Personalmarketing: Strategien zur Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern. Mit einem Vorwort von Professor Hans-Ulrich Sachs [1 ed.] 9783896449092, 9783896731937

Die zielgerichtete Suche und Auswahl von Mitarbeitern ist in Unternehmen der Dienstleistungsbranche, speziell in Finanzd

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German Pages 256 [257] Year 2005

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Personalmarketing: Strategien zur Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern. Mit einem Vorwort von Professor Hans-Ulrich Sachs [1 ed.]
 9783896449092, 9783896731937

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Andreas Werner

Personalmarketing Strategien zur Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern

Mit einem Vorwort von Professor Hans-Ulrich Sachs

Verlag Wissenschaft & Praxis

Andreas Werner

Personalmarketing Strategien zur Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-89673-193-9

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2005 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

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Zum Geleit Jeder Unternehmer und Manager steht vor der permanenten Herausforderung, Umsatz, Profitabilität und Marktanteile zu steigern. Der Unternehmenserfolg muss angesichts des scharfen Wettbewerbs täglich neu erarbeitet werden. Marktfähige oder innovative Produkte sowie optimierte Geschäftsprozesse sind notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzungen. Ebenso essentiell ist eine klar formulierte Personalstrategie, die nicht nur plakativ in Form von Leitbildern oder Visionen veröffentlicht, sondern aktiv von den Führungskräften umgesetzt wird. Erst das menschliche Kapital – mit Faktoren wie Ausbildung und Wissen, Erfahrung, Leistungsbereitschaft oder Entscheidungsstärke – schafft die Voraussetzungen für nachhaltige Erträge. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens dürfen vom Management nicht als „Kostenblock“ gesehen werden – sie sind vielmehr die alles entscheidenden Träger der Wertschöpfung. Dies gilt in besonderem Maße für die Vertriebsorganisationen von Industriefirmen und vertriebsorientierte Dienstleistungsunternehmen. Für sie ist ein effektives Human-Resources-Management unabdingbar. Der Schlüssel zum Erfolg liegt insbesondere im effizienten Recruiting. Fehler im Personalmarketing führen unweigerlich zu Frustrationen – bei den Unternehmen ebenso wie bei den Bewerbern oder den neu eingestellten Mitarbeitern. Zahlreiche empirische Studien belegen, dass sich Investitionen in ein effizientes Personalmarketing auszahlen. Aber nur, wenn die Personalakquisition genauso professionell organisiert ist wie die anderen Geschäftsprozesse, stellt sich der gewünschte Erfolg ein. Deshalb muss Personalmarketing als ein umfassender unternehmerischer Ansatz angesehen werden, nicht allein als reines Rekrutierungsinstrumentarium. Es ist einzubinden in die jeweilige Unternehmenskultur und Unternehmensstrategie und muss interdependent auf die übrigen Geschäftsprozesse einwirken können. Unter dem Schlagwort „War for Talents“ finden sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur einschlägige Empfehlungen im Überfluss. Doch wie sieht es in der Realität der deutschen Wirtschaft tatsächlich aus? Nach meinen Erfahrungen aus langjähriger Vorstandstätigkeit und als Unternehmer weisen besonders kleine, mittlere, aber auch große Unternehmen noch erhebliche Defizite im Personalmanagement, insbesondere bei der Suche und Auswahl von Mitarbeitern und Führungskräften aus. So fehlen etwa spezifische Anforderungsprofile, geeignete Auswahlverfahren oder das Know-how bei den Verantwortlichen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass hohe Fluktuationskosten entstehen und vielfach neu eingestellte Mitarbeiter nicht den erhofften Erfolg für das Unternehmen bringen.

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Zum Geleit

Solche Defizite werfen nicht nur ein schlechtes Licht auf die jeweilige Fachabteilung, sondern auch auf das Topmanagement. Nur wenn dort die richtigen Prioritäten zur permanenten Weiterentwicklung des Personalwesens gesetzt werden, kann das Unternehmen auf Dauer erfolgreich sein. Personalmarketing muss deshalb immer auch „Chefsache“ sein. Externe Berater mögen dem Unternehmen zwar viele Prozessschritte abnehmen, die Kernkompetenz muss aber zwingend im eigenen Haus vorhanden sein, besonders bei den Entscheidungsträgern. „Es ist nichts schrecklicher als eine tätige Unwissenheit.“ Dieses Goethe-Zitat passt zu vielen betrieblichen Prozessen, besonders aber zum Personalmarketing. Das vorliegende Kompendium von Andreas Werner, Geschäftsführer der Böblinger Trainings- und Beratungsgesellschaft Horst Rückle Team GmbH (hr TEAM), vereint den theoretischen und praktischen Bezug speziell zur Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern in idealer Weise. Hier werden dem Personalentscheider einerseits die theoretischen Grundlagen vermittelt, andererseits aber auch sehr konkrete Instrumentarien zur direkten Umsetzung in die Praxis an die Hand gegeben, unter anderem in Form von Checklisten, Praxisbeispielen und Mustervorlagen. Aus der Praxis für die Praxis – ich wünsche dem Buch den ihm gebührenden Erfolg. Stuttgart, im Herbst 2004

Prof. Hans-Ulrich Sachs

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Inhaltsverzeichnis Zum Geleit ....................................................................................................................................5 Inhaltsverzeichnis .........................................................................................................................7 Abbildungsverzeichnis................................................................................................................11

A. Einleitung....................................................................................................... 13 I.

Bedeutung der Personalsuche und -auswahl in sich schnell wandelnden Märkten ..............15

II. Zum Aufbau dieses Buches..................................................................................................21

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter.......................... 25 I.

Die Präferenzen bei der Kaufentscheidung als Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter ...................................................................................................25

II. Normative, strategische und operative Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter ...................................................................................................27 1. Normative Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter .............................27 1.1. Die Vision als Grundlage der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter...................28 1.2. Die Mission als Grundlage der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter.................29 1.3. Werte als Grundlage der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter ..........................29 1.3.1. Die Unternehmenskultur als Spiegel der Werte..........................................31 1.3.2. Operationalisierung von Werten.................................................................32 1.3.3. Die Bedeutung der Akzeptanz von Zielen und Werten bei der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter...........................................33 1.4. Überfachliche Kompetenzen und deren Übereinstimmung mit der Unternehmensphilosophie......................................................................................35 2. Strategische und operative Grundlagen der Gewinnung neuer Mitarbeiter...................36 2.1. Definition der Unternehmensstrategie....................................................................36 2.2. Die Unternehmensstrategie als Grundlage der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter ...............................................................................................37 2.3. Definition von Unternehmenszielen.......................................................................37 2.4. Operationalisierung von Unternehmenszielen mit der Balanced Scorecard (BSC) ........................................................................37 2.5. Operationalisierung von Einzelzielen ....................................................................40 2.6. Ausrichtung der Mitarbeitergewinnung an den Unternehmenszielgruppen ...........41 III. Definition und Operationalisierung von Stellenbeschreibungen ..........................................43 IV. Definition und Operationalisierung von Anforderungsprofilen ...........................................46 1. Vorgehen bei der Erstellung von Anforderungsprofilen ...............................................47 2. Entwicklung von Anforderungsprofilen über High Performer in der eigenen Organisation..................................................................................................................49 3. Die Festlegung der Soll-Ausprägungen ........................................................................57

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Inhaltsverzeichnis

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing zur Suche von zukünftigen Vertriebsmitarbeitern.............................................................. 59 I.

Grundlagen des Personalmarketing......................................................................................59

II. Instrumente der Personalsuche.............................................................................................63 1. Anzeigengestützte Personalsuche .................................................................................63 1.1. Anzeigen in Tageszeitungen ..................................................................................67 1.2. Anzeigen in Wochenblättern..................................................................................68 1.3. Anzeigen in Fachzeitschriften................................................................................68 1.4. Zeitlicher Ablauf der anzeigengestützten Personalsuche .......................................68 2. Stellengesuche ..............................................................................................................69 3. Einsatz neuer Medien bei der Personalsuche ................................................................70 3.1. Schaltung von Stellenanzeigen in Jobbörsen .........................................................70 3.2. Recherche und Suche nach passenden Vertriebsmitarbeitern in den einschlägigen Jobbörsen..............................................................................70 3.3. Unternehmens-Homepages ....................................................................................71 4. Die Bundesagentur für Arbeit .......................................................................................73 5. Die direkte Ansprache zukünftiger Vertriebsmitarbeiter ..............................................75 5.1. Grenzen und Gefahren der direkten Ansprache von zukünftigen Vertriebsmitarbeitern ..................................................................75 5.2. Die Suche über Direct-/Executive-Search-Gesellschaften .....................................75 5.3. Aufgaben der Vertriebsführungskraft bei der direkten Ansprache von zukünftigen Vertriebsmitarbeitern ..................................................................76 6. Mitarbeiter werben Mitarbeiter .....................................................................................78 7. Externe Unternehmensmultiplikatoren..........................................................................79 8. Abgelehnte Bewerber und Bewerberabsagen................................................................79 9. Firmenpräsentationen und Kolloquien ..........................................................................79 10. Messen ..........................................................................................................................80

D. Die Bewerbervorauswahl.............................................................................. 81 I.

Exkurs: Zur Psychologie des Entscheidungsverhaltens bei der Bewerbervorauswahl .........82

II. Die Vorauswahl ...................................................................................................................85 1. Die Vorauswahl aus Sicht des Unternehmens...............................................................86 2. Statistische Fehler bei der Vorauswahl .........................................................................87 3. Der Vorauswahlprozess aus Sicht des Bewerbers.........................................................89 4. Der telefonische Erstkontakt mit Bewerbern ................................................................90 5. Die Analyse der Bewerbungsunterlagen .......................................................................92 5.1. Exkurs: Beurteilungskriterien von Karrieren und die Situation auf dem gegenwärtigen Arbeitsmarkt ....................................................................93 5.2. Der Briefumschlag .................................................................................................94 5.3. Das Anschreiben ....................................................................................................94 5.3.1. Der formale Aufbau des Anschreibens.......................................................95 5.3.2. Exkurs: Der Stil als Form der Selbstdarstellung.........................................96 5.3.3. Der Stil des Anschreibens ..........................................................................98 5.3.4. Der Inhalt des Anschreibens.......................................................................99

Inhaltsverzeichnis

6.

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5.4. Der Lebenslauf.....................................................................................................101 5.4.1. Formale Analyse des Lebenslaufs ............................................................101 5.4.2. Inhaltliche Analyse des Lebenslaufs ........................................................102 5.5. Das Lichtbild........................................................................................................103 5.6. Ausbildungszeugnisse..........................................................................................104 5.7. Analyse der Arbeitszeugnisse ..............................................................................104 5.7.1. Einführung ...............................................................................................105 5.7.2. Rechtliche Grundlagen .............................................................................105 5.7.3. Form und Aufbau des qualifizierten Arbeitszeugnisses ...........................108 5.7.4. Die Tätigkeitsbeschreibung im qualifizierten Arbeitszeugnis ..................109 5.7.5. Die Führungs- und Leistungsbeurteilung im qualifizierten Arbeitszeugnis...............................................................110 5.7.6. Die Schlussformel im qualifizierten Arbeitszeugnis ................................111 5.7.7. Die Zeugnissprache ..................................................................................111 5.7.8. Analyse von Arbeitszeugnissen im engeren Sinne ................................... 118 5.7.9. Conclusio .................................................................................................121 Vorab-Telefoninterview..............................................................................................121

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews............... 123 I.

Das Interview als beliebtestes Auswahlinstrument ............................................................123

II. Das Zustandekommen des Interviewergebnisses ...............................................................124 1. Messtheoretische Gütekriterien von Auswahlverfahren..............................................124 2. Die Prognosegüte unterschiedlicher Auswahlverfahren im Vergleich ........................126 3. Fehlerquellen und Störeinflüsse herkömmlicher Einstellungsgespräche.....................127 III. Das strukturierte Interview.................................................................................................128 1. Verschiedene Arten von Strukturierungen im Interview.............................................129 2. Was im strukturierten Interview gemessen wird .........................................................132 3. Konzeption, Durchführung und Auswertung von strukturierten Interviews ...............132 IV. Der Ablauf der Einstellungsinterviews ..............................................................................134 1. Organisatorische Rahmenbedingungen zur Interviewpraxis .......................................136 1.1. Abfolge der Interviews.........................................................................................136 1.2. Allgemeine organisatorische Anforderungen.......................................................137 2. Die Einladung zum Bewerberinterview ......................................................................138 3. Der Marketing-Aspekt des Bewerberinterviews .........................................................139 4. Inhalte und Ziele der einzelnen Gesprächsphasen des Bewerberinterviews................139 4.1. Der Gesprächsbeginn ...........................................................................................139 4.2. Die Gesprächseinleitung ......................................................................................141 4.3. Das Interview – Hauptteil zur Informationsgewinnung .......................................144 4.3.1. Anforderungen an die Interviewpraxis .....................................................145 4.3.2. Zugangswege im Interview ......................................................................147 4.3.2.1. Beobachtung gezeigten Verhaltens ............................................147 4.3.2.2. Fragen nach dem Erfahrungshintergrund ...................................148 4.3.2.3. Tätigkeitsbezogene Wissensfragen.............................................148 4.3.2.4. Informationsfragen .....................................................................148 4.3.2.5. Fragen zum früheren Verhalten  Verhaltensfragen...................148 4.3.2.6. Selbstreflektorische Fragen ........................................................151

Inhaltsverzeichnis

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4.3.2.7. Nachfragen .................................................................................152 4.3.2.8. Die Blickrichtungen als Teil der Körpersprache ........................153 4.3.2.9. Übungen und Arbeitsproben.......................................................156 4.3.3. Die Konzeption der anforderungsbezogenen Fragen................................156 4.3.4. Kommunikative Aspekte im Interview.....................................................158 4.3.4.1. Fragen als Informationsmagnete nutzen .....................................161 4.3.4.2. Systematik der Fragearten ..........................................................161 4.3.4.3. Zuhören ......................................................................................167 4.3.5. Typische Interviewerfehler.......................................................................170 4.3.6. Interviewerverhalten und Interviewerskills ..............................................170 4.4. Informationen geben über das Unternehmen und die Position.............................177 4.4.1. Bewerberinformation................................................................................177 4.4.2. Die motivbezogene Nutzenargumentation................................................179 4.5. Gesprächsende .....................................................................................................182 4.6. Bewertung und Entscheidung ..............................................................................183 4.6.1. Wahrnehmungsverzerrer und Beurteilungsfehler .....................................185 4.6.2. Vorentscheidung und weiteres Vorgehen bis zur endgültigen Entscheidungsfindung ...............................................190

F. Entscheidung ............................................................................................... 195 I.

Endphase des Personalauswahlprozesses...........................................................................195 1. Bewerbereinschätzung im Stärken-/Schwächenprofil.................................................195 2. Einholung von Referenzen..........................................................................................199 3. Der Bewerbervergleich ...............................................................................................202

Anlagen/Toolbox ............................................................................................... 205 Toolbox I Toolbox II Toolbox III Toolbox IV Toolbox V Toolbox VI Toolbox VII Toolbox VIII Toolbox IX Toolbox X Toolbox XI Toolbox XII

Stellenanzeigen...........................................................................................207 Anschreiben auf ein Stellengesuch .............................................................209 Leitfaden zur direkten Ansprache zukünftiger Vertriebsmitarbeiter...........211 Musterbriefe zur Kommunikation mit dem Bewerber ................................212 Leitfaden zum telefonischen Erstkontakt....................................................216 Leitfaden zur Analyse der schriftlichen Unterlagen....................................218 Leitfaden zum telefonischen Vorabinterview .............................................222 Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview...................224 Leitfaden zur Protokollierung im Interview................................................247 Stärken-/Schwächenprofil...........................................................................248 Bewerbervergleich......................................................................................249 Checkliste zur Einholung von Referenzen..................................................250

Literaturverzeichnis ..................................................................................................................252

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Abbildungsverzeichnis Kapitel A Abb. A 1: Vergleich zwischen Tätigkeit und Person bei berufsbezogenen Entscheidungen (Schuler 2000)..........................................................................................................17 Kapitel B Abb. B Abb. B Abb. B Abb. B Abb. B

1: Akzeptierte Werte.....................................................................................................31 2: Beispiel für Wertefindung ........................................................................................33 3: Mitarbeiterklassifizierung.........................................................................................34 4: Motivierung unterschiedlicher Mitarbeitertypen ......................................................35 5: Die Balanced Scorecard (BSC) als ganzheitliches, strategisches Führungs- und Steuerungsinstrument (Kaplan/Norton 1997)...........................................................38 Abb. B 6: Auszug aus einer Balanced Scorecard ......................................................................39 Abb. B 7: SMART-Kriterien (Mutafoff/Glatz 2001) ................................................................41 Abb. B 8: Wertedreieck ............................................................................................................42 Abb. B 9: Inhalte von Stellenbeschreibungen ...........................................................................43 Abb. B 10: Stellenbeschreibung für Vorsorgeberater mit vertrieblicher Bankanbindung ...........44 Abb. B 11: Nutzen von Anforderungsprofilen ............................................................................47 Abb. B 12: Detailliertes Anforderungsprofil...............................................................................55 Abb. B 13: Prozess der Erstellung von Anforderungsprofilen ....................................................56 Abb. B 14: Anforderungsprofil mit Soll-Ausprägungen .............................................................58 Kapitel C Abb. C 1: Klassifizierung von Maßnahmen des Personalmarketings........................................62 Abb. C 2: Formaler Aufbau und Inhalt von Stellenanzeigen in fünf Facetten...........................64 Abb. C 3: Beispiel für eine Stellenanzeige................................................................................65 Kapitel D Abb. D Abb. D Abb. D Abb. D Abb. D

1: Verlustvermeidung und Fehlerarten bei der Vorausauswahl ....................................88 2: Form des qualifizierten Zeugnisses ........................................................................108 3: Aufbau eines qualifizierten Arbeitszeugnisses .......................................................109 4: Vollständige Schlussformel....................................................................................111 5: Zusammenfassende Leistungsbeurteilung und Belastbarkeit .................................113

Kapitel E Abb. E 1: Prognostische Validität von Auswahlverfahren ......................................................126 Abb. E 2: Erlebte Probleme in der Interviewerpraxis (Goodale 1989)....................................126 Abb. E 3: Güte von Interviews................................................................................................128 Abb. E 4: Der Ablauf der Einstellungsinterviews ...................................................................135 Abb. E 5: Abfolge der Interviews ...........................................................................................136 Abb. E 6: Der Gesprächsbeginn..............................................................................................140 Abb. E 7: Vertrauensauslöser im Interview ............................................................................141 Abb. E 8: Die Gesprächsleinleitung........................................................................................142 Abb. E 9: Karriereanker (nach Schein) ...................................................................................143 Abb. E 10: Mögliche Fragen zum Karriereanker ......................................................................144 Abb. E 11: Das Interview  Hauptteil zur Informationsgewinnung ..........................................145

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Abbildungsverzeichnis

Abb. E 12: Erfolgskriterien in der Interviewpraxis ...................................................................145 Abb. E 13: Prognosegüte steigern .............................................................................................146 Abb. E 14: Zugangswege im Interview.....................................................................................147 Abb. E 15: Das Verhaltensdreieck ............................................................................................149 Abb. E 16: Erfolgsschlüssel in der Kommunikation .................................................................161 Abb. E 17: Systematisierung der Frageformen .........................................................................162 Abb. E 18: Einsatzmöglichkeiten von Frageformen .................................................................164 Abb. E 19: Hilfreiche und problematische Fragen für den Einsatz im Interview......................166 Abb. E 20: Erfolgsschlüssel der Fragetechnik ..........................................................................166 Abb. E 21: Formen des Hörens .................................................................................................167 Abb. E 22: Techniken beim aktiven Zuhören ...........................................................................168 Abb. E 23: Erfolgsschlüssel beim Zuhören...............................................................................169 Abb. E 24: Typische Interviewerfehler .....................................................................................170 Abb. E 25: Interviewblatt für die Anforderung Selbstvertrauen/Selbstbewusstsein..................172 Abb. E 26: Schlüsselinformationen mitprotokollieren ..............................................................173 Abb. E 27: Generalisierungen auflösen.....................................................................................176 Abb. E 28: Informationen geben ...............................................................................................178 Abb. E 29: Nutzen und Nachteilsverhinderung von Motiven ...................................................180 Abb. E 30: Formulierung der motivbezogenen Nutzenargumentation ......................................181 Abb. E 31: Beispiel für eine motivbezogene Bewerbernutzenargumentation ...........................181 Abb. E 32: Das Gesprächsende.................................................................................................182 Abb. E 33: Die Bewertung........................................................................................................183 Abb. E 34: Wahrnehmung und Bewertung ...............................................................................186 Abb. E 35: Beurteilerfehler .......................................................................................................187 Abb. E 36: Hinweise zur Vermeidung von Beurteilerfehlern ...................................................190 Abb. E 37: Die Entscheidung....................................................................................................190 Abb. E 38: Ablauf der Einstellungsinterviews ..........................................................................193 Kapitel F Abb. F 1: Bewerbereinschätzung im Stärken-/Schwächenprofil.............................................198 Abb. F 2: Vorbereitung für die Einholung von Referenzen ....................................................201 Abb. F 3: Der Bewerbervergleich ...........................................................................................203

A. Einleitung Jährlich werden viele Millionen von Personalauswahlentscheidungen getroffen. Ihre Qualität ist jedoch so unterschiedlich wie die hierbei verwendeten Methoden und Vorgehensweisen. Personalentscheidungen gehören jedoch in allen Unternehmen zu den wichtigsten und schwierigsten Entscheidungen. Gerade diesem Tatbestand will dieses Buch Rechnung tragen. Im Folgenden sollen die Grundlagen einer wissenschaftlich fundierten und den Bedürfnissen der Praxis gerecht werdenden Personalsuch- und -auswahlstrategie erörtert werden. Neben der Darstellung des gesamten Personalsuch- und -auswahlprozesses wird insbesondere das strukturierte Interview als pragmatisches und wichtiges Personalauswahlinstrument behandelt. Ein besonderer Focus wird über das ganze Buch hinweg auf die Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern gelegt. Die einzelnen Instrumente, welche nachfolgend vorgestellt werden, lassen sich zu großen Teilen aber auch für die Personalsuche und -auswahl nach anderweitig qualifizierten Mitarbeitern und Führungskräften einsetzen. Das Buch richtet sich in erster Linie an Führungskräfte, zu deren Hauptaufgabe es gehört, eigene Mitarbeiter zu suchen und auszuwählen. Ebenso finden aber auch Mitarbeiter des Personalbereichs, die schwerpunktmäßig mit der Auswahl und Einstellung neuer Mitarbeiter betraut sind, Anregungen und Hilfestellungen für ihre Arbeit. Neben der Personalauswahl bildet die Personalsuche in dem vorliegenden Buch einen wesentlichen Schwerpunkt. Es werden unterschiedlichste Personalmarketingstrategien und Personalsuchinstrumente vorgestellt und diskutiert. Denn nur mit dem zielgerichteten Einsatz relevanter Personalsuchinstrumente kann die Basis für die Personalauswahl sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht geschaffen werden. Um den Rekrutierungsprozess in seiner gesamten Abfolge systematisch abzubilden und vor allem um eine direkte Umsetzung in die praktische Arbeit zu gewährleisten, wurden alle Beispiele des Buches aus einer Branche und einer fiktiven, aber bestimmten Unternehmenskonstellation entnommen. Dabei geht es um die Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern für eine Vertriebsgesellschaft im Finanzdienstleistungsbereich. Diese Gesellschaft hat die Aufgabe, Versicherungen, Vorsorgeprodukte, Bausparverträge, Baufinanzierungen etc. eines Versicherungskonzerns im Filialnetz einer großen Bank an deren Privatkunden zu verkaufen. Die dort vorgestellten Vorgehensweisen bei der Personalsuche und -auswahl können jedoch auch auf andere Branchen und Unternehmenssituationen problemlos übertragen werden.

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Das vorliegende Buch bietet über alle Phasen des Personalsuch- und -auswahlprozesses hinweg die notwendigen theoretischen Grundlagen, vor allem aber auch die Erfahrungen des Autors aus seiner Arbeit als Executive Search Berater und Geschäftsführer einer internationalen Trainings- und Beratungsgesellschaft. Über alle Kapitel hinweg sind Beispiele, Praxisberichte etc. integriert. Zudem findet der Leser in der angehängten Toolbox eine Vielzahl von Checklisten, Instrumenten, Musterbriefen, Entscheidungshilfen, die direkt für die praktische Arbeit genutzt werden können.

A. Einleitung

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I. Bedeutung der Personalsuche und -auswahl in sich schnell wandelnden Märkten Die Experten sind sich einig: Der Erfolg von Unternehmen und Organisationen wird vornehmlich von der Motivation, den Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie den persönlichen und sozialen Kompetenzen ihrer Mitarbeiter bestimmt. Gerade Unternehmen, die im Dienstleistungsbereich tätig sind, können langfristig nur dann Erfolg haben, wenn innovative Geschäftsideen und attraktive Angebote von motivierten, leistungsfähigen und kompetenten Mitarbeitern kundengerecht angeboten werden. Bei Unternehmen im Dienstleistungsbereich entscheiden in erster Linie nicht hervorragende Produkte, Marken, Entwicklungs- oder Produktionsprozesse über Erfolg oder Misserfolg, sondern die Qualität und Quantität der Führungskräfte und Mitarbeiter. Aber auch außerhalb des immer größer werdenden Dienstleistungsbereichs sind hervorragend qualifizierte Mitarbeiter mehr denn je gefragt. Die Strukturen des heutigen Arbeitsmarkts und die zu erwartende Entwicklung deuten an, dass es zukünftig zu starken Engpässen bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern kommen wird. Dies klingt vor dem Hintergrund von weit mehr als 4,5 Millionen Arbeitslosen in Deutschland vielleicht verwunderlich. Tatsache ist jedoch, dass auf Grund der hohen Anforderungen speziell die Nachfrage nach qualifizierten Vertriebsmitarbeitern und versierten Spezialisten auch heute schon nicht gedeckt werden kann. Trotz der hohen Arbeitslosigkeit sind beispielsweise in der deutschen Metall- und Elektroindustrie derzeit Tausende von Stellen unbesetzt. So berichtete der Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser am 26. September 2004 von rund 150.000 offenen Stellen: „Unternehmer machen leider auch die Erfahrung, dass sie Arbeitsplätze nicht besetzen können. Ursachen sind fehlende Mobilität mancher Arbeitssuchender, vor allem aber die mangelnde Qualifizierung.“ Auf Grund des technologischen Fortschritts und der immer höher werdenden Kundenansprüche wird sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren eher noch verstärken als abschwächen. Speziell gilt dies für Mitarbeiter im Verkauf bzw. Vertrieb und im direkten Kundenkontakt. Hier war die Nachfrage nach geeigneten Mitarbeitern schon immer größer als das Angebot. Letztendlich sind sie es, die einen großen Anteil am Erfolg ihres Unternehmens verantworten. Ein Unternehmen kann über noch so gute Produkte, Technologien, Systeme oder Dienstleistungen verfügen. Wenn der potenzielle Kunde hierüber nicht informiert wird, sein Bedarf nicht geweckt wird und er keine intensive Betreuung erfährt, dann stellt sich der notwendige Unternehmenserfolg nicht ein.

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Bedeutung der Personalsuche und -auswahl

Hinzu kommt, dass alte Gesetzmäßigkeiten und Mechanismen, die gestern noch Bestand hatten, speziell im Vertrieb schon heute nicht mehr gelten. Zu viele Rahmenbedingungen ändern sich in immer kürzeren Zeitabständen. Wer mit diesen Veränderungen nicht Schritt hält, ist gerade als Verkäufer bedroht, den Anschluss zu verlieren. Dabei ist es gerade der dynamische Wandel, der das Anforderungsprofil an den Verkäufer nicht nur verändert, sondern auch wesentlich vielschichtiger gemacht hat. Der Verkäufer heutiger und zukünftiger Prägung hat nichts mehr mit dem „Klinkenputzer“ zu tun, der stereotyp sein Sprüchlein aufsagt. Vielmehr gehört der Verkäufer zu den Berufsgruppen mit einem der anspruchsvollsten Anforderungsprofile. So ist der hoch qualifizierte Beruf des Verkäufers, richtig verstanden, mit einer Managementtätigkeit direkt vergleichbar. Auch werden Produkte und Dienstleistungen sich immer ähnlicher. Deshalb wird der Verkäufer in seiner Persönlichkeit und mit seinen Kompetenzen und Erfahrungen immer wichtiger für den Verkaufserfolg. Die Zeiten, in denen Produkte und Dienstleistungen an die Kunden nur verteilt werden mussten, sind bekanntermaßen schon lange vorbei. Auch ist der Kunde weitaus anspruchsvoller gegenüber dem Verkäufer geworden. Die zunehmende Unüberschaubarkeit des Marktes führt auch dazu, dass die Angst des Kunden vor Fehlern bei der Kaufentscheidung immer größer wird. Der Kunde lässt sich bei seiner Kaufentscheidung viel mehr Zeit und bezieht auch weitere Personen in seine Entscheidungsfindung mit ein. Mit, wie in der Vergangenheit üblich, sorgfältig geplanten Verkaufsgesprächen, die teils stereotyp abliefen, um den natürlichen Kaufwiderstand des Kunden zu brechen, lassen sich keine Verkaufserfolge mehr erzielen. Vielmehr verlangt der Kunde nach einer Vertrauensbasis, einer gleichberechtigten Beziehung und einem prozessorientierten Vorgehen des Verkäufers (Zeisberger/Bednarek 1999). Eine Verkäuferpersönlichkeit, die den heutigen Anforderungen genügen soll, entsteht nur dann, wenn der Verkäufer sich seiner Rolle als solcher bewusst ist und diese auch annehmen kann. Versteckt sich der Verkäufer hinter anderen Berufsbezeichnungen, wie Berater, Repräsentant, Customer Relationship Manager oder ähnlichem, bekennt er sich nicht zu seinem Beruf als Verkäufer. Und das bemerkt der Kunde (vgl. Bayrhoffer 1995). Das liegt auch daran, dass das Berufsbild des Verkäufers auch heute immer noch ein schlechtes Image hat. Trotz überdurchschnittlicher Verdienstmöglichkeiten beklagen viele Personalchefs und Vertriebsführungskräfte, wie schwierig es ist, gute Verkäufer zu rekrutieren. Einer der Gründe hierfür ist die Tatsache, dass unser Bildungssystem auf die erfolgreiche Ausübung des Berufs des Verkäufers nicht ausreichend vorbereitet. Real existiert das Berufsbild des Verkäufers nicht. Die Studienpläne an den Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien beinhalten Vorlesungen oder Vertiefungsrichtungen wie Marketing, Marktforschung, Absatzwirtschaft etc. Es existiert jedoch keine Vorlesung, in der den Studenten die Grundlagen des erfolgrei-

A. Einleitung

17

chen Verkaufens beigebracht werden. Ebenso wenig gibt es den Lehrberuf des Verkäufers. Damit aber Unternehmen im Wettbewerb um die nicht ausreichende Anzahl von qualifizierten Mitarbeitern bestehen können, müssen sie für die geeigneten Bewerber attraktiv sein und ein zielgerichtetes Personalmarketing betreiben. Ein Unternehmen wird dann am erfolgreichsten auf dem Bewerbermarkt sein, wenn es gelingt, das Arbeitsplatzangebot so zu gestalten und darzustellen, dass diejenigen gewonnen und gehalten werden, die möglichst einen hohen Beitrag zum Erfolg ihres Unternehmens leisten. Die Auswahlentscheidung des Unternehmens wird sich in erster Linie an der zu erwartenden Leistung orientieren, ebenso sollte aber auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter als Kriterium in die Auswahlentscheidung mit einbezogen werden. In beiderseitigem Interesse liegt es, eine Über- wie Unterforderung zu vermeiden und Möglichkeiten der Entwicklung berufsbezogener Kompetenzen zu gewährleisten. Idealerweise wird das Auswahlverfahren auch schon als Informationsquelle einer zielgerichteten Personalentwicklung verstanden. Die beste Grundlage einer langfristig erfolgreichen Zusammenarbeit besteht vor allem darin, die Ziele und Werte des Mitarbeiters und des Unternehmens zur Dekkung zu bringen (Schuler 2000). Es ist somit in beiderseitigem Interesse, den Bewerber, die Tätigkeit und die unternehmerischen bzw. betrieblichen Rahmenbedingungen so zu vergleichen, dass möglichst viele Zielkriterien bei dem eingesetzten Auswahlverfahren und der darauf folgenden Auswahlentscheidung erreicht werden (s. Abb. A1). Tätigkeit

Person

Anforderungen

Fähigkeiten Fertigkeiten Kenntnisse

Befriedigungspotenzial

Interessen Bedürfnisse Werthaltungen

Veränderung

Entwicklungspotenzial Erfolgsrelevante Merkmale

Abb. A 1: Vergleich zwischen Tätigkeit und Person bei berufsbezogenen Entscheidungen (Schuler 2000)

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Bedeutung der Personalsuche und -auswahl

Sowohl bei der Personalauswahl als auch später bei der Personalentwicklung haben sich die Anforderungen an die Bewerber bzw. Mitarbeiter stark verändert. Neben dem Fachwissen und den entsprechenden Fertigkeiten stehen heute die überfachlichen, vor allem sozialen Fähigkeiten, die so genannten „social skills“ im Vordergrund (Böhm 2003). Ein Kfz-Meister im Autohaus muss heute nicht nur den ihm überlassenen Wagen reparieren können. Vielmehr muss er auf den Kunden zugehen, ihn individuell beraten und betreuen können und in der Lage sein, sinnvolle Zusatzverkäufe oder gar einen Neuwagenverkauf anzubahnen. Wenn der Grundsatz stimmt, das erste Auto verkauft der Verkäufer, das zweite Auto die Werkstatt, wird klar, welche Anforderungen heutzutage an die Mitarbeiter gestellt werden. Eines ist offensichtlich: Geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter findet man nicht an jeder Straßenecke. Aber wenn man intensiv und planvoll sucht und die grundlegenden Anforderungen an eine professionelle Personalauswahl berücksichtigt, dann können die eigenen Personalbeschaffungsziele in qualitativer wie quantitativer Hinsicht auch erreicht werden. Ziel einer professionellen und zielgerichteten Personalauswahl ist es, den am besten geeigneten Bewerber aus einer Gesamtheit von Interessenten für eine zu besetzende Stelle auszuwählen. Um eine solche Auswahl richtig treffen zu können, sind jedoch wichtige Vorarbeiten vonnöten. Basis einer erfolgreichen Personalauswahl ist die systematische Entwicklung und der Einsatz von unternehmensspezifischen Anforderungsprofilen. Und hieran fehlt es leider bei vielen Personalauswahlentscheidungen. Dies ist auch der Grund dafür, warum Mitarbeiter und Führungskräfte nach einem Unternehmenswechsel in ihrer neuen Position so oft scheitern. Wenn die Anforderungen an das Fachwissen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Einstellungen und Werte des neuen Stelleninhabers nicht klar definiert und transparent sind, fehlt der Maßstab, an dem der Bewerber gemessen werden kann. Der nächste Schritt im Rahmen einer erfolgreichen Personalauswahl ist die Personalsuche. Ein Unternehmen kann noch so gute Systeme der Personalauswahl und in der Personalauswahl erfahrene Führungskräfte und Mitarbeiter haben. Wenn es über die Personalsuche nicht gelingt, eine ausreichend große Anzahl an grundsätzlich geeigneten Bewerbern hervorzubringen, bringen auch die besten eignungsdiagnostischen Kenntnisse und Erfahrungen nichts. Genau vor diesem Problem stehen heute, trotz der angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt, viele Führungskräfte und Personalverantwortliche. Deshalb gilt es, alle Möglichkeiten der Personalsuche zielgerichtet einzusetzen und ein situationsadäquates Instrumentenbündel zu schnüren. Viele Führungskräfte unterschiedlichster Branchen und Bereiche klagen darüber, dass sie bei der Rekrutierung in vielen Fällen gar keine Möglichkeit zur Auswahl von Personal haben, da die Menge, aus der sie auswählen

A. Einleitung

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können, viel zu klein ist. In der Praxis kommt es vielfach vor, dass gar kein oder nur ein oder zwei interessierte Bewerber zur Auswahl zur Verfügung stehen. Vor dem Hintergrund der bekannten aktuellen und erwarteten zukünftigen Situation auf dem Arbeitsmarkt erhalten die richtige Personalmarketingstrategie und der daraus abgeleitete zielgerichtete Einsatz der Personalsuchinstrumente einen immer höheren Stellenwert. Auf Basis eines unternehmensspezifischen Anforderungsprofils und einer zielgerichteten Personalsuchstrategie kann dann der eigentliche Personalauswahlprozess gestartet werden. Hier bieten sich unterschiedlichste Instrumente an, die je nach Ausgangslage eingesetzt werden können. Hier hat in den letzten Jahren ein starker Wandel stattgefunden. So war beispielsweise das graphologische Gutachten bis in die siebziger Jahre hinein fast Standard bei der Bewerberbeurteilung. Heute hat dieses Instrument völlig zu Recht keinerlei Bedeutung mehr. Dafür werden immer mehr Verfahren wie das Assessment Center, die Potenzialanalyse und das Management Audit eingesetzt. Diese Verfahren sind bezüglich des Entwicklungsaufwands sehr aufwändig und komplex und sollten für die jeweilige Einsatzsituation spezifisch konzipiert und entwickelt werden. Meist lassen sie sich, zumindest beim ersten Mal, ohne die Unterstützung externer Berater gar nicht durchführen. Das Gleiche gilt auch für das strukturierte Interview, ein Instrument, das sich auf Grund seiner hohen Prognosegüte und seines überschaubaren Entwicklungsaufwands immer größerer Beliebtheit erfreut. Darüber hinaus werden für bestimmte Mitarbeitergruppen auch standardisierte Testverfahren wie Intelligenztests, Leistungstests oder Persönlichkeitstests eingesetzt. Das am meisten anwandte Verfahren, welches in deutschen Unternehmen zur Personalauswahl eingesetzt wird, ist jedoch das Gespräch mit dem Bewerber, bzw. das Bewerbergespräch. Dies ist der Grund dafür, warum so viele Fehlentscheidungen bei der Mitarbeiterauswahl getroffen werden. Das klassische Bewerbergespräch findet meist ohne Struktur und ohne Bezug auf ein spezifisches Anforderungsprofil statt. Man unterhält sich mit dem Bewerber, stellt Fragen zum Lebenslauf, erkundigt sich nach Stärken und Schwächen und interessiert sich vielleicht noch für die Hobbys des Bewerbers. Die Fragen bleiben an der Oberfläche. Falls überhaupt ein Anforderungsprofil existiert, wird dieses meist gar nicht als Grundlage für das Gespräch herangezogen. Wenn überhaupt, dann werden auch nur unzureichende Notizen gemacht. So kann sich der Gesprächspartner des Unternehmens am Ende eines Tages, an dem er mehr als ein Bewerbergespräch geführt hat, gar nicht mehr daran erinnern, was der jeweilige Bewerber gesagt hat. In der Regel wird die Entscheidung dann „aus dem Bauch heraus“ gefällt, man spricht davon, dass man einen guten bzw. schlechten Gesamteindruck vom Bewerber gewonnen hat. Eine Begründung für die Entscheidung fällt schwer, weil die relevan-

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Bedeutung der Personalsuche und -auswahl

ten Themenbereiche gar nicht abgefragt wurden und die Tiefe im Gespräch nicht vorhanden war. Egal, ob Verfahren wie ein Assessment Center, eine Potenzialanalyse, ein Management Audit oder ein strukturiertes Interview zur Bewerberauswahl eingesetzt werden, das exakte Arbeiten am Anforderungsprofil, der zielgerichtete Einsatz relevanter Fragetechniken und das Beobachten relevanter Verhaltensweisen sind die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Personalauswahl. Wenn Einigkeit darüber besteht, dass letztendlich die Mitarbeiter der entscheidende Erfolgsfaktor für Unternehmen und Organisationen sind, dann muss der zielgerichteten Suche und Auswahl von Mitarbeitern ebenso wie der zielgerichteten Qualifizierung ein höherer Stellenwert beigemessen werden. Denn nur Unternehmen, in denen die Mitarbeiter die vereinbarten Ziele erreichen und die Unternehmenswerte leben, sind auf Dauer erfolgreich.

A. Einleitung

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II. Zum Aufbau dieses Buches Das Angebot an Büchern, Fachartikeln, Fachzeitschriften oder Seminaren zum Themenbereich Personalauswahl ist nahezu grenzenlos. Dabei beginnt die Bandbreite bei fundierten wissenschaftlichen Veröffentlichungen und endet bei schlecht recherchierten, wenig fundierten und mit falschen Informationen gespickten Ratgebern in Zeitschriften und im Internet. Zielsetzung dieses Buches ist es, Personalverantwortlichen, deren Aufgabe die eigenverantwortliche Suche und Auswahl ihrer Mitarbeiter ist, ein wissenschaftlich fundiertes und in der Praxis verwendbares Instrumentarium und Nachschlagewerk zur Verfügung zu stellen. Gleichermaßen werden auch die für Mitarbeitereinstellungen verantwortlichen Mitarbeiter und Führungskräfte des Personalbereichs angesprochen. Auch Studierende, Dozenten und Lehrkräfte an unterschiedlichsten Bildungseinrichtungen, bei denen ein Arbeitsschwerpunkt die Suche und Auswahl von Mitarbeitern ist, erhalten wichtige Anregungen für ihre Arbeit. Zum besseren Verständnis werden nachfolgend die Inhalte und Ziele der einzelnen Kapitel kurz vorgestellt und zusammengefasst. Das Buch ist in sechs Kapitel und einen ausführlichen Anhang (Toolbox) gegliedert. Dabei orientieren sich die einzelnen Kapitel am Prozess der Suche und Auswahl von Mitarbeitern bzw. am Rekrutierungsprozess. In den einzelnen Kapiteln werden sowohl theoretische Grundlagen dargestellt als auch die Einsatzmöglichkeiten in der Praxis. Darüber hinaus befindet sich im Anhang eine so genannte Toolbox, zum direkten Einsatz in der Praxis. In den jeweiligen Kapiteln wird auf die entsprechenden Instrumente innerhalb der Toolbox verwiesen. Um den gesamten Prozess der Personalsuche und -auswahl praxisnah darzustellen, wurden die Beispiele, Checklisten und Toolboxen etc. aus nur einer Branche, der Finanzdienstleistung, entnommen. Im Mittelpunkt steht eine fiktive Vertriebsgesellschaft für Versicherungs- und Finanzprodukte, namens ALLFINANZ BERATUNG AG. Diese befindet sich in einer Phase des weiteren Vertriebsnetzausbaus. Die Anzahl der Vertriebsmitarbeiter soll innerhalb von zwei Jahren von 100 auf 300 erhöht werden. Geschäftszweck der ALLFINANZ BERATUNG AG ist der Vertrieb des Produktportfolios einer großen Versicherungsgesellschaft (SORGLOS-VERSICHERUNG AG) im bundesweiten Filialnetz einer deutschen Großbank (SOLIDBANK AG). Kapitel B: Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter Die Aussage des Personalvorstands einer großen deutschen Aktiengesellschaft bringt die Notwendigkeit einer intensiven Beschäftigung mit den grundlegenden Fakten der Suche und Auswahl von Mitarbeitern auf den Punkt: „Wenn Sie nicht

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Zum Aufbau dieses Buches

wissen, was Sie suchen, dürfen Sie sich nicht über das wundern, was am Ende herauskommt.“ So müssen die spezifischen Unternehmenseigenschaften wie Werte, Strategie und Zielgruppen ebenso geklärt sein, wie die relevanten Arbeitsplatzbeschreibungen und Anforderungsprofile. Ohne ein ausreichend entwickeltes Anforderungsprofil an den neuen Stelleninhaber kann nicht gezielt gesucht und ausgewählt werden. Die Anforderungen des jeweiligen Arbeitsbereiches müssen mit den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen des Bewerbers übereinstimmen. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den notwendigen Grundlagen der Personalsuche und -auswahl. Dabei wird auf die Notwendigkeit einer Unternehmensvision, von Unternehmenszielen, -werten und der Definition der jeweiligen Zielgruppe als Basis für den erfolgreichen Rekrutierungsprozess eingegangen. Daraus abgeleitet wird dann die Erstellung von Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofilen. Kapitel C: Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing zur Suche von zukünftigen Vertriebsmitarbeitern Die Personalsuche ist der entscheidende Teil im Rekrutierungsprozess. Ohne eine ausreichende Anzahl an Bewerbern können alle weiteren Schritte der Personalauswahl eingestellt werden. Die klassische Anzeigenschaltung ist nur ein mögliches Instrument der Personalsuche. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Instrumente, die eigenständig oder aber auch mit Unterstützung von internen oder externen Beratern eingesetzt werden können. Eine wesentliche Bedeutung für den Erfolg bei der Personalsuche hat auch das Personalmarketing im engeren Sinne. Hierunter werden alle Maßnahmen verstanden, welche die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber auf dem Bewerbermarkt erhöhen. Entscheidend für den Erfolg bei der Mitarbeiterrekrutierung ist der zielgerichtete Einsatz der zur Verfügung stehenden Instrumente zur Personalsuche. Hier geht es vor allem darum, nicht nur passive Instrumente wie die Schaltung von Stellenanzeigen einzusetzen, sondern vor allem die aktiven Instrumente zu forcieren. Und die gibt es weitaus mehr, als vielleicht von den meisten Personalentscheidern angenommen. Neben einem Überblick über die Grundlagen des Personalmarketing geht das Kapitel C auf alle relevanten Instrumente der Personalsuche ein und zeigt auch die jeweiligen Einsatzmöglichkeiten auf. Im Einzelnen sind dies die anzeigengestützte Personalsuche, die Analyse von Stellengesuchen, der Einsatz neuer Medien, die Bundesagentur für Arbeit und die direkte Ansprache potenzieller neuer Mitarbeiter. Zudem wird auf spezielle Maßnahmen wie „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“, der Einsatz von Unternehmensmultiplikatoren, die Nutzung von abgelehnten Bewerbern und Bewerberabsagen, Firmenpräsentationen, Kolloquien und Messen eingegangen.

A. Einleitung

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Kapitel D: Die Bewerbervorauswahl Ein wichtiger, aber vielfach zu wenig beachteter Schritt innerhalb des Prozesses der Personalsuche und -auswahl ist die Bewerbervorauswahl. Hier können schon viele Erkenntnisse zur Vorbereitung der nachfolgenden Phase des Interviews gewonnen werden. Vor allem aber trägt der optimale Einsatz dieses wichtigen Teils der Personalauswahl entscheidend zu einer höheren Effizienz des gesamten Prozesses der Personalsuche und -auswahl bei. Oftmals erkennt der Interviewer nach wenigen Minuten bzw. nach den ersten Fragen an den Bewerber, dass dieser die K/O-Kriterien des Anforderungsprofils nicht erfüllt. Eine Absage ist dann zwangsläufig. Die K/O-Kriterien können meistens schon durch die Analyse der Bewerbungsunterlagen oder ein telefonisches Vorabinterview überprüft werden. Falls der Interviewer dies nicht getan hat, wird die Situation für ihn dann aber schwierig. Er muss sich zwischen zwei Handlungsalternativen entscheiden: Entweder sagt er dem Bewerber sofort ab und beendet das Gespräch. Das wird dann etwas unangenehm, wenn er dem Bewerber zu Gesprächsbeginn die geplante Dauer des Interviews mitgeteilt hat. Wenn er dem Bewerber dann noch die Begründung mitteilt, fragt dieser ggf. zu Recht, ob dieser Erkenntnisgewinn für ihn nicht schon früher möglich gewesen wäre. Andererseits hat der Interviewer die Möglichkeit, das Gespräch „anstandshalber“ bis zum geplanten Ende durchzuführen, hat aber wertvolle Ressourcen sowohl beim Bewerber als auch beim Interviewer vergeudet. Dies wäre bei einer optimalen Gestaltung der Phase „Bewerbervorauswahl“ vermeidbar gewesen. Das Kapitel der Bewerbervorauswahl beinhaltet als Schwerpunkt die intensive Analyse der Bewerbungsunterlagen. Neben der Lebenslaufanalyse und der Behandlung der formalen Analysekriterien bildet die Analyse von Arbeitszeugnissen einen wesentlichen Bestandteil. Der theoretische Input, der auf den praktischen Erfahrungen des Autors und auf Veröffentlichungen von Experten beruht, wird ergänzt durch Checklisten, Beispiele und Instrumente, die den direkten Einsatz in der Praxis ermöglichen. Zudem beinhaltet das Kapitel Grundlagen des Entscheidungsverhaltens bei der Bewerbervorauswahl und Vorgehensweisen zur Bewerberanalyse am Telefon. Kapitel E: Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews Das Kernstück des Buches, aber auch des Prozesses der Personalsuche und -auswahl ist das strukturierte Interview. Im Gegensatz zum klassischen Bewerbergespräch verfügt dieses Instrument über eine hohe Prognosegüte bezüglich des späteren beruflichen Erfolgs. Zudem ist es in der Praxis sehr gut anwendbar, da der Vorbereitungsaufwand überschaubar und das strukturierte Interview sehr gut handhabbar ist. Anders als Assessment Center, Potenzialanalysen, Management Audits etc. kann das strukturierte Interview von einer Person alleine konzipiert und durch-

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Zum Aufbau dieses Buches

geführt werden. Es verbindet somit eine hohe Aussagekraft bezüglich der Vorhersage des späteren beruflichen Erfolgs mit vertretbarem Vorbereitungs- und Durchführungsaufwand und hoher Praktikabilität. Im Rahmen dieses Kapitels werden die Grundlagen und der Aufbau des strukturierten Interviews dargestellt, ebenso wie die Konzeption und Auswertung. Zentraler Punkt des Kapitels sind die Zugangswege zum Bewerber im strukturierten Interview. Hierbei geht es um die Beobachtung gezeigten Verhaltens, den Einsatz unterschiedlicher Fragetechniken und Fragearten. Ebenso werden typische Interview- und Beurteilungsfehler aufgezeigt und das Interviewerverhalten näher beleuchtet. Auch die organisatorischen Aspekte von der Einladung über die Durchführung bis hin zum Interviewende werden dargestellt. Ein weiterer Bestandteil ist die zielgerichtete Information des Bewerbers über die Position und das Unternehmen. Hier kommen auch Techniken zur Motivation des geeigneten Bewerbers zur Diskussion. Kapitel F: Entscheidung Da bei der Personalauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews zwischen Informationsaufnahme, Bewertung und Entscheidung unterschieden wird, kommt der Trennung dieser drei Bereiche eine hohe Bedeutung zu. Aus diesem Grunde wird der Bewertung und der Entscheidung auch ein eigenes Kapitel gewidmet. Dargestellt werden Techniken zur Entscheidungsfindung, auch auf die Entscheidungsabstützung durch das Einholen von Referenzen wird eingegangen. Anhang: Toolbox Die Toolbox beinhaltet Instrumente zur Unterstützung des gesamten Prozesses der Personalsuche und -auswahl. zum direkten Einsatz in der praktischen Arbeit. Dies sind u. a. Leitfäden zur Analyse von Bewerbungsunterlagen oder zur Protokollierung im Interview, Musterbriefe für Absagen, Einladungen etc., Checklisten zur Einholung von Referenzen, aber auch ein Katalog von anforderungsbezogenen Fragen für das strukturierte Interview.

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter Vertriebsmitarbeiter sind die entscheidende Ressource zur Realisierung der quantitativen  was erreicht werden soll  und qualitativen  wie es bewirkt werden soll  Unternehmensziele im Markt. Am Ende eines komplexen Vertriebsprozesses, in dem der Dialog mit dem Kunden gestaltet wird, steht im Erfolgsfall die Kaufentscheidung des Kunden. Im Rahmen der Betrachtung der Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter soll daher, neben der Binnen-Fokussierung auf Unternehmensziele, auch dem Kaufentscheidungsprozess auf Seiten des Kunden Rechnung getragen werden.

I. Die Präferenzen bei der Kaufentscheidung als Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter Die Kaufentscheidung des Kunden beruht auf einem Zusammenspiel von drei Präferenzdimensionen, die sich insbesondere beim Kauf von Finanzdienstleistungen gut darstellen lassen: x

einer Produktpräferenz,

x

einer Unternehmenspräferenz,

x

einer Personenpräferenz.

Die Produkte einzelner Anbieter ebnen sich – jedenfalls aus Sicht des Kunden – in ihren Unterscheidungsmerkmalen immer mehr ein und sind allenfalls noch auf dem Erklärungswege differenzierbar. Gelingt dieser Erklärungsprozess und bietet das Produkt zudem eine Lösung für die individuelle Bedarfssituation des Kunden, dann gibt die Produktpräferenz den Ausschlag bei der Kaufentscheidung. Gehört das Produkt zum Portfolio eines bekannten, imageträchtigen Unternehmens, dem der Kunde einen Vertrauensbonus zu gewähren bereit ist, so geht eine Unternehmenspräferenz als Einflussgröße in die Kaufentscheidung mit ein. Vertriebsmitarbeiter, die im Beratungsgespräch die Bedarfssituation des Kunden erforschen, mit einem Angebot aus der vom Unternehmen bereitgestellten Produktpalette zum Nutzen des Kunden in Deckung bringen, sind letztlich diejenigen, die die beiden erstgenannten Präferenzen in ihrer Person zusammenbringen und reprä-

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Die Präferenzen bei der Kaufentscheidung

sentieren. Ergänzt durch ihre eigene Handlungskompetenz im Kundendialog haben sie es in der Hand, schließlich eine Personenpräferenz beim Kunden zu erzeugen. In allen Märkten, in denen erklärungsbedürftige Produkte auf jeweils individuelle Bedarfssituationen treffen – und dies ist bei Finanzdienstleistungen in besonderem Maße gegeben – wird der auf einer Personenpräferenz basierende persönliche Verkauf andere Vertriebskanäle in der Masse sicherlich noch geraume Zeit dominieren. Insofern hängt der Unternehmenserfolg von Finanzdienstleistern in entscheidendem Maße von der Qualität der Vertriebsmitarbeiter ab. Umso mehr wird die Gewinnung passender Vertriebsmitarbeiter zu einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren für das Unternehmen. Es sind also nicht in erster Linie die Produkte des Unternehmens oder dessen Konditionen, die den Ausschlag für langfristigen Markterfolg geben und auf Dauer vor Imitation schützen, sondern es sind dies die Mitarbeiter der Vertriebsorganisation. Im weiteren Sinne sind das alle an der Erstellung einer Leistung für den Kunden Beteiligten, also auch Back-office, Call-Center etc. Sie haben es in der Hand, Kundenkontakte zu „Moments of Truth“ (Carlzon 1989) zu gestalten und so eine Personenpräferenz in einen Wettbewerbsvorteil umzumünzen, der nicht ohne weiteres nachgeahmt werden kann. Zahlreiche Beispiele komplett „verpflanzter“ Vertriebsmannschaften zu Organisationen des Wettbewerbs, die dort den zuvor erzielten Erfolg nicht wiederholen konnten, verweisen indes darauf, dass noch andere Faktoren  über die Qualität der Vertriebsorganisation hinaus  an der Generierung des Vertriebserfolges beteiligt sein müssen. Dies wird deutlich, wenn etwa die durch den Wechsel stark „ausgebluteten” durch neue Vertriebsmitarbeiter relativ schnell an die alten Erfolge anknüpfen können. Unternehmen, die Derartiges zu Wege bringen, verfügen in der Regel über eine durchgängige Unternehmensphilosophie, einen normativen „Überbau”, der geeignet ist, als Richtschnur für gemeinsames Handeln zu dienen und somit langfristigen Erfolg zu bewirken sowie einen Schutz vor Imitation, der von einzelnen Mitarbeitern oder auch Teilen der Vertriebsorganisation unabhängig ist.

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

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II. Normative, strategische und operative Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter Jede schöpferische Tätigkeit des Menschen – dies sei pointiert vorausbemerkt – beginnt zunächst mit einem Problem, einem als unbefriedigend erlebten Zustand. Dann nämlich trifft Hinterhubers Aussage (1992): „Am Anfang einer jeden unternehmerischen Tätigkeit steht wie bei jeder schöpferischen Tätigkeit eine Vision. Die Vision ist das Bewusstwerden eines Wunschtraums einer Änderung.” In unternehmerischer Hinsicht mit Blick auf das Management ergänzt Bleicher (1999): „…die Vision als generelle Leitidee, die in den verschiedenen Dimensionen des Normativen, Strategischen und Operativen zu konkretisieren ist.” Während er dem Normativen und Strategischen eher eine Gestaltungsfunktion zumisst, sei es Aufgabe des operativen Managements, lenkend in die Unternehmensentwicklung einzugreifen. Die Ebene des normativen Managements, die im Folgenden unter dem Fokus der Mitarbeitergewinnung näher betrachtet wird, beschäftigt sich mit den generellen Zielen des Unternehmens, mit Prinzipien, Normen und Spielregeln, die darauf ausgerichtet sind, die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens zu ermöglichen. Die nachfolgenden Überlegungen beziehen zwar auch implizit Anregungen der einen oder anderen Art aus der Literatur, doch speisen sie sich vornehmlich aus der Beratungspraxis, wiewohl auch der Einfluss von visionären Unternehmensführern, etwa John Watson Jr. (IBM), David Packard (Hewlett & Packard) oder Jack Welch (General Electric), nicht ganz von der Hand zu weisen ist.

1.

Normative Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

Ein Unternehmen wird dann überleben und Erfolg haben, wenn es über eine Reihe fester Überzeugungen verfügt, die als Grundlage sämtlicher Regeln und Maßnahmen dienen. Ob man diese Überzeugungen nun „Unternehmensphilosophie“, „Vision“, „Leitbild“ oder „Grundwerte“ nennt, ist nicht so sehr von Belang. Der wichtigste Einzelfaktor ist vielmehr die gewissenhafte Befolgung dieser Überzeugungen. Und diese Überzeugungen sind nur dann authentisch und üben auf die Mitarbeiter auch nur dann eine Anziehungskraft aus, wenn sie tiefer schürfen, wenn sie über wirtschaftliche Ziele wie Gewinnstreben hinaus gemeinsam akzeptierte Grundwerte in den Mittelpunkt stellen. Dann geben sie einem Unternehmen eine Ausrich-

Normative, strategische und operative Grundlagen

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tung und einen Zusammenhalt, und Sinngebung und Sinnstiftung treten an die Stelle von starren Vorschriften und hierarchischen Prinzipien. Sinn stiftende Visionen, Grundwerte und Überzeugungen bewahren ebenfalls davor, vor jeder Problemstellung aufs Neue zu erarbeiten, wie man sich zu verhalten hat. Sie richten sich damit nach innen auf die Handelnden des Unternehmens, indem sie „magische” Kräfte erzeugen und die Energien und Entscheidungen der Beteiligten in die gewünschte Richtung ziehen, und nach außen, indem sie dem Unternehmen ein unverwechselbares Profil geben. Insofern kommt ihnen bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter eine besondere Bedeutung zu. Die im Rahmen einer „Unternehmensphilosophie” häufig gebündelten normativen Elemente „Vision”, „Werte”, „Ziele” und „Strategie” werden im Folgenden kurz erläutert. 1.1.

Die Vision als Grundlage der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

Kaum ein Begriff polarisiert im Management so stark wie der Begriff der Vision. Was aber ist überhaupt eine Vision? Der Begriff Vision kommt ursprünglich aus dem Lateinischen (visio), was ursprünglich „Erkennen“ oder „Begreifen“ heißt. Im Duden Fremdwörterbuch ist zu lesen: „Vision ist ein inneres Gesicht, eine Erscheinung vor dem geistigen Auge; auch Trugbild.“ Auf Grundlage dieser Definition dürfte auch der Ausspruch des deutschen Alt-Bundeskanzlers Helmut Schmidt entstanden sein, der meinte, wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. In der oben genannten Definition liegt die Gefahr, aber auch die Herausforderung für ein Unternehmen, nämlich das Bild eines von allen Beteiligten als erstrebenswert angesehenen zukünftigen Zustands zu verwirklichen. Bezogen auf die Wirtschaftspraxis ist die Vision die Vorstellung der gewünschten Zukunft, welche einem Unternehmen die Zukunft weist, in die sich das Unternehmen entwickeln und an der es sich orientieren kann. Die Vision beantwortet die Fragen: x

Wie sieht die Zukunft unseres Unternehmens aus?

x

Wie sieht unser Unternehmen in Zukunft aus?

Die Vision ist somit die Voraussetzung für klare Perspektiven und die Verwirklichung künftiger Ziele. In der heutigen Zeit, in der Innovationsgeschwindigkeit und Flexibilität wesentliche Erfolgsfaktoren sind, können Unternehmen auf Visionen nicht mehr verzichten. Vielmehr sind Visionen nicht nur ein Motor für langfristige Zukunftsentwicklungen, sondern mobilisieren auch in der täglichen Praxis neue Kräfte zur schnellen Planung und Umsetzung von Innovationen. Eine Vision erzeugt eine Sogwirkung, die auch in schwierigen Situationen anhält, und schafft Sicherheit. Sie spricht auch das Herz und die Gefühle der Mitarbeiter an, steht mit den Werten des Unternehmens in Einklang, ist inspirierend, mitreißend und motivierend, entwicklungsfähig und flexibel, mobilisiert zusätzliche

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

29

Kräfte und trägt maßgeblich zur Erreichung der Unternehmensziele bei (Hartmann 1995). Die Vision selbst ist keine quantitative Größe oder sonst wie geartete Maßzahl wie Umsatz, Marktanteil, Abverkauf oder Gewinn. Idealerweise nimmt die Vision auch Bezug auf die Bedürfnisse der Kunden und formuliert in diesem Kontext ein Ziel. So haben beispielsweise Bill Gates und Paul Allen, die Gründer von Microsoft, schon zu ihren Garagenzeiten die Vision entwickelt, „dass auf jeden Schreibtisch und in jeden Haushalt ein Computer gehöre“, womit sie sowohl die mögliche Zielgruppe im Auge hatten als auch das Ziel, Computer zu erschwinglichen Preisen herzustellen. Und die Gegenwart belegt, wie weit die Realisierung ihrer Vision fortgeschritten ist. Eine Vision kann so formuliert sein, dass sie trotz allem Streben letztlich nie vollständig erreichbar sein wird. Gerade diesen Aspekt der dauerhaften Unerfüllbarkeit einer Zielsetzung brachte Walt Disney auf den Punkt, als er sagte: „Disney wird nie zu einem Ende kommen, so lange die Menschen noch einen Rest Phantasie besitzen“. Demgegenüber wäre eine Aussage wie: „Wir sind dazu da, um Zeichentrickfilme für Kinder zu machen” weder motivierend noch flexibel genug, um Jahrzehnte, und damit sogar den Urheber selbst, zu überdauern. 1.2.

Die Mission als Grundlage der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

Das obige Disney-Bekenntnis verweist überdies darauf, dass sich mitunter statt oder neben einer Vision  vornehmlich bei angelsächsischen Unternehmen  auch eine Mission findet. In einer Mission deckt ein Unternehmen seine eigentlichen Existenzgründe, seine Daseinsberechtigung auf, die über die Erwirtschaftung von Gewinnen hinausgeht. Eine Mission beantwortet die Fragen: x

Warum gibt es uns?

x

Wozu sind wir überhaupt da?

x

Was würde die Welt verlieren, wenn es unser Unternehmen nicht mehr gäbe?

x

Welchem Auftrag hat sich das Unternehmen verschrieben oder wie könnte er aussehen?

Mit einem Mission-Statement bekennen sich insbesondere Pharmaunternehmen zu ihrem Existenzgrund beispielsweise „Schmerzen zu lindern und Krankheiten zu heilen“ (Johnson & Johnson) oder „zur Erhaltung und Verbesserung menschlichen Lebens“ (Merck), Vision und Mission benötigen, um ihren Zweck zu erfüllen, Werte. 1.3.

Werte als Grundlage der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

Umsatz-, Ertrags- oder Expansionsziele eines Unternehmens stellen die eine Seite dar. Mit der Definition von Zielen ist jedoch noch nicht der Weg beschrieben. Umsatz oder Ertrag können auf unterschiedlichste Art und Weise erzielt werden. Umsatzziele lassen sich genauso durch unsolide Einmalgeschäfte wie durch den Auf-

30

Normative, strategische und operative Grundlagen

bau lang anhaltender Kundenbeziehungen erreichen. Im Blick auf vertrauensvolle und längerfristige Geschäftsbeziehungen zu Kunden, vor allem aber auch im Blick auf eine gedeihliche und erfolgreiche Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens bedarf es Werte, die auf Dauer verlässlich sind und motivierend wirken. Da der Begriff „Wert“ im Allgemeinen und wirtschaftswissenschaftlichen Sprachgebrauch unterschiedlich verwandt wird, sei er hier definiert: Nach Kant sind Werte „spezifische Beschaffenheiten, die zur Hochschätzung würdig machen; spezifische positive Qualitäten, die Norm- und Soll-Charakter haben“. Eine Wertedefinition nach Brockhaus lautet: „Werte sind Eigenschaften von Dingen und Sachverhalten, die zum Ziel menschlichen Strebens werden können.“ Im Blick auf Unternehmen, die sich auf ihre eigenen Werte verpflichten, bedeutet dies eine Garantieerklärung gegenüber ihren Mitarbeitern und Kunden für zukünftiges Verhalten. Werte wie z. B. „offen“, „qualitätsorientiert“ und „zuverlässig“ sind wie ein Versprechen im konkreten Verhalten überprüfbar. So heißt beispielsweise der Wert „offen“ bezogen auf Führung im Unternehmen, dass man dort sachliche Kritik zulässt, zuhören gewohnt ist und Ideen erfragt. Genauso ist der Wert „zuverlässig“ am Verhalten der Führungskraft einfach zu erkennen, u. a. daran, dass sie zeitnah rückmeldet und Zusagen einhält. In Bezug auf diesen Wert ist auch der Mitarbeiter daran zu erkennen, inwieweit er eigenverantwortlich, termintreu und selbstdiszipliniert agiert. Auch im Hinblick auf den Kunden bedeuten die o. g. Werte ein Versprechen hinsichtlich der Zusammenarbeit. „Offen“ bedeutet hier, dass kundenspezifische Erwartungen akzeptiert, Verbesserungsvorschläge geprüft und bei Schwierigkeiten Lösungen für den Kunden gesucht werden. Werte ermöglichen somit eine Verhaltenssicherheit auf dem Weg zum Ziel. Sie geben Orientierung für das Verhalten in konkreten Situationen. Gerade weil Werte etwas Erstrebenswertes sind, wodurch man sich der Hochschätzung würdig erweist, sind sie attraktiv. Insgesamt bedeutet ein nach Werten bestimmtes Auftreten im Markt, dass sich das Unternehmen und die Mitarbeiter von den Mitbewerbern durch ein konsequentes und wertebestimmtes Verhalten unterscheiden. Dadurch können Wettbewerbsvorteile und Vorteile im „War for Talents“, d. h. bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern erzielt werden. Unter anderem bei Unternehmen im Finanzdienstleistungsbereich lässt sich dies erkennen. Bei meist austauschbaren Produkten und Dienstleistungen unterscheiden sich die Häuser durch ihre nach außen getragenen und, hoffentlich, nach innen gelebten Werte. Beratungsintensiv, fürsorgend, solide, den Weg frei machend, etc. sind Unterscheidungsmerkmale. In welcher Weise akzeptierte Unternehmenswerte bei der Gewinnung von Vertriebsmitarbeitern Pate stehen können, zeigt die nachfolgende Abbildung aus der Beratungspraxis (s. Abb. B 1).

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

x

Schaffen gültige Bezugspunkte und Durchgängigkeit im Imageprofil

x

Ermöglichen klare Orientierung bei der Rekrutierung und Förderung

x

Helfen bei Entscheidungsfindungen

x

Vernetzen Maßnahmen, z. B. Werbung, Führung, Verkauf u. a.

x

Erleichtern die Führung und die Zusammenarbeit

x

Ermöglichen Feedback und Sanktionen („Ohne Gesetz keine Straftat“)

31

Abb. B 1: Akzeptierte Werte

Unabhängig davon, ob die Werte eines Unternehmens explizit aufgestellt oder gar auf Hochglanzpapier verteilt werden oder nicht, Werte sind implizit immer vorhanden und beeinflussen so das Denken und Handeln. In Abwandlung des bekannten 1. Axioms aus der Kommunikationsforschung von Watzlawick et al. (1969) „Man kann nicht nicht kommunizieren”, ließe sich formulieren: „Man kann sich im Unternehmen schlechterdings nicht verhalten, ohne dass dahinter liegende Werte sichtbar werden.“ Wenn nun ein Unternehmen schon nicht verhindern kann, dass in der Zusammenarbeit in jedem Fall Werte zum Tragen kommen, dann kann es zumindest versuchen, einem etwaigen Wertewildwuchs Einhalt zu gebieten und eine gemeinsame Wertebasis verbindlich festzulegen. 1.3.1. Die Unternehmenskultur als Spiegel der Werte In diesem Zusammenhang ist das Augenmerk auch auf Dimensionen der Unternehmenskultur zu richten, zumal darin gelebte Werte zum Ausdruck kommen. Neben offiziellen Kernbereichen der Unternehmenskultur wie Geschäftszweck bzw. Unternehmensziele und deren Einfluss auf Arbeitsweise und Unternehmenskultur sind auch deren informelle Facetten einzubeziehen, wie x „ungeschriebene” Ambitionen (z. B. Quantität gegenüber Qualität), x „verdeckte” Erfolgsmaßstäbe (z. B. Besitzstände, Beförderungspraktiken), x kognitive Strukturen als Grundlage für die Wahrnehmung und Verarbeitung der Unternehmenswirklichkeit (z.B. Problembearbeitung durch Suche nach neuen Möglichkeiten oder durch Rückgriff auf Erfahrungen), x Entscheidungsstrukturen (z.B. Konsensorientierung oder Wettstreit der Meinungen; „harte” Managementfähigkeiten versus „weiche” Leadership-Faktoren), x Arbeits- und Kommunikationsstile (z. B. Teamarbeit oder individuelle Verantwortung). Diese Kernbereiche der Unternehmenskultur bestimmen im Wesentlichen  obwohl oftmals offiziell nicht bestätigt – die Unternehmensrealität mit. Im Hinblick

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Normative, strategische und operative Grundlagen

auf die Herausforderungen der Zukunft gilt es zu überprüfen, ob die bestehenden Werte geeignet sind, die strategischen Zielsetzungen im Einklang mit der Unternehmensphilosophie zu ermöglichen. In gleicher Weise ist bei der Suche und Auswahl neuer Vertriebsmitarbeiter darauf zu achten, dass diese die Gewähr dafür bieten, auf dem Wege zur Erreichung der quantitativen Unternehmensziele auch die qualitativen Ziele zu verfolgen, die Philosophie des Unternehmens anzunehmen, die Unternehmenskultur zu verkörpern und die Unternehmenswerte zu leben. 1.3.2. Operationalisierung von Werten Verfügt ein Unternehmen über ein Wertesystem, so sollte dies bei der Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern Eingang finden. Je nach Detaillierungsgrad empfiehlt sich unter Umständen, die Unternehmenswerte durch entsprechende Adjektive bzw. Adjektivlisten zu unterlegen und insbesondere nach Verhaltensweisen zu fragen, an denen sich die gelebte Praxis dieser Werte erweist. Dieses Vorgehen kann im Prinzip auch dann für den Verantwortungsbereich einer jeden Führungskraft unternommen werden, wenn ein expliziter, übergeordneter Richtungsrahmen auf Unternehmensebene bislang fehlt. Implizite Werte sind in jedem Unternehmen vorhanden, und eigene Werte, die mit diesen in Einklang sind, lassen sich unter Beteiligung der betroffenen Mitarbeiter in einem Workshop aufstellen. Wichtig dabei ist, dass die Werte nicht zu allgemein definiert werden (z. B. „gemeinsam Spaß haben”, „Qualitätsorientierung”) sondern in Verhaltensweisen umgesetzt werden, die als Maßstab zum Handeln geeignet sind (z. B. statt „Risikobereitschaft” lieber „aus Fehlern Lernchancen machen”). Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht die drei Unternehmenswerte eines Finanzdienstleistungsunternehmens, die natürlich auch bei der Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern Berücksichtigung fanden und nach innen wie außen wirken (s. Abb. B 2).

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

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ALLFINANZ PARTNER-Werte erfolgsorientiert

fair

begeisternd

Konsequent Wirkungsvoll Intensiv Zielgerichtet Führend Kontinuierlich Langfristig

Qualifiziert Beratend Bedarfsgerecht Unterstützend Gemeinsam Hand in Hand Partnerschaftlich Verantwortungsbewusst Offen

Innovativ Aktiv Modern Mobil Frisch Kreativ

Abb. B 2: Beispiel für Wertefindung

Ein weiteres Beispiel, eines der weltweit bedeutendsten Unternehmen der Perlenbranche, zeigt sehr deutlich, wie Unternehmenswerte auch die gewollte Produktwirkung unterstützen können: Begeisternd: Die Perle ist ein Schmuckstück, das von der Natur in vollendeter Schönheit erschaffen ist. Wir stehen für diesen Wert, weil unsere Perlen begeisternd sind. Sie lösen Wünsche aus, ein Gefühl von Flair und Glück. Konsequent: Geradlinig, klar, eindeutig und wegweisend Exklusiv: Einmalig- und Einzigartigkeit Die Umsetzung dieser Werte wurde im gesamten Unternehmen konsequent vorangetrieben. In den Bereichen Produktgestaltung, Produktpräsentation, Umgang miteinander, Umgang mit Kunden, wurden die Werte präzisiert. Dabei wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass die Produktpräsentation, das Auftreten der Vertriebsmitarbeiter, ausgedrückt in Kleidung und im Verhalten, sowie der Umgang mit Kunden von den Werten begeisternd, konsequent und exklusiv bestimmt wird. 1.3.3. Die Bedeutung der Akzeptanz von Zielen und Werten bei der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter Irrtümlicherweise werden neue Mitarbeiter oft nur in Bezug auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Erledigung der Aufgaben gemessen. Personalverantwortliche schauen nicht immer durch die ganze Brille, sondern sehen oft nur die Stellenbeschreibung und die Aufgabe! Ist ihre Brille dann noch durch persönliche Geschmacksfragen, Konkurrenzängste oder andere Konflikte getrübt, sind Fehlbesetzungen vorprogrammiert. Oft müssen dann Tests dafür herhalten, falsche Entscheidungen nachträglich zu rechtfertigen. In der nachfolgenden, bei Rückle et al.

Normative, strategische und operative Grundlagen

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(1994) entnommenen Graphik werden verschiedene bipolare Akzeptanzgrade in Bezug auf Werte und Ziele bei Unternehmenszugehörigen unterschieden. Mitarbeiter ist derjenige, der die Ziele und die Werte des Unternehmens verfolgt und akzeptiert. Wer zwar die Ziele verfolgt, die Werte aber nicht akzeptiert, bedient sich einer „Söldner”-Mentalität. Dem Söldner ist es gleich, für wen und im Rahmen welchen Wertesystems die Leistung erbracht wird. Die Söldnermentalität war in den letzten Jahren unter anderem bei IT-Spezialisten und Investment-Bankern anzutreffen. Der Repräsentant ist stolz auf die Werte des Unternehmens, trägt aber wenig oder nichts zur Zielerreichung bei. Wer beides außer Acht lässt, wird als „Sozialfall” im Unternehmen mitgeschleppt (s. Abb. B 3). Werte akzeptiert Repräsentant

Mitarbeiter

Ziele akzeptiert

Ziele ignoriert

Sozialfall

Söldner Werte ignoriert

Abb. B 3: Mitarbeiterklassifizierung

Je größer die Übereinstimmung zwischen den Zielen und Werten des Unternehmens und denen des Mitarbeiters, umso eher und leichter werden beide miteinander Erfolg haben. Zugleich steigt die Eigenmotivation des Mitarbeiters, und andere Motivatoren oder Sanktionsmechanismen treten ihrer Bedeutung nach in den Hintergrund.

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

35

Nachfolgende Abbildung veranschaulicht dies (s. Abb. B 4).

Werte akzeptiert Soziale Motivation

Selbstmotiviert

Ziele ignoriert

Ziele akzeptiert

Anordnung, Druck, Macht, Sog

Aufgabe oder materielle Motivation Werte ignoriert

Abb. B 4: Motivierung unterschiedlicher Mitarbeitertypen

1.4.

Überfachliche Kompetenzen und deren Übereinstimmung mit der Unternehmensphilosophie

Ein Blick auf die Stellenanzeigen großer Printmedien gibt Zeugnis davon, dass heutzutage oftmals neben den fachlichen insbesondere überfachliche Kompetenzen gefragt sind. Anders als bei den meisten Universitäten und Fachhochschulen gehört bei den Berufsakademien in Baden-Württemberg neben der Fach- auch die überfachliche Kompetenz zu den Prüfungsanforderungen. Ihre überfachliche Kompetenz ist unterteilt in Methoden-, Sozial- und Kommunikationskompetenz. Personalverantwortliche sollten es sich zur Regel machen, mit der gleichen Konsequenz, mit der sie zusehends häufiger überfachliche oder „weiche” Qualifikationsmerkmale, so genannte „Soft Skills” in den Fokus ihrer Personalbeschaffung rükken, auch auf einen entsprechenden Fit im Hinblick auf die Unternehmensphilosophie zu achten. So wird ein Unternehmen, das sich gemäß seiner Philosophie einem hohen Maß an Kundenzufriedenheit verpflichtet sieht, für seine Reklamationsabteilung einen anderen Typ von Mitarbeiter bevorzugen als etwa ein Inkassounternehmen, das mit dem Slogan wirbt: „Wir reden mit dem Gläubiger in einer Sprache, die er versteht!”

36

Normative, strategische und operative Grundlagen

Wer für die Kultur des einen Unternehmens die passende Orientierung und das entsprechende Verhaltensrepertoire mitbringt, würde möglicherweise im anderen kläglich scheitern, bei als gleichwertig angesehenen fachlichen Kompetenzen (Hochschild 1990). Analoge Beispiele ließen sich für einen auf das Massengeschäft ausgerichteten Finanzdienstleister im Gegensatz zu einem auf individuelle und in die Tiefe gehende Beratung abstellenden Anbieter formulieren. Alle drei Dimensionen, die fachlichen Qualifikationen, die überfachlichen und die Übereinstimmung mit den Unternehmenszielen und -werten, müssen passen. Die ausschließliche Sach- und Ertragsorientierung führt in vielen Unternehmen dazu, dass Mitarbeiter nur nach Funktion und sachlichen Kriterien ausgewählt werden  oder auf Grund fehlender Kriterien nach vordergründiger Wirkung und nach persönlichem Geschmack. Unerwünschte Nebeneffekte sind: Kündigungen – und seien es innere  , Reibungsverluste aufgrund gestörter Kommunikation, Konflikte und Imageverlust. Immer wieder zeigt sich, dass der zum Unternehmen und zur gewollten Kultur passende Mitarbeiter langfristig eine höhere Leistungsfähigkeit und einen höheren Wirkungsgrad erreicht als der fachlich vielleicht zunächst bessere, aber nicht zur Kultur passende Mitarbeiter.

2.

Strategische und operative Grundlagen der Gewinnung neuer Mitarbeiter

2.1.

Definition der Unternehmensstrategie

Ziel einer Unternehmensstrategie ist, mit Hilfe von auf Dauer haltbaren, vom Kunden wahrgenommenen und für ihn wichtigen Wettbewerbsvorteilen in jedem Marktsegment die Einnahme und/oder Verteidigung einer führenden Wettbewerbsposition oder, falls dies nicht möglich ist, auch der Rückzug. Für die hiesige Fragestellung wird Strategie aufgefasst als Summe der Entscheidungsmuster eines Unternehmens, in denen Ziele, Aufgaben, Pläne, Vorgehensweisen sowie menschliches Zusammenwirken zur Zielerreichung festgelegt sind. Mit strategischen Entscheidungen werden die Ressourcen des Unternehmens langfristig zweckgebunden, von daher muss das operative Management mit Korrekturoptionen ausgestattet sein, die davor bewahren, dass Fehlentwicklungen zu spät erkannt werden. Strategische und operative Unternehmensführung stellen denn auch nach Ansoff (1984) eine logisch komplementäre Gesamtheit dar.

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

2.2.

37

Die Unternehmensstrategie als Grundlage der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

Sorgt die Personalbeschaffung nicht rechtzeitig für die benötigte Anzahl von zur Zielerreichung geeigneten Vertriebsmitarbeitern und leistet die Personalentwicklung nicht analog das ihrige zur Aus- und Weiterqualifikation aus den eigenen Reihen, dann bleiben die Strategiekonzepte „in den Schuhen stecken” und Realisierungslücken sowie zeitliche Verzögerungen sind die Folge. Realisierungslücken entstehen, wenn neue Vertriebsmitarbeiter nicht ausreichend auf ihre Rollen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Rahmen der Unternehmensstrategie vorbereitet werden. „Richtung, Inhalt und Intensität strategischer Entwicklungen müssen im operativen Tagesgeschäft spürbar und machbar sein” (Becker, 2002) und die Arbeit auf allen Ebenen durchdringen. Insofern ist strategische Kompetenz eine wichtige Dimension im Anforderungsprofil eines neuen Vertriebsmitarbeiters. 2.3.

Definition von Unternehmenszielen

Ziele geben Orientierung, Sicherheit, Perspektive und ermöglichen, Erfolge zu realisieren. Sie gewährleisten eine Konzentration auf die Aufgabe, erhalten die Motivation und fördern auf der individuellen Ebene die Arbeitszufriedenheit und auf der Unternehmensebene die Wettbewerbsfähigkeit. Zur Sicherstellung einer gemeinsamen Ausrichtung des gesamten Unternehmens verfügen erfolgreiche Unternehmen heute über Zielkaskaden, denen zufolge die Ziele der nachgeordneten Organisationseinheit auf denen der übergeordneten Unternehmensteile aufbauen und auf diese Weise den Beitrag zum Gesamtziel verdeutlichen. 2.4.

Operationalisierung von Unternehmenszielen mit der Balanced Scorecard (BSC)

Das Konzept der Balanced Scorecard (Kaplan/Norton 1997) versetzt Unternehmen in die Lage, Strategien wirkungsvoll umzusetzen. Das Modell geht davon aus, dass ein Unternehmen visionäre Zielvorstellungen hat, daraus eine Mission ableitet und ausgehend davon eine Unternehmensstrategie erarbeitet, die in aktionsorientierte Ziele übersetzt und in entsprechende, überprüfbare Messgrößen umgewandelt wird. Auf dieser Basis werden dann Maßnahmen und Aktionen zur Zielerreichung geplant und umgesetzt. Die Balanced Scorecard (BSC) verbindet finanzielle Steuerungsgrößen (Finanzperspektive) mit Aspekten, die aus Kundensicht (Kundenperspektive) relevant sind sowie mit internen Prozessen (interne Prozessperspektive) und mit den grundlegenden Potenzialen des Unternehmens (Lern-/Entwicklungsperspektive). Wenngleich Finanzdienstleiter sich erst zur Hälfte überhaupt mit der Balanced Scorecard (BSC) beschäftigen und erst zu einem Viertel eingeführt haben (vgl.

Normative, strategische und operative Grundlagen

38

FAZ v. 19.02.2001, S. 29), bietet eine Darstellung der Unternehmensziele entlang der vier BSC-Perspektiven einen wertvollen Orientierungsrahmen (s. Abb. B 5). Zudem lassen sich auch ohne Vorliegen einer BSC auf Topebene die Zielkategorien für den jeweiligen Verantwortungsbereich erstellen. Überdies bestehen Abhängigkeiten zwischen den vier Zielebenen: von der Lern-/Entwicklungsperspektive über die Prozess-, Kundenperspektive bis hin zur Finanzperspektive. Mit anderen Worten: Fähige Mitarbeiter beherrschen die Prozesse besser oder sind in der Lage, diese zu optimieren, stellen damit die Kunden in höherem Maße zufrieden und schöpfen die Marktpotenziale ergiebiger aus, was letztlich auch zu verbesserten Finanz-Indizes führt (Bednarek 2002). Wie sollen wir gegenüber Teilhabern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben?

Finanziell

Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirklichen?

Kunde

Vision und Strategie

In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die Besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden zu befriedigen?

Interne Geschäftsprozesse

Wie können wir unsere Veränderungs- und Wachstumspotenziale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen?

Lernen und Entwicklung

Abb. B 5: Die Balanced Scorecard (BSC) als ganzheitliches, strategisches Führungs- und Steuerungsinstrument (Kaplan/Norton 1997)

Über ein BSC-Formular (Mutafoff/Glatz 2001) lassen sich Vision und Strategie auf die vier Zielperspektiven umsetzungsorientiert bis hin zu Messgrößen, Maßnahmen und Aktionen zur Zielerreichung herunterbrechen, von der Top-Ebene bis hin zum individuellen Verantwortungsbereich (s. Abb. B 6).

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

STRATEGISCHES ZIEL KUNDENPERSPEKTIVE

Kundenzufriedenheit

OPERATIVE ZIELE

39

MESSGRÖßEN

AKTIVITÄTEN

Einführung von Total Customer Care (TCC)

Anteil der Einheiten, in denen TCC eingeführt ist

Den Leitfaden für TCC erstellen – TCCWorkshops

Externe Kundenzufriedenheit

Happy Customer Index x

Kosten der Reklamation

x

Liefertreue

x

Liefergrad

x

Marktanteil je Hauptregion

Umsatzanteil aus LERN-/ ENT- Forcierung der Nutzungsgrad von neuen Produkten WICKLUNGS- InnovationsKernkompetenzen und DienstPERSPEKTIVE geschwindigkeit leistungen

Marktwert von Innovationen

x

Anzahl der angemeldeten Patente

x

Zusätzliches Umsatzpotenzial laufender Produktentwicklungen

InnovationsWorkshop

Abb. B 6: Auszug aus einer Balanced Scorecard

Die Einführung der Balanced Scorecard  auch in einzelnen Unternehmensteilen  führt zu folgenden strategischen Verbesserungen: Herunterbrechen des Leitbilds/der Strategie auf klar messbare Zielgrößen. Führungskräfte und Mitarbeiter leiten Subziele bis in den eigenen Verantwortungsbereich hinein ab. x Balance zwischen finanzwirtschaftlichen und nicht-finanzwirtschaftlichen Kennzahlen x Verpflichtung zur Kennzahlenfindung auch bei qualitativen Faktoren x Beachtung sowohl der Ergebnis- (Spätindikatoren) als auch der Prozesskennzahlen (Frühindikatoren) x

Normative, strategische und operative Grundlagen

40

x

Harmonisierung der BSC-Ziele mit den zugrunde liegenden Geschäftsprozessen

x Deutlicheres Bild über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen Lernen

Æ Prozessverbesserungen ÆKundenerfolg Æfinanziellem Ergebnis und kurzund langfristigen Messgrößen x Hohe Transparenz und gemeinsames Verständnis der Strategie bis ins Tagesgeschäft hinein x Hohe Akzeptanz, Motivation und Identifikation bei den Mitarbeitern x Strategische Lerneffekte bereits im Einführungsprozess durch intensive Diskussionen auf allen Ebenen x Kontinuierliches Feedback zur Strategiefortschreibung und -umsetzung schafft Voraussetzungen zum Gegensteuern bei Bedarf und ermöglicht weitere Lerneffekte Lernen und Entwicklung konstituieren die Perspektive zukünftiger Möglichkeiten eines Unternehmens, insofern rangiert hier neben der Personalentwicklung auch die Personalbeschaffung. Operationalisierte Zielwerte könnten dann beispielsweise bezogen sein auf: Anzahl der intern und extern besetzten Vertriebspositionen Anzahl der Teilnehmer an Qualifizierungsmaßnahmen x Einarbeitungszeitraum x Zeitraum für Beförderungen etc. x Zeitraum der Vakanzen Für die Operationalisierung von Unternehmenszielen gelten im Prinzip die gleichen Kriterien wie für Einzelziele, an denen sie gut aufzeigbar sind. x

x

2.5.

Operationalisierung von Einzelzielen

Zur Operationalisierung von Einzelzielen ist das „SMART-Goals-System” weit verbreitet (Hersey et al. 1996). Entsprechend dem Akronym SMART zeichnen sich operationale Ziel durch die Adjektive „specific” (S – spezifisch), „measureable” (M – messbar), „attainable” (A – erreichbar), „relevant” (R  relevant, realistic ) und „trackable” (T  beeinflussbar) aus. In der deutschen Fassung findet sich auch die folgende Auflösung des Akronyms (s. Abb. B 7).

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

S

M

A

R

T

x

konkret

x

beeinflussbar

x

individuell

measurable

x

quantitativ in Zahlen

messbar

x

qualitativ beschrieben

x

erreichbar

x

motivierend

x

anspruchsvoll

x

erreichbar

x

(unter bestimmten Voraussetzungen)

time bound

x

zeitlich festgelegt

trackable

x

termingebunden

x

specific

x

spezifisch

x x x

attainable

x

(agreed/accepted)

x

relevant

x

realistic

x x

41

Abb. B 7: SMART-Kriterien (Mutafoff/Glatz 2001)

Häufig stellen nicht die Ziele an sich, sondern vielmehr deren Operationalisierung Führungskräfte und Mitarbeiter vor Schwierigkeiten. Eine Zielformulierung wie „Steigerung des Absatzes von Produkt X“ erfüllt die obigen Kriterien aus einsichtigen Gründen nicht  zu unspezifisch. Gleiches gilt für die Formulierung „Unterstützung der Einführung des Produkts Z“. Bei Erfüllung der SMART-Kriterien könnte die Formulierung lauten: „Vorstellung des Produktes Z bis zum ... bei allen A-Kunden.“ 2.6.

Ausrichtung der Mitarbeitergewinnung an den Unternehmenszielgruppen

Neben den Unternehmenszielen sollte auch den Zielgruppen des Unternehmens Beachtung geschenkt werden. Die erste Frage, die sich ein Unternehmen bei der Realisierung seiner Marktziele stellen muss, lautet: „Wer ist überhaupt mein Kunde?” Ist dies ein Endverbraucher oder eine Zwischenstufe zu ihm oder beides? Sollen zuvorderst Nichtkunden, Empfehler, Vermittler, Entscheider oder Verwender angesprochen werden? Je nach Priorisierung der Zielgruppe ändern sich auch die Ansprachestrategien und im Verbund damit auch die Anforderungen an die Vertriebsmitarbeiter. Wer im Pharmabereich zu Kliniken, Ärzten oder Apothekern geht, muss jeweils unterschiedlich argumentieren können, ohne dass dies jeweils die Endnutzer der Produkte wären. Wer im Finanzdienstleistungsbereich zu professionellen Vermittlern geht, wählt eine andere Vorgehensweise und gestaltet den

42

Normative, strategische und operative Grundlagen

Dialog anders als derjenige, der Neukunden aufsucht oder bei bestehenden Kunden das Engagement erweitert. Die Zielgruppe, die dem Unternehmen am nächsten steht, am leichtesten zu beeinflussen ist und somit am nützlichsten ist, sind die eigenen Mitarbeiter. Wie sehr sie ihre Talente und Potenziale für das Unternehmen einsetzen, mit welchem Innovationsdrang und mit welcher Kreativität sie bei der Sache sind – beides Eigenschaften, die nicht abgefordert, sondern nur freiwillig eingebracht werden können , entscheidet letztlich über den Unternehmenserfolg. Ein Grund mehr, Mitarbeiter wie Kunden zu behandeln und bei der Rekrutierung darauf zu achten, dass sie deren bisherige Wertigkeit zumindest erhalten. So wird jene Beziehung auf- und ausgebaut, die als Grundlage die Zusammenarbeit zum gemeinsamen Erfolg trägt, durch einen wertvollen Beitrag jedes Einzelnen. Zusammenfassend und stark vereinfachend können die Ausführungen zu den normativen, strategischen und operativen Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter am besten in nachfolgender Grafik (s. Abb. B 8) dargestellt werden (Rückle 1994).

Werte (Unternehmensphilosophie, Eigenschaften, die zum Ziel menschlichen Strebens werden können)

Maßnahmen zur Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern

Zielgruppen (Mitarbeiter und zukünftige Mitarbeiter) Abb. B 8: Wertedreieck

Unternehmensvision

Vision Ziele (Unternehmensstrategie, in Zukunft zu erreichende messbare Ergebnisse, meist Unternehmensertrag oder -wert)

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

43

III. Definition und Operationalisierung von Stellenbeschreibungen Über Stellen- oder Funktionsbeschreibungen legt ein Unternehmen für die kleinste organisatorische Einheit – die Stelle – fest, welche Ziele sie im Gesamtgefüge der Aufgaben zu erreichen hat und welche Aufgaben zur Zielerreichung wahrzunehmen sind (Becker 2002). Darüber hinaus geben Stellenbeschreibungen Aufschluss über die Wertigkeit der Stelle, ihre organisatorische Eingliederung (Berichtswege, aktive/passive Stellvertretung, Kernaufgaben (Haupt- und Nebenaufgaben), Kompetenzen (Befugnisse) und Verantwortlichkeiten (Zuständigkeit). Es ist zweckmäßig, Stellenbeschreibungen insgesamt und in der vertikalen Gliederung dynamisch zu gestalten, d. h., dass die Kernaufgaben eines Stelleninhabers auf der nächst höheren Stelle bei den Verantwortlichkeiten zum Kontrollumfang zählen. Somit sind auch Erweiterungen oder Änderungen der Arbeitsinhalte, die im Vertrieb ohnehin nicht gravierend ausfallen werden, schnell integrierbar. Stellenbeschreibungen sind so offen abzufassen, dass verwandte oder eng zusammengehörige Tätigkeiten zusammengefasst, in einer Stelle vereint oder für ähnliche Stellen gebündelt werden und der Stelleninhaber die Process ownership (Prozesshoheit) behält. In der nachfolgenden Abbildung (Abb. B 9) sind die Informationen aufgelistet, die in einer Stellenbeschreibung auf jeden Fall enthalten sein müssen (Mentzel 1997). x

Stellenbezeichnung und Rangstufe des Stelleninhabers

x

Einordnung der Stelle in die Unternehmensorganisation o o o

x

Leitungsbereich, Abteilung Vorgesetzter des Stelleninhabers Nachgeordnete Stelle

Regelungen der Stellvertretung o o

Stelleninhaber wird vertreten von Stelleninhaber vertritt

x

Zielsetzung (Hauptaufgabe der Stelle)

x

Aufgaben, Kompetenzen und Pflichten des Stelleninhabers im Einzelnen

x

Sachliche und organisatorische Angaben (z. B. Verteiler, Unterschriften etc.)

Abb. B 9: Inhalte von Stellenbeschreibungen

44

Definition und Operationalisierung von Stellenbeschreibungen

Notwendig im Rahmen der Suche und Auswahl von Mitarbeitern sind Stellenbeschreibungen in erster Linie zur Erstellung von Anforderungsprofilen. Aus der Stellenbeschreibung ergeben sich die zur Erreichung der Unternehmensziele relevanten Kernaufgaben. Das heißt, welche Aufgaben müssen vom Stelleninhaber geleistet werden, um zum Unternehmenserfolg beizutragen. Aus diesen Kernaufgaben lassen sich dann die Anforderungen an den Stelleninhaber ableiten. Wenn zum Beispiel die Stellenbeschreibung EDV-gestütztes Verkaufen als Kernaufgabe zum Inhalt hat, dann leiten sich hieraus spezifische Anforderungen an die EDVKompetenz des zukünftigen Stelleninhabers ab. Nachfolgend wird ein Standardformular für die Stelle eines Vertriebsmitarbeiters eines Finanzdienstleisters dargestellt (s. Abb. B 10). ORGANISATORISCHE EINGLIEDERUNG

KERNAUFGABEN

Abteilung: Verkaufsaktivitäten selbständig vornehmen Kurzbezeichnung: Stelleninhaber:

KOMPETENZEN Anregungen bei speziellen Verkaufs-Aktionen geben

Besuchsaufträge qualifiziert bearbeiten

Gebietsverantwortung Eigene Weiterbildung betreiben

Strategische Vertriebspartner unterstützen

An Verkaufsbesprechungen mit strategischen Vertriebspartnern teilnehmen

Überstellung:

Produktschulungen durchführen

Schulungsbedarf ermitteln

Vertritt:

Kundenbestände betreuen

Wird vertreten von:

Neukunden gewinnen

Unterstellung:

VERANTWORTUNG

Abb. B 10: Stellenbeschreibung für Vorsorgeberater mit vertrieblicher Bankanbindung

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

45

Stellenbeschreibungen lassen einen Bewerber erkennen, ob die fragliche Position seinen Erwartungen und seinem Leistungsvermögen entspricht. Sie dienen ihm als Informationsgrundlage und zur Orientierung, zugleich entlasten sie – nach der Einarbeitung – die Führungskräfte. Im Normalfall kann sich Führung auf Management by Exception beschränken (Acker 1980). Im Vertrieb werden so für die Führungskräfte überdies Kapazitäten frei, die sie für die Wahrnehmung von ständigen Personalentwicklungsaufgaben (Training on the Job, Coaching) einsetzen können, zumal die Anforderungen an die Mitarbeiter weiterhin steigen werden.

46

Definition und Operationalisierung von Anforderungsprofilen

IV. Definition und Operationalisierung von Anforderungsprofilen Auf Basis der Stellenbeschreibungen und Kernaufgaben spezifiziert das Anforderungsprofil die fachlichen und überfachlichen Anforderungen an den Stelleninhaber. Eine exakt formulierte Stellenbeschreibung ist genauso wie ein klar definiertes Anforderungsprofil die notwendige Basis für den Erfolg aller Such- und Auswahlbemühungen. Die Transparenz über die wesentlichen Kernaufgaben einer Position, also die Stellen- oder auch Funktionsbeschreibung, bildet wiederum die Basis für die Erstellung des Anforderungsprofils. Grundsätzlich gilt, dass kein Interview geführt werden darf, ohne dass vorher ein Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle erstellt worden ist (Jetter 2003). Denn nur wenn die Erwartungen an den zukünftigen Mitarbeiter genau definiert worden sind, kann das richtige Instrument für die Personalsuche eingesetzt werden. Noch wichtiger ist ein exakt definiertes und unternehmensspezifisches Anforderungsprofil für die Durchführung des strukturierten Interviews (s. Abb. B 11). Der Nutzen ist hier offensichtlich: Anforderungsprofile ermöglichen eine gezielte Informationsbeschaffung, d. h. sie definieren die Suchfelder im Interview und bestimmen, welche Informationen über den Bewerber beschafft werden müssen. Anforderungsprofile gewährleisten die Vollständigkeit der für die Auswahlentscheidung notwendigen Informationen. Anforderungsprofile ermöglichen die objektive Bewertung der zu erhebenden Informationen und verhindern die subjektive Unter- bzw. Überbewertung von Informationen. Maßgeschneiderte Anforderungsprofile verhindern die Übernahme von allgemeinen Beschreibungen oder unternehmensfremden Anleihen.

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

47

Vollständige Informationsbeschaffung Ermittlung der Fähigkeiten, Fertigkeiten und Verhaltensweisen, die über Erfolg bzw. Misserfolg entscheiden

Anforderungsprofil

Gezielte Informationsbeschaffung

Objektive Informationsbeschaffung

Abb. B 11: Nutzen von Anforderungsprofilen

In Hinblick auf eine stärkere Forcierung des aktiven Verkaufs beim Vertrieb von Finanzdienstleistungen steigen hier insbesondere die überfachlichen Anforderungen, in den Bereichen der persönlichen, methodischen, sozialen und strategischen Kompetenzen. Auch zeigt die Rekrutierungserfahrung der letzten Zeit, dass das im Zuge der gegenwärtigen Strukturkrise in der Bankenlandschaft auf dem Arbeitsmarkt verfügbare Reservoir vormaliger Bankmitarbeiter nicht unbedingt für Vertriebsaufgaben mit aktivem Verkauf disponiert ist. Hier ist je nach erforderlicher Fachqualifikation zu prüfen, ob nicht vertriebserfahrene Kandidaten aus verwandten Branchen eher geeignet sind, die unternehmensseitigen Erwartungen zu erfüllen. Die im weiteren Verlauf beschriebenen Instrumente zur Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern können hier insbesondere den Vertriebsführungskräften Hilfestellung bieten.

1.

Vorgehen bei der Erstellung von Anforderungsprofilen

Anforderungsprofile definieren, welche Fertigkeiten, Fähigkeiten und Verhaltensweisen Mitarbeiter haben müssen, um in einer bestimmten Position erfolgreich zu sein. Dabei empfiehlt es sich, Kategorien zu bilden, um eine bessere Übersichtlichkeit zu gewährleisten. In der einschlägigen Literatur gibt es hierzu eine Vielzahl von Vorschlägen. In der Beratungspraxis hat sich die nachfolgende Kategorisierung als zweckmäßig erwiesen:

48

Definition und Operationalisierung von Anforderungsprofilen

x

Persönliche Voraussetzungen

x

Fachliche Kompetenz

x

Persönliche Kompetenz

x

Methodische Kompetenz

x

Soziale Kompetenz

x

Strategische Kompetenz

Die persönlichen Voraussetzungen und die Fachkompetenz zählen zu den so genannten harten Faktoren des Anforderungsprofils, weil sie eher objektiv und leicht zu erkennen sind. Die persönlichen Voraussetzungen umfassen Aspekte wie Berufserfahrung, Alter, Fahrerlaubnis und andere formale Voraussetzungen. Die Fachkompetenz beinhaltet die notwendigen schulischen und beruflichen Qualifikationen und spezifischen Kenntnisse. Die persönlichen, methodischen, sozialen und strategischen Kompetenzen gehören eher zu den weichen Faktoren des Anforderungsprofils. Sie sind weitaus schwerer zu definieren und auch bei den Bewerbern zu erfassen und zu erkennen. Sie sind jedoch die Faktoren, die häufig über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Zur persönlichen Kompetenz gehören zum Beispiel das Erscheinungsbild oder das Selbstbewusstsein. Die methodische Kompetenz bezieht sich u. a. auf Fähigkeiten wie Selbstorganisation oder Verhandlungsgeschick. Die soziale Kompetenz beinhaltet Fähigkeiten wie das Kommunikations- oder Teamverhalten oder auch die Führungskompetenz. Die strategische Kompetenz hat vor allem die systematischen und analytischen Fähigkeiten zum Inhalt. Welche Möglichkeiten bieten sich an, wenn in einer Organisation noch keine Anforderungsprofile vorliegen und die Erstellung über externe Beratungsunternehmen oder die Personalabteilung nicht möglich ist? Die einschlägige Literatur bietet hierzu eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten an, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Einen sehr guten Überblick hierzu bietet Meier (1992) in seiner Publikation „Personalentwicklung in Banken“. Ein pragmatischer, sich auf beobachtbares Verhalten stützender Weg wird nachfolgend vorgestellt:

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

2.

49

Entwicklung von Anforderungsprofilen über High Performer in der eigenen Organisation

In jeder Vertriebsorganisation finden sich Mitarbeiter unterschiedlicher Güte und Leistungsstärke. Und diejenigen, die im Rahmen der gegebenen Unternehmensphilosophie und -kultur besonders erfolgreich sind, verfügen über Fähigkeiten und Fertigkeiten, die ihnen möglicherweise explizit gar nicht bewusst oder bekannt sind und die demzufolge auch viel zu selten im Sinne von Lernerfahrungen und künftiger Unternehmensentwicklung verwertet werden. Diesen Bestand an Fähigkeiten und Fertigkeiten gilt es aufzudecken und in einer Weise zu nutzen, der sowohl der Personalentwicklung als auch der -beschaffung zugute kommt. Methodisch kann dabei die teilnehmende Beobachtung durch eine Vertriebsführungskraft zum Einsatz kommen. Dabei können folgende Fragen erkenntnisleitend sein: x

Wer sind die High Performer in unserer Vertriebsorganisation?

x

Was zeichnet die High Performer aus?

x

Worin unterscheiden sie sich von Average/Low Performern?

x

Hinsichtlich Vorgehensweisen und Verhalten?

x

Hinsichtlich Fähigkeiten und Fertigkeiten?

x

Hinsichtlich Eigenschaften und Merkmalen?

x

Welche Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten lassen sich feststellen?

x

Welche Gesetzmäßigkeiten lassen sich daraus ableiten?

x

Wie lassen sich diese Erkenntnisse in unternehmensspezifische Anforderungsprofile übersetzen?

Ausgehend vom beobachtbaren Verhalten der High Performer werden zusammenfassend Oberkategorien erstellt, die die zum Erfolg führenden Fähigkeiten und Fertigkeiten beschreiben. Diese werden dann den Kompetenzbereichen zugeordnet (Jetter 2003). Das nachfolgende Beispiel (Auszug) ist in diesem Sinne von unten nach oben zu lesen. Beobacht- und beschreibbare Verhaltensweisen sind in Normalschrift aufgelistet. Diese werden zu den in Fettschrift gehaltenen Oberkategorien verdichtet, welche zusammen den Kompetenzbereich in der Überschrift beschreiben.

Definition und Operationalisierung von Anforderungsprofilen

50

PERSÖNLICHE KOMPETENZ x ERSCHEINUNGSBILD/AUFTRETEN ż ż ż ż

Angemessene Kleidung Umgangsformen/Höflichkeit Zeigt Profil Tritt sicher und souverän auf – wirkt kompetent

x SELBSTVERTRAUEN/-BEWUSSTSEIN ż Schätzt die eigenen Fähigkeiten positiv und realistisch ein ż Verhält sich selbstsicher im sozialen Umgang ż Zeigt positive Grundhaltung x INITIATIVE/ENGAGEMENT ż Setzt sich und anderen herausfordernde Ziele – vertritt diese ausdauernd ż Kann sich selbst begeistern ż Stellt sich flexibel und aus eigenem Antrieb (neuen) Aufgaben/Rahmenbedingungen ż Nimmt schwierige Aufgaben als Herausforderungen an; beginnt von sich aus Aktivitäten ż Zeigt Initiative – bleibt konsequent dran ż Engagiert sich stark bei der Verfolgung seiner Ziele ż Stellt sich Konkurrenzsituationen/Benchmarks ż Zeigt Bereitschaft zur Weiterbildung Als Ergebnis dieses induktiven Vorgehens kann dann ein Anforderungsprofil entstehen, welches die x

persönlichen Voraussetzungen,

x

fachliche Kompetenz,

x

persönliche Kompetenz,

x

methodische Kompetenz,

x

soziale Kompetenz,

x

strategische Kompetenz,

beinhaltet. Im umgekehrten Fall, wenn also Kompetenzbereiche – aus welcher Quelle auch immer – herangezogen werden können, hieße das Vorgehen wiederum, Oberkategorien der einzelnen Fähigkeiten und Fertigkeiten in jedem Kompetenzfeld in beobachtbares Verhalten zu übersetzen. Dies könnte dann auch zu einem Beobachtungs- und Bewertungsbogen weiterverarbeitet werden, der sowohl in eignungs-

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

51

diagnostischem Kontext als auch beim Training on the Job und beim Coaching eingesetzt werden kann. Dabei werden die einzelnen Kompetenzbereiche jeweils auf einzelne Merkmale bzw. Dimensionen heruntergebrochen, welche wiederum in beobachtbare und beschreibbare Verhaltensweisen zu fassen sind. Dabei steht und fällt die Qualität eines Anforderungsprofils mit der Sorgfalt, mit der die beobachtbaren Verhaltensweisen beschrieben sind. Denn nur daran lassen sich die anforderungsspezifischen Fragen innerhalb des strukturierten Interviews entwickeln. Je genauer und spezifischer hier gearbeitet wird, umso gezielter kann ein Abgleich der Anforderungen des einstellenden Unternehmens mit den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Verhaltensweisen des Bewerbers gemacht werden und umso höher ist der Erfolg der Personalbeschaffung (Bisani 1993). Das nachfolgende Anforderungsprofil bezieht sich auf einen Vorsorgeberater nach § 84 HGB, tätig in einem Finanzdienstleistungsvertrieb (ALLFINANZ PARTNER) mit vertrieblicher Bankanbindung (s. Abb. B 12). PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN x

Alter zwischen 28 und 45 Jahre

x

PKW-Fahrerlaubnis

x

Eigener PKW

x

Finanzieller Status (Schufa, AVAD) OK

x

Polizeiliches Führungszeugnis OK

x

Mindestens 4-jährige Erfahrung als Finanzdienstleistungsverkäufer

x

Bankerfahrung (direkt/indirekt)

x

Mindestens 4-jährige Außendiensterfahrung

FACHLICHE KOMPETENZ x

Bankkaufmann/Versicherungskaufmann/Versicherungsfachmann (BWV)/Bausparfachmann (BWB) (oder vergleichbare/höherwertige Ausbildung oder fachfremde Ausbildung mit langjähriger erfolgreicher Finanzdienstleistungserfahrung)

x

PC-Anwenderkenntnisse (MS-Office-Programme)

x

Produktkompetenz (Versicherungen, Bausparen, Fonds)

x

Kenntnisse über aktuelle Versicherungs- und Vorsorgesysteme

Definition und Operationalisierung von Anforderungsprofilen

52

PERSÖNLICHE KOMPETENZ Erscheinungsbild/Auftreten x

Angemessene Kleidung

x

Umgangsformen/Höflichkeit

x

zeigt Profil

x

tritt sicher und souverän auf

Selbstvertrauen/-bewusstsein x

schätzt die eigenen Fähigkeiten positiv und realistisch ein

x

verhält sich selbstsicher im sozialen Umgang

x

zeigt positive Grundhaltung

Initiative/Engagement x

setzt sich und anderen herausfordernde Ziele – vertritt diese ausdauernd

x

kann sich selbst begeistern

x

stellt sich flexibel und aus eigenem Antrieb (neuen) Aufgaben/Rahmenbedingungen

x

nimmt schwierige Aufgaben als Herausforderung an; beginnt von sich aus Aktivitäten

x

zeigt Initiative – bleibt konsequent dran

x

engagiert sich stark bei der Verfolgung seiner Ziele

x

stellt sich Konkurrenzsituationen/Benchmarks

x

zeigt Bereitschaft zur Weiterbildung

Eigenverantwortung x

bedenkt die Folgen des eigenen Handelns

x

achtet darauf, dass Interessen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen

x

berücksichtigt arbeitsplatzbedingt Risikofaktoren

x

trifft Entscheidungen; übernimmt Verantwortung

x

reflektiert eigenes Verhalten mit dem Ziel der Weiterentwicklung

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

METHODISCHE KOMPETENZ Ausdruckverhalten x x x x x

formuliert präzise, eindeutig und aktiv nutzt kurze, prägnante Sätze vermeidet Weitschweifigkeit formuliert flüssig, klar und verständlich vermittelt eigene Begeisterung

Selbstorganisation + Planung x x x x x x x x x x

erkennt das Wesentliche und setzt erfolgsorientiert die richtigen Prioritäten identifiziert Adressen – selektiert Kunden mit Potenzial plant Kontakte; schafft/nutzt Anlässe für die Kundenansprache analysiert/erkennt die Wettbewerbssituation beschafft sich notwendige Informationen bereitet Gespräche gezielt vor du nach plant und nutzt Zeit effizient arbeitet genau und sorgfältig organisiert sich und seinen Arbeitsplatz arbeitet konsequent in seinen Beständen

Gesprächsführung x x x x x x x x

eröffnet Gespräche aktiv knüpft an – führt zielbezogen weiter gibt ausreichend Informationen analysiert/erkennt Bedarf – nutzt Fragetechnik hört aktiv/selektiv/ konzentriert zu weckt Bedarf – spricht Motive an argumentiert sicher/flexibel – transportiert Nutzen kommt zielsicher zum verbindlichen Abschluss

Präsentationsfähigkeit x x x x x x

präsentiert sicher – wirkt stabil gibt die für das Ziel relevanten Informationen setzt Anreize zum Zuhören präsentiert Konzepte/Leistungen überzeugend nutzt die gesamt Leistungspalette – schafft Mehrwert löst Sog aus für gemeinsam getragene Ziele/Vorgehensweisen

53

Definition und Operationalisierung von Anforderungsprofilen

54

Verhandlungsgeschick x x x x x x x x x

tritt in Verhandlungen sicher und überzeugend auf ergreift das Wort (ohne dominant zu werden) vertritt Positionen/Interessen klar und bestimmt argumentiert sachlich und überzeugend stimmt nicht ungeprüft zu – vermeidet vorschnelle Kompromisse geht flexibel/sicher mit Einwänden um – überwindet Widerstände souverän führt eine/die Lösung herbei fasst Vor- und Nachteile seiner Lösungen zusammen holt sich aktiv die Zustimmung der Beteiligten

SOZIALE KOMPETENZ Teamverhalten x x x x x x x x x x x

erreicht eine teamorientierte Kooperation mit allen Prozessbeteiligten gibt Informationen offen weiter engagiert sich für die Teamziele berücksichtigt andere Meinungen und Vorschläge erzeugt offenes und konstruktives Arbeitsklima motiviert zur Mitarbeit engagiert sich mit Anregungen/Ideen und Informationen übernimmt im Team Aufgaben, die seine Kompetenz voraussetzen kann Eigeninteressen zurückstellen gibt Feedback stellt fachliche Kompetenz im Arbeitsfeld dar und wird darin akzeptiert

Kontaktfähigkeit x x x x x x x x x x

geht auf andere Menschen zu und knüpft Kontakte findet leichten Zugang zu anderen Menschen begeistert Partner von seiner Aufgabe akzeptiert vereinbarte Spielregeln entwickelt von sich aus vielfältige Beziehungen und Kontakte zeigt natürliche, freundliche Grundhaltung erkennt/berücksichtigt Motive, Bedenken und Gefühle baut eine Vertrauensbasis auf kann sich leicht auf verschiedene Gesprächspartner einstellen zeigt ein gutes Gespür für die Situation/Einfühlungsvermögen für die Stimmung anderer

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

Konfliktstabilität x x x x x x

wird in Drucksituationen nicht aggressiv (verbal/nonverbal) reagiert nicht sofort mit Abwehrmechanismen (sich entschuldigen/angreifen etc.) gibt Feedback konstruktiv und rollenadäquat analysiert Konflikte und deren Ursachen objektiv reflektiert selbstkritisch eigene Rolle im Konflikt versucht eigenständig Konfliktlösungen zu erreichen

STRATEGISCHE KOMPETENZ Analytisch-systematisches Denken und Handeln x x x

berücksichtigt bei Entscheidungen Wechselwirkungen zeigt Weit- und Umsicht kann tragfähige Konzeptionen erarbeiten

Zukunftsorientierung x x x x x

akzeptiert Zielsetzungen und verfolgt diese erfolgsorientiert entwickelt eigene Zielvorstellungen und kreative Ideen verhält sich neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen engagiert sich für Veränderungen denkt/handelt/spricht proaktiv

Verkaufs-/Ergebnisorientierung x x x

richtet sein Handeln bewusst nach Zielen/Benchmarks aus handelt ertragsorientiert (stellt Aufwand und Nutzen in optimales Verhältnis) gewinnt andere für seine Ziele

Abb. B 12: Detailliertes Anforderungsprofil

55

Definition und Operationalisierung von Anforderungsprofilen

56

Die nachfolgende Abbildung fasst den Prozess der Erstellung eines Anforderungsprofils nochmals zusammen (s. Abb. B 13).

Kernaufgaben

x beinhalten, was zu tun ist x sind Tätigkeitsbündel

Zielorientierung

+ Anforderungen/Kompetenzen x

sagen, was gewusst, gekonnt + wie getan wird

x ermöglichen erfolgsfördernde Verhaltensqualitäten x Persönliche Voraussetzungen x Fachliche Kompetenzen x Methodische Kompetenzen x Soziale Kompetenzen x

Werte

++ Kompetenzen

=

Persönliche Kompetenzen

x Strategische Kompetenzen

erfolgsförderndes Verhalten

Abb. B 13: Prozess der Erstellung von Anforderungsprofilen

Im Auswahlprozess werden diese Kriterien beim jeweiligen Bewerber in ihrem Vorhandensein und ihren Ausprägungen untersucht. Ein hoher Erfüllungsgrad der Anforderungen ermöglicht  bei entsprechender Einarbeitung und Betreuung – Erfolg.

B. Grundlagen der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter

3.

57

Die Festlegung der Soll-Ausprägungen

Die Festlegung von Soll-Ausprägungen des Anforderungsprofils erfolgt entweder unter Rekurs auf die High Performer, aus den eigenen Reihen, durch Rückgriff auf Erfahrung oder rein theoretisch durch Antizipation in Bezug auf die erwarteten Herausforderungen. Die erstgenannte Variante besitzt die höchste Validität, zeigt sie doch auf, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Vergangenheit wie der Gegenwart zum Erfolg geführt haben. Die Dynamik der Märkte und die damit verbundenen sich wandelnden Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf eine stärkere Forcierung des aktiven Verkaufs lassen jedoch auch den anderen beiden Definitionsmustern eine gewisse Berechtigung. Letztlich obliegt es jedem Unternehmen selbst, zu entscheiden, welche Soll-Ausprägungen es für den Vertrieb der eigenen Produkte für angemessen hält. In der folgenden Abbildung ist ein BlankoFormular des Anforderungsprofils für Vertriebsmitarbeiter eines Finanzdienstleisters wiedergegeben (s. Abb. B 14).

QUELLEN

AUSPRÄGUNGEN

Vorauswahl Interview 1

2

3

4

5

Persönliche Voraussetzungen Alter zwischen 28und 45 Jahre

„

X

PKW-Fahrerlaubnis

„

X

Finanzielle Situation OK

„

X

Polizeiliches Führungszeugnis

„

X

2-jährige Erfahrung als Finanzdienstleister

„

X

Bankerfahrung (direkt/indirekt)

„

X

Außendiensterfahrung

„

X

Fachliche Kompetenzen Versicherungskaufmann/Versicherungsfachmann oder Bankkaufmann

„

PC-Anwenderkenntnisse

„

„

Produktkompetenz

„

„

Kenntnis aktueller Sicherungssysteme

„

„

X X X X

58

Definition und Operationalisierung von Anforderungsprofilen

Persönliche Kompetenzen Erscheinungsbild/ Auftreten

„

X

Selbstvertrauen/ -bewusstsein

„

X

Initiative/ Engagement

„

X

Eigenverantwortung

„

X

Stressbewältigung/ emotionale Stabilität

„

X

Methodische Kompetenzen Selbstorganisation + Planung Ausdrucksverhalten

„

Gesprächsführung Präsentationsfähigkeit

X

„

„

Verhandlungsgeschick

„

X

„

X

„

X X

„

Soziale Kompetenzen Teamverhalten

„

X

Kontaktfähigkeit

„

X

Konfliktstabilität

„

X

Strategische Kompetenzen Analytisch-systematisches Denken und Handeln

„

Zukunftsorientierung

„

Verkaufs-/ Ergebnisorientierung

„

X

„

X X

* Soll-Ausprägungen auf Skala: 1 (sehr gering) bis 5 (sehr stark; Muss-Anforderung; K/O-Kriterium!)

Abb. B 14: Anforderungsprofil mit Soll-Ausprägungen

Mit der Erstellung von Anforderungsprofilen und deren Soll-Ausprägungen sind die Vorarbeiten zur Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter abgeschlossen und die Maßnahmen des Personalmarketing können eingeleitet werden.

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing zur Suche von zukünftigen Vertriebsmitarbeitern I.

Grundlagen des Personalmarketing

Der Arbeitsmarkt in Deutschland wird gemeinhin als zweigeteilt beschrieben: Einer anhaltend hohen Quote an Arbeitslosen auf der einen Seite steht ein Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften auf der anderen Seite gegenüber. Auf Grund der Bevölkerungsentwicklung treten überdies immer weniger junge Menschen in das Erwerbsleben ein. Speziell für den Finanzdienstleistungsbereich sind qualifizierte Vertriebsmitarbeiter schwierig zu finden. Um bei der Rekrutierung geeigneten Personals erfolgreich zu sein, müssen alle Instrumente der Personalbeschaffung zum Einsatz kommen, muss folglich „an allen Fäden gezogen werden.“ Mit den im Kapitel B erarbeiteten Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofilen ist die Basis für einen gezielten Suchprozess von zukünftigen Vertriebsmitarbeitern gelegt worden. Stellenbeschreibung und Anforderungsprofil müssen nun zwingend in das Instrumentarium der Personalsuche und -auswahl integriert werden, geeignete Bewerber zu finden und zu gewinnen. Dem Suchprozess kommt somit für den Rekrutierungserfolg eine entscheidende Bedeutung zu. Trotz der oben genannten Rahmenbedingungen sollten Führungskräfte, die für die Rekrutierung ihrer eigenen Mitarbeiter verantwortlich sind, nicht resignieren. Es gilt vielmehr die Klaviatur der Personalbeschaffungsinstrumente gezielt und ausgewogen zu spielen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass diejenigen Führungskräfte beim Auf- und Ausbau ihrer Vertriebsmannschaft am erfolgreichsten sind, die verschiedenartige Instrumente zur Personalbeschaffung einsetzen. Nicht eine Solostimme führt zum Erfolg, sondern der Einsatz des gesamten Orchesters. Das Hauptaugenmerk muss auf den Suchprozess gerichtet werden. Gute quantitative und qualitative Suchergebnisse sind zwar nicht alles, aber ohne eine ausreichende Anzahl an Bewerbern ist alles nichts. In einem solchen Fall muss der Rekrutierungsprozess mangels Masse und Qualität abgebrochen werden. Basis für den Erfolg bei der Personalsuche ist Engagement und Kreativität der Vertriebsführungskraft. Die Gestaltung des Suchprozesses liegt in ihren Händen. Beispiel: Eine Vertriebsführungskraft verantwortet eine Mannschaft von 20 Vertriebsmitarbeitern. Die normale Fluktuation in den Vertriebsorganisationen des Fi-

60

Grundlagen des Personalmarketing

nanzdienstleistungsbereichs liegt bei ca. 10 - 20 % p.a. Das Ziel für den Vertriebsnetzaufbau liegt bei ca. 15 % p.a. Das bedeutet, die Vertriebsführungskraft muss pro Jahr alleine sechs neue Vertriebsmitarbeiter einstellen. Es handelt sich somit um eine Kernaufgabe der Führungskraft. Daher ist es auch notwendig, dass die Vertriebsführungskraft ihren regionalen und relevanten Arbeitsmarkt kennt. Im ersten entscheidenden Schritt geht es darum, geeignete zukünftige Mitarbeiter anzusprechen, sie für das Unternehmen zu interessieren und für den nachfolgenden Auswahlprozess zu motivieren. Für das Personalmarketing und die Personalansprache stehen folgende Instrumente zur Verfügung: Personalmarketing/Personalsprache x Anzeigen x Stellengesuche x Neue Medien x Direktansprache x Mitarbeiter werben Mitarbeiter x Multiplikatoren x Firmenpräsentationen x Messen x Die Bundesagentur für Arbeit Auf eine terminologische Diskussion und Abgrenzung des Begriffes „Personalmarketing“ von anderen ebenfalls gebräuchlichen Bezeichnungen wird hier bewusst verzichtet (Bröckermann 1997, 2002; Bröckermann/Pepels 2002; Bühner 1997; Reich 1992; Strutz 1992, 1993). Für die hiesige Fragestellung wird kurz und knapp unter Personalmarketing die Gesamtheit aller Maßnahmen verstanden, die auf die erfolgreiche Gewinnung neuer Mitarbeiter für ein Unternehmen gerichtet sind. Der Aspekt der Personalbindung wird hier vernachlässigt. Das bedeutet: x Image, Bekanntheitsgrad und Erscheinungsbild des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt als interessanter Arbeitgeber x Unverwechselbare Positionierung des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber x Positive Positionierung der relevanten Berufsbilder als Angebot bei der Zielgruppe x Aufnahme und Pflege von Beziehungen zu potenziellen Mitarbeitern

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing

61

x Anwerbung qualifizierter Mitarbeiter x Darstellung des eigenen Wertesystems und der eigenen Unternehmensstrategien, die das Unternehmen einzigartig machen im Sinne einer „Unique Value/ Selling Proposition“ (Detmers 2002). Bei der Realisierung dieser Ziele kann in direkt und indirekt wirkende Maßnahmen unterschieden werden. Direkt wirkende Maßnahmen sollen beim Bewerber ein direktes und spezifisches Interesse an einer Tätigkeit im Unternehmen auslösen; indirekt wirkende Maßnahmen sollen das Unternehmen als interessanten Arbeitgeber in der Öffentlichkeit darstellen und somit erst indirekt Interesse an einer Mitarbeit im Unternehmen wecken (s. Abb. C 1). Die hiesige Unterscheidung wurde gewählt vor dem Hintergrund der gezielten Gewinnung von Vertriebsmitarbeitern für expansive Vertriebsorganisationen. Sie läuft damit teilweise „diagonal“ zu anderen Differenzierungen in Gesamtdarstellungen der Literatur, etwa denen nach internen und externen Beschaffungswegen, der nach klassischen oder progressiven Beschaffungsformen (Brökelmann 2002) oder der nach den Methoden des Beschaffungskontakts (Bühner 1997). So sind beispielsweise bei Bühner (1997) die Auswertung von Stellengesuchen und die Inanspruchnahmen der staatlichen Arbeitsvermittlung passive Methoden des Beschaffungskontakts, wohingegen Öffentlichkeitsarbeit, Mitarbeiterwerbung und Direktansprachen unter den aktiven Methoden firmieren. Eingedenk des Mangels an Fach- und Führungskräften bei der Besetzung von Vertriebspositionen mit hohem Anforderungsprofil macht eine Unterscheidung nach der Wirkungsabsicht aus pragmatischen Gründen mehr Sinn. Zudem ist heutzutage ein regelrechter Medien-Mix einzusetzen, zumal die klassischen Einmalanzeigen in vielen Branchen mit Rekrutierungsproblemen nicht mehr den erhofften Erfolg bringen.

Grundlagen des Personalmarketing

62

DIREKT WIRKENDE MAßNAHMEN

INDIREKT WIRKENDE MAßNAHMEN

x Schaltung von ansprechenden Stellenan-

x Schaltung von Imageanzeigen in der Presse

zeigen (Layout und Inhalt) zur Besetzung einer bestimmten Position x x Beauftragung eines Personalberaters zur Besetzung einer bestimmten Position x

x Schaltung von Stellenanzeigen in Internet-Jobbörsen

x Bekanntgabe der offenen Positionen bei der Bundesagentur für Arbeit/bei Jobagenturen

oder anderen Medien Verfassung und Schaltung von redaktionellen Beiträgen in Zeitschriften Medienauftritte von Repräsentanten des Unternehmens

x Firmenpräsentationen vor bestimmten Zuhörerkreisen

x Ausstellung auf Personalmessen, Absolventenmessen etc.

x Direkte Ansprache von geeigneten Mitar- x Kommunikation der Alleinstellungsmerkbeitern bei Wettbewerbsunternehmen oder anderen Unternehmen

male des Unternehmens in der Öffentlichkeit

x Analyse von Stellengesuchen x Schaltung von Personalimageanzeigen in den einschlägigen bewerberrelevanten Verx Analyse von Internet-Jobbörsen öffentlichungen x Präsentation des Unternehmens vor relex Vergabe von Praktika und Diplomarbeiten vanten Bewerbern x Optimaler Rekrutierungsprozess x Nutzung der Erfolge des Unternehmens (Gewinn, Größe, Internationalität, Systeme, x Auslobung von Prämien für Programme wie „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“

Werte, Technologien etc.) für die Personalrekrutierung

Abb. C 1: Klassifizierung von Maßnahmen des Personalmarketings

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing

63

II. Instrumente der Personalsuche Nachfolgend werden die direkt wirkenden Personalmarketingmaßnahmen näher vorgestellt. Dies sind alles Maßnahmen, die von einer Vertriebsführungskraft selbstständig in Angriff genommen werden können bzw. bei denen sie in jedem Fall mitwirken kann.

1.

Anzeigengestützte Personalsuche

Die klassische Stellenanzeige, in diesem Fall das Stellenangebot  in Abhebung von einem Stellengesuch, welches auch darunter verstanden werden kann  in der Tages- oder Wochenpresse, ist in Deutschland immer noch das am meisten favorisierte Medium bei der Stellensuche. An zweiter Stelle kommt die der Nutzung von Online-Stellenmärkten, welche allerdings gegenüber dem Vorjahr um ca. 10 Prozent aufholten und dies wohl auch weiter tun dürften. Dies ergab eine von Emnid im Auftrag von Jobware durchgeführte Untersuchung (www.jobware.de, Archivierte Pressemitteilung vom 05.09.2001), die die Stellenanzeige vornehmlich bei der Altersgruppe der 30- bis 39-jährigen und darüber vorne sieht, wohingegen das Internet bei Abiturienten oder Hochschulabgängern an erster Stelle steht. Immerhin zwei Drittel aller Stellensucher verlegen sich auf Tages- und Wochenzeitungen und jeder Fünfte prüft Fachmagazine auf Stellenangebote. Stellenanzeigen sind ein teures Instrument innerhalb des Personalmarketing. Deshalb sind auch bei Stellenanzeigen Methoden zu praktizieren, die in anderen Bereichen des Marketing und der Werbung zum Erfolg führen, insbesondere eine gezielte Ansprache des potenziellen Mitarbeiters, auch auf der emotionalen Schiene. Im Zuge des gegenwärtig beschworenen „War for Talents“ auf Grund des Fach- und Führungskräftemangels sowie der demographisch bedingten künftigen Verknappung des Erwerbspersonals ist es notwendig, als Unternehmen in Stellenanzeigen seinen Arbeitsplatz gut zu „verkaufen“ (Pillat 1996) bzw. „die kulturelle Unique Value/Selling Proposition in summa zu positionieren“ (Detmers 2002). Die Vorarbeiten zur Wertebestimmung des Unternehmens und zur Spezifizierung des Anforderungsprofils (siehe Kapitel B) sind hierfür eine wertvolle Hilfe. Mit einer gezielten Stellenanzeige soll die Bewerbung von ungeeigneten Kandidaten möglichst schon im Vorfeld verhindert, geeignete Kandidaten hingegen zur Bewerbung motiviert werden. Bei der wirkungsvollen Gestaltung der Anzeige sind demzufolge neben Größe (Wertigkeit des Unternehmens/der Stelle) und Layout (Corporate Identity sowie sonstige Gestaltungsaspekte, wie auch weiße Flächen) auch gewisse Regeln bzgl. Aufbau und Inhalt zu beachten, die in der Praxis zumeist ähnlich wie in der folgenden Abbildung aussehen.

64

Instrumente der Personalsuche

Je nach Blickwinkel und dem damit verbundenen Fokus kann die Anzeige entweder in der „Wir“- oder in der „Sie“-Perspektive gehalten sein oder eine Kombination aus beidem darstellen (s. Abb. C 2). Wir sind / Sie wären bei

Aussagen zur Eigen-Darstellung des Unternehmens Idealerweise informiert ein Textbaustein über Firmenname und -logo, Philosophie, Branche, Größe, Marktstellung, Produkt- oder Dienstleistungsprogramm und Standort des Unternehmens

Wir suchen / Ihre Chance

Aussagen zur neu zu besetzenden Position Welche (ggf. Anfangs- und Ziel-) Position mit welchen Strukturmerkmalen und Funktionsgebieten ist zu welchem Eintrittstermin zu besetzen?

Wir erwarten / Sie sind

Aussagen zum stellenspezifischen und unternehmenskulturellen Anforderungsprofil Welche persönlichen Voraussetzungen und welche fachlichen und überfachlichen Qualifikationen sind gefordert?

Wir bieten / Sie erwartet

Versprechen der Gegenleistungen des Unternehmens Qualität der beruflichen Situation in der Einarbeitung und darüber hinaus  mit steigender Wertigkeit  Work-Life-Balance zur Harmonisierung mit dem Lebensstil des Bewerbers sowie die Personalentwicklung und die gemeinsamen Unternehmenswerte

Wir bitten um / Sie erreichen uns

Hinweise über Inhalt, Umfang und Weg der Bewerbung Nennung der Ansprechpartner inklusive Telefonnummer für Vorabinformationen und Angaben über das Auswahlverfahren (Einzelgespräche/Assessment Center etc.), ggf. in Verbindung mit einem Appellsatz

Abb. C 2: Formaler Aufbau und Inhalt von Stellenanzeigen in fünf Facetten

Selbstverständlich sind Abweichungen in Aufbau und Inhalt denkbar und durchaus üblich. So wird eine Werbeagentur einen kreativeren und unkonventionelleren Auftritt wählen als ein auf Seriosität bedachter Finanzdienstleister.

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing

65

Den formalen Aufbau und Inhalt einer Stellenanzeige zeigt das nachfolgende Beispiel (s. Abb. C 3). Zudem befinden sich in der Instrumentensammlung bzw. Toolbox zwei weitere Beispiele für eine inhaltlich ansprechend und vollständig formulierte Stellenanzeige (s. Toolbox I: Stellenanzeigen, S. 207).

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Im Verbund der SOLIDBANK AG Abb. C 3: Beispiel für eine Stellenanzeige

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Instrumente der Personalsuche

66

Bei der Formulierung einer Stellenanzeige sollte sich der Texter mit der Sache aus Sicht des Bewerbers identifizieren, sich seine Wünsche und Bedürfnisse, aber auch seine Befürchtungen vorstellen und auch etwas emotionale Wärme des Unternehmens zum Ausdruck bringen. Auch tut man gut daran, auf die anzeigenüblichen Gemeinplätze zu verzichten, wie zum Beispiel: x ...Power... x ...Überdurchschnittliches leisten... x ...dynamische Mitarbeiter... x ...großzügige Dotierung... x ...führende Rolle spielen... x ...professionell voll einbringen... x ...unsere Produkte setzen Maßstäbe... x ...unser Name bürgt für Qualität... x ...wir wachsen weiter... x ...gutes Betriebsklima... x ...nette Arbeitsatmosphäre... x ...Vergütung entspricht den heute hohen Anforderungen... x ...nur ernst gemeinte Zuschriften... x ...etc ... Wer viel fordert, muss auch viel bieten. Und wer als Personalverantwortlicher von Interessenten erwartet, dass sie ihn „mit ihrer Bewerbung überzeugen“, muss mehr zeigen als schablonenhafte Schlagzeilen, tabellarische Daten und austauschbare Standard-Texte. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil sich innerhalb einer Branche auch die Unternehmen für den Außenstehenden mitunter kaum mehr unterscheiden. Wenn ein Unternehmen über die Ressourcen verfügt, seine Stellenanzeigen gemäß der im Vertrieb beliebten 4-A-Formel anders als andere (erzeugt) Aufmerksamkeit bzw. analog der AIDA-Formel Attention – Interest – Desire  Action so zu gestalten, dass man sie auch noch beim Abdecken des Firmenlogos/-namens von denen des Wettbewerbs unterscheiden kann, so sollte es diese unbedingt nutzen. Sowohl auf Grund von § 611b des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wie auch der europäischen Rechtssprechung (Rs. C-180/95, NJW 1997, 1839) empfiehlt sich ei-

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing

67

ne geschlechtsneutrale Stellenausschreibung. Unabhängig davon steht es, nicht zuletzt aufgrund der eigenen Wertebestimmung, jedem Unternehmen gut zu Gesicht, eine Förderung beider Geschlechter in seinen Stellenangeboten zum Ausdruck zu bringen. Die wenigen zulässigen Ausnahmen bewegen sich außerhalb des Gegenstandsbereiches dieses Buches. Beim Schalten von Stellenanzeigen kommen je nach anvisierter Zielgruppe verschiedene Medien in Betracht, die sich sowohl hinsichtlich der Kosten als auch bezüglich diverser Nutzenaspekte (Imagefaktoren, Aktualität, Verfügbarkeit, Reichweite, Streuverluste etc.) unterscheiden. In erster Linie sind folgende Punkte zu beachten: 1.1.

Anzeigen in Tageszeitungen

x

Es sollten die vom Unternehmen vor- und freigegebenen Anzeigen-Layouts und -inhalte verwendet werden.

x

Das Schalten der Anzeigen sollte, wenn vorhanden, eine damit vertraute Organisationseinheit im Unternehmen übernehmen.

x

Das Medium und der Zeitpunkt einer Anzeigenschaltung sind gezielt auszuwählen.

x

Manche Tageszeitungen haben auch am Mittwoch einen beschränkten Stellenmarkt, dort wird man weniger übersehen als am Wochenende mit seinem umfangreicheren Stellenangebot. Andererseits kaufen gerade wegen des Stellenmarktes auch viele Nichtleser die Wochenendausgabe, was die Reichweite der Anzeige beträchtlich erhöht. Im Zweifel empfiehlt es sich daher, am Wochenende zu schalten.

x

Nicht an Wochenenden schalten, die direkt an Feiertage grenzen oder in den Ferien liegen, da sich mögliche Interessenten im (Kurz-)Urlaub befinden.

x

Es sollte versucht werden, bei der Anzeigenabteilung Einfluss auf die Positionierung der Anzeige zu nehmen. Idealerweise ist sie auf einer der ersten ungeraden (rechten) Seiten und in der oberen Hälfte platziert, da beim Umblättern der Blick des Lesers zuerst dorthin geht. Von Vorteil kann auch sein, sich über oder unter einer Anzeige einer renommierten Personalberatung unterbringen zu lassen, da diese ihre Platzierungswünsche am ehesten realisieren kann und zudem Aufmerksamkeit anzieht.

x

Die gezielte Auswahl der Tageszeitung vermeidet Streuverluste, d. h. das teilweise Verfehlen der Zielgruppe. Die Tageszeitung muss innerhalb der Region liegen, eine große Reichweite, d. h. Anzahl der Leser haben und ein anerkanntes Medium für Stellensuchende sein.

Instrumente der Personalsuche

68

1.2.

Anzeigen in Wochenblättern

Anzeigen in örtlichen Wochenblättern haben zwar eine geringe Reichweite, jedoch meist einen hohen Aufmerksamkeitswert, da sie das Informationsmedium am jeweiligen Ort sind. Die Anzeigenkosten liegen bei einem Bruchteil derer von Fachzeitschriften bzw. Tageszeitungen und bieten somit eine kostengünstige Möglichkeit der Mitarbeitergewinnung für bestimmte Regionen. 1.3.

Anzeigen in Fachzeitschriften

Vor einer Schaltung in einer Fachzeitschrift gilt es, Informationen darüber einzuholen, ob die Zeitschrift tatsächlich die gesuchte Zielgruppe auch als Leserschaft hat. Ist dies der Fall, so sind die Streuverluste gering. Zudem bleiben Fachzeitschriften auf Grund ihrer selteneren Erscheinungsweise länger aktuell und werden auch von mehreren Lesern gelesen. Die Insertionskosten liegen deutlich unter denen der großen überregionalen Tages- und Wochenzeitschriften. 1.4.

Zeitlicher Ablauf der anzeigengestützten Personalsuche

Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist nicht nur durch eine anhaltend hohe Arbeitslosenquote gekennzeichnet, sondern bekanntlich auch durch die Schwierigkeit, qualifizierte Vertriebs-, aber auch andere Positionen erfolgreich zu besetzen. Vereinfacht ausgedrückt, befinden sich die Bewerber in einem „Käufermarkt“, d. h. aus Unternehmenssicht übersteigt die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitnehmern das Angebot und der „Käufer“, der Anbieter der entsprechenden Qualifikationen für das Übermaß an freien Stellen, hat große Freiheit bei der Auswahl und Entscheidung und auch eine gute Verhandlungsposition bezüglich der Vertragskonditionen. Umso mehr spielt daher neben der Realisierung eines professionellen Rekrutierungsprozesses auch der zeitliche Ablauf eine entscheidende Rolle. Bewerber, die sich auf eine Stellenanzeige bewerben, prüfen in der Regel mehrere Alternativen und können sich mitunter durchaus die Stelle aussuchen. Folgende Regeln sind zu beachten: Der Bewerber erwartet direkt nach Eingang seiner Unterlagen einen Zwischenbescheid. x

Normalerweise gehen die Bewerbungen auf eine Stellenanzeige innerhalb von 14 Tagen nach der Anzeigenschaltung ein. Danach kommen in der Regel nur noch wenige Nachzügler.

x

Spätestens in der dritten Woche nach der Anzeigenschaltung muss der Bewerber eine Einladung zum Interview, eine Absage oder einen Anruf (telefonisches Vorabinterview) erhalten, idealerweise jedoch früher.

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing

69

x

Das erste Interview mit dem Bewerber muss in der 3., spätestens 4. Woche nach Anzeigenschaltung erfolgen.

x

Das zweite Interview muss innerhalb der darauf folgenden 14 Tage, idealerweise früher erfolgen.

x

Der gesamte Rekrutierungsprozess von der Anzeigenschaltung bis zu den Vertragsabschlüssen muss längstens innerhalb von 5 - 6 Wochen abgeschlossen sein, sonst besteht die Gefahr, dass der Bewerber abspringt.

Bei der Anzeigenschaltung ebenso wie bei allen anderen Personalsuchwegen gilt: je schneller, desto besser. Der Personalsuchprozess ist zügig, jedoch qualitativ hochwertig zu gestalten.

2.

Stellengesuche

Ein günstiges und Erfolg versprechendes Medium der Personalsuche ist die Analyse von und das Anschreiben auf Stellengesuche. Stellensuchende, die selbst inserieren, haben in der Regel eine hohe Motivation zur Veränderung oder sind augenblicklich ohne Beschäftigung bzw. in einem gekündigten Arbeitsverhältnis. Die Inserenten von Stellengesuchen haben per se keinen Makel. Ganz im Gegenteil, sind sie doch bereit, für eine berufliche Veränderung die Insertionskosten, die bei den überregionalen Tageszeitungen, je nach Größe, durchaus schon drei- bis vierstellige Eurobeträge ausmachen können, zu investieren. x Personalsuchende Vertriebsführungskräfte informieren sich zweckmäßigerweise in ihrer Region über die Tages- und Fachzeitschriften, die eine Rubrik „Stellengesuche“ unterhalten. x Sie kennen den jeweiligen Wochentag, an dem Stellengesuche erscheinen (in der Regel samstags oder mittwochs). x Sie erwerben oder abonnieren die jeweiligen Tagesausgaben. x Sie verfügen über ein Standardanschreiben, mit dem sie die Stellensuchenden, die auf das Anforderungsprofil ihrer Vakanz annähernd passen, kontaktieren können. Das Standardanschreiben auf ein Stellengesuch informiert ebenso wie eine Stellenanzeige über die fünf relevanten Facetten zur Stellenbesetzung und endet mit einem Appell. In der Instrumentensammlung im Anhang sind Musteranschreiben auf ein Stellengesuch beigefügt (s. Toolbox II: Anschreiben auf ein Stellengesuch, S. 209).

70

3.

Instrumente der Personalsuche

Einsatz neuer Medien bei der Personalsuche

In dem Maße, in dem der Umgang mit dem Internet immer alltäglicher wird, verdrängt dieses Medium in der Aktualität auch die klassischen Printmedien bei der Stellensuche in zunehmendem Maße. Jobbörsen sind elektronische Marktplätze, die Stellensuchende und Stellenanbieter zusammenführen. Personalabteilungen annoncieren zusehends ihre Stellenangebote sowohl in elektronischen Jobbörsen wie auch auf ihrer Unternehmens-Homepage. Es ist davon auszugehen, dass Jobbörsen im Internet zukünftig immer wichtiger werden. Es lassen sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Nutzung von Jobbörsen unterscheiden. 3.1.

Schaltung von Stellenanzeigen in Jobbörsen

Stellenangebote in den Jobbörsen haben formal Ähnlichkeiten mit denen in Printmedien. Häufig verlinken bzw. verweisen sie auch auf die UnternehmensHomepage, ermöglichen die Kontaktaufnahme per E-Mail oder sind gar mit unternehmensspezifischen Online-Bewerbungsformularen verknüpft. Über eine optionale Self-Assessment-Funktion kann der Bewerber online seine Qualifikation mit dem Anforderungsprofil selbst vergleichen bzw. das Unternehmen trennscharfe Suchfilter einbauen. Jobbörsen bieten bei weitaus geringeren Anzeigenkosten als bei überregionalen Tageszeitungen eine vergleichsweise hohe Reichweite bei längerer Verfügbarkeit der Anzeige. Zudem ermöglichen sie beiden Interessentenseiten kurze Reaktionszeiten. Die einschlägigen Jobbörsen sind im nachfolgenden Kapitel aufgeführt. Über die Homepages der Jobbörsen werden sowohl Nachfrager wie Anbieter von Positionen zielgerichtet navigiert. 3.2.

Recherche und Suche nach passenden Vertriebsmitarbeitern in den einschlägigen Jobbörsen

Durch die so genannte Matching-Funktion können die Jobbörsen einen besonderen Vorteil gegenüber den Printanzeigen ausspielen. Mit Hilfe dieser Suchfunktion können die Datenbanken sowohl Stellengesuche wie auch -angebote nach bestimmten Kriterien vergleichen und eine Vorauswahl vornehmen. Hierdurch kann gezielt nach Bewerbern gesucht werden, die ihr Profil in einer Jobbörse hinterlegt haben. Der Markt der Jobbörsen geht mittlerweile in die Hunderte, mit sehr unterschiedlicher Qualität. Die wichtigsten sind nachfolgend nur zur Information aufgeführt: Monster.de, Jobpilot.de, Jobware.de, Stepstone.de, Stellenmarkt.de, Stellenanzeigen.de, Jobscout24.de, Arbeitsagentur.de Mittlerweile existieren sowohl Jobbörsen für bestimmte Berufsgruppen (darunter auch Verkauf, Vertrieb, Handelsvertretung, Multi Level Marketing etc.) sowie re-

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing

71

gionale Jobbörsen und solche, auf die beides zutrifft. Da der Markt hier enorm in Bewegung ist, sollten die etablierten Suchmaschinen wie AltaVista, Google, Yahoo etc. mit entsprechenden Suchbegriffen gefüttert werden. Auch die nachfolgenden Adressen bieten Übersichten und Suchfunktionen über unterschiedliche Jobbörsen: Yahoo.de, Jobworld.de, Cesar.de, Jobs.zeit.de, Dino-online.de In letzter Zeit haben sich  häufig als Tochterunternehmen etablierter Personalberatungen  Karriereportale gebildet, deren Leistungen über diejenigen der Jobbörsen weit hinausgehen und sich zum Full-Service-Anbieter bei der Personalsuche entwickelt haben. Potenzielle Bewerber können auch mittels spezieller Suchmaschinen gezielt nach Stellenangeboten suchen lassen, ohne über die Unternehmens-Homepages oder Jobbörsen zu gehen. Vor diesem Hintergrund bietet sich Unternehmen die Chance, die Reichweite für seine Stellenangebote beträchtlich zu erhöhen, nämlich auch solche Bewerber ansprechen zu können, die unter „normalen“ Umständen auf diese Ausschreibung nicht aufmerksam geworden wären. Eine interessante Entwicklung, sowohl für den Nachfrager als auch für den Anbieter von Positionen bei Jobbörsen, zeichnet sich zurzeit durch die Bundesagentur für Arbeit ab (vgl. Stuttgarter Nachrichten vom 23. 8. 2003, Seite 1). Im Rahmen der Neuausrichtung der Bundesagentur für Arbeit (BA) wird seit dem 01.12.2003 unter der Internetadresse „www.arbeitsagentur.de“ eine online einsehbare Liste von Stellenangeboten und Stellungsgesuchen angeboten. Hauptunterschied zum alten Angebot ist, dass der Kunde nicht mehr den Umweg zur Bundesagentur für Arbeit gehen muss, sondern unmittelbaren Zugriff auf das System hat und auf alle sich in Jobbörsen befindlichen Positionen zugreifen kann. In zwei Jahren soll jeder zweite Arbeitsplatz über das Internet vermittelt werden, hofft die Bundesbehörde (vgl. Financial Times Deutschland, 01.12.2003). Ein Verantwortlicher der Bundesagentur für Arbeit schätzt, dass durch eine solche Zusammenarbeit die Zahl der Stellenangebote von derzeit 350 000 bei der BA um weitere 200 000 steigen würde. Er rechnet damit, rund 320 von 400 angesprochenen Jobbörsen für das gemeinsame Portal begeistern zu können. Augenblicklich gibt es seitens einzelner großer Jobbörsen und Printmedien noch Widerstände gegenüber der Zusammenarbeit mit der BA. Gespräche zwischen den Beteiligten und Betroffenen sind geplant. Für Nachfrager und Anbieter würde diese Zusammenarbeit jedoch entscheidende Vorteile bieten. 3.3.

Unternehmens-Homepages

Bei den meisten Unternehmen verfügen die Personalabteilungen auf den Unternehmens-Homepages über einen eigenen Bereich, um Stellenangebote publik zu ma-

Instrumente der Personalsuche

72

chen bzw. sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. So verlinken 85% der DAX- und MDAX-Unternehmen auf freie Stellen, allerdings ermöglichen bislang nur 61% von ihnen auch Online-Bewerbungen. Über spezielle Online-Bewerbungstools, über das einfache Versenden einer E-Mail, über E-Mail-Formulare oder den Verweis auf den klassischen Postweg kann die Kommunikation mit dem suchenden Unternehmen hergestellt werden. Dies ergab eine erst kürzlich durchgeführte Erhebung der Leonhardt Multimedia GmbH (www.golem.de v. 02.07.2002). Es steht aber zu erwarten, dass die überraschend stiefkindliche Behandlung des E-Recruiting, manchmal auch „E-Cruiting“ genannt, bald einer höheren Effizienz Platz machen wird. Zu hoffen ist auch, dass E-Cruiting künftig einfallsreicher sein wird als die noch häufig anzutreffende Elektronisierung des alten Personalfragebogens. Was dies betrifft, sind hier durchaus schon vom Bewerber selbst gepflegte Datenbanken in Gebrauch, mit maschineller Weiterverarbeitung im Beschäftigungsfall für ein E-HRM (Electronic Human Resource Management). Für die hiesige Fragestellung ist allerdings ist in Betracht zu ziehen, ob die „Scouting“-Methoden zur Gewinnung der High Potentials unter den Hochschulabgängern, welche einem „spielerischen“ Procedere möglicherweise durchaus zugetan sind, auch die geeigneten Verfahren sind, um berufserfahrene Vertriebsleute zu einem Wechsel zu bewegen. Jedenfalls bietet sich insbesondere den nicht so bekannten Unternehmen über ihre Homepage sowie die Verlinkung mit relevanten Suchmaschinen die Möglichkeit, potenzielle Bewerber auf sich aufmerksam zu machen. Da im Gegensatz zu anderen Medien das Personalmarketing via Internet noch relativ jung und ausbaufähig ist, ergeben sich hier für die Unternehmen wesentlich vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten, sich vom Wettbewerb abzuheben, als dies schon für die Printmedien gefordert wurde. Neben direkten, zweiseitigen Kontakt- und Diskussionsmöglichkeiten mit Unternehmensangehörigen und Personalexperten/-beratern reicht das Spektrum über Arbeitsproben oder Videoclips zur Arbeit bis zu Live-Kameras zur zeitgleichen Beobachtung von Mitarbeitern bei der Ausführung ihrer Arbeit. Selbstverständlich gelten auch für die Unternehmens-Homepage die üblichen Kriterien der Gebrauchstüchtigkeit im Internet, die sich kurz mit „form follows function“ (Inhalt vor Design-Spielereien) zusammenfassen lassen: x

schneller Seitenaufbau

x

leichte Auffindbarkeit der Stellenangebote auf der Seite

x

Aktualität der angebotenen Stellen

x

intuitiver Zugriff

x

einfache Navigation

x

keine überzogenen Techniken

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing

73

x

klare Information (KISS  keep it simple stupid)

x

den Betrachtungsgewohnheiten und Leselinien im Netz angemessen

x

u.U. zielgruppenspezifische Kanalisierung der Nutzer über spezielle Buttons durch verschiedene Positionsausschreibungen und Ebenen

x

Online-Bewerbungswege

Die Mund-zu-Mund-Werbung oder besser noch die elektronische Weitergabe positiver und negativer eigener Besuchserlebnisse von Interessenten greift hier gleichermaßen. Andererseits können sich auch Unternehmen „Best Practices“ bei prämierten oder sich sonst wie hervorhebenden Homepages abschauen oder als Anregung holen. Bei einem von Natur aus schnellen Medium kann ein Unternehmen durch Verstöße dagegen, etwa durch Nichtlöschen veralteter Stellenangebote oder dem Medium nicht angemessene lange Responsezeiten erhebliche Imagenachteile davontragen. Hinsichtlich der Reaktionsgeschwindigkeit und -zuverlässigkeit selbst bei maschinell erstellten Eingangsbestätigungen sowie Zwischenbescheiden und schließlich Absagen sind bei vielen Unternehmen noch Optimierungsmöglichkeiten gegeben. Der ansonsten schnelle elektronische Weg findet hier oftmals unnötige Wartezeiten. Auch scheint eine physisch auf dem Schreibtisch liegende Bewerbung den Personalverantwortlichen psychologisch zu einer fokussierteren Bearbeitung zu verleiten als eine weitere Zeile in seinem E-Mail-Postfach. Insbesondere dann, wenn E-Bewerbung lediglich heißt, dass der Bewerber seinen Kopieraufwand aufs Unternehmen verlagert. Viele Bewerber beklagen jedenfalls eine noch schlechtere Behandlung als über den klassischen schriftlichen Bewerbungsweg, andererseits bietet sich hier auch eine Möglichkeit, als Unternehmen durch schnelle ResponseZeiten zu zeigen, wie wichtig interessierte Bewerber genommen werden.

4.

Die Bundesagentur für Arbeit

Der Einsatz der Bundesagentur für Arbeit als Weg zur Beschaffung von Mitarbeitern ist sicherlich nicht unumstritten. Viele Unternehmer klagen darüber, dass die Mitarbeiterqualifikation, die sie suchen, über die Bundesagentur für Arbeit nicht zu bekommen ist. Trotzdem ist es ein Weg, der ohne großen Aufwand gegangen werden kann, zumal die im Rahmen der Strukturkrise in der Bankenlandschaft freigesetzten Arbeitskräfte gehalten sind, sich aus versicherungstechnischen Gründen zumindest vorübergehend Arbeit suchend bzw. arbeitslos zu melden. Der Einsatz der Bundesagentur für Arbeit ist ein Mosaikstein im Bild der vielfältigen Maßnahmen, die bei der erfolgreichen Suche und Auswahl von Mitarbeitern eingesetzt werden sollen. Der Bundesagentur für Arbeit kommt die Funktion eines Maklers zu, der zwei potenzielle Vertragsparteien nur zueinander bringt und keine nennenswerten Kosten verursacht. Die Arbeitsämter verfügen immer noch über

74

Instrumente der Personalsuche

die größte Auswahl an Stellenangeboten und sind auch bei Online-Benutzern sehr gefragt. Prinzipiell besteht die Möglichkeit, einerseits die offenen Positionen zu melden, andererseits die dort gemeldeten Stellensuchenden zu selektieren. Ein Beratungsgespräch bei der Bundesagentur für Arbeit der Region ist schnell vereinbart. Die Adresse und weitere Informationen erhält man im Internet unter www.arbeitsagentur.de. Gegenwärtig findet eine Reorganisation der Bundesanstalt für Arbeit und ihrer nachgeordneten Dienststellen einschließlich einer Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Personalagenturen statt. Zwischenzeitlich wurde auch ein verabschiedeter Masterplan zum Reformkonzept vorgestellt, der mehr Wirtschaftlichkeit, schnellere Vermittlung, bessere Integrationschancen und höhere Beschäftigungsfähigkeit erzielen soll (vgl. F.A.Z.  Gespräch vom 10.07.2003 mit Florian Gerster, dem früheren Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit). Der Masterplan sieht eine Einteilung der Erwerbslosen in drei Kundengruppen vor: x

Marktkunden: Das sind solche mit guten Aussichten auf eine neue Beschäftigung, die sich aus eigenem Antrieb leicht selbst um eine neue Stelle kümmern können und häufig, ohne zeitliche Unterbrechung, auch eine finden. Der virtuelle Arbeitsmarkt, eine Online-Zusammenschau aller Stellenangebote, soll dabei helfen. Um sich dieses Potenzial zu erschließen, tun Unternehmen gut daran, hier mit ihren Angeboten und Suchstrategien präsent zu sein.

x

Beratungskunden: Das sind solche mit mittleren Chancen, die wichtigsten Kunden der Bundesanstalt für Arbeit, die eine umfangreiche Beratung erhalten sollen und vor dem Abgleiten in die Langzeitarbeitslosigkeit bewahrt und zu mehr Eigeninitiative aktiviert werden sollen. Ein für Unternehmen durchaus in Betracht zu ziehendes Reservoir, ggf. unter Nutzung der entsprechenden staatlichen Fördermaßnahmen.

x

Betreuungskunden: Das sind jene, die schon lange Zeit arbeitslos gemeldet sind und für die Trainings- und Integrationsmaßnahmen angedacht sind. Mit der Entwicklung von konkreten Maßnahmen wird eine neue Abteilung in Nürnberg betraut werden. Auch bei dieser Gruppe ist zu überlegen, ob eine Beschäftigungschance nicht neue Motivationsschübe auslösen kann.

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing

75

Darüber hinaus wird auch das Dienstleistungsangebot für Arbeitgeber verbessert, mit sofortiger Auftragsbestätigung, Vereinbarung einer maximalen Zahl von Vermittlungsvorschlägen, Aktualisierung der Stellenangebote alle vier Wochen, Vorauswahl der Bewerber, Rückfragen nach sechs Monaten etc. Eine weitere zu beobachtende Facette ist die neu geschaffene Ich-AG. Dieses Modell unterstützt vormals Arbeitslose mit Fördermitteln und Know-how auf dem Weg in die Selbständigkeit. Speziell für Vertriebsorganisationen, die auf Basis § 84 HGB strukturiert sind, kann sich dieses Modell zu einem interessanten Rekrutierungsansatz entwickeln. Es bleibt abzuwarten bzw. aufmerksam zu beobachten, ob das mit der Reform verbundene Bekenntnis zu mehr Effizienz und Kundenorientierung auch faktisch, über die Einführung englischsprachiger Begriffe wie „Job-Center“ und „ServiceCenter“ etc. hinaus, wahr gemacht und das ehrgeizige Ziel bis 2005 erreicht werden kann. Andererseits bietet sich Unternehmen auch die Chance, mit eigenen Nutzenerwartungen dieses Vorhaben frühzeitig unterstützend zu begleiten.

5.

Die direkte Ansprache zukünftiger Vertriebsmitarbeiter

Eine weitere direkt wirkende Personalmarketingmaßnahme ist, wie der Begriff schon sagt, das direkte Ansprechen künftiger Mitarbeiter. Dabei sind einige Besonderheiten zu beachten. 5.1.

Grenzen und Gefahren der direkten Ansprache von zukünftigen Vertriebsmitarbeitern

Die gezielte Direktansprache von  dem Kontaktierenden in der Regel selbst nicht bekannten  Mitarbeitern eines Wettbewerbers, das so genannte „Abwerben“ bleibt einem Unternehmen, das sich nicht unlauterer Wettbewerbsmethoden schuldig machen will, auf Grund juristischer Schranken sowie eines möglichen Imageschadens weitgehend versagt. Jedenfalls dann, wenn dies in großem Stil zum Nachteil eines Wettbewerbers betrieben wird, u. U. gar mit Verleitung zum Vertragsbruch. Der Einzelfall eines Wechselwilligen, der sein altes Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß beendet, dürfte in der Regel nicht unlauter sein. Häufig hilft man sich durch Einschaltung einer dritten Instanz zur Kontaktanbahnung. Dies erfolgt meist durch eine auf Direktansprache ausgerichtete Personalberatungsgesellschaft. 5.2.

Die Suche über Direct-/Executive-Search-Gesellschaften

Die professionelle Direktansprache bei der Suche und Auswahl von Fach- und Führungskräften von potentiellen Mitarbeitern, auch „Headhunting“ genannt, erfolgt vornehmlich durch Direct- oder Executive-Search-Gesellschaften. Die Direktsuche ist ein aufwändiges Verfahren, in dem die relevanten Zielgruppen (Bran-

Instrumente der Personalsuche

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chen, Funktionsträger) systematisch durchleuchtet werden. Durch das Instrument der Direktsuche werden in der Regel nur Mitarbeiter angesprochen, die noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen. Durch die Direktansprache werden Arbeitnehmer durch ein neues Angebot zum Wechseln motiviert. Ausschlaggebend sind dann Verdienstmöglichkeiten, Arbeitsinhalte, Rahmenbedingungen, positiv besetzter Name des neuen potenziellen Arbeitgebers, Aufstiegsmöglichkeiten, Marktführerschaft des neuen Unternehmens, Unternehmenswerte, Unternehmensstrategie etc. und zunehmend häufiger auch Aspekte der Work-Life-Balance. 5.3.

Aufgaben der Vertriebsführungskraft bei der direkten Ansprache von zukünftigen Vertriebsmitarbeitern

Die systematische Direktansprache gemäß dem Vorgehen der Executive-SearchGesellschaften kann eine Vertriebsführungskraft naturgemäß nicht selbst anwenden, allerdings sollte sie den Markt ihrer potenziell möglichen Mitarbeiter in ihrer Region kennen und diesen auch transparent machen. Überhaupt ist es eine der herausragenden Aufgaben einer jeden Vertriebsführungskraft, im Rahmen der Wettbewerbsbeobachtung auch die Mitarbeiter von Mitbewerbern im Markt zumindest namentlich zu kennen und sich ein „Notizbuch“ darüber anzulegen. Personen, die man persönlich kennt oder mit denen man sich durch Kollegen bekannt macht oder machen lässt, können durchaus unverbindlich angesprochen werden. Die nachfolgenden Vorgehensweisen helfen dabei, diejenigen Mitarbeiter von Wettbewerbern bzw. von Finanzdienstleistungsagenturen in der eigenen Region bzw. in den Teilregionen zu identifizieren, in denen Positionen zu besetzen sind: x

Auswertung von Werbeanzeigen von Finanzdienstleistern in der Presse

x

Besuch von Banken, die auch Finanzdienstleistungskooperationen unterhalten (Frage nach den Bauspar-, Vermögens-, Vorsorge- bzw. Versicherungsberatern)

x

Analyse des Branchentelefonbuchs bzw. des Telefonbuchs

x

„Organisation“ von Verzeichnissen, in denen geeignete Kandidaten geführt werden

x

„Organisation“ von Telefonbüchern

x

Sich bei bestehenden Kunden über deren Zufriedenheit mit ihren früheren oder noch aktuellen Versicherungsvertretern erkundigen und nach Name und Anschrift fragen.

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing

77

x

Anfragen nach Produktinformationen über das Internet an Wettbewerber richten. In der Regel wird dann ein Ansprechpartner für die Region genannt bzw. es erfolgt eine direkte Kontaktaufnahme durch ihn.

x

In die Kundenrolle wechseln und bei den Wettbewerbsgesellschaften Informationsmaterial anfordern (siehe Hinweis Internet).

x

Eine ideale Zielgruppe sind Finanzdienstleister, die ein im weitesten Sinn ähnliches Konzept verfolgen wie das eigene Unternehmen.

Wichtig: Bei der direkten Ansprache durch die Vertriebsführungskraft sind natürlich diejenigen Organisationen auszuschließen, deren Mitarbeiter auf Grund von Kooperationen, strategischen Allianzen oder sonstigen Geschäftsbeziehungen des eigenen Unternehmens, nicht angesprochen werden sollten. Bei der Ansprache einer bekannten Person macht es sich gut, nicht „direkt mit der Tür ins Haus zu fallen.“ Als Gesprächsaufhänger bei der telefonischen Kontaktaufnahme bietet sich der Wunsch nach einem Kennen lernen des Branchenkollegen vor Ort bzw. der Wunsch nach einem Austausch unter Kollegen (Expertenrunde) an. Genauso besteht die Möglichkeit, nach Erfahrungen bei bestimmten Fachthemen (z.B. Riester-Rente) zu fragen. Im persönlichen Gespräch kann dann der Ansprechpartner über das eigene Anliegen konkret informiert werden. Bei Personen, die einem gut bekannt sind, kann man auch am Telefon schon konkret werden. In der Instrumentensammlung bzw. Toolbox befindet sich ein Leitfaden, der bei der Direktansprache eingesetzt werden kann. Damit können die relevanten K/O-Kriterien abgefragt werden (s. Toolbox III: Leitfaden zur direkten Ansprache zukünftiger Vertriebsmitarbeiter, S. 211). Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, dass bei der direkten Ansprache von Branchenkollegen immer die Gefahr des Verstoßes gegen das Gesetz des unlauteren Wettbewerbs und des Entstehens eines Imageschadens für das eigene Unternehmen besteht. Deshalb wird das Instrument der Direktansprache bei fremden Personen auch in der Regel von Personalberatern eingesetzt. Es existieren aber durchaus Kombinationsmöglichkeiten zwischen der Identifizierung potenzieller Kandidaten durch die Vertriebsführungskraft und der anschließend erfolgenden Ansprache durch einen Personalberater.

78

6.

Instrumente der Personalsuche

Mitarbeiter werben Mitarbeiter

Seit jeher kommt den Kontakten von Unternehmensangehörigen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bei der Anwerbung neuer Mitarbeiter zu. Unzählige kleinere, mittlere und auch größere Unternehmen, Tendenzbetriebe wie Caritas und Diakonie sowie Non-Profit-Organisationen rekrutieren ihr Personal auch auf diesem Wege. Es ist nicht nur ein besonders wirksamer Rekrutierungsweg, sondern zugleich ein überaus preiswerter. Je besser der Ruf und je beispielhafter die Philosophie des Unternehmens, desto leichter dürften Vakanzen über Mitarbeiterempfehlungen zu besetzen sein. Zum einen sind bestehende Mitarbeiter gute Fürsprecher für ein Unternehmen, zum anderen kennen sie durch persönliche Netzwerke oder aus Ausbildung, Studium oder früheren Beschäftigungsverhältnissen Personen, die zu den Vakanzen passen. Zudem haben die eigenen Mitarbeiter auch ein Gespür dafür, wer mit Unternehmenskultur und Betriebsklima vereinbar sein könnte. Eigene Mitarbeiter gehen in der Regel auch nicht leichtfertig mit ihren Empfehlungen um. Häufig werden den Mitarbeitern für erfolgreiche Rekrutierungen auf dem Empfehlungswege auch Incentives geboten, zumal das Unternehmen sowohl Insertionskosten als auch Bearbeitungsaufwand gegenüber einer normalen Stellenausschreibung spart. Das Zahlen von Prämien ist rechtlich nicht ganz unproblematisch, kann es doch durchaus als nicht zulässige private Arbeitsvermittlung gesehen werden. Insbesondere dann, wenn der Einzelfall überschritten wird und das mit Prämien vergütete Beschaffen von Kandidaten überhand nimmt. Nichtsdestoweniger fanden sich besonders in der Ära der „New Economy“, aber auch vielfach noch heute, Beispiele für wie auch immer deklarierte „Kopfgelder“. Zur Risikominimierung des Arbeitgebers werden die Prämien vielfach in mehreren Tranchen ausbezahlt: x Nachdem ein Mitarbeiter den Kandidaten zur „normalen“ Bewerbung ermuntert hat und sich selbst als „Tippgeber“ zu erkennen gibt x Nachdem der Bewerber einen Arbeitsvertrag unterzeichnet hat x Nachdem der Bewerber die Position angetreten hat x Nachdem der neue Mitarbeiter nach der Probezeit das Arbeitsverhältnis fortsetzt x Nachdem der Mitarbeiter nach einem bestimmten Zeitraum noch dem Unternehmen angehört Dem Vorteil der Verbesserung des Betriebsklimas durch diese Binnenrekrutierung steht jedoch die Gefahr der Cliquenbildung gegenüber. Enttäuschte Tippgeber bei Nichteinstellung des Empfohlenen reagieren jedoch zumeist positiv auf offenes Feedback zu den ausschlaggebenden Gründen.

C. Einsatz von Maßnahmen des Personalmarketing

7.

79

Externe Unternehmensmultiplikatoren

Ein weiterer Erfolg versprechender Rekrutierungsansatz ist die Zusammenarbeit mit externen Partnern des eigenen Unternehmens. Dies können nebenberufliche Vermittler, Vertreter von Produktgebern, Kooperationspartner, Vertreter befreundeter Banken oder auch Kollegen aus angrenzenden Regionen sein. Vielfach gehen bei den Partnern qualifizierte Bewerbungen ein, für die dort keine Verwendung besteht, die jedoch für den eigenen Bereich von Interesse sein können. Vielfach besteht bei den externen Partnern Know-how über den relevanten Arbeitsmarkt, das für die eigenen Rekrutierungsaktivitäten genutzt werden kann. Wie schon beschrieben, sind diese Partner nicht selbst auf die Übernahme einer Tätigkeit anzusprechen, sondern um Mithilfe zu bitten. Oftmals haben diese externen Partner auch selbst ein Interesse daran, dass bei ihrem Partner leistungsstarke Vertriebsmitarbeiter arbeiten. Je nach eigener Unternehmenssituation können auch hier Prämien für die erfolgreiche Unterstützung bei der Rekrutierung ausgelobt werden.

8.

Abgelehnte Bewerber und Bewerberabsagen

Ein häufig verkanntes Rekrutierungspotenzial sind Bewerber, denen abgesagt wurde oder die auch selbst abgesagt haben. Da diese den Rekrutierungsprozess mehr oder weniger lang durchlaufen haben und dabei fair und professionell behandelt wurden, kommen sie durchaus als Empfehlungsgeber in Frage. Zudem kennen sie zwischenzeitlich die Anforderungen an die zu besetzende Position und das suchende Unternehmen. Diese Bewerber kommen in der Regel aus dem relevanten Markt bzw. der Branche und kennen somit auch weitere potenzielle Bewerber, die auf anderem Wege möglicherweise gar nicht erreicht werden können. Wie bei den externen Unternehmensmultiplikatoren ergibt sich auch hier die Möglichkeit der Schaffung finanzieller Anreize.

9.

Firmenpräsentationen und Kolloquien

Für Firmenpräsentationen gibt es eine Reihe von Anlässen. Diese können persönlich durch einen Vortrag, aber auch durch eine sonstige Werbeveranstaltung durchgeführt werden. Als Aushang kommen Stellenanzeigen für die freien Positionen in Frage. Insbesondere Bildungsinstitutionen und -träger sind daran interessiert, Unternehmen kennen zu lernen. Hier bieten sich Informationsnachmittage, Tage der offenen Tür in Verbindung mit Kurzvorträgen und Aufzeigen der Karrieremöglichkeiten zu vertretbaren Kosten bei geringen Streuverlusten an. Möglichkeiten zur Durchführung von Firmenpräsentationen für Finanzdienstleister in der Region können sein:

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Instrumente der Personalsuche

x Präsentation vor Abschlussklassen von Weiterbildungsprogrammen für Finanzdienstleister (Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien (VWA), Berufsakademien (BA), Versicherungs- und Bankfachwirte etc.) x Präsentation vor berufsständischen Vereinigungen x Präsentation vor Teilnehmern geförderter Weiterbildungsmaßnahmen x Präsentation vor relevanten Zielgruppen der Industrie- und Handelskammern (IHK) Als Grundlage der Präsentation können Bewerberinformationen verwendet werden, die für diese Zwecke im Unternehmen zuvor erstellt worden sind.

10. Messen In Zeiten starker Fokussierung auf private Vorsorge finden sich in jeder Region Messen, die im weitesten Sinne mit Finanzdienstleistung zu tun haben. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von regionalen und überregionalen Messen für Finanzdienstleister, aber auch in angrenzenden Bereichen, wie z. B. Immobilien- oder Verbrauchermessen. Hier bietet sich einerseits die Möglichkeit, aktiv potenzielle Mitarbeiter anzusprechen und andererseits über einen Messestand auf Leistungen für die eigenen Kunden, aber auch auf die Möglichkeiten für potenzielle Mitarbeiter aufmerksam zu machen. Es dürfte deutlich geworden sein, dass in der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation nur ein Mix der verschiedenen Ansprachestrategien zum gewünschten Erfolg bei der Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern verhilft. Gerade bei den indirekt wirksamen Personalmarketingmaßnahmen lässt sich konstatieren: Je ernsthafter eine Vertriebsführungskraft unter Einbezug des eigenen Teams ihr Scouting oder ihr Beziehungsmanagement betreibt und aktuell hält, desto eher kann auf kostenträchtige Instrumente der Personalsuche verzichtet werden und umso zügiger können offene Stellen besetzt werden. Letztendlich hat eine Vertriebsführungskraft vor allem auch die Aufgabe, ihren relevanten Bewerbermarkt stets zu beobachten und an allen Fäden der Personalsuche zu ziehen. Je höher das eigene Engagement, desto größer wird der Erfolg bei der Personalsuche ausfallen.

D. Die Bewerbervorauswahl Erfolgreiche Personalauswahl wird selbst mit den besten eignungsdiagnostischen Methoden nur bei einer ausreichend großen Anzahl von qualifizierten Bewerbern gelingen (Schuler 2003) sagen die einen. Personalverantwortliche schwärmen demgegenüber mitunter vom Idealfall einer Stellenbesetzung, demzufolge eine Stelle so spezifisch ausgeschrieben wird, dass sich darauf, überspitzt formuliert, nur ein Bewerber meldet, jener, der dem Wunschkandidaten am ähnlichsten sieht (Tangermann 1989). In einem solchen Fall hätten sich bereits die Suchaufwendungen rentiert. Die Vorarbeiten für ein inhaltlich präzises und auch emotional ansprechendes Stellenangebot (Stellenbeschreibung und Anforderungsprofil) sind in den zurückliegenden Kapiteln dargestellt worden, um von daher den Trichter ausreichend weit, aber das Sieb engmaschig genug zu machen. Dennoch bleibt eine solche „Mosaiksteinchen“-Rechnung der Suche nach dem einen fehlenden Teilchen nicht nur illusorisch, sondern wird auch der menschlichen Psyche nicht gerecht. Zum einen lesen nämlich Interessenten die Stellenangebote oftmals nicht gründlich genug oder durch ihre persönliche Brille (der Selbstein-/-überschätzung), so dass zahlreiche Bewerbungen eingehen. Zum anderen tun sich Entscheider, seien es nun Personalverantwortliche oder Vertriebsführungskräfte, letztlich leichter, wenn sie  konflikttheoretisch gesehen  die Qual der Wahl haben, als wenn nur ein Kandidat zur Verfügung stünde, und wäre er auch noch so gut. Auch hierfür liefert die Psychologie plausible Erklärungen.

82

Zur Psychologie des Entscheidungsverhaltens bei der Bewerbervorauswahl

I. Exkurs: Zur Psychologie des Entscheidungsverhaltens bei der Bewerbervorauswahl Innerhalb der Sozialpsychologie befassen sich u.a. die soziale Vergleichstheorie (Festinger 1954), die Theorie der Kognitiven Dissonanz (Festinger 1958), die Theorie der psychologischen Reaktanz (Bem 1966) und die Austauschtheorie (Thibaut/Kelley 1959; Jones/Gerard 1967; Homans 1968) damit, über das Anstellen von Vergleichen, Elementarformen sozialen Verhaltens zu erklären. Einige Grundgedanken dieser Ansätze sind für das psychologische Verständnis der Entscheidungsprozesse bei der Auswahl von Bewerbern instruktiv, was übrigens auch aus Sicht des Bewerbers für seine Entscheidung gilt. Aus diesen Gründen wird hier kurz darauf eingegangen. Die Theorie des sozialen Vergleichs (Festinger 1954) postuliert ein Grundbedürfnis des Menschen, sich selbst, seine Meinungen und Fähigkeiten, zu bewerten. Gelegentlich wird dieses Bestreben ausgeweitet zu einem allgemeinen Bedürfnis nach kognitiver Klarheit. Mit anderen Worten, man will wissen, wie gut man ist  absolut und im Vergleich zu anderen. Stehen dem Menschen für seine Bewertung keine objektiven Maßstäbe zur Verfügung, wie in manchen Disziplinen des Sports, wo im cgs-System  Zentimeter, Gramm, Sekunden oder Erweiterungen davon  objektiv gemessen wird, strebt er danach, sich mit anderen zu vergleichen. Dabei bevorzugt er solche Personen, deren Fähigkeiten und Meinungen nicht zu weit von den eigenen entfernt sind. Erst durch die Gegenwart anderer wird ein sozialer Vergleich überhaupt möglich. Wenn auf Dauer weder eine objektive Bewertung noch ein sozialer Vergleich möglich ist, wird die subjektive Evaluation der eigenen Meinungen und Fähigkeiten instabil, man beginnt an sich zu zweifeln. Bei der Begutachtung von Bewerbungen mag der Beurteiler möglicherweise auch Vergleiche zu seiner eigenen Person ziehen. Entscheidender ist jedoch, dass er sein Bedürfnis zum sozialen Vergleichen hier bei der Vorauswahl und Bewertung von Stellenbewerbern stellvertretend an anderen Personen befriedigen kann. Dies dürfte deutlich machen, dass der fromme Wunsch vieler Personalfachleute nach nur einem einzigen und zugleich optimalen Bewerber allenfalls noch dann zum Tragen kommt, wenn auf dem Empfehlungswege, wie z. B. Mitarbeiter werben Mitarbeiter, oder über die direkte Ansprache eine Stelle unbürokratisch und rasch besetzt werden kann. Aber auch hierbei wird nicht aus jedem Kandidaten automatisch ein Mitarbeiter. Festinger (1958) ist vielen auch von der Theorie der kognitiven Dissonanz her bekannt. Darin beschreibt er, dass der Mensch eine Harmonie bzw. Konsonanz zwischen den drei Komponenten einer Einstellung herzustellen sucht  der kogniti-

D. Die Bewerbervorauswahl

83

ven, der affektiven bzw. emotionalen und der verhaltensmäßigen Komponente. Auf den Bewerbungskontext bezogen: Der Bewerber bringt fachlich die besten Voraussetzungen mit (kognitive Komponente, im Volksmund „Kopf“), er ist sympathisch bzw. passt menschlich zum Unternehmen (affektive Komponente, im Volksmund „Bauch“) und Konsonanz entsteht durch das Vertragsangebot (verhaltensmäßige Komponente, im Volksmund „Hand“). Sind die ersten beiden Komponenten im Gleichklang und verhält man sich konsequent, dann bleibt die Entscheidung Konsonant. Kommt eine Komponente ins Missverhältnis zu den anderen  man mag den Bewerber, aber er ist fachlich nicht der Beste oder umgekehrt  dann entsteht beim Entscheider ein Spannungszustand (kognitive Dissonanz), den er zu reduzieren trachtet, indem er wieder eine Balance herzustellen versucht. Dies geschieht entweder durch Neubewertung hinsichtlich der abweichenden oder der verbleibenden Komponente (so sympathisch/fachlich überzeugend ist der Bewerber nun auch wieder nicht) und Änderung in Richtung Gleichklang (hier: der Absage). Oder durch weitere bzw. gezielte Informationssuche (nach nochmaliger Durchsicht seiner Unterlagen entdeckt man weitere Ablehnungspunkte des Bewerbers), die die Entscheidung harmonisieren. Eine besondere Form des Spannungszustandes  die psychologische Reaktanz (Bem 1966)  ist so ähnlich, stellt sich aber erst nach der getroffenen Entscheidung ein. Jeder Verkäufer kennt diese psychologische Situation seiner Kunden direkt nach der getroffenen Kaufentscheidung. Dann ist nämlich die bis dahin bestehende Wahlfreiheit des Kunden, auch nicht kaufen zu können, durch die Entscheidung nun nicht mehr gegeben. Und Reaktanz bezeichnet die Tendenz, die ausgeschlossene Alternative, in diesem Falle nicht zu kaufen, im Nachhinein zu favorisieren, um die bedrohte Wahlfreiheit psychologisch wieder herzustellen. Der Entscheider in Personalfragen wiederum kennt die Situation, dass ein schon abgelehnter Bewerber ihm im Nachhinein auf einmal doch wieder geeignet erscheint. Damit ihn dies nicht auf Dauer belastet, wird auch er versuchen, durch Neubewertung oder Informationssuche seine Entscheidung im Nachhinein zu harmonisieren. Die psychologische (Thibaut/Kelly 1959) und auch soziologische (Homans 1968) Austauschtheorie versucht, soziales Verhalten über wirtschaftliche Kategorien zu erklären. Danach hängt die Bildung und Aufrechterhaltung einer Beziehung von drei Aspekten ab: x Antizipation von Kosten und Nutzen aus der Beziehung, x Inspektion des Angebots an alternativen Möglichkeiten an Beziehungen, x Berechnung und Entscheidung für die günstigste Alternative. Die Berechnung und Entscheidung erfolgt nach zwei Kriterien, die als Vergleichsniveaus bezeichnet werden. Das allgemeine Vergleichsniveau (VN) stellt alle be-

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Zur Psychologie des Entscheidungsverhaltens bei der Bewerbervorauswahl

kannten bereits eingetretenen oder symbolischen Konsequenzen dar. Gegen diesen Standard wird geprüft. Es entspricht etwa einem „Wie preiswert habe ich diesen Artikel schon mal gekauft?“ oder „Wie viele gute Bewerber hatten wir bei unserer besten Bewerberrunde, von denen wir anschließend viele übernommen hatten?“ Das Vergleichsniveau für Alternativen (VNalt) repräsentiert die wahrgenommenen Konsequenzen der Beziehung, die zur aktuellen in Konkurrenz steht. „Wie preiswert kann ich diesen Artikel hier und heute kaufen?“ oder „Wer kommt unter den verbleibenden Kandidaten noch am ehesten an denjenigen heran, den wir schon in der engeren Wahl haben?“. Es kommen nur Alternativen in einem bestimmten Einzugsbereich in Frage, z. B. Kandidaten, bei denen kein Umzug ansteht oder keine Zusatzausbildung finanziert werden muss etc., da ansonsten die Kosten zu hoch sind. Im Übrigen läuft der Entscheidungsprozess beim Bewerber, der mehrere Angebotsalternativen hat, nach ähnlichen Mustern ab: „Wie verhält sich das hiesige Angebot zum besten, das ich jemals hatte?“ oder „Welches Angebot ist unter den gegenwärtigen Bedingungen das attraktivste, wenn ich nicht länger suchen will?“ Ob nun jemand eine neue Beziehung aufnimmt oder in der alten bleibt, hängt von seiner erwarteten Kosten-Nutzen-Kalkulation ab. Bei einem Berechnungsergebnis der bestehenden Beziehung über dem VNalt bleibt man in der Beziehung, z. B. auch im bestehenden Arbeitsverhältnis. Je höher das Ergebnis der bestehenden Beziehung über dem der Alternative (VNalt) liegt, desto stärker ist auch die Abhängigkeit von dieser Beziehung. Das allgemeine Vergleichsniveau (VN) gibt demgegenüber das Ausmaß der Attraktivität und Zufriedenheit mit der Beziehung an. Trivial gesagt: Ein Stellenangebot für einen Bewerber, das besser ist als alles Bisherige, ist attraktiv, ein Angebot, das nicht so gut abschneidet wie sein gegenwärtiges, macht ihn gegenüber diesem abhängig. Aus Sicht des Unternehmens ist ein besserer Kandidat als der bisherige Stelleninhaber oder die bisherige erste Wahl attraktiv, ein schlechterer als derjenige, dem schon ein Angebot gemacht wurde, macht von ersterem abhängig. Neben der Tatsache, dass Wert und Bedeutung von Kosten und Nutzen sich über die Zeit verändern können, kann jeder Beteiligte auch versuchen, die Ergebnisse der Interaktion taktisch zu manipulieren, etwa über Vergrößerung der Verluste für den anderen oder durch den Versuch, die eigenen Belohnungen durch wohlgefälliges Verhalten gegenüber dem anderen zu erhöhen. Vor dem Hintergrund der psychologischen Prozesse des Vergleichens, des Bewertens der Alternativen, der Verschiebung dieser Bewertung nach einer Entscheidung und den Harmonisierungsbemühungen, um mit der eigenen Entscheidung leben zu können, was sich übrigens auf Seiten beider beteiligter Parteien abspielt, werden die einzelnen Schritte bei der Vorauswahl besser verständlich.

D. Die Bewerbervorauswahl

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II. Die Vorauswahl Nach der Personalsuche beginnt mit der Vorauswahl die zweite Stufe im Rahmen der Personalbeschaffung. Mit dem Eingang der ersten Bewerbung beim Unternehmen bzw. schon mit dem möglicherweise vorher erfolgenden telefonischen Erstkontakt startet ein Prozess der Interaktion bzw. des Dialogs, der über diverse Prozessstufen verläuft. In einem Fall steht am Ende die Überführung in einen weiteren Prozess (Bewerberauswahl), im anderen der Prozessabbruch mit Absage und ggf. Rücksendung der überlassenen Unterlagen. Auf jeder Stufe der Vorauswahl steht für Unternehmen wie Bewerber eine Menge auf dem Spiel, haben sie doch jeweils gewisse Umstände auf sich genommen, um miteinander in Kontakt zu kommen und der Ausgang bestimmt wesentlich die weitere Entwicklung beider Beteiligten. Über die Maßnahmen der Vorauswahl will das Unternehmen geeignete Bewerber identifizieren und in einen mehrstufigen Filterprozess einspuren, der trennscharf die „Spreu vom Weizen“ auseinander halten soll. Organisatorisch sind Effizienzgesichtspunkte, notwendige Sorgfalt, auch im Umgang mit den überlassenen Unterlagen, und Außendarstellung des Unternehmens, wozu auch eine Achtung des sich üblicherweise im Mittelpunkt des Prozesses wähnenden einzelnen Bewerbers zählt, zusammenzubringen. Dies stellt insbesondere für die Vertriebsführungskraft, welche die Vorauswahl in der Regel neben dem Tagesgeschäft zu betreiben hat, eine herausfordernde Aufgabe dar. Vor diesem Hintergrund ist das hier präsentierte Vorgehen bei der Vorauswahl zu sehen  im Unterschied zu Verfahren, die in zentralen Personalabteilungen von Großunternehmen oder Personalberatungen gängig sind. Nachfolgend wird auf den Prozess der Vorauswahl näher eingegangen. Dabei werden die folgenden aufeinander aufbauenden Stufen näher betrachtet: x Telefonischer Erstkontakt x Analyse der Bewerbungsunterlagen x Exkurs: Analyse der Arbeitszeugnisse x Vorab-Telefoninterview x Interviewleitfaden/Bewerberbogen

86

1.

Die Vorauswahl

Die Vorauswahl aus Sicht des Unternehmens

Der schon mehrfach erwähnte geteilte Arbeitsmarkt  hohe Arbeitslosigkeit versus Fach- und Führungskräftemangel  zieht auch bei sorgfältiger Ausschreibung vielfach eine große Zahl an Bewerbungen an. Jetzt kommt es darauf an, aus der Quantität die Qualität herauszulesen. Mitunter ist die Ausbeute auch gering, zumal dann, wenn lediglich die anzeigengestützte Suche eingesetzt wurde. Um dies zu verhindern, muss die Vertriebsführungskraft den gesamten Mix an Personalsuchmaßnahmen zielgerichtet einsetzen. Für das Unternehmen ergibt sich überdies noch der Anspruch, sich im Rahmen seines Personalmarketings auch gegenüber denjenigen Bewerbern, die dem Stellenprofil wenig oder gar nicht entsprechen, als sympathisches Unternehmen darzustellen. Dieses zu leisten ist mitunter sehr herausfordernd. Gerade dann, wenn es ein Personalverantwortlicher mit einer aus seiner Sicht womöglich völlig überflüssigen und nur unnötigen Aufwand verursachenden Bewerbung zu tun hat und insgeheim seinem Unmut gern freien Lauf lassen würde. Haben Mitarbeiter der Personalabteilung hier oftmals schon die nötige Erfahrung in der dafür aufzubringenden emotionalen Arbeit  das ist die Energie, die es kostet, auch in besonderen Situationen nett und freundlich zu sein (Hochschild 1990)  , so kann dies bei Vertriebsführungskräften schon eher mal Befremden auslösen. Zumal dann, wenn ein Kandidat anruft, der offenbar den Ausschreibungstext sehr „kreativ ausgelegt“ hat oder Dinge wissen will, die deutlich in der Ausschreibung stehen. Auch die sorgfältigste Ausschreibung kann vor solchen Situationen nicht bewahren, und die Vertriebsführungskraft tut gut daran, sich hierfür eine angemessene Strategie zuzulegen, die den Spagat zwischen der Gefahr der Verzettelung auf der einen und der unvorteilhaften Unternehmensdarstellung auf der anderen Seite meistert und gleich bleibend freundliche Service- und Kundenorientierung garantiert. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass der Anrufer auch als Multiplikator in Frage kommen kann. In fast keinem Ratgeber für Bewerber fehlt zudem der Hinweis, vorher anzurufen, sofern ein Ansprechpartner genannt ist. Aber auch, wenn dies nicht der Fall ist, wird empfohlen, sich durchzufragen. Hintergrund ist, in einem Telefonat, auf das sich der Anrufer vorbereitet haben sollte, weitere Details zur Bewerbung zu klären, ferner, ob angesichts der eigenen Vita eine Bewerbung erwünscht oder angezeigt ist, und vor allem die Gelegenheit zu nutzen, sich als Bewerber schon mal eine positive Voraufmerksamkeit zu sichern. Anrufer, die dies beherzigen und aufrichtiges Interesse zeigen, stellen für den Angerufenen dann auch kein Problem dar. Sie ermöglichen mitunter ein interessantes Telefonat und stellen vielleicht für beide Seiten schon eine wichtige Weiche. Problematischer verhält es sich da mit jenen, die sich „nur mal informieren möchten“ oder Informationen nachfragen, die

D. Die Bewerbervorauswahl

87

ohnehin schon veröffentlicht wurden. Besondere Sensibilität ist auf Seiten der Vertriebsführungskraft dann geboten, wenn der Interessent zu früh Unternehmensinterna wie Provisionssysteme etc. erfragen möchte. Es bleibt natürlich nicht aus, dass Wettbewerber ihrerseits „Marktanalysen“ betreiben. Entscheidet sich ein Unternehmen oder die Vertriebsführungskraft für den Einsatz mehrerer Instrumente bei der Personalsuche zur Reichweitenerhöhung, so kann es durchaus vorkommen oder ist sogar erwünscht, dass aussichtsreiche Bewerber anrufen, die vielleicht noch keinen Ausschreibungstext gelesen haben, aber durchaus viel versprechend sein können. Wenn also von der einen Gruppe der Nachfrager Anrufe erwünscht sind, von der anderen hingegen nicht verhindert werden können, im Feld dazwischen sich auch noch interessante Bewerber befinden können und zudem eine positive Außendarstellung des Unternehmens vermittelt werden soll, dann gilt es, aus der Not eine Tugend zu machen. D. h. der telefonische Erstkontakt ist aus Unternehmenssicht zu einem Sondierungs- und Filterinstrument (Screening) zu machen und dabei ist auch die Nichteignung anzusprechen, sobald sie festgestellt wird. Richtig angewandt, leistet der telefonische Erstkontakt einen effizienten Beitrag im Rahmen des Vorauswahlprozesses, eliminiert Verschwendung auf beiden Seiten wie unnötige schriftliche Bewerbungen, Zeiteinsatz etc. und senkt letztlich auch die Kosten des gesamten Rekrutierungsprozesses. Überdies bleiben Frustrationen auf beiden Seiten infolge der Ersparnis eines aufwändigen Bewerbungsverfahrens aus.

2.

Statistische Fehler bei der Vorauswahl

In einer Entscheidungssituation bei einem Bewerbungsverfahren lassen sich vier verschiedene Fälle unterscheiden, die sich in einer Vier-Felder-Tafel übersichtlich darstellen lassen (s. Abb. D 1). Die Situation ähnelt derjenigen, wie sie dem Finanzexperten möglicherweise aus der Bonitätsprüfung beim Kreditentscheid bekannt ist. In beiden Fällen kommen Erkenntnisse aus der Statistik bezüglich möglicher Entscheidungsfehler zum Tragen. So gibt es einmal die „wahre Situation“ mit den Ausprägungen „geeignet/nicht geeignet“ (bzw. Bonität „gut/schlecht“) und die „Entscheidungsmöglichkeiten“ mit den Varianten „einladen/nicht einladen“ für die Vorauswahl bzw. „einstellen/nicht einstellen“ nach dem Bewerbergespräch (bzw.: Kredit „gewähren/nicht gewähren“ für die Bonitätsprüfung).

Die Vorauswahl

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In der Bewerbersituation im Rahmen der Vorauswahl könnte die Vier-Felder-Tafel wie folgt aussehen: WAHRE SITUATION Bewerber geeignet

Einladen ENTSCHEIDUNGSMÖGLICHKEITEN

Nicht einladen

Bewerber nicht geeignet

(Prospektiver Kandidat)

(Mögliche Fehlbesetzung)

Akkuratesse 1. Art

Fehler 1. Art (Į-Fehler)

(Verlorener Kandidat)

(Kein Aufwand, kein Schaden)

Fehler 2. Art (ȕ-Fehler)

Akkuratesse 2. Art

Abb. D 1: Verlustvermeidung und Fehlerarten bei der Vorausauswahl

In der Statistik werden bei diesen vier „Ereignissen“ nun folgende Varianten unterschieden: Es können zwei Arten von Entscheidungsfehlern auftreten, genannt Fehler 1. Art oder Alpha-Fehler und Fehler 2. Art oder Beta-Fehler, und zwei „akkurate“ Situationen, in denen kein ökonomischer Gewinn entsteht bzw. ein Verlust verhindert wird. x

Der Fehler 1. Art oder D-Fehler bedeutet allgemein, dass die eigentlich ungünstige Alternative fälschlicherweise gewählt wird. D. h., ein eigentlich ungeeigneter Bewerber wird für geeignet gehalten. Für die Vorauswahl ist zu hoffen bzw. sind die noch einzusetzenden Instrumente des Selektionsprozesses so trennscharf zu gestalten, dass dieser Fehler im Verlauf des weiteren Verfahrens korrigiert werden kann.

x

Der Fehler 2. Art oder E-Fehler bedeutet allgemein, dass die eigentlich günstige Alternative nicht gewählt, sondern verworfen wird. D. h., ein eigentlich geeigneter Bewerber wird für ungeeignet oder weniger geeignet gehalten. Erhält ein solcher Bewerber eine Absage, so kann nichts mehr korrigiert werden. Kommt er hingegen in die Rubrik „Reserve“, so besteht immerhin eine gewisse Chance, dass er beim Abspringen der für geeigneter gehaltenen Kandidaten noch einer gründlicheren Prüfung unterzogen wird und vielleicht wieder in die engere Auswahl kommt.

D. Die Bewerbervorauswahl

89

An dieser Stelle sei Folgendes angemerkt: In der Statistik wird gemäß Konvention (dies trifft auch bei der Bonitätsprüfung zu) üblicherweise mit „D“ derjenige Fehler festgelegt, der am Gravierendsten ist und den man am Stärksten zu vermeiden sucht, z. B. ein im Nachhinein sich als insolvent herausstellender Kunde im Vergleich zu einer entgangenen Geschäftsgelegenheit, welche den E-Fehler ausmachen würde. Im Kontext der Stellenbesetzung  bei der fälschlichen Einstellung eines letztlich nicht geeigneten Mitarbeiters und den damit verbundenen Kosten  wird die Fehlerzuordnung meist ebenso betrieben (Krüger 2002). Hingegen kann für die Frage der Bewerbervorauswahl überlegt werden, ob nicht der Spieß umgedreht werden soll. D. h., dass der gravierendste und damit gering zu haltende Fehler derjenige ist, der im Beispiel als E -Fehler angenommen wurde, nämlich einen geeigneten Kandidaten nicht zu identifizieren. Ein Entscheider, der diesen Fehler gering halten will, darf demnach bei der Vorauswahl nicht zu penibel sein, muss seine persönlichen Vorlieben also zurückstellen. Selbstverständlich betrifft dies nicht die K/O-Kriterien. Andererseits muss der Entscheider dafür Sorge tragen, dass die Filterfunktion der nachgelagerten Vorauswahlmaßnahmen dann umso engmaschiger greift. Letztlich geht es an dieser Stelle lediglich um die Logik und die damit verbundene Festlegung, welche Art Fehler am ernsthaftesten gesehen wird und vermieden werden soll. Und auch statt des Entscheidungsbeispiels „einladen/nicht einladen“ könnte hier nach Prüfung der schriftlichen Unterlagen ebenso stehen: telefonisches Vorabinterview: „Ja/Nein“. Die Einladung zum persönlichen Gespräch stellt aber im Rahmen der Vorauswahl die zeit- und kostenaufwändigste Maßnahme dar und wurde daher für obiges Beispiel gewählt.

3.

Der Vorauswahlprozess aus Sicht des Bewerbers

Der Bewerber sieht dieselbe Bewerbungssituation aus einem anderen Blickwinkel. Verständlicherweise sieht er sich als Einzelperson im Zentrum des Prozesses. Er erwartet innerhalb einiger Tage, bei E-Bewerbungen am nächsten Tag, einen Eingangsbescheid bezüglich seiner Bewerbung. Hier kann ein Unternehmen im „War for Talents“ Terrain gutmachen, wenn es bereits in der Eingangsbestätigung eine substanziellere Nachricht in Kürze ankündigt (Mell 1993) und dies selbstverständlich auch einhält. Erfolgt der nächste Schritt zügig, z.B. die Einladung oder das telefonische Vorabinterview, so ist der Bewerber zufrieden, hat das Unternehmen doch seine Qualifikation schnell erkannt. Der gleichen Logik folgend, wäre er gekränkt, wenn er zu zeitig, bzw. statt einer Eingangsbestätigung, eine Absage erhielte. Wenn schon Absage, so die Gedanken des Bewerbers, dann auf Grund eines schwierigen Entscheidungsprozesses, der auch seine Zeit braucht. Abzulehnende Bewerber erhalten ihre Absage daher am besten nach einer Karenzzeit von ca. einer Woche. Auch bei Reaktionen nach einem Vorstellungsgespräch erwartet der Bewerber, nachdem man ihn ja nun kennen ge-

90

Die Vorauswahl

lernt hat, eine schnelle Information, wobei ihn auch hier eine Absage direkt am nächsten Tag aus oben genannten Überlegungen verstimmen würde. Entsprechende Musterbriefe für Eingangsbestätigung, substanziellere Nachricht, Absage mit und ohne Interview finden sich in der Instrumentensammlung im Anhang (s. Toolbox IV: Musterbriefe für Kommunikation mit dem Bewerber, S. 212). Schnelle Reaktionen bei geeigneten Bewerbern schaffen dem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, zügige, nett formulierte Zwischenbescheide für die „Reserve“-Gruppe („angesichts der großen Anzahl viel versprechender Bewerbungen und des damit verbundenen schwierigen Entscheidungsprozesses“) erzeugen hier immerhin Zufriedenheit mit der Bearbeitungsgeschwindigkeit. Und Responsezeiten mit Augenmaß sowie gesichtswahrend formulierte Absagen mindern immerhin die Enttäuschung der Abgelehnten sowie einen möglichen Imageschaden des Unternehmens.

4.

Der telefonische Erstkontakt mit Bewerbern

Der telefonische Erstkontakt ist die erste Möglichkeit der Interaktion bzw. Kommunikation mit dem Bewerber. Auch ohne Vorliegen von Bewerbungsunterlagen kann sich ein Personalverantwortlicher oder eine Vertriebsführungskraft ein erstes Bild vom Bewerber machen, wenn berücksichtigt wird, auf welch beschränkter Informationsbasis dies geschieht. Der telefonische Erstkontakt resultiert meist aus der Reaktion des Bewerbers aus: x

einer Stellenanzeige, in der die Möglichkeit der telefonischen Kontaktaufnahme genannt ist,

x

dem Anschreiben seitens des Nachfragers auf ein Stellengesuch,

x

der Empfehlung eines Dritten, sich zu melden, um mehr über die Möglichkeiten der Mitarbeit zu erfahren. Beim konsequenten Einsatz der Personalmarketinginstrumente geschieht dies durch die Instrumente Mitarbeiter werben Mitarbeiter, unternehmensexterne Multiplikatoren, abgelehnte oder absagende Mitarbeiter etc.,

x

den allgemeinen Personalmarketingmaßnahmen des Unternehmens.

Der telefonische Erstkontakt bietet qualifizierten Bewerbern, die auf Grund eines noch bestehenden Beschäftigungsverhältnisses beruflich sehr eingespannt sind und mitunter nicht die Zeit für die Zusammenstellung kompletter Bewerbungsunterlagen haben, die Möglichkeit der ersten Kontaktaufnahme und der Prüfung, ob sich der weitere Aufwand einer schriftlichen Bewerbung lohnt. Gerade für Vertriebsaufgaben dürfte sich eine solche Option als sinnvoll erweisen. Bei diesem Telefonat geht es darum, die Bewerber zu informieren, d. h. ihnen die Informationen zu geben, die sie für ihre Entscheidungsfindung benötigen. Ein weiterer wichtiger

D. Die Bewerbervorauswahl

91

Aspekt ist die Motivation des Bewerbers, sich dem weiteren Auswahlverfahren zu stellen und sein Interesse für eine Tätigkeit im Vertrieb des suchenden Unternehmens zu wecken. Andererseits besteht die Möglichkeit, auf Basis des Anforderungsprofils den beruflichen Werdegang abzufragen und nach den K/O-Kriterien die Entscheidung zu treffen, ob der Bewerber den weiteren Auswahlprozess durchlaufen oder ob ihm gleich eine Absage erteilt werden soll. Hierbei sind nur die K/O-Kriterien relevant. Der telefonische Erstkontakt lässt keine aussagekräftige Bewertung anderer Anforderungen wie persönliche oder soziale Kompetenz zu. Ebenso ist die fachliche Kompetenz nur eingeschränkt überprüfbar. Sollte sich beim Erstkontakt schon herausstellen, dass der Bewerber die K/OKriterien nicht erfüllt, empfiehlt sich, ihm direkt abzusagen und mit der mangelnden Übereinstimmung zwischen seinen relevanten beruflichen Erfahrungen und dem spezifischen Anforderungsprofil zu begründen. Dies erspart viel Zeit, Geld und Frustrationen. Es versteht sich, dass zum wirkungsvollen Einsatz dieses Instruments auf Seiten des Angerufenen neben einer service- und kundenorientierten Einstellung auch eine gewisse Fertigkeit im professionellen Telefonieren erforderlich ist. Das Ausschließen oder auch das „Verprellen“ eigentlich geeigneter Kandidaten auf Grund schlecht organisierter oder geführter Telefongespräche wäre fatal (s. Fehler 2. Art oder E-Fehler, das Übersehen geeigneter Kandidaten). Beim telefonischen Erstkontakt ist eine zielorientierte Gesprächsführung auf Seiten des Personalsuchenden  entlang des Anforderungsprofils bzw. der K/O-Kriterien  , die auch etwaige Weitschweifigkeiten des Anrufers auszupendeln weiß, von Vorteil. Auch ist in Betracht zu ziehen, dass der Anrufer die Schilderung seines persönlichen Werdegangs oder seiner beruflichen Orientierung nicht so strukturiert parat haben dürfte wie bei einem Vorstellungsgespräch, auf das er sich üblicherweise gründlicher vorbereitet. Andererseits dürfte ein professionelles Vorgehen beim Abklären der K/O-Kriterien dem nicht geeigneten Anrufer hinreichend signalisieren und auch für ihn selbst einsichtig machen, dass er nicht in Frage kommt. Auf diese Weise wird schon in der Klärungsphase die Weiche dafür gestellt, dass die sofortige, sachlich klare, aber wertschätzende Absage bei ihm auf fruchtbaren Boden stoßen wird, so sie denn überhaupt noch direkt ausgesprochen werden muss. Wer als angerufener Unternehmensvertreter sich die direkte Gangart nicht zutraut, kann die Entscheidung, ob der Anrufer sich noch der Mühe einer schriftlichen Bewerbung unterziehen will, nach Aufzeigen der geringen Chancen bzw. Ansprechen der geringen Hoffnung, auch dem Anrufer selbst überlassen. Dies erspart möglicherweise die direkte Absage, die bekanntlich für viele Menschen schwer hinzunehmen ist, und

Die Vorauswahl

92

gibt ihm das Gefühl, selbst die Entscheidung getroffen zu haben, was letztlich ein positiveres Bild des Gesprächs sowie des Unternehmens zurücklässt. In der Instrumentensammlung bzw. Toolbox findet sich eine Checkliste zur Vorgehensweise beim telefonischen Erstkontakt (s. Toolbox V: Leitfaden zum telefonischen Erstkontakt, S. 216).

5.

Die Analyse der Bewerbungsunterlagen

Die Bewerbungsunterlagen geben einen weiter reichenden Eindruck über den Bewerber und bieten die Möglichkeit, eine Vorauswahl bzw. erste Einschätzung zu treffen. Sie lassen meist viele Fragen offen, die erst in einem Bewerbungsgespräch oder einem telefonischen Vorabinterview geklärt werden können. Das Ziel der Unterlagenanalyse ist die Antwort auf die Frage: „Lade ich den Bewerber zu einem ersten Gespräch ein?“ Anhand der Analyse der Bewerbungsunterlagen kann keine Entscheidung darüber gefällt werden, ob der Bewerber zum Unternehmen passt. Sie ergibt jedoch Anhaltspunkte, die im Interview überprüft werden müssen, und dient der Vorbereitung des Interviews. Folgende Punkte müssen bei der Analyse der Bewerbungsunterlagen überprüft werden: (Schuler 2000) Formale Aspekte: x

Äußere Form und Vollständigkeit der Unterlagen (gemäß Anforderung)

x

Lichtbild

x

Anschreiben

x

Lebenslauf

x

Zeugnisse

x

Tätigkeits- bzw. Leistungsnachweise

Eine Analyse kann nach folgenden Kriterien erfolgen: x

Erforderliche Ausbildung

x

Erforderliche Spezialkenntnisse

x

Sprachen

x

EDV-Kenntnisse

x

Relevante Zusatzausbildungen

x

Übereinstimmung Lebenslauf und Nachweise (Zeugnisse)

x

Lückenlosigkeit

D. Die Bewerbervorauswahl

93

Zeitfolgenanalyse x

Plausibilität der Stellenwechsel

x

Abfolge der Positionen (Aufwärtsorientierung)

x

Nachvollziehbarkeit der Stellenwechsel

x

Schulnoten

x

Studienleistungen

x

Arbeitszeugnisse und Referenzen

x

Anforderungsspezifische Aspekte

x

Branchenerfahrung

x

Funktionserfahrung

x

Noch fehlende Informationen

5.1.

Exkurs: Beurteilungskriterien von Karrieren und die Situation auf dem gegenwärtigen Arbeitsmarkt

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die allermeisten Ratgeberbücher für Personalsuchende  auch neueren Datums  mit ihren Beurteilungskriterien für Bewerber in mancher Hinsicht noch auf dem Stand der Zeit der „Vollbeschäftigung“ stehen geblieben sind. Anders sind die dort nachzulesenden Vorgaben für die Verweildauer bei Arbeitgebern und aufsteigende Abfolgen von beruflichen Stationen kaum zu erklären. Jeder Personalsuchende mag für sich selbst überlegen, wie viele von diesen Ansprüchen in der gegenwärtigen Situation des Arbeitsmarktes noch aufrechtzuerhalten sind, zumal neue Formen der Zusammenarbeit, projektbezogene Tätigkeiten, Personalleasing, Freie Mitarbeit, Outsourcing, Ich-AG etc. auf dem Vormarsch sind und nicht zuletzt auch unternehmensseitig zusehends initiiert werden. Was Unternehmen auf der einen Seite aus betriebswirtschaftlichen Gründen praktizierten, sollte daher auf der anderen Seite auf Grund überkommener Vorstellungen nicht so schnell als Makel betrachtet werden. Schließlich ist in einschlägigen Kreisen bekannt, dass Rationalisierungsmaßnahmen oftmals die „Falschen“, nämlich die Leistungsträger, zum Verlassen bzw. Wechseln des Unternehmens veranlassen. Insbesondere für den Vertrieb im Allgemeinen ist mit seiner traditionell hohen Rekrutierungsquote aus Seiteneinsteigern Folgendes in Betracht zu ziehen:

Die Vorauswahl

94

Verkäufer im Außendienst x

kommen häufig über Umwege in den Verkauf,

x

haben oft bodenständige Berufsausbildungen,

x

haben vielfach eine Abneigung gegen Planungen, Analysen und alles Schriftliche,

x

lassen sich ungern steuern und kontrollieren,

x

suchen Unabhängigkeit und Selbständigkeit,

x

sind eher kurz- als langfristig orientiert.

Diese Besonderheiten emotionaler Art, der beruflichen Motive, Karrieren und Erfahrungen von Außendienstmitarbeitern sind bei der Beurteilung von Bewerbern zu berücksichtigen. Daneben sind die Besonderheiten freier Handelsvertreter nach § 84 HGB zu berücksichtigen. Aus der Praxis heraus lässt sich jedoch feststellen, dass sich die Verweildauer bzw. Fluktuation bei Vertriebsmitarbeitern nach § 84 HGB nicht wesentlich von der, angestellter Vertriebsmitarbeiter unterscheiden. 5.2.

Der Briefumschlag

Eigentlich beginnt die Sichtung der Unterlagen schon mit dem Briefumschlag. Ein Umschlag des gegenwärtigen Arbeitgebers, evtl. mit überklebtem Firmenaufdruck, der über den Freistempler laufen gelassen wurde, gibt Aufschluss über den Umgang mit Unternehmenseigentum. Die Sorgfalt, für ausreichende Frankierung zu sorgen, dürfte ebenfalls vorausgesetzt werden können. Anschrift und Absender dürfen bei großen Umschlägen, die es zur Schonung der Unterlagen auch in der Hardcoverversion gibt, durchaus handschriftlich eingetragen sein. Denn die Etikettenbeschriftung stellt selbst für PC-Kundige eine aus dem Rahmen fallende Übung dar. Zudem geben Raumaufteilung, korrekte, ausgeschriebene Firmenbezeichnung und dgl. bzw. Abweichungen davon, erste Hinweise auf die Vertrautheit mit geschäftlichem Schriftverkehr. 5.3.

Das Anschreiben

Das Anschreiben wird gemeinhin als erste Arbeitsprobe für den potenziellen neuen Arbeitgeber angesehen. Bei Bewerbungen per E-Mail reicht im Prinzip ein Bewerbungsbezug im Feld „Betreff“, ein Zweizeiler mit Anrede, kurzem Hinweis auf die im Anhang befindliche Bewerbung, der dann auch ein ausführliches Anschreiben als Anhang beizufügen ist. Die weitere Beurteilung ist analog einer Bewerbung auf dem Postwege.

D. Die Bewerbervorauswahl

95

5.3.1. Der formale Aufbau des Anschreibens Der formale Aufbau des Bewerbungsschreibens entspricht in der Regel den Normvorschriften für Geschäftskorrespondenz. Anders als bei einer Sekretärin, die diese Normen, z.B. Anzahl der Leerzeilen zwischen Betreff und Anrede, durch Ausbildung und tägliche Praxis verinnerlicht hat, dürften bei Vertriebsmitarbeitern Abweichungen hiervon hinnehmbar sein, solange der Gesamteindruck stimmt. Allerdings ist bei der Vielzahl von Bewerberratgebern in Buchform wie auch im Internet es jedem ernsthaften Bewerber zuzumuten, sich für einen wichtigen Karriereschritt die entsprechenden Grundkenntnisse zuzulegen. Und ein Einhalten gewisser formaler Dinge ist gerade beim Vertrieb von Finanzdienstleistungen wichtig. In den Briefkopf gehören heutzutage alle Kommunikationsinformationen des Absenders, also auch mobile und elektronische. In der Anrede ist erkennbar, ob individuell auf genannte Ansprechpartner Bezug genommen wird oder, falls diese nicht in der Ausschreibung genannt wurden, diese in Eigeninitiative ermittelt wurden. In der Betreffzeile, jedoch ohne den Begriff „Betreff“, sind Angaben zum Bezug der Bewerbung zu machen. In jedem Fall sollte das Bewerbungsanschreiben einen Einleitungs- und einen Abschlusssatz enthalten. Im Mittelteil wird darauf eingegangen, was der Bewerber kann, welchen Nutzen er dem Unternehmen bringt und wie er seinen Wechsel begründet. Ferner ist zu evtl. geforderten Angaben zur Gehaltsvorstellung und frühestem Eintrittstermin bzw. Kündigungsfrist sowie ggf. zu „Lücken“ Stellung zu nehmen. In der Praxis jedoch werden letztgenannte Informationswünsche kaum erfüllt. Bewerber scheuen sich vielfach, einer bislang unbekannten Person gegenüber diese Angaben zu machen. Dies ist daher kaum als Mangel einer Bewerbung anzusehen. Die Länge des Anschreibens wird in der Regel gern bei einer Seite gesehen. Bei den Normierungen für einen seriösen Geschäftsbrief bleibt damit nicht viel Raum übrig, zumal weiße Flächen und Absätze ebenfalls zu einem positiven Eindruck beitragen. Daher ist nicht zu beanstanden, wenn das Anschreiben, sofern nachvollziehbar, eineinhalb bis zwei DIN A 4 Seiten nicht überschreitet. So kommt es weder zu den wenig geschätzten Weitschweifigkeiten noch zur Vorwegnahme von Informationen, die in andere Bewerbungsunterlagen wie dem Lebenslauf oder den ausführlichen Tätigkeitsbeschreibungen gehören. Eine Struktur wird vornehmlich darüber erkennbar, dass erstens Absätze gemacht werden und dies zweitens auch an den richtigen Stellen erfolgt. Sauberkeit und einwandfreier Zustand sind eine Selbstverständlichkeit. Bei den heute üblichen Bewerbungen mittels Textverarbeitung dürfte normales 80 oder

96

Die Vorauswahl

90 g Druckerpapier ausreichend sein, auf Wasserzeichenpapier kann verzichtet werden. Den korrekten Umgang mit Zeichensetzung und Grammatik festzustellen, ist für den selbst darin Geübten kein Problem. Interessanter ist hingegen das Kapitel Rechtschreibung. So kann es im Zuge der Rechtschreibreform vorkommen, dass sich insbesondere ältere Bewerber nicht oder nicht durchgängig an die neue Rechtschreibung halten. Damit befinden sie sich in Gesellschaft vieler LehramtsReferendare, wie die F.A.Z. vom 01.08.2003 vermeldet, die selbst nach der alten Rechtschreibung schreiben. Hier ist, vielleicht mit etwas Nachsicht, der Usus anzusetzen, der in der Branche oder im Unternehmen vorherrscht und auch das Ausmaß, in dem der spätere Mitarbeiter Korrespondenz wird selbst erstellen müssen, mit der damit verbundenen Außendarstellung des Unternehmens im Blickfeld. 5.3.2. Exkurs: Der Stil als Form der Selbstdarstellung Im Stil des Bewerbungsschreibens spiegelt sich sowohl Gewolltes wie auch Ungewolltes aus dem Wesen des Bewerbers wider (Pillat 1996). Der Stil des Bewerbungsschreibens korrespondiert mit dem Begriff der Selbstoffenbarung, bisweilen auch Selbstkundgabe im Kommunikationsmodell von Schulz von Thun (1981). Auch dort ist sowohl die unfreiwillige Selbstenthüllung als auch die gewollte Selbstdarstellung gemeint. Selbstdarstellung ist in der Soziologie  im Gegensatz zum Alltagsverständnis insbesondere in Deutschland  seit jeher ein wertfreier Begriff. So heißt Goffmans (1969) bekanntes Buch denn auf Deutsch auch: „Wir alle spielen Theater  die Selbstdarstellung im Alltag“. Im englischen Original sprach er schon 1958 von „Impression Management“, das handelnde Personen in sozialen Situationen betreiben. Die Akteure versuchen über Inszenierungstechniken die Interaktionen zu kalkulieren und zu kontrollieren und so auf die Deutung des anderen von der eigenen Person Einfluss zu nehmen. In diesem Sinne sind alle Menschen Selbstdarsteller, weil sie in sozialen Situationen ein Bild von sich liefern wollen; sie unterscheiden sich allenfalls in ihren Methoden. In diesem Zusammenhang ist einmal auf folgendes Phänomen in fast allen Bereichen der Öffentlichkeit in Deutschland hinzuweisen: Man kann sich oftmals des Eindrucks nicht erwehren, dass Inszenierungen, allen verbalen Beteuerungen zum Trotz, häufig mitunter bedeutsamer ankommen als Leistungen. Abzulesen ist dies etwa auch daran, wodurch man heute „Promi“ werden kann. Welche Leistungen erbringt z.B. ein „Luder“? Kein Wunder, dass auch auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere in denjenigen Branchen, in denen die Nachfrage nach Arbeit das Angebot übersteigt, „Impression Management“ das Gebot der Stunde ist. Wer eine Stelle sucht, gilt selbstverständlich zu Recht als Unternehmer in eigener Sache und ist für seine eigenen Leistungen und für seine Entwicklung verantwortlich  und da-

D. Die Bewerbervorauswahl

97

für, wie er sich präsentiert. Hier haben sich auch auf Seiten der Arbeitgeber damit korrespondierende Erwartungshaltungen herausgebildet, die dann auch auf diejenigen Branchen überstrahlen, in denen ein Bewerbermarkt vorherrscht und gesuchte Fachkräfte „Impression Management“, über den Kompetenzerweis hinaus, möglicherweise nicht für nötig halten. Dieser Umstand wird im weiteren Verlauf des Buches aufgegriffen werden. Einige Aspekte aus Schulz von Thuns Kommunikationsansatz, dem „4-OhrenModell“, (vgl. Kapitel E.IV.4.3.4., „Kommunikative Aspekte im Interview“) sind für die Beurteilung des Stils im Anschreiben durchaus heranzuziehen und werden daher, im Vorgriff auf das Interview, wo sie in besonderer Weise zum Tragen kommen, hier schon genannt. Insbesondere sind das die Techniken zur Selbstdarstellung und Selbstverbergung, die sich, grob gesagt, in Imponiertechniken, Fassadetechniken und in demonstrative Selbstverkleinerung unterscheiden lassen (Schulz von Thun 1981). Hierbei kann eine Vermischung des Stils mit inhaltlichen Aspekten nicht ganz vermieden werden, so wie auch die Kommunikationsebenen nie sauber zu trennen sind. Imponiertechniken sind von der Hoffnung auf Erfolg getragen und zielen darauf ab, die eigene Schokoladenseite zu zeigen bzw. Pluspunkte zu sammeln, z.B. wenn der Bewerber x

eine für Außenstehende, das kann auch die Personalabteilung sein, schwer verständliche Fachsprache einsetzt, um als fachlich kompetent zu gelten. Dies kann speziell in den Branchen Finance, IT, (Neue) Medien, Marketing, Management, Technik, etc. beobachtet werden.

x

eine hochwertige Information zur eigenen Person auf dem Kanal der Beiläufigkeit übermittelt, scheinbar unbeabsichtigt, aber mit dem Ziel, Eindruck zu machen. Dies greift naturgemäß eher in der Face-to-Face-Interaktion: „Damals bei unserer Filiale in New York...“, „Wer 40 Millionen reinholt, darf schon mal...“.

x

seinem Ansprechpartner schmeichelt, etwas Nettes über ihn sagt, was dieser zwar schon weiß, aber immer wieder gerne hört. Beispielsweise wird im Bewerbungsschreiben die Attraktivität des ausschreibenden Unternehmens herausgestellt und zusätzlich mit der eigenen Entwicklung in Zusammenhang gebracht.

Fassadentechniken ziehen ihre Motivation aus Furcht vor Misserfolg und stellen darauf ab, den „unansehnlichen“ Teil der eigenen Person wie Schwächen, Gefühle etc. geheim zu halten: x

Das Weglassen von Informationen oder Schweigen im Gespräch als konsequenteste Form der Abwehrfassade.

x

Das Bluffen, das signalisiert, dass alles in bester Ordnung ist. Vielfach wird diese Technik bei der Darstellung des Lebenslaufs angewandt, in dem einzelne

Die Vorauswahl

98

Stationen kreativ kaschiert oder ausgeschmückt werden. Man spricht hier auch von der Lebenslaufkosmetik. x

Die Selbstverbergung, die sprachlich in Form von „Man“-, „Wir“- oder „Es“Sätzen zu erkennen ist. Zur Vermeidung von „Ich-Botschaften“ wird das Persönliche so umformuliert, dass es einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit gehorcht.

Demonstrative Selbstverkleinerung steht im Gegensatz zu Imponiertechniken und ist eine Selbstdarstellung, die die eigene Person als klein, schwächlich, hilfund wertlos erscheinen lassen soll, häufig mit der Absicht, x

den Empfänger zum Widerspruch oder zu einer von Mitleid getragenen Handlung anzuregen. Der Bewerber präsentiert sich als „Sozialfall“, um so an das Gewissen des Adressaten zu appellieren.

Die Techniken zur Selbstdarstellung und Selbstverbergung sind schon bei der Analyse der Bewerbungsunterlagen zu berücksichtigen. Naturgemäß kommen sie aber im persönlichen Gespräch bzw. im strukturierten Interview noch stärker zum Einsatz. 5.3.3. Der Stil des Anschreibens Die Beurteilung des Stils ist eine subjektive Angelegenheit; zieht man mehrere Beurteiler hinzu, so kann sie immerhin intersubjektiv gehalten werden. Der Beurteiler folgt hier entweder seinen eigenen, durchaus auf Erfahrung beruhenden, impliziten Persönlichkeitstheorien (z. B. wer A hat, hat auch B) oder den naiven Verhaltenstheorien gleicher Lesart, wie sie in der einschlägigen Literatur für Personalsuchende z. T. verbreitet werden (z. B. Abkürzungen innerhalb einer Bewerbung negativ zu werten, ohne dass dies begründet wird). Implizite Persönlichkeits- und naive Verhaltenstheorien stehen im Gegensatz zur wissenschaftlich gestützten Bewerberanalyse. Am Stil zeigt sich unter anderem, ob und wie der Bewerber, insbesondere für Vertriebspositionen, sich als Unternehmer in eigener Sache auch selbst „verkaufen“ kann. Der Adressat der Bewerbung hat zu entscheiden, wo er das Pendel einschwingen lässt, zwischen marktschreierischem Gehabe auf der einen und zurückgenommener Emotionalität auf der anderen Seite, sicherlich auch im Hinblick auf die Besonderheiten des suchenden Unternehmens und der ausgeschriebenen Position. Bei der Beurteilung des Stils ist zunächst nicht ersichtlich, ob und welche Hilfe der Bewerber beim Abfassen des Anschreibens hatte. Insofern sind Aussagen etwa über einen temperamentvollen oder pedantischen Stil zurückhaltend vorzunehmen, wobei bei einem temperamentvollen Stil externe Hilfe wahrscheinlicher ist als bei einem pedantischen Stil. Eher ist schon auf die Durchgängigkeit des Stils und auf Stilbrüche zu achten. Was erscheint gewohnheitsmäßig und was ist aktuellen Einflüssen, etwa der Anpassung an den Anzeigentext oder an die dortigen Anforde-

D. Die Bewerbervorauswahl

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rungen, zuordenbar? Aufschlussreich kann auch sein, ob der Bewerber mehr im Aktiv und in Verbform oder mehr im Passiv und in Substantivierungen schreibt. Kurze Sätze machen sich in der Regel gut. Insbesondere, wenn sie mit Sätzen unterschiedlicher Länge kombiniert werden. Flüssige Satzverbindungen und ein einfallsreicher, aber nicht „geschraubter“ Satzbau werden gern gelesen, und einem größeren Wortumfang wird im Gegensatz zu einem beschränkten der Vorzug gegeben. Einfache, aber treffende Ausdrücke werden favorisiert, unnötige Fremdwörter hingegen kaum. Dafür kommen berufs- oder branchentypische Äußerungen wiederum gut an. Es ist von Vorteil, zuerst den Gesamteindruck des Stils aufzunehmen, bevor in die Detailanalyse gegangen wird. Dies gilt ebenso für den Inhalt. In der Praxis findet sich oft auch ein iteratives Vorgehen, das zwischen beiden Betrachtungsweisen abwechselt. 5.3.4. Der Inhalt des Anschreibens Den Adressaten interessiert bei der inhaltlichen Analyse des Anschreibens, in welchem Ausmaß Übereinstimmung mit dem Anforderungsprofil vorliegt (K/OKriterien) und, ob es sich lohnt, sich mit dieser Bewerbung intensiver zu befassen. Das Bewerbungsschreiben ist somit in direktem Zusammenhang mit dem Lebenslauf zu analysieren. Aus Gründen der Systematik wird hier das Bewerbungsschreiben separat behandelt. Aus Effizienzgründen sind dann Bewerbungsunterlagen, die zeigen, dass der Einsender die K/O-Kriterien nicht erfüllt, sofort auszusortieren und für die Absage vorzusehen. Es wird also eine Negativauslese vorgenommen, deren Ergebnis in die Kategorien „unterqualifiziert“, „bedingt geeignet“, „geeignet“, „sehr geeignet“ und „überqualifiziert“ eingeteilt werden kann. x Die engste Wahl Ein ansprechendes Bewerbungsschreiben aufzusetzen, ist schwierig. Leichter ist es da schon, in Bewerberratgebern aufzuzählen, wie man es nicht tun sollte, denn auch dort sind die guten Beispiele rar, und sobald sie veröffentlicht sind, entfällt ihre Originalität und sie sind „verbrannt“. Auf möglichst ein bis zwei Seiten mit seiner Bewerbung auf den Punkt zu kommen, erfordert ein gewisses Maß an analytischen und konzeptionellen Fähigkeiten. Zumal, wenn  ohne den Anzeigentext stereotyp zu wiederholen  über das Aufnehmen bestimmter Schlüsselbegriffe oder Qualifikationsanforderungen überzeugend zum Ausdruck gebracht wird, weshalb der Bewerber für diese Position geeignet ist und für dieses Unternehmen einen Nutzwert darstellt. Gelingt es ihm darüber hinaus noch, neben Zusatzqualifikationen auch eine glaubhafte Motivation für den Wechsel zu liefern und unaufdringlich überfachliche Kompetenzen sowie einige passen-

100

Die Vorauswahl

de Persönlichkeitsfacetten zum Ausdruck zu bringen, so dürfte der Bewerber  entsprechende Unterlagen vorausgesetzt  in die „engste Wahl“ kommen. x Der nicht so gute Texter Die Ratgeberliteratur sowohl für Adressaten als auch für Absender von Bewerbungen orientiert sich häufig zu sehr an Anforderungen, die für hoch und höher qualifizierte Professionals in intellektuell anspruchsvollen oder kreativen Branchen durchaus gelten mögen. Spannender wird die Auswahl hingegen, wenn der Bewerber kein kreativer Texter, aber fachlich nichtsdestoweniger ein geeigneter Vertriebsmitarbeiter ist. Dennoch sollte erkennbar sein, dass er sich mit dem Ausschreibungstext auseinander gesetzt und die wesentlichen Anforderungen wahrgenommen hat. Auch das möglicherweise etwas mehr als übliche Anlehnen an den Anzeigentext sollte nicht zu eng gesehen werden. Und der bescheidenere und kürzere Auftritt  insbesondere nach einem telefonischen – muss, je nach Position, nicht von vornherein ein Manko darstellen, wenn der Rest der Bewerbung Eignung verspricht. Viele Bewerber stehen auf dem Standpunkt, Qualität setze sich durch, und sind daher noch lange nicht der Meinung, „Klappern gehöre zum Handwerk“. Inwieweit sich der Adressat an der bei einem ausführlicheren Anschreiben eigentlich überflüssigen Bitte stört, „Näheres den beiliegenden Unterlagen zu entnehmen“, muss er mit sich selbst ausmachen. Gleiches gilt für den Standardsatz: „Hiermit bewerbe ich mich...“ Die Auswahl der Bewerber ist auch im Hinblick auf das geringe Reservoir an qualifizierten Fach- und Führungskräften im Vertrieb vorzunehmen. Diese haben, verglichen mit einem Hochschulabgänger, möglicherweise nicht die Muße, aus ihrer Bewerbung ein „Projekt“ zu machen. Ferner gilt das für das Bestreben, die Eintrittswahrscheinlichkeit für den Fehler 2. Art, also das Übersehen geeigneter Kandidaten, möglichst gering zu halten. x Der Massenversender Ein zu allgemein gehaltener, aber dennoch ausführlicher Bewerbungstext, der nach Massenbrief mit nur leichten Anpassungen klingt, sollte jedoch als solcher identifiziert werden. Dies gelingt spätestens durch den inhaltlichen Vergleich mit Lebenslauf und Zeugnissen. x Minimum- und Werterhöhungsqualität des Anschreibens Zum Abschluss sei noch einmal herausgestellt: Das Bewerbungsschreiben gilt zwar gemeinhin als erste Arbeitsprobe für den potentiellen neuen Arbeitgeber, aber diese Probe ist dennoch weit von den späteren tatsächlichen Arbeitsinhalten entfernt. In Anlehnung an Dimensionen der Dienstleistungsqualität kann die Qualität des Anschreibens wie folgt gewertet werden:

D. Die Bewerbervorauswahl

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ż Für Vertriebspositionen ist ein gutes Anschreiben, immer für sich allein ge-

nommen, im Sinne einer Werterhöhungsqualität zu sehen, es erhöht den Wert der Kernleistung, führt zu einer Aufwertung der Qualität der Bewerbung, kann aber grundsätzlich nicht in dieser Güte erwartet werden. ż Ein durchschnittliches oder noch akzeptables Anschreiben wird demgegen-

über als Minimumqualität gewertet, als eine zu Recht erwartbare Kernleistung. Erst bei Nichterfüllung führt dies zu einer Abwertung der Qualität der Bewerbung. Anders sieht der Fall natürlich aus, wenn die offene Stelle kundenorientierte Korrespondenz im Beschwerdemanagement beinhaltet oder Geschäftskorrespondenz auf Topebene einschließt. 5.4.

Der Lebenslauf

Der wichtigste Bestandteil der Bewerbungsunterlagen ist der Lebenslauf. Er vermittelt eine Gesamtschau über den persönlichen und beruflichen Werdegang des Bewerbers und lässt, ebenso wie das Anschreiben, einen Blick auf den Menschen dahinter zu. Der Lebenslauf ergibt zudem Informationen darüber, ob der Bewerber die notwendigen fachlichen Voraussetzungen erfüllt und ob er die notwendigen Branchen- und Funktionserfahrung mitbringt. 5.4.1. Formale Analyse des Lebenslaufs Beim Lebenslauf hat sich die tabellarische Form durchgesetzt, in der Weise, dass links, üblicherweise auf den Monat genau, Zeitintervalle genannt sind und rechts daneben eine inhaltliche Beschreibung aufgeführt wird. Auch der tabellarische Aufbau bietet noch reichlich Gestaltungsmöglichkeiten, je nachdem, ob der Bewerber einer chronologischen oder einer sachlichen Systematik folgt. Die nachfolgende sachliche Einteilung wird in der Praxis am meisten vorgefunden: x x x x x x x

Angaben zur Person Schulischer, einschließlich Hochschul-Werdegang mit Abschlüssen Berufsausbildung mit Abschlüssen Beruflicher Werdegang mit Positionen, Tätigkeitsinhalten und Arbeitgebern Besondere Fähigkeiten und Kenntnisse (Zusatzqualifikationen, Weiterbildungen etc.) Vertragliche Angaben Evtl. Angaben zu Hobbys, Freizeitgestaltung

Die angelsächsische Version führt den Lebenslauf chronologisch rückwärts, beginnend mit der aktuellen Berufstätigkeit. Hier ist neben den Hobbys auch ein

102

Die Vorauswahl

Hinweis auf „extra-curricular activities“ (außerhalb der Ausbildung liegende Aktivitäten), etwa karitative oder soziale Arbeit etc., üblich. Der vertretbare Umfang ist je nach Lebensalter und den damit verbundenen beruflichen Stationen und Qualifikationen zwischen einer und zweieinhalb DIN-A-4Seiten zu sehen. Mitunter wird, um diese Länge zu halten, zusätzlich ein Tätigkeits- und Erfahrungsprofil oder eine Projektliste beigefügt, was die Übersichtlichkeit erhöht. 5.4.2. Inhaltliche Analyse des Lebenslaufs Im Rahmen der inhaltlichen Prüfung ist im Zuge der Zeitfolgenanalyse zu ermitteln, ob der Zeitverlauf in seiner Kontinuität seit dem Schul-, Berufs- oder Studienabschluss lückenlos dargestellt wird, ob es Unterbrechungen, Sprünge oder zeitliche Lücken gegeben hat. So sind die im Lebenslauf aufgeführten Beschäftigungszeiten, insbesondere, wenn nur ganze Jahre genannt werden, daraufhin zu überprüfen, ob sich die Angaben mit jenen in den Arbeitszeugnissen decken. Abweichungen sind bei ansonsten vorliegender Eignung im telefonischen Vorabinterview auf Plausibilität hin zu überprüfen. Das Gleiche gilt für zeitliche Lücken, sofern diese nicht im Anschreiben erschöpfend begründet werden konnten. Im Übrigen sind Lücken im bisherigen Werdegang bei den Unwägbarkeiten des Arbeits- und Wirtschaftslebens kein Grund, eine Bewerbung zur sofortigen Absage vorzusehen, zumal diese nur ein Detail im Gesamtbild darstellen (Krüger 2002). Darüber hinaus sind Ausbildungszeiten im Verhältnis zu den jeweiligen Regelausbildungszeiten zu sehen und ist das Lebensalter beim Erwerb eines Abschlusses einzubeziehen. Einen sicherlich bedeutsamen Punkt dürfte die Positionsanalyse darstellen, in deren Rahmen die Verweildauer in einzelnen Funktionen bzw. bei einzelnen Arbeitgebern untersucht wird. Hier ist darauf zu achten, ob sich aus der Abfolge und der zeitlichen Dauer eine Zielsetzung, ein Erfahrungs- und auch ein Verantwortungszuwachs herauslesen lassen oder ob es diesbezüglich Brüche gibt, die abschätzig auch als „Karriereknick“ bezeichnet werden. Was als angemessene Verweildauer bei einem Arbeitgeber oder auf einer Position anzusehen ist, differiert sicherlich nach Branche und dürfte auch heutzutage nicht mehr der Bewertungslogik früherer Zeiten folgen. Allerdings kann ein allzu häufiger Wechsel durchaus auch für eine gewisse Unstetigkeit des Bewerbers stehen. Bei der Branchenanalyse, der Untersuchung von Wechseln zwischen Branchen oder Unternehmen unterschiedlicher Größe oder Spartendifferenzierung innerhalb einer Branche, können Wechsel vor dem Hintergrund zunehmender Spezialisierung oder Generalisierung betrachtet werden. Eine Tendenz zur Breitenorientierung kann für Finanzdienstleistungen aus dem Blickwinkel der ALLFINANZ

D. Die Bewerbervorauswahl

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durchaus von Vorteil sein, wenngleich auch hier ein gewisser Fokus und die Stetigkeit nicht außer Acht zu lassen sind. Ein besonderer Aspekt des Wechselns in diesem Zusammenhang könnte auch in einer gewissen Wettbewerbsorientierung des Bewerbers zu sehen sein, dergestalt, dass er ins Rennen geht, um zu gewinnen, und dass seine Ambitionen nach Erreichung seines Zieles nachlassen. Ein zusätzlicher formaler und inhaltlicher Vergleich zwischen Lebenslauf und Zeugnissen soll helfen, Lücken im Lebenslauf, in der Lebenslaufkosmetik und ggf. überzogene Darstellungen aufzudecken. Vielfach möchten Bewerber im einem besseren als dem tatsächlichen Licht erscheinen und neigen zur Verschönerung ihrer beruflichen und persönlichen Situation bzw. Vergangenheit. Falls hier Ungereimtheiten auftreten, ist allerhöchste Vorsicht geboten. Diese sind zwingend im Interview oder telefonischen Vorabinterview zu hinterfragen, es sei denn, die Erkenntnisse hieraus sind so gravierend, dass eine direkte Absage unumgänglich ist. 5.5.

Das Lichtbild

Das den meisten Bewerbungen beigefügte Lichtbild, entweder rechts oben am Lebenslauf oder auf einem Bewerbungsdeckblatt befestigt bzw. eingescannt, hilft zum einen dem Adressaten der Bewerbung, sich ein Bild vom Bewerber zu machen. Es gibt zum anderen dem Bewerber Gelegenheit, Einfluss auf seine visuelle Selbstdarstellung zu nehmen, darauf, wie er gesehen werden möchte. Das eigentliche Lichtbild sagt selbstverständlich im Gegensatz zur persönlichen Begegnung nicht viel über den Bewerber aus. Ausgenommen bezüglich eines ersten Eindrucks von seiner Attraktivität, die für Vertriebsaufgaben durchaus nicht unerheblich sein kann. Eher lassen sich schon aus den Umständen der Erstellung des Fotos einige interessante Rückschlüsse ziehen. Wer die Chance zur visuellen Selbstpräsentation als Bewerber ernsthaft wahrnimmt, wird für das Lichtbild die Kleidung anlegen, die er bei der Ausübung der fraglichen Stelle für angezeigt hält und in der er sich wohl fühlt. Er wird ferner zu einem guten Fotografen und nicht zum Automaten gehen. Der Fotograf erstellt heute im Zuge der Digitalisierung eine ganze Serie von Fotos, um dann gemeinsam mit dem Kunden per Paarvergleich und Negativauslese das beste Bild auszuwählen und dem Kunden ggf. auch auf Diskette mitzugeben. Die zunehmende Verbreitung von Web- und Digital-Kameras führt viele Bewerber zu der Annahme, den Fotografen einsparen zu können und entsprechende Serien vor geeignetem Hintergrund zu Hause oder am Arbeitsplatz aufzunehmen. Der Gesamtaufwand ist meist beträchtlich höher als mit einem professionellen Fotografen, das Ergebnis hingegen meistens schlechter, selbst mit einer hochwertigen Kamera. Die Investition in die Zukunft sollte einem Bewerber schon den Gang zum Fotografen wert sein, zumal dieser auf passende Farbzusammenstellung, kor-

Die Vorauswahl

104

rekte Erscheinung  Sitz der Kleidung, Krawatte, Frisur, glänzende Stellen etc.  achtet, und die Bilddatei dann vom Bewerber ohne großen Aufwand vielfältig eingesetzt werden kann. 5.6.

Ausbildungszeugnisse

Die Vorhersagbarkeit des Berufserfolges aufgrund von Noten in Schul-, Ausbildungs- oder Examenszeugnissen gilt alles in allem als relativ begrenzt. Eine Vielzahl von Studien gibt kein einheitliches Bild ab. Allenfalls kann ein Blick auf die Noten in berufsrelevanten Fächern erhellend sein. Für den Vertrieb von Finanzdienstleistungen ist das Vorliegen eines einschlägigen finanzwirtschaftlichen Berufsabschlusses oder entsprechender Zertifikate des BWB bzw. BWV sowie sonstiger einschlägiger Weiterbildungseinrichtungen meist unabdingbar, den Arbeitszeugnissen kommt jedoch meist mehr Bedeutung zu. Auf den Bereich Arbeitszeugnisse wird in dem nächsten Kapitel ausführlich eingegangen. In der Instrumentensammlung bzw. Toolbox findet sich ein Leitfaden zur Beurteilung der schriftlichen Unterlagen mit zusammenfassendem Ergebnis und weiteren Optionen. Dabei ergeben sich erste qualitative Anhaltspunkte, deren Bewertung jedoch umfassend erst in einem Interview vorgenommen werden kann, ebenso wie wichtige Anhaltspunkte, die im Interview zu hinterfragen sind (s. Toolbox VI: Leitfaden zur Analyse der schriftlichen Unterlagen, S. 218). 5.7.

Analyse der Arbeitszeugnisse

Arbeitszeugnisse sind die einzig formale Bewertung, die über die verschiedenen Beschäftigungsverhältnisse eines Arbeitnehmers zu erhalten sind. Über die Aussagekraft von Arbeitszeugnissen gibt es unterschiedliche Meinungen. Trotzdem sind Arbeitszeugnisse ein wesentlicher Beurteilungsbereich bei der Analyse von Bewerbungsunterlagen. Sollte nach der Analyse des Lebenslaufes festgestellt werden, dass in einer Bewerbung Arbeitszeugnisse fehlen, so sind diese nachzufordern. Dies kann schriftlich oder mittels des telefonischen Vorabinterviews geschehen. Sollten diese daraufhin nicht oder nur unvollständig nachgereicht werden, ist äußerste Vorsicht geboten. Dies gilt genauso bei fadenscheinigen Begründungen über das Fehlen eines Arbeitszeugnisses aus einem Beschäftigungsverhältnis. Die Relevanz von Arbeitszeugnissen bei freiberuflichen Mitarbeitern ist umstritten. Grundsätzlich gilt, dass ein Handelsvertreter nach §§ 84 ff keinen Anspruch auf ein Arbeitzeugnis hat, soweit er wirtschaftlich unabhängig ist. Anders sieht es jedoch beim so genannten Einfirmenvertreter nach § 92 HGB aus. Da dieser ausschließlich für einen Auftraggeber tätig ist, geht man hier von einem arbeitnehmerähnlichen Selbständigen aus, der in einer gewissen Abhängigkeit zu seinem Auftraggeber steht. Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis ist hier gegeben. In der

D. Die Bewerbervorauswahl

105

Praxis lassen sich jedoch wenig Unternehmen finden, die ihren Handelsvertretern nach § 92 HGB Arbeitszeugnisse ausstellen, ebenso wenig fordern diese bei ihren Auftraggebern Arbeitszeugnisse ein. Aufgrund dieses Sachverhalts kann bei einem Bewerber, der als Handelsvertreter nach § 92 HGB arbeitet oder gearbeitet hat, kein Arbeitszeugnis zur Einsicht eingefordert werden. Das Arbeitszeugnis ist grundsätzlich ein wichtiger Bereich innerhalb der Analyse von Bewerbungsunterlagen. Auch wenn es um die Besetzung einer Position nach §§ 84 HGB geht, haben Arbeitszeugnisse eine Relevanz, da der Bewerber entweder aktuell in einer Angestelltenposition ist oder in der Vergangenheit fast immer in mindestens einer Angestelltenposition war. Nachfolgend sind die wesentlichen Aspekte in Bezug auf die Erstellung und Analyse von Arbeitszeugnissen dargestellt. 5.7.1. Einführung Unser gesamtes Leben lang begleiten Zeugnisse unseren Weg und entscheiden über Erfolg und Misserfolg. Schulzeugnisse, Ausbildungszeugnisse und Studienzeugnisse dokumentieren die erbrachten Leistungen in Form von uns allen bekannten Noten und versprechen zumindest eine offensichtliche Transparenz. Ganz anders sieht es bei der Bewertung, der in einem Arbeitsverhältnis erbrachten Leistungen aus. Hier, im Arbeitszeugnis, fehlt auf den ersten Blick die bekannte Notenskala und Form und Inhalt lassen genügend Spielraum für völlig unterschiedliche Bewertungen. Die Unsicherheit im Umgang mit Arbeitszeugnissen, sei es bei der Erstellung ebenso wie bei der Analyse, lässt sich jedoch vermeiden, wenn die Grundlagen bekannt sind und die Frage beantwortet wird: „Gibt es eine Zeugnissprache?“ 5.7.2. Rechtliche Grundlagen Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf ein Arbeitszeugnis leitet sich aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seinen Arbeitnehmer ab. Im Falle des Rechtsanspruchs auf ein Arbeitszeugnis gilt hier grundsätzlich der § 630 BGB: „Bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses kann der Verpflichtete von dem anderen Teile ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen auf die Leistungen und die Führung im Dienste zu erstrecken.“ Eine Vielzahl von weiteren Gesetzesvorschriften konkretisiert diesen Anspruch für unterschiedliche Berufsgruppen wie den gewerblichen Arbeitnehmer (§ 113 GeWo), den Handlungsgehilfen (§ 73 HGB), den Auszubildenden (§ 8 BBiG) u.v.a. Ebenso ist der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis vielfach in Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen geregelt.

106

Die Vorauswahl

Laut § 630 BGB kann der Arbeitnehmer ein Zeugnis verlangen, welches sich auch auf die Leistungen und die Führung im Dienste erstreckt. Dies impliziert ein Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Zeugnis. Das einfache Zeugnis beinhaltet nur Informationen über die Art und Dauer des Dienstverhältnisses, während das qualifizierte Zeugnis zusätzlich eine Bewertung der Führungs- und Arbeitsleistung enthält. Grundsätzlich ist jedem Arbeitnehmer zu empfehlen, ein qualifiziertes Zeugnis zu verlangen, da eine Bewerbung mit einem einfachen Zeugnis bei einem möglichen neuen Arbeitgeber Fragen aufkommen lässt (Weuster 1994). Kein Zeugnis im Sinne der o. g. Gesetzesvorschriften ist das so genannte Empfehlungs- oder Referenzschreiben. Dies ist an keinerlei formale oder inhaltliche Vorgaben gebunden und hat im deutschen Sprachraum auch nahezu keine Bedeutung. Ganz anders sieht es im internationalen, speziell im angelsächsischen Raum aus. Hier gibt es die Arbeitszeugnisse nach unseren gesetzlichen Grundlagen nicht, die Bewertung der Arbeitsleistung erfolgt über Empfehlungs- oder Referenzschreiben, zu erkennen an der Überschrift: „To whom it may concern“. Anspruch auf ein Arbeitszeugnis haben grundsätzlich alle Berufsgruppen, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Das sind Angestellte, Arbeiter, Auszubildende, Praktikanten, Teilzeitbeschäftigte, Arbeitnehmer in zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen, Heimarbeiter und auch Zeitarbeitnehmer. Ebenso einen Zeugnisanspruch haben leitende Angestellte und Geschäftsführer bzw. Vorstände, die ja nicht dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegen. Keinen Anspruch haben Handelsvertreter nach §§ 84 HGB, soweit sie keine Einfirmenvertreter (§ 92 HGB) bzw. kleine Handelsvertreter (§ 84 Abs. 2 HGB) sind. Freie Mitarbeiter mit mehreren Auftraggebern haben ebenfalls keinen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis (Schulz 2000). Zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses ist grundsätzlich der Arbeitgeber, d.h. der Vorstand bzw. Geschäftsführer verpflichtet. Der kann diese Pflicht auf bei ihm beschäftigte Arbeitnehmer delegieren. Diese müssen jedoch ranghöher sein als der Arbeitnehmer, dessen Zeugnis auszustellen ist. In der Regel sind dies dann der direkte Vorgesetzte bzw. der Personalleiter. In der Praxis wird das Zeugnis sowohl vom direkten Vorgesetzten als auch von einem Vertreter des Personalbereichs ausgestellt. Auch im Falle eines Konkurses oder eines Unternehmensverkaufs (Betriebsübergang nach § 613 a BGB) bleibt der Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers bestehen. Die Pflicht zur Zeugniserstellung geht dann auf den Konkursverwalter bzw. den neuen Arbeitgeber über (Schulz 2000). Direkt bei Ausspruch der Kündigung, egal aus welchem Grund, egal ob durch den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf sein Arbeitszeugnis. Dies ist, solange er noch in einem bestehenden Arbeitsverhältnis tätig ist, ein vorläufiges Arbeitszeugnis, das dem Arbeitnehmer ermöglicht, sich sofort be-

D. Die Bewerbervorauswahl

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werben zu können. Speziell bei sehr langen Kündigungsfristen hat dies eine durchaus praktische Bedeutung. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses steht dem Arbeitnehmer das eigentliche Arbeitszeugnis zu. Hier gilt besonders zu beachten, dass es sich hier um eine Holschuld des Arbeitnehmers handelt, d. h. der Arbeitnehmer muss das Zeugnis bei seinem Arbeitgeber anfordern. Dieser hat das Zeugnis dann unverzüglich zu übergeben. Besonders zu beachten ist, dass das Zeugnis durch den Arbeitnehmer unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses angefordert wird, da faktisch der Zeugnisanspruch verfallen kann, wenn das Zeugnis nicht in einer für den Arbeitgeber zumutbaren Zeitspanne eingefordert wird. Das Gleiche gilt für den Fall, dass der Arbeitnehmer mit dem ihm ausgestellten Zeugnis nicht einverstanden ist. Liegen seiner Meinung nach triftige Gründe für eine Korrektur vor, so hat er unverzüglich eine Nachbesserung einzufordern. Sollte sich der Arbeitgeber weigern, die Korrekturen vorzunehmen oder kommt mit der Übergabe des Zeugnisses in Verzug, ist sofort zu mahnen. Bringt dies auch keinen Erfolg, so ist die nächste Stufe, die Einschaltung des zuständigen Gerichts, zu beschreiten. Anders als beim qualifizierten Endzeugnis besteht für den Arbeitnehmer kein Rechtsanspruch auf die Ausstellung eines Zwischenzeugnisses. Es gibt jedoch typische Situationen, in denen der Anspruch auf ein Zwischenzeugnis besteht: x

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird in Aussicht gestellt.

x

Die Probezeit ist abgelaufen.

x

Das Zwischenzeugnis wird zur Zulassung für eine Fortbildungsmaßnahme benötigt.

x

Der Arbeitnehmer wird im Unternehmen versetzt.

x

Der direkte Vorgesetzte wechselt.

x

Das Unternehmen wird verkauft oder fusioniert etc. (gilt jedoch nur für unmittelbar davon Betroffene).

x

Das Arbeitsverhältnis wird wegen Wehrdienst, Erziehungsurlaub etc. unterbrochen (Schulz 2000).

Die Vorauswahl

108

5.7.3. Form und Aufbau des qualifizierten Arbeitszeugnisses Die äußere Form eines qualifizierten Arbeitszeugnisses unterliegt fest definierten Anforderungen, die in der nachfolgenden Abbildung zusammengefasst sind (s. Abb. D 2). x

Überschrift

x

Computer geschrieben

x

In der Form des beim Arbeitgeber üblichen Schriftverkehrs, auf Geschäftspapier

x

Angemessenes äußeres Erscheinungsbild, keine Schreibfehler

x

Keine Geheimzeichen

x

Vornamen, Nachname, Beruf, akademischer Grad des Zeugnisinhabers

x

Geburtsdatum, -ort, -name und Anschrift, nur nach Zustimmung durch den Zeugnisinhaber

x

Ausstellungsdatum des Zeugnisses

x

Unterschrift des Arbeitgebers bzw. Vertreters (ranghöher als Zeugnisinhaber und Angestellter des Arbeitgebers)

Abb. D 2: Form des qualifizierten Zeugnisses

D. Die Bewerbervorauswahl

109

Für den Aufbau eines qualifizierten Arbeitszeugnisses hat sich in der Praxis ein zweckmäßiges Schema entwickelt (s. Abb. D 3):

x

Überschrift: Zeugnis, Arbeitszeugnis, vorläufiges Zeugnis, Zwischenzeugnis, Ausbildungszeugnis

x

Einleitung: persönliche Daten des Arbeitnehmers einschließlich Beginn und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, soweit es sich nicht aus der Schlussformel ergibt

x

Tätigkeitsbeschreibung: einschließlich des beruflichen Werdegangs des Arbeitnehmers

x

Leistungsbeurteilung: einschließlich der zusammenfassenden passiven Führungsbeurteilung

x

Führungsleistung: nur bei Führungskräften

x

Persönliches soziales Verhalten

x

Schlussformulierung: Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, auf wessen Initiative, Dankes- und Bedauernsformel, Zukunftswünsche

x

Ort und Datum der Zeugniserstellung, Unterschrift des/der Zeugnisaussteller: Name des Zeugnisausstellers zusätzlich Computer geschrieben, Hinweis auf die Rechtsstellung des Ausstellers

x

Unterschrift des Arbeitgebers bzw. Vertreters (ranghöher als Zeugnisinhaber und Angestellter des Arbeitgebers

Abb. D 3: Aufbau eines qualifizierten Arbeitszeugnisses

5.7.4. Die Tätigkeitsbeschreibung im qualifizierten Arbeitszeugnis Einen hohen Stellenwert, der in der Praxis jedoch vielfach unterschätzt wird, hat die Tätigkeitsbeschreibung. Außer dem Arbeitszeugnis gibt es quasi keinen offiziellen Nachweis über die Funktion, die hierarchische Einordnung, die Verantwortung und die genaue Tätigkeit eines Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass seine unterschiedlichen Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten über die gesamte Beschäftigungsdauer aufgeführt werden. Diese Anforderung stellt den Verfasser von Arbeitszeugnissen oftmals vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Bei einem Arbeitnehmer, der nach 13-jähriger Tätigkeit und nach verschiedenen Stationen in einem Unternehmen ausscheidet und ein qualifiziertes Zeugnis verlangt, kommt auf den Verfasser einiges an Arbeit zu. Er hat die Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten jeder einzelnen Position zu recherchieren und im Zeugnis zu dokumentieren.

110

Die Vorauswahl

Falls die relevanten Vorgesetzten nicht mehr greifbar sind, hat er sich der vorhandenen Personalakten oder anderer Unterlagen zu bedienen (Weuster 1994). In der Praxis ist die Tätigkeitsbeschreibung keine reine Auflistung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten, sondern hier liegt vielfach schon eine Beurteilung vor, beispielsweise in Form von Weglassen relevanter Tätigkeiten oder der Art der Darstellung bestimmter Verantwortlichkeiten. 5.7.5. Die Führungs- und Leistungsbeurteilung im qualifizierten Arbeitszeugnis Der Arbeitnehmer hat nach § 630 BGB Anspruch auf eine umfassende Beurteilung seiner Führung und Leistung, die sich auf die gesamte Dauer seiner Beschäftigung im Unternehmen bezieht. Dabei muss sich der Arbeitgeber auf objektiv nachprüfbare und nachvollziehbare Kriterien stützen. Vermutungen, Behauptungen oder auch Verdachtsmomente haben in einem Arbeitszeugnis nichts zu suchen. Genauso gehören private Dinge nicht ins Arbeitszeugnis und es dürfen sich keine persönlichen Animositäten und Feindschaften niederschlagen. Beispielsweise dürfen die Tätigkeit als Betriebsrat, die Arbeitsunterbrechung wegen Erziehungsurlaub, Abmahnungen oder der Gesundheitszustand keinen Niederschlag im Arbeitszeugnis finden (Schulz 2000). Die Beurteilung der Arbeitsleistung hat sich ausschließlich auf die folgenden Kriterien zu beziehen: x

Leistungsfähigkeit

x

Leistungsbereitschaft

x

Erfolge

x

Arbeitsqualität

x

Arbeitsquantität

x

Arbeitsgeschwindigkeit

x

Arbeitsökonomie

Ähnlich stellt sich die Situation bei der Beurteilung der Führungsleistung. Auch hier gibt es fest definierte Kriterien, auf die sich die Beurteilung beziehen muss: x

Sozialverhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen

x

Führungsverhalten gegenüber Mitarbeitern, konkretisiert durch Führungsstil und Mitarbeitermotivation (gilt nur für Führungskräfte)

x

Beachtung der Betriebsordnung

x

Kooperations- und Kompromissbereitschaft

D. Die Bewerbervorauswahl

x

111

Verhalten gegenüber externen Partnern wie Kunden und Lieferanten oder Kooperationspartnern

5.7.6. Die Schlussformel im qualifizierten Arbeitszeugnis Ein vielfach in seiner Aussagekraft unterschätzter Bereich des Arbeitszeugnisses ist die Schlussformel. In der nachfolgenden Abbildung einer vollständigen und positiven Schlussformel werden die einzelnen Bestandteile dargestellt (s. Abb. D 4): Herr Maier scheidet auf eigenen Wunsch Datum des Beschäftigungsendes und Beendizum 31.12.2002 aus unserem Unternehmen gungsgrund aus. Wir bedauern sein Ausscheiden sehr.

Ausdruck des Bedauerns

Für die unserem Unternehmen erbrachten Dank für die erbrachten Leistungen Leistungen bedanken wir uns sehr. Für seinen weiteren beruflichen Werdegang wünschen wir ihm alles Gute.

Zukunftswünsche

Abb. D 4: Vollständige Schlussformel

Eine Schlussformel in einem guten Arbeitszeugnisses muss aus allen in der Abbildung genannten Bestandteilen bestehen. 5.7.7. Die Zeugnissprache „Nirgends wird so viel gelogen wie in Arbeitszeugnissen.“ Dieser Satz bringt die Problematik der Zeugnisinterpretation auf den Punkt. Gibt es nun die Zeugnissprache oder nicht? Sie gibt es, auch wenn dies von vielen Seiten verneint wird. „Das Arbeitszeugnis hat zwei Geboten gerecht zu werden: Der Zeugniswahrheit und der wohlwollenden Beurteilung durch den Arbeitgeber“ (Huber 1995). Diese beiden Gebote sind die Ursache für die Entstehung der so genannten Zeugnissprache. Diese Gebote sind die Quintessenz eines Urteils des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1960: „Es soll einerseits dem Arbeitnehmer als Unterlage für eine neue Bewerbung dienen. Die Belange des Arbeitnehmers sind gefährdet, wenn er unterbewertet wird. Andererseits soll das Zeugnis der Unterrichtung eines Dritten dienen, der die Ein-

112

Die Vorauswahl

stellung des Arbeitnehmers in Erwägung zieht; dessen Belange sind gefährdet, wenn der Arbeitnehmer überbewertet wird.“ (BGH, 23. Juni 1960) Zu einem ähnlichen Urteil kommen zwei weitere Gerichte zu einem späteren Zeitpunkt. Obwohl die hier aufgeführten Auszüge aus Gerichtsurteilen schon mehr als 25 Jahre alt sind, hat sich auch an der aktuellen Rechtssprechung nichts geändert. „Das Arbeitszeugnis soll einerseits dem Arbeitnehmer als Unterlage für eine Bewerbung dienen, andererseits einen Dritten, der die Einstellung des Zeugnisinhabers erwägt, unterrichten.“ (BAG, AP Nr. 1 zu § 73 HGB) „Das Zeugnis, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, darf einerseits den ferneren Lebensweg eines Arbeitnehmers nicht mehr als erforderlich erschweren, andererseits soll es aber Dritte unterrichten und muss daher wahr sein.“ (LAG München ARST 1977 Nr. 1185) Die Einhaltung der beiden Gebote – Zeugniswahrheit und wohlwollende Beurteilung – bedeutet in der Praxis, dass negative Vorkommnisse, mangelnde Leistungen, schlechtes Verhalten etc. nicht direkt ausgedrückt werden können, sondern umschrieben und verklausuliert ausgedrückt werden müssen. „Durch die Blume“ werden in nahezu unbegrenzter Art und Weise negative Beurteilungen, die oberflächlich betrachtet positiv klingen, erteilt. Für den Verfasser von Arbeitszeugnissen bedeutet die Einhaltung der beiden oben genannten Gebote ein nicht unerhebliches Risiko. Einerseits kann der Arbeitnehmer zu gut bewertet werden, was andererseits dem, der den Zeugnisinhaber einstellt, eventuell schadet. Wird beispielsweise eine Kassiererin wegen Unehrlichkeit entlassen und über ihre Verfehlung findet sich kein ausreichender Hinweis in ihrem Arbeitzeugnis, kann dem neuen Arbeitgeber ein nicht unerheblicher Schaden entstehen, wenn die Kassiererin bei ihm wieder unehrlich ist und in die Kasse greift. Der neue Arbeitgeber kann dann dem alten Arbeitgeber den Vorwurf machen, dass er vom früheren Arbeitgeber seiner Mitarbeiterin durch das Arbeitszeugnis nicht wahrheitsgemäß informiert wurde. Als Konsequenz kann der neue Arbeitgeber gegenüber dem früheren Arbeitgeber ggf. den ihm entstandenen Schaden geltend machen. Dies ist in der Praxis durchaus relevant. Andererseits kann ein zu schlechtes Zeugnis, in dem der Arbeitnehmer unterbewertet wurde, dessen weiteren beruflichen Werdegang behindern, mit der Konsequenz, dass er ggf. keinen neuen Arbeitsplatz mehr bekommt. Sollte der Arbeitnehmer der Meinung sein, dass sein Zeugnis seinen tatsächlichen Leistungen nicht entspricht, so sollte er sofort nach Erhalt vom Zeugnisaussteller entsprechende Korrekturen verlangen. Sollte er erst nach einigen erfolglosen Bewerbungen feststellen, dass er wegen des Zeugnisses keinen neuen Arbeitsplatz bekommt, ist es meist schon zu spät. Grundsätzlich wären auch hier Schadensersatzforderungen gegen-

D. Die Bewerbervorauswahl

113

über dem früheren Arbeitgeber möglich. In der Praxis einen solchen Anspruch durchzusetzen, ist jedoch mehr als schwierig. Festzuhalten bleibt, dass es faktisch eine Zeugnissprache gibt, die als Grundlage zur Abfassung von Zeugnissen herangezogen wird. Herausgebildet hat sich diese Sprache durch Gerichtsurteile und die geübte Praxis innerhalb der Zeugniserstellung. Wie sieht nun die Zeugnissprache konkret aus? Grundsätzlich gilt, dass negative Aussagen und Bewertungen in Arbeitszeugnissen nicht direkt gemacht werden dürfen. In der Literatur und in der Praxis haben sich mittlerweile Zeugnismuster und Formulare zur Zeugniserstellung entwickelt, die dem Zeugnisverfasser die Erstellung von Zeugnissen erleichtern sollen. Eine sehr gute Übersicht hierzu bietet Huber (1995). Für den gesamten Zeugnisaufbau, inklusive der einzelnen Abschnitte Tätigkeitsbeschreibung, Leistungsbeurteilung, Führungsbeurteilung und Schlussformel sind in der Literatur Formulierungshilfen dargestellt, die in abgestufter Form, entsprechend Schulnoten eingesetzt werden können. Für die zusammenfassende Leistungsbeurteilung und die Belastbarkeit im qualifizierten Arbeitszeugnis sind in der nachfolgenden Abbildung die Abstufungen zwischen einer sehr guten und einer ungenügenden Beurteilung dargestellt (s. Abb. D 5). ZUSAMMENFASSENDE LEISTUNGSBEURTEILUNG SEHR GUT

GUT

BEFRIEDIGEND

Hat den übertragenen Aufga- Hat die übertragenen Hat die übertragenen Aufgaben zu benbereich stets zur vollsten Aufgaben stets zu unserer unserer vollen Zufriedenheit erleZufriedenheit erfüllt. vollen Zufriedenheit erdigt. füllt. AUSREICHEND

MANGELHAFT

Hat die übertragenen Aufgaben zur Zufriedenheit erledigt.

Hat die übertragenen Hat sich bemüht, die Aufgaben zu Aufgaben im Großen und unserer Zufriedenheit zu erledigen. Ganzen zur Zufriedenheit erledigt.

UNGENÜGEND

BELASTBARKEIT SEHR GUT

GUT

BEFRIEDIGEND

Auch stärkstem Arbeitsanfall Auch starkem Arbeitsanist er/sie jederzeit gewachsen. fall ist er/sie jederzeit gewachsen.

Ist starkem Arbeitsanfall gewachsen.

AUSREICHEND

MANGELHAFT

UNGENÜGEND

Ist dem üblichen Arbeitsanfall gewachsen.

Ist dem üblichen Arbeits- Ist bemüht, den üblichen Arbeitsananfall im Wesentlichen fall zu bewältigen. gewachsen.

Abb. D 5: Zusammenfassende Leistungsbeurteilung und Belastbarkeit

114

Die Vorauswahl

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, eine oberflächlich gute Leistungs- und Führungsbeurteilung durch gezielt eingesetzte Instrumente einzuschränken oder sie gar in das Gegenteil zu verdrehen. Einige Beispiele für solche in der Praxis gerne eingesetzter Instrumente werden nachfolgend vorgestellt: x Die Betonung von Selbstverständlichkeiten Sollte beispielsweise bei einem Ingenieur oder einem kaufmännischen Sachbearbeiter im Zeugnis eine Aussage zu seinem gepflegten Äußeren zu finden sein, müssen alle Alarmglocken angehen. Eine solche Selbstverständlichkeit gehört nicht in das Zeugnis. Noch fataler wäre ein solcher Hinweis bei einer Führungskraft oder bei einem leitenden Angestellten. Anders sieht es bei Berufsgruppen aus, für die das gepflegte Äußere zu den grundlegenden Anforderungen zur erfolgreichen Ausübung ihrer Tätigkeit gehört. Hier muss aber auch wieder nach der Gewichtigkeit der Position und der Verantwortung abgestuft werden. Für eine Parfümerieverkäuferin mag der Hinweis noch statthaft sein, fatal wird es schon beim Vertriebsingenieur. Ähnlich verhält es sich mit Attributen wie pünktlich und ehrlich. Für eine Kassiererin in einem Einzelhandelsgeschäft sind Pünktlichkeit und Ehrlichkeit wesentliche Anforderungen, auf die im Zeugnis auch verwiesen werden soll. Für den Filialleiter sind diese Attribute selbstverständlich und somit eine negative Aussage, vor allem dann, wenn die wesentlichen Anforderungen an seine Tätigkeit nicht oder nicht ausreichend bewertet werden. Durch die Betonung von Selbstverständlichkeiten wird das Zeugnis künstlich in die Länge gezogen und die wesentlichen Beurteilungsbereiche werden dadurch weggelassen. x Die Abänderung typischer Reihenfolgen Eine sehr subtile Form der Einschränkung einer oberflächlich guten Beurteilung ist das Vertauschen typischer Reihenfolgen. Die Aussage „Sein Verhältnis zu Kollegen, Mitarbeitern und Vorgesetzten war stets einwandfrei“ stößt dem Leser auf den ersten Blick nicht auf. Grundsätzlich wird in Zeugnissen jedoch eine Reihenfolge dergestalt eingehalten, dass bei Aufzählungen die wichtigsten Beurteilungsbereiche zuerst genannt werden. In diesem Falle wird nach der betrieblichen Hierarchie vorgegangen. D. h. zuerst der Vorgesetzte, dann die Kollegen und zum Schluss die eigenen Mitarbeiter. Wenn also der Vorgesetzte zuletzt genannt wird, lässt das darauf schließen, dass das Verhältnis des Zeugnisinhabers zu ihm doch nicht gut, sondern eher schlecht war. In manchen Zeugnissen werden auch externe Partner, wie Kunden, Lieferanten oder Kooperationspartner in diese Aufzählung integriert. Davon ist abzuraten. Grundsätzlich macht die Beurteilung des Verhältnisses zu externen Partnern nur dann Sinn, wenn die Zusammenarbeit mit den Partnern einen wesentlichen Bestandteil der

D. Die Bewerbervorauswahl

115

Tätigkeit ausmacht. Bei Verkäufern oder Key Account Managern ist das ebenso gegeben wie bei Einkäufern von A-Teilen. Grundsätzlich empfiehlt es sich jedoch, die externe Dimension in einen eigenen Satz zu integrieren. Ein weiteres Beispiel für die Abänderung typischer Reihenfolgen ist die Aufzählung der Beschaffungsgruppen bei einem Einkäufer. Hatte der Einkäufer seinen Tätigkeitsbereich sicher beherrscht, so ist bei der Aufzählung mit der, für das Unternehmen wichtigsten Beschaffungsgruppe zu beginnen. Der Satz müsste dann folgendermaßen lauten: „Herr Maier war verantwortlich für die Beschaffung von Großanlagen, Maschinen und Hilfs- und Betriebsstoffen“. x Das „beredte Schweigen“ Damit bezeichnet man das Weglassen grundlegender und wichtiger Beurteilungsbereiche. So gehören zum Beispiel bei einem Verkäufer Aussagen zu seinen erzielten Ergebnissen oder Erfolgen grundsätzlich in ein Zeugnis. Ebenso ist bei einem leitenden Angestellten oder Geschäftsführer die Bestätigung des uneingeschränkten Vertrauens durch den Vorgesetzten bzw. Gesellschafter oder Aufsichtsrat in einem guten Zeugnis zwingend erforderlich. Auch bei einer Kassiererin ist eine Aussage zu ihrer Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit notwendig. Bei einer Führungskraft ist natürlich eine Aussage zur aktiven Führungsleistung zwingend erforderlich. Die extremste Form des Weglassens ist die des Verzichts auf eine Leistungs- und Führungsbeurteilung im qualifizierten Arbeitszeugnis. Dann reduziert sich das Zeugnis auf eine reine Tätigkeitsbeschreibung. In der Praxis werden Aussagen zu grundsätzlich erforderlichen Beurteilungsbereichen dann weggelassen, wenn hier keine zufrieden stellende oder gute Bewertung von Führung oder Leistung erfolgen würde. x Der Einsatz passiver Formulierungen statt aktiver Formulierungen Ein gutes Arbeitszeugnis sollte immer aktiv und nicht passiv formuliert sein. Aktive Formulierungen kommen in Verben wie „erstellte“, „erledigte“ oder „übernahm“ zum Ausdruck. Beispiele für passive Formulierungen sind „Ihm oblag“, „Er hatte ... zu erstellen“, „Ihm wurde die Aufgabe ... übertragen“. Bei den passiven Formulierungen ist nicht erkennbar, ob die „ihm übertragene Aufgabe“ erledigt wurde, geschweige denn, in welcher Qualität. Zudem kommen in aktiven Formulierungen das Engagement und die Tatkraft, falls vom Zeugnisverfasser gewollt, besser zum Ausdruck. Falls sich passive Formulierungen in einem Zeugnis wie ein roter Faden durchziehen, kann unterstellt werden, dass der Zeugnisinhaber, wie der bekannte Hund, „zum Jagen getragen werden musste“.

116

Die Vorauswahl

x Das Fehlen von Qualitäts- und Erfolgsaussagen Qualitäts- und Erfolgsaussagen sind die entscheidenden Punkte in einem Arbeitszeugnis. Tätigkeitsbeschreibungen, in denen keine Erfolgsaussagen integriert sind, lassen darauf schließen, dass die ausgeübten Tätigkeiten nicht zur Zufriedenheit ausgeübt wurden. Speziell bei verantworteten oder durchgeführten Projekten sind Erfolgsaussagen für ein gutes Zeugnis zwingend erforderlich. Ein Projekt nur zu verantworten, zu leiten oder durchzuführen ist das eine, es zu einem überaus erfolgreichen Abschluss, ggf. gegen hohe Widerstände, zu führen, das andere. In der Praxis bedeutet das, bei jeder Erwähnung einer Tätigkeit oder einer Gruppe von Tätigkeiten muss eine Qualitäts- oder Erfolgsaussage stehen. Der bekannte Satz „Die ihm übertragenen Aufgaben hat er stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt“ stellt nur die zusammenfassende Leistungsbeurteilung dar und bezieht sich nicht auf einzelne Tätigkeiten bzw. Gruppen von Tätigkeiten. x Das Fehlen der Dauerhaftigkeit, der zeitlichen Aussage Der Einsatz dieses Instrumentes ist ebenfalls auf den ersten Blick vielfach schwer zu erkennen, weil die entscheidenden Worte relativ kurz und unscheinbar sind. Dies sind Worte wie stets, immer, dauernd etc. Obwohl unscheinbar, sind sie äußerst bedeutsam und entscheidend. Grundsätzlich wird ein Arbeitszeugnis über die gesamte Beschäftigungsdauer ausgestellt, ebenso erstreckt sich naturgemäß der Beurteilungszeitraum über diese Zeitspanne. Beim Fehlen der zeitlichen Aussage kann unterstellt werden, dass die aufgeführte Beurteilung „Mit seinen Leistungen waren wir sehr zufrieden“ so auch richtig ist, sie wurde nur nicht über die gesamte Beschäftigungsdauer hinweg erbracht. Eine extreme Interpretation wäre, dass der Zeugnisinhaber sehr gute Leistungen erbracht hat, diese aber nur kurz aufgeblitzt sind. Während nahezu der gesamten Beschäftigungsdauer war er nur ein durchschnittlicher oder gar unterdurchschnittlicher Mitarbeiter. x Einschränkungen Dieses Instrument ist zwar offensichtlicher, wird vielfach aber bei der Analyse eines Zeugnisses übersehen. Aussagen wie „während seiner Anwesenheit“, „teilweise“, „im Wesentlichen“, „mit Ausnahme von“, „fast immer“ schränken die Bedeutung einer auch guten Beurteilung in starkem Maße ein. In einem guten Zeugnis dürfen Einschränkungen nicht vorkommen. x Die doppelte Verneinung Dies ist auch eine sehr subtile Form der versteckten negativen Beurteilung. Oberflächlich gleich klingen die beiden Sätze „Mit seinen Leistungen waren wir

D. Die Bewerbervorauswahl

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stets zufrieden“ und „Mit seinen Leistungen waren wir stets nicht unzufrieden“. Die Beurteilung ist jedoch völlig unterschiedlich. Der erste Satz bescheinigt dem Zeugnisinhaber die Note Drei, während der zweite Satz eher die Note Fünf bescheinigt. Ähnlich verhält es sich mit Aussagen wie „Seine Arbeitsergebnisse waren für unser Unternehmen bedeutend“ bzw. „Seine Arbeitsergebnisse waren für unser Unternehmen nicht unbedeutend“. Fatal wäre die Aussage „Frau Maier war nicht unehrlich“ bei einer Kassiererin oder „Seine Leistungen waren nicht zu beanstanden“. x Mehrdeutigkeiten Hier bleibt es dem Zeugnisleser überlassen, wie er bestimmte Aussagen deuten soll. Beispielsweise kann die Formulierung „Herr Maier war ein kritischer Mitarbeiter“ bedeuten, dass Herr Maier kritische Positionen gegenüber der Unternehmensleitung oder gegenüber seinem Vorgesetzten eingenommen hat. Nicht klar wird bei dieser Formulierung, ob Herr Maier konstruktiv oder destruktiv agiert hat. Zudem kann die Aussage auch bedeuten, dass Herr Maier seine eigene Leistung kritisch gesehen hat, mit dem Ziel, sie dadurch kontinuierlich zu verbessern. Sollte die Aussage ohne weitere Ergänzungen oder Konkretisierungen, wie oben aufgeführt, im Zeugnis stehen, ist davon auszugehen, dass der Verfasser eher eine negative als eine positive Beurteilung abgeben wollte. x Das Fehlen der positiven Ergänzung Dieser Punkt hat seine bekannteste und wichtigste Bedeutung in der zusammenfassenden Leistungsbeurteilung. Die Beurteilung: „Mit seinen Leistungen waren wir stets zufrieden“ klingt auf den ersten Blick so, dass man davon ausgehen kann, dass der Zeugnisaussteller mit den Leistungen seines Mitarbeiters zufrieden war. Es fehlt jedoch die positive Ergänzung in Form eines Wortes wie „sehr“ oder „überaus“ oder „bestens“ etc. Die bekannteste Form der positiven Ergänzung ist sicherlich der Ausdruck „zur vollen“ bzw. „zur vollsten Zufriedenheit“, meistens verwandt bei der zusammenfassenden Leistungsbeurteilung. Bei sehr guten Zeugnissen ist die positive Ergänzung unverzichtbar, ein gutes Zeugnis muss mit Superlativen durchzogen sein. x Die Knappheit bzw. Kürze Je kürzer und knapper ein Zeugnis gehalten ist, umso weniger Wertschätzung wird dem Zeugnisinhaber dadurch zum Ausdruck gebracht. Knappheit kann dabei in zwei Formen zum Ausdruck kommen: ż Das gesamte Zeugnis ist kurz gefasst: Die Kürze bezieht sich dabei auf alle Abschnitte des Zeugnisses, sowohl auf die Tätigkeitsbeschreibung als auch auf die Beurteilung von Leistung, Füh-

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Die Vorauswahl

rung und Schlussformel. Relativ knapp gehaltene Zeugnisse sind nicht per se schlecht. Die Länge ist vielmehr abhängig von der Tätigkeitsdauer und der hierarchischen Anordnung der Position im Unternehmen. Grundsätzlich gilt, dass ein Zeugnis umso länger gefasst sein sollte, je länger der Zeugnisinhaber im Unternehmen tätig war. Zudem gilt: Je höher die Position des Zeugnisinhabers im Unternehmen angesiedelt war, umso länger sollte das Zeugnis sein. Das Zeugnis eines leitenden Angestellten, der über zehn Jahre im Unternehmen tätig war, muss signifikant länger sein als das Zeugnis eines kaufmännischen Sachbearbeiters, der nur zwei Jahre im Unternehmen tätig war. ż Einzelne Abschnitte sind kurz gefasst: In diesem Fall werden die Abschnitte, die sich auf die Beurteilung der Leistung und Führung beziehen, und/oder die Schlussformel kurz gefasst. Im Extremfall reduziert sich das Zeugnis dann fast auf eine reine Tätigkeitsbeschreibung. Der Zeugnisinhaber sollte bei der Kontrolle seines Zeugnisses darauf achten, dass alle Abschnitte in einem ausgewogenen quantitativen Verhältnis zueinander stehen. 5.7.8. Analyse von Arbeitszeugnissen im engeren Sinne Auch heute noch sind Zeugnisse ein integraler Bestandteil einer jeden vollständigen und aussagekräftigen Bewerbung. Was sagen Zeugnisse jedoch aus? Grundsätzlich sind sie bei der Beurteilung von Bewerbern mit Vorsicht zu genießen. Der Hauptgrund für diese Mahnung zur Vorsicht ist das unterschiedliche Verständnis der Zeugnissprache. So haben Leser, Zeugnisinhaber und Verfasser vielfach einen völlig unterschiedlichen Kenntnisstand. Beispielsweise ist der Zeugnisinhaber mit seinem Zeugnis zufrieden, u. a. deshalb, weil der Mitarbeiter die Zeugnissprache nur unzureichend kennt und sein früherer Arbeitgeber ihm ein gutes Zeugnis zugesichert und seiner Meinung nach auch ein solches ausgestellt hat. Die große Überraschung kommt dann bei den ersten Bewerbungen mit dem neuen Zeugnis. Die Bewerbungsunterlage kommt mit einer Absage zurück, obwohl sich der Bewerber gute Chancen ausgerechnet hat, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Oder im Vorstellungsgespräch wird der Bewerber darauf angesprochen, warum sein letztes Arbeitszeugnis so schlecht ausgefallen ist. Ebenso wundert sich ein Arbeitgeber, der einen Bewerber auf Grund seiner Meinung nach hervorragender Zeugnisse eingestellt hat, über dessen schlechte Arbeitsleistung oder auch darüber, dass der neue Mitarbeiter über bestimmte Fertigkeiten nicht verfügt, die ihm jedoch im Zeugnis bescheinigt worden sind. Was soll nun bei der Analyse von Arbeitszeugnissen berücksichtigt und beachtet werden? Die Kenntnis über die nachfolgenden Punkte ist bei der Analyse von Arbeitszeugnissen hilfreich:

D. Die Bewerbervorauswahl

119

x Der unterschiedliche Kenntnisstand über die Zeugnissprache bei Verfasser und Leser Dies ist in der Praxis die zentrale Problematik bei der Zeugnisanalyse. Anders als die deutsche Sprache wird die Zeugnissprache nicht über einen „Duden“ gepflegt und transparent gemacht. Auch wenn es vielfältige Literatur zur Zeugnissprache gibt, so ist diese jedoch heterogen und teilweise auch widersprüchlich. Die Kenntnis über die Zeugnissprache ist unterschiedlich, sowohl bei Arbeitgebern wie auch Arbeitnehmern. So entstehen falsche Einschätzungen und Missverständnisse. x Das wohlwollend formulierte Zeugnis als Bestandteil einer Auflösungsvereinbarung Speziell dann, wenn Mitarbeitern wegen unzureichender Leistung oder verhaltensbedingt gekündigt wird oder „geraten“ wird, selbst zu kündigen, kommt es vielfach vor, dass das wohlwollend formulierte Zeugnis einen Teil der Auflösungsvereinbarung darstellt. Um höhere Abfindungszahlungen oder einen Arbeitsgerichtsprozess zu vermeiden, erhält der Mitarbeiter ein wohlwollend formuliertes Zeugnis. Ebenso einigt man sich darauf, dass die Schlussformel so formuliert wird, dass der Mitarbeiter auf eigenen Wunsch gekündigt hat, obwohl ihm die Kündigung nahe gelegt wurde oder ihm tatsächlich gekündigt wurde. x Autoren von Arbeitszeugnissen sind oftmals die Arbeitsgerichte Da dem Arbeitgeber die Beweispflicht obliegt, haben Arbeitnehmer vor den Arbeitsgerichten vielfach sehr gute Karten, was die Durchsetzung ihrer Forderung nach einem guten Zeugnis betrifft. Im Streitfall muss der Arbeitgeber beweisen, dass der Arbeitnehmer die geforderte Leistung nicht erbracht hat bzw. sein Verhalten zu beanstanden war. Und dies ist sehr schwierig, wenn keine entsprechenden Leistungsbeurteilungen, Abmahnungen oder Zwischenzeugnisse vorliegen. x Arbeitszeugnisse werden oftmals vom Arbeitnehmer selbst verfasst Geübte Praxis in vielen Unternehmen ist leider die Tatsache, dass Arbeitszeugnisse vom Mitarbeiter selbst verfasst und dann vom Arbeitgeber Korrektur gelesen und unterzeichnet werden. Das ist aus zweierlei Hinsicht nachvollziehbar. Einerseits spart sich der Arbeitgeber die Arbeit, ein Zeugnis zu formulieren. Die Erstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit Tätigkeitsbeschreibung, Leistungs-, Führungsbeurteilung und Schlussformel stellt für den Aussteller eines Zeugnisses einen hohen Zeitaufwand dar. Und Abfassung eines qualifizierten Zeugnisses ist eine Tätigkeit, der die wenigsten Arbeitgeber gerne nachgehen. Die Abfassung eines Zeugnisses, welches die tatsächliche Leistung und

Die Vorauswahl

120

Führung eines Mitarbeiters widerspiegelt, benötigt auch mit dem Einsatz von Textbausteinen Zeit, die ein Arbeitgeber lieber in anderen Bereichen zielführend einsetzt. Zudem wird von vielen ausscheidenden Arbeitnehmern gegenüber ihren Vorgesetzten der Wunsch geäußert, einen eigenen Zeugnisentwurf vorlegen zu dürfen. Damit soll erreicht werden, dass der Arbeitnehmer ein Zeugnis erhält, welches seinen Vorstellungen entspricht. x Arbeitszeugnisse werden oftmals voneinander abgeschrieben In der Praxis leider auch vorkommend, ist das Abschreiben von Zeugnissen. Arbeitgeber nehmen Zeugnisse aus früheren Beschäftigungsverhältnissen ihres Mitarbeiters als Basis für die Erstellung des neuen Zeugnisses. Zu erkennen ist dies unter anderem daran, dass sich ungewöhnliche Formulierungen über alle Zeugnisse eines Arbeitnehmers hinwegziehen. Oder es werden Zeugnisse, die vom Zeugnisersteller in der Vergangenheit für andere Mitarbeiter formuliert worden sind, als Basis herangezogen. So entstehen keine individuellen Zeugnisse, sondern ein Unternehmensstandard, der der Leistung und der Führung des Einzelnen nicht gerecht wird. Wie soll nun bei der Analyse von Arbeitszeugnissen vorgegangen werden? Neben der inhaltlichen Analyse der Zeugnissprache empfiehlt es sich, die nachfolgenden Punkte zu beachten: x Analyse des einzelnen Zeugnisses Das einzelne Zeugnis ist nach den nachfolgenden einzelnen Abschnitten getrennt zu analysieren: Tätigkeitsbeschreibung Führungsbeurteilung Leistungsbeurteilung Schlussformel x Analyse des Verhältnisses der einzelnen Abschnitte zueinander Tätigkeitsbeschreibung Führungsbeurteilung Leistungsbeurteilung und Schlussformel zueinander Gibt es zwischen den einzelnen Bereichen signifikante Unterschiede in qualitativer oder inhaltlicher Hinsicht? Oder unterscheiden sich die einzelnen Abschnitte in quantitativer Hinsicht, d. h. in der Länge? Ein gutes Zeugnis sollte sowohl in quantitativer wie qualitativer Hinsicht ausgewogen sein.

D. Die Bewerbervorauswahl

121

x Alle Zeugnisse eines Arbeitnehmers Oftmals erkennt man bei der Analyse entweder einen hohen Übereinstimmungsgrad oder auch starke Unterschiede. Übereinstimmungen können auf eine stabile „Form“ des Zeugnisinhabers über seinen gesamten beruflichen Werdegang hindeuten. Es ist aber auch möglich, dass der jeweilige Zeugnisaussteller von den alten Zeugnissen seines Mitarbeiters abgeschrieben hat. Sich wiederholende einzelne signifikante Aussagen können jedoch auch auf ein Problem beim Zeugnisinhaber hindeuten. 5.7.9. Conclusio Obwohl der Untersuchungsbereich Arbeitszeugnisse im deutschen Arbeitsrecht und durch Gerichtsurteile eindeutig geregelt ist, stellt sich die Abfassung von Arbeitszeugnissen in der Praxis doch als problematisch dar. Die Zeugnissprache gibt es, genauso sind die Anforderungen an Form und Inhalt klar definiert und auch grundsätzlich transparent. Die Probleme ergeben sich jedoch in der Praxis. Der unterschiedliche Kenntnisstand über die Zeugnissprache und der teilweise problematische Umgang mit der Pflicht zur Zeugniserteilung in vielen Unternehmen, lassen die Aussagekraft von Arbeitszeugnissen vielfach als fraglich erscheinen.

6.

Vorab-Telefoninterview

Telefonische Vorabinterviews sind in den USA schon seit langem ein gängiges Verfahren, um etwa Bewerber für eine Stelle bei einer Hot- oder Helpline und in späteren Zeiten als Call-Center-Agents daraufhin vorzuselektieren (Screening), wie sie am Telefon wirken. Häufig geschieht dies sogar, ohne dass der Angerufene darüber aufgeklärt wurde. Diese Ethik der Arglosigkeit soll hier nicht gutgeheißen werden. Vielmehr gehört es sich, das Ziel des Anrufs deutlich offen zu legen und mit der Frage zu eröffnen, ob Anlass und Zeitpunkt gerade genehm sind. Auf diese Weise dient das telefonische Vorabinterview dazu, diejenigen Fragen zu klären, die nach der Analyse der Bewerbungsunterlagen noch offen geblieben sind, deren Beantwortung für die Entscheidung, ob der Bewerber zum Interview eingeladen wird, jedoch unerlässlich sind. Dieses Instrument ist also rein unter dem sachlichen Informationsaspekt zu sehen, alle weiter reichenden Überprüfungsansprüche scheitern schon daran, dass derselbe Bewerber schlecht von verschiedenen Unternehmensmitarbeitern zur Verbesserung der Beurteilerübereinstimmung angerufen werden kann. Das telefonische Vorabinterview trägt Effizienzgesichtspunkten Rechnung, spart Zeit und Geld und ermöglicht im Falle der Einladung zum Bewerber-Interview, dass man sich dann kürzer fassen und auf das

122

Die Vorauswahl

Wesentliche beschränken kann. Es stößt auch beim Bewerber in der Regel auf Verständnis. Das telefonische Vorabinterview wird nicht nur dann eingesetzt, wenn die bei der Bewerbung mitgelieferten Informationen unvollständig sind, sondern auch dann, wenn sich der Bewerber in der Grauzone befindet, d. h. es fällt nach der Unterlagenanalyse schwer, eine klare Entscheidung, bezüglich der Einladung zum Interview, zu treffen. Hierzu sollten einige diesen Umstand aufklärende Leitfragen vorbereitet sein. Am Anfang sollten auch noch keine Zusagen für eine Einladung zum Interview gemacht werden. Ergeben sich im Verlaufe des Telefonats voneinander abweichende Vorstellungen, dann empfiehlt sich hier schon die klare und direkte Absage (vgl. Kapitel D.II.4. „Der telefonische Erstkontakt mit Bewerbern“). In der Instrumentensammlung bzw. Toolbox findet sich eine Checkliste zur Vorgehensweise beim Einsatz des telefonischen Vorabinterviews mit Bezug zu den Punkten, die nach Analyse der Bewerbungsunterlagen noch offen geblieben sind (s. Toolbox VII: Leitfaden zum telefonischen Vorabinterview, S. 222).

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews I. Das Interview als beliebtestes Auswahlinstrument Im Anschluss an die Vorauswahl mit Analyse der Bewerbungsunterlagen kommen weitere, umfassendere Selektionsverfahren zum Einsatz. Bewerbergespräche sind dabei immer noch das am weitesten verbreitete Auswahlverfahren bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter und sowohl bei Personalverantwortlichen wie auch Bewerbern das beliebteste (Schuler 2000). In der Durchführung variiert die Bandbreite der Bewerberinterviews: So finden völlig freie Gesprächsformen und teilbis vollstrukturierte Varianten mit standardisierten Fragen und Antwortvorgaben ihre Anwendung. Erfragt werden dabei Ausbildungs- und Berufshintergründe und -motivationen, Aspekte des Lebenslaufs und Familiäres. Beliebt sind auch die Fragen nach persönlichen Stärken und Schwächen, obwohl die Ausbeute gering ist, zumal jeder Bewerbungsratgeber empfiehlt, Schwächen zuzugeben und in Stärken umzuwandeln. Aus „ungeduldig“ wird dann „will schnell Ergebnisse sehen“ etc. Variiert wird ferner zwischen Einzelinterviews (ein Interviewer) und Mehrfachinterviews (mehrere Interviewer). Sonderformen des Einzelinterviews sind das Stressinterview, bei dem der Bewerber gezielt unter Druck gesetzt wird, um seine Belastungsfähigkeit zu testen, und das Tiefeninterview, bei dem es darum geht, unbewusste Einstellungen und Motive zu ergründen. Beide Verfahren kommen sowohl aus Gründen der Ethik als auch der mit Zweifel zu sehenden Ergebnisse, je nachdem, ob die Absicht durchschaut wurde oder nicht, für einen offenen und fairen Auswahlprozess nicht in Frage.

124

Das Zustandekommen des Interviewergebnisses

II. Das Zustandekommen des Interviewergebnisses Das Gesamturteil des Interviewers aus einem Bewerbergespräch setzt sich üblicherweise, insbesondere bei unstrukturiertem Vorgehen, aus einer Kombination der Bewertung der Antworten wie auch des dabei gezeigten Verhaltens zusammen. Dabei kommt es häufig zu ausgesprochen subjektiven Einschätzungen der Bewerber, wiewohl sich hier auch die bekannten Probleme der sozialen Urteilsbildung sowie die damit verbundenen Bewertungsverzerrungen niederschlagen. Dennoch kann auf das Interview nicht verzichtet werden, weil es kein anderes Instrument gibt, in dem über zweiseitige Kommunikation so viele Informationen in beiderlei Richtungen ausgetauscht und bewertet werden können. Da ist zum einen der Unternehmens-Blickwinkel mit Eignungsdiagnostik auch in den überfachlichen Kompetenzbereichen, Vorhersage des beruflichen Erfolgs sowie der Beurteilung des Bewerbers in Bezug auf die Passung zur Unternehmenskultur. Aus der Perspektive des Bewerbers können Informationen über alle unternehmens- und arbeitsrelevanten Sachverhalte, auch über die „Schattenseiten“, erwartet werden. In der Interaktion kommen persönliche und soziale Kompetenz sowie möglicherweise Verhandlungsgeschick auf beiden Seiten zum Vorschein. Auf Grund des Stellenwerts des Bewerbergesprächs hat es in letzter Zeit nicht an Versuchen gefehlt, die prognostische Aussagekraft des Bewerberinterviews zu verbessern; strukturierte Interviews sind hier eine viel versprechende Variante.

1.

Messtheoretische Gütekriterien von Auswahlverfahren

Die systematische Auswahl von Personen, beispielsweise in einem Bewerbungsverfahren, erfolgt über Beobachtung anhand von Merkmalsausprägungen. Die Beobachtung als Sammelbegriff schließt z.B. auch die Beurteilung von Unterlagen und Arbeitsproben etc. mit ein. Um die Merkmalsausprägungen festzustellen, wird ein Messverfahren benötigt. Unter einer Messung versteht man, vereinfacht ausgedrückt, eine regelgestützte Zuordnung von Zahlen oder Klassen zu einem Phänomen, Ereignis, Objekt oder auch zu Relationen zwischen ihnen. Den einfachsten Fall einer Messung kann man bereits mit „Merkmal vorhanden/nicht vorhanden“ annehmen. Will man sich bei den Auswahlverfahren für Bewerber nicht nur von Intuition oder impliziten Persönlichkeitstheorien leiten lassen, so kommen drei verschiedene Gütekriterien aus der klassischen Testtheorie der Psychologie zum Tragen, wobei „Test“ hier zunächst einmal für jedes diagnostische Verfahren steht: „Objektivität, Zuverlässigkeit und Gültigkeit“. Im Folgenden werden die

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

125

Gütekriterien sowohl allgemeinverständlich wie auch mit etwas testtheoretischem Hintergrund erläutert. x Objektivität: Wenn das Ergebnis des Tests unabhängig vom Untersuchenden ist, dann ist Objektivität gegeben. Z. B. sollte die Entscheidung „Der Bewerber ist geeignet“ gleich ausfallen, egal, wer sie trifft. In der Praxis wird die Entscheidung zumeist auf die Schultern mehrerer Beurteiler verteilt, um das Risiko, einen Fehler zu machen, zu minimieren. x Als Maß der Übereinstimmung zwischen den Beurteilern wird zumeist der Korrelationskoeffizient „r“ gewählt, ein Zusammenhangsmaß, das zwischen „0“ und „+1“, bzw. „0“ und „-1“ betragen kann. Der Korrelationskoeffizient ist auch als Prädiktor z.B. für Berufserfolg verwendbar, gemessen an der Gehaltsentwicklung oder der Beurteilung durch die Führungskraft. „r = 0“ bedeutet völlige Unabhängigkeit der Merkmale, also kein Zusammenhang, z.B. zwischen handwerklichem Geschick und sozialer Kompetenz, was einleuchtet: Das eine sagt nichts über das andere aus. In der Eignungsdiagnostik finden sich häufig Prognose-Werte von „r = .30“, etwa zwischen Schulnote und Ausbildungserfolg. Werte von „r = .50“ gelten bereits als sehr gut (Schuler 2000). x Gültigkeit (Validität) heißt im hiesigen Kontext, dass das Verfahren als Prüfgröße für die Validität ein operationales Kriterium messen muss, das auch mit der tatsächlichen Arbeitstätigkeit in engem Zusammenhang steht und somit Vorhersagen für künftiges Verhalten erlaubt (prognostische Validität). So hätte das Diktatergebnis eines medizinischen Textes für den Berufserfolg einer Schreibkraft in einer Arztpraxis eine gute prognostische Validität, für den Erfolg einer Schreibkraft in einer Rechtsanwaltskanzlei hingegen eine denkbar schlechte Vorhersagegültigkeit. Für eine Vorhersage bzgl. des gesamten Aufgabenspektrums einer Arzthelferin wäre dieses Diktat aber immer noch zu eng gefasst. Hier liegt der Akzent also auf der Repräsentativität der Testleistung und aus den Schlüssen, die daraus gezogen werden. x Reliabilität (Zuverlässigkeit) heißt, dass das Verfahren auch bei einer wiederholten Messung zum etwa gleichen Ergebnis kommen muss wie zuvor. Das Verfahren muss also Stabilität gewährleisten, also so angelegt sein, dass das Ergebnis nicht zu sehr von Übungseffekten verzerrt oder von situativen Einflüssen, wie den Befindlichkeiten des Bewerbers, überlagert wird. Gute Stabilitätswerte eines Tests (Retest-Reliabilität) haben einen Korrelationskoeffizienten von mindestens „r = .50“, sehr gute gar bis „.80“.

Das Zustandekommen des Interviewergebnisses

126

2.

Die Prognosegüte unterschiedlicher Auswahlverfahren im Vergleich

Die Prognosequalität unterschiedlicher Auswahlverfahren schwankt erheblich (s. Abb. E 1). Besonders augenfällig ist der große Unterschied zwischen herkömmlichen Einstellungsgesprächen, die nur eine geringe Gültigkeit haben, und strukturierten Interviews (Huf 2003). PROGNOSTISCHE VALIDITÄT VON AUSWAHLVERFAHREN eher hoher prognostischer Qualität

Auswahlinstrumente mit eher geringer prognostischer Qualität

x Arbeitsproben x Schulnoten (nur hinsichtlich beruflichem

x Bewerbungsunterlagen

x x

x Referenzen

x x

Ausbildungserfolg) Biografischer Fragebogen Strukturiertes anforderungsbezogenes Interview Assessment Center Intelligenztests

x Arbeitszeugnisse x

Schulnoten (hinsichtlich beruflichen Erfolgs)

x Freies Interview (Bewerbergespräch) x Grafologische Gutachten x Persönlichkeitstests

Abb. E 1: Prognostische Validität von Auswahlverfahren

Die bekannt niedrigen Werte für Einstellungsgespräche rühren daher, dass diese Gespräche häufig nur dem Austausch von Informationen dienen. Sie haben kein Ziel und keine feste Struktur, sondern orientieren sich in ihrem Ablauf an den wechselseitigen Bedürfnissen der Gesprächspartner. Die nachfolgende Abbildung zeigt einige der häufig in Einstellungsgesprächen erlebten Probleme (s. Abb. E 2). x

Unsicherheit bzgl. der benötigten Informationen

x

Nicht wissen, welche Fragen zu stellen sind bzw. woher man sich die Informationen holen kann

x

Umgang mit ruhigen, ausweichenden, „glatten“ Bewerbern

x

Hinter die „Fassade“ schauen; stimmt die Aussage des Bewerbers?

x

Bewertung der Aussagen des Bewerbers – die meisten Bewerber haben sich vorbereitet und sich Antworten zurechtgelegt

x

Informationen in Entscheidungen umsetzen

Abb. E 2: Erlebte Probleme in der Interviewerpraxis (Goodale 1989)

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

127

Es lässt sich erkennen, dass die prädiktive Validität von strukturierten Interviews gegenüber wesentlich aufwändigeren und kostenintensiveren Verfahren wie beispielsweise dem biographischen Fragebogen und Assessment Centern mindestens gleichwertig ist. Der biographische Fragebogen ermittelt Zusammenhänge zwischen Eigenschaften bei geeigneten und weniger geeigneten Bewerbern, beantwortet aber nicht, warum dies Indikatoren für den späteren Berufserfolg sein sollen. Das Assessment Center ist eine realitätsnahe Simulation unternehmensspezifischer Anforderungen. Strukturierte Interviews sind mit weniger Aufwand konzipierbar als diese beiden Verfahren, wenn die Schwächen herkömmlicher Einstellungsgespräche abgestellt oder gemindert werden.

3.

Fehlerquellen und Störeinflüsse herkömmlicher Einstellungsgespräche

In einer Zusammenfassung von Gesamtdarstellungen und Einzelstudien zu 40 Jahren Interviewforschung erscheinen als die markantesten Fehlerquellen und Störeinflüsse des Einstellungsgesprächs (Jetter 2003): x Interviewer bilden ein Stereotyp des „guten“ Bewerbers aufgrund früherer Erfahrungen mit einem Stelleninhaber. x Interviewer werden durch negative Informationen stärker beeinflusst als durch positive. Einerseits, um den D-Fehler gering zu halten, andererseits, weil von einem positiven Sich-Verstellen des Bewerbers ausgegangen wird. x Interviewer reden in der Regel deutlich mehr als die Interviewten. x Interviewer treffen bereits in den ersten 3 bis 4 Minuten ihr Urteil. Hier spielt das Phänomen des ersten Eindrucks eine Rolle, der zur schnellen Orientierung gebildet wird. x Die Bewertung der Antworten wird durch die Einstellung des Interviewers stark beeinflusst. Durch den „Halo-Effekt“ strahlt ein positives oder negatives Merkmal auf andere Eigenschaften oder die Gesamtperson über (implizite Persönlichkeitstheorien). x Die Reihenfolge der Interviews belastet das Ergebnis (Kontrast-Effekt). Nach drei schlechten Kandidaten erscheint ein mittelmäßiger Bewerber als sehr gut geeignet. x Erwartungen durch Vorinformationen führen zu „self-fulfilling prophecies“. Das eigene Verhalten erzeugt sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Beispielsweise verhält man sich freundlich zu einem Bewerber, den man vorab für sympathisch hält, auf Grund dessen verhält sich der Bewerber dann ebenfalls Sympathie verbreitend und „beweist“ damit die Richtigkeit der ursprünglichen Annahme.

Das strukturierte Interview

128

III. Das strukturierte Interview Die vorgenannten Probleme, Fehlerquellen und Störeinflüsse lassen sich mindern, wenn das Einstellungsgespräch strukturiert wird, also in Ablauf und Inhalt einer festen Struktur folgt. Strukturierte Interviews haben im Unterschied zum „lockeren Gespräch“ ein Informationsziel und einen vorgegebenen Ablauf. Dies ist immer dann wichtig, wenn definierte Informationen vergleichbar zu erheben und zu gewichten sind (s. Abb. E 3).

Unstrukturierte Gespräche

haben kein klares Ziel, keine klare Rollenverteilung, keinen klaren Ablauf. Sie werden eher von Zufällen als von dem Informationsziel gesteuert („ein Wort gibt das nächste“).

Strukturierte Gespräche

haben ein klares Ziel, eine klare Rollenverteilung, einen klaren Ablauf. Sie dienen dazu, dass Informationen systematisch erfragt/gegeben werden. Erst wenn eine Phase abgearbeitet ist, wird zur nächsten Phase übergegangen. Abb. E 3: Güte von Interviews

Der etwa vierfach so hohe Vorhersagewert für strukturierte Interviews gegenüber normalen Einstellungsgesprächen legt den Schluss nahe, dass letztere in ihrer prognostischen Validität erheblich verbessert werden können, wenn man ihnen in Konzeption und Durchführung eine Struktur unterlegt. Strukturierungselemente, die sich als erfolgsentscheidend erwiesen haben, sind (Campion et al. 1997; Schuler 2003): x

Interview anforderungsbezogen gestalten

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

129

x

Interviewleitfaden zur Standardisierung anfertigen

x

Geeignete Frageformen und -techniken verwenden

x

Ausreichend Zeit einräumen

x

Nebeninformationen und Bewerberfragen vom Interview separieren

x

Informationssammlung und Beobachtung von der Bewertung trennen. (Während des Interviews sollten detailliert die Beobachtungen und Antworten notiert und ggf. skaliert werden, erst im Anschluss daran sollte zur Gesamtbewertung aggregiert werden.)

x

Mehrere Interviewer einsetzen

x

Interviewer durch intensives Training vorbereiten

x

Antworten gemäß Anforderungskriterien bewerten

x

Verhaltensverankerte Bewertungsskalen verwenden

1.

Verschiedene Arten von Strukturierungen im Interview

Entscheidend bei der Strukturierung ist, in welchem Ausmaß die Fragen standardisiert werden. Es lassen sich drei Varianten unterscheiden: x

Die strikteste Form der Standardisierung sieht für alle Interviewten die gleichen Fragen in exakt der gleichen Abfolge vor. Dies ist weder bei den Interviewern, da zu wenig Freiraum, noch bei den Bewerbern, da zu artifiziell, fast schon würdelos, beliebt.

x

Praktikabler ist die teilstrukturierte Variante, die bei einheitlicher Reihenfolge in flexibler Weise je nach Bewerberantwort Nachfragen zur Vertiefung zulässt oder auch ein Auslassen einer Frage, falls die Antwort schon in einem anderen Kontext gegeben wurde.

x

In der dritten Fassung ist das Interview so wenig strukturiert, dass keine speziellen Fragen, sondern lediglich anzuschneidende Themenbereiche vorgesehen sind. Jede noch weiter gehende Liberalisierung des Interviews von Vorgaben kann nicht mehr als Strukturierung aufgefasst werden.

Im Rahmen der Frageformen oder Appelle an den Bewerber, die im Rahmen eines strukturierten Interviews zum Einsatz kommen, lassen sich inhaltlich unterscheiden: x Situative Fragen: Hier wird jeweils eine „kritische Situation“ (Critical Incident Technique) geschildert und der Bewerber gefragt, wie er sich in dieser Situation verhalten würde, er nimmt quasi eine „mentale Tätigkeitssimulation“ (Schuler, 2003) vor.

130

Das strukturierte Interview

Problematisch daran ist, dass sprachgewandte Bewerber bei hypothetischen Fragen besser abschneiden als verbal weniger begabte und dass keine nachgewiesene Kausalität zwischen hypothetischen Handlungsabsichten und später tatsächlich gezeigtem Verhalten besteht (Jetter 2003). x Fragen nach früherem Verhalten: Hier werden die vorgenannten Schwächen der geäußerten sprachlichen Verhaltensabsicht dadurch zu beheben versucht, dass nach relevanten Situationen in der Vergangenheit gefragt wird und der Bewerber konkretes Vorgehen, Verhalten und Ergebnis schildert. Der Interviewer versucht auf diese Weise, Anhaltspunkte für reales zukünftiges Verhalten des Bewerbers zu erhalten. Wie sich jemand in der Vergangenheit verhielt, erlaubt erfahrungsgemäß sehr gute Voraussagen über sein zukünftiges Verhalten. Wer durch früheres Verhalten gezeigt hat, dass er bestimmte Anforderungen bewältigt hat, sollte dazu bei ähnlichen Rahmenbedingungen auch zukünftig in der Lage sein, zumindest eher als jemand, der über diese Erfahrung nicht verfügt. Demgemäß werden alle Anforderungskriterien über so genannte „Verhaltensdreiecke“ (Hilb 1998), bestehend aus Fragen nach Situation, Vorgehen/Verhalten und Ergebnis geklärt. Dabei sind theoretische, hypothetische und suggestive Fragestellungen zu vermeiden und ausschließlich vergangenheitsbezogene und prozessorientierte Fragen einzusetzen. Allerdings kann auch hierbei nicht ganz ausgeschlossen werden, dass der Bewerber, aus Erfahrung klug geworden, eine revidierte Vorgehensweise mit entsprechendem Ergebnis schildert. Hier ist der Interviewer gefordert, konkrete Verhaltensbeispiele und Fakten von Generalisierungen und fiktiven Situationsbeschreibungen auseinander zu halten. x Selbstreflektorische Fragen: Fragen an den Bewerber, wonach er selbst seine Handlungen reflektieren und erläutern soll, was diese über ihn aussagen, z. B. Fragen nach Lernerfahrungen aus einer Situation. x Tätigkeitsbezogene Wissensfragen: Hier wird mittels offener Fragen nach Sachverhalten oder zu berücksichtigenden Faktoren bei der Bewältigung bestimmter Aufgaben sowie nach Spezialund Praxiswissen gemäß dem Stellenprofil gefragt. Z. B: „Was ist die beste Maßnahme, um den Marktanteil von 17 % auf 20 % zu erhöhen?“ Dies ist ein anderes Frageprinzip als das hypothetische der situativen Fragen, folglich wird diese Frage auch nicht im Konjunktiv, sondern im Indikativ gestellt. x

Fragen nach dem Erfahrungshintergrund: Z. B: „Welche Erfahrungen haben Sie im Direktvertrieb?“

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

131

x Informationsfragen: Informationsfragen werden überall da gestellt, wo es um konkrete Daten, Fakten und Sachverhalte der Biographie, aber auch um Meinungen und Interessen des Bewerbers geht, zu denen der Interviewer etwas wissen möchte. Dies können der Geburtsort, der Studienort, die Hobbys, ehrenamtliches Engagement, das aktuelle Einkommen, Kündigungsfristen u. a. sein. x Nachfragen: Diese dienen dazu, diffuse oder vage Antworten des Bewerbers zu konkretisieren. x Übungen/Arbeitsproben: Über die Frageformen hinauskönnen auch Übungen und Arbeitsproben zum Einsatz kommen, um im Rahmen des Interviews konkrete Verhaltensbeispiele zu erfassen. Das Merkmal „Präsentationsverhalten“ kann beispielsweise gut für eine Arbeitsprobe genutzt werden. Auch wenn keine große Vorbereitungszeit zur Verfügung steht, kann der Bewerber für den Finanzvertrieb aufgefordert werden, einen Kurzvortrag z. B. zum Thema Riester-Rente o. ä. zu halten. x Anforderungsbezogene Fragen: Jede Frage im strukturierten Interview ist eine anforderungsbezogene Frage, da sich hier alle Fragen auf das Anforderungsprofil beziehen. Unter dem Oberbegriff „strukturiertes Interviews“ haben sich verschiedene Systeme etabliert: Interviews, die zurückliegendes Verhalten erfragen x Interviews, die situatives Verhalten erfragen x Integrierte Interviews, die beide Frageprinzipien kombinieren x Multimodale Interviews, die in festgelegter Schritt-Abfolge sowohl freie Redeanteile des Bewerbers als auch standardisierte, skalierte biographische Fragen sowie situative Fragen enthalten (Schuler 1992)

x

Fortan soll hier unter strukturiertem Interview die erste der o. g. Formen verstanden werden, durchaus teilstrukturiert und kombiniert mit allen Frage- und Appellformen, ausgenommen der situativen Fragen. Unter Effizienz- und Praktikabilitätsgesichtspunkten aus Sicht einer Vertriebsführungskraft erweist sich diese Variante als am ehesten zu realisieren. Gleichwohl ist dies keine Aufgabe, die sich mal eben aus dem Handgelenk schütteln lässt. Vielmehr erfordert sie bei der Ersterstellung der Interview-Konzeption einigen Aufwand, der sich aber für eine erfahrene Führungskraft mit den hier gebotenen Hilfestellungen bewältigen lässt und später nur noch die jeweiligen bewerberspezifischen Vorbereitungen nötig macht.

132

2.

Das strukturierte Interview

Was im strukturierten Interview gemessen wird

Mit Hilfe strukturierter Interviews lässt sich beruflicher Erfolg relativ gut vorhersagen. Konstrukte, die mit diesem Verfahren gemessen werden können, sind: kognitive Fähigkeiten, praktische Intelligenz, Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie der Fit bzw. die Passung zur Organisation (Harris 1999) und darüber hinaus die Erfassung stellenbezogener, persönlichkeitsrelevanter Aspekte (Binning et al. 1999), sofern die hinterfragten zurückliegenden Verhaltensbeispiele engen Tätigkeitsbezug und Situationskongruenz aufweisen.

3.

Konzeption, Durchführung und Auswertung von strukturierten Interviews

Bei der Konzeption der strukturierten Interviews kommen der Vertriebsführungskraft die Vorarbeiten zur Erstellung des Anforderungsprofils (vgl. Kapitel B.IV. „Definition und Operationalisierung von Anforderungsprofilen“) inklusive der Festlegung der Ausprägungshöhen zugute, welche in systematischer Weise die ersten Stufen der Interviewkonzeption markieren. Über die dort schon festgehaltenen Anforderungen hinaus, können weitere Erhebungsbereiche aufgenommen werden, wie: x

Auflistungen aller direkten Arbeitsanforderungen (Überstunden, Wochenendarbeit, Reisetätigkeit)

x

Motivatorische Aspekte wie die intrinsische (in der eigentlichen Tätigkeit selbst liegende) und extrinsische (außerhalb der eigentlichen Tätigkeit liegende) Motivation

x

Beschreibung der Unternehmensphilosophie bzw. Auflistungen der drei bis vier wichtigsten Unternehmenswerte

Zu allen relevanten Kompetenzfeldern des Anforderungsprofils liegen bereits Beschreibungen beobachtbaren Verhaltens vor (vgl. Kapitel B.IV. „Definition und Operationalisierung von Anforderungsprofilen“). Zu diesen Verhaltensbeschreibungen werden in einem weiteren Schritt Fragen formuliert, die anforderungsbezogen nach früherem Verhalten, tätigkeitsbezogenem Wissen und Erfahrungen sowie nach Arbeitsproben und Übungssequenzen ausgerichtet sind. In ähnlicher Weise werden die eventuell noch hinzugezogenen Erhebungsbereiche in geeignete Frageformen aufbereitet. Hernach wird festgelegt und im Interviewleitfaden z. B. durch Symbole verdeutlicht, welche der Anforderungen zusätzlich noch mittels Verhaltensbeobachtung im Interview und welche ausschließlich über Rückschlüsse aus dem Gesprächsverhalten ermittelt werden.

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

133

So ist gewährleistet, dass im Prozess der Gewinnung neuer Vertriebsmitarbeiter klar beschriebene Anforderungen in ihren Ausprägungen x

bei verschiedenen Bewerbern,

x

zu verschiedenen Zeitpunkten,

x

von unterschiedlichen Interviewern,

möglichst objektiv erfasst und zuverlässig eingeschätzt werden. Dies erfordert x

gleiche Abläufe,

x

gleiche Fragenbereiche,

x

gleiche Bewertungsmaßstäbe.

Nur so ist eine Vergleichbarkeit der Eignung verschiedener Bewerber möglich. Deswegen verbietet sich eine von der Situation, von momentanen Einfällen und von Zufällen abhängige Gestaltung bei der Auswahl. Jeder, der ein Einstellungsinterview führt, sollte zu jedem Zeitpunkt wissen, wo er gerade steht und was er in dem Moment wissen will. Dazu ist Struktur und die Disziplin aller Beteiligten notwendig. Die idealtypische Struktur für den Ablauf der Einstellungsinterviews gibt die nachfolgende Übersicht (s. Abb. E 4).

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

134

IV. Der Ablauf der Einstellungsinterviews 1. GESPRÄCHSBEGINN Inhalte: x x x x x x

Begrüßung des Bewerbers Vorstellung der Gesprächspartner Begründung der Einladung Kurzinformation über das Unternehmen und die Aufgabe Zusicherung der Vertraulichkeit Information über Zeitablauf und Procedere

Ziele: x x x x x

Zugang zum Bewerber erhalten gute Gesprächsatmosphäre schaffen/Warming up Vertrauen herstellen Rollenklärung Abbau von Hemmungen

2. GESPRÄCHSEINLEITUNG – ORIENTIERUNG Inhalte: x x x x

Orientierungsfragen Offene Fragen aus den Bewerbungsunterlagen Klärung der Veränderungsmotive Überblick über den bisherigen Lebenslauf gewinnen

Ziele: x x

Gesamtüberblick erreichen Anknüpfungspunkte für anforderungsbezogene Fragen finden

3. INTERVIEW: HAUPTTEIL ZUR INFORMATIONSGEWINNUNG Inhalte: x x x

Strukturiertes Interview anhand der anforderungsbezogenen Interviewfragen Anforderungsrelevante Beobachtungen im Hinblick auf Muss-Kriterien sammeln Bewerberantworten und Beobachtungen

Ziel: x

Realistische Einschätzung des Bewerbers anhand strukturierter Vorgehensweisen

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

135

4. INFORMATIONEN GEBEN – MOTIVATION Inhalte: x x x x x x

Vorstellung des Unternehmens Unternehmens-/Produkt-/Vertriebsphilosophie Aufgabenbereich und Anforderungen Erwartungen an den neuen Berater Rahmenbedingungen/Vorteile und Nutzen für den Bewerber Abläufe/Arbeitsplatz

5. GESPRÄCHSRUNDE Inhalte: x x x x

Zusammenfassung Bestimmung eines Entscheidungstermins; Klärung des weiteren Ablaufs Dank für das Gespräch Verabschiedung

Ziele: x x x

Entlastung der Gesprächspartner Wiederherstellung „normaler“ Gesprächsformen Motivation für die Bedenkzeit

x x

Antworten (Gehörtes, Inhalte) Verhalten (Beobachtetes)

x x

Klärung, ob der Bewerber weiterhin interessant ist Feststellung der Vorgehensweise/der zu vertiefenden Fragen für das 2. Bewerbungsgespräch

6. BEWERTUNG IM HINBLICK AUF DIE ANFORDERUNGEN

7. ENTSCHEIDUNG

Abb. E 4: Der Ablauf der Einstellungsinterviews

Nachfolgend werden die einzelnen Gesprächsphasen näher erläutert, wobei dem Hauptteil des Interviews mit den Fragen nach früherem Verhalten ein besonderer Stellenwert zukommt. Zuvor wird jedoch noch auf die organisatorischen Rahmenbedingungen und die Abfolge der Bewerbergespräche eingegangen.

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

136

1.

Organisatorische Rahmenbedingungen zur Interviewpraxis

Auch wenn dieser Punkt erst am eigentlichen Interviewtag zum Tragen kommt, ist es sinnvoll, sich vorab mit einigen organisatorischen Aspekten zu befassen. 1.1.

Abfolge der Interviews

Erfahrungsgemäß reichen bei einem geeigneten Bewerber insgesamt maximal drei Gesprächstermine, um bei beiderseitigem Interesse zu einer Einigung zu kommen (s. Abb. E 5). Ablauf und Inhalte der Gespräche könnten dabei wie folgt aussehen:

1. Termin:

2. Termin:

3. Termin:

Bewerbergespräch ca. 2 Stunden

Klärung offener Fragen und Vertiefung

ggf. Vorstellung bei der übergeordneten Führungskraft

bei positivem Gesamteindruck:

„Vieraugenprinzip“: Hinzuziehen von Kollegen oder Vorgesetzten

Vertragsverhandlungen bzw. -abschluss

Vertragsgespräche bei positivem Gesamteindruck:

Abb. E 5: Abfolge der Interviews

Auf die Inhalte des 2. bzw. 3. Interviewtermins wird in Kapitel E.IV.4.6.2. „Vorentscheidung und weiteres Vorgehen bis zur endgültigen Entscheidungsfindung“ noch näher eingegangen. Um die Interviews nach all den bisherigen vorbereitenden Tätigkeiten mit der entsprechenden Güte durchführen zu können, sollte man bei der Organisation der Gesprächstermine weiterhin auf „Qualität statt Quantität“ setzen. Zu viele Interviews an einem Tag stressen nicht nur Interviewer und Interviewte, sie bieten Gelegenheiten für viele organisatorische Fallstricke, die man sich besser erspart. Zwei bis drei Interviews für einen Arbeitstag sind das Optimum. Schließlich muss für die nicht unerhebliche Bewertung des Kandidaten nach dem Interview bzw. eine kurze Verständigung bei mehreren Beteiligten seitens des Unternehmens ausreichend Zeit eingeplant werden. Zudem steht für alle Eventualfälle etwas Pufferzeit zur

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

137

Verfügung. Ein fliegender Wechsel der Bewerber macht ebenso einen schlechten Eindruck wie mangelnde Vertraulichkeit, etwa wenn sich Bewerber – die sich möglicherweise gar kennen  im Flur begegnen. Überdies lässt eine großzügige Zeitplanung auch eine gewisse Konstanz der Beobachtung über einen längeren Zeitraum zu. Oder man entscheidet sich dafür, unterschiedliche Beobachter in den einzelnen Gesprächsteilen einzusetzen. 1.2.

Allgemeine organisatorische Anforderungen

Die allgemeinen organisatorischen Anforderungen werden hier noch einmal kurz zusammengefasst: Maximal drei Interviews pro Tag, da sonst die Aufnahmefähigkeit abnimmt. Erfahrene Personalberater meinen zwar, sie könnten auch bis zu acht Interviews führen. Dies sind aber ziellose Gespräche und keine strukturierten Interviews mehr. Ein Zeitbedarf von ca. 2 Stunden ist notwendig, auch wegen der Vor- und Nachbereitung. Als Ort wählt man idealerweise das eigene Unternehmen bzw. eine Niederlassung davon, da der Bewerber dann auch einen Eindruck über das suchende Unternehmen erhält. Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, Interviews außerhalb des eigenen Unternehmens durchzuführen, etwa dann, wenn man mehrere Bewerber regional zusammenfasst oder auf der Durchreise in einem Gebiet ist, in dem sich der Bewerber gerade aufhält. Auch ökonomische Gesichtspunkte sollten nicht außer Acht gelassen werden, um den Reisekostenaufwand auf beiden Seiten möglichst gering zu halten. Ein Wort zu der Praxis, sich unterwegs auf der Autobahnraststätte oder in einer Hotellobby zu treffen: Dort können zwar Gespräche geführt werden, aber keine strukturierten Interviews, die in einem ungestörten und vertraulichen Rahmen durchgeführt werden sollten. Ein Nebenzimmer bzw. ein abgeschlossner Raum ist nahezu überall zu vertretbaren Kosten zu mieten. Gerade in einer wechselfreudigen Branche wie dem Vertrieb will man möglicherweise nicht im Gespräch mit einem Bewerber in der Öffentlichkeit gesehen werden. Zudem wirft es auch kein gutes Licht auf das einstellende Unternehmen. Überdies ist der Rekrutierungsprozess schon alleine recht teuer, da kommt es auf die Miete für einen Raum auch nicht mehr an. Am besten setzt man in so einem Fall drei Bewerbertermine für einen ganzen Tag an, dann lohnt sich auch die Investition in mehr Vertraulichkeit. Das Gespräch findet idealerweise im Besprechungszimmer – oder, wenn im eigenen Büro, dann aber nicht am Schreibtisch, sondern an einem Besprechungstisch mit Sitzposition nicht frontal, sondern übers Eck – statt. Gleichwohl gebietet es

138

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

die Höflichkeit, den Besucher im Eingangsbereich abzuholen. Dies bietet zugleich auch schon die erste Gelegenheit, die „Small-Talk-Fähigkeit“ des Bewerbers aufzunehmen. Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass während des eigentlichen Gesprächs Störungen, Unterbrechungen, Telefon- oder Handy-Klingeln etc. von Seiten des Unternehmens zu vermeiden sind. Ein vorausschauender Bewerber wird von sich aus auch sein Handy ausgeschaltet haben. Gut macht sich auch, gleich zu Beginn des Interviews das Einverständnis des Bewerbers einzuholen, dass mitgeschrieben wird, gegebenenfalls ergänzt durch einen Hinweis zur Natur des strukturierten Interviews. Die grundsätzlichen organisatorischen Abläufe sind beim ersten wie auch beim zweiten und gegebenenfalls dritten Termin gleich und bedürfen hier deshalb keiner vertiefenden Differenzierung. Allerdings ist man sich beim Wiederholungstermin schon vertrauter, muss möglicherweise einige offen gebliebene Punkte weiter vertiefen und hängt nicht so sehr von einer festen Struktur ab, so dass durchaus etwas mehr Zeit eingeplant werden darf. Zudem hat hier auch der Bewerber einen höheren Informationsbedarf als beim Erstgespräch. Häufig wird auch schon mal der Vertrag in groben Zügen durchgesprochen. Oftmals ist vielleicht auch ein späterer Kollege des Bewerbers zugegen oder die dann zuständige Führungskraft, je nach Rekrutierungprocedere im Unternehmen. Kommt es zu einem dritten Termin, so müsste das Unternehmen so weit sein, mit dem Kandidaten eine Einigung zu erzielen.

2.

Die Einladung zum Bewerberinterview

Schon das Einladungsschreiben bzw. Kurztelefonat mit dem Bewerber zur Terminvereinbarung ist eine wichtige Visitenkarte des Unternehmens. So sollten Termin und Uhrzeit so gewählt werden, dass der Bewerber keine besonderen Umstände bei der Wahrnehmung hat, andererseits auch wiederum so, dass dem Unternehmen vermeidbare Übernachtungskosten nicht entstehen. Anfahrtsskizze, Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Parkmöglichkeit, evtl. ergänzt durch eine Unternehmensbroschüre runden die Einladung ab. Ein besonders positiver Eindruck beim Bewerber entsteht, wenn auf dem Besucherparkplatz „reserviert für...“ (Name des Bewerbers) steht und die Empfangsmitarbeiter auch entsprechend vorbereitet sind. Natürlich kann der Bewerber auch telefonisch eingeladen werden. Dies hat vor allem den Vorteil, dass Zeit und Ort direkt vereinbart werden können. Nur sollte dann das Telefonat so eindeutig geführt werden, dass bezüglich des Orts, des Datums und der Zeit keine Missverständnisse entstehen.

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

139

Eine viel diskutierte Frage ist die nach Erstattung der Reisekosten für Bewerber. Grundsätzlich hat ein Bewerber, der sich auf eine ausgeschriebene Angestelltenposition bewirbt, Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen. Anders sieht dies bei selbstständigen Tätigkeiten aus. Bei Bewerbungen um selbständige Tätigkeiten wie freie Mitarbeit, Kooperation, Handelsvertretungen nach § 84 ff HGB ist der Auftraggeber nicht zur Erstattung von Auslagen im Rahmen der Bewerbung verpflichtet.

3.

Der Marketing-Aspekt des Bewerberinterviews

Mehr noch als ein zügiges und kundenorientiertes Bewerbungsverfahren bis dato ist das Vorstellungsgespräch ein Aushängeschild des Unternehmens, aus dem der Bewerber bewusst oder unbewusst seine Schlüsse zieht. Denn jetzt findet die erste unmittelbare Begegnung statt. Hier sind mitunter auch Kleinigkeiten schnell für einen ungünstigen Eindruck verantwortlich. Selbst wenn es zu keinem Arbeitsverhältnis kommen sollte, nimmt der Bewerber doch wichtige Eindrücke aus dem Unternehmen mit, die er ggf. auch nach außen trägt. Da ist ein Unternehmen gut beraten, dafür Sorge zu tragen, dass der Bewerber Positives zu berichten weiß. Es versteht sich von selbst, dass die nicht nur im Geschäftsleben üblichen Gebote der Gastfreundschaft mit kalten und warmen Getränken etc. eingehalten werden. Ebenso sollten für Interviewer und Bewerber die Unterlagen bereitliegen. Das Organisatorische, das im Vorfeld der Bewerbungsgesprächs je nach Unternehmen zu planen ist (Raum, Getränke, weitere Gesprächspartner, Besichtigung etc.), kennt jede Vertriebsführungskraft und wurde im vorherigen Kapitel schon behandelt.

4.

Inhalte und Ziele der einzelnen Gesprächsphasen des Bewerberinterviews

Nachfolgend werden Inhalte und Ziele der einzelnen Gesprächsphasen aufgeführt. 4.1.

Der Gesprächsbeginn

In dieser Phase wird der Grundstein für den weiteren Gesprächsverlauf gelegt (s. Abb. E 6). Dem Bewerber soll die Chance gegeben werden, sich möglichst so darzustellen, wie er ist. Zwar wird häufig empfohlen, den Bewerber als gleichberechtigten Partner zu behandeln, dies erweist sich aber bei näherer Betrachtung der besonderen Bedingungen dieser sozialen Interaktionssituation als Chimäre. Zum einen liegt die Gesprächsführung ganz eindeutig beim Unternehmensvertreter, zum anderen wird vom Bewerber erwartet, dass er sich gegenüber einem bislang Unbekannten in einer Weise öffnet, wie er es sonst nur aufgrund einer lang währenden Vertrauensbeziehung tun würde. Dies kann nur dadurch gelingen, dass der Bewerber sowohl über das Procedere, den Zweck und den Umstand, dass Notizen ge-

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

140

macht werden, aufgeklärt wird und beide Partner den hochgradig normierten Charakter dieser Situation akzeptieren. Ferner liegt ein hierarchisches Gefälle dergestalt vor, dass es zunächst dem Unternehmen obliegt, zu entscheiden, ob es dem Bewerber ein Angebot macht oder nicht. Erst dann ist er am Zug. Den „Spieß umdrehen“ kann er allenfalls für den Fall der Absage. Zwischen beiden Beteiligten bestehen also eine Machtasymmetrie und auch eine Informationsasymmetrie. Denn erstens weiß der Bewerber nichts über den Interviewer, dieser jedoch kennt die Vita des anderen. Und zweitens weiß möglicherweise das Unternehmen bereits, dass der Bewerber nicht erste Wahl ist, lässt ihn darüber hingegen im Unklaren, während er sich „voll im Rennen“ wähnt. Diese besonderen Umstände der Interaktionssituation respektvoll und durch einen Umgang „auf Augenhöhe“ zu handhaben, ist Aufgabe des Interviewers, zumal in Branchen, in denen die Bewerber eine Marktmacht darstellen (Huf 2003). GESPRÄCHSBEGINN Inhalte: x

Begrüßung des Bewerbers

x

Vorstellung der Gesprächspartner

x

Begründung der Einladung

x

Kurzinformation über das Unternehmen und die Aufgabe

x

Zusicherung der Vertraulichkeit

x

Information über Zeitablauf und Procedere

Ziele: x

Zugang zum Bewerber erhalten

x

gute Gesprächsatmosphäre schaffen/Warming up

x

Vertrauen herstellen

x

Rollenklärung

x

Abbau von Hemmungen

Abb. E 6: Der Gesprächsbeginn

Auch Bewerber entscheiden innerlich sehr früh, ob sie gerne bei einem Unternehmen arbeiten möchten. Deshalb ist der erste Eindruck entscheidend für die spontane, gefühlsmäßige Entscheidung eines Bewerbers. Die nachfolgenden Vertrauensauslöser haben sich bewährt (s. Abb. E 7):

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

141

VERTRAUENSAUSLÖSER GEGEÜBER DEM BEWERBER x

Lassen Sie Bewerber nicht warten, sondern empfangen Sie sie pünktlich.

x

Wählen Sie eine Sitzordnung, die Distanz vermindert. Führen Sie Bewerberinterviews nicht vom Schreibtisch aus, sondern am runden Tisch oder über Eck.

x

Schalten Sie Störungen aus und stellen Sie ihr Telefon um.

x

Nehmen Sie sich genügend Zeit mit Small talk, um dem Bewerber gegenüber Wertschätzung auszudrücken. Bieten Sie ihm ein Getränk an.

Abb. E 7: Vertrauensauslöser im Interview

Sollte sich schon beim Gesprächsbeginn (Kurzinformation über das Unternehmen) zeigen, dass der Bewerber sich um die falsche Position beworben hat, kann das Gespräch höflich und respektvoll beendet werden. Es macht wenig Sinn, die weiteren Gesprächsphasen mit dem Bewerber durchzuführen, wenn von Anfang an die Unmöglichkeit festgestellt wurde. Das bedeutet aber, dass bei der Vorauswahl seitens der Vertriebsführungskraft nicht sorgfältig gearbeitet wurde. Spätestens durch das telefonische Vorabinterview hätte eine solche Situation vermieden werden können. 4.2.

Die Gesprächseinleitung

In dieser Phase geht es darum, sich einen Gesamtüberblick über die Biografie des Bewerbers zu verschaffen, zu erörtern, in welcher Weise sich die berufliche Entwicklung vollzogen hat, und lückenhafte Informationen aus den Bewerbungsunterlagen zu vervollständigen oder „Bruchstellen“ zu hinterfragen (s. Abb. E 8):

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

142

GESPRÄCHSEINLEITUNG – ORIENTIERUNG Inhalte: x

Orientierungsfragen

x

Offene Fragen aus den Bewerbungsunterlagen

x

Klärung der Veränderungsmotive

x

Überblick über den bisherigen Lebenslauf gewinnen

Ziele: x

Gesamtüberblick erreichen

x

Anknüpfungspunkte für anforderungsbezogene Fragen finden

Abb. E 8: Die Gesprächsleinleitung

Dazu eignen sich sog. Orientierungsfragen. Dies sind der Form nach offene Fragen, Fragen, die mit einem Fragewort (was, wie, wo, wodurch etc.) beginnen und dem Bewerber Freiraum bei der Beantwortung gewähren. Die offenen Fragen sind nicht zu verwechseln mit den inhaltlich offen gebliebenen Fragen aus den Bewerbungsunterlagen. Die hier zu stellenden offenen Orientierungsfragen sind relativ kurz und zielgerichtet, so dass sie vom Bewerber kaum falsch verstanden werden können. Beispiele für Orientierungsfragen: x

Was hat Sie veranlasst, sich bei uns zu bewerben? Ziel der Frage: Bewerbermotivation herausfinden, Erwartungen klären

x

Was gehörte in der letzten Position zu Ihren wichtigsten Aufgaben? Ziel der Frage: Überblick über berufliche Schwerpunkte erhalten

x

Inwieweit sehen Sie in der Aufgabe bei unserem Unternehmen eine sinnvolle Weiterführung Ihrer Karriere? Ziel der Frage: Zukunftsperspektive ansprechen

x

Wenn Sie Ihre Qualifikationen mit den Ihnen bekannten bzw. den vermuteten Anforderungen der Funktion bei uns vergleichen, wo sehen Sie dann Abweichungen und wo sehen Sie Übereinstimmungen? Ziel der Frage: Selbstbild klären, realistische Einschätzung der Aufgabe überprüfen, überprüfen, inwieweit sich der Bewerber vorbereitet hat

Orientierungsfragen dienen also dazu, sich einen Überblick über den Bewerber und dessen Situation zu verschaffen und auch darüber, wie er seine Biografie verarbeitet

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

143

hat und weiterzuführen gedenkt. Diese Informationen helfen dem Interviewer später, Ansatzpunkte für anforderungsbezogene Fragen zu finden, die im Hauptteil des Interviews zum Einsatz kommen. Ein wesentlicher Bestandteil der Orientierungsfragen muss auch die Frage nach der Motivation des Bewerbers zur Übernahme der neuen Aufgabe sein. Grundlegend für den Erfolg einer Rekrutierung ist, dass das Motivprofil des neuen Mitarbeiters zu der jeweiligen Aufgabe passt. Hierfür sind die so genannten Karriereanker (Schein 1992) ein nützliches Instrument. Die Karriereanker eines Menschen beinhalten all das, was eine Person glaubt, beruflich besonders gut zu können, zu wollen und für die weitere berufliche Zukunft anzustreben. Der Psychologe Schein hatte aufgrund von Gesprächen festgestellt, dass viele Beschäftigte mit einer neu übertragenen Funktion oder einem neuen Aufgabenbereich nicht zufrieden waren und sich eine frühere Position, die ihnen Spaß gemacht hatte und in der sie sich verankert gefühlt hatten, zurückwünschten. Er führte dies auf die Kombination aus persönlichen Erfahrungen, Motiven, Talenten, Fähigkeiten und persönlichen Wertvorstellungen zurück. Die Karriereanker beinhalten die Dinge, auf die der Einzelne auf keinen Fall bei einer beruflichen Entscheidung oder Neuorientierung verzichten will. Mögliche Karriereanker sind in der folgenden Abbildung dargestellt (s. Abb. E 9). x

Erweiterung der eigenen Fach- und Sachkenntnisset

x

Individuelle Unabhängigkeit

x

Wettbewerb/Konkurrenz/Herausforderung

x

Sicherheit und Stabilität

x

Lebensstil

x

Unternehmerisches Denken

x

Führungsaufgaben

x

sozial sinnvolle Aufgaben

Abb. E 9: Karriereanker (nach Schein)

Durch Orientierungsfragen können diese Karriereanker individuell erfragt werden. Dies sollte schon während der Gesprächseinleitung geschehen, damit direkt zu Beginn des Interviews ein Abgleich zwischen der Motivstruktur des Bewerbers und der zu vergebenden Aufgabe erfolgen kann.

144

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

Die nachfolgenden Fragen zum Karriereanker sind hierfür förderlich (s. Abb. E 10): x

Welche beruflichen Ambitionen haben Sie bisher verfolgt?

x

Welche Ziele haben Sie sich zu Beginn Ihrer beruflichen Karriere gesetzt?

x

Wie haben sich diese Ziele über die Jahre hinweg verändert?

x

Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre bisherigen beruflichen Entscheidungen getroffen? (Bei ursprünglicher Berufswahl, Firmenwechseln oder wenn neue Aufgaben anstanden)

x

Was war für Sie in solchen Situationen verlockend und welche Perspektiven haben Sie eher angeschreckt?

x

Was waren Auslöser für Ihre bisherigen beruflichen Wechsel?

x

Was haben Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn bisher besonders genossen?

x

Wenn Sie nach vorne schauen – auf welche beruflichen Inhalte freuen Sie sich ganz besonders?

x

Wie würden Sie anderen Menschen Ihren Beruf und Ihren beruflichen Antrieb schildern?

Abb. E 10: Mögliche Fragen zum Karriereanker

4.3.

Das Interview – Hauptteil zur Informationsgewinnung

Diese Phase ist das Herzstück des Interviews, da mögliche Fehlentscheidungen im Sinne des D-Fehlers (fälschliche Einstellung eines nicht geeigneten Kandidaten) hier zu vermeiden sind, wenn sich der Interviewer nicht mit zu oberflächlichen Angaben seitens des Bewerbers zufrieden gibt (s. Abb. E 11). Es kommt darauf an, die grundlegende Übereinstimmung des Bewerbers mit dem Anforderungsprofil zu überprüfen. Da auch kleinste Unklarheiten ausgeräumt werden müssen, sollten die hier zu stellenden anforderungsbezogenen Fragen sorgfältig ausgewählt und gegebenenfalls durch Nachfragen so lange ergänzt werden, bis die Antworten eindeutig sind und eine Urteilsbildung möglich ist. Ein Kriterium für die Eindeutigkeit u.a. kann sein, wenn der Interviewer sich darunter etwas Konkretes vorstellen kann. Als hilfreich hat sich in der Praxis erwiesen, das Nachfragen zu begründen und den Hintergrund der Frage – Zusammenhang zwischen dem zu erfragenden Detail und den besonderen Anforderungen – für den Bewerber zu erklären.

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

145

INTERVIEW: HAUPTTEIL ZUR INFORMATIONSGEWINNUNG Inhalte: x

Strukturiertes Interview anhand der abforderungsbezogenen Interviewfragen

x

Anforderungsrelevante Beobachtungen im Hinblick auf Muss-Kriterien sammeln

x

Bewerberantworten und Beobachtungen

Ziel: x

Realistische Einschätzung des Bewerbers anhand strukturierter Vorgehensweisen

Abb. E 11: Das Interview  Hauptteil zur Informationsgewinnung

4.3.1. Anforderungen an die Interviewpraxis Die nachfolgende Übersicht verdeutlicht noch einmal den Bezug zum Anforderungsprofil und die Kriterien für ein erfolgreiches Vorgehen in dieser Interviewphase (s. Abb. E 12): x

Anforderungsbezogene Gestaltung der Interviews ż Erstellen eines Anforderungsprofils ż Definition der erfolgskritischen Verhaltensweisen

x

Strukturierung des Interviews ż Verwendung eines Interviewleitfadens ż Nutzung standardisierter Fragen

x

Redeanteile ż Interviewer ż Bewerber

20% 80%

x

Trennung von Informationssammlung und Bewertung des Bewerbers ż Notizen machen ż Bewertung aufschieben ż Bewertung auf Skala (Einordnung und Vergleich)

x

Mehr-Augen-Prinzip ż zweite relevante Meinung zur Absicherung ż Ausgleich individueller Fehleinschätzungen

x

Mehr-Gespräche-Prinzip ż Überprüfung der Performance im 2. Gespräch ż Sedimentierung des Ersteindrucks ż Ausgleich individueller Fehleinschätzungen

Abb. E 12: Erfolgskriterien in der Interviewpraxis

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

146

Die zu stellenden anforderungsbezogenen Fragen haben vor allen Dingen ein Ziel: Konkretes früheres Verhalten ermitteln, um zukünftiges Verhalten einschätzen zu können (s. Abb. E 13). Je mehr der Interviewer über konkretes Verhalten in vergangenen Situationen weiß, desto eher ist die Prognose zukünftigen Verhaltens möglich. Die Interviews dienen also dazu, Stichproben von Verhalten in früheren vergleichbaren bzw. aktuellen Situationen zu sammeln und diese auf die zukünftigen Situationen zu übertragen. Dies markiert einen wesentlichen Unterschied zu der üblichen Vorgehensweise, hypothetische Fragen („Wie würden Sie sich verhalten, wenn ...?“) zu stellen, die vom Bewerber leicht zu durchschauen und sozial erwünscht zu beantworten sind.

Frühere Situationen

Interviewsituation

Zukünftige Situation

Verhaltensfragen

Tests/Übungen

Sonstige Fragen

Abb. E 13: Prognosegüte steigern

Wie bereits angemerkt, ist es für den Interviewer auch bei dieser Art von Fragen nicht ganz leicht zu erkennen, ob der Bewerber die Situation auch so schildert, wie sie sich tatsächlich abgespielt hat. D.h., der Bewerber könnte zum einen die Situation so abwandeln, dass die Darstellung seines Verhaltens angemessen erscheint, zum anderen sein Verhalten in der Schilderung so abändern, dass es zur Situation passt, oder er könnte gar beides tun. Schwieriger noch wird die Deutung der Situation hinsichtlich der Allgemeingültigkeit für das Verhalten des Bewerbers, zumal auch Situationen nur bedingt generalisierbar sind. Aus diesem Grund muss eine Verbindung zwischen der beschrie-

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

147

benen Situation inkl. geschildertem Verhalten und der Persönlichkeit des Bewerbers gelingen (Verfürth 2002). Dies erfolgt über die selbstreflektorische Frage. 4.3.2. Zugangswege im Interview Jede Frage im Einstellungsinterview, insbesondere in dieser Phase, dient dazu, Antworten vom Bewerber zu erhalten, die genutzt werden können, um die Ausprägung einer Fähigkeit bzw. einer Kombination von Fähigkeiten und Fertigkeiten möglichst objektiv und zuverlässig einschätzen zu können. Hinsichtlich der Einschätzung, inwieweit die Anforderungen bei einem Bewerber vorhanden und wie stark sie ausgeprägt sind, stehen, wie bereits vorne ausgeführt, je nach Anforderung, unterschiedliche Zugangswege bzw. Instrumente zur Verfügung (s. Abb. E 14): x

Beobachtung von gezeigtem Verhalten

x

Fragen nach Erfahrungshintergrund

x

Tätigkeitsbezogene Wissensfragen

x

Informationsfragen

x

Fragen zum früheren Verhalten – Verhaltensfragen

x

Selbstreflektorische Fragen

x

Nachfragen

x

Tests/Übungen/Arbeitsproben

Abb. E 14: Zugangswege im Interview

4.3.2.1. Beobachtung gezeigten Verhaltens Einige der erwünschten Anforderungen können unmittelbar aus dem Verhalten während oder am Rande des Interviews erschlossen werden. So kann beispielsweise direkt und ohne Interpretation beobachtet werden, inwieweit der Bewerber den Interviewer, während er eine Frage stellt, anschaut. Dies ist ggf. ein Hinweis auf die Anforderung Kontaktfähigkeit bzw. Selbstbewusstsein. Aus der Wortwahl und dem Satzbau können u. a. Rückschlüsse auf die Anforderung Ausdrucksverhalten gezogen werden. Die Körpersprache gibt z. B. Hinweise darauf, wie der Bewerber mit Stress umgeht. Die Beobachtungskriterien sind jeweils auf dem anforderungsbezogenen Beobachtungsbogen enthalten. Im Verlauf des/der Interviews können markante Beobachtungen auf dem Bogen festgehalten werden (s. Toolbox IX: Leitfaden zur Protokollierung im Interview, S. 247).

148

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

4.3.2.2. Fragen nach dem Erfahrungshintergrund Fragen nach dem Erfahrungshintergrund werden dort gestellt, wo es um konkrete Daten, Fakten, Sachverhalte und Erfahrungen im beruflichen Kontext geht. Sie werden offen gestellt. Beispiele: „Seit wann arbeiten Sie im Vertrieb?“ „Welche Erfahrung haben Sie im Aufbau einer Vertriebsmannschaft?“ „Welche Erfahrung haben Sie im Verkauf des XY-Fonds?“ 4.3.2.3. Tätigkeitsbezogene Wissensfragen Dies sind Fragen nach Spezial- oder Praxiswissen, nach Sachverhalten oder zu berücksichtigenden Faktoren, auch zur Lösung einer konkreten Aufgabenstellung. Im weiteren Sinne wird hiermit auch die Feldkompetenz, d. h. Branchen- und Funktionswissen bzw. -erfahrung, ermittelt. Mit anderen Worten heißt dies: Wie kompetent ist der Bewerber auf dem Feld, auf dem er vorgibt sich zu bewegen? Diese Fragen werden offen gestellt. Beispiele: „Welche Produkte bietet der Wettbewerber X?“ „Welche Fonds kennen Sie aus eigener Erfahrung?“ „Wie ist Ihre Meinung zum (Fach-)Thema XY?“ 4.3.2.4. Informationsfragen Dies sind offene Fragen, um Informationen zur Biografie, zum Werdegang, zum familiären Umfeld, zu Lebensphasen und Weichenstellungen, zur Karriereentwicklung und -planung, zur Work-Life-Balance, zum Engagement in Gremien und Organisationen, zu Hobbys etc. zu erhalten. 4.3.2.5. Fragen zum früheren Verhalten  Verhaltensfragen Verhaltensfragen dienen dazu, konkretes Verhalten in relevanten vergangenen Situationen zu erfassen. Wie sich jemand in der Vergangenheit verhielt, erlaubt erfahrungsgemäß sehr gute Voraussagen über sein zukünftiges Verhalten. „The best prophet of the future is the past” (Lord Byron, engl. Dichter). Zwar handelt es sich nur um Aussagen über früheres Verhalten, aber je konkreter nach Beispielen gefragt bzw. diese hinterfragt werden, umso gültiger sind diese Aussagen. Der Vorteil liegt in der Erfahrung des schon einmal Erlebten: Wer durch früheres Verhalten gezeigt hat, dass er bestimmte Anforderungen bewältigt hat, sollte dazu bei ähnlichen Rahmenbedingungen auch zukünftig in der Lage sein. Zumindest ist die

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

149

Wahrscheinlichkeit bei weitem größer, als wenn der Bewerber keine vergleichbaren Verhaltensbeispiele aus der Praxis vorweisen kann. Die Aufgabe des Interviewers besteht deshalb darin, zu erfahren, wie sich der Bewerber früher in Situationen verhielt, die vergleichbar mit den zukünftigen Situationen in der neuen Aufgabe sind. Diese Verhaltensstichprobe kann genutzt werden, um auf die Ausprägung der jeweiligen Anforderung zurückzuschließen und um eine zuverlässige Voraussage über zukünftiges Verhalten treffen zu können. Verhaltensbeispiele beinhalten immer konkrete Bezüge zu Namen, Daten, Zeiten, Orten u. a. Sie beruhen auf Situationen, die sich tatsächlich ereignet haben. Sie fragen nicht nach dem, was der Bewerber gerne tun würde oder sich als Idealverhalten vorstellen kann, sondern nach dem, was in einer Situation passierte, wie der Bewerber sich verhielt und welche Ergebnisse er mit seinem Verhalten bewirkte. Eine komplette Verhaltenssequenz, auch bekannt unter den Namen „Verhaltensdreieck“ (Hilb 1998) oder „Verhaltensstichprobe“ (Jetter 2003) besteht immer aus folgenden Komponenten (s. Abb. E 15):

Unter welchen Bedingungen wurde etwas getan? Situation

Was wurde getan?

Verhalten

Was kam heraus?

Ergebnis

Abb. E 15: Das Verhaltensdreieck

Der Interviewer erhält Verhaltensstichproben, indem er den Bewerber zunächst in Situationen zurückführt, in denen sich eine Anforderung besonders zeigte oder hätte zeigen können. Zur Veranschaulichung dient das nachfolgende Beispiel:

150

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

Kompetenzen gemäß Anforderungsprofil, die erkannt werden sollen: Selbständigkeit/emotionale Stabilität (gemäß Anforderungsprofil) Verhaltensfrage: Hatten Sie im Vertrieb schon einmal eine Zeit, in der Sie nichts verkauften und eine Absage nach der anderen einstecken mussten? Beschreiben Sie bitte diese Situation und was Sie dabei gemacht haben! Eine gesamte Sequenz im Sinne des Verhaltensdreiecks, bei der im Zuge des Fragens und Rückführens auf eine Situation durchaus mehrere Anforderungen angesprochen werden können, könnte wie folgt aussehen: Beispiel für eine Sequenz im Verhaltensinterview: Interviewer:

„Was sind Ihre besonderen Stärken?“

Bewerber:

„Ich kann gut mit Menschen umgehen.“

Interviewer:

„Bitte beschreiben Sie eine Situation, in der sich diese Stärke gezeigt hat.“

Bewerber:

„Meine Kollegen sagen mir immer wieder, dass es leicht sei, mit mir zurechtzukommen. In meiner letzten Stelle als InternetKundenbetreuer in unserer Bank hatte ich viel mit ärgerlichen Menschen zu tun, und mit denen kam ich gut zurecht.“

Interviewer:

„Geben Sie mir bitte ein Beispiel, wo Sie es mit einem verärgerten Kunden zu tun hatten und wie Sie sich in dieser Situation verhielten.“ (Nachfrage, um auf die Situation zu lenken.)

Bewerber: „Im letzten Monat rief ein Kunde bei mir an und war total verärgert, weil sein Homebanking-System nicht funktionierte. Er polterte und sagte, er hätte gute Lust, alle seine Konten zu kündigen. Er fragte auch, ob wir es nicht mehr nötig hätten, Kunden ordentlich zu betreuen. Ich hatte den Kunden vorher noch nicht beraten, und mein Kollege war leider in Urlaub.

Situation

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

151

Ich hörte dem Kunden zunächst ruhig zu und versuchte ihm dadurch das Gefühl zu geben, Anteil an seinem Ärger zu nehmen. Ich zeigte Verständnis, dass die Situation für ihn unbefriedigend gewesen war. Nachdem der Kunde seinem Ärger hatte Luft machen können, wurde er zunehmend ruhiger und gab mir die Informationen, die ich für meine Nachforschungen benötigte. Ich notierte mir alles, fragte nach den notwendigen Details und versprach dem Kunden, den Vorgang sofort zu untersuchen und innerhalb der nächsten 20 Minuten zurückzurufen. Ich klärte anschließend den Vorfall und fand heraus, dass der Fehler durch eine Überbelastung des Systems zustande gekommen war. Ich rief daraufhin den Systemspezialisten an, der mir die sofortige Erledigung versprach. Mit diesen Informationen meldete ich mich wieder beim Kunden und erklärte ihm die Verzögerung. Ich sagte ihm, dass er innerhalb der nächsten halben Stunde sein Homebanking-System nutzen könne. Ende der darauf folgenden Woche rief ich ihn noch einmal an.

Verhalten

Mittlerweile waren keine Probleme mehr aufgetreten. Der Kunde war sehr überrascht über meinen Anruf und freute sich darüber. Er bedankte sich und meinte, offenbar hätte er mit unserer Bank ja doch einen guten Griff getan. Ich bestärkte ihn darin und dankte ihm nochmals für sein Verständnis.“

Ergebnis

Bei diesem Beispiel gibt der Bewerber, ohne dass viel nachgefragt werden muss, eine große Anzahl anforderungsbezogener Informationen. Er geht dabei auf die Situation ein, beschreibt sein eigenes Verhalten und die Ergebnisse seines Verhaltens. Dieses Beispiel zeigt auch, dass in einer Situation unterschiedliche Anforderungen enthalten sein können (Selbstvertrauen/Selbstbewusstsein, Initiative/Engagement). Aus den vom Bewerber geäußerten Gegebenheiten folgert der Interviewer, ob die im Anforderungsprofil festgelegten Kompetenzen vorhanden und auch in dem gewünschten Ausprägungsgrad gegeben sind. 4.3.2.6. Selbstreflektorische Fragen Ein Interviewer, dem die Schilderung des Bewerbers „arg geschönt“ vorkommen mag, verlegt sich auf die Hauptaufgabe im Interview, die Konkretisierung und Nachfrage. In diesem Kontext können auch selbstreflektorische Fragen als Nachfragen oder mit diesen kombiniert zum Einsatz kommen. Zur Selbstreflexion kann außer nach Lernerfahrungen nach der vorgestellten oder tatsächlichen Kunden-

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

152

sicht, nach Kundenreaktionen, nach der Einschätzung durch Vorgesetzte oder Kollegen sowie nach dem persönlichen Erfolgsrezept für diese Art von Situationen gefragt werden. Beispiele für selbstreflektorische Fragen: x

Was sagten Sie im ersten Augenblick, als der Kunde lospolterte, wo Sie doch gar nicht zuständig waren, sondern Ihr Kollege?

x

Warum gaben Sie dem Kunden nicht die Telefonnummer Ihrer Online-BankingAbteilung, die wären doch für das Problem kompetenter?

x

Wie würde der Kunde Ihr Verhalten beschreiben, nachdem Sie ihm rückgemeldet hatten, dass er in einer halben Stunde wieder Homebanking würde betreiben können?

x

Was bewog Sie, nach einer Woche abermals beim Kunden anzurufen?

x

Was sagte Ihr Kollege, als er wieder aus dem Urlaub zurück war?

x

Was ist Ihr Erfolgsrezept für Kundenbeschwerden?

4.3.2.7.

Nachfragen

Nachfragen sind immer angezeigt, wenn der Interviewer sich das geschilderte Verhalten oder den Beitrag des Bewerbers nicht konkret vorstellen kann. Eine Form der Nachfrage besteht darin, den Bewerber zu einer Form der Aufzählung zu bewegen, etwa die Fragen „Was noch?“ „Also A und B, und was außerdem?“. In der praktischen Interviewführung ist es sehr hilfreich, sich einen gewissen Bestand an Formulierungen zurechtzulegen, da die spontane Generierung von Nachfragen im realen Interview eher schwierig ist (Hoffmann 2000). x

Wie muss ich mir das konkret vorstellen?

x

Was ist Ihr persönlicher Beitrag zu?

x

Wie waren die Rahmenbedingungen dabei?

x

Das müssen Sie mir noch etwas genauer erklären!

x

Geben Sie ein konkretes Beispiel für...!

x

Wer hat genau was getan?

Nachfragen können auch nach weiteren Beispielssituationen erfolgen, die sich aus dem ersten Beispiel ergeben. x

„Das war ja nun eine Reklamationssituation, die ohne Ihr Zutun entstanden ist. Beschreiben Sie doch jetzt einmal bitte eine Reklamationssituation eines Ihrer Kunden, den Sie zuvor bedient haben und der Sie verantwortlich macht!“

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

153

Beste Voraussetzung dafür, mit dem Nachfragen Erfolg zu haben, ist taktvolles und wertschätzendes Verhalten und Aufzeigen des Zusammenhangs mit dem Anforderungsprofil. Der Bewerber wird dann nicht das Gefühl haben, in einem Kreuzverhör zu sein, sondern das Interview als Gespräch erleben. 4.3.2.8.

Die Blickrichtungen als Teil der Körpersprache

Die Körpersprache ist aus keiner sozialen Interaktion wegzudenken. Insofern spielt sie sowohl in Kundengesprächen wie auch im Bewerberinterview eine nicht zu unterschätzende Rolle. Sicherlich hat auch jede Vertriebsführungskraft diesbezüglich ihre eigenen Erfahrungen gemacht. „Der Körper lügt nicht!“ ist eine häufig vertretene These. Andererseits ist eine vorschnelle Interpretation von Körpersprache auch problematisch, zumal die Kontextbedingungen mit einbezogen werden müssen – bei der Sitzhaltung zum Beispiel auch das Sitzmöbel. Der an mehr Details interessierte Leser sei auf die einschlägigen Werke von Horst Rückle (1998, 2003) verwiesen. Ein Aspekt der Körpersprache jedoch, der von einer Vertriebsführungskraft für jede Art von Gesprächen, hier insbesondere in Bewerberinterviews, ohne großes eigenes Training leicht herangezogen werden kann, ist die Wahrnehmung der Blickrichtungen des Gegenübers. „Ihr Blick sprach Bände”, ist in manchem Groschenroman zu lesen, wenn dem Autor Genaueres nicht in die Feder wollte. In Abwandlung eines chinesischen Sprichwortes, demzufolge ein Bild mehr sagt als tausend Worte, ließe sich behaupten: Ein Blick sagt mehr als tausend Worte. Die „Augen-Blicke” sind angesprochen, in denen der Blick eines Menschen anscheinend ziellos umherschweift. Er sieht seinen Gesprächspartner nicht an, sondern schaut irgendwohin, nach oben, nach unten, nach rechts oder links. Mancher mag dies als unhöflich empfinden und irrt sich in diesem Urteil gewaltig. Die Blickrichtung eines Menschen signalisiert, in welcher Richtung sich seine Gedanken bewegen. Mit anderen Worten: Seine Augenbewegungen verraten die Landkarte, auf die er im Augenblick schaut. Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass das menschliche Gehirn aus zwei Hemisphären besteht, die auf verschiedenartige Aufgaben spezialisiert sind. Der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete englische Gehirnforscher John C. Eccles hat die beiden Hälften des Gehirns folgendermaßen charakterisiert:

154

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

Linke Hemisphäre: x x x x x x x

Verbal Linguistische Beschreibung Ideagen (durch Vorstellungen ausgelöst; aufgrund von Vorstellungsbildern) Begriffliche Ähnlichkeiten Zeitliche Abläufe Detailanalyse Arithmetisch, computerhaft und digital

Rechte Hemisphäre: x x x x x x x

Fast nicht-verbal Musikalisch Bild- und Musterempfinden Visuelle Ähnlichkeiten Zeitliche Synthese Holistisch  Bilder Geometrisch, räumlich und analog

Mathematische Gleichungen, logische Analysen und Landkarten sowie jede Art methodischen Denkens sind der linken Hemisphäre zu verdanken. Der Sonnenaufgang über dem Meer beispielsweise, Beethovens Musik oder einen Kuss bestaunt und genießt die rechte Hemisphäre (Eccles 1979). Welche dieser beiden „Abteilungen“ an der Arbeit ist, zeigen die Augenbewegungen. Arbeitet die linke Gehirnhälfte, dann wandert der Blick von ihr weg nach rechts. Oder, um keine Verwirrung zu stiften, das Ganze noch einmal vom Gesichtspunkt des Gegenüber aus: Wer jemanden, der ihm gegenübersitzt, beobachtet, sieht dessen Blick von sich weg nach links wandern. Das zeigt ihm, dass sein Partner die linke Gehirnhälfte „eingeschaltet“ hat. Das Ganze wäre eine bloße Spielerei, wenn sich diese Erkenntnisse nicht für den Gesprächsablauf nützen ließen. Nochmals zur Erinnerung: die linke Hemisphäre ist auf Logik, methodisches Denken, auf Analyse, Details und Kontrolle spezialisiert. Wer in der Blickrichtung seines Gesprächspartners sieht, dass im Augenblick dessen linke Gehirnhälfte arbeitet, ist gut beraten, wenn er Beweise für dessen Behauptungen einfordert, auf Einzelheiten Wert legt und sich das bisher Gesagte in einem Überblick zusammenfassen lässt. Schaut der Gesprächspartner, vom Beobachter aus betrachtet, nach rechts, dann arbeitet dessen rechte Hemisphäre. Der Mensch, der gegenübersitzt, denkt „rechts-

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

155

hirnig”. Diese Abteilung des Gehirns ist auf Gesamteindrücke spezialisiert, kümmert sich nicht um den Kleinkram, sucht nach der großen Linie, ist emotional, tatkräftig, speichert Erinnerungen, sammelt konkrete Eindrücke und hat mit abstrakten Gedankengängen nichts im Sinn. Wer also seine Bemerkungen im Gespräch über die rechte Gehirnhälfte generiert, redet in Beispielen und Analogien, kümmert sich nicht um logische Folgerichtigkeit, lässt dies überhaupt beiseite und konzentriert sich vornehmlich auf das Gefühl. Als Einschränkung oder Warnung sollte gelten: Die beiden Hirnhälften kommunizieren miteinander! Ganz so einfach und eindeutig, wie hier beschrieben, ist die Suche nach dem richtigen „Erzeuger“ eines Gedankenganges also nicht. Zu allem Überfluss gesellt sich noch eine weitere Komplikation hinzu: Ein Mensch schaut nicht nur nach rechts oder links und signalisiert mit dieser Blickrichtung, welche seiner beiden Gehirnhälften im Augenblick arbeitet. Zusätzlich geht sein Blick entweder nach oben, auf gleicher Höhe ins Gesicht seines Gesprächspartners oder nach unten. Auch hier bietet der Volksmund eine Hilfe an. Wer nach unten schaut, sei verlegen und fühle sich nicht wohl. Diese Einschätzung des gesunden Menschenverstandes fanden Bandler/Grinder (1982) durch ihre Untersuchungen bestätigt. Der Blick „nach unten” signalisiert die Landkarte: „Fühlen”. Ist der Blick „nach oben” gerichtet, dann orientiert sich das Bewusstsein am „Sehen”. Der Blick nach vorne zeigt die Landkarte: „Hören“. Nach diesen Vorbemerkungen sollte die Zuordnung leicht gelingen: x Vom Betrachter aus gesehen Augen „links oben”: ż Konstruierte Bilder (also nicht selbst Erlebtes!) x Vom Betrachter aus gesehen Augen „rechts oben”: ż Erinnerte Bilder (also selbst Erlebtes!) x

Vom Betrachter aus gesehen Augen „nach links”: ż Konstruierte Klänge (z. B. nicht selbst erlebte Kundendialoge!)

x

Vom Betrachter aus gesehen Augen „nach rechts”: ż Erinnerte Klänge (z. B. selbst erlebte Kundendialoge!)

Für den Interviewer hat dieser kurze Ausflug in die NLP (Neurolinguistische Programmierung) folgende Bewandtnis: Zeigt der Bewerber nach Fragen zu Verhaltensbeispielen aus seiner Vergangenheit durch seine Blickbewegungen, dass er „konstruiert“, so hat er diesen Fall wahrscheinlich nicht so erlebt, wie er ihn jetzt schildert, sondern nimmt Anpassungen vor. Für den Interviewer heißt dies, durch

156

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

Nachfragen zu Details bei weiterer Beobachtung der Blickbewegungen des Bewerbers zu versuchen, mehr Klarheit zu gewinnen und letztlich für sich zu entscheiden, ob er diese berichtete Verhaltenssequenz als authentisches Verhaltensbeispiel wertet oder nicht (Bandler/Grinder 1982). 4.3.2.9. Übungen und Arbeitsproben Übungen und Arbeitsproben können genutzt werden, um im Rahmen des Interviews konkrete Verhaltensbeispiele zu erfassen. Im Beispiel aus Kapitel E.IV. 4.3.2.5., „Fragen zum früheren Verhalten  Verhaltensfragen“ könnte zum Thema Beschwerdemanagement/Kunden- und Service-Orientierung der Interviewer die Kundenrolle übernehmen, und sich die sprachlichen Beiträge vom Bewerber vorspielen lassen. Über eine Sache zu reden („ich habe den Kunden zunächst mal Dampf ablassen lassen“), erscheint erfahrungsgemäß leichter als in wörtlicher Rede auf der Handlungsebene („Herr Kunde, ich kann gut verstehen, dass Sie wütend sind, wenn Ihnen so was passiert ist“) zu agieren, welche aber ein valideres Urteil erlaubt. Die kleine Übung, eine Miniform des Rollenspiels, versetzt den Interviewer immerhin in die Lage, das sprachliche Ausdrucksvermögen in Kundengesprächen einschätzen zu können, z.B., ob der Bewerber über ein geeignetes Sprachrepertoire verfügt, um einen aufgebrachten Beschwerdeführer zu beruhigen. Weitere Möglichkeiten für Übungen und Arbeitsproben können sein: Präsentation der Riester-Rente oder Präsentationsfähigkeit des eigenen Produktportfolios Kontaktfähigkeit Verhandlungsfähigkeit Rollenspiel zur Einwandbehandlung Ausdrucksverhalten oder Nutzenargumentation Gesprächsführung 4.3.3. Die Konzeption der anforderungsbezogenen Fragen Die Arbeiten zur Erstellung des Anforderungsprofils unter Rückgriff auf die High Performer des eigenen Unternehmens (vgl. Kapitel B.IV.2., „Entwicklung von Anforderungsprofilen über High Performer in der eigenen Organisation“) liefern bereits mehr als die Hälfte zur Generierung anforderungsbezogener Fragen und Beispielssituationen im Sinne der „Critical Incident Method“ (Methode der kritischen Ereignisse). Die erfolgsentscheidenden Verhaltensbeschreibungen zu jeder Anforderung sind vielfach schon vorhanden, und die gewünschten Ausprägungen ebenfalls. Jetzt geht es darum, wichtige berufliche, so genannte erfolgskritische Situationen zu ermitteln. Das sind Situationen, in denen sich gute von weniger guten

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

157

Bewerbern anhand von Verhaltensweisen unterscheiden. Gerade in erfolgskritischen Situationen unterscheiden sich High Performer von anderen. Erfolgskritisch heißen diese Situationen deshalb, weil erfolgreiche Vertriebsmitarbeiter diese Gelegenheiten nutzen, um etwa Kundenwünsche besser zu erfüllen oder Verkäufe zu tätigen, wohingegen weniger erfolgreiche diese Chancen ungenutzt verstreichen lassen (Jetter 2003). Beispiel: Eine Reklamationssituation eines eigenen Kunden des Bewerbers, bei der er die Kundenzufriedenheit wiederhergestellt hat und dem Kunden als Wiedergutmachung eine ansonsten gebührenpflichtige persönliche Vermögensberatung anbietet. Gegebenenfalls wird zuerst eine umfangreichere Liste erstellt, die zunächst durchaus aus Sicht der Vertriebsführungskraft Situationen wie „schreibt schlechte Verkaufsberichte“ etc. enthalten kann. In einem zweiten Schritt werden die Situationen dann im Hinblick auf das Merkmal „erfolgskritisch“ gewichtet und verdichtet. Je sorgfältiger bereits bei der Erstellung des Anforderungsprofils gearbeitet wurde, umso einfacher gestaltet sich jetzt der Interviewleitfaden und umso geeigneter ist dieses Instrument auch für späteres Coaching oder Training on the Job. Es sollte zur Gewohnheit werden, für jeden einzelnen Bewerber einen eigenen Interviewleitfaden zu erstellen. In der Regel sind nur in wenigen Punkten Anpassungen vonnöten: x

offen gebliebene Fragen aus der Analyse der Bewerbungsunterlagen,

x

gleiche oder ähnliche Branche,

x

gleiche oder ähnliche Anforderungen,

x

gleiche oder ähnliche Rahmenbedingungen.

In der Anlage sind an den einzelnen Anforderungen bzw. Sollkriterien des Anforderungsprofils orientierte, anforderungsbezogene Fragen aufgeführt. Diese beinhalten die vorgenannten Frageformen und können im Interview direkt eingesetzt werden. Die aufgeführten Fragen sind zunächst Einstiegsfragen, mit einigen möglichen vertiefenden Fragen. Selbstverständlich sind auch weitere Einstiegs- und vertiefende Fragen, die durch die Vertriebsführungskraft zu konzipieren sind, denkbar. Die Fragenauflistung in der ist nur ein Einstieg und verlangt eine Ergänzung und Erweiterung in der Praxis. Der Umgang mit der Toolbox wird dort zu Beginn erklärt (s. Toolbox VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview, S. 224). Aus den vom Bewerber geäußerten Gegebenheiten folgert der Interviewer, ob die im Anforderungsprofil festgelegten Kompetenzen vorhanden und auch in dem gewünschten Ausprägungsgrad gegeben sind. Hierzu bedarf es der Bewertung mittels einer Skala, die sich sowohl bezüglich des tatsächlich beobachtbaren Ver-

158

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

haltens als auch des geschilderten Verhaltens an der jeweiligen Anforderung orientieren muss. Je nach Aufwand, den man für die Erstellung des Interviewleitfadens samt Auswertungsteil betreiben will, kann man für jede Frage eine eigene Skalierung vornehmen. Die Vorschläge in der Toolbox sind so gestaltet, dass man bei jeder Frage einen Beurteilungswert vermerken kann und abschließend anhand zusammengefasster Kriterien für jeweils eine Anforderung ein Gesamturteil abgibt. Die Skalierung erfolgt in fünf Stufen, von „1“ (sehr geringe Ausprägung), „2“ (geringe Ausprägung), „3“ (mittelmäßige Ausprägung), „4“ (hohe Ausprägung) bis „5“ (sehr hohe Ausprägung). Das Anforderungsprofil (Soll-Profil) gibt jeweils vor, wie hoch die Ausprägung je nach Anforderung auszufallen hat bzw. an welcher Stelle, welche Unterschreitung einem K/O-Kriterium gleichkommt. Wie gesagt, ist der Ersterstellungsaufwand eines Interviewleitfadens, wie auch schon des Anforderungsprofils, nicht unerheblich. Die Arbeiten bauen aufeinander auf, sind aber als Investition in die Zukunft zu sehen. Denn wurde ein Interviewleitfaden einmal erstellt, kann er mit nur geringem Änderungsaufwand für alle folgenden Bewerbergespräche genutzt werden. Dies gilt jedoch immer nur für die gleiche Position, da bei unterschiedlichen Positionen auch immer unterschiedliche Anforderungsprofile zwingend notwendig sind. 4.3.4. Kommunikative Aspekte im Interview Im Rahmen der Bewerbervorauswahl (Kapitel D) wurde bereits das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun (1981) kurz angesprochen. Im Kapitel D erfolgte dies im Kontext der Selbstdarstellung des Bewerbers in seinem Bewerbungsschreiben. Dieses Modell ist Vertriebsführungskräften möglicherweise auch unter den Namen „4-Ohren-Modell der Kommunikation“ sowie unter den Bezeichnungen „Kommunikationsquadrat“ oder auch „Kommunikationskristall“ bekannt. Es unterscheidet insgesamt vier Aspekte von Kommunikation, die bei einer übermittelten Nachricht zwischen Sender und Empfänger im Spiel sind: x

Sach-Aspekt: worüber informiert wird (Sachinhalt, Was? Wie zu verstehen?)

x

Beziehungs-Aspekt: wie der Sender den Empfänger sieht und wie sie zueinander stehen (Du und Wir, Wie redet der eigentlich mit mir? Was glaubt der, wen er vor sich hat?)

x

Selbstoffenbarungs-Aspekt: was der Sender von sich selbst aussagt (Ich, Was ist das für einer? Was ist mit ihm?)

x

Appell-Aspekt: wozu veranlasst werden soll (Was tun, denken, fühlen auf Grund seiner Mitteilung?)

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

159

Mit jeder Nachricht, die übermittelt wird, kann der Sender also theoretisch vier verschiedene Botschaften meinen. Und der Empfänger kann ebenfalls vier verschiedene Botschaften heraushören, nicht notwendigerweise immer diejenige, welche der Sender beabsichtigt hat. Der Sender weiß in der Regel sehr genau, wie er eine Nachricht meint bzw. verstanden wissen will. Der Empfänger hingegen hat die Aufgabe zu leisten, sich für eine von vier möglichen Varianten entscheiden zu müssen  idealerweise natürlich für die vom Sender beabsichtigte. Dabei kommt es häufig zu Kommunikationsstörungen bzw. Missverständnissen. Der Empfänger ist auf Interpretationen angewiesen, hierbei helfen ihm nonverbale, körpersprachliche Äußerungsformen ebenso wie Rückschlüsse aus situativen Gegebenheiten. Er sollte dem Sender Rückmeldung geben, wie er ihn verstanden hat, und der Sender wiederum rückmelden, ob er mit dieser Interpretation einverstanden ist oder eine Klarstellung liefern. Die Kommunikationsabläufe sind damit kreisförmig, bedingen sich gegenseitig, und die Rollen von Sender und Empfänger wechseln bei jedem Durchgang. Verständigung entsteht vor allen Dingen dann, wenn beide sich in die Lage des jeweils anderen hineinversetzen können, um dessen Sichtweise nachzuvollziehen. Dazu ist es hilfreich, alle Botschaften des anderen wahrzunehmen und eigene Botschaften darauf zu beziehen. Nicht immer ist in Bewerberinterviews die Verständigung so leicht, wie sie sich hier darstellen lässt. Beim Empfänger von Botschaften können Filter dazu beitragen, dass er bestimmte Aspekte aufgrund eigener Übersensibilität überbetont, also mit einem bevorzugten Ohr hört. Als Sender von Informationen bedeutet das: x

sich verständlich auszudrücken,

x

sich echt zu präsentieren,

x

auf den Gesprächspartner zu achten,

x

dem Gesprächspartner gegenüber offen zu sein.

Im Bewerbergespräch betrachten Interviewer und Bewerber die Situation aus ihrem jeweiligen Rollenverständnis. Die vier Aspekte der Nachricht können sich beispielsweise im Bewerbergespräch  wobei jede Seite für sich als Sender betrachtet wird  beziehen auf:

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

160

INTERVIEWER:

BEWERBER:

SACH-ASPEKT (Welche Daten und Fakten nennt der Sender?) als Repräsentant zum Unternehmen

zum Bewerber

zum Anforderungsprofil

zum Bewerberprofil

SELBSTOFFENBARUNGS- ODER ICH-ASPEKT (Was sagt der Sender über sich selbst?) Wir (als Unternehmen) suchen nur die Besten

Ich bin der Beste

Bei unserem Ruf legen wir Wert auf

Ich bin nicht bereit, Abstriche zu machen

BEZIEHUNGS- ODER DU-ASPEKT (Wie steht der Sender zum Empfänger? Was hält er von ihm?) Du bist ein angenehmer Gesprächspartner

Du führst das Gespräch nach meinem Geschmack

Du weichst meinen Fragen aus

Ich weiß, worauf du hinaus willst, aber ich mauere

Welche Aspekte von den Gesprächspartnern betont werden, zeigt, welche Einstellung sie zur Situation haben und wie sie die Situation gestalten möchten. Insbesondere die Verhaltensfragen, die der Interviewer zunächst sachlich oder allenfalls im Sinne der Selbstoffenbarung meint, können den Bewerber bei der Beantwortung leicht neben der sachlichen Schilderung zu einer selbstdarstellerischen Akzentuierung verleiten. Etwa bei der Frage des Interviewers nach einem reklamierenden Kunden, bei der der Befragte dann ausführt: Mit der Art und Weise, mit der er den abspenstigen Kunden dem Unternehmen noch gerettet hat, wäre er eine Zierde für jedes Unternehmen. Ebenso könnte der Bewerber den Beziehungsaspekt betonen, indem er dem Interviewer das erzählt, was dieser hören will. Ferner könnte er einen Appellcharakter anschlagen  der Interviewer möge doch erkennen, was er an dem Bewerber hat. Nebenbei sei bemerkt, dass – wie bei einem Fachbuch anzunehmen – auch in den hiesigen Schilderungen vorwiegend aus dem Blickwinkel des Inhalts- und Sachaspekts geschrieben wird. Nachfolgende Erfolgsschlüssel in der Kommunikation sollten stets im Interview beachtet werden (s. Abb. E 16).

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

161

x

Hören Sie gut zu, welche Botschaften der Bewerber im Gespräch sendet! Beziehen Sie sich in Ihren Fragen auf die Aspekte, die Sie am stärksten empfangen! Damit signalisieren Sie Verstehen und Verständnis!

x

Beziehen Sie sprachliche und körpersprachliche Merkmale mit ein!

x

Wenn Sie beeinflussen wollen, greifen Sie selektiv die Botschaft heraus, die Sie Ihren Zielen näher bringt!

x

Wechseln Sie je nach Interviewziel zwischen den Aspekten!

x

Fragen Sie nach, wenn Ihnen die Antwort nicht klar ist! Unterscheiden Sie gesagte und gemeinte Botschaft!

x

Versuchen Sie Ihre eigenen Botschaften klar und unmissverständlich auszudrücken!

x

Achten Sie auf Tonfall, Betonung und Körpersprache Ihres Gesprächspartners und auf die damit verbundenen Botschaften!

Abb. E 16: Erfolgsschlüssel in der Kommunikation

4.3.4.1. Fragen als Informationsmagnete nutzen Fragen sind im Bewerberinterview das wichtigste Gesprächswerkzeug. Sie dienen der Informationsbeschaffung und der Klärung von Sachverhalten. Fragen signalisieren dem Bewerber Interesse an seiner Person (z. B. „Wie haben Sie sich in Ihrer neuen Umgebung eingelebt?“). Wenn der Interviewer wirkliches Interesse am Bewerber hat, kann er interessiert und offen fragen. Wer Informationen gibt, Fragen beantwortet, vertraut etwas an. Vertrauen ist eine wichtige Grundlage dafür, dass der Interviewer Zugang zum Bewerber erhält und von diesem auch vertraulichere Informationen erhält. Fehlt das Vertrauen, fühlt sich der Bewerber ausgefragt. Präzise Fragen zum richtigen Zeitpunkt gestellt, verkürzen das Interview, insbesondere dann, wenn der Bewerber zu weitschweifenden Ausführungen neigt. Im Interview helfen Fragen bei der Information und Analyse. Mit Fragen lässt sich auch Vermutungen, Behauptungen, Unterstellungen und Missverständnissen wirkungsvoll vorbeugen. 4.3.4.2. Systematik der Fragearten Die inhaltlichen Fragearten sind bereits ausführlich thematisiert worden. Bevor nun die formalen Frageformen näher beleuchtet werden, nachfolgend eine kurze Systematik über alle Frageformen (s. Abb. E 17).

162

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

Übersicht Fragearten Frageart

Formale

Inhaltliche

offene

situative

geschlossene

Verhaltensfrage

Alternativfrage

Selbstreflexion

Suggestivfrage

Wissensfrage

Mehrfach-/Schachtelfrage

Frage nach Informationsfrage Nachfrage

Abb. E 17: Systematisierung der Frageformen

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

163

Nachfolgend eine Übersicht über die fünf formalen Frageformen, mit Kennzeichnungen und Einsatzmöglichkeiten, wie sie im Beratungs- und Verkaufsgespräch, aber auch im Bewerberinterview zum Tragen kommen (s. Abb. E 18). Wie zuvor ausgeführt, sollen die offenen Fragen bei allen inhaltlichen Frageformen bevorzugt eingesetzt werden.

FRAGEARTEN

KENNZEICHEN x x

OFFENE x (BESSER ÖFFNENDE) FRAGEN

x x GESCHLOSSENE x FRAGEN

EINSATZMÖGLICHKEITEN

Beginnen i.d.R. mit einem Fragewort Geben dem Partner einen Spielraum für die Antwort Können i.d.R. nicht mit „Ja“ oder „Nein“ oder sonst wie kurz beantwortet werden

x

Beginnen i.d.R. mit einem Verb oder Hilfsverb Engen den Antwortspielraum des Partners ein Dürften „streng genommen“ nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden

x

x x x x

x x x

VORSICHT

x Bedürfnisse erforschen oder klären Eigenen Wissensbedarf verfolgen (Bewerberbild) Alle Arten von x Nachfragen/ Klarstellungen Einwände behandeln (als „Filterfragen“ stellen) Mehr über Situation, Pläne; Ideen, Erwartungen, Wünsche erfahren

Mit „Warum“-Fragen, wenn der Partner zur Begründung seiner Haltung in eine Verteidigungsposition gebracht wird Eine Bestätigung des Partners bringt dann oftmals mehr Information

Zustimmung für den x nächsten Schritt einholen Verständnis überprüfen x Zusätzliche gezielte Information oder Be- x stätigung einholen Bei einem weitschweifigen Gespräch zum Thema zurückführen

Die meisten Menschen neigen dazu, zu viele geschlossene Fragen zu stellen Bringt wenig Information Kann dem Gespräch den Charakter eines Verhörs geben

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

164

x

ALTERNATIVFRAGEN x

x

SUGGESTIVFRAGEN

x

Verlagern das Gespräch von der Grundsatzentscheidung „Ja/Nein“ auf die Auswahl zwischen zwei Alternativen Fördern eine Entscheidung

x

Nehmen die Antwort des Partners gewissermaßen vorweg Steuern das Gespräch in die gewünschte Richtung

x

x x x x x

x

Teilergebnisse x festlegen Frühester Einstellungstermin Gebietsübernahme Verhältnis: Fixum/ Provision Aufforderung, klar Stellung zu beziehen Termin vereinbaren

Wenn die Entscheidung noch nicht reif ist

Als vorsichtige Form x nach Zustimmung Quasi „spontan“ einsetzen, um Wünsche zu wecken

Niemand antwortet gern auf eine Frage, bei der die Antwort schon feststeht

Abb. E 18: Einsatzmöglichkeiten von Frageformen

Offene Fragen Offene Fragen beginnen meist mit einem Fragewort, z. B. wie, warum, was, weshalb, wer, wozu, wann, wo, usw. Offene Fragen lassen sich nicht mit „ja“ oder „nein“ beantworten. Die Antwort besteht aus einem Satz. Mit offenen Fragen wird die breite und tiefe Informationserfassung im Dialog gefördert. Beispiel: „Worauf legen Sie besonderen Wert?“ Geschlossene Fragen Geschlossene Fragen beginnen in der Regel mit einem Zeitwort oder einem Hilfszeitwort (haben, sein), ausgenommen die W-Frage „wie viele“, die eine Zahl als Antwort impliziert und einen Sonderfall darstellt. Die Antwort auf eine geschlossene Frage besteht sehr häufig aus „ja“ oder „nein“ oder Antworten wie z.B. „vielleicht, ich weiß nicht oder dazu möchte ich nichts sagen“. Der Informationszuwachs nach einer geschlossenen Frage ist wesentlich geringer als nach einer offenen Frage. Beispiel: „Haben Sie Erfahrungen mit Office-Programmen?“

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

165

Alternativfragen Bei Alternativfragen hat der Gesprächspartner nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten; deshalb könnte man sie auch als „Entweder-oder“-Fragen bezeichnen. Alternativfragen lenken den Bewerber von den Antwortmöglichkeiten „ja“ und „nein“ ab und führen ihn zu einem „so oder so“. Außerdem fordern Alternativfragen den Bewerber dazu auf, klarer Stellung zu beziehen. Beispiel: „Reagieren Sie eher aggressiv oder resignativ, wenn Sie persönlich angegriffen werden?“ Suggestivfragen Bei der Anwendung einer Suggestivfrage unterstellt der Fragende dem Gefragten eine Meinung. Der Gefragte soll in eine bestimmte Richtung manipuliert werden. Typisches Merkmal sind die Wörter: „doch, sicher, auch, etwa, etc“. Suggestivfragen sind im Bewerberinterview mit Vorsicht zu verwenden, legen sie dem Bewerber doch etwas in den Mund, was dieser von sich aus nicht so meint und sagen will. Beispiel: „Sie sind doch sicher an einer herausfordernden Tätigkeit interessiert?“ Eine negative Steigerung bringen Suggestivfragen, die dem Bewerber die Antwort in den Mund legen. Der Bewerber antwortet so, wie es der erkennbaren Erwartungshaltung des Interviewers entspricht. Beispiel: „Unsere Vertriebsstrategie ist einfach genial – meinen Sie nicht auch?“ Eine Spezialform der Suggestivfrage ist die hypothetische Frage. Diese ist oft leicht zu beantworten, gibt es doch einen Unterschied zwischen Wissen und Tun. Viele Menschen wissen beispielsweise, was getan werden müsste, um sich selbst zu organisieren, sind aber nicht in der Lage, dies auch konsequent zu tun. Dasselbe gilt z. B. für verkäuferische Fertigkeiten. Die meisten geschulten Verkäufer wissen, dass sie über Nutzen argumentieren sollten, wie sie u.a. mit Einwänden umgehen sollten. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass sie diese Fertigkeiten auch in ihrer verkäuferischen Praxis anwenden können. Bei strukturierten Interviews orientieren sich die Fragen konsequent an den Anforderungen. Die Anforderungen bilden das Gerüst bzw. den Suchraum für geeignete Fragen. Offene Fragen geben Antwortspielräume. Der Bewerber hat die Möglichkeit, Wertungen und Gewichtungen zum Ausdruck zu bringen. Fragen, die ein Szenario herstellen, ermöglichen dem Interviewer, zunächst das Terrain abzustecken. Gezielte weitere Fragen können dann weiter in die Tiefe gehen.

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

166

Zu häufige Ja/Nein-Fragen wie „Macht Ihnen Ihr Beruf Spaß?“, „Sind Sie ein guter Verkäufer?“, nehmen die Antwort dagegen zu früh vorweg und bringen außer Meinungen kaum Zusatzinformationen zu Tage. Mehrfach- und Schachtelfragen bieten dem Bewerber die Möglichkeit, sich den Teil herauszusuchen, auf den er antworten möchte. Den Rest kann der Bewerber ausblenden. Kommt er hingegen anschließend von selbst auf die anderen Fragen zu sprechen, dann zeigt dies, dass er komplexe Zusammenhänge behält. Die nachfolgende Aufstellung nennt geeignete und weniger geeignete Fragen zum Einsatz im strukturierten Interview (s. Abb. E 19). Die darauf folgende Abbildung fasst die Erfolgsschlüssel für die Fragetechnik im Interview zusammen (s. Abb. E 20).

x x

HILFREICHE FRAGEN Anforderungsbezogene Fragen Verhaltensorientierte Fragen

x

Informationsfragen

x x

Offene Fragen Fragen, die ein Szenario herstellen und beim Bewerber eine Reaktion provozieren

PROBLEMATISCHE FRAGEN Mehrfach-, Schachtelfragen Suggestivfragen Einengende und geschlossene Fragen x Hypothetische Fragen

x x x

x

Sich selbst beantwortende Fragen

Abb. E 19: Hilfreiche und problematische Fragen für den Einsatz im Interview x

Stellen Sie persönliche Fragen nur dann, wenn Sie ein wirkliches Interesse am anderen und seiner Antwort haben! Nicht als Floskel verwenden

x

Nutzen Sie vor allem offene Fragen

x

Präzise und zielorientiert Fragen stellen! „Weitschweifig“ formulierte Fragen bringen unbefriedigende Antworten

x

Keine Doppel- oder Mehrfachfragen stellen

x

Verständlich fragen, sich dem Sprachniveau des Gesprächspartners anpassen

x

Zielstrebig und situationsangemessen der Palette der Fragearten nutzen

x

Zeit zum Antworten geben, keine Angst vor Gesprächspausen

x

Nicht zu viele Fragen in direkter Folge verwenden

x

Verhörsituation vermeiden durch sparsame Verwendung geschlossener Fragen

x

Fragen begründen, wenn nötig

Abb. E 20: Erfolgsschlüssel der Fragetechnik

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

167

Weitere, sehr ins Detail gehende Aspekte des Befragens von Bewerbern, auch im Hinblick darauf, wann der Konkretisierungsgrad der Antworten ausreichend ist, mit seinen Auswirkungen auf die Beziehungsebene zwischen den Beteiligten, finden sich bei Hoffmann (2000). 4.3.4.3. Zuhören „Reden ist ein Bedürfnis, Zuhören ist eine Kunst.” Vor allen Dingen dann, wenn man zuvor Fragen gestellt hat. Falsch verstandene Informationen führen zu Fehlentscheidungen. Zuhören gilt als die rascheste Methode, das Vertrauen des Gesprächspartners zu gewinnen. Die folgenden Abstufungen machen deutlich, dass es sich beim Zuhören um eine besondere Form des Hörens handelt (s. Abb. E 21). Hören:

Aufnahme akustischer Signale

Hinhören:

Selektive Aufnahme akustischer Signale

Zuhören:

Aufnahme akustischer Signale mit dem Wunsch zu verstehen

Selektives Zuhören:

Selektive Aufnahme der Informationen, die interessant oder relevant sind

Aufmerksames Zuhören:

Zuhören verbunden mit dem Senden von Aufmerksamkeitsreaktionen

Aktives Zuhören:

Aufnahme akustischer Signale mit anschließender Prüfung, ob das Gesagte auch richtig verstanden wurde, und Ermunterung zum Weiterreden

Abb. E 21: Formen des Hörens

Der aktive Zuhörer ist in der Lage, die tatsächlich gemeinte Ebene der Kommunikation zu erfassen und entsprechend darauf zu reagieren (s. Abb. E 22). Er nimmt körpersprachliche Begleitsignale auf und kann sie einordnen. Er hört Veränderungen in der Stimme, die der Aussage Bedeutung geben. Der Interviewer, der so seinem Bewerber Wertschätzung und Aufmerksamkeit entgegenbringt, signalisiert zugleich Verständnis.

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

168

Nachfragen: Verbalisieren: Interpretieren: Selektives Zuhören:

Dem Partner offene Fragen stellen, um herauszufinden, was er tatsächlich gemeint hat. Das, was der Partner fühlt, mit eigenen Worten wiedergeben. Formulieren, was der Partner wahrscheinlich ausdrücken wollte. Aufgreifen der Stichworte, die weitere interessante oder relevante Informationen versprechen.

Abb. E 22: Techniken beim aktiven Zuhören

Dem Verkaufsprofi oder gesprächstherapeutisch Vorgebildeten, der an dieser Stelle die nonverbalen Techniken des aktiven Zuhörens (zustimmendes Kopfnicken) und die verbalen Äußerungen („Mhmhm“, „aha“, „verstehe“) vermisst, sei erklärt, dass diese Techniken im hiesigen Kontext dem Bewerber Hinweise in Richtung der erwünschten Antworten geben und noch mehr davon produzieren könnten, was nicht im Sinne des Interviewziels wäre. Daher sollten diese beiden Techniken zweckmäßigerweise hier unterbleiben. Bei allen vier Techniken des aktiven Zuhörens wird der Bewerber dadurch veranlasst, etwas zu sagen, was das bisher Verstandene bestätigt, korrigiert oder ergänzt. Nachfolgende Beispiele können dies verdeutlichen: x

Nachfragen: „Wie unterscheidet sich die neue Tätigkeit von der früheren Tätigkeit?“

x

Verbalisieren: „Sie sind unsicher, was für Sie das Richtige ist. Sie wissen nicht, ob Sie wechseln oder bleiben sollen?“ (arbeitet den Konflikt heraus)

x

Interpretieren: „Sie meinen also, dass Ihre bisherigen Erfolge sich auf die neue Aufgabe leicht übertragen lassen?“

x

Selektives Zuhören: „Erfolg – was verstehen Sie darunter?“

Die Einhaltung der nachfolgenden Regeln des Zuhörens ist für ein erfolgreiches Bewerbergespräch unerlässlich. So kann der jeweilige Gesprächspartner dazu gebracht werden, über das zu sprechen, was ihn berührt. Der Interviewer erhält also mehr Informationen, als er selbst erfragt hat (s. Abb. 21). Das Zuhören ist speziell bei vielen Vertriebsführungskräften noch entwicklungsfähig. Durch die mangeln-

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

169

de Fähigkeit zuzuhören, werden viele Chancen sowohl im Verhältnis zu den Mitarbeitern und Kollegen, aber vor allem auch im Bewerbergespräch nicht genutzt. Aber das Zuhören kann erlernt werden. x

Achten Sie beim aktiven Zuhören auf Ihre Gesprächsanteile! Reden Sie so wenig wie möglich (80%/20%-Regel)!

x

Signalisieren Sie Aufnahmebereitschaft! Zeigen Sie konzentrierte Ruhe!

x

Geben Sie Ihrem Gesprächspartner Zeit zum Formulieren! Die permanent gezeigte Bereitschaft, beim nächsten Luftholen ins Wort zu fallen, hetzt und stresst den Bewerber.

x

Vermeiden Sie Ablenkung!

x

Beweisen Sie in späteren Gesprächspassagen, dass Sie zugehört haben! Benutzen Sie Formulierungen Ihres Gesprächspartners!

x

Zeigen Sie während des Zuhörens Aufmerksamkeitsreaktionen, ohne dem Bewerber jedoch die Richtung seiner Antwort zu weisen!

x

Sagen Sie dem Bewerber, was Sie von dem, was er gesagt hat, verstanden haben, indem Sie das Gemeinte wiederholen! Vermeiden Sie dazu Formulierungen wie R

„Damit meinen Sie …“

R

„Sie wollen damit also sagen …“

R

„Es geht Ihnen um …“

R

„Wenn ich Sie richtig verstanden habe …“

Abb. E 23: Erfolgsschlüssel beim Zuhören

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

170

4.3.5. Typische Interviewerfehler Auch bei strukturierten Interviews besteht die Gefahr, dass sich in der Durchführung beim Interviewer diejenigen Fehler einschleichen, die dem herkömmlichen Bewerbergespräch die geringe Vorhersagekraft einbrachten (s. Abb. E 22). x

Interviewer reden zu viel selbst

x

Interviewer treffen zu schnell Urteile (oft aufgrund des ersten Eindrucks)

x

Erwartungen aufgrund von Vorinformationen führen zu self-fulfilling prophecies

x

Interviewer fragen suggestiv, geschlossen, mit Mehrfachfragen

x

Interviewer fragen hypothetisch („was wäre wenn“), statt nach konkreten Situationen und konkretem Verhalten. Sie provozieren damit erwartungsgemäße und gewünschte Antworten

x

Interviewer fragen zu wenig nach

x

Interviewer machen sich keine Notizen

Abb. E 24: Typische Interviewerfehler

4.3.6. Interviewerverhalten und Interviewerskills Folgende Verhaltensweisen und Techniken unterstützen dabei, gewollte Informationen zu erhalten und diese für die anschließende Auswertung des Interviews und die Bewertung des Bewerbers zu dokumentieren: x

Anforderungsbezogene Fragen

x

Notieren der Bewerberantworten

x

Schweigepausen aushalten

x

Nicht-Bestätigung des eigenen Voraus-Urteils suchen

x

Kontrolle des Interviews

x

Generalisierung auflösen

x

Festhalten

x

Neutrales Verhalten

x

Wertschätzung vermitteln

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

171

Anforderungsbezogene Fragen und systematisch die Anforderungen abarbeiten Die wichtigste Aufgabe des Interviewers besteht darin, immer sicherzustellen, dass die Informationen fließen, mit denen der Bewerber hinsichtlich der Anforderungen eingeschätzt werden kann. Pro Anforderung findet sich in der Instrumentensammlung bzw. Toolbox (s. Toolbox VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview, Seite 224) ein Interviewblatt mit anforderungsrelevanten Fragen (s. Abb. E 25). Es gilt so lange zu fragen, bis man genug über die jeweilige Anforderung weiß. Im Einzelfall werden hierfür vielleicht mehrere Fragen oder möglicherweise nur wenige Fragen aus der Toolbox VIII benötigt. Dies hängt auch von der Fähigkeit zum Explorieren ab. Sobald der Interviewer genug über die Anforderung weiß, sollte er zur nächsten Anforderung weiter gehen. Informationen über die Anforderungen erhält der Interviewer nicht nur über die Antworten auf die Interviewfragen, sondern auch über die Beobachtung des Bewerbers. Zu jeder Anforderung sind einige Beobachtungskriterien zusammengestellt. Am Ende des Interviews können diese nochmals durchgegangen und auf Grund der Erkenntnisse aus dem Gesamtinterview vervollständigt werden.

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

172

Selbstvertrauen/Selbstbewusstsein Definition: x SCHÄTZT DIE EIGENEN FÄHIGKEITEN POSITIV UND REALISTISCH EIN

x VERHÄLT SICH SELBSTSICHER IM SOZIALEN UMGANG

x ZEIGT POSITIVE GRUNDHALTUNG

x (Vertriebliche) Karriere x Annahme beruflicher Herausforderungen x Selbsteinschätzung von Stärken und Schwächen

?

x Was sind für Sie im Vertrieb schwierige Situationen? Bitte beschreiben Sie anhand von Beispielen, wie Sie mit solchen Situationen umgegangen sind.

x Wo liegen Ihre besonderen Stärken? Warum halten Sie sich dort für stark – möglicherweise für stärker als andere? Wie zeigen sich diese Stärken in beruflichen Situationen? x Was sind Ihre wichtigsten Schwächen? Nennen Sie Beispiele, wo sich diese Schwächen zeigen und wie diese sich auswirken. Wie gehen Sie damit um?

x x x x x x x x x

Begründet eigene Stärken mit konkreten Verhaltensbeispielen Spricht sachlich-neutral über eigene Schwächen Formuliert positiv, deutlich und mit angemessener Lautstärke Zeigt offene Körperhaltung Beschreibt auch Negativerfahrungen positiv als Chance und nicht nur als Problem Lässt sich durch kritische Fragen nicht verunsichern Zeigt eigenständige Meinung Keine psychosomatischen Reaktionen (Erröten, Schwitzen u. a.) Wie tritt er insgesamt auf? (selbstbewusst, linkisch, unterwürfig, übertrieben forsch, arrogant, sich selbst überschätzend)

Abb. E 25: Interviewblatt für die Anforderung Selbstvertrauen/Selbstbewusstsein

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

173

Die Antworten des Bewerbers notieren Die besten Fragen nützen nichts, wenn die Antworten am Ende des Interviews wieder verloren sind. Wenn es gelingt, die gesammelten Informationen bis zur Auswertung des Interviews verfügbar zu halten, ist eine zutreffende Bewertung des Bewerbers möglich. Manche Interviewer fühlen sich unwohl, Notizen während ihrer Bewerberinterviews zu machen. Sie denken, dass dies den Bewerber weiter verunsichert oder dass ein solches Vorgehen unhöflich sei. Um etwaige negative Auswirkungen von vornherein zu vermeiden, empfiehlt es sich, dem Bewerber schon am Anfang des Interviews zu erklären, dass man sich einiges mitnotiert, um sicher zu sein, dass man später nichts Wesentliches vergisst. Fast alle Bewerber haben Verständnis dafür und betrachten dann Notizen als etwas ganz Normales. Ein guter Weg ist es, kontinuierlich mitzunotieren, aber nicht zu versuchen, jede Antwort in voller Länge aufzuschreiben! Dabei hilft selektives Hören, nämlich genau auf die Aussagen, die im Zusammenhang mit der jeweiligen Anforderung stehen. Dies schärft auch die Aufmerksamkeit für relevante Informationen. Anschließend in Stichworten notieren, was der Bewerber in Bezug auf die Situation, sein Verhalten und das Ergebnis seines Verhaltens unverfälscht in wörtlicher Rede sagt oder was beobachtet wurde. Alle wertenden Aussagen oder Interpretationen sollten aus den Notizen herausgehalten werden. Denn später kann die Erinnerung kaum mehr zwischen Wahrnehmungen und Wertungen unterscheiden (s. Abb. E 26).

x

beschreibend und konkret (jede Wertung ist eine Tilgung – eine Verkürzung)

x

Wahrnehmungsscharf (keine verfrühten Interpretationen und Ausdeutungen, sondern konkrete Beobachtungen)

x

Vollständige Verhaltenssequenzen abbilden (Situation – Verhalten – Ergebnis)

x

erfolgsrelevante Verhaltensweisen identifizieren; Verhaltensweisen mit größter Relevanz notieren

x

Beschränkung auf das Wesentliche („Knackpunkte“ sauber herausarbeiten)

x

Prägnanz („in der Kürze liegt die Würze“); keine Romane schreiben; Stichworte genügen

x

kleine Schrift verkürzt den Weg und erhöht die Schreibgeschwindigkeit

Abb. E 26: Schlüsselinformationen mitprotokollieren

Das Protokollieren der Antworten der Bewerber ist ein wichtiger Bestandteil strukturierter Interviews. Damit wird erzielt, dass die Antworten der Bewerber und alle Beobachtungen in die Bewertung mit eingehen können.

174

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

Mehr als 50 % der Inhalte in einem 20-minütigen Gespräch werden bereits 10 Minuten nach dem Gespräch nicht mehr erinnert. Das Gedächtnis neigt dazu, Informationen ökonomisch zu verarbeiten, indem es sie in wenige Aspekte untergliedert und mit einer Bewertung versieht. Dies bedeutet immer eine Verzerrung der Informationen und eine verringerte Zuverlässigkeit bei der Bewerberauswahl. Deshalb sollte man sich nie auf sein Gedächtnis allein verlassen. Besser ist es, sich möglichst direkt im Anschluss an das Interview die Notizen durchzulesen und diese für die Bewertung und Entscheidung heranzuziehen. Notizen sind ebenfalls hilfreich, um einem Bewerber ein fundiertes Feedback geben zu können, bspw. im Falle einer Absage. Vielfach möchten abgesagte Bewerber die genauen Gründe für die Absage erfahren, um bei internen Bewerbungen ihr Verhalten entsprechend ändern zu können. In der befindet sich ein Formular zur Protokollierung der Beobachtungen und Antworten im Interview (s. IX: Leitfaden zur Protokollierung im Interview, Seite 247). Damit lassen sich die Beobachtungen und Antworten auf die einzelnen Anforderungen des Anforderungsprofils zuordnen. Schweigepausen aushalten Der Bewerber braucht oft Zeit, um sich eine konkrete passende Situation aus seiner „Gedächtnisbibliothek“ auszuwählen und sich diese wie in einem Film zu vergegenwärtigen, der vor seinem „inneren Auge“ ablaufen kann. Der Interviewer sollte ihm daher diese Zeit geben  auch wenn es zunächst unangenehm sein sollte, weil der Gesprächsfluss dadurch unterbrochen ist. Beim vorschnellen Eingreifen oder Versuch, durch eigene Bemerkungen die Schweigepause zu überbrücken, kann der innere Suchvorgang des Bewerbers vorzeitig unterbrochen werden. Die Folge ist häufig eine abstrakte, stark generalisierende oder konstruierte Antwort, die mit tatsächlichem Verhalten nur wenig zu tun hat. Die freie Zeit während der Schweigepausen kann genutzt werden, um die Notizen zu vervollständigen oder um neue Fragen zu entwickeln. Nach Nicht-Bestätigung suchen! Menschen suchen üblicherweise nach Bestätigung für ihre ersten Eindrücke. Der erste Eindruck ist insofern tückisch, da er innerhalb der ersten ein bis maximal vier Minuten entsteht und die Wahrnehmung alles Folgenden bestimmt. Dadurch wird er schnell zur „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“. Häufig ist der erste Eindruck noch nicht einmal bewusst  und dadurch umso gefährlicher. Der wissenschaftliche Ansatz besteht darin, eigene Vermutungen durch die Suche nach Gegenbeweisen zu testen (Falsifikationsprinzip). Nur wenn keine ausreichenden Gegenbeweise gefunden werden, kann der Forscher seine Vermutung als vorläufig bestätigt ansehen.

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

175

Ähnliches sollte im Bewerberinterview passieren. Wenn der Interviewer z. B. das Gefühl hat, dass ein Bewerber als Vertriebskraft für das Unternehmen nicht geeignet ist, heißt das, hart daran zu arbeiten, um Gegenbeweise für diese Vermutung zu finden. Ist das Gefühl hingegen positiv, so dass sich schon beim ersten Kontakt gut ausmalen lässt, einen geeigneten Bewerber zu haben, ist auch hier nach Gegenbeweisen zu suchen, die den positiven ersten Eindruck relativieren könnten. Ansonsten wird man immer das hören und sehen bzw. das Verhalten so umdeuten, dass der erste Eindruck bestätigt wird. Die Kontrolle über das Einstellungsinterview behalten Die schwierige Aufgabe des Interviewers ist es, in begrenzter Zeit und strukturiert, möglichst viele Informationen über den Bewerber zu sammeln, um anschließend eine zuverlässige Entscheidung zu treffen. Deshalb muss der Interviewer zu jedem Zeitpunkt des Gespräches genau wissen, welche Anforderung er gerade testet und welche Informationen er dazu benötigt. Er muss erkennen, wann das Interview in ein Gespräch abdriftet. In diesem Fall ist es seine Aufgabe, den Bewerber zurückzuführen und steuernd einzugreifen. Dies kann unter Umständen auch bedeuten, dass man den Bewerber höflich, z. B. durch eine Präzisierungsfrage, unterbricht oder das Thema wechselt. Generalisierungen auflösen Zu wissen, was der Bewerber mit bestimmten Worten meint und wie diese mit seinem konkreten Verhalten zusammenhängen, ist das Ziel eines jeden Einstellungsinterviews. Oft versieht der Bewerber sein Verhalten oder Ereignisse mit einem „Label“, einem Etikett. Für den Begriff „zuverlässig“ gibt es z. B. über 100 zum Teil sehr verschiedene Auslegungen. Für den Bewerber ist die volle Bedeutung seines Etiketts „klar“. Der Interviewer muss dagegen erst Zugang zu der Welt des anderen finden, um den Bedeutungsrahmen zu erfahren. Das konkrete Verhalten sollte in konkreten Situationen geschildert werden. Der Interviewer hat darauf zu achten, dass er sich nicht vorschnell mit plakativen, ungenauen Aussagen zufrieden gibt. Folgende Fragearten helfen bei der Auflösung von vagen Aussagen, Generalisierungen und ungenauen Etiketten (s. Abb. E 27).

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

176

x

Ungenaue Hauptwörter: Fragen Sie „was genau?“ R R R

x

Ungenaue Verben: Fragen Sie „wie genau?“ R R R

x

Unspezifische Bewerberaussagen: „Ich brauche Erfolg, um glücklich zu sein.“ Nachfrage des Interviewers: „Was genau?“ Antwort des Bewerbers: „Ein hohes Einkommen und einen zufriedenen Chef.“

Unspezifische Bewerberaussage: „Ich berate abschlussorientiert …“ Nachfrage des Interviewers: „Wie genau?“ Antwort des Bewerbers: „Indem ich dem Kunden seinen Nutzen verdeutliche und ihn direkt nach dem Auftrag frage.“

Verallgemeinerungen wie „alle, immer, niemals, jeder u.a.“: Wiederholen Sie diese Worte fragend R R R

Unspezifische Bewerberaussage: „Ich bin immer pünktlich beim Kunden!“ Nachfrage des Interviewers: „Immer?“ Antwort des Bewerbers: Ja, sofern ich mich nicht verfahre und ich nicht in einen Stau gerate.“

Abb. E 27: Generalisierungen auflösen

Festhalten! Ist eine konkrete Situation angesprochen, weichen Bewerber gelegentlich aus und schildern allgemeine Meinungen und Beobachtungen. Die Gefahr, dass der Bewerber „Pseudo-Antworten“ unter den Maßstäben des strukturierten Interviews gibt, ist dann gegeben, wenn der Bewerber x

überwiegend persönliche Gefühle oder Meinungen ausdrückt: z. B. „Ich war immer ein recht guter Verkäufer“ oder „Ich halte wenig von Soft-Selling.“

x

theoretische oder hypothetische Aussagen trifft: z. B. „Wenn ich in der Filiale wäre, würde ich...“

x

vage Aussagen trifft („es“, „man“ etc.): z. B. „Es gehörte mit zu meinen Aufgaben, die Absatzzahlen zu erhöhen.“

In solchen Fällen kann der Interviewer ruhig z. B. in der folgenden Form noch einmal nachfragen: „Darf ich nochmals auf die konkrete Situation zurückkommen? Wie genau verhielten Sie sich da?“ Sich neutral verhalten Neutral meint hier, auf wertende positive und negative Stellungnahmen im Sinne von Zustimmung oder Ablehnung gegenüber inhaltlichen Aussagen des Bewerbers durch sprachliche Äußerungen, z. B.: „Da haben Sie Recht“, oder Körpersprache,

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

177

z. B. entschiedenes Kopfschütteln, zu verzichten. Denn hieraus entsteht schnell und unbewusst eine Konditionierung. Der Bewerber weiß dann, was der Interviewer gerne hören möchte, und produziert entsprechendes, erwünschtes Verhalten. Wertschätzung vermitteln Ein wichtiger Bezugspunkt ist das Selbstwertgefühl des Bewerbers. Von einem Bewerber, der sich als Person akzeptiert fühlt, erhält der Interviewer erfahrungsgemäß mehr und wertvollere Informationen als von einem eingeschüchterten und verunsicherten. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Interviewsituation auch eine wichtige Marketingfunktion fürs Unternehmen beinhaltet. x Signalisieren, dass vom Bewerber keine Wunderdinge erwartet werden x Verständnis und Anerkennung ausdrücken x Begründungen anbieten, wie zum Beispiel: „Teamarbeit klingt auf dem Papier gut, aber in der Praxis haben doch viele Unternehmen Probleme mit der Umsetzung. Welche Probleme konnten Sie in Ihrer letzten Aufgabe feststellen? Wie sind Sie damit umgegangen?“ Der Hauptteil des Interviews ist damit beendet. Dieser Teil des Interviews ist, wie zuvor bereits gesagt, nicht zuletzt auf Grund seiner Gewichtung, in besonderer Weise durch Machtasymmetrie gekennzeichnet. Inhaltlich geht es darum, die Unsicherheiten in Bezug auf die Leistungs- und Eignungsbeurteilung des Bewerbers zu reduzieren. Der Bewerber weiß möglicherweise, dass er gar nicht so gut „passt“, versucht aber, diesen Wissensvorsprung für sich zu behalten, und der Interviewer versucht, diese Informationsasymmetrie zu mindern. Umgekehrt wiederum hat der Bewerber einen Informationsnachteil, nämlich im Hinblick auf die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Und diesem Umstand wird im nächsten Gesprächsteil Rechnung getragen. 4.4.

Informationen geben über das Unternehmen und die Position

4.4.1. Bewerberinformation In der bisherigen Explorationsphase ging es darum, den Bewerber ungestützt zu befragen und ihm keine Hinweise auf erwünschte Antworten zu geben. Nunmehr ist es an der Zeit, ihm Informationen darüber gegeben, was ihn im Unternehmen und an seinem Arbeitsplatz erwartet und was nicht (s. Abb. E 28). Dies sollte so realistisch und umfassend geschehen, dass der Bewerber sich ein konkretes Bild von der Tätigkeit machen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass kein Arbeitsplatz ausschließlich durch positive Aspekte charakterisierbar ist. Daher ist es sinnvoll, auch die weniger positiven Gesichtspunkte bzw. mögliche Quellen der Frustration offen anzusprechen. Schließlich soll der Bewerber wissen, worauf er sich einlässt, wenn es zu einem Arbeitsverhältnis kommt. Umgekehrt hat auch das Un-

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

178

ternehmen ein Interesse, den Bewerber wissen zu lassen, was es von ihm erwartet. Es geht letztendlich darum, einen geeigneten Bewerber, der sich bis hierher behaupten konnte, für das neue Unternehmen aufzuschließen und zu gewinnen. INFORMATIONEN GEBEN – MOTIVATION Inhalte: x x x x x x

Vorstellung des Unternehmens Unternehmens-/Produkt-/Vertriebsphilosophie Aufgabenbereich und Anforderungen Erwartungen an den neuen Berater Rahmenbedingungen/Vorteile und Nutzen für den Bewerber Abläufe/Arbeitsplatz

Ziele: x Bewerber über das Unternehmen informieren x Vermeidung unrealistischer Erwartungen x Motivation für die Aufgabe Abb. E 28: Informationen geben

Insbesondere qualifizierte Bewerber in einer erfolgreich ausgeübten Position gilt es für die neue Aufgabe zu motivieren. Denn oft ist es bei diesen Personen notwendig, Anreize zu schaffen, damit sie bereit sind, die bisherige, wohl erfolgreich ausgeübte Tätigkeit aufzugeben. Umgekehrt: Bei weniger interessanten Bewerbern macht es keinen Sinn, Zeit für einen sehr ausführlichen Informationsteil zu investieren. Aber auch in diesen Fällen gebietet die Fairness einen Mindeststandard in der Information zu halten. Der Informationsteil sollte daher in seiner Dauer und inhaltlichen Ausgestaltung situativ variabel gestaltet werden. Folgende Informationen sollten dem Bewerber gegeben werden: x

Vorstellung des Unternehmens

x

Kernaufgaben und besondere Rolle

x

Chancen und Perspektiven (ggf. Risiken und Hemmnisse)

Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, wenn sich der Interviewer eine Checkliste erarbeitet, die stichwortartig die wichtigsten Informationen für Bewerber enthält. Dabei kann man sich diejenigen Informationen markieren, die allen Bewerbern gegeben werden sollten, und die Informationen, die man sich für die „High Potentials“ vorbehalten will.

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

179

Darüber hinaus sollten dem Bewerber alle notwendigen Informationen und Unterlagen ausgehändigt werden. In vielen Unternehmen gibt es zum Beispiel Bewerberbroschüren. 4.4.2. Die motivbezogene Nutzenargumentation Gegenüber einem als geeignet erscheinenden Bewerber gilt es, die vielen Merkmale herauszustellen, die das Unternehmen für zukünftige Vertriebsmitarbeiter attraktiv machen. Um diese Unternehmensmerkmale motivationswirksam zu transportieren, bedient sich die Vertriebsführungskraft bei der Bewerberinformation der aus dem Verkauf bekannten Nutzenargumentation. Nutzenargumentation Für den Rekrutierungserfolg ist von Bedeutung, inwieweit es dem zukünftigen Vorgesetzten gelingt, den Nutzen des Unternehmens bzw. der Position für den Bewerber herauszuarbeiten. Niemand entscheidet sich für eine Position oder ein neues Unternehmen nur derentwegen. Entscheidend ist immer, welchen Nutzen er damit verbindet – aus seiner ganz persönlichen Motivlage heraus (Müller/ Bednarek 2002). Allgemein ausgedrückt: Nicht, was die Dinge an sich sind, sondern das, was sie für uns sind, macht uns glücklich oder unglücklich. Der Wert  die Bedeutung eines Gutes für die Bedürfnisbefriedigung  ist abhängig von den jeweiligen Motiven. Nicht die Leistung oder Vorgehensweise, sondern die zu erwartende Problemlösung wird gekauft. Oder in zwei Beispielen aus dem alltäglichen Bereich ausgedrückt: Nicht das Medikament, sondern das erhoffte Wohlbefinden wird gekauft. In gleicher Weise braucht der Kunde keine Bohrmaschine, sondern er braucht Löcher, um etwas daran befestigen zu können. Wie er das bewerkstelligt, ist ihm weitgehend gleichgültig. Nutzenargumentation heißt: Merkmale und Eigenschaften eines Lösungsvorschlages bzw. -angebots in Nutzenaspekte für den Gesprächspartner umzuwandeln, und zwar so, dass seine Motive dabei angesprochen werden. So ist, wie unten gezeigt wird, das Motiv „Bequemlichkeit“ anders anzusprechen als das Motiv „Geltungsstreben“. Hierbei geht es nicht um argumentativen Sieg oder Überredung. Die Voraussetzungen und Folgen der Aussagen werden dem Partner vielmehr so dargestellt, dass sie von ihm nachvollzogen werden können. Berücksichtigung der Situation und der Motive des Partners Die Beschreibung und die Formulierung der Merkmale des Angebots ist eine wichtige Voraussetzung für die Anpassung des Lösungsvorschlags an den Bedarf des Partners. Die hierzu nötigen Informationen wurden während der Vorauswahl und des Hauptteils der Informationsgewinnung beschafft und ausgewertet. Während

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

180

dieser Phasen sind die Motive des Gesprächspartners in Erfahrung zu bringen, um gezielt den Nutzen für den Bewerber ansprechen zu können. Für das Verhalten von Menschen in Bezug auf Entscheidungen haben sich aus der Erfahrung sieben hauptsächliche Motive bestätigt. Die folgende Zusammenstellung zeigt, wie Motive für den „Optimisten” als Steigerung der Vorteile und für den „Pessimisten” als Vermeidung von Nachteilen formuliert werden können (s. Abb. E 29). Für eine Vertriebsführungskraft ist auch das Erkennen und die Aktivierung unbefriedigter Motive von Bedeutung, etwa indem sie dem Bewerber das Fehlen eines wichtigen Nutzens in seiner derzeitigen beruflichen Situation aufdeckt bzw. bewusst macht. Je mehr Motive angesprochen wurden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die persönlichen Motive des Bewerbers getroffen waren und dadurch Impulse für eine neue Position bzw. das neue Unternehmen ausgelöst werden. MOTIVE

ERHOFFTER NUTZEN

VERHINDERTER NACHTEIL

Gewinn

Einkommen erhöhen

Einkommensreduzierung

Ansehen

Imagezuwachs erreichen

Prestigeverlust vermeiden

Bequemlichkeit

Arbeit erleichtern

Unannehmlichkeiten vermeiden

Sicherheit

Sicherheit verbessern

Risiko vermeiden

Wohlbefinden

Bestätigung erleben

Ärger vermeiden

Fürsorge

Anderen Freude bringen

Negatives von anderen abwenden

Entdeckung

Mehr erleben

Nichts versäumen

Abb. E 29: Nutzen und Nachteilsverhinderung von Motiven

Merkmal-Nutzen-Übersetzung Wichtig für den Bewerber ist in erster Linie der für ihn sichtbare Nutzen, nicht der Nutzen für die Führungskraft oder das Unternehmen. Mit Hilfe überleitender Tätigkeitswörter wird der motivbezogene Bewerbernutzen formuliert, z.B. „unsere gut eingeführte Marke ...garantiert...“, „die enge Zusammenarbeit mit unseren strategischen Partnern...erleichtert...“ Nachfolgend sind einige Überleitungswörter dargestellt, die im Gespräch mit dem Bewerber eingesetzt werden können (s. Abb. E 30).

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

181

ÜBERLEITENDE TÄTIGKEITSWÖRTER aktiviert bedeutet

garantiert mindert

entlastet ergänzt

bringt senkt ermöglicht

reduziert erhöht sichert

erleichtert gewährleistet vereinfacht

fördert verbessert

spart wertet auf

vermeidet

Abb. E 30: Formulierung der motivbezogenen Nutzenargumentation

Theoretisch kann für jedes der sieben Motive und jedes Merkmal eine Nutzenformulierung erarbeitet werden. Die auf den ersten Blick „überflüssige” Mühe erweist sich im Bewerbungsgespräch als sehr hilfreich (s. Abb. E 31).

Merkmal: unternehmensbezogen x x x x

x

x

x x x

Integrierter Bankarbeitsplatz zwei große unabhängige Partner Zugang zu großem Kundenstamm Zugang zu Multiplikatoren der FINANZbank Konzentration auf eigene Vertriebskompetenz Gezielte und individuelle Vorbereitung auf die Aufgabe Aufbauzuschuss Monatliche Provisionsauszahlungen Attraktives Provisionssystem

Überleitungswort

steigert erhöht ermöglicht sichert reduziert u. a.

Nutzen: bewerberbezogen

x x x x x x

Motive x x x x x x x

Gewinn Ansehen Sicherheit Bequemlichkeit Entdeckung Fürsorge Gesundheit

x

x x

senkt Ihre Kosten steigert Ihr Ansehen ermöglicht schnelles Vorankommen erleichtert Ihre Arbeit erhöht Ihre Umsatzchancen sichert Ihre Unabhängigkeit ermöglicht Ihnen ein hohes Einkommen entlastet von unproduktiver Arbeit u. a.

Abb. E 31: Beispiel für eine motivbezogene Bewerbernutzenargumentation

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

182

4.5.

Gesprächsende

In der letzten Interviewphase geht es darum, dass die Beteiligten die Rollen des Interviewers bzw. Interviewten wieder verlassen und zu einer normalen Gesprächssituation zurückkehren (s. Abb. E 32). GESPRÄCHSENDE Inhalte: x x x x

Zusammenfassung Bestimmung eines Entscheidungstermins; Klärung des weiteren Ablaufs Dank für das Gespräch Verabschiedung

Ziele: x Entlastung des Gesprächspartners x Wiederherstellung „normaler“ Gesprächsformen x Motivation für die Bedenkzeit Abb. E 32: Das Gesprächsende

Für den Interviewer ist dies die vorerst letzte Gelegenheit zu überprüfen, ob er alles gefragt hat. Anschließend sollte der Bewerber seine Chance haben, Fragen zu stellen. An der Tatsache, dass er Fragen hat, und auch an der Art der Fragen, ist absehbar, ob und dass er sich ernsthaft mit dem Stellenangebot auseinander gesetzt hat. Die Anzahl der Fragen ist hingegen kein Indikator. Dem Bewerber ist der weitere Prozess der Entscheidungsfindung zu erläutern. Die Zeitspanne hierfür sollte nicht länger als maximal 2 Wochen sein. Eine Vorwegnahme der Entscheidung zu diesem Zeitpunkt ist zu vermeiden. Falls noch nicht geschehen, kann auch auf vertragsrelevante Daten wie den Einstellungszeitpunkt eingegangen werden. Dem Bewerber sollte angeboten werden, bei offenen Fragen seinerseits diese auch telefonisch stellen zu können. Anschließend empfiehlt es sich, ggf. die Erstattung der Vorstellungskosten bzw. des Procedere hierfür anzusprechen. Schließlich wird dem Bewerber für das Gespräch gedankt und er wird mit guten Wünschen für die Heimreise verabschiedet bzw. bis zum Ausgang begleitet. Der letzte Eindruck bleibt, heißt es bekanntlich. Daher sollte die Verabschiedung das Gespräch positiv abrunden.

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

4.6.

183

Bewertung und Entscheidung

Für den Interviewer beginnt nun der Prozess des Bewertens und Beurteilens (s. Abb. E 33). Dabei kommen ihm die zuvor gemachten Aufzeichnungen zugute. Zu beachten ist dabei, dass das Anforderungsprofil im Sinne einer „absoluten Skala“ konzipiert wurde und auch so gehandhabt werden sollte. Unterschiede zwischen mehreren Bewerbern sollten auf diesem Wege zu Tage treten, also durch den Vergleich mit dem Soll-Profil, nicht etwa dadurch, dass man die Bewerber untereinander vergleicht („relative“ Bewertung). BEWERTUNG IM HINBLICK AUF DIE ANFORDERUNGEN x Antworten (Gehörtes, Inhalte) x Verhalten (Beobachtetes) Abb. E 33: Die Bewertung

Eine der Grundregeln in der Eignungsdiagnostik lässt sich auch auf das Interview übertragen: Trennung von Informationsaufnahme und Beurteilung. Ein ganz wichtiger Grundsatz lautet daher: Erst fragen, zuhören, vertiefen, beobachten und notieren, zu einem späteren Zeitpunkt bewerten. Für die Bewertung wird das Anforderungsprofil genutzt, in dem der Interviewer Anforderung für Anforderung mit den im Interview erhaltenen Informationen durchgeht und erst dann die Ausprägung für den Bewerber festlegt. Dort, wo nach dem ersten Interview noch Unsicherheiten in der Einschätzung des Bewerbers auftreten, können für das zweite Interview entsprechende Fragen vorbereitet werden. Jede vorschnelle pauschale Bewertung des Bewerbers und Äußerungen wie „Das ist ein guter Mann  den nehmen wir“ oder „nicht zu gebrauchen“ sind zu vermeiden. Hiermit legt man sich nämlich zu früh und undifferenziert auf eine Entscheidung fest. Erfahrungsgemäß werden dann alle Anforderungen in die positive oder negative Richtung „gedreht“, um das Voraus-Urteil zu bestätigen. Es sollte ausreichend Zeit für die Bewertung eingeplant werden und das, was der Interviewer gesehen und gehört hat, mit der Soll-Ausprägung verglichen werden, denn dies ist der Maßstab.

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

184

Die Auswertung erfolgt in drei Schritten: 1. Antworten den Anforderungskategorien zuordnen 2. Antworten mit den erfolgskritischen Verhaltensweisen des Anforderungsprofils vergleichen und grob bewerten 3. Anforderungskriterien skalenmäßig einstufen Antworten den Anforderungskategorien zuordnen Idealerweise wurden für jedes Anforderungskriterium mehrere vollständige Verhaltensstichproben notiert. Die Notizen werden zunächst durchgeschaut und dort, wo notwendig, die vollständigen Verhaltensstichproben (Situation – Verhalten – Ergebnis) rekonstruiert. Es kann auch vorkommen, dass auf eine Frage zu einer bestimmten Anforderung Antworten gegeben wurden, die Hinweise auf andere relevante Kriterien geben. In diesem Fall sind Randnotizen und Querverweise nützlich, so dass keine Informationen verloren gehen. Antworten mit den erfolgskritischen Verhaltensweisen des Anforderungsprofils vergleichen und grob bewerten Anschließend werden alle Informationen zu den jeweiligen Anforderungen zusammengestellt und die Übereinstimmungen der Interviewdaten mit den erfolgskritischen Verhaltensweisen der Anforderungskriterien bewertet. Anforderungskriterien skalenmäßig einstufen Erst danach werden die Anforderungskriterien auf der 5er-Skala bewertet. Bewertungsskala: 1

sehr niedrig/gering ausgeprägt

2

niedriger/geringer ausgeprägt

3

mittelmäßig ausgeprägt

4

höher/stärker ausgeprägt

5

sehr hoch/sehr stark ausgeprägt

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

185

Bei der Gewichtung der Informationen aus dem Interview wird so vorgegangen, dass stärkeres Augenmerk gelegt wird x auf Verhalten, das aus einer sehr anspruchsvollen Situation oder Aufgabe stammt, x auf Verhalten, das erst kürzlich gezeigt wurde. Je weniger weit das Verhalten zurückliegt, desto zuverlässiger sind die darauf gestützten Aussagen. Das Risiko einer Prognose mit „veralteten Daten“ ist geringer, wenn aktuelles Verhalten zugrunde gelegt wird, x

auf Verhalten, das an bzw. in einer vergleichbaren Funktion erbracht wurde. Je ähnlicher die frühere mit der aktuellen Situation ist, desto aussagekräftiger sind die Verhaltensbelege,

x

auf Verhalten, das wiederkehrend ist. Je öfter ein Verhalten gezeigt wird, desto stabiler ist es.

4.6.1. Wahrnehmungsverzerrer und Beurteilungsfehler Soziale Wahrnehmung und Urteilsbildung sind Gebiete, die innerhalb der Sozialpsychologie sehr gut untersucht wurden. Soziale Wahrnehmung, auch Personenwahrnehmung genannt, unterscheidet sich von der Wahrnehmung physikalischer Objekte. Letztere bezieht sich auf unmittelbar beobachtbare Merkmale, bei einem Menschen etwa auf Größe, Gewicht, Alter. Die Inhalte der Personenwahrnehmung, wenn es etwa um Intelligenz, Einstellungen oder Charakter geht, sind häufig nicht unmittelbar beobachtbar, sondern werden erschlossen (Inferenzproblematik). Insofern ist die soziale Wahrnehmung auch viel anfälliger für Wahrnehmungsfehler. Häufig sagen daher Beobachtungsurteile mehr über den Beobachter oder Beurteiler aus als über den Beobachteten bzw. Beurteilten, da das Wissen und die Erfahrungen des Beobachters zuweilen eine größere Rolle spielen als die Merkmale der zu beobachtenden Person. In der qualitativen Sozialforschung macht man sich diesen Umstand wiederum zunutze, indem man die Beobachter dazu anhält, ihre Inferenzen explizit zu machen und darzustellen, auf Grund welcher Schlussfolgerungen sie zu ihren Ergebnissen gekommen sind. Der subjektive Wahrnehmungs-, Verarbeitungs- und Bewertungsprozess im Bewerberinterview wird beeinflusst durch Aspekte und Facetten der eigenen Persönlichkeit. Dazu gehören z. B. individuelle Wertvorstellungen, Erfahrungen, Ziele und Wertmaßstäbe. Diese wirken als Filter und schaffen eine neue Wirklichkeit, indem sie das Bewerberverhalten nie ganz verzerrungsfrei abbilden, sondern dies aufgrund der eigenen Wahrnehmungs-, Interpretations- und Bewertungsprozesse verändern. Es werden Zusammenhänge gestiftet, die sich zu impliziten Persönlichkeitstheorien vom Typ „Wer A hat, hat auch B“ (dicke Menschen sind gemütlich, ordentliche Menschen sind zuverlässig, höfliche Menschen sind freundlich) verdichten können.

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

186

Der Weg von der Wahrnehmung bis hin zur Beurteilung verläuft über mehrere Stufen. Das Verhalten des Bewerbers wird dabei intern abgebildet, gefiltert und mehr oder minder verzerrt und verfälscht (s. Abb. E 34).

Biocomputer erzeugen neue Wirklichkeiten!

Wahrnehmung Wahrnehmungsschärfe Beobachtungsbreite Aufmerksamkeit Konzentration/Fokus

Interpretation Erfahrungen Überstrahlungen Vorurteile Glaubenssätze Erklärungsmuster Vermutungen Halluzinationen

Bewertung Gütemaßstäbe Leistungsanspruch Vergleiche

E I N S C H Ä T Z U N G

Abb. E 34: Wahrnehmung und Bewertung

Um die verzerrenden Wahrnehmungsphänomene auf Seiten der Interviewer zu mildern, sind nachfolgend einige Hinweise und mögliche Beurteilungsfehler beschrieben. Interviewer sollten sich dieser persönlichen Fehlerquellen bewusst sein und ihr eigenes Verhalten immer wieder daraufhin reflektieren (s. Abb. E 35).

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

x

Vorurteile; Stereotype, implizite Persönlichkeitstheorien

x

Tendenz zur Nachsicht

x

Tendenz zur Strenge

x

Situative Gegebenheiten

x

der Beurteiler als Maßstab

x

Selektive Wahrnehmung

x

Überstrahlungseffekt (Halo-Effekt)

x

Kontakteffekt

x

Bedarfsdruck

x

Urteil aus zweiter Hand

187

Abb. E 35: Beurteilerfehler

Vorurteile bzw. stereotype implizite Persönlichkeitstheorie Alle Menschen unterliegen mehr oder weniger Vorurteilen, die als vorgefasste Meinungen eine unvoreingenommene Beobachtung erschweren und die Beurteilung verfälschen. Vorurteile werden meist als Einstellung klassifiziert. In der stärkeren Erscheinungsform, nämlich als Überzeugung, spricht man von Stereotypen. Diese sind starr, zeitüberdauernd und änderungsresistent und werden dadurch gebildet, dass man nur wenige, oberflächliche Merkmale eines Sachverhalts berücksichtigt. Häufig existiert beispielsweise folgendes Vorurteil: „Ältere Mitarbeiter lassen in ihrer Leistung nach”. Solche Vorurteile können schnell zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen werden. Wissenschaftlich spricht man in diesem Zusammenhang auch von impliziten Persönlichkeitstheorien, wenn von einem Merkmal auf andere, die nicht unmittelbar feststellbar sind, geschlossen wird. Tendenz zur Mitte Hierunter versteht man die Neigung, bei Beurteilungen undifferenziert die unverbindlichen mittleren Werte zu bevorzugen. Es gilt, sich vor der Vergabe mittlerer Bewertungen jeweils zu vergegenwärtigen: „Entspricht das Verhalten des Bewerbers tatsächlich dem Durchschnitt?“ Ansonsten werden bei der Einschätzung Stärken und Schwächen nivelliert. Eine Verminderung der Streuung durch die Tendenz zur blassen Mitte ist daher zu vermeiden – schwache und starke Ausprägungen sollten in der Einstufung auch entsprechend gewürdigt werden, sonst werden Unterschiede sowohl beim einzelnen als auch im Vergleich zu anderen Kandidaten verwischt.

188

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

Tendenz zur Nachsicht bzw. Strenge Bei der nachsichtigen Beurteilung beurteilt der Interviewer zu milde (und „schönt“) oder scheut sich, etwas Ungünstiges über den Bewerber auszusagen. Bei der strengen Beurteilung erfolgt eine Verschiebung zur negativen Seite, d. h. gute Leistungen werden als normal eingestuft und das allgemeine Niveau der Beurteilungen wird nach unten gedrückt. Um die Tendenz zur Nachsicht bzw. Strenge zu vermeiden, ist Selbstdistanz notwendig, d. h. die Fähigkeit, sich bei der Beurteilung von einem objektiven Maßstab leiten zu lassen, und zwar unabhängig von eigenen Stärken und Schwächen. Situative Gegebenheiten Alle Beteiligten unterliegen den Einflüssen der gegenwärtigen Situation, der Interviewer ebenso wie der Bewerber. Gleichwohl kann dies auf jeden einen unterschiedlichen Effekt ausüben. Beispielsweise die klimatischen oder physikalischen Bedingungen des Raums. Auch ist nicht bekannt, in welcher physischen oder psychischen Verfassung sich der Kandidat unabhängig von der ohnehin besonderen Vorstellungssituation befindet, z. B. durch einen ihm Sorge bereitenden Vorfall in seiner Familie, andere atmosphärische Störungen in seinem Privatleben oder schlicht eine Erkältung. Schließlich ist diese Interviewsituation selbst eine nichtalltägliche Interaktionsform  quasi eine Prüfungssituation  , die das Verhalten des Bewerbers in einem nicht bestimmbaren Maße von seiner Normalform abweichen lassen kann. Dies unabhängig davon, dass er sich möglicherweise auch in Richtung sozialer Erwünschtheit verstellen kann, im Sinne dessen, was von ihm erwartet wird. Der Beurteiler als Maßstab Eine weitere Fehlerquelle ist die Neigung, von sich auf andere zu schließen. Diese Neigung kann sich bei der Beurteilung so auswirken, dass eigene Leistungen und Verhaltensweisen zur Norm erhoben werden, an der die Leistungen und das Verhalten der Bewerber gemessen wird. Der Interviewer ist gefordert, nicht eigene Wertmaßstäbe in die Beurteilung einzubringen, sondern die Beurteilung an den tatsächlichen, den definierten Anforderungen, konkreten Beobachtungen und den Zielen und Werten des Unternehmens festzumachen. Selektive Wahrnehmung Jede Wahrnehmung ist subjektiv und daher selektiv. Atteslander (1971) beschreibt dies zutreffend: „Wir glauben nur, was wir sehen  leider sehen wir nur, was wir glauben wollen“. So werden aus einem Spektrum möglicher Wahrnehmungen immer nur Teile, und diese je nach Beobachter unterschiedlich wahrgenommen. Damit aber ist die Forderung nach Unabhängigkeit der Beobachtung vom einzelnen Beobachter (Objektivität) kaum zu realisieren. Was ohne großen methodischen

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

189

Aufwand zur Eindämmung dieser Fehlerquelle getan werden kann, ist, mehrere Beobachter einzusetzen und dafür Sorge zu tragen, dass die Menge der übereinstimmenden Aussagen möglichst groß wird (Grümer 1974). Selektive Wahrnehmung ist letztlich nicht ganz auszuschließen und später auch nicht mehr feststellbar. Überstrahlungseffekt (Halo-Effekt) Auffällige Verhaltensweisen bzw. Eigenschaften überstrahlen häufig die Wirkung anderer, die weniger deutlich wahrgenommen werden. Meist handelt es sich dabei um Verhaltensweisen, mit denen eine deutlich positive oder negative Wertung verbunden ist. Zum Beispiel werden häufig selbstsicher erscheinende Menschen fälschlicherweise als überdurchschnittlich kompetent und argumentationsstark eingeschätzt. Ein anderes Beispiel legt der englische Ausspruch „What is beautiful is good!“ nahe, demzufolge z.B. attraktive Menschen auch hinsichtlich anderer Merkmale positiv beurteilt werden. Kontakteffekt Dieser Effekt bezeichnet die Tendenz, Bewerber positiver zu beurteilen, mit denen man häufiger Kontakt hat. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass man sich bei häufigerem Kontakt besser kennen lernen kann und sich beide Seiten besser aufeinander einzustellen vermögen. Bedarfsdruck Speziell unter Bedarfsdruck, das heißt, eine bestimmte Position muss „unbedingt“ besetzt werden bzw. der Vertriebsnetzaufbau muss zügig voranschreiten, ergeben sich Tendenzen dahingehend, dass der Bewerber zu gut beurteilt wird. So werden quantitativ gute, qualitativ jedoch schlechte Ergebnisse erzielt. Urteil der zweiten Hand Vom Urteil der zweiten Hand spricht man dann, wenn ein Bewerber beurteilt wird, über den schon Vorinformationen vorliegen. In der Praxis kann dieser Beurteilungsfehler bei Bewerberempfehlungen von Kollegen, Vorgesetzten oder sonstigen Partnern entstehen. Vielfach entstehen Kontakte zu Bewerbern durch Empfehlungen Dritter, was im Rahmen der Suche auch von großem Vorteil ist. Aussagen wie: „Diesen Mann musst du dir unbedingt anschauen, der ist klasse“ stellen eine Vorbewertung dar. Genauso Aussagen wie: „Lass ja die Finger von dem weg, der hat doch bei der Firma Schulz & Co. nichts zu Wege gebracht“ erschweren auf Grund dieser Vorinformationen eine neutrale Beurteilung. Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Beobachtungs- und Beurteilungsfehler letztlich nie auszuschließen, sondern allenfalls zu begrenzen sind. Hilfreiche Verfahren sind dabei zum einen ein relativ eindeutiges Beobachtungs-

190

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

schema, zum zweiten, dass sich der Beobachter der möglichen Verzerrungen bewusst ist, dass er ferner seine Schlussfolgerungen explizit macht und schließlich, dass er in diesen Bereichen mittels eines ausgiebigen Interview- und Beobachtungstrainings intensiv geschult wird (s. Abb. E 36). x

Seien Sie selbstkritisch in Bezug auf das eigene Urteil und erkennen Sie die Möglichkeit an, sich zu irren

x

Hüten Sie sich vor Verallgemeinerungen

x

Berücksichtigen Sie Informationen aus möglichst vielen unterschiedlichen Situationen

x

Beurteilen Sie den Bewerber stets im Hinblick auf die ihm gestellten Aufgaben und die zu erfüllenden Anforderungen

x

Bleiben Sie sich dessen bewusst, dass Ihr Urteil auf eine bestimmte Situation bezogen ist

x

Machen Sie sich nicht selbst zum Maßstab

x

Nehmen Sie sich angemessen Zeit für den Abgleich der Informationen und für die Beurteilung

Abb. E 36: Hinweise zur Vermeidung von Beurteilerfehlern

4.6.2. Vorentscheidung und weiteres Vorgehen bis zur endgültigen Entscheidungsfindung Wenn Konzeption, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Interviews samt Abgleich mit den Anforderungen pragmatisch und mit der gebotenen Sorgfalt realisiert wurden, dürfte die Entscheidung, ob der Bewerber im Stellenbesetzungsprozess vorrückt,  rein sachlich betrachtet  ohne Probleme erfolgen können (s. Abb. E 37). Was jetzt noch Schwierigkeiten bereiten könnte, ist nicht sachlich bedingt, sondern hängt mit den kognitiven Dissonanzen zusammen, die sich beim Interviewer ggf. einstellen und nach Neubewertung oder weiterer Informationsaufnahme verlangen. Schon aus diesem Grund wird man im Eignungsfall mit noch einigen „Leerstellen“ ein zweites Gespräch führen, um den Eindruck aus dem ersten harmonisch abzurunden. ENTSCHEIDUNG x

Klärung, ob der Bewerber weiterhin interessant ist

x

Feststellung der Vorgehensweise/der zu vertiefenden Fragen für das 2. Bewerbungsgespräch

Abb. E 37: Die Entscheidung

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

191

Grundsätzlich kommen im zweiten Interview keine grundlegend neuen Gesprächsteile zum Einsatz, so dass eine anforderungsgemäße Abwandlung der bisherigen Interviewteile hinreicht und darauf hier nicht eigens eingegangen werden muss. Die Vertriebsführungskraft sollte sich im Interview auf die Punkte konzentrieren, für die sie noch keine ausreichenden Antworten hat. Bezüglich Struktur, Fragetechniken etc. gilt genau das, was an den entsprechenden Stellen in diesem Buch geschrieben wurde. Ein wesentlicher weiterer Grund für ein zweites Interview ist auch die Überprüfung der Form des Bewerbers. Macht er auch im zweiten Interview immer noch den gleichen guten Eindruck oder erkennt man Veränderungen in der Performance bzw. im Verhalten des Bewerbers. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass ein Bewerber den hervorragenden Eindruck, den er im ersten Interview gemacht hat, beim Folgetermin nicht mehr vermitteln kann. Nach dem einen positiven Eindruck vom Bewerber und dem Abgleich mit dem Anforderungsprofil im Sinne einer Eignung, erfolgt beim zweiten Interview häufig die Vorstellung vor dem Verantwortlichen, der beiden Positionen überstellt ist. In vielen Unternehmen ist dessen Zustimmung notwendig, wobei das vielfach nur als „Abnicken“ erfolgt. Andererseits ist dessen Zustimmung auch sinnvoll, um eine vertrauensvolle und erfolgsorientierte Zusammenarbeit zu ermöglichen. Für die Vertriebsführungskraft kann es hilfreich sein, bevor sie den Kandidaten ihrem Vorgesetzten vorstellt, diejenigen Punkte zu notieren und mit der eigenen Führungskraft abzustimmen, bei denen man sich noch nicht sicher ist bzw. die einem „VierAugen-Prinzip“ vorbehalten sein sollten. Wenn die Möglichkeit besteht, dann sollte gemeinsam mit dem Vorgesetzten das „Vier-Augen-Prinzip“ auch gelebt werden, d. h. beide, sowohl die Vertriebsführungskraft als auch deren Vorgesetzter sollten aktiv das zweite Interview führen. Beim Einsatz mehrerer Interviewer kann man zwischen seriellen und simultanen Interviews unterscheiden. Bei simultanen Interviews führen die Interviewer das Interview gemeinsam, bei seriellen Interviews nacheinander. Der Einsatz von mehreren Interviewern, hat verschiedene Vorteile. Als wichtigster Vorteil sei genannt, dass sich durch die unterschiedlichen Perspektiven ein genaueres Bild vom Bewerber ergeben kann. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass beide Interviewer ein strukturiertes Interview und nicht einer von beiden nur ein Bewerbergespräch führt. Aufgrund des Ablaufs des ersten Interviews kann die Vermutung entstehen, dass der Informationsbedarf des Bewerbers zu kurz gekommen ist. In der Regel hat der Bewerber auch eine Reihe von Fragen, die er im ersten Interview nicht gestellt hat oder die nicht ausreichend beantwortet worden sind. Da das Anforderungsprofil im ersten Interview grundsätzlich komplett abgearbeitet wurde, bleibt im zweiten Interview auch genügend Zeit, um auf die Bedürfnisse des Bewerbers einzugehen, oder um ihm verbleibende Unsicherheiten zu nehmen. Da der Motivation des Be-

192

Der Ablauf der Einstellungsinterviews

werbers zur Übernahme der angebotenen Position eine große Bedeutung zukommt, sollte den Fragen und Vorstellungen des Bewerbers im zweiten Interview breiten Raum gegeben werden. Aber nicht nur die Klärung der Sachfragen, vor allem auch der weitere Ausbau der Beziehungsebene sollte im zweiten Interview erfolgen, da, wie bekannt, der qualifizierte Bewerber „ein knappes Gut“ ist. Das zweite Interview muss durch den Interviewer genauso professionell geführt werden, wie der bis dahin erfolgte gesamte Personalsuch- und -auswahlprozess. Genauso wie die personalsuchende Vertriebsführungskraft ist beim Bewerber die Entscheidung nach dem ersten Interview auch noch nicht gefallen. Deshalb muss bis zum Vertragsabschluss intensiv um den Bewerber gekämpft werden. Ein heikles Thema sind die Verhandlungen über die Vergütung und die sonstigen Vertragsbestandteile, unabhängig davon, ob diese im ersten, zweiten oder erst im dritten Gespräch aufgenommen werden. Viele vermeintlich aussichtsreiche Rekrutierungen scheitern genau hier, sozusagen auf der Zielgeraden. Damit diese Situation nicht entstehen kann, sollten schon beim telefonischen Vorabinterview, spätestens aber im ersten Interview, die möglichen Konditionen und die Vorstellungen des Bewerbers miteinander abgeglichen werden. Es macht keinen Sinn, dieses Thema bis zum Schluss aufzuheben. Falls die angebotenen Konditionen mit den Vorstellungen des Bewerbers nicht in Einklang zu bringen sind, kann auf alle weiteren Schritte verzichtet werden. D. h. möglichst früh im Prozess muss zumindest klar sein, ob die Vorstellungen beider Partner zur Deckung gebracht werden können. Hierbei geht es nicht um das detaillierte Paket, sondern um den groben Rahmen. Die eigentlichen Vertragsverhandlungen sollten dann erfolgen, wenn von beiden Partnern die grundsätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit ausgedrückt wurde. Erfahrungsgemäß reichen bei einem geeigneten Bewerber insgesamt maximal drei Gesprächstermine, um bei beiderseitigem Interesse zu einer Einigung zu kommen. Ablauf und Inhalte der Gespräche könnten dabei wie folgt aussehen (Abb. E 38):

E. Die Bewerberauswahl mit Hilfe des strukturierten Interviews

1. Termin:

2. Termin:

3. Termin:

x Bewerbergespräch ca. 2 Stunden

x Klärung offener Fragen und Vertiefung x „Vier-AugenPrinzip“: Hinzuziehen von Kollegen oder Vorgesetzten x Vertragsgespräche bei positivem Gesamteindruck:

x ggf. Vorstellung bei der übergeordneten Führungskraft

bei positivem Gesamteindruck:

Abb. E 38: Ablauf der Einstellungsinterviews

x Vertragsverhandlungen bzw. abschluss

193

F. Entscheidung I. Endphase des Personalauswahlprozesses In der letzten Phase des Personalauswahlprozesses kommen die folgenden entscheidenden Schritte zum Zuge: x

Überführung der Beobachtungen und Notizen in ein Stärken-/Schwächenprofil

x

Einholung von Referenzen

x

Bewerberranking

x

Entscheidung

1.

Bewerbereinschätzung im Stärken-/Schwächenprofil

Im zurückliegenden Such- und Auswahlprozess wurde die Entscheidung zwar systematisch und sorgfältig vorbereitet, getroffen wurde sie jedoch noch nicht. Nachfolgend wird die Vorgehensweise zur Entscheidungsfindung vorgestellt und werden die Punkte gezeigt, die es besonders zu beachten gilt. Für die Bewerbereinschätzung wird aufgrund der bisher erhobenen Informationen/Notizen ein Stärken-/Schwächenprofil benutzt, welches sich direkt aus dem Anforderungsprofil ableitet. D.h., die eigenen Einschätzungen werden den SollWerten des Anforderungsprofils gegenübergestellt. Somit können die Ist-Ausprägungen der einzelnen Anforderungsarten transparent gemacht und direkt mit den Soll-Anforderungen verglichen werden. Das Anforderungsprofil ist so aufgebaut, dass es so genannte K/O-Kriterien, mit der Ausprägung „5“, gibt, die vom Bewerber auf jeden Fall erfüllt werden müssen. Dazu gehören: x

eine gültige PKW-Fahrerlaubnis,

x

eine ausgeglichene, persönliche finanzielle Situation,

x

ein positives polizeiliches Führungszeugnis,

x

eine mindestens 4-jährige Erfahrung als Finanzdienstleister,

x

eine abgeschlossene Ausbildung als Bank-, Versicherungs- oder Bausparkaufmann bzw. ein vergleichbarer Abschluss,

x

eine ausgeprägte Verkaufs- bzw. Ergebnisorientierung.

196

Endphase des Personalauswahlprozesses

Diese Anforderungen stellen ein Muss dar und sind auch durch persönliche Weiterentwicklung oder Trainingsmaßnahmen nicht veränderbar. Anders stellt sich die Situation bei den Anforderungen mit einer geringeren Ausprägung dar. Falls diese im Einzelfall vom Bewerber nicht erfüllt werden, können sie durch eine zielgerichtete Einarbeitung bzw. durch Weiterentwicklungs- oder Trainingsmaßnahmen noch positiv verändert werden. Der Aufwand sollte jedoch überschaubar sein. In diesen Fällen kann ausnahmsweise ein Wert akzeptiert werden, der unterhalb des Soll-Wertes liegt. Grundsätzlich sollte die Abweichung bei einer 5-Punkte-Skala jedoch nicht mehr als zwei Punkte betragen. Hier muss jedoch beachtet werden, dass bei den trainierbaren Anforderungen nicht mit zu viel Nachsicht bewertet wird, da sonst der gesamte strukturierte und systematisch durchgeführte Personalsuch- und -auswahlprozess konterkariert würde. Verwiesen sei hier auch auf die Wahrnehmungsverzerrer und Beurteilerfehler, die in Kapitel E.IV.4.6.1. ausführlich dargestellt wurden. Das eigene Gefühl, Sympathien oder Antipathien können bei der Bewertung nie ganz ausgeschlossen werden. Im Rahmen einer systematischen Entscheidungsfindung auf Basis des strukturierten Interviews sollte jedoch versucht werden, reine Gefühle so lange wie möglich im Hintergrund zu halten. Zu beachten ist auch, dass die Anforderungen, die auf Grund einer gut abgesicherten und ausführlichen Informationsbasis bewertet wurden, höher zu bewerten sind als diese, bei denen nur wenige Informationen vorliegen. Es muss nicht an der Qualifikation des Bewerbers liegen, wenn bei einer bestimmten Anforderung nur wenige Verhaltensstichproben gesammelt werden konnten (Jetter 2003). Bei der Bewertung des Bewerbers anhand des Stärken-/Schwächenprofils empfiehlt es sich daher auch eine Gewichtung der einzelnen Anforderungen vorzunehmen. Hat beispielsweise ein Bewerber in der Anforderung Produktkompetenz noch Wissenslücken, können diese durch eine gezielte Einarbeitung und entsprechende Trainingsmaßnahmen mit geringem Aufwand kompensiert werden. Mit einem gleichzeitig hohen Ist-Wert bei der Anforderung Verhandlungsgeschick, kann die Schwäche innerhalb der Produktkompetenz kompensiert werden. In der nachfolgenden Abbildung des Stärken-/Schwächenprofils ist auch eine entsprechende Gewichtung der einzelnen Anforderungen vorgenommen worden (s. Abb. F 1 und Toolbox X: Stärken-/Schwächenprofil, S. 248). Die Gewichtung wird wie folgt vorgenommen: x

Die höchsten Anforderungen werden 3-fach gewichtet. Hierzu gehören auf jeden Fall die Anforderungen, bei denen der Soll-Wert „5“ beträgt.

x

Die mittleren Anforderungen werden 2-fach gewichtet.

x

Die einfachen Anforderungen werden 1-fach gewichtet.

F. Entscheidung

197

Der gewichtete Wert entsteht durch die Multiplikation jedes einzelnen Anforderungswertes mit dem Gewichtungsfaktor. Dieser Wert wird dann durch die Summe der Gewichtungsfaktoren geteilt. Im folgenden Stärken-/Schwächenprofil können nun die entsprechenden Ist-Werte eingetragen und dann der gewichtete und ungewichtete Durchschnittswert errechnet werden. Je näher der Bewerber nun dem gewichteten oder ungewichteten Soll-Wert kommt, umso mehr erfüllt er das Anforderungsprofil. Um zum Ende des gesamten Auswahl- und Suchprozesses eine optimale Entscheidung zu erhalten, sollten die folgenden Punkte beachtet werden: x Schaffung einer ausreichenden Informationsbasis x Zuordnung der gesammelten Verhaltensstichproben zu den entsprechenden Anforderungen x Vergleich der gesammelten Verhaltensstichproben mit den im detaillierten Anforderungsprofil beschriebenen Verhaltensweisen x Bewertung der gesammelten Verhaltensstichproben anhand der vorgegebenen 5er-Skala x Kenntnis über die Wahrnehmungsverzerrer und Beurteilerfehler, um solange wie möglich Antipathien oder Sympathien bzw. das „Bauchgefühl“ ausschließen zu können Die Entscheidung selbst kann dem Verantwortlichen kein Ratgeberbuch oder wissenschaftliches Verfahren abnehmen. Wer sich aber bis hierher an die pragmatische Vorgehensweise gehalten hat, wünschenswerterweise auch noch mehrere Beurteilerdaten zur Verfügung hat und mit den eigenen kognitiven Dissonanzen so umgegangen ist, dass er über Kopf und Bauch längerfristig mit der Entscheidung leben kann, der trifft bei wirklich vertretbarem Aufwand eine Entscheidung mit einer Vorhersagegültigkeit, wie sie auch mit wesentlich aufwendigeren und kostspieligeren Verfahren nicht nennenswert besser ausfallen kann.

Endphase des Personalauswahlprozesses

Persönliche Voraussetzungen Alter zwischen 28 und 45 Jahre PKW-Fahrerlaubnis Finanzielle Situation OK Polizeiliches Führungszeugnis 4-jährige Erfahrung als Finanzdienstleister Bankerfahrung (direkt/indirekt) 4-jährige Außendiensterfahrung Fachliche Kompetenzen Versicherungskaufmann/Versicherungsfachmann (BWV) oder Bankkaufmann oder Bauspar/Finanzierungskaufmann/-fachmann (BWB) PC-Anwenderkenntnisse Produktkompetenz Kenntnis aktueller Sicherungssysteme Persönliche Kompetenzen Erscheinungsbild/Auftreten Selbstvertrauen/-bewusstsein Initiative/Engagement Eigenverantwortung Stressbeständigkeit/Emotionale Stabilität Methodische Kompetenzen Selbstorganisation + Planung Ausdrucksverhalten Gesprächsführung Präsentationsfähigkeit Verhandlungsgeschick Soziale Kompetenzen Teamverhalten Kontaktfähigkeit Konfliktstabilität Strategische Kompetenzen Analytisch-systematisches Denken/Handeln Zukunftsorientierung Verkaufs-/Ergebnisorientierung Bewertung Ungewichteter Durchschnittswert Gewichteter Durchschnittswert S I

= =

Gewichtung

QUELLEN Vorauswahl

STÄRKEN-/SCHWÄCHEN-PROFIL

Interview

198

             

2 3 3 3 3 2 2

 

3

     

     

1 2 1

         

2 2 2 2 2

         

1 2 2 2 1

     

2 2 2

     

1 2 3

AUSPRÄGUNGEN 1

2

3

4

S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S

   

Sollausprägung gem. Anforderungen Im Interview bzw. Vorauswahl erkannte Istausprägung (vom Interviewer einzutragen)

Abb. F 1: Bewerbereinschätzung im Stärken-/Schwächenprofil

5

S

F. Entscheidung

2.

199

Einholung von Referenzen

Möglicherweise ergeben sich trotz sorgfältigster Bearbeitung der vorangehenden Auswahlschritte noch Zweifel – die möglicherweise eher aus einem subjektiven Gefühl heraus resultieren, als dass sie mit Fakten begründbar sind. Die Referenz kann in diesen Fällen dazu dienen, das Bild weiter abzurunden. Noch nicht zufrieden stellend zu beurteilende Anforderungen, Zweifel, möglicherweise aufgrund nicht eindeutig interpretierbarer Aussagen oder Formulierungen in einem Zeugnis, können durch ein Gespräch mit dem Referenzgeber, der den Bewerber aus beruflichen Situationen kennt, abgeklärt werden. Unerlässlich ist jedoch die Vorbereitung und die zielorientierte Führung des Referenzgesprächs (s. Abb. F 2). Referenzen sind grundsätzlich immer subjektive Auskünfte eines Referenzgebers. Schon allein deshalb kann eine Auswahlentscheidung nicht ausschließlich auf einer Referenz beruhen. Der Vorteil der Referenzeinholung liegt jedoch in der Tatsache begründet, dass ein früherer Vorgesetzter die Arbeitsleistung eines Mitarbeiters aus der Praxis heraus gut beurteilen kann und den Mitarbeiter in realen Arbeitssituationen erlebt hat (v. Gleichen 1993). Referenzen sollten jedoch bei der Entscheidungsfindung nicht überbewertet werden, da der Referenzgeber oftmals auch Eigeninteressen bei der Abgabe der Referenz verfolgt. Im für den Bewerber positiven Fall möchte er ihm für seinen beruflichen Werdegang keine Steine in den Weg legen und gibt eine ggf. zu positive Auskunft. Im für den Bewerber negativen Fall möchte der Referenzgeber vielleicht verhindern, dass sein früherer Mitarbeiter gerade diese Position erhält. Speziell wenn der frühere Mitarbeiter zu einem Wettbewerbsunternehmen wechseln möchte, hat der frühere Arbeitgeber vielleicht das starke Interesse, dies zu verhindern. Er befürchtet, dass das Wettbewerbsunternehmen einen Vorteil durch das ggf. noch aktuelle Wissen seines früheren Mitarbeiters erhält. Aus den oben genannten Gründen gilt, dass Referenzen nur dann eingeholt werden sollten, falls noch wesentliche Punkte am Ende des Auswahlprozesses offen geblieben sind und dadurch das Gesamtbild über den Bewerber abgerundet werden kann. In der Instrumentensammlung befindet sich eine Checkliste, die zur Vorbereitung auf ein Referenzgespräch eingesetzt werden kann (s. Toolbox XII: Checkliste zur Einholung von Referenzen, S. 250). Um Referenzen zielgerichtet einsetzen zu können. sind die nachfolgenden Grundsätze zu beachten: Referenzen sind das letzte Mittel, um eine Entscheidung abzusichern. Sie sollten daher auch erst ganz am Ende des Entscheidungsprozesses eingeholt werden. In der Regel sind sie nur ein Mosaikstein im Gesamtbild des Bewerbers.

200

Endphase des Personalauswahlprozesses

Referenzen müssen aus rechtlichen Gründen und aus Fairnessgründen immer (!) mit dem Bewerber abgestimmt sein. D.h., der Bewerber muss den Referenzgeber nennen und mit der Referenzeinholung einverstanden sein. Zudem muss natürlich auch der potenzielle Referenzgeber einverstanden sein. Idealerweise holt der Bewerber beim potenziellen Referenzgeber dessen Einverständnis ein. Referenzen dürfen grundsätzlich niemals beim aktuellen Arbeitgeber eingeholt werden. Dem Bewerber könnten ansonsten große Nachteile entstehen. Hält sich der Referenzeinholer nicht daran, können ihm gegenüber Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden. Anders stellt sich der Fall dar, wenn zwischen dem Bewerber und seinem aktuellen Arbeitgeber schon Einverständnis über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses besteht. x

Referenzgeber sollten zwingend aus der Linie kommen, d. h. früher der direkte Vorgesetzte des Bewerbers gewesen sein. Ehemalige Kollegen, Mitarbeiter oder Führungskräfte aus anderen Bereichen sind als Referenzgeber ungeeignet.

Die Beziehung zwischen Referenzeinholer, Bewerber und Referenzgeber ist zu klären, um mögliche Konkurrenzsituationen oder Animositäten („wer weggeht ist mein Feind“, „ich lasse nicht zu, dass der zur Konkurrenz geht“) bei der Bewertung der Referenz zu berücksichtigen. x

Vergleichbar mit dem Wahrheits- und Wohlwollensgrundsatz bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen, müssen die Aussagen des Referenzgebers wahr und wohlwollend sein. Die Referenz soll einerseits den ferneren Lebensweg eines Arbeitnehmers nicht mehr als erforderlich erschweren, andererseits soll sie aber Dritte unterrichten und muss daher wahr sein.

Unabhängig davon, ob tatsächlich eine Referenz eingeholt wird, kann man den Bewerber nach Referenzen fragen – schon die Bewerberantwort lässt oftmals interessante Rückschlüsse zu. Auch indirekte Fragen, welche Informationen frühere Arbeitgeber wohl über ihn geben würden, helfen oftmals weiter.

F. Entscheidung

201

Die folgende Checkliste kann als Vorbereitung für die Einholung von Referenzen. und für den professionellen Umgang mit Referenzen dienen (s. Abb. F 2): x

Einholung des Einverständnisses zur Referenzabgabe beim Referenzgeber

x

Klärung der beruflichen Stellung des angegebenen Referenzgebers

x

Vorbereitung: Beschreibung/Definition der eigenen Fragen

x

Themenbereiche für das Referenzgespräch ż Beziehung zwischen Referenzgeber und Bewerber ż Bekannt aus welchen Tätigkeiten und wie lange ż Fachliche Qualifikation ż Soziale und persönliche Kompetenz Ŷ in der Teamarbeit Ŷ in Konfliktsituationen Ŷ in der Beratung/im Verkauf Ŷ in persönlichen Auftreten ż Erfolge und Misserfolge des Bewerbers ż Positive wie negative kritische Ereignisse ż Wechselgrund ż Berufliche Stärken und mögliche Schwächen ż Einschätzung durch andere Personen ż Persönliches Ŷ Ŷ Ŷ Ŷ

x

Familie Freundeskreis Alkohol Drogen

Bewertung der Referenz bezogen auf die vorher unklaren Aspekte, Zweifel bzw. offenen Fragen

Abb. F 2: Vorbereitung für die Einholung von Referenzen

202

3.

Endphase des Personalauswahlprozesses

Der Bewerbervergleich

Ergibt sich die glückliche Situation, dass mehrere Bewerber in die engere Wahl kommen, so kann für den Bewerbervergleich ein Ranking vorgenommen werden, indem die gewichteten bzw. ungewichteten Abweichungen zwischen Soll- und Istwerten der Bewerber zu Gesamtsummen aufaddiert werden. Je kleiner die Abweichungssumme ist, desto besser passt der Bewerber zum Anforderungsprofil. Trotz der konsequenten Durchführung des systematischen und zielorientierten Auswahlprozesses fällt es oftmals schwer, aus mehreren geeigneten Bewerbern den richtigen auszuwählen. Das Bewerberranking ist ein einfaches, aber aussagekräftiges Instrument, um die Stärken und Schwächen der einzelnen Bewerber transparent zu machen. Dabei wird jede einzelne Anforderung des Anforderungsprofils für alle Bewerber miteinander verglichen. Beim Vergleich geht es jedoch nicht darum, den Bewerber mit den in der Summe höchsten Ausprägungen zu ermitteln, sondern auch hier wird wieder exakt am Anforderungsprofil gearbeitet. Der Bewerber ist der geeignetste, der die geringste Abweichung zum Anforderungsprofil hat. Für die Anforderung analytisch-systematisches Denken/Handeln ist die optimale Ausprägung der Wert „3“. Ein Bewerber mit dem Wert „5“ wäre als problematisch zu betrachten, da er bezüglich dieser Anforderung überqualifiziert und im Rahmen seiner neuen Tätigkeit wohl unterfordert wäre. Dadurch kann sich in der Praxis eine Unzufriedenheit ergeben, die dazu führt, dass der Bewerber ggf. nach kurzer Zeit das Unternehmen wieder verlässt. Die nachfolgende Abbildung zeigt eine Matrix, die für den Bewerbervergleich eingesetzt werden kann (s. Abb. F 3 und Toolbox XI: Bewerbervergleich, S. 249). Wie beim Stärken-/Schwächenprofil kann auch hier bei der Ermittlung des geeignetsten Bewerbers mit gewichteten oder ungewichteten Anforderungskategorien gearbeitet werden. Die Vorgehensweise hierzu wurde im Kapitel F.I. schon erläutert. Falls nur ein Bewerber in der jeweiligen Situation vorhanden ist, ist spätestens mit dem Stärken-/Schwächenprofil der Prozess zur Suche und Auswahl von Vertriebsmitarbeitern abgeschlossen. Falls mehrere Bewerber zeitgleich zur Verfügung stehen, endet der Prozess mit dem Bewerbervergleich. Jetzt sind die Stärken und Schwächen des Bewerbers transparent und die Entscheidung kann nach objektiven Kriterien getroffen werden. Die nächsten Schritte wären nun die Verhandlung und der Abschluss des Arbeitsvertrags.

F. Entscheidung

BEWERBERVERGLEICH

GEWICHTUNG

203

SOLLAUSPRÄGUNG

BEWERBER 1

Persönliche Voraussetzungen Alter zwischen 28 und 45 Jahre PKW-Fahrerlaubnis Finanzielle Situation OK Polizeiliches Führungszeugnis 4-jährige Erfahrung als Finanzdienstleister Bankerfahrung (direkt/indirekt) 4-jährige Außendiensterfahrung Fachliche Kompetenzen Versicherungskaufmann/ Versicherungsfachmann (BWV) oder Bankkaufmann oder Bauspar-/ Finanzierungskaufmann/-fachmann (BWB) PC-Anwenderkenntnisse Produktkompetenz Kenntnis aktueller Sicherungssysteme Persönliche Kompetenzen Erscheinungsbild/Auftreten Selbstvertrauen/-bewusstsein Initiative/Engagement Eigenverantwortung Stressbeständigkeit/Emotionale Stabilität Methodische Kompetenzen Selbstorganisation + Planung Ausdrucksverhalten Gesprächsführung Präsentationsfähigkeit Verhandlungsgeschick Soziale Kompetenzen Teamverhalten Kontaktfähigkeit Konfliktstabilität Strategische Kompetenzen Analytisch-systematisches Denken/ Handeln Zukunftsorientierung Verkaufs-/Ergebnisorientierung Abweichungssumme Abb. F 3: Der Bewerbervergleich

2 3 3 3

4 5 5 5

3

5

2 2

4 4

3

5

1 2 1

3 4 3

2 2 2 2

4 4 4 4

2

4

1 2 2 2 1

3 4 4 4 3

2 2 2

4 4 4

1

2

2 3

4 5

2

3

4

Anlagen/Toolbox

Toolbox

TOOLBOX I:

207

Stellenanzeigen (1)

1. Versicherungsberater bzw. -beraterinnen Im September 2003 haben die SORGLOS-VERSICHERUNG AG und die SOLIDBANK AG den Grundstein für eine erfolgreiche gemeinsame Zukunft gelegt: die ALLFINANZ PARTNERSCHAFT zur optimalen Vorsorge- und Finanzberatung ihrer Kunden. Die neue ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH sucht Sie als Versicherungsberater bzw. -beraterin. Als freier Handelsvertreter nach § 84 HGB liegt der Schwerpunkt Ihres Aufgabengebietes im Vertrieb von innovativen Produkten im Bereich der Personenversicherung bei den Kunden der SOLIDBANK AG. Hierbei arbeiten Sie partnerschaftlich mit den Bankmitarbeitern der jeweiligen SOLIDBANK Filialen zusammen. Neben Beratung und Verkauf steigern Sie den Erfolg mit Trainings, Wettbewerben, Aktionen etc., und verstehen es, Ihre Kunden und Partner zu begeistern. Sie verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung als Versicherungsfachfrau/-mann bzw. Bankkauffrau/-mann, Außendiensterfahrung und mögen Kontakte. Sie arbeiten zielorientiert und können Vertriebserfolge vorweisen. Zur erfolgreichen Ausübung Ihrer Tätigkeit werden Sie von uns umfassend aus- und weitergebildet. Aufgrund unserer Unternehmensstrategie haben Sie bei uns hervorragende Verdienstmöglichkeiten. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung. Peter Müller Vertriebsdirektor ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH Hauptstraße 69 99999 Glücksdorf Telefon: 0999/12 3456-78 Mobil: 0123/4 56 78 90 Telefax: 0999/12 3456 79 Email: [email protected] kundenorientiert  objektiv – innovativ

Toolbox

208

TOOLBOX I:

Stellenanzeigen (2)

2. Finanzierungs- und Bausparberater bzw. -beraterinnen Im September 2003 haben die SORGLOS-VERSICHERUNG AG und die SOLIDBANK AG den Grundstein für eine erfolgreiche gemeinsame Zukunft gelegt: Die ALLFINANZ PARTNERSCHAFT zur optimalen Vorsorge- und Finanzberatung Ihrer Kunden. Die neue ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH sucht Sie als Finanzierungs- und Bausparberater bzw. -beraterin. Als freier Handelsvertreter nach § 84 HGB liegt der Schwerpunkt Ihres Aufgabengebietes im Verkauf von Bausparverträgen und Finanzierungen an Privatkunden der SOLIDBANK AG. Hierbei arbeiten Sie partnerschaftlich mit den Bankmitarbeitern der jeweiligen SOLIDBANK Filialen zusammen. Neben Beratung und Verkauf steigern Sie den Erfolg mit Trainings, Wettbewerben, Aktionen etc. und verstehen es, Ihre Kunden und Partner zu begeistern. Sie verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung als Bausparberater/in bzw. Bankkauffrau/mann, Außendiensterfahrung im Vertrieb von Bausparprodukten bzw. -finanzierungen und mögen Kontakte. Sie arbeiten zielorientiert und können Vertriebserfolge vorweisen. Zur erfolgreichen Ausübung Ihrer Tätigkeit werden Sie von uns umfassend aus- und weitergebildet. Aufgrund unserer Unternehmensstrategie haben Sie bei uns hervorragende Verdienstmöglichkeiten. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung. Peter Müller Vertriebsdirektor ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH Hauptstraße 69 99999 Glücksdorf Telefon: 0999/12 34-56 78 Mobil: 0123/4 56 78 90 Telefax: 0999/12 34-56 79 E-Mail: [email protected] kundenorientiert - objektiv - innovativ

Toolbox

TOOLBOX II:

209

Anschreiben auf ein Stellengesuch (1)

1. Versicherungsberater bzw. -beraterinnen Verlag Finanzwirtschaft Anzeigenabteilung Chiffre-Nr. 12345 Eurostraße 7 45678 Sparwasser

Glücksdorf, 25.03.2004

Ihr Stellengesuch in der Zeitschrift „Finanzwirtschaft“ vom 20.03.2004 Sehr geehrter Inserent, mit großem Interesse haben wir Ihr Stellengesuch in der Zeitschrift „Finanzwirtschaft“ gelesen. Wir, die ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH, sind ein Jointventure der SOLIDBANK AG und der SORGLOS-VERSICHERUNG AG. Mit unserer ALLFINANZPARTNERSCHAFT realisieren wir eine optimale Vorsorge- und Finanzberatung der Kunden der SOLIDBANK AG und der SORGLOS-VERSICHERUNG AG. Für den weiteren Ausbau unserer Gesellschaft suchen wir Versicherungsberater bzw. -beraterinnen. Als freier Handelsvertreter nach § 84 HGB liegt der Schwerpunkt Ihres Aufgabengebietes im Vertrieb von innovativen Produkten im Bereich der Personenversicherung bei den Kunden der SOLIDBANK AG. Hierbei arbeiten Sie partnerschaftlich mit den Bankmitarbeitern der jeweiligen SOLIDBANK Filialen zusammen. Neben Beratung und Verkauf steigern Sie den Erfolg mit Trainings, Wettbewerben, Aktionen etc., und verstehen es, Ihre Kunden und Partner zu begeistern. Sie verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung als Versicherungsfachfrau/-mann bzw. Bankkauffrau/-mann, Außendiensterfahrung und mögen Kontakte. Sie arbeiten zielorientiert und können Vertriebserfolge vorweisen. Zur erfolgreichen Ausübung Ihrer Tätigkeit werden Sie von uns umfassend aus- und weitergebildet. Aufgrund unserer Unternehmensstrategie haben Sie bei uns hervorragende Verdienstmöglichkeiten. Gerne würden wir Sie persönlich kennen lernen, wenn Sie sich für diese Position interessieren. Herr Peter Müller freut sich über Ihren Anruf unter 0999/12 34-56 78. Sie können uns aber auch direkt Ihre Bewerbungsunterlagen übermitteln. Mit freundlichen Grüßen ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH Peter Müller Vertriebsdirektor

Toolbox

210

TOOLBOX II:

Anschreiben auf ein Stellengesuch (2)

2. Finanzierungs- und Bausparberater bzw. beraterinnen Verlag Finanzwirtschaft Anzeigenabteilung Chiffre-Nr. 12345 Eurostraße 7 45678 Sparwasser Glücksdorf, 25.03.2004 Ihr Stellengesuch in der Zeitschrift „Finanzwirtschaft“ vom 20.03.2004 Sehr geehrter Inserent, mit großem Interesse haben wir Ihr Stellengesuch in der Zeitschrift „Finanzwirtschaft“ gelesen. Wir, die ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH, sind ein Jointventure der SOLIDBANK AG und der SORGLOS-VERSICHERUNG AG. Mit unserer ALLFINANZPARTNERSCHAFT realisieren wir eine optimale Vorsorge- und Finanzberatung der Kunden der SOLIDBANK AG und der SORGLOS-VERSICHERUNG AG. Für den weiteren Ausbau unserer Gesellschaft suchen wir Finanzierungs- und Bausparberater bzw. -beraterinnen. Als freier Handelsvertreter nach § 84 HGB liegt der Schwerpunkt Ihres Aufgabengebietes im Verkauf von Bausparverträgen und Finanzierungen an Privatkunden. Hierbei arbeiten Sie partnerschaftlich mit den Bankmitarbeitern der jeweiligen SOLIDBANK Filialen zusammen. Neben Beratung und Verkauf steigern Sie den Erfolg mit Trainings, Wettbewerben, Aktionen etc. und verstehen es, Ihre Kunden und Partner zu begeistern. Sie verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung als Bausparberater/in bzw. Bankkauffrau/mann, Außendiensterfahrung im Vertrieb von Bausparprodukten bzw. -finanzierungen und mögen Kontakte. Sie arbeiten zielorientiert und können Vertriebserfolge vorweisen. Zur erfolgreichen Ausübung Ihrer Tätigkeit werden Sie von uns umfassend aus- und weitergebildet. Aufgrund unserer Unternehmensstrategie haben Sie bei uns hervorragende Verdienstmöglichkeiten. Gerne würden wir Sie persönlich kennen lernen, wenn Sie sich für diese Position interessieren. Herr Peter Müller freut sich über Ihren Anruf unter 0999/12 34-56 78. Sie können uns aber auch direkt Ihre Bewerbungsunterlagen übermitteln. Mit freundlichen Grüßen ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH Peter Müller Vertriebsdirektor

Toolbox

211

TOOLBOX III: Leitfaden zur direkten Ansprache zukünftiger Vertriebsmitarbeiter

DATENBLATT ZUR DIREKTANSPRACHE

Datum:

Position/Region:

Regionaldirektor:

PERSÖNLICHE/BERUFLICHE DATEN Name: Vorname: Unternehmen:

Position:

Tel. Nr. Büro: Tel. Nr. privat: PLZ: Wohnort: Straße: Alter: Familienstand: Kinder: Mobilität:

Ausbildung:

BERUFLICHER WERDEGANG/NOTIZEN:

Branche:

BWB/BWV-Prüfung: Bankerfahrung: Außendiensterfahrung: PKW: Einkommen Ist: Einkommen Soll:

212

Toolbox

TOOLBOX IV: Musterbriefe zur Kommunikation mit dem Bewerber (1) 1. Eingangsbescheid Herrn Max Mustermann Lange Straße 34 12345 Überall

Glücksdorf, 25.10.2004

Ihre Bewerbung als „Versicherungsberater“ auf unser Stellenangebot vom 20.10.2004 Sehr geehrter Herr Mustermann, vielen Dank für Ihr Interesse an einer Zusammenarbeit mit unserem Unternehmen und die Überlassung Ihrer Bewerbungsunterlagen. Die Bearbeitung und Prüfung Ihrer Unterlagen wird noch einige Tage in Anspruch nehmen. Wir werden uns dann in Kürze bei Ihnen melden. Bis dahin bitten wir Sie noch um etwas Geduld.

Mit freundlichen Grüßen ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH Peter Müller Vertriebsdirektor

Toolbox

213

TOOLBOX IV: Musterbriefe zur Kommunikation mit dem Bewerber (2) 2. Absage nach Sichtung der Bewerbungsunterlagen Herrn Max Mustermann Lange Straße 34 12345 Überall Glücksdorf, 05.11.2004

Ihre Bewerbung als „Versicherungsberater“ auf unser Stellenangebot vom 20.10.2004 Sehr geehrter Herr Mustermann, vielen Dank für Ihr Interesse an einer Zusammenarbeit mit unserem Unternehmen. Aufgrund der Vielzahl der eingegangenen Bewerbungen konnten wir Sie bei der Bewerberauswahl leider nicht berücksichtigen. Bitte sehen Sie in unserer Entscheidung keine negative Beurteilung Ihrer persönlichen bzw. beruflichen Qualifikation. Unsere Entscheidung beruht ausschließlich auf einem spezifischen Vergleich unseres Anforderungsprofils mit Ihren beruflichen Erfahrungen. Wir bedauern sehr, dass wir immer wieder auch sehr qualifizierten Bewerbern absagen müssen. Die uns freundlicherweise überlassenen Unterlagen senden wir anbei zu unserer Entlastung zurück. Für das unserem Hause entgegengebrachte Interesse und Vertrauen danken wir Ihnen. Wir hoffen, dass Sie sehr bald eine Ihren Vorstellungen und Interessen entsprechende Anstellung finden, und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute. Mit freundlichen Grüßen ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH Peter Müller Vertriebsdirektor

Toolbox

214

TOOLBOX IV: Musterbriefe zur Kommunikation mit dem Bewerber (3) 3. Einladung zum Interview Herrn Max Mustermann Lange Straße 34 12345 Überall

Glücksdorf, 05.11.2004

Ihre Bewerbung als „Versicherungsberater“ auf unser Stellenangebot vom 20.10.2004 Sehr geehrter Herr Mustermann, recht herzlichen Dank für Ihr Interesse an der von uns ausgeschriebenen Position. Wir haben mit Interesse Ihre Bewerbungsunterlagen gelesen und möchten Sie gerne persönlich kennen lernen. Bitte kommen Sie am Dienstag, 15.11.2004 um 17:00 Uhr zu einem Vorstellungsgespräch mit Herrn Peter Müller. Die Besuchsadresse lautet: ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH Hauptstraße 69 99999 Glücksdorf Telefon: 0999/12 34-56 78 Bitte melden Sie sich am Empfang und fragen Sie nach Herrn Peter Müller. Sollten Sie den Termin nicht wahrnehmen können, vereinbaren Sie bitte telefonisch einen neuen Termin mit Frau Maier (Telefon: 0999/12 34-56 77). Mit freundlichen Grüßen ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH Peter Müller Vertriebsdirektor

Toolbox

215

TOOLBOX IV: Musterbriefe zur Kommunikation mit dem Bewerber (4) 4. Absage nach geführtem Interview Herrn Max Mustermann Lange Straße 34 12345 Überall Glücksdorf, 18.11.2004

Ihre Bewerbung als „Versicherungsberater“ auf unser Stellenangebot vom 20.10.2004

Sehr geehrter Herr Mustermann, zunächst sehr herzlichen Dank für das offene und interessante Gespräch, das wir am 15. November 2004 in Glücksdorf geführt haben. Leider müssen wir Ihnen heute mitteilen, dass wir Ihre Bewerbung nicht weiter berücksichtigen können. Bitte sehen Sie hierin keine negative Beurteilung Ihrer beruflichen und persönlichen Qualifikation. Unsere Entscheidung beruht ausschließlich auf einem spezifischen Vergleich zwischen dem Anforderungsprofil, das speziell auf unser Unternehmen und die ausgeschriebene Position zugeschnitten ist, und Ihren relevanten Berufserfahrungen. Anbei senden wir Ihnen, die uns freundlicherweise zur Verfügung gestellten Bewerbungsunterlagen zu unserer Entlastung zurück. Wir bedanken uns für Ihr Interesse an unserem Unternehmen und wünschen Ihnen auf Ihrem weiteren beruflichen Weg viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen ALLFINANZ Beratungsgesellschaft mbH Peter Müller Vertriebsdirektor

Toolbox

216

TOOLBOX V: Leitfaden zum telefonischen Erstkontakt (1) BEWERBER: __________________________________

DATUM:

__________________________________

Telefonischer Erstkontakt als Folge der Schaltung einer Stellenanzeige bzw. als Reaktion auf ein Stellengesuch

1.

Wie konkret will ich den Anrufer über unser Unternehmen und die ausgeschriebene Position informieren?

o siehe ggf. verfügbare Bewerberinformation o siehe eigene Notizen über Unternehmen und Position

2.

Was will ich über den Bewerber bzw. Anrufer wissen?

a)

Abfrage des beruflichen Werdegangs/Notizen

Toolbox

TOOLBOX V: b)

217

Leitfaden zum telefonischen Erstkontakt (2)

Abfrage der persönlichen Kriterien

KRITERIEN

Ja

Nein

x Alter zwischen 28 und 45 Jahre x Bankkaufmann/Versicherungskaufmann x Bausparfachmann (BWB)/Versicherungsfachmann (BWV) x Mindestens vierjährige Vertriebserfahrung im Finanzdienstleistungsbereich x Bankerfahrung x Mindestens vierjährige Außendiensterfahrung x PKW-Fahrerlaubnis/eigener PKW x Motivation für § 84 HGB-Tätigkeit erkennbar x Motivation für Tätigkeit als Versicherungsberater bzw. Finanzierungs- und Bausparberater erkennbar

x Wohnort innerhalb der Region 3.

Ergebnis/Vereinbarung Ja

x Absage x Direkte Terminvereinbarung x Bewerbungsunterlagen anfordern

Nein

Toolbox

218

TOOLBOX VI: Leitfaden zur Analyse der schriftlichen Unterlagen (1) BEWERBER:

__________________________________

BEWERBUNGSEINGANG:

__________________________________

VOLLSTÄNDIGKEIT

Ja

Nein

Ja

Nein

x Anschreiben x Lebenslauf lückenlos x Lebenslauf unterschrieben x Zeugnisse lückenlos x Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung x Foto beigefügt x Verfügbarkeit x Gehaltsvorstellungen STIL

x Ausdrucksfähigkeit x Formulierung flüssig x Ansprechende Gestaltung der Unterlagen x Individuelle Ansprache x Struktur erkennbar x Korrekte Rechtschreibung und Grammatik x Anschreiben:

ż Motivation erkennbar ż Bezug hergestellt

Toolbox

219

TOOLBOX VI: Leitfaden zur Analyse der schriftlichen Unterlagen (2)

INHALT

Ja

Nein

Offen

Ja

Nein

x Alter zwischen 28 und 45 Jahre x PKW-Fahrerlaubnis x Gesundheitsstatus x Finanzielle Situation x Polizeiliches Führungszeugnis x mind. vierjährige Erfahrung als Finanzdienstleister x Bankenerfahrung (direkt/indirekt) x mindestens vierjährige Außendiensterfahrung x Versicherungs- oder Bankkaufmann x Versicherungsfachmann (BWV) oder Bausparfachmann (BWB)

x PC-Anwenderkenntnisse x möglicher Tätigkeitsbeginn im Rahmen x Einkommensvorstellungen im Rahmen ANALYSE x

Anzahl der Unternehmenswechsel im Rahmen

x

Kein Karriereknick erkennbar

x

Zielsetzung in der Laufbahn erkennbar

x

Branchenwechsel im Rahmen

x

Funktionswechsel im Rahmen

x

Erfolgsnachweise

Toolbox

220

TOOLBOX VI: Leitfaden zur Analyse der schriftlichen Unterlagen (3) x FAMILIÄRE SITUATION:

x HOBBYS:

x EHRENÄMTER/

MITGLIEDSCHAFTEN:

FORMALER UND INHALTLICHER VERGLEICH ZWISCHEN LEBENSLAUF UND ZEUGNISSEN ZEUGNIS

POSITION

DAUER

TÄTIGKEITSBESCHREIBUNG

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

SONSTIGES

Toolbox

221

TOOLBOX VI: Leitfaden zur Analyse der schriftlichen Unterlagen (4) ZEUGNISSE

NOTE

1.

1

2

3

4

5

2.

1

2

3

4

5

3.

1

2

3

4

5

4.

1

2

3

4

5

5.

1

2

3

4

5

6.

1

2

3

4

5

7.

1

2

3

4

5

Offene Fragen/Besonders zu beachten

Ergebnis Ja

x Einladung zum Erstinterview x Telefoninterview x Absage/Unterlagen zurück

Nein

Termin

Toolbox

222

TOOLBOX VII: Leitfaden zum telefonischen Vorabinterview (1) BEWERBER: ______________________________________ DATUM:

______________________________________

ZIEL:

______________________________________

INTERVIEWER:______________________________________ Begründung des Anrufes:

x „Vielen Dank für Ihre Bewerbung.“ x „Die Bewerbung hat unser Interesse geweckt. Ich habe hierzu jedoch noch ein paar Fragen, bevor ich eine Entscheidung über die weitere Vorgehensweise treffen kann.“

x „Haben Sie kurz Zeit?“ x Falls nein, neuen Termin vereinbaren

Fragen

Notizen

Toolbox

223

TOOLBOX VII: Leitfaden zum telefonischen Vorabinterview (2) x „Vielen Dank für das Gespräch.“ x Entweder direkte Entscheidung (Terminvereinbarung/Absage) oder: „Ich werde mich kurzfristig bei Ihnen melden.“

Ergebnis Ja

x Zum Interview einladen x Absage/Unterlagen zurück

Nein

Termin

Toolbox

224

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (1) Die Interviewtools orientieren sich an dem in diesem Buch entwickelten Anforderungsprofil und werden anforderungsbezogen dargestellt. Dazu ist jede Anforderung entsprechend der ALLFINANZ PARTNER-Kriterien definiert. Die Interviewtools sind folgendermaßen zusammengestellt: ... steht für die Suchfelder und Informationsbereiche, die Sie nutzen können bzw. für Indikatoren, auf die Sie in den Antworten des Bewerbers achten, um die Anforderung zu explorieren.

?

... steht für Interviewfragen, Übungssequenzen, Arbeitsproben. Zu jeder Anforderung, die im Interview exploriert wird, sind Interviewfragen/Übungssequenzen/Arbeitsproben aufgeführt, die Sie situativ im Interview nutzen können. Der Fragenkatalog dient Ihnen als „Werkzeugkasten“ für die Interviews, den Sie aufgrund eigener Erfahrungen weiter ausbauen können. Wichtig: die Fragen dienen als Startpunkt der anforderungsbezogenen Exploration und sind i. S. vollständiger Verhaltenssequenzen in der Tiefe weiterzuführen. ... steht für Beobachtungsbereiche im Gesprächsverhalten, d. h. für Verhaltensindikatoren, die einen Rückschluss auf die Ausprägung der Anforderung zulassen.

Toolbox

225

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (2) 1. Erscheinungsbild/Auftreten

Definition: x Angemessene Kleidung x Umgangsformen/Höflichkeit x Zeigt Profil x Tritt sicher und souverän auf – wirkt kompetent

x Beobachtung in der Bewerbungssituation (Gesamtheit aus Unterlagen und Auftreten)

? x Wirkt gepflegt (Business-Kleidung, Rasur, Haare, Schuhe) x Beherrscht Umgangsformen (z. B. wartet ab bis ihm Platz angeboten wird, bedankt sich u.a.)

x x x x NOTIZEN:

Spricht Sie als Interviewer direkt und mit Namen an Wirkt persönlich in der Ansprache Saubere Unterlagengestaltung Meldet sich am Telefon korrekt und freundlich

(1-5)

Toolbox

226

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (3) 2. Selbstvertrauen/Selbstbewusstsein

Definition: x Schätzt die eigenen Fähigkeiten positiv und realistisch ein x Verhält sich selbstsicher im sozialen Umgang x Zeigt positive Grundhaltung

x (Vertriebliche) Karriere x Annahme beruflicher Herausforderungen x Selbsteinschätzung von Stärken und Schwächen x Was sind für Sie im Vertrieb schwierige Situationen, in denen Ihr

Selbstbewusstsein auf die Probe gestellt wird? Bitte beschreiben Sie anhand von Beispielen, wie Sie mit solchen Situationen umgegangen sind.

x In welcher Situation waren Sie gefordert, eigene Vorstellungen oder

Meinungen auch dann offen zu vertreten, wenn Sie damit auf Missbilligung bei anderen Personen gestoßen sind?

?

x Wie gehen Sie mit Ablehnung um? Bitte beschreiben Sie eine konkrete Situation.

x Wo liegen Ihre besonderen Stärken? Warum halten Sie sich dort für stark – möglicherweise für stärker als andere? Wie zeigen sich diese Stärken in beruflichen Situationen?

x Was sind Ihre wichtigsten Schwächen? Nennen Sie Beispiele, wo sich

diese Schwächen zeigen und wie diese sich auswirken. Wie gehen Sie damit um?

x Was bzw. welche Verhaltensweisen anderer Menschen verunsichern Sie?

x Wo erhielten Sie in der letzten Zeit ein sehr kritisches Feedback? Worauf beruhte dies – wie sind Sie damit umgegangen?

Toolbox

x x x x x x x x x

NOTIZEN:

Begründet eigene Stärken mit konkreten Verhaltensbeispielen Spricht sachlich-neutral über eigene Schwächen Formuliert positiv, deutlich und mit angemessener Lautstärke Zeigt offene Körperhaltung Beschreibt auch Negativerfahrungen positiv als Chance und nicht nur als Problem Lässt sich durch kritische Fragen nicht verunsichern Zeigt eigenständige Meinung Keine psychosomatischen Reaktionen (Erröten, Schwitzen u. a.) Wie tritt er insgesamt auf? (selbstbewusst, linkisch, unterwürfig, übertrieben forsch, arrogant, sich selbst überschätzend)

227

(1-5)

Toolbox

228

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (4) 3. Initiative/Engagement

Definition: x Setzt sich und anderen herausfordernde Ziele, vertritt diese ausdauernd x Kann sich selbst begeistern x Stellt sich flexibel und aus eigenem Antrieb (neuen) Aufgaben/Rahmenbedingungen x Nimmt schwierige Aufgaben als Herausforderungen an; beginnt von sich aus Aktivitäten x Zeigt Initiative – bleibt konsequent dran x Engagiert sich stark bei der Verfolgung seiner Ziele x Stellt sich Konkurrenzsituationen/Benchmarks x Zeigt Bereitschaft zur Weiterbildung

x x x x x x

Ablösung von familiären und anderen Bindungen Berufliche Weichenstellungen Umgang mit beruflichen Freiräumen Hobbys Engagement in Gremien/Organisationen Karriereentwicklung

x Welche beruflichen Ambitionen haben Sie bisher verfolgt – was haben Sie getan, um Ihre Ziele zu verwirklichen?

x Gab es in jüngerer Vergangenheit einen besonders wichtigen Kun-

?

den/ein besonders schwieriges Projekt, auf den/das Sie Ihren ganzen Ehrgeiz gerichtet haben? Bitte beschreiben Sie: Wer/was war das  wie zeigte sich Ihr persönliches Engagement  mit welchen Ergebnissen?

x Geben Sie einige konkrete Beispiele, an denen Ihr Engagement in der momentanen Tätigkeit deutlich wird.

x Worauf legen Sie in Ihrem Leben besonderen Wert  was ist Ihnen

besonders wichtig? Für welche dieser beruflichen/privaten Dinge engagieren Sie sich besonders stark? Bitte nennen Sie Beispiele.

Toolbox

229

x Erinnern Sie sich an eine für Sie unbefriedigende Situation. Wie sind Sie damit umgegangen?

x Wenn Sie an die Zukunft denken: Welche Anforderungen werden sich

Ihnen bzw. der Branche stellen? Wie werden Sie persönlich an diese Anforderungen herangehen? Was haben Sie bereits getan, um persönlich die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen?

x Wie lang ist für Sie bisher die übliche Arbeitszeit? Wenn überhaupt,

wie viele Überstunden haben Sie im Wochenschnitt geleistet – wie oft haben Sie an Wochenenden gearbeitet? Wo ist für Sie, im Hinblick auf die Arbeitsdauer, die Grenze des Zumutbaren erreicht?

x x x x x NOTIZEN:

Kommt zur Sache, wirkt zupackend Nimmt sich Gesprächsanteile Steht zu eigenen Aussagen Sprechtempo Lebhafter Ausdruck

(1-5)

Toolbox

230

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (5) 4. Eigenverantwortung

Definition: x Bedenkt die Folgen des eigenen Handelns x Achtet darauf, Interessen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen x Berücksichtigt arbeitsplatzbedingte Risikofaktoren x Trifft Entscheidungen; übernimmt Verantwortung x Reflektiert eigenes Verhalten mit dem Ziel der Weiterentwicklung x Stellt hohe Anforderungen an die eigene Leistung/Qualität

x x x x x

(familiäres) Umfeld Initiative für eigene Aus- und Weiterbildung Gestaltung bisheriger Lebensphasen/Weichenstellungen Frühe Führungsverantwortung in Freizeit- und Berufsgruppen Zivilcourage/Aufsichnehmen von Konsequenzen

x Was/wer waren die Auslöser für Ihre bisherigen beruflichen Veränderungen?

x Nach welchen Kriterien haben Sie bisher Ihre beruflichen Entscheidungen getroffen?

x Unter welchen Bedingungen sind Sie bereit, sich voll für eine Sache einzusetzen?

?

x Wo sehen Sie die Chancen und wo die Risiken, wenn Sie bei uns starten? Wie gehen Sie damit um?

x Was haben Sie konkret im letzten Jahr getan, um sich in Ihrem Beruf weiterzuentwickeln?

x Wo sehen Sie eigene Schwächen? Was haben Sie getan, um sich dort zu verbessern?

x Welche Entscheidung hat Sie besonders gefordert? Wie sind Sie damit umgegangen?

x Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie etwas ganz anderes beabsichtigten als das, was Sie dann erreichten?

x Geben Sie mir konkrete Beispiele, die zeigen, dass Sie in Ihrer jetzigen

Toolbox

231

Tätigkeit Eigenverantwortung zeigen.

x Wenn Sie Ihr eigenes Verhalten in diesem Gespräch reflektieren: Wel-

che Eindrücke haben Sie bei mir bisher erzeugt? Aufgrund welcher Verhaltensweisen?

x Schildern Sie eine Situation, in der Sie zufrieden bzw. unzufrieden mit dem Ergebnis waren.

x Formuliert abwägend; reflektiert die Situation und eigenes Verhalten x Benennt konkrete Beispiele x Macht eigenen Anteil deutlich; keine Projektionen, Verschiebungen etc.

x Tritt bestimmt auf NOTIZEN:

(1-5)

Toolbox

232

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (6) 5. Stressbeständigkeit/ emotionale Stabilität

Definition: x Handelt auch in Belastungssituationen zielgerichtet x Reagiert unter Druck souverän und gelassen x Lässt sich nicht verunsichern; bleibt auch in Drucksituationen stabil x Gibt auch bei Widerstand nicht sofort auf x Variiert sein Verhalten bei Widerstand konstruktiv/problemlösend x Nutzt positive Aspekte zur Eigenmotivation

x x x x x

Familiäre Konstellation Einstellung der Familie zum Beruf Ausgeglichene Lebensführung Physisches Gesamtbild Zu-Ende-führen von Begonnenem (Lebenslauf, Aufgaben)

x Hatten Sie als Verkäufer schon einmal eine Zeit, in der Sie nichts verkauft haben – eine Absage nach der anderen einstecken mussten? Beschreiben Sie diese Situation und was Sie in der Situation getan haben.

?

x Welche Kritik hat Sie in der letzten Zeit am meisten „getroffen“? Wie sind Sie damit umgegangen?

x Welche Situationen/Gesprächspartner lösen bei Ihnen Stress/Abwehr aus – wie gehen Sie damit um?

x Wie reagieren Sie eher auf Frust: aggressiv oder sich zurückziehend? (Beispiel beschreiben lassen)

x Gelassene Reaktion auf die Bewerbungssituation: wenig Stresssymptome (z. B. Schwitzen, Erröten, Stottern, Zittern u.a.)

x Souveräne Reaktion auf schwierige Fragen x Keine Selbstabwertung NOTIZEN:

(1-5)

Toolbox

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (7) 6. Selbstorganisation + Planung

Definition: x Erkennt das Wesentliche und setzt die richtigen Prioritäten x Identifiziert Adressen  selektiert Kunden mit Potenzial x Plant Kontakte; schafft/nutzt Anlässe für die Kundenansprache x Analysiert/erkennt die Wettbewerbssituation x Beschafft sich notwendige Informationen x Bereitet Gespräche gezielt vor und nach x Plant und nutzt die Zeit effizient x Arbeitet genau und sorgfältig x Organisiert sich und seinen Arbeitsplatz x Arbeit konsequent in seinen Beständen

x x x x x

Planungserfahrung Lebensführung Planungs- und Kontrollinstrumente Einsatz von Hilfsmitteln Zeiteinteilung/„Zeitkuchen“

x Wie haben Sie sich über ALLFINANZ PARTNER informiert? Wie haben Sie sich auf dieses Gespräch vorbereitet? Was wissen Sie bereits über uns? Welche Fragen haben Sie vorbereitet?

x Wie bearbeiten Sie Ihr Vertriebsgebiet/Kundenpotenzial? Bitte beschreiben Sie Ihre Vorgehensweise.

?

x Worauf kommt es an, wenn man in unserem Geschäft erfolgreich sein will? Wie setzen Sie dies in Ihrer Praxis um? Beschreiben Sie anhand von Beispielen.

x Wie/womit stellen Sie sicher, dass Ihre Erfolge keine Zufallsprodukte sind?

x Wie planen und erreichen Sie Kontakte? x Wie sieht Ihr typischer Tag aus? Beschreiben Sie einen typischen Tag aus der letzten Woche.

x Wie behalten Sie den Überblick über unerledigte Aufgaben?

233

Toolbox

234

x x x x x x NOTIZEN:

Pünktlichkeit Vorinformationen Vorbereitung auf das Gespräch (z. B. vorbereiteter Fragenkatalog) Wirkt konzentriert; beantwortet Fragen systematisch Geordnetes Berichten; erkennbarer roter Faden Behält den Überblick

(1-5)

Toolbox

235

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (8) 7. Ausdrucksverhalten

Definition: x Formuliert präzise, eindeutig und aktiv x Nutzt kurze, einprägsame Sätze x Vermeidet Weitschweifigkeit x Formuliert flüssig, klar und verständlich x Vermittelt eigene Begeisterung

? x x x x x x x x NOTIZEN:

Trifft das richtige Wort – zeigt guten aktiven Wortschatz Dynamischer Verbalstil anstatt „Hauptworteritis“ Malt mit geeigneten Adjektiven aus – bringt so Farbe in seinen Ausdruck Keine „Weichmacher“ zur Abschwächung eigener Aussagen (vielleicht, müsste, eigentlich u.a.) und „Konjunktiverei“ Keine Füllworte (auch, dann, daher u.a.) Vermeidet zu starke Dialektfärbung und Umgangsslang Lächelt – zeigt positiven Gesichtsausdruck Nutzt Mimik/Gestik zur Untermalung und Verstärkung

(1-5)

Toolbox

236

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (9) 8. Gesprächsführung Definition: x Eröffnet Gespräche aktiv x Knüpft an – führt zielbezogen weiter x Gibt ausreichend Informationen x Analysiert/erkennt Bedarf – nutzt Fragetechnik x Hört aktiv/selektiv/konzentriert zu x Weckt Bedarf – spricht Motive an x Argumentiert sicher/flexibel – transportiert Nutzen x Kommt zielsicher zum verbindlichen Abschluss

x Tätigkeiten, die mit Sprache/Gesprächsführung zu tun haben

?

x An welchen Verkaufsschulungen haben Sie bisher teilgenommen? An

welche Inhalte erinnern Sie sich? Was waren Ihre wichtigsten Erkenntnisse? Wie konkret haben Sie diese Erkenntnisse in Ihrer Praxis umgesetzt?

x Welches Gesprächsverhalten erleben Sie selbst positiv/negativ, wenn Sie in der Kundenrolle sind?

x Was bedeutet „Nutzenargumentation“? Bitte nennen Sie ein Beispiel. x Wie stellen Sie sicher, dass Sie Ihren Gesprächspartner richtig verstehen?

x Bitte erklären Sie mir in einem kurzen Rollenspiel das Riester-Modell (o. ä.) und was dieses für mich als zukünftigen Rentenempfänger bedeutet.

Toolbox

x x x x

Lässt ausreden; hört zu Trifft die gemeinte Ebene Knüpft an Aussagen des Interviewers an; nutzt geeignete Aufhänger Sucht die Übereinstimmung; formuliert positiv weiterführend (konsensanstatt konfliktorientiert und zwingend)

x Erklärt/macht Hintergründe deutlich x Hält zum Interviewer Blickkontakt x Geht präzise auf gestellte Fragen ein; trifft den Kern und antwortet eindeutig

x Zeigt Interessesignale x Fasst Aussagen zusammen x Flüssige Berichterstattung; natürliche Übergänge NOTIZEN:

237

(1-5)

Toolbox

238

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (10) 9. Präsentationsfähigkeit Definition: x Präsentiert sicher – wirkt stabil x Gibt die für das Ziel relevanten Informationen x Setzt Anreize zum Zuhören x Präsentiert Konzepte/Leistungen überzeugend x Nutzt die gesamte Leistungspalette – schafft Mehrwert x Löst Sog aus für gemeinsam getragene Ziele/Vorgehensweisen

x Freude/Erfahrung im Halten von Vorträgen/Präsentationen x Durchführung von Moderationen/Schulungen

?

x Bitte stellen Sie mir kurz das Konzept Ihres bisherigen Unternehmens dar.

x Aufgrund dessen, was Sie von uns jetzt schon wissen – was spricht für ALLFINANZ PARTNER (aus Ihrer Sicht bzw. aus Kundensicht)?

x Präsentieren Sie mir kurz, warum Sie der ideale ALLFINANZ PARTNER-Berater sind.

x Angenommen, ich bin bereits SOLIDBANK-Kunde und werde in der

Filiale an Sie verwiesen. Gewinnen Sie mich dafür, dass ich mit Ihnen als ALLFINANZ PARTNER-Berater ein ausführliches Beratungsgespräch führe. x Welches sind in Ihrer bisherigen Praxis die wichtigsten Produkte? Begeistern Sie mich für eines dieser Produkte. Verkauft sich selbst; wirbt für sich (ohne Übertreibung) Erklärt nachvollziehbar und verständlich Systematischer und strukturierter Gesprächsaufbau Nutzt Interessesignale (z. B. gezieltes Nachfragen) und weckt Bedarf Nutzt die in der Situation wesentlichen Inhalte/Argumente Weckt Bedarf, spricht Motive an und formuliert Nutzen Nutzt geeignete rhetorische Stilelemente (rhetorische Fragen, Pausen, Zusammenfassungen u. a.) x Plastische Darstellung, lebendige Schilderung, bildhafte Sprache

x x x x x x x

NOTIZEN:

(1-5)

Toolbox

239

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (11) 10. Verhandlungsgeschick

Definition: x Tritt in Verhandlungen sicher und überzeugend auf x Ergreift das Wort (ohne dominant zu werden) x Vertritt Positionen/Interessen klar und bestimmt x Argumentiert sachlich und überzeugend x Stimmt nicht ungeprüft zu – vermeidet vorschnelle Kompromisse x Geht flexibel/sicher mit Einwänden um – überwindet Widerstände souverän x Führt eine/die Lösung herbei x Fasst Vor- und Nachteile seiner Lösungen zusammen x Holt sich aktiv die Zustimmung der Beteiligten

x Tätigkeiten, die mit Verhandlungen/Gewinnen anderer Menschen zu tun haben

?

x Ich trete Ihnen als Kunde entgegen und sage: „Ihre Beratung brauche

ich nicht – ich habe bereits einen guten Berater.“ – Wie gehen Sie mit dieser Aussage um? x Gehen Sie auf folgende Kundenaussage ein: „Im Internet finde ich alle Informationen, die ich brauche – neutral und unabhängig im Preis-/ Leistungsvergleich. Wozu brauche ich dann Ihre von Eigeninteressen bestimmte Beratung?“

x x x x NOTIZEN:

Bleibt sachlich Sucht und nutzt Verbindendes Vermeidet bei Meinungsunterschieden „ja  aber“ Keine Rechthaberei

(1-5)

Toolbox

240

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (12) 11. Teamverhalten Definition: x Erreicht eine teamorientierte Kooperation mit allen Prozessbeteiligten x Gibt Informationen offen weiter x Engagiert sich für die Teamziele x Berücksichtigt andere Meinungen und Vorschläge x Erzeugt offenes und konstruktives Arbeitsklima x Motiviert zur Mitarbeit x Engagiert sich mit Anregungen/Ideen und Informationen x Übernimmt im Team Aufgaben, die seine Kompetenz voraussetzen x Kann Eigeninteressen zurückstellen x Gibt Feedback x Stellt fachliche Kompetenz im Arbeitsumfeld dar  wird darin akzeptiert

x x x x

?

Mannschaftssport Rollen in Teams/Übernahme von Führungsverantwortung Intaktes Familienleben Wahrnehmung von (Familien-/Team-)pflichten auch auf Kosten persönlicher Bedürfnisse

x In welchen Teams haben Sie bisher erfolgreich gearbeitet? In welchen weniger erfolgreich? Was waren die Unterschiede?

x In jedem Team gibt es unterschiedliche Rollen (z.B. Teamleader, Au-

x x x

x

ßenseiter, Spezialist u.a.). Was sind Ihre bevorzugten Rollen in Teams und die Beiträge, die Sie ins Team einbringen? Bitte beschreiben Sie anhand von Beispielen. Beschreiben Sie bzgl. Ihrer jetzigen Teamsituation: Wie werden Sie von anderen Teammitgliedern wahrgenommen? Welche Rückmeldungen wurden Ihnen gegeben? Wie sind Sie damit umgegangen? Wie gelingt es Ihnen, unterschiedliche Interessen im Team unter einen Hut zu bringen? Bitte schildern Sie Ihre Vorgehensweise anhand eines konkreten Beispiels. Wo sehen Sie in der zukünftigen Konstellation als ALLFINANZ PARTNER-Berater Ansätze für Teamarbeit? Wie schätzen Sie Ihre Rolle in der Filiale ein? Wo sehen Sie mögliche Probleme/Konflikte? Wie stellen Sie sich darauf ein? Welche Erwartungen haben Sie an die Zusammenarbeit z. B. mit Ihren zukünftigen Kollegen in der Filiale bzw. an mich als Ihre Führungskraft?

Toolbox

x x x x x x

NOTIZEN:

Spricht positiv über seine jetzigen Kollegen/Arbeitgeber Erwähnt Team; spricht in Wir-Form Schildert Handlungen und Motive Dritter tolerant und differenziert Äußert sich anerkennend/nachsichtig über Dritte Zeigt realistische Einschätzung der Situation Kann begründet darstellen, dass er in Teams eine produktive Rolle einnimmt und Akzeptanz erreicht

241

(1-5)

Toolbox

242

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (13) 12. Kontaktfähigkeit Definition: x Geht auf andere Menschen zu und knüpft Kontakte x Findet leichten Zugang zu anderen Menschen x Begeistert Partner von seiner Aufgabe x Akzeptiert vereinbarte Spielregeln x Entwickelt von sich aus vielfältige Beziehungen und Kontakte x Zeigt natürliche, freundliche Grundhaltung x Erkennt/berücksichtigt Motive, Bedenken und Gefühle x Baut eine Vertrauensbasis auf x Kann sich leicht auf verschiedene Gesprächspartner einstellen x Zeigt gutes Gespür für die Situation / Einfühlungsvermögen für die Stimmungen anderer

x x x x x

Geschwisterkonstellation Partnerbeziehungen Bekannten- und Freundeskreis Gesellschaftliche Aktivitäten Mitgliedschaften

? x Geht spontan/offen auf Sie als Interviewer zu x Begrüßt freundlich und direkt (Händedruck, Blickkontakt, Begrüßungsformel)

x Verhält sich in der Small-Talk-Phase zu Beginn des Gesprächs gex x x x NOTIZEN:

wandt und ungezwungen Wirkt im direkten Kontakt frisch Beantwortet Fragen offen und ohne Umschweife Zeigt Ihnen gegenüber eine zugewandte und offene Körperhaltung Wirkt beweglich

(1-5)

Toolbox

243

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (14) 13. Konfliktstabilität Definition: x Wird in Drucksituationen nicht aggressiv (verbal/nonverbal) x Reagiert nicht sofort mit Abwehrmechanismen (sich entschuldigen, angreifen usw.) x Gibt Feedback konstruktiv und rollenadäquat x Analysiert Konflikte und deren Ursachen objektiv x Reflektiert selbstkritisch eigene Rolle im Konflikt x Versucht eigenständig Konfliktlösungen zu erreichen

x Einen als richtig erkannten Standpunkt zu vertreten, bedeutet häufig,

?

sich auf Konflikte mit anderen einzulassen. Welche vergleichbaren Konflikte haben Sie erlebt? Wie sind Sie damit umgegangen? x Woran entzünden sich in Ihrer Praxis Konfliktsituationen? Bitte beschreiben Sie anhand eines konkreten Beispiels, wie Sie damit umgegangen sind. x Bitte beantworten Sie folgende Kundenaussage: „Von Lebensversicherungen halte ich überhaupt nichts, das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt da einfach nicht.“ x Übungssequenz: Plakative Aussage treffen, z. B. „Kundenorientierung führt in die Pleite“ – damit Streitgespräch provozieren

x x x x x x NOTIZEN:

Hinterfragt gemeinte Ebene/Meinungsunterschiede Verarbeitet Konflikte sachlich; nimmt nichts persönlich Bleibt ruhig und gelassen Versucht zu klären Übernimmt aktive und konstruktive Haltung Vertritt eigene Interessen; macht eigenen Standpunkt nachvollziehbar

(1-5)

Toolbox

244

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (15) 14. Analytisch-systematisches Denken und Handeln

Definition: x Berücksichtigt bei Entscheidungen Wechselwirkungen x Zeigt Weit- und Umsicht x Kann tragfähige Konzeptionen erarbeiten

x x x x

Noten und Notenverteilung Interessen; Wissensgebiete Fortune bei der Wahl bisheriger Arbeitgeber Nachvollziehbarkeit bisheriger Entscheidungen

x Was spricht für und was gegen den ALLFINANZ-Ansatz? Wie beur-

?

teilen Sie die Chancen der ALLFINANZ PARTNER-Konzeption?

x Vorgabe einer Kundensituation (Daten und Fakten): Wie beurteilen Sie die Situation? Wo liegen die Knack- und Ansatzpunkte? Welche Lösungen bieten Sie an?

x x x x x x NOTIZEN:

Greift auf Daten und Fakten zurück Gibt kompetente Antworten Durchdringt komplexere Sachverhalte Hinterfragt kritisch Begründet Meinungen Sachlich-logische und widerspruchsfreie Argumentation

(1-5)

Toolbox

245

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (16) 15. Zukunftsorientierung

Definition: x Akzeptiert Zielsetzungen und verfolgt diese erfolgsorientiert x Entwickelt Zielvorstellungen und kreative Ideen x Verhält sich neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen x Engagiert sich für Veränderungen x Denkt/handelt/spricht proaktiv

x Lebensplanung x Erreichtes x Wie schätzen Sie die Branchenentwicklung ein? Wo sehen Sie die wichtigsten Entwicklungstrends?

x Inwieweit wurden mit Ihnen in Ihrer Tätigkeit Ziele vereinbart – in-

?

wieweit verlief die Zielsetzung/-vereinbarung fair und erfolgsorientiert? x Welche Chancen verbinden Sie mit einer Veränderung? x Wie sind Sie bisher an Ihre Zukunftsplanung und deren Umsetzung herangegangen? x Wie ist Ihre berufliche und private Perspektive – wie Ihre Planung?

x Optimistische Grundhaltung x Betont Chancen und Möglichkeiten x Spricht über Zukunftsperspektive NOTIZEN:

(1-5)

Toolbox

246

TOOLBOX VIII: Anforderungsbezogene Fragen für das strukturierte Interview (17) 16. Verkaufs-/Ergebnisorientierung Definition: x Richtet sein Handeln bewusst nach Zielen/Benchmarks aus x Handelt ertragsorientiert (stellt Aufwand und Nutzen in optimales Verhältnis) x Gewinnt andere für seine Ziele

x x x x x x

Verkäuferische Karriere, Laufbahnziele Verhältnis Alter; Leistung, Status, Einkommenssituation Sättigungsgrad bzw. Hunger Frühe Nebenerwerbe Leistungs- bzw. Wettbewerbssport Spannungs-/Konfliktfeld zwischen Familie/Beruf

x Wie sehen Sie Ihre eigene Rolle: eher als Berater oder als Verkäufer? x Was bedeutet für Sie Erfolg? Woran messen Sie Ihren Erfolg? Wie

?

x x x x

erfolgreich sind Sie – gemessen an diesen Kriterien  in Ihrer jetzigen Tätigkeit? Bitte nennen Sie objektive Fakten, die Ihre Einschätzung belegen. Was tun Sie, wenn Sie unbedingt etwas erreichen wollen? In welchen Bereichen können Sie leicht „sportlichen Ehrgeiz“ entwikkeln – in welchen weniger? Unter welchen Umständen sind Sie am erfolgreichsten? Was hemmt bisher noch größere Erfolge? Angenommen, in der Filiale, in der Sie arbeiten, werden Sie misstrauisch oder sogar als Konkurrent erlebt. Was tun Sie in dieser Situation?

x Erkennbares Streben nach Leistung, Verbesserung und Exzellenz x Wirkt determiniert („ich will es und ich bringe mein Bestes“) NOTIZEN:

(1-5)

Toolbox

247

TOOLBOX IX: Protokollierung im Interview BEWERBER: _______________________ ANTWORTEN DES BEWERBERS

VERHALTEN DES BEWERBERS

DATUM: ____________________ ANFORDERUNG GEMÄß ANFORDERUNGSPROFIL

248

Toolbox

TOOLBOX X: Stärken-/Schwächenprofil

Persönliche Voraussetzungen Alter zwischen 28 und 45 Jahre PKW-Fahrerlaubnis Finanzielle Situation OK Polizeiliches Führungszeugnis 4-jährige Erfahrung als Finanzdienstleister Bankerfahrung (direkt/indirekt) 4-jährige Außendiensterfahrung Fachliche Kompetenzen Versicherungskaufmann/Versicherungsfachmann (BWV) oder Bankkaufmann oder Bauspar-/Finanzierungskaufmann/-fachmann (BWB) PC-Anwenderkenntnisse Produktkompetenz Kenntnis aktueller Sicherungssysteme Persönliche Kompetenzen Erscheinungsbild/Auftreten Selbstvertrauen/-bewusstsein Initiative/Engagement Eigenverantwortung Stressbeständigkeit/emotionale Stabilität Methodische Kompetenzen Selbstorganisation + Planung Ausdrucksverhalten Gesprächsführung Präsentationsfähigkeit Verhandlungsgeschick Soziale Kompetenzen Teamverhalten Kontaktfähigkeit Konfliktstabilität Strategische Kompetenzen Analytisch-systematisches Denken/Handeln Zukunftsorientierung Verkaufs-/Ergebnisorientierung Bewertung Ungewichteter Durchschnittswert Gewichteter Durchschnittswert

AUSPRÄGUNGEN

Gewichtung

Interview

QUELLEN Vorauswahl

STÄRKEN-/SCHWÄCHEN-PROFIL

Ŷ Ŷ Ŷ Ŷ Ŷ Ŷ Ŷ

2 3 3 3 3 2 2

Ŷ

3

Ŷ Ŷ Ŷ

Ŷ Ŷ Ŷ

1 2 1

Ŷ Ŷ Ŷ Ŷ Ŷ

2 2 2 2 2

Ŷ Ŷ Ŷ Ŷ Ŷ

1 2 2 2 1

Ŷ Ŷ Ŷ

2 2 2

Ŷ Ŷ Ŷ

1 2 3

1

2

3

4

5

S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S S

Ŷ Ŷ

S = Sollausprägung gem. Anforderungen I = Im Interview bzw. Vorauswahl erkannte Istausprägung (vom Interviewer einzutragen)

S S

Toolbox

249

TOOLBOX XI: Bewerbervergleich BEWERBERVERGLEICH

GEWICHTUNG

SOLLAUSPRÄGUNG

BEWERBER 1

Persönliche Voraussetzungen Alter zwischen 28 und 45 Jahre PKW-Fahrerlaubnis Finanzielle Situation OK Polizeiliches Führungszeugnis 4-jährige Erfahrung als Finanzdienstleister Bankerfahrung (direkt/indirekt) 4-jährige Außendiensterfahrung Fachliche Kompetenzen Versicherungskaufmann/ Versicherungsfachmann (BWV) oder Bankkaufmann oder Bauspar-/ Finanzierungskaufmann/-fachmann (BWB) PC-Anwenderkenntnisse Produktkompetenz Kenntnis aktueller Sicherungssysteme Persönliche Kompetenzen Erscheinungsbild/Auftreten Selbstvertrauen/-bewusstsein Initiative/Engagement Eigenverantwortung Stressbeständigkeit/Emotionale Stabilität Methodische Kompetenzen Selbstorganisation + Planung Ausdrucksverhalten Gesprächsführung Präsentationsfähigkeit Verhandlungsgeschick Soziale Kompetenzen Teamverhalten Kontaktfähigkeit Konfliktstabilität Strategische Kompetenzen Analytisch-systematisches Denken/ Handeln Zukunftsorientierung Verkaufs-/Ergebnisorientierung Abweichungssumme

2 3 3 3

4 5 5 5

3

5

2 2

4 4

3

5

1 2 1

3 4 3

2 2 2 2

4 4 4 4

2

4

1 2 2 2 1

3 4 4 4 3

2 2 2

4 4 4

1

2

2 3

4 5

2

3

4

250

Toolbox

TOOLBOX XII: Checkliste zur Einholung von Referenzen

PERSÖNLICHE DATEN DES REFERENZGEBERS: Name, Vorname: Anschrift: Beziehung zum Bewerber: Firma/Position: Telefon:

BESCHREIBUNG/DEFINITION DER EIGENEN FRAGEN

Toolbox

THEMENBEREICHE FÜR DAS REFERENZGESPRÄCH

x Beziehung zwischen Referenzgeber und Bewerber

x Bekannt aus welchen Tätigkeiten und wie lange

x Fachliche Qualifikationen x Soziale und persönliche Kompetenzen x

in der Teamarbeit

x

in Konfliktsituationen

x

in der Beratung/im Verkauf

x

im persönlichen Auftreten

Persönliche Leistung Erfolge und Misserfolge Gehalt

x Wechselgrund x Berufliche Stärken und Vorlieben x Entwicklungsbedarfe und Schwächen x Einschätzung durch andere Personen x

Persönliches

x

Familie

x

Freundeskreis

x

Alkohol

x

Drogen

BEWERTUNG DER REFERENZ BEZOGEN AUF DIE VORHER UNKLAREN ASPEKTE, ZWEIFEL BZW. OFFENEN FRAGEN

251

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