Persönlichkeitsverletzung durch unverlangte kommerzielle Kommunikation: Eine Analyse elektronischer Individualkommunikation unter besonderer Berücksichtigung von E-Mail-Werbung [1 ed.] 9783428512119, 9783428112111

Ausgehend von dem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel im Hinblick auf Information und Kommunikation zeigt Oliver Ro

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Persönlichkeitsverletzung durch unverlangte kommerzielle Kommunikation: Eine Analyse elektronischer Individualkommunikation unter besonderer Berücksichtigung von E-Mail-Werbung [1 ed.]
 9783428512119, 9783428112111

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OLIVER ROTHLEY

Persönlichkeits verletzung durch unverlangte kommerzielle Kommunikation

Beiträge zum Informationsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, Prof. Dr. Michael Kloepfer, Prof. Dr. Friedrich Schoch

Band 7

Persönlichkeitsverletzung durch unverlangte kommerzielle Kommunikation Eine Analyse elektronischer Individualkommunikation unter besonderer Berücksichtigung von E-Mail-Werbung

Von Oliver Rothley

Duncker & Humblot . Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 200212003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

© 2003 Duncker &

ISSN 1619-3547 ISBN 3-428-11211-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im März 2002 abgeschlossen und im Wintersemester 2002/2003 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Sie ist während meiner Arbeit im zweiten Jahrgang des Europäischen Graduiertenkollegs der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) zum Thema "Europäischer Persönlichkeitsrechtsschutz" entstanden. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis März 2002, zur Thematik "E-Mail-Werbung" bis Juni 2003 berücksichtigt. Durch Art. 13 Absatz 1 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (RL 2002/58/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002) wurde zwischenzeitlich auch für E-MailWerbung die sog. opt-in-Lösung eingeführt, was aber die persönlichkeitsrechtlichdogmatische Beurteilung der Problematik nur unwesentlich berührt. Mein Dank gilt zuvorderst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Herbert Buchner, für die Erstellung des Erstgutachtens und die Gewährung größtmöglicher Freiheit bei der Anfertigung der Arbeit. An dieser Stelle möchte ich mich bei ihm nochmals für die fast vierjährige interessante Tätigkeit an seinem Lehrstuhl bis zum Abschluss der Dissertation bedanken. Herrn Prof. Dr. Nils Jansen danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens, Herrn Dr. Klaus Schlobach für viele anregende Gedanken und Diskussionen. Weiterhin danke ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die die Erstellung meiner Arbeit großzügig mit einem zweijährigen Doktoranden-Stipendium gefördert hat. Ohne dieses wäre mir die Anfertigung der Arbeit nicht möglich gewesen. In diesem Zusammenhang danke ich auch Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. HansJürgen Sonnenberger und Frau Prof. Dr. Dagmar Coester-Waltjen, LL.M. für die Aufnahme in das Graduiertenkolleg der LMU "Europäischer Persönlichkeitsrechtsschutz" und die damit verbundene Förderung durch die DFG. Frau Dr. Tanja Kristin danke ich für ihre administrative und für alle Mitglieder des Graduiertenkollegs sehr hilfreiche Tätigkeit. Meinem Vater, Herrn Wulf-Ingo Rothley, und Herrn Andreas Schmidt danke ich für jede freie Minute, die sie dem Korrekturlesen geopfert haben. Mein herzlichster Dank gilt schließlich Frau Birgit Krause sowohl für die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens als auch dafür, dass sie mir insbesondere in Zeiten wissenschaftlichen Stillstandes diejenige Unterstützung zu teil werden ließ, die für den Fortgang der Arbeit und für den seelischen und geistigen Ausgleich unverzichtbar war. München, Juni 2003

Oliver Rothley

Inhaltsübersicht Teil]

Einleitung

23

A. Einführung in die Problematik ...................................................

23

B. Gang der Darstellung. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

Teil 2

Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

31

A. Grundlegendes zum Begriff der Informationsgesellschaft ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

B. Unverlangte kommerzielle Kommunikation......................................

52

C. Auswirkungen auf die Informationsgesellschaft ............................... . ..

71

Teil 3

Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

84

A. Einleitung........................................................................

84

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen zur unverlangten Kommunikation. . .. . . . . ..

96

Teil 4

Nationale Schutzinstrumente zur Abwehr unverlangter kommerzieller Kommunikation

146

A. Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

146

B. Deliktischer Rechtsschutz........................................................

152

C. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung unverlangter kommerzieller Kommunikation. . .

237

D. Bankrechtliche Regelungen ........................................................ 251

8

Inhaltsübersicht

Teil 5 Die Einwilligung des Umworbenen

253

A. Allgemeines ....................................................................... 253 B. Anforderungen an ein Einverständnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . .. 256

Teil 6 Resümee

277

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 279 Sachwortverzeichnis . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . .. . . .. . . . . .. . . . .. 297

Inhaltsverzeichnis Teil 1

Einleitung

23

A. Einführung in die Problematik .....................................................

23

B. Gang der Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

Teil 2

Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

31

A. Grundlegendes zum Begriff der Informationsgesellschaft ................... . . . . . . . .

31

I. Gesellschaftlicher Wandel ...................................................

31

11. Der Begriff der "Information" ...............................................

33

III. Veränderungen in der Kommunikationsstruktur ..............................

35

1. Technische Grundlagen ...................................................

35

a) Internet................................................................

36

aa) Entwicklung und Funktion ........................................

36

bb) Internetdienste ..................... . ............... . ..............

38

cc) Die Sonderrolle des Internets .....................................

41

b) Telefondienste .........................................................

43

c) Zusammenfassung.....................................................

45

2. Einordnung neuer Kommunikationsmethoden in die Medienstruktur ......

46

a) Massenkommunikation ................................................

46

b) Individualkommunikation ................................... .. ........

47

c) Problemdarstellung anhand der E-Mail-Werbung ......................

47

d) Funktionalität als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

e) Das Element der Interaktivität ... .. ......... .. ............... .. ........

50

IV. Zusammenfassung ...........................................................

52

10

Inhaltsverzeichnis

B. Unverlangte kommerzielle Kommunikation ........................................

52

I. Der Begriff der kommerziellen Kommunikation .............................

52

1. Definition nach der E-Commerce-Richtlinie ..............................

52

2. Grünbuch über kommerzielle Kommunikation und sein Folgedokument . . .

53

3. Weites und umfassendes Begriffsverständnis ..............................

54

4. Die Stellung der Wirtschaftswerbung innerhalb der kommerziellen Kommunikation ...............................................................

56

a) Begriff der Wirtschafts werbung .......................................

56

b) Gleicher Stellenwert von informativer und suggestiver Werbung.......

57

5. Das Vertragsangebot als kommerzielle Kommunikation...................

58

11. Das Verständnis von "unverlangt" ...........................................

59

III. Direktmarketing als maßgebliche Fallgruppe von unverlangter kommerzieller Kommunikation .............................................................

60

1. Grundlagen und Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

2. Wirtschaftliche Bedeutung des Direktmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

3. Tatsächliche Grundlagen der E-Mail-Werbung ............................

64

a) Entwicklung der E-Mail-Werbung .....................................

64

b) Besondere Vorteile für den Werbenden ................................

65

c) Konsequenzen für den Intemetverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

d) Technische Maßnahmen gegen unverlangte kommerzielle Kommunikation.................................................................

68

e) Der Trend zu einem "Permission Based Marketing"

70

C. Auswirkungen auf die Informationsgesellschaft ....................................

71

I. Prognostizierte Vorteile der Informationsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

11. Die inflationäre Vervielfachung der Informationsmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

III. Die informative Überbelastung des Einzelnen...................... . .........

74

1. Grundlagen und Symptome...............................................

74

2. Informationsüberlastung speziell durch kommerzielle Kommunikation ....

77

a) Grundlagen............................................................

77

b) Der Umworbene als "homo oeconomicus" .............................

79

c) Die Minimierung der Informationskosten ..............................

81

d) Ausblick ..............................................................

81

IV. Zusammenfassung ...........................................................

83

Inhaltsverzeichnis

11

Teil 3

Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

84

A. Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

I. Die restriktive Haltung bezüglich Telefon-. Fax- und Btx-Werbung ..........

85

I. Telefonwerbung ..........................................................

85

a) Das Eindringen in die Privatsphäre als Hauptargument . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

b) Zwischenergebnis ..... . ...... . . . . . .......... . ........ . . . .... . . . .... . ..

88

2. Telex- und Telefaxwerbung ...............................................

89

a) Die Telexentscheidung des BGH als dogmatische Basis. . . . . . . . . . . . . . . .

89

b) Auswirkungen auf die Telefaxwerbung ................................

90

3. Btx-Werbung ............. . ...... . . . . . ... . ...... . . . ........ . .... . . . .... . ..

91

4. Mobilfunk- und SMS-Werbung ...........................................

92

11. Die verschiedenen Lösungsansätze für die E-Mail-Prob1ematik ..............

92

1. opt-in und opt-out als die grundlegenden Lösungsansätze .................

92

2. Entwicklung einer restriktiven Haltung ...................................

93

a) Die Entscheidungen des LG Traunstein ................................

93

b) Tendenzen der jüngeren Rechtsprechung ..............................

93

c) Die Behandlung von E-Mail-Werbung in der Literatur.................

95

d) Zwischenergebnis .....................................................

96

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen zur unverlangten Kommunikation ............

96

I. Sekundärrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

1. Vorrang der freiwilligen Selbstkontrolle durch das Subsidiaritätsprinzip ...

97

2. Richtlinie 97/7/ EG über den Verbraucherschutz bei Vertrags schlüssen im Fernabsatz ................................................................

99

a) Grundlagen und Anwendungsbereich ..................................

99

b) Einschränkung bestimmter Femkommunikationstechniken gern. Art 10

101

aa) Der Streit um die Harrnonisierungswirkung des Art. 10 ........... 102 bb) Die Öffnungsklausel des Art. 14 FARL .................. . .... . .... 103

12

Inhaltsverzeichnis c) Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie in nationales Recht................ 104 aa) Mangelnde Umsetzung durch das Fernabsatzgesetz ... . ........ . .. 104 bb) Rechtliche Anforderungen an die Umsetzung .................. . .. 104 cc) Überprüfung der deutschen Rechtslage ............................ 106 dd) Zwischenergebnis zur Umsetzung ins nationale Recht............. 107 d) Auslegung der Richtlinie .............................................. 108 aa) Grundlagen zur Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Rechtsgrundlage .................................................. 108 cc) Die Systematik und der Zweck des Art. 14 FARL ................. 109 dd) Der hypothetische Verbraucherwille in Art. 10 Abs. 2 FARL . . . . . . 111 ee) Entstehungsgeschichte und Zweck der Richtlinie. . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 ff) Das Leitbild des verständigen Verbrauchers .......................

113

gg) Der Blick auf andere Sekundämormen ............................ 114 hh) Ergebnis.......................................................... 115 3. Die Datenschutzrichtlinien 95/ 46/EG und 97/66/EG ................... 115 a) TK-Datenschutzrichtlinie 97 /66/EG .................................. 116 b) Die allgemeine Datenschutzrichtlinie .................................. 117 4. Richtlinie 2000/31 / EG über den elektronischen Geschäftsverkehr ....... 118 a) Einführung............................................................ 118 b) Anwendungsbereich der Richtlinie .................................... 119 aa) Dienste der Informationsgesellschaft .............................. 119 bb) Die einzelne E-Mail-Nachricht als Dienst der Informationsgesellschaft ............................................................. 120 c) Ausnahmeregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip nach Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang ........................................................... 121 bb) Ausnahmen nach Art. 1 Abs. 5 ..... . .......... . .......... . ........ 121 cc) Anwendbares Sachrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 dd) Anzuwendendes Sachrecht außerhalb des Herkunftslandprinzips .. 122 ee) Deliktische Ansprüche ............................................ 123 ff) Ansprüche aus UWG ............................................. 125

d) Schlussfolgerungen aus den Verpflichtungen nach Art. 7 der E-Commerce-Richtlinie ...................................................... 126 5. Zusammenfassung........................................................ 128

Inhaltsverzeichnis 11. Der Einfluss der Grundfreiheiten auf kommerzielle Kommunikation

13 128

1. Die Warenverkehrsfreiheit gern. Art. 28 EG ............................... 129 a) Allgemeines........................................................... 129 b) Anwendbarkeit des Art. 28 EG auf kommerzielle Kommunikation ..... 130 c) Einschränkung durch die Keck-Rechtsprechung des EuGH ............. 131 aa) Der Begriff der "bestimmten Verkaufsmodalität" .................. 132 bb) Keine diskriminierende Wirkung.................................. 135 cc) Wertendes Element als Abgrenzungskriterium .................... 136 2. Die Dienstleistungsfreiheit gern. Art. 49 EG .............................. 139 a) Allgemeines........................................................... 139 b) Die Anwendung des Art. 49 EG auf unverlangte kommerzielle Kommunikation............................................................ 140 aa) Der Dienstleistungsbegriff ........................................ 140 bb) Werbung als Dienstleistung und der Akzessorietätsgedanke ....... 140 cc) Übertragung der Keck-Rechtsprechung auf Art. 49 EG ............ 141 (1) Das Urteil Alpine Investment als Ausgangspunkt ............. 141

(2) Abschließende Aussage des Alpine Investment-Urteils........ 142 (3) Differenzierte Sichtweise anhand des Akzessorietätsgedankens 143 (4) Praktische Auswirkungen und Ergebnis....................... 145

Teil 4 Nationale Schutzinstrumente zur Abwehr unverlangter kommerzieller Kommunikation

146

A. Datenschutzrecht ................................................................... 146 I. Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) ........................................ 147 11. Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG) ..................................... 147 III. Telekommunikationsgesetz (TKG) ........................................... 149 IV. Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ........................................ . .. 151 1. Vorrang von Sonderregelungen gern. § 1 Abs. 3 BDSG .................... 151 2. § 28 BDSG ........ . ........ . ..................... . ............. . ......... 151

14

Inhaltsverzeichnis

B. Deliktischer Rechtsschutz..... . .............. .. ......... .. ......................... 152 I. Vorüberlegungen ............................................................ 152 1. Das Problem der Aktivlegitimation im UWG ............................. 152

2. Quasinegatorische Abwehransprüche aus § 1004 BGB .................... 153 a) Die Anforderungen an die Wiederholungsgefahr ....................... 154 b) Der verantwortliche Störer bei unverlangter kommerzieller Kommunikation ................................................................. 155 11. § 826 BGB .................................................................. 158 III. § 823 Abs. 2 BGB ........................................................... 159 1. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 UWG ........................ . .............. 159

2. § 823 Abs. 2 BGB i.Y.m. § 317 StGB ..................................... 160 IV. Eigentumsschutz i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB .................................... 160 V. Besitzschutz i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB ........................................ 161 VI. Der Freiheitsbegriff des § 823 Abs. 1 BGB ................................... 162 VII. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ......................................... 163 1. Ausgangspunkt ........................................................... 163

a) Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ............ . . . . . . . . 164 b) Die Wirkung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG im Zivilrecht.. 166 aa) Die verschiedenen Ansätze zur Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht.............................................................. 166 (1) Die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung ................ 166 (2) Die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung .................. 167 (3) Die Grundrechte als Schutzgebote an den Staat ............... 168 bb) Die technische Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben .. 168 cc) Zwischenergebnis................................................. 169 2. Unzureichende Systematik des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ......... 170 a) Die vorherrschende Systematik ........................................ 170 b) Kritik ................................................................. 170 c) Tatbestandskonkretisierung mittels Schutzbereichsanalyse ............. 171

Inhaltsverzeichnis

15

3. Die Einordnung von unverlangter kommerzieller Kommunikation unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 175 a) Verfassungsrechtliche Mindestanforderungen .... . .... . . . ........ . ..... 175 b) Die Interessenlage des Einzelnen ...................................... 178 aa) Das mangelnde Interesse an unverlangter Information ..... . . . . . . .. 178 bb) Funktionalität seiner Individualkommunikationsmittel ............ 179 cc) Stärkung seiner aktiven Rolle in der Kommunikation ............. 180 c) Einordnung der Interessen nach ihrer persönlichkeitsrechtlichen Relevanz ................................................................... 180 aa) Unzulänglichkeit der Fallgruppe "Eindringen in die Privatsphäre" 180 bb) Persönlichkeitsrechtlicher Schutz vor Belästigungen .............. 185 cc) Das Erfordernis eines Wirtschafts- oder Verbraucherpersönlichkeitsrechts ........................................................ 186 dd) Das Recht auf personale Selbstbestimmung ....................... 189 d) Das Persönlichkeitsrecht als Schutz der kommunikativen Konzeption. . 194 aa) Von der Informationsethik zur gesicherten subjektiven Rechtsposition ............................................................... 194 bb) Das individuelle Kommunikationskonzept ........................ 198 cc) Ausnahme für juristische Personen............... . .... . ........... 209 dd) Zusammenfassung ................................................ 210 e) Eingriffshandlung ..................................................... 211 4. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ......................... 211 a) "Unverlangte" Kommunikation als Tatbestandsvoraussetzung ......... 211 b) Sozialinadäquanz als Tatbestandsmerkmal ....... . .... . ................ 213 c) Die Rolle der Güter- und Interessenabwägung ......................... 216 aa) Meinungsäußerungsfreiheit gern. Art. 5 Abs. 1 GG ................ 218 bb) Berufsfreiheit gern. Art. 12 Abs. 1 GG ............................ 221 cc) Eigentumsfreiheit gern. Art. 14 Abs. I GG ........................ 222 5. Rechtswidrigkeit .......................................................... 224 6. Gemeinschaftsrechtliche Konflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 224 a) Einfluss der sekundärrechtlichen Wertungen ........................... 224 b) Der Schutz des Kommunikationskonzepts als zwingendes Allgemeininteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225 7. Ergebnis .................................................................. 229

16

Inhaltsverzeichnis VIII. Die Lösung über die negative Informationsfreiheit ........................... 229 IX. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ............... 234

C. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung unverlangter kommerzieller Kommunikation. . . .. 237

I. Der Begriff der guten Sitten i.S.v. § I UWG .................................. 238 11. Die verschiedenen Fallgruppen .............................................. 239 1. Sekundärrechtlicher Einfluss ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 239 2. Unlauterkeit durch Rechtsbruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 240 a) Allgemeines ................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 240 b) Der Einfluss der persönlichkeitsrechtlichen Wertung auf § I UWG ..... 240 3. Unlauterkeit durch Belästigung ........................................... 241 a) Unterschiede zur Telefonwerbung ..................................... 242 b) Imitations- und Nachahmungsgefahr ................................... 243 c) Blockade und Ausnutzung der Kommunikationsmittel................. 244 d) Das Problem der Kostenverlagerung ................................... 245 e) Funktionsmissbrauch des E-Mail-Dienstes ................... . ......... 247 f) Zeitaufwand des Löschens als Unlauterkeitskriterium . . . . . .. . . . .. . . . ... 248

g) Störungen im Betriebsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 249 h) Zwecksetzung des Intemets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 249 III. Aktivlegitimation .................. . . . .... . ... . . .... ..... . .. .. . . .. . . . . . . . .... 250 D. Bankrechtliche Regelungen ........................................................ 251

TeilS Die Einwilligung des Umworbenen

253

A. Allgemeines ....................................................................... 253 B. Anforderungen an ein Einverständnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 256 I. Die Zulässigkeit von Mutmaßungen ......................................... 256 1. Privater Bereich .......................................................... 256 2. Geschäftlicher Bereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 258

Inhaltsverzeichnis 11. Ausdrückliches und konkludentes Einverständnis

17 261

1. Allgemeines .............................................................. 261 2. Ausdrückliches Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 263 a) Allgemeines........................................................... 263 b) Einverständniserteilung durch vorformulierte Klauseln ................ 263 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 263 bb) Differenzierte Betrachtung ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 265 cc) Werbefinanzierte Verträge ........................................ 266 dd) Vorrang der Individualabrede ..................................... 268 ee) Unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. ......................................................... 270 3. Konkludentes Einverständnis ........................ . ........ . ...... . .... 273

Teil 6

Resümee

277

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 279 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 297

2 Rothley

Abkürzungsverzeichnis a.A. a. a.O. a.E. a.F. ABI. Abs. AcP AfP AG AGBG

AK

Alt. Anh. Anm. Art. AT Aufl. BB Bd. BDSG Begr. BGB BGBI. BGH BGHZ bspw. BT Bt-Ds BVerfG BVerfGE BVerwG bzw. CR d. h. ders. desw.

anderer Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis Archiv für Presserecht Amtsgericht Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Alternativkommentar Alternative Anhang Anmerkung Artikel allgemeiner Teil Auflage Der Betriebs-Berater Band Bundesdatenschutzgesetz Begründung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen beispielsweise besonderer Teil Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise Computer und Recht das heißt derselbe des Weiteren

Abkürzungsverzeichnis dies. DuD DZWir EG EG(V) EGBGB EGG Ein!. E-Mail EMRK EU EuGH EuZW EWG EWiR f.; ff. FARL Fn. FS FfP GG GRUR GRURInt. h.M. Hrsg. HS i.d.S. i.S.v. i.V.m. i.w.S. insb. IPR IPRax IRC IuKDG JA jur. Jur. Blätter JurPC JuS JZ 2*

19

dieselbe Datenschutz und Datensicherheit Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Gemeinschaft(en) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz Einleitung Electronic Mai! Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Europäischen Wirtschaftsrecht folgend(e) Fernabsatzrichtlinie Fußnote Festschrift File Transfer Protocol Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht - (Auslands- und) Internationaler Teil herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz in diesem Sinne im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne insbesondere Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrecht Internet Relay Chat Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Inforrnations- und Kornrnunikationsdienste Juristische Ausbildung juristisch(e) Juristische Blätter Internet-Zeitschrift für Rechtsinforrnatik Juristische Schulung Juristenzeitung

20

Abkürzungsverzeichnis

K&R

Kommunikation und Recht (Betriebs-Berater für Medien, Telekommunikation, Medien)

Kap. KG

Kapitel

KOM

Kammergericht Dokumente der Europäischen Kommission

krit. LG

kritisch

Iit. LM

litera Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring

Ls. M&K

Leitsatz Zeitschrift für Medien und Kommunikation

m.

mit mit weiteren Nachweisen

m.w.N.

Landgericht

MDR

Monatszeitschrift des Deutschen Rechts

MDStV MMR

Mediendienste-Staatsvertrag MultiMedia und Recht

MünchKomm

Münchener Kommentar

Nds. GVBI.

Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Niedersachsen

NJW NJW-CoR

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR Nr.

NJW-Computerreport NJW-Rechtsprechungs-Report

n.v.

Nummer nicht veröffentlicht

OLG RDV

Oberlandesgericht Recht der Datenverarbeitung

RegE

Regierungsentwurf Reichsgericht

RG RGZ

RIW

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft

RL

Richtlinie

Rn.

Randnummer Rechtssache

Rs. Rspr.

S. Slg. sog. SR st. Rspr. StGB str. SZ

Rechtsprechung Seite Sammlung sogenannt( e) Schuldrecht ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch streitig Süddeutsche Zeitung

Abkürzungsverzeichnis

21

TDDSG

Gesetz über den Datenschutz bei Telediensten (TeIedienstedatenschutzgesetz)

TDG TKDV

Gesetz über die Nutzung von Teledienst (TeIedienstegesetz) Telekommunikationsdatenschutzverordnung

TKG Tz. u. a. UrhG URL

Telekomrnunikationsgesetz Teilziffer unter anderem Gesetz über das Urheberrecht Uniform Resource Locator

v.

Urteil Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von; vom

vgl. Vol.

vergleiche Volume

vs.

versus Versicherung und Recht

Urt. UWG

VuR WRP WWW

z. B. z.T.

ZHR Ziff.

ZIP zit. ZPO ZS ZUM

Wettbewerb in Recht und Praxis World-Wide-Web zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozessordnung Zivilsenat Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

Teil 1

Einleitung A. Einführung in die Problematik Bereits vor mehr als einem Jahrzehnt sprach Sieber von der Notwendigkeit einer Informationsethik und unternahm den Versuch, ein Informationsrecht als eigenständiges Rechtsgebiet zu etablieren. I Sieht man darin die Summe der rechtlichen Normen, die sich mit der Information beschäftigen - vor allem unter dem Gesichtspunkt ihrer Verarbeitung durch moderne Informationstechniken und die insbesondere die Zuordnung und Verteilung des Wirtschafts-, Kulturund Verfassungsgutes Information sowie dessen Gefährdungspotential betreffen,2 kann die vorliegende Arbeit als informationsrechtliche Abhandlung bezeichnet werden. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen moderne Individualkommunikationstechniken, kommerzielle Kommunikation und vor allem das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Letzteres hat in der Vergangenheit zumeist unter der Rubrik von Medieneingriffen in das Privatleben Prominenter einen über juristische Fachkreise hinausreichenden Bekanntheitsgrad erfahren und gewisse ethische Aspekte über den Umgang mit persönlichen Informationen in ein rechtliches Gewand gekleidet. Ansatzpunkt der vorliegenden Arbeit stellt jedoch nicht das "persönlichkeitsrechtliche Leid" von Prinzessin Caroline von Monaco und anderer bekannter Personen der Zeitgeschichte dar. Sie will keinen weiteren Beitrag zu der hierzu schon vorhandenen, fast unerschöpflichen Literatur leisten, die sich mit dem Eindringen der Medien, insbesondere der Presse in die Privatsphäre jener Menschen beschäftigt? In der hier aufgeworfenen Fragestellung geht es nicht darum, in die Privatsphäre einzudringen, um persönliche Informationen nach außen zu tragen und der Öffentlichkeit preiszugeben (im folgenI NJW 1989, 2569 ff. (der Beitrag war Teil der Antrittsvorlesung des Verfassers an der Universität Bayreuth). 2 Sieber, NJW 1984,2569,2574; vgl. auch Langer, Informationsfreiheit, S. 21: "Informationsordnung"; Ehmann, AcP 188 (1988), 230, 237; zum Begriff "Informationsrecht" ausführlich Mayer-Schönberger, Information und Recht, S. 8 ff., 19 ff. 3 Guter Überblick zu dieser Thematik bei Soehring / Seelmann-Eggbert, NJW 2000, 2466 ff.; des Weiteren Prinz, NJW 1995, 817 ff.; Seitz, NJW 1996,2848 ff.; Steffen, NJW 1997, 10 ff.; aus jüngerer Zeit auch die Arbeiten von Klein, Sensationspresse; von Holleben, Geldersatz; Börger, Presseveröffentlichungen; Guha, Person der Zeitgeschichte; Seemann, Prominenz als Eigentum; diese Abhandlungen beschäftigen sich aber hauptsächlich mit "massenmedialen Persönlichkeitsverletzungen", vgl. Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S. 277.

24

Teil I: Einleitung

den als "klassische Fälle" bezeichnet).4 Analysiert werden soll vielmehr der umgekehrte Fall, in dem Informationen unverlangt und mit kommerziellem Hintergrund in eine persönliche Sphäre eingebracht werden. Die dadurch für den zumeist nicht prominenten Einzelnen entstehenden Gefahren und Belästigungen bilden die Existenzgrundlage für die hier vorliegende Untersuchung. Die Entwicklung dieser Fallgruppe steht in untrennbarem Zusammenhang mit der Entwicklung der heutigen Gesellschaft in Richtung einer Informations- und Kommunikationsgesellschaft. 5 Mit diesem Schlagwort wird oft die derzeitige gesellschaftliche Entwicklungsphase beschrieben. Kommunikation und Informationsaustausch erleben einen bisher nicht bekannten Stellenwert, gleich ob im Privatoder im Geschäftsbereich. Der Einzelne ist dadurch mehr denn je Adressat vielfältigster Informationen, die ihn durch die unterschiedlichsten Medien erreichen. Zum Teil handelt es sich dabei um Information, die gar nicht erwünscht ist und den Einzelnen unverlangt erreicht. Ein Grund für diesen Informationsboom ist insbesondere das Internet. 6 Wie kein anderes Medium ermöglicht es innerhalb seiner verschiedenen Dienste den Informationsfluss. Vor allem die Kommunikation durch E-Mail ist für Viele ein einfaches, schnelles und kostengünstiges Mittel zum globalen Austausch von Text-, Bild- oder Toninformationen. Im geschäftlichen Bereich hat sich E-Mail-Korrespondenz zu einem festen und unverzichtbaren Element der Kommunikation entwickelt. Kein Unternehmen will es sich heute leisten, nicht per E-Mail erreichbar zu sein. Entsprechendes gilt aber auch für den Privatbereich. Hier ist insbesondere durch die Zunahme von sogenannten Freemail-Diensten7 die Anzahl der privaten E-Mail-Accounts rapide gestiegen. Jedoch auch schon "altbewährte" Medien wie das Telefon erleben durch die fortschreitende europäische Marktliberalisierung und die damit zusammenhängenden stark fallenden Verbindungsentgelte eine Art Renaissance. 8 Dies gilt insbesondere für die sogenannte Festnetztelefonie. Darüber hinaus hat sich aber auch durch die Zunahme von Mobilfunkdienstleistungen das Kommunikationsverhalten in der Gesellschaft wesentlich verändert. 9 Erwähnt sei 4 Diese Problematik um "personenbezogene Informationen" war auch Schwerpunkt in der Auseinandersetzung um eine Informationsordnung, vgl. Ehmann, AcP 188 (1988), 230 ff. 5 V gl. http://europa.eu.int/ comm / dg 10 / publications / brochures / move / infoeduc / infso / txCde.html. 6 Vgl. zum Begriff "Internet" die Definition der FNC (Federal Network Council)-Resolution v. 24. 10. 1995, abgedruckt bei Koch, Internetrecht, S. 548. 7 So z. B. GMX (www.gmx.de). Hotmail (www.hotmail.com), YahooMail (www.yahoo.de), Web.de (www.web.de); vgl. Übersicht in ct, Magazin für Computertechnik, Heft 11/2000 S. 140 ff. 8 Einen Überblick gibt der Halbjahresbericht 2000 der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP) auf S. 9 ff., www.regtp.de/imperia / md / content / aktuelles / lO.pdf. Allein die Steigerung des telefonischen Festnetzverkehrs zwischen 1997 und 2000 wird mit 50 Prozent prognostiziert. 9 Ende 1999 gab es in der BRD 23,47 Mio. Mobilfunkteilnehmer, die Prognose für Ende 2000 lag bei 48 Mio., vgl. Jahresbericht RegTP a. a. O. S. 23.

A. Einführung in die Problematik

25

an dieser Stelle insbesondere die Möglichkeit der Übermittlung sogenannter Kurznachrichten (SMS).1O Folge dieser Entwicklung ist, dass neben den bislang schon etablierten Werbemethoden Marketingfachleute diese teilweise neuen Techniken - durch die stark wachsende Anzahl von E-Mail-Adressen vor allem die elektronische Post - als geeignetes Mittel für Werbung im weitesten Sinne entdeckenY Insbesondere die geringen Kosten machen diese Form des Direktmarketing für den Werbenden interessant. Mittlerweile erreichen jedoch den E-Mail-Nutzer mehr unerwünschte Werbe-E-Mails als erwünschte persönliche oder geschäftliche elektronische Post. Neben massiven Störungen in den zugrunde liegenden Netzen - zu nennen sei hier beispielsweise die Überlastung von E-Mail-Empfangserver - kommt es zu einer nicht unerheblichen Belästigung des Empfängers. 12 Aufgrund ihrer aktuellen Brisanz ist diese Marketingform hervorragend geeignet, um das Problem der unverlangten kommerziellen Kommunikation darzustellen. Sie bildet gewissermaßen einen roten Faden durch die Arbeit und genießt im Umfang ihrer Bearbeitung besonderes Gewicht. Zur Begegnung jener soeben aufgezeigten Gefahren hat sich eine restriktive nationale Rechtsprechung bezüglich E-Mail-Werbung herausgebildet, die sich an die schon bestehende Rechtsprechung zu anderen Direktmarketingmethoden wie Telefon-, Fax-, Telex- oder Btx-Werbung anlehnt und zumeist auf § 1 UWG basiert. Ein Großteil der Literatur stimmt dieser restriktiven Ansicht vor dem Hintergrund einer fehlenden ausdrücklichen nationalen gesetzlichen Regelung zu. Zu dieser begrüßenswerten Tendenz ist anzumerken, dass das Medium Internet und die entsprechenden Netzstrukturen im Rahmen ihres Wachstums bisher mit wenigen gesetzlichen Regelungen auskamen. Der Netzgemeinde war viel erlaubt und wenig verbotenY Jedoch zeigt sich gerade am Beispiel der E-Mail-Werbung, dass insoweit gerade Regelungen angebracht sind, als es darum geht, ein weiteres Wachstum und eine weitere Verbreitung nicht zu unterbinden. Das reibungslose Funktionieren der interaktiven Netze darf durch derartige Erscheinungen nicht beeinträchtigt werden. 14 Es ist der Gefahr entgegenzutreten, dass ein E-Mail-Nutzer.privat wie ge10 Hierbei handelt es sich um den sog. "short message service". Grundlage dieses Dienstes ist, dass den Teilnehmer Textmittelungen erreichen, die er auf seinem Handy lesen kann. Erstellt werden kann eine SMS z. B. mit der Handytastatur oder per Computer. In beiden Fällen ist es dann möglich, die einmal erstellte Nachricht an eine Vielzahl von ausgewählten Telefonnummern zu senden. Obgleich der genaugenommen fehlerhaften Übersetzung, soll im folgenden von der SMS (Nachricht) gesprochen werden. 11 Vgl. Schmid, Telefonwerbung, S. 3, der gerade in der Vielfältigkeit der Telekommunikationsmethoden den besonderen Reiz für die Werbebranche sieht. 12 Hinzu kommen erhöhte Downloadzeiten, das Setzen von Rechnern, von denen aus Werbemails verschickt werden, auf sogenannte schwarze Listen oder "Mai I Bomben Angriffe" gegen die Versender, vgl. Koch, Internetrecht, S 45. 13 Schwarze in: Schwarze (Hrsg.), S. 9 spricht vom anarchischen Internet. 14 Vgl. Erwägungsgrund 30 der RL 2000/31 lEG v. 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Ge-

26

Teil 1: Einleitung

werblich, auf die Nutzung ganz oder teilweise verzichtet, in der Befürchtung, dass es aufgrund von zunehmender Werbung für ihn ohnehin keinen Sinn mehr macht, das Medium effektiv zu nutzen. Teilweise unterbunden wird eine derartige Entwicklung eben durch die restriktive deutsche Rechtsprechung. 15 Ob die dieser Judikatur zugrundeliegende Ansicht vor der nunmehr vorliegenden europäischen Rechtslage, insbesondere geprägt durch die Femabsatzrichtlinie (FARL) 16, die E-Commerce-Richtlinie I7 und die Datenschutzrichtlinien l8 , auch in Zukunft aufrechterhalten werden kann, ist indes fraglich und entsprechend umstritten in Literatur und Rechtsprechung. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch nicht nur untersucht, ob die oben dargestellten Werbemethoden zulässig sind oder nicht. Es stellt sich vielmehr die Frage, was der Einzelne der gegen ihn gerichteten Informations-, insbesondere Werbeflut entgegenhalten kann. Die Problematik unlauterer Direktmarketingmethoden wurde bisher primär unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten aufgegriffen und erörtert. 19 Subsumiert man den Versand von unverlangter Werbung im Allgemeinen nur unter die Generalklausei des § 1 UWG, hat dies für den Adressaten die Folge, dass dieser nicht aktivlegitimiert ist, da meist § 13 UWG im Wege steht. Wenig Eingang in die Diskussion fand indessen, welche Auswirkungen diese Informationsüberflutung auf die Persönlichkeit des einzelnen Adressaten hat oder anders gewendet, wie hoch ihre persönlichkeitsrechtliche Relevanz ist. Zentraler Punkt ist somit das Verhältnis unverlangter Information zu dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen?O Zwar ist bezüglich Telefon-, Fax- und Btx-Werbung anerkannt, dass aufgrund des Eindringens in die Privatsphäre des Empfängers dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt sein kann?1 Konsequenterweise könnte so der Empfänger im Rahmen von § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 BGB einen eigenen Anspruch auf Unterlassung geltend machen. Bezüglich E-Mail-Werbung mehren sich jedoch die Stimmen, die mit unterschiedlicher Argumentation eine Persönlichkeitsrechtsverletzung anzweifeln?2 Eine Einordnung dieser neuen Werbemethode schäftsverkehrs, im Binnenmarkt, Abl. EG Nr. L 178, S. 1 ff. v. 17. 7. 2000, nachfolgend "E-Commerce-Richtlinie". 15 Eine sog. opt-in-Lösung für E-Mail-Werbung besteht auch in Österreich, Italien, Dänemark und Finnland. 16 RL 97 / 7 / EG v. 27. 2. 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, Abl. EG Nr. L 144v. 4. 6.1997, S. 19ff. =NJW 1998,212ff.; näher hierzu aufS. 99ff. 17 Fn. 14; näher hierzu auf S. 118 ff. 18 Näher hierzu auf S. 115 ff. 19 Z. B. Baumbach/Hejermehl, § 1 UWG Rn. 67 ff., insb. 70 a; Burckhardt, Direktmarketing, S. 137 ff. und S. 73 in Bezug auf Telefonwerbung; Engel, Direktmarketing, S. 21 ff. 20 Die Sicherheit personenbezogener Daten in der Informationsgesellschaft und die diesbezüglichen persönlichlichkeits- und datenschutzrechtlichen Probleme sind nicht Gegenstand der Untersuchung. 21 Staudinger / Hager, § 823 C 237 mit Hinweis auf die diesbezügliche BGH Rspr. 22 Ziem, MMR 2000, 129, 130; Reichelsdoifer, GRUR 1997, 191, 197; Funk, CR 1998, 411,419; wohl auch Leupold, WRP 1998,270,277, wonach eine nicht unerhebliche Beläs-

A. Einführung in die Problematik

27

in die Fallgruppe des "Eindringens in die Privatsphäre" sei im Ergebnis nicht mehr möglich. Eine entsprechende Diskussion ist für Werbung per SMS oder Werbeanrufe auf Mobiltelefone zu erwarten. Somit steht der einzelne Umworbene als Infonnationsempfänger und weniger der lautere Wettbewerb im Mittelpunkt dieser Ausarbeitung. Seine Stellung als Ziel person der Werbeindustrie und seine schützenswerten Belange sollen durch Entflechtung der komplizierten Strukturen von allgemeinem Persönlichkeitsrecht, wettbewerbsrechtlichen Interessen und europarechtlichen Vorgaben neu definiert werden. Durch unverlangt zugesandte kommerzielle Kommunikation gerät der Empfänger in den Zwang, sich mit der Werbung auseinander zu setzen. 23 Ihm droht aufgrund der zunehmenden technischen Vernetzung der heutigen Welt der "Infonnation-over-Ioad". In Ausnahmesituationen erhält der Rezipient neuen Infonnationsinput, noch bevor er ältere Infonnationen selektieren und verarbeiten kann. So ist es heutzutage insbesondere durch Fax, Mobilfunk, Festnetztelefon und E-Mail möglich, dem Empfänger individuell und rund um die Uhr Nachrichten und Infonnationen, darunter auch Werbung, zukommen zu lassen. Zwar begibt sich der Einzelne zunehmend und freiwillig der Möglichkeit ungestört zu sein. Hinzu kommt, dass es auch in der Vergangenheit schon möglich war, den Teilnehmer über seinen herkömmlichen Telefonanschluss rund um die Uhr zu erreichen. Insofern wäre keine grundlegende Änderung eingetreten und der Empfänger somit auch nicht schutzwürdiger als früher. Akut ist die Problematik jedoch erst in jüngerer Zeit geworden, in der eine neue Epoche des Infonnationsaustausches 24 eingeleitet wurde. Nicht nur die zunehmende Anzahl von Einzelinfonnationen an sich, sondern auch die Zunahme der sie vermittelnden Medien rechtfertigt es, das Schutzbedürfnis des Einzelnen erneut auf den Prüfstand zu stellen. Es ist nämlich sehr fraglich, ob eine Person, die sich all dieser modemen technischen Errungenschaften öffnet, auch gleichzeitig ihr Interesse auf infonnelle Abgeschiedenheit entsprechend aufgibt und sich als Empfangsstelle beliebiger Infonnation gerieren will. Überhaupt stellt sich die Frage, inwieweit unverlangte Infonnation mit der Selbstbestimmung über seine Kommunikationsmedien vereinbar ist. Vor diesem Hintergrund muss insbesondere über einen Schutz der individuellen kommunikativen Konzeption und deren persönlichkeitsrechtliche Relevanz nachgedacht werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das von je her zum Schutz der Privatsphäre herangezogen wird, muss sich der Prüfung als ein geeignetes und umfassendes tigung gerade fehlt. So ist wohl bei einem Werbeanruf auf ein Mobilfunkgerät seltener die häusliche Sphäre als individuell-räumlicher Privatbereich verletzt; vgl. z. B. OLG Stuttgart v. 11. 3. 1988, NJW 1988,2615. 23 Dies bedeutet nicht unbedingt die inhaltliche Auseinandersetzung. Die Konfrontation beginnt schon mit der Entscheidung, die eingegangene Post zu lesen, also inhaltlich wahrzunehmen oder gleich in den sog. Papierkorb zu befördern. 24 Schwarze in: Schwarze (Hrsg.), S. 10 spricht gar von einer "Revolution der Informationstechnologie", welche die industrielle Revolution übertreffen könnte.

28

Teil 1: Einleitung

Schutzinstrument stellen. 25 In diesem Zusammenhang steht nicht nur eine genaue Analyse seines Schutzbereichs im Vordergrund, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit der vorherrschenden "Abwägungssystematik". In der Vergangenheit wurde bezüglich unverlangter Information auch der Ruf nach neuen Rechtsinstituten laut. 26 Die Frage ist, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht überholt ist und neuere, speziellere Rechtsinstitute wie beispielsweise ein Recht auf negative Informationsfreiheit oder spezielle Verbraucherpersönlichkeitsrechte erforderlich sind. In jedem Fall muss das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Hinblick auf seinen kommunikativen Schutzgehalt unter europarechtlichen Aspekten beleuchtet werden, was unter Umständen eine Korrektur seiner Verletzungstatbestände zugunsten der europäischen Rechtslage erforderlich macht. Die meisten Direktmarketingmaßnahmen sind nach der nationalen Rechtsprechung insoweit zulässig, als ein vorheriges Einverständnis des Empfängers erteilt wurde. Dann liegt weder sittenwidriges Handeln nach § 1 UWG noch eine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB vor. Welche Anforderungen hieran zu stellen sind, ist bislang nicht hinreichend geklärt. 27 Es handelt sich hier also im weitesten Sinne um die Frage der Rechtfertigung persönlichkeitsrelevanter Eingriffe. Da sich der Begriff der "unverlangten" kommerziellen Kommunikation beziehungsweise Werbung etabliert hat, ist einmal zu klären, wie dies in der deliktischen Systematik einzuordnen ist. Von besonderer Praxisrelevanz ist darüber hinaus die Problematik der Einverständniserteilung durch vorformulierte Klauseln. 28 Hinzukommen Unklarheiten, ob und unter welchen Voraussetzungen mit einem mutmaßlichen Einverständnis gearbeitet werden kann. Welche Faktoren außer der ausdrücklichen Einverständniserteilung sind also hier zu berücksichtigen? Die Rechtsprechung tendiert bei einem vorherigen Aufrufen der Internetseite des Werbenden zu der Annahme, dass eine sich hieran anschließende kommerzielle Kommunikation nicht mehr rechtswidrig sein könne, da bereits das Merkmal "unverlangt" nicht erfüllt sei. 29 Insbesondere stellt sich auch die Frage, welches Interesse des Einzelnen an Informationen und konkret an informeller Werbung hier unterstellt werden kann. Schließlich wird auch für diesen Problemkreis maßgebend sein, ob es sich bei dem Rezipienten um eine Privatperson oder um einen Gewerbetreibenden handelt. Sollte die höchstrichterliche Rechtsprechung, zum Beispiel zur Werbung mittels elektronischer Post, eindeutig Stellung beziehen beziehungsweise sich die normative Situation entsprechend ändern, wird sich die Diskussion 25 So auch Schwarze in: Schwarze (Hrsg.), S. 10, der es als zentrale Frage ansieht, wie es um die Anwendung, Durchsetzung und Anpassung traditionelle Rechtsfiguren in Zeiten des elektronischen Geschäftsverkehres bestellt ist. 26 Vgl. vor allem Fikentscher / Möllers, NJW 1998, 1337 ff. 27 Drexl in: Drexl (Hrsg.), S. 83. 28 Vgl. BGH v. 27. 1. 2000, JurPC Web-Dok. 144/2000, Abs. 1-23 - Telefonwerbung VI; BGH v. 16.3.1999, NJW 1999,1864. 29 So LG Augsburg v. 4. 5. 1999, NJW 2000, 593; ähnlich auch LG Braunschweig v. 11. 8. 1999, NJW-RR 2000, 924 nach Inanspruchnahme einer Internetdienstleistung.

B. Gang der Darstellung

29

in Bezug auf unverlangte kommerzielle Kommunikation auf den Punkt des Einverständnisses fokussieren. Denn es ist davon auszugehen, dass unabhängig von der grundsätzlichen Zulässigkeit auch in Zukunft bei einem Einverständnis des Adressaten in der Regel keine rechtswidrige Werbemaßnahme vorliegt. Somit wird diesem Punkt auch in Zukunft eine erhebliche Praxisrelevanz zuzumessen sein.

B. Gang der Darstellung Die Arbeit gliedert sich in vier wesentliche Teile. Zu Beginn wird die Rolle der kommerziellen Kommunikation in der heutigen Informationsgesellschaft dargestellt. Dieser Teil beinhaltet überwiegend rechtstatsächliche Ausführungen und geht auf kommunikationswissenschaftliche Aspekte ein, soweit sie für den weiteren Verlauf der Darstellung notwendig sind. Nach grundlegenden Worten zum Stand und der Entwicklung der heutigen Kommunikations- und Informationsgesellschaft, rückt der Begriff der kommerziellen Kommunikation in den Mittelpunkt des weiteren Verlaufes. Die wirtschaftliche Bedeutung von kommerzieller Kommunikation und speziell des Direktmarketing wird hier hervorgehoben, bevor sich rechtstatsächliche Ausführungen zur E-Mail-Werbung anschließen. Danach werden die den Einzelnen betreffenden Vor- und Nachteile der zuvor aufgezeigten gesellschaftlichen Entwicklung beschrieben, bevor endlich das Problem der Informationsüberlastung in dem gebotenen Umfang dargestellt wird. Im dritten Teil der Arbeit steht die gemeinschaftsrechtliche Rechtslage im Vordergrund. Da diese jedoch aus Verständnisgründen nicht abstrakt und losgelöst von der nationalen Rechtslage dargestellt und erörtert werden soll, wird Letztere vorbehaltlich einer umfassenden Würdigung an späterer Stelle in einem Überblick vorangestellt. Grund hierfür ist insbesondere, dass eine Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Deutschland weitgehend durch ausfüllungsbedürftige Generalklausein erfolgt. Um diesen einleitenden nationalen Überblick jedoch nicht mit den einzelnen zu den verschiedenen Werbemedien vertretenen Rechtsauffassungen zu überfrachten, erfolgt hier nur eine grobe Einteilung in unterschiedliche Lager. Die gemeinschaftsrechtliche Prüfung beginnt bei den maßgeblichen Normen des Sekundärrechts, bevor hieran anschließend die Waren- und Dienstleistungsfreiheit auf ihre Relevanz für unverlangte kommerzielle Kommunikation untersucht wird. Untrennbar mit den Auswirkungen der Keck-Rechtsprechung verbunden, sind die regulatorischen Konsequenzen, die sich aus dem Alpine-Investment-Urteil des EuGH ergeben. Ob sich schließlich die hinter der nationalen Rechtsprechung stehenden Interessen im Einklang mit den zwingenden Allgemeininteressen i. S. d. Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung befinden, kann an dieser Stelle noch nicht abschließend geklärt werden, da es hierfür einer genauen Herausarbeitung der Interessen bedarf. Letzteres geschieht im Rahmen der persönlichkeitsrechtlichen Prüfung.

30

Teil 1: Einleitung

Schwerpunkt des vierten Teiles ist die Überprüfung der nationalen Rechtslage. Beginnend mit Ausführungen zum Datenschutz und zum quasinegatorischen Unterlassungsanspruch richtet sich der Blick auf die deliktischen Ansprüche des Rezipienten, bevor zur Frage Stellung genommen wird, inwieweit das allgemeine Persönlichkeitsrecht geeignet ist, die Sphäre des Adressaten vor derartiger unerwünschter kommerzieller Kommunikation zu schützen. Nach einleitenden Ausführungen zum Persönlichkeitsrechtsschutz und dessen Systematik, wird auf den Schutzbereich eingegangen und die herausragende Rolle des Persönlichkeitsschutzes für die Individualkommunikation betont. Schließlich wird ein umfassendes Schutzinstrument für das individuelle Kommunikationskonzept vorgestellt wird. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und die negative Informationsfreiheit schließen die deliktsrechtliche Prüfung ab, bevor die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von unverlangter kommerzieller Kommunikation untersucht wird. Hier konzentriert sich die Prüfung auf die Werbung per elektronischer Post. Diesbezügliche Stellungnahmen im Schrifttum werden analysiert und die vorgebrachten Argumente detailliert erörtert. Der letzte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den Anforderungen an ein Einverständnis und beantwortet die Frage, wann kommerzielle Kommunikation unverlangt und somit der deliktische wie auch der wettbewerbsrechtliche Anspruch vollständig erfüllt ist. Um diese Problematik nicht gleichzeitig beim deliktischen wie auch beim wettbewerbsrechtlichen Schutz anzusprechen, wurde hierfür ein eigener Bearbeitungsteil gewählt. Im Anschluss an die Frage nach den Auswirkungen des Einverständnisses im Zivil- und Wettbewerbsrecht, soll beleuchtet werden, welche Anforderungen an ein solches gestellt sind. Ziel ist die Herausarbeitung von Kriterien, anhand derer eine praxistaugliche Beurteilung erfolgen kann, ob ein Einverständnis erteilt ist. Besonderes Augenmerk soll hierbei auf die formularmäßige Erteilung und die diesbezügliche Rechtsprechung des BGH gerichtet werden.

Teil 2

Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft A. Grundlegendes zum Begriff der Informationsgesellschaft I. Gesellschaftlicher Wandel Momentan befindet sich die "modeme Welt" im Übergang von der Industriezur Informationsgesellschaft. 30 Diese ist ein Synonym für das Ausmaß einer nachhaltigen gesellschaftlichen Veränderung, wie sie zuletzt zu Zeiten der industriellen Revolution zu beobachten war. Den Begriff der Informationsgesellschaft zu definieren, fällt schwer, weil sich noch keine allgemeine Definition durchgesetzt hat. 31 Den Aussagen der Europäischen Kommission zufolge, ist eine solche Gesellschaftsform in ihren Grundzügen als ein gemeinsamer, aus mehreren untrennbaren Ebenen bestehender Informationsraum zu verstehen. 32 Eine etwas griffigere Definition in der einschlägigen Literatur findet sich bei Lutterbeck. Dieser versteht unter Informationsgesellschaft eine Gesellschaftsstruktur, bei der die Quellen ökonomischer Produktivität, kultureller Hegemonie und politisch-militärischer Macht fundamental von der Gewinnung, Speicherung, Verarbeitung und Erzeugung von Information und Wissen abhängen. 33 Mayer-Schönberger sieht in der Informationsgesellschaft erstmals ein Stadium, in dem wir Informationen und Kommunikation verwenden, um primär wieder Information und Kommunikation zu erzeugen und zu verarbeiten. 34 Dies sei letztlich der wesentliche Unterschied zu früheren gesellschaftlichen Zuständen im Hinblick auf die "neue" Informationsgesellschaft. 30 Vgl. statt vieler EU-Kommission (Hrsg.), Technologien der Informationsgesellschaft, Brüssel, 2000, S. 3; Hecker, Informationsüberflutung, S. 1; vgl. auch Kiefer in: Kiefer (Hrsg.), S. 31, der 1982 noch vom "Übergangsstadium zur kommunikativen Industriegesellschaft" sprach oder Sieber, NJW 1989, 2569, 2570: "informatisierte Industriegesellschaft"; vgl. auch Überblick über die Entwicklung bei Wanckel, Persönlichkeits schutz, S. 26 ff. 31 Hensel, Informationsgesellschaft, S. 42; detaillierte Ausführungen zu Begriff und Konzept finden sich dort auf S. 28 ff. 32 So in ihrem Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung v. 5.12. 1993, S. 163, KOM (93) 700 endg. mit einer genauen Erläuterung dereinze1nen Ebenen. 33 Lutterbeck, Konturen der Informationsgesellschaft, Punkt 1. 34 Information und Recht, S. 5.

32

Teil 2: Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

Zum Teil wird die Gesellschaft auch als Wissens- oder Kommunikationsgesellschaft bezeichnet. 35 Kennzeichen aller derartigen Beschreibungsversuche ist jedoch meist, dass der Prozess der Kommunikation und vor allem der Zugang zu und der Umgang mit Informationen in den Mittelpunkt der Beobachtung und Beschreibung der Gesellschaft gerückt werden. 36 Die sogenannte "Bangemann Gruppe" unter der Leitung des derzeitigen deutschen EU Kommissars Martin Bangemann sah die hauptsächliche Veränderung des zukünftigen Zusammenlebens darin, dass der technische Fortschritt die Möglichkeit bietet, Informationen jeder Art, unabhängig von Raum, Zeit und Menge zu verarbeiten, zu speichern, wiederaufzufinden und weiterzuleiten. 37 Informationen, gleich welcher Art, erscheinen somit als das Gold der heutigen Zeit und bilden mehr denn je eine unverzichtbare Ware. Die Möglichkeit weltweiter Informationsbeschaffung und vor allem auch die Verknüpfung beziehungsweise Analyse großer Datenmengen schaffen neues Wissen und Informationsvorteile für den Einzelnen. Am Ende dieser Entwicklung soll eine "globale Gesellschaft" stehen. 38 Die Antwort auf die Frage, was hierunter konkret zu verstehen ist, bleiben die Vater jener Vision dem Anfragenden jedoch schuldig, was für die weitere Untersuchung aber unerheblich ist. Ebenfalls Synonym für jene Entwicklung ist der Begriff des "globalen Dorfes", was einerseits die räumliche Reichweite von im Internet verbreiteten Informationen, andererseits das neu geschaffene subjektive Näheverhältnis der Teilnehmer untereinander beschreibt. 39 Um die eben aufgezeigten Vorteile zu nutzen, ist es insbesondere ein gesellschaftspolitisches Anliegen, einerseits der Weltbevölkerung gleichermaßen Zugang zu den Informationstechnologien zu geben und sie anzustoßen, sich solchen Techniken zu öffnen. Darüber hinaus ist es aber auch unverzichtbar, dem Einzelnen diejenigen Kenntnisse zu vermitteln, die er benötigt, um das Informationsangebot effektiv zu nutzen. 40 Der zukünftige "globale Bürger" muss also gewissermaßen im Vorfeld "fit" für die Informationsgesellschaft gemacht werden. Es ist erforderlich, ihn in der Informationsbeschaffung, -selektion und -verarbeitung zu 35 Guter Überblick über die Begriffsentwicklung im Schlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages v. 22. 6. 1998 zum Thema "Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" (nachfolgend Enquete Kommission), Bt-Ds 13/10004, Anhang 1 zu Kap. 2. 36 Enquete Kommission, Bt-Ds 13/11004, Kap. 8.1. 37 Die "Bangemann Gruppe" war die spätere Bezeichnung deIjenigen Arbeitsgruppe (sog. Task Force), die mit der Frage betraut war, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um die Entwicklung der Informationsgesellschaft voranzutreiben. Vgl. deren Abschlußbericht "Europa und die globale Informationsgesellschaft - Empfehlungen für den europäischen Rat, Brüsse1, 26. 5. 1994, S. 4. 38 Vgl. EU-Kommission, Technologien der Informationsgesellschaft, S. 3. 39 Vgl. von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 10 m. w. N. 40 Enquete Kommission, Bt-Ds 13/11004, Kap. 4.1 a.E.

A. Grundlegendes zum Begriff der Informationsgesellschaft

33

schulen. Neben diesen tatsächlichen Erwägungen ist es jedoch auch erforderlich, einen rechtlichen Rahmen insbesondere dafür zu schaffen, dass der Informationsfluss den Bedürfnissen des Einzelnen und der Allgemeinheit entspricht und deren Interessen nicht zuwiderläuft. Grundlage einer funktionierenden Informationsgesellschaft ist nicht zuletzt eine Informationsordnung, die das eben erwähnte sicherstellt.41

11. Der Begriff der "Information" In einer Informationsgesellschaft steht die unbegrenzte Möglichkeit der Informationsbeschaffung im Vordergrund. Ausgangspunkt ist dabei der Informationssuchende, der die Gelegenheit haben soll, nach seiner Wahl Informationen zur Unterrichtung, Benachrichtigung oder Aufklärung42 zu nutzen. Er übernimmt mit seiner Anfrage an eine beliebige Informationsquelle den diesbezüglich ersten Schritt. Nicht im Sinne der Wegbereiter einer Informationsgesellschaft kann es jedoch sein, den Einzelnen über seinen Willen hinweg mit unverlangten Informationen zu versorgen. Um Verhaltensregeln über den Umgang mit derartigen Informationen43 aufzustellen, ist zunächst eine kurze Erläuterung angebracht, was unter dem Begriff der Information zu verstehen ist. 44 Informationen stellen aufgrund kybernetischer Erkenntnisse eine dritte Grundgröße neben Materie und Energie dar. 45 Über diese bekannte These von Wiener hinaus ist eine einheitliche Definition nicht zu finden. Während beispielsweise nach einer Ansicht unter Information die "kognitive Repräsentation eines Reizes" verstanden wird, ist nach anderer Ansicht Information mit "zweckbezogener Nachricht" gleichzustellen. 46 Zudem wird im Rahmen eines weiten Informationsbegriffes Information mit Nachricht gleichgesetzt,47 was jedoch in Bezug auf die Informationsgesellschaft weniger brauchbar sein dürfte, da zu sehr der Vorgang der Benachrichtigung hervorgehoben wird und somit der aktive Vorgang der Informationseinholung durch den Rezipienten an Gewicht verliert. Schließlich wird Information auch mit Wissen eines Senders oder Empfängers gleichgestellt. 48 Zu Vgl. Fn. 2. Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 2. Band, S. 14l. 43 Um solche handelt es sich schließlich bei Werbebeschränkungen, wenn man Werbung als Information begreift. 44 Sehr ausführliche Darstellung des Begriffs "Information" bei Joensson, Datenflut, S. 39 ff. und Mayer-Schönberger, Information und Recht, S. 10 ff.; vgl. auch Hecker, Informationsüberflutung , S. 8 ff.; Steinmüller, Informationstechnologie und Gesellschaft, S. 155 ff. 45 Wiener, Kybernetik, S. 192; vgl. auch Sieber, NJW 1989,2569,2573 und Langer, Informationsfreiheit, S. 18. 46 Hemdt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 11 m. w. N. 47 Hemdt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 11. 48 Vgl. Raffee, Konsumenteninformation, S. 13. 41

42

3 Rothley

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Teil 2: Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

beachten ist aber hierbei, dass Information nicht gleichbedeutend mit Wissen ist, sondern Letzteres sozusagen ein Mindestmaß an zugänglicher Information darstellt. Wissen ist immer Information, Information ist aber nicht unbedingt Wissen. 49 Diese in ihrer Zahl noch bei weitem nicht vollständigen Beschreibungsversuche des Informationsbegriffes lassen die Schwierigkeiten erkennen, eine einheitliche und wissenschaftsübergreifende Definition zu finden. Die soeben dargestellten Definitionsversuche weisen für den benötigten Zweck der näheren Beschreibung der Informationsgesellschaft nicht die nötige Weite auf. Eine brauchbare Definition kann aus den unterschiedlichen Beschreibungsversuchen der Semiotik entnommen werden. Nach einer syntaktischen Definition geiten Informationen als Darstellung der Summe von Zeichen und Signalen, die aus einer endlichen Menge von Elementen stammen. 50 Im Gegensatz zu dieser sehr technischen und für die maßgeblichen Zwecke wenig brauchbaren Definition, zielt die Semantik ihrem Wesen nach auf den Bedeutungsgehalt solcher Zeichenfolgen ab. Informationen sind hiernach Daten, Nachrichten oder Botschaften als Gebilde von Zeichen, die aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen eine Bedeutung haben. 51 Diesem kommunikationstheoretischen Ansatz soll im Rahmen der Arbeit gefolgt werden, da er die nötige subjektive Komponente aufweist und die Rolle des in den Vorgang der Kommunikation involvierten Individuums betont. Eine solche Eingrenzung erscheint schon im Hinblick auf die Zielsetzung der Informationsgesellschaft notwendig, da es nicht in deren Interesse sein kann, Informationen zu propagieren, die aus jeder Sichtweise für Menschen völlig bedeutungslos sind. Nur diejenige Nachricht, in welcher Form auch immer, als Information anzusehen, die für den Empfänger eine Bedeutung hat, ist jedoch sicherlich zu weitgehend. 52 Bei unverlangter Zusendung von Informationen ist es nicht auszuschließen, dass diese für den Empfänger keinerlei Bedeutung hat, wie es oft bei unverlangter Zusendung von klassischer Werbung der Fall sein dürfte. Insoweit muss es ausreichen, wenn nur der Absender der Zeichenfolge eine Bedeutung zumisst. Nicht unbeachtet bleiben darf schließlich die Pragmatik als die dritte semiotische Funktionsbeschreibung von Information. Hiernach werden Informationen in Bezug auf ihre Wirkung und mögliche Reaktion beim Empfänger beschrieben. 53 Im Hinblick auf eine Informationsüberlastung gewinnt dieser Aspekt entscheidende Bedeutung.

49 Zur Abgrenzung von Wissen und Information vgl. Hecker, Informationsüberflutung, S. 14 ff. 50 Sieber, NJW 1989,2569,2573. 51 Mayer-Schönberger, Information und Recht, S. 15; Sieber, NJW 1989, 2569, 2573; so auch Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 130, der auf "Daten mit Sinngehalt" abstellt. 52 So aber wohl Sieber, NJW 1989,2569,2573. 53 Meyer/ Hermanns, Theorie der Wirtschaftswerbung, S. 35.

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111. Veränderungen in der Kommunikationsstruktur Mit dem hohen Stellenwert von Infonnationen wächst die Notwendigkeit von entsprechender Kommunikation. 54 Ohne eine solche findet kein Infonnations- und Wissenstransfer statt. Infolge des oben aufgezeigten gesellschaftlichen Wandels kommt es auch zu wesentlichen Veränderungen in der Kommunikationsstruktur. Als eine solche wesentliche Veränderung ist insbesondere die Annäherung und Verschmelzung der bisher gut trennbaren Bereiche der Massen- und Individualkommunikation zu nennen (Medienkonvergenz)55, was hauptsächlich auf dem Wandel der technischen Gegebenheiten der Telekommunikation56 beruht und insbesondere in der Online-Kommunikation Ausdruck findet. Da hier die unverlangte kommerzielle Kommunikation mit Te1ekommunikationsmitte1n untersucht wird, ist es im Folgenden angebracht, einen kurzen Einblick in die technische Entwicklung der für den Verlauf der Arbeit wichtigen Technologien zu geben und den Wandel in der Kommunikationsstruktur aufzuzeigen. 1. Technische Grundlagen

Aufgrund der getrennt voneinander existierenden Vermittlungssysteme und deren begrenzten technischen Möglichkeiten, ergab sich in der Vergangenheit kaum die oben erwähnte Problematik der Verschmelzung verschiedener Kommunikationsarten. Die einzelnen Übertragungswege von Infonnationen waren zumeist voneinander abgegrenzt und eindeutig technisch definiert. Seit einigen Jahren erlebt jedoch die technologische Entwicklung einen rasanten Aufschwung, was Grund für das Entstehen immer neuer Kommunikationstechniken ist. Getreu dem Mooreschen Gesetz verdoppelt sich die Leistungsfähigkeit der Infonnations- und Kommunikationstechnologien alle achtzehn Monate und dies bereits seit etwa dreißig Jahren. 57

S4 Unter Kommunikation wird nachfolgend der Vorgang der Informationsübertragung verstanden. ss Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S. 15; Salmony in: Lehmann (Hrsg.), S. 3; Höflich/ Rössler, M&K 2001, 437; Rössler in: Rössler (Hrsg.,) S. 29 m. w. N.; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 108; Gounalakis, NJW 1997, 2993, 2994; vgl. aber Hinweis bei Scherer, NJW 1983,1832,1834 auf schon vorhandene Überschneidungen. 56 Nach § 3 Nr. 16 TKG (Gesetz v. 25. 7. 1996, BGBI. I S. 1120) ist Telekommunikation der technische Vorgang des Aussendens, Übermitteins und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art in der Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels Telekommunikationsanlagen. 57 Mayer-Schönberger, Information und Recht, S. 1; Moore ist der Gründer der Chipfirma Intel.

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a) Internet

Anlass für eine diesbezügliche Änderung ergab sich insbesondere durch die weite Verbreitung der Internetnutzung. 58 Wesentliche Voraussetzung für effiziente Kommunikation und schnellen Informationsaustausch sind Technologien, die es ermöglichen, riesige Datenmengen ohne Zeitverlust und ohne Rücksicht auf weite Entfernungen zu transportieren. Ermöglicht wird diese Ubiquität der Information, insbesondere durch die Internettechnik mit ihren verschiedenen Diensten. Sie wird als die markanteste und wichtigste Erscheinung der Informationsgesellschaft bezeichnet. 59 Bevor auf die einzelnen Dienste und speziell den E-Mail-Dienst eingegangen wird, soll eine knappe Darstellung zur Entwicklung und Funktionsweise des Internets vorangestellt werden. aa) Entwicklung60 und Funktion Der Begriff "Internet" ist die Bezeichnung für einen dezentral organisierten Verbund, bestehend wiederum aus einzelnen vernetzten Computersystemen. Laut Angabe der lAB (Internet Activities Board)61 ist das Internet "ein lockerer internationaler Zusammenschluss miteinander verbundener Netzwerke, der den direkten Kontakt von Rechner zu Rechner durch freiwilliges Befolgen offener Protokollstandards ermöglicht". Aus Gründen der Ausfallsicherheit konstruierte das US-amerikanische Militär in den sechziger Jahren einen Verbund von Computern, der eine Nachrichtenund Datenübertragung auch dann ermöglichte, wenn einzelne Rechnersysteme ausfallen sollten. Es gab im Gegensatz zur bisherigen leitungsgebunden Datenübertragung mehrere physikalische Möglichkeiten, eine Nachricht oder ein Datenpaket von A nach B zu schicken. Technische Grundlage hierfür war nicht nur die Dezentralität,62 sondern auch die sogenannte paketorientierte Datenübertragung. Erstes Netzwerk auf Grundlage dieser Paketorientierung war im Jahr 1969 58 Ladeur, ZUM 1997, 372, 374; vgl. auch Lutterbeck, Konturen der Informationsgesellschaft, Ziff. 4: "Das Zeitalter, in dem das gedruckte Buch die menschliche Wahrnehmung formte, ist unwiderlegbar vorbei.". 59 Weichert, NJW 2001, 1463, 1464; vgl. auch Lehmann in: Lehmann (Hrsg.), S. 169, 171. 60 Vgl. zur Entwicklung Leiner u. a., www.isoc.org/internet!history / brief.html; aus der juristischen Literatur des Weiteren Hoeren, NJW 1995, 3295; Bleisteiner, Verantwortlichkeit im Internet, S. 15 ff.; von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 45 ff.; Strömer, Online-Recht, S. 3 ff.; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 44 f.; Koch, Internetrecht, S. 549 ff.; Reichelsdoifer, GRUR 1997, 191 m. w. N. 61 Nichtstaatliche Verwaltungsorganisation, die die technischen Standards (RFC) im Internet betreut, jetzt "Internet Architecture Board", http://www.iab.org, vgl. dazu näher Strömer, Online-Recht, S. 5. 62 Also die Tatsache, dass alle Rechner in diesem Verbund gewissermaßen gleichberechtigt waren und es keinen Zentralrechner gab.

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das ARPANET, gewissermaßen die "Mutter des Internets", das aus vier Rechnern (Host-Rechner63 ) bestand. Die zu übermittelnde Botschaft wurde vor ihrer Übertragung in mehrere kleine Datenpakete aufgeteilt und diese unabhängig voneinander je nach Verfügbarkeit einer Verbindung solange über verschiedene HostRechner geleitet, bis sie das Ziel erreichten. Seit 1983 ermöglicht das Transportprotokoll TCP IIp64 , das noch heute die Basis der Internet-Kommunikation darstellt, dass sich alle Datenpakete schließlich bei dem gewünschten Empfänger wieder zusammenfinden und zur entsprechenden Nachricht komplettieren. Grundlage dieser Technik ist zum einen, dass jedes Datenpaket gewisse Protokolldaten hinzugefügt bekommt, anhand derer es möglich ist, seinen Ziel- und Ausgangsort unabhängig von einem anderen Datenpaket zu bestimmen. Diese Protokolldaten stehen quasi auf einem die eigentlichen Daten. umgebenden Umschlag. Weiterhin teilt man dem einzelnen Rechner innerhalb des Netzes eine ihn konkret identifizierende, nur einmal vorhandene Nummer, die IP-Adresse65 zu. Mittels dieser IP-Adresse sind also Herkunft und Ziel der Datenpakete genau festgelegt. Neben diesen, auf dem TCP / IP-Protokoll basierenden Netzen, die das Internet bilden, bestehen aber noch andere, nicht auf diesem technischen Standard basierende Netzwerke, zu denen es aber mittlerweile transparente Übergänge gibt. 66 Die Zahl der Host-Rechner ist seit 1969 von vier auf 150 Millionen angewachsen. 67 (Stand Anfang 2002). Zugang zum Internet hat der einzelne Nutzer dadurch, dass er einen Rechner benutzt, der beispielsweise mittels ISDN, DSL, Modem, lokalem Netzwerk aber auch mittels Mobiltelefon mit einem Hostrechner verbunden ist. 68 Sobald der Nutzer sich bei einem entsprechendem Internet Service Provider angemeldet hat, also "online" ist, wird seinem Rechner auch eine IP-Adresse zugeteilt, die ihm eine eindeutige Stellung innerhalb des Internets zuweist. Er kann nun mittels des TCP / IP Protokolls am Datenaustausch teilnehmen. Diese DnIine Verbindung kann der Nutzer einmal bei Bedarf aufbauen, in dem er sich immer dann in das Netz seines Internet Service Provider einwählt. Entsprechend dieser Nutzung und meist auf Minutenbasis erfolgt dann die Abrechnung. Eine andere Möglichkeit ist das Nut63 Ein Host-Rechner ist dauerhaft mit dem Internet verbunden, vgl. Bleisteiner, Verantwortlichkeit im Internet, S. 17 Fn. 80. 64 Transmission Control Protocoll Internet Protocoll. 65 Z. B. 137.250.1.254 für den Server der Universität Augsburg. Einer IP-Adresse ist in der Regel zugleich aus Gründen der Anwenderfreundlichkeit ein sog. Domain-Name zugeteilt, wie z. B. www.uni-augsburg.de.zwingend ist dies jedoch nicht; vgl. hierzu Roessler in: Hoeren/Queck (Hrsg.), S. 1,3 f. 66 Z. B. Fidonet (Mailbox Netzwerk) oder T-Online. Näher dazu vgl. Roeren, Rechtsfragen des Internet, Rn. 2; Koch, Internetrecht, S. 550; Bleisteiner, Verantwortlichkeit im Internet, S. 20 f. 67 Vgl. www.isc.org/ ds I hosts.html; vgl. auch Daten bei Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 46. 68 Die Kommunikation zwischen Host- und Heimrechner regelt das Point-to-Point Protocol (PPP).

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zen einer sogenannten "flat-rate". Hier ist der Nutzer gegen ein pauschales Entgelt dauerhaft mit dem Host-Rechner und somit mit dem Internet verbunden. Solche Internetverbindungen mit ISDN-Geschwindigkeit69 sind mittlerweile für 25 Euro pro Monat zuzüglich Telefonanschluß erhältlich. Zahlenmäßig genaue Aussagen über die Verbreitung des Internets zu treffen, ist aufgrund der dezentralen Organisation und der rasanten Entwicklungsgeschwindigkeit sehr schwer. Diesbezügliche Angaben basieren immer auf Umfragen und statistischen Berechnungen, sind also von deren Unwägbarkeiten geprägt. Als Orientierung über das hohe Maß der Verbreitung sollen hier folgenden Angaben dienen. Laut Angaben des statistischen Bundesamtes70 besaßen Mitte 2000 17,4 Prozent der Haushalte7l in den alten beziehungsweise 12,2 Prozent der Haushalte in den neuen Bundesländern Zugänge zum Internet und zu Onlinediensten. Einer Studie der GfK72 zufolge, verbrachten 9,4 Millionen Nutzer in der Bundesrepublik im August 2000 ca. 58 Millionen Stunden im Internet. Die Zeitschrift Spiegel ging sogar Ende 2000 davon aus, dass 20 Millionen Deutsche "drin" seien 73 Im November 2000 "nutzten" nach Angaben der NUA74 ca. 113 Millionen Menschen in Europa das Internet. Zum Vergleich: Anfang 1998 benutzten weltweit ca. 100 Millionen Menschen das Internet75 , im November 2000 sollen es schon 407 Millionen gewesen sein. Diese Angaben bestätigen diejenigen Stimmen, die noch vor wenigen Jahren dem Internet ein exponentielles Wachstum vorhergesagt haben. Damit wird das erklärte Ziel der EU-Kommission, jeden Bürger an das Netz zu führen, sich in nicht allzu ferner Zukunft realisieren. 76 bb) Intemetdienste Das soeben beschriebene Internet bietet die Infrastruktur für eine Vielzahl einzelner Dienste, durch die der Anwender erst in die Lage versetzt wird auf unterschiedlichste Weise zu kommunizieren und Informationen einzuholen beziehungsweise auszutauschen. Die einzelnen Dienste setzen auf der rein physischen 69 64 kBitl s, d. h. es können 64.000 Einzelinformationen (0 oder 1) pro Sekunde übertragen werden. 70 Pressemitteilung vom 25. 9. 2000, www.statistik-bund I presse I deutsch I pm2000 I p340oo24. htm. 71 Private Haushalte ohne Selbstständigenhaushalte. 72 www.gfk.de. 73 Spiegel-Online v. 18. 12.2000, http://www.Spiegel.de/netzwelt I ebusiness I 0,1518, 108425,00. htm. 74 Die NUA ist eine bekannte Organisation, die in regelmäßigen Abständen Zahlen über das Internetwachstum veröffentlicht, abzurufen unter www.nua.ie/surveys. 75 Detennann, Kommunikationsfreiheit, S. 44 m. Verweis auf Financial Times v. 18. /19.4. 1998, S. 6. 76 Mitteilung über eine Initiative der Kommission hinsichtlich des Sondergipfels in Lissabon v. 23. I 24. 3. 2000.

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Leitungsschicht auf und bilden eine Art Anwendungsschicht. 77 Die Kommunikation mit Hilfe von Internetdiensten soll im Folgenden als Online-Kommunikation bezeichnet werden. Zu den bekanntesten Internetdiensten zählen sicherlich Electronic Mail (E-Mail) und World Wide Web (WWW). Überdies sind aber auch der News-Dienst (Newsgroups), Internet Relay Chat (lRC) und der FrP-Dienst oft benutzte Internetdienste. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass das Internet nicht wie umgangssprachlich üblich mit dem eben erwähnten WWW-Dienst gleichzusetzen ist, sondern dass dieser eben eine Anwendungsart des Internet beschreibt. 78 Zutreffend ist aber sicherlich, dass mit einer Recherche im "Internet" gleichzeitig die Nutzung des World Wide Web verbunden sein dürfte. Da die rechtliche Zulässigkeit von E-Mail-Werbung ein maßgeblicher Prüfungsgegenstand der Arbeit ist, bedarf dieser Dienst einer eingehenderen Erläuterung. 79 Unter den verschiedenen Internetdiensten ist der E-Mail-Dienst der weitverbreiteste Internet-Service und spielt für die Befriedigung des Kommunikationsbedürfnisses eine herausragende Rolle. 8o Per E-Mail ist es einem Absender möglich, einem Adressaten reinen Text, aber auch Bild-, Sprach- oder Videodateien innerhalb weniger Sekunden rund um den Globus zu schicken. Dabei wird die einzelne elektronische Nachricht internet-typisch in kleinere Datenpakete zerlegt81 , jeweils mit den Absender- und Empfängerdaten versehen und über verschiedene Zwischenstationen bei Host-Rechnern zum Zielort geleitet ("geroutet"). Schließlich wird sie am Empfangsort wieder zu der Nachricht zusammengefügt, wie sie der Absender erstellt hat. Dabei kann es vorkommen, dass eine Nachricht, die innerhalb Münchens versandt wird, den Weg über Rechner in den USA oder Australien nimmt. Entsprechendes kann mit einzelnen Datenpaketen passieren. Jeder E-Mail-Nutzer ist eindeutig durch seine E-Mail-Adresse ausgewiesen, die aus einem, meist frei wählbaren Benutzernamen, gefolgt von dem Sonderzeichen ,,@" und der Rechnerkennung des Dienstanbieters besteht, die auf dem Domain-Name-System (DNS) basiert. 82 Da es theoretisch möglich, praktisch aber sehr aufwendig ist, eine E-Mail auf dem Weg zu ihrem Bestimmungsort abzufangen, um Kenntnis von ihrem Inhalt zu nehmen, ist es mit moderner E-Mail-Softwaremöglich.seine Nachrichten zu verschlüsseln. Der Aufbau einer einzelnen E-Mail ist dabei standarisiert. Neben einem Vorspann (Header) findet sich der eigentliche Text der Nachricht (Body). Im Header stehen Angaben über den Absender und den Empfänger, Thema der Nachricht (Subject) und Datum und Uhrzeit der Übertragung. 83 Vgl. Bleisteiner, Verantwortlichkeit im Internet, S. 29. So auch Bleisteiner, Verantwortlichkeit im Internet, S. 33. 79 In rechtlicher Hinsicht wird beim Einrichten des E-Mail Accounts ein Rahmenvertrag geschlossen, während das einzelne Versenden einer Nachricht einen konkludent vereinbarten Einzelwerkvertrag darstellt, vgl. Büchner in: Lehmann (Hrsg.), S. 145, 156. 80 Hoeren, Rechtsfragen des Internet, Rn. 12; Friedrichsen in: Rössler (Hrsg.), S. 214; vgl. auch Schönberger in: Rössler (Hrsg.), S. 82 dort Fn 6. 81 Jedenfalls dann, wenn es sich um längere Nachrichten handelt. 82 Die Adresse des Verfasser z. B. lautet: [email protected]. 77

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Die Rechner, die den Versand und Empfang von elektronischer Post übernehmen, sogenannte E-Mail-Server, sind dauerhaft mit dem Internet verbunden. Auf diesen hat der einzelne Nutzer quasi seinen "Briefkasten" (Mailbox84 ). Ist man mit seinem Rechner nicht mit dem Internet verbunden, sorgt der E-Mail-Server dafür, dass die Nachricht dort bis zum Abruf zwischengespeichert wird. Um auf diesen Rechner eine E-Mail zu transportieren beziehungsweise von dort eine Nachricht abzurufen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Einmal kann sich der Anwender mit seinem Browser85 auf der Internetseite seines Mailanbieters mit dem entsprechenden Passwort anmelden und seine Mailbox abfragen oder eine neue Nachricht erstellen. Vorteilhaft an dieser Methode ist, dass an jedem internetfahigen Computer weltweit diese Aktionen durchgeführt werden können. Einer zusätzlichen E-Mail-Software bedarf es nicht. Eine andere Möglichkeit ist die Nutzung eines speziellen E-Mail-Programms, das meist Bestandteil von professionellen OfficeAnwendungen ist oder mit dem Betriebssystem des Rechners mitgeliefert wird. 86 Diese Programme haben den wesentlichen Vorteil, dass sie komfortabler zu handhaben und nicht darauf angewiesen sind, dass man mit dem Internet verbunden ist. So lassen sich "offline" mehrere E-Mails schreiben und dann gebündelt mit einem Mausklick auf den Rechner seines Dienstanbieters übertragen oder einmal empfangene Nachrichten ohne Internetverbindung lesen. Dies hat letztlich auch den Vorteil, dass niedrigere Onlinekosten entstehen. 87 Bei der Kommunikation mit dem Mail-Server des E-Mail-Dienstes benutzen solche E-Mailprogramme zumeist die Protokolle SMTP und POP3 88 , die als Standard gelten. Das zentrale SMTP-MailSystem leistet die Authentifizierung der ausgehenden Mail sowie das Anlegen und Aktualisieren der benutzereigenen Mailbox gemäß den eingehenden Nachrichten. Das POP3-Protokoll gewährleistet, dass nur der berechtigte Benutzer Zugriff auf seine Mailbox bekommt. Mittlerweile bieten die meisten sogenannten FreemailDienste89 neben dem WWW-Zugriff auch den SMTP/POP3-Transfer an. Neben dem POP3-Posteingangsprotokoll gibt es ein weiteres Protokoll namens IMAP. 9o Im Gegensatz zu Ersteren hat der Nutzer hier die Möglichkeit, seine erhaltenen Mails zu prüfen, ohne diese auf seinen Rechner zu laden. Er kann somit in Kenntnis des Subjects oder der Absenderangabe eineMail löschen, ohne sie vorher unnötig über das Netz zu laden. Diese Möglichkeit der Kontoverwaltung wird zwar Keim in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 23. Vgl. Paim/Roy zum Begriff der Mailbox, NJW 1996, 1791, 1792. Sie beschreiben eine solche als "individuelles Postfach". 85 Browser ist ein Programm für Abfragen im WWW. Zu den bekanntesten zählen Netscape Navigator und Internet Explorer. 86 Z. B. Outlook Express, Netscape Messanger, Eudora, Outlook oder Lotus Notes. 87 Koch, Internetrecht, S. 561. 88 Simple Mail Transfer Protocol/Post Office Protocol 3, vgl. Bieisteiner, Verantwortlichkeit im Internet, S. 30, Koch, Internetrecht, S. 560 f. 89 Vgl. Überblick bei ct, Magazin für Computertechnik, Heft 11 12000, S. 140 ff. 90 Interacti veMail Access Protocol. 83

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zunehmend angeboten, ist jedoch bei weitem noch nicht bei allen E-Mail-Providern möglich. Ist der Rechner zu Hause oder im Büro dauerhaft per Standleitung ("flat rate") oder über ein lokales Netzwerk mit dem Internet verbunden, besteht die Möglichkeit das E-Mail-Programm so einzurichten, dass in frei wählbaren Intervallen der "Briefkasten" auf neue Nachrichten überprüft wird. Nach Angaben der EU-Kommission gab es Anfang 2001 weltweit 560 Millionen Mailboxen. 91 Spricht man heutzutage von "Mailbox" ist in den meisten Fällen diejenige gemeint, in der Nachrichten basierend auf dem bekannten E-Mail-Dienst lagern. Der Vollständigkeit halber muss jedoch an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es auch außerhalb dieses internetspezifischen Dienstes "Mailboxen" gibt, die jedoch von weit geringerer Praxisrelevanz sein dürften. Diese sind zum Teil vom Internet unabhängig und basieren oft auf eigenen Standards. Für die rechtliche Beurteilung der Zu sendung unverlangter kommerzieller Kommunikation auf solche Mailboxen gelten aber keine Abweichungen.

cc) Die Sonderrolle des Internets Um die Problematik der unverlangten Zusendung von Werbe-Mails einer brauchbaren Lösung zuzuführen, wird in Rechtsprechung und Literatur oft auf eine Parallel wertung zu anderen elektronischen Medien verwiesen. Vor allem der Vergleich mit der Btx-Werbung drängt sich in vielfacher Hinsicht auf. 92 Fraglich ist, ob die zu § 1 UWG und anderen Direktmarketingmethoden aufgestellten Grundsätze ohne weiteres auf die Werbung per elektronischer Post übertragen werden können. Vorbehaltlich einer näheren materiellen Prüfung weiter unten soll hier in der gebotenen Kürze der Frage nach der Charakterisierung des Internets und der diesbezüglichen Rechtssetzungsgewalt nachgegangen werden. 93 Soweit man die hierzu ergangenen Stellungnahmen einer groben Strukturierung zuführt, lassen sich zwei unterschiedliche Positionen erkennen. Einer Ansicht nach ist das Internet als ein völlig neues Medium einer einzelstaatlichen Regelung kaum zugänglich. Der Cyberspace ist vielmehr ein eigener Rechtsraum, ein staatsfreies Gebiet, in dessen Hinsicht die Legitimation für die Rechtssetzung bei 91 E-Mail Studie der EU-Kommission, S. 8. Die Studie wurde vom Consulting-Büro ARETE durchgeführt. Verantwortlich waren Serge Gauthronet und Etienne Drouard. Thema der Studie war Unerbetene kommerzielle Kommunikation und Datenschutz. Eine 23-seitige Zusammenfassung in deutscher Sprache findet sich unter: http://europa.eu.int/ comm / internal_market / en / media / dataprot / studies / spamsumde. pdf. Seitenangaben beziehen sich auf diesen Text. 92 Vgl. dazu näher auf S. 92. 93 Guter Überblick bei Osthaus, AfP 2001, 13 ff.; von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 242 ff. m. w. N.; vgl. auch Mayer, NJW 1996, 1782, 1789 ff.; Hoeren, NJW 1998,2849 ff.; Lutterbeck in: Bäumler (Hrsg.), S. 47 ff.; Poullet in: UNESCO (Hrsg.), S. 147 ff.; knapp Kiethe, WRP 2000, 616, 618.

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den Mitgliedern dieser Gemeinschaft liegt. 94 Hauptargument hierfür ist die Dezentralität und die private Verwaltung des Internets. Die wesentliche regulatorisehe Konsequenz dieser Position wäre der Verzicht auf Regularien in Analogie zu den alten Medien. Insbesondere ist der naheliegende Ausweg versperrt, das Netz nach dem Modell der Telekommunikation zu ordnen. In diesem Modell ist der Staat nicht die treibende Kraft der Entwicklung: "The private sector should lead in the development of Internet policies".95 Der Staat wird also vorsichtig sein, neue Regelungen zu installieren. Diese Sichtweise ist typisch für CommonLaw-Systeme und in den diesbezüglichen Ländern, vor allem den USA, vorherrschend. Der Gegenpol hierzu ist die Ansicht, die das Internet als ein analogiefähiges neues Medium begreift. Die Konsequenz dieser Position ist die Entwicklung von Regularien analog zu den Bestimmungen der Telekommunikation. Man könnte das Internet gewissermaßen als neue Form des Telefonierens verstehen. In diesem Modell hat der Staat die Vorreiterrolle, oder soll sie doch bekommen. Der Staat sieht hier keine Schwierigkeiten, neue Gesetze zu erlassen - in der Bundesrepublik zum Beispiel das IuKD-Gesetz. Diese Sichtweise dominiert in den meisten europäischen Staaten, z. B. der Bundesrepublik, und hat den Vorteil, dass demokratische Normen geschaffen werden können. 96 Eine vermittelnde Ansicht schließlich geht zwar entgegen der erstgenannten Ansicht von einer zentralistischen Regelung aus, will diese entsprechend der lex mercantoria aber auf eine internationale Ebene verlagern. 97 Ebenso vermittelnd ist schließlich der Vorschlag, der auf einem "Regulierungsmix" im Sinne einer Internormativität aus öffentlich-rechtlichen, selbstregulierenden, international-harmonisierenden und privatrechtlichen Maßnahmen basiert. 98 Allen länderübergreifenden Regelungen, auf hoheitlicher wie privater Ebene, liegt nun aber die Schwierigkeit zugrunde, aufgrund der unterschiedlichen Kulturund Rechtsauffassungen einen gemeinsamen Konsens zu finden. Entgegen vielfach geäußerter Ansicht gibt es weltweit keine homogene Netzgemeinschaft. 99 Hinzu kommt, dass ein solches internationales Sonderrecht im weitesten Sinne Gefahr läuft, mit anderen lurisdiktionen in Konflikt zu geraten. Dies spricht gegen ein spezielles und globales Internetrecht. Schließlich ist das Internet auch kein rechtsfreier Raum. Sofern man überhaupt rechtsfreie Räume anerkennen will, muss man sich vor Augen halten, dass hinter dem Internet real existierende Nutzer stehen und das Internet eben keinen Selbstzweck verfolgt. Auch im Internet muss es einen gezielten Schutz von Minderheiten und Schwächeren geben, den die reine Selbst94 Vgl. Mayer, NJW 1996, 1782, 1789; Osthaus, AfP 2001,13, 15 f., der von "soft law" spricht. 95 Lutterbeck in: Bäumler (Hrsg.), S. 47, 50. 96 Poullet in: UNESCO (Hrsg.), S. 147, 157. 97 Vgl. von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 259; Lutterbeck in: Bäumler (Hrsg.), S. 47, 52; Poullet in: UNESCO (Hrsg.), S. 147, 160 spricht von lex electronica. 98 Osthaus, AfP 2001, 13,23; Poullet in: UNESCO (Hrsg.), S. 147, 182. 99 So auch Hoeren, NJW 1998,2849,2853.

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regulierung nicht gewährleisten würde. 100 Fezer betont im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht, dass die berechtigten Interessen der Verbraucher und der Unternehmen offline und online als gleichwertig zu betrachten sind. lOl Daran mag einmal die Möglichkeit der Selbstdisziplin und das freiwillige Unterwerfen unter eine "Netiquette" nichts ändern. 102 Zum anderen ist auch der Unterschied zu bestehenden Techniken nicht von so großer Tragweite, dass eine grundsätzliche Sonderbehandlung gerechtfertigt wäre. Dies wird schon dadurch deutlich, dass Internet und Telekommunikation zunehmend verschmelzen. Somit ist es grundsätzlich möglich, Parallelen zur rechtlichen Würdigung schon "alt eingesessener" oder in Vergessenheit geratene Techniken zu ziehen (zum Beispiel Btx). In der Vergangenheit wurde jedoch darauf hingewiesen, dass das Internet als "neues kollektives Phänomen" nicht vorschnell einer rechtlichen Regelung zugeführt werden soll. 103 Vielmehr sind zuvorderst die Verhaltensformen der Beteiligten zu beobachten, bevor jene durch eine rechtliche Sanktion beeinflusst werden können. So zustimmungswürdig eine solche Zurückhaltung auch sein mag, sind jedenfalls spätestens dann rechtliche Regelungen angezeigt, wenn sich nicht mehr hinnehmbare Verhaltensweisen derart etabliert haben, dass auf eine weitere Beobachtung in Verbindung mit einer abwartenden Haltung verzichtet werden kann. In Bezug auf unverlangte E-MailWerbung trifft dies uneingeschränkt ZU. 104 b) Telefondienste

Ein erheblicher Wandel hat sich auch im Bereich des herkömmlichen Telefondienstes vollzogen. Grundlage der Telefonie in dem hier verstandenen Sinne, gleichgültig ob Festnetz- , Mobilfunk- oder Internettelefonie, ist die über einen öffentlichen Kommunikationsdienst aufgebaute Verbindung, die eine zwei- oder mehrgleisige Echtzeit-Kommunikation ermöglicht. 105 Maßgebliches Kriterium ist dabei die Kommunikation in Echtzeit. 106 Das Telefon als Mittel zur reinen Sprachkommunikation zu verstehen, erscheint jedoch überholt. Vielmehr sind Grenzen zwischen Telefon- und Internetkommunikation, Sprach- und Schriftkommunikation fließend. Das neue Stichwort heißt "mobiles Internet". Grundlage hierfür werOsthaus, AfP 2001, 13, 16. Fezer, WRP 2001,989, 1022. 102 Vgl. die Zehn Gebote zur Internetnutzung bei Lehmann in: Lehmann (Hrsg.), S. 169, 173 und Poullet in: UNESCO (Hrsg.), S. 147, 160; Hoeren, NJW 1998,2849,2852 betont aber, dass es "die" Netiquette aber gar nicht gibt. 103 Ladeur, ZUM 1997,372,376 m. w. N. 104 Nach einer Studie der Marktforschungsfirma Jupiter Media Metrix wird für Amerika und das Jahr 2006 eine Vervierfachung der Werbe-Mails auf 200 Milliarden Mails pro Jahr prophezeit, vgl. ct, Magazin für Computertechnik, Heft 24/2001, S. 242. 105 Koenig / Röder, CR 2000, 668, 673. 106 Vgl. zur Begriffsdefinition von Sprachte1efondiensten § 3 Nr. 15 Telekommunikationsgesetz (TKG). Wesentliches Kriterium für Telephonie ist hiernach die Echtzeitkomponente. 100

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den sogenannte "MultiMobile"-Handys sein, die die Nutzung der verschiedensten Kommunikationsdienste ermöglichen werden. 107 Schon seit der Einführung der WAP-Technologie lO8 ist es mit einem Mobilfunkgerät möglich, spezielle Internetseiten zu besuchen, die am Display des Mobilfunkgerätes graphisch angezeigt werden. Es ist mittlerweile auch ohne weiteres möglich, einem Nutzer auf sein Mobilfunkgerät eine E-Mail zu senden. Letzteres zeigt in besonderem Maße die Verschmelzung VOn Internet und "herkömmlicher Telekommunikation", schließlich ist der E-Mail-Dienst ein originärer Internetdienst. Umgekehrt ist es möglich, das Internet zur Sprachtelefonie zu nutzen.!09 Unter der Voraussetzung, dass der Angerufene mit dem Internet verbunden ist, ist er somit telefonisch erreichbar wie bei einem traditionellen Telefonanschluss. Hervorzuheben ist in Anbetracht der weiteren Darstellung die SMS-Kommunikation. Mittels dieser Technologie ist es möglich, per Computer, Festnetz- oder Mobiltelefon eine max. 160 Zeichen lange Nachricht zu erstellen und sie an einen Mobilfunk- oder Festnetzteilnehmer zu senden. Diese wird sogleich auf dessen Display angezeigt, falls der Speicher des Telefons hierfür noch Kapazitäten frei hat. Anderenfalls wird die Nachricht erst empfangen, wenn vorhergehende Nachrichten gelöscht werden. Seit der Einführung dieser Technik im Jahr 1998 hat sie einen rasanten Zulauf erfahren. Wurden im Januar 1999 noch allein im DI-Netz der Telekom-Tochter T-Mobil 85 Millionen Nachrichten verschickt, waren es im Dezember desselben Jahres schon 300 Millionen llo Für den netzübergreifenden SMS-Verkehr existieren Untersuchungen, die von 12 bis 14 Milliarden verschickten SMS im Jahr 2000 in Deutschland ausgehen. lI ! Hieran ist zu erkennen, dass die SMS-Kommunikation sich zu einem wichtigen Bestandteil der modemen Individualkommunikation entwickelt hat. Die Einführung der UMTS-Technologie!!2 wird es in besonderem Maße ermöglichen, herkömmliche, nicht auf WAP-Seiten beschränkte Internetinhalte über das Mobiltelefon abzufragen oder mittels Mobiltelefon und/ oder Notebook ortsungebunden Internetdienste in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus ermöglicht diese 107 NJW-CoR, Heft 6/2001, S. 58. Die schon jetzt erhältlichen sog. PDA-Geräte, kleine Pocket-PCs, weIche meist für die geschäftliche Termin- und Adressverwaltung genutzt werden, werden in Zukunft die Funktionen eines Mobilfunkgerätes beinhalten und in der Lage sein herkömmliche Internetseiten abzufragen und per E-Mail zu kommunizieren; vgl. auch HöjlichlRössler, M&K 2001, 437, 440 weIche von "intramedialer Konvergenz" sprechen. 108 Wireless Application Protocol. Die Einführung dieser Technologie war jedoch kein großer Erfolg, da die Kosten relativ hoch sind und die Datenübertragungsgeschwindigkeit sehr niedrig ist (zumeist 9600 bitl s). Hinzu kommt, dass die diesen Dienst unterstützenden Mobilfunkgeräte eine begrenzte grafische Darstellungskapazität haben. 109 Vgl. hierzu Strömer, Online-Recht, S. 41 f. 110 Angaben zitiert nach Krajewski, MMR 2001,86. 111 Vgl. Strömer in: ct, Magazin für Computertechnik, Heft 7/2001, S. 216; weltweit werden derzeit mehr als 20 Mio. SMS-Nachrichten pro Monat versendet, vgl. NJW-CoR, Heft 6/2001, S. 58. 112 Universal Mobile Telekommunication System.

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Technik aufgrund ihrer hohen Bandbreite die Bildtelefonie. Die Datenübertragungskapazitäten steigen um ein Vielfaches mit dem gleichzeitig einhergehenden Vorteil der räumlichen Unabhängigkeit. Schon die seit dem Jahr 2001 eingeführte Technik GPRS 113 , das Vorgängersystem von UMTS mit ähnlichen Leistungsmerkmalen, bindet den Mobilfunknutzer dauerhaft in das Mobilfunknetz ein. Da die Abrechnung nicht mehr nach einem Zeittakt erfolgt, sondern nach der Anzahl der in Paketform übertragenen Daten, ist der Nutzer "immer online", er ist ständig in Kontakt mit dem Netz; zwischen Standby-Phase und aktiver Kommunikationsphase zerfließen die Grenzen zunehmend. Eine permanente Versorgung mit E-Mails und anderer Information im weitesten Sinne ist somit möglich. 114 Was Angaben bezüglich der Verbreitung beziehungsweise Entwicklung der soeben dargestellten Technologien betrifft, herrschen ähnliche Unsicherheiten wie bei Internetstatistiken. Sicherlich ist von einer flächendeckenden Verbreitung der Festnetztelefonie auszugehen. Kaum ein Haushalt wird nicht durch ein herkömmliches Telefon erreichbar sein. Ein dynamisches Wachstum ist in den letzten Jahren bei den Mobiltelefonen eingetreten. So besaßen im Jahr 2000 in den alten Bundesländern 30 Prozent der Haushalte ein Mobiltelefon, in den neuen Bundesländern lag die Quote bei 28,4 Prozent. 115 Dies entspricht den Angaben derjenigen, die für das gleiche Jahr von 46 Millionen Mobilfunknutzern ausgehenY6 Anderen Angaben zufolge lag im September 2001 die mobile Erreichbarkeit der Bundesbürger bereits bei etwa 60 Prozent. ll7 Für das Jahr 2010 wird in Deutschland mit mindestens 35 Millionen UMTS-Nutzern gerechnet. 118 c) Zusammenfassung

Die soeben erfolgte Darstellung der technischen Grundlagen moderner Telekommunikation hat gezeigt, dass es auf verschiedenste Weisen möglich ist, mit dem einzelnen Nutzer Kontakt aufzunehmen und ihm Informationen zu vermitteln. Neben der klassischen Festnetztelefonie haben sich weitere Technologien entwickelt, wobei ein Ende der Entwicklung nicht abzusehen ist. Ziel bezüglich der Zusammenführung der einzelnen Netze ist die vollständige Abstraktion vom zu113 General Packet Radio Service. Neuer Mobilfunk-Übertragungsstandard, der Daten zum Versand in einzelne Pakete unterteilt, die dann beim Empfänger wieder zusammengesetzt werde. Auf diese Weise werden die vorhandenen Ressourcen im Funknetz effizienter ausgenutzt, vgl. Connect, Magazin für Telekommunikation, Heft 3/2001 vom 25. 1. 2001, S. 19,24. 114 Der Spiegel Nr. 12 v. 19.3.2001, S. 134. 115 Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung v. 25. 9. 2000; mittlerweile liegt die Haushaltsabdeckung bei 105,6 Prozent (Stand 27.5.2003). 116 HöjlichlRössler, M&K 2001, 437, 438. 117 SZ Nr. 218 v. 21. 9. 2001, S. 16; vgl. auch Die Woche v. 30. 11. 2001, S. 25: 62 Mio prognostizierte Mobilfunkteilnehmer im Jahr 2001. 118 Angaben in SZ Nr. 5 v. 9. 3. 2001, S. 24 - "Spitzenreiter Deutschland".

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grundeliegenden physischen Netz. In einem einzigen logischen Netz werden technik- und anbieterunabhängige beliebige Endgeräte bedient und die gesamte Menge an zur Verfügung stehenden Diensten angeboten. 1I9 Die Kommunikation per E-Mail nimmt dabei eine zentrale Stellung ein. Des Weiteren ist eine Tendenz dahingehend erkennbar, dass der Einzelne als zunehmend "vernetztes Wesen" erscheint, falls er sich die neuen Technologien zu Nutze macht. Dass Letzteres der Fall sein wird, ist ungeachtet der Ungenauigkeit der oben erwähnten Zahlen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass bisher jede neue Telekommunikationstechnik in der Vergangenheit eine exponentielle Verbreitung und Akzeptanz erfahren hat. Es besteht insbesondere durch die Erhöhung der Bandbreiten die Möglichkeit, dem einzelnen Nutzer immer mehr Information in einer Zeiteinheit zu übermitteln. Schließlich ist festzustellen, dass bei der elektronischen Post, aber auch bei der Mobilfunktechnologie der Nutzer nur eingeschränkt darauf Einfluss hat, ob ein Dritter mit ihm in Kontakt treten will. 2. Einordnung neuer Kommunikationsmethoden in die Medienstruktur Eine sichere Zuordnung der soeben dargestellten Spielarten von möglicher Kommunikation, insbesondere der Online-Kommunikation in traditionelle Massen- und Individualkommunikation bereitet zunehmend Schwierigkeiten. Diese Problematik wird unter dem Topos der Medienkonvergenz diskutiert und betrifft die Untersuchung in der Weise, als die persönlichkeitsrechtliche Relevanz um so höher ist, je mehr individualkommunikative Elemente die einzelne Kommunikation aufweist. a) Massenkommunikation

Der Begriff der Massenkommunikation lässt sich am Besten mit jener Form der Kommunikation beschreiben, bei der eine Aussage an unbegrenzte und personell nicht definierte Empfanger durch ein Medium einseitig vermittelt wird. 120 Im Zeitpunkt der Veröffentlichung ist es dem dafür Verantwortlichen gleichgültig, welche konkrete Einzelperson dann als Rezipient jener Information fungieren soll. Sie richtet sich also an eine unbestimmte Öffentlichkeit l2l , eine Orientierung an ZielPrognose laut Enquete-Kommission, Bt-Ds 13/11004, Punkt 3.1. Maletzke, Psychologie der Massenkommunikation, S. 32, der der Kommunikationswissenschaft im Jahr 1963 eine grundlegende und weit akzeptierte Definition dieses Begriffes lieferte. Wohl zu undifferenziert von Binden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 10, Fn. 26 m. w. N. 121 Jaeger, NJW 1995,3273,3275; Ricker, NJW 1997,3199,3200; Scherer, NJW 1983, 1832, 1835 hält diese "Allgemeinheit" für das einzig brauchbare Abgrenzungskriterium (in Bezug auf Btx). 119

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gruppen ist dabei unerheblich. Zu nennen sind hier zum Beispiel herkömmlicher Rundfunk und Printmedien, die auch das Merkmal der Einseitigkeit aufweisen, da der Informationsfluss nur in eine Richtung erfolgt. Neben dem Entschluss, ob man rezipieren will, hat man keine Möglichkeit, die dargebotenen Inhalte zu beeinflussen. Als Medium wird hierbei das nicht auf eine bestimmte technische Form begrenzte Mittel zur Weitergabe und Verbreitung von Information verstanden.

b) Individualkommunikation Individualkommunikation dagegen ist gekennzeichnet von einer konkreten Adressierung des gewählten Empfangers. Hinzu kommt die Möglichkeit des Rollenwechsels, der über das Merkmal der Interaktivität hinausgeht. 122 Letzteres wird für den Fall verwandt, dass der Rezipient eine gewisse Beeinflussungsmöglichkeit hat, was den an ihn gerichteten Daten- und Informationsfluss betrifft. Der Empfanger muss im Rahmen des eben genannten Rollenwechsels vielmehr die Möglichkeit haben, in dieselbe kommunikative Stellung einzutreten wie sein Kommunikationspartner. 123 Von Individualkommunikation kann somit nur dann gesprochen werden, wenn auf eine kommunikative Äußerung auf demselben Weg eine Antwort erfolgen kann, auf die schließlich wieder in der sei ben Art und Weise reagiert werden kann. Dies entspricht der Ansicht, die auf die Notwendigkeit eines doppelten Rollenwechsels hinweist. 124 Dass vorliegend nur Individualkommunikationsmedien interessieren und nicht der einzelne Kommunikationsakt, führt zu einer weiteren Einschränkung. Insofern kann der Hinweis 125 auf Telebanking und dessen individualkommunikativen Charakter unbeachtet bleiben, da Telebanking regelmäßig mittels des WWW-Dienstes geschieht. Dieser ist aber gerade kein Dienst der Individualkommunikation, da zwar ein individueller Austausch zwischen zwei konkret adressierbaren Rechnersystemen stattfindet, es jedoch an einer interpersonellen Kommunikation mit Rollenwechsel mangelt.

c) Problemdarstellung anhand der E-Mail-Werbung Als ein Beispiel für diese schwierige Grenzziehung ist das massenhafte Versenden von elektronischer Post zu Werbezwecken zu nennen. Zwar ist auch bei millio122 GounalakislRhode, eR 1998, 487, 489; Ricker, NJW 1997, 3199, 3202 geht davon aus, dass allein die Interaktivität das Internet zu einem Individualmedium macht. 123 Kuch, ZUM 1997,225,226 f.; JarrenlDonges in: Fünfgeld/Mast (Hrsg.), S. 237; kritisch Determann, Komrnunikationsfreiheit, S. 109; er fasst aber den Rollenwechsel sehr weit auf, da auch dieser vorhanden sein soll, wenn auf einen FOfmulareintrag in einer WWW-Seite mit E-Mail geantwortet wird. Es ist aber hier gerade nicht das selbe Medium für die "Antwort" gewählt. 124 GounalakislRhode, eR 1998,487,489. 125 GounalakislRhode, eR 1998,487,489.

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nenfach versandten Werbebotschaften jeder Empfänger immer noch individuell adressiert, da eine Eingabe der E-Mail-Adresse in das entsprechende Computerprogramm unabdingbar ist. Insoweit spricht vieles für Individualkommunikation, da auch eine Antwort des Umworbenen theoretisch auf dem selben Wege möglich ist. Ohne an dieser Stelle nochmals auf die Technik der E-Mail-Übertragung einzugehen, sei jedoch auf ein Phänomen in der Praxis hingewiesen: Die Versender solcher zu meist massenhaft versandter elektronischer Post bedienen sich zum Teil Computerprogrammen, mit deren Hilfe es möglich ist, die eigentlichen Herkunftsadresse der Werbepost zu verschleiern beziehungsweise zu fälschen.!26 Faktisch ist dann eine Antwort auf diesem Wege nicht mehr möglich, womit man auch nicht mehr von einem Rollenwechsel sprechen kann. Schon dieses Beispiel zeigt die Problematik der Einteilung.!27 Überdies besorgen auch oft Softwareanwendungen (sogenannte Robots) die Auswahl von E-Mail-Adressen, in dem sie das Internet danach gezielt absuchen und diese sammeln.!28 Dem Werbenden kommt es dann nur darauf an, so viele Adressen wie möglich zur Verfügung zu haben. Der entsprechende Eintrag in die Empfangerzeile findet dann ebenfalls automatisch statt.!29 Die Vielzahl der ausgewählten Adressaten stellen quasi eine "Allgemeinheit" dar. Es fällt schwer, hier noch von individueller, interpersoneller Kommunikation zu sprechen, obwohl sich dem Grunde nach die Kommunikation per E-Mail als ein Individual-Kommunikationsmittel darstellt und hinsichtlich des Rollenwechseis mit der Telefonie vergleichbar ist. l3O Man kann bei Massen-Mailings somit von "individueller Massenkommunikation" sprechen.!3! Stimmen in der Literatur zufolge, soll die Einteilung in einem solchen Fall nach der Anzahl der Publikationsentscheidungen erfolgen. Um Massenkommunikation handelt es sich dann, wenn dieselben Inhalte aufgrund einer einzigen Publikationsentscheidung verbreitet werden, während mehrere Akte der Individualkommunikation vorliegen, wenn die Versendung auf separaten Beschlüssen beruht. l32 Dem muss nicht widersprochen werden. Denn einzig und allein entscheidend für die hier vorliegende Untersuchung ist, ob das zugrunde liegende Medium unabhängig von der Kommunikation im Einzelfall als Individualkommunikationsmedium einzuordnen ist. Der ein126 Bleisteiner, Verantwortlichkeit im Internet, S. 30; von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 12; vgl. auch Beispiel bei Keim in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 24. 127 Genau diese Problematik erkannte auch die Kommission in ihrer Stellungnahme zu den Abänderungen des Europaparlaments am Gemeinsamen Standpunkt des Rates v. 7. 2. 1996, KOM (96) 36 endg. hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens der Fernabsatzrichtlinie. 128 Vgl. Reichelsdoifer, eR 1998, 171, 173, der damals noch als Argument gegen ein Sittenwidrigkeitsurteil annahm, dass es für ein Werbeunternehmen ungleich schwieriger sei, eine E-Mail Adresse zu erlangen als eine Briefadresse. Dies wird heute sicherlich nicht mehr haltbar sein. 129 Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 110. 130 Statt vieler vgl. Gößmann, MMR 1998, 88, 92. 131 So Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 18. 132 Von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 196.

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zeIne Missbrauch zu massenkommunikativen Zwecken kann aber bei der rechtlichen Würdigung der Handlung des Kommunikators wieder Beachtung finden. Es hat sich gezeigt, dass eine klare Einteilung neuerer Kommunikationsformen in Massen- und Individualmedien nur noch eingeschränkt möglich ist. Bleibt man bei der soeben erwähnten Telefonie, die grundsätzlich der Individualkommunikation zugerechnet wird, findet sich sogleich eine Einschränkung bei der SMS-Kommunikation. Zwar ist dort eine Rückantwort auf dem gleichen Wege möglich, dies jedoch nur dann, wenn die Nachricht nicht über einen SMS-Dienst im World Wide Web l33 versendet wurde. Die rechtliche Würdigung eines Kommunikationsaktes auf Basis der kommunikationswissenschaftlichen Einteilung in Massen- und Individualkommunikation erweist sich somit hinsichtlich neuer teletechnischer Kommunikationsformen als schwierig, da zu undifferenziert und praxisfremd. 134 d) Funktionalität als Abgrenzungskriterium Möglicher Ausgangspunkt wäre das Abstellen auf die technische Qualifizierung der Systeme, die der Informationsübertragung zugrunde liegen, wie beispielsweise Telefon oder Internet. \35 Problematisch dabei ist jedoch, dass diese Übertragungssysteme aufgrund ihrer infrastrukturellen Vernetzung zunehmend derart ineinander übergehen beziehungsweise verschwimmen, dass eine strikte Trennung nach den Zeichensorten Bild, Sprache und Schrift nicht mehr ohne weiteres möglich ist. Praktikabler ist eine Definition des Telekommunikationsmediums nach der Funktionalität für die Kommunikationspartner. Nicht mehr die Qualität des technischen Vermiulungssystems, sondern die Art und Weise des Gebrauchs sollten begriffsbestimmend sein. 136 Der einzelne Kommunikationsmodus bestimmt das Medium. Dies hat konsequenterweise zur Folge, dass "das Internet" nicht als das Medium zu bezeichnen ist, sondern der einzelne Internetdienst (zum Beispiel WWW oder E_Mail).137 Das Internet ist vielmehr ein Kommunikationsraum, der viele einzelne Medien integriert. 138 Insofern entstehen Unklarheiten, wenn man von "Werbung im Internet" spricht. Durch diese Einteilung lassen sich auch die einzelnen Dienste als Medien neben die traditionellen Medien stellen, da sie genau wie Letztere in ihrer Funktionalität konkret eingrenzbar sind. Bezeichnet man das Internet als "Multimedium", so verdeutlicht dies die Vielzahl von Möglichkeiten des Informa\33

Z. B. statt vieler: www.free-sms.de.

134 Gounalakis, NJW 1997,2993,2994. 135 So etwa Weichert, NJW 2001,1463,1464, der das Internet als Massenmedium bezeich-

net, ohne näher auf dessen Funktionalität im Einzelnen abzustellen. 136 So auch Rössler in: Rössler (Hrsg.), S. 19; Scherer, NJW 1983, 1836; Enquete Kommission, Bt-Ds 13/11004, Kap. 2.1. 137 Vgl. aber von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 5, der eine solche Differenzierung außer Acht lässt; ebenso Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S. 277. 138 Ladeur, ZUM 1997,372,374 spricht von einem "Multimedia-Verbund". 4 Rothley

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tionsaustausches basierend auf den unterschiedlichen Diensten, verschleiert aber gleichzeitig die Tatsache, dass das Internet an sich eben kein Medium ist. Entsprechendes gilt auch für Telefondienste. Das Medium ist auch hier definiert durch den Verwendungszusammenhang. Auch Internettelefonie ist somit wie der E-MailDienst eine Internet gestützte Individualkommunikation. Man kann also an dieser Stelle festhalten, dass eine konkrete Einteilung in Individual- und Massenmedien im Rahmen des bisherigen Verständnisses nicht mehr ohne weiteres möglich ist. Jede Telekommunikationstechnik kann sowohl individual- als auch massenkommunikative Elemente enthalten. Für die rechtliche Würdigung unverlangter kommerzieller Kommunikation bedeutet dies, dass differenziert werden muss, über welchen Dienst die Kommunikation mit dem Umworbenen aufgenommen wird. Unerheblich dabei ist aber, welche zugrundeliegenden Infrastrukturen in Form von Leitungen, Netzen und Sendewegen dabei genutzt werden, da eine Trennung hiernach durch zunehmende Überschneidung nicht mehr praxistauglich ist. Innerhalb dieser Einteilung haben insbesondere die individualkommunikativen Dienste in der Vergangenheit eine erhebliche Verbreitung und großen Zuspruch in der Informationsgesellschaft gefunden, was letztlich Ausdruck für den hohen Stellenwert der Individualkommunikation ist. e) Das Element der Interaktivität Eine weitere Änderung in der Kommunikationsstruktur ist die Tatsache, dass das Element der Interaktivität ein erhebliches Gewicht bekommt. Dies bedeutet, dass der Rezipient aus seiner passiven Rolle, die er zum Beispiel bei Rundfunk und Printmedien hat, zunehmend herauskommt und eine aktive Stellung einnimmt. Dieser aktiven Stellung entspricht ein passives Informationsangebot, dass selbst nachgefragt wird und abhängig vom Nachfrager zur Verfügung gestellt wird. 139 In der Vergangenheit war der einzelne Informationsempfanger meist darauf beschränkt von Dritten vorbereitete Inhalte zu "konsumieren". Außer dem "ob" der Konsumentscheidung blieb ihm wenig Entscheidungsfreiheit bezüglich der Zusammenstellung des Inhalts. 140 Schon mit Blick auf die Massenkommunikation wurde betont, dass der Rezipient trotz seiner Stellung als passiver Empfänger seine Stellung als aktives Wesen im Kommunikationsprozess nicht verlieren darf. 141 Dies gilt einmal für die aktive Rolle beim Erleben, Wahrnehmen und Interpretieren und für das Ver139 Hecker, Informationsüberflutung, S. 21 unterscheidet zwischen aktiven und passiven Informationsangebot. 140 Dem entsprechende Parallelen sind in der Medienwirkungsforschung zu erkennen. Während früher der Rezipient als ein vollkommen passives Wesen aufgefasst wurde, tendiert man neuerdings zu einer rezipientenorientierten Sichtweise, welche auf den aktiven Rezipienten und dessen Interaktionismus und rational-zielorientierten Umgang mit Medien abstellt., vgl. Bommert/Weich/ Dirksmeier, Rezipientenpersönlichkeit und Medienwirkung, S. 12. 141 Schenk in: Fünfgeld I Mast (Hrsg.), S. 155.

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halten und Reagieren auf das Rezipierte. 142 Darüber hinaus muss ihm aber auch die Auswahl dessen, was er rezipieren will, weitestgehend erhalten bleiben. Im Sinne einer Informationsgesellschaft ist gerade die Steigerung der Aktivität des Einzelnen. Er soll die Möglichkeit haben, gezielt die Informationen abzurufen beziehungsweise zu erhalten, die er benötigt. Er gibt den Anstoß, wann er Information erhält und welche Information ihm aus einem passiven Informationsangebot zukommen sollen, und entflieht so auf eine gewisse Art den "Fesseln fremdbestimmter Kommunikation".143 Diesen Grundsätzen widerspricht jede Form der push-Kommunikation, die keine Rücksicht auf die Belange und Wünsche des Einzelnen nimmt. l44 Nun hat der "Informationskonsument" nicht nur durch Medien wie das World Wide Web,145 das grundsätzlich auf dem Abrufprinzip basiert und weniger individual-kommunikative Elemente aufweist, die Möglichkeit, eine selbstbestimmte Kommunikation zu pflegen. Auch im Rahmen des E-Mail-Dienstes wird zunehmend die Möglichkeit genutzt, sich auf Mailing-Listen zu setzen oder Newsletter zu abonnieren und dadurch in regelmäßigen Abständen ein an eine Vielzahl von Teilnehmern adressiertes elektronisches Rundschreiben zu einem gewissen Themenkomplex zu erhalten. Auf den Inhalt eines Newsletter 146 haben dabei die beteiligten eingetragenen Adressaten keinen Einfluss, sie können ihn nur abonnieren oder nicht. Bei Mailing-Listen hat der Einzelne zusätzlich die Möglichkeit selber eine Nachricht zu verfassen, die dann alle eingetragenen Rezipienten erhalten. Er schickt dann seine E-Mail an einen sogenannten List-Server, der diese Nachricht verteilt. Somit ist auch bei dem individual-kommunikativen E-MailDienst erkennbar, dass dieser zunehmend dafür eingesetzt wird, Informationen bewusst und nachfragegesteuert zu abonnieren. Eine vergleichbare Situation herrscht bei der SMS-Kommunikation. Auch hier ist es dem Mobilfunkteilnehmer möglich, einzelne Informationen wie zum Beispiel Börsenkurse, Sportergebnisse oder Nachrichten zu abonnieren. Ähnliche Entwicklungen werden sich bei UMTS einstellen. Damit wird die Tendenz bestätigt, dass der einzelne Rezipient zunehmend einen aktiven Part in der Kommunikationsstruktur erhält, worauf die Techniken entsprechend ausgerichtet sind. Er muss nicht mehr nur darauf vertrauen, welche Inhalte Dritte für ihn zusammenstellen. Ihn mit unverlangter Information und speziell mit unverlangter kommerzieller Kommunikation zu konfrontieren, läuft dieser Tendenz zuwider. 142 Schenk in: Fünfgeld/Mast (Hrsg.), S. 157.

Bergsdoljin: Rutz (Hrsg.), S. 26l. So auch Leupold/ Bräutigam/ Pfeiffer, WRP 2000, 575, 578; sie sehen die Kemeigenschaften des Intemets in seiner Interaktivität, Integration, Individualisierung und der Unmittelbarkeit. 145 Rössler in: Rössler (Hrsg.), S. 28 betont hierbei das "Modell der beiläufigen Informationssuche". Dabei liegt die Betonung jedoch auf "Suche", also einem aktiven Vorgehen des Nutzers. 146 Z. B. Newsletter der EU-Kommission unter www.eu-kommission.de/html / 12_presse / index.asp. 143

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IV. Zusammenfassung Die soziale Kommunikation basiert zunehmend auf der Benutzung sogenannter neuer Medien. Dabei spielt die Übermittlung von Informationen gleich welcher Art eine immer größere Rolle. Es bleibt weiterhin festzuhalten, dass ein grundsätzlicher Wandel der Kommunikationsstrukturen stattfindet. Hiernach hat es der einzelne Rezipient als aktives Wesen zunehmend in der Hand, festzulegen, welche Informationen ihn erreichen sollen. Der Nutzen, den die verschiedenen Kommunikationstechnologien bieten, darf durch die Versendung von unverlangter Information nicht geschmälert werden. Unter diesen veränderten Gegebenheiten müssen rechtliche Bestimmungen betrachtet werden, die den Kommunikationsfluss regeln.

B. Unverlangte kommerzielle Kommunikation Nach dieser grundlegenden Darstellung wesentlicher Elemente und Strukturen der Informationsgesellschaft soll im Folgenden speziell die unverlangte kommerzielle Kommunikation beleuchtet werden. Gegenstand der Untersuchung ist nicht jede bewusste wie unbewusste Äußerung oder Einwirkung in Form von Information im Hinblick auf den Rezipienten. Augenmerk soll auf die kommerzielle Kommunikation und speziell dort auf Direktmarketingmethoden gerichtet werden. Diese Begriffe werden im Folgenden näher erläutert.

I. Der Begriff der kommerziellen Kommunikation 1. Definition nach der E-Commerce-Richtlinie Die Begriffsdefinition für kommerzielle Kommunikation ergibt sich aus Art. 2 lit. f der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG). Unter kommerzieller Kommunikation sind hiernach zu verstehen: "alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbildes eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt. " Angaben, die direkten Zugang zur Tatigkeit des Unternehmens beziehungsweise der Organisation oder Person ermöglichen, wie insbesondere ein Domain-Name oder eine Adresse der elektronischen Post und Angaben in Bezug auf Waren und Dienstleitungen oder das Erscheinungsbild eines Unternehmens, einer Organisation oder Person, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden, stellen aber nach dem Wortlaut des Art. 2 lit. f der E-Commerce-

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Richtlinie keinen Fall der kommerziellen Kommunikation dar. Unter Letzteres fallen beispielsweise reine Hypertextverknüpfungen einer Internetseite auf eine andere Firmenseite mit kommerzieller Kommunikation, sofern diese nicht auf einer speziellen Absprache beruht. 147 Eine fast wortgleiche Definition von kommerzieller Kommunikation findet sich nunmehr in § 3 Nr. 5 des Teledienstegesetzes (TDG)148, welches durch das Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) im Zuge der Richtlinienumsetzung geändert wurde. 149

2. Grünbuch über kommerzielle Kommunikation und sein Folgedokument

Ein erstes Mal war der Begriff der kommerziellen Kommunikation 1996 im Grünbuch der EU-Kommission über die "Kommerziellen Kommunikationen" zu finden und enthielt eine ähnliche, am Ausdruck des "Dienens der Absatzförderung" orientierte objektive Begriffsdefinition. 15o Angelehnt ist der Begriff an den englischsprachigen Ausdruck der "commercial communication", der der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entstammt. 151 Dem Grünbuch schloss sich 1998 schließlich ein Folgedokument 152 an, das den Begriff der kommerziellen Kommunikation vermehrt in den Mittelpunkt rückte. Dort war kommerzielle Kommunikation definiert als "sämtliche Formen der Kommunikation, die auf die Förderung des Absatzes von Produkten und Dienstleistungen beziehungsweise des Images eines Unternehmens oder einer Organisation gegenüber dem Endverbrauchern und / oder Vertriebsuntemehmen abzielen." Das hier eingeführte subjektive Element des "Abzie1ens" konnte sich in der nunmehr geltenden Definition durch die E-Commerce-Richtlinie nicht behaupten. Von der kommerziellen Kommunikation erfasst waren aber auch hiernach insbesondere alle Formen der Werbung, des Direktmarketings, des Sponsorings, der Verkaufsförderung und der Öffentlichkeitsarbeit. 153

147 Bodewig, GRUR Int. 2000, 475, 476 mit Verweis auf die Erläuterung zum Richtlinienvorschlag. 148 Vgl. luKDG v. 22. 7.1997, BGBI. I S. 1870. 149 Gesetz v. 14. 12.2001, BGBI. I S. 3721; ausführliche Begründung in Bs-Ds 14/6098 v. 17.5.2001, vgl. näher S. 118 ff. 150 Vom 8. 5. 1996, KOM (1996) 192 endg.; vgl. hierzu Henning-Bodewig, GRUR Int. 1997,515 ff.; Nacken, WRP 1997,929. 151 Vgl. Bodewig, GRUR Int. 2000, 475, 476. 152 Vom 4. 3. 1998, KOM (1998) 121 endg.; vgl. hierzu Henning-Bodewig, GRUR Int. 1999, 233 ff. 153 Henning-Bodewig, GRUR Int. 1999,233,235.

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3. Weites und umfassendes Begriffsverständnis Da dies auch für die nunmehr bestehende Definition im Rahmen der E-Commerce-Richtlinie gilt, hat man es mit einem sehr weiten Begriff zu tun, der die unterschiedlichsten Marketingmethoden erfasst. Zu nennen sind neben den soeben erwähnten kommerziellen Kommunikationen Zugaben, Rabatte, Gewinnspiele, Preisausschreiben und Geschenke. 154 Bodewig weist in diesem Zusammenhang auf die Kongruenz mit dem aus § I UWG bekannten Merkmal des "Handeln im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs" hin. 155 Hierunter wird nach h.M. ein Verhalten verstanden, das äußerlich geeignet ist, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen Person innerhalb eines beliebigen Geschäftszweckes zu fördern. 156 Nicht um kommerzielle Kommunikation handelt es sich aber bei Umfragen im allgemeinen Interesse, wie dies bei der Vorbereitung von behördlichen oder gesetzgeberischen HandeIns der Fall sein kann. Hier fehlt das Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs. Wegen des weiten Begriffsverständnisses unterfallen aber Umfragen von Marktforschungsunternehmen in den meisten Fällen dem Begriff der kommerziellen Kommunikation. Ein Handeln zu Wettbewerbszwecken ist auch hier vorhanden, da das Marktforschungsunternehmen einerseits den Wettbewerb seiner Auftraggeber fördert und anderseits auch zu Zwecken des eigenen Wettbewerbs in Bezug auf seine Konkurrenten hande1t. 157 Dies gilt jedoch nicht für die wissenschaftlich orientierte Markt- und Sozialforschung, da zu restriktive Kriterien diese unzumutbar behindern würde. Entscheidend ist somit die Differenzierung hinsichtlich der Zielsetzung der einzelnen Datenerhebung, der der Gedanke zugrunde liegt, dass Handeln in Wettbewerbsabsicht und wissenschaftliche Arbeit sich gegenseitig ausschließen. ISS Anders gewendet bedeutet dies, dass derjenige, der personenbezogene Daten gezielt für Absatz- beziehungsweise Direktmarketingzwecke erhebt, dann kein wissenschaftliches Erkenntnisinteresse hat und somit nicht forscht. 159 Die Tatsachen der Entlohnung durch den Auftraggeber bedeutet aber bei wissenschaftlicher Zielsetzung noch nicht zugleich das Vorliegen einer kommerziellen Kommunikation. Für Handeln in Wettbewerbsabsicht spricht, wenn das Umfrageunternehmen am Ergebnis der Befragung kein eigenes wirtschaftliches Interesse hat. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn es darum geht, selbst etwas zu verkaufen oder Dritten diese Möglichkeit eröffnet wird. 16o Ebenfalls ein Indiz für kommerzielle Kommunikation ist die nicht repräsentative Auswahl der ausgewählten 154 155

156 157 158 159 160

Vg!. Art 61it. c und d E-Commerce-Richtlinie. Bodewig, GRUR Int. 2000,475,476; vg!. auch Bt-Ds 14/6098, S. 16. Statt vieler Baumbachl Hefennehl, UWG Ein!. Rn. 208, 215 m. w. N. Vgl. Gutachten 1/96 des Gutachterausschusses für Wettbewerbsfragen, WRP 1997,298. Vg!. Schäfer-Newiger, WRP 2001, 782, 788 m. w. N. Vgl. auch Schrickerl Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1386. Schäfer-Newiger, WRP 2001, 782, 788.

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Adressaten. Wissenschaftliches Arbeiten ist aber dann zu bejahen, wenn bestimmte methodische Anforderungen eingehalten werden und es sich um repräsentative Daten handelt. Schließlich soll an dieser Stelle noch der Frage nachgegangen werden, ob das (telefonische oder anderweitige) Abwerben von Beschäftigten ebenfalls als kommerzielle Kommunikation verstanden werden kann. Orientiert man sich hierbei nur am Merkmal des HandeIns im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, muss dies im Regelfall bejaht werden, gleichgültig ob der unmittelbar abwerbende Kommunikator der potentielle neue Arbeitgeber ist oder ein von diesem beauftragter Headhunter. 161 Nach ganz h.M. ist die Fallgruppe "Ausspannen von Beschäftigten" als Fallgruppe im Rahmen des kasuistisch geprägten § 1 UWG anerkannt. 162 Voraussetzung hierfür ist aber immer ein Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken. Unabhängig von der Frage nach der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit 163 eines solchen Verhaltens, müsste man das Vorliegen einer kommerziellen Kommunikation bejahen. Blickt man jedoch näher auf den Begriff der kommerziellen Kommunikation unter zu Hilfenahme der Ausführungen im Grünbuch der Kommission aus dem Jahr 1996 und der Stellungnahmen im Schrifttum 164, so ergibt sich, dass das Abwerben von Beschäftigten in den meisten Fällen keine kommerzielle Kommunikation darstellt. Zentraler Punkt von kommerzieller Kommunikation ist Marketing und Werbung in einem weitesten Sinne. Werden im Grünbuch spezielle Formen kommerzieller Kommunikation angesprochen, so wird hierbei ausdrücklich Bezug genommen auf irreführende Werbung, preisbezogene Werbung, aufdringliche Werbung (Telefon- / Briefwerbung, Werbegeschenke / verkaufsfördernde Angebote und Preisausschreiben), allgemeine medienbezogene und "carrier"-Beschränkungen, allgemeine Sponsoring-Beschränkungen und schließlich produktbezogene Beschränkungen hinsichtlich der verschiedensten Produktkategorien wie beispielsweise Tabakwaren oder Alkoholika. 165 Es geht somit um die klassischen Formen der Verkaufsförderung, um Marketingmaßnahmen. Deren einheitliche Regelung, insbesondere im Hinblick auf sogenanntes Multi-State-Marketing lag dem Grünbuch und den diesbezüglichen Regelungen in der E-Commerce-Richtlinie zugrunde. Nicht Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, sondern selbige in Bezug auf die Waren- und Dienstleistungsfreiheit sollten weitestgehend vermieden werden. In diesem Kontext ist dann immer der Begriff der kommerziellen Kommunikation zu begreifen. Kommuniziert nun ein Arbeitgeber mit einem umworbenen Mitarbeiter, so hat der Arbeitgeber primär nicht den AbTrube, WRP 2001,97,98 f. BaumbachlHefennehl, § 1 UWG Rn. 583. 163 Vgl. hierzu umfassend Trube, WRP 2001, 97 ff. 164 Grünbuch v. 8. 5. 1996, KOM (1996) 192 endg.; Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 23 ff. 165 Vgl. Grünbuch, Teil III, S. 23 ff. 161

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satz seiner Produkte vor Augen, sondern wirbt umgekehrt um die Arbeitskraft des potentiellen Mitarbeiters. Es handelt sich hierbei um eine nicht vergleichbare Interessenlage. Freilich lässt sich dagegen anführen, die Mitarbeiter eines Betriebes dienen zumindest mittelbar der Absatzförderung der angebotenen Produkte. Dies würde jedoch zum einen verkennen, dass nicht jede betriebliche Handlung als Marketingmaßnahme begriffen werden kann. Dies zeigt sich schon daran, dass in der Regel nicht die Marketingabteilung für Personalfragen zuständig ist, sondern eigens hierfür eingerichtete Stellen. Hinzu kommt der wesentliche Unterschied, dass der Einzelne nicht als Verbraucher oder als abnehmende Stelle angesprochen wird, sondern als Arbeitnehmer im weitesten und untechnischen Sinne. Insoweit deckt sich der Begriff der kommerziellen Kommunikation nicht mit den oben genannten Voraussetzung des § I UWG, was das Regel- / Ausnahmeverhältnis unterstreicht. 166 Eine Ausnahme stellt jedoch der Fall dar, dass eine Personalvermittlungsagentur an einen Arbeitgeber herantritt und diesem seine Dienste anbietet. In diesem Fall handelt es sich zweifellos um eine auf den Absatz einer Dienstleistung gerichteten Kommunikation. 167

4. Die Stellung der Wirtschaftswerbung innerhalb der kommerziellen Kommunikation a) Begriff der Wirtschaftswerbung

Für die hier vorliegende Untersuchung von besonderer Bedeutung ist die klassische Wirtschaftswerbung und dort insbesondere das Direktmarketing. Grund hierfür ist vor allem die Tatsache, dass die klassische Wirtschaftswerbung der mit Abstand wichtigste Teilbereich der kommerziellen Kommunikation iSt. 168 Art. 2 Nr. I der Richtlinie über irreführende Werbung 169 definiert Werbung als jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbe, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern. Demgegenüber versteht der BGH unter Werbung ein Verhalten, das darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistung desjenigen in Anspruch zu nehmen, für den geworben wird. 170

Vgl. Bodewig, GRUR Int. 2000,475,476. Vgl. OLG Düsse1dorf v. 12.6. 1997, WRP 1997, 853 ff. - Telefonwerbung eines Arbeitnehmerverleihers gegenüber Gewerbetreibenden. 168 Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 23. 169 RL 84/450/EWG v. 10.9. 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über irreführenden Werbung, AbI. EG Nr. L 250 v. 19.9. 1984, S.17ff. 170 BGH v. 15.3.2001, NJW 2001, 2886 m. w. N. 166 167

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Davon ausgenommen bleibt aber die nicht zum Erwerbsleben gehörende institutionelle, politische, sozialpolitische und weltanschauliche Werbung. 171 Ein Absatz von Waren oder Dienstleistungen steht hier nicht im Vordergrund. Das wirtschaftliche Gewinnstreben tendiert zumeist gegen Null. Es fehlt hier an einem Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs. An diesem Punkt ist der eben erwähnte Werbebegriff mit der Definition von kommerzieller Kommunikation deckungsgleich und ausnahmsweise von einem restriktiven Verständnis geprägt. Insofern ist nicht das weitgehende Verständnis von Werbung des BGH zugrunde zu legen, wenn von selbiger hier die Rede ist. Ausgangspunkt für die hier vorliegende Untersuchung ist immer die Definition von kommerzieller Kommunikation, wie sie ihren Niederschlag in der E-Commerce-Richtlinie gefunden hat. Die Werbung von Verbänden oder Organisationen, beispielweise für neue Mitglieder in der Hoffnung der Einnahmensicherung durch entsprechende Beiträge, oder die Werbung der politischen Parteien ist zudem schon mangels Unerheblichkeit für die Praxis hier aus der Untersuchung auszuklammern. 172 Die Problematik der unverlangten Zu sendung von Werbung mittels elektronischer Medien, speziell per Telefon, Fax oder E-Mail stellt sich hier nicht, da sich die entsprechenden Organisationen in der Regel schon aus Imagegründen nicht auf diese in der Bevölkerung unbeliebten und aggressiv anmutenden Werbemethoden einlassen werden. Die in der Praxis beklagten Sendungen unverlangter kommerzieller Kommunikation beziehen sich hauptsächlich auf den Bereich der reinen Wirtschafts werbung. b) Gleicher Stellenwert von infonnativer und suggestiver Werbung Dabei kommt es auf eine Unterscheidung zwischen informativer Werbung und suggestiver Werbung nicht an. Während Erstere zum Ziel hat, Markttransparenz zu schaffen und eine rationale Kaufentscheidung vorzubereiten, ist suggestive Werbung auf die Schaffung einer verzerrten Markttransparenz (Marktintransparenz) und die Manipulation des Käufers gerichtet. 173 Die Arbeit beschäftigt sich jedoch nicht mit leistungsrechtlichen Fragen. Es geht vielmehr gerade nicht um den Inhalt der Werbung, sondern um die Zulässigkeit der werblichen Kommunikation in bestimmten Medien. Festzustellen bleibt also, dass eine schlichte, rein informative Werbesendung beispielsweise per E-Mail nicht weniger Gewicht bei ihrer rechtlichen Beurteilung zukommen soll, als die mit Suggestivkraft unterlagerte Werbemail. Ausgeschlossen von dieser Beurteilung sind nur solche Produktinformationen, die gar keine Werbung sind. Hier handelt es sich dann nicht um kommerzielle Kommunikation. Zu nennen sind hier vor allem Informationen, die der objektiven 171 Schricker in: Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, S. 9; vgl. Beispiele bei Meyerl Hermanns, Theorie der Wirtschaftswerbung, S. 15. 172 Vgl. Löwisch, NJW 1990,437. 173 Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 47.

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Produktförderung dienen, zum Beispiel Warentestberichte. Freilich kann mit Blick auf die dahinter sich verbergenden Interessen eine Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein. 5. Das Vertragsangebot als kommerzielle Kommunikation Eine in diesem Zusammenhang wichtige, aber zweifelhafte Entscheidung traf das LG Kiel. 174 Es ging hier um das unverlangte Zusenden von elektronischer Post an Privatpersonen. Das Gericht betonte, dass es grundsätzlich bereit sei, die gefestigte Rechtsprechung zur Telefon- und Faxwerbung 175 auf die Werbung per E-Mail zu übertragen, stellte im Anschluss aber die Irrelevanz eines solchen Vorgehens fest, da es sich im zu entscheidenden Fall gar nicht um Werbung als solche handelt, was jedoch Grundvoraussetzung einer solchen Übertragung der Rechtsprechung wäre. Es handelte sich vielmehr um ein Vertragsangebot i.S.v. § 145 BGB, auf das die eben erwähnten Grundsätze gerade nicht übertragbar sind. Als Grund hierfür betonte das Gericht, dass Werbung unverbindlich sei, während einem Vertragsangebot ein Rechtsbindungswille zugrunde liegt. Derartige Angebote seien jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt unzulässig, sondern vielmehr sozialtypische Elemente des Rechtslebens. Die Argumentation des LG Kiel überzeugt nicht, da hier eine Differenzierung zwischen einem Vertragsangebot und Werbung nicht sachdienlich ist. Einmal greift hier die Argumentation der klagenden Partei, die betonte, dass dann der Werbende seine Werbung zukünftig in Form von Vertragsangeboten betreiben wird. Dagegen führte das Gericht zwar aus, dass die rechtliche Bindung gern. § 145 BGB eine ausreichende Schranke 176 darstellen würde. Verkannt wird jedoch einmal, dass es dem Werbenden doch gerade auf einen Vertragsabschluss ankommt, der das Ziel einer jeden Werbekampagne ist. Insofern stellt die Bindungswirkung kein einschränkendes, für den Werbenden negatives Element dar, sondern ist im Gegenteil notwendige Voraussetzung für den angestrebten Geschäftserfolg. Die Bindungswirkung ist somit als Mittel zur Eindämmung von E-Mail-Werbung gänzlich ungeeignet. Zudem sind die Grenzen zwischen Angebot und Werbung fließend. 177 Eine Abgrenzung würde schon aus diesem Grunde immer zu Problemen und Rechtsunsicherheiten führen. Dies ist schließlich auch ein Grund dafür, warum die Unter174 LG Kiel v. 20. 6. 2000, JurPC Web-Dok. 166/2000, Abs. 1-19 = EWiR § 1 UWG 4/01 m. Anm. Weidel1; ablehnend Spindler/Schmittmann, MMR Beilage 8/2002, 10, 14; wohl auch Ayad, CR 2001,533,542. 175 Hierzu gleich auf S. 85 ff.; es entspricht gefestigter Rspr. des BGH, dass Fax- und Telefonwerbung unzulässig sind, solange kein vorheriges Einverständnis des Umworbene vorliegt. 176 Für was genau, stellte das Gericht allerdings nicht heraus. Es ist wohl die Ausuferungsgefahr und ein Überhandnehmen gemeint. 177 So auch Weidel1, EWiR § 1 UWG 4/01, S. 135, 136.

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suchung auf den weiten Begriff der kommerziellen Kommunikation gerichtet ist. Eine Beschränkung auf "kommerzielle Werbekommunikation" würde zu sehr die suggestiven Aspekte der Werbung in den Vordergrund stellen und gerade zu den eben beschriebenen Abgrenzungsproblemen führen. 178 Freilich wird es sich in den meisten Fällen der unverlangten kommerziellen Kommunikation um klassische Werbung handeln. Betrachtet man die obige Definition von Werbung, ließe sich zudem unzweifelhaft auch ein Vertragsangebot hierunter subsumieren, da dieses eine Äußerung darstellt, die dem Produktabsatz förderlich ist. Schließlich ist das Angebot zwingend notwendig für den Vertragsschluss, der letztlich rechtliche Grundlage des Produktabsatzes ist. Ebenfalls nicht überzeugend ist die Annahme, die Versendung von Vertragsangeboten auf diesem Wege sei ein sozialtypisches Element des Rechtslebens. 179 Einmal ist in Bezug auf die belästigende Wirkung kein Unterschied feststellbar. Auch das Problem der informationellen Überbelastung stellt sich in diesem Fall. Ausgangspunkt im Rahmen dieser Arbeit ist schließlich, dass unverlangte kommerzielle Kommunikationen in manchen Bereichen, hier der Individualkommunikation, unter Benutzung teletechnischer Medien aus mehreren Gründen Einschränkungen erfahren müssen. 180 Es geht hier gerade darum, dass es nicht sozialtypisch ist, den Einzelnen mit unverlangter Information zu versorgen. Dies wird im Verlauf der Arbeit noch näher dargestellt. Es ist an dieser Stelle die Notwendigkeit deutlich geworden, die hier untersuchte Problematik nicht unter dem Gesichtpunkt der unverlangten Werbung zu beleuchten, sondern auf den weiteren Begriff der kommerziellen Kommunikation abzustellen. Kunstgriffe wie im Fall des LG Kiels sind dann jedenfalls ausgeschlossen, was wiederum zur Entscheidung über die eigentlich umstrittenen Sachfragen zwingt.

11. Das Verständnis von "unverlangt" Ein Merkmal von unverlangter kommerzieller Kommunikation ist, dass der Rezipient Informationen erhält, die er so nicht angefordert hat. 181 Unverlangt ist in dem hier zu untersuchenden Sachverhalt somit synonym mit "nicht angefordert". Manche sprechen auch von "unerbetener" oder "unerwünschter" kommerzieller Kommunikation. Allen Beschreibungsversuchen liegt jedoch zugrunde, dass der 178 Vgl. aber Kühling, Kommunikationsfreiheit, S. 465, der bewusst auf eben diesen Begriff abstellt. 179 Zur Sozialadäquanz vgl. unten S. 67. 180 Neben dem Schutz des Einzelnen von einer informationellen Überbelastung muss auch die Stabilität und die Zwecksetzung der Individualkommunikation gesichert werden. Schließlich muss auch die Stellung des Einzelnen als aktives Wesen im Kommunikationsprozess ausreichenden Schutz erfahren. 181 Aufletzteres stellt auch die E-Commerce RL ab, vgl. dort Art. 7 und Erwägungsgrund 30.

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kommerzielle Kommunikationsvorgang durch den Werbenden eingeleitet wird und nicht etwa durch eine vorangegangene Kontaktaufnahme des Adressaten mit der Bitte um Information oder dergleichen. Insofern kann von unverlangter kommerzieller Kommunikation ausgegangen werden, wenn weder ein ausdrückliche noch eine konkludente Einwilligung in die Werbemaßnahme vorliegt. 182 Der Adressat hat also keinerlei erkennbare Willensäußerung gezeigt, die auf den Empfang von kommerzieller Kommunikation schließen lässt. Die Beschränkung der Prüfung auf unverlangte kommerzielle Kommunikation legt gleichzeitig das Werbemedium fest. So ist das Wesen von unverlangter Werbung davon gekennzeichnet, dass es im Umkehrschluss möglich sein muss, auf demselben Weg auch verlangte Werbung zu übermitteln beziehungsweise so mit dem potentiellen Kunden in Kontakt zu treten. Der Adressat oder Umworbene muss die Möglichkeit haben ausdrücklich und produktspezifisch Werbung anzufordern. Dies ist bei den klassischen Massenmedien Fernsehen und Rundfunk nicht möglich, da diese in der Regel keine individual-kommunikativen Elemente aufweisen und keine gezielte Ansprache des Umworbenen erlauben. 183 Nur Medien, die einen hohen Gehalt der letzteren Elemente aufweisen, lassen sich zur unverlangten Werbung in dem hier zugrunde liegenden Sinne nutzen. In Frage kommen somit E-Mail, Telefon- samt Sprachtelefondienst und SMS-Dienst, aber auch Telefax. Speziell die Werbung per elektronischer Post hat hier in der Vergangenheit aufgrund ihrer hohen Praxisrelevanz eine besondere Bedeutung erlangt, was letztlich Niederschlag in der ausdrücklichen Regelung des Art. 7 der E-Commerce-Richtlinie gefunden hat. Zukünftig werden sich durch die UMTS-Technik noch weitere Anwendungsfelder öffnen. Unabhängig davon kommt es zwar im Printbereich ebenfalls zu Werbesendungen, man denke beispielsweise an die werblichen Beilagen der Tageszeitungen. Ebenso wie bei der klassischen Briefwerbung liegen als Medium aber nicht elektronische Fernkommunikationstechnologien zugrunde, denen hier die ausschließliche Aufmerksamkeit gewidmet werden soll.

111. Direktmarketing als maßgebliche Fallgruppe von unverlangter kommerzieller Kommunikation 1. Grundlagen und Begriff

Die soeben erfolgten Darstellungen zum Merkmal der "unverlangten" kommerziellen Kommunikation bilden quasi gleichzeitig die Brücke zum Begriff des Direktmarketing. In dieser Fallgruppe der kommerziellen Kommunikation spielt jenes Merkmal eine besonders gewichtige Rolle, da Direktmarketing von einem hohen Maß an Individualkommunikation gekennzeichnet ist. 182 183

Siehe hierzu ausführlich Teil 5, vgl. auch S. 211. Vgl. Gößmann, MMR 1998, 88, 92.

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Der aus der Werbe- und Absatzlehre stammende Begriff des Direktmarketing beschreibt Werbemethoden, die sich gezielt, unmittelbar und oft auch unvermittelt an einen bestimmten ausgewählten Personenkreis wenden, um einen direkten, individuellen, isolierten und intensiven Kontakt mit dem Ziel von Geschäftsabschlüssen herzustellen. 184 Entscheidendes Element ist die konkrete und gezielte Adressierung des Empfängers, die dadurch erreicht wird, dass der Werbende auf individuelle und empfängerbezogene Daten zurückgreifen kann. 185 Als Mindestkriterien sind hier beispielhaft Telefonnummer oder E-Mail-Adresse zu nennen. Fehlt eine solche individuelle Adressierung, kann es sich dennoch um eine dem Direktmarketing unterfallende Maßnahme handeln, wenn eine Rückkopplung mit dem Absender mit der Absicht, einen direkten, individuellen Kontakt zu erreichen, möglich und beabsichtigt ist (Direct-Response-Marketing).186 Nach Angaben des Deutschen Direktmarketing Verbandes (DDV) handelt es sich bei Direktmarketing um "alle Marketingaktivitäten, bei denen Medien und Kommunikationstechniken mit der Absicht eingesetzt werden, eine interaktive Beziehung zu Ziel personen herzustellen, um sie zu einer individuellen und messbaren Reaktion (Response) zu veranlassen".187 Die Betonung liegt hier mehr auf dem Reaktionselement des Umworbenen. Ein solch weites Begriffsverständnis ist jedoch bei individual- und telekommunikativen Marketingmaßnehmen nicht erforderlich, da hier schon eine Adressierung des Rezipienten - wenn auch durch automatische Softwareroutinen 188 zwingend nötig ist. Eine Parallele zum Fall der nicht adressierten Handzettel oder Prospekte im herkömmlichen Briefkasten lässt sich für den Fall der elektronischen Post nicht ziehen. Insoweit bleibt diese Fallgruppe der Untersuchung außen vor. Direktmarketing lässt sich weiterhin einteilen in Direktkommunikation und Direktvertrieb. 189 Zu Letzterem zählen beispielsweise der Versandhandel und der persönliche Verkauf am Standort des Abnehmers durch eigene Verkaufsorgane des Herstellers, betrifft also den Produktabsatz im engeren Sinne. Der hier interessierende Bereich der Direktkommunikation ist jener Teil der kommerziellen Kommunikation, der auf die Herstellung eines direkten Kontaktes beziehungsweise Dialogs zwischen Sender und Empfänger ausgerichtet iSt. 190 Die hier untersuchten Formen des Direktmarketing sind nicht diejenigen, denen ein direkter Kundenkontakt (zum Beispiel Promotionaktion am Verkaufsort oder 184 Glöckner, GRUR Int. 2000, 29; Holland, Direktmarketing, S. 4; Hilke in: Hilke (Hrsg.), S. 5. 185 Vgl. Alt, Recht und Praxis der Briefkastenwerbung, S. 27. 186 Püttmann in: Hermanns/Flegel (Hrsg.), S. 622; als Beispiel sind hier zu nennen: Prospekte, Handzettel oder Warenprobe, wenn Rückkopplung angestrebt und eine Reaktionsmöglichkeit angeboten ist, vgl. Alt, Recht und Praxis der Briefkastenwerbung, S. 27. 187 Vgl. www.ddv.de. 188 Siehe oben S. 47 f. 189 Püttmann in: Hermanns/Flegel (Hrsg.), S. 622 f.; vgl. auch Gilles, Das Recht des Direktmarketing, S. 15 f. 190 Püttmann in: Hermanns/Flegel (Hrsg.), S. 623.

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Haustürgeschäft) immanent ist. Es existiert vielmehr zwischen Werbenden und Umworbenen ein vermittelndes Medium. Ist dieses Medium telekommunikativer Art, spricht man auch von Telemarketing. 191 Beispiele hierfür sind Telefon-, SMS-, Fax-, Btx-, Telex- und insbesondere E-Mail-Werbung. Es ist zu erwarten, dass sich zukünftig weitere Formen bilden werden. Man kann somit festhalten, dass die Analyse von unverlangter kommerzieller Kommunikation mittels Fernkommunikationstechniken zur Folge hat, dass Direktmarketingmethoden in den Mittelpunkt der Untersuchung rücken. 192 Dies bedeutet jedoch nicht, dass andere Formen der kommerziellen Kommunikation, wie beispielsweise Gewinnspiele oder Preisausschreiben, keine Berücksichtigung finden werden. Versendet der Werbende diese unverlangt und unter den Voraussetzungen von Art. 2 f.) der E-Commerce-Richtlinie im Hinblick auf eine mögliche Teilnahme an E-Mail-Empfänger, handelt es sich um einen "klassischen" Fall der unverlangten E-Mail-Werbung. Entsprechendes gilt für andere Medien. Bezüglich der einschlägigen Fernkommunikationsmittel fokussiert sich die Betrachtung auf diejenigen, die ein hohes Maß an individual-kommunikativen Elementen aufweisen. Dies geht auch einher mit deren praktischer Relevanz für den werblichen Einsatz. Nach Auswertung von Expertengesprächen ist der Trend hin zu zielgruppenspezifisch einsetzbaren Medien zu erkennen. 193 Diese gewinnen an Bedeutung, während klassische Medien mit Responseelementen (zum Beispiel Rundfunk- oder Printwerbung) an Nutzen verlieren. Hauptargumente hierfür sind die gezielte, bedarfsgerechte Ansprache, die niedrige Streuquote, die daraus resultierenden geringeren Kosten gegenüber der herkömmlichen Massenwerbung und die verlässliche Erfolgskontrolle. 194

2. Wirtschaftliche Bedeutung des Direktmarketing Es ist zu erwarten, dass der kommerziellen Kommunikation innerhalb der Informationsgesellschaft eine immer größere Rolle zukommen wird. 195 Eine herausragende Stellung wird dabei das Internet einnehmen. Dort wird sich die Entwicklung der kommerziellen Kommunikation an die Entwicklung des von Brüssel stark propagierten elektronischen Geschäftsverkehrs anpassen. Laut Angaben des DeutGilles, NJW 1998,2424. Wenn im folgenden von kommerzieller Kommunikation die Rede ist, wird hierunter die unverlangte, auf telekommunikativer Übertragung basierte Individualkommunikation verstanden. 193 Vgl. Ergebnisse einer Expertenstudie in: Direktmarketing Deutschland 2000, S. 124; Püttmann in: Hermanns/Flegel (Hrsg.), S. 622; vgl. auch BGH v. 3. 2. 1988, BGHZ 103, 203, 208, der schon damals auf die besondere Bedeutung der, wenn auch nur scheinbaren, individuellen Ansprache eines Adressaten für die Werbewirtschaft hinwies. 194 Dallmer in: Dallmer (Hrsg.), S. 3, 10 ff.; Schmid, S. 4. 195 Henning-Bodewig, GRUR Int. 1997,515. 191

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sehen Multimedia Verbandes steigt der Umsatz über das Internet von 2,5 Milliarden DM im Jahr 1999 auf 25 Milliarden DM im Jahr 2001. 196 Nach dem zuvor festgestellten Trend der zielgruppen spezifizierten Werbung wird auch unweigerlich die Bedeutung des Direktmarketings zunehmen. 197 Im Jahr 1999 investierten 544.000 deutsche Unternehmen (mit einem Umsatz von mehr als 0,5 Millionen DM) 39,4 Milliarden DM in das Direktmarketing. Im Jahr 2000 erhöhte sich dieser Betrag auf 42,4 Milliarden DM. Dies entspricht einer Steigerung um 6,6 bzw. 7,7 Prozent gegenüber dem VOljahr. 198 Gemessen am Nutzungsanteil entfielen 1999 auf die adressierte Werbesendung 36 Prozent, auf die unadressierte Werbesendung 11 Prozent, auf das Telefonmarketing 37 Prozent und auf die Nutzung interaktiver Dienste 22 Prozent. 199 Bei Letzteren lag noch im Jahr 1997 der Nutzungsanteil bei 13 Prozent. Interaktive Dienste erfassen in diesem Sinne den Versand von Werbe- und Produktinformationen mittels E-Mail oder Datenträger. Diese Zahlen zeigen, dass insbesondere die interaktiven Dienste für das Direktmarketing in Zukunft noch erheblich an Bedeutung gewinnen werden. Eine Hauptrolle spielt der Marketingmix, kombiniert aus Telefonmarketing, adressierter Postwurfsendung und der Nutzung interaktiver Dienste,zoo Hinsichtlich Telefonwerbung wird zwischen aktiver und passiver Telefonwerbung unterschieden. Bei der aktiven Telefonwerbung werden selektierte Personen vom Werbetreibenden oder einer von ihm beauftragten Agentur angerufen, sogenannte "cold calls". Im Gegensatz hierzu ist bei der passiven Telefonwerbung der Umworbene derjenige, der die Initiative der Kontaktaufnahme greift und die Möglichkeit nutzt, zum Beispiel über eine kostenfreie 0800-Nummer entsprechende Produktinformationen einzuholen,zol Eine Rolle im Direktmarketing hat in der Vergangenheit auch die Werbung per Telex 202 gespielt. Bei jener Werbemethode wird die Reklame mittels Fernschreiber übertragen. Ebenso wie die Teletexwerbung spielt die Telexwerbung heute in der Werbelandschaft kaum noch eine Rolle. 203 Ähnliches gilt auch für Direktwerbung mittels des Btx-Mitteilungsdienstes,z04 Dieser Bestandteil des von der Deutschen Bundespost 1984 eingeführten Bildschirmtext-Systems ermöglichte den inVgl. Wirtschaftswoche Nr. 16 v. 15.4. 1999, S. 154. Püttmann in: Hermans/Flegel (Hrsg.), S. 622; vgl. auch Zitat bei Schmid, Telefonwerbung, S. 5 Fn. 15: "Golden Age für das Direktmarketing". 198 Direktmarketing Deutschland 2000, S. 16. 199 Direktmarketing Deutschland 2000, S. 22; dies entkräftet die Aussage von Ulrich, LM Nr. 677 zu § 1 UWG, dass ein Ende der Fernsprechwerbung unausweichlich bevorsteht. 200 Direktmarketing Deutschland 2000, S. 84. 201 Vgl. Püttmann in: Hermanns/Flegel (Hrsg.), S. 625; Schmid, Telefonwerbung, S. 5 Fn.16. 202 Abkürzung für "teleprinter exchange", vgl. Baumbachl Hefennehl, § 1 UWG Rn. 69 a. 203 Schmittmann in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 4. 204 Zur Funktion von Btx vgl. Wienke, WRP 1986,455 f.; Lachmann, WRP, 1983,591 f. 196

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dividuellen Austausch von Nachrichten, die in elektronischen Mailboxen bis zum Abruf gespeichert wurden. Über ein Inhaltsverzeichnis konnte der Teilnehmer auf seine erhaltenen Nachrichten zugreifen und diese erst löschen, nachdem er die entsprechende Seite aus dem System geladen hatte. Der Aufbau der einzelnen Seite auf dem Bildschirm dauerte zwischen 8 und 30 Sekunden?05 Zwar wurde diese Technik auch für die Direktwerbung eingesetzt, jedoch bei weitem nicht in dem Maße, wie dies für die elektronische Post gilt. Das Btx-System ist mittlerweile durch das Internet mit seinen entsprechenden und weit leistungsfahigeren Diensten abgelöst worden. Als Werbemedium ist Btx heutzutage nicht mehr relevant. 206

3. Tatsächliche Grundlagen der E-Mail-Werbung Durch die Verbreitung des Internets und die starke Zunahme der E-Mail-Accounts in den vergangenen Jahren hat sich die E-Mail-Werbung zu einer boomenden Direktmarketingform entwickelt. Werbe E-Mails werden oftmals in großer Anzahl und meist unverlangt sowohl an Privatpersonen wie auch Gewerbetreibende verschickt. Laut einer im Auftrag der EU-Kommission durchgeführten und im Januar 2001 veröffentlichten Studie kosten sogenannte Junk-E-Mails 207 die Internetnutzer weltweit mittlerweile jährlich 10 Milliarden Euro. a) Entwicklung der E-Mail-Werbung

Bekanntheitsgrad erreichte die Werbung per E-Mail zum ersten Mal im Jahr 1993, als das amerikanische Anwaltsehepaar Laurence A. Canter und Martha S. Siegel eine Vielzahl von Werbe schreiben an ca. 6000 verschiedene Newsgroups verschickte. Sie boten in den Werbeschreiben ihre anwaltlichen Dienste in Sachen Einwanderungsfragen an. Dieser Werbeaktion begegnete die erzürnte Internetgemeinde mit einer Vielzahl von Protestschreiben an die E-Mail-Adressen des Anwaltsehepaares, wodurch sogar das lokale Telefonnetz kurz außer Funktion gesetzt wurde. 208 Die aufgrund dieser Mailingaktion gewonnenen Erfahrungen publizierten die beiden Anwälte 1995 in einem Buch, in dem sie berichteten, dass sie trotz Vgl. BGH v. 3. 2. 1988, BGHZ 103,203,204 - Btx-Werbung. So auch Burckhardt, Direktmarketing, S. 135 dort Fn. 647. 207 Daneben hat sich der Begriff "SPAM" eingebürgert. Hierunter versteht man in der Regel den wiederholten massiven Versand unerbetener Werbe-E-Mail durch einen Versender, der seine Identität verbirgt oder verfälscht, vgl. E-Mail Studie der EU-Kommission, S. 17. Der Begriff geht auf einen Sketch der Comedy Gruppe Monty Pythons zurück und wird als Kurzbezeichnung für eine Art von Dosenfleisch verwendet (Spiced Pork and Harn). Da in dem Sketch das Wort 120 Mal vorkommt, assoziiert man damit den massenhaften Versand von Werbe E-Mails. 208 Strömer, Dnline-Recht, S. 107; Lloyd, Information Society, S. 271; vgl. auch Überblick in RDV 1996, 151, 154 unter dem Stichwort "Spamming". 205

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des negativen "Feed-Back" der Usenet-Teilnehmer viele neue Mandanten (ca. 1000) gewinnen konnten. Schließlich gründeten sie die Firma Cybersell. Ein entsprechender Vorfall ereignete sich schließlich 1996 in Deutschland, als ein Geschäftsmann 3,2 Millionen Werbe-E-Mails verschickte, die auf seine Erotik-Internetseite bezogen waren. Auch hieraus resultierten technische Probleme dergestalt, dass der Serverrechner der Telekom an die Grenzen seiner Kapazität gebracht wurde. Seither erfuhr die Werbung per E-Mail eine exponentielle Entwicklung. Das anfänglich rein amerikanische Problem ist mittlerweile eine ernstzunehmende Bedrohung für die einwandfreie Funktion des weltweit genutzten Dienstes der elektronischen Post geworden. Schon im Jahr 1998 waren nach einer Untersuchung der Zeitschrift Computerworld 10 Prozent des gesamten E-Mail-Verkehrs Werbung?09

b) Besondere Vorteile für den Werbenden E-Mail-Werbung hat als besondere Form des Direktmarketing für den Werbenden viele Vorteile. Da im Gegensatz zur herkömmlichen Briefpostwerbung keine Kosten für den Druck anfallen, ist diese Werbemethode sehr günstig. Laut dem Gutachten der EU-Kommission stehen den Kosten für einen herkömmlichen Brief in Höhe von 50 US-Cent bis einem US-Dollar Kosten in Höhe von 10 US-Cent für eine E-Mail gegenüber. 210 Ein einmal erstellter Werbetext lässt sich mit der entsprechenden "Massen-Mailing-Software,,21l an Millionen von Adressaten zeitgleich binnen Sekunden global versenden, was in Zeiten einer Marktglobalisierung von großem Vorteil sein kann. Dabei besteht die Möglichkeit, bewegte Bilder und Musik in die Werbe-E-Mail einzubinden. Ein besonderer Vorteil dabei ist, dass die E-Mail mit einem Link zu der Internetadresse des Werbenden versehen werden kann, von der bei Bedarf und Interesse des Empfängers weitere Produktinformationen abgerufen werden können. Die Adressen kann der Werbende zum einen bei Adresshändlern erwerben. Gut 3 Millionen Adressen sind, fertig auf CD-Rom gebrannt, für etwa 500 Euro im Handel erhältlich?12 Daneben ist es durch entsprechende Robotersoftware möglich, einzelne Adressen mittels automatisierter Scripts (vgl. oben) aus dem Internet zu filtern,213 wobei es unter Umständen möglich ist, Rückschlüsse auf die persönlichen Verhältnisse des Adressinhabers zu ziehen. 209 Zitiert nach Funk, eR 1998,411,412; vgl. auch Angaben bei Lloyd, Information Society, S. 271: von 2.7 Billionen kommerziellen E-Mails, die im Jahr 1998 in den USA übermittelt wurden, waren 96% als "SPAM", d. h. als massenhaft versandte Werbung einzustufen. 210 Vgl. dort S. 2. 211 Dazu werden oft sog. "push-tools" genutzt, die den Vorteil haben, dass kein von einem Internet Service Provider (ISP) betriebener Mail Server notwendig ist. Hinzu kommt, dass sie in der Lage sind die sog. "anti-spam Filter" zu umgehen und den Kopf der E-Mail verfälschen, vgl. E-Mail Gutachten der EU-Kommission, S. 5; vgl. Ausführungen weiter unten zu sog. "remailern". 212 Berke (Hrsg.), Verbotene Werbe- und Marketingmaßnahmen, 4/3.4, S. 2. 213 Vgl. Schrick, MMR 2000, 399, 400 dort Fn. 2; Schmittmann in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 8. Diese sog. "pull-" oder "harvesting-tolls" durchsuchen Internetseiten, sowie öffentliche

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Teil 2: Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

Letzteres birgt insoweit auch erhebliche datenschutzrechtliche Probleme. Dies sorgt schließlich für die schon oben angesprochenen geringeren Streuverluste und die gezielte Kundenansprache. Die Erfolgsquote liegt beim E-Mail-Marketing zwischen 5 und 15 Prozent verglichen mit nur 0,5 -2 Prozent bei herkömmlicher Briefwerbung. Darüber hinaus ist auch die Effizienzrate wesentlich höher als bei anderen Internetwerbemethoden. Die Rate derjenigen, die aufgrund einer E-MailWerbung die Internetseite des Werbenden anklicken, liegt mit 18 Prozent deutlich höher als die entsprechende Rate bei Werbebannern, die bei etwa 0,65 Prozent stagniert. 214 Für den Werbenden stellt sich somit das Mittel der elektronischen Post als sehr geeignetes Werbemedium dar und wird in den nächsten Jahren weitere Investitionsverlagerungen nach sich ziehen?15 c) Konsequenzen für den Intemetverkehr

Für den Internetnutzer und E-Mail-Adressinhaber hat sich die gerade beschriebene Werbeform zu einer Plage und einem Ärgernis entwickelt. Mittlerweile haben sich Firmen, wie beispielweise Cyber Promotions 216, deren Geschäftsführer als eine "der meistgehassten Personen im Internet"217 bezeichnet wurde, oder die Firma "Direct Marketing Association,,218 auf den Versand von Werbe-E-Mails spezialisiert. Den Angaben der Studie der EU-Kommission zufolge, hat ein einziges Internet-Marketing-Unternehmen die Möglichkeit, täglich 500 Millionen personalisierte Werbe-E-Mails im Internet zu verschicken. Nach einer Untersuchung des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft aus dem Jahre 2001 fühlen sich 93 Prozent durch elektronisch übermittelte Werbung per Fax, E-Mail oder SMS "wie von der Pest überfallen,,?19 Es handelt sich dann unzweifelhaft um einen Fall, in dem sich die Belästigung auf ein solches Maß verdichtet hat, dass sie von weiten Teilen der Verbraucher als unerträglich empfunden wird. 22o Bereiche des Usenet entweder anhand von Listen von vorab spezifizierten URL (Uniform Ressource Locators) oder von Schlüsselwörtern, die in Suchmaschinen eingetragen werden. Somit kann eine systematische Erfassung von E-Mail Adressen erfolgen, vgl. E-Mail Studie der EU-Kommission, S. 5. 214 Vgl. E-Mail Studie der EU-Kommission, S. 3; die Effizienz wird ausgedrückt mittels der sog. Click-through-rate. Dies bedeutet den Prozentsatz an Nutzer, die aufgrund der E-Mail-Werbung einen darin enthaltenen Hyperlink ankIicken, der sie direkt zur Seite und zum Angebot des Werbenden führt. 215 Zu den Vorteilen der E-Mail-Werbungvgl.stattvieierZehentmeier.BB 2000, 940, 941; Schmittmann in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 2 und 5. 216 Vgl. etwa Urteil im Fall AOL vs. Cyber Promotions unter www.epic.org/free_speech/ cyberp_v_aol.html; CyberPromotions soll angeblich eine Liste von 1,4 Mio. E-Mail Adressen besitzen, deren Inhaber angeblich freiwillig um die Aufnahme in diese Liste gebeten haben, vgl. Schmittmann in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 7. 217 Zitiert nach Schrey/Westerwelle, BB 1997, Beilage 18 zu Heft 48, S. 17, 18. 218 http://www.the-dma.org. 219 Pressemitteilung v. 28. 10.2001, www.eco.de/ presse / mitteilungen / 2001/01 - 0928b_de.htm.

B. Unverlangte kommerzielle Kommunikation

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Hoeren prägte bereits 1997 den Begriff des "net marketing overkill".221 Damit bringt er zum Ausdruck, dass die dem E-Mail-Verkehr zugrundeliegende Technik durch das Versenden kommerzieller Nachrichten an ihre Grenzen gebracht wird, indem sich der Speicherbedarf der E-Mail-Server drastisch erhöht. Unter besonderen Umständen kann es sogar vorkommen, dass diese Server aufgrund der Überlastung keine weiteren E-Mails mehr annehmen. Dies kann zur Folge haben, dass erwünschte und wichtige Post den Nutzer nicht oder nicht rechtzeitig erreicht. Schließlich wird jener auch durch die zusätzlichen Telefongebühren in Form der Online-Kosten belastet. Auch die E-Mail-Studie der EU-Kommission sieht diese Gefahren und warnt vor der Überbeanspruchung des Internets. Letztlich gilt es, durch geeignete Maßnahmen das "Überleben des Internets zu sichern".222 Ähnliche Gedanken lagen auch den Vätern der E-Commerce-Richtlinie zugrunde. Im dortigen Erwägungsgrund 20 heißt es ausdrücklich, dass unverlangte kommerzielle Kommunikation durch elektronische Form für den Verbraucher und den Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft unerwünscht sein und das reibungslose Funktionieren interaktiver Netze beeinträchtigen kann. Zur Bekämpfung derartiger Werbemethoden haben sich Verbände gebildet, die den betroffenen Personen mit Ratschlägen technischer wie rechtlicher Art zur Seite stehen, um derartige Belästigungen zu minimieren. 223 Insbesondere werden Robinson Listen im World Wide Web angeboten, in denen sich diejenigen Adressinhaber eintragen können, die keine Zusendung von E-Mail-Werbung wünschen. 224 Als drastisches Mittel und Gegenreaktion auf den Erhalt von E-Mail-Werbung stellen sich sogenannte Mail-Bombings dar. Dabei wird der werbende Absender mit der Rücksendung extrem umfangreicher E-Mails blockiert. Es kommt zur Überlastung seines E-Mail-Server, was zur Folge hat, dass das E-Mail-System des Werbenden kurzzeitig ausfällt. 225 Dieses Verhalten hat wiederum seitens der Werbenden zur Folge, dass diese zunehmend anonymisiert auftreten. Dies gelingt einmal mittels sogenannter Remailer. Hierunter versteht man Computersysteme, die eingehende elektronische Post erst nach Löschung der in den Datenpaketen enthaltenen Absenderangaben weiterleiten. Eine andere Möglichkeit ist die Benutzung fremder E-Mail- oder IP-Adressen. Letzteres hat zusätzlich zur Folge, dass "unschuldige" E-Mail-Adressinhaber in Abwehrattacken und Rufschädigung geraten und so zu mittelbaren Sparnming-Opfern werden. 226 220 Vg!. SchrickerIHenning-Badewig, WRP 2001, 1367, 1390, die in solchen Fällen eine generelle Einschränkung befürworten. 221 Haeren, WRP 1997,993,995. 222 Vg!. E-Mail StudiederEU-Kommission.S.I1. 223 Z. B. Die europäische Koalition gegen unaufgeforderte Werbe E-Mails, nach der eng!. Übersetzung kurz CAUCE genannt, im WWW unter www.cauce.org. 224 Z B. Liste des Deutschen Direktmarketing Verbandes (DDV) unter www.ddv.de; weitere Listen unter www.erobinson.com, www.de/Freitag oder www.despaml.interrob.de. 225 Diese Verhalten wird auch als "flaming" bezeichnet, vg!. SchreylWesterwelle, BB 1997, Beilage 18 zu Heft 48, S. 17, 18 dort Fn. 18.

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Teil 2: Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

Nicht nur für den Adressaten, sondern auch für die Internet Service Provider stellt E-Mail-Werbung eine erhebliche Belastung dar. Neben den zusätzlichen Materialkosten für die Erhöhung der Server-Kapazitäten ist zusätzlicher Personalaufwand erforderlich, um ein Beschwerdemanagement sicherzustellen und WerbeE-Mails herauszufiltern?27 Die Güte eines Internet Service Provider (ISP) wird mittlerweile auch nach diesen Kriterien gemessen. Auf der anderen Seite muss hier jedoch erwähnt werden, dass ein ISP durch Versenden von Massenwerbung auch seinen Umsatz steigern kann. Es ist mittlerweile nachgewiesen, dass manche ISP gegen Geldzahlungen der Werbenden beide Augen zudrücken, wenn es darum geht, massenweise Werbe sendungen zu verschicken. 228 Die soeben erfolgten Darstellungen zeigen auf, dass der Versand unverlangter E-Mail-Werbung als derzeitiges Problem eine hohe Stellung einnimmt. Als "zurückhaltende Werbeform" kann sie sicherlich heute nicht mehr bezeichnet werden. 229 d) Technische Maßnahmen gegen unverlangte kommerzielle Kommunikation Fraglich ist, ob technische Abwehrmöglichkeiten ausreichende Schutzinstrumente darstellen, um insbesondere dem Phänomen der E-Mail-Werbung Einhalt gebieten zu können. 23o Ein effektiver technischer Schutz würde eine entsprechende rechtliche Regelung weniger zwingend erscheinen lassen. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang sind sogenannte Robinson-Listen und Softwarefilter?31 Im ersteren Fall handelt es sich um eine Liste, in die sich derjenige mit seiner E-MailAdresse, Telefonnummer oder sonstigem Identifikationskennzeichen einträgt, der keine Zu sendung von Werbung wünscht. Mit Blick auf Art. 10 Abs. 2 FARL könnte man den Eintrag in eine Robinson-Liste als Widerspruch bewerten, der zur Folge hätte, dass künftige Werbesendungen unzulässig wären. Für den Fall der Telefonwerbung wird als einfachste und praktikabelste Lösung vorgeschlagen, einen entsprechenden Vermerk in die Teilnehmerverzeichnisse gern. § 1 Nr. 2 b der Telekommunikations-Universal-Dienstleistungsverordnung (TUDLV)232 aufzunehmen?33 Hinsichtlich E-Mail-Marketing bestehen zwar schon viele solcher zuvor erwähnten Listen. 234 Problematisch dabei ist jedoch, dass der Werbende aufVgl. Beispiel bei Leupold, WRP 1998,270,271. Mankowski, GRUR Int. 1999,995, 1000; vgl. ct, Magazin für Computertechnik, Heft 15/2001, S. 94, 95: die Firma UUNet beschäftigt 40 Mitarbeiter für den Bereich "Spam" und gibt für die Bekämpfung jährlich 10 Mio. Dollar aus. 228 Vgl. ct, Magazin für Computertechnik, Heft 15/2001, S. 94, 95. 229 So aber Vehslage, K&R 2000, 203, 204. 230 Zum technischen Schutz vgl. Keim in: Horster / Fox (Hrsg.), S. 24 ff. 231 Hoeren, Rechtsfragen des Internet, Rn. 263. 232 V. 30. 1. 1997, BGBI. I S. 141. 233 Leible / Sosnitza, K&R 1998, 283 , 291. 234 Vgl. Fn. 224. 226 227

B. Unverlangte kommerzielle Kommunikation

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grund der Vielzahl solcher Listen der unterschiedlichsten Anbietern kaum in der Lage sein dürfte, laufend alle Einträge zu überprüfen und zur Kenntnis zu nehmen, was letztlich entscheidend wäre für ein wirkungsvolles Funktionieren derartiger Systeme. Grund hierfür ist vor allem, dass es keine offiziellen Listen gibt, sondern es einem jeden freisteht, beispielsweise im World Wide Web solche Listen auf einer entsprechenden Seite anzubieten. Hinzu kommt, dass viele Werbende diese Listen einfach ignorieren werden und diese sogar noch als Quelle für gültige E-Mail-Adressen nutzen könnten. 235 Softwarefilter eignen sich schon naturgemäß nicht für die Fälle der Telefonwerbung, da der Großteil dieser Kommunikation nicht auf der dafür notwendigen Hardware basiert. Hinsichtlich unerwünschter E-Mail-Kommunikation sind Filter auf Seiten des E-Mail-Provider wie auf Seiten des Nutzers denkbar. Die wichtigsten technischen Verfahren sind hier die Blockade bestimmter Rechner beim Verbindungsaufbau, die Filterung nach Absenderadresse, die Filterung anhand des Nachrichteninhaltes oder das Filtern anhand von Unstimmigkeiten im E-Mail-Header?36 Zur Abwehr von E-Mail-Werbung sind zwar auf dem Markt etliche solcher Programme erhältlich und teilweise auch in die E-Mail-Software integriert. Problematisch an Filtersystemen ist jedoch immer, dass auch erwünschte kommerzielle wie unkommerzielle elektronische Post in die Gefahr gerät, ausgefiltert zu werden. 237 Da eine Erkennung am eigentlichen Inhalt der Nachricht aufgrund der Vielfältigkeit der werblichen Inhalte sich nur schwer bewerkstelligen lassen dürfte, wäre eine eindeutige Kennzeichnung der Werbenachricht erforderlich. 238 Beim SMS-Verkehr bestünde zwar grundsätzlich durch entsprechende Firrnware 239 die Möglichkeit, auf bestimmte SMS-Inhalte die Löschfunktion anzuwenden. Jedoch stellt sich auch hier das Problem des ungewollten Löschens erwünschter Nachrichten. Im Hinblick auf E-Mail-Werbung schreibt Art. 7 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie 240 eine Kennzeichnung von kommerziellen Sendungen vor, lässt aber diesbezüglich einen Spielraum, wie diese konkret auszusehen hat. Solange also keine genauen Vorgaben darüber existieren, durch welche bestimmten Wörter in der Betreffzeile einer E-Mail eine Kennzeichnung zu erfolgen hat, wird man von einem unzureichenden Schutz solcher Filtersysteme auszugehen haben. De lege ferenda 235 Vgl. ct, Magazin für Computertechnik, Heft 24/2001, S. 23: durch eine Sicherheitslücke der anti-spam-Liste unter www.erobinson.de. konnten die E-Mail Adressen der 35.000 eingetragenen Personen und Firmen auf einmal heruntergeladen werden. 236 Keim in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 24; zum Begriff Header vgl. oben S. 39. 237 Vgl. LG Traunstein v. 18. 12. 1997, NJW 1998, 1648; zweifelnd auch Mankowski, GRUR Int. 1999, 995, 1000 dort Fn. 87; Übersicht und Test verschiedener Filterprogramme in ct, Magazin für Computertechnik, Heft 24/200 I, S. 242 ff. 238 So auch LG Berlin v. 13. 10. 1998, CR 1999, 187, 189; vgl. auch Ziem, MMR 2000, 129, 135. 239 Firmware ist die fest in der Hardware integrierte Software. 240 Oben Fn. 14.

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Teil 2: Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

wäre im Rahmen der Umsetzung der eben genannten Richtlinie beispielsweise in Erwägung zu ziehen gewesen, bei den hier gegenständlichen Inhalten ausschließlich "commercial" in die Betreffzeile eintragen zu müssen. Dies wurde aber im EGG241 versäumt. Es wäre dann für Softwarefilter unproblematisch, solche Inhalte im Vorfeld auszusondern. Weiterhin besteht die Möglichkeit, entsprechende E-Mail-Software so einzurichten, dass Absender unerwünschter Nachrichten für die Zukunft gesperrt werden. Von den entsprechenden Absenderadressen wird dann von dem eigenen Mail Server keine Nachricht mehr angenommen. Dagegen halten die Werbenden meist, in dem sie auf bisher unbekannte Ausweichadressen umstellen oder Programme zur Unkenntlichmachung der Absenderangaben benutzen. 242 Zudem schützt ein derartiges Vorgehen nicht vor einer ersten Nachricht des Werbenden; ein umfassender und vor allem vorbeugender Schutz ist nicht möglich?43 Schließlich muss bedacht werden, dass die Anschaffung der Filterprogramme Kosten für den Empfänger verursacht und durch den Betrieb solcher Software die Rechenleistung eingeschränkt wird. 244 Es bleibt somit festzuhalten, dass die technischen Abwehrmöglichkeiten gerade in Bezug auf E-Mail-Werbung zur Zeit als nicht zufriedenstellend anzusehen sind?45 Ginge man entgegen dem eben Dargelegten davon aus, dass ein umfassender und zufriedenstelIender technischer Schutz möglich wäre, würde dies dennoch an einem möglichen Unwerturteil nichts ändern. Denn eine grundsätzlich unzulässige Handlung wird nicht dadurch rechtmäßig, dass der Rechtsgutinhaber die Beeinträchtigung durch eigene, selbst initiierte Abwehrmaßnahmen hätte verhindern können. Solche Maßnahmen können ihm nicht faktisch aufgezwungen werden. 246

e) Der Trend zu einem "Permission Based Marketing" Aufgrund des negativen Images des unverlangten Zusendens von E-Mail-Werbung ist in jüngster Zeit das sogenannte "Permission Based Marketing" als neue Marketingform in die Diskussion gekommen. Grundlage dieser Idee ist, dass der Vgl. Fn. 149. Vgl. oben S. 67. 243 Auf Seiten des ISP wird vor allem mit dem sog. "Port-25-Blocking" und "SMTP after POP" gearbeitet. Im ersteren Fall wird der Kunde technisch gezwungen, seine E-Mail über den Mailserver seines Provider zu senden, womit gewährleistet ist, dass der Werbende nicht mehr andere Mail Server zur Verschleierung seiner Herkunft missbraucht. Im zweitgenannten Fall muss der Kunde erst seine Mail abholen, bevor er weitere Mails versenden kann. Somit ist gewährleistet, dass er sich gegenüber dem Webmailer authentifiziert, vgl. ct, Magazin für Computertechnik, Heft 15/2001, S. 94, 95. 244 Mankowski, GRUR Int. 1999, 995, 1000. 245 Statt vieler Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337, 1343; Burckhardt, Direktmarketing, S. 141. 246 LG Berlin v. 14. 11. 2000, MDR 2001,391,392 zur E-Mail-Werbung. 24\

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C. Auswirkungen auf die Infonnationsgesellschaft

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Verbraucher sein Einverständnis dazu gibt, ihn mit Werbung zu versorgen?47 Werbender und Umworbener kommunizieren auf der Grundlage der Freiwilligkeit miteinander und stehen sich in einem gleichberechtigten Verhältnis gegenüber. Zunächst gilt es dabei, das grundlegende Interesse des Konsumenten für die Produkte oder Dienstleistungen des Werbenden zu wecken, um in der Folgezeit eine immer stärkere Vertrauens beziehung zu ihm aufzubauen. Man geht davon aus, dass der Kunde dem Werbenden zunehmend bestimmte Lebensgewohnheiten und Interessen offenbart und so eine maßgeschneiderte Werbeinformation zugesandt bekommt. Dies würde einhergehen mit dem in der Wirtschaft zu beobachtenden Trend hin zu einem professionellen Kundenbindungsmanagement. 248 Das Problem an diesem Verfahren ist der Erstkontakt zum potentiellen Kunden. In der Regel wird der Werbende den ersten Schritt auf dem Weg machen, der zu einer einverständlichen Beziehung führt. Es liegt nahe, dass wenigsten die erste E-Mail an den Umworbenen nicht von einem Einverständnis gedeckt ist, so dass sich wieder das Problem der unverlangten Zu sendung stellt. 249

C. Auswirkungen auf die Informationsgesellschaft Nachdem der Kommunikationsraum und die Kommunikationsobjekte, also Information und speziell kommerzielle Kommunikation näher beleuchtet wurden, soll im Folgenden genauer auf die Auswirkungen der kommerziellen Kommunikation eingegangen werden. Hierbei ist nicht nur die Zunahme der kommerziellen Kommunikation von Bedeutung. Gerade die Häufung der medialen Beeinflussung im Sinne einer "Informationsflut" ist von ausschlaggebender Bedeutung. Um letzteren Punkt hervorzuheben sind zunächst die Vor- und Nachteile darzustellen, die sich aus dem neuen Stellenwert des Gutes "Information" ergeben, bevor schließlich auf die Auswirkungen der unverlangten kommerziellen Kommunikation im Einzelnen eingegangen wird.

247 Vgl. Richtlinie für erwünschtes Online-Direktmarketing v. 1. 10.2001 des Verbandes der Internet-wirtschaft, http://www.eco.de/ arbeitskreise / arbeitskreise / onlinemarketing / eco_Richtlinie_OM_l.02.pdf, im folgenden "pennission-marketing-policy". 248 Direktmarketing Deutschland 2000, S. 108. In der Wirtschaftswissenschaft ist vor allem der Begriff des Customer Relationsship Management (CRM) gebräuchlich. 249 Hinweis auf diese Problematik im E-Mail Gutachten der EU-Kommission, S. 9; von so einer "einmaligen" Werbeaktion geht auch die pennission-marketing-policy aus, vgl. dort 8.2.1.

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Teil 2: Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

I. Prognostizierte Vorteile der Informationsgesellschaft Unzweifelhaft bringt die Informationsgesellschaft mit ihren neuen Technologien der Allgemeinheit und dem Einzelnen wesentliche Vorteile. Jene detailliert und einzeln an dieser Stelle aufzuzeigen, würde den Rahmen der Darstellung sicherlich sprengen. Somit sollen sich die Ausführungen hier auf knappe Beispiele beschränken. Aussagen der EU-Kommission zufolge 250 geht mit der Entwicklung der Informationsgesellschaft die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Europa, der Abbau der Dauerarbeitslosigkeit sowie ein verbesserter Schutz der Umwelt einher. Telearbeit ermöglicht die Umkehrung der Arbeitsorganisation in erhöhtem Ausmaß: Nicht mehr der Mensch geht zur Arbeit, sondern die Arbeit kommt zu ihm. Durch den Ausbau von Forschungs- und Universitätsnetzwerken wird das Fernlernen zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Die Möglichkeit, gezielt Wissen weltweit abzurufen, ist geeignet, den Bildungsstand jedes Einzelnen zu erhöhen. Ähnliche Entwicklungstendenzen sind auch dem Abschlußbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages25I zum Thema Informationsgesellschaft zu entnehmen. Hinzukommt für den Verbraucher beispielsweise die Möglichkeit des Einkaufs per E-Commerce im Internet?52 Ferndiagnose im Rahmen der Telemedizin oder Internetrechtsberatung. Es besteht schon jetzt die Möglichkeit, einen Mahnbescheid per E-Mail zu beantragen 253 oder Teile der Steuererklärung auf diesem Wege ans Finanzamt zu übermitteln. Durch Gleichstellung der Schriftform gern. § 126 Abs. 3 BGB mit einer qualifizierten elektronischen Signatur werden sich hier noch weitere Türen öffnen?54 Ob sich diese Auswahl von Prognosen und technologischen Anwendungen vollumfänglich bewahrheiten beziehungsweise in der Realität umsetzen wird, ist in mancher Hinsicht fraglich und bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist ein gewisses Maß an Skepsis und Kritik wichtig, um sich nicht unreflektierend in die Arme neuer Techniken zu werfen und deren Risiken dabei zu verkennen?55 Es soll jedoch an dieser Stelle nicht der Eindruck entstehen, der Verfasser dieser Arbeit steht neuen Informationstechnologien grundsätzlich skeptisch oder gar ablehnend gegenüber. 250 Europa in Bewegung - Die Informationsgesellschaft, http://europa.eu.int/ comm 1dg 101 publications 1brochures 1movel infoeduc 1infoso 1txCde.html. 251 Bt-Ds 13/11004, dort insb. Kap. 4 und 5. 252 Vgl. Erwägungsgrund 2 der E-Commerce RL (RL 2000/31 1EG) zu den Auswirkungen des elektronischen Geschäftsverkehrs auf die Beschäftigungssituation. 253 Pilotprojekt des Justizministeriums Rheinland-Pfalz, NJW-Informationen, Heft 8/2001 S. xv. 254 Vgl. Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und zur Änderung weiterer Vorschriften v. 16. 5. 2001 (BGBI. I S. 876); Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr v. 13. 7. 2001 (BGBI. I S. 1542); Ausnahmen gelten jedoch z. B. für abstrakte Schuldanerkenntnisse oder die Bürgschaften. 255 So auch Salmony in: Lehmann (Hrsg.), Internet- und Multimediarecht, S. 4.

C. Auswirkungen auf die Informationsgesellschaft

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Gegenteiliges ist vielmehr der Fall. Dem Verfasser ist die Vorstellung nicht fremd, dass neue Technologien derart in den Bann ziehen können, dass der Blick für negative Auswirkungen getrübt werden kann. Maßgeblich für den Fortgang der Untersuchung sind insbesondere diejenigen negativen Auswirkungen, die am Informationsfluss direkt ansetzen, also in unmittelbarem Zusammenhang mit Kommunikation stehen.

11. Die inflationäre Vervielfachung der Informationsmenge Die Entwicklung der Informationstechnologien bringt die inflationäre Vervielfachung der Kommunikationsinhalte mit sich. 256 Synonyme wie Informationsflut oder Informationslawine haben sich hierfür gefunden. Der einzelne Nutzer von Diensten der Informationsgesellschaft steht diesbezüglich neuen Herausforderungen gegenüber. Insbesondere der kritische Umgang mit Informationen im Sinne eines bewusst und planvoll gesteuerten Informationsflusses wird zu einer zentralen und wichtigen Fähigkeit werden?57 Mangelt es an dieser, ist der Einzelne einer immer zunehmenderen Anzahl von Einzelinformationen ausgesetzt, die er nicht mehr verarbeiten kann. Somit wird schließlich die Trennung von wesentlichen und unwesentlichen Informationen für die eigene Persönlichkeitsentwicklung entscheidende Bedeutung erlangen. Hauptrisiko für das einzelne Individuum und gerade in jüngerer Zeit vielfach erörterter Gegenstand, ist das Phänomen der Überinformation, das durch die Einführung neuer Informationstechniken häufig gefördert wird. 258 Unabhängig von Letzterem ist schon die Informationsfülle herkömmlicher Quellen stark angewachsen. Einer Schätzung nach enthält eine durchschnittliche Ausgabe der "New York Times" heutzutage mehr Informationen, als ein Engländer im 17. Jahrhundert in seinem gesamten Leben erhalten hat. 259 Das Weltwissen soll sich alle fünf Jahre verdoppeln?60 Dabei wird freilich nicht vergessen, dass - wie oben bereits festgestellt - Wissen nicht gleichbedeutend mit Information ist. Laut einer Statistik der japanischen Regierung gehen auf einen Japaner rund 483 Billiarden Wörter aus TV, Radio, Zeitungen, Gesprächen und vor allem Werbung pro Jahr ein?61 Die 256 Rössler in: Rössler (Hrsg.), S. 35, Joensson, Datenflut, S. 35; SpindlerlSchmittmann, MMR Beilage 8/2001,10, 13; vgl. auch Krüger-Nieland, GRUR 1974,561,563, die schon damals von "Reizüberflutung" sprach und zu einem Umdenken in Bezug auf den Individualschutz aufrief. 257 So auch Herzog in: Rutz (Hrsg.) S. 49. 258 Sieber, NJW 1989,2571; Hecker, Informationsüberflutung, S. 48. 259 So Shenk, Datenmüll und Infosmog, S. 25 m.w.N; ähnlich Van Winkle, Information Overload, S. 1 in: Computer Bits, www.computerbits.com/archive/19980200/infoload.htm. 260 Degler in: Der Spiegel 14/1993, S. 150. 261 Vgl. Deglerin: Der Spiegel, 14/1993, S. 150.

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Teil 2: Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

meisten dieser Sinnesreize werden sich ohne weiteres unter die oben aufgeführte Definition von Information subsumieren lassen. Ein Grund für die ständige Zunahme der den Einzelnen treffenden Informationsmenge sind die sinkenden Kosten für die Informationsübertragung. Die Kosten für den Transfer einer Datenmenge von 100.000 Wörtern sank zwischen 1960 und 1980 von 12,9 US-Dollar auf einen US-Dollar?62 In dieser Folge übertrifft die Datenmenge, die täglich rund um den Globus gesendet wird, das gesamte Wissen, das der Menschheit im 19. Jahrhundert zur Verfügung stand?63 Untersucht man die Auswirkungen der EinzeIinformationen näher, die auf den Rezipienten treffen, drängt sich die Vorstellung auf, dass Informationen für den Einzelnen nicht nur Vorteile, sondern auch ein erhebliches Gefahrenpotential in sich bergen können. 264 Als Auswirkungen kommen einerseits die Veränderungen bei Individuen und der Gesellschaft in Betracht, die durch die kommunikative Aussage an sich entstehen, andererseits auch jene Veränderungen, die allein auf der Existenz einzelner Medien und deren Nutzung beruhen. 265

III. Die informative Überbelastung des Einzelnen 1. Grundlagen und Symptome

Prognosen und Spekulationen über die Auswirkungen technologischer Neuerungen sind mit Vorsicht zu genießen. Bemdt stellte 1983 folgende Behauptung auf: "Das Problem des ,Information Overload' wird also durch die neuen Kommunikationstechnologien sehr wahrscheinlich nicht verschärft, sondern vielleicht sogar beseitigt. ,,266 Wäre dies der Fall, dann wäre der Begründung für den angestrebten persönlichkeitsrechtlichen Schutz der menschliche Kommunikation ein wesentliches Argument entzogen. In jüngerer Zeit oftmals erwähntes Problem ist die Überbelastung des Einzelnen durch Informationen. 267 Grundlage aller Aussagen die informationelle ÜberfordeNach Hecker, Informationsüberflutung, S. 1. Moritz, eR 2000, 61, 65 m. w. N.; vgl. auch Hermannsl Flegel (Hrsg.), S. 4, wonach sich alle fünf Jahre die wahrnehmbare Informationsmenge verdoppelt. 264 Sieber, NJW 1989,2569,2570. 265 Vgl. Schenk in: Fünfgeld/Mast (Hrsg.), S. 155 eingeschränkt auf Massenkommunikation. 266 Bemdt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 153. 267 So bei Niemöller, Verbraucherleitbild, S. 11; Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 16 ff.; Weiand, NJW 1994,227,229; FöldylRingel, Depression durch Überinformation, S. 9; Friedrichsen in: Rössler (Hrsg.), S. 211; Hecker, Informationsüberflutung , S. 37, 41 ff.; Shenk, Datenmüll und Infosmog, S. 17 ff.; Enquete-Kommission, Bt-Ds 13/11004, Punkt 4.3; Rheinz, Schleusen gegen die Informationsflut, SZ Nr. 143 v. 25. 6. 1997, S. 907; aber auch Bemdt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 24 ff. 262

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C. Auswirkungen auf die Informationsgesellschaft

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rung von Menschen betreffend, ist die Tatsache, dass es eine Grenze für die Verarbeitung von Infonnationen gibt. 268 Jene Grenze gibt Auskunft darüber, wann die Menge der eingehenden, also rezipierten Infonnation die Fähigkeit des Einzelnen übersteigt, jene Infonnation auch zu verarbeiten. Ein pennanentes Verarbeitungsdefizit kann man auch als Infonnationsdiskrepanz bezeichnen. Wird diese Grenze dauerhaft überschritten - was durch die in der Infonnationsgesellschaft produzierte und verlangt wie unverlangt rezipierte Infonnationsflut zunehmend der Fall ist -, sind Symptome erkennbar, die neuerdings als "Infonnation Fatique Syndrom,,269 bezeichnet werden. Infolge laufender Infonnations- und Reizüberflutung wurden Symptome wie steigender Blutdruck, venninderte Sehkraft, Verwirrtheit, Frustration, beeinträchtigte Entscheidungsfindung, abnehmende Hilfsbereitschaft und Selbstüberschätzung festgestellt. 27o Laufende Reizüberflutung wird auch in Zusammenhang gebracht mit Unaufmerksamkeit und mangelnder Konzentration. 271 Darüber hinaus nehmen Hektik, Nervosität und Gereiztheit der überbelasteten Person ZU?72 Durch Überschreitung der Kapazität der Infonnationsverarbeitung kann es auch zu kognitivem Stress kommen273 , was den Umstand beschreibt, dass ein Individuum nach seiner - auf vorheriger Infonnation basierenden - Entscheidung in eine Konfliktsituation gerät. Diese Folgen treten neben diejenigen, die sich aus der Kommunikation an sich ergeben können und sich ebenfalls in der Persönlichkeit des Einzelnen realisieren. Genannt seien hier etwa Meinungsänderungen, Veränderungen im Wissen, Veränderungen im emotionalen Bereich oder Verhaltensänderungen. 274 Neben diesen zumeist pathologischen Auswirkungen droht schließlich dem einzelnen Individuum eine zunehmende kulturelle und seelische Fremdbestimmung, die es im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung gerade zu venneiden gilt. 275

268 Vgl. hierzu grundlegende Studie v. Miller, The Psychological Review, 1956, Vol. 63, 81,96; ferner Bemdt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 25; Niemöller, Verbraucherleitbild, S. 11. 269 D.h. Erschöpfungszustand durch Überinformation; der Begriff geht zurück auf den britischen Psychologen David Lewis, der im Auftrag von Reuters 1996 eine entsprechende Untersuchung durchführte, vgl. http://about.reuters.com/rbb/research/dying.htm. 270 Shenk, Datenmüll und Infosmog, S. 37 f. 271 Rheinz, Schleusen gegen die Informationsflut, SZ Nr. 143 v. 25. 6. 1997, S. 907. 272 Vgl. Hecker, Informationsüberflutung, S. 37. 273 Hecker, Informationsüberflutung, S. 37,45 ff. Kognitiver Stress (kognitive Dissonanz) zeigt sich in diesem Zusammenhang meist in einem Gefühl der Unzufriedenheit über die getroffene Entscheidung. Dies kann daran liegen, dass einige abgelehnte Entscheidungsalternativen gegenüber der getroffenen Entscheidung in einzelnen Punkten vorteilhafter sind. Der Entscheidungsträger wird nun nach einer Legitimation für seine Entscheidung suchen. Dabei kann er bspw. die betroffene Situation umdeuten, den Konflikt verdrängen oder die Alternativen neu bewerten. 274 Bommert/Weich/ Dirksmeier, Rezipientenpersönlichkeit und Medienwirkung, S. 7. 275 Vgl. Kiefer in: Kiefer (Hrsg.), S. 17, 19.

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Teil 2: Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

Der Eintritt der soeben geschilderten Symptome hängt entscheidend davon ab, inwieweit eine Nutzung von Kommunikationsmedien stattfindet und somit überhaupt die Möglichkeit besteht, den Einzelnen mit Information zu konfrontieren. Zum Teil sind bei Berufstätigen erhebliche Folgen einer Überinformation zu bemerken, die eine firmeninterne E-Mail-Adresse hat, die vom Arbeitgeber zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellt wurde. Nach einer Studie der Universität Göteburg und der Firma Volvo276 aus dem Jahr 1997/1998 klagten diese schon aufgrund der firmen internen E-Mails über Informationsüberlastung und gaben an, aus Zeitmangel für die Informationsselektion während der Arbeitszeit sich Arbeit in Form von ausgedruckten E-Mails mit nach Hause zu nehmen, um diese dort zu selektieren und zu verarbeiten. Folge hiervon ist, dass unbezahlte Freizeit mit beruflicher Tätigkeit durchdrungen wird. Gleiches ergibt sich auch aus einer von Reuters in Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 1996?77 Zusammenfassend lässt sich also hier feststellen, dass der Mensch unabhängig vom Erhalt unverlangter kommerzieller Kommunikation bereits an eine quantitative Verarbeitungsgrenze stößt. Der Raum für unverlangte kommerzielle Kommunikation verdichtet sich somit auf ein Mindestmaß an zulässigen Formen?78 Jedenfalls hinsichtlich der Medien, die aufgrund ihres hohen Informationsflusses den Einzelnen in die Gefahr einer informativen Überbelastung führen können, gebietet sich eine sehr restriktive Handhabung der unverlangten kommerziellen Kommunikation. Deutsch 279 spricht im Hinblick auf die informative Überbelastung von einer voraussehbaren Entwicklung in Richtung eines Fundamentalismus. Hierunter fällt die Konstellation, dass der Einzelne eine "einfache Gewissheit" sucht, wenn er aufgrund von Überinformation eine klare Lösung für seine Frage oder Problemstellung nicht mehr findet. Es wird dann irgendeine Antwort hingenommen und als richtig akzeptiert, die möglicherweise gar nicht zutreffend ist und die dem Anfragenden gerade am brauchbarsten erscheint. Es wird quasi nach befriedigenden, statt nach optimalen Lösungen gesucht. 28o Man umgeht dadurch einmal den psychischen Stress, eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten auf ihre Begründetheit hin abzuklopfen. Schließlich setzt man sich durch derartiges Verhalten auch nicht der Gefahr des Eintritts der oben geschilderten Symptome und Persönlichkeitsveränderungen aus. Dieser Fundamentalismus ist eine oft zu beobachtende Reak276 Vgl. Stenmark, http://w3.informatik.gu.se/-dixi/publ/mail.htm. Laut Aussage einiger der Befragten sollte E-Mail für Kommunikation statt für Information gebraucht werden, d. h. der Rollenwechsel sollte mehr im Vordergrund stehen. 277 Vgl. Fn. 269. 278 Dies ist letztlich Folge einer Gewichtung der verschiedenen Sendungen. Jede E-Mail Nachricht ist hinsichtlich ihrer zugrundeliegenden Interessenlage zu gewichten. Ohne an dieser Stelle näher auf die Interessenlage einzugehen und im Einzelnen ein Ergebnis vorwegzunehmen, wird in der Regel einer privaten oder beruflichen Nachricht mehr Gewicht beizumessen sein, als einer unverlangten Werbesendung, vgl. näher zu den einzelnen Interessen, unten S. 216. 279 Deutsch in: Sonntag (Hrsg.), S. 84. 280 Berndt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 139.

C. Auswirkungen auf die Infonnationsgesellschaft

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ti on auf die Kombination von Informationsüberlastung und großer Bedrängnis. 28t Folge dieser Entwicklung wäre, dass in der breiten Masse nicht mehr diejenigen Antworten an Bedeutung gewinnen, die auf einer inhaltlich umfassenden und tiefgreifenden Problemerörterung basieren, sondern diejenigen, die arn oberflächlichsten und auf den ersten Blick am schlüssigsten erscheinen. Diese Entwicklung wäre aber den Zielvorstellungen von einer Informationsgesellschaft gerade gegenläufig, denn hiernach sollen langfristig die neuen Möglichkeiten mit dem Umgang von Informationen auch zu einer nachhaltigen Wissensmehrung führen und Entscheidungsprozesse optimieren. Die Förderung von "Boulevardinformationen" aufgrund der Überinformation kann nicht im Sinne einer Informationsgesellschaft sein. Im Ergebnis kann also festgehalten werden, dass es sich bei der Informationsüberlastung um ein real existierendes Phänomen handelt und nicht nur um ein "künstliches Gedankenprodukt realitätsferner Laborforscher". 282

2. Informationsüberlastung speziell durch kommerzielle Kommunikation a) Grundlagen

Die oben aufgezeigten Wirkungen ergeben sich durch eine Informationsüberflutung unabhängig von der Qualität der einzelnen Information. In dieser Untersuchung steht die unverlangte kommerzielle Kommunikation auf dem Prüfstand, insofern ist ihre Rolle in Bezug auf Überinformation zu erörtern. Ziel der Informationsgesellschaft ist es insbesondere, dem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, auf weltweite Informationen zuzugreifen. Er ist dabei aktives Glied im Kommunikationsprozess und darf sich nicht ausschließlich als Empfangsstelle für jedwede Information gerieren. Dieses Ziel wird aber dadurch unterlaufen, dass ein immer größer werdender Teil der täglich auf den Einzelnen eingehenden Informationen unverlangte kommerzielle Kommunikationen sind. Deren Sinn liegt zumeist in einer Beeinflussung der Konsumentscheidung. Es ist jedoch erwiesen, dass ein Konsument nicht generell eine bessere Entscheidung trifft, je mehr Informationen ihm zur Verfügung gestellt werden. Diesbezügliche Entscheidungen können schlechter werden, obwohl das subjektive Gefühl des Einzelnen über die Qualität der getroffenen Auswahl keinen Anlass für Zweifel gibt. 283 Eine Steigerung der Entscheidungseffizienz tritt insoweit erst mit der Möglichkeit der nachfrageorientierten Informationsbeschaffung ein. So wurde schon vor Jahren auf die Vorteile entsprechender Informationssysteme hingewiesen?84 Dadurch läge die Informationsmenge unterDeutsch in: Sonntag (Hrsg.), S. 85. Zitiert nach Hemdt, Konsumentscheidung und Infonnationsüberlastung, S. 200; vgl. auch Spindler/Schmittmann, MMR Beilage 8/2002,10,13: "Überlastung mit Infonnation". 283 Jacoby/Speller/Kohn, Journal ofMarketing Research, Vol. 11,2 (1974), S. 65 ff. 284 Witte in: Witte (Hrsg.), S. 55. 281

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Teil 2: Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

halb der bisher ungefragt versandten Menge, hätte aber für den Verbraucher dennoch einen höheren Wert, da die Infonnationen individueller sind und vor allem dem tatsächlichen Infonnationsbedürfnis des Nachfragenden entsprechen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass eine objektive Infonnationsüberflutung auch zu einem subjektiven Empfinden eines Infonnationsdefizites führen kann?85 Ein Grund hierfür kann in der Komplexität bestimmter Produkte, aber auch deren Märkte gesehen werden. Entsprechendes gilt für das unüberschaubare Angebot in gewissen Sparten. Aus diesen Umständen erwächst schließlich, dass faktisch eine umfassende und vollkommene Infonnation ausgeschlossen ist. Man kann nun einmal sagen, dass nachgefragte kommerzielle Kommunikation werthaltiger für den Einzelnen und für die gesamte Infonnationsgesellschaft ist, als dies bei unverlangt zugesandter Kommunikation der Fall wäre. Nicht jeder Infonnation kann der gleiche Wert beigemessen werden. Da nicht genügend Raum für einen unkontrollierten beziehungsweise ungelenkten Infonnationsverkehr ist, müssen Regeln aufgestellt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die einzelnen medialen Wege benutzt werden können. Als Anknüpfungspunkt bietet sich die Werthaltigkeit von Infonnationen an. Ist diese geringer, kann auch restriktiver in den freien Fluss eben dieser Infonnationen eingegriffen werden. Insoweit ist man inmitten einer infonnationsethischen Diskussion, wie sie schon 1989 von Sieber gefordert wurde, der hierzu im Rahmen der juristischen Literatur erste Überlegungen anstellte. 286 Die Infonnationsethik geht dabei der Frage nach, an welchen Zielen und Zwecken, Werten und Nonnen sich der menschliche Infonnationsaustausch orientieren soll. Sieber hat bei seiner Forderung zwar primär die Problematik des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Bezug auf Datenschutz und infonnationelle Selbstbestimmung vor Augen. Gerade aber für den hier zu untersuchenden Fall der unverlangten Zu sendung von Werbung sind ähnliche Anstrengungen zu unternehmen. Teilweise haben die einzelnen Branchenverbände Regelungen erlassen, die man insoweit als ethische Verhaltensrege1ungen bezeichnen kann, als sie unverlangte kommerzielle Kommunikation in ihren Anwendungsbereich mit aufnehmen. 287 Im Rahmen einer Infonnationsethik soll jedoch keinesfalls kommerzielle Kommunikation undifferenziert mit dem Stempel der Wertlosigkeit versehen werden. Dies wäre mit der kommerziellen Kommunikation als notwendigem Bestandteil jeder marktwirtschaftlichen Ordnung und eines funktionierenden Wettbewerbs nicht vereinbar. 288 Schließlich lassen sich neue Bedürfnisse und damit verbundene Absatzsteigerungen sowie die Erschließung neuer Märkte nur dann erzielen, wenn Hecker, Informationsüberflutung, S. 44. NJW 1989, 2569, 2578; ebenso Rheinz, SZ v. 25. 6. 1997, Nr. 143, S. 907; vgl. auch Bergsdorfin: Rutz (Hrsg.), S. 261, 263: "ethische Mindestnormen". 287 Vgl. E-Mail Gutachten der EU-Kommission, S. 10. 288 Vgl. Scherer, Verbraucherwerbung, S. 26; Freund, Persönlichkeitsrecht des Umworbenen, S. 4. 285

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C. Auswirkungen auf die Informationsgesellschaft

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die Zielgruppe über die entsprechenden Produkte informiert ist. Trotz dieser Grundsätze hat sich aber die kommerzielle Kommunikation in den Rahmen einzufügen, der durch anerkannte gesellschaftliche Grundsätze vorgezeichnet ist. Hierbei spielen die Zielsetzungen der Informationsgesellschaft eine herausragende Rolle. Deren Schwerpunkt ist es insbesondere, die selbstbestimmte Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien zu propagieren. Nun ist jedoch die Tendenz erkennbar, dass die neuen Technologien nur dann von weiten Teilen der Bevölkerung genutzt werden, wenn die zu erwartenden Informationen auch werthaltig sind. Die übertragene mediale Information stellt sich also selbst in die Verantwortung für die Qualität und den Umfang der sozialen Kommunikation?89 Diese sinkt insoweit in ihrer Qualität, als unverlangte kommerzielle Kommunikation den Grundsätzen der Informationsgesellschaft widerspricht. In diesem Zusammenhang wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Zukunft der neuen Kommunikationstechnologien im wesentlichen davon abhängt, ob der Informationsfluss für den Empfänger kontrollierbar und steuerbar ist. 290 b) Der Umworbene als "homo oeconomicus" Gegen die Tatsache der Informationsüberlastung durch kommerzielle Kommunikation wird die Hypothese des Informationsdefizits ins Feld geführt. Grundlage dieser Ansicht ist das Bild des "homo oeconomicus". Dieses Modell der volkswirtschaftlichen mikroökonomischen Haushaltstheorie beschreibt den Konsumenten als zweckrationales Wesen, dessen oberste Maxime als Wirtschaftssubjekt der Nutzenmaximierung gilt?91 Um dieses Ziel zu erreichen, ist er auf die vollkommene Information über alle verfügbaren Marktdaten angewiesen. Dies gilt als ein Leitbild der unternehmerischen Informationsstrategie?92 Diesem Leitbild zufolge sollte alles versucht werden, um den nur unvollkommen informierten, realen Konsumenten im Gegensatz zu seinem idealtypischen Modellbild so umfangreich wie nur möglich zu informieren, um ihn dem "homo oeconomicus" anzunähern. Darüber hinaus bestehe schon aus verbraucherpolitischer Sicht ein Recht auf Information des Einzelnen, da so seine Konsumentscheidung optimiert würde. 293 Diese Ansicht, die maximale Information in den Vordergrund stellt, dürfte in der heutigen Informationsgesellschaft aber nur noch eingeschränkt aufrecht zu erhalten sein. Dabei wird nicht verkannt, dass Information nötig ist, um als Wirtschaftssubjekt optimal haushalten zu können. Auch wird nicht verkannt, dass ein entspreKiefer in: Kiefer (Hrsg.), S. 19. Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 189. 291 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 28; Bemdt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 45. 292 Bemdt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 22. 293 Bemdt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 23. 289 290

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Teil 2: Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

chendes Infonnationsdefizit ebenso pathologische Folgen haben kann?94 Auf die wichtige Rolle, die Infonnationen in der heutigen Gesellschaft spielen, wurde oben bereits hingewiesen. Weiand betont zu Recht, dass auf den Markt gerichtete Informationen eine Grundvoraussetzung für den Leistungsaustausch der Wirtschaftspartner sind?95 Beachtet werden muss jedoch einmal, dass auch für Infonnationen wie für jedes andere Wirtschafts gut, das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens gilt, wonach der Nutzen eines Gutes mit zunehmenden Konsum abnimmt. 296 Darüber hinaus müssen auf dem Weg, den einzelnen Konsumenten zu einem "homo oeconomicus" zu erheben, Infonnationsüberlastung und -defizit berücksichtigt werden. Denn Ausgangspunkt ist der Mensch, der als rationales und wirtschaftendes Wesen nach Nutzenmaximierung strebt. Nach den oben getroffenen Feststellungen über die Auswirkungen einer Infonnationsüberbelastung kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Konsument in diesem Zustand eine für das eben genannte Ziel immer förderliche Konsumentscheidung trifft. Da diese zudem schwer zu prognostizieren ist, derartige Prognosen aber elementare Bestandteile einer Marketingstrategie sind, dürfte eine Überbelastung mit werblicher Infonnati on auch nicht im Sinne des Anbieters sein. Hermanns / Flegel weisen zu Recht darauf hin, dass eine Infonnationsüberflutung eine erhebliche Barriere für eine wirksame Marketing-Kommunikation bildet. 297 Gleiches gilt auch hinsichtlich der zunehmenden Reaktanz des Umworbenen, womit die systematische Verweigerung der Wahrnehmung von Werbebotschaften umschrieben ist. 298 Die für die kommerzielle Kommunikation getätigten Aufwendungen wären in immer abnehmenderem Maße kausal für einen bestimmten Absatzerfolg und somit ökonomisch sinnlose Aufwendungen. Unverlangte kommerzielle Kommunikation mit einer mangelnden Infonnation des Konsumenten zu rechtfertigen, ist schließlich auch nach dem heutigen Stand der Infonnationstechnologien nicht mehr aufrechtzuerhalten. Denn gerade aufgrund derer hat der Konsument die Möglichkeit, sich ein hohes Maß an Infonnationen zu verschaffen und so seine Entscheidungen optimal vorzubereiten. Die vielfältigen Markt- und Produktinfonnationen, die dem World Wide Web zu entnehmen sind, seien hier als ein Beispiel angeführt. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung 299 hingewiesen, wonach die Testkonsumenten zur Vorbereitung ihrer Konsumentscheidung niemals die volle Anzahl der ihnen zur Verfügung stehenden Produktinfonnationen abriefen, obwohl es ihnen möglich gewesen wäre. Somit bleibt festzuhalten, dass die Annä294 Hecker, Informationsüberflutung, S. 37 dort Fn. 42; Bemdt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 23. 295 Weiand, NJW 1994,227,229; vgl. auch Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 52. 296 Bemdt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 47 unter Hinweis auf das "Gossen'sche Gesetz". 297 Hermannsl Flegel (Hrsg.), S. 5. 298 Weiand, NJW 1994,227,229. 299 Vgl. Studie bei Bemdt, Konsumentscheidung und Informationsüberlastung, S. 232.

C. Auswirkungen auf die Informationsgesellschaft

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herung an einen umfassend informierten "homo oeconomicus" nur gelingen kann, wenn man die menschlichen Grenzen der Informationsverarbeitung dabei nicht unberücksichtigt lässt. Die modelltypische Forderung nach maximaler Information ist nicht mit der Tatsache zu vereinbaren, dass der menschliche Intellekt nicht fähig ist, alle Alternativen bei seiner Konsumentscheidung zu berücksichtigen. c) Die Minimierung der Informationskosten

Schließlich ist noch auf einen Punkt einzugehen, der dem ersten Anschein nach für unverlangte Konsumenteninformation spricht und unter dem Stichwort der Informationsökonomie diskutiert wird. Grundlage hiervon ist, dass der Konsument als wirtschaftliches Wesen ständig darum bemüht sein wird, die Gesamtkosten seiner einzelnen Konsumaktivität so gering wie möglich zu halten. Unter diese Kosten fallen nun nicht nur der Preis für das Produkt an sich, sondern auch die Informationskosten. 3OO Unter jenen versteht man diejenigen Kosten, die sich aufgrund der Suche nach dem gewünschten Produkt ergeben. Als Beispiel seien hier die Fahrtkosten angeführt, die durch das Aufsuchen von verschiedenen Geschäften zum Preisvergleich entstehen. Je mehr Information dem Konsument durch Dritte verschafft wird, desto geringer wären seine Informationskosten, was letztlich unverlangte kommerzielle Kommunikation unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigen könnte. Dagegen bestehen jedoch in zweierlei Hinsicht Bedenken. Einmal werden nicht zwangsläufig die Informationsbedürfnisse des Konsumenten befriedigt, da dies insoweit nur der Fall sein wird, wie der Werbende genaue Kenntnisse über die konkreten Konsumwünsche des Einzelnen hat. Ist dies nicht der Fall, hängt es vom Zufall ab, ob er brauchbare Informationen erhält und sich insoweit Aufwendungen ersparen kann. Schließlich wird die Senkung von Informationskosten dadurch relativiert, dass die unverlangte kommerzielle Kommunikation auf Kosten des Umworbenen stattfindet, wie dies bei Telefax- aber auch E-Mail-Werbung der Fall ist. d) Ausblick Es ist eine Entwicklung abzusehen, dass der einzelne Mensch in der Informationsgesellschaft immer mehr Adressat kommerzieller Kommunikationen ist. Im Hinblick auf Individual-Marketing sprechen manche Stimmen schon jetzt davon, dass der Verbraucher unter dem Schicksal seiner völligen Ausbeutung und Auszehrung durch die Wirtschaft leidet. 301 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das UMTS Zeitalter, dessen zugrunde liegende Techniken wohl nur unter Einsatz von einem hohen Maß an Werbung wieder refinanziert werden können. Eine Umlage 300 301

Schmitz. Kommerzielle Kommunikation, S. 42 m. w. N. Podlechl Peifer, RDV 1998, 139, 140.

6 Rothley

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Teil 2: Kommerzielle Kommunikation in der Informationsgesellschaft

der hohen Kosten ausschließlich auf die Nutzungsgebühren erscheint jedenfalls kaum möglich. 302 Hinzu kommt, dass der Werbeindustrie aufgrund der technischen Infrastruktur ganz neue Einsatzfelder eröffnet werden. Im Bereich Individualkommunikation sei hier insbesondere die Möglichkeit genannt, den Umworbenen mittels Mobilfunk je nach Aufenthaltsort in einer bestimmten Funkzelle mit entsprechender Werbung zu versorgen. Überträgt man die oben beschriebenen Auswirkungen einer Informationsüberbelastung des Rezipienten auf den einzelnen Verbraucher beziehungsweise Konsumenten, so stellt man fest, dass diesem allein aufgrund der Werbernenge und unabhängig vom Werbeinhalt eine Konsumentscheidung erschwert wird. Betrachtet man zwei theoretische Gegenpole, kann man einmal denjenigen Konsumenten und Werberezipienten erkennen, der versucht, die auf ihn einwirkende Information - und Werbung - zu verarbeiten und auf bestmöglichste Weise seiner Konsumentscheidung zugrunde zu legen. Dies wird ihn jedoch schnell in die Situation der informationellen Überbelastung bringen, da nur noch ein Teil der Menge an kommerzieller Kommunikation verarbeitet werden kann. Seine Entscheidung basiert in diesem Fall auf Umständen, die einem Leistungswettbewerb nicht mehr immanent sind?03 Die andere Extremsituation beschreibt denjenigen Rezipienten, der sich quasi autistisch in Bezug auf Informationen verhält. Auf kommerzielle Kommunikation bezogen bedeutet dies, dass er in größtmöglichem Maß versucht, sich vor werblicher Einflussnahme abzuschotten. Dies gilt für verlangte wie unverlangte Werbung. Beide Verhaltensweisen können schon unabhängig vom Interesse des einzelnen Rezipienten nicht im Interesse der absetzenden Stelle sein. Die Antwort der Werbenden auf diese Entwicklung ist beispielsweise die Steigerung sogenannter Schockwerbung, da sich auffällige Reize im Zustand der Informationsüberlastung in der Regel besser durchsetzen. 304 Durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Benetton dürfte diese Entwicklung zudem noch gefördert werden. 305 Auf der anderen Seite dringt Werbung zunehmend in Bereiche ein, die ihr vorher größtenteils mangels der technischen Möglichkeiten verschlossen blieben und welche von einem bewussten Abschottungsverhalten306 gegen Werbung noch nicht erfasst wurden. Die Zunahme der Direktmarketingaktivität bestätigt diese Entwicklung.

302 Allein die nach der Versteigerung gern. § 11 Abs. 4 TKG im Jahr 2000 falligen Lizenzgebühren in Deutschland betrugen ca. 100 Mrd. DM. 303 Hierunter ist der Wettbewerb mit dem Preis und der Qualität der Ware oder Dienstleistung einschließlich der Nebenleistungen zu verstehen, vgl. Fezer, WRP 2001, 989, 998. 304 Berndt, Konsumentscheidung und Informationsüberiastung, S. 138. 305 BVerfG v. 12. 12.2000, NJW 2001, 591 - Benetton. 306 Z. B. der bewusste Verzicht auf Privatfernsehen oder der "Kleber" auf dem Briefkasten.

C. Auswirkungen auf die Infonnationsgesellschaft

83

IV. Zusammenfassung Festgehalten werden kann, dass sich die Kommunikationsstruktur derart verändert hat, dass ein Schutz vor unverlangter Information dringend nötig ist. Als eine der Hauptursachen für informationelle Überbelastung ist die unverlangte kommerzielle Kommunikation anzusehen. Diese ist zur zunehmenden Gefahr für die Allgemeinheit und das einzelne Individuum geworden. Um diese wirkungsvoll zu kontrollieren und einer weiteren Ausbreitung Einhalt zu gebieten, sind rechtliche Schutzinstrumentarien erforderlich.

Teil 3

Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund A. Einleitung Die Beurteilung, welche rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz vor unverlangter kommerzieller Kommunikation bestehen, orientiert sich in erster Linie nicht an den nationalen, sondern an den europarechtlichen Vorgaben. Zwar unterliegt Direktmarketing gegenüber dem Umworbenen der nationalen Rechtsordnung, wenn sich Werbender und Umworbener im selben Staatsgebiet befinden und es auch nicht zu einer grenzüberschreitenden Marketingaktivität kommt. Es ist aber zu erwarten, dass im Informationszeitalter eine weitere Zunahme grenzüberschreitender Kommunikationsaktivität stattfindet. 307 Grund hierfür ist die vor allem aus Kostengründen sich vollziehende Standardisierung von Marketingstrategien im europäischen Binnenraum. Dieser Vorgang wird insbesondere beim E-Mail-Marketing zu beobachten sein, da es nicht sinnvoll ist, die Werbung bei einem so globalen Medium wie dem E-Mail-Service länderspezifisch zu definieren. Dies liegt schon daran, dass eine E-Mail-Adresse im Gegensatz zu einer postalischen Adresse nicht unbedingt auf den Aufenthaltsort des Inhabers schließen lässt. Zu beachten ist an dieser Stelle, dass schon die grenzüberschreitende kommerzielle Kommunikation den Binnenmarktbezug herstellt. Es kommt also nicht darauf an, ob es dann auch zu einem grenzüberschreitenden Waren- oder Dienstleistungstransfer kommt. 308 Nach einem kurzen Überblick über die nationale Rechtslage in Deutschland bezüglich des elektronischen Direktmarketings werden die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auf ihren diesbezüglichen Regelungsumfang untersucht. Erst dann besteht Gewissheit, ob noch Raum für eine strengere nationale Regelung des grenzüberschreitenden Kommunikationsverkehrs besteht. Im Gegensatz zu anderen Mitgliedsstaaten, die teilweise konkrete gesetzliche Regelungen hinsichtlich unverlangter kommerzieller Kommunikation geschaffen haben,309 wird in der Bundes307 Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 23; Dallmer in: Dallmer (Hrsg.), S. 14 weist auf den Trend hin, im Bereich des Telefonmarketings die einzelnen europäischen Märkte zentral von einem Telemarketing-Center aus zu betreuen. 308 Vgl. zu diesem Aspekt die näheren Ausführungen bei Burckhardt, Direktmarketing, S.158. 309 Österreich: § 101 Telekommunikationsgesetz (TKG); nach dessen Satz 1 sind Anrufe einschließlich Telefaxe zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers

A. Einleitung

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republik Deutschland dieses Feld von je her der Rechtsprechung und deren Ausfüllung von unbestimmten Rechtsnormen überlassen. Um hierüber einen Überblick zu schaffen, wird die Darstellung der nationalen Rechtsprechung zu Beginn im Vordergrund stehen.

I. Die restriktive Haltung bezüglich Telefon-, Fax- und Btx-Werbung 1. Telefonwerbung

a) Das Eindringen in die Privatsphäre als Hauptargument

In der Bundesrepublik Deutschland hat sich eine ablehnende Haltung zur Telefonwerbung herausgebildet. Unterschieden wird bei der rechtlichen Würdigung nach Telefonwerbung im privaten und im geschäftlichen Bereich. 310 Je nach dem ob es sich dabei um einen werbenden Anruf im Rahmen einer bestehenden Geschäftsbeziehung handelt oder ob ein Erstkontakt zum Umworbenen durch den Anruf hergestellt wird, spricht man im ersteren Fall von einem sogenannten "warm call", im letzteren Fall von einem "cold call".311 Nach heute fast einhelliger Meinung in Literatur und Rechtsprechung verstößt ein unerbetener telefonischer Anruf zu Werbezwecken gegenüber Privatpersonen nach § I UWG. 312 Hiernach kann, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, auf Schadensersatz und Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Angerufene unzulässig; für elektronische Post gilt der nachträglich eingefügte Satz 3 (Eingefügt durch 4. TKG-Novelle, BGBI. I 1999, S. 188), welcher vorsieht, dass die Zusendung elektronischer Post als Massensendung oder zu Werbezwecken der vorherigen und jederzeit widerrufbaren Zustimmung des Empfängers bedarf, vgl. umfassend zu § 101 TKG, Laga, lurPe Web-Dok. 2000/ 170, Abs. 1 - 68. In Griechenland besteht seit 1994 eine gesetzliche Regelung; Art. 9 Nr. 10 des Verbraucherschutzgesetzes verbietet die Übermittlung von Werbung unmittelbar an den Verbraucher per Telefon, Fax, elektronischer Post, automatischen Ruf oder durch ein anderes elektronisches Kommunikationsmittel, es sei denn der Verbraucher hat hierfür ausdrückliche zugestimmt; vgl. Schmittmann in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 18). Ebenfalls eine optin-Lösung für E-Mail Werbung besteht in Italien, Schweden, Finnland und Dänemark, vgl. Lloyd, Information Society, S. 273; vgl. SpindlerlSchmittmann, MMR Beilage 8/2001, 10, 17 ff. zu einem Überblick über die EU-Staaten. 310 Überblick bei Burckhardt, Direktmarketing, S. 24 ff.; Reichelsdoifer, GRUR 1997, 191, 196; Schmittmann in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 3 f.; Böhm, MMR 1999, 643 ff.; von Gamm, Wettbewerbsrecht, Kap. 25, Rn. 35; Schricker, GRUR Int. 1998,541 ff.; LeiblelSosnitza, K&R 1998,283 ff.; BaumbachlHefermehl, § 1 UWG Rn. 67; Schmid, Telefonwerbung, S. 13 ff.; Engel, Direktmarketing, S. 30 ff. 3Il Burckhardt, Direktmarketing, S. 42, 80, 95, 99. 312 St. Rspr. seit BGH v. 19.6. 1970 BGHZ 54, 188 ff.; vgl. statt vieler BaumbachlHefermehl, § 1 UWG Rn. 67; Schmid, Telefonwerbung, S. 14; HartwiglFerschl, WRP 1999, 1083, 1084.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

zuvor sein ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis erteilt hat. Zugleich stellt dies auch durch den Eingriff in die Privatsphäre eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. 3!3 Zum ersten Mal Gegenstand der Rechtsprechung war diese Problematik in einem Urteil des OLG Hamburg aus dem Jahre 1961.3!4 Hier wurden insbesondere die Lästigkeit und Aufdringlichkeit zur Begründung der Sittenwidrigkeit herangezogen. Zum selben Ergebnis gelangte schließlich der BGH in seinem Urteil Telefonwerbung I aus dem Jahre 1970, welches als "Markstein" der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Telefonwerbung angesehen wird. 3!5 Dem Leitsatz zufolge "verstößt [es] gegen die guten Sitten des lauteren Wettbewerbs, unaufgefordert Inhabern von Fernsprechanschlüssen, zu denen bislang keine Beziehungen bestehen, in ihrem privaten Bereich anzurufen, um Geschäftsabschlüsse anzubahnen oder vorzubereiten, insbesondere um Waren oder sonstige Leistungen anzubieten".3!6 Als Begründung wurde angeführt, dass der Anschlussinhaber sich mit einem Telefonanschluß nicht der "Öffentlichkeit" und der "großen Welt" öffnet. Dies sei vielmehr nur gegenüber denjenigen Personen der Fall, die "zu dem Inhaber in solchen Beziehungen stehen, die die Inanspruchnahme gerechtfertigt erscheinen lassen". Zum Kernelement der Begründung wurde der Schutz der häuslichen Privatsphäre, in dem der BGH weiterhin feststellte, dass "der Schutz der Individualsphäre gegenüber dem wirtschaftlichen Gewinnstreben Dritter" im Vordergrund steht. Eine "untragbare[n] Belästigung und Beunruhigung des privaten Lebensbereichs" liegt daher nahe. Zudem wird auch die "technische Eigenart des Telefons" betont, die "ein unkontrollierbares Eindringen in die Privatsphäre des Anschlussinhabers ennöglicht". Schließlich führe auch die derartig praktizierte Telefonwerbung zur "Verwilderung der Wettbewerb sitten", da die Mitbewerber gezwungen wären, jene Methoden nachzuahmen, um nicht Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Der Keim zu "einem immer weiteren Umsichgreifen" sei dieser Marketingmethode immanent. Die Begriffe Individualsphäre und Privatsphäre werden hierbei offensichtlich synonym verwendet. Dieselbe Argumentation lag in der Folge auch einer ausschließlich auf § 1 UWG gestützten weiteren Entscheidung des BGH Telefonwerbung II zugrunde. 3!? Zudem betonte der BGH hier, dass es "angesichts der Vielfältigkeit der Werbemethoden nicht [erforderlich ist], mit der Werbung in den privaten Bereich einzudringen." Besondere Beachtung fand bei dieser Entscheidung die Problematik eines Einverständnisses. Es wurde betont, dass bei Anrufen im privaten Bereich Staudingerl Hager, § 823 C 237; Loydl, Belästigende Werbung, S. 21. V. 19. 1. 1961, BB 1961, 1070. 315 So Schricker, GRUR Int. 1998,541,542. 316 BGH v. 19.6. 1970, BGHZ 54, 188 - Telefonwerbung I; beachte Gil/es, NJW 1988, 2424, 2426, der ..das TeIefonmarketing als ein besonders trauriges Beispiel für die Ineffizienz von Recht und Richtersprüchen" bezeichnet. 317 BGH V. 8. 6. 1989, GRUR 1989,753 - Telefonwerbung 11. 313

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A. Einleitung

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entgegen Stimmen im Schrifttum318 nur ein ausdrückliches oder stillschweigendes Einverständnis über die Sittenwidrigkeit hinweghelfen kann. Eine vorherige schriftliche Ankündigung des Anrufes oder schon bestehende Geschäftsbeziehungen seien hierfür nicht ausreichend, jedenfalls wenn es sich um einen Anruf gegenüber einer Privatperson handele. Letzteres wurde auch in der Entscheidung Telefonwerbung III 319 nochmals ausdrücklich klargestellt. Insbesondere betonte der BGH hier, dass in der Bitte einer Privatperson um die Übersendung von Infomaterial in der Regel kein Einverständnis zu sehen ist. 320 Die Entscheidung Telefonwerbung IV321 schließlich betraf einen Werbeanruf gegenüber einem Gewerbetreibenden. Nach dieser Entscheidung des BGH ist ein solcher Anruf wettbewerbswidrig i.S.v. § 1 UWG, wenn ein Einverständnis zumindest nicht vermutet werden kann. Diese niedrigeren Anforderungen an ein Einverständnis begründete der BGH damit, dass in diesem Fall eine "Belästigung im Individualbereich" ausscheidet. Dennoch kommt es zu "belästigenden Störungen in dessen beruflicher Tatigkeit und zu einer den Geschäftsgang störenden Belegung des Telefonanschlusses für die Dauer des Anrufs", was grundsätzlich die Sittenwidrigkeit begründet. Für die Vermutung eines Einverständnisses muss ein "konkreter, aus dem Interessenbereich des Anzurufenden herzuleitender Grund" vorliegen. Wieder um den Anruf einer Privatperson ging es in den Urteilen Lexikothek322 und Telefonwerbung v. 323 Der BGH berief sich dabei auf die mittlerweile bestehende ständige beziehungsweise gefestigte Rechtsprechung zum Schutz der Privatund Individualsphäre und betont die grundsätzliche Unzulässigkeit von in die Privatsphäre eindringenden geschäftlichen Anrufen. Die Schwerpunkte der Entscheidungen lagen wiederum in der Frage des Einverständnisses, bei Telefonwerbung V speziell im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses. Die Angabe einer Telefonnummer in Versicherungsvertragsunterlagen könne nur auf ein konkludentes Einverständnis für Anrufe hindeuten, die sich auf den schon bestehenden Vertrag beziehen. Eine telefonische Neuanbahnung von Vertragsverhältnissen betreffend andere Familienmitglieder ist damit aber nicht zu rechtfertigen. In Lexikothek stellte der BGH in einem Leitsatz klar, dass Telefonanrufe bei Privaten selbst dann unzulässig sind, wenn sie der Vereinbarung eines Vertretertermins dienen?24 Gilles, NJW 1988, 1988,2424,2431. BOH v. 8.11. 1989, NJW-RR 1990,359 f. - Telefonwerbung III. 320 So auch OLO Frankfurt v. 1. 2. 1990, NJW-RR 1990, 1137 ff. 321 BOH v. 24. 1. 1991, NJW 1991,2087 ff. - Telefonwerbung IV; zuletzt bestätigt durch BOH v. 25. 1. 2001, WRP 20m, 1068, 1070 - Blindenware; vgl. auch Schricker, ORUR Int. 1998,541,547 ff.; Böhm, MMR 1999,643,644 ff. 322 BOHv.16. 12. 1993,NJW 1994,1071 ff.-Lexikothek. 323 BOH v. 8. 12. 1994, NJW-RR 1995, 613 ff. - Telefonwerbung V. 324 Der unangekündigte Vertreterbesuch ist nach st. Rspr. des BOH zulässig, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, was der Fall sein kann, wenn der Umworbene in seiner Ent318

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

Auf der gleichen Dogmatik schließlich basiert das Urteil des BGH vom 16. 3. 1999325 und das Urteil Telefonwerbung V/326 • Große Beachtung in der Literatur fanden die Entscheidungen hauptsächlich aufgrund ihrer AGB-rechtlichen Problematik. Dem Gericht zufolge ist eine formularmäßige Einverständniserklärung mit Te1efonwerbung eine unangemessene Benachteiligung i.S. v. § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen327 (AGBG), der dem jetzigen § 307 Abs. 1 BGB entspricht. 328 Wie diese Rechtsprechung zu letzterem Punkt im Rahmen der E-Mail-Werbung zu werten ist, soll weiter unten in einem eigenständigen Teil erörtert werden. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung folgt weitestgehend der vorgegebenen Linie des BGH. 329 Ein an dieser Stelle hervorzuhebendes Urteil betrifft das sogenannte werbefinanzierte Telefonieren. 33o Mit dieser Methode fallen für den Anrufer, der eine einmalige Gebühr an den Anbieter bezahlt, keine weiteren Gesprächskosten an. Sozusagen als Gegenleistung wird das Gespräch in regelmäßigen Abständen von standardisierten Werbeblöcken unterbrochen. Das LG Berlin sah diese Methode ebenfalls als einen Verstoß gegen § 1 UWG an und begründete dies unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des BGH mit einem unkontrollierbaren Eindringen in die Lebensgewohnheiten des Angerufenen und mit der erheblichen Beeinträchtigung dessen verfassungsrechtlich geschützter Privatsphäre. b) Zwischenergebnis

Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH Telefonwerbung unzulässig ist, sofern kein ausdrückliches beziehungsweise konkludentes, im geschäftlichen Bereich auch zu vermutendes Einverständnis vorschließungsfreiheit beeinträchtigt wird, BGH v. 5. 5. 1994, NJW 1994,2028 ff. - Vertreterbesuch; vgl. auch Schmid, Telefonwerbung, S. 18. 325 JZ 1999, 1I20 ff. m. Anm. Möllers = MMR 1999, 477 ff. m. Anm. Schmittmann = EWiR § 9 AGBG 4/99, 433 m. Anm. Ulrich =MDR 1999,856 m. Anm.lmping = BB 1999, 1130 ff. m. Anm. Graf von Westphalen. 326 BGH v. 27. 1. 2000, JurPC Web-Dok, 144/2000, Abs. 1-23 = MDR 2000, 962 ff. m. Anm. Vehslage = NJW 2001, 42 ff. m. Anm. Lettl =; MMR 2000, 607; m. Anm. Hoffmann = BB 2000, 1540 m. Anm. Schmittmann = EWiR § 1 UWG 8/2000 m. Anm. Kapp; bestätigt durch BGH v. 2.11. 2000, BuW 2001,828. 327 Gesetz v. 9. 7.1976, BGBI. I S. 3317. 328 AGBG in das BGB (§§ 305 ff.) eingefügt durch Gesetz zur Modemisierung des Schuldrechts v. 26. 11. 2001, BGBI. I , S. 3138 ff. 329 OLG Köln v. 4. 9. 1998, CR 1999, 160 f.; OLG München v. 6. 4. 1995, ZUM 1996, 168; LG Stuttgart v. 15.4. 1987, VuR 1987,234 ff.; KG v. 21. 2. 1978, WRP 1978, 373 ff.; OLG Koblenz v. 20. 12. 1990, WRP 1991, 332 ff.; LG Berlin v. 29. 5. 1990, WM 1990, 1935 f.; LG Siegen v. 2. 6. 1998, WRP 1998,1034. 330 LG Berlin v. 20. 7.1999, WRP 1999, 1188 f.; vgl. hierzu auch Anm. Hartwig/Ferschl, WRP 1999, 1083 ff.; aufgehoben durch BGH v. 20. 12.2001, WRP 2002, 676; siehe auch noch S. 266 f.

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liegt. Hieran werden strenge Maßstäbe angelegt. Die Problematik hinsichtlich der unerwünschten Telefonwerbung verlagert sich folglich auf die Voraussetzungen, die an ein solches Einverständnis zu stellen sind. Zu beachten ist weiterhin, dass der BGH alle diesbezüglichen Entscheidungen ausschließlich auf § 1 UWG stützt. In keinem vom BGH entschiedenen Fall wurde der Tenor auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung gern. §§ 823 Abs. 1 BGB mit den entsprechenden Abwehrmöglichkeiten aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog gestützt. 331 Die persönlichkeitsrechtlichen Interessen des betroffenen Umworbenen flossen nur mittelbar im Rahmen der Interessen der Allgemeinheit, die auch durch § 1 UWG geschützt sind, in die Prüfung mit ein. 332 2. Telex- und Telefaxwerbung

a) Die Telexentscheidung des BGH als dogmatische Basis Bezüglich Telex- und Telefaxwerbung hat sich eine ebenso restriktive nationale Rechtsprechung herausgebildet wie bei der Te1efonwerbung. 333 Die dogmatische Konstruktion dieser restriktiven Haltung geht zurück auf die Telex-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1972334 , unterscheidet sich aber in grundlegenden Aspekten von der Dogmatik der Telefonwerbung. Das Gericht betont in seiner Entscheidung, in der es um Werbung im geschäftlichen Bereich ging: "Da Fernschreibanschlüsse überwiegend oder ausschließlich dem geschäftlichen Verkehr dienen, kommt hier dem Schutz der Individualsphäre gegenüber dem Gewinnstreben Dritter geringere Bedeutung zu." Dies schließe jedoch nicht aus, dass der Geschäftsbetrieb des Umworbenen in unzumutbarer Weise belastet wird. Als Gründe hierfür nannte der BGH insbesondere den für die Selek331 Vgl. Loydl, Belästigende Werbung, S. 20; anders aber bspw. OLG Stuttgart v. 11. 3. 1988, ZIP 1988,674 ff., hier stand der Weg über § 1 UWG nicht offen, da es sich um Wahlwerbung handelte; dagegen Soergel/ Zeuner, § 823 Rn. 99 Fn. 43. 332 Vgl. BGH v. 8. 6. 1989, GRUR 1989,753,754; von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Hb. Kap. 24 Rn. 7. 333 Zur Telexwerbung: BGH v. 6. 10. 1972, BGHZ 59,317 ff.; vgl. auch OLG Hamburg v. 10.4.1975, GRUR 1977,225 ff.; OLG Stuttgart v. 15.5.1987, WRP 1987,641 ff. Zur Faxwerbung: BGH v. 25. 10. 1995, NJW 1996,660 f.; OLG OIdenburg, 27. 11. 1997, NJW 1998, 3208; OLG Düsseldorf v. 22. 5. 2000, WRP 2000, 1329 f.; OLG Koblenz v. 7.9. 1995, eR 1996,207 f.; LG Hamburg v. 10.8.1988, NJW-RR 1989,487; OLG Hamm v. 26.4.1990, NJW-RR 1991,160 und v. 17.5. 1990, NJW-RR 1990, 1324; KG v. 17.3.1992, NJW-RR 1992, 1193; OLG Stuttgart v. 13. 10. 1994, NJW 1995, 1098 und v. 28. 10. 1994, NJW-RR 1995,615; beachte auch OLG München v. 8. 2. 1993, NJW-RR 1994, 1054 unter Berufung auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Im Übrigen vgl. Baumbachl Hefermehl, § 1 UWG Rn. 69 a,b; Burckhardt, Direktmarketing, S. 117; Engel, Direktmarketing, S. 16 ff.; Mutter, DZWi 1995, 171 f.; von Gamm, Wettbewerbsrecht, Kap. 25 Rn. 35. 334 BGH V. 6. 10. 1972, BGHZ 59, 317 ff.; siehe desw. Fn. 333.

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tion und Sichtung des Fernschreibens nötigen Arbeits- und Zeitaufwand, der den normalen Geschäftsgang stören kann und die für den Anschlussinhaber entstehenden Kosten in Form eines erhöhten Papierverbrauchs. Zudem betont der BGH ähnlich wie bei der Telefonwerbung335 , dass sich der Anschlussinhaber, der mit Hilfe des Dienstes schnell und zuverlässig schriftlich erreichbar sein will, nicht generell damit einverstanden erklärt, Werbeschreiben jeder Art empfangen zu wollen. Er hat ein berechtigtes Interesse daran, dass seine Anlage von jeder Inanspruchnahme freizuhalten ist, die ihrer bestimmungsgemäßen Funktion zuwiderläuft. Solange nicht ein ausdrückliches, konkludentes oder im geschäftlichen Bereich auch zu vermutendes Einverständnis des Adressaten vorliegt, ist davon auszugehen, dass diese Werbeform ein Verstoß gegen die guten Sitten gern. § 1 UWG darstellt. 336 Ein zu vermutendes Einverständnis bestimmt sich nach dem Grad des Interesses des Telexteilnehmers, die Werbesendung gerade über dieses gewählte Medium zu erhalten. 337 Insoweit ist letztlich eine Beurteilung nach Lage des einzelnen Falles geboten. Die rechtliche Würdigung der Telexwerbung ist auf die Teletexwerbung zu übertragen?38

b) Auswirkungen auf die Telefaxwerbung

Das erste und soweit ersichtlich einzige Mal musste sich der BGH mit der Frage der Telefaxwerbung in einem Urteil aus dem Jahr 1995 auseinandersetzen. 339 Hierbei ging es um die Frage der Telefaxwerbung gegenüber einem Gewerbetreibenden. Auch in diesem Fall kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass es wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG ist, an einen Gewerbetreibenden zu Werbezwecken Telefax-Schreiben zu richten, wenn dieser nicht damit einverstanden ist oder sein Einverständnis nicht vermutet werden kann. Wie schon bei der Telexwerbung berief sich der BGH dabei auf die entstehenden Belästigungen aufgrund der Störungen des Betriebsablaufs und des zusätzlichen Arbeits- und Zeitaufwands. Zudem betonte er die durch Werbesendungen erhöhten Papier-, Toner-, Strom- und anteiligen Wartungskosten. 34o Schließlich wurde auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aufgrund der weiten Verbreitung der Telefaxtechnik die Werbewirtschaft sich dieses Medium zunehmend zu Nutze machen 335 Dort betont der BGH auch, dass der Anschlussinhaber sich nicht mit seinem Telefonanschluß der Öffentlichkeit und der großen Welt öffnet, siehe oben S. 86. 336 Baumbachl Hefermehl, § 1 UWG Rn. 69 a. 337 Diesen Grundsatz, der das besondere Interesse des Umworbene an dem gewählten Werbemedium betont, wiederholte der BGH schließlich in seinem Urteil Telefonwerbung IV, BGHZ 113, 282 ff. 338 Baumbachl Hefermehl, § 1 UWG Rn. 69 a; auf die mangelnde Praxisrelevanz dieser Werbemethoden in der heutigen Kommunikationslandschaft wurde oben schon hingewiesen. 339 BGH v. 25.10. 1995, NJW 1996,660 f. - Telefaxwerbung 340 BGH v. 25. 10. 1995, NJW 1996,660,661 - Telefaxwerbung.

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werde und Wettbewerber somit zur Nachahmung gezwungen seien. Trägt eine Werbeart den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich, kann dies auch Grund für die Unlauterkeit sein. Bezüglich des Einverständnisses gelten dieselben Anforderungen wie bei der Telexwerbung. Insbesondere ist bei einem mutmaßlichen Einverständnis genau darauf zu achten, welches Interesse der Umworbene gerade an der Telefaxwerbung hat und warum es nicht ausreichend gewesen wäre, die Werbeinformation auf dem herkömmlichen Postweg zu versenden?41

3. Btx-Werbung Im Jahr 1988 musste der BGH zur Frage einer wettbewerbswidrigen Belästigung im Btx-Mitteilungsdienst Stellung nehmen. 342 Wahrend Klage und Berufung des Klägers und Umworbenen erfolglos geblieben sind, führte die Revision zur Aufhebung und Zurückverweisung. Bezüglich der Verletzung der Privatsphäre weist der BGH insbesondere darauf hin, dass der Adressat nicht zu jeder Zeit in seiner Privatsphäre angesprochen werden kann, da er es selber in der Hand hat, ob und wann er seine eingegangenen Mitteilungen überprüfen und abrufen wird. Unter Verweis auf die Telex-Entscheidung betont das Gericht auch, dass nicht die Kosten und der sonstige Aufwand entstehen, die wesentlich für die von einer Telexwerbung ausgehenden Belästigung sind. Andererseits geht aus der Entscheidung hervor, dass auch die Btx-Werbung mögliche Belästigungen für den Adressaten beinhaltet. Dadurch dass der Teilnehmer aus technischen Gründen gezwungen ist, jede einzelne Nachricht erst abzurufen, bevor man sie schließlich aus dem Postfach löschen kann, entsteht ein Aufwand an Zeit und Mühe. 343 Überdies betont der BGH die Gefahr der Nachahmung durch Mitbewerber und rügt fehlerhafte Feststellungen des Berufungsgerichts zu dem Grundsatz, dass Werbearten auch dann als unlauter zu beurteilen sind, wenn sie den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich tragen und damit erst zu einer untragbaren Belästigung und zu einer Verwilderung der Wettbewerbssitten führen. Nicht hinreichend belegt sei schließlich die Feststellung, dass die Belastung der Btx-Teilnehmer durch Werbung als systemimmanent, vorhersehbar 341 Direktmarketing per Briefwerbung ist nach st. Rspr. des BGH auch ohne vorheriges Einverständnis als lauter zu beurteilen, gleichgültig ob gegenüber einem Privaten oder Gewerbetreibenden, vgl. BGH v. 16. 2. 1973, BGHZ 60, 296 ff. - Briefwerbung, BGH v. 5. 12. 1991, NJW 1992, 1109 f. - Postwurfsendung, BGH v. 30. 4. 1992, NJW 1992, 1958 f. - Briefkastenwerbung, jeweils m. w. N. Erst eine Missachtung des Verlangens von weiteren Werbesendungen abzusehen (z. B. per Aufkleber), kann dem Adressaten einen Unterlassungsanspruch wegen Eigentums- und Besitzverletzung bzw. wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geben, vgl. BaumbachlHefermehl, § I UWG Rn. 71 a. 342 BGH v. 3. 2. 1988, BGHZ 103, 203 ff. - Btx-Werbung; vgl. auch Lachmann, WRP 1983, 591 ff.; Bartl, NJW 1985,258 f.; Wienke, WRP, 1986,455,456 m. w. N. zum Meinungsstand vor der BGH Entscheidung. 343 BGH v. 3. 2.1988, BGHZ 103,203,207 - Btx-Werbung.

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und daher nicht wirklich belästigend beurteilt werden kann. 344 Das Berufungsgericht hatte zur Nachahmungsgefahr, zur zeitlichen Inanspruchnahme der Teilnehmer und letztlich zur Frage der unzumutbaren Belästigung erneut Stellung zu nehmen. 4. Mobilfunk- und SMS-Werbung

Zur Problematik von Werbeanrufen auf ein Mobiltelefon hat es in der Vergangenheit noch keine gerichtlichen Entscheidungen gegeben. Es ist jedoch aufgrund der zunehmenden Verbreitung der Mobilfunktechnik zu erwarten, dass diese Konstell~tion in absehbarer Zeit die Gerichte beschäftigen wird. Ob und welche Besonderheiten in Bezug auf die rechtliche Würdigung gegenüber der Festnetztelefonwerbung gelten, wird im Rahmen des eigenen Lösungsansatzes für die Behandlung der hier untersuchten Spielarten der unverlangten kommerziellen Kommunikation weiter unten erörtert werden. Ebenfalls nicht Gegenstand der Rechtsprechung, dafür aber vereinzelt in der Literatur angesprochen, ist die Problematik der Werbung im Rahmen des "Short Message Service" (SMS-Werbung).345 Diese Werbeform sei am ehesten mit der E-Mail-Werbung vergleichbar und aufgrund ihres immensen Belästigungseffektes als mit § I UWG unvereinbar anzusehen. 346

11. Die verschiedenen Lösungsansätze für die E-Mail-Problematik 1. opt-in und opt-out als die grundlegenden Lösungsansätze

In der Diskussion um die rechtliche Zulässigkeit von E-Mail-Werbung tauchen zwei grundsätzlich verschiedene Lösungsmöglichkeiten auf. Wahrend das optout-Modell davon ausgeht, dass die unverlangte Zusendung von E-Mail-Werbung solange zulässig ist, bis nicht der Empfänger seinen entgegenstehenden Willen offensichtlich zum Ausdruck gebracht hat, basiert das opt-in-Modell auf der Annahme, dass ohne ein Einverständnis des Adressaten diese Werbeform grundsätzlich unzulässig ist. Eben genannte Systematik gilt jedoch nicht nur hinsichtlich der E-Mail-Kommunikation, sondern für alle in Frage kommenden Individualkommunikationen. BGH v. 3. 2. 1988, BGHZ 103,203,210 - Btx-Werbung. Vgl. Baumbachl Hefermehl, § I UWG Rn. 70 c; Krajewski, MMR 2001, 86 ff.; Schmittmann, MMR 1998, 346 ff.; Strömer in: ct, Magazin für Computertechnik, Heft 7/2001, S. 216. 346 So Krajewski, MMR 2001, 86, 89; Schmittmann sieht die SMS-Werbung rechtstatsächlich zwischen Telefon- und E-Mail Werbung, kommt aber ebenfalls zum Ergebnis der Sittenwidrigkeit, vgl. MMR 1998, 346, 349. 344 345

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2. Entwicklung einer restriktiven Haltung a) Die Entscheidungen des LG Traunstein Eine Entscheidung des BGR zu dieser Problematik ist noch nicht vorhanden. Indes hatte das LG Traunstein als erstes Gericht in Deutschland Gelegenheit, zu dieser Thematik Stellung zu nehmen. In einer vom Umworbenen beantragten einstweiligen Verfügung hatte das LG Traunstein entschieden, dass es gegen § I UWG verstößt, Werbung per elektronischer Post an Privatleute ohne deren vorheriges Einverständnis zu schicken. 347 Eine umfassende Begründung lieferte das Gericht aber erst im Rahmen des sich anschließenden Prozesskostenhilfeverfahrens. Die Antragsgegnerin legte gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch ein und beantragte Prozesskostenhilfe, die aber vom LG Traunstein wegen mangelnder Erfolgsausichten abgelehnt wurde?48 Das Gericht stützt sich bei seiner Begründung auf § 1 UWG unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung zur Briefkasten-, Telefon-, Telex-, Teletex-, Telefax- und Btx-Werbung. Es betont dabei insbesondere, dass aufgrund der unvergleichbar niedrigen Kosten und dem schnellen, arbeitsparenden und gezielten Versenden an eine Vielzahl von Adressaten erheblich größere Belästigungen entstehen als bei der Briefwerbung. Durch nachahmende Konkurrenten kommt es zudem zu einem Sogeffekt. Sodann betont das Gericht, dass die Übertragung der Rechtsprechung zur Btx-Werbung auf die Werbung per elektronischer Post abzulehnen ist. Es beruft sich dabei insbesondere auf den erheblichen Wandel in der Kommunikationslandschaft und auf die Gefahr, dass durch die Möglichkeit, eine Werbenachricht einfach zu löschen, es auch zum Löschen von erwünschter Post kommen kann. Auch sei aufgrund der zunehmenden Werbeflut in allen Medien das Interesse an weiterer Werbung gesunken und für weite Teile der E-Mail-Empfänger durch Werbung das Maß an akzeptabler Belästigung überschritten. Bemerkenswert ist, dass im Beschluss ausdrücklich, jedoch ohne nähere Begründung festgestellt wird, dass im Gegensatz zur Telefonwerbung bei der elektronischen Post ein Eingriff in die Individualsphäre nicht vorliegt. b) Tendenzen der jüngeren Rechtsprechung Die in der Folgezeit ergangenen Gerichtsentscheidungen zur Zu lässigkeit von E-Mail-Werbung kommen teilweise ebenfalls zu dem Ergebnis, dass unverlangte Zusendung von E-Mail-Werbung unzulässig ist, wenn nicht die vorherige Zustimmung des Adressaten vorliegt, beruhen aber zum Teil auf einer unterschiedlichen 347 Beschluss v. 14. 10. 1997, NJW-CoR 1997,494 m. Anm. Ernst = WRP 1998,270 ff. m. Anm. Leupold = MMR 1998, 53 f. m. Anm. Schmittmann; zum zugrundeliegenden Sachverhalt vgl. Schmelz, JA 242, 245; vgl. zum Streitwert OLG Celle v. 27. 12.2001, CR 2002, 458 (DM 2000 bei einstweiliger Verfügung). 348 Beschluss v. 19. 12. 1997, NJW 1998, 1648 ff. = CR 1998, 171 ff. mit Anm. Reichelsdorier = K&R 1998, 222 ff. m. Anm. Schrey.

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Begründung?49 Insbesondere wird nicht nur auf die Unzulässigkeit nach § 1 UWG hingewiesen,35o sondern auch anhand des § 823 Abs. 1 BGB die Unzulässigkeit begründet. Abgestellt wird dabei auf die Verletzung des Eigentums351 , des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 352 , aber auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 353 Gerade im letzten Fall ist eine nähere Begründung aber bisher ausgeblieben und nur in einem Fall das Bedürfnis für ein Freihalten des persönlichen Bereiches von Werbung überhaupt angedeutet worden. 354 In jüngster Zeit ist jedoch eine gegenläufige Tendenz erkennbar. Rechtsmittel des Umworbenen gegen den Absender der Werbung waren in jenen Entscheidungen ohne Erfolg. 355 Dies lag zwar auch daran, dass die opt-out-Lösung als tragende Grundlage herangezogen wurde. 356 Teilweise war eine Stellungnahme zu der grundsätzlichen Frage nach der Zulässigkeit unverlangter elektronischer Post entbehrlich, da der fehlende werbliche Charakter beziehungsweise das Einverständnis des Umworbe349 AG Brakel v. 11. 2.1998, NJW 1998,3209 und LG Berlin v. 14. 11. 2000, MDR 2001, 391: § 823 BGB (Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts); LG Berlin v. 10.8.2000, JurPC Web-Dok. 16/2002, Abs. 1-28; LG Berlin v. 2. 4. 1998, CR 1998, 623 m. Anm. Maritz: § 823 BGB (Kosten, Zeit und Mühe) und § 1 UWG; LG Berlin v. 14.5. 1998, NJW 1998,3208 = eR 1998,499 m. Anm. Schmittmann = DZWir 1998,471 m. Anm. Vehslage: § 823 BGB (Eigentum); LG Berlin v. 30. 12. 2000, MMR 2000, 571: §§ 823, 1004 (ohne nähere Begr.); LG Ellwangen v. 27. 8. 1998, CR 2000, 188: § 1 UWG; LG Berlin v. 13. 10. 1998, CR 1999, 187 m. Anm. WesteIWelle und AG Charlottenburg v. 21. 3. 2000, MMR 2000, 775 f.: § 823 I BGB (eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb); LG Hamburg v. 6. 1. 1999, MMR 1999,248: § 823 I BGB (ohne nähere Begr.); AG Essen-Borbeck v. 16. 1. 2001, JurPC Web-Dok. 62/2001, Abs. 1-14: § 823 BGB (Verletzung des Eigentumsrechts und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch unzumutbare Belästigung); LG Karlsruhe v. 25. 10. 2001, MMR 2002, 402 (§ 823 BGB) - nicht rechtskräftig; LG Berlin v. 19. 9. 2002, CR 2003, 219 f. (Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht); KG v. 8. 1. 2002, EWiR § 1004 BGB 1/02, 753 (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. in das Persönlichkeitsrecht); LG Berlin v. 16. 5. 2002, NJW 2002, 2569 ff. (eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb); AG Bonn v. 21. 5. 2002, CR 2003, 67 (§ 823 BGB); vgl. auch LG Hannover v. 26. 7. 2001, WRP 2001, 1254 - nicht rechtskräftig (Verstoß gegen § 1 UWG); vgl. auch Sonderfall bei LAG Schleswig-Holstein v. 1. 12.2000, RDV 2001, 289 f. 350 LG Berlin v. 2. 4. 1998; LG Ellwangen; Fn. 349. 351 LG Berlin v. 2. 4. 1998 (unklar); Fn. 349. 352 LG Berlin v. 13. 10. 1998; Fn. 349. 353 AG Essen-Borbeck; AG Brakel; LG Berlin v. 14. 11. 2000 und 19.9.2003; Fn. 349. 354 So AG Brakel v. 11. 2. 1998, NJW 1998,3209, das sich, soweit ersichtlich, noch am "eingehendsten" mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auseinandergesetzt hat. 355 AG Dachau v. 10.7.2001, NJW 2001, 3488 und LG Braunschweig v. 11. 8. 1999, NJW-RR 2000, 924 = NJW-CoR 2000, 235 m. Anm. Rein: keine Verletzung v. §§ 823 I BGB und 1 UWG, opt-out-Lösung; LG Augsburg v. 4. 5. 1999, NJW 2000, 593 =RDV 2000, 274 mit Anm. Gala: § 823 BGB scheidet mangels Einverständnis aus; OLG Hamburg v. 2.8. 1999, CR 2000,183: mangelnde Wiederholungsgefahr i.S.v. §§ 935, 940 ZPO; LG KieI v. 20. 6. 2000, JurPC Web-Dok. 166/2000, Abs. 1-19 = EWiR 2001, § 1 UWG 4/01, 135 m. Anm. Weiden: schon keine Werbung, da Vertragsangebot. 356 Vgl. LG Braunschweig und AG Dachau, Fn. 355.

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nen im Wege stand. In einem Fall mangelte es bereits an der Wiederholungsgefahr?57 Insofern kann davon gesprochen werden, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine gefestigte Rechtsprechung zu dieser Thematik existiert. c) Die Behandlung von E-Mail-Werbung in der Literatur

Die Meinungen im Schrifttum zu dieser Problematik sind geteilt. Die wohl herrschende Literatur bringt aber hinsichtlich der Werbung per E-Mail ebenfalls eine ablehnende Haltung zum Ausdruck. 358 Mit unterschiedlicher Begründung gelangt ein großer Teil der Literatur zur opt-in-Lösung, vertritt damit die Ansicht, dass unverlangte E-Mail-Werbung nur dann zulässig ist, wenn der Empfänger sein vorheriges Einverständnis mit dem Empfang von kommerzieller Kommunikation geäußert oder anderweitig kundgetan hat. Als maßgebliche Norm wird dabei auf § 1 UWG zurückgegriffen und dabei die erhebliche Belästigung für den Empfanger betont. Hiernach bleibt nur ein "Mai I on demand" zulässig, also elektronische Werbung die vom Empfänger erwünscht ist. Dies entspricht dem Grundgedanken des oben angesprochenen "permission marketing". Verschiedentlich wird in jüngerer Zeit aber ein grundsätzliches Verbot der unverlangten Zusendung von Werbe E-Mails, wie es sich aus der konsequenten Handhabung der opt-in-Lösung ergeben würde, für unzulässig gehalten. 359 Einige Vertreter dieser Ansicht berufen sich dabei insbesondere auf die Vorgaben der Fernabsatzrichtlinie360 beziehungsweise deren Leitbildfunktion für die nationale rechtliche Würdigung dieses Problems. Unabhängig davon wird vielerorts die Ansicht geäußert, dass solange die Nachricht eindeutig als Werbung gekennzeichnet ist, eine Sittenwidrigkeit nach § 1 UWG ausscheidet. 361 Vgl. LG Augsburg, OLG Hamburg; LG Kiel, Fn. 355. Baumbach/Hejermehl, § I UWG Rn. 70 a; Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1137, 1143; Scherer in: Hoeren/Queck (Hrsg.), S. 242, 245; Mankowski, GRUR Int. 1999, 995, 1001; Hoeren, WRP 1997,993,994; ders. in: Lehmann (Hrsg.), Internet- und Multimediarecht, S. 115; ders., Rechtsfragen des Internet, Rz. 261; Gummig, ZUM 1996,573,583; Köhler/ Arndt, Recht des Internets, Rn. 114; Härting, Internetrecht, Rn. 266; Engels / Eimterbäumer, K&R 1998,196,200; Ernst, BB 1997, 1057, 1060; Rein, NJW-CoR 2000, 235 f.; Schrey/Westerwelle, BB 1997, Beilage 18 zu Heft 48, S. 17,23; Schrick, MMR 2000, 399, 404; Göckel, ArchPT, 60, 61; Hoffmann, NJW 2001, Beilage zu Heft 14, S. 36; Waldenberger, EuZW 1999, 296,299; Drexl in: Lehmann (Hrsg.), S. 75, 80; Strömer; Online-Recht, S. 105; differenzierend nach Kennzeichnung Burckhardt, Direktmarketing, S. 145; Westerwelle, MMR 1999,43,45 bezeichnet die Vertreter dieser ablehnenden Haltung als "Hardliner". 359 So Ziem, MMR 2000, 129, 135; Leupold/Bräutigam/Pjeijfer, WRP 2000,575,592; Leible/Sosnitza, K&R 1998,283; Zehentmeier, BB 2000, 940, 945; Vehslage GRUR 1999, 656, 659; Funk, CR 1998, 411, 420; Busche / Kraft, WRP 1998, 1142, 1150; Reichelsdorfer, GRUR 1997, 191, 197; Leupold, WRP 1998,270,277; wohl auch Freitag/Busemann, AfP 1998,475,479 und Burckhardt, Direktmarketing, S. 145. 360 Fn. 16; vgl. hierzu näher S. 97 ff. 36\ Statt vieler Burckhardt, Direktmarketing, S. 143; Leupold, WRP 198,270,279. 357 358

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

d) Zwischenergebnis Nach diesem kurzen Überblick362 bleibt festzuhalten, dass das Phänomen des unverlangten Zusendens von elektronischer Post eine eher restriktive Behandlung erfährt. Dies fügt sich in die traditionelle ablehnende Haltung zu Direktmarketing in Deutschland ein. Zwei besonders auffallige Aspekte sind jedoch hier hervorzuheben. Einmal wird es für die Lösung des E-Mail-Problems entscheidend darauf ankommen, wie die einschlägigen Bestimmungen in der Femabsatzrichtlinie zu interpretieren sind. Dies hat in einer Vielzahl der Entscheidungen und Veröffentlichungen eine wesentliche Rolle gespielt. Schließlich ist gerade in der Rechtsprechung erkennbar, dass sich der Fokus auf die Problematik des Einverständnisses des Umworbenen legt. 363 Die Diskussion geht also weg von der grundsätzlichen Frage nach der Zulässigkeit von E-Mail-Werbung (opt-in- oder opt-out-Modell) hin zur Klärung der Voraussetzungen, die an ein Einverständnis zu stellen sind. Letztlich geht es um die Frage, wann denn überhaupt noch von "unverlangter" Werbung die Rede sein kann.

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen zur unverlangten Kommunikation Im Folgenden sollen die europarechtlichen Vorgaben zur Regelung der unverlangten kommerziellen Kommunikation beleuchtet werden. Dabei spielen wiederum, wie in der ganzen Untersuchung, nur solche Kommunikationen eine Rolle, die auf Basis telekommunikativer Technologien der Individualkommunikation erfolgen.

I. Sekundärrechtliche Regelungen Zuerst soll ein Blick auf die bestehenden sekundärrechtlichen Regelungen geworfen werden. Da der Gemeinschaft in Bezug auf Werbung eine umfassende und ausschließliche Regelungskompetenz fehlt,364 sind insbesondere die gern. Art. 95 EG verabschiedeten Richtlinien zur Angleichung und Harmonisierung der nationalen, sich auf den Binnenmarkt beziehenden Rechts- und Verwaltungs vorschriften von besonderen Interesse. Entscheidende Rolle wird dabei spielen, inwieweit diesbezüglich eine Harmonisierung der hier einschlägigen Arten der unverlangten kommerziellen Kommunikation eingetreten ist. Ergibt sich, dass die unverlangte 362 Eine ausführliche Stellungnahme zu den einzelnen Ansichten in Lit. und Rspr. erfolgt weiter unten im Rahmen der Prüfung der jeweiligen Rechtsnormen. 363 So auch Drexl in: Drexl (Hrsg.), S. 83. 364 Stein, EuZW 1995,435,436.

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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kommerzielle Kommunikation in ihren Einzelheiten noch nicht abschließend geregelt ist, bleibt Raum, um die restriktive nationale, auf dem opt-in-Modell basierende Rechtsprechung anhand der Grundfreiheiten zu überprüfen. Nur dann ist allerdings eine solche Überprüfung möglich. Findet sich eine abschließende Regelung einer bestimmten Kommunikationsmethode innerhalb einer Richtlinie, ist diese Art der Kommunikation ausschließlich an dieser zu messen?65 1. Vorrang der freiwilligen Selbstkontrolle durch das Subsidiaritätsprinzip Art. 5 Abs. 2 EG bestimmt im Rahmen des hierin statuierten Subsidiaritätsprinzips, dass die Gemeinschaft in Bereichen, in denen sie nicht ausschließlich zuständig ist, nur dann tätig wird, wenn die angestrebten Ziele nicht in ausreichendem Maß auf mitgliedstaatlicher Ebene durchgesetzt werden können. Solche Maßnahmen in Form von Regelungen müssen nicht zwingend legislativer Natur sein, sondern können auch der freiwilligen Selbstkontrolle der beteiligten Kreise entstammen. 366 Für die Zwecke dieser Untersuchung ist hierunter ein selbstregulierender Kodex zu verstehen, der auf eine Vielzahl von kommerziellen Kommunikatoren in einer Berufsgruppe oder einem Wirtschaftsbereich Anwendung findet und dessen Inhalt ursprünglich von Angehörigen des betreffenden Wirtschaftszweiges oder der betreffenden Berufsgruppe festgelegt wurde. Im Folgedokument zum Grünbuch über die kommerzielle Kommunikation wird die freiwillige Selbstkontrolle als ein außerordentlich wichtiges Mittel bezeichnet. Es wird jedoch klargestellt, dass die freiwillige Selbstkontrolle nur andere Maßnahmen ersetzen könne, wenn der jeweilige Verhaltenskodex von allen Parteien umfassend eingehalten wird, spürbare Sanktionen verhängt werden können und die Selbstkontrolle auf europäischer Ebene auf der Grundlage gegenseitiger Anerkennung funktioniere. 367 In Bezug auf Fernabsatzverträge hob die Kommission die Bedeutung der Selbstkontrolle ausdrücklich hervor und verabschiedete die Empfehlung 92/295/ EWG. 368 Im Folgenden sollen nun einige Bestimmungen freiwilliger Regelungswerke näher beleuchtet werden.

Die Internationale Handelskammer (International Chamber Of Commerce, ICC) bezeichnet sich selbst als führend beim Aufstellen selbstregulierender Verhaltensregeln für ethisches Verhalten in der Werbe- und Marktpraxis. 369 Aus ihrer Sphäre Günther, eR 1999, 172, 178 dort Fn. 55; näher hierzu auf S. 225. Vgl. Stein, EuZW 1995,435,437; Grabitz/Hilf/von Bogdany/Nettesheim, Altband I, Art. 3 b EGV Rn. 32. 367 Vgl. Henning-Bodewig, GRUR Int. 1999,233,236. 368 Empfehlung der Kommission über die Verhaltenscodices zum Verbraucherschutz bei Vertragsschlüssen im Fernabsatz, ABI. EG 1992, L 156 S. 21 ff.; vgl. dazu Grabitz/Hilf1 Micklitz, Band 2, A 3 Rn. 182. 369 Vgl. Leupold/Bräutigam/Peifer, WRP 2000, 575, 587. 365

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entstammen mehrere Bestimmungen, die den Bereich der unverlangten kommerziellen Kommunikation regeln. In Art. 5 Nr. 6 der ICC Richtlinie zur interaktiven Marketing-Kommunikation im Internet370 ist bestimmt, dass die Inserenten und Anbieter keine unerbetenen kommerziellen Online-Botschaften an Anwender schicken sollen, die darauf hingewiesen haben, dass sie derartige Botschaften nicht erhalten möchten. Des Weiteren ist eine Kennzeichnung solcher Botschaften vorgeschrieben. Die Richtlinien gehen also von einer grundsätzlichen Zulässigkeit im Sinne einer opt-out-Lösung aus. 37l Parallel hierzu verlangt Art. 19 des "International Code of Direct Selling", dass dem Verbraucher eine Möglichkeit an die Hand zu geben ist, um sich wieder aus Listen auszutragen, die für Zwecke des Direktmarketing angelegt wurden. Diese Fonnulierung lässt ebenfalls erkennen, dass auch hier von einem medienübergreifenden opt-out-Modell ausgegangen wird. Der "Deutsche Direktmarketing Verband" hat als größte Dachorganisation von Direktmarketing betreibenden Finnen unlängst eigene Verhaltenskodices herausgegeben. Erwähnung sollen hier Regeln für faires Direktmarketing und der Ehrenkodex finden. 372 Beide Regelungswerke gehen von der Zulässigkeit nicht angeforderter kommerzieller Kommunikation aus, solange sie die Grundsätze des opt-outModells beachtet. Schließlich soll der Verhaltenskodex für Online-Marketing der "Internationalen Liga für Wettbewerbsrecht" erwähnt werden. 373 Der Kodex ist der weltweit erste Internet-Werbekodex, der auf rechts vergleichender Grundlage die gemeinsamen Grundstrukturen der vielfältigen Werberechtsordnungen widerspiegelt. Insoweit ist es nicht verwunderlich, dass sich in Section 3, 11, 1 ein opt-out-Modell für unverlangte E-Mail-Werbung wiederfindet. Nach diesem kurzen Überblick bleibt festzuhalten, dass die verschiedenen Richtlinien im Rahmen der Selbstkontrolle zwar einen Versuch darstellen, aggressive Werbemethoden einzudämmen. Dem Einzelnen geben diese Bestimmungen aber dennoch nur einen unzureichenden Schutz. Er erhält durch die rechtliche Unverbindlichkeit der Richtlinie kein ausreichendes Abwehnnitte1, um seine Interessen im Hinblick auf unverlangte kommerzielle Kommunikation angemessen zu verteidigen?74 Der Selbstkontrolle kann neben den notwendigen gesetzlichen Regelun370 Abrufbar unter www.iccwbo.org/Commissions/Marketing/marketing.html; vgl. zum ersten Entwurf vom Frühjahr 1996 Hoeren in: Lehmann (Hrsg.), S. 111 ff. 371 Vom 17. 6. 1999, abrufbar unter www.iccwbo.org/home/statements_rules/rules/ 1999 I translations. 372 Abgedruckt bei Schotthöfer (Hrsg.), Recht im Direktmarketing, Teil 2, 11/2, Anlage 6. 373 Abgedruckt in MMR 2000, Heft 11, IX; federführend bei der Ausgestaltung des Regelungskomplexes war Prof. Dr. Thomas Hoeren. 374 So auch LG Berlin v. 13. 10. 1998, CR 1999, 187, 189; Günther, CR 1999, 172, 183; Hoeren, NJW 1998, 2849, 2854; kritisch auch Schricker/Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1397; von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 252 ff.; ebenso Nacken, WRP 1997,929,930: "Subsidiaritätsprinzip und Wirtschaftsrecht erscheinen als Widerspruch in sich"; a.A. Leupold, WRP 1998, 270, 280, der auf eine umfassende Selbstkontrolle zur Abwehr von unverlangter kommerzieller Kommunikation vertraut.

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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gen von besonders aufdringlichen Marketingmethoden nur eine ergänzende Rolle beigemessen werden. Hinzu kommt, dass viele Versender gerade von massenhafter E-Mail-Werbung in der Regel nicht Mitglieder von entsprechenden Verbänden sein werden und insoweit keinerlei Repressalien befürchten müssen. Zumeist wird es sich hierbei ohnehin um "zwielichtige" Anbieter handeln, deren Geschäftspraktiken im Widerspruch zu einer verbandsmäßigen Eingliederung stehen. Auch unabhängig von der Frage nach den ausschließlichen Kompetenzbereichen gemäß Art. 5 Abs. 2 EG ist somit eine umfassende Rege1ungskompetenz der Gemeinschaft auf dem Gebiet der unverlangten kommerziellen Kommunikation zu bejahen.

2. Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsschlüssen im Fernabsatz Gestützt auf den jetzigen Art. 95 EG (100 a EGV) haben das Europäische Parlament und der Rat am 20.5. 1997 die Richtlinie 97/7 lEG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz verabschiedet. 375 Obwohl die Richtlinie nicht ausdrücklich den Bereich der unverlangten kommerziellen Kommunikation umfasst, dieser vielmehr erst durch die später verabschiedete E-CommerceRichtlinie 376 aufgenommen wird, kommt ihr für die Regelung dieser Materie eine entscheidende Bedeutung ZU?77

a) Grundlagen und Anwendungsbereich Die Richtlinie steht in erster Linie in Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz378 und bezweckt, die in den Mitgliedsstaaten bereits erlassenen nationalen Verbraucherschutzbestimmungen im Fernabsatz zu harmonisieren. 379 In diesem 375 AbI. EG Nr. L 144 v. 4. 6. 1997, S. 19 ff., vgl. Fn. 16; vgl. zum Verfahrensgang: Vorschlag der Kommission v. 23. 2. 1992, KOM (92) 11 endg. v. 20. 5. 1992 mit ausführlicher Begr.; Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Richtlinienvorschlag v. 24. 11. 1992, AbI. EG Nr. e 19 v. 25. 11. 993, S. 111 ff.; geänderter Vorschlag v. 7. 10. 1993, AbI. EG Nr. e 308 v. 15. 11. 1993, S. 18 ff.; gemeinsamer Standpunkt v. 29. 6.1995, AbI. EG Nr. e 288 v. 30.10. 1995, S. 1 ff.; Beschluss des EU-Parlaments v. 13. 12. 1995, AbI. EG Nr. e 17 v. 22. 1. 1996, S. 51 ff.; Stellungnahme der Kommission v. 7. 2. 1996, KOM (96) 36 endg.; ausführlich hierzu Micklitz in: Grabitz / Hilf, Vor A 2 Rn. 8 ff. 376 Hierzu näher S. 118 ff. 377 Vgl. allgemein zur Fernabsatzrichtlinie Micklitz/Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 1 ff.; Martinek, NJW 1998,207 ff.; Schulte-Nölke, NJW 1998,210 f.; Köhler, NJW 1998, 185 ff.; Reich, EuZW 1997,581 ff.; Bodewig, DZWir 1997,447 ff. 378 Erwägungsgrund 19 spricht von "optimalem Verbraucherschutz". Die Richtlinie will den Verbraucher vor den vertriebsspezifischen Gefahren im Distanzvertrieb schützen, vgl. Schmid, Telefonwerbung, S. 174. Vgl. aber Erwägungsgrund 20, der ausdrücklich auch den Schutz des Mitbewerbers betont. 379 Moritz, eR 2000, 61, 66.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

Zusammenhang sieht sie für den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen im Fernabsatz insbesondere ein Widerrufsrecht für den Verbraucher und eine Reihe von Informationspflichten des Leistungserbringers vor. Daneben ist es aber ausdrücklicher Zweck der Richtlinie, den Verbraucher vor aggressiven Verkaufsmethoden zu schützen und mit Blick auf Art. 8 und 10 EMRK Belästigungen innerhalb seines Privatlebens zu vermeiden. 38o Hierfür ist es erforderlich, die Grenzen der Nutzung solcher aufdringlichen Kommunikationstechniken genau festzulegen. Art. I der Richtlinie spricht deshalb ausschließlich von Angleichung der nationalen Vorschriften, die den Vertragsabschluß im Fernabsatz zwischen Verbraucher381 und Lieferer regeln. Auf unverlangte kommerzielle Kommunikation übertragen bedeutet dies, dass nur diejenige gegenüber Privaten gemeint ist und nicht eine solche gegenüber Gewerbetreibenden. 382 Obwohl Werbung gegenüber dem Verbraucher nicht ausdrücklich aufgeführt ist, sondern vom Vertragsabschluss die Rede ist, unterfällt auch die werbliche Kontaktaufnahme der Fernabsatzrichtlinie und betont deren Rolle für die Regelung des Fernabsatzes als Marketinginstrument. 383 Dies geht schon aus Art. 2 Nr. I hervor, der aufgrund seines Wortlautes ("Vertrag bis zu dessen Abschluss") schon die ersten werbenden, der Vertragsanbahnung dienenden Kontaktaufnahmen der Richtlinie unterwirft. 384 Erforderlich ist jedoch immer, dass die werbliche Kontaktaufnahme letztlich auf einen Vertragsabschluss im Fernabsatz gerichtet sein muss. Bloße Werbe- oder Informationsmaßnahmen, die der Verbraucher nicht als invitatio ad offerendum werten kann, fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Fernabsatzrichtlinie?85 Basis hierfür muss zudem immer die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationstechniken sein. 386 Die Anbahnung eines Vertreterbesuches Erwägungsgrund 5. Gern. Art 2 Ziff. 2 ist Verbraucher jede natürliche Person, die beim Abschluss von Verträgen im Sinne dieser Richtlinie zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tatigkeit zugerechnet werden können. 382 Schricker, GRUR Int. 1998,541,546. 383 Schmid, Telefonwerbung, S. 159. m.w.N; Glöckner, GRUR Int. 2000, 29, 31; Grabitzl Hilf / Micklitz, Band 2, A 3 Rn. 122. 384 Vertragsabschluss im Fernabsatz bezeichnet "jeden zwischen einem Lieferer und einem Verbraucher geschlossenen, eine Ware oder eine Dienstleistung betreffenden Vertrag, der im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Lieferers geschlossen wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu dessen Abschluss einschließlich des Vertragsabschlusses selbst ausschließlich eine oder mehrere Fernkommunikationstechniken verwendet." 385 Leupold/ Bräutigam/ Pfeiffer, WRP 2000, 575, 586. 386 Art. 2 Ziff. 4 bezeichnet Fernkommunikationstechnik als "jedes Kommunikationsmittel, das zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Lieferer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden kann." Die in Anhang I enthaltene Liste nennt u. a. E-Mail, Telefon, Fax, aber auch Briefverkehr, welcher aber nicht auf telekommunikativer Basis fußt und hier nicht näher untersucht werden soll. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Der Begriff der Fernkommunikationstechnik ist im Hinblick auf die technische Entwicklung weit zu fassen, vgl. Schmid, Telefonwerbung, S. 152. 380 381

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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beispielsweise durch eine E-Mail oder einen Telefonanruf fällt also nicht in den Anwendungsbereich der Fernabsatzrichtlinie, da dann nicht von ausschließlicher Anwendung von Femkommunikationstechniken gesprochen werden kann?87 Die entsprechende Rechtsprechung des BGH, wonach auch Telefonanrufe gegenüber Privaten zur Anbahnung eines Vertreterbesuchs grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Umworbenem bedürfen388 , ist somit jedenfalls nicht anhand der Fernabsatzrichtlinie auf ihre Konformität mit der europäischen Rechtslage hin zu überprüfen. Ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich der Fernabsatzrichtlinie fallen bestimmte Vertragstypen wie etwa Verträge über einige Finanzdienstleistungen oder Immobiliengeschäfte. 389 Greift man das Beispiel der E-Mail-Werbung auf, bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass nicht jede nationale Rechtsprechung zur unverlangten E-Mail-Werbung anhand der Fernabsatzrichtlinie überprüft werden muss. Hinzuweisen ist insbesondere auf die praxisrelevante Fallgruppe, in der der Adressat ein Gewerbetreibender ist oder wenn es um Direktwerbung für Produkte Dienstleistung wie Ware - geht, die an der Haustüre oder in GeschäftsteIlen des Anbieters unter physischer Präsenz beider Vertragsparteien "erworben" werden.

b) Einschränkung bestimmter Femkommunikationstechniken gem. Art. 10 Gemäß Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie bedarf die Verwendung von Telefax oder Voice-Mail-Systemen 39o der vorherigen Zustimmung des Verbrauchers, hier also des Umworbenen. Art. 10 Abs. 1 schreibt für die eben genannten Techniken somit ausdrücklich die opt-in-Lösung vor. Grund hierfür ist insbesondere die technische Gefährlichkeit und die Penetranz solcher Systeme, was zu einer gesteigerten Belästigung des Verbrauchers führt und schließlich dessen Schutzbedürftigkeit erhöht. 391 Für alle anderen Femkommunikationstechniken konstatiert Art. 10 Abs. 2: Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Fernkommunikationstechniken, die eine individuelle Kommunikation erlauben, mit Ausnahme der in Abs. 1 genannten Techniken, nur dann verwendet werden dürfen, wenn der Verbraucher ihre Verwendung nicht offenkundig abgelehnt hat. 387 Schmid, Telefonwerbung, S. 153, Leible/Sosnitza, K&R 1998,283,285; Reich, EuZW 1997,581,583. 388 BGH V. 5. 5. 1994, NJW 1994, 2028 ff. - Vertreterbesuch; vgl. auch Waldenberger, K&R 1999,345,346. 389 Vgl. Art. 3 i. V. m. Anhang 11; Umsetzung in § 312 b Abs. 3 BGB. 390 Hierunter ist die Kommunikation mit Automaten als Gesprächspartner zu verstehen, vgl. Art. 10 Abs. I. Beispiel hierfür wäre ein automatisiertes System, dass selbstständig Verbraucher auf herkömmlichen telefonischen Wege anruft und eine Computerstimme dem Verbraucher ein Vertragsangebot unterbreitet oder ihm werbliche Informationen übermittelt; vgl. Schmid, Telefonwerbung, S. 163 dort Fn. 312 m.w.N; Kilian, GRUR Int. 2000,198,200. 391 Leible/Sosnitza, K&R 1998, 283, 285.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

Mit dieser Regelung wird das opt-out-Modell beschrieben. Solange der Umworbene nicht ausdrücklich seine ablehnende Haltung in Form eines Widerspruches bezüglich der unverlangten kommerziellen Kommunikation zum Ausdruck gebracht hat, ist eine Kontaktaufnahme ihm gegenüber möglich. Mit anderen Worten hat der Rezipient der unaufgeforderten Kommunikation die "Option sich auszutragen", in dem er seinen entsprechenden Willen kundtut. Geschehen kann dies beispielsweise dadurch, dass der Empfanger eine Werbe-Mail zurückschickt und den Absender bittet, zukünftig von weiteren solcher Sendungen abzusehen oder sich in eine Robinson-Liste einträgt. 392 Unabhängig davon bestimmt Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie für die Kontaktaufnahme per Telefon, dass zu Beginn des Gespräches die Identität des Lieferers und der kommerzielle Zweck des Gespräches ausdrücklich offengelegt werden soll. Dadurch wird der Verbraucher in die Lage versetzt, sich gleich zu Beginn des Gespräches zu entscheiden, ob er die kommerzielle Kommunikation fortführen will. 393 Bezüglich Techniken, die die individuelle Kommunikation erlauben, sei auf die Ausführungen weiter oben verwiesen. 394 Hauptcharakteristikum dieser Techniken ist die Möglichkeit eines Rollenwechse1s zwischen den Kommunikationspartnem. Dort wurde betont, dass gerade die Techniken der Individualkommunikation besonders bedeutsam für die unverlangte kommerzielle Kommunikation sind. Bei den Medien der Massenkommunikation stellt sich das Problem der unverlangten beziehungsweise unaufgeforderten Kontaktaufnahme schon begrifflich gar nicht. aa) Der Streit um die Harmonisierungswirkung des Art. 10 Über die Frage, welche Bedeutung Art. 10 Abs. 2 FARL für das Problem der unverlangten kommerziellen Kommunikation hat, herrscht Uneinigkeit. Während eine weitverbreitete Ansiche 95 Art. 10 Abs. 2 nur als Mindestharmonisierung sieht 392 Schmittmann, MMR 1998, 53, 54; Vehslage, GRUR 1999,656,657; vgl. auch Schmid, Telefonwerbung, S. 164 m.w.N; welche Anforderungen an solch eine offenkundige Ablehnung zu stellen sind, wird weiter unten noch angesprochen. Hier soll zunächst nur geklärt werden, für welches Medium die opt-out- bzw. die opt-in-Lösung vorgegeben ist. 393 Schmid, Telefonwerbung, S. 162. 394 Vgl. auch Beispiele bei HäninglSchirmbacher, MDR 2000, 917, 919. 395 BGH v. 25. 1. 2001, WRP 2001, 1068, 1073 - Blindenware; LG Traunstein v. 18. 12. 1997, NJW 1998, 1648 ohne nähere Begründung; FikentscherlMöllers, NJW 1998, 1337, 1343; Schricker, GRUR Int. 1998, 541, 546; Hoeren, WRP, 1997, 993, 995; ders., Rechtsfragen des Intemets, Rn. 262; Bender I Sommer, RIW 2000, 260, 264; Hoffmann in: Lehmann (Hrsg.), S. 61, 69; Gößmann, MMR 1998, 88, 91; LeiblelSosnitza, K&R 1998, 283,286; Günther, CR 1999,172,174; Sack, WRP 2001,1408,1424; Glöckner, GRUR Int. 2000,29,31; Moritz, CR 2000,61,69; Schrick, MMR 2000, 399, 405; Hoffmann, Beilage zu NJW 14/2001, S. 37; Mankowski, GRUR Int. 1999,995, 1001; FreitaglBusemann, AfP 1998,475,478; Drexl in: Drexl (Hrsg.), S. 83; HäninglSchirmbacher, MDR 2000, 917, 919; Weiden, EWiR § 1 UWG 4/01, S. 135; Burckhardt, Direktmarketing, S. 153; Schmid, Telefonwerbung, S. 173; wohl auch Schmittmann in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 19; Krajewski,

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und weitergehende nationale Restriktionen als zulässig erachtet, ist einer anderen Ansicht396 nach die opt-out-Lösung zwingend und darf nicht durch strengeres nationales Recht umgangen werden. Die Vertreter der letztgenannten Ansicht sehen in Art. 10 Abs. 2 insoweit eine abschließende Regelung, zu der die vorherrschende bundesdeutsche Sichtweise in Widerspruch steht. Die zu dieser Problematik in der Vergangenheit bezugnehmende nationale Rechtsprechung betonte, dass die bis zum 4. 6. 2000 umzusetzende Fernabsatzrichtlinie zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife noch nicht umgesetzt gewesen sei. Zudem sei die Richtlinie ausschließlich an die Mitgliedsstaaten gerichtet und könne somit keine Wirkung zwischen Privaten entfalten?97 Letzteres gelte nach LG Berlin vom 13. 10. 1998 zumindest solange, wie die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. 398 Es wurde jedoch nicht darauf eingegangen, dass auch schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist die Rechtsprechung zur richtlinienkonformen Auslegung der Generalklausein verpflichtet ist. 399

bb) Die Öffnungsklausel des Art. 14 FARL Entscheidende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Auslegung des Art. 14 FARL zu. 4OO Hiernach können die Mitgliedstaaten ... in dem unter diese Richtlinie fallenden Bereich mit dem EG-Vertrag in Einklang stehende strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Schutzniveau für den Verbraucher sicherzustellen. Durch solche Bestimmungen können sie im Interesse der Allgemeinheit den Vertrieb im Femabsatz für bestimmte Waren und Dienstleistungen, insbesondere Arzneimittel, in ihrem Hoheitsgebiet unter Beachtung des EGVertrages verbieten. MMR 2001,86,88; Westerwelle, MMR 1999,43,46; Martinek, NJW 1998, 207, 208; vgl. auch Empfehlung der Enquete Kommission, Bt-Ds. 13/1003 v. 22. 6. 1998, S. 19. 396 Grabitz/HilflMicklitz, Band 2, A 3 Rn. 179; Ziem, MMR 2000,129,135; Vehslage, GRUR 1999,656,658; ders. K&R 2000, 203, 204; Funk, CR 1999,411,416; Busche/Kraft, WRP 1998, 1142, 1149; wohl auch Zehentmaier, BB 2000, 940, 944; Böhm, MMR 1999,643, 647; Reichelsdorfer, CR 1998, 171, 173; Leupold/Bräutigam/ Pfeiffer, WRP 2000,575,594; Schmitz, AfP 1998,485 ff.; Grundmann, JZ 1996,279; vgl. darüber hinaus das obiter dictum des LG Berlin v. 13. 10. 1998, MMR 1999,43 ff., wonach das Gericht "erhebliche Zweifel" bezüglich einer opt-in-Lösung äußerte; tendenziell die opt-out-Lösung befürwortend, jedoch ohne nähere Begründung LG Braunschweig v. 11. 8. 1999, NJW-RR 2000, 924. 397 LG Kiel v. 20. 6. 2000, JurPC Web-Dok. 16/2000, Abs. 1-19; LG Berlin v. 13. 10. 1998, MMR 1999,43; eine unmittelbare (horizontale) Wirkung von Richtlinie wird von der h.M. abgelehnt, vgl. EuGH v. 14. 7. 1994, Slg. 1994, 3325, 3355 ff., Rs. 91/92 Faccini Dori 1Recreb; Jarass, NJW 1981,2665,2666 f.; Scherzberg, JURA 1993, 225, 228. 398 Fn.397. 399 Vgl. hierzu Vehslage, K&R 2000, 203, 204 mit Verweis auf die entsprechende BGHRspr. v. 5. 2. 1998, NJW 1998,2208 ff. - Testpreis-Angebot. 400 Vgl. Ziem, MMR 2000, 129, 132 wonach die Frage der Auslegung des Art. 14 für die Vorlage an den EuGH "prädestiniert" sei.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

Bevor die verschiedenen Ansichten zum eben dargestellten Problem unter Berücksichtigung von Art. 14 FARL näher beleuchtet werden, soll auf die Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie durch den nationalen Gesetzgeber kurz eingegangen werden. c) Umsetzung der Femabsatzrichtlinie in nationales Recht

aa) Mangelnde Umsetzung durch das Fernabsatzgesetz Zur Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie schuf der bundesdeutsche Gesetzgeber - mit knapp vier Wochen Verspätung - das Fernabsatzgesetz (FAG).4ol Dessen Regelungen finden sich seit 1. 1. 2002 insbesondere in den §§ 312 b ff. BGB wieder. Art. 4 Abs. 3 ist nunmehr durch den § 312 c Abs. 1 Satz 2 BGB ausreichend umgesetzt. Eine Regelung zur hier untersuchten unverlangten kommerziellen Kommunikation entsprechend Art. 10 enthält das nationale bundesdeutsche Recht jedoch nicht, da der Gesetzgeber keinen diesbezüglichen Handlungsbedarf gesehen hat. 402 Die in Deutschland bestehende Rechtslage, insbesondere die ständige Rechtsprechung zu § 1 UWG und §§ 823, 1004 BGB entspräche den Vorgaben der Fernabsatzrichtlinie und gehe teilweise sogar über diese hinaus, so dass Art. 10 ausreichend umgesetzt sei. 403 Der Gesetzgeber ist insbesondere der Auffassung, dass er Art. 10 der Richtlinie in deren Anwendungsbereich nicht als Voll-, sondern als Mindesthannonisierung verstehe. Er stützt seine Ansicht auf die Öffnungsklausel des Art. 14 Satz 1 und betont mit Blick auf den Erwägungsgrund 24, dass die Konkretisierung des Allgemeininteresses in Art. 14 Satz 2 nicht abschließend gemeint ist. 404 Eine Andeutung dieser Sichtweise ist § 312 c Abs. 4 BGB (§ 2 Abs. 1 Satz 3 FAG) zu entnehmen, wonach weiter gehende Einschränkungen bei der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln aufgrund anderer Vorschriften unberührt bleiben. bb) Rechtliche Anforderungen an die Umsetzung Die nationalen Gesetzesmaterialien weisen schließlich darauf hin, dass eine ausdrückliche gesetzliche Einzelfallregulierung nicht die Flexibilität der bestehenden 401 Gesetz v. 27.6. 000, BGB!. I S. 887 (in seinen wesentlichen Teilen am 30. 6. 2000 in Kraft getreten); vg!. Waldenberger, K&R 1999, 345 ff. zum Referentenentwurf; desw. Bülow/Artz, NJW 2000, 2049 ff.; Tonner, BB 2000,1413 ff. 402 Vg!. RegE Bt-Ds 14/2658, S. 24 ff.; der Regierungsentwurf entspricht im Punkt der unverlangten kommerziellen Kommunikation mangels gegenteiliger Stellungnahmen der Meinung des Gesetzgebers; i. d. S. auch Hoffmann, Beilage zu NJW Heft 14/2001, S. 38. 403 Vg!. RegE Bt-Ds 14/2658, S. 25. 404 RegE Bt-Ds 14/2658, S. 25.

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allgemeinen Nonnen aufweist und hier nicht in Betracht kommt. 405 Solch eine gesetzgeberische Untätigkeit ist grundsätzlich zulässig, da die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht nicht immer durch eine ausdrücklich gesetzliche Regelung erfolgen muss, sondern auch durch einen allgemeinen rechtlichen Rahmen beziehungsweise durch Generalklausein und der einschlägigen Rechtsprechung erfolgen kann. 406 Eine spezielle legislative Transfonnation jeder einzelnen Richtlinienbestimmung ist nicht zwingend notwendig. In diesem Fall ist insbesondere auf eine richtlinienkonfonne Auslegung des nationalen Rechts zu achten. Für die Auslegung des § 1 UWG ist dies ausdrücklich anerkannt. 407 Hinsichtlich der Ausfüllung des persönlichkeitsrechtlichen Schutzbereiches und der Bestimmung von Verletzungstatbeständen ist kein Grund ersichtlich, jene Grundsätze und Vorgaben nicht ebenfalls anzuwenden. Denn maßgeblicher Aspekt bei der Umsetzung ist, dass der Grundsatz des effet utile 408 ausreichende Beachtung gefunden hat. Letzteres bedeutet, dass der Richtlinieninhalt so wirksam wie möglich in nationales Recht übergeleitet wird. 409 Grundlage dieser Auffassung ist Art. 249 Abs. 3 EG, wonach der Mitgliedsstaat als Adressat der Richtlinie bei der Wahl der Fonn und der Mittel frei ist, deren er sich zur Umsetzung bedient. Es obliegt allen Trägern der öffentlichen Gewalt, die zur Erfüllung der Umsetzungs verpflichtung erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Einschränkung findet dies jedoch dahingehend, dass die Fonn und Mittel einmal geeignet sein müssen, die durch die Richtlinie festgelegten Ziele zu erreichen. Erforderlich ist dabei auch immer ein bestimmtes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dergestalt, dass der Begünstigte in der Lage ist, von allen seinen Rechten Kenntnis zu erlangen und diese, soweit er begünstigt ist, vor den nationalen Gerichten geltend zu machen. 4\0 Letzteres wäre im Hinblick auf § 1 UWG und die damit verbundenen wettbewerbsrechtlichen Einschränkungen der Aktivlegitimation fraglich, wenn nicht Art. 11 Abs. 1 und 2 FARL klarstellen würden, dass es nicht zwingend eines subjektiv rechtlichen nationalen Rechtsschutzes bedarf. Diese Möglichkeit des ausschließlichen wettbewerbsrechtlichen Schutzes bedeutet jedoch nicht, dass es dem nationalen Gesetzgeber nicht 405 RegE Bt-Ds 14/2658, S. 26; Schrick, MMR 2000, 399,403; vgl. aber insbesondere Leible/Sosnitza, K&R 1998,283,289, die zwar Art. 10 ebenfalls als Mindestharmonisierung verstehen, jedoch eine ausdrücklich gesetzliche Regelung befürworten. 406 EuGH v. 11. 8. 1995, Sig. 1995, 2303, Ls. 1, Rs. 433/93 - Vergaberichtlinien; Günther, eR 1999, 172, 180; Grundmann, JZ 1996,274,278; zweifelnd aber Vehslage, GRUR 1999, 656, 658, nach dessen Ansicht eine strengere Handhabung auslegungsbedürftiger Bestimmungen nicht den Voraussetzungen des Art. 14 an die "strengeren Bestimmungen" entspricht. 407 BGH V. 5. 2. 1998, BGHZ 138,55 ff. - vergleichende Werbung; in: Grabitz / Hilf / Wolf, Band 2, A 1 Rn. 29. 408 Vgl. EuGH v. 29. 5.1975, Sig. 1976,497, Ls. 6, Rs. 48/75 - Royer. 409 Oppennann, Europarecht, Rn. 461. 4\0 EuGH v. 13. 12. 1988, Sig. 1991,2567, Ls. 1, Rs. 361/88 - Kommission/Deutschland; EuGH v. 11. 8. 1995, Sig. 1995,2303 Tz. 18, Rs. 433/93 - Vergaberichtlinien; vgl. desw. Schwarz / Bievert, Art. 249 EG Rn. 28; Bleckmann, Europarecht, Rn. 442; Herdegen, Europarecht, Rn. 181.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

freisteht, weitergehende, subjektiv-rechtliche Schutzinstrumente i. S. d. § 823 Abs. I BGB zur Verfügung zu stellen. cc) Überprüfung der deutschen Rechtslage Im Falle des Art. 10 Abs. I FARL wird den Mitgliedsstaaten ausdrücklich die Verpflichtung aufgegeben eine opt-in-Lösung zu schaffen. Dieser Verpflichtung ist die Bundesrepublik Deutschland nach den eben aufgezeigten Grundsätzen nachgekommen. Durch die Rechtsprechung des BGH zur Telefaxwerbung411 wird in ausreichendem Maße sichergestellt, dass ohne vorherige Zustimmung des Empfängers diese Werbemethode unzulässig ist. Zwar bezieht sich diese Rechtsprechung nur auf die Werbung gegenüber einem Gewerbetreibenden, die gerade nicht von der Fernabsatzrichtlinie erfasst ist. Der BGH geht jedoch in ständiger Rechtsprechung von einem erhöhten Schutzbedürfnis einer Privatperson gegenüber einem Gewerbetreibenden aus. A maiore ad minus gelangt man somit zum Ergebnis, dass dann die opt-in-Lösung der Telefax-Rechtsprechung erst recht für die Werbung gegenüber einem Privaten beziehungsweise Verbraucher gilt. Für Voice-Mail-Systerne lässt sich ähnlich argumentieren. Ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Telefonwerbung gegenüber einer Privatperson ohne vorheriges Einverständnis unzulässig, muss dies erst recht für automatisierte Anrufe gelten. Nicht nur, dass es für den Angerufenen in Bezug auf die Belästigung keinen Unterschied macht, ob eine natürliche Person oder ein Automat als Gesprächspartner auftritt, besteht bei Voice-Mail eine höhere Gefahr von wiederholten Belästigungen, da es denkbar ist, die Maschine so zu programmieren, dass sie nach Auflegen durch den Empfänger erneut dessen Nummer wählt. 412 Da den Adressaten auch ausreichender Rechtsschutz insbesondere über §§ 823 Abs. I i.Y.m. § 1004 Abs. 2 analog BGB zur Verfügung steht, ist insofern von einer gesicherten Rechtslage auszugehen, die den Anforderungen einer Richtlinienumsetzung genügt. 413 Schwieriger gestaltet sich die Problematik bezüglich der Art. 10 Abs. 2 FARL unterfallenden Kommunikationstechniken. Unabhängig vom Streit um den Grad der Harmonisierung, haben die Mitgliedsstaaten zumindest sicherzustellen, dass ein offenkundiger Widerspruch die Verwendung der jeweiligen Kommunikationstechnik unzulässig macht. Während für die Telefonwerbung durch die ständige BGH-Rechtsprechung in Bezug auf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit diesbezüglich keine Schwierigkeiten bestehen, da die opt-in-Lösung weiter geht als die BGH v. 25. 10. 1995, NJW 1996,660 f. Dies verkennen aber Köhler/Piper, § I UWG Rn. 20. 413 So auch Schrick, MMR 2000,399,402; Günther, eR 1999, 172, 180; a.A. Micklitzl Reich, Femabsatzrichtlinie, Rn. 159; Schmittmann, Telefaxübermittlung im Zivilrecht, S. 234; Weiler, MMR 2003, 223, 229; zur Umsetzung der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation, Fn. 457, empfehlen WolberlEckardt, DB 2002, 2581, 2586 eine ausdrückliche gesetzliche Umsetzung. 411

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Verpflichtung an die Mitgliedstaaten in Art. 10 Abs. 2 FARL, erscheint dies bei anderen teletechnischen Kommunikationsmedien eher fraglich. Die zur E-MailWerbung bisher ergangene Rechtsprechung ist auf den ersten Anschein kaum geeignet, ein nötiges Maß an Rechtssicherheit zu erzeugen. 414 Für andere Individualkommunikationstechniken, wie dem SMS-Verkehr, besteht noch keine Rechtsprechung. Im Hinblick auf Telefonwerbung mittels Mobilfunk erscheint es darüber hinaus fraglich, ob sich die Rechtsprechung des BGH zur herkömmlichen Telefonwerbung ohne weiteres übertragen lässt beziehungsweise dies der BGH im Falle der Entscheidungsreife eines solchen Sachverhaltes auch tun würde, da die Argumentation mit der Privatsphäre hier, wie später noch näher aufgezeigt werden soll, nicht sonderlich stichhaltig ist. Diesbezügliche Prognosen und Spekulationen genügen kaum den Mindestanforderungen an eine Umsetzung. Trotz dieser Zweifel ist der nationale Gesetzgeber zu einer diesbezüglichen "Nachbesserung" der Richtlinienumsetzung nicht verpflichtet. Grund hierfür ist einmal eine konsequente Anwendung der oben dargestellten Umsetzungsanforderungen. Erlaubt man durch einen allgemeinen rechtlichen Rahmen und die einschlägige Rechtsprechung, eine Richtlinie umzusetzen, muss es zwingend "ein erstes Mal" für die Rechtsprechung geben. Eine gesicherte BGH Rechtsprechung von Anfang an zu verlangen wäre zu weitgehend. Somit ist schon vor einer Entscheidung des BGH zur E-Mail-, SMS-, und Mobilfunkwerbung von einer ausreichenden Umsetzung auszugehen. Bis dahin bestehende Rechtsunsicherheiten sind hinzunehmen. 415 Überdies zeigt ein Blick auf die gesamte nationale Rechtsprechung zu den verschiedenen Direktmarketingmethoden, dass dann, wenn der Adressat seinen Widerspruch geäußert hat, eine unverlangte Kontaktaufnahme in jedem Fall unzulässig ist. Selbst für die Briefwerbung, die nach Anhang I der Fernabsatzrichtlinie ebenfalls ein Mittel der Individualkommunikation und nach ständiger Rechtsprechung des BGH grundsätzlich zulässig ist, gilt dies dann im Fall des Widerspruches. 416 Insofern bestehen keine Bedenken an eine ausreichende Umsetzung des Mindestschutzes nach Art. 10 Abs.2FARL. dd) Zwischenergebnis zur Umsetzung ins nationale Recht Das Gesamtbild der bundesdeutschen Rechtsprechung in Verbindung mit den zugrundeliegenden auslegungsfähigen Vorschriften des BGB und UWG ergibt somit insoweit eine ausreichende Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie im Hinblick auf Art. 10 der FARL. Hervorzuheben ist insbesondere, dass ein opt-in-System zwingend die Anforderungen eines opt-out-Systems umfasst, da Ersteres eben weiter reicht als eine Widerspruchslösung. Vgl. Fn. 349. Das Berufungsgericht käme allerdings nicht umhin, gern. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Revision zuzulassen. 416 Vgl. Fn. 341. 414 415

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

d) Auslegung der Richtlinie Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob eine nationale opt-in-Lösung noch mit der Fernabsatzrichtlinie vereinbar ist. Wäre dies nicht der Fall, müsste in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie ein legislatives Tätigwerden von Nöten wäre, womit diejenigen Stimmen Genugtuung erfahren würden, die ein solches bisher schon gefordert hatten417 oder eine Richtungsänderung in der Rechtsprechung ausreichen würde. aa) Grundlagen zur Auslegung Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist die Reichweite der Harmonisierungswirkung, die der Fernabsatzrichtlinie zukommt. Der europäische Gesetzgeber kann auf verschiedene Weise eine Harmonisierung nationaler Rechts- und Verwaltungsvorschriften erreichen. Neben einer abschließenden Regelung - auch nur in Teilbereichen - des zugrunde liegenden Sachverhaltes, kann er einen Mindest- und Höchststandard einführen, in dessen Grenzen dem Mitgliedstaat dann ein Spielraum verbleibt. Das Subsidiaritätsprinzip gern. Art 5 EG spricht dafür, dass sich die Gemeinschaft im Zweifel mit einer Teilharmonisierung begnügt hat. 418 Schließlich kann eine Harmonisierung dadurch bewerksteIligt werden, dass Mindest- oder Höchststandards festgelegt werden. 419 Die Ermittlung, welcher Weg im konkreten Fall gewählt wurde, geschieht durch Auslegung der Richtlinie. Besondere Bedeutung hat hierfür die Zielsetzung, der Wortlaut, der Zusammenhang und die Rechtsgrundlage der Richtlinie. 42o Ungeachtet der Tatsache, dass der EuGH bisher auf eine historische Auslegung verzichtet, kann auch ein Blick auf das Gesetzgebungsverfahren dazu beitragen, die Zielsetzung des Gesetzgebers zu erfassen. 421 bb) Rechtsgrundlage Rechtsgrundlage der Fernabsatzrichtlinie ist Art. 95 EG (Art. 100a EGV). In diesem Zusammenhang weist nun Günther422 auf die Parallelität zu Art. 153 EG 417 So Leible/Sosnitza, K&R 1998,283, 292, welche die deutsche Rechtslage zwar mit der Fernabsatzrichtlinie (wegen Art. 14), aber nicht mit dem EG-Vertrag im Einklang sehen. 418 Grundmann, JZ 1996,274,277. 419 Vgl. GTE/ Müller-Graf, Art. 28 EG Rn. 198 ff.; Steindorf, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 413 ff. 420 GTE/ Müller-Graf, EUV /EGV, Art. 28 Rn. 202; Steindorf, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 415 ff.; Schmid, Telefonwerbung, S. 169 f. 421 V gl. Grabitz / Hilf / Micklitz, Band 2, vor A 2 Rn. 32. 422 eR 1999, 172, 174; vgl. diesbezüglich Schmid, Te1efonwerbung, S. 170 der der Rechtsgrundlage der Fernabsatzrichtlinie keine eindeutige Aussage zu entnehmen wagt.

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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hin und betont, dass bei unmittelbar auf deren Abs. 4 gestützten Maßnahmen die Mitgliedstaaten nach Art. 153 Abs. 5 EG nicht daran gehindert seien, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen, soweit diese ansonsten mit dem EG-Vertrag im Einklang stehen. 423 Enthalten auf Art. 95 EG gestützte Maßnahmen eine Mindestklausel wie Art. 14 FARL, muss hierfür Gleiches gelten. Dieser Ansicht ist zwar zuzugeben, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber zur Förderung der Interessen der Verbraucher und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus sowohl den Weg über Art. 153 Abs. 3 lit. b LY.m. Abs. 4 als auch den Weg über Art. 153 Abs. 3 lit. a gehen kann, der dann zu Art. 95 EG führt. Verkannt wird dabei aber, dass der pauschale Verweis auf die Öffnungsklausel des Art. 153 Abs. 5 EG dem Wortlaut und der Bedeutung der entsprechenden Klausel in der Richtlinie - hier Art. 14 FARL - nicht genügend Gewicht beimisst.. Insofern ist dieses Vorgehen für die Bestimmung der Harmonisierungsreichweite wenig Gewinn bringend.

ce) Die Systematik und der Zweck des Art. 14 FARL Die Vertreter der Ansicht, die eine nationale opt-in-Lösung in Bezug auf die in Art. 10 Abs. 2 genannten Techniken ablehnen und in dieser Bestimmung mehr als eine bloße Mindestharmonisierungsmaßnahme sehen, gründen ihre Bedenken zumeist auf den Wortlaut des Art. 14 Satz 2 FARL und den Erwägungsgrund 24. 424 Art. 14 Satz 2 FARL spricht ausdrücklich nur von Beschränkungen, die sich auf den Vertrieb bestimmter Waren und Dienstleistungen beziehen. In einem Umkehrschluss könnte man nun zu der dahingehenden Einschränkung des ersten Satzes gelangen, dass über diese nach Satz 2 möglichen Restriktionen hinausgehende nationalen Maßnahmen, die die Verwendung bestimmter Kommunikationstechniken beschränken und eben nicht an die Produkteigenschaft anknüpfen, unzulässig sind. Betont wird dabei, dass Satz 2 mit den Worten "durch solche Bestimmungen" auf die "strengere[n] Bestimmungen" in Satz 1 verweist und somit einen systematischen Zusammenhang begründen würde. 425 Diese Sichtweise kann in mehrfacher Hinsicht nicht überzeugen. Vielmehr verbietet sich die Aussage, dass aufgrund der Konkretisierung des Satzes 1 durch Satz 2 eine abschließende Regelung vorliegt. 426 Zwar kann durchaus Satz 2 als Konkretisierung verstanden werden. Denn Satz 2 benennt ausdrücklich eine Möglichkeit für eine strengere Bestimmung. Dass sich daraus aber wiederum Rückschlüsse für Günther, eR 1999,172,174. LG Berlin v. 2. 4. 1998, MMR 1999,43,44; Reichelsdorjer, eR 1998, 172, 173; Busche/Kraft, WRP 1998, 1142, 1149; Ziem, MMR 2000, 129, 133; Vehslage, GRUR 1999, 656,658; in diese Richtung auch Funk, eR 1998,411,415. 425 Letzteren Zusammenhang betonen ausdrücklich Busche/Kraft, WRP 1998, 1142, 1149. 426 SO Z. B. Vehslage, GRUR 1999,656,658. 423

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

eine qualitative Einschränkung des Satzes 1 ziehen lassen, ist zu weitgehend. 427 Die ausdrückliche Benennung dieser einen Einschränkungsmöglichkeit hat nicht zur Folge, dass diese alleine in Betracht kommt. 428 Ein solches systematisches Verständnis hätte zur Folge, dass ein Grundtatbestand durch seine darauf folgenden Regelbeispiele begrenzt wäre, was aber wiederum der gewünschten Flexibilität allgemein gehaltener Tatbestände gerade entgegenläuft. Micklitz weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass eine Auslegung ausschließlich anhand der Systematik der Fernabsatzrichtlinie wenig Gewinn bringend ist und nur eine "stützende Funktion" haben kann. 429 Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass eine systematische Auslegung nicht eine Einschränkung des Satzes 1 durch Satz 2 des Art. 14 FARL ergibt. 43o Auch ist der Sinn und Zweck des Satzes 2 ein anderer. Durch das Ausklammern ganzer Waren- oder Dienstleistungsgruppen vom Fernabsatz beschreibt der Gemeinschaftsgesetzgeber eine Fallgruppe, bei der es in erhöhtem Maße zu einer Einschränkung der Waren- und Dienstleistungsfreiheit kommen kann. Dies betrifft insbesondere sensible Warengruppen wie Arzneimittel, bei denen ein persönlicher Kontakt zwischen Kunde und Anbieter zum Schutz der Allgemeinheit in der Regel für erforderlich gehalten wird. Durch die Fixierung in Satz 2 will der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, dass selbst derartige Maßnahmen mit Blick auf die Grundfreiheiten noch zulässig sind und, wie bei deren Beschränkung üblich, sich an zwingenden Gemeinwohlinteressen zu orientieren haben. 431 Satz 2 stellt quasi ein noch zulässiges Extrembeispiel für Maßnahmen nach Satz 1 dar. 432 Die hier problematischen Werbebeschränkungen greifen dagegen weit weniger in den freien Binnenmarkt ein, da es eben nur um die Werbung für Produkte geht und die Art des Vertriebs derselben unberührt bleibt. Absatz 2 beinhaltet somit tendenziell quantitative, aber nicht qualitative Eingriffsgrenzen. 433 Daran ändert auch Erwägungsgrund 24 nichts, wonach es Mitgliedstaaten gestattet bleiben soll, bestimmte 427 Schmid, Telefonwerbung, S. 172 weist in diesem Zusammenhang auch auf die englische und französische Sprachfassungen des Art. 14 Satz 2 hin (vgl. dort. Fn. 355), welche ebenfalls nur eine beispielhafte Aufzählung und keine abschließende Konkretisierung nahe legen. 428 Vgl. Glöckner, GRUR Int. 2000, 29, 32, der zudem darauf hinweist, dass ein solch enges Verständnis der Konkretisierung in Satz 2 dann Satz 1 obsolet machen würde. 429 Grabitz/Hilf Micklitz, Band 2, Vor A 2 Rn. 33. 430 So aber ausdrücklich Ziem, MMR 2000, 129, 133. 431 Die in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, inwieweit Mindestklauseln präjudiziellen Einfluss auf die Interessen der Allgemeinheit haben, vgl. Glöckner, eR 1999, 172, 175, wird aus systematischen Gründen im Rahmen der Grundfreiheiten und deren Beschränkung weiter unten geprüft. 432 Vgl. Drexl in: Drexl (Hrsg.), S. 84 mit überzeugender Begründung. 433 Die Quantität des Eingriffs wird in diesem Zusammenhang mit der Eingriffstiefe in Bezug auf die Grundfreiheiten verstanden. Den Raum bis zu dieser Grenze kann ein Mitgliedsstaat aber durch Beschränkungen von unterschiedlicher Art und Weise (Qualität) erreichen. Anderes ergibt sich auch nicht aus Erwägungsgrund 24, vgl. aber Ziem MMR 2000, 129, 133.

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Erzeugnisse oder Dienstleistungen vom Fernabsatz auszuschließen. Glöckner weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass allein Art. 14 Satz 2 diesen Gedanken des produktorientierten Fernabsatzverbotes aufnimmt und nicht in Zusammenhang mit Satz 1 steht. 434 dd) Der hypothetische Verbraucherwille in Art. 10 Abs. 2 FARL Ein Ansatzpunkt zur Lösung der Problematik beruht unabhängig vom Verständnis des Art. 14 FARL auf einer erweiterten Sichtweise des Art. 10 Abs. 2 FARL. Nach Teilen der Literatur ergibt sich schon aus dieser Bestimmung, dass die Medien Telefon und E-Mail zu Werbezwecken dann nicht verwendet werden dürfen, wenn die Masse der Verbraucher diese Kommunikationsmittel offenkundig ablehnt. 435 Da für den Verbraucher und Werberezipienten Kosten anfallen und eine Blockade seiner Mailbox nicht ausgeschlossen ist, können die Mitgliedstaaten im Fall der E-Mail-Werbung von einer solchen Ablehnung ausgehen, womit die Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllt wären. Zur Begründung führen sie unter Berufung auf Erwägungsgrund 17 an, dass eine solche Auslegung eine geeignete Maßnahme ist, um die Verbraucher vor einer ungewünschten Kontaktaufnahme zu schützen. Ein solches Abstellen auf den hypothetischen Willen der Verbraucher widerspricht aber schon dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 2, der sich auf die offenkundige Ablehnung des Verbrauchers bezieht, diesen also im Singular anspricht. Es ist also der Wille des Einzelnen, und nicht des Verbrauchers als Interessengruppierung entscheidend. Würde man entgegen dem Wortlaut das Abstellen auf den hypothetischen Willen zulassen, kann eine Offenkundigkeit nicht klar festgestellt werden. Offenkundigkeit und Mutmaßung stehen hier gegensätzlich zueinander. Aus der gewählten Zeitform des Art. 10 Abs. 2 ergibt sich, dass die offenkundige Ablehnung als eine abgeschlossene, konkrete Kundgabehandlung zu begreifen ist. 436 Diese kann zwar auch konkludent erfolgen. Die tendenziell ablehnende Haltung in der Bevölkerung bezüglich E-Mail-Werbung wird jedoch diesen Anforderungen nicht gerecht. Vielmehr bleibt immer der Wille des Einzelnen im zu entscheidenden Fall maßgebend. ee) Entstehungsgeschichte und Zweck der Richtlinie Fraglich ist einmal, was sich der Entstehungsgeschichte der Fernabsatzrichtlinie zur Lösung der Problematik entnehmen lässt. Ein Blick auf das MitentscheidungsGlöckner GRUR Int. 2000, 29, 31. Grabitz/HilflMicklitz, Band 2, A 3 Rn. 130; Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337, 1143; letztere sind zudem der Ansicht, dass sich schon aus Art. 14 die Möglichkeit für restriktiveres nationales Recht ergibt. 436 Vehslage, GRUR 1999,656,657; a.A. Schmitz, AfP 1998, 485, 488: Offenkundigkeit ist zu bejahen, "wenn man vernünftigerweise nicht mit der Zustimmung rechnen kann". 434 435

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

verfahren nach Art. 95 EG (Art. 100a EGY.) zwischen Kommission, Rat und Parlament und die Berücksichtigung der Standpunkte der Anbieter- und Verbraucherorganisationen zeigt, wie umstritten Art. 10 während des Verfahrensganges war. 437 Im geänderten Richtlinienvorschlag438 der Kommission und im Beschluss des Europäischen Parlamentes zum Gemeinsamen Standpunkt439 wurden in der Gruppe der zustimmungsbedürftigen Kommunikationsmitteln (Art. 10 Abs. 1 FARL) neben Telefax und Voice-Mail-Systemen auch Telefon und E-Mail erfasst. Weder die Befürworter eines allgemeinen opt-in-Systems noch die einer allgemeinen opt-outLösung konnten sich aber im Ergebnis durchsetzen. Aus einer solchen bewussten Nicht-Entscheidung Rückschlüsse auf ein Verbot des opt-in-Verfahrens zu ziehen, wird teilweise zwar für rechtspolitisch vertretbar, aber methodisch für verfehlt gehalten. 44o Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Der europäische Gesetzgeber konnte sich nicht entschließen, eine diesbezügliche abschließende Regelung zu erlassen. Vielmehr legte er die Problematik zur Lösung in die Hände der Mitgliedstaaten. Dass Art. 14 Satz 1 FARL diesen einen weiten Gestaltungsspielraum lässt, wurde oben schon festgestellt. Zwar bezweckt die Richtlinie mit der Einführung einer Mindestzahl an gemeinsamen Regelungen eine weitgehende Harmonisierung, die wiederum der Verfestigung des Binnenmarktes dienlich iSt. 441 Aus diesem Zweck, der jeder Richtlinie immanent ist, gleichzeitig die Harmonisierungsreichweite abzuleiten, ist aber zu weitgehend. 442 Die fehlende Einigung im Gesetzgebungsverfahren verdeutlicht vielmehr die gegenständliche Begrenzung der von der Richtlinie geforderten Harmonisierung. Aus den Differenzen im Verfahren geht mit anderen Worten hervor, dass lediglich davon abgesehen wurde, ein grundsätzliches Verbot für alle Mitgliedstaaten verbindlich einzuführen. Eine Vollharmonisierung hat eben keine Mehrheit gefunden. Schließlich bezweckt die Richtlinie auf der anderen Seite auch die Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus,443 was sie in Bezug auf ihre eben erwähnte integrationspolitische Eigenschaft in einem "janusköpfigen Gewande" erscheinen lässt. 444 Dies lässt es, in Verbindung mit der ausdrücklichen Betonung des Schutzes des Privatlebens, unmöglich erscheinen, dem gesetzgeberischen Willen eine abschließende Harmonisierung in Art. 10 Abs. 2 zu entnehmen.

437 438 439 440 441 442 443 444

Zum Verfahren vgl. Fn. 375. V. 7.10. 1993, AbI. EG Nr. C 308 v. 15. 11. 1993, S. 18 ff. Beschluss des EU-Parlaments v. 13. 12. 1995, AbI. EG Nr. C 17 v. 22.1. 1996, S. 51 ff. So Glöckner, GRUR Int. 2000, 29, 32. Vgl. Erwägungsgrund 1. In diese Richtung aber Busche / Kraft, WRP 1998, 1142, 1150. Vgl. insbesondere Erwägungsgrund 19. Reich, Europäisches Verbraucherrecht, S. 56.

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

113

ft) Das Leitbild des verständigen Verbrauchers

Es wird teilweise darauf hingewiesen,445 dass sich die Fernabsatzrichtlinie am Leitbild des verständigen und mündigen Verbrauchers orientiert, das auch in anderen Richtlinien zum Ausdruck kommt, insbesondere in den Richtlinien 84/450/ EG und 97/55/ EG über irreführende Werbung. 446 Betrachtet man aber die Grundsätze dieses Leitbildes, kommt man nicht umhin zu erkennen, dass dies hier für die Auslegung der Fernabsatzrichtlinie nicht weiterführend ist. Grundlage des angesprochenen Leitbildes ist nach EuGH ein Verbraucher, der bei der Rezeption von Werbung deren funktionsimmanente Eigenheiten von vorneherein in Rechnung stellt und Werbebotschaften demgemäß ein Mindestmaß an Kritikfähigkeit entgegenbringt. 447 Ein näheres Eingehen auf die diesbezügliche Leitbildproblematik an dieser Stelle ist nicht nötig. 448 Deutlich wird an Hand dieser knappen Definition, dass hier auf einen ganz anderen Sachverhalt hingewiesen wird. Zwar steht auch hier der Verbraucher als Zielperson der Werbung im Mittelpunkt. Jedoch geht es darum, inwieweit dieser vom Inhalt der Werbung beeinflusst wird und welches Verständnis des Verbrauchers bei Rezeption von Werbung zugrunde gelegt werden kann. Im hier interessierenden Fall geht es hingegen um die Zulässigkeit von Kommunikationsmittel unabhängig vom Werbeinhalt. Es geht gerade nicht um eine "intellektuelle Hilflosigkeit" des Verbrauchers gegenüber dem Inhalt durchdachter Werbestrategien. Es wird an dieser Stelle nicht verkannt, dass sich in diesem Bereich ein Rückgang der Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers abzeichnet. Hieraus lässt sich jedoch nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass der Verbraucher auch in anderen Bereichen als weniger schutzbedürftig erscheint. Die Fernabsatzrichtlinie sieht gerade in Bezug auf aggressive und aufdringliche Kommunikationstechniken einen erhöhten Schutzbedarf. 449 Diese gesetzgeberische Wertung kann durch die eben dargestellte Parallele nicht ungeschehen gemacht werden. Busche I Kraft ist insoweit Recht zu geben, als sie der Ansicht sind, dass hinter der Femabsatzrichtlinie das Leitbild des aufgeklärten, an Informationen über das Warenund Dienstleistungsangebot interessierten Verbrauchers steht, der in der Lage ist, Angebote verständig zu würdigen. 45o Sie verkennen jedoch, dass wiederum hinter dem unzweifelhaft vorhandenen Informationsinteresse des Verbrauchers sein Wille Busche / Kraft, WRP 1998, 1142, 1150. Richtlinie 84/450/EWG des Rates v. 10. 9. 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über irreführende Werbung, ABI. EG Nr. L 250 v. 19.9.1984, S. 17 und Richtlinie 97 155/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 6. 10. 1997 zur Änderung der Richtlinie 84/4501 EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, ABI. EG Nr. L 290 v. 23. 10. 1997, S. 18. 44? Vgl. EuGH v. 6. 7. 1995, Sig. 1995, 1923, Tz. 24, Rs. 470193 - Mars, vgl. auch Fn.546. 448 Vgl. die umfangreichen Ausführungen bei Niemöller, Verbraucherieitbild, S. 27 ff. und 109 ff. 449 Erwägungsgründe 5 und 17. 450 Busche/Kraft, WRP 1998,1142,1150. 445

446

8 Rothley

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

steht, ob und inwieweit er dieses Interesse mit Hilfe der ihm zur Verfügung stehenden technischen Mittel befriedigt. Er ist grundsätzlich Herr der Entscheidung, welche Information er seiner Konsumentscheidung zu Grund legen wil1. 451 Nach der hier vertretenen Auffassung prägt dies aber ebenfalls ein gewisses Leitbild eines mündigen Verbrauchers, das es zu akzeptieren gilt. Es ist inkonsequent, auf der einen Seite den mündigen Verbraucher mit allen Konsequenzen zur Auslegung der Fernabsatzrichtlinie ins Feld zu führen, andererseits diesem aber die Entscheidung über den Erhalt von Informationen vorzuenthalten und Dritten zu überlassen, ihn quasi diesbezüglich wieder zu entmündigen. gg) Der Blick auf andere Sekundärnormen Erwägungsgrund 20 der E-Commerce-Richtlinie konstatiert im Kontext der Fernabsatzrichtlinie ausdrücklich: "In Mitgliedstaaten, die nicht angeforderte kommerzielle Kommunikation zulassen [ ... J sollen geeignete Maßnahmen [ ... j". Geht also ein Gemeinschaftsgesetz davon aus, dass es Mitgliedstaaten gibt, die jene Werbemethode zulassen, muss im Umkehrschluss gefolgert werden, dass es auch Mitgliedstaaten gibt, die dies unter Beachtung der Fernabsatzrichtlinie nicht tun. Insofern gibt der Gesetzgeber klar zu erkennen, dass eine restriktivere Handhabung jener Problematik den Mitgliedstaaten im Rahmen des Art. 14 FARL unbenommen bleibt. Schließlich zeigt auch ein Vergleich mit anderen europäischen Richtlinien,452 dass sich Art. 14 FARL als typische Mindestklausel in das Gesamtbild entsprechender Regelungen einfügt, was letztlich dem generellen Ansatz entspricht, Verbraucherschutzrichtlinien als Mindestschutzrichtlinien auszugestalten. 453 In diesen Fällen ist den Mitgliedstaaten immer das Recht vorbehalten, strengere oder weiter gehende Bestimmungen zu erlassen, freilich immer im Rahmen des EG-Vertrages. Als erwähnenswerte Ausnahme ist aber in diesem Zusammenhang die Richtlinie über vergleichende Werbung zu nennen, die gerade keine Mindestklauseln enthält. 454 451 Auf S. 50 wurde bereits herausgearbeitet, dass mit der Entwicklung der Informationsgesellschaft die Erhöhung der aktiven Stellung des Einzelnen im Kommunikationsprozess einhergeht. 452 VgI. Art. 8 der Richtlinie 85 I 577 I EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von auBerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vom 20. 12. 1985, ABI. EG Nr. L 372 v. 31. 12. 1985, S. 31; Art. 15 der Richtlinie 87 I 102/EWG über den Verbraucherkredit vom 22. 12. 1986, AbI. EG Nr. L 42 v. 12. 2.1987, S. 48 = NJW 1988, 1959; Art. 8 der Pauschalreise-Richtlinie 90/314/EWG vom 13.6. 1990, ABI. EG Nr. L 158 v. 23. 6. 1990, S. 59; Art. 8 der Richtlinie 93 113 I EWG über missbräuchliche Klauseln vom 5. 4. 1993, AbI. EG Nr. L 95 v. 21. 4. 1993, S. 29; Art. 11 der Richtlinie 94/47 lEG zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien (Time-Sharing-Richtlinie) v. 26. 10. 1994, AbI. EG Nr. L 280, S. 83 = NJW 1995,375. 453 Drexl in: Drexl (Hrsg.), S. 84; Grabitz/Hilf! Wolf, Band 2, AI Rn. 2. 454 VgI. Fn. 446.

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

115

hh) Ergebnis Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass die nationale Rechtsprechung bezüglich elektronischen Direktmarketings den Vorgaben der Fernabsatzrichtlinie zur Einhaltung von Mindeststandards bei kommerzieller Kommunikation entspricht. Die Richtlinie legt im Rahmen ihres Anwendungsbereiches nur einen Mindeststandard fest und ist in Bezug auf die in Art. 10 Abs. 2 angesprochenen Individualkommunikationsmedien nicht abschließend. Den einzelnen Mitgliedsstaaten bleibt es unbenommen, ein über das opt-out-Modell hinausgehendes System einzuführen. Sieht man mit einer Mindermeinung Art. 10 Abs. 2 i.Y.m. Art. 14 Satz 1 FARL als abschließende Harmonisierungsmaßnahme an, bleibt es den Mitgliedsstaaten außerhalb des Anwendungsbereiches der Richtlinie dennoch unbenommen, restriktivere Maßnahmen zu verhängen. Hier spielt der Streit um den Harmonisierungsgrad keine Rolle. 455

3. Die Datenschutzrichtlinien 95/46/ EG und 97/66/ EG Neben der Fernabsatzrichtlinie enthalten die allgemeine Datenschutzrichtlinie 95/46/ EG vom 24. 10. 1995456 und insbesondere die Telekommunikations-Datenschutzrichtlinie vom 15. 12. 1997457 (TK-Datenschutzrichtlinie) ebenfalls Regelungen über unverlangte kommerzielle Kommunikation. Zweck beider Richtlinien ist insbesondere der Schutz der Privatsphäre im Umgang mit personenbezogenen Daten und die Angleichung der nationalen Vorschriften, um eventuelle Hemmnisse 455 Vgl. aber Busche/Kraft, WRP 1998, 1142, 1150, die von der Zulässigkeit einer Marketingmethode gegenüber eines privaten Verbrauchers im Rahmen eines erst-recht Schlusses auf die Zulässigkeit gegenüber eines Gewerbetreibenden schließen. Dass die Beurteilung bezüglich der letzteren Fallgruppe dann nur anhand der Grundfreiheiten (und vorbehaltlich anderer Sekundärnormen) unabhängig von der Femabsatzrichtlinie erfolgen muss, bleibt indes unklar. In diesem Zusammenhang fehlt insbesondere der Hinweis darauf, dass der Inhalt des höherrangigen Primärrechts nicht durch Sekundärrecht bestimmt werden kann, vgl. Glöckner, GRUR Int. 2000, 29, 32. 456 Richtlinie 95/46/ EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 24. 10. 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, AbI. EG Nr. L 281 v. 23. 11. 1995, S. 31 ff., im folgenden "allgemeine Datenschutzrichtlinie". 457 Richtlinie 97/66/ EG vom 15. 12. 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation, AbI. EG Nr. L 24 v. 30. 1. 1998, S. 1 ff. Sie geht zurück auf den Vorschlag der Kommission v. 27. 7. 1990, KOM (90) 314 endg.; vgl. auch Gemeinsamer Standpunkt, AbI. EG Nr. C 315 v. 24. 10. 1996, S. 30. Mittlerweile ist die Richtlinie 2002/58/ EG des europäischen Parlmentes und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABI. EG Nr. L 201137 v. 31. 7. 2002, in Kraft getreten und ersetzt die Richtlinie 97/ 66/EG. Mit Art. 13 Abs. 1 wird eine opt-in Lösung eingeführt, die neben Fax und automatischen Anrufsystemen auch den Versand von E-Mail-Werbung erfasst; siehe hierzu Weiler, MMR 2003, 223 ff.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

für den Verkehr mit solchen Daten zu beseitigen. In Bezug auf die Nutzung der Adressierungsdaten wie Telefonnummer oder E-Mail-Adresse kann beiden Richtlinien Relevanz zugemessen werden.

a) TK-Datenschutzrichtlinie 97/66/ EG Die TK-Datenschutzrichtlinie schafft die Grundlage für eine Rarmonisierung der Vorschriften für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der Erbringung öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste über öffentliche Telekommunikationsnetze in der Gemeinschaft, insbesondere über das diensteintegrierende digitale Telekommunikationsnetz (ISDN) und öffentliche digitale Mobilfunknetze. 458 Entscheidende Bedeutung hinsichtlich der hier interessierenden Fälle kommt Art. 12 zu. Entsprechend Art. 10 Abs. 1 FARL konstatiert Art. 12 Abs. 1, dass für Voice-Mail-Systeme und Telefaxverwendung zu Zwecken des Direktmarketings die vorherige Zustimmung des Teilnehmers entsprechend einer opt-in-Lösung einzuholen ist. Im Unterschied zur Fernabsatzrichtlinie wird nicht auf den Verbraucher, sondern auf den Teilnehmer abgestellt. 459 Erfasst sind nach der Begriffsdefinition des Art. 2 lit. a grundsätzlich neben der Privatperson auch Gewerbetreibende und juristische Personen, wobei unter Letztere aus europäischer Sicht insbesondere auch die ORG und die KG fallen. 46o Art. 12 Abs. 3 TK-Datenschutzrichtlinie bestimmt aber, dass Abs. 1 und 2 nur für natürliche Personen gelten, schließt also die juristische Person im eben erwähnten weiten Verständnis gerade aus. Für diese Fälle haben die Mitgliedsstaaten aber sicherzustellen, dass deren legitime Interessen bezüglich unerbetener Anrufe ausreichend geschützt werden. Speziell für unerbetene Anrufe sieht Art. 12 Abs. 2 TK-Datenschutzrichtlinie vor, dass den Mitgliedstaaten zur Regelung dieser Problematik ein Entscheidungsspielraum zwischen einer opt-in- und einer opt-out-Lösung verbleiben soll. Eine entsprechende Problematik wie bei Art. 10 Abs. 2 FARL stellt sich in diesem Falle jedoch nicht. Im Gegensatz zu letztgenannter Bestimmung kommt der TK-Datenschutzrichtlinie mangels entsprechender Mindestklausel vollharmonisierende Wirkung ZU,461 was wiederum Ursache für die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Art. 3 Abs. I TK-Datenschutzrichtlinie. Nach Art. 2 Iit. a ist Teilnehmer "eine natürliche oder juristische Person, die mit einem Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste einen Vertrag über die Inanspruchnahme dieser Dienste geschlossen hat. 460 Schmid, Telefonwerbung, S. 182 dort Fn. 182. 461 Micklitzl Reich, Femabsatzrichtlinie, S. 83; Schmid, Telefonwerbung, S. 177; Günther, eR 1999, 172, 176; dies verkennt Burckhard, Direktmarketing, S. 152, der aus der Wahloption in Art. 12 Abs. 1 schließt, dass eben keine vollständige Harmonisierung vorliegt. Er übersieht dabei, dass eine solche Zielsetzung nicht mit der Einräumung verschiedene Umsetzungsaltemativen in Widerspruch stehen muss; vgl. aber Trute / Spoerr / Bosch, TKG, § 89 Rn. 7, welche weitergehende Vorschriften zum Schutz der Privatsphäre zulassen wollen. 458 459

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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Wahloption für die Mitgliedsstaaten war. Wie dann Micklitz, der ausdrücklich auf diese Wahloption abstellt, zu der Ansicht gelangt, dass den Mitgliedsstaaten für den Bereich der Telefonwerbung und aus europäischer Sichtweise nur noch die Möglichkeit einer opt-out-Lösung verbleibt, ist nicht nachvollziehbar. 462 In der Literatur wurde teilweise die Ansicht geäußert, man könnte im Rahmen einer weiten Auslegung des Begriffes "Anruf' mangels genauerer Definition durch die Richtlinie auch die Zusendung einer E-Mail verstehen. 463 Da es im Rahmen der Richtlinie 97/66/ EG keinen Disput über die Möglichkeiten einer opt-in-Lösung gibt, da - wie eben dargestellt - diese nationale Möglichkeit ausdrücklich in der Richtlinie vorgesehen ist, wäre durch eine solche Interpretation der entsprechende Streit im Rahmen der Fernabsatzrichtlinie zur E-Mail-Werbung nicht mehr relevant. Eine solche Auslegung der Datenschutzrichtlinie 97/66/ EG verbietet sich jedoch aus mehreren Gründen. 464 Einmal wird in anderen Artikeln das Wort "Anruf' in einem Kontext gebraucht, der im Zusammenhang mit einer E-Mail wenig Sinn machen würde. 465 Zudem spricht Art. 12 ausdrücklich von "Anrufen" und nicht wie an anderer Stelle von Kommunikation. Nach einem Vorschlag für eine Änderung dieser Richtlinie soll die Technikunabhängigkeit im Vordergrund stehen. 466 Gemäß Art. 11 Abs. 3 Satz 2 hat der Teilnehmer in jedem Fall das Recht, der Nutzung seiner Daten zu Zwecken des Direktmarketings kostenfrei zu widersprechen. Dies stellt einen Mindeststandard dar, der in Bezug auf unverlangte kommerzielle Kommunikation besagt, dass ab einem Widerspruch in jedem Fall derartige Kommunikation unzulässig ist.

b) Die allgemeine Datenschutzrichtlinie Die Richtlinie 95/46/ EG legt nicht nur Mindeststandards fest, sondern enthält zugleich die Höchststandards für den Datenschutz. 467 Im Gegensatz zur TK-Datenschutzrichtlinie enthält sie aber keine ausdrücklichen Regelungen, die sich mit der unverlangten kommerziellen Kommunikation befassen. Grundgedanke der Richtlinie ist das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. 468 Solange keine Einwilligung des Betroffenen in die Datenverarbeitung erfolgt, ist eine solche grundsätzlich unzulässig. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch vielfältige Ausnahmen. Insbesondere gern. Art. 7 lit. f) darf die Verarbeitung von personenbezogenen Daten erfolgen, wenn Vgl. Grabitz/Hilfl Micklitz, Band 2, A 3 Rn. 179. Rowe, Computer Law and Security Report, 1999, 407, 408 f.; vgl. auch Erwägungsgrund 11 zum Richtlinienvorschlag über den elektronischen Geschäftsverkehr v. 18. 11. 1998, KOM (1998) 586 endg., S. 40. 464 So auch Schmid, Telefonwerbung, S. 181. 465 V gl. Koenig / Röder, CR 2000, 668, 674. 466 V gl. Fn. 457. 467 Grabitz/HilflWolf, Band 2, A I Rn. 10. 468 Grabitz / Hilf / Brühann, Band 2, A 30 Rn. 6. 462

463

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

dies zur Verwirklichung der berechtigten Interessen des Verarbeitenden angezeigt ist. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Grundrechte oder die Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Dass Letzteres bei der hier relevanten kommerziellen Kommunikation der Fall ist, wird an späterer Stelle im Rahmen der inhaltsgleichen nationalen Bestimmung noch näher erörtert. Eine Schutzuntergrenze wird durch Art. 14 lit. b) festgelegt. Dieser gibt den Mitgliedsstaaten auf, für die Fälle der Direktwerbung eine opt-out- beziehungsweise Widerspruchslösung zu schaffen. Für den Fall der Telekommunikation ist die oben erwähnte inhaltsgleiche Bestimmung in der TK-Datenschutzrichtlinie jedoch vorrangig. Der betroffenen Person muss kostenlos die Möglichkeit zur Verfügung stehen, gegen eine Nutzung der Daten zu Zwecken des Direktmarketing seinen Widerspruch zu erklären. Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, ob bis zur Erklärung des Widerspruchs unverlangte kommerzielle Kommunikation zulässig ist.

4. Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr a) Einführung

Am 8. 6. 2000 haben der Rat und das Europäische Parlament die Richtlinie 2000/31 lEG (E-Commerce-Richtlinie) verabschiedet. 469 Erklärtes Ziel der Richtlinie ist es, das ungehinderte Funktionieren des Binnenmarktes bei Geschäften im Internet sicherzustellen, was mit anderen Worten bedeutet, dass ein einheitlicher Rechtsrahmen für den europäischen elektronischen Geschäftsverkehr geschaffen werden soll.470 Entscheidendes Merkmal und zentraler Punkt der Richtlinie ist, dass dieses Ziel nicht durch Angleichung der mitgliedsstaatlichen Rechtsvorschriften im Sinne einer Harmonisierung, sondern mit der Einführung des Herkunftslandprinzips erreicht werden soll. Maßgeblich hierfür ist Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie. 471 Für den Fall der kommerziellen Kommunikation bedeutet dies, dass der "Empfangstaat" jene nicht mehr mittels seiner Rechtsordnung überprüfen soll. Ist die Kommunikation nach dem Recht des Landes zulässig, dem sie entstammt, ist eine weitere Überprüfung ausgeschlossen - das Empfangsland hat diese dann zu akzeptieren. Mit Gesetz vom 9. 11. 2001 wurde die Richtlinie in Deutschland 469 Richtlinie 2000/31/ EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt v. 8. 6. 2000, AbI. EG Nr. L 178 v. 17.7.2000, S. I, im folgenden "E-Commerce-Richtlinie; zum Verfahren vgl. Richtlinienvorschlag v. 18. 11. 1998, AbI. EG C 30 v. 5. 2. 1999, S. 4; geänderter Vorschlag v. 17. 8. 1999, KOM (1999) 427 endg.; gemeinsamer Standpunkt v. 8. 2. 2000, 98/0325/ COD. 470 Bodewig, GRUR Int. 2000,475,475,478. 471 "Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen."

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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durch das EGG472 mit Wirkung zum 1. 1. 2002 umgesetzt. Entsprechende Regelungen finden sich nunmehr im Teledienstegesetz (TDG), das eine erhebliche inhaltliche Erweiterung erfahren hat. b) Anwendungsbereich der Richtlinie aa) Dienste der Informationsgesellschaft Vom koordinierten Bereich der Richtlinie sind die Dienste der Informationsgesellschaft umfasst. Art 2 Abs. I lit. a) der E-Commerce-Richtlinie verweist bezüglich der Definition der Dienste der Informationsgesellschaft auf eine bereits bestehende Richtlinie. Gern. Richtlinie 98/34/ EG,473 geändert durch die Richtlinie 98/84/ EG,474 fallen hierunter alle Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt im Fernabsatz mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht werden. Zu den Diensten der Informationsgesellschaft zählen auch Dienste, die Informationen über ein Kommunikationsnetz übermitteln. 475 Einschränkung findet Letzteres aber dahingehend, dass Dienste, die nicht auf individuellen Abruf ("von Punkt zu Punkt") erbracht werden, keine Dienste der Informationsgesellschaft sind. Somit fallen Femseh- und Radiosendungen heraus. Eine weitere Einschränkung gilt für Tatigkeiten, die ihrer Art nach nicht aus der Feme und auf elektronischem Wege ausgeübt werden können. Kommerzielle Kommunikation mittels elektronischer Post ist demgegenüber aber ein Dienst der Informationsgesellschaft. 476 Dies gilt auch dann, wenn die Kontaktaufnahme unverlangt ist. Unter Zugrundelegen eines engen Begriffsverständnisses erscheint dies zwar im Hinblick auf das Merkmal "auf Abruf' bedenklich. Da jedoch die Richtlinie in Art. 7 ausdrücklich die unverlangte E-Mail-Kommunikation anspricht, scheint ein weites Begriffsverständnis angebracht. Insoweit ist also auf den einzelnen Dienst und nicht die konkrete Kommunikationsform abzustellen. 477 Dienste der Informationsgesellschaft sind somit alle Dienste, gleich welchen Inhalts, die im Fernabsatz auf elektronischem Wege und unter Verwendung von Ge472 Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, Fn.149. 473 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 6. 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft, AbI. EG L 204 v. 21. 7. 1998, S. 37 (geändert durch die Richtlinie 98/48/ EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. 11. 1998 über den rechtlichen Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten, AbI. EG L 217 v. 5. 8. 1998, S. 18). 474 Vgl. Fn. 473. 475 Erwägungsgrund 18 der E-Commerce RL. 476 Erwägungsgrund 18 der E-Commerce RL. 477 Vgl. auch Tettenbom, K&R 1999,252,255.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

räten, die Datenverarbeitung und Datenspeicherung ermöglichen und auf individuellen Abruf des Empfängers erbracht und empfangen werden. 478 Problematisch ist die Einordnung der Telefondienste. Während die Internettelefonie unter die Dienste der Informationsgesellschaft fällt, wird dies für ISDN beziehungsweise analoge Telefonie nicht gelten, da hier von Datenverarbeitung und Datenspeicherung am Ausgangs- und Empfangsort nicht die Rede sein kann. 479 Eine kurze Zwischenspeicherung ist unerheblich. Im nationalen Recht sind die Dienste der Informationsgesellschaft vollständig vom Anwendungsbereich des TDG und des MDStV (Mediendienstestaatsvertrag)48o erfasst, weswegen eine Umsetzung insoweit ausbleiben konnte. 481

bb) Die einzelne E-Mail-Nachricht als Dienst der Informationsgesellschaft Art. 7 der E-Commerce-Richtlinie normiert erstmals eine umfassende Pflicht zur Kennzeichnung unverlangter kommerzieller Kommunikation mittels elektronischer Post. Die entsprechende nationale Umsetzung findet sich in § 7 TDG wieder, der eine solche Verpflichtung hinsichtlich aller kommerzieller Kommunikationen aufgibt. Nun stellt sich die Frage, in welcher Beziehung überhaupt eine solche Kennzeichnungspflicht zum Tragen kommt. Rechtsadressat ist immer der Diensteanbieter, im nationalen Recht legal definiert in § 3 Nr. 1 TDG als jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Teledienste zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Art. 2 lit. b der E-Commerce-Richtlinie stellt allgemeiner auf ein Anbieten von entsprechenden Diensten ab und erwähnt nicht die Begrifflichkeit "zur Nutzung". Im Hinblick auf den E-Mail-Dienst ist dies unzweifelhaft einmal der Anbieter, der über die nötige technische Infrastruktur verfügt und den Account verwaltet. Fraglich ist aber, ob ein Werbetreibender, der selber Nutzer (vgl. § 3 Nr. 2 TDG beziehungsweise Art. 21it. d der E-Commerce-Richtlinie) des E-Mail-Dienstes ist und mittels diesem seine Werbebotschaften verteilt, ebenfalls Diensteanbieter sein kann und somit Adressat der Kennzeichnungspflicht ist. Mit Blick auf Erwägungsgrund 18 der E-Commerce-Richtlinie wird man jedoch von den sprachlichen Unzulänglichkeiten auf nationaler Ebene absehen und ein weites Verständnis des Diensteanbieters zugrunde legen müssen. Denn hiernach stellt auch das "Verbreiten kommerzieller Kommunikationen mit elektronischer Post" einen Dienst der Informationsgesellschaft dar, wenn dies im Zusammenhang mit einer gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit Fröhlinger in: Drexl (Hrsg.), S. 15 f. Hoeren, MMR 1999,192,194. 480 V. 12.2. 1997, Nds. GVBI. S. 280. 481 Gesetzesbegründung zum EGG, Bt-Ds 14/6098, S. 11, abrufbarunter: http://dip.bundestag.de/btd/ 14/060/ 1406098.pdf, im folgenden hiernach zitiert; vgl. auch Schneider, K&R 2001,344,347. 478

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B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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geschieht. Zusätzlich zu einem Bereithalten oder einem Vermitteln wird man also auch auf die Verwendung abstellen müssen. Insofern wird die Ansicht kaum aufrechtzuerhalten sein, die allenfalls den Betrieb eines Mail Servers als Dienst der Informationsgesellschaft versteht, aber nicht das Versenden einer einzelnen E-Mail als Teledienst und somit als Dienst der Informationsgesellschaft ansieht. 482 Eines einvernehmlichen Nutzungs- beziehungsweise Dienstverhältnisses zwischen Werbetreibenden und Empfänger bedarf es in diesem Fall gerade nicht. c) Ausnahmeregelungen

aa) Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip nach Art. 3 Abs. 3 i.Y.m. Anhang Für die hier untersuchten Formen unverlangter kommerzieller Kommunikation gelten jedoch in zweierlei Hinsicht Ausnahmen. Einmal ist gern. Art. 3 Abs. 3 i.Y.m. dem Anhang der E-Commerce-Richtlinie die Frage der Zulässigkeit nicht angeforderter kommerzieller Kommunikation mittels elektronischer Post ausdrücklich nicht nach den Grundsätzen des Herkunftslandprinzips zu beantworten. Es kann vielmehr der Empfangsstaat sein eigenes Recht anwenden und gegebenenfalls derartige Praktiken verbieten. 483 Da auch nicht nach der Art des Empfänger differenziert wird, gilt dies für Werbung gegenüber einer Privatperson wie auch gegenüber Gewerbetreibenden und juristischen Personen. Diese Ausnahme entzieht jedoch nur die E-Mail-Werbung dem Anwendungsbereich, womit jedenfalls diesbezüglich gerade nicht von einer weitgehenden Harmonisierungsabsicht gesprochen werden kann. 484 Eine entsprechende nationale Regelung findet sich in § 4 Abs. 4 Nr. 3 TDG. Die übrigen hier interessierenden Individualkommunikationsmethoden sind hierdurch jedoch noch nicht dem Anwendungsbereich und somit dem Herkunftslandsprinzip entzogen. Hierfür gilt aber Nachstehendes. bb) Ausnahmen nach Art. 1 Abs. 5 Eine weitere Ausnahmeregelung findet sich in Art. 1 Abs. 5 E-Commerce-Richtlinie. Hiernach findet die Richtlinie keine Anwendung auf Fragen bezüglich Diensten der Informationsgesellschaft, die von den Datenschutz-Richtlinien 95/46/ EG und 97/66/ EG erfasst werden. Der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung von Daten ist ausschließlicher Gegenstand jener eben erwähnten Richtlinien. In Art. 12 der TK-Datenschutzrichtlinie 97 /66/EG finden sich Regelungen hinsichtlich Fax- und Voice-Mail (Abs. 1) und zu unerbetenen Telefonanrufen zu Werbezwecken (Abs. 2). Die nationale Umsetzung von Art. 1 Abs. 5 erfolgt durch § 4 482 483 484

So Freytag, Haftung im Netz, S. 242. Bodewig, GRUR Int. 2000, 475, 481; Hoeren, MMR 1999, 192, 198. Vgl. Zehentmeier, BB 2000, 940, 945.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

Abs. 4 Nr. 10 TDG, der das Datenschutzrecht vom Herkunftslandprinzip und von den Einschränkungsanforderungen für grenzüberschreitende Kommunikationen des § 4 Abs. 5 TDG ausnimmt. Ein Konkurrenzverhältnis würde ohnehin auch nur bei der Internettelefonie auftreten, da herkömmliche Telefonkommunikation schon kein Dienst der Informationsgesellschaft ist. cc) Anwendbares Sachrecht Wie Art. 1 Abs. 3 i.Y.m. Erwägungsgrund 11 verdeutlichen, will die E-Commerce-Richtlinie keine Änderung des eingeführten Verbraucherschutzniveaus beabsichtigen, sondern soll sich in das bestehende Sekundärrecht einfügen. 485 Noch deutlicher wird diese Intention durch Erwägungsgrund 30, der bestimmt, dass die Frage nach der Zustimmung der Empfänger in Bezug auf die in der Fernabsatzrichtlinie geregelten Formen der nicht angeforderten kommerziellen Kommunikation nicht Gegenstand dieser Richtlinie ist. Gegenteiliges ist auch nicht aus Art. 7 der E-Commerce-Richtlinie zu entnehmen, der die Kennzeichnung kommerzieller E-Mails vorschreibt. Eine entsprechende Bestimmung findet sich in § 7 Nr. 1 TDG wieder. Da es sich hierbei um eine Mindestharmonisierung handelt, kann hieraus jedoch nicht der Gegenschluss gezogen werden, dass gekennzeichnete WerbeE-Mails generell zulässig sind. 486 Diese Frage wird nach den oben dargelegten Grundsätzen zur Fernabsatzrichtlinie im Rahmen der Art. 10 Abs. 2 i.Y.m. Art 14 FARL beantwortet. Klargestellt wird dies letztlich auch durch § 7 Satz 2 TDG, der bestimmt, dass die Regelungen des UWG unberührt bleiben. Darüber hinaus bleiben aber auch deliktische nationale Normen unberührt. Letzteres wurde nur aus dem Grund nicht ausdrücklich in § 7 Satz 2 TDG aufgenommen, da der Gesetzgeber zur Lösung von unverlangter kommerzieller Kommunikation primär § I UWG vor Augen hatte. Gleiches gilt auch für Art. 6 der E-Commerce-Richtlinie, der grundsätzlich vorschreibt, dass kommerzielle Kommunikationen als solche eindeutig erkennbar sein müssen und der Auftraggeber klar identifiziert werden kann. 487 Auch ein Wahren dieser Formerfordernisse besagt nichts darüber, ob eine kommerzielle Kommunikation mit dem Adressaten ohne dessen Einverständnis aufgenommen werden kann. dd) Anzuwendendes Sachrecht außerhalb des Herkunftslandprinzips Nach Art. 1 Abs. 4 will die E-Commerce-Richtlinie keine zusätzlichen Regeln im Bereich des internationalen Privatrechts festlegen und sich auch nicht mit der Henning-Bodewig, WRP 2001, 771, 774. So auch Mankowski, GRUR Int. 1999,995, 1001; Köhler/Amdt, Recht des Intemets, Rn. 114; Tettenbom, K&R 1999,252,256; vgl. auch Bt-Os 14/6098, S. 22. 487 Umgesetzt durch § 6 TOG. 485

486

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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Zuständigkeit der Gerichte befassen. 488 Ob demgegenüber das Herkunftslandprinzip doch Auswirkungen auf das IPR hat oder als Regelung desselben zu werten ist, muss hier dahingestellt bleiben. 489 Unstreitig dürfte sein, dass das Herkunftslandprinzip Auswirkungen auf das anwendbare materielle Recht hat. 49o In diesem Zusammenhang soll erläutert werden, welches materielle Recht dem von unverlangter kommerzieller Kommunikation Betroffenen zur Seite steht. ee) Deliktische Ansprüche Nachdem die E-Commerce-Richtlinie ausdrücklich die unverlangte kommerzielle Kommunikation vom Herkunftslandsprinzip ausnimmt, sind die Spammingfälle, aber auch sonstige unverlangte kommerzielle Kommunikationen nach dem Recht desjenigen Staates zu beurteilen, in dem die Tat begangen wurde. 491 Für deliktische Ansprüche bestimmt Art. 40 Abs. 1 EGBGB, dass das Recht des Begehungsortes anzuwenden ist (sogenannte Tatortregel). Die h.M. geht davon aus, dass sämtliche Ansprüche aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen dem Deliktstatut und nicht dem Personalstatut zu unterstellen sind. 492 Der Betroffene hat somit im Rahmen von Art. 40 Abs. 1 Satz I und 2 die Wahl zwischen dem Recht des Handlungsund des Erfolgsortes. Ersterer ist der Ort, an dem die tatbestandsmäßige Ausführungshandlung mit Außenwirkung vorgenommen wurde493 . Für Echtzeitkommunikationsmittel wie Festnetztelefon und Mobilfunk ist dies der Ort, an dem sich der Kommunikator zum Zeitpunkt des Anrufs aufhält. 494 Problematischer ist dies bei einer E-Mail. In diesem Fall liegt der aktive Teil der Verletzungshandlung im Einspeisen in das Internet mit dem Zweck, dass die Mail den Mail Server des Adressaten erreichen kann. 495 Hat also der Kommunikator per Maus-Klick die erstellte Mail gesendet, ist sein aktiver Teil beendet, und der Absender hat den weiteren Verlauf nicht mehr in seinen Händen.

Vgl. hierzu Erwägungsgrund 23; Löffler, WRP 2001,379,380. Zweifel äußert Bodewig, GRUR Int. 2000, 475, 479; umfassend Sack, WRP 2001, 1408 ff. 490 Bodewig, GRUR Int. 2000,475,479; Schack, MMR 2000,59,63. 491 Mankowski, GRUR Int. 1999,995, 1001; Dethloff, NJW 1998, 1596, 1601; Hoeren in: Kilian I Heussen, Computerrechtshandbuch, Kap. 142 Rn. 2; Strömer, Online-Recht. S. 100 f. 492 BGH v. 3. 5.1977, NJW 1977, 1590, 1591; Palandtl Heldrich, Art. 40 EGBGB Rn. 14; MünchKomml Kreuzer, Art. 38 EGBGB Rn. 204 ff.; von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 40; a.A. Dölle, Internationales Privatrecht, S. 112. 493 Staudingerlvon Hoffmann, Art 38 EGBGB Rn. 14. 494 An dieser Stelle soll noch nicht interessieren, wer der rechtlich Verantwortliche ist. In Frage käme hier etwa der Werbende, der beauftragte Werbedienstleister oder auch der Kommunikationsdiensteanbieter, vgl. unten S. 155 ff. 495 Vgl. Staudingerlvon Hoffmann, Art. 38 EGBGB Rn. 18; Palandtl Heldrich, Art. 40 EGBGB Rn. 12. 488 489

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

Erfolgsort ist der Ort, an dem die Rechtsgutverletzung eintritt, d. h. der Ort, an dem die E-Mail den Empfänger erreicht. Gegenüber der Grundregel des Art. 40 Abs. 1 EGBGB ist Art. 40 Abs. 2 Satz 1 EGBGB jedoch lex specialis. 496 Haben also Handelnder und Geschädigter, hier also Werbender und Umworbener, ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in demselben Staat, ist das Recht dieses Staates anzuwenden. Fraglich ist nun, wie der Erfolgsort beim E-Mail-Versand zu bestimmen ist. Auf den ersten Blick bietet sich hier ein Vergleich mit der Briefpost an. Dort ist nach h.M. der Ort der Erfolgsort, an dem der fragliche Brief gelesen wird. 497 Eine kollisionsrechtliche Anknüpfung kann aber nur dann stattfinden, wenn der Erfolgsort für den Schädiger zumindest vorhersehbar ist. In welchem Umfang ein solches Erfordernis für die kollisionsrechtliche Beurteilung eine Rolle spielen soll, ist umstritten. 498 Im Hinblick auf Rechtssicherheit, die Steuerungsfunktion des Haftungsrechts und Vertrauensgesichtspunkte spricht jedoch vieles dafür, ein solches Erfordernis anzuerkennen. Letztlich geht es auch um die rechtspolitische Frage, inwieweit man dem Kommunikator das Rechtsanwendungsrisiko aufbürden will. Die Vorhersehbarkeit verursacht keinerlei Probleme, wenn die E-Mail-Adresse des Empfängers auf die Top-Level-Domain "de" endet, da sich dahinter zumeist ein deutscher Adressinhaber verbirgt. Problematisch ist dies aber bei einer com-, biz-, info-, org- oder edu-Kennung. Hier kann der Absender gerade nicht auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort und den Wohnsitz schließen. Insoweit wäre es nicht vorhersehbar, dass gerade ein deutscher Account-Inhaber seine E-Mail abruft und es somit dann zumeist in Deutschland zu einer Rechtsverletzung kommt. Diese Schwierigkeiten lassen sich aber mit der Eigenheit von Individualkommunikationsmitteln aus dem Weg räumen. Grundlage dieser ist immer eine bewusste, zielgerichtete und individuelle Kommunikation in Richtung einer bestimmten Person und eben nicht in Richtung Öffentlichkeit. Es muss nicht nach "Indizien für ein gezieltes Ansprechen deutscher Marktteilnehmer,,499 gesucht werden, da hier ein gezieltes Ansprechen aufgrund der benutzten Techniken gerade vorliegt. Nutzt der Absender solche Techniken, muss er damit rechnen, dass der Empfänger seine elektronische Post an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort sichtet. Somit kann er sich dann auf die dort geltenden rechtlichen Maßstäbe einrichten. 5OO Allgemeiner lässt sich daher formulieren, dass es demjenigen, der Individualkommunikationsmedien nutzt, durchaus zuzumuten ist, vorher Vgl. Kristin, Deliktsstatut, S. 93. Kropholler, IPR, § 53 IV 1 b m. w. N. 498 Ausführlich hierzu von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 94 ff.; 113; vgl. auch Kristin, Deliktsstatut, S. 148; Spindler, MMR 2000, 18,20 ff. zur Parallelproblematik bei der Wahl des Gerichtstandes. 499 So Schwarze in: Schwarze (Hrsg.), S. 9, 14. 500 von Hinden, Persönlichkeitsverletzungen im Internet, S. 114; er betont zudem, dass der Ort, an dem der Mail Server steht, keinesfalls geeigneter Anknüpfungspunkt ist. Im Ergebnis ist dem zuzustimmen, wenn gleich es zu bedenken gilt, dass schon der physische Speicherplatz des Mai! Accounts zur selbstbestimmten Sphäre gehört (vgl. nähere Ausführungen auf S. 209); a.A. wohl Vehslage, GRUR 1999,656,658. 496

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B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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gewisse Erkundigungen über den Adressaten einzuholen, will er problematische Nachrichten versenden. Dies gilt erst recht für diejenigen Absender, die im Rahmen des Versandes von massenhaften Werbesendungen das Medium zweckentfremden. Damit genügt für die kollisionsrechtliche Zurechnung die Möglichkeit, sich über den gewöhnlichen Aufenthaltsort beziehungsweise den Wohnort Kenntnis zu verschaffen. Bei werblichen Telefonanrufen oder SMS-Sendungen gelten keine Besonderheiten. Hier ist ein ausländischer Anschluss für den Absender anhand der entsprechenden Landeskennzahl erkennbar. Dies gilt für Mobil- wie Festnetztelefon gleichermaßen. Ein verbleibendes Restrisiko in Bezug auf die Unbestimmbarkeit des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Empfängers ist hinzunehmen. Letztlich sprechen auch ökonomische Gesichtspunkte dafür, dass derjenige die Risiken tragen soll, der auch die Vorteile aus der entsprechenden Aktivität zieht. 501 Weitere Probleme ergeben sich dann, wenn der Empfänger seine Mailbox in einem anderen Land leert, da er sich beispielsweise auf einer Auslandsreise befindet und dort ein Internetcafe benutzt. Entsprechendes gilt für den Mobiltelefonbesitzer im Ausland. In beiden Fällen ist der Ort, an dem die E-Mail rezipiert wird, nicht mehr vorhersehbar. Bezüglich deliktischer Rechtsverletzungen im Internet wird in jüngerer Zeit die Ansicht vertreten, dass das Recht des bestimmungsgemäßen Abrufortes entscheidend sein soll.502 Ob dies für Abrufdienste wie das World Wide Web uneingeschränkte Geltung beanspruchen kann, darf hier dahingestellt bleiben. Für den E-Mail-Dienst jedenfalls stellt dies im Hinblick auf die obige Argumentation eine brauchbare Lösung dar. Ort des bestimmungsgemäßen Abrufs wird auch hier der gewöhnliche Aufenthaltsort beziehungsweise der Wohnort des Empfängers sein. ff) Ansprüche aus UWG

Für den Anwendungsbereich des UWG fehlt eine ausdrückliche Kollisionsnorm. 503 Da unlautere Wettbewerbshandlungen Ähnlichkeiten und Parallelen mit deliktischen Handlungen aufweisen, wurde anfangs ebenfalls ein Wahlrecht zwischen Handlungs- und Erfolgsort eingeräumt. In der Vergangenheit hat sich seit der Entscheidung des BGH Kindersaugflaschen das Marktortprinzip als Abweichung von den oben aufgeführten Grundsätzen etabliert. 504 Ausgangspunkt des Marktortprinzips ist, dass das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die wettbewerblichen Interessen aufeinandertreffen. Im Werberecht gilt das Prinzip des finalen Markteingriffes, wonach der Ort entscheidend ist, an dem die WerbemaßVgl. Spindler, MMR 2000,18,24. Vgl. Kristin, Deliktstatut, S. 148 m. w. N. 503 von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Hb. Kap. 15 Rn. 5. 504 BGH V. 30. 6. 1961, BGHZ 35,329,336 - Kindersaugflaschen; vgl. auch BGH v. 15. 11. 1990, BGHZ 113, 11, 15 - Auslandseinkauf; Kotthoff, eR 1997,676,677; kritisch bei Marketingmaßnahmen im Internet Dethloff, NJW 1998, 1596, 1603. 501

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

nahmen auf den Kunden einwirken sollen, auch wenn der spätere Absatz auf einem anderen Markt stattfinden sol1.505 Dieses Marktortprinzip will Hoeren über das Wettbewerbsrecht hinaus als Anknüpfungspunkt für Rechtsverletzungen im Internet heranziehen. 506 Für den Ort der Einwirkung auf den Kunden ergibt sich nun hinsichtlich der Werbung durch Individualkommunikationsmedien aber zu den obigen Ausführungen keine Besonderheit. Auch in Bezug auf unlauteres Wettbewerbsverhalten ist das Anknüpfen an den gewöhnlichen Aufenthaltsort beziehungsweise den Wohnort des Umworbenen im Hinblick auf obige Wertungen eine interessengerechte Lösung. In der überwiegenden Anzahl der Fälle will der Werbende an diesen Orten auf den potentiellen Kunden einwirken, da er damit rechnet, dass sich Letzterer eben dort befindet. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass für kommerzielle Kommunikation mittels Individualkommunikationsmitteln, die eine direkte Adressierung und individuelle Ansprache des Umworbene ermöglichen, nicht dieselben Problemstellungen in Bezug auf die Eingrenzung des anwendbaren Rechtes auftreten, wie dies bei Werbung im WWW oder anderen Massenkommunikationsmedien der Fall ist. Das gilt hinsichtlich des einschlägigen Rechts, aber auch hinsichtlich des Gerichtsstandes. Eine Benachteilung des Kommunikators durch ein geschickt angegangenes "forum shopping" des Klägers scheidet insofern aus.

d) Schlussfolgerungen aus den Verpflichtungen nach Art. 7 der E-Commerce-Richtlinie Art. 7 Abs. 1 schreibt zusätzlich zur allgemeinen Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 eine Kennzeichnung von unverlangter kommerzieller Kommunikation mittels elektronischer Post in klarer und unzweideutiger Weise vor. 507 Geeignete praktische Möglichkeit zur Umsetzung dieses Mindeststandards ist am ehesten ein entsprechender Eintrag in die Betreff-Zeile der E-Mail. E contrario könnte man nun annehmen, dass eine solche Kennzeichnung für die Zulässigkeit dieser Werbemethode ausreichen würde. 50S Dies hätte aber zur Konsequenz, dass, sobald eine E-Mail als Werbung gekennzeichnet wäre, sie auch selbst dann zulässig wäre, wenn der Empfänger widersprochen hat. Eine solche Auslegung würde aber gegen Art. 10 Abs. 1 FARL verstoßen, und zwar unabhängig davon, zu welchem Ergebnis man bei dem diesbezüglichen Streit um die Regelung des Art. 14 und die Auslegung der Richtlinie kommt. 509 505 BOH v. 15. 11. 1990, BOHZ 113, 11, 15 - Kauf im Ausland; Hoeren, MMR 1999, 192, 195; Leupold/ Bräutigam/ Pfeiffer, WRP 2000,575,582; Kiethe, WRP 2000, 616, 618. 506 Hoeren, NJW 1998,2849,2851. 507 Laut Erwägungsgrund 11 ergänzt die E-Commerce-Richtlinie die Informationserfordernisse, die u. a. durch die Richtlinie 9717 / EO eingeführt wurden. 508 So Ziem, MMR 129, 134 m. w. N.

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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Einer solchen Auslegung kann auch schon der Wortlaut des Art. 7 Abs. I der E-Commerce-Richtlinie entgegengehalten werden. Denn dort ist von Mitgliedstaaten die Rede, "die nicht angeforderte kommerzielle Kommunikation mittels elektronischer Post zulassen". Nach einem, nur an dieser Stelle sich aufdrängenden Umkehrschluss, muss man davon ausgehen, dass der europäische Gesetzgeber davon ausgeht, dass es dann auch die Möglichkeit für Mitgliedsstaaten gibt, eben solche Marketingmethoden gerade nicht zuzulassen. S10 Dies geht letztlich mit dem oben gefundenen Ergebnis zur Auslegung der Fernabsatzrichtlinie einher. Art. 7 Abs. I ist als Ergänzung zur Fernabsatzrichtlinie zu verstehen. Sll Unterstützung findet jene Ansicht auch im Ausdruck "Zusätzlich zu den sonstigen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts" zu Beginn des Abs. 1. Des Weiteren legt auch Abs. 2,,[u]nbeschadet der Richtlinien 97/7 / EG und 97/66/ EG" fest, dass Robinson Listen konsultiert werden sollen. Eine solche Verpflichtung macht jedoch nur innerhalb eines opt-out-Systems Sinn. Im Rahmen einer umfassenden opt-in-Regelung wäre eine solche Verpflichtung unnötig, da es auf einen Widerspruch des Empfangers gar nicht ankommt, sondern nur auf dessen Einverständnis. s12 Der Wortlaut verdeutlicht somit, dass einem Mitgliedsstaat diesbezüglich unbenommen bleibt, auch weitergehende Maßnahmen zu ergreifen. Schließlich spricht schon Erwägungsgrund 11 der E-Commerce-Richtlinie deutlich dafür, dass sich aus jener Richtlinie keine abschließende Regelung über den Umfang der Zulässigkeit - opt-in oder opt-out - von unverlangter kommerzieller Kommunikation ableiten lässt. Denn hiernach bleibt das durch andere Gemeinschaftsrechtsakte eingeführte Schutzniveau insbesondere für den Verbraucherschutz unberührt. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Fernabsatzrichtlinie. In Erwägungsgrund 30 wird zudem ausdrücklich betont, dass die Frage der nicht angeforderten kommerziellen Kommunikation nicht Gegenstand der E-Commerce-Richtlinie ist, sondern insbesondere von den Richtlinien 97/7/ EG und 97/77 / EG geregelt ist. Es bleibt somit an dieser Stelle festzuhalten, dass die E-Commerce-Richtlinie keine allgemeine Aussage über die Zulässigkeit der hier untersuchten unverlangten kommerziellen Kommunikation trifft. S13

509 Vgl. Hoeren, MMR 1999, 192, 198; Sack, WRP 2001, 1408, 1424; Schrick, MMR 2000, 399, 404; dieses Problem sieht auch Ziem, MMR 2000, 129, 134 und löst es durch Rückgriff auf die Femabsatzrichtlinie; siehe auch Nachweise oben in Fn. 486. 510 Vgl. diesbezüglich Erwägungsgrund 30. 511 Hoeren, MMR 1999, 192, 198. 512 Vgl. Sack, WRP 2001, 1408, 1424, der darauf hinweist, dass Art. 7 Abs. 2 E-Commerce RL im deutschen Recht nicht umgesetzt worden ist. Mangels eindeutiger Rechtslage zur unverlangten E-Mail Werbung wäre dies aber nötig. Es besteht jedoch die Möglichkeit der Umsetzung innerhalb von Generalklauseln, womit für eine gewisse Zeit Rechtsunsicherheiten verknüpft sind - jedenfalls bis zu einer Entscheidung des BGH (vgl. oben S. 104 ff.). 513 So auch Hoffmann, MMR 2000,607,609.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

s. Zusammenfassung Eine Überprüfung der sekundärrechtlichen Vorschriften hat ergeben, dass die unverlangte kommerzielle Kommunikation nur in Teilbereichen eine Harmonisierung erfahren hat und insoweit den Mitgliedsstaaten noch ein Regelungsspielraum verbleibt. Für unverlangte E-Mail-Kommunikation ergibt sich dies aus Art. 10 Abs. 2 i.Y.m. Art. 14 FARL. Über die festgelegten Mindeststandards hinausgehende nationale Regelungen sind jedoch nicht schrankenlos möglich, sondern müssen sich im Rahmen der von höherrangigem Gemeinschaftsrecht gestellten Anforderungen halten. Unabhängig von der Frage nach dem Prüfungsmaßstab sekundärrechtlich geregelter Sachverhalte514 ist im Folgenden in einem ersten Schritt zu klären, inwieweit der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten überhaupt berührt ist.

11. Der Einfluss der Grundfreiheiten auf kommerzielle Kommunikation Ein Ziel der Europäischen Gemeinschaft ist die Schaffung eines Binnenmarktes, "der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienst1eitungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten gekennzeichnet ist" (Art. 3 Abs. 1 lit. c EG). Darüber hinaus soll ein System geschaffen werden, "das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt" (Art 3 Abs. 1 lit. g EG). Da die kommerzielle Kommunikation den Absatz von Waren und Dienstleistungen fördern soll, kann ein restriktives nationales Werberecht515 ein Hindernis für den Waren- und Dienstleistungsverkehr darstellen und zudem den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes verfälschen. Um zu untersuchen, ob das europäische Primärrecht entsprechend der restriktiven bundesdeutschen Regelungen 516 ausgelegt werden kann, ist zuvorderst ein Blick auf den Schutzbereich der Grundfreiheiten zu richten. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Warenverkehrsfreiheit gern. Art 28 EG und die Dienstleistungsfreiheit gern. Art. 49 EG.

Hierzu näher auf S. 226. Unter Werberecht werden alle Normen verstanden, die sich speziell auf die Wirtschaftswerbung beziehen oder sich doch in nicht ganz unerheblicher Weise auf sie auswirken, vgl. Schricker in: Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, S. 9. 516 Entsprechendes gilt für Bestimmungen anderer Mitgliedsstaaten, gleichgültig, ob sie auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (wie z. B. § 101 des österreichischen Telekommunikationsgesetzes) oder auf einer von der Judikative vorgenommenen restriktiven Gesetzesauslegung beruhen. 514 515

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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1. Die Warenverkehrsfreiheit gern. Art. 28 EG

a) Allgemeines

Nach Art. 28 EG sind rnengenrnäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedsstaaten verboten. Für die Frage, was unter Maßnahme gleicher Wirkung zu verstehen ist, greift man seit 1974 auf die vom EuGH entwickelte Dassonville-Formel zurück. 517 Hiernach sind unter Maßnahme gleicher Wirkung alle Handelsregungen der Mitgliedstaaten zu verstehen, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel mittelbar oder unmittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern. Unter Maßnahme gleicher Wirkung fallen Akte der Exekutive, der Legislative und der Judikative. Daher kann die auf § 1 UWG beziehungsweise § 823 Abs. 1 i. Y. m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB basierende, restriktive Rechtsprechung in Deutschland zur unverlangten kommerziellen Kommunikation unproblematisch hierunter subsumiert werden. Nichts daran ändert die Tatsache, dass etwa die Generalklausel des § I UWG als Richterrecht wirkt oder dass etwa das allgemeine Persönlichkeitsrecht sich als offenes, ebenfalls stark durch Richterrecht geprägtes Rahmenrecht in § 823 Abs. I BGB darstellt. Denjenigen,518 die unter Maßnahme gleicher Wirkung nur solche mit allgemeinem Charakter für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen verstehen, sei hier entgegengehalten, dass sich dem Wortlaut von Art. 28 EG eine solche Einschränkung nicht entnehmen lässt. Und dass § I UWG selbst die hoheitliche Maßnahme gleicher Wirkung darstellt, ist sicherlich zu weitgehend. 519 Denn im konkreten Fall ist nicht der Bestand von § I UWG als legislativer Akt entscheidungserheblich, sondern die Auslegung im Einzelfall durch die Rechtsprechung. 52o Entsprechendes gilt auch für § 823 Abs. 1 i.Y.m. § 1004 Abs. I Satz 2 BGB. 521 Um der sich aus der Dassonville-Formel ergebenden Ausuferung des Anwendungsbereichs von Art. 28 EG entgegenzutreten, entwickelte der EuGH die Cassisde-Dijon- Rechtsprechung. 522 Hiernach sind Handelshemmnisse der durch die Dassonville-Formel bezeichneten Art hinzunehmen, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen des Gemeinwohls gerecht zu werden. Er betonte dabei insbesondere als Erfordernis die wirksame steuerliche Kontrolle, den Schutz der öffentlichen Gesundheit, die Lauterkeit des Handelsverkehrs und den Verbraucherschutz. Von der Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung sind allerdings nur solche Maßnahmen umfasst, die keinen diskriminierenden Charakter haS1. Rspr. seit EuGH v. 11. 7. 1974, Sig. 1974,837,852, Rs. 8174 - Dassonville. Vgl. etwa Grabitz/Hilfl Matthieslvon Borries, Altband I, Art 30 EG Rn 5. 519 So aber wohl Burckhardt, Direktmarketing, S. 160. 520 Schmid, Te1efonwerbung, S. 228; Schricker in: Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Einf. Rn. 206. 521 So Schmid, Telefonwerbung, S. 268, Fn. 863 in Bezug auf Art. 49 EG. 522 EuGH V. 20. 2.1979, Sig. 1979,649,652, Rs. 120178 - Cassis-de-Dijon. 517 518

9 Rothley

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

ben. Darüber, ob diese Einschränkungen des Anwendungsbereiches von Art. 28 EG dem EuGH folgend auf Tatbestandseite quasi als negative Tatbestandsmerkmale oder als Rechtfertigungsgründe Beachtung finden, herrscht Uneinigkeit, was aber ohne Bedeutung für die Untersuchung ist. 523 Dem EuGH folgend wird diese Problematik auf Tatbestandsseite erörtert. Als ausdrücklich geregelte Rechtfertigungsgründe gelten freilich zusätzlich die in Art. 30 EG niedergelegten Ausnahmen. b) Anwendbarkeit des Art. 28 EG auf kommerzielle Kommunikation

Zum Teil wird nun die Auffassung geäußert, kommerzielle Kommunikation und hier speziell die Wirtschaftswerbung unterfalle aufgrund ihres Charakters ausschließlich der Dienstleistungsfreiheit, wenn sie nicht unmittelbar produktbezogen sei. 524 Diese Ansicht erweist sich mit Blick auf den unbestimmten Begriff des Produktbezuges als zu undifferenziert. Hierfür spricht, dass schon die DassonvilleFormel auf mittelbare Handelshemmnisse abstellt, also einen sehr weiten Rahmen vorgibt. Kommerzielle Kommunikation ist auch nicht Selbstzweck, sondern steht in einem konnexen Zusammenhang mit dem abzusetzenden Produkt, gleich ob Ware oder Dienstleistung. 525 Sie ist insofern ein bloßes "Akzessorium" zu diesem. 526 Aus diesem Grund unterwirft auch der EuGH Maßnahmen, die den Absatz von Waren betreffen, den Vorschriften des Vertrages über Waren. 527 Entsprechendes gilt, wenn es sich um Maßnahmen des Werbenden handelt, die sich um den Absatz von Dienstleistungen ranken. 528 Dass die Tätigkeit der kommerziellen Kommunikation an sich und unabhängig vom zugrundeliegenden Produkt auch Dienstleistung sein kann, spielt im Rahmen des Art. 28 EG noch keine Rolle. 529 Eine Konkretisierung der Maßnahme gleicher Wirkung auf Werbe- und Absatzmethoden findet sich schließlich auch in der Oosthoek-Entscheidung des EuGH. 53o Er betont, dass eine Regelung, die - ohne die Einfuhr unmittelbar zu regeln - bestimmte Formen der Werbung und bestimmte Methoden der Absatzförderung beschränkt oder verbietet, geeignet sein kann, das Einfuhrvolumen zu beschränken, weil sie die Absatzmöglichkeiten für die eingeführten Erzeugnisse beeinträchtigt. Es sei daher nicht auszuschließen, dass der für den betroffenen Unternehmer besteVgl. Grabitz/Hilfl Matthieslvon Borries, Altband 1, Art. 30 EGV Rn. 20. So etwa Lüder, EuZW 1995, 609 und EuZW 1996, 615, 621. 525 Vgl. EuGH v. 24. 3.1994, Sig. 1994,1039, Ls. 2, Rs. 275/92 - Schindler; Burckhardt, Direktmarketing, S. 157; Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 258. 526 Schmid, Te1efonwerbung, S. 198 m. w. N. und S. 258. 527 EuGH V. 7. 3.1990, Sig. 1990,667, Ls. I, Rs. C-362/88 - GB-INNO-BM. 528 EuGH V. 10. 5. 1995, Sig. 1995, 1141, 1167, Rs. 384/93 - Alpine Investment oder EuGH v. 24. 3.1994, Sig. 1994, 1039, Ls. 2, Rs. 275/92 - Schindler. 529 Anders ist dies bei der Dienstleistungsfreiheit gern. Art 49 EG; hierzu weiter unten. 530 EuGH v. 15. 12. 1982, Sig. 1982,4575,4587, Rs. 286/81- Oosthoek. 523

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B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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hende Zwang, sich entweder hinsichtlich einzelner Mitgliedsstaaten unterschiedlicher Systeme der Werbung und Absatzförderung zu bedienen oder aber ein System, das er für besonders wirkungsvoll hält, aufzugeben, selbst dann ein Einfuhrhindernis darstellen kann, wenn eine solche Regelung unterschiedslos für inländische und eingeführte Erzeugnisse gilt. Damit stellt der EuGH klar, dass sich bereits aus dem Wortlaut der Dassonville-Formel ergibt, dass Werbe- und Absatzmethoden - hierunter fallen auch die hier interessierenden Formen des Direktmarketing - obwohl sie die Einfuhren nicht unmittelbar regeln, geeignet sind, das Einfuhrvolumen zu beschränken. 53 ! Diese Linie wurde in der Folgezeit durch den EuGH bestätigt. 532 c) Einschränkung durch die Keck-Rechtsprechung des EuGH

Maßgeblich und förmlich ein Meilenstein für die europarechtliche Beleuchtung von werblichen und absatzfördernden Maßnahmen war das Keck-Urteil aus dem Jahr 1993. 533 Sinn und Zweck dieses Urteils war eine Rechtsprechungsänderung, um dem Ausufern des Anwendungsbereiches des Art. 28 EG Einhalt zu gebieten und den Gerichtshof vor einer stetig anwachsenden Prozessflut zu bewahren. 534 Der Entscheidung zufolge fallen Regelungen über "bestimmte Verkaufsmodalitäten" nicht mehr der Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG. Das Urteil unterschied dabei zwischen produktbezogenen, die objektive Eigenschaften der Ware selbst betreffenden Regelungen und jenen vertriebsbezogenen Verkaufsmodalitäten. 535 Für Erstere (zum Beispiel Bestimmungen über Bezeichnung, Etikettierung, Form oder Vgl. Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 105 f.; Stein, EuZW 1995,435. EuGH v. 23.12.1987, Slg. 1989, 1235, 1248, Rs. 382/87 - Buet; EuGH v. 7. 3.1990, Slg. 1990,667, Ls. 2, Rs. 362/88 - GB-INNO-BM ; EuGH v. 18.5.1993, Slg. 1993,2361, 2384, Rs. 126/91 - Yves Rocher; EuGH v. 12. 12. 1990, Slg. 1990,4695, Ls. 2, Rs. 241/89 -SARPP. 533 EuGH v. 24. 11. 1993, Slg. 1993,6097, Rs. 267/91 und 268/91 - Keck I Mithouard. Die entscheidende Passage lautet: "Demgegenüber ist entgegen der bisherigen Rechtsprechung die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten im Sinne des Urteils Dassonville ( ... ) unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihrer Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Sind diese Voraussetzungen nämlich erfüllt, so ist die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat, die den von diesem Staat aufgestellten Bestimmungen entsprechen, nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut. Diese Regelungen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Art. 28.". 534 loUet, GRUR Int. 1994, 979, 985; Sack WRP 1998, 103, 106; Schmid, Telefonwerbung, S. 318. 535 Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 164. 53!

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Verpackung) bleibt es bei der Anwendung von Art. 28 EG und dem Herkunftslandprinzip, während für bestimmte nicht-diskriminierende Verkaufsmodalitäten dagegen das Bestimmungslandprinzip anzuwenden ist. 536 Dieser Ausschluss aus Art. 28 EG setzt allerdings voraus, dass die Regelungen für alle Wirtschaftsteilnehmer in gleicher Weise gelten und nicht diskriminierend zwischen inländischen und ausländischen Produkten differenzieren. Das Urteil des EuGH ist aufgrund seiner zum Teil knappen Begründung nicht ohne Kritik geblieben. Insbesondere stellt sich die Frage, was konkret unter "bestimmten Verkaufsmodalitäten" zu verstehen ist und wie sich das Urteil zur bestehenden Rechtsprechung, und hier konkret zur Oosthoek-Entscheidung verhält.

aa) Der Begriff der "bestimmten Verkaufs modalität" Die Wahl des Begriffes "bestimmte Verkaufsmodalitäten" legt den Schluss nahe, dass es auch andere Verkaufsregelungen gibt, die weiterhin an Art. 28 EG zu messen sind. 537 Daran anknüpfend wurden in der Literatur unzählige Auslegungsvorschläge zur Begriffsklärung verabschiedet, deren Darlegung im Einzelnen hier den Rahmen sprengen würde. 538 Ein bedeutendes Gewicht hat vor allem die Differenzierung nach produkt- und absatzbezogenen Verkaufsmodalitäten erlangt, die oftmals als Abgrenzungskriterium ins Feld geführt wird. 539 Dieser Ansatz liefert einem brauchbaren Ausgangspunkt, trägt jedoch, wie oben schon angesprochen, zur Lösung des Problems nur bedingt bei. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Form des Direktmarketings die Ausgestaltung des Produktes nicht beeinflussen kann. Die hier untersuchten Beschränkungen sind produktunabhängig und knüpfen nicht an ein bestimmtes Produkt an. 540 Anderes soll etwa in den Fällen gelten, in denen Ware und Vertrieb eine Systemeinheit dergestalt bilden, dass die Verkaufsregelung einen irgendwie gearteten Produktbezug aufweist. 541 Dann wäre in der Regulierung der Verkaufsmodalität zugleich eine solche des Produktes zu sehen. Schwierigkeiten bereitet aber bereits die Tatsache, dass die Grenzen zwischen Produkt- und AbsatzGanten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 124 m. w. N. So auch Grabitz/Hilfl Leible, Band 1, Art. 28 EG Rn. 28; Schrick, MMR 2000,399, 403; Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 166; Leible/Sosnitza, K&R 1998,283,287. 538 Vgl. etwa Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 166 f.; Heermann, WRP 1999, 381, 382 ff.; Burckhardt, Direktmarketing, S. 163 f.; Schmid, Telefonwerbung, 291 ff., jeweils m. w. N.; Ress, EuZW 1993,745 ff.; Steindorff, ZHR 158 (1994),149 ff.; knapp Engel, Direktmarketing, S 52 ff. 539 Vgl. Burckhardt, Direktmarketing, S. 163 m. w. N.; Fezer, JZ 1994,317,323; Lüder, Fn.524. 540 So auch Leible/Sosnitza, K&R 1998, 283, 287; vgl. Sack, WRP 1998, 103, 105, der auf die körperliche Verbundenheit abstellt. 541 Möschel, NJW 1994,429,431; ablehnend Sack, WRP 1998, 103, 108. 536

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bezogenheit der Verkaufsmodalität fließend sind und sich eine konkrete Einteilung nicht vornehmen lässt. Insoweit überzeugt auch nicht die Auffassung einiger Autoren, die bei Produkt- wie Absatzbezogenheit der Marketingkonzeption im Zweifel von einer produktbezogenen Regelung ausgehen. 542 Eine Antwort, wann konkret von einer produktbezogenen Marketingmaßnahme auszugehen ist, können auch sie im Einzelnen nicht liefern, wenn es nicht um so offensichtliche Fälle wie beispielsweise einen Verpackungsaufdruck geht. Zudem widerliefe eine solche Vermutungsregelung klar der in der Keck-Entscheidung Ausdruck findenden Absicht des EuGH, den Tatbestand des Art. 28 EG zu entlasten. Eine zu sehr begriffsorientierte und formalistische Vorgehensweise bei der Frage nach den "bestimmten Verkaufsmodalitäten" verbietet sich auch schon unter dem Gesichtspunkt, dass das nationale Werberecht, jedenfalls in der hier wichtigen Ausgestaltung, streng genommen den Verkauf unberührt lässt. Eine opt-in-Lösung für ein Medium des Telemarketing besagt nämlich nichts darüber, wie der Verkauf des Produktes im Einzelnen vonstatten gehen soll. Insoweit läge schon gar keine Verkaufsmodalität vor, was zur Folge hätte, dass nationales Werberecht dem Art. 28 EG wieder unterfallen würde. 543 Argumente für die Auffassung, dass die hier in Frage stehenden Arten der unverlangten kommerziellen "Femkommunikation" nicht unter Art. 28 EG fallen, lassen sich am ehesten aus der Tendenz der Folgerechtsprechung des EuGH entnehmen. Dass ein Abstellen auf eine Systemeinheit von Ware und Vertrieb kein taugliches Differenzierungskriterium darstellt und der EuGH auch Werbeverbote mit einem Produktbezug dem Anwendungsbereich des Art. 28 EG vorenthielt, zeigte sich in der Folgezeit im Urteil Hünermund, in dem es um die Bewerbung apothekenpflichtiger Waren und diesbezügliche nationale Restriktionen ging. 544 Zwar standen hier nicht Regelungen im Raum, die die konkrete Aufmachung des Produktes betrafen, also einen Produktbezug im engeren Sinne hatten. Diese unterfallen unstreitig dem Art. 28 EG. Von Produktunabhängigkeit kann aber schon deshalb nicht gesprochen werden, da es um spezielle apothekenpflichtige Waren ging, also an Eigenschaften angeknüpft wurde, die in dem Produkt selbst lagen. Dies spricht für ein weites Begriffsverständnis der bestimmten Verkaufsmodalität. In der Entscheidung LeClerc Siplec 545 stellte schließlich der EuGH fest, dass eine bestimmte Methode der Verkaufsförderung - hier Fernsehwerbung - eben eine bestimmte Verkaufsregelung sei und somit nicht von Art. 28 EG umfasst ist. Die in der Folgezeit ergangenen Entscheidungen bestätigten die durch Keck begründete Linie. 546 542 Köhler/Piper, § 1 UWG, Einf. 56; wohl auch Möschel, NJW 1994,429,431; Schmid, TeIefonwerbung, S. 295. 543 Hierauf weist auch Albrecht, WRP 1997,926,928, hin. 544 EuGH v. 15. 12. 1993, Slg. 1993,6787,6816, Rs. 292/92 - Hünermund. 545 EuGH V. 9. 2.1995, Slg. 1995, 179, Ls. 2, Rs. 412/93 - LeClerc-Siplec. 546 Vgl. EuGH v. 9. 7. 1997, Sig. 1997,3843, Ls. 6, Rs. 34, 35, 36/95 - De Agostini: Es ging dabei um einen Fernsehwerbespot, der wegen seiner angeblichen Irreführung untersagt werden sollte, es wurde bestimmte Verkaufsmodalität angenommen; ebenso EuGH v.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

Der Rechtsprechung des EuGH kann jedoch nicht entnommen werden, dass eine pauschale Einordnung von Werbereglementierungen unter "bestimmte Verkaufsmodalitäten" möglich ist. Dies würde einen zu weitgehenden Ausschluss des Werberechts von Art. 28 EG provozieren und die Funktion der Werbung für den Produktabsatz und das Erschließen neuer Märkte verkennen. 547 Zudem dürfte eine so weit reichende Interpretation auch die Absichten übersteigen, die hinter der mit der Keck-Entscheidung verfolgten Rechtsprechungsänderung lagen. Nur wenn dem Anbieter und Werbenden noch andere Werbemöglichkeiten offen bleiben und kein Werbetotalverbot im Raum steht, sind derartige Bestimmungen dem Anwendungsbereich des Art. 28 EG entzogen. Dies würde auch die Wortwahl des EuGH begründen, wonach er auf "bestimmte" Verkaufsmodalitäten abstellt. Solange also gewisse Einzelheiten der Vermarktung geregelt sind, würde dies im Sinne der Keck-Rechtsprechung sein. 548 Demgegenüber stünde eine quantitativ umfassende Regelung im Sinne eines totalen Werbeverbots unter dem Vorbehalt des Art. 28 EG. 549 Dass neben diesem quantitativen Aspekt noch qualitative Kriterien zur Beurteilung von Werbebeschränkungen hinzutreten müssen, wird nachfolgend noch näher erläutert. Durch die hier gegenständlichen nationalen Restriktionen im Bereich Direktmarketing, die Werbung durch bestimmte Medien an besondere Voraussetzungen knüpfen, wird indes nicht einmal die Vertriebstätigkeit in engerem Sinne eingeschränkt. Denn der Warenvertrieb bleibt von den Werberegelungen unberührt. Hinzu kommt, dass die Werbung per Fernkommunikationsmittel nicht generell verboten wäre, sondern nur an ein vorheriges Einverständnis anknüpft. Somit hat der Werbende die Möglichkeit, alle ihm zur Verfügung stehenden Werbemedien zu nutzen, freilich unter gewissen Einschränkungen. Im Rahmen des oben erwähnten "Permission Marketing Modell" ist es einem Anbieter aus einem anderen Mitgliedsstaat ohne weiteres möglich, beispielsweise per E-Mail zu werben. Es bleibt dem Anbieter unbenommen, sich anderer Medien für seine Direktwerbekampagne zu bedienen oder die speziellen nationalen Anforderungen einzuhalten. Die in Deutschland vorherrschende restriktive Auslegung der ausfüllungsbedürftigen Normen im Sinne eines umfassenden opt-in-Modells wäre daher als Regelung einer bestimmten Verkaufsmodalität zu betrachten. 55o 2. 6. 1994, Slg. 1994, 2199, Tz. 15, Rs. 401/92 und 402/92 - Tankstation t'Heuske und EuGH v. 2. 6. 1994, Slg. 1994, 2355, Tz. 15, Rs. 69/93 und 258/93 - Punto Casa SPA 1PPV: in bei den Fällen ging es um Ladenöffnungszeiten; vgl. aber EuGH v. 2. 2. 1994, Slg. 1994, 317,330, Rs. 470/93 - Clinique und EuGH v. 6. 7.1995, Slg. 1995, 1923, 1936, Rs. 470/93 - Mars: Hier war die Gestaltung der Produkte bzw. ihrer Verpackung streitgegenständlich, was zur Folge hatte, dass der Anwendungsbereich v. Art. 28 EG eröffnet war. 547 Darauf weist auch Schmid, Telefonwerbung auf S. 303 hin; vgl. aber andererseits Meyer, GRUR Int. 1996,697,700, der wohl eine solche pauschale Einordnung tätigt. 548 Grabitz/Hilfl Leibte, Band 1, Art. 28 EG Rn. 30; Schmid, Telefonwerbung, S. 293. 549 Vgl. Stein, EuZW 1995,435,436; Sack, WRP 1998,103,118. 550 BaumbachlHefermehl, Ein!. UWG, Rn. 627 b für unerbetene Telefonanrufe.

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bb) Keine diskriminierende Wirkung Bestimmte Verkaufsmodalitäten sind nach der Keck-Rechtsprechung nur dann nicht geeignet den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu behindern, wenn sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz von inländischen und aus anderen Mitgliedsstaaten stammenden Erzeugnissen rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren. Geht man davon aus, dass in der Bundesrepublik für alle auf telekommunikativem Wege erfolgten Direktmarketingaktivitäten ein grundsätzliches Verbot besteht, solange nicht ein Einverständnis vorliegt, so gilt dies für alle Wirtschaftsteilnehmer. Aus der bisher ergangenen Rechtsprechung zu den verschiedenen Kommunikationsmedien geht zudem hervor, dass in keinem Fall an Merkmale angeknüpft wurde, die auch nur im entferntesten mit der Herkunft des umworbenen Produktes sowie der Nationalität des Werbenden oder des Anbieters in Zusammenhang stehen. Eine rechtliche Differenzierung zwischen in- und ausländischen Produkten551 findet nicht statt. Als Problem der mittelbaren, faktischen Diskriminierung wird nun gesehen, dass dem grenzüberschreitend, im gesamten Binnenmarkt Werbenden dadurch Kostennachteile entstehen würden, dass er seine Werbestrategie an den verschiedenen Landesbestimmungen ausrichten muss und so nicht mehr eine einheitliche Kampagne im Sinne eines "Euro-Marketing-Konzeptes" (sogenannte Multi-StateWerbung) verfolgen kann. 552 Die Problematik des Zwanges zu unterschiedlichen Absatzsystemen wurde insbesondere im Oosthoek-Urteil ausdrücklich angesprochen. 553 In der Literatur wird diese Problematik teilweise schon im Kontext der Begriffsbestimmung von "bestimmten Verkaufsmodalitäten" behandelt und darauf hingewiesen, dass eine Einteilung in absatz- und produktbezogene Verkaufsmodalitäten unzureichend ist. 554 Letzterem wurde bereits oben zugestimmt.

551 Ist hier von ausländischen Produkten die Rede, sind damit diejenigen gemeint die aus einem Mitgliedsstaat eingeführt werden sollen; Produkte aus Drittstaaten unterfallen schon nicht den Grundfreiheiten; ihre Behandlung ist ausschließlich nationalen Rechtsvorschriften unterworfen (von völkerrechtlichen Vereinbarungen abgesehen). 552 Schrick, MMR 2000, 399, 403; ausführlich Grabitz I HilfI Leible, Band I, Art. 28 EG Rn. 28 a.E; Steindorff, WRP 1993,139,141 spricht dann von "Systemfällen". 553 EuGH v. 15. 12. 1982, Sig. 1982,4575, Tz. 15, Rs. 286/81- Oosthoek, siehe Fn. 530 zu den entscheidenden Passagen der Urteils begründung; vgl. auch den Hinweis des EuGH in der "Robertson" Entscheidung v. 22. 6. 1982, Sig. 1982,2349, Tz. 10, Rs. 220/81, wonach es für eine Maßnahme gleicher Wirkung ausreichend sei, wenn Werberegelungen die Vermarktung von Waren aus anderen Mitgliedsstaaten "schwieriger und kostspieliger" mache. 554 Leible/Sosnitza, K&R 1998,283,288.

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cc) Wertendes Element als Abgrenzungskriterium Unabhängig davon, an welcher Stelle dies geschieht - entweder bei der Frage nach der bestimmten Verkaufsmodalität oder unter dem Prüfungspunkt der diskriminierenden Wirkung - muss ein wertendes Element in die Beurteilung mit einbezogen werden. Diese Notwendigkeit wird in der Literatur vielfach gesehen, und hierzu werden verschiedene Ansätze zur Verfügung gestellt. Hervorzuheben ist die Binnenmarktrelevanz555 , die Erheblichkeit der Beeinträchtigung556 oder eine Spürbarkeitsgrenze557 , die auf die Zumutbarkeit für den Werbenden beziehungsweise Warenanbieter abstellt. Letztlich haben alle Vorschläge gemein, dass sie wertend an die Erschwerung des Marktzugangs anknüpfen, quasi einen qualitativen Faktor einführen. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem der Sinn und Zweck des Art. 28 EG. Dieser soll nämlich nicht die umfassende wirtschaftliche Freiheit des Unternehmers schützen, sondern eben nur den innergemeinschaftlichen Handel vor Behinderungen bewahren. 558 Im Rahmen der Prüfung einer diskriminierenden Wirkung können dann die eben erwähnten Kriterien als ein Indiz für das Vorliegen einer Ungleichbehandlung gesehen werden. Das Hinzunehmen eines wertenden Elementes ist schon unverzichtbar vor dem Hintergrund, dass das alleinige Abstellen auf die Erhöhung der Kosten und der Schwierigkeiten bei der Vermarktung von Waren der vom EuGH gewollten Beschränkung des Anwendungsbereiches von Art. 28 EG zuwiderläuft. Die Eingrenzung auf "bestimmte Verkaufsmodalitäten" würde obsolet werden, wenn ein jedes Kostenargument für eine Diskriminierung herangezogen werden könnte. 559 Es ist davon auszugehen, dass die in Robertson560 und vor allem in Oosthoe12 61 genannten Aspekte in Bezug auf ein "Euro-Marketing-Konzept" - die Kosten einer Strategieanpassung - seit Keck an Gewicht verloren haben. Gewiss ist die hier im Vordergrund stehende Werbung per E-Mail als ein günstiges und attraktives Werbemedium besonders geeignet, länderübergreifend Märkte zu erschließen. Jedoch schützt eben der Art. 28 EG nicht einen etwaigen Anspruch auf das günstigste und effizienteste Werbemittel, sondern nur den bereits oben genannten Bereich. Dieser ist jedoch schon aus dem Grund nicht erheblich berührt, weil es dem Werbenden So Leible / Sosnitza, K&R 1998, 283, 287. Engel, Direktmarketing, S. 56 m. w. N. auf den EuGH. 557 Vgl. Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 234; Fezer, JZ 1994,317,324; ders. WRP 2001, 989, 993; Sack, WRP 1998, 103, 116; Reich, ZIP 1993, 1815, 1817; vgl. aber Schmid, Telefonwerbung, der ebenso auf "die Behinderung des Marktzuganges" abstellt (S. 304), aber auch auf die Schwächen derartiger Kriterien hinweist (S. 306), a.A. Schricker in: Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Einf. Rn. 207 mit Verweis auf EuGH; Grundmann, JZ 1996,274,281. 558 Schmid, Telefonwerbung, S. 304; Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 262. 559 In diesem Sinne auch Schrick, MMR 2000, 399, 403. 560 Siehe Fn. 553. 561 Siehe Fn. 530 555 556

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beziehungsweise Anbieter von Waren unbenommen bleibt, sich anderer Medien zu bedienen oder ein Einverständnis des Adressaten einzuholen. Von einer Behinderung des Marktzuganges kann nicht gesprochen werden. Das Argument der Kostennachteile durch Änderung einer einheitlichen, europaweiten Marketingkampagne ist auch vor dem Hintergrund wenig stichhaltig, dass sich dann der Werbende immer darauf berufen würde, dass es in einem Mitgliedsstaat eine irgendwie geartete Werbebeschränkung gibt und er somit gezwungen wäre, sein Konzept daran anzupassen. 562 Dies würde dann zu Mehrkosten gegenüber dem Werbenden führen, der ausschließlich auf dem entsprechenden nationalen Markt agiert. Konsequenterweise hätte dies zur Folge, dass jede Werbebeschränkung diskriminierend wirken würde. Die Werbeindustrie würde sich immer auf das Argument der europaweit einheitlichen Werbestrategie zurückziehen, sobald sie auf eine unliebsame Werbebeschränkung stoßen würde. Einen Mitbewerber zu finden, der ausschließlich mit dem entsprechenden Produkt auf dem nationalen Markt auftritt und sein Werbekonzept entsprechend ausgerichtet hat, würde in den meisten Fällen sicherlich nicht schwer fallen. Letztlich könnte nur ein vollkommen harmonisiertes Lauterkeitsrecht diese Argumentation verhindern, was aber keinesfalls als Zweck des Art. 28 EG angesehen werden kann. 563 Schrick weist zudem zutreffend darauf hin, dass es sich bei Änderungen zu Lasten eines einheitlichen Euro-Marketing-Konzeptes nicht um Kostennachteile, sondern um den Wegfall von Kostenvorteilen handelt, der nur zu einer Gleichbehandlung von in- und ausländischen Marktteilnehmern führt. 564 Einen ähnlichen Ansatz gegen das Argument der Kostennachteile liefert schließlich Sack. 565 Hiernach stellt zwar der Wegfall von Vorteilen grenzüberschreitender Werbestrategien infolge beschränkender nationaler Regelungen einen Nachteil dar. Dieser führt aber nicht zu einer Diskriminierung, sondern bewirkt nur eine Gleichstellung mit denen, die sich keiner solchen grenzüberschreitenden Werbestrategie bedienen. Allgemein lässt 562 Vgl. Leible/Sosnitza, K&R 1998,283,287; Grabitz/Hilf/ Leible, Band 1, Art. 28 EG Rn. 28, die schon immer dann von Wahren verkehrshindernissen ausgehen wollen, wenn eine Anpassung der im Herkunftsland praktizierten Aktionsparameter notwendig wird und dadurch Kosten entstehen. Sie übersehen, aber, dass bei konsequenter und wertungsfreier Anwendung dieser Abgrenzung, der Anwendungsbereich von Art. 28 EG wieder eine ungeheure Öffnung erfahren würde, was Keck zuwiderliefe. Zudem überzeugt nicht, dass sie die eben genannten Voraussetzungen aus der These entwickeln, dass Art. 28 EG einschlägig sei, wenn die Vertriebsgestaltung im Kern eingeschränkt sind. Letztere Eingrenzung auf den Kernbereich steht zu der weiten Auffassung in Bezug auf entstehende Mehrkosten in Widerspruch. 563 Vgl. Günther, eR 1999, 172, 177, der in Fn. 44 a.E. auf diesen Aspekt hinweist und betont, dass die volle Harmonisierung im europäischen Verbraucherschutzrecht (noch) keine Tradition hat; in diesem Sinne auch Bodewig, GRUR Int. 2000,475,477; Schricker, GRUR Int. 1973, 141; ders. GRUR Int. 1990,771; Fezer betont in NJW 2001, 580, 581 die dringend gebotene Harmonisierung der nationalen Weubewerbsordnungen. 564 Schrick, MMR 2000,399,403; dies verkennt Meyer, GRUR Int. 1996,697,701 gänzlich. 565 Sack, WRP 2001, 1408, 1415; ders. WRP 1998, 103, 107.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

sich festhalten, dass das Kostenargument in Bezug auf das Internet nicht überbewertet werden darf. Aus der Natur der Sache heraus bietet die Internetkommunikation mit ihren darauf basierenden Geschäftsabschlüssen demjenigen mehr (Kosten)-Vorteile, der grenzüberschreitend agiert. Eine, diesen Faktor nicht berücksichtigende Angleichung der Kosten-Nutzen-Relation, wäre letztlich auch im Hinblick auf einen freien Wettbewerb bedenklich, da der ohnehin auf einem internationalen Markt agierende hierdurch noch einen zusätzlichen Vorteil erlangen würde, könnte er mit dem vorbezeichneten Kostenargument durchdringen. 566 Das Argument der Anpassungskosten überzeugt auch schon aus dem Grund nicht, dass es denjenigen Anbieter bevorzugt, der bisher ausschließlich auf einem durch werberechtliche Regelungen weniger beeinflusstem Staatsgebiet vertreten war. Wollte sich der österreichische567 Gewerbetreibende, der bisher ausschließlich auf seinem Staatsgebiet vertreten war, den deutschen Markt erschließen und zu diesem Zwecke eine E-Mail-Werbeaktion starten, bliebe er mit einem Verweis auf Art. 28 EG erfolglos, während ein mit der entsprechenden Absicht agierender Anbieter aus einem Staat, in dem die opt-out-Lösung vorherrscht, sich mit Erfolg auf Art. 28 EG berufen könnte. Während der erstgenannte Anbieter sein Werbekonzept nicht anpassen müsste, könnte sich der Letztgenannte hierauf berufen und entsprechende Kosten als Beeinträchtigung und Erschwerung des Marktzugangs geltend machen. In beiden Fällen ist aber die Warenverkehrsfreiheit in gleichem Maße betroffen, da derselbe Sachverhalt zugrunde liegt. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass eine ausschließliche Orientierung an den Anpassungskosten zu wenig Raum für eine wertende Betrachtung der Marktzugangsbehinderung lässt. Die in Deutschland von der Rechtsprechung gebildeten wettbewerbs- und deliktsrechtlichen Beschränkungen bei der Verwendung von Fernkommunikationstechniken im Direktmarketing fallen somit nicht in den Anwendungsbereich von Art. 28 EG. 568 Sie weisen kein so erhebliches Gewicht auf, dass eine unzumutbare oder erhebliche Erschwerung des Marktzuganges anzunehmen wäre. Die Vertreter der Gegenansicht müssten im Rahmen der Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung dann prüfen, ob nicht zwingende Gründe des Allgemeininteresses tatbestandsausschließend wären.

Wohl für eine solche Angleichung Spindler, MMR 2000, 18,22. In Österreich gilt für unverlangte kommerzielle Kommunikation per Telefon und E-Mail die opt-in-Lösung, vg!. § 101 TKG. 568 Günther, eR 1999,172,177; Burckhardt, Direktmarketing, S. 171; BaumbachlHefermehl, Ein!. UWG Rn. 627 b; Schrick, MMR 2000, 399, 403; Engel, Direktmarketing, S. 56; Sack, WRP 1998,103,106; a.A. Fezer, JZ 1994,317,321; Heermann, WRP 1999, 381, 388; unklar Drexl in: Drexl (Hrsg.), S. 121 f. 566 567

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2. Die Dienstleistungsfreiheit gern. Art. 49 EG a) Allgemeines Die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG steht als eine der vier Grundfreiheiten gleichrangig neben der Freiheit des Waren-, Personen- und Kapitalverkehrs. Sie hat aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Dienstleistungen in der modemen Informationsgesellschaft einen hohen Stellenwert für die Verwirklichung des Binnenmarktes inne. 569 Parallel zu Art. 28 EG beinhaltet die Dienstleistungsfreiheit nicht nur ein Diskriminierungsverbot, sondern auch ein Beschränkungsverbot. Dies bedeutet, dass ihr Zweck nicht nur auf die Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen gerichtet ist, die an die Herkunft der Dienstleistung beziehungsweise die Staatsangehörigkeit des Erbringers anknüpfen. Vielmehr hat Art. 49 EG die Absicht, sämtliche Beschränkungen aufzuheben, die geeignet sind, die Tatigkeit des Dienstleistenden zu unterbinden oder zu behindern. 570 Dies entspricht seit der Entscheidung Säger der ständigen Rechtsprechung des EuGH und der h.M. in der Literatur. 571 In jüngerer Zeit erlebte der Beschränkungstatbestand von Art. 49 EG eine zunehmende Ausweitung dadurch, dass der EuGH schon Regelungen als Beschränkungen sah, die geeignet waren, die Tätigkeit des Dienstleistenden zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. 572 Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich um ein grenzenloses Beschränkungsverbot handelt. Eine Einschränkung findet jedenfalls durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses statt. 573 Wegen der Parallelität der Dienstleistungsfreiheit mit der Warenverkehrsfreiheit kann hierbei auf die Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung verwiesen werden. Ebenso wie bei der Warenverkehrsfreiheit kommen hier die ausdrücklich gesetzlichen Ausnahmen als Rechtfertigungsgründe hinzu (Art 55 EG i. Y.m. Art. 46 EG). Im Gegensatz zur Warenverkehrsfreiheit sind die zwingenden Allgemeininteressen im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit als Rechtfertigungsgründe anerkannt. 574 569 Schmid, Telefonwerbung, S. 190 spricht von einer "Schlüsselstellung" der Dienstleistungen für das wirtschaftliche Wachstum innerhalb der Gemeinschaft, vgl. auch ders. S. 215. 570 Burckhardt, Direktmarketing, S. 173. 571 EuGH v. 25. 7. 1991, Slg. 1991,4221, Tz. 12, Rs. 76/90 - Säger. Bestätigt etwa in EuGH v. 24. 3. 1994, Slg. 1994, 1039, 1095, Rs. 275/92 - Schindler; EuGH v. 9. 8. 1994, Slg. 1994,3803,3823, Rs. 43/93 - Vander-Elst; EuGH v. 10.5.1995, Slg. 1995, 1141, 1176, Rs. 384/93 - Alpine Investment; EuGH v. 9. 7. 1997, Slg. 1997,3899,3921, Rs. 222/95 Parodi; Herdegen, Europarecht, § 18 Rn. 324; einschränkend Grabitz / Hilf / RandelzhoJer I Forsthoff, Band 1, Art. 49 EG Rn. 54: Beschränkung nur dann, wenn Hindernis für Marktzugang. 572 So EuGH v. 9. 7. 1997, Slg. 1997,3899,3921, Rs. 222/95 - Parodi. 573 Vgl. Becker, NJW 1996, 179, 180 mit Verweis auf EuGH v. 21. 3. 1978, Slg. 1979, 1764, Rs. 100/78 und 111 /78 - van Wesemael; EuGH v. 17. 12. 1981, Slg. 1982, 3305, Tz. 17, 20, Rs. 279/80 - Webb. 574 Grabitz/Hilfl RandelzhoJerlForsthoff, Band 1, vor Art. 39-55 EG, Rn. 155 m. w. N.

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

b) Die Anwendung des Art. 49 EG auf unverlangte kommerzielle Kommunikation

aa) Der Dienstleistungsbegriff Der Begriff der Dienstleistung wird in Art. 50 EG definiert. Hiernach unterfallen alle Leistungen dem Begriff der Dienstleistung, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Person unterliegen. Positiv definiert sind Dienstleistungen unkörperliche Produkte, die das Ergebnis einer selbstständigen Arbeit darstellen, die als Teil des Wirtschaftslebens in der Regel gegen Entgelt erbracht wird und ein grenzüberschreitendes Element aufweist, ohne dass in einem anderen Mitgliedsstaat eine Niederlassung begründet wird. 575 Hieraus wird deutlich, dass die Dienstleistungsfreiheit einen Gegenpol zur Niederlassungsfreiheit gern. Art. 43 EG bildet, von der sie sich insbesondere dadurch unterscheidet, dass der Dienstleistungserbringer nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend tätig wird, also im Empfangsstaat eben nicht ansässig ist. 576 Dem Schutzbereich unterfällt diejenige Dienstleistung, die grenzüberschreitenden Charakter hat. 577 Hierunter fällt die aktive, die passive und die Korrespondenzdienstleistung. 578 Während die erste Fallgruppe zum Gegenstand hat, dass der Dienstleistungserbringer sich in einen anderen Mitgliedsstaat begibt, beschreibt die passive Dienstleistungsfreiheit den Fall, in dem der Empfänger den Ortswechsel vornimmt (vgl. 49 Abs. 3 EG). Schließlich umfasst Art. 49 EG auch die Konstellation, in der nur die Dienstleistung selbst die Grenze überschreitet. Maßgeblich ist in allen Fällen, dass die wesentlichen Elemente der Dienstleistung über die Grenzen eines Mitgliedsstaates hinausweisen. 579 bb) Werbung als Dienstleistung und der Akzessorietätsgedanke Bei der hier einschlägigen teletechnischen unverlangten kommerziellen Kommunikation gibt es zwei Ausgangspunkte, die zum Schutzbereich des Art. 49 EG führen. Im Rahmen der oben erwähnten580 Akzessorietät der Werbung, ist jene einmal nach der für das beworbene Produkt einschlägigen Grundfreiheit zu beurteilen. Wird also eine Dienstleistung beworben, sind diesbezügliche Beschränkungen im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen. Entsprechendes gilt für die Bewer575

Vgl. Schmid, Telefonwerbung, S. 195; Grabitz/HilfiRandlzhojer/Forsthoff, Band 1,

576

Statt vieler Herdegen, Europarecht, § 18 Rn. 324. Schricker in: Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Einf. Rn 196. Becker, NJW 1996, 179. Schricker, Fn. 577. Siehe oben S. 130

Art. 49 EG Rn. 23 ff. 577 578 579

580

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

141

bung von Waren, jedoch mit den Einschränkungen nach der Keck-Rechtsprechung. Unabhängig von dem der kommerziellen Kommunikation zugrunde liegenden Produkt kann aber auch jene selbst Dienstleistung sein. Man denke hier zum Beispiel an eine professionelle E-Mail-Marketingagentur oder den Betreiber eines CallCenters, deren beziehungsweise dessen Dienste man für die Vermarktung seines Produktes gegen Entgelt in Anspruch nehmen kann. Die Dienstleistung ist in diesen Fällen in der Verbreitung der Werbemitteilungen zu sehen. 58 ) Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit sowohl bei Werbung für eine Dienstleistung als auch bei Werbedienstleistungen als solchen eröffnet sein kann. cc) Übertragung der Keck-Rechtsprechung auf Art. 49 EG

(1) Das Urteil Alpine Investment als Ausgangspunkt Die zuletzt festgestellte Möglichkeit der Subsumtion der beiden Fallkonstellationen unter Art. 49 EG könnte möglicherweise anders zu beurteilen sein, wenn die zu Art. 28 EG entwickelte Keck-Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit übertragen werden kann. Ob und inwieweit eine solche Übertragung stattfinden kann, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. 582 Hierzu haben sich im wesentlichen drei Lager gebildet, die sich anhand einer befürwortenden583 , ablehnenden 584 und neutralen 585 , d. h. noch offenen Haltung kategorisieren lassen. Als Basis und Ausgangspunkt für eine diesbezügliche Stellungnahme wird insbesondere die Entscheidung des EuGH Alpine Investment herangezogen. 586 Hierbei ging es um eine Regelung des Sitzstaates - die Niederlande - des DienstleistungserbrinSchmid, Telefonwerbung, S. 265 Die diesbezüglichen Meinungen gehen innerhalb des hierzu sehr umfangreichen Schrifttums weit auseinander. Die Problematik hier umfassend darzustellen ist nicht Gegenstand der Arbeit. Es wird hier auf das einschlägige Schrifttum aus jüngerer Zeit verwiesen. Vgl. die umfangreiche Arbeit von Schmid, Telefonwerbung, S. 308 ff.; überdies: Drexl in: Drexl (Hrsg.), S. 122; Becker, NJW 1996, 179, 180 f.; jeweils m. w. N.; vgl. auch Grabitzl Hilf! RandelzhoJerl Forsthoff, Band 1, Art. 49 EG Rn. 91 ff. 583 Schrick, MMR 2000,399,403 f.; Burckhardt, Direktmarketing, S. 174; Kort, JZ 1996, 132 ff.; Reuthai, WRP 1997, 1154 ff.; Lüder, EuZW 1996,615,618; Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 129. 584 Leible I Sosnitza, K&R 1998, 283, 288; Stuyck, WRP 1994, 578, 584; Schmid, Telefonwerbung, S. 336. 585 BGH v. 17. 9. 1998, NJW 1999, 1398, 1401 - Bonusmeilen; Glöckner, GRUR Int. 2000, 29, 35 f.; Schricker, GRUR Int. 1994, 586, 589; ders. GRUR Int. 1998, 541, 547; GTEITroberg, EUV IEGV, Art. 49 EG Rn. 34 f.; Sack, WRP 1998, 103, 113; Becker, NJW 1996, 179, 181 sieht in der "Alpine Investment" Entscheidung zwar eine Tendenz zur intensiveren Prüfung nationaler Regelungen anhand des EU-Rechts, lässt aber die Beantwortung der hier entscheidenden Frage offen. 586 EuGH V. 10.5.1995, Sig. 1995, 1141, 1167, Rs. 384/93 - Alpine Investment. 581

582

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Teil 3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

gers, die diesem verboten hatte, über das Telefon unerbetene Werbung ("cold calling") für Warentermindienstleistungen zu betreiben. Letztlich wurde zwar ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 49 EG bejaht, aufgrund des besonderen Schutzbedürfnisses des Rufes des niederländischen Finanzmarktes aber eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen von Allgemeininteressen angenommen. Der EuGH betonte ausdrücklich in seiner Entscheidung, dass eine derartige nationale Regelung der Privilegierung durch die Keck-Rechtsprechung entzogen sei. Der Grund für die Privilegierung der Verkaufsmodalitäten in der Entscheidung Keck liegt darin, dass diese schon nicht geeignet sind, den Marktzugang für die zugrundeliegenden Erzeugnisse im Einfuhrstaat zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tun. Im Fall Alpine Investment ging es jedoch um den anders gelagerten Sachverhalt, dass das Verbot von dem Staat ausging, in dem der Leistungserbringer ansässig war. Das bedeutet, dass das Verbot auch Dienstleistungsangebote beeinflusst, die an Leistungsempfänger gerichtet sind, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Während also im Fall Keck alle Marktteilnehmer des Empfangsstaates, in- wie ausländische, gleichermaßen von der Regelung betroffen waren, blieb es im Fall Alpine Investment den inländischen Marktteilnehmern des Empfangslandes unbenommen, per "cold calls" Warenterminkontrakte anzubieten. Im Ergebnis tritt dann nach Ansicht des EuGH im letzteren Fall eine Marktzugangserschwerung auf, was entscheidend dafür war, warum eine Übertragung der Keck-Rechtsprechung unterblieb. (2) Abschließende Aussage des Alpine Investment-Urteils

Teile derjenigen, die die Übertragung der Keck-Rechtsprechung befürworten,587 nehmen genau diesen Sachverhaltsunterschied für ihre Argumentation zu Hilfe. Sie betonen, dass e contrario der EuGH für den Fall der Beschränkung durch das Empfangsland durchaus die Keck-Rechtsprechung angewandt hätte. Aus der ALpine Investment-Entscheidung ergibt sich aber, dass die Problematik der Übertragung differenziert gesehen werden muss. Denn fest steht nur, dass für den Fall der Beschränkung durch den Herkunftsstaat die Keck-Rechtsprechung keinesfalls Anwendung finden soll. Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Urteil Alpine Investment. 588 Es fällt indes schwer, dem Urteil auch für den Fall der Beschrän587 Vgl. Schrick, MMR 2000, 399, 404; Burckhardt. Direktmarketing, S. 174; Grabitzl Hilf I RendelzhoJer / Forsthoff, Band 1, Art. 49 EG Rn. 93. 588 Schmid. Telefonwerbung, S. 315; Schrick a. a. 0., S. 404 verkennt aber genau diese differenzierte Betrachtung bei der Übertragung der Keck-Rspr. Dem Argument, dass bei der Übertragung der Keck-Rspr. auf den Sachverhalt, der "Alpine Investment" zugrunde lag, es zu einer doppelten Kontrolle, im Aus- wie im Einfuhrland, kommen würde und dies eine Wertlosigkeit der Dienstleistungsfreiheit zufolge hätte (vgl. Schmid. Telefonwerbung, S. 311, Fn. 1119 mit Verweis auf den dies betonende Schlussantrag im Fall "Alpine Investment") misst sie keine hinreichende Bedeutung bei.

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

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kung durch das Empfangsland eine Aussage zu entnehmen. 589 Dies überzeugt vor dem Hintergrund, dass allein aus der Nichtanwendung einer Regelung auf einen Sachverhalt noch nicht auf die Anwendbarkeit im Falle eines anderen Sachverhalts geschlossen werden kann. (3) Differenzierte Sichtweise anhand des Akzessorietätsgedankens Maßgeblich für eine Entscheidung sind die oben herausgearbeiteten Fallgruppen, die an das Verhältnis der kommerziellen Kommunikation zu den Grundfreiheiten anknüpfen. In Bezug auf die Anwendung der Keck-Rechtsprechung ergibt sich Folgendes: Im Falle der Akzessorietät der Werbung mit der zugrunde liegenden Grundfreiheit stünde einer Anwendung der Keck- Rechtsprechung auf Art. 49 EG nichts im Wege. 590 Dies wäre der Fall bei der Werbung "für" eine Dienstleistung. Begründen lässt sich dies mit der Konvergenz oder Parallelität der Grundfreiheiten. 591 Beide Freiheiten besitzen einen weiten Anwendungsbereich und sind als allgemeine - jedoch nicht grenzenlose - Beschränkungsverbote ausgestaltet und verfolgen das Ziel eines gemeinsamen Marktes für Waren und Dienstleistungen. Hinzu kommt, dass sich eine Einschränkung, neben den im Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Rechfertigungstatbeständen, nur wegen zwingenden Gründen beziehungsweise Erfordernissen des Allgemeinwohls gebietet. Diese Konvergenz wird schließlich auch vom EuGH bestätigt. 592 Drexl betont in diesem Zusammenhang, dass insbesondere im Internet die Grundfreiheiten miteinander verschmelzen und es schon aus diesem Grund nicht mehr gerechtfertig ist, unterschiedliche Maßstäbe an die Warenverkehrsfreiheit und an die Dienstleistungsfreiheit anzulegen. 593 Eine Übertragung der Keck-Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit enthebt jedoch nicht von dem Problem, wieder die grundsätzliche Differenzierung nach Produkt- und Verkaufsmodalitäten vorzunehmen. Kort weist zwar zu Recht darauf hin, dass schon die Definition von bestimmten Verkaufsmodalitäten im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit zu erheblichen Abgrenzungsproblemen geführt 589 Vgl. Glöckner, GRUR Int. 2000, 29, 35; Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S.261. 590 Günther, CR 1999, 172, 178. 591 Zu diesem Punkt vgl. insbesondere Schmid, Telefonwerbung, S. 322 ff.; in diesem Sinne auch Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 259; Ganten, Drittwirkung der Grundfreiheiten, S. 128. 592 Vgl. EuGH v. 28. 4.1998, Rs. 158/96 - Kohll und EuGH v. 16.9.1997, Rs. 120/95Decker, beide Slg. 1998, 1931, Tz. 41. 593 Drexl in: Drexl (Hrsg.), S. 122: Er weist darauf hin, dass Grundlage der E-CommerceRichtlinie u. a. die Regelung der "Dienste" der Informationsgesellschaft ist, die Richtlinie aber auch die für den Waren verkehr wichtige kommerzielle Kommunikation regelt. Zwischen beiden Gruppen wird nicht mehr differenziert. Bei seinem Beispiel über den Transfer von Musikdateien im Internet verkennt er aber, dass unter Waren i. S. d. Art. 28 EG nur körperliche Gegenstände fallen; vgl. aber Koenig / Haratsch, Europarecht, Rn. 490: Elektrizität ist Ware i.S.v. 28 EG.

144

Teil3: Die nationale Rechtslage vor gemeinschaftsrechtlichem Hintergrund

hat. 594 Bei Dienstleistungen wird diese Unterscheidung aufgrund deren unkörperlicher Struktur um ein Vielfaches schwieriger werden. Dennoch kann bei kommerzieller Kommunikation bezüglich einer angebotenen Dienstleistung eine Einteilung in Produkt- und Vermarktungsbezogenheit nach der Keck-Rechtsprechung dergestalt erfolgen, dass unter die erste Gruppe beispielsweise Regelungen über die Zulässigkeit einer Dienstleistung an sich fallen, während Regelungen, die Werbe- oder Marketingmethoden derselben betreffen, sich der letztgenannten Gruppierung unterstellen lassen. Hinzu kommen muss freilich, wie schon bei Art. 28 EG gefordert, ein wertendes Element, das sich letztlich wieder an der Marktzugangsbehinderung zu orientieren hat. 595 In Bezug auf Letzteres und im Hinblick auf die soeben aufgezeigten zusätzlichen Schwierigkeiten wegen der fließenden Grenzen zwischen Produkt- und Vermarktungsbezogenheit ist eine Beurteilung im Einzelfall zulasten einer Gruppenbildung unumgänglich. Dies relativiert den Nutzen, den die Übertragung der Keck-Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit hat, und lässt die Frage aufkommen, welchen Vorteil eine Übertragung in der Praxis hätte. Schmitz betont in diesem Zusammenhang, dass eine Übertragung der Keck-Rechtsprechung auf Art. 49 EG schon gar nicht notwendig ist, da es hier keine Dassonville-Formel gibt, deren "unendliche" Reichweite es einzudämmen gilt. 596 Trotz dieser berechtigten Zweifel ist es zumindest rechtspolitisch bedenklich, Keck gänzlich von Art. 49 EG auszunehmen. Während bei der kommerziellen Kommunikation "für" Dienstleistungen man nur anhand der zwingenden Erfordernisse dem Anwendungsbereich des Art. 49 EG entkäme, wäre bei der kommerziellen Kommunikation für Waren der Anwendungsbereich des Art. 28 EG schon durch Keck eingeschränkt. Eine solche Ungleichbehandlung von Waren und Dienstleistungen ist nicht einzusehen und im Hinblick auf die oben angesprochene Konvergenz auch nicht sinnvoll. Insoweit sprechen die besseren Argumente für eine Anwendung der Keck-Rechtsprechung auf Art. 49 EG, wenn es um die Bewerbung einer Dienstleistung geht. 597 Gänzlich anders zu behandeln ist jedoch die Konstellation, in der die Durchführung der Werbung beziehungsweise kommerziellen Kommunikation die Dienstleistung an sich darstellt und es gerade nicht auf eine Akzessorietät ankommt. Die Anwendung der Keck-Doktrin kommt in diesem Fall nicht in Betracht, weil die Regelungen von Vermarktungsmodalitäten unmittelbar auch den Inhalt und die Zulässigkeit der Dienstleistung betreffen. Sie wäre damit immer als produktbezogene Regelung einzuordnen, denn die Dienstleistung stellt insoweit das Produkt dar. 598 594 Kort, JZ 1996, 132, 136; vgl. auch Schmid, Telefonwerbung, S. 327, der nicht von Verkaufsmodalitäten, sondern von "Vermarktungsmodalitäten" bzw. "vermarktungsbezogenen Regelungen" spricht, aber grundsätzlich von einer Übertragbarkeit ausgeht. 595 Vgl. Grabitz/Hilf/Randelzhojer/Forsthojf, Band 1, Art. 49 EG Rn. 98, die in irrelevante und spezifische Zugangsbehinderungen einteilen wollen. 596 Schmitz, Kommerzielle Kommunikation, S. 256, dort. Pn. 904. 597 So auch Meyer, GRUR Int. 1996,697,706 m. w. N. 598 Vgl. Schmid, Telefonwerbung, S. 329; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 6.

B. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

145

Wird also beispielsweise von einer professionellen E-Mail-Marketingagentur für eine beliebige Dienstleistung geworben und befindet sich die Agentur in einem anderen Mitgliedsstaat als der Auftraggeber, sind Beschränkungen des Landes, in dem der Umworbene ansässig ist, ohne die Einschränkungen durch Keck an Art. 49 EG zu messen. 599 Für die Werbung des Unternehmers, der sich einer E-Mail-Werbeagentur bedient, und für denjenigen, der selbst Werbe E-Mails für seine Dienstleistung verschickt, gelten letztlich unterschiedliche Anforderungen. Dies ist jedoch hinzunehmen, da dies "sachgerecht" und "konsequent" ist. 6OO (4) Praktische Auswirkungen und Ergebnis

Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass eine Einschränkung des Anwendungsbereiches des Art. 49 EG nur bedingt möglich ist, wenn es um nationale Regelungen betreffend die unverlangte kommerzielle Kommunikation geht. Da es gerade bei der E-Mail-Werbung oft der Fall sein wird, dass der Produktanbieter gleich ob Ware oder Dienstleistung - sich eines professionellen Direktmarketingunternehmens bedienen wird, das das nötige technische Umfeld und vor allem auch eine eigene Adressdatenbank sein Eigen nennen kann, fokussiert sich die Prüfung auf die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses. 601 Ähnliches wird für die Telefonwerbung und andere Individualkommunikationen gelten. Wirbt ein Dienstleister grenzüberschreitend für sein Angebot, so darf nach dem oben Gesagten zumindest ein Blick auf die Keck-Rechtsprechung nicht unterbleiben. Hier fällt zwar eine pauschale Eingruppierung nach Produkt- und Vermarktungsbezogenheit noch schwerer als bei Art. 28 EG. Jedoch muss es sowohl bei Art. 49 EG als auch bei Art. 28 EG weitest gehend vermieden werden, dass jede Modalität, die Werbung beziehungsweise kommerzielle Kommunikation regelt, sogleich dem Tatbestand der Grundfreiheit unterfällt. Die Erschwerung des Marktzuganges, den die Dienstleistung erfährt, muss ausschlaggebend für die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit sein. Bei einer opt-in-Regelung fehlt es jedoch an einer erheblichen Marktzugangsbeschränkung des beworbenen Produktes. Dabei ist vor allem zu beachten, dass das Beschränkungsverbot des Art. 49 EG nicht den Zweck verfolgt, die Träger jener Freiheit von jeglichen mitgliedsstaatlichen Belastung freizustellen. In Bezug auf die Diskriminierung und das hier angeführte Kostenargument kann auf die Ausführungen zu Art. 28 EG verwiesen werden.

599 Ein ähnlicher Fall lag der "De Agostini" Entscheidung des EuGH zugrunde, in der das Gericht ohne weiteres von einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ausging, EuGH v. 9.7.1997, Sig. 1997,3843, Tz. 50, Rs. 34/95, 35/95 und 36/95. 600 So Schmid, Telefonwerbung, S. 331, dort. Fn. 1221. 601 Die Prüfung der zwingenden Erfordernisse i. S. d. Cassis-de-Dijon Entscheidung erfolgt aus systematischen Gründen weiter unten auf S. 225 ff.

IO Rothley

Teil 4

Nationale Schutzinstrumente zur Abwehr unverlangter kommerzieller Kommunikation A. Datenschutzrecht Die hier untersuchte Problematik der unverlangten kommerziellen Kommunikation soll primär nicht als Frage des Datenschutzes verstanden werden, sondern als ein Problem des Schutzes eines Individuums vor aufgedrängter Information. 602 Zwar ist der Datenschutz im Rahmen der Informationsgesellschaft insofern von entscheidender Bedeutung, als es darum geht, im Rahmen des technisch Möglichen und Zumutbaren das Entstehen einer unübersehbaren und unkontrollierten Flut von personenbezogenen Daten einzudämmen603 und ihre Nutzung und Weitergabe insbesondere auf elektronischem Wege zu kontrollieren. Hinsichtlich unverlangter kommerzieller Kommunikation ist dies jedoch nur ein Teil eines Lösungsansatzes. In datenschutzrechtlicher Hinsicht ist unverlangte Information interessant, da der Kommunikator den Rezipienten mittels elektronischer Individualkommunikation zwingend mit mindestens einem Datum wie E-Mail-Adresse oder Telefonnummer ansprechen muss. Er nutzt somit Letzteres für seine eigenen Zwecke, was wiederum die datenschutzrechtliche Relevanz herstellt. Dies bedeutet hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Prüfung, dass das Handeln des Kommunikators einer rechtlichen Prüfung unterworfen wird, noch bevor die unverlangte Information dessen Sphäre verlassen hat. Anknüpfungspunkt ist insoweit das personenbezogene Datum und gerade nicht die unverlangte Information an sich und deren Übermittlung. Da Letztere im Mittelpunkt der Untersuchung steht, soll das Datenschutzrecht in der gebotenen Kürze behandelt werden. Dabei wird ein Blick auf die einzelnen bereichsspezifischen Datenschutzbestimmungen geworfen, bevor auf das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) einzugehen ist. Allen gesetzlichen Datenschutzbestimmungen ist gemein, dass sie ebenso wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. I i.V.m. Art. lAbs. 1 GG sind und dessen datenschutzrechtliche Vorgaben konkretisieren. 604 Vgl. Koenig/Röder, eR 2000, 668, 674. Sog. Prinzip der Datenverrneidung, das heutzutage an Bedeutung gewinnt, vgl. § 3 Abs. 4 TDDSG, § 12 Abs. 5 MDStV. 604 Vgl. § I Abs. I BDSG; Gallwas, NJW 1992, 2785; Wancke/, Persönlichkeitsschutz, S.272. 602 603

A. Datenschutzrecht

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I. Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) Im Mediendienstestaatsvertrag der Länder605 werden ausschließlich Regelungen hinsichtlich der Mediendienste getroffen. Als solche gelten gern. § 2 Abs. I MDStVan die Allgemeinheit gerichtete Informations- und Kommunikationsdienste. Hierunter fallen insbesondere Verteil- und Abrufdienste. Die hier zu untersuchenden Individualkommunikationsmedien unterfallen nicht dieser Definition, da sie gerade in ihrer funktionstypischen Eigenschaft nicht an die Allgemeinheit gerichtet sind, sondern sich durch persönliche Adressierung auszeichnen.

11. Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG) Durch das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz aus dem Jahr 1997606 wurde unter anderen das Teledienstegesetz (TDG) und das TDDSG eingeführt. Beim E-Mail-DiensthandeltessichumeinenTelediensti.S.v.§2Abs.Nr. 1 TDG, da E-Mail-Kommunikation insoweit ein Angebot im Bereich der Individualkommunikation darstellt. In beiden Gesetzen findet aber die unverlangte kommerzielle Kommunikation insoweit keine ausdrücklich Erwähnung, als eine generelle opt-in- oder opt-out-Lösung vorgeschrieben wäre. 607 Möglicherweise ergibt sich aber aus den einzelnen Bestimmungen des TDDSG eine Regelung in Teilbereichen der Kommunikation. Personenbezogene Daten werden hierin nach Bestands- und Nutzungsdaten unterschieden. Unter Ersteren versteht man Daten, die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses mit dem Nutzer erforderlich sind (§ 5 TDDSG). Diese Daten dürfen nur für den eben genannten Zweck ohne Einwilligung des Berechtigten verwendet werden. Aus der Vermischung der Begriffsbestimmung mit den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen ergibt sich, dass der Schwerpunkt der diesbezüglichen Prüfung immer auf dem Merkmal der Erforderlichkeit liegt und sich eine abschließende kasuistische Aufzählung von Bestandsdaten im Hinblick auf die unterschiedlichen Teledienste verbietet. Die E-Mail-Adresse ist aber als Datum für die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrages mit einem E-Mail-Provider zwingend erforderlich und somit Bestandsdatum. 608 Für die IP-Adresse im Hinblick auf darauf basierende zukünftige Individualkommunikationsmedien gilt dies jedenfalls dann, wenn diese statisch vergeben ist. 609 V. 12.2. 1997, Nds. GVBl. S. 280. Gesetz v. 22. 7. 1997, BGBL I S. 1870; geändert durch EGG v. 14. 12. 2001, BGBL I S.3721. 607 Vgl. Funk, eR 1998,411,414. 608 Roßnagel/ Dix, § 5 TDDSG, Rn. 28; Püttmann, K&R 2000, 492, 497; § 5 Abs. 2 TDDSG a.F. bestimmte, dass die Nutzung von Bestandsdaten für Werbung, Beratung, Marktforschung oder der bedarfsgerechten Gestaltung der Teledienste nur zulässig ist, soweit der Nutzer ausdrücklich eingewilligt hat. 605

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10*

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Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

Rechtsadressat des TDDSG sind jedoch nur die Anbieter von Telediensten. 610 An dieser Stelle taucht ein oben schon angesprochenes Problem auf. 611 Anders als bei den Informations- und Kennzeichnungspflichten muss für die Anwendung des § 5 TDDSG zwischen Werbetreibenden und Empfänger zumindest ein einvernehmliches Nutzungsverhältnis bestehen. Ein Vertragsverhältnis im engeren Sinne ist entgegen dem Wortlaut der Bestimmung jedoch nicht erforderlich. 612 Nur dann treffen den Nutzer der Adressierungsdaten auch Pflichten. Eine andere Sichtweise hätte eine opt-in-Regelung innerhalb des TDDSG zur Folge, was aber gerade nicht die Intension des Gesetzgebers war. Dieser wollte vielmehr nur demjenigen Schutzpflichten hinsichtlich personenbezogener Daten auferlegen, dessen Leistung bewusst von einem Nutzer in Anspruch genommen wird. Bei unverlangter Zusendung von Werbung unter Verwendung der E-Mail-Adresse des Empfängers ist dies gerade nicht der Fall. Nach dem eben erwähnten bleibt somit festzuhalten, dass nur der E-Mail-Provider gemäß § 5 TDDSG sich ein vorheriges Einverständnis verschaffen muss, will er seinem Kunden Werbung zusenden. Dabei stellt die Zusendung von Werbung sicherlich keinen Umstand dar, der für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses mit dem Nutzer erforderlich ist. Im Gegensatz zu den Bestandsdaten sind unter Nutzungsdaten diejenigen Daten zu verstehen, die erforderlich sind, um die Inanspruchnahme des Teledienstes zu ermöglichen. Letztere geben Auskünfte über die näheren Umstände der Kommunikation. Da § 6 lit. a TDDSG ausdrücklich Merkmale zur Identifikation des Nutzers als Nutzungsdaten qualifiziert, liegt es nahe, auch hierunter die E-MailAdresse zu subsumieren. Werbesendungen sind aber nicht erforderlich, um die Inanspruchnahme des E-Mail-Dienstes zu ermöglichen. Dies gilt auch für die E-Mail-Provider, die sich hauptsächlich durch Werbung finanzieren und so ihren Dienst dem Nutzer kostenlos anbieten können. Auch in diesem Fall ist die Nutzung der E-Mail-Adresse für Werbezwecke nicht für die Inanspruchnahme der Leistung erforderlich. Hieran ist ein restriktiver Maßstab anzulegen. Insofern handelt es sich um eine rein technische Erforderlichkeit, unabhängig von ökonomischen Gesichtspunkten. Will der Diensteanbieter dem Account-Inhaber regelmäßig kommerzielle Kommunikation zusenden, muss er im Rahmen des Vertragsschlusses dessen Einverständnis einholen und ihn gemäß § 4 TDDSG unterrichten. Eine Einschränkung ergibt sich jedoch daraus, dass das TDDSG nur dann Anwendung findet, wenn der Verantwortliche der Datennutzung eine Niederlassung 609 In den meisten Fällen wird die IP-Adresse dynamisch vergeben, d. h. der Nutzer erhält bei jedem erneuten Einwählen in das Internet von seinem Access-Provider eine neu definierte Adresse. 610 Gola, RDV 2000, 274. 611 Siehe oben S. 122. 612 Vgl. Roßnagel/ Dix, § 5 TDDSG, Rn. 38.

A. Datenschutzrecht

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in Deutschland unterhält. 613 Ist dies nicht der Fall, muss das entsprechende nationale Recht im Hinblick auf die EG-Datenschutzrichtlinien untersucht werden. Schließlich ist in diesem datenschutzrechtlichen Zusammenhang auf eine Entscheidung des LG Augsburg hinzuweisen. 614 Hier hatte der Kläger nach - 201-sekündiger - Nutzung einer Internetdatenbank vom Betreiber derselben eine WerbeE-Mail erhalten. Woher der Beklagte die E-Mail-Adresse hatte, geht aus der Entscheidung nicht hervor. Wahrscheinlich ist jedoch, dass im Rahmen der Nutzung der Datenbank der Kläger zur Angabe seiner E-Mail-Adresse aufgefordert wurde. Auch hier stellt sich nun die Frage nach deren Qualifikation. Gemäß obiger Definition vom Bestandsdatum wäre die E-Mail-Adresse in dem eben erwähnten Fall aber kein solches. Eine Datenbankabfrage im WWW ist nämlich auch ohne die Angabe der E-Mail-Adresse des Abfragenden technisch möglich. Insoweit fehlt es für die Nutzung des Datums am Merkmal der Erforderlichkeit. Wie solche Vertrags- oder Inhaltsdaten einzuordnen sind, ist umstritten. Während eine Ansicht der Meinung ist, dass in diesen Fällen die entsprechenden Daten unter den milderen § 28 BDSG fallen,615 geht eine andere Ansicht zu Recht davon aus, dass diese Daten ebenfalls dem Einwilligungserfordernis des TDDSG unterzuordnen sind. 616 Als Argument lässt sich hierfür insbesondere die fehlende Differenzierung im TDDSG nach derartigen Qualitätsmerkmalen anführen sowie die Schwierigkeiten, die bei der Abgrenzung von solchen Daten zu Bestandsdaten entstehen. Schließlich spricht auch die gesetzgeberische Absicht eines umfassenden Datenschutzes im Bereich der Teledienste für die letztgenannte Ansicht. Ob dann das TDDSG sich als "Marketinghindernis" darstellt, steht auf einem anderen Blatt. 617

III. Telekommunikationsgesetz (TKG) Die zentrale Datenschutznorm des TKG618 findet sich dort in § 89, der durch die Telekommunikationsdatenschutzverordnung (TKDV)619 konkretisiert wird. Jene Normen stellen bereichspezifische Regelungen i.S.v. § lAbs. 4 BDSG dar und gehen diesem soweit sie reichen vor. 620 Durch die TKDV wird die TelekommuniRoßnagel/ Schutz, § 1 TDDSG, Rn. 42. LG Augsburg v. 4.5. 1999, NJW 2000, 593; siehe hierzu noch auf S. 275. 615 Gola, RDV 2000, 274. 616 lmhof, CR 2000, 1l0, 113 m.w.N; vgl. auch Schneider in: Schwarz (Hrsg.), Recht im Internet, 11 - 2.1, S. 85 wonach diese Frage von geringer praktischer Relevanz sein soll. 617 Vgl. lmhof, CR 2000, llO, 116 mit der Forderung nach Korrektur des TDDSG; vgl. auch S. 266 f. 618 Gesetz v. 25. 7. 1996, BGBI. I S. 1120. 619 V. 18. 12.2000, BGBI. I S. 1740. 620 Trute / Spoerr /Bosch, TKG, § 89 Rn. 4; dies gilt insbesondere hinsichtlich § 28 BDSG, der Regelungen über die Verwendung von Daten zu Marketingzwecken enthält. 613

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Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

kationsdatenschutz-Richtlinie 97/66/ EG vollständig umgesetzt, was schon bis zum 20. 10. 1998 hätte geschehen sollen. Maßgebliche Bestimmungen hinsichtlich der Nutzung von personenbezogenen Daten für Werbung sind § 89 Abs. 7 TKG i.Y.m. § 5 Abs. 2 TKDY. Hiernach darf der Diensteanbieter die Bestandsdaten seiner Kunden und der Kunden seiner Diensteanbieter zur Werbung und Marktforschung nur dann nutzen und verarbeiten, soweit dies für seine Zwecke erforderlich ist und der Kunde eingewilligt hat. Rechtsadressaten dieser Vorschrift sind gern. § 1 Abs. 1 TKDV Unternehmen und Personen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen. Der Begriff der Telekommunikation wird in § 3 Nr. 16 TKG legaldefiniert. Hiernach handelt es sich bei Telekommunikation um den technischen Vorgang des Aussendens, ÜbennitteIns und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art in Fonn von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels Telekommunikationsanlagen. Die Anbieter von Sprach- und Mobilfunkdienstleistungen erbringen klassische Telekommunikationsdienste und sind Rechtsadressaten der oben genannten Bestimmung. Festnetz-, Mobilfunk- und SMS-Werbung regeln sich somit nach der TKDY. Keine Telekommunikationsdienstleistung ist aber der E-Mail-Dienst, da es sich hierbei um einen Teledienst handelt, für den § 5 Abs. 2 TDDSG vorrangig iSt. 621 Umgekehrt nimmt § 2 Abs. 4 Nr. 1 TDG die Telekommunikationsdienstleistungen und das geschäftsmäßige Erbringen von Telekommunikationsdiensten vom Anwendungsbereich des TDG aus. Die Abgrenzung von Telediensten und Telekommunikationsdiensten ist über den Vermittlungs vorgang und die Inhalte beschrieben und kann im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten. 622 Da § 5 Abs. 2 TKDV aber eine inhaltsgleiche Regelung wie § 5 Abs. 2 TDDSV trifft, werden diese Abgrenzungsprobleme in Bezug auf die hier interessierenden Fälle von geringer Relevanz sein. Aus dem Vorstehenden ergeben sich also einmal Einschränkungen dahingehend, dass nur unverlangte kommerzielle Kommunikationen mittels Telefon und SMS unter § 5 Abs. 2 TKDV fallen. Dies gilt jedoch nicht für jede solche Kommunikation, sondern nur bezüglich derjenigen, die vom Telekommunikationsdienstbetreiber an seine Kunden gerichtet ist. Nur bezüglich deren Adressierungsdaten ist er auf die vorherige Zustimmung verwiesen. Will also eine Telefongesellschaft ihrem Kunden werbliche Mitteilungen über neue Tarife übennitteIn und greift sie auf die ihr bekannte Telefonnummer zu, hat sie sich des vorherigen Einverständnisses zu vergewissern. Außerhalb dieses Kundenverhältnisses stehende Dritte sind hierdurch aber nicht geschützt. Ebenso wenig gelten die Regelungen des TKG und der TKDV für die außerhalb des Telekommunikationsgeschäftes tätigen sonstigen 621 Vgl. aber Wuermeling / F elixberger, CR 1997, 230, 233, die auf die hohen telekommunikativen Elemente des E-Mail Dienstes in Bezug auf die technische Übertragung hinweisen; a.A. Büchner in: Lehmann (Hrsg.), S. 145, 156, der E-Mail für eine Telekommunikationsdienstleistung hält. 622 Trute / Spoerr / Bosch, TKG, § 89 Rn. 9; Wuermeling / Felixberger, CR 1997, 230, 233 f.; Schneider in: Schwarz (Hrsg.), Recht im Internet, 11-2.1, S. 42 für den Vorrang des TKG.

A. Datenschutzrecht

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Werbenden. Es bleibt somit festzuhalten, dass in den meisten Fällen der Telefonwerbung der Werbende nicht in Konflikt mit der TKDV gerät.

IV. Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Zentrale Norm des nationalen Datenschutzes ist das BDSG, das mit Wirkung zum 23.5.2001 eine Änderung erfahren hat. 623 Das Gesetz statuiert in § 5 Abs. 1 ein modifiziertes Territorialprinzip. Hat die für die Datenverarbeitung verantwortliche Stelle ihren Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder in einem gleichgestellten EWR-Staat, ist das dortige Recht anzuwenden, außer die Datenverarbeitung erfolgt durch eine Niederlassung im Inland. E-Mail-Adresse, Telefonnummern und sonstige individuellen Adressierungsdaten stellen personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG dar. 624 Ebenso wie das Gemeinschaftsrecht ist das BDSG geprägt von dem Gedanken des datenschutzrechtlichen Erlaubnisvorbehaltes. Dies bedeutet, dass die Sperre für die Verwendung personenbezogener Daten nur durch Gesetz oder die Einwilligung des Betroffenen aufgehoben werden kann. 625 1. Vorrang von Sonderregelungen gern. § 1 Abs. 3 BDSG

Nach § 1 Abs. 3 BDSG gehen jedoch Sonderregelungen in anderen Gesetzen vor. Als solche Sonderregeln gelten insbesondere die bereichsspezifischen Bestimmungen in der TKDV und der TDDSV. 626 Jene Normen sind aber nur insoweit vorrangig, als sie spezielle Regelungen im Hinblick auf die allgemeineren Vorschriften des BDSG enthalten. Wie oben festgestellt, wird der Kommunikator aber nur dann verpflichtet, wenn zum Adressaten ein konkretes Nutzungsverhältnis im Rahmen einer Telekommunikationsdienstleistung oder eines Teledienstes besteht. Für einen beliebigen Werbetreibenden, der einen mit ihm in keinster Weise verbundenen Dritten zu Zwecken der kommerziellen Kommunikation ansprechen will und hierfür dessen Adressierungsdaten nutzt, gelten somit die Regelungen des BDSG.

2. § 28 BDSG In § 28 BDSG finden sich die entscheidenden Bestimmungen hinsichtlich der Nutzung von Daten zu Werbewecken. Nach Abs. 1 ist eine Nutzung für eigene Geschäftszwecke und somit auch Werbezwecke insbesondere dann zulässig, wenn 623 Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer Gesetze, BGBL I S.904. 624 Engels/Eimterbäumer, K&R 1998, 196, 197; Püttmann, K&R 2000, 492, 495. 625 Vgl. Tinnefeid, NJW 2001, 3078, 3081 mit Überblick über die Änderungen. 626 Roßnagel/ Engel-Flechsig, Einl TDDSG, Rn. 59.

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Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

die Daten allgemein zugänglich627 sind (Nr. 3) oder es für die Wahrung der berechtigten Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist (Nr. 2). Überwiegen jedoch die Interessen des Betroffenen im Hinblick auf die Nutzungsinteressen, ist die Nutzung dennoch ausgeschlossen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Datennutzer und kommerziell Kommunizierende deliktisch geschützte Rechtsgüter des Betroffenen verletzt. Ergibt sich also an späterer Stelle, dass unverlangte kommerzielle Kommunikation mittels elektronischer Individualkommunikation gegen § 823 Abs. 1 BGB verstößt, zieht dies gleichzeitig ein datenschutzrechtliches Nutzungsverbot nach sich. 628 Obwohl also die Telefonnummer oder die E-MailAdresse aus einem Verzeichnis oder einer Internetseite entnommen werden darf, kann unter Umständen eine Kontaktaufnahme unter Nutzung dieser Adressierungsdaten unzulässig sein. Nach § 28 Abs. 4 BDSG ist in jedem Fall die Nutzung zu Werbezwecken unzulässig, wenn der Betroffene bei der verantwortlichen Stelle der Nutzung widerspricht. Über dieses Recht ist er im Vorfeld der Nutzung zu unterrichten.

B. Deliktischer Rechtsschutz Schon 1988 stellte Gilles mit Verwunderung fest, dass die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit des "Telemarketing" fast ausschließlich unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten beleuchtet wurde, obgleich doch der Persönlichkeitsschutz in der Wettbewerbsdiskussion eine immer größere Rolle spielt. 629 In den Fällen unverlangter kommerzieller Kommunikation wird zumeist kein Vertrags verhältnis oder eine sonstige privatrechtliche Sonderverbindung zwischen Kommunikator und Rezipient vorliegen, womit der deliktische Rechtsschutz klar in den Vordergrund tritt. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt im Folgenden darin, die deliktsrechtlichen Bestimmungen auf ihre Tauglichkeit für eine Lösung der Problematik zu überprüfen.

I. Vorüberlegungen 1. Das Problem der Aktivlegitimation im UWG

Betrachtet man die oben kurz dargestellte Rechtsprechung und die Beiträge im Schrifttum, liegt die Annahme nahe, dass der einzelne Verbraucher und Adressat von unverlangter kommerzieller Kommunikation ausreichend durch das Wett627 628

633.

Vgl. auch LG Kiel v. 20. 6. 2000, JurPC Web-Dok. 166/2000, Abs. 9. Vgl. PodlechlPeifer, RDV 1998, 139, 149; dies betont auch Moritz, eR 1998,623,

629 Gilles, NJW 1988, 2424, 2427; dies entspricht auch der heutigen Diskussion, die hauptsächlich im Hinblick auf § 1 UWG geführt wird.

B. Deliktischer Rechtsschutz

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bewerbsrecht geschützt ist. Dies jedenfalls dann, wenn der wohl h.M. folgend auch das Zusenden von unverlangter elektronischer Post, Handy- und SMS-Werbung als Verstoß gegen § 1 UWG gewertet wird. Entgegen mancher Aussage in der Literatur630 ist der einzelne Verbraucher dadurch jedoch nicht umfassend geschützt. 631 Zwar ist heute der Verbraucher als Schutzsubjekt des Wettbewerbsrechts anerkannt. 632 Nach der hier vertretenen Auffassung kann man aber nicht von einem umfassenden Schutz sprechen, wenn man dem einzelnen Betroffenen nicht auch eine umfassende prozessuale Aktivlegitimation zugesteht. Denn nur dann hat der einzelne Adressat die Möglichkeit, sich schnellen und unkomplizierten Rechtsschutz zu verschaffen. 633 Die Aktivlegitimation des einzelnen Verbrauchers ist aber in § 13 UWG gerade nicht vorgesehen. Für den Einzelnen ist es daher von besonderem Interesse, wie er sich im Rahmen der allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätze gegen unverlangte kommerzielle Kommunikation behaupten kann. Diesem Verständnis steht auch nicht Art. 11 Abs. 2 FARL entgegen. Hiernach sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet Verbandsklagerecht einzuführen. Hierdurch soll die Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie durch Anwendung der innerstaatlichen Vorschriften gewährleistet werden. 634 Dieser Verpflichtung wird durch die §§ 2 ff. des Gesetzes über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz-UKlaG)635 und insbesondere § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG nachgekommen. Weiter ist der Richtlinie aber nicht zu entnehmen, dass über diesen prozessualen Mindestschutz hinaus dem Betroffenen nicht auch eine Einzelklagebefugnis eingeräumt werden kann.

2. Quasinegatorische Abwehransprüche aus § 1004 BGB Denkbare Rechtsfolge von unverlangter kommerzieller Kommunikation könnte die Zubilligung eines Schadensersatzanspruches an den Adressaten sein. Unabhängig von dessen Rechtsgrundlage wäre ein Schaden erforderlich, was in aller Regel der Rezipient im Prozess zu beweisen hätte. 636 Problematisch wäre hierbei vor allem, dass ein materieller Schaden zumeist kaum messbar sein dürfte, ein darüber hinausgehender ideeller Schadensersatz dem ersten Anschein nach an § 253 BGB scheitert. Auch wenn das Laden einer unverlangten E-Mail von seinem Mail-SerVg!. Gößmann, MMR 1998, 88, 91. In diesem Sinne wohl auch Fikentscher, Wirtschaftsrecht, Band H, § 22 I 2 b. 632 Baumbachl Hefermehl, UWG Ein!. Rn. 42 f., 78 f.; KöhlerlPiper, Einf. Rn. 12 f.; Fezer, WRP 2001, 989, 1019 versteht den Verbraucherschutz als eine originäre Aufgabe des Lauterkeitsrechts. 633 Zweifelnd Forkel in: FS Neumayer, S. 229, 231. 634 Gößmann, MMR 1998, 88, 92. 635 Gesetz v. 26. 11. 2001, BGB!. I, S. 3138 ff. 636 Eine Erleichterung für den Geschädigten innerhalb der haftungsausfüllenden Kausalität gibt jedoch § 287 ZPO, wonach das Gericht nach freier Überzeugung über die Entstehung und Höhe des Schadens befinden kann. 630 631

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ver unstreitig Zeit und damit Telefongebühren kostet, werden damit in der Regel nur geringe Kostenerhöhungen einhergehen. Trotz der Tatsache, dass die heute h.M. auch für Persönlichkeitsverletzungen über § 253 BGB hinaus Schadensersatz zUbilligt,637 wird die Abwehr der ideellen Emission im Rahmen eines Unterlassungsanspruches für den Rezipienten im Vordergrund stehen. Entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz I BGB kann der Betroffene bei Gefährdung oder Verletzung eines absoluten Rechts Unterlassung verlangen. Voraussetzung des Unterlassungs anspruchs ist eine rechtswidrige, nicht aber eine schuldhafte Verletzung oder sonstige Beeinträchtigung. 638 Speziell beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht steht dem Betroffenen in entsprechender Anwendung des § 12 Satz 2, des § 862 Abs. 1 Satz 2 und vor allem des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB unabhängig von einem Verschulden des Verletzers ein Anspruch auf Unterlassung zu, wenn weitere Beeinträchtigungen zu befürchten sind. 639

a) Die Anforderungen an die Wiederholungsgefahr Solche weiteren Beeinträchtigungen im Sinne einer Widerholungsgefahr sind jedenfalls dann zu befürchten, wenn sich der Werbende weigert, auf eine Abmahnung hin eine ansonsten nicht zu beanstandende Unterlassungserklärung abzugeben. 64o Des Weiteren wurde die Wiederholungsgefahr bejaht, wenn das angemahnte Verhalten zu der typischen Geschäftspolitik des Werbetreibenden gehört. 641 Diese Wiederholungsgefahr soll aber bei einer einmalig zugesandten unverlangten E-Mail-Werbesendung dann nicht bestehen, wenn es sich um das Angebot einer einmalig auszuführenden Dienstleistung handelt. 642 Wesentliches Abgrenzungskriterium wäre hiernach der wiederkehrende Geschäftsvorfall. Hinzu kam in dem zu entscheidenden Sachverhalt, dass es sich nicht um die Bewerbung mehrerer Leistungen gehandelt hat, sondern nur um eine konkrete Dienstleistung. Diese Auffassung begründet aber eine nicht hinzunehmende Ungleichbehandlung, da sie den Werbenden allein aufgrund seiner Produktpalette gegebenenfalls besser stellt. Der Warenhauskonzern, der für seine unterschiedlichen und zum regelmäßigen Konsum und Verbrauch bestimmten Waren wirbt, erlangt einen erheblichen Nachteil, da seiner Werbung immer eine Wiederholungsgefahr inne wohnen würde. Dies ist nicht hinzunehmen. 637 St. Rspr. seit BVerfG v. 14. 2. 1973, BVerfGE 34, 269, 292 - Soraya; BGH v. 19.9. 1961, BGHZ 35, 363, 369 - Ginseng; BGH v. 5. 3. 1963, BGHZ 39, 124, 130 - Fernsehansagerin; Staudinger I Hager, § 823 C 2. 638 Ehmann, Jus 1997, 193,202; Palandtl Bassenge § 1004 Rn. 10. 639 St. Rspr., vgl. BGH v. 18.3. 1959, BGHZ 30, 7,14 - Caterina Valente. 640 Vgl. Palandtl Bassenge, § 1004 Rn. 29; Loydl, Belästigende Werbung, S. 96; vgl. auch Köhler, NJW 1992, 137, 138 für den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch. 641 OLG Stuttgart v. 13. 10. 1994, NJW 1995, 1098 für Fax-Werbung. 642 So OLG Hamburg v. 2. 8.1999, CR 2000,183.

B. De1iktischer Rechtsschutz

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b) Der verantwortliche Störer bei unverlangter kommerzieller Kommunikation Will man im Rahmen eines Unterlassungsbegehrens gegen unverlangte kommerzielle Kommunikation vorgehen, stellt sich für den Adressaten die Frage nach dem richtigen Anspruchsgegner. Zu denken wäre hier einmal an den Gewerbetreibenden und seine beauftragten Marketingdienstleister. Andererseits könnte auch das Telekommunikationsunternehmen oder der E-Mail-Provider in die Verantwortung zu nehmen sein. Störer i.S.v. § 1004 BGB und somit passivlegitimiert ist derjenige, auf dessen Willensbetätigung die Beeinträchtigung unmittelbar oder adäquat mittelbar zurückzuführen ist. 643 Dieser Grundsatz gilt gleichwohl für die Beeinträchtigung absoluter Rechtsgüter i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB als auch nach h.M. analog für unlauteres Wettbewerbsverhalten, wo in Bezug auf Mitstörer die allgemeine Störerhaftung analog § 1004 BGB ergänzend neben Unterlassungsansprüche aus § I UWG tritt. 644 Das Vorliegen der speziell wettbewerbsrechtlichen Voraussetzungen ist dann beim akzessorisch haftenden Mitstörer nicht mehr erforderlich. 645 Steuert der um Absatz bemühte Gewerbetreibende selbst die Werbemaßnahme in eigener Regie, ist er als unmittelbar Handelnder selbst verantwortlich. Ist ein Direktmarketing- oder Werbeunternehmen als Dritter für die störende Einwirkung unmittelbar verantwortlich, so kann der auftraggebende Gewerbetreibende als mittelbarer Störer in Anspruch genommen werden, wenn er die störende Einwirkung adäquat ursächlich veranlasst hat und sie verhindern kann. 646 Als Auftraggeber hat es der Gewerbetreibende kausal veranlasst, dass der Adressat mit unverlangter Kommunikation konfrontiert wird. Er verfügt schließlich aus seiner vertraglichen Beziehung auch über die erforderliche Rechtsmacht, gegen weitere Störungen einzuschreiten. Auch in diesem Fall ist der Gewerbetreibende Störer. Daneben ist auch das Direktmarketingunternehmen als unmittelbar Handelnder verantwortlich. 647 Problematisch ist die Fallkonstellation, in der der auftraggebende Gewerbetreibende das Direktmarketingunternehmen anweist, nur Kontakt - per E-Mail oder anderen Individualkommunikationsmedien - mit solchen Adressaten aufzunehmen, die ein Einverständnis im Vorfeld erteilt haben, der Auftragnehmer sich aber hierüber hinwegsetzt und auch Adressaten kontaktiert, hinsichtlich derer ein solches Einverständnis nicht vorliegt. Fraglich ist dann, inwieweit dem Auftrag643 BGH v. 9. 7.1958, BGHZ 28, UO, 1l1; BGH v. 20.12.1988, BGHZ 106,229,235Handzettelwerbung; Palandtl Bassenge § 1004 Rn. 16; Freytag, Haftung im Netz, S. 61; nach LG München I v. 5. 11. 2002, MMR 2003, 282 ff. haftet derjenige als mittelbarer Störer, wenn er das anonyme Absenden von E-Mails ermöglicht, vg!. auch LG Paderborn v. 3.5.2001, NJW-RR 2001, 1223 zur Löschung von weitergegebenen E-Mail-Adressen. 644 Statt vieler BaumbachlHefermehl, UWG Ein!. Rn. 327; Freytag, Haftung im Netz, S. 60; ablehnend Schünemann, WRP 1998, 120, 121 ff. 645 Vg!. hierzu näher Freytag, Haftung im Netz, S. 83. 646 Vg!. BGH v. 20. 12. 1988, BGHZ 106,229,235 - Handzettelwerbung; LG Kassel v. 6.2. 1991, NJW 1991,2912,2913. 647 Vg!. Palandtl Bassenge § 1004 Rn. 19.

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Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

geber das störende Handeln zugerechnet werden kann. Im Zusammenhang mit Briefkastenwerbung hatte der BGH zu dieser Frage Stellung zu nehmen. 648 Der beklagte Gewerbetreibende musste beweisen, dass er alle ihm zumutbaren in Betracht kommenden wirtschaftlichen und rechtlichen Maßnahmen ergriffen hat, um weitere Belästigungen des Umworbenen zu verhindern. Eine einfache Anweisung an den Auftragnehmer, entsprechende Handlungen zu unterlassen, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr muss der Auftraggeber den Werbedienstleister eindringlich auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Kontrolle und Organisation der Werbeaktion hinweisen, sich über den Einsatz geeigneter Schutzvorkehrungen vergewissern, Beanstandungen nachgehen und etwa durch Vertragsstrafenvereinbarung dem Anliegen mehr Nachdruck verleihen. 649 Auch die gewissenhafte Auswahl des Marketingdienstleisters nach Zuverlässigkeitsgesichtspunkten durch das werbende Unternehmen fällt hierunter. 65o Schließlich stellt sich die Frage, ob auch der Betreiber, der das der Übermittlung zugrunde liegende Kommunikationsmedium zur Verfügung stellt, als Störer in Frage kommen kann. Mitentscheidend im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung des Störerbegriffs ist hier einmal Art. 11 Abs. 3 lit. b FARL. Hiernach ist durch die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass die Betreiber von Kommunikationstechniken Praktiken unterlassen, die nicht mit den gemäß dieser Richtlinie erlassenen Bestimmungen im Einklang stehen, sofern sie hierzu in der Lage sind. Letzteres ist der Fall, wenn die Betreiber der Kommunikationstechnik zur Kontrolle rechtlich und tatsächlich in der Lage sind. 651 Dieser Gedanke liegt auch dem Vorschlag von Schmittmann zugrunde, wonach der jeweilige E-Mail-Provider bei eindeutiger Kennzeichnung der E-Mail und dem entsprechenden ablehnenden und im Vorfeld dem Provider gegenüber geäußerten Willen verpflichtet sein soll, die Mail direkt bei Eintreffen auf dem Server zu löschen beziehungsweise diese an den Absender zurückzuschicken. 652 Dem kann insofern beigepflichtet werden, als dass es dem Posteingangsprovider tatsächlich möglich wäre, technisch dergestalt vorzugehen. Jedoch ist dieser rechtlich dem Empfänger nur dann hierzu verpflichtet, wenn dies im Rahmen einer vertraglichen Abrede auch vereinbart wurde. Darüber hinaus besteht keine rechtliche Verpflichtung, da der Provider des Adressaten nicht als adäquater Verursacher zu betrachten ist. Zwar ist seine Dienstleistung im Sinne der conditio-sine-qua-non Formel als Mitverursachungsbeitrag der Beeinträchtigung des Rechtsgutes des Adressaten anzusehen. Zu berücksichtigen ist aber immer im Rahmen einer wertenden Betrachtung der Schutzzweck der verletzten Norm. 653 Der Empfang von elektronischen Nachrichten und das Bereithalten der648 649 650 651

652 653

BGH v. 20.12. 1988, BGHZ 106,229,235 f. - Handzettelwerbung. BGH V. 30. 10. 1981, NJW 1982,440,441 - Motorenbelästigung. OLG Stuttgart v. 21. 8.1987, NJW-RR 1987,1422; Weise, GRUR 1989, 653, 657. Grabitz I Hilfl Micklitz, Band 2, A 3 Rn. 133. Schmittrrumn, MMR 1998, 53, 54. Vgl. MünchKomml Oetker, § 249 Rn. 112; Palandtl Heinrichs, vor § 249 Rn. 60.

B. Deliktischer Rechtsschutz

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selben zum Abruf ist gerade eine der Hauptleistungsverpflichtungen im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen dem Betreiber und dem E-Mail-Nutzer. In der Erfüllung dieser Pflicht gleichzeitig eine Beeinträchtigung von durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern zu erblicken wäre widersinnig. Insofern trifft den Provider auch ohne vertragliche Abrede keine Schutzpflicht, den Nutzer vor bestimmten Arten von E-Mail-Sendungen zu schützen. Im Rahmen der Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie wurden in § 8 ff. TDG mit Wirkung zum 1. 1. 2002 neue Bestimmungen hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Diensteanbietern eingefügt und damit § 5 TDG in seiner alten Fassung modifiziert. Sinn und Zweck dieser Bestimmungen ist jedoch nicht die Begründung oder Erweiterung der Verantwortlichkeit. Diese bestimmt sich ausschließlich nach den allgemeinen Vorschriften. 654 Das TDG geht von einem umfassenden, rechtsgebietsübergreifenden Verantwortungsbegriff aus. 655 Handelt es sich also im entscheidungserheblichen Sachverhalt um die Nutzung von Telediensten, muss dies bei der deliktischen wie auch bei der anderenorts noch näher zu erörternden, wettbewerbsrechtlichen Verantwortung berücksichtigt werden. Dogmatisch sind die Verantwortungsregelungen des TDG als positivrechtliche Regelungen des Zurechnungszusammenhangs im Anschluss an die Kausalität und vor der Rechtswidrigkeit einzuordnen. 656 Dies hat den Vorteil, dass sich die Regelungen des TDG ohne weiteres in das entsprechende Haftungssystem einfügen, da normübergreifend nach der reinen Kausalität ohnehin eine wertende Verfeinerung derselben durch Zurechnungsgesichtspunkte stattfindet. Wie in § 5 TDG a.F. wird nach eigenen und fremden Inhalten unterschieden. Sendet ein E-Mail-Provider in eigener Sache eine werbliche Nachricht, ist er nach § 8 Abs. 1 TDG für diesen eigenen Inhalt nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Für die Übermittlung von fremden Informationen gilt hier jedoch eine weitgehende Haftungsfreistellung. Nach § 9 Abs. 1 TDG ist dann der E-Mail-Provider für eine Werbe-E-Mail eines Dritten nicht verantwortlich, da er weder die Übermittlung veranlasst hat, noch den Adressaten oder die Information ausgewählt hat. Dass die unverlangte E-Mail auf dem Server des Diensteanbieters bis zum Abruf gespeichert wird, ändert nichts an dieser Rechtslage, da § 11 TDG für gespeicherte Inhalte insoweit keine Haftung statuiert, als keine Kenntnis vom rechtswidrigen Handeln vorhanden ist. Unverzichtbare Voraussetzung hierfür wäre wenigstens, dass der E-Mail-Provider Kenntnis vom einem fehlenden Einverständnis hat. Dies dürfte aber nur äußerst selten der Fall sein. Darüber hinaus wird auch mit Blick auf § 85 TKG und dessen Bestimmungen über das Fernmeldegeheimnis der Provider schon gar keine Kenntnis vom Inhalt einer E-Mail haben. 657 Eine Störer§ 5 Abs. 1 TDG, vgl. auch Bt-Ds 14/6098, S. 23. Freytag, Haftung im Netz, S. 131 (noch zu § 5 TDG a.F.) 656 So der Vorschlag von Freytag, Haftung im Netz, S. 131 m. w. N. 657 Das Femme1degeheimnis findet auch auf E-Mail Provider und sonstige Online-Dienste Anwendung, vgl. Roßnagel/ Engel-Flechsig, Einl TDDSG, Rn. 82. 654

655

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Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

haftung für E-Mail-Provider kommt daher nur hinsichtlich der eigenen Werbernaßnahmen in Betracht. 658 Mit diesen rechtlichen Bestimmungen geht Art. 27 der Internationalen Verhaltensregeln für das Direktmarketing einher, die von der Internationalen Handelskammer verabschiedet wurden. 659 Die Verantwortung obliegt hiernach nicht allein dem werbenden Unternehmen, sondern auch der beauftragten Werbeagentur und denjenigen, die in irgendeiner Weise an der Werbeaktion beteiligt sind, sofern sie aufgrund ihrer Stellung die Beachtung der Verhaltensregeln der ICC sicherstellen können. 66o Bei der Prüfung, ob Letzteres der Fall ist, dürfen dann die vorstehend genannten gesetzlichen Bestimmungen nicht außer Acht gelassen werden. Auf einem anderen Blatt steht das Problem der tatsächlichen Rechtsdurchsetzung gegen einen Störer. 661 Insbesondere im Bereich der unverlangten E-Mail wird es teilweise nicht oder nur sehr schwer und mit kaum mehr zumutbarem Ermittlungsaufwand gelingen, sein Recht durchzusetzen, da der Störer zumeist nicht greifbar ist. Die "schwarzen Schafe" setzen elektronische Anonymisierungstechniken ein und befinden sich darüber hinaus oft im außereuropäischen Ausland oder nutzen dortige Computersysteme. Diese tatsächlichen Erschwernisse entbinden den Staat jedoch nicht von der Pflicht, dasjenige zu realisieren, was zum Schutz der Grundrechte seiner Bürger geboten ist. 662 Trotz Schwierigkeiten in der tatsächlichen Rechtsdurchsetzung hat der Staat die nötigen rechtlichen Instrumentarien zur Verfügung zu stellen und darf dies nicht als Begründung für eine legislative oder judikative Untätigkeit heranziehen.

11. § 826BGB Die Fälle der unverlangten kommerziellen Kommunikation könnten eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellen. Vorteil des § 826 BGB ist sein nicht auf den absoluten Rechtsschutz beschränkter Tatbestand. Im Gegensatz zu § 823 Abs. 1 BGB 663 ist auch das Vermögen des Einzelnen geschützt. Problematisch ist aber zum einen, wie schon oben aufgeführt, dass es dem Rezipienten in der Mehrheit der Fälle schwer fallen wird, einen nennenswerten Schaden vorzutragen. Zum anderen muss dem Absender gerade hinsichtlich der Verursachung eines Schadens ein zumindest bedingter Vorsatz nachgewiesen werden,664 was in der Regel ebenVgl. Brisch, CR 1999,235,243. International Chamber of Commerce in Paris (ICC); Kodex abrufbar unter www.iccwbo.orglhome/statements_rules/rules/1999/direccselling.asp. 660 Vgl. Leupold/ Bräutigam/ Pfeiffer; WRP 2000, 575, 587 zur alten Fassung. 661 Eingehende Darstellung bei Leupold, WRP 1998,270,279. 662 Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S. 267. 663 Statt vieler Kötz, Deliktsrecht, Rn. 75. 664 Soergel/ Hönn/ Dönneweg, § 826 Rn. 63; Heinz, AfP 1992,234,238. 658 659

B. Deliktischer Rechtsschutz

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falls schwer fallen dürfte. Eine nur allgemeine Vorstellung über mögliche Schädigungen genügt hierfür nicht. 665 Der Absender wird in diesem Zusammenhang nur Vorsatz bezüglich der Tathandlung haben. Schon aus diesen tatsächlichen Schwierigkeiten heraus, wird der Rezipient zumeist auf eine Berufung auf § 826 BGB verzichten. Hinzu kommt der berechtigte Einwand, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht seit seiner Anerkennung durch die Gerichte eine deutliche Vorrangstellung vor § 826 BGB genießt, soweit es um den Schutz einer engeren persönlichen Lebenssphäre geht. 666

III. § 823 Abs. 2 BGB 1. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 UWG

Ein Unterlassungsanspruch kann im Rahmen der analogen Anwendung von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auch auf die Verletzung eines Schutzgesetzes gestützt werden. Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist eine Norm, die den Schutz eines anderen dadurch bezweckt, dass sie ihn vor der Verletzung eines Rechtsgutes schützen will. Zu einer Abgrenzung nach Individual- und Institutionenschutz kommt in jüngerer Zeit eine wertende Betrachtung. Entscheidend für die Bestimmung der Schutzgesetzqualität ist, ob die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruches in diesen Fällen sinnvoll ist und in Bezug auf das haftpflichtrechtliche Gesamtsystem als tragbar angesehen werden kann. 667 Somit könnte dem Umworbenen über die Brücke des § 823 Abs. 2 BGB zu einer Aktivlegitimation verholfen werden. Ob § 1 UWG als ein solches Schutzgesetz zugunsten des umworbenen Verbrauchers anzusehen ist, ist seit langem umstritten. Während die wohl h.M vom fehlenden Schutzgesetzcharakter des § 1 UWG ausgeht,668 hat anderer Ansicht nach derselbe durchaus Schutzgesetzqualität. 669 Zur Begründung der mangelnden Schutzgesetzqualität wird angeführt, dass zwar das Wettbewerbsrecht den Wettbewerb auch im Interesse der Allgemeinheit und des Verbrauchers schützt, dies jedoch nicht zwangsläufig zur Schutzgesetzfunktion führt. 67o Der BGH geht in seiner Prüfzeichen-Entscheidung davon aus, dass § 3 UWG keine Schutzgesetzqualität i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zukommt, argumentiert aber auf anBGH v. 8.1. 1963, LM § 823 (Be) Nr. 15. Vgl. Freund, BB 1986,409,413. 667 BGH v. 8. 6.1976, BGHZ 66, 388, 390 m. w. N. 668 BGH v. 14.5. 1974, NJW 1975, 1503, 1505 - Prüfzeichen (zu § 3 UWG); von Gamm, Wettbewerbsrecht, I.Hb, Kap. 8 Rn. 7; Soergel! Zeuner, § 823 Rn. 269; Baumbachl Hefermehl, § 3 Rn. 440 m.w.N; Loydl, Belästigende Werbung, S. 85; Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 125; Scherer, Verbraucherwerbung, S. 250. 669 Schricker, GRUR 1975, 111, 117; Schmid, Telefonwerbung, S. 30 dort Fn. 99; Sack, NJW 1975, 1303; Fricke, GRUR 1976,680; Lehmann, Vertragsanbahnung, S. 105 ff.; Fezer, WRP 2001,989, 1019. 670 Vgl. Schmid, Telefonwerbung, S. 172; Loydl, Belästigende Werbung, S. 93. 665

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deren Bahnen. 671 Zur Begründung seiner Ansicht stützte das Gericht sich hauptsächlich auf die Sonderregelung des § 13 Abs. 2 UWG, der die Aktivlegitimation der entsprechenden Unterlassungsansprüche normiert und betonte dessen Verdrängungswirkung. Diese Rechtsprechung wird von der heute h.M. auf § 1 UWG übertragen. Es bleibt festzuhalten, dass von einem umfassenden deliktischen Schutz über diesen Weg jedenfalls nicht ausgegangen werden kann. Denn von einem umfassenden Rechtsschutz kann keinesfalls gesprochen werden, wenn der Einzelne mit derartigen Unwägbarkeiten konfrontiert wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn der BGH eine tendenziell ablehnende Haltung einnimmt.

2. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 317 StGB Auch die Vorschrift des § 317 StGB hilft dem betroffenen Rezipienten zur Abwehr unverlangter kommerzieller Kommunikation nicht weiter. Abgesehen davon, dass nur in Ausnahmefällen der enge Tatbestand der Störung von Telekommunikationsanlagen vorliegt, ist § 317 StGB nach h.M. kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. 672

IV. Eigentumsschutz i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit durch die Zu sendung unverlangter kommerzieller Kommunikation eine Eigentumsverletzung gern. § 823 Abs. 1 BGB vorliegen kann. Bei Telefonwerbung erscheint eine solche fernliegend. Naheliegend erscheint es dagegen, hinsichtlich der Werbung per Telefax eine Eigentumsverletzung zu bejahen, da hier Eigentum in Form von Papier und Toner verbraucht und somit verletzt wird. 673 Problematischer erscheint dagegen eine Eigentumsverletzung bei E-Mail-Werbung. Stellt man auf die Kosten ab, die durch den Abruf entstehen, muss beachtet werden, dass § 823 Abs. 1 BGB nicht das Vermögen in seiner Gesamtheit schützt, sondern nur absolute Rechte. 674 Zwar dürfte unstreitig sein, dass durch den Abruf einer E-Mail für den Account-Inhaber Kosten entstehen, auch wenn sie noch so gering sein mögen. 675 Kausal sind diese jedenfalls dann, wenn der Inhaber eine zeit- beziehungsweise datenmengenabhängige Abrechnung mit seinem Internetprovider vereinbart hat und nicht eine sogenannte Flat-Rate auf Grundlage einer pauschalen Abrechnung nutzt. Nur aufgrund dieser entstehenden Kosten auf eine Eigentumsverletzung zu schließen, ist indes verfehlt, BGH v. 14.5.1974, NJW 1975, 1503, 1505 - Priifzeichen. BGH v. 25.1. 1977, NJW 1977, 1147; Tröndle/ Fischer § 317 Rn. 2. 673 So auch Mutter, DZWir 1995, 171, 172. 674 Vgl. BGH v. 4. 2.1964, BGHZ 41,123 ff.; PalandtiThomas, § 823 Rn. 31. 675 Berechnungsbeispiel bei Schmittmann in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 9 f.; vgl. näher unten S.245. 671

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da dann der Rechtsschutz über § 823 Abs. 1 BGB zu einem Vermögensschutz degradiert wird. 676 Zu denken wäre eher an eine Eigentumsbeeinträchtigung der benutzten Hardware, schließlich ließe sich argumentieren, dass die empfangene E-Mail beispielsweise Festplattenkapazität oder Hauptspeicher auf dem Rechner verbraucht. 677 Dagegen kann einmal eingewendet werden, dass es schon fraglich ist, ob überhaupt eine derartige Beeinträchtigung vorliegt. Dies vor allem im Hinblick auf das Verhältnis von heutigen Festplattenkapazitäten und der Größe einer E-Mail. Überdies würde ein Eigentumsschutz demjenigen Empfänger nichts bringen, der auf einem fremden Rechner, am Arbeitsplatz oder im Intemetcafe seine E-Mail abfragt. Ein umfassender Schutz des Adressaten wäre somit über den Eigentumsschutz nicht zu erreichen.

V. Besitzschutz i.S.v. § 823 Abs.l BGB Nach h.M. ist auch die tatsächliche Sachherrschaft im Sinne des schlichten Besitzes nach § 823 Abs. I geschütztes Rechtsgut. 678 Hoeren ist der Ansicht, dass das Hinterlassen von sogenannten Cookies679 auf der Festplatte des Internetnutzers eine Besitzstörung sei und im Rahmen des § 862 Abs. 1 BGB abgewehrt werden könne. 68o Unter Besitzstörung ist die Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzers im Genuss des Besitzes in der Weise zu verstehen, dass ein befriedeter Zustand in einen solchen der Rechtsunsicherheit verwandelt wird. 681 Dies ließe sich auch auf E-Mail-Nachrichten übertragen. Nutzt man einen E-Mail-Dienst in Verbindung mit dem World-Wide-Web Dienst, hat der Nutzer die Möglichkeit, eine E-Mail zu löschen, ohne dass sie auf seinen benutzten Endrechner geladen wird. Insoweit scheidet eine Beeinträchtigung der Festplattenkapazität von vorneherein aus. Jedoch wird auch in diesem Fall ein Teil des vom E-Mail-Service Provider zur Verfügung gestellten Platzes von der unverlangten E-Mail eingenommen. Eine Beeinträchtigung wäre somit spätestens dann gegeben, wenn die Grenzen des zur Verfügung gestellten Speicherplatzes durch unverlangte Post überschritten werden und somit 676 LG Berlin v. 13. 10. 1998, CR 1999, 187 für E-Mail Werbung; Laga, JurPC Web-Dok. 2000/170, Abs. 42 zum österreichischen Recht; a.A. wohl aber Schmittmann in: Horster 1 Fox (Hrsg.), S. 11, der den wirtschaftlichen Schaden wohl als Eigentumsverletzung versteht; vgl. auch AG Essen-Borbeck v. 16. 1. 2001, JurPC Web-Dok. 62/2001, Abs. 9; Moritz, CR 1998,623,624. 677 Vgl. Vehslage, K&R 2000, 203, 204; ablehnend AG Dachau v. 10.7.2001, NJW 2001, 3488 unter Hinweis auf den rein vermögensrechtlichen Charakter von "Speicherkapazität". 678 Medicus, BR Rn. 607; Palandtl Thomas, § 823 Rn. 13; 679 Cookies sind kleine Datenpakete, die von einem Inhaber einer Intemetseite an den Besucher der Seite, genauer an dessen Rechner gesandt werden und Informationen über dessen "Surfverhalten" beinhalten. Beim nächsten Besuch derjenigen Seite wird dann diese Information ausgewertet. 680 Hoeren, DuD 1998,277 ff. 681 Palandtl Bassenge, § 858 Rn. 6.

II Rothley

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eingehende Post nicht mehr auf dem Server abgelegt werden kann. Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass der Nutzer an diesen Hardwarekapazitäten ein Besitzrecht hat. Im Übrigen würde eine Lösung über den Besitzschutz auch demjenigen nichts nützen, der sich für seinen E-Mail-Abruf eines Internetcafes bedient, da auch an diesen Rechnern in der Regel kein Besitzrecht eingeräumt wird. Ein umfassender Schutz ist somit auch über das Besitzrecht nicht zu erreichen.

VI. Der Freiheitsbegriff des § 823 Abs. 1 BGB Eine Lösung der Problematik von unverlangter Information könnte mit Hilfe der deliktisch geschützten Freiheit zu finden sein. Schließlich ist einmal diejenige Freiheit betroffen, inwieweit ein Rezipienten darüber entscheiden kann, welche Informationen ihn auf einem bestimmten Kommunikationswege erreichen sollen. Zudem ist im Fall der kommerziellen Kommunikation die Freiheit des Verbrauchers betroffen, eine selbstbestimmte und nicht von dritter Hand gesteuerte Produktauswahl zu treffen. Ein solches Vorgehen setzt aber ein weites Verständnis des Freiheitsbegriffs voraus. Die heute ganz h.M. versteht jedoch unter Freiheit im Sinne des § 823 Abs. 1 BOB nur die Einschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit i. S. d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. 682 Nicht unter den Freiheitsbegriff fällt hiernach die allgemeine Handlungsfreiheit. Teilweise wird jedoch die Auffassung vertreten, dass ebenso die Entschließungsfreiheit und die Freiheit der freien Willensbetätigung und -bestimmung geschützt ist. 683 Gegen ein solch weites Verständnis spricht aber schon zum einen der sprachliche Kontext mit Leben, Körper und Gesundheit, womit jeweils ein konkret eingrenzbares Rechtsgut beschrieben wird und nicht ein weites Rahmenrecht zur Verfügung gestellt wird. 684 Weiterhin gibt es auch eine Reihe von grundrechtlich verbürgten Freiheiten, die mit dem Begriff in § 823 Abs. 1 BGB nicht gemeint sind. 685 Dies ist wiederum Indiz für einen engen Freiheitsbegriff. Schließlich erscheint eine Ausweitung des Freiheitsbegriffs in Richtung der menschlichen Entfaltungsfreiheit nicht angebracht, da der weite Bereich der menschlichen Entfaltungsfreiheit insoweit besser im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes gewährleistet werden kann. 686

682 Staudingerl Hager § 823 B 53; MünchKomml Mertens § 823 Rn. 82; Larenzl Canaris, SR § 76 11 2a; PalandtlThomas § 823 Rn. 6; a.A. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 175 ff. 683 Leinemann, Freiheitsbegriff, S. 100 ff.; Eckert, JuS 1994,625; tendenzielle auch diejenige, die mit einem Verbraucherpersönlichkeitsrecht dessen Entschließungsfreiheit sichern wollen, vgl. Lehmann in: FS Hubmann, S. 255, 266 ff., dazu näher unten S. 186 ff. 684 Vgl. Larenzl Canaris, SR § 76 11 2a. 685 Z. B. Art. 4 Abs. 1 GG. 686 MünchKomml Mertens § 823 Rn. 82.

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VII. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Im Folgenden soll nun der Frage nachgegangen werden, wie die Problematik der unverlangten kommerziellen Kommunikation mit Hilfe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelöst werden kann. Dieser Punkt wurde zuvor bewusst so weit wie möglich ausgespart. Hierzu sind vorweg die grundlegenden Strukturen dieses Rechtsinstituts anzusprechen, insbesondere die Probleme, die sich aus seiner Besonderheit als Rahmenrecht ergeben. Sodann wird versucht, die verschiedenen Fallgruppen der kommerziellen Kommunikation dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu unterwerfen. Dabei soll nicht erneut versucht werden, auf die dogmatische Begründung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht näher einzugehen. Dies ist in der wissenschaftlichen Literatur schon in ausreichendem Maße geschehen. 687 Es soll in diesem Zusammenhang vielmehr untersucht werden, ob der der Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugrunde liegende Schutz auftrag geeignet ist, brauchbare Ansätze für die Regelung von unverlangter kommerzieller Kommunikation hervorzubringen, die sich schließlich technologieübergreifend verwenden lassen. Hierzu werden vor allem die Grundsätze zum Schutz der Privatsphäre entsprechend erörtert. Am Ende steht dann eine Wertentscheidung, die im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichem Wachstumsdenken und individueller Lebensqualität in der Informationsgesellschaft eine eindeutige Weichenstellung darstellt. 688 1. Ausgangspunkt

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist, dass in der Vergangenheit den Fällen der aufgedrängten Information, speziell der Werbung, neben der wettbewerbsrechtlichen Relevanz auch eine solche persönlichkeitsrechtlicher Art zugesprochen wurde. In den Fällen der Telefonwerbung gelang dieser Brückenschlag in der Literatur und Rechtsprechung mit Hilfe der Privatsphäre und dem persönlichkeitsrechtlichen Verständnis, das jener zugrunde liegt. 689 Insoweit kann man von einer gefestigten Argumentation sprechen. Für neuere Technologien wie E-Mail, Handy oder andere Individualkommunikationstechniken gilt Letzteres jedoch nicht. Zwar wird hier teilweise auch auf persönlichkeitsrechtliche Erwägungen hingewiesen, ein Bemühen um eine diesbezüglich überzeugende Argumentation abgesehen von pauschalen Hinweisen auf den Schutz der Individualsphäre - ist aber soweit ersichtlich bislang ausgeblieben. 69o Grund hierfür ist wohl, dass die 687 Vgl. insb. Hubmnnn, Persönlichkeitsrecht, S. 85 ff.; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 79 ff.; Baston- Vogt, Schutzbereich, S. 13 m. w. N. 688 Vgl. die Forderung von Krüger-Nieland, GRUR 1974,561,565. 689 Siehe oben S. 85 ff. 690 Vgl. nur LG Traunstein v. 18. 12. 1997, NJW 1998, 1648, welches in einern Satz der unverlangten E-Mail Werbung die persönlichkeitsrechtliche Relevanz mit dem Argument des

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Problematik primär aus wettbewerbsrechtlichem Blickwinkel beleuchtet wurde und keine Notwendigkeit eines umfassenden deliktischen und subjektiv-rechtlichen Schutzes gesehen wurde. 691 Die folgenden Ausführungen sollen versuchen, diese Versäumnisse zu bereinigen. a) Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeits rechts

Mit der Leserbrief-Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1954 wurde erstmalig das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. 692 In dieser Entscheidung noch nicht ausdrücklich erwähnt, geht die nunmehr ständige Rechtsprechung des BGH davon aus, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB darstellt. 693 Damit berichtigte der BGH die ursprüngliche Auffassung des Gesetzgebers, es gäbe kein bürgerlich-rechtlich zu schützendes allgemeines Persönlichkeitsrecht und folgte damit den Forderungen des Schrifttums, das sich schon zuvor für die Anerkennung eines umfassenden Persönlichkeitsschutzes eingesetzt hatte. 694 Vor dem Hintergrund eines fehlenden zivilrechtlichen Schutzes der Gesamtpersönlichkeit hatte das Reichsgericht zuvor in ständiger Rechtsprechung einen umfassenden Persönlichkeitsschutz abgelehnt. 695 Letzterer war nur insoweit vorhanden, als Teilbereiche der menschlichen Persönlichkeit in Form von besonderen Persönlichkeitsrechten696 betroffen waren oder es sich um besonders krasse Fälle von Persönlichkeitsfehlenden Eingriffs in die Individualsphäre absprach; eine Verletzung allerdings bejahend LG Berlin v. 14. 11. 2000, MDR 2001, 391; AG Brakel v. 11. 2. 1998, NJW 1998,3209; AG Essen-Borbeck v. 16. 1. 2001, JurPe Web-Dok. 62/2001; wohl auch LG Kiel v. 20. 6. 2000, JurPe Web-Dok. 166/2000, Abs. 12 mit der insoweit detailliertesten Begründung. 691 Vgl. Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 202, der von einem höchst unvollkommenen Schutz der Rspr. in Bezug auf unverlangte Werbezusendung spricht. 692 BGH v. 25. 5. 1954, BGHZ 13, 334 ff. - Leserbrief; vgl. Maunz 1Dürig, Art. I Rn. 38, der die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Zivilrecht als den "kühnste(n) und im Prinzip gelungenste(n) Wurf des Privatrechts während der letzten Jahre" ansieht. 693 BGH V. 2. 4.1957, BGHZ 24, 72 ff. - Krankenpapiere; BGH v. 14.2. 1958, BGHZ 26, 349,354; Ehmann, JuS 1997, 194, 195; kritisch unter Hinweis auf teleologische und systematische Unstimmigkeiten Larenz 1Canaris, SR § 80 I 1; Soergel/ Zeuner § 823 Rn. 71; Medicus, BR Rn. 615, die eine Anlehnung an die Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit befürworten. 694 Wegbereitend insb. Hubmann mit seiner Habilitationsschrift "Das Persönlichkeitsrecht" aus dem Jahre 1953 (im folgenden zitiert als 2. Auflage aus dem Jahr 1967); für die Anerkennung eines allgemeinen Persönlichkeitsrecht eingesetzt haben sich des Weiteren von Gierke, Deutsches Privatrecht, Band I, S. 707; Kahler, Archiv für bürgerliches Recht, Band 7, 94, 101; vgl. auch Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 89 ff. m.w.N; der "Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des zivilrechtlichen Persönlichkeits- und Ehrenschutz" v. 18.8.1959 (Bt-Ds 1237/3) erlangte keine Gesetzeskraft. 695 Vgl. etwa RG v. 12.5.1926, RGZ 113,414; RG v. 16.2.1929, RGZ 123, 312, 320; RG v. 7. 12. 1932, RGZ 139, 87, 92; weitere Nachweise bei Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 3 Fn. 6.

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verletzungen gehandelt hat, die durch § 826 BGB aufgefangen wurden. 697 Unter dem Hintergrund, dass aber das Grundgesetz in Art. 1 Abs. 1 das Recht des Menschen auf Achtung seiner Würde und in Art. 2 Abs. 1 das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert und weiterhin diese Rechte auch private, von jedermann zu achtende Rechte sind, folgert der BGH in seiner Entscheidung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein verfassungsmäßig gewährleistetes Grundrecht angesehen werden müsse. 698 Verfassungsrechtliche Basis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist somit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Die Notwendigkeit für dieses neue Rechtsinstitut lag vor allem in der technischen Veränderung der Presselandschaft, den neuartigen Recherchemöglichkeiten und der zunehmenden Möglichkeit, in den verbleibenden Privatbereich des Einzelnen einzudringen. 699 Hinzu kam jedoch auch ein durch den Erlass des Grundgesetzes erfolgter weit reichender Wertungswandel in der Gesamtrechtsordnung,700 der einherging mit einem aufgrund der leidvollen Erfahrungen in der NS-Zeit sensibilisierten Persönlichkeitsbewusstsein. 701 Ausdrückliche Billigung durch das BVerfG erfuhr die Rechtsprechung des BGH erst im Jahre 1973 durch die Entscheidung in Sachen Soraya. 702 Dort hatte das BVerfG einen unmittelbaren Auftrag an den Staat erteilt, einen wirkungsvollen Persönlichkeitsrechtsschutz zu gewährleisten und darüber hinaus festgestellt, dass sich der BGH bei der Schaffung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechtschutzes in den verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Rechtsfortbildung gehalten hatte. Jene Entscheidung trug jedoch wenig zur zivilrechtlichen dogmatischen Konstruktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei 703 und beschränkte sich diesbezüglich auf die Aussage, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht mittlerweile fester Bestandteil der Rechtsordnung geworden ist und keine verfassungsrechtlichen Gründe ersichtlich seien, dieser Rechtsprechung entgegenzutreten. 704

696 Hierunter fallen Leben, Körper, Gesundheit, körperliche Bewegungsfreiheit (§ 823 Abs. 1 BGB), Name (§ 12 BGB), Ehre (§ 823 Abs. 2 BGB i.Y.m. § 185 ff. StGB, § 825 BGB als Sonderfall), wirtschaftliche Wertschätzung (§ 824 BGB), Urheberpersönlichkeitsrechte (§§ 11 ff., 97 ff. UrhG), Recht arn eigenen Bild (§§ 22 ff. KunstUrhG); Schutz personenbezogener Daten (vgl. § 1 Abs. 1 BDSG) 697 Z. B. RG v. 13. 1. 1927, RGZ 115, 416; RG v. 18. 10. 1939, RGZ 162, 7; MünchKomm/ Rixecker, § 12 Anh. Rn. 10. 698 BGH v. 25. 5. 1954, BGHZ 13,334,338 - Leserbrief. 699 Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 12. 700 Vgl. Larenz/ Canaris, SR § 80 I 2; Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S. 91. 701 Forkel in: FS Neumayer, S. 229, 238; Langer, Informationsfreiheit, S. 55. 702 BVerfG v. 14.2. 1972, BVerfGE 34, 269, 281 ff. - Soraya. 703 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 76. 704 BVerfG v. 14.2.1972, BVerfGE 34, 269, 281 - Soraya.

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b) Die Wirkung von Art. 2 Abs. 1 i. v.m. Art. 1 Abs. 1 GG im Zivilrecht aa) Die verschiedenen Ansätze zur Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht Betrachtet man die Urteilsbegründung der Leserbrief-Entscheidung des BGH im Hinblick auf das Verhältnis von Grundrechten und Privatrecht, erkennt man Schwächen in der ohnehin knappen Begründung. Ausgangspunkt für das Gericht ist nämlich, dass das durch Art. I Abs. I und Art. 2 Abs. I GG legitimierte allgemeine Persönlichkeitsrecht ein von ,jedermann zu achtendes Recht" ist. 705 Dies setzt aber voraus, dass die Grundrechte auch die Privatrechtssubjekte untereinander als unmittelbare Adressaten binden, die Grundrechte also mithin unmittelbare Wirkung im Privatrechtsverkehr haben, was aber der heute herrschenden Rechtsauffassung zuwiderläuft. 706 Konsequenz einer solchen unmittelbaren Drittwirkung wäre dann, das entgegen der heute h.M. 707 keine inhaltliche Differenzierung zwischen grundrechtlichen und zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht stattfinden dürfte. Dies ist nach der h.M. insoweit der Fall, als sich im Zivilrechtsverkehr der Schutz im Rahmen einer wertenden und elastischen Betrachtung auf besonders wichtige und gefährdete Persönlichkeitsinteressen beschränkt und sich hieraus eine inhaltliche Differenzierung ergibt. 708 Legt man dagegen eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte zugrunde, ist der einzige Unterschied zwischen grundrechtlichen und zivilrechtlichen Persönlichkeitsrecht die Wirkrichtung, im ersten Fall horizontal, im letzten vertikal. Die Reichweite des Schutzbereiches ist aber in beiden Fällen gleich.

(1) Die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung Die ursprünglich von Nipperdey begründete und später vom BAG aufgenommene Ansicht von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte geht davon aus, dass über Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG hinaus auch andere Grundrechte absolute Wirkung zwischen Privatsubjekten haben. Im Rahmen von Rechtsgeschäften führt § 134 BGB dann zu deren Nichtigkeit, da die Grundrechte Verbotsgesetze in jenem Sinne sind. Darüber hinaus können die Grundrechte als sonstige Rechte i.S.v. § 823 Abs. I BGB zu deliktischen Abwehransprüchen führen. 709 Adressat der GrundBestätigt durch BGH v. 14.2.1958, BGHZ 26,349,354 - Herrenreiter. BVerfG v. 23. 4. 1986, BVerfGE 73, 261, 269 - Sozialplan; vgl. statt vieler Stern, Band. 11111, S. 1530; v. Münch, Vorb. Art. 1-19 GG Rn. 31. 707 Maunz/ Dürig, Art. 2 Rn. 40; Jarass, NJW 1989, 858; Larenz/Canaris. SR § 80 I 3 a; Erman/ Ehman, Anh. zu § 12 Rn. 78; a.A. Staudinger/ Hager § 823 C 4. 708 Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 25. 709 Ennecerus / Nipperdey, AT, S. 95 f.; BAG v. 3. 12. 1954, NJW 1955, 606; BAG v. 29.6.1962, NJW 1962, 1981; BAG v. 17.5. 1983, NJW 1984,824,825; vgl. Tendenzen von der unmittelbaren Drittwirkung wegführend in BAG v. 27. 2. 1985, NJW 1985,2986; BAG v. 27.5. 1986, NJW 1986, 674, 676. 705

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rechte ist somit nicht nur der Staat, sondern auch das Subjekt des Privatrechts. 710 Hierfür lässt sich als Begründung einmal anführen, dass die soziale Macht mit der staatlichen Macht vergleichbar ist. Darüber hinaus ist das Freiheitsrecht des Einzelnen aufgrund des Sozialstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 Satz 1 GG bestimmten sozialen Bindungen unterworfen. 71l Dagegen spricht jedoch einmal die historische Funktion der Grundrechte, die die generelle Überlegenheit des Staates auszugleichen versucht. Eine derartig generelle Überlegenheit zwischen rechtlich gleichgestellten Privatpersonen liegt jedoch nicht vor. Zwischen ihnen ist vielmehr schon durch das Privatrecht mittels freiheitlicher und gleichheitlicher Prinzipien auf Basis der Privatautonomie ein Ausgleich geschaffen?12 Eine schärfere Kontrolle der Rechtsbeziehungen unter Privaten anhand der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit - die typische Systematik einer Grundrechtsprüfung - würde diese Balance unterlaufen und die Privatautonomie aushöhlen. 713 Gegen eine unmittelbare Drittwirkung spricht auch, dass sich hinsichtlich Privatpersonen auf beiden Seiten Grundrechtsträger gegenüber stehen, was dazu führt, dass die Rechtseinräumung an den einen unweigerlich eine Freiheitseinbuße des anderen mit sich bringt. Schließlich ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 3 und Art. lAbs. 1 Satz 2 GG, dass allein der Staat unmittelbar durch die Grundrechte gebunden sein sol1. 714 Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass die Grundrechte mangels unmittelbarer Wirkung einer Privatperson keine subjektive Rechtsposition gegenüber seinem Mitbürger zuerkennen.

(2) Die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung Eine weit verbreitete Ansicht geht deshalb von einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus. 715 Die Grundrechte beinhalten hiernach nicht nur eine gegen den Staat gerichtete Abwehrfunktion, sondern geben darüber hinaus auch eine objektive Wertordnung vor, die als verfassungsmäßige Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung hat und somit auch das Privatrecht beeinflusst. Die zivilrechtlichen Generalklausein wie §§ 242, 138, 826 BGB und sonstige auslegungsfähige und auslegungsbedürftige Begriffe des Zivilrechts wirken als Medien,716 durch die die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen in das Zivilrecht hinein ausstrahlen. Vgl. Canaris, AcP 184,201,202. Vgl. Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 18 m. w. N. 712 Stern, Band III! 1, S. 1530; Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 27; Dürig in FS Nawiasky, S. 157, 167 ff. spricht in diesem Zusammenhang von einer Gefahr für die Privatautonomie. 713 Canaris, AcP 184, 201, 211. 714 Jarass/Pieroth, Art. 1 GG Rn. 21. 715 Begründet von Dürig in: FS Nawiasky, S. 157, 176 ff.; seit BVerfG v. 22. 11. 1951, BVerfGE 7,198,205 - Lüth st. Rspr. des BVerfG; vgl. Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1 GG Rn. 9; Stern, Band. III! I, S. 1530; von Münch, Vorb. Art. 1-19 GG Rn. 31. 716 Das BVerfG, Fn. 715 bezeichnet diese Normen als "Einbruchsstellen" der Grundrechte in das Zivilrecht. 710 71l

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(3) Die Grundrechte als Schutzgebote an den Staat In Anlehnung an die Theorie der mittelbaren Drittwirkung geht eine zunehmend vertretene Ansicht davon aus, dass die Grundrechte neben ihrer Funktion als Eingriffs verbote ein umfassendes Schutzgebot an den Staat richten. Diesen trifft hiernach die Verpflichtung, die den Grundrechten immanenten Werte und Rechtsgüter vor Verletzungen aktiv zu schützen?!7 Canaris als maßgeblicher Verfechter dieser Lehre verdeutlicht anhand der § 888 Abs. 2 ZPO, § 624 BGB und 74 HGB, dass die Grundrechtsverwirklichung auch durch andere Normen als Generalklausein und wertausfüllungsbedürftigen Tatbeständen stattfindet und somit die mittelbare Drittwirkung in ihrer oben beschrieben Form sich als zu eng erweist. 7!8 Somit hat die Theorie der Schutzgebotsfunktion den Vorteil, dass auch wenn keine geeignete Generalklausei vorhanden ist, ein umfassender Grundrechtsschutz gewährleistet ist. Parallel zur Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gibt diese Ansicht darüber hinaus dem Einzelnen einen subjektiv-rechtlichen Schutzanspruch gegen den Staat. Wegen dieser Vorzüge soll dieser im Vordringen befindlichen Ansicht Folge geleistet werden. Hierfür spricht auch der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG, der ausdrücklich den Begriff "schützen" erwähnt. Somit ist zumindest für den Fall des aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Persönlichkeitsschutzes eine gesetzliche Legitimation des Schutzgebots nicht mehr von der Hand zu weisen. Ob mit dieser Argumentation auch ein solches hinsichtlich der nachfolgenden Freiheitsrechte hergeleitet werden kann, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden. 7!9 Primärer Adressat der Schutzpflicht ist der Gesetzgeber; verbleiben nach dessen Tätigwerden aber noch Lücken, trifft eine entsprechende Verpflichtung auch die Rechtsprechung, die dieser etwa durch schöpferische Rechtsfortbildung nachkommen kann.

bb) Die technische Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben Es gibt mehrere rechtstechnische Möglichkeiten, wie den Grundrechten innerhalb von Privatrechtsbeziehungen zur Geltung verholfen werden kann. Unzweifelhaft genießt aber nicht jedes grundrechtlieh geschützte Interesse auch deliktischen Schutz. no Dies wäre mit dem den Staatsgewalten zuerkannten weiten Gestaltungs717 BVerfG v. 25. 2. 1975, BVerfGE 39, 1, Ls. 1 und S. 42 ff. - Schwangerschaftsabbruch, seither st. Rspr.; Tendenzen zu einem Schutzauftrag aber wohl schon in der Soraya-Entscheidung, Fn. 704 erkennbar; vgl. auch Canaris, AcP 184,201,225, der aber den Ausdruck "mittelbare Drittwirkung" weitgehend vermeiden will; Stern, Band. III S. 1560 m. w. N.; Klein, NJW 1989, 1633 ff. 718 Canaris, AcP 184,201,223. 719 Vgl. hierzu Canaris, AcP 184, 201, 226, der dies unter Hinweis auf die enge Verbindung von Art. 1 Abs. 1 GG und dessen fundamentalen Charakter hinsichtlich der nachfolgenden Freiheitsrechte bejaht. 720 Baston- Vogt, Schutzbereich, S. 25.

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spielraum zur Erfüllung der Schutzpflichten nicht vereinbar.72I Um einen allgemeinen und umfassenden persönlichkeitsrechtlichen Schutz zu gewährleisten, hat sich jedoch die Rechtsprechung innerhalb des auch an sie gerichteten Schutzauftrags für einen deliktischen Schutz im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB entschieden. Nachdem über das "Ob" und das grundsätzliche "Wie" der zivilrechtlichen Umsetzung des aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Gebotes zum Schutz der Persönlichkeit heute weitgehend Einigkeit besteht, stellt sich im Anschluss daran die Frage nach der Reichweite und des Inhalts. Ein Schutzminimum wird der das allgemeine Persönlichkeitsrecht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB ausfüllenden Rechtsprechung zweifellos durch das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß vorgegeben. 722 Inhaltlich orientiert sich die Schutzpflicht an einem effektiven Schutz des jeweiligen Grundrechtsgutes, wobei jedoch ein gerechter Ausgleich im Sinne einer praktischen Konkordanz zwischen den aufeinandertreffenden grundrechtlichen Freiheiten der beiden Privatrechtssubjekte zu suchen ist. 723 Eben Erwähntes gilt jedoch nicht, wenn sich hinter einem Privatrechtssubjekt der Staat in der Form verbirgt, dass er unmittelbar öffentliche Zwecke verfolgt und Aufgaben wahrnimmt, sich dabei jedoch in das Kleid eines Privatrechtssubjektes hüllt. 724 Für diese Fälle des Verwaltungsprivatrechts gilt eine uneingeschränkte Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich der Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Sein Inhalt bestimmt sich direkt und ohne weiteren Spielraum aus Art. 2 Abs. 1 i.Y.m. Art. 1 Abs. 1 GG. cc) Zwischenergebnis Maßgeblich für die inhaltliche Bestimmung des zwischen Privaten Geltung beanspruchenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB ist Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Dieses verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an persönlichkeitsrechtlichem Schutz hat der Richter im Sinne der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte ins Zivilrecht umzusetzen. Eine Begrenzung nach oben findet durch das Übermaßverbot statt. Innerhalb dieses Bereiches kommt der Rechtsprechung ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wie sie den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz ausgestaltet.

Vg!. Klein, NJW 1989, 1633, 1673. Canaris, AcP 184, 201, 228. 723 V. Münch / Kunig, Vorb. Art 1- 19 GG Rn. 47; Jarass / Pieroth, GG, Ein!. Rn. 6; Klein, NJW 1989, 1633, 1673. 724 Vg!. dazu Stern, Band 11111, § 74 IV 2, S. 1396. 721

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2. Unzureichende Systematik des allgemeinen Persönlichkeitsrechts a) Die vorherrschende Systematik

Die h.M. geht davon aus, dass die Tatbestands- und Rechtswidrigkeitsbestimmung beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht durch eine einzelfallbezogene Güterund Interessenabwägung zu erfolgen hat. 725 Inhalt und Grenzen ergeben sich aus einer Einzelfallabwägung mit anderen kollidierenden Rechten. Dabei sind Tatbestands- und Rechtswidrigkeitsebene untrennbar miteinander verwoben. Eine Indizierung der Rechtswidrigkeit wie bei anderen Deliktstatbeständen im Rahmen der Lehre vom Erfolgsunrecht726 findet nicht statt. Entgegen den tatbestandlich fest umrissenen weiteren absoluten Rechten i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein weites, unbestimmtes und offenes Rahmenrecht angesehen, welches seine Grenzen ausschließlich in den entgegenstehenden Rechten Dritter findet. 727 Als Grund für diese Konturlosigkeit des Tatbestands sah Hubmann vor allem das "geheimnisvolle und faustische[n] Wesen[s] der Persönlichkeit", das eine abschließende Bestimmung derselben unmöglich macht. 728 Der BGR betonte in seiner Entscheidung in Sachen Krankenhauspapiere: 729 "Wie sich das Wesen der Persönlichkeit mit ihrer Dynamik nicht in feste Grenzen einschließen lässt, so ist auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht seinem Inhalte nach nicht abschließend festzulegen". Dies kann jedoch nicht kritiklos übernommen werden. b) Kritik

An der Methode der Tatbestandsbestimmung durch die Interessenabwägung wird zunehmend Kritik geäußert. 730 Das Vorgehen der h.M. trägt unzweifelhaft zu einer Systematisierung wenig bei. Es findet keine inhaltliche Präzisierung statt, 725 BGH v. 2. 4. 1957, BGHZ 24,72,78 - Krankenhauspapiere I; BGH v. 20. 3. 1968, BGHZ 50, 133, 140 f. - Mephisto; vgl. Canaris, AcP 184,201,208; Forkel in: PS Hubmann, S. 94; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 98; Baston-Vogt. Schutzbereich, S. 152; Larenz/ Wolf, AT § 16 Rn. 6; Hubmann. Persönlichkeitsrecht, S. 159; Smith, ZEuR 1999, 303, 305; Langer, Informationsfreiheit, S. 56. 726 Vgl. BGH v. 13.3. 1979, BGHZ 74,9, 14; Staudinger/ Hager § 823 A 3; a.A. Esser/ Weyers, SR-BT § 55 11 3; Deutsch, Haftungsrecht I, § 1411 1; für eine differenzierte Betrachtungsweise Erman / Schiemann, § 823 Rn. 7. 727 Statt vieler Ehmann, JuS 1997, 193; Hubmann. Persönlichkeitsrecht, S. 155; vgl. auch Larenz, NJW 1954,521,522. 728 Hubmann. Persönlichkeitsrecht, S. 155. 729 BGH V. 2. 4.1957, BGHZ 24, 72, 78 - Krankenhauspapiere I. 730 Larenz/ Canaris, SR § 80 I 6; Canaris, Jur. Blätter 1991, 205, 209; Forkel in: PS Hubmann, S. 94; Baston-Vogt. Schutzbereich, S. 152 ff.; Scherer, Verbraucherwerbung, S. 265; vgl. auch Larenz, NJW 1954, 521, 522, welcher schon damals der Ansicht war, dass es mit einer "Abwägung der Interessen" nicht getan sei.

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sondern nur eine Aneinanderreihung von Fällen, in denen das allgemeine Persönlichkeitsrecht Anwendung gefunden hat. Eine solche Präzisierung wäre aber schon im Hinblick auf das Bestimmtheitserfordernis bei absoluten Herrschaftsrechten erforderlich, zu denen auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht zählt. 73l Sinn macht eine solche Vorgehensweise durchaus bei Persönlichkeitsaspekten, die in ihrer Eigenart oder ihrer Schutzwürdigkeit noch nicht hinreichend bestimmt sind oder parallel zur gesellschaftlichen Entwicklung noch im Fluss sind. In diesen Fällen ist eine Tatbestandbestimmung durch eine Einzelfallabwägung ein flexibles und auch notwendiges Werkzeug, um eine Annäherung an eine konkrete Fallgruppe zu schaffen. Aus den Schwierigkeiten, die aus der Präzisierung der inhaltlichen Weite des Schutzes resultieren, darf aber nicht gefolgert werden, dass man das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Auffangtatbestand ansehen kann, der jeder systematischen Durchdringung entbehrt. Vielmehr sollte die Rechtswissenschaft darum bemüht sein, das ihr von der Rechtsprechung zur Verfügung gestellte Mittel des allgemeinen Persönlichkeitsrechts tatbestandlieh soweit wie möglich zu konkretisieren. 732 Baston-Vogt ist in diesem Zusammenhang insofern beizupflichten, als sich die Prüfung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuvorderst auf eine genaue Schutzbereichsanalyse konzentrieren sollte, anstatt dem Überwiegen von berechtigten Gegeninteressen das Hauptaugenmerk zu schenken. 733 Diesem Ansatz wird weitest gehend gefolgt. c) Tatbestandskonkretisierung mittels Schutzbereichsanalyse

Einen Ausweg aus der unzureichenden Systematisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist eine detaillierte Tatbestandskonkretisierung mittels eingehender und abstrakt-genereller SChutzbereichsanalyse. 734 Erst nachdem festgestellt worden ist, ob überhaupt schützens werte persönlichkeitsrelevante Belange betroffen sind, können im Rahmen einer nachfolgenden Abwägung die entgegenstehenden Interessen berücksichtigt werden und kann ein diesbezüglicher Ausgleich stattfinden. Dies hat den Vorteil, dass eine - dennoch notwendige - Abwägung an Kon731 Vgl. Larenz/ Wolf, AT § 15 Rn. 12, der aber darauf hinweist, dass die geforderte Bestimmtheit durch die Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Rspr. erzielt wird. Dies ist aber nach der hier vertretenen Auffassung gerade zweifelhaft, da es für einen Dritten nicht leicht erkenn- und bestimmbar ist, inwieweit der Persönlichkeitsschutz reicht. Der Dritte sieht vielmehr nur entschiedene Einzelfälle, anhand derer er sich eine ungefähre Vorstellung über den Schutzumfang herleiten kann. Eine Katalogisierung durch die Literatur wird hier freilich nicht übersehen. 732 Larenz/ Canaris, SR § 80 III 2; vgl. auch Buchner, Untemehmensschutz, S. 59: "Die Entstehung fester tatbestandsmäßiger Regeln ist Resultat geglückter Richterrechtsbildung" . 733 Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 125; ähnlich Scherer, Verbraucherwerbung, S. 265. 734 Larenz/ Canaris, SR § 80 I 6; Canaris, Jur. Blätter 1991, 205, 209; Ehmann, JuS 1997, 193, 196; Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 151; vgl. auch Geis, JZ 1991, 112, 117; kritisch Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 97.

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tur und Überzeugungskraft gewinnt, da nun ersichtlich ist, weshalb und wogegen abzuwägen ist. Das Schutzgut ist aber ohne Abwägung der Interessen so konkret wie möglich festzustellen. Dieser Prüfungsschritt zeigt im Ergebnis, ob ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht überhaupt vorliegt. Man sollte jedoch - um Missverständnisse zu vermeiden - dann nicht von einer Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sprechen. 735 Denn die Verletzungshandlung i.S.v. § 823 Abs. I BGB besteht nach weit verbreiteter Ansicht in einer nachteiligen Beeinträchtigung der dort genannten Rechte oder Rechtsgüter. 736 Beeinträchtigung wäre dann gleichzusetzen mit Verletzung. Unmissverständlicher ist es daher, von einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeits recht oder von einer Berührung737 desselben zu sprechen. Hinsichtlich der hier zu untersuchenden Sachverhalte wird dies der Schwerpunkt der Untersuchung sein - hält man sich vor Augen, dass es gerade im Beispiel der E-Mail-Werbung, dem überwiegend keinerlei persönlichkeitsrechtlicher Bezug beigemessen wird, auf einen ausgewogenen Interessenausgleich gar nicht mehr ankommt. Um der erwünschten Typisierung und Strukturierung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes nachzukommen, ist die Bildung klar umrissener Schutzgegenstände und die Typisierung der verschiedenen Arten der widerrechtlichen Eingriffe zwingend erforderlich. 738 Aus dem Abwägungskonzept können insoweit verschiedenste normative Konzepte entstehen, die in ihrer Zahl jedoch einhergehend mit den unzähligen Facetten der Persönlichkeit - nicht abschließend bestimmt werden können. Jedes dieser normativen Konzepte drückt sich in einem fest umrissenen Tatbestand aus, dessen Entwicklung eine ausgiebige Interessenabwägung vorausgegangen ist. Nachdem also in einem ersten Schritt der Eingriff in persönlichkeitsrechtliche Belange festzustellen ist, muss in einem weiteren Schritt gefragt werden, wie sich jene Belange zu den schützenswerten Interessen des Eingreifenden verhalten. Überwiegen erstere Belange, steht eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes fest. Der Tatbestand einer Persönlichkeitsverletzung ist erfüllt. Durch eine solche Strukturierung wird dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht der notwendige Charakter eines offenen und entwicklungsfähigen Rechts genommen. Diesen behält es vielmehr für die Ausprägungen der Persönlichkeit bei, die jetzt aus den unterschiedlichsten Gründen noch nicht erkennbar oder greifbar sind. Mögliche Konsequenz eines derartigen Vorgehens wäre schließlich in bestimmten Fällen eine indizierte Feststellung der Rechtswidrigkeit, wie sie nach h.M. bei anderen absoluten Rechten innerhalb 735 So aber Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 156 in Anlehnung an die Struktur der Grundrechtsprüfung. 736 Vgl. etwa PalandtlThomas, § 823 Rn. 2. 737 Vgl. zur Trennung von Berührung und Verletzung BVerfG v. 10. 11. 1998, BVerfGE 99,185,193,195 - Scientology. 738 Vgl. Forkel in: FS Hubmann, S. 105; nicht ausreichend ist aber die Fallgruppe "Recht auf Schutz vor aufdringlicher und belästigender Werbung", vgl. hierzu Freund, Persönlichkeitsrecht des Umworbenen, S. 108.

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§ 823 Abs. I BGB stattfindet. 739 Canaris hält schon jetzt in den Fällen der Entstellung und unwahren Behauptung, der Herabsetzung und der wirtschaftlichen Nutzung eine Indizierung der Rechtswidrigkeit für möglich. 74o Dass diese Aufzählung vorbehaltlich der technologischen Entwicklung abschließend sein soll, ist dabei nicht erkennbar.

Beurteilt man die Rechtswidrigkeit erfolgsbezogen, so indiziert die Tatbestandmäßigkeit die Rechtswidrigkeit. Unabhängig vom Streit über Handlungs- und Erfolgsunrecht trifft dies jedenfalls dann zu, wenn der Schädiger, wie es bei unverlangter kommerzieller Kommunikation zumeist der Fall sein dürfte, bedingt vorsätzlich handelt. 741 Grund hierfür ist die Annahme, dass der Tatbestand nicht eine wertfreie, rechtlich neutrale Umschreibung eines typischen Lebenssachverhaltes ist, sondern ihm materielle Bedeutung bei der Unrechtsbeschreibung zukommt. 742 Somit kann für die Regelfälle ein sicheres Unrechtsurteil gefunden werden. Verletzt nun ein Dritter das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Individuums, so kann diesem Erfolg ohne weiteres unrechtsindizierende Wirkung beigemessen werden, ebenso wie es sich beispiel weise bei einer Eigentumsverletzung verhält. In beiden Fällen verwirklicht sich ein Unrechtsgehalt, dem Indizwirkung zukommt. Einziger Unterschied ist, dass eine Eigentumsverletzung aufgrund der festen Umrisse des Schutzgutes zumeist einfach feststellbar ist, während bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine entsprechende Unrechtsfeststellung erst nach Abwägung beiderseitiger, rechtlich geschützter Interessen erfolgen kann. Dies dürfte konsequenterweise auch nicht die h.M. verneinen, die eine Rechtswidrigkeitsindizierung beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht grundsätzlich ablehnt. 743 Sie schließt nämlich nur aus, dass man durch Bejahung eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sogleich eine Rechtswidrigkeitsindizierung folgen lässt. Kann aber nach Abwägung beiderseitiger Interessen eine typische Fallgruppe herausgestellt werden, deren Unrechts gehalt eben in dieser typischen und regelmäßig auftretenden Lebenssituation immer ein Rechtswidrigkeitsurteil nach sich zieht, so ist eine Indizierung der Rechtswidrigkeit nur die konsequente Folge. Die Tatsache, dass es sich hierbei nicht um einen gesetzlich formulierten Tatbestand, sondern um eine durch Auslegung konkretisierte Variante eines offenen Rechts handelt, rechtfertigt keine diesbezügliche Ungleichbehandlung. In diese Richtung schließlich zielen auch verschiedene Ansichten im Schrifttum, die trotz unterschiedlicher dogmatischer Vorgehensweisen auf dem gleichen Grundgedanken basieren. 744 Dem zufolge ist die Berücksichtigung und Bewertung aller beteiligter 739 Palandtl Thomas, § 823 Rn. 33; vgl. auch Fikentscher, Wirtschaftsrecht, Band 11, § 21, S. 112 für die besonderen Persönlichkeitsrechte. 740 Larenzl Canaris, SR § 80 III 1 b; ders. Jur. Blätter 1991,205,209 .. 741 Kötz, Deliktsrecht, Rn. 98. 742 Vgl. Nipperdey, NJW 1967, 1985, 1988; Larenz, NJW 1954,521,523. 743 Vgl. statt vieler MünchKomml Rixecker, § 12 Anh. Rn. 8; Palandt/Thomas, § 823 Rn. 744 Vgl. Darstellung bei Scherer, Verbraucherwerbung, S. 276 ff. m. w. N.

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Interessen im Vorfeld zwingend notwendig, will man vertypte Unrechtstatbestände bilden. Wie dies technisch im Einzelnen vonstatten geht, ist zweitrangig. Die Grenze einer derartigen Beschreibung von Tatbeständen muss jedoch immer dort gezogen werden, wo sich der Zweck, die Gruppierung und Gliederung des komplexen Persönlichkeitsrechts insoweit in sein Gegenteil kehrt, als nunmehr eine unübersichtliche Aufsplitterung in kleinste Partikel stattfindet und sich somit die Fallgruppe nur noch für Sonder- und Ausnahmefälle eignet. 745 Zwar wirkt die hier interessierende Fallgruppe der kommerziellen Kommunikation per elektronischer Individualkommunikation auf den ersten Blick sehr eng gefasst. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Medien der Individualkommunikation sich in fortschreitender technischer Entwicklung befinden und so ein diesbezüglich weites Verletzungspotential aufweisen. Individualkommunikation auf telekommunikativem Wege hat jetzt schon durch die ihr zugrunde liegenden unterschiedlichen Medien ein weites Spektrum, das sich in Zukunft noch ausweiten wird. Somit eignet sich das unverlangte Zusenden von kommerzieller Kommunikation im Wege der individuellen Telekommunikation uneingeschränkt als Tatbestandsumschreibung. Bei der Einordnung der zu schützenden Interessen hinsichtlich ihrer persönlichkeitsrechtlichen Relevanz und der Herausarbeitung von Schutzbereichen kann als Ausgangspunkt entweder das Persönlichkeitsgut oder aber die Eingriffs- und Verletzungshandlung dienen. 746 Im ersten Fall muss eine objektiv vorhandene Erscheinungsweise der Persönlichkeit als Schutzgegenstand herausgearbeitet werden, wie das beispielhaft beim Privatsphärenschutz der Fall ist. Hier dominiert das Erfolgsunrecht, während bei der Einordnung nach der Form des Eingriffs das Verhaltensunrecht im Vordergrund steht. 747 Einen konkreten Versuch einer solchen Einordnung liefert Peifer. Hiernach ist hinsichtlich einer Verletzung zwischen Persönlichkeitsgut und Persönlichkeitsinteressen zu differenzieren. 748 Während im ersten Fall die Eingriffshandlung, den absoluten Rechtsgütern in § 823 Abs. 1 BGB entsprechend, vom Erfolg her definiert werden kann, sei im Hinblick auf die Verletzung von Persönlichkeitsinteressen eine am Handlungsunrecht orientierte Beurteilung geboten. Die Verletzung von Persönlichkeitsinteressen kann dann erst nach einer umfassenden Abwägung erfolgen. 749 In den dieser Untersuchung zugrundeliegenden Sachverhalten böte sich auf den ersten Blick auch eine am Verhaltensunrecht orientierte Beurteilung an, da eine konkret fassbare Art des Eingriffs vorliegt. Die Tatbestandkonkretisierung würde sich dann an der Wahl des Kommunikationsmittels und an der Art der Information orientieren, anstatt eine bestimmte PersönForkel in: FS Hubmann, S. 104, 105. Vgl. Forkel in: FS Hubmann, S. 98,105; Larenz/Canaris, SR § 8011; Peifer, Individualität, S. 141 ff. 747 Larenz I Canaris, SR § 80 11 6 a. 748 Peifer, Individualität, S. 145. 749 Peifer, Individualität, S. 147. 745

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lichkeitssphäre herauszustellen. Vordergründig wäre so eine konkrete Bestimmung des Tatbestandes möglich und damit der erwünschten und vielfach geforderten Systematisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Rechnung getragen. Die Untersuchung des Schutzgutes ist aber unverzichtbare Voraussetzung, will man eine vom Einzelfall losgelöste Typisierung mit indiziertem Unrechtsurteil erreichen. Erst dieses wird der hier geforderten Systematisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vollends gerecht. Insofern darf der Blick auf ein betroffenes Rechtsgut nicht ausbleiben. Entscheidend bleibt doch immer, in welchen Gegenstand konkret eingegriffen wird. Denn nur wenn sich der Eingriff in Form der Tathandlung gegen die Persönlichkeit des Einzelnen richtet, kann eine Persönlichkeitsrechtverletzung überhaupt vorliegen. Insofern kann die vorgeschlagene Differenzierung in Persönlichkeitsgüter und Persönlichkeitsinteressen keine große Hilfe leisten. Zweifelhaft ist bereits, ob eine einwandfreie Abgrenzung gelingen kann, da Persönlichkeitsgüter - wie später noch im Einzelnen dargelegt werden soll letztlich durch die hinter ihnen stehenden Interessen definiert werden. 75o Die Arbeit beschränkt sich nicht auf die Analyse der vorhandenen und gefestigten persönlichkeitsrechtlichen Schutzgüter. Es gilt vielmehr festzustellen, ob sich die Interessen des Einzelnen, die teilweise erst durch neuere gesellschaftliche Entwicklungen in Erscheinung getreten sind, nicht unter ein begrifflich neues Schutzgut fassen lassen. Dass Überschneidungen mit bisher bekannten Bereichen oder Sphären, wie beispielsweise der Privatsphäre, eintreten, behindert ein solches Vorgehen nicht. Auch stünde der Entwicklung einer neuen Sphäre nichts im Wege, solange dies nur aus dem Grund einer umfassenden Beschreibung der dahinterstehenden Interessen geschieht. Es muss also ein Schluss von dem Interesse auf die Sphäre und nicht umgekehrt erfolgen. Die persönlichkeitsrelevanten Interessen müssen genau definiert werden und können mit einer umschreibenden Hülle umgeben werden. Ob die Hülle entgegen zunehmender Kritik an der Sphärentheorie751 dennoch als irgendwie geartete Sphäre beschrieben wird, ist allenfalls von zweitrangigem Interesse. Dies relativiert schließlich auch die Frage, ob im Hinblick auf ein Unrechtsurteil entweder am Persönlichkeitsgut oder aber an der Eingriffs- und Verletzungshandlung anzusetzen ist.

3. Die Einordnung von unverlangter kommerzieller Kommunikation unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht a) Verfassungsrechtliche Mindestanforderungen

Da der umfassende Schutz der menschlichen Gesamtpersönlichkeit ihren Ausgangspunkt in Vorgaben der Verfassung findet, ist es zwingend, jene Normen auf 750 Vgl. auch Scherer, Verbraucherwerbung, S. 265, die betont, dass zur Schutzbereichsbestimmung eine präzise und exakte Beschreibung der Verletzungshandlung sowie eine scharfe Bestimmung des betroffenen Interesses notwendig ist. 751 Vgl. Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 193,203 m. w. N.

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ihre diesbezüglichen Mindestanforderungen zu untersuchen. Ausdrückliche Erwähnung findet die menschliche Persönlichkeit nur in Art. 2 Abs. I GG. Nach heute h.M. ist Art. 2 Abs. I GG in einern weiten Sinne zu verstehen und - entgegen dem ersten Eindruck - nicht speziell als Persönlichkeitsrecht, das nur die freie menschliche Entfaltung schützt, soweit der Mensch als geistig-sittliches Wesen betroffen ist. 752 Er stellt vielmehr ein die speziellen Freiheitsrechte ergänzendes, allgemeines Freiheitsrecht dar und schützt auch die allgemeine Handlungsfreiheit. Letztere ist aber vorn allgemeinen Persönlichkeitsrecht gerade nicht umfasst. 753 Dieses setzt vielmehr an einern Teilbereich des Art. 2 Abs. I GG an, wird dann aber durch Art. I Abs. I GG so sehr beeinflusst und ausgestaltet, dass es den Charakter eines eigenständigen Grundrechts gewinnt. 754 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wurzelt also primär in Art. 2 Abs. I GG, schützt aber nur die engere Persönlichkeitssphäre. 755 Der Schutz der Menschenwürde gern. Art. I Abs. I GG als oberste's Konstitutionsprinzip schützt den Menschen als Person von unverfügbarem Eigenwert und deren sozialen Wert- und Achtungsanspruch. 756 Um den Begriff der Menschenwürde greifbarer zu machen, beruft man sich auf eine negative Bestimmung der Menschenwürde im Sinne der Objektformel. Eine Beeinträchtigung der Menschenwürde liegt demnach dann vor, wenn das einzelne Individuum zum Mittel für Zwecke Dritter gemacht wird und dadurch zum Objekt eines nicht mehr kontrollierbaren oder übersehbaren Handeins derselben herabgesetzt wird. 757 In dieser Objekteigenschaft wäre das einzelne Individuum nicht mehr faltig zu einern selbstbestimmten Handeln, was jedoch Grundlage seines Menschseins ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Selbstbestimmung in jeder Form und mit jedem Inhalt rechtlichen Schutz unter Berücksichtigung der Wertungen des Art. I Abs. I GG genießt. Unter die Menschenwürde fällt nicht automatisch die Sicherung jeder irgendwie gearteten Willensäußerung als Form der Selbstbestimmung. 758 Solange die Missachtung des Willens dem Einzelnen nicht seine potentielle Fähigkeit zu autonomer Selbstbestimmung in dieser Sache abspricht und das Individuum so zum Objekt degradiert, liegt keine Verletzung des Art. I Abs. I GG vor. Erst wenn der aus752 St. Rspr. seit BVerfG v. 22. 2. 1956, BVerfGE 6, 32, 36 ff. - Elfes; grundlegend auch BVerfG v. 6. 6. 1989; BVerfGE 80, 137, 152. - Reiten im Walde; Jarass in: Erichsen/KolIhosser I Welp (Hrsg.), S. 89, 90; Maunz I Dürig, Art 2 Rn. 11: im Gegensatz dazu steht der Schutz der menschlichen Vollexistenz in allen Lebensbereichen. 753 Larenzl Canaris, SR § 80116 a. 754 BVerfG v. 3. 6. 1980, BVerfGE 54, 148, 153 - Eppler; Jarass in: Erichsen I Kollhosserl Welp (Hrsg.), S. 89, 91; Jarass I Pieroth, Art. 2 GG Rn. 25; v. Münchl Kunig, Art. 2 GG Rn. 30. 755 BVerfG v. 3. 6. 1980, BVerfGE 54, 148, 153 - Eppler; vgl. auch v. Münchl Kunig, Art. 2 GG Rn. 30. 756 BVerfG v. 20.10.1992, BVerfGE 87, 209, 228; Vgl. Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 31. 757 SI. Rspr., vgl. BVerfG v. 8. 1. 1959, BVerfGE 9, 89, 95; BVerfG v. 17. 1. 1979, BVerfGE 50, 166, 175; BVerfG v. 24. 4. 1986, BVerfGE 72, 105, 116; v. Münchl Kunig, Art. I GG Rn. 23; Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 32. 758 Vgl. zum Schutz des Willens und der Selbstbestimmung auch unten S. 189.

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gedrückte Wille zur Sicherung und Erhaltung des menschlichen Eigenwertes unverzichtbar ist, bedeutet eine Missachtung des Willens eine gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßende Fremdbestimmung. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist zwischen den eben erwähnten Verfassungsnormen angesiedelt. Entscheidend ist diese dogmatische Einordnung vor allem in Bezug auf die Einschränkbarkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Über die mangelnde Einschränkbarkeit des Art. 1 Abs. 1 GG hinaus kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht durchaus beschränkt werden, unterliegt jedoch aufgrund seines besonderen Bezuges zu Art. 1 Abs. 1 GG nicht dem Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG. 759 Vielmehr ist eine Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nur insoweit möglich, als dies vorrangige Gemeinschafts- oder Individualinteressen erfordern. 76o Den Begriff der Persönlichkeit exakt zu definieren und so einen konkreten Schutzbereich festzulegen, kann schon aus dem Grund nicht gelingen, dass sich der Mensch als Individuum in seiner jeweiligen Einzigartigkeit laufend weiter entwickelt. Die Persönlichkeit befindet sich in einem dauerhaften Werde- und Reifeprozess, was zur Folge hat, dass ständig neue Facetten ihrer selbst zu Tage treten. Die Definition Huhmanns, die Persönlichkeit sei "eine durch schöpferische Selbstentfaltung erreichte eigentümliche Verwirklichung des Menschenbildes" bestätigt das eben Gesagte, hilft aber im Hinblick auf eine genaue Schutzbereichsumschreibung kaum weiter. 761 Mangels hinreichender Bestimmbarkeit des Begriffes der Persönlichkeit greift man eine Stufe tiefer. Man löst sich gewissermaßen vom Rechtssubjekt Mensch und versucht zu definieren, was denn unabdingbare Voraussetzung für den oben aufgeführten, die Persönlichkeit auszeichnenden Reife- und Entwicklungsprozess ist. 762 Diese um der Persönlichkeit willen erforderlichen Voraussetzungen geben dem Persönlichkeitsrecht seine Kontur. 763 Huhmann fand eine Einteilung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit, das Recht an der Persönlichkeit und in ein Recht auf Individualität. 764 Im Hinblick auf Letztere ist anerkannt, dass Persönlichkeitsrechte dem Einzelnen eine unantastbare Eigensphäre sichern, von der er andere ausschließen kann. 765 Innerhalb dieser Eigensphäre muss er die Möglichkeit haben, seinen Eigenwert zu entwickeln und zu entfalten. 766 Entscheidend dabei ist, dass diese EntBVerfG v. 15. 12. 1983, BVerfGE 65,1,44; von Münch/ Kunig, Art. 2 GG Rn. 30. larass/Pieroth, Art. 2 GG Rn. 38; Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 36. 761 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 61. 762 Hieraus wird deutlich, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur Mittel zum Persönlichkeitsschutz ist und somit gerade nicht identisch mit der Persönlichkeit ist, vgl. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 128. 763 Vgl. Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 91. 764 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 108. 765 larass/Pieroth, Art. 2 GG Rn. 27. 766 Larenz/Wolf, AT § 14 Rn. 15; Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 34; larass/Pieroth, Art. 2 GG Rn. 27. 759

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wicklung und Entfaltung der Persönlichkeit nach eigenen Vorstellungen stattfindet und nicht den Charakter der Fremdbestimmtheit aufweist. Daneben folgt aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG schließlich auch die Anerkennung dessen, was den Einzelnen in seiner so gewonnenen Individualität kennzeichnet, was eher den statischen, auf Erhaltung des Menschenbildes angelegten Charakter des Persönlichkeitsschutzes betont. Anders ausgedrückt hat jeder Mensch ein Recht auf Anerkennung und Nichtverletzung seiner Person in der ihr "eigentümlichen Würde und ihrer leiblichen Existenz, ihrem Dasein und Sosein".767

b) Die Interessenlage des Einzelnen Wurden in der Vergangenheit die Auswirkungen von Werbung auf die Persönlichkeit des einzelnen Umworbenen untersucht, stand zumeist die umfassende Entschließungsfreiheit des Umworbenen als Angriffsobjekt von Werbung im Vordergrund. 768 In ihr wurde das maßgebliche Kriterium für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der Zulässigkeit von Werbung gegenüber dem Verbraucher gesehen. Die Interessenlage stellt sich jedoch als vielschichtiger dar. 769 Die obigen Ausführungen in Teil 2 haben gezeigt, dass durch den Wandel zu einer Infonnationsgesellschaft neue Interessen hinzutreten, die über das Interesse an einer umfassenden Entschließungsfreiheit des Verbrauchers hinsichtlich seiner Konsumentscheidung hinausgehen. Jene Interessen knüpfen größtenteils nicht an den Inhalt der Kommunikation an, sondern stellen die Infonnation in ihrer Abstraktheit in den Vordergrund. Vorweggestellt sei an dieser Stelle, dass nur diejenigen Interessen Berücksichtigung innerhalb des allgemeinen Persönlichkeitsrecht finden werden, die gerade dessen Schutz benötigen und verdienen. 77o Ob dies insbesondere auf die nachfolgend aufgeführten Interessen letztendlich zutrifft, ist einer späteren Prüfung vorbehalten. aa) Das mangelnde Interesse an unverlangter Infonnation Ein grundlegendes Interesse des einzelnen Rezipienten ist der Erhalt nur solcher Infonnation, die erwünscht ist. Mit anderen Worten hat der Infonnationsempfänger ein Interesse daran, von überflüssigen und ihn nicht betreffenden Infonnationen so weitgehend wie möglich verschont zu bleiben. Aufgrund seiner zunehmenden "Vernetzung"771 ist das einzelne Individuum innerhalb einer InfonnationsgesellLarenzlWolf, AT § 15 Rn. 4. Vgl. Grode, Belästigende Werbung, S. 75; ausführlich auch Scherer, Verbraucherwerbung, S. 39 ff., 108; ablehnend Burckhardt, Direktmarketing, S. 138. 769 Vgl. Schrickerl Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1390. 770 So auch Baston- Vogt, Schutzbereich, S. 92. 77l Vgl. oben S. 46. 767

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schaft "infonnativ" angreifbarer geworden, was insbesondere eine Infonnationsüberlastung zur Folge haben kann. Der Einzelne hat jedoch nicht nur ein Interesse daran, solche Überbelastung zu venneiden, sondern im Allgemeinen auch ein Interesse daran, dass nicht durch die Versendung unerwünschter Infonnationen durch Dritte Einfluss auf seine Persönlichkeitsentwicklung genommen wird. Um dies weitest gehend zu venneiden, ist eine Selektion der Infonnation in der Sphäre des Rezipienten unzureichend. Denn auch ohne sich mit dem Inhalt einer Nachricht näher auseinander zu setzen, kann das Individuum von den Auswirkungen der Nachricht betroffen sein. Entscheidend ist die Konfrontation mit Infonnation. Zu deren Venneidung ist eine rechtliche Regelung angebracht, die eine Selektion schon dann gewährleistet, wenn sich die Infonnation noch in der Sphäre des Absenders befindet. Um bei den Worten derjenigen zu bleiben, die ausschließlich auf die Beeinflussung der freien Willensentscheidung abstellen, kann man diesbezüglich davon ausgehen, dass eine freie Willensentscheidung eben über den Erhalt von Infonnationen unmöglich gemacht wurde. 772 Oenau an diesem Punkt werden aber auch die Unterschiede deutlich. Es geht nicht um die Willensentscheidung, die mit der Konsumentscheidung für das umworbene Produkt zusammenhängt. Vielmehr geht es im Vorfeld um die Freiheit, darüber zu entscheiden, ob die Ware "Infonnation" konsumiert werden soll. Untrennbar damit verbunden ist die Selbstbestimmung über die einzelnen Infonnationskanäle. bb) Funktionalität seiner Individualkommunikationsmittel Wie oben bereits festgestellt, genießt die telekommunikative Individualkommunikation einen bedeutenden Stellenwert in der heutigen Kommunikationslandschaft. Ausdruck findet dies vor allem in der Tatsache, dass man ein Individuum heute zumeist über Festnetzte1efon, E-Mail und Mobilfunk mit allen untergeordneten Diensten erreichen kann, sich also der Einzelne bewusst für die Erweiterung seiner Kommunikationskanäle entschließt. Er hat ein erhebliches Interesse daran, dass die hierfür von ihm angeschafften technischen Einrichtungen zweckdienlich genutzt werden. Den Zweck setzt dabei der Einzelne selbst - er überlässt dies gerade nicht Dritten. Auf die Funktionalität der Kommunikation zugrundliegenden Einrichtungen stellte der BOH schon in einer Entscheidung zu Postwurfsendungen ab. 773 Er war hier der Ansicht, dass die Intensität und Quantität der Art der Werbung nicht ein Ausmaß erreicht haben, das die eigentliche Funktion des Briefkastens in Frage stellen könnte. Dies macht deutlich, dass die Funktionalität seiner Kommunikationsmittel - dazu gehört auch der Briefkasten - entscheidend ist für die rechtliche Würdigung von unverlangter kommerzieller Kommunikation und nicht nur ein rechtlich bedeutungsloses subjektives Interesse des Einzelnen. 774 Scherer, Verbraucherwerbung, S. 108. BGH v. 5. 12. 1991, NJW 1992, 1109, 1110 - Postwurfsendung. 774 Gil/es, NJW 1988, 2424 spricht von "Funktionsentfremdung" durch den Werbetreibenden. 772 773

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cc) Stärkung seiner aktiven Rolle in der Kommunikation Ein weiteres Interesse des Rezipienten ist schließlich die Stärkung seiner aktiven Rolle im Kommunikations- und Informationsvorgang, womit schließlich ein höheres Maß an Selbstbestimmung über den Informationsfluss einhergeht. Unabhängig von der Einteilung in Individual- und Massenkommunikation stehen heute mehr denn je Techniken zur Verfügung, die den Rezipienten in seiner aktiven Rolle unterstützen, diese sogar als unverzichtbares Element für deren Nutzung voraussetzen. 775 Das einzelne Individuum ist dadurch in weit geringerem Maße auf Dritte angewiesen, um den Vorgang der Informationsverschaffung einzuleiten. Letztlich steht hinter diesem Interesse der grundsätzliche Gedanke, dass der Einzelne an vorderster Position steht, wenn es darum geht, zu bestimmen, welche Informationen für sein alltägliches Leben entscheidend sind. c) Einordnung der Interessen nach ihrer persönlichkeitsrechtlichen Relevanz

Die eben festgestellten Interessen sollen nun dahingehend untersucht werden, ob sie sich auf abstrakt-generelle Weise unter den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes fassen lassen. Diese erste "Grobeinteilung" der Interessen besagt noch nichts über eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes mit den Rechtsfolgen des § 823 Abs. 1 BGB. Letzteres ist erst in einem weiteren Schritt zu klären. aa) Unzulänglichkeit der Fallgruppe "Eindringen in die Privatsphäre" Für die Fallgruppe der Telefonwerbung wurde eine Persönlichkeitsverletzung bisher von der h.M. mit dem Argument des Eindringens in die Privatsphäre und deren vorrangigem Schutz vor dem Gewinnstreben Dritter bejaht.776 Allgemeiner gesagt, kann das einzelne Individuum hiernach Aktivitäten entgegentreten, die mittels gegenständlichen Eindringens in die Privatsphäre versuchen, Einfluss auf seine Konsumentscheidung zu nehmen. Dieser Ansicht und der hierzu ergangenen Rechtsprechung liegt die Konstellation zugrunde, dass der kommerzielle Anruf auf einen in der Privatwohnung des Umworbenen installierten (Festnetz-) Telefonanschluss erfolgt. Daran anschließend stellt sich nun die Frage, ob diese Ansicht auch auf andere modeme Individualkommunikationstechnologien übertragen werden kann oder ob im Zuge der technischen Fortentwicklung nach einem neuen persönlichkeitsrechtlichen Begründungsmodell Ausschau zu halten ist. Simitis wies in ähnlichem ZuVgl. oben S. 50 f. Vgl. oben S. 85 ff.; Reichelsdorfer, GRUR 1997, 191, 197 geht jedoch sicherlich zu weit, wenn er annimmt, dass (häusliche) Telefonwerbung eine Beeinträchtigung des "persönlichen Intimbereiches" darstellt. 775

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sammenhang zutreffend darauf hin, dass jede noch so überzeugende Regelung unter dem Vorbehalt der technologischen Entwicklung steht. 777 Im Folgenden sind somit der Begriff der Privatsphäre und deren Schutz näher zu beleuchten. Der Bereich der Privatsphäre entstammt einem Sphärenmodell, das auf die Vater des Persönlichkeitsrechts zurückgeht. 778 Hiernach werden dem Einzelnen Lebensbereiche zuerkannt, die sich nach dem Ausmaß ihres Geheimnischarakters bestimmen. 779 Demzufolge unterscheidet man zwischen Geheim-, Privat- und Individualsphäre. Beim Schutz der Privatsphäre geht es grundsätzlich um den Schutz der personalen Identität, wohinter sich die Notwendigkeit verbirgt, dass der Einzelne im Rahmen seiner Selbstachtung die Möglichkeit haben muss, über eine für die öffentliche Gewalt und Dritte unangreifbare Sphäre des privaten Lebens zu verfügen. 78o Es stehen sich also die Bereiche Öffentlichkeit und Privatsphäre in einem dialektischen Verhältnis gegenüber. 781 In der für das Persönlichkeitsrecht aus anderem Grund sehr bedeutsamen Entscheidung in Sachen Soraya betont das BVerfG ausdrücklich die "private Sphäre des Menschen" als den "Bereich, in dem er allein zu bleiben, seine Entscheidungen in eigener Verantwortung zu treffen und von Eingriffen jeder Art nicht behelligt zu werden wünscht".782 In der Mikrozensus-Entscheidung aus dem Jahre 1968 spricht das BVerfG ausdrücklich von einem "Recht auf Ruhe,,?83 Der BGH definierte später die Privatsphäre als einen jedermann zustehenden autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung, in der er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Hierunter falle insbesondere das Recht, für sich allein zu sein, sich selbst zu gehören. 784 Das Besondere an dieser Entscheidung war jedoch die ausdrückliche Ausweitung der Privatsphäre über den häuslichen Bereich hinaus. Voraussetzung für einen diesbezüglichen Privatsphärenschutz ist, dass sich jemand in eine örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen hat, in der er objektiv erkennbar für sich allein sein will und in der er sich in der konkreten Situation im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so verhält, wie er es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun würde. 785 Simitis, NJW 1984, 394, 402. Vgl. Hubmann, Persänlichkeitsrecht, S. 268 ff., der eine Einteilung in die Individual-, Privat- und Geheimsphäre vornahm. 779 Rohlfs, Privatsphäre, S. 25. 780 BVerfG v. 15. 1. 1970, BVerfGE 27, 344, 345; JarasstPieroth, Art. 2 GG Rn. 27; Kristin, Deliktsstatut, S. 17; Rohlfs, Privatsphäre, S. 24 ff. 781 Genau hieran setzt aber die Kritik an der gesamten Sphärentheorie an, vgl. AKt Podlech, Art 2 Abs. I GG Rn. 38, wo darauf hingewiesen wird, dass Privatheit keine Sache eines isoliert gedachten Individuums ist. Sozialbezug und Privatheit schließen sich hiernach gerade nicht aus. Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 187 weist darauf hin, "dass es neben dem Schutz der Privatheit vor der Öffentlichkeit, auch einen Schutz der Individualität in der Öffentlichkeit geben muss." 782 BVerfG v. 14.2. 1973, BVerfGE 34, 269, 281 - Soraya. 783 BVerfG v. 16.7. 1969, BVerfGE 27,1,6 - Mikrozensus; vgl. hierzu auch von Gerlach, JZ 1998,741,744. 784 BGH v. 19. 12. 1995, BGHZ 131, 332, 337 - Caroline von Monaco III. 777 778

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Die Erweiterung der Privatsphäre in dem eben erwähnten Maß erscheint jedoch nur auf den ersten Blick als geeigneter Ansatz für die Lösung des hier erörterten Problems. Die meisten Entscheidungen in Bezug auf die Privatsphäre ergingen im Rahmen der staatlichen Pflicht, einen wirksamen Schutz des Einzelnen gegen Einwirkungen der Medien auf seine Individual- oder Privatsphäre zu gewährleisten?86 Dies liegt vor allem daran, dass das Sphärendenken, welches dem Privatsphärenbegriff zugrunde liegt, vor allem zum Schutz gegen unbefugte Presseveröffentlichungen entwickelt wurde. 787 Dabei ging es aber immer um die Konstellation, in der mittels Massenmedien Informationen aus einem persönlichen Bereich durch Ausspähung und Ausforschung nach außen getragen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Man kann dies als Informationserhebungseingriff bezeichnen. Es ging dabei um Informationen über das Privatleben. Vorderster Gedanke des Privatsphärenschutzes ist hiernach der Schutz bestimmter Lebensumstände und deren Geheimhaltung. 788 Bei der Problematik der kommerziellen Kommunikation ist aber die Flussrichtung der Information gerade umgekehrt, weshalb schon aus diesem Grund das Instrument des Privatsphärenschutz nicht unverändert übernommen werden kann. Deutlich wird dies anhand der Schwierigkeiten, die erwähnte BGH-Rechtsprechung zum Privatsphärenschutz in der Öffentlichkeit auf die Fälle der unverlangten kommerziellen Kommunikation zu übertragen. Der Besitzer eines Mobilfunkgerätes, der sich in der Öffentlichkeit bewegt, lässt weder objektiv erkennen, dass er für sich allein sein will, noch vertraut er auf seine Abgeschiedenheit und handelt dementsprechend. 789 Ihm würde somit kein Privatsphärenschutz zukommen, was dann aber eine nicht hinzunehmende Ungleichbehandlung in Bezug auf die Festnetztelefonwerbung darstellen würde. Von Gerlach scheint hierfür einen Ausweg gefunden zu haben, in dem er auf eine thematisch begründete Privatsphäre abstellt. 79o Bei Fehlen eines räumlichen Geheges müssen Umstände hinzukommen, die der fraglichen Lebenssituation thematisch oder funktional den Charakter der Privatheit verleihen. Treten solche Umstände hinzu, kann auch ein Privatsphärenschutz in der Öffentlichkeit stattfinden. Obwohl dieser Ansatz zustimmungswürdig ist, bietet von Gerlach für den dieser Untersuchung zugrunde liegenden Problemkreis keine Lösung an, da er zu sehr auf das Thema der Informationserhebung abstellt. Insofern 785 BGH v. 19. 12. 1995, BGHZ 131,332,337 - Caroline von Monaco III; die Wurzeln für diese Auffassung liegen schon in BVerfG v. 3. 6. 1980, BVerfGE 54, 148, 155 - Eppler, wo die Privatsphäre aus Rücksicht hinsichtlich der Selbstbestimmung an einem besonderen und sensiblen Bereich hintangestellt wurde, was zu einer Erweiterung des persönlichkeitsrechtlichen Schutzbereiches führte. 786 Vgl. Übersicht bei Ehmann, AcP 188 (1988), 230, 244 und Beispiele bei Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 323. 787 Rohlfs, Privatsphäre, S. 24. 788 Rohlfs, Privatsphäre, S. 27; vgl. Peifer, Individualität, S. 151: "Diskretionsschutz". 789 So aber die Voraussetzungen für einen entsprechenden Privatsphärenschutz seit BGH v. 19. 12. 1995, BGHZ 131, 332, 337 - Caroline von Monaco III. 790 Von Ger/ach, JZ 1998,741,748.

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zeigt sich auch hier wieder der primäre Einsatzbereich für den Privatsphärenschutz nach herkömmlichem Verständnis. Beachtung findet der eben erwähnte Ansatz aber insoweit, als man vom Thema der elektronischen Individualkommunikation sprechen kann. An dieser Stelle sei schließlich erwähnt, dass auch das vom BVerfG begründete Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Schutzinstrument hier nicht geeignet ist. 791 Denn auch hier geht es darum, dem Einzelnen das Recht zu gewährleisten, über die Verwendung von Informationen, die ihren Ausgangspunkt in seiner Person haben und deshalb personenbezogen sind, selbst zu bestimmen. Es geht also auch hier um die umgekehrte Flussrichtung der Information. Der Privatsphärenschutz nach herkömmlichen Verständnis betont zudem zu sehr die statische Komponente des Persönlichkeitsrechtschutzes. Hiernach hat eben eine Person, das Recht in Ruhe gelassen zu werden. 792 Zwar ließe sich hierunter das Interesse subsumieren, eine Informationsüberlastung zu vermeiden, was am ehesten erreicht werden kann, wenn ein Individuum eben von jeglicher Information unbehelligt bleibt. Für die reine Abwehr von außen einwirkender Information wäre der passive Privatsphärenschutz wohl ausreichendes Mittel. Wie oben dargestellt, ist aber die Interessenlage vielschichtiger und zielt auch in Richtung einer aktiven Beeinflussung des Kommunikationsprozesses durch das Individuum. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nun diese Dynamik der Persönlichkeit im Sinne der freien Entfaltungsmöglichkeit und der aktiven Entschließungs- und Handlungsfreiheit. 793 Diesen durch Interaktion gekennzeichneten Unterfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als "Right of Publicity" zu bezeichnen, ist jedoch als zu eng abzulehnen, da auch hier wieder zu sehr die starre Abgrenzung nach Öffentlichkeitsaspekten in den Vordergrund gerückt wird. 794 Hinzu kommt, dass man mit dieser Begrifflichkeit überwiegend das Recht auf eine selbstbestimmte öffentliche Darstellung assoziiert. Die Verbindung jener geschützten Freiheiten mit den hinter der elektronischen Individualkommunikation stehenden Interessen muss eigens herausgearbeitet werden und lässt sich mit dem herkömmlichen Verständnis des Privatsphärenschutzes nicht erreichen. Es ist vielmehr ein Modell zu entwickeln, das den statischen und dynamischen Persönlichkeitsschutz gleichermaßen beinhaltet. 795 Die Möglichkeit, die unverlangte Zusendung von E-Mail-Werbung in die Fallgruppe der Verletzung der Privatsphäre einzuordnen, wird im Ergebnis zutreffend größtenteils verneint. 796 Die hierfür nötige Begründung bleibt aber unzureichend. Vgl. BVerfG v. 16.7. 1969, BVerfGE 27, 1,6 - Mikrozensus. Ayad, CR 2001, 533, 538; Ehlers, JZ 1991,231,233 betont das verfassungsrechtlich geschützte "right to be let alone"; vgl. auch Nachweise bei von Gerlach, JZ 1998,741,749. 793 Timm in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), S. 357, 358; Ulrich in: FS Vieregge, S. 901, 902. 794 So aber TImm in: Erichsen I Kollhosser I Welp (Hrsg.), S. 357, 358. 795 Vgl. Brandner, JZ 1983,689,891, der aber zu größter Vorsicht und Behutsamkeit hinsichtlich des Ausbaus der dynamischen Seite aufruft. 796 LG Traunstein v. 18. 12. 1997, CR 1998, 171, 172; Vehslage, GRUR 1999,656,658; Reichelsdorfer, GRUR 1997, 191, 197; Schrey/Westerwelle, BB 1997, Beilage zu Heft 17, 79\

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Jedenfalls kann diese nicht durch den pauschalen Hinweis ersetzt werden, dass die Privatsphäre eben nur den häuslichen und familiären Bereich schützt und schon deshalb die hierzu ergangene Rechtsprechung zur Telefonwerbung nicht auf andere Individualkommunikationsmedien übertragen werden kann. 797 Überzeugen könnte hier der eben vorgeschlagene Hinweis auf die Unterschiede in der Flussrichtung der Informationen. Ohne näher auf die verschiedenen Versuche eingehen zu wollen, der Privatsphäre eine konzeptionelle Hülle zu verleihen 798, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der elektronische Briefkasten im weitesten Sinne auch ein autonomer Bereich ist, der der Förderung der Individualität dienlich ist. Zwar stellt er keinen räumlichen Rückzugsbereich dar, doch ist hierin unzweifelhaft ein Bereich zu sehen, von dem der Einzelne Dritte ausschließen kann. Der elektronische Briefkasten - Bestandteil des individuellen Kommunikationskonzepts799 ist ein persönlichkeitsrechtlich sensibler Bereich. Insofern ist es auch wenig überzeugend, wenn die persönlichkeitsrechtliche Relevanz von unverlangter E-MailWerbung mit dem Hinweis verneint würde, der E-Mail-Briefkasten rechne nicht zur Privatsphäre. Hinsichtlich unverlangter E-Mail-Kommunikation stellt sich darüber hinaus noch ein anderes Problem. In der Regel liegt eine E-Mail-Nachricht bis zur ihrem endgültigen Abruf durch den Rezipienten auf dem Server dessen Dienstanbieters. Der Rezipient hat es letztlich selbst in der Hand, wann ihn die Nachrichten, und darunter eben auch die unverlangten Nachrichten, erreichen. 8OO Dieser Willensentschluss des Verletzten unterbricht zwar nicht notwendigerweise die Kausalitätskette, da das Abrufen der E-Mail keine schuldhafte Unrechtshandlung des Rezipienten darstellt. 801 Es würde jedoch an einem unkontrollierbaren Eindringen in die Privatsphäre fehlen. Die Unkontrollierbarkeit der Telefonwerbung ist aber ein wesentlicher Grund für deren Unrechtsgehalt. 802 Anders könnte die Sachlage zu werten sein, wenn der Empfänger gerade online ist oder eine Standleitung benutzt, die versendete E-Mail den Empfänger folglich automatisch ohne sein Zutun erreicht. Jedoch liegt es auch in diesen Fällen in den Händen und somit unter der Kontrolle des Rezipienten, die entsprechende Software auf den automatischen Abruf einzustellen. Insofern erweist sich der Tatbestand des unkontrollierbaren Eindringens in die Privatsphäre gerade in Bezug auf E-Mail-Werbung als wenig geeignet. S. 20 weisen darauf hin, dass der Junk-Mail-Empfänger nicht unvermittelt angesprochen wird und somit sich ein Vergleich mit der Telefonwerbung verbietet; vgl. aber LG Kiel v. 20.6.2000, JurPC Web-Dok. 166/2000 Abs. 12. 797 Dies tut jedoch LG Kiel v. 20. 6. 2000, JurPC Web-Dok. 166/2000 Abs. 12 im Hinblick auf den E-Mail Anschluss, den es zum "persönlich-häuslichen Bereich des Klägers" rechnete. 798 Vgl. hierzu Rohlfs, Privatsphäre, S. 24 ff.; Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 180 ff. 799 Hierzu sogleich weiter unten. 800 Ähnlich SchreylWesterwelle, BB 1997, Beilage zu Heft 17, S. 20. 801 Vgl. Soergel/ Mertens, Vor § 249 Rn. 138; Palandt/ Heinrichs Vor § 249 Rn. 77. 802 Vgl. BGH v. 19.6. 1970, BGHZ 54, 188, 191 - Telefonwerbung I.

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Die eben erwähnten Zweifel an der Geeignetheit des Privatsphärenschutzes zur vollständigen Erfassung des hier untersuchten Problems könnten teilweise dadurch relativiert werden, dass man das scheinbar extensivere Verständnis des europäischen Privatsphärenbegriffs zugrunde legt. Zweck der Regelungen in Art. 10 FARL ist die Umsetzung des gebotenen Schutzes des Verbrauchers vor Belästigungen in seiner Privatsphäre, die durch Art. 8 EMRK ausdrücklichen Schutz genießt. 803 Über den Schutzbereich des deutschen allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinausgehend schützt Art. 8 EMRK auch das Recht auf eine freie Lebensgestaltung und wirkt in Teilbereichen als allgemeines Freiheitsrecht. 804 Die EMRK wirkt aber nach h.M. als einfaches Bundesrecht und steht infolgedessen unter weitgehenden Gesetzesvorbehalten. 805 Somit ist das Grundgesetz als Prüfungsmaßstab mit seinem Mehr an materieller Werthaltigkeit das geeignetere Mittel, um eine Lösung zu finden. Es sei jedoch bereits an dieser Stelle betont, dass das hier vorgestellte Schutzmodell ebenso dem Schutzauftrag des Art. 8 EMRK entspricht und sich auch aus diesem gewinnen ließe. Die obigen Ausführungen zur Privatsphäre haben gezeigt, dass die Interessen des Einzelnen hinsichtlich des Schutzes vor unverlangter kommerzieller Kommunikation nicht deckungsgleich mit denen sind, die hinter einem Privatsphärenschutz stehen. Wie nachstehend dargelegt wird, sind durch die Wandlungen der Informationsgesellschaft neue Interessen des Einzelnen sichtbar. In diesem Fall reicht eine Rechtsanwendung im engeren Sinne nicht mehr aus, es bedarf vielmehr einer rechtsgestaltenden und auslegenden Tätigkeit, will man diese Interessen durch das Persönlichkeitsrecht schützen. 806 bb) Persönlichkeitsrechtlicher Schutz vor Belästigungen Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB keinen umfassenden Schutz vor jedweder Belästigung zur Verfügung stellt. 807 Nur wenn Belästigungen die von der Verfassung vorgegebene Schwelle des Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG überschreiten,808 ist die zivilrechtliche Rechtsprechung verpflichtet, den nötigen Schutz zur Verfügung zu stellen, indem sie beispielsweise das allgemeine Persönlichkeitsrecht entsprechend ausgestaltet. Dann muss aber zuvorderst ein Interesse heraus803 Erwägungsgrund 17: Schutz des "Privatlebens"; vgl. auch Grabitz / Hilf / Micklitz, Band 2, A 3 Rn. 125. 804 Vgl. Bleckmann in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), S. 9,12 ff., 14. 805 Maunz/ Dürig, Art. 1 Rn. 57; von Hinden, Persönlichkeitsverietzungen im Internet, S. 101. 806 Baston- Vogt, Schutzbereich, S. 30. 807 H.M. vgl. BGH v. 2.4. 1957, BGHZ 24, 72, 79 - Krankenpapiere I; Larenz/Canaris, SR § 80 II 7; Soergel/ Zeuner, § 823 Rn. 85; Baston- Vogt, Schutzbereich, S. 467 f. 808 Vgl. oben Fn. 156.

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gearbeitet werden, das den persönlichkeitsrechtlichen Schutz rechtfertigt. 809 Knüpft man hinsichtlich der Fälle der Direktwerbung an deren belästigende Wirkung für den Rezipienten an, so ist schon aufgrund der Vielfältigkeit von möglichen Belästigungen des einzelnen Individuums dies kein geeignetes Vorgehen, um zur erwünschten Tatbestandkonkretisierung zu gelangen. Insbesondere wäre es aufgrund der Offenheit eines solchen Tatbestandes ein Widerspruch in sich, den weiteren Schritt zu einer Indizierung der Rechtswidrigkeit zu gehen. Auch eine Konkretisierung dahingehend, von einem Tatbestand der "informationellen Belästigung" zu sprechen, verkennt, dass persönlichkeitsrechtlich relevante Interessen berührt sein müssen, zu deren Schutz der Staat verpflichtet ist. Eine konkrete Herausarbeitung von Belästigungstatbeständen hilft hier ohne Untersuchung des "belästigten" Schutzgutes nicht weiter. Hinzu kommt, dass unter den oben erwähnten Gesichtspunkten die Rechtsprechung im Zivilrechtsverkehr nicht zur Abwendung jedweder Belästigung der Persönlichkeit verpflichtet ist, also keinen Maximalschutz zur Verfügung stellen muss. Dies geht einher mit der Tatsache, dass viele Marketingmaßnahmen vom Verbraucher als belästigend empfunden werden, obwohl jene als sozial- und wirtschaftsadäquat zu werten sind. 810 Canaris 811 weist in diesem Zusammenhang auf die Einschränkungen hin, die sich für den Einzelnen aus seinem gesellschaftlichen Interaktions- und Kommunikationsbezug ergeben und die letztlich der Grund dafür sind, dass eben nicht jedwede Belästigung mit deliktsrechtlichen Mitteln abgewehrt werden kann. Hierauf wird im Prüfungspunkt der "Sozialadäquanz" näher einzugehen sein. Vergessen darf man dabei freilich nicht, dass die Zunahme dieses Interaktions- und Kommunikationsbezugs innerhalb der Informationsgesellschaft neue Schutzbereiche und damit persönlichkeitsrechtliche Tatbestände eröffnen kann. Ein Tatbestand der "Persönlichkeitsverletzung durch Belästigung" entbehrt jedoch jeglicher Eingrenzung und ist deshalb abzulehnen. cc) Das Erfordernis eines Wirtschaftsoder Verbraucherpersönlichkeitsrechts Die Anforderungen der Art. I Abs. I und 2 Abs. 1 GG könnten im Rahmen eines speziellen Wirtschafts- oder Verbraucherpersönlichkeitsrechts umgesetzt werden. In der Literatur wird die Frage aufgeworfen, ob die Notwendigkeit besteht, neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein besonderes Persönlichkeitsrecht zu platzieren, das ausschließlich die Interessen des Einzelnen im Rahmen seiner Betei809 Insoweit lässt die Entscheidung des OLG München v. 21. 8. 1987, NJW-RR 1987, 1422 f. eine Systematik vennissen. Ohne auf den persönlichkeitsrechtlichen Schutzbereich einzugehen, sah das Gericht wegen der Mühe der Beseitigung des Briefwerbematerials ("Belästigung") eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes als gegeben an. Erst anschließend stellte es fest, dass es sich hierbei um eine "Belästigung" in der Privatsphäre handelt. 810 Z. B. Plakatwerbung oder TV / Radio-Werbung. 811 Larenz/ Canaris, SR § 80117 a.

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ligung am Wirtschaftsleben schütZt. 812 Fikentscher spricht im Zusammenhang mit dem von ihm geforderten "wirtschaftlichen Persönlichkeitsrecht" vom Persönlichkeitsschutz im ökonomischen Bereich für Kunden und Verbraucher. 813 Dahinter steht die grundsätzliche Differenzierung zwischen ideellen und materiellen persönlichen Interessen. Letztere sehen die Verfechter eines solchen wirtschaftlichen Persönlichkeitsrechts nur unzureichend durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt. Ihre Ansicht basiert insbesondere darauf, dass persönlichkeitsrechtliche Erwägungen nur mittelbar im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Betrachtung insbesondere nach § I UWG eine Rolle spielen und der Nachfrageseite einen diesbezüglichen Schutz gewähren. 814 Demgegenüber genieße der Anbieter vor allem unter dem Deckmantel des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einen ausreichenden deliktischen SchutZ. 8lS Um hier wieder eine Symmetrie zu schaffen und das Funktionieren des Marktes sicherzustellen, wird gefordert, dass das Privatrecht entsprechende Schutzinstrumente zur Verfügung stellt. 816 Innerhalb des § 823 Abs. 1 BGB stünde nach diesem Vorschlag neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das den privaten Bereich trifft, ein dogmatisch gleich strukturiertes wirtschaftliches Persönlichkeitsrecht als zweites Rahmenrecht zur Verfügung, das auch den Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst und dieses somit obsolet machen würde. 817 Ein solches Wirtschaftspersönlichkeitsrecht bietet dabei einen Integritäts- und Aktivitätsschutz. Während im ersten Sinne ein gewisser Sphärenschutz, wie beispielsweise der Privat- oder Individualsphäre, verstanden werden kann, ist letzterenfalls die autonome und freie Marktentnahmeentscheidung im Sinne der Konsumentensouveränität geschützt. 818 Dies führt jedoch zu der strittigen Frage, inwieweit außerhalb wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen möglichen Einwirkungen auf die Entschließungsfreiheit mit deliktsrechtlichen Mitteln begegnet werden kann. 819 Will man auf diese Weise nicht für eine uferlose Ausweitung des Deliktsrechts im Allgemeinen und des neu geschaffenen Persönlichkeitsrechtes im Besonderen sorgen, wäre aber eine diesbezügliche Stellungnahme zwingend erforder812 Fikentscher, Wirtschaftsrecht, Band 11, § 21, S. 112 und § 22, S. 132 ff.; Lehmann in: FS Hubmann, S. 255 ff.; ablehnend Forkel in: FS Neumayer, S. 229, 237; Loydl, Belästigende Werbung, S. 92; Grode, Belästigende Werbung, S. 75; Ehlers, WRP 1983, 187, 188 ist der Auffassung, dass ein "Persönlichkeitsrecht des Umworbenen" zu jung sei, um es zu institutionalisieren. 813 Fikentscher, Wirtschaftsrecht, Band 11, § 21, S. 112 und § 22, S. 132 ff. 814 Lehmann in: FS Hubmann, S. 255, 259. 815 Lehmann in: FS Hubmann, S. 255, 257. 816 Lehmann in: FS Hubmann, S. 255, 259. 817 Fikentscher, Wirtschaftsrecht, Band 11, § 22, S. 133. 818 Lehmann in: FS Hubmann, S. 255, 266; vgl. aber Freund, Persönlichkeitsrecht des Umworbenen, S. 8 ff., der die Konsumentensouveränität unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht fasst und insofern von einem Persönlichkeitsrecht des Umworbenen spricht; ebenso Scherer, Verbraucherwerbung, S. 273. 819 Vgl. hierzu Grode, Belästigende Werbung, S. 75 ff.

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lich. 820 In diesem Zusammenhang wurde oben bereits erörtert, dass der deliktische Freiheitsschutz von der h.M. nicht auf die allgemeine Handlungsfreiheit und somit auch auf die Entschließungsfreiheit als solche erstreckt wird. 821 Der sich hinter einer Handlung- oder Entschlussfassung verbergende Wille und die diesem zugrundeliegende Willensbildungsfreiheit darf nicht losgelöst betrachtet werden von dem Rechtsgut, auf das die Willensbildung abzielt. Grund hierfür ist, dass eben der Wille an sich im Sinne eines abstrakten Rechtsgutes nicht durch das Deliktsrecht geschützt ist. 822 Diesbezügliche Zweifel hinsichtlich des geforderten Verbraucherbeziehungsweise Wirtschaftspersönlichkeitsrechts lassen sich jedoch auf den ersten Blick dadurch überwinden, dass der wirtschaftlichen Entschließungsfreiheit das passende deliktisch geschützte Rechtsgut an die Seite gestellt wird. Dies wäre beispielsweise die eben erwähnte Konsumentensouveränität. Geht man diesen Schritt, muss aber begründet werden, warum gerade die Konsumentensouveränität des deliktischen Schutzes bedarf und diesem unterstellt werden kann. Insofern tritt nur eine Verlagerung des Problems ein. Im Schrifttum wird darüber hinaus und zu Recht darauf hingewiesen, dass im Falle der Anerkennung eines solchen Wirtschafts- oder Verbraucherpersönlichkeitsrechts ein allgemeines Vertragslösungsrecht geschaffen würde, das an keine Fristen gebunden wäre und aufgrund der unscharfen Konturen keine Begrenzung des Haftungsumfangs kennen würde. 823 Solche Unsicherheiten in Bezug auf das Vertragsrecht sind jedoch nicht hinzunehmen. Unabhängig vom Schutz der wirtschaftlichen Entschließungsfreiheit steht hier eine andere Überlegung: Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für ein Persönlichkeitsrecht ist immer die Person in ihrer Eigenschaft als individuelles Wesen und nicht in ihrer spezifischen gesellschaftlichen Rolle. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass nicht nach einem neuen, eigenständigen "Verbraucherrecht" zu fragen ist, sondern vielmehr, inwieweit das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Einzelnen in seiner gesellschaftlichen Funktion - hier als Verbraucher und Werbeadressat schützt. 824 Ginge man denselben geforderten Weg in anderen Zusammenhängen, würden sich bald die verschiedensten besonderen Persönlichkeitsrechte parallel zu den unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollen, in denen sich ein Individuum befinden kann, herausbilden. Um die Übersichtlichkeit der Schutzinstrumente zu bewahren und Überschneidungen zu vermeiden, sollte man besser bestehende Dies vennisst man bei Lehmann in: FS Hubmann, S. 255 ff. Vgl. oben S. 162. 822 So auch Weise, GRUR 1989,653,656, der zutreffend darauf hinweist, dass der Wille nur innerhalb eng gezogener Grenzen wie § 240 StGB oder § 123 BGB geschützt ist; vgl. auch BVerwG v. 21. 4. 1989, JZ 1989, 688 ff.; Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 466; Ehman, AcP 188 (1988), 230, 247 ff. 823 Loydl, Belästigende Werbung, S. 91. 824 Freund, Persönlichkeitsrecht des Umworbenen, S. 105 ordnet die persönlichkeitsrechtlichen Interesse des Verbrauchers zwar unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht, bewegt sich aber unter zu Hilfenahme des "right of privacy" in einem zu engen Bereich, der nicht geeignet ist, die hier entscheidenden Interessen ausreichend zu umfassen. 820 821

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Rechtsinstrumente ausbauen, indem das in ihnen verborgene Schutzpotential voll ausgeschöpft wird. Gegen die Befürwortung wird in der Literatur des Weiteren zu Recht darauf hingewiesen, dass sich keine exakte Abgrenzung zwischen wirtschaftlichen und ideellen Interessen finden lässt, sondern insoweit Überschneidungen stattfinden. 825 Man denke hier nur an Telefonwerbung im häuslichen Bereich, wo nach ganz h.M. ideelle Interessen berührt sind, da der häusliche Friede gestört wird, andererseits aber auch auf die wirtschaftlich relevante Konsumentscheidung eingewirkt wird. Besonders deutlich wird dies, wenn man, den Befürwortern eines solchen besonderen Persönlichkeitsrechts folgend, zwischen wirtschaftlichen und privaten Interessen differenziert. Blickt man genauer auf die Umschreibung des Begriffes "privat",826 muss man feststellen, dass in diesem Bereich durchaus wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen und damit untrennbar verbunden sind. Der entscheidende Punkt im Kontext der hier untersuchten Sachverhalte ist aber, dass eben nicht nur wirtschaftliche Interessen im Raum stehen, die ausschließlich den Nachfrager oder Verbraucher betreffen. 827 Es geht vielmehr um die Interessen, die der Einzelne als selbstbestimmtes Individuum innerhalb der Informationsgesellschaft wahrnimmt. Dies können wirtschaftliche Interesse sein, die den Einzelnen als Verbraucher berühren. Zwingend ist dies jedoch nicht, da das einzelne Individuum - wie oben dargestellt - auch außerhalb dieses Bereichs Interessen wahrnimmt. Betroffen ist der Einzelne beispielsweise auch in seiner Rolle als Rezipient von Informationen, die er auch außerhalb des kommerziellen Bereichs auf unverlangte Weise erhalten kann. Parallel zu den Denkansätzen von Fikentscher könnte man hier versuchen, ein "Rezipientenpersönlichkeitsrecht" zu konstruieren, was jedoch wiederum eine nicht wünschenswerte und unnatürliche Abspaltung vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht zur Folge hätte. Die Person und nicht deren sozial-funktionale Rolle muss Anknüpfungspunkt für Persönlichkeitsrechte sein. dd) Das Recht auf personale Selbstbestimmung Im Folgenden soll hinterfragt werden, inwieweit man mit dem Recht auf personale Selbstbestimmung828 zu einer Lösung im Hinblick auf kommerzielle Kommunikation gelangen kann. Unter Selbstbestimmung kann grundsätzlich die Möglichkeit verstanden werden, sich seine Zwecke selbst zu setzen und diese nach eiScherer, Verbraucherwerbung, S. 254. Vgl. Duden, Das Fremdwörterbuch, 3. Aufl., 1974, Stichwort "Privat"; 1. die eigene Person angehend; 2. vertraulich; 3. familiär, häuslich, vertraut; 4. nicht offiziell, nicht öffentlich, außeramtlich. 827 A.A. Schricker, GRUR Int. 1998, 541, 547 m. w. N., der die Interessen unter den "Oberbegriff des Verbraucherschutzes" stellt. 828 Vgl. zum Ausdruck BGH v. 20. 12. 1988, BGHZ 106,229,234 -Handzettel und Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 137, 1339. 825

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genem Ennessen zu verfolgen. 829 Die Konkretisierung auf personale Selbstbestimmung umfasst die Selbstbestimmung über sich selbst, also in eigenen Angelegenheiten. Niederschlag findet das selbstbestimmte Handeln im Recht am freien eigenen Willen, das auf Verfassungsebene außerhalb spezieller Freiheitsrechte durch Art. 2 Abs. 1 GG garantiert ist. 830 Ein Minimum an Selbstbestimmung wird bereits durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützt, da die potentielle Fähigkeit zur Selbstbestimmung eine wesentliche Voraussetzung der Menschenwürde iSt. 831 Auf den ersten Blick scheint der BGH einen solchen Weg in seinem Urteil aus dem Jahr 1973 bezüglich Briefwerbung gegangen zu sein. Das Gericht stellte fest, dass in der Missachtung des Willens keine Werbung zu erhalten, eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts liegen kann. 832 Wie der BGH den Bezug von Willensmissachtung und Persönlichkeitsrecht herstellen will, ist jedoch den Entscheidungsgründen aufgrund der dortigen knappen Ausführungen nicht zu entnehmen. In dem zu entscheidenden Fall hatte der Inhaber eines Briefkastens einen Aufkleber angebracht, der unzweideutig signalisierte, dass der Einwurf von Werbung nicht erwünscht ist. Trotz dieser eindeutigen Willenskundgabe gelangten werbliche Postwurfsendungen in den Briefkasten. Kann sich der Werbende in einem solchen Fall nicht auf unzumutbare Kosten hinsichtlich der Venneidung einer solchen Willensmissachtung berufen, wird der Adressat mit einem auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts gerichteten Unterlassungsbegehrens durchdringen. 833 Anknüpfungspunkt für die Persönlichkeitsverletzung ist hiernach nicht die unverlangte Postwurfsendung als solche, sondern die Missachtung des Willens des Werbeadressaten durch den Werbenden beziehungsweise dessen Hilfspersonen. Diesem Gedanken folgt der BGH auch in einer den gleichen Sachverhalt betreffenden Entscheidung aus dem Jahre 1988,834 stellt dabei aber auf zwei sich ergänzende Umstände ab. Während einerseits der Empfänger als Haus- oder Wohnungseigentümer beziehungsweise -besitzer aus §§ 1004, 903, 862 BGB ein Recht habe, sich gegen Beeinträchtigungen seiner "räumlich-gegenständlichen Sphäre" zu Vgl. Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 32. Maunz/ Dürig, Art. 2 Abs. 1 Rn. 34; zur zivilrechtlichen Umsetzung vgl. weiter unten. 831 Vgl. BVerfG v. 7. 2. 1990, BVerfGE 81, 242, 254 ff. - Handelsvertreter; siehe auch oben S. 176. 832 BGH v. 16. 2. 1973, BGHZ 60, 296 - Briefwerbung; dieser Rspr. folgend z. B. OLG München v. 29. 5. 1984; NJW 1984,2422 ff.; OLG Stuttgart v. 21. 8. 1987, NJW-RR 1987, 1422; LG Freiburg v. 6. 6. 1990, NJW 1990,2824; LG Bremen v. 30. 11. 1989, NJW 1990, 456; vgl. auch BVerfG v. 15. 1. 1991, NJW 1991,910 f. 833 Der BGH begründete in seiner Entscheidung zur Briefwerbung (Fn. 832) den Grundsatz des Kostenvorbehaltes, der besagt, dass eine Persönlichkeitsverietzung dann nicht vorliegt, wenn "nach Art der Ausgestaltung der Werbeaktion eine Beachtung des Widerspruchs für den Werbenden mit Mühen und Kosten verbunden ist, die in keinem angemessenen Verhältnis zu der Veränderung und Belästigung des Umworbenen stehe, der sich eine solche Werbung ausdrücklich verbeten hat". Diese Rspr. ist aber in der Praxis wenig beachtet worden, vgl. Weise, GRUR 1989, 653, 654. 834 BGH v. 20. 12. 1988, BGHZ 106, 229 ff. - Handzettel. 829

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schützen, stünde ihm andererseits als Ausfluss seines Persönlichkeitsrechts zu, innerhalb seines Lebensbereichs die Konfrontation mit den Suggestivwirkungen der Werbung weitest gehend auszuschalten. 835 Dies gelte insbesondere für den Bereich der Privatsphäre. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für seine Entscheidung war aber auch hier wieder der ausdrücklich erklärte Wille in Form eines Aufklebers. Daraus darf nun nicht geschlossen werden, dass es sich hier um gänzlich verschiedene und in keinem Verhältnis zueinander stehende Anknüpfungspunkte handelt und sich daraus ein genereller Unterschied zwischen der rechtlichen Würdigung der Briefkastenwerbung und beispielsweise der Telefonwerbung ergibt. 836 Die Missachtung des kundgegebenen Willens an sich wird in keinem der Fälle als Verletzung eines abstrakten Rechtsguts gesehen. Der BGH erkennt vor allem in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1988 837 die Notwendigkeit, eine Verbindung zwischen dem ausgedrückten Willen des Umworbenen und einem geschützten Rechtsgut zu schaffen. Namentlich ist hier die Privatsphäre zu nennen. 838 Grund hierfür ist, dass der Wille eines Individuums für sich gesehen privatrechtlich nur in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen geschützt ist. 839 Diese Entscheidung des ZiviI gesetzgebers ist zu akzeptieren und darf nicht ohne weiteres unter Verstoß gegen die Auslegungsmethodik unterlaufen werden. Denn bei der Auslegung der Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes darf die Entscheidung des Gesetzgebers nicht unbeachtet bleiben. Stellt dieser ausreichende Schutzinstrumente im Hinblick auf einen Lebensumstand zur Verfügung, so kann diese ausgewogene Entscheidung durch extensive Auslegung offener Tatbestände nur in eng begrenzten Ausnahmefällen umgangen werden. Daher kann eine Willensäußerung für sich gesehen und in Privatrechtsverhältnissen auch nicht unbedingten Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht beanspruchen. Der Hinweis auf die generellen Unterschiede zum Regelungsbereich des § 123 BGB kann insoweit kein anderes Ergebnis hervorbringen. 84o Es ist zwar anzuerkennen, dass Anknüpfungspunkt bei den "Werbefällen" ein Verhalten im Vorfeld und unabhängig von einer abgegebenen Willenserklärungen ist. Hieraus aber den Schluss zu ziehen, die freie Willensentschließung des Verbrauchers könne dann als persönlichkeitsrechtliches Schutzgut anerkannt werden, ist nicht überzeugend. 835 BGH v. 20. 12. 1988, BGHZ 106,229,233 f. - Handzettel; vgl. Anm. Weise, GRUR 1989,653,654 ff. 836 Bei den Entscheidungen zur Telefonwerbung hat der Umworbene gerade nicht im Vorfeld seinem Willen Ausdruck verliehen wie es beispielhaft durch Anbringen eines Aufklebers geschieht. 837 Fn.834. 838 Die Privatsphäre ist klassischer Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die rechtlich geschützten Interessen, die aus der Stellung als Eigentümer und Besitzer des Briefkasten fließen und dem kundgetanen Willen seine Abstraktheit nehmen, sollen hier nicht näher vertieft werden, da die persönlichkeitsrechtliche Prüfung im Vordergrund steht. 839 Vgl. oben S. 188. 840 So aber Scherer, Verbraucherwerbung, S. 270.

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Vielmehr muss darüber hinaus immer die Verknüpfung von Wille und verfolgtem Interesse zusammen betrachtet werden. Der Wille als Akt und Ausdruck der Selbstbestimmung findet nur insoweit rechtlichen Schutz, als dies auch den dahinterliegenden Interessen zuteil wird. 841 Ehmann bezeichnet diese Verknüpfung in Anlehnung an eine Entscheidung des RG 842 als die "gegenständliche Verkörperung" der freien Willensbetätigung. 843 Missachtet der Werbende den Willen des Einzelnen, missachtet er damit gleichzeitig das geschützte Interesse. Steht kein solches hinter dem ausgedrückten Willen, ist die Missachtung desselben durch einen Dritten unerheblich und führt jedenfalls in diesem Zusammenhang und vorbehaltlich spezieller zivilrechtlicher, willens schützender Regelungen zu keinen rechtlichen Konsequenzen. Es muss immer zwischen berechtigten und rechtlich bewehrten Interessen differenziert werden, die beide in Willensakten Ausdruck finden können. 844 Somit bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass auch in den Fällen der Briefkastenwerbung danach zu fragen ist, welcher rechtlich geschützte persönlichkeitsrechtliche Bereich betroffen ist, und ob dieser verletzt ist. Ob dies, wie vom BGH in den Entscheidungen zur Briefkastenwerbung bejaht, unter Rückgriff auf die Privatsphäre zu bewerkstelligen ist, soll diesbezüglich dahinstehen, da der Schwerpunkt der Untersuchung die telekommunikative Kommunikation ist, zu der jedoch nicht die Briefwerbung zu zählen ist. 845 Eine Lösung ausschließlich über den Weg der Privatsphäre zu suchen, erweist sich - wie oben gesehen - als schwierig. Dieser Punkt hat in der Vergangenheit größtenteils auch keine Rolle gespielt, da vermutet wurde, dass der Rezipient ein Interesse an der darin enthaltenen Information hat. 846 Nach der hier zugrunde gelegten Systematik muss man dies als mutmaßliche Einwilligung behandeln. Insoweit musste man sich also keine Gedanken um eine saubere Bestimmung des persönlichkeitsrechtlichen Schutzbereichs machen, da in jedem Fall feststeht, dass der Eingriff gerechtfertigt ist. Der missachtete Wille des Adressaten von unverlangter kommerzieller Kommunikation ist jedoch im Hinblick auf vorstehendes nicht unerheblich. Kommt ihm zwar mangels Rechtsgutcharakters keine eigenständige Bedeutung im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB zu, so steht doch die Verletzung eines geschützten Interesses 841

Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 215; zu undifferenziert Vehslage, DZWir 1998, 771,

472. 842 RG v. 27. 2. 1904, RGZ 58,24,29 - Jute/Plüsch; in dieser Entscheidung stellte das RG fest, dass die tatbestandlieh nicht eingrenzbare Willensbetätigung des Einzelnen kein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut sei, vgl. auch Langer, Informationsfreiheit, S.56. 843 Ehnumn, JuS 1997, 193, 195 f. vgl. auch Langer, Informationsfreiheit, S. 56. 844 Vgl. Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 92. 845 Kritisch zur Rspr. des BGH unter Hinweis auf verfehlte Methodik vgl. Weise, GRUR 1989,653,657; zweifelnd wohl auch Stoll in: Markesinis (Hrsg.), S. 29, 43; Ehlers, JZ 1991, 231,233 lehnt eine Persönlichkeitsverletzung durch die Übersendung von Werbematerial als solche ab. 846 Vgl. BGH v. 16.2. 1973, BGHZ 60,296,300 - Briefwerbung; i.d.S. auch LG Bremen v. 30.11. 1989, NJW 1990,456.

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mit der Willenskundgabe in untrennbarem Zusammenhang, was im Rahmen des Merkmals "unverlangt" noch näher ausgeführt wird. Ein persönlichkeitsrechtlich geschütztes Interesse beziehungsweise ein dieses umschreibender Bereich zeichnet sich gerade aus durch die Garantie eines hohen Maßes an Selbstbestimmung. Neben dieser rechtlichen Charakterisierung des Willens sei an dieser Stelle auf einen Aspekt hingewiesen, der bei konsequenter Anwendung aber erhebliche praktische Probleme aufwerfen könnte. Wie oben schon aufgeführt, hat der Staat bei Umsetzung des Schutzes der Persönlichkeit im Zivilrecht einen Gestaltungsspielraum. Dies könnte zur Annahmen führen, dass für den Bereich der unverlangten kommerziellen Kommunikation erst dann § 823 Abs. 1 BGB im Sinne einer Persönlichkeitsverletzung einschlägig wäre, wenn der Rezipient - auf welche Weise auch immer - seinen widersprüchlichen Willen geäußert hat, diesem aber keine Beachtung geschenkt wird. Das gäbe den Autoren Recht, die in jüngerer Zeit die allgemeine Tendenz erkennen, dass das Einwilligungserfordernis zu einer Widerspruchsbefugnis degradiert wird. 847 Maßgebliche Anforderung einer solchen Widerspruchslösung wäre die willentliche Kundgabe, keine Werbung erhalten zu wollen. Bei der Briefkastenwerbung kann dies auf einfache Art und Weise durch Anbringen eines Aufklebers geschehen. In Fällen der telekommunikativen Direktwerbung scheidet ein solches Vorgehen naturgemäß aus. Zwar gibt es für den Umworbenen andere Möglichkeiten, seinen dahingehenden Willen kundzutun, wie beispielsweise der Eintrag in eine der sogenannten Robinson-Listen. 848 Hat sich der potentiell Umworbene hier eingetragen und seinen Willen hinsichtlich eines bestimmten verwendeten Mediums oder in allgemeiner Form gegen alle Formen der Direktwerbung kundgetan, ist zweifelhaft, ob dies auch vom potentiell Werbenden und seiner Hilfspersonen zur Kenntnis genommen wird. Hier stellt sich das Problem, dass es für den Werbenden schlicht unmöglich ist, die unzähligen Listen zu überprüfen. Aus diesem Grunde sind Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Art. 7 Abs. 2 der E-Commerce-Richtlinie 849 abzusehen. Dort wird den Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegt, sicherzustellen, dass die Diensteanbieter, die unverlangte E-Mail-Werbung übermitteln, regelmäßig jene Robinson Listen konsultieren und deren Inhalte auch beachten. Eben erwähntes Problem tritt auch bei der Verpflichtung aus Art. 10 Abs. 2 FARL auf, wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass eine offenkundige Ablehnung des Verbrauchers in Bezug auf die Verwendung von Individualkommunikationstechniken Beachtung findet. Außerhalb der Briefwerbung stellt sich auch hier die Frage, wie eine effektive Beachtung einer solchen Willenskundgabe erfolgen kann. Inoffizielle und private Robinson-Listen vorzusehen, in die sich der Rezipient eintragen kann, genügen diesen Anforderungen sicherlich nicht. 847 So Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 247, die dann von einer Verschiebung der Aktionslast spricht; die Widerspruchslösung entspricht der o.a. opt-out-Lösung. 848 Vgl. hierzu Fn. 224 und oben S. 68. 849 RL2000/311EG,vgl.obenS.118.

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Dies führt zu der paradoxen Situation, dass zwar Art. 10 Abs. 1 FARL von einer opt-out-Lösung ausgeht, zur umfassenden Sicherstellung der Rechte aus Art. 10 Abs. 2 FARL sich jedoch momentan nur eine opt-in-Lösung empfiehlt. 850 Im Hinblick auf § 823 Ab. 1 BGB ergibt sich daher Folgendes: Da der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Femabsatzrichtlinie von einer ausdrücklichen Regelung des Art. 10 Abs. 2 abgesehen hat, kann dessen Mindestschutz im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel wiederum nur durch einen umfassenden Schutz der hinter dem Willen stehenden Interessen gewährleistet werden. Fallen diese Interessen dann in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, ist das weitere staatliche Umsetzungsermessen im Hinblick auf § 823 Abs. 1 BGB auf ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt reduziert. Entsprechendes gilt für die Verpflichtung aus Art. 7 Abs. 2 der E-Commerce-Richtlinie. Auf diese Weise kann daher europäisches Sekundärrecht die Auslegung und Reichweite des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes beeinflussen. 851 d) Das Persönlichkeitsrecht als Schutz der kommunikativen Konzeption

Die bisher erfolgte Erörterung hat ergeben, dass sich ein umfassender Schutz der Interessen des Rezipienten von unverlangter kommerzieller Kommunikation mit den bisherigen Denkansätzen nicht ausreichend bewerkstelligen lässt. In der folgenden Darstellung wird nun versucht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht so auszubauen, dass eben dieser Schutz gewährleistet ist. Ergebnis dieser Untersuchung ist schließlich eine neue Fallgruppe, die man als Ausprägung oder Ausschnitt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begreifen kann. 852 Es wird ein klar konturierter Tatbestand umschrieben, mittels dessen Hilfe man festzustellen vermag, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt ist. Schon an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass es nicht um die Bildung eines "besonderen Persönlichkeitsrechts" geht. Abgesehen von den Schwierigkeiten dieses Begriffes, die durch seine Unschärfe entstehen, fallen hierunter jedenfalls nur die spezialgesetzlichen Ausprägungen des Persönlichkeitsschutzes. 853 aa) Von der Informationsethik zur gesicherten subjektiven Rechtsposition Es wurde bereits dargelegt, dass sich ein Moral- und Wertewandel durch die informationstechnologische Entwicklung vollzogen hat. Aus mehreren Gründen widerVgl. ähnliche Argumentation des LG Berlin v. 13. 10. 1998, eR 1999, 187, 189. Vgl. auch Paefgen, MDR 1992, 112, 117: Gestaltungsspie\raum des Staates in Bezug auf Schutzmaßnahmen vor Direktmarketing schrumpft auf Null. 852 Vgl. Baston-Vogt, Schutzbereich, S. Ill. 853 Siehe oben Fn. 696; vgl. desw. ausführlich zum Begriff des "besonderen Persönlichkeitsrechts" Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, S. 37 ff.; Baston- Vogt, Schutzbereich, S. 105. 850 851

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spricht es einem sittlich zu billigenden Verhalten, jemanden ohne seine Zustimmung in individual- und telekommunikativer Weise mit kommerzieller Kommunikation zu belästigen. Man kann sagen, dass sich über die Erlaubtheit oder Unerlaubtheit der unverlangten kommerziellen Kommunikation jedenfalls im Hinblick auf elektronische Medien der Individualkommunikation eine eindeutige moralische Haltung in der sozialen Gemeinschaft gebildet hat. 854 Eine Informationsethik beinhaltet aber noch keine gesicherte Rechtsposition, da Sozialmoral und Recht nicht zwangsläufig deckungsgleich sind. 855 Auch wird hier nicht unberücksichtigt gelassen, dass § 826 BGB die vom Gesetz zur Verfügung gestellte Norm ist, mit deren Hilfe man Handlungen erfassen kann, die gegen die anerkannte Sozialethik verstoßen. 856 Wie bereits oben festgestellt, ist jedoch § 826 BGB aufgrund seiner engen tatbestandlichen Voraussetzungen im Hinblick auf den Schädigungsvorsatz ein wenig geeignetes Mittel zur Regelung der hier erörterten Kommunikationen. Damit nun eine Moralnorm im Rahmen der Auslegung eines anerkannten Rechtsinstitutes unter rechtliche Sanktionen gestellt werden kann, muss ein Bedürfnis bestehen. 857 Ausgangspunkt der folgenden Überlegung ist, dass sich in der Vergangenheit die erbosten Adressaten von elektronischen Werbenachrichten zum Teil mit Erfolg durch gezielte Gegenangriffe zur Wehr gesetzt haben. 858 So verständlich ein solches Vorgehen aus der Sichtweise desjenigen ist, der täglich unzählige Werbebotschaften in seinem Posteingang vorfindet, muss man sich jedoch vor Augen halten, dass ein solches Verhalten eine Form der privaten Rache ist. Ein derartiges unfriedliches Verhalten in Form privater Rache und Selbstjustiz ist aber innerhalb "der Kollektivität des staatlichen Zusammenlebens" nicht gestattet. 859 Vielmehr hat der Staat im Rahmen seines Gewaltmonopols dafür Sorge zu tragen, dass statt dessen eine vollwertige Alternative in der Form vorhanden ist, dass eine Befriedigung des Verletzten außerhalb privater Rache zu erlangen ist. Es muss hinsichtlich möglicher Abwehrmaßnahmen eine Institutionalisierung aus der moralischen Forderung hinaus in eine rechtliche Ebene erfolgen. Grundvoraussetzung dafür, dass der Einzelne Einschränkungen seines naturgegebenen Rechts auf Verteidigung seiner Rechtsgüter hinnehmen muss, ist deren staatliche Sicherung. Diese folgt daraus, dass der Staat auch eine Friedensordnung darstellt, die wiederum durch die staatlichen Schutzpflichten zu gewährleisten ist. 860 Es ist also nicht nur staatliche AufA.A. wohl Funk, eR 1998, 411, 419 in Bezug auf das Internet. Henkel, Rechtsphilosophie, S. 86 ff. 856 Larenz, NJW 1954,521,524. 857 Henkel, Rechtsphilosophie, S. 88. 858 Siehe oben S. 67; vgl. Burckhardt, Direktmarketing m. w. N.; Hoeren, NJW 1998, 2849,2853. 859 So Heinz, AfP 1992, 234, 237, der darauf hinweist, dass eine solche "Privatstrafe" durchaus moralisch gerechtfertigt werden kann; vgl. auch Klein, NJW 1989, 1633, 1635 f.; Burckhardt, Direktmarketing, S. 141; Hoeren, NJW 1998,2849,2853 spricht von "virtuellen Faustrecht". 860 Klein, NJW 1989, 1633, 1636. 854

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gabe, die Wertungen der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG in das Zivilrecht zu transformieren, sondern auch notwendig, unkontrollierte private Abwehrmaßnahmen zu verhindern, die außer Verhältnis zur konfliktauslösenden Eingriffshandlung stehen. Greift man unter diesem Hintergrund unverlangte E-Mail-Werbung auf, gilt es, private Abwehrmaßnahmen zu verhindern, die teilweise folgenschwere Auswirkungen auf die telekommunikationstechnische Infrastruktur haben können. Ähnliches Vorgehen kann auch im Hinblick auf andere Individualkommunikationsmedien nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Nachdem nun festgestellt wurde, dass der durch informationstechnologische Entwicklungen bedingte Wertewandel zwingend durch ein rechtliches Gerüst zu stützen ist, stellt sich folgend die Frage, ob der Schutz des Einzelnen es gerade erfordert, hierfür auf § 823 Abs. 1 BGB und dessen persönlichkeitsrechtlichen Schutz zurückzugreifen. Um dies zu klären, ist zuvorderst kurz auf den Begriff des subjektiven Rechts einzugehen. 861 Teilweise wird vorgebracht, dass das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht mangels konkreten Zuweisungsgehalts - sofern man diesen nicht für entbehrlich hält862 - kein subjektives Recht darstellt. 863 Ein solches ist eine dem Einzelnen zur Befriedigung seiner Interessen verliehene Willensmacht. 864 Die Berechtigung über deren Ausübung liegt ausschließlich bei einer konkreten Person. Ist der inhaltliche Bereich, auf den sich diese Willens macht erstreckt, klar abgrenzbar und dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrecht unterstellt, spricht nichts dagegen jedenfalls in dieser Konkretisierung das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch als subjektives Recht zu bezeichnen. Trotz Zweifel an der Eigenschaft als subjektives Recht ist doch unstreitig, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB der betroffenen Person eine eigene Rechtsmacht zur Abwehr persönlichkeitsverletzender Handlungen Dritter verleiht. Demgegenüber ist ein objektives Recht als generelle, abstrakte Vorschrift und Verhaltensregel zu verstehen. 865 Im Folgenden soll unterstellt werden, unverlangte kommerzielle Kommunikation könnte umfassend im Rahmen des § 1 UWG abgewehrt werden. 866 Wenn dies aber der Fall wäre, kommt man mit den Ansichten in Konflikt, die im allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein Auffangrecht sehen und ihm gewissermaßen Lücken861 Vgl. Osthaus, AfP 2001, 13, 17, der darauf hinweist, dass die Ausweitung von subjektiven Rechtspositionen ein wichtiges Mittel für die Intemetregulierung darstellt. 862 Vgl. Buchner, Untemehmensschutz, S. 265, für das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. 863 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 99; Medicus, BR Rn. 615; a.A.: Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 107 ff., 140 m. ausf. Begr.; Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 92; Lehmann in: FS Hubmann, S. 255, 262; für Teilbereiche auch von Caemmerer in: FS Hippel, S. 27, 39. 864 Ennecerusl Nipperdey, AT S. 438; Larenzl Wolf, AT § 14 Rn. 18; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 128. 865 Larenzl Wolf, AT § 14 Rn. 18. 866 Dass dies vor allem hinsichtlich E-Mail-, SMS- und Handy-Werbung problematisch ist, wurde oben schon dargelegt, vgl. S. 92.

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füllerfunktion zuschreiben. 867 Das ist insoweit einleuchtend, als gesetzliche Konkretisierungen des Persönlichkeitsrechts eingreifen und eine abschließende Regelung hinsichtlich der schützens werten Interessen vorsehen. 868 Darüber hinaus ist aber das allgemeine Persönlichkeitsrecht in dem hier verstandenen Sinn kein Auffangrecht, sondern ein eigenständiges Recht, das immer dann eingreift, wenn sein Schutzbereich beziehungsweise sein Tatbestand betroffen ist. Ist daneben § 1 UWG einschlägig, so wäre jene Rolle des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verkannt, würde man sich mit der wohl h.M. auf das Eingreifen der wettbewerbsrechtlichen Regeln beschränken und nur § 826 BGB daneben für anwendbar erklären. 869 Die Durchsetzung persönlichkeitsrechtlich relevanter Interessen im Rahmen des § 13 UWG Dritten zu überlassen, würde jedenfalls das Gewicht jener - verfassungsrechtlich geschützten - Interessen grundlegend verkennen. 870 Aus der Persönlichkeit des Einzelnen fließende, spezifische Interessen müssen auch jenem zur freien Entscheidung über ihre Durchsetzung verbleiben. Insoweit ist also der von der Schutzgebotslehre vorgezeichnete Spielraum der Rechtsprechung, wie der persönlichkeitsrechtliche Schutz in Privatrechtsbeziehungen auszugestalten ist, eingeschränkt. Dies entspricht auch den Stimmen in der Literatur, die von einer grundsätzlichen Anspruchskonkurrenz ausgehen. 871 Dagegen spricht schließlich auch nicht die Entscheidung Gründerbildnis des BGH. 872 Da es bei Wettbewerbshandlungen zu weitgehenden Überschneidungen zwischen dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und den Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb komme, ersteres Recht aber nur lückenfüllenden Charakter habe, sind entsprechende Handlungen nach der eben genannten Rechtsprechung ausschließlich an den Sondervorschriften des UWG zu messen. Eine Übertragung auf das - nach weitverbreiteter, hier jedoch nicht geteilter Ansicht, ebenfalls lückenfüllende - allgemeine Persönlichkeitsrecht verbietet sich jedoch, da es hier gerade nicht zu weitgehenden Überschneidungen kommt. Dies zeigt sich schon daran, dass der Verbraucherschutz, und damit einhergehend der Schutz dessen Persönlichkeit, gar nicht von der Zwecksetzung des UWG erfasst war. Der Gesetzgeber hatte zwei sich gerade nicht überschneidende Bereiche vor Augen. Mittlerweile ist zwar unstreitig, dass es in einzelnen Bereichen zu Überschneidungen kommt. Aus den Urteilsgründen auch für diesen Fall einen 867 BVerfG v. 14.2. 1973, BVerfGE 34, 169,281 - Soraya; BGH v. 19.5. 1981, BGHZ 80,311,319 - Datenschutz; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 88. 868 Vgl. BGH v. 19. 5. 1981, BGHZ 80, 311, 319 - Datenschutz; hier geht es aber nicht nur um die "unverlangte" Nutzung persönlicher Adressierungsdaten, sondern um den Schutz vor aufgedrängter Information. Dass letzteres vom Regelungszweck des Datenschutzes mit umfasst ist, kann nicht angenommen werden. 869 So aber Baston- Vogt, Schutzbereich, S. 467 f. für Werbung außerhalb des "räumlichgegenständlichen Privatbereiches"; für ausschließliche Anwendung i.S.v. Subsidiarität des UWG auch GKI Schünemann, Einl E 70; Baumbachl Hefermehl, Allg. Rn. 142. 870 Vgl. auch BGH v. 2. 4. 1957, BGHZ 24,72,77 - Krankenhauspapiere I. 871 Grode, Belästigende Werbung, S. 62. 872 BGH v. 22.12. 1961, GRUR 1962,310,315 - Gründerbildnis.

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grundsätzlichen Vorrang der UWG-Vorschriften zu entnehmen, kann deren insoweit eindeutigen Wortlaut nicht entnommen werden. bb) Das individuelle Kommunikationskonzept Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass es mittels der dort erwähnten Denkansätze nicht möglich ist, eine überzeugende Lösung für das Problem der kommerziellen Kommunikation zu finden. Ebenfalls höchst unzureichend ist der Hinweis, dass sich eine Persönlichkeitsverletzung schon deswegen ergebe, weil der Empfanger von Werbe E-Mails Zeit und Mühe für das Lesen und Aussortieren aufwenden muss. 873 Im Folgenden soll nun ein neuer Ansatz vorgestellt werden, mit dessen Hilfe sich die oben dargestellten Interessen unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht ordnen lassen. Ausgangspunkt ist das Verständnis vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht als umfassendes Instrument zum Schutz der kommunikativen Konzeption. Hierunter fallen die spezifischen Interessen zwischenmenschlicher Kommunikation und deren individuelle Ausprägung, was letztlich wiederum eine schützenswerte Ausprägung menschlicher Individualität ist. Der Begriff der kommunikativen Konzeption stellt quasi die beschreibende Hülle für die dahinter liegenden persönlichkeitsrelevanten Interessen dar. 874 Im Rahmen seines selbst festgelegten individuellen Kommunikationskonzepts kann der Einzelne grundsätzlich frei bestimmen, was die Zwecksetzung seiner elektronischen Individualkommunikationsmedien ist und welche Informationen ihn auf welchem Wege erreichen sollen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht innerhalb des § 823 Abs. 1 BGB steht aufgrund seines ständigem Kontextes zu den sozialen Verhältnissen wie jede andere Rechtsnorm auch in der Pflicht, gesellschaftlichen Veränderungen ausreichend Rechnung zu tragen. 875 Gerade technologische Neuerungen auf dem Gebiet der Medien und der Kommunikation waren doch der ausschlaggebende Grund für die Rechtsprechung, entgegen der Vater des BGB ein allgemeines Persönlichkeitsrecht anzuerkennen. Diese Zwecksetzung gilt im Informationszeitalter mehr denn je. 876 Kommunikation ist nun auch der Ausgangspunkt für den hier vorgestellten Ansatz. In seinem Volkszählungsurteil, das primär die Begründung der "informationellen Selbstbestimmung" zur Aufgabe hatte, beschrieb das BVerfG den Einzelnen als "eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. 877 Dies wurde in der Tagebuchentscheidung nochmals So aber AG Brakel v. 11. 2. 1998, NJW 1998,3209; Härting, Internetrecht, Rn. 269. Siehe oben S. 178; vgl. Paefgen, MDR 1992, 112, 121, der von Kommunikationssphäre spricht. 875 Vgl. BVerfG v. 14. 2. 1973, BVerfGE 34, 169,288 - Soraya; Larenz, Methodenlehre, S. 350 ff. 876 Vgl. Ehlers, JZ 1991,231,233. 877 BVerfG v. 15. 12. 1983, BVerfGE 65, 1, 43 - Volkszählung; vgl. hierzu Geis, JZ 1991, 112, 113 ff.; zum Begriff der Kommunikation ausführlich Steinmüller, Informationstechnologie und Gesellschaft, S. 156 ff., vgl. auch Brandner, JZ 1983, 689, 691, der vom 873

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unterstrichen, in der konstatiert wurde, dass der Mensch "notwendig in sozialen Bezügen" existiert. 878 Daraus wird ersichtlich, welch hoher Stellenwert der Kommunikation für die menschliche Entfaltung schon damals in den Jahren 1983 und 1989 beizumessen war. In der Literatur bezeichnet Rohlfs die Kommunikation als wesentlichen Faktor für den andauernden Prozess der Persönlichkeitsbildung. 879 Andere betonen das "kommunikative Modell des Persönlichkeitsschutzes".88o Da nun Kommunikation im Rahmen einer Informationsgesellschaft zum zentralen Element geworden ist, hat sich deren Stellenwert für die menschliche Entfaltung in den vergangenen Jahren unzweifelhaft erhöht. Jene ist, wie soeben festgestellt, maßgeblich durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt, was zur Folge hat, dass menschliche Kommunikation vorbehaltlich - Art. 5 Abs. 1 GG881 - dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterstellt werden kann. Der Blick ist auf den Schutz der menschlichen Kommunikation als personales Gut gerichtet und nicht auf Kommunikation als zwingende Voraussetzung eines umfassenden Informations- und Meinungsäußerungsrechts. Diese Differenzierung sei an dieser Stelle ausdrücklich hervorgehoben. Oben wurde bereits auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich aus der begrifflichen Unschärfe der "Persönlichkeit" ergeben. Durch Kommunikation im Allgemeinen und Individualkommunikation im Speziellen findet nun eine Objektivierung der Persönlichkeit statt - diese nimmt erkennbare Formen an. Damit diese Formen aber Ausdruck einer selbstbestimmten und individuellen Lebensgestaltung sind, ist auch eine grundsätzlich selbstbestimmte Kommunikation notwendige Voraussetzung. Dem widerspricht im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG und dessen Schutzauftrag, wenn der Einzelne zum Objekt im Kommunikationsprozess 882 degradiert wird. In diese Rolle wird der Adressat aber gedrängt, wenn er innerhalb der Individualkommunikation unabhängig von seiner Individualität als ausschließlicher Rezipient gesehen wird und die Grundsätze der Individualkommunikation, also die Möglichkeit des Rollenwechsels, gänzlich missachtet werden. elementaren Recht der Persönlichkeit spricht, über ihre Kommunikation mit der Umwelt selbst zu bestimmen. 878 BVerfG v. 14. 9. 1989, BVerfGE 80, 367, 374 - Tagebuch. Weitere Parallelen lassen sich aus den beiden vorstehenden Entscheidungen für die hier interessierende Problematik aber kaum ziehen, da es um den umgekehrten Informationsfluss - aus der persönlichen Sphäre heraus - ging. 879 Rohlfs, Privatsphäre, S. 63; ähnlich auch Rüpke, Privatheit, S. 75. 880 Scherer, Verbraucherwerbung, S. 265. 881 Vgl. BVerfG v. 3. 10. 1969, BVerfGE 27, 71, 79 ff., wo Art. 5 I GG ausdrücklich als Kommunikationsgrundrecht bezeichnet wurde. Dies widerspricht jedoch nicht dem hier geäußerten Gedanken, dass auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht partiell als Kommunikationsgrundrecht bezeichnet werden kann. Vielmehr ergänzen sich die Wertungen der Art. 5 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 i.Y.m. lAbs. 1 GG im Rahmen einer umfassenden Informationsordnung. 882 l.d.S. betont Schmittmann, MMR 1998, 346, 348, dass der Mobilfunkinhaber nicht zum Objekt von SMS-Werbung werden darf.

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Stütze findet die hier vertretene Ansicht vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Schutzinstrument des persönlichen kommunikativen Konzeptes in einem von Rüpke vertretenen Ansatz. Hiernach ist die Unversehrtheit der Kommunikation als universelle Bedingung menschlicher Sozialisation und Persönlichkeitsbildung Gegenstand des verfassungsrechtlichen Privatheitsschutzes. 883 Dieser sei konzipiert als Schutz vor fremder, illegitimer Kommunikationsteilhabe. 884 Wie hieraus zu entnehmen ist, versucht Rüpke den Privatsphärenschutz damit näher zu erfassen. Ein möglicher Eingriff in die Privatsphäre kann dadurch erfolgen, dass dem Einzelnen ein Kommunikationspartner in der Form aufgezwungen wird, dass man von einem Zwang zur wechselseitigen Kommunikation sprechen kann. 885 Erforderlich sei hierfür eine enge, persönlich orientierte Kommunikation von gewisser Dauer. 886 Die Ansicht Rüpkes ist sicherlich nicht in unveränderter Form geeignet, für das hier untersuchte Problem eine brauchbare Lösung zu bieten. Denn einmal wird der Fokus klar auf die sprachliche Vermittlung von Informationen bezogen, was den Anwendungsbereich als zu eng erscheinen lässt. 887 Andererseits wird man bei unverlangten kommerziellen Kommunikationen nur in seltenen Fällen von enger, persönlich orientierter Kommunikation von gewisser Dauer sprechen können. Jedoch zeigt der Ansatz Rüpkes, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht grundsätzlich geeignet ist, die menschliche Kommunikation zu schützen. Die klassischen Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG werden insoweit durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt, da dieses einen wesentlichen Teil des Kommunikationsschutzes übernehmen kann. 888 Der Einfluss von Information auf die Persönlichkeit kann schließlich unter Zuhilfenahme der folgenden Überlegung verdeutlicht werden. Die Persönlichkeit wird neben anderen Faktoren auch durch die Menge und die Art von erlangter Information geprägt. Diese Feststellung ist keine neue Erkenntnis, die erst durch die Gegebenheiten der Informationsgesellschaft zu Tage gefördert wurde, sondern konnte bereits ab dem Zeitpunkt getroffen werden, in welchem sozial integrierte Individuen vorhanden und Teil einer auf Kommunikation und Interaktion basierenden Gesellschaft waren. 889 Anerkennung fand dies bereits in der Rechtsprechung, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Abwehrrecht gegen die Konfrontation mit der Suggestivwirkungen der Werbung ansah. 89o Nun basiert in diesem Fall die Rübke, Privatheit, S. 18,75 f. Rüpke, Privatheit, S. 84. 885 Rüpke, Privatheit, S. 84 spricht von "Pflicht zur Partnerschaft". 886 Rüpke, Privatheit, S. 98. 887 Rüpke, Privatheit, S. 77, 85 f.; vgl. auch Krajewski, MMR 2001, 86, 88, der der SMSWerbung gerade wegen ihrer mangelnden Sprachkommunikation einen geringeren Belästigungseffekt im Hinblick auf § 1 UWG zuschreibt. 888 Vgl. Gallwas, NJW 1992,2785,2786. 889 Vgl. Mayer-Schänberger, Information und Recht, S. 3: Information und Kommunikation als konstitutive Elemente der menschlichen Gesellschaft. 890 Vgl. BGH v. 20. 12. 1988, BGHZ 106, 229, 233 - Handzettel; LG Bremen v. 30.11. 1989, NJW 1990,456,457. 883

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Wirkung deutlich auf der Art der rezipierten Information. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, das allgemeine Persönlichkeitsrecht auf diesen Fall zu beschränken. Wie oben herausgearbeitet, kann die Konfrontation mit Information auch andere Wirkungen auf das einzelne Individuum haben. Insofern darf der Fall der Beeinflussung der Persönlichkeit allein durch die Menge der zwangsweisen rezipierten Information nicht außen vor bleiben. Will man nun zur Beeinflussung der Persönlichkeit durch die Menge der Information Stellung nehmen, ist auf das Leitbild eines Durchschnittsrezipienten abzustellen. Man darf also nicht von einem Individuum ausgehen, das in der Informationsverarbeitung und -selektion überdurchschnittlich geschult ist. Vielmehr ist auf den Rezipienten zurückzugreifen, dessen Verarbeitungskapazitäten im durchschnittlichen Bereich liegen. Welche Wirkungen eine Informationsüberflutung auf diesen haben kann, wurde oben bereits dargestellt. 891 Hiernach ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die dort geschilderten Symptome und Verhaltensänderungen nachhaltigen Einfluss auf die jeweilige Persönlichkeit des Rezipienten haben. In Bezug auf die Telefonwerbung wird ein bestimmtes Quorum an Individualverletzung gefordert und eine Toleranzgrenze von zehn Prozent vorgeschlagen. 892 Dieser Ansatz ließe sich im Prinzip auf andere Individualkommunikationstechniken übertragen. Bedenklich erscheint dies jedoch im Hinblick darauf zu sein, dass dieser Ansatz zur Frage nach der Sittenwidrigkeit durch Belästigung i.S.v. § 1 UWG erwogen wird. Was im Einzelnen als belästigend angesehen werden kann und vor allem welcher Maßstab dem zugrunde zu legen ist, ist sicherlich problematisch. Hier geht es aber nicht um die Frage nach einem derart subjektiven und weiten Begriff wie Belästigung, sondern um die Missachtung der selbstbestimmten Kommunikation, die objektiv erkennbar ist. Hinzu kommen Schwierigkeiten bei der demoskopischen Ermittlung einer Persönlichkeitsverletzung. Die Frage nach einer Belästigung ließe sich sicherlich einfacher beantworten. Ungeachtet dessen sprechen die Zahlen der erfolgten Umfragen in Bezug auf die hier interessierenden Marketingmethoden für ein klares Überschreiten der vorgeschlagenen Zehn-Prozent-Hürde. 893 Somit ist also nicht auf die einzelne unverlangte kommerzielle Kommunikation abzustellen, sondern darauf, dass diese grundsätzlich und generell geeignet ist, persönlichkeitsrechtlichen Interessen zuwiderzulaufen. 894 Nun ist für den umfassenden Schutz der menschlichen Kommunikation zum einen unverzichtbar, dass der Einzelne einen selbstbestimmten Bereich hat, in dem er sich zurückziehen kann und in dem er weitest gehend von unverlangter Kommunikation verschont bleibt. Dieser Schutz könnte freilich über den oben angesprochenen Privatsphärenschutz erreicht werden. Jedoch ist dieses Interesse an eiVgl. oben S. 74 ff. Schricker, GRUR Int. 1998,541,549. 893 Siehe oben Fn. 219; Auflistung einzelner Fragen eines demoskopischen Gutachtens zur Telefonwerbung bei Hoß, Wettbewerbspraktiken der Versicherungswirtschaft, S. 163. 894 Vgl. Scherer, Verbraucherwerbung, S. 282. 891

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nem Rückzugsbereich nicht das einzige Interesse des Einzelnen im Hinblick auf einen umfassenden Kommunikationsschutz. Ihm ist auch am Schutz der dynamischen Seite der Kommunikation gelegen, der aber durch den herkömmlichen Privatsphärenschutz nur unzureichend bewerkstelligt werden kann. Scherer weist zu Recht im Rahmen einer kritischen Würdigung der Sphärentheorie auf den prozesshaften Charakter der Persönlichkeits bildung hin. Nicht der Rückzug in geschützte Bereiche sei hierfür erforderlich, sondern gerade die Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt als maßgeblichen Faktor der individuellen Identitätsfindung. 895 Der enge Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Kommunikation wird auch durch den Ansatz von Kau unterstrichen. 896 Hiernach ist die Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung nicht auf innere Wirkursachen beschränkt, sondern vollzieht sich in der Kommunikation als Teil eines gesellschaftlichen Prozesses der Auseinandersetzung mit Anderen. Einen besonderen Schwerpunkt nimmt dabei die interpersonale Kommunikation ein. Einen ähnlichen Gedankengang verfolgt schließlich Ehmann. Er betont, dass zur Entfaltung der Persönlichkeit nicht nur ein ausreichender Privatsphärenschutz, sondern auch die Gewährleistung des erforderlichen Sozial- und Informationsverkehrs im Sinne einer Interaktion mit anderen Menschen gehört. 897 Genau diese Interaktion, die dynamische Seite der Kommunikation, kann ebenso mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt werden. Wie oben schon näher dargestellt, hat das einzelne Individuum ein zunehmendes Interesse an einer aktiven Beeinflussung seiner Kommunikation im Sinne einer selbstbestimmten Kommunikation. Dieses Interesse kann ebenso wie das Interesse, von Informationen unbehelligt zu sein, dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterstellt werden. Systematisch setzt also das hier vorgestellte Modell vom Schutz der kommunikativen Konzeption nicht erst auf der Stufe an, auf der der Privatsphärenschutz verankert ist. Ausgangspunkt ist vielmehr die rechtliche Sicherung einer persönlichen Eigensphäre, was dem Privatsphärenschutz übergelagert ist. 898 Diese persönliche Eigensphäre ist das kommunikative Konzept des Individuums. In dieser Weise gelangt man zunehmend dazu, das obige Konglomerat von Interessen nach und nach dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu unterstellen. Aufgrund der Vielfältigkeit der menschlichen Kommunikation ist aber eine Begrenzung auf besonders sensible Bereiche notwendig, will man einen geschlossenen Tatbestand innerhalb § 823 Abs. 1 BGB begründen. Dieser Umstand ist letztlich der Grund für die Fokussierung auf elektronische Individualkommunikationsmedien. Scherer, Verbraucherwerbung, S. 265. Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 83. 897 EhlrUlnn, AcP 188 (1988), 230, 234; i.d.S. auch Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 186; Interaktion und die soziale Einbindung des Menschen sind also nicht nur Umstände, die zu einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führen können, sondern auch Umstände, die auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gerade angewiesen sind. 898 Ähnlich Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 187, wo mittels eines solches Vorgehens Kritik am herkömmlichen Sphärendenken geäußert wird. 895

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Desto stärker nun die Individualität des Einzelnen in seiner angestrengten Kommunikation Ausdruck findet, um so mehr wächst auch die persönlichkeitsrechtliche Relevanz. Die menschliche Individualität findet Ausdruck in der gewählten individuellen Kommunikation, was wiederum den Wert des Individualkommunikationsmediums für die individuelle Persönlichkeitsentwicklung zeigt. Individualität ist ein Zeichen für die Einzigartigkeit und die Besonderheit eines jeden Individuums. 899 Der Schwerpunkt der Individualkommunikation liegt im zwischenmenschlichen Austausch. Wie jeder Mensch diesen gestaltet, obliegt ihm aufgrund seiner Einzigartigkeit selbst. Dieser Austausch und nicht nur der reine Informationstransfer rufen dann auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht auf den Plan. Denn es gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen, in einem selbstbestimmten und wechselseitigen Austausch mit seinen Mitmenschen zu stehen und mit diesen ein kommunikatives Näheverhältnis einzugehen. Geis betont in Bezug auf individuelle Kommunikationsmöglichkeiten zu Recht, dass der Mensch zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit in jedem Fall eines Gegenübers bedarf. 9OO Dabei muss nun das Näheverhältnis nicht auf ein persönliches Gespräch beschränkt bleiben, wie es beim Telefonieren der Fall ist. Ein solches kommunikatives Näheverhältnis kann auch beim Austausch über E-Mail oder vergleichbare Techniken entstehen. 901 Der BGH konstatiert zwar in seiner Telex-Enscheidung aus dem Jahr 1972, dass es hier an einem unmittelbaren Kontakt des Werbenden zum Adressaten fehle und somit die unerfreulichen Begleiterscheinungen ausbleiben, die mit einem Werbeanruf verbunden sind. 902 Anknüpfungspunkt der vorliegenden Untersuchung ist jedoch nicht der laufende Kommunikationsakt, sondern bereits die unverlangte Einleitung desselben. Daneben sieht der BGH nicht, dass gerade die individuelle Komponente der Kommunikation eine Beziehung zwischen den kommunizierenden Parteien begründet, wie es bei massenmedialer Kommunikation gerade nicht der Fall ist. Genau dieser wechselseitige Austausch war auch schon oben wesentliches Abgrenzungskriterium bei der Frage nach dem Unterschied von Massen- und Individualkommunikation. Selbst die Stimmen in der Literatur, die einer opt-in-Lösung hinsichtlich E-Mail-Werbung ablehnend gegenüber stehen, bemerken, dass diesbezüglich die Gefahr des Untergangs des Individualverkehrs besteht. 903 Knüpft der BGH wie in Telefanwerbung f04 an die technische Eigenart des Kommunikationsmediums an, so ist diese Eigenart gerade die Möglichkeit der individuellen KomPeifer, Individualität, S. 9. Geis, JZ 1991, 112, 115; vgl. auch BVerfG v. 31. 1. 1973, BVerfGE 34, 238, II 2 der Gründe - Tonbandaufnahme; BGH v. 20. 5.1958, BGHZ 27,284,287 - Tonbandaufnahme 1. 901 Zu stark am persönlichen Gespräch orientiert Leupold/ Bräutigam/ Pfeiffer, WRP 2000,575,593; Leupold, WRP 1998, 270, 277 m. w. N.; Ziem, MMR 2000, 129, 130; vgl. auch Lachmann, WRP 1983,591,594 für die Btx-Werbung: "kein Eindringen in die Privatsphäre". 902 BGH v. 6. 10. 1972, BGHZ 59, 317, 319; vgl. daneben auch Ziem, MMR 2000, 129, 130. 903 Reichelsdoifer, GRUR 1997, 191, 198. 904 Vgl. Fn. 316. 899

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munikation und nicht auf das Telefon und vor allem nicht auf das Festnetztelefon beschränkt. 905 Hinzu kommt an dieser Stelle nun das kommunikative Näheverhältnis. Ein solches entsteht ausschließlich im Rahmen der Individualkommunikation und bedarf eines besonderen rechtlichen Schutzes. Dieser gibt dem Einzelnen das Recht, selbst zu bestimmen, wer mit ihm ein solches kommunikatives Verhältnis eingehen soll. Kommunikatives Näheverhältnis bedeutet jedoch nicht, dass ein unmittelbarer Kontakt zwischen den Parteien besteht, wie dies beispielsweise bei einem Telefonat der Fall ist. Ein solches wird vielmehr bereits dadurch begründet, dass eine Kommunikation von Person zu Person stattfindet. 906 Insoweit gilt dies also auch für nicht sprachliche Kommunikation, wie E-Mail- oder SMS-Kommunikation. Die besondere Betonung der Individualkommunikation soll jedoch nicht bedeuten, dass ihr zwangsläufig ein Mehr an Schutzbedürftigkeit zukommt als der Massenkommunikation. Letztere, die in weiten Teilen schon durch den Schutzauftrag des Art. 5 Abs. I GG gesichert ist, ist auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur nicht in dem Maße angewiesen wie die Individualkommunikation. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle somit, dass zwischenmenschlicher Austausch und das damit zusammenhängende Näheverhältnis die wesentlichen Aspekte sind, die den Schutz der Individualkommunikation durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht erforderlich machen. Nach dem nun der besondere Bezug von Persönlichkeit und Individualkommunikation beleuchtet wurde, soll im Folgenden der Blick darauf gerichtet werden, warum die Konkretisierung auf elektronische Kommunikationstechniken erfolgt. Erforderlich ist dies ebenso aus Schutzbereichserwägungen in Bezug auf Art. 2 Abs. I i. V.m. Art. lAbs. 1 GG als auch aus den oben schon angesprochenen systematischen Gründen. 907 Insoweit ist Rixecker Recht zu geben, wenn er darauf hinweist, dass allein die Form des Zutritts zum persönlichen Bereich die Verletzung des Persönlichkeitsrechts ausmachen kann. 90s Die Kommunikation mittels elektronischer Individualkommunikationsmitteln hat einen besonders nachhaltigen Einfluss auf die Persönlichkeit, da hier unter Umständen eine besonders enge Nähebeziehung zwischen den Individuen entstehen kann. Unzweifelhaft kann dies beispielsweise bei einem Telefonat der Fall sein. Andererseits sind auch andere kommerzielle Individualkommunikationen von einem Näheverhältnis geprägt, wie beispielsweise das Ansprechen auf offener Strasse oder die Haustürgeschäfte zeigen. Insoweit erweist sich dieser Umstand als nicht taugliches Einteilungskriterium für einen Tatbestand und rechtfertigt auf den ersten Blick nicht die Ungleichbe905 Die Haussprechanlage fällt jedoch nicht unter die hier relevanten Individualkommunikationsmittel, da ihr Zweck nicht in der Befriedigung eines umfassenden Kommunikationsbedürfnisses besteht, vgl. Ulrich in: FS Vieregge, S. 901, 918. 906 Vgl. SchreylWesterwelle, Beilage 18 zu BB Heft 48/1997, S. 17,20, die diesen Punkt in Bezug auf die Privatsphäre im herkömmlichen Verständnis ansprechen. 907 Vgl. S. 171. 908 MünchKomml Rixecker, § 12 Anh. Rn. 89.

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handlung von Individualkommunikationen. Wie eingangs schon angesprochen, soll das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Schutzinstrument der kommunikativen Konzeption aufgefasst werden. Es ist ein Ausschließungsrecht, das uns den Genuss unserer selbst und dessen, was mit uns untrennbar verbunden ist, also unsere persönlichen Güter, gewährleistet. 909 Dies darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass schon die verschiedenen elektronischen Individualkommunikationsmedien als solche persönlichen Güter gewertet werden. Dies wäre sicherlich zu weitgehend, schon unter dem Gesichtspunkt, dass diese nicht untrennbar mit einem Individuum verbunden sind. Vielmehr ist das angesprochene kommunikative Konzept ein solches persönliches Gut, das persönlichkeitsrechtlichen Schutz genießt. Damit dieser Schutz eingreift, muss das kommunikative Konzept des Einzelnen berührt sein, was notwendigerweise voraussetzt, dass er für seine individuelle Kommunikation eine Grundidee entwickelt hat, die in einer Konzeption aufgeht. Diese Grundidee muss für den Rechtsadressaten auf irgendeine Weise erkennbar sein. Dies ist dann der Fall, wenn sich der Einzelne bewusst elektronischer Individualkommunikationsmedien bedient und diese für sich einrichtet. Genau hieran fehlt es aber bei den zuvor erwähnten Individualkommunikationen. Die Möglichkeit eines persönlichen Gesprächs steht in keinem Zusammenhang mit einem Medium, das Gegenstand eines Kommunikationskonzepts sein kann. Insoweit bedarf es nun nicht mehr des Kunstgriffs über die "historischen Gegebenheiten", um die Zulässigkeit von unaufgeforderten, gewerblichen Hausbesuchen im Gegensatz zur Telefonwerbung zu begründen. 910 Ähnliches gilt auch für den Fall der Briefkastenwerbung. 911 Denn begreift man diese in einem weiten Sinn und lehnt sich nicht an reine Begrifflichkeiten, ist eine solche kommerzielle Kommunikation auch ohne das Medium "Briefkasten" möglich. 912 In systematischer Hinsicht wäre es verfehlt, diese Sachverhalte in einen geschlossenen Tatbestand aufzunehmen. Sie würden diesen - entgegen der oben dargelegten Absicht - unzureichend eingrenzen und ihn in der Folge ungeeignet für eine Rechtswidrigkeitsindizierung erscheinen lassen. Angesichts dieser Überlegungen ist die Schaffung eines Tatbestandes für unverlangte kommerzielle und elektronische Individualkommunikation notwendige Konsequenz.

Eltzbacher, Band I, S. 304. So BGH seit Telefonwerbung I, Fn. 316; vgl. hierzu Ulrich in: FS Vieregge, S. 901, 910, der auf überzeugende Art berechtigte Zweifel an der generellen Zulässigkeit von Vertreterbesuchen anmeldet. 911 Diesen Aspekt verkennend Leupold/ Bräutigam/ Pfeiffer, WRP 2000, 575, 592; Reichelsdorfer, eR 1998, 172, 173; Vehslage, DZWir 1998,471,472. 912 Ist die Adresse eines Dritten bekannt, kann briefliche Werbung beispielsweise auf die Fußmatte gelegt werden oder unter der Tür durchgeschoben werden. Ein solches oder ähnliches Vorgehen scheidet bei elektronischer Kommunikation aus, da hier notwendigerweise ein vom Willen des Adressaten abhängiges Medium vorausgesetzt wird. Dass mit einem festen Wohnsitz gleichzeitig eine postalische Adresse mit einher geht, kann sicherlich nicht zu einem kommunikativen Konzept führen. 909

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Dabei handelt es sich auch nicht um eine Bevonnundung des Verbrauchers, sondern im Gegenteil, um den Schutz des Verbrauchers vor Bevonnundung. 913 Diejenigen, die von einer Bevonnundung sprechen, legen ihrer Ansicht zugrunde, dass der Verbraucher ein erhebliches Interesse an infonnativer Werbung, insbesondere an der Infonnation über lukrative Angebote habe. 914 Dies mag außerhalb der Werbung mittels elektronischer Individualkommunikation durchaus der Fall sein. Nach der Untersuchung des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft aus dem Jahr 2001 würden zwei Drittel der Rezipienten solcher unverlangt zugesandter Werbung "auf keinen Fall" von entsprechenden Finnen Produkte erwerben. 915 Dies entkräftet in erheblicher Weise das Argument des "Interesses an infonnativer Werbung". Hat der Verbraucher trotz der zunehmenden Werbeflut ein Interesse an infonnativer Werbung, kann er sein Interesse ohne weiteres im Rahmen der technischen Möglichkeiten zum Ausdruck bringen. 916 Umgekehrt ist dies nur in weitaus schwierigerem Maße möglich. Zudem liegt bereits rein sprachlich keine Bevonnundung des Verbraucher vor, sondern sie richtet sich im Gegenteil an den Gewerbetreibenden und seine Hilfspersonen. Dem Verbraucher wird weder ein Tun noch ein Unterlassen aufgegeben. Dass man das Verkennen eines irgendwie gearteten mutmaßlichen Interesses an infonnativer Werbung als Bevonnundung wertet, übersieht geradezu den hohen Stellenwert des selbstbestimmten kommunikativen Konzepts. In diesem Zusammenhang sei auch auf weitere Einwände gegen die eben genannte Argumentation hingewiesen. Einmal liegt ihr die Ansicht zugrunde, dass das Internet eine neuartige, virtuelle Marketingplattfonn sei. Dies mag auf Teilbereiche des Internet zutreffen, differenziert jedoch zu wenig nach den unterschiedlichen, auf der Internettechnologie basierenden Medien. Der E-Mail-Dienst als Individualkommunikationsmedium ist jedenfalls nicht von seiner ursprünglichen Zwecksetzung als überwiegendes Werbemedium zu verstehen und würde auch in dieser Funktion kaum einen "Wohlfahrtsgewinn für die Allgemeinheit" bringen. 917 Vielmehr hat sich dieser Dienst zu einem überwiegend privaten Kommunikationsmedium entwickelt, das für Viele ein vollwertiger Ersatz des herkömmlichen Briefverkehrs darstellt. Anderes gilt freilich, wenn ein Anschluss für geschäftliche Zwecke eingerichtet wird. Hinzu kommt, dass das Interesse des Einzelnen an infonnativer Werbung nicht denselben Schutz genießt wie die Interessen, die dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Fonn des kommunikativen Konzeptes unterstellt sind. Denn ein Anspruch, von Dritten infonniert zu werden, ist der grundgesetzlichen Wertordnung gerade fremd. 918 Dies verkennen Leupold/ Bräutigam/ Pfeiffer, WRP 2000, 575, 592. Funk, eR 1998,411,419. 915 Vgl. Pressemitteilung v. 28. 9. 2001, www.eco.de/presse/ mitteilungen / 2001 /01 - 0928b_de.htm. 916 Man denke nur an das oben erörterte Permission-Marketing; vgl. LG Traunstein v. 18. 12. 1997, eR 1998, 171, 172, was von einem sinkenden Interesse des Verbrauchers an Werbung ausgeht. 917 Vgl. Burckhardt, Direktmarketing, S. 137 f., der auch auf den wissenschaftlichen Ursprung des E-Mail Dienstes absteHt; a.A. Funk, eR 1998, 411, 420. 913

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Bei der Venneidung von unverlangter kommerzieller Kommunikation geht es um mehr als um die Sicherung der Funktionalität der Kommunikationsmedien und ihrer technischen Einrichtungen. Im Schrifttum hat Weise zur Briefkastenwerbung angeführt, dass es dem Einzelnen nicht um den Schutz seines Willens geht, sondern um den Schutz der Zweckbestimmung seines Briefkastens. 919 Dem ist insoweit zuzustimmen, als es ihm auch ein Anliegen ist, die Funktionalität seiner Individualkommunikationsmittel zu sichern und zu erhalten. Weise verkennt jedoch, dass dies nicht die einzigen Interessen sind, die der Einzelne verfolgt. Das Interesse, eine Infonnationsüberlastung zu venneiden, ist sicherlich nicht identisch mit dem eben Erwähnten. Hinzu kommt, dass sich die selbstbestimmte, aktive Informationsnachfrage und die Achtung des kommunikativen Konzepts jedes Einzelnen mit allen sich dahinter verbergenden Interessen eben nicht nur unter dem Aspekt der Funktionalität der Kommunikationsmedien erklären lässt. 92o Die Schwierigkeiten bei der rechtlichen Einordnung der hier untersuchten elektronischen Kommunikationen bestehen darin, dass ein ganzes Konglomerat an Interessen herausgearbeitet wurde, die unter dem gesuchten rechtlichen Schutzinstrument einzuordnen sind. Insofern ist schon aus diesem Grund ein Instrument zu wählen, das offen für eine diesbezügliche Interpretation ist. Es ist somit methodisch nicht verfehlt, auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurückzugreifen, da nur dieses einen umfassenden Schutz des dargestellten Konglomerats von Interessen gewährleistet. 921 Der Ansatz, das allgemeine Persönlichkeitsrecht als umfassendes Schutzinstrument für die kommunikative Konzeption zu begreifen, hat den Vorteil, dass es auch für den Schutz außerhalb der hier interessierenden Fallgruppe der kommerziellen Kommunikation dienlich sein kann. An dieser Stelle soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass eine Erweiterung und der Ausbau der hier vorgestellten Denkansätze über den Bereich der elektronischen Individualkommunikation wünschenswert ist. Voraussetzung ist auch hier wieder die Konkretisierung und Herausarbeitung einer persönlichkeitsrelevanten Eingriffskonstellation, die unter die Fallgruppe des Schutzes der kommunikativen Konzeption gestellt werden kann. Schließlich soll noch der Punkt der "Unentrinnbarkeit" angesprochen werden, der als Prüfungspunkt bei der sogenannten negativen Infonnationsfreiheit erwogen wird und dort maßgeblich für die Eingriffsqualität sein soll.922. Anderen Stimmen zufolge, berühren Infonnationen, denen ausgewichen werden kann, nicht die Vgl. Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 17 m. w. N. Weise, GRUR 1989,653,656 f.; ähnlich Steckler, GRUR 1993,865,870. 920 Vgl. LeupoldlBräutigamlPfeiffer, WRP 2000, 575, 578: Push-Kommunikation missachtet die Kerneigenschaft des Internet; vgl. auch Nachweis bei Schuster I Müller, Beilage MMR Heft 10/2000, S. 10. 921 A.A. Weise GRUR 1989,653,656. 922 Vgl. Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 160; Fikentscher/ Möllers, NJW 1998, 1337, 1342; Kühling, Kommunikationsfreiheit, S. 228 m. w. N.; zur negativen Informationsfreiheit siehe unten S. 224. 918 919

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Selbstbestimmung über den persönlichen Bereich. 923 In der Sache geht dies einher mit der Unentrinnbarkeit. Ob und an welchem Ort ein solches Kriterium bei der Prüfung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in die Systematik passt, sei an dieser Stelle nicht näher vertieft. Jedenfalls ist im Rahmen der elektronischen Individualkommunikation das Merkmal der Unentrinnbarkeit wohl immer zu bejahen. Fikentscher / Möllers 924 sehen zu Recht dieses Merkmal dann als erfüllt an, wenn die Abwehr der Informationen mit dem Verlust der eigenen Kommunikationsfähigkeit erkauft werden müsste. Im Fall eines werblichen Telefonanrufs auf ein Mobilfunkgerät, kann man diesem nur "entrinnen", falls das Gerät ausgeschaltet ist. Letzteres zu tun, kommt aber dem Verlust der Kommunikationsfähigkeit über dieses Medium gleich, was wiederum die Drittbestimmtheit des kommunikativen Konzeptes hervorruft. Sich der Werbung durch einfaches Wegsehen im Sinne eines zumutbaren Ausweichens zu entziehen, wie es beispielsweise bei der typischen Außenwerbungmöglich wäre, ist hier gerade ausgeschlossen. Gleiches gilt für die anderen elektronischen Individualkommunikationen. Ist ein E-Mail-Anschluss erst einmal eingerichtet, ist der Inhaber unverlangten Werbesendungen "unentrinnbar" ausgeliefert. 925 Dies fügt sich ein in die vom BGH getroffenen Wertungen in dessen Btx-Entscheidung aus dem Jahr 1988. Dort stellte er fest, dass es dem Teilnehmer nicht "angesonnen" werden könne, seinen Anschluss sperren zu lassen, nur um den unerträglichen Belastungen durch unerwünschte Werbung zu entgehen. 926 Gleiches gilt für SMS-Werbung, da es momentan nicht möglich ist, den SMSEmpfang zu deaktivieren. Zudem setzt eine Entrinnbarkeit auch ein gewisses Maß an Erkennbarkeit927 der kommerziellen Kommunikation voraus, an der es jedoch fehlt. Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten hinsichtlich der hier interessierenden kommerziellen Kommunikationen bestehen. In diesem Zusammenhang sei auf einen naheliegenden Einwand gegen den persönlichkeitsrechtlichen Schutz des kommunikativen Konzeptes hingewiesen. Man könnte annehmen, dass derjenige, der sich verschiedene Kommunikationsmedien einrichtet, auch damit rechnen muss, dass Dritte diese für ihre Zwecke missbrauchen und in der Folge das Kommunikations- und Informationsaufkommen steigen wird. 928 Schon in seiner ersten Entscheidung zur Telefonwerbung hat der BGH jedoch diesen Einwand nicht gelten lassen. Vielmehr stellte er fest, dass derjenige, der sich einen Telefonanschluss einrichten lässt, sich und sein Heim nicht "der großen Welt" öffnet. 929 Dieser Gedanke kann auch auf andere MünchKomml Rixecker, § 12 Anh. Rn. 92. NJW 1998, 1337, 1342. 925 So im Ergebnis auch Fikentscherl Möllers, NJW 1998, 1337, 1342; vgl. auch Gil/es, NJW 1988,2424,2431: "schutzlos ausgeliefert". 926 BGH v. 3.2. 1988, BGHZ 103, 203, 211 - Btx. 927 Vgl. Freund, Persönlichkeitsrecht des Umworbenen, S. 174 ff.: Erkennbarkeit als Abwägungskriterium. 928 LeiblelSosnitza, K&R 1998,283,291. 923

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Medien übertragen werden. Es ist doch auch und gerade Kennzeichen seiner Individualität, wenn sich der Einzelne mittels Individualkommunikationsmedien der Außenwelt öffnen will. Inwieweit es sich "der großen Welt" im Sinne der kommunikativen Zugänglichkeit öffnet, legt das Individuum aber allein im Rahmen der Zwecksetzung seines kommunikativen Konzeptes jeweils selbst fest. Dass dann kommerzielle Zwecke davon umfasst sind, hat der Einzelne durch eindeutige Erklärung kundzutun. Liegt eine solche nicht vor, hat das Individuum durch bloße Einrichtung von Individualkommunikationsmedien keine Duldungspflicht für unverlangte kommerzielle Kommunikationen. Die hier gefundene Lösung gilt für alle elektronischen Individualkommunikationstechniken. Der vielfach geäußerte Einwand, E-Mail-Werbung sei nicht mit der Telefonwerbung zu vergleichen, überzeugt im Hinblick auf die Verletzung des kommunikativen Konzeptes des Einzelnen nicht. 93o Das Abstellen auf ein unkontrollierbares Eindringen in eine geschützte Sphäre und die besondere Betonung der Unkontrollierbarkeit darf nicht dazu verleiten, im Falle von unverlangter E-MailWerbung das Argument ins Feld zu führen, dass es sich hierbei doch gerade nicht um unkontrollierbare Vorgänge handelt. 931 Dies mag auf den tatsächlichen Vorgang des Abrufs durchaus zutreffen. Hierauf kommt es jedoch gar nicht an. Anknüpfungspunkt für eine Persönlichkeitsverletzung ist nämlich nicht die räumlich gegenständliche Sphäre, in der sich der Rechtsträger gerade befindet, im Falle der Telefonwerbung eben der besonders geschützte, häusliche Bereich. Verlangt man nach einer solchen Verkörperung in Bezug auf das Kommunikationskonzept, ist hierfür bereits auf den vom Dienstanbieter quasi zugeteilten Speicherplatz auf dem Server abzustellen. Es geht jedoch nicht nur um einen räumlichen Rückzugsbereich, sondern ebenso um die Sicherstellung der elektronischen Individualkommunikation. Dies umfasst auch den Schutz der zwingend hierfür erforderlichen technischen Mittel und somit auch den physischen E-Mail-Account.Beiunverlangter SMS-Kommunikation stellt sich diese Problematik nicht, da eine längere Zwischenspeicherung ausbleibt. cc) Ausnahme für juristische Personen Das soeben dargestellte Schutzkonzept der Persönlichkeit gilt jedoch nicht für juristische Personen und sonstige Verbände. Solche genießen Persönlichkeitsschutz nach h.M. nur in einem Umfang, der durch ihr Wesen als Zweckschöpfung des 929 BGH v. 19.6. 1970, BGHZ 54, 188, 191 - Telefonwerbung I: dies gilt nicht, wenn der Dritte zu dem Inhaber in solchen Beziehungen steht, welche die Inanspruchnahme gerechtfertigt erscheinen lassen; a.A. wohl MünchKomm/ Rixecker, § 12 Anh. Rn. 91: unerwünschte Telefonate als typisches Risiko. 930 LG Traunstein v. 18. 12. 1997 mit Anm. Reichelsdorfer, eR 1998, 171, 173; ders.: GRUR 1997, 191; Schrey/Westerwelle, Beilage 18 zu BB 1997, Heft 48, S. 17. 931 So aber LG Augsburg v. 4. 5. 1999, NJW 2000, 593; vgl. hierzu schon oben S. 184.

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Rechts und ihre satzungsmäßige Funktion beschrieben wird. 932 Nun passt aber ein Recht, das im Kontext von Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung durch individuelle Kommunikation steht, unzweifelhaft nicht zum Wesen einer juristischen Person oder eines Verbandes. Dieses Recht hängt untrennbar mit dem Menschsein und der natürlichen Person zusammen, wurde doch oben vor allem auf den selbstbestimmten, individuellen Austausch zweier natürlicher Personen abgestellt. Dass solche Rechte juristischen Personen nicht zukommen ist aber allgemein anerkannt. 933 Insoweit wäre eine Verletzung von § 823 Abs. I BGB schon aus diesem Grund nicht möglich. Eine nur mittelbare Beeinträchtigung des Personenverbandes ist nach der deliktischen Systematik ausgeschlossen. In der Prüfungssystematik des § 823 Abs. 1 BGB findet dieser Umstand Ausdruck im Tatbestandsmerkmal des "anderen". Um einen solchen handelt es sich also nur bei einer natürlichen Person, deren kommunikatives Konzept berührt ist. 934

dd) Zusammenfassung Es hat sich gezeigt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine wichtige Ergänzung in Bezug auf einen umfassenden Schutz der Kommunikationsfreiheit darstellt und vorhandene Lücken schließt. Die Auslegung des § 823 Abs. 1 BGB in der eben geschehenen Art und Weise ist dabei ein weiterer und notwendiger Schritt in Richtung einer neuen Informationsordnung. Entgegen der vielfach geäußerten Ansicht kann sich insbesondere der Adressat und Rezipient von elektronischer Post durchaus auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen, da dieses insoweit berührt ist, als das individuelle Kommunikationskonzept berührt ist. Dabei geht der Schutz über die Fallgruppe des Eindringens in die Privatsphäre hinaus, da er teilweise vollkommen andere und noch nicht hinreichend berücksichtigte Interessen beachtet. Da diese Interessen im Hinblick auf eine se1bstbestimmte Individualkommunikation in einem engen Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 1 GG stehen, wird der Weg des Art. 2 Abs. 1 GG in Richtung einer allgemeinen Handlungsfreiheit gerade verlassen. Insoweit tritt kein Widerspruch mit der h.M. ein, die jene dem Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht entzieht.

932 BOH v. 26. 6. 1981, BOHZ 81, 75, 78 - Carrera; statt vieler PalandtlThomas, § 823 Rn. 181; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 119; vgl. auch Vorschlag von Kau, Persönlichkeitsschutz, S. 91 ff. 933 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 119 f. Eine Ausnahme müsste man aber dann zulassen, wenn sich mehrere Personen verbandsmäßig mit dem Zweck organisieren, eben individuell mittels der oben dargestellten Medien zu kommunizieren. In diesem Fall wäre die bestimmungsgemäße Funktion des Verbandes ernsthaft gefährdet, wenn Dritte unaufgefordert in diesen Austauschprozess eingreifen würden. 934 Eine weitere Einschränkung erfolgt später in Bezug auf die private oder berufliche Nutzung der Individualkommunikationsmedien, vgl. S. 235.

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e) Eingriffshandlung

Die maßgebliche Eingriffshandlung stellt das Zusenden unverlangter kommerzieller Kommunikation mittels der hier untersuchten Medien der Individualkommunikation dar. Anknüpfungspunkt für die Eingriffshandlung ist dabei immer ein aktives Tun. Dies gilt auch für die oben beschriebenen Fälle, in denen der Gewerbetreibende einen Marketingdienstleister damit beauftragt, eine entsprechende Kommunikation zu veranlassen. Dann steht diese Auftragserteilung in adäquat ursächlichem Zusammenhang mit dem Versenden der unverlangten Information. Diese Verantwortungskette kann der Auftraggeber nur dann unterbrechen, wenn er der oben näher erläuterten Überwachungsverpflichtung nachkommt.

4. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Die eben erfolgte Untersuchung hat nun gezeigt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht gern. Art. 2 Abs. I i.V.m. I Abs. I GG inhaltlich berührt ist. Damit ist ein entscheidender Schritt zur Typisierung einer Tatbestandsalternative des allgemeinen Persönlichkeitsrechts getan. Vor allem ist der umstrittene Punkt geklärt, ob denn unverlangte E-Mail-Werbung überhaupt von persönlichkeitsrechtlicher Relevanz ist. Keine Aussage ist damit aber über die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts getroffen. Nach der oben erwähnten zweistufigen Tatbestandsprüfung ist dies nun der anschließenden Prüfung vorbehalten. Dabei ist zum Punkt des Einverständnisses wie auch der Sozialadäquanz Stellung zu nehmen, bevor innerhalb einer Abwägung schließlich der Interessenkonflikt von Kommunikator und Rezipient behandelt wird. Von einer Verletzung kann jedoch frühestens dann gesprochen werden, wenn die Information in die Sphäre des Rezipienten gelangt ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass die persönlichkeitsrechtliche Relevanz unter anderem mit der Informationsüberlastung begründet wurde. Diese kann aber erst dann eintreten, wenn eine Informationskonfrontation eingetreten ist. Bei Informationserhalt, auf den der Empfänger keinerlei Einfluss hat, ist dieser Punkt unproblematisch. Im Falle der elektronischen Post tritt die Informationskonfrontation dann ein, wenn die unverlangte Nachricht im Postfach des Empfängers eintrifft, die Daten also auf dem vom Provider zugewiesenen Speicherplatz - wenn auch nur für kurze Zeit - zwischengespeichert werden.

a) .. Unverlangte" Kommunikation als Tatbestandsvoraussetzung

Wesentliche Voraussetzung für die hier konkretisierte Tatbestandsalternative innerhalb des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist das Merkmal der "unverlangten" Kommunikation. Verlangt der spätere Rezipient ausdrücklich oder konkludent nach Informationen, kommt diesem Verhalten bereits tatbestandsausschließende Wirkung zu, gleichgültig ob man hierfür den Begriff des Einverständnisses oder 14*

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den der Einwilligung verwendet. 935 Dem Sprachgebrauch entsprechend, soll im Folgenden jedoch von Einverständnis gesprochen werden, da insofern - unabhängig von der Frage nach der Rechtswidrigkeit i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB - eine Tatbestandsverwirklichung ausscheidet. Der besondere Unrechtsgehalt des hier konkretisierten Tatbestandes ist von einem Handeln ohne Berücksichtigung des Willens des Rezipienten gekennzeichnet, was dem Tatbestand gerade sein spezifisches Gepräge verleiht. Dies ist typisch für Fälle, die einem Einverständnis zugänglich sind. 936 Ein rechtlich relevantes Verlangen kann nur bis zu dem Zeitpunkt ausgesprochen beziehungsweise kundgegeben werden, an dem die entsprechende Information beim Empfanger eintrifft und in dessen Verfügungsbereich oder sonstige Sphäre gelangt. Da bei der elektronischen Kommunikation außerhalb der Sprachkommunikation die Übertragung binnen Bruchteilen von Sekunden erfolgt, wird man auch sagen können, dass unverlangte Information immer dann vorliegt, wenn zum Zeitpunkt des Sendens durch den Absender diesem kein entsprechendes Verlangen des Empfangers zugegangen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt ist also in der Regel die Einleitung des Kommunikationsakts. Lässt also das Verhalten des Betroffenen im Vorfeld erkennen, dass dieser an kommerzieller Information, welcher Art auch immer, interessiert ist, und drückt sich dies in einem Einverständnis aus, liegt keine tatbestandliche Persönlichkeitsverletzung vor. 937 Als Beispiel ist hier das oben näher erläuterte "permission based marketing" zu nennen. Innerhalb des Tatbestandsmerkmals "unverlangt" ist jedoch kein Raum für Mutmaßungen. Selbst wenn man - vorbehaltlich der späteren Prüfung im letzten Teil - eine mutmaßliche Einwilligung für zulässig halten will, nimmt eine derartige Mutmaßung der kommerziellen Kommunikation nicht ihren "unverlangten" Charakter. Grund hierfür ist, dass man von den objektiven, der Mutmaßung zugrunde liegenden Umstände - außerhalb gesetzlicher Ausnahmenormen - nicht auf ein subjektives Verlangen schließen kann. Es handelt sich dann vielmehr um eine tatbestandliche Persönlichkeitsverletzung, die jedoch aufgrund einer Einwilligung als klassischer Rechtfertigungsgrund dann nicht rechtswidrig ist. 938 Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Einwilligung im Zeitpunkt der Handlung vorliegen muss, um das Unrecht auszuschließen. Lässt man eine mutmaßliche Einwilligung zu, so müssen die der Mutmaßung zugrunde liegenden Um935 Vgl. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 170; Jarass, NJW 1989,857,862; zu undifferenziert Smith, ZEuR 1999, 303, 305, dort Fn. 12; vgl. auch Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 226, welche die tatbestandsausschließende Wirkung der Einwilligung damit begründet, dass in diesem Fall der Rechtsträger gerade von seinem Selbstbestimmungsrecht gebrauch macht. 936 Schenke, Einwilligung des Verletzten, S. 125. 937 Freund, Persönlichkeitsrecht des Umworbenen, S. 234 ff. sieht im eigenen Verhalten das maßgebliche Abwägungskriterium innerhalb der Rechtswidrigkeitsabwägung. Da jenes nun aber schon im Tatbestand Beachtung findet, wird diesbezüglich der Katalog der Abwägungskriterien dünner. Man erkennt somit deutlich, dass es ohne weiteres möglich ist eine neue systematische Struktur zu schaffen. 938 Vgl. Palandt / Thomas § 823 Rn. 42 und 184.

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stände bereits beim Versenden der kommerziellen Kommunikation vorliegen. Eine nachträgliche Einwilligung kann das Unrecht der Tat nicht mehr ausschließen. 939 Macht der Umworbene im Prozess eine Persönlichkeitsverletzung durch unverlangte Kommunikation geltend, kann ihm entgegen der allgemeinen Regel nicht die Beweislast für das Merkmal "unverlangt" aufgebürdet werden. Eine Umkehr der Beweislast ergibt sich aus zwei Gründen. Einmal kommt eine solche dann in Betracht, wenn der zu beweisende Umstand normalerweise in einem Bereich angesiedelt ist, den die an sich nicht beweisbelastete Partei beherrscht. 94o Da es für den Kommunikator ein Einfaches ist, Erklärungen oder Handlungen, die Rückschlüsse auf ein Einverständnis zulassen, mit Hilfe seiner technischen Einrichtungen zu dokumentieren, ist eine Beweislastumkehr gerechtfertigt. Hinzu kommt, dass im Falle der rechtfertigenden Einwilligung ohnehin der Kommunikator die Beweislast hierfür zu tragen hätte. Insofern erscheint es unbillig, das tatbestandsausschließende Einverständnis über die systematische Differenzierung hinaus anders zu behandeln. b) Sozialinadäquanz als Tatbestandsmerkmal

Ausgangspunkt der folgenden Überlegung ist, dass nicht jede unverlangte Information zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führen kann. Dies folgt daraus, dass das Individuum in die soziale Gemeinschaft eingebunden ist, die insbesondere durch Kommunikation und Interaktion gekennzeichnet ist. Beeinträchtigungen, die in einem derartigen gesellschaftlichen Zusammenleben auftreten, sind teilweise unvermeidbar, da sie zwangsläufig die Kehrseite eines der Verwirklichung des Persönlichkeitsrechts anderer Personen dienenden Verhaltens darstellen. Canaris betont in diesem Zusammenhang, dass in einer Gesellschaft, die in hohem Maß auf Information und Kommunikation angewiesen ist, kein absoluter Schutz vor Informationen möglich ist, wobei eben darauf hingewiesen wird, dass der Einzelne in einen Interaktions- und Kommunikationszusammenhang eingebunden iSt. 941 Nicht jeder Beeinträchtigung der Persönlichkeit durch belästigende Informationen kann also rechtliche Relevanz zugemessen werden. Bestimmte Rechtsbeeinträchtigungen im Rahmen der normalen, geschichtlich gewordenen Ordnung des Zusammenlebens sind hinzunehmen, wenn sie von zahlreichen Menschen verwirklicht und für rechtens gehalten werden. 942 Schenke, Einwilligung des Verletzten, S. 120. Palandt I Heinrichs, § 282 Rn. 2; vgl. auch Wolber / Eckardt, OB 2002, 2581, 2585. 941 Larenz I Canaris, SR § 80 11. 942 Enneccerusl Nipperdey, AT § 101 13; ders., NJW 1967, 1985, 1993; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 145; Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 140; Larenz, NJW 1954, 521,523; Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 158: vgl. die dortigen Kriterien auf S. 162 in Anlehnung an den Gesetzesentwurf, Bt-Os III/1237, S. 13: Geringfügigkeit, Häufigkeit, Üblichkeit, Unvermeidbarkeit und soziale Akzeptanz. 939

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Solche Eingriffe werden teilweise unter der Rubrik "Sozialadäquanz" herausgefiltert. Eine Ansicht geht davon aus, dass dies auf Rechtswidrigkeitsebene zu erfolgen hätte. 943 Dogmatisch sauberer ist es jedoch, von sozialinadäquatem Verhalten als positivem Unrechtselement zu sprechen, da es um die logisch vorrangige Frage geht, ob überhaupt ein die Widerrechtlichkeit des tatbestandlichen Verhaltens begründender Verstoß gegen deliktische Normen vorliegt. 944 Unabhängig von der dogmatischen Einordnung werden im Rahmen der Sozialadäquanz also solche Beeinträchtigungen herausgefiltert, die das Individuum aus eben genannten Gründen hinzunehmen hat. Wäre dies der Fall, erübrigt sich eine Abwägung und das nähere Eingehen auf die geschützten Interessen des Kommunikators und des Werbenden. Hoffmann-Riem stellt in Bezug auf die Reichweite des Schutzes vor aufdringlicher Kommunikation fest, dass der Grad der Öffentlichkeit beziehungsweise Privatheit eines sozialen Feldes als Anknüpfungspunkt für das zu tolerierende Maß an Kommunikation ausschlaggebend ist. 945 Diese Ansicht ist jedoch zu undifferenziert. Sie kann nur für den Fall Geltung beanspruchen, in dem die aufdringliche Kommunikation unmittelbar diesem sozialen Umfeld entstammt, wie es beispielsweise bei einer typischen Plakatwerbung oder der Kinowerbung der Fall wäre. In jedem dieser Fälle besteht ein unmittelbarer Bezug zwischen sozialer Sphäre und Kommunikation, da das Kommunikationsmedium gerade auf diese soziale Sphäre angewiesen ist, ja sogar Teil dieser ist. 946 Anders ist dies jedoch bei elektronischer Individualkommunikation. Erreicht einen Adressaten in der Öffentlichkeit über sein Mobilfunkgerät eine kommerzielle Text- oder Sprachnachricht, so ist diese Kommunikation gerade unabhängig von der momentanen sozialen Sphäre in der sich der Adressat physisch befindet, betrifft diese Sphäre also nur mittelbar. Da kein unmittelbarer Bezug zwischen sozialer Umgebung des Adressaten und seinen Individualkommunikationsmitteln festzustellen ist, spricht nichts dafür, unverlangte kommerzielle Kommunikation in ihrer rechtlichen Würdigung danach zu unterscheiden, an welchem Ort sich der Teilnehmer - zufälligerweise - gerade aufhält. Ein solche willkürliche Differenzierung wäre im Hinblick auf die rechtliche Würdigung nicht überzeugend. 947 943 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht I § 15 IV 3; offenge\assen OLG Düsse\dorf v. 25. 1. 1991, NJW 1991, 1625. 944 So Nipperdey, NJW 1967, 1985, 1993; PalandtlThomas § 823 Rn. 40; TröndlelFischer, StGB, Vor § 32 Rn. 12 m. w. N.; ablehnend Wussow, NJW 1958, 891, 892; wird im folgenden von Sozialadäquanz gesprochen, steht dies immer in Bezug zu der eben erwähnten dogmatischen Einordnung. 945 In AK-GG/Hoffmann-Riem, Art. 5 GG Rn. 95. 946 Dies übersieht wohl auch Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 136, der die pauschale Aussage trifft, dass derjenige, der sich aus seiner häuslichen Isolation in die Allgemeinheit begibt, die dabei entstehenden sozialen Kontakte in weitem Maße hinnehmen muss. 947 Ähnlich Scherer, Verbraucherwerbung, S. 262.

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Teilweise wurde in der Literatur vertreten, dass Information an sich wegen ihrer Sozialadäquanz zu keiner rechtlich relevanten Beeinträchtigung führen kann. 948 Es hat jedoch einmal der Stellenwert von Information in der Vergangenheit einen erheblichen Wandel erfahren. Hinzu kommt der enorme Anstieg der Informationsmenge, der ein Individuum in der heutigen Informations- und Kommunikationsgesellschaft ausgesetzt ist. Somit kann eine solche pauschale Aussage heutzutage sicherlich keine Geltung mehr beanspruchen. 949 Bevor nun zur Sozialadäquanz im Einzelnen Stellung zu nehmen ist, muss auf die Trennung zweier verschiedener Punkte aufmerksam gemacht werden. In seiner Handzettel-Entscheidung aus dem Jahr 1988 ist es dem BGH nicht in ausreichendem Maß gelungen, den Punkt der Sozialadäquanz von dem des mutmaßlichen Einverständnisses für jene Art der Werbung zu trennen. 950 Ob die mit der in Frage stehenden Werbesendung verbundene Belästigung für den Adressaten noch zumutbar ist, ist eine Frage der Sozialadäquanz. Wird die Zumutbarkeit bejaht, kann es schon aus diesem Grund nicht zu einer Persönlichkeitsverletzung kommen. In ganz anderem Zusammenhang steht das Interesse der Umworbenen an Werbesendungen. Dieses muss auf der Ebene eines möglichen mutmaßlichen Einverständnisses erörtert werden. Die hier untersuchten Individualkommunikationen sind als nicht sozialadäquat zu werten, da von einem gesellschaftlichen Konsens keinesfalls ausgegangen werden kann. 951 Es ist schon nicht ersichtlich, dass Werbung über elektronische Medien der Individualkommunikation zur normal gewordenen, geschichtlichen Ordnung zu rechnen ist. Dies setzt eine gewisse Toleranz und Akzeptanz seitens der Bevölkerung voraus, was bezüglich der hier untersuchten Werbemethoden kaum der Fall sein dürfte. Die Änderungen in der zwischenmenschlichen Ordnung im Zuge der Entwicklung der Informationsgesellschaft machten es zudem gerade nötig, den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes hieran anzupassen. Es wäre deshalb widersinnig, sich zur Einschränkung des Tatbestandes einer Persönlichkeitsverletzung genau auf dieselben Umstände zu beziehen und darauf zu verweisen, dass aufgrund zunehmender Kommunikation der Einzelne entsprechende Beeinträchtigungen zu dulden habe. Huhmann verweist zwar in diesem Zusammenhang auf die soziale Bindung, die eines jeden subjektiven Rechtes anhafte. 952 Dazu ist jedoch zu bemerken, dass hier die Weiterentwicklung des Tatbestandes des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes gerade aus Gründen der sozialen Bindung des Einzelnen erfolgt ist. Im Übrigen kann es nicht Sinn und Zweck der Sozialadäquanz sein, schlechten Sitten und Gewohnheiten ihre rechtliche Legitimation zu geben und diese zu fördem. 953 948 949 950 951

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Kimminich, Der Staat 1964, S. 61, 65. In diesem Sinne auch Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337, 1338. BGH V. 20.12. 1988, BGHZ 106,229,232. - Handzettel. Vgl. Scherer, Verbraucherwerbung, S. 98. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 158; vgl. auch Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 159. Vgl. Larenz, NJW 1955,521,523.

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Nach alledem kann also festgehalten werde, dass unverlangte kommerzielle Kommunikation mittels elektronischer Individualkommunikationsmedien ein sozialinadäquates Verhalten darstellt. c) Die Rolle der Güter- und Interessenabwägung

Wie oben bereits dargelegt,954 ist eine Güter- und Interessenabwägung nach dem Verständnis der h.M. Kernelement der Prüfung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Deren grundsätzliche Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass die freie persönliche Entfaltung unter Privaten immer auf Kosten von grundrechtlich geschützten Freiheitsrechten der Rechtsadressaten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfolgt. 955 Eine solche Kollision wurde in der Vergangenheit durch eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls aufgelöst. 956 Im weiteren Verlauf soll nun untersucht werden, ob nicht eine Güter- und Interessenabwägung ein Überwiegen berechtigter Eingriffsinteressen im Hinblick auf die jeweils geschützte Freiheit ergeben kann. Dabei ist aber zu unterscheiden zwischen einer am Einzelfall orientierten Güter- und Interessenabwägung und einer allgemeinen, die Gesetzgebung und die Rechtsprechung normativ leitenden Abwägung, die notwendig für eine Vertypisierung von Unrechtstatbeständen ist, die schließlich als Indiz für Rechtswidrigkeit herangezogen werden könnten. 957 Hier zeigt sich ein weiterer entscheidender Unterschied zur überkommenen Dogmatik des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Es wird im Folgenden nicht ein konkreter Einzelfall der Abwägung zugrunde gelegt, sondern die gesamte Fallgruppe der unverlangten kommerziellen Kommunikation durch elektronische Individualkommunikationsmedien. Kommt diese Abwägung generell zu dem Ergebnis, dass die persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Umworbenen überwiegen, kann der den Einzelfall beurteilende Richter sich davon leiten lassen, was zur Konsequenz hat, dass er eben nicht mehr die Grundrechtskollision lösen, sondern nur noch den zu entscheidenden Sachverhalt unter die einzelnen Tatbestandsmerkmale subsumieren muss. Eine solche generalisierende Abwägung ist von der Rechtsprechung im Rahmen des § 1 UWG grundsätzlich anerkannt. 958 Es ist kein Grund ersichtlich, dies nicht auf die Bestimmung einer Persönlichkeitsverletzung i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB zu übertragen. Technisch erfolgt die Lösung des grundrechtlichen Interessenkonfliktes mit Hilfe des Prinzips der praktischen Konkordanz. Dieses besagt, dass verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter einander so zugeordnet werden müssen, dass jeVgl. oben S. 170. Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 115; Gallwas, NJW 1992,2785,2786. 956 BVerfG v. 24. 2. 1971, BVerfGE 30, 173, 195; Jarass, NJW 1989, 857, 862. 957 Ehmann, JuS 1997, 193, 197. vgl. auch BVerfG v. 25. 1. 1984, BVerfGE 66,116,138Wallraff. 958 Vgl. nur BGH v. 27. 1. 2000, JurPC Web-Dok. 117/2001, Abs. 21- Telefonwerbung VI. 954

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des von ihnen Wirklichkeit gewinnt. 959 Letzteres bedeutet die Herbeiführung der optimalen Wirksamkeit eines jeden konkret betroffenen Grundrechts. Die Herstellung der praktischen Konkordanz erfolgt dabei mit der jeder Grundrechtsprüfung immanenten Frage nach der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Grundrechtsbegrenzung. 96o Insoweit relativiert sich die in der Literatur aufgeworfene Frage, ob bei entsprechenden Sachverhalten nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit oder mit Hilfe des Prinzips der praktischen Konkordanz eine Lösung zu suchen iSt. 961 Hierbei ist problematisch, dass sich die entgegenstehenden Grundrechte gegenseitig begrenzen und die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im weiten Sinne ihren Ausgangspunkt am jeweils entgegenstehenden Grundrecht haben kann, sich also insoweit ein Zirkel bildet. Da es aber keinen Unterschied für die Lösung der Interessenkollision machen darf, ob sich der Umworbene oder der Werbende prozessual auf das eingeschränkte beziehungsweise einschränkende Grundrecht berufen kann, hat das Prinzip der praktischen Konkordanz quasi für einen Gleichlauf der beiden Verhältnismäßigkeitsprüfungen im weiten Sinne zu sorgen. Eine solche den Richter normativ leitende Abwägung entspricht den grundlegenden Strukturen des Deliktsrechts, das gerade nicht eine durch Einzelfallentscheidungen auszufüllende Generalklausei zur Verfügung stellt, sondern statt dessen von einer tatbestandlichen Typisierung ausgeht. 962 Das steht nicht mit der Auffassung im Widerspruch, der zufolge es zugunsten des optimalen Ausgleichs der gegenläufigen Interessen nicht zu einer Herausbildung einer abstrakten Rangordnung der grundrechtlich geschützten Werte kommen darf. 963 In seiner Entscheidung zur Telefonwerbung stellte der BGH fest, dass der Schutz der Individualsphäre gegenüber dem wirtschaftlichen Gewinnstreben Dritter im Vordergrund steht. 964 Dadurch räumt er einem Grundrecht - in diesem Fall dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gern. Art. 2 Abs. i.Y.m. 1 Abs. 1 GG - nicht ein grundsätzliches Vorrecht vor den grundrechtlich geschützten Interessen des Gewerbetreibenden aus Art. 2 Abs. 1, 12 und 14 Abs. 1 GG ein, sondern typisiert einen einzelnen Ausschnitt eines Grundrechtskonflikts. Insofern ist wenig verwunderlich, dass diese Rechtsprechung ausdrückliche Billigung durch das BVerfG gefunden hat, das keinen Konflikt mit den Wertvorstellungen des Grundgesetzes feststellen konnte. 965 Es ist kein Grund ersichtlich, diese Statt vieler Hesse, Verfassungsrecht, § 2 Rn. 72, § 10 Rn. 317. Hesse, Verfassungsrecht, § 10 Rn. 317; insoweit liegt entgegen Baston-Vogt, Schutzbereich, S. 43 durchaus eine strenge methodische Bindung vor. 961 Vgl. Baston- Vogt, Schutzbereich, S. 42. 962 Kötz, Deliktsrecht, Rn. 43; zweifelnd Nipperdey, NJW 1967, 1985, 1987 in Bezug auf das Nebeneinander von vertypten Unrecht und GeneralklauseI. 963 Vgl. Stern, Band III/2, S. 614 f. 964 BGH v. 19. 6. 1970, BGHZ 54, 188, 191 - Te\efonwerbung I; vgl. auch BGH v. 8.6. 1989, GRUR 1989,753,754 - Telefonwerbung 11. 965 BVerfG v. 8. 2.1972, GRUR 1972,358,360 - Grabsteinwerbung. 959 960

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zur Ausgestaltung des § 1 UWG ergangene Rechtsprechung nicht auch auf die Ausgestaltung des § 823 Abs. 1 BGB zu übertragen, da in beiden Fällen eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Zwar steht hier nicht ein Eingriff in die Individual- oder Privatsphäre966 nach herkömmlicher Auffassung inmitten der Fragestellung, sondern ein solcher in das individuelle Kommunikationskonzept. Gleich ob man Letzteres einer der soeben genannten Sphären unterordnet, oder - wie hier geschehen - als eigenständigen Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begreift, besteht jedenfalls eine vergleichbare Interessenlage, die eine entsprechende Argumentation zulässt. Das individuelle Kommunikationskonzept basiert teilweise auch auf Interessen, die dem Privatsphärenschutz zugrunde liegen. Zu nennen sei hier insbesondere das Interesse an einem selbstbestimmten und der Außenwelt nur begrenzt zugänglichen Eigenbereich. Insofern nimmt die Werthaltigkeit beider Schutzgüter denselben Rang ein, was zu dem Ergebnis führt, dass auch dem individuellen Kommunikationskonzept Vorrang vor dem Gewinnstreben Dritter einzuräumen ist. Da der in seinen persönlichkeitsrechtlichen Belangen Betroffene umso schutzwürdiger ist, je weniger sich sein Gegner auf ein Grundrecht berufen kann,967 ist im Folgenden der Blick auf die Rechte des Werbenden zu richten, bevor dann jeweils nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz ein gerechter Interessenausgleich gefunden werden soll.

aa) Meinungsäußerungsfreiheit gern. Art. 5 Abs. 1 GG Die Frage nach dem Schutz der Wirtschaftswerbung durch Art. 5 Abs. 1 GG erhielt durch die Entscheidung des BVerfG in Sachen Benetton vom 12. 12. 2000 eine deutliche Klarstellung. 968 Hierin betonte das Gericht mit der nunmehr h.M. nochmals ausdrücklich, dass auch kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbungen, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt haben, den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit erfahren. 969 Diese ist also nicht auf eine ideologisch wertvolle Meinungsäußerung beschränkt, sondern schützt auch aus kommerziellem Anlass geäußerte Meinungen. Infolge des weiten Begriffsverständnisses fällt auch die Vermittlung von Tatsachen hierunter. Da sich eine exakte Abgrenzung zwischen Tatsachen- und Meinungsäußerung in den meisten Fällen als sehr schwierig erweisen dürfte, ist dieser Ansatz somit von nicht zu unterschätzenErwähnt sind hier beide Sphären, da ihre Begriffe uneinheitlich gebraucht werden. Esser/Weyers, SR-BT § 55 I 1. 968 BVerfG v. 12. 12.2000, NJW 2001, 591 - Benetton; zurückhaltender noch BVerfG v. 4.4. 1967, BVerfGE 21, 271, 278 ff. - Südkurier; BVerfG v. 19. 11. 1985, BVerfGE 71, 162, 175 - Sieg über das Alter; BVerfG v. 22. 1. 1997, BVerfGE 95, 173, 182 - Tabaketikettierung. 969 Schricker in: Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Einf., Rn. 3 m. w. N.; Kresse, WRP 1985,583; dies ist auch h.M. zu Art. 10 EMRK, vgl. Kühling, Kommunikationsfreiheit, S. 467 mit anschließenden Überblick zum Anerkennungsprozess der Wirtschaftswerbung im Rahmen der Meinungsfreiheit; Kiethe, WRP 2000, 616, 622. 966 967

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der Praxistauglichkeit. 97o Letztlich ist jenes weite Verständnis auch im Hinblick auf den Gleichlauf mit Art. 10 EMRK und der Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG überzeugend, da in bei den Normen auch Tatsachen Schutz genießen können. Somit darf Bedeutung und Tragweite des Art. 5 Abs. 1 GG bei Einschränkungen von kommerzieller Kommunikation nicht verkannt werden. Solche den Schutzbereich des Art 5 Abs. 1 GG berührenden Einschränkungen sind dann nur durch hinreichend gewichtige Gemeinwohlbelange oder schutzwürdige Rechte und Interessen Dritter gerechtfertigt. 971 Seine Schranken findet Art. 5 Abs. 1 GG gemäß Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen, worunter sowohl § 1 UWG als auch § 823 Abs. 1 GG fallen. Nach der heute herrschenden Wechselwirkungslehre ist jedoch darauf zu achten, dass jene Normen wiederum im Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden. 972 Wie bei anderen Grundrechtskollisionen zwischen Privaten ist auch hier letztlich im Rahmen der praktischen Konkordanz ein angemessener Ausgleich zwischen der Meinungsfreiheit und den zur Begründung ihrer Beschränkung ins Feld geführten Interessen zu suchen. 973 Nun ist die hier vorgeschlagene opt-in-Lösung ein unzweifelhaft geeignetes Instrument, um den persönlichkeitsrechtlich geschützten Interessen des Umworbenen zur Geltung zu verhelfen. Die Erforderlichkeit resultiert daraus, dass keine mildere Werbebeschränkung ersichtlich ist, die den vorgenannten Interessen gleiche Wirksamkeit verschafft. Nächst milderes Mittel wäre eine opt-out-Lösung, freilich mit bestimmten Auflagen. Zumindest in Anbetracht der ersten Nachricht eines kommerziellen Kommunikators ist aber der Adressat dann nicht mehr Herr einer selbstbestimmten Individualkommunikation, womit eine ausreichende Gewährleistung dessen grundrechtlich geschützter Interessen nicht mehr vorhanden ist. Dies muss insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Verbreitung des Direktmarketing und der hierdurch hervorgerufenen hohen Anzahl potentieller Kommunikatoren überzeugen. Um schließlich die Verhältnismäßigkeit der gefundenen opt-inRegelung zu überprüfen, ist die Bedeutung und Gewichtung der Meinungsfreiheit maßgebend. Die Schutzwürdigkeit der Meinungsäußerung wird durch mehrere Faktoren bestimmt. Entscheidend ist einmal das öffentliche Interesse an der Auseinandersetzung, zu der die Meinungsäußerung einen Beitrag leisten will, sowie die Art und Vgl. Kresse, WRP 1985,536,537 f. m.w.N (dort Fn. 27). BVerfG v. 12. 12.2000, NJW 2001, 591 - Benetton. 972 BVerfG v. 3. 12. 1985, BVerfGE 71,206,214; larasslPieroth, Art. 5 Rn. 47; Schricker, GRUR Int. 1998,541,548; nach Hesse, Verfassungsrecht, § 2 Rn. 72 ein Fall der praktischen Konkordanz. 973 Schricker in: Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Einf., Rn. 3; vgl. aber Steckter, GRUR 1993, 865, 866 wonach das Interesse des Umworbenen mit dem "Informationsinteresse der Allgemeinheit über Produkte und Dienstleistungen gemäß Art. 5 GG" abzuwägen ist. Dies ist jedoch für eine Abwägung nicht geeignet, da sich hier nicht um gegenläufige Rechtspositionen handelt. Zudem gibt Art. 5 GG dem Einzelnen nicht das Recht, dass ihm Informationen zur Verfügung gestellt werden. Schließlich kann sich eine "Allgemeinheit" auch nicht auf Art. 5 I GG berufen. 970 971

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Weise der Gestaltung und die erzielte oder voraussehbare Wirkung. 974 Anders ausgedrückt ist die fragliche Werbemaßnahme hinsichtlich ihrer Zwecksetzung und in Bezug auf die öffentliche Meinungsbildung zu untersuchen. Unzweifelhaft steht nun bei der kommerziellen Kommunikationen nicht der geistige Meinungskampf im Vordergrund. Entscheidend sind die rein privatwirtschaftlichen Absatzinteressen des Kommunikators. Daran mag die Vermischung von wertenden Elementen und reiner Information innerhalb der kommerziellen Kommunikation nichts ändern. Hinzu kommt in den hier interessierenden Fällen, dass die Individualkommunikation weniger geeignet ist für den öffentlichen Meinungskampf als die Massenkommunikation. Umso mehr massenmediale Komponenten der Meinungskundgabe zugrunde liegen, desto relevanter wird diese für die öffentliche Meinungsbildung. Dies geht auch konform mit der eingangs erwähnten Benetton-Entscheidung. Denn hier ging es um Plakatwerbungen, die unzweifelhaft massenmedialer Art sind, und sich in dieser Eigenschaft an die Öffentlichkeit richten. Die Wahl des Kommunikationsmediums indiziert insoweit die Absicht des Werbenden, auf die öffentliche Meinungsbildung Einfluss nehmen zu wollen. Will er dies in verstärktem Maße tun, liegt es im Rahmen des Zumutbaren, sich der Massenkommunikationsmittel zu bedienen. Es verbietet sich hier zudem ein Umkehrschluss aus der Feststellung, dass die Meinungsäußerung mittels Massenmedien besonders schwere Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach sich ziehen kann. 975 Danach hätte eine Meinungsäußerung mit Hilfe der Individualkommunikation weniger Beeinträchtigungen zur Folge. Geltung beanspruchen kann dies nur im Rahmen der "klassischen Fälle", bei denen etwa persönliche Informationen eines Einzelnen in wertendem Maße der Öffentlichkeit preisgegeben werden. In Fällen, in denen die Wahl des Kommunikationsmittels unabhängig vom Inhalt der Kommunikation persönlichkeitsrechtliche Relevanz hat, kann dies nicht gelten. Letzterer Punkt ist der wesentliche Unterschied zu dem im Benettonurteil zugrunde liegenden Sachverhalt. Streitgegenständlich war hier nicht die Art des Werbemediums, sondern der Inhalt der einzelnen Werbebotschaft. In den hier zu entscheidenden Sachverhalten geht es nicht um den Inhalt einer Meinungsäußerung, sondern um deren Art und Weise. Es ist dem Werbenden gerade nicht verwehrt, einen bestimmten Inhalt in Form einer kommerziellen Kommunikation kundzutun. Nicht nur, dass er sich hierfür der verschiedensten Massenmedien bedienen kann, stehen ihm darüber hinaus auch Individualkommunikationstechniken offen, solange er sich hinsichtlich des Einverständnisses des Rezipienten Gewissheit verschafft. Insofern findet die durch das opt-in-Konzept hervorgerufene Beschränkung der Meinungsfreiheit nur auf einem sehr eng umgrenzten Gebiet statt. Räumte man auch in diesem Bereich der Meinungsfreiheit 974 von Gamm, Wettbewerbsrecht, Band 1., 2. Kap. Rn. 25; Zippelius in: ForkellKraft (Hrsg.), S. 515. 975 Zippelius in: ForkeI/ Kraft (Hrsg.), S. 514.

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den Vorrang vor den persönlichkeitsrechtlich geschützten Interessen des Rezipienten ein, hätte der Werbende wenig gewonnen, der Umworbene aber in Anbetracht seines selbstbestimmten kommunikativen Konzeptes viel verloren. Im Gegensatz zu den vielfaltigen anderweitigen Möglichkeiten der Meinungskundgabe verbleibt ihm keine Alternative zur Durchsetzung seiner kommunikativen Selbstbestimmung. Verkannt wird dabei nicht der hohe Stellenwert der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG. Diese kollidiert jedoch nicht mit einem Grundrecht, das einer umfassenden Einschränkung zugänglich ist. Vielmehr rechtfertigen die Wertungen des Art. 1 Abs. 1 GG jene Einschränkung auf den eben erwähnten, eng begrenzten Bereich. bb) Berufsfreiheit gern. Art. 12 Abs. 1 GG Die Werbefreiheit ist als Teil der Berufsausübungsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet. 976 Zu der Freiheit der Berufsausübung gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Hierunter fällt auch das Verhalten im Wettbewerb, der Vertrieb und Absatz von Waren und die diesbezügliche kommerzielle Kommunikation. Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist nur dann gerechtfertigt, wenn dafür ausreichende Gründe des Gemeinwohls bestehen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird. 977 Er bedarf gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechts beschränkende Gesetze genügt. Eine solche gesetzliche Grundlage ist § 823 Abs. 1 BGB. Ist ein hierin geschütztes Rechtsgut verletzt, kann sich der Werbende nicht mehr auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen, da insoweit nur die erlaubte wirtschaftliche und berufliche Tätigkeit geschützt ist. 978 Die Anforderungen hieran sind letztlich im Wege des optimalen Interessenausgleichs unter Zuhilfenahme der praktischen Konkordanz zu ermitteln. Hinsichtlich Geeignetheit und Erforderlichkeit der Werbe beschränkung zur Rechtsdurchsetzung des Rezipienten kann auf die Ausführungen zu Art. 5 Abs. 1 GG verwiesen werden. Darüber hinaus verkennt auch eine opt-in-Lösung nicht Gewicht und Bedeutung von Art. 12 Abs. 1 GG. In seiner zweiten Entscheidung zur Telefonwerbung betonte der BGH, dass angesichts der Vielfältigkeit der Werbemethoden kein Bedürfnis besteht, mit der Werbung auch in den privaten Bereich des umworbenen Verbrauchers einzudringen. 979 Aufgrund dieser Vielfalt ist es dem Werbenden gerade 976 BVerfG v. 22. 5. 1996, BVerfGE 94,372,389; BVerfG v. 10. 12. 1975, BVerfGE 40, 371,382; BGH v. 15.3.2001, NIW 2001, 2886, 2887; Ennan/ Ehmann, Ah. § 12 Rn. 376; Freund, Persönlichkeitsrecht des Umworbenen, S. 166 f.; Maunz/Dürig/ Schalz, Art. 12 GG Rn. 124. 977 Timm in: Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), S. 366. 978 BVerfG v. 8. 2. 1972, GRUR 1972,358,360 - Grabsteinwerbung. 979 BGH V. 8. 6. 1989, GRUR 1989, 753, 754 - Telefonwerbung 11.

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nicht verwehrt, im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit Absatzförderung im weitesten Sinne zu betreiben. Im Hinblick auf den hohen Stellenwert des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist es ihm ohne weiteres zumutbar, auf die Interessen des Umworbenen Rücksicht zu nehmen. Dies ist auch nicht unbillig, da im Zuge der Einführung neuer Informationstechnologien - zu denken ist hier vor allem an den WWW-Dienst - die Vielfalt an Werbemedien in jüngster Zeit gestiegen ist. Dem Werbenden sind ausreichend Möglichkeiten an die Hand gegeben, um seine grundrechtlich geschützte Werbefreiheit umzusetzen, gleichzeitig aber schonender mit den Interessen des Rezipienten umzugehen. 98o Dabei wird das Interesse der werbenden Wirtschaft an einer gezielten Individualwerbung nicht verkannt. Der hier beschrittene Weg hindert jedoch nicht generell an einer gezielten Ansprache, sondern stellt diese nur unter bestimmte Anforderungen. Gleiches gilt aus Sicht der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interessen eines Marketingdienstleisters. Selbst wenn sich dieser auf E-Mail-Marketing oder vergleichbare Direktmarketingmethoden spezialisiert hat, sind ihm entsprechende Einschränkungen seiner Tätigkeit zuzumuten, obgleich hier der Bezug zu dessen Berufsausübung weit höher ist als bei dem Absetzenden des beworbenen Produktes. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine Regelung der Berufsausübung und nicht um eine solche der Berufswahl, womit man sich in der dritten Stufe der nach der h.M. zur Schrankenstruktur des Art. 12 Abs. 1 GG geltenden Drei-StufenTheorie befindet. 981 Hier wird der Berufsfreiheit geringeres Gewicht beigemessen als in den beiden ersten Stufen, was letztlich bedeutet, dass aufgrund des höheren Gewichts der persönlichkeitsrechtlichen Interessen die Grundrechtskollision zugunsten Letzterer aufgelöst werden kann. cc) Eigentumsfreiheit gern. Art. 14 Abs. 1 GG Fraglich ist, inwieweit Art. 14 Abs. 1 GG dem Werbenden zur Seite steht. Durch die grundrechtliche Eigentumsgarantie wird ein Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich gesichert und dadurch dem Träger eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglicht. 982 Insoweit wird ein umfassender Schutz vermögenswerter Rechte gewährleistet, die auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfassen. 983 Teilweise wird die Ansicht vertreten, die Werbefreiheit sei nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. 984 Als Grund wird hier980 BGH v. 16. 12. 1993, NJW 1994, 1071, 1072 - Lexikothek; besonders treffend i.d. Zusammenhang Paefgen, WiB 1995, 399,400: "Die eigene Unfähigkeit zu überzeugender Darstellung ist kein rechtfertigender Grund dafür, auf ein die Empfängerseite stärker belastendes Erklärungsmedium auszuweichen." 981 St. Rspr. seit BVerfG v. 11. 6. 1958, BVerfGE 7,377 - Apothekenurteil. 982 von Gamm, Wettbewerbsrecht, I. Hb. Kap. 2 Rn. 33 m. w. N. 983 Buchner, Untemehmensschutz, S. 130. 984 Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 178.

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für angeführt, dass die äußeren Bedingungen der gewerblichen Tätigkeit und die situationsbedingten Erwerbschancen und -vorteile nicht vom Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb umfasst sind. Nach anderer Ansicht ist im Hinblick auf die Werbefreiheit der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG berührt. 985 Dafür spricht schon der umfassende vermögensrechtliche Schutz des Art. 14 GG und die Tatsache, dass die Garantie der unternehmerischen Betätigung notwendigerweise auch das werbliche Auftreten im Wettbewerb umfasst. Jedoch ist auch nach der letztgenannten Ansicht ein Schutz von Erwerbschancen und der Rentabilität eines Unternehmens nicht umfasst. 986 Genau hierum geht es aber bei Werbebeschränkungen, die nicht produktspezifisch definiert sind, sondern sich nur auf bestimmte Restriktionen bei der Wahl der Werbemedien beziehen. Insofern kann man auch nicht davon sprechen, dass das Unternehmen in seiner Rechts- und Sachgesamtheit substantiell betroffen ist. Dies überzeugt auch im Hinblick darauf, dass weitergehende Beschränkungen der Eigentumsgarantie möglich sind, je höher der soziale Bezug des Eigentumsobjektes ist. Fasst man die Freiheit, für sein Produkt zu werben, als Ausfluss der unternehmerischen Freiheit hierunter, so ist aufgrund des hohen Kommunikationsgehaltes ein entsprechend hoher Sozialbezug feststellbar, was letztlich wiederum Auswirkungen auf die Gewichtung der unter Art. 14 Abs. 1 GG fallenden Interessen des Werbenden hat. Teilweise wird nun darauf hingewiesen, dass es durch eine opt-in-Lösung zu einem umfassenden Werbeverbot für kleine und mittlere Betriebe käme, die nicht über ein hohes Werbebudget verfügen. Dies würde für sie einen nicht unerheblichen Standortnachteil bedeuten. 987 Dem kann jedoch einmal entgegengehalten werden, dass der Werbende keinen Anspruch auf die billigste Werbemethode hat. Zudem ist nicht ersichtlich, dass es durch eine opt-in-Lösung faktisch zu einem Werbeverbot kommen würde. Die unverlangte Zu sendung von kommerzieller Kommunikation ist sicherlich nicht die einzige preisgünstige Möglichkeit, auf seine Produkte aufmerksam zu machen. Gerade der WWW-Dienst eröffnet hier neue Möglichkeiten. Gewisse Standortnachteile mögen im Einzelfall bedauerlich sein, doch kann dies keinesfalls eine Aufweichung des persönlichkeitsrechtlichen Schutzniveaus rechtfertigen. Der Grundsatz des Vorranges des Personenwertes vor Sachwerten würde dadurch in sein Gegenteil verkehrt werden. 988

985 Freund, Persönlichkeitsrecht des Umworbenen, S. 167; Ermannt Ehmann, Anh. § 12 Rn. 376; wohl von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Rb. Kap. 2 Rn. 33. 986 Vgl. BVerfG v. 25. 7. 1954, BVerfGE 4,7, 17; BVerfG v. 26. 2. 1973, GRUR 1972, 319,320 - Kaufscheinhandel; Baumbach/Hefermehl, Allg. Rn. 65. 987 Leupold/ Bräutigam/ Pfeiffer, WRP 2000, 575, 594. 988 Vgl. Maunz/Dürig, Art. 33 Rn. 33.

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5. Rechtswidrigkeit Im Anschluss an die Lehre vom Erfolgsunrecht indiziert die Tatbestandsverwirklichung die Rechtswidrigkeit. Da im Ergebnis der obigen Erörterung festgestellt wurde, dass unverlangte kommerzielle Kommunikation mittels elektronischer Individualkommunikationsmedien das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt, ist die Rechtswidrigkeit hierdurch indiziert. In diesem Fall besteht keine Duldungspflicht i. S. d. § 1004 Abs. 2 BGB. Die Rechtswidrigkeit der Persönlichkeitsverletzung kann jedoch insbesondere durch eine Einwilligung ausgeschlossen sein. In der Prüfungs systematik ist dieser Punkt jedoch bereits im Tatbestandsmerkmal "unverlangt" zu behandeln, Raum bliebe hier nur noch für eine mutmaßliche Einwilligung. Welche Anforderungen hieran zu stellen sind, ist aus systematischen Gründen in einem eigenen Prüfungspunkt abzuhandeln. 989 Ebenso wenig rechtswidrig handelt der Kommunikator, wenn er sich auf § 34 StGB berufen kann. 99o Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn der kommerzielle Kommunikator im Rahmen seiner Produktüberwachungspflichten erkennt, dass von seinen Produkten eine Gefahr für ein in § 34 StGB geschützten Rechtsguts ausgeht. In den meisten Fällen wird jedoch gar keine kommerzielle Kommunikation vorliegen, da es an einem Handeln zum Zwecke des Wettbewerbs fehlt. 6. Gemeinschaftsrechtliche Konflikte a) Einfluss der sekundärrechtlichen Wertungen

Nun könnte allerdings die gefundene Lösung in Konflikt mit sekundärrechtlichen Wertungen geraten. Mit Blick auf Art. 10 Abs. 2 FARL und Art. 12 Abs. 2 der TK-Datenschutzrichtlinie ist fraglich, ob ein Verhalten, das der europäische Gesetzgeber grundsätzlich als zulässig bezeichnet hat, gleichzeitig eine Verletzung des § 823 Abs. 1 BGB darstellen kann. Mit einer ähnlichen Frage hatte der BGH sich in der Entscheidung Testpreis-Angebot zu befassen. Hier betonte er, dass ein Verhalten, das gemeinschaftsrechtlich als grundsätzlich zulässig angesehen werden muss, nicht als Verstoß gegen die guten Sitten i.S.v. § I UWG angesehen werden kann. 991 Grund hierfür sei insbesondere die Einheit der Rechtsordnung und die Möglichkeit, über § 1 UWG den gewandelten Verkehrsauffassungen Rechnung zu tragen. Im Schrifttum finden sich nun Stimmen, die in Bezug auf Telefonwerbung entsprechend dieser Argumentation zur Unzulässigkeit der vorherrschenden opt-in989 Die Einwilligung spielt bei § 823 Abs. I BGB und bei § I UWG eine unrechtsausschließende Rolle. Insofern ist diese Thematik erst nach der lauterkeitsrechtlichen Wertung zu behandeln. 990 Palandtl Heinrichs, Überbl v § 226, Rn. 2; vgl. aber Köhler/Piper, § I UWG Rn. 20, wonach die Sache so eilig sein muss, dass gerade die Benutzung des gewählten Mediums erforderlich ist. 991 BGH V. 5. 2.1998, NJW 1998,2208,2212 - Testpreis-Angebot.

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Lösung kommen und eine Änderung der Rechtsprechung propagieren. 992 Sie verweisen hierbei auf Art. 10 Abs. 2 FARL und betonen, dass eben die Benutzung der dortigen Kommunikationstechniken nicht von einer vorherigen Zustimmung des Betroffenen abhängig ist. Nun ließe sich diese Argumentation auch auf den Persönlichkeitsschutz gemäß § 823 Abs. I BGB übertragen, da auch hier ein weiter Spielraum für Wertungen verbleibt und die Rechtsprechung bei der Ausfüllung des persönlichkeitsrechtlichen Schutzbereiches gemeinschaftsrechtliche Vorgaben nicht unbeachtet lassen kann. Diese Argumentation verkennt jedoch Art. 10 FARL als nicht abschließende Mindestharmonisierung. 993 Gerade dadurch, dass nach der bundesdeutschen Rechtsprechung das unverlangte Zusenden von Werbe E-Mails eine Verletzung von § 823 Abs. 1 BGB darstellt, wird das weiter gehende Schutzniveau, das Art. 14 ausdrücklich zulässt, erst geschaffen. Gleiches gilt im Hinblick auf Art. 12 Abs. 2 TK-Datenschutzrichtlinie. Entscheidet sich ein Mitgliedsstaat für eine der beiden Optionen, so wird die Alternative mit dem niedrigeren Schutzniveau nicht mehr den nationalen Anforderungen gerecht, was notwendigerweise in einem Unwerturteil Ausdruck finden muss. Wie dies gen au geschehen kann, also entweder durch ein Sittenwidrigkeitsurteil oder durch Erfüllung eines deliktischen Tatbestandes, bleibt mit Blick auf das Umsetzungsermessen dem Mitgliedstaat vorbehalten. Dieser kann dann ohne weiteres auch seine Generalklauseln und ausfüllungsbedürftigen Rahmennormen mit jenem Unwerturteil ausfüllen und damit der Option mit dem geringsten Schutzniveau eine Absage erteilen. Insofern kann bei solchen Wahloptionen oder Öffnungsklauseln im Sinne von Art. 14 FARL nicht mit der Einheit der Rechtsordnung argumentiert werden, da eine solche im konkreten Fall nicht angestrebt ist. Dies überzeugt auch vor dem Hintergrund, dass es in den meisten von Richtlinien geregelten Sachverhalten um eine Angleichung und nicht um eine Vereinheitlichung des nationalen Rechts geht. 994 Beruft man sich auf die Einheit der Rechtsordnung, darf Vorstehendes nicht außer Acht gelassen werden. b) Der Schutz des Kommunikationskonzepts als zwingendes Allgemeininteresse Im Rahmen der Prüfung der gemeinschaftsrechtlichen Primärnormen wurde bereits festgestellt, dass eine Beschränkung des freien Waren- wie Dienstleistungsverkehrs neben den ausdrücklich gesetzlich geregelten Rechtfertigungsgründen nur aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses gerechtfertigt iSt. 995 Leible/Sosnitza, NJW 1998,2507,2509. So auch Günther, CR 1999, 172, 181. 994 Oppermann, Europarecht, § 6 Rn. 457. 995 Vgl. Cassis-de-Dijon Rspr. des EuGH, Fn. 522, seither st. Rspr.; Herdegen, Europarecht, § 18 Rn. 324; Grabitz / Hilf! RandelzhoJer / Forsthoff, Band I, Art. 49 EG Rn. 128 und vor Art. 39 - 55 EG, Rn. 154 mit Hinweis auf die nicht einheitliche Terminologie. 992

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Dort wurde zudem herausgearbeitet, dass eine diesbezügliche Prüfung auch nur insoweit relevant ist, als es sich um die Konstellation handelt, in der die kommerzielle Kommunikation in ihrer Form als Dienstleistung inmitten der Betrachtung steht. Gänzlich ausgeklammert werden kann nach der hier vertretenen Auffassung also die Prüfung der Warenverkehrsfreiheit. Entsprechendes gilt auch für die Dienstleistungsfreiheit, mit Blick auf die Interessen desjenigen, der eine Dienstleistung absetzen will und sich hierfür kommerzieller Kommunikation bedient. Mit anderen Worten finden in der anschließenden Prüfung nur diejenigen Interessen der Marketingdienstleister Beachtung, die die Kommunikation ermöglichen beziehungsweise damit in Zusammenhang stehen. Durch die zwingenden Allgemeininteressen werden nicht nur einzelne Belange anerkannt, sondern wird den Mitgliedsstaaten ein weiter Spielraum zur Definition von schützenswerten Belangen eröffnet. Eine Überprüfung anhand dieser Interessen ist jedoch einerseits nur möglich, wenn die dem Allgemeininteresse zugrunde liegenden Rechtsgüter durch Gemeinschaftsrecht nicht abschließend in Form eines Gebotes oder Verbotes geregelt sind. 996 Dass dies nicht der Fall ist, wurde oben bereits aufgezeigt. Im Rahmen der Wahloption des Art. 12 TK-Datenschutzrichtlinie und der Öffnungsklausel des Art. 14 FARL verfügen die Mitgliedsstaaten über die Freiheit, die von ihnen für geeignet erachteten Maßnahmen zu ergreifen. Begrenzung findet diese Freiheit aber insoweit, als die diesen Spielraum nutzenden Maßnahmen an den Grenzen der Grundfreiheiten zu messen sind. 997 Insofern geht die Ansicht998 fehl, wonach Minimalstandards in einer Richtlinie gleichzeitig eine Sperrwirkung für strengeres nationales Recht bedeuten, da der Begriff des Allgemeininteresses insoweit durch Sekundärrecht ausgefüllt sei. Nimmt man an, dass einerseits Art. 14 FARL einen Spielraum zur grundfreiheitskonformen Einschränkung eröffnet, andererseits aber das Allgemeininteresse abschließend durch Art. 10 Abs. 2 FARL vorgeschrieben ist, unterliegt man vielmehr einem Zirkelschluss. 999 In Bezug auf Art. 12 TK-Datenschutzrichtlinie ist das Ergebnis der Prüfung der zwingenden Allgemeininteressen jedoch schon vorweggenommen. Denn das Verbot einer Maßnahme durch die Grundfreiheiten ist insoweit ausgeschlossen, als dem Mitgliedsstaat die Maßnahme ausdrücklich gestattet ist.!OOO Im Rahmen der Wahloption des Art. 12 Abs. 2 der TK-Datenschutzrichtlinie ist dem Mitgliedsstaat ausdrücklich das opt-in-Modell für Telefonwerbung gestattet. Da im Gegensatz hierzu Art. 14 FARL nicht ausdrücklich eine solche Möglichkeit einräumt, soll im Folgenden wieder der Schwerpunkt auf die unverlangte kommerzielle Kommunikation per E-Mail gelegt werden. 996 Günther, CR 1999, 172, 178, dort Fn. 55; Grabitz I Hilfl Randelzhojer / Forsthoff, Band 1, vor Art. 39-55 EG, Rn. 148 ff.; Grundmann, JZ 1996, 274, 279. 997 Vgl. Grabitz I Hilfl Randelzhojer/Forsthoff, Band 1, vor Art. 39-55 EG, Rn. 150. 998 Grundmann, IPRax 1992, 1,4; ders., JZ 1996, 274, 279; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S. 420; a.A. Glöckner, GRUR Int. 2000, 29, 32. 999 Günther, CR 1999, 172, 178. !OOO EuGH v. 11. 6. 1987, Sig. 1987, 2573, Tz. 8 f., Rs. 241/86 - Bodin.

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Die Prüfung des zwingenden Allgemeininteresses orientiert sich an einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, innerhalb derer die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme zu untersuchen sind. Hierbei stehen sich die hinter der nationalen Beschränkung stehenden Interessen und Zielsetzungen einerseits, und das Interesse an der Durchsetzung der Grundfreiheiten andererseits, gegenüber. 1001 Rein wirtschaftliche oder administrative Zwecke vermögen generell die Einschränkung der Grundfreiheiten nicht zu rechtfertigen. loo2 Solche Zielsetzungen verfolgt der Schutz des kommunikativen Konzeptes jedoch gerade nicht. Es geht vielmehr um den Schutz des individuellen Kommunikationskonzepts im Sinne einer individualkommunikativen Eigensphäre. Darüber hinaus hat die Regelung aber auch die Funktionalität der der Informationsgesellschaft zugrunde liegenden Techniken und Infrastruktur, die Propagierung von aktiven Informationsnachfragern und die Verringerung von unverlangtem Informationstransfer im Auge. Anders gewendet stehen hinter der restriktiven nationalen Rechtslage nicht nur die Individualinteressen des Rezipienten, sondern auch die Förderung und Stärkung der Informationsgesellschaft als solcher und der Ausbau der dieser zugrunde liegenden Idee. Freilich ist dies wiederum Grundvoraussetzung dafür, dass dem einzelnen Mitglied der Informationsgesellschaft ein selbstbestimmter Kommunikationsraum zukommt. Zusammenfassend verfolgt das hier vertretene Modell den Schutz der Informationsordnung. Dieser muss als gesellschaftlicher Grundwert zu den schon bisher Anerkannten hinzutreten. Dies geht einher mit einem Vorschlag in der Literatur, der von der Verletzung eben solcher Grundwerte auf die Unlauterkeit der kommerziellen Kommunikation schließt. loo3 Dass die Auslegung des § 823 Abs. 1 BGB in der hier vertretenen Art und Weise geeignet wie auch erforderlich ist, um die eben dargestellten Ziele zu verwirklichen, wurde oben bereits festgestellt. Insbesondere die Dienstleistungsfreiheit weniger einschränkende nationale Maßnahmen sind auch hier nicht zu erblicken, will man nicht das Interessenkonglomerat, das hinter dem aufgezeigten Tatbestand steht, jeglicher Bedeutung entheben. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung genießt der Schutz der Informationsordnung ein vergleichbares Gewicht wie die bisher anerkannten schützenswerten Belange i. S. d. zwingenden Allgemeininteressen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH fällt hierunter einmal der Verbraucherschutz. lo04 Unzweifelhaft bezweckt eine opt-in-Lösung den Schutz des Verbrauchers, da der Einzelne gerade in seiner Rolle als Verbraucher mit unverlangter kommerzieller Kommunikation konfrontiert wird. Außerhalb dieser verbraucherschützenden Aspekte kommt auch dem Schutz des Privatlebens vor Belästigung durch besonders aufdringliche Kom1001 An dieser Stelle wird die Notwendigkeit für den etwas "verschachtelten" Prüfungsaufbau deutlich, da nun insoweit Bezug genommen werden kann auf die schon oben dargestellte Interessenlage. 1002 Grabitz/Hilf/ RandelzhoJerlForsthof, Band 1, vor Art. 39-55 EG, Rn. 157, 162 ff. 1003 SchrickerIHenning-Bodewig, WRP 2001,1367,1395. 1004 EuGH v. 24. 3. 1994, Slg. 1994, 1039, Tz. 58, Rs. 275/92 - Schindler; EuGH v. 9.7.1997, Slg. 1997,3843, Tz. 46, Rs. 34, 35, 36/95 - De Agostini.

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munikationstechniken hohes Gewicht zu. Dies ergibt sich bereits aufgrund der Art. 8 und 10 EMRK, die bei der Gewichtung der schützenswerten Belange eine maßgebliche Rolle spielen, verkörpern sie doch Leitlinien, die sich durch das gesamte Gemeinschaftsrecht ziehen. Mit Blick auf den weitgehenden und vom nationalen Verständnis abweichenden Begriff der Privatsphäre der EMRK lassen sich die hinter dem kommunikativen Konzept stehenden Interessen durchaus in Teilbereichen hierunter einordnen. Jenen Belangen kommt nun hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit der Vorrang zu, da diese nur in sehr geringem Maße überhaupt eine Einschränkung erfährt. Die Tätigkeit des einzelnen Marketingunternehmens wird weder in ihrer Gesamtheit unter nationale Restriktionen gestellt noch wird damit in unzumutbarer Weise den Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten verwehrt, sich auf dem deutschen Markt zu etablieren. Ein französischer Anbieter von E-Mail-Marketing kann durchaus auf dem deutschen Markt seine Dienste anbieten und muss sich auch nicht an die Regelungen des § 823 Abs. 1 BGB halten, will er einen ausländischen Markt mit seiner kommerziellen Kommunikation bedienen. Nur in Bezug auf solche Kommunikationen, die auf den deutschen Markt gerichtet sind, ist er dann eingeschränkt. Da dies aber ebenso den deutschen Marketingdienstleister trifft, handelt es sich auch nicht um eine diskriminierende Maßnahme, was dann die Rechtfertigung durch zwingende Allgemeininteressen ausschließen würde. 1005 Dies verkennt auch nicht die von der Rechtsprechung vorgenommene Einzelfallprüfung und deren hohen Stellenwert. 1006 Die Auslegung des § 823 Abs. I BGB zum Schutz der individuellen Kommunikation stellt gerade keine pauschale Verfolgung von Schutzanliegen in unspezifischer Weise dar. Durch die genaue Herausarbeitung der Interessenlage und die Eingrenzung auf einen detaillierten und differenzierenden Tatbestand findet eine ausreichende Spezifizierung statt. Schließlich ist eine vertypte Abwägungsentscheidung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch in Zusammenhang mit den zwingenden Allgemeininteressen anerkannt. 1007 Schließlich weist auch das hier vorgestellte Schutzkonzept gerade aufgrund seiner konkreten tatbestandlichen Beschreibung die nötige Transparenz auf, um eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen. 1008 Eine Rechtfertigung anhand dieser zwingenden Allgemeininteressen scheidet jedoch dann aus, wenn es sich um eine diskriminierende Maßnahme handelt. Im Gegensatz zur Keck-Rechtsprechung fällt aber nicht jede faktische Benachteiligung der ausländischen Anbieter hierunter. Wortlaut und Zweck der Maßnahme müssten vielmehr hierauf hindeuten, was jedoch bei der vorgeschlagenen opt-in-Lösung gerade nicht der Fall iSt. 1009 Ein wiederholtes Eingehen auf die vermeintliche Kos!OO5 !OO6 !OO7

1008 !OO9

Oppermann, Europarecht, § 18, Rn. 1164. Vgl. Grabitz / Hilf / RandelzhoJer I Forsthoff, Band I, vor Art. 39 - 55 EG, Rn. 169. Grabitz/Hilfl RandelzhoJerl Forsthoff, Band I, vor Art. 39-55 EG, Rn. 181. Vgl. Grabitz/Hilf/ RandelzhoJerlForsthoff, Band I, vor Art. 39-55 EG, Rn. 158. Meyer, GRUR Int. 1996,697,708.

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tenbelastung bei Multi-State-Werbung erübrigt sich an dieser Stelle. Es bleibt festzuhalten, dass einer deutschen opt-in-Lösung - gleichgültig welches Medium im Einzelnen betroffen ist - auch nach der Rechtfertigungsprüfung an Hand der zwingenden Allgemeininteressen im Hinblick auf Art. 49 EG keine Einwände entgegenstehen. IOIO

7. Ergebnis Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht hinsichtlich seiner Systematik, aber auch vor allem in Bezug auf seinen Schutzbereich noch erhebliches Potential für eine Weiterentwicklung aufweist. Im Hinblick auf kommerzielle Kommunikation wurde eine Lücke im deliktischen Rechtsschutz geschlossen und den gesellschaftlichen Veränderungen einer Informationsgesellschaft Rechnung getragen. Letztere waren auch der Grund dafür, in Bezug auf die Bestimmung des "Schutzbereichs" des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts neue Wege zu gehen. Damit ist schließlich die in der wissenschaftlichen Literatur nur unzureichend behandelte Frage beantwortet, ob das unverlangte Zusenden von E-Mail-Werbung auch eine Persönlichkeits verletzung darstellen kann. Der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB kann somit hilfsweise und im konkreten Fall wie folgt gelesen werden: Wer vorsätzlich oder fahrlässig einem anderen widerrechtlich unverlangte kommerzielle Kommunikation mittels elektronischer Individualkommunikationsmedien übermittelt, ist diesem zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

VIII. Die Lösung über die negative Informationsfreiheit Teile der Literatur greifen zur Lösung der Problematik der unverlangten beziehungsweise aufgedrängten Information - unter diese lässt sich die unverlangte kommerzielle Kommunikation fassen - auf das Institut der negativen Informationsfreiheit zurück. 1011 Grundlage der negativen Informationsfreiheit ist hiernach die negative Wirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Während die positive Seite des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG dem Einzelnen das Recht garantiert, sich ungehindert aus den verschiedenen Quellen informieren zu dürfen, soll eben andererseits der Einzelne das Recht haben, sich nicht aus allgemein zugänglichen Quellen informieren zu müssen. IOl2 Hieraus wird das Recht abgeleitet, auch vor aufgedrängIn diesem Sinne auch Burckhardt, Direktmarketing, S. 176. Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337 ff.; Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 30; v. Münch/Kunig/ Wendt, Art. 5 GG Rn. 28; Maunz/Dürig/ Herzog Art. 5 GG Abs. I, 1I Rn. 40; vgl. auch Kühling, Kommunikationsfreiheit, S. 390, wonach die h.M. bei Art. IO EMRK eine "negative Kommunikationsfreiheit" anerkennt. 1012 Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 30; vgl. aber Rohlfs, Privatsphäre, S. 183 ff. der hinsichtlich der negativen Kommunikationsfreiheiten nur die Problematik um Auskunfts1010

JOII

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ter Information geschützt zu werden. Diese grundrechtliche Garantie wirkt nach dieser Ansicht 10 13 im Zivilrecht als sonstiges Recht i.S. v. § 823 Abs. 1 BGB,1014 das sich tatbestandiich an der Unausweichlichkeit der Information und deren Zumutbarkeit orientiert. Als Vorteil wird von den Vertretern dieser Ansicht insbesondere ins Feld geführt, dass sich ein weiter gehender Anwendungsbereich erschließen lässt, als dies mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht möglich wäre. Andere Stimmen in der Literatur erkennen zwar eine negative Informationsfreiheit an, also das Recht nicht informiert zu werden, sehen hierin aber einen Unterfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 1015 Dieser Ansatzpunkt bietet jedoch in mehrfacher Hinsicht Raum für Kritik und ist für die hier interessierenden Fälle von Kommunikation abzulehnen. Jedoch sei hier klargestellt, dass nicht schon die Konstruktion von negativen Grundrechtsfreiheiten angezweifelt werden soll. Gewichtige Stimmen in der Literatur haben sich für deren grundsätzliche Anerkennung ausgesprochen. 1016 Eine Stellungnahme zu dieser Frage kann aber letztlich dahingestellt bleiben, da es hierauf nicht ankommt. Die Möglichkeit, unverlangte kommerzielle Kommunikation mittels elektronischer Individualkommunikationsmittel mit einer in § 823 Abs. 1 BGB verankerten negativen Informationsfreiheit abzuwehren, scheitert schon aus anderen Gründen. Von Seiten der Befürworter der negativen Informationsfreiheit wird zu deren Unterstützung vor allem auf die Ungeeignetheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verwiesen. Der Schutz des Individuums sei - in Bezug auf die Privatsphäre - auf den häuslichen Bereich begrenzt, abgesehen davon sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht ohne weitere Fallgruppenbildung zu weit greifend. 1017 Ersteres dürfte schon seit der Entscheidung des BGH I018 vom 19.12.1998 nicht mehr ohne weiteres aufrecht zu erhalten sein. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wegen mangelnder Fallgruppenbildung kategorisch abzulehnen, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen, wenn nicht wenigstens - wie hier geschehen - der Versuch unternommen wird, eine solche herbeizuführen. Wenn darüber hinaus als Ansatz für eine negative Informationsfreiheit auf die amerikanische "Captive-Audience-Dokpflichten sieht, darüber hinaus aber der negativen Komponente des Art. 5 Abs. GG keine Bedeutung zumisst. 1013 Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337, 1341; unklar, aber wohl bejahend Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 124 ff., 128. 1014 Hinsichtlich der Wirkung der Grundrechte auf das Zivilrecht sei an dieser Stelle auf die Ausführungen oben auf S. 166 ff. verwiesen. 1015 Vgl. Ehmann, JUS 1997, 193,201. 1016 Stern, Band 111/ 1 § 6611 2, S. 628 ff.; Hesse, Verfassungsrecht, § 9, Rn. 288; Maunz/ Dürig/Herzog, Art. 4 Rn. 78, Art. 5 Abs. I, 11 Rn. 40; Möllers/Fikentscher, NJW 1998, 1337, 1340; vgl. auch umfassende Darstellung von Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 24 ff.; a.A.: Hellermann, Freiheitsrechte, S. 249. 1017 Fikentscher/ Möllers, NJW 1998, 1337, 1339. 1018 BGHZ 131, 332, 337 - Caroline von Monaco 111, vgl. hierzu S. 181.

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trin" verwiesen wird lO19 , die ein Recht, in Ruhe gelassen zu werden, zum Gegenstand hat, so ist darauf hinzuweisen, dass ein vergleichbares Recht vom BVerfG ebenfalls erkannt und mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ummantelt wurde. 1020 Hieraus wird ersichtlich, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Hinblick auf seinen Schutzbereich durchaus ein geeignetes Abwehrinstrument darstellt. Ergibt aber der positive Bereich eines Grundrechts ausreichenden Schutz, ist es nicht mehr erforderlich, auf eine negative Komponente des Grundrechtes zurückzugreifen. Übertragen ins Zivilrecht bedeutet dies, dass eine Neuschöpfung eines Rechtsinstitutes insoweit ausscheidet, als die ihm zugrunde1iegenden Fallkonstellationen mit bestehenden Instrumenten behandelt werden können. Für unverlangte kommerzielle Kommunikation auf elektronischem und individualkommunikativem Wege ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht abschließend. Es wäre methodisch unzulässig, die Weiterentwicklung und den Ausbau eines bestehenden Rechtsinstitutes zugunsten einer Neuschaffung zu übergehen. Die Auslegung einer Rechtsnorm hat als niedrigere Stufe der Rechtsfortbildung im eben genannten Sinne voranzugehen. 1021 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die vorgeschlagene negative Informationsfreiheit als sonstiges Recht i.S.v. § 823 Abs. I BGB generell abzulehnen wäre. Vorbehaltlich einer genaueren Prüfung, könnte in Bezug auf Kommunikationen außerhalb der elektronischen Individualkommunikation ein Anwendungsbereich verbleiben. 1022 Da in diesem Fall das neue Denkmodell die Rechtsordnung nicht beiseite schiebt, könnte es durchaus beanspruchen, sich in diese einzufügen. Ein weiterer Einwand setzt am Begriff der allgemein zugänglichen Quelle i.S.v. Art. 5 Abs. I Satz I GG an. Hierunter versteht man eine Informationsquelle, die entweder allgemein oder zumindest im konkreten Fall dazu geeignet und bestimmt ist, dass ein individuell nicht abgrenzbarer Personenkreis von ihrem Inhalt Kenntnis erhält. Mit anderen Worten: Sie muss öffentlich zugänglich sein. 1023 Eine individuelle Zustellung der Informationsquelle steht dem zwar nicht entgegen, 1024 jedoch ist die Grenze der Allgemeinzugänglichkeit erreicht, wenn es sich beispiels1019 Gleichbedeutend mit "gefangener Zuhörerschaft"; vgl. Fikentscher/ Möllers, NJW 1998, 1337, 1339; Götzfried, NJW 1963, 1961 f.; Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 111 ff. 1020 BVerfG v. 16.7. 1969, BVerfGE 27, 1,6 - Mikrozensus; vgl. auch Zacharias, NJW 2001,2950. 1021 Larenz, Methodenlehre, S. 366; vgl. auch Fikentscher, Methoden des Rechts, S. 322: "Eine Rechtsneubildung ist nur dann und schon dann legitim, wenn das Ergebnis der methodischen Rechtsbildungslehre vom vorhandenen Gesetzes- und fortgebildeten Richterrecht nicht gedeckt ist." 1022 Vgl. Fikentscher/ Möllers, NJW 1998, 1337, 1342: Werbung in Kaufhäusern, im Kino, im Fernsehen, im Bus; politische Rede in Gaststätte; Straßenmusikanten. 1023 BVerfG v. 3. 10. 1969, BVerfGE 27, 71, 83; Maunz/Dürig/ Herzog, Art. 5 Abs. I, 11 GG Rn. 90; v. Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 GG Rn. 22; zweifelnd AK-GG/ Hoffmann-Riem, Art. 5 Abs. 1,2 GG Rn. 84 ff.; Langer; Informationsfreiheit, S. 206. 1024 Vgl. Maunz/Dürig/ Herzog, Art. 5 Abs. I, II GG Rn. 90 m. w. N.

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weise um Privatbriefe handelt. 1025 Lässt man nun eine negative Komponente des Art. 5 Abs. I Satz 1 GG zu, so muss man sich wenigstens in dessen Grenzen halten, um noch eine Verbindung zur positiven Komponente aufrecht zu erhalten. Anders gewendet müsste der Tatbestand spiegelbildlich konturiert sein, darf also in seiner negativen Ausprägung nicht weiter gehen als das positive Gegenstück erlaubt. 1026 Es kann - wenn überhaupt - nur solchen aufgedrängten Informationen ein Abwehranspruch entgegengehalten werden, die den von Art. 5 Abs. I Satz I GG geschützten Quellen entstammen. Man könnte dies im Hinblick auf Massenwerbung auch bei elektronischer Post im Einzelfall bejahen. 1027 Unstreitig ausgenommen vom Anwendungsbereich der negativen Informationsfreiheit wäre aber eine individuell gestaltete Werbenachricht per E-Mail, die in ihrer Ausgestaltung und ihrem Inhalt so nur dem Empfänger vorliegt. Dies entzieht sich in jedem Fall dem Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. I Satz I GG. Insoweit erwiese sich das Mittel der negativen Informationsfreiheit als wenig geeignet, um dem Einzelnen ausreichenden Schutz zu gewähren. 1028 Man kann also feststellen, dass jedenfalls der Bereich der Individualkommunikation nicht mittels der negativen Informationsfreiheit geschützt werden kann. Insoweit geht dann auch die These fehl, dass die negative Informationsfreiheit als lex specialis das allgemeine Persönlichkeitsrecht verdrängt. Gegenteiliges ist vielmehr bei den hier zugrunde liegenden Kommunikationsmedien der Fall. Zur Unterstützung der hier vertretenen Auffassung spricht auch der Schutzzweck der Informationsfreiheit. Diese steht in untrennbarem Zusammenhang mit der Meinungsbildung und stellt auf die Förderung des forum internum ab. 1029 Informationsfreiheit ist Grundvoraussetzung der Meinungsbildung und Vorstufe zur Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. I Satz 1 GG. Geschütztes Interesse des Einzelnen ist die Möglichkeit einer umfassenden Informationsbeschaffung im weitesten Sinne im Hinblick auf die persönliche Meinungsbildung. 103o Obige Interessenaufstellung lO31 hat gezeigt, dass es dem Einzelnen nicht nur darum geht, sich umfassend und selbstbestimmt seine Meinung zu bilden. Vielmehr geht sein Interesse weiter in Richtung einer selbstbestimmten Individualkommunikation, deren Zweck vor allem durch den zwischenmenschlichen Austausch geprägt ist. Kommunikation im Allgemeinen und Individualkommunikation im Besonderen ist zwar erfor1025

315.

BVerfG v. 3.10.1969, BVerfGE 27, 71, 83; BVerfG v. 16.5.1973, BVerfGE 35,311,

Maunz/Dürig/ Herzog, Art. 8 GG Rn. 28. Oben auf S. 47 f. wurde schon erörtert, dass in solchen Fällen die Grenzen zwischen Individual- und Massenkommunikation zerfließen. 1028 So auch Hellermann, Freiheitsrechte, S. 163 f. 1029 Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 86; Maunz/Dürig/ Herzog, Art. 5 Abs. I, n GG Rn. 82. 1030 Vgl. AG Kiel v. 30. 9. 1999, JurPC Web-Dok. 31/2000, das eine Verletzung der positiven Informationsfreiheit durch die behindernden Werbe-E-Mails in Betracht zieht. 1031 Vgl. oben S. 178. 1026 1027

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derlich für den Vorgang der Meinungsbildung und eine diesbezügliche Informationsbeschaffung, ist jedoch mit diesen Begriffen eben nicht deckungsgleich. Mit anderen Worten ausgedrückt lässt sich sagen, dass Kommunikation zwingend erforderlich ist für die Gewährung der in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Rechte, diese jedoch nicht umgekehrt auch eine umfassende Kommunikationsfreiheit sichern. Vorstehendes verkennt Fenchel, in dem er zu sehr auf die Bedeutung der Information für die Meinungsbildung abstellt und aus diesem Grund die negative Informationsfreiheit als lex specialis dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht voranstellt. 1032 Um eine taugliche Lösung zu erhalten, sind zuvorderst die Interessen des Rezipienten umfassend zu eruieren, bevor danach gefragt werden kann, wie diese rechtlich zu schützen sind. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt. Geht man davon aus, dass Art. 5 Abs. I Satz I Alt. 2 GG in seiner negativen Form den Einzelnen vor unverlangter Information und Kommunikation schützen kann, darf man dabei nicht vergessen, dass Art. 5 Abs. I GG seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen findet (Art. 5 Abs. 2 GG).1033 Hat nun die unverlangte Information auch persönlichkeitsrechtliche Relevanz, in dem Sinne, dass der Rezipient dem Absender Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i.Y.m. 1 Abs. I GG entgegenhalten kann, ist zu beachten, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG schrankenlos gewährleistet ist. Dies muss bei der Gewichtung eben dieser Interessen Beachtung finden. Insofern sind gegenüber Art. 5 Abs. 2 GG einer Einschränkung der Rezipienteninteressen engere Grenzen gezogen, wenn diese durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt werden, wobei freilich nicht vergessen wird, dass im Rahmen der Wechselwirkungslehre die allgemeinen Gesetze wiederum im Lichte des beschränkten Grundrechts - hier dann der negativen Informationsfreiheit - interpretiert werden müssen. 1034 Diese Unterschiede hat die Rechtsprechung bei der verfassungskonformen Auslegung des § 823 Abs. 1 BGB zur Bestimmung des Schutzumfangs des Rezipienten zu beachten. Würde man nun beispielsweise die Telefonwerbung im privaten Bereich - nach ganz h.M. eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - der negativen Informationsfreiheit unterstellen, müsste die Rechtsfolge wegen der eben erwähnten Unterschiede nicht zwingend ein Abwehranspruch sein, was letztlich aber einer Aufweichung des Privatsphärenschutzes gleichkäme. Dieser Gedanke entspricht auch der Aussage einer 1032 Fenchel, Negative Infonnationsfreiheit, S. 122; er weist zwar auf die Begrenztheit des menschlichen Aufnahmevennögens hin, sieht aber nicht, dass die damit zusammenhängenden Interessen - die Venneidung eines "infonnation overload" - im persönlichkeitsrechtlichen Bereich angesiedelt sind, vgl. S. 13 ff., 129. \033 Vgl. BVerfG v. 22. 11. 1951, BVerfGE 7, 198,209 - Lüth: Ein allgemeines Gesetz richtet sich nicht gegen eine Meinung als solche, sondern dient vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsgutes; allgemeiner gesprochen und besser auf die Infonnationsfreiheit passen, dürfte die Feststellung sein, dass Gesetze nicht "allgemein" sind, wenn sie eine Ermächtigung zu einer Beschränkung ganz bestimmter Kommunikationsinhalte erlauben, vgl. Jarass/ Pieroth Art. 5 GG Rn. 46. 1034 von Münch / Kunig / Wendt, Art. 5 GG Rn. 75.

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Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1994 hinsichtlich Gefangenenpost. \035 Ist hiernach eine Äußerung in der Privatsphäre abgegeben worden, genießt die Äußerung einen über Art. 5 Abs. 1 GG hinausgehenden Schutz nach Art. I Abs. I und Art. 2 Abs. 1 GG. 1036 Jarass formuliert daraus die allgemeine These, dass unter ein anderes Freiheitsrecht fallende Handlungen, die einen besonderen Bezug zur Privatsphäre haben, eben auch anhand des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu prüfen sind. \037 Entsprechendes gilt auch für andere durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Bereiche, wie beispielsweise das persönliche kommunikative Konzept. Insoweit könnte also dahinstehen, ob sich unverlangte kommerzielle Kommunikation auch unter die negative Komponente des Art. 5 Abs. 1 GG fassen lässt. Zwingend ist jedenfalls die Prüfung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, was letztlich dem "lex specialis"-Argument den Boden entzieht. Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass die negative Informationsfreiheit zur Behandlung der hier interessierenden kommerziellen Kommunikationen nicht tauglich ist. \038

IX. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Um das oben vorgeschlagene Schutzmodell anzuwenden, muss vorweg die Frage beantwortet werden, in welcher Eigenschaft der Rezipient das elektronische Individualkommunikationsmedium betreibt. Grund hierfür ist, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht primär zum Schutz der beruflichen und gewerblichen Betätigung geschaffen wurde. \039 Ist dieser Bereich betroffen, kann eine Lösung möglicherweise mit dem Institut des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gefunden werden. I04O Hiermit wird das Recht am Unternehmen bezeichnet, das nach h.M. dem Schutz der Grundlagen und des Freiheitsspielraums der unternehmerischen Tätigkeit dient. 1041 Es entspricht einem wirtschaftlichen Persönlichkeitsrecht des Unternehmers und ist als sonstiges Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Es sichert nicht nur das Unternehmen in seinem Bestand, sondern auch seine gesamte Erscheinungsform, wozu der gesamte Betätigungskreis - auch von Angehörigen der freien Berufe - zu rechnen iSt. I042 BVerfG v. 26. 4. 1994, BVerfGE 90, 255 - Gefangenenpost. BVerfG v. 26.4. 1994, BVerfGE 90,255,259 - Gefangenenpost. 1037 Jarass in: Erichsen I Kollhosser/Welp (Hrsg.), S. 89,92. 1038 Im Ergebnis auch AK-GGI Hoffmann-Riem, Art. 5 Abs. I, 2 GG Rn. 95; Götifried, NJW 1963, 1961, 1963. 1039 A.A.: Forkel in: FS Neumayer, S. 238 ff.; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 190 ff. 1040 LG Berlin v. 13. 10. 1998, MMR 1999,43 ff. 1041 Lehmann in: FS Hubmann, S. 255. 265. 1042 VgL BGH v. 26. 10. 1951, BGHZ 3, 270, 279 f. - Constanze; durch diese Entscheidung gewann letztlich das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eine 1035

1036

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Diesem Kreis unterfällt die hier untersuchte Problematik nur dann nicht, wenn der Einzelne sein Kommunikationsmedium in der Eigenschaft als Privatperson betreibt. Hat sich der Rezipient beispielsweise zu beruflichen Zwecken einen E-MailAnschluss eingerichtet oder sich hierfür ein Mobiltelefon oder sonstige Kommunikationsmedien angeschafft, kann bei unverlangter kommerzieller Kommunikation ein Schutz durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Frage kommen. Entsprechendes gilt insbesondere für den in der Praxis häufig vorkommenden Fall, dass der Arbeitgeber den Mitarbeitern entsprechende Techniken überlässt oder ihnen einen E-Mail-Account zuweist. In diesen Fällen liegt keine Verletzung des persönlichen und ideellen Kommunikationskonzeptes vor, sondern eine Verletzung des beruflichen kommunikativen Konzeptes. Dem entspricht die Wertung des BGH in seiner Telefonwerbung IV-Entscheidung, in der er der Ansicht war, dass gegenüber einem Gewerbetreibenden keine Belästigung im Individualbereich vorliegt. 1043 Schricker weist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die gleichrangigen kollidierenden Interessen hin. Auf beiden Seiten gehe es letztlich um wirtschaftliche Interessen, die auf Art. 12 und 14 GG basieren. 1044 Hinzu komme das Interesse an freier Meinungsäußerung des Werbenden gemäß Art. 5 Abs. 1 GG. Maßgeblich für die Abgrenzung ist einmal der Umstand, dass es der Entscheidung des Einzelnen überlassen sein muss, sich ein elektronisches Individualkommunikationsmedium anzuschaffen. Denn nur dann handelt es sich um ein vom Grundsatz der Selbstbestimmung getragenes kommunikatives Konzept. In den meisten der eben genannten Fälle, in denen ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern solche Techniken zur Verfügung stellt, hat der Einzelne gar nicht die Wahl, ob er jene will oder nicht. Vielmehr ist er auf jene Techniken zwingend angewiesen, will er seine arbeitsvertraglichen Pflichten vollständig erfüllen. Hinzu kommt, dass in diesen Fällen der Einzelne gerade nicht seinem individuellen Kommunikationsbedürfnis nachkommen will, sondern dass vorstehende Gründe maßgeblich sind. Dies gilt auch für den Fall, in dem es dem Arbeitnehmer ausdrücklich gestattet ist, die überlassenen Techniken, darunter auch den E-Mail-Account.privat zu nutzen. Hält der Einzelne den Betrieb entsprechender Kommunikationsmedien mit Blick auf seine persönliche Entfaltung für unverzichtbar und will er auch ein entsprechend hohes Schutzniveau auf Basis des Art. 2 Abs. 1 i.Y.m. Art 1 Abs. 1 GG hierfür beanspruchen, muss er jene auf privater Basis betreiben. Eine Persönlichkeitsverletzung scheidet aber nicht in jeder Hinsicht aus. Wird der Umworbene beispielsweise zu Hause auf einem vom Arbeitsgeber zur Verfügung gestellten Gerät mit kommerzieller Kommunikation konfrontiert, besteht die Möglichkeit, über den Schutz der häuslichen Privatsphäre und der allen Telefonwerbungsurteilen zugrunde liegenden diesbezüglichen Argumentation zu einer Abwehrmöglichkeit zu ähnliche generalklause1artige Reichweite wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, vgl. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 192. 1043 BGH v. 24. 1. 1991, BGHZ 113,282,284. 1044 Schricker, GRUR Int. 1998,541,547,548.

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verhelfen. Die Lösung über die kommunikative Konzeption ist dann gerade nicht vorrangig. Anders ist dies bei dem einzelnen Unternehmer. Hier ist es grundsätzlich seine eigene Entscheidung, die dem Betrieb der Kommunikationstechnik zugrunde liegt. Insofern können sich die Interessen aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und aus dem Recht am Unternehmen in der selben Technik objektivieren, was eine Grenzziehung schwierig erscheinen lässt. Zwar ist vom BGH anerkannt, dass zwischen allgemeinen Persönlichkeitsrecht und gewerblicher Betätigung gewisse Überschneidungen stattfinden können. 1045 Im Sinne der Vorhersehbarkeit für den Rechtsadressaten und aus Gründen der Rechtssicherheit ist bei Überschneidungen der Nutzung von Kommunikationsmedien auf den Schwerpunkt jener Nutzung abzustellen. Maßgeblich hierfür kann die anhand objektiver Umstände feststellbare tatsächliche Nutzung sein. Voraussetzung für eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein unmittelbarer und zielgerichteter Eingriff in den Betrieb, der gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen ist und nicht vom Unternehmen ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betrifft. I046 Kann der Unternehmer die Beeinträchtigungen schon aus den die Sachmittel schützenden Rechtsvorschriften ableiten, sind aber diese vorrangig. 1047 Einer Entscheidung des OLG München zufolge stellt die unverlangte Telefax-Kommunikation einen solchen Eingriff dar lO48 , was im Hinblick auf den Eigentumsschutz man denke nur an den Papier und Tonerverbrauch - nicht überzeugend ist. Das LG Berlin bejahte in einem ausführlich begründeten Urteil einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch unverlangte E-Mail-Werbung. 1049 Es betont insbesondere die Verlängerung der Übertragungszeit, die zusätzliche Arbeitszeit für die Aussortierung, die erhöhten Telekommunikationsgebühren, die Überschreitung der Speicherkapazität der Empfänger-Mailbox und die damit zusammenhängende Möglichkeit des Datenverlustes. 1050 Hinzukommt unter Hinweis auf die Parallelen zu § 1 UWG der Sog- und Nachahmungseffekt und die Verwilderung der Wettbewerbssitten. Letzteres dürfte aber entgegen der Ansicht des Gerichts schon nicht geeignet sein, die Verletzung des Rechts am Unternehmen zu begründen, da es sich insoweit um verschiedene Schutzgüter handelt. BGH v. 24. 10. 1971, BGHZ 36, 77, 80. BGH v. 18. 1. 1983, NJW 1983, 812, 813; MünchKomml Mertens, § 823 Rn. 490; Palandtl Thomas, § 823 Rn. 21. 1047 Buchner, Untemehmensschutz, S. 147. 1048 OLG München v. 8. 2. 1993, NJW-RR 1994, 1054: es sei mit einer starken Ausweitung der Fax-Werbung zu rechnen, weshalb es zu einer stetig wachsenden Blockierung der Anlage, der Beeinträchtigung des Arbeitsablaufes und zu höheren Kosten kommt. 1049 LG Berlin v. 13. 10. 1998, MMR 1999,43 ff. = eR 1999, 187 ff.: ein Rechtsanwalt hatte gegen eine Agentur geklagt, die Jahrmarktgeräte vermietet und per E-Mail hierfür warb; vgl. auch LG Berlin v. 14.5. 1998, NJW 1998,3208, wo aber aus der Begründung nicht ersichtlich ist, welches Recht des § 823 Abs. 1 BGB konkret betroffen ist; zuletzt LG Berlin v. 19.9.2003, eR 2003, 219 f. 1050 LG Berlin v. 13. 10. 1998, MMR 1999,43 ff. = eR 1999, 187, 188. 1045

1046

C. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

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Eine Verletzung des Rechts am Unternehmen durch unverlangte kommerzielle Kommunikation zu bejahen, erscheint jedoch unter Berücksichtigung der vom BGH aufgestellten Voraussetzungen für einen betriebsbezogenen Eingriff bedenklich. Hiernach sind Eingriffe nur betriebsbezogen, die eine Bedrohung für die Grundlagen des Betriebes darstellen, den Funktionszusammenhang der Betriebsmittel auf längere Zeit aufheben oder seine Tatigkeit als solche in Frage stellen. 1051 Störungen müssen demnach eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Im Hinblick auf diese Vorgaben sind Teile des Schrifttums berechtigterweise der Ansicht, dass die unverlangte Telefonwerbung ohne Hinzutreten besonderer Begleitumstände nicht ausreichend ist für eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. 1052 Entsprechendes gilt für E-Mail-Werbung. 1053 Zwar kommt es unzweifelhaft durch unverlangte E-Mail-Werbesendungen zu Störungen im Betriebsablauf, da Hardwareressourcen dadurch belastet werden und Mitarbeiterzeit für die Selektion in Anspruch genommen wird. Jedoch stellt dies weder eine Bedrohung der betrieblichen Grundlagen dar, noch werden Betriebsmittel für längere Zeit ihrer Funktion enthoben. Es mangelt an der erforderlichen Nachhaltigkeit der Störung. Treten also nicht besondere Umstände im Einzelfall hinzu, die nachhaltige Auswirkungen auf den betrieblichen Ablauf haben, ist eine Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ausgeschlossen. Das hier gefundene Ergebnis gerät auch nicht in Widerspruch zu den obigen persönlichkeitsrechtlichen Ausführungen, da der Schutz des Unternehmens nicht so weitreichend ist wie derjenige des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 1054

C. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung unverlangter kommerzieller Kommunikation Nachfolgend soll nun untersucht werden, wie es sich mit der wettbewerbsrechtlichen Zu lässigkeit von unverlangter kommerzieller Kommunikation verhält. Die Frage nach der Zulässigkeit im Rahmen des UWG ist der Schwerpunkt der in der Vergangenheit zu dieser Problematik geführten Diskussion. Mit der hier vorgestellten deliktsrechtlichen Lösung wird es nunmehr möglich sein, im Rahmen der Fallgruppe des Rechtsbruches ein technologieübergreifendes Unwertsurteil i. S. d. § 1 UWG zu finden. Hinsichtlich der Fallgruppe der Belästigung soll nur zum Meinungsstand der E-Mail-Werbung Stellung genommen werden, da hier - im Gegensatz zur Telefonwerbung - sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum noch vieles streitig ist. BGH v. 18. 1. 1983, NJW 1983, 812, 813. Schricker, GRUR Int. 1998,541,549; Böhm, MMR 1999, 643, 644; vgl. Ehlers, JZ 1991, 231, 232 für Briefwerbung. 1053 So auch AG Dachau v. 10.7.2001, NJW 2001, 3488. 1054 Schricker, GRUR Int. 1998, 541, 551; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 124 m.w.N. 1051

1052

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Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

I. Der Begriff der guten Sitten i.S.v. § 1 UWG Die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der guten Sitten gehört zu den zentralen Problemen des nationalen Wettbewerbsrechts. Entscheidend hierfür ist vor allem der Blick auf die Zwecksetzung des Wettbewerbsrechts und dessen Schutzgegenstands. Nach nunmehr allgemeiner Meinung schützt das Wettbewerbsrecht nicht nur die Interessen der Anbieterseite, sondern auch die sozialen und individuellen Interessen der Verbraucher, aller übrigen Marktteilnehmer und der Allgemeinheit. 1055 Dies ist das Ergebnis eines Funktionswandels des Wettbewerbsrechts von einem reinen Individualschutz der einzelnen Mitbewerber im Sinne eines ausschließlichen Konkurrentenschutzes, hin zu einem Institutionenschutz und einem sozialrechtlichen Marktverhaltensrecht. 1056 Einhergehend mit diesem Wandel ist zur Bestimmung der guten Sitten i. S. d. § 1 UWG nicht nur die bestehende Sozialmoral bestimmter Verkehrskreise entscheidend, sondern es sind alle anerkannten Rechts- und Grundwerte des Gemeinschaftslebens von Bedeutung. 1057 Aufgrund derer hat der Richter wertend zu entscheiden. Der Rechtsbegriff der guten Sitten nach § 1 UWG ist aber mit demjenigen in § 138 und § 826 BGB nicht gänzlich deckungsgleich. Das liegt daran, dass trotz Ausweitung des wettbewerbsrechtlichen Schutzes in der Vergangenheit die Sicherung und Erhaltung der Wettbewerbsordnung die entscheidenden Anknüpfungspunkte für ein Lauterkeitsurteil ist. Der Maßstab ist in erster Linie den Funktionsbedingungen des Wettbewerbssystems zu entnehmen. 1058 Zur Ausfüllung des Begriffs der guten Sitten gibt es eine Vielzahl von Vorschlägen, die im Einzelnen zu nennen nicht mehr von der Aufgabenstellung umfasst wird. Anzumerken ist jedoch, dass es sich zumeist nur um eine Verlagerung des Problems auf eine andere Ebene handelt, mit der Folge, dass nunmehr andere und ebenso unbestimmte Rechtsbegriffe nach einer Beschreibung und Ausfüllung rufen. 1059 Die Rechtsprechung geht von einem sittenwidrigen Wettbewerbsverhalten aus, wenn es objektiv dem Anstandsgefühl der beteiligten Verkehrskreise widerspricht oder von der Allgemeinheit, insbesondere von den durch die Werbemaßnahme angesprochenen Verkehrskreisen, missbilligt und für untragbar angesehen wird. 1060 Maßgebend für den ersten Punkt ist dabei nicht das Anstandsgefühl aller 1055 Satt vieler etwa BGH v. 8. 11. 1990, NJW-RR 1990, 359; Baumbachl Hefermehl, UWG Ein!. Rn. 50; SchrickerIHenning-Bodewig, WRP 2001,1367,1405; Fezer, WRP 2001, 989,997. 1056 Fezer, WRP 2001, 989, 997; vg!. Überblick zur Entwicklung bei Baumbachl Hefermehl, UWG Ein!. Rn. 40 ff. und Grade, Belästigende Werbung, S. 35 ff.; kritisch zu letztem Punkt Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 20. 1057 BaumbachlHefermehl, UWG Ein!. Rn. 71. 1058 Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 60; von Gamm, Wettbewerbsrecht, I. Hb. Kap. 18 Rn. I. 1059 Vg!. Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 51 m.w.N und S. 57. 1060 St. Rspr.: BGH v. 19. 6. 1970, BGHZ 54, 188, 191 - Te1efonwerbung I; BGH v. 12.3. 1971, BGHZ 56, 18, 19 - Grabsteinwerbung 11; BGH v. 6. 10. 1972, BGHZ 59,317,

C. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

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billig und gerecht Denkenden, sondern das Anstandsgefühl des verständigen Durchschnittsgewerbetreibenden, was so einfach wie überzeugend damit begründet werden kann, dass nicht jeder billig und gerecht Denkende auch etwas vom Erwerbsleben oder von Wettbewerbsverstößen versteht. 1061 Kommt es zu Differenzen bei der Beurteilung, entscheidet die strengere Auffassung der Verbraucher beziehungsweise der Allgemeinheit, sofern ihre Belange betroffen sind und nach dem Schutzzweck des Wettbewerbsrechts den Vorrang genießen. 1062 Entscheidend ist letztlich innerhalb der rechtlich-sittlichen Wertung eine Abwägung aller aufeinanderstoßenden schutzwürdigen Interessen. 1063 Um trotz der Definitionsschwierigkeiten der wettbewerbsrechtlichen Sittenwidrigkeit eine praxistaugliche Handhabung der Generalklausei zu ermöglichen, wurden zur Systematisierung verschiedene Fallgruppen gebildet. Die Vielzahl der Einzelentscheidungen zu § I UWG bilden wiederum einen Teil der oben erwähnten anerkannten Rechts- und Grundwerte des Gemeinschaftslebens, an welchen sich das Sittenwidrigkeitsurteil zu orientieren hat. So kristallisieren sich zunehmend übergeordnete Leitlinien normativen Charakters heraus, die dazu beitragen, den Tatbestand leichter zu erfassen und die vielfaltigsten Lebensverhältnisse im Hinblick auf ihre unterschiedliche wettbewerbsrechtliche Bedeutung zu bewerten. 1064

11. Die verschiedenen Fallgruppen 1. Sekundärrechtlicher Einfluss Parallel zu der bei § 823 Abs. 1 BGB angesprochenen Problematik ist fraglich, ob ein Verhalten, das nach sekundärrechtlichen Vorschriften zulässig wäre, sittenwidrig i. S. d. § 1 UWG sein kann. Da Art. 14 FARL ausdrücklich strengere nationale Regelungen zulässt, ist der Blick auch hier auf Art. 12 der TK-Datenschutzrichtlinie mit seinen beiden Wahlmöglichkeiten gerichtet. Es ist dem einzelnen Mitgliedsstaat im Rahmen seines Umsetzungsermessens vorbehalten, die Wahloption mit dem geringeren Schutzniveau mit einem Unwerturteil zu versehen, will man derartigen Optionsmöglichkeiten nicht den Boden entziehen. Maßgebend ist auch hier letztlich wieder der Harmonisierungsgrad. Für keine elektronische Individualkommunikation hat aber der europäische Gesetzgeber eine opt-out Lösung als Höchststandard festgelegt. Somit ist hier der Einwand abgeschnitten, dass ein Verhalten, das der europäische Gesetzgeber als grundsätzlich zulässig bezeichnet hat, nicht als Verstoß gegen die guten Sitten angesehen werden kann. 1065 319 - Telexwerbung; BGH v. 16. 2. 1973, BGHZ 60, 296, 300 - Briefwerbung; BGH v. 3.2.1988, BGHZ 103,203,206 - Btx-Werbung. 1061 Sack, NJW 1985,761 f.; BaumbachlHefennehl, UWG Ein\. Rn. 85. 1062 Baumbachl Hefennehl, UWG Ein\. Rn. 89. 1063 St. Rspr., vg\. BGH v. 25. 1. 2001, WRP 2001, 1068, 1070 m.w.N - Blindenware. 1064 Grode, Belästigende Werbung, S. 76; von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Hb. Kap. 19 Rn. 2.

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Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

2. Unlauterkeit durch Rechtsbruch a) Allgemeines Eine sich im Laufe der Zeit herausgebildete und anerkannte Fallgruppe ist die Sittenwidrigkeit i. S. d. § I UWG durch Rechtsbruch. 1066 Der dahinter stehende Grundgedanke ist, dass es nicht im Sinne eines Leistungswettbewerbs sein kann, wenn ein Wettbewerber dadurch einen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern erlangt, dass er die durch Gesetz oder Vertrag festgelegten Bedingungen missachtet, an die sich sein Mitbewerber gerade hält. 1067 Um den Einfluss des Persönlichkeitsrechts auf § I UWG zu erörtern, muss man sich vor Augen halten, dass Sittenwidrigkeit i.S.v. § I UWG nach h.M. nicht gleichzusetzen ist mit Gesetzeswidrigkeit. 1068 Eine andere Sichtweise hätte die Erstickung des Wettbewerbs zur Folge und würde zudem alle Gewerbetreibenden zu Wächtern über ihre Konkurrenten bezüglich derer Gesetzestreue machen. 1069 Letztlich wäre dies auch nicht vereinbar mit der oben getätigten Feststellung, dass zur Bestimmung der Sittenwidrigkeit immer die Funktionsbedingungen des Wettbewerbssystems entscheidend sind. Um dies zu gewährleisten, wird nach der Qualität der verletzten Rechtsnorm differenziert. Während der Verstoß gegen ethisch fundierte beziehungsweise sittlich-rechtliche Rechtsnormen ohne Hinzutreten weiterer Umstände sittenwidrig ist, ist das bei ethisch neutralen beziehungsweise wertneutralen Verhaltensnormen erst dann der Fall, wenn sich der Gewerbetreibende bewusst und planmäßig über die Norm hinwegsetzt, um sich einen Vorsprung vor den Konkurrenten zu verschaffen. 107o Hinzu kommen muss, wie bei jeder gegen § I UWG verstoßenden Handlung, ein Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs. b) Der Einfluss der persänlichkeitsrechtlichen Wertung auf § 1 UWG Konsequenterweise kommt der BGH dann zu dem Ergebnis, dass nicht jede Beeinträchtigung des persönlichen Bereichs des Einzelnen durch Werbung wettbewerbswidrig ist. 1071 Dem kann aber nicht entnommen werden, dass eine Persönlichkeitsverletzung nicht zugleich einen Verstoß gegen § I UWG begründet. DesVgl. BGH v. 5. 2. 1998, NJW 1998,2208,2211 f.; hierzu Schmitz, AfP 1998,485,487. Statt vieler Baumbachl Hefermehl, § 1 UWG Rn. 608 ff.; Emmerich, Wettbewerbsrecht, § 16. 1067 BaumachlHefermehl, § 1 UWG Rn. 608; SchrickerlHenning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1404. 1068 Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 366 m. w. N.; a.A: Sack, NJW 1985,761,765. 1069 So Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 382. 1070 Vgl. Sack, NJW 1985,761,766; Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 366. 1071 BGH V. 30.4. 1992, NJW 1992, 1958, 1959 m. w. N. (zur Briefkastenwerbung); umgekehrt ist auch nicht jede Wettbewerbswidrigkeit eine Persönlichkeitsverletzung, so MünchKomm/ Rixecker, § 12 Anh. Rn. 91. 1065

1066

C. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

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sen Tatbestand ist nur dann nicht erfüllt, wenn es sich um eine geringfügige individuelle Störung handelt und zudem das Verhalten des Werbenden darauf gerichtet ist, die Interessen von Dritten in zumutbarer Weise zu beachten. Je stärker jedoch der individuelle Bereich des Einzelnen durch das Wettbewerbsverhalten berührt wird, umso eher kann dieses auch nach § I UWG zu missbilligen sein. Ist eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Rahmen der de1iktsrechtlichen Prüfung festgestellt, kann nicht mehr nur von einer geringfügigen Störung gesprochen werden. Da unverlangte kommerzielle Kommunikation in bestimmten Fällen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht darstellt, ergibt sich das Sittenwidrigkeitsurteil bereits unter dem Aspekt des Wettbewerbsvorteils durch Rechtsbruch. Dafür spricht einmal, dass es seltsam anmuten würde, wenn der einzelne Verbraucher einen bürgerlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch hätte, ein Verbraucherverband, der die Interessen des Einzelnen ja gerade wahrnehmen soll, aber keinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch an die Hand bekäme. 1072 Hinzu kommt, dass sich die Ausfüllung des wettbewerbsrechtlichen Sittenwidrigkeitsbegriffs maßgeblich an den Werten der Verfassung zu orientieren hat. 1073 Genau anhand dieser wurde jedoch bereits im Rahmen der deliktsrechtlichen Prüfung das Verhalten des Kommunikators gemessen, was schließlich ein Unrechtsurteil unter gewissen Voraussetzungen nach sich zog. Schließlich fügt sich dies auch in das Bild der h.M., da § 823 Abs. 1 BGB im Hinblick auf seinen Gewährleistungsgehalt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine wertbezogene und sittlich-fundierte Vorschrift ist. 1074 Insofern ist es nicht mehr erforderlich, dass sich der Werbende bewusst und planmäßig über das Verbot des Zusendens unverlangter kommerzieller Kommunikation hinwegsetzt. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die oben im Einzelnen dargestellte Persönlichkeitsverletzung durch unverlangte kommerzielle Kommunikation auch ein sittenwidriges Wettbewerbsverhalten unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs darstellt. 1075 Dies gilt für alle fraglichen elektronischen Individualkommunikationsmedien.

3. Unlauterkeit durch Belästigung Im Zuge der Kategorisierung des § 1 UWG hat sich auch die Fallgruppe des Kundenfangs herausgebildet, innerhalb welcher eine weitere Einteilung in unzumutbar belästigende Werbemethoden stattfindet. 1076 Es stehen hier Methoden der Vgl. Loydl, Belästigende Werbung, S. 95. Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 62. 1074 Baumbachl Hefermehl, § 1 UWG Rn. 628; Freund, Persönlichkeitsrecht des Umworbenen, S. 254; vgl. auch im Ergebnis zustimmend Loydl, Belästigende Werbung, S. 96, der das allgemeine Persönlichkeitsrecht als wichtiges Gemeinschaftsgut anerkennt. Dies dürfte aber im Hinblick auf die dahinterstehenden Individualinteressen eher zweifelhaft sein. 1075 Vgl. Ulrich in: PS Vieregge, S. 901, 903. 1076 Vgl. Baumbachl Hefermehl, § 1 UWG Rn. 57 ff.; Gilles, NJW 1988,2424,2430. 1072 1073

16 Rothley

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Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

Werbung und des Vertriebs inmitten der Betrachtung, die planmäßige, bewusste und gezielte Vorgehensweisen umschreiben, mit denen typischerweise oder im gedachten Normalfall Unlauterkeitsmomente verbunden sind. lo77 In jedem Einzelfall müssen Letztere aber gerade nicht vorliegen. Derartige Vorgehensweisen werden auch unter der Rubrik "Anreißen" zusammengefasst, worunter das Belästigen von Kunden mit aufdringlicher Werbung zu verstehen ist. 1078 Klargestellt sei an dieser Stelle, dass Information und Belästigung in keinem gegenseitigen Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander stehen. 1079 Eine kommerzielle Kommunikation kann also gleichzeitig Information sein und dennoch belästigende Wirkung entfalten. Maßgebend sind dabei nicht alle Formen von Belästigungen, sondern nur solche Belästigungen, die die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers derart beeinträchtigen, dass die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs systems nicht mehr in ausreichenden Maße gewährleistet ist. 1080 In der folgenden Untersuchung soll die Werbung per elektronischer Post wieder im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Die wohl h.M. sieht die unverlangte Zusendung von E-Mail-Werbung wegen ihrer belästigenden Wirkung als wettbewerbswidrig i.S.v. § 1 UWG an. 1081 Zur Begründung wird vielfach auf die Parallelität zur Telefon-, Fax-, Btx- und Telexwerbung verwiesen. Dies kann jedoch nicht darüber hinweghelfen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede jener verschiedenen Direktmarketingmethoden nebeneinander zu stellen und zu vergleichen. Erst dann kann ein abschließendes Urteil über die Sittenwidrigkeit unter Heranziehung der obigen Maßstäbe gefällt werden. Unstreitig zur Unlauterkeit führt eine Verschleierung der Werbebotschaft durch anonymisierte oder falsche Absenderangaben oder irreführende Angaben in der Betreffzeile. 1082 Denn hier handelt es sich zumeist schon ul11 eine bewusste Tauschung des Adressaten gern. § 3 UWG und einen groben Missbrauch der technischen Funktionalität des E-Mail-Dienstes. Entsprechendes gilt für als Werbesendungen, die als private Sendung getarnt sind. a) Unterschiede zur Telefonwerbung

Teilweise wird die Ansicht geäußert, ein Vergleich von E-Mail-Werbung mit der Telefonwerbung verbietet sich, da kein unmittelbarer Kontakt zwischen den ParOLG Stuttgart v. 13. 10. 1994, NJW 1995, 1098; Gilles, NJW 1988,2424,2430. Zum Begriffsverständnis von Anreißen vgl. Baumbach/Hefennehl, § 1 UWG Rn. 58. 1079 So aber Hartwig/Ferschl, WRP 1999,1087. 1080 Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 179. 1081 Vgl. oben S. 92 ff. 1082 Freitag/Busemann, AfP 1998, 475, 477; Busche/Kraft, WRP 1998, 1142, 1144; Burckhardt, Direktmarketing, S. 136; vgl. auch Vorschlag von Schricker / Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1386, die ein umfassendes europäisches Verbot von getarnter Werbung fordern und Paefgen, MDR 1992, 112, 116. 1077 1078

C. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

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teien herrscht. 1083 Gerade dies sei der belästigende Umstand, der im Fall der E-Mail-Werbung aber entfiele. Die gleiche Argumentation würde sich auf andere, nicht auf Sprachkommunikation basierende Medien übertragen lassen. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass nicht primär auf die Unannehmlichkeiten eines Telefonates abzustellen ist, sondern auf die davon unabhängige Störung des kommunikativen Konzepts. Zwar kann Ersteres entsprechend der einschlägigen Rechtsprechung zur Telefonwerbung noch als zusätzlicher Umstand für eine unzumutbare Belästigung herangezogen werden. Notwendige Voraussetzung für die Annahme der Sittenwidrigkeit ist dies nicht. Ist also das kommunikative Konzept außerhalb der besonders geschützten häuslichen Sphäre berührt, so kann schon unter der Rubrik Sittenwidrigkeit durch Rechtsbruch eine Lösung und Tatbestandsausfüllung des § 1 UWG erfolgen. b) Imitations- und Nachahmungsgefahr

Nach h.M. ist im Rahmen des wettbewerblichen Gesamttatbestandes auch die Imitations- und Nachahmungsgefahr mit zu berücksichtigen. 1084 Dahinter steht der Gedanke, dass eine Werbemaßnahme im Einzelfall wegen ihrer geringfügigen unmittelbaren Auswirkungen noch hingenommen werden müsste und dennoch den Keim zu einem immer weiteren Umsichgreifen in sich tragen kann, was letztlich zu einer Verwilderung der Wettbewerbssitten führt. Die Gefahr der Nachahmung im wettbewerbsrechtlichen Sinne besteht dann, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Erfolge, die ein Wettbewerber mit einer Werbemaßnahme erzielt, so beachtlich sind, dass sie die Mitbewerber zu einer Nachahmung veranlassen. 108S Das Urteil basiert also auf einer Prognose des künftigen Wettbewerbsverhaltens. In den konkreten Fällen wäre entscheidend, ob die Werbemaßnahme, bliebe sie unbeanstandet, durch Nachahmung zu einer Beeinträchtigung wesentlicher Belange der Verbraucher führen würde. Auf die Nachahmungsgefahr wies der BGH bei der Telefon-, Btx- und Faxwerbung ausdrücklich hin und prognostizierte die Ausuferung dieser Werbemethoden. 1086 Auch bei der E-Mail-Werbung wird dieser Imitations- und Nachahmungseffekt zu Recht als Begründung für die Sittenwidrigkeit angeführt. 1087 Als Grund hierfür sei insbesondere die Kosten1083 Schrey/Westerwelle, Beilage 18 zu BB Heft 48/1997, S. 17, 20; Reichelsdoifer, CR 1998, 171, 173; Ulrich in: FS Vieregge, S. 901, 918 für Telex-, Telefax- und Btx-Werbung. 1084 St. Rspr. seit BGH v. 26. 2. 1965, BGHZ 43, 278, 282 - Kleenex; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Hb. Kap. 19 Rn. 3. 1085 Baumbach/Hejermehl, UWG Ein!. Rn. 123. Man denke hier insbesondere an die Erfolge von Canter und Siegel (oben S. 64), die trotz der Unbeliebtheit der Werbemethode ihre Umsätze erheblich steigern konnten. 1086 BGH V. 3. 2.1988, BGHZ 103,203, 209-Btx-Werbung; BGHv. 19.6.1970, BGHZ54, 188,192-TelefonwerbungI; BGHv. 25.10.1995, NJW 1996,660, 661- Telefax-Werbung. 1087 LG Kiel v. 20. 6. 2000, JurPC Web-Dok. 166/2000 Abs. 13; Ziem, MMR 200, 129, 131; Härting, Internetrecht, Rn. 266. 16*

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Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

günstigkeit zu nennen. Hinzu kommt, dass es auf einfachste Weise möglich ist, eine Vielzahl von Umworbenen anzusprechen. Blickt man insbesondere auf das Gutachten der EU-Kommission aus dem Jahre 2001, ist eine Ausuferung von E-Mail-Werbung nicht mehr von der Hand zu weisen. Die Nachahmungs- und die damit einhergehende Ausuferungsgefahr bilden somit entscheidende Gesichtspunkte bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit. 1088 Eine Mindermeinung will dagegen die Nachahmungsgefahr nicht zulassen, da diese bereits im Ansatz nicht geeignet sei, den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen. 1089 Gründet man jedoch diese ablehnende Haltung darauf, dass ein lauteres Verhalten auch bei beliebiger Wiederholung nicht zu einer unlauteren Maßnahme führen kann, so geht man von den falschen Voraussetzungen aus. Es handelt sich gerade nicht um ein lauteres Verhalten, das erst in Zukunft zur Unlauterkeit mutiert, sondern es ist schon das erste derartige Wettbewerbsverhalten als unlauter zu werten. Dass dabei auf eine Prognose zurückgegriffen wird, ändert hieran nichts. c) Blockade und Ausnutzung der Kommunikationsmittel

Ein weiterer zur Sittenwidrigkeit führender Umstand ist die Blockade und Ausnutzung der Kommunikationsmittel. 1090 In Anbetracht der Speicherkapazitäten und Rechenleistungen moderner Computersysteme ist zwar ein Totalausfall eher unwahrscheinlich. Dennoch kann es vorkommen, dass der E-Mail-Account überläuft, da der Provider in den meisten Fällen nur begrenzt Speicherplatz zur Verfügung stellt. Dies würde bedeuten, dass erwünschte Nachrichten ihren Empfänger möglicherweise nicht erreichen, was letztlich mit den guten Gepflogenheiten im Wettbewerb nicht mehr zu vereinbaren wäre. 1091 Teilweise wird auch zu Recht darauf hingewiesen, dass ein E-Mail-Teilnehmer in seinen Nutzungsmöglichkeiten stark eingeschränkt ist, wenn er aufgrund von Werbe-E-Mails gezwungen wäre, seine Mailbox regelmäßig zu leeren, um somit erwünschte Nachrichten nicht zu veriieren. 1092 Dagegen kann zwar eingewendet werden, dass es Sinn und Zweck eines E-Mail-Account ist, diesen regelmäßig zu leeren. Erfolgt dies aber ausSchrey/Westerwelle, Beilage 18 zu BB Heft 48/ 1997, S. 17,21 f. Böhm, MMR 1999,643,646; Leible/Sosnitza, K&R 1998,283,290 zur Telefonwerbung; wohl auch Wienke, WRP 1986,455,456; Busche/Kraft, WRP 1998,1142,1148. 1090 Schrickerl Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367, 1392 sehen dies als maßgeblichen Aspekt an. 1091 Vgl. Hoeren, WRP 1997,993,995, der die "technische" Belastung als Hauptargument für die Unlauterkeit heranzieht; ebenso Mankowski, GRUR Int. 1999, 995, 1000; Ziem, MMR 2000, 129, 131; vgl. auch Gummig, ZUM 1996,573,583; SchreylWesterwelle, Beilage 18 zu BB Heft 48/ 1997, S. 17,20; Ernst, BB 197, 1057, 1060; für SMS-Werbung Strömer in: ct, Magazin für Computertechnik, Heft 7/2001, S. 216; a.A. Freitag/ Busemann, AfP 1998,475,478. 1092 Ziem, MMR 2000,129,135. 1088 1089

C. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

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schließlich im Hinblick auf das Löschen von Werbebotschaften und nicht mehr zur Befriedigung seines Kommunikationsbedürfnisses, ist der Funktionszweck in sein Gegenteil verkehrt. Ähnliches gilt für den SMS-Verkehr. Auch hier ist der Empfang von Nachrichten blockiert, wenn der Speicher des Gerätes voll ist. Zwar wird der Empfänger dennoch auf eine neu eingegangene Nachricht hingewiesen, kann diese aber erst zur Kenntnis nehmen, wenn er vorhandene Nachrichten löscht. Insofern wird auch hier die Verwaltung des Posteinganges erheblich vom Absender beeinflusst. Schließlich kann es aufgrund des massenhaften Versands von elektronischer Post auch dazu kommen, dass ganze Mail-Server abstürzen und auch aus diesem Grund wichtige Nachrichten verloren gehen oder dem Provider erhebliche Kosten entstehen. 1093 d) Das Problem der Kostenverlagerung

Nicht nur dem Provider, sondern auch und gerade dem Inhaber des elektronischen Briefkastens entstehen Kosten. Keine Rolle spielt dieser Umstand bei einem Anruf auf ein Festnetztelefon zu Hause. Anders sieht dies aber bei Mobiltelefonen aus. Hier kann sich der Angerufene unter Umständen im Ausland befinden und hat dann die entsprechenden Roaminggebühren des ausländischen Netzbetreibers zu tragen, während der Kommunikator nur diejenigen Kosten zu tragen hat, die anfallen würden, befände sich der Mobilfunkbesitzer im Inland. 1094 Gleiches gilt für den SMS-Verkehr. Bei der Telefaxwerbung wird von der h.M. zu Recht der Toner und Papierverbrauch als Argument für die Sittenwidrigkeit herangezogen. 1095 Bei E-Mail-Nachrichten entstehen durch den Abruf ebenfalls Kosten in Form von Providergebühren und Telefonkosten. 1096 Dies gilt auch für die pauschale Kostenabrechnung mit dem E-Mail- und/ oder dem Access-Provider. Moritz weist zu Recht darauf hin, dass unter Umständen dem Provider zur Deckung seiner Mehrkosten durch den erhöhten E-Mail-Transfer wenig anderes übrig bleibt, als die Kosten für die Pauschale zu erhöhen. 1097 Die erhöhte Ressourcenbelastung trifft dabei den E-Mail wie auch den Access-Provider. Bedient sich der E-MailNutzer eines Freemail-Anbieters, so könnte er zumindest mit einer Erhöhung seiner Flat-Rate-Gebühren belastet werden. Keim in: Horster/Fox (Hrsg.), S. 24. Die teilweise Kostenlast des Angerufenen beruht auf einem Grundprinzip der Mobilfunkkommunikation. Hiernach soll der Anrufer nicht mit einem Kostenrisiko belastet werden, das er nicht beeinflussen kann. Es ist für ihn nicht erkennbar, in welchem (ausländischen) Netz sich der Angerufene befindet und welche Gebühren der Betreiber desselben für die Beanspruchung verlangt (sog. Roaming-GebÜhren). 1095 Vgl. BGH v. 25. 10. 1995, NJW 1996,660,661; Mankowski, GRUR Int. 1999,995, 1000; Steckler, GRUR 1993,865,872 für Gleichstellung von Sach- und Personenkosten. 1096 LG Ellwangen v. 27. 8. 1999, MMR 1999, 675, 676; LG Berlin v. 2. 4. 1998, CR 1998,623 m. zust. Anm. Moritz; a.A.: LG Braunschweig v. 11. 8. 1999, NJR-RR 2000, 924, 925; Vehslage, DZWir 1998,471,472; Zehentmeier, BB 2000, 940, 943. 1097 Moritz, CR 1998,623. 1093

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Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

Dagegen wird nun eingewendet, dass es sich bei diesen Kosten wegen der zumeist nur geringen Höhe um keine solchen finanziellen Belastungen handelt, die eine Unlauterkeit der Werbemethode begründen. 1098 Diese Ansicht verkennt jedoch die Tatsache, dass es zu einer Verlagerung der Kosten für eigennütziges Tun auf die Allgemeinheit kommt. Mit einem Leistungswettbewerb ist dies aber insofern nicht vereinbar, als in solch einem Fall gerade nicht mehr das Wettbewerbshandeln die Leistungsfähigkeit des Wettbewerbers widerspiegelt, sondern die Leistungsfähigkeit des Umworbenen voraussetzt. Dass dabei dem Einzelnen nicht unbedingt signifikante Kosten erwachsen, ändert nichts an dieser Verlagerung. 1099 Genau diese Verlagerung ist es aber, die entscheidend ist für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit. Werbung zu betreiben liegt ausschließlich in der Sphäre des Werbetreibenden. Dieser kann nicht daraus resultierende Nachteile auf Dritte abwälzen, um selbst ausschließlich die Vorteile aus seinem Handeln zu ziehen. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass sich durch unverlangte E-Mail-Werbung die Handlungsinitiative auf den Empfänger verlagert, da dieser auch gezwungen ist, Maßnahmen wie Widerspruch oder technische Abwehr zu ergreifen. Daran können die Besonderheiten einzelner Technologien nichts ändern. Jene müssen vielmehr unter dem Gesichtpunkt genutzt werden, dass ohne Zustimmung des Empfängers diesem keine Kosten entstehen dürfen. Zwar wird dagegen zu Recht eingewandt, dass die Kostenverteilung abstrakt betrachtet, nichts an der belästigenden Wirkung in Bezug auf den Umworbenen und dessen Entscheidungsfreiheit ändert. JlOO Wie eingangs dargestellt, ist Schutzobjekt des § 1 UWG zwar auch der Verbraucher, jedoch immer im Hinblick auf die Lauterkeit des Wettbewerbs und die Sicherung und Erhaltung der diesem zugrunde liegenden Ordnung. Damit ist es jedoch nicht zu vereinbaren, Verbraucher mit nicht erwünschten Kosten für ausschließlich eigennütziges Handeln zu belasten. Wer Wettbewerbs vorteile anstrebt, muss auch die damit einhergehenden Nachteile tragen. Insofern erweist sich die Kritik an der Kostenargumentation als nicht überzeugend. Im Übrigen ist unter dem Gesichtspunkt der Nachahmungsgefahr fraglich, ob nicht doch dem Empfänger durch unverlangte E-Mail-Werbung signifikante Kosten entstehen und es schon hierdurch zu einer unzumutbaren Belästigung kommt. Für einen strengen Maßstab bezüglich der entstehenden Kosten spricht auch die E-Commerce-Richtlinie. Nach deren Erwägungsgrund 30 dürfen dem Empfänger durch unverlangte E-Mail-Werbesendungen keine zusätzlichen Kosten entstehen. Als zusätzliche Kosten gelten die durch den Abruf der kommerziellen Kommunikation hervorgerufenen Mehrkosten. Selbstredend sind die Kosten, die durch eine einverständliche kommerzielle Kommunikation entstehen, nicht von Erwägungs1098 Jankowski, K&R 2000, 499, 501 m. ausführlicher Berechnung: 0,00321 DM pro unerwünschter Mail; Burckhardt, Direktmarketing, S. 139; Busche / Kraft, WRP 1998, 1142, 1145; vgl. i.Ü. Nachweise in Fn. 1096. 1099 Vgl. Scherer, Verbraucherwerbung, S. 102; a.A.: Leupold/ Bräutigam/ Pfeiffer, WRP 2000, 575, 594. 1100 Burckhardt, Direktmarketing, S. 139.

C. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

247

grund 30 umfasst. Dem Wortlaut kann dabei nicht entnommen werden, dass geringe Kosten außen vor bleiben sollen. Freilich bedeutet dies in letzter Konsequenz, dass in den meisten Fällen der E-Mail-Werbung zusätzliche Kosten entstehen. Dies gilt vor allem dann, wenn der Rezipient einen Internetzugang mit sekundengenauer Abrechung benutzt. Ebenfalls zusätzliche Kosten können durch die Anschaffung von Softwarelösungen zur Abwehr unverlangter kommerzieller Kommunikation hervorgerufen werden. Zwar wird es sich in den meisten Fällen um Freeware handeln, jedoch ist für eine effiziente Abwehr oftmals eine kommerzielle Lösung unabdingbar. Insofern ist der Hinweis seitens der Literatur, dass ein Verbot des kostenneutralen Werbens dem Wettbewerbsrecht fremd ist, nicht weiterführend. IIOI Wie zuvor dargestellt, handelt es sich gerade nicht um eine Form des kostenneutralen Werbens. e) Funktionsmissbrauch des E-Mail-Dienstes

Als ein weiterer zur Sittenwidrigkeit führender Umstand zählt auch der Funktionsmissbrauch des E-Mail-Dienstes beim massenhaften Versandt von kommerzieller Kommunikation. In diesem Fall kehrt der Nutzer dem E-Mail-Dienst als Individualkommunikationsmittel den Rücken und missbraucht ihn faktisch als Massenkommunikationsmedium. An anderer Stelle wurde bereits auf diese individuelle Massenkommunikation aufmerksam gemacht. 1102 Unterstützung findet dies in Art. 10 Abs. I FARL sowie in Art. 12 Abs. I der TK-Datenschutzrichtlinie. Dort finden sich jeweils opt-in-Regelungen für automatische Voice-Mail-Systeme. Auch hier handelt es sich um einen Missbrauch des Telefondienstes, da es dem im Hintergrund stehenden Kommunikator nicht um eine gezielte individuelle Ansprache geht, sondern um eine hohe Anzahl von Kontaktaufnahmen. Das Individuum an sich ist in seiner Eigenschaft zweitrangig. Dieser Umstand hat nicht nur Auswirkungen auf die Informations- und Kommunikationsordnung, sondern auch mittelbar auf die Wettbewerbsordnung, und ist insoweit bei der Ausfüllung des § 1 UWG relevant. Denn ein funktionierender Wettbewerb setzt voraus, dass sich die nachfragende Seite im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten über die Markt- und Produktsituation informieren kann, um schließlich eine optimale Konsumentscheidung zu treffen. Dies ist aber dann nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet, wenn Wettbewerber gerade diejenigen Kommunikationsmittel in ihrer Funktion missbrauchen, die die Verbraucher für eine gezielte und individuelle Informationsnachfrage benötigen. Im Übrigen sind dann nicht nur die Verbraucher betroffen, sondern auch die anderen Wettbewerber, die ebenfalls auf umfassende Marktinformationen angewiesen sind. Störungen der Kommunikation und des Informationsflusses sind somit für die gesamte Wettbewerbsordnung von Bedeutung. llOI

1102

Busche/Kraft, WRP 1998,1142,1145. Vgl. oben S. 48.

248

Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

f) ZeitauJwand des Lösehens als Unlauterkeitskriterium

Fraglich ist, ob der Zeitaufwand des Löschens als Unlauterkeitskriterium herangezogen werden kann. 1103 Als Hauptargument gegen die Sittenwidrigkeit der unverlangten E-Mail-Werbung wird oftmals angeführt, dass hier eine Kennzeichnung der Werbung als Werbesendung möglich ist und sich so das Argument der Belästigung wegen des Zeitaufwandes durch Aussortieren und Löschen als nicht mehr stichhaltig erweist. 1104 Gestützt wird diese Ansicht vor allem auf die Aussage des BGH in der Btx-Entscheidung, wonach ein Verstoß gegen § I UWG fraglich wäre, wenn eine entsprechende Kennzeichnung möglich wäre. 1105 Verkannt wird dabei zum einen, dass der BGH im eben erwähnten Urteil zusätzlich darauf abstellt, dass es dem Nutzer möglich sein muss, ohne vorherigen Abruf und Bildaufbau auf dem Bildschirm die Nachricht zu löschen. Dies wiederum ist jedoch bei der E-MailKommunikation dann nicht möglich, wenn der Abruf mit Hilfe des POP3-Protokolls über eine handelsübliche E-Mail-Softwareerfolgt. 1106 Hinzu kommt, dass auch eine Kennzeichnung ein Überlaufen des E-Mail-Accounts nicht verhindern kann. Auch die Belastung der gesamten Internetressourcen wird dadurch nicht verringert. In diesem Zusammenhang sei auf eine weitere instanzgerichtliche Entscheidung hingewiesen. llo7 Hiernach ist derjenige nicht schutzwürdig, der sich eines Providers bedient, der eine Übernahme der E-Mails auf den eigenen Rechner verlangt, noch bevor die Löschung möglich ist. Faktisch betrifft das diejenigen, die ihre E-Mail mittels SMTP /POP3 übertragen, unabhängig davon, ob der E-MailProvider auch eine WWW-Funktion zur Verfügung stellt. Der Rechtsprechung zufolge tritt die Belastung des Rezipienten dann nicht wegen der Werbemaßnahme ein, sondern wegen der eigenen Wahl des Providers. 1108 Eine solche Argumentation ist jedoch abzulehnen. Kommerzielle Kommunikation im Allgemeinen und Werbung im Speziellen bezwecken zwar grundsätzlich in einem bestimmten Maß eine Beeinflussung der Lebensgewohnheiten des Verbrauchers, will doch der Werbende gerade erreichen, dass sein Produkt konsumiert wird. Ein zulässiges Maß an Beeinflussung ist jedoch überschritten, wenn der Umworbene faktisch gezwungen wird, seine nicht im Zusammenhang mit dem beworI.d.S. Gummig, ZUM 1996,573,583; Leupold, WRP 1998,270,279; Reichelsdorfer, CR 1998, 172, 173; Schrey/Westerwelle, Beilage 18 zu BB Heft 48/ 1997, S. 17,22 f. halten E-Mail-Werbung für lauter, wenn sich die Datenmenge in Grenzen hält und die Sendung als Werbesendung gekennzeichnet ist; a.A.: Moritz, CR 1998,623,624. 1105 BGH V. 3. 2. 1988, BGHZ 103,203,212. 1106 Vgl. Scherer in: Hoeren/Queck (Hrsg.), S. 242, 244; dies verkennt beispielsweise Zehentmeier, BB 2000, 940, 943 und Burckhardt, Direktmarketing, S. 136; im Fall der Mitarbeiter und Studierenden der juristischen Fakultät Augsburg beispielsweise ist kein WWWE-Mail Dienst möglich und ein vorheriges Downloaden notwendig, ein IMAP Service steht hier nicht zur Verfügung. 1107 LG Braunschweig v. 11. 8.1999, NJW-RR 2000, 924 f. 1108 LG Braunschweig v. 11. 8. 1999, NJW-RR 2000, 924, 925. 1103

1104

C. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

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benen Produkt stehenden Lebensgewohnheiten zu ändern. Dies basiert dann nicht mehr auf seiner eigenen Konsumentscheidung. Es lässt sich hieraus die allgemeine Schlussfolgerung ziehen, dass der maßgebliche Leitgedanke und Orientierungspunkt bei der Wahl seines individuellen Kommunikationsmittel jedenfalls nicht sein kann, dass nur das Kommunikationssystem in die engere Auswahl kommt, das am ehesten geeignet ist, unverlangte kommerzielle Kommunikation abzuwehren.

g) Störungen im Betriebsablauf Hinzu kommt schließlich, dass im geschäftlichen Bereich unverlangte E-MailWerbung ebenso zu Störungen im Betriebsablauf führt, wie dies bei der Telefon-, Fax- oder Telexwerbung im entsprechenden Bereich der Fall ist. 1109 Der Mitarbeiter wird durch die Zeit, die eine Selektion und Aussonderung in Anspruch nimmt, ebenso aus seinem Arbeitsablauf gebracht, wie dies bei einem Telefonat der Fall wäre. Ein durch unverlangte Werbung erhöhter Personalbedarf führt zudem zum Anstieg der betrieblichen Kosten. II 10 Dagegen wird eingewendet, dass es durch eine E-Mail-Sammeladresse möglich sei, unerwünschte Nachrichten vorher auszusortieren. llll Diese Ansicht verkennt jedoch die Realität im Hinblick auf die Nutzung von elektronischer Post in Unternehmen. In der Regel hat jeder Mitarbeiter eine eigene Adresse, so dass es ohne weiteres möglich ist, tief in die Betriebsstruktur einzudringen. Es kann aber gerade nicht verlangt werden, die Organisation des Betriebes im Hinblick auf die Abwehr von Werbesendungen gänzlich zu verändern. An diesem Punkt zeigt sich deutlich, dass unverlangte Werbung per elektronischer Post nachhaltigen Einfluss auf dasjenige Verhalten des Umworbenen haben kann, das nicht mehr mit der einzelnen Konsumentscheidung und deren Vorbereitung in Zusammenhang steht. Insoweit besteht also auch keine wettbewerbliehe Notwendigkeit für ein derartiges Handeln.

h) Zwecksetzung des Intemets Fraglich ist, ob die Zwecksetzung des Internets auf die Beurteilung der Sittenwidrigkeit Einfluss hat. Läge es nämlich im Rahmen der Zwecksetzung des Mediums, kommerzielle Kommunikationen zu ermöglichen und zu fördern, ist ein Sittenwidrigkeitsurteil, das dann maßgeblich an die Art des Werbemediums anknüpft, ein Widerspruch an sich. Voraussetzung wäre dann ein Funktionswandel des Internets von einer unkommerziellen Technologie, bei der die interaktive Informations1109 Zuletzt BGH v. 25. 1. 2001, WRP 2001, 1068, 1070 - Blindenware; grundlegend. BGH v. 24. 1. 1991, NJW 1991, 2087, 2088 - Telefonwerbung IV; BGH v. 6. 10. 1972, BGHZ 59, 317,320,322 - Telexwerbung; Rein, NJW-CoR 2000, 235. 1110 Vgl. Paefgen MDR 1992, 112, 114: negative Extemalitäten. 1111 Freitag/Busemann, AfP 1998,475,478 ffi. w. N.; vgl. auch Böhm, MMR 1999,643, 644 für die Telefonwerbung.

250

Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

abfrage im Vordergrund steht, hin zu einer rein kommerziellen Nutzung. Dies mag in Teilbereichen zwar auf den WWW-Dienst zutreffen. Der E-Mail-Dienst ist jedoch nicht von solch einem Funktionswandel gekennzeichnet. 11 12 Kommerzielle Kommunikation ist nicht die Zweckbestimmung dieses Dienstes. Insoweit vermag auch dieses Argument dem wettbewerbsrechtlichen Unwerturteil nicht den Boden zu entziehen. Hiernach steht somit fest, dass unverlangte elektronische Post auch unter dem Gesichtspunkt der Belästigung die Sittenwidrigkeit nach § 1 UWG begründet, wenn kein Einverständnis vorliegt. Dies ist im Übrigen auch die Ansicht des nationalen Gesetzgebers, der sich im Rahmen der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie und der E-Commerce-Richtlinie auf die insoweit bestehende "nahezu einhellige Gerichtspraxis" beruft und aus diesem Grund von einer gesonderten gesetzlichen Bestimmung absah. 1I13 Kennzeichnungspflicht, besserer technischer Schutz gegen Spamming und wachsende Speicherkapazitäten sind kein Grund, von dieser Auffassung abzuweichen. Hat der Rezipient der unverlangten kommerziellen Kommunikation im Vorfeld ausdrücklich seinen Widerspruch bekundet, wie es auch Art. 10 Abs. 2 FARL vorsieht, gelangt man im Rahmen eines Erst-Recht-Schlusses zur Sitten widrigkeit. In diesem Fall ist die Kommunikationsaufnahme erst recht unlauter, da eine solche gegen den erkennbaren Willen des Empfängers sich durch eine besondere Aufdringlichkeit auszeichnet und die unabhängig davon bestehende Belästigung noch verstärkt. 1114

111. Aktivlegitimation § 1 UWG trifft keine Aussage darüber, wer aktivlegitimiert ist. Bei einem Verstoß gegen § 1 UWG bestimmt einmal § 13 Abs. 2 UWG, wer berechtigt sein soll, diesen Verstoß vor Gericht im Rahmen eines Unterlassungs- oder Schadensersatzbegehrens geltend zu machen. Darüber hinaus ist aber nach allgemeiner Meinung anerkannt, dass auch der unmittelbar Verletzte selbst hierzu berechtigt sein SOll.1115 Als Verletzter ist derjenige anzusehen, in dessen geschützte Rechtsposition durch eine Handlung eingegriffen worden ist oder eingegriffen werden sol1. 1116 Aus diesem, vom Gesetz verbotenen Eingriff heraus resultiert bereits die Klagebefugnis, ist also insoweit von § 13 Abs. 2 UWG losgelöst. Streit besteht nun darüber, ob und inwieweit zwischen Verletztem und dem durch die fragliche Handlung Geförderten ein Wettbewerbsverhältnis bestehen muss. Vgl. S. 206. Vgl. Begründung zum EGG, Bt-Ds 14/6098, S. 12 und zum FAG, Bt-Ds 14/2658, S. 24 ff. lll4 Vgl. Gilles, NJW 1988,2424,2431. lll5 Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 402; BaumbachlHejermehl, § 13 UWG Rn. 19. lll6 BGH v. 18. 10. 1990, NJW 1991, 1485 - Finnischer Schmuck. 1112

llI3

D. Bankrechtliche Regelungen

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Während es nach einer Ansicht l117 hierauf nicht ankommt, verlangt die ganz h.M. 1118 ein konkretes Wettbewerbsverhältnis für eine direkt auf § 1 UWG gestützte Aktivlegitimation. Nur dann kann auch der Betroffene unmittelbar verletzt sein. Ein solches konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt jedenfalls dann vor, wenn durch den Wettbewerbsverstoß der Verletzte im Wettbewerb behindert werden kann und seine Absatzmöglichkeiten beeinträchtigt werden können. 1119 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Wettbewerber denselben Kundenkreis haben. Ausreichend soll auch schon sein, dass allein die beanstandete Handlung die Wettbewerbsbeziehung herstellt, die Parteien ansonsten verschiedenen Branchen angehören können. 1120 Der Werbende muss somit lediglich in irgendeiner Weise, zumindest durch die konkrete Wettbewerbshandlung, mit dem Betroffenen in Wettbewerb stehen. Freilich ist damit dieses Erfordernis so verwässert, dass es praktisch leer läuft. 1121 Losgelöst von einer genaueren Betrachtung der Anforderungen an ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bleibt für die Wettbewerbsklage einzelner Verbraucher jedoch kein Raum. Diese ist dem deutschen Wettbewerbsrecht fremd. Der durch die unlautere, da unverlangte kommerzielle Kommunikation betroffene Umworbene kann sich nicht auf § I UWG berufen. Dass ihm dies auch nicht über den Umweg über § 823 Abs. 2 BGB möglich ist, wurde bereits erörtert.

D. Bankrechtliche Regelungen Gemäß § 36 b des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und § 23 Kreditwesengesetz (KWG) kann die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde gegen Werbungen einschreiten, die einen Missstand darstellen. Hintergrund dieser Regelungen ist die besondere Vertrauensempfindlichkeit des Kreditgewerbes und die Erhaltung des Ansehens von Wertpapierfirmen in der Öffentlichkeit. 1122 Ein Missstand liegt vor, wenn eine Gefährdung für die ordnungsgemäße Erbringung von Wertpapierdienstleitungen oder die Funktionsfähigkeit des Kreditgewerbes besteht. 1123 Werbemethoden, die grundrechtlich geschützte Belange im oben dargestellten Umfang missachten, sind als ein solcher Missstand der Werbung anzusehen, da zumindest die Funktionsfähigkeit des Kreditgewerbes in besonderem Maße auf eine Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 402. BGH v. 20. 9. 1955, BGHZ 18, 175, 182 - Werbeidee; BaumbachlHefermehl, § UWG Rn. 912 und § 13 UWG Rn. 19 c; vgl. von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Hb. Kap. 17 Rn. 32, der dies nur in Bezug auf Individualschutz verlangt, ansonsten ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis ausreichen lässt. 1119 BaumbachlHefermehl, § 13 UWG Rn. 19. 1120 V. Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Hb. Kap. 17 Rn. 32 1121 Köhler, NJW 1992, 137, 142. 1122 Möllers, JZ 1999, 1120, 1124. 1123 Vgl. Möllers, JZ 1999, 1120, 1124 ffi. w. N. 1117

1118

252

Teil 4: Nationale Schutzinstrumente

zurückhaltendes Werbeverhalten angewiesen ist. Im Gegensatz zu typischen Konsumgütern haben hier Entscheidungen des Verbrauchers eine wesentlich nachhaltigere und einschneidendere Wirkung für dessen persönliche Interessen. Die bankrechtlichen Abwehrmöglichkeiten lassen jedoch die deliktischen und wettbewerbsrechtlichen Abwehrmöglichkeiten unberührt.

Teil 5

Die Einwilligung des Umworbenen Die bisherige Prüfung hat ergeben, dass unverlangte kommerzielle Kommunikation innerhalb bestimmter Medien geeignet ist, das Persönlichkeitsrecht des Rezipienten zu verletzen. Gleiches gilt im Hinblick auf § 1 UWG. In beiden Fällen scheidet aber unstreitig eine Rechtsverletzung aus, wenn es sich um verlangte Kommunikation handelt, sie also gerade nicht gegen den Willen des Rezipienten in dessen Sphäre gelangt. Das ist der Fall, wenn der Umworbene seine Einwilligung in die kommerzielle Kommunikation erteilt hat. In diesem Zusammenhang ist die Frage nach die hieran zu stellenden Anforderungen von bedeutender praktischer Relevanz, da ein Werbetreibender aufgrund des strengen gesetzlichen Maßstabs zukünftig mehr denn je bemüht sein wird, eine Einwilligung potentiell Umworbener einzuholen. Zwischen dem deliktischen und dem wettbewerbsrechtlichen Abwehranspruch sind im Hinblick auf eine Einwilligung dieselben Anforderungen zu stellen. Dies ist jedoch außerhalb der hier untersuchten Fälle nicht zwingend. Ist dem Einzelnen eine Einwilligung in Rechtsverletzungen in seine höchstpersönlichen Rechtsgüter unter gewissen Voraussetzungen immer möglich, gilt dies nicht zwangsläufig für Verletzungen der Wettbewerbsordnung. Hier ist der Einzelne nur insoweit verfügungs- und somit auch einwilligungsbefugt, als diese primär seinen Schutz im Auge hat. Für die oben näher dargestellten beiden Möglichkeiten beziehungsweise Fallgruppen des Verstoßes gegen § 1 UWG kann dies bejaht werden. Die Verletzung des § 1 UWG durch Rechtsbruch wie auch durch Belästigung des Umworbenen beruht auf der Missachtung von individuellen Verbraucherinteressen. Dann ist der Gleichlauf der Einwilligungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung nur konsequent.

A. Allgemeines Im Folgenden soll grundsätzlich zwischen Einverständnis und Einwilligung differenziert werden. 1124 Während Ersteres schon den Tatbestand ausschließt, wirkt die Einwilligung erst auf Rechtfertigungsebene. Insoweit ist mit der herrschenden Auffassung zwischen tatbestandsausschließendem Einverständnis und der rechtfertigenden Einwilligung zu unterscheiden. 1125 Dies hat zur Folge, dass Siehe S. 211 ff.: Prüfungspunkt "unverlangt". Vgl. Schenke, Einwilligung des Verletzten, S. 2; werden diese Begriffe im folgenden verwendet, ist dieses Verständnis zugrunde zu legen. 1124

1125

254

Teil 5: Die Einwilligung des Umworbenen

für Letztere nur noch Raum ist, wenn zum Zeitpunkt des Verlassens der kommerziellen Kommunikation aus der Sphäre des werbenden Kommunikators diesem kein wirksames Einverständnis bekannt ist. Ansonsten ist weder der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB noch der des § 1 UWG erfüllt. Insoweit ist zwischen dem persönlichkeitsrechtlichen und dem wettbewerbsrechtlichen Schutz nicht zu differenzieren. Die Erteilung eines vorherigen Einverständnisses schließt das Vorliegen des Merkmals "unverlangt" aus. Knüpft also der deliktische Tatbestand an diesen Umstand an, entfällt schon bei einem vorherigen Einverständnis mit kommerzieller Kommunikation die deliktische Tatbestandsmäßigkeit. Ein solches vorheriges Einverständnis ist erteilt, wenn eine "vorherige Zustimmung" i. S. d. Art. 10 Abs. 1 FARL vorliegt. Gleichgültig ob auf Tatbestands- oder auf Rechtswidrigkeitsebene wirkend, ist eine Einwilligungserklärung im hier verstandenen Sinn jedenfalls nicht rechtsgeschäftlicher Natur, da sie nicht auf Begründung, Aufhebung oder Abänderung von Rechten und Pflichten gerichtet ist. 1l26 Es handelt sich nicht um eine Einwilligung im Sinne des § 183 BGB, also nicht um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sondern um eine Gestattung oder Ermächtigung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen, die in den Rechtskreis des Gestattenden eingreifen. 1l27 Unabhängig davon, ob man die Einwilligung als rechts wirksame Handlung eigener Art oder als rechtsgeschäftsähnliche Handlung 1l28 begreift, ist eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über Willenserklärungen in vielen Fällen möglich, jedoch von der jeweiligen Eigenart des Handlungstyps und der Interessenlage abhängig. Da es sich aber beim Einverständnis in Bezug auf kommerzielle Kommunikation im Rahmen der elektronischen Individualkommunikation um eine Handlung handelt, die einen starken höchstpersönlichen Einschlag hat, ist entgegen §§ 107 ff. BGB entscheidend, ob der Handelnde ein solches Maß an Verstandesreife hat, dass er die Tragweite seiner Entscheidung übersehen kann. 1129 Ist dies der Fall, kommt es bei einem Minderjährigen nicht mehr auf die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters an. Entscheidend für jenes Erfordernis ist das konkrete Rechtsgut, das zur Disposition steht. 1130 Insoweit kann die Ansicht, dass beim ärztlichen Heileingriff auch die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist, nicht übertragen werden. 1131 Denn Eingriffe in die Gesundheit bringen in der Regel nachhal1126 Schenke, Einwilligung des Verletzten, S. 30, 31; Palandtl Heinrichs, Überbl v § 104 Rn. 7; vgl. lmping, MDR 1999, 856, 857: Willenserklärung und nicht Wissenserklärung; a.A.: OLG München v. 17. 3. 1989, NJW-RR 1990, 999, 1000; FrämminglPeters, NJW 1996,958. 1127 BGH v. 28. 6. 1988, BGHZ 105,45,48 m. w. N.; BGH v. 5. 12. 1968, BGHZ 29,33, 36; Medicus, AT § 18 Rn. 200.

1128 1129

Vgl. Überblick bei Staudingerl Hager, § 823 C 176 m. w. N. Vgl. Palandtl Heinrichs, Überbl v § 104 Rn. 8.

1130 Boehmer, MDR 1959, 705, 707. Konkretes Rechtsgut ist hier das individuelle Kommunikationskonzept und nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht; in Bezug auf letzteres könnte man - auf Grundlage dieses Verständnisses - vom abstrakten Rechtsgut sprechen.

A. Allgemeines

255

tigere Folgen für den Betroffenen mit sich, als dies bei Eingriffen in das individuelle Kommunikationskonzept der Fall ist. Hier tritt die Personensorge der Eltern vor der personalen Selbstbestimmung des Minderjährigen zurück. Liegt zur Zeit des Verlas sens der kommerziellen Kommunikation aus der Sphäre des Kommunikators kein Einverständnis vor, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen eine nachträgliche Einwilligung hat. Es könnte an eine entsprechende Anwendung von § 184 BGB zu denken sein, was zur Folge hätte, dass das deliktische und wettbewerbsrechtliche Unrecht entfallen würde. Ein nachträgliche, ausdrückliche oder konkludente Zustimmung zu einer bereits erfolgten Kommunikation kann deren Rechtswidrigkeit beziehungsweise Unlauterkeit jedoch nicht mehr beseitigen. 1I32 Im Hinblick auf § 1 UWG erklärt sich dies schon mit § 13 Abs. 2 UWG. Den hierin Aktivlegitimierten könnte der jeweils Betroffene dann im Nachhinein die Prozessführungsbefugnis entziehen, was mit der Verbandskompetenz und der damit zusammenhängenden, wettbewerbsrechtlichen Kontrollfunktion sicherlich nicht vereinbar wäre. Im Übrigen und mit Blick auf den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB kann der Verletzte mit dem Tater einen Haftungsausschlussvertrag hinsichtlich des aus der Verletzung entstandenen Schadens abschließen. Überhaupt steht es in seinem freien Ermessen, den Anspruch geltend zu machen. Damit besteht keine Notwendigkeit, bereits ergangenes Unrecht wieder in die Legalität zu befördern. 1133 Bei einer mutmaßlichen Einwilligung kommt es auf die Umstände an, die zur Zeit der Handlung des Kommunikators vorliegen. In Bezug auf das zeitliche Moment entspricht dies der h.M. bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, wonach es bei § 683 BGB für den mutmaßlichen Willen darauf ankommt, welchen Willen der Geschäftsherr bei Beurteilung aller Umstände zum Zeitpunkt der Übernahme geäußert haben würde. 1134 Hat eine Nachricht die Sphäre des Kommunikators verlassen und treten danach Anhaltspunkte auf, die auf ein Verlangen des Umworbenen nach kommerzieller Kommunikation hindeuten, ändert dies nichts mehr an der Rechts- beziehungsweise Sittenwidrigkeit. Bei der mutmaßlichen Einwilligung tritt nun der einzige systematische Unterschied zwischen deliktischer und wettbewerbsrechtlicher Prüfung zu Tage. Während bei Ersterer das Tatbestandsmerkmal "unverlangt" erfüllt ist und die mutmaßliche Einwilligung der unverlangten kommerziellen Kommunikation auf Rechtswidrigkeitsebene begegnet, ist in Bezug auf § 1 UWG schon dessen Tatbestand nicht erfüllt. 1135

1131

Vgl. Medicus, AT § 18 Rn. 201 m.w.N; nach Schenke, Einwilligung des Verletzten,

s. 90 ist die Einwilligung des Personensorgeberechtigten unter Umständen überhaupt nicht

erforderlich. 1132 Vgl. Gilles, NJW 1988,2424,2431 dort Fn. 74. 1133 Vgl. Schenke, Einwilligung des Verletzten, S. 122. 1134 Palandtl Sprau, § 683 Rn. 6. 1135 Im folgenden soll aus Vereinfachungsgründen bei § 823 Abs. 1 wie auch bei § 1 UWG von mutmaßlicher Einwilligung gesprochen werden.

256

Teil 5: Die Einwilligung des Umworbenen

B. Anforderungen an ein Einverständnis Die folgenden Ausführungen gehen der Frage nach, welche konkreten Anforderungen an ein Einverständnis zu stellen sind. Neben der Frage nach der Zulässigkeit von Mutmaßungen wird dabei der Schwerpunkt auf dem konkludenten und dem - sehr praxisrelevanten - formularmäßigen Einverständnis liegen. Im Ergebnis wird ein gerechter Interessenausgleich stehen, der einerseits der Selbstbestimmung des Individuums ausreichend Rechnung trägt, dabei aber nicht die Interessen des Kommunikators verkennt. Diesem werden vielmehr Leitlinien an die Hand gegeben, wie er auf zumutbare Weise ein Einverständnis erlangen und so ein einvernehmliches Marketing-Konzept realisieren kann.

I. Die Zulässigkeit von Mutmaßungen 1. Privater Bereich

Der Rückgriff auf eine mutmaßliche Einwilligung kommt nicht in Betracht, wenn eine Willenskundgabe, sei sie ausdrücklich oder konkludent, ersichtlich ist. Anderenfalls wäre mangels Vorliegen anderer Anhaltspunkte vor allem das Interesse des Umworbenen an kommerzieller Kommunikation maßgebend. Die Zulassung eines mutmaßlichen Einverständnisses bei elektronischer, kommerzieller Individualkommunikation wird zwar den Stimmen im Schrifttum gerecht, die keine allzu hohen Anforderungen an ein Einverständnis stellen wollen. 1136 Mit Blick auf die nachstehenden Gründe ist dies jedoch abzulehnen, falls der Rezipient nach Maßgabe des oben Aufgeführten 1l37 in seinem individuellen Kommunikationskonzept betroffen ist. Ausschlaggebender Grund hierfür ist die Wertigkeit und Eigenart des betroffenen Schutzgutes. Da das aus Art. 2 Abs. 1 i.Y.m. Art 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht höchstpersönliche Interessen schützt, muss es in erster Linie die Person selbst sein, die bestimmt, ob und inwieweit in dieses Rechtsgut eingegriffen wird und jene Interessen zurücktreten müssen. Die Person hierbei zu übergehen und auf objektive, nicht unmittelbar ihr zu entnehmende Umstände zurückzugreifen, würde dies gänzlich verkennen. Je individueller das betroffene Schutzgut ist, desto weniger ist es Mutmaßungen in Bezug auf seine Einschränkung zugänglich. Zudem würde es der Notwendigkeit widersprechen, erst das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Schutzinstrument fruchtbar zu machen, um die1136 Grabitz/Hilf / Micklitz, Band 2, A 3 Rn. 126; dies stößt insoweit auf Zustimmung, als es sich nicht um Telefonwerbung handelt, vgl. Schrey/Westerwelle, Beilage 18 zu BB Heft 48/1997, S. 17,20. 1137 S. 235 ff.

B. Anforderungen an ein Einverständnis

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sen Schutz anschließend an den subjektiven Interessen des Rezipienten vorbei durch objektive Kriterien wieder zu verwässern. In einer Entscheidung bezüglich der informationellen Selbstbestimmung ging der BGH im Jahre 1973 noch davon aus, dass man von einer mutmaßlichen Einwilligung ausgehen könne, da es dem wohlverstandenen Interesse des Patienten entspreche, dass seine Kartei dem Praxisnachfolger zur Verfügung steht. 1138 Diese Auffassung wurde später jedoch in einer, einen ähnlichen Sachverhalt betreffende Entscheidung, zugunsten eines umfassenderen Persönlichkeitsrechtsschutzes aufgegeben. Ein Rechtfertigung anhand der objektiven Interessenlage war nicht mehr ausreichend. 1139 Diese Sichtweise kann auch auf Fälle außerhalb des Bereichs der informationellen Selbstbestimmung übertragen werden, solange nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen ist. Das individuelle Kommunikationskonzept in seinem Rang und seiner Werthaltigkeit unter der informationellen Selbstbestimmung zu platzieren, wird dem neu hinzu getretenen Schutzbedürfnis nicht gerecht. Zudem haben Daten, die Ausfluss seiner Persönlichkeit sind, für das Individuum den gleichen Stellenwert wie Daten, die durch ihre Art und ihre Übermittlung Einfluss auf seine Persönlichkeit haben. In seiner ersten Entscheidung zur Telefonwerbung konstatiert der BGH, dass eine Öffnung des Telefonanschlusses nur gegenüber denjenigen Personen erfolgt, zu denen der Inhaber in solchen Beziehungen steht, die die Inanspruchnahme gerechtfertigt erscheinen lässt. Daraus ein mutmaßliches Einverständnis hinsichtlich Werbeanrufe zu entwickeln, ist jedoch zu weitgehend. Die Auslegung des Begriffes "Beziehung" muss im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des individuellen Kommunikationskonzeptes in einer restriktiven Weise erfolgen. In den anschließenden Entscheidungen zur Telefonwerbung ging der BGH auch von der Unzulässigkeit einer mutmaßlichen Einwilligung aus und forderte mindestens ein ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis, falls es sich bei dem Angerufenen um eine Privatperson handelt. 1140 Tragender Gesichtspunkt war dabei der hohe Stellenwert der persönlichkeitsrechtlich geschützten Privatsphäre. Die Argumentation einiger Instanzgerichte im Hinblick auf E-Mail-Werbung geht einen anderen Weg, der jedoch den Stellenwert des beeinträchtigten Rechtsgutes nicht hinreichend herausstellt. Ein Einverständnis könne nicht vermutet werden, da es derzeit technisch nicht möglich sei, seinen Willen entsprechend und im Gegensatz zur herkömmlichen Briefwerbung kundzutun. 1141 Dass dies im Hinblick auf die Vorgaben der Fernabsatzrichtlinie zwingend im Ergebnis zu einer opt-inLösung führen muss, wurde oben bereits erwähnt. Nicht ausreichend ist dies aber BGH v. 7.11. 1973, NJW 1974,602 - Patientenkartei I. BGH v. 11. 12. 1991, BGHZ 116,268,273 - Patientenkartei 11. 1140 Vgl. etwa BGH v. 8. 12. 1994, NJW-RR 1995, 613 - Telefonwerbung V = GRUR 1995, 492 m. Anm. Steinbeck =WiB 1995, 399 m. Anm. Paefgen = LM Nr. 677 zu § 1 UWG m. Anm. Ulrich; zust. auch KöhlerlPiper, § 1 UWG Rn. 20, die jedoch Ausnahmen zulassen wollen. 1141 Vgl. AG Brakel v. 11. 2.1998, NJW 1998,3209. 1138

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als Begriindung für die Ablehnung einer Mutmaßung im Hinblick auf eine Persönlichkeitsverletzung. Denn tut der potentiell Umworbene seinen ablehnenden Willen mittels entsprechender Einrichtungen kund, ist ein Rückgriff auf Mutmaßungen überflüssig, da ein eindeutiger Willensakt vorliegt. Vorzugswürdiger ist es, die Argumentation des BGH als Ausgangspunkt zu nehmen und auf den Fall der Nichtbeachtung des kommunikativen Konzepts zu übertragen. Ebenso wie die Privatsphäre als persönlichkeitsrechtlich geschütztes Gut genießt jenes Konzept einen hohen Stellenwert, der ebenso wenig einer Mutmaßung zugänglich ist. Ein weiterer Aspekt spricht gegen die Zulässigkeit einer Vermutung im privaten Bereich. Grundlage einer solchen wäre dann die Annahme, dass man zugunsten des Werbenden, gleichgültig welchen Mediums der Kommunikation er sich bedient, ein Bedürfnis oder Interesse des Umworbenen vermutet. 1142 Im Hinblick auf die Güter und Dienstleistungen des täglichen Lebens müsste man dann konsequenterweise immer ein Interesse annehmen, da ein ständiger Bedarf vorhanden ist. Dies würde aber zur uferlosen Ausweitung führen und das mutmaßliche Einverständnis jedenfalls in diesem Bereich zur Regel umkehren. Zudem wäre damit eine nicht mehr zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von angebotenen Wirtschaftsgütern verbunden. 1 143 Zuletzt sind es auch die Vorgaben des BDSG, die gegen eine mutmaßliche Einwilligung sprechen. Durch die notwendige Adressierung des Umworbenen müssen personenbezogene Daten genutzt werden. Dies ist gern. § 4 Abs. 1 BDSG aber nur dann möglich, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Einzelne eingewilligt hat. Der Umstand, dass dies auf seiner freien Entscheidung beruhen muss (§ 4 a BDSG), schließt aber Mutmaßungen gerade aus. Letzteres ergibt sich auch aus § 4 Abs. 2 TDDSG in Bezug auf die elektronische Einwilligung, wonach eine solche nur durch eindeutige und bewusste Handlung des Nutzers erfolgen kann. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber Mutmaßungen im Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts weitest gehend vermeiden will. 2. Geschäftlicher Bereich Anderes gilt für den beruflichen oder geschäftlichen Bereich. Hier kann sich der Umworbene nicht auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen. Dariiber hinaus wird auch ein Abwehranspruch aus dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wegen seiner hohen Anforderungen in der Regel nicht einschlägig sein. Somit kann nur § 1 UWG dem Umworbenen Schutz gewähren. lI44 Hinsichtlich Telefonwerbung geht die h.M. zu Recht von der Zulässigkeit Reichelsdorfer, GRUR 1997, 191, 196. Dies gilt insbesondere für sog. Nischenprodukte, für die dann nur in seltenen Fällen ein Interesse angenommen werden könnte. 1144 Genaugenommen müsste man im Rahmen des § I UWG von einem mutmaßlichen Einverständnis sprechen. 1142 1143

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einer mutmaßlichen Einwilligung aus, die auf einem sachlichen Interesse des Umworbenen an Werbung basiert. 1145 Wie bereits erwähnt ist der Persönlichkeitsschutz im geschäftlichen Bereich weniger schutzwürdig als derjenige im engeren Privatbereich. 1146 Derjenige, der am Geschäftsleben teilnimmt, muss Versuche zur Anbahnung von geschäftlichen Kontakten seitens Dritter eher hinnehmen als eine Privatperson. 1I47 Schließlich entfallen auch die besonderen Wertungen des Verbraucherschutzes. Insofern erscheint es gerechtfertigt, auch über den Bereich der Te1efonwerbung hinaus Mutmaßungen dem Grunde nach zuzulassen. Grundvoraussetzung für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung ist ein Interesse an der kommerziellen Kommunikation. Im Schrifttum wurden in der Vergangenheit verschiedene Vorschläge gemacht, anhand welcher objektiven Umstände sich ein solches Interesse bestimmen lassen kann. So wird auf die Betriebs-, Sach- oder Geschäftsbezogenheit des Angebots oder auf die unmittelbare SachbezogeIiheit zum Betriebsgegenstand, auf die Eilbedürftigkeit und die wirtschaftliche Bedeutung abgestellt oder darauf, ob der Adressat als potentieller Verwender des umworbenen Produkts ernsthaft in Frage kommt. 1148 Hinzu kommt, dass teilweise auf eine typisierende oder generelle Betrachtung abgestellt wird,"49 während auf der anderen Seite eine solche Betrachtung zugunsten einer die Umstände des Einzelfalls hervorhebenden Beurteilung abgelehnt wird. 1150 Entscheidendes Kriterium wird in den meisten Fällen die Sachbezogenheit des Produktes in Bezug auf den Geschäftsbereich des Umworbenen sein, da hiermit ein objektives Kriterium gefunden ist, das zudem einen weiten Beurteilungsspielraum eröffnet. Ein bloß allgemeiner Sachbezug zu seinem Geschäftsbetrieb vermag allerdings für sich allein betrachtet ein ausreichend großes Interesse insoweit nicht zu begründen. Vielmehr müssen konkrete, tatsächliche Umstände vorliegen, anhand derer die Vermutung für ein sachliches Interesse angestellt werden kann. 1I51 Nur dann kann einer Ausuferung der kommerziellen Kommunikation Einhalt geboten und der Umworbene vor sinnloser Kommunikation bewahrt werden. Auch im geschäftlichen Bereich ist nämlich den Interessen des Werbenden nicht uneingeschränkt Vorrang einzuräumen, will man die oben zu § I UWG gefundenen Argumenten gegen die Zulässigkeit unangeforderter kommerzieller 1145 BGH v. 25. 1. 2001, WRP 2001, 1068, 1070 - Blindenware; BGH v. 24. 1. 1991, BGHZ 113, 282 ff. - Telefonwerbung IV; Schricker, GRUR Int. 1998, 541, 554; Böhm, MMR 1999,643,648. 1146 Siehe nur Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 124 m. w. N. 1147 Vgl. Schricker, GRUR Int. 1998,541,553. 1148 Vgl. Überblick bei Schricker, GRUR Int. 1998,541,545 und Gilles, NJW 1988,2424, 2432. 1149 Emmerich, Wettbewerbsrecht, S. 186 a.E. 1150 BGH v. 24. 1. 1991, BGHZ 113, 282, 286; Schricker, GRUR Int. 1998, 541, 545; BaumbachlHefennehl, § 1 UWG Rn. 68; Köhler/Piper, § 1 UWG Rn. 21,140. 1151 Zuletzt BGH 25. 1. 2001, WRP 2001, 1069, 1070 - Blindenware; grundlegend BGH v. 24. 1. 1991, BGHZ 113, 282 ff. - Telefonwerbung IV; Köhler IPiper, § 1 UWG Rn. 20.

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Kommunikation nicht jeglichen Anspruchs wieder entheben. Die erforderlichen konkreten Umstände müssen dann auf eine beliebige Art und Weise der Sphäre des Umworbenen entstammen. Insofern verbietet es sich, auf einen vergleichbaren Gewerbetreibenden zu blicken und dessen durchschnittliches Bedürfnis an Produktinformation zugrunde zu legen. Aufgrund dieser subjektiven Komponente führt kein Weg an einer umfassenden Einzelfallbetrachtung vorbei. Die Rechtsunsicherheit für den Kommunikator ist dabei hinzunehmen. Nicht ausreichend für eine Mutmaßung ist jedenfalls der Umstand, dass sich der Umworbene in ein Formular einer Internetseite eingetragen hat oder auf sonstige Weise listenmäßig in einer Datenbank erfasst wurde. Denn eine solche Eintragung ist für sich alleine betrachtet noch kein hinreichender objektiver Umstand, der besagt, ob der Nutzer überhaupt Werbung empfangen will. Hinzutreten muss immer ein sachliches Interesse an der konkreten kommerziellen Kommunikation. Darüber hinaus kann die listenmäßige Erfassung allenfaiIs belegen, dass die betreffende E-Mail-Adresse oder das sonstige Adressierungsdatum registriert wurde, jedoch nicht, dass es auch der Inhaber und nicht ein Dritter war, der die Registrierung veranlasst hat. 1152 Ebenfalls nicht hinreichend für eine Mutmaßung ist die Tatsache, dass der Umworbene eine Internetseite betreibt, auf der er seine E-MailAdresse angegeben hat. Entsprechendes gilt für den Eintrag in einem Adressverzeichnis vergleichbar mit einem Telefonbuch. 1I53 Denn ein solcher Internetauftritt eines Unternehmers richtet sich primär an dessen Kunden und Auftraggeber und lädt nicht dazu ein, ihn mit Werbenachrichten zu konfrontieren. Anderes gilt selbstredend, wenn eine entsprechende Aufforderung der Internetseite zu entnehmen ist. Dann liegt jedoch ein ausdrückliches Einverständnis vor. Schließlich stellt sich die Frage, ob neben der Sachbezogenheit der kommerziellen Kommunikation auch noch ein sachlicher Grund zur Übermittlung der Werbebotschaft im Hinblick auf das benutzte Medium vorliegen muss. Man könnte dann vom Erfordernis eines zusätzlichen, medienspezifischen Interesses sprechen. Mit dem BGH ist dies zu bejahen, da gewichtige Gründe hierfür sprechenY54 Einmal wird dem gewerbetreibenden Umworbenen daran gelegen sein, einzelne Kommunikationsmedien zu entlasten und das Kommunikationsaufkommen zu verteilen. Insbesondere im Hinblick auf eine täglich eingehende Menge an elektronischer Post dürfte es in seinem Interesse sein, dass sich dieses Aufkommen nicht durch unverlangte kommerzielle Kommunikation verstärkt. Genau dies wäre aber der Fall, wenn man kein zusätzliches medienspezifisches Interesse verlangt. Der kommerzielle Kommunikator wird dann auf das für ihn günstigste WerbemeLG Berlin v. 10.8.2000, JurPC Web-Dok. 16/2002, Abs. 22. Baumbachl Hefermehl, § I UWG Rn. 70 a; Burckhardt, Direktmarketing, S. 137; vgl. auch LG Berlin v. 23. 6. 2000, MMR 2001, 60 (nicht rechtskräftig). 1154 So BGH in Telefonwerbung IV, Fn. 1151: " ... Grund, der diese Art der Werbung rechtfertigt ... "; vgl. Gilles, NJW 1988, 2424, 2432, der dies für die Telefonwerbung ablehnt; ebenso Engel, Direktmarketing, S. 155. 1152 1153

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dium zurückgreifen, was im Hinblick auf die oben dargestellten Vorzüge in aller Regel die elektronische Post sein dürfte. Darüber hinaus ist es auch im Sinne des Umworbenen, die ihn treffenden Kosten so gering wie möglich zu halten, was jedoch nicht der Fall ist, wenn die Kommunikation per Telefax erfolgt. Es muss also nach konkreten Anhaltspunkten Ausschau gehalten werden, die auf das Interesse des Rezipienten hindeuten, dass er gerade auf dem gewählten Weg kommerzielle Kommunikation erhalten will. Auch diese Beurteilung entzieht sich einer generalisierenden Betrachtung und ist vom Einzelfall abhängig. Sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, ist das den Umworbenen am wenigsten beeinträchtigende Kommunikationsmedium zu benutzen. Als entscheidendes Ergebnis bleibt festzuhalten, dass ein mutmaßliches Einverständnis hinsichtlich unverlangter kommerzieller Kommunikation außerhalb des beruflichen Bereiches grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die Verletzung des individuellen Kommunikationskonzepts kann nur durch ein ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis verhindert werden.

11. Ausdrückliches und konkludentes Einverständnis 1. Allgemeines

Die Reichweite des Einverständnisses bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist durch Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. 1I55 Maßgebend ist, inwieweit der Betroffene zum Zeitpunkt der Einverständniserteilung die Folgen seines HandeIns absehen kann. Aus diesem Grund und insbesondere im Hinblick auf ein konkludent erteiltes Einverständnis, ist eine umfassende Information des Betroffenen zwingend erforderlich. Seit seiner Entscheidung Telefonwerbung 1I1l56 fordert der BGH, dass der Umworbene sein konkludentes Handeln in der Erkenntnis vornimmt, es könne ihn aufgrund dieses HandeIns kommerzielle Kommunikation erreichen. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, ist es unabdingbar, dass der potentielle Kommunikator im Vorfeld sein Gegenüber umfassend darüber informiert, welches Ausmaß und welche Art von kommerzieller Kommunikation dessen Handeln nach sich zieht. Nur dann ist es dem Umworbenen möglich, die Tragweite seines Einverständnisses zu erkennen und keinen Überraschungen zu begegnen. 1157 Insbesondere muss aus der vorangegangenen Information unzweideutig hervorgehen, innerhalb welchen Mediums mit der kommerziellen Kommunikation zu rechnen ist. Dies ist schon im Hinblick auf die Vielfalt der Individualkommunikationsmethoden zwingend erforderlich. Mit anderen Worten ist also die Information der wesentliche Umstand bei der Bestimmung der Reichweite eines Einverständnisses. Dies entspricht einmal der Wer1155 1156

1157

Vgl. BGH v. 8. 5. 1956, BGHZ 20, 345, 348 - Paul Dahlke. BGH v. 8. 6. 1989, GRUR 1989,753. PodlechlPeifer, RDV 1998,139,153 ffi. w. N.

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tung des § 4 Abs. 1 TDDSG, wonach der Datennutzer den Betroffenen über Art und Umfang der Nutzung zu unterrichten hat. Da auch hier persönlichkeitsrechtlich geschützte Rechtsgüter betroffen sind, erscheint eine analoge Anwendung über den Anwendungsbereich des TDDSG hinaus als zulässig. 1l58 Darüber hinaus fordert auch § 89 Abs. 10 Satz 2 TKG eine entsprechende Kundeninformation. Hiernach haben Telekommunikations-Dienstleister, die die Nutzung personenbezogener Daten eines Kunden von seiner Einwilligung abhängig machen, diesen in sachgerechter Weise über Inhalte und Reichweite der Einwilligung zu informieren. Auch diese Wertungen lassen sich über den Anwendungsbereich des TKG hinaus auf das Einverständnis mit den hier untersuchten kommerziellen Kommunikationen übertragen. Ein Einverständnis ist schließlich nur dann wirksam, wenn es auf der freien Entscheidung des Betroffenen basiert (§ 4a BDSG). Hieran fehlt es, wenn sie durch Gewalt, rechtswidrige Drohung oder Zwang herbeigeführt wird. 1159 Wurde der Betroffene arglistig getäuscht, beispielsweise über den Verwendungszweck seiner angegebenen Adressierungsdaten, ist das Einverständnis zwar auf Basis einer freien Willensentscheidung abgegeben, jedoch entsprechend § 123 Abs. 1 BGB anfechtbarY60 Dies lässt sich damit begründen, dass das Gesetz nicht danach fragt, wie der Wille des Verletzten motiviert ist, sondern nur auf dessen Vorhanden sein abstellt. Fraglich ist, ob das erteilte Einverständnis jederzeit widerrufen werden kann. Ohne nähere Begründung gehen weite Teile des Schrifttums davon aus, dass eine erteilte Einverständniserklärung jederzeit widerrutbar ist. ll61 Dies soll nur dann nicht der Fall sein, wenn eine vertragliche Duldungspflicht besteht. 1l62 Im Ergebnis ist dem mit der Begründung zuzustimmen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das die Basis des individuellen Kommunikationskonzepts ist, ein unwiderrufliches Einverständnis in diesem Fall nicht zulässt. Maßgebend muss letztlich sein, welche Rechtsposition der Erklärungsempfanger des Widerrufs durch das vorangegangene Einverständnis inne hat. Die Befugnis, jemanden mit kommerzieller Kommunikation zu konfrontieren, ist keine solch starke Rechtsposition, die Einschränkungen bezüglich der Widerruflichkeit des Einverständnisses rechtfertigen könnte. Aufgrund der sachlichen Unterschiede verbietet sich auch eine Analogie 1158 § 4a BOSG spricht nur von einern notwendigen Hinweis auf den Zweck der Nutzung, was insoweit wenig Greifbares beinhaltet. 1159 Palandt / Thornas, § 823 Rn. 43. 1160 Frömming / Peters, NJW 1996, 958; unklar Palandtl Thornas, § 823 Rn. 43, wonach es wohl schon an der Freiwilligkeit fehlt; vgl. auch Wolf/ Horn / Lindacher, § 9 UWG Rn. A166: erschlichene Einwilligung ist unwirksam. 1161 MünchKomm/ Mertens, § 823 Rn. 39; Soergel/ Zeuner, § 823 Rn. 225; Lettl, NJW 2001,42,43; vgl. auch BGH v. 18.3. 1980, LM Nr. 19 zu § 133 (B) hinsichtlich ärztlicher Heilbehandlung .. 1162 MünchKomm/ Mertens, § 823 Rn. 39; für die Trennung zwischen vertraglicher Eingriffsgestattung und Einwilligung, vgl. Schenke, Einwilligung des Verletzten, S. 108 ff.

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zu § 42 UrhG, wie sie für die Einwilligung in Bildveröffentlichungen vorgeschlagen wird. 1163 Der Werbende will nicht ein persönlichkeitsrechtlich geschütztes Rechtsgut nutzen, sondern auf eine diesbezüglich geschützte Konzeption einwirken. In datenschutzrechtlicher Hinsicht fordert § 4 Abs. 2 TDDSG für die elektronische Einwilligung, dass sie jederzeit widerrufbar ist. Es lässt sich also festhalten, dass ein Einverständnis jederzeit widerrufbar ist. 1164 § 28 Abs. 4 BDSG bestimmt, dass eine Nutzung oder Übermittlung der Daten für Zwecke der Werbung oder der Markt- und Meinungsforschung unzulässig ist, wenn der Betroffene seinen Widerspruch äußert. Dies gilt auch im Fall des anfänglich erklärten Einverständnisses. Über dieses Recht ist er zu unterrichten. Gleiches ist § 4 Abs. 3 TDDSG zu entnehmen, wonach der Nutzer auf sein Recht zum jederzeitigen Widerruf der Einwilligung in seine Datennutzung hinzuweisen ist. Aus alledem kann der Schluss gezogen werden, dass der Einzelne jederzeit berechtigt sein muss, sein Einverständnis zu widerrufen.

2. Ausdrückliches Einverständnis a) Allgemeines

Ein ausdrückliches Einverständnis liegt dann vor, wenn das vom Rezipienten Gewollte unmittelbar in seinem Erklärten Ausdruck findet. 1165 Dies ist unzweifelhaft insoweit der Fall, als er ausdrücklich nach kommerzieller Kommunikation verlangt. Dabei braucht das Medium, mittels dessen dieser Wille zum Ausdruck gelangt, nicht identisch mit demjenigen zu sein, durch das die spätere kommerzielle Kommunikation übermittelt wird. b) Einverständniserteilung durch vorformulierte Klauseln

aa) Meinungsstand Im Folgenden soll nun der praxisrelevanten Frage nachgegangen werden, inwieweit ein Einverständnis hinsichtlich zukünftiger kommerzieller Kommunikation per vorformulierter Klauseln erteilt werden kann. In der Rechtsprechung des BGH hat sich eine restriktive Ansicht verfestigt,1166 die jedoch im Schrifttum 1167 nicht 1163 OLG München v. 17.3. 1989, NJW-RR 1990, 999, 1000; FrämminglPeters, NJW 1996,958,959. 1164 So auch Paefgen, MDR 1992, 112, 118 m. w. N. 1165 Vgl. Palandtl Heinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 6. 1166 BGH v. 16. 3. 1999, BGHZ 141, 124 ff., vgl. Fn. 325; BGH v. 27. 1. 2000, JurPC Web-Dok. 117/2001, Abs. 1-69, vgl. Fn. 326; dem folgend LG München v. 1. 2. 2001, JurPC Web-Dok. 117/2001, Abs. 1-69. 1167 Zustimmend Kapp, EWiR § 1 UWG 8/2000, 789, 790; Hoffmann, MMR 2000, 607, 609; Ulrich, EWiR § 9 AGBG 4/1999, 433, 434; ablehnend Grafvon Westphalen, B 1999,

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Teil 5: Die Einwilligung des Umworbenen

auf einhellige Zustimmung stieß. Hiernach ist es mittels AGB grundsätzlich nicht möglich, ein Einverständnis zu erteilen. Dem ersten zu entscheidenden Sachverhalt aus dem Jahr 1999 lag eine gesondert zu unterschreibende Klausel zugrunde, in der sich ein Bankkunde - im Rahmen einer Kontoeröffnung - damit einverstanden erklärte, dass ihn der Klauselverwender oder ein von diesem beauftragter Dritter telefonisch zum Zwecke der Beratung ansprechen kann. Dies galt für auch für über die bestehende Geschäftsverbindung hinausreichende Produkte des Verwenders. Schließlich enthielt die Klausel den Hinweis, dass dieses Einverständnis jederzeit widerrufbar ist. Im zweiten Fall (Telefonwerbung VI) ging es um eine Klausel, mit der sich ein Konto- / Depotinhaber gegenüber der Bank einverstanden / nicht einverstanden erklären konnte, dass diese ihn persönlich und telefonisch in Geldangelegenheiten berät. Das Kästchen vor dem Feld "einverstanden" war durch den Bankkunden angekreuzt worden.1l68 Der BGH wendete für derartige vorformulierte, einseitige Erklärungen, die weder eine Nebenabrede enthielten noch zum notwendigen Inhalt eines gleichzeitig abgeschlossenen Vertrages gehören, das AGBG entsprechend an und bestätigte eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 9 AGBG (jetzt 307 BGB n.P.). Entscheidend für die Ausweitung des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB n.P. (§ 1 ABGB) sei, dass der Verwender die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit für sich ebenso in Anspruch nimmt wie bei der Vorformulierung eines Vertragstextes. Hinzu komme, dass der Kunde nur darauf Einfluss hat, ob er die Erklärung abgeben will, nicht aber ihren Inhalt beeinflussen könne. 1I69 Obwohl es sich also nicht um eine Vertragsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz BGB n.P. handelt, worunter eine zweiseitige, auf den Vertragsinhalt abzielende Regelung zu verstehen ist, gebietet der Schutzzweck des Gesetzes eine analoge Anwendung. 1l70 Diese Sichtweise entsprach auch der zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden Meinung im Schrifttum 1171 und ist auch auf einseitige rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen zu übertragen, was genau betrachtet eine doppelte Analogie nach sich zieht. 1172 Voraussetzung für eine Klauselkontrolle ist nur, dass die Einverständnisklausel in Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung steht. Vereinzelt zweifeln Stimmen im Schrifttum an der Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB n.P. auf solche einseitigen Einver1130,1132; Imping, MDR 1999, 857; van Look, WuB VB § 1 UWG 1.99; wohl differenzierend Möllers, JZ 1999, 1120, 1123. 1168 Ein solcher Sachverhalt lag auch in BGH v. 2. 11. 2000, WuB 2001, 828 zugrunde, wobei das Ergebnis von TeIefonwerbung IV bestätigt wurde. 1169 BGH v. 27. 1. 2000, JurPC Web-Dok. 117/2001, Abs. 16 - Telefonwerbung VI; a.A. aber wohl noch OLG Stuttgart v. 3. 10. 1979, NJW 1979, 222, 223 für den Bereich des Schuldversprechens, des Schuldanerkenntnisses, der Grundschuld und der Hypothek. ll70 Vgl. BGH v. 16.3. 1999, BGHZ 141,124,126. ll71 Ulmerl Brandnerl Hensen, § 1 AGBG Rn. 16; Staudingerl Schlosser, § 1 AGBG Rn. 5 m. w. N.; zustimmend auch Ulrich, EWiR § 9 AGBG 4/99,433,434; Imping, MDR 1999, 856,857; Möllers, JZ 1999, 1120, 1122; Grafvon Westphalen, BB 1999, 1130, 1131; Kapp, EWiR § 1 UWG 8/2000, 789, 790. 1172 Vgl. Ulmerl Brandnerl Hensen, § 1 AGBG Rn. 17.

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ständnisklauseln. Als Grund wird hierfür insbesondere angeführt, dass es einer Anwendbarkeit des "AGB-Gesetzes" nicht bedarf, da die Generalklausei des § 1 UWG genügend Spielraum bietet, die Formularmäßigkeit einer Erklärung in die Abwägung mit einzubeziehen. 1173 Das "AGBG" könne jedoch ein Anhaltspunkt bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit sein. Gegen diese Auffassung spricht bereits, dass nicht nur § 1 UWG im Raum steht, sondern auch ein deliktischer Anspruch, der gerade auf einem konkretisierten Tatbestand und einer normativ leitenden, vom Einzelfall losgelösten Abwägung beruht. bb) Differenzierte Betrachtung Vorstehendes kann aber nicht undifferenziert auf jegliche vorformulierten Klauseln übertragen werden. Maßgebliches Differenzierungskriterium ist einmal der Zweck der Vereinbarung, im Rahmen derer das Einverständnis erteilt wurde. Liegt er gerade darin, den Rezipienten mit auf ihn abgestimmter kommerzieller Kommunikation zu versorgen und hat es dieser durch verschiedene formularmäßige Auswahlmöglichkeiten in der Hand, seine Wünsche zu konkretisieren, darf eine derartig restriktive Klauselkontrolle nicht erfolgen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn dem Besucher einer kommerziellen Internetseite (WWW) dort eine formularmäßig gestaltete Anforderungsmöglichkeit von Produktinformationen zur Verfügung steht. Gleiches gilt für brieflich zugestellte Formulare, mittels derer der Adressat seine Informationswünsche konkretisieren und an den Werbenden zurücksenden kann, ohne sich dabei aber weitergehend vertraglich zu binden. Gerade hierdurch kann ein "Permission-Marketing-Modell" geschaffen werden, das die individuelle kommunikative Konzeption hinreichend beachtet und den Umworbenen in Bezug auf seine Informationswünsche als selbstbestimmtes Wesen erachtet. Eine entsprechende Anwendung der obigen Rechtsprechung würde in den meisten Fällen zudem daran scheitern, dass keine anderweitige vertragliche Rechtsbeziehung von den Parteien angestrebt ist. Nur in diesem Zusammenhang kann aber eine einseitige Einverständniserteilung überhaupt als allgemeine Geschäftsbedingung angesehen werden. Aber auch für den Fall, dass einer derartigen Vereinbarung (im Sinne eines Permission-Marketing-Vertrags) eine rechtliche Verpflichtung entnommen werden kann, scheitert eine Klauselkontrolle i.S.v. §§ 307 ff. an § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n.F. Das erteilte Einverständnis wäre dann aus Sicht des Kommunikators vergleichbar mit einer Gegenleistungsbeschreibung, die ebenso wie die Leistungsbeschreibung in weitem Maße einer solchen Klauselkontrolle entzogen ist. 1174 Derartige Beschreibungen legen Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung fest, lassen aber die für die Leistung geltenden gesetzlichen Vehslage, MDR 2000, 962, 963. Vgl. Pa1andtl Heinrichs, § 8 AGBG, Rn. 2; Staudingerl Coester, § 8 AGBG, Rn. 2; MünchKomml Basedow, § 8 AGBG Rn. 12. Il73

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TeilS: Die Einwilligung des Umworbenen

Vorschriften unberührt. 1175 Insoweit sind Leistungs- und Gegenleistungsbeschreibungen schon aufgrund ihrer besonderen Bedeutung Gegenstand der Aufmerksamkeit der Vertragsparteien geworden, so dass sich eine Ausnahme von der richterlichen Kontrolle erlaubt. 1176 Gerechtfertigt ist jene Einschränkung der Kontrollfähigkeit im Leistungsbereich auch durch die Privatautonomie und freie Marktwirtschaft. Insoweit steht es dem Verbraucher frei, seine persönlichkeitsrechtlich geschützte Rechtssphäre preiszugeben und sich fremdbestimmter kommerzieller Kommunikation zu unterwerfen. Da es sich aber bei den vom BGH zu entscheidenden Fällen unstreitig nicht um eine solche Leistungsbeschreibung handelt, war eine Überprüfung anhand des § 9 AGBG hierdurch auch nicht ausgeschlossen. 1177 cc) Werbefinanzierte Verträge Verallgemeinert lässt sich sagen, dass die Argumentation der Rechtsprechung zum damaligen § 9 AGBG dann nicht greift, wenn das Einverständnis des Umworbenen mit kommerzieller Kommunikation quasi als Gegenleistung für eine dann zumeist kostenfreie - Dienstleistung dient. Wann dies der Fall ist, kann freilich nicht pauschal beantwortet werden, sondern ist durch Auslegung der Vereinbarung zu ermitteln, wobei vor allem auf den Schutzzweck der §§ 305 ff. BGB n.F. abzustellen ist. Insbesondere durch die Inhaltskontrolle soll der Vertragspartner des Verwenders vor einseitig ausbedungener, inhaltlich unangemessener Verkürzung der vollwertigen Leistung, wie er sie nach Gegenstand und Zweck des Vertrages erwarten darf, geschützt werden. 1178 Tragendes Element eines werbefinanzierten Vertrags ist jedoch, dass die angebotene Leistung erst durch ein Einverständnis mit kommerzieller Kommunikation ihre Vollwertigkeit erhält. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die im Internet kostenlos erhältlichen Dienstleistungen, die sich überwiegend durch Werbung finanzieren, für den heutigen verständigen Durchschnittsverbraucher ohne weiteres erkennbar. Er kann nicht davon ausgehen, dass Produkte kostenlos und ohne jegliche Gegenleistung beansprucht werden können. Dies gilt insbesondere auch für die diversen E-Mail-Dienste. Der diesbezüglich naheliegende Einwand der Kommerzialisierung höchstpersönlicher Güter drängt sich zwar an dieser Stelle auf, vermag jedoch nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Denn wie im Einzelnen ein jedes Individuum sein kommunikatives Konzept gestaltet, obliegt allein seiner Selbstbestimmung über die individuell-konkreten Verwendungsziele seiner KommunikationsmitBGH v. 12.3.1987, BGHZ 100, 157, 173 m.w.N; vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. MünchKomm / Basedow, § 8 AGBG Rn. 12. Im Dies bedeutet jedoch nicht, dass es einer Bank nicht möglich wäre, eine kostenlose Kontoführung anzubieten, dies aber von einer Werberezeption abhängig zu machen. 1178 BGH v. 12.3. 1987, BGHZ 100, 157, 174. 1175

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tel. 1179 Im Rahmen dieser Selbstbestimmung kann jedoch entschieden werden, inwieweit elektronische Individualkommunikationsmedien für kommerzielle Zwecke geöffnet werden. Hier eine restriktivere Handhabe anzulegen, würde den mannigfaltigen werbefinanzierten Dienstleistungen nicht gerecht werden und im Übrigen dem Einzelnen gerade wieder seine, oben an vorderste Front gestellte Selbstbestimmung über seine elektronische Individualkommunikation nehmen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Einverständnis ein Freibrief dafür ist, den Umworbenen mit einer unbegrenzten Anzahl von Werbemitteilungen zu konfrontieren. Erforderlich ist in jedem Fall und unabhängig vom Kommunikationsmedium, dass die kommerziellen Kommunikationen in Länge und Inhalt mit dem kongruent sind, was der Empfänger bei seiner Zustimmung erwarten durfteYso Der Werbende hat also vor allem auf das Gebot der Kürze und den Themenbezug zu achten. Davon unabhängig stellt sich die Frage, wie sich das Widerrufsrecht des Einzelnen in Bezug auf werbefinanzierte Leistungsversprechen verhält. Für Verträge, die das Einverständnis des Umworbenen quasi als vertragliche Gegenleistung für eine kostenfreie oder kostenreduzierte Leistung zugrunde legen, könnte dies der entscheidende Hemmfaktor sein. Als Beispiel sei hier ein Vertrag mit einem E-MailProvider genannt, dessen Kostenlosigkeit durch die in Art und Umfang vorher festgelegte Zusendung llSI von kommerzieller E-Mail an die zur Verfügung gestellte Adresse kompensiert wird. Geht der Einzelne nun einen solchen Vertrag ein, so konzipiert er sich die entsprechende elektronische Individualkommunikation in Abhängigkeit drittbestimmter Motive. Es handelt sich also bei diesem Medium, dem konkrete E-Mail-Account, nicht um eine anfänglich unbeschränkte Konzeption der Kommunikation, die erst durch nachträgliche kommerzielle Kommunikation - wenn auch freiwillig - beeinträchtigt wird. Vielmehr ist es Teil der Konzeption, solche Beeinträchtigungen hinzunehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf datenschutzrechtliche Vorschriften (zum Beispiel § 4 Abs. 3 TDDSG). Diese sehen zwar insoweit ein Widerrufsrecht vor, als der Kunde eine Einwilligung in seine Datennutzung gegeben hat. Jedoch rechtfertigt der Regelungszweck dieser Vorschriften deren teleologische Reduktion llS2 für die eben aufgezeigten Konstellationen einer Werbefinanzierung auf ein Maß, das dem informationellen Selbstbestimmungsrecht gerecht wird. Bei einer E-Mail-Adresse handelt es sich zwar auch im Fall eines werbefinanzierten E-Mail-Dienstes um ein personenbezogenes Datum. Dieses entsteht jedoch bereits mit dem Makel, dass es kommerziell genutzt werden darf. Da jener Makel aber auf die informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen zurückzuführen ist, kann das jederzeitige Widerrufsrecht insoweit eingeschränkt werden. Um Unklarheiten zu vermeiden, emp1179

10,13.

VgJ. Paefgen, MDR 1992, 112, 119; Spindler/Schmittmann, MMR Beilage 8/2001,

Scherer in: Hoeren / Queck (Hrsg.), S. 242, 248. Es ist auf die notwendigen Infonnationspflichten im Hinblick auf das Einverständnis zu achten. 1182 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 391. 1180 1181

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Teil 5: Die Einwilligung des Umworbenen

fiehlt sich ein diesbezüglicher Hinweis im entsprechenden Vertrag. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Austauschverträge. 1183 In Ergänzung zu obigen Ausführungen zum jederzeitigen Widerrufsrecht bleibt festzuhalten, dass nicht jedes Einverständnis widerrufen werden kann, da dies zum Schutz des Erklärenden nicht zwingend geboten ist. Ein anderes Problem im Hinblick auf werbefinanzierte Dienstleistungen stellte sich für das LG Berlin. Es hatte sich mit einem Fall zu beschäftigen, in dem ein Telefonanruf nach gewisser Zeit und in regelmäßigen Abständen durch standardisierte Werbebotschaften unterbrochen, im Gegenzug dem Anrufer jedoch kein Verbindungsentgelt berechnet wurde. 1184 Diese Methode wurde als sittenwidrig i.S.v. § 1 UWG gewertet, da der Angerufene kein ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis im Vorfeld erteilt hatte. Im Übrigen wurde auf die Grundsätze zur Telefonwerbung verwiesen und vor allem betont, dass das Telefon als privates Refugium von Werbung unberührt bleiben soll. Um eine Lösung für diesen und vergleichbare Fälle der werbefinanzierten Dienstleistung zu finden, bedarf es nur eines Blicks auf die für die Einverständniserteilung notwendigen Voraussetzungen. Hierzu zählt die hinreichend konkrete Aufklärung und Information des Rezipienten im Vorfeld der kommerziellen Kommunikation. Nicht ausreichend ist aber eine Information, wenn schon der Kommunikationsprozess in Gang gesetzt wurde, da dann hinsichtlich der zeitlichen Komponente der Information jene zu dicht an die kommerzielle Kommunikation heranreicht. Darüber hinaus würde dies auch zu einer unnatürlichen Aufspaltung eines einheitlichen kommunikativen Aktes führen. Im Falle des der Entscheidung des LG Berlin zugrunde liegenden Sachverhalts hätte also der Angerufene über die bevorstehende Werbung aufgeklärt werden müssenY85 Weiß er hierüber Bescheid und setzt er das Telefonat fort, so handelt es sich um ein konkludentes Einverständnis und in der Folge nicht mehr um unverlangte kommerzielle Kommunikation. In Bezug auf § 823 Abs. 1 BGB mangelt es dann bereits an der Tatbestandvoraussetzung "unverlangt". dd) Vorrang der Individualabrede Gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB n.F. sind im Einzelnen ausgehandelte Individualabreden den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen entzogen. Ein solches Aushandeln könnte dann - entgegen dem BGH - angenommen werden, wenn der Verbraucher, wie im Urteil Telefonwerbung VI, die Wahlmöglichkeiten hat, ob er sich durch entsprechendes Ankreuzen mit kommerzieller Kommunikation einverstanden erklärt oder nicht. Eine weit verbreitete Ansicht geht davon 1183

Z. B. durch Werbezusendung subventionierte Computer oder sonstige Hardware.

1184 LG Berlin v. 20. 7.1999, WRP 1999, 1188 ff. m. Anm. Hartwig/Ferschl, WRP 1999,

1084., mittlerweile jedoch aufgehoben durch BGH v. 20. 12. 2001, WRP 2002, 676; vgl. hierzu befürwortend Lange, WRP 2002, 786 ff.. 1185 So auch Hartwig / Ferschl, WRP 1999, 1083, 1087.

B. Anforderungen an ein Einverständnis

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aus, dass die Eröffnung von Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren vorformulierten Klauseln die vom Kunden gewählte Alternative noch nicht zur Individualabrede macht. 1186 Als Grund wird angeführt, dass auch hier der Verwender die Gestaltungsfreiheit für sich in Anspruch nimmt und der Kunde keine Einflussmöglichkeiten auf die inhaltliche Gestaltung der Alternativen hat. Dies auf den hier vorliegenden Fall zu übertragen begegnet erheblichen Bedenken. Es wäre eine zu formale Sichtweise, darauf abzustellen, wer im konkreten Fall den Text der Einverständniserklärung vorformuliert. Die Gestaltungsfreiheit des Einzelnen liegt doch gerade in dieser Wahlmöglichkeit. Dadurch, dass der potentiell Umworbene ein solches Wahlrecht ausüben kann, dem seine eigene Entscheidung zugrunde liegt, hat der Verwender des Formulars nicht einseitig von seiner Gestaltungsmacht Gebrauch gemacht. Im Gegenteil, es besteht wohl keine andere und weiter gehendere Möglichkeit, seinem Vertragspartner Entscheidungsfreiheit in Bezug auf die Gestaltung einzuräumen. 1187 Dies trifft insbesondere auf die Fälle zu, in denen eine der Wahlmöglichkeiten faktisch die Gegenstandslosigkeit der Einverständnisklausel nach sich zieht. Der BGH betonte in einem früheren Urteil, dass bei ausfüllungsbedürftigen Klauselwerken im Hinblick auf das Merkmals des Aushandelns entscheidend ist, ob dem Kunden tatsächlich und unbeeinflusst durch Vorformulierungen eine freie Wahl verbleibt. 1188 Einem Umkehrschluss zufolge können also durchaus gewisse Punkte einer Klausel vorformuliert sein, ohne dass diese dann gleichzeitig eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellt. Voraussetzung ist aber, dass sich keine der wählbaren Alternativen optisch oder auf sonstige Weise in den Vordergrund drängt. In diesem Fall kann von einer echten Optionsklausel gesprochen werden. Schließlich wird in Stellungnahmen zu dieser Problematik zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kunde, der von der Möglichkeit einer uneingeschränkten Ablehnung künftiger kommerzieller Kommunikation Gebrauch macht, in der Regel auch kein Interesse daran hat, ein Einverständnis nach bestimmten eigenen Maßstäben zu erteilen, er also insoweit gar nicht gestaltend tätig werden will. In diesem Fall bleibt es ihm unbenommen, formularmäßig sein Einverständnis abzulehnen und individuell ein solches zu erklären. 1189 Gegen die restriktive Rechtsprechung des BGH in seinem Urteil Telefonwerbung VI sprechen letztlich auch gewichtige praktische Argumente. Denn den an kommerzieller Kommunikation und am Aufbau von Kundenbeziehungen interessierten Werbetreibenden ist es nur unter erschwerten Bedingungen möglich, das nötige Einverständnis hierfür zu erlangen. Gerade bei Vertragsschlüssen im Internet muss es möglich sein, ein Einverständnis durch Ankreuzen von Wahlalternativen zu erteilen. 1186 BGH v. 3.12.1991, NJW 1992,503,504; UlmerlBrandner/Hensen, § 1 UWG Rn. 53 m. w. N. dort in Fn. 165; Staudinger / Schlosser, § 1 AGBG Rn. 34. 1187 Leverenz, NJW 1997,421,423. 1188 BGH V. 7. 2. 1996, NJW 1996, 1676, 1677. 1189 Vgl. Leul, NJW 2001, 42, 43.

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TeilS: Die Einwilligung des Umworbenen

Anders wäre der Fall jedoch zu beurteilen, wenn eine Klausel die Einverständniserteilung grundsätzlich vorsieht, dies aber optional etwa durch Streichung oder Ankreuzen eines Austragungsfeldes wieder ungeschehen gemacht werden kann. 1190 Hier hat der Betreffende zwar eine Wahlmöglichkeit, diese wird jedoch so sehr vom Vorschlag des Verwenders überlagert, dass keine Gestaltungsparität vorliegt. Gleiches gilt für den der Entscheidung vom 19. 3. 1999 zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem eine Einverständniserklärung gänzlich ohne Wahlmöglichkeit streitgegenständlich war. Allgemein lässt sich festhalten, dass dem potentiellen Rezipienten kein aktives Handeln im Sinne eines Initiativrechts aufgebürdet werden darf, um sich eines ihm vorgegebenen Einverständnisses wieder zu entziehen. Dies ist bei den Wahlmöglichkeiten im Urteil Telefanwerbung VI gerade nicht der Fall, da auch bei Übergehen der Klausel mangels Ankreuzen oder Anklicken eines Feldes gar kein Einverständnis vorliegt, das auf Initiative des Erklärenden hin wieder rückgängig gemacht werden kann. Es bleibt somit festzustellen, dass eine Differenzierung einmal danach zu erfolgen hat, ob es sich bei dem Einverständnis um eine Regelung der Gegenleistung im obigen Sinn handelt oder ob es entsprechend einer Vertragsbedingung zu werten ist. Hinzu kommt das Erfordernis einer genauen Differenzierung anhand der Verteilung der Gestaltungsmacht. Im Gegensatz zu dem Urteil aus dem Jahre 1999 wäre die AGB-rechtliche Prüfung bei Telefanwerbung VI an dieser Stelle am Ende. Geht man jedoch davon aus, dass es sich auch bei den echten Optionsklauseln um AGB handelt, so muss sich konsequenterweise eine Angemessenheitsprüfung anschließen. ee) Unangemessene Benachteiligung i.S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB n.E Im Folgenden soll geklärt werden, unter welchen Umständen eine Einverständnisklausel eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. Satz 1 BGB n.E darstellt. Hierzu bedarf es einer sorgfaltigen und alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Ermittlung der Interessen. 1191 Sind die Interessen des Verwenders am Erhalt der Klausel und des Kunden am Wegfall der Klausel bekannt, müssen diese unter Berücksichtigung des gesamten Vertragsinhaltes, des objektiven Klauselinhaltes und der Anschauung der beteiligten Verkehrskreise gegeneinander abgewogen werden. 1192 1190 LG München I v. I. 2. 2001, JurPC Web-Dok. 117/2001, Abs. 1-69; hier ging es um eine formulannäßige Klausel hinsichtlich sog. Pay-Back-Systeme: "Meine Zustimmung. Ich bin damit einverstanden zusätzliche Informationen und Angebote von ... und den Partnerunternehmen zu erhalten ... Hier ankreuzen, falls nicht."; ähnlich LG Hamburg v. 18.2.2000, AfP 2001, 151 ff.: hier konnte der Kunde durch entsprechende Streichung auf einer Abo-Bestellkarte sich eines Einverständnisses entziehen. 1191 MünchKomml Basedow, § 9 AGBG Rn. 11. 1192 MünchKomml Basedow, § 9 AGBG Rn. 12 ff.

B. Anforderungen an ein Einverständnis

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Eine unangemessene Benachteiligung liegt im Zweifel nach § 307 Abs. 2 Nr. I BGB n.F. vor, wenn eine Bestimmung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Maßgebliche gesetzliche Regelung ist hier die Auslegung des § I UWG und des § 823 Abs. I BGB, wonach kommerzielle Kommunikation durch elektronische Individualkommunikationstechniken nicht ohne vorheriges Einverständnis einer Privatperson übermittelt werden darf. Ob hiervon durch formularmäßige Klauseierteilung abgewichen wird, könnte bereits aus dem Grund zweifelhaft sein, dass die Klausel doch gerade das Einverständnis herbeiführen soll, mithin also zur Gewährleistung der gesetzlichen Vorgaben bestimmt ist. 1l93 Dieser Hinweis überzeugt jedoch nicht im Hinblick auf die Verneinung der Unangemessenheit. Ein Grund dafür ist, dass die eingangs dargelegte Auslegung nicht der wesentliche Grundgedanke der gesetzlichen Regelung ist, sondern Ausfluss derselben. Hinzu kommt, dass eine vorhandene Wahlmöglichkeit hier keine Berücksichtigung findet, somit auch fest vorgegebene Klauseln in die Legalität überführt werden könnten. Um eine Lösung zu finden, ist vielmehr bei dem betroffenen Schutzgut des Kunden selbst anzusetzen. Letzterem geht es vor allem darum, die Selbstbestimmung hinsichtlich seiner kommunikativen Konzeption zu wahren. Ist dies der Fall, kann eine Einverständnisklausel nicht unangemessen sein. Da aber diese Selbstbestimmung gerade durch Wahloptionen realisiert werden kann, ist für die Angemessenheitsprüfung schließlich die Qualität einer solchen Optionsklausel entscheidend. An dieser Stelle die Vielzahl von möglichen Einverständnisklauseln zu analysieren, würde zu weit gehen. Jedoch ist zwingend, dass die Option besteht, alle Formen kommerzieller Kommunikation ausdrücklich und umfassend abzulehnen. Dabei darf ein Unterlassen der Wahlmöglichkeit, also der gänzliche Verzicht auf Streichungen, Ankreuzen oder Ähnlichem - gleich ob bewusst oder unbewusst nicht dazu führen, dass dies zu einem Einverständnis führt. Mit anderen Worten muss also der Erklärende auf irgendeine Art und Weise selbst aktiv werden und eine Handlungsinitiative ergreifen, die kausal für das Einverständnis ist. Dies ist nicht der Fall, wenn sich ein Kästchen auf einer entsprechenden Internetseite befindet, das bereits ein Kreuz enthält - gleichgültig ob dieses dann manuell entfernt werden kann. 1194 Letztlich darf auch nicht für einen objektiven Betrachter der Eindruck gewonnen werden, dass sich eine Wahlmöglichkeit durch besondere optische oder sonstige Auffälligkeiten in den Vordergrund spielen will und so auf das Unterbewusstsein des Erklärenden Einfluss nimmt. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist der Selbstbestimmung genüge getan, was schließlich zur Angemessenheit führt. Eine Wahlmöglichkeit an sich als unangemessen zu bewerten, würde sicher der Behandlung des Verbrauchers und Werberezipienten als mündiges Wesen widersprechen. 1l95 Um Letzteres zu gewährleisten, Lettl, NJW 2001, 42, 43. So auch E-Mail-GutachtenderEU-Kommission.S.17;vgl.auchAyad/Schajft.BB 2002,1711,1715: "Aktives Tun". 1195 Vgl. Vehslage, MDR 2000, 962, 964; van Look, WuB V B § 1 UWG 1.99. 1193

1194

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Teil 5: Die Einwilligung des Umworbenen

ist nicht nur das Bereitstellen von staatlichen Schutzmöglichkeiten gegen unverlangte kommerzielle Kommunikation erforderlich. Es muss darüber hinaus auch einem Verlangen nach entsprechender Kommunikation ausreichend Berücksichtigung bei der Gesetzesanwendung geschenkt werden. Der pauschale Verweis auf eine diesbezügliche Individualvereinbarung würde schon aus praktischen Erwägungen dem nicht gerecht werden. Fraglich ist, wie sich die - in diesem Fall nur deklaratorische - ausdrückliche Einräumung eines Widerspruchsrechts auf die Angemessenheitsprüfung auswirkt. Der BGH sah hierin keinen Grund, von seiner Auffassung zur Unangemessenheit abzuweichen, da damit die Initiative zur Wiederherstellung der Privatsphäre in unzulässiger Weise auf den Betroffenen verlagert wird. 1196 Bedenklich erscheint jedoch die hierin ohne nähere Begründung getroffene Feststellung, dass im konkreten Fall eine Verlagerung der Initiative auf den Betroffenen unzulässig war. Sind die obigen Anforderungen im Hinblick auf eine Optionsklausel eingehalten, ist es gerade nicht unzulässig, dass die Initiative auf den Erklärenden verlagert wird. Eine solche Verlagerung ist nur dann unzulässig, wenn die Einverständniserklärung nicht mehr Ausfluss der kommunikativen Konzeption war. Hat ein Rezipient aufgrund seiner Initiative seine Sphäre für kommerzielle Kommunikation geöffnet, ist es ihm ohne weiteres zuzumuten, dass er auch die Initiative ergreift, um diese Öffnung wieder zu verschließen. 1197 Echte Optionsklauseln sind daher keine unangemessene Benachteiligung des potentiellen Werberezipienten. Dies gilt selbstredend über die Telefonwerbung hinaus für alle kommerziellen elektronischen Individualkommunikationen. Das Einverständnis ist aber auch hier nur insoweit wirksam, als sich der Werberezipient vorher durch entsprechende Information - die aus der Klausel hervorgehen kann - ein genaues Bild über Art und Umfang der kommerziellen Kommunikation machen konnte. Insofern sollte auf "telefonische Beratung in Geldangelegenheiten,,1l98 oder vergleichbare Formulierungen zugunsten eine detaillierten und unmissverständlichen Information verzichten werden. Im Hinblick auf die eingangs dargestellte Rechtsprechung bleibt festzustellen, dass die Entscheidung aus dem Jahre 1999 nicht mit den aufgezeigten Anforderungen im Einklang steht und die Unangemessenheit berechtigterweise bejaht werden konnte. Dies gilt jedoch nicht für Tele/anwerbung VI.

1196 BGH v. 27. 1. 2000, JurPC Web-Dok. 144/2000, Abs. 21 - Telefonwerbung VI; so auch LG München I v. 1. 2. 2001, JurPC Web-Dok. 117/2001, Abs. 48. 1197 Dies befürwortend: lmping, MDR 1999, 856, 857; Graf von Westphalen, B 1999, 1130,1132. 1198 Hierauf bezog sich das Einverständnis in Telefonwerbung VI, a.a.O; vgl. auch für die hier vertretene Auffassung Ayad/Schaffi, BB 2002, 1711, 1715.

B. Anforderungen an ein Einverständnis

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3. Konkludentes Einverständnis

Beim konkludenten Einverständnis findet das Gewollte des Erklärenden nicht unmittelbar in seiner Erklärung Ausdruck. Dieser nimmt vielmehr eine Handlung vor, die mittelbar einen Schluss auf einen bestimmten Willen zulässt. 1l99 Voraussetzung für ein konkludentes Einverständnis ist, dass der Kommunikator von seinem Horizont aus nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte auf ein Einverständnis des Adressaten schließen kann. 1200 Fraglich ist nun, welche Anforderungen im Einzelnen an ein solches Einverständnis zu stellen sind. Unstreitig dürfte jedenfalls sein, dass ein längeres Dulden von kommerzieller Kommunikation ohne Hinzutreten besonderer Umstände noch kein Einverständnis begründen kann. 1201 Ebenso wenig können die Umstände, welche oben für eine Mutmaßung nicht ausreichend waren, die Annahme eines konkludenten Einverständnisses begründen. Insofern kann hierauf verwiesen werden. Nach Ansicht des BGH stellt die schriftliche Bitte einer Privatperson um Übersendung von Informationsmaterial in der Regel kein konkludentes Einverständnis im Hinblick auf einen - Werbezwecke dienenden - Telefonanruf dar. 1202 Dem ist uneingeschränkt mit der Begründung zuzustimmen, dass hier ein unmissverständlicher Wille geäußert wurde und somit für ein konkludentes Einverständnis kein Raum mehr verbleibt. Es ist kein Grund ersichtlich, diese Rechtsprechung nicht auch auf andere Individualkommunikationsmedien zu übertragen. In der Angabe der Adressierungsdaten wie E-Mail-Adresse oder Telefonnummer, ist für sich betrachtet ebenfalls noch kein Einverständnis zu erblicken. 1203 Dies gilt ebenso, wenn der Adressat seine Adressierungsdaten zuvor in eine Suchmaschine im Internet oder in ein Formularfeld auf der Hornepage des Werbetreibenden eingetragen hat, ohne ausdrücklich darauf hingewiesen worden zu sein, dass ein solches Vorgehen ein Einverständnis für künftige Werbesendungen oder Werbetelefonate bedeutet. 1204 Ist Letzteres nicht der Fall, kommt in keiner Form der Wille des Adressaten zum Ausdruck, kommerzielle Kommunikation im Allgemeinen und speziell Vgl. Palandtl Heinrichs, Einf. v § 116 Rn. 6. Frömming / Peters, NJW 1996, 958; vgl. aber Schricker, GRUR Int. 1998, 541, 554, der zwischen konkludenten und mutmaßlichen Einverständnis nur einen "minimalen" Unterschied sieht. Dem ist zu widersprechen, da im ersteren Falle als Anknüpfungspunkt eben eine konkrete Handlung des Umworbenen erforderlich ist, während die Mutmaßung auf davon unabhängige objektive Umstände anknüpft. 1201 Vgl. Palandtl Bassenge, § 1004 Rn. 32 m. w. N. 1202 BGH v. 8. 11. 1989, NJW-RR 1990,359 - Telefonwerbung III. 1203 LG Ellwangen, v. 27. 8. 1999, MMR 1999,675,676 m.w.N; Steckler, GRUR 1993, 865, 868; vgl. auch Hoß, Wettbewerbspraktiken in der Versicherungswirtschaft, S. 159; vgl. aber AG Rostock v. 1. 2. 2002, eR 2002, 613 f. zur Bejahung einer konkludenten Einwilligung; vgl. auch KG v. 8. 1. 2002, EWiR § 1004 BGB 1/02,753, wonach aus der Unterhaltung einer E-Mail-Adresse nicht auf ein allgemeines Einverständnis geschlossen werden kann. 1204 LG Ellwangen v. 27. 8.1999, MMR 1999,676,677. 1199

1200

18 Roth1ey

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Teil 5: Die Einwilligung des Umworbenen

durch den E-Mail-Dienst empfangen zu wollen. Entsprechendes gilt für andere Individualkommunikationsmedien. Ebenso wenig geeignet ist der Hinweis auf ein Interesse an informativer Werbung, da dies ohne Hinzutreten besonderer Umstände einer Mutmaßung gleich käme, die jedoch gerade ausgeschlossen ist. Nach der nicht zustimmungswürdigen Entscheidung des LG Braunschweig ist die Frage nach dem Vorliegen einer unverlangten Nachricht untrennbar mit der offenkundigen Ablehnung verbunden. 1205 Hiernach kann von einer unverlangten Sendung nur gesprochen werden, wenn der Empfänger zuvor seinen Willen im Sinne einer solchen offenkundigen Ablehnung zum Ausdruck gebracht hat. Diese Ansicht verkennt jedoch entgegen dem Wortsinn, dass das Merkmal "unverlangt" bereits dann vorliegt, wenn nicht spätestens bis zum Zeitpunkt des Verlas sens der Nachricht aus der Sphäre des Absenders ein ausdrücklicher oder konkludenter Wunsch nach Erhalt einer Werbesendung geäußert wurde. Liegt eine solche Willensäußerung nicht vor, handelt es sich bereits um eine unverlangte Werbesendung. Einer offenkundigen Ablehnung bedarf es zusätzlich nicht mehr. Unabhängig davon ist zu prüfen, ob man seiner Entscheidung eine opt-out- oder - wie hier eingehend dargelegt - eine opt-in-Lösung zugrunde legt. In ersteren Fall liegen auch unverlangte Sendungen zugrunde, jedoch kommt man im Hinblick auf die Rechtsfolge zu einem anderen Ergebnis. Die hierfür nötige Begründung lässt das eben genannte Urteil gerade vermissen und bewegt sich statt dessen auf einen Zirkelschluss hin. Hieraus ergibt sich, dass die Frage nach Zustimmungs- oder Widerspruchslösung von den Anforderungen an das Merkmal "unverlangt" streng getrennt werden muss, wenngleich innerhalb § 1 UWG beides im Tatbestand der guten Sitten gesetzestechnisch zusammenfällt. Wegen der praktischen Relevanz ist schließlich auf folgende Besonderheit hinzuweisen. Hat sich der Empfänger in einen E-Mail-Newslettereingetragen.um Informationen zu erhalten, sind im redaktionellen Teil integrierte Werbebotschaften nicht als unverlangte kommerzielle Kommunikation zu werten. Hierfür ist immer auf die Nachricht in ihrer Gesamtheit abzustellen und nicht auf die einzelne darin enthaltene Information. Hinsichtlich der erhaltenen kommerziellen Kommunikation liegt dann ein wirksames, konkludentes Einverständnis vor. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Nutzer bei Eintragung in den Newsletter darauf hingewiesen wurde, dass er auch Werbung innerhalb des redaktionellen Angebotes erhalten wird,1206 was der oben dargestellten Informationspflicht entspricht. War dies nicht der Fall, kann nach Treu und Glauben nicht vom Willen am Erhalt des Newsletters auch auf den Willen am Erhalt von kommerzieller Kommunikation geschlossen werden. Ein direkter Themenbezug ändert hieran nichts, da eben kein Raum für Mutmaßungen besteht. 1207 Hat der Empfänger dagegen LG Braunschweig v. 11. 8.1999, NJW-RR 2000, 924. Leupold/ Bräutigam/ Pfeiffer, WRP 2000, 575, 595; vgl. auch Nachweis bei Schuster/ Müller, MMR Beilage Heft 10 / 2000, S. 10; näher zu dieser Hinweispflicht unten S. 275. 1207 A.A. Baumbach/ Hefermehl, § 1 UWG Rn. 70 a: mutmaßliches Einverständnis bejahend. 1205

1206

B. Anforderungen an ein Einverständnis

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ein wirksames Einverständnis erteilt und will er in Zukunft keinerlei derartige Sendungen mehr erhalten, ist er gezwungen, sich aus dem Newsletter wieder auszutragen. Dies ist auch billig, da er mit seiner konkludenten Handlung die kommerzielle Kommunikation initiiert hat. Eine Vertragsbeziehung zwischen den Parteien rechtfertigt kommerzielle Kommunikation, wenn überhaupt, nur in eng begrenzten Fällen. 1208 Der BGH konstatiert in Tele/onwerbung V, dass den - sich in den Geschäftsunterlagen befindlichen - Adressierungsangaben eines mit dem Werbenden in dauerhafter Geschäftsbeziehung stehenden Kunden nur das Einverständnis entnommen werden kann, im Rahmen des schon bestehenden Vertrages und des durch ihn begründeten Umfangs kontaktiert zu werden. 1209 In diesem Zusammenhang wird zutreffend darauf hingewiesen, dass ein in der Vergangenheit liegender Geschäftserfolg dem Anbieter nicht das Recht gibt, sich mit kontinuierlichen Verbesserungsvorschlägen oder gar neuen Vertragsangeboten per Telefon in die Beschaffungsplanung seiner Kunden einzurnischen. 1210 Dies ist auch nicht unbillig, da der Werbende beim Vertragsschluss ein ausdrückliches Einverständnis einholen kann, will er dergestalt vorgehen. Insofern kann auch nicht der Entscheidung des LG Augsburg l211 gefolgt werden, wonach der Kommunikator aufgrund einer entgeltlichen Nutzung seiner Internetdatenbank (201 Sekunden) von einem fortbestehenden Interesse an derselben und einem Einverständnis des Nutzers ausgehen durfte. Durch die notwendige Angabe der E-Mail-Adresse will beziehungsweise muss der Nutzer nur einer zwingenden Anforderung im Hinblick auf die Nutzung des Teledienstes nachkommen. Sein Handeln kann jedoch für sich betrachtet nach Treu und Glauben keinen Schluss auf ein Einverständnis zulassen, da mangels hinreichender Aufklärung und Information keine Anhaltspunkte für den Nutzer vorlagen, um den Erhalt zukünftiger kommerzieller Kommunikation absehen zu können. Hieraus kann die allgemeine Feststellung gewonnenen werden, dass die Nutzung von Tele- oder Mediendienste in ihrer abstrakten Form und ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht ausreichend ist, um den Schluss auf ein Einverständnis zuzulassen. Schließlich ist an dieser Stelle auf die von Nordemann zur Telefonwerbung geäußerten Bedenken hinzuweisen. 1212 Ausgehend von der bestehenden Rechtsprechung sei es für den Werbenden nicht möglich, wirtschaftlich sinnvolle, werbende Weitergehend Engel, Direktmarketing, S. 156. BGH v. 8. 12. 1994, NJW-RR 1995, 613, 614 - Telefonwerbung V, vgl. Fn. 1140; durch die Datenschutzrichtlinie über elektronische Kommunikation, vgl. Fn. 457, wurde jedoch mittlerweile eine sog. soft-opt-in-Lösung für die Werbung innerhalb einer bestehenden Geschäftsbeziehung eingeführt. 12IO Paefgen, WiB 1995, 399, 400 m. Anm. zu Telefonwerbung V; er spricht überspitzt von Adressaten als ewige Geiseln ihrer früher getroffenen Konsumentscheidung. 1211 V. 4. 5. 1999, NJW 2000, 593; vgl. zum Sachverhalt oben S. 149; zustimmend Rein, NJW-CoR 2000, 236. 1212 Nordemann, AfP 1991,484,486 f. 1208 1209

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TeilS: Die Einwilligung des Umworbenen

Anrufe innerhalb geschäftlicher Beziehungen oder zu deren Nachbearbeitung zu tätigen. 1213 Mit Blick auf den Alltag des Wirtschaftslebens sei dies schlechterdings unvertretbar. Nun stellt sich diese Problematik auch hinsichtlich anderer elektronischer Individualkommunikationsmedien und zugleich die Frage, wie diese durchaus sinnvolle kommerzielle Kommunikation und die geschützten Interessen des Werberezipienten unter ein Dach gebracht werden können. Hierzu bietet es sich an, dass derjenige, der mit der Privatperson innerhalb oder nach geschäftlichen Beziehungen in Kontakt treten will, diese um ein Einverständnis für die zukünftige Kontaktierung bittet. Ein solches Vorgehen ist dem Werbenden auch ohne weiteres zumutbar und kann zu Beginn der vertraglichen Beziehung erfolgen. Denn eine erste geschäftliche Kontaktaufnahme, sei es beim Unterschreiben des Zeitschriftenabonnements oder bei der Bestellung der ersten Heizöllieferung,1214 mithin beim Eingehen der Geschäftsbeziehung, ermöglicht es dem Geschäftsmann, ein Einverständnis einzuholen. Hier kann er seinen Kunden fragen, ob er mit einer Kontaktierung über im Einzelnen zu nennende Kommunikationstechniken einverstanden ist oder kann ihm eine formularmäßige Wahlmöglichkeit zusammen mit den eigentlichen Vertragspapieren unterbreiten. Lehnt der Kunde dies ab, sind seine Interessen in Bezug auf sein selbstbestimmtes kommunikatives Konzept eben vorrangig, was der Werbende dann hinzunehmen hat. Dies gilt entgegen Stimmen in der Literatur auch ausnahmslos für die Versicherungswirtschaft. 1215 Eine Verhinderung von Rückfragen, die für die Vertragsabwicklung nötig sind und weitere wirtschaftliche und praktische Unzulänglichkeiten lassen sich schon durch ein striktes Festhalten an den Anforderungen an ein konkludentes Einverständnis vermeiden. Maßgeblich ist immer, ob aufgrund der Angabe der entsprechenden Adressierungsdaten aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts nach Treu und Glauben von einem Einverständnis für die jeweilige Kommunikation ausgegangen werden kann. Dies ist hinsichtlich solcher Kommunikationen der Fall, die für die Vertragsabwicklung notwendig sind und mit dem Vertragsgegenstand in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Wann erstere Voraussetzung erfüllt ist, ergibt sich aus dem Zweck und dem inhaltlichen Schwerpunkt der Kommunikation sowie aus der konkreten laufenden Geschäftsbeziehung. Um jedoch das Erfordernis einer vorherigen Information nicht zu unterlaufen und die Grenzen zwischen mutmaßlicher Einwilligung und konkludentem Einverständnis nicht zu verwischen, ist bei Annahme von Letzterem Zurückhaltung geboten. 1213 Vgl. Beispiele von Nordemann, AfP 1991, 484, 486 m. Hinweis auf ein Urteil des OLG Koblenz v. 20. 12. 1990, WRP 1991, 332; krit. Steinbeck GRUR 1995,492,493. 1214 Vgl. eben Beispiele bei Nordemann, Fn. 1213. 1215 Hoß, Wettbewerbspraktiken in der Versicherungswirtschaft, S. 161, 167 ff. schließt von der Notwendigkeit von Vertreterbesuchen auf die Zulässigkeit der Telefonwerbung. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum gerade der Versicherungswirtschaft ein Vorteil hinsichtlich ihrer Werbemethoden eingeräumt werden soll. Die Notwendigkeit von Terminabsprachen ist sicherlich nicht ausreichend. Mit dieser Argumentation könnten dann schließlich auch Staubsaugerfirmen oder Verlagshäuser ihre Telefonwerbung begründen; in diesem Sinne dann auch OLG Hamburg v. 25.11. 1999, GRUR 2000,826.

Teil 6

Resümee Die Arbeit hat es sich zur Aufgabe gemacht, die persönlichkeitsrechtliche Relevanz von unverlangter kommerzieller Kommunikation zu untersuchen. Ausgehend von einem tiefgreifenden, gesellschaftlichen Wandel im Hinblick auf Information und Kommunikation hat sich gezeigt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht entgegen vielfach geäußerter, aber nur unzureichend begründeter Ansicht, gut geeignet ist, unverlangte Informationen abzuwehren. Im Rahmen seines individuellen kommunikativen Konzepts obliegt es jedem Einzelnen selbst zu bestimmen, wie sich der Informationsfluss in seine Richtung verhält. Die Berechtigung hierzu erhält der einzelne Rezipient aus seiner ausschließlich ihm zustehenden Verfügungsfreiheit hinsichtlich seiner individuellen Kommunikationsmedien und deren Bedeutung für die untrennbar mit seiner Persönlichkeit verbundenen interpersonalen Kommunikation. Im Ergebnis steht insbesondere im Hinblick auf eine in jüngster Zeit vieldiskutierte Frage fest, dass das unverlangte Zusenden von E-Mail-Werbung im Privatbereich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt. Mit einem pauschalen Hinweis auf die Privatsphäre konnte dies jedoch nicht begründet werden. Insoweit ist das gefundene Ergebnis im Hinblick auf die Flussrichtung der Information ein passendes Gegenstück zur anerkannten und ebenso aus der Persönlichkeit fließenden informationellen Selbstbestimmung und bildet einen weiteren Mosaikstein zu einer umfassenden Informationsordnung. Somit geht auch die Annahme fehl, nur im Hinblick auf Art. 5 GG von einem Kommunikationsgrundrecht zu sprechen. Gewissermaßen als Annex zu dieser Erweiterung des Schutzbereichs fand eine kritische Auseinandersetzung mit der Systematik des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes statt. Die überzeugenderen Argumente fanden sich seitens der Befürworter einer interessenbezogenen Schutzbereichsanalyse, womit der typischen unstrukturierten Einzelfallabwägung hinsichtlich der hier untersuchten Verletzungshandlungen eine Absage erteilt wurde. Das Verständnis als Rahmenrecht schließt gerade nicht die Bildung typisierter Tatbestände aus. Es bleibt zu hoffen, dass letztgenannte Vorgehensweise weiteren Zuspruch erfahren und das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus seinem in weiten Teilbereichen system- und konturlosen Schattendasein zu einem konkurrenzfähigen Rechtsinstitut erstarkt, das nicht in jedem Fall die Verdrängung durch andere Normen befürchten muss. Die Konsultierung einer negativen Informationsfreiheit oder spezieller eines Verbraucherpersönlichkeitsrechts ist jedenfalls nicht erforderlich.

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Teil 6: Resümee

Diese insoweit mutige nationale Gangart in Bezug auf die Eindämmung von ausufernder Werbung steht auch nicht in Widerspruch zur europäischen Rechtslage. Nicht nur, dass diese gerade im Hinblick auf die Fernabsatzrichtlinie einen weiten Spielraum zur Abwehr kommerzieller Kommunikationen eröffnet, haben gerade ihre Anforderungen zu der hier vertretenen Auslegung des § 823 Abs. 1 BGB dergestalt beigetragen, dass eine opt-out Lösung im Rahmen der Individualkommunikation bisher nur unzureichend technisch realisiert werden konnte. Im Hinblick auf die Grundfreiheiten wurde die Vereinbarkeit der hier vorgestellten Auslegung des § 823 Abs. 1 BGB mit den zwingenden Allgemeininteressen geprüft und bejaht. Innerhalb von § 1 UWG hat sich unter Berücksichtigung der in der Literatur und Rechtsprechung aufgeworfenen Argumente gezeigt, dass sowohl unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs als auch im Hinblick der eintretenden Belästigung des Rezipienten die unverlangte Zusendung von E-Mail-Werbung einen Verstoß gegen § I UWG bedeutet. Für die deliktische wie auch die wettbewerbsrechtliche Beurteilung derartiger Sachverhalte bietet das vorgestellte Schutzmodell den Vorteil der technologischen Unabhängigkeit. Dies hat zur Folge, dass nicht jede neue Individualkommunikationstechnik im Einzelnen daraufhin untersucht werden muss, inwieweit unverlangte Übersendung kommerzieller Kommunikation belästigende Wirkung hat. Im Hinblick auf die existierende Fallgruppe der Sittenwidrigkeit durch Rechtsbruch und dem persönlichkeitsrechtlichen Schutz der Individualkommunikation kann somit auch innerhalb des § 1 UWG ein einfaches Unrechtsurteil gefunden werden. Ausgangspunkt hierfür ist freilich immer das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das sich dahinter verbergende und hier geäußerte Verständnis. Die Untersuchung der Voraussetzungen an ein Einverständnis bzw. Einwilligung hat schließlich gezeigt, dass in der beruflichen und gewerblichen Sphäre des Rezipienten auch Mutmaßungen zulässig sind. Dies gilt jedoch nicht für den Privatbereich. Hier kann der einzelne Adressat nur mittels ausdrücklichem bzw. konkludentem Einverständnis seinen Willen zum Erhalt von kommerzieller Kommunikation kundtun. In Bezug auf Ersteres ist ihm dies entgegen der Auffassung des BGH auch in weitem Maße durch formularmäßige Einverständnisklauseln möglich, solange die hier im Einzelnen dargelegten Anforderungen eingehalten werden. Demgegenüber ist beim konkludenten Einverständnis Zurückhaltung geboten, um nicht die Grenzen zur Mutmaßung zu verwischen. Die reine Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien reicht jedenfalls nicht aus, um schon ein Einverständnis zu begründen. Hinzu kommen muss immer ein Handeln des Rezipienten, das aus dem Empfangerhorizont heraus auf den entsprechenden Empfangswillen schließen lässt. Entscheidend hierbei ist, ob der Rezipient im Vorfeld der entsprechenden Handlung ausreichend darüber informiert wurde, dass und inwieweit er mit einer Handlung kommerzielle Kommunikation in seine Richtung auslösen kann.

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Sachwortverzeichnis Abmahnung 154 Abwehnnöglichkeiten 68 ff. - Private Abwehnnaßnahmen 195 f. - Robinson Listen 102,127,193,68 - Softwarefilter 68 ff. Abwerben von Mitarbeitern 55 f. Adressierungsdaten 148 f. Akzessorietät der Werbung 140 ff. Allgemeine Datenschutzrichtlinie 117 ff. Allgemeines Persönlichkeitsrecht 163 ff. - Güter- und Interessenabwägung 216 ff., 170 ff. - Indizierung der Rechtswidrigkeit 173 ff. - Subjektives Recht 194 ff. - Schutzbereichsanalyse 171 ff. - Typisierung 162 ff. Allgemeininteresse 225 ff. Alpine Investment 141 ff. Bankrecht 251 Belästigung 185, 241 ff. Bestimmte Verkaufsmodalitäten 132 ff. Betriebsablauf 249 Beweislast 211, 213 Blockade 244 Briefkastenwerbung 156, 190 ff. Btx 208 Captive-Audience-Doktrin 230 f. Cassis-de-Dijon 129 ff. Cold calls 63 Cyberspace 41 ff. Dassonville 151 f. Datenschutz 129 ff. Datenschutzrichtlinie 115 ff. E-Commerce-Richtlinie 118 ff. Eigentumsgarantie 222 Eigentumsverletzung 160 ff., 173

Einverständnis 256 ff. - Ausdrückliches Einverständnis 263 ff. - Einwilligung60,1l7,15l, 212 - Einwilligungserfordernis 149, 193 - Einwilligungserklärung 253 ff. - Einseitige Erklärungen 264 ff. - Formularmäßiges Einverständnis 263 ff. - Mutmaßliche Einwilligung 256 ff. E-Mail 38 ff. - IMAP40 - Mailbox 40 ff. - POP340 - SMTP40 - Funktionsmissbrauch 208, 247 - Spamming 64, 250 Entschließungsfreiheit 162 ff. Erfolgsunrecht 170, 224 Euro-Marketing-Konzept 135 Fernabsatzrichtlinie 99 ff. Freie Willensbetätigung 162 Freiheitsbegriff 162 ff. Funktionalität 179 ff. Grundfreiheiten 128 ff. - Dienstleistungsfreiheit 139 ff. - Warenverkehrsfreiheit 129 ff. Grundrechte 166 ff., 216 ff. - als Schutzgebot 168 - Berufsausübungsfreiheit 221 ff. - Mittelbare Drittwirkung 167 f. - Praktische Konkordanz 169,216 ff. - Unmittelbare Drittwirkung 166 f. Handlungsinitiative 246, 271 Häusliche Privatsphäre 85 ff. Herkunftslandsprinzip 221 ff. Homo oeconomicus 79 ff. Individualbereich 87 Individualität 177, 203 ff.

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Sachwortverzeichnis

Indi vidualkommunikation 47 - Individualkommunikationsmedien 124, 209 - Individuelles Kommunikationskonzept 198 ff. - Rollenwechsel 47 Individualsphäre 86 Informationelle Selbstbestimmung 183, 198, 257 Informationelle Überbelastung 74 ff. - Grenzen der Informationsverarbeitung 81 - Information Overload 74 ff. - Informationsflut 71, 75 - Information Fatique Syndrom 75 - Reizüberflutung 75 Informationen 33 ff. - Hypothese des Informationsdefizits 78 ff. - Informationsbegriff 33 - Informationsfluss 79, 180 - Informationskosten 81 - Informationslawine 73 - Mooresches Gesetz 35 - Ubiquität der Information 36 - Verarbeitungskapazitäten 201 Informationsgesellschaft 31 ff. - Informationsethik 1, 78, 194 ff. - Informationsordnung 33, 210 - Informationsrecht 1 - Kommunikationsstruktur 35, 50 f. - Massenkommunikation 46 Interaktivität 50 ff. Interessenabwägung 170, 172, 216 Internet 36 ff. - ARPANET37 - Charakterisierung des Internets 41 f. - lAB 36 - Multimedium 49 - Regulierungsmix 42 - TCP/IP 37 Juristische Personen 209 f., 234 ff. Keck 131 ff. Kollisionsrechtliche Anknüpfung 124 ff. - Bestimmungsgemäßer Abrufort 125 - Erfolgsort 125 - Marktortprinzip 125

Kommerzielle Kommunikation 52 ff. - Direktmarketing 60 ff. - Marktforschung 54 - Vertragsangebot 58 f. - Werbefinanzierte Dienstleistungen 88, 266 ff. - Wirtschaftswerbung 56 Kommunikative Konzeption 198 ff. - Kommunikatives Näheverhältnis 203 - Selbstbestimmter Kommunikationsraum 227 Konsumentensouveränität 187 Kostenverlagerung 245 Kundenbindungsmanagement 71 - Newsletter 51,274 f. - Permission Based Marketing 70 f. Leistungsbeschreibung 265 Markuransparenz 57 Nachahmungsgefahr 92, 243 f. Negative Informationsfreiheit 229 ff. Nutzenmaximierung 79 f. Objektiver Empfängerhorizont 278 Offenkundige Ablehnung 106, 11 Öffnungsklausel 225 Opt-in 85, 92 ff., 101 Optionsklausel 270 Opt-out 92, 102 Persönlichkeitsrecht (siehe Allgemeines Persönlichkeitsrecht) Personale Selbstbestimmung 189 ff. Privatsphäre 85 ff. Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 234 ff. Rechtsbruch 240 Rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen 264 Remailer67 Right of Publicity 183 Sachrecht 122 Schockwerbung 82 Schutz vor jedweder Belästigung 185 Selbstbestimmte Kommunikation 199 ff.

Sachwortverzeichnis

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Selbstkontrolle 97 ff. SMS 25, 44, 92 Sozialinadäquanz 213 ff. Spürbarkeitsgrenze 136 Störer 155 ff. - Mitstörer 155 - Mittelbarer Störer 155 Subsidiaritätsprinzips 97 ff.

UnteriassungskIagengesetz 153 UWG 237 ff. - Anreißen 242 - Funktionswandel des Wettbewerbsrechts 238 - Gute Sitten 238 ff. - Schutzgesetzqualität 159 - Verwilderung der Wettbewerbssitten 243

Technische Maßnahmen 68 ff. Telefonwerbung 85 ff. Telex- und Telefaxwerbung 89 ff. TK-Datenschutzrichtlinie 115 ff.

Verbraucherpersönlichkeitsrecht 186 ff. Verbraucherleitbild 113 f. Verhaltenskodex 97 f. Verhaltensunrecht 173 Voice-Mail-Systeme101.112. 247

Umsetzung 104 ff., 120 ff., 168 ff. - Mindest- oder Höchststandards 108 ff. - Mindestharmonisierung 109 - Richtlinienkonfonne Auslegung 103, 156 - Teilharmonisierung 108 - Vollharmonisierung 112 Unentrinnbarkeit 207 Unterlassungsanspruch 159 f., 241

Werbeanrufe (siehe Telefonwerbung) Werbefinanzierte Verträge 266 Widerruf 100, 262 f. Wiederholungsgefahr 154 Wirtschaftspersönlichkeitsrecht 186 ff. Zeitaufwand 248 f.