einordnung in den Zusammenhang der finanz wirtschaftlichen Ordnungspolitik
Der hier aufgezeigte ordnungspolitische Handlungsbedarf zeigt eine auf den ersten Blick vielleicht überraschende - Parallelität zur finanzwirtschaftlichen Ordnungspolitik. Denn die Organisationsprobleme von Kollektiven im privatwirtschaftlichen Bereich (hier: Genossenschaften) haben viel mit denen der Zwangsverbände (z.B. Kommunen) gemein. Hierzu sei an die Ausführungen der Kollektivgütertheorie erinnert. Das Vereinsniveau (= Genossenschaft) wird dann verlassen, wenn das Exklusionsprinzip mit privatrechtlichen Mitteln zu vertretbaren Kosten nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Es handelt sich dann um Quasi- oder Protokollektivgüter. Wegen des Problems der Nichtexkludierbarkeit, d.h. der Nichtverfügbarkeit einer wirtschaftlich vertretbaren Exklusionstechnik auf privatrechtlicher Basis,427 ist es unmöglich, zahlungs unwillige Trittbrettfahrer von der Nutzung dieser Güter auszuschließen. Da deren Verhalten jedoch die Finanzierung und damit letztlich die gesamte Bereitstellung solcher Güter gefährden würde, muß ein Organisationsverband gewählt werden, der eben dieses Trittbrettfahrerverhalten ausschließen kann. Das ist dann möglich, wenn man alle in Frage kommenden Begünstigten - die potentiellen Nutzer also - zwangsweise zur Finanzierung dieser Güter heranzieht. Dazu bedarf es der Zwangsmittel des öffentlichen Rechts, die den Kollektiven vom Extensionsniveau 2 an offenstehen. Sie können die in Frage kommenden Nutzer zur Mitgliedschaft verpflichten und sie im Rahmen dieser Mitgliedschaft zu Zwangsabgaben heranziehen. Zwangsvereine bzw. Zwangsgenossenschaften (e = 2) werden nun in Hinblick auf die Erfüllung eines bestimmten Zweckes errichtet, wie z.B. Jagdoder Deichgenossenschaften, aber auch Industrie- und Handelskammern, Handwerks- oder Ärztekammern. Dagegen können die dem Extensionsniveau 3 zuzuordnenden Kommunen (= Gebietskörperschaften) im Rah427
Siehe dazu Grossekettler (1985), S. 222.
1. Genossenschaft - ein Rechtstyp im Übergang?
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men der gesetzlichen Grenzen jeden beliebigen Zweck verfolgen. 428 Man kann sie daher auch als "öffentlich-rechtliche Vielzweckgenossenschaften" interpretieren. 429 Gemeinden sind damit ähnlich wie Genossenschaften - bzw. Genossenschaftsvereine - Kollektive zur Bereitstellung von Gütern, indem durch sie die Nachfrage organisiert wird. Eine zweite Übereinstimmung zwischen beiden Verbandstypen ergibt sich bei der Frage, durch wen die Herstellung der gewünschten Güter erfolgen soll. Denn die Bereitstellung von - generell - Einrichtungen durch eine Kommune ist nicht gleichbedeutend damit, daß sie durch die Kommune selbst hergestellt werden müßten. Vielmehr handelt es sich um eine bei Beschaffungsentscheidungen übliche Wahl zwischen Kaufen oder Selbennachen. 43o Ähnlich wie bei privatwirtschaftlichen Kollektiven sollte es auch bei Kommunen nur dann zu einer Eigenerstellung kommen, wenn dadurch Kostenvorteile realisierbar sind. Dabei dürfen allerdings nicht nur die reinen Produktions- bzw. Beschaffungskosten berücksichtigt werden, sondern sie müssen zu den vom jeweiligen institutionellen Arrangement abhängigen Transaktionskosten in Beziehung gesetzt werden. 431 Im Unterschied zu privatwirtschaftlichen Make-or-buy-Entscheidungen sind allerdings zusätzlich die sog. Gefährdungskosten zu berücksichtigen. Diese werden in Kauf genommen, weil die öffentliche Produktion von Gütern verwaltungsmäßigem Handeln ähnelt und damit eher regelorientiert als erfolgsorientiert ausgerichtet ist, wie dies unternehmerischem Handeln entspricht. 432 Es handelt sich dabei also um eine Art Prämie, die für eine öffentlich-rechtliche Einbindung gezahlt wird, um so die als untragbar angesehenen Risiken im Rahmen einer privaten Produktionstätigkeit zu verhindern. Schwinden nun die Transaktionskostenvorteile, die zur Eigenerstellung und damit vertikalen Integration der Produktion geführt haben, ergibt sich bei beiden Typen von Verbänden ein ordnungspolitisches Problem. Bei Genossenschaften bedeutet der zunehmende Wettbewerb, daß die Mitglieder zwischen mehreren Anbietern wechseln können und eine vereinsmäßige Kontrolle der bislang bestehenden Abhängigkeiten nicht mehr erforderlich ist. Eine solche Post-Genossenschaft hat die Verbindung aus Verein 428 Vgl. Art. 28 11 S. I GG: "Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln." 429 So Grossekettler (l99Ia), S. 79. 430 Vgl. Grossekettler (l99Ia), S. 76. 431 Siehe Blankart (1980), S. 307; Grossekettler (l988b), S. 12. 432 Siehe dazu Grossekettler (I 988b), S. I u. 13.
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Kapitel 3: Die Genossenschaftsidee im Wandel
und Unternehmung abgestreift und ist zu einem reinen Unternehmen geworden. Das Organisationsproblem ist dann darin zu sehen, daß eine solche Genossenschaft ordnungspolitisch nicht mehr legitimiert ist und ein Rechtsformwandel erforderlich wird. Bei Kommunen dagegen bedeutet der Wegfall von Transaktionskostenvorteilen, daß die öffentliche Produktionstätigkeit in einem marktwirtschaftlich verfaßten Wirtschaftssystem ordnungspolitisch nicht mehr legitimiert ist. 433 Das sich daraus ergebende Organisationsproblem ist als "Privatisierungsdiskussion" bekannt. 434 Insofern ist die in dieser Arbeit diskutierte Perspektive der Genossenschaft durchaus in den allgemeineren Zusammenhang der finanzwirtschaftlichen Ordnungspolitik einzubeziehen.
11. Der Bedarf an förderwirtschaftlichen Kooperationsformen
1. Aufgabenfelder einer förderwirtschaftlichen Kooperation
Andererseits ist bei den prototypischen Genossenschaften auch weiterhin eine Erzielung von Kooperations- bzw. Integrationsvorteilen möglich. Dies gilt für den Typ der Versorgungs- wie den der integrierten Genossenschaft. Denn die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß die Genossenschaft als Rechtstyp nur dort an Grenzen stößt, wo ihr eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung nicht mehr zukommt. Will man die Genossenschaft als einen glaubwürdigen Rechtstyp erhalten, ist daher die Besinnung auf eben dieses tragende Fundament notwendig. Aufgabenfelder für eine förderwirtschaftliche Ausrichtung lassen sich unter Rückgriff auf die bereits eingeführten Effizienz- und/oder Verteilungskampfvorteile identifizieren, wobei deren Realisation in einer mitgliedergewidmeten Organisationsweise zu erfolgen hat. Wollte man es bei dieser bloßen Bezugnahme auf das historische Vorbild belassen, so hätte man es aber mit einem als Anachronismus zu bezeichnenden Rückgriff zu tun. 435 Deshalb muß es vielmehr um eine 433 So formuliert Grossekettler (I 988b ), S. 7 eine Beweislastregel, nach der eine öffentliche Produktionstätigkeit jeweils begründet bzw. gerechtfertigt sein muß. 434 Grossekettler (I 988b), S. 8 bezeichnet Deregulierung und Privatisierung zwar als "Modethemen", die gleichwohl aber eine "ordnungspolitische Daueraufgabe" darstellten. Zur Privatisierung kommunaler Leistungen siehe auch FuestlKroker (1981); Schlick (1986); Spelthahn (1994). 435 So BlümlelRingle (1986), S. 178/179, nach denen es sich angesichts der veränderten Größenordnungen und Umweltbedingungen nur um eine zeitgemäße Rückbesinnung handeln könne. Wohlers (1993), S. 26 sieht die genossenschaftlichen Urmodelle
H. Der Bedarf an förderwirtschaftlichen Kooperationsformen
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sinnvolle Weiterentwicklung des genossenschaftlichen Organisationskonzeptes gehen. Dabei ist das rechtstypische Merkmal der Genossenschaft kritisch zu beleuchten: Einerseits die Möglichkeit einer Beibehaltung der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung und andererseits die spezifische, mitgliedergewidmete Konstruktion als Verein mit Unternehmung. Wie zwei Seiten ein und derselben Medaille bedingt das eine das jeweils andere. Bislang wurde die herausragende Ursache für eine förderwirtschaftliche Organisations weise darin gesehen, daß hierdurch die bestmöglichen Anreizvorteile realisierbar sind. Solche, das Subsidiaritätsprinzip zugrundelegenden Anreizvorteile sind möglich, wenn es zu einer Ausgliederung betrieblicher Funktionen aus den Mitgliederwirtschaften und somit zu einer Arbeitsteilung mit dem Genossenschaftsunternehmen kommt. Dann ist es vergleichsweise einfach, die Förderleistung kenntlich zu machen und damit letztlich die Genossenschaft als eigenständigen Rechtstyp zu legitimieren. Doch die Möglichkeit, eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung zu verfolgen, ist letztlich nicht davon abhängig, daß betriebliche Funktionen ausgegliedert werden. Denn die Rechtstypik der Genossenschaft beruht auf ihrer Mitgliederwidmung; die Förderung ist nur das Ergebnis einer solchen Mitgliederwidmung, weshalb auch der Förderzweck weder objektiviert werden kann436 noch werden muß. Soll für die Genossenschaften eine Perspektive aufgezeigt werden, ist es daher geboten, ihre Mitgliederwidmung herauszustellen, wodurch sich die Förderwirtschaftlichkeit per Mitgliederlegitimation gleichsam automatisch einstellt. 437 Aus diesem Grunde muß ihr personalistischer Charakter als rechtstypisch unabdingbar verstanden und entsprechend verankert werden. Damit ist die Überleitung zum zweiten Problemkreis gegeben. Der personalistische Charakter der Genossenschaft kommt in ihrem Organisationsmuster als Verein mit Unternehmung zum Ausdruck. Auf die Schwächen dieser Konstruktion angesichts der veränderten Wettbewerbserfordernisse ist bereits hingewiesen worden. Soll die genossenschaftliche Rechtstypik wieder deutlicher herausgestellt werden, ist eine Rückbesinnung auf die vereinsmäßigen Wurzeln notwendig. Dies ist ohne Zweifel bei kleineren, räumlich begrenzten Genossenschaften möglich, deren Mitals adäquate Antworten auf die historische Situation des 19. Jahrhunderts, weshalb das 20. und mehr noch das 21. Jahrhundert neue Ideen erforderten. 436 So Großfeld (1979), S. 222. Danach wird der Förderungsauftrag durch die Betroffenen selbst definiert: Was sie als Förderung empfinden, ist die Förderung. 437 Dadurch erübrigt sich Draheims Forderung nach einer Spezialisierung der Genossenschaftstheorie; vgl. Draheim (1983), S. 148/149.
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Kapitel 3: Die Genossenschaftsidee im Wandel
gliedschaft in der Regel recht homogen ist. Die genossenschaftliche Profilierung kann dann darin bestehen, das Mitglied anstelle des Kapitals wieder deutlicher in den Mittelpunkt zu stellen, die Genossenschaft örtlich zu verankern, um dadurch zu dezentralen Entscheidungsstrukturen zu gelangen sowie sie durch wirkliche demokratische Strukturen zu steuern. 438 Dies dürfte für den ganz überwiegenden Teil der Versorgungsgenossenschaften zutreffen. Es wäre aber auch bei kleineren integrierten Genossenschaften anwendbar, soweit sie auf Märkten operieren, für die eine vereinsmäßig kontrollierbare Unternehmensorganisation ausreichend ist. 439 Gleichsam als "Nebenprodukt" kann der genossenschaftliche Rechtstyp dann auch eine gesell sc hafts politische Funktion erfüllen. Denn die Genossenschaft ermöglicht angesichts eines wachsenden Verlangens der Menschen nach Beteiligung an der gemeinsamen Problembewältjfung440 die Erhaltung und Fortentwicklung selbständiger Lebensformen. 1 Dabei ist nicht lediglich die individualistische Verfolgung des Eigeninteresses Grundlage des Handeins; vielmehr wird bewußt die Kooperation mit anderen gleichgerichteten und gleichgesinnten Individuen gesucht. 442 Gerade in modemen Gesellschaften ist eine fortschreitende Differenzierung der Institutionen und Individualisierung der Personen festzustellen. 443 Eine solche Entwicklung muß geordnet werden, damit die Gesellschaft als Ganzes funktionsfähig bleibt. Dies kann durch übergeordnete Handlungen der Gemeinschaft erfolgen, d.h. durch die Aktivitäten einer staatlichen Bürokratie. Ebenso ist es aber auch möglich, daß dies die Betroffenen im Zuge einer Selbstorganisation übernehmen und dadurch das Kongruenz- und Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung bringen. Insofern kann die Genossenschaft auch als eine Stabilisierung selbstbestimmter, gleichberechtigter Lebensformen in bewußter Abgrenzung zu einem Trend der Bürokratisierung - und damit verbunden einer Herrschaftsstruktur - verstanden werden. 444 Zu diesem Katalog siehe Münkner (1991), S. 215. Als Beispiel mögen Taxigenossenschaften dienen, bei denen es mehr um eine Koordinierungs- und Beratungsaufgabe als um einen Prozeß der betrieblichen Gütererstellung geht. Entsprechend geringer fällt der Umfang des Geschäftsbetriebes (= Genossenschaftsunternehmen) aus. 440 So Biedenkopf(1984), S. 54. 441 Siehe dazu auch Buller (1992), S. 574. 442 Vgl. Hettlage (1990), S. 135. Die genossenschaftliche Zusammenarbeit ist daher mehr als eine individuelle Selbsthilfe, denn sie beruht auf dem Zusammenwirken der Mitglieder bzw. auf gegenseitiger Selbsthilfe; vgl. ebenda, S. 131. 443 Zu den folgenden Überlegungen siehe Scheuch (1989), S. 142/143. 444 Vgl. auch Fürstenberg (1983), S. 107-109. 438 439
11. Der Bedarf an förderwirtschaftlichen Kooperationsformen
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Eine andere Situation ergibt sich bei den großen Genossenschaften, und zwar grundsätzlich unabhängig vom Strukturtyp.445 Hier wird es schwieriger, den Vereinscharakter aufrechtzuerhalten. Die aus dem Ansteigen der Mitgliederzahlen resultierende Heterogenität führt zu unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen, die vereinheitlicht werden bzw. gleichnamig gemacht werden müssen. 446 Großgenossenschaften stellen sich heute als eine versachlichte und individualisierte Gruppe dar, bei der der Gemeinschaftsgedanke einem zweckrationalen Verständnis gewichen ist. 447 Dies schlägt sich in Großgenossenschaften vor allem in einem Rückgang der Mitgliederbeteiligung nieder. Man kann dabei der Vereinsorganisation den Charakter eines Kollektivgutes zumessen. Denn die Vorteile (= Anreize) eines funktionsfähigen Vereines kommen allen Mitgliedern zugute - niemand kann davon ausgeschlossen werden. Je größer nun die Anzahl der Gruppenmitglieder ist, desto weniger fällt der Beitrag des einzelnen - der hier als Vereinsengagement zu bezeichnen wäre - ins Gewicht. 448 Nun erfordert die aktive Teilnahme an der Willensbildung und Kontrolle Informationen. So entstehen einerseits der Genossenschaft steigende Kosten der Mitgliederbindung, wenn sie deren Bereitstellung besorgt. 449 Andererseits hat auch jedes einzelne Mitglied Zeit- und Informationskosten zu tragen. Die Bereitschaft dazu wird allerdings in dem Maße abnehmen, wie es anderen Mitgliedern gelingt, ohne eigene Beiträge, d.h. praktisch als innergenossenschaftliche Trittbrettfahrer, an den Organisationsvorteilen teilzuhaben. 45o Da mit steigender Gruppengröße eine überproportionale Zunahme dieser Kosten verbunden ist,451 müssen andere Wege gefunden werden, um die Bindung der Mitglieder bzw. die Mitgliederwidmung der Kooperation sicherzustellen. Andernfalls wird mit einer 445 Die Unterscheidung zwischen Klein- und Großgenossenschaft ist letzten Endes eine politische Festlegung. Hierzu kann man zum Beispiel an die bisherige zwingende Einrichtung der Vertreterversammlung nach § 43a I GenG anknüpfen, so daß sich als Kriterium eine Mitgliederzahl von 3000 ergibt. Denkbar sind aber auch Umsatzhöhen, die flächenmäßige Ausdehnung des Geschäftsgebietes, besondere Branchenabgrenzungen usw. 446 Nach Neumann (1975), S. 34 erfolgt dies in vielen Fällen durch eine Kapitalisierung der Interessen. 447 Siehe hierzu auch Scheuch (1989), S. 141-144. 448 Siehe dazu Olson (1968), S. 44. 449 Glatzner (1990), S. 237 weist allerdings zu Recht darauf hin, daß die anfallenden Kosten der Mitgliederbindung dem entgangenen Nutzen bei geringerer Mitgliederverbundenheit gegenübergestellt werden müssen. 450 Vgl. Münkner (1994), S. 99. 451 Siehe z.B. Glatzner (1990), S. 213.
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Kapitel 3: Die Genossenschaftsidee im Wandel
langfristig sinkenden Stabilität der mitgliedschaftlichen Leistungs- und Organisationsbeziehungen zu rechnen sein. 452 Doch nicht nur Kosten-Nutzen-Überlegungen sind für diese Entwicklung maßgeblich. In Großgruppen sind daneben psychologische Barrieren zu beobachten, die das einzelne - ungeübte - Mitglied aufgrund von "Plenarangst" oder "Platz- und Rangunsicherheiten" von einer Teilnahme am innergenossenschaftlichen Willensbildungsprozeß abhalten. Die Marktgegebenheiten bewirken, daß sich die betriebswirtschaftliche Ebene - also das Unternehmen - der Einbettung in die personalistisch orientierte, vereinsmäßige Organisation entzieht. Es ist bereits dargelegt worden, daß sich dies vor allem bei den Marktgenossenschaften und - im Regelfall - den integrierten Genossenschaften zeigt. Dies ergibt sich nicht nur aus einem gestiegenen Haftungsrisiko. Auch das Aufbringen von Eigenkapital, durch das die Genossenschaftsunternehmung auf eine gesicherte und ausreichende Finanzierungsbasis gestellt werden soll, ist mit immer größeren Anstrengungen verbunden. Daneben ist an die Professionalität des Managements und seine Fachautorität gegenüber den Mitgliedern zu denken. Hier stößt die Genossenschaft an ihre Grenzen: Aber nicht, weil sie im Spannungsfeld von Norm und Wirklichkeit unglaubwürdig geworden wäre, sondern weil ihre vereinsmäßige Organisation angesichts der Markterfordernisse nicht mehr zu gewährleisten ist. 453 Sollen die Großgenossenschaften von der Transformation in erwerbswirtschaftlieh-kapitalistische Unternehmungen abgehalten werden, ist ein Rechtstyp zu schaffen, der ein erneuertes Verständnis der Mitgliederwidmung mit den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten in Einklang bringt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich aufgrund veränderter Marktgegebenheiten bei der integrierten Genossenschaft auch ein Bedeutungswandel hinsichtlich der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung ergeben hat. Der neue Rechtstyp sollte die Mitgliederwidmung daher so fassen, daß sie mit einem autonomen Handlungsspielraum des gemeinschaftlichen Unternehmens vereinbar ist.
So Glatzner (1990), S. 237/238. Nach Pauliek (1956), S. 87-89 verliert eine Genossenschaft ihren Charakter nicht automatisch durch ein hohes Betriebsvermögen, das Überschreiten bestimmter Umsatzkennziffern oder einen hohen Mitgliederbestand. Denn dies hieße, die Genossenschaft von denjenigen Entwicklungsmöglichkeiten auszuschließen, die allen anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsformen offenstünden; dies liefe auf eine klare Benachteiligung der Genossenschaften hinaus. 452 453
11. Der Bedarf an förderwirtschaftlichen Kooperationsformen
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2. Die Konsequenz: Sicherung und Weiterentwicklung des Rechtstyps Die Genossenschaft hat vor allem dann eine Perspektive, wenn es gelingt, ihre Besonderheit im Sinne einer rechtstypischen Fortentwicklung zu sichern. Hierzu bedarf es allerdings einer differenzierten Betrachtungsweise der genossenschaftlichen Kooperation, die den unterschiedlichen organisatorischen Möglichkeiten und Beschränkungen gerecht wird. Das einheitliche Leitbild wird einer Zweiteilung Platz machen müssen. Denn die Reform des Jahres 1973 hat der genossenschaftlichen Rechtsform sowohl das Leitbild der kleinen Gruppe als auch das der großen Gruppe zugrundegelegt. 454 Im Laufe der Zeit ist daraus eine immer stärkere Verschiebung in Richtung auf die große Gruppe, d.h. der Großgenossenschaft, geworden. Da demgegenüber jedoch die Klein- und Mittelgenossenschaften empirisch dominieren, ist es erforderlich, dieses atypische und unzweckmäßige Leitbild zu korrigieren. 455 Dies wird auch dem bislang gewonnenen Ergebnis gerecht, daß die Genossenschaft zur Wahrung ihrer Rechtstypik funktionierender Vereinsstrukturen bedarf. Ein reformiertes Genossenschaftsgesetz kann dann dafür sorgen, die Genossenschaft als Rechtstyp unter Rückgriff auf bewährte Merkmale zu einem modemen Organisationsmodell weiterzuentwickeln. 456 Doch bleibt dieses Vorhaben auf vereinsmäßig zu organisierende wirtschaftliche Kooperationsgruppen - d.h. den Typ der Versorgungsgenossenschaft und den der kleineren integrierten Genossenschaft - begrenzt. Für die diese Grenzen überschreitenden Kooperationen - also die Großgenossenschaften - ist ein solches Leitbild jedoch nicht mehr tauglich. Eine die tatsächlichen Möglichkeiten der Mitgliederwidmung berücksichtigende Konzeption wird dann zu einem modifizierten Rechtstyp führen. Dies wäre gleichzeitig die Grundlage für eine wünschenswerte Differenzierung der Rechtsform,457 die den veränderten Bedürfnissen der Mitglieder insbesondere auch im Falle der größeren integrierten Genossenschaft Rechnung trägt. Die Förderwirtschaftlichkeit dieses Kooperationstypes wird sich dann daran erweisen, inwieweit es gelingt, angesichts der Unmöglichkeit einer vereinsmäßigen Organisation Wege zu finden, die dem Wunsch der Mitglieder nach Beteiligung gerecht werden können. 458 So Apel (1978), S. 145. In diesem Sinne Kothe (1991), S. 914. 456 So Münkner (1993), S. 37. 457 Vgl. Kothe (1991), S. 908. Dagegen formulieren Blümle/Ringle (1986), S. 178180 das - singulär zu verstehende - Referenzmodell einer "optimalen" Genossenschaft. 458 Siehe zu diesen Gedanken Biedenkopj(1984), S. 54/55; Münkner (1987), S. 16. 454 455
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Kapitel 3: Die Genossenschaftsidee im Wandel
Diese in Inhalt und Umfang veränderte Mitgliederbeteiligung ist dann mit den Erfordernissen des gemeinschaftlichen Unternehmens, insbesondere nach einem autonomen Handlungsspielraum, in Einklang zu bringen. Die sich dabei ergebende Organisationsstruktur wird auch in Hinblick darauf zu prüfen sein, ob sich hieraus ein - zumindest teil weiser - Wechsel des Zielsystems ergibt. Ein solch neuer "elastischer Unternehmungstyp" wird dann zwischen der erwerbswirtschaftlichen Unternehmung und der Genossenschaft alter Prägung anzusiedeln sein. 459 Dies ist solange unbedenklich, wie es gelingt, die infolge des Verlustes der Vereinsorganisation gefährdete Mitgliederwidmung anderweitig institutionell abzusichern.
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Insoweit ist den Ausführungen von Draheim (\ 983), S. 152 zuzustimmen.
KapiteL 4
Überlegungen zur Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise Die Konsequenzen der bislang gewonnenen Ergebnisse sollen im folgenden Kapitel in organisationsrechtlicher Sicht diskutiert werden. Dabei sind drei Szenarien denkbar. Die Entwicklung zur Post-Genossenschaft ist im eigentlichen Sinne eine bereits abgeschlossene Transformation. Diese Veränderung des ökonomischen Inhaltes sollte, ja sie muß geradezu aus Gründen der Wahrheit und Klarheit ihre Entsprechung auch auf der gesellschaftsrechtlichen Ebene finden. Daher ist für diesen Fall der Rechtsformwandel zu untersuchen. Bei den ordnungspolitisch weiterhin legitimierten Genossenschaften sollen zwei Möglichkeiten in Betracht gezogen werden. Einerseits kann die Sicherung der Förderwirtschaftlichkeit darin bestehen, den Rechtsrahmen unter Berücksichtigung der marktlichen Anforderungen wieder mit der Rechtstypik in Einklang zu bringen. Dies würde eine grundlegende Reform des Genossenschaftsgesetzes erfordern. Eventuelle Schwierigkeiten der Genossenschaften, die sich allein aus der Unzulänglichkeit der Rechtsform herleiten, sollen daher durch die gezielte Korrektur dieser Schwächen und nicht im Wege des Rechtsformwechsels beseitigt werden. 46o Daneben ist es aber auch denkbar, die Förderwirtschaftlichkeit grundsätzlich als eine verbund wirtschaftliche Kooperation zu betrachten, die die traditionelle genossenschaftliche Zusammenarbeit mit neuen Inhalten füllt und dadurch eventuell auch verändert. Damit wäre die Frage nach der Schaffung eines neuen Rechtstyps gestellt.
460 Letzteres ist momentan allerdings die vorherrschende Strategie, wenngleich sie keinesfalls als problemlos bezeichnet werden kann, vgl. dazu auch Schultz (1980), S. 83-85.
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
I. Die Alternative: Grundlegende Reform des Genossenschaftsgesetzes
1. Konzentration des Genossenschaftsgesetzes auf die Mitgliederbedürfnisse
Eine Refonn des Genossenschaftsgesetzes461 wird nur dann glaubwürdig und wirkungsvoll sein, wenn es gelingt, dadurch die Rechtstypik wieder deutlich herauszustellen. Daher ist ihr Charakter als personenbezogener Zusammenschluß mit körperschaftlichem Aufbau in den Vordergrund zu stellen. 462 Damit ist zugleich eine Begründung für das Instrument der Rechtsänderungstechnik gegeben. Denn während eine Novelle lediglich die Änderung oder Ergänzung einer bestehenden gesetzlichen Regelung ohne völlige Neugestaltung der Rechtsmaterie darstellt, versteht man unter einer Refonn eine umfassende Änderung des Rechtsgebietes, die zur Aufhebung der alten und zum Erlaß einer neuen gesetzlichen Regelung führen kann. 463 Die organisatorische Ausgestaltung der genossenschaftlichen Rechtsfonn muß sich deshalb wieder verstärkt daran ausrichten, daß sie - unabhängig vom Strukturtyp - ihre Grundlage im persönlichen Zusammenwirken der Mitglieder zur Verfolgung eines gemeinschaftlichen Zweckes hat. Die Asymmetrie des Genossenschaftsgesetzes, die sich in einer immer stärkeren Betonung der Aspekte der Genossenschaftsunternehmung zeigt, ist zugunsten der Mitglieder, d.h. der Vereinsebene, zu korrigieren. Hierunter darf aber nicht mißverstanden werden, daß die - berechtigten betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten der genossenschaftlichen Unternehmung vernachlässigt werden sollen. Vielmehr muß es zu einer Einbettung der Unternehmensebene in die Vereinsebene kommen. Überzeugen wird ein solches Vorgehen nur dann, wenn es gelingt, mittels der Genossenschaft den beteiligten Mitgliedern einen Kollektivvorteil 461 Es sei deutlich darauf hingewiesen, daß es nicht um die Neugestaltung des Genos sen sc hafts gesetzes in rechtlicher bzw. gesetzestechnischer Sicht geht. Hierzu hat es eine Reihe von Entwürfen gegeben, vgl. SchubertlSteder (1973), S. 8010/1. Siehe hierzu auch die Materialien zur Reform des Genossenschaftsrechts aus den Jahren 19561959. Ein solches Ansinnen würde den Umfang dieser Arbeit auch sprengen. An dieser Stelle sollen vielmehr aus der ökonomischen Analyse resultierende Prüfsteine formuliert werden, an denen eine Reform des Genossenschaftsgesetzes zu orientieren wäre. 462 Siehe hierzu ausführlich Münkner (1993), S. 18-22. Gleichlautend Schmidt (1986), S. 936, wonach die Genossenschaft "eine Vereinsform [ist), die nur für einen besonderen Verbands zweck zugelassen und ganz auf den Typus des Selbsthilfeunternehmens zugeschnitten ist". 463 Zur Definition siehe Kaufmann (1994), S. 841.
I. Grundlegende Reform des Genossenschaftsgesetzes
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zu vennitteln. Die Rechtsfonn der eingetragenen Genossenschaft kann daher nur dort zur Anwendung gelangen, wo ein Bedürfnis bzw. ein Erfordernis zur Kooperation und zur Integration vorliegt. Eine derartige Ausrichtung ist dann gleichbedeutend mit der Konzentration auf die Mitgliederbedürfnisse. Soll das Genossenschaftsgesetz mit seinen Organisationsregeln dieser Prämisse folgen, wird man das ihm zugrundeliegende Leitbild teilweise verändern müssen. 464 Damit der Verein als Träger der genossenschaftlichen Unternehmung handlungsfähig bleiben kann, wird eine größenmäßige Begrenzung der Kooperationsgruppe unausweichlich sein. Dies führt zu der bereits oben getroffenen Feststellung, daß eine Refonn des Genossenschaftsgesetzes in Hinblick auf diejenigen Genossenschaften erfolgen sollte, die keine Großgenossenschaften sind. Die Ausrichtung an den Mitgliederbedürfnissen bedeutet dann, institutionelle Vorkehrungen zu treffen, um die besondere gesellschaftliche Chance für die genossenschaftliche Rechtsfonn zu sichern. 465 Soll die Genossenschaft bzw. ihre Rechtsfonn dauerhaft dadurch gerechtfertigt sein, daß mittels ihrer selbstbestimmtes Handeln von Individuen in der Gruppe ennöglicht wird,466 dann darf eben diese Gruppe - und damit die Genossenschaft als Verein - nur so groß werden, daß eine MitgliedeITÜckkopplung jederzeit möglich ist. 467 Wird die Mitgliederzahl dagegen so groß, daß die Artikulierung von Mitgliederbedürfnissen allein aus organisatorischen Gründen unmöglich wird, ist auf einen neu zu schaffenden Rechtstyp förderwirtschaftlicher Ausrichtung auszuweichen. Dies gilt grundsätzlich sowohl für die Versorgungs- wie auch für die integrierte Genossenschaft, da sich die Entwicklung zur Großgenossenschaft unabhängig vom Strukturtyp vollzieht. Die Änderung des Leitbildes im Sinne einer Verdeutlichung sollte auch beinhalten, daß unter dem Begriff der genossenschaftlichen ZusammenarVgl. dazu gleichlautend Kothe (1991), S. 914. Unter dieser Chance versteht Beuthien (1989), S. 41/42 die Gelegenheit des Einzelnen, persönliche Mitverantwortung zu übernehmen, um dadurch ohne Fremdhilfe zu seiner Versorgung beizutragen. 466 So Engelhard (1984), S. 27/28; Jäger (l99Ib), S. 7/8. 467 Boettcher (1980b), S. 21 betont, daß ein Individuum deshalb Mitglied einer Genossenschaft wird, "weil man als Mitglied der Trägergruppe im Verein mit den anderen Mitgliedern der Trägergruppe die Genossenschaftsunternehmung zwingen kann, ihre Unternehmenspolitik so auszurichten, daß die Trägergruppe stärker gefördert wird, als die anderen Koalitionspartner in der Genossenschaftsunternehmung gefördert werden". Genau dies setzt jedoch voraus, daß die vereinsmäßigen Mechanismen funktionieren und auch angewendet werden. 464 465
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
beit nur die unmittelbare Kooperation der Mitglieder auf der Primärstufe zu verstehen ist. Nur auf dieser Ebene ist die personalistische Konstruktion des Vereins überhaupt anwendbar. Zentralgenossenschaften hingegen müssen anderen Organisationsregeln unterworfen werden. Ihre Mitglieder sind als Primärgenossenschaften selbst juristische Personen; die auf die Person des einzelnen Mitglieds abzielende genossenschaftliche Rechtskonstruktion ist hier deshalb weder erforderlich noch angemessen. Ein Organisationsgesetz für Zentralgenossenschaften hätte sich daher daran zu orientieren, daß diese "Vereine von Vereinen" sind. 468
2. Anpassung an Markterfordernisse Selbstverständlich ist, daß die Genossenschaft in ihr marktliches Umfeld eingebunden ist und bleibt. Doch es muß deutlich gemacht werden, daß sich dieser Sachverhalt nur auf die genossenschaftliche Unternehmung bezieht. Daher sollte im Genossenschaftsgesetz eine Unterscheidung der Unternehmens- von den Vereinsbelangen angestrebt werden; dafür soll im folgenden ein organisationsrechtliches "Trennungsmodell" formuliert werden. Hieraus ergibt sich als Konsequenz, daß nicht weiter an der Fiktion einer besonderen genossenschaftlichen Wirtschaftsweise des gemeinsam betriebenen Unternehmens festgehalten werden muß, um ein Abgrenzungskriterium zu den anderen Rechtsformen des Gesellschaftsrechts zu gewinnen. Dieses Kriterium ist vielmehr in der förderwirtschaftlichen Umklammerung - also der vereinsmäßig organisierten Trägerschaft - des Genossenschaftsunternehmens zu erblicken. Auf diese Weise erhält das Unternehmen die Freiräume zurück, die es benötigt, um im Wettbewerb mit den nicht-genossenschaftlichen Konkurrenten bestehen zu können. Bildhafter gesprochen wird es den Mitgliedern darauf ankommen, daß sie sich besser stellen, also einen Kollektivvorteil erzielen, und nicht darauf, auf welche Weise dieses von ihnen vorgegebene Ziel erreicht wird. Lediglich dies sicherzustellen ist die Aufgabe des Vereins; die betriebswirtschaftliche Umsetzung kann dagegen in der Verantwortung der Unternehmung liegen. Da das genossenschaftliche Unternehmen in sein wettbewerbliches Umfeld eingebunden ist, muß es dauerhaft leistungsfähig sein. Daher müs468 Auf diesen - im sozialwissenschaftlichen Sinne verstandenen - Unterschied verweist Scheuch (1989), S. 139/140. Siehe auch Fürstenberg (1983), S. 112.
I. Grundlegende Reform des Genossenschaftsgesetzes
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sen auch die Unternehmensstrukturen ständig weiter angepaßt werden. 469 Eine große Schwäche besteht dabei zur Zeit in der Kapitalbasis der Genossenschaften. Hier stehen sich die Erfordernisse des Unternehmens nach einem gesicherten, stabilen Eigenkapital und die Interessen der Mitglieder nach einer personalistisch ausgestalteten (Kapital-)Beteiligung gegenüber. Sollen die Konturen der Genossenschaft als eigenständigem Rechtstyp geschärft werden, muß die Entscheidung zugunsten der Mitgliederorientierung ausfallen. Hieraus ergibt sich wiederum, daß die Rechtsform Genossenschaft nur innerhalb bestimmter Grenzen Verwendung finden kann; bei zunehmendem Umfang des Kapitalbedarfs, der aus dem jeweiligen Leistungsprogramm resultiert, ist auf den neuen Rechtstyp auszuweichen. 47o Diese Einschränkung hat den Vorteil, daß auch in der Eigenkapitaldiskussion die Genossenschaft wieder stärker als Verein verstanden werden kann. Ihre Stärken liegen in der Wahrnehmung von Effizienz- und/oder Verteilungskampfvorteilen, also dort, wo infolge eines Rivalitätsgrades zwischen 0 und 1 die Grenz- unterhalb der Durchschnittskosten verlaufen. Die Finanzierung der Genossenschaft hieran auszurichten bedeutet, einen gespaltenen Tarif zu verwenden. Die Mitglieder haben dann neben den jeweiligen Grenzkostenpreisen einen von der tatsächlichen Inanspruchnahme unabhängigen (Monats-)Beitrag zur Fixkostendeckung zu entrichten. Aus zwei Gründen dürfte diese Strategie zu einer verstärkten Profilierung der Genossenschaft führen: Zunächst zahlen die Mitglieder nur gemessen an den unmittelbar vergleichbaren Konkurrenzpreisen - niedrigere Grenzkostenpreise, wodurch die genossenschaftliche Leistung attraktiver erscheint und auch ein volkswirtschaftlicher Effizienzvorteil erzielt wird: Die wohlfahrtsoptimale Angleichung von Angebot und Nachfrage. Daneben gelingt es, mittels des Beitrages das Mitglied stärker an die Genossenschaft zu binden und dadurch - das Mitglied sieht im Beitrag sunk costs - zu Transaktionen zu ermuntern. 471 Ein Beispiel hierfür sind die aus den USA stammenden sog. WarehouseMembership-Clubs oder auch Customer-Clubs, die vor allem im Bereich V gl. Hausmann (1992), S. 62/63; dazu auch Croll (1990), S. 115. Vgl. dazu auch Münkner (1994), S. 84, der darauf verweist, daß man "eine Personengesellschaft [... ] nicht als eine schlechte Kapitalgesellschaft klassifizieren [kann]". 471 Zur gesamt- und einzelwirtschaftIichen Vorteilhaftigkeit des gespaltenen Tarifes bei Genossenschaften siehe Grossekettler (1984), S. 74-77. Dort wird vor allem auch auf die Wohlfahrts verluste hingewiesen, die aus der Anwendung von Durchschnittskostenpreisen resultieren; vgl. ebenda, FN 27 u. 28. Denn das Fordern der - höheren Durchschnittskostenpreise hält potentielle Nachfrager ab. Dadurch werden vorhandene Kapazitäten unteroptimal ausgelastet; zugleich bedeutet dies, auf die Möglichkeit der Nutzensteigerung (= Mitgliederförderung) zu verzichten. 469 470
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
des Einzelhandels tätig sind. Durch Großabnahme erzielen sie bei der Industrie Preisvorteile, die sie bei gerade kostendeckenden Handelsspannen, also zu Grenzkostenpreisen, an ihre Mitglieder weitergeben. Um diese Vorteile wahrnehmen zu können, haben die Mitglieder jedoch einen Mitgliedsbeitrag zu entrichten. 472 Auf diese Weise kann auch das Nichtmitgliedergeschäft neu betrachtet werden. Genossenschaften sehen sich häufig dem Problem gegenüber, daß aufgrund der Markterfordernisse Mitgliedern keine besseren Konditionen als Nichtmitgliedern geboten werden können, da diese sonst wegen ihrer vermeintlichen Diskriminierung abwandern würden. Durch den gespaltenen Tarif werden dem Mitglied nun andere - im Sinne von anders zusammengesetzte - Konditionen geboten. Allein auf den Gebührenanteil bezogen kann die Genossenschaft die Vorteilhaftigkeit der Mitgliedschaft herausstellen; trotzdem müssen Nichtmitglieder nicht mehr als die üblichen Marktpreise zahlen. Für sie ergibt sich jetzt jedoch ein Anreiz, ihren Gästestatus aufzugeben und Mitglied zu werden. Gegen Zahlung des Beitrages gelangen sie in den Genuß der niedrigeren Grenzkostenpreise. Dieser Beitrag nimmt für sie den Charakter von Fixkosten an;473 mittels einer Ausdehnung ihrer Leistungsbeziehungen mit der Genossenschaft können sie ihre Durchschnittskosten senken. Unter der Voraussetzung fallender oder zumindest konstanter Grenzkosten stellt sich ein Mitglied bei jeder Ausweitung seiner Geschäftsbeziehungen mit der Genossenschaft besser, ohne daß dies zu Lasten anderer Mitglieder oder des Kollektivs als Gesamtheit ginge. 474 Dieser Tarif ist auch geeignet, das Problem des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu entschärfen. 475 Bislang ist die Gleichgewichtsfähigkeit der genossenschaftlichen Kooperation auch dadurch bedroht, daß eine unter472 Siehe hierzu o.V. [FAZI (I 993b); Weiss (1993), S. 26. In der Bundesrepublik Deutschland dürfte dieses Verfahren jedoch nicht ohne weiteres anwendbar sein, da das Bundeskartellamt hierin eine unerlaubte Bezugsbindung faktischer Art sieht, vgl. Grossekettler (I 989a), S. 13 FN I. 473 In genossenschaftsrechtlicher Sicht handelt es sich bei dem Beitrag um eine Verwaltungskostenumlage, durch die das Geschäftsguthaben des Mitglieds nicht vermehrt wird. Siehe die hierzu vorliegende Untersuchung von Ferneding (1993), insb. S. 7-9, 67-69, 88. Dort wird die rechtliche Zulässigkeit - unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistungen - eines solchen Beitrages bejaht. 474 Die Differenzierung - nicht Diskriminierung - zwischen Mitglied und Nichtmitglied ist von entscheidender Bedeutung für die Begründung der Mitgliedschaft und deshalb für die Perspektive der Genossenschaft schlechthin. Siehe auch Münkner (1990), S.234. m Siehe hierzu aus juristischer Sicht GroßfeldlAldeJohann (1987), S. 2380-2382, die insbesondere auf das Willkürverbot hinweisen; daneben Alhertz (1978), S. 221-223.
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schiedliche Inanspruchnahme ihrer Leistungen durch die Mitglieder zu einer unterschiedlichen Stückkostenlast für die Genossenschaft führt. Würden - beispielsweise auf dem Wege der Rückvergütung - alle Mitglieder absolut gleichbehandelt, bedeutete dies, daß die leistungsstarken Mitglieder - die relativ geringere Kosten verursachen und sich daher als "Subventionsgeber" der Kleinen betrachten476 - nach Alternativen außerhalb der Genossenschaft suchten; dies wäre zum Schaden für das gesamte Kollektiv. Daher hat sich das Prinzip der leistungsbezogenen Gleichheit als Ergänzung zur personalen Gleichheit herausgebildet. 477 Dies wiederum stößt auf den Widerstand der leistungsschwachen Mitglieder, die in dieser Praxis eine Diskriminierung erblicken. Doch sie haben keine andere Wahl als dies hinzunehmen; andernfalls käme es zu einer Abwanderung der Großen, und die zurückbleibenden leistungsschwachen Kleinen wären auf sich alleine gestellt ohne Aussicht auf Erfolg. 478 Der gespaltene Tarif kann beiden Gruppen gerecht werden. Da der Beitrag nur in Höhe der Fixkostendeckung erhoben wird, daneben die Preise der Genossenschaft auch nur so hoch wie die Grenzkosten angesetzt werden, entfällt am Jahresende ein Überschuß, der als Rückvergütung zu verteilen wäre. Daneben bedeutet die Erhebung von Grenzkostengebühren, daß die Preise verursachungsgerecht den Mitgliedern zugerechnet werden können; dies dürfte allgemein akzeptiert werden. Zusätzlich wäre es unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit - möglich, den Beitrag nach typischen Klassen von Mitgliedern zu differenzieren, d.h. beispielsweise nach (Betriebs-)Größenklassen (nicht jedoch nach dem Umfang der laufenden Abnahme). Hiergegen sind die Erfordernisse der genossenschaftlichen Unternehmung abzuwiegen. Sie operiert unter wettbewerbs wirtschaftlichen Bedingungen; die Notwendigkeit einer stabilen Kapitalbasis wird eine reine Beitragsfinanzierung nicht erlauben. Daher ist die Heranziehung der Mitglieder zur Zeichnung von Geschäftsanteilen auch weiterhin erforderlich. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Form der Kapitalanlage, sondern um eine reine betriebsnotwendige Kapitaleinlage, d.h. um die Überlassung von Kapital zur Herstellung bzw. Aufrechterhaltung der Betriebsbereit476 In einem solchen Fall handelt es sich nach Olson (\ 968), S. 33/34 um eine Tendenz zur "Ausbeutung" der Großen durch die Kleinen. 477 V gl. Jäger (\ 992a), S. 32. Demnach werden die Mitglieder hinsichtlich der Vereinsebene absolut gleichbehandelt (z. B. nach dem Grundsatz ein Mitglied - eine Stimme), während auf der Unternehmensebene eine Preisdifferenzierung nach dem Umfang der Leistungsbeziehungen erfolgt. Siehe dazu auch Wohlers (\ 993), S. 14. 478 Siehe auch Jäger (1992a), S. 33.
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
schaft. Da dieses Kapital lediglich eingebracht wird, um Leistungen durch die Genossenschaft erhalten zu können, muß es auch weiterhin einen Auszahlungsanspruch für ausscheidende Mitglieder geben. Es ist daher in der Genossenschaft an der Variabilität der Kapitalbasis festzuhalten. Dies muß nicht zwangsläufig zu einer - oftmals beklagten - Eigenkapitalschwäche der Genossenschaften führen. Denn es zeigt sich, daß die Bereitschaft zur Aufbringung von Geschäftsguthaben durch die Mitglieder abhängig von der Sichtbarmachung des Fördererfolges durch die Genossenschaft ist. 479 Unter Rückgriff auf die Ausführungen zur Gleichgewichtsfähigkeit der Kooperation wird die Genossenschaft deshalb um so mehr Kapitaleinlagen (= finanzielle Beiträge) erwarten können, je höher die von ihr vermittelten Vorteile (= Anreize) von den Mitgliedern bewertet werden. Die Genossenschaftsunternehmung selbst ist so in der Lage, im Zuge der Leistungserstellung den Kooperationswert über die Anreizseite zu beeinflussen. Eine förderwirtschaftliche Bindung der Genossenschaftsunternehmung an ihre Mitglieder liegt deshalb in ihrem eigenen - betriebswirtschaftlich verstandenem - Interesse. Die Stärkung des Vereinsgedankens führt darüber hinaus zu einer veränderten Beurteilung der Rücklagenproblematik. Denn auf Rücklagen wird die Genossenschaft auch künftig nicht verzichten können. Nur so kann das betriebsnotwendige Verlangen des Genossenschaftsunternehmens nach einer stabilen Kapitalbasis mit dem vereinsmäßig bedingten freien Einund Austritt der Mitglieder in Einklang gebracht werden. Die sich aus dem Auszahlungsanspruch der ausscheidenden Mitglieder ergebende Variabilität des Genossenschaftskapitals muß deshalb durch entsprechend dotierte Rücklagen "aufgefangen" werden. Dies ist solange unbedenklich, wie die Vereinsmechanismen funktionieren; dann nämlich können die Mitglieder ihre Eigentumsrechte über dieses unteilbare Vereinskapital auch tatsächlich kollektiv wahrnehmen. Dadurch wird einerseits die finanzielle Eigenrnacht der Genossenschaft( -sunternehmung) abgebaut, andererseits ermöglicht diese Konstruktion eine zusätzliche Bindung des Mitglieds an seine Genossenschaft, indem neben ein individuell zurechenbares Geschäftsguthaben die Beteiligung an und Verfügung über einen gemeinsamen Vermögenswert tritt. Gleichzeitig ist damit die Diskussion über die Beteiligung der Mitglieder am inneren Wert der Genossenschaft gegenstandslos. Dies kommt der Rechtstypik schon deshalb entgegen, da die Forderung nach einer solchen Beteiligung die Kapitalinteressen der Mitglieder in einer Weise betont, daß diesem Kapital 479
Vgl. GroßjeldlJäger/Lenjers (1989), S. 98.
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kaum noch der typische dienende Charakter innewohnt. Geschäftsanteile sind jedoch keine Kapitalanlage, sondern eine Kapitaleinlage. Das Festhalten an der Unteilbarkeit der Reserven ist daher zugleich auch als ein identitätsstärkendes Merkmal geeignet. 48o Da die Rücklagen üblicherweise dauerhaft gebildet werden bzw. zur Verfügung stehen, erhält das Genossenschaftsunternehmen auf diese Weise die von ihm benötigte gesicherte Kapitalbasis. Anders als in der gegenwärtigen Situation wird dann allerdings wieder deutlich, daß die Rücklagen quasi vom Verein zur Verfügung gestellt werden. Das genossenschaftliche Unternehmen bzw. dessen Management kann dieses Kapital zwar nutzen, es erwirbt aber kein wirtschaftliches Eigentum hieran. Es handelt sich für sie also eher um eine Form von "internem Fremdkapital", das dem Genossenschaftsunternehmen zwar überlassen ist, dessen Eigentumsrechte jedoch weiterhin bei der Gruppe der Mitglieder, d.h. der Generalversammlung liegen. Dadurch wird die Besonderheit der genossenschaftlichen Kapitalbildung zu einem Mittel der Personenbezogenheit bzw. der Mitgliederorientierung, durch das ein rechtstypischer Vorteil gegenüber den anonymen Kapitalgesellschaften markiert werden kann. 481
3. Die Einbindung des Mitglieds: Die Mitgliederwidmung der Genossenschaft
Nur wenn ein bestimmtes Maß an Handlungsspielraum zur Mitwirkung der Mitglieder gewährleistet ist, kommt der Genossenschaft der Charakter eines mitgliederbezogenen Unternehmens zu. Dadurch soll jedoch nicht das Mitglied an die Genossenschaft, sondern vielmehr die Genossenschaft an das Mitglied gebunden werden. Zeichnet sich die förderwirtschaftliche Zwecksetzung der Genossenschaft dadurch aus, daß ihre Betätigung ganz auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder abgestellt ist, muß dies auch seinen Niederschlag im Organisationsmuster finden. Die Mitglieder sind daher aktiv in das Geschehen in der Genossenschaft einzubeziehen. 482 Auf diese Weise wird die natürliche Integration der Mitglieder, die sich aus der örtlichen Verbundenheit, den ökonomischen Zwängen oder der allgemeinen Kooperationsneigung ergibt, in eine organisierte Integration verwandelt. Diese resultiert aus dem bewußten "Wir-Gefühl", das aus der aktiven TeilSo auch Münkner (1987), S. 15. Vgl. Münkner (1994), S. 84. 482 Großkopf (1989), S. 134 spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit einer "induzierten Mitgliederbindung". 480 481
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nahme am genossenschaftlichen Leben herrührt. 483 Gerade angesichts der sinkenden sozialen Integration der Mitglieder erscheint es notwendig, das für den Erfolg der genossenschaftlichen Kooperation erforderliche Vertrauen stärker zu institutionalisieren. 484 Die Genossenschaft als Verein bedarf daher einer gelebten Mitgliederdemokratie;485 sie ist nicht nur Ausdruck einer funktionierenden Mitgliederbindung, sondern garantiert im Zuge einer wirksamen Kontrolle auch die Aufrechterhaltung der Eigentumsrechte an der Genossenschaft. An ihr müssen deshalb alle Mitglieder direkt teilnehmen können. Der Ort hierfür ist die Generalversammlung; sie ist die einzige Plattform, auf der jedes Mitglied gleichberechtigt die Geschicke seiner Genossenschaft mitbestimmen kann. Die Einführung der Vertreterversammlung deckt sich dagegen mit dem Vereinscharakter der Genossenschaft gerade nicht, denn hierdurch wird die Mitgliederbeteiligung unnötig mediatisiert. 486 Dies verletzt das Kongruenzprinzip, da die Kontrollberechtigten, d.h. die Mitglieder, nicht einmal mehr die Kontrolleure - Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder - direkt wählen können. Die Vertreterversammlung sollte daher gesetzlich ausgeschlossen werden. 487 Da die Generalversammlung in der täglichen Praxis groß werden kann, ist als Ergänzung daran zu denken, die Einrichtung von Teil- bzw. Bezirksversammlungen vorzuschreiben. Sie könnten der Informationsvermittlung dienen, die Generalversammlung vorbereiten, aber auch einzelne Fragen in eigener Verantwortung regeln. Vor allem aber sind sie ein Forum, um die Mitgliederinteressen in die Genossenschaft einzubringen. 488 Dazu muß die Genossenschaft(-sleitung) ein ausgebautes und langfristig angelegtes Informationsmanagement entwickeln; dies kann dann von ihr gezielt als Instrument der Mitgliederbindung eingesetzt werden. 489 483 Vgl. Draheim (1955), S. 46/47; daneben auch Koch (1991), S. 286. Beispiele aus der genossenschaftlichen Praxis finden sich bei Peters/Saalfeld (1987), S. 15-19 und Röser (1988), S. 10-12. 484 Laske (1993), S. 49 spricht dabei von einer sozialen Architektur des Vertrauens. 485 Siehe dazu auch Bonus (1993), S. 26-29. 486 Anderer Ansicht ist Frank (1986), S. 24, der Vorteile gegenüber zu großen Generalversammlungen sieht. Ähnlich auch Schmitz-Herscheidt (1981 b), S. 326. 487 Mit der Änderung des § 43 a GenG zum 20.12.1993 hat der Gesetzgeber die verpflichtende Einführung der Vertreterversammlung ab 3000 Mitglieder aufgehoben; ab 1500 Mitglieder besteht jetzt ein Wahlrecht. Siehe dazu auch Schajjland (1994), S. 72. 488 Vgl. Münkner (1990), S. 127-131. 489 Wagner (1988), S. 98 u. 104 spricht daher beim Informationsmanagement auch von einer strategischen Schlüsselgröße. Bei einer Strategie handelt es sich um einen Verhaltensplan, der das unternehmerische Handeln daran orientiert, künftig sich erge-
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Glaubhaft gerät die Mitgliederwidmung jedoch nur, wenn den Mitgliedern auch tatsächlich die Gelegenheit zur Selbstbestimmung gegeben wird. 49o Hiermit verträgt sich der gegenwärtige Inhalt des § 27 I GenG nicht, wonach der Vorstand die Genossenschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Denn gegenwärtig verhält es sich zwar so, daß der Förderzweck bzw. der "Gegenstand des Unternehmens" nach § 6 Nr. 2 GenG die Kompetenzen des Vorstandes im Innenverhältnis begrenzen. Allerdings stellt die Verankerung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung nur einen groben Rahmen dar, der einer Konkretisierung bedarf. Gerade diese Ausgestaltung nimmt dann Jedoch der Vorstand kraft der ihm zugewiesenen Leitungsfunktion wahr;4 1 letztlich definiert faktisch er selbst, d.h. im Regelfall das aus externen Fachleuten bestehende Management, was Art und Umfang der Förderung sein sollen. Daher sieht das Trennungsmodell eine klare Abgrenzung vor, um zwischen den Vereins- und den Unternehmensbelangen trennen zu können. Das hauptamtliche Management muß die Genossenschaftsunternehmung betriebswirtschaftlich eigenverantwortlich leiten können. Andernfalls werden sich kaum qualifizierte Fachleute für diese Aufgabe finden lassen. Die Vorgabe der Förderziele, d.h. der Kooperationszweck als solcher und damit die Definition ihrer Nutzungsrechte, muß dagegen von den Mitgliedern formuliert werden. Dazu müßte das Management in seiner Unternehmereigenschaft natürlich Vorschläge vorlegen dürfen. 492 Allein den Mitgliedern wäre jedoch abschließend das unentziehbare Recht einzuräumen, für jedes Geschäftsjahr im voraus die vom Kollektiv der Mitglieder gewünschten, spezifischen Nutzungsrechte festzulegen. Dies kann durch das Instrument des Förderplanes und des Förderberichtes ermöglicht werden. 493 Zu Beginn einer Periode wäre ein Förderplan aufzustellen, in dem der Vorstand dem Management die von ihm erwarteten Förderziele vorgibt. Da ja die Abhängigkeit des einzelnen Mitglieds von der Tätigkeit der Genossenschaft weiterhin besteht, findet die gewünschte Internalisierung dieser Abhängigkeit ihre konkrete Umsetzung bende Chancen zu nutzen bzw. sich abzeichnende Bedrohungen zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren; vgl. ebenda. 490 Siehe dazu Jäger (1990), S. 117/118. 491 So Beuthien (1975), S. 186. Keßler (1994), S. 121 sieht dies sogar als eine Notwendigkeit an, da die Novelle des Jahres 1973 "vordergründig durch die Interpretation geprägt war, die Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsfreude der Untemehmensleitung (sie !) zu stärken". 492 Dies wird weiter unten näher diskutiert; siehe S. 165-167. 493 Siehe dazu Boettcher (l980a), S. 30/31; ders. (l980b), S. 100-120; Jäger (1981), S.247.
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in der verbindlichen Vorgabe der Förderziele. Genehmigt und dadurch aus Mitgliedersicht legitimiert werden müßte dieser Förderplan durch den Aufsichtsrat. Am Ende der Periode hätte die Unternehmensleitung in einem Förderbericht darüber Rechenschaft abzulegen, inwieweit sie diesen Vorgaben der Mitglieder nachgekommen ist. Hierin liegt zugleich eine Transaktionskostenersparnis, denn die ansonsten aufwendige Überwachung des Managements hinsichtlich der Förderwirksamkeit seiner jeweils einzelnen - Maßnahmen wird entbehrlich. Stattdessen besteht mit dem Förderplan ein Maßstab, an dem die Tatigkeit des Managements - im Sinne eines Fördererfolges - objektiv gemessen werden kann. Zusätzlich bleibt natürlich die Überprüfung durch den Genossenschaftsverband bestehen. Auf diese Weise wird die genossenschaftliche Kontrolle vereinfacht und doch auch gleichzeitig effizienter. Das Forum hierfür ist die Generalversammlung; sie legitimiert letztlich durch ihre Zustimmung zum Förderbericht das Führungshandeln des Managements. Der Förderbericht der abgelaufenen Periode dient dann als Grundlage des Förderplanes in der folgenden Periode. Durch diese kontinuierliche Fortschreibung werden die Mitglieder in die Lage versetzt, dauerhaft die Vorgabe von Förderzielen und deren Erfüllung sicherzustellen. Diskretionäre Spielräume für das Management des Genossenschaftsunternehmens sind dadurch zugleich ausgeschlossen. Diese Perpetuierung der Überwachung ermöglicht es den Mitgliedern, eine eventuelle Erfolglosigkeit der Unternehmensleitung in bezug auf die Förderziele unmittelbar festzustellen. Damit schützen sie sich vor der Gefahr opportunistischen Verhaltens des Managements, weil dieses die Förderziele nicht gegenüber etwaigen eigennützigen Zielen vernachlässigen kann. Auf diese Weise können die Nutzungsrechte von den Mitgliedern selbst wahrgenommen werden. Hierfür sind sie aufgrund ihrer eigenen Betroffenheit selbstverständlich ~ualifiziert; daher ist das geeignete Organ dazu die Generalversammlung. 4 4 Der beschriebene Vorteil der vereinfachten Kontrolle weist jedoch nicht nur aus organisationstechnischen Gründen eine effizienzsteigernde Wirkung auf. Da aufgrund der zu unterstellenden Unkenntnis der Mitglieder eine betriebswirtschaftliche Beurteilung der Unternehmensleitung ohnehin zum Scheitern verurteilt wäre, bewirkt die Überwachung des Managements anhand des Fördererfolges, daß die bislang asymmetrische Informationsverteilung zumindest bezüglich der Kontrolle überwunden wird. 494 Somit wird die Einhaltung des Förderzwecks - anders als gegenwärtig nach § I GenG - nicht lediglich vorausgesetzt, sondern formal garantiert.
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Die Verzahnung von Verein und Unternehmung hat dann im Vorstand zu erfolgen, wo vereinsmäßige Vorgabe und betriebswirtschaftliche Umsetzung aufeinandertreffen und miteinander verbunden werden. Die eigenverantwortliche Leitung der Genossenschaft als Verein erweitert sich dadurch um die Perspektive der betriebswirtschaftlich verantwortlichen Umsetzung. 495 Dies zu garantieren, ist Aufgabe des genossenschaftlichen Ehrenamtes. 496 Wird die Genossenschaft auf diese Weise an die Ebene der Mitglieder rückgebunden, erhalten diese die Möglichkeit zurück, frei ihre Eigentums- und Nutzungsrechte wahrzunehmen. Dies ist die Voraussetzung für den Erhalt der Förderwirtschaftlichkeit. 4. Das Ausfüllen von Kontrolldefiziten
Da die Besonderheit der genossenschaftlichen Organisationsweise darauf beruht, daß die Kooperation und Integration unter Wahrnehmung spezifischer Kontrollvorteile miteinander verbunden werden, müssen festgestellte Kontrolldefizite beseitigt werden. 497 Andernfalls führen die fehlende Gewaltenteilung sowie eine wachsende Ämterkumulation zu immer größeren Verfügungsrechten in den Händen immer weniger Akteure. 498 Die genossenschaftliche Gewaltenteilung zwischen Generalversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand ist wieder deutlicher hervorzukehren. Die Generalversammlung hat demnach über die grundsätzlichen Belange des Vereins (!) zu befinden; die Ausführung der Beschlüsse obliegt dem Vorstand, dessen Arbeit vom Aufsichtsrat kontrolliert wird. Nur auf diese Weise kann die förderwirtschaftliche Zwecksetzung wirksam garantiert werden. Die Selbstverwaltung und damit das Ehrenamt muß sich wieder als "Hüter der Glaubwürdigkeit,,499 erweisen. Es sind somit zwei Formen von Kontrollen zu unterscheiden. Erstens müssen der Generalversammlung wesentliche Kontrollrechte verbleiben, denn diese erhält sie im Gegenzug dafür, daß sie wichtige Verwaltungs495 Das dürfte insgesamt zu einer Verbesserung der Leitungsqualität gegenüber dem Rendantensystem, aber auch gegenüber dem derzeitig zu beobachtenden Strukturen führen. 496 SekilNoelle (1984), S. 131 bezeichnen das Ehrenamt auch als Bindeglied zwischen Managern und Mitgliedern. Siehe daneben Glatzner (1990), S. 154-161. 497 So auch Grossekettler (1989a), S. 17; Blomeyer (1980), S. 37. 498 Vgl. Blümle (1990), S. 165. Daher muß das Bemühen darauf gerichtet werden, "daß es zu keinen extremen Machtbefugnissen in der Genossenschaft kommt"; vgl. Jäger, Wieland (1991), S. 69. 499 Großfeld (1988), S. 269.
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funktionen an die Mitglieder der Organe delegiert. 5OO Hierbei handelt es sich also um die vereinsinterne Kontrolle. Dagegen abzugrenzen ist zweitens die Kontrolle des Vereins über die genossenschaftliche Unternehmung. Diese ist zu leisten, um das betriebswirtschaftlieh handelnde Management in die förderwirtschaftliche Zwecksetzung einzubinden. Zu diesem Zweck muß das Ehrenamt gestärkt werden. Wegen des unstreitig vorhandenen Zwanges zur Professionalisierung der genossenschaftlichen Unternehmens führung müssen die Gewichte jedoch neu verteilt werden. Die gedankliche Spaltung in den Verein und in die Unternehmung soll dem Rechnung tragen. 501 Schafft man ein neues Organ "Geschäftsführung", so kann dieses zur alleinverantwortlichen Leitung des genossenschaftlichen Unternehmens bestimmt werden. Die Problematik des geltenden § 27 I GenG wäre damit beseitigt. 502 Demzufolge ist der Vorstand nunmehr für die Leitung des Vereins zuständig; dies dann natürlich unter eigener Verantwortung, da die Zuständigkeiten des Ehrenamtes so gefaßt sind, daß eine Überforderung ausgeschlossen werden kann. Zugleich ist diese Eigenverantwortlichkeit zulässig, da sich die Vorstandsmitglieder der demokratischen Legitimation durch die Mitgliedergesamtheit stellen müssen und jederzeit abgewählt werden können. Da sie "lediglich" den Verein leiten, erwachsen daraus keine negativen Rückwirkungen auf das Genossenschaftsunternehmen. Problematischer ist die Verzahnung von Verein und Unternehmen, also die förderwirtschaftliche Umklammerung des Unternehmens. Die weisungsabhängige Unterstellung der Geschäftsführung unter den Vorstand würde die Rückkehr in anfängliche Organisations strukturen bedeuten ("Rendantensystem") und daher keinen Fortschritt darstellen. Außerdem hat die bisherige Analyse ja bereits ergeben, daß die veränderten Marktbedingungen eine betriebswirtschaftliehe Leitung des Genossenschaftsunternehmens durch den Vorstand - d.h. aus den Reihen der Mitglieder - weder zuläßt noch aus rechtstypischen Überlegungen heraus überhaupt erforS()() Vgl. Koch (1991), S. 195. Danach kann das Prinzip der Selbstverwaltung nur dann wirklich funktionieren, wenn auch das Prinzip der Selbstkontrolle existiert: Die Selbständigkeit der Verwaltungsorgane untereinander muß daher einer gegenseitigen Kontrolle unterworfen werden; s. ebenda, S. 201/202. 501 Vgl. auch Münkner (1990), S. 116. 502 Diese Problematik ergibt sich aus der Doppelfunktion des Vorstandes als Unternehmens- und Vereinsleiter; s. dazu MeyerlMeulenberghlBeuthien (1983), § 27 RZ 2. Sie ist weniger in juristischer als vielmehr in ökonomischer Hinsicht zu sehen. Denn durch die Existenz hauptamtlicher externer Manager erhalten diese einen bestimmenden Einfluß auf das soziologische Gebilde Verein, der zu einer Entfremdung der Mitglieder führen kann.
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dert. 503 Daher sollten der (Vereins-) Vorstand und die (Unternehmens-) Geschäftsführung organisatorisch klar voneinander getrennt werden. Der Unterschied zur gegenwärtigen Situation eines Vorstandes mit haupt- und ehrenamtlichen Mitgliedern besteht dann darin, daß eine verbesserte Abgrenzung der Kompetenz, aber auch der Verantwortung möglich ist. Auf diese Weise können die Mitglieder selbst die förderwirtschaftliche Geschäftspolitik formulieren, ohne zugleich unangemessen hohen Haftungsrisiken ausgesetzt zu sein. Denn die Haftungsbedingungen des § 34 I und 11 GenG erlauben durchaus eine Differenzierung zwischen haupt- und nebenamtlichen Vorstandsmitgliedern; ein milderer Haftungsmaßstab ist zulässig, sofern einzelne Vorstandsmitglieder nicht an der betriebswirtschaftlichen Führung des genossenschaftlichen Geschäftsbetriebes beteiligt sind. 504 Dem Vorstand gehören dann nur noch aus dem Mitgliederkreis gewählte Mitglieder an, die die Interessen des Vereins zu geschäftspolitischen Vorgaben an die Geschäftsführung (= Förderplan) formulieren. 505 Das Ehrenamt wird dadurch entlastet, weil es von der Leitung des Unternehmens befreit wird. Das gibt ihm den Freiraum, verstärkt für die förderwirtschaftliche Ausrichtung der Geschäftspolitik zu sorgen. 506 Der Vorstand überwacht so gleichsam die Förderwirksamkeit der Geschäftsführung in der Zeit zwischen den jeweiligen Generalversammlungen. Dadurch ist auch die bislang bestehende Gefahr gebannt, daß in einem gemischt haupt- und ehrenamtlichen Vorstand die externen Manager aufgrund ihres Informationsvorsprunges die Mitgliedervertreter bei der gemeinsamen - Formulierung der Geschäftspolitik majorisieren können. In der Konsequenz kann das dazu führen, daß der "Mitgliederwille" durch Nicht-Kooperationsteilnehmer - auch wenn es sich rechtlich gesehen um Mitglieder handeln mag - festgelegt wird. 507 Die Kontrolle des (Vereins-) Vorstandes sollte wie bisher dem Aufsichtsrat obliegen. Das gegenwärtige Problem, daß ein ehrenamtlicher Aufsichtsrat einem professionellen, da größtenteils hauptamtlichen Vorstand nicht gewachsen ist, wäre mit der Siehe Punkt 2.III.3.b), insb. S. 114-116. So Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 34 RZ 12. Siehe auch Großfeld (1979), S. 225/226. 505 Das aus rechtstypischer Sicht bedenkliche Instrument des fördernden Mitglieds wird damit entbehrlich, weil es keinen Grund mehr gibt, die (angestellten) Angehörigen der Geschäftsführung zu Mitgliedern des Vorstandes zu berufen. 506 So auch Schmitz-Herscheidt (1981a), S. 316. 507 Siehe dazu Großfeld/Jäger/Lenfers (1989), S. 94. Durch das Übergewicht des Ehrenamtes sind die externen Hauptamtlichen daher in die soziale Ebene der Mitglieder eingebunden, daneben wird die Entscheidungsbeteiligung der Mitglieder hierdurch glaubwürdiger. 503
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Schaffung des Organes Geschäftsführung entschärft. Die Festlegung der förderwirtschaftlichen Unternehmenspolitik im Vorstand wird ein aus Mitgliedervertretern bestehender Aufsichtsrat ohne weiteres überwachen können. Die Kontrolle der Geschäftsführung sollte hingegen verändert werden. Zum einen ist die externe Prüfung durch den gesetzlichen Prüfungsverband - trotz der bereits aufgezeigten Interessenkonflikte - beizubehalten. Das hier vorgeschlagene Trennungsmodell führt nämlich dazu, daß der Genossenschaftsverband als Prüjungsverband allein im Auftrage der Vereine, d.h. der Mitglieder, tätig werden kann. Die Prüfungsaufgabe, bei der es sich immerhin um einen hoheitlichen Akt handelt, wird so aus dem genossenschaftlichen "Verbandsgeflecht" herausgenommen und an die Mitgliederebene zurückgebunden. Dadurch wäre sie frei von den - faktischen und impliziten - Zwängen des Tagesgeschäftes sowie der Umklammerung durch das professionelle Management und könnte sich so eine größere Unabhängigkeit schaffen. Dagegen sollten die Tätigkeiten im Bereich der Beratung, Betreuung und Interessenvertretung - die ja vor allem eine Leistungssteigerung des Genossenschaftsunternehmens zum Ziel haben - umstrukturiert werden. Denn hierbei kann und sollte nicht auf die - betriebswirtschaftlich sinnvolle und notwendige - Mitwirkung und Einbindung des genossenschaftlichen Managements verzichtet werden. Dazu ist es jedoch sinnvoll, diese Tätigkeiten außerhalb des Prüjungsverbandes in einer besonderen Institution zu organisieren. Dies würde auch die bislang bestehende "Personalunion" der Verbandsprüfer beenden, die einerseits Aufgaben der Betriebsberatung für die Mitgliedsgenossenschaften bzw. deren Führungen wahrnehmen und andererseits quasi indirekt im Rahmen der Abschlußprüfung das Ergebnis ihrer eigenen Beratung testieren. Daraus können nicht nur Interessenkonflikte entstehen; entsprechend erteilte Beratungsaufträge sind durchaus geeignet, die Prüfungsqualität und -objektivität zu beeinflussen. Die neue Organstruktur stärkt somit das Prinzip der Selbstorganschaft, ohne zugleich deren Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. 50S
508 Vgl. dazu Müller (1993), S. 200-205. Er geht sogar soweit, im Prinzip der Selbstorganschaft eine Beeinträchtigung in der Qualität der Unternehmensführung zu sehen, die darin besteht, daß "die Bedürfnisse des Mitgliedsbetriebes überbewertet werden und dem Zentralmanagement der Spielraum für notwendige strategische Maßnahmen beschränkt wird", s. ebenda, S. 204. Dem Selbstverwaltungsgrundsatz, nach dem das Führungshande1n ständig durch die Mitglieder legitimiert werden muß, wird er mit einer solchen Auffassung wohl kaum gerecht. V gl. auch Beuthien (1989), S. 17/18; Großfeld/ Jäger/Lenfers (1989), S. 87.
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In einer Demokratie - der die Genossenschaft mit Blick auf ihre Entstehungsgeschichte immer verpflichtet war und ist - besteht eine wirksame Kontrolle auch in der Wiederkehr der Bestellung von Mandatsträgern. Nur die Notwendigkeit einer Bestätigung vermag eine Entkopplung von Wählern und Gewählten zu verhindern. Das Genossenschaftsgesetz enthält gegenwärtig keine Bestimmungen über die Amtszeit der Mitglieder des Vorstandes bzw. des Aufsichtsrates. 509 Da sie nur mittels einer statutarischen Festlegung möglich ist,5JO sollte die periodische Wiederwahl zwingend vom Gesetz vorzusehen sein. Auch bei dem Organ Geschäftsführung sollte, unabhängig davon, ob die Geschäftsführer durch den Vorstand oder den Aufsichtsrat berufen werden, die regelmäßige Erneuerung der Bestellung bzw. eine befristete Bestellung zwingend vorgeschrieben werden. 51 I Dies würde bedeuten - im Gegensatz zur verbreiteten Praxis unbefristeter Anstellungsverträge für Genossenschaftsmanager - in Anlehnung an die aktienrechtliche Praxis 512 Anstellungsverträge nur für den Zeitraum der Bestellung abzuschließen. Dadurch wäre auch der Gefahr einer Verkrustung von personellen Strukturen vorgebeugt, die durchaus effizienzmindernde Wirkungen haben können. Denn die nach dem bislang geltenden Recht mögliche und im Regelfall auch übliche unbefristete Bestellung hauptamtlicher Vorstandsmitglieder kann nur auf dem Wege der Abberufung beendet werden. Nun ist bereits dargelegt worden, daß die hauptamtlichen Manager im Vorstand einen erheblichen Vorsprung dem Ehrenamt gegenüber haben. Aufgrund einer solchen asymmetrischen Informationsverteilung sind sie deshalb ohne weiteres in der Lage, den Vorstand sowie den Aufsichtsrat in der Entscheidungsfindung zu dominieren. Dann jedoch werden sie auch ihre eigene Abberufung wirksam zu verhindern wissen, so daß sich diese als faktisch unmöglich erweisen kann. Hinzu kommt, daß die endgültige Abberufung eines Vorstandsmitglieds durch die Generalversammlung zu erfolgen hat (§ 40 GenG), während die Kündigung bzw. Abberufung von Geschäftsführern eine Angelegenheit des Vorstandes ist. Nun wird sich ein Organ wie die Generalversammlung wesentlich größeren Informations-, Zeit- und Entscheidungskosten gegenübersehen als der Vorstand, zumal weder personelle Alternativen ohne weiteres bekannt sind noch Ansprüche Siehe LanglWeidmüller (1988). § 24 RZ 58, § 36 RZ 33. Vgl. Westermann (1972), S. 370; GroßfeldlApel (1977), S. 207. 511 Damit besteht nach Glatzner (1990), S. 217 zugleich ein wirksamer Anreiz zur Mitgliederorientierung. Gleichlautend Schmitz-Herscheidt (1981 a), S. 295, der darauf hinweist, daß ein Mandatsträger andernfalls Gefahr läuft, beim nächsten Wahl- bzw. Bestellungstermin von außenstehenden Bewerbern aus dem Feld gedrängt zu werden. m Siehe dazu auch KraftlKreutz (1988), S. 204. 509
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aus bestehenden Dienstverträgen (§ 24 III GenG) vernachlässigt werden dürfen. 513 Daher haben Manager mit Vorstandseigenschaft in ihrer Position ein hohes Maß an Autarkie. 514 Eine solche Konstruktion kann natürlich nur dann funktionieren, wenn sie von den Mitgliedern auch angenommen wird. Die ehrenamtliche Tätigkeit ist daher in ihrer Attraktivität zu stärken. 515 Dabei ist zunächst eine definitorische KlarsteIlung erforderlich. In Teilen der Literatur wird die haupt,- neben- und ehrenamtliche Tätigkeit nach der Höhe der Besoldung bzw. dem Grad der "Beruflichkeit" eingeteilt. 516 Eine solche Interpretation hat zur Konsequenz, das Ehrenamt als eine Tätigkeit mit geringstmöglichem professionellen Aufwand zu verstehen; als ein Amt, das unentgeltlich nebenher wahrgenommen wird. Dagegen handelt es sich bei einem Ehrenamt in der eigentlichen Bedeutung um ein Mandat, das dem Amtsinhaber ehrenhalber übertragen ist: Dem ehrenamtlich Tätigen gereicht es zur Ehre, ein Mandat auszuüben, das ihm seine Mitgenossen übertragen haben. 517 Das Ehrenamt ist daher weder eine Frage der Entgeltlichkeit noch des Zeitaufwandes, sondern direkte Folge des genossenschaftlichen Prinzips der Selbstorganschaft. Daher existiert keine Trias aus Haupt-, Neben- und Ehrenamt; vielmehr wird ein Ehrenamt entweder haupt- oder nebenamtlich ausgeübt. Wenn in dieser Arbeit der Begriff des Ehrenamtes verwendet wird, sind immer gewählte Mitgliedervertreter, die auch dem Kreis der Mitglieder entstammen, gemeint. Soll nun der Anreiz für eine solche Tätigkeit gesteigert werden, ist zu überlegen, die Mitgliedschaft im Vorstand grundsätzlich haupt- und nebenamtlich wahrzunehmen. Denkbar wäre, daß ein oder zwei Mitgliedervertreter - soweit es deren wirtschaftliche Situation zuläßt - quasi als "Genossenschaftsfunktionäre" ihre Arbeitskraft ganz in den Dienst der Genossenschaft stellen und dadurch die Führung der Vereinsgeschäfte auch mit der nötigen Intensität besorgen könnten. Bei den übrigen Vorstandsmitgliedern wäre ebenfalls eine finanzielle Abgeltung ihrer Tätigkeit für die Genossenschaft vorzusehen. 518 Ein rein nebenamtliches 513 Vgl. Glatzner (1990), S. 144. Deshalb ist der - auch finanzielle - Nutzen einer Abberufung ausgesprochen fraglich. 514 Dies betont Jäger (1988), S. 17. 515 Dieses Problem spricht Groß/eid (1975), S. 26/27 an. 516 So z.B. bei Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 24 RZ 15; Lang/Weidmül/er (1988), § 24 RZ 25-28; Münkner (1990), S. 114/115. 517 Vgl. zu dieser Darstellung des Ehrenamtes Jäger (1990), S. 120 FN 36. 518 Da die Betroffenen in beiden Fällen ein Entgelt erhalten bzw. - im Wortlaut des § 24 III I GenG - besoldet sind, bemißt sich die Unterscheidung nach der Intensität des Arbeitseinsatzes.
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Ehrenamt kann aufgrund seiner Funktionen beim Aufsichtsrat beibehalten werden. Allerdings ist auch hier die Tätigkeit durch geeignete Maßnahmen aufzuwerten. Hierzu zählen zunächst materielle Anreize, d.h. ein Entgelt bzw. eine Aufwandsentschädigung, die der Belastung und der übernommenen Verantwortung auch gerecht wird. Denn es muß berücksichtigt werden, daß das Ehrenamt auch künftig überwiegend nebenamtlich tätig sein muß, um weiterhin in den gleichen Kategorien wie "normale" Mitglieder denken zu können. 519 Der hauptamtlichen Geschäftsführung gegenüber nimmt es eine ungleiche Position ein, die besonders aus der asymmetrischen Informationsverteilung herrührt. 520 Eine Verbesserung dieser Lage kann dadurch erreicht werden, daß dem Ehrenamt eine besondere Stabsabteilung - etwa als Vorstandssekretariat - zuarbeitet, die der Unternehmenshierarchie entzogen ist. Dies wird allerdings wegen der damit verbundenen Kosten nur in größeren Genossenschaften möglich sein. 521 Dazu zählt weiterhin, die Inhaber eines Ehrenamtes durch besondere Schulungen innerhalb des Genossenschaftswesens für ihre Aufgaben zu qualifizieren; das Genossenschaftsgesetz könnte ein entsprechendes Recht, aber auch eine Verpflichtung enthalten. 522 Eine solche Konstruktion kann bewirken, die aus Marktzwängen resultierende Notwendigkeit einer qualifizierten Unternehmensleitung mit dem berechtigten Verlangen der Mitglieder nach eigenverantwortlicher Gestaltung der Kooperation zu verbinden. Auf diese Weise kann die Attraktivität der Rechtsform Genossenschaft wesentlich verbessert und gleichzeitig ihre Rechtstypik wieder stärker verdeutlicht werden. 5. Anforderungen an das genossenschaftliche Management
Die Schaffung des neuen Organs Geschäftsführung eröffnet die Möglichkeit, bisherige Schwächen zu beseitigen, die aus der Vermengung von Vereins- und Unternehmensbelangen erwuchsen. Auf diese Weise kann der Genossenschaftsunternehmung die eigenständige Rolle gegeben werden, die ihr das Genossenschaftsgesetz bislang versagt. An die Stelle der 5\9 Dies dürfte sich aber auch schon daraus ergeben, daß die Mitglieder schließlich hauptamtlich ihrer eigentlichen beruflichen Tatigkeit nachgehen werden. 520 Vgl. Schmid (1985), S. 247/248. 52\ So besteht z.B. ein "Genossenschaftssekretariat" bei der Konsumgenossenschaft Dortmund-Kassel eGo Siehe auch entsprechende Überlegungen bei Volkers (1994), S. 16. 521 Zu entsprechenden Überlegungen siehe auch o. V. [FAZj (1993c).
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Professionalisierung des Vorstandes tritt damit diejenige der Unternehmung. Für ein solches Konzept wird selbstverständlich ein ebenso professionelles Management benötigt. Die bisherige Regelung des § 27 I GenG, wonach der Vorstand die Genossenschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat, mag zu einigen Schwierigkeiten bei der Gewinnung qualifizierter Manager führen. Denn durch die Zugehörigkeit ehrenamtlicher Mitgliedervertreter im Vorstand könnten sie sich einer Eingrenzung ihrer Handlungsfreiheit auch im Tagesgeschäft gegenübersehen,523 die es so bei anderen Rechtsformen nicht gibt und die aus rechtstypischen Erwägungen heraus auch nicht notwendig ist. 524 Wird dagegen der Geschäftsführung die eigenverantwortliche Leitung der Genossenschaftsunternehmung übertragen, entfällt dieser rechtsformabhängige Nachteil. Das Trennungsmodell hat zur Konsequenz, daß die Vereinsebene der Genossenschaft von der Verfremdung durch externe angestellte Manager freigehalten wird und zugleich das Unternehmen eine den anderen Wirtschaftsunternehmen vergleichbare professionelle Leitung erhält. Dadurch wird es entbehrlich, bei genossenschaftlichen Managern eine besondere, an den Mitgliederinteressen orientierte "Dienstgesinnung,,525 einzufordern, die mit ihrer Tätigkeit dem Kollektiv altruistisch dienen. 526 523 Es handelt sich hierbei nicht nur um eine generelle Beschränkung der Leitungsmacht durch die Verpflichtung auf den Förderzweck, sondern kann in konkreten Einzelfällen die Beschneidung der Dispositionsbefugnisse bedeuten, etwa weil bestimmte Geschäftsführungstransaktionen einem Zustimmungs vorbehalt unterliegen, inhaltlich begrenzt oder ganz ausgeschlossen sind; vgl. dazu Westermann (1972), S. 361/362; Ringle (1989), S. 210/ 211. Siehe auch Kugler (1978), S. 304-318. Dabei ist von besonderer Bedeutung, daß es - im Unterschied zur Aktiengesellschaft - einen unentziehbaren Kernbereich von Vorstandszuständigkeiten nicht gibt; vgl. Großfeld/Apel (1977), S. 198. 524 Dies soll daraus folgen, daß allen Mitgliedern des Vorstandes gemeinsam ausdrücklich die auch betriebswirtschaftliche Leitung der Genossenschaft( -sunternehmung) zwingend obliege; vgl. Lang/Weidmüller (1988), § 27 RZ 4, 8, 19, 22 sowie § 34 RZ 26; Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 27 RZ 3, 7. Siehe auch Holzberger (1987), S. 7. Eine solche Auslegung übersieht jedoch den Wortlaut des Genossenschaftsgesetzes, der von der Leitung einer Genossenschaft und nicht etwa der eines genossenschaftlichen Unternehmens spricht (§ 27 GenG). Die Leitungsverantwortung des Vorstandes bezüglich der Unternehmensführung muß sich daher auf die Sichersteilung der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung erstrecken; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb er deren Umsetzung im betriebswirtschaftlich-technischen Sinne selbst vornehmen bzw. verantworten müßte. m Vgl. Seraphim (1956), S. 33/34. 526 Dieses zu unterstellen, ist schon deshalb problematisch, weil eine der Grundlagen ökonomischer Betrachtungen die Eigennutzannahme ist, die für den Manager einer Genossenschaft jedoch nicht gelten soll; vgl. auch Boettcher (1980b), S. 49.
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Vielmehr kann sich ihr Managementpotential ebenso frei entfalten, wie dies auch bei erwerbswirtschaftlichen Unternehmen der Fall ist. Beiden Managementgruppen ist gleich, daß sie einer bestimmten Zielsetzung unterliegen. Während es sich bei kapitalistischen Unternehmen generell um den Primat der Gewinnmaximierung handelt, unterliegt das Genossenschaftsmanagement dem Förderzweck. Dieser jedoch muß näher konkretisiert werden; dies kann nur von Seiten der Mitglieder erfolgen. Das Sprachrohr hierfür ist der Vorstand. Weil nun aber eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung im Gegensatz zum allgemeinen Ziel der Gewinnmaximierung direkt in die Inhalte der unternehmerischen Tätigkeit eingreift, wird der Handlungsspielraum des Genossenschaftsmanagements dementsprechend verringert. Der Ausgleich kann in einer Beratungsfunktion der Geschäftsführung dem Vereinsvorstand gegenüber bestehen, so daß sie an der Formulierung dieses sie beschränkenden Rahmens kooptativ, d.h. mit beratender Stimme, mitwirken kann. Gleichzeitig wird dadurch dem ehrenamtlichen Vorstand bei der konkreten Formulierung der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung unternehmerischer Sachverstand zugänglich, ohne daß wie bisher die Gefahr der Majorisierung besteht. Hier zeigt sich nun die eigentliche Besonderheit des genossenschaftlichen Managements: Der Manager muß bereit sein, das Kollektiv bei der Formulierung dessen Zielsystems mit betriebswirtschaftlichem Rat zu unterstützen. 527 Hierzu bedarf es einer "kooperati ven Grundhaltung" ,528 die unabdingbar ist, weil dem Management einer Genossenschaft die Mitglieder als Träger der Organisation hierarchisch übergeordnet, funktional jedoch vielfach nachgeordnet sind. Daher ist bei Genossenschaftsmanagern in besonderem Maße die Überzeugungskraft auf Basis der Sachverständigenautorität gefordert. 529 Im Unterschied zur Dienstgesinnung hat man es jedoch mit einem ausgesprochen eigennützigen Verhalten zu tun. So ist der Manager einer Kapitalgesellschaft häufig auch im Tagesgeschäft dem beherrschenden Einfluß 527 Nach EschenhurR (1988), S. 254/255 hat der Manager nicht nur die Unternehmung, sondern auch die Willensbildung der Mitglieder zu leiten. Er soll nicht nur eine "dem Förderungszweck entsprechende Geschäftspolitik [... ] betreiben, sondern sie auch im Dialog mit den Mitgliedern [... ] entwickeln und gemeinsam mit ihnen aus[ ... ]wählen". 528 Siehe hierzu auch die Strategieüberlegungen des DRY zur Stärkung der Genossenschaften, die in gleichem Sinn die Besonderheit der genossenschaftlichen Führung betonen; o. Y. [DRY] (I 993a), insb. S. 9-13. Ähnliche Ausführungen finden sich bei RinRle (1989), S. 217. Lipfert (1984a), S. 7 bezeichnet dies als "weiche Führungselemente" in Ergänzung zu den "harten Managementelementen". 529 Ygl. Vierheller (I 983a), S. 253-255; ders. (I 983b), S. 50/51.
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
von Groß- bzw. Mehrheitsaktionären oder einzelnen Gesellschaftern ausgesetzt und dadurch einer faktischen Einschränkung seiner Handlungsfreiheit unterworfen. Demgegenüber verhindert das Kopfstimmrecht in der Genossenschaft das Entstehen von Machtblöcken in der Eigentümerstruktur, die einen entsprechenden Druck auf das Management ausüben könnten. Die Majorisierung der Genossenschaft und damit auch die ihres Managements durch ein einzelnes Mitglied analog zu einem Mehrheitsaktionär ist somit ausgeschlossen. 53o Bringt sich das Management zudem in den demokratischen Willensbildungsprozeß in den Organen der Genossenschaft ein, kann es bei der Festlegung seines Handlungsspielraumes unter Umständen selbst mitwirken. Die Verpflichtung auf die kooperative Grundhaltung ist gleichsam der "Preis" hierfür. 531 Dieser Preis kann sogar noch an Attraktivität gewinnen, wenn es dem Genossenschaftsmanagement gelingt, durch eine innovative Unternehmenspolitik den Handlungsspielraum der Genossenschaft und dadurch letztlich den eigenen nachhaltig zu erweitern. 532 Auf diese Weise besteht für den Manager ein Anreiz, als Promotor zu wirken; dies bedeutet zugleich einen Vorteil für die gesamte genossenschaftliche Kooperation und damit für jedes einzelne Mitglied. 533 Schließlich hängt der Erfolg der Kooperation vom wirtschaftlichen Schicksal der Genossenschaft, d.h. der Genossenschaftsunternehmung, ab. Dieses wiederum wird durch die Qualität der Führungspersonen bestimmt. Dadurch haben die Genossenschaftsmanager einen großen Einfluß auf das Genossenschaftsbewußtsein der Mitglieder. 534
Siehe auch Schmitz-Herscheidt (1981 a), S. 211. So verweist auch Prester (1993), S. 119 darauf, daß es weniger auf eine selbstlose Handlungsmotivation als vielmehr auf Glaubwürdigkeit beim Willen zur Kooperation ankomme. 532 Eickhof (1982), S. 264 weist darauf hin, daß auf stagnierenden, krisenanfalligen - also durchaus genossenschaftsrelevanten - Märkten innovative Manager zu finden seien. Diesen Personen komme es nicht so sehr auf den unternehmensexternen Handlungsspielraum des Marktes als vielmehr darauf an, welchen Handlungsspielraum ihnen das betreffende Unternehmen biete. Genau diesen Spielraum schafft das Organ Geschäftsführung. 533 Insoweit zielt die genossenschaftliche Betätigung auf eine Verstärkung des Wettbewerbs, indem die Mitgliedsunternehmen in die Lage versetzt werden, ihr - bislang unerschlossenes - innovatorisches Potential auszuschöpfen; vgl. Eickhof (1982), S. 273. Siehe dazu auch o. V. [DRV] (I 993a), S. 13. 534 Vgl. Münkner (1990), S. 73; Reinhardt (1989), S. 18. Ihrem Genossenschaftsengagement kann daher eine Vorbildfunktion für die Integration der Mitglieder zukommen, s. Koch (1991), S. 286. 530 531
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Neben diesen intrinsischen sollte jedoch nicht auf extrinsische Anreize verzichtet werden. 535 So sollte sich die Entlohnung der Geschäftsführung auch am Erfolg bei der Realisierung der Förderziele orientieren. 536 Nun hat man es bei dem Management mit einem typischen plastischen Produktionsfaktor zu tun. Doch einerseits tritt bezüglich des Management-Inputs Zentralität auf, weil es von der Qualität des genossenschaftlichen Outputs naturgemäß nicht nur nicht getrennt werden kann, sondern diesen als Träger des Leitungshandelns ganz wesentlich selbst bestimmt. Andererseits ist die Geschäftsführung insoweit peripher positioniert, als daß die Mitglieder den (Förder-)Erfolg des Managements anhand von Förderplan und Förderbericht identifizieren und eindeutig vom betriebswirtschaftlichen Ergebnis separieren können. Daher bietet sich eine Kombination aus einem Fixum (Sammelanreiz) sowie einer fördererfolgsabhängigen Vergütung (punktueller Anreiz) an.
6. Sicherung der genossenschaftlichen Identität: Die Bedeutung der Genossenschaftskultur Die spezifisch genossenschaftliche Identität war zuvor aus der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung abgeleitet worden. Die Identität der Genossenschaft ist daher davon abhängig, daß es gelingt, den Eigentums- und Nutzungsbezug auf die Mitglieder dauerhaft herauszustellen. Dies ist besonders deshalb wichtig, weil es sich bei der genossenschaftlichen um eine kollektive Identität handelt; die Identität einer Gruppe von Individuen. Eine Gruppe kann jedoch nur dann funktionieren, wenn es eine gemeinsame Auffassung bzw. Kriterien darüber gibt, wer ihr angehören soll. Für ihr positives Selbstverständnis ist somit eine klare Abgrenzung der Mitgliedschaft notwendig. 537 Während es sich bei der Identität also um den unverwechselbaren Charakter der Genossenschaft handelt, besitzt die Genossenschaftskultur einen 535 Während extrinsische Anreize von außen als Gegenleistung für erbrachte Leistungen (Beiträge) geboten werden, liegen intrinsische Anreize bereits in der Leistung (Beitrag) seIbst und kommen z.B. in persönlichen Erfolgserlebnissen (Selbstverwirklichung) zum Ausdruck. Siehe beispielsweise Herder-Dorneich (1989), S. 23/24. 536 Zur (förder-)erfolgsabhängigen Entlohnung der Manager vgl. Überlegungen bei Eickhof (1982), S. 263; laudzims (1985), S. 181-187. Neben einem Fixum orientiert sich die Vergütung dann - z.B. bei einer Verwertungs- und Absatzgenossenschaft - an der Höhe der Auszahlungsleistung. 537 Siehe hierzu die Ausführungen von Schein (1991), S. 26 u. 30; daneben Bonus (1994), S. 81.
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dienenden Zweck. Sie soll die kollektive Identität pflegen, d.h. sichtbar und - durchaus plastisch zu verstehen - begreitbar machen. Auf diese Weise vermittelt sie den Gruppenmitgliedern die der Identität zugrundeliegenden Werte und Normen, um so den Prozeß der Identifizierung zu verstärken. 538 Soll daher eine besondere Genossenschaftskultur entfaltet werden, kann sie nur dann erfolgreich sein, wenn die Genossenschaft über eine spezifische Identität verfügt. Diese ist somit zunächst zu betrachten. Bereits festgestellt wurde, daß im Zuge der voranschreitenden Nivellierung des genossenschaftlichen Rechtstyps durch Rechtsformveränderungen die Identität der Genossenschaft zumindest gefährdet ist. Wird die Rechtsform der eG den Markterfordernissen entsprechend an die genossenschaftliche Rechtstypik angepaßt, hat dies zugleich eine identitätssichernde Wirkung. Dies kann dann glaubwürdig gelingen, wenn die Genossenschaft ihre förderwirtschaftliche Zwecksetzung deutlich herausstellt. Hierzu ist es allerdings erforderlich, die Nutzungs- und Eigentumsrechte der Mitglieder wieder stärker zu betonen. Die Reform des genossenschaftlichen Organisationsmusters grenzt durch das vorgeschlagene Trennungsmodell den Verein gegen die Unternehmung ab. Nur durch diese Eigenständigkeit des Vereins ist die Rückkehr zu personenbezogenen Strukturen überhaupt möglich. Doch dann ist man in der Lage, die mitgliedschaftlichen Belange unter Ausschaltung betriebswirtschaftlicher Zwänge zu betrachten. Das Trennungsmodell ist damit nicht nur ein Weg zu einer effizienten Genossenschaftsorganisation. Zugleich geht von ihm eine identitätssteigernde Wirkung aus, weil durch die Betonung personalistischer Organisationselemente der mitgliedergewidmete Charakter der Genossenschaft wieder eindeutig kenntlich und erkennbar gemacht wird. Die spezifische Identität wird so durch die Betonung der personen gebundenen und betriebsbezogenen Form genossenschaftlicher Wirtschaft herausgestellt. Da die förderwirtschaftliche Zwecksetzung das unverzichtbare, identitätsstiftende Merkmal der Genossenschaft ist, muß zu ihrer Absicherung künftig eine näher umschriebene KlarsteIlung erfolgen. Bei dieser KlarsteIlung, was unter der färderwirtschaftlichen Zwecksetzung zu verstehen ist, kann es sich natürlich nur um eine formale Definition handeln. Die inhaltliche Festlegung kann immer nur durch die betroffenen Mitglieder erfolgen. Eine generalisierte gesetzliche Festlegung des Fördergeschäftsinhaltes würde darüber hinaus auch kaum in der Lage sein, den
5JX
Vgl. Bonus (1994), S. 8.
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sich wandelnden Förderbedürfnissen der Mitglieder gerecht zu werden. 539 Deshalb muß die Formulierung der Nutzungs- und Eigentumsrechte durch die Mitglieder wieder eindeutig den Rahmen des Genossenschaftsunternehmens bilden. Dies gewährleistet die erneuerte Rechtskonstruktion. Da die Mitglieder die Regelung der Vereinsangelegenheiten wieder unter eigener Regie vornehmen, wird es ihnen möglich, der Genossenschaftsunternehmung die konkrete (Förder)Zielsetzung vorzugeben und auf diesem Wege für sich Nutzungsrechte zu sichern. Daß die Genossenschaftsunternehmung bei der Umsetzung dieser Vorgaben frei ist, stellt für sie einen Anreiz für eine optimierte Aufgabenerfüllung dar und wirkt sich deshalb auf die Ziele der Mitglieder positiv aus. Daneben versetzt die organisationsrechtliche Trennung die Mitglieder in die Lage zurück, ihre Eigentumsrechte selbstbestimmt wahrzunehmen. Eine personenbezogene Organisationsstruktur und ein förderwirtschaftlich ausgerichtetes Zielsystem bedingen sich deshalb gegenseitig. Damit sich solchermaßen eine Identitätsstärkung einstellen kann, müssen die Organisationsmechanismen allerdings auch tatsächlich funktionieren. Dies zu unterstützen, vielleicht sogar zu garantieren, ist Aufgabe der Genossenschaftskultur. Will die Genossenschaftskultur der spezifisch genossenschaftlichen Identität Rechnung tragen, muß sie das Mitglied bzw. den Personen- und Nutzungsbezug in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen. Da diese globale Feststellung nur schwer operationalisierbar ist, bei ihrer Umsetzung aber keine zu großen Interpretationsspielräume bestehen dürfen, ist eine Institutionalisierung der Genossenschaftskultur notwendig. Soll die Identifikation der Mitglieder mit ihrer Genossenschaft, d.h. das Ausmaß der inneren Bindung gestärkt werden, muß ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zum Engagement gegeben werden. 54O Die Institutionalisierung besteht daher im erneuerten genossenschaftlichen Ehrenamt. Es bürgt für den Mitgliedereinfluß, ohne daß dadurch die betriebs wirtschaftliche Effizienz beeinträchtigt wird. Die Genossenschaftskultur ist deshalb zunächst eine Vereinskultur. Daher handelt es sich bei der Genossenschaftskultur auch nicht lediglich um eine Form der Unternehmenskultur, denn diese richtet sich an die Mitarbeiter. 54 ] Zwar wird man auch für das Genossenschaftsunternehmen 539
Vgl. Michel (1987), S. 16/17.
So Wagner (1992), S. 12/13, da zwischen Identifikation und Engagement starke positive Korrelationen bestünden. 541 Dagegen versucht Dülfer (1987), S. 27, in eine solche Untemehmenskultur die Mitglieder einzubeziehen. Dafür verwendet er das Bild der "dualistischen Untemehmenskultur". 540
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eine unverwechselbare Unternehmenskultur aufzubauen versuchen. Diese hat dabei jedoch rein instrumentalen Charakter in bezug auf die bestehende genossenschaftliche Identität; sie muß sich deshalb an diese binden. 542 Somit kann sie nicht - und das ist der Unterschied zum herkömmlichen Verständnis von Unternehmenskultur - autonom von der (genossenschaftlichen) Unternehmensleitung formuliert werden. Die Genossenschaftskultur stellt sich damit wie folgt dar: Die HeraussteIlung der genossenschaftlichen Identität bedarf in der Gruppe der Mitglieder einer Vereinskultur. Die Mitgliederwidmung wird dabei dadurch sichergestellt, daß das Ehrenamt - also Vorstand und Aufsichtsrat - in seiner Arbeit unmittelbar an den Mitgliederwillen gebunden ist. Aus dem Trennungsmodell ergibt sich, daß die genossenschaftliche Unternehmung in die förderwirtschaftliche Zwecksetzung des Vereins eingebettet werden muß. Dies bewirkt eine Kooperationskultur, mittels derer die Geschäftsführung auf die Förderziele des Vereins verpflichtet wird. An dieser "Schnittstelle" zwischen Verein und Unternehmung muß dazu die kooperative Grundhaltung des Managements durch ein funktionierendes Ehrenamt eingefordert und sozusagen "informell institutionalisiert" werden. Die Mitgliederwidmung wird so durch die Formulierung geschäftspolitischer Vorgaben gleichsam auf die Unternehmensebene "transportiert". Im Unternehmen selbst schließlich muß eine Unternehmenskultur aufgebaut werden, die die Mitarbeiter an die - mitgliedergewidmeten - Förderziele der Geschäftsführung bindet. Damit bewirkt die Verankerung des förderwirtschaftlichen Zielsystems in der Genossenschaftsunternehmung deren eindeutige Positionierung als Marktteilnehmer. Indirekt ergibt sich daraus, daß die Unternehmenskultur in der Genossenschaft so ausgerichtet ist, daß sich die Mitarbeiter statt an das (Genossenschafts-)Unternehmen - dies wäre üblicherweise der Sinn einer Unternehmenskultur - vielmehr an die Gemeinschaft der Mitglieder gebunden fühlen. 543 Auf diese Weise wird die förderwirtschaftliche Zwecksetzung der Genossenschaft auch bei ihrer betriebs wirtschaftlichen Umsetzung glaubhaft und fördert so zusätzlich das Vertrauen der Mitglieder in ihre Genossenschaft. 544 Die Besonderheit der Genossenschaftskultur besteht somit darin, das komplexe Organisationsgeflecht aus Verein und Unternehmung, MitglieSiehe auch Wiedmann (1988), S. 238; HinterhuberlWinter (1991), S. 192-194. Ein entsprechend ausgerichtetes genossenschaftliches Unternehmensleitbild schlägt Münkner (1991), S. 192-197 vor. In die gleiche Richtung zielt eine Image-Kampagne der Raiffeisen-Genossenschaften, siehe dazu o.V. [DRV] (1993b), insb. S. 30/31. 544 Falkenstein (1978), S. 18 weist darauf hin, daß sich in der Praxis sehr wohl ein Verhalten der Mitglieder in Abhängigkeit von der Förderung zeigt. 542 543
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dem und Mitarbeitern in identitäts stiftender Weise herauszustellen. 545 Aus diesem Grund ist die Genossenschaftskultur eine der Rechtstypik angemessene Verbindung aus Vereinskultur, Kooperationskultur und Unternehmenskultur. Diese Zerlegung verfolgt dabei nur den Zweck, auf den verschiedenen "Kulturebenen" unterschiedliche Gestaltungsmittel einsetzen zu können. Dabei ist jedoch nochmals darauf hinzuweisen, daß die Vereinskultur der Ausgangs- bzw. Fixpunkt der Genossenschaftskultur ist und damit das tragende Element546 darstellt. In einem solchen Verständnis ist die Genossenschaftskultur geeignet, zur spezifisch genossenschaftlichen Identitätsstiftung beizutragen. Allerdings setzt die Identifikation mit einem Objekt wie einer Genossenschaft voraus, daß dieses auch eine - erkennbare - Identität besitzt. 547 Da das der genossenschaftlichen Identität zugrundeliegende Werte- und Normensystem, d.h. das Leitbild, zunächst einmal sehr abstrakt ist, treten Personen an dessen Stelle. In der Genossenschaft symbolisieren so der Vorstand bei der Formulierung der geschäftspolitischen (Förder-) Vorgaben genauso wie die Geschäftsführung bei der Ausrichtung ihrer unternehmerischen bzw. betriebswirtschaftlichen Entscheidungen an genau diesen Vorgaben die genossenschaftlichen Grundideen und Ideale. Die Genossenschaftskultur muß deshalb von der Leitung sowohl im Verein als auch in der Unternehmung ausgehen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß sie diese Grundideen und Ideale auch glaubwürdig verkörpern. Bei der Auswahl genossenschaftlicher Manager ist dieser Sachverhalt von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit. 548
7. Perspektiven einer rechtlich neugestalteten Genossenschaft
Es ist nun zu untersuchen, welche Chancen und Risiken sich aus der grundlegenden Reform des Genossenschaftsgesetzes in der hier vorgestellten Weise ergeben. Dabei wird zunächst unterstellt, daß seitens der Mitglieder eine Kooperationsentscheidung zugunsten der genossenschaftlichen Zusammenarbeit gefallen ist. 549 Somit ist für eine Beurteilung maß545 So gesehen ist der Aufbau einer Genossenschaftskultur eine koalitionsspezifische Investition, deren Quasirente - die erhöhte Mitgliederbindung - durch das genossenschaftliche Organisationsmuster institutionell abgesichert wird. 546 So Jäger (1992a), S. 34. 547 Siehe im folgenden Wagner (1992), S. 14. 548 So Hettlage (1990), S. 147. 549 Diese Annahme wird im V. Kapitel diskutiert werden.
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geblich, ob eine Refonn des Genossenschaftsgesetzes in der vorgeschlagenen Weise den Interessen der Mitglieder besser gerecht werden kann, als dies gegenwärtig der Fall ist. Dies ist die Frage danach, ob zu erwarten ist, daß die Mitglieder eine solche Refonn überhaupt annehmen werden. Ausgangspunkt der Refonn ist, die Mitgliederwidmung als Wesensmerkmal der Genossenschaft wieder deutlich werden zu lassen. Da es hierzu erforderlich ist, die der Mitgliederwidmung zugrundeliegende förderwirtschaftliche Zwecksetzung fonnal zu verankern, müssen die Nutzungs- und Eigentumsrechte der Mitglieder gestärkt werden. Dadurch wird es gelingen, die genossenschaftliche Identität eindeutig kenntlich zu machen, denn eine solche Identität stellt auf den Verein ab und verwirklicht auf dieser Ebene die Selbstbestimmung der Mitglieder. Nur wenn diese Selbstbestimmung überzeugend sichergestellt ist, wird die Vorteilhaftigkeit der genossenschaftlichen Zusammenarbeit glaubhaft belegt werden können. Die Stärkung der Selbstverwaltung bzw. des Ehrenamtes bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes, als dem Wunsch des Individuums nach Beteiligung zu entsprechen. Diese Fonn der Teilnahme oder Teilhabe kann die Attraktivität der Genossenschaft als Organisationsfonn daher spürbar erhöhen. 55o Daneben bedeutet der wieder verstärkte Nutzerbezug auch eine Vitalisierung des Genossenschaftsunternehmens. Denn auch das Management wird in seinem Handlungsspielraum gestärkt; die Unternehmung braucht vereinsrechtlich bedingte Organisationsschwächen nicht mehr zu berücksichtigen und kann deshalb in ihrer Leistungsfähigkeit gesteigert werden. Trotzdem sorgt der Nutzerbezug für eine eindeutige Positionierung am Markt bzw. "im Konzert der Rechtsfonnen". Selbst dem Nichtmitgliedergeschäft kann dadurch dessen identitätsbedrohende Wirkung551 genommen werden. So gewinnt die besondere, nämlich förderwirtschaftliche Organisation der Integration des Unternehmens in den Verein ihre Glaubwürdigkeit zurück. Erst durch diese Wiederentdeckung der Besonderheit der genossenschaftlichen Identität wird eine spezielle Genossenschaftskultur möglich und sinnvoll; sie wird dann jedoch ihrerseits eine identitätssteigernde Wirkung entfalten können. Sie dient so als Katalysator einer besonderen (Ver-) Bindung zwischen den Mitgliedern und ihrer Genossenschaft( -sunterneh-
550 Münkner (1987), S. 16 spricht der Genossenschaft die Rolle eines Innovators bei der Entwicklung neuer, auf Selbsthilfe beruhender Formen der Zusammenarbeit von Menschen im Betrieb, in der Produktion und im Wirtschaftsleben zu. 551 Vgl. Ringle (1989), S. 208.
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mung). Die aus systematischer Sicht erforderliche Verdeutlichung der eigenständigen Rechtstypik läßt sich dann gezielt im Wettbewerb verwenden. 552 Bereits dadurch, daß sie die Leistungsfähigkeit ihrer Mitglieder steigern, fördern Kooperationen den Wettbewerb. Dabei muß es als selbstverständlich gelten, daß die Wahl einer bestimmten Rechtsform wie der der eingetragenen Genossenschaft keine wettbewerbsrechtlichen Privilegien begründet. Ebenso klar sollte es aber auch sein, daß das Wettbewerbsrecht die Eigenheiten der genossenschaftlichen Kooperation anerkennt, ohne die sie ihre wettbewerbspolitische Rolle nicht zu spielen vermag. 553 Daher können in Bezug auf die Genossenschaften die Schutzbereiche des Kartellgesetzes, also der Schutz der Handlungsfreiheit des einzelnen Markteilnehmers (Individualschutz) sowie der Schutz des Wettbewerbs in seiner Funktionsfähigkeit (Institutionenschutz) nur mit Rückgriff auf die genossenschaftliche Rechtstypik angemessen gewürdigt werden. Sogenannte genossenschafts- oder system immanente Wettbewerbsbeschränkungen, die im Zuge der Kooperation aus der verstärkten Bindung zwischen der Genossenschaft( -sunternehmung) und ihren Mitgliedern resultieren und daher wohl auch als zwangsläufig gelten müssen, erscheinen dann in einem veränderten Licht. Denn die kartellrechtliche Zulässigkeit von vertraglichen Regelungen, die die wettbewerbserheblichen Handlungsfreiheiten der Beteiligten beschränken, ist danach zu beurteilen, ob sie für die Sicherung des Zwecks und der Funktionsfähigkeit der Genossenschaft erforderlich sind. 554 Auch wenn die Genossenschaft dem Anwendungsbereich des § 1 GWB unterliegt, bedeutet eine Verstärkung der mitgliedschaftlichen Bindung nicht zwangsläufig einen wettbewerbswidrigen Tatbestand. Denn der Zweck der genossenschaftlichen Kooperation richtet sich auf die Erzielung von Effizienz- und/oder Verteilungskampfvorteilen. Hierfür sieht das GWB ausdrücklich Kooperationserleichterungen nach § 5b555 bzw. § 5C 556 vor.
552 Im Wettbewerb mit ihrer kapitalistisch organisierten Konkurrenz müssen die Genossenschaften daher auf Profilierung statt auf Anpassung setzen; so Münkner (1991), S.214. 553 Eine wettbewerbsrechtliche Würdigung der Genossenschaft als horizontale Kooperation im Vergleich zu konzentrativ-vertikalen Unternehmensverbindungen findet sich bei Beuthien (1984), S. 58. 554 Zur Immanenztheorie siehe Fuchs (1993), insb. S. 1897. V gl. dazu auch /mmengalMestmäcker (1992), § I RZ 416-419. 555 Vgl./mmengalMestmäcker (1992), § 5b RZ 9, 26. 556 Vgl./mmengalMestmäcker (1992), § 5c RZ I.
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Zudem wird eine kartellrechtliche Unbedenklichkeit unterstellt, solange die rechtliche und wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Genossen nicht beschränkt wird. 557 Dies kollidiert nicht nur nicht mit dem Gehalt der genossenschaftlichen Zusammenarbeit; diese will schließlich die Handlungsfreiheit der Mitglieder sogar noch erweitern. Nun richtet sich der Individualschutz des GWB auf das einzelne Mitglied, das - unzutreffenderweise - als gefährdet betrachtet wird. Richtig ist hingegen, daß bei einer Sicherstellung der genossenschaftlichen Rechtstypik (allerdings auch nur dann) das Mitglied des wettbewerbsrechtlichen Schutzes nicht bedarf, da es sich selbst ausreichend schützen kann. Deshalb sollte die gegenwärtige Auslegung des § Sc GWB, nach der sich auch aus Kostendeckungsklauseln558 ein mittelbarer und damit unzulässiger Bezugszwang ergibt,559 überdacht werden. Denn bislang werden auf diese Weise die Mitglieder offenbar vor sich selbst geschützt. Nun entsteht die kartellrechtliche Skepsis weniger aus der Beitragszahlung an sich, als vielmehr aus ihrer befürchteten Instrumentalisierung zur Mitgliederselektion. Unzulässig ist es demnach, ein Mitglied auszuschließen, wenn sein Umsatz mit der Genossenschaft nicht ausreicht, die hieraus entstehenden Kosten zu decken. Abgesehen davon, daß man es dann wohl eher mit einem kalkulatorischen als mit einem rechtlichen Problem zu tun hat, ist darauf hinzuweisen, daß eine Kostendeckungsklausel die individuelle Differenz aus entstandenem Aufwand und erzielten Erlösen im Leistungsverkehr mit dem einzelnen Mitglied betrifft. Der Beitragsteil des vorgeschlagenen gespaltenen Tarifes ist dagegen zwar auch eine (Fix-) Kostendeckung, allerdings wird er unabhängig vom individuellen Umfang der laufenden Geschäfte auf alle Mitglieder gleichverteilt. Daher kann sich daraus auch keine anteilige, d.h. persönlich zurechenbare, mittelbare Mindestbezugspflicht herleiten. Dies gilt selbst dann, wenn der Beitragsteil nach Größenklassen differenziert werden sollte, um dem jeweiligen Vorteilsumfang gerecht werden zu können. Solche nicht-umsatzbezogenen Kostendeckungsbeiträge läßt das Bundeskartellamt außerdem ausdrücklich zu. 560 Somit scheint es sich bei der Verwendung eines gespaltenen Tarifes durchaus um eine kartellrechtskonforme Maßnahme zu handeln.
Vgl. Immenga/Mestmäcker (1992), § 5b RZ 45. Dies ist der Beitragsteil des vorgeschlagenen gespaltenen Tarifs bei der genossenschaftlichen Preissetzung. Auf ihn kann jedoch nicht verzichtet werden, wenn die Kooperation ihre Lebensfahigkeit behalten soll. 559 Vgl. Immenga/Mestmäcker (1992), § 5c RZ 52. 560 Siehe kritisch dazu Beuthien (1978), S. 1679/1680 FN 92 m.w.N. m
558
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Durch die Wiederherstellung der Rechtstypik wird die genossenschaftliche Rechtsform überhaupt erst attraktiv bzw. zukunftsfähig. Allerdings ergeben sich die Anwendungsfelder für die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft nicht durch deren Änderungen bzw. Anpassungen; vielmehr sind wirtschaftliche Sachverhalte auf ihre Bedürfnisse nach rechtlicher Gestaltung zu untersuchen. 56' Die Ausrichtung an der Rechtstypik bedeutet deshalb auch, daß eine Genossenschaft ihrem Wesen entsprechend nur eingeschränkt - im Sinne von Funktionsbedingungen, die erfüllt sein müssen - Verwendung finden kann, wenn sie ein glaubwürdiges Organisationskonzept sein soll. Dies sicherzustellen, muß die Aufgabe des Genossenschaftsgesetzes sein. Als Anwendungsbeispiel sei für den Fall der Versorgungs genossenschaft die Winzergenossenschaft angeführt. Es handelt sich dabei um eine landwirtschaftliche Verwertungsgenossenschaft, die die Traubenanlieferung ihrer Mitglieder verarbeitet und vermarktet. Die Besonderheit des Rohstoffes liegt nun darin, daß er von seiner "Lage" abhängig und damit soll ein bestimmter Qualitätsstandard aufrecht erhalten werden - nicht beliebig austauschbar ist. Die Winzer können deshalb nicht unbegrenzt unter den Weiterverarbeitungsunternehmen wechseln; dies würde die Besonderheiten der jeweiligen Lagen zum Verschwinden bringen. Daraus ergeben sich jeweils natürliche Regionalmonopole. Da die Bedienungskapazität des vorhandenen (Genossenschafts-)Unternehmens dann durch zusätzliche Nutzer ohne spürbare Einbußen für die bisherigen besser ausgelastet werden kann, liegt die Inanspruchnahme der genossenschaftlichen Einrichtungen zu Grenzkosten im Interesse aller Beteiligter. Aus diesem Grund erweist sich der gemischte Tarif als wohlfahrtsoptimal. Eine vergleichbare Situation ist für den Typ der integrierten Genossenschaft denkbar. Es sei angenommen, daß es sich dabei um eine Dienstleistungsgenossenschaft handelt, die spezifische Serviceleistungen z.B. im Bereich der Elektronischen Datenverarbeitung, für ihre Mitglieder erbringt. Die Erarbeitung eines solchen Know-hows besitzt einen (Klub-) Kollektivgutcharakter, da sie von Abnutzung frei ist und unbeschränkt verbreitet werden kann. Auch hier handelt es sich dann um ein natürliches Monopol. Da das zur Verfügung stehende Wissen unbeschränkt vielen zusätzlichen Nutzern zugänglich gemacht werden kann, ist es effizient, sie dieses Klubkollektivgut nur zu Grenzkosten nutzen zu lassen. Das spricht wiederum für die Anwendung des gespaltenen Tarifes, um mittels des Beitragsteils die einmaligen (Fix-)Kosten der Erarbeitung des Know-hows zu decken. 561
Vgl. Biedenkopf(1984), S. 43; ähnlich auch Sperling (1984), S. 39.
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
11. Die Alternative: Schaffung eines neuen Rechtstyps wirtschaftlicher Kooperation: "Die Kooperationsgesellschaft"
I. Berücksichtigung der Besonderheiten der betroffenen Märkte
Wenn bislang die Rechtsfonn der eingetragenen Genossenschaft als Organisationskleid förderwirtschaftlicher Zusammenarbeit zu eng wurde, ist stets mit einem Rechtsfonnwandel auf die sich zeigenden Unzulänglichkeiten und Probleme der Genossenschaft reagiert worden. Die rechtstypischen Überlegungen des 3. Kapitels haben jedoch gezeigt, daß ein Rechtsfonnwandel - vor allem in eine Aktiengesellschaft - nur die konsequente Anpassung der Rechtsfonn an eine untypisch gewordene Genossenschaft darstellen kann. Bewahrt die Genossenschaft dagegen ihre förderwirtschaftliche Ausrichtung, ist ein lediglich aus Organisationsmängein begründeter Rechtsfonnwandel problematisch, da wesentliche genossenschaftliche Charakteristika nicht aufrechterhalten werden können; dies zeigt sich in der Praxis immer wieder. Nun kann sich der Rechtsrahmen der eingetragenen Genossenschaft auch nach einer grundlegenden Refonn - trotzdem als nicht geeignet erweisen, dem Verlangen der Mitglieder nach Kooperation gerecht zu werden. Dann liegt der Schluß nahe, daß es sich bei einer solchen förderwirtschaftlich ausgerichteten Betätigung um etwas materiell anderes als bei der "herkömmlichen" Förderwirtschaft der Genossenschaft handelt. Diese Unterschiede sind daher im folgenden darauf zu untersuchen, ob sie das Wesen der Genossenschaft soweit verändern, daß daraus ein neuer Rechtstyp entstehen könnte. Denkbar sind mehrere Ursachen, weshalb der genossenschaftliche Zusammenschluß an seine Grenzen stoßen kann. Sie können zunächst in der Gruppe der Mitglieder, d.h. der Vereinsebene ausgemacht werden. Insbesondere die Entwicklung zur großen Gruppe kann eine vereinsmäßige Organisationsweise "technisch" unmöglich machen. 562 Verbindet sich dies mit einer Heterogenisierung der Mitgliederstruktur, kann die Divergenz der jeweiligen Interessen die Gleichgewichtsfahigkeit der Genossenschaft als Verein dauerhaft beenden: Weil sich die Kooperationsbedürfnisse aus562 Dem widerspricht nicht das Ergebnis der Untersuchung von Münkner (1991), S. 213, daß es "keinen zwangsläufigen Kausalzusammenhang zwischen zunehmender Größe der Genossenschaft und abnehmender Mitgliederbindung gibt". Denn die Mitgliederbindung entsteht erst als Folge des vereinsmäßigen Zusammenschlusses. Wird ihre Veränderung in Fonn einer Zu- bzw. Abnahme beurteilt, so setzt dies voraus, daß ein solcher Verein überhaupt funktioniert. Doch diese Annahme kann man nicht generell als erfüllt unterstellen.
11. Die "Kooperationsgesellschaft"
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einander entwickeln, wird eine Einigung auf den - gemeinsamen - Inhalt der Kooperation und damit der Kooperationsvorteil schlechthin infrage gestellt. Nicht zuletzt deswegen haben z.B. die Garant Schuh eG oder auch die Kau/ring eG ihre Rechtsform verlassen - die Vereinsstruktur erwies sich als nicht mehr tragfähig. 563 Dies führt zu einem veränderten Verhältnis zwischen dem einzelnen Mitglied und der Genossenschaft, das z.B. in einem geringeren Interesse bzw. einer nachlassenden Beteiligung zum Ausdruck kommt. 564 Zunehmend entfremden sich die Mitglieder untereinander, obwohl weiterhin die genossenschaftlichen Leistungen nachgefragt und auch benötigt werden; die Wahrnehmung der Nutzungs- und der Eigentumsrechte entwickelt sich also auseinander. Daneben sind auch qualitative Unterschiede in den Leistungsbeziehungen zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern auszumachen. Sie treten dort auf, wo sich die unmittelbare Abhängigkeit der Mitglieder im Zuge der Marktentwicklung zwar stark reduziert hat, ohne aber vollständig geschwunden zu sein. Dadurch verändert sich die Genossenschaft: Während das Genossenschaftsunternehmen Leistungen für die Mitglieder bereithält, ist es nicht zwangsläufig, daß diese auch abgenommen werden. Die förderwirtschaftliche Zwecksetzung schlägt sich dann nicht mehr in einer gegenseitigen Verzahnung, einer Betriebsbeteiligung der Mitglieder nieder. Als Alternative zum Rechtsformwechsel hätte in einigen dieser Fälle jedoch auch eine Aufspaltung in homogenere Teilgenossenschaften sinnvoll sein können. Denn die Interessendivergenzen sind oft dadurch zu erklären, daß sich aus dem jeweils unterschiedlichen Geschäftsumfang der einzelnen Mitglieder zwar differierende Grenzkosten ergeben, trotzdem aber einheitliche Preise angesetzt werden. Mit einer größenklassenorientierten Aufspaltung wäre es möglich, dieses Problem der Quersubventionierung zu überwinden. Andererseits können die Markt- und Wettbewerbsstrukturen bei der genossenschaftlichen Unternehmung zu Zwängen führen, die deren Verselbständigung gegenüber dem Verein und damit auch den Mitgliedern erfordern. Dies trifft vor allem dort zu, wo betriebswirtschaftliche Zwänge einen hohen Kapitalbedarf - beispielsweise im Bereich der industriellen Produktion - nach sich ziehen, dem die genossenschaftliche Bereitstellung von Beteiligungskapital nicht gerecht wird. Dadurch rücken Kapitalinteressen immer stärker in den Vordergrund. So begründete z.B. die Nordwest 563
564
Siehe dazu o.y. [HB] (1988). Vgl. auch Gehert (1981). S. 176.
12 Bialck
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
Eisen- und Metallwaren eG den Rechtsfonnwechsel mit der Notwendigkeit, die Eigenkapitalbasis in einem Umfang stabilisieren und erweitern zu müssen, der die Möglichkeiten der Mitgliederwirtschaften übersteige. 565 Weiterhin kann die Ausschöpfung von Größen- und/oder Verbundvorteilen zum Aufbau entsprechender Unternehmenskapazitäten führen. Die Folge wäre, daß das Unternehmen eigene Interessen verfolgt oder aus den Marktkonstellationen heraus auch verfolgen muß, ohne daß dies automatisch zu Konflikten mit den Mitgliedern führt. Einen solchen - autonomen - Handlungsspielraum für das Genossenschaftsunternehmen sieht beispielsweise das Management der Schuh-Einkaufsvereinigung Nord-West-Ring eG als erforderlich an, um auf Dauer die Überlebensfähigkeit der Kooperation gegenüber vertikal integrierten Großunternehmen zu sichern. 566
Damit sind zwei Situationen identifiziert, in denen die herkömmliche genossenschaftliche Organisationsweise an ihre Grenzen stößt. Erstens kann der Verein als Personengruppe zu groß werden. Die Kooperation der Mitglieder ist dann nicht mehr in der Lage, das Genossenschaftsunternehmen in den Verein und seine Fördererwartungen einzubinden. Daneben kann sich beim Unternehmen selbst - Z.B. aus produktionstechnischen Gründen - ein solcher Zwang zur Größe einstellen, daß es den Verein in seiner Rolle als Träger des Unternehmens überfordert. Auch in diesem Fall ist die vertikale Integration des Unternehmens nicht mehr gewährleistet. Bei beiden Entwicklungen hat man es mit größenstrukturellen, d.h. quantitativen, Erscheinungen zu tun, bei denen die Vorteilhaftigkeit bzw. die ursprünglichen Bestimmungsgründe von Kooperation und Integration nicht berührt zu sein brauchen. Deshalb ergeben sie sich - wie bereits ausgeführt - auch unabhängig vom Strukturtyp. Zweitens kann die Marktsituation die ursprünglichen Kooperationsvorteile so verändern, daß sie nur noch unter modifizierten organisatorischen Arrangements erzielbar sind. Insbesondere aufgrund der bestehenden asymmetrischen Infonnationsverteilung erscheint es den Mitgliedern als Kooperationsteilnehmern immer weniger als möglich (vor allem bei der integrierten Genossenschaft), den Kooperationsinhalt und damit ihre Fördererwartung selbst zu fonnulieren. Da die Mitglieder also das Zielsystem der Genossenschaftsunternehmung nicht mehr vollständig definieren können oder wollen, besetzt das Unternehmen selbst diesen Freiraum. Damit wird die Grenze der genossenschaftlichen Rechtstypik überschritten. die
Siehe dazu die Ausführungen im Geschäftsbericht 1991, S. 8/9. Vgl. die entsprechenden Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden; o.V. [BackBusiness] (1993), S. 19/20. 565
566
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einen derartigen autonomen Handlungsspielraum des genossenschaftlichen Unternehmens nicht kennt. Beiden Sachverhalten ist gemeinsam, daß sie nach wie vor Kooperation und Integration umfassen. Allerdings unterliegt deren Organisation einem Wandel, der sich in einer veränderten Interpretation von Förderwirtschaftlichkeit niederschlägt. Die das Wesen der Genossenschaft determinierenden Organisationsmerkmale, d.h. die Wahrnehmung von Anreiz- und Kontrollvorteilen, sind nicht mehr im ursprünglichen Umfang gewährleistet. Bei den Mitgliedern deutet eine veränderte Abhängigkeit, aber auch ein Sinken des Interesses und der persönlichen Beteiligung darauf hin, daß die Anreizvorteile nicht mehr funktionieren. Dies geht einher mit einer Entwicklung, die auch die ursprünglichen Kontrollvorteile, die die genossenschaftliche Zusammenarbeit ermöglicht, nicht mehr wirksam werden läßt. Große Gruppen, also Genossenschaften mit hohen Mitgliederzahlen, gefährden die Funktionsfähigkeit der repräsentativen Demokratie, wie sie in der Entscheidungsdelegation an die Organe niedergelegt ist. Das Ehrenamt ist nicht mehr unmittelbar an die Mitgliederbasis gebunden; es kann sich verselbständigen. Wenn sich nun schon der Verein der genossenschaftlichen Organisationsweise entzieht, erscheint die Einbettung des Unternehmens in den Verein erst recht als unmöglich. Dabei kommt noch hinzu, daß die Unternehmung infolge ihres Wachstums ein Eigenleben entwickeln kann, das sich der Beeinflussung von außen - und hierzu zählen dann auch die nicht-hauptamtlich dem Unternehmen angehörenden Mitgliedervertreter - verschließt. In der Genossenschaft wird die wesensbestimmende Mitgliederwidmung aus der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung hergeleitet. Da diese durch das besondere Organisationsmuster aus Anreiz- und Kontrollmechanismen gewährleistet wird, bedeutet deren faktische Unmöglichkeit, daß auch die Mitgliederwidmung in der herkömmlichen Interpretation nicht mehr sichergestellt werden kann. Soll daher an einer mitgliedergewidmeten Gesellschaftsform festgehalten werden, ist die ihr zugrundeliegende Förderwirtschaftlichkeit organisatorisch anders zu fassen. Die förderwirtschaftliche Zwecksetzung kann dann nur noch ein Teil des Zielsystems sein. Stellt man sich ein solches Zielsystem als eine Skala vor, so wäre diese von den beiden Polen "Förderwirtschaft" und "Erwerbswirtschaft" sowie einem dazwischen liegenden Raum beschrieben. Der "Fördergrad" gibt nun an, inwieweit bzw. in welchem Ausmaß eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung verfolgt wird; dies kommt in einem Wert zwischen 1 und 0 zum Ausdruck. Danach ergibt sich für eine Genossenschaft ein Fördergrad 12*
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
von 1, für eine erwerbswirtschaftliche Unternehmung dagegen ein solcher von O. Somit wird sich die hier betrachtete Kooperation hinsichtlich ihres Fördergrades zwischen diesen beiden Polen bewegen. Der Nutzungs- und Eigentumsbezug der Mitglieder muß hierauf entsprechend abgestellt werden. Dies spricht für eine stärker formalisierte Organisation, bei der an die Stelle des personalen verstärkt das institutionelle - nicht unbedingt also das kapitalmäßige - Element tritt.
Förderwirtschaftlich
Erwerbswirtschaftlich Zielsystem
Abbildung 6: Zielsystemskala
Die Definition eines Fördergrades drückt deshalb inhaltlich das gleiche Phänomen aus, das verschiedentlich als "mittelbare Förderung" bezeichnet wird. 567 Doch während es dabei um die Aufnahme von erwerbs wirtschaftlichen Elementen in das genossenschaftliche Zielsystem geht, wird an dieser Stelle aus Gründen der Glaubwürdigkeit für einen eigenständigen Rechtstyp plädiert, sobald sich förder- und erwerbswirtschaftliche Ziele verbinden sollen. Ein solcher neuer Rechtstyp ist darüber hinaus erforderlich, um mittels geeigneter organisationsrechtlicher Regelungen die Aufrechterhaltung der Mitgliederwidmung sicherzustellen. Dieser neue Rechtstyp soll im folgenden als "Kooperationsgesellschaft" bezeichnet werden.
2. Horizontale Kooperation und vertikale Integration
Das Ziel system der Kooperationsgesellschaft ist eine Folge davon, daß sich die Inhalte bzw. Bedeutung der Kooperation und Integration für die Mitglieder gewandelt haben. Diese Änderungen sind zunächst zu untersuchen, um im weiteren den Versuch einer organisationsrechtlichen Einfassung zu unternehmen. Anders als die Genossenschaft ist die Kooperationsgesellschaft kein Verein mit Unternehmung. Sie ist vielmehr eine reine Unternehmung. Allerdings ist - in Abgrenzung zu den Kapitalgesellschaf167
Siehe z.B. Mänd/e (1986), S. 16-18.
11. Die "Kooperationsgesellschaft"
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ten - das besondere Kennzeichen ihrer wirtschaftlichen Betätigung die Orientierung an ihren Mitgliedern bzw. Eigentümern. Das Erfordernis zur Kooperation existiert - analog zur Genossenschaft - auch in der Kooperationsgesellschaft. Es muß allerdings neu interpretiert werden. Zwar verschafft die Kooperation den Mitgliedern auch weiterhin Größen- und Verbundvorteile; aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen, höherentwickelter Märkte sowie einer verschärften Konkurrenzsituation finden sich jedoch auch andere institutionelle Möglichkeiten für deren Erzielung. Die Umsetzung von Größen- und Verbundvorteilen allein in einer quantitativen Dimension ist als Beweggrund für eine wirtschaftliche Kooperation unzureichend; es muß eine qualitative Dimension hinzutreten. Erst diese Erweiterung im Gehalt der Kooperation ist geeignet, auch künftig eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung bzw. Ausrichtung aufrechtzuerhalten. Der Vorteil der Kooperationsgesellschaft liegt dann darin, daß sie ihren Nutzern ein autonom erarbeitetes Leistungsprogramm zur Verfügung stellen kann. Damit stellt sie eine institutionelle Alternative zur Großgenossenschaft, insbesondere für den Typ der integrierten Genossenschaft, dar. Zwar würde auch weiterhin ein (Kontroll-)Verein benötigt, aus den bereits dargelegten Gründen funktioniert dieser jedoch nicht. Hinzu kommt, daß ein autonomer Handlungsspielraum es dem Genossenschaftsunternehmen ermöglicht, selbständig neue Kooperationsvorteile zu erarbeiten und dadurch zwar anstelle der Mitglieder, aber doch in deren Interesse das Zielsystem zu formulieren. Denn die integrierte Genossenschaft kann die Vorteilhaftigkeit der Kooperation gerade erst dann entfalten, wenn sie ihren Mitgliedern gegenüber eigenständig agieren kann. Da es dazu eines schlagkräftigen Gruppenmanagements bedarf, drückt sich die delegierte Förderung568 konkret darin aus, daß das Genossenschaftsunternehmen zumindest teilweise - den Kooperationsteilnehmern auch das Zielsystem vorgeben bzw. vorschlagen kann. In beiden Fällen ist die Kooperation daher nur dauerhaft überlebensfähig, wenn das gemeinschaftliche Unternehmen verselbständigt wird doch genau dies versagt die genossenschaftliche Rechtstypik. Im Gegensatz zur Genossenschaft kooperieren die Mitglieder also nicht mehr auf dem Wege der direkten Selbsthilfe; vielmehr greifen sie zu einem Mittel der indirekten Selbsthilfe. Dies schlägt sich darin nieder, daß die Kooperationsgesellschaft zwar von den Mitgliedern getragen und kontrolliert wird, als Unternehmen aber trotzdem über einen autonomen Handlungsspiel568
Siehe oben, S. 108.
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raum verfügt. Denn sie selbst und nicht mehr die Mitglieder formuliert ihre Geschäftspolitik und damit - zumindest teilweise - auch die Förderziele. Das neue Moment dieser Kooperationsform liegt deshalb darin, daß die Kollektivvorteile von der Kooperationsgesellschaft als "Verbundkopf' unter Rückgriff auf die Mitgliederebene zunächst identifiziert und dann in ein entsprechendes Leistungsprogramm umgesetzt werden;569 dabei sind die Mitglieder in der Leistungsabnahme frei. Die rein horizontale Kooperation findet deshalb nur noch auf der trägerschaftlichen Ebene statt; auf der güter- bzw. realwirtschaftlichen wandelt sie sich zu einer Form der vertikalen Kooperation. Durch diese Konstruktion erlangt die Kooperationsgesellschaft den Charakter einer gemischt horizontal-vertikalen Kooperation. Wie in der Genossenschaft verkörpert das horizontale Element die förderwirtschaftliche Ausrichtung. Hinzu tritt jedoch darüber hinaus eine vertikale Komponente, die das erwerbs wirtschaftliche Moment darstellt. Dies unterscheidet die Kooperationsgesellschaft von rein vertikalen - und auch ausschließlich erwerbswirtschaftlich orientierten - Kooperationsformen wie z.B. dem Franchising. Hierzu muß die Kooperationsgesellschaft allerdings eigenständig handeln können; dies ist der Grund für die Verselbständigung des Unternehmens seinen Mitgliedern gegenüber. Diese Verselbständigung ist die Konsequenz einer veränderten Auffassung von Selbsthilfe. Die horizontale Kooperation, d.h. der bloße Zusammenschluß der Wirtschafts subjekte derselben Wirtschaftsstufe, kann kaum noch Kollektivvorteile vermitteln. Dies ist nur marktstufenübergreifend möglich, wobei die gegenüberliegende Marktstufe nicht lediglich - wie in der Genossenschaft - von den Mitgliedern besetzt werden kann, sondern autonom handeln muß. Erst dadurch wird der Weg zur vertikalen Kooperation frei. Die zurückgehende Bedeutung der horizontalen Kooperation führt dann auch zu neuen Überlegungen hinsichtlich der vertikalen Integration. War diese ursprünglich vorgenommen worden, um auf dem Wege einer Einbindung des Genossenschaftsunternehmens in den Verein und damit in die Mitgliederwirtschaften Effizienz- und Bindungsvorteile wahrnehmen zu können, sind diese Vorteile wegen der veränderten Marktsituation nicht mehr möglich oder nötig. Der Grad der Integration des vom Verein betriebenen Unternehmens in die Mitgliederwirtschaften nimmt ab; die vertikale Kooperation tritt somit an die Stelle der vertikalen Integration. Die Verselbständigung der Kooperationsgesellschaft als Unternehmen ist die Folge eines abnehmenden Fördergrades und gleichzeitig die Vor569
131.
Siehe zu dieser "Richtungsumkehr" der Aktivitäten auch Grosskopf (1989), S.
11. Die "Kooperationsgesellschaft"
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aussetzung, um die horizontale (in der Trägerschaft) und die vertikale (in den Leistungsbeziehungen) Kooperation miteinander verbinden zu können. Ihr Ziel system weist die Kooperationsgesellschaft als eine auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder zweckgerichtete Gesellschaftsform aus. Dies macht ihren personenbezogenen Charakter aus. Trotzdem verfolgt sie auch eigene Interessen. Diese erklären sich aus dem veränderten Verhältnis der Mitgliederbeziehungen, also daraus, daß die Kooperationsgesellschaft über einen autonomen Handlungsspielraum - unabhängig von ihren Mitgliedern - verfügt. Doch besitzen diese eigenen Interessen keinen Eigenwert, sondern ergeben ihren Sinn aus dem veränderten Inhalt der Förderwirtschaftlichkeit, demzufolge zu ihrer Aufrechterhaltung ein eigennützig agierendes Unternehmen notwendig ist. Ein weiterer Unternehmenszweck besteht daher in der Verfolgung eigener Interessen der Kooperationsgesellschaft; dies markiert ihren kapitalbezogenen Charakter.
3. Mitgliederwidmung einer verbundwirtschaftlichen Kooperation
Die Kooperationsgesellschaft ist ein förderwirtschaftlicher Rechtstyp. Sie besitzt daher wie die Genossenschaft das Wesensmerkmal der Mitgliederwidmung, das in seiner Ausgestaltung jedoch dem erwerbswirtschaftlichen Organisationsmuster angenähert ist. Dies kommt ähnlich der Genossenschaft in der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung zum Ausdruck; der wesentliche Unterschied besteht jedoch in ihrem materiellen Gehalt. Der andere Grad an Förderwirtschaftlichkeit schlägt sich in der Kooperationsgesellschaft in der veränderten Ausgestaltung der Nutzungsrechte durch die Mitglieder nieder. Angesichts der Marktsituation bzw. Wettbewerbslage ist die übliche Form der genossenschaftlichen Selbsthilfe in der Großgenossenschaft nicht mehr möglich. Im Gegensatz zu einer erwerbswirtschaftlichen Unternehmung besteht auf Seiten der Mitglieder wie auch der der Kooperationsgesellschaft allerdings weiterhin ein Bedürfnis nach Erzielung von Kollektivvorteilen. Nur geht die Initiative hierzu nicht mehr von der Ebene der Mitglieder, sondern von der Kooperationsgesellschaft aus. Die Nutzungsrechte der Mitglieder bekommen deshalb eine neue Qualität. Sie haben zwar nach wie vor die Möglichkeit, das Leistungsprogramm der Kooperationsgesellschaft zum eigenen Vorteil in Anspruch zu nehmen. Da die Nutzer - genauso wie im Falle der Genossenschaft - die Trägerschaft an der Kooperationsgesellschaft in Form einer horizontalen Kooperation organisieren, handelt es sich deshalb auch weiterhin um mitgliedschaftliche Geschäftsbeziehungen und noch nicht um Marktbeziehungen.
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Die Definition bzw. inhaltliche Festlegung dieser Nutzungsrechte obliegt dagegen der Kooperationsgesellschaft. Das gemeinsame Handeln der Mitglieder erfährt dadurch eine vertikale Komponente; dies ist aber nur bei einem entsprechenden Handlungsspielraum der Kooperationsgesellschaft möglich. Sie muß daher in der Lage sein, auch eigene Strategien zu verfolgen, die den Vorteil des Betriebsverbundes aus der Kooperationsgesellschaft und den Mitgliederwirtschaften im Blickfeld haben. Diese unabhängig von den Mitgliedern formulierte Geschäftspolitik wirkt sich im Zuge des verbundwirtschaftlichen Gesamterfolges quasi indirekt, oder besser "durchgeleitet" auch zum Vorteil der Mitgliederwirtschaften aus. Denn die Kooperationsgesellschaft wird nur dann erfolgreich sein, wenn es auch ihre Mitglieder sind; diese sind wiederum des eigenen Vorteiles wegen an einer erfolgreichen Kooperationsgesellschaft interessiert. Daher werden die Nutzungsrechte von der Kooperationsgesellschaft definiert; dabei entspricht dem eigenen Interesse die Berücksichtigung der Mitgliederinteressen und umgekehrt. Deshalb ist es auch angebracht, von einem veränderten Grad an Förderwirtschaftlichkeit zu sprechen. Der genossenschaftliche Selbsthilfegedanke erfährt eine Abschwächung; entsprechend verändern sich auch die Prinzipien der Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Dies kommt in der Ausgestaltung der Eigentumsrechte zum Ausdruck. In dem Maße, wie das hergebrachte Verständnis der Förderwirtschaftlichkeit in den Nutzungsrechten umgestaltet wird, nähern sich auch die Eigentumsrechte einem kapitalorientierten bzw. erwerbswirtschaftlichen Muster an. Ähnlich der Kapitalgesellschaft ist die Basis des kooperationsgesellschaftlichen Mitgliedschaftsverhältnisses eine Kapitalbeteiligung. Diese berechtigt das Mitglied nicht nur zur Nutzung des Leistungsprogramms, sondern auch zur Mitwirkung in der Kooperationsgesellschaft. Diese Mitwirkung bezieht sich vor allem auf eine Einflußnahme bei der Gestaltung der Nutzungsrechte. Im Gegensatz zum genossenschaftlichen Prinzip der Selbstverwaltung kann man allerdings nur noch von einer Partizipation der Mitglieder sprechen. 57o Diesbezüglich sind zwei unterschiedliche Ansätze denkbar. Der Ausgangspunkt ist die Überlegung, daß im Interesse einer effizienten Unternehmensführung eine Selbstorganschaft nicht sinnvoll ist. Auf570 Unter dem Begriff "Partizipation" versteht man eine Form sozialer Beziehungen, die durch ein hohes Ausmaß wechselseitiger Beeinflussung charakterisiert wird; vgl. zu dieser Definition Fürstenher/? (1983), insb. S. 107. Partizipation bedeutet daher zunächst nur eine Mitwirkung, nicht aber auch eine Mitbestimmung des Partizipierenden im Entscheidungsprozeß. Siehe dazu auch gleichlautend Glat::ner (1990), S. 213.
H. Die "Kooperationsgesellschaft"
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grund des abgeschwächten Selbsthilfecharakters der Kooperation erscheint sie auch nicht mehr notwendig. Wird daher einer Fremd- bzw. Drittorganschaft der Vorzug gegeben, so muß die Mitgliederwidmung institutionell verankert werden. Möglich wäre dies in bewußter Anlehnung an die Regelungen bezüglich der Arbeitnehmennitbestimmung. Im Vorstand könnte analog zum Arbeitsdirektor die Position eines "Mitgliederdirektors" geschaffen werden. Dort hätte er die auf das Leistungsprogramm bzw. die Nutzungsrechte gerichteten Belange der Mitglieder zu vertreten. Er kann, muß aber nicht der Gruppe der Mitglieder entstammen; da er nur im Einvernehmen mit ihnen bestellt und jederzeit von ihnen abberufen werden kann, ist das entscheidende "Qualifikationskriterium" das gegenseitige Vertrauensverhältnis. Unter Rückgriff auf die im Regelfall bei mittleren bis größeren Unternehmen obligatorische Drittelparität im Aufsichtsrat könnte die Mitgliederrepräsentanz durch eine Regelung gesichert werden, nach der mindestens ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder, d.h. die Hälfte der Kapitalvertreter, der Gruppe der Mitglieder anzugehören haben. Für das letzte Drittel könnten dann externe Fachleute, sog. "Aufsichtsratsprofis" , entsprechend den Gepflogenheiten bei den Kapitalgesellschaften vorgesehen werden. Auf diese Weise würde man den Unternehmens- wie den Mitgliederbelangen gerecht. Der alternative Weg wäre ein Verzicht auf eine vorgeschriebene Mitgliederrepräsentanz in den Organen Vorstand und Aufsichtsrat. Stattdessen wäre ein Organ "Mitgliederrat,,571 zu schaffen. Dieses wäre dann das alleinige Forum für die Vertretung der Mitgliederbelange in der Kooperationsgesellschaft. Anders als der Aufsichtsrat hat der Mitgliederrat jedoch nicht die Tatigkeit des Vorstandes zu überwachen. Angesichts der Notwendigkeit einer materiellen Gestaltungsfreiheit für den Vorstand kann der Mitgliederrat nur ein Konsultationsgremium sein. Doch je besser die Mitgliederbindung in der Kooperationsgesellschaft organisiert ist, desto gewichtiger werden seine Äußerungen ausfallen und vom Vorstand im eigenen Interesse aufgenommen werden. Die kapitalorientierte Komponente ergibt sich aus den Marktgegebenheiten, die für die Kooperationsgesellschaft nach einer gesicherten Eigenkapitalbasis verlangt. Da dieser Rechtstyp nur ab einem größeren Geschäftsumfang bzw. bei einem höheren Kapitalbedarf der Kooperation Verwendung finden wird, ist im Unternehmensinteresse ein festes Grund571 Der Vorschlag eines Mitgliederrates mit einem vergleichbaren Aufgabengebiet, allerdings auf Genossenschaften bezogen, findet sich bei Albertz (1978), S. 244.
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kapital vorzusehen. Dies wäre in gleich große Anteile zu stückeln. Jedes Mitglied hat dann einen Anteil zu erwerben, an den die Mitgliedschaftsrechte gebunden sind. Der freie Ein- und Austritt von Mitgliedern soll durch eine möglichst hohe Fungibilität der Anteile gesichert werden; Kauf- bzw. Verkaufsbeschränkungen, also etwa Vinkulierungen, sind ausgeschlossen. Daher kann der Anteilsbesitz auch bei Gesellschaftern liegen, die kein Interesse an den Leistungen der Kooperationsgesellschaft, sondern ausschließlich ein Kapitalverwertungsinteresse haben. Diese Gruppe von Gesellschaftern soll in Abgrenzung zu den nutzungsinteressierten Mitgliedern als renditeinteressierte Mitglieder bezeichnet werden. Die Anteilskonstruktion ermöglicht es, die Mitglieder ähnlich der aktienrechtlichen Regelung am inneren Wert der Gesellschaft zu beteiligen. Der Marktwert der Anteile wird daher in Höhe der proportionalen Zurechnung des Vermögens der Gesellschaft über dem Nominalwert liegen. Bei einem Mitgliederwechsel erleiden die Verkäufer keinen Vermögensnachteil, die Käufer zahlen einen Ausgleich in Form eines "Eintrittsgeldes" für die bislang aufgebauten Vermögenswerte und die Kooperationsgesellschaft erleidet keinen Vermögensabzug. Ähnlich ist bei einer Kapitalerhöhung zu verfahren. Das Agio muß dabei exakt eine solche Höhe aufweisen, daß sich Alt- und Neumitglieder nach der Kapitalerhöhung vermögensmäßig genauso stehen wie die Altmitglieder vor dieser Maßnahme. Trotz dieser Ähnlichkeit mit der aktienrechtlichen Konstruktion tritt das Kapitalverwertungsinteresse in den Hintergrund. Zwar erhalten die Mitglieder für die Hergabe ihrer Einlage ein Entgelt; dies hat jedoch nicht den Charakter einer Dividende. Denn die Kooperationsgesellschaft schüttet keine Gewinne aus. Vielmehr erfolgt eine Zubuchung in das Vermögen der Gesellschaft, also in das Eigenkapital oder in die Rücklagen. Für die Mitglieder ist dies von untergeordneter Bedeutung; in bei den Fällen steigt der Marktwert ihrer Anteile. Durch diese Konstruktion ist es möglich, auch außerhalb des Nutzerkreises renditeinteressierte Mitglieder zu gewinnen. Da diese definitionsgemäß an der Inanspruchnahme der Leistungen der Kooperationsgesellschaft nicht interessiert sind, werden sie eine Kapitaleinlage nur bei einer attraktiven Rendite vornehmen. Dies würde mit den Interessen derjenigen Mitglieder kollidieren, deren "Rendite" vor allem in den Förderleistungen der Kooperationsgesellschaft besteht. Über die Beteiligung am inneren Wert ist beiden Gruppen gedient. Durch die Zu schreibung der Gewinne müssen die renditeinteressierten Mitglieder lediglich einen Liquiditätsaufschub in Kauf nehmen; ansonsten sind sie jederzeit in der Lage, ihre Anteile zu veräußern und auf diesem Wege die bis dahin aufgelaufenen
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Gewinnanteile zu realisieren. Für die Nutzer-Mitglieder ist dieser Grad an Erwerbswirtschaftlichkeit tragbar, da Gewinne nicht für Ausschüttungsmaßnahmen, sondern ausschließlich zur Stärkung der Kooperationsgesellschaft mittels Thesaurierung angestrebt werden. Damit betreibt die Kooperationsgesellschaft die Gewinnerzielungspolitik nur als Mittel der Förderwirtschaftlichkeit. 572 Hinsichtlich der Verwaltungsrechte kann diese Ausprägung der Förderwirtschaftlichkeit dadurch abgesichert werden, daß - ausgehend von einem Basisstimmrecht für jeden Anteil - die Gewichtung der Stimmrechte in Abhängigkeit von der Betriebsbeteiligung, also der Inanspruchnahme der Leistungen der Kooperationsgesellschaft durch die Mitglieder, erfolgt. 573 Zusätzlich ist denkbar, die Mitgliederwidmung der Kooperationsgesellschaft dadurch herauszustellen, daß die Kompetenz zur Bestellung von Mitgliedervertretern in Vorstand, Aufsichtsrat bzw. Mitgliederrat der Gruppe der Nutzer-Mitglieder vorbehalten bleibt. So können sie in ihren spezifischen Interessen vor einer Majorisierung durch reine Investoren geschützt werden, und gleichzeitig werden die Kapitalverwertungsinteressen dieser renditeorientierten Mitglieder durch die "Gleichverteilung" der Gewinne gewahrt. Dieses Organisationsmuster verbindet daher personen- und kapitalbezogene Elemente. Die veränderte Gewichtung beider Elemente hat allerdings zur Folge, daß auch das Nichtmitgliedergeschäft einer neuen Einschätzung unterzogen werden kann. In der Genossenschaft sehen die Mitglieder den Sinn einer Beibehaltung ihrer Mitgliedschaft dann in Frage gestellt, wenn Mitglieder und Nichtmitglieder nicht unterschiedlich behandelt werden. Denn das Entgelt bzw. der Anreiz für die Hingabe ihres Beitrages - u.a. des Geschäftsguthabens - besteht nur in der Gewährung von Leistungen der Genossenschaft, da eine reine Kapitaldividende ausgeschlossen ist. Genau diese Leistungen erhalten die Kunden der Genossenschaft jedoch auch ohne eine Mitgliedschaft. In der Kooperationsgesellschaft ist es dagegen möglich, das Nichtmitgliedergeschäft ohne diese identitätsgefährdende Wirkung 574 zu betreiben. Denn einerseits ist es möglich, den Mitgliedern im Zuge der vertikalen Kooperation Vorteile zu verschaffen, die Nichtmitglieder nicht erhalten können. Andererseits fallen durch die Lei572 Da die Kapitalgesellschaft in der Regel die formalen Ziele "verdienen" und "Verdienstquelle sichern", die Genossenschaft hingegen das materielle Ziel "fördern" verfolgt, kann man bei der Kooperationsgesellschaft das materielle Ziel "fördern" und das formale Ziel "Förderquelle sichern" ausmachen. 573 Ein solches proportionales Stimmrecht wird in niederländischen Genossenschaften praktiziert; vgl. Münkner (1989), S. 14. 574 Siehe dazu auch Ringle (1989), S. 208.
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stungsbeziehungen zu den Nichtmitgliedern betriebsübliche Gewinne an, in deren Genuß - im Gegensatz zur Genossenschaft - jedoch die Mitglieder auf dem Wege der Beteiligung am inneren Wert kommen. Zugleich wird damit das steuerrechtlich relevante Problem der verdeckten Gewinnausschüttung vermieden, da es sich um eine Thesaurierung des Gewinns handelt. 4. Abhängigkeit und Kontrolle Die Kooperationsgesellschaft ist auch eine Antwort auf die veränderte Abhängigkeitssituation seitens der Mitglieder. Wenngleich die Förderwirtschaftlichkeit auch weiterhin eine hohe Aktualität besitzt, da sie den einzelnen in seinem eigenverantwortlichen Handeln zu unterstützen vermag, stellt die zunehmende Individualisierung der Mitglieder ein kooperationspolitisches Problem dar. Offenkundig wird dies in der Großgenossenschaft. Im Zuge einer starken Ausweitung der Mitgliederzahlen vergrößern sich die Interessenunterschiede. Am Ende einer solchen Heterogenisierung steht die wachsende Entfremdung der Mitglieder untereinander, die einer wirksamen - dem gesamten Kollektiv zum Vorteil gereichenden - Einbindung jedes einzelnen Mitglieds in die Genossenschaft entgegensteht. Eine tragfähige Vereinskonstruktion der Kooperation ist daher kaum noch möglich. Hier setzt der Rechtstyp der Kooperationsgesellschaft an. Den Problemen des Willensbildungsprozesses, aber auch der Interessendivergenzen in der Großgruppe 575 begegnet er mit einer graduellen Verlagerung von der personen- zur kapital orientierten Struktur. Dies erfolgt mit der Maßgabe, dabei das Prinzip der bipolaren Leitung aufrechtzuerhalten. Während danach die Mitglieder problemlos die ihnen selbst, d.h. individuell zukommenden Entscheidungen treffen dürften, sieht sich die Kooperation beim Zustandekommen der Kollektiventscheidungen einer schwierigeren Situation gegenüber. Der aufgezeigte Wandel im Mitgliederverhalten verhindert eine effiziente Willensbildung; dies hat um so weitreichendere Konsequenzen, als das gemeinsam unterhaltene Unternehmen bei steigender Betriebsgröße einer qualifizierten Formulierung der Geschäftspolitik bedarf, die dann nicht mehr sichergestellt ist. Da unter den Mitgliedern die allgemeinen hinter den partikularen Interessen zurückstehen, tritt die Kooperationsgesellschaft quasi als "Pool" zur Formulierung derjenigen allgemeinen 575 So Eschenburg (\ 971), S. 137. Erschwerend kommt hinzu, daß diese Interessen der Leitung nicht mehr bekannt sind.
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Interessen auf, die für die Funktionsfähigkeit der Kooperation unerläßlich sind. 576 Ebendiese Pool-Funktion kann die Kooperationsgesellschaft aber nur übernehmen, weil sie im Gegensatz zur Genossenschaft( -sunternehmung) über den autonomen Handlungsspielraum verfügt. Dies ist jedoch kein Verstoß gegen den genossenschaftlichen Primat der Selbsthilfe. Weder handelt es sich bei den Leistungen der Kooperationsgesellschaft um eine Form der Fremdhilfe noch der Fremdbestimmung. Denn die Kooperation bleibt auf die Mitglieder ausgerichtet; sie ist mitgliedergewidmet und wird daher von ihren Mitgliedern bestimmt. Der Unterschied zur Genossenschaft besteht deshalb lediglich darin, daß die Kooperationsgesellschaft einen autonomen Handlungsspielraum besitzt. Dieser verschafft ihr die institutionellen Möglichkeiten, das Trittbrettfahrerverhalten einzelner Mitglieder auszuschließen und dadurch die Kooperation dauerhaft zu stärken. Dabei wird auch der Kooperationsgesellschaft ein Kooperationserfordernis zugrundeliegen müssen. Aufgrund der Marktsituation - sie wird vor allem in hochentwickelten, d.h. ausgereiften Märkten mit einem entsprechenden Wettbewerbsdruck tätig werden - ist die Erzielung von Größenbzw. Verbundvorteilen aber neu zu bewerten. Die Überwindung bisheriger und/oder das Entstehen veränderter Funktionsstörungen des Marktes setzt der rein quantitativen - d.h. von den Mitgliedern formulierten - Kooperation immer engere Grenzen. Eine Kooperationsgesellschaft ist daher dort angezeigt, wo vor allem ein Erfordernis zur qualitativen - d.h. autonom von der nächsten Marktstufe im Mitgliederinteresse erarbeiteten - Kooperation besteht. Diese kommt dann in der Erzielung von Effizienzvorteilen zum Ausdruck, die über die am Markt von Konkurrenzunternehmen erhältlichen Leistungen hinausreichen. 577 Dazu ist es aber notwendig, daß die 576 Man könnte daher so weit gehen, dieser Leistung der Kooperationsgesellschaft den Charakter eines "meritorischen Gutes" zuzusprechen. Denn sie hat das übergeordnete, allen Teilnehmern dienende Interesse der Kooperation im Blick. Dieses muß sie gegen kurzfristige, sich jedoch langfristig zum Schaden aller auswirkender Egoismen einzelner verteidigen. Hierzu dient ihr der autonome Handlungsspielraum, mittels dessen sie sich über die Interessen einzelner Mitglieder hinwegsetzen kann. Dabei wird allerdings durch die Institutionalisierung des Mitgliedereinflusses (Mitgliederdirektor und Mitgliedervertreter im Aufsichtsrat bzw. Mitgliederrat) verhindert, daß sich das Management verselbständigt und seinerseits das Gesamtinteresse der Kooperation vernachlässigt, um etwa eigennützige Ziele zu verfolgen. Siehe dazu auch S. 192/193 dieser Arbeit. 577 Ebenso wie bei der Genossenschaft ist daher auch bei der Kooperationsgesellschaft die Erzielung von lediglich Verteilungskampfvorteilen zu ihrer dauerhaften Existenzsicherung nicht ausreichend. Siehe mit Bezug auf die vertikale Kooperation auch Ahlert (1982), S. 64.
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interessierten Mitglieder die "Poolfunktion" der Kooperationsgesellschaft akzeptieren; andernfalls ist eine qualitativ gestaltete Kooperation nicht möglich. 578 Auf diese Weise wandelt sich die vertikale Integration des (Genossenschafts-)Unternehmens in die Mitgliederwirtschaften zu einer vertikalen Kooperation zwischen beiden. Aufgrund des autonomen Handlungsspielraumes kommt es bei den Mitgliedern anstelle der "EigenersteIlung" zu einem "Fremdbezug" der Kollektivleistung bei der Kooperationsgesellschaft. Doch hierin ist keine Gefahr zu sehen, da zum einen aufgrund bestehender Substitutionsmöglichkeiten jederzeit ein Ausscheiden ohne eine ernsthafte Existenzgefährdung möglich und andererseits auch weiterhin ein - allerdings den veränderten Umständen angepaßter - Mitgliedereinfluß vorhanden ist. Ähnlich der Genossenschaft muß dieses Muster aus Kooperation und Integration auch in der Kooperationsgesellschaft organisatorisch ausgestaltet, d.h. in seiner Förderwirtschaftlichkeit abgesichert werden. Die Anreizvorteile aus der Verteilung von peripher und zentral positionierten Faktoren ergeben sich dabei analog. Es besteht jedoch ein gravierender Unterschied darin, daß sich den Mitgliedern die unmittelbare Dispositionsgewalt über die zentral in der Firma positionierten Faktoren entzieht. Dem entspricht der Übergang der Gesamtleitung der Kooperation in die Fremdorganschaft. Daher sind veränderte Kontrollmechanismen erforderlich. Die Förderwirtschaftlichkeit der Kooperationsgesellschaft schlägt sich im Markterfolg der Mitgliederwirtschaften nieder; daneben kommt aufgrund der Wirkungsweise der vertikalen Kooperation sowohl dieser Mitgliedererfolg als auch der Gesamterfolg der Kooperationsgesellschaft nicht ohne den jeweils anderen zustande. Deshalb ist zum Nachweis der Förderwirtschaftlichkeit der Unternehmenserfolg der Kooperationsgesellschaft ausreichend. Dies zu überwachen ist ein dem professionellen aktienrechtlichen Modell entsprechender Aufsichtsrat durchaus in der Lage. Aus der Identität von Mitglieder- und Unternehmensinteressen ergibt sich zudem, daß eine den eigenen Interessen dienende Geschäftspolitik der Kooperationsgesellschaft durchaus im Sinn der Mitglieder liegt, da sie zu ihrem Erfolg letzlich den Vorteil und damit die Interessen der Mitglieder im Blickwinkel behalten muß. Weiterhin sorgt die Fungibilität bzw. die anzustrebende Börsenfähigkeit der Anteile der Kooperationsgesellschaft 578 Die Bindungswirkung der sozialen Not als Fundament der Genossenschaftsidee wandelt sich daher in der Kooperationsgesellschaft zu einer Bindungswirkung der ökonomischen Leistungsfähigkeit. Siehe auch Henrici (1987), S. 12, der zutreffend feststellt, daß sich die letztgenannte durchaus rechtsformneutral verwirklichen läßt.
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für eine Kontrolle durch den Kapitalmarkt analog zur Aktiengesellschaft. Dieser Mechanismus kann übernommen werden, weil die ihm implizite erwerbswirtschaftliche Ausrichtung in einer Weise zur Stärkung der Kooperationsgesellschaft führt, die sich zum Vorteil der Mitglieder und damit förderwirtschaftlich auswirkt.
5. Der Mitgliedereinfluß auf das Kooperationsmanagement
Das Management der Kooperationsgesellschaft hat ähnlich dem einer Genossenschaft neben dem herkömmlichen betriebswirtschaftlichen Erfolg der Unternehmung auch die Bedürfnisse der Mitglieder(-wirtschaften) in seine Entscheidungen einzubeziehen. Doch während diese Einbettung in der Genossenschaft mittels des Ehrenamtes erfolgt und auf diese Weise den Selbsthilfegedanken mit dem der Selbstverwaltung verbindet, erweist sich eine solche Konstruktion bei einer steigenden Gruppengröße als undurchführbar. Der Ausweg aus diesem Organisationsproblem kann nur in einem Repräsentationssystem bestehen; das Genossenschaftsgesetz bietet hierfür z.B. die Möglichkeit der Vertreterversammlung an. Angesichts der Probleme, die mit einem lediglich repräsentativen Mitgliederforum wie der Vertreterversammlung verbunden sind,579 soll die Kooperationsgesellschaft auf ein solches Instrument verzichten. Vielmehr findet die Meinungsäußerung der Mitglieder wie bei der Aktiengesellschaft auf einer Mitgliederversammlung statt, zu der alle Mitglieder freien Zutritt haben. Die Kompetenzen der Mitgliederversammlung sind daher auch in Anlehnung an die der aktienrechtlichen Hauptversammlung zu formulieren. Aufgrund der besonderen verbundwirtschaftlichen Kooperation stimmen die Interessen der Kooperationsgesellschaft und ihrer Mitglieder einerseits, die der nutzungsinteressierten Mitglieder und der renditeinteressierten Mitglieder andererseits zumindest soweit überein, daß vertikale und horizontale Konflikte weitgehend ausgeschlossen werden können. Deshalb erscheint es als gerechtfertigt, die Mitgliederversammlung auf formale Zuständigkeiten, insbesondere auf die Sicherstellung der Renditeerwartungen, zu beschränken. 579 Siehe dazu Mändle (1983), S. 418/419. Der Vorteil der repräsentativen Genossenschaftsdemokratie besteht demnach zwar in einem vergrößerten Entscheidungsspielraum des Vorstandes sowie einer zeitlich verkürzten Entscheidungsfindung. Dafür müssen die Mitglieder jedoch in Kauf nehmen, daß sie diesen Beschlüssen nur noch im nachhinein zustimmen können und somit eine "reine Scheindemokratie" praktiziert wird.
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Die Mitgliederinteressen bezüglich des Leistungsprogramms bzw. einer inhaltlichen Gestaltung ihrer Nutzungsrechte müssen daher anders als bei der genossenschaftlichen Förderwirtschaft in die Geschäftspolitik des Managements einfließen. Hierfür waren alternativ die Besetzung entsprechend ausgewiesener Mitgliedervertreterpositionen in den Organen Vorstand und Aufsichtsrat oder die Schaffung eines Mitgliederrates vorgeschlagen worden. Der materielle Unterschied zur Förderwirtschaftlichkeit in der Genossenschaft besteht dabei darin, daß es sich nicht mehr um eine Selbstverwaltung, sondern um eine Mitwirkung der Mitglieder handelt. An die Stelle der uneingeschränkten Entscheidungsfindungskompetenz tritt daher das Recht einer Partizipation am Willensbildungsprozeß in der Kooperationsgesellschaft. Diese Akzentverschiebung in der Mitgliederbeteiligung ist die unmittelbare Folge des nur noch eingeschränkt bestehenden Selbsthilfecharakters der Kooperation. Da der Kooperationsmanager anders als der Genossenschaftsmanager nicht durch das Ehrenamt oder die unmittelbare Mitgliederkontrolle auf eine förderwirtschaftliche Geschäftspolitik verpflichtet wird, müssen andere Mechanismen zu ihrer Sicherstellung greifen. Dies ermöglicht die veränderte Kooperationsidee. Die Bedürfnisse der Mitglieder können am ehesten von einer erfolgreich agierenden Kooperationsgesellschaft befriedigt werden. Diese wiederum kann nur dann erfolgreich sein, solange sie sich - zu ihrem eigenen Nutzen - auf erfolgreiche Mitgliederwirtschaften stützen kann. Sie bedient sich insofern der Vorteilhaftigkeit des vertikalen Managements bzw. der vertikalen Kooperation. 58o Dies ermöglicht es ihr, die auf Seiten der Mitglieder bestehende asymmetrische Informationsverteilung in bezug auf die Marktanforderungen (z.B. Nachfragerwünsche) zu überwinden. Denn in einer solchen Situation kommt es darauf an, einen möglichst breiten Fächer alternativer Problemlösungen im Zuge eines Marktexperimentes 581 zu entwickeln. Es liegt auf der Hand, daß allein schon wegen der dabei bestehenden Unsicherheit die Möglichkeiten hierzu bei marktstufenübergreifenden Kooperationssystemen größer als bei isoliert agierenden Einzelwirtschaften sind. 582 Der Kooperationsmanager kennt diesen Zusammenhang. Er besitzt einen auto580 Nach Ahlert (1982), S. 80 handelt es sich dabei um (I) die Vermeidung einander entgegen gerichteter Aktivitäten der Systemelemente, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig neutralisieren, (2) die Vermeidung der Duplizierung von Anstrengungen und (3) die Rationalisierung durch Arbeitsteilung und Spezialisierung. 581 So Ahlert (1991), S. 31. 582 Die Vortei1haftigkeit der vertikalen Kooperation liegt dabei in der Möglichkeit einer "gemeinschaftlichen Gewinnmaximierung"; vgl. Ahlert (1991), S. 20-21 mit einer entsprechenden Beweisführung.
H. Die "Kooperationsgesellschaft"
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nomen Handlungsspielraum und wird wahrscheinlich danach trachten, sich diesen zu erhalten oder sogar zu vergrößern. Denn die damit verbundene Entscheidungsfreiheit dürfte er einer Weisungsgebundenheit schon aus Gründen der Motivation vorziehen. Allerdings besteht die - implizite - Bedingung für die Gewährung eines solchen Handlungsspielraumes darin, ihn im Sinne der Mitglieder zu nutzen. Daher wird der Kooperationsmanager in seinem eigenen Interesse bei seinen Aktivitäten die Interessen der Kooperationsgesellschaft und dadurch - also mittelbar - auch diejenigen der Mitglieder zugrunde legen. Hierzu ist eine Partizipation der Mitglieder ausreichend. Auf diese Weise motiviert, wird der Kooperationsmanager eigennützig ein Mitgliedermarketinl 83 verfolgen. Da sich die Beteiligung der Mitglieder auf die inhaltliche Beeinflußung ihrer Nutzungsrechte erstreckt, erscheint die Einrichtung von Fachversammlungen sinnvoll. Anders aber als bei einer genossenschaftlichen Bezirksversammlung geht es hierbei nicht um eine Parzellierung der demokratischen Selbstverwaltung. Die Fachversammlungen haben vielmehr den Charakter einer Arbeitsgemeinschaft, die projektbezogen das Leistungsprogramm der Kooperationsgesellschaft im Mitgliederinteresse begleitet. 584 Da diese Beteiligung der Mitglieder somit im eigenen Interesse des Kooperationsmanagements bzw. der Kooperationsgesellschaft liegt, wird es die Partizipation langfristig pflegen müssen. Die rein betriebswirtschaftlich definierte Unternehmenskultur erweitert sich dadurch zur Kooperationskultur. Gleichzeitig grenzt sie von der Genossenschaftskultur ab, daß die mitgliederbezogene Vereinskomponente in ihr nicht enthalten ist.
6. Überlegungen zur Rechtsformgestaltung Der Rechtstyp der Kooperationsgesellschaft steht zwischen dem der Genossenschaft und dem der Kapitalgesellschaft. Grundsätzlich wäre es 583 Zum Begriff des "Mitgliedermarketings" in Genossenschaften siehe Schrnid (1985), S. 244. Schrnid setzt für dessen Erfolgswirksamkeit allerdings einen autonomen Handlungsspielraum des Managements voraus, der die Mitgliederinteressen im Unternehmensinteresse (sie !) steuert. Demzufolge sei es zulässig, erstere den letzteren zur "Hebung des akquisitorischen Potentials" unterzuordnen. Diese Auffassung wird daher der genossenschaftlichen Rechtstypik nicht gerecht. Da ein solches Mitgliedermarketing trotzdem aber den Erfolg bzw. die Vorteilhaftigkeit der gesamten Kooperation aus Kooperationsuntemehmen und Mitgliederwirtschaften beabsichtigt, eignet es sieh durchaus für den Rechtstyp der Kooperationsgesellschaft. 584 Man könnte dies in Anlehnung an Freitag (198\), S. 303 als Aktivierung des "kooperativen Potentials" bezeichnen. Dieses besteht in der Fähigkeit und Bereitschaft der Mitglieder, ihren Gruppenvorteil zu erkennen und wahrzunehmen.
13 ß;,lIck
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
möglich, einen der gesetzlich normierten Gesellschaftstypen zugrunde zu legen und unter Rückgriff auf die zulässige Gestaltungsfreiheit dem Typ der Kooperationsgesellschaft anzupassen; denn einen Typenzwang im Sinne einer Typenfixierung gibt es nicht. 585 Daher könnte eine bereits vorhandene Rechtsform mit den erforderlichen Abwandlungen versehen oder sogar mit einer anderen kombiniert werden. 586 Einer verstärkten Kapitalorientierung bzw. erwerbswirtschaftlichen Ausrichtung der Genossenschaft widerspricht jedoch deren Rechtstypik, so daß die Kooperationsgesellschaft keine Weiterentwicklung oder Abwandlung der genossenschaftlichen Rechtsform, sondern eine eigenständige Rechtstypik darstellt. Doch obgleich damit eine Annäherung an den kapitalgesellschaftlichen Rechtstyp einhergeht, ist auch die vornehmlich in Betracht kommende Rechtsform der Aktiengesellschaft nicht als Grundlage der Kooperationsgesellschaft geeignet. Zwar ist bei ihr eine personalistische Struktur durchaus möglich; einer - unbeschränkten - förderwirtschaftlichen Ausrichtung steht jedoch das vergleichsweise strenge aktienrechtliche Satzungsrecht entgegen. 587 Da die Konstruktion einer Kooperationsgesellschaft als "förderwirtschaftliche Kapitalgesellschaft" zu interpretieren ist, würde dies eine atypische Aktiengesellschaft bedeuten, bei der die Grenzen der zulässigen Abwandlung von Organisationsregeln überschritten wären. Aus diesen Gründen der Rechtstypennormierung erscheint für die Kooperationsgesellschaft die Schaffung einer eigenständigen Rechtsform erforderlich. Dabei müßte es sich um eine Körperschaft handeln, die - analog zur Aktiengesellschaft wie zur Genossenschaft - die Organisation der Gesellschaft von den Mitgliedern trennt. Dadurch erlangt die Kooperationsgesellschaft eine eigene Rechtsfahigkeit; sie kann eigenes Vermögen bilden. Die Willensbildung vollzieht sich durch ihre Organe. Der Bestand der Kooperationsgesellschaft ist unabhängig von eventuellen Gesellschafter- bzw. Mitgliederwechseln. Somit folgt das Organisationsmuster der Kooperationsgesellschaft grundsätzlich dem der Aktiengesellschaft. Abweichungen ergeben sich dadurch, daß wichtige Elemente aus dem genossenschaftlichen Organisationsmodell eingearbeitet werden, um so eine personen- und betriebsbezogene Ausrichtung der Mitgliedschaft zu ermöglichen. Dies soll die angestrebte förderwirtschaftliche Zielsetzung garantieren.
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Siehe dazu auch Münkner (1993), S. 14 und die dort angegebene Literatur. Ein Beispiel hierfür ist die GmbH & Co. KG. Siehe hierzu die entsprechenden Ausführungen des nachfolgenden Abschnitts.
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Dem Unternehmensinteresse entspricht eine dauerhafte und konstante Eigenkapitalbasis durch ein festes Grundkapital. Dementsprechend ist die Mitgliedschaft in der Kooperationsgesellschaft an eine Kapitalbeteiligung gebunden. Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft handelt es sich dabei aber nicht um Aktien im Sinne von verselbständigten "Mitgliederstellen".588 Das Grundkapital soll vielmehr jeweils in genauso viele Teile zerlegt werden, wie Mitglieder vorhanden sind. Auf diese Weise ist der von jedem Mitglied gehaltene Anteil gleich hoch; die Zu schreibungen aus dem Jahresüberschuß verteilen sich daher nach Köpfen. So kann die kapitalbezogene Beteiligung der Gesellschafter mit personenbezogenen Elementen verküpft werden. Da der Kreis der Mitglieder offen sein soll, müssen hinzutretende Mitglieder einen neu zu schaffenden Anteil in der bereits bestehenden Anteilshöhe zeichnen, um die Vermögensposition der Altmitglieder nicht zu verändern. Dessen Nominalwert erhöht das Grundkapital; das Agi0 589 wird den Rücklagen zugewiesen. Auf diese Weise ist das Grundkapital streng genommen nicht konstant; da es jedoch nur ansteigen kann, liegt dies sogar im Interesse der Gesellschaft. Ausscheidende Mitglieder hingegen müssen einen Käufer für ihren Anteil finden; eine Auszahlung durch die Kooperationsgesellschaft und einen dadurch bedingten Liquiditätsabfluß gibt es nicht. Erleichtert wird diese Regelung dadurch, daß der Verkauf auch an Investoren außerhalb des Nutzerkreises der Kooperation erfolgen kann. Die Mitgliedschaftsrechte sind an den Anteil geknüpft. Diese kapital bezogene Regelung wird dadurch "personalisiert", daß wegen der Übereinstimmung der Anteilshöhen jedes Mitglied über vom Umfang her gleiche Rechte verfügt. Eine weitere Milderung des Kapitalbezuges kann darin liegen, den Umfang des Stimmrechts proportional zur Betriebsbeteiligung der Mitglieder, d.h. zur Inanspruchnahme des Leistungsprogramms, zu staffeln. Der Unterschied zur Genossenschaft ist dann darin zu sehen, daß die Personenbezogenheit der Betriebsbezogenheit weicht. Nicht mehr die Person des Mitglieds, sondern seine Leistungsbeziehungen zur Kooperationsgesellschaft determinieren das Ausmaß seiner mitgliedschaftlichen Rechte. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß eine Einflußnahme auf das Leistungsprogramm, d.h. die Partizipation an der Ausgestaltung der Nutzungsrechte, den Nutzer-Mitgliedern vorbehalten bleibt. Der Wandel von der Personen- zur Betriebsbezogenheit schlägt sich auch in der wirtschaftlichen Betätigung der Kooperationsgesellschaft nieVgl. Luther (1978), S. 58/59. Das Agio hat damit den Charakter eines "Eintrittsgeldes" bzw. dient der Aufholung der Vermögensposition der Altmitglieder. 588
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
der. Der "Organbetrieb" der Genossenschaft, der als "gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb" des Vereins unterhalten wird und auf diese Weise eine Form der vertikalen Integration darstellt, verändert sich zu einem "Kooperationsbetrieb" der vertikalen Kooperation. Die völlige Desintegration, die sich bei einer Kapitalbezogenheit auf der real wirtschaftlichen Ebene einstellen würde, kann so verhindert werden. Dies wird dadurch unterstützt, daß die Mitglieder bei der Erstellung des Leistungsprogrammes der Kooperationsgesellschaft Partizipationsrechte wahrnehmen. Hierzu sind die bereits vorgeschlagenen institutionellen Regelungen wie z.B. eine entsprechende Besetzung der Organe Vorstand und Aufsichtsrat oder die Schaffung eines Organs Mitgliederrat gesetzlich zwingend vorzuschreiben. Ebenfalls verpflichtend wäre die Einrichtung von Fachvereinigungen. Den Nutzer-Mitgliedern ist mittels solcher Gremien ein unentziehbarer Einfluß auf die Kooperationsgesellschaft zu garantieren. In das Ziel system der Kooperationsgesellschaft fließt neben der färderwirtschaftlichen auch eine erwerbswirtschaftliche Komponente ein. Um hierbei Unklarheiten auszuräumen, müßte dieses Zielsystem gesetzlich normiert werden; eine Zweckfreiheit ähnlich der Kapitalgesellschaft erscheint nicht sinnvoll. Dabei kann diese Annäherung an erwerbswirtschaftliche Ziele durchaus in Kauf genommen werden. Denn wenn der Kooperationsgesellschaft die Ausschüttung von Gewinnen gesetzlich untersagt wird, bedeutet jede Gewinnthesaurierung durch den Vermägenszuwachs gleichzeitig eine Steigerung der Anteilswerte. Seinen direkten Niederschlag findet er, wenn Gewinne unmittelbar auf die Anteilskonten der Mitglieder zugebucht werden. Darüber hinaus wäre eine perpetuierliche Bewertung der Anteile vorzusehen. Hierbei müßte das gesamte Eigenkapital der Kooperationsgesellschaft zugrunde gelegt werden. Insofern verbrieft der Anteil nicht (nur) einen bestimmten Basis-Nominalwert; vielmehr spiegelt er den dem einzelnen Mitglied zugerechneten Wert der Kooperationsgesellschaft wider. Durch die Instrumentalisierung erwerbswirtschaftlicher Ziele stehen Maßstäbe zur Erfolgsmessung zur Verfügung, die eine Fremdorganschaft durchaus erlauben und - etwa im Aufsichtsrat - sogar wünschenswert erscheinen lassen. 7. Zukunftsaussichten eines Rechtstyps dynamischer Verbundwirtschaft
Eine Bedeutung kann die Kooperationsgesellschaft dadurch erlangen, daß sie eine Ergänzung zur Genossenschaft überall dort darstellt, wo eine vereinsmäßige Konstruktion der färderwirtschaftlichen Kooperation an ihre Grenzen stößt. Sie rechtfertigt ihre umfangreichen organisatorischen
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Regelungen daher auch erst ab einer bestimmten Größe der Kooperationsgruppe bzw. Umfang des Geschäftsbetriebes. Nur die damit einhergehenden Veränderungen in den mitgliedschaftlichen Beziehungen erlauben es, angesichts der auf das Vereinswesen zurückführbaren strukturellen Schwächen der Genossenschaft die personenbezogenen Merkmale graduell durch betriebs- und kapitalbezogene zu ersetzen. 590 Die Kooperationsgesellschaft bietet sich daher vor allem als Rechtsform für sog. Großgenossenschaften an. Allerdings ist dies nicht zwingend, sondern ergibt sich aus dem konkreten Bedarf der Mitglieder nach dem Inhalt einer förderwirtschaftlichen Kooperation. Eine solche ist grundSätzlich auch für eine große Gruppe - vor allem nach einer entsprechenden gesetzlichen Novellierung - in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft möglich. Die Gruppengröße allein ist daher kein Entscheidungskriterium bezüglich der Rechtstypen. Ihre Attraktivität erhält die Kooperationsgesellschaft hauptsächlich dadurch, daß bewußt eine erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, verbunden mit einer stärkeren Betonung kapitalorientierter Merkmale, zum Instrument der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung gemacht wird. Durch diesen "Umweg" kann es gelingen, die zentrifugalen Kräfte von großen Gruppen weitgehend auszuschalten. Denn zum einen sind die für das Wirksamwerden gleichgerichteter Interessen erforderlichen sozialen Beziehungen der Mitglieder untereinander entbehrlich geworden. So beruht eine Genossenschaft auf der Solidarität der Mitglieder und ihrer Selbstidentifikation mit dieser Gemeinschaft. Dafür ist ein besonderes Nahverhöltnis unbedingt erforderlich. 59) Abnehmende persönliche Bindungen und ein geringerer sozialer Gruppendruck führen deshalb zu dem der Großgenossenschaft immanenten hohen Konfliktpotential. 592 Die Kooperationsgesellschaft kann sich so die versachlichten, entsolidarisierten Beziehungen der Mitglieder in der Großgenossenschaft zu ihrem und deren Vorteil zunutze machen. Anders als in der Großgenossenschaft nach dem Genossenschaftsgesetz muß, um den Erhalt der Kooperation nicht nur in formeller, sondern auch in materieller Hinsicht sicherstellen zu können, keine einzelfallbezogene Organisationsstruktur etabliert werden. 593 Dem abnehmenden Engagement bzw. der Individualisierung der Zu den im folgenden diskutierten Problemen siehe Münkner (1993), S. 21/22. Siehe auch Raufer (\ 986), S. 173. 592 Darauf verweist Vierheller (\ 990), S. 87. m Siehe zu einem entsprechenden Vorschlag laudzims (1985), S. 189/190. In Hinblick auf die zu beobachtende Heterogenität unter den Mitgliedern sieht er die Generalbzw. Vertreterversammlung als nicht mehr geeignet an, die diversen Interessen berücksichtigen zu können. Daher schlägt er die Einführung eines Beirates vor, der als Binde590 591
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Mitglieder kommt auch deren veränderte Beteiligung an der Selbstverwaltung entgegen. Da in das Organisationsmuster im Gegenzug kapitalorientierte Regelungen aufgenommen sind, muß trotzdem kein Kontrollvakuum in Kauf genommen werden. Weiterhin ermöglicht das erweiterte Zielsystem der Kooperationsgesellschaft die autonome Verfolgung von Unternehmensinteressen im gleichzeitigen Mitgliederinteresse. Das Spannungsfeld aus Verein und Unternehmung in der Genossenschaft ist somit aufgelöst. Dies ist aber nur deshalb möglich, weil gleichzeitig die dienende Rolle des Kapitals zugunsten seiner stärkeren Instrumentalisierung aufgegeben wird. Auch hierin liegt jedoch keineswegs ein Nachteil, wird dadurch doch die gravierende Kapitalisierungsproblematik der Genossenschaft mit allen ihren die Rechtstypik gefährdenden Lösungsansätzen überwunden. Dieses - der Genossenschaft gegenüber veränderte - Organisationsmodell ist nun ebenso in der Lage, neugestaltete förderwirtschaftliche Leistungen zu erbringen. Es ist deshalb auch als "förderwirtschaftliches Franchisesystem" denkbar, bei dem sich - in Abgrenzung zum herkömmlicherweise erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Franchising - die Förderung in Gestalt besonders vorteilhafter Waren und Dienstleistungen für die ihm systemzugehörigen Franchisenehmer, d.h. die Mitglieder, ergibt. 594 Bei einem Franchisevertrag handelt es sich um ein vertikal ausgerichtetes Dauerschuldverhältnis zweier selbständiger Partner. Der Franchisegeber räumt gegen ein Entgelt dem Franchisenehmer das Recht ein, bestimmte Waren und/oder Dienstleistungen nach Maßgabe des Franchisegebers zu vertreiben. Dieser überwacht die Einhaltung seiner geschäftlichen Konzeption, die er durch Weisungen durchsetzen kann. Andererseits verpflichtet er sich, dem Franchisenehmer das für eine erfolgreiche geschäftliche Tatigkeit nötige Know-how zur Nutzung zu überlassen. 595 Ein Franchisesystem ist demnach eine systematische Zusammenarbeit von Unternehmen, die auf verschiedenen Wirtschaftsstufen tätig sind; es ist eine Vertikalkooperation von Unternehmen. 596 Dabei kommt dem Franchisegeber die sog. glied zwischen Generalversammlung und Vorstand wirken soll, um so die Mitgliederinteressen wirksamer zu artikulieren; dem mißt er eine integrative Wirkung bei. 594 Zum förderwirtschaftlichen Franchising siehe BeuthienlSchwarz (1986), S. 6, das dort allerdings auf die Genossenschaft bezogen wird. Wie bereits weiter oben ausgeführt wurde (Kap. 2 11 3 a), verträgt sich ein genossenschaftliches Franchising jedoch nicht mit deren Rechtstypik. Dagegen ermöglicht der Rechtstyp der Kooperationsgesellschaft durchaus die - modifizierte - Verwendung von Franchiseelementen. 595 V gl. die unterschiedl ichen Begriffsbestimmungen bei Skaupy (1987), S. 5-10; Tietz (1991), S. 12-16. 596 So Beuthien (1993), S. 77
11. Die "Kooperationsgesellschaft"
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Systemführerschaft zu, der sich die Franchisenehmer im Systemgehorsam zu unterstellen haben. 597 Ein förderwirtschaftliches Franchising macht sich nun den Umstand zunutze, daß an die Stelle des ursprünglichen, die Gesamtheit aller Mitglieder umfassenden Geflechts aus horizontaler Kooperation und vertikaler Integration in der Genossenschaft nunmehr eine hauptsächlich vertikale Kooperation zwischen der Kooperationsgesellschaft und jedem einzelnen Mitglied tritt. 598 Dies ist nur möglich, weil erstere einen autonomen Handlungsspielraum erhält, durch den sie in die Lage versetzt wird, eigene Interessen zu verfolgen. Dadurch verringert sich zwar grundsätzlich die Mitgliederwidmung; der Unterschied zum erwerbswirtschaftlichen Franchising leitet sich jedoch aus einer zusätzlichen Berücksichtigung förderwirtschaftlicher Elemente (d.h. entsprechender Organisationsstrukturen und Zielsetzungen) her. Eine förderwirtschaftliche Ausgestaltung des Franchising macht allerdings nur dann einen Sinn, wenn dessen systemimmanenten Vorteile erhalten bleiben. Der Franchisegeber muß daher weiterhin als Systemführer eine starke Position gegenüber den Mitgliedern einnehmen können. Im Unterschied zum erwerbs wirtschaftlichen Franchising verfolgt die franchisegebende Kooperationsgesellschaft die eigenen absatzpolitischen Ziele aber nur, um die Unternehmen seiner franchisenehmenden Mitglieder zu fördern. 599 Die Mechanismen der Mitgliedereinflußnahme auf das Kooperationsmanagement stellen dies sicher. Da herkömmlicherweise das Leistungsprogramm ausschließlich vom Franchisegeber vorgegeben wird, besitzt dieser den Franchisenehmern gegenüber eine verselbständigte Position, die sog. strategische Systemführerschaft. 6OO So erfordert es eine funktionierende Systemführerschaft, die Interessen des Franchisegebers notfalls gegen diejenigen der Franchisenehmer durchzusetzen, wenn dies im Sinne des Gesamtsystems angezeigt sein sollte. Ein "gerechter Interessenausgleich zwischen dem Franchisegeber und den Franchisenehmern,,60I ist deshalb bei einem erwerbswirtschaftlichen Franchisesystem wegen der Ungleichverteilung der jeweiligen Position nur schwer herzustellen. Trotzdem kann ein Franchisesystem durchaus an den Interessen der Franchisenehmer ausgerichtet werden. Ein 597 598 599
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V gl. ebenda. V gl. BeuthienlSchwarz (1993), S. 72. Siehe dazu BeuthienlSchwarz (1993), S. 6. V gl. Beuthien (1993), S. 79. So BeuthienlSchwarz (1993), S. 64.
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
solches förderwirtschaftliches Franchising wird dort zu finden sein, wo der Franchisegeber aus eigenem (!) Ermessen seine Franchisenehmer in die Entscheidungsprozesse einbezieht. Er wird seinen Handlungsspielraum jedoch nur beschränken, weil er sich einen - erwerbswirtschaftlich niederschlagenden - Vorteil aus der Beteiligung seiner Franchisenehmer verspricht. Daher kann es bei diesem Franchisetyp auch nur um eine Partizipation der Franchisenehmer gehen. Für dermaßen modifizierte Franchisekonzepte ist daher der Rechtstyp der Kooperationsgesellschaft durchaus geeignet. Vor allem jedoch erhält die Kooperationsgesellschaft eine Perspektive aus der ihr immanenten Befähigung zur Dynamik, die sich zum Vorteil der gesamten Kooperation auswirkt. Sie erwächst ihr, weil sie über einen Handlungsspielraum verfügt, den sie "eigennützig" wahrnehmen kann und der doch den Interessen ihrer Mitglieder dient. Auf diese Weise kann sich die Kooperationsgesellschaft insbesondere als Weiterentwicklung der integrierten Genossenschaft darstellen. Denn bei diesem Strukturtyp besteht der Kollektivvorteil im "betriebswirtschaftlichen Fortschritt". Seine Entwicklung ist jedoch weder vorhersehbar noch vorherbestimmbar. Zur Entfaltung dieser Eigendynamik ist deshalb zwingend ein bestimmtes Maß an Autonomie nötig, das sich mit Anreizen verbinden muß, die eine mißbräuchliche Ausnutzung dieser Freiheit ausschließen können. Dieser zentrale Anreiz ist in der Einbindung erwerbswirtschaftlicher Prinzipien in das Zielsystem der Kooperationsgesellschaft zu sehen. 602 Die Verfolgung eigennütziger Ziele im Interesse der Mitglieder dürfte dann auch ermöglichen, eines der am häufigsten diskutierten Probleme von Genossenschaften - die Frage der Gewinnung eines nicht nur qualifizierten, sondern auch motivierten Managements 603 - zu lösen. Allerdings muß deutlich gesagt werden, daß sich der Erfolg der Kooperationsgesellschaft nur dann einstellen kann, wenn man bereit ist, den Begriff der Förderwirtschaftlichkeit mit neuen Inhalten zu füllen. Denn das gesamte Organisationsmodell beruht darauf, daß an die Stelle der vereinsmäßigen Selbsthilfe in der Gruppe eine qualitativ andere Kooperationsweise tritt, die eine partizipative Kooperation für die Gruppe - wenn auch in ihrem eigenen Auftrag - anbietet. Doch diese Akzentverschiebung erklärt sich allein aus der Marktveränderung heraus und stellt dadurch eine fi02 Man kann durchaus soweit gehen. das erwerbswirtschaftlich determinierte Zielsystem der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung instrumental unterzuordnen: Die Förderung der Mitglieder ergibt sich aus der eigennützigen Verfolgung von Erwerbsinteressen durch die Kooperationsgesellschaft. 603 Zu den Ursachen siehe Vierheller (1989). S. 244.
III. Die Alternative: Rechtsformwandel
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Antwort der Förderwirtschaft auf neue wettbewerbliche Herausforderungen dar. Hf. Die Alternative: Rechtsformwandel
In den beiden vorangegangenen Abschnitten sind die reformierte Genossenschaft und die Kooperationsgesellschaft als Organisationsform für eine jeweils spezifische, materiell unterschiedliche Art eines förderwirtschaftlichen Zielsystems diskutiert worden. Sie stellen damit eine Weiterentwicklung bzw. Alternative für grundsätzlich alle Strukturtypen dar; dies gilt jedoch nur für die Fälle, in denen Kooperationsvorteile erzielbar sind. Denn beide Rechtstypen weisen ein absolut (Genossenschaft) bzw. relativ (Kooperationsgesellschaft) förderwirtschaftlich ausgerichtetes Ziel system auf, das nur solange von Bestand ist, wie die Beteiligten in der Kooperation eine Vorteilhaftigkeit für sich erkennen können. Deshalb gelten diese Überlegungen auch nicht für den Typ der Marktgenossenschaft. Verlaufen nämlich die Marktprozesse zunehmend funktionsfähig, schwächt sich die Erforderlichkeit einer kollektiven Leistungserstellung und damit die Vorteilhaftigkeit der Kooperation in gleichem Maße ab. Ergibt sich schließlich aus der Weubewerbsintensivierung für die ursprüngliche genossenschaftliche Kollektivleistung ein Individualgutcharakter, leitet sich aus dem bei einem Wert von 1 verlaufenden Rivalitätsgrad keine weitere Vorteilhaftigkeit für eine Kooperation mehr her. In einem solchen Fall ist die - organisationsrechtlich ja noch bestehende Marktgenossenschaft eine ordnungspolitisch nicht mehr legitimierte PostGenossenschaft. Für diese Situation sollen nun die organisationsrechtlichen Konsequenzen, d.h. der Rechtsformwandel, untersucht werden. 1. Möglichkeiten der Rechtsformwahl
Die Marktgenossenschaft ist das Ergebnis eines abgeschlossenen Transformationsprozesses. Die Realisation eines Kollektivvorteils für ihre Mitglieder und damit eine förderwirtschaftliche Ausrichtung der genossenschaftlichen Aktivitäten wird angesichts der Marktgegebenheiten von den Mitgliedern nicht mehr verlangt und von der Genossenschaft( -sunternehmung) auch nicht mehr angestrebt. Da die förderwirtschaftliche Zwecksetzung als Zielsystem der Genossenschaftsunternehmung entfällt, entsteht ein Vakuum, das von neuen Ziel inhalten aufgefüllt werden muß. Die bislang schon beobachtbare Annäherung der Genossenschaft an die Organisationsregeln der Kapitalgesellschaften findet jetzt ihren Abschluß. Er zeigt
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
sich in der Übernahme auch des erwerbswirtschaftlichen Zielsystems durch die Genossenschaftsunternehmung, nach dem die Gewinnmaximierung mehr oder weniger offen verfolgt wird. Dementsprechend kommen für einen Rechtsformwechsel der Genossenschaft die erwerbswirtschaftlich orientierten Rechtsformen des Gesellschaftsrechts in Frage. Da die "Zwitterstellung" der Genossenschaft als personenbezogener Zusammenschluß mit körperschaftlichem Aufbau keine weitere Verwendung finden kann, muß eine Entscheidung zwischen Personengesellschaft und Körperschaft (d.h. in diesem Fall Kapitalgesellschaft) getroffen werden. Aufgrund der Markterfordernisse besteht die Notwendigkeit einer eigenen Rechtsfähigkeit. Daneben ist es erforderlich, die Geschäftsführung und Vertretung auf Organe zu delegieren sowie die Organisation von der Person des Mitglieds auch über sein Ausscheiden hinaus zu trennen. Aus diesen Gründen wird eine Körperschaft zu wählen sein. Diese Entscheidung wird auch von der Beobachtung gestützt, daß die Marktgenossenschaft ihre personalistischen Charakteristika, insbesondere die Selbsthilfe in der Gruppe bzw. den mitgliederbezogenen Förderzweck, verloren hat und deshalb faktisch nur noch körperschaftliche Merkmale aufweist. Dies ist gleichbedeutend mit einer Entwicklung hin zur Kapitalgesellschaft. 604 Die nunmehr auch zu institutionalisierende Kapitalorientierung füllt dann das Vakuum aus, das durch die Abkehr von der Mitgliederwidmung entstanden ist. Infrage kommen damit die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die der Aktiengesellschaft (AG). Beiden Gesellschaftsformen ist gemeinsam, daß sie sich zur Verfolgung jedes erlaubten Zweckes verwenden lassen. Zur näheren Einordnung sollen daher die Akteure bzw. deren Interessenlagen identifiziert werden. 605 Bei der GmbH bringen die Gesellschafter ein festes Stammkapital auf; darüber hinaus können sie weitere Leistungen als Verpflichtung aus ihrer Mitgliedschaft übernehmen. Hierzu können Nachschußpflichten zählen, aber auch die Mitwirkung an der Geschäftsführung (als geschäftsführende Gesellschaf604 Wahrend sich die Unterscheidung zwischen Personengesellschaft und Verein (Körperschaft) daran orientiert, inwieweit die Einheit des Personenzusammenschlusses verselbständigt ist, zielt diejenige zwischen Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft darauf ab, ob der gemeinsam verfolgte Zweck durch den persönlichen Einsatz oder einen beschränkten Kapitaleinsatz der Gesellschafter erreicht werden soll; vgl. auch KraJtlKreutz (1988), S. 4. 605 Siehe im folgenden auch Schmitz-Herscheidt (1981a), S. 79/80. Dabei wird jedoch auf eine vollständige Darstellung der beiden Gesellschaftsformen verzichtet, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen und auch keine entscheidend neuen Erkenntnisse vermitteln würde. Vielmehr geht es darum, die wesentlichen Merkmale zu beleuchten.
III. Die Alternative: Rechtsformwandel
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ter). Die Geschäftsführer - bei ihnen ist die Fremdorganschaft möglich sind an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden. Auch wenn die Gesellschafterzahl nicht begrenzt ist, dominieren GmbHs mit nur wenigen Gesellschaftern, wobei deren persönliche Mitarbeit häufig anzutreffen ist. 606 Eine Kapitalherauf- bzw. -herabsetzung ist ebenso wie die Aufnahme oder das Ausscheiden von Gesellschaftern nur auf dem Wege der Satzungsänderung möglich. Dies schränkt die Verkehrsfähigkeit der Geschäftsanteile wesentlich ein; die Satzung kann weitere Beschränkungen vorsehen. Aufgrund der Haftungsbeschränkung sind die Finanzierungsmöglichkeiten bzw. die Kreditwürdigkeit relativ gering. Außerdem steht der GmbH der börsenmäßige Kapitalmarkt nicht offen. Die Aktiengesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, daß ihre Anteilseigner ausschließlich ein Kapitalverwertungsinteresse haben. Andere Leistungen werden von ihnen nicht erbracht. Die Aktionäre erwarten eine möglichst hohe Rendite. Dementsprechend ist die Haftung auf die Kapitaleinlage beschränkt. Die Aktiengesellschaft ist vor allem eine Gesellschaftsform für Großunternehmen mit einem hohen Kapitalbedarf. 607 Als Organe bestehen ähnlich - wobei sich die Ähnlichkeit nur auf die Begriffe, nicht aber auf die Inhalte bezieht - wie bei der eingetragenen Genossenschaft Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung; dabei ist die Fremdorganschaft die Regel. Durch ihre Emissionsfahigkeit besitzt die Aktiengesellschaft günstige Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung, die durch eine vergleichsweise hohe Kreditwürdigkeit infolge des aktienrechtlichen Gläubigerschutzes noch unterstützt wird. Für die Aktionäre ist von Bedeutung, daß sie ihre Anteile wegen deren Fungibilität über die Börse frei kaufen und verkaufen können; dabei genießen sie einen weitgehenden Aktionärsschutz. Aus dieser kurzen Darstellung mag bereits deutlich geworden sein, daß es bei einem Rechtsformwechsel der eingetragenen Genossenschaft in der Regel um die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft geht. 608 Angesichts der oben angesprochenen Organisationsmängel der Genossenschaft namentlich bei der Unternehmensführung sowie der Kapitalbildung - bietet die Gesellschaft mit beschränkter Haftung keine überzeugende Perspektive. Demgegenüber wird die Aktiengesellschaft als geeignet angese606 Nach Kra!tlKreutz (1988), S. 223 handelt es sich deshalb bei der GmbH mehr um eine personen bezogene Mitgliedschaft. 607 Vgl. Schmidt (1986), S. 582. 608 Siehe hierzu die Untersuchungen von Kugler (1978), Luther (1978) oder auch Müller (1993). Im Unterschied dazu untersucht Turner die Aspekte bei der Wahl von GmbH oder Genossenschaft; siehe Turner (I 993a); ders. (l993b).
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
hen, den organisatorischen Anforderungen der bisherigen eingetragenen Genossenschaft besser gerecht zu werden. Dabei wird besonders auf die Eigen- und Fremdkapitalbeschaffung, den großen, flukturierenden Anteilseignerkreis, die Vorteilhaftigkeit einer professionellen und handlungsfreieren Unternehmensführung sowie generell einer größeren Gestaltungsfreiheit verwiesen. Folgerichtig kennt auch der Gesetzgeber nur den Weg der Umwandlung von der "eingetragenen Genossenschaft" in eine "Aktiengesellschaft". Das Verfahren hierfür ist im 4. Buch des Aktiengesetzes in den §§ 385m bis 385q geregelt; es handelt sich um eine formwechselnde Umwandlung. 609 2. Die veränderte Position des Mitglieds
Bei einem Rechtsformwechsel wird aus dem Mitglied als Träger und Leistungspartner der Genossenschaft ein Aktionär mit überwiegend Kapitalverwertungsinteressen. Das die Genossenschaft charakterisierende Nichtbestehen von Kapitalinteressen oder zumindest ihr Nachrang6IO ist bei der Aktiengesellschaft nicht mehr gegeben. Denn diese Rechtsform wird unter anderem deshalb gewählt, um der institutionellen Eigenkapitalschwäche der Genossenschaft zu entgehen. Hierzu gehört, daß die Aktiengesellschaft nicht an die Person von Mitgliedern gebunden ist, sondern auf einem festgelegten. allerdings aufstockbaren Grundkapital aufbaut. 611 Dadurch verändert sich das Mitglied von einem Kapitaleinleger zu einem reinen Kapitalanleger. 612 Zwar ist die Aktiengesellschaft nicht zwangsläufig eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete Gesellschaftsform. 613 Daher ist durchaus denkbar, die Aktiengesellschaft auf einen genossenschaftsähnlichen Förderzweck festzulegen. 614 Ist nun angesichts 609 Die Beurteilung einer solchen Umwandlung findet sich bei Großfe/dlJäger (1988). Zu den organisatorischen Einzelheiten siehe Müller (1993), S. 66-84. 6\0 Vgl. Blomeyer (1989), S. 45. 611 Vgl. §§ 7, 23 III 3, 29 AktG. 612 Nach Kessler (1991), S. 184/185 haben die Kapitaleigner bezüglich ihrer Kapitalanlage Sicherheitsinteressen und Erwerbsinteressen (Kapitalertrag und -zuwachs). Hinzu kommen Untemehmens- und Betriebsinteressen, so z.B. der Wunsch nach Einflußnahme auf Führungs- und Entscheidungsprozesse, um dadurch an wirtschaftlicher Macht teilhaben zu können. 613 Luther (1978), S. 18-20 kommt zu dem Schluß, daß die Aktiengesellschaft typischerweise, aber nicht ausschließlich mit dem Zweck der Gewinnerzielung betrieben wird. Da das Aktiengesetz hierzu keine Aussage treffe, sei von einer Zweckneutralität auszugehen. 614 Hierzu wäre eine entsprechende Satzungsbestimmung nach § 23 V AktG erforderlich; vgl. Luther (1978), S. 22.
III. Die Alternative: Rechtsformwandel
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der Umwandlungsüberlegungen eine Verbesserung der Kapitalausstattung gegenüber der Genossenschaft bezweckt, so wird dies mittels einer Erhöhung des Grundkapitals erfolgen. Hieran können sich grundsätzlich die Altaktionäre oder Außenstehende beteiligen. Zwar haben die bisherigen Aktionäre nach § 186 AktG ein Bezugsrecht, jedoch keine Pflicht zum Bezug neuer Aktien. Ebenso wie außenstehende Anleger werden sie daher einen Anreiz fordern. Dieser Anreiz besteht neben der künftigen Kursentwicklung, die sich nach der geschäftlichen Entwicklung der Aktiengesellschaft bemißt, in einer attraktiven Dividende. Sowohl eine solche Dividende als auch ein positiver Geschäftsverlauf sind von der Ertragslage der Aktiengesellschaft abhängig. Daher ist sie auch bei einer satzungsmäßigen Verankerung einer förderwirtschaftlichen Zwecksetzung auf eine Gewinnerzielung faktisch angewiesen. 615 Aber auch in seiner Rolle als Nutzer sieht sich das Mitglied einer neuen Situation gegenüber. In der Genossenschaft dokumentiert sich die förderwirtschaftliche Zwecksetzung in der Festlegung von Nutzungsrechten durch die Gesamtheit der Mitglieder. 616 Diese Konstruktion ist in der Aktiengesellschaft unbekannt. 617 Dem Aktionär stehen nur Verwaltungs- und Vermögensrechte zu, die nicht von seiner Person, sondern von der Zahl seiner Aktien und damit der Höhe der finanziellen Beteiligung abhängig sind. 618 Daher handelt es sich um eine anonyme Trägerschaft;619 gerade weil sie anonym ist, kann es auf eine Person bezogene Nutzungsrechte bzw. Förderung nicht geben. 62o Die Analyse der Entstehungsbedingungen der Genossenschaften hatte ergeben, daß sich eine Gruppe von Individuen zusammenschließt, um durch das gemeinsame Unterhalten eines Unternehmens für sich eine Kollektivleistung zu erbringen. Hieraus wird generell eine genossenschaftliche Treuepflicht abgeleitet. Danach hat die Genossenschaft bei der 615 Luther (1978), S. 41 sieht für den Vorstand die Notwendigkeit eines ausreichenden Freiraumes, weshalb er die genossenschaftliche Zielsetzung lediglich als geschäftspolitische Zweckbestimmung verstanden wissen will. Der Vorstand müsse demnach in der Lage sein, von einer naturalen Förderung auf eine Förderung durch Gewinnerzielung bzw. -verteilung umzuschalten, ohne dadurch die Zweckbestimmung zu verletzen. 616 Dies ist das zentrale - und wohl auch wichtigste - Recht jedes Mitglieds auf Benutzung der genossenschaftlichen Einrichtungen; vgl. Pauliek (1956), S. 192; Müller (1991), § 18 RZ 29; Luther (1978), S. 54. 617 So auch Müller (1993), S. 33. 618 Vgl. Luther (1978), S. 58. 619 Vgl. Ringle (1989), S. 212. 620 Die Möglichkeit, vinkulierte Namensaktien auszugeben, wird weiter unten diskutiert; s. S. 216.
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Abwicklung ihres Geschäftsverkehrs die Interessen ihrer Mitglieder zu wahren, wie auch die Mitglieder in ihrem Verhalten der Genossenschaft gegenüber deren - aus dem statutarischen Zweck begründete - Belange nicht beeinträchtigen dürfen. Dies ergibt sich unmittelbar aus der personalistischen Ausgestaltung der Genossenschaft: Die Treuepflicht folgt daher dem Förderzweck, so daß alles zu unterlassen ist, was der Förderpflicht widerspricht. Durch diesen Bezug auf den Gesellschaftszweck ist die Treuepflicht eine Zweckerreichungspflicht. 621 Von einem entsprechenden Treueverhältnis ist die Beziehung zwischen der Aktiengesellschaft und ihren Aktionären nicht gekennzeichnet; dieses wird auch als mit der aktienrechtlichen Grundkonzeption unvereinbar angesehen. 622 Die Integration zweier aufeinanderfolgender Wirtschafts stufen ändert sich dadurch in ihrem materiellen Gehalt. Die der genossenschaftlichen Organisation eigenen Anreiz- und Kontrollvorteile können nicht weiter aufrechterhalten werden; die Integration reduziert sich auf die Ebene der Trägerschaft. In realwirtschaftlicher Sicht kommt es dagegen zu einer Desintegration, da im Falle der Aktiengesellschaft eine gegenseitige Abstimmung wie zwischen Mitgliederwirtschaften und Genossenschaftsunternehmung in der Regel nicht mehr stattfindet. Denn die Aktiengesellschaft ist kein "gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb" mehr, der sich aus den Mitgliederwirtschaften ableitet. Vielmehr verfügt sie über einen autonomen Handlungsspielraum, der sie von Vorgaben ihrer Träger nahezu unabhängig macht. So sind die Aktionäre nach § 119 11 AktG nicht in der Lage, von sich aus einen direkten Einfluß auf die Geschäftspolitik zu nehmen. Die Aktiengesellschaft ist daher in der Gestaltung der Marktbeziehungen zu ihren Kunden - und damit auch zu ihren Aktionären, soweit es sich um Kunden handelt - frei. Da die Anreize für eine arbeitsteilige Wirtschafts weise nicht mehr bestehen, entfällt auch die Inkaufnahme entsprechender Abhängigkeiten. Die Trägerschaft einer Aktiengesellschaft bedarf deshalb keines besonderen Vertrauens mehr. Somit sind Kontrollerfordernisse nur noch hinsichtlich der finanziellen Beteiligung der Aktionäre gegeben; ihre Eigentumsrechte stellen nicht länger ein Äquivalent - also die materielle Absiche621 Siehe hierzu Müller (1980), Sp. 90; ders. (1991), § 18 RZ 7,33; Michel (1987), S. 137. In diesem Zusammenhang von besonderem Interesse ist die sich aus der Treuepflicht grundsätzlich ergebende Verpflichtung der Mitglieder zur Inanspruchnahme der genossenschaftlichen Einrichtungen bzw. zur Teilnahme am gemeinschaftlichen Geschäftsverkehr zu sehen; vgl. Lang/Weidmüller (1988), § 18 RZ 44. Dem entspricht ein grundsätzlicher Abschlußzwang der Genossenschaft; so Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 18 RZ 8. 622 So bei Müller (1980), Sp. 100 und Luther (1978), S. 62.
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rung - zu den Nutzungsrechten dar und müssen nur noch formell wahrgenommen werden. 3. Die Sicherung der Eigentumsrechte: Das Stiftungsvermögen
Eine Besonderheit der genossenschaftlichen Kapitalversorgung war, daß das einzelne Mitglied in der Regel - sieht man von der Möglichkeit des sog. Beteiligungsfonds nach § 73 III GenG ab - nur in Höhe seines Geschäftsguthabens einen Auszahlungsanspruch besitzt. Dagegen unterliegen die von der Genossenschaft gebildeten offenen und stillen Rücklagen als entindividualisiertes Kapital der Dispositionsgewalt der Mitgliedergesamtheit. Dies garantiert die Mitgliederbezogenheit der genossenschaftlichen Rechtsform bzw. der konkrete Mitgliedereinfluß und die Mitgliederrechte in der eingetragenen Genossenschaft. Dabei ist die genossenschaftseigene Ausgestaltung der Eigentumsrechte stets als Äquivalent zu den Nutzungsrechten zu sehen. Auf die Probleme der Rechtswirklichkeit wurde bereits hingewiesen. Bei der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wird jedes Mitglied im Verhältnis seines Geschäftsguthabens zur Summe der Geschäftsguthaben am Grundkapital beteiligt (§ 385 n AktG).623 Der dabei maßgebliche Bewertungszeitpunkt ist das Ende des letzten vor der Beschlußfassung zur Umwandlung abgelaufenen Geschäftsjahres. Ergibt sich für den einzelnen Genossen, daß auf ihn nur der Teil einer Aktie entfällt, sind Teilrechte im Nennbetrag von mindestens fünf Deutsche Mark vorzusehen; eine Zusammenführung der Teilrechte zu vollen Aktien unter den Mitgliedern soll durch die Aktiengesellschaft vermittelt werden. 624 Bei der Festlegung des Grundkapitals ist eine Entscheidung darüber zu treffen, ob hierzu nur die Summe der Geschäftsguthaben - also die individuellen Eigentumstitel oder auch das Stiftungsvermögen der Genossenschaft als gemeinschaftliches Eigentum ganz oder teilweise gehören soll. Für das Mitglied ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, daß die offenen Reserven in die Ermittlung des Grundkapitals einbezogen werden können, aber nicht müssen. 625 Nur bei einer Einbeziehung wird das Mit623 Der Nennbetrag des Grundkapitals darf dabei nach § 385 m AktG das nach Abzug der Schulden verbleibende Vermögen der Genossenschaft nicht übersteigen. 624 V gl. § 385 n i. V. m. § 385 k III AktG. Hierbei ist besonders darauf hinzuweisen, daß Aktionärsrechte nur aus dem Besitz - voller - Aktien abgeleitet werden können. Teilrechte allein haben daher zwar einen wirtschaftlichen, aber noch keinen rechtlichen Wert. 625 § 385 m AktG sieht lediglich als Mindestbetrag DM 100.000,- und als Höchstbetrag das Reinvermögen der Genossenschaft vor, siehe Semler/Grunewald in Komm. zum AktG, § 385 m RZ 21.
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glied - zumindest tendenziell - direkt am inneren Wert der ehemaligen Genossenschaft beteiligt. Wird dagegen der Stiftungsfonds in aktienrechtliche Rücklagen verwandelt, verschlechtert sich die eigentumsrechtliche Position der Mitglieder. Bezüglich der Rücklagen unterscheidet man bei der Aktiengesellschaft die Kapital- und die Gewinnrücklagen, wobei letztere die gesetzliche, die satzungsmäßige, die anderen und die Rücklage für eigene Anteile umfaßt. Die Kapitalrücklage entsteht durch Zuzahlungen der Gesellschafter auf das Eigenkapital, wie etwa das Agio bei der ÜberPari-Emission von Aktien (§ 272 11 HGB). Die Gewinnrücklagen werden dagegen im Zuge der Ergebnisverwendung, d.h. der Gewinnthesaurierung gebildet. In die gesetzliche Rücklage sind aus dem - um einen eventuellen Verlustvortrag geminderten - Jahresüberschuß solange jeweils fünf Prozent einzustellen, bis sie zusammen mit der Kapitalrücklage zehn Prozent des Grundkapitals erreichen (§ 150 11 AktG). Den anderen Gewinnrücklagen können der Vorstand und der Aufsichtsrat, sofern sie den Jahresabschluß feststellen, eigenständig über die gesetzliche Rücklage hinaus bis zur Hälfte des verbleibenden Jahresüberschusses zuweisen; bei einer entsprechenden Satzungsermächtigung ist ein noch höherer Teil möglich (§ 58 11 AktG). Wird der Jahresabschluß dagegen von der Hauptversammlung festgestellt, kann die Satzung bestimmen, daß bis zur Hälfte des Jahresüberschusses in die satzungsmäßigen Rücklagen eingestellt werden (§ 58 I AktG). Eine Rücklage für eigene Anteile wird als Gegenwert für eigene Aktien im Besitz der Aktiengesellschaft gebildet, um so eine verdeckte Rückgewähr von Eigenkapital an die Aktionäre zu verhindern (§ 272 IV HGB).626 Das Genossenschaftsrecht kennt dagegen nur die gesetzliche und die anderen Rücklagen. Gemäß § 7 Nr. 2 GenG muß das Statut Bestimmungen über die Bildung einer gesetzlichen Rücklage enthalten; sowohl bezüglich der Höhe wie auch der Einstellungsmodalitäten genießt die Genossenschaft allerdings Satzungsautonomie. 627 Die Bildung der anderen Rücklagen ist dagegen nicht im Genossenschaftsgesetz geregelt, sondern findet ihre Grundlage in der Satzung. 628 Hinsichtlich der Verfügungs gewalt über die Bildung und Verwendung der Rücklagen ergeben sich erhebliche Unterschiede zwischen der eingetragenen Genossenschaft und der Aktiengesellschaft. Bei der Genossenschaft obliegt die Entscheidung über die Zuweisung zur gesetzlichen 626
627 628
VgI.Mül/er(l993),S.47. V gl. LanglWeidmül/er (1988), § 7 RZ 82-90. V gl. LanglWeidmül/er (1988), § 7 RZ 91.
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sowie über die Bildung und Verwendung der anderen Rücklagen dem StatUt. 629 Da nach § 16 I GenG Satzun~sangelegenheiten zwingend der Generalversammlung vorbehalten sind,6 0 haben die Mitglieder daher die Entscheidungsgewalt über die Rücklagenbildung. Die der Rücklagenbildung zeitlich vorangehende Feststellung des Jahresabschlusses sowie die Beschlußfassung über die Verwendung ist gemäß § 48 I GenG ebenfalls Aufgabe der Generalversammlung. 631 Die Einstufung der Rücklagen als Stiftungsfonds und damit als unteilbares Vereinskapital ergibt sich also daraus, daß die Mitglieder und nur sie kollektiv über die Bildung und Verwendung dieses Vermögens gegenstandes befinden. 632 Anders stellt sich die Lage bei der Aktiengesellschaft dar. Die Feststellung des Jahresabschlusses obliegt nach dem Aktienrecht Vorstand und Aufsichtsrat und wird nur nach deren Ermessen der Hauptversammlung überlassen. 633 Nach § 174 I AktG ist die Hauptversammlung bei ihrem Beschluß über die Gewinnverwendung an diesen Jahresabschluß gebunden. Die Bildung der Rücklagen unterliegt dabei in wesentlich stärkerem Maß den Vorgaben des Aktiengesetzes. Einerseits haben Vorstand und Aufsichtsrat bereits vorab - und damit an der Hauptversammlung bzw. den Aktionären vorbei - eine Zugriffsmöglichkeit auf einen Teil des Jahresüberschusses; andererseits muß die Hauptversammlung bei ihrem Gewinnverwendungsbeschluß die gesetzlich vorgeschriebene Rücklagendotierung nach § 150 AktG beachten. Die Dispositionsrechte der Mitglieder bei der Gewinnverwendung sind daher bereits eingeschränkt. Daneben unterliegt auch die Verwendung der Rücklagen gesetzlichen Beschränkungen; lediglich die satzungsmäßige und die anderen Rücklagen sind hiervon ausgenommen. Dadurch verlieren die Rücklagen ihren Charakter als "gemeinschaftliches Kapital"; sie unterliegen der Dispositionsgewalt der Aktiengesellschaft und nicht mehr derjenigen der Aktionärsgesamtheit. Für diese gibt es keine Möglichkeit, diese Vermögenswerte zu individualisieren bzw. zu realisieren. 629 Lediglich die gesetzliche Rücklage unterliegt einer strengen Zweckbindung, da sie nur zur Deckung von Bilanzverlusten verwendet werden darf; vgl. Müller (1991), §7RZ71. 630 Siehe auch Müller (1991), § 16 RZ 4. 631 V gl. auch Lang/Weidmüller (1988), § 48 RZ 5. 632 Dieser Eingriffsschutz in die Entscheidungsfreiheit der Genossen wird nur durch die Verwendungsbeschränkung für die gesetzliche Rücklage beeinträchtigt. Da allerdings im GenG keine Mindesthöhe genannt ist, kann diese Rücklage auch dermaßen niedrig angesetzt werden, daß sie in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zum Kapitalvolumen der Genossenschaft steht und daher für die Mitglieder materiell nicht mehr ins Gewicht fallt; siehe Müller (1991), § 7 RZ 69. 633 Vgl. §§ 172 u. 173 AktG.
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Als ein erstes Ergebnis kann daher festgehalten werden, daß bezüglich des Stiftungsfonds bei dem Rechtsformwandel die bisherigen Mitglieder in ihren Eigentumsrechten beeinträchtigt werden können. Soll eine solche Beeinträchtigung ausgeschlossen werden, muß bei einer Umwandlung darauf gedrungen werden, daß das neu festzusetzende Grundkapital alle Reinvermögensbestandteile der Genossenschaft mit Ausnahme der gesetzlichen Rücklage zu umfassen hat. Auf diese Weise wären die Eigentumsrechte der Mitglieder zum Umwandlungszeitpunkt gewahrt; der Aufbau von Rücklagen außerhalb ihrer faktischen Verfügungsgewalt würde dadurch erst mit Beginn der erwerbswirtschaftlichen Betätigung durch die Aktiengesellschaft eingeleitet. Allerdings muß dabei die Gefahr des Trittbrettfahrens beachtet werden. Nach § 385 n AktG bemißt sich der Aktienanteil eines Mitglieds nach dem Rechtsformwandel am jeweiligen proportionalen Anteil an der Summe der Geschäftsguthaben. Neumitglieder, die relativ spät - vielleicht sogar erst nach Bekanntgabe der Umwandlungsabsichten - in die Genossenschaft eintreten, partizipieren gleichberechtigt am inneren Wert, der jedoch in der Vergangenheit ohne ihr Zutun von den Altmitgliedern geschaffen wurde. Da sich dieser Unternehmenswert der Genossenschaft vor allem aus offenen und stillen Rücklagen ergibt, die unter Verzicht auf eine Ausschüttung von Überschüssen gebildet wurden, ist die proportionale Beteiligung aller Mitglieder am inneren Wert gleichbedeutend mit einer Vermögensumverteilung. 634 Dieses Problem dürfte sich jedoch als kaum lösbar erweisen. Denn eine "gerechte", individuelle Zuordnung des Vermögens der Genossenschaft auf ihre Mitglieder ist weder sachlich noch zeitlich möglich. Gerade dies ist aus der Rechtstypik heraus ja auch so gewollt. Schließlich kommt in der Ansammlung von Rücklagen als unteilbarem Stiftungsfonds die - auf Raiffeisen zurückgehende - Auffassung zum Ausdruck, daß die Genossenschaft unbefristet bestehen soll.635 Daneben ergibt sich eine Verbesserung der Vermögensposition des Aktionärs im Vergleich zum Mitglied einer Genossenschaft daraus, daß seine Aktien, soweit sie an einer Börse gehandelt werden, einer Marktbewertung unterliegen, die im Aktienkurs sämtliche Wertkomponenten der Unternehmung berücksichtigt. Daher kann der Aktionär indirekt am gesamten Gesellschaftsvermögen inklusive eines Wertzuwachses teilhaben. 636 Allerdings handelt es sich dabei um keinen Eigentumstitel im schuldrechtlichen Sinn, vielmehr ergibt sich der Kurswert der Aktie aus 634 635 636
Siehe dazu auch Höser (1989), S. 127. So Tillmann (1980), Sp. 764. Vgl. Müller (1993), S. 39.
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dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage. 637 Eine Beteiligung am inneren Wert und damit die Wahrnehmung seiner Eigentumsrechte wird dem Aktionär daher nur dann gelingen, wenn er einen Käufer findet, der den über dem Nominalwert liegenden Preis auch zu bezahlen bereit ist. Ein Neuinvestor richtet seine Anlageentscheidung vor allem nach den erwarteten Einnahmeüberschüssen aus Dividenden und Kursgewinnen aus. Für den Kurswert der Aktie sind daher die zukünftigen Ertragsaussichten, d.h. der Ertragswert der Unternehmung ausschlaggebend. 638 Dies ist letztlich eine Frage der Erwartungen, die von der Existenz der offenen und stillen Rücklagen durchaus unabhängig sein können; der innere Wert der Unternehmung wird durch die Erwartungen nicht unbedingt wiedergegeben. 639 Damit bleibt festzuhalten, daß der vermeintliche Vorteil einer Beteiligung am inneren Wert der Genossenschaft im Zuge des Rechtsformwechsels nicht zwangsläufig eintritt; daher ist dieses Vorgehen auch nicht dazu geeignet, die Eigentumsrechte der Mitglieder zwingend zu sichern.
4. Auswirkungen auf das Führungshandeln
Die Organstruktur der Aktiengesellschaft weist begrifflich große Übereinstimmung mit der der Genossenschaft auf, allerdings sind die Aufgabenbereiche und Kompetenzen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung bei der Aktiengesellschaft zum Teil erheblich anders geregelt. Dabei werden im folgenden nur die Bestimmungen berücksichtigt, die für das Führungshandeln des Managements von Bedeutung sind. Der Vorstand hat nach § 76 I AktG die Aktiengesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. 64o Dabei ist er - wie der Vorstand einer Genossenschaft - an den Gesellschaftszweck und den Unternehmensgegenstand gebunden. Daneben hat er gemäß § 82 11 AktG die Beschränkungen zu So auch Kraft in KK zum AktG, § 6 RZ 9. So Müller (1993), S. 164. 639 Gleichlautend Brändel in GK zum AktG, § 6 RZ 33. 640 Aus der Entstehungsgeschichte, insbesondere der Gesetzesbegründung, des Aktiengesetzes ergibt sich, daß der Vorstand im Rahmen seiner Eigenverantwortung nur auf zwei Richtpunkte zwingend festgelegt ist: Auf das Unternehmensinteresse und auf das Gemeinwohl (So § 396 AktG: Gefährdet eine Aktiengesellschaft [... ] durch gesetzwidriges Verhalten ihrer Verwaltungsträger das Gemeinwohl [... ], so kann die Gesellschaft [... ] aufgelöst werden.). Siehe auch Schmidt (1986), S. 614. Dabei ist allerdings keineswegs unstriuig, durch wen und in welcher Weise das Unternehmens interesse festgestellt werden soll; vgl. Kessler (1991), S. 128-132 zum Stand der Diskussion im Schrifttum. 637
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beachten, die ihm von Satzung, Aufsichtsrat, Hauptversammlung und Geschäftsordnung vorgegeben sind. Eine Beschränkung kann ihm nach § 111 IV AktG nur im Rahmen eines Zustimmungserfordernisses des Aufsichtsrates auferlegt werden; dabei handelt es sich jedoch lediglich um ein Vetorecht und nicht um eine Maßnahme der aktiven Geschäftsführung. 641 Ebenso ist die Hauptversammlung nicht zu eigenständigen Geschäftsführungsmaßnahmen ermächtigt (§ 11911 AktG). Dies scheint dem Vorstand einer Genossenschaft ähnlich zu sein, der ebenfalls die Kompetenz der eigenverantwortlichen Leitung besitzt, dabei jedoch nach § 27 I S. 2 GenG die vom Statut festgesetzten Beschränkungen zu beachten hat. Die eigenverantwortliche Leitung des Genossenschaftsvorstandes vollzieht sich allerdings in engeren Grenzen, die durch die satzungsmäßigen Rechte und Zuständigkeiten des Aufsichtsrates (§ 38 III GenG) und der Generalversammlung (§ 43 I GenG) gezogen werden. 642 Zwar dürfen diese Beschränkungen nicht dazu führen, die Leitungsverantwortung des Vorstandes auszuhöhlen. 643 Doch kann die Generalversammlung aufgrund ihrer Alleinzuständigkeit in Satzungsangelegenheiten die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes für bestimmte Geschäfte einschränken oder vollständig aussetzen; diese Geschäfte kann sie dem Aufsichtsrat übertragen oder selbst vomehmen. 644 Damit bleibt festzuhalten, daß die Leitungsmacht des aktienrechtlichen Vorstandes weitergehender ist als die des genossenschaftlichen. Eine dem Genossenschaftsgesetz vergleichbare Satzungsautonomie kennt das Aktienge setz nicht; die Kompetenzen des Vorstandes einer Aktiengesellschaft sind kraft Gesetzes von denen der anderen Organe exakt getrennt und könVgl. Luther (1978), S. 24/25. Dabei ist auch § 34 I GenG zu beachten, wonach "die Vorstandsmitglieder [... ] bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft anzuwenden [haben]". Damit ist ihnen ausdrücklich die Berücksichtigung des gesetzlichen Förderzweckes aufgegeben. Denn während ein nicht-genossenschaftlicher Geschäftsleiter seiner Sorgfaltspflicht bereits dadurch nachkommt, daß er Gewinne erwirtschaftet, um diese an die Gesellschafter auszuschütten und den Unternehmensbestand zu sichern, hat der genossenschaftliche Geschäftsleiter darüber hinaus dafür zu sorgen, daß die unternehmerische Tätigkeit stets den Mitgliedern zugute kommt; siehe Lang/Weidmüller (1988), § 34 RZ 17/18. V gl. dazu auch Westermann (1972), S. 361/362. 643 V gl. Lang/Weidmüller (1988), § 27 RZ 10. 644 So Lang/Weidmüller (1988), § 27 RZ 12; Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 27 RZ 9, 12; weitgehenderer Ansicht ist Müller (199\), § 27 RZ 6, der es als zulässig ansieht, daß der Generalversammlung durch die Satzung zugestanden wird, den Vorstand zur Vornahme bestimmter Geschäftsführungsakte anzuweisen; gleichlautend Westermann (1972), S. 362. 641
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nen nicht beschränkt werden. 645 Daher spricht man beim aktienrechtlichen Vorstand auch von einem Bereich unentziehbarer Kernrechte. Demgegenüber existiert ein vergleichbarer Kembereich für den Genossenschaftsvorstand nicht; deshalb ist seine Leitungsmacht generell beschränkbar. 646 Die Abgrenzung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist im Aktienrecht eindeutig geregelt. Nach § 111 AktG obliegt dem Aufsichtsrat die Überwachung der Geschäftsführung, von der er selbst ausgeschlossen ist. Daneben hat nach § 84 AktG die Bestellung bzw. Abberufung der Vorstandsmitglieder zwingend durch den Aufsichtsrat zu erfolgen. Einen Einfluß auf die Geschäftsführung hat der Aufsichtsrat also nur im Zuge der bereits erwähnten zustimmungspflichtigen Geschäfte. Eine solche Funktionstrennung kennt das Genossenschaftsgesetz nicht. 647 Neben seiner Überwachungsaufgabe können dem genossenschaftlichen Aufsichtsrat gemäß § 38 III GenG durch das Statut weitere Obliegenheiten zugewiesen werden. Über Zustimmungsbefugnisse und Einspruchsrechte hinaus darf die Satzung auch Befugnisse der aktiven Mitgeschäftsführung vorsehen. 648 Eine derartige Geschäftsführungskompetenz kann außerdem von der Generalversammlung einer Genossenschaft wahrgenommen werden, soweit dies die Satzung vorsieht (§ 43 I i.V.m. § 27 I S. 1 GenG). Da nach § 16 I GenG die Satzung von der Generalversammlung zu beschließen ist, kann sie sich folglich selbst das Recht auf Mitgeschäftsführung einräumen. 649 Daneben steht der Generalversammlung die Wahl bzw. Abberufung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ZU,650 wobei die Wahl der Vorstandsmitglieder fakultativ ist und statutarisch auch eine andere Form der Bestellung vorgesehen werden kann. 651 Sie stellt den Jahresabschluß fest und entscheidet über die Gewinnverwendung. 652 Ihre Kompetenzen Vgl. auch Kugler (1978), S. 347. Vgl. Großfeld/Apel (1977), S. 198; Beuthien (1975), S. 200/201. 647 Vgl. Luther (1978), S. 124. 648 So Beuthien (1975), S. 197; Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 38 RZ 8. Luther (1978), S. 126 bewertet dies als kritisch, weil er dadurch die Kontrollfähigkeit des Aufsichtsrates gefährdet sieht. 649 Darin ist keine Einschränkung der Eigenverantwortlichkeit des Vorstandes zu sehen. Diese bezieht sich nur darauf, daß der Vorstand nach § 27 I GenG seine Geschäfte im Rahmen des Statuts weisungsfrei durchführen kann. Hier geht es demgegenüber darum, daß die Mitglieder mittels Statut gerade diesen Rahmen enger ziehen, indem sie dem Vorstand bestimmte Geschäfte entziehen und anderen Organen zur Geschäftsführung zuweisen; vgl. Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 27 RZ 13, § 38 RZ 8, § 43 RZ2. 6~O Vgl. §§ 24 I, III, 36 I, III, 40 GenG. 6~1 Vgl. § 24 II GenG. 652 V gl. §§ 19,48 GenG. 64~
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
sind damit erheblich weitergehender als die einer Hauptversammlung. Denn das Aktienrecht weist dieser im wesentlichen nur die Beschlußfassung über die Gewinnverwendung653 und die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder654 - von den Einschränkungen des Mitbestimmungsrechts soll an dieser Stelle abgesehen werden - zu. Dies zeigt sich auch in Satzungsangelegenheiten, die ausschließlich der General- wie Hauptversammlung vorbehalten sind, sich jedoch nur im Rahmen des jeweiligen Organisationsgesetzes bewegen dürfen. 655 Durch die dem Genossenschaftsrecht eigene große Satzungsautomie verfügen daher die Genossen über einen wesentlich größeren Handlungsspielraum als die Aktionäre. Bezüglich des Führungshandelns des Managements einer Aktiengesellschaft im Vergleich zur Genossenschaft haben die zuvor dargestellten organisationsrechtlichen Vorschriften wesentliche Konsequenzen. Die Geschäftsführung der AG obliegt ausschließlich dem Vorstand; weder indirekt über den Aufsichtsrat noch direkt im Rahmen der Hauptversammlung können die Anteilseigner Einfluß auf sie nehmen. 656 Selbst bei der Formulierung der Geschäftspolitik ist der Vorstand autonom. 657 Diese außerordentlich weitreichenden Möglichkeiten des Vorstandes unterliegen allerdings einer dem Genossenschaftsrecht gegenüber aufgewerteten Kontrolle. 658 Hierfür sorgt einerseits der bereits angesprochene Mechanismus des Kapitalmarktes, andererseits eine Überwachung durch den Aufsichtsrat, die das Aktiengesetz detailliert regelt und qualitativ aufwertet. 659 Hierdurch kann bzw. wird sie auf externe Fachleute übergehen. Dies kommt im Prinzip der Drittorganschaft zum Ausdruck. Diese werden ihrer Überwachungsaufgabe allerdings ihre persönlichen Interessen zugrundelegen, die mit denen der Aktionäre nicht zwangsläufig übereinstimmen müssen. 660 Daneben sei auf die sog. Drittelparität gemäß Vgl. § 174 I AktG. Vgl. §§ 101 I, 103 I AktG. 655 Vgl. § 16 I i.Y.m. § 18 GenG bzw. § 179 I i.V.m. § 23 V AktG. 656 Nach Schmidt (1986), S. 587 ist "bei keiner Rechtsform [... ] die Verselbständigung des Unternehmens gegenüber dem Rechtsträger und den Kapitaleignern so ausgeprägt wie bei der AG". 657 Siehe Mertens in KK zum AktG, § 76 RZ 31. So auch KUlJler (1978), S. 347; Luther (1978), S. 166. 65K Vgl. auch Müller (1993), S. 26. 6W SO verzichtet das Aktienrecht auf das Prinzip der Selbstorganschaft. Daneben kann die Aufsichtsratstätigkeit nach § 113 III AktG erfolgsabhängig vergütet werden, was § 36 II GenG für Genossenschaften untersagt. 660 So KUlJler (1978), S. 386, der hierfür beispielsweise Gläubiger oder Bankenvertreter anführt. 653
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§ 76 BetrVG hingewiesen, nach der bei Aktiengesellschaften rechtsformabhängig zwingend ein Drittel des Aufsichtsrates aus Arbeitnehmern zu bestehen hat. 66 ! Die Vertretung der Aktionärsinteressen durch den Aufsichtsrat wird sich daher nicht mehr auf eine inhaltliche Formulierung der Geschäftspolitik richten, sondern vielmehr auf das rein formale Ziel der Renditeoptimierung reduzieren.
Zusätzlich entfällt die die Mitgliederbelange berücksichtigende materielle Betreuungsprüjung (§ 53 i.V.m. § 55 GenG) durch den gesetzlichen Prüfungsverband zugunsten einer jormellen Bestätigungsprüjung. So umfaßt nach § 317 HGB die aktienrechtliche Prüfung die Ordnungsmäßigkeit von Buchführung, lahresabschluß und Lagebericht. Die Prüfung durch den Genossenschaftsverband geht darüber hinaus, da sie dies nur als Hilfsmittel benutzt, um die "Fördertauglichkeit der Geschäftsführung" zu bewerten. 662 Daher dient die genossenschaftliche Prüfung vor allem den Interessen bzw. dem Schutz der Mitglieder. 663 Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß die Tätigkeit des Aufsichtsrates in die Prüfung einbezogen ist und dem Prüfungsverband ein weitreichendes Prüfungsverfolgungsrecht bis hin zur Kontrolle über die Mängelbeseitigung zusteht. 664 Dabei verfügt der Prüfungsverband wegen der Bindung der Genossenschaft an ihn (nach §§ 54, 55 GenG muß die Genossenschaft verpflichtend einem Prüfungsverband angehören, dem allein das Prüfungsrecht zusteht) über eine wesentlich größere Unabhängigkeit als der aktienrechtliche Abschlußprüfer, der gemäß § 318 HGB von der Gesellschaft bestellt, aber durchaus - etwa bei Meinungsverschiedenheiten - auch wieder abberufen werden kann. 665 Die verändert wirkenden Kontrollmechanismen haben neben der verstärkten Leitungsmacht des Vorstandes allerdings zur Folge, daß die Anteilseigner die ohnehin schon geringen Möglichkeiten der Managementsteuerung vollständig aus ihren Händen geben. Die "Beeinflussung" des Vorstandshandelns ist durch die Aktionäre nur auf indirektem Wege möglich, da nach § 84 I AktG der Vorstand vom Aufsichtsrat bestellt, dieser wiederum von der Hauptversammlung (§ 101 I i.V.m. § 119 I 1 AktG) gewählt wird. Da in der Aktiengesellschaft generell der Mehrheitsent661 Müller (1993), S. 210/211 sieht hierin allerdings keine Nachteile, sondern sogar Vorteile für die Effizienz bzw. Funktionsfähigkeit der Aufsichtsratsarbeit. Dabei verweist er auf eingetragene Genossenschaften mit mehr als 500 Beschäftigten, die ebenfalls der Drittelparität unterliegen. 662 Vgl. Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 53 RZ 5; Müller (1993), S. 54/55. 663 So Lang/Weidmüller (1988), § 54 RZ 16,21. 664 Vgl. Lang/Weidmüller (1988), § 53 RZ 46-56. 665 Siehe auch Groß/eid (1975), S. 32.
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scheid gilt und dieser an den Anteilsbesitz gebunden ist (§§ 133, 134 AktG), setzt die Kontrolle des Führungshandelns durch das Instrument der Personalentscheidung eine hieran auch interessierte Aktionärsstruktur voraus. Dies wird dann zu unterstellen sein, wenn die Aktionäre an die Tätigkeit der Aktiengesellschaft neben ihrer Renditeerwartung auch inhaltliche Anforderungen stellen. Um in dieser Hinsicht den Aktionärskreis homogen - und damit kontrollinteressiert - zu halten, bietet sich nur die Möglichkeit an, vinkulierte Namensaktien auszugeben. 666 Während Inhaberpapiere durch Einigung und Übergabe übertragen werden, geschieht dies bei Namensaktien durch Indossament (§ 68 I AktG). Dabei hat die Aktiengesellschaft gemäß § 67 AktG mit dem sog. Aktienbuch ein Verzeichnis über die Aktionäre mit Namen, Wohnsitz und Beruf zu führen. Dies erhöht den Informationsstand der Aktiengesellschaft, da sie - ebenso wie jeder Aktionär mittels seines Einsichtsrechts nach § 67 V AktG - jederzeit über die Zusammensetzung des Kreises ihrer Anteilseigner unterrichtet ist. 667 Wird daneben zum Mittel der Vinkulierung gegriffen, kann gezielt auf die Aktionärsstruktur Einfluß genommen werden. Dazu muß gemäß § 68 11 AktG eine Satzungsbestimmung vorgesehen werden, nach der die Übertragung von Namensaktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist. Durch diese Möglichkeit, ihre Aktionäre gewissermaßen selbst "auswählen" zu können, wird die Aktiengesellschaft in ihrer trägerschaftlichen Organisation damit ein Stück weit personalisiert. Trotzdem wird generell als Ergebnis festzustellen sein, daß die Umwandlung einer Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft die bei der Marktgenossenschaft bereits feststellbare Entwicklung der Emanzipation des Managements von der Mitgliederbasis abschließt und beide - zumindest grundsätzlich - vollkommen unabhängig voneinander agieren läßt. 5. Konsequenzen erwerbs wirtschaftlicher Unternehmensführung Wegen der Zweckneutralität der Aktiengesellschaft war bereits ausgeführt worden, daß es in ihr eine Gewinnorientierung bzw. die Ausrichtung der Geschäftspolitik am Prinzip der Gewinnmaximierung nicht per se geben muß. Trotzdem ist generell bei Fehlen einer anderslautenden Satzungsbestimmung davon auszugehen, daß der Zweck einer AG als Kapifi6h Dies setzt eine entsprechende Satzungsbestirnrnung voraus, da nach § 24 I AktG Aktien grundsätzlich als Inhaberaktien ausgegeben werden. fifi7 Vgl. Luther (1978), S. 64/65. Insofern spielt das Aktienbuch eine ähnliche Rolle wie die Liste der Genossen.
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talgesellschaft darin besteht, die durch Satzung festgelegte Tatigkeit selbst für Rechnung aller Aktionäre zur Gewinnerzielung zu betreiben. Daher ist die Gewinnerzielungsabsicht ein typisches Merkmal der Aktiengesellschaft; sie ist eine Rechtsform zur Verwirklichung erwerbswirtschaftlicher Ziele. 668 Desweiteren leitet man aus dem Inhalt des § 57 AktG (Verbot der Einlagenrückgewähr) ab, daß eine Gewinnlosigkeit - als Ausdruck einer förderwirtschaftlichen Zielsetzung - bei der Aktiengesellschaft nicht durch Maßnahmen erreicht werden darf, die aktienrechtlich eine Form der verdeckten Gewinnausschüttung darstellen. 669 Die naturale Förderung in der Genossenschaft vollzieht sich durch die Bereitstellung von Leistungen für die Mitglieder. Dies schließt ein, daß sich die Abrechnung ebenfalls an den Bedürfnissen der Mitglieder zu orientieren hat, also so günstig wie möglich erfolgen muß. Da in der Regel aus kalkulatorischen Gründen zunächst ein Überschuß beim Genossenschaftsunternehmen anfällt, kann dieser mit dem Instrument der Rückvergütung am Ende der Periode leistungsgerecht an die Mitglieder ausgeschüttet werden. 67o Daher ist die Rückvergütung ein Teil der naturalen Förderung. Der Aktiengesellschaft ist dieser Weg versperrt. 671 Gewährt die Aktiengesellschaft ihren Aktionären Rückvergütungen wie z.B. Umsatz- oder lahresbonifikationen, die vom Umfang her erheblich bzw. ungerechtfertigt sind, wird allgemein eine verdeckte Gewinnausschüttung unterstellt. 672 Gleiches gilt, wenn sie ihren Aktionären gegenüber günstigere Konditionen anwendet als Dritten. Dies gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft ausschließlich Geschäfte mit ihren Aktionären betreiben würde, dabei jedoch Konditionen zugrunde legt, die erheblich günstiger sind, als sie es im fiktiven - Geschäft mit Dritten wären. Günstigere Konditionen sind ledigSo Kraft in KK zum AktG, § 3 RZ 10. Dies ergibt sich daraus, daß "jede vennögenswerte Leistung der Gesellschaft an ihre Aktionäre, die nicht Verteilung des festgestellten und zur Ausschüttung beschlossenen Bilanzgewinns ist, [... ) grundSätzlich eine aktienrechtliche verdeckte Gewinnausschüttung dar[stellt)"; vgl. Luther (1978), S. 34 m.w.N. Kirchhof (1985), S. 41/42 definiert die verdeckte Gewinnausschüttung als eine "Zuwendung einer Körperschaft an ihre Gesellschafter, die in dem als Zuwendungsgrund beanspruchten Betriebsverhältnis keinen ausreichenden Rechtsgrund findet und deshalb allenfalls durch das Gesellschaftsrechtsverhältnis gerechtfertigt werden kann". 670 Die genossenschaftliche Rückvergütung folgt aus dem Förderzweck; daher haben die Mitglieder hierauf einen Rechtsanspruch. Siehe auch Lang/Weidmüller (1988), § 19 RZ 30. 671 Vgl. § 22 KStG, der die Rückvergütung als steuerlich abzugsfähige Betriebsausgabe nur bei der Rechtsfonn der eingetragenen Genossenschaft anerkennt. 672 Zur Problematik siehe Luther (1978), S. 33-38 m.w.N. 668
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
lich dann gerechtfertigt, wenn sie auf wirtschaftlichen Vorteilen aus der Geschäftsbeziehung mit den Aktionären beruhen. Daher wird dem Vorstand einer Aktiengesellschaft kaum eine andere Möglichkeit bleiben, als im Geschäftsverkehr mit seinen Aktionären die üblichen Konkurrenzpreise zugrunde zu legen und den so erwirtschafteten Gewinn später auszuschütten. Ein solches Vorgehen ist jedoch etwas grundsätzlich anderes als die genossenschaftliche Förderung. Erstens ist eine Kapitaldividende keine naturale Förderung und widerspricht der genossenschaftlichen Rechtstypik. Weiterhin, und dies ist noch gewichtiger, bemißt sich die Gewinnverteilung in der Aktiengesellschaft nach der Kapitalbeteiligung und nicht nach dem Umfang der Leistungsbeziehungen. 673 Damit bleibt festzuhalten, daß die Zweckneutralität der Aktiengesellschaft nur unter Einschränkungen gültig ist; im Zweifel wird daher eine Gewinnerzielungsabsicht und damit eine erwerbswirtschaftliche Unternehmensführung zu unterstellen sein. Ein faktischer Zwang zur Erzielung von Gewinnen ergibt sich zudem aus dem aktienrechtlichen Prinzip der Gleichbehandlung. Dieses bemißt sich nach der Kapitalbeteiligung, so daß Aktionäre mit gleichem Aktienbesitz gleich zu behandeln sind. 674 Daher könnte ein Anreiz für den Aktienerwerb in erhöhten Verwaltungs- und/oder Vermögensrechten bestehen. Die einzig signifikante - und für ihn selbst auch spürbare - Verbesserung seiner Position erfährt ein Aktionär jedoch nur in dem Recht auf Gewinn nach § 58 IV AktG, denn dies ist an den Anteilsbesitz gebunden und verändert sich daher proportional zu diesem. Deshalb wird er sich zu einem weiteren Aktienerwerb nur bereitfinden, wenn die Aktiengesellschaft in der Lage ist, entsprechende Erfolgsaussichten zu vermitteln. Dazu muß sie Gewinne erwirtschaften. Gleichlautende Überlegungen wird ein externer Investor anstellen. Der Unterschied zu den Altaktionären ist jedoch darin zu sehen, daß die durch die Leistungsbeziehungen mit den (Mitglieder-)Aktionären und Kunden erwirtschafteten Gewinne nicht mehr ausschließlich, d.h. vollständig, an 673 Zwar ist nach § 60 III AktG eine umsatzabhängige Dividende zulässig; vgl. Luther (1978), S. 165. Doch abgesehen von dem daraus erwachsenen Verwaltungsaufwand stellt sich die Frage, wie die Interessen derjenigen Aktionäre befriedigt werden sollen, die keine Leistungsbeziehungen zur Aktiengesellschaft unterhalten, auf deren Beteiligungskapital die Aktiengesellschaft jedoch Wert legt und auch angewiesen ist. Müller (1993), S. 181 sieht darin eindeutig eine SchlechtersteIlung der Mitglieder. 674 So Luther (1978), S. 60 unter Hinweis auf die kapitalistische Struktur der Aktiengesellschaft; ebenso Müller (1993), S. 33.
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die ehemaligen Mitglieder ausgeschüttet werden. Damit ist endgültig von der Fiktion der Förderung Abschied genommen. 6. Die "genossenschaftliche" Aktiengesellschaft
Die Veränderungen der Marktbedingungen haben den Geschäftsumfang einiger Genossenschaften in einem Maße ansteigen lassen, daß sie das Rechtskleid der eingetragenen Genossenschaft als zu eng angesehen und deshalb einen Rechtsformwandel angestrebt haben. Im Gegensatz zu den bisherigen Überlegungen zum Rechtsformwandel geht es diesen Genossenschaften jedoch darum, ihre genossenschaftliche Zielsetzung auch weiterhin aufrechterhalten zu können; aufgrund der organisatorischen Schwächen der genossenschaftlichen Rechtsform sehen sie dafür z.B. eine Aktiengesellschaft als geeigneter an. Grundsätzlich ist ein solches Vorgehen möglich, da die eingetragene Genossenschaft kein Förderzweckmonopol besitzt und andere - zweckfreie - Gesellschaftsformen durchaus genossenschaftlich bzw. genossenschaftsähnlich ausgestaltet werden können. 675 Die genossenschaftliche Betätigung vollzieht sich dann in atypischer Rechtsform;676 dies ist unproblematisch, weil die Genossenschaft ja nicht bloß eine Rechtsform, sondern ein Rechtstyp ist. Als Beispiel hierfür soll die sog. genossenschaftliche Aktiengesellschaft angeführt werden, die auch als latente Genossenschaft677 bezeichnet wird. Unter Rückgriff auf die zuvor diskutierten Wirkungen eines Rechtsformwandels soll nun geklärt werden, ob die genossenschaftliche Zusammenarbeit nicht nur formell, sondern auch materiell in der Aktiengesellschaft erfolgen kann. Dazu wird das Aktienrecht dem zur Zeit gültigen Genossenschaftsrecht gegenüber gestellt. Würden sich aus der im I. Abschnitt vorgeschlagenen Reform des Genossenschaftsgesetzes dagegen andere Schlußfolgerungen ergeben, werden diese im jeweiligen Zusammenhang gesondert besprochen. Von Interesse sind zunächst die Argumente, die für einen Rechtsformwandel angeführt werden. Im Vordergrund steht dabei die Eigenkapitalproblematik in der Genossenschaft. Die Möglichkeit des jederzeitigen (im Rahmen der Kündigungsfristen) freien Ein- und Austritts der Mitglieder bedeutet für das Genossenschaftsunternehmen ein schwankendes Eigenkapital. Dieses - verstanden als die Summe der Geschäftsguthaben - ist 675 676 677
Siehe dazu auch Jäger (1991b), S. 6. Vgl. Höser (1989), S. 122. Vgl. Paulick (1954), S. 13.
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
zudem eher gering, da die Geschäftsanteile des dienenden Charakters des Kapitals wegen niedrig angesetzt werden und die Einzahlungen hierauf über einen längeren Zeitraum erfolgen. Sofern die Auffüllung der Geschäftsguthaben nach § 19 I GenG durch eine Zu schreibung von Überschußanteilen erfolgt, erwirtschaftet die Genossenschaft ihr Eigenkapital quasi sogar selbst. 678 Dagegen verfügt die Aktiengesellschaft über ein festes Grundkapital, das auch von einem Wechsel unter den Aktionären nicht berührt wird. Zusätzlich wird der Aktiengesellschaft als Vorteil zugerechnet, daß sie als Folge des Kapitalmarktzuganges über die Ausgabe neuer Aktien ihr Beteiligungskapital relativ einfach erhöhen kann, während dies bei der Genossenschaft nur auf dem Wege der Erhöhung des Geschäftsanteils, der Beschleunigung der Volleinzahlung, der Einführung einer Beteiligung mit mehreren Anteilen und/oder der Werbung neuer Mitglieder und daher nur mit einigen Schwierigkeiten möglich ist. 679 Ein zweites Organisationsproblem war im Bereich der genossenschaftlichen Leitung herausgearbeitet worden. Auch wenn diese den gesetzlichen Bestimmungen folgend eigenverantwortlich beim Vorstand liegen muß, hat die Mitgliederversammlung durch die Satzungsgebungskompetenz doch erhebliche Mit- bzw. Einwirkungsrechte bezüglich der Geschäftspolitik. Dies wird noch verstärkt durch die Verpflichtung der Selbstorganschaft, nach der die Vorstands- und Aufsichtsratspositionen aus den Reihen der Mitglieder besetzt werden müssen. Externe, hauptamtliche Manager werden daher nur als sog. "fördernde Mitglieder" in den Vorstand aufgenommen;680 dabei sehen sie ihren Handlungsspielraum durch die Existenz des Ehrenamtes beeinträchtigt. Der Rechtsfonnwechsel wird dann damit begründet, auf diese Weise das vorhandene Managementpotential besser freisetzen bzw. hochqualifiziertes Management von außen gewinnen zu können. Insbesondere auf der Ebene der Mitglieder mögen noch andere Überlegungen angestellt werden. Vor allem nehmen sie in der Aktiengesellschaft am Wertzuwachs der Unternehmung teil, der sich in der Kursentwicklung ihrer Aktien widerspiegelt und den sie bei einem Verkauf realisieren können. Eine solche Beteiligung am inneren Wert kennt die Genossenschaft Vgl. Müller (1980), Sp. Ill. Siehe dazu Ringle (1989), S. 209/210. 680 Um dem Grundsatz der Selbstorganschaft (§ 9 11 1 GenG) Genüge zu tun, erwerben diese Manager zwar die Mitgliedschaft. Dies geschieht jedoch nur aus formalen Gründen, denn sie sind nicht an der Aufnahme von Leistungsbeziehungen, sondern von Arbeitsbeziehungen mit der Genossenschaft interessiert. Kritische Anmerkungen zu dieser Praxis finden sich bei Jäger (1985b), S. 25/26; ders. (1990), S. 118/119; Großfeld (1988), S. 267. 678 679
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nicht; vielmehr wird in ihr ein unteilbarer (und außerhalb der Liquidation auch unausschüubarer) Reserve- bzw. Stiftungsfonds aufgebaut. Damit wird deutlich, daß zu einem Rechtsformwechsel durchaus unterschiedliche Interessen bei Management und Mitgliedern führen können. Gleichwohl zeigen die Umwandlungen der letzten Zeit, daß der Hauptbetreiber dabei das genossenschaftliche Management ist. 681 Soll der Rechtstyp Genossenschaft aufrechterhalten werden und will man demzufolge von einer "genossenschaftlichen" Aktiengesellschaft sprechen, muß diese Gesellschaftsform den genossenschaftlichen Prinzipien bzw. Wesensmerkmalen entsprechend ausgestaltet werden. Da grundsätzlich die rechtliche Zulässigkeit eines solchen Vorgehens unterstellt werden kann,682 soll daher im weiteren die Zweckmäßigkeit einer genossenschaftlichen Betätigung in aktienrechtlicher Rechtsform untersucht werden. Grundlage einer solchen Ausgestaltung ist die Orientierung am Wesensmerkmal der Genossenschaft, der Mitgliederwidmung. Daher reicht es nicht aus, der Aktiengesellschaft lediglich eine förderwirtschaftliehe Zwecksetzung zugrunde zu legen, sondern sie muß auch eine personalistische Struktur aufweisen. 683 Eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung kann in die Satzung einer Aktiengesellschaft aufgenommen werden. 684 Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, daß die Leitungsmacht des Vorstandes dadurch nicht beschränkt werden darf. Daher wird einem derartigen Gesellschaftszweck nur der Charakter einer geschäfts pol itischen Richtlinie zukommen können, wobei dem Vorstand nicht vorgeschrieben werden kann, ob und inwieweit er dieser nachkommt. 685 Dies unterscheidet die Aktiengesellschaft ganz 681 So Ringle (1989), S. 214, der die entsprechenden Motive diskutiert. Siehe dazu auch die Erhebungen von Müller (1993), S. 119. 682 Siehe die entsprechenden Untersuchung bei Luther (1978). 683 Zur personalistischen Aktiengesellschaft siehe Friedewald (1991). Diese beruht weniger auf der kapitalmäßigen Beteiligung als auf der Person des Aktionärs; die Führungs- und Entscheidungsstrukturen sind denjenigen der Personengesellschaft angenähert. Als konstitutive Merkmale nennt Friedewald die Begrenzung des Aktionärskreises, die Beteiligung der Aktionäre an der Verwaltung sowie den fehlenden Handel der Aktien an einem öffentlichen Kapitalmarkt; vgl. ebenda, S. 15. 684 Siehe dazu allerdings Keßler (1994), S. 115, der generell wegen der Satzungsstrenge nach § 23 V AktG kaum Raum für eine zweckspezifische Ausgestaltung der Satzung sieht. 685 Luther (1978), S. 41 ist deshalb der Auffassung, daß der "Vorstand in der Lage sein [mußl, von der naturalen Förderung ganz oder zum Teil auf eine Förderung über die Erzielung und Verteilung von Gewinnen umzuschalten, wenn dies aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen geboten ist, ohne dadurch die Zweckbestimmung zu verlet-
zen".
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
wesentlich von der Genossenschaft. 686 Die Mitglieder können nicht direkt auf die inhaltliche Festlegung des Förderzwecks einwirken, denn ihnen kommen keine Nutzungsrechte zu, durch die erst eine naturale Förderung möglich wird. Daher wird auch der genossenschaftliche Primat der Subsidiarität im Verhältnis zwischen der Aktiengesellschaft und ihren (Aktionärs-)Kunden nicht zu verwirklichen sein. Vergleicht man nun die Aktiengesellschaft mit dem Trennungsmodell der refonnierten Genossenschaft, fällt die inhaltliche Übereinstimmung der Organe Vorstand (AG) und Geschäftsführung (eG) auf, die beide das Unternehmen eigenverantwortlich zu leiten haben. Während jedoch die genossenschaftliche Geschäftsführung auf die Fördererwartungen der Mitglieder mittels Förderplan und Förderbericht verpflichtet ist und diesbezüglich der Kontrolle durch den (Vereins-)Vorstand unterliegt, ist eine solche materielle Kontrolle des Führungshandelns in der Aktiengesellschaft unbekannt und wegen der Unbeschränkbarkeit der Leitungsmacht auch unzulässig. Daher erweist sich die institutionelle Einbindung des aktienrechtlichen Managements in ein förderwirtschaftliches Ziel system analog zu der des genossenschaftlichen als nicht möglich. Die Bereitstellung bestimmter Leistungen soll darüber hinaus möglichst vorteilhaft, d.h. günstig für die Mitglieder erfolgen. Das genossenschaftstypische Instrument hierfür ist die Rückvergütung, sie ist die fonnelle Umsetzung des Förderzwecks. Demgegenüber ist sie bei der Aktiengesellschaft aufgrund der Problematik der verdeckten Gewinnausschüttung nur sehr begrenzt anwendbar. Es ist daher davon auszugehen, daß die Aktiengesellschaft nach den üblichen erwerbswirtschaftlichen Prinzipien Gewinne erzielen wird, die anschließend auf dem Wege der Dividendenzahlung an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Eine naturale Förderung ist also in der Aktiengesellschaft nur sehr eingeschränkt möglich; in der Regel wird von einer "abgeleiteten" Förderung durch Gewinnausschüttung auszugehen sein. Es erscheint also ausgesprochen zweifelhaft, ob der Aktiengesellschaft überhaupt eine förderwirtschaftliche - im Sinne von genossenschaftlich - Zwecksetzung zugrunde gelegt werden kann. Erst recht als unmöglich erweist sich die Übernahme des vorgeschlagenen gespaltenen Tarifes. Denn der Beitragsteil beruht auf dem mitgliedschaftlichen Verhältnis des einzelnen Kooperationsteilnehmers als Eigentümer und Nutzer der Genossenschaft. Dagegen handelt es sich bei der Aktiengesellschaft um ein in der Aktienurkunde verbrieftes, selbständiges 686 Vgl. Müller (1980), Sp. 112, der substantielle Unterschiede zwischen einer aktienrechtlich organisienen und der genossenschaftlichen Förderung sieht.
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Mitgliedschaftsrecht, das von der Person des Aktionärs losgelöst ist. 687 Ein Beitrag zur Finanzierung der Betriebsbereitschaft müßte deshalb satzungsmäßig gesondert vorgesehen werden. Eine solche vom Aktionär zu leistende, wiederkehrende Verpflichtung ist nach § 55 I AktG allerdings nur zulässig, wenn sie nicht in Geld besteht. Sie darf dabei weder eine Dauerleistung sein noch eine unmittelbare Zahlungspflicht darstellen. 688 Daher scheidet ein - finanzieller - Beitrag und damit ein gespaltener Tarif schlechthin in der Aktiengesellschaft aus. Gäbe es also die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft nicht, müßte man auf die positiven Wohlfahrtswirkungen dieses Tarifes verzichten. Dies ergibt sich auch daraus, daß der Gebührenteil des gespaltenen Tarifes mit dem Verbot der verdeckten Gewinnausschüttung kollidiert, da die Grenzkostenpreise ja geringer als Durchschnittskostenpreise (= Marktpreise) sind. Dieser Tarif ist daher nur in der Genossenschaft realisierbar. Das Erfordernis einer personalistischen Struktur würde bedeuten, bei der Aktiengesellschaft die Selbstorganschaft zu verankern. Doch gerade die Selbstorganschaft wird als ein wesentlicher Grund für den Rechtsformwandel angeführt. Nur so soll es möglich sein, einerseits ein qualifiziertes Management zu halten und zu motivieren und andererseits die entsprechend notwendige Kontrolle durch einen professionellen - wenn auch nebenamtlichen - Aufsichtsrat zu garantieren. Damit sinkt nicht nur die Mitgliederbeteiligung bei der Kontrolle durch den Aufsichtsrat. Da ein dem genossenschaftlichen (Vereins-)Vorstand vergleichbares Organ in der Aktiengesellschaft unbekannt ist, verlieren die Mitglieder als Aktionäre zugleich ihren unmittelbaren Einfluß bei der Formulierung der (Förder-) Geschäftspolitik. Das Verhältnis einer wirksamen Kontrolle zur Effizienz der Geschäftsführung darf dabei nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. 689 Die Mitwirkungs- und Kontrollrechte der Mitglieder in der eingetragenen Genossenschaft ergeben zusammen mit der Pflichtprüfung und dem Verbandszwang eine austarierte Konstruktion zur Sicherung der Interessen der Mitglieder. Durch den Rechtsformwandel wird dieses Gleichgewicht gestört. Wird - etwa durch eine Stimmrechtsbeschränkung - die Gefahr beherrschender Mehrheiten beseitigt, kann auch die aktienrechtliche Kontrolle des Managements durch Mehrheitseigentümer bzw. den Kapitalmarkt nicht funktionieren. Den Ersatz, der im Genossenschaftsrecht in der So Luther (1978), S. 58. So Lutter im KK zum AktG, § 55 RZ 5/6; gleichlautend HejermehllBungeroth im Komm. zum AktG, § 55 RZ 13/14. 689 Die nachfolgenden Gedanken gehen zurück auf Neumann (1981), S. 175. 687 688
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
materiellen Betreuungsprüfung durch den Prüfungsverband besteht, bietet die aktienrechtliche Prüfung nicht. Dies kann auch nicht auf freiwilligem Wege ausgeglichen werden, indem etwa die Aktiengesellschaft die Mitgliedschaft in einem Prüfungsverband erwirbt bzw. nach einem Rechtsformwandel beibehält. Denn dazu müßte sie vom Prüfungsverband überhaupt erst aufgenommen werden; dies jedoch liegt im freien Ermessen des Verbandes. 69o So besteht nach der Umwandlung einer eG in eine AG kein Anspruch auf Aufnahme in den genossenschaftlichen Prüfungsverband bzw. auf Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft. 691 Insgesamt erhält das Management einer genossenschaftlichen Aktiengesellschaft einen Handlungsspielraum, den ihr weder die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft noch die der "typischen" Aktiengesellschaft erlauben. Nicht unproblematisch hinsichtlich einer personalistischen Ausgestaltung sind zudem die Eigentumsverhältnisse. Soll der Aktionärskreis auf die vormaligen Mitglieder bzw. jetzigen Kunden beschränkt bleiben, wodurch dem genossenschaftlichen Identitätsprinzip Genüge getan wäre, müssen vinkulierte Namensaktien ausgegeben werden. Dadurch ist jedoch die Fungibilität wesentlich beeinträchtigt;692 potentielle Käufer sind nur begrenzt vorhanden. Der aktienrechtliche Vorteil der erleichterten Eigenkapitalbeschaffung kann dann nicht mehr genutzt werden. Außerdem wirkt sich eine solche Nachfragebeschränkung in negativer Weise spürbar auf den Börsenkurs aus; dadurch ist dann aber die Beteiligung der Aktionäre am Unternehmenswert nicht mehr automatisch garantiert. 693 Soll darüber hinaus Beteiligungkapital von Investoren beschafft werden, die nicht Transaktionspartner der Aktiengesellschaft sind und denen man deshalb Einflußmöglichkeiten - insbesondere ein Stimmrecht in der Hauptversammlung - versagen möchte, bietet sich die Emission von stimmrechtslosen Vorzugsaktien an. 694 Diese müssen einen Vorteil gegen690 V gl. Lang/Weidmüller (1988), § 54 RZ 16,17. Eine Aufnahmepflicht besteht nach Meyer/Meulenbergh/Beuthien (1983), § 54 RZ 7 nur gegenüber eingetragenen Genossenschaften, da hierin die "funktionale Kehrseite der Beitrittspflicht der eG" zu sehen sei. Beispielsweise können gemäß § 4 I der Verbandssatzung nur eingetragene Genossenschaften oder Unternehmen in deren mehrheitlichem Besitz Mitglieder des WGV werden. 69\ V gl. Lang/Weidmüller (1988), § 53 RZ 18,19 mit Verweis auf die Rechtsprechung. Die Satzung des WGV sieht nach § 6 I e im Falle der rechtsformwechselnden Umwandlung einer Genossenschaft die zwangsweise Beendigung der Mitgliedschaft vor. 692 V gl. Höser (1989), S. 130. 693 So auch Müller (1993), S. 166. 694 Vgl. § l1 i.V.m. §§ 12, 139 AktG.
III. Die Alternative: Rechtsformwandel
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über den Stammaktien aufweisen, der in der Regel in einer höheren Dividende besteht. Hat sich die Aktiengesellschaft zu einer solchen Maßnahme entschlossen, ist sie faktisch zu einer Geschäftspolitik der Gewinnmaximierung gezwungen, da sie die zur Ausschüttung erforderlichen Dividenden erwirtschaften muß. Hier gerät sie nicht nur in Konflikt zum generellen Gesellschaftszweck der Förderung der Aktionäre. Daneben wird auch die Fiktion der "Umwegförderung" der Aktionäre mittels Dividendenzahlung aufgegeben, da diese sich die Erträge aus der Geschäftstätigkeit mit Außenstehenden teilen müssen, die hierzu - außer der Bereitstellung von Kapital - nichts beigetragen haben. Ist die Aktiengesellschaft allerdings nicht in der Lage, diese Vorzugsdividende in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zu zahlen, lebt das Stimmrecht bis zum Ausgleich dieses Rückstandes auf. 695 Dadurch kann ein ungewollter Einfluß auf die Aktiengesellschaft entstehen, der die Position der Mitgliederaktionäre weiter schwächt. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß das im Gegensatz zum Genossenschaftsgesetz eher strenge Aktienrecht fast nur zwingende und kaum dispositive Vorschriften kennt,696 die es unter anderem der Rechtsform der Aktiengesellschaft nicht ohne weiteres erlauben, die der genossenschaftlichen Rechtstypik immanente förderwirtschaftliche Zwecksetzung mit allen ihren Folgen zu verankern und sicherzustellen. Dies ist für sich genommen schon ein Grund für höchste Skepsis dem Rechtsformwandel gegenüber. 697 Sollen davon abgesehen die organisationsrechtlichen Vorteile der Aktiengesellschaft genutzt werden, führt dies zu einer kapitalorientierten Unternehmensverfassung, die der personalistischen Struktur der Genossenschaft nicht gerecht wird. Wird dagegen bei einer Umwandlung die Sicherung der Mitgliederwidmung - die ohnehin nur unter Einschränkungen möglich ist - angestrebt, so schließt dies die Inanspruchnahme nahezu aller rechtsformabhängigen Vorteile der Aktiengesellschaft aus; das würde dann jedoch eine Umwandlung überhaupt überflüssig machen. Je "genossenschaftlicher" also eine Aktiengesellschaft gestaltet wird, desto weniger vorteilhaft ist sie als Rechtsform der Genossenschaft gegenüber. Dies stellt die Eignung der Aktiengesellschaft als Alternative
Vgl. § 140 II AktG. Siehe zu den Problemen von Genossenschaften nach einem Rechtsformwandel auch Schultz (1980), S. 84/85. 697 Vgl. Müller (1980), Sp. 88; Ringle (1989), S. 220. So sieht denn auch Müller (1993), S. 173 die genossenschaftliche Aktiengesellschaft vor allem dort als sinnvoll an, wo - auch mittels einer Beteiligung am inneren Wert - eine finanzielle Förderung angestrebt wird. 695
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für die Organisation genossenschaftlicher Betätigung und damit den Rechtsfonnwandel überhaupt in Frage. 698 Allerdings bestehen seitens des Gesetzgebers gegenwärtig Überlegungen, das Aktienrecht so zu modifizieren, daß neben die große Publikumsgesellschaft künftig eine sog. "kleine Aktiengesellschaft" treten kann. 699 Ziel dieser Veränderung der Rechtsfonn der Aktiengesellschaft ist es, die Eigenkapitalausstattung vor allem der mittelständischen Unternehmen zu verbessern bzw. ihnen einen Zugang zum Kapitalmarkt zu eröffnen. Dies erfolgt in Hinblick darauf, daß es sich bei einer Aktiengesellschaft um den Typ einer großen, anonymen Publikumsgesellschaft handelt, weshalb der Schutz der Anleger zu einer besonderen Strenge des Aktienrechts geführt hat. Hat man es dagegen mit einem überschaubaren Aktionärskreis zu tun und ist vielleicht eine Börsennotierung überhaupt noch nicht beabsichtigt, kann auf eine Reihe von dann unzweckmäßigen Fonnalitäten verzichtet werden. Der Gesetzentwurf sieht daher bezüglich der Hauptversammlung den Verzicht auf sämtliche Einberufungsfonnalitäten des Aktiengesetzes, die Einberufung durch eingeschriebenen Brief und die Erleichterung der Protokollierung durch den Vorstand vor. Weiterhin ist eine EinPersonen-Gründung zulässig, und die Satzungsautonomie bei der Gewinnverwendung soll erweitert werden. Schließlich soll es Erleichterungen beim Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre geben. Daneben ist beabsichtigt, kleine Aktiengesellschaften mit weniger als 500 Beschäftigten analog zur GmbH von der Mitbestimmung im Aufsichtsrat auszunehmen. Auf diese Weise soll ein unter Umständen bestehendes Umwandlungshemmnis beseitigt werden. Die Intention der angestrebten Neufassung dürfte die Umwandlungsdiskussion der Genossenschaften direkt tangieren, da sie die kleine Aktiengesellschaft als den Typ einer personalistisch strukturierten Aktiengesellschaft sieht. 7OO Dabei wird unterstellt, daß der Charakter der kleinen Aktiengesellschaft ein "stärkeres unternehmerisches Engagement der Aktionäre" beinhaltet. 701 Seinen Niederschlag findet diese Überlegung z.B. in 698 Ähnlich zurückhaltend der Aktiengesellschaft - soweit sie für eine Primärgenossenschaft Verwendung findet - gegenüber äußert sich Müller (1980), Sp. 114; anderer Ansicht ist Höser, S. 142, der allerdings angesichts der auftretenden Schwächen die Zweckmäßigkeit einer genossenschaftlichen Ausgestaltung in aktienrechtlicher Gesellschaftsform in Frage stellt und für eine "reine" Aktiengesellschaft plädiert. 699 Siehe dazu den "Entwurf eines Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts" sowie dessen Begründung aus dem Bundesjustizministerium vom 19. Januar 1994. 700 So z.B. auf Seite 19 zur Begründung des Gesetzentwurfes. 701 Siehe S. 17 der Begründung des Gesetzentwurfes.
IV. Übertragung der Untersuchungsergebnisse
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einer Änderung des § 58 11 Satz 2 AktG. 702 Sie stärkt die Dispositionsbefugnis der Aktionäre über die Gewinnverwendung und überläßt ihnen so eine größere Verantwortung. Diese - durchaus positiv zu bewertende Flexibilisierung bzw. Differenzierung der aktienrechtlichen Gesellschaftsform stellt jedoch zugleich eine Herausforderung für die Genossenschaften dar. Denn aus der veränderten Beschreibung der Rolle der Aktionäre muß geschlossen werden, daß sie mehr als die bislang ausschließlich relevanten Kapitalverwertungsinteressen verfolgen. Die teilweise Ablösung kapitalbezogener durch personenbezogene Regelungen kann dazu führen, daß durch einen stärkeren Aktionärseinfluß auch das Zielsystem der kleinen Aktiengesellschaft verändert und eventuell sogar inhaltlich gemäß den Aktionärsinteressen formuliert wird. Dann jedoch entsteht eine Situation, in der der - kleinen - Aktiengesellschaft nicht mehr allein aufgrund ihres Organisationsrechts (bislang ausschließlich kapitalbezogene Strukturen) per se eine erwerbswirtschaftliche Zwecksetzung unterstellt werden kann. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Genossenschaften, weil damit ein zentrales rechtstypisches Abgrenzungskriterium verwischt wird.
IV. Übertragung der Untersuchungsergebnisse auf die finanzwirtschaftliche Ordnungspolitik
Die bereits oben703 herausgearbeitete Parallelität der Organisationsprobleme von privatrechtlichen Kollektiven (= Genossenschaften) und von Zwangsverbänden (= Kommunen) bietet die Möglichkeit, die Überlegungen zur Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise in die Privatisierungsdiskussion einzubringen. Dazu wäre es zunächst erforderlich, analog zu dem in dieser Arbeit unternommenen Bemühen, einen ordnungspolitisch legitimierten Bereich der genossenschaftlichen Zusammenarbeit zu definieren, auch einen ordnungs politisch legitimierten Bereich der staatlichen Produktionstätigkeit zu erarbeiten. Dabei ist daran zu erinnern, daß ebenso wie die Ausweitung eines (Ideal-) Vereins zu einer Genossenschaft durch die vertikale Integration eines Unternehmens auch eine Produktionstätigkeit des Staates als "verti702 Vgl. Nr. 9 a) des Gesetzentwurfes: "Die Satzung kann Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren oder kleineren Teils, bei Gesellschaften, deren Aktien zum Handel an einer Börse zugelassen sind, nur eines größeren Teils des Jahresüberschusses ennächtigen." 703 Siehe S. 136-138.
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kaIe Integration" zu interpretieren ist. Die öffentliche Produktionstätigkeit ist daher an dem Kriterium zu messen, inwieweit durch sie Transaktionskostenvorteile erzielt und/oder Wettbewerbsmängel beseitigt werden können bzw. müssen. Ebenso, wie eine prototypische Genossenschaft nur dann vorliegt, solange ein Kontrollverein zur Einbindung des Unternehmens benötigt wird, ist die öffentliche Produktion nur dann gerechtfertigt, wenn eine staatliche Aufsicht über die Produktionstätigkeit für notwendig gehalten wird. Aus einem solchermaßen niedergelegten Leitbild ergibt sich, daß die öffentliche Produktions tätigkeit perpetuierlich einer Überprüfung unterworfen sein sollte. Wird der öffentliche Kontrollverein infolge der Marktentwicklung entbehrlich, ist eine ähnliche Entwicklung wie bei der von der prototypischen Genossenschaft zur Post-Genossenschaft gegeben. Dazu sollte eine Beweislastregel formuliert werden, nach der für eine öffentliche Produktionstätigkeit eine "Rechtfertigungsanalyse" vorzunehmen wäre. Fällt eine solche Analyse negativ aus, sollte anstelle einer Verpflichtung zum Rechtsformwandel dann entsprechend eine Verpflichtung zur Privatisierung vorgesehen werden. Allerdings ist es - wie bei den Genossenschaften - auch im Bereich der öffentlichen Produktionstätigkeit nicht möglich, eine generelle Aussage über deren ordnungspolitische Legitimation zu treffen. Eine Rechtfertigungsanalyse sollte sich deshalb immer an der konkreten Markt- und Wettbewerbssituation orientieren und einzelfallbezogen sein. Daraus ergibt sich jedoch auch, daß die Legitimationsgrundlage im Laufe der Zeit entfallen oder später wieder neu gegeben sein kann. Nun hat im Genossenschaftswesen der gesetzliche Prüfungsverband über die Erfüllung der förderwirtschaftlichen Zwecksetzung zu wachen. Sollte diese aus Gründen einer veränderten Marktsituation wegfallen, müßte der Prüfungsverband die betroffene Genossenschaft wegen der nun fehlenden Legitimationsgrundlage zum Rechtsformwandel veranlassen. Eine solche "Aufsicht" existiert im Bereich der öffentlichen Unternehmen bislang nicht. Analog dazu sollte deshalb eine ständige "Privatisierungskommission" eine solche Aufgabe für den Bereich der öffentlichen Produktionstätigkeit übernehmen. Dazu wäre regelmäßig ein "Privatisierungsbericht" vorzulegen. Um Eigeninteressen der Verwaltung und der Politik möglichst auszuschalten, müßte diese Kommission außerhalb der staatlichen Bürokratie angesiedelt, d.h. von externen Fachleuten besetzt sein. Eine vergleichbare Institution ist dabei mit der Deregulierungskommission bereits vorhanden. Insofern handelt es sich bei dem hier unterbreiteten Vorschlag um das Aufgreifen einer länger geführten Diskussion,
IV. Übertragung der Untersuchungsergebnisse
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wobei sich zeigt, daß die Wirtschaftstätigkeit des Staates nicht nur mit den bekannten Instrumenten der staatswirtschaftlichen Allokationstheorie bzw. der Theorie des Marktversagens, sondern auch mit dem dieser Arbeit zugrundeliegenden Ansatz betrachtet werden kann und die schon früher erhobenen Forderungen mit dem theoretischen Gerüst dieser Arbeit fundiert werden können. Der Bereich der weiterhin ordnungspolitisch legitimierten öffentlichen Produktionstätigkeit sollte in Anlehnung an das Modell der reformierten Genossenschaft neugeordnet werden. Das dabei vorteilhafte Trennungsmodell ist bereits vorhanden, da öffentliche Unternehmen in aller Regel durch ein eigenständiges Management geführt werden. 704 Nun kommen die Vorgaben des Genossenschaftsvereines dem Unternehmen( -smanagement) gegenüber im Förderplan zum Ausdruck. Analog dazu müßte die staatliche Verwaltung dem öffentlichen Unternehmen einen ökonomisch begründeten Auftrag erteilen, aus dem nicht nur der zu verfolgende Zweck hervorgeht, sondern auch, weshalb hierfür eine öffentliche Produktionstätigkeit erforderlich sein soll. Das Gegenstück zum Förderbericht wäre dann ein Tätigkeitsbericht des Managements. Hierin wäre darzulegen, weshalb zur Erfüllung der Vorgaben der staatlichen Verwaltung tatsächlich eine öffentliche Produktionstätigkeit notwendig gewesen ist. Auch die Überlegungen zum Ehrenamt können berücksichtigt werden. Wenn man im Verhältnis zu den öffentlichen Unternehmen alle Angehörigen der staatlichen Instanzen - also sowohl Politiker für die Legislative wie Beamte für die Exekutive - als "Ehrenamtliche" definiert, so sollten diese Ehrenamtlichen dem Unternehmensmanagement lediglich die "Fördererwartungen" , d.h. den öffentlichen Auftrag, mitteilen, sich aus der Auftragserfüllung jedoch heraushalten. Ineffizienzen, wie sie gegenwärtig durch eine Einmischung der staatlichen Verwaltung und der Politik in die öffentlichen Unternehmen auftreten, könnten dadurch beseitigt werden. Das Trennungsmodell hätte auch zur Folge, daß Politiker und/oder Beamte nicht mehr von den öffentlichen Unternehmen "übernommen" werden dürften (und schon gar nicht müßten, wie es heute vielfach faktisch der Fall ist). 704 Denn zur Herstellung von Gütern bedient sich eine Gebietskörperschaft (= Verwaltung) einer verselbständigten organisatorischen Einheit, wie dem Regiebetrieb, dem Eigenbetrieb, den juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Anstalten, Körperschaften, Siftungen) und/oder den Gesellschaftsfonnen des privaten Rechts mit vollständigem oder mehrheitlichem öffentlichen Anteilsbesitz. Bei Regiebetrieben handelt es sich um Wirtschaftseinheiten mit kameralistischer Rechnungsführung, die brutto in den Haushaltsplan eingehen. Dagegen werden Eigenbetriebe als verselbständigte Teile des Verwaltungsvennögens nach betriebswirtschaft lichen Grundsätzen geführt; sie sind netto im Haushaltsplan ausgewiesen.
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Kapitel 4: Reform der genossenschaftlichen Organisationsweise
Ein solches Vorgehen könnte auch das ähnlich wie bei den Genossenschaften vorhandene Kontrolldefizit in öffentlichen Unternehmen beseitigen. Denn da die "Mitgliedergesamtheit" , d.h. alle Bürger zusammen, keine effektive Möglichkeit haben, ihre Eigentumsrechte wahrzunehmen, entstehen für das Management von öffentlichen Unternehmen diskretionäre Handlungsspielräume. Um darüber hinaus dem bekannten Phänomen der tendenziell weniger effizienten Produktion von öffentlichen Unternehmen im Vergleich zu der von privaten abzuhelfen, könnte auch das Modell der Kooperationsgesellschaft verwendet werden. Es käme dann neben der öffentlichen Verwaltung als nutzungsinteressiertem Mitglied zu privaten Finanzinvestoren als renditeorientierten Mitgliedern. In solchen "gemischten Unternehmen" würden der Staatseinfluß den öffentlichen Auftrag und die privatwirtschaftlichen Interessen eine effiziente, da erfolgsorientierte Produktion sicherstellen. Freilich erhöbe sich dann immer noch die Frage, wann der Staat Steuern erheben soll, um sich damit Einfluß auf Unternehmen zu sichern. Dies kann nur unter bestimmten Annahmen über die Struktur von Transaktionsbeziehungen ökonomisch sinnvoll sein.
Kapitel 5
Konsequenzen für die Organisation förderwirtschaftlicher Zielsetzungen I. Diskussion der Alternativen 1. Bedeutung der Rechts/orm eG nach einer Rechtsnovelle
Die vorgeschlagene grundlegende Refonn des Genossenschaftsgesetzes sollte mit der Maßgabe erfolgen, die Rechtsfonn der eG wieder eindeutig als mitgliedergewidmete Kooperationsfonn herauszustellen. Dies bedeutet, die Genossenschaft hinsichtlich der Beteiligung der Mitglieder in der Personenbezogenheit und bezüglich des Zielsystems in der Förderwirtschaftlichkeit wieder deutlich zu positionieren. Dadurch ist gleichzeitig eine Aussage über das Ausmaß der "Verwendungsfahigkeit" der genossenschaftlichen Rechtsfonn getroffen. Einer - über das aus den marktlichen Erfordernissen heraus - kapitalbezogenen Ausgestaltung der Mitgliedschaft kann sie ebensowenig zugänglich sein wie einer Verfolgung erwerbswirtschaftlicher Ziele. Durch entsprechend vorgeschlagene institutionelle Vorkehrungen soll die Mitgliederwidmung sichergestellt werden. Dies hat zur Folge, daß die eingetragene Genossenschaft eindeutig eine mitgliederbezogene und keine unternehmensbezogene Rechtsfonn ist. Am augenfälligsten kommt dies in dem gesetzlich detenninierten Zweck der Genossenschaft zum Ausdruck, der der (Genossenschafts-)Unternehmung keinen autonomen Handlungsspielraum bei der Festlegung des Zielsystems bzw. den Grundlagen der Geschäftspolitik läßt und lassen kann. Dies erscheint jedoch gerechtfertigt, da der Sinn der genossenschaftlichen Betätigung schließlich darin besteht, den Mitgliedern eine Möglichkeit zu eigenverantwortlichem Handeln zu eröffnen. Daher ist die Zusammenarbeit in der Genossenschaft eine eng umrissene Fonn des allgemeinen Begriffs von Kooperation. Die Rechtsfonn der eG muß diese Einschränkungen aufnehmen; 705 daraus ergibt sich jedoch gleichzeitig ein festgelegtes Organisationskleid, das der Anpas705 Darunter ist zu verstehen, das die Rechtsfonn der eG entsprechend den genossenschaftlichen Prinzipien auszugestalten ist; siehe hierzu Beuthien (1989), S. 17-21.
232
Kapitel 5: Konsequenzen
sungsfähigkeit bzw. Ausgestaltung der Rechtsform der eG an die Interessen der Genossenschaftsunternehmung enge Grenzen zieht. 706 Derartige Restriktionen erfolgen aber nicht, um die Konkurrenzfähigkeit der Rechtsform zu schwächen. Sie sind vielmehr erforderlich, weil nur so die Belange der Mitglieder geschützt werden können. Der Sinn der förderwirtschaftlichen Einbettung des Genossenschaftsunternehmens liegt einzig darin, auf diese Weise die Autonomie der Mitglieder zu wahren. Nur dann wird man auch das Engagement dieser Mitglieder erwarten können, durch das die Genossenschaft erst ihre Rechtstypik vollständig entwickelt. Daraus folgt, daß immer dann, wenn der zentrale Beweggrund für das Eingehen einer Kooperation in der Verwirklichung bzw. Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips liegt, eine absolute Förderwirtschaftlichkeit dieser Kooperation erforderlich ist. Daher ist das wesentliche Ergebnis der bisherigen Untersuchung, daß das Subsidiaritätsprinzip im Bereich der wirtschaftlichen Kooperation nur durch den Rechtstyp der Genossenschaft erfüllt werden kann. Die Rechtsform der eG wird daher nur dort verwendet werden können, wo auf eine hierarchische Entscheidungsfindung und -durchsetzung verzichtet werden kann; dadurch ist sie gleichzeitig in besonderem Maße geeignet, motivationsfördernde Potentiale zu erschließen. 707 Kollidieren die Untemehmensinteressen mit dieser Rechtstypik, so bieten sich nur bedingt Möglichkeiten eines Ausgleichs. Soll die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft daher wieder ihre zentrale Bedeutung für die gesellschaftsrechtliche Organisation genossenschaftlicher Zielsetzungen erhalten, werden ihrer Verwendung engere Grenzen gezogen werden müssen, als dies heute der Fall ist. Die Verwendung der genossenschaftlichen Rechtsform bleibt dadurch auf diejenigen Kooperationen beschränkt, deren Charakter primär der eines personalen Verbandes 708 ist. 2. Anforderungen der genossenschaftlichen Praxis
Um den Begriff der "genossenschaftlichen Praxis" konkretisieren zu können, bietet sich eine Differenzierung an, die sich an dem Wesen der 700 Demgegenüber weist Wagner (1983), S. 235 darauf hin, daß bislang die Rechtsform zwar die statutarische Organisation (d.h. die Organe) determiniert, die faktische Organisation (als tatsächliche Leitungs- und Ablauforganisation) sowie die Führungsprozesse jedoch weitgehend rechtsformunabhängig verlaufen. 707 So Lipfer, (1985), S. 176. 70X Siehe dazu auch Apel (1978), S. 28/29.
233
I. Diskussion der Alternativen
Genossenschaft als Verein mit Unternehmung orientiert. Durch diese Unterscheidung wird es möglich, die unter Umständen unterschiedlichen Anforderungen an die Ausgestaltung der genossenschaftlichen Zusammenarbeit herauszustellen, die sich aus den jeweiligen Interessen der beteiligten Kooperationsteilnehmer ergeben. So ist es möglich, daß die Mitgliedergesamtheit als Kollektiv allgemeine Interessen verfolgt, die von den partikularen Interessen einzelner Mitglieder abweichen. Weiterhin ist zu fragen, ob der vereinsmäßige Zusammenschluß oder dessen betriebswirtschaftliche Umsetzung betrachtet werden soll. Dadurch tritt neben die Gruppe der Mitglieder als zusätzliches Element der genossenschaftlichen Praxis das Management. Die Anforderungen, die die Mitglieder an ihre Genossenschaft bzw. an die Form der genossenschaftlichen Zusammenarbeit richten, sind in verschiedenen Erhebungen untersucht worden. 709 Dabei zeigt sich, daß der zentrale Beweggrund für die Aufnahme einer genossenschaftlichen Zusammenarbeit in der Möglichkeit gesehen wird, auf diese Weise in den Genuß von Förderleistungen zu kommen. 710 Da für eine förderwirtschaftliche Organisationsform also offenbar ein Bedarf besteht, ist im weiteren zu betrachten, welche Vorstellungen die Mitglieder von einer erfolgreichen Förderung haben. Bezüglich der Nutzungsrechte muß sich in ihren Augen aus der Kollektivleistung der Genossenschaft eindeutig ein wirtschaftlicher Vorteil für sie ergeben. 711 Hierzu werden vor allem gezählt: 712 - ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis - eine fachkompetente Beratung - die Bereitstellung hochwertiger Betriebsmittel
=> =>
gespaltener Tarif
=>
Nutzungsrechte an den Einrichtungen
Transaktionskostenvorteile
709 Dieser Arbeit liegen zugrunde die Untersuchungen von Deppenkemper (1985); Omar (1988); Münkner (1990); ders. (1991); Müller (1993); o.V. [DRV] (1993b). Zwar betrachtet jede dieser Arbeiten nur einen - in regionaler und/oder branchenspezifischer Sicht - Ausschnitt des gesamten Genossenschaftswesens und kann dadurch nicht als gesamt-repräsentativ gelten. Doch es lassen sich über alle Erhebungen hinweg generelle Aussagen der Mitglieder hinsichtlich ihrer Erwartungen feststellen, die man als durchaus allgemeingültig bezeichnen kann, ohne sich dem Vorwurf einer selektiven Empirie auszusetzen. 710 Vgl. Münkner (1990), S. 36-39. 711 Vgl. ebenda, S. 40; Omar (1988), S. 87. 712 Siehe die Erhebungen des DRY.
234
Kapitel 5: Konsequenzen
- die garantierte Abnahme
=> Planungssicherheit/ Transaktionskostenvorteile
- eine Verbesserung der MarktsteIlung
=> Verteilungskampfvorteile
- eine wirksame Interessenvertretung
=> Verteilungskampfvorteile
- mitgliederspezifische Serviceleistungen
=> Effizienzvorteile
Es handelt sich jeweils um Leistungen, die den Charakter einer realwirtschaftlichen oder naturalen Förderung aufweisen. Infolge der Ausweitung des Nichtmitgliedergeschäftes werden derartige Förderleistungen für die Mitglieder aber immer weniger bedeutsam. Daher ist es nicht überraschend, daß in verstärktem Maße finanzielle Fördererwartungen an die Genossenschaft gerichtet werden, die auf eine Verzinsung der Geschäftsguthaben bzw. eine Ausschüttung einer "Dividende" hinauslaufen. 713 Diese zunächst auf die Ansprüche des einzelnen Mitglieds bezogenen Forderungen gehen einher mit der Einsicht, die Genossenschaft bzw. ihre Unternehmung den Markterfordernissen ständig anpassen zu müssen. Dabei darf nach Meinung der Mitglieder jedoch nicht die Rechtstypik außer Acht gelassen werden: Sie wünschen einen verstärkten Einfluß auf die Leitung der Genossenschaft, ohne dabei die Notwendigkeit eines professionellen Managements in Zweifel zu ziehen. 714 Damit ist die Frage der Eigentumsrechte als zweite Determinante der Förderwirtschaftlichkeit angesprochen. Nun erfordert die genossenschaftliche Organisationsweise wegen der ihr innewohnenden Kontrollbalance ein funktionierendes Ehrenamt. Allerdings ist die Bereitschaft der Mitglieder zur Übernahme entsprechender Funktionen nur gering ausgeprägt. 715 Dies wird von der Beobachtung gestützt, daß eine Teilnahme am innergenossenschaftlichen Willensbildungsprozeß nur mäßig erfolgt. 716 Hinzu kommt, daß von Seiten der Mitglieder nur sehr zurückhaltend zur Finanzierung der Genossenschaft beigetragen wird; die Stagnation in der Entwicklung der Geschäfts713 Vgl. Deppenkemper (1985), S. 170-172 u. 178/179; siehe dazu auch Münkner (1990), S. 36/37. 714 Vgl. Omar (1988), S. 39/40. 715 Vgl. Münkner (1990), S. 47. 716 So jedenfalls das Untersuchungsergebnis bei Deppenkemper (1985), S. 187; gleichlautend Münkner (1990), S. 43-46.
I. Diskussion der Alternativen
235
guthaben sowie die abnehmende Bedeutung der Haftung verbindet sich dabei mit gesteigerten Kapital(verwertungs)interessen. 717 Dieser Rückgang des Mitgliederengagements ist allerdings keinesfalls überraschend. Denn durch ihr Verhalten reagieren die Mitglieder nur auf die unglaubwürdig gewordene Mitgliederwidmung der Genossenschaft. Dies ist das Ergebnis des Abbaus mitgliederorientierter Einflußmöglichkeiten. Hiervon unterscheiden lassen sich die Anforderungen des Managements, die vor allem von den Interessen des Genossenschaftsunternehmens bestimmt werden. Die Aufrechterhaltung der genossenschaftlichen Leistungsfähigkeit führt allerdings zu anderen Schlußfolgerungen als in der Gruppe der Mitglieder. Daher stehen auch Fragen der Sicherung bzw. Verbesserung der Eigenkapitalausstattung im Vordergrund. 718 Bezüglich der inhaltlichen Gestaltung ihrer Tätigkeit bzw. der (Genossenschafts-)Unternehmensziele betrachten die Manager den Förderzweck generell positiv. Da sie sich aber nicht in der Lage sehen, Mitglieder und Nichtmitglieder unterschiedlich zu behandeln, erschöpfen sich die Förderleistungen im Streben nach der Erhaltung bzw. Steigerung der Leistungsfähigkeit der Genossenschaftsunternehmung. 719 Die stärkere Berücksichtigung der Unternehmens- gegenüber den Mitgliederbelangen wird auch dadurch dokumentiert, daß dem Ehrenamt im Vorstand eine zunehmende Skepsis entgegen gebracht wird. no Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die Mitglieder bzw. das Management durchaus unterschiedliche Anforderungen an die Inhalte der genossenschaftlichen Zusammenarbeit stellen. Hieran muß sich eine Reform der gesellschaftsrechtlichen Organisation orientieren. Dabei gibt es offenbar Probleme einer konsistenten Formulierung und Verknüpfung der Mitgliedererwartungen auf der einen sowie der Unternehmens- bzw. Managementinteressen auf der anderen Seite. nl Da nach der genossenschaftlichen Theorie das gemeinsam betriebene Unternehmen dem Kollektiv lediglich instrumental dient, müssen die Mitgliederinteressen in der Genossenschaft Vorrang genießen. In Hinblick auf diese unverzichtbare Festlegung ist in den vorangegangenen Ausführungen versucht worden, die Rechtstypik der Genossenschaft wieder stärker auf das Mitglied abzustellen.
717 718 719 720 721
So Münkner (1990), S. 48-52. Vgl. Müller (1993), S. 95 u. 130; gleichlautend Hausmann (1992), S. 62/63. Siehe Münkner (1990), S. 54-56. Vgl. Münkner (1990), S. 65. Siehe dazu auch Albertz (1978), insb. S. 73.
236
KapitelS: Konsequenzen
3. Konsequenzen für die organisationsrechtliche Gestaltung
Das Verlangen der Mitglieder nach wirtschaftlicher Förderung durch die Genossenschaft greift das zentrale Wesensmerkmal dieser Kooperationsform auf und beweist dessen nachhaltige Aktualität. Gleichzeitig ist im faktischen Verhalten des Managements zu sehen, daß das Prinzip der Förderwirtschaftlichkeit einer Konkretisierung bedarf, um nicht zu einer Leerformel zu werden. Aufgrund dieser Schwierigkeiten wird daher dafür plädiert, die Förderwirtschaftlichkeit einer Kooperation formal zu fassen, indem Nutzungs- und Eigentumsrechte definiert werden. Beide Determinanten können einen unterschiedlichen Ausprägungsgrad aufweisen; dadurch wird es möglich, auch die Förderwirtschaftlichkeit zu variieren. Die grundlegende Reform des Genossenschaftsgesetzes folgt der Charakterisierung der Genossenschaft als absolut bzw. unbeschränkt mitgliedergewidmeter, d.h. förderwirtschaftlicher Kooperationsform. Durch die Verankerung entsprechender, diese Rechtstypik bestimmende Merkmale wird zugleich sichergestellt, daß die Mitgliederinteressen die einzige Richtschnur des unternehmerischen Handeins darstellen; für einen autonomen Handlungsspielraum des Genossenschaftsunternehmens bzw. seines Managements bezüglich der Vorgabe (nicht der Umsetzung!) des Leistungsprogramms besteht daher keine Möglichkeit. Einen solchen Handlungsspielraum benötigt das Genossenschaftsunternehmen schließlich auch nur bei der Umsetzung dieser Vorgabe, die sich in einem erfolgreichen Auftreten am Markt niederschlägt. Daher ist das Streben der Genossenschaftsmanager nach einer maximalen Leistungsfähigkeit der Genossenschaftsunternehmung keinesfalls ein Verstoß gegen das Prinzip der Förderwirtschaftlichkeit, sondern geradezu dessen zwingende Folge. Somit wird ersichtlich, daß die vordergründig divergierenden Interessen von Mitgliedern und Management in der Genossenschaft sehr wohl miteinander in Einklang gebracht werden können. Auch angesichts der Markterfolge ihrer Unternehmung stellt sich die Genossenschaft nicht selbst in Frage. Dies kann nur dann geschehen, wenn Markterfolge zum Selbstzweck werden und in keinem naturalen Zusammenhang zu den Erwartungen der Mitglieder mehr stehen. Um dies zu verhindern, muß die förderwirtschaftliche Zwecksetzung formal definiert werden. Allerdings ist auch deutlich geworden, daß die Bereitschaft der Mitglieder, die Mitgliederwidmung der Genossenschaft durch eine eigene Beteiligung mit Leben zu erfüllen, nicht automatisch unterstellt werden kann. Dies ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung, um einen förderwirtschaftlichen Rechtstyp aufrechterhalten zu können. Allerdings schwindet
I. Diskussion der Alternativen
237
die eigene Bereitschaft nur, ohne vollständig zu vergehen; die Existenz des Ehrenamtes wird sogar weiterhin als wichtig angesehen. Daher sollte die bislang verfolgte Zweipoligkeit von Förder- oder Erwerbswirtschaft aufgegeben werden, indem von einem Grad an Förderwirtschaftlichkeit ausgegangen wird. Dies legitimiert einen eigenständigen Rechtstyp Kooperationsgesellschaft, der durch seine Wesensmerkmale den Anforderungen der Mitglieder eher gerecht zu werden scheint als eine Entscheidung zwischen den beiden Polen. Die beiden Rechtstypen Genossenschaft und Kooperationsgesellschaft werden also den Fördererwartungen ihrer Mitglieder auf eine jeweils spezifische Weise gerecht. Es unterscheidet sie lediglich das Ausmaß, in dem sich die Mitglieder persönlich beteiligen. Da deren Abstinenz ein Vakuum begründet, das dann autonom im Mitgliederinteresse von der Kooperationsgesellschaft ausgefüllt wird, liegt der rechtstypisch wesentliche Unterschied in der Ausgestaltung der Mitgliederwidmung. Die Genossenschaft als Verein, deren Unternehmung keinen autonomen Handlungsspielraum aufweist, ist demnach eine Kooperationsform, die einseitig auf ihre Mitglieder zurückführbar ist. Dementsprechend weist sie eine absolute Mitgliederwidmung auf. Die Kooperationsgesellschaft dagegen handelt in bestimmten Grenzen autonom und ist dabei unabhängig von ihren Mitgliedern. Dies begründet eine relative Mitgliederwidmung. Die dritte Alternative, der Rechtsformwandel in eine Kapitalgesellschaft, ist dagegen nicht geeignet, eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung zu garantieren. Sollen insbesondere die Vorteile der Aktiengesellschaft genutzt werden, um die Tatigkeit der vormaligen Genossenschaft den Markterfordernissen entsprechend gesellschaftsrechtlich zu organisieren, müssen die kapitalbezogenen Regelungen dieser Rechtsform konsequent angewandt werden, wodurch quasi automatisch auch eine erwerbswirtschaftliche Zielsetzung erwächst. Die Rechtstypik der Genossenschaft kann daher durch einen Rechtsformwandel nicht bewahrt werden. Vielmehr zeigt die Untersuchung, daß der Rechtsformwandel vornehmlich den Interessen der Unternehmung gerecht werden soll. Dies jedoch widerspricht der Mitgliederwidmung als Merkmal genossenschaftlicher Kooperation. Hinzu kommt, daß es sich bei einer Aktiengesellschaft um eine realwirtschaftliche Desintegration handelt. Von einer Verbundwirtschaft kann deshalb keine Rede mehr sein; eine Kooperation findet nur noch auf der trägerschaftlichen Ebene statt. Der Rechtsformwandel wird vor allem deshalb aus der Diskussion auszuschließen sein, weil er hauptsächlich damit begründet wird, daß auf diesem Wege die Kapitalinteressen der Mitglieder besser als in der Genos-
238
Kapitel 5: Konsequenzen
sen schaft befriedigt werden könnten. 722 Die Untersuchung der Mitgliedererwartungen zeigt demgegenüber, daß sich Kapitalinteressen erst dann einstellen, wenn die Genossenschaft eine naturale Förderung nicht mehr vermitteln kann. Die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft ist daher das Ergebnis eines Verlassens der förderwirtschaftlichen Ausrichtung; daher kann sie auch keine Mitgliederwidmung aufweisen. 11. Die implizite Problematik des Rechtsformwandels Nun hat sich aus der Diskussion der Alternativen ergeben, daß der Rechtsformwandel nur angesichts solcher Marktkonstellationen in Frage kommen wird, bei denen der dort herrschende Wettbewerb eine genossenschaftlich organisierte Kooperation erübrigt. In diesem Zusammenhang ist allerdings bereits darauf hingewiesen worden, daß die Überwindung vormals existierender Prozeßstörungen nicht dauerhaft sein muß und wegen der Dynamik des Wettbewerbs durchaus neue Koordinationsmängel auftreten können. Dabei hat man es mit exogenen und auch nicht vorhersehbaren Entwicklungen zu tun. Daneben kann jedoch auch aus dem Rechtsformwandel selbst, also gleichsam eigenverursacht, eine spätere Marktstörung zu Lasten der vormaligen Mitglieder erwachsen. Dieses Szenario soll im folgenden entwickelt und anhand eines Beispieles verdeutlicht werden. 1. Strategische Neupositionierung und Mitglieder-/Eigentümerselektion
Die Umwandlung einer Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft ist vordergründig nur ein formaljuristischer Akt, der sich im organisationsrechtlichen Bereich bewegt und daher nur gesellschaftsrechtlich von Bedeutung ist. Allerdings bewirkt allein die Übernahme der aktienrechtlichen Organisationsregeln für sich genommen bereits eine materielle Veränderung; einer vollständigen Übernahme genossenschaftlicher Elemente, d.h. der Förderwirtschaftlichkeit und der personalistischen Struktur, stehen nicht nur die zwingenden Vorschriften des Aktienrechts entgegen. Denn eine solche Übernahme würde jene Vorteile weitestgehend aufheben, deretwegen der Rechtsformwandel vornehmlich erfolgt. Zu kooperationspolitischen Konsequenzen kommt es unter der Voraussetzung, daß die bisherigen Mitglieder und künftigen Aktionäre auch wei-
722
So auch Müller (1993), S. 173.
11. Die implizite Problematik des Rechtsformwandels
239
terhin Leistungsbeziehungen zur umgewandelten Genossenschaft zu unterhalten beabsichtigen. Dann ist deren Geschäftspolitik für sie von unmittelbarer Bedeutung. Dabei müssen sie zur Kenntnis nehmen, daß es in der Aktiengesellschaft eine alleinige Zuständigkeit des Vorstandes in dieser Frage gibt; dessen Leitungsmacht kann nicht begrenzt werden. 723 Wie bereits gesehen, gibt es in der Aktiengesellschaft - auch angesichts einer Zweckneutralität - faktisch den Zwang zu erwerbswirtschaftlichen Zielsetzungen. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen der Aktiengesellschaft und ihren Aktionären. Denn von den Kontrollmechanismen des Aufsichtsrates und des Kapitalmarktes geht ein ständiger Druck auf den Vorstand nach Erwirtschaftung eines möglichst positiven Ergebnisses aus. Weder der Inhalt des Leistungsprogramms, noch dessen Adressaten spielen dabei eine Rolle. Der Vorstand wird also seine Geschäftspolitik danach ausrichten müssen, langfristige Erfolgspotentiale für das Unternehmen zu sichern. Daher liegen einzig die Interessen des Unternehmens, nicht jedoch diejenigen seiner Aktionäre - abgesehen von deren Dividenden- bzw. Renditeüberlegungen - im Blickfeld des Vorstandes. Daraus kann sich eine strategische Neuausrichtung der Aktiengesellschaft, gemessen an der Vorgänger-Genossenschaft, ergeben. Denn in der Genossenschaft können die Input- und die Outputseite danach unterschieden werden, daß es sich einmal um Mitglieder-, das andere Mal um Markttransaktionen handelt. Der Leistungserstellungsprozeß im Genossenschaftsunternehmen ist dabei auf die Interessen der Mitglieder ausgerichtet. Anders verhält es sich in der Aktiengesellschaft. Die Input- und die Outputseite nehmen den gleichen - untergeordneten, weil instrumentalen - Stellenwert ein. Im Vordergrund steht jetzt vielmehr der Leistungserstellungsprozeß im Unternehmen selbst, der zur Erzielung von Gewinnen führen soll. Er allein legitimiert die Existenz der Gesellschaft und wird zu einem Wert an sich. Der zu verteilende Gewinn wird dabei auch über die Leistungsbezüge der (Mitglieder-)Aktionäre erwirtschaftet. Daher müssen sich selbst die Transaktionen mit den eigenen Aktionären letztlich den Unternehmensinteressen unterordnen. Dies hat vor allem dann Folgen, wenn im Zuge einer strategischen Neupositionierung die Unternehmensinteressen bezüglich des Leistungsprogrammes von denen der Aktionäre abweichen. Da die Beziehung zwischen beiden nicht mehr von besonderen Nutzungsrechten für die Aktionäre 723 An Weisungen der Kapitaleigner ist der Vorstand einer AG nicht gebunden; vgl. Schmidt (1986), S. 613.
240
Kapitel 5: Konsequenzen
gekennzeichnet ist, haben sie faktisch die Stellung eines Kunden. Dies bedeutet wie bei allen anderen, d.h. den nicht-beteiligten Kunden, daß die Aktiengesellschaft weitere Geschäftsbeziehungen zu ihnen abbrechen kann, wenn sie es im Interesse des Unternehmens für erforderlich bzw. wünschenswert hält. Mittels einer kundengruppenorientierten Geschäftspolitik ist die Aktiengesellschaft dann in der Lage, die eigene Kundenstruktur entscheidend zu beeinflussen; für die vormaligen Mitglieder und jetzigen Kunden-Aktionäre kann dies bis zu einer Selektion reichen. Dies ist eine ähnlich verlaufende, allerdings in ihren Ausmaßen weitergehende Wirkung, wie sie auch aus dem genossenschaftlichen Nichtmitgliedergeschäft resultiert. Denn bei einer Ausdehnung der Leistungsbeziehungen auch auf Nichtmitglieder wird man vor allem leistungsstarke Kunden zu gewinnen versuchen. Deren Bedeutung nimmt schließlich gegenüber den Geschäftsbeziehungen zu leistungsschwachen Mitgliedern dermaßen zu, daß diese für den "Geschäftserfolg" der Genossenschaftsunternehmung als uninteressant, in manchen Fällen sogar nachteilig angesehen werden. In der Konsequenz kann dies dann zu einer gezielten Mitgliederselektion führen. 724 2. Übernahmegefahren
Die Auflösung spezifischer Nutzungsrechte wird bei der Umwandlung einer Marktgenossenschaft in eine Aktiengesellschaft keine entscheidende Rolle spielen oder sie gar verhindern. Denn es ist bereits herausgestellt worden, daß ein solcher Rechtsformwandel nur dann angezeigt ist, wenn die förderwirtschaftliche Zielsetzung der Genossenschaftsunternehmung einer rein erwerbswirtschaftlichen gewichen ist. Zu der Inanspruchnahme besonderer Leistungen durch die Aktionäre bzw. einer nutzungsbezogenen Mitgliedschaft besteht dann keine Veranlassung mehr. Daher dürfte der Wegfall entsprechender Nutzungsrechte für die Aktionäre bedeutungslos sein. Dadurch ist das mitgliedschaftliche Verhältnis der Aktionäre nur noch durch Eigentumsrechte gekennzeichnet. 725 Aus ökonomischer Sicht ist dabei von Interesse, inwieweit diese Eigentumsrechte individuell geschützt sind oder "verdünnt" werden können. Die Betrachtung des formellen Individualschutzes des Aktionärs ist hierzu allerdings nicht ausreiVgl. Kugler (1978), S. 391-397. Zu den Verwaltungs- und Vermögensrechten im einzelnen siehe Luther (1978), S.60-62. 724
725
II. Die implizite Problematik des Rechtsformwandels
241
chend. Vielmehr ist erst die Untersuchung seiner relativen Stellung gegenüber der Gesamtheit der Aktionäre bzw. deren Veränderung geeignet, materielle Auswirkungen auf die Eigentumsrechte darzustellen. Da in der Aktiengesellschaft die Mitgliedschaftsrechte grundsätzlich an die Höhe des Anteilsbesitzes gebunden sind,726 ist dessen Verteilung unter den Aktionären von besonderer Bedeutung. Bei einer annähernden Gleichverteilung ist jeder Aktionär in der Lage, proportional an der Trägerschaft der Aktiengesellschaft teilzuhaben. Die in diesem Zusammenhang wesentlichen Vermögens- und Verwaltungsrechte, wie das Recht auf Gewinn 727 und den Liquidationserlös728 , das Bezugsrecht729 und das Stimmrecht730 , kann der einzelne Aktionär in einer Weise wahrnehmen, daß seine formellen Rechte mit seinen materialen Einflußmöglichkeiten korrespondieren. Anderes ergibt sich, sobald sich der Anteilsbesitz bei einem Aktionär kumuliert. Da in der Aktiengesellschaft bei Abstimmungen das Mehrheitsprinzip (nach Anteilen) gilt, sind - im Gegensatz zur Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft - Entscheidungen gegen die zahlenmäßige Mehrheit der Aktionäre möglich. 731 Auch wenn sich die formalen Eigentumsrechte dieser Aktionäre nicht verändert haben, ist doch ihre relative Bedeutung bzw. ihr materialer Gehalt gesunken. Diese Differenz ist um so ausgeprägter, je höher der relative Konzentrationsgrad der Anteilsverteilung verläuft. Ein entscheidender Einschnitt in die Eigentumsrechte eines Aktionärs bzw. aller Minderheitsaktionäre - ergibt sich, sobald ein Mehrheitsaktionär mehr als die Hälfte des Grundkapitals in seinem Besitz hält. Da in der Aktiengesellschaft die Bestellung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat erfolgt und in der Hauptversammlung bei der Wahl des Aufsichtsrates das reine Mehrheitsprinzip angewandt wird,732 kann ein Mehrheitsaktionär durch diesen Mechanismus nicht nur die Besetzung der Organe, sondern auch die Geschäftspolitik der Aktiengesellschaft beeinflussen. 733 Die 726 Gleichwohl ist eine abweichende Regelung möglich, wenn sie statutarisch geregelt wird; vgl. §§ 60 III, 139 I AktG (Gewinn); § 271 II AktG (Liquidationserlös). 727 § 58 IV AktG. 728 § 271 AktG. 729 § 186 I AktG. 730 § 134 11 AktG. 731 So kann es nach GroßfeldlJäf(er (1988), S. 9 "leicht zu einer Majorisierung durch Aufkauf von Anteilen und damit von Stimmrechten kommen". 732 V gl. dazu auch Westermann (1972), S. 371. 733 Zum Einfluß der Eigentumsverhältnisse auf die Zusammensetzung der Anteilseignerseite des Aufsichtsrates siehe Paganoni (1989), S. 68/69 u. 189-192.
16 ßialck
242
Kapitel 5: Konsequenzen
Rolle der übrigen Aktionäre, die durch die aktienrechtlichen Minderheitenrechte zwar einen gewissen Schutz erhalten,734 erschöpft sich dadurch auf eine "passive Partizipation", insbesondere auf die Vereinnahmung der Dividende, deren Höhe jedoch außerhalb ihres Einflußbereiches liegt. Der Aufbau einer Mehrheitsposition ist einerseits dadurch erreichbar, daß die Aktionäre ihre Anteile untereinander kaufen bzw. verkaufen. Daneben besteht jedoch auch die Möglichkeit, daß ein außenstehender Investor als Käufer auftritt. Handelt es sich dabei um ein Unternehmen, spricht man auch von einer "Übernahme" der Aktiengesellschaft. Diese Übernahmemöglichkeit bzw. -gefahr ist eine spezifisch aktienrechtliche Erscheinung und resultiert aus der anonymisierten Kapitalbezogenheit dieser Rechtsform. 735 Das Aktienrecht kodifiziert dieses besondere Verhältnis zwischen dem herrschenden und dem abhängigen Unternehmen zusätzlich durch Regelungen hinsichtlich der Einflußmöglichkeiten des ersteren. 736 Ist eine derartige Mehrheitsposition erst einmal erreicht, kann mittels eines Beherrschungsvertrages nach § 291 AktG ein Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens festgeschrieben werden. Dadurch ändert sich die Leitungsmacht des Vorstandes des abhängigen Unternehmens ganz erheblich, denn an die Stelle der ausschließlichen Verfolgung der Interessen der Aktiengesellschaft tritt - eine entsprechende Weisung vorausgesetzt - die Verfolgung der Interessen der herrschenden Unternehmung. 737 Eine solche Steuerung und Einbindung der Aktiengesellschaft führt dann zu ihrer Konzernierung. 738 Als Beispiel ist der Weg vieler umgewandelter Konsumgenossenschaften in den Verbund der Coop AG anzuführen. Durch eine Mehrheitsbeteiligung hat die Coop AG die ursprünglich selbständigen Verbrauchergenossenschaften in ein straff geführtes, zentralistisch aufgebautes Großfilial unternehmen eingegliedert. Dies hat nicht nur die Autonomie der betroffenen übernommenen Gesellschaften beseitigt, sondern auch deren jeweiliges Ziel system auf das der übernehmenden Coop AG verpflichtet. 739 Siehe dazu Luther (1978), S. 61. Zu den verschiedenen Erscheinungsfonnen von abhängigen Unternehmungen sowie deren Konsequenzen siehe auch Paganoni (1989), S. 16/17. 736 Nach § 17 11 AktG gilt bei in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen die Vermutung der Abhängigkeit vom Mehrheitseigentümer. 737 So Westermann (1972), S. 371/372. Allerdings sieht das Aktiengesetz hierbei eine Reihe von Schutzvorschriften der übrigen Aktionäre vor; vgl. ebenda. 738 Müller (1993), S. 226 spricht in Hinblick auf die Rechtsfonndiskussion von einem "latenten Risiko der Konzernierung umgewandelter Genossenschaften". 739 V gl. dazu SchultzlZerche (1983), S. 112/113. 734 735
II. Die implizite Problematik des Rechtsformwandels
243
Während eine Konzernierung oder feindliche Übernahme analog zu den Kapitalgesellschaften oder anderen Kooperationsformen bei der Genossenschaft ausgeschlossen ist,740 sieht sich der Aktionär prinzipiell stets der Gefahr ausgesetzt, aufgrund einer Übernahme der Aktiengesellschaft im materiellen Gehalt seiner Eigentumsrechte beeinträchtigt zu werden. Dies vermag auch eine Vinkulierung der Aktien nicht dauernd zu verhindern. 741 Denn die Rechtsform der Aktiengesellschaft wird in der Regel dann angestrebt, wenn man sich dadurch eine Verbesserung der Beteiligungsfinanzierung verspricht. Insbesondere soll die Zuführung neuen Eigenkapitals erleichtert werden; dadurch scheint eine der Schwächen der genossenschaftlichen Rechtsform, nämlich die geringe Bereitschaft der Mitglieder zur Zeichnung von Geschäftsanteilen bzw. Einzahlungen hierauf, überwunden. Eine strenge Vinkulierung würde diese Schwäche nicht beseitigen, da die Möglichkeiten der Kapitalaufbringung bei den bisherigen Mitgliedern und jetzigen Aktionären nicht unbeschränkt sind. 742 Daher wird die Aktiengesellschaft früher oder später an die Grenzen der Kapitalzufuhr aus dem bisherigen Aktionärskreis stoßen; dann wird dessen Erweiterung und damit die Aufnahme außenstehender Investoren nicht zu vermeiden sein. 743 Daneben kann die Vinkulierung durchaus auch von anderen Unternehmen gegen den Willen der betroffenen Aktiengesellschaft mit einem entsprechend nachdrücklichen Kapitaleinsatz überwunden werden. 744 3. Wettbewerbspolitische Folgen
Im Falle einer Übernahme der Aktiengesellschaft be mißt sich die veränderte Position des einzelnen (Minderheits-)Aktionärs nicht allein anhand seiner gesunkenen Einflußmöglichkeiten innerhalb der Gesellschaft. Dies ist nur die einzelwirtschaftliche Betrachtungsebene. Darüber hinaus ist von großer Bedeutung, welche Personen bzw. Institutionen nunmehr im Besitz der Anteilsmehrheit sind und dadurch einen beherrschenden Einfluß ausüben können. Denn je nach der Art der neuen Eigentümerstruktur 740 V gl. Merle (1979), S. 274; anderer Auffassung ist Fratz (1993), S. 31, der zumindest die Zulässigkeit eines "Genossenschafts-Konzernes" bejaht. 74\ Siehe §§ 67, 68 AktG. 742 So auch Höser (1989), S. 130. 743 Diese Entwicklung wird noch dadurch begünstigt, daß eine Abschaffung bzw. Abschwächung der Vinkulierung durch eine einfache Satzungsänderung möglich ist; vgl. Luther (1978), S. 66 m.w.N. 744 So Großfeld/Jäger (1988), S. 9; siehe dazu auch Neumann (1975), S. 39. Auch Müller (1993), S. 212 weist darauf hin, daß im Falle der Vinkulierung für den übernahmewilligen Aufkäufer Möglichkeiten der Umgehung bestünden.
16'
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Kapitel 5: Konsequenzen
können sich in Hinblick darauf, daß es sich bei dieser Aktiengesellschaft um eine umgewandelte Genossenschaft handelt und unter Berücksichtigung der Entstehungsbedingungen dieser Genossenschaft gravierende wettbewerbspolitische Konsequenzen ergeben. Die Übernahme einer Aktiengesellschaft kann generell durch vier unterschiedliche Arten von Akteuren erfolgen. Dabei handelt es sich um: Akteure aus der Gruppe der bisherigen Mitglieder, d.h. Alt-Aktionäre; marktfremde Akteure ohne geschäftspolitische Interessen, d.h. reine Finanzinvestoren; Akteure, die auf dem gleichen Markt bzw. der gleichen Marktstufe tätig sind wie die Aktiengesellschaft (horizontale Integration, d.h. Konzentration); - Akteure, die auf der der Aktiengesellschaft nachgelagerten - d.h. aus Mitglieder-/Aktionärssicht gegenüberliegenden - Marktstufe tätig sind und für die die Übernahme z.B. eine Rückwärtsintegration darstellt (vertikale Integration). Während eine Übernahme durch die ersten beiden Gruppen kaum Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation haben dürfte,745 kommt eine ordnungspolitische, d.h. über die Ebene der Einzelunternehmung hinausreichende Bedeutung einer Übernahme durch die dritte und vierte Gruppe zu. Die Aktionäre sind hiervon immer dann betroffen, wenn sie zugleich auch Kunden ihrer Aktiengesellschaft sind. Die Umwandlung der vormaligen Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft ist vor allem deshalb erfolgt, weil angesichts des Abbaus von Funktionsstörungen auf dem betrachteten Markt eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung nicht mehr nötig und sinnvoll war. Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen waren bei der Bereitstellung der gewünschten Leistungen Kooperationsvorteile nicht mehr oder auch auf anderem Wege als durch eine Genossenschaft erzielbar. Außerdem bewirkte die Marktstruktur, daß eine ausreichende Anzahl von Anbietern einen zumindest tendenziell funktionierenden Wettbewerb nach sich zog. In beiden Fällen, also sowohl durch die vertikale wie durch die horizontale Integration entsteht eine neue Situation. 746 Die Aktionäre sehen sich als Kunden ihrer Aktiengesellschaft einer Lage gegenüber, in der sich die 745 Von den Konsequenzen konglomerater Zusammenschlüsse im Rahmen von Diversifizierungsstrategien soll an dieser Stelle abgesehen werden; für die weitere Analyse sind sie von vernachlässigbarer Bedeutung. 746 Die dabei widerstreitenden Interessen sind bei Kessler (1991 ), S. 263-268 dargelegt.
II. Die implizite Problematik des Rechtsformwandels
245
Gewichte verschoben haben. Dabei ist es einerseits möglich, daß das übernehmende Unternehmen über eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung verfügt und diese auf dem Wege der Vertikalstrategie auf die übernommene Aktiengesellschaft ausdehnt. Dadurch erlangt die Aktiengesellschaft eine überlegene Stellung ihren unmittelbaren Konkurrenten gegenüber; die Anbieterstruktur ändert sich zumindest qualitativ. Denn sowohl die Aktiengesellschaft als auch die nicht-integrierten Unternehmen des betrachteten Marktes sind von Transaktionen mit dem marktstarken Unternehmen der vor- bzw. nachgelagerten Marktstufe abhängig. Deshalb ist es diesem Unternehmen möglich, die nicht-integrierten Unternehmen zugunsten der integrierten Aktiengesellschaft zu diskriminieren, d.h. sie zu behindern. Auf diese Weise weitet das voll-integrierte Unternehmen seine Marktrnacht auf die betrachtete Marktstufe aus. 747 Daneben bedeutet eine solche Unternehmensintegration für potentielle Wettbewerber einen erschwerten Marktzutritt. So ist infolge der Integration ein erhöhter Kapitaleinsatz erforderlich, und außerdem verfügt das integrierte Unternehmen über einen beträchtlichen Know-how-Vorsprung. 748 Andererseits kann es auch zu einer Übernahme durch einen unmittelbaren Konkurrenten, Z.B. durch eine Fusion, kommen. Dadurch ändert sich die Anbieterstruktur unmittelbar; der Konzentrationsgrad auf dem betrachteten Markt steigt. Die verbleibenden Marktteilnehmer sind dann in der Lage, überragende MarktsteIlungen zu entwickeln. Durch die zunehmende Konzentration beispielsweise des Angebotes kann sich aus der "Gruppendisziplin" eine faktische Wettbewerbsbeschränkung ergeben. 749 Für die Kunden als Transaktionspartner bzw. Marktgegenseite erwächst aus beiden möglichen Übernahmeszenarien eine neue Wettbewerbssituation, die zu ihren Lasten geht. Bis dato waren die Marktprozesse - angenommenerweise - in der Lage, die ihnen zugesprochenen Marktfunktionen zu erfüllen, wodurch es schließlich erst zu einer Ablösung der Genossenschaft durch die Aktiengesellschaft kommen konnte. Durch die Übernahme der Aktiengesellschaft kommt es jetzt zu einer Veränderung der Marktstruktur auf der Anbieterseite, bei der sich die Aktionäre als Kunden einer neuen Marktrnacht gegenübersehen. 75o Daraus folgt unmittelbar die Gefahr, daß die vormals funktionsfähigen Marktprozesse diese Eigenschaft verlieren und es zu Prozeßstörungen kommt.
747 748 749 750
Vgl. Schmidt (1990), S. 130; Martin (1988), S. 81/82. V gl. Schmidt (1990), S. 130. So Schmidt (1990), S. 129. Siehe auch Müller (1993), S. 1993.
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Kapitel 5: Konsequenzen
Die wettbewerbspolitische Konsequenz besteht nun darin, daß die auftretenden Funktionsstörungen das Ergreifen geeigneter Maßnahmen verlangen. Es ist bereits dargelegt worden, daß eine solche Maßnahme in der Errichtung einer Genossenschaft bestehen kann. 751 Durch die Übernahme der Aktiengesellschaft ist für deren Kunden-Aktionäre eine Situation entstanden, die derjenigen vor Errichtung der ursprünglichen Genossenschaft durchaus vergleichbar ist. Hier schließt sich der Kreis. Die vermeintlich überwundenen Funktionsstörungen haben die genossenschaftliche Kooperation entbehrlich gemacht; tatsächlich jedoch betrifft diese Feststellung nur die vereinsmäßige Organisation, d.h. die Kontrolle des Unternehmens durch den Verein. Das genossenschaftliche Unternehmen war keinesfalls entbehrlich geworden; seine unabhängige Stellung am Markt - auch in der Rechtsform der Aktiengesellschaft - ist eine notwendige Bedingung für störungsfrei verlaufende Marktprozesse. Der wettbewerbspolitische Zirkelschluß ist daher darin zu sehen, daß der Rechtsformwandel nicht zwangsläufig eine Weiterentwicklung der Genossenschaft bedeuten muß. Vielmehr kann er - so paradox es sich ausnimmt - dazu führen, daß eine Genossenschaftsgründung erneut erforderlich wird.
4. Exkurs: Fallbeispiel
Die Überlegungen dieses Abschnittes sollen anhand eines Beispieles illustriert werden. Erhebliches Aufsehen haben in diesem Zusammenhang die Vorgänge um die Südmilch AG erregt. Dieses bis in die 90er Jahre größte deutsche Milchverarbeitungsunternehmen engagierte sich nach der Wiedervereinigung mit großem Einsatz in den neuen Ländern. 752 Der beträchtliche finanzielle Aufwand dürfte dabei wohl weniger die konkrete Umsetzung eines förderwirtschaftlichen Zielsystems gewesen sein, als vielmehr auf die Sicherung strategischer Erfolgspotentiale des Unternehmens - hier einer Erweiterung der Rohstoffbasis und damit einer Verbesserung der Marktposition - durch das Management zurückzuführen sein. Denn es erscheint kaum nachvollziehbar, daß die Fördererwartungen baden-württembergischer Milcherzeuger im Aufbau einer sächsischen Molkereistruktur und dem Aufbringen entsprechender finanzieller Mittel hierfür liegen sollen. Der zwangsläufige Weg zu erwerbswirtschaftlichen 751 Zur Bedeutung von Genossenschaften im Konzentrationsprozeß siehe Lampert (1989), S. 52-56. 752 Siehe dazu auch den Südmilch-Geschäftsbericht 1991, S. 22/23.
II. Die implizite Problematik des Rechtsformwandels
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Zielsetzungen in einer Aktiengesellschaft wird anhand solcher Vorgänge plastisch belegt. Das ostdeutsche Engagement der Südmilch AG führte schließlich zu einer Beteiligung an der Sachsenmilch AG, dem ersten börsennotierten Unternehmen aus den neuen Ländern. Ein überdimensionierter Molkereineubau in Dresden-Leppersdorf, immer schwerer nachvollziehbare finanzielle Transaktionen innerhalb des Gesamtkonzernes sowie eine nicht mehr durchschaubare Überkreuz-Verflechtung führten zunächst bei der Sachsenmilch AG, in deren Gefolge jedoch auch bei der Südmilch AG zum Zusammenbruch. Allerdings brachte auch die Trennung von ihrer ostdeutschen Beteiligung der Südmilch AG keine dauerhafte Sanierung. Weder reichten hierfür die Gesellschaftsmittel aus, noch war aus dem Kreis der Anteilseigner - insbesondere der bäuerlichen Milcherzeuger - eine entsprechende Kapitalzufuhr möglich. Aus diesem Grunde war der endgültige Konkurs nur durch die Aufnahme eines neuen kapitalstarken Mehrheitsaktionärs möglich, wodurch die bisherigen Mitglieder-Aktionäre zugleich in den Status von Minderheitsaktionären zurücktreten mußten. Die Existenz von vinkulierten Namensaktien, bis bis dato als Garant der Berücksichtigung bäuerlicher Interessen bzw. zur Sicherstellung ihres Einflusses gegolten hatten,753 erwies sich in dieser Situation der Kapitalnot als ungeeignet, die Alt-Aktionäre vor einer Übernahme der Aktiengesellschaft zu schützen. Der neue Mehrheitsaktionär fand sich schließlich in der Campina Melkunie B.V., einem der größten niederländischen Milchverarbeiter. Es handelt sich dabei um den typischen Fall einer - internationalen - horizontalen Konzentration. Die Milcherzeuger als Alt-Aktionäre sehen sich dadurch mit einer erheblichen Übermacht auf der Marktgegenseite konfrontiert. Unter der Annahme, daß natürliche (Regional-)Monopole in der Milchwirtschaft - zumindest teilweise - bestehen, sind sie bei der Weiterverarbeitung ihrer Rohmilch nunmehr von einem Regionalmonopolisten abhängig, dessen Tätigkeit sie jedoch aufgrund ihres Status als Minderheitsaktionäre nicht materiell kontrollieren oder gar beeinflussen können. So hat die Südmilch AG angekündigt, von den Landwirten nur noch so viel Milch anzukaufen, wie sie selbst zur Herstellung hochveredelter Produkte benötige. 754 Die Milchbauern befinden sich damit in einer Situation, die wegen der Vorteilhaftigkeit von horizontaler Kooperation und vertikaler Integration nach der Gründung einer - neuen - Genossenschaft geradezu verlangt. 753 Siehe z.B. die diesbezügliche Argumentation im Geschäftsbericht der Südmilch Landgold Holding AG 1991, S. 6n. 754 Vgl. o.v. [FAZ] (1994).
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Kapitel 5: Konsequenzen
Hf. Kooperationspolitische Schlußfolgerung
Als Fazit bleibt festzuhalten, daß der Rechtsfonnwandel beträchtliche Risiken für die bisherigen Mitglieder birgt. Dies ergibt sich nicht nur daraus, daß eine personalistische Struktur und eine förderwirtschaftliche Ausrichtung des Ziel systems in der Aktiengesellschaft - wenn überhaupt "- nur eingeschränkt möglich sind. Die Mitglieder sind zudem der Gefahr ausgesetzt, daß das Management, also der Vorstand der Aktiengesellschaft, eine strategische Neupositionierung vornimmt, die ihren eigenen Interessen zuwiderläuft. Hinzu kommt, daß die - grundsätzlich jederzeit - mögliche Übernahme der Aktiengesellschaft durch einen Dritten eine vollkommen neue Wettbewerbssituation herbeiführen kann, die der Begründung eines Rechtsfonnwandels sogar den Boden entziehen könnte. Beide Szenarien verdeutlichen, daß die aktienrechtliche Organisationsfonn - auch als "genossenschaftliche" Aktiengesellschaft - keine Alternative zur genossenschaftlich organisierten Zusammenarbeit sein kann. Die dieser genossenschaftlichen Kooperation zugrundeliegende Mitgliederwidmung garantieren hingegen die eingetragene Genossenschaft und die Kooperationsgesellschaft. Weil jedoch das Organisationsrecht nur der jeweilige Rahmen sein kann, mittels dessen eine förderwirtschaftliche Zwecksetzung fonnal institutionalisiert ist, muß das förderwirtschaftliche Zielsystem durch eine glaubwürdig umgesetzte Genossenschaftskultur bzw. Kooperationskultur belegt werden. Hierbei wird noch einmal die wechselseitige Verzahnung von personalistischer Organisationsstruktur und förderwirtschaftlicher Zielsetzung sichtbar. Denn um die rechtstypische Mitgliederwidmung herausstellen zu können, haben sämtliche Möglichkeiten einer verstärkten förderwirtschaftlichen Ausrichtung definitions gemäß die Person des Mitglieds zum Gegenstand. Genau aus diesem Grunde eignen sie sich jedoch nicht für kapitalbezogen organisierte Gesellschaftsfonnen, deren "Eigentümeranonymität" nicht nur zu einer Zweck- und auch Wertneutralität der Unternehmung, sondern letztlich wohl ebenso zwangsläufig zu einem erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Zielsystem führt.
Kapitel 6
Zusammenfassende Würdigung Die vorliegende Arbeit hat den Versuch unternommen, eine Perspektive für die Hilfs- und Ergänzungsgenossenschaften als Form der wirtschaftlichen Kooperation in der Bundesrepublik Deutschland aufzuzeigen. Hintergrund dieser Überlegungen waren die nicht unwesentlichen Spannungen, denen sich Teile des Genossenschaftswesens aufgrund der sich immer schneller wandelnden Marktprozesse ausgesetzt sehen. So war der Ausgangspunkt der Untersuchung die Feststellung, das deutsche Genossenschaftswesen befinde sich aufgrund der im Vergleich zur historischen Gründungssituation veränderten Markt- und Wettbewerbsprozesse in einem Strukturwandel, der nicht nur die Zweckmäßigkeit der genossenschaftlichen Rechtsform, sondern vielmehr generell die Genossenschaft als eine glaubwÜf"dige und ordnungspolitisch legitimierte Organisationsform in Frage stelle. Damit war die Überlegung verbunden, ob angesichts des verschiedentlich feststell baren Auseinanderfallens von Norm bzw. Anspruch und Wirklichkeit das genossenschaftliche Selbstverständnis bereits soweit verschwommen sei, daß eine Identitätskrise konstatiert werden müsse. Vor diesem Hintergrund sollten neue Perspektiven für die Genossenschaft aufgezeigt werden. Dazu war zu klären, ob die Genossenschaft überhaupt noch als ein überzeugendes Organisationsmodell für die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke anzusehen ist oder ob es dafür modifizierter Konzepte bedarf. Neben dieser grundsätzlichen Frage war dann sogleich zu untersuchen, durch welche institutionellen, d.h. organisationsrechtlichen, Maßnahmen eine solche Kooperation zu gestalten ist, um den Mitgliederbedürfnissen, aber auch den Marktanforderungen Rechnung tragen zu können. Zu diesem Zweck wurde die Entwicklungsgeschichte der Genossenschaften ökonomisch analysiert. Dadurch sollte das der Genossenschaft zugrundeliegende Leitbild verdeutlicht und zugleich eine theoretisch exakte Definition des Genossenschaftsbegriffes gewonnen werden. Es zeigte sich, daß eine Genossenschaft ein "Verein mit Unternehmung" ist, in der sich die Vorteilhaftigkeit der horizontalen Kooperation (Kollektiv des Vereins) mit der der vertikalen Integration (EigenersteIlung mittels
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Kapitel 6: Zusammenfassende Würdigung
eines Unternehmens) verbindet. Nur wenn beide Determinanten gegeben und mittels einer bestimmten Organisationsstruktur miteinander verbunden sind, kann von einer "prototypischen" und damit ordnungspolitisch legitimierten Genossenschaft gesprochen werden. Dies ist deshalb von großer Bedeutung, weil infolge der sich ständig ändernden Markt- und Wettbewerbsbedingungen die Vorteilhaftigkeit bzw. Erforderlichkeit von horizontaler Kooperation und vertikaler Integration kein Datum ist. So sind die real existierenden Genossenschaften unterschiedlichen Entwicklungen gefolgt, was sich in den Strukturtypen der traditionellen, der Markt- und der integrierten Genossenschaft dokumentiert. Dabei hat der Vergleich mit dem ökonomischen Leitbild ergeben, daß nicht alle im Wirtschaftsleben auftretenden Genossenschaften auch wirklich solche sind. Prototypische Genossenschaften waren demnach nur die Versorgungs genossenschaft und als eine Unterform davon die integrierte Genossenschaft. Dagegen handelt es sich bei der traditionellen Genossenschaft noch nicht (Prae-Genossenschaft) bzw. bei der Marktgenossenschaft nicht mehr (Post-Genossenschaft) um Genossenschaften im Sinne des ursprünglichen Leitbildes. Damit ist als Fazit der grundsätzlichen Überlegungen festzuhalten, daß die Glaubwürdigkeits- und Identitätsprobleme im Gem5ssenschaftswesen nicht zuletzt daherrühren, daß Wirtschaftsgebilde als (eingetragene) Genossenschaften auftreten, es dem prototypischen Verständnis nach aber nicht sind. Hier wird die genossenschaftliche Organisationsform auch in solchen Fällen beibehalten, für die sie von ihrem Modell her nicht gedacht war bzw. ist. So stellt sich bei diesen Genossenschaften, die im eigentlichen Sinne keine sind, die Frage nach der ordnungspolitischen Legitimationsgrundlage. Bei ihnen fallen - selbstgestellter - Anspruch und Wirklichkeit auseinander, und diese Friktionen werden von den Mitgliedern wie den übrigen Wirtschaftsteilnehmern durchaus bemerkt. Aus diesem Grund ist eine prototypische Genossenschaft definiert worden; dies schärft das Leitbild und verdeutlicht die Grenzen gegenüber den "Formalgenossenschaften". Das Ergebnis der ökonomischen Analyse besteht somit darin, daß die Genossenschaft durchaus ein geeigneter institutioneller Rahmen für die Verfolgung bestimmter wirtschaftlicher Zielsetzungen sein kann und insoweit als eigenständige Organisationsform auch legitimiert ist. Doch auch wenn nicht alle tatsächlich bestehenden Genossenschaften diesem - prototypischen - Anspruch gerecht werden und einer Reihe von ihnen die theoretische Basis abhanden gekommen ist, kann es nicht sachgerecht sein, deshalb das gesamte Modell in Frage zu stellen. Neben dieser grundsätzlichen Frage war in einem zweiten Schritt das Organisationsrecht der Genossenschaft daraufhin zu prüfen, ob und inwie-
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weit es den Ergebnissen der ökonomischen Analyse Rechnung trägt. Dazu ist die Genossenschaft zunächst als ein Rechtstyp charakterisiert worden. Eine Genossenschaft ist demnach vornehmlich durch ein Merkmal gekennzeichnet, das sie im Wirtschaftsleben eindeutig abgrenzt: Die unbedingte Mitgliederwidmung. Sie äußert sich zum einen in der Zielsetzung der genossenschaftlichen Kooperation, die einzig auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten ist und daher als Förderwirtschaftlichkeit bezeichnet wird. Daneben bedingt die ausdrückliche Bezugnahme auf die Mitglieder deren unmittelbare Beteiligung an den Geschicken der Kooperation, aus der sich ihre personen bezogene bzw. personalistische Struktur ergibt. Die in der Förderwirtschaftlichkeit zum Ausdruck kommende besondere Konstruktion begründet schließlich die spezifisch genossenschaftliche Identität. Im Rahmen der positiv-rechtlichen Untersuchung wurde dann die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft herangezogen, um deren Eignung als "maßgeschneidertes Rechtskleid" beurteilen zu können. Dabei zeigte sich zunächst, daß angesichts der Markt- und Wettbewerbszwänge eine Reihe von Genossenschaften mit Veränderungen in den mitgliedschaftlichen Beziehungen reagierten, die mit der Rechtstypik der Genossenschaft nicht vereinbar sind. Das - vielleicht verständliche - Streben der genossenschaftlichen Unternehmensleitungen, mit ihren unmittelbaren nicht-genossenschaftlichen Konkurrenten gleichzuziehen und sich deshalb auch möglichst nicht mehr von ihnen unterscheiden zu wollen, war oftmals nur um den Preis einer Aufgabe genossenschaftlicher Charakteristika zu erreichen. Doch dieses Phänomen ist nicht nur im Verhalten der Genossenschaften zu erkennen. Es zeigt sich auch in der Rechtswirklichkeit, d.h. in den Modifikationen der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft. War sie ursprünglich der juristische Ausdruck des ökonomischen Leitbildes, so hat der Gesetzgeber mit wiederholten Novellen des Genossenschaftsrechts diese Typik verändert. Sie erfolgten zwar in dem Bemühen, das Organisationsrecht der Genossenschaft den Markterfordernissen entsprechend anzupassen. Die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft ist dabei jedoch den erwerbswirtschaftlichen Gesellschaftsformen immer vergleichbarer geworden. Denn als "Referenzmodell" hat der Gesetzgeber den Typ der Marktgenossenschaft herangezogen - genau damit kann er den Anforderungen der prototypischen Genossenschaften aber nicht gerecht werden. So erklären sich die zahlreichen Organisationsmängel und Kontrollprobleme der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft aus Regelungen, die mit Blick auf eine Markt- und Wettbewerbssituation getroffen wurden, in der eine Genossenschaft überhaupt nicht mehr benötigt wird. Das
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Kapitel 6: Zusammenfassende Würdigung
Ergebnis ist - wie zwangsläufig bei jeder nur unvollkommen gelungenen Assimilation - eine Identitätskrise, die wiederum das gesamte Organisationsmodell gefährdet. Wenn also gegenwärtig die Genossenschaft als eigenständige Organisationsform zur Disposition steht, so liegt der zweite Grund dafür in der Rechtswirklichkeit, die sich aufgrund unsachgemäßer Modifikationen von der Rechtsidee bzw. dem Rechtstyp entfernt hat. Die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft wird unter diesen Umständen den Anforderungen, die das Modell der prototypischen Genossenschaft an die Gestaltung seiner rechtlichen Beziehungen stellt, nicht gerecht. Damit konnte zusammenfassend festgestellt werden, daß das Genossenschaftswesen gegenwärtig durch im wesentlichen zwei Probleme gekennzeichnet ist. Einerseits ist das prototypische Leitbild der Genossenschaft als Verein mit Unternehmung verschwommen. Dadurch wird es Wirtschaftsgebilden ermöglicht, als Genossenschaften aufzutreten, ohne als solche legitimiert zu sein. Dies jedoch stellt das gesamte Organisationsmodell in Frage. Andererseits fördert das Genossenschaftsrecht diese Entwicklung noch, indem - bewußt, aber unsachgemäß - die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft in Richtung auf das Recht der Kapitalgesellschaften hin nivelliert wird. Dies gefährdet die Tauglichkeit der genossenschaftlichen Rechtsform selbst in den Fällen, in denen eine Genossenschaft durchaus vorteilhaft ist. Die sich aus dieser Bestandsaufnahme ergebenden Konsequenzen bildeten dann die Grundlage, um die Aussichten der genossenschaftlichen Kooperation beurteilen zu können. Die Markt- bzw. Wettbewerbsbedingungen entziehen sich als externe Rahmenbedingungen weitestgehend einer direkten Beeinflussung; eine Genossenschaft kann daher in der Regel nur eine Reaktion auf sie sein. Das bedeutet dann allerdings auch, daß bei einem Wegfall entsprechender Umweltsituationen das weitere Bestehen der Genossenschaft - als Organisationsform, nicht etwa als Unternehmen bzw. allgemein als Marktteilnehmer - nicht zwangsläufig selbstverständlich ist. Entfällt die Vorteilhaftigkeit von horizontaler Kooperation und/oder vertikaler Integration, ist eine Überleitung der zur Marktgenossenschaft gewordenen ehemaligen prototypischen Genossenschaft in einen anderen Rechtstyp und damit eine andere Rechtsform angezeigt. Dies nimmt den betroffenen Genossenschaften den Legitimationsdruck und leistet dadurch einen Beitrag zur Überwindung der Glaubwürdigkeitskrise. Andererseits ist dargestellt worden, daß es aus Gründen der Unvollkommenheit der marktwirtschaftlichen Selbststeuerung einer Volkswirtschaft
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bei einzelnen Marktteilnehmern immer wieder ein Bedürfnis für eine förderwirtschaftliche Kooperation vorstellbar ist. Dabei kann auch der Rechtstyp der Genossenschaft Verwendung finden; nur muß seine Besonderheit wieder deutlicher herausgestellt werden, wenn er eine überzeugende Möglichkeit für die Organisation ökonomischer Aktivitäten sein soll. Dazu ist jedoch die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft wieder primär an dem Leitbild der prototypischen Genossenschaft und damit an den Bedürfnissen und Interessen der Mitglieder auszurichten. Die Genossenschaft wird als Rechtstyp nur dann eine Perspektive haben können, wenn sie über eine maßgeschneiderte Rechtsform verfügt, die ihre Wesensmerkmale unterstützt und sie so in ihrer Identität bestärkt. Damit ist der zweite Schritt zur Überwindung der Identitätskrise in vielen Genossenschaften gewonnen; dieser erst ist geeignet, überhaupt eine Perspektive für die genossenschaftliche Organisationsform zu vermitteln. Die dazu notwendige grundlegende Reform des Genossenschaftsgesetzes bedeutet allerdings auch, von der zu beobachtenden Anlehnung an kapitalbezogene bzw. erwerbswirtschaftliche Organisationsregeln Abschied zu nehmen. Eine glaubwürdige Neugestaltung der Genossenschaft muß auf rechtsuntypische Elemente und Strukturen verzichten. Aus diesem Grund ist ein Trennungsmodell vorgeschlagen worden, durch das eine personalistische (Vereins-)Struktur mit den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten eines wettbewerbsfähigen Unternehmens verbunden werden kann. Die dabei angesprochenen personenbezogenen Organisationselemente sind geeignet, die Mitglieder wieder unmittelbar in die Entscheidungsprozesse der Genossenschaft einzubeziehen und dadurch deren Mitgliederwidmung institutionell zu belegen. Dieser Mitgliederbezug wird darüber hinaus verstärkt, indem die Förderwirtschaftlichkeit als Ziel system nicht länger lediglich formal - nämlich durch die Legaldefinition des § 1 GenG unterstellt wird. Vielmehr wird mit dem Instrument des Förderplanes und Förderberichtes die förderwirtschaftliche Zwecksetzung der Genossenschaft institutionell verankert und operationalisierbar gemacht. Dies ist ohne weiteres bei dem Typ der Versorgungsgenossenschaft und dem der integrierten Genossenschaft möglich. Es kann jedoch bei anders gelagerten Markt- und Wettbewerbszwängen, etwa bei zu großen Kooperationsgruppen oder auch bei der Notwendigkeit eines wachsenden, umfangreichen Kapitalbedarfs bedeuten, daß die Integration des (Genossenschafts-)Unternehmens in den Verein auf die bisherige Weise nicht mehr angemessen oder überhaupt noch möglich ist. Dies zeigte sich recht deutlich bei der Großgenossenschaft. Gerade weil die vorgeschlagene Reform des Genossenschaftsgesetzes dem Leitbild der prototypischen Genossenschaft und damit dem Modell aus Verein mit Unterneh-
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mung folgt, wird die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft dann keine Verwendung mehr finden können. Die bislang beschrittenen Alternativen, die "Anpassung" der genossenschaftlichen Rechtsform an betriebliche Erfordernisse oder die Umwandlung vornehmlich in eine Kapitalgesellschaft, sind jedoch unzweckmäßig. Sie stellen für die Position des Mitglieds, dessen Interessen - weil typusbestimmend - in dieser Untersuchung im Vordergrund stehen, eine nicht unerhebliche Gefährdung dar. Die Anpassung führt in ihrer Konsequenz zu einer atypischen Genossenschaft, deren mangelhafte Glaubwürdigkeit ein Problem für das gesamte Genossenschaftswesen darstellt. Es sollte daher im Interesse gerade der Mehrzahl der Genossenschaften liegen, einer mißbräuchlichen, weil untypischen Verwendung ihrer Rechtsform vorzubeugen. Ebenso kritisch ist eine Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft zu sehen. Auch wenn es zum Umwandlungszeitpunkt keine entsprechende Absicht gibt, wird sich eine umgewandelte ehemalige Genossenschaft nicht dem faktischen Zwang zur Erwerbswirtschaft entziehen können. Eine erwerbswirtschaftliche Neuorientierung und damit einhergehend die Betonung der Kapitalbezogenheit wird deshalb quasi automatisch die Folge sein. Um dies zu verhindern, ist der Rechtstyp der Kooperationsgesellschaft vorgeschlagen worden. Er trägt der Tatsache Rechnung, daß es seitens der Marktteilnehmer ein Bedürfnis für eine förderwirtschaftliche Kooperation gibt, die - wie z.B. in manchen Fällen der integrierten Genossenschaft zugleich der Substitution personalistischer durch institutionelle Elemente bedarf. Einen wichtigen Impuls könnte die kooperations theoretische Diskussion durch die Bereitschaft erfahren, nicht weiter zwischen der Förderund der Erwerbswirtschaft Grenzen zu ziehen, sondern auch eine Vermischung beider Pole zuzulassen: Dadurch dürfte man der wettbewerblichen Dynamik und den sich daraus ergebenden ständig neuen Marktanforderungen besser gerecht werden können. Nur ist eine solche Vermischung mit einem Rückgang der Mitgliederwidmung verbunden; sie ist gleichbedeutend mit einem Verlust an mitgliedschaftlicher Einflußnahme. Die Kooperationsgesellschaft ist damit das Ergebnis eines veränderten Verständnisses von horizontaler Kooperation und vertikaler Integration. In ihr spiegelt sich eine gewandelte Bedeutung der Kooperation wider, die zu ihrer Funktionsfähigkeit die vertikale Integration durch eine vertikale Kooperation ersetzen muß. Dazu allerdings bedarf es eines anderen Organisationsrahmens als in der Genossenschaft, weil der hierzu unabdingbare autonome Handlungsspielraum des Unternehmens weder eine uneingeschränkt personalistische Struktur (= Verein) noch ein absolut förderwirtschaftlich ausgerichtetes Zielsystem zuläßt: Dies ist der Grund für den Rückgang an
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Mitgliederwidmung. Daher ist es erforderlich, das Streben nach einer derartigen Neuausrichtung hinsichtlich der Organisationsstruktur und des Ziel systems auch deutlich zu kennzeichnen. Damit ist als Ergebnis dieser Untersuchung festzustellen, daß die Genossenschaft als Organisationsform durchaus eine Perspektive hat, sofern sie auf eine "proto- bzw. idealtypische Verwendung" beschränkt wird. Diese begrenzte Verwendungsfähigkeit macht es erforderlich, ihr einen zweiten Rechtstyp Kooperationsgesellschaft als Alternative beizugeben. Damit ist die Möglichkeit geschaffen, die jeweilige Organisationsform förderwirtschaftlicher Kooperation im Rechts- und Wirtschaftsleben nach Maßgabe der Mitgliederinteressen mit Aussicht auf eine langfristige Perspektive verwenden zu können. Beide Alternativen stellen insoweit für die gegenwärtig bestehenden und ordnungspolitisch auch legitimierten Genossenschaften eine institutionelle Perspektive dar. Dagegen eröffnet ein Rechtsformwandel in eine Kapitalgesellschaft eine solche Perspektive gerade nicht. Neben den organisationsrechtlichen Zwängen, die sich aus dem Gesellschaftsrecht ergeben, ist auch auf die Gefahr einer Übernahme und die dabei denkbaren wettbewerbspolitischen Folgen hinzuweisen. Nun muß der Gesetzgeber im Rahmen der Ordnungspolitik allerdings die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Es besteht daher ein ordnungspolitischer Handlungsbedarf. Dieser Handlungsbedarf erscheint um so dringlicher, weil eine Status-quo-Prognose eher pessimistische Aussichten vermittelt. Aus sich selbst heraus, d.h. ohne eine Korrektur des Organisationsrechts, wird das Genossenschaftswesen nur schwer in der Lage sein, die aufgezeigten Identitätsprobleme zu meistem. Die überwältigende Masse der Mitglieder besteht zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts aus aufgeklärten, rational denkenden und handelnden Marktteilnehmern, die sehr genau den Unterschied zwischen einer - unsachgemäßen - Norm und der Wirklichkeit wahrnehmen. Solange hier ein Widerspruch existiert, wird eine Genossenschaft mehr an einem Nachweis ihrer Legitimation als an der Entwicklung überzeugender Perspektiven zu arbeiten haben. Lediglich kosmetische Aktivitäten, also vor allem deklamatorische und/oder "good-will"-Maßnahmen, werden von diesem existentiellen Problem wenn überhaupt - nur vorübergehend ablenken können. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, daß zwischen der Funktionsfähigkeit genossenschaftlicher Kooperation und der genossenschaftlichen Rechtsform eine enge Wechselbeziehung besteht. Sollen die Genossenschaften in ihrer Identität gestärkt werden und als Rechtstyp für ihre Mitglieder attraktiv bleiben, erscheint eine Reform des Genossenschaftsgesetzes unausweichlich. Dabei sollte sich (wieder) die Erkenntnis einstellen,
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daß das Genossenschaftsgesetz ein reines Organisationsgesetz ist. Demzufolge kann es lediglich den Rahmen für eine förderwirtschaftliche Kooperation setzen; keinesfalls jedoch ist es als eine Art Handlungsanweisung für deren Umsetzung geeignet. Dessen ungeachtet ist die gegenwärtige Rechtspraxis dadurch gekennzeichnet, bei der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft trotz der Übernahme von Bestimmungen aus dem Recht der Kapitalgesellschaften ein anderes Zielsystem, nämlich die förderwirtschaftliche Ausrichtung, zu unterstellen. Es sollte das Ziel einer Gesetzesreform sein, diesen Widerspruch zu beseitigen. Wenn die Genossenschaft als eine mitgliedergewidmete Organisationsform reformiert werden soll, darf ihr förderwirtschaftlicher Charakter nicht länger per se unterstellt werden, sondern muß institutionell und das heißt dann durch entsprechende Organisationsregeln - verankert werden. Dies geht über die bislang gültige Generalnorm des § 1 GenG hinaus. Es hätte jedoch zur Folge, daß die Genossenschaften mittels einer derartigen Stärkung ihrer Glaubwürdigkeit ein stärkeres gesellschaftspolitisches Verständnis der genossenschaftlichen Förderwirtschaft erwarten könnten. Daher dürfte eine entsprechende Reform des Organisationsrechts im eigenen Interesse der Genossenschaften liegen. Zugleich bedeutet dies allerdings auch, daß die Genossenschaft dauerhaft ihre förderwirtschaftliche Zwecksetzung nachweisen muß. Gelingt ihr das im Laufe der Zeit nicht mehr, ist eine Verpflichtung zur Umwandlung in eine andere als die genossenschaftliche Rechtsform vorzusehen. Diese Vorschrift müßte an die Stelle der bislang kaum relevanten Auflösungsmöglichkeit nach § 81 I GenG treten. Eine Auflösung der Genossenschaft wäre zudem unangebracht, weil lediglich die mitgliedergewidmete Organisation der wirtschaftlichen Betätigung, keinesfalls jedoch das genossenschaftliche Unternehmen als Marktteilnehmer entbehrlich wird. Dies liegt nicht nur im Interesse des Genossenschaftswesens, sondern sollte der Gesellschaft als ganzes ein Anliegen sein. Denn nicht aus den Augen verlieren darf man, daß die Genossenschaften vom Grundsatz her angetreten sind, Funktionsstörungen von Märkten zu beseitigen. Zwar ist nicht auszuschließen, daß eine Genossenschaft auch als ein Mittel der Wettbewerbsbeschränkung Verwendung findet. Doch gerade um einen solchen Mißbrauch zu verhindern, bedarf es geeigneter organisationsrechtlicher Vorkehrungen. Der Wiederbelebung der genossenschaftlichen Rechtstypik kommt deshalb nicht nur eine identitätsstiftende, auf das Mitglied gerichtete, sondern zugleich eine ordnungspolitische bzw. gesamtwirtschaftliche Bedeutung zu.
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Bialck
Anhang
Verbindung von Vereins- und Unternehmensbegriff
Bestimmungen darüber, ob Erwerb oder Fortdauer der Mitgliedschaft an das Unterhalten von Leistungsbeziehungen zur Genossenschaft geknüpft sind. Ausschluß der Zulässigkeit von Mehrstimmrechten. Der personale Gleichheitsgrundsatz muß im absoluten Kopfstimmrecht zum Ausdruck kommen.
§ 1: Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, weIche die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken, ...
[bislang keine Aussage]
§ 43 111: Jeder Genosse hat eine Stimme. Das Statut kann die Gewährung von Mehrstimmrechten vorsehen. Mehrstimmrechte sollen nur für Genossen begründet werden, die den Geschäftsbetrieb der Genossenschaft besonders fördern. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Mehrstimmrechten müssen im Statut festgesetzt werden. Keinem Genossen können mehr als drei Stimmen gewährt werden. Bei Beschlüssen, die nach dem Gesetz einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen oder einer größeren Mehrheit
Gesetzlicher Genossenschaftsbefviff (Genossenschajtszweck)
Elwerb der Mitf!.liedschaft
Mitwirkung
(Fortsetzung)
Rechtsänderungsbedarf
Wortlaut de lege lata
Anhang I: Überblick über den Rechtsänderungsbedarf bei einer Reform des Genossenschaftsgesetzes (Stand: 20.12.1993)
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Finanzierung
(Fortsetzung Anhang I)
Bestimmungen darüber, ob die Mitglieder zur Leistung von finanziellen Beiträgen verpflichtet sind, mittels derer die Deckung der Kosten des laufenden Betriebes, soweit
[bislang keine Aussage)
von Mehrstimmrechten,
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Rechtsänderungsbedarf
§ 16 11 Nr. 7: Einführung oder Erweiterung
bedürfen und für die das Statut eine geringere als die gesetzlich vorgeschriebene Mehrheit nicht bestimmen kann, sowie bei Beschlüssen über die Aufhebung oder Einschränkungen der Bestimmungen des Statuts über Mehrstimmrechte hat ein Genosse, auch wenn ihm ein Mehrstimmrecht gewährt ist, nur eine Stimme. Auf Genossenschaften, deren Mitglieder ausschließlich oder überwiegend eingetragene Genossenschaften sind, sind die Sätze 3 bis 6 nicht anzuwenden; das Statut dieser Genossenschaften kann das Stimmrecht der Genossen nach der Höhe ihrer Geschäftsguthaben oder einem anderen Maßstab abstufen. Zur Aufhebung oder Änderung der Bestimmungen des Statuts über Mehrstimmrechte bedarf es nicht der Zustimmung der betroffenen Genossen.
Wortlaut de lege lata
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§ 43 a I: Bei Genossenschaften mit mehr als 1500 Mitgliedern kann das Statut bestimmen, daß die Generalversammlungen aus Vertretern der Genossen (Vertreterversammlung) besteht.
( Fortsetzung)
Verzicht auf die Möglichkeit, die Nachschuß pflicht ausschließen zu können.
§ 105 I: Soweit die Konkursgläubiger
wegen ihrer bei der Schlußverteilung (Konkursordnung § 161) berücksichtigten Forderungen aus dem zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens vorhandenen Vermögen der Genossenschaft nicht befriedigt werden, sind die Genossen verpflichtet, Nachschüsse zur Konkursmasse zu leisten, es sei denn, daß das Statut die Nachschußpflicht ausschließt.
Bestimmungen darüber, daß ein (unbeschränkter) Ausschluß der Haftpflicht nicht zulässig ist.
§ 6 Nr. 3: Bestimmungen darüber, ob die Genossen für den Fall, daß die Gläubiger im Konkurs der Genossenschaft nicht befriedigt werden, Nachschüsse zur Konkursmasse unbeschränkt, beschränkt auf eine bestimmte Summe (Haftsumme) oder überhaupt nicht zu leisten haben;
diese nicht durch andere Einnahmen gedeckt sind, sichergestellt werden soll.
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(Fortsetzung Anhang I)
meiner, unmittelbarer, gleicher und geheimer Wahl gewählt; Mehrstimmrechte bleiben unberührt. Für die Vertretung von Genossen bei der Wahl gilt § 43 Abs. 4 und 5 entsprechend. Kein Vertreter kann für längere Zeit als bis zur Beendigung der Vertreterversammlung gewählt werden, die über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt. Das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, wird nicht mitgerechnet. Die Satzung muß bestimmen,
§ 43 a IV: Die Vertreter werden in allge-
§ 43 a 111: Die Vertreterversammlung besteht aus mindestens fünfzig Vertretern, die von den Genossen gewählt werden. Die Vertreter können nicht durch Bevollmächtigte vertreten werden. Mehrstimmrechte können ihnen nicht eingeräumt werden.
§ 43 a 11: Als Vertreter kann jede natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person, die Mitglied der Genossenschaft ist und nicht dem Vorstand oder Aufsichtsrat angehört, gewählt werden.
Wortlaut de lege lata
Rechtsänderungsbedarf
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§ 43a VI: Eine Liste der gewählten Vertreter und der gewählten Ersatzvertreter ist zwei Wochen lang in dem Geschäftsraum der Genossenschaft zur Einsicht der Genossen auszulegen. Die Auslegung ist in einem öffentlichen Blatt bekanntzumachen. Die
Amtszeit weg, muß ein Ersatzvertreter an seine Stelle treten. Seine Amtszeit erlischt spätestens mit Ablauf der Amtszeit des weggefallenen Vertreters. Auf die Wahl des Ersatzvertreters sind die für den Vertreter geltenden Vorschriften anzuwenden.
§ 43a V: Fällt ein Vertreter vor Ablauf der
1. auf wie viele Genossen ein Vertreter entfällt; 2. die Amtszeit der Vertreter. Nähere Bestimmungen über das Wahlverfahren einschließlich der Feststellung des Wahlergebnisses können in einer Wahlordnung getroffen werden, die vom Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund übereinstimmender Beschlüsse erlassen wird. Sie bedarf der Zustimmung der Generalversammlung. Der Beschluß des Vorstands muß einstimmig gefaßt sein.
( Fortsetzung)
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Anhang I)
Bestimmungen über die Ergänzung der Generalversammlung durch Bezirksversammlungen, deren Aufgabe, Rechte, Organisation und Ablauf. Vorzusehen ist insbesondere, für wieviele Mitglieder jeweils eine Bezirksversammlung einzurichten ist und wann bzw. in welchem Turnus diese einzuberufen ist. Hinzuzufügen ist, daß die Generalversammlung den Förderbericht genehmigen muß und diese Zustimmung die Voraussetzung für die Entlastung der Geschäftsführung ist.
§ 48 I: Die Generalversammlung stellt den lahresabschluß fest. Sie beschließt über die Verwendung des lahresüberschusses oder die Deckung eines lahresfehlbetrages sowie über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats. Die Generalversammlung hat in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden.
Rechtsänderungsbedarf
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Auslegungsfrist beginnt mit der Bekanntmachung. Auf Verlangen ist jedem Genossen unverzüglich eine Abschrift der Liste zu erteilen.
Wortlaut de lege lata
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Zeitliche Begrenzung der Wahlperiode mit der Möglichkeit der Wiederwahl.
Möglichkeit des Vorstandes, sich eines aus der Unternehmenshierarchie ausgeklammerten Vorstandsstabes zu bedienen, um dadurch seinen Aufgaben besser nachkommen zu können. Hinzuzufügen ist, daß der vom Vorstand aufzustellende Förderp\an dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt werden muß. Weiterhin hat der Aufsichtsrat den Förderbericht vor dessen Vorlage auf der Generalversammlung zu prüfen.
§ 24 11: Der Vorstand besteht aus zwei Mitgliedern und wird von der Generalversammlung gewählt. Durch das Statut kann eine höhere Mitgliederzahl sowie eine andere Art der Bestellung festgesetzt werden.
[bislang keine Aussage1
§ 38 I: Der Aufsichtsrat hat den Vorstand bei seiner Geschäftsführung in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen und zu dem Zweck sich von dem Gange der Angelegenheiten der Genossenschaft zu unterrichten. Er kann jederzeit über dieselben
( Fortsetzung)
Verweis darauf, daß der Vorstand die Grundsätze der Geschäftspolitik formuliert und deren Umsetzung durch die Geschäftsführung überwacht. Dazu stellt er jeweils zu Beginn des Geschäftsjahres einen Förderplan auf, der für die Geschäftsführung bindend ist.
§ 27 I: Der Vorstand hat die Genossenschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Er hat dabei die Beschränkungen zu beachten, die durch das Statut festgesetzt worden sind.
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Anhang I)
Ges('hätisjührung
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Regelungen für das neue Organ Geschäftsführung, deren Aufgaben, Kompetenzen, Zusammensetzung, Bestellung bzw. Abberufung. Dabei ist insbesondere auf die Instrumente Förderplan und Förderbericht abzustellen.
[bislang keine Regelung]
nicht das Statut eine höhere Zahl festsetzt, aus drei von der Generalversammlung zu wählenden Mitgliedern.
Zeitliche Begrenzung der Wahlperiode mit der Möglichkeit der Wiederwahl.
Rechtsänderungsbedarf
§ 36 I: Der Aufsichtsrat besteht, sofern
Berichterstattung von dem Vorstand verlangen und selbst oder durch einzelne von ihm zu bestimmende Mitglieder die Bücher und Schriften der Genossenschaft einsehen, sowie den Bestand der Genossenschaftskasse und die Bestände an Effekten, HandeIspapieren und Waren untersuchen. Der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluß, den Lagebericht und den Vorschlag für die Verwendung des Jahresüberschusses oder die Deckung des Jahresfehlbetrages zu prüfen; über das Ergebnis der Prüfung hat er der Generalversammlung vor der Feststellung des Jahresabschlusses zu berichten.
Wortlaut de lege lata
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VertretunR
Trennung von Vereins- und Unternehmensvertretung; dadurch Wegfall der gemeinsamen Vertretung mit einem Prokuristen auf Vorstandsebene.
Trennung von Vereins- und Unternehmensvertretung; dadurch Wegfall der gemeinsamen Vertretung mit einem Prokuristen auf Vorstandsebene.
Regelungen über die Vertretung durch die Geschäftsführung gemeinschaftlich, einzeln bzw. in Gemeinschaft mit einem Prokuristen sowie deren Zeichnungs berechtigung.
§ 25 11: Das Statut kann auch bestimmen, daß einzelne Vorstandsmitglieder allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Genossenschaft befugt sind. Absatz 1 Satz 3 gilt in diesen Fällen sinngemäß.
§ 25 111: Zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Dies gilt sinngemäß, falls ein einzelnes Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Genossenschaft befugt ist.
[bislang keine Aussage1
( FortsetZlIng)
Vertretungsbefugnis der Geschäftsführung in den das genossenschaftliche Unternehmen betreffenden Angelegenheiten.
§ 24 I: Die Genossenschaft wird durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten.
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Nichtmitgliedergeschäft
Kontrolle
(Fortsetzung Anhang I)
Rechtsänderungsbedarf Zusätzlich Zugrundelegung des Förderplans und des Förderberichts bei der Prüfung sowie Hinweis darauf, daß der Prüfungsverband insbesondere die Einhaltung der in § I bezeichneten geschäftlichen Zwecke zu prüfen hat. Bestimmung darüber, daß bei Verlust eines förderwirtschaftlichen Zielsystems (= andere als die in diesem Gesetz (§ I) bezeichneten Zwecke) an die Stelle der Auflösung zwingend die rechtsformwechselnde Umwandlung tritt.
Verpflichtung, daß im Falle des Nichtmitgliedergeschäftes Art und Umfang dieser Geschäfte im Förderplan niederzulegen sind.
Wortlaut de lege lata
§ S3 11: Im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 ist der lahresabschluß unter Einbeziehung der Buchführung und des Lageberichts zu prüfen. § 316 Abs. 3, § 317 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Handelsgesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden.
§ 81 I: Wenn eine Genossenschaft sich gesetzwidriger Handlungen oder Unterlassungen schuldig macht, durch welche das Gemeinwohl gefährdet wird, oder wenn sie andere als die in diesem Gesetz (§ I) bezeichneten geschäftlichen Zwecke verfolgt, so kann sie aufgelöst werden, ohne daß deshalb ein Anspruch auf Entschädigung stattfindet.
§ 8 I Nr. S: die Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Personen, welche nicht Mitglieder der Genossenschaft sind, zugelassen wird.
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IV 00 00
Übernahme eines Anteiles; dadurch variable, aber lediglich steigerbare Kapitalbasis; Höhe des Anteiles ist bei jedem Mitglied gleich; Kapital kann von nutzungsinteressierten und/oder renditeorientierten Mitgliedern aufgebracht werden
marktliche Konkurrenzpreise
marktliche Konkurrenzpreise
Einstellung in die Rücklagen und/oder Rückvergütung
Preishi/dung im Nichtmitgliedergeschäft
Üherschußverteilung
Zubuchung in das Vermögen der Gesellschaft (Grundkapital oder Rücklagen); dadurch Erhöhung der Anteilswerte; Ausschüttung ist ausgeschlossen
Überschüsse kommen den Mitgliedern allerdings im Zuge der Gewinnthesaurierung zugute
= kein Unterschied gegenüber Mitgliedern;
unbegrenzt zulässig
differenziert zulässig
Nichtmitgliedergeschäft
= Unterschied gegenüber Mitgliedern
marktliche Konkurrenzpreise
gespaltener Tarif aus Beitrag und Grenzkostenpreisen
Preishildung im Mitgliedergeschäft
Kapitalbasis; Geschäftsguthaben einzelner Mitglieder in unterschiedlicher Höhe möglich; ausschließlich durch nutzungsinteressierte Mitglieder aufzubringen
(= Geschäftsguthaben);
Geschäftsanteile dadurch variable
Einzahlungen
Eigenkapita/( -heschaffung)
die
kein Ehrenamt im eigentlichen Sinn; Mitgliedervertreter müssen nicht der Gruppe der Mitglieder entstammen, sondern werden von diesen nur gewählt
haupt- oder nebenamtlich
Wahrnehmung des Ehrenamtes
auf
befristete Bestellung mit regelmäßiger Wiederwahl/Bestätigung
befristete Bestellung mit regelmäßiger Wiederwahl/Bestätigung
Bestellung der Leitungspositionen (Ehrenamt und Management)
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