Parteiautonomie: Die Bedeutung des Parteiwillens und die Entwicklung seiner Schranken bei Schuldverträgen im deutschen Rechtsanwendungsrecht des 19. und 20. Jahrhunderts [1 ed.] 9783428485697, 9783428085699

Die Parteiautonomie im internationalen Schuldvertragsrecht, also die Möglichkeit der Vertragsschließenden, das auf ihre

131 99 23MB

German Pages 233 Year 1995

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Parteiautonomie: Die Bedeutung des Parteiwillens und die Entwicklung seiner Schranken bei Schuldverträgen im deutschen Rechtsanwendungsrecht des 19. und 20. Jahrhunderts [1 ed.]
 9783428485697, 9783428085699

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Schriften zur Rechtsgeschichte Band 66

Parteiautonomie Die Bedeutung des Parteiwillens und die Entwicklung seiner Schranken bei Schuldverträgen im deutschen Rechtsanwendungsrecht des 19. und 20. Jahrhunderts

Von

Joachim Püls

Duncker & Humblot · Berlin

Joachim Pills · Parteiautonomie

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 66

Parteiautonomie Die Bedeutung des Parteiwillens und die Entwicklung seiner Schranken bei Schuldverträgen im deutschen Rechtsanwendungsrecht des 19. und 20. Jahrhunderts

Von

Joachim Püls

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Püls, Joachim: Parteiautonomie : die Bedeutung des Parteiwillens und die Entwicklung seiner Schranken bei Schuld Verträgen im deutschen Rechtsanwendungsrecht des 19. und 20. Jahrhunderts / von Joachim Püls. Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zur Rechtsgeschichte ; H. 66) Zugl.: Bayreuth, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08569-8 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-08569-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Quid enim tarn congruum fldei humane, quam ea, quae inter e os placuerunt, servare? Ulpian, Digesten 2,14

Vorwort

Die Arbeit lag im Wintersemester 1994/95 der juristischen Fakultät an der Universität Bayreuth als rechtswissenschaftliche Dissertation vor. Mein besonderer Dank gebührt Prof. Dr. Ulrich Spellenberg. Ihm zuvorderst verdanke ich die Heranführung an das Internationale Privatrecht und die beständige Förderung meines Interesses an dieser Materie. Als Doktorvater hat er mein Vorhaben stets unterstützt, mir dabei aber auch den notwendigen Freiraum gelassen. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Walter Rodino für die freundliche Betreuung im Rahmen meines Forschungsaufenthaltes bei UNIDROIT, Herrn Wilhelm Schloßmacher für die sorgfaltige Durchsicht des Manuskriptes sowie dem Freistaat Bayern und seinen Steuerzahlern für das mir zuteilgekommene Stipendium im Rahmen der Graduiertenförderung. Für das mir entgegegebrachte Verständnis und die erwiesene Geduld gilt mein freudiger Dank Andrea und meiner Familie.

Dresden, im Juni 1995

Joachim Püls

Inhaltsverzeichnis Einleitung

19

§ 1. Die Parteiautonomie als Thema

19

§ 2. Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung

20

§ 3. Bemerkungen zur Methode

21

A. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts

24

§ 1. Der Begriff der Autonomie im Privatrecht I.

Der weite und der enge Autonomiebegriff

II. Der Begriff der Privatautonomie § 2. Die Grundlegung des Autonomiegedankens I.

Die Philosophie Kants 1. Das Prinzip der Autonomie bei Kant 2. Der Einfluß des Autonomie-Prinzips auf das Privatrecht und das Kollisionsrecht

24 24 25 26 27 27 28

II. Weitere ideengeschichtlich orientierte Begründungsansätze der kollisionsrechtlichen Autonomie

32

III. Die sozio-ökonomischen Aspekte der privatrechtlichen Freiheit

33

§ 3. Die Autonomie des Willens und die Rechtsordnung I.

Die positive, originäre Kraft des Willens

II. Die dogmatische Einbindung des Willens in die Rechtsordnung 1. Der Standort des Willens

35 35 36 36

a) Die derivative Stellung des Willens

36

b) Husserl: Die geltungserzeugende Kraft der Verträge

38

2. Das Problem einer Systematisierung der Schranken

40

B. Der Parteiwille und die zwingenden Normen im System des internationalen Schuldvertragsrechts vor Etablierung der kollisionsrechtlichen Verweisung

43

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

43

I.

Einführung

43

Inhaltsverzeichnis

8

1. Die Ansichten über das Erscheinen des Parteiwillens im Kollisionsrecht 2. Die Terminologie und ihre Kritik

43 45

a) Die kollisionsrechtliche Rechtswahl, die materiellrechtliche Rechtswahl

46

b) Die unechte Rechtswahl

49

c) Die mittelbare Rechtswahl

49

II. Der methodologische Ausgangspunkt: Der Übergang von der Statutentheorie zur Lehre von den Kollisionsnormen 1. Neuansatz und Elemente der Kontinuität bei v. Wächter

51

2. v. Savigny

56

a) Die Grundsätze

56

b) Beurteilung durch die Lehre

58

c) Stellungnahme und Folgerungen für den Parteiwillen als Grundsatz

61

§ 2. Schranken I.

51

Einführung

64 64

II. Die Prohibitivgesetze als Schranken der Parteivereinbarungen 65 III. Die Entdeckung des undifferenzierten ordre public als Element des kollisionsrechtlichen Systems: Die Lehre von den Prohibitivgesetzen bei v. Wächter und v. Savigny 67 1.v. Wächter

67

2. v. Savigny

71

IV. Die romanische Schule des ordre public

75

V. Die Konkretisierung zwingender Normen im Hinblick auf die Lehre vom ordre public VI. Zusammenfassung und Stellungnahme § 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration des Parteiwillens im Obligationenrecht.... I.

Der "Auslandsbezug"

77 83 85 85

II. Die Vereinbarung über das anwendbare Recht

90

1. Die "freiwillige Unterwerfung" bei v. Savigny

90

a) Die Konzeption v. Savignys und ihre Offenheit für den Parteiwillen

90

b) Die Kritik im Hinblick auf die Grenzen der Unterwerfung

93

c) Die Kritik der "präsumtiven" Unterwerfung

95

2. Die Verbreitung und Strukturierung der Unterwerfung a) Die Anerkennung und Rechtfertigung des Parteiwillens b) Der Verweisungsvertrag bei Zitelmann III. Der Parteiwille und die ihn beschränkenden Rechtsordnungen

98 98 102 103

Inhaltsverzeichnis

9

1. Die lex fori

103

2. Die lex loci contractus

106

3. Die lex loci solutionis

108

4. Sonstige Lösungen

109

IV. Die Bedeutung des gewählten Rechts bei der rein materiellrechtlichen Rechtswahl... 111 1. Die Geltung des vereinbarten Rechts a) Die Geltung als Vertragsbestandteil oder als "Recht" b) Der Geltungsumfang und die Spaltung des Vertragsstatuts

113 114

3. Das Verhältnis des gewählten Rechts zu besonderen Instituten des IPR

117

a) Das Formstatut und die lex causae

117

b) Das Handeln in fraudem legis und der ordre public

118

c) Der Renvoi

120

d) Die Anwendung vertragsstatutsfremden zwingenden Rechts

122

§ 4. Der Parteiwille in der Rechtsprechung Vorbemerkung

II. Die Stellung des Parteiwillens in der Rechtsprechung 1. Die Priorität des Parteiwillens 2. Die Schranken der Parteivereinbarungen III. Die Bedeutung der Rechtsprechung für die Entwicklung der Willensdogmatik

125 126 126 127 127 130 135

1. Die allgemeine Einschätzung durch die Literatur

135

2. Die Bewertung durch die Spezialliteratur zum internationalen Obligationenrecht

136

3. Eigene Stellungnahme

137

§ 5. Die Parteiautonomie in den Kodifikationsbestrebungen des 19. Jahrhunderts I.

111

2. Exkurs: Die Frage nach der Revisibilität

V. Ergebnis

I.

111

Die bestehenden Kodifikationen auf der Ebene der Einzelstaaten

II. Die privaten Entwürfe

140 140 141

1.Mommsen

141

2. Rocholl

141

3. Niemeyer

142

4. Neumann

142

III. Die Entwürfe und Beratungen in den Kommissionen 1. Die Entwürfe bis zur Einsetzung der IPR-Kommission

143 143

Inhaltsverzeichnis

10 a) Die Vorentwürfe Gebhards

143

b) Die Beratungen und der Entwurf der 1. Kommission

145

c) Die Beratungen und der Entwurf der 2. Kommission

147

2. Die "IPR-Kommission" IV. Zusammenfassung und eigene Stellungnahme C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie im neueren IPR der Schuldverträge § 1. Die Überwindung der bloß materiellrechtlichen Verweisung I.

Die positivistische Rechtfertigung der kollisionsrechtlichen Verweisung

147 149 151 151 152

1. Das Zurückstellen logischer Bedenken

152

2. Die Distanzierung vom hypothetischen Parteiwillen als Ausdrucksform der Parteiautonomie

155

II. Die Interessen des Kollisionsrechts als Rechtfertigung

157

1. Die Rechtssicherheit

157

2. Die Praktikabilität

158

III. Die Interessen der Parteien als Rechtfertigung

159

1. Die ökonomischen Interessen

159

2. Die antropozentrischen Interessen

161

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

164

I.

Der Auslandsbezug 1. Der Auslandsbezug als Kriterium zur Beschränkung der wählbaren Rechtsordnungen

164 164

a) Von der objektiven Verknüpfung zum legitimen Interesse

164

b) Der Gleichlauf von Gerichtsstand und gewähltem Recht

167

2. Der Auslandsbezug als Kriterium der Beschränkung der Rechtswahl selbst

168

a) Der Auslandsbezug als Voraussetzung des Kollisionsrechts

168

b) Der Auslandsbezug als Voraussetzung der kollisionsrechtlichen Verweisung

169

c) Die Parteiautonomie in Art. 27 Absatz 1 EGBGB

172

II. Die Diversifikation der Rechtswahl und der Rückgriff auf die materiellrechtliche Verweisung 1. Die Teilverweisung 2. Die zeitliche Arretierung oder Veränderung des Vertragsstatuts

176 176 178

3. Der "rechtsordnungslose" Vertrag

180

4. Die Wahl eines Kollisionsrechts

184

Inhaltsverzeichnis III. Sonderanknüpfungen und Eingriffsnormen als inhaltliche Schranken der Rechtswahl 1. Sonderanknüpfungen a) Allgemeine Wirkung b) Die Anwendungsgrenzen der Sonderanknüpfungen und das Verhältnis der Anknüpfungen zwingender Bestimmungen am Beispiel des Art. 29 I EGBGB 2. Eingriffsnormen

1]

186 186 186 189 192

Schluß

196

Literaturverzeichnis

198

Personenregister

220

Chronologisierte Auswahlbibliographie

222

Personenindex zur Auswahlbibliographie

231

Abkürzungs- und Zeitschriftenverzeichnis a.A.

anderer Ansicht

a.a.O.

am angegbenen Ort

a.F.

alte Fassung

Abi. EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, deutsche Ausgabe

Abs.

Absatz

AG

Amtsgericht

AGBGB

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen v. 09.12.1976 (BGBl. I S.3317)

ähnl.

ähnlich

amtl.

amtlich

Anm.

Anmerkung

Ann.Fac.Liège

Annales de la faculté de droit de Liège, Liège

Anzeiger

Anzeiger. Oesterreichische Akademie der Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse, Wien

ArchprRWiss

Archiv ftlr practische Rechtswissenschaft aus dem Gebiete des Civilrechts, des Civilprozesses und des Criminalrechts, Regensburg (später: Leipzig und Marburg)

ARSP

Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Stuttgart

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

Ausg.

Ausgabe

AWD

Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters, Heidelberg (ab 1976 siehe: RIW)

BB

Betriebsberater, Heidelberg

Bd.

Band

bes.

besonders

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch v. 18.08.1896 (RGBl. 195)

BGH

Bundesgerichtshof

bgl.

bürgerlich

Bsp.

Beispiel

BT-Drs.

Drucksache des Deutschen Bundetages

bzw.

beziehungsweise

Abkürzungs- und Zeitschriftenverzeichnis Clunet

Journal de droit international, Paris

d.

der, die, das

d.h.

das heißt

DB

Der Betrieb, Düsseldorf

ders.

derselbe

DGVR

13

Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Karlsruhe

DIP

Droit International Privé

DJT

Deutscher Juristen Tag

dt.

deutsch

E

Entscheidung

ebd.

ebenda

EuGVÜ

Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, München

EuZW EVÜ

EG - Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 (ABl. EG 1980 Nr. L 266/1)

f., ff.

folgend, folgende

Fn.

Fußnote

gänzl.

gänzlich

GMS

Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (s.u. Kant im Literaturverzeichnis)

GruchotsBeitr

Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, Begründet von J.A. Gruchot

HAG

Handelsappellationsgericht

HGB

Handelsgesetzbuch v. 10.05.1897 (RGBl. 219 / BGBl.

Hrsg.

Herausgeber

i.d.R.

in der Regel

i.E.

im Ergebnis

i.e.S.

im engeren Sinne

i.R.d.

im Rahmen der

i.S.

im Sinne

III 4100-1)

i.V.m.

in Verbindung mit

i.w.S

im weiteren Sinn

ICLQ

The International and Comparative Law Quaterly, London Internationales Privatrecht

IPR

Abkürzungs-und Zeitschriftenverzeichnis IPR Rspr.

Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts, Tübingen

lus Commune

Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt a.M.

JCL

Journal of Comparative Law, Baltimore (Maryland)

JehringsJb

Jehrings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts, Jena (bis 36. Jg. unter dem Titel: Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Hrsg.: Jehring, Rudolf v. / Gerber, Carl Friedrich v.)

Jg.

Jahrgang

Jh.

Jahrhundert

JuS

Juristische Schulung, München/ Frankfurt

JW

Juristische Wochenschrift, Berlin

JZ

Juristenzeitung, Köln

krit.

kritisch

KritVjSchr

Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung, Tübingen/ Leipzig (vormals: Kritische Überschau der deutschen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, München)

KritZAusl

Kritische Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes, Heidelberg

l.r.a.

locus regit actum

LdR

Lexikon des Rechts

LG

Landgericht

LZ

Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht, Leipzig

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

MLR

Modern law review, London

MS

Metaphysik der Sitten (s.u. Kant im Literaturverzeichnis)

NiemZ

Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht, Leipzig (bis 1902: Zeitschrift für internationales Privatund Strafrecht / bis 1909: Zeitschrift für internationales Privat- und öffentliches Recht) Begündet von F. Böhm [In älteren Werken zit. als BöhmsZ oder ZIR]

NJW

Neue Juristische Wochenschrift, München

no.

numméro

Nr.

Nummer

NTIR

Nederlands tijdschrift voor internationaal recht, Leiden

o.O.

Ohne Ort

OAG

Oberappellationsgericht

ObTrib

Obertribunal

Abkürzungs- und Zeitschriftenverzeichnis

15

OG

Obergericht

OLG

Oberlandesgericht

ÖZöR

österreichische Zeitung für öffentliches Recht, Wien

passim

hier und da, öfter

RabelsZ

Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, Tübingen. Hrsg.: Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht, Hamburg

RdA

Recht der Arbeit, München

RDIC

Revue de droit international et de droit comparé, Bruxelles (bis 1939: Revue trimestrelle)

RDILC

Revue de droit international et de législation comparée, London, Brüssel, Paris. Hrsg.: Asser / Westlake/ Rolin / Jaquemys / Rivier

RDIPP

Rivista di diritto internazionale privato e processuale,

Rdnr.

Randnummer

Rec.Cours

Académie de Droit International, Recueil des Cours,

Padua

Den Haag REDI

Revista espanola de derecho internacional, Madrid

Rev.Crit.

Revue Critique de Droit International Privé, Paris

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGRK

Kommentar der Reichsgerichtsräte

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RIDA

Revue internationale du droit d'auteur, Paris

RIDC

Revue internationale de droit comparé, Paris. Hrsg.: Société de Législation comparée, Brüssel Recht der internationalen Wirtschaft: Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters, Heidelberg (vormals: AWD)

RIW

ROGHG

Reichsoberhandelsgericht

Rspr.

Rechtsprechung

Rz.

Randzahl

S.

Seite

s.o.

siehe oben

s.u.

siehe unter, siehe unter

seil.

scilicet (nämlich, ergänze)

SeuffBl

Doktor J.A. Seufferts Blätter für Rechtsanwendung, Erlangen

sie!

wirklich so!

SJZ

Schweizerische Juristenzeitung, Zürich

16 sogl.

Abkrzungs- und Zeitschriftenverzeichnis sogleich

Sp.

Spalte

StiethorstsArch

Archiv für Rechtsfälle die zur Entscheidung des Königlichen Obertribunals gelangt sind, Berlin. Hrsg.: Striethorst, Theodor

Tit.

Titel

u.

und

u.a.

und andere

u.sp.

und später

u.U.

unter Umständen

umgearb.

umgearbeitete

UNCITRAL

United Nations Commission on Trade Law

UNIDRIOIT

Internationales Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts, Rom

usw.

und so weiter

v.

von

v.a.

vor allem

verb.

verbesserte

Verf.

Verfasser

verm.

vermehrte

vgl.

vergleiche

VuR

Verbraucher und Recht, Düsseldorf

w.N.

weitere Nennungen / Nachweise

WM

Wertpapier Mitteilungen. Zeitschrift ftlr Wirtschaftsund Bankrecht, Frankfurt

z.B.

zum Beispiel

z.T.

zum Teil

ZDR

Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft, Leipzig. Hrsg.: August Ludwig Reyscher und Wilhelm Eduard Wilda. Nachdruck der Ausgabe 1839-1861, Vaduz 1985

Zentralblatt f.jur. Prax.

Zentralblatt für die juristische Praxis, Wien

ZfRV

Zeitschrift ftlr Rechtsvergleichung, Wien

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht

zit.

zitiert

ZLR

Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen, Berlin u.a.

ZNR

Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte, Wien

ZPO

Zivilprozeßordnung v. 30.01.1877 (RGBl. 83 / BGBl. III 310-4); Neufassung v. 12.09.1950

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik, München

Abkürzungs- und Zeitschriftenverzeichnis

17

zust.

zustimmend

ZVglRW

Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft, Heidelberg (bis 1977: Stuttgart)

Einleitung

§ 1. Die Parteiautonomie als Thema Die Parteiautonomie ist heute im IPR allgemein anerkannt, dies jedenfalls soweit es sich um das Gebiet des internationalen Schuldvertragsrechts handelt. Ihre Geschichte ist als "... ein Labyrinth von richtigen Ansätzen, MißVerständnissen und logischen Fehlschlüssen" bezeichnet worden1. Das wissenschaftliche Interesse dieses Jahrhunderts konzentrierte sich aber eher auf die rechtstechnische Ausgestaltung und Fortentwicklung der Parteiautonomie als Anknüpfungsbegriff. Deshalb, und weil sich hinter der Parteiautonomie zentrale Fragen und Probleme des internationalen Privatrechts verbergen, war und ist sie Gegenstand zahlreicher Untersuchungen2. Dabei galt das Hauptaugenmerk der Publikationen dieses Jahrhunderts zunächst der Frage, ob dem Parteiwillen überhaupt eine Bedeutung als Anknüpfungspunkt einer Kollisionsnorm zukommen kann. In Deutschland fand diese Auffassung über die Bedeutung des Parteiwillens seit den Arbeiten von Mayer und Haudek rasch eine wachsende Anhängerschaft. Es galt aber nunmehr, dem "möglich" gewordenen Rechtsinstitut für die Anknüpfung schärfere Konturen zu geben, was über einen längeren Zeitraum hin auch dominierendes Thema der wissenschaftlichen Untersuchungen war und zur Behandlung einer Reihe von Einzelproblemen gefuhrt hat. Aber auch in jüngster Zeit ist es um die Parteiautonomie nicht ruhiger geworden, nachdem schon 1967 Lalive der Parteiautonmie bescheinigte, sie sei "... un principe quasi universel de droit international privé (et qui pourrait constituer l'un des éléments du 'droit international privé international· de l'avenir)..." 3. Dabei stehen heute die Fragen über das Verhältnis von Parteiautono1

Keller/Siehr,

Allgemeine Lehren des IPR, S.366.

2

Einen - freilich nur ausschnitthaften - Eindruck von der Fülle der Literatur vermittelt die im Anhang abgedruckte Auswahlbibliographie. 3

2:|:

Lalive, Rec.Cours 1967, S.621.

20

Einleitung

mie und deren Schranken in in- und ausländischen Wirtschaftsordnungen sowie die Rolle der Parteiautonomie im Rahmen von methodologischen Neuorientierungen des Kollisionsrechts4 im Vordergrund. Angesichts der dabei auftauchenden Fragen, besitzt das von Wicki5 im Vorwort seiner weit gespannten dogmengeschichtlichen Untersuchung vorausgeschickte Diktum Gültigkeit: "Von der Faszination abgesehen, die zu allen Zeiten von diesem Thema [seil.: der Parteiautonomie] ausging - schlug sich doch im Lauf der Jahrhunderte in zahllosen Büchern, Abhandlungen und Streitschriften ein fast unübersehbare Fülle an Lehrmeinungen nieder - und die auch heute noch fortwirkt, mag es deshalb nicht nutzlos sein, die Entwicklung der Parteiautonomie nachzuzeichnen und es auch so dem Praktiker zu ermöglichen, sich auf ihren geschichtlichen Werdegang zu besinnen." § 2. Ziel der Arbeit und Gang der Untersuchung Die Parteiautonomie wurde stets im Schnittpunkt von materiellem Recht, internationalem Privatrecht und Rechtsphilosophie angesiedelt6. Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein, den "Schwellenbereich" zwischen den beiden Arten der Parteiverweisung, die heute als materiellrechtliche und kollisionsrechtliche Rechtswahl bekannt sind, zu erhellen, müssen doch beide als Ausdruck einer Autonomie der Parteien verstanden werden. Um dieses Autonomieverständnis zu untermauern, wird im ersten Teil ein Versuch über den Begriff, die philosophische und sozio-ökonomische Grundlegung sowie die Ausgestaltung der Autonomie im deutschen Privatrecht des vergangenen Jahrhunderts unternommen. Damit ist auch zugleich der grobe Rahmen für die Untersuchung des zweiten Teils festgelegt, denn schlagwortartig wird damals die materiellrechtliche Verweisung mit der Privatautomie gleichgesetzt. Wieweit diese Gleichsetzung für die Entwicklung im 19. Jahrhundert ihre Berechtigung hat, soll die historisch angelegte Untersuchung der Parteiautonomie näher beleuchten. Dabei ist neben der grundsätzlichen Bedeutung der geschichtlichen Aspekte für die relativ

4

Vgl. Flessner, lnteressenjurisprudenz, 97 ff.

^ Wicki, Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, Winterthur 1965. 6

Vgl. etwa Neumann, Vertragsgültigkeit, S.148 Fn. 2.

§ 3. Bemerkungen zur Methode

21

"junge" Lehre vom internationalen Privatrecht7 insbesondere Aufschluß über Inhalt und die dogmatische Ausgestaltung der bloß materiellen Verweisung zu erwarten, die dennoch über das hinausgeht, was hinter der allgemeinen Privatautonomie steht. Im dritten Teil wird dann die Entwicklung einer in ihren Voraussetzungen immer freier werdenden Parteiautonomie und der damit verbundene Funktionswandel zur kollisionsrechtlichen Verweisung untersucht. Dabei wird auch erörtert, welche Rolle der materiellrechtlichen Verweisung im heutigen IPR der Schuldverträge nach einer Verlagerung der Schrankenproblematik noch zukommt. Aus heutiger Sicht gilt es zu fragen, ob die materiellrechtliche Verweisung tatsächlich kein Problem des internationalen Schuldrechts ist, oder ob sie nicht schon wegen der zur Abgrenzung erforderlichen Kenntnisse und Techniken des Kollisionsrechts und im Hinblick auf die letztlich dominierende Frage nach den Schranken (die sich bei beiden Arten der Rechtswahl stellt) nicht eher als einen Unterfall eines auch das IPR kennzeichnenden und unverzichtbaren, umfassenden Grundsatzes der "Parteiautonomie" betrachtet werden muß. Dieses Verständnis mag zwar von den konkreten Auswirkungen her gesehen eher unbedeutend erscheinen, ist aber für den richtigen Umgang mit dem Parteiwillen wichtig und trägt dazu bei, der im IPR latenten Gefahr eines "selbstreferentiellen" Systems zu begegnen8. § 3. Bemerkungen zur Methode "Zum Verständnis unserer Disziplin muss die Vergangenheit gründlich studirt werden und nur dann können wir die heutige Doctrin richtig würdigen und weiterbilden. Unzweifelhaft ist dieser Weg mühevoll und schwerfällig, allein derjenige irrt sich, der da glaubt, dass die Geschichte des internationalen Privatrechts eine unnöthige und unpraktische zuthat sei, die etwa blos zur Garnitur der Materie diene."9

An diesem von Meili aus dem Jahre 1891 stammenden Bekenntnis sollte es auch für den "modernen" Kollisionsrechtler keinen Zweifel geben. Der Ansatz

7

Vgl. Lalive, Rec.Cours 1977, S.53 ff.

8

Vgl. zu dieser Gefahr Flessner, lnteressenjurisprudenz, S.143 ff.(145); über die selbstreferentiellen oder auto-poietischen Systeme grundlegend: Luhmann, Soziale Systeme, S.57 ff., 296 ff.; vgl. auch Pawlowski, Einführung in die juristische Methodenlehre, S.182 ff. 9

Meili, Doctrin, S.135 [Bei allen historischen Zitaten wurde die ursprüngliche Schreibweise beibehalten, der Verf.]

22

Einleitung

eines "Brückenschlages" von der rechtsgeschichtlichen Betrachtung zur Analyse des gegenwärtigen Rechtszustandes bietet sich für die vorliegende Untersuchung an 10 , geht es doch um die Erfassung des Inhalts eines Rechtsinstitutes, dessen Entstehungsvoraussetzungen nur vor dem Hintergrund der historischen Ordnung verständlich werden 11. Gleichzeitig handelt es sich aber auch darum, den Parteiwillen in seiner "jüngeren" Entwicklung darzustellen, wenngleich betont werden muß, daß es weniger darum geht den "Gang der Rechtsidee" durch die Geschichte nachzuzeichnen12. Vielmehr soll der Weg einer "neueren Zeitgeschichte" beschritten werden 13, die sich sowohl als Beitrag zum Verständnis der gegenwärtigen Rechtsordnung versteht14 als auch der Erscheinung Rechnung trägt, die Mayer-Maly als "Wiederkehr von Rechtsfiguren" infolge des begrenzten juristischen Inventariums bezeichnet hat 15 . Dabei wird auch versucht, der Forderung nach einer "applikativen Hilfsfunktion" historischer Untersuchungen nachzukommen, insbesondere hinsichtlich der Erschließung der Quellen und der damit verbundenen Schaffung einer Basis für die Beantwortung aktueller Fragen und rechtspolitischer Erörterungen 16. Der Versuch einer umfassenden Einbeziehung der Autonomie als Phänomen der Privatrechtsordnung in die Untersuchung ist zum einen bereits thematisch bedingt, wird die materiellrechtliche Rechtswahl doch als Aufluß der Vertragsfreiheit gesehen und wurde nicht selten auch die kollisionsrechtliche Rechtswahl mit der materiellrechtlichen Privatautonomie begründet. Zum anderen soll damit die Notwendigkeit einer generalistischen Betrachtungsweise in einem Zeitalter betont werden, in dem auch vor der Jurisprudenz der Trend zum Spe-

^ Zu den Methodenfragen im Umgang mit rechtshistorischen Fragestellungen vgl. Coing , Aufgaben des Rechtshistorikers, S.9 ff.; Landau, Bemerkungen, S.l 17 ff. 11

Vgl. dazu Coing , Aufgaben des Rechtshistorikers, S.l8.

12

Vgl. Grimm, Rechtswissenschaft und Nachbarwissenschaften, S.22 ; kritisch auch Coing , Aufgaben des Rechtshistorikers, S.31, der auf die Gefahren hinweist, die vom Bild einer organischen Entwicklung ausgehen. 13 Vgl. Grimm, Rechtswissenschaft und Nachbarwissenschaften, S.ll; Klippel, Zeitgeschichte, S.5, 33 ff., 34 Fn. 168 m.w.N. 14

Juristische

In diesem Sinn Grimm, Rechtswissenschaft und Nachbarwissenschaften, S.25 und passim.

15

Mayer-Maly, Wiederkehr von Rechtsfiguren, S.l ff.; zust. Coing , Aufgaben des Rechtshistorikers, S.39; Kritik bei Klippel, Juristische Zeitgeschichte, S.21, die sich aber nur gegen den Ansatz als Versuch einer modelltheoretischen Legitimation der Rechtswissenschaften wendet. 16 Vgl. Landau, Bemerkungen, S.l 18. Die Notwendigkeit vertikaler Rechtsvergleichung für den "Argumentationshaushalt" der Juristen und bei der Lösung aktueller Probleme betont Hübner, Retrospektive Rechtsvergleichung, S.236 ff.

§ 3. Bemerkungen zur Methode

23

zialistentum nicht Halt macht - und wegen der erreichten Technizität des Rechts auf vielen Gebieten auch nicht Halt machen kann17.

17 Ein gutes Beispiel für die general istische Sicht findet sich bei Schnitzer, Rechtsvergleichung, S.13 ff.

Α. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts

§ 1. Der Begriff der Autonomie im Privatrecht

I. Der weite und der enge Autonomiebegriff

Der Begriff der Autonomie hatte in Deutschland aufgrund seines stammesgeschichtlichen Ursprungs und der territorialstaatlichen Entwicklung eine lange Tradition. Nach Reiss war es Schilter, der in seiner "Praxis iuris Romani in foro Germanico" 1713 den Begriff als terminus technicus in die Rechtswissenschaft eingeführt hat, wobei er ihm eine weite Bedeutung zuschrieb: Es sollte jede dem gemeinen Recht widersprechende partikuläre Rechtsbildung darunter zu verstehen sein18. Thibaut faßte die "... ungeschriebenen Gesetze, welche die Bürger sich selbst oder anderen geben" darunter 19. In einem derartigen weiten Verständnis lebte die alte germanische "Verwillkürung" fort, die im Vertrag nicht bloß einzelne subjektive Rechte aufgrund eines objektiven Rechts gewährleistet sah, sondern die selbst als Quelle objektiven Rechts aufgefaßt wurde 20 . Im beginnenden 19. Jahrhundert setzte mit der Disskussion um die Autonomie als Rechtsquelle jedoch die Beschränkung des Begriffs auf die Hausgesetzgebung der Adelsfamilien, bestimmter Städte und Souveräne ein 21 . Dieses enge Verständnis der Autonomie als Selbstgesetzgebung gründete sich auf ein 18

Vgl. Reiss, Kritik, S.6; zur Begriffsgeschichte der Antike vgl. Würtenberger,

LdR, 2/40.

19

Thibaut, Pandekten I, S.20, freilich in Abhängigkeit eines allgemein erlaubenden Willens des Regenten, a.a.O., S.14; vgl. auch schon Danz, Handbuch, S.190, der die Freiheit, durch Kontrakt von den Gesetzen abzurücken, unter dem Stichwort "Autonomie" erörtert. Weitere Nachweise über das weite Autonomieverständnis bei Wilda, Weiskes Rechtslexikon, S.542, 547 f. 2 0 21

Ebel, Willkür, S.37.

Vgl. Murakami , Privatautonomie, S.469; auch die autonomische Rechtssetzung durch Verbände gehörte zu der Autonomie i.e.S., vgl. Gierke, Dt.Privatrecht I 1, S.142 ff.

§ 1. Der Begriff der Autonomie im Privatrecht

25

formales Verständnis, das auch Lehens-, Sukzessions- und Primogeniturordnungen und ähnliche "Hausgesetze" nur dann als Gesetze verstand, "... wenn sie ihre gesetzgeberische Kraft in sich selbst tragen und nicht von einer der rechtssetzenden Quelle übergeordneten Behörde, etwa dem Kaiser, erst die Gesetzesqualität erhalten, sei es auch nur in der Form einer unerläßlich notwendigen Bestätigung."22 Der Vertrag unter Individuen wurde nicht länger als originäre Rechtsquelle verstanden, sondern als Rechtsanwendung, die "Verwillkürung" oder "Autonomie" mithin als "Privatgesetzgebung" auf gesetzlicher Grundlage23. II. Der Begriff der Privatautonomie

Wenn der Begriff der Autonomie jenseits des engen Verständnisses nicht überhaupt wegen der noch "herrschenden Verwirrung" abgelehnt wurde 24, so stand man ihm im Privatrecht ab der Mitte des 19. Jahrhunderst zurückhaltend gegenüber und grenzte ihn als bloße Ordnung privater Rechtsverhältnisse sorgfältig zur "echten" Autonomie oder Selbstgesetzgebung ab 25 . "Die Autonomie, insofern sie Gesammtheiten oder Gemeinheiten zukommt, ist von der der Individuen (der Privatautonomie) ihrem Wesen nach verschieden."26 Der Begriff "Privatautonomie" fand gleichwohl Eingang in die Lehrbücher: "Es ist gegen diesen Sprachgebrauch nichts einzuwenden, wenn man nur nicht diese Privatautonomie mit der objektives Recht, Rechtssätze schaffenden Autonomie, mit

2 2

Reiss, Kritik, S.24.

2 3

Vgl. Ebel, Willkür, S.75.

2 4

Vgl. Gerber, System I, S.58; deutlicher: ders., Begriff der Autonomie, S.35 ff.; ders., System I (1875); krit. auch Savigny, System VIII, S.l 12 (vgl. dazu unten Teil Β § 1 II 2a); zust. Reiss, Kritik, S.6. Thöl, Einleitung, S.9: "Mit der Autonomie ist nicht zu verwechseln die unechte Autonomie, nemlich die Privatwillkür. Durch sie entsteht nicht ein Rechtssatz, durch sie wird ein konkretes Rechtsverhältniß [...] begründet und näher bestimmt." Böhlau, Mecklenbg.Landrecht I, S.346: "Längst ist man darüber einverstanden, daß die s.g. Autonomie dispositiven Gesetzen gegenüber nicht wahre Autonomie sei." [Hervorhebung im Original]; Regelsberger, Pandekten I, S.105: "Autonomie wird genannt: A. Die Regelung eines einzelnen Rechtsverhältnisses durch Rechtsgeschäft, das PrivatverfUgungsrecht, die Privatautonomie. In diesem Sinn gehört die Autonomie nicht unter die Entstehungsgründe der Rechtssätze, sie entlehnt ihre Geltung selbst einem (dispositiven) Rechtssatz."; vgl. auch Franken, Dt.Privatrecht, S.45,49. 2 6

Wilda, Weiskes Rechtslexikon, Stichwort "Autonomie", S.539 ff. (545).

26

Α. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts

der Rechtsquelle vermischt."27 So kann die Privatautonomie als prominentes Beispiel für eine historisch jedenfalls mißverständliche Begriffsbildung gelten 28 . Von Deutschland aus fand der Begriff der Autonomie durch das Werk von Foelix zunächst Eingang in die französische kollisionsrechtliche Doktrin, von wo er nach heftiger Ausbreitung als "autonomie de la volonté" die im internen Privatrecht noch gebräuchlichen Begriffe wie "autonomie de parties" und "autonomie de contractants" verdrängte. Während sich im deutschen Recht die Unterscheidung von Privatautonomie für das interne Zivilrecht und Parteiautonomie für das Kollisionsrecht einbürgerte, wurde in Frankreich seit der Jahrhundertwende die "autonomie de la volonté" in beiden Rechtsgebieten als einheitlicher Begriff verwendet29. § 2. Die Grundlegung des Autonomiegedankens Die Frage, warum sich die Idee der Autonomie im Privatrecht und insbesondere im Kollisionsrecht mittlerweile über Jahrhunderte gehalten hat, drängt immer wieder zu philosophischen Erklärungsversuchen. Die dabei als Ausgangspunkt dienenden Ansätze werden im folgenden dargestellt und die Aussagekraft der gewonnenen Erkenntnisse geprüft. Der sich anschließende Abriß der sozio-ökonomischen Aspekte einer sich im 19. Jahrhundert ausdehnenden privatrechtlichen Freiheit bildet dazu den rechtstatsächlichen Gegenpol.

2 7 Stobbe, Handbuch I, S.117; vgl. auch Regelsberger, Pandekten I, S.105; Franken, Dt.Privatrecht, S.49; Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Band 7, Leipzig 1889, findet sich noch kein Eintrag "Privatautonomie", jedoch wird auf die unerschöpfliche Mehrung der Zusammensetzung mit "privat" im 18. und 19. Jahrhundert verwiesen. 2 8 Vgl. Enneccerus, Lehrbuch I 1, S.342 Fn. 8; Würtenberger, ordnungsloser Vertrag, S.56.

LdR, 2/40; Reimann, Rechts-

2 9 Ranouil, Autonomie, S.21, 42 ff.; Rouhette, Force obligatoire, S.38. Insoweit ungenau Schaack, Privatautonomie, S.19: historisch differierte imfranzösichen Kollisionsrecht die "autonomie de la volonté" von der "autonomie de parties", vgl. Ranouil, Autonomie, S.58, 65.

§ 2. Die Grundlegung des Autonomiegedankens

27

I. Die Philosophie Kants

1. Das Prinzip der Autonomie bei Kant In seiner 1785 in erster Auflage erschienenen Grundlegung zur Metaphysik der Sitten entwirft Kant den kategorischen Imperativ als moralisches Prinzip. Seine Untersuchung stützt er auf die Idee und die Prinzipien eines "möglichen reinen Willens", der abstrakt von den Handlungen und Bedingungen des menschlichen Wollens gedacht wird 30 . Ein praktisches Prinzip des Willens ist für Kant "... die Idee des Willens jedes vernünftigen Wesens als eines allgemein gesetzgebenden Willens."31 Kant unterstreicht diese Bedeutung des Willens, indem er präzisiert: "Der Wille wird also nicht lediglich dem Gesetz unterworfen, sondern so unterworfen, daß er auch als selbstgesetzgebend, und eben um deswillen allererst dem Gesetze (davon er selbst sich als Urheber betrachten kann) unterworfen, angesehen werden muß." 32 Den Grundsatz einer derartigen Unterworfenheit allein unter den Willen nennt Kant das "Prinzip der Autonomie"33 und sieht in der bis dato herrschenden Ignorierung dieses Prinzips die Ursache für das Fehlschlagen aller Versuche um das Prinzip der Sittlichkeit34. Die so verstandene Selbstgesetzgebung eines vernünftigen Wesens bedeutet aber, "... keine Handlung nach einer anderen Maxime zu tun, als so ..., daß der Wille durch seine Maxime sich selbst zugleich als allgemein gesetzgebend betrachten könne."35 Diese Autonomie ist letzlich auch der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur 36 und damit als oberstes Prinzip der Sittlichkeit37 anzusehen.

3 0 Kant, GMS, BA XII (15) [Kant wird hier nach der Originalpaginierung zitiert. A steht für die l.Aufl., Β für die 2.Aufl. Die Angabe in runder Klammer bezieht sich auf die Seitenzahl der Weisschedel-Ausgabe]. 31

Kant, GMS, BA 70 (63) [Im Original gesperrt].

3 2

Kant, GMS, BA 70, 71 (64) [Hervorhebung im Original].

3 3

Kant, GMS, BA 74 (66) [Hervorhebung im Original].

3 4

Kant, GMS, BA 73 (65).

3 5

Kant, GMS, BA 76 (67); vgl. auch BA 84 (72): "Nun folgt hieraus unstreitig: daß jedes vernünftige Wesen als Zweck an sich selbst, in Ansehung aller Gesetze, denen es nur immer unterworfen sein mag, zugleich als allgemein gesetzgebend müsse ansehen können ...". 3 6

Kant, GMS, BA 77, 79 (67, 69).

3 7

Kant, GMS, BA 87 (74).

28

Α. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts

Den Verdacht eines Zirkelschlusses in der Beziehung zwischen der Idee der Freiheit als Wesenzug des vernünftigen Wesens und der darauf gegründeten Autonomie widerlegt Kant und hält in der Konsequenz den kategorischen Imperativ für möglich38. Die eigentliche Rechtslehre folgt erst in der 1797 erschienenen Metaphysik der Sitten als deren erster Teil (Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre). "Recht" ist dort definiert als der "... Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann."39 Der dem Recht innewohnende Zwang ist nach Kant auch mit dem Prinzip der Freiheit (wiederum) als "allgemeines Gesetz" in Einklang zu bringen 40. Nach der grundlegenden Darstellung des Begriffs vom "Äusseren Mein und Dein" 41 und dessen Anwendung auf das Sachenrecht, schließen sich in dem Abschnitt "Vom persönlichen Rechte" die Folgerungen des rechtlichen Wollens für die Lehre vom Vertrag an. "Der Akt der vereinigten Willkür zweier Personen, wodurch das Seine überhaupt auf den anderen übergeht, ist der Vertrag." 42 Der eine erwirbt die Willkür des anderen - dieses Verhältnis ist seinem Verständnis nach rein intellektuell, durch den Willen als ein gesetzgebendes Vernunftvermögen zu begreifen, somit jener Besitz als ein intelligibler (possessio noumenenon) nach Freiheitsbegriffen zu denken. Daher kommt es auf einen "empirischen Akt", d.h. eine äußerliche Kenntlichmachung des vereinigten Willens, nicht mehr an 43 . 2. Der Einfluß des Autonomie-Prinzips auf das Privatrecht und das Kollisionsrecht Wenn auch heute der ideengeschichtliche Einfluß als Erklärungsansatz der Privatautonomie eher zurückhaltend eingeschätzt wird 44 , so ist gleichwohl im 3 8

Kant, GMS, BA 111 (90).

3 9

Kant, MS, A 33 (337).

4 0

Kant, MS, A 35 (338,339).

41

Kant, MS, AB 59 ff. (355 ff.).

4 2

Kant, MS, AB 98 (383).

4 3

Kant, MS, AB 99,100 (384).

4 4

Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, S.145; ebenso bereits Gounot, Autonomie de la volonté, S.401; abschwächend Grimm, Voraussetzungen der Vertragsfreiheit, S.1225.

§ 2. Die Grundlegung des Autonomiegedankens

29

19. Jahrhundert selbst eine lebhafte Auseinandersetzung mit philosophischen Prinzipien und bisweilen ein beinahe absoluter Glauben an die Wirkkraft der Philosophie auch im Bereich des positiven Rechts anzutreffen 45. Überwiegend wird denn auch die "geistige Urheberschaft" Kants fur die Privatautonomie46 und ihrer im Bereich des Kollisionsrechts angesiedelten Variante, der Parteiautonomie angenommen47. Für die Kritiker einer auf dem Willen der Parteien beruhenden Anknüpfung lag darin freilich eine unzulässige eine unzulässigen Vermischung der philosophischen und der juristischen Ausprägungen der "Freiheit" und der Kraft des Willens ihren Ursprung haben48. Besonders Caleb versuchte, den Nachweis der Abhängigkeit der "Willensdogmatik" von den philosophischen Ausführungen Kants zu fuhren. Als Erklärung auf die Frage allerdings, warum sich gerade das Kollisionsrecht dafür besonders "anfällig" erwiesen habe, kann er nur auf die Schwierigkeit der Materie verweisen, für die das Prinzip der Willensfreiheit einen sicheren Ausweg bot 49 . Ungeachtet der in der neueren Kantforschung zutage getretenen Schwierigkeiten, die Rezeption von Kants Rechtslehre nachzuweisen50, lassen sich einige 45

Vgl. z.B. Lasalle, Erworbene Rechte, S.XV, XIX; noch Frankenstein, Grenzrecht II, S. V klagt: "Und wie steht es mit der Ableitung des Obligationenrechts, bei dem alle Künste versagen? Auf anderen Gebieten der Rechtswissenschaft ringt man angespannt um die philosophische Begründung, um Klarheit über grundsätzliche Fragen zu gewinnen. Im Grenzrecht steht man einem solchen Versuch befremdet gegenüber." Auch die Nachweise bei Sitzing/Landsberg III/l, S.504, 511 ff. belegen das allgemeine Interesse an philosophischen Grundlegungen. 4 6

Vgl. nur Murakami, Privatautonomie, S.467 ff.

4 7

Anhäusser, Obligationenrecht, S.129; Yntema, Autonomy, S.342; van Hecke, Signfication et limites, 83; Görtz, Parteiwille, S.2.; Caleb, Autonomie de la volonté, S. 16 [er nimmt dabei Bezug auf Kant, MS, BA 33 ff. (337)]; Rouhette, Force obligatoire, S.38 f.; a.A.: Ranouil, Autonomie, S.9 ff., 22; zurückhaltend auch Wicki, Dogmengeschichte, S.36. 4 8 Caleb, Autonomie de la volonté, S. 167 f. konstatiert "... une confusion entre la notion philosophique, très élastique, de l'autonomie de la volonté sortié du courant de l'individualisme et la notion juridique, technique et relative qui sert à résoudre certaines catégories de conflit de lois. L'autonomie de la volonté, au sens technique du mot, a bénéficié - ou souffert - du voisinage des philosophes individualistes. L'homme de Koenigsberg a pris la liberté de la volonté à la base de la morale et le droit à son tour est dominé par celle-ci." 4 9 Caleb, Autonomie de la volonté, S. 168: "A cette question il nous faut fournir une réponse qui malheureusement n'a guère une portée juridique: la science des conflits de lois est à coup sûr l'une des plus arides et abstruses qui sont. La recherche d'une loi compétente peut présenter des difficultés presque insurmontables ... Dans cet état des choses les magistrats ont une tendence, nettement dévoilée dans certains décisions, de recourir à l'autonomie de la volonté." 5 0

Einen umfassenden Überblick über den Stand der Erforschung der Rechtslehre gibt Küsters, Kants Rechtsphilosophie; dort, S.l5, zur Rezeptionsfrage: "Man muß feststellen, daß es eine ent-

30

Α. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts

"Wirkungsaspekte" genauer fassen, als dies mit den oben geschilderten pauschalen Verweisen geschehen ist. a) Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Privatautonomie bereits seit dem 17. Jahrhundert als Wert stärker in das Bewußtsein der Gesellschaft tritt und sich vornehmlich im 19. Jahrhundert ausbreitet51, verträgt sich dies jedenfalls durchaus mit der Feststellung, daß Kant die Freiheit des Menschen in das Zentrum seiner Überlegungen stellt52 und so den Wendepunkt zwischen der Aufklärung und einem dem Individuum mehr Beachtung einräumenden Humanismus, der für das 19. Jahrhundert prägend wurde, markiert 53. b) Kant lehnt die Ableitung seiner Prinzipen aus der "Erfahrung", d.h. der empirischen Erkenntnis ab 54 und möchte sie aus diesem Grunde auch in den "Metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre" gesondert dargestellt wissen, was ihm nicht stets gelingt55. Aber Kant war durchaus mit der Rechtspraxis seiner Zeit vertraut 56 und gerade seine Ausführungen in der Metaphysik der Sitten, wie etwa zu der oben erwähnten Darstellung des Vertrages, lassen einen Eindruck auf die positivistische Rechtslehre nachvollziehbar erscheinen. Die methodischen Unklarheiten, die dieser Übergang zu einer Wissenschaft vom positiven Recht in sich barg, haben allerdings die Akzeptanz seiner späteren Rechtsmetaphysik behindert57. Dies dürfte die Ausbreitung des bereits in den kritischen Schriften ausgeführten Prinzips der Autonomie in der rezipierenden scheidende Wirkung der Rechtslehre nicht gegeben hat. Zwar dürfte Kants Position eine bis in die jüngste Zeit viel beachtete und so wirksame gewesen sein, aber manifest werdende Einflüsse werden von der Forschungs-literatur nur allgemein verzeichnet." [Hervorhebung im Original] Mit Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, kann das ursprüngliche Desinteresse der Forschung an der "spröden, sperrigen Spätschrift" (MS) als überwunden gelten; auch der von Ludwig, Kants Rechtslehre, geforderten Textkorrektur steht man skeptisch gegenüber, vgl. Küsters, Kants Rechtsphilosophie, S.ll f. 51

Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, S.145.

5 2

Böckerstette, Aporien der Freiheit, S.249; a.A. Wolf, Vertragsfreiheit, S.360 ff., der bereits in Kants Kritik der reinen Vernunft Verständnis der Freiheit angelegt sieht, das jedenfalls für den Begriff der "Vertragsfreiheit" zu dessen Auflösung führt. 53

Sitzing/Landsberg III/l, S.503, 509; Trigeaud, auch Curti Gialdino, Rec.Cours, S.812. 54

Humanisme, S. 120 ff.; insoweit zustimmend

A W , G M S , BA 31 (37).

55

vgl. Kant, MS, AB III f. und die Kritik dazu bei Küsters, Kants Rechtsphilosophie, S.8 f.; Smid, Freiheit und Rationalität, S.408 ff. 5 6

Vgl. Küsters, Kants Rechtsphilosophie, S.27 ff., 32 f.

5 7

Küsters, Kants Rechtsphilosophie, S.16; vgl. Larenz, Rechtsgeltung, S.18 Fn. 14.

§ 2. Die Grundlegung des Autonomiegedankens

31

Rechtslehre jedoch eher begünstigt haben. Daß es dabei zu der von Caleb kritisierten "Vermischung" der Willensfreiheit im juristischen und im philosophischen Sinn gekommen ist 58 , ist empirisch nicht nachzuweisen, bleibt aber wegen der Intensität und Abstraktion der Kantschen Philosophie vorstellbar 59. Für die kollisionsrechtliche Dimension der "Autonomie" ist Curti Gialdino einer Überbewertung der Philosophie der Aufklärung mit dem Hinweis auf die bereits seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Ansätze der Rechtswahlfreiheit entgegengetreten60. c) Die rechtspositivistisch praktisch bedeutsamste Wirkung Kants liegt zweifelsohne in seinem Einfluß auf v. Savigny. In einer Untersuchung von Kiefner über Kants Einfluß auf Theorie und Praxis des Zivilrechts im 19. Jahrhundert nimmt daher v. Savigny auch die zentrale Position ein 61 . Kiefner weist die Verwendung Kantischer Axiome in v. Savignys System des heutigen römischen Rechts nach und stellt insbesondere für das Schuldrecht fest: "Das vorzügliche Instrument willkürlicher Selbstbestimmung im Privatrecht ist in der Bestimmung seines Sinns also unmittelbar aus Kant genommen."62 Dabei kann v. Savigny nicht der Vorwurf einer unreflektierten Übernahme des Autonomieprinzips treffen, denn er verweigert sogar dem Begriff "Autonomie" im Bereich

5 8 Vgl. Caleb , Autonomie de la volonté, S.167 f.; ähnl.: Trigeaud, Humanisme, S.124: "Lorsque le kantisme s'est introduit dans le droit privé du XIXe siècle, il a été très vite adopté à des doctrins éloignées de son projet initial. Il a été amalgamé ... avec un individualisme libéral prôné par les économistes et les politiques ... et l'autonomie y a perdu tout portée rationaliste et unversaliste."; dazu auch Rouhette , Force obligatoire, S.39. 5 9

Sitzing/Landsberg III/l, S.510 deutet die Tiefgründigkeit von Kants philosophischer Gedankenführung an: "Das prägt sich schon rein äußerlich darin aus, daß zu seiner Handhabung fortab nicht mehr die populär-philosophische, jedem tüchtigen Juristen ohne weiteres zugängliche Bildung genügt, sondern eine streng spekulative Schulung sich als unentbehrlich erweist." Kant selbst stand einer "Popularität" aus Gründen der Reinheit seiner Lehre ablehnend gegenüber, vgl. GMS, BA 31 (37) ; MS, AB V ff. (310). Den Versuch eines Nachweises der Unabhängigkeit der französischen Autonomisten (v.a. Weiß) bei der Ausformung der Theorie der "autonomie de la volonté" von Kant unternimmt Ranouil, Autonomie, S.53 ff. Dagegen: Rouhette, Force obligatoire, S.39. Einen indirekten Einfluß Kants gesteht freilich auch Ranouil zu, a.a.O., S.56. 6 0

Curti Gialdino, Rec.Cours, S.812 unter Hinweis auf Dumoulin, s.u. Fn. 129.

61

Kiefner,

6 2

Einfluß Kants, S.4 ff.

Kiefrier, Einfluß Kants, S.l5; ähnlich Murakami , Privatautonomie, S.474; in Savignys allgemeiner Kollisionsregel (System VIII, S.l 15) erkenntKiefijer, a.a.O., S.l8, den "... kategorischen Imperativ des Richters in Kollisionssachen" wieder; vgl. unten Fn. 209.

32

Α. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts

des Schuldrechts die Gefolgschaft 63. Andererseits geht v. Savigny über Kant hinaus, indem er die Willenserklärung (mit einer der kantischen Willkür im Rechtsverkehr entsprechenden Bedeutung) als eigentliches Element der Selbstbestimmung zum Zentralbegriff der Rechtsgeschäftslehre macht und so ein zweckfreies System des Privatrechts entwirft 64. d) Der "innere" Wille in Kants abstrakter Denkungsart der Freiheit, wie er auch in seiner Formulierung von der "vereinigten Willkür" als Grundlage der "persönlichen Rechte" Ausdruck gefunden hat, kann schließlich als Einflußfaktor auf den insbesondere in Deutschland um die Jahrhundertmitte heftig geführten Streit über das Verhältnis von Wille und Erklärung gelten65. Die Erklärung war für die Vertreter der Willenstheorie bei der Annahme eines auch rechtsgeschäftlich wirksamen Willens nicht konstitutiv. Insbesondere für die Ausbreitung der "Autonomie" im Kollisionsrecht hat sich jedoch die Annahme einer dem Willen der Parteien entsprechenden Vereinbarung einer Rechtsordnung, ohne daß dieser Wille erklärt worden wäre, vordergründig und daher nur vorläufig als günstig erwiesen: Das Institut der "vermuteten" Rechtswahl, das insbesondere die Rechtsprechung im 19. Jahrhundert prägte, diente lange Zeit als flexible Schnittstelle zwischen einem subjektiven und einem objektiven Rechtswahlverständnis als Anknüpfungskriterium für Schuldverträge 66. II. Weitere ideengeschichtlich orientierte Begründungsansätze der kollisionsrechtlichen Autonomie

Als "Wurzel" der Autonomie im Bereich des Kollisionsrechts wurden auch die aus der Lehre Rousseaus vom Gesellschaftsvertrag übernommenen Fiktionen genannt67 oder eine Deduktion der Autonomie auf der Grundlage von Kelsens reiner Rechtslehre unternommen68. Den Einfluß des Utilitarismus für die Entwicklung und Rechtfertigung des Parteiwillens als Gestaltungsmittel im

6 3

Savigny, System I, S.l Note b, System Vili, S.112; vgl. dazu auch Kiefiier, S.15; Flume , Rechtsgeschäft und Privatautonomie, S.141 und unten. Fn. 204. 6 4

Kiefiier,

6 5

Dazu bereits Caleb , Autonomie de la volonté, S.15 ff.

6 6

Siehe dazu unten Teil Β § 4.

Einfluß Kants,

Einfluß Kants, S.15.

6 7

Meijers, Rec.Cours, 634; Görtz, Parteiwille, S.2; für das Vertragsrecht allgemein: Ghestin, Contrat, S.3. 6 8

Högtun, Parteiautonomie, S.33 ff.

§ 2. Die Grundlegung des Autonomiegedankens

33

Kollissionsrecht unterstreicht Graveson69: Dicey, der mit seinem "Conflict of Laws" eines der meistbeachteten Bücher des Kollisionsrechts geschrieben hat, betonte die Bedeutung der Intention der Parteien für die Ermittlung des "proper law of a contract". Diese Position entsprach seiner Verwurzelung in den Theorien Benthams über den individuellen Nutzen als Grundlage und Zweck menschlichen Handelns. Denn damit geht die Forderung nach einem Höchstmaß an Freiheit, gerade auch im Bereich des Vertragsrechts, einher. I I I . Die sozio-ökonomischen Aspekte der privatrechtlichen Freiheit

Obwohl das Recht der Verträge und damit die Vertragsfreiheit 70 als eine Komponente der Privatautonomie auf eine lange Geschichte zurückblickt, ist festzustellen, daß sich die Ausführungen dazu selbst noch im 18. Jahrhundert auf einem hohen Abstraktionsniveau bewegen. Aussagen in historischen Lehrbüchern über Inhalt und Anwendungsbereich von Verträgen und damit über die Vertragsfreiheit ergehen unter Abstraktion vom tatsächlichen Rechtszustand. Auch die Schranken sind bisweilen undifferenziert dargestellt oder Hinweise darauf fehlen völlig 71 . Aus heutiger Sicht kennzeichnet die Vertragsfreiheit in diesem historischen Stadium die Gewährung von Privilegien zur Überwindung der obrigkeitlichen Reglementierungen in drei Bereichen: im Bereich des Grundstücksverkehrs (Veräußerungs-, Teilungs-, Belastungs- und Nutzungsbeschränkungen), in der Warenproduktion und dem Handel (Bestimmungen über die Produktionsstätten, die Qualität und den Preis von Gütern; Handelsverbote und -beschränkungen für Produkte, Orte oder Personen) sowie bei den Berufsständen (Zunftvorschriften, Lohnbestimmungen)72. In Frankreich fand sich in Turgot, der seit 1774 Finanzminister von Ludwig XVI war, bereits ein glühender Anhänger des Liberalismus und ein scharfer Gegner der überkommenen merkantilistischen Theorie mit ihren strengen ReGraveson, Propper Law, S.6 f. und ders., Aspects philosophiques, S.407; ihm folgend: Simitis, Aufgaben und Grenzen, S.210; Curii Gialdino, Rec.Cours, S.831 ff. m.w.N. über die Wiederkehr von am Utilitarismus orientierten Erwägungen in der kontinentaleuropäischen Rechtsprechung. 7 0 Zu den Elementen, die sich hinter dem Begriff der Vertragsfreiheit verbergen und deren dogmatischer Entwicklung gibt Scherrer, Geschichtliche Entwicklung, S.7 ff. einen historischen Überblick. 7 1 7 2

Grimm, Voraussetzungen der Vertragsfreiheit, S.1221 f.

Vgl. Schmelzeisen, Polizeiordnung und Privatrecht, S.266 ff.; Wesenberg, Privatrechtsgeschichte, S.171 ff.; vgl. auch Eichhorn,, Einleitung, S.902 ff., 911. 3 Püls

34

Α. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts

glementierungen des wirtschaftlichen Verkehrs. In der Präambel des Gesetzesakts für einen freien Getreidemarkt setzt er auf die Qualitäten der Parteien: "Les négociants ... ont des moyens et des ressources qui manquent aux administrateurs les plus éclairés et les plus actifs." 73 Während in Frankreich im Zuge der Revolution weitere Verkehrsschranken fallen und die Vertragsfreiheit 74 schließlich als Prinzip in der eindrucksvollen Umschreibung des Art. 1134 Code Civil 1803 niedergelegt wird, vollzieht sich in Preußen der Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Vertragsfreiheit im Anschluß an die Niederlage gegen Napoléon 1806. Anders als in Frankreich gehen die Impulse für eine Neuordnung der Wirtschaft und die Einführung der Privatautonomie von der liberal gesonnenen Beamtenschaft aus und finden in Stein und Hardenberg ihre wichtigsten Vertreter. Die Rechts- und Sozialordnung des Allgemeinen Landrechts wird durch eine rege Gesetzgebungstätigkeit überholt und die gewonnene Gewerbefreiheit trotzt sogar der Restauration. Eine breit angelegte Entwicklung der Privatautonomie setzt allerdings erst ab 1848 ein. Sie findet in der Aufhebung starrer römisch-rechtlicher Prinzipien durch das ADHGB von 1867 einen Höhepunkt75. Versteht man die Vertragsfreiheit als die Abkehr von staatlich-regulativen Wirtschaftsgesetzen feudalistischer Art und die Hinwendung der staatlichen Gesetzgebung zur Sicherung der natürlichen Abläufe in einem ungelenkten Wirtschaftssystem 76, dann rechtfertigt es die geschilderte Befreiung des Vertrages aus der ständisch-feudalen Sozialordnung, das Entstehen der Vertragsfreiheit als Wesenselement der Privatautonomie erst im 19. Jahrhundert anzusiedeln, in dem sich die wirtschaftlichen Motive des Bürgers weitgehend im Einklang mit dem rechtlichen und politischen System befanden 77. Die Schubwirkung, die davon und von der damit einherschreitenden "Inter-

73

Zit. nach Grimm, Voraussetzungen der Vertragsfreiheit, S.1234.

7 4

Genaugenommen handelt es sich um die Inhaltsfreiheit, die dort geregelt ist. Diese stellt nur einen Teil der Vertragsfreiheit i.w.S. dar, vgl. dazu Scherrer, Geschichtliche Entwicklung, S.9. 7 5

Vgl. Grimm, Voraussetzungen der Vertragsfreiheit, S.1239 ff.; Tapp, Entwicklung der Vertragsfreiheit, S.32. Als Beispiele seien genannt die Abschaffung der laesio enormis und der lex Anastasiana sowie die erweiterte Zulassung von Vertragsstrafen, vgl. Dernburg, Bgl.Recht II (1899), S.171. 7 6

So sieht etwa Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S.513, die Vertragsfreiheit als "... die rechtliche Seite der Marktgemeinschaft". 7 7

Grimm, Voraussetzungen der Vertragsfreiheit, S.l223 m.w.N., 1226; Tapp, Entwicklung der Vertragsfreiheit, S.l34; Wesenberg, Privatrechtsgeschichte, S.l70.

§ 3. DieAutonomie des Willens und die Rechtsordnung

35

nationalisierung" des Handels ausging, mußte auch in der Entwicklung des Kollisionsrechts Wirkung zeigen78. § 3. Die Autonomie des Willens und die Rechtsordnung

I. Die positive, originäre Kraft des Willens

Hatte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Bezeichnung Privatautonomie in Deutschland nur vereinzelt an die Stelle der "Vertragsfreiheit 11 geschoben, so mindert dies nicht die Rolle, die dem Willen im Rechtsgefuge zugewiesen war. Das Vertragsrecht stand infolge der Rezeption des römischen Rechts in Deutschland stark unter dem Einfluß der darin angelegten Vertragsfreiheit. Die bereits bekannten Vertragsverbote, vor allem des "jus publicum", wurden im Rahmen der Rezeption übernommen, jedoch allmählich gelockert. Aber insbesondere mit dem Durchbruch des Konsensualprinzips hatte der Wille der Parteien eine neue Bedeutung erlangt 79. Der neuen, hohen Bedeutung des Parteiwillens entsprach, daß bis weit in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Auffassung überwog, das dispositive Gesetzesrecht stelle nur die "Auslegungen des unvollständig gebliebenen Willens" dar 80 bzw. sei als ein "vermutheter Wille" 81 aufzufassen. Im Falle einer entsprechenden ausdrücklichen oder aus den Umständen zu entnehmenden Erklärung werde das dispositive Gesetz durch die Vereinbarungen der Parteien abgeändert. Im internen Privatrecht ging man ebenso zunächst von einer originären Recht-

7 8

Meili, Doctrin, S.3: "Für das ganze internationale Rechtsleben sind die geographischen Grenzen fast indifferent... Angesichts dieser modernen Gleichwertigkeit des internationalen Lebens mit dem nationalen ist auch das internationale Recht zu einer ganz anderen Bedeutung gelangt, zu einer juristischen Relevanz, die ihm sogar in den glänzendsten Zeiten des Altertums und späteren Perioden nicht zukommen konnte." 7 9

Vgl. Scherrer, Geschichtliche Entwicklung, S.9 ff., 26.

8 0

Savigny, System I, S.58; Wächter, Pandekten I, S.95.

81 Thöl, Einleitung, § 44 II, S.l 19: "Diese Rechtssätze weichen also dem ausgesprochenen Privatwillen. Dieses ihr Verhältnis zur Privatwillkür ist ihr recht eigentlicher privatrechtlicher Charakter. Sie können daher als Auslegung des unvollständig ausgesprochenen Willens, als ein vermutheter Wille, aufgefaßt werden."; Thöl sieht aber immerhin eine unterschiedliche inhaltliche Qualität, a.a.O., S.120.

36

Α. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts

setzungsmacht der Parteien aus, die freilich keine schrankenlose Selbstherrlichkeit war 82 . Die so definierte Stellung des Willens lief aber Gefahr, einem Autonomieverständnis Vorschub zu leisten, das keinen Platz mehr in den sich abzeichnenden Grenzen einer dogmatisch-logischen Einbindung des Willens in die Gesamtrechtsordnung hatte83. II. Die dogmatische Einbindung des Willens in die Rechtsordnung

/. Der Standort des Willens a) Die derivative Stellung des Willens Die "Rechtsänderungstheorie11, die den Willen jedenfalls im Bereich der nicht zwingenden Normen, also außerhalb des "jus publicum", quasi mit Rechtsetzungsmacht austattete, erfuhr durch das rechtsdogmatische Verständnis des im Zuge der Kodifikationsbewegung aufkeimenden Positivismus scharfen Widerspruch. Als bahnbrechend kann insoweit ein Aufsatz von Bülow aus dem Jahre 1881 gelten84. Er kritisiert die Willensdogmatik im Bereich der dispositiven Rechts und gelangt zu dem Ergebnis, daß auch für nachgiebiges Recht nicht die Willensmacht der Parteien die Ursache für die Rechtserheblichkeit ihrer Vereinbarungen sein könne: "Eine Rechtsordnung, die ihre eigene Abänderung in die Willkür der Untergebenen stellte, würde sich selbst den Todesstoß versetzen: sie beginge juristischen Selbstmord ..." 85 . Bei aller Kritik an der "... Tendenz, dem Parteiwillen Oberhoheit über den Willen des Gemeinwesens,

8 2 Wächter, Pandekten I, S.3 f.: "Das Rechtsgesetz muß objektive Geltung in Anspruch nehmen, weil es sonst seine Aufgabe nicht erfüllen könnte. Der individuelle Wille muß sich ihm unterwerfen."; Flume , Rechtsgeschäft und Privatautonomie, S.146. 83

Zu dieser Reaktion kam es v.a. bei den Autonomisten im französischen Kollisionsrecht, vgl. Ranouil, Autonomie, S.58 und passim. 8 4

Bülow, Dispositives Civilprozeßrecht, S.71 ff.; Hintergrund ist die gesamte Kontroverse um den Willen als Element der Rechtsgeschäftslehre, vgl. a.a.O., S.86 Fn. 51; krit. dazu bereits Bluntschli, Dt.Privatrecht II, S.9. Bülow, Dispositives Civilprozeßrecht, S.43; als Beispiel führt er den Grundsatz "Willkür bricht Stadtrecht usw." an, der zur Auflösung reichseinheitlichen Rechts geführt habe.

§ 3. Die Autonomie des Willens und die Rechtsordnung

37

über die Rechtsordnung einzuräumen ..." 86 , erkennt er gleichwohl die Notwendigkeit filr den Gesetzgeber an, die "Autonomie der Individuen" zur Hilfe zu ziehen87. Nur sei die richtige Bedeutung diejenige, daß der Wille ein zur Rechtsnormierung bevollmächtigtes und mitwirkendes Organ und das dispositive Recht somit die Quelle aller rechtsgeschäftlichen Bestimmungen sei 88 . Diese Theorie von den ermächtigenden Blankettnormen stieß auf breite Zustimmung89. Abgelehnt war damit auch die Anführung eines vermuteten Parteiwillens als Geltungsgrund der subsidiären Rechtsnormen90. Für das interne Recht war damit ein Verständnis des Parteiwillens gefunden, auf der sich später die Lehre von der kollisonsrechtlichen Verweisung erfolgreich entwickeln konnte91. Diese Klarstellung über das Verhältnis von Wille und Rechtsordnung - wenngleich juristisch-logisch unangreifbar - wurde insbesondere im Bereich des Kollisionsrechts als Reaktion auf die autonomistischen Ansätze auf die Spitze getrieben. Aber in ihrem Triumph verloren die Gegner der Autonomie jeden Bezug zu der rechtfertigenden Kraft, die dem Willen der Parteien im Schuldvertragsrecht auch bei rechtspositivistischer oder logischer Betrachtung nicht genommen werden konnte. Der in die Zeit eines "Abge-

8 6

Bülow, Dispositives Civilprozeßrecht, S.71, 83 ff.

8 7

Bülow, Dispositives Civilprozeßrecht, S.13 f. (juristischer "horror vacuii" als Auslöser).

8 8

Bülow, Dispositives Civilprozeßrecht, S.87, 78 Fn. 47; dem folgt später auch Manigk, Privatautonomie, S.49, obwohl er sich über die historische Entwicklung (was den Aufbau der Rechtsordnung angeht) im klaren ist: "Die Rechtsgeschichte zeigt dagegen, daß das in diesem System logische Prius das historische Posterius ist." (a.a.O., S.46). 8 9

Vgl. Ehrlich, Zwingendes und nichtzwingendes Recht, S.33, 39; Böckl, Zwingendes Recht, S.1140; Stammler, Garantievertrag, S.14, 16; Enneccerus, Lehrbuch I 1 (1913), S.104 Fn. 1, 342; a.A. Endemann, Lehrbuch I 1, S.40 f., der die Selbstbestimmung als durch die Rechtsordnung allgemein gegeben vorausgesetzt ansieht. 9 0

Vgl. Stammler, Garantievertrag, S.22 ff.; Enneccerus, Lehrbuch I 1, S.106; Görtz, Parteiwille, S.55 ff.; Ebel, Gesetzgebung, S.94 faßt die Situation gegen Ende des 19. Jahrhunderts so zusammen: "Die Verbindlichkeit des Gesetzes ist überhaupt nicht von irgendeiner Willensbildung des einzelnen Staatsbürgers abhängig." Freilich fällt damit auch die hypothetische Willenserklärung als Unterfall einer typisierten Willenserklärung aus dem Bereich der Privatautonomie, Bydlinsky, Privatautonomie, S.l 14, 116. 9 1

Man versuchte nicht länger den Willen als orginäre Rechtsquelle des IPR zu sehen und brachte so die Kritiker um eines ihrer Hauptargumente, vgl. Mayer, Parteiautonomie, S.122: "Die Anschauung, daß der PW. [gemeint ist Parteiwille, d. Verf.] aus eigener Kraft Rechtswirkungen hervorzubringen vermag, dürfte überwunden sein ..."; ebenso Schnitzer, Parteiautonomie, S.306 u.passim; dazu unten Teil C § 1 I 1.

38

Α. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts

sanges" auf die kollisionsrechtliche Autonomie92 fallende Ansatz von Gerhart Husserl ist zwar vordergründig "nur" als rechtsdogmatische Untersuchung auf der Ebene des Privatrechts konzipiert, dringt aber dabei zur grundlegenden Frage der Bedeutung des Parteiwillens durch. Er belegt, daß die Rechtsordnung als solche nicht die alleinige Komponente zur Erklärung der Rechtsgeltung sein kann. b) Husserl: Die geltungserzeugende Kraft der Verträge Im Bereich des Kollisionsrechts folgerte in Deutschland die überwiegende Literatur am Anfang des 20. Jahrhunderts aus der derivativen Stellung des Willens die Unmöglichkeit, diesen zum Ausgangspunkt der Bestimmung des anwendbaren Rechts zu machen93. Rabel sah in der 1925 erschienenen Abhandlung von Husserl über "Rechtskraft und Rechtsgeltung" Anlaß genug, diese "gewissenhaftere Meinung" in ihren theoretischen Grundlagen zu korrigieren 94. Husserl spricht sich gegen die im 19. Jahrundert weit verbreitete Ansicht aus, von Rechtsnormen könne nur bei den Erkenntnissätzen gesprochen werden, die aus logischen Prämissen ableitbar seien und setzt die Behauptung dagegen95: "Die Rechtsnorm gilt nicht als Erkenntnissatz, sondern als Willenssatz." Damit erlangt auch der in Verträgen zum Ausdruck gekommene Wille der Parteien geltungserzeugende Kraft. Wie weit freilich diese Rechtsgeltung geht, d.h. "... in welchem Maße der Vertrag seinen Normencharakter aus dem Parteiwillen schöpft, läßt sich allgemein nicht sagen."96 Für Husserl steht aber jedenfalls fest, daß sie nicht auf einem "Freigaberecht" durch den Staat beruhe, und der Staat die Autonomie allenfalls dulden oder ausdrücklich anerkennen kann 97 . Konsequenz einer derartigen Anerkennung ist dann allerdings eine besondere Außenwirkung, die "... autonome Rechtssetzung wird zu einem allgemeingülti9 2 Noch heute wird dieser Einschnitt mit der von Niboyet 1927 an der Akademie für internationales Recht in Den Haag gehaltenen Veranstaltung (Niboyet, Rec.Cours) gleichgesetzt, vgl. Ranouil, Autonomie, S.126: "Dans la doctrine internationaliste l'agonie de l'autonomie de la volonté à commencé en 1894, avec Pillet; mais la mort n'est survenue qu'en 1927 avec Niboyet". 93

S.u. Teil Β § 3 II2.

9 4

Rabel, Rechtsvergleichung und internationale Rechtsprechung, S.45.

9 5

Husserl , Rechtskraft, S.8.

9 6

Husserl, Rechtskraft, S.26 f.

9 7

Husserl, Rechtskraft, S.35.

§ 3. Die Autonomie des Willens und die Rechtsordnung

39

gen Rechtssachverhalte."98 Die Übertragung dieser Gedanken auf den Bereich des Kollisionsrechts ist auch aus einem anderen Gesichtspunkt naheliegend: Husserl sieht die Schaffung von primärem Recht (im Gegensatz zu dem aus einer höheren Rechtsordnung abgeleiteten Recht) immer dort auftauchen, wo die Vertragsschließenden nicht bereits Genossen einer bestehenden Rechtsgemeinschaft sind 99 . Genau dies ist aber bei Verträgen im Bereich des Kollisionsrechts der Fall: es gilt für den Personenverband, der diesen Rechtskreis100 bildet, kein Recht a priori, ungeachtet der Rechtskreise, zu denen das Rechtssubjekt im übrigen in einer Beziehung steht. Erst durch " .. geeignete, dahinzielende Willensakte der Parteien ... erlangt das Vereinbarte intersubjektive Verbindlichkeit für ihren speziellen, durch den Vertragsinhalt zweckbegrenzten Rechtskreis." 101 Der so vertraglich gesetzte Wille steht als Norm über den Vertragsparteien, ohne daß nur diese der von der Wirkung erfaßt wären: Auch die Gesamtrechtsgemeinschaft muß den vertraglich geschaffenen Sachverhalt als normativen werten, weswegen Husserl insoweit auch von "primärer Individualrechtsgeltung" spricht 102 . Die Autonomie im Privatrecht hat in dieser Theorie der Geltungserzeugung durch die Verträge der Privatrechtssubjekte sicherlich als Prinzip eine fundierte Bestätigung erfahren, die auch praktisch einsichtig war. Daß die spätere Literatur ihr weitgehend mit Ablehnung begegnete, weil sie die logische Grundlage vernachlässige und den Positivismus gegenüber der Normativität verabsolutiere 1 0 3 und ihr keine größere Resonanz beschert war, verwundert. Denn der Ansatz Husserls redet nicht der Wiederkehr eines über dem Recht oder dem Gesetz stehenden Willens das Wort, was seine von Rabel bereits erkannte Be-

9 8 Husserl , Rechtskraft, S.35: "Indem die größere Rechtsgemeinschaft zu Rechtsgestaltungen Einzelner innerhalb ihres Herrschaftsbereiches positiv Stellung nimmt, fügt sie der auf den Entstehungskreis des (hier) autonomen Verbandes beschränkten internen Rechtsgeltung eine Außenwirkung im Gesamtkreise: die externe Rechtswirksamkeit hinzu." [Hervorhebung im Original]; vgl. auch dort S.144 f. zur Schutzwirkung dieser externen Rechtsgeltung. 9 9

Husserl , Rechtskraft, S.31: "Sind die Vertragsschließenden nicht Genossen einer bereits bestehenden Rechtsgemeinschaft, so ist klar, daß nur aus ihrer vertraglichen Verbundenheit ihnen Recht erwachsen kann, das zwischen ihnen und für sie allein Rechtskraft hat, was durch ihren Willen zur lex inter partes erhoben wurde." Vgl. auch a.a.O., S.46. 100

Zu diesem Begriff vgl. Husserl , Rechtskraft, S.5.

101

Husserl , Rechtskraft, S.26.

102

Husserl , Rechtskraft, S.28.

103

Manigk, Privatautonomie, S.84; Larenz, Rechtsgeltung, S.21 ff.; Larenz selbst relativiert diese Kritik später im Nachwort zum Nachdruck des genannten Werkes, S.43 ff.

40

Α. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts

deutung steigert. Zum einen ist die "Freiheit" der Rechtsgestaltung durch die Rechtssubjekte keine willkürliche Rechtssetzung104, sondern eine den Gesamtverband angehende Angelegenheit105. Zum anderen bezieht Husserl Abstufungen hinsichtlich der Garantie externer Rechtsgeltung in seine Theorie mit ein 1 0 6 . Husserl hat damit wieder das Gleichgewicht hergestellt, auf das auch Flume die Privatautonomie letztlich gegründet sieht: die privatautonome Gestaltung und die Rechtsordnung107. Die dargestellten Thesen Husserls haben an Aktualität für das Verständnis der Parteiautonomie nichts eingebüßt. Dies läßt sich schon daran ermessen, daß sich etwa die von Flessner in die moderne Diskussion um die Rolle der Parteiautonomie eingebrachte Auffassung von der Sonderstellung der Autonomie zwischen den Rechtsordnungen auf die theoretischen Grundlagen Husserls zurückführen läßt 108 . 2. Das Problem einer Systematisierung der Schranken Schon Bülow hatte die herrschende Auffasung des 19. Jahrhunderts angegriffen, die allein das "jus publicum" als der Parteiwillkür entzogen ansah109. Die Scheidung nach privatrechtlichen Privatrechtssätzen und öffentlich-rechtlichen Privatrechtssätzen (letztere sollten erklären, warum Privatrecht überhaupt

10 4

Husserl , Rechtskraft, S.46.

105

Husserl, Rechtskraft, S.151 f. (Die Parteien als "Funktionäre" des höheren Rechtsverban-

des). 10 ^ Husserl , Rechtskraft, S. 170: "Das Maß staatlicher ... Garantie privat geformten Rechts ist nicht immer das gleiche." Freilich widersetz er sich ausdrücklich der These, Rechtsetzung sei alleine den soveränen Rechtssubjekten vorbehalten (a.a.O., S.32 ff.) und betont, daß der höhere Rechtsverband nicht schon deshalb als Rechtsquelle der autonomen Rechtsetzung anzusehen sei, weil ein "Freigabeakt" dieses Rechtsverbandes dem Verhalten der Parteien bisweilen vorausgehe oder später hinzutrete, um einen "allgemeingültigen Rechtssachverhalt" herbeizuführen; für die Rechtserzeugung sei dieser Akt keinesfalls konstitutiv (a.a.O., S.35). 107

Flume , Rechtsgeschäft und Privatautonomie, S.137.

108 vgl z ß.bei Flessner, lnteressenjurisprudenz, S. 102: " Autonomie und Freiheit, wo Ordnung nicht vorgegeben ist, sind Werte, die in der westlichen Welt vor der Positivierung in Verfassung und Gesetz anerkannt sind, wie ja auch die Person, die sich auf diese Werte beruft, im internationalen Fall nicht 'unter dem Recht' steht (allerdings auch nicht über ihm, 'legibus soluta'), sondern zwischen den Rechtsordnungen - und aus dieser Situation etwas Vernünftiges machen will." [Hervorhebungen im Original]. 10 9

Bülow, Dispositives Civilprozeßrecht, S.101 ff.; vgl. etwa den Ansatz bei Mittermaier, Lehrbuch, S.35 ff.

§ 3. Die Autonomie des Willens und die Rechtsordnung

41

zwingend wirken könne) verurteilte er als "Rechtsamphibium" und bestritt den Wert der begrifflichen Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht für die Erklärung des Charakters einer Norm als zwingend oder nichtzwingend 110 . Bei der Entstehung des BGB hatte man die zwingenden Normen als notwendiges Regulativ der Vertragsfreiheit erkannt, es gleichwohl aber der Wissenschaft überlassen zu ermitteln, welchen Einfluß der Parteiwille auf die gesetzlichen Bestimmungen haben kann 111 . Neben hierarchisch-wertenden Einteilungen 112 und knappen Ausführungen, die z.T. die rechtspolitische Einstellung in den Vordergrund rückten 113 , schlossen sich auf der Grundlage, die Bülow dem Parteiwillen zugewiesen hatte, Versuche an, zwingendes und dispositives Recht in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen systematisch zu erfassen 114 . Ehrlich ging in seiner Untersuchung des BGB zunächst von der Rechtsgeschäftslehre aus, da dort allein der Wille im rechtstechnischen Sinn seine Wirkung entfalte 115. Zwingend waren daher für ihn bereits alle Bestimmungen, die die Voraussetzung einer Verbindlichkeit sind 116 , so u.a. die Fragen der Geschäftsfähigkeit, der Form, der Willensübereinstimmung und der Art des Zustandekommens derselben117. Trotz Zweifeln an der Richtigkeit des Begriffs qualifizierte er diese Bestimmungen als "jus cogens im Sinne der herrschenden

110

Bülow, Dispositives Civilprozeßrecht, S.106,108; ähnlich Dernburg, Bgl.Recht I, S.47.

111

Vgl. Motive I, S.17; II, S.2.

112

So z.B. Endenmann, Lehrbuch I 1, S.42: unveräußerliche Grundsätze des Rechtsverkehrs (die aufgezählten Beispiele füllen den klassischen Begriff der "öffentlichen Ordnung" aus), Normen zur Sicherung der Rechtsgeschäfte und zur Hemmung des Mißbrauchs der Vertragsfreiheit. 113 Vgl. Gierke, Dt. Privatrecht I, S.124; Endemann, Lehrbuch I 1, S.43; Dernburg, Bgl.Recht II, S.170. 114

Vgl. Böckel, Zwingendes Recht, S.l 139 ff. m.w.N.

115

Ehrlich, Zwingendes und nichtzwingendes Recht, S.9.

116

Ehrlich, Zwingendes und nichtzwingendes Recht, S.24: "Da sie alle die Voraussetzungen der Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte bestimmen, so ist es klar, daß das Rechtsgeschäft selbst sie unmöglich beeinflussen kann; es wäre ein Widerspruch, wenn man annehmen wollte, ein Rechtsgeschäft könnte die Voraussetzungen seiner eigenen Wirksamkeit schaffen."; diese Erkenntnis machte Neumann, Vertragsgültigkeit, S.7 ff. zu seiner Prämisse. 117 Ehrlich, Zwingendes und nichtzwingendes Recht, S.13ff; gerade für § 156 BGB, den er in diesem Zusammenhang nennt, entschied sich das RG (27.5.1919) E 96, (102)103 für dessen nicht zwingenden Charakter.

42

Α. Der Grundsatz der Autonomie im Privatrecht des 19. Jahrhunderts

Lehre" 118 . Bezüglich des Einflusses der Normen auf die Rechts-wirkung eines Rechtsgeschäftes führte er eine Einteilung auf der Basis einer Unterscheidung der Willensfolgen und der Gesetzesfolgen durch 119 , räumte aber ein, daß angesichts der Vielfalt der dem Gesetz bekannten Rechtsfolgen die Verifizierung seiner Auffassung einer gewissen Willkür nicht entbehre 120. Der Wert einer solchen Systematik wurde in der Folge überhaupt bezweifelt 121, und unter dem Eindruck der Freirechtsschule trat eine Aufweichung im Verhältnis von zwingendem und nachgiebigen Recht ein 122 . Ging Stammler noch davon aus, daß "...die Grenze des zwingenden Rechts ein für allemal feststeht ..." 1 2 3 , wurde dies ab den 20er Jahren unseres Jahrhunderts nicht mehr so pauschal vertreten. Es wurde sogar gefordert, man müsse im Einzelfall feststellen, ob eine Norm zwingender oder nachgiebiger Natur sei 124 . Im internen Privatrecht gab es - sieht man von den evidenten Fällen ab keine letzte Sicherheit über die negativen Schranken des Parteiwillens. Auch dieses nur kontinuierlich lösbare Schrankenproblem, das die Diskussion um die Vertragsfreiheit noch heute begleitet125, findet im Kollisionsrecht seine Fortsetzung.

118

Ehrlich, Zwingendes und nichtzwingendes Recht, S.25; Holder, S.485 f. spricht dagegen von den "allgemeinen essentialia der Schuldverhältnisse", erwähnt aber als Beispiel nur § 276 BGB, der gerade für das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts keine Voraussetzung ist. 119

Deren Ergebnisse faßt er für Schuldverhältnissse auf S.89 ff. zusammen.

12 0

Ehrlich, Zwingendes und nichtzwingendes Recht, S.72 f.; die herkömmliche Unterscheidung zwischen zwingendem und nichtzwingendem, absolutem oder imperativem und dispositivem, ergänzendem und nachgiebigem Recht verwirft er ebenso wie die Unterscheidung von essentialia, naturalia und accidentalia (S.35 Fn. 14, 73) als nicht ausreichend. 121 Vgl. Hölder, Rezension Ehrlich, S.502; Böckl, Zwingendes Recht, S.1144; anders Neumann, Vertragsgültigkeit, S.7 ff., der sich auf die Arbeit Ehrlichs als Ausgangspunkt bezieht. 122 Exemplarisch dafür ist die Rechtsprechung des RG zu Grundstücksverträgen unter Verstoß gegen § 313 S.l BGB, vgl. RG (17.3.1881) E 87,156(157); RG (30.11.1917) E 91,239; RGZ 107, 357; umgekehrt für eine Ausdehnung des § 313 BGB im Fall des § 167 BGB RG (5.2.1902) E 50, 163(169); RG (1.7.1916) E 88, 366. Der Weg über das Institut der culpa in contrahendo stellte zwar formal den zwingenden Charakter des § 313 BGB nicht in Frage, machte aber vom Ergebnis her gesehen § 313 zu nachgiebigem Recht. 123

Stammler, Garantievertrag, S.20 Fn. 35.

12 4

Bockel, Zwingendes Recht, S.l 143

125 Ygj s t a t t v | e | e r : Schmidt, Vertragsfreiheit und Schuldrechtsreform; Däubler, Zur rechtswissenschaftlichen Diskussion um die Vertragsfreiheit; Derleder, Privatautonomie; Medicus, Inhaltskontrolle notarieller Verträge; Savatier, L'éclatement de la notion traditionelle de contract.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen im System des internationalen Schuldvertragsrechts vor Etablierung der kollisionsrechtlichen Verweisung

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

I. Einführung 1. Die Ansichten über das Erscheinen des Parteiwillens

im Kollisionsrecht

Die Erheblichkeit des Parteiwillens für die Bestimmung des anwendbaren Rechts wird weit vor dem 19. Jahrhundert angesiedelt126. Man spricht davon, daß die genauen Anfänge im Dunkeln lägen 127 , und so ist es auch nicht verwunderlich, daß die Parteiautonomie "Väter" aus den verschiedensten Epochen vorzuweisen hat. Gutzwiller sieht in Dumoulin den Begründer der Rechtswahlfreiheit 128. Auch Curti Gialdino sieht in ihm den Begründer der "autocratie contractuelle" 129. Gamillscheg ist anderer Ansicht. In seiner Monographie über Dumoulin gelangt er zu dem Ergebnis, dieser habe nur einer allzu starren Anwendung der lex loci contractus durch eine Betonung des Parteiwillens entgegengewirkt130. 126

Vgl. Kühne, Parteiautonomie, S.23 ff.; speziell zur Rechtswahl: Wicki, Dogmengeschichte, S.l ff.; Pak, Internationale Kaufverträge, S.4 ff.; Umbricht, Immanente Schranken, S.36 f. 127

Siehr, Parteiautonomie, S.485.

128

Gutzwiller, Geschichte des Internationalprivatrechts, S.74, 78; ebenso: Meili I, S.197; Raape, IPR II, S.249; Schwind, Geistige Grundlagen, S.l 10; Wolff, IPR, S.14 Fn. 12; Yntema, Historische Grundlagen, S.522. 12 9

Curti Gialdino, Rec.Cours, S.810: "Que Dumoulin ait réellement conçu la volonté des parties contractantes comme une loi que ces dernières se donnent a elles-mêmes et dont la force obligatoire ne relève pas directement du droit de l'Etat, résulte d'une façon assez claire de son oevre." 130 Gamillscheg, Dumoulin, S. 120 f.; er vermutet das statutentheoretische System mit seinen einseitigen Grenznormen als Ursache. Gegen die Urheberschaft Dumoulins auch Ranouil, Auto-

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

44

Gamillscheg beschränkt sich daher auf die Feststellung, daß die Geburtsstunde des Parteiwillens im 19. Jahrhundert läge 131 . Bereits Niederländer hat in seiner Besprechung von Gamillscheg Zweifel an einer derart strengen Sicht angemeldet 132 . Auch E. Lorenz hat sich in seiner Untersuchung über die Struktur des Kollisionsrechts gegen die Auffassung von Gamillscheg ausgesprochen und sieht die Parteiautonomie für den Bereich der Verträge bereits bei den Kanonisten verwirklicht 133 . Die Liste ließe sich sicherlich noch verlängern 134. Dabei ist nicht zu übersehen, daß das methodologische Grundverständnis des Kollisionsrechts eine erhebliche Rolle auch im Hinblick auf den Parteiwillen und seine Integration spielt 135 . Deswegen wird auf die besondere Situation der kollisionsrechtlichen Struktur bei v. Wächter und v. Savigny einzugehen sein. Zu beachten ist aber auch die Vielschichtigkeit des Willens auf diesem Rechtsgebiet. Sie spiegelt sich in der begrifflichen und gegenständlichen Abgrenzung des jeweils für beachtlich erklärten "Willens" wider, wobei auch Art und Umfang der Autonomie unterschiedlich aufgefaßt wurden. Es finden sich heute Unterscheidungen z.B. zwischen Parteiautonomie und Privatautonomie, zwischen echter und unechter Rechtswahl oder Verweisung, zwischen realem und hypothetischen Parteiwil-

nomie, S.l 1: Dumoulins Verhältnis zum Willen als Prinzip sei rein "platonischer Natur", er folge ihm nur "intuitiv" und respektiere bei seiner Berücksichtigung auch die zwingenden Gesetze. 131

Gamillscheg, Dumoulin, S.256: "Die Geburtsstunde des Grundsatzes der Parteiautonomie liegt in der Mitte des vorigen Jahrhunderts [d.h. 19.Jh., d. Verf.]..."; so auch Lalive, Rec.Cours 1977, S.199: "... entre la séconde moitié du 19e et le courant de notre siècle."; Giuliano , Principe et justification, S.220. 132

Niederländer,

Besprechung Gamillscheg, S.272.

133

Lorenz, Struktur, S.27 Fn. 10; gegen ihn Gamillscheg, Methode bei Bartolus, S.241 f.; Replik von Lorenz, Besprechung Gutzwiller, S.809, 811. 134

Genannt seien hier noch Schnitzer, Parteiautonomie, S.310 f.: "Rochus Curtius hat den Gedanken zuerst erwähnt, Bullenois hat ihn verwirklicht"; Juenger, Parteiautonomie, S.64 Fn. 24 läßt offen, ob bereits Dumoulin als Begründer gelten kann und fährt fort: "Jedenfalls spätestens Huber hat die Parteiautonomie im Prinzip bejaht. Er führte aus, die lex loci contractus komme dann nicht zum Zuge, wenn die Parteien ein anderes Recht im Auge gehabt haben (Praelectiones Iuris Romani et Hodierni [1784] lib.I, tit.3 Nr.10, S.27 f.); Walker, IPR, S.352 betont die hervorragende Rolle, die v. Savigny der freiwilligen Unterwerfung zukommen ließ; nach Ranouil, Autonomie, S.29 ff. hat Laurent die Parteiautonomie als "principe a priori" entdeckt; Wicki, Dogmengeschichte, S.77 f. sieht den Italiener Ricardo Rocca (1914) als Pionier der Parteiautonomie im eigentlichen Sinne an. 135

Der Meinungsstreit zwischen Lorenz und Gamillscheg, an dessen Ende zwei extreme zeitliche Gegensätze hinsichtlich des Phänomens der Parteiautonomie stehen, macht dies deutlich.

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

45

len, zwischen Rechtswahl und alternativer Rechtsanwendung136. Auch die Abgrenzung von Rechtswahl und Lokalisierung gehört hierher 137. 2. Die Terminologie und ihre Kritik Die Schwierigkeiten der Lehre vom IPR mit dem ihr von Posser humorvoll bescheinigten Hang zu eigentümlichen Begriffsbildungen ist bekannt138. Was zum Teil als Anlaß für Erheiterungen genommen wurde 139 , ist im Gefolge der "Krise" des IPR zu einem Stein des Anstoßes geworden 140. Heute sollte daher mehr als zuvor die Sorge einer das IPR negativ auszeichnenden "Exklusivität" der Begriffe und der sie nährenden Angst vor den Folgen einer terminologischen Änderung auch bei unzutreffenden Bezeichnungen gelten 141 . Auch wenn der Eingeweihte heute weiß, daß regelmäßig die kollisionsrechtliche Verweisung gemeint ist, und ihm das Gebäude von Voraussetzungen und Ausnahmen 136

Vgl. dazu Haudek, Parteiwille, S.2ff.; Neumann, Vertragsgültigkeit, S.7 ff.; Rempp-Krämer, Stillschweigende Rechtswahl, S.l ff.; Pak, Internationale Kaufverträge, S.23 ff.; Umbricht, Immanente Schranken, S.42 ff.; Kühne, Parteiautonomie, S.19 ff. 137

Rempp-Krämer, Stillschweigende Rechtswahl, S.ll und Kühne, Parteiautonomie, S.27 sprechen dies zwar bei der Natur bzw. bei der kollisionsrechtlichen Rechtfertigung der Rechtswahl an, der Sache nach handelt es sich aber um nichts anderes als bei den Ausführungen zur begrifflichen Klärung der genannten Rechtsinstitute im Hinblick auf ihre Tragweite für den Parteiwillen. 138 "Das Reich des Kollisionsrechts ist ein trüber Sumpf mit höchst unsicherem Boden und bewohnt von gelehrten, aber überspannten Professoren, die über geheimnisvolle Dinge in einem fremdartigen und unverständlichen Fachjargon theoretisieren." [zit. nach Siehr, Scherz und Ernst im IPR, S.410]. 13 9 Gutzwiller, IPR, S.l549: "Wer eine heitere Stunde genießen will, der durchgehe die Literatur zur Namensfrage [IPR, d. Verf.]." Heitere Begriffsverwirrung offenbart auch der Streit (vgl. etwa Ferid, Abschluß von Auslandsverträgen S.14) darüber, welche Spaltung des Vertragsstatuts die tiefgreifendere ist und damit das Prädikat "große" Spaltung verdient: Diejenige, bei der es zur Unterstellung der jeweiligen Pflichten der Vertragsparteien unter verschiedene Sachrechte kommt, wie es bei der Anknüpfung an den Erfüllungsort der Fall war (auch sog. "vertikale" Spaltung). Oder diejenige, bei der Vertragschluß und Vertragswirkungen jeweils einem eigenständigen Sachstatut unterstehen (auch sog. "horizontale" Spaltung). Ohne den Streit entscheiden zu wollen, schließt sich der Verf. der letzteren Auffassung an. Die Erfüllungsortanknüpfung führt also nur zur sog. "kleinen" Spaltung. 1 4 0 141

Vgl. dazu Zweigert, Armut des IPR, S. 435 ff.,452; Lorenz, Struktur, S.24.

Lalive, Rec.Cours 1977, S.80 ff., 84. Die Gefahren waren dabei auch in der Vergangenheit nicht unbekannt, vgl. Kahn, Natur und Methode, S.3 Uber die Bezeichnung internationales Privatrecht: "Einerlei: ein Name mag noch so falsch und sinnlos sein, ist er einmal eingebürgert, so erfüllt er seinen Zweck und macht eine Umtaufung nicht nur überflüssig, sondern gefährlich und verwirrend."; es bleibt die Frage: wie steht es mit der Wirkung des falschen Begriffs selbst?

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

46

gegenwärtig ist 1 4 2 , sobald das Wort "Parteiautonomie" fällt 143 , ist eine Verwendung der "Autonomie" und ihrer Zusammensetzungen nur als Oberbegriff für den Einfluß des Parteiwillens zu befürworten 144. "Die teleologische Begriffsbildung muß sich gerade in Unterbegriffen bewähren." 145 Der Sprachgebrauch, der die Parteiautonomie mit kollisonsrechtlicher Rechtswahl gleichsetzt und damit zum Unterbegriff macht, verstößt fundamental gegen dieses Gebot. Dabei kommt für eine zeitgeschichtlich-historische Untersuchung der Maßgeblichkeit des Parteiwillens hinzu, daß sie sich vor einem allzu leichtfertigen Gebrauch "anachronistischer Begriffe" hüten muß, will sie die Sicht fur die konkrete Ausprägung der Rechtswahl nicht verengen 146. Andererseits kommt sie ohne die Bildung von Typenbegriffen nicht aus 147 . Für die Erfassung der Struktur des Parteiwillens werden daher in Anlehnung an die übliche Terminologie die folgenden Begriffe verwendet. a) Die kollisionsrechtliche Rechtswahl, die materiellrechtliche Rechtswahl Der Hauptstreitpunkt für die Frage eines beachtlichen Parteiwillens war an der Schwelle des 20. Jahrhunderts, ob dieser nur im Rahmen der Dispositivnormen der nach rein objektiver Anknüpfung ermittelten, "eigentlich" maßgeblichen Rechtsordnung bestehen kann oder ob eine fremde Rechtsordnung mit derogierender Wirkung hinsichtlich der ansonsten "zwingenden Normen" von den Parteien zur Herrschaft über ihr Rechtsverhältnis berufen werden 142

Dies ist nicht stets der Fall, vgl. etwa Kindler, Zur Anknüpfung, S.661, der von "Sachnormverweisung" spricht und offensichtlich die materiellrechtliche Verweisung meint. 143

Und deshalb der "Einfachheit halber" an für unzulänglich erachteten Begriffen festhält, so Stoll, Rechtswahlvoraussetzungen, S.69 u. passim; ebenso inkonsequent Rempp-Krämer, Stillschweigende Rechtswahl, S.34 für die "stillschweigende Rechtswahl", die ihrer Meinung nach richtiger "indirekte" heißen müßte. 144

Auch die ersten Befürworter der kollisionsrechtlichen Verweisung verwendeten die "Parteiautonomie" als Oberbegriff, vgl. Mayer, Parteiautonomie, S. 103; ebenso Schnitzer, Parteiautonomie, S.305 ff.; ders., Rechtsvergleichung, S.23. 145 Wank, Begriffsbildung, S.134; zu den Anforderungen an eine juristische Begriffsbildung, ebd., S.151 f.

146 Ygj w i e a c ] œ r i Hermeneutik, S.12: "Mit ihr [d.h. der anachronistischen Begriffsbildung, d. Verf.] aber glitte das Verstehen des Betrachters alsbald an der glatten Außenhaut der dogmatischen Vorurteile ab, die sich über den historischen Gegenstand gelegt hat;... es bliebe bei der alten Klage: 'Denn was man so den Geist der Zeiten heißt, Ist meist nur der Herren eigner Geist, In welchem sich die Zeiten spiegeln.' " 147

Landau, Bemerkungen, S.123 f.

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

47

kann. Zitelmann hat diese gegensätzlichen Sichtweisen um 1897 begrifflich klargestellt, indem er zwischen materiellrechtlicher und kollisionsrechtlicher Verweisung unterschied148. Letztere ist regelmäßig gemeint, wenn heute von der Parteiautonomie die Rede ist. Zwar ist schon der Begriff der Parteiautonomie nicht sehr treffend 149. Denn er wird angesichts der historischen Bedeutung der Autonomie und den weitreichenden Vorstellungen von einer - de facto nicht gegebenen - Rechtsetzungsmacht der Parteien 150 seinem wahren Inhalt nicht gerecht. Und in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung hat er als "Schlagwort" die Frage nach der dogmatischen Stellung des Parteiwillens nicht befördert 151. Aber auch an dem Wert der Unterscheidung von kollisionsrechtlicher und materiellrechtlicher Verweisung sind Zweifel angemeldet worden 152 . Die historische Bedeutung der Unterscheidung für die Entwicklung der Parteiautonomie im Schuldvertragsrecht kann nicht zweifelhaft sein 153 . Allein der aus der Unterscheidung gezogene Schluß, nur die kollisionsrechtliche Verweisung in der konkreten Erscheinung, die sie durch die Dogmatik um die Jahrhundertwende erhalten hat, sei "Parteiautonomie", wird der Rolle des Parteiwillens im Kollisionsrecht des 19. Jahrhunderts nicht gerecht. Hier werden daher sowohl die kollisionsrechtliche und die materiellrechtliche Rechtswahl bzw. Verweisung 154 als Erscheinungsformen der Parteiautonomie

148 Zitelmann I, S.276 ff.; ihm folgend Zimmerman , Bedeutung des Parteiwillens, S.889; Haudek, Parteiwille, S.3 f.; Melchior, Grundlagen, S.449; dazu auch Siehr, Parteiautonomie, S.485. Auf die Unterscheidung gründet auch jüngst die Untersuchung von Pommier , Principe d'autonomie, passim. 149 Krit. auch Stoll, Rechtswahlvoraussetzungen, S.67 ff., 166; ähnl. Pak, Internationale Kaufverträge, S.l 14; zum Begriff Privatautonomie s.o. Fn. 28. 150 Hier mag der Hinweis auf die zahlreichen Sonderanknüpfungen und die Diskussion um die Beachtlichkeit zwingenden Rechts fremder Staaten genügen, s.u. Teil C § 2 III. 151

Vgl. Brändl, Parteiwille, Sp.824.

15 2

Jünger, EG-Übereinkommen, S.65 Fn. 26: "Das skizzierte Begriffspaar ist fester Bestandteil der deutschen kollisionsrechtlichen Literatur geworden ... Jedoch hat bereits Rabel [The Conflict of Laws, 2.Aufl., Bd.II, 1960, S.363] Zweifel hinsichtlich 'the results of this learned distinction' gehegt." 153 S.u. § 3 II 2. Die Terminologie, nicht aber die Trennung als solche kann daher nur als "historische Zufälligkeit" (Neuhaus, Grundbegriffe, S.l69) bezeichnet werden, vgl. unten bei Fn. 819. 154

Von Verweisungsfreiheit spricht auch Simitis, Aufgaben und Grenzen, S.209 u. passim; Kühne, S.19 sieht auch für den Begriff der "Verweisung" eine Verwechslungsgefahr, was aber

48

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

berücksichtigt. Zum anderen suggeriert gerade die oft gezogene Parallele von der kollisionsrechtlichen bzw. materiellrechtlichen Verweisung auf das Gegensatzpaar Parteiautonomie - Privatautonomie, daß es sich bei letzterer gar nicht um ein Problem der Kollisionsrechtsanwendung handele und spezielle Kenntnisse und Rücksichten des Kollisionsrechts nicht erfordere 155. Eine Fehlvorstellung, die schon alleine deswegen befremdlich anmutet, weil diese Art des Parteiwillens historisch gesehen "Dauerbrenner" der Kontroversen war. Dafür, daß es sich bei der materiellen Verweisung nach Ansicht vieler nicht um ein Problem des Kollisionsrechts handelte156, mutet die intensive Auseinandersetzung mit dem Prinzip in dieser Zeit auf allen Ebenen des IPR erstaunlich an. Trotz aller dogmatischer Unterschiede in der konkreten Ausprägung nach heutigen Maßstäben, hat die Idee der Privatautonomie jedenfalls die Verbreitung der Parteiautonomie befördert 157. Ob nicht unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung eine Relativierung der pauschalen Gegenüberstellung von materiell- und kollisionsrechtlicher Rechtswahl geboten ist, soll in den folgenden Abschnitten einer näheren Prüfung unterzogen werden. Dabei geht es nicht vordergründig darum, den Unterschied zwischen den beiden Verweisungsarten in Frage zu stellen 158 , wenngleich Simitis zuzustimmen ist, insoweit er Zweifel an der Meßbarkeit des Unterschiedes anmeldet und beide Arten der Rechtswahl unter bestimmten Voraussetzungen für austauschbar hält 159 . Vielmehr soll die Integration und durch den Zusatz kaum wahrscheinlich ist; nicht zu verwechseln ist der ähnlich lautende Begriff "materielle Rechtswahl" bei Moser, Vertragsabschluß, S.223 ; vgl. Fn. 162. 155

Vgl. Siehr, Parteiautonomie, S.486, der eine Normierung der materiellrechtlichen Verweisung im IPR für überflüssig hält; vgl. aber Schurig, Zwingendes Recht, S.221 ff. und unten Fn. 868. 156 So ausdrücklich Neumann, Vertragsgültigkeit, S.15 im Anschluß an Zitelmann I, S.273: "... diese Erscheinung gehört aber... rein dem materiellen Recht an ..."; vor Zitelmann ist diese Sichtweise schon bei Bar, Theorie II, S.4 ff. vorhanden; vgl. auch Regelsberger, Pandekten I, S.l67; Haudek, Parteiwille, S.3; Linß, Über das Verhältnis von 'Wille zu Gesetz', S.22; Niboyet, Rec.Cours, S.59-61. Zum Problem der materiellrechtlichen Verweisung als "Vertragsinhalt" vgl. unten § 3 IV 1. 15 7

Giuliano , Rec.Cours, S.209.

158

Vgl. Haudek, Parteiwille, S.4: "Das Bestehen eines begrifflichen Unterschiedes zwischen den beiden Arten der Verweisung ... darf jedenfalls als gewiß angesehen werden."; Segerath, Teilverweisung, S.7: "Die Grenze zwischen materiellrechtlicher und kollisionsrechticher Verweisung ist begrifflich klar gezogen, wenn auch im Einzelfall die Feststellung, ob eine materiellrechtliche oder kollisionsrechtliche Verweisung gewollt war, mangels geeigneter Anhaltspunkte im Sachverhalt schwierig werden kann." [Hervorhebungen von mir]. 15 9

Simitis, Aufgaben und Grenzen, S.211; vgl. auch unten bei Fn. 850.

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

49

Funktionsweise eines vermeintlich rein materiellrechtlichen Instituts im Kollisionsrecht bis zum Durchbruch der kollisionsrechtlichen Verweisung 160 aufgezeigt werden. b) Die unechte Rechtswahl Bei einer bestehenden objektiven Kollisionsnorm können die Parteien die relevanten Anknüpfungspunkte durch ihr Verhalten verwirklichen. So z.B. wenn die Kollisionsnorm das Recht des Abschlußortes beruft und sich die Parteien in ein bestimmtes Rechtsgebiet begeben. Das anwendbare Recht wird zwar durch ein willensmäßig bestimmtes Verhalten der Parteien berufen, jedoch bedarf es stets einer Realisierung des Anknüpfungspunktes im Tatsächlichen 161 . Wegen dieses "Umwegs" über eine Änderung des konkreten Lebenssachverhaltes spricht man von unechter Rechtswahl162. Dabei darf nicht übersehen werden, daß objektive Anknüpfungskriterien oft als Produkte des freien Willens gesehen wurden und gerade deshalb z.T. eine höhere Legitimation erfuhren 163 . c) Die mittelbare Rechtswahl Diese Kategorie fehlt in den üblichen Einteilungen und hat auch eher historisch-dogmatischen Wert. Gemeint sind Fälle, in denen die Parteien die Anwendung eines bestimmten Rechts dadurch erreichen, daß sie über einen der Parteivereinbarung zugänglichen Anknüpfungspunkt der objektiven Kollisi-

160

Vgl. Niederländer,

Besprechung Gamillscheg, S.209.

161

Nur aus der Sicht der Kollisionsnorm selbst ist daher die Feststellung zutreffend, daß in diesen Fällen das anwendbare Recht völlig unabhängig vom Parteiwillen zur Geltung komme, so etwa Umbricht, Immanente Schranken, S.46; das die Parteien diesen Weg zur Verwirklichung ihres Willens nicht selten wählen, belegt die verbreitete Praxis im ähnlich gelagerten Fall des Formstatuts, vgl. dazu Heckschen, Auslandsberührung und Richtigkeitsgewähr, S. 161-165. 162 Vgl. Umbricht, Immanente Schranken, S.45; Haudek, Parteiwille, S.2; Kühne, Parteiautonomie, S.20 spricht von "indirekter", Moser, Vertragsabschluß, S.223 von "materieller" Rechtswahl; anders gebraucht Rempp-Krämer die "indirekte" Rechtswahl, vgl. Fn. 142. 163

Erwähnt sei hier nur die das IPR des ausgehenden 19. Jahrhunderts stark beschäftigende Diskussion um Nationalitäts- und Wohnsitzprinzip, wobei letzterem bescheinigt wurde, es gründe letztlich auf dem freien Willen der Menschen, vgl. Muheim, Principien, S.81 ff.; Mommsen, Normierung, S.150 ff.; Roßhirt, Beitrag, S.311 ff. 4 Püls

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

50

onsnorm eine Einigung erzielen 164. Auch hier ist die Möglichkeit einer "Wahl" mit kollisionsrechtlicher Wirkung die Folge der Doppelnatur der Anknüpfungsbegriffe, weswegen man von einem Unterfall der unechten Verweisung sprechen könnte. Die Besonderheit besteht darin, daß es keiner Veränderung im Bereich des Tatsächlichen bedarf, sieht man von der Existenz der erforderlichen Erklärung ab 1 6 5 . Diese Sonderstellung nimmt die Anknüpfung an den Erfüllungsort ein, denn für die objektive Anknüpfung kommt es auf die tatsächliche Erfüllung an diesem Ort nicht an 1 6 6 , und er kann "konstruktiv" 167 begriffen werden. In diesem Zusammenhang wird auch die Bezeichnung "Schuldort" verwendet 168. Auf die mittelbare Rechtswahl wird insbesondere im Zusammenhang mit v. Savignys Lehre von der "freiwilligen Unterwerfung" zurückzukommen sein 169 . Allerdings sind die rechtstatsächlichen Grenzen zur stillschweigenden Rechtswahl einerseits und zur bloßen Lokalisierung des Rechtsverhältnisses andererseits fließend. Erstere stellt die unmittelbare Wahl der Parteien dar, wie sie sich aus den Umständen des Falles und dem Parteiverhalten ergibt; die Vereinbarung eines Anknüpfungspunktes hat insoweit nur die Bedeutung eines Anhaltspunktes für den wirklichen Willen der Parteien, ist aber nicht automatisch mit diesem gleichzusetzen. Letztere geht gar nicht von der Möglichkeit einer rein willensmäßigen Bestimmung des anwendbaren Rechts aus, sondern mißt der Vereinbarung nur Hilfsfunktion im Rahmen der Ermittlung des räumlichen Schwerpunktes als objektiver Anknüpfung bei. Der Wille wird als reine Tatsache berücksichtigt. 164 Daß eine derartige Vereinbarung auch heute noch vorkommen könnte, erscheint angesichts der verbleibenden Unsicherheit und der breiten Rechtswahlmöglichkeiten des in Deutschland geltenden Kollisionsrechts kaum wahrscheinlich, ist für den Fall, daß eine derartige Wahlmöglichkeit in dem in Betracht kommenden IPR nicht besteht, aber immerhin vorstellbar; mit ähnlichen Argumenten für die Zulassung einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl als Gesamtverweisung, Schröder, Sinn der Verweisung, S.92. 165

Vgl. Stoll Rechtswahlvoraussetzungen, S.44: "fiktiver" Erfüllungsort.

166

Für Leistungsstörungen im Vorfeld der Erfüllung ist dies offensichtlich. Umbricht, Immanente Schranken, S.46 Fn. 14 spricht auch insoweit nicht ganz zutreffend von einer "Verlegung ins Ausland"; denkbar wäre aber auch eine Vereinbarung Uber das, was bei einem komplexen Vertrag als charakteristische Leistung anzusehen ist usw. 167 Als solcher hat er mit der tatsächlichen Gestaltung der Dinge u.U. nichts gemeinsam, vgl. Brändl, Parteiwille, Sp.828; ähnl. Stoll, Rechtswahlvoraussetzungen, S.44. 168 So z.B. Beer, Entwicklungsstufen, S.356 f. in Anlehnung an die Untersuchung Leonhards, Erfüllungsort und Schuldort. 169

Vgl. unten § 3.

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

51

II. Der methodologische Ausgangspunkt: Der Übergang von der Statutentheorie zur Lehre von den Kollisionsnormen

1. Neuansatz und Elemente der Kontinuität bei v. Wächter Von Wächter gilt als Überwinder der historischen Statutentheorie nach altem Verständnis 170 und damit als Wegbereiter des heutigen kollisionsrechtlichen Verständnisses171. Ausgangspunkt für den Ansatz, der die Frage nach dem anwendbaren Recht 172 in den Mittelpunkt rückt, ist die Letztkompetenz des nationalen Gesetzgebers, der die Frage ohne Rücksicht auf subjektive Ansichten der mit Rechtsfindung betrauten Organe oder die Folgerichtigkeit des konkret einschlägigen Gesetzes entscheidet173. Dieser Souveränitätsgedanken gebe, wie v. Wächter im Anschluß an Maurenbrecher betont, dem Landesherrn das Recht, alles zu unterwerfen, was sich auf seinem Territorium befinde 174. Maßgebend für den Gesetzgeber sind die Interessen der eigenen Rechtsordnung und

170

Vgl. in diesem Sinn schon Bar, Theorie I, S.73 f.; Ferid/Böhmer, IPR, Rdnr. 1-103; Niederer, Einführung, S.59; Schnitzer, Parteiautonomie, S.311; Wolff IPR, S.19; Vogel, Verwaltungsrechtsnorm, S.216; Kegel, IPR, 119; vorsichtiger: De Nova, Rec.Cours, S.452; kritisch: Sandmann, Grundlagen, S. 124,185; Sturm, lus Commune, S.97f: "Diese kühne, aber völlig unhaltbare Behauptung geistert durch alle Lehrbücher ..."; anders noch Raape/Sturm, IPR, S.409; vgl. zur Statutentheorie allgemein den Überblick bei Lipert, Statutismus, S. 14-32. 171 In Abgrenzung zu den "modernen Strömungen" wird auch die Bezeichnung "herkömmliches IPR" für das aktuelle kontinentaleuropäische Kollisionsrecht gebraucht, vgl. Lorenz, Struktur, S.23. 17 2 Wächter I, S.236 f.: "Die Frage ist: nach welchen Rechtsnormen hat der Richter unseres Staates über ein vor ihn gebrachtes Rechtsverhältnis zu entscheiden, welches entweder im Auslande begründet wurde, oder bei welchem Ausländer beteiligt sind, oder welches sonst mit dem Auslande in einer Beziehung steht"; dem Begriff "Kollision der Gesetze" steht er kritisch gegenüber, Wächter I, S.237 Fn. 10 und II, S.33 Fn. 239, da er die Gefahr widersprüchlicher Lösungen in sich birgt, behandele dieser Begriff doch vorrangig nur die Frage der Bindungskraft unserer Gesetze z.B. bei Handlungen von (inländischen) Bürgern im Ausland, wohingegen die Frage nach dem anwendbaren Recht der Oberbegriff für alle Kollisionsfälle sei. 17 3

Wächter I, S.238; ausführlich zu den insgesamt drei Wächterschen Grundsätzen: Sandmann, Grundlagen, S.88 ff.; Wicki, Dogmengeschichte, S.39, spricht von einer "territorialistischer Grundhaltung"; drastischer Sturm, lus Commune, S.98: "einseitigem Partikularismus verhaftet" und "kleinstaatlichem Positivismus verpflichtet". 17 4

4*

Wächter I, S.299.

52

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

die völkerrechtlichen Beziehungen, der Richter sei aber - wie sonst auch streng an seine Gesetze gebunden175. Damit ist die Bedeutung der lex fori klargestellt und das IPR als Problem des internen Rechts erkannt worden 176 , ohne daß gleichzeitig die kollisionsrechtliche Fragestellung entschieden worden wäre 177 . Denn für den Fall, daß besondere positiv-rechtliche Regeln178 fehlten, versah v. Wächter schon den Rückgriff auf die nationalen materiellen Gesetzesnormen mit der Einschränkung, "... es kommt darauf an, ob und wie weit denn der Staat das in seinem Territorium sich befindliche seinen Gesetzen unterwerfen will, ob er von seinem Können unbeschränkt Gebrauch machen wolle" 179 . Berücksichtigt man die dafür erforderliche Auslegung nach "Geist und Sinn" 180 , wird die Konzeption des kollisionsrechtlichen Standpunktes deutlich: Nicht das nationale Gesetz als solches soll zur Anwendung kommen, sondern die darin enthaltene Aussage über das Verhältnis zu einer fremden Rechtsordnung. Der Autonomie als Grundsatz wollte v. Wächter keine tragende Rolle zuweisen. Aber die systematische Stellung seiner diesbezüglichen Ausführungen belegt eine gewisse Eigenständigkeit des Parteiwillens in seiner Bedeutung für

17 5

Wächter I, S.311; vgl.auch II, S.14, wo die scharfe Scheidung der Rolle des Richters von der des Gesetzgebers ausgeführt wird; Sandmann, Grundlagen, S.l05 weißt in diesem Zusammenhang auf das Richterbild Wächters hin, das dem Montesquieus ("Le juge est la bouche qui prononce les paroles de la loi", De l'esprit des loix, 1748) entsprach. 176

Vgl. De Nova , Rec.Cours, S.456; Sandmann, Grundlagen, S.179 ff.

177

Anders die späteren Theorien von Pütter, Fremdenrecht, S.l59 f. und Collision I, S.389 f.; noch extremer: Pfeiffer, Prinzip, S.3: "Der Richter hat auf alle, seiner Cognition unterzogenen, Rechtsverhältnisse einzig und allein das Recht seines Landes ... anzuwenden, ohne Rücksicht auf die Subjekte und Objekte, so wie fernerhin auf die verschiedenen örtlichen Bezüge, welche dabei zur Frage und Sprache kommen." 178

Vgl. Wächter I, 240, 241 Fn. 15; daß er dabei den Bestand an solchen Regeln in damaligen Gesetzeswerken überbewertet hat, darf nicht übersehen werden: der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 enthielt nur einen Satz das IPR betreffend (Teil 1 Kap.2 § 17 Satz 2, das preußische ALR von 1794 enthielt einige interlokale Kollisionsregeln (Einleitung §§ 22-44, Teil I Tit.5 §§111-115,148, Teil I Tit. 12 § 139,537, Teil II Tit. 1 §§ 350-355,369,495), der Code Napoléon von 1804 einen Artikel (Art.3). 17 9 Wächter I, S.299; vgl. Sandmann, Grundlagen, S.99 ff.: "Kernstück seiner [d.h. Wächters, d. Verf.] Lehre". 180 Vgl. Wächter I, S.263,265, wo deren Vernachlässigung bei der Rechtsanwendungsfrage in der Doktrin konstatiert wird.

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

53

das Kollisionsrecht 181. Die Verbindung zwischen Parteiwillen und lex fori als Maßstab resultierte aus dem dritten "Grundsatz", der hilfsweisen Geltung der lex fori 1 8 2 . Dieser Grundsatz hatte als Prinzip bei v. Wächter keine eigenständige Bedeutung, sondern stellte als Konkretisierung des Auslegungsprinzips eine Verweisungsnorm dar 183 , die aber um Konformität mit der geltenden Rechtsentwicklung bemüht war und dem Nationaldenken v. Wächters Rechnung trug 184 . Daß dieser "Grundsatz" letztlich nicht widerspruchsfrei war, hat Sandmann dargelegt 185. So kann darin nicht die Regel einer Geltung materiellen inländischen Rechts in jedem Zweifelsfalle 186 gesehen werden, was gerade seine Lösungsvorschläge auf dem Gebiet des Schuldrechts belegen. Mangels ausdrücklicher Normbestimmung im inländischen Recht galt für die Beurteilung lückenhafter Erklärungen der Satz locus regit actum 187 , bei Verträgen unter Abwesenden die lex loci actus 188 und nur wenn überhaupt keine dieser Beziehungen griffen, sollte die lex fori die Lücke schließen189. Aus dem territorialen Ansatz v. Wächters folgt somit nicht die Behandlung des Parteiwillens nur im Rahmen eines als maßgeblich feststehenden materiellen Rechtes190. Der Parteiwille steht aber in enger Verbindung mit der Analyse

181

Systematisch stehen die Ausführungen über die "Unterwerfung unter fremde Gesetze durch Autonomie" bei Wächter II, S.35 ff. am Anfang des 5. Kapitels ("Anwendung der Allgemeinen Grundsätze auf die wichtigsten einzelnen Fälle und Fragen"); die Autonomie ist also vor die Einzelausführungen gezogen, andererseits aber nicht schon als "leitender Grundsatz" (diese finden sich in Kapitel 3 und 4, Wächter I, S.261 ff.) erwähnt. 182

Wächter I, S.265.

183

Sandmann, Grundlagen, S.88,110.

184 Wächter I, S.254f. spricht davon, die Gerichte hätten "im Zweifel" immer nach der lex fori geurteilt; diesen Standpunkt verteidigt auch Sandmann, Grundlagen, S.l 14 gegen Zitelmann I, S.23f, der darin eine bloße Behauptung sah. 185

Vgl. Sandmann, Grundlagen, S.l84 und unten § 3.

186

Vgl. Sandmann, Grundlagen, S.l 10 ff.

187

Vgl. Wächterll S.36,42,45 f.,397,404. 188 Ygj Wä C ht er u } s.45 (nur bei gemeinsamer Staatsangehörigkeit galt in dieser Fallgruppe das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit). 18 9 190

Wächter II, S.47 Fn. 259.

Der Einordnung Haudeks, Parteiwille, S.4 Fn. 4, kann insoweit nicht gefolgt werden, denn die Behandlung der Autonomie war bei v. Wächter nicht zwangsläufig dem rein materiellen Recht zuzuordnen; eine konsequente Unterordnung des Parteiwillens unter das ermittelte Sachstatut, wie

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

54

des nationalen Sachrechts, die dem gesamten Ansatz immanent ist und der insoweit eher der traditionell statuarischen Methode entspricht, freilich unter Verzicht auf die bis dato übliche Dreiteilung in Personal-, Real- oder gemischte Statuten191. Auch v. Wächter selbst sieht sich ganz in der Tradition der alten Statutisten des Mittelalters 192. Andererseits trugen die Ausführungen über das auf Obligationen anwendbare Recht zu einer Fixierung in der Beziehung von Wille und nationalem Recht bei: der Parteiwille wird in seiner Bedeutung für die kollisionsrechtliche Fragestellung über den Grundsatz der Auslegung der Gesetze mit dem Geltungsbereich nationaler zwingender Normen in Verbindung gebracht. Die ursprünglich weite Fassung des Auslegungsgebots des wächterschen Ansatzes geriet in das Kreuzfeuer der Kritik. So äußerte Struve: "Jeder Praktiker wird anerkennen, daß nichts schwieriger ist, als sich über Sinn und Geist eines Gesetzes zu verständigen ... Daher sind die Gesetzgeber immer oder wenigstens größtentheils so weise geworden, den Zweck, die Absicht ihrer Gesetze nicht auszusprechen ... Wie kann nun das uns dienlich seyn, woran der Gesetzgeber ganz bestimmt nicht dachte? Wie kann das uns ein leitender Grundsatz einer ganzen Lehre werden?" 193

v. Savigny macht sich den Ansatz von v. Wächter noch zu eigen, wenn er auch vorsichtig nur von "Annährung" an v. Wächter spricht 194 , v. Bar will durch die Gewinnung weiterer Gesichtspunkte der "Gefahr der individuellen Willkür" entgehen und bemüht dafür die Natur der Sache, die er allerdings als

es die rein materiellrechtliche Rechtswahl voraussetzt, findet sich in dem Aufsatz in AcP nicht; anders, aber auch widersprüchlich, in den später erschienenen Pandekten I, vgl. unten Fn. 303. 191 So auch Sandmann, Grundlagen, S.99, 102, 107, 250 und passim; De Nova, Rec.Cours, S.457 ("statutarian flavour"). 192

vgl. Wächter I, S.264 unter Nennung von Bartolus (mit Verweis auf Fn. 79).

193

Struve, S.68 [Hervorhebung im Original]; ähnlich Pfeiffer, Prinzip, S.40; die Gefahr der Willkür sah auch Bar, Theorie I, S.74, deutlich, nachdem er in seinem IPR, S.52, den zweiten Grundsatz Wächters noch als großen Fortschritt bewertet hatte (Stobbe, Handbuch I, S.l70: v. Bar folgt dem Auslegungsgrundsatz "in noch detaillierterer Weise"); Sandmann, Grundlagen, S.237, sieht aber v. Bar insgesamt noch ganz als in der Tradition des Wächterschen Auslegungsansatzes stehend an. 194

Savigny, System Vili, S.28 f. Fn. g; vgl. Sandmann, Grundlagen, S.219.

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

55

Rechtsquelle ansieht195 und die ihn - völlig weg von v. Wächter - zum völkerrechtlichen Verständnis des IPR führt 196 . Der Parteiwille steht bei v. Wächter zwischen der ihm Einfluß verschaffenden Auslegung der Gesetze (die die Gefahr der Willkür birgt) und den leges cogentes197. Beide Pole entspringen dem nationalen Recht und stellen doch die Methode des IPRs im Sinne v. Wächters dar. So sicher wie v. Wächter damit Fragen des Kollisionsrechts behandelt hat - noch auf dem selbst ins Schwanken gebrachten Boden der statutarischen Methode -, so berechtigt ist es, die Behandlung der Rechtswahl bei ihm, dem Ansatz nach, als Frage des Kollisionsrechts zu bezeichnen. Ein größeres Hindernis für die weitere Integration des Parteiwillens in das System des Kollisonsrechts bedeutete die Feststellung, die v. Wächter im Zusammenhang mit einer Kritik an Hauss198 trifft und dessen Grundsätze für das Kollisionsrecht er wie folgt zusammenfaßt 199: "a) Der Richter habe vor allem den Willen der Parteien zu erforschen und darauf zu sehen, was unter diesen vorging; b) wenn die Parteien nichts bestimmten oder das von ihnen Bestimmte die Grenzen der Autonomie überschreite: so habe unser Richter die Gesetze seines Staates anzuwenden. c) Wenn aber diese auf Fremde, die mit den Unsrigen prozessieren, sich nicht ausdrücklich beziehen: so müsse der Richter in subsidum auf die Landesgesetze des Fremden Rücksicht nehmen."

195

Schnorr von Carolsfeld, Vorwort, S.VI ff, bes.S.X; die derartige Verwendung der Natur der Sache dürfte auch der Grund für seinen ausgeprägten völkerrechtlichen Standpunkt gewesen sein. 196 Bar, Theorie I, S.74 f.; Sandmann, Grundlagen, S.124 sieht in der Verdeckung des nationalen Charakters des IPR durch v. Bar sogar den Grund dafür, daß v. Wächter als "Entdecker" der Nationalität des IPR gehandelt wird. 197

Dazu unten § 2.

198

August Friedrich Christian Georg Hauss, De principiis, a quibus rendet legum sibi contrariarum auctoritas, si que variorum locorum constitutiones colliduntur, ob singularem causae, de qua agitur, indolem et naturam, in primis de usu regulae 'locus regit actum' recte determinando. Göttingae 1824. Vgl. bei Wächter II, S.21 Fn. 210; Hauss gilt als früher Vertreter einer weiten Parteiautonomie, vgl. Wicki, Dogmengeschichte, S.35 m.w.N. 199

Wächter II, S.21, 22 [Hervorhebungen im Original]; der vierte, nicht zitierte Grundsatz betrifft Sachen, die außerhalb des Forumstaates belegen sind.

56

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

Der gegen die erste These erhobene Einwand, die Parteiautonomie sei schon nicht möglich, weil man zunächst ein Gesetz brauche, aus dem die Grenzen zu entnehmen seien 200 , wurde tragende Säule späterer Autoren in der Reaktion gegen die kollisionsrechtliche Verweisung: Man hielt den Parteiwillen im System des Kollisionsrechts für rechtslogisch unmöglich, der unvermeidbare circulus vitiosus bedeutete bis in die 20er Jahre des folgenden Jahrhunderts das wissenschaftstheoretische "Aus" für den Parteiwillen bei der Begründung allseitiger Kollisionsregeln 201. Im Grunde war aber damit nur die Feststellung getroffen, auf der auch die frühe Ansätze einer Rechtfertigung der kollisionsrechtliche Verweisung aufbauten, über deren Bedeutung als Ausgangspunkt aber auch nach der Anerkennung der kollisionsrechtlichen Rechtswahl noch Verwirrung herrschte 202, nämlich daß eine nationale Rechtsordnung den Parteien die Rechtswahl unter Fortfall nationaler Schranken gestatten könne. 2. v. Savigny a) Die Grundsätze v. Savigny und seine Ausführungen im achten Band des "Systems des heutigen Römischen Rechts" waren und sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen auf dem Gebiet des IPR 203 . Ungeachtet seiner Kritik an dem Begriff der "Autonomie" 204 ist sein methodischer Ansatz von grundlegender Bedeutung für den Verlauf der Diskussion über den Parteiwillen im 19. Jahrhundert.

2 0 0

Wächter II, S.22; in Fn. 213 kritisiert er, daß Hauss über die dafür maßgebende Rechtsordnung keine Aussagen treffe; vgl. auch Mancini , De l'utilité, S.287 f. [Mancini spricht dort zwar von "professeur Hans de Göttingen" gemeint ist aber Hauss]. 2 0 1 Vgl. Bar, I, S.94; II, S.4; Zitelmann II, S.375 für die von im herausgearbeitete "Rechtswahl als Grundsatz des allgemeinen IPR", womit die kollisionsrechtliche Verweisung gemeint ist.

202 V g i Schnitzer, Parteiautonomie, S.308 und unten Teil C; über die dogmatische Fundierung des Privatwillens auf der Ebene des nationalen deutschen Rechts oben Teil A § 3. 2 0 3 Hervorgehoben seien Gutzwiller, Der Einfluß Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts; Neuhaus, Savigny, S.364 ff.; Maridakis, Lehre Savignys, S.309 ff.; Sturm, lus Commune, S.93 ff.; Sakurada, Symposium, S.127 ff.; [genaue bibliographische Angaben im Literaturverzeichnis, weitere Nachweise bei Kegel, IPR, S.l 17.] 2 0 4 Savigny, System VIII, S.l 12; zu dem besonderen Verständnis Savignys über die Entstehung von Recht und die begrenzte Funktion des Gesetzgebers bei der Rechtssetzung, vgl. System I, S.39.

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

57

Ausgangspunkt ist für ihn die Formulierung der Frage nach dem anwendbaren Recht, die das Rechtsverhältnis in den Vordergrund rückt 205 : "Für die Rechtsregeln wird gefragt: Ober welche Rechtsverhältnisse soll sie herrschen? Für die Rechtsverhältnisse: Welchen Rechtsregeln sind sie unterworfen, oder angehörig? Die Frage nach den Gränzen der Herrschaft oder der Angehörigkeit, und nach dem an diesen Gränzen eintretenden Gränzstreitigkeiten oder Collisionen, sind ihrer Natur nach abgeleitete und untergeordnete Fragen."

Dabei wird das Bestehen irgendeiner Beziehung des streitigen Rechtsverhältnisses mit verschiedenen örtlichen Rechten vorausgesetzt206. Zur Beantwortung der Frage stellt v. Savigny zwei Prinzipien auf. Das erste lautet, "... daß bei jedem Rechtsverhältniß dasjenige Rechtsgebiet aufgesucht werde, welchem dieses Rechtsverhältniß seiner eigentümlichen Natur nach angehört oder unterworfen ist" 2 0 7 , und stellte die Ausformulierung des Grundsatzes der Natur der Sache auf das IPR dar 208 , v. Savigny deduzierte daraus seine allseitigen Kollisionsregeln, dem Plan der in der deutschen Rechtsordnung bekannten Rechtsverhältnisse folgend. Zweitens entwickelt er die Idee einer "völkerrechtlichen Gemeinschaft", die in einem Leitmotiv für die Aufstellung von Regeln im IPR gipfelt 209 : "Wir haben uns dabei stets zufragen, ob eine solche Regel wohl geeignet seyen dürfte, um in jenes allen Nationen gemeinsame Gesetz aufgenommen zu werden." Diese Idee dient als Rechtfertigung des Grundsatzes210 vom Sitz des Rechtsverhältnisses und den daraus deduzierten Einzellösungen211.

2 0 5

Savigny, System Vili, S.3.

2 0 6

Savigny, System VIII, S.l8, 24; gleichgültig ist es für Savigny, ob die Rechte partikularstaatlicher Natur sind oder ob es sich um solche territorial unabhängiger Staaten handelt, vgl. unten Fn. 409. 2 0 7

Savigny, System Vili, S.28, 108.

2 0 8

Neuhaus, Savigny, S.366; über den Grundsatz der Natur der Sache, deren Bedeutung in der Historischen Rechtsschule und bei v. Savigny im speziellen: Radbruch, Natur der Sache, S.l57 ff. 2 0 9

Savigny, System VIII, S.l 15, ähnlich S.27, 129; vgl. Neuhaus, Savigny, S.372: "kategorischer Imperativ"; Dölle, 100 Jahre Bd.8, S.362: "kantisch gedachte Fassung" des Prinzips der internationalen Entscheidungsharmonie. 2 1 0 Savigny, System VIII, S.27f; das im gleichen Zusammenhang genannte Gebot der Gleichbehandlung von Einheimischen und Fremden und der zu erwartende Vorteil der Staaten und des einzelnen aus der Befolgung des Prinzips sind nur Aspekte, die den umfassend gemeinten Begriff anschaulich machen sollen. 2 1 1

Vgl. Savigny, System VIII, S.l 14, 128.

58

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

Ohne den wächterschen Ansatz der Territorialität aus den Augen zu verlieren 2 1 2 , aber auch ohne dessen Rückgriff auf die lex fori bei Fehlen anderer Anknüpfungen 213, trägt er der Besonderheit Rechnung, die sich aus der Internationalität der Fälle ergibt. Ausnahmen von den aufgestellten Regeln über das "örtliche Recht" sind lediglich vorgesehen, wo streng positive Gesetze von zwingender Natur dies gebieten oder die anwendbaren fremden Rechtsinstitute in der eigenen Rechtsordnung unbekannt sind 214 . b) Beurteilung durch die Lehre v. Savigny wird häufig im gleichen Atemzug mit Story als Begründer des Kollisionsrechts nach heutigem Verständnis genannt215, der mit seinen Ausführungen die "kopernikanische Wende" im IPR eingeleitet habe 216 . Doch schon im 19. Jahrhundert waren seine Grundsätze trotz einer umfangreichen Anhängerschaft 217 teilweise umstritten und wurden unterschiedlich interpretiert. Thöl wollte die Ausgangsfrage enger stellen218 und gelangte dabei zu einem ganz anderen Ansatz 219 . Für den Begriff der Rechtsverhältnisses wurde der Wert der Frage nach dem Sitz bestritten, denn sie seien "... nichts körperliches und nur das körperliche hat einen Sitz im Räume"220. Angesichts der Fundierung des Begriffes vom Rechtsverhältnis in seiner konkreten und abstrakten Bedeutung221 wurde solche Kritik aber als zu "kleinlich" verwor-

2 1 2 Savigny, System Vili, S.24 f. und S.130 Fn. A, wo die territoriale Souveränität ausdrücklich anerkannt und vorausgesetzt wird; vgl. auch Neuhaus, Savigny, S.367; Yntema, Historische Grundlagen, S.530. 2 1 3

Wächter 1,263,268; II, 32.

2 1 4

Savigny, System VIII, S.33; dazu ausführlich unten § 2.

2 1 5

Kegel, IPR, S.l 18; Sitzing/LandsbergIII

2, S.229.

2 1 6

Neuhaus, Savigny, S.364; ders., Abschied von Savigny, S.7 mit ausführlicher Begründung und w.N. 2 1 7

Vgl. die Nachweise bei Böhm, Statutenkollision, S.7 f.; Roth, Dt. Privatrecht I, S.283 Fn.

14. 2 1 8

Thöl, Einleitung, S.168.

2 1 9

Thöl, Einleitung, S.l70: "Der Richter, welcher zu entscheiden hat, nach welches Ortes Gesetzen ein streitiges Recht zu bestimmen ist, hat zu Untersuchen, welches Gesetz über die Rechtsfrage, diese ganz so concret gedacht entscheiden will" [Hervorhebung im Original]. 2 2 0

Dernburg, Pandekten I, S.103; ähnlich zuvor Bar, Theorie I, S.77,107.

2 2 1

Daraufhatte Stobbe, Handbuch I, S.216 bereits hingewiesen.

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

59

fen 2 2 2 und auf die Notwendigkeit einer Qualifikation des faktischen Verhältnisses in seiner rechtlichen Dimension hingewiesen223. Die mangelnden Konturen des "Sitzes" waren ein häufiger Stein des Anstoßes bei der Suche nach konkreten Lösungen224. Die Kritik des 20. Jahrhunderts setzt sich in fundamentalen Punkten fort. Anhänger aus den Reihen der "modernen Strömungen" werfen dem Ansatz savignyscher Prägung vor, er habe mit seinen allseitigen Kollisionsregeln das IPR "entstaatlicht"225 und suchten auf verschiedenen Wegen dieses Manko 226 des "herkömmlichen" Kollisionsrechts zu überwinden, wobei die Sachnormanalyse in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt wurde 227 . Auch von anderer Seite wurde die Einschätzung der Lehre in jüngster Zeit relativiert 228, ohne jedoch die Bedeutung der Autorität v. Savignys und die Wirkung seiner Lehre für die Entwicklung des IPR anzugreifen 229.

2 2 2 Regelsberger, Pandekten I, S.l63, der allerdings auch das Rechtsverhältnis in seiner abstrakten Erscheinung verstanden wissen will, was aber auch v. Savigny nicht verschlossen geblieben sein könne und einer Lokalisierung desselben nicht entgegenstünde. 2 2 3

Gierke , Dt. Privatrecht I 1, S.218 Fn. 33 gegen v. Bar: "Wie sollte es auch möglich sein, das rein Faktische unter Abstraktion seiner rechtlichen Qualifikation einer Rechtsquelle unterzuordnen! Der von v. Bar getadelte circulus vitiosus ist aber in Savignys Lehre deshalb nicht enthalten, weil Zweifel über die Bestimmung der allgemeinen Kategorien 'Rechtsverhältniß' und 'Handlung'... aus dem einheimischen Recht zu lösen sind." 2 2 4

Vgl. Neumann, Gutachten, S.184; Bar, Theorie I, S.107; II, S.12 Fn. 119; später Schnitzer, Handbuch I, (2.Aufl.), S.34, (4.Aufl.), S.43 f. und Zuordnung der Verträge, S.20, 26 ff.; dagegen aber Neuhaus, Abschied von Savigny, S.l8. 2 2 5 Vogel, Verwaltungsrechtsnorm, S.217; ähnlich Joerges, Klassische Konzeption, S.467; a.A. Lorenz, Struktur, S.49 unter Nachweis der Übernahme statutenrechtlicher Grundsätze bei v. Savigny, vgl. dazu im Text; Neuhaus, Savigny, S.372,376 spricht von "Entpolitisierung", wertet diese entgegengesetzt; Nachweise weiterer Angriffe - z.T. scharf polemisierend finden sich bei Sturm, lus Commune, S.94 Fn. 6-9.; zu den Vorwürfen gegen das IPR savignyscher Prägung vgl. Schurig, Kollisionsnorm, S.l6 ff. 2 2 6 Freilich auch dessen technische Schwierigkeiten, vgl. Juenger, Wandel des IPR, S.l8; dazu Lorenz, Struktur, S.24,94 ff.

227 Ygj z u r "sachnormanalytischen" Methode, die in ihrer wesentlichen Ausprägung als "governmental interest analysis" auf Brainerd Currie zurückgeht Lipert, Statutismus, S.76 ff.; Lorenz, Struktur, S.l7. 2 2 8

V.a. Lorenz, Struktur, S.27 ff., 52-54; Sturm, lus Commune, S.99 ff.

2 2 9

Ausdrücklich Sturm, lus Commune, S.109;flhnl. Sakurada, Symposium, S.137.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

60

Während Neuhaus der Fragestellung v. Savignys immerhin eine "Neuheit" bescheinigt, der sich allerdings v. Savigny selbst nicht bewußt gewesen sei 230 , will E. Lorenz die These von dem "Neuansatz" überhaupt relativiert wissen und sieht bereits in der Formulierung der Frage den besten Beweis für das starke statutentheoretische Element in v. Savignys Lehre 231 . Neu sei der Ansatz schon deshalb nicht, weil bereits Bartolus und später Hert allseitige Kollisionsnormen geläufig gewesen seien, jedoch nie geschlossen dargestellt wurden und durch statutentheoretische Differenzierungen in den Hintergrund gedrängt waren 232 . Erst die "Umweltbedingungen" der Zeit des savignyschen Reformansatzes und sein Bestreben, aus den tradierten Regeln ein funktionsfähiges Kollisionsrecht zu entwickeln, bewirkten eine Verschiebung der beiden Strukturmöglichkeiten 2 3 3 . Dieser Auffassung eines Methodendualismus, der in Wirklichkeit auf einen "Systempluralismus" hinauslaufe, ist Schurig entgegengetreten234. Bei v. Savigny sieht er allerdings nur den Anstoß zu einer Entwicklung der kollisionsrechtlichen Methode, die ihren Durchbruch erst bei Kahn fand 235 . Auch die Palette der Kritik an der "völkerrechtlichen Gemeinschaft" bei v. Savigny ist groß. Ihr wird die Originalität abgesprochen, soweit damit die Idee der Entscheidungsharmonie verbunden ist, da sich schon weitaus ältere Belege für derartige Erwägungen finden lassen236. Die völkerrechtliche Gemeinschaft stehe bei v. Savigny nicht in Beziehung zur Sitz-Regel237 und habe im Grunde

2 3 0

Neuhaus, Savigny, S.370 Fn. 3.

23 1

Lorenz, Struktur, S.45.

2 3 2

Lorenz, Struktur, S.30; vgl. auch Yntema, Historische Grundlagen, S.540; Gamillscheg, Dumoulin, S.72ff.; einschränkend in Bezug auf die Existenz allseitiger Kollisionsnormen (gegen Lorenz) aber Gamillscheg, Methode bei Bartolus, S.241 f.; dagegen wiederum Lorenz, Besprechung Gutzwiller, S.809, 811; krit. auch Schurig,, Kollisionsnorm, S.l 15 Fn. 280. 2 3 3 Lorenz, Struktur, S.47,53; eine "Umweltbedingung", die zu der rasanten Eigendynamik von Savignys Lehre geführt hat, dürfte die Lückenhaftigkeit der gesetzgeberischen Bemühungen gewesen sein, vgl. Hartwieg, Gesetzgeber, S.454 und unten § 5 . 2 3 4

Schurig, Kollisionsnorm, S.45 f., 106 f., 336 f.; dabei wendet er sich v.a. gegen den Rückgriff auf die statutenrechtlich geprägten Vorstellungen der lois d'application immédiate, die nach seinem Kollisionsnormverständnis keiner methodischen Sonderbehandlung bedürfen; vgl. auch ders., Symposium, S.55ff.; ders., Zwingendes Recht, S.215 ff. 2 3 5

Schurig, Kollisionsnorm, S.125.

2 3 6

Sturm, lus Commune, S.l07; Sandmann, Grundlagen, S.77 sieht darin gar eine deutsche comitas-Lehre. 2 3 7

Gutzwiller,

Einfluß Savignys, S.43 f.

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

61

nur Internationalisierungsfunktion gehabt238. Sie sei schon als Ausgangspunkt nicht geeignet, denn sie verschwinde "... nach und nach in der Ferne wie das verglimmende Irrlicht am Fuße eines verblassenden Regenbogens"239 und habe im Gegensatz zum Ansatz Wächters den Blick dafür verstellt, daß es sich beim IPR um Probleme des internen Rechts handele240. Die Gesetze "streng positiver, zwingender Natur" schließlich werden als fortwirkendes Element der Statutentheorie241, als einfache Durchbrechung des Sitz-Regel242 oder als deren rechtspolitische Modifikation und damit als integraler Bestandteil der Kollisionsnormen gesehen243. c) Stellungnahme und Folgerungen für den Parteiwillen als Grundsatz Die Belege für die Annahme, daß v. Savigny bei der Entwicklung seines Systems auf dem Boden der traditionellen Lehre stand, sind nicht zu übersehen und können vordergründig bereits in Formulierungen statutistischer Art gesehen werden 244. Diese Feststellung kann daher als allgemein anerkannt gelten 2 4 5 . Ob die Beurteilung von E. Lorenz über die lange Tradition der allseitigen Kollision zutrifft, kann hier offenbleiben 246. An der psychologi-

2 3 8 Lorenz, Struktur, S.50; a.A.: Sakurada, Symposium, S.132, der hier die Konsequenz von Savignys Rechtsentstehungslehre sieht. 2 3 9 Yntema, Historische Grundlagen, S.515; schon Pütter, Collision I, S.391, meldete angesichts einer "eifersüchtigen Sorge der Fürsten um ihre Souveränität" Kritik an, vgl. auch S.415; zuversichtlicher Schnitzer, Rechtsvergleichung, S.27 ("zunehmende Interdependenz" der Rechte, die der Völkerrechtsgemeinschaft wieder Bedeutung verschaffe). 2 4 0

Vgl. Yntema, Historische Grundlagen, S.531

24 1

Lorenz, Struktur, S.43 f.

2 4 2

Neuhaus, Abschied von Savigny, S.12 f., 18.

2 4 3

Sakurada, Symposium, S.135 f.

244 V g | Savigny, System VIII, S.148, 296 ff.; weitere Nachweise bei Neuhaus, Savigny, S.370.; zur Rolle der zwingenden Normen für diese Einschätzung unten § 2 II 2. 2 4 5

Vgl. schon Laurent I, 1880, Nr.416 S.614; De Nova, Rec.Cours, S.457; Sandmann, Grundlagen, S.232; Sturm, lus Commune, S.l 10. 2 4 6

Schwind, Geistige Grundlagen, S.95 sieht die Scheidung von Sach- und Kollisionsnormen als Ergebnis einer mehr als 500jährigen Entwicklung an, schreibt aber erst ihrer klaren Trennung einen entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung des IPR zu; vgl. auch Sandmann, Grundlagen, S.l02; De Nova, Rec.Cours, S.464.

62

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

sehen Wirkung, die von der Fragestellung ausging, vermag sie nichts zu ändern 247 . Dies macht auch ein Blick auf die Entwicklung der späteren Umformulierung durch Thöl deutlich 248 . Das Gewicht bei der Suche nach dem anwendbaren Recht wurde zu Lasten der Internationalität verschoben und führte in der Folge über Schnell 249 und Niedner zu einem kontinentalen Vorläufer der neostatutistischen anglo-amerikanischen Schule250. Eingeschlagen wurde dieser Weg in Deutschland auch von Cosack in bewußter Abkehr von der Anknüpfung nach savignyscher Prägung: Mangels besonderer Kollisionsnormen "... ist jede Rechtsfrage nach dem Recht desjenigen Staates zu beurteilen, der das größte öffentliche Interesse daran hat, jene Frage nach eigenem Ermessen zu beantworten." 251 Trat danach das Gesetz und dessen Anwendungswille in den Vordergrund, so war es bei v. Savigny die allseitige Kollisionsregel und die Internationalität des Rechtsverhältnisses. Der "völkerrechtlichen Gemeinschaft" kommt dagegen auf den ersten Blick eine weniger konstruktive Bedeutung zu. Tatsächlich wird sie nur im Sinne einer Idee verwandt und allenfalls ansatzweise versucht v. Savigny ihr zumindest eine Fundierung zu geben, die sich jedoch in der Aufzählung von Erscheinungsformen oder praktischen Beispielen erschöpft 252 und die sogar auf außerrechtliche Erwägungen wie das Christentum als gemeinsames Band zurückgeführt wird 2 5 3 . Sie entsprach als Grundlage des Kollisionsrechts aber seiner Auffassung von der Rechtsentwicklung, wie er sie für den Bereich des Privat-

2 4 7

Vgl. Kegel, IPR, S.l 18 f.

2 4 8

Oben bei Fn. 219.

2 4 9

Schnell, Zuständigkeit, S.341 ff. (S.342 Fn. 4 unter Berufung auf Thöl).

250 Ygj ß e tf 0V(2i Rec.Cours, S.575 f., der aber Schnell und Niedner allein wegen des von ihnen Vorausgesetzen internationalen Bezuges noch als auf dem Boden des klassischen IPR stehend ansieht. 25 1

Cosack, Lehrbuch I, S.41 (dieses Prinzip sei nicht unbestimmter als dasjenige Savignys, biete in Gegensatz zu jenem aber einen Ausgleich zwischen Territorialitäts- und Personalitätsgrundsatz); Gutzmller, Einfluß Savignys, S.77 f. sah darin einen Rückschritt "ad ovum" und "das krasseste Beispiel für jenen Internationalprivatrechtlichen Dilettantismus". 2 5 2

Es tauchen auf: der Verkehr der Völker (S.l7,27,29,30,117), die fortschreitende Rechtsentwicklung (S.28, ähnl. S.l 14,128), wachsende Rechtsgemeinschaft (S.292) usw.; vgl. Neuhaus, Savigny, S.367. 2 5 3

Savigny, System VIII, S.l7.

§ 1. Der Parteiwille im Anwendungsbereich des Kollisionsrechts

63

rechts ausführlich dargelegt hat 2 5 4 und war das Mittel zur Gewährleistung der größtmöglichen Freiheit des einzelnen255. Als solche fand sie auch Eingang in das Kollisionsrecht 256. Eine "Entstaatlichung" war nach dem eben ausgeführten damit sowenig verbunden, wie der Grundsatz umgekehrt den Rückfall in eine eifersüchtige Dominanz der lex fori als ausschließlichem Prinzip verhinderte 2 5 7 . Neuhaus sieht in der Figur der "völkerrechtlichen Gemeinschaft" bei v. Savigny mit Recht eine Besonderheit, die im Zeitalter der großen Kodifikationen und nationalen Kollisionsrechte hervorzuheben ist 2 5 8 . Andererseits war es gerade das Abstellen auf den Parteiwillen, das die größtmögliche Harmonisierung bei der Frage nach dem anwendbaren Recht ermöglichte und damit den internationalen Entscheidungseinklang, ein Hauptziel des IPR 2 5 9 ,förderte. Bereits Gutzwiller hielt diesen Beweis im Hinblick auf die Übereinstimmung mit der italienischen Schule des ausgehenden 19. Jahrhunderts für erbracht 260. Obwohl der Sitz-Regel insgesamt ein "gesunder Gedanke" bescheinigt wurde, billigte man ihrer Konkretisierung im Zusammenhang mit der Anknüpfung von Obligationen "nicht die geringste heuristische Kraft" zu 2 6 1 . Mag der Einwand der Unscharfe hier berechtigt sein, so stellt das Prinzip doch jedenfalls den Ausgangspunkt für spätere, erfolgreiche Konkretisierungsbemühungen dar, wie die Anknüpfung Schnitzers an die "charakteristische Leistung" belegt 262 . Für die Berücksichtigung des Parteiwillens ergibt sich die Bedeutung aus der

2 5 4

Savigny, System I, S.13 ff.,18 ff.; vgl. dazu Maridakis, Lehre Savignys, S.309 ff.

2 5 5

Sakurada, Symposium, S.134.

2 5 6

Vgl. Windscheid, dekten I, S.163. 2 5 7

Lehrbuch I, S.80; Enneccerus, Lehrbuch I 1, S.139; Regelsberger, Pan-

Vgl. Sakurada, Symposium, S.132; Sturm, lus Commune, S.108; Neuhaus, Savigny, S.372.

2 5 8

Neuhaus, Abschied von Savigny, S.9: "Hier ist eben die Betonung und Beibehaltung des Alten [seil.: der Einheit, die auf der Grundlage des Gemeinen Rechts selbstverständlich war] das Neue." 2 5 9 Vgl. Schwind, Geistige Grundlagen, S.3 f.; Beitzke, Methodik, S.17 f. (geringer siedelt er die Bedeutung der "inneren Harmonie" an). 2 6 0

Gutzwiller,

Einfluß Savignys, S.l57.

26 1

Gutzwiller, Einfluß Savignys, S.46f., 95 f.; in die gleiche Richtung geht der bekannte Einwand von Brinz, Pandekten I, S.102 über das nur willkürlich lösbare Problem der Rechtsverhältnisse, die "wie die Obligationen auf zwei Stühlen sitzen". 2 6 2 Vgl. den Ansatz Schnitzers, IPR II, S.513 und Rechtsvergleichung, S.l8, 26, der konkreter auf den charakteristischen Inhalt des Rechtsverhältnisses abstellt; zu seiner Vertragsanknüpfung besonders: Zuordnung der Verträge, S.l7-29; kritisch zu der nunmehr in Art.27 EGBGB niedergelegten Anknüpfung: Weitnauer, Vertragsschwerpunkt, S.197; Kreuzer, Warenkauf, S.95 f.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

64

Verbindung von Sitz und Rechtsverhältnis. Denn hinter dem Ansatz stand letztlich der Mensch263, das vertragliche Rechtsverhältnis war das "Gebiet unabhängiger Herrschaft des individuellen Willens 264 und so stellte die Bestimmung des Sitzes durch die Parteien die konsequenteste Ausfüllung des "Bildes" dar 265 . Die dogmatische Entwicklung des Parteiwillens konnte sich von der unechten Rechtswahl lösen und ihren Weg über die mittelbare Bestimmung (Erfüllungsort) zur vollständigen Integration in eine eigenständige Kollisionsnorm nehmen266. Auf einer eher statutentheoretisch geprägten Grundhaltung wäre dem Parteiwillen eine solche Entwicklung hin zur echten kollsionsrechtlichen Rechtswahl wohl nicht beschieden gewesen, wie jüngst der auf eine starke materiellrechtliche Einbindung abzielende Ansatz von E. Lorenz beweist267. § 2. Schranken

I. Einführung

Die Notwendigkeit von absoluten Schranken gegenüber der Anwendung eines bestimmten Rechts ist im IPR seit seinen Anfangen ein bekanntes Phänomen 268 . So wird vielen Rechtsinstituten die Funktion eines ordre public zugeschrieben269, auch wenn die Begründung der ordre public Lehre nach heutigem Verständnis auf das 19. Jahrhundert, insbesondere auf die Auseinandersetzung mit der neuen italienischen Schule um Mancini zurückgeht 270. Dieser relativ späten Konkretisierung ist auch bei der Frage nach den Schranken 2 6 3 Vgl. Savigny, System VIII, S.ll, 12 f., 118.; Gutzwiller, Einfluß Savignys, S.41 Fn. 6: "... der eigentliche, definitive Ausgangspunkt der Untersuchung ist eben die Person."; Kollewijn, Considérations, S.240. 2 6 4

Savigny, System I, S.334.

2 6 5

Dölle, 100 Jahre Bd.8, S.361 räumt daher mit Recht der "freiwillige Unterwerfung" sogar den Rang eines Zentralpunktes in der Lehre Savignys ein. 2 6 6

Vgl. unten § 4.

2 6 7

Lorenz, Struktur, S.83 f.; zu den neueren Erscheinungen einer materielle Sicht s.u. Fn. 913.

2 6 8

Zu den historischen Grundlagen Spickhoff,\ ordre public, S.25-68; vgl. die Literaturübersicht bei Kegel, IPR, 4.Aufl., S.233-235 und ó.Aufl., S.323, 324. 269 Ygj L o r e n Z i Struktur, S.38; ähnlich Sandmann, Grundlagen, S.46 und öfter, der auf die statuta odiosa hinweist; a.A. insoweit Vallindas, ordre public, S.2. 2 7 0

Vgl. Vallindas, ordre public, S.2 f.; Görtz, "modernen Kollisionsrecht" des 19. Jh.].

Parteiwille, S.19 [Entwicklung erst im

§ 2. Schranken

65

der Rechtswahl Rechnung zu tragen, stehen doch mit den "leges cogentes" bzw. den "streng positiven Gesetzen zwingender Natur" Begriffe zur Begrenzung der Rechtswahl zur Verfugung, die materiellrechtlich geprägt waren, aber im Zusammenhang mit dem Kollisionsrecht besonders gehandhabt wurden und besondere Ergebnisse verhindern oder gerade herbeifuhren sollten. Es wird insbesondere zu beachten sein, wie die zunehmende Konkretisierung der "Prohibitivgesetze" als Instrument zur Korrektur allseitiger Kollisionsregeln im Rahmen des ordre public auf die Qualifizierung der "einfach" zwingenden Gesetze als Grenzen der Rechtswahlfreiheit gewirkt hat. II. Die Prohibitivgesetze als Schranken der Parteivereinbarungen

Den frühen Versuchen einer Schrankenfestlegung durch systematische Einteilung in statua odiosa und favorabile bzw. statuta permissiva und prohibitiva und der Bestimmung ihres jeweiligen Anwendungsbereichs, war kein Erfolg beschieden271. Diese Tatsache änderte freilich nichts an der umfassenden Bedeutung der Prohibitivgesetze für Parteivereinbarungen im Rahmen der statutistischen Methode, wie die Ausführungen von Danz am Anfang des 19. Jahrhunderts belegen. Nachdem er die Autonomie als eine Regel interpretiert, nach welcher der Richter einen ihm vorgetragenen Fall zu entscheiden habe, indem er vor allem anderen auf das zu sehen habe, "... wozu ein jeder sich verbindlich gemacht", fährt er fort 272 : "Fragt man aber nun: wie weit haben dann Bürger und Bauern das Recht, durch ihre Verträge von den bestehenden Gesetzen abzugehen? so wird wohl folgender allgemeiner Grundsatz für jeden einzelnen Fall die richtige Entscheidung an die Hand geben: Nur über solche Angelegenheiten können sie von den gemeinen Rechten abweichende Verfugungen treffen, die allein sie angehen, und ganz keine Beziehung auf Staatsverfassung und Staatsinteresse haben. ... Aus dem allen folgt nun: I.) gegen ausdrücklich gebietende, oder verbietende Gesetze gibt es kein Geding. Dies liegt im Begriff dieser Verordnungsarten, denn ein Gesetz, von dem Privatpersonen durch Vertrag sich entbinden können, ist nicht mehr präceptiv, oder prohibitiv. ... IV.) Sollten endlich dergleichen Gedinge mit der allgemeinen Wohl-

27 1 Schaeffner, Entwicklungen, S.24 m.w.N.; zu den Unsicherheiten dieser Vorfahren des ordre public Meijers, Rec.Cours, S.618, 631. 2 7 2 Danz, Handbuch, S.190 ff; er zählt unter die unabdingbaren Statuten auch diejenigen, welche "... eine gewisse Form ... und zwar als zu dem Wesen, und zu der Substanz des gehörend ..." vorschreiben (II.) und nennt den Schutz wohlerworbener Rechte (III.).; weniger umfangreich, aber in die gleiche Richtung zielt der Vorbehalt bei Thibaut, Pandekten I, S.35.

5 Piils

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

66

fahrt sich nicht vereinigen lassen ... schlägt hier der obige Grundssatz an, daß Privatpersonen durch ihre Verträge und letzte Willensverordnungen in das allgemeine Staatsinteresse nicht eingreifen dürfen." Auch für Weber ist es der verbietende Wille des Regenten, der die Entstehung einer natürlichen Verbindlichkeit und damit den Erwerb eines schützenswerten Rechts verhindert 273, weswegen es für die Gültigkeit auf die Verbotsgesetze am Ort der Handlungsvornahme ankomme274. Allerdings müßten die Verbotsgesetze zweifelsfrei sein 275 und ein dreifacher Vorbehalt beachtet sein, damit die Verbindlichkeit überhaupt als solche geschützt werde 276 : Es dürfe keine Umgehungsabsicht vorliegen, die Erfüllungshandlung darf im Inland nicht verboten sein und die im Ausland erworbenen Rechte dürfen nicht dazu führen, daß "... der Verfassung und der Freiheit unseres Landes offenbar Eintracht geschieht." Weber entwickelt drei Klassen von "bürgerlichen Verboten", die regelmäßig die Nichtigkeit der Verbindlichkeit bedeuten277 und stellt zusätzlich die gerichtliche Behandlung einer danach an sich wirksamen Verbindlichkeit unter die Geltung der lex fori 2 7 8 . Diese Ausführungen des frühen 19. Jahrhunderts belegen exemplarisch die auf verschiedene Rechtsordnungen fixierte und kasuistische Geltung der Ver2 7 3

Weber, Natürliche Verbindlichkeit, S.l65 f.

2 7 4

Weber, Natürliche Verbindlichkeit, S.205.

2 7 5

Webers Warnung ist deutlich: "Da die Rechtsgelehrten nicht selten geneigt sind, entweder wirklich gültige Handlungen wider den Sinn der Gesetze unwirksam zu machen, oder dem bürgerlichen Verbote allerhand ungebührliche Einschränkungen beizufügen, so ist die Vorsicht sehr zu empfehlen, daß man sich in diesem Punkte bloß von den Gesetzen selbst, nicht aber von den Meinungen der Ausleger leiten lasse. Der juristische Köhlerglaube, dem die sogenannte communis doctorum opinio zur alleinigen Richtschnur dient, ist nirgends gefährlicher, als hier." (S.204). 2 7 6

Weber, Natürliche Verbindlichkeit, S.208 f.

2 7 7

Weber, Natürliche Verbindlichkeit, S.231 ff.: a) "Handlungen, welche allgemein verboten sind, weil die uneingeschränkte Freiheit sie zu unternehmen, mit nachteiligen Folgen verknüpft sein kann"; b)"wo gewissen Personen die Befugnis, rechtliche Handlungen einzugehen zu ihrem eigenen Besten genommen wird"; c) "wo das bürgerliche Recht zwar auch nur gewisse Personen betrifft, jedoch nicht zum eigenen Besten, ... sondern weil es sonst die gemeine Wohlfahrt erfordert". 2 7 8 Weber, Natürliche Verbindlichkeit, S.411 ff.; der Geltung der lex fori fügt er fünf Präzisierungen an: a) über die Klagbarkeit einer Verbindlichkeit entscheidet stets das forum; b) Verbote der Klagbarkeit am Handlungsort sind unbeachtlich c) ebenso die Verjährung; d) die Übertretung fremder Verbote, die nicht zur Nichtigkeit führen, aber dort Rechtsverluste nach sich ziehen (bürgerlicher Tod usw.) sind für den Richter am Forum unbeachtlich; e) das Recht des Handlungsortes gilt z.B. bei Verjährungsfragen dann, wenn der Schuldner sich dieser Rechtsordnung entzogen hat oder der Gläubiger aus Nachlässigkeit die Geltendmachung dort versäumte.

§ 2. Schranken

67

botsgesetze für den statutistischen Ansatz. Im Lichte eines erwachenden nationalen Souveränitätsdenkens wird aber die Dreiteilung der Statuten auch im Hinblick auf die stärker zu bewertende Bindungskraft der einheimischen Gesetze und einer durch die einheimischen Gesetze gestatteten Autonomie der Parteien nicht mehr als adäquates Mittel bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts angesehen279. I I I . Die Entdeckung des undifferenzierten ordre public als Element des kollisionsrechtlichen Systems: Die Lehre von den Prohibitivgesetzen bei v. Wächter und v. Savigny

7. v. Wächter Bei v. Wächter finden sich Ausführungen zu den leges cogentes sowohl im Zusammenhang mit seinem zweiten Grundsatz, der dem Richter die Auslegung der lex fori hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches gebietet als auch bei der Übertragung dieses Grundsatzes auf das Recht der Verträge 280. In dem Abschnitt, den v. Wächter der Autonomie widmet, stützt er sich dabei in seiner Argumentation vorrangig auf die leges cogentes281. Gründe des gebietenden Charakters der leges cogentes sind die vom positiven Recht anerkannte oder bestimmte Natur gewisser Rechtsverhältnisse, politische oder staatspolitische Rücksichten und sittliche oder religiöse Beziehungen 282 . Eine weitergehende Untergliederung oder Erläuterung erfolgt nicht und worin gerade die "Anerkennung der Natur eines Rechtsverhältnisses im

2 7 9 Eichhorn, Dt.Privatrecht, S.99 macht dies deutlich, indem er eine Ausnahme der Unterworfenheit unter fremde Rechtsverhältnisse insbesondere darin sieht, weil eine solche [Unterwerfung, d. Verf.] als freiwillig angenommen werden muß, und dieser zugleich keine einheimischen [!], die Autonomie beschränkende Gesetze entgegen stehen." 2 8 0

Wächter I, S.265 ff.; II, S.397 ff.

28 1

Wächter II, S.35 ff.(Überschrift: "Unterwerfung unter fremde Gesetze durch Autonomie").

2 8 2

Wächter I, S.266: "Der Grund ihres [gemeint sind die leges cogentes, d. Verf.] Gebots stützt sich hauptsächlich theils auf die vom positiven Rechte anerkannte oder bestimmte Natur gewisser Rechtsverhältnisse, theils auf politische und Staatspolizeiliche, theils auf sittliche und religiöse Beziehungen und Rücksichten."; im gleichen Zusammenhang spricht v. Wächter auch von einer Norm, "... die aus Rücksichten auf das Wohl und Interesse des Ganzen, auf die Sicherheit des Verkehrs oder auf Forderungen der natürlichen Gerechtigkeit oder der Religion und Sitte gegeben wurde ..."

5*

68

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

positiven Rechte"283 bestehen soll, bleibt daher unklar. Sie dürfte aber in formaler Hinsicht aus v. Wächters Verständnis der dispositiven Gesetze erklärbar sein. Denn Dispositivgesetze als Ausfluß der "Autonomie" Privater im Bereich der Schuldverhältnisse standen neben dem gesetzten Recht im posi-tivistischen Sinn 284 . Materiell verbirgt sich hinter der "anerkannten Natur" wohl auch eine spezifisch nationale Eigenheit eines Rechtssatzes285. Die Dispositivgesetze bilden den Hauptfall der freiwilligen Unterwerfung durch Autonomie, denn sie gestatten den Parteien die Ergänzung 286 ihres in Frage stehenden Rechtsverhältnisses. Die Frage, welchem Recht mangels Vereinbarungen der Parteien diese dispositiven Normen zu entnehmen sind, wird zur Hauptfrage erhoben. Die vorrangige Frage, was in den Bereich der Dispositivgesetze gehört, beantwortet v. Wächter ganz knapp im Sinne seiner Grundsätze: im Zweifel entscheidet die lex fori, was leges cogentes sind 287 . Einiges spricht aber dafür, daß v. Wächter dabei kein Schrankensystem im Sinne einer bloß materiellen Rechtswahl zugrundegelegt hat 288 . Er sucht nicht nach einer bloßen Übertragung des zivilrechtlichen Systems, wie es bei reinen Inlandsfällen galt.

2 8 3 An dieser Stelle wird deutlich, daß v. Wächter das Rechtsverhältnis als theoretischer Ausgangspunkt bereits geläufig war; darauf, daß von ihm auch schon das Bild vom "Sitz" des Rechtsverhältnisses bemüht wurde (Wächter II, S.l85), hat schon Sturm, lus Commune, S.107 Fn. 69 hingewiesen; ähnlich Sandmann, Grundlagen, S.226.

284 Ygj z u d j e s e m - im Umbruch befindlichen - Verständnis von der "Autonomie" als Geltungsgrund der Dispositivnormen bei v. Wächter die Kritik bei Böhlau, Mecklenbg.Landrecht I, S.347 und oben Teil A § 3 I. 2 8 5

Was die Sicherheit des Verkehrs angeht, findet sich eine Formulierung des Schutzgedankens für das Recht der unerlaubten Handlungen: "Denn unser Gesetz will unsere Bürger und unseren Staat schützen, soweit es ihm möglich ist... und kann nicht beabsichtigen, ihm den Schutz, den es für gerecht hält, zu versagen ..."(Wächter II, S.393); auch eine andere Parallele stützt die im Text getroffene Aussage: die spezifisch nationale Eigenheit sieht v. Wächter nämlich auch als Charakteristikum des jus civile im Gegensatz zum jus gentium des römischen Rechts, vgl. Pandekten I, S.8. 2 8 6

Wächter II, S.35 spricht daher auch von hypothetischen (bloß ergänzenden) Gesetzen, die also den Parteiwillen ergänzen sollen. 2 8 7 2 8 8

Wächter II, S.36

In diese Richtung geht aber die Interpretation bei Neumann, Vertragsgültigkeit, S.28; ebenso die Einordnung bei Haudek, Parteiwille, S.4 Fn. 4, jedoch ohne Begründung; vgl. auch die Vorbehalte oben § 2.

§ 2. Schranken

69

So weist er für Schuldverträge nicht mehr besonders auf die Notwendigkeit der Auslegung inländischer Gesetze auf ihre Anwendbarkeit hin 2 8 9 . Gleichwohl ist dieser Grundsatz mit seiner die inländischen Normen relativierenden Sicht unverzichtbares Kernstück seiner Gesamtkonzeption290. Der Abschnitt über Verträge wird nämlich damit eingeleitet, daß hier das meiste der Autonomie der Parteien überlassen sei. "Im Allgemeinen entscheiden daher über Gültigkeit, Wirksamkeit, Widerruflichkeit und Unwiderruflichkeit, überhaupt über Folgen und Wirkungen des Vertrags, seine Erlöschensgründe u.s.w. die Gesetze des Orts, welchem sich die Parthien gemeinschaftlich unterwarfen, also die im §. 20. ausgeführten Grundsätze."291. Wicki sieht hierin ein Versehen, denn v. Wächter habe sicher nicht die Vertragsgültigkeit zu den Dispositivgesetzen zählen wollen 292 . Damit verkürzt er aber den Umfang der Rechtswahl, wie sie nach den Grundsätzen Wächters möglich war. Denn nicht nur die Dispositivgesetze (im Sinn des inländischen Systems) konnten für die Parteien Wahlfreiheit geben. Auch gebietende Normen konnten der Autonomie (nach einer dahingehenden Auslegung) unterworfen sein 293 . Daher handelt es sich bei der zitierten Aufzählung nicht um ein Versehen, vielmehr ist von einer bereits erfolgten Auslegung der lex fori auszugehen294. Für diese Sicht spricht auch die Behandlung ausländischer leges cogentes. v. Wächter will diese ohne Einschränkungen berücksichtigen, wenn sie schärfere Anforderungen an die Vertragsgültigkeit stellen als die Bestimmungen der lex fori 2 9 5 . Andererseits betont er, es könne nicht im Interesse eines Staates liegen, daß sein lex cogens "... im Collisionsfalle zurücktreten solle

2 8 9

Anders für das Güter-, Erb- und Sachenrecht, wo er damit den Bereich möglicher leges cogentes sofort wieder einschränkt, vgl. Wächter II, S.36. 2 9 0

S.o. Fn. 179.

29 1

Wächter II, S.397; klargestellt ist damit auch, daß die Auslegung wie im § 20 angesprochen zu gelten hat. 2 9 2

Wicki, Dogmengeschichte, S.39 Fn. 1.

2 9 3

Vgl. Wächter II, (§ 20) S.36: "Darüber aber, wie weit bei einem Rechtsverhältnisse die Autonomie der Parthien gehen kann, was bei demselben in den Bereich des blos Dispositiven gehört, kann natürlich nur das Gesetz des Staates entscheiden, unter dessen gebietende Normen das Rechtsverhältniß steht." [Hervorhebungen im Original]; v. Wächter spricht bewußt vom "Bereich des Dispositiven". 2 9 4

Vgl. Sandmann, Grundlagen, S.l 10 f., 112, 182.

2 9 5

Vgl. Wächter II, S.402

70

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

gegen eine entgegengesetzte Norm des fremden Staates ..." 296 . Mit einem einheitlich materiellrechtlichen Verständnis von den "zwingenden Normen" als Schranken der Autonomie sind diese Ausführungen v. Wächters nur schwer in Einklang zu bringen. Es handelte sich vielmehr um Überlegungen hinsichtlich der Anwendbarkeit der zwingenden Normen des einen oder anderen Rechts, wobei der Parteiwille infolge der Auslegungshypothese Berücksichtigung fand. Die Widersprüchlichkeit der Thesen v. Wächters und der Vorwurf mangelnder Konsequenz verblassen297, wenn man die leges cogentes in ihrer Funktion nicht nur als Gegenstück zu den Dispositivgesetzen der lex fori versteht. Ihre Behandlung bei v. Wächter stellte die abstrakte Basis für die Ableitung seines dritten Grundsatzes dar, der hilfsweisen Geltung der lex fori. In ihrer tatsächlichen Bedeutung sind sie als Versuch zu sehen, die vor seiner Zeit vertretenen ordre public - Ansätze zu verknüpfen und einheitlich zu begründen 298: "Wenn nun der Richter des Staates über ein Verhältnis zu entscheiden hat, über welches leges cogentes in seinem Staate bestehen: liegt hier nicht im Zweifel schon in der Natur der lex cogens, daß er den Inhalt dieser lex seines Staates, nicht aber den entgegengesetzten Inhalt eines fremden, dasselbe Verhältnis betreffenden, Gesetzes in Anwendung zu bringen hat?" 299 . Die lex fori sollte demnach primär nur mit den Vorschriften Geltung beanspruchen können, die ordre public Charakter hatten300 3 0 1 . Aber selbst dieser ordre public, der durch die Bezugnahme auf die leges cogentes recht weit erscheint, wurde von v. Wächter in dessen praktischen Beispielen doch erheblich eingeschränkt. So findet sich der Hinweis auf den Vorbehaltscharakter der in-

2 9 6

Wächter I, S.2 [Hervorhebung im Original]; auch an anderer Stelle spricht sich v. Wächter vehement gegen die These Koris aus, die zum Eingreifen fremder leges cogentes in die Obligation führt. 2 9 7

Vgl. Sandmann, Grundlagen, S.l84; ähnl. Kritik über die Handhabung der leges cogentes bereits bei Pfeiffer, Princip, S.51. 2 9 8

Vgl. Sandmann, Grundlagen, S.141, 233 "Die systematische Nutzbarmachung [des ordre public, d. Verf.] stammte von Wächter..."; Kegel, IPR, S.121; Wicki, Dogmengeschichte, S.39 Fn. 1; auch Gamillscheg, Dumoulin, S.253 zählt Wächters Beispiele zum "eigentlichen ordre public". 2 9 9

Wächter I, S.266; deutlich restriktiver in seinen Pandekten I, S.147.

3 0 0

Indizien gegen eine vorschnelle Annahme von leges cogentes finden sich z.B. auch im Ehegüterrecht, vgl. Wächter II, S.57 f. 30 1

Sandmann, Grundlagen, S.l 11, versteht daher auch den dritten Grundsatz Wächters so, daß der Richter in ordre public-Fällen im Zweifel seinem Inlandsrecht folgen müsse.

§ 2. Schranken

71

ländischen Normen nur im Zusammenhang mit Normen, die die Geschäftsfähigkeit und die unerlaubten Handlungen betreffen 302. Die Sichtweise, die den Ausführungen zu den leges cogentes primär den Schluß entnimmt, daß bei v. Wächter sich der Parteiwille allein als Applikation des nationalen Privatrechts in Form einer materiellrechtlichen Verweisung erschöpfe, stellt die tatsächliche Handhabung also nur verkürzt dar. Allerdings ist die Unschlüssigkeit der Lehre v. Wächters über das Verhältnis von zwingender lex fori, ergänzendem Recht und Rechtswahl nicht zu übersehen303. Der für das Schuldrecht hergestellte Zusammenhang zwischen Grenzen der Autonomie und den leges cogentes erfuhr möglicherweise auch deshalb in der Folgezeit keine dahingehende Vertiefung, daß bestimmte zwingende Normen des Schuldrechts in ihrer einschränkenden Wirkung auf den Parteiwillen offen in Frage gestellt worden wären 304 . Der hilfsweise Rückgriff auf die Bestimmungen der nationalen Rechtsordnung hatte aber verhängnisvolle Wirkungen, nicht zuletzt wegen der in dieser Zeit herrschenden Unübersichtlichkeit der internen Rechtsordnungen mit ihrem Neben- und Gegeneinander von Partikularrechten, Interlokalrechten und Gewohnheiten305. 2. v. Savigny Bei v. Savigny findet sich eine grundsätzliche Einteilung zwingender Normen 306 , die er auch seinen Ausführungen über das internationale Recht zugrunde legt 307 . Er unterscheidet nach der Einwirkung auf das Rechtsverhältnis zwischen vermittelnden und absoluten, gebietenden Regeln308, wobei der 3 0 2

Vgl. Wächter II, S.180, 389 f., 395 f.; dazu auch Sandmann, Grundlagen, S.l 12.

3 0 3

Als Beleg dafür können auch die späteren Ausführungen v. Wächters in seinen Pandekten I (1880) herangezogen werden: Um die Grenzen der Rechtswahl zu bestimmen, nimmt er sogar Zuflucht zur Sitzlehre (S.148 Fn. 7), obwohl er diese zuvor (S.147) als de lege lata nicht beachtlich verworfen hat: "Welches Landesrecht entscheidet über die Frage, was bloß ergänzende Norm ist? Das Recht des Landes, in welchem nach der Auffassung unseres Staates der Sitz des betreffenden Verhältnisses ist." Diese Dogmatik stimmte mit der zwischenzeitlichen Entwicklung voll überein, vgl. unten § 3 II 2. 3 0 4 In aller Deutlichkeit, wenngleich nur auf abstrakter Ebene, kam es hierzu erst wieder bei Zitelmann II, S.283; s.u. § 3 II 2. 3 0 5

Vgl. Sandmann, Grundlagen, S.96.

3 0 6

Savigny, System I, S.57 ff.

3 0 7

Savigny, System Vili, S.33, 35 ff.

3 0 8

Savigny, System I, S.57.

72

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

Grund einer gesetzlichen Regel ihre jeweilige Natur bestimmt309. Unter vermittelnden Rechtsregeln versteht v. Savigny solche, die dem individuellen Willen freie Macht lassen; nur wo es an dieser Machtausübung fehlt, tritt die Regel an dessen Stelle. Die Norm wir so als Auslegungsregel des unvollständigen Willens verstanden. Daneben erfolgt eine Einteilung nach der Herkunft der Normen, d.h. danach, ob sie zum regelmäßigen Recht gehören, also dem "reinen Rechtsgebiet" entsprungen sind oder ob sie "anomalisches Recht" sind. Letzteres enthält Vorschriften, die dazu dienen, außerhalb des Rechts stehende Grundsätze zu verwirklichen und dazu auf die "reinen Rechtsregeln" einwirken 310. Wenn es nun zu einer Durchbrechung der Sitz-Regel311 kommt, so liegt das an "... Gesetzen von streng positiver, zwingender Natur, die eben wegen dieser Natur zu jener freien Behandlung unabhängig von den Gränzen verschiedener Staaten nicht geeignet sind." 312 Diese Ausnahme liegt aber nicht schon vor bei absoluten Gesetze, die zur sicheren Handhabung des Rechts dienen und um der Person willen erlassen sind 313 . Nur wenn solche absoluten Gesetze "... ihrem Grund und Zweck außer dem reinen, in seinem abstracten Daseyn aufgefaßten Rechtsgebiet" haben, rechtfertigen sie eine Ausnahme314. Unter Berücksichtigung der in Band I vorgenommenen Einteilung ergibt sich, daß für v. Savigny bei der Durchbrechung des von ihm aufgestellten Grundsatzes weniger der Gegensatz vermittelnder und zwingender Normen der Ansatzpunkt war, sondern vielmehr der anomalische Charakter einer Rechtsregel 3 1 5 . Nur diese Rechtssätze entzogen sich der im Bereich des Kollisionsrechts 3 0 9

Savigny, System I, S.220.

3 1 0

Eine Zuordnung zum öffentlichen oder Privatrecht findet nicht statt, obwohl eine Abgrenzung erfolgt, System I, S.31 ff., die besondere Funktion des öffentlichen Rechts im Verkehr der Volksgemeinschaften verschiedener Staaten findet sich aber andeutungsweise, vgl. System I, S.24. 31 1

Savigny, System Vili, S.28, 108; vgl. oben Fn. 207.

3 1 2

Savigny, System Vili, S.33; die daneben erörterte Ausnahme für fremde Rechtsinstitute, die dem eigenen Recht unbekannt sind, bedarf hier nur insoweit einer Erwähnung, als sie auch als Ausdruck eines (zu weit geratenen) ordre public aufgefaßt wurde, vgl. Bar, Theorie I, S.130 Fn. 7; anders Kahn, Gesetzeskollisionen, S.l34 f. 3 1 3

Savigny, System Vili, S.35.

3 1 4

Savigny, System VIII, S.36, nennt als Beispiele sittliche Gründe und das öffentliche Wohl.

3 1 5

Den anomalen Charakter eines absolut wirkenden Gesetzes hebt auch Seuffert, S.404 hervor.

Kollision,

§ 2. Schranken

73

herrschenden "Rechtsgemeinschaft aller Staaten". Damit waren die Schranken der freiwilligen Unterwerfung bei v. Savigny jedenfalls nicht mit den zwingenden Rechtssätzen des Schuldrechts als Gegensatz zum dispositiven Recht gleichzusetzen, wie dies später von K. Neumann behauptet wurde 316 . Diese Sicht wäre auch kaum mit dem Ausnahmecharakter des "Instituts"317 und der Tatsache, daß es um die Ausschließungfremden Rechts ging 318 , vereinbar gewesen319. v. Savignys Lehre von den zwingenden Normen wurde durchwegs als allgemeine Grenze des fremden Rechts, d.h. als kollisionsrechtlicher Vorbehalt gegen die Anwendung fremden Sachrechts gesehen320. Als solche wurde sie später auch wegen ihrer Weite kritisiert 321 . Der Vorwurf der Gleichsetzung der Vorbehaltsklausel mit "zwingenden Gesetzen" des Inlandes trifft aber nur zu, was die Wahl der Begriffe angeht322. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich deren klare Erschließung erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf der Ebene des materiellen Rechts vollzogen hatte 323 . Neben dieser Begriffsbildung, die we-

3 1 6 Neumann, Vertragsgültigkeit, S.30; ähnlich bereits zuvor Böhlau, Mecklenbg.Landrecht I, S.457; beide unter Berufung auf Savigny, System VIII, S.249 Fn. c: "Was hier von dem Gerichtsstand gesagt wird, muß eben so von dem örtlichen Recht gelten, soweit dessen Bestimmung durch Privatwillkür abgeändert werden kann." [Hervorhebung von mir]. 3 1 7

Savigny, System Vili, S.33, 38.

3 1 8

Bar, Encyklopädie, S.9 kritisiert denn auch das Fehlen von Schranken, die stets zur Anwendung des inländischen Rechts führen; vgl. auch Schurig, Kollisionsnorm, S.36 zur Entwicklung eines nur "negativ" wirkenden ordre public aus Savignys Lehre. 3 1 9

Gegen die Interpretation der zitierten Stelle als Beleg eines nur materiellen Rechtswahlverständnisses auch Kollewijn, Considérations, S.247 Fn. 12. 3 2 0

Historisch: Bluntschli, Dt.Privatrecht, S.37 spricht von "allgemeinen Beschränkungen"; vgl. auch Stobbe, Handbuch I, S.179f; Roth, Bay. Civilrecht I, S.l56; Dernburg,, Bgl.Recht I, S.94; Windscheid, Lehrbuch I, S.79; Gierke, Dt.Privatrecht I, S.214 Fn. 18; Böhm, Statutenkollision, S.8; Endemann, Lehrbuch I 1, S.91 Fn. 26; Enneccerus, Lehrbuch I 1 (1913), S.l54; aus heutiger Sicht: Sturm, lus Commune, S.101; Schurig, Kollisionsnorm, S.l 19. 321 Vgl. Bar, Theorie I, S.80, 90 ff.; Sturm, lus Commune, S.103, 106ff; a.A. der Romanist Weiss, der Savigny einen zu sparsamen Gebrauch der Vorbehaltsklausel vorwarf, vgl. bei Gutzwiller, Einfluß Savignys, S.147. 3 2 2

Zutreffen daher bereits Gierke , Dt.Privatrecht I, S.214 Fn. 18: "Irreführend ist die Bezeichnung solcher Gesetze als 'zwingender' [gemeint ist wohl 'zwingend', d. Verf.] oder 'Prohibitivgesetze', da keineswegs alles jus cogens im Gegensatz zum nachgiebigen Recht hierher gehört ..."; ähnlich Endemann, Lehrbuch I 1, S.91 Fn.26; Kahn, ordre public, S.37 sieht in der Savignyschen Begriffswahl "...wortgetreu die von der modernen Statutentheorie allgemein adoptierte Definition ihres ordre public." 3 2 3

S.o. Teil A § 3 II.

74

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

gen der großen Beachtung, die v. Savigny fand, bald Gemeingut war, ohne daß die systematische Akzentverschiebung durch v. Savigny in gleichem Umfange klar erkannt worden wäre 324 , trugen das breite Anwendungsspektrum325 der "Ausnahme" und eine gewisse Oberflächlichkeit im Umgang mit der eigenen Einteilung dazu bei, daß man auch für den Willen der Parteien die Schranken mit denen auf inländischer, schrechtlicher Ebene gleichsetzte326. So wird bezüglich der Vorschriften über die Rechts- und Handlungsfähigkeit auf deren streng positive und zwingende Natur verwiesen 327, ohne daß klargestellt würde, ob es sich insoweit tatsächlich um Rechtssätze handelt, die wegen ihrer anomalen Natur dem Grundsatz der freien Rechtswahl entzogen sind 328 , und worin der (in den abstrakten Erörterungen geforderte) besondere Zweck liegt 329 . v. Savigny lieferte mit seiner Darstellung gleich den Beleg für seine Bemerkung, daß die Feststellung der Grenzen der Nichtanwendbarkeit des ausländischen Rechts "vielleicht die schwierigste Aufgabe in dieser ganzen Lehre" sei 330 , woran sich bis heute nichts geändert hat 331 .

3 2 4 So findet sich häufig die nahezu wortgetreue Formulierung Savignys, jedoch ohne deren systematischen Hintergrund, vgl. Regelsberger, Pandekten I, S.l63; Roth, Bay.Civilrecht I, S.l56; Stobbe, Handbuch I, S.l79; exakter: Seuffert, Kollision, S.404; Gutzwiller, Einfluß Savignys, S.89 hat darauf hingewiesen, daß die Formulierungen Savignys mit denen der zeitgenössischen Jurisprudenz Ubereinstimmten, was gleichfalls die besondere Intention (und damit auch die "Neuheit") seines Ansatzes in den Hintergrund dängen konnte. 3 2 5 Z.B.: Savigny, System Vili, S.263 ff. (persönliche Freiheit), S.275 ff. (Vertragsgültigkeit), S.348 ff. (Form); S.264 ff. (Sprache/ Auslegung); bei den zeitlichen Grenzen, System Vili, S.517, 522 ff. verwendet Savigny genau denselben Begriff der Gesetze von "streng-positiv zwingender Natur" und faßt dann beinahe alle Institute des Sachenrechts darunter! A.A. für die praktischen Anwendungsfälle: Neuhaus, Savigny, S.370. 3 2 6

Lagarde , Le fondement de l'ordre public, S.l 10 sieht in der Zurückhaltung Savignys einen Beleg für dessen Klugheit: "Sentant que la question n'était pas encore 'mûre' et se trouvait irréductible à des formes rationnelles, il se contentait a définier le phénomène par de larges directives, mais sans chercher à en prévoir les divers manifestations." 3 2 7

Savigny, System VIII, S. 162.

3 2 8

Obwohl der Verweis (Savigny, System VIII, S. 160) auf § 349 (S.32 ff.) mehrdeutig bleibt, weil die Gruppe der absoluten Gesetze in zwei Kategorien unterteilt wird (von denen nur die Regeln, die nicht nur um der Person willen erlassen sind, die Ausnahme rechtfertigen), legt die - im übrigen von Savigny abgelehnte - Beschränkung auf die Fälle einer besonderen Rechts- / Handlungsfähigkeit den Schluß nahe, daß es sich nach seinem Verständnis hier um solche Gesetze handelt, die besondere Zwecke verfolgen. 3 2 9

Krit. bereits Bar, Theorie I, S.90 f.; ders., Encyklopädie, S.14.

3 3 0

Savigny, System VIII, S.32.

§ 2. Schranken

75

IV. Die romanische Schule des ordre public Mancini gilt wegen seiner Grundlegung des Nationalitätsgedankens im Bereich des Völkerrechts und des internationalen Privatrechts, wie er ihn in seiner Antrittsrede am 22.1.1851 in Turin formulierte, als Begründer der "neuen italienischen Schule" des 19. Jahrhunderts 332. Dem Nationalitätsdenken als oberstem Prinzip, welches einher ging mit einer Betonung der Freiheit des einzelnen in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht 333 , wurde die Lehre vom "ordre public" als gleichwertiges Korrektiv an die Seite gestellt334. Denn wie die Freiheit der Individuen im nationalen Recht ihre Schranke in der öffentlichen Ordnung finde, gelte dies auch für die Freiheit der Nationen selbst, was die besondere Wechselwirkung von Autonomie und Nationalität als aprioristische Ansätze im Kollisionsrecht belege335. Für die "partie volontaire" des Privatrechts sei die "liberté en tant qu'elle est inoffensive" zu respektieren 336. Ausgangspunkt fur die Zuordnung zu der allein beschränkenden öffentlichen Ordnung war die Eigenschaft eines Gesetzes als "öffentliches Recht" 337 , wobei als solches auch die auf Gründen der Moral, der guten Sitten und der ökonomischen Ordnung des Landes beruhenden Pivatrechtssätze galten 338 . Diesen Dualismus von "droit public" und "droit privé", der den Statutisten nicht geläufig war 3 3 9 , suchte die Lehre vom ordre public fortan auszufüllen. Die Unterscheidung nach dem "ordre public interne" und dem "ordre public international", die auf Brocher zurückgeht 340, sollte die Tatsache erhellen, daß

331

Spickhoff,;

3 3 2

Vgl. über ihn Jayme, Nation als Rechtsbegriff, S.933-937.

3 3 3

De Nova, Rec.Cours, S.464; Jayme, Mancini, S.38 f.

3 3 4

Vgl. Neuhaus, Ital.Zivilgesetzbuch, S.22, 25 ff.

3 3 5

Mancini , De l'utilité, S.293 f.

3 3 6

Mancini , De l'utilité, S.295.

ordre public, S.39.

3 3 7

Mancini , De l'utilité, S.296.

3 3 8

Mancini , De l'utilité, S.297; dazu Kahn, ordre public, S.41.

3 3 9

Mancini , De l'utilité, S.298 sieht darin sogar die Ursache für das Scheitern der Statuten

lehre. 3 4 0 Brocher, Nouveau Traité, S. 141 ff; ders., Théorie, S. 196 f.; über die Verbreitung dieser Unterscheidung Kahn, ordre public, S.48 f.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

76

es Unterschiede im zwingenden Charakter der Gesetze im Hinblick auf die inländische Privatrechtsordnung und bezüglich des internationalen Pivatrechts gab 341 . War gegen diese Feststellung auch nichts einzuwenden342, so kritisierte Kahn mit Recht 343 : "Mit der terminologischen Unterscheidung allein ist jedoch nicht viel gewonnen. Die Frage wiederholt sich, nur schärfer gestellt: Welches sind die lois d'ordre public international und woran erkennt man sie?" An Vorschlägen fehlte es nicht 344 . Nach Weiss345 handelte es sich um "les intérêts vitaux de l'Etat", nach Lainé 346 um "les dispositions de lois où la pensée du législateur s'est portée vers le bien de la société tout entière en le plaçant au-dessus du bien de certains individus", nach Despagnet347 "l'ensemble de règles légales qui sont considérées comme touchant aux intérêts essentiels de ce pays", nach Laurent 348 schließlich "les lois d'ordre social". Mit derartig elastischen Formeln 349 als Auffangprinzip konnte man freilich auch als Vertreter einer "unbegrenzten" Autonomie der freien Rechtswahl durch die Parteien das Wort reden. Der Schritt zur "autocratie de la volonté" war selbst bei deren Verfechtern von einer "malaise inconsciemment" begleitet, wovon gerade die Einschränkung durch den ordre public ein Zeugnis ablegt 350 . So hatte die Theorie der originären Rechtswahlfreiheit viele Anhänger unter den Vertretern der romanischen ordre public-Lehre 351: Weiss 352 , Surville 353 ,

3 4 1

So bereits Kahn, ordre public, S.49.

3 4 2

Bar, Theorie I, S.127f erkennt in diesem Sinne die Unterscheidung ungeachtet seiner vorherigen Kritik (S.99) an; Meili, Doktrin, S.l69 stuft den Wert der Unterscheidung sogar noch höher ein, weil hier dem internationalen Rechtsverkehr gegenüber dem internen öffentlichen Recht und der internen Moral der Vorrang eingeräumt werde. 3 4 3

Kahn, Abhandlungen I, S,50.

344 Ygj djg umfangreichen Nachweise bei Kahn, ordre public, S.50 ff, auf die sich auch die folgende Auswahl stützt. 3 4 5

Weiss, Traité, S.516, 783 f. u. passim.

3 4 6

Lainé II, S. 195,280 ff. u. passim.

3 4 7

Despangnet, Précis, no.l 10, no.492; ders., ordre public, S.5 ff, 208,214.

3 4 8

Laurent II, S.105 no.52, 58, S.193, 198-202,204, VIII, no.95.

3 4 9 Vgl. Bar, Theorie I, S.95 ff. mit heftiger Kritik am ordre public i.S. der italienischen Schule (S.97: "weich wie Wachs und biegsam wie Kautschuk"). 3 5 0 35

Curti Gialdino, Rec.Cours, S.814

1 Vgl. Wicki, Dogmengeschichte, S.36 f.

3 5 2

Weiss, Manuel, 383,402 ff; ders., Traité III, 68 f., 115 ff.

§ 2. Schranken

77

Despagnet354 und Laurent 355. In den disposizioni preliminari des italienischen Gesetzbuches, die das Kollisionsrecht wesentlich im Geiste der italienischen Doktrin enthielten, fand sich in Art. 9 erstmals der Parteiwille als Anknüpfung für die Gültigkeit, den Inhalt und die Folgen der Obligation, eingeschränkt nur durch den in Art. 12 niedergelegten Vorbehalt des ordre public 356 , so daß hierin die erste Kodifikation der kollisionsrechtlichen Verweisung zu sehen ist 3 5 7 . Das Gewicht, mit dem der ordre public von der romanischen Lehre als Instrument des IPR gehandhabt wurde, stand im umgekehrten Verhältnis zu einer dafür notwendigen dogmatischen Durchbildung und wohl auch zu seiner praktischen Bedeutung. Aber die Lehre von der Vorbehaltsklausel unterstrich in ihrer Radikalität die eigenständige Bedeutung, die ihr im System der allseitigen Kollisionsnormen zukam. V. Die Konkretisierung zwingender Normen im Hinblick auf die Lehre vom ordre public

Die intensive Auseinandersetzung mit dem ordre public als der "zweiten Säule" der neuen italienischen Schule bewirkte eine tiefe Durchdringung seiner Natur als Institut des IPR, wie sie etwa in der umfangreichen Abhandlung Kahns 358 zum Ausdruck kam. v. Savignys Einteilung stieß zunehmend auf Widerstand, man sah in ihr sogar die Vorstufe zur abgelehnten romanischen Lehre 359 . Die Qualifizierung danach 3 5 3 3 5 4

Surville , Du contrat, S.361 ff.; Surville/ Arthuy s, Cours élémentaire, S.330, 351. Despagnet/de

Boeck, Précis de droit international privé, 5.Aufl. Paris 1909, S.879 ff.,

881 ff. 35 5

Laurent I, S.379 ff., II, S.379 ff., VII, S.512 ff., Vili, S.190 ff.

3 5 6

Art.9 Abs.2: "La sostanza e gli effetti delle obbligazioni si reputano regolati dalla legge del luogo in cui gli atti furono fatti, e, se i contraenti stranieri appartengono ad una stessa nazione, dalla loro lege nazionale. E salva in ogni caso la dimonstrazione di una diversa volontà." 3 5 7

So Wicki, Dogmengeschichte, S.34; a.A.: Widmer, S.89 (keine kollisionsrechtliche Tragweite). 3 5 8 3 5 9

Bestimmung des maßgeblichen Rechts,

Kahn, ordre public, S.l ff.; dazu Schurig, Kollisionsnorm, S.123, 125 ff.

Bar, Theorie I, S.99 f. sah eine nicht ganz klare Ausführung der Lehre Savignys im romanischen ordre public; für Kahn, ordre public, S.40 war der "... ordre public nichts anderes als Savigny's Klasse der positiven und streng zwingenden Gesetze, nur etwas weiter ausgedehnt und - in seiner Art konsequenter durchgeführt."

78

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

vorzunehmen, ob die fraglichen Regeln um der "Person willen" erlassen wurden oder ihren Ursprung "außerhalb des reinen Rechtsgebietes" haben sollten, wurde abgelehnt360. Der drohenden Ausuferung, die Kahn auch für die "deutsche Theorie" zu erkennen glaubte361, begegnete man zunächst durch Abstriche an der Savignyschen Formel, soweit es um die "absoluten Gesetze zwingender Natur" ging. Es wurde klargestellt, was ohnehin nie so von v. Savigny gefordert wurde: daß nicht alle zwingenden Gesetze des materiellen Rechts automatisch der Anwendung fremden Rechts entgegenstünden362. Trotz der Verwendung des Begriffs "absolute Normen" belegen die dazu aufgeführten Beispiele, daß viele Autoren jedenfalls im Bereich des Schuldrechts nicht alle zwingenden Bestimmungen des materiellen Rechts hierzu zählten, sondern eine besondere Qualität hinzutreten mußte 363 . Andererseits hatte bereits Schmid im Hinblick auf die präsumtive Rechtswahl eingewandt, die lex fori mit ihren streng positiven Normen stelle keine ausreichende Korrekturmöglichkeit dar 364 . Dem ordre public - und damit auch den zwingenden Normen, die unter seine Geltung fielen - schrieb man den Charakter einer Kollisionsnorm zu 3 6 5 . Als unverzichtbares Institut einer jeden Rechtsordnung366 hielt man an ihm fest,

3 6 0

Vgl. Thöl, Einleitung, S.107 Fn. 2 unter Bezug auf System I, S.61 ff.; Bar, Theorie I, S.90; Kahn, ordre public, S.61. 3 6 1

Kahn, ordre public, S.9 ff.; ähnl. Meili, Doctrin, S.167.

3 6 2

Kahn, ordre public, S.28: "Keines unserer Gesetze, mag es noch so fundamental sein, verlangt exklusive, absolute Anwendung...". 3 6 3 So formulierte Kori, Collision, S.321: "Als verbietende Gesetze sind aber solche, die bloß die Wirkungen des Vertrages anders bestimmen als die Gesetze des Contracts-Orts, nicht anzusehen, vielmehr hat in diesem Fall der ausländische Richter die am Ort des Contracts geltenden Modalitäten zum Grunde zu legen." (vgl. auch unten Fn. 532 ff. zum Abschlußort); auf dem sittlich-volkswirtschaftlichen Charakter bestanden in der deutschen Literatur nahezu alle Autoren, vgl. nur Regelsberger, Pandekten I, S.163; Windscheid, Lehrbuch I, S.79; Gierke , Dt.Privatrecht I, S.214 Fn. 18; Böhm, Statutenkollision, S.8; Gebhard, Begründung, S.279 [S.151]; den Einfluß göttlicher Gebote und christlicher Sitte und Lebensansicht erachtet Martin, Collision, S.241 als tragfähiges Kriterium einer Einschränkung. 3 6 4

Schmid, Herrschaft, S.69; ähnl. später Gebhard, vgl. unten § 5.

3 6 5

Niemeyer, Positives IPR, S.6; Barazetti, IPR, S.9..

3 6 6

Bereits Gerber, System I, S.84 Fn. 7 wies auf das Gebot der Gleichheit in der Behandlung auch bei Auslandsftülen hin und sah die Vorbehaltsklausel deshalb als unverzichtbar an; vgl. auch Walker, IPR, S.261.

§ 2. Schranken

79

ständig um eine schärfere Kontur bemüht367. Neben den erwähnten gesetzesgegenständlichen Modifikationen trat besonders der Inlandsbezug in den Vordergrund, um die Relativität der Prohibitivgesetze hervorzuheben 368: Zwingende Gesetze des Inlandes konnten in ihrer Wirkung bei ausländischen Sachverhalten anders zu beurteilen sein. Hinzu kam, daß das Reservoir an "zwingenden Rechtsinstituten" (Verbotsgesetze, Gebotsgesetze, essentialia etc.), die ursprünglich geeignet waren, den besonderen Charakter einer Norm für deren Wirkung gegenüber fremdem Recht klarzustellen, aufgrund der Fortentwicklung des inländischen Rechts in den Erscheinungsformen und Auswirkungen, insbesondere auch was das Verhältnis zum Willen der Privaten anging, vielschichtiger und differenzierter gehandhabt wurde 369 . Die Verschiedenheit der Schranken im Bereich des Schuldrechts - je nachdem ob man subjektiv oder objektiv anknüpfte - wurde erst allmählich erkannt. Insbesondere v. Bar, Kahn und später Zitelmann betonten die Unzulässigkeit einer Gleichsetzung von "zwingendem Recht" und ordre public 370 , die inhaltliche Scheidung gelang nicht immer 371 . Die Handhabungen des ordre public bzw. der Prohibitivgesetze im Rahmen des internationalen Obligationenrechts dagegen bei Thöl 3 7 2 , Böhm 373 , Cohn 374 , H. Neumann375 und Dernburg 376 3 6 7 Die "Konkretisierung" stellt eine Daueraufgabe des IPR dar, vgl. Spickhoff, S.281 ff. m.w.N. über die Bemühungen in jüngster Zeit.

ordre public,

3 6 8 Vgl. Bar, Theorie I, S.132; Kahn, ordre public, S.18 sah darin eine "platte Selbstverständlichkeit" (S.21), was im Hinblick auf die bereits von v. Wächter geforderte Auslegung (oben Fn. 179, 290) zutreffend erscheint - allein die Präzisierung des Inlandsbezuges muß jedoch als Fortschritt gewertet werden. 3 6 9 Vgl. dazu die Ausführung oben Teil A § 3 II 2; v.a. Zitelmann I, S.342, 373 machte auf diesen Zusammenhang aufmerksam (Verweis auf Privatrechtsdogmatik bei Endemann, Über die civilrechtliche Wirkung der Verbotsgesetze; Köhler, Das Ideale im Recht; Lotmar, Der unmoralische Vertrag).

370 V g i ßar 5 Theorie I, S.l27 Fn. 1 (allerdings mit unklarem Beispiel); ders., Encyklopädie, S.14; Zitelmann I, S.368, II, S.381; ähnlich: Neumann, Vertragsgültigkeit, S.17 (allerdings unter Hinweis auf die synonyme Verwendung in Frankreich [!], Fn. 1); nicht ausdrücklich: Mommsen, Normierung, S.l74, 202 (ordre public Klausel neben Rechtswahlbeschränkung); vgl. auch die oben Fn. 363 Genannten. 3 7 1

Z.B. nur die zwingenden Bestimmungen des inländischen Rechts ohne Differenzierung sind erwähnt bei Seeler, Gutachten, S.37.; vgl. auch Neumeyer, IPR, S.9, 16 (Übertragungsverbot für GmbH-Anteile); ders., Int.Verwaltungsrecht III 2, S.283 Fn. 64 hielt dabei den Schutz der Vorbehaltsklausel für verzichtbar - wohl auch eine Folge des weiterentwickelten ordre public als "juristisch-technischem Instrument ohne Werturteil" (Int.Verwaltungsrecht IV, S.228 ff.). 3 7 2

Thöl, Einleitung, S. § 74.

37 3

Böhm, Statutenkollision, S.l07.

80

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

stellen keine zufällige "Verwechslung" dar. Sie legen vielmehr Zeugnis ab für eine Phase des Überganges, in der die Schrankendogmatik im Kollisionsrecht in enorme Bewegung geraten war und man daher der Frage nach den Grenzen der "Privatautonomie" im IPR lieber aus dem Weg ging 377 . Auch Muheim bringt die Prohibitivgesetze und den Parteiwillen auf seltsame Weise in Verbindung. Im Anschluß an die Kritik von v. Savignys Prohibitivlehre meint er 3 7 8 : "Die Frage ist daher die: Was können die Parteien wollen und welche Schranke findet das auswärtige Recht in unserem Rechtsgebiet." Ob er damit den Parteiwillen überhaupt in Frage stellen wollte, wie dies v. Bar mit seiner ähnlich lautenden Formulierung tat 3 7 9 , oder ob er nur die Trennung der Schranken des Parteiwillens von denjenigen des fremden Rechtes überhaupt im Auge hatte, wird ebensowenig klar wie die Rechtsordnung, aus der er diese letztlich entnimmt380. Um wenigstens für den Bereich der Vorbehaltsklausel Klarheit zu erlangen, wird der Wunsch geäußert, der Gesetzgeber möge absolut territorial wirkende Gesetze als solche bezeichnen381.

3 7 4

Cohn, IPR, S.40: "freie Willenserklärung der Parteien" vorbehaltlich der "Imperativ- oder Prohibitivvorschriften"; vgl. dort auch S.98,44. 3 7 5

Neumann, Gutachten, S.l76, 178.

3 7 6

Dernburg, Bgl.Recht I (1902), S.103; da Dernburg aber den ordre public an anderer Stelle zutreffend wiedergibt (S.94: "Die Anwendungfremden Rechtes verstößt keineswegs, wie manche annehmen, schon dann gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes, wenn dieses zwingender Natur und insbesondere Verbotsgesetz ist..." [Hervorhebung im Original], denn das Verbot könne sich ja nur auf Inländer bzw. Geschäfte im Inland beziehen.), ist die Feststellung von Neumann, Vertragsgültigkeit, S.49, Dernburg verkenne Art. 30 EGBGB "völlig", nicht haltbar.Eher müßte man in Dernburg schon einen frühen deutschen Protagonisten der kollisionsrechtlichen Verweisung sehen, der als Schranke der Rechtswahl nur den ordre public i.e.S. anerkennt und auch bei "Inlandssachverhalten" wie der Entscheidung des RG (21.9.1899), E 44, S.301, auf die er S.103 Fn. 5 Bezug nimmt, nicht auf das materielle inländische Recht (Vertragsfreiheit) zurückgreift! Zu der Entscheidung s.u. § 4 II 2. 3 7 7

Vgl. Niemeyer, Methodik, S.24 f.

3 7 8

Muheim, Principien, S.l8.

3 7 9

Bar, Theorie I, S.94: Die erste Frage ist nicht, "... was wollen die Parteien, sondern was können sie, nach Maßgabe des Gesetzes, wollen ..." [Hervorhebung im Original.] ; vgl. auch Theorie II, S.4. 3 8 0

Muheim, Principien, S.148 erweckt bei der Behandlung der Obligation zunächst den Anschein, als komme eine Rechtswahl überhaupt nicht in Frage; auf S.l56 stellt er aber ohne nähere Begründungen den Vorrang einer Parteivereinbarung fest. 38 1

Neumann, Entwurf, S.147; Meili I, S.195; ähnl. noch Lewald, IPR, S.26.

§ 2. Schranken

81

Selbst bei Frankenstein, der in umfänglichster Weise versucht, dem Phänomen des ordre public gerecht zu werden 382, findet sich kein Hinweis auf die unterschiedlichen Gegenstände von ordre public und zwingenden Gesetzen im Hinblick auf die Rechtswahlgrenzen. Vielmehr versucht er mit seiner "Primäranknüpfiing" an das Personalstatut die ganze Problematik einheitlich und aprioristisch zu lösen. Er geht zu diesem Zweck von der Annahme aus, das Primärstatut spreche per definitionem keine Verweisung aus, die zwingenden inländischen Vorschriften in irgendeiner Weise zuwiderlaufe 383. Damit bleibt es bei den Schranken des Personalstatuts und Frankenstein ist bemüht; den konsequenterweise entstehenden Eindruck zu vermeiden, er verlange im Ergebnis die Berücksichtigung eines ausländischen ordre public 384 . Brändl unterstrich die Entwicklung der Vorbehaltsklausel, die diese seit v. Savigny genommen hatte und berührte in diesem Zusammenhang die Homogenität der Schranken, wie sie ursprünglich für das Schuldrecht bestanden hatte. Aus der veränderten Situation konnte er seine Schlüsse für die Differenzierung nach "heuristischem" und "empirischem" Parteiwillen ziehen385. Die Folge dieser Entwicklung war, daß sich die ursprünglich weite Schranke der "zwingenden Normen", die nicht nur für das Kollisionsrecht insgesamt, sondern auch für die Frage nach dem Einfluß des Parteiwillens erheblich war, in eine allgemeine (aber schärfer konturierte) für das Kollisionsrecht und eine spezielle (aber enger gewordene) für den Parteiwillen im Rahmen des Schuldrechts aufspaltete, ohne zunächst zu wissen, ob es um das zwingende Recht der lex fori oder des objektiven Statuts ging 386 . In der Folge wurde diese Scheidung als Wesenszug der Autonomie im IPR angesehen und der Umfang einer beachtlichen Rechtswahl wurde - teilweise mit Abweichungen - mit dem Geltungsumfang des dispositiven Rechtes gleichgesetzt387. In letzter Konsequenz wurden daher die Bestimmungen über einen 3 8 2

Frankenstein, Grenzrecht I, S.l79 ff.; 192 ff.

38 3

Frankenstein, Grenzrecht I, S.71, 578.

384 V g i unten § 3 III; die Berücksichtigung eines ausländischen ordre public ist bis heute nur vereinzelt gefordert worden, z.B. von Dölle, vgl. Vallindas, ordre public, S.7; für den Fall der Rückverweisung hält aber auch Kegel, IPR, S.336 den fremden ordre public für beachtlich. 3 8 5

S.u. im Text bei Fn. 476.

3 8 6

Giuliano , Rec.Cours, S.208.

3 8 7

Aufzählungen über den Geltungsumfang/Schranken des nationalen Rechts finden sich bei Thöl, Einleitung, S.189; Schmid , Herrschaft, S.67 [er stellt nur abstrakt auf den Unterschied zwischen essentialia und naturalia des Vertrages ab]; Muheim, Principien, S.l59 ff. 6 Puls

82

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

gültigen Vertragsschluß für "zwingend" erachtet 388. Die Annahme einer "unterschiedlichen Energiestärke" der zwingenden Normen einer Rechtsordnung, mit der Folge, der Parteiwille könne diese bei internationalen Sachverhalten ausschalten, hielt Görtz für die "Bankrotterklärung des wissenschaftlichen Aufbaus des IPR" 3 8 9 und schon deshalb für gefährlich, weil letztlich nur der ordre public als Ausweg bliebe, obwohl dessen Anwendungsbereich eigentlich nicht eröffnet sei 390 : "Vermeidet man mittels des ordre public unbillige Ergebnisse [seil.: der Autonomie], so vertreibt man den Teufel mit Beelzebub." Die emotionelle Äußerung läßt die Furcht erkennen, als Folge der "unbeschränkten Autonomie" die so sicher und griffig erscheinenden zwingenden Normen des jeweiligen nationalen Rechts als Rahmen zu verlieren 391. Bereits Pillet hatte in der Zulassung der nur materiellrechtlichen Verweisung den Vorteil der notwendigen und erwünschten Einschränkung des Anwendungsbereiches der Vorbehaltsklausel gesehen392. Als die Parteiautonomie in Gestalt der kollisionsrechtlichen Verweisung im Begriff war ihren Einzug in die Lehre zu halten, machte K. Neumann393 noch den Versuch, die materiellrechtlichen Bestimmungen, die den Rahmen der allein für möglich erachteten Vereinbarung desfremden Rechts stellen sollten, durch Differenzierung nach der "internationalen" Wirkkraft zu konkretisieren. Er verklang ohne Widerhall, offensichtlich von der Möglichkeit einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl schon "angekränkelt", litt der abstrakte Versuch der Distinktion nach "Eingriffsstärken" auch unter dem, was Kahn bereits vergleichbaren Bemühungen für den ordre public vorgeworfen hatte 394 : "Als man ob durch die Distinktionen einem Begriffe aufhelfen könnte, welchem jede Einheitlichkeit fehlt."

3 8 8 Cosack, Lehrbuch I, S.410; Niemeyer, Feuerversicherungsvertäge, S.261; Neumann, Vertragsgültigkeit, passim. 3 8 9 Görtz, Parteiwille, S.54; vgl. Neumeyer, Int.Verwaltungsrecht IV, S.151 [Widerspruch zum vernünftigen Willen des Gesetzgebers]. 3 9 0

Görtz, Parteiwille, S.32 f.

39 1

Görtz, Parteiwille, S.33: "Den Begriff der zwingenden Normen zu bestimmen - eine Frage des nationalen Rechts - ist meist ohne erhebliche Schwierigkeiten möglich." 3 9 2

PiUet , Rec.Cours, S.481: "Notre méthode présente une autre utilité ... elle comporte une limitation nécessaire dans la notion de l'ordre public." 3 9 3

Neumann, Vertragsgültigkeit, S.l ff. [Differenzierung nach positiven und negativen Vertragsvoraussetzungen]; über den aus dogmatischer Sicht wertvolleren Ansatz Zitelmanns unten §311.

§ 2. Schranken

83

VI. Zusammenfassung und Stellungnahme Die Prohibitivgesetze als bekanntes Korrektiv der Vertragsfreiheit des inländischen Rechts erhielten im Zuge der Internationalisierung der Lehre von der Kollision der Statuten eine besondere Funktion, die dazu führte, daß die Frage nach ihrem Gegenstand neu gestellt werden mußte. Die Veränderungen am Gegenstand, die zur Begründung eines kollisionsrechtlichen Instituts, der "Vorbehaltsklausel" bzw. dem "ordre public" führten, blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Funktion und den Anwendungsbereich der Prohibitivgesetze überhaupt. Mancini ließ dies bei seiner Einführung des "principe de liberté" und der damit verbundenen dominierenden Stellung des Parteiwillens für die Grundlegung des "modernen" kollisionsrechtlichen Verständnisses erkennen. Die Anerkennung des ordre public im engeren Sinn als einzige Schranke im internationalen Schuldrecht hätte die Preisgabe der bisher angenommenen Schranken des Parteiwillens dargestellt. Angesichts der vermeintlich klaren Schranken, die das interne Recht für die Privatautonomie bereit hielt, glaubte man - auch unter dem Eindruck der genannten395 methodisch-logischen Gründe - dem Parteiwillen und dessen Schranken bei internationalen Sachverhalten auch nach der Entwicklung des ordre public zum selbständigen Institut im IPR keine neue Funktion und keinen anderen Stellenwert einräumen zu müssen. Dies führte schließlich zur Aufspaltung des "zwingenden Rechts" in seiner Wirkung auf das Kollisionsrecht. Der ordre public behielt seine Bedeutung vorwiegend für die objektive Anknüpfung. Für die Parteivereinbarungen wurde er nur noch dort wieder besonders betont, wo man das zwingende Recht als Schranke der Rechtswahl nicht ohnehin schon der lex fori entnahm396. Kahn hatte mit seinen Ausführungen nur die Lehre vom ordre public und den Prohibitivgesetzen als Verschleierung der eigentlichen Frage nach der maßgebenden Anknüpfung der Prohibitivgesetze entlarven wollen 397 . Tatsächlich erschütterte er jedoch die Aussage- und Argumentationskraft der Prohibitiv-

*

3 9 4

Kahn, ordre public, S.91.

3 9 5

Vgl. oben bei Fn. 200 und unten § 3 I 1 b).

3 9 6

Dazu unten §3 III 1.

3 9 7

Kahn, ordre public, S.24, 29 ff., 103.

84

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

gesetze als schlechthin "absolute" Sätze für das Kollisionsrecht in seiner weitesten Bedeutung und arbeitete daher der logisch-dogmatischen Unterordnung der Rechtswahl unter das "zwingende Recht" des "an sich" maßgeblichen Rechts entgegen398. War der Parteiwille zu Zeiten des weiten, unkonturierten ordre public (unter Einschluß der restriktiven und dehnbaren Grenzen der materiellen Rechtsordnung) als Gestaltungselement des Kollisionsrechts anerkannt, so konnte die Feststellung Kahns, "... daß von den inländischen Gerichten unsere sogenannten Prohibitivgesetze nicht ausschließlich und nicht unter allen Umständen anzuwenden sind" 399 , nicht ohne Einfluß auf die Frage der Grenzen einer Rechtswahl sein. Kahn selbst betonte den Zusammenhang zwischen dem Kollisionsrecht und dem ordre public: "Was man unter der öffentlichen Ordnung, der 'Vorbehaltsklausel' zusammenzufassen pflegt, ist im allgemeinen der noch unerkannte und der noch unfertige Teil des internationalen Privatrechts..." 400. Dies wurde nicht bestritten, auch wenn man von der Notwendigkeit einer besonderen Vorbehaltsklausel weiterhin überzeugt war 4 0 1 . Nur galt es, dem erkannten Zusammenhang Rechnung zu tragen. Widersprüche, wie sie sich aus einer Liberalisierung des ordre public und einer Beibehaltung der nur materiellrechtlichen Rechtswahl bei Maßgeblichkeit des inländischen Rechts je nach objektiver oder subjektiver Anknüpfung ergeben konnten, stellten eine Ungereimtheit im kollisionsrechtlichen Gefüge dar. Die absolute Geltung der zwingenden Gesetze - gleich welcher Rechtsordnung - hatte als akzeptable Schranke der Parteiautonomie im Kollisionsrecht im Zuge dieser Entwicklung an Überzeugungskraft verloren. Denn wenn zwingende Normen einer objektiven Anknüpfung nur dann entgengenstanden, wenn sie den engen Voraussetzungen des ordre public genügten, war es naheliegend, auch bei einer willkürlichen Vereinbarung des anwendbaren Rechts ebenfalls nur dieselben weiten Grenzen des ordre public zu sichern und damit dem Parteiwillen die Bedeutung einer Kollisionsnorm zuzubilligen. Die Notwendigkeit dieses Zusammenhangs erkannten die Befürworter der kollisionsrechtlichen Rechtswahl und stellten den Parteiwillen unter Überge3 9 8 Schon die Betonung der Territorialität bei Kahn steht prinzipiell im Widerspruch zur Beachtung fremder zwingender Normen. 3 9 9

Kahn, ordre public, S.l7.

4 0 0

Kahn, ordre public, S. 108.

4 0 1

Vgl. Walker, IPR, S.260.

§3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

85

hung logischer Vorbehalte 402 in ein Gefüge von "immanenten" Schranken, die eine Konkretisierung des ordre public auf vorgeschalteter Ebene bedeuteten. Heute, da sogar die "immanenten" Schranken des Parteiwillens teilweise gefallen sind, schickt man sich an, dies durch ein neue Dimension des ordre public zu stützen: die Berücksichtigung von Eingriffsnormen (lois d'application immédiate) und Sonderanknüpfungen 403. § 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration des Parteiwillens im Obligationenrecht

I. Der "Auslandsbezug"

Die Frage nach dem Auslandsbezug404 eines Falles ist für ein auf Kollisionsnormen basierendem IPR als methodisches Problem des IPR bekannt405. Während heute in zunehmendem Maße die Definitionsversuche des IPR sich damit auseinandersetzen und versuchen, ohne den Auslandsbezug als Charakteristikum auszukommen406, stellte sich im 19. Jahrhundert diese Frage noch nicht so differenziert. Bereits darin muß eine hier näher zu beleuchtende dogmatische Voraussetzung für die besondere Entwicklung des Parteiwillens gesehen werden, wie die noch bis vor kurzem geführten Diskussionen um den Auslandsbezug als "immanente Schranke" der "echten" Rechtswahl407 ahnen lassen. Während den frühen Statutisten das Problem nicht geläufig gewesen sein dürfte, soweit man "Internationalität" nach heutigen Maßstäben fordert, trat nach dem Entstehen der Nationalstaaten die Unterscheidung zwischen "inter-

4 0 2

S.u. Teil C § I I I .

4 0 3

Vgl. dazu unten Teil C § 2 III; insbesondere über deren Stellung im herkömmlichen System des Kollisionsrechts Schurig, Symposium, S.59 ff. 4 0 4

Andere Begriffe sind "internationaler Sachverhalt", Fall mit "Auslandsberührung", "éléments internationaux", "éléments d'extranéité". 4 0 5

Vgl. Beitzke, Methodik, S.lOff; Schurig, Kollisionsnorm, S.52 ff.

4 0 6

S.u. Teil C § 2 I 1 und die Nachweise in Fn. 845.

4 0 7

Vgl. unten bei Fn. 851.

86

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

lokalen" und "internationalen" Konflikten stärker ins Bewußtsein408. Die verschiedenen Partikularrechte wurden jedoch als den Rechten der selbständigen Nationen gleichwertig erachtet und daher der IPR-Frage unterstellt 409, was auch auf die besondere politische Situation in Deutschland seit dem Mittelalter und insbesondere nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches Deutscher Nationen von 1803 zurückzuführen ist 4 1 0 . Die von Meili geforderte "verschiedenartige Behandlung in einzelnen Fragen" 411 wurde nach Inkrafttreten des BGB nicht mehr praktisch. Häufig wurde der Auslandsbezug in der Literatur des 19. Jahrhunderts in seiner tatsächlichen Ausprägung auf die Eigenschaft der Beteiligten als "Ausländer" bzw. "Inländer" reduziert und als solcher auch bei der Behandlung der Vertragsobligationen vorausgesetzt412. Auch v. Bar hebt noch als Gegenstand des internationalen Privatrechts den Verkehr von Angehörigen verschiedener Staaten hervor 413 . Hier wirkte deutlich die statutistische Vorstellung der Extra4 0 8 De Nova, Rec.Cours, S.539; Laurent I, Nr.257 f. glaubte nur an interprovinzielle Konflikte bei den Statutisten; a.A. Lainé I, S.77 ff.; vgl. auch Schnitzer, Einordnung internationaler Sachverhalte, S.289 ff. 4 0 9

Vgl. Wächter I, S.232, 274 Fn. 80, wo er das Problem nur andeutet, während er in seine Pandekten I, S.l52 f. den entgegengesetzten Standpunkt einnimmt; deutlicher Savigny, System VIII, S. 19-23,27,108, der im Gegensatz zu v. Wächter genau zwischen Partikularrechtskonflikten und solchen selbständiger Staaten unterscheidet, auf beide Konstellationen jedoch die gleichen Regeln anwendet; ebenso Roth, Bay.Civilrecht I, S.l56; Stobbe, Handbuch I, S.173; Gerber, System I, S.65 Fn. 2; Brinz, Pandekten I, S.l07; Martin, Collision, S.236; Schmid , Herrschaft, S.29; vorsichtiger: Böhlau, Mecklbg.Landrecht I, S.421 f.; a.A: Pütter, Collision I, S.386; II, S.73 unter Verweis auf die völkerrechtliche Natur des "internationalen Privatrechts", dem er ein inhaltlich anders geartetes "interprovinciales Privatrecht" entgegenstellt; zum ganzen auch Bar, Theorie I, S.l 19 f. 4 1 0 Vgl. De Nova, Rec.Cours, S.540; für die Situation in der Schweiz galt freilich ähnliches, vgl. bereits Muheim, Principien, S.98.; Pütter, Collision II, S.73 Fn. 7 umschreibt die Situation mit folgender Anekdote: "Sagt ein wissenschaftlich und praktisch tüchtig gebildeter Jurist in Greifswald: Ihr Haus und ihr Garten ist, da Sie nach Römischem Rechte leben, gegen das Haus und den Garten Ihres Schwagers und Nachbarn, der nach LUbischem Rechte lebt, Ausland! Ausland!" 4 1 1

Meili, Doctrin, S.23.

4 1 2

Pütter, Fremdenrecht, S.l 1: "Das europäische Fremdenrecht ist das allgemeine christliche Völkerrechtsgesetz für die Rechte, Rechtsgeschäfte und -Verhältnisse der Unterthanen des einen Staates im Gebiete des anderen." - auf diesem "Auslandsbezug" baut sein "System" auf (S.13 ff, 26 ff., 129 ff.); ähnl. Kritz, Contractmässige Verbindlichkeiten, S.94, 99 ff.; Kori, Collision, S.318; ders., Ausländer, S.4 ff.; Vesque v. Püttlingen, Handbuch, S.62ff.; Brinz, Pandekten I, S.l06; krit. Stobbe, Handbuch I, S.l72 Fn. 1, der darin den Grund für die von ihm abgelehnte völkerrechtliche Einordnung des Kollisionsrechts sieht. 4 1 3

Bar, Theorie I, S.3; dagegen Meili, Doctrin, S.l 1.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

87

territorialität durch, die immer an die Person mit ihrer Fähigkeit zur Mobilität gebunden war 4 1 4 . Kurios mutet eine Verschärfung dieser Auslandsbeziehung an, soweit zusätzlich danach differenziert wurde, ob es sich um "christliche" oder "barbarische" Staaten handelte415. Allein Pfeiffer glaubte von seiner extremen Auffassung der Territorialität der Rechtsordnungen ausgehend bereits in dem "Auslandsbezug" die Ursache für einen Zirkelschluß der gesamten Lehre von der Kollision der Gesetze zu erkennen, indem er die Verwirklichung eines Falles in einem fremden Rechtsgebiet automatisch mit der Anwendung ausländischen Rechts gleichsetzte416. Bei v. Wächter beinhaltet die Fragestellung nach dem anwendbaren Recht auch den Auslandsbezug. Ausreichend ist, daß der Richter über ein vor ihn gebrachtes Rechtsverhältnis zu entscheiden hat, "... welches entweder im Auslande begründet wurde, oder bei welchem Ausländer betheiligt sind, oder welches sonst mit dem Auslande in einer Beziehung steht." 417 v. Savigny fragt allgemeiner: "Welches unter den verschiedenen örtlichen Rechten, mit denen das streitige Rechtsverhältnis in irgendeiner Beziehung steht, soll bei der Entscheidung zur Anwendung kommen."418 Ob er damit schon für die Frage nach dem anwendbaren Recht notwendig eine Auslandsberührung voraussetzte, oder nur auf die dann bestehende Möglichkeit der Anwendung eines anderen als des inländischen Rechts hinweisen will 4 1 9 , wird nicht deutlich. Freilich ist eine durch Tatsachen vermittelte Auslandsberührung

4 1 4

Vgl. Kahn, ordre public, S.79 f.

4 1 5

So Günther, Weiskes Rechtslexikon, S.723 f.: "Es ist nämlich eine unleugbare Thatsache, daß zwischen gewissen Staaten eine engere Verbindung besteht, durch welche ... eine größere Berücksichtigung der Gesetze und Institute des einen Staates in allen anderen, dieser Verbindung angehörigen Staaten bedingt wird. Eine solche Verbindung hat statt zwischen allen Staaten von christlich-europäischer Bildung ..."[Hervorhebung im Original]; ähnl. Pütter, Fremdenrecht, S.l 1, 27 u. passim, mit Anspielung auf die Bibel, 3.Buch Mose 24 Vers 22 ("Es soll ein und dasselbe Recht unter euch sein für den Fremdling wie für den Einheimischen;..."). 4 1 6 Pfeiffer, Prinzip, S.10; konsequenterweise behandelt er - anders als Pütter - die Kollisionskonflikte unabhängig von internationalem oder partikularrechtlichem Einschlag gleich, d.h. nach der lex fori (S.25). 4 1 7

Wächter I, S.237 [im Original gesperrt]; vgl. auch Sandmann, Grundlagen, S.89,92.

4 1 8

Savigny, System Vili, S.18; er nennt Domizil, Belegenheit, Vornahmeort, ebd., S.120 f.

4 1 9

Meili, Doctrin, S.l spricht die "internationale Berührung" und die "damit verbunden Möglichkeit von Kollisionen" an.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

88

für ihn der Hauptfall, in dem der Richter sich mit der Frage befaßt 420. Das Rechtsverhältnis der Kollisionsnormen stellt auch ein "Lebensverhältnis" dar und kann solche Elemente regelmäßig beinhalten. Das Element eines rechtlichen Bezuges ist aber bei v. Savigny nicht zu übersehen421, und schon die die Zulassung einer Vereinbarung des Erfüllungsortes, wie sie v. Savigny für das Schuldrecht vorsah, belegt die Weite des Merkmals Auslandsberührung. Denn beurteilt sich ein Vertrag nach dem - u.U. sogar nur fiktiven - Willen der Parteien bezüglich des Erfüllungsortes, so handelt es sich bei diesem zwar um eine Tatsache. Die Anknüpfung wurzelt aber stärker im Rechtsverhältnis als im Lebenssachverhalt und spricht für den besonderen Zusammenhang zwischen beiden 422 . Daß v. Savigny die Rechtswahl selbst nicht als Anknüpfungsregel ausdrücklich nennt, ändert nichts an der Tatsache, daß die freiwillige Unterwerfung im Zentrum der Überlegungen stand und schon deshalb eine besondere Stellung gegenüber den sonstigen "räumlichen Beziehungen" einnahm423. Operierte man aber bereits auf der Ebene der Frage nach dem Gegenstand des IPR nie in enger Abhängigkeit von einem scharf konturierten, engen Auslandsbezug424 und sah in diesem Punkt keine Änderung gegenüber der statu4 2 0 Savigny, System Vili, S.24: " Ein Richter unseres Staates hat zu entscheiden über ein streitiges Rechtsverhältnis, das durch die Thatsachen, die ihm zum Grunde liegen (z.B. den Ort, wo ein Vertrag abgeschlossen ist, oder wo sich eine streitige Sache befindet), mit dem von unsrem positiven Rechte abweichenden Rechte eines fremden Staates in Berührung steht."; Sakurada, Symposium, S.140 sieht darin den Beleg dafür, daß für Savigny das IPR nur Fälle mit Auslandsbeziehung zum Gegenstand hatte. 4 2 1

Vgl. die Nachweise bei Kollewijn,

Considérations, S.249.

4 2 2

Zu Recht gegen die bloße Gleichsetzung von Rechts- und Lebensverhältnis bei Savigny Vitta, Rec.Cours 1979, S.53 f.; Schurig, Kollisionsnorm, S.82; a.A.: Wolff, IPR, S.2; Raape/Sturm, IPR, S.98; Ferid/Böhmer, IPR, Rdnr. 1-105 f.; vgl. auch Beitzke, Methodik, S.7. 4 2 3 4 2 4

Kollewijn,

Considérations, S.246 f.

So definiert etwa Seeler, Gutachten, S.37 als Grundprämissen des IPR, daß nur bei einem reinen Inlandsfall die ausschließliche Anwendung inländischen Rechts notwendig sei (Ausnahme: zwingende Bestimmungen), und wenn alle Beziehungen auf einen fremden Staat verweisen, ausschließlich dessen Recht; sogar diese Extrempole stehen danach nicht "außerhalb" des IPR; Gierke, Dt.Privatrecht I, S.209 f. sieht als Geltungsgrund des Kollisionsrechts "... die Bereitschaft ... auch ausländische Rechtsordnungen als Rechtsordnungen zur Kenntnis zu nehmen ..." (vgl. ebd. S.212: Das fremde Recht ist Recht); Kahn, Natur und Methode, S.3 ist schon in Bezug auf die Bezeichnung internationales Privatrecht skeptisch [vgl. oben Fn. 141] und vermutet deren Entstehung "... aus der Vorstellung heraus, daß es sich um privatrechtliche Fragen mit internationalen Beziehungen handele - eine Vorstellung unter deren verschwommener Allgemeinheit man allerlei heterogenes Zeug durcheinanderwerfen kann." [Hervorhebung im Original]; vgl. auch Neubecker, IPR, S.46; aus heutiger Sicht könnte man noch ergänzen, daß die Auslandsberührung auch kaum faßbar scheint, vgl. Schurig, Kollisionsnorm, S.56 und unten Fn. 857.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

89

tistischen Frage vom räumlichen Herrschaftsbereich veranlaßt 425, so ist kaum verwunderlich, daß dieser als Voraussetzung für die Wahl eines Rechtes selten erwähnt wurde 426 . Denn für die Statutisten stand der (räumlich oder persönlich) beschränkte Geltungsbereich der Gesetzte im Vordergrund der Argumentation, nicht die Beziehung des Rechtsverhältnisses zu einer Rechtsordnung. Hier brachte erst v. Savigny eine entscheidende Wende, wenngleich an sich diese Beziehung zwischen Rechtsverhältnis und Rechtsordnung auch in der statutistischen Methode vorauszusetzen war, wie E. Lorenz richtig feststellt 427. Die Qualität des Auslandsbezuges spielte bei den Statutisten eine eher induktive Rolle für die Auswahl des zu prüfenden und gegebenenfalls anzuwenden Rechts, insbesondere wenn es galt eine nach allgemeinen Regeln anwendbare Rechtsordnung zugunsten der lex fori auszuschalten: Der "Auslandsbezug" eines Vertrages sollte nicht ausreichen, wenn der Vertrag weder nach Person noch nach Gegenstand in das Gebiet der ausländischen Gesetzgebung hineinwies 428 . Diese vorwiegend auf die objektve Anknüpfung angewandte Vorgehensweise zur Konkretisierung des in Frage kommenden fremden Rechts bzw. für dessen Ausschluß stellte genau dasjenige Erfordernis auf - ohne es zunächst als Prinzip zu formulieren -, das man später bei der Zulassung einer nicht nur materiellrechtlichen Rechtswahl bemühte429, und das in der Gestalt der Ausweichklausel auf der Ebene der objektiven Anknüpfung fortlebt, soweit dort auf die engste räumliche Beziehung abgestellt wird 4 3 0 .

4 2 5

Vgl. Meili, Doctrin, S.l 1; Mommsen, Normierung, S.l50; Kahn, Natur und Methode, S.8 meint, das IPR enthalte das, " ... was man früher unter 'collisio statutorum' zusammenzufassen pflegte ..." Für das Merkmal der "Internationalität" als besondere Voraussetzung des Kollisionsrechts bestand danach kein Raum, wie Böhlau, Mecklbg.Landrecht I, S.423 es für das die Personalität ablösende Territorialitätsdogma feststellte: "Selbst die zu exclusiver Individualisierung neigende Tendenz des späteren Mittelalters hat die Rechtsüberzeugung, daß auch das fremde Recht als Recht anzuerkennen sei, nie völlig verläugnet." 4 2 6

Dabei wurde dem Willen sogar Internationalisierungsfunktion beigemessen, vgl. Habicht, IPR, S.8: "Die Beziehung eines Tatbestandes zum Auslande [kann liegen, d. Verf.]... auch in dem bloßen Willen der Beteiligten (Unterwerfung des Verhältnisses unter ein ausländisches Recht)." [Hervorhebung im Original]. 4 2 7

Lorenz, Struktur, passim.

4 2 8

Vgl. Kori, Collision, S.318f Fn. 6 und ders., Ausländer, S.5 f.; Kritz, Verbindlichkeiten, S.l00, 110 ff. u. passim operiert mit der Erkennbarkeit der Ausländereigenschaft, um der Berücksichtigung ausländischer Entscheidungsnormen in "vaterländischen Gerichtshöfen" Einhalt zu gebieten. 4 2 9 4 3 0

Haudek, Parteiwille, S.40; 49 Fn. 1.

Vgl. nur Art. 28 I,V EGBGB, der freilich eine allseitig wirkende Regelung enthält. Zur Frage des Regelungsgehaltes des Art. 3 EGBGB s.u. Teil C § 2 I 2 a.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

90

Die im 19. Jahrhundert festgestellte Unmaßgeblichkeit der Beziehung zwischen Rechtswahl und Internationalität paßte in das Konzept einer rein materiellrechtlichen Verweisung und unterstützte so mittelbar das Argument der Funktionsuntauglichkeit des Parteiwillens als Anknüpfungsprinzip im Kollisionsrecht 431. War der Parteiwille als Grundsatz bislang aber immer direkt auf die "internationalen" Sachverhalte angewendet worden, so ließ die Rechtswahl bei einer rein materiellen Sicht den "Rahmen", als den Kahn das IPR bezeichnet hatte 432 , außer acht. Das "Bild" ohne Rahmen mußte aber zum Widerspruch reizen 433 , ebenso wie die vermittelnde Annahme Zitelmanns, das "Bild" sei bei der Rechtswahl unter Umständen größer als der "Rahmen"434, weil er mit dem "Rahmen" schon gar nicht mehr das Kollisionsrecht, sondern das inländische zwingende Recht meinte 435 . Festzuhalten bleibt, daß bis zur Etablierung der kollisionsrechtlichen Rechtswahl der Auslandsbezug als Faktum ohne positiven dogmatischen Wert für die Berücksichtigung des Parteiwillens im Kollisionsrecht war. II. Die Vereinbarung über das anwendbare Recht /. Die ''freiwillige

Unterwerfung"

bei v. Savigny

a) Die Konzeption v. Savignys und ihre Offenheit für den Parteiwillen Die konsequente Übertragung des Bildes vom Sitz auf das Obligationenrecht vollzieht sich bei v. Savigny auf den ersten Blick in einer grundsätzlichen Klarheit, die bestechend gegenüber den übrigen Versuchen seiner Zeit auf die-

4 3 1

Vgl. nur Neumann, Vertragsgültigkeit, S.15; Zitelmann I, S.273.

4 3 2

Kahn, Natur und Methode, S.53 f.

4 3 3 Mayer, Parteiautonomie, S.l 13 hat dies klar ausgesprochen: "Auf diese Weise [seil.: durch die Annahme, Parteiautonomie erschöpfe sich in der inhaltlichen Ausgestaltung des Vertrages] würde die Frage der Zulässigkeit der PA. [seil.: Parteiautonomie] als Kollisionslösung nicht beantwortet, sondern übersprungen." 4 3 4 4 3 5

Zitelmann II, S.376; vgl. dazu Neumann, Vertragsgültigkeit, S.37.

Auch Zitelmann schaltete freilich die Rechtsanwendungsfrage hinsichtlich der zwingenden Normen vor; vgl. unten II.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

91

sem Gebiet wirkt 4 3 6 . In Anlehnung an die Möglichkeit einer Unterwerfung unter einen Gerichtsstand437 kommt er zu dem Ergebnis, daß für die Parteien bei einem Schuldvertrag eine Unterwerfung unter das maßgebliche R.echt möglich sei. Dabei streift er das Problem eines "Verweisungsvertrages", freilich nur am Rande. So erwägt er, daß die "freiwillige Unterwerfung" selbst ein Vertrag der Parteien sein könnte, lehnt diese Vorstellung unter Hinweis auf die regelmäßig fehlenden Voraussetzungen eines solchen ab 4 3 8 . Denn ein "positives Wollen mit bestimmtem Bewußtsein" - was auch seiner vertragsrechtlichen Dogmatik entsprochen hätte - wollte er nicht fordern 439. Diese vorsichtige Skepsis bezüglich des Eifers der Parteien, sich ausdrücklich über das anwendbare Recht zu einigen, steht in offenem Widerspruch zu der Bedeutung des ausdrücklichen Willens, dessen Vorrang 440 v. Savigny zu betonen nicht müde wird 4 4 1 . Er will also die freiwillige, d. h. auf dem Parteiwillen beruhende Unterwerfung unter ein Recht nicht an den Erfordernissen eines Vertrages scheitern lassen, die nach seiner Ansicht selten erfüllt sein würden. Auch die Ausführungen zur Möglichkeit einer stillschweigenden Übereinkunft sprechen nicht deutlich für einen Vertrag als Gegensatz zu einer objektiven Anknüpfung 442. Das Fehlen einer ausdrücklichen Unterwerfung sieht v. Savigny aber durch die Bedeutung des Erfüllungsortes kompensiert, indem er in diesem das Ergebnis einer Vereinbarung und damit auch eine freiwillige Unterwerfung zu erkennen glaubt. Fehle es auch insoweit an einer Vereinbarung, so entspricht es seiner Auffassung nach dem "inneren Bedürfnis" der Parteien, das Wohnsitz-

4 3 6 Vgl. nur Meili II, S.l7, allerdings auch mit Kritik an der durch den Erfüllungsort als objektiver Anknüpfung ausgelösten Spaltung. 4 3 7

Savigny, System Vili, S.226,243.

4 3 8

Savigny, System VIII, S.l 11 f.

4 3 9

Savigny, System VIII, S.l 12.

4 4 0

Saviny, System Vili, S.215 betont, dieser sei nicht direkt im dem römischen Recht enthalten, leitet ihn aber aus den Vereinbarungen über den Gerichtsstand ab (S.243,248). 4 4 1 4 4 2

Vgl. Savigny, System Vili, S.203,206,210,214,215, 248.

Zwar versteht Savigny, System VIII, S.203, 213 f. die stillschweigende Übereinkunft als "auslegende Folgerung aus einer zu anderen Zwecken, als der Willenserklärung, bestimmten Handlung" und verweist auf Bd.III, § 131, aber er grenzt diese (überflüssigerweise) deutlicher zur ausdrücklichen Rechtswahl ab als zu der "vorsorglichen Annahme" eines gewollten Rechts (S.206). Das mußte den Eindruck erwecken, zwischen "hypothetischem" und "stillschweigendem" Willen bestehe kein wesentlicher Unterschied - wasftlr Savigny tatsächlich im Ergebnis hinsichtlich der entscheidenden Frage der Schranken der Fall war.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

92

recht des Schuldners anzuwenden. Es soll sich dabei um eine "vorsorglich angenommene" Vereinbarung handeln443, wobei v. Savigny kaum die von ihm an anderer Stelle abgelehnte Willensfiktion im Auge gehabt haben dürfte 444 . Eine auch nur subsidiäre Anwendung der lex fori lehnt v. Savigny ab 4 4 5 . Alle Geltung des "örtlichen", d.h. eigentlich anwendbaren Rechts steht aber unter dem Vorbehalt der streng positiven Gesetze446. Bei v. Savigny taucht die Unterwerfung in verschiedenen Arten und Graden auf, was er selbst einräumt 447. Der Parteiwille erhielt damit viele Einfallstore für seine Bedeutsamkeit in dem an einer neuen Stufe stehenden Kollisionsrecht, die aber oft nur als schmale Pforten bei v. Savigny angedeutet sind. Dies erklärt, warum er bald als "Kronzeuge" für den Parteiwillen im Kollisionsrecht angeführt wurde 448 , bald als dessen Gegner zitiert wurde 449 . Der Rechtsprechung, die sich gerne der Lehre v. Savignys als flexiblem Instrument auf der Suche nach dem anwendbaren Recht bediente, wurde für das 19. Jahrhundert übrigens auch bald die nur materiellrechtliche, bald die kollisionsrechtliche Handhabung des Parteiwillens bescheinigt450. Ob v. Savigny der ausdrücklichen Vereinbarung deshalb den Vorrang einräumte, weil er die Schwächen einer objektiven Bestimmung des Sitzes ahnte und der Erörterung von Detailfragen lieber aus dem Weg ging 451 oder weil sich letztlich der Vorrang

4 4 3

Savigny, System VIII, S.l 12.

4 4 4

Vgl. Savigny, System III, S.257.

4 4 5

Savigny, System VIII, S.2 ff., 26 ff. 108 f., 131 f.

4 4 6

S.o. § 2 II 2.

4 4 7

Savigny, System VIII, S.l 11.

4 4 8

Z.B. Brändl, Parteiwille, Sp.826 ff.; Pillet, Rec.Cours, S.435; w.N. bei Wicki, Dogmengeschichte, S.32 Fn. 6. 4 4 9

Vgl. Neumann, Vertragsgültigkeit, S.28 f.; für Yentema, Historische Grundlagen, S.530 bleibt Savigny aufgrund seines Bekenntnisses zur territorialen Souveränität sogar hinter dem Autonomieverständnis von Dumoulin zurück. 4 5 0 4 5 1

Vgl. unten §4.

Die Kritik von Brinz, Pandekten I, S.102 wurde oben bereits angesprochen (vgl. Fn. 261); krit. auch Bar, Theorie I, S.77f., 116; Seeler, Gutachten, S.35 und passim; Gutzwiller, Einfluß Savignys, S.97 bescheinigt der Sitzregel im Obligationenrecht völliges Versagen; vgl. noch zu den Problemen, die die Umsetzung des Sitzbildes allgemein ausgelöst hat: Yentema, Historische Grundlagen, S.530; Sandmann, Grundlagen, S.246f.; Sakurada, Symposium, S.137; amüsant: Wengler, Vom Sitz des Rechtsverhältnisses, S.237.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

93

der menschlichen Persönlichkeit hinter seinem gesamten Grundsatz verbarg 452, kann und muß nicht geklärt werden. Die "Unterwerfung", die Hand in Hand mit der Rechtfertigung des Erfüllungsorts als maßgeblicher Anknüpfung ging, kann aber immerhin als Einstieg in das Problem der dogmatischen Erfassung des Willens und dessen von einem rein tatsächlichen Verhalten unabhängiger Berücksichtigung gewertet werden 453 . Gebhard erkannte diesen Zusammenhang und seine Auswirkungen und verwarf die Lehre von der Vereinbarung des Erfüllungsortes aus den gleichen Gründen wie die freiwillige Unterwerfung 454. Zu gering schätzt man die Bedeutung v. Savignys sicherlich ein, wenn man in seiner "freiwilligen Unterwerfung" nur die unvermeidliche Folge der Wohnsitzwahl oder der Maßgeblichkeit des Erfüllungsortes sieht 455 . b) Die Kritik im Hinblick auf die Grenzen der Unterwerfung Bereits Thöl kritisiert die Vorrangstellung des Parteiwillens bei v. Savigny, denn es sei zuvor zu untersuchen, "... welches Gesetz, vom Privatwillen abgesehen, das anzuwendende wäre, und ob dies ein dem Parteiwillen nachgebendes ist" 4 5 6 . Böhlau greift die Frage nach der Natur der "freien Unterwerfung" im Zuge seiner Kritik der Anknüpfung an das Recht des Erfüllungsortes ausführlicher auf 457 . Daß v. Savigny ein "positives Wollen" für die Annahme der Unterwerfung nicht fordert, ist für ihn wegen der insoweit bestehenden Parallelität bei der Freiheit der Wahl des Domizils, wo dieses von v. Savigny gefordert wird,

4 5 2

Vgl. dazu oben § 1 II 2.

4 5 3

Andere sahen dagegen die "freie Unterwerfung" allein in der Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten, vgl. Martin, Collision, S.278.; auf die Bedeutung des Willens für die Annahme des Erfüllungsortes als Anknüpfungspunktes weist auch Gutzwiller, IPR, S.1611 hin. 4 5 4

Gebhard, Bemerkungen, S.649 [S.l5]; vor ihm bereits Bar, IPR, S.256: "Wenn aber die Parteien nicht beliebig ein fremdes Recht wählen können, so sind sie ebensowenig dies Resultat indirect durch die willkürliche Wahl eines auswärtigen ErfÜllungs- oder Vertragsorts zu bewirken im Stande ...11 [Hervorhebung im Original]. 4 5 5

So aber Neuhaus, Savigny, S.374.

4 5 6

Thöl Einleitung, S.l87 Fn. 1.

4 5 7

Böhlau, Mecklbg.Landrecht I, S.456 ff.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

94

nicht erklärlich 458. Für noch problematischer hält Böhlau eine Unterwerfung durch einen "widersprechenden Willen" der Vertragsparteien aus anderem Grund 459 : "Nun gibt es aber in jedem Rechte, also auch in dem Rechte irgend welches Erfüllungs-Ortes verneinende, begriffsentwickelnde und absolut berechtigende Gesetze, welche der Privatwillkür nicht nachgeben. Werden auch diese nur durch die 'freie Unterwerfung' anwendbar, so müßten sie und mit ihnen das gesammte Recht des Erfüllungs-Ortes consequenterweise außer Anwendung bleiben, wenn 'ein bestimmt widersprechender Wille vorliegt.' Welches Recht gilt dann? Ein von den Parteien ad hoc auch in den begriffsentwickelnden, verneinenden, absoluten Rechtssätzen vereinbartes? Würde der Richter einem solchen sich fügen oder auch nur fügen dürfen? Würde er, in eine solche Lage versetzt, nicht vielmehr einfach die absoluten, begriffsentwickelnden Sätze seines Landesrechts in Widerspruch mit dem 'bestimmt widersprechenden Willen1 der Parteien zur Anwendung bringen?"

Diese "mißliche Lage" ist für Böhlau Grund genug, die "freiwillige Unterwerfung" als fremdartige Entscheidungshilfe und als untaugliches Entscheidungsprinzip für die "beweglichen Rechtsverhältnisse" zu verurteilen 460, v. Savigny könne ihr nämlich auch nicht durch den Versuch entgehen, die Unterwerfung auf nachgebende Rechtssätze des Erfüllungsortes zu beschränken461. Denn die Bedeutung des Erfüllungsortes für das maßgebende örtliche Recht das dann für die dispositiven Gesetze den Rahmen stelle 462 - beruhe ja gerade auf der Rechtfertigung durch den Parteiwillen 463. Der bei v. Wächter angedeutete "Zirkel", dem die Lehre von der "Autonomie " unterliege, war mit

4 5 8 Böhlau, Mecklbg.Landrecht I, S.456; er spielt damit auf die weit verbreitete Anknüpfung an das Recht des Schuldnerwohnsitzes an, die auch Savigny letzthilfsweise als von den Parteien "erwartet" favorisierte (System VIII, S.247 Fn. b, 248). 4 5 9

Böhlau, Mecklenbg.Landrecht I, S.457.

4 6 0

Vgl. Böhlau, Mecklenbg.Landrecht I, S.429 f., 457 f.; sein eigener Ansatz, der den Sitz des Rechtsverhältnisses allein durch die "jurisdictionelle Herrschaft" verwirklicht sieht (S.451), stellt freilich nur eine Umkehrung der Savignyschen Deduktion dar (S.459: "Das Recht des Erfüllungsortes gilt nicht als solches, sondern als Gerichtsstandsrecht."); vgl. S.458 (bes. Fn. 28), wo er allerdings wegen der gesetzlichen Fixierung des Erfüllungsortes für das gemeine Recht dem Parteiwillen jeglichen Einfluß abspricht. 4 6 1

Als solchen wertet Böhlau die Ausführungen bei Savigny, System Vili, S.249 Fn. c); ebenso später Neumann, Vertragsgültigkeit, S.30; vgl. oben Fn. 316. 4 6 2

Dazu sogleich unter 2.

4 6 3

Böhlau, Mecklenbg.Landrecht I, S.458 f.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

95

diesen Feststellungen als Problem der Rechtswahlvereinbarung erkannt 464 und hielt sich lange 465 . Er veranlaßte die Wissenschaft fortan zur Suche nach einer tragfähigen Basis für den Parteiwillen, die letztlich in der Ermittlung des Schuldstatuts auf rein objektiven Erwägungen und unter "nachgeschalteter" Berücksichtigung des Parteiwillens gefunden schien466. c) Die Kritik der "präsumtiven" Unterwerfung Die präsumtive Unterwerfung der Pateien unter ein fremdes Recht hatte schon Kritik erfahren, bevor v. Savigny ihr bei seiner Untermauerung des Erfüllungsortes bzw. des Schuldnerwohnsitzes als maßgeblicher Anknüpfung eine zentrale Rolle zuwies, ohne ihren Charakter als Rechtsregel deutlich herausgestellt zu haben467. Kori führte gegen eine "zu präsumierende Wahl" an, es gebe kein Moment in einem Sachverhalt, was auf die Wahl einer Rechtsordnung vor einer anderen hinweise, daß nach allgemeiner Lebenserfahrung die Parteien nicht an künftige gerichtliche Auseinandersetzungen denken würden und daß auch die "präsumtive Unbekanntschaft" der Kontrahenten mit den jeweils fremden Gesetzen des anderen Teils einer solchen Vermutung entgegenstünde468. Dies ist der Anfang einer langen Kette der Kritik an der "vermuteten oder hypothetischen Rechtswahl". Schon für Thöl handelte es sich bei dem vermuteten Parteiwillen der Natur nach um einen dispositiven Rechts-

4 6 4 Schmid , Herrschaft, S.68 bezieht sich auf Thöl, verweist aber auch auf die oben § 2 II Fn. 200 wiedergegebene Ausführung v. Wächters; ausdrücklich findet sich diese Kritik auch bei Bar, IPR, S.232 und später in Theorie II, S.3 ff.; übersehen wurde die Notwendigkeit der Bestimmung einer Rechtsordnung als Basis auch der materiellen Rechtswahl aber z.B. noch von Endemann, Lehrbuch 11, S.94 bes. Fn. 2, S.97. 4 6 5

Z.B. bei Görtz,, Parteiwille, S.44.

4 6 6

Beer, Entwicklungsstufen, S.351: "... die Wissenschaft hat dafür gesorgt, daß diese [Kürung des maßgeblichen Rechts, d. Verf.] ihre dogmatisch richtige Deutung und Begrenzung erhalten [hat]"; in dieser Verfahrensweise sieht er Savignys Prinzip verwirklicht, a.a.O., S.360. 4 6 7

Savigny, System VIII, S.l 12 unterstellte eine allgemeine Rechtsregei, "das dem inneren Bedürfnis Entsprechende" gelte als gewollt bzw. werde "vorsorglich angenommen" solange ein ausdrücklicher Wille fehle; durch die Darstellung als Rechtsregel konnte der Vorwurf vermieden werden, es werde ein vermuteter Wille zur Begründung eines Rechtsverhältnisses herangezogen (dagegen hatte sich bereits Thibaut , Pandekten I, S.93 mit dem Hinweis gewendet, nur ein Gesetz könne eine derartige Wirkung vorschreiben) - allein der Hinweis auf diese dogmatische Besonderheit der präsumtiven Unterwerfung fiel bei Savigny sehr "dezent" aus, ein Versäumnis, das sich insbesondere in der Rechtsprechung des Reichsgerichts bemerkbar machte. 4 6 8

Kori, Ausländer, S.25.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

96

satz 469 . Seeler betonte, jemand könne etwas tatsächliches "wissen müssen", niemals aber könne man annehmen, jemand habe etwas "voraussetzen müssen", zumal wenn es sich nicht um wahrnehmbare Tatsachen, sondern um juristische Fragen handele470. Ein Blick auf die Erkenntnisse der materiellrechtlichen Rechtsgeschäftslehre erhellt den Fortschritt in der Dogmatik der Rechtswahlvereinbarung um die Jahrhundertwende. Als Beleg kann stellvertretend wieder auf die Untersuchung des internen zwingenden Rechtes von Ehrlich Bezug genommen werden 471 . Der Vertrag wurde als das dogmatische Instrument erkannt, um die Absicht der Parteien durch obligatorische Folgen zu verwirklichen 472. Ehrlich unterstrich, daß nur bei bestimmten Dispositivnormen der bloße Wille einer Partei zur Abänderung ausreiche 473. Ginge es dagegen um den Ausschluß von Dispositivnormen mit "Gesetzeswirkung" bedürfe es stets einer besonderen rechtsgeschäftlichen Bestimmung474. Entsprechend deutlich formulierte er 4 7 5 : "Der Sinn des dispositiven Rechtssatzes kann nur der sein, daß solche Rechtsfolgen einzutreten hätten, durch die die erkennbare Absicht der Parteien verwirklicht wird; ... bedeutungslos ist die Verweisung auf die Parteiabsicht, wenn ein Fall eintritt, für den die Parteien bei der Vornahme des Geschäfts deswegen keine Vorsorge getroffen haben, weil sie an ihn gar nicht gedacht haben. Die Ansicht, daß sich jede Frage nach den Folgen eines Rechtsgeschäfts durch die Ermittlung der Parteiabsicht entscheiden lasse, beruht daher, wie schon die Römer gewußt haben, auf einem Irrtum."

4 6 9 Thöl, Einleitung, S.l74 Fn. 3; nicht damit zu verwechseln ist der Einwand, die Lehre von der Parteiautonomie behandle die dispositiven Rechtssätze als "präsumtiven Parteiwillen", was allein das Geltungsverständnis tangiert (vgl. oben Teil A § 3 I, II). 4 7 0

Seeler, Gutachten, S.39.

4 7 1

Vgl. oben bei Fn. 115; seine knappen Ausführungen zum IPR auf S.98 ff. postulieren in extremer Weise den Vorrang der Auslegung vor der Frage nach dem anwendbaren Recht selbst, wie er in einigen Entscheidungen des RG angeklungen war. 4 7 2

Vgl. Ehrlich, Zwingendes und nichtzwingendes Recht, S.23; der ganze Ansatz gründet sich im Anschluß an Unger auf die These, nur bei Rechtsgeschäften spiele der Wille eine Rolle, die die Systematik des zwingenden Rechts zu erklären vermöge (S.9 f.). 4 7 3

Ehrlich, Zwingendes und nichtzwingendes Recht, S.88; als solche sah er bestimmte "Fürsorgevorschriften" an (S.77), auf die einseitig verzichtet werden könne. 4 7 4

Ehrlich, Zwingendes und nichtzwingendes Recht, S.88.

4 7 5

Ehrlich, Zwingendes und nichtzwingendes Recht, S.39 f.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

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Brändl setzte das für das Kollisionsrecht um 4 7 6 . Er sah in der mangelnden Scheidung zwischen "empirischem" und "heuristischem" Parteiwillen die Ursache für die Diskreditierung des Parteiwillens in der deutschen Doktrin 477 . Nicht selten war nämlich die Kritik von grundsätzlichen Angriffen gegen die Berücksichtigung des Parteiwillens im Rahmen des Kollisionsrechts begleitet. Insbesondere wenn dieser auf die Vereinbarung des Erfüllungsortes gerichtet war, habe eine derartige Vereinbarung doch nur selten den Zweck, das anwendbare Recht zu bestimmen478. Es liege also garkeine Unterwerfung vor. Die unterschiedslose Behandlung der Erscheinungsformen des Willens bei v. Savigny für die Annahme einer "Unterwerfung" konnte Brändl sich nur vor dem weiten Verständnis der Prohibitivgesetze der lex fori erklären und lehnte sie unter Hinweis auf die Unmöglichkeit einer Konkretisierung der Vorbehaltsklausel des ordre public als "praktisch undurchführbar" ab 4 7 9 . Gleichwohl hielt sich der hypothetische Parteiwille zunächst auch noch bei den Vertretern der kollisionsrechtlichen Rechtswahl, die ihn sogar für unentbehrlich hielten 480 und damit den Willen zumindest teilweise so behandelten, wie dies die Vertreter der "Lokalisierungstheorie" taten 481 .

4 7 6

Brändl, Parteiwille, Sp.821-823; er war aber Gegner einer "originären" Rechtswahl.

477 V g i Brändl, Parteiwille, Sp.826; seine Aufarbeitung setzt bezeichnenderweise bei Savigny ein, der empirischen und heuristischen Willen auf die gleiche Stufe gestellt habe, was nur wegen der weiten Schranken des empirischen Parteiwillens durch den weiten Begriff der Prohibitivgesetze möglich gewesen sei (Sp.829f). 4 7 8

Vgl. Bar, Theorie II, S.6; Neumann, Gutachten, S.l77, 179 Fn. 9; Niemeyer, Feuerversicherungsverträge, S.262 f.; Frankenstein, Grenzrecht II, S.137, 143 f., 162 f., 164 ("Ja, ich wage die Behauptung, daß die Lehre vom Parteiwillen im Grenzrecht graue Theorie ist."); Neumeyer, Aufwertung im IPR, S.142; Görtz, Parteiwille, S.5 f.; Neumann, Vertragsgültigkeit, S.83; Lewald, IPR, S.212 ff.; s.u. Teil Β §4111. 4 7 9 Brändl, Parteiwille, Sp.830. Daß diese Sicht der Dinge nach der hier vertretenen Auffassung der historischen Wahrheit eher entspricht als die Annahme, Savigny habe nur eine materiellrechtliche Rechtswahl gekannt, wurde bereits oben ausgeführt. 4 8 0

Vgl. Haudek, Parteiwille, S.50, 65 Fn. 3, 66, 108; Nußbaum, IPR, S.216 und später noch Gamillscheg, Rechtswahl, S.334; zur Gegenmeinung vgl. unten bei Fn. 776. 4 8 1

V.a. Batiffol, Contrats, S. 10, 17 der unter scharfer Ablehnung des hypothetischen Parteiwillens freilich eine rein objektive Anknüpfung favorisiert (vgl. auch Batiffol/Lagarde, DIP II, S.236); ablehnend: Gamillscheg, Rechtswahl, S.315 f. (aber für Zulassung des hypothetischen Parteiwillens!); Umbricht, Immanente Schranken, S.38 ff.; zum ganzen Wicki, Dogmengeschichte, S.71 ff.; Högtun, S.8 f., Lalive, Rec.Cours 1967, S.621 f., 640 f.; Giuliano, Rec.Cours, S.208. 7 Püls

98

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

2. Die Verbreitung und Strukturierung

der Unterwerfimg

a) Die Anerkennung und Rechtfertigung des Parteiwillens Völlige Ablehnung erfährt der Gedanke der Unterwerfung zur Bestimmung des auf eine Obligation maßgeblichen Rechts nur bei Pfeiffer. Die Bezugnahme auf ein Recht "als solches" durch die Parteien hält er für unvereinbar mit dem Wesen des Rechts, da es nicht auf den "übereinstimmenden Willen der Individuen" als Ausgangspunkt ankomme, sondern auf den "allgemeinen Willen", der "implicite in den positiven deutschen Rechtsquellen" enthalten sei 482 . Bluntschli 483 geht bei dem auf Obligationen anwendbaren Recht vom Erfüllungsort als Grundregel aus, wobei die Parteien diesen fest bestimmen können oder "eine solche Bestimmung aus inneren Gründen folgt." Als allgemeine Ausnahme dazu nennt er 4 8 4 : "Durch Vertrag [!] der Privaten selbst kann ein anderes örtliches Recht bestimmt werden, soweit die Rechtsverhältnisse dem freien Willen der betheiligten Individuen unterworfen sind." Die Frage, wie dieser, das Recht bestimmende Vertrag anzuknüpfen ist, und vor allem, wie weit die Rechtsverhältnisse dem freien Willen unterliegen, bleibt unerörtert. Schmid gibt die Grundhaltung des Schrifttums in Bezug auf die Übernahme der Savignyschen Lehre inhaltlich treffend wieder 485 : "Der Erfüllungsort ist aber auch, wie v. Savigny in einer sehr eingehenden Erörterung nachweist, der spezielle Gerichtsstand bei Obligationen und steht mit dem örtlichen Recht derselben dadurch in einer engen Verbindung, daß beide auf einer freiwilligen Unterwerfung beruhen, die freilich in den meisten Fällen nicht ausdrücklich erklärt, aber aus den Umständen zu schließen ist und eben deshalb allerdings durch eine ausdrückliche Erklärung ausgeschlossen wird." Als Rechtfertigung und als Grenze genügt ihm die Feststellung486: "Es beruht ja darauf der wichti-

4 8 2

Pfeiffer, Prinzip, S.5, 10, 18 ff.; für den Bereich des internationalen (im Gegensatz zum interprovinzialen) Privatrechts folgt ihm im Ergebnis Pütter, Collision I, II und ders., Fremdenrecht, passim. 4 8 3

Bluntschli, DtPrivatrecht I, S.33 f.

4 8 4

Bluntschli, DtPrivatrecht I, S.37.

4 8 5

Schmid , Herrschaft, S.67; als Gegner dieser Lehre nennt er Thöl und v. Bar.

4 8 6

Schmid , Herrschaft, S.67 nennt nicht, woraus die "wesentlichen Eigenschaften", d.h. die zwingenden Normen zu entnehmen sind.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

99

ge Unterschied zwischen wesentlichen und natürlichen Eigenschaften eines Rechtsgeschäfts." Ähnlich behandeln viele Autoren diese Frage, ohne näher auf die Natur der Willensbestimmung oder der Schranken einzugehen487 und begnügen sich mit der Wiederholung, das örtliche Recht des Erfüllungsortes trete gegenüber einer "ausdrücklich abweichenden Willenserklärung zurück" 488 . Die Unterscheidung zwischen der ausdrücklichen Vereinbarung eines Rechts und der Vereinbarung eines Erfüllungsortes wird zwar teilweise vollzogen, bleibt aber unter den Anhängern dieses Anknüpfungspunktes folgenlos. Auch hier fehlen Feststellungen dazu, wonach sich die jeweilige Vereinbarung beurteile und wie das dogmatische Rangverhältnis des Parteiwillens zu der objektiver Anknüpfung sei 489 . Fest steht nur die dominierende Funktion des Willens bei der kollisionsrechtlichen Behandlung des Schuldvertragsrechts, ohne daß eine positive, dogmatisch fundierte Rechtfertigung des Willens zu finden ist. v. Bar versucht, durch eine Bekämpfung der subjektiven Anknüpfung 490 überhaupt, diesen Mißstand zu umgehen und eine tragfähige Ausgangsbasis zu erhalten. Er berücksichtigt den Willen nur "...wie er nach objektiven allgemei-

487 Ygj Schmidt, Sächs.Privatrecht I, S.35, der nach der Darlegung der weiten ordre public-Vorschrift des sächsischen Gesetzbuches (§ 19) fortfährt: "Umgekehrt kann .. der inländische Richter dem ausländischen Rechte die Anwendbarkeit da nicht versagen, wo das in Rede stehende Rechtsverhältniss ein solches ist, dessen Regulierung der Privatdisposition der Beteiligten anheimfällt und letztere zu diesem Zwecke einemfremden Rechte - als lex contractus - ausdrücklich oder factisch sich unterworfen haben." [Hervorhebung im Original]. 4 8 8

So Böhm, Statutenkollision, S.105.

4 8 9

Vgl. Gerber, System I (1875), S.86f: "eine auf das anzuwendende Recht unmittelbar bezügliche Verabredung", "der Erfüllungsort kann ausdrücklich bestimmt sein"; Endemann, Lehrbuch I 1, S.97: "ausdrückliche Vertragsberedung"; gleichgesetzt werden die unterschiedlichen Vereinbarungen bei Enneccerus, Lehrbuch I, S.287: "vereinbart oder stillschweigend vorausgesetzt", "Rechtskürung kann ferner in der besonderen Festsetzung des Erfüllungsortes liegen"; Barazetti, IPR, S.55: "In erster Linie ist der Wille der Beteiligten, wie er sich ausdrücklich oder stillschweigend kundgiebt, ... maßgebend." Vgl. aber Windscheid, Lehrbuch I, S.82, der für eine beachtliche Vereinbarung des Erfüllungsortes diese nur durch Art. 30 a.F. EGBGB beschränkt sieht; weitergehend auch Gierke, Dt.Privatrecht I, S.216, 231, der von Rechtskürung spricht ("ausdrücklich oder stillschweigend gekorene Recht") und sich deutlich gegen die enge Sicht von v. Bar stellt, vgl. seine Fn. 23,64; vgl. zu weiteren Vertretern des Schrifttums auch Anhäusser, Obligationenrecht, S.69 ff. 4 9 0

Bereits in seinem IPR, S.230 stellt er fest, "... dass im Obligationenrecht doch nicht lediglich auf die Privatwillkür es ankommt" und verleiht damit der Skepsis gegenüber dem "Willensdogma", wie sie im Privatrecht geäußert wurde (vgl. oben Teil A § 3 II la), für den Bereich des IPR Ausdruck. τ

100

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

nen Erwägungen gedacht werden muß..." 491 , was letztlich die Anwendung der Natur der Sache als Rechtsquelle darstellt und sich trotz vereinzelter Zustimmung nicht durchsetzen kann 492 . Um die Jahrhundertwende bescheinigt Meili der gesamten Doktrin, daß sie fern von jeglicher Übereinstimmung völlig zerklüftet dastehe493: "Und wer es nicht glaubt, der mag es aus den obligationenrechtlichen Prinzipien entnehmen." Aber obwohl er auf der Äquivalenz der Rechtsordnungen als Axiom des IPR besteht494, erkennt er nicht die Rolle, die konsequenterweise dem Parteiwillen als kollisionsrechtlichem Mittel in Anbetracht dieser an sich gleichwertigen Rechtsordnungen zukommen könnte 495 . Der Parteiwille wird zwar übereinstimmend beachtet, wobei man sich auf den gewohnheitsrechtlichen Charakter der Regel beruft 496 . Aber infolge seiner dogmatisch-logischen Abhängigkeit zu den objektiven Anknüpfungen kann er in der Lehre keine einigende Wirkung in dieser Materie erzielen. Einen Wendepunkt der Entwicklung markiert die Kritik Kahns an dem Dogma von der petitio principii, wie es insbesondere v. Bar zur Bekämpfung der Parteiautonomie verwendete. Zwar sei der Gedanke an sich richtig. "Aber ist diese petitio principii etwa weniger vorhanden, wenn man - eine der wenigen heute so gut wie allgemein anerkannten privatinternationalen Normen - für die

4 9 1 Bar, Theorie II, S.5 f.; Niemeyer, Methodik, S.30 sympathisiert mit dieser Einstellung; ähnlich auch Muheim, Principien, S.148 f., 156. 4 9 2

Vgl. die Kritik bei Seeler, Gutachten, S.39.

4 9 3

Meili, Doctrin, S.l55; vgl. auch Kahn, Gesetzeskollisionen, S.97.

4 9 4 Meili II, S.8 spricht von der besonderen Wirkung des römischen Rechts auf dem Gebiet des Obligationenrechts und spricht von einem "internationalgleichen Weltrecht"; vgl. auch ders., Doctrin, S.165. 4 9 5

Auffallend ist, daß Meili I, S.l97 f. und II, S.30 ff. zwar von dem "jus cogens" als Schranke der Befugnis zur freien Unterwerfung spricht, aber in seinen Einzelausführungen an keiner Stelle auf die dafür eigentlich maßgebliche Rechtsordnung eingeht, selbst nicht bei Gültigkeitsvorschriften und Zinsmaxima (II, S.36 f.); dies, seine restriktiven Ausführungen hinsichtlich der inländischen Prohibitivgesetze auf dem Gebiet des Obligationenrechts (II, S.30 f.) und seine Berufung auf Gierke (vgl. oben Fn. 489) bei gleichzeitigem Eintreten für eine Beschränkung des Kreises der wählbaren Rechte (I, S.201, II, S.15) sprechen aber deutlich für eine Distanzierung gegenüber der rein logisch begründeten Ausgliederung des Parteiwillens aus dem Kollisionsrecht. 4 9 6 So Niemeyer, Positives IPR, S.91; später hat Niemeyer, Feuerversicherung, S.260 sogar diese Auffassung aufgegeben und meint, bei der Berücksichtigung des Parteiwillens handle es sich "... um einen allgemeinen Gesichtspunkt für das richterliche Ermessen ...".

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

101

Deliktsobligation das örtliche Recht des Begehungsorts entscheiden läßt?" 497 . Für Kahn steht außer Frage, daß allein die Rückbesinnung auf das (inländische) Territorialrecht die Lösung bringen kann 498 . So knapp seine Ausführungen zum Obligationenrecht damit sind, so zutreffend erweisen sie sich für die Gestattung des Parteiwillens im Kollisionsrecht als Problem des inländischen Rechts und nicht nur der fremden "an sich" maßgeblichen Rechtsordnungen. Etwa um die gleiche Zeit beschwört Niemeyer den Positivismus als Weg des Fortschritts 499 und es ist zuerst Zitelmann, der sich vorstellen kann, daß die Auslegung einer zwingenden Norm des materiellen Rechts gleichsam die Überwindung ihrer den Willen negierenden Haltung für einen internationalen Sachverhalt ergibt 500 . Damit steht er der kollisionsrechtlichen Verweisung näher als seine scharfe Ablehnung derselben vermuten ließe 501 . Auch Habicht spricht in seinem 1907 posthum erschienenen IPR die Frage an, ob die Willensbestimmung der Parteien "... die gleiche Bedeutung haben solle, wie die Bestimmung durch eine gesetzliche Kollisionsnorm ...".Er lehnt dies zwar unter Hinweis auf dogmatische Bedenken ab, stellt sich aber abschließend auf den Standpunkt: "Allerdings könnte durch eine ausdrückliche Anordnung des Gesetzes der Parteibestimmung eine solche Bedeutung beigelegt werden." 502 Die Autonomie konnte unter dem Schutz des Positivismus ihre Stellung im internationalen Obligationenrecht und als Bestandteil des Kollisionsrechts behaupten, wenngleich es zu einer Normierung im EGBGB erst 1986 kam. Gegner der kollisionsrechtlichen Rechtswahl betonten dabei noch die Abhängigkeit des Willens von einer übergeordneten Rechtsordnung, die ihn anerkennen müsse, ohne auf die naheliegende lex fori einzugehen503, und sahen eine zulässige Überwindung jeglicher zwingender Vorschriften nur in Form einer mittelbaren 4 9 7

Kahn, Gesetzeskollisionen, S.99.

4 9 8

Vgl. Kahn, Gesetzeskollisionen, S.100.

4 9 9

Niemeyer, Positives IPR, S.5.

5 0 0 Zitelmann II, S.275 (Kollisionsnorm unmöglich), 283 (Selbstaufgabe des materiellen Rechts), anders aber S.383 (nur Wahl verschärfender Gültigkeitsnormen); Neumann, Vertragsgültigkeit, S.37 folgerte, Zitelmann habe letztlich doch eine Kollisionsnorm, die den Parteiwillen enthalte, für möglich gehalten; krit. zu der Auslegungshypothese Görtz, Parteiwille, S.33. 50 1

Zitelmann II, S.373 ff.

5 0 2

Habicht, IPR, S.47 f. (er ging damit weiter als Zitelmann, der gegen eine Kollisionsnorm war; dem positivistischen Argument widersetzten sich auch hartnäckige Gegner der kollisionsrechtlichen Verweisung nicht mehr, vgl. Neumeyer, Int. Verwaltungsrecht IV, S.l50. 50 3

Görtz, Parteiwille, S.34.

102

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

Rechtswahl durch Veränderungen im tatsächlichen Bereich 504. Immer häufiger waren ab 1900 latente Bekenntnisse zu einem auch rein kollisionsrechtlichen Verständnis der Rechtswahl zu beobachten505, das die Rolle des Parteiwillens besonders hervorhebt, auch wenn noch bis in die Dreißiger Jahre hinein viele der Ansicht Neumeyers waren, der "Anarchie" witterte 506 . b) Der Verweisungsvertrag bei Zitelmann Die große Bedeutung Zitelmanns für die weitere Entwicklung der Parteiautonomie liegt wohl darin, daß er den Verweisungsvertrag wieder stärker in das Zentrum der Erörterungen um die Rechtswahl rückt. Er begnügte sich aber keineswegs mit einem Hinweis auf das materielle Recht, wie es bei seiner ablehenden Haltung gegenüber der kollisionsrechtlichen Bedeutsamkeit der Autonomie nahegelegen hätte 507 , sondern präsentierte die "Parteiverweisung" mit dem geschulten Blick des Kollisionsrechtlers. Umfang, inhaltliche Zulässigkeit, Notwendigkeit eines zweiseitigen Rechtsgeschäftes und Einzelfragen über Konsens, Irrtum oder die Sonderanknüpfung der Form einer derartigen Vereinbarung wurden eingehend erörtert 508. Diese dogmatische Basisarbeit stellte ein sicheres Fundament für die weitere Auseinandersetzung mit der Wirkung des Parteiwillens dar, insbesondere wenn es um die Integration des Parteiwillens 5 0 4

Görtz,, Parteiwille, S.59.

5 0 5

Vgl. Wörner, Kollisionsnormen, S.371 f.; Melchior, Rückverweisung, S.l571; beide unter Nennung von Art. 30 EGBGB als einziger Schranke des Parteiwillens; vgl. auch Dernburg (oben Fn. 376) und Meili (oben Fn. 495, unten Fn. 566). 5 0 6

Neumeyer, Internat.Verwaltungsrecht IV, S.149; ders., IPR, S.6, 29; Niemeyer, Feuerversicherungsverträge, S.263 f.; Frankenstein, Grenzrecht II, S.l59; Neumann, Vertragsgültigkeit, S.14 f.; Gutzwiller, IPR, S.1605, 1606 - trotz aller Kritik hielt er "das Verbot, die autonomie de la volonté schlechthin auszuschließen" für eine anerkannte Regel des Kollisionsrechts, die auf völkerrechtlicher Grundlage stehe und daher dem nationalen Gesetzgeber nicht beliebig zur Disposition stehen könne. 5 0 7 Dies ist deswegen hervorzuheben, weil sich Zitelmann I, S.278 sogar gegen die Übernahme einer Formulierung des Prinzips der materiellrechtlichen Verweisung in das IPR überhaupt aussprach; vgl. seine Zusammenfassung der Kritik einer kollisionsrechtlichen Verweisung, a.a.O., S.264; II, S.375; Bar, Theorie I, S.30 handelte die Problematik der Vereinbarung nur für den Vertrag insgesamt, dafür aber mit dem pauschalen Hinweis auf die jeweils einschlägigen Gesetzgebungen in einer Fußnote ab!

508 Ygj Zitelmann I, S.276 (knapp), 279 (zur Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung bei intumsbedingten Vorstellungen der Parteien über das anwendbare Recht); II, S.375 ff.; er konnte dabei seine umfangreichen Studien zur Rechtsgeschäftslehre einbringen, vgl. z.B. Zitelmann, Rechtsgeschäfte I, S.92 ff., 95, mit Kritik an der mangelnden wissenschaftlichen Durchdringung der Lehre von den stillschweigenden Rechtsgeschäften.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

103

als Kollisionsnorm ging 509 . Eingebettet in diese Strukturen hatte er aufgehört als diffuses Etwas durch das IPR der Schuldverträge zu geistern. Die Ausführungen Zitelmanns zur Rechtswahl spiegeln wider, was De Nova für dessen theoretischen Ansatz bereits festgestellt hat: den Versuch, die nationale und die universelle Sichtweise im IPR in Einklang zu bringen 510 . Verteidiger einer rein materiellrechtlich zu verstehenden Autonomie der Parteien taten sich daher schwer im Umgang mit ihm 51 III. Der Parteiwille und die ihn beschränkenden Rechtsordnungen 1. Die lex fori Wie gezeigt, entwickelten sich klare Vorstellungen vom rechtsgeschäftlichen Charakter der Verweisung erst allmählich. Eng damit verbunden war aber die Frage, welche Rechtsordnung den materiellrechtlichen "Rahmen" für die Vereinbarung stellen sollte. Was zuletzt die rein materiellrechtliche Bedeutung der Rechtswahl untermauert - die Frage nach dem anwendbaren Recht sollte vorrangig und allein objektiv beantwortet werden 512 - stellt funktional die Frage nach der Anknüpfung der Rechtswahlvereinbarung zur Beurteilung von deren Zulässigkeit und Grenzen dar. Hierzu finden sich verschiedene Meinungen, wobei die lex fori zunächst einen besonderen Rang einnimmt. Dies liegt zunächst an der Gleichsetzung der Prohibitivnormen der lex fori mit den "Schranken" der Autonomie und an der Dominanz der lex fori jedenfalls für die "Autonomie". Was bei v. Wächter undeutlich und in einem komplexeren Zusammen-

5 0 9 Vgl. Haudek, Parteiwille, S.88 ff.; Mayer, Parteiautonomie, S. 113 f. Gegner einer kollisonsrecht-lichen Rechtswahl bauten zwar auch auf der Dogmatik Zitelmanns auf, z.B. Frankenstein, Grenzrecht II, S. 163 ff.; Neumann, Vertragsgültigkeit, S.37 (allerdings ohne ausdrückliche Erwähnung eines Verweisungsvertrages infolge der für übergeordnet erachteten Unterscheidung positiver und negativer Vertragsvoraussetzungen), maßen ihr aber schon wegen grundsätzlicher Vorbehalte nicht die gleiche Bedeutung bei, vgl. etwa Walker, IPR, S.352; krit. Gutzwiller, IPR, S.1606: "... die höchst scharfsinnigen, die zivilistische Theorie ungemein befruchtende, die Wirklichkeit aber ganz außer acht lassenden Analysen Zitelmanns ..." 5 1 0

De Nova, Rec.Cours, S.472.

511

Vgl. Neumann, Vertragsgültigkeit, S.36.

5 1 2

Deutlich Neumeyer, IPR, S.29; ders., Int.Verwaltungsrecht IV, S.147.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

104

hang angeklungen war, wurde von späteren Autoren als Meinung v. Wächters propagiert: die lex fori stellt die Grenzen der Rechtswahl513. Gerber brachte diese Anknüpfung an die lex fori klar zu Ausdruck. Er anerkannte den Grundsatz der Rechtswahlfreiheit im Rahmen der Dispositivgesetze, stellte dazu aber fest 514 : "Übrigens ist die Frage über den Umfang der Befugnis, Dispositivgesetze durch Privatübereinkunft abzuändern, vom Richter stets nach seinen Gesetzen zu beurtheilen." Für Brinz rechtfertigt das Abstellen auf die lex fori als Schranke bei der Beurteilung des Schutzes wohlerworbener Rechte sogar den Übergang von der Territorialität auf den freien Willen als Geltungsgrund des fremden Rechts515. Die Auffassungen, die die lex fori bewußt als einzige Grenze der Parteifreiheit hervorhoben 516 oder ihr einen übermächtigen Raum zuwiesen517 blieben zwar vereinzelt und versuchten den Vorwurf der Willkürlichkeit durch besondere Konstruktionen zu vermeiden. So stellte Böhlau mit seinem von den üblichen Auffassungen abweichenden Ansatz auf die Herrschaftsmacht ab, wie sie sich in den Prozeßverhältnissen darstellte 518. Danach entschied die durch den jeweils maßgeblichen Spezialgerichtsort geschaffene Beziehung zur Obligation über das anwendbare Recht. Unabhängig vom tatsächlichen Gerichtsstand war danach stets das Recht des forum solutionis anwendbar519. Im Ergebnis kommt dies aber der Anknüpfung an den Erfüllungsort gleich, nur die Begründung weicht von derjenigen Savignyscher Prägung ab 5 2 0 . Aber auch eine die Besonderheit der kollisionsrechtlichen Situation verkennende analoge Verwendung der internrechtlichen Vertragsfreiheit zur Lücken51 3

Z.B. Muheim, Principien, S.148.; zu v. Wächters Schrankenlehre oben § 2 II.

5 1 4

Gerber, System I, S.67 f. bes. Fn. 9 [Hervorhebung im Original]; so auch noch in der 12. Aufl., System 1 (1875), S.87. 51 5

Brinz, Pandekten I, S.l 05 unter Bezug auf Savigny.

5 1 6

So Pfeiffer,

Principien, S.3, 5; Pütter, Fremdenrecht, S.80 f., 131 f.

5 1 7

So Schmid , Herrschaft, S.65f, der nur für die Art und Weise der Erfüllung das Recht des Erfüllungsortes gelten läßt, lassen will, sonst aber die Obligation nur nach der lex fori beurteilt wissen will; auch bei Thöl, Einleitung, S.l73, 189 dominiert die lex fori als Maßstab für die Schranken. 5 1 8

Böhlau, Mecklenbg.Landrecht I, S.435 ff. ("Die Herrschaft des Staates über den formalen Rechtsverkehr"). 5 1 9

Böhlau, Mecklenbg.Landrecht I, S.450 f.

5 2 0

Was Böhlau, Mecklenbg.Landrecht I, S.458 selbst im wesentlichen einräumt.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

105

Schließung im Obligationenrecht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mag mitursächlich gewesen sein 521 , denn das nationale Recht lag hinsichtlich des analogiefähigen gesetzgeberischen Grundgedankens nahe. Noch H. Neumann vermischte in seinem Gutachten zum 24. DJT die Frage, woraus die Schranken der Rechtswahl zu entnehmen seien, mit der nach denjenigen den Schranken der internen Vertragsfreiheit 522. Freilich stellt dies auch unter Beweis, daß man die Sonderentwicklung, die die Vorbehaltsklausel erfahren hatte, in der Dogmatik der Rechtswahl nicht ausreichend berücksichtigte523. Der ordre public umfaße inzwischen nur noch die international zwingenden Normen und nicht mehr sämtliches nicht dispositive Recht. Die Befürworter der kollisionsrechtlichen Verweisung achteten daher mit Recht auf eine genaue Abgrenzung zur Privatautonomie der lex fori, um die Parteiautonomie in das System des Kollisionsrechts zurückzuholen524. Andererseits wurde die Geltung der lex fori - auch in der nur hilfsweisen Bedeutung, die ihr z.B. v. Wächter beimaß - überwiegend abgelehnt und konnte daher auch für das zwingende Recht bei einer Rechtswahl kein Maßstab sein 525 . Schon Kori bestritt das Bestehen eines inländischen Rechtsanwendungsinteresses für Fälle mit Beziehungen zum Ausland und kritisierte die Willkürlichkeit der lex fori, zumal eine freiwillige Gerichtsstandsvereinbarung

5 2 1

Noch Habicht, IPR, S.36 betonte die Analogie als Hilfsmittel um die vollständigen Lücken zu schließen - allein, er sagte mit keinem Wort, was analog anzuwenden sei und meinte eher die richterliche Rechtsfortbildung; auch Niemeyer trat für eine verstärkte Berücksichtigung der nationalen Rechtsordnung im Wege der Analogie ein, Positives IPR, S.6; zur Analogie im Rahmen der schuldvertraglichen Anküpfung auch Funke, Mutmaßlicher Parteiwille, S.127 ff. 5 2 2 Neumann, Gutachten, S.l77 f.; er hält die lex locus contractus für maßgebend und bejaht die Frage, ob dies gegenüber dem inländischen Richter auch für im Auslande geschlossene Verträge beachtlich sei [!] nur "... soweit es sich um die der Vertragsfreiheit überlassenen Punkte handelt; Ansprüche, welche gegen zwingende inländische Gesetze verstoßen, können vor inländischen Gerichten aufgrund allgemeiner Vorschriften nicht geltend gemacht werden;..."; als Frage des ordre public betrachtete er diese Ausführungen nicht, denn zuvor (S.l75) hat er klargestellt, daß die Frage "der Nichtanwendbarkeit des gegen die guten Sitten oder den Zweck inländischer Gesetze verstoßenden Auslandsrechts" nicht erörtert werde.

523 Ygj zitelmann II, S.381, dem dies nicht verborgen blieb. 524 Ygj Parteiautonomie, S.l 12; Haudek, Parteiwille, S.l5 ff. bestreitet sogar die Parallelen der Interessenlage, um der Trennung Nachdruck zu verleihen; Schnitzer, Parteiautonomie, S.306; vgl. auch oben Fn. 153 und unten Fn. 819. 5 2 5

Vgl. die Kritik Böhlaus, Mecklenbg.Landrecht I, S.428; Frankenstein, Grenzrecht I, S.162 bezeichnete die lex fori in diesem Zusammenhang als "Asyl aller gescheiterten Theorien".

106

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

der Parteien nicht möglich sei 526 . Gerade das letzte Argument macht deutlich, daß Lösungen, die dem Parteiwillen allenfalls auf Umwegen Rechnung trugen, von manchen sogar deshalb abgelehnt wurden, weil sie den Parteiwillen überhaupt beachten wollten. Das positivistische Gegenargument, das aber für den Parteiwillen erst später Bedeutung erlangte, formuliert Schaeffher, indem er darauf abstellt, die Anwendung der fremden Gesetze stelle "... den vernünftigen Willen des eigenen Gesetzgebers dar" 527 . Wenn gegen Ende des Jahrhunderts die lex fori noch als Schranke des Parteiwillens angesprochen wurde, dann geschah dies meist unter Hinweis auf den (in seiner Geltung zu weitreichend angenommen) ordre public als zusätzliche Schranke im Obligationenrecht. In diesem Sinne unterstellt Windscheid die Erfüllungsortvereinbarung als Ausdruck des Parteiwillens der zwingenden lex fori 5 2 8 , und es soll sich die Erlaubtheit eines Rechtsgeschäftes stets nach der lex fori richten 529 . 2. Die lex loci contractus Auch die Popularität v. Savignys verhindert nicht, daß eine Anknüpfung an den Ort des Vertragsschlusses durch das gesamte 19. Jahrhundert ihre Anhänger hatte 530 , wobei ein Argument die resultierende Gleichbehandlung von Form und materiellem Inhalt eines Vertrages war 5 3 1 . Auch hier bestand Einigkeit darüber, daß der Grundsatz nicht gelte, "... wo die Contrahenten bei ihrem Vertrage ausdrücklich eine andere Landesgesetzgebung, als die des Orts, wo sie contrahierten, zum Grunde gelegt haben ... Dies steht ihnen jedoch nicht frei 5 2 6

Vgl. Kori, Collision, S.313, 309, 312, 320; gerade die Willkürlichkeit der Wahl des Gerichtsstandes kritisiert dagegen Martin, Collision, S.234. 5 2 7

Schaeffher, Entwicklung, S.33ff; vgl. auch Savigny, System VIII, S.129; daß diese Einstellung, die die Dominanz der lex fori eindämmt, auch heute wirksam dem forum-shopping Einhalt gebieten kann, betont mit Recht Sakurada, Symposium, S.l39. 5 2 8 Windscheid, Lehrbuch I, S.82 Fn. 8; ähnl. Endemann, Lehbuch I 1, S.97 (S.94 Fn. 2 verrät aber eine gewisse Unklarheit); Barazetti, IPR, S.55.

529 Ygj Auheim, Principien, S.l57; Meili II, S.30 ff.; beide mit einer Erweiterung zugunsten der Verbote am Erfüllungsort, vgl. unten III. 5 3 0 Vehemente Verteidiger dieses Grundsatzes waren Struve, Collision, S.57, 70 und Schaeffner, Entwicklung, S.40 ff., die darin sogar ein Grundprinzip erblickten; vgl. auch Neumann, Gutachten, S.l85; der Abschlußort stand sogar in den Entwürfen der 1. u. 2. Kommission als maßgeblicher Anknüpfungspunkt, s.u. § 5 III. 53 1

Kori, Collision, S.322 Fn. 8

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

107

gegen schlechthin verbietende Gesetze des Orts, wo sie contrahierten, z.B. gegen das Verbot wucherischer Vortheile, gegen Eheverbot, gegen verbotene Spiele; ..." 5 3 2 . Mithin ließ man nur eine, in heutigen Begriffen, materiellrechtliche Verweisung zu. Erstaunlich ist aber, daß hiervon Ausnahmen zugelassen wurden, die im Ergebnis auf die Gestattung einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl hinausliefen. So sollte eine freiwillige Unterwerfung unter das "vaterländische Recht" angenommen werden, wenn selbiges ein Rechtsgeschäft als gültig anerkannte, während die lex locus contractus ein Verbot oder die Ungültigkeit aussprach533. Kori relativierte diese Wahlmöglichkeit später, indem er Identität zwischen "vaterländischem Recht" und der lex fori als Voraussetzungen ergänzte 534 und die allgemeine Ausnahme aufstellte, ein Richter solle nicht nur für die Form, sondern für die Gültigkeit überhaupt von dem Grundsatz locus regit actum abweichen, wenn der Vertrag zwischen Inländern über einen im Inland befindlichen Gegenstand geschlossen wurde und nur der Abschlußort in das Ausland weise 535 . Die Geltung des zwingenden inländischen Rechts wurde hier aber immerhin unmittelbar in Abhängigkeit zur Intensität des Inlandsbezuges (bzw. des "fehlenden Auslandsbezuges") gesetzt, was später zum "Wesensmerkmal" der nur materiellrechtlichen Rechtswahl erhoben wurde. Die umfassende Bedeutung der lex loci contractus als objektive Schranke des Parteiwillens wird von Cohn auf die Formel gebracht, dies Recht habe nicht nur den Richter zu beschränken, sondern auch die Freiheit der Parteien 536. Dagegen brachte v. Bar das Argument, eine Anknüpfung an den Abschlußort erleichtere nur die Gesetzesumgehung durch die Parteien 537. Dies ist deshalb 5 3 2

So Kori, Ausländer, S.7; auf S.8 Fn. 11 wird die absolute Geltung dieser Prinzipien für den jeweiligen ausländischen Richter betont. 53 3 Kori, Ausländer, S.25, der für diesen Fall des "favor negotii" sogar ausnahmsweise eine "zu präsumierende Wahl" anerkennen wollte; vgl. auch Savigny, System Vili, S.249, der eine stillschweigende Rechtswahl des Abschlußortes oder des Schuldnerwohnsitzes annimmt, wenn am Erfüllungsort die Nichtigkeit als Folge drohe (das Beispiel in Fn. e bezieht sich mit dem Verweis auf Fn. el zwar auf einen favor negotii bezüglich der Form, auf S.258 wird aber deutlich, daß der Grundsatz der Gültigkeit umfassender zu verstehen ist). 5 3 4

Kori, Collision, S.317,318 Fn. 5.

5 3 5

Kori, Collision, S.318 Fn. 6, 323.

5 3 6

Cohn, IPR, S.44.

5 3 7

Bar, Theorie II, S.9 (unter Verweis auf inländische Prohibitivgesetze [!], die umgangen werden könnten); diese Furcht teilten Muheim, Principien, S.148. und Böhm, Statutenkollision, S.l 09 unter Berufung auf Förster, Dt.Privatrecht, S.60; ebenso bereits Seuffert, Verträge zwischen Christen und Juden, S.l 19 f.

108

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

umso erstaunlicher, weil er an anderer Stelle hervorhebt, wenn man von Autonomie spreche, könne man nur eine - seiner Meinung nach zulässige - Veränderung der maßgeblichen Umstände meinen538. Bereits die Beeinflussungsmöglichkeit des Vertragsstatuts im tatsächlichen Bereich löste das Schreckgespenst der Gesetzesumgehung aus. Was für Fragen der Form längst anerkannter Grundsatz war und nie vorschnell als Handeln in "fraudem legis" verurteilt wurde, galt also für das materielle Schuldrecht nicht ohne weiteres. Daß sich heute noch Stimmen melden, die eine zu lockere unterschiedliche Handhabung kritisieren, wurde oben bereits erwähnt 539. 3. Die lex loci solutionis Am weitesten verbreitet war die Anknüpfung an den Erfüllungsort 540. Daß der Entstehungsort einer Verbindlichkeit nach römischem Recht gleichzeitig als regelmäßiger Erfüllungsort anerkannt war, dürfte v. Savigny als hervorragender Kenner der Materie kaum übersehen haben541, wenngleich zuzugeben ist, daß er dieses Argument nicht zur Begründung des von ihm favorisierten Sitzes der Obligation am Erfüllungsort besonders erwähnt. Auch diese Tatsache belegt, daß es v. Savigny nicht vordringlich um den Erfüllungsort als solchen ging, sondern um die größtmögliche Freiheit der Parteien bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts. Soweit die Erkenntnis sich durchgesetzt hatte, daß eine Rechtswahl im Kollisionsrecht unter dem Vorbehalt einer den Rahmen der Dispositivgesetze und der zwingenden Normen enthaltenden Rechtsordnung beachtlich sei, folgten im Schrifttum um die Jahrhundertwende viele ihren jeweiligen Ansätzen zur Ermittlung des objektiven Schuldstatuts, das diesen Rahmen stellen sollte. So

5 3 8

Bar, Theorie II, S.4, 5.

5 3 9

Vgl. dazu die in Fn. 162 Genannten.

5 4 0

Zur Würdigung als objektiver Anknüpfung vgl. Markert, Grenzen der Parteiautonomie, S.15 ff.; Funke, Mutmaßlicher Parteiwille, S.133 ff.; Umbricht, Immanente Schranken, S.51 ff. 5 4 1 So aber der Vorwurf von Schmid , Herrschaft, S.67 Fn. 2; bereits Kritz, Verbindlichkeiten, S.l01 hat (1839) auf die Besonderheit des Abschlußortes als Eingehungs- bzw. Erfüllungsort im Zusammenhang mit der Anwendung fremden Rechts hingewiesen.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

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bestimmte auch die objektive Anknüpfung an den Erfüllungsort - mit Durchbrechungen - die Schranken des Parteiwillens 542. Zu der Möglichkeit der freien Unterwerfung wurde aber auch die Gefahr einer Rechtsumgehung gesehen543. Wenn man sich wegen der hohen Praktikabilität mit dieser Anknüpfung abfand, so suchte man doch den Parteieinfluß zurückzudrängen und die Schranken einer Rechtswahl durch eine Objektivierung des Erfüllungsortes indisponibel zu machen. So ließ man eine vertragliche Vereinbarung, die den Erfüllungsort in das Belieben einer Partei stellte, außer acht, da kein Gewinn an Rechtssicherheit mit ihr verbunden sei 544 . Ebenso hielt man einen wahlweisen Rückgriff auf verschiedene Rechte bei der Vereinbarung mehrerer Erfüllungsorte für ausgeschlossen und arbeitete zur Vermeidung solcher Fälle sogar mit dem ansonsten abgelehnten hypothetischen Parteiwillen 545. v. Bar nahm für einen Fall, den man als "umgekehrten favor negotii" bezeichnen müßte, sogar die Wahl des sonst abgelehnten Erfüllungsortsrechts an, und zwar im Ergebnis mit kollisionsrechtlicher Wirkung: enthielt das Recht des Erfüllungsortes Prohibitivnormen, so läge es nahe, daß die Parteien dies auch gewählt hätten546. 4. Sonstige Lösungen Außer den bereits Genannten sind besonders noch die Auffassungen zu erwähnen, die die Feststellung von Gesetzmäßigkeiten bei der Anknüpfung der

5 4 2 So schon Stobbe, Handbuch I, S.l80; vgl. später Enneccerus, Diskussion 24. DJT Bd.4, S.349 f.; ders., Lehrbuch I 1, S.287; Seeler, Gutachten, S.39; vgl. auch Zitelmann I, S.273 ff.; Beer, Entwicklungsstufen, S35\ \ Frankenstein, Grenzrecht I, S.67; Walker, IPR, S.357. 54 3

Bar, IPR, S.232 nennt insbesondere die nachträgliche Abänderbarkeit eines Erfüllungsortes; vgl.auch Dernburg, Pandekten I (1896), S.109 Fn. 3 mit ähnlichen Vorbehalten, die sich nicht mehr in seinem Bürgerlichen Recht von 1902 finden, was die Auffassung des Verfassers (oben Fn. 376) bezüglich der Annahme einer kollisionsrechtlichen Verweisung bei Dernburg stützt. 5 4 4

Vgl. Böhm, Statutenkollision, S.l 12 (mit Rspr.).

5 4 5

So v.a. die Rechtsprechung in den berühmten Coupon-Prozessen, vgl. Bar, Theorie II, S.48 ff.; Funke, Mutmaßlicher Parteiwille, S.134. 5 4 6

Bar, Theorie II, S.21; die Rechtswahl hierfür als Begründung anzuführen, erscheint zwar paradox, belegt aber, daß der Parteiwille in Situationen des "Beweisnotstandes" auch von den Gegnern gerne benutzt wurde (offengelassen wird der Geltungsgrund des Erfüllungsortsrechts auf S.7).

110

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

Obligationen ablehnten547 bzw. starre Prinzipien vermieden 548 oder schließlich einfach an das Personalstatut einer oder beider Parteien anknüpften 549. Frankenstein formuliert das allgemeine Prinzip, ein Rechtsgeschäft sei bindend, wenn und soweit jeder Beteiligte nach seinem Heimatrecht gebunden sei. Für die Rechtswahlvereinbarung präzisiert er, die Willenserklärung müsse den Voraussetzungen beider Rechte genügen550. In Verbindung mit seinem aprioristischen Ansatz, der stets das Personalstatut der Parteien als Ausgangspunkt nimmt (Primärstatut) 551 und über dieses zum Sekundärstatut gelangt552, können die Schranken der Rechtswahl theoretisch vier Rechtsordnungen kumulativ zu entnehmen sein! Dies führte auch dazu, daß K. Neumann, obwohl erklärtermaßen durch Frankenstein bei seiner Lösung inspiriert, den "unbestimmten und unpräzisen Charakter" dieser Grenzen rügte 553 . K. Neumann selbst beschränkte seine Untersuchung auf die positiven Vertragsvoraussetzungen 554, also alle Umstände, die für das Zustandekommen als "zwingend" erachtet wurden und propagierte hierfür die kumulative Anwendung des Domizilrechts der Parteien 555. Zur Entnahme der übrigen zwingenden Normen äußert er sich nicht mehr, wenngleich er am Ende seiner Untersuchung sogar (auf der Grundlage des unter Berücksichtigung der jeweiligen Domizilrechte wirksam entstandenen Vertrags) die Vereinbarung einer einzigen Rechtsordnung für die negativen Vertragsvoraussetzungen zuläßt und damit eine kollisionsrechtliche

547 Ygj Niemeyer^ Positives IPR, Einleitung S.l ff.; ähnl. Jitta, Nachweis bei Neumann, Vertragsgültigkeit, S.41; krit. Uber die Natur der Sache als einzige Leitlinie für die Richter Neumann, Gutachten, S.39. 5 4 8 Neumann, Gutachten, S.50; Walker, IPR, S.357 ff. (Ansätze einer Vertragstypenlehre); Bar, Theorie II, 6,17 ff. (Grundprinzip "Schuldnerdomizil" erfährt "mannigfache Beschränkung"); Neumeyer, IPR, S.29. 5 4 9

Zitelmann II, S.366f m.w.N., da allein das Personalstatut befehlen könne, vgl. auch ders. I, S.89 f., 104 f., 112 ff., 119 f., 125 f. 5 5 0

Frankenstein, Grenzrecht I, S.571.

5 5 1

Vgl. Frankenstein, Grenzrecht I, S.65 f., II, S.128.

5 5 2

Frankenstein, Grenzrecht II, S.578.

55 3

Neumann, Vertragsgültigkeit, S.38; das aber auch heute solche komplexen Anknüpfungen in Kauf genommen werden, um der Stellung des Parteiwillens im IPR gerecht zu werden, beweist der Ansatz von Lorenz, Struktur, S.83 f. 5 5 4 Die Terminologie geht auf Ehrlich, Zwingendes und nichtzwingendes Recht zurück, der die herkömmliche Einteilung ja ablehnte, s.o. bei Fn. 115. 55 5

Neumann, Vertragsgültigkeit, S.148.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

111

Rechtswahl anzuerkennen scheint556, da ja zwingende Nichtigkeitsgründe "abgewählt" werden konnten. IV. Die Bedeutung des gewählten Rechts bei der rein materiellrechtlichen Rechtswahl 1. Die Geltung des vereinbarten Rechts a) Die Geltung als Vertragsbestandteil oder als "Recht" Zitelmann sieht in der bloßen Berücksichtigung des Parteiwillens auf der Ebene des materiellen Rechts den Vorteil, daß dies nie zu Konflikten mit der Rechtsordnung des eigentlich anwendbaren Rechts führe 557 . Aber abgesehen davon, daß damit der eigentliche Konflikt auf der Suche nach dem anwendbaren Recht nur zur "Vor"-Frage erhoben wird 5 5 8 , konnten auch bei der materiellrechtlichen Verweisung Rechtsanwendungsprobleme entstehen, etwa wenn der Widerspruch zu zwingenden Rechtssätzen des an sich anwendbaren Rechts nicht einfach zu ermitteln war, oder zwar feststand, nach der lex fori aber unerheblich gewesen wäre. Ebenso, wenn nach dem objektiven Schuldstatut eine Vereinbarung in weitem Umfange möglich, allerdings nach den zwingenden Gesetzen der lex fori oder einer in gewisser örtlicher Beziehung zum Sachverhalt stehenden Rechtsordnung unzulässig war. Theoretische Grundlage für die Behandlung der Einzelfragen ist die Rechtsnatur, die dem gewählten Recht als Ergebnis der Rechtswahl zukommen sollte. Eng damit verbunden ist der Umfang der Geltungskraft, der dem von den Parteien zugebilligten Recht beigemessen wurde. Den extremsten Standpunkt vertritt auch hier wieder Pfeiffer 559, der ganz positivistisch auf den Geltungscharakter der Dispositivgesetze hinweist, der so5 5 6

Neumann, Vertragsgültigkeit, S.149: "Dies [gemeint ist die Unterwerfung eines Vertrages unter ein einziges Recht, d. Verf.] ist also schon möglich für die negativen Vertragsvoraussetzungen." 55 7

Zitelmann I, S.264.

55 8

Zitelmann I, S.273 bezeichnet das Problem als "Vorfrage" und setzt deren Lösung bei seinen Ausführungen voraus, vgl. I, S.265. 5 5 9

Vgl. Pfeiffer,

Prinzip, S.18 ff.; dazu auch Sandmann, Grundlagen, S.210 f.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

112

gar diese Normen dem Belieben der Parteien entziehe. Die Parteien könnten daher die inländischen Dispositivnormen nicht durch Vereinbarung aufheben oder ersetzen, sondern allenfalls durch abweichende konkrete Vereinbarungen "überflüssig" machen. Dadurch entstehe ein neuer Vertragsinhalt, der rein tatsächlicher Natur sei 560 . Schon deswegen sei eine generelle Bezugnahme auf auswärtiges Recht als solches durch die Parteien ohne Wirkung 561 . Auch wenn die Kritik an der Lehre Pfeiffers scharf ausfiel 562 , ist nicht zu übersehen, daß sich seine Auffassung über die Qualität des gewählten Rechts in der Folgezeit bei den extremen Vertretern der nur materiellen Rechtswahl durchsetzte. Für sie galt das vereinbarte Recht nicht als "Recht", sondern als "Vertragsergänzung" oder als "Vertragsinhalt" 563. Liberaler als bei Pfeiffer wurde die Bezugnahme auf eine Rechtsordnung zugelassen - sogar in dem wenig wenig praktischen Fall einer Verweisung auf ein untergegangenes Recht -, jedoch nur mit der genannten Wirkung 564 . Wie sich dieses Verständnis mit der zeitlichen Fortentwicklung des Rechtes vertragen sollte, wird nicht erörtert. Nur Gebhard hält es für möglich, daß sich die Unterwerfung auch auf künftige Änderungen des Rechts beziehen könne 565 . Dem stand die Auffassung gegenüber, daß die Parteien die Anwendung aller internen Dispositivnormen "... dadurch ausschließen, dass sie an deren Stelle

560 V

g l

Pfeiffer prinzip, S.20.

5 6 1

Vgl. Pfeiffer, Prinzip, S.20 f.: "Eben deshalb sind sie auch als reine, dem Bereiche der juristischen Reflexion und Selbsthätigkeit des Richters entzogene, Thatsache zu beurtheilen und zu behandeln.- Ein bloß generelle Beziehung auf das auswärtig Recht als solches ist also, dem seither ausgeführten zufolge, für schlechthin wirkungslos zu halten." [Hervorhebungen im Original]; vgl. auch S.42 f. [bereits im Ansatz v. Wächters sieht er die abgelehnte Rolle der Parteien als Gesetzgeber verwirklicht!]. 5 6 2

Vgl. Bar, Theorie I, S.70; Martin,, Collision, S.235,237.

5 6 3

Vgl. Thöl, Einleitung, S.174 Fn. 4 u. S.130 ff.; Schmid, , Herrschaft, S.67 ff.; Bar, Theorie II, S.4; Brändl Parteiwille, Sp. 821; Neumeyer, IPR, S.29; ders., Int.Verwaltungsrecht IV, S.145 ff.; Neumann, Vertragsgültigkeit, S.16. 5 6 4 Der Gedanke taucht auch in den Kodifikationsbestrebungen auf, vgl. Gebhard, Begründung, S.145 [S.l7] und unten § 5 III; zur heutigen Problematik der Versteinerung s.u. Teil C § 2 II 2.. 56 5 Gebhard, Begründung, S.145 [S.l7]; seine Ausführungen sprechen insgesamt betrachtet mehr für den Geltungscharakter des vereinbarten Rechts als Gesetz, das kraft des Parteiwillens Anwendung findet.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

113

fremdes Recht en bloc adoptieren" 566. Meili verbindet damit zwar auch eine Einschränkung des Kreises der wählbaren Rechte und spricht sich gegen die "... Unterwerfung unter irgend ein Recht (z.B. auch unter ein todtes aus) ..." aus 567 . Dieses Verständnis von der Inkorporierung des auswärtigen Rechts als Recht war aber Grundvoraussetzung für die kollisionsrechtliche Rechtswahl, die sich notwendigerweise auf ein Recht als Ganzes beziehen mußte. Insoweit muß auch Meili, trotz seinem eher formelhaften Bekenntnis zum jus cogens als Schranke, eine über das rein materielle Recht hinausgehende Sicht des Parteiwillens und dessen Bedeutung für das internationale Privatrecht zugestanden werden. b) Der Geltungsumfang und die Spaltung des Vertragsstatuts Soweit auch der Geltungsumfang des durch Rechtswahl vereinbarten maßgeblichen Rechts selbst unter dem Vorbehalt des zwingenden Rechts stand, kann hier auf die Ausführungen unter § 2 IV und oben II 4 verwiesen werden. Der Geltungsumfang unterlag daher keiner feststehenden, einheitlichen Beurteilung. Die dogmatische Durchdringung und Fortentwicklung im Bereich der materiellen nationalen Bestimmungen mit zwingendem Charakter ist für die Frage nach der geltungserzeugenden Umfang der Rechtswahl nicht ohne Einfluß gewesen568. Auch bei der grundsätzlichen Beurteilung einer "Spaltung" des Vertragsstatuts infolge der Anknüpfung sind verschiedene Auffassungen zu beobachten 5 6 9 . Zwar hat die kollisonsrechtliche Rechtswahl gerade den Vorteil, ein zweiseitiges Rechtsverhältnis - jedenfalls im Regelfall - nicht zu zerreißen, was

5 6 6

Meili I, S.198 unter Berufung auf Gierke, Dt.Privatrecht I, S.216, 231 [oben Fn. 489, 495]; zu betonen ist, daß Meili tatsächlich nur von den internen Dispositivnormen spricht. 56 7

Meili I, S.201; II, S.l5 sieht als geeignet an: lex patriae, lex loci contractus, lex executionis, lex fori, lex domicilii eines Kontrahenten. 5 6 8

Breiten Raum nahm beispielsweise die Frage nach Beurteilung der Verjährung ein. Dabei vollzog sich ein Wandel von der ausschließlichen Anwendung der lex fori zur Maßgeblichkeit des jeweiligen örtlichen Rechts, wobei der Einfluß von Wächter II, S.412 und Savigny, System VIII, S. 243 unübersehbar ist, vgl. Schmid, Herrschaft, S.68 f.; Cohn, IPR, S.49; Muheim, Principien, S.159ff; a.A. Pütter, Fremdenrecht, S.84: selbst wenn die Verjährung nicht schlechthin präceptiv sei, "... scheint es uns nicht als ob die Parteien über die Verjährung ausdrücklich oder präsumtiv etwas verabreden können oder wollen." [Hervorhebung im Original]. 5 6 9

Die sog. "große" Spaltung (s.o. Fn. 139) stößt überwiegend auf Ablehnung, Cohn, IPR, S.45; Muheim, Principien, S.l56 f.; Neumeyer, JW 1927, S.693; a.A.: Seeler, Gutachten, S.48. X Püls

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

114

auch ihre Gegner eingestanden570. Daß die Unpraktikabilität der sog. "kleinen" Spaltung als Konsequenz einer materiellrechtlichen Verweisung nicht abschreckte, beruht wohl auf der Tatsache, daß man in der Lehre glaubte, gut damit leben zu können 571 , zumal das Problem auch bei der objektiven Anknüpfung an den Erfüllungsort bestand. 2. Exkurs: Die Frage nach der Revisibilität Eng mit der Frage nach der Anwendungfremden Rechts als Recht oder Tatsache ist die Frage nach dessen Revisibilität verbunden, was den Exkurs rechtfertigen mag. Auch die Stellung des vereinbarten Rechts bei der Rechtswahl wird zumindest theoretisch von ihr tangiert, geht es doch um die Beziehung von Auslandsrecht zum Inlandsrecht. P. Klein formulierte bereits 1903 die Grundfragen so 5 7 2 : "Warum wenden wir das ausländische Recht an? .. Welchen Einfluß übt die durch unsere deutschen Kollisionsnormen gebotene Anwendung des ausländischen Rechts auf das Auslandsrecht aus?" Die Revisibilität der Kollisionsnormanwendung selbst war schon damals weitgehend unumstritten 573. Lediglich in der Strapazierung des Parteiwillens als Anknüpfungsprinzip in der Rechtsprechung vermutete man das Bestreben der Gerichte zur Schaffung von revisionssicheren Anknüpfungen (da die Feststellung des Parteiwillens als Tatsachenfeststellung nicht revisibel war) und verspricht sich durch die Zurückdrängung des Parteiwillens und eine Objektivierung der Anknüpfung einen Vorteil in Form der dann möglichen Revisibilität574. Als praktische Gründe für die Revisibilität des anwendbaren Rechts nennt P. Klein den Zweck der "richtigen" Rechtsanwendung, den der Gesetzgeber erkennbar verfolge und der nicht schon durch die richtige Anwendung der Kolli-

5 7 0

Gutzwiller,

IPR, S.1610.

57 1

Beer, Entwicklungsstufen, S.359, sah als Anhänger der materiellen Rechtswahl die sog. "kleine" Spaltung unter Berufung auf v. Bar als Wesen derselben an; ebenso, trotz kollisionsrechtlicher Sicht, Haudek, Parteiwille, S.74 [gerechte Durchführung des Prinzips der Parteiautonomie]; Melchior, Rückverweisung, S.1573 ff.; aA.: Wächter II, S.44; Meili II, S.17ff.; Gutzwiller, IPR, S.1606. 5 7 2

Klein,, Revisibilität, S.355.

57 3

Klein, Revisibilität, S.353 m.w.N.; Zitelmann I, S.307.

5 7 4

Beer, Entwicklungsstufen, S.358.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

115

sionsnormen erreicht sei. Außerdem seien die Obergerichte eher zur rechtlichen Beurteilung ausländischen Rechts in der Lage als die Untergerichte, von denen man die richtige Anwendung des materiellen fremden Rechts erwarte, und sie besäßen größere Autorität im Hinblick auf eine einheitliche Handhabung des ausländischen Rechts575. Schließlich sei eine revisionsgerichtliche Sonderbehandlung des fremden Rechts bei kumulativer Geltung von Rechtsordnungen nicht durchführbar 576. Gerade das letzte Argument ist für die Wirkung der Parteivereinbarung von Interesse und läßt insofern auch Rückschlüsse darauf zu, welche Rolle dem Parteiwillen wirklich zugebilligt wird. Denn wennfremdes Recht beispielsweise unter deutschem Recht als Primärstatut nur als Vertragsbestandteil ergänzend wirkte, sofragt sich, wie die Vertreter der rein materiellen Rechtswahl das Problem der dann in Frage kommenden Revisibilität behandelt haben577. Die Antworten dazu fallen recht knapp aus. Ein Teil des Schrifttums beschränkt sich mit unterschiedlicher Begründung auf die allgemeine Auffassung, nach § 549 ZPO 5 7 8 komme eine Revision fremden Rechts nicht in Betracht. Cohn erachtet das Abstellen auf den Charakter desfremden Rechts als Tatsache, wie es besonders aus der Notwendigkeit seines Beweises gefolgert wurde 579 , für nicht ausschlaggebend und führt die Nichtrevisibilität auf die Unterscheidung zwischen "... der Anwendung der nationalen Gesetze und allem, was außerhalb derselben liegt (sowohl Recht als auch Thatsache)" zurück 580 . Barazetti verneint eine Integrationswirkung, die vom IPR ausgehen soll und die Revisibilität zur Folge hätte 581 .

57 5 Klein, Revisibilität, S.356ff.; Neubecker, IPR, S.41: "Wie wenn ein König und Feldherr sein Heer bis an die Grenze führte, und dann untergeordneten Organen ohne Kontrolle und Befehlsgewalt alles überließe." 57 6

Klein, Revisibilität, S.360.

57 7

Gaupp/Stein/Jonas, ZPO, (15. Aufl., 1934), Anm. III C zu § 549: "Die Verletzung von Gesetzen des Auslandes begründet die Revision niemals ..." [Hervorhebung von mir]. 5 7 8

Diesem entspricht die alte Fassung des § 511 ZPO.

5 7 9

Vgl. Schaeffiier, Entwicklung, S.207 f., allerdings unter Ablehnung von Geständnis und Verzicht durch die Parteien, da fremdes Recht schließlich "als Gesetz" angewendet werde; ähnl. Muheim, Principien, S.31 ff. 5 8 0

Cohn, IPR, S.21.

58 1

Barazetti, IPR, S.ll.

116

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

Neumeyer wird zwar konkreter, aber erwähnt nur beiläufig, daß das fremde Recht als Vertragsbestimmung nicht revisibel sei und bringt als Beispiel für die konsequente Handhabung die Vereinbarung von deutschem Recht bei österreichischem Primärstatut, was dem deutschen Richter die Revision verbiete 582. Auf den eben geschilderten Fall (deutsches Primärstatut), geht er nicht ein. Zitelmann räumt immerhin ein, derfremde Rechtssatz würde durch die materiellrechtliche Verweisung zwar zum Inhalt des eigenen Rechts gemacht. Allerdings nur mittelbar, was für die Revisibilität eben nicht genüge583. Die Probleme, die aus der besonderen Verquickung von nationalem und fremden Recht resultierten, wurden also einfach übergangen. Dabei hatte das Hauptargument P. Kleins, das für die grundsätzliche Revisibilität sprach, auch in anderer Hinsicht für die zweistufig operierende materielle Rechtswahl Bedeutung. Wenn nämlich durch den gesetzgeberischen Anwendungsbefehl, der im IPR enthalten sei, das Primärstatut insoweit zum Reichsrecht werde, bedeute dies die Anwendbarkeit des § 549 ZPO und damit jedenfalls dessen Revisibilität 5 8 4 . Wenn sie auch nicht von Erfolg gekrönt war, so beleuchtet die Diskussion der Revisibilität einmal mehr die Aufbruchstimmung, die im IPR in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts herrschte, und die offenen Fragen um die Integration des gewählten Rechts in das Rechtssystem. Einen auch heute nicht ganz von der Hand zu weisenden Grund rechtstatsächlicher A r t 5 8 5 für das Scheitern aller Vorstöße auf diesem Gebiet nennt Neubecker 586: "In Deutsch-

5 8 2

Neumeyer, IPR, S.29 und Int.Verwaltungsrecht IV, S.l50; vgl. auch RGZ 63, 318; 96,96.

58 3

Zitelmann I, S.288 Fn. 106; heute dagegen für eine Revisibilität des gewählten Rechts aufgrund des Vertragscharakters bei materiellrechtlicher Rechtswahl Schütze, Internationales Zivilprozeßrecht, S.126. 584 Yg| Revisibilität, S.364; gegen ihn mit dem tautologischen Argument, sein Verständnis der Kollisionsnorm degradiere diese zu "materiellrechtlichen Verweisungsnormen", Rohs, Revisibilität, S.59 f.; abl. auch Habicht, IPR, S.46; heute ist die Nichtrevisibilität de lege lata h.M., jedenfalls für die kollisionsrechtliche Verweisung: vgl. Raape/Sturm, IPR, S.312 Fn. 12; Schütze, Internationales Zivilprozeßrecht, S.123. 5 8 5

Die rechtspolitische Erwünschtheit einer Änderung des über hundert Jahre alten "Nein" zur Revisibilität dürfte auch heute kaum in Frage stehen, vgl. die Nachweise bei Stein/Jonas, ZPO, Anm.64 Fn. 183 zu § 549 ZPO und Theiss, Behandlung fremden Rechts, S.67 ff., 219 f.; rechtstatsächliche Probleme liegen auch heute auf dem Feld der Ausbildung, vgl. im Vorfeld des 58. DJT 1990: Willoweit/Großfeld, Juristen für Europa, S.605-609; Caesar, Zur Reform der Juristenausbildung, S.346-347; Willoweit, Praxisbezug ohne Wissenschaft, S.l7 ff. 5 8 6 Neubecker, IPR, S.42; er ist für die Revisibilität, da fremdes Recht überhaupt nicht Ziel und Gegenstand des § 549 sei; sein anderes Argument, das IPR als solches sei ein "Nichts für sich allein" (S.40), denn es gehe letztlich um die Regelung der Privatrechtsverhältnisse (S.13), könnte

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

117

land geschieht nichts, aber auch rein gar nichts zur Verbreitung der Kenntnis fremden Rechts.... Die Vorschläge aber, die man gemacht hat, um dem Richter die Kenntnis fremden Rechts zu vermitteln, laufen alle auf mehr oder minder bindende Auskünfte von Zentralstellen oder fremden Gerichten hinaus." 3. Das Verhältnis des gewählten Rechts zu besonderen Instituten des IPR a) Das Formstatut und die lex causae Die Form, als wichtigste Frage im Bereich des Vertragsrechts neben der Rechts- bzw. Geschäftsfähigkeit und dem Inhalt des Vertrages, erfuhr eine eigenständige Entwicklung. Der Grundsatz locus regit actum beherrschte mit Einschränkungen das Schrifttum im 19. Jahrhundert 587. Die Trennung der Form als zum an sich bestehenden Vertrag hinzutretendem Gültigkeitserfordernis von den Erfordernissen für die wirksame Entstehung eines Vertrages überhaupt, war noch keine Selbstverständlichkeit588. Die Scheidung vollzog sich zwar auch für das Kollisionsrecht, aber noch Zitelmann leitet seine Ausführungen zur Form mit der Bemerkung ein 5 8 9 : "definitio periculissima est", und bis heute ist die Frage nach dem Geltungsumfang des Formstatuts delikat geblieben590. Die Anerkennung der fakultativen Geltung des Grundsatzes locus regit actum neben der Maßgeblichkeit des Geschäftsstatuts, wie sie auch von v. Savigny propagiert wurde, milderte jedoch die Probleme 591.

auch bei der Orientierung im Sinne von Flessner, lnteressenjurisprudenz, passim, wieder Bedeutung erlangen. 5 8 7

Vgl. Anhäusser, Obligationenrecht, S.34 ff., 44.

5 8 8

So erörtert Eichhorn, Dt.Privatrecht, S.266 ff. im Hinblick auf die "verbindende Kraft der Verträge" und ihr Zustandekommen nicht rechtsgeschäftliche Elemente, sondern die Beachtung bestimmter Formfragen (schon mit Blick auf die Klagbarkeit, a.a.O., S.269). 5 8 9

Zitelmann II, S.l54 mit dem Hinweis, daß z.B. das Genügen einer stillschweigenden Erklärung zur Form gehörig sein kann; ähnl. bereits Kori, Collision, S.316. 590 Ygj n u r z u r Abgrenzung von Verständigungsrisiko und Formstatut Spellenberg, Fremdsprache und Rechtsgeschäft, S.465 f. und MiinchKomm-Spellenberg Art. 11 Rdnr. 75 ff. 59 1

Savigny, System Vili, S.349 ff.; abgelehnt von Schaejjfher, Entwicklung, S.105; Cohn, IPR, S.35 f. (imperative Geltung des Grundsatzes l.r.a.); zur Befürwortung der objektiven Anknüpfung der Schuldverhältnisses an den Abschlußort wegen der Parallelisierung von Form und Inhalt vgl. oben Fn. 485.

118

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

Diese flexible Lösung eröffnete zugleich den Absichten der Parteien weiten Raum. Zwar war die direkte Vereinbarung des Formstatuts nicht möglich 592 , aber der Annahme eines Handelns in fraudem legis durch die Verlegung des Abschlußortes in das Ausland wurde allgemein widersprochen 593. Wie sollte nun aber das unter den Parteien vereinbarte Vertragsstatut auf die Formfrage wirken? Sollte die Wahl einer lex causae mit schärferen Formerfordernissen als Wille der Parteien notfalls den Grundsatz locus regit actum verdrängen können, wie dies sonst für verschärfende zwingende Bestimmungen des ausländischen Rechts als zulässig angesehen wurde 594 ? Konnte das gewählte materielle Recht - unabhängig vom objektiven Statut - die Formerfordernisse erleichtern? Sollte im Hinblick auf den "favor negotii" neben dem objektiven Statut alternativ das gewählte Recht gelten? All das sind Fragen, die eine rein materiellrechtliche Sicht des Parteiwillens eigentlich erhebt, aber die sich auch bei den hartnäkkigsten Vertretern der "Vertragsinhaltslösung" nicht erörtert finden. Lediglich bei Cohn findet sich ein Hinweis, der den Einfluß der Autonomie ahnen läßt. Die Parteien könnten bei Streit über die Handlung selbst die Form genehmigen, auch wenn sie dem Abschlußort nicht genüge, "... vorausgesetzt, daß keine Verletzung der öffentlichen Ordnung oder eines durch den Richter von Amts wegen anzuwendenden Gesetzes stattgefunden hat." 595 . b) Das Handeln in fraudem legis und der ordre public Kennzeichen des Handelns in fraudem legis ist es, daß "... in ungewöhnlicher Weise jemand an Stelle eines Tatbestands einen anderen verwirklicht, damit an Stelle der Rechtsfolge des ersten Tatbestandes die Rechtsfolge des zweiten eintritt." 596 Dieses Instrument ist keine Eigenheit des IPR, sondern als Verbot einer Gesetzesumgehung in den meisten Privatrechtsordnungen verwurzelt. Es wurde aber im Kollisionsrecht nur ausnahmsweise und speziell dazu benutzt, 5 9 2

Wächter II, S.406; weitgehende Dispositionsbefugnis findet sich aber bei Eichhorn, Dt.Privatrecht, S.109.; vgl. auch Kori, Collision, S.323. 5 9 3

Vgl. Wächter II, S.406ff.; Savigny, System Vili, S.358; Bar I, S.350; Muheim, Principien, S.91; Barazetti, IPR, S.53 (nur ordre public als Grenze); zur vorsichtigen Handhabung mahnt Schaejjfher, Entwicklungen, S.l07; a.A: Thibaut , Pandekten I, S.34 f. 5 9 4

Wächter II, S.403.

59 5

Cohn, IPR, S.36; Frankenstein, Grenzrecht I, S.549 unterstreicht die Unmöglichkeit der direkten Bestimmung der Form durch Parteiwillkür, sieht aber in der Wahl der lex causae (neben der stets zulässigen Ortsveränderung) einen Weg der Einflußnahme. 5 9 6

Kegel, IPR, S.301.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

119

einem von den Parteien vereinbarten Recht die Wirkung zu versagen. Erstaunlicherweise griffen in dem Fall des RG vom 4.10.1899 einige Autoren auf dieses generelle Prinzip zurück, anstatt auf die Grenzen des an sich maßgeblichen Rechts zu verweisen, was bei einer rein materiellrechtlichen Bedeutung des Parteiwillens nahe gelegen hätte 597 . Auch darin muß ein Zeichen für den Wandel im Verhältnis von Parteiwillen und Kollisionsrecht gesehen werden. Versagt man nämlich dem Willen unter Berufung auf Arglist im konkreten Fall das Bewirken eines Statutenwechsels, so billigt man ihm inzident die Kraft zu, einen solchen unter normalen Umständen herbeizuführen 598. Görtz, ein erklärter Gegner der kollisionsrechtlichen Rechtswahl, maß der Gesetzesumgehung insbesondere einen Wert im Obligationenrecht bei. Zwingende Normen konnten nur durch Veränderung von Anknüpfungspunkten auf tatsächlicher Ebene überwunden werden. Um auch diese mittelbare Form des Parteiwillens wirksam beschränken zu können, bemühte er sich, dem Institut schärfere Konturen zu geben599. Da er dabei nicht die funktionelle Nähe zum ordre public bestritt, den er zuvor als unsegensreiche Folge der Autonomie verurteilt hatte, offenbart diese Vertauschung, worum es letzlich ging: die Suche nach Schranken im Spannungsfeld zwischen Parteiautonomie und zwingendem Recht. Denn da er die Parteiautnomie ablehnte, hätte er den ordre public, den er als deren Folge sah, nicht bemühen müssen oder dürfen. Das Verhältnis von ordre public und dem vereinbarten Recht als Ergebnis einer nur materiellrechtlichen Verweisung stand nach der Klärung der unterschiedlichen Bedeutung zwingender Normen auf unsicherem Terrain 600 . Wo das vereinbarte Recht als Vertragsinhalt angesehen wurde, müßte die Vorbehaltsklausel jedenfalls bei inländischem Primärstatut nach Inkrafttreten des BGB wegen des möglichen Rückgriffs auf § 134 bzw. § 138 BGB bedeutungslos geworden sein. Im übrigen hätte sie nur mittelbar gegen das auswärtige Recht Anwendung finden dürfen, nämlich auf dem Umweg über eine der lex fori widersprechende Gewährung von "Vertragsfreiheiten" des an sich maß5 9 7 Die Erörterung der Entscheidung und der dazu ergangenen Stellungnahmen ist aus systematischen Gründen unten § 5 II vorbehalten. 5 9 8 Diese Schlußfolgerungen beziehen sich insbesondere auf die Ausführungen von Frankenstein, Grenzrecht I, S.l76 zu RG v. 4.10.1899; neben dem Parteiverhalten operiert er auch mit dem "Auslandsbezug" als Entscheidungskriterium und mahnt zu vorsichtigem Gebrauch des ordre public, vgl. II, S.208 mit Verweis auf I, S.218 Fn. 174. Zu diesem Zusammenhang zwischen der "fraude à la loi" und der Parteiautonomie auch Ranouil, Autonomie, S.29. 5 9 9

Görtz, Parteiwille, S.64 f.

6 0 0

Vgl. oben § 2 V.

120

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

geblichen nicht deutschen Vertragsstatuts. Derartige dogmatische Erwägungen wurden aber nicht angestellt. Man begnügte sich mit der allgemeinen Feststellung, das örtliche - also ausländische - Recht unterliege jedenfalls dem deutschen ordre public als Grenze 601. c) Der Renvoi Für die Anhänger der rein materiellen Rechtswahl stellt sich das Renvoi-Problem im Schuldrecht erst gar nicht, wie Lewald ausführt, denn als "Vertragsbestandteil", zu dem die fremde Rechtsordnung herabgestuft war, kam ein Rückgriff auf deren IPR nicht in Betracht 602. Um so erstaunlicher ist, daß er gleichwohl eine solche Bestimmung für theoretisch möglich, aber wenig praktisch hält. Eine besondere Art der Geltung dispositiven Rechts der lex fori findet sich bei Seeler. Er erachtet die zusätzliche [!] Anwendung inländischen dispositiven Rechts durch den deutschen Richter für zulässig, solange dieses nicht im offenen Widerspruch zu allgemeinen Grundsätzen des anwendbaren fremden Rechts steht 603 . Dogmatische Grundlage kann für Seeler nicht die für das Schuldrecht abgelehnte Rückverweisung sein, da es an einem Ausspruch durch die maßgebende Rechtsordnung fehlt. Auch die Theorie vom Geltungswillen wie sie im Anschluß an Thöl propagiert wurde, scheint als Fremdkörper im System der Kollsionsnormen nicht tragend gewesen zu sein 604 . Es verbleibt nur die Annahme einer stillschweigenden oder nachträglichen materiellen Rechtswahl, motiviert durch das Parteiinteresse an einer Rechtsordnung, die den Sachverhalt am besten regelt. H. Neumann befürwortet die Gesamtverweisung mit Einschränkungen605, und auch Frankenstein hält eine freiwillige Unterwerfung unter das Kollisionsrecht eines fremden Staates nicht grundsätzlich für ausgeschlossen606. Allerdings stellt dies auf dem Boden seiner Konzeption keine "Weiter- oder 6 0 1

Vgl. oben § 2 V sowie im Entwurf von Mommsen, Normierung, S.149 ff.

6 0 2

Lewald, IPR, S.207.

60 3

Seeler, Gutachten, S.43.

6 0 4

Über das gleichgelagerte Problem des Methodenpluralismus in der heutigen IPR-Diskussion vgl. Schurig, Kollisionsnorm, S.45 f.("in Wahrheit Systempluralismus"). 6 0 5

Neumann, Entwurf, S.33 ff.

6 0 6

Frankenstein, Grenzrecht I, S.67.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

121

Rückverweisung" dar - Ziel seiner Lehre von der "primären Anknüpfung ist es ja gerade, das lästige Renvoi-Problem zu lösen -, sondern sind das Ergebnis einer direkten Auslegung der sekundären Anknüpfung 607. Zitelmann, der dem Renvoi ohnehin ablehnend gegenübersteht608, sieht die Parteiverweisung stets auf materielles fremdes Recht bezogen, weil auch für eine andere Auffassung kein vernünftiges Motiv erkennbar sei 609 . Bei Melchior ist die kollisionsrechtliche Rechtswahl bereits deutlich zu erkennen. Aber obwohl er für die objektive Anknüpfung die Annahme einer Gesamtverweisung für notwendig hält, sieht er in der Vereinbarung der Parteien zunächst nur eine Bezugnahme auf das Sachrecht610. Der Rechtsmacht der Parteien wurde also nach beiden Rechtswahlauffassungen nicht die Möglichkeit einer Gesamtverweisung zugebilligt, hingegen deren Nützlichkeit bei objektiver Verweisung teilweise befürwortet. Auch heute sieht man alle schuldrechtlichen Verweisungsformen als Sachnormverweisungen an. Macht man aber mit der Parteiautonomie Ernst, so sind bei klarer Bestimmung sehr wohl Gründe denkbar, die einen Verweis auf fremdes IPR sinnvoll, zuminderst zulässig erscheinen lassen611. Daß die theoretische Möglichkeit dazu besteht, ist schon aus der Zulässigkeit der Prorogation zu schließen, die im Ergebnis auch eine Wahl des maßgeblichen Kollisionsrechts darstellt 612.

6 0 7

Vgl. Frankenstein, Grenzrecht I, S.56, 67.

6 0 8

Zitelmann I, S.260 ff.

6 0 9

Zitelmann I, S.273.

6 1 0

Melchior, Rückverweisung, S. 1571; anders freilich in seinem 1932 erschienenen Lehrbuch (ders., Grundlagen, S.500 ff.) Die nahezu einhellige Ablehnung der Gesamtverweisung durch das Schrifttum der damaligen Zeit (Nachweise a.a.O., S.l572) hält er aus drei Gründen für verfehlt: a) sei die Anknüpfung durch das RG ("Erfüllungsortvereinbarung") tatsächlich objektiv, so daß die von ihm gemachte Ausnahme für Parteivereinbarungen idR nicht greife; b) entspreche die Gesamtverweisung im Hinblick auf die nationalen Unterschiede bei den Anknüpfungspunkten einem praktischen Bedürfnis (gemeint ist der internationale Entscheidungseinklang); c) gegen unerwünschte Ergebnisse der Vertragsspaltung infolge der Anknüpfung an den Erfüllungsort stelle die Gesamtverweisung ein wirksames Remedium dar und begünstige schließlich auch die (von den Gerichten erwünschte) vermehrte Anwendung der lex fori. 6 1 1 6 1 2

Vgl. Schröder, Sinn der Verweisung, S.92.

Auch angesichts des Wortlauts von Art. 35 I EGBGB wird die Möglichkeit grundsätzlich fortbestehen, wenn man von seiner Abdingbarkeit ausgeht, s.u. Teil C § 2 II 4.

122

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

d) Die Anwendung vertragsstatutsfremden zwingenden Rechts Die unterschiedliche Bedeutung, die bestimmten Rechtsordnungen im Hinblick auf die Entnahme der Schranken des Parteiwillens in allgemeiner Hinsicht beigemessen wurde, ist oben unter III. behandelt worden. Hier ist nun darauf einzugehen, wie zusätzliche Ausnahmen eingeführt wurden, die sich auch gegenüber den normalen objektiven Anknüpfungen durchsetzen sollten. Eine besondere Rolle nimmt auch insoweit das Recht des Erfüllungsortes ein. Eine Vereinbarung dieses Rechts wird z.T. ohne Hinweis auf die eigentlich maßgebliche Rechtsordnung zugelassen und soll die Obligation dann in vollem Umfang und ausschließlich beherrschen 613. Das gleiche soll gelten, wenn ein Geschäft dadurch überhaupt Gültigkeit erlangen kann 614 . Andererseits werden auch Zweifel bezüglich der Geltung zwingenden fremden Rechts geäußert, wenn dadurch die Ungültigkeit ausgelöst würde. Der tatsächliche Wirkungsumfang des fremden zwingenden Rechts bei der rein materiellrechtlichen Verweisung wird - meist unter Rückgriff auf den "hypothetischen Parteiwillen - bei einer Unterwerfung restriktiv gehandhabt, weil die Parteien die Ungültigkeit ihres Vertrages nicht gewollt und daher nicht "gewählt" haben würden 615 . Es entwickelt sich aber die Vorstellung, daß Verbotsnormen am Erfüllungsort auch für den inländischen Richter stets beachtlich seien616, v. Bar schränkt den Grundsatz der Unbeachtlichkeit verbietender ausländischer Gesetze noch allgemeiner ein und macht deren Berücksichtigung von der Intensität des Auslandsbezuges bzw. der Absicht einer inländischen Durchsetzung abhängig617. Deutlich wird dieses Suchen nach einer "Sonderbehandlung" für ausländische

6 1 3 Vesque von Püttlingen, Handbuch, S.64f. [Klagbarkeit, Exzeptionen aus materiellem Recht, Verjährung]; vgl. auch unten IV. 6 1 4 Für diese Art des "favor negotii" - aber mit der Einschränkung, daß das an sich maßgebliche Recht (Abschlußort) kein Verbot, sondern nur die Ungültigkeit ausspricht - Kori, Ausländer, S.25; ähnl. Frankenstein, Grenzrecht I, S.218 Fn. 174, der das Ergebnis über eine Auslegung der sekundären Anknüpfung erzielt. 6 1 5 Böhm, Statutenkollision, S.l08, der in favorem contractus stets entgegenstehendes ausländisches Recht für unbeachtlich erklärt und dies mit der "freiwilligen Unterwerfung" begründet; zurückhaltend gegenüber der Geltung verbietender ausländischer Gesetze durch Unterwerfung auch Frankenstein, Grenzrecht II, S.222,212 (Bsp.); anders, aber nur allgemein auf das maßgebliche Recht bezogen, Neumann, Gutachten, S.l76. 6 1 6

Muheim, IPR, S.l60.

6 1 7

Bar, Theorie I, S.132.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

123

zwingende Normen im Rahmen der Zinsverbote, die traditionell dem Bereich der Prohibitivnormen zuzuordnen sind 618 . Die Folge sind objektive, vom Parteiwillen unabhängige Anknüpfungen, die aber aufgrund der allgemeinen Diversifikation der Anknüpfungspunkte im gesamten Schuldrecht im Lichte einer Ausdehnung des Gedankens der "Natur der Sache" entstehen und nicht die Bedeutung von Sonderanknüpfungen im heutigen Sinn haben. Da es insbesondere bei der Lehre von v. Bar an einer stark ausgeprägten Anknüpfung fehlte, die die Bezeichnung Regelanknüpfung verdient hätte, handelte es sich vielmehr um konkrete Einzelanknüpfungen. Die Erkenntnis einer Möglichkeit der Verfeinerung der Anknüpfungen blieb aber Grundbedingung für die bis heute andauernde Entwicklung von Sonderanknüpfungen, die sich über das Institut der "Näherberechtigung" vollzog. Die Näherberechtigung ist ein aus kollisionsrechtlicher Sicht "systemfremder" Weg. Systemfremd deshalb, weil zwingendes Recht einer anderen Rechtsordnung als derjenigen des Vertragsstatuts auf der Ebene des anwendbaren Rechts nur als Tatsache Berücksichtigung finden sollte, wobei die Parallele zur rein materiellrechtlichen Verweisung nicht zu übersehen ist. Die "Näherberechtigung" systematisch in das Gefüge des internationalen Privatrechts einzubetten versuchte insbesondere Neumeyer durch seine Lehre von der Einwirkungsmöglichkeit fremden Verwaltungsrechts 619. Aus der Erkenntnis der Notwendigkeit der Berücksichtigung auchfremden zwingenden Rechts - unabhängig von dessen rechtstechnischer Zugehörigkeit zum öffentlichen oder privaten Recht - stellt er folgendes Grundmuster auf: Der Geltungswille derfremden Rechtsordnung muß überhaupt für den konkreten Fall feststehen 620. Dann ist zu untersuchen, ob es sich nach den Wirkungen um einen "artfremden Eingriff' handelt und wenn ja, wie dieser auf Tatbestandsebene Berücksichtigung finden kann, freilich mit dem Vorbehalt,

6 1 8 Bar, IPR, S.255 ff. tritt für das Recht des Verwendungsortes des geliehenen Kapitals ein [mit ausdrücklicher Ablehnung einer Veränderung unter dem Gesichtspunkt der Parteiwillkür]; Muheim, Principien, S.165 [Recht des Verleihers]; a.A. Cohn, IPR, S.101 [allgem. Wirkungsstatut]. 6 1 9 Neumeyer, Int.Verwaltungsrecht IV, S.190 ff., 420 ff.; daß er "Sonderanknüpfung" aber für vorrangig erachtet, machen seine Ausführungen zum Währungsstatut deutlich, IV, S.250 ff.; III 2, S.160, 370 ff. und Neumeyer, Aufwertung im IPR, S.132 ff. 6 2 0

Dieser hängt insbesondere von der Anerkennung der Amtshandlung (IV, S.295 ff.) und der Zuständigkeit des fremden Staates (IV, S.248) ab.

Β. Der Parteiwille und die zwingenden Normen

124

die Lösung sei letztlich Frage des Einzelfalles 621. So tritt Neumeyer beispielsweise für die Selbständigkeit des Währungsstatuts und dessen Abkoppelung von der eigentlichen Obligation ein. Er begründet dies auch damit, daß die Parteiverweisung nur im Rahmen nachgiebiger Normen anderes Recht berufen könne, und die Währungsvorschriften als weitgehend zwingendes Recht 622 daher weiter dem objektiv maßgebenden Recht entnommen werden müßten. Der Parteiwille sei nur dann maßgebend, wenn das anwendbare Recht die Vereinbarung einer bestimmten Währung zulasse, und wenn die Parteien auch in Ansehung der Währung eine Änderung mit ihrer Unterwerfung beabsichtigten623. Dieser methodische Weg zur Berücksichtigung ausländischen, vertragsstatutsfremden "zwingenden" Rechts, der bis heute umstritten ist und eine Fülle von Einzelfragen nach sich zieht, kann hier nicht weiter vertieft werden 624. Im vorliegenden Zusammenhang genügt es, feststellen zu können, daß sich auch die Gegner der kollisionsrechtlichen Verweisung mit der Geltung fremden zwingenden Rechts auseinandersetzten und auseinandersetzen mußten. Die kollisionsrechtliche Rechtswahl stellt keine Komplizierung, sondern nur die Akzentverlagerung der Schrankenproblematik dar. Hierbei tauchte zudem bereits eine Internationalisierungstendenz hinsichtlich der ordre public - Fähigkeit bestimmter Normen, so etwa der Steuer- und Wuchergesetze auf 625 . Gegner der kollisionsrechtlichen Rechtswahl erhoben deshalb den Vorwurf, die doch allgemein abgelehnte Berücksichtigung eines ausländischen ordre public ("Reflexwirkung des ordre public") sei die notwendige Folge der "unbeschränkten Autonomie" 626, weil nun der ordre pulic des an sich objektiv maßgebenden Statuts- neben dem des deutschen Forums - zu wahren sei.

62 1 Neumeyer, Int.Verwaltungsrecht IV, S.425 f., 430.; vgl. zum Rückgriff auf das Institut der Näherberechtigung auch Haudek, Parteiwille, S.99; Frankenstein, Grenzrecht I, S.237 (beide in Bezug auf RG (28.6.1918), E 93, 182 ["trading with the enemy act"]; Schwind, Geistige Grundlagen, S. 106. 6 2 2

Neumeyer , Verwaltungsrecht III 2, S.l 18 ff., bes. S. 127 ff.

62 3

Neumeyer, Verwaltungsrecht III 2, S.160 Fn. 17, 376.

6 2 4

Vgl. die Nachweise in Fn. 930.

62 5

Meili II, S.30 f.

6 2 6

Görtz, Parteiwille, S.30 ff.

§ 3. Die Entwicklung der dogmatischen Integration

125

V. Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die am Anfang postulierte Vielschichtigkeit des Parteiwillens im Kollisionsrecht im Schrifttum des 18. und frühen 19. Jahrhunderts schon vor Durchbruch der heute als kollisionsrechtlichen Verweisung bekannten Sicht der Parteiautonomie ihren Niederschlag gefunden hat. Daß v. Savigny die Frage nach dem Sitz einer Obligation mit einer Verbindung von freiwilliger Unterwerfung und objektiven Anknüpfung beantwortete, beflügelte ob der darin enthaltenen Paradoxie die wissenschaftliche Auseinandersetzung und führte extreme Vertreter in Konsequenz ihrer dogmatisch-logischen Vorbehalte gegen die Parteiautonomie zur Berücksichtigung des Willens als bloßem "Vertragsinhalt" nur im Rahmen des objektiv bestimmten Vertragsstatuts. Doch die Annahme der Erfüllungsortvereinbarung mit ihren kollisionsrechtlichen Auswirkungen bedeutete hier in einer Übergangsphase den Ausweg zu einer flexiblen Behandlung. Trotz aller Anfechtungen dieser meist auf den hypothetischen Willen gestützten Anknüpfung (auch hierfür hatte v. Savigny durch mangelnde Deutlichkeit in seinen Ausführungen das Stichwort geliefert), schuf sie die Basis für die Entwicklung eines eigenständigen kollisionsrechtlichen Verständnisses des Parteiwillens. Die dogmatischen Vorarbeiten des 19. Jahrhunderts auf dem Gebiet der "freiwilligen Unterwerfung" und insbesondere die Präzisierung der Lehre von den zwingenden Normen haben dann die Bedeutung des Parteiwillens soweit geklärt, daß eine sichere Handhabung bei der Bildung von Kollisionsnormen möglich wurde. Darin liegt die große Bedeutung des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts für die Lehre von der Parteiautonomie. Den Parteiwillen völlig vom IPR zu lösen, wie dies insbesondere in der Spätphase der Auseinandersetzung um die Parteiautonomie von Neumeyer und K. Neumann vertreten wurde, trug hingegen nicht zu einer Vereinfachung des internationalen Schuldrechts bei. Die Fragen nach dogmatischer Stellung und Rechtsnatur des vereinbarten Rechts konnten nicht ohne Rücksicht auf das spezifisch kollisionsrechtliche Element von solchen Vereinbarungen gesehen werden. Auch als nur materielle Verweisung hatte die Parteiautonomie ihren Platz im IPR der Schuldverträge nicht verloren.

126

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

Die Qualität des zwingenden Rechts der an sich maßgeblichen Rechtsordnung und ihre kollisionsrechtliche Einordung blieb eine ebenso vage Erscheinung wie der ordre public vor seiner Konturierung. Das Problem ausländischer, vertragsstatutsfremder "Eingriffsnormen" und ihrer sachgerechten Berücksichtigung waren schon länger bekannt und seit Ende des 19. Jahrhunderts Gegenstand der wissenschaftlichen Erörterung. Wie für die Frage der Parteiautonomie, ist auch für die zwingenden Normen der Übergang von einer inländisch-materiellrechtlichen (territorialistischen) zur spezifisch kollisionsrechtlichen Behandlung erkennbar 627. § 4. Der Parteiwille in der Rechtsprechung

I. Vorbemerkung Die Behandlung der Parteiautonomie in der Rechtsprechung der Obergerichte, des ROHG und des RG im 19. Jahrhundert ist Gegenstand einer Untersuchung von Anhäusser 628. Auch für die Zeitabschnitte bis zur Verfestigung der Lehre von der kollisionsrechtlichen Verweisung liegen Einzeluntersuchungen vor. Diese bescheinigen der Rechtsprechung an der Schwelle zum 20. Jahrhundert bald eine materiellrechtliche 629, bald eine kollisionsrechtliche Tendenz 630 . Angesichts der im Rahmen dieser Abhandlungen erfolgten Erörterung von Einzelproblemen631 genügt es für die vorliegende Darstellung, einen Überblick in Form eines Querschnittes durch die Rechtsprechung bis zur Jahrhundertwende zu geben. Dieser ist aber notwendig, um die Rolle der Rechtsprechung

6 2 7

Dazu auch Schurig,, Zwingendes Recht, S.226,229 ff.

6 2 8

Anhäusser, Obligationenrecht, passim.

6 2 9

Neumann, Vertragsgültigkeit, S.83 ff. (überwiegend Rspr. 1900-1930); Lewald, IPR, S.202f. (Nachweise von Entscheidungen mit materiellrechtl. Tendenz); Kreuzer, Warenkauf, S.123 ff. (Rspr. 1879-1963). 6 3 0 Haudek., Parteiwille, S.46 ff; Melchior, Grundlagen, S.502 ff; Lewald,, IPR, S.203: "Im allgemeinen geht die Rechtsprechung vielmehr von der Auffassung aus, daß die für die obligatorischen Verträge maßgebende Rechtsordnung in erster Linie ohne Einschränkung durch den Willen der Parteien bestimmt werde ..."; Anhäusser, Obligationenrecht, S.90 ff. 6 3 1

Vgl. noch Roer, Rechtsprechung, S.8,11 ff. (Rspr. von 1935-1952, z.T. auch älter).

§ 4. Der Parteiwille in der Rechtsprechung

127

als "Autorität" für die Stellung des Parteiwillens im internationalen Schuldvertragsrecht einzuschätzen632. II. Die Stellung des Parteiwillens in der Rechtsprechung 1. Die Priorität

des Parteiwillens

In einer frühen Entscheidung des OAG Jena findet sich der Grundsatz der Vorrangigkeit des Parteiwillens nur negativ definiert: Auf einen irgendwie gearteten Willen komme es dann nicht an, wenn der Abschlußort mit dem Ort der Erfüllung bzw. der Klage zusammenfalle 633. Dem Willen wird bei klaren örtlichen Beziehungen des zu beurteilenden Sachverhalts eher untergeordnete Bedeutung beigemessen, es sei denn er dient zur Herstellung einer solchen Beziehung634. Die dogmatischen Unterschiede zwischen der Vereinbarung eines Erfüllungsortes als objektivem Kriterium und der Annahme einer (stillschweigenden) Unterwerfung werden nicht beachtet635. So schiebt sich der Parteiwille in unterschiedlichen Erscheinungsformen als Gesichtspunkt der Anknüpfung in den Vordergrund, auch wenn es letztlich nur um die Anwendung des Erfüllungsortsrechtes anstelle desjenigen vom Abschlußort geht 636 . Das ROHG betont dann die freiwillige Unterwerfung, verbindet diese aber mit objektiven, vernunftgemäßen Gesichtspunkten. Der tatsächliche "willkürliche" Wille findet keine Anerkennung als ein für sich ausreichendes Prinzip 6 3 7 . So dominiert der vertragsmäßig vereinbarte Erfüllungsort 638, der mit

6 3 2 Insbesondere Mayer, Parteiautonomie, S.l 13 verlieh seinen Ausführungen mit Hinweis auf die "Judikatur als Normenquelle" Gewicht. 6 3 3

OAG Jena (1832), SeuffArch 2, Nr.l 19.

6 3 4

OAG Jena (6.3.1863), SeuffArch 16, Nr.183 (Vereinbarung der Erfüllung am Abschlußort); ObTrib Berlin (12.10.1852), SeuffArch 7, Nr.136 (Identität von Abschluß und Erfüllungsort). 6 3 5

OAG Lübeck (26.3.1861), SeuffArch 15, Nr.183: "Das OAG hat wiederholt anerkannt, daß wenn ein bestimmter Erfüllungsort verabredet ist, dieser und nicht der Ort des Contractschlusses es ist, dessen Gesetzen sich präsumtiv [!] die Contrahenten stillschweigend [!] unterwerfen ... "; vgl. auch OAG Celle (16.9.1852), SeuffArch 8, Nr.l; OAG Rostock (12.11.1866), SeuffArch 24, Nr. 185 (Unterwerfung i.E. offengelassen). 6 3 6

Vgl. ObTrib Berlin (6.2.1856), StriethorstsArch 20, 135 (139 f.); ObTrib (1.7.1852), SeuffArch 6, Nr.l. 6 3 7

Stuttgart

ROHG (13.6.1871), E 3, 64 nennt als Grund derfreien Unterwerfung, es sei das Ziel der Parteien die Erfüllung zu sichern, so daß keine Unterwerfung unter ein Recht anzunehmen sei,

128

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

dem Willen der Parteien in Verbindung gebracht wird 6 3 9 . In einer Entscheidung, in der das ROHG den Vorrang einer bestimmten Absicht der Parteien, die unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist, vor dem (vereinbarten) Erfüllungsort annimmt, stützt es sich nicht auf das Wesen der Privat- oder Parteiautonomie, sondern bemüht v. Savigny und fügt hilfsweise an, daß eine solche Handhabung auch aus dem "Wesen des Handelsverkehrs" folge, wo es gelte, den "wahren Willen" der Parteien zu erforschen und wo alle Willensäußerungen gleichen Wert besäßen640. Das RG bekennt sich in zahlreichen Entscheidungen zum Grundsatz des Vorrangs des Parteiwillens 641. In einer Entscheidung akzeptiert das RG aber die tatsächliche Wahl der Parteien als Ausnahme von den gesetzlichen Bestimmungen bzw. den "allgemeinen Grundsätzen" nur, wenn diese zugunsten der lex fori erfolgt 642 . Eine einheitliche Linie im Hinblick auf die systematische Stellung des Parteiwillens und dessen dogmatische Handhabung fehlt. Es wird im Anschluß an die Rechtsprechung des ROHG aber von der Notwendigkeit ausdrücklicher Erklärungen der Parteien abgesehen643 und das Vorliegen

welches den Schuldner von seiner Verpflichtung freistelle; vgl. auch den erwähnten Fall einer Unterwerfung unter das die Wirksamkeit am meisten begünstigende Recht, s.o. Fn. 533. 6 3 8 ROHG (25.1.1873), E 9, 2(8); ROHG (25.2.1874), E 12, 282(286), ROHG (3.11.1874), E 15, 130(133 f.) [hier aber gesetzl. Erfüllungsort]; ROHG (9.12.1874), E 15, 209(212); ROHG (1.2.1875), E 16, 14(16) [Anknüpfungskette: gesetzl. Erfüllungsort; ausdrückl. vereinbarter Erfüllungsort; Erfüllungsort aus der Natur der Sache oder der Absicht der Parteien]; ebenso bzgl. des Gerichtsstandes am Erfüllungsort: ROHG (13.1.1877), E 21,288. 6 3 9

ROHG (28.6.1878), E 24, 168(182): Der Erfüllungsort gilt, weil "... aus der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung eines Erfüllungsortes der Wille, auch durch das Recht dieses Ortes den Vertrag in seinen Wirkungen ergänzen zu lassen, gefolgert wird ...". 6 4 0

ROHG (10.12.1873), E 9, 55(56).

6 4 1

Vgl. z.B. RG (22.2.1881), E 4, 242(246); RG (8.7.1882), E 9, 225(227); RG (10.5.1884), E 12, 34(37); RG (21.10.1887), E 20, 333(334 f.) [Vertragsgrundsätze auf Eheversprechen angewandt]. Deutlicher war idR die Rechtsprechung der Schiedsgerichte; zu deren Bedeutung für die Verbreitung der Parteiautonomie nach dem 1. Weltkrieg vgl. Rabel, Rechtsvergleichung und internationale Rechtssprechung, S.41 f.; Curti Gialdino, Rec.Cours, S.803 ff. 6 4 2

RG (30.1.1889), Bolze Bd.7, Nr. 16: "Eine Ausnahme [von der Anwendung des Rechts, dem das Rechtsverhältnis nach den allgemeinen Grundsätzen unterworfen ist, der Verf.] kann nach den konkreten Umständen des Falles ... bei ausdrücklich erklärtem oder konkludentem Willen der Parteien, sich dem einheimischen Recht zu unterwerfen, begründet werden." 6 4 3

RG (8.7.1882), E 9, 225 unter Verweis auf ROHG (28.6.1878) E 24, 168(182); RG (4.10.1899), E 44, 152(153).

§ 4. Der Parteiwille in der Rechtsprechung

129

schlüssiger Umstände für ausreichend erachtet 644. Deutlich ist die Ablehnung gegenüber der Berücksichtigung nachträglicher Umstände645 und gegenüber einer nachträglichen Rechtswahl646. Der Vereinbarung eines Erfüllungsortes wird der Wert eines in beachtlicher Weise geäußerten Parteiwillens beigemessen 647 , wobei eine Spaltung bzw. Teilverweisung durch die Annahme des Erfüllungsortsrechts nur für bestimmte Fragen der Obligation angenommen wird 6 4 8 . Ebenso wie das ROHG, sieht das RG direkte Vereinbarungen über das anwendbare Recht als vorrangig an 6 4 9 . Eine Entscheidung bemüht sich sogar, den Erfüllungsort von dem Parteiwillen deutlich abzukoppeln und stellt den nur mittelbaren Charakter einer "Rechtswahl" in Form der Erfüllungsortvereinbarung klar 6 5 0 . Auch aus dieser Entscheidung entwickelte sich jedoch keine einheitliche dogmatische Linie, die subjektive und objektive Anknüpfung gesondert behandelt hätte.

6 4 4

RG (22.2.1881), E 4, 242(246); RG (4.2..1885), E 13, 411(412) [Gerichtsstand am Erfüllungsort]; RG (5.11.1889), E 24, 112(113); RG (18.5.1889), E 24, 383(389 f.). 64 5

RG (13.4.1882), GruchotsBeitr 26, 889; RG (2.12.1884), Bolze Bd.l, Nr.29; vgl. Kreuzer, Warenkauf, S.194 Fn. 37; ging es in der Revision um Fälle, wo sich zunächst keine Partei auf die Unterschiede durch die Anwendung fremden Rechts berufen hatte, spielte der Erfüllungsort - auch bei Vereinbarung - keine Rolle, vgl. die Nachweise bei Anhäusser, Obligationenrecht, S.105 Fn. 4 und 5, was im "Heimwärtsstreben" seine Ursache haben düfte. 6 4 6

RG (6.10.1886), Bolze Bd.3, Nr.1302; RG (18.5.1889), E 24, 383(389 f.).

6 4 7

Vgl. RG (22.2.1881), E 4, 224(247); RG (1.3.1882), E 6, 125(132); RG (26.2.1891), Bolze Bd.ll, Nr. 14; RG (2.5.1894), E 34, 72,(81); RG (21.9.1894), Bolze Bd.19, Nr.18; vgl. auch Anm.7 vor § 1 des RGRK: "Ist nicht festzustellen, daß die Parteien die allgemeine einheitliche Anwendung eines der beiden in Betracht kommenden Rechte gewollt haben, so ist in der Regel das Recht des Erfüllungsortes als vereinbart anzusehen." [zit. nach Melchior, Rückverweisung, S.1572]. 6 4 8

Für die Möglichkeit einer solchen Spaltung bereits ROHG (28.6.1878), E 24, 168(182) [Trennung zwischen "Substanz des Vertrages" und akzessorischen oder qualifizierenden Leistungsversprechen, jeweils gesonderte Erfüllungsorte]; RG (20.3.1888), E 21, 7(12); RG (2.5.1894), E 34, 72(79 f.); RG (26.2.1891), Bolze Bd.ll, Nr.14; sowie RG (3.12.1891), Bolze Bd. 13, Nr.9 [Vermeidung einer Spaltung durch Annahme eine gemeinsamen Erfüllungsortes]; RG (13.10.1894), Bolze Bd.19, Nr.19 [echter Fall der sog. "kleinen" Spaltung]. 6 4 9 Vgl. RG (1.3.1882), E 6, 125(131); RG (8.7.1882), E 9, 225(227); RG (10.5.1884), E 12, 34(36); vgl. Anhäusser, Obligationenrecht, S.105 Fn. 4 und 5, 111. 6 5 0 RG (10.5.1884), E 12, 34(37); Anzeichen einer Objektivierungstendenz sind auch in RG (8.3.1885), E 14, 111(114) und RG (30.9.1885), E 14, 154 [insoweit nur abgedruckt bei Silberschmidt, Rechtsprechung, S.490] festzustellen.

y Püls

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

130

2. Die Schranken der Parteivereinbarungen Die Schranken der Parteien konnten bereits aufgrund von besonderen räumlichen Beziehungen bestehen. Ein deutliches Beispiel für diese frühe Handhabung "immanenter" Schranken liefert die bereits erwähnte Entscheidung des OAG Jena von 1832 651 . Bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts finden sich in Entscheidungen der Obergerichte Hinweise auf die Verbindlichkeit von Normen des "Contractsortes", die für ein Rechtsverhältnis maßgeben, " ... soweit es keiner willkürlichen Bestimmung der Parteien unterliegt, oder eine solche nicht erhalten hat." 652 Unabhängig vom Abschluß- oder Erfüllungsort taucht aber auch der Rückgriff auf die zwingenden Bestimmungen und Verbotsgesetze des Forums auf. Das OAG Celle lehnte die Anwendung des vereinbarten Erfüllungsortsrechts (Hamburg) ab, "... weil der Anspruch auf den 6ten Zinsthaler einem für den urtheilenden Richter geltenden, der Privatwillkür entzogenem Verbote streng positiver Natur widerspreche." 653 Nicht mit dem pauschalen Verweis auf die zwingenden Normen der lex fori begnügt sich hingegen eine Entscheidung des OLG Rostock654. Es stellt auf die territorial beschränkte Geltungsmacht preußischer absoluter Gesetze ab und erklärt diese für unbeachtlich, wenn das Rechtsverhältnis "... etwa völlig außerhalb der Wirkungssphäre der preußischen Gesetzgebung läge ...", was dann unter Berufung auf das fremde, nicht-preußische Wirkungsstatut angenommen wird. Eine starke Einschränkung der lex fori wird in dieser Zeit aber vor allem dadurch erreicht, daß die Verjährungsvorschriften nicht mehr als Prozeßrecht und damit auch nicht mehr als zwingende Vorschriften der lex fori angesehen werden 655.

6 5 1

S.o. Fn. 633.

6 5 2

Berliner Revisions - und Cassationshof (6.3.1843), SeuffArch 2, Nr.120 [zwingende Verjährungsvorschriften]; ähnl. OAG Lübeck (8.3.1853), SeuffArch 8, Nr.4 [mit zusätzlicher Ausnahme für "Prozeßvorschriften zwingender Natur"]. 6 5 3 OAG Celle (16.9.1852), SeuffArch 8, Nr.l; vgl auch OAG Wolfenbüttel (17.12.1857), SeuffArch 19, Nr. 107 [heimischer Richter hat stets ein zur Verhütung wucherischer Härte erlassenes Verbot zu beachten]; ohne Präzisierung der maßgeblichen Rechtsordnung: ObTrib Stuttgart (1.7.1852), SeuffArch 6, Nr.l; auf das Staatsangehörigkeitsrecht (im Fall identisch mit lex fori) stellt ab das ObTrib Berlin (24.1.1863), StiethorstsArch 42, 40 [preußisches Verbotsgesetz, ausi. Inhaberstaatsschuldverschreibungen zu erwerben]. 6 5 4 6 5 5

OLG Rostock (12.11.1866), SeuffArch 24, Nr.185.

Die Maßgeblichkeit des örtlichen Rechts auch für die Verjährung betonen: Berliner Revisions- und Cassationshof (6.3.1843), SeuffArch 2, Nr.120; OG Wolfenbüttel (30.5.1860 u.

§ 4. Der Parteiwille in der Rechtsprechung

131

Diesefrühen Entscheidungen spiegeln die Versuche wider, die Schranken der Parteiautonomie sachgerecht - mit restriktiver Tendenz - zu handhaben und im System des Kollisionsrechts unterzubringen. Dieses Bemühen erfuhr in der Folgezeit durch die Reichsgerichte keine Vertiefung. Während das ROHG keine Gelegenheit hatte, zu den Grenzen des Parteiwillens Stellung zu nehmen, erwähnt das RG zwar in etlichen Entscheidungen das "zwingende Recht" 656 . Diese sind aber wenig aussagekräftig, weil es im konkreten Fall überhaupt nicht auf den zwingenden Charakter ankommt. Schließlich erschwert die Zwitterstellung, die der vereinbarte Erfüllungsort (aufgrund des hypothetischen Parteiwillens) als subjektive oder objektive Anknüpfung einnahm, auch die Schlußfolgerungen für den Kreis der zwingenden Normen (nur solche im Sinne der Vorbehaltsklausel bei rein objektivem Verständnis? auch einfaches zwingendes Recht bei subjektivem Verständnis?). Je nach den Maßstäben, die man anlegt, sind unterschiedliche Interpretationen möglich 657 , tendenziell scheint aber der Schutz der zwingenden lex fori gegenüber ausländischem Vertragsstatut den Hauptgesichtspunkt zu bilden 658 . Dies verstärkt dann aber wegen der Einschränkung der lex fori auf Fälle des ordre public im Laufe des Jahrhunderts die Zulassung der kollisionsrechtliche Rechtswahl, denn die Grenzen des Parteiwillens wird in den Fällen, in welchen die lex fori auch das "an sich anwendbare" Recht darstellt, nicht mehr schlechthin am inländischen zwingenden Recht gemessen.

2./16.1.1866), SeuffArch 19, Nr.106 und (22.2.1862), SeuffArch 21, Nr.2; OAG Berlin (16.2.1870), SeuffArch 25, Nr.2; HAG Nürnberg (22.11.1870), SeuffArch 28, Nr.186; die Folge dieser Entwicklung war das Entstehen des Qualifikationsproblems bei Bezügen zum anglo-amerkanischen Rechtskreis, der die Verjährung weiterhin prozeßrechtlich qualifizierte, vgl. speziell unter dem Gesichtspunkt des Parteiwillens als Mittel zur Lösung Görtz, Parteiwille, S.69 ff. 6 5 6

RG (1.3.1882), E 6, 125(130); RG (8.7.1882), E 9, 225(227); RG (8.3.1885), E 14, 111(114); RG (30.9.1885), E 14, 154 [und Silberschmidt, Rechtsprechung, S.490]; RG (5.11.1889), E 24, 112(113); RG (18.5.1889), E 24, 383(389); RG (4.10.1899), E 44, 152(153); sowie RG (28.2.1893), Bolze Bd. 16, Nr.7. 6 5 7 6 5 8

So auch Anhäusser, Obligationenrecht, S.141.

Vgl. einerseits RG (22.2.1881), E 4, 242(247) [Fehlen von besonderen Schutzbestimmungen gegenüber fremden Stempelsteuergesetze führt zur uneingeschränkten Anwendung fremden Rechts (Erfüllungsort)]; RG (8.7.1882), E 9, 225(227) [§ 324 a.F. HGB hindert nicht Erfüllungsortvereinbarung]; RG (13.11.1885), E 14, 235(239) [lex anastasiana kein jus cogens]; und andererseits RG (2.5.1895), E 34, 72(79 f.) [alle Rechtswirkungen eines in Deutschland zu erfüllenden Konnossements müssen als "zwingend" angesehen werden]; RG (28.4. 1900), E 46,193(196) [Geltung deutscher Bestimmungen über arglistige Täuschung sind zwingend, wenn sie im anwendbaren Recht fehlen]. y*

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

132

Tendenzen zugunsten nur einer rein materiellen Rechtswahl finden sich in einer Entscheidung von 1889 versteckt hinter einer langatmigen Belehrung des Berufungsgerichts über die Unzulässigkeit einer nachträglichen Rechtswahl659 und deutlicher in der Entscheidung vom 21.9.1899660. Wegen der Beachtung, die sie auch noch heute findet, sei sie hier kurz referiert: Der Beklagte hatte der Klägerin, einer verwitweten Ehevermittlerin aus Leipzig, ein freiwilliges Honorar in Höhe von 3% des Vermögens seiner zukünftigen Frau versprochen, wenn die Klägerin die Bekanntschaft einfädeln und es daraufhin zur Heirat kommen würde. Für den Fall eventueller Streitigkeiten über das Honorar vereinbarten beide im Königreich Sachsen wohnhaften Parteien die Unterwerfung unter preußische Gesetze und wählten Berlin als Gerichtsstand. Es kam zur Heirat und dann zum Streit.

Das Kammergericht Berlin als Berufungsgericht sprach der Vereinbarung die rechtliche Wirksamkeit ab, "... weil es der Privatwillkür nur insoweit gestattet sei, das für die Beurteilung des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses maßgebende Recht zu bestimmen, als es ihnen freistehe, die Bestimmungen desjenigen Rechts, dem sie sich unterwerfen zu wollen erklären, zur Vertragsbestimmung zu machen; ... die getroffene Vereinbarung bezüglich der Maßgeblichkeit des preußischen Rechts habe nicht mehr Wirkung, als es die Vertragsbestimmung haben würde, daß trotz der entgegenstehenden Vorschrift des sächsischen Rechts das vom Beklagten gegebene Versprechen einer Mäklergebühr doch Geltung haben solle" 661 . Das sächsische Recht, dem die Parteien bei der Begründung des Rechtsverhältnisses unterstanden hätten 662 , würde die Wirksamkeit versagen. Dem schließt sich das RG unter Berufung auf die Grenzen der Vertragsfreiheit an und ergänzt: "Die Entscheidung der Frage, ob ein solcher Widerspruch [zu zwingenden Rechtssätzen, der Verf.] bestehe, hat der 6 5 9

RG (18.5.1889), E 24, 383(389 f.): Das Berufungsgericht habe nicht den Schluß, eine nachträgliche Vereinbarung des anwendbaren Rechts sei möglich, daraus ziehen können, "... daß die Kotrahenten bei Abschluß eines Vertrages (sei es nun ausdrücklich, sei es durch konkludentes Verhalten) ihren Vertragswillen dahin vereinigen dürfen, daß ihr Vertragsverhältnis nicht nach den dispositiven Normen desjenigen objektiven Rechtes, welches abgesehen von dieser Willensvereinigung dieses Vertragsverhältnis beherrscht haben würde, geregelt werden [sie! richtig wohl: werde], daß vielmehr der Inhalt der Normen eines anderweitigen objektiven Rechtes als in erlaubter Weise gewollter Inhalt ihres Vertragsverhältnisses für ihr Rechtsverhältnis maßgebend sein solle." [Hervorhebung im Original]. 6 6 0

RG (21.9.1899), E 44, 300 ff.

66 1

RG, a.a.O.

6 6 2

Hier wird das Abstellen auf den Abschlußort hinsichtlich der dort geltenden zwingenden Normen erkennbar, wie es bis zum Vordringen des Erfüllungsortes üblich war.

§ 4. Der Parteiwille in der Rechtsprechung

133

angerufene Richter, soweit nicht etwa im einzelnen Fall zwingende Vorschriften seines heimischen Rechtes entgegenstehen, dem Rechte zu entnehmen, dem das streitige Rechtsverhältnis an sich nach allgemeinen Grundsätzen untersteht." Von Teilen des Schrifttums wurde die Entscheidung als Klarstellung des richtigen Rahmens des subjektiven Parteiwillens begrüßt 663. Diese Ansicht kann sich darauf stützen, daß die Entscheidung das gewählte Recht dem Vertragsinhalt gleichsetzt. Dernburg ordnete den Fall dem ordre public als einziger Schranke des Parteiwillens zu 6 6 4 . Dagegen spricht, daß - aus preußischer Sicht - ein Inlandsbezug gerade nur zum sächsischen Recht, nicht aber zum preußischen Recht des Gerichtsortes besteht, wie es für die Anwendung der Vorbehaltsklausel zumindest im internationalen Privatrecht zu dieser Zeit anerkanntermaßen aber erforderlich war. Andererseits klingt auch in der Begründung die besondere Qualität des beachteten fremden Rechts an, wenn das RG auf die "allgemeinen sittlichen Erwägungen" des sächsischen Gesetzgebers Rücksicht nimmt 665 . In Preußen hingegen bestand keine dem § 1229 des Sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechende Norm, die die Gültigkeit eines Vergütungsversprechens in diesen Fällen ausschloß. Frankenstein stellt nicht den zwingenden Charakter der sächsischen Verbots als grundsätzliche Schranke in das Zentrum seiner Interpretation, was einer rein materiellrechtlichen Sichtweise entsprochen hätte, sondern löst den Fall nach den Grundsätzen des arglistigen Statutenwechsels666. Bei dieser Sicht bleibt die kollisionsrechtliche Rechtswahl zulässig und dem Parteiwillen im Kollisionsrecht seine Sonderstellung erhalten. Diese Interpretation ist beachtlich, wenn die Umstände der Vereinbarung - und nicht schon die Betätigung des Willens

663 V g i ßeer verträge, S .262.

Entwicklungsstufen, S.351; Lewald, IPR, S.204; Niemeyer, Feuerversicherungs-

6 6 4

Dernburg,, Bgl.Recht I, S.103 (vgl. oben Fn. 376).

66 5

RG, a.a.O., S.302.

6 6 6

Frankenstein, Grenzrecht I, S.176; vgl. auch I, S.218 Fn. 174 und II, S.208 Fn. 33; von einem Umgehungsversuch, den das Verhalten der Parteien darstelle spricht auch Bockel, Zwingendes Recht, S.l 140; widersprüchlich Markert, Grenzen der Parteiautonomie, S.55 f. einerseits (Beispiel einer fraudulösen Anknüpfung, so daß der ordre public eingreife [sie!]) und S.73 andererseits (Fall einer fehlgeschlagenen kollisionsrechtlichen Verweisung). Dagegen Römer, Gesetzesumgehung, S.174. Vgl. dazu auch unten Teil C § 212a..

134

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

an sich - eine unlautere Absicht nahelegen, die jeder Gerichtsort zu beachten hätte. So betrachtet stellt die Gesetzesumgehung eine Schranke der Parteiautonomie dar 667 , die aber gerade bei fortschreitender Ausweitung der Parteiautonomie methodische Probleme birgt 668 . K. Neumann glaubt eine selbständige Anknüpfung der Vertragsgültigkeit, unabhängig von dem örtlichen Recht zu erkennen 669. Tatsächlich geht das RG mit keinem Wort auf den Erfüllungsort als der - ansonsten primär beachteten objektiven Anknüpfung zur Bestimmung des an sich maßgeblichen Rechts ein. Im Gegensatz zum Berufungsgericht, daß den Ort der Vertragsbegründung in Sachsen betont, stützt sich das RG nicht auf eine einzelne objektive Beziehung, sondern auf ein ganzes Bündel. Auch Nußbaums Auffassung, die Entscheidung bestätige den Grundsatz, daß sich die Parteien durch Rechtswahl nicht über die zwingenden Gesetze der lex loci actus hinwegsetzen könnten, verfängt daher nicht 670 . Haudek ordnet den Fall ohne Zugrundelegung der sonst von ihm geforderten Berücksichtigung der Parteiinteressen der materiellen Rechtswahl zu 6 7 1 . Die Besonderheit des Falles und damit der nur materiellen Rechtswahl wird in dem Fehlen eines Auslandsbezuges672 gesehen, nicht in dem Charakter der fremden Verbotsnorm. Heute wird - alleine im Hinblick auf die Fragwürdigkeit des "Auslandsbezuges" als absolutes Kriterium wohl mit Recht - für diesen Fall nicht schon die kollisionsrechtliche Fragestellung verneint 673.

6 6 7 Görtz, Parteiwille, S.60 ff. hält den Rechtssatz fraus omnia corrompit grundsätzlich als Schranke eines jeden Parteiwillens geeignet. 6 6 8

Dazu unten im Text bei Fn. 825 ff

6 6 9

Neumann, Vertragsgültigkeit, S.l02 ff.

6 7 0

Nußbaum, IPR, S.244.

67 1

Haudek, Parteiwille, S.46f. Fn. 9; so bereits vor ihm Zimmermann, Bedeutung des Parteiwillens, S.891 f.; ebenso für die Annahme einer "mißglückten Rechtswahl": Römer, Gesetzesumgehung, S.l63 f., 174; Rempp-Krämer, Stillschweigende Rechtswahl, S.2; Umbricht, Immanente Schranken, S.98, 87, 111. 6 7 2 So Melchior, Grundlagen, S.512: Er geht dabei ohne Begründung von einem Erfüllungsort in Sachsen aus. Man könnte aber auch von einer Dominanz der "Inlandsbezüge" sprechen, denn neben Gerichtsstand und Rechtswahl, die für sich schon ein "Auslandselement" darstellen, konnte die Vereinbarung doch auch so auszulegen sein, daß Berlin Erfüllungsort sein sollte. 6 7 3 Vgl. Beitzke, Methodik, S.3; i.E. wohl auch Lorenz, Struktur, S.56 trotz seines Festhaltens am Auslandsbezug als Voraussetzung des IPR; vgl. auch Sailer , Grundfragen, S.131; a.A.: Gamillscheg, Rechtswahl, S.313.

§ 4. Der Parteiwille in der Rechtsprechung

135

Die Vielfalt der Gesichtspunkte, die bei der Anwendung sächsischen zwingenden Rechts entgegen der Parteierklärung hineinspielen, verdeutlichen, daß die Annahme eines rein materiellen Rechtswahlverständnisses bei dieser Entscheidung nicht absolut sein kann. Melchior sieht denn auch in der weit über den engen Bezug des Sachverhaltes zu Sachsen hinausgehenden Argumentation des Reichsgerichts eine "... Abschwächung des Satzes, daß das nach allgemeinen Grundsätzen maßgebliche Recht über die Freiheit der Rechtswahl entscheide."674 Dem ist zuzustimmen, stellt die Betonung der besonderen Umstände qualitativ einen Sprung gegenüber dem starren Festhalten an einem rein materiellrechtlichen Verständnis der Rechtswahl dar. Die Entscheidung ist eher - faßt man sie als Ausnahme von der Regel auf eine Bestätigung des allgemeinen Prinzips, "fremdem" Recht auch bei Vorliegen einer ausdrück-lichen Rechtswahl in angemessener Weise Rechnung zu tragen, ohne damit den Parteiwillen als kollisionsrechtliches Anknüpfungskriterium grundsätzlich in Frage zu stellen675. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß das RG im Endergebnis in dem interlokalen Konflikt durch seine Entscheidung eine Respektierung des schwächsten Gliedes (bzw. des weitestgehenden Schutzes) der beteiligten Rechtsordnungen erzielte. Ein Gedanke der sich in späteren Modellen der Beschränkung der Parteiautonomie wiederfindet 676. III. Die Bedeutung der Rechtsprechung für die Entwicklung der Willensdogmatik /. Die allgemeine Einschätzung durch die Literatur Die Rechtsprechung konnte in ihren Entscheidungen nur selten den Anforderungen der Wissenschaft nach "Einheit und Reinheit" gerecht werden 677. Niemeyer glaubte, in der "methodischen Unsicherheit" die Ursache für viele Entscheidungen zu erkennen, die die Frage nach dem anwendbaren Recht übergin-

6 7 4

Melchior, Grundlagen, S.511.

6 7 5

Genau darum geht es im Grunde auch heute im Falle des Art. 27 III EGBGB, s.u. Teil C

§ 212c. 6 7 6 6 7 7

So insbesondere in der Lehre der Sonderanknüpfungen bei Wengler, s.u. Fn. 930.

So postuliert z.B. Lassalle, Erworbene Rechte (1861), S.16: "Nur wo diese Einheit vorliegt, nur da ist Theoriel" [Hervorhebung im Original] und beklagt den politischen Einfluß, dem die Gerichte unterliegen (S.48).

136

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

gen oder aufgrund unterstellter Übereinstimmung (jedenfalls im Ergebnis) mit fremdem Recht zur Anwendung der lex fori gelangten678, betonte aber andererseits die Bedeutung der Rechtsprechung für das positive Recht 679 . Die Rechtsprechung wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts stärker in Betracht gezogen 680 und Änderungen registriert 681. 2. Die Bewertung durch die Spezialliteratur zum internationalen Obligationenrecht Ungeachtet der reichhaltigen Judikatur fehlte es auch auf dem Gebiet des Obligationenrechts an der Ausbildung einer klaren Rechtsprechungsdoktrin. Beer glaubte Tendenzen einer Objektivierung in der Rechtsprechung des RG zu erkennen 682, Silberschmidt wies allerdings nach, daß alle in Frage kommenden Theorien der objektiven Anknüpfung vertreten sind 683 . Mayer 684 schickte seiner Abhandlung zur Untermauerung der kollisionsrechtlichen Rechtswahl die Bemerkung voraus, in der Judikatur "... ließen sich auf Schritt und Tritt Widersprüche aufzeigen." Um seine Ausführungen mit der Autorität der Gerichte abstützen zu können, beschränkt er sich auf den Gesamteindruck, der für die Zulassung der kollisionsrechtlichen Rechtswahl spreche 685 . K. Neumann und Haudek gelangten bei ihren zeitlich dicht aufeinanderfolgenden Untersuchungen der deutschen Rechtsprechung zu einer gegensätzlichen Beurteilung. Während K. Neumann es nach seiner Analyse für

6 7 8

Niemeyer, Methodik, S.34; auch Gutzwiller, Einfluß Savignys, S.81 ff. hat daraufhingewiesen, daß die Rechtsprechung nur ganz langsam zu den modernen Anschauungen Savignys fortgeschritten sei, woran die schnelle Übernahme des Sitz-Bildes nichts geändert habe, denn als "heuristisches Prinzip" führte es leicht zu den verschiedenartigsten Ergebnissen (S.84). 6 7 9

Niemeyer, IPR, S.9: "Diese Seite [die Judikatur, d. Verf.] darf schon deswegen nicht vernachlässigt werden, weil gewordenes und werdendes Gewohnheitsrecht oft schwer auseinander zu kennen ist." 680 V g i Bar, Theorie II, passim; Böhm, Statutenkollision, passim. 6 8 1 Vgl. Beer, Entwicklungsstufen, S.354 f.; auf S.334 hebt er die normschaffende Bedeutung der Rechtsprechung hervor. 6 8 2

Beer, Entwicklungsstufen, S.354 f.

68 3

Silberschmidt, Rechtsprechung, S.498; er sieht den mangelhaften Gebrauch von Vorlagen an die Vereinigten Senate des RG als Ursache für die Divergenz (S.501). 6 8 4

Mayer, Parteiautonomie, S.l 11.

68 5

Mayer, Parteiautonomie, S.l 11 unter Berufung auf Lewald, IPR, Nr.262.

§ 4. Der Parteiwille in der Rechtsprechung

137

erwiesen erachtete, daß das Reichsgericht nur die materiellrechtliche Verweisung beachtete, sah Haudek diese nur als Ausnahmefall an. Kreuzer kommt zu dem Ergebnis, erst im 20. Jahrhundert habe die Rechtsprechung die kollisionsrechtliche Verweisung anerkannt 686. Dabei stützt er sich auf die zentrale Rolle, die der Erfüllungsort als Anknüpfungspunkt gehabt habe und die dem Parteiwillen als Grundsatz der Rechtsprechung jedenfalls für das 19. Jahrhundert entgegenstehe687. Dem tritt wiederum Anhäusser entgegen688. Auch er räumt ein, daß seine umfangreiche Analyse kein einheitliches und sicheres Ergebnis bezüglich der Art der Verweisung zulasse689, da es auch innerhalb der Senate des Reichsgerichts widersprüch-liche Entscheidungen gab und bei vielen der Schluß auf die eine oder andere Form der Rechtswahl nicht zwingend sei 690 . Gleichwohl kommt er zu dem Ergebnis, vieles spräche für die Annahme eines kollisionsrechtlichen Verständnisses der Rechtswahl691. 3. Eigene Stellungnahme Die Ausführungen lassen bereits deutlich werden, daß eine klare Einordnung der Rechtsprechung in die jedenfalls gegen Ende des Jahrhunderts im Schrifttum verbreiteten dogmatischen Kategorien nicht erfolgte. Wenn auch die Ge6 8 6

Vgl. Kreuzer, Warenkauf, S. 181 ff.

6 8 7

Vgl. Kreuzer, Warenkauf, S.l32 ff. sieht in der - beeinflußbaren - Erfüllungsortanknüpfung die Regel anknüpfung. 6 8 8

Anhäusser, Obligationenrecht, S.124,130.

6 8 9

Anhäusser, Obligationenrecht, S.l52.

6 9 0

Vgl. Anhäusser, Obligationenrecht, S.133, 139, 148, 152 (er zählt hierzu besonders die Entscheidungen, die mangels Entscheidungserheblichkeit nicht näher auf die Art der zwingenden Normen eingehen). 69 1 Anhäusser, Obligationenrecht, S.153ff; zusammengefaßt lauten seine Argumente: 1. Zahlreiche Urteile nennen den ausdrücklichen oder stillschweigenden Parteiwillen in erster Linie, was aber nur bei einem kollisionsrechtlichen Verständnis Sinn mache, da bei einer materiellrechtlichen Wahl die Frage nach dem objektiven Vertragsstatut im Vordergrund stehen müsse. 2. Einzelne Entscheidungen (RG E 6, 125, 130) sprechen von einem Unterwerfungswillen, der auf das Recht eines Territoriums bezogen sei. 3. Einzelne Urteile (RG E 19, 47,55) gelangten zur Geltung deutschen Rechts, ohne daß zwingende Bestimmungen ausländischer Rechtsordnungen zwischengeschaltet seien. 3. Als formalen Grund lasse sich anführen, daß spätere Entscheidungen nach 1900) ausdrücklich klarstellten, die Bedeutung des Parteiwillens ergebe sich aus dem deutschen internationalen Privatrecht, vgl. RG (16.6.1903), E 66, 73(75) unter Berufung auf RG (26.4.1907) E 55, 105 (106, 108).

138

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

samtschau für einzelne Fragen eine scheinbare Einheit der Rechtsprechung zulassen mag 692 , so fehlt es an einer eindeutigen Haltung der Gerichte, wie der Parteiwille dogmatisch im internationalen Privatrecht zu handhaben ist. Sieht man einmal von der Entscheidung in RGZ 44, 300ff. ab, die wegen des Vorliegens einer ausdrücklichen Rechtswahl und deren Übergehung bedeutsam ist, lassen sich mit der Rechtsprechung sowohl der Willenseinfluß über die Vereinbarung des Erfüllungsortes 693 als auch die kollisionsrechtliche Verweisung 694 absichern, ohne daß der Wille eindeutig als Anknüpfungsbegriff im heutigen Sinne gehandhabt wurde 695 . Mag daher auch teilweise eine Tendenz für die kollisionsrechtliche Sicht bestanden haben, wie Anhäusser dies annimmt, so muß es als Tatsache angesehen werden, daß sie der Doktrin jedenfalls bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts verschlossen blieb. Für das Reichsgericht bestand nie der Zwang, dem Parteiwillen nur in einer der drei Erscheinungsformen (Erfüllungsortvereinbarung, kollisionsrechtliche und materiellrechtliche Rechtswahl) Geltung beizumessen. Die Feststellungen, die Ogorek hinsichtlich der Handhabung der Privatautonomie in der Rechtsprechung des ROHG getroffen hat, lassen sich auch auf die Rechtsprechung zur Parteiautonomie bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts übertragen 696. Entsprechend der ambivalenten Verwendung einer "objektiven" Anknüpfung über den mutmaßlichen Willen konnte es in den seltenen Fällen ausdrücklich erklärter Parteiabsichten mit jeder der drei genannten Formen eine sachgerechte An-

6 9 2 So z.B. für die Frage, ob der vermutliche Parteiwille nach der Rechtsprechung ausschließlich nach objektiven Kriterien bestimmt wurde, was Anhäusser, Obligationenrecht, S.139 unter Berufung auf Neumann, S.ll f. bejaht; auf die nicht immer klare Abgrenzung zur stillschweigenden Rechtswahl, die dann erst recht bedeutsam wird, geht Anhäusser freilich nicht ein; vgl. dazu ausführlich Funke, Mutmaßlicher Parteiwille, S.45 ff., bes.55 f. 6 9 3 So wohl Kreuzer, Warenkauf, S.181 ff., der daher die echte, durch bloße Vereinbarung zustandegekommene Rechtswahl erst im 20. Jahrhundert ansiedelt 6 9 4 So Anhäusser, Obligationenrecht, S.152 ff.; die von ihm zitierte Entscheidung RGZ 19, 47 geht allerdings vom vermutlichen Parteiwillen, also wie Anhäusser selbst einräumt einer objektiven Anknüpfung aus, und kann daher nicht als Argument der kollisionsrechtlichen Sicht des RG bemüht werden. 6 9 5 6 9 6

Daraufstützt sich Kreuzer, Warenkauf, S.l 32 ff.

Ogorek, Privatautonomie, S.87, 96 f., 98 f., 101; sie kommt zu dem Ergebnis, daß die Justiz im Spannungsfeld zwischen Privatautonomie und Gesetz die private Rechtsgestaltung zwar grundsätzlich respektiert habe, sie aber mit Hilfe objektiver Kontrollmaßstäbe fest in den Griff richterlicher Kontrolle genommen habe. Dabei sei mit dem Ziel einer Erforschung des "wahren Willens" der Parteien eine starke Verobjektivierung (Maßgeblichkeit des Regelmäßigen, Üblichen) verbunden gewesen.

§ 4. Der Parteiwille in der Rechtsprechung

139

knüpfung herbeiführen, die vom Ergebnis den Interessen bzw. der "Natur der Sache" entsprach 697. Die Ausfüllung des Begriffs "zwingende Normen" konnte angesichts dieser Flexibilität und des weitgehend dispositiven Charakters des Schuldrechts ebenso unterbleiben wie die klare Bestimmung der Rechtsordnung, aus der sie letztlich zu entnehmen waren. Diese Verfahrensweise stieß freilich um die Jahrhundertwende mit den bereits erwähnten Fortschritten bei der systematischen und dogmatischen Durchbildung des IPR zunehmend auf Kritik 6 9 8 , der die Rechtsprechung mit dem unbeirrten Festhalten an der Betonung des Vorrangs des Parteiwillens als Grundsatz des internationalen Privatrechts begegnete. Diestrug ihr den Vorwurf ein, sie wolle durch ihr Willensdogma nur den Schwierigkeiten der objektiven Anknüpfung entgehen699. Die Bedeutung der Rechtsprechung liegt daher weniger in einer für das 19. Jahrhundert nur mit Mühe auszumachenden Tendenz zur kollisionsrechtlichen Rechtswahl heutiger Prägung. Denn ob man ihr eine solche auch bescheinigt hätte - diese Hypothese sei dem Verfasser in dem Meer der empirisch-statistischen Analysen und Bewertungen zu dieser Frage gestattet -, wenn häufiger Sachverhalte wie der von RGZ 44, 300 zur Entscheidung gekommen wären, was doch letztlich vom Zufall abhängig war, erscheint fraglich. Vielmehr liegt ihre Bedeutung darin, sich nicht der bloßen materiellrechtlichen Verweisung bzw. der Beeinflussung von Anknüpfungsbegriffen 700 angeschlossen zu haben, als diese im Schrifttum überwiegend als dogmatisch und logisch einzige Form eines beachtlichen Parteiwillens gehandelt wurden 701 . Ohne auf die Argumentation der Lehre einzugehen und deren Verständnis der "zwingenden Normen" in voller dogmatischer Konsequenz zu 6 9 7

Lewald, IPR, S.214 ff., 216 nennt als Hauptursache für das Beharren des RG auf dem Dogma der Parteiautonomie den hypothetischen Parteiwillen und die Deckungsgleichheit der konkurrierenden Anknüpfungsmodelle; krit. zum hypothetischen Parteiwillen Raape, IPR II, S.257 ff. ("verkrampfte Psychoanalyse"). 6 9 8 Kritik von Gebhard,, Bemerkungen, S.649 [S.19] und Enneccerus, 24. DJT Bd.4, S.76 ff., bes. 88 f. an der Weite der "Unterwerfungstheorie" des RG. 6 9 9

Görtz, Parteiwille, S.16, 57 f.

7 0 0

Wobei hier nochmals auf die Auffassung des Verfassers hingewiesen sei, nach der die Vereinbarung des Erfüllungsortes nach Savignyscher Prägung als mittelbare Wahl eine Sonderstellung einnahm. Zu weitgehend daher Anhäusser, Obligationenrecht, S.89. Seine Behauptung, das Schrifttum des 19. Jahrhunderts habe überhaupt keine kollisonsrechtliche Verweisung gekannt, trifft nur insoweit zu, als sich noch keine dogmatische Scheidung der Parteiautonomie i.S. der von Zitelmann eingeführten Begriffen findet. 7 0 1

Vgl. die Liste der Anhänger einer rein materiellen Verweisung bei Melchior, Grundlagen, S.500 Fn. 1.

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

140

übernehmen, bewahrte sich die Rechtsprechung eine Berücksichtigung des Parteiwillens im internationalen Privatrecht in unterschiedlichen Schattierungen, begünstigt auch durch die Fiktion des Parteiwillens 702, bis auch die umstrittene Form der kollisionsrechtlichen Verweisung Eingang in die Lehre gefunden hatte. Daß sie ab den 30er Jahren erneut einer Welle der Kritik ausgesetzt war, hatte dann auch wieder in ihrer Beharrlichkeit seine Hauptursache: Die im 19. Jahrhundert gewachsenen Strukturen, an welchen auch der BGH noch festhielt, paßten nicht mehr in das Gefüge von wahrer Autonomie einerseits und nur objektiver Anknüpfung andererseits. § 5. Die Parteiautonomie in den Kodifikationsbestrebungen des 19. Jahrhunderts

I. Die bestehenden Kodifikationen auf der Ebene der Einzelstaaten

Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen vom 2.1.1863 enthielt neben einer objektiven Anknüpfung an den Erfüllungsort für die Beurteilung von Forderungen 703 in § 18 eine dem Wortlaut nach weite Zulassung des Parteiwillens 704. Dem stand nur eine recht weitgehende Vorbehaltsklausel als Grenze entgegen705. Andere Gesetzesbücher enthielten keine so deutlichen Aussagen über die Kraft des Parteiwillens bei der Bestimmung des Schuldstatuts, was aber an der Verbreitung der Privatfreiheiten als allgemeines Prinzip in der Rechtspraxis nichts änderte 706.

7 0 2

Auf die besondere Bedeutung der Fiktion für die Rechtsfortbildung weisen Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des IPR, S.367 m.w.N. zu Recht hin. 7 0 3

§ 11 des Gesetzbuchs, abgedruckt bei Hartwieg/Korkisch,

Geheime Materialien, S.57 f.

7 0 4

§ 18 lautet: "Soweit Rechtsverhältnisse durch die Willkür der Beteiligten bestimmt werden können, ist den letzteren gestattet, festzusetzen, daß statt der sonst entscheidenden Gesetze andere Gesetze zur Anwendung kommen sollen." Wie weit bzw. welche Rechtsverhältnisse nach dieser Willkür bestimmt werden können, ist nicht definiert. 7 0 5 § 19 lautet: "Ausländische Gesetze sind nicht anzuwenden, wenn deren Anwendung durch die inländischen Gesetze nach der Vorschrift oder dem Zweck derselben ausgeschlossen ist."

706 V g i jig Nachweise bei Niemeyer, Positives IPR, S.80 und passim.

§ 5. Die Parteiautonomie in den Kodifikationsbestrebungen

141

II. Die privaten Entwürfe L Mommsen Mommsen gab 1878 im Archiv für die civilistische Praxis eine Antwort in Form eines Gesetzesentwurfs auf die Frage 707: "Wie ist in dem bürgerlichen Gesetzbuch für Deutschland das Verhältnis des inländischen Rechts zu dem ausländischen zu normieren?" Breiten Raum nimmt dabei die Erörterung des Staatsangehörigen- bzw. Wohnsitzprinzips ein. Letzterem gibt er den Vorzug, auch für die Forderungen aus Schuldverträgen, soweit nicht "... aus den Umständen sich ergiebt, daß die Vertragsschließenden die Anwendung eines anderen Rechts, sei es des Rechts der Vertragsschließung oder des Rechts des Erfüllungsortes, vorausgesetzt haben." 708 Daneben findet sich in § 18 des Entwurfs der Vorrang eines ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Willens der Parteien, soweit "Rechtsverhältnisse durch die Willkür der Beteiligten bestimmt werden können."709 Zusätzlich nahm er in § 19 die Vorbehaltsklausel auf. 2. Rocholl Rocholl schlug in seinem Entwurf in § 2a Ziffer e ganz allgemein vor, sofern Vorschriften des künftigen BGB mit zwingender Natur nicht entgegenstünden, den Inhalt eines Rechtsverhältnisses nach ausländischem Recht zu beurteilen, wenn dort sein Sitz läge 710 . Der Parteiwille findet sich nicht besonders erwähnt, die Motive Rocholls beziehen sich nur auf die Rechtsprechung des ROHG und des RG.

70 7

Mommsen, Normierung, AcP 61 (1878), S.149-202; nur der Entwurf ist abgedruckt bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.58 ff. 70 8

Mommsen, Normierung, S.198 f.

7 0 9

Mommsen, Normierung, S.61; unzutreffend daher Anhäusser, Obligationenrecht, S.271. Freilich fehlte auch bei Mommsen eine Umschreibung der Einschränkung "soweit". 7 1 0 Die Originalquelle (Rocholl, Vorschläge zur Abänderung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches in Form eines Gegenentwurfes mit kurzer Begründung. Erstes Buch: Allgemeiner Theil. Breslau 1890) war dem Verfasser leider nicht zugänglich. Die Ausführungen beruhen auf dem bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.l 86 ff., bes. Fn. 255, wiedergegebenen Passagen; vgl. auch bei Neumann, Entwurf, S.205 und passim.

142

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

3. Niemeyer Die klare Befürwortung einer rein materiellrechtlichen Sicht Niemeyers in der Diskussion wurde bereits oben dargestellt. Sie findet auch Ausdruck in seinem Entwurf von 1895, wo er in § 2 die Rechtswahl in den Grenzen des an sich maßgebenden Rechts niederlegt 711. 4. Neumann Hugo Neumann sah in § 15 seines Entwurfes die objektive Anknüpfung an das Recht des Vornahmeortes vor. In Absatz 3 findet sich nur für im Inlande vorgenommene Rechtsgeschäfte die Möglichkeit einer Abrede der Parteien über das anwendbare Recht 712 . Das legt die Annahme nahe, daß die Beachtung der zwingenden Normen der lex fori so gesichert werden sollte, wenngleich Neumann nicht explizit dazu Stellung bezieht, ob die Subsidiären objektiven Anknüpfungen auch für den geäußerten Willen Maß geben sollen 713 . Die Aufnahme einer allgemeinen Bestimmung über die Aufnahme der "Gewillkürten Anwendung fremden Rechts" hielt er dagegen für überflüssig 714.

7 1 1 § 2 lautet: "Eine rechtsgeschäftliche Unterwerfung unter ein bestimmtes Recht ist insoweit wirksam, als dasjenige Recht, welches gemäss folgenden Regeln für das Rechtsverhältnis sonst massgebend sein würde, dem Parteiwillen nachgiebt." (Abgedruckt bei Neumann, Entwurf, S.278). 7 1 2

Neumann, Entwurf, S.6 f.; § 15 III lautet: "Ist das Rechtsgeschäft in Inlande vorgenommen, so ist das Schuldverhältnis nach demjenigen Rechte zu beurtheilen, dessen Anwendung verabredet oder unter den, bei dem Zustandekommen des Geschäfts obwaltenden Umständen vernünftigerweise vorausgesetzt werden mußte." 7 1 3

Neumann, Entwurf, S.87.

7 1 4

Neumann, Entwurf, S.144.

§ 5. Die Parteiautonomie in den Kodifikationsbestrebungen

143

III. Die Entwürfe und Beratungen in den Kommissionen 1. Die Entwürfe

bis zur Einsetzung der IPR-Kommission

a) Die Vorentwürfe Gebhards Die Entstehungsgeschichte des EG ist, wie die erst 1973 veröffentlichten "geheimen Materialien" belegen, recht eigentümlicher Natur 715 . Diese Tatsache hat sich nicht nur in der Veränderung der Gesamtkonzeption, sondern auch bei Detailfragen ausgewirkt. Am Anfang der Kodifikationsbestrebungen standen die Vorentwürfe Gebhards 716 . In Ansehung der Forderungen aus Schuldverträgen knüpft er, in enger Anlehnung an Mommsen717, an den Schuldnerwohnsitz an, soweit nicht Umstände dafür sprechen, "... daß die Vertragsschließenden ... vernünftigerweise die Anwendung eines anderen Rechts voraussetzen mußten."718 Während Gebhard diesen Absatz I des § 11 objektiv verstanden wissen wollte 719 , räumte er dem Parteiwillen bei zweiseitigen Schuldverträgen in der Bestimmung des Absatzes II eine echte Bedeutung ein 7 2 0 . Die Optionsmöglichkeit des Schuldners stellt zwar keine Rechtswahl im eigentlichen Sinn dar, schon weil eine einseitige Berufung den Ausgangspunkt bildet und sich die Wahl auf eine der Rechtsordnungen der Beteiligten (Schuldner) beschränkt. Aber unverkennbar wird der Wille hier im Rahmen einer Kollisionsnorm als sachgerechtes "Gestaltungsmittel" anerkannt. Gebhard betont in diesem Zusammenhang noch 71 5

Hartwieg, Einführung, S.23: "recht verwickelter Entstehungshergang".

7 1 6

Der 1. Vorentwurf entstand um 1879 (eine genaue Jahreszahl fehlt), die Erläuterungen Gebhards dazu sind als "Begründung" bezeichnet; der 2. Vorentwurf datiert aus dem Jahr 1887, die Erläuterungen hierzu lauten "Bemerkungen". 7 1 7

Vgl. Hartwieg,, Einführung, S.25.

7 1 8

§ 111 des 1. Vorentwurfs, bei Hartwieg/Korkisch,

Geheime Materialien, S.63.

7 1 9

Vgl. Gebhard, Begründung, S.144 ff.[S.16 ff.], 209 [S.81]; dazu auch Anhäusser, Obligationenrecht, S.272 f. 7 2 0

§ 11 II des 1. Vorentwurfs lautet: "Sind beide Vertragsschließenden Schuldner, so kann jeder Teil verlangen, daß seine Verbindlichkeit nach den für die Verbindlichkeit des anderen Teils maßgebenden Rechte beurteilt wird." § 11 II des 2. Vorentwurfs lautet: "Entstehen aus einem Vertrage für beide Teile Verpflichtungen und sind für die letzteren die Gesetze verschiedener Orte maßgebend, so kann jeder Teil verlangen, daß seine Verpflichtung nach dem für die Verpflichtung des anderen Teils maßgebenden Gesetzen beurteilt wird."

144

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

den Zugewinn an materieller Gerechtigkeit. Der daneben in § 34 enthaltene Grundsatz des Parteiwillens entsprach in seiner Beschränkung dem Verständnis der Literatur, betonte aber die Territorialität der Schranken und damit die lex fori 7 2 1 . Zwar stellt Gebhard fest 722 : "Das für die einzelnen Verhältnisse maßgebende Recht wird durch das Gesetz, nicht durch den Parteiwillen bestimmt. Bei diesem Recht verbleibt es, soweit dasselbe zwingender Natur ist." Aber territorialistische und positivistische Züge 723 heben die Rolle des inländischen Rechts hervor und belegen den Gegensatz zu einer konsequent materiellrechtlichen Rechtswahl, die fremde zwingende Normen als primäre Schranken des Parteiwillens hätten akzeptieren müssen. Gebhard formuliert selbst die Bedenken gegen die von ihm vorgeschlagene Regelung, nämlich "... daß ein, einem Komplex von Rechtssätzen unterworfenes Verhältnis allgemein fremdem Rechte unterstellt wird, während ein Theil der fremden Normen durch zwingende Normen des inländischen Rechts ausgeschlossen ist." 7 2 4 Auch die Fassung des 2. Vorentwurfs unterstreicht die Inlandsbezogenheit der Schranken 7 2 5 . Schließlich beurteilt auch Gebhard die Rechtsnatur des berufenen Rechts nicht als reine Vertragsbestimmung, wenn er klarstellt, das berufene Recht gelte als solches und sei daher zwingend oder dispositiv726.

7 2 1 § 34 des 1. Vorentwurfs lautet: "Soweit Rechtsverhältnisse durch die Willkür der Beteiligten bestimmt werden können, ist den letzteren gestattet, festsetzen, daß statt des an sich maßgebenden Rechts ein anderes Recht zur Anwendung kommt." 7 2 2

Gebhard,, Begründung, S.144 [S.16].

7 2 3

Vgl. Gebhard, Begründung, S.145 [S.17]: " Die Statthaftigkeit der Wahlfremden Rechts ist in §34 ausgesprochen"; noch deutlicher offenbarte die 1. Kommission die positivistische Grundlegung der Parteiautonomie, vgl. sogleich unten b). 7 2 4

Gebhard, Begründung, S.145 [S.17] [Hervorhebung vom Verfasser]; vgl. auch ebd., S.133

[S.5]. 7 2 5 § 34 des 2. Vorentwurfs lautet: "Soweit der Inhalt eines nach den deutschen Gesetzen zu beurteilenden Rechtsverhältnisses durch den Willen der Beteiligten bestimmt werden kann, kann derselbe auch durch Bezugnahme auf nicht mehr geltendes oder auf ausländische Gesetze bestimmt werden."; widersprüchlich sind vor diesem Hintergrund die Ausführungen in den Bemerkungen, S.649 [S.19] zu § 11 wo Gebhard vom Spielraum des maßgebenden Rechts spricht (in dem dazu gebildeten Beispiel allerdings wieder von der lex fori ausgeht!). 7 2 6 Gebhard, Begründung, S.145 [S.17]; damit stellte er sich gegen die v.a. auf Thöl, Einleitung, S.l30, 170 zurückgehende Auffassung, durch die Privatwillkür verlören die berufenen Rechtssätze ihren Charakter als "Recht", vgl. oben § 3 IV la).

§ 5. Die Parteiautonomie in den Kodifikationsbestrebungen

145

b) Die Beratungen und der Entwurf der 1. Kommission Die 1. Kommission beriet erst 1887 über das IPR. Gebhards Vorentwürfe zum Schuldrecht fanden keine Anhängerschaft, insbesondere über die Ablehnung des § 11 Absatz II schien Einigkeit zu bestehen727. Die Kommission fürchtete nicht nur, daß die "Zerreißung" der Obligation fortbestehen könnte, sondern wies auch darauf hin, Absatz II versetze die Parteien in die Lage, "... eine abweichende Gestaltung ihrer Verpflichtung, mithin eine Rechtsänderung, herbeizuführen." 728 Die Kommission entschied sich für die Regelanknüpfung an den Entstehungsort, mit Ausnahme der Fälle, wo die Vertragsschließenden die Anwendung des Rechtes eines anderen Ortes voraussetzen mußten und hielt schon damit den Fall eines klar geäußerten Willens für erfaßt 729. Gebhards allgemeine Formulierung in § 34 wurde mit dreifacher Begründung abgelehnt730. Es fand auch eine Auseinandersetzung darüber statt, ob der Ausnahme nicht eine klare Schranke angefügt werden sollte in dem Sinne, daß das zwingende Recht des Entstehungsortes die Grenze für die Berufung anderen Rechts sei. Zugunsten dieser Erwägung findet sich das hinlänglich bekannte Argument, daß "... der Parteiwille begrifflich nicht die Macht haben könne, darüber zu befinden, ob ein Gesetz als solches gelte oder nicht... und der Privatwille nur insoweit Bedeutung habe, als ihm das Gesetz auf dem Gebiete des dispositiven Rechtes Spielraum gewähre." 731 Außerdem seien ohne eine Ergänzung die Parteien bei einem Entstehungsort im Inland in der Lage, dessen zwingende Vorschriften unwirksam zu manchen, was auch die Vorbehaltsklausel nicht

7 2 7

Alle drei dazu gestellten Anträge stimmten insoweit überein, vgl. Protokoll bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.90f. (lediglich Antrag 2 sucht das Problem der sog. "kleinen" Spaltung durch eine Priorität der Anknüpfungen zu lösen). 728 Ygj t, e j Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.92.; außerdem sei unklar, ob die Erklärung nur als prozessuale Einrede aufzufassen sei oder auch als außergerichtliche Erklärung zulässig sei. 729 ygj bei Hartwieg/Korkisch,

Geheime Materialien, S.94.

730 ygj jjgj Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.144: Das Prinzip in §34 sei eine Selbstverständlichkeit, die sich z.B aus der im damaligen Ehegüterrecht festgesetzten Ausnahme (späterer § 1433 BGBG) ergäbe. Die Vorschrift enthalte keinen Satz des IPR sondern gehöre zur allgemeinen Rechtsgeschäftslehre. Im übrigen sei die Frage in praktischer Hinsicht zu unbedeutend, um im Gesetz besonders normiert zu werden. 7 3 1

1« Püls

Vgl. bei Hartwieg/Korkisch,

Geheime Materialien, S.94.

146

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

verhindern könne 732 . Letztlich wurde die entsprechende Einschränkung aber nicht angenommen. Bemerkenswert ist nun die positivistisch-dogmatische Deutlichkeit, mit der die Kommission feststellt, daß "... die Gesetze eines anderen Ortes als des Entstehungsortes nicht deshalb normierend einzugreifen hätten, weil die Parteien es wollten, sondern deshalb, weil das Gesetzbuch die Geltung dieser Gesetze anerkenne und wolle; der Wille der Parteien bilde nur die Voraussetzung, an welche diese Anerkennung sich anknüpfe." 733 Deutlicher läßt sich der Parteiwille als Anknüpfungspunkt kaum formulieren. Eine Umgehung heimischer zwingender Normen durch Inländer will die Kommission durch eine angemessene Fassung der Vorbehaltsklausel ausschalten. Was die Umgehung von zwingenden Normen ihres heimischen Rechts durch Ausländer anginge, "... liege vom Standpunkte des deutschen Rechts aus kein Anlaß vor, besondere Vorsorge in dieser Richtung zu treffen." 734 Erstaunlich ist dann, was sich hinter den heimischen zwingenden Normen verbirgt, die bei den Beratungen zu §35 präzisiert werden: besondere inländische Formerfordernisse 735. Auch diese Tatsache läßt den Schluß zu, daß die lex causae, die hier wegen ihrer Geltung für Formfragen aufgrund der fakultativen Anknüpfung beschränkt werden sollte, auch und gerade bei einer Rechtswahl das gewählte Recht sein sollte und nicht nur das im Bereich des Dispositiven modifizierte "an sich maßgebliche Recht".

7 3 2 Vgl. bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.95; § 35 des 2. Vorentwurfs lautet: "Ein ausländisches Gesetz wird nicht angewandt, wenn dessen Anwendung gegen die Guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstößt."; vgl. dazu Gebhard, Bemerkungen, S.675 f. [S.75 f.]. 7 3 3

Vgl. bei Hartwieg/Korkisch,

Geheime Materialien, S.95.

734 V g i b e i Hartwieg/Korkisch,

Geheime Materialien, S.95.

735 vgl. bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.145; dem § 11 - also nicht den Formfragen eigentlich betreffenden § 9 - sollte folgender Absatz angefügt werden: "Wird das Rechtsgeschäft im Inlande abgeschlossen, so bleiben die am Orte des Abschlusses über das Erfordernis einer besonderen Form des Rechtsgeschäfts geltenden Vorschriften auch in diesem Falle [der Unterwerfung unter ein anderes Recht als das des Erfüllungsortes, der Verf.] maßgebend."; begründet wurde die Einschränkung mit dem besonderen öffentlichen Interesse an bestimmten Formvorschriften; abschließende Fassung des § 11 bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.l65 und 179 (dort als § 5 der "IPR-Beilage").

§ 5. Die Parteiautonomie in den Kodifikationsbestrebungen

147

c) Die Beratungen und der Entwurf der 2. Kommission Nach der Kritik des zeitgenössischen Schrifttums 736 an dem Fehlen einer Kodifikation des IPR im Entwurf der 1. Kommission - das IPR war als "IPR Beilage" aus dem BGB ausgegliedert worden und auf Drängen des Reichsjustizamtes737 unter Verschluß gehalten worden - setzte sich die 2. Kommission 1898 wieder mit der Materie auseinander. Auch der Entwurf der 2. Kommission enthielt neben der Regelanknüpfung an den Entstehungsort nur die Ausnahme, daß "... von den Beteiligten die Anwendung der Gesetze eines anderen Ortes vorausgesetzt sein muß." 738 2. Die "IPR-Kommission " Die Behandlung des IPR-Entwurfs nach Abschluß der Beratungen739 erfolgte vorwiegend 740 in der sog. "IPR-Kommission". Der Entwurf begegnete seitens der Bundesländer vor allem hinsichtlich der objektiven Regelanknüpfung Bedenken741. Allerdings wird auch eine Änderung der Fassung beantragt, "... durch welche zum Ausdruck gelange, daß nicht nur ausnahmsweise, sondern in erster Linie der vermutliche Wille der Beteiligten rücksichtlich der Bestimmungen des für das Schuldverhältnis maßgebenden Rechtes ausschlaggebend sei und der vom Gesetz aufgestellten Regel nur eine subsidiäre Bedeutung zu-

736 Ygj jjg "Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches" des Reichsjustizamtes von 1890, bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.l84 ff. 7 3 7

"Schreiben an die Reichsämter, Preuß. Ministerien und Bundesregierungen", bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.l83 f. 7 3 8

Vgl. bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.211 (§ 2242); die Einschränkung der ursprünglichen Fassung waren aufgehoben worden und z.T. in der Neufassung des § 2240 über die Form aufgegangen (Exklusivität der lex causae, soweit zwingende Formvorschriften enthalten). 7 3 9

In der Fassung der Bundesratsvorlage. Diese weicht in den hier in Frage kommenden Vorschriften nicht von der Fassung der Redaktionskommission ab; vgl. die Fassungen bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.210 ff., 252 ff. 7 4 0 Bereits seit 1891 fand parallel eine Erörterung des IPR auf der Ebene der Reichsämter statt, vgl. Hartwieg, Einführung, S.37 ff.; 42 ff. 741 Vgl. die Stellungnahme von Bayern, von Württemberg und von Mecklenburg-Schwerin bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.268 f.

10*

148

Β Der Parteiwille und die zwingenden Normen

komme." 742 Den Hansestädten ging der gesamte Entwurf als zu großzügige Anerkennung ausländischer Rechte zu weit 7 4 3 . Sie konnten sich wegen dieser in Detailfragen zum Ausdruck gebrachten Zurückhaltung der Unterstützung durch das Auswärtige Amt gewiß sein 744 . Die Hansestädte standen auf dem Standpunkt, M[E]s müsse genügen, wenn den deutschen Richtern wenigstens für einige praktisch wichtige und zweifelhafte Fälle eine allgemeine Anweisung erteilt werde. Als solche sei die Bestimmung der § 2366 (2242) Abs. 2 zu billigen." 745 Die Parteien und ihre Vorstellungen wurden dagegen als "quantité négligeable" betrachtet 746. Mit den Argumenten, die Regelanknüpfimg des Entwurfs stimme mit geltendem Recht nicht überein und aus der bisherigen Praxis seien keine Mißstände bekannt, kam es schließlich - gegen die Bedenken des Justizministeriums747 - zur vollständigen Streichung der Norm 748 . Gleichzeitig wurde aber auch in § 2365, der die Form betraf, die Exklusivität der lex causae für bestimmte Formfragen gestrichen 749. Man befürchtete, daß dem Richter angesichts der verschiedenen Behandlung der Formvorschriften jeder Anhalt für die Beurteilung der Tragweite der sonstigen Formvorschriften des BGB entzogen würde. Außerdem brauche man auf den "ausschließlichen Charakter" etwaiger Formvorschriften der ausländischen Gesetze keine Rücksicht zu nehmen.

7 4 2

Antrag von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, bei Hartwieg/Korkisch, heime Materialien, S.270. 743 ygj die Stellungnahme von Lübeck, Bremen und Hamburg, bei Hartwieg/Korkisch, heime Materialien, S.270 ff.

GeGe-

7 4 4

Zu den Hintergründen dieser "Allianz" vgl. Hartwieg, Einführung, S.51 f. sowie die Dokumente bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.239, 240, 248. 7 4 5

Vgl. bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.271; ähnlich auch im hanseatischen Entwurf zu § 2263, wo das "Heimwärtsstreben" deutlich wird (ebd., S.301 ff.). 746 V g i Entwurf der Hansestädte, bei Hartwieg/Korkisch,

Geheime Materialien, S.303.

7 4 7

Vgl. bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.338; ebenso befürchtete Sachsen in einer letzten Stellungnahme den Verlust an Rechtssicherheit, ebd., S.398. 7 4 8

Antrag des Auswärtigen Amtes, bei Hartwieg/Korkisch,

Geheime Materialien, S.326, 337,

373. 7 4 9 2. Beratung der IPR-Kommission, bei Hartwieg/Korkisch, vgl. oben Fn. 735.

Geheime Materialien, S.373;

§ 5. Die Parteiautonomie in den Kodifikationsbestrebungen

149

IV. Zusammenfassung und eigene Stellungnahme Während die privaten Entwürfe und auch die Vorentwürfe Gebhards den Parteiwillen zwar als Prinzip des internationalen Schuldrechts enthielten, dies aber eher vorsichtig anklingen ließen oder in fremden Rechtsordnungen die Grundlage der Autonomie sahen (Niemeyer), stellte die 1. Kommission den Parteiwillen in seiner dogmatischen Rechtfertigung auf den Boden des inländischen Gesetzes. Damit stand sie der kollisionsrechtlichen Autonomie näher als alle Ansätze und Bemühungen im Schrifttum. Als Problem wurde die richtige Beschränkung des Parteiwillens im Bereich des Kollisionsrechts selbst gesucht, was auch heute noch Schwierigkeiten bereitet 750. Daß der Kreis dieser Schranken nicht eng zu ziehen sei oder gar vorwiegend einer fremden Rechtsordnung entnommen werden sollte, belegt der Entwurf, der allein in einer Exklusivität bestimmter (welcher wußte man selbst offenbar nicht genau) Formvorschriften sein Heil suchte und damit vergeblich an der gewohnheitsrechtlichen fakultativen Geltung der Regel "locus regit actum" rüttelte. Aus den Kommissionsentwürfen ist "... durch Beschränktheit und Unverstand der namenlosen Amtsstellen ein klägliches Machwerk geworden ..." 751 . Heute wissen wir, daß die IPR-Kommission die Hauptschuld an diesem Vorwurf Frankensteins trifft. In der Tat muß gerade für das Obligationenrecht die Kritik bezogen auf den damaligen Zustand aufrechterhalten werden. Weder wurde die Klarstellung der positivistischen Grundlage des Parteiwillens seitens der 1. Kommission aufgegriffen noch sonst ein Weg aus der vom Schrifttum angeprangerten Misere des Obligationenrechts gesucht. Daß in der Praxis keine Mißstände aufgetreten seien, konnte nur die "flexible" Handhabung der Anknüpfung durch die Rechtsprechung unter Rückgriff auf den Parteiwillen stützen, nicht aber über die Notwendigkeit einer Klarstellung der Funktion, der Erscheinungsformen und Grenzen des Parteiwillens im IPR hinwegtäuschen. Damit handelte es sich bei der Streichung des Obligationenrechts im EGBGB um eine "politische" Entscheidung im schlechtesten Sinn, motiviert durch Kompetenzfragen 752 anstelle eines dogmatisch und praxisorientierten Interes7 5 0

Vgl. Hartwieg, Gesetzgeber, S.439.

75 1

Frankenstein, Grenzrecht I, S.300.

7 5 2

Erinnert sei hier nur an die Bedenken des Auswärtigen Amtes gegen die Integration des IPR in das Rechtssystem überhaupt, vgl. bei Hartwieg/Korkisch, Geheime Materialien, S.207 f. und Hartwieg, Einführung, S.39.

150

Β · Der Parteiwille und die zwingenden Normen

ses an der sachgerechten Behandlung der Materie 753 . Ein Vorteil dieser Entscheidung kann aber darin gesehen werden, daß im Obligationenrecht weiterhin Spielraum für kritische Theorien und Neuansätze blieb, die sich auf der Grundlage des Savignyschen Prinzips und seiner Verfeinerung durch die Lehre entwickeln konnten754.

7 5 3

A.A. Hartwieg, Gesetzgeber, S.454.

7 5 4

So bereits Gebhard, Begründung, S.134 [S.6]; vgl. auch Hartwieg, Gesetzgeber, S.454.

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie im neueren IPR der Schuldverträge

§ 1. Die Überwindung der bloß materiellrechtlichen Verweisung "Es ist also wahr, daß die Doktrin zerklüftet dasteht. Und wer es nicht glaubt, mag es aus einer kurzen Analyse der obligationenrechtlichen Prinzipien entnehmen."755 So resümiert Meili resigniert, nachdem knapp ein halbes Jahrhundert seit v. Savignys richtungsweisenden Ausführungen vergangen war. Trotz der angestrengten Suche nach dem Sitz der Obligation war keine allseits zufriedenstellende Lösung gefunden. Alle erörterten Arten von objektiven Anknüpfungen waren anfechtbar. Diese Einsicht der Unpraktikabilität objektiver Anknüpfungen war die Grundlage, auf der die Diskussion über die Rolle des Parteiwillens in ein neues Stadium eintreten konnte, auf der rechtspositivistische Überlegungen eine herausragende Rolle spielen. Geht man von der zutreffenden Prämisse aus, daß das Kollisionsrecht kein Zweck an sich ist, sondern wie jedes Recht dem menschlichen Zusammenleben in der Gesellschaft dient 756 , lassen sich neben positivistischen auch wesentliche Parteiinteressen als Rechtfertigung der Parteiautnomie zusammenfassen. Diese können sich untereinander, aber auch mit rechtsspezifischen Interessen überschneiden757.

75 5 Meili, Doctrin, S.l55; ähnlich Neubecker noch 1912, IPR, S.80 über das IPR der Schuldverträge: "Hier aber herrscht der größte Streit, ein vollkommenes Tohuwabohu. Es ist keine Aussicht, daß das in nächster Zukunft besser wird." 7 5 6 7 5 7

A.A. noch Gutzwiller,

IPR, S.l539.

Daraufhat bereits Schmedirtg, Rechtswahl im Kollisionsrecht, S.305 f. bei seiner Zusammenstellung möglicher Interessen hingewiesen.

152

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

I. Die positivistische Rechtfertigung der kollisionsrechtlichen Verweisung 7. Das Zurückstellen logischer Bedenken In der von Zitelmann herausgestellten dogmatisch-logischen Unmöglichkeit einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl (da ja unklar ist, wonach die Rechtsordnung zu ermitteln sei, die eine solche gestatten könnte), sieht zuerst Neubecker 1912 kein ernsthaftes Hindernis einer kollisionsrechtlich wirkenden Rechtswahl mehr. Neubecker verurteilt die Zurückhaltung Zitelmanns gegenüber Zweckmäßigkeitserwägungen und dessen theoretischen Purismus. Nur wenn ein positives und klares Gesetz dazu zwänge, sind nach seiner Auffassung zweckwidrige Lösungen hinzunehmen. Fehlen solche Gesetze - was im deutschen Kollisionsrecht der Fall sei -, so könne auch nicht der Einwand des circulus vitiosus erhoben werden. Denn der Wille stünde nicht über dem positiven Recht, sondern gelte international "... kraft der heimatlichen Geschäftsfähigkeit und gemäß dem deutschen internationalen Privatrecht." 758 Drei Jahre später nimmt Fischer in einem Aufsatz zur Methode der Rechtsfindung im IPR direkt Bezug auf die zivilrecht-lichen Arbeiten von Ehrlich und Bülow über die Stellung des Willens in der Rechtsordnung759 und sieht aus gesetzgeberischer Sicht keinen Hinderungsgrund, neben der materiellrechtlichen Verweisung auch eine kollisionsrechtliche zuzulassen760. Der zu dieser Zeit aufkeimende Positivismus berührt den Einwand des Zirkelschlusses in zweifacher Weise: Zum einen stellt es den Willen in die Rechtsordnung (derivativer Wille) was ohne weiteres überzeugt 761. Diese Einbettung des Willens in die Rechtsordnung erklärt auch, daß ihm hinsichtlich der ihn beschränkenden Normen eine andere Qualität als im internen Recht zukommen

75 8

Neubecker, IPR, S.81 f.

7 5 9

S.o. Teil A § 3 II la).

7 6 0

Fischer, Methode der Rechtsfindung, S.131 ff., 155 ff.; auf seine Arbeit stütz sich wiederum Zimmermann, Bedeutung des Parteiwillens, 886 f.; ebenso später Melchior, Grundlagen, S.526. 761 Vgl. Mayer, Parteiautonomie, S.l 11 Fn. 5, 122; Umbricht, Immanente Schranken, S.38; Moser, Vertragsabschluß, S.l74; Curti Gialdino, Rec.Cours, S.768 ff.; Giuliano , Principe et justification, S.228; vgl. auch oben Fn. 91.

§ 1. Die Überwindung der bloß materiellrechtlichen Verweisung

153

kann, es sich somit nicht um eine Frage der Logik, sondern der Rechtspolitik handelt762. Zum anderen meint man, damit auch dem Problem der Unauffindbarkeit einer über den Umfang und die Wirksamkeit der Willenskundgebung entscheidenden Rechtsordnung Rechnung getragen zu haben. Dabei stehen prinzipiell drei Möglichkeiten zur Auswahl: die lex fori, das für den Hauptvertrag gewählte Recht oder ein eigens dafür gewähltes Recht 763 . Der Mühe einer logischen Erklärung, warum das IPR der lex fori auch die beiden letztgenannten Möglichkeiten zulassen sollte, hat sich freilich keiner der späteren Anhänger mehr unterzogen. Angesichts der intensiven Beleuchtung der Parteiautonomie durch die unübersehbare Literatur liegt der Schluß nahe, daß es keine solche Erklärungsmöglichkeit gibt 7 6 4 . Denn auch die dogmatische Durchdringung des Verweisungsvertrages hat nur dazu geführt, daß man zwischen der Erklärung der Rechtswahl und der eigentlichen Bestimmung, welches Recht maßgeblich sein soll, unterscheidet765. Daß die Gestattung der ersten Erklärung ("ich wähle eine Rechtsordnung"; Rechtswahlvertrag) durch die lex fori erfolgt, ist aus positivistischer Sicht einleuchtend, aber keineswegs logisch zwingend ist dann die heute übliche, nach dem gewählten Recht vorzunehmende Beurteilung der Wirksamkeit dieser Wahl. Heuzé hat dies jüngst im Zusammenhang mit einer Analyse der Wechselwirkungen zwischen Rechtswahlvertrag und gewähltem Recht klargestellt: Wenn das gewählte Recht die Vereinbarung selbst aufheben kann, ist dies einerseits der Beweis für die Herr7 6 2 Yntema , Autonomy, S.355 f.: "To deny this is to confuse law as a means with its practical objective - which is in sum to serve social needs. Neither the sovereign state, nor its law, is an end in itself." 76 3

Yntema , Autonomy, S.356; daß nur die lex fori den Vorwurf des Zirkels vermeidet, stellt schon Zimmermann, Bedeutung des Parteiwillens, S.895 fest (in Italien Rocca 1914, vgl. Wicki, Dogmengeschichte, S.79); zur lex fori tendiert auch Haudek, Parteiwille, S.68, 88, 94; für das Recht der vereinbarten Rechtsordnung aber bereits Mayer, Parteiautonomie, S.128; Nußbaum, IPR, S.237; mit Einschränkungen auch Melchior, Grundlagen, S.519; vermittelnd Raape, IPR 2.Aufl., S.297 (Recht der Hauptsache bei gerichtlichem Vorgehen gegen Hauptvertrag, lex fori bei reinem Angriff gegen Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung); ganz anders Högtun, Parteiautonomie, S.ll (Kombination der Wohnsitzrechte). Vgl. auch den Überblick bei Siehr, Parteiautonomie, S.493. 7 6 4

Mayer, Parteiautonomie, S.128 f. mit der pragmatischen Erklärung, der Einwand des Zirkelschlusses "... ist richtig, aber unerheblich, da es sich hier nicht um Beweisführung im logisch-philosophischen Sinne, sondern um Normsetzung und Normanwendung handelt."; so auch Yntema, Autonomy, S.356. 7 6 5

Vgl. nur Curii Gialdino, Rec.Cours, S.778.

154

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

schaft des Gesetzes über die Vereinbarung. Der Rechtswahlvertrag, der dererlei fremdes Recht zur Anwendung bringt, müßte aber andererseits selbst zwingend sein, wenn die vom gewählten Recht angeordnete Nichtigkeit als Konsequenz logisch erscheinen soll. Einen Vertrag mit zwingender Kraft kenne aber das IPR nicht, weswegen das Vertragsstatut schließlich eben doch nur wie jeder andere Vertragsinhalt aus der Sicht des Forums zu werten sei 766 . Ähnlich hat sich auch Basedow zu dem in Art. 27 IV i.V.m. Art. 31 EGBGB nunmehr kodifizierten Zirkel geäußert 767. Zwar wird die Auffassung vertreten, bei der Beurteilung der Rechtswahl nach dem gewählten Recht handele es sich nicht um eine petitio pricipii 768 . Sie überzeugt aber nur dann, wenn man die Frage, welches Recht gewählt ist, als reine Tatsachenfrage ansieht769. Dieser Auffassung ist zuzugeben, daß ein bewußtes und gewolltes menschliches Verhalten sehr wohl als Ausdruck des Willens genügt. Aber sie fordert in letzter Konsequenz auch den Verzicht auf die Existenz einer Willensmacht und Willenserklärung im juristischen Sinn für das Kollisionsrecht. Die Suche nach einem archimedischen Punkt, mit dem aus der Zirkelschlüssigkeit ausgebrochen werden kann, ohne dem Willenselement seine besondere Qualität abzusprechen, verläuft ergebnislos. Die Lehre von der kollisionsrechtlichen Verweisung muß - und kann - mit dieser logischen Ungereimtheit leben 770 . Letztere ist ein Symptom für die Beziehungen zwischen materiellem 7 6 6 Heuzé , Contrats internationaux, S. 141 f.: "En d'autres termes, la loi choisie n'a pas, ne peut pas avoir de force contraignante indépendante du pactum de lege utenda. Ce n'est que celui-ci est obligatoire qu'elle pourra elle-même obliger les parties. Et puisque cette clause du choix de la loi n'est rien d'autre qu'un contrat, la lex contractus ne peut avoir plus de valeur que celle que le for attache à tout contrat." 76 7

Basedow , Vertragsstatut, S.3 ff., 11.

7 6 8

So z.B. Markert, Grenzen der Parteiautonomie, S.32.

7 6 9 Mit dieser Konsequenz Spellenberg, Geschäftsstatut, S.232; ähnl. Neuhaus, Grundbegriffe, S.256; Mincke, Rechtswahl oder Ortswahl, S.515: "Die Wahl ist kein Rechtsgeschäft, sondern eine tatsächliche Handlung." Widersprüchlich Curti Gialdino, Rec.Cours, der zwar die Gleichsetzung von Wille und Tatsache mit guten Gründen verneint (S.861), andererseits aber auch die Existenz des Zirkels bestreitet (S.870). 7 7 0

Vgl. in diesem Sinne etwa Ferid, Abschluß von Auslandsverträgen, S.20 f.; Pak, Internationale Kaufverträge, S.7; Giuliano , Principe et justification, S.228; Yntema, Autonomy, S.356; Neumayer, Autonomie de la volonté I, S.601. Ganz grundsätzlich bestreitet Goldschmidt, Autonomìa universal, S.190 ff. die Tauglichkeit logischer Argumente, um die zentrale Frage nach Vorrang von Freiheit oder Autorität, die sich letztlich hinter der Parteiautonomie verbirgt, zu beantworten.

§ 1. Die Überwindung der bloß materiellrechtlichen Verweisung

155

Recht und IPR, das im Qualifikationsproblem stets sichtbar wird 7 7 1 . Sie ist aber auch ein Anzeichen für die fortbestehenden Verbindungslinien zwischen den beiden Verweisungsarten, ohne daß daraus freilich die Unmöglichkeit der Parteiautonomie als Instrument des Kollisionsrechts im herkömmlichen Sinn gefolgert werden kann 772 . 2. Die Distanzierung vom hypothetischen Parteiwillen als Ausdrucksform der Parteiautonomie Das subjektive Verständnis eines präsumtiven oder hypothetischen Willens der Parteien als Grundlage einer Anknüpfung war wegen der logischen Unterordnung der Autonomie unter die Rechtsordnung seiner Rechtfertigungskraft beraubt. Diesen Aspekt der Rechtfertigung der Anknüpfung an den hypothetischen Parteiwillen hatte insbesondere die Rechtsprechung seit v. Savigny in der vermeintlichen Beziehung zum wahren Willen der Parteien gesehen773. Ein Rückgriff auf eine orginäre Kraft des Willens als Argument für die Anerkennung eines hypothetischen Willens verbot sich im Kollisionsrecht seit Ende des 19. Jahrhunderts ebenso wie die Annahme, im internen Recht beruhten die dispositiven Normen auf dem vermuteten Parteiwillen 774. Auch diese rechtspositivistische Kritik, mit der die Gegner der Parteiautonomie überhaupt die Fragwürdigkeit einer auf dem Willen beruhenden Anknüpfung aufzeigen wollten 775 , wurde von den Befürwortern einer kollisionsrechtlichen Verweisung angenommen776. Sie führt sie zu einer klaren

771

Der Hinweis auf die Ähnlichkeit von Verweisungsvertrag und Qualifikationsproblem findet sich bei Markert, Grenzen der Parteiautonomie, S.31 Fn. 12; Umbricht, Immanente Schranken, S.72 f.; Funke, Mutmaßlicher Parteiwille, S.24. Daß auch die positivistische Trennung von Kollisionsrecht und materiellem Recht das logische Problem der Parteiautonomie nicht beseitigt, erkennt zu Recht Mincke, Rechtswahl oder Ortswahl, S.314 f. 7 7 2

So aber Heuzé, Contrats internationaux, S. 143.

7 7 3

S.o. Teil Β § 4.

7 7 4

Vgl. Fischer, Methode der Rechtsfindung, S.l55 und oben Teil A § 3 I.

77 5

Neumann, Vertragsgültigkeit, S.l 1 ff., 83 ff.

77 6

Mayer, Parteiautonomie, S.l 17 (Ablehnung des "erwarteten Willens" als Erscheinung der Parteiautonomie); Schnitzer, Parteiautonomie, S.307; Funke, Mutmaßlicher Parteiwille, S.26 ff. m.w.N.; offengelassen: Melchior, Besprechung Caleb, S. 176 ff., 180; deutliche Distanzierung aber bereits bei Raape, IPR II, S.257 ff.; später ebenso: Funke, Mutmaßlicher Parteiwille, S.26 ff., 108 ff.; Rempp-Krämer, Stillschweigende Rechtswahl, S. 108 ff.; Curti Gialdino, Rec.Cours, S.579 ff. Die in Fn. 480 genannten Befürworter des hypothetischen Parteiwillens müssen sich den

156

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

Trennnung zwischen dem erklärten Willen als Fall der Parteiautonomie und dem hypothetischen Willen als Gegenstand einer objektiven Anknüpfung. Nur als historischem Prius zum logischen Prius der ausdrücklichen, realen Willenserklärung der Parteien wird dem hypothetischen Willen eine wichtige Rolle zugebilligt 777 . Solange die Praxis der Gerichte die Unterscheidung aber nicht in aller Schärfe vollzogen hatte, war das Argument, man müsse "Ernst machen mit der Achtung der Judikatur als Normquelle" nicht widerspruchsfrei 778. Doch unter dem Einfluß der Lehre setzte sich auch in der Rechtsprechung des RG und später des BGH das rein objektive Verständnis des hypothetischen Parteiwillens durch 779 , und die heute von Art. 28 I i.V.m. II, III EGBGB aufgestellte Vermutung für die objektive Anknüpfung hat eine zusätzliche Distanz geschaffen. Geblieben ist das Problem, welche Anforderungen an den wirklichen - stillschweigend oder ausdrücklich erklärten - Willen zu stellen sind. Doch folgt aus der bewußten Abkehr vom hypothetischen Willen 780 und dem Wortlaut des Art. 27 I EGBGB 781 , daß ein klar bestimmbarer Wille das Korrelat der den Parteien eingeräumten weiten Wahlfreiheit ist 7 8 2 . Der Fall, daß die Parteien gar von Batiffol, Parteiautonomie, S.53 erhobenen Vorwurf des "Dualismus" gefallen lassen, der den unlösbaren Konflikt der fließenden Grenzen zwischen subjektiver und objektiven Anknüpfung in sich trage. 77 7

Mayer, Parteiautonomie, S.l 13.

7 7 8

Vgl. Mayer, Parteiautonomie, S.l 13 (Achtung der Judikatur als Normquelle) einerseits und S.l 19 (Judikatur wird dominert von hypothetischem Parteiwillen) andererseits. 779 V g i Boer, Rechtsprechung, S.36 ff.; Hartmann, Vertragsstatut, passim; Funke, Mutmaßlicher Parteiwille, S.26 ff., 108 ff. Freilich rief auch die inzwischen rein objektiv behandelte Anknüpfung an den hypothetischen Parteiwillen Kritik hervor, da der BGH an ihr im Rahmen seiner "Indizien-Regel" (Beitzke, Anm. zu BGH, JZ 1955, S.586: "Regel der Regellosigkeit") neben der Erfüllungsortanknüpfung festhielt und so die Rechtssicherheit preisgab, zumal die Grenze zwischen dem stillschweigenden (wirklichen) und dem hypothetischen (objektiven) Parteiwillen infolge der Überschneidung der relevanten Indizien fließend war; vgl. Sandrock/Steinschulte A Rdnr. 50 ff., 226; Stoll, Rechtswahlvoraussetzungen, S.202. 7 8 0

Vgl. Amtl. Begründung, BT-Drs. 10/504, S.77.

7 8 1

"... mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ..."; die Amtl. Begründung spricht von "schlüssiger Rechtswahl", a.a.O, S.77; krit. Kegel, IPR, S.396 ("Kautschuk"), Ferid/Böhmer, IPR, S.217; deutlicher ist insoweit der Wortlaut der französischen Fassung des auch der deutschen Regelung zugrundeliegenden EVÜ: "... doit résulter de façon certain ...", vgl. den Text bei Pirrung, Neuregelung des IPR, S.308. 7 8 2

Zum Erfordernis der Bestimmtheit des Parteiwillens vgl. die rechtsvergleichende Übersicht bei Giuliano , Loi d'autonomie et sa mise en oevre, S.288 ff.; bereits Högtun, Parteiautonomie, S.9 stellt die Forderung nach einer insoweit klaren und einheitlichen Normierung auf; ebenso: Pak, Internationale Kaufverträge, S.l 17.

§ 1. Die Überwindung der bloß materiellrechtlichen Verweisung

157

nichts erklären, aber auf irgend eine Weise Kenntnis vom übereinstimmenden Willen haben, bestimmte Rechtsfolgen auszulösen, dürfte - wenn überhaupt nur ganz selten praktisch werden 783. Die Auslegung unklaren Parteiverhaltens nach dem Grundsatz "im Zweifel Rechtswahl"784 oder eine rein schematische Prüfung anhand der bisherigen Indizienkataloge785 durch die Gerichte wäre mit der vom Gesetzgeber hervorgehobenen Rolle des Parteiwillens nicht zu vereinbaren und würde auch dem Anliegen der Parteiautonomie nicht zuträglich sein. Dies hat der Blick auf die Geschichte des falsch verstandenen, überzogenen Willens gelehrt. II. Die Interessen des Kollisionsrechts als Rechtfertigung 1. Die Rechtssicherheit Die Zulässigkeit der Rechtswahl durch die Parteien erhöht die Rechtsicherheit, weil für sie, aber auch für den Richter genau der Kreis der anwendbaren Normen umrissen ist. Die Parteien können ihr rechtlich erhebliches Verhalten an der gewählten Rechtsordnung ausrichten, ohne daß sie auf die weltweit unterschiedlichen objektiven Anknüpfungen zurückgreifen müssen786. Die Wahl hat dabei nicht nur die positive Wirkung, bestimmte Normen zur Anwendung zu bringen, sondern auch den negativen Effekt, alle übrigen Anknüpfungspunkte auszuschließen787. Dieser Vorteil wird verstärkt durch die Möglichkeit, eine vertraute Rechtsordnung zu wählen. Das Streben nach Rechtssicherheit hat international gesehen noch die Nebenwirkung, zu einer faktischen Vereinheitlichung des Kollisionsrechts zu führen und den internationalen Entscheidungs7 8 3 Zu dem vergleichbaren Problem in der Rechtsgeschäftslehre vgl. Bydlinsky, nomie, S.l 19.

Privatauto-

7 8 4 Vgl. die Mahnungen bei Juenger, Parteiautonomie, S.65; Sandrock, Neuregelung des IPR, S.847. Krit. zur Annahme einer "stillschweigenden" Rechtswahl durch Prozeßverhalten Buchta, Nachträgliche Rechtswahl, S.103; Schack, Rechtswahl im Prozeß, S.2740; Stauffer, Internationales Vertragsrecht und Rechtsberufung im Prozeß, S.l85 spricht von der Rechtswahl im Prozeß als einer "außergewöhnlichen Leidensgeschichte; für gerichtliche Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung der Parteien Bolka, Parteieinfluß, S.251; Schwander, Zur Rechtswahl, S.484. 7 8 5 Vgl. bei Sandrock/Steinschulte A Rdnr. 68; Curii Gialdino, Rec.Cours, S.859 Fn. 21, 860 zur Unmöglichkeit einer Alternativität von ausdrücklichem Willen und psychologisierender Indizienanknüpfung in einer Kollisionsnorm. 7 8 6

Giuliano, Principe et justification, S.234.

78 7

Curii Gialdino, Rec.Cours, S.904.

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

158

einklang zu fördern. Zwar ist prinzipiell dem Einwand Recht zu geben, auch objektive Anknüpfungen seien dazu in der Lage 788 . Allein die faktische Zugkraft des Parteiwillens, der trotz seiner zunehmenden Diversifikation noch wie ein Fels im Meer der objektiven Anknüpfungen wirkt, wurde von keiner anderen Anknüpfung erreicht 789. So ist es nicht verwunderlich, daß in allen neueren Projekten zur Vereinheitlichung des Kollisionsrechts die Rechtswahl der Parteien Priorität genießt. Auch für die Rechtsvereinheitlichung in der EG hat sich die Prognose Batiffols nicht bewahrheitet, wonach dem Willen nur im Rahmen einer "Objektivierung" der Freiheit der Parteien eine europaweite Bedeutung zukommen werde 790 . Das EVÜ von 1980 hat ihn und die "Lokalisierungstheorie" zumindest rechtstatsächlich widerlegt 791 . 2. Die Praktikabilität Beitzke hat auf die Praktikabilität als Kriterium des IPR hingewiesen, gleichzeitig aber der möglichen Folgerung, das inländische Recht zu bevorzugen, eine Absage erteilt 792 . Einer rein materiellrechtlichen Verweisung standen erhebliche Praktikabilitätserwägungen entgegen. Zum einen mußte - wollte man nicht stets die lex fori anwenden und so den Vorwurf des Heimwärtsstrebens auf sich ziehen - die ansich maßgebliche Rechtsordnung mittels einer objektiven Anknüpfung bestimmt werden. Zum anderen drohte eine "katastrophale Zerreißung", die u.U. sogar zur sog. kleinen Spaltung hinzutreten konnte 793 . Mayer hielt die damit zusammenhängende Notwendigkeit einer Abgrenzung von abdingbaren und 7 8 8

Sailer , Grundfragen, S.125; zurückhaltend auch Curti Gialdino, Rec.Cours, S.829 f.

7 8 9

Mayer, Parteiautonomie, S.120 schreibt das der Wertindifferenz der übrigen Anknüpfungspunkte zu; vgl. auch Neumayer, Autonomie de la volonté I, S.601; Umbricht, Immanente Schranken, S.51,64. 7 9 0

Batiffol,

Marché commun, S.81.

7 9 1

Zu der Kritik an der Lokalisierungstheorie vgl. Sailer , Grundfragen, S.l 15; Gamillscheg, Rechtswahl, S.315.; Högtun, Parteiautonomie, S.14; a.A.: Mincke, Rechtswahl oder Ortswahl, S.316. Curti Gialdino, Rec.Cours, S.824 ff. verneint den eigenständigen Charakter der Lokalisierungstheorie in ihrer zuletzt gezeigten Ausprägung; ebenso: Heuzé, Contrats Internationaux, S. 144 ff.; Schaack, Privatautonomie, S.22 ff. 7 9 2

Beitzke, Methodik, S.l8.

7 9 3

S.o. Teil Β § 3 IV lb.

§ 1. Die Überwindung der bloß materiellrechtlichen Verweisung

159

unabdingbaren Vorschriften für nicht durchführbar und folgerte daraus die Notwendigkeit der kollisionsrechtlichen Verweisung 794. Zwar erweist sich diese ihrer Grunderscheinung nach als in einem hohen Maße praktikabel: Als primäre Anknüpfung enthebt sie von der Suche nach der (für alle Vertragstypen einheitlichen!) "richtigen" objektiven Anknüpfung 795. Gerade gegenüber der objektiven Anknüpfung an den Erfüllungsort wird die Vermeidung der sog. kleinen Vertragsspaltung als Vorzug gesehen796, der auch in der Rechtsprechung seine Wirkung nicht verfehlte 797. Schon die Frage, nach welchem Recht die Rechtswahlvereinbarung zu beurteilen sei, läßt Zweifel an einer der kollisionsrechtlichen Verweisung immanenten Praktikabilität zu. Die oben geschilderte h.M. hat sich mit der Beurteilung nach der lex causae für den bequemsten Weg entschieden und dadurch die kollisionsrechtliche Verweisung praktikabel gemacht. Auch die Hoffnung, mit der gewählten Rechtsordnung einen Normenkörper zu haben, der als Vertragsstatut alle Fragen des zwingenden und nichtzwingenden Rechts (abgesehen vom ordre public) abdeckte, erfüllt sich angesichts der Diversifikation (dépéçage usw.) des Parteiwillens und Verlagerung der Schrankenproblematik nur scheinbar. Das Argument der Praktikabilität können daher beide Verweisungsarten in gleichem Maße für sich in Anspruch nehmen. III. Die Interessen der Parteien als Rechtfertigung 7. Die ökonomischen Interessen Im Verbund mit der Kritik an der logischen Unmöglichkeit der kollisionsrechtlichen Verweisung tauchen die ökonomischen Interessen der Parteien als 7 9 4

Mayer, Parteiautonomie, S.l 11 Fn. 5,136,138.

79 5

Schnitzer, Parteiautonomie, passim; Sailer, Grundfragen, S. 125 f.

7 9 6

Neubecker, IPR, S.83; Schnitzer, Parteiautonomie, S.325; Umbricht, Immanente Schranken, S.51, 65; Haudek, Parteiwille, S.74 sieht hingegen in der kleinen Spaltung die gerechte Durchführung des Prinzips der Parteiautonomie verwirklicht, ohne daß er deutlicht macht, wie sich diese Ausführungen mit einer ausdrücklichen Rechtswahlvereinbarung in Einklang bringen lassen. 7 9 7

In disem Sinne auch Battiffol, Marché commun, S.75. Freilich führte die Anknüpfung an den Parteiwillen in der Rechtsprechung mangels feststellbaren Parteiwillens zur Annahme eines hypothetischen Parteiwillens, der zuletzt auch als rein objektive Anknüpfung verstanden wurde, s.o. Fn. 779 zur Rechtsprechung des BHG.

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

160

positiver Rechtfertigungsgrund auf: Statt überkommener Souveränitätsgedanken seien wirtschaftliche Erwägungen vorrangig 798. Moser sieht in den Bedürfnissen des Handels "... das schlechthin entscheidende Moment der rechtspolitischen Erwünschtheit der Parteiautonomie ..." 799 . Die Schubwirkung der Industrialisierung und des damit einhergehenden verstärkten internationalen Handels müssen daher als ein weiterer Faktor für die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wachsende Bedeutung des internationalen Schuldrechts im allgemeinen und des Parteiwillens als Kollisionsregel im besonderen gesehen werden 800 . Zum Gegenstand systematischer Untersuchungen wurden wirtschaftliche Gesichtspunkte als Gestaltungsgründe von Kollisionsnormen erst seit dem Einzug der "ökonomischen Analyse des Rechts" in dieses Rechtsgebiet. Steindorff hat in einer solchen Analyse neben der traditionellen Schlüsselrolle der Autonomie im wirtschaftlichen Liberalismus zwei wesentliche Kriterien herausgestellt 801 . Zum einen belebt die Wahlmöglichkeit den Wettbewerb und schützt vor möglichen Verzerrungen. So können z.B. beim Bau einer Industrieanlage durch die Wahl einer Rechtsordnung alle Anbieter den gleichen Rahmenbedingungen unterworfen werden. Zum anderen können durch die Möglichkeit der Rechtswahl staatliche Handelshemmnisse überwunden werden, die ansonsten eine wirtschaftliche Annäherung überhaupt verhindert hätten 802 . Damit in engem Zusammenhang stehen die Vorzüge einer Rechtswahl im Hinblick auf den unterschiedlichen Spezialisierungsgrad der verschiedenen Rechtsordnungen in bestimmten Rechtsmaterien803. Die Notwendigkeit größerer Freiräume des Parteiwillens bei internationalen Transaktionen wird daher auch von Skeptikern des Parteiwillens eingeräumt 804 . Kritik an dem Rückgriff auf wirtschaftliche Erwägungen kann nur

7 9 8

Yntema, Autonomy, S.335; Sailer , Grundfragen, S. 126

7 9 9

Moser, Vertragsabschluß, S.201 [Hervorhebung im Original].

8 0 0

Vgl. Nußbaum, IPR, S.214; Umbricht, Kaufverträge, S.10.

Immanent Schranken, S.64; Pak, Internationale

80 1

Steindorff,

8 0 2

So auch Schmeding, Rechtswahl im Kollisionsrecht, S.305.

8 0 3

Curti Gialdino, Rec.Cours, S.835 f.

8 0 4

Autonomy of contracting parties, S.94 f.

Batiffol, Marché commun, S.49; gegen jegliche Sonderstellung des Parteiwillens im Hinblick auf Erfordernisse des internationalen Handels aber Heuzé, Contrats internationaux, S. 102 Fn. 35; Sailer, Grundfragen, S. 136 f.

§ 1. Die Oberwindung der bloß materiellrechtlichen Verweisung

161

gegenüber einem schrankenlosen Parteiwillen verfangen, wenn dieser das aus dem internen Recht geläufige Problem der Balance von Machtpositionen außer acht ließe 805 . Davon kann aber angesichts der anhaltenden Bemühungen um die Schranken der Rechtswahl - deren ökonomische Analyse freilich noch aussteht 806 - keine Rede sein. Auch eine Unterscheidung des Parteiwillens nach privaten und geschäftlichen Beziehungen ist vor diesem Hintergrund (ungeachtet der unvermeidlichen Abgrenzungsschwierigkeiten) nicht angezeigt. Zwar hat der Parteiwille bei bestimmten Privatrechtsgeschäften besondere Schranken erfahren 807, aber auch der internationale Handel kann nicht auf eine steuernde und schützende Funktion des Kollisionsrechts verzichten 808. 2. Die antropozentrischen Interessen Ungeachtet der Bedeutung der wirtschaftlichen Interessen für die Entwicklung hin zur kollisionsrechtlichen Verweisung kommt keine Erklärung ohne den Bezug auf den Menschen aus. Nicht nur, weil sich auch ökonomische Interessen letztlich auf menschliche Selbstbestimmungsinteressen zurückführen lassen809, sondern weil dem menschlichen Willen in der Rechtsordnung ein besonderer Wert zukommt. Auch das Kollisionsrecht kann sich dieser Einsicht nicht verschließen. Wer heute in der Rechtswahl nur eine Verlegenheitslösung sieht und eine besondere Bedeutung mit der formalistischen Begründung verneint, die Abgrenzung von Gesetzgebungssphären zwischen Staaten falle eigentlich nicht in die Kompetenz von Privatpersonen 810, setzt das Kollisionsrecht ohne Not dem Vorwurf der "Entmenschlichung" aus 811 . Zweigert hat auf die Möglichkeiten hingewiesen, die gerade der Parteiwille bietet, um dem Vorwurf der "Armut des IPR an sozialen Werten" zu begegnen812. Dabei

80 5 Flume, Rechtsgeschäft und Parteiautonomie, S.141: "Es ist das ewige Dilemma der Privatautonomie, daß sie immer wieder durch ungleiche Machtverteilung in Frage gestellt wurde." 8 0 6

Steindorff,

8 0 7

Z.B. Art. 29,30 EGBGB; vgl. unten § 2 III lb.

Autonomy of contracting parties, S. 100.

8 0 8

Batiffol,

8 0 9

Schaack, Privatautonomie, S.29 f.

Marché commun, S.54; Steindorff,

Autonomy of contracting parties, S.91,97.

8 1 0 Basedow , Vertragstatut, S.17; Keller /Schlaepfer, Parteiautonomie, S.32 f., 61 f.

Convergences, S.8; vgl. auch Kühne,

811 So schon die Klage Neubeckers, IPR, S.45: "Und das deutsche internationale Hier geht die 'Menschlichkeit' grundsätzlich unter, und es taucht die 'Staatlichkeit' auf" 8 1 2

II Pills

Zweigert, Armut des IPR, S.445.

Privatrecht?

162

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

geht es nicht darum, die vernünftigsten Ergebnisse um jeden Preis zu sichern. Schon die von Befürwortern der kollisionsrechtlichen Verweisung eingeräumte Möglichkeit einer Wahl, die zur Nichtigkeit des Vertrages führe - was gleichwohl hinzunehmen sei - belegt dies 813 . Das in diesem Zusammenhang wiederholt vorgebrachte Argument, die Parteien seien zu einem sinnvollen Gebrauch ihrer Willensmacht nicht fähig, könnte angesichts der Unzahl mangelhaft ausgearbeiteter Verträge mit gleicher Konsequenz gegen die Vertragsfreiheit insgesamt vorgetragen werden 814. Der Parteiwille stellt in der Rechtsordnung einen Wert an sich dar. Selbst ein Bekenntnis zum Parteiwillen unter Berufung auf die Neutralitätspflicht des Staates im Privatrecht entspricht deshalb nicht seiner wahren Tragweite im Kollisionsrecht 815. Richtiger ist es, mit Flessner der Autonomie eine besondere Bedeutung zuzubilligen, die unabhängig von einer bloßer Positivierung besteht 816 . Das Kollisionsrecht ist Privatrecht und dient wie dieses den Interessen der Menschen bei der Lösung ihrer Konflikte. Dabei ist der Wille kein Steuerungsinstrument im Interesse des Staates, denn die privatnützig motivierten Gestaltungsinteressen laufen nicht immer konform mit den Steuerungsinteressen der rechtsetzenden politischen Macht. Angesichts der verbleibenden Steuerungsmittel des IPR bildet diese positive Rechtfertigung auch keinen unüberwindbaren Widerspruch zu den öffentlichen Interessen817. Fest steht damit aber 8 1 3 Mayer, Parteiautonomie, S.135 Fn. 15; Nußbaum, IPR, S.239; Siehr, Parteiautonomie, S.498: "Die Parteiautonomie wird nicht nur in dem Umfang gewährt, als sie zu vernünftigen sowie einfachen Lösungen führt und den Gerichten die Rechtsfindung erleichtert. Was vernünftig, einfach und sicher ist, läßt sich nur schwer oder überhaupt nicht allgemeingültig beurteilen. Der Gesetzgeber gewährt die Parteiautonomie den Parteien zuliebe ...". A.A.: Juenger, Parteiautonomie, S.66 (unter Berufung auf Savigny, System Vili, S.249, 277 und Batiffol, Contrats, S.47: "Quoi de plus ridicule ... que d'annuler au nom de la volonté des parties ce qu'elles voulaient faire?"); vgl. auch oben bei Fn. 533. 8 1 4 Mit Recht daher gegen die Annahme der "Unfähigkeit" der Parteien Curti Gialdino, Rec.Cours, S.831 f.; vgl. auch Högtun, Parteiautonomie, S.7. 8 1 5 So aber Heini, Rechtswahl im Vertragsrecht, S.70: "Die enorme Rechtsmacht die der IPR-Gesetzgeber den Parteien durch die Befugnis zur Berufung einer Rechtsordnung erteilt, beruht auf seiner grundsätzlichen Neutralität hinsichtlich der Gestaltung pr/va/rechtlicher Beziehungen durch /V/vfl/personen." [Hervorhebung im Original]. 8 1 6 Flessner, lnteressenjurisprudenz, S.99ff. und passim; ebenso Lüderitz, Parteiinteressen, bes. S.48 ff.; Neuhaus, Grundbegriffe, S.256 f.; Sandrock, Versteinerungsklauseln, S.221; vgl. auch die Ausführungen oben Teil A § 1 II lb zur Theorie der Rechtsgeltung bei Husserl. 8 1 7 Flessner, lnteressenjurisprudenz, S.105; Sandrock, Versteinerungsklauseln, S.221: "Die Möglichkeit zur individuellen Selbstbestimmung wird den Parteien im Sinne einer Optimierung vor allem ihrer privaten Interessen nicht nur in materiellrechtlicher, sondern auch in kollisions-

§ 1. Die Oberwindung der bloß materiellrechtlichen Verweisung

163

auch das Korrelat dieser Freiheit: Die Verantwortung für das vom Willen getragene Verhalten 818. Diese Bedeutung des Parteiwillens als Strukturprinzip unserer Rechtsordnung gilt für beide Verweisungsarten und stellt einen weiteren Berührungspunkt dar, der sich nach Etablierung der kollisionsrechtlichen Verweisung aber erst wieder seinen Weg bahnen mußte. Denn die historische, von der Idee der Lokalisierung durchdrungene Funktion des Willens und das Ziel, sich über eine rein materiellrechtliche Verweisung hinwegzusetzen, hatte zunächst die Annahme zur Folge, daß sich ein abrupter, "... plötzlicher Bruch vollzieht, sobald sich die Kollisionsfrage, d.h. die Frage nach dem anwendbaren Recht, stellt" 819 . Nachdem die Freiheit errungen ist, kann der Weg einer inhaltsbestimmenden Funktion des Parteiwillens - entsprechend seiner Bedeutung im Privatrecht - auch im Bereich des Kollisionsrechts beschritten werden 820. Darin liegt der richtige Kern der Aussage, die kollisionsrechtliche Verweisung sei "... au fond nichts anderes als eine Projektion der nationalen Freiheit auf die internationale Ebene." 821

rechtlicher Hinsicht eingeräumt. Daneben - aber erst in zweiter Linie - spielen öffentliche Ordnungsinteressen eine gewisse Rolle." Zu Sonderanknüpfungen und sektoralen Einschränkungen vgl. unten § 2 III 1. 8 1 8 Diesen Gedanken der Risikoverteilung im internationalen Rechtsverkehr bringt Hoffmann, Assessment, S.223 im Zusammenhang mit Art. 8 EVÜ (= Art. 31 EGBGB) zum Ausdruck: "He who enters into négociations for contracts with an international character should be aware that his behaviour may be scrutinized according to foreign law and he should not be allowed always to fall back on his local law when foreign law is more burdensome to him." 8 1 9

So noch Mayer , Parteiautonomie, S. 126 f.; vgl. auch die Abschottungstendenz bei Haudek, Parteiwille, S.4,16 ff.; Markert, Grenzen der Parteiautonomie, S.5. Daher ist die Einbürgerung der Begriffe nicht ganz so zufällig, wie Neuhaus, Grundbegriffe, S.l69 meint: Sie fällt in die positivistische Zeit nach der Jahrhundertwende, in der die begriffliche Unterscheidung zur Abgrenzung von bereits kodifizierten Instituten wichtig erschien, vgl. Fischer, Methode der Rechtsfindung, S.889. 8 2 0

Vgl. Lorenz, Rechtswahlfreiheit, S.571.

821

Statt vieler vgl. Dölle, Rechtswahl, S.218; Neuhaus, Grundbegriffe, S.256.

164

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

I. Der Auslandsbezug

1. Der Auslandsbezug als Kriterium zur Beschränkung der wählbaren Rechtsordnungen a) Von der objektiven Verknüpfung zum legitimen Interesse Die Frage nach den Schranken des Parteiwillens stellte sich nicht erst mit der Etablierung der kollisionsrechtlichen Verweisung 822. Aber die Frage nach den Grenzen der Rechtswahl verlagerte sich zunehmend in den Bereich der Rechtsanwendungsregel selbst. So erlangt der Auslandsbezug eines Sachverhaltes für die kollisionsrechtliche Verweisung eine neue Qualität: Auf der Suche nach den allfälligen Schranken des Parteiwillens sieht man in einer objektiven Verwurzelung des Sachverhalts im gewählten Recht die Möglichkeit, einer völlig über die zwingenden Vorschriften herrschenden Willensmacht Grenzen zu setzen und so das Argument einer "schrankenlosen Autonomie" zu entkräften 823. Die objektiven Beziehungen des Sachverhaltes zur gewählten Rechtsordnung müssen eine bestimmte Dichte erreichen, sonst wird der Verweisung nur der Charakter einer materiellen Verweisung zugebilligt824. Gleichzeitig sieht man in der Wahl eines "beziehungslosen" Rechts, die als "fehlgeschlagene" Verweisung eingestuft wird, einen Weg zur Beschränkung der Parteiautonomie, die von einem Rück-

8 2 2 S.o. Teil Β § 2 und § 3 III. Unzutreffend daher Umbricht, Immanente Schranken, S.83: "In der Theorie konnte die Frage nach den Schranken der Rechtswahl erst seit der Begründung und Anerkennung der 'neuen Lehre' von der Parteiautonomie gestellt werden." 82 3 8 2 4

Philip, Mandatory Rules, S.93 f.; Lorenz, Rechtswahlfreiheit, S.570.

Haudek, Parteiwille, S.37; ähnlich Mayer, Parteiautonomie, S.126; Raape, IPR 2.Aufl., S.279 (keine Wahl einer "beziehungslosen" Rechtsordnung); Melchior, Grundlagen, S.506f. ("natürliche Beziehungen"); krit. dagegen bereits Nußbaum, IPR, S.247; zum ganzen auch Wicki, Dogmengeschichte, S.49 Fn. 1, 73 Fn. 24, 78, 83 Fn. 26.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

165

griff auf die für die Fälle der Rechtswahl "konturlose" Figur 825 der Gesetzesumgehung enthebt826. Diese Eingrenzung der Autonomie bei der Vereinbarung von beziehungslosem Recht, die von der Rechtsprechung herangezogen wurde, um die Unmaßgeblichkeit des Parteiwillens in Einzelfällen zu begründen 827, reduziert den Willen auf eine Lokalisierungsfunktion im Rahmen der vorgegebenen objektiven Bezüge828. Von da aus ist es nur noch ein Schritt zur Normierung der maßgeblichen objektiven Bezüge, wodurch der Parteiwille im Grunde zur sekundären Anknüpfung degradiert wird 8 2 9 . Aber diese Konsequenz der Lokalisierungstheorie wollte selbst Batiffol nicht. Zwar wird die freie Rechtswahl ohne Bezug zu tatbestandlich verknüpften Rechtsordnungen abgelehnt830, aber schon die Vereinbarung eines Gerichtsstandes am Ort des gewählten Rechts soll genügen, um ein subjektives "intérêt légitime" objektiv zu untermauern 831. Diese Widersprüchlichkeit konnte die Überzeugungskraft einer konsequent freien Rechtswahl nur erhöhen.

825 Das Problem der Konturlosigkeit der Gesetzesumgehung liegt nicht, wie Römer, Gesetzesumgehung, S.161 f. behauptet, in der Unklarheit der Parteiautonomie, sondern in dem untauglichen Versuch, die Kriterien einer Gesetzesumgehung direkt im Tatbestand der Kollisionsnorm "Parteiautonomie" festzumachen, s.u. bei Fn. 838. 8 2 6 So gegen die Wahl eines "beziehungslosen Rechts Römer, Gesetzesumgehung, S.l64: "Der an sich zu befürwortende Zuwachs an Parteifreiheit wäre hier zu teuer erkauft. Zwar bliebe als Zuflucht immer noch der Umgehungsbegriff; die vorbeugende Beschränkung der Parteiautonomie ist aber jedenfalls das stärkere Gegenmittel, das den Anknüpfungsversuch der Parteien ohne weiteres in den Bezirk der von vornherein mißglückten Anknüpfung verweist." Zur "fehlgeschlagenen" Verweisung mangels Auslandbezugs vgl. sogl. unten im Text bei Fn. 838. 8 2 7 Vgl. Curii Gialdino, Rec.Cours, S.877 m.w.N.; gegen die Wahl eines neutralen Rechts z.B. RG, IPR Rspr. 1929, Nr.31; OLG Hamburg, AWD 1958, S.249 f.; unklar insoweit BGH, WM 1969 S.772. 8 2 8

Zutreffend daher die Kritik von Segerath, Teilverweisung, S.l08 an Haudeks Rechtswahlverständnis. 829 V g i Kritik bei Umbricht, Immanente Schranken, S.92 f. Ein Beispiel dieses sekundären Parteiwillens ist der Art. 17 im Entwurf eines einheitlichen IPR der Benelux-Staaten, Rev.Crit. 40 (1951), S.710 ff., 41 (1952), S.165 ff., 377 ff. Für eine derartige Behandlung des Parteiwillens van Hecke, Signification et limites, S.86. 8 3 0

Batiffol , Public policy, S.71: "Extreme positions are seldom the best, and it may be asked if an unreasonable liberty is really an advantage for the contracting parties." 831

Batiffol, Public policy, S.72 f.; etwas weit hergeholt mutet freilich die in einem Beispiel gegebene Begründung an: "... the state in question seems to have no factual relation with the transaction. Nevertheless we must observe that the contract was formulated by jurists of the country

166

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

Insgesamt bleibt die Qualität der objektiven Verknüpfung unklar. Eine Beschränkung auf bestimmte Orte wird zwar weitgehend abgelehnt832, aber eine Doktrin räumlicher oder persönlicher Verknüpfungen schält sich nicht heraus, und die Frage danach ist Quelle einer erheblichen Rechtsunsicherheit833. Sie verträgt sich ebenfalls nicht mit der Rolle des Parteiwillens als primärer Anknüpfung. An die Stelle der gleichzeitig als zu eng und zu weit empfundenen Schranke einer objektiven Verknüpfung sollte deshalb nach einer weiteren Auffassung nur das "legitime Interesse" der Parteien an der Wahl einer bestimmten Rechtsordnung treten 834 . Der Vorteil wird darin gesehen, daß einerseits immanente Schranken einer jeden Rechtswahl aufgezeigt werden können, was bei Abstellen auf die bloße Internationalität eines Sachverhalts als Rechtswahlvoraussetzung nicht der Fall sei. Und nur so könne eine Umgehung durch die Parteien vermieden werden 835. Außerdem würde "... mit zunehmender Zahl der Entscheide der Kreis der wählbaren Rechte immer fester umrissen, wobei sich auch eine Differenzierung nach Vertragsarten einstellen müßte." 836 Daß sich die letztere Hoffnung nicht erfüllt hat, dürfte daran liegen, daß mit dem "legitimen Interesse" ein Tatbestandsmerkmal Eingang in die Kollisionsnorm finden sollte, dessen (in der Wirkung freilich entgegengesetzten) Pendant, des hypothetischen Parteiwillens, man sich gerade erst entledigt hatte. Denn auch das "legitime Interesse" beschränkt einen klar erklärten Willen durch ein nebulöses Forschen nach vermeintlichen Interessen. Der bereits gegen die Lokalisierung erhobene Vorwurf der "Psychoanalyse" gilt in Ansehung der Ermittlung des "legitimen Interesses" erst recht 837 .

where the arbitration will take place [sic!]. It may be said therefore that there is a connection between the contract and the country." Zu den Kritikern dieser Lehre vgl. die Nw. oben Fn. 791. 8 3 2

Van Hecke, Signification et limites, S.85; zur Bedeutung des § 10 Nr. 8 a.F. AGBGB vgl. Benderf, Vereinbarung neutralen Rechts, S.338 und Coing , Colloque, S.32. 83 3

Sailer , Grundfragen, S. 123: "... da das Damoklesschwert einer nicht näher präzisierten und präzisierbaren Generalklausel die getroffene Wahl jederzeit ihrer Wirksamkeit berauben kann."; krit. auch Lienard-Ligny, Autonomie de la volonté, S.8 f.; Högtun, Parteiautonomie, S.12. Nachweise zu obiter dicta hinsichtlich der Zulassung einer Wahl neutralen Rechts in der dt. Rechtsprechung bei Hartmann, Vertragsstatut, S.24. 8 3 4 Umbricht, Immanente Schranken, S.108 ff. m.w.N.; Schnitzer, Rec.Cours, S.588 fordert "... que la choix soit raisonnable ...". 8 3 5

Umbricht, Immanente Schranken, S.82,102 f.

8 3 6

Umbricht, Immanente Schranken, S.l 12.

8 3 7

Zu diesem Einwand gegen die Lokalisierung vgl. Moser, Vertragsabschluß, S.248.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

167

Gegenüber dem Mißbrauchshinweis bestehen Bedenken grundsätzlicher Art: Bei Gewährung von objektiv-räumlich unbeschränkter Wahlfreiheit kann die Ausübung dieser Freiheit nicht eine unzulässige Umgehung von Kollisionsnormen sein, an denen dann konsequenterweise kein "legitimes Interesse" besteht 838 . Mit anderen Worten: Man kann nicht gleichzeitig eine unbeschränkte Wahlfreiheit geben und zugleich annehmen, diese umgehe gegebenenfalls Kollisionsnormen, die sie beschränken sollen. Die Schutzfunktion des "legitimen Interesses" ist durch Sonderanknüpfungen und die Berücksichtigung von Eingriffsnormen substituiert worden 839 . b) Der Gleichlauf von Gerichtsstand und gewähltem Recht Allerdings fmdet die ursprüngliche Problemstellung, die auch Batiffol zu lösen versuchte, indem er die Frage nach den überhaupt wählbaren Rechten der Frage nach der Wahl voranstellte, immer noch Beachtung. Aus der Beziehung zwischen dem Gerichtsstand und der Rechtswahl im Hinblick auf das anwendbare Recht folgert jüngst Schaack die Notwendigkeit des Gleichlaufs 840: "Nach der hier vertretenen Gleichlaufthese liefert das Zuständigkeitsrecht die Bandbreite der wählbaren Rechtsordnungen. Die Wahl ist grundsätzlich auf die Rechtsordnungen der Staaten beschränkt, deren Gerichte für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs oder damit zusammenhängender Ansprüche zuständig sind." Dem ist zuzugeben, daß die Parteiverweisung auch in Abhängigkeit von einer Gerichtsstandvereinbarung gesehen werden muß, denn durch eine solche kann der Parteiwille in seiner Absolutheit eine Abschwächung erfahren 841. Ob dieser neuerliche Versuch, den Kreis der wählbaren Rechte einzuschränken, praktisch überhaupt gangbar ist, bleibt allerdings fraglich. Neben der diffizilen Überprüfung möglicher Gerichtsstände bereits anläßlich der

8 3 8

Tamussino, Umgehung, S.199.

8 3 9

Jackson, Mandatory rules, S.71; ähnlich über den Verzicht auf einen "Auslandsbezug" bei gleichzeitiger Zulassung von "Sonderanknüpfungen und Eingriffsnormen Stoffel, Le rapport juridique, S.434. 8 4 0 84 1

Schaack, Privatautonomie, S.41.

Rigattx, Rec.Cours, S.169ff, 175: Lehnt etwa ein angegangenes nationales Gericht die Derogationswirkung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung ab, wird es damit zugleich auch sein nationales zwingendes Recht - soweit vorhanden - gegenüber einer Rechtswahl der Parteien zur Durchsetzung bringen. Ebenso sind "Aufwertungen" der Geltung des Parteiwillens vorstellbar, etwa wenn nur das angegangene Gericht im Gegensatz zu anderen Zuständigen eine Rechtswahl für gültig erachtet.

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

168

Rechtswahl tauchen auch noch Sonderprobleme auf, wie etwa die Anwendung von Art. 27 I i.V.m. III EGBGB im Lichte einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 EuGVÜ: Das im IZVR umstrittene Problem einer Anwendung dieser Bestimmung bei Geschäften ohne internationale Bezüge würde auch die Frage einer gültigen Rechtswahl belasten842. Einer derartigen Komplizierung stehen aber besondere Vorteile nicht gegenüber. Es verbleiben nämlich die besonderen Schranken des Parteiwillens, die nach der geltenden Rechtslage für ausreichend erachtet werden 843. 2. Der Auslandsbezug als Kriterium

der Beschränkung der Rechtswahl selbst

a) Der Auslandsbezug als Voraussetzung des Kollisionsrechts Die Erkenntnis, daß die Rechtswahl nicht sinnvoll auf einen bestimmten Kreis von Rechtsordnungen beschränkbar ist, hat den Auslandsbezug im Sinne eines Sachverhalts mit nicht rein inländischen Tatbestandsmerkmalen nicht automatisch entbehrlich gemacht. Dabei könnte die sogleich unter b) zu erörternde Frage, ob die kollisonsrechtliche Verweisung einen Auslandsbezug voraussetzt, dahingestellt bleiben, wenn das Kollisionsrecht insgesamt selbst unter der Voraussetzung eines solchen stünde. Wegen der Auswirkung für das Verständnis des Parteiwillens und die Gestaltung der Kollisionsnorm ist es nicht nur ein akademisches Problem, ob das IPR nur einschlägig ist, wenn die Anwendbarkeit ausländischen Rechts durch einen Auslandsbezug zumindest möglich erscheint, oder ob es genügt, daß die Frage nach dem anwendbaren Recht aufgeworfen wird, damit sich sein Anwendungsbereich eröffnet. Daß die Diskussion diese methodischen Frage relativ jungen Ursprungs ist, wurde bereits oben dargestellt 844. Die verbreitete Auffassung 845, die auf den 842 ygj z u m Anwendungsproblem des EuGVÜ Geirrter, Ungeschriebene Anwendungsgrenzen, S.31 ff.; für die Vereinbarkeit der Gleichlaufthese mit Art. 27 III EGBGB bei großzügiger Anwendung des Art. 17 EuGVÜ Schaack, Privatautonomie, S.74. 8 4 3 Wengler, Choice of law and forum in contracts, S.201 ff. sieht in seiner Lehre von den Sonderanknüpfungen einen Schutz auch vor unerwünschten Ergebnissen einer "indirekten Rechtswahl" mittels Gerichtsstandsvereinbarungen. 8 4 4 84 5

Teil Β § 3 I.

Schurig, Kollisionsnorm, S.56 ["Allgegenwärtigkeit des Kollisionsrechts"]; ders., Symposium, S.61; Beitzke, Methodik, S.3f, 10 f.; Umbricht, Immanente Schranken, S.9 (mit Folgerungen für die kollisionsrechtliche Verweisung, S.96 ff,104 ff); Kegel, IPR, § 1 III; Jahr, Internationale

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

169

Auslandsbezug als Anwendungsvoraussetzung für das IPR verzichtet, überzeugt aus rechtsystematischen Gründen und wird allein der Funktion des Kollisionsrechts gerecht. Der Begriff der "Verbindung zum Recht eines ausländischen Staates", wie er in Art. 3 I Satz 1 EGBGB verwendet wird, kann nicht losgelöst von den kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkten bestimmt werden, da taugliche Abgrenzungskriterien nicht erkennbar sind 846 . Der Auslandsbezug verkommt so zur Floskel. Der Auftrag, gesellschaftlichen Phänomenen mit den Mitteln des Rechts zu begegnen, der auch dem IPR zukommt, kann aber nicht erreicht werden, wenn ein rein formalistisches Verständnis im Vorfeld über dessen Anwendbarkeit entscheidet. Das IPR bestimmt über die "... Relevanz einer Auslandsberührung des zu regelnden sozialen Problems .." 8 4 7 . Allenfalls könnte man bei Fehlen jeglicher Auslandsberührung sagen, daß keine Kollisionsnorm ausländisches Recht zur Anwendung berufen kann; es verbleibt nur das inländische Recht. Aber selbst dieses Ergebnis setzt eine kollisionsrechtliche Betrachtung voraus. b) Der Auslandsbezug als Voraussetzung der kollisionsrechtlichen Verweisung Nach Neumayer geht die Entdeckung des Auslandsbezuges als besonderes Kriterium des Kollisionsrechts der Verträge auf die Arbeiten von Jitta zurück 848 . Der Eingang der kollisionsrechtlichen Verweisung in die deutsche Doktrin steht von Anfang an unter der Prämisse des Auslandsbezuges: Gerade die "Internationalität" des Sachverhaltes wurde ja als Hauptgrund für das von der rein internrechtlichen Sicht der Vertragsfreiheit zu trennende Verständnis

Geltung, S.500 f.; Meyer-Sparenberg, Staatsvertragliche Kollisionsnormen, S.86 f.; Sailer, Grundfragen, S.131 f.; zurückhaltend gegenüber der Notwendigkeit eines Auslandsbezuges bei Rechtswahl auch Sonnenberger, Bemerkungen, S.379; Sandrock, Vorentwurf, S.571. A.A.: Lorenz, Struktur, S.56, 64, 87 ("gleichheitsrelevante Auslandsberührung") und ders., Zum neuen internationalen Vertragsrecht, S.310f.; Gutzwiller, IPR, S.1535; Schwind, Geistige Grundlagen, S.101; Vitta, Rec.Cours, S.54 f. 8 4 6 Meyer-Sparenberg, Staatsvertragliche Kollisionsnormen, S.86; vgl. auch Heuzé, Contrats internationaux, S. 133: "Cette condition [gemeint ist die Internationalität, der Verf.] au contaire n'a aucun sens puisque c'est la règle de conflit elle-même qui permet de décider si cette situation doit être réglementée par le droit interne du for, plutôt que par celui d'un Etat étranger qu'elle détermine précisément." 8 4 7

Diese Bedeutung des Kollisionsrechts hebt Jahr, Internationale Geltung, S.504 zutreffend

hervor. 84 8

Neumayer, Autonomie de la volonté I, S.600: Jitta, La substance des obligations, Tomme 1, La Haye 1906, S.21 ff.

170

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

der Rechtswahl genannt849. Fehlt der Auslandsbezug (oder erreicht er nicht eine gewisse Intensität), liegt danach eine "fehlgeschlagene Verweisung" vor, die nur eine rein materiellrechtliche und damit kein Problem des Kollisionsrechts sei. Daß diese Unterscheidungsfunktion nicht überbewertet werden darf, wird bei einem Fall deutlich, in dem die Parteien trotz bestehendem Auslandsbezug gleichwohl fremdes Recht nur mit materiellrechtlicher Wirkung und nur soweit es dispositiver Natur ist vereinbaren wollen, etwa weil zwingende Bestimmungen der gewählten Rechtsordnung nicht ihren Vorstellungen entsprechen und das an sich anwendbare Recht insoweit günstiger ist. Die Unterscheidung der Qualität des Parteiwillens danach, ob ein Auslandsbezug vorliegt oder nicht, kann im Streitfall zur Lösung eines derartigen Sachverhaltes nichts beitragen 850 . Die "Internationalität" hat aber auch Schrankenfunktion, die durch den Verzicht auf die Beschränkung des Kreises der wählbaren Rechtsordnung sogar noch verstärkt wird. Hinsichtlich eines fraudulösen Handelns der Parteien wird sie von Anhängern der kollisionsrechtlichen Verweisung als unverzichtbar angesehen851. Gegen eine derartige Verquickung des Arguments, man brauche einen Ansatzpunkt für die Behandlung fraudulösen Handelns, mit der Frage nach den Voraussetzungen der Parteiautonomie spricht aber, daß es sich um zwei unabhängige Institute handelt: die Frage nach der fraus legis kann nicht von der Parteiautonomie selbst beantwortet werden, wie umgekehrt das Institut des Handelns in fraudem legis nicht (grundsätzlich) die Schrankenbestimmung

8 4 9 Vgl. Haudek, Parteiwille, S.15; Mayer, Parteiautonomie, S.l 12, 126; Schnitzer, Parteiautonomie, S.308, 328 f.; Neumayer, Autonomie de la volonté I, S.599; Raape, IPR 2.Aufl., S.279; ; Moser, Vertragsabschluß, S.196; Neuhaus, Grundbegriffe, S.258 f.; Markert, Grenzen der Parteiautonomie, S.52 f. 8 5 0

Philip , Mandatory rules, S.92: "The distinction has been critizied, because in cases where there are international connections it is not very clear. ... What characterizes the private international law choice of lawfrom the substantive choice of law as distinguishedfrom the substantive choice of law is, thus, the more comprehensive character of the former. The value of the distinction should, however, not be overestimated. In cases where there are foreign elements present and private international law choice of law, therefore, is possible, it may in practice be difficult to interpret a choice of foreign law in the contract to see whether the intention of the parties has been simply to incorporate into their contract certain rules of foreign law in order to replace certain of the non-mandatory rules of the otherwise applicable law, or whether the intention has been rahter completely to replace one legal system by another." 85 1

Yntema , Autonomy, S.354; Gamillscheg , Rechtswahl, S.308; Högtun, Parteiautonomie, S.24, 43, 55; Simitis, Aufgaben und Grenzen, S.211; Kollemjn , Considérations, S.247 f.; so auch noch - unter dem Vorbehalt weiterer Forschung - Lorenz, Struktur, S.83 f. (inzwischen aber a.A., s.u. bei Fn. 878).

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

171

der Parteiautonomie sein kann 852 . Den Schutz der inländischen Rechtsordnung vor Mißbrauch dadurch ausreichend gewahrt zu sehen, daß irgendein Auslandsbezug fur die Wahl irgendeiner Rechtsordnung ausreicht, macht darüber hinaus wenig Sinn 853 . Analysen der Rechtspraxis belegen schließlich noch, daß die Fälle von Mißbrauch durch die Wahl exotischen Rechts eher in das "Kabinett des Dr. Caligari" denn in die Diskussion um die Anfälligkeit des Parteiwillens für fraudulöses Handeln gehören 854. Neben dieser Einsicht, daß das Institut der fraus legis nicht zur Schrankenbestimmung geeignet ist und so gesehen kein Vorteil aus dem Merkmal der Internationalität resultiert, sind es auch hier wieder die Abgrenzungsschwierigkeiten, die gegen die Ab-hängigkeit von kollisionsrechtlichem Parteiwillen und Auslandsbezug sprechen. Eine Definition von Sailer verdeutlicht dies. Danach ist ein Vertrag international, "... bei dem sich die Frage nach dem anwendbaren Recht ersichtlich stellt, also ein Vertrag, der Beziehungen zu zwei oder mehreren Rechtsordnungen hat." 855 Genügt etwa die Vereinbarung einer Zahlung in Fremdwährung als Auslandsbezug856? Oder die Tatsache, daß der Gegenstand des Vertrages ein Importartikel ist? Auf das Problem, das zu einer beträchtlichen Anzahl von Publikationen geführt hat, wird bei der Behandlung des Art. 27 III EGBGB zurückzukommen sein 857 . Daß das Merkmal des Auslandsbezuges keine notwendige Voraussetzung der kollisionsrechtlichen Verweisung ist, kann aus positivistischer Sicht ebenso-

8 5 2

Zu dieser Trennung der Problemkreise vgl. Curii Gialdino, Rec.Cours, S.891 und Römer, Gesetzesumgehung, S.l64 und oben im Text bei Fn. 838. 85 3

Curii Gialdino , Rec.Cours, S.857: "Autrement dit, si l'on admet que la désignation volontaire de la loi compétente ne puisse avoir un rôle qu'au cas où le rapport intéressait la vie interne d'au moins deux Etats, il ne serait guère logique d'attribuer de la valeur à la désignation que les parties feraient de la loi d'un autre Etat, à la vie interne duquel le rapport en question serait complètement étranger." 8 5 4 Junker, Freie Rechtswahl, S.3; ebenso W. Lorenz, Vom alten zum neuen internationalen Schuldvertragsrecht, S.271; Curii Gialdino, Rec.Cours, S.835 ff.; Römer, Gesetzesumgehung, S.161. 85 5

Sailer, Grundfragen, S.130 [Hervorhebungen vom Verf.].

8 5 6

Ablehenend Rigaux, Rec.Cours, S.l77, 179.

8 5 7

Vgl. z.B. Delaume, What is an international contract?, S.258 ff.; Stoffel, Le rapport juridique, S.421 ff. sowie die Nachweise bei Sailer , Grundfragen, S.131 ff. und bei Lorenz, Zum neuen inter-nationalen Vertragsrecht, S.312 Fn. 25; selbst Giuliano , Loi d'autonomie et sa mise en oevre, S.901 räumt - trotz seines Eintretens für die Beibehaltung des Merkmals - ein: "La notion est sans doute un peu floue".

172

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

wenig bestritten werden wie der historische Vorstoß, die kollisionsrechtliche Verweisung könne die zwingenden Bestimmungen der lex fori überwinden 858. Der Einwand, bei rein internen Verträgen gebe es gar keinen Konflikt, den das IPR zu lösen habe 859 , ist mit der oben a) dargestellten Auffassung nicht zu vereinbaren. Will man mit dem Parteiwillen als primärer Anknüpfung tatsächlich Ernst machen, ist die Möglichkeit der kollisionsrechtlichen Verweisung ungeachtet eines wie auch immer gearteten Auslandsbezuges des Sachverhaltes die logische Folge 860 . Sie bedeutet auch, daß dem Parteiwillen in seiner Funktion als Ausdrucksmittel einer umfassenden Gestaltungsfreiheit der Parteien besser Rechnung getragen wird, als bei dem vom Auslandsbezug abhängigen "Alles oder Nichts" 861 . c) Die Parteiautonomie in Art. 27 Absatz 1 EGBGB Durch die Kodifizierung des internationalen Schuldvertragsrechts in Deutschland im Anschluß an das EVÜ von 1980 hat die Frage nach der Möglichkeit einer kollisionsrechtlichen Verweisung auch ohne Auslandsbezug neue Bedeutung erlangt. Der in Art. 27 I EGBGB (der Art. 3 I EVÜ entspricht) niedergelegte Grundsatz der freien Rechtswahl kann - entsprechend der aufgezeigten Entwicklung - als Vollendung der kolli-sionsrechtlichen Autonomie angesehen werden, da er auf das Merkmal der "Internationalität" bewußt verzichtet. Neben dem Wortlaut der Bestimmung belegt ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des Art. 3 I EVÜ, daß der Auslandsbezug keine Abschlußvoraussetzung der Rechtswahl ist. Der in den Verhandlungen nicht unumstrittene Verzicht auf die Internationalität wurde erst durch den in Art. 3 III EVÜ aufgenommenen Kompromiß möglich, der die besondere Beachtung zwingenden Rechts bei einer Rechtswahl mit nur im Inland lokalisierten Sachverhalten sicherstellt 862.

8 5 8 Für die prinzipielle Möglichkeit einer kollisionsrechtlichen Regelung der Parteiautonomie ohne das Erfordernis "Auslandsbezug" Curti Gialdino, Rec.Cours, S.854 ff.; ebenso Schurig, Zwingendes Recht, S.222; Schwander, Zur Rechtswahl, S.477; dagegen Heuzé , Contrats internationaux, S. 132. 8 5 9

Markert , Grenzen der Parteiautonomie, S.l 1 ff.

8 6 0

So bereits Sailer , Grundfragen, S. 133, der jedoch die Unmöglichkeit der Rechtswahl bei reinen Inlandsfällen als unumstößlich ansieht und als Konsequenz von der "Rechtstheoretischen Richtigkeit des Parteiwillens als sekundärem Anknüpfungsgrund" ausgeht. 8 6 1 8 6 2

Zu dieser Konsequenz bereits kritisch Raape, IPR 2.Aufl., S.281.

Philip, Mandatory rules, S.96 f.; Lorenz, Rechtswahlfreiheit, S..569; vgl. auch Lagarde, Le nouveau droit international privé, S.294.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

173

Nach anderer Auffassung hat sich durch die Kodifizierung nichts am bisherigen Verständnis der Parteiautonomie geändert, da das EGBGB schon in Art. 3 I (und ähnlich das EVÜ in Art. 1 I) die "Verbindung zum Recht eines ausländischen Staates" voraussetze863. Giuliano findet die Beschränkung auch logisch, weil die Autonomie durch eine Regel des IPR gewährt werde 864 . Angesichts der oben dargelegten Unrichtigkeit eines deratigen IPR-Verständnisses, scheint es bereits fraglich, daß der Gesetzgeber mit der textlichen Wendung in Art. 3 I EGBGB die methodische Frage entscheiden wollte. Viel wahrscheinlicher ist und hierfür spricht auch die Übergehung des methodischen Problems in der amtlichen Begründung -, daß der Frage allenfalls begrenzt praktischer Wert beigemessen wurde. Denn ein Gericht wird nur dann auf die Bestimmungen des EGBGB zurückgreifen, wenn sich die Frage nach einem ausländischen Recht in erkennbarer Weise stellt 865 . Aber auch wenn die Verbindung gefordert sein sollte, ist sie jedenfalls durch die Wahl des Rechts selbst hergestellt 866 . Die Grundregel des Art. 27 I EGBGB kommt zur Anwendung. Beugen sich Befürworter des traditionellen Verständnisses dieser Argumentation, so verweisen sie dann auf Art. 27 III EGBGB (der inhaltsgleich mit Art. 3 III EVÜ ist), in dem sie die Kodifizierung der materiellrechtlichen Verweisung sehen867. Dagegen kann nicht schon geltend gemacht werden, eine derartige Regelung sei ein Fremdkörper im Bereich des Kollisionsrechts. Denn nicht nur, weil die materiellrechtliche Sicht historisch tatsächlich lange Zeit das Kollisionsrecht beschäftigt hat, sondern auch methodisch ist die Kodifizierung ei-

8 6 3

Für die Notwendigkeit eines Auslandsbezuges etwa Giuliano , Loi d'autonomie et sa mise en oevre, S.897; gegen diese restriktive Auffassung der Anwendungsvoraussetzung Philip, Mandatory rules, S.94. 8 6 4

Giuliano , Loi d'autonomie et sa mise en oevre, S.900 (für Art. 3 IEVÜ).

86 5

Siehr , Parteiautonomie, S.498 betont, die Frage nach der "örtlichen Beziehung" habe in der täglichen Wirklichkeit keine Bedeutung: "Die vorsichtig limitierenden Floskeln hielten den Gerichten lediglich die Möglichkeit offen, später einmal eine Rechtswahl als mißbräuchlich zu deklarieren."; ebenso für das EVÜ Philip, Mandatory rules, S.94. 8 6 6

Vgl. die Materialien bei Pirrung, Neuregelung der IPR, S.l 15: "Nur für Inlandsfälle scheidet die Anwendung des IPR von vorneherein aus ... Die Möglichkeit einer Auslandsberührung sind vielfältig. Sie kann sich bei Schuldverträgen auch allein aus einer Rechtswahl der Parteien ergeben." 8 6 7 Pocar, EG-Abkommen, S.93; Lüderitz, IPR, Rdnr. 273; Sandrock,, Neuregelung des IPR, S.846; Juenger, Parteiautonomie, S.65; Droste, Begriff der 'zwingenden Bestimmung', S.91 f.; widersprüchlich MünchKomm - Martiny Art, 27 Rdnr. 72.

174

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

ner rein materiellen Rechtswahl eine Frage des IPR 8 6 8 . Daß eine solche Norm im IPR für überflüssig gehalten wird 8 6 9 , ist daher für sich betrachtet noch kein überzeugendes Argument. Neben den aus einer derartigen Qualifizierung resultierenden praktischen Problemen 870 legt aber v.a. der allseitige Charakter der Anknüpfung den Schluß nahe, daß es sich auch bei Art. 27 III EGBGB um eine besondere Schranke des Parteiwillens handelt, die den Grundsatz der kollisionsrechtlichen Verweisung bei reinen Inlandsfällen nicht ausschließt, sondern nur in ihrer Wirkung beschränkt 871. Eine der Natur nach vergleichbare Beschränkimg, freilich von geringerem Umfang, besteht auch bei Art. 29 und 30 EGBGB. Insoweit gleichfalls Bedenken an der kollisionsrechtlichen Qualität der Parteiverweisung in den von diesen Sonderanknüpfungen geregelten Bereichen anzumelden, ist zwar konsequent, heißt aber den Parteiwillen als Instrument des Kollisionsrechts zu Grabe zu tragen 872. Die neue Konzeption des EGBGB orientiert sich zwar an einer sektoral differenzierten Schrankenziehung, schließt aber gerade eine kollisionsrechtliche Rechtswahl auch in diesen Bereichen nicht aus 873 . Legt man diese Sichtweise zugrunde, kann Art. 27 III EGBGB nicht als Beweisanzeichen dafür gelten, daß auch die Grundregel in Art. 27 I EGBGB von der Notwendigkeit eines Auslandsbezuges ausgeht874.

8 6 8 Högtun, Parteiautonomie, S.55; Curti Gialdino, Rec.Cours, S.904 f. Zur verbreiteten Gegenmeinung vgl. die Nachweise oben Fn. 156. Curti Gialdino führt aus, daß eine unterschiedliche Behandlung in der Gestattung der Abweichung von der lex fori zwar nicht auf einen qualitativen Unterschied zwischen zwingendem und nichtzwingendem Recht zurückgeführt werden könne, da ein solcher nicht bestehe. Knüpft ein Gesetzgeber aber die Materien unterschiedlich an, so sei dies zu respektieren. 8 6 9

Siehr, Parteiautonomie, S.486.

8 7 0

Siehr, Parteiautonomie, S.504 nennt die allfälligen Abgrenzungsschwierigkeiten und verweist auf die Möglichkeit von tatsächlichen Veränderungen nach Abschluß der Rechtswahlvereinbarung, die plötzlich den relevanten Auslandsbezug herstellen; ebenso Schwander, Zur Rechtswahl, S.478. 87 1

Siehr, Parteiautonomie, S.498 f.; für das EVÜ: Philip, Mandatory rules, S.95 f.

8 7 2

Nur eine materiellrechtliche Rechtswahl als Konsequenz der Bestimmung über Verbraucherverträge nimmt Lagarde, Le nouveau droit international privé, S.312 an; dagegen Siehr, Parteiautonomie, S.505. 87 3 Lorenz, Rechtswahlfreiheit, S.569 (keine Abschlußkontrolle der Verweisung, sondern nur inhalt-liche Überlagerung von deren Wirkung), 571.; Basedow, Neuregelung, S.2977; Junker, Freie Rechtswahl, S.5, 8; krit. zur Einschränkung der Rechtswahlmöglichkeit im Schweizer IPRG: Heini, Rechtswahl im Vertragsrecht, S.74 f. 8 7 4

So aber Giuliano , Loi d'autonomie et sa mise en oevre, S.897.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

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Abschließend ist zu bemerken, daß das Merkmal der "Internationalität" als Anwendungsproblem des Art. 27 III EGBGB zwar wieder auftaucht. Es wird entschärft durch den restriktiven Wortlaut, denn die besondere Schranke greift ausschließlich dann ein, wenn "... der sonstige Sachverhalt [d.h. abgesehen von der die Frage nach dem anwendbaren Recht aufwerfenden Rechtswahlvereinbarung, der Verf.] nur mit einem Staat verbunden [ist] ...". Auch die systematische Stellung verlangt die mit dem Vorzeichenwechsel verbundene enge Auslegung: Art. 27 III EGBGB stellt als Schranke eine Ausnahme zur Grundregel der unbeschränkten Wahl dar und ist als solche restriktiv auszulegen, wofür nicht zuletzt auch noch der verbleibende Bestand an Schranken (Art. 29, 30; 31; 34) spricht 875 . Zu Recht wird daher die Verbindung zu mehreren Rechtsordnungen bereits dann bejaht, wenn es den Parteien um den Abschluß von Kettenverträgen in bezug auf ein internationales Handelsgut geht 876 . Vom Ergebnis her betrachtet mag der aufgezeigte Unterschied nicht bedeutsam erscheinen877. Aus der Sicht der historischen Entwicklung des Parteiwillens ist er jedoch nicht nur folgerichtig, sondern vollzieht den von E. Lorenz beschriebenen Funktionswandel878. Die bisherigen Versuche, die Forderung 8 7 5

MünchKomm - Martiny Art.27 Rdnr. 4; Philip, Mandatory rules, S.95; Lasko, Conflict of laws in the EC, S.377; Fletcher , Conflict of laws and EC-Law, S.l 71; Sandrock, Neuregelung des IPR, S.847; unklar Schurig, Zwingendes Recht, S.222 (Überwindung des Art. 27 III EGBGB wenn "... eine Beziehung zu einem anderen Statut gefunden werden kann, die über ein kollisionsrechtliches Interesse mit dem Sachverhalt verbunden ist" [Hervorhebung im Original]); zurück haltend Lorenz, Rechtswahlfreiheit, S.575; ders., Zum neuen internationalen Vertragsrecht, S.312; Droste, Begriff der 'zwingenden Bestimmung', S.97; a.A. Hoffmann, Assessment, S.223. 8 7 6 Lasko, Conflict of laws in the EC, S.377: "Thus if a car is manufactured in Japan and exported to England, a sale in England by a distributor to a retailer should not be considered lacking in relevant non-english elements."; ebenso: W. Lorenz, Vom alten zum neuen internationalen Schuldvertragsrecht, S.271. 87 7 Schurig, Zwingendes Recht, S.222: "Die Unterscheidung zwischen kollisionsrechtlicher und sachrechtlicher Rechtswahl macht aber wenig Sinn (und ist vielleicht gar nicht durchzuführen), wenn man durch die eine ohnehin nur das erreichen kann, was man durch die andere ebenso hätte bekommen können."; zust. Droste, Begriff der 'zwingenden Bestimmung', S.93 ("nur eine optische Liberalisierung"). 87 8 Lorenz, Rechtswahlfreiheit, S.571: "Sie [gemeint ist die Rechtswahl, der Verf.] unterscheidet sich somit von den übrigen inhaltlichen Vereinbarungen der Parteien allein noch dadurch, daß die inhaltliche Ausgestaltung durch sie mit kollisionsrechtlichen Mitteln geschieht."; zustimmend Siehr, Parteiautonomie, S. 405 ("Wertungswandel"). Vgl. dazu auch Stoffel, Le rapport juridique, S.440 und allgemein zur Bedeutung dieses Funktionswandels für die Verwirklichung der EG-Grundfreiheiten Müller-Graff, Privatrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, S.17, 19. Die Zweifel von Basedow, Vertragsstatut, S.22 an einem mit Art. 27 I EGBGB verbundenen Funktionswandel gründen sich allein auf ein - hier abgelehntes (s.u. im Text bei Fn. 913) - rein materielles Konzept der Parteiautonomie im IPR.

176

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

nach einem Maximum an Freiheit und einem Optimum an Schutz in einem einheitlichen Verständnis der Parteiautonomie und ihrer Voraussetzungen lösen zu wollen, gleichen der Quadratur des Kreises. II. Die Diversifikation der Rechtswahl und der Rückgriff auf die materiellrechtliche Verweisung /. Die Teilverweisung Die Koppelung der Rechtswahl an einen Bestand zwingender Normen einer Rechtsordnung wird wegen deren Schutzfunktion für unverzichtbar erachtet. Auch das Fortbestehen der Idee von der Austauschbarkeit der Rechtsordnungen wird hier sichtbar. Dem historischen Argument, die kollisionsrechtliche Verweisung überwinde die Schranken des zwingenden Rechts879, wurde deshalb entgegnet, es sei insoweit unzutreffend, als mit der Wahl einer Rechtsordnung jedenfalls auch deren zwingendes Recht auf den Vertrag Anwendung finde 880. Ein Argument, das angesichts der raschen Diversifikation 881 des Parteiwillens keine anhaltende Überzeugungskraft haben konnte. Insbesondere durch die Zulassung der Teilverweisung im Sinne einer Teilrechtswahl durch die Parteien sehen sich auch Anhänger der kollisionsrechtlichen Verweisung zum Rückgriff auf die rein materiellrechtliche Verweisung gezwungen, wobei das Motiv einer inhaltlichen Beschränkung der Wahlfreiheit dominiert. Bei der Wahl mehrerer verschiedener Rechtsordnungen wird die Rechtswahl insgesamt nicht mehr als Kollisionsrechtliche verstanden882. Diese Handhabung der Teilverweisung hat den Vorzug, nicht gleich den ordre public in Anspruch nehmen zu müssen und so dessen Ausnahmecharakter in Frage zu stellen, wenn die Parteien eine vielschichtige Gestaltung des anwendbaren Rechts durch die Wahl verschiendener Rechtsordnungen für jeweils bestimmte Rechtsfragen ihres Vertrages zu errei8 7 9

Was Niboyet, Rec.Cours, S.26 dazu veranlaßte, die kollisionsrechtliche Verweisung als "wahres Taschenspielerkunststück" zu qualifizieren. 8 8 0

Curti Gialdino, Rec.Cours, S.779; Giuliano , Principe et justification, S.228; Segerath, Teilverweisung, S.87b Fn. 6 m.w.N. zur Theorie der "Austauschbarkeit der Rechtsordnungen". 881

Curti Gialdino, Rec.Cours, S.869 und passim.

882 ygj Haudek, Parteiwille, S.64 (Verweisung muß ein bestimmtes nationales Gepräge verleihen); Raape, IPR 2.Aufl., S.279 (kein Bedürfnis für grenzenlose Berücksichtigung); Markert, Grenzen der Parteiautonomie, S.41 (keine Atomisierung zur Ausschaltung unliebsamer Grenzen); Simitis, Aufgaben und Grenzen, S.21.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

177

chen suchen und dabei - gleichviel ob bewußt oder unbewußt - zwingendes Recht "auschalten". Außerdem erlaubt eine nur materiellrechtliche Teilrechtswahl - anders als bei bloßer Anwendung des (negativen) ordre public, der nur die zwingenden Grundsätze der lex fori berücksichtigt - das zwingende Recht der gewählten "hauptsächlichen" bzw. der mangels Rechtswahl durch objektive Anknüpfung ermittelten Rechtsordnung zur Anwendung zu bringen. In neuerer Zeit wird aber die auch die kollisionsrechtliche Teilverweisung durch die Parteien durchaus für möglich gehalten. Zwar dominieren zunächst insbesondere im Hinblick auf die durch Spaltung gefährdete Praktikabilität, die gerade ein Hauptanliegen der Parteiautonomie ist, die Stimmen, nur im Zweifel eine kollisionsrechtliche Wirkung der Teilverweisung anzunehmen883. Das Argument der Befürworter der kollisionsrechtlichen Sicht, eine materiellrechtliche Teilverweisung könne nicht die Rechtsordnung in ihrer dynamischen Entwicklung erfassen, ist historisch nicht zutreffend, da selbst mit der Qualifizierung der Rechtsnatur als "Vertragsinhalt" nichts über den Willen der Parteien, Modifizierungen stillschweigend oder ausdrücklich mit einzubeziehen, ausgesagt ist 8 8 4 . Die Neuregelung der Teilrechtswahl in Art. 27 I 3 EGBGB steht aber der automatischen Annahme einer nur materiellrechtlichen Verweisung entgegen 885 . Nur im Falle eines ausdrücklich erklärten Willens der Parteien oder nach einer Umdeutung im Fall des Scheiterns der kollisionsrechtlichen Teilverweisung sieht Schwander Raum für die materiellrechtliche Sicht 886 . Das kollisionsrechtliche Verständnis enthebt den Rechtsanwender der mitunter schwierigen Ermittlung, welche der gewählten Rechtsordnungen die "hauptsächliche" ist. Denn nur auf deren Boden kann dann eine Beurteilung der materiellrechtlichen Gestattung der Teilverweisung erfolgen. Zwar ist einzuräu-

8 8 3

"Im Zweifel" oder "in der Regel" nur materielle Teilverweisung: Melchior, Grundlagen, S.523; Roer, Rechtsprechung, S.26; Heini, Rechtswahl im Vertragsrecht, S.69; Neuhaus, Grundbegriffe, S.261; vgl. in diesem Zusammenhang bereits die Warnung von Nußbaum, IPR, S.241 vor "... einer unerträg-lichen Zerkrümelung des Schuldverhältnisses, dessen intemationalprivatrechtliche Behandlung übrigens den letzten Rest von Übersichtlichkeit verlieren würde ...". Grundsätzlich gegen die kollisionsrechtliche Verweisung daher Segerath, Teilverweisung, S.140, 147: "Vergewaltigung des Parteiwillens". 8 8 4 S.o. Teil Β § 3 IV la; zutreffend daher auch Segerath, Teilverweisung, S.10, 139 f. gegen Rabel, Conflict of Laws II, S.391 f. 88 5

Hoffmann, Inländische Sachnormen, S.262; MünchKomm - Martiny Art. 27 Rdnr. 35.

8 8 6

Schwander, Zur Rechtswahl, S.480 Fn. 42, 484.

1 Püls

178

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

men, daß auch mit dem kollisionsrechtlichen Verständnis die Probleme nicht weniger werden 887. Die damit verbundene Aufwertung des Parteiwillens als besonderes Gestaltungsmittel auch im Bereich des Kollisionsrechts ist aber nicht zu übersehen. 2. Die zeitliche Arretierung oder Veränderung des Vertragsstatuts Eine andere Frage, auf die die Gestaltungsbefugnis der Parteien Einfluß nimmt, ist die Wirkung des Vertragsstatuts in seiner zeitlichen Dimension. Zum einen ist hier an die Fälle der nachträglichen Rechtswahl zu denken. Diese Möglichkeit der zeitlich vom Vertragsschluß distanzierten Änderung des Vertragsstatuts wurde schon von Zimmermann für möglich gehalten888. Ob dabei die Parteiverweisung auf materiellrechtlichem oder kollisionsrechtlichem Wege die gewünschte Änderung herbeiführe, war nicht unumstritten 889. Aber auch insoweit hat die kollisionsrechtliche Diversifikation des Parteiwillens ihren Siegeszug fortgesetzt 890 und ist nunmehr in Art. 27 II 1 EGBGB mit Wirkung ex tunc kodifiziert. Für einen anderen Aspekt der zeitlichen Dimension hat die materiellrechtliche Verweisung ihre Bedeutung hingegen beibehalten. Denn für die kollisionsrechtliche Rechtswahl ist kennzeichnend, daß sie - abgesehen von der Teilrechtswahl - eine Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit, aber auch stets in ihrer zeitlich-dynamischen Entwicklung beruft. Die Arretierung oder Versteinerung einer Rechtsordnung durch eine entsprechende Vertragsbestimmung wird daher überwiegend als unvereinbar mit dem Wesen der kollisionsrechtlichen Verwei-

8 8 7 Gegen die Berücksichtigung etwa der zu einer vertikalen Vertragsspaltung führenden Rechtswahl spricht sich Lagarde, Le nouveau droit international privé, S.302 aus. Krit. zu Art. 3 I S.3 EVÜ auch Rigaux, Rec.Cours, S.l89 ff.; zum ganzen auch Curti Gialdino, Rec.Cours, S.883 ff.; Jayme, Dépeçage, S.262 ff. 8 8 8

Zimmermann, Bedeutung des Parteiwillens, S.896 (kollisionsrechtliche Sicht).

8 8 9

Vgl. Raape, Nachträgliche Vereinbarung des Schuldstatuts, S.l 12 ff. Für die Annahme eines materiellrechtlichen Vertrags auf der Grundlage der ursprünglichen Rechtsordnung spricht sich Pfister, Nachträgliche Vereinbarung, S.443 aus. Seine Position nähert sich im Ergebnis dadurch der kollisonsrechtlichen Sicht an, daß Pfister die Ausschaltung der zwingenden Normen der ursprünglichen Rechtsordnung zulassen will. 890 V g i Buchta, Nachträgliche Rechtswahl, S.103 und passim; Lüderitz, Wechsel der Anknüpfung, S.461.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

179

sung abgelehnt891. Als Grund wird angegeben, daß sich die Parteien bei der kollisionsrechtlichen Verweisung für eine Rechtsordnung entscheiden müssen. Jeder Staat habe aber die Machtbefugnis, sein Recht zu ändern und die Parteien, die sich darauf eingelassen hätten, könnten das nicht aus eigener Machtvollkommenheit ändern 892. Die Versteinerungsklausel soll aber im Rahmen der gewählten (und sich zeitlich fortentwicklelten Rechtsordnung) die Wirkung einer materiellrechtlichen Verweisung haben893. Nach anderer Auffassung soll einer Arretierung des Vertragstatuts im Rahmen einer weiten Parteiautonomie durchaus kollisionsrechtliche Wirkung zukommen, d.h. insbesondere die hinzutretenden zwingenden Normen der gewählten Rechtsordnung sollen gegenüber dem entgegenstehenden "versteinerten" Recht keine Wirkung entfalten. Allenfalls über die analoge Anwendung der Sonderanknüpfungen bzw. der Lehre von den Eingriffsnormen soll das geänderte Recht Berücksichtigung finden 894. Bereits aus praktischer Sicht stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit, über die Zulassung der kollisionsrechtlichen Versteinerung unerwartete Entwicklungen auszuschließen. Denn nicht jede Fortentwicklung einer Rechtsordnung ist automatisch mit Nachteilen für die Parteien verbunden. Insbesondere das weltweit verbreitete und oftmals verfassungsrechtlich abgesicherte Rückwirkungsverbot und die von Gesetzgebern eingeräumten Übergangsfristen stellen schon einen Schutz dar. Vor grob völkerrechtswidrigen Eingriffen schützt auch der ordre public des Gerichtsortes. Und zusätzlich gibt eine weit verstandene Parteiautonomie, wie z.B. in Art. 27 II EGBGB, den Parteien die

89 1

Rigaux, Rec.Cours, S.192; Batiffol, Parteiautonomie, S.50; Curti Gialdino, Rec.Cours, S.762,911 if.; MünchKomm - Martiny Art. 27 Rdnr. 21; vgl. auch Vischer, Veränderungen, S.550 m.w.N. und oben bei Fn. 567. 8 9 2 Rigaux , Rec.Cours, S.l83: "On peut comparer leur situation à celle de voyageurs qui ont pris un train dont ils ne cotrôlent pas la marche et qui à la suite d'un grève locale ou d'un accident récent, risque d'être détourné de la déstination prévue, ou, mieux encore, à celle des voyageurs spatiaux qui, après s'être déposés sur un astre, ne sauraient se soustraire au mouvement orbital qui l'amine." 89 3

Rigaux , Rec.Cours, S. 193; MünchKomm - Martiny Art. 27 Rdnr. 21; Lagarde , Le nouveau droit international privé, S.303; Pommier , Principe d'autonomie, S.286; Schwander, Zur Rechtswahl, S.480 Fn. 40. 8 9 4 Vischer, Veränderungen, S.550f, 552. Darüber hinaus hält Vischer eine sektorale Unterscheidung bei der Beurteilung für notwendig: Bei Verträgen mit "erhöhtem Sozialbezug" soll die Versteinerungsklausel nur materiellrechtliche, bei Handelskontrakten auch kollisionsrechtliche Qualität haben. Differenziert auch Sandrock, Versteinerungsklauseln, S.219 ff.

1

180

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

Möglichkeit, von einer für sie untragbar gewordenen Rechtsordnung durch nachträgliche Änderung der Rechtswahl Abstand zu nehmen. Den rechtstheoretischen Kern und den wahren Hintergrund dieser Kontroverse bildet die eng mit der zeitlichen Herrschaftsmacht der Parteien verwandte Frage 895, ob die kollisionsrechtliche Verweisung auch die Wahl eines "toten" Rechts erlaube, womit man beim Problem des "rechtsordnungslosen" Vertrages angelangt. 3. Der "rechtsordnungslose"

Vertrag

Die Frage, ob die Parteien im Rahmen einer kollisionsrechtlichen Verweisung auch eine bereits erloschene Rechtsordnung berufen können, wirft die gleiche Problematik auf wie die Wahl internationaler Rechtsgrundsätze, der in bestimmten Branchen üblichen Vertragsgrundsätze oder der "lex mercatoria": Setzt die kollisionsrechtliche Verweisung die Existenz einer den äußeren Rahmen bildenden Rechtsordnung voraus, oder, anders gewendet, ist die Bezugnahme auf solche Rechtsgrundsätze nur eine materiellrechtliche Verweisung, da es einen "rechtsordnungslosen" Vertrag nicht geben kann? Schon die Bestimmung der zur Disposition stehenden Rechtsgrundsätze variiert nach dem Kreis der beteiligten Parteien und bereitet gewisse Schwierigkeiten 8 96 , weswegen hier die "lex mercatoria" im folgenden stellvertretend für die übrigen Erscheinungen "transnationalen Rechts"897 steht. Kennzeichnend ist, daß von Teilen des Schrifttums dieses Recht im Verhältnis zu den staatlichen Rechtsquellen als autonom qualifiziert wird und dessen alleinige kollisionsrechtliche Berufung durch die Parteien als Abkehr von der bislang für notwendig erachteten Geltung nationaler Rechtsordnungen begrüßt wird 8 9 8 . Bei der Beurteilung wird jedoch nach der Praxis der Schiedsgerichte und der staatlichen Gerichte unterschieden. Während für erstere der Durchbruch der lex mer-

8 9 5

Zu den bestehenden Unterschieden vgl. Sandrock, Versteinerungsklauseln, S.228.

8 9 6

Vgl. z.B. die drei Definitionsansätze von Goldmann, Diskussionsbeitrag Colloque de Bàie, S. 194 f.: Funktional (d.h. nach dem Gegenstand der lex mercatoria), nach ihren Quellen (Handelsbräuche, Konventionen oder Entwürfe, Grundsätze aus der schiedsgerichtlichen Praxis) oder ihrem Inhalt. 89 7

Bucher, Transnationales Recht, S.l3; Heini, Rechtswahl im Vertragsrecht, S.68 ff. spricht vom "juristischen 'outerspace' ". 8 9 8

Bucher, Transnationales Recht, S.l7.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

181

catoria auch im Rahmen einer kollisionsrechtlichen Verweisung als bereits vollzogen gilt 8 9 9 , steht das überwiegende Schrifttum einer derartigen Qualität der Parteiverweisung auf staatlicher Ebene ablehnend900 oder zumindest skeptisch 901 gegenüber. Das im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit genannte Argument, die im wesentlichen rein national ausgerichteteten materiellen Rechtsordnungen genügten den Anforderungen des internationalen Rechtsverkehrs nicht mehr 902 , mutet angesichts der weiten Gestaltungsmöglichkeiten mittels der Parteiautonomie eher wie eine Kapitulation vor der mit der Freiheit gewachsenen Technizität und den verbleibenden (allerdings für das Rechtsleben nicht untypischen) Unwägbarkeiten an. Besonders aber im Hinblick auf die Bindung staatlicher Gerichte an "Recht und Gesetz" kann einer staatlichen Anerkennung der kollisonsrechtlichen Wirkung der Parteiverweisung auf transnationales Recht nicht ohne weiteres gefolgt werden. Bedenken bestehen insoweit schon deshalb, weil die lex mercatoria ihren Ursprung im Bereich des privaten internationalen Wirtschaftsrechts hat, traditionellerweise die Rechtslehre aber nur Normen als "Recht" anerkennt,

8 9 9 Vgl. Klein, Autonomie de la volonté et arbitrage, S.256 ff., 479 ff.; Lalive, Rec.Cours 1967, S.571 ff. passim; Bucher, Transnationales Recht, S.l7; Kappus, Lex mercatoria, S.31 ff.; Pommier , Principe d'autonomie, S.78, 289 ff.; krit. Wengler, Principes généraux, S.498 und passim ; Nachweise zur großzügigen Handhabung der Autonomie im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit in den Arbeiten des Institut de droit International bei Wengler, Allgemeiner Teil des IPR, S.140. Zu einer Loslösung von jeglicher Beachtung zwingenden Rechts hat diese Entwicklung schon wegen der z.T. erforderlichen Anerkennung vor staatlichen Gerichten - freilich auch nicht geführt (vgl. Bucher, a.a.O., S.l8, 36; Kappus, a.a.O., S.142; Pommier , a.a.O., S.315, weswegen der "contrat sans loi" im Schiedswesen weit weniger spektakuläre Ergebnisse hervorgerufen hat als die dogmatischen Prämissen vermuten lassen. 9 0 0

Gegen den rechtsordnungslosen Vertrag vor staatlichen Gerichten grundlegend Reimann, Rechtsordnungsloser Vertrag, passim; außerdem: Nußbaum, IPR, S.234 (es gibt keine "heimatlosen" Verträge); Neuhaus, Grundbegriffe, S.261; Schnitzer, Rec.Cours, S.560; Zweigert, Verträge zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Partnern, S. 194 ff.; MünchKomm - Spellenberg, vor Art. 11 Rdnr. 18-22; MünchKomm - Martiny, Art. 27 Rdnr. 25 ff.; Schröder, Internationales Vertragsrecht, S.20; Sandrock, Versteinerungsklauseln, S.228; Chr. v. Bar, Allgemeine Lehren, Rdnr. 103; Heini, Rechtswahl im Vertragsrecht, S.72; Pommier, Principe d'autonomie, S.70 ff.; 90 1

Wengler, Allgemeine Rechtsgrundsätze, S.l Iff.; Basedow, Vertragsstatut, S.10; Siehr, Parteiautonomie, S.501; zuversichtlich hingegen Coing, Colloque, S.4 If 9 0 2

80 ff.

Bucher, Transnationales Recht, S.l7; krit. Reimann, Rechtsordnungsloser Vertrag, S.71,

182

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

die in einer völkerrechtlich souveränen Organisationseinheit wurzeln 903 . Aus dem gleichen Grund wird seit je her auch die bloße Abwahl einer Rechtsordnung durch die Parteien nicht als Ausfluß der Parteiautonomie anerkannt 904, wenngleich Art. 6 UN-Kaufrecht jetzt immerhin die (kollisionsrechtliche) Möglichkeit der Abwahl einer Teilrechtsordnung vorsieht 905. Curti Gialdino teilt zwar nicht die Ansicht, daß die Wahl einer staatlichen Rechtsordnung stets eine Gültigkeitsvoraussetzung der Parteiautonomie als Kollisionsregel sei, vermißt aber von seinem Standpunkt des Integrationsauftrages des IPR bei der lex mercatoria den umfassend ordnenden Normenkomplex, der dann mittels einer Kollisionsnorm in das Gefüge einer anderen Rechtsordnung integriert werden müßte906. Auch wenn die lex mercatoria in Einzelfallen durchaus die Eigenschaft von "positivem" Recht besitzt907, so ist ihr Charakter als Rechtsquelle für die abschließende Beurteilung von komplexen Sachverhalten durch die Lückenhaftigkeit wieder in Frage gestellt. Es fehlt die für eine Rechtsordnung typische Kohärenz 908. Untersuchungen von Entscheidungen, in denen die lex mercatoria als lex causae berufen war, ergeben, daß entweder eine nationale Rechtsordnung die Lücken füllt und es sich schon deshalb nicht um rechtsordnungslose Verträge handelte909, oder daß nationale Rechtsgrundsätze als "Grundsätze des internationalen Rechts" präsentiert werden 910 und dies den praktischen Wert der lex mercatoria schmälert. Für Art. 27. I EGBGB wird daher z.T. gefolgert, daß die Weite der Formulierung auch 9 0 3 Coing , Colloque, S.49; Siehr, Parteiautonomie, S.501; Chr. v. Bar, Allgemeine Lehren, Rdnr. 103 ("rechtsquellentheoretisch falsch"); speziell zu der von deutschen Gerichten vorausgesetzten "Erdung" der lex mercatoria im nationalen Recht Kappus, Einzug der lex mercatoria, S.l33 ff.; ders., Lex mercatoria, S.101. 9 0 4 Schwander, Zur Rechtswahl, S. 480 (für schweizer IPRG) Lagarde, Le nouveau droit international privé, S.301 (für Art. 3 I EVÜ); krit. Batiffol, Parteiautonomie, S.51: Aus der Sicht wahrer Parteiautonomie sei diese Einschränkung inkonsequent. 9 0 5

Schlechtriem, UN-Kaufrecht, S.21.

9 0 6

Curti Gialdino, Rec.Cours, S.884; ähnl. auch Reimann, Rechtsordnungsloser Vertrag, S.53 und Rigaux, Rec.Cours, S.l81 (gegen die kollisonsrechtliche Wahl eines "toten" Rechts). 9 0 7

Coing , Colloque, S.49 ff.

9 0 8

Pommier , Principe d'autonomie, S.291.

9 0 9

Curti Gialdino, Rec.Cours, S.791 ff., 803.

9 1 0

Zu dieser Gefahr auch für den Bereich des internationalen Schiedswesens vgl. Pommier , Principe d'autonomie, S.304, 307. Drastischfiel daher schon die Einschätzung von Zweigert, Verträge zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Partnern, S.l98 aus: "Daß ein Vertrag nur aus sich selbst heraus interpretiert werden könnte, daß er 'self-regulatory' sei, ist, mit Verlaub, eine perverse Idee."; zust. Reimann, Rechtsordnungsloser Vertrag, S.61.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

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eine Vereinbarung der lex mercatoria zulasse, die hinreichende Ausprägung ihrer allgemeinen Rechtsgrundsätze aber schon für die Frage etwa nach dem wirksamen Zustandekommen einer Schiedsabrede zu bezweifeln sei 911 . Weitgehend wird die Berufung transnationalen Rechts daher nur als materiellrechtliche Verweisung verstanden912. Diejenigen Autoren, die die kollisionsrechtliche Parteiautonomie auch heute noch (oder wieder) ablehnen und den Parteieinfluß alleine auf eine Sachnorm im IPR 9 1 3 zurückführen, heben die besondere Verträglichkeit ihres Ansatzes mit der Erscheinung des "contrat sans loi" und der Berücksichtigung der lex mercatoria hervor 914 . Für sie bedeutet die "Verweisung" auf ein bestimmtes Recht nur, daß dessen Regelungen Bestandteil ihrers Vertrages werden und letztlich die gleiche Qualität wie die sonstigen Vertragsklauseln erlangen - ein Verständnis, welches an dasjenige der Mitte des 19. Jahrhunderts erinnert. Auch das Schiedswesen selbst legt zunehmend ein rein materielles Verständnis des Parteiwillens in seinen Entscheidungen zu Grunde 915. Verblüffend daran ist nicht nur der Widerspruch zu der seit der Mitte unseres Jahrhunderts zu beobachtenden gegenläufigen Entwicklung der Parteifreiheit im internen

91 1 Basedow, Vertragsstatut, S.10; restriktiver Lagarde, Le nouveau droit interational privé, S.300: Art. 3 I EVÜ erlaubt überhaupt nicht die Wahl der lex mercatoria. 9 1 2 Reimann, Rechtsordnungsloser Vertrag, S.71, 106; Rigata , Rec.Cours, S.192 ff.; Lagarde, Le nouveau droit international privé, S.301 und die oben in Fn. 900 Genannten. 9 1 3 Von der Rechtswahl als "Sachnomorm im IPR" geht Sailer, Grundfragen, S.l53 aus; ähnl. jüngst Heuzé, Contrats internationaux S.143 (unter Berufung auf A.J.E. v. Jaffey, ICLQ 23 (1974), S.32 ff.): "A l'issue de cette étude du principe d'autonomie, nous nous sommes ainsi conduit à la conclusion que celui-ci est la traduction d'une réglementation des contrats internationaux par le procédé des règles de droit international privé materiel. Les parties décrivent l'opération qu'elles entendent réaliser, soit par l'édiction de clauses expresses, soit par une référence à une loi choisie, dont elles adoptent les dispositions, soit enfin par renvoi aux usages, aux 'principes généraux', aux règles communes aux nations civilisées etc. ... Et c'est le for qui confère à cet accord sa force juridiquement obligatoire ..."; a.a.O.; S. 193 Fn. 149: "Il faut rappeler que, par cette expression [scil: droit international materiel], nous n'envisageons ici que les règles de droit international privé matériel 'indépendantes de la de la règle de conflit'." 9 1 4 Sailer, Grundfragen, S.136ff., 158; Heuzé , Contrats internationaux, S.284.; krit. dazu Pommier , Principe d'autonomie, S.70. 9 1 5 Basedow, Vertragsstatut, S.22; a.A. offenbar Bucher, Transnationales Recht, S. 14, 26, der von zwar von kollisionsrechtlicher Autonomie ausgeht, aber auf die Unmaßgeblichkeit der lex fori (und damit des staatlichen IPR) für die Schiedsgerichte hinweist.

184

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

und internationalen Bereich 916: während im internen Recht die Einschränkungen der Vertragsfreiheit an Umfang und Regelungsdichte zunehmen, dehnt sich qua Anerkennung seiner kollisionsrechtlichen Wirkung die Parteifreiheit aus. Ob deshalb für den Bereich der staatlichen Gerichte angesichts der mit einer materiellrechtlichen Behandlung des Parteiwillens notwendigerweise verbundenen Einschränkungen der lex mercatoria dem Anliegen einer dem internationalen Wirtschaftsverkehr angemessenen Parteiautonomie besser gedient ist, darf bezweifelt werden. Denn das Nebeneinander von kollisionsrechtlicher und materiellrechtlicher Verweisung verspricht derzeit nicht nur einen größeren Gestaltungsspielraum (der auch von nationalen Gerichten bisweilen anerkannt wird 917 ). Es könnte sich auch die Parteiautonomie in ihrer aktuellen und gewachsenen Erscheinung schon wegen der ihr immanenten größeren konzeptionellen Offenheit als wandlungsfähiger für künftige Diversifikationen erweisen auch was die Berücksichtigung einer erst im Werden begriffenen lex mercatoria angeht918. 4. Die Wahl eines Kollisionsrechts Weniger mit einem Rückgriff auf ein materielles Rechtswahlverständnis hat die Frage nach der Zulässigkeit der Vereinbarung eines Kollisionsrechts durch Parteivereinbarung zu tun. Aber auch hier handelt es sich um eine Beschränkung in der Ausübung der Parteiautonomie, soweit vertreten wird, den Parteien stehe eine derartige Wahlmöglichkeit nicht zu. Auf die historische Verknüpfung von Renvoi und Rechtswahl wurde bereits oben Teil Β § 3 IV 3c) eingegangen919. Nach der Etablierung der kollisionsrechtlichen Verweisung bestehen an sich keine dogmatischen Bedenken gegen

9 1 6

Dieser bereits von Reimann, Rechtsordnungsloser Vertrag, S.l04 im Zusammenhang mit der kollisionsrechtlichen Wahl der lex mercatoria konstatierte Widerspruch, der auch grundsätzlich gegen die Ausweitung der Parteiautonomie eingewandt wurde (s.u. im Text bei Fn. 928), sticht bei einem rein materiellrechtlichen Verständnis der Parteiautonomie noch mehr ins Auge. 9 1 7

Vgl. die Nachweise bei Kappus, Einzug der lex mercatoria, S.l33 ff.

9 1 8

Neue Perspekiven in Richtung auf das von Coing , Colloque, S.52 für möglich gehaltene "ius commune" ergeben sich aus den auf UNIDROIT- oder UNCITRAL-Initiativen basierenden Arbeiten zur Kodifizierung internationaler Vertragsgrundsätze, vgl. z.B. UNCITRAL, Official records of the General Assembly, Forty-third Session, Supplement No. 17 (A/43/17). 9 1 9 Zur Trennung von Renvoi und Wahl eines Kollisionsrechts aus heutiger dogmatischer Sicht vgl. auch Curti Gialdino, Rec.Cours, S.911.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

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die Wahl einer Kollisionsrechtsordnung 920 und der daraus folgenden mittelbaren Bestimmung des Schuldstatuts. Der gegenüber der lex mercatoria vorgebrachte Einwand, es sei diese Wahl nicht auf eine Rechtsordnung bezogen, verfangt hier ebensowenig wie die Bedenken der Unbestimmtheit, die gegenüber einer "floating choice" 921 oder der Bestimmung des anwendbaren Rechts durch eine Partei bzw. Dritte 922 angemeldet werden. Die auch nach der Ratio der Parteiautonomie konsequent erscheinende Möglichkeit einer derartigen Wahl 923 - schließlich ist es im Rahmen von internationalen Wirtschaftsbeziehungen vielleicht selten, aber durchaus vorstellbar, daß eine Einigung auf eine konkrete Sachrechtsordnung nicht erzielbar ist oder die Bestimmung der Sachrechtsordnung in einem Mehrrechtsstaat lieber dessen Kollisionsrecht überlassen wird - wird daher zu Unrecht abgelehnt924 oder durch Bestimmungen wie Art. 35 I EGBGB verkürzt. Auch wenn Art. 35 I EGBGB (und der gleichlautende Art. 15 EVÜ) nicht als Vermutung formuliert ist, stehen im Lichte der Grundentscheidung des EVÜ für die Zulassung einer gestaltenden Parteiautonomie einer anderen Auslegung für den Fall einer insoweit deutlichen Rechtswahl der Parteien keine Bedenken entgegen925. Auch Art. 4 II EGBGB könnte dann angesichts des spezielleren Art. 35 I EGBGB und des dahinterstehenden Ziels einer europaeinheitlichen Lösung nicht als Schranke des Parteiwillens begriffen werden 926. Schließlich gefährdet diese Sicht nicht das Ziel der Rechtsvereinheitlichung, das mit dem EVÜ verfolgt wird, denn ein europäischer Entscheidungseinklang ist bei einer Ratifizierng des EVÜ durch alle EG-Mitgliedsstaaten auch im Falle der Berufung eines europäischen Kollisionsrechts gewahrt. 9 2 0

Curti Gialdino, Rec.Cours, S.911; Bender/, Vereinbarung neutralen Rechts, S.387.

92 1

Heini, Rechtswahl im Vertagsrecht, S.68 ff.

9 2 2

Haudek, Parteiwille, S.72 nimmt in diesem Fall nur eine materiellrechtliche Verweisung an; zurückhaltend auch Raape, IPR I, S.256; bejahend hingegen MünchKomm - Martiny, Art. 27 Rdnr. 14; zum ganzen vgl. Curti Gialdino, Rec.Cours, S.880 ff.; 9 2 3 Curti Gialdino, Rec.Cours, S.911; Siehr, Parteiautonomie, S.503; Juenger, Parteiautonomie, S.67; Rigaux, Rec.Cours, S.200 (mit Hinweisen auf den Gesamtzusammenhang des EVÜ). 9 2 4 Markert, Grenzen der Parteiautonomie, S.56 f.; Segerath, Teilverweisung, S.95; nur den Charakter einer Vermutung für die Sachnormverweisung bei der Rechtswahl nimmt Graue, Rückund Weiterverweisung, S.127 an. 9 2 5

So auch MünchKomm - Martiny, Art. 27 Rdnr. 83 und Art. 35 Rdnr. 4 f.; Ferid/Böhmer, IPR, Rdnr. 6-36 und 3-99,6. 9 2 6

S.503.

So aber - unter Übergehung des spezielleren Art. 35 I EGBGB - Siehr, Parteiautonomie,

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I I I . Sonderanknüpfungen und Eingriffsnormen als inhaltliche Schranken der Rechtswahl

1. Sonderanknüpfungen a) Allgemeine Wirkung Gegen Ende der dreißiger Jahre erkannte Raape die Gefahr, die einem kollisionsrechtlichen Verständnis der Verweisung drohe, wenn es nicht gelänge, eine angemessene Berücksichtigung der "Prohibitivvorschriften" als Gegenpart zur Parteiautonomie zu erreichen. "Was ist zu tun? Die Anhänger der materiellrechtlichen bzw. sekundären Verweisung frohlocken. Man wird nach einer Lösung suchen müssen."927 Die Sorge ist berechtigt, denn die zu beobachtende Mehrung der kollisionsrechtlichen Freiheit der Parteien steht im Widerspruch zu ihrer privatrechtlichen Eindämmung, was Batiffol zu der Feststellung veranlaßt: "One may fear that the more municipal laws restrict liberty in private contracts at a time when private international law is regarded as extending it without limits, the more it will be tenting for the parties to try to escape the provisions of municipal law.... I have the feeling that such a tendency is not in the nature of things and that such an exaggeration will lead to strange results." 928 Das Bestreben, einerseits dem kollisionsrechtlich erstarkten Willen der Parteien feste äußere Schranken aufzuzeigen (die Versuche, unmittelbar die Ausübung der Rechtswahlfreiheit zu beschränken und damit den Parteiwillen in seine "Schranken" zu weisen haben sich wie oben unter I. ausgeführt als nicht tauglich erwiesen), und andererseits dem seit den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts zu beobachtenden Anwachsen staatlicher Einflußnahmen auf das nationale Privatrecht in Form "zwingender Rechtssätze"929 Rechnung zu tragen, hat die Entwicklung der Sonderanknüpfungen als eigenständige Kategorie

9 2 7

Raape, IPR I, S.253.

9 2 8

Batiffol,

9 2 9

Public policy, S.75.

Zu dieser international einheitlich ausfallenden Feststellung vgl. z.B: Lienard-Ligny, Loi d'autonomie, S.6 f. (unter Berufung auf Savatier, L'éclatement de la notion taditionelle de contrat. In: Les métamorphoses économiques et sociales du droit civil aujourd'hui, 1964); Scherrer, Geschichtliche Entwicklung, S.33, 42; Batiffol, Public policy, S.74; Sakurada, Symposium, S.142.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

187

des Kollisonsrechts beschleunigt930. Die Sonderanknüpfungen ermöglichten auch erst die Gegenposition zu der verbreiteten, aber noch immer umstrittenen Aufassung, wonach die Parteien stets alle zwingenden Normen der lex causae mitwählten931. Denn Sonderanknüpfungen als abstrakte Rechtsanwendungsregeln erlauben die besonderen Schranken nicht nur der lex causae, sondern auch der lex fori oder sogar dem Recht von Drittstaaten zu entnehmen, wie dies etwa Art. 7 EVÜ vorsieht. Die Abgrenzung der in dieser Kategorie zu beachtenden Normen nach der Zugehörigkeit zum öffentlichen oder privaten Recht vorzunehmen, beherrschten nur am Anfang (entsprechend den Ansätzen bei der Stukturierung des ordre public) die Diskussion932. Heute sind derartige Versuche der Einsicht gewichen, daß die Unterscheidung im internationalen Vergleich nicht aufrechterhalten werden kann 933 » 934 . Außerdem ist der sozial- und gesellschaftspolitische

9 3 0 Ausgehend von der Frage nach den Sonderanknüpfungen hat das grundsätzliche Problem der Berücksichtigung "zwingender Normen" seit der Mitte des 20. Jahrhunderts eine starke Beachtung erfahren, die sich in einer unüberschaubaren Flut von Publikationen niedergeschlagen hat und zu einer Vielzahl von methodisch z.T. sehr unterschiedlichen Ansätzen geführt hat.

Eine auch nur geraffte Darstellung würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Es wird daher nur auf die für das Verständnis der Entwicklung der Parteiautonomie wichtigen Gesichtspunkte einge-gangen. Im übrigen verweise ich auf die einschlägigen Untersuchungen zu diesen Thema, vgl. insbesondere Wengler, Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts; Zweigert, Nichterfüllung; Andernegg, Ausländische Eingriffsnormen; Kreuzer, Fremdstaatliche Eingriffsnormen; Kratz, Ausländische Eingriffsnorm; Erne , Drittstaatliche Eingriffsnormen; Lienard-Ligny, Loi d'autonomie, S. 10 ff.; Sailer, Grundfragen, S.6ff.; Schulte, Anknüpfungen von Eingriffsnormen, S.22 ff.; Kleinschmidt, Anwendbarkeit zwingenden Rechts, S.l72 ff.; Toubiana, Domaine, S.149 ff.; De Nova, Norme autolimitate, S.617 ff.; Gihl, Rec.Cours, S.163 ff.; Schurig, Symposium, S.55; Droste, Der Begriff der 'zwingenden Bestimmung', S.35 Fn. 120 m.w.N. [genaue bibliographische Angaben im Literaturverzeichnis]. 9 3 1 Für die "Auflockerung" Wengler, Principes généraux, S.483; Vertreter der als "Einheitslösung" bezeichneten Wahl aller zwingender Normen der lex causae ist hingegen z.B. Lippstein, Symposium, S.53; gegen die Einheitslösung und m.w.N. zum Streitstand Droste, Der Begriff der 'zwingenden Bestimmung', S.l 16 Fn. 148; 123. 9 3 2

Vgl. die Darstellung bei Batiffol , Public policy, S.79 ff.; krit. bereits Pillet , Rec.Cours, S.475: "... nous ne disons pas davantage les lois de droit public et les lois de droit privé, n'ayant aucune confiance dans le vertu de cette distinction." 9 3 3 Sakurada , Symposium, S. 142; Philip , Mandatory rules, S.84 ff.; Jackson , Mandatory rules, S.64 f. Auf die Schwankungen der Abgrenzung in ihrer historisch-zeitlichen Dimension weist Römer, Gesetzesumgehung, S.l75 hin: "Die Grenzen sind nicht immer in gleicher Weise gezogen worden. Manche Normen, die heute nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen angeknüpft werden, hat man früher kollisionsrechtlich als Privatrecht behandelt." Als Beispiel können die Devisenbestimmungen gelten. Zweifel am praktischen Nutzen einer Aufgabe der Trennung meldet hingegen Lorenz, Struktur, S.73 an.

188

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

Charakter des reinen Privatrechts erkannt worden: Auch dem zwingenden Privatrecht kann eine Steuerungsfunktion zukommen, die auf internationaler Ebene eine Beschränkung der Rechtswahl gebietet. Wird trotzdem an der Unterscheidung festgehalten, reduziert sich diese auf die Trennung nach Staatsinteressen und Interessen der Vertragsparteien 935. Die Sonderanknüpfungen stellen die Vollendung der von Lorenz beschriebenen Tendenz zur "strukturkonformen", die Allseitigkeit nicht berührenden Korrektur durch Abänderung der Kollisionsregel für bestimmte "Sachnormfelder" dar, die im (positiven) ordre public ihren Ursprung hatte 936 . Besonders die sektoral determinierten Sonderanknüpfungen des EGBGB sind Ausfluß dieser Erkenntnis, die sich im Zuge der seit einigen Jahren anhaltenden Diskussion um den "Schutz des Schwächeren" auch im internationalen Vertragsrecht durchgesetzt hat 937 . Die Sonderanknüpfung als "vertragsstatutsunabhängige Anwendung zwingender Normen" beschreitet einen Weg, der zwar nicht über die beschneidende Wirkung auf die Ergebnisse einer Rechtswahl hinwegtäuschen kann 938 . Insoweit wird einmal mehr der Parallelität in der Entwicklung von Sachrecht und internationalem Privatrecht Rechnung getragen, auch wenn die Differenzierung zugleich eine Komplizierung mit sich bringt 939 . Neben einer "Entlastung" des ordre public 940 liegt aber gerade in der Abtrennung der Frage nach den Schranken der Parteiautonomie von der Dogmatik der Verweisung und deren Voraussetzungen ein Vorzug, den man etwa in Sonderanknüpfungen der Form

9 3 4 Zu der methodischen Vereinbarkeit der Berücksichtigung des öffentlichen Rechts mit der Fragestellung des IPR Schurig, Kollisionsnorm, S.138-166; ebenso Rigaux, Rec.Cours, S.193; zurückhaltend: Heini, Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen, S.42; zum ganzen auch Kegel, The role of public law, S.29 ff. 9 3 5

So z.B. bei Droste, Der Begriff der 'zwingenden Bestimmung', S.6.

9 3 6

Lorenz, Struktur, S.74; vgl. auch Wengler, Sonderanknüpfungen, S.175 ff.

9 3 7 Zur Tendenz einer "Neuorganisation" des Schuldrechts mittels einer Sektorierung des Privatrechts (für bestimmte Zielgruppen) kombiniert mit einer bereichsspezifischen Vermehrung staatlichen zwingenden Rechts vgl. Schmidt, Vertragsfreiheit und Schuldrechtsreform, S.l3 ff. 9 3 8

Sailer , Grundfragen, S.6.; zur "Entkoppelung" bereits Wengler, Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts, S.l71. 9 3 9

Siehr, Wechselwirkungen, S.482; Kühne, IPR im 20Jahrhundert, S.312.

940 V g i Fischer, Bestimmung, S.24.; die Gefahr einer unsachgemäßen Ausweitung des ordre public als automatische Folge eines Verzichts auf das Merkmal der Internationalität war auch Hauptargument für dessen Beibehaltung, vgl. z.B. Markert, Grenzen der Parteiautonomie, S.l 1.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

189

oder Geschäftsfähigkeit traditionell bestätigt findet 941. Diese Entzerrung der Problematik trägt der bereits angesprochenen Qualitätsverschiebung des Parteiwillens im Kollsionsrecht Rechnung942. Es gilt fortan nicht eine von den Parteien getroffene Rechtswahl im internationalen Schuldvertragsrecht in Frage zu stellen, sondern eine angemessene Beschränkung ihrer inhaltlichen Auswirkung sicherzustellen und dadurch dem Vorwurf der Konturlosigkeit der Schranken entgegenzuwirken943. Die Präzisierung der Sonderanknüpfungen und ihres jeweiligen Anwendungsbereichs im Licht des grundsätzlichen Bekenntnisses zur Parteiautonomie ist die in Zukunft zu leistende Aufgabe der Schrankenbestimmung. b) Die Anwendungsgrenzen der Sonderanknüpfungen und das Verhältnis der Anknüpfungen zwingender Bestimmungen am Beispiel des Art. 29 I EGBGB aa) Von der Bedeutung der Aufgabe, die Anwendungsgrenzen944 der Sonderanknüpfungen richtig zu bestimmen (und damit den Inhalt der Parteiautonomie), existiert insbesondere für den Bereich des Art. 29 EGBGB ein eindrucksvolles Zeugnis im Rahmen der sogenannten "Gran Canaria"-Fälle 945. Bei den im wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalten war weder eine Sonderanknüpfung gemäß Art. 27 III EGBGB möglich, da es sich nicht um reine

941

Wengler, Anknüpfung des zwingenden Schuldrechts, S.l72,196 ff.

9 4 2

So ausdrücklich Hoffmann, Inländische Sachnormen, S.263; positiv zur Schrankenkonzeption des EVÜ auch Stoffel, Le rapport juridique, S.440. 9 4 3

In diesem Sinne bereits Schmeding, Rechtswahl im Kollisionsrecht, S.302.

9 4 4

Daneben besteht auch für die Sonderanknüpfungen - soweit sie anwendbar sind - das materiellrechtliche Problem der Klärung von Begriff und Inhalt der "zwingenden Normen". Hier taucht dann z.B. die historische Frage (vgl. Neumann, Vertragsgültigkeit) wieder auf, ob alle Vertragsschlußnormen "zwingend" i.S.d. Art. 27 III EGBGB sind, so Hoffmann , Assessment, S.223. Zum ganzen vgl. Droste, Begriff der 'zwingenden Bestimmung', S.l38 (bezügl. Art. 27 III EGBGB), 212 (bezügl. Art. 29 EGBGB) sowie Hoffmann, Inländische Sachnormen, S.266ff.; Schach, Privatautonomie, S.74 ff. 9 4 5

Vgl. OLG Hamm (1.12.1988), NJW-RR 1989, S.469; LG Würzburg, NJW-RR 1988, S.1324; LG Frankfurt/M., VuR 1989, S.162; LG Limburg (22.6.1988), NJW-RR 1989, S.l 19; OLG Frankfurt/M. (16.6.1989), IPRax 1990, S.239; LG Hamburg (29.3.1990), IPRax 1990, S.236; OLG Stuttgart (18.5.1990), NJW-RR 1990, S.1081; AG Lichtenfels (24.5.1989), IPRax 1990, S.235; LG Bamberg (17.1.1990), NJW-RR 1990, S.694; OLG Celle (28.8.1990), IPRax 1991, S.334; dazu eingehend Lüderitz, Internationaler Verbraucherschutz in Nöten, S.216 ff.; Ebke, Erste Erfahrungen, S.97ff. (mit Diskussion, S.l07 ff.); Droste, Begriff der 'zwingenden Bestimmung', S.212.

190

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

Inlandsfälle handelte946, noch war eine Subsumtion mit dem Wortlaut der Sonderanknüpfung in Art. 29 I EGBGB vereinbar. Da der Annahme einer Rechtsumgehung mittels Rechtswahl nicht nur die unscharfen Konturen der fraus legis 9 4 7 , sondern auch die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers für eine freie Rechtswahl entgegenstanden, konzentrierten sich die Lösungen zunächst auf die Frage einer analogen Anwendung der Sonderanknüpfung. Diese wird jedoch unter Hinweis auf den abschließenden Charakter des Art. 29 EGBGB und seiner Entstehungsgeschichte im Rahmen des EVÜ verneint 948. Es zeigt sich, was oben bereits angedeutet wurde: die Verwirklichung eines optimalen Schutzes im internationalen Rechtsverkehr bei gleichzeitiger maximaler Freiheit der Parteien ist nicht zu realisieren. Die Sonderanknüpfung hat zwar die Schutzfunktion, die bislang im Bereich der immanenten Schranken der Rechtswahl selbst angesiedelt war, übernommen und ausgebaut. Ungeachtet der in den genannten Fällen noch heranzuziehenden Schranke des Art. 34 EGBGB und des ordre public bleibt aber die Verantwortung auch der als Verbraucher agierenden Partei bestehen949. Sie könnte ihr nur um den Preis ihrer Mündigkeit im internationalen Verkehr abgenommen werden. bb) Wegen des Günstigkeitsprinzips in Art. 29 I (entsprechend für Art. 30 I EGBGB) stellt sich darüber hinaus ein Abgrenzungsproblem zu Art. 27 III EGBGB: Gilt bei einem homogen verknüpften Sachverhalt, auf den Art. 27 III EGBGB anzuwenden ist, nur das objektiv verknüpfte Recht oder auch das zwingende verbraucherfreundliche Recht der gewählten Rechtsordnung? Nach der oben dargelegten Konzeption der Parteiautonomie in der Neuregelung erfaßt auch die Rechtswahl, die in ihren Wirkungen von Art. 27 III EGBGB beschränkt wird, die gesamte gewählte Rechtsordnung, also auch deren verbraucherschützende zwingende Bestimmungen. Treten diese in Widerspruch zu zwingenden Bestimmungen mit geringerem Schutzumfang, so entspricht es der in Art. 29 I EGBGB zum Ausdruck gekommenen rechtspolitischen Zielsetzung des Gesetzgebers, das günstigere Recht anzuwenden und so den Verbrau9 4 6 Gegen eine analoge Anwendung des Art. 27 III EGBGB bei reinen EG-Sachverhalten MünchKomm - Martiny Art. 27 Rdnr. 67. 9 4 7

Mankowski, Zur Analogie, S.305; s.o. Fn. 838.

9 4 8

Lorenz, Rechtswahlfreiheit, S.572; Mankowski, Zur Analogie, S.310 ff.; Ebke, Erste Erfahrungen, S.97 f. 9 4 9

Für die Akzeptanz dieses Restrisikos um der Wahrung der Parteiautonomie als Grundsatz willen: Junker, Freie Rechtswahl, S.9 ("Dann können wir dem Spanienurlauber, wenn es an den Merkmalen des Art. 291 EGBGB gebricht, das letzte Abenteuer nicht nehmen."); ähnl. für Versicherungsverträge: Roth, International free trade, S.270.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

191

cherschutz zu effektuieren. Diese von Schurig 950 befürwortete Interpretation ist aber nur dann schlüssig, wenn man das hier vertretene Konzept der Parteiautonomie zugrundelegt. Denn wäre bei den in Art. 27 III EGBGB beschriebenen Fällen nur die materiellrechtliche Rechtswahl einschlägig, könnte das Günstigkeitsprinzip nicht ohne Systembruch herangezogen werden, da Art. 29 I EGBGB in jedem Fall von einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl ausgeht. cc) Daß sich hinter den sozialpolitisch motivierten Sonderanknüpfungen in den Art. 29 und 30 EGBGB auch das Ziel der Berücksichtigung von "Eingriffsnormen" verbergen kann, hebt Schurig zutreffend hervor 951 . Somit stellt sich auch die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen den allgemeinen inhaltlichen Schranken der Rechtswahl, die im Wege der sektoralen Sonderanknüpfung eingeführt wurden, und den "Eingriffsnormen" im übrigen 952 . Es geht hier insbesondere um den Fall, daß die Sonderanknüpfung in Art. 29 I EGBGB bereits tatbestandsmäßig nicht vorliegt und sich die Frage stellt, ob eine Verbraucherschutznorm die "Eingriffsschwelle" des Art. 34 EGBGB erreicht und deshalb doch noch das Vertragsstatut abändern kann. Theoretisch richtig, aber nicht schon praktisch zwingend ist insoweit das Argument, es sei systematisch ausgeschlossen, die Voraussetzungen des Günstigkeitsvergleichs nach Art. 29 EGBGB vor der Frage der Geltung von Eingriffsnormen zu untersuchen; dagegen verstieße man aber, fielen auch Verbraucherschutznormen unter Art. 34 EGBGB 953 . Das Argument ist deshalb nicht praktisch zwingend, weil Art. 34 EGBGB insbesondere dann herangezogen wird, wenn Art. 29 EGBGB tatbestandlich nicht einschlägig ist. Außerdem sind nicht alle Verbraucherschutznormen per definitionem "Eingriffsnormen" i.S.d. Art. 34 EGBGB 954 . Anders ausgedrückt: Allein die Qualifizierung als "Verbraucherschutznorm" sagt noch nichts über eine darüber hinaus mögliche besondere "Eingriffsqualität 11 aus, weswegen die Überprüfung am Maßstab des 9 5 0 Schurig, Zwingendes Recht, S.226; a.A.: Droste, Der Begriff der 'zwingenden Normen', S.217 ff. (freilich mit der Einschränkung, daß das zwingende inländische Recht i.R.d. Art. 27 III EGBGB regelmäßig Abweichungen zugunsten der schwächeren Partei hinnehmen wird). 95 1 Schurig, Zwingendes Recht, S.224, 247: Nur wegen der durch Art. 29 I und 30 I EGBGB verwirklichten (teilweisen) objektiven Anknüpfung könne die Frage unterbleiben, ob es sich um die Problematik der Eingriffsnormen handele. 9 5 2

Junker, Freie Rechtswahl, S.4.

9 5 3

Junker, Freie Rechtswahl, S.9.

9 5 4

A.A. jedoch Hoffmann , Inländische Sachnormen, S.266, der stets Art. 34 EGBGB für Verbraucherschutznormen i.w.S. anwenden will.

192

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

Art. 34 EGBGB möglich bleibt und bleiben muß. Aus gleichem Grund erscheint es bedenklich, allein aus der Existenz der Sonderanknüpfung eine Sperrwirkung zu folgern 955 , zumal die Sonderanknüpfung a priori geringere Anwendungsvoraussetzungen als der dem ordre public nahestehende Art. 34 EGBGB, dafür aber auch einen engeren Anwendungsbereich hat. Die Abgrenzung kann daher de lege lata nicht pauschal für den gesamten Bereich des Verbraucherschutzes geleistet werden 956. Die im Einzelfall vorzunehmende Untersuchung hat als Leitlinien den IPR-fremden Charakter des Art. 34 EGBGB zu beachten und die damit verbundene Störung des internationalen Entscheidungseinklangs957. Die Forderung nach einem vom Gesetzgeber gewollten und im Gesetz zum Ausdruck gekommenen "Eingriffsbefehl" trägt daher der notwendigen restriktiven Handhabung durchaus Rechnung, ohne einzelne Sachnormfelder völlig auszuschließen. In der Tatsache, daß dieser Ansatz für eine Präzisierung und Weiterentwicklung von Sonderanknüpfungen in Anlehnung an das Sachrecht offen ist 9 5 8 , besteht schließlich ein erheblicher Vorzug gegenüber dem ordre public, der freilich in Ausnahmesituationen (neben und trotz) der Sonderanküpfungen beachtlich ist. 2. Eingriffsnormen Über die konkreten Sonderanknüpfungen hinaus wird auf verschiedenste Weise zwingenden Normen der lex causae, aber auch statutsfremden Rechtsordnungen Einlaß gewährt. Da die Begriffe und die damit verbundenen Konzeptionen wuchern 959, hat sich eine Unterscheidung danach eingebürgert, aus

9 5 5 So z.B. Grundmann, Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen, S.2 f.; Chr. v. Bar, Allgemeine Lehren, Rdnr. 261; a.A.: Hoffmann , Inländische Sachnormen, S.264; Giuliano/Lagarde, Bericht, S.382. 9 5 6

Im Ergebnis ebenso Droste, Der Begriff der 'zwingenden Bestimmung', S.218 f., der zwar von einem Vorrang der Eingriffsnormen i.S.d. Art. 34 EGGB ausgeht, aber ein feststehendes Rangverhältnis i.S. einer "Spezialität" ablehnt: "Es liegt vielmehr der Fall vor, daß sich zwei verschiedene Tatbestände teilweise überschneiden, und es ist durch Auslegung zu ermitteln, ob ihr Überschneidungsbereich die eine oder die andere Bestimmung verdrängen will." 9 5 7

Zutreffend Junker, Freie Rechtswahl, S.9.

958 Ygj u n t e n 5 e j Fn. 966: Die Ausweisung der als zwingend verstandenen Rechtsnormen erfolgt durch eindeutige Erklärung des Gesetzgebers, was einen Gewinn an Rechtssicherheit bringt. 9 5 9 Droste, Der Begriff der 'zwingenden Norm', S.4; gegen die pauschalen Definitionsversuche der "Eingriffsnormen" zutreffend Schurig, Zwingendes Recht, S.228: "Eine Definition ist weder möglich noch nötig. Denn eine Norm wird nicht auf besondere Weise kollisionsrechtlich ange-

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

193

welcher Rechtsordnung die Eingriffsnormen stammen. So wird danach unterschieden, ob es sich um Eingriffsnormen des Vertragsstatuts selbst, der lex fori (wenn diese nicht Vertragsstatut ist) oder eines Drittstaates handelt960. Innerhalb dieser Kategorien wird die Diskussion um die Frage, des "ob" einer Berücksichtigung und des richtigen methodischen Ansatzes für eine Beachtung geführt. Sie ist an die Stelle der Fragestellung des 19. Jahrhunderts getreten, bei der noch stärker das Problem der räumlichen Beziehung für die Ermittlung der richtigen Schranken im Zentrum der Überlegungen stand. Die Vorstellung einer mehr oder weniger starren Anknüpfungsregel der Eingriffsnormen ist dabei der Suche nach der im konkreten Fall "richtigen" Schranke gewichen. Auf diese Weise hat die Lehre Brainerd Curries vom "governmental interest" auch für das europäische Kollisionsrecht Bedeutung erlangt 961. Die methodischen Wege sind aber, wie gesagt, uneinheitlich. Da man mit dem Rückgriff auf den klassischen ordre public nicht alle Fälle von "erwünschten" Eingriffsnormen erfassen kann, andererseits auch eine Korrektur über das Sachrecht nicht als adäquat erachtet wird, soll ein "ordre public universel" den Weg für die Berücksichtigung ausländischer Eingriffsnormen darstellen962. Nach anderer Auffassung bieten allseitige Kollisionsnormen (oder wenigstens potentiell allseitige Kollisonsnormen 963) für ausländische Eingriffsnormen die richtige Anwendungsgrundlage964. Das EVÜ hat sich in Art. 7 für eine Generalklausel entschieden, was durchaus als Fortschritt begrüßt wird 9 6 5 . Den fließenden Übergang von solchen Generalklauseln zu echten knüpft, weil sie 'Eingriffsnorm' ist; sie ist allenfalls Eingriffsnorm, weil man sie auf besondere Weise kollisionsrechtlich anknüpft." 9 6 0

Vgl. Lorenz, Rechtswahlfreiheit, S.572, 578 ff.; Schurig, Zwingendes Recht, S.233 ff.; Siehr, Parteiautonomie, S.504 ff. 96 1

Heini, Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen, S.38; ähnlich Jackson, Mandatory rules, S.68. 9 6 2

Lienard-Ligny, Loi d'autonomie, S.33; ihr folgend Heini, Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen, S.44. Zur rein tatsächlichen Beachtung ausländischen Rechts: Zimmermann, Ausländisches Wirtschaftsrecht, S.65 ff. 9 6 3

Schurig, Symposium, S.59; ders., Zwingendes Recht, S.247.

9 6 4

Toubiana, Domaine, S.258 ff.; krit. Heini, Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen, S.42; van Hecke, Signification et limites, S.89 f. 9 6 5

Vgl. Max-Planck-Institut, Stellungnahme, S.670; Lagarde, Le nouveau droit international privé, S.325; Jackson, Mandatory rules, S.76; krit. bezüglich der Assimilierung von "lois d'application immédiate" und "lois de police" im EVÜ Pommier, Principe d'autonnmie, S.l89 f., 192: Erstere stellten das Prinzip der Autonomie grundlegend in Frage, weshalb die formale Unterscheidung aufrechtzuerhalten sei. 13 Püls

194

C. Der Funktionswandel der Parteiautonomie

Sonderanknüpfungen - und damit die Möglichkeit einer Konturierung - belegt ein Hinweis von Lagarde auf einfranzösisches Gesetz, das die im Rahmen von Art. 7 II EVÜ für zwingend erachteten nationalen Rechtsnormen festhält 966. So uneinheitlich die Methoden, so unterschiedlich fallen dann auch im Einzelfall die Qualifizierungen einer zwingenden Rechtsvorschrift als Eingriffsnorm aus 967 . Hier wird das Problem der territorialen Begrenztheit der Eingriffsgesetze offenbar: es fehlt für deren Qualifizierung an einer übergeordneten Instanz, so daß stets nur der Rückgriff auf das nationale Recht bleibt 968 . Die Hoffiiung auf Rechtsvereinheitlichung in den Fragen der Eingriffsnormen ist als gering einzustufen. Im Hinblick auf die EG weist Steindorff allerdings überzeugend auf den Zusammenhang zwischen effektiver Rechtswahlfreiheit und einem Mindestbestand an durch Rechtsangleichung geschaffenen Schutzvorschriften hin. Wo gravierende Unterschiede im sozialen Schutz fortbestehen, kann dies nicht ohne Einfluß auf den Umfang der Wahlfreiheit bleiben 969 . Die hier angedeuteten Probleme einer noch in vollem Flusse befindlichen Entwicklung verdeutlichen, daß ungeachtet der bereits erzielten Fortschritte im Umgang mit den "streng positiven Gesetzen" die Qualität ihrer ständig neu zu leistenden Präzisierung über die künftige Bedeutung der Parteiautonomie entscheiden wird 9 7 0 . Wenn etwa Heuzé jüngst die methodischen Schwierigkeiten einer Berücksichtigung der "lois de police" als Folge des kollisionsrechtlichen Verweisungsverständnisses einstuft und für dessen Abschaffung zugunsten einer materiellrechtlichen Grundlegung der Rechtswahl (Sachnorm im IPR) eintritt 9 7 1 , gewinnen die Bilder von der Totenglocke, die für die Parteiautonomie

9 6 6

Lagarde, Le nouveau droit international privé, S.325 (mit Verweis auf Art. 10 de la loi no. 89-1009 du 31 dèe. 1989). Der Gewinn an Rechtssicherheit wiegt die von Lagarde geäußerten Bedenken auf. 967 V g i dj e Nachw. bei Schurig,, Zwingendes Recht, S.226 und die Zusammenstellung bei Droste, Der Begriff der 'zwingenden Bestimmung', S. 143-195. 9 6 8

Neumayer, Autonomie de la volonté I, S.603.

9 6 9

Steindorff, Autonomy of contracting parties, S.99. Nur vor diesem Hintergrund der Rechtsangleichung verfängt die von Batiffol, Marché commun, S.77 erhobene Forderung einer wechselseitigen Beachtung zwingender Gesetze der Mitgliedsstaaten in einem "gemeinsamen Markt". 9 7 0

Dies bestätigt die von Schurig, Kollisionsnorm, S.l70 f. konstatierte "Systemoffenheit".

97 1

Heuzé, Contrats internationaux, S.171ff; 192 ff.

§ 2. Die Verlagerung der Schrankenproblematik

195

läutet, oder von ihrem Platz auf der Liste der bedrohten Kollisionsregeln in einem beunruhigenden Maße an Prägnanz972. Die Multiplizierung anwendbarer Eingriffsnormen stellt vor diesem Hintergrund nicht nur eine Gefahr für die mit der Parteiautonomie verbundene Rechtssicherheit dar 973 . Sie könnte den Funktionswandel der Parteiautonomie, von der Rechtswahl als Annex einer materiellrechtlichen Vertragsfreiheit hin zum kollisionsrechtlichen Gestaltungsmittel, welcher im Einklang mit der historischen Entwicklung steht und der allen Anfechtungen trotzenden Bedeutung des Parteiwillens im Privatrecht entspricht, als Pyrrhussieg entlarven.

9 7 2

Meinte Lienard-Ligny, Loi d'autonomie, S.37 im Jahre 1968 noch: "Il serait exagéré, cepandant, de sonner le glas de l'autonomie.", warnt Junker, Freie Rechtswahl, S.l heute: "Gäbe es einen Artenschutz für bedrohte Kollisionsnormen, so müßte man die Parteiautonomie im Kollisionsrecht in die Liste der besonders gefährdeten Verweisungsregeln aufnehmen." 97 3

Heini, Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen, S.38: "Das Schicksal eines international verflochtenen Rechtsgeschäfts gleicht dann der Fahrt durch verminte Gewässer, wo es zur Torpedierung einer einzigen Explosion bedarf."; krit. auch Martiny, Gemeinschaftsrecht, S.235. Bereits Raape, IPR 2.Aufl., S.336 resümiert mit einem ähnlichen Bild die Ohnmacht der Parteiautonomie gegenüber den "Goldklauseln": "Schaut man zurück, so findet man: eine so weit reichende Parteiautonomie, wie sie die auri sacra fames sich vielleicht wünschen möchte, gibt es nicht. Die Fahrt nach der Goldküste ist eine Fahrt ins Ungewisse." 13

Schluß Die Untersuchung hat den wachsenden Einfluß des Parteiwillens seit dem Ende des 18. Jahrhunderts aufzeigen können. Der Frage nach dem Ursprung ist sie dabei nur insoweit näher gekommen, daß sie die Herausbildung klarer Konturen des Parteiwillens als Kollisionsnorm erst fur die Zeit gegen Ende des 19. Jahrunderts nachgewiesen hat: Die dogmatische Durchdringung des Parteiwillens und seine tragende Funktion als Anknüpfungsgegenstand liegt in der Entwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts begründet. Mit dieser Feststellung werden aber nicht die viel älteren Wurzeln des Parteiwillens auch als Strukturprinzip des Kollisionsrechts in Frage gestellt. Weiterhin hat die Entwicklung von der "freiwilligen Unterwerfung" hin zur "rein kollisionsrechtlichen Verweisung" gezeigt, daß die Abgrenzung zur materiellen Rechtswahl für die dogmatische Entwicklung des Parteiwillens und dessen endgültiger Etablierung als Kollisionsregel notwendig und nützlich war. Gleichwohl erlaubt auch die Scheidung der Verweisungsarten nicht das, was einst als Wesen der Jurisprudenz verstanden wurde: Das "Rechnen mit Begriffen" 974 . Die geschichtliche Entwicklung der Parteiautonomie mit ihrem Weg über eine rein materielle Rechtswahl hin zur kollisionsrechtlichen Verweisung, die auch heute verbleibenden Berührungsspunkte der beiden Verweisungsarten im System des Kollisionsrechts, die noch - und wohl immer - im Fluß befindlichen Fragen nach den Schranken des Parteiwillens und die Ausblicke auf seine weitere Diversifikation belegen, daß begriffliche Kategorien nicht über die Wesensverwandtschaft der Institute hinwegtäuschen können. Das auf Aristoteles zurückgehende Bild von der Natur, die keinen Sprung mache, paßt auch für die Entwicklung des Parteiwillens im System des Kollisionsrechts. Diese Tatsache, die zugleich einmal mehr die Verwurzelung des IPR im materiellen Recht beweist, darf bei der weiteren Ausbildung des Kollisionsrechts der Schuldverträge nicht außer acht gelassen werden. Die historische Entwicklung widerspricht aber auch den aktuellen Versuchen, den Parteiwillen als rei9 7 4

Savigny, Vom Beruf unserer Zeit, S.29.

Schluß

197

nes Konstrukt des materiellen Rechts zu verstehen oder die Willensmacht der Parteien an das Gängelband exzessiver Schutzvorschriften zu legen. Goldschmidt975 hat die Diskussion um das Wesen der universalen Autonomie auf das Binom "Freiheit und Autorität" zurückgeführt. Auf die Frage, welche der Komponenten nun Priorität genieße, hat er unter Zugrundelegung von sowohl historisch-soziologischen und praktischen Erwägungen als auch der Gerechtigkeit als Maßstab geantwortet, der Vorrang gebühre der Freiheit. Auf die sich für ihn anschließende Frage, ob sich diese universal verstandene Autonomie in eine weite Parteiautonomie verwandeln werde, gilt es auch in Zukunft die Antwort zu finden.

97 5

GoldschmidU Autonomìa universal, S.192: "^Es la libertad elfondamento de la autoridad ο existe libertad exclusivamente con arreglo a la autorización dispensada por la autoridad?"

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Zweigert, Konrad: Zur Armut des internationalen Privatrechts an internationalen Werten, RabelsZ 37 (1973), S.435-452 [zit.:Armut des IPR]

Personenregister Anhäusser 126; 137 Aristoteles 196 Bar, v. 54; 79 f.; 86; 99; 107; 109; 122 f. Barazetti 115 Bartolus 60 Basedow 154 Batiffol 158; 165; 167; 186 Beer 136 Beitzke 158 Bentham 33 Bluntschli 98 Böhlau 93; 94; 104 Böhm 79 Brainerd Currie 193 Brändl 81; 97 Brinz 104 Brocher 75 Bülow 36; 40; 41; 152 Caleb 29; 31 Cohn 79;107; 115; 118 Cosack 62 Curti Gialdino 31; 43; 182 Danz 65 De Nova 103 Dernburg 79; 133 Despagnet 76 f. Dicey 33 Dumoulin 43 Ehrlich 41; 96; 152 Fischer 152 Flessner 40; 162 Flume 40 Foelix 26 Frankenstein 81; 110; 120; 133; 149 Gamillscheg 43; 44 Gebhard 93; 143 ff.; 149 Gerber 104 Giuliano 173

Goldschmidt 197 Görtz 82; 119 Graveson 33 Gutzwiller 43; 63 Habicht 101 Hardenberg 34 Haudek 19; 134; 136 f. Hauss 55 Hert 60 Heuzé 15; 194 Husserl 38 ff. Jitta 169 Kahn 60; 76; 79; 82 f. 90; 101 Kant 27 ff. Kelsen 32 Kiefner 31 Klein, P. 114; 116 Kori 95; 105; 107 Kreuzer 137 Lainé 76 Lalive 19 Laurent 76 f. Lorenz, E. 44; 60; 61; 64; 89; 175 Ludwig XVI 33 Mancini 64; 75; 83 Maurenbrecher 51 Mayer 19; 136; 158 Mayer-Maly 22 Meili 21; 86; 100; 113; 151 Melchior 121; 135 Mommsen 141; 143 Moser 160 Muheim 80 Napoléon 34 Neubecker 116; 152 Neuhaus 60 Neumann, H. 79; 105; 120; 142 Neumann, K. 73; 82; 110; 125; 134; 136

Personenregister Neumayer 169 Neumeyer 1002; 116; 124; 125 Niederländer 44 Niedner 62 Niemeyer 101; 137; 142; 149 Nußbaum 134 Ogorek 138 Pfeiffer 87; 98; 111 f. Pillet 82 Posser 45 Raape 186 Rabel 38; 39 Reiss 24 Rocholl 141 Rousseau 29 Sailer 171 Sandmann 53 Savigny, v. 31 f.; 44; 50; 54; 56 ff.; 60 ff; 71; ff; 77 f.; 80 f.; 87 ff.; 97 f.; 106; 108;117; 125; 155 Schaack 167 Schaeffner 106 Schilter 24 Schmid 78; 98

221

Schnell 62 Schnitzer 63 Schurig 60; 191 Schwander 177 Seeler 96; 120 Silberschmidt 136 Simitis 48 Stammler 42 Stein 34 Steindorff 160; 194 Story 58 Struve 54 Surville 76 Thibaut 24 Thöl 58; 62; 79; 93; 95 Turgot 33 Wächter, v. 41; 51 ff.; 67 ff.; 87; 94; 103; 105 Weber 66 Weiss 76 Wicki 20; 69 Zimmermann 178 Zitelmann 47; 79; 90; 101 ff.; 111; 116 f.; 121;152 Zweigert 161

Chronologisierte Auswahlbibliographie

Die "Parteiautonomie" war im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts Gegenstand unzähliger Publikationen. Die folgende Auswahl berücksichtigt Veröffentlichungen, die sich vorwiegend mit der schuldvertraglichen Rechtswahlfreiheit befassen (v.a. Monographien, Zeitschriftenbeiträge und Aufsätze aus Sammelwerken). Um ein möglichst weite Erfassung sicherzustellen, erfolgt die Nennung an dieser Stelle ungeachtet einer Berücksichtigung im Rahmen der vorliegenden Arbeit. Freilich erhebt die Zusammenstellung keinen Anpruch auf Vollständigkeit. Abweichend von der üblichen alphabetischen Aufstellung wurde hier eine chronologisch-aufsteigende Ordnung gewählt, um eine gezielte historische Quellensuche zu erleichtern. Die alphabetische Erschließung ermöglicht das Register am Ende der Aufstellung. 1

Brocher, Charles: Théorie du droit international privé: De la volonté, RDILC 4 (1872), S. 189-220

2

Testa, G.U.R.: De inhoud der overenkomsten in het internationaal privaatrecht. Amsterdam 1886

3

Aubry, Charles: Le domaine de la loi d'autonomie, Clunet 1896, S.465ff., 72Iff.

4

Olive, L.: Etude sur la théorie de l'autonomie en droit international privé. Paris 1899

5

Beer, Ludwig: Neue Entwicklungsstufen des internationalen Privatrechts, NiemZ 18 (1908), S.334-363

6

Gounot, Emmanuel: L'autonomie de la volonté en droit international privé. Paris 1912

7

Niemeyer, Theodor: Feuerversicherungsverträge in Shanghai, NiemZ 23 (1913), S.258-267

8

Brändl, Franz: Der Parteiwille in der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu den auf Vertragsverbindlichkeiten anwendbaren örtlichen Recht, LZ 15 (1925), Sp.816-834

9

Melchior, George: Schuldrechtliche Rück- und Weiterverweisung nach deutschem internationalen Privatrecht, JW 1925, S.1571-1576

10 Zimmermann, Julius: Die Bedeutung des Parteiwillens im internationalen Privatrecht, Zentralblatt f.jur.Prax. 44 (1926), S.881-898

Chronologisierte Auswahlbibliographie 11 Caleb , Marcel: Le principe de l'autonomie de la volonté en droit international privé. Paris 1927 (Besprechung siehe bei Melchior im Literaturverzeichnis) 12 Niboyet, J.-P.: La théorie de l'autonomie de la volonté. Rec.Cours 16 (1927) I, S.5-116 13 Rabel, Ernst: Rechtsvergleichung und internationale Rechtsprechung, RabelsZ 1 (1927), S.547 14 Audinet, Eugène: Domaine et limites du principe de l'autonomie de la volonté dans les contrats à titre onéreux. In: Mélanges Antoine Pillet, Band I, Paris 1929, S.57-87 15 Görtz, Hermann: Der Parteiwille im internationalen Obligationenrecht, NiemZ 41 (1929), S.l-75 16 Louis - Lucas, Pierre: L'autonomie de la volonté en droit privé interne et en droit international privé. In: Etudes de droit civil à la mémoire de Henri Capitant, Paris 1939, S.469489 17 Melchior, George: Besprechung von Caleb "Essai sur le principe de l'autonomie de la volonté", RabelsZ 3 (1929), S.176-180 18 Neumann, Konrad: Vertragsgültigkeit und Parteiwille in Lehre und Rechtsprechung des internationalen Schuldrechts. Heidelberg 1930 19 Haudek, Wilhelm: Die Bedeutung des Parteiwillens im Internationalen Privatrecht. Berlin 1931 (Besprechung siehe bei Melchior im Literaturverzeichnis) 20

Kayser, M.: L'autonomie de la volonté en droit international privé dans la jurisprudence française, Clunet 58 (1931), S.32-57

21

Mayer, Gerhard: Zur Parteiautonomie als Kollisionsnorm, NiemZ 44 (1931), S. 103-139

22

Melchior, George: Besprechung von Haudek "Die Bedeutung des Parteiwillens im internationalen Privatrecht, JW 1932, S.569-570

23

Linß, Egon: Über das Verhältnis von "Wille zu Gesetz" im vertraglichen deutschen Internationalschuldrecht (Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts). Heidelberg 1933

24

Batiffol,

25

Lenczowski, Georges: Contribution à l'étude des obligations contractuelles en droit international privé. Paris 1938

Henri: Les conflits en matière de contrats. Paris 1938

26 Schnitzer, Adolf F.: Die Parteiautonomie im internen und internationalen Privatrecht, SJZ 35 (1938/39), S.305-311,323-329 27

Widmer, Hans Werner: Die Bestimmung des maßgeblichen Rechts im internationalen Vertragsrecht. Zürich 1944, Nachdruck Nedeln 1977

28

Moser, Rudolf: Vertragsabschluß, Vertragsgültigkeit und Parteiwille im internationalen Obligationenrecht. St.Gallen 1948

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Batiffol, Henri: Public policy and the autonomy of the Parties: Interrelations between imperative legislation and the doctrine of party autonomy. In: The conflict of laws and international contracts. Hrsg.: Summer Institute on international and comperative law (1949), University of Michigan Law School, Ann Arbor 1951, S.68-81

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Tobler, Gustav: Der hypothetische Parteiwille im internationalen Vertagsrecht. Zürich 1949

Chronologisierte Auswahlbibliographie

224 31

University of Michigan Law School (Hrsg.): Lectures on the conflict of laws and international contracts. Summer Institute on International and Comparative Law, August 5-20, 1949. Ann Arbor 1951

32

Dölle, Hans: Die 7. Haager Konferenz, RabelsZ 17 (1952), S.161-210

33

Funke, Werner: Die Bedeutung des "mutmaßlichen Parteiwillens" im internationalen Schuldvertragsrecht. Göttingen 1952

34

Markert, Walter: Die Grenzen der Parteiautonomie im deutschen internationalen Obligationenrecht. Tübingen 1952

35

Yntema, Hessel E.: "Autonomy" in the choice of law, JCL 1 (1952), S.341-358

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Batiffol, Henri: L'affirmation de la loi d'autonomie dans la jurisprudence française. In: Festschrift für Hans Lewald. Hrsg.: Gerwig, Max (Baseler Juristische Fakultät) u.a. Basel 1953, S.219-224

37

Schnitzer, Adolf F.: Vertragsfreiheit und Rechtswahl, SJZ 49 (1953), S.285-293

38

Ferid, Murad: Zum Abschluss von Auslandsverträgen. Eine internationalprivatrechtliche Untersuchung der vorkonsensualen Vertragselemente. Düsseldorf 1954

39

Raape, Leo: Nachträgliche Vereinbarung des Schuldstatuts. In: Festschrift für G. Boehmer. Bonn 1954, S.l 11-123

40

Van Hecke, Georges: Signification et limites du principe de l'autonomie de la volonté dans les contrats internationaux, RDI DC 32 (1955), S.81-91

41

Högtun, Gustav: Die Parteiautonomie und die universelle Vereinheitlichung des IPR. Oslo 1955

42

Vischer, Frank: Zum Problem der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie bei internationalen Verträgen, SJZ 1956, S.l 17-122

43

Lorenz, Werner: Vertragssehluß und Parteiwille im internationalen Obligationen recht Englands. Heidelberg 1957

44

Neumayer, Karl-Heinz: Autonomie de la volonté et dispositions impératives en droit international privé des obligations, Rev.Crit. 46 (1957), S.579-604, 47 (1958), S.53-78

45

Klein, Frédéric-Edouard: Autonomie de la volonté et arbitrage, Rev.Crit. 47 (1958), S.256284, 479-494

46

Batiffol,

47

Batiffol, Henri: Les conflits de lois en matière de contrats dans la Communauté économique européenne. In: Les problèmes juridiques et économiques du Marché commun. Colloque des facultés de droit à Lille 1959. Paris 1960, S.73-82

48

Lorenz, Werner: Konsensprobleme bei internationalschuldrechtlichen Distanzverträgen. Zugleich ein Beitrag zur internationalen Rechtsvereinheitlichung. AcP 159 (1960/61), S.193235

49

Vischer, Frank: Kollisionsrechtliche Parteiautonomie und dirigistische Wirtschaftsgesetzgebung. In: Festgabe zum siebzigsten Geburtstag von Max Gerwig. Hrsg.: Universität Basel. Basel 1960, S.l67-191

Henri: Zur Partei autonomi e im IPR, ZfRV 1 (1960), S.49-57

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Rempp-Krämer, Giesela: Die stillschweigende Rechtswahl. Eine Untersuchung anhand der schweizerischen und deutschen Rechtsprechung un Lehre. Basel 1961

51 Segerath, Gerhard: Die Teilverweisung der Parteien im internationalen Obligationenrecht, insbesondere der Schweiz und Deutschlands. Basel 1960 52 Mann, Frederick Alexander: Die intemationalprivatrechtliche Parteiautonomie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, JZ 1962, S.6-14 53

Vischer, Frank: Internationales Vertragsrecht. Die kollisionsrechtlichen Regeln der Anknüpfung bei internationalen Verträgen. Bern 1962

54

Balladore-Pallieri, Giorgio: L'autonomia dei contraenti nel diritto internationale privato. In: Diritto Internazionale 1963, S.153-178

55

Umbricht, Robert P.: Die immanenten Schranken der Rechtswahl im internationalen Schuldvertragsrecht. Zürich 1963 (Besprechung siehe bei Getinetta im Literaturverzeichnis)

56

Zweigert, Konrad: Verträge zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Partnern. Berichte der DGVR, Heft 5. Karlsruhe 1964, S.194-214

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Getinetta, Jörg: Besprechung von Umbricht "Immanente Schranken der Parteiautonomie", ZSchwR NF 1965, S.93

58

Wicki, André Aloys: Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht. Winterthur 1965

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Zweigert, S.645-666

Konrad: Droit international privé et droit international public, Rev.Crit. 54 (1965),

60 Simitis, Spiros: Aufgaben und Grenzen der Parteiautonomie im internationalen Vertragsrecht, JuS 1966, S.209-217 61

Van Hecke, Georges: Vertragsautonomie und Wirtschaftsgesetzgebung im Internationalen Privatrecht, ZfRV 7 (1966), S.23-30

62 Lalive, Pierre André: Problèmes relatifs à l'arbitrage international commercial. Rec.Cours 120(1967) I, S.571-714 63

Trinkner,

Reinhold: Rechtswahl im internationalen Arbeitsrecht, BB 1967, S. 1290-1293

64 Schnitzer, Adolf F.: Die funktionelle Anknüpfung im internationalen Vertragsrecht. In: Festgabe für W. Schönenberger. Freiburg/Schweiz 1968, S.387-404 65 Schnitzer, Adolf F.: Les contrats internationaux en Droit International Privé suisse. Rec.Cours 123 (1968) I, S.541-636 (bes. S.582ff.) 66

Wengler, Wilhelm: Choice of law and forum in contracts Germany and other European countries. Traveaux du Sixième Colloque International de droit comparé 1968. Ottawa 1969, S. 189-211

67 Sailer, Peter Wolf-Dieter: Einige Grundfragen zum Einfluß zwingender Normen, insbesondere der Wirtschaftsgesetzgebung auf die inhaltliche Gültigkeit internationalprivatrechtlicher Verträge (zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht). München 1970 68 Sand, Peter H.: "Parteiautonomie" in internationalen Luftbeförderungsverträgen, ZLR 18 (1969), S.205-218 15 Püls

Chronologisierte Auswahlbibliographie

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69 Reimann, Thomas: Zur Lehre vom "rechtsordnungslosen" Vertrag. Bonn 1970 70 Szâszy, Stefan: Der Parteiwille. Die Bestimmung des anzuwendenden Rechts durch die Parteien im internationalen Privat-, Zivilprozess- und Arbeitsrecht. ÖZöR 20 (1970), S.85104 71 Bolka, Gerhard: Zum Parteieinfluß auf die richterliche Anwendung des IPR, ZfRV 13 (1972), S.241-256 72 Curti Gialdino, Agostino: La volonté des parties en droit international privé. Rec.Cours 137 (1972) III, S.743-914 73 Goldschmidt,

Werner: Autonomia universal de voluntad, REDI 25 (1972), S.181-192

74 Hartmann, Jan: Das Vertragsstatut in der deutschen Rechtsprechung seit 1945. Freiburg i. Br. 1972 75 Landò, Ole: Consumer contracts and party autonomy in the conflicts of laws. NTIR 42 (1972), S.208-219 76 De Nova, Rudolfo: Norme autolimitate e autonomia delle parti. In: Multitudo legum, ius unum. Festschrift für Wilhelm Wengler zu seinem 65. Geburtstag. Band 2: Kollisionsrecht und Rechtsvergleichung. Hrsg.: Tittel, Josef u.a. Berlin 1973, S.617-634 77 Kühne, Gunther: Die Parteiautonomie im internationalen Erbrecht. Bielefeld 1973 78 Pfister,

Bernhard: Die nachtägliche Vereinbarung des Schuldstatuts, AWD 1973, S.440-444

79 Siehr, Kurt: Zum Vorentwurf eines EWG - Übereinkommens über das Internationale Schuldrecht, RIW 1973, S.569-587 80 Jäggi, Peter: Zur Rechtswahl im Internationalen Vertragsrecht, SJZ 70 (1974), S.295 81

Knauth, Ernst Joachim: Der Parteiwille im internationalen Vertragsrecht in Frankreich. Bamberg 1974

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Stauffer, Wilhelm: Internationales Vertragsrecht und Rechtsberufung im Prozeß, SJZ 70 (1974), S.181-185

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Wengler, Wilhelm: Der allgemeine Teil des internationalen Privatrechts in den Arbeiten des Institut de Droit International. In: Iustitia et pace. Festschrift zum 100jährigen Bestehen des Institut de Droit International. Berlin 1974, S. 135-142

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Wyatt, Derrick: Choice of law in contract matters. A question of policy.MLR 37 (1974), S.399-416

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Chronologisierte Auswahlbibliographie 88

227

Landò, Ole : Les obligations contractuelles. In: European private law of obligations. Hrsg.: Landò, Ole / Hoffmann, Bernd von / Siehr, Kurt. Tübingen 1975, S.125-154

89 Martiny, Dieter: Anwendbares Recht auf gemischte und zusammengesetzte Verträge. Anm. zu schweizer BG (5.3.1974), RIW / A WD 21 (1975), S.46 90 Siesby, Erik: Party Autonomy and the EC Draft Convention. In:European private law of obligations. Hrsg.:Lando, Ole / Hoffmann, Bernd von / Siehr, Kurt. Tübingen 1975,S.206213 91 Popescu, Tudor R.: Die lex voluntatis im rumänischen internationalen Privatrecht. Osteuroparecht 22 (1976), S.109-130 92 Steindorff, Ernst: Autonomy of contracting parties in interstate commerce. An economic evaluation. In: New directions in international trade law. UNIDROIT Congress 9-15 September 1976. Dobbs Ferry,N.Y. 1977. S.87-105 93

Walter, Michael M.: La liberté contractuelle dans le domaine du droit d'auteur et lesconflits de lois, RIDA 87 (1976), S.44-87

94 Frick, Hans Peter: Die Grenzen der Parteiautonomie. Eine rechtsvergleichende Darstellung des schweizerischen, deutschen, französischen und anglo-amerikanischen internationalen Privatrechts. Zürich 1977 95

Gamm, Otto-Friedrich Freiherr v.: Rechtswahl für internationale Wettbewerbsbeschränkungen, NJW 1977, S.1553-1557

96

Giuliano, Mario: La loi applicable aux contrats: problèmes chosis. Rec.Cours 158 (1977) V, S. 183-270

97 Schmeding, Jörg: Zur Bedeutung der Rechtswahl im Kollisionsrecht. Ein Beitrag zur funktionalen Methode nach v.Mehren und Trautman, RabelsZ 41 (1977), S.299-331 98

Giuliano, Mario: La loi d'autonomie: Le principe et sa justification théorique, RDIPP 15 (1979), S.217-235

99

Goldman, Berthold: La lex mercatoria dans les contrats et l'arbitrage internationaux:réalité et perspectives, Clunet 106 (1979), S.475-505

100 Giuliano, Mario: La loi d'autonomie et sa mise en oevre. In: Studi in onore di Cesare Grassetti. Volume II. Mailand 1980 101 Ranouil, Véronique: L'autonomie de la volonté. Naissance et évolution d'un concept. Paris 1980 (Besprechung siehe bei Foyer im Literaturverzeichnis) 102 Foyer, Jaques: Rezension von Ranouil "L'Autonomie de la volonté", Rev.Crit. 70 (1981), S.603-607 103 Vischer, Frank (Hrsg.): Colloque de Bàie sur la loi régissant les obligations contactuelles 30/31 octobre 1980. Basel/ Frankfurt a.M. 1981 104 Juenger, Friedrich K.: Parteiautonomie und objektive Anknüpfung im EG-Übereinkommen zum Internationalen Vertragsrecht. Eine Kritik aus amerikanischer Sicht, RabelsZ 46 (1982), S.57-83 105 Wengler, Wilhelm: Allgemeine Rechtsgrundsätze als wählbares Geschäftsstatut?, ZfRV 1982, S.l 1-40

15

228

Chronologisierte Auswahlbibl iographie

106 Coing, Helmut: La détermination de la loi contractuelle en droit international privé allemand. In: Colloque de Bâle sur la loi régissant les obligations contractuelles. Hrsg.: Klein, Frédéric / Vischer, Frank. Basel/ Frankfurt a.M. 1980. Schriftenreihe des Instituts für Internationales Recht 107 Jacquet, Jean-Michel: Principe d'autonomie et contrats internationaux. Paris 1983 108 Kreuzer, Karl: Parteiautonomie und fremdes Außenwirtschaftsrecht. In: Zum deutschen und internationalen Schuldrecht. Kolloquium aus Anlaß des 75. Geburtstages von E. von Caemmerer. Hrsg.: Schlechtriem, Peter / Leser, Hans. Tübingen 1983 109 Overbeck, Alfred E. von: La théorie des "règles de conflit facultatives" et l'autonomie de la volonté. In: Festschrift für Frank Vischer zum 60.Geburtstag. Hrsg.: Böckli, Peter u.a. Zürich 1983, S.257-262 110 Sandrock, Otto: "Versteinerungsklauseln" in Rechtswahlvereinbarungen für internationale Handelsverträge. In: Jus inter nationes. Festschrift für Stefan Riesenfeld. Hrsg.: Jayme, Eric / Kegel, Gerhard / Lutter, Marcus. Heidelberg 1983, S.211-236 111 Jaffey, Anthony J.E.: Essential Validity of Contracts in th English Conflicts of Laws, ICLQ 23 (1974), S. 1-31 112 Mann, Frederick Alexander: Die Gültigkeit der Rechtswahl- und Gerichtsstandsvereinbarungen und das Internationale Privatrecht, NJW 1984, S.2740-2742 113 Schack, Haimo: Rechtswahl im Prozeß?, NJW 1984, S.2736-2740 114 Mincke, Wolfgang: Die Parteiautonomie: Rechtswahl oder Ortswahl?, IPrax 1985, S.313-317 115 Neumann, Gerhard W.: Internationale Kaufverträge aus der Sicht der deutschen Industrie Wahl des Rechts, Schiedsgerichtsbarkeit, begleitende Verträge. In: Vertragsgestaltung bei Kaufverträgen unter ausländischem Recht. Eingeleitet und zusammengefaßt von H.-J. Moekke, Bundesstelle für Außenhandelsinformation, Köln 1985, S.191-204 116 Schröder, Jochen: Auslegung und Rechtswahl, IPRax 1985, S.131-132 117 Sandrock, Otto: Die Bedeutung des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts für die Unternehmenspraxis, RIW 1986, S.841-855 118 Stoll, Ulrich: Die Rechtswahlvoraussetzungen und die Bestimmungen des auf internationale Schuldverträge anwendbaren Rechts nach den allgemeinen Kollisionsregeln des USamerikanischen UCC und des dt. Rechts. Frankfurt a.M./ Berlin/ New York 1986 119 Heini, Anton: Die Rechtswahl im Vertragsrecht und das neue IPR-Gesetz. In: Festschrift für Prof. Rudolf Moser. Hrsg.: Schwander, Ivo. Zürich 1987 120 Lorenz, Egon: Die Rechtswahlfreiheit im internationalen Schuldvertragsrecht, RIW 1987, S.569-584 121 Lorenz, Egon: Zum neuen internationalen Schuldvertragsrecht aus versicherungsvertraglicher Sicht. In: Festschrift für Gerhard Kegel zum 75. Geburtstag. 26. Juni 1987. Hrsg.: Musielak, Hans-Joachim / Schurig, Klaus. Stuttgart 1987, S.303-341 122 Mangold, Rainer: Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika. Berlin 1987

Chronologisierte Auswahlbibliographie 123 Rouhette, Georges: La force obligatoire du contrat. Rapport français. In: Le contrat aujourd'hui: Comparaissons franco-anglaises. Hrsg.: Talion, Denis / Harris, Donald. Paris 1987, S.27-55 124 Schröder, Jochen: Vom Sinn der Verweisung im internationalen Schuldvertragsrecht, IPRax 1987, S.90-92 125 Hausmann, Rainer: Möglichkeiten und Grenzen der Rechtswahl in internationalen Urheberrechtsverträgen. In: Festschrift für Wolf Schwarz zum 70. Geburtstag. Hrsg.: Rehbinder, Manfred. Baden-Baden 1988, S.47-74 126 Lienard-Ligny , Monique: L'autonomie de la volonté face aux lois imperatives dans les contrats internationaux. Ann.Fac.Liège 13 (1968), S.5-37 127 Birk, Rolf: Die Bedeutng der Parteiautonomie im internationalen Arbeitsrecht, RdA 1989, S.201-207 128 Hoffmann, Bernd von: Inländische Sachnormen mit zwingendem internationalen Anwendungsbereich, IPRax 1989, S.261-271 129 Meyer-Sparenberg, Wolfgang: Rechtswahlvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, RIW 1989, S.347-351 130 Schwander, Ivo: Zur Rechtswahl im IPR des Schuldvertragsrechts. In:Festschrift für Max Keller. Hrsg.: Forstmoser, Peter / Giger, Hans / Heini, Anton / u.a., Zürich 1989, S.473-484 131 Siehr, Kurt: Die Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht. In: Festschrift für Max Keller. Hrsg.: Forstmoser, Peter / Giger, Hans / Heini, Anton / u.a., Zürich 1989, S.485-510 132 Vischer, Frank: Veränderungen des Vertragsstatuts und ihre Folgen. In: Festschrift für Max Keller. Hrsg.: Forstmoser, Peter / Giger, Hans / Heini, Anton u.a. Zürich 1989, S.547-561 133 Heuzé, Vincent: La réglementation française des contrats internationaux. Etude critique des méthodes. Paris 1990 134 Lagarde, Paul: Anm. zu Cour de cass. (Ire Ch.civ) - 4.10.1989, Rev.Crit. 79 (1990), S.317325 135 Schaack, Roger: Zu den Prinzipien der Privatautonomie im deutschen und französischen Rechtsanwendungsrecht. Berlin 1990 136 Schlunck, Angelika: Die Grenzen der Parteiautonomie im internationalen Arbeitsrecht. München 1990 137 Droste, Thomas: Der Begriff der "zwingenden Bestimmung" in den Art. 27 ff. EGBGB. Freiburg 1991 138 Jayme, Erik: Die Parteiautonomie im Internationalen Vertragsrecht auf dem Prüfstand, IPRax 1991, S.429-430 139 Püls, Joachim: Grundfragen bei der Bestimmung des auf Schuldverträge anwendbaren Rechts, JuS 1991, S.566-571 140 Wengler, Wilhelm: IPR-Rechtsnormen und Wahl des Vertragsstatuts. Parteiautonomie im Internationalen Privatrecht, insbesondere unter der Römischen Konvention vom 19.6.1980. Vortrag in Saarbrücken am 26.4.1991. Saarbrücker Europainstitut 1991

230

Chronologisierte Auswahlbibliographie

141 Grundmann, Stefan: Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen, EWG-Vertrag und § 12 AGBG, IPRax 1992, S.l-5 142 Pommier, Jean-Christophe: Principe d'autonomie et loi du contrat en droit international privé conventionnel. Paris 1992 143 Mitterer, P.: Die stillschweigende Wahl des Obligationenstatuts nach der Neufassung des EGBGB vom 1.9.1986, Diss. Regensburg 1993 144 Möllenhoff,

Wolfgang: Nachträgliche Rechtswahl und Rechte Dritter. Berlin 1994

145 Straub, Thorsten: Zwei Wechselfölle der Parteiautonomie, IPRax 1994, S.432-435 146 Rinze, J.: The Scope of Party Autonomy under the 1980 Rome Convention on the Law Applicable to Contractual Obligation, JBL 1994, S.412-430 147 Reich , Norbert: Grundgesetz und internationales Vertragsrecht, NJW 1994, S.2128-2131

Alphabetischer Personenindex zur Auswahlbiliographie

Die Zahlen hinter dem Namen geben die laufende Nummer in der chronologisierten Auswahlbibliographie wieder. Aubry 3

Görtz 15

Audinet 14

Gounot 6 Grundmann 141

Balladore-Pallieri 54 Batiffol 24,29,36,46,47

Hartmann 74

Beer 5

Haudek 19

Birk 127

Hausmann 125

Bolka 71

Heini 119

Brändl 8

Heuzé 133

Brocher 1

Hoffmann, v. 87,128 Högtun 41

Caleb 11 Coing 106 Curti Gialdino 72 De Nova 76 Dölle 32 Droste 137 Ferid 38 Foyer 102 Frick 94 Funke 33 Gamm 95 Getinetta 57 Giuliano 86,96,98,100 Goldman 99 Goldschmidt 73

Jacquet 107 Jaffey 111 Jäggi 80 Jayme 138 Juenger 104 Kayser 20 Klein 45 Knauth 81 Körting 82 Kreuzer 108 Kühne 77 Lagarde 134 Lalive 62 Landò 75, 88 Lenczowski 25

232

Alphabetischer Personenindex zur Auswahlbibliographie

Lienard-Ligny 126

Schaack 135

Linß 23

Schack 113

Lorenz 43,48, 120, 121

Schlunck 136

Louis-Lucas 16

Schmeding 97

Mangold 122 Mann 52, 112 Markert 34 Martiny 89 Mayer 21 Melchior 9, 17,22 Meyer-Sparenberg 129 Mincke 114 Mitterer 143 Möllenhoff 144 Moser 28 Neumann 18,115 Neumayer 44 Niboyet 12 Niemeyer 7 Olive 4 Overbeck, v. 109

Schnitzer 26, 37, 64, 65 Schröder 116, 124 Schwander 130 Segerath 51 Siehr 79, 131 Siesby 90 Simitis 60 Stauffer 83 Steindorff 92 Stoll 118 Straub 145 Szâszy 70 Testa 2 Tobler 30 Trinkner 63 Umbricht 55 University of Michigan Law School 31

Pfister 78

Van Hecke 40, 61

Pommier 142

Vischer 42,49, 53, 103, 132

Popescu 91 Püls 139

Walter 93 Wengler 66,84, 105, 140

Raape 39 Rabel 13 Ranouil 101 Reich 147 Reimann 69 Rempp-Krämer 50 Rinze 146 Rouhette 123 Sailer 67 Sand 68 Sandrock 110, 117

Wicki 58 Widmer 27 Wyatt 85 Yntema 35 Zimmermann 10 Zweigert 56, 59