Ostdeutsche Wirtschaft: Industrielle Standorte und volkswirtschaftliche Kapazitäten des ungeteilten Deutschland. Hrsg. vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin [1 ed.] 9783428435470, 9783428035472


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German Pages 256 Year 1956

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Ostdeutsche Wirtschaft: Industrielle Standorte und volkswirtschaftliche Kapazitäten des ungeteilten Deutschland. Hrsg. vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin [1 ed.]
 9783428435470, 9783428035472

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Bruno Gleitze

Ostdeutsche Wirtschaft Industrielle Standorte und volkswirtschaftliche Kapazitäten des ungeteilten Deutschland

Herausgegeben vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin

Duncker & Humblot . Berlin

DEUTSCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG (INSTITUT FÜR KONJUNKTURFORSCHUNG)

Ostdeutsche Wirtschaft Industrielle Standorte und volkswirtschaftliche Kapazitäten des ungeteilten Deutschland Von

Prof. Dr. rer. pol. B r u n o G l e i t z e

DUNCKER

& HUMBLOT

/

BERLIN

Veröffentlicht

i m J a n u a r 1956

Alle Rechte vorbehalten © 1956 bei Duncker & Humblot, Berlin Den Textteil druckte R. Schröter, die Tabellen G. Ahrens, den mehrfarbigen Kartenteil B. Gisevius, alle in Berlin.

Vorwort Die Bemühungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (Institut für Konjunkturforschung), die durch die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen bewirkte unterschiedliche Entwicklung der Wirtschaft in den einzelnen deutschen Landesteilen zahlenmäßig zu erfassen und wissenschaftlich zu würdigen, gehen auf die unmittelbare Nachkriegszeit zurück. Bereits im Jahre 1947 konnte als erstes Forschungsergebnis eine Untersuchung „Die deutsche Wirtschaft zwei Jahre nach dem Zusammenbruch" und im Jahre 1949 die eine Reihe von Einzeluntersuchungen zusammenfassende Schrift „Wirtschaftsprobleme der Besatzungszonen u der Öffentlichkeit übergeben werden. Bei diesen Arbeiten hat sich damals und auch später immer wieder als empfindlicher Mangel herausgestellt, daß eine deutsche Wirtschaftsstatistik der Vorkriegszeit fehlt, die in ihrer regionalen Unterteilung der späteren Trennung des Reichsgebiets in einzelne Wirtschaftsräume entsprochen hätte. Um diesem Mangel abzuhelfen, stellte sich Professor Dr. Gleitze mit der von ihm geleiteten Abteilung des Instituts zunächst die Aufgabe, alle noch greifbaren statistischen Daten der Zeit vor 1945 nach den Gesichtspunkten der späteren regionalen Aufspaltung aufzubereiten. Als Ergebnis langer mühevoller Arbeit ist ein ausführliches Tabellenwerk entstanden, das die Grundlage für die Beurteilung der Entwicklung in den einzelnen Räumen bilden soll und hiermit der Öffentlichkeit vorgelegt wird. Prof. Dr. Gleitze hat es darüber hinaus unternommen, das Zahlenwerk zu analysieren und insbesondere die Verflechtung des ostdeutschen Raumes mit den mittel- und westdeutschen Landesteilen darzustellen. Die Beschränkung auf die Behandlung des ostdeutschen Raumes erschien ihm zweckmäßig, weil dieser, anders als das übrige Deutschland, infolge der Aussiedlung der deutschen Bevölkerung seit 1945 einstweilen völlig aus der Entwicklung der gesamtdeutschen Wirtschaft ausgeschieden ist. Es kam Prof. Dr. Gleitze darauf an, zunächst diesen Ausfall im deutschen Wirtschaftspotential monographisch und abschließend darzustellen. Damit aber sollte gleichzeitig auch ein Fundament für Darstellungen der Entwicklungsgeschichte des west und mitteldeutschen Raumes gegeben werden. Diese Entwicklungen

VI

Vorwort

stehen zwar, anders als die des ostdeutschen Wirtschaftsraumes, in ihrem Tatsachengehalt größtenteils der deutschen Forschung offen, bedürfen in Einzelheiten aber jeweils doch der Ergänzung durch die Tatsachendarstellung aus der Zeit vor 1945. Die Untersuchung ist von Prof. Dr. Gleitze fortgeführt und abgeschlossen worden, auch als er — ab Anfang 1954 — dem Forscherkollegium des DIW nicht mehr angehörte. Sie ist in die Reihe der Veröffentlichungen des DIW aufgenommen worden, da sie sich nach Aufgab est ellung, Methode und Inhalt in den Rahmen der sonstigen Institutsveröffentlichungen einfügt und das Institut insbesondere auch an der Bearbeitung des statistischen Grundmaterials wesentlich beteiligt war. Das Institut betrachtet den gesamtdeutschen Wirtschaftsraum als sein spezifisches Arbeitsgebiet und sieht seine besondere Aufgabe darin, die Probleme der einzelnen Teilgebiete im gesamtdeutschen Zusammenhang zu behandeln. Das Erscheinen des Buches ist vom Bundesministerium deutsche Fragen gefördert worden.

für gesamt-

Professor Dr. F E R D I N A N D F R I E D E N S B U R G

Inhalt Einleitung

Seite XI

K a r t e des östlichen Teils Deutschlands m i t politischen Grenzen

XVI

Hinweise auf die geographische Gliederung Deutschlands nach dem Kriege XVII Teil I (Textteil mit 18 Schaubildern) Kapitel Ganzen

A.

Ostdeutsche

Wirtschaft

als

Teil

eines

a) Die Aufspaltung Deutschlands u n d seiner Volkswirtschaft

1

b) Einstige wirtschaftliche Verflechtung Ost- u n d Westdeutschlands

5

c) Der deutsche Osten i n der kriegswirtschaftlichen E n t w i c k l u n g . .

10

Kapitel

B.

Bevölkerung

und

Arbeitskräfte

a) Die ostdeutsche Bevölkerung, ihre Flucht u n d i h r Verbleib 1. 2. 3. 4. 5.

Ostdeutschlands Bevölkerungsentwicklung Die demographische S t r u k t u r der ostdeutschen Bevölkerung . . Die ostdeutschen Flüchtlingsströme I n v e n t u r der deutschen Nachkriegsbevölkerung Der Zustrom von Flüchtlingen aus dem Auslande

13 16 19 22 24

b) Deutschlands Menschenopfer durch K r i e g u n d Kriegsfolgen 1. Deutschlands Bevölkerungsbilanz 1939—1950 2. Deutsche Menschenverluste i n Ost und West

24 28

c) Das Arbeitskräftepotential v o r Kriegsausbruch

29

Kapitel

C. L a n d w i r t s c h a f t

und

Fischerei

a) Die agrarischen Kapazitäten u n d ihre Leistungen Vorbemerkungen 1. Die Kapazitäten des ostdeutschen Ackerbaus 2. Die Leistung des ostdeutschen Ackerbaus 3. Die Kapazitäten der ostdeutschen Viehwirtschaft 4. Die Leistung der ostdeutschen Fischereiwirtschaft

32 35 41 43 46

b) Die Uberschüsse der ostdeutschen Landwirtschaft u n d ihre Bedeut u n g f ü r die gesamtdeutsche Versorgung

47

Kapitel

D.Forstwirtschaft

und

Bergbau

a) Waldbestand u n d Holznutzung

51

b) Bergbau u n d Bodenschätze

53

VIII Kapitel

Ε. I n d u s t r i e

und

Handwerk

a) Die industriellen Kapazitäten und ihre Standorte

Seite

Vorbemerkungen

57

1. Die Grundstoffindustrien Eisenschaffende Industrie Nichteisenmetallindustrie (NE-Metalle) Gießereiindustrie Chemische u n d Kraftstoffindustrie Industrie der Steine und Erden Keramische Industrie Glasindustrie 2. Das Baugewerbe (Bauindustrie u n d Bauhandwerk)

59 60 61 61 62 64 66 66 67

3. Die Investitionsgüterindustrien Maschinenbau Stahl- u n d Eisenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik — Feinmechanik — O p t i k Eisen-, Stahl-, Metallwaren

70 VI 72 73 75 76

4. Die Verbrauchsgüterindustrien Sägeindustrie Holzverarbeitende Industrie Zellstoff Papier- u n d Pappenerzeugung Papierverarbeitung u n d D r u c k Textilindustrie Bekleidungsindustrie Schuh- u n d Lederindustrie

76 77 77 78 79 81 81 86 88

5. Die Nahrungs- u n d Genußmittelindustrien Kartoffelverarbeitung Zuckerindustrie

90 92 94

6. Die Energiewirtschaft

95

b) Ostdeutschlands industrielle E x p o r t k r a f t Kapitel

F.

96

Verkehr

a) Das ostdeutsche Verkehrsnetz

102

b) Der ostdeutsche Verkehrsbeitrag für die gesamte deutsche Volkswirtschaft

104

Kapitel

G.

Volksvermögen

a) Der ostdeutsche A n t e i l am deutschen Volksvermögen 1945

107

b) Ostdeutschlands Finanz- u n d Steuerkraft v o r dem Kriege

110

IX Teil I I (Kartenteil) Verzeichnis

Seite 113

1. 3 doppelseitige Kartogramme i m Mehrfarbendruck über die v o r kriegszeitliche Versorgungslage aller deutschen Gebiete m i t B r o t getreide, Kartoffeln u n d Fleisch. — Überschuß- u n d Defizitgebiete

114

2. 1 doppelseitige Standortkarte über Ostdeutschlands Bodenschätze u n d Waldbestände

120

3. 10 doppelseitige Standortkarten u n d eine Ergänzungskarte — sämtl i c h i m Mehrfarbendruck — über die regionale Verteilung der gesamten deutschen Industrie i n der Vorkriegszeit, dargestellt nach dem Produktionsvolumen der wichtigsten Industriezweige u n d i h r e r Branchen

122

4. 2 doppelseitige, mehrfarbige Schaubilder über das Energieversorgungsnetz u n d die Verkehrsanlagen i m ostdeutschen Raum

140

Teil I I I (Tabellenteil) Verzeichnis

145

Insgesamt 54 Tabellen i n regionaler Gliederung: Ostdeutschland — Sowjetzone — Ost/West-Berlin — Westdeutschland (z. T. nach Zonen) a) b) c) d)

Bevölkerung (14 Tabellen) Landwirtschaft (10 Tabellen) Versorgung (3 Tabellen) Industrie (18 Tabellen) dar. Erzeugungs- bzw. Absatzwerte für 180 industrielle Warenarten e) Verkehr (6 Tabellen) f) Handel (2 Tabellen) g) Bodenschätze (1 Tabelle)

146 158 167 169 211 218 220

Literaturverzeichnis

221

Stichwortregister

227

Abkürzungen,

Maß-

und

Kurzbezeichnungen

239

Einleitung Z u keiner Zeit i n der neueren deutschen Geschichte war die regionale Einteilung Deutschlands i n Ost und West oder i n Nord und Süd mehr als lediglich eine i m wahrsten Sinne des Wortes oberflächliche Umreißung politischer oder wirtschaftlicher Zusammenhänge. Keine der vielen deutschen Staatenbildungen und Gruppierungen deckte sich je mit der geographischen Zuordnung nach Ost und West. Erst 1945 erhielt der geographische Gegensatz schicksalhafte Bedeutung für die Nation; die geographischen Begriffe nahmen Gestalt an. Ihr Wesensmerkmal bestand nun nicht mehr in der Orientierung nach Himmelsrichtungen, sondern i n der Abgrenzung von Besatzungsgebieten, begründet i n den Entscheidungen der siegreichen Alliierten von Jalta und Potsdam. Noch ist der Krieg nicht endgültig liquidiert und w i r wissen nicht, welcher A r t die Grenzen sein werden, unter denen das Siebzig-Millionen-Volk der Deutschen seine Eingliederung i n den Kreis der Nationen und seinen Wirtschaftsraum nach so wechselvoller und zuletzt so blutiger Geschichte finden wird. Die deutsche Frage der Gegenwart erschöpft sich nicht in der Zielsetzung, den Eisernen Vorhang, der West- und Mitteldeutschland seit 1945 trennt, zu beseitigen und B e r l i n aus seiner insularen Lage zu befreien. So sehr die deutsche Bevölkerung den Tag der Wiedervereinigung ersehnt, es bleibt die Frage nach dem Schicksal des deutschen Ostens. Für Millionen Deutsche geht es dabei u m die Heimat. Für Deutschland als Ganzes bedeutet das Ostproblem jedoch die unsentimentale Entscheidung über die Grenzen seiner volkswirtschaftlichen Entfaltung und über das Niveau seiner Lebenshaltung, das sich nicht zuletzt auch daraus ergibt, wie weit sich die Folgen der Zerstückelung des deutschen Wirtschaftsraumes wieder politisch reparieren lassen. I n der deutschen Geschichte hat es niemals ein politisch selbständiges Ostdeutschland gegeben. Die politische Wirksamkeit dieses Raumes, seine kulturelle Bedeutung und seine wirtschaftlichen Funktionen waren seit Generationen stets nur Teil eines Ganzen, bis 1870 Preußens, dann — m i t der Reichsgründung — Deutschlands. Seit dem Mittelalter gehören die preußischen Provinzen östlich der Oder/Neiße, die dem Deutschen Reich nach dem ersten Weltkrieg verblieben waren, zum unbestrittenen deutschen Siedlungsgebiet. Es lebten i n ihnen bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges, schließt man die

XII

Einleitung

Deutschen Danzigs (es zählte 1935 407 000 Einwohner) m i t ein, etwa 10 Millionen Menschen. Die Beziehungen zwischen den Ostpreußen und den brandenburgischen Neumärkern, den Pommern und den Schlesiern waren untereinander jedoch keine anderen als die zu jedem der übrigen deutschen Volksstämme. Bis zu der schicksalsschweren Stunde, i n der durch die willkürliche Auslegung eines Beschlusses der Alliierten die i n den östlichen Provinzen Deutschlands leibenden Menschen zu einem Volke der verlorenen Heimat gemacht wurden, hat es keine Sonderstellung der Ostdeutschen gegeben. Eine Demarkationslinie wurde das Verhängnis für Millionen Deutsche, sie entschied, wer fortan Ostdeutscher sein sollte. Erst das Jahr 1945 prägte diese Ostdeutschen, deren Massenmerkmal das „Vertriebensein" geworden ist und die seit nunmehr einem Jahrzehnt i n Leid und Hoffnung das gemeinsame Schicksal zu ertragen haben, ohne bisher all das, was . die Ostpreußen, Pommern, Schlesier und Neumärker k u l t u r e l l auszeichnete, zu verlieren. I n der Weite der Norddeutschen Tiefebene gibt es keine natürlichen geographischen Begrenzungen zwischen West und Ost. Dagegen waren bis i n die neueste Zeit hinein die Ostsee und die deutschen M i t t e l gebirge naturgegebene Barrieren. I n Jahrhunderten bestimmten und schützten sie den ostdeutschen Siedlungsraum gegen Norden und Süden, und die Güterströme wie die Bevölkerungsbewegung fluteten von West nach Ost und von Ost nach West. Die ostdeutsche Siedlung fand ihre östlichste Ausweitung und Begrenzung i m 14. Jahrhundert. Seitdem war das spätere Ostpreußen östlichster und nördlichster Gebietsteil Deutschlands zugleich. Auch als 1919 der Versailler Vertrag zugunsten des neuerstandenen Polen einen tiefen Einbruch i n das bis dahin ostdeutsche Gebiet erzwang und außerdem das Memelland abtrennte, blieb der östlichste Grenzpunkt des Deutschen Reiches weiterhin i m Kreise Pilkallen in Ostpreußen (22° 53' östl. Länge von Greenwich), und die Memel bezeichnete als Grenzfluß» die nördlichste Position Deutschlands. Bis zum Ende des ersten Weltkrieges bildeten Deutschlands östliche Provinzen eine geschlossene Einheit m i t dem übrigen Reichsgebiet. Die verkehrswirtschaftlichen Proportionen waren sehr günstig. Etwa 7900 k m Zollgrenzen (einschl. Seezollgrenzen) umschlossen 540 000 qkm Reichsgebiet. Die lineare Entfernung zwischen dem nördlichsten und südlichsten Grenzpunkt Deutschlands w a r mit über 900 k m gar nicht sehr viel geringer als die Entfernung zwischen dem westlichsten und östlichsten m i t rd. 1150 km. Diese ökonomisch vorteilhafte Geschlossenheit des deutschen W i r t schaftsraumes wurde 1919 durch den Versailler Vertrag aufgesprengt. Besonders durch den Verlust der preußischen Provinzen Westpreußen und Posen, die seit der Ersten und Zweiten Teilung Polens, also seit 1772 und 1793, integrierender Bestandteil der deutschen Wirtschaft gewesen waren, verlor der ostdeutsche Raum seinen Zusammenhalt. Das in erfolgreichen Abstimmungskämpfen als deutsches Reichsgebiet voll

Einleitung

XIII

erhalten gebliebene Ostpreußen wurde isoliert, Danzig sogar separiert, und beide Gebiete durch einen 82 k m breiten Korridor nunmehr polnischen Hoheitsgebietes vom deutschen Mutterlande abgeschnitten. Dazu kam der Verlust eines Teiles von Oberschlesien. Hierdurch und durch die übrigen Gebietsopfer Deutschlands schrumpfte das Reichsgebiet nach 1919 auf 470 000 qkm, wenn man das vorübergehend unter fremder Verwaltung stehende Saargebiet m i t einbezieht. Zugleich verlängerte sich — trotz der erheblichen Gebietsverluste von ungefähr 13 % — der Umfang der deutschen Zollgrenzen für das Reichsgebiet von 1937 auf über 8100 km. 1945 schrumpfte das deutsche Wirtschaftsgebiet durch die Abschnürung der Provinzen östlich der Oder/Neiße erneut, und zwar diesmal u m über 24 % . Es entstanden zwei neue innerdeutsche Zollgrenzen: die Oder/Neiße-Linie der Eiserne Vorhang, entlang der Sowjetzonengrenze gegenüber Westdeutschland

=

456 k m

= 1381 km.

Die deutsche Volkswirtschaft mußte also unter Bedingungen reorganisiert werden, die weit ungünstiger waren und sind, als jemals i n der modernen Geschichte irgendeines europäischen "Landes. Die ökonomische Forschung hat sich gleich nach Ende der Kriegshandlungen darum bemüht, aus den verstreuten Archiven, den zufällig erhalten gebliebenen statistischen Materialien, insbesondere den kriegswirtschaftlichen Standort- und Kreislaufkarten, die Zusammenhänge und Abläufe zu untersuchen und aufzudecken, unter denen die deutsche Wirtschaft i n die Katastrophe des völligen Zusammenbruchs geriet. Die einschlägige Forschung hat sich jedoch nicht nur mit der analytischen Diagnostik begnügt, der Versuch einer Prognose — anfangs natürlicherweise tastend und von unsicheren Arbeitshypothesen bestimmt — stellte hohe Ansprüche. Bereits 1947 legte das Deutsche Institut f ü r Wirtschaftsforschung seine erste größere Nachkriegsveröffentlichung über Zustand und Probleme der deutschen Wirtschaft zwei Jahre nach dem Zusammenbruch vor, die heute bereits dokumentarische Bedeutung erlangt hat. Hier nahmen Experten, die sich meist auf die unmittelbare Kenntnis des kriegswirtschaftlichen Forschungsstandes stützen konnten, die ersten Fäden der unterbrochenen Wirtschaftsforschung wieder auf und projizierten das Wirtschaftsgeschehen auf die nunmehr getrennten w i r t schaftlichen Teilräume. Eine größere Studie über „Die deutsche Industrie i m Kriege 1939 bis 1945", entstanden unter der erfahrenen Leitung von Dr. Rolf Wagenführ, gehört seit Jahren zum Forschungsschatz des Instituts. Sie ist 1954 als Buch erschienen und ist eine wertvolle Ergänzung der vorliegenden Untersuchung über Deutschlands wirtschaftliche Kapazitäten vor der Spaltung Deutschlands. Gleich i n den ersten Monaten nach der Kapitulation ermöglichte es eine Berufung des Verfassers durch den Magistrat der damals noch

XIV

Einleitung

durch gemeinsames Besatzungsregime vereinten Reichshauptstadt Berlin, die erhalten gebliebenen regionalen Unterlagen der deutschen Reichsstatistik der wissenschaftlichen Forschung zugänglich zu machen. M i t der Leitung und Reorganisation des verwaisten Statistischen Reichsamts beauftragt, das bereits i m Juni 1945 mit 500 Mitarbeitern i n dem stark zerstörten Amtsgebäude die Arbeit wieder aufnahm, konnte er schon i m Herbst 1945 die erste große Aufbereitung der alten reichsstatistischen Ergebnisse nach Besatzungsbereichen abschließen. Die Arbeiten haben seit 1948, als die separat durchgeführte Währungsreform die west- und mitteldeutschen Wirtschaftsgebiete effektiv voneinander trennte, i m Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung eine verstärkte Fortentwicklung erfahren. Der Verfasser übernahm i m D I W i m Frühjahr 1949 die Leitung einer speziellen Abteilung für die deutsche Regionalforschung. I n fünfjähriger Arbeit entstanden die i n dieser Veröffentlichung enthaltenen tabellarischen und graphischen Aussagen über die Kapazitäten und Standorte der ungeteilten deutschen Volkswirtschaft i n ihren jetzigen Teilbereichen. Sie erfüllten bisher ihre Aufgabe als interne Forschungsunterlagen des Instituts, sie standen aber jederzeit den Beratungen und Dispositionen jener Stellen zur Verfügung, die Fragen der Wiedervereinigung behandelten. Schon zur Vorbereitung der vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen Ende 1950 veranstalteten Ausstellung „Deutsche Heimat i m Osten" konnten diese Materialien wesentlich beitragen. A u f einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute, die i m J u l i 1953 i n Berlin zu Problemen der w i r t schaftlichen Wiedervereinigung Deutschlands Stellung nahm, hatten die Tagungsteilnehmer Gelegenheit, die fertig ausgearbeiteten StandortSchaubilder zu studieren. Unter normalen Verhältnissen pflegen statistische Daten nach mehr als zehn Jahren jede Aktualität zu verlieren. Anders dagegen, wenn es sich um statistisches Grundlagenmaterial handelt, das allein die Vergleichsgrößen zu bieten vermag, an denen nicht nur die anomalen Verhältnisse der gespaltenen deutschen Volkswirtschaft, sondern auch die Auswirkungen künftiger politischer Entscheidungen über die Gestaltung des deutschen Wirtschaftsraumes gemessen werden können. Diese politischen Entscheidungen über Deutschlands staatliche Zukunft sind bis heute noch nicht gefallen, und sie dürfen auch nicht fallen, ohne daß die Verantwortlichen sich dabei über die ökonomischen und sozialen Konsequenzen ihres Handelns klar werden. Die vorliegende Veröffentlichung hat nicht zum Ziel, das einst von hierfür berufenen Stellen herauszugebende „Gesamtdeutsche Statistische Jahrbuch" zu ersetzen, das seit 15 Jahren der wissenschaftlichen Forschung fehlt. Die Zusammenfassung der statistischen Unterlagen in einem besonderen Tabellenteil dieses Buches beabsichtigt nur, zur Veranschaulichung der früher weitgehenden Verflechtung der deutschen Teilgebiete und ihrer starken gegenseitigen Abhängigkeit diejenigen erarbeiteten Größenordnungen der Öffentlichkeit zu unterbreiten, die

Einleitung

dieser Aufgabe dienen können 1 . Einen großen Teil des Materials verdanken w i r nach der weitgehenden Vernichtung der reichs amtlichen statistischen Unterlagen durch die Kriegshandlungen oft nur dem Zufall. I n vielen Fällen standen uns lediglich Ablichtungen oder sogar nur Aufzeichnungen von Experten zur Verfügung. Fast immer mußten die erhalten gebliebenen Unterlagen i n mühevoller Arbeit den regionalen Neugliederungen angepaßt werden. Der Verfasser hat hier einer großen Zahl von sachverständigen Kollegen zu danken, die über die übliche Teamarbeit eines Instituts hinaus der Veröffentlichung den Weg ebneten.

Berlin, i m Dezember 1955 Bruno Gleitze

1 Es w a r leider nicht möglich, die Bereiche des Handels, der Verwaltung, des B a n k - u n d Versicherungswesens, der Genossenschaften, der Post und des Nachrichtenwesens i n größerer Ausführlichkeit zu behandeln, w i e das gewiß notwendig gewesen wäre, wenn die vorliegende Untersuchung sich ein w e i t e r gehendes Ziel gesteckt hätte.

Kapitel

A

O s t d e u t s c h e W i r t s c h a f t als T e i l eines

Ganzen

a) Die Aufspaltung Deutschlands und seiner Volkswirtschaft Für die deutsche Wirtschaft sind bis 1945 die östlich der Oder/Neiße gelegenen Landesteile Deutschlands ein nicht weniger integrierter Bestandteil gewesen als etwa die Normandie oder die Bretagne für Frankreich, die Lombardei für Italien oder Schottland für Großbritannien. Trotzdem wurden die ostdeutschen Provinzen gleich nach Ende der Kriegshandlungen als erste Maßnahme zur Überführung der Kriegswirtschaft i n die Phase der Kriegsliquidierung an der Oder/Neiße abgeriegelt und jeder wirtschaftlichen Betätigung der deutschen Bevölkerung entzogen. Obwohl die legitimen Grenzen Deutschlands völkerrechtlich nicht erloschen waren, schrumpfte der deutsche Wirtschaftsraum i m M a i 1945 schlagartig u m fast ein Viertel. Bevor sich die alliierten Mächte anschickten, Deutschland für unbestimmte Zeit entsprechend dem Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 i n Besatzungszonen aufzuteilen, wie man das schon i m Februar 1945 i n Jalta vereinbart hatte, war der deutsche Wirtschaftskörper durch die Abschnürung der ostdeutschen Gebiete und die i n vollem Gange befindliche Austreibung seiner Bevölkerung faktisch bereits amputiert. Das nördliche Ostpreußen fiel unter sowjetrussische, Schlesien m i t allen anderen Gebieten östlich der Oder-Neiße und das Odermündungsgebiet einschließlich des Stadtgebietes von Stettin unter polnische Verwaltung. Ostdeutschland, bis dahin ein unbestimmter geographischer Begriff, wurde i n diesen Schicksalstagen der deutschen Nation zu einer festumrissenen Größe i n der vorläufigen Schlußbilanz des zweiten Weltkrieges. Auch wenn die sowjetische Politik zu der ursprünglichen Zusage an das deutsche Volk, die Besatzungszonen bald wieder i n eine geschlossene deutsche Volkswirtschaft m i t deutscher Verwaltung durch Staatssekretariate zu überführen, gehalten und ihre Zone — die sogenannte Sowjetzone — nicht separiert hätte, wäre die Abspaltung eines so bedeutsamen Teiles wie der ostdeutschen Gebiete für die deutsche Volkswirtschaft von schwerwiegenden Folgen gewesen. N u r wären sie jedermann deutlicher als jetzt sichtbar geworden: der Verlust an A r beitsstätten, der Ausfall an Märkten, die stark eingeschränkte Ernährungsbasis, der Exportzwang, das Flüchtlingsproblem i n seinen ganzen Ausmaßen. A U diese Belastungen, die jeder anderen europäischen Nation nach Kriegsende erspart blieben, verflossen i m ersten Nachkriegs1

Ostbuch

2

Ostdeutsche Wirtschaft

als T e i l eines

Ganzen

jahrzehnt mit den Sonderheiten regionaler Entwicklungserscheinungen: der Blockade Berlins, der schrittweisen Sowjetisierung Mitteldeutschlands, der Marshall-Plan-Hilfe für Westdeutschland usw. Gerade die anfangs besonders weitgehende Zerstückelung Deutschlands i n vier Zonen, die Isolierung Berlins und die spätere Sonderbehandlung des Saargebiets ließen es ebensowenig der deutschen und erst recht natürlich nicht der Weltöffentlichkeit voll bewußt werden, welche wirtschaftliche Bedeutung die Abspaltung Ostdeutschlands vom deutschen Wirtschaftskörper auf die Dauer haben mußte. Jeder der Teile eines bis dahin festgefügten Ganzen, also jedes Zonengebiet ebenso wie die Sektorenstadt Berlin, hatte dazu, i n den ersten Jahren genug damit zu tun, mit der inflationistischen Geldfülle fertig zu werden, die dringendste Not zu lindern und den elementarsten Aufbau der durch Krieg und Demontagen zerstörten Produktionsstätten durchzuführen. Hier verloren sich leicht die Vorstellungen von dem Ausmaß der nationalen Belastung, die die gesamtdeutsche Wirtschaft durch, die sowjetische Okkupation der ostdeutschen Gebiete erfahren hatte. Die Summe der Lasten, die Deutschlands Wirtschaft aus der Abspaltung des ostdeutschen Wirtschaftsgebiets zu tragen hatte, blieb bisher ungleich verteilt. Berlin und Mitteldeutschland trugen i n dem Jahrzehnt nach 1945 ungleich schwerer an der drückenden Hypothek der heute unbegreiflichen Vereinbarung i m Potsdamer Abkommen als die Mehrheit der westdeutschen Wirtschaftsgebiete. Schon aus geograOstdeutschland*)

Mitteldeutschland**)

Westdeutschlandf)

SaarDeutschland geohne mit biet Saargebiet

a) Bevölkerung Deutschlands Bevölkerungsstand i n M i l l . 1939 9,6 16,7 42,1 0,9 1953 · 18,4 51,2 1,0 Veränderungen 1953 gegen 1939 — 100,0 v H + 10,2 v H + 21,6 v H · b) Sozialproduktft) Sozialprodukt in Mrd. D M 1939 18,0 1953 — Veränderungen 1953 gegen 1939 —100,0 v H —

68,4 69,6

69,3 70,6

+ 1,8 v H

+ 1,9 v H

i n 1953er westdeutschen Preisen 47,0 33,0

122,0 127,0

29,8 v H

I 4,1 v H

2,5 · ·

187,0 160,0

189,5

— 14,5 v H

*) Gebiet östlich der Oder/Neiße-Linie; **) Sowjetzone u n d Ostberlin; t ) Bundesrepublik (ohne Saargebiet), jedoch m i t Westberlin; i f ) Nach neueren Berechnungen v o n Ferdinand G r ü η i g. Vgl. auch seinen Beitrag i n Meet Germany, A t l a n t i k - B r ü c k e , H a m b u r g 1954.

Die Aufspaltung Deutschlands u n d seiner Volkswirtschaft

3

phischen Gründen war die Verflechtung und gegenseitige Abhängigkeit Ost- und Mitteldeutschlands intensiver und damit die gewaltsame Errichtung der Oder/Neiße-Linie für die mitteldeutsche Bevölkerung folgenschwerer. Deshalb könnte die vom deutschen Volke ersehnte Wiedervereinigung West- und Mitteldeutschlands die Last aus der A b spaltung der ostdeutschen Wirtschaftsgebiete gewiß besser verteilen, sie könnte sie jedoch nicht aufheben. Z u einer Vorstellung über die wirtschaftlichen Größenordnungen des gespaltenen Deutschland verhilft uns die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Danach verteilten sich Bevölkerung und Sozialprodukt Deutschlands auf die deutschen Wirtschaftsräume i n ihren gegenwärtig bestehenden Abgrenzungen wie folgt: Die Verteilung der Bevölkerung und der Produktion in Deutschland vor dem Kriege in v H Gebiet Deutsches SowjetBerlin Westöstl. der (Ost- u. Reich zone deutschWest-) Oder/Neiße (Gebiet (Mittelland (Ostdt.) v. 1937) Deutschld.) (mit Saar) 13,9 Bevölkerung (1939) 100,0 21,8 58,0 6,3 Gebietsfläche 24,3 52,7 100,0 Nettoproduktionsw e r t (1936)*) der L a n d w i r t 23 26 51 schaft**) 100,0 24 der Industrie . . 6 61 100,0

22,8

0,2

*) Nach: U N Economic B u l l e t i n for Europe HI/1949, Vol. 1, No. 3. **) Ohne Nahrungsmittelindustrie.

Nach übereinstimmenden Schätzungen der Europäischen Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen (1949) und denen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 1 hatte Ostdeutschland am reichsdeutschen Sozialprodukt 19362 einen A n t e i l von 10 bis 11 vH. Der Pro-Kopf-Anteil w a r i m Durchschnitt der östlichen Provinzen nur u m 20 v H niedriger als i m Reichsdurchschnitt. Schon die Ungleichheit der 1945 auseinandergerissenen Teilräume der deutschen Wirtschaft und ihre heterogene Struktur weist auf die Gefahren hin, die Deutschlands Wirtschaft aus der Teilung erwachsen mußten. Keiner der Teilräume war i n sich auch nur einigermaßen ausgeglichen. Die elementarsten Bedürfnisse der auf 76 v H der Vorkriegsfläche zusammengedrängten deutschen Bevölkerung konnten schon des1 2

l*

„ Z w e i Jahre nach dem Zusammenbruch", S. 274. Unter Zugrundelegung der damaligen Preisverhältnisse.

4

Ostdeutsche Wirtschaft

als T e i l eines

Ganzen

halb Jahre nach der Zerreißung Deutschlands nur schrittweise befriedigt werden. Das gesamtdeutsche Industrieniveau, verglichen m i t 1936, kam i m Jahresdurchschnitt 1946 über 40 v H nicht hinaus, überschritt 1947 die Hälfte des 1936er Niveaus und kam i m Jahre der Währungsreform auf noch nicht 60 vH. Das entsprach etwa dem tiefsten Stand, den Deutschlands Industrieproduktion in der schweren Krise 1932/33 erreicht hatte. Erst zu dieser Zeit, nachdem die separaten Währungsreformen mit getrennten Währungen jede Aussicht auf eine schnelle Wiedervereinigung des gespaltenen Deutschlands nahmen, begann die Periode der strukturellen Anpassung jedes der isolierten Wirtschaftsteilräume an die neuen Gegebenheiten, und zwar an die neuen Standortbedingungen und die veränderten Funktionen der verbliebenen Kapazitäten. Die aus der Abspaltung Ostdeutschlands i m deutschen Wirtschaftsgefüge entstandenen Disproportionen waren außerordentlich stark. Selbst i n der Grobstruktur ähnelte ja das deutsche Wirtschaftsgebiet östlich der Oder/Neiße weder dem allgemeinen Reichsdurchschnitt, noch den mitteldeutschen oder den übrigen Teilen Deutschlands. Es hatte seit jeher eigenbetonte Züge, die i n den späteren Kapiteln dieses Buches eingehend beleuchtet werden sollen: a) den verhältnismäßig hohen A n t e i l der landwirtschaftlichen Erzeugung a m Sozialprodukt, b) die große Bedeutung der schlesischen Kohle als Energiegrundlage, c) die breite industrielle E n t w i c k l u n g Ostdeutschlands, allerdings m i t einem überdurchschnittlichen A n t e i l der K l e i n - u n d Mittelbetriebe.

M i t der Vertreibung der ostdeutschen Bevölkerung aus ihren Wohnund Arbeitsstätten östlich der Oder/Neiße gingen der deutschen Volkswirtschaft an Kapazitäten und Leistungen, gemessen an dem Vorkriegsstand, verloren: a) i n d e r L a n d - u n d Forstwirtschaft Landwirtschaftliche Nutzfläche Forsten und Holzungen Landwirtschaftliche Betriebe darunter Großbetriebe (Güter über 100 ha) . . Viehbestände (Großvieheinheiten) M i l c h - u n d Buttererzeugung

Ostdeutscher Anteil 1939 25,7 v H 1935/38 22.8 v H 1939 16,5 v H 1939 44,6 v H 1936/38 22,2 v H 1938 20,5—21,0 v H

b) i n d e r I n d u s t r i e 1 ) Industrieerzeugung insgesamt darunter Bergbau Steine u n d Erden Verbr auchsgüterin dustrien Handwerkserzeugung insgesamt

1939 1939 1939 1939 1939 über

5,8 11,5 11,4 8,2 15,0

vH vH vH vH vH

!) Anteile errechnen sich f ü r 1936 bzw. 1944 teilweise höher, w i e noch i m Texte dargelegt w i r d .

Die Aufspaltung Deutschlands u n d seiner Volkswirtschaft

c) a n Bodenschätzen Sichere Steinkohlenvorräte Sichere Braunkohlenvorräte Bleierz-Vorräte Zinkerz-Vorräte

1939 1939 1939 1939

δ

Ostdeutscher Anteil 8,0 v H 17,1 v H 39,0 v H 63,9 v H .

I n allen Teilräumen der gespaltenen deutschen Wirtschaft haben sich neue Standortbedingungen ergeben, unter denen sich nunmehr die neue wirtschaftliche Entwicklung vollzogen hat. A n den neuen Grenzen, insbesondere beiderseits des sogenannten „Eisernen Vorhangs", der Zonengrenze zwischen Mittel- und Westdeutschland, bildeten sich i n den von ihrem natürlichen Hinterland abgeschnürten regionalen Räumen ausgesprochene Notstandsgebiete. A n Stelle des ausgeprägten Ost-West- bzw. West-Ost-Verkehrs i m alten Reichsgebiet schalteten die Güterströme und auch der Personenverkehr sowohl i n M i t t e l - als auch i n Westdeutschland viel stärker als früher auf den Nord-Süd-Verkehr. Die technischen Kapazitäten der besonders gut ausgebauten Eisenbahn-, Landstraßen- und WasserstraßenAnlagen i m innerdeutschen West-Ost-Verkehr auf einer beinahe Tausendkilometerstrecke konnten, soweit sie nicht demontiert oder der polnischen Verwaltung unterstellt wurden, nach 1945 über weite Gebiete nicht mehr voll ausgenutzt werden.

b) Einstige wirtschaftliche Verflechtung Ostund Westdeutschlands Wenn die deutschen Teilräume nach dem Kriege unter dem Zwange einer starken Komplettierung ihrer Kapazitäten gestanden haben und das nicht etwa n u r wegen der Notwendigkeit, den i m ostdeutschen Wirtschaftsraum verlorenen Grund und Boden sowie die dort gelassenen Arbeitsstätten und Wohnungen zu substituieren oder die unmittelbaren Kriegsschäden zu beheben, dann liegen die Gründe i n der hohen Verflechtung miteinander, die die deutschen Wirtschaftsgebiete bis dahin aufwiesen. Gewisse Umbildungen, die i n dem Jahrzehnt vor 1945 bei den industriellen Kapazitäten unter wehrwirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgten, mögen den marktwirtschaftlichen Standorts-Vorteilen nicht immer gerecht geworden sein. Die Grundstruktur der deutschen Volkswirtschaft hatte sich aber in der organischen Entwicklung der in Jahrzehnten gewachsenen deutschen Teilwirtschaften herausgebildet; ihre hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit lag i n den regional arbeitsteilig gut aufeinander abgestimmten Marktbeziehungen begründet. Es vereinfacht die Übersicht, wenn w i r die — anfangs ebenfalls isolierten — Zonen der westlichen Alliierten statistisch als ein geschlos-

6

Ostdeutsche Wirtschaft

als T e i l eines

Ganzen

senes Gebiet ansehen, da der Übergang zu den westlichen Vereinigten Wirtschaftsgebieten (Bizone, Trizone) bereits frühzeitig erfolgte und seit der Währungsreform praktisch eine wirtschaftliche Einheit bestand, das Saargebiet ausgenommen. Bei ihren Bemühungen, nachträglich die innerdeutschen Warenkreisläufe der Vorkriegszeit zu rekonstruieren, gelangte die Europäische Wirtschaftskommission 3 zu folgenden Schätzungen, jeweils berechnet in 1936er Preisen auf der Produzentenstufe: Der innerdeutsche Warenaustausch und der Außenhandel 1936 an landwirtschaftlichen*) u n d industriellen**) Erzeugnissen in Mrd. R M OstMittelWestDeutsches deutsch- deutsch- B e r l i n deutschReich insges land land landt) 40,3 23,9 9,7 4,0 2,7 Nettoproduktionswert Lieferungen a) i n andere deutsche Ge— 4,2 4,2 biete 1,8 1,7 b) i n das Ausland 4,8 0,2 3,2 (Ausfuhr) 0,3 1,1 Bezüge a) aus anderen deut— 1,6 schen Gebieten . . . . 4,1 2,1 4,1 b) aus dem Ausland 4,2 0,4 0,7 0,4 2,7 (Einfuhr) Uberschuß ( + ) bzw. Z u -0,4 + 0,6 + 0,5 schußbedarf (—) -- 0 , 1 + 0,6 F ü r den Verbrauch und 39,7 23,3 Investitionen verfügbar 9,2 3,1 4,1 *) Ohne Forstwirtschaft u n d Fischerei; **) N u r Betriebe m i t fünf u n d mehr Beschäftigten. — Einschl. Bergbau, Baugewerbe u n d Elektrizitätserzeugung. f) Einschl. Saargebiet.

Bei der Ausgewogenheit der innerdeutschen Marktbeziehungen war zu erwarten, daß sich die wirtschaftlichen Teilräume Deutschlands unter normalen Verhältnissen i n ihren Lieferungen und Bezügen weitgehend ausbalancierten. Die vorstehende Bilanz bestätigt für 1936 diese Erwartung. Kleine Salden können durch Schwankungen i m Außenhandel entstehen, bei größerem landwirtschaftlichem Einschlag i n der Gütererzeugung sind zeitweise Einflüsse von Ernteausfällen wirksam. Berlins Zuschußbedarf dagegen w a r struktur bedingt und der Ausweis eines güterwirtschaftlichen Fehlbedarfs von 0,4 Mrd. R M charakteristisch für eine Hauptstadt, deren Zahlungsbilanz nur durch Leistungen aus den Hoheitsfunktionen, insbesondere aber durch die i n Berlin konzentriert 3

Hierzu Tabelle 25 u n d 26 i m Tabellenteil, S. 167 f. — Vgl. auch U N Economic B u l l e t i n for Europe III/1949, Vol. 1, Nr. 3.

Einstige wirtschaftliche Verflechtung Ost- u n d Westdeutschlands

7

gewesenen Unternehmungsverwaltungen der Industrie, des Handels, deren Verbände, nicht zuletzt auch der Kreditorganisationen (Banken, Versicherungen usw.) auszugleichen waren 4 . Der S. 168 ausgewiesene Zuschußbedarf Berlins i n Höhe von 0,7 Mrd. R M für den Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten konnte 1936 nur durch einen Überschuß an industriellen Erzeugnissen von 0,3 Mrd. RM, der übrigens fast dem damaligen Auslandsexport der Berliner Industrie entsprach, kompensiert werden. Ost-, West- und Mitteldeutschland teilten sich i n die Versorgung Berlins mit Ernährungsgütern. Dabei fiel ein etwas größerer A n teil dem Gebiet der Sowjetzone zu, das ja Berlin völlig umschließt. Ostdeutschlands güterwirtschaftliche Zahlungsbilanz w a r unter Berücksichtigung der Holzlieferungen ausgeglichen. Deshalb entsprangen die umfangreichen Bezüge und die nicht weniger großen Lieferungen Ostdeutschlands echten Austauschbedürfnissen, entstanden aus den eigenen hohen Agrarüberschüssen und dem gewerblichen Ergänzungsbedarf, aber auch dem gleichzeitig entsprechend großen gewerblichen Leistungsvermögen und Absatzbedürfnis. 1936 übertraf der beträchtliche Bedarf Ostdeutschlands an industriellen Erzeugnissen der mitteldeutschen, Berliner und westdeutschen Industrie i n Höhe von insgesamt 1,5 Mrd. R M die eigenen Gegenlieferungen an industriellen Waren (1,0 Mrd. RM) erheblich. Er wurde auch nicht ganz ausgeglichen durch die ostdeutschen Lieferungen an Agrarerzeugnissen (0,7 Mrd. RM), da Ostdeutschland im. Saldo auch noch für 0,3 Mrd. R M Futtermittel und Die regionale Verflechtung des innerdeutschen Warenhandels 1936 in Mrd. R M

Empfangsgebiete:

Liefergebiete: Ostdeutschland dar. Nahrungs- u. F u t t e r m i t t e l . . . alle anderen Waren Mitteldeutschland dar. Nahrungs- u. F u t t e r m i t t e l . . . alle anderen Waren B e r l i n (Ost- u n d West-) dar. Nahrungs- u. F u t t e r m i t t e l . . . alle anderen Waren Westdeutschland (mit Saargebiet) . . dar. Nahrungs- u. F u t t e r m i t t e l . . . alle anderen Waren . *) M i t Saargebiet.

Ostdeutschland —



0,6 0,1 0,5 0,3 —

0,3 0,7 —

0,7

Mitteldeutschland 0,7 0,2 0,5 —



0,7 0,1 0,6 2,7 0,2 2,5

Berlin 0,4 0,2 0,2 0,9 0,3 0,6 — — —

0,8 0,2 0,6

Westdeutschland*) 0,6 0,3 0,3 2,7 0,5 2,2 0,8 0,1 0,7 — — —

4 Nach Berechnungen von F. G r ü η i g ließen die hohen Dienstleistungen vor dem Kriege die Zahlungsbilanz Berlins a k t i v abschließen.

8

Ostdeutsche Wirtschaft als T e i l eines

Ganzen

Erzeugnisse d e r N a h r u n g s - u n d G e n u ß m i t t e l i n d u s t r i e d e u t s c h l a n d u n d auch aus d e m A u s l a n d e e i n f ü h r t e .

aus

Mittel-

Lieferungen und Bezüge der deutschen Teilräume 1936 i m Verhältnis zu Produktion u n d Verbrauch Anteile i n v H OstMittelWest- Deutsches deutsch- deutschBerlin deutsch- Reich land land land insges. a) bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen*) Lieferungen i n v H der Prod. a) i n andere deutsche Gebiete 32 31 · 6 — b) i n das Ausland (Ausfuhr) · 3 · · 1 Bezüge i n v H des Verbrauchs a) aus anderen deutschen Gebieten 6 19 78 12 b) aus dem Ausland (Einfuhr) 11 11 22 12 12 b) bei industriellen Erzeugnissen**) Lieferungen i n v H der Prod. a) i n andere deutsche Gebiete b) i n das Ausland (Ausfuhr) Bezüge i n v H des Verbrauchs a) aus anderen deutschen Gebieten b) aus dem Auslande (Einfuhr)

56

49

64

22



11

15

12

18

16

65

55

64

21



9

6

9

12

10

c) bei landwirtschaftlichen u n d industriellen Erzeugnissen zusammen Lieferungen i n v H der Prod. a) i n andere deutsche Gebiete b) i n das Ausland (Ausfuhr) Bezüge i n v H des Verbrauchs a) aus anderen deutschen Gebieten b) Aus dem Auslande (Einfuhr)

43

43

64

18



5

11

11

13

12

39

45

68

18



10

8

13

12

11

*) Einschl. Erzeugnisse der Nahrungsmittelindustrie. * * } Einschl. die des Bergbaues.

Einstige wirtschaftliche Verflechtung Ost- u n d Westdeutschlands

9

Der tatsächliche Verbrauch Ostdeutschlands und die Selbsterzeugung standen bei den landwirtschaftlichen und bei den industriellen Erzeugnissen i n einem wertmäßigen Umkehrverhältnis: Ostdeutschland Verbrauch Erzeugung in Mrd. H M Landwirtschaftliche Erzeugnisse u n d solche der Nahrungsmittelindustrie Industrieerzeugnisse (einschließlich Bau, Bergbau, Energie)

1,8

2,2

2,3

1,8

Diese Relationen charakterisieren die Gebiete östlich der Oder/Neiße in der deutschen Wirtschaft der Vorkriegszeit als landwirtschaftliche Überschuß- und als industrielle Bedarfsgebiete. Die handwerklichen Leistungen, die ja vor allem der regionalen Eigenversorgung dienten, konnten daran nichts ändern. Ostdeutschland w a r also praktisch ein Gebiet m i t voller agrarischer Selbstversorgung, aber es hatte nur einen industriellen Selbstversorgungsgrad von rechnerisch 78 vH. Damit hatte es eine Sonderstellung unter den übrigen Teilräumen Deutschlands, wenn man von provinzialen Eigenarten kleinerer Gebiete in nördlichen und südlichen Teilen des Reichsgebietes absieht. Die industriellen Leistungen Ostdeutschlands waren aber standortbegünstigte und i m Wettbewerb m i t dem übrigen Deutschland voll konkurrenzfähige Produktionen. Deshalb gingen 1936 weit mehr als die Hälfte der industriellen und bergbaulichen Erzeugnisse i n die deutschen Absatzgebiete westlich der Oder/Neiße und nicht weniger als 11 v H i n den Export. Die industriellen Austauschverhältnisse Ostdeutschlands kamen fast an die hohe Austauschquote Berlins heran, jedenfalls betrug sie genau das Doppelte der gleichzeitigen agrarischen Lieferungsquote. A u f einen kurzen Zahlenausdruck gebracht: Von der Agrarerzeugung Ostdeutschlands blieben zwei D r i t t e l i m Lande, von der industriell-bergbaulichen Erzeugung dagegen gingen gleichzeitig zwei D r i t t e l über die Oder/Neiße nach dem Westen oder ins Ausland. Die reichsdeutsche Verkehrsstatistik 5 stützt die von der Europäischen Wirtschaftskommission festgestellten Größenordnungen über die intensive güterwirtschaftliche Verflechtung der ostdeutschen Vorkriegswirtschaft v o l l und ganz. Wenn die Verkehrsstatistik auch nur etwas über die Transportmengen auszusagen vermag, so ermöglicht sie dafür eine genauere Aussage über die Verkehrsrichtung und die spezielleren Empfangs- und Bezugsgebiete. 5 Vgl. hierzu die Tabellen 47 und 48 über den ostdeutschen Güterversand und Güterempfang auf S. 212 f. i m Tabellen-Teil.

10

Ostdeutsche Wirtschaft als T e i l eines

Ganzen

Richtung der ostdeutschen Güterströme 1938*) in Mill, t Bezüge Versand 6,0 1,0

nach bzw. von: Berlin Mitteldeutschland : 2,8 2,9 Sachsen-Anhalt, Thüringen 4,1 1,6 L a n d Sachsen 8,2 4,4 Brandenburg u n d Mecklenburg Westdeutschland : 0,8 1,2 Hamburg**) 1,2 1,7 Niedersachsen, Schleswig-Holstein* *) Nordrhein-Westfalen**) 1,6 1,1 0,6 0,3 Bremenf) 0,3 0,3 Hessent) 1,8 0,3 Bayernf) 0,3 0,3 Baden-Württembergtt), Pfalz 49,7 49,7 Ostdeutschlands Binnenverkehr 7,0 4,9 Ausland 72,5 81,6 Gesamtverkehr Ostdeutschlands *) A u f Eisenbahn, Binnenwasserstraße u n d über See sowie Güterfernverkehr auf Kraftfahrzeugen. **) Ehemals britische Zone, t ) Ehemals amerikanische Zone, f t ) Soweit ehemals französische Zone.

Unter der Wirkung der Frachtkosten beschränkt sich verständlicherweise der Güterverkehr m i t zunehmender Ferne auf die höherwertigen Waren. Die standortsfernen Absatzgebiete der ostdeutschen Märkte sind deshalb noch bedeutsamer, als dies der Repräsentation durch Transportgewichte entspricht. Die vorstehende Übersicht beweist daher, wie weit die Verästelung der ostdeutschen Wirtschaftsbeziehungen selbst i n die westlichen Randgebiete der deutschen Wirtschaft ging. A m reichsdeutschen Güterverkehr hatte Ostdeutschland einen A n t e i l von 10,2 bis 11,5 vH, das entsprach ungefähr dem A n t e i l am gesamtdeutschen Sozialprodukt.

c) Der deutsche Osten in der kriegswirtschaftlichen Entwicklung I n der kriegswirtschaftlichen Expansion der deutschen Industrie, die ab 1941 immer stärker auf die Kriegsversorgung umgestellt wurde, wuchs der ostdeutsche Produktionsbeitrag relativ stärker, als dies i n den westlichen Wirtschaftsgebieten Deutschlands der Fall war. Nach Dr. Rolf Wagenfuhr, dem früheren Chef der Industrieabteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, machte i m letzten Kriegsjahre die eigentliche Kriegsgerätefertigung nicht weniger als 40 v H der deutschen Industrieproduktion aus 6 . Sie bediente sich der greifbaren in6 Die deutsche Industrie i m Kriege 1939—1945. Herausgegeben v o m Deutschen I n s t i t u t f ü r Wirtschaftsforschung, B e r l i n 1954. S. 12, 113, 191.

Der deutsche Osten i n der kriegswirtschaftlichen E n t w i c k l u n g

11

dustriellen Kapazitäten, die in stetig steigender Intensität das Ziel systematischer Luftangriffe wurden. Anfänglich galt der mitteldeutsche Raum als relativ luftangriffssicher. Ab 1942 aber mußte Ostdeutschland anschwellende Ströme v o n Flüchtlingen und Ausgebombten nicht nur aus den luftgefährdeten Gebieten Westdeutschlands, sondern bald auch aus Berlin und den sächsischen Industriebezirken aufnehmen. Die I n dustrieverlagerungen nach dem deutschen Osten verstärkten sich zunehmend. I n der Rüstungsperiode vor 1939 hatte das Schwergewicht des industriellen Ausbaus in den Industriezentren des Westens, Berlins und Mitteldeutschlands gelegen. Ostdeutschlands industrieller Aufschwung aus der vorangegangenen Wirtschaftskrise vollzog sich weniger schnell, denn die besonders konjunkturreagiblen Investitionsgüterindustrien hatten i m ostdeutschen Wirtschaftsbereich längst nicht den gleichen A n teil w i e dort. I m Laufe der Kriegsjahre holte die industrielle Expansion des ostdeutschen Raumes den Rückstand gegenüber Mitteldeutschlands Produktionsniveau jedoch völlig auf und übertraf die westdeutsche Entwicklung, wenn man von der Industrieausweitung ab 1936 ausgeht, beträchtlich. Der Anpassungsprozeß vor 1936 hatte praktisch nur die schweren Rückschläge geheilt, die die Wirtschaftskrise i n der deutschen Industrie seit 1930 i n einem regional allerdings recht unterschiedlichen Ausmaß ausgelöst hatte. Wagt man, was i n den folgenden Berechnungen geschehen ist, aus den bekannt gewordenen Unterlagen der gebietlichen Bruttoproduktion der Industrie die Preiseinflüsse auszuschalten, dann ergeben sich an realen Expansionsquoten f ü r die Industrie:

Bergbau u. Grundstoffe . . Bau u. Investitionsgüter . . Verbrauchsgüter Gesamte Industrie Bergbau u. Grundstoffe Bau u. Investitionsgüter Verbrauchsgüter Gesamte Industrie

.. ..

Veränderungen in v H (1936 = 100) OstMittelDeutWest deutsch- deutschBerlin deutschsches land end Reich land a) von 1936 bis 1939 + 29,7 + 16,5 + 31,1 + 20,0 + 15,5 + 37,7 + 34,7 + 44,9 + 49,3 + 3,2 + 13,1 + 15,1 + 19,2 + 26,5 + 27,8 + 34,4 + 15,5 + 22,9 -f 36,7 + 26,8 b) von 1939 bis 1944 f 10,8 + 13,1 — 25,6 4- 82,0 + 14,1 + 36,9 — 1,3 + 27,0 ï- 26,9 + 45,6 — 19,0 — 24,0 — 28,1 — 59,6 — 27,6 + 29,8 + 5,7 + 8,0 — 22,9 + 6,3

Drei charakteristische und i n allen Industriebereichen wiederkehrende Merkmale kennzeichnen die Kriegsperiode der deutschen Wirtschaftsentwicklung: Einmal die relativ starke Abschwächung der Verbrauchs-

12

Ostdeutsche Wirtschaft

als T e i l eines

Ganzen

gütererzeugung, zweitens die starken Produktionsrückschläge der schwer vom Luftkrieg betroffenen Reichshauptstadt, drittens aber die weit überdurchschnittliche Expansion der ostdeutschen Industrieproduktion. ENTWICKLUNG DER DEUTSCHEN INDUSTRIEPRODUKTION (OHME ENERGIE)

Es w i r d noch i m einzelnen darzulegen sein 7 , wie sehr sich die kriegswirtschaftliche Entwicklung fördernd auf den Ausbau der ostdeutschen Industriekapazitäten auswirkte, die 1945 i n vollem Umfange der deutschen Wirtschaft entzogen wurden und dann der sowjetischen Demontage anheimfielen oder der polnischen Ausnutzung überlassen blieben. 7 Vgl. S. 62, Chemie; S. 72, Lokomotiverzeugung; S. 83, Garnerzeugung; S. 88, Schuhproduktion.

Kapitel

Bevölkerung

und

Β

Arbeitskräfte

a) Die ostdeutsche Bevölkerung, ihre Flucht und ihr Verbleib Etwa jeder siebente Einwohner Deutschlands lebte vor dem Kriege in den Reichsgebieten östlich der Oder/Neiße. Dabei gehörten die ostdeutschen Provinzen zu den relativ am schwächsten besiedelten Gebieten Deutschlands, von Schlesien abgesehen, das der durchschnittlichen reichsdeutschen Siedlungsdichte sehr nahe kam. Immerhin entsprach die Bevölkerungsdichte Ostpreußens, des östlichen Brandenburgs und Pommerns derjenigen von Schottland, Jugoslawien, Griechenland, Rumänien und der Ukraine, sie übertraf die von Spanien, Schweden und Norwegen bei weitem. Unter Einschluß Schlesiens hatte Ostdeutschland sogar eine höhere Siedlungsdichte als Frankreich und eine nicht viel geringere als Polen, nämlich 84 Einwohner je Quadratkilometer. Gegenüber den durchschnittlichen Siedlungsverhältnissen Gesamteuropas (46,5 Einwohner je qkm), ja selbst gegenüber denen Westeuropas (etwa 75 Einwohner je qkm) war das Reichsgebiet östlich der Oder/Neiße sogar überdurchschnittlich stark besiedelt. Und das war keinesfalls das Ergebnis einer planvollen reichsdeutschen Siedlungspolitik. I m Gegenteil, die östlichen Provinzen waren i n den beiden letzten Jahrhunderten eine biologische Kraftquelle Preußens und später Deutschlands, sie gaben fortgesetzt Teile ihrer hohen Geburtenüberschüsse an die immer stärker industrialisierten Gebiete Mittel- und Westdeutschlands ab. 1. Ostdeutschlands

Bevölkerungsentwiddung

I n den ostdeutschen Landesteilen lebten 1939 etwas über 9,6 M i l lionen Menschen, genau doppelt so viel wie 1 hundert Jahre früher. Seit der Reichsgründung hatten die ostdeutschen Provinzen u m mehr als 41 v H an Bevölkerung zugenommen, trotz einer Abwanderung (im Saldo) i n dieser Zeit von fast 3 Millionen Ostdeutschen nach Gebieten westlich der Oder/Neiße. Entsprechend stärker wuchs die Bevölkerungszahl Westdeutschlands um 101 v H und Mitteldeutschlands, Berlin eingeschlossen, u m 105 vH. Über die noch weiter zurückgreifende deutsche Bevölkerungsentwicklung, und zwar seit 1816, also seit der Neuordnung Mitteleuropas durch den Wiener Kongreß (1815), liegen amtliche Berechnungen vor 1 : 1 Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 451. — Einleitung zur Volkszählung 1933, S. 23.

14

Bevölkerung u n d Arbeitskräfte Bevölkerungszunahme in v H seit 1816 bis 1900 bis 1933 bis 1852 bis 1871 + 130,2 + 200,3 + 44,1 + 65,0

Deutsches Reich insges.* u n d zwar Landesteile + 91,4 Ostelbische Gebiete* + 67,1 + 128,9 Berlin + 317,4 Sächs.-thüring. Raum f 53,9 + 84,7 Niedersachsen+ 22,1 Schleswig-Holstein + 37,4 Rheinland-Westfalen (mit Saargebiet) -f 49,0 + 79,3 Südwestdeutschland u. Hessen + 34,2 + 40,5 (mit Pfalz) + 23,2 + 33,6 Bayern (ohne Pfalz) * I n den Grenzen des Deutschen Reiches von 1937.

+ 121,1 f 1114,7 + 173,2

+ 159,1 + 1800,1 f 232,8

4-

97,9

+

163,4

+

201,2

+

356,6

+ +

79,4 68,6

+ τ

129,9 108,6

I m ostdeutschen Raum w a r danach seit 1816 die Zunahme der dort ansässigen Bevölkerung stärker als i n Süddeutschland u n d rascher als i n Norddeutschland. Sie blieb nur hinter der Entwicklung der i m 19. Jahrhundert schnell anwachsenden industriellen Zentren zurück. Die i m Industrialisierungsprozeß des vergangenen Jahrhunderts entstandenen Menschenballungen waren aber wiederum nur möglich durch die ständigen Zuwanderungen aus den geburtenreichen Landesteilen. Die Großstädte Mitteldeutschlands und der Ruhr, nicht zuletzt auch die Reichshauptstadt Berlin, wuchsen unter dem stetigen Zustrom aus dem deutschen Osten, insbesondere von jüngeren und ledigen Menschen. Dieser Sog des Westens auf den Osten setzte bereits vor der Reichsgründung ein 2 , er führte aber für die ostdeutsche Bevölkerung viel weniger zu überseeischen Auswanderungen, wie das i m westlichen Deutschland der Fall war, sondern er speiste das unaufhörlich wachsende industrielle Kräftereservoir Deutschlands. I n der Bevölkerungsentwicklung Ostdeutschlands 3 gab es — ethnographisch wie biologisch — während der ganzen statistisch überschaubaren Periode seit Anfang des 19. Jahrhunderts keine Spannungen, von den zweimaligen schweren Kriegsverlusten abgesehen. Alle Gebiete hatten eine ziemlich gleich hohe und dabei gleichmäßige Bevölkerungszunahme, nur die bergbauliche und industrielle Erschließimg Oberschlesiens förderte hier dié Großstadtbildung stärker und führte schon Ende des 19. Jahrhunderts zu einer höheren Bevölkerungsdichte, die — wenn auch auf eng begrenztem Räume — der des Ruhrgebietes ähnelte. Drei Großstädte, wirtschaftliche und kulturelle Zentren zugleich, ragten seit Jahrhunderten als provinziale Hauptstädte ihrer Einwohner2

Vgl. hierzu Tabelle 6 i m Tabellenteü. Gemeint sind auch hier die ostdeutschen Provinzen i m Rahmen der reichsdeutschen Grenzen von 1937. 8

Die ostdeutsche Bevölkerung, ihre F l u c h t u n d i h r Verbleib

15

zahl nach weit über die anderen Städte des deutschen Ostens hinaus: Breslau, Königsberg und Stettin. Sie waren bereits i m Mittelalter bedeutsame rein deutsche Niederlassungen mit starken Handelspositionen, ebenso wie Danzig. Ihre Einwohnerzahlen wuchsen mit der Entfaltung der kapitalistischen Wirtschaft i m gleichen Tempo und m i t ähnlichen wirtschaftlichen Aufgaben wie die vergleichbaren Schwesterstädte i n Mittel- und Westdeutschland: Köln, München, Leipzig, Dresden, Frankfurt/Main, Hannover, Stuttgart, Nürnberg, Bremen, Magdeburg u. a.

Wie alle diese Großstädte erfüllten die ostdeutschen Hauptstädte als Absatzgebiete f ü r die landwirtschaftlichen und gewerblichen Leistungen der umliegenden Gebiete und ebenso als Lieferanten und M i t t l e r die natürliche Funktion von Zentren eines wirtschaftlichen Hinterlandes, m i t dem sie i n jahrhundertelangem Wachstum organisch verbunden waren. Keine der ostdeutschen Städte zeigte deshalb den Charakter einer Kolonisierung, wie das bei neueren Städtegründungen m i t einer isolierten wirtschaftlichen Vorpostenstellung i n der westlichen Welt ebenso wie i m sowjetischen Bereich zu finden ist. Sie waren, schon

16

Bevölkerung u n d Arbeitskräfte

äußerlich aus der Stadtanlage erkennbar, alte deutsche K u l t u r - und Wirtschaftsmetropolen. Ziemlich genau zwei D r i t t e l der Bevölkerung sowohl Ostpreußens als auch Pommerns und Schlesiens lebten vor dem Kriege 4 auf dem flachen Lande, gehörten zur Land- oder Kleinstadtbevölkerung 5 . 2. Die demographische Struktur der ostdeutsdien Bevölkerung

Nicht selten werden volkstumsmäßig umstrittene Siedlungsgebiete zum Objekt sehr unterschiedlicher Auslegungen von Statistiken, die etwas über die nationale Zugehörigkeit auszusagen vermögen. Für eine zuverlässige Aussage über die nationale Orientierung scheint eine 1925 m i t der Volkszählung verbundene Befragung nach der Muttersprache am wenigsten verdächtig, unter irgendeiner unzulässigen Beeinflussung zustande gekommen zu sein. Das ganze rund 115 000 qkm große Siedlungsgebiet östlich der Oder/Neiße in den Reichsgrenzen von 1937 erwies sich nach der Volkszählung von 1925 als fast rein deutsches Sprachgebiet. Von den deutschen Staatsangehörigen gaben als deutsche Muttersprache an: i n Ostpreußen i n Pommern i m östl. Brandenburg i n Niederschlesien . , i n Oberschlesien

97.2 99,8 99,7 99.3 88.4

vH, vH, vH, vH, vH.

N u r zwei Bevölkerungsgruppen waren der Muttersprache nach 1925 rein fremdsprachig: das waren die Polen i n Oberschlesien m i t rund einem Neuntel der Bevölkerung und die Masuren i n Ostpreußen, allerdings m i t einem so kleinen Volkssplitter, daß ihr A n t e i l — auf ganz Ostpreußen bezogen — noch nicht einmal zwei Prozent erreichte. Etwas stärker, wenn auch i m wesentlichen auf Oberschlesien beschränkt, war der zweisprachige Teil der Bevölkerimg. Er machte 1925 aber auch i n Oberschlesien noch keine dreißig Prozent der Wohnbevölkerung aus, 1933 bei einer wiederholten Zählung sogar weniger als 20 vH. Auch viele Generationen früher hat dasselbe reichsdeutsche Gebiet keine wesentlich andere Grundstruktur der Volkszugehörigkeit aufgezeigt. Die ostdeutsche Bevölkerung gehörte seit der Reformation überwiegend zum evangelischen Glauben. Allerdings gab es i n allen Provinzen mehr oder weniger starke katholische Gemeinden oder auch geschlossene katholische Siedlungsgebiete. I n Schlesien w a r die Zahl der A n hänger der Römisch-Katholischen Kirche sogar beinahe ebenso groß 4 6

Vgl. hierzu Tabellen 5, 10 u n d 11 i m Tabellenteil. Bevölkerung i n Gemeindegrößen bis unter 20 000 Einwohner.

Die ostdeutsche Bevölkerung, ihre Flucht und ihr Verbleib

17

wie die Zahl der evangelischen Christen. Hier war auch der Anteil der jüdischen Bevölkerung, bevor sie ihren Leidensweg unter dem Nationalsozialismus antrat, etwas stärker als in den nordöstlichen Provinzen. Bevölkerungsanteil in v H nach der Religionszugehörigkeit 1933 Evangelische Röm.-Kathol. Juden Sonstige 15,6 0,8 83,2 0,4 6,5 0,4 91,8 1,3 6,3 0,3 4,0 89,4 47,9 0,7 49,3 2,1

Ostpreußen Pommern Brandenburg Schlesien

Von den 9,6 Millionen Bewohnern der ostdeutschen Provinzen waren 1939 etwa 6,4 Millionen ( = 66,6 vH) evangelischer und 2,9 Millionen ( = 30,2 vH) römisch-katholischer Religion. Auch i n konfessioneller H i n sicht war Ostdeutschland demnach ein Spiegelbild der reichsdeutschen Verhältnisse, denn 62,2 v H der Reichsbevölkerung zählten 1933 zu den evangelischen, 33,0 v H zu den römisch-katholischen Christen, 0,8 v H waren jüdischen Glaubens und 4,0 v H anderer oder ohne Konfession. LEBENDGEBORENE JE 1 0 0 0 EINWOHNER 1939 τ 30 20

fl ι η

DEUTSCHLAND OSTPOMMERN (Jähresdurchschn.) PREUSSEN

NIEDER-

I

10

1 OBERSCHLESIEN

Weder ethnographische noch konfessionelle Gründe können also die maßgebliche Ursache dafür gewesen sein, daß der deutsche Osten die höchsten Geburtenziffern Deutschlands aufwies, ohne bei den Todesfällen von den durchschnittlichen SterblichkeitsVerhältnissen des übrigen Reichsgebietes nennenswert abzuweichen. Die hohen Geburtenzahlen erklären sich hauptsächlich durch das Überwiegen der ländlichen Siedlung, ebenso wie das beispielsweise i n Oldenburg und Mecklenburg der Fall war. Aber auch hier zeigte sich i m Osten eine zum T e i l beachtlich höhere Geburtenhäufigkeit in vergleichbaren Siedlungsgrößen: Deutschland zus I n Gemeinden: · unter 2000 Einw. 23,0 2000 bis 100 000 Einw. 20,7 über 100 000 Einw. 17,5

2

Ostbuch

Lebendgeborene 1939 je 1000 Einw. darunter OstPomNiederPreußen insges. preußen mern Schlesien 23,5 23,7 23,1 26,2 21,2 25,0 22,4 20,0 23,7 20,0 19,1 17,8

OberSchlesien 29,3

26,2

24,5

Bevölkerung u n d Arbeitskräfte

18

Ostdeutschland hatte deshalb 1939 einen Geburtenüberschuß von über 100 000, rund das Anderthalbf ache von dem. was seinem Bevölkerungsanteil entsprochen hätte. Der Altersaufbau der ostdeutschen Bevölkerung stand deshalb ganz unter dem Einfluß ihrer Neigung zum Kinderreichtum. Vor Kriegsausbruch lebten i n Familierihaushaltungen von fünf und mehr Personen: in in in in

Westdeutschland (einschl. Saargebiet) 35,2 v H , Mitteldeutschland (heutige Sowjetzone) 27,0 vH, Groß-Berlin 14,3 vH, Ostdeutschland (Gebiet östlich der Oder/Neiße) 39,7 v H

der Wohnbevölkerung. Der extrem niedrige A n t e i l größerer Familien an den Berliner Haushaltungen läßt die biologische Ungunst des großstädtischen Milieus deutlich hervortreten. Hohe Zuwachsraten einer wachsenden Stadt verzerren allerdings leicht das statistische Bild. Der jeweilige A n t e i l dei Kinder erscheint noch geringer, als er tatsächlich — gemessen an der bodenständigen Bevölkerung — ist. Eine relativ hohe Zahl der Einzelhaushalte ergibt sich zwangsläufig aus einer starken Zuwanderung lediger junger Arbeitskräfte. Die biologische Struktur der Großstadtbevölkerung w i r k t i n diesem Falle ungünstiger, als sie es i n Wirklichkeit ist. Umgekehrt täuscht die Zahl der aufgezogenen Kinder — hier gemessen an der Zahl der verbleibenden Bevölkerung — i n den Gebieten ständiger Abwanderung einen entsprechend überhöhten Grad an Nachwuchskraft vor. Trotzdem sind die Zahlen über die Altersschichtung eines Wirtschaftsgebietes von hohem realem Werte. Sie zeigen sow o h l idie biologischen Differenzierungen i m Arbeitskräftepotential als auch die sich aus dem verschiedenen Altersaufbau ergebenden Unterschiede i n der Nachfragestruktur (vgl. die Tabelle 13 i m Tabellenteil). I m Deutschen Reich, i n den Grenzen von 1937, waren kurz vor Ausbruch des Krieges 28,7 v H der Bevölkerung keine 18 Jahre alt. 63,4 v H standen i m A l t e r von 18 bis unter 65 Jahren, 7,9 v H waren 65 Jahre alt oder älter. Diese Zahlen würden i m historischen Vergleich schnell an Leben gewinnen, denn sie würden dann die zunehmende Vergreisung der deutschen Bevölkerung beweisen. Hier aber handelt es sich u m den Nachweis der erheblichen regionalen Unterschiede, die die biologische Stärke der ostdeutschen Wohnbevölkerung eindringlich betonen: Altersstufen unter 18 Jahre 18 bis unter 65 Jahre 65 Jahre u n d darüber insgesamt .

Zusammensetzung der Bevölkerung 1939 in v H OstMittelWestdeutschland deutschland Berlin deutschland 33,3 27,4 18,1 29,4 58,4 63,9 73,1 63,2 8,3 8,7 8,8 7,4 100,0 100,0 100,0 100,0

Die ostdeutsche Bevölkerung, ihre Flucht u n d i h r Verbleib

19

Auch nach ihrer Vertreibung hat sich die ostdeutsche Bevölkerung ihre hohe Vitalität erhalten. Die Geburtenhäufigkeit der Vertriebenen lag 1953 i n Westdeutschland um etwa ein Siebentel höher als bei den Nicht-Vertriebenen. 3. Die ostdeutschen Flüchtlingsströme

W i r wissen u m die genaue Zahl der Bewohner der ostdeutschen Gebiete vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Die schweren Kriegsverluste reduzierten diesen Bevölkerungsbestand ebenso wie den der m i t tel· und westdeutschen Bevölkerung. W i r wissen aber auch u m die Anzahl der Vertriebenen, die i n Westdeutschland oder i n Westberlin eine Fluchtheimat fanden, u n d es läßt sich auch die Zahl derjenigen annähernd bestimmen, die i n der Sowjetzone verschämt als Umsiedler bezeichnet werden und dort das Schicksal als Vertriebene tragen müssen. Die Bevölkerungszahlen von einst und jetzt sind also bekannt. I m Saldo dieser beiden Größenordnungen sind die positiven Zahlen der Geburten m i t den negativen der Sterbefälle seit 1939 aufgerechnet und sind auch, die Bevölkerungsminderungen durch Auswanderungen u n d durch erzwungenen Verbleib (in Lagern usw.) enthalten. I m Saldo stecken aber auch diejenigen Teile der polnisch sprechenden Ostdeutschen, die nach 1945 für Polen optiert haben. Die überschlägige Bilanz ergibt: Ostdeutschlands Bevölkerungsstand betrug i m M a i 1939 . . davon Wehrmachtsgefallene Kriegstote der Zivilbevölkerung Optanten, Auswanderer, 1950 noch Verschleppte Geburtenüberschuß bis 1950 Vertriebene i n West- u n d Mitteldeutschland 1950®

9,6 —0,5 — 1,1 —0,9 + 0,4 7,5

Millionen, Millionen, Millionen, Millionen, Millionen, Millionen.

Die Substanz der Ostdeutschen ist demnach i n dem opferreichen Jahrzehnt nach 1939 u m rund 2 Millionen Menschen zurückgegangen. Dazu kommt ein Menschenverlust von mindestens 400 000 Deutschen aus Danzig und aus den Gebieten, die Polen nach dem ersten Weltkrieg i n Besitz! hatte. Aber nicht nur die ostdeutsche Bevölkerung erlitt durch die Vertreibungsaktionen schwere Verluste, sondern auch die west- und mitteldeutschen Bombenflüchtlinge und insbesondere die Berliner Evakuierten wurden i n die Katastrophe der Evakuierung bzw. Flucht vor der her6 Die n u r zu schätzende Z a h l an Vertriebenen, die 1950 i n der Sowjetzone u n d i n Ostberlin lebten, ist etwas höher angenommen worden, als die A u t o ren der sorgfältigen „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost- u n d Mitteleuropa" i h r e n Berechnungen zugrunde legten.

2*

20

Bevölkerung und Arbeitskräfte

DIE FLUCHTWEGE DER OSTDEUTSCHEN BEVÖLKERUNG WÄHREND DES VORDRINGENS DER ROTEN ARMEE BIS ZUR ODER-NEISSE-LINIE Januar -ΑρηΊ ISA 5

. Allgemeine Fluchtrichtungen und Hauptfluchtwege.

^

- Örtliche Fluchtbewegungen, verursacht durch das jeweilige Vordringen der Roten Armee.

Entnommen aus-*, Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Mitteleuropa." , Herausgegeben vom Bundesministerium für Vertriebene.

anrollenden Front und der i m Sommer 1945 einsetzenden systematischen Vertreibung durch die sowjetische Okkupationsarmee und durch die polnische Besatzungsmacht m i t hereingezogen. Die Untersuchungen i n der vom Bundesministerium für Vertriebene herausgegebenen „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost- und M i t t e l europa" geben einen Anhalt für das Ausmaß dieser hierbei eingetretenen Menschenopfer. Danach lebten 1944 außerhalb der ehemaligen Reichsgrenzen i n den polnischen Gebieten sowie in Danzig und Memelland nicht weniger als 2,1 Millionen Deutsche. Von ihnen waren 22 v H aus dem Reichsgebiet zugezogen. Weitere 16 v H gehörten zu jenen unglücklichen sogenannten

Die ostdeutsche Bevölkerung, ihre Flucht u n d i h r Verbleib

21

Volksdeutschen Umsiedlern, die während des Krieges erst i n das Land geschleust worden waren und dann mit i n die Fluchtbewegung gerieten oder deportiert wurden. Nach allen vorliegenden Berichten 7 waren die Menschenverluste unter diesen 2,1 Millionen Deutschen durch Flucht, Deportation, Zwangsarbeitslager und Seuchen relativ noch größer als die der Ostdeutschen (im Sinne der Bevölkerung östlich der Oder/Neiße in den Grenzen des Reichsgebietes von 1937). Die Schätzungen lauten — wie gesagt — auf, 400 000 Opfer. Evakuierungsmaßnahmen in M i t t e l - und Westdeutschland hatten bereits bis zum Frühjahr 1944 rund 825 000 Menschen in die Gebiete östlich der Oder/Neiße verschlagen. Die zur Sicherung der kriegswirtschaftlichen Zwangswirtschaft bis Kriegsende geführte Verbraucherstatistik läßt annehmen, daß sich durch Luftkriegsevakuierung ungefähr die Einwohnerzahlen in Schlesien u m 475 000, i n Ostpreußen u m 200 000, in Ostpommern u m 100 000, in Ostbrandenburg etwa um 75 000 erhöhten. Eine überschlägige Fortschreibung ergibt dann folgende Kontrollrechnung: Die 9,6 Millionen Ostdeutschen hatten sich durch Geburtenüberschüsse auf 10,0 Millionen erhöht. Dazu kamen die Evakuierten, so daß sich die effektive Wohnbevölkerung auf 10,9 Millionen stellte. Etwa 1,5 Millionen Eingezogene waren fern der Heimat, davon fand ein Drittel den Kriegstod. Die i m polnischen Machtbereich bis heute Verbliebenen mögen auf 0,8 Millionen (Optanten, „Autochthone" usw.) zu schätzen sein. Die Flüchtlingsströme erfaßten also etwa 10,9 — 1,5 — 0,8 = 8,6 Millionen Menschen ohne die Deutschen außerhalb der Grenzen des ehemaligen Reichsgebietes (von 1937). Davon dürften schätzungsweise 0,9 Millionen Reichsdeutsche während der Flucht oder durch die Vertreibungsmaßnahmen umgekommen sein. Etwa 4,2 Millionen Flüchtlingen (Ostdeutschen und Evakuierten) gelang die Flucht über die Oder/Neiße-Linie, regellos oder i n Trecks, bevor sie durch die russischen Heere überrollt wurden. Dann setzten 1945 die systematischen Ausweisungen ein, sie verlrieben aus Ostdeutschland weitere über 3,5 Millionen bodenständige Deutsche in folgenden Etappen: 1945 bis Potsdamer A b k o m m e n 1945 nach Potsdamer Abkommen 1946 1947 1948 1949 und später

über

250 000, 400 000, 2 000 000, 500 000, 150 000, 200 000.

Rund ein Viertel des bisherigen deutschen Reichsgebietes war nunmehr von seiner angestammten Bevölkerung entblößt und der polnischen bzw. sowjetischen Besiedlung freigegeben. 7

Vgl. hierzu „Dokumentation", Bd. I, 1, S. 159 E.

22

Bevölkerung u n d Arbeitskräfte 4. Inventur der deutschen Nachkriegsbevölkerung

Die Flüchtlingsströme haben die Bevölkerungsstruktur Mittel- und Westdeutschlands tiefgreifend verändert. Z u einem Teil überdeckten sie die schweren Kriegsverluste, sie gaben insbesondere dem Arbeitsmarkt schon zu einer Zeit eine gewisse Stütze, als noch Millionen Kriegsgefangene durch die Alliierten zurückgehalten wurden. Große Teile der i n der ostdeutschen Wirtschaft ehemals Selbständigen fanden als Vertriebene i n ihren Aufnahmeländern keine Möglichkeit selbständiger Betätigung. Sie blieben für lange Zeit arbeitslos oder traten in abhängige Beschäftigung. Dieser Prozeß veränderte die soziale Strukt u r der ostdeutschen Bevölkerungsteile; dies führte i m Nachkriegsdeutschland i n Verbindung mit der großen westdeutschen industriellen Expansion nach 1950 zu weitreichenden soziologischen Umschichtungen. Die quantitativen Auswirkungen der Kriegsverluste und der Vertreibungen lassen sich mit den M i t t e l n der bilanzierenden demographischen Gesamtrechnung wenigstens größenordnungsmäßig — methodisch ähnlich wie i n der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung — darstellen. Hierzu sind einige Feststellungen notwendig: U m die Mitte der dreißiger Jahre, nachdem das Wirtschaftstief der vorangegangenen Weltwirtschaftskrise überwunden war, erschien es nicht abwegig, der deutschen Bevölkerungsentwicklung eine günstige Prognose zu stellen. Kurz vor Kriegsausbruch, i m M a i 1939, gab es wieder die traditionelle Bevölkerungsinventur, die Volks- und Berufszählung. M a n zählte und verglich. Der Rausch der Zahlen begann, denn seit 1938 w a r das Reichsgebiet durch die Angliederung Österreichs und die Einverleibung der sudetendeutschen Gebiete stetig ausgedehnt worden: Das amtliche Volkszählungsergebnis von 1939 meldete am Vorabend des Beginns der Weltkatastrophe 79,4 Millionen an Wohnbevölkerung i n einem Reichsgebiet, das nunmehr i n der Fläche u m fast 8 v H größer war als das Kaiserreich von 1871 bis 1918. Doch die Grenzen dehnten sich weiter. Es kam noch vor Kriegsbeginn zur Eingliederung des Memellandes, abgesehen von der Bildimg des sogenannten Protektorates Böhmen und Mähren i m März 1939. Bereits in den ersten Kriegsmonaten folgten Danzig, Westpreußen und das sogenannte Wartheland. Die Statistiker kamen nicht mehr mit. Sie addierten Zählungsergebnisse verschiedener Zeitpunkte, was bis dahin als statistische Todsünde galt. So gelangten sie zu der Feststellung, daß u m 1941 nach vorläufiger Berechnung im Zollgebiete des Deutschen Reiches die Hundertmillionengrenze erreicht sei 8 . Führen w i r den aufgeblähten Zahlenkoloß auf seine echten Werte zurück. 1939 lebten innerhalb der alten Grenzen Deutschlands rund 8

Es ist bei der vorläufigen Berechnung geblieben; aber es steht so i n dem

Die ostdeutsche Bevölkerung, ihre Flucht u n d i h r Verbleib

23

70 Millionen Menschen. Die wahrscheinliche Bevölkerungszunahme war überschaubar, denn i n dem vorangegangenen Jahrfünft hatten sich die Geburtenzahlen wieder normalisiert — mit jährlich 1,3 Millionen waren sie keineswegs ungewöhnlich hoch — und sie waren beinahe wieder auf der durchschnittlichen Höhe der zwanziger Jahre angekommen. Von Jahr zu Jahr ergab sich seit 1934 ein fast gleichbleibender Überschuß der Geburten über die Zahl der Sterbefälle von ungefähr einer halben Million. Der altersmäßige Aufbau der lebenden Bevölkerung sprach dafür, daß sich an diesem Überschuß nicht viel änderte. So bestand die Aussicht, daß Deutschland u m die Mitte dieses Jahrhunderts mindestens 75 Millionen Menschen, zählen würde. Wieder hat es 1950 eine Volkszählung gegeben, nicht nur i n Deutschland, sondern überall i n Europa und, soweit es ging — wie international vereinbart —, auch i n den übrigen Kontinenten. Die westliche Welt hat inzwischen die Ergebnisse dieser großen Bestandsaufnahme längst veröffentlicht, die östliche h ü l l t sich i n Schweigen. Das könnte man als eine Angelegenheit der Sowjets hinnehmen. Der sowjetische Schleier der Statistik ist aber auch über jene deutschen Gebiete gebreitet, die 1945 der sowjetischen Besatzungsmacht unterstellt wurden. Das macht es schwierig, das deutsche Nachkriegsschicksal i n statistischen Größenordnungen genau zu verfolgen. Doch der i n der westlichen Welt überall gangbare Weg, sich an Zahlen zu orientieren, ist auch hier nicht völlig verschlossen, denn die statistische Methodik der Fortschreibung und der analytischen und kombinatorischen Schätzung lüftet Zahlengeheimnisse auch dort, wo sie ängstlich gehütet werden. Die Fortschreibung und bilanzierende Schätzung ergibt: 1950 sind in den vier bisherigen Besatzungsgebieten, i n Berlin und im Saargebiet wieder insgesamt 70 Millionen Deutsche gezählt worden. Es ist die gleiche Zahl der zu Versorgenden wie 1939, doch der deutsche Wirtschaftsraum ist seit 1945 um ein volles Viertel kleiner. Die deutschen Gebiete östlich der Oder/Neiße, aus denen die deutsche Bevölkerung nach 1945 vertrieben wurde, machten i n den Grenzen von 1937 nicht weniger als 24,3 v H des gesamtdeutschen Gebietsstandes von 1937 aus. Die Bevölkerungsdichte i m verbliebenen Wohngebiet Deutschlands ist daher 1939 bis 1950 von 148 auf 196 je Quadratkilometer angewachsen, sie ist seitdem ständig weiter gestiegen. Deutschland steht jetzt mit Belgien, England und den Niederlanden — wenn man deren Kolonialletzten Band (1941/42) des Statistischen Jahrbuchs für das Deutsche Reich, das eine rote Leiste mit dem Wort „Geheim" erhalten hat und deshalb in Deutschland so selten zu finden ist, weil es meistens aus den Panzerschränken von den Besatzungsmächten als Trophäe entführt wurde, soweit damals diese Bände den Bombenhagel überstanden hatten.

24

Bevölkerung u n d Arbeitskräfte

gebiete außer Betracht läßt — an der Spitze der am dichtesten besiedelten Gebiete ganz Europas. 5. Der Zustrom der Flüchtlinge aus dem Auslande

Die Wiege von rund 5 Millionen Deutschen, die jetzt irgendwo i n Deutschland leben, stand nicht i m deutschen Reichsgebiet, sondern in der Fremde. Es begann m i t den nationalsozialistischen „Rücksiedelungen" der osteuropäischen Volksdeutschen. M i t den rücksichtslos betriebenen Ausweisungen seit 1945 aus Polen, der ganzen Tschechoslowakei und den Balkanstaaten vollendete sich die stärkste Einwanderung, die Deutschland oder sonst ein europäischer Staat je erlebt hatte und die Deutschlands Bevölkerungszahl nach dem vorangegangenen furchtbaren Aderlaß um rund 8 v H sprunghaft anwachsen ließ. Es bleibt eine grobe Rechnung, Millionen Menschen einfach gegeneinander aufzurechnen, denn mit den fünf Millionen zugewanderten Deutschen, die vor dem Kriege außerhalb der alten Reichsgrenzen lebten und in der Gegenwart das alte deutsche Bevölkerungspotential wieder aufgefüllt haben, ist keinesfalls der biologische Ausgleich eingetreten, sind nicht etwa Altersklassen und Geschlechter i n ihren zahlenmäßigen Relationen zueinander normalisiert worden. Der Flüchtlingsstrom, der 1945 über die Grenzen hereinbrach, hat wohl die Volkszahl vermehrt, hat aber die biologischen Disproportionen nicht beseitigt, eher noch verstärkt. Ohne diesen Zustrom hätte Deutschland gegenwärtig zwar nur eine Bevölkerung von 65 Millionen, sie wäre aber i n ihrer biologischen Zusammensetzung und damit in ihrem organischen Gefüge i m ganzen gesehen ebenso gestört wie heute. Der quantitative Ausgleich der Menschenzahl in den vierziger Jahren brachte dem durch den Krieg und die Kriegsfolgen schwer zerrütteten deutschen Volkskörper keine Gesundung.

b) Deutschlands Menschenopfer durch Krieg und Kriegsfolgen 1. Deutschlands Bevölkerungsbilanz 1939—1950 Leicht w i r d uns eine Bilanzierung nicht gemacht, denn nur wenige der benötigten Quellen liegen offen, und die deutsche amtliche Statistik hat sich, in der Nachkriegszeit zu sehr regionalen Aufgaben zugewandt, als daß sie mehr als nur eine Hilfestellung zu geben vermöchte. I n einer geschlossenen Bilanz kontrollieren sich jedoch die Schätzungen, zu denen w i r greifen müssen, und das B i l d w i r d lebendiger, als man zuerst zu hoffen wagt. Nach den Geburten Verhältnissen der Vorkriegs jähre war i n Deutschland von 1940 bis 1950 mit einem Geburtenüberschuß von mindestens

25

Deutschlands Menschenopfer durch K r i e g u n d Kriegsfolgen

GESAMTDEUTSCHLANDS BEVÖLKERUNGSBEWEGUNG (BUNDESGEBIET, SAAQGEBIET, B E R L I N , SOWJETZONE, OSTDEUTSCHLAND) Ohne die

Wanderungsbewegungen

Mill.

Mill.

Gefallene der Wehrmacht, zivile Kriegstote, Fluchtopfer, t Fluchtopfer

und verstorbene

Verschleppte

KZ-Opfer,

der ostdeutschen

Hingerichtete.

Bevölkerung. Prof. Gl.

55

26

Bevölkerung und Arbeitskräfte

5 M i l l i o n e n z u rechnen; e r b e t r u g tatsächlich a b e r n u r die k n a p p e H ä l f t e . I n d i e s e m J a h r z e h n t b l i e b e n 2,6 M i l l i o n e n K i n d e r i n D e u t s c h l a n d u n g e b o r e n . B e r e i t s i n d e n sechziger J a h r e n w i r d sich dieser Geb u r t e n a u s f a l l i n ganz D e u t s c h l a n d als eine e m p f i n d l i c h e S c h w ä c h u n g des A r b e i t s k r ä f t e p o t e n t i a l s b e m e r k b a r m a c h e n u n d d a n n das gesellschaftliche L e b e n f ü r l a n g e Z e i t beeinflussen. Deutschlands Bevölkerungsbilanz 1939 bis 1950 gegliedert i n Ost- u n d Westgebiete (Schätzungen i n Millionen) Bevölkerung Deutschlands i n M i l l , östlich westlich insder Oder/Neiße gesamt Wohnbevölkerung a) nach der Volkszählung 1939 9,6 59,7 69,3 b) tatsächlicher Geburtenüberschuß 1940 bis 1950 0,5 1,9 2,4 71,7 61,6 10,1 Bevölkerungsvolumen davon ab: 2,6 0,5 a) Wehrmachtsgefallene u n d -verstorbene 3,1t) b) Unmittelbare Kriegsverluste der Z i v i l 0,5 0,6 bevölkerung 0,1 c) Fluchtopfer der aus Ostdeutschland Vertriebenen 1945/46 einschließlich der 0,8 0,1 0,9 verstorbenen Verschleppten d) Überhöhte allgemeine Sterblichkeit 0,9 0,2 1940/47 der Z i v i l b e v ö l k e r u n g 1,1 e) Politische Opfer (KZ-Gestorbene, H i n • 0,3 0,3 richtungen usw.) 4,4 6,0 1,6 Kriegstote insgesamt*) Auswanderer u n d 1950 noch nicht zurückgekehrte Kriegsgefangene u n d V e r 0,2 0,2 0,4tt) schleppte ö s t l i c h der Oder/Neiße verbliebene Bevölkerung (poln. Optanten, Zurückge— 0,8 0,8 haltene u. a.) 57,0 64,5 (7,5) Einheimische Restbevölkerung Ostdeutsche Vertriebenenbevölkerung in West- l i n d Mitteldeutschland 1950 Zugewanderte aus Gebieten außerhalb der Reichsgrenzen von 1937**) Bevölkerungsstand 1950 lt. Volkszählung bzw. Fortschreibung



7,5

(7,5)



5,1

5,1



69,6

69,6

*) Ohne Geburtenausfälle u n d ohne die Verluste der V o l k s d e u t s c h e n Bevölkerung außerhalb der Reichsgrenzen von 1937. * * ) Einschließlich ihrer bis 1950 geborenen Kinder, abzüglich der i n zwischen Verstorbenen u n d der wieder Ausgewanderten, t ) Ohne die „Volksdeutschen" Verluste. t t ) Einschließlich der nach der Evakuierung Ostdeutschlands v o n Dänem a r k u n d Österreich aufgenommenen u n d dort verbliebenen Flüchtlinge.

27

Deutschlands Menschenopfer durch K r i e g u n d Kriegsfolgen

VERÄNDERUNGEN IM BEVÖLKEPUNGSBESTANDE DEUTSCHLANDS Ohne

die Wanderungsbe

wegungen

KRIEGSVERLUSTE AN TOTEN *)

GEBURTENÜBERSCHUSS V/////////////

////////////A 1939 Y///////////////////////A 1940 t m / / m m z m 1941 mm> 1942 1943 1944 mm 1945 1946 1947 1948 v/mm Y///////////// 1949 1950 Υ//////////////Λ V/////////M 1951

0,6 0,4 Millionen Gefallene K.Z.-Opfer

0,2

0

und gestorbene und Fluchtopfer

GEBURTENDEFIZIT

0

0,2

0,4

Wehrmachtsangehörige, der ostdeutschen

0,6 Kriegs tote Bevölkerung.

0,8 '

1,0

der zivilen

1,2

1,4

1,6 Millionen

Bevölkerung,

Bis i n das; Jahr 1944 hinein hatte die Geburtenhöhe ausgereicht, u m die normalen Sterbefälle i m deutschen Volke zu kompensieren. Der Tiefpunkt der Geburten i n Deutschland lag u m die Jahreswende 1945/46. N u r langsam erholten sich danach die Geburtenzahlen, zuerst i m Westen Deutschlands und n u r zögernd i n der Sowjetzone. Über die Jahrhundertwende hinaus w i r d dieser hohe Geburtenausfall noch w i r k sam bleiben, so wie sich die Geburtenausfälle aus dem ersten Weltkrieg heute i m Bevölkerungsaufbau deutlich markieren. Die Ungeborenen prägen das A n t l i t z einer Generation ebenso wie die Lebenden und deren Toten. Besonders schwer und nachhaltig trägt natürlich die Gegenwart an den Folgen der blutigen Verluste, die der zweite Weltkrieg der deutschen Bevölkerung abverlangte 9 . A u f M i l i t ä r und Zivilbevölkerung kamen fast genau je die Hälfte der 6,0 Millionen Kriegstoten, die Deutschlands Bevölkerungsbilanz f ü r die Reichsbevölkerung, also ohne die Opfer derjenigen Deutschen aufweist, die 1939 außerhalb der alten Grenzen des Reichsgebietes lebten. Die Verluste der Auslandsdeutschen i n Osteuropa waren unermeßlich hoch, ihre tatsächliche Gesamtgröße w i r d sich nie auch n u r abschätzen, geschweige denn genau ermitteln lassen. Aber auch die deutsche Bevölkerung i n Ost und West l i t t gebietlich verschieden stark, je nachdem sie die Geißel des Krieges traf. 9 V g l . hierzu auch die eingehende Analyse der Veränderungen i m Bevölkerungsbestande i n den Vierteljahrshef ten zur Wirtschaftsforschung, Jg. 1953, Heft 4: B. Gleitze, Deutschlands Bevölkerungsverluste durch den zweiten Weltkrieg.

28

Bevölkerung u n d Arbeitskräfte

I n den beiden ersten Kriegsjahren war es vornehmlich die Wehrmacht, die die blutigen Verluste aufwies. Seit 1943 hat dann der totale Krieg seine Opfer zunehmend aus der zivilen Bevölkerung gefordert. Wohl w a r der Bombentod i m Westen Deutschlands und i n den mitteldeutschen Großstädten häufiger als i m Osten. Die Entbehrungen des Krieges und die nicht mehr ausreichende ärztliche Betreuung ließen die Sterblichkeit der zivilen Bevölkerung i m Ausgang des Krieges sprunghaft ansteigen, was auch von süddeutschen regionalen Statistiken für Gebiete, die vom Kriegsablauf weniger hart mitgenommen worden sind, bestätigt wird. Die der zivilen Bevölkerung durch den Zusammenbruch abverlangten Menschenopfer trafen dann jedoch die ostdeutsche Bevölkerung unverhältnismäßig stärker als die westdeutsche. Die für 1945 zu schätzenden deutschen Menschenverluste von 1,2 Millionen gingen zur guten Hälfte zu Lasten der ostdeutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der Oder/Neiße. 2. Deutsche Menschenverluste in Ost und W e s t

I m Winter 1944/45 griff der Kriegstod unbarmherzig nach der ostdeutschen Bevölkerung. Die Bilanzierung, wie sie i n der vorstehenden Übersicht durchgeführt ist, ermöglicht die saldierende Schätzung des Umfanges jener Verluste an Menschenleben, die die Flucht u n d die Vertreibung der Deutschen aus den deutschen Ostgebieten östlich der Oder/Neiße i n der Zeit der Massen Wanderungen an Jungen und Alten, an Frauen und K i n d e r n m i t sich brachten. Die Zivilverluste der ostdeutschen Bevölkerung errechnen sich auf 1,1 Millionen, sie waren damit mehr als doppelt so hoch wie die Zahl der Toten unter den ostdeutschen Wehrmachtsangehörigen. Bevölkerung Kriegs- Bevölkerungs1939 tote** verluste in Mill in Mill. in v H Ostdeutschland 9,6 1,6 16,6 West- und Mitteldeutschland* 59,7 4,4 7,3 Deutsches Reich 69,3 6,0 8,7 * Deutschland westlich der Oder/Neiße. * * Einschließlich der überhöhten Sterblichkeit der Zivilbevölkerung.

Der Opfergang der ostdeutschen Bevölkerung i m Winter 1944/45 machte das Jahr 1945 zu dem Jahr der schwersten Bevölkerungsverluste für Ostdeutschland. Die Bilanz zieht das Ergebnis: Über ein Viertel aller deutschen Kriegstoten waren Ostdeutsche! Relativ war demnach der Kriegstod i n den östlichen Teilen Deutschlands fast zweieinhalbmal so häufig wie im übrigen deutschen Reichsgebiet.

29

Das Arbeitskräftepotential

c) Das Arbeitskräftepotential vor Kriegsausbruch Durch die bereits dargestellte hohe biologische Produktivität Ostdeutschlands, die den Bevölkerungsstand nicht nur ausreichend regenerierte, sondern durch große Geburtenüberschüsse den Kinderanteil ständig hochhielt, stand der ostdeutschen Wirtschaft von Jahr zu Jahr ein relativ starker Nachwuchs an Arbeitskräften zur Verfügung. Er stieß auf die Unelastizität des landwirtschaftlichen Kräftebedarfs und fand nur bei sehr günstiger K o n j u n k t u r eine vollständige Aufnahme in dem bodenständigen Handel und Gewerbe und i m schlesischen Bergbau. Der meist nach vollzogener beruflicher Ausbildung verbleibende A r beitskräfteüberschuß fand i m Reichsgebiet i n der Regel schnell eine Betätigung, deshalb bildete sich zu keiner Zeit der industriellen Entfaltung der gesamtdeutschen Volkswirtschaft i m deutschen Osten irgendein arbeitsmarktpolitisches Notstandsgebiet heraus. Die Arbeitslosigkeit war i m deutschen Osten selten höher als in den anderen Teilen des Deutschen Reiches. Die Möglichkeit einer handwerklichen Ausbildung war i n den östlichen Landesteilen entsprechend der gewerblichen Standortverteilung sogar überdurchschnittlich, weil der früher entscheidende handwerkliche Ausbilder, der Klein- und Mittelbetrieb, in der gewerblichen Unternehmensstruktur weit überwog. Nicht weniger als 40 v H aller i n der ostdeutschen gewerblichen Wirtschaft Erwerbstätigen arbeiteten i n Handwerksbetrieben. Z u den bedeutendsten Handwerksgruppen zählten nach der Betriebszählung vom 17. 5. 1939: Betriebe Ostdeutsches Handwerk insgesamt . . dar. Bau- und Baunebengewerbe . . . . Nahrungs- und Genußmittelgewerbe Bekleidungsgewerbe Holz- u n d Schnitzstoffgewerbe Eisen-, Stahl- u n d M e t a l l w a r e n herstellung Maschinen-, Stahl- u n d F a h r zeugbau Elektrotechnisches Gewerbe . . . . Friseur- und hygienisches Gewerbe

149 790 20 218

Beschäftigte insgesamt je Bet] 562 245 3,8 194 865 9,6

27 751 44 233 17 953

103 996 73 462 53 153

3,8 1,7 3,0

13 746

41 244

3,0

4 802 2 238

30 313 13 938

6,3 6,2

7 935

20 272

2,6

Der biologische Aufbau des ostdeutschen Arbeitskräftepotentials war vor dem zweiten Weltkrieg nicht weniger gestört als sonst i n Deutschland. Die Kriegsverluste und die späteren großen Geburtenschwankungen w i r k t e n sich überall in der deutschen Bevölkerungsstruktur aus,

M

Bevölkerung u n d Arbeitskräfte

auch i n Ostdeutschland. Die Altersgruppen zwischen 21 und 65 Jahren, die die tragenden Jahrgänge eines Arbeitskräftepotentials sind, zeigten i n Ostdeutschland das gleiche Strukturbild wie i m gesamten Reichsgebiet. Die Abwanderungen aus Ostdeutschland haben demnach die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Gebiets keineswegs geschwächt. Der ostdeutsche A n t e i l an der reichsdeutschen Bevölkerung schwankte — über Altersjahrzehnte konstant — bei den über 25jährigen zwischen 12,4 bis 12,8 vH, bei den 21- bis 25jährigen u m 13,0 vH. Weil aber ein größerer Teil als sonst i n der deutschen Bevölkerung i m Osten noch nicht i m berufsfähigen A l t e r stand oder schon über das Alter von 65 Jahren hinaus war, blieb i n der ostdeutschen Wohnbevölkerung zwangsläufig die Quote der Erwerbsfähigen unterdurchschnittlich: Anteil der Altersgruppen in v H der Gesamtbevölkerung 1939 Ostdeutschland

a) K i n d e r u n d Jugendliche bis unter 14 Jahren b) Bevölkerung i m erwerbsfähigen A l t e r v. 14 bis unter 65 Jahren c) Jahrgänge i m A l t e r v o n 65 Jahren u n d darüber

Mitteldeutschland

Berlin

Westdeutschland

Deutsches Reich insges.

25,8

20,8

14,3

22,5

22,0

65,9

70,5

76,9

70,1

70,1

8,3

8,7

8,8

7,4

7,9

Die Quote des tatsächlich aktivierten Arbeitskräftepotentials, berechnet über die sogenannten Erwerbspersonen, war i n Ostdeutschland etwas höher als sonst, was sich aus dem größeren landwirtschaftlichen Einschlag mit relativ hoher erwerbstätiger Mitarbeit der Familienangehörigen ergab. Arbeitskräfte mit Angehörigen nach Wirtschaftsbereichen 1939 in v H

Wirtschaftsbereiche: L a n d - u. Forstwirtsch. Industrie u. H a n d w e r k Handel u n d Verkehr ö f f e n t l i c h e Dienste . . Häusliche Dienste . . Wirtschaft insgesamt

Ostdeutschland

Mitteldeutschland

Berlin

Westdeutschland

34,1 35,8 15,9 11,9 2,3 100,0

18,0 51,5 17,2 11,1 2,2 100,0

0,7 48,6 29,4 18,4 2,9 100,0

20,6 48,1 18,0 11,0 2,3 100,0

Deutsches Reich insges.

20,7 47,2 18,2 11,6 2,3 100,0

Innerhalb der ostdeutschen Landwirtschaft, der Industrie, des Handwerks, des Handels usw. waren die sozialen Strukturbilder nicht anders als sonst i n Deutschland, von einigen typischen Merkmalen abgesehen, die sich insbesondere aus der umfangreicheren Gutswirtschaft auf dem

Das Arbeitskräftepotential

31

Lande ergaben. So hatten 1939 die i n der Land- und Forstwirtschaft Tätigen folgende Stellung i m Beruf: Die ostdeutschen Er werbspersonen 1939 nach ihrer Stellung im Beruf in v H Ostdeutschland

iVIitteldeutschland

Berlin

Westdeutsch land

a) i n L a n d - u n d Forstwirtschaft Selbständige 19,7 18,7 Mithelfende Familienangehörige 44,7 45,0 Arbeiter, Angestellte, Beamte . . 35,6 36,3



23,6 59,4 17,0

b) i n Industrie u n d H a n d w e r k 8,4 Selbständige 11,2 Mithelfende Familienangehörige 2,6 2,3 8,6 10,7 Angestellte und Beamte 77,6 78,6 Arbeiter

6,7 1,6 19,3 72,4

10,0 1,8 11,5 76,7

• •

Eine ähnliche Gleichheit in den sozialen Relationen bestand i n den übrigen Wirtschaftsbereichen, dem Handel, Verkehr, Öffentlichen Dienst und auch bei den privaten und häuslichen Diensten. N u r so ist es verständlich, daß sich die Sozialstruktur Ost- und Westdeutschlands nicht viel stärker voneinander unterschied, als das i n den vergangenen Jahrzehnten der F a l l war. Soziale Gliederung der Bevölkerung 1939 in v H Ostdeutschland

Selbständige Mithelfende F a m i l i e n angehörige Beamte Angestellte Arbeiter Rentner Berufslose Angehörige Wohnbevölkerung insgesamt

Mitteldeutschland

Berlin

7,1

6,4

5,2

7,5

7,0

9,8 2,6 5,0 23,6 10,1 41,8

6,7 2,7 6,5 29,4 10,0 38,3

1,3 3,6 14,3 28,8 12,0 34,8

9,3 2,6 6,7 24,6 8,7 40,6

8,3 2,7 6,9 25,8 9,4 39,9

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

Westdeutschland

Deutsches Reich insges.

Das Uberwiegen des flachen Landes, der relativ hohe landwirtschaftliche Einschlag, die stärkere Gutsiherrschaft auf dem Lande m i t ihrem wechselnden Saisonbedarf an Arbeitskräften, die einen regelmäßigen Zu- und Abstrom von polnischen Wanderarbeitern Vorschub leistete, beeinflußten natürlich die Arbeitsbedingungen der Bevölkerung Ostpreußens und Pommerns weitaus stärker als die der schlesischen Erwerbstätigen.

Kapitel

Landwirtschaft

C

und

Fischerei

a) Die agrarischen Kapazitäten und ihre Leistungen Die Struktur der ostdeutschen Landwirtschaft und ihr Leistungsvermögen sind das Ergebnis einer nur aus der historischen Entwicklung des deutschen Ostens zu verstehenden Vormachtstellung des Großgrundbesitzes. Daß sie sich auch wirtschaftlich erhielt trotz der bereits i m 19. Jahrhundert beginnenden immer stärker werdenden Weltmarktkonkurrenz, die sich aus der Expansion des überseeischen Getreideanbaus ergab, ist daraus zu erklären, daß der Großgrundbesitz die Vorzüge des Ackerbaus auf großen Flächen unter maschinellem Einsatz besonders i n der Getreidewirtschaft zu nutzen verstand; viel besser jedenfalls als die unter russischer und später polnischer Herrschaft stehenden Nachbargebiete. Gegen immer wieder vom Weltmarkt her kommende Marktgefährdungen wurde der ostelbische Großgrundbesitz durch eine wirksame Zollpolitik des Deutschen Reiches, und zwar schon bald nach der Reichsgründung, weitgehend abgeschirmt. Gerade weil sich i n der ostdeutschen Landwirtschaft, wo trotz der Bauernbefreiung die alten Besitzformen der Gutswirtschaft noch eine dominierende Stellung behielten, die kapitalistische Wirtschaftsgesinnung immer stärker durchsetzte, vollzog sich ihre immer intensiver werdende lebendige Verbindung mit der gesamten deutschen Volkswirtschaft durch die zunehmende Orientierung auf den mittel- und westdeutschen Markt. Dies hatte technische und organisatorische Konsequenzen und verstärkte die Tendenz zu stetigen betriebstechnischen Verbesserungen und zur innerbetrieblichen Rechnungslegung, u m die Rentabilität der konjunkturempfindlichen ostdeutschen Landwirtschaft zu sichern. Das wäre ohne eine Steigerung des Bildungsniveaus der gesamten landwirtschaftlichen Bevölkerung nicht erreichbar gewesen. Der Ausbau des landwirtschaftlichen Fachschulwesens bereits i m 19. Jahrhundert verhalf Ostdeutschland m i t zu seiner Überlegenheit gegenüber dem nichtdeutschen Nachbarraum. Die Erfolge der chemischen Wissenschaft führten seit der M i t t e des vorigen Jahrhunderts zu einer immer mehr sich verbreitenden und verstärkenden Anwendimg von mineralischen Düngemitteln zur Ernährung der Pflanzen. Trotz des Fehlens von Kalilagern östlich der Oder/Neiße und obwohl die Schwerpunkte der Stickstoffgewinnung und der Erzeugung des Phosphorsäure liefernden Thomasmehls i n Mittel-

Die agrarischen Kapazitäten und ihre Leistungen

33

und Westdeutschland lagen, war der Verbrauch an Handelsdünger vor dem Kriege i m Osten n u r wenig geringer als i m übrigen Deutschland. 1938/39 betrug er auf die Flächeneinheit bezogen, also je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche: Verbrauch je ha in kg

Ostdeutschland Mitteldeutschland Westdeutschland

Kali

Stickstoff

41,6 48,3 43,2

21,6 32,5 23,5

Phosphorsäure 24,5 27,2 27,6

Kalk 66,5 88,1 65,0

Die immer stärker werdende Technisierung der deutschen Landwirtschaft fand ihren sichtbaren Ausdruck i n der reichhaltigen Ausstattung m i t landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten der verschiedensten A r t . Es entsprach dem höheren A n t e i l von landwirtschaftlichen Großbetrieben im; Osten des Reiches, wenn dort gerade die schweren Typen der Antriebsmaschinen stärker als i m übrigen Deutschland vertreten waren. So verfügte 1939 das Gebiet östlich der Oder/Neiße bei den Dampfkraftmaschinen (einschl. der Dampfpflug-Lokomotiven) über 4700 Stück. Das waren 49,1 v H des deutschen Gesamtbestandes. A n Leicht- und Schwerölmotoren besaß die ostdeutsche Landwirtschaft vor Kriegsausbruch 47 600 Stück oder 33,1 v H der i n ganz Deutschland ermittelten Zahl. Gleichzeitig arbeiteten 10 800 schwere Ackerschlepper (über 22 PS) i n den landwirtschaftlichen Betrieben des Ostens. Das waren 29,1 v H der i m ganzen Reich eingesetzten Menge, und auch bei den 80 700 i n der ostdeutschen Landwirtschaft verwendeten schwereren Elektromotoren (über 6 PS) ergab sich 1939 ein nahezu ebenso hoher A n t e i l (28,3 vH). Das zeigt aber, daß i n diesen schwereren Antriebsmaschinen die Ausstattung des Ostens noch über den hohen ostdeutschen A n t e i l an der deutschen landwirtschaftlichen Nutzfläche (25,1 vH) hinausging. Überblickt man die Entwicklung der deutschen Landwirtschaft i n den letzten hundert Jahren, dann fällt die zielbewußte Entscheidung über die zu wählende Produktionsrichtimg besonders i n die Augen. W i r beobachten den immer stärkeren Übergang zum Hackfruchtbau. Er hat sich gerade i n Ostdeutschland kräftig durchgesetzt, wo der Zuckerrübenbau i n Schlesien und der Kartoffelanbau — besonders auch die Züchtung von Saatkartoffeln — in Pommern und andernorts große Fortschritte machte. Der Hackfruchtanbau ermöglichte den Übergang von der Dreifelderwirtschaft zum Fruchtwechselsystem, so daß sich die von Jahr zu Jahr nutzbare Ackerfläche entsprechend rasch vermehrte. 3

Ostbuch

34

Landwirtschaft und Fischerei Jeweiliger Anteil an der Ackerfläche in v H Weizen

Roggen

Gerste

Hafer

Hülsenfrüchte

£ £

Rü-

pflan-

b e n

Bra^

Ostpreußen 1815 1883 1900 1913

3,0 5,1 4,4 4,1

30,0 20,2 21,8 22,0

12,0 4,9 5,3 5,0

24,0 15,7 15,6 17,0

1815 1883 1900 1913

2,9 3,3 3,3 3,5

29,0 24,8 26,4 27,0

14,5 3,6 3,6 3,2

23,2 14,5 16,5 17,8

4,3 9,6 10,1 11,9

0,6 8,0 8,6 8,7

— 0,9 1,6 3,3

1,7 1,3 0,4 0,3

— 9,7 12,9 15,0

24,4 24,6 19,3 12,7

1,7 10,1 12,3 12,5

— 1,5 3,2 6,2

2,5 1,0 0,6 0,2

— 9,0 9,9 10,9

23,9 21,9 14,4 7,9

1,2 14,4 15,0 15,3

— 4,8 5,6 7,0

4,1 1,7 0,9 0,6

— 10,1 10,6 9,4

12,0 4,7 3,1 2,5

Pommern 2,3 10,3 9,8 10,8

Schlesien 1815 1883 1900 1913

6,2 8,0 9,2 9,5

31,0 27,2 25,7 26,5

12,4 7,2 7,4 6,6

24,8 15,2 16,5 17,0

8,3 6,7 6,0 5,6

Von nicht geringerer Bedeutung aber w a r eine Entwicklung, i n der der deutsche Osten vor den übrigen Teilen Deutschlands einen großen Vorsprung aufweisen konnte, das war die Umwandlung von Unland und Ödland i n Ackerland und zum Teil auch i n Waldflächen. I n dem Jahrhundert von 1815 bis 1913 wurde hierdurch der A n t e i l von Unland, Ödland, Wegen usw. an der Gesamtfläche reduziert 1 : i n den westdeutschen Provinzen Rheinland von Westfalen von i n den mitteldeutschen Provinzen Sachsen (preuß.) von Brandenburg von dagegen i n den ostdeutschen Provinzen Ostpreußen von Schlesien von Pommern von

16,0 v H 14,5 v H

auf 9,5 v H , auf 10,9 vH,

38,4 v H 39,3 v H

auf auf

7,5 vH, 8,6 v H ,

35,1 v H 34,2 v H 51,9 v H

auf auf auf

9,9 v H , 5,9 v H , 7,9 vH.

Die Kultivierung des ostdeutschen Bodens während des 19. Jahrhunderts unter der Wirkung der Stein-Hardenberg-Reformen hat der ostdeutschen Landwirtschaft besonders nach Überwindung der lähmenden Folgen der napoleonischen Kriege gewaltige neue Ackerflächen erschlossen. A n der Gesamtbodenfläche hatte das Acker- und Gartenland folgenden A n t e i l 1 i n vH: 1 Vierteljahrshefte zur Konjunkturforschung, Sonderheft 35, B e r l i n 1934, S. 22.

Die agrarischen Kapazitäten u n d ihre Leistungen

Ostpreußen Pommern Brandenburg Schlesien Preußen (Gebietsstand von 1815) .

1815 20,5 15,5 21,9 32,0 26,5

1849 44,3 45,1 42,4 43,3 45,2

1864 49,0 52,3 46,7 54,0 51,4

35 1890 53,8 55,1 45,8 55,8 53,1

1913 54,9 55,0 44,5 55,2 53,2

Nach dem ersten Weltkrieg haben die vermehrten städtischen Siedlungen, neue Industrieanlagen, der Ausbau des Verkehrsnetzes, die Errichtimg von Flugplätzen und militärischen Anlagen die landwirtschaftliche Nutzfläche — wie überall i n Europa — wieder etwas eingeengt. Auch «die Bewaldungen nahmen durch systematische Aufforstungen von Weiden oder Ödland i m Räume von Pömmern-Brandenburg-Schlesien besonders i n der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu, während den Bodenkultivierungen i n Ostpreußen (ähnlich wie i n Westpreußen) auch Waldbestände zum Opfer fielen, wenn sie auf ertragreicheren Ackerböden standen. I m großen und ganzen ist der Übergang zur rationellsten Nutzung der gegebenen Bodenarten i m deutschen Osten bereits seit langem vollzogen worden. 1. D i e Kapazitäten des ostdeutschen Ackerbaues

I m ganzen gesehen ist das Land östlich der Oder/Neiße von der Natur weniger begünstigt als das übrige Deutschland. Das gilt ebenso für das K l i m a w i e für die Bodenverhältnisse. I n den deutschen Ostgebieten treten die kontinentalen Klimaeigenschaften stärker hervor als i m Westen m i t seinen stark ozeanisch bestimmten Witterungsverhältnissen. Daher sind die ostdeutschen Bezirke rauher als die west- u n d mitteldeutschen Gebiete gleicher Höhenlage. Für die ostdeutsche Landwirtschaft bedeutet vor allem die Verkürzung der Vegetationsperiode eine wesentliche Behinderung, die sich aus dem Auftreten von Spätfrösten i m Frühjahr und von Frühfrösten i m Herbst ergibt. I n ausgedehnten Teilgebieten des deutschen Ostens wie dem südlichen Ostpreußen, dem südlichen Pommern, Ostbrandenburg und dem nördlichen T e i l Schlesiens bildet die relative Niederschlagsarmut eine weitere Beeinträchtigung. Hier bringt die oft auftretende Gefährdung der Ernte durch Trockenheit ein Unsicherheitsmoment in die ackerbauliche Produktion. Wie die umstehende Karte erkennen läßt, zeigt die Verteilung der Bodenarten über die ostdeutschen Landschaften ein differenziertes Bild. Neben ausgedehnten Gebieten mit fruchtbaren Böden enthält jede der deutschen Ostprovinzen auch weite Strecken von leichten Sandböden. So verfügt Ostpreußen zwar besonders i m Niederungsgebiet der Weichsel, i m östlichen Samland und i n den Kreisen Heiligenbeil, Labiau, 3*

36

Landwirtschaft u n d Fischerei

Wehlau und Schloßberg über fruchtbare schwere Lehm- und Tonböden. Aber ihnen benachbart finden sich die ausgedehnten Sandböden des westlichen Samland.es und des Regierungsbezirkes Alienstein (Masuren). Neben dem ertragreichen Weizengebiet von Pyritz und den fruchtbaren Lehm- und Tonböden i n den Kreisen Köslin, Schlawe, Neustettin und Arnswalde nehmen auch i n Pommern die leichten Sandböden, sehr weite Flächen ein. I n Ostbrandenburg dehnen sich, benachbart mit den fruchtbaren Böden der Niederungen an Oder, Bober und Warthe, weite Flächen mit leichten Sandböden. I n Schlesien erfüllen diese leichten Böden weite Strecken der Lausitz und nördlich der Oder. Den Oderlauf selber aber säumen fruchtbare schwere Lehm- und Tonböden. Vor .allem aber nehmen diese weite Strecken südlich der Oder ein und ermöglichten die landwirtschaftliche Blüte i n den niederschlesischen Kreisen von Lauban bis Frankenstein und von Goldberg und Liegnitz bis Breslau. Bei einem regionalen Vergleich m i t den übrigen preußischen Provinzen erweist sich aber der deutsche Osten i m ganzen i n der Boden-

Die agrarischen Kapazitäten u n d ihre Leistungen

37

ausstattung als benachteiligt. Der höhere A n t e i l der leichten Bodenarten an den Gesamtflächen der Provinzen läßt dies erkennen. Nach einer früheren Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 2 , die hier auf älterem Material fußt, beträgt der A n t e i l der leichteren Böden, die sich nur für den Roggen- oder Kartoffelanbau eignen, in den westlichen Provinzen Rheinland

17 v H der Gesamtfläche,

Westfalen

30 v H der

i n den mitteldeutschen Provinzen Sachsen Brandenburg i n den ostdeutschen Provinzen Pommern Ostpreußen Schlesien

Gesamtfläche,

35 v H der Gesamtfläche, 62 v H der Gesamtfläche, 58 v H der Gesamtfläche, 46 v H der Gesamtfläche, 40 v H der Gesamtfläche.

Trotz dieser relativen Ungunst der natürlichen Verhältnisse hatte sich die Landwirtschaft in den deutschen Ostgebieten kräftig entwickelt. 1939 beschäftigte sie (einschl. der Forstwirtschaft) 1 821 500 Menschen i n Ostdeutschland. Unter Einschluß der i m Haushalt lebenden Familienangehörigen gehörten damals 2 725 100 Menschen der ostdeutschen Land- und Forstwirtschaft an. Das waren 22,3 v H von den 12,2 M i l lionen Menschen, die insgesamt i n der deutschen Land- und Forstwirtschaft lebten. Dieser landwirtschaftlichen Bevölkerimg von 2,7 Millionen Menschen stand i n Ostdeutschland vor dem Kriege eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 7 192 000 ha zur Verfügung. Das waren 2,639 ha je Person. Die der landwirtschaftlichen Bevölkerung zur Verfügung stehende Fläche war in Mitteldeutschland mit 2,872 ha pro Person sogar noch etwas höher, in Westdeutschland m i t 2,064 ha dagegen wesentlich niedriger. Ost- und Mitteldeutschland sind also bei dieser Betrachtung diejenigen Teile Deutschlands, die für die landwirtschaftliche Produktion einen relativ breiten Raum boten. Diese günstigere Ausstattung des deutschen Ostens m i t landwirtschaftlichen Flächen t r i t t aber noch deutlicher hervor, wenn man danach fragt, wieviel landwirtschaftlich genutzter Boden vor dem Kriege je Einwohner überhaupt zur Verfügung stand. Dann ergibt sich für den Osten eine Kopf quote, die mehr als doppelt so hoch ist wie die i n Mittelund in Westdeutschland: Landwirtschaftliche Nutzfläche j e Einwohner 1938 Westdeutschland (einschl. Saargebiet) 0,367 ha Mitteldeutschland (einschl. Berlin) 0,347 ha Ostdeutschland 0,748 ha 2

a.a.O., S. 21.

38

Landwirtschaft u n d Fischerei

Diese Relationen beziehen sich auf den landwirtschaftlich genutzten Boden als Einheit genommen, also unabhängig von der besonderen A r t seiner Nutzung. Die Nutzung des landwirtschaftlichen Bodens hat aber innerhalb des früheren Reichsgebietes sehr wesentliche Unterschiede aufgewiesen. Auch i n dieser Beziehung können w i r eine wichtige Übereinstimmung i n den Agrarverhältnissen erkennen, die i n Ostdeutschland und in Mitteldeutschland bestanden haben. Westdeutschland dagegen zeigte ganz andere Verhältnisse. M a n kann sagen: der ost- und mitteldeutsche Raum w a r i m ganzen genommen das Gebiet des dominierenden Ackerlandes, das i m Osten und i n der Mitte des Reiches über drei Viertel (jeweils 76,4 vH) der landwirtschaftlichen Nutzfläche einnahm. Dagegen erreichte die Ackerfläche i n Westdeutschland nur knapp drei Fünftel des landwirtschaftlich genutzten Bodens (59,2 vH). Hier i m Westen befanden sich bedeutend mehr Wiesen u n d Weiden als i m Osten und i n Mitteldeutschland. Sie beanspruchten vor dem Kriege nicht weniger als 37,8 v H der westdeutschen landwirtschaftlichen Nutzfläche, in Mitteldeutschland aber nur 20,5 v H und i n Ostdeutschland 22,0 vH. Der ackerbauliche Charakter des deutschen Ostens war am stärksten i n seinen südlicheren und westlicheren Teilen ausgeprägt; denn in Pommern, Ostbrandenburg und i n Schlesien nahm das Ackerland über vier Fünftel (80,0 bzw. 80,8 vH) des landwirtschaftlichen Bodens ein, i n Ostpreußen dagegen nur 69,1 vH. I n dieser Hinsicht kam Ostpreußen also den durchschnittlichen westdeutschen Verhältnissen näher. Worin aber bestand die Leistung dieser ackerbaulichen Kapazitäten? Sie hing wesentlich ab von den Kulturen, auf die sich das Ackerland DIE ANTEILE OST- UND MITTELDEUTSCHLANDS AN DEN ANBAUFLÄCHEN DES REICHSGEBIETES 7934/38 11.6^3.000 ha

m

Anbaufläche östlich der Oder/Neiße

1 H Anbauflache in Mitteldeutschland (SBZ) xfyfy Anbaufläche in Westdeutschland

GETREIDE

KARTOFFELN

ZUCKERRÜBEN

FUTTERRÜBEN

39

Die agrarischen Kapazitäten u n d ihre Leistungen

verteilte. Dabei ist es auffallend, daß die räumliche Differenzierung zwischen dem Westen, der Mitte und dem Osten des Reiches verhältnismäßig gering war, wenn man die großen Kulturgruppen wie Getreide, Hackfrüchte, Futterpflanzen usw. jeweils als Einheiten der Betrachtung zugrunde legt. So war nach der letzten Ackerflächenstatistik, die aus der Zeit vor dem Zusammenbruch erhalten geblieben ist und sich auf das Jahr 1943 bezieht, der Anteil der Fruchtarten am Ackerland i n vH:

i n Ostdeutschland . i n Mitteldeutschland i n Westdeutschland .

Getreideflächen 54,2 55,0 55,0

Hackfrüchte 23,2

Futterpflanzen 15,7

23,5

15,4

26,1

10,6

Beim Getreide und auch bei den Hackfrüchten war der A n t e i l i m Osten etwas geringer als in der Mitte und i m Westen des Reiches. Dabei hebt sich Mitteldeutschland durch einen besonders hohen Anteil der Hackfrüchte heraus. Bei dem Anbau von Futterpflanzen, also von Klee, Luzerne, Gras, Serradella, Esparsette, Grünmais usw. zur Grünfutter-, Gärfutter- und Heugewinnung war dagegen der mitteldeutsche Anteil relativ gering. Dagegen waren i n Mitteldeutschland die Anbauflächen, die m i t Handelsfrüchten, also mit Raps, Rübsen, L e i n (Flachs), Hanf, Mohn, Hopfen, Tabak, Zichorie, Körnersenf, Heil-, Gewürz- und Duftpflanzen, Grassamen usw., bebaut waren (3,3 vH), umfangreicher als i m Westen (2,6 vH) und — trotz des hohen ostdeutschen, vor allem niederschlesischen Anteils an der deutschen Flachsanbaufläche — auch als i m Osten Deutschlands (1,9 vH). Bei den Hülsenfrüchten, die im Durchschnitt nur 2,1 v H einnahmen, stiegen die Anteile vom Westen nach dem Osten. Sie betrugen: i n Ostdeutschland 3,1 vH, i n Mitteldeutschland 2,2 vH, in Westdeutschland 1,3 vH. A m stärksten war die Differenzierung bei den Gartenfrüchten, also den Anbauflächen m i t Gemüse, Erdbeeren, Blumen und anderen Gartengewächsen i n feldmäßigem Anbau sowie dem Erwerbsgartenbau. Hier übertraf Mitteldeutschland nicht nur die Ostgebiete, sondern auch den Westen Deutschlands. Die Anteile der Gartenfrüchte an der Ackerfläche waren: i n Ostdeutschland 0,6 vH, i n Mitteldeutschland 1,8 vH, i n Westdeutschland' 1,5 vH. I n Anbetracht des hohen Anteils der leichteren, nur für den Roggenund Kartoffelbau geeigneten Böden am ostdeutschen Gesamtareal, bedeutete der vorherrschende Anbau von Roggen und Kartoffeln eine erfolgreiche Anpassung an die natürlichen Gegebenheiten. Die das ganze 19. Jahrhundert umspannende Ausdehnung des ostdeutschen Roggen-

40

Landwirtschaft u n d Fischerei

und Kartoffelanbaues ging Hand i n Hand m i t der erfolgreichen Heranziehung früheren Ödlandes. Daher ist die beim Getreidebau zu beobachtende Differenzierung zwischen Ost und West sehr bemerkenswert. Allenfalls noch m i t Ausnahme der Gerste zeigt die Aufteilung der Getreideflächen auf die Hauptkulturarten eine auffallende Sonderstellung des deutschen Ostens. I n Ostdeutschland dominierte der Roggenanbau so stark, daß er dort fast die Hälfte der Getreidefläche einnahm. Umgekehrt waren Weizenflächen i m Westen und auch in Mitteldeutschland stärker vertreten.

i n Ostdeutschland i n Mitteldeutschland i n Westdeutschland

1943 Anteil in v H an der jeweiligen Getreidefläche BrotFutterRoggen Weizen getreide getreide zus.* zus. 49,2 10,5 59,9 40,1 39,5 18,3 57,9 42,1 31,5 21,6 53,4 46,6

* Einschließlich Buchweizen.

I m ganzen war i m ostdeutschen Gebiet der Anteil des Brotgetreides an den Getreideflächen am höchsten. Das bedeutete i n spiegelbildlicher Entsprechung zugleich, daß der Futtergetreideanteil i m Westen wesentlich höher war als i n Ostdeutschland und auch als i n Mitteldeutschland. Vor allem war es der Hafer, bei dem die Anbauflächen i m Osten relativ geringer waren. Während in Westdeutschland 27,8 v H der Getreideflächen und i n Mitteldeutschland 24,3 v H des gesamten Getreidelandes mit Hafer bebaut war, nahmen die ostdeutschen Haferflächen nur 20,5 v H des Getreidelandes ein. Bei der Gerste dagegen w a r die regionale Differenzierung weniger stark ausgeprägt. Entsprechend dem relativ hohen Anteil von mittleren Böden, die man oft als Gerstenböden bezeichnet, war i m Osten der Anteil der Gerstenflächen m i t 19,6 v H des gesamten Getreidelandes etwas höher als i n Westdeutschland (18,8 vH) und i n Mitteldeutschland (17,8 vH). Bei den Hackfrüchten überwog i n Ostdeutschland die auf leichten Böden gut gedeihende Kartoffel. Sie nahm dort zwei D r i t t e l (66,6 vH) der Hackfruchtfläche ein, während in Mitteldeutschland 59,0 vH, in Westdeutschland 54,6 v H des Hackfrüchte tragenden Bodens m i t K a r toffeln bestellt waren. Hingegen war Ostdeutschland nicht so reich ausgestattet m i t den für den Rübenbau geeigneten schwereren Böden. Während i m Westen 29,7 v H der Hackfruchtfläche m i t Futterrüben bebaut war, betrug dieser A n t e i l in Ostdeutschland nur etwa die Hälfte (15,0 vH). Mitteldeutschland m i t 15,7 v H stand i n dieser Hinsicht dem Osten recht nahe.

Die agrarischen Kapazitäten u n d ihre Leistungen

41

Bei der Zuckerrübe dagegen bewirkte die Verdichtung des Anbaus i n der Provinz Sachsen und i n Niederschlesien, daß Mitteldeutschland (mit 19,0 vH); und Ostdeutschland (mit 11,1 vH) i m ganzen höhere A n teile aufwiesen als Westdeutschland (mit 8,1 v H der Hackfruchtfläche). 2. Die Leistung des ostdeutschen Ackerbaues

Die weniger günstigen natürlichen Wachstumsbedingungen des Ostens legen die Erwartung nahe, daß dort nur geringere Hektarerträge zu erzielen waren als i m Westen und in der Mitte des Reiches mit ihren günstigeren K l i m a - und Bodenverhältnissen. Die tatsächliche Leistung, die man von den Ergebnissen des letzten Fünf jahreszeitraumes vor Kriegsausbruch (1934—38) ablesen kann, entspricht dieser Erwartung zwar HEKTARERTRÄGE 1934-38 IN DEN DEUTSCHEN TEILGEBIETEN in dz. je

GETREIDE

ha

ZUCKERRÜBEN

KARTOFFELN 200

20 •

150 15-

FUTTERRÜBEN

500

500

400

400

300

300

200

200

100

100

100

1050

West- Mittel- OstDeutschland

West- Mittel- OstDeutschland

West- Mittel- OstDeutschland

West- Mittel- OstDeutschland

beim Getreide, wo der Osten vom Hektar i m Durchschnitt 17,9 dz, Mitteldeutschland 20,5 dz und der Westen 20,1 dz erntete. Bei den Hackfrüchten dagegen konnte das Gebiet östlich der Oder/Neiße bessere Ergebnisse erzielen, als dieser Erwartung entsprochen hätte. M i t 170,0 dz vom Hektar übertrafen (1934—38) die ostdeutschen Kartoffelernten entschieden die gleichzeitigen westdeutschen Erträge (164,0 dz) und blieben auch nur wenig hinter den mitteldeutschen Durchschnittserträgen (172,7 dz) zurück. Bei den Zuckerrüben lag die ostdeutsche Ertragshöhe (318,3 dz) ebenfalls näher bei dem Maximalertrag, der hier von Westdeutschland (326,7 dz) erreicht wurde, als bei dem geringeren Ertrag, der sich in Mitteldeutschland (293,9 dz) ergab. Und bei den Futterrüben übertrafen die ostdeutschen Erträge (485,1 dz) sogar m i t Abstand

42

Landwirtschaft und Fischerei

die mitteldeutschen (444,0 dz) und westdeutschen Hektarerträge (427,6 Doppelzentner). Daß Ostdeutschland ein Gebiet m i t hoher Ackerbauleistung gewesen ist, t r i t t besonders deutlich hervor, wenn man die dort erzielten Hektarerträge mit denen des benachbarten Auslandes vergleicht. So ernteten vom Hektar i n den Jahren 1934—38 i m Durchschnitt an Getreide:

Ostdeutschland die Tschechoslowakei Polen Litauen

..

Weizen dz 20,0 17,0 11,9 12,0

Roggen dz 16,1 16,0 11,2 12,1

Gerste dz 20,1 17,0 11,8 12,2

Hafer dz 18,9 16,1 11,4 11,1

Auch bei den Hackfrüchten übertraf der deutsche Osten die ausländischen Nachbargebiete durch hohe Hektarerträge. Es ernteten i m Jahresdurchschnitt der Jahre 1934—38 vom Hektar:

Ostdeutschland die Tschechoslowakei Polen Litauen

Kartoffeln dz 170,0 132,4 120,7 120,9

Zuckerrüben dz 318,3 286,2 216,2 205,6

I n ihrem Zusammenwirken erbrachten die Anbauflächen, deren regionale S t r u k t u r w i r knapp umrissen haben, und die der Flächeneinheit abgewonnenen Leistungen die für den betreffenden Raum jeweils kennzeichnenden Erntemengen. Das waren 1934—38 i m Jahresdurchschnitt:

Brotgetreide davon Weizen Roggen Futtergetreide Getreide insgesamt Kartoffeln Zuckerrüben Futterrüben

im Reichsgebiet* in Mill, t 12,5 4,9 7,6 10,3 22,8 48,0 12,9 37,2

davon i n Ostdeutschland in Mill, t 3,2 0,8 2,4 2,6 5,8 14,6 3,3 7,3

* I n den Grenzen von 1937.

Selbst beim Weizen, der, wie w i r sahen, i m deutschen Osten relativ wenig angebaut wurde, w a r der Anteil des Gebietes östlich der Oder/ Neiße m i t 16,2 v H höher, als dem ostdeutschen Bevölkerungsanteil (13,9 vH) entsprochen hätte. Wesentlich höher aber w a r der ostdeutsche Produktionsanteil beim Roggen (31,8 vH), bei den Kartoffeln (30,3 vH),

43

Die agrarischen Kapazitäten und ihre Leistungen

bei den Zuckerrüben (25,5 vH) und beim Futtergetreide (25,2 vH). Auch bei den Futterrüben (19,6 vH) lag er nicht unerheblich über der Produktionshöhe, die der Bevölkerungszahl vergleichbar wäre. Man kann die überdurchschnittliche Bedeutung des deutschen Ostens für die deutsche Ackerbauproduktion auch durch den folgenden Vergleich zum Ausdruck bringen. I m Jahresdurchschnitt der Zehnjahresperiode von 1934 bis 1943 erzeugten der Osten des Reiches, Mitteldeutschland und der Westen pro Kopf ihrer Bevölkerung die folgenden Mengen an Agrarerzeugnissen: Erzeugung je Kopf der Bevölkerung in kg

Westdeutschland Mitteldeutschland Ostdeutschland

Getreide

Kartoffeln

252 327 604

483 705 1 494

Zuckerrüben 116 323 367

Futterrüben 560 420 775

Die ostdeutschen Produktionsmengen je Kopf, die die entsprechenden Werte der übrigen deutschen Gebiete wesentlich, oft sogar u m ein Mehrfaches übertreffen, lassen zusammen m i t den besprochenen Produktionsanteilen (zwischen 16 v H und 32 v H der deutschen Gesamtzahl) erkennen, welch hohe Kapazitäten der ostdeutsche Ackerbau i m Rahmen der ungeteilten deutschen Wirtschaft aufzuweisen hatte. 3. Die Kapazitäten der ostdeutschen Viehwirtschaft

Obwohl, wie w i r sahen, der A n t e i l der Wiesen- und Weideflächen am landwirtschaftlich überhaupt benutzten Boden i m Gebiet östlich der Oder/Neiße mit 22,0 v H wesentlich niedriger war als i n Westdeutschland (37,8 vH), verfügte der deutsche Osten dennoch über bedeutende viehwirtschaftliche Kapazitäten. Viehbestände in Millionen Durchschnitt der Jahre 1936/38 davon i n Ostdeutschland i m Reichsgebiet* in v H in Mill. in Mill. 30,2 3,4 Pferde 1,0 20,3 20,2 4,1 Rindvieh 22,5 5,7 24,4 Schweine 20,0 0,9 4,6 Schafe 0,4 17,0 2,6 Ziegen 5,7 22,2 25,5 Gesamtbestand** * I n den Grenzen von 1937. — * * Großvieheinheiten.

Der gesamte Großviehbestand des deutschen Ostens übertraf um mehr als die Hälfte den Anteil, der — gemessen an deutschen Durchschnittsmaßstäben — der zu versorgenden ostdeutschen Bevölkerung entsprochen hätte.

44

Landwirtschaft u n d Fischerei

Die Zählung des Hühnerbestandes ergab für 1936 ein fast gleiches Ergebnis: Etwa 20 v H des redchsdeutschen Bestandes von 88,4 M i l l . Hühnern wurde von der ostdeutschen Landwirtschaft gehalten, fast so viel wie i m mitteldeutschen Raum. Der i m Verhältnis zur Wohnbevölkerung überdurchschnittliche Viehbestand Ostdeutschlands diente zu einem guten T e i l der allgemeinen deutschen Fleischversorgung. Das hierfür bestimmte Schlachtvieh wurde meist lebend über die Oder/Neiße nach Westen transportiert. Der Versand geschlachteter Tiere war seltener. Die Schlachtungen i n den deutschen Ostprovinzen hatten i n der Regel die eigene Bevölkerung zu versorgen; das kommt auch i n dem hohen A n t e i l der Hausschlachtungen bei der Schlachtung von Schweinen zum Ausdruck, die i n Ostdeutschland mit 66,0 v H den Reichsdurchschnitt (60,6 vH) noch übertraf. Schlachtungen in 1000 Stück Kälber Rinder* 1943 1938 1943 1938 537 759 446 828 Ostdeutschland 881 677 Mitteldeutschland 1 195 1 335 Berlin 222 167 96 230 2 686 2 894 2 728 1 619 Westdeutschland Deutsches Reich 4 272** 2 838 5 070 5 121 * Über 3 Monate alt. — * * N u r Inlandstiere. — von Auslandstieren.

(ohne Heeresschlachtungen) Schweine Schafe 1938 1943 1938 1943 3 464 227 258 1710 5 455 2 556 650 446 106 1 194 444 490 12 488 6 029 650 323 22 601 10 785 2 002 1 102 Dazu 524 000 Schlachtungen

Als in der Kriegszeit die Schlachtungen für die Versorgung der Z i v i l bevölkerung stark reduziert wurden, waren die Rückgänge i m östlichen Deutschland geringer als i m westlichen. Allerdings war — wie dargelegt — die Bevölkerung durch den Zustrom Evakuierter aus Berlin und Westdeutschland vermehrt. Bei den für 1943 ermittelten Schlachtungen sind Auslandstiere nicht berücksichtigt worden. I n der Kriegszeit waren jedoch bei den Kälbern, Schweinen und Schafen die Importe f ü r Zwecke der zivilen Versorgung nur geringfügig. A u f Ostdeutschland entfielen 1943 von den reichsRinder über 3 Monate Nördliches Ostpreußen 52 79 Südliches Ostpreußen Pommern (östl.) . . . . 68 Brandenburg (östl. der Oder) 32 Oberschlesien 84 Niederschlesien (östlich der Neiße) . 131 Ostdeutschland 446 insgesamt

Schlachtungen 1943 in 1000 Stück Schweine davon HausKälber Schafe schlachbis 3 instungen Monate gesamt 30 148 200 85 128 299 220 44 111 365 271 71 67 137

117 294

87 160

10 10

300

435

242

62

828

1 710

1 128

227

Die agrarischen Kapazitäten u n d ihre Leistungen

45

deutschen Schlachtungen: bei den Rindern 15,7 vH, bei den Kälbern 16,2 vH, bei den Schweinen 15,9 v H und bei den Schafen 20,6 vH. A n diesen hohen Leistungen i n der Fleischversorgung hatten alle ostdeutschen Landesteile gleichmäßig ihren Anteil. Das Schwergewicht der Schafzucht lag i m ostdeutschen Raum in Pommern. Von den 4760 t Rohwollerzeugung i m Jahre 1943 wurden allein in Pommern 2130 t gewonnen. Niederschlesien hatte zu dieser Zeit eine Jahreserzeugung von 870 t, Ostpreußen von 1070 t. Das östliche Brandenburg erbrachte 550 t, Oberschlesien dagegen nur verhältnismäßig geringe Mengen. Die Bedeutung der deutschen Ostgebiete i m Rahmen der gesamten deutschen Viehhaltung ist aber noch durch die hohen qualitativen Leistungen verstärkt worden. Vor allem Ostpreußen war ein besonders wichtiges und erfolgreiches Tierzuchtgebiet. Die dort erzielten Leistungen i n der Pferdezucht haben internationale Beachtung gefunden. Die Erfolge der ostdeutschen Rinderzucht waren an den hohen Milcherträgen abzulesen. So stand der ostpreußische Regierungsbezirk Königsberg 1938 m i t einem durchschnittlichen Jahresmilchertrag von 3692 kg je Kontrollkuh an der Spitze sämtlicher deutschen Teilgebiete, und auch die übrigen ostpreußischen Regierungsbezirke Gumbinnen (3540 kg), Westpreußen (3336 kg) und Alienstein (2790 kg) übertrafen den bei den Kontrollkühen erzielten Reichsdurchschnitt (Reichsgebiet von 1937) von 2643 kg je K u h zum Teil sehr erheblich. Auch die pommerschen RegierungsbezirkeStettin (2792 kg) und Köslin (2756 kg) erzielten 1938 Milchleistungen, die über dem Reichsdurchschnitt lagen. I m Durchschnitt entsprach der Milchertrag je K u h i n der ostdeutschen Landwirtschaft genau dem der übrigen Reichsgebiete. Schon vor dem Kriege hatte Ostdeutschland sowohl i n der Milch- als auch i n der Buttererzeugung einen A n t e i l von einem Fünftel der Erzeugung des Reichsgebietes. Der A n t e i l steigerte sich i n der Kriegszeit auch, hier noch etwas. Ostdeutschland erzeugte i n seiner L a n d w i r t schaft einschließlich der Molkereien: an M i l c h

insgesamt 1938 5 160 000 t = 20,5 v H 1943 4 880 000 t = 21,4 v H an Butter insgesamt 1943 134 200 t = 21,5 v H

Das Molkereiwesen war i m ostdeutschen Raum so gut wie lückenlos ausgebaut. 80,7 v H der gesamten landwirtschaftlichen Milcherzeugung Ostdeutschlands gingen 1943 i n -die Molkereien; i n Mitteldeutschland waren es sogar 83,9 vH, i n Westdeutschland aber nur 76,1 vH. Ostpreußen und Pommern erreichten beide die mitteldeutsche A n lieferungsquote.

Landwirtschaft und Fischerei 4. Die Leistung der ostdeutschen Fisdiereiwirtschaft

Deutschlands Fischversorgung vollzog sich früher i m Rahmen einer ungeteilten Wirtschaft. Sie konnte sich auf drei Faktoren stützen: die deutsche Seefischerei, die Einfuhr von Fischen und Fischzubereitungen aus dem Ausland und die deutsche Binnenfischerei (einschließlich der Bodenseefischerei). Für das Jahr 1938 w i r d man für das damalige Reichsgebiet etwa die folgende Bilanz aufstellen können: Fangergebnisse der deutschen Seefischerei Nettoeinfuhr an Fischen u n d Fischzubereitungen aus dem Ausland Fänge der deutschen Binnenfischerei (1940) Zusammen = Fischverbrauch

718 300 t 188 100 t 20 600 t 927 000 t.

Die Aufspaltung Deutschlands mußte gerade auf diesem Gebiet sehr tief eingreifen. Infolge der starken Überlegenheit der Nordseefischerei hatte Westdeutschland i n der Seefischerei die Führung. 1938 kamen von den 718 286 t, die von deutschen Seefischern gefangen wurden, nicht weniger als 669 226 t ( = 93,2 vH) auf die westdeutsche Fischereiflotte (davon 661 838 t Nordsee, 7388 t Ostküste Schleswig-Holsteins). Von den restlichen 49 060 t dürften vielleicht 11 000 t der heutigen Sowjetzone, der weitaus größere Teil (wohl mindestens 38 000 t) aber den Ostseehäfen zuzurechnen sein, die i m Gebiet östlich der Oder/Neiße liegen. Diese besonders niedrige Versorgung des mitteldeutschen Raumes aus der eigenen Seefischerei erklärt die dortigen Mangelerscheinungen in der Nachkriegszeit. Sie könnte auch nicht durch die Leistungen der Binnenfischerei, sondern nur durch Einfuhren (auch i m Interzonenhandel) behoben werden. Denn einmal sind die von der Binnenfischerei gewonnenen Mengen gering, wenn man sie m i t der Seefischerei und der Einfuhr vergleicht. Außerdem aber waren die von der Binnenfischerei gewonnenen Mengen am höchsten i n den deutschen Ostgebieten, dagegen geringer in Mitteldeutschland und auch in Westdeutschland. Nach Zahlenangaben, die für 1940 vorliegen, w i r d man die Fangergebnisse der deutschen Binnenfischerei veranschlagen können für: das Gebiet östlich der Oder/Neiße Mitteldeutschland Westdeutschland (einschl. der Bodenseefischerei)

auf auf . . . . auf

9 000 t, 5 300 t, 4 900 t.

A n dem ostdeutschen Ergebnis, das demnach 46,9 v H des Binnenfangs des alten Reichsgebietes darstellte, war i n Ostpreußen und Pommern die Fischerei i n den Binnenseen (mit 2970 t bzw. 1929 t), i n Schlesien dagegen die Teichfischerei (mit 2393 t) besonders stark beteiligt.

Die Uberschüsse der ostdeutschen Landwirtschaft

47

b) Die Uberschüsse der ostdeutschen Landwirtschaft und ihre Bedeutung für die gesamtdeutsche Versorgung Ebenso wie i m übrigen Deutschland standen in den deutschen Ostgebieten ländliche und städtische Bezirke nebeneinander, waren landwirtschaftliche Überschußgebiete und industrielle Verbrauchszentren für Nahrungsmittel in mannigfaltiger Form miteinander verbunden. Über die örtlichen und bezirklichen Märkte fand der Ernährungsbedarf der ostdeutschen Bevölkerung seine Deckung. Selten mußte die Versorgung durch Zufuhren erfolgen, so — allerdings in nicht sehr erheblichen Mengen — in Niederschlesien und i n Oberschlesien bei Roggen, Speiseerbsen und -bohnen, Eiern und einzelnen Fleischsorten und in Oberschlesien bei der Milch. I m ganzen aber ermöglichte vor dem Kriege die landwirtschaftliche Produktion der deutschen Gebiete östlich der Oder/Neiße nicht nur eine ausreichende Versorgung der dort lebenden Bevölkerung, sondern stellte darüber hinaus erhebliche Uberschußmengen für die westlich dieser Demarkationslinie liegenden deutschen Großstädte und Industriezentren zur Verfügung. Vor dem Kriege hat das D I W (damals noch als Institut für Konjunkturforschung) für sämtliche Kreise der deutschen Länder und Provinzen spezielle Agrarbilanzen erstellt, die es heute ermöglichen, die regionalen Überschuß- und Bedarfsgebiete der Vorkriegszeit (1934/35) zu rekonstruieren. Dadurch war es möglich, das Gefälle sowohl innerhalb der deutschen landwirtschaftlichen Bereiche als auch zwischen den deutschen Teilgebieten sichtbar werden zu lassen. Die Ergebnisse dieser Berechnungen sind veranschaulicht in den Karten auf Seite 114 bis 119. Die auf die Nachkriegszonen der Besatzungsgebiete umgerechneten Bilanzen ergaben charakteristische Größenordnungen. Danach war i n Ostdeutschland vor dem Kriege die Versorgung der Bevölkerung m i t landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die der menschlichen Ernährung dienen, ganz allgemein besser als i m Reichsdurchschnitt, ein Ausdruck des hohen Selibstversorgungsgrades des agrarischen Ostens. Lediglich der Weizenverbrauch je Kopf war i n Ostdeutschland geringer als i m übrigen Deutschland, wurde aber i n den östlichen Provinzen nicht nur ersetzt, sondern durch einen höheren Roggenverbrauch weit überkompensiert. I m ganzen gesehen lag daher der Verbrauch an Brotgetreide östlich der Oder/Neiße über der — auf den Kopf der Bevölkerung bezogenen — Versorgung i n den übrigen deutschen Gebieten. I n der landwirtschaftlichen Bevölkerung ist allerdings der aus der Selbstversorgung mögliche Lebensmittelverbrauch immer aufwendiger, w e i l alle Reste über die hauseigenen Viehställe sofort für die Viehfütterung verwendet werden können.

48

Landwirtschaft und Fischerei Verbrauch* von wichtigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen im Wirtschaftsjahr 1934/35 je Kopf der Bevölkerung in kg

(bzw. Stück und Litern) Ostdeutschland 46,9 102,0 148,9 17,2

Mitteldeutschland 53,5 75,6 129,1 13,9

Weizen Roggen Brotgetreide insges Gerste Hafer für gewerbliche Zwecke 2,4 2,2 Kartoffeln für mensch183,6 liche Ernährung . . . . 248,6 Kartoffeln für gewerb199,4 54,9 liche Zwecke 2,2 2,0 Speiseerbsen u. -bohnen 122 111 Eier (Stück) 394,5 360,2 M i l c h (Liter) 51,0 56,0 Fleisch * Verbrauch für die menschliche Ernährung

Berlin 58,8 70,7 129,5 14,2

Westdeutschland 71,4 62,3 133,7 16,4

Deutsches Reich insg. 63,2 71,4 134,6 15,8

2,3

2,3

2,3

120,7

168,6

180,0

42,2 0,3 3,4 2,1 2,1 2,1 116 115 115 374,5 371,5 372,5 52,7 52,6 52,7 u n d für gewerbliche Zwecke.

Die hohe landwirtschaftliche Produktion des deutschen Ostens erlaubte aber nicht nur, die dort lebenden 9V2 Millionen Menschen reichlich zu ernähren; sie gestattete darüber hinaus auch noch, erhebliche Mengen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen für die Versorgung der west- und mitteldeutschen Bevölkerung, nicht zuletzt auch der Berliner Bevölkerung, aufzubringen und dorthin zu versenden. Unter Zugrundelegung eines vollen friedensmäßigen Versorgungsstandards ermöglichten diese bedeutenden agrarischen Überschüsse des ostdeutschen Gebietes, außer den 9V2 Millionen Ostdeutschen noch weitere 5V2 M i l lionen Menschen westlich der Oder/Neiße vollständig zu ernähren 3 . I m einzelnen läßt die detaillierte Auswertung der ernährungswirtschaftlichen Unterlagen des D I W für das Jahr 1934/35 die folgenden Agrarüberschüsse der deutschen Ostgebiete erkennen: Obwohl Ostdeutschland, wie w i r sahen, kein bevorzugtes Weizengebiet darstellte, war die dortige Weizenproduktion vor dem Kriege doch so erheblich, daß das Gebiet östlich der Oder/Neiße dem übrigen Deutschland eine Überschußmenge von 290 000 t Weizen zur Verfügung stellen konnte. Ohne diese Weizenüberschüsse des deutschen Ostens wäre die Passivität der gesamtdeutschen Weizenbilanz, die 1934/35 tatsächlich 190 000 t ausmachte, zwei- bis dreimal so groß gewesen. Als ausgesprochenes Produktionsgebiet des Roggens war der deutsche Osten aber bei dieser Getreideart zu einer noch erheblich größeren Hilfe für das übrige Deutschland in der Lage. Trotz des hohen Eigenverbrauchs, nicht n u r zur menschlichen Ernährung (950 000 t), sondern — 8 M i t den Schätzungen des D I W übereinstimmende Berechnungen Prof. Dr. Matthias Κ r a m e r (vgl. „Deutsche Heimat i m Osten", S. 93).

von

Die

berschüsse der

stdeutschen Landwirtschaft

49

und dies mit einer dreiviertel M i l l i o n t — auch zur Tierfütterung, steuerte Ostdeutschland 1934/35 rund 570 000 t Roggen zur Versorgung des übrigen Deutschland bei. Die ohne den Osten sich auf nahezu 700 000 t belaufende deutsche Unterbilanz in der Roggenversorgung konnte also vor dem Kriege lediglich durch die Produktions- und Versorgungsleistung der deutschen Ostgebiete auf den sechsten Teil verringert und damit praktisch behoben werden. I n Deutschland, das besagen die verfügbaren Unterlagen, diente 1934/ 35 die Gerste zu gut fünf Sechsteln zur Tierfütterung. Fast 5,4 M i l l , t wurden hierfür verwendet, davon eine halbe M i l l i o n t i n Ostdeutschland. Ganz Deutschland hatte einen Zuschußbedarf von 3,5 M i l l , t Gerste. Für sich genommen aber war der deutsche Osten auch bei der Gerste ein Überschußgebiet, das 60 000 t an die deutschen Gebiete westlich der Oder/Neiße abzugeben vermochte. Günstiger war die deutsche Versorgungslage beim Hafer. Hier wiesen 1934/35 auch M i t t e l - und Westdeutschland Überschüsse auf. Ostdeutschland allein konnte mit einem Aktivsaldo von über 300 000 t die gesamtdeutsche Bilanz fühlbar verbessern. Die besonders hohe Produktionskraft bei den Kartoffeln ermöglichte es dem ostdeutschen Gebiet, 1934/35 vier wichtige Aufgaben zu erfüllen. Es stellte innerhalb seiner Grenzen zur Verfügung: f ü r die menschliche Ernährung f ü r gewerbliche Zwecke für die Tierfütterung

2,3 M i l l , t, 1,9 M i l l , t, 5,6 M i l l , t,

und dazu kam noch ein. ostdeutscher Überschuß von

2,4 M i l l . t.

Obwohl die Viehhaltung i n Ostdeutschland eine geringere Bedeutung hatte als i m Westen des Reiches, trug das Gebiet östlich der Oder/Neiße auch bei den viehwirtschaftlichen Erzeugnissen mit namhaften Uberschußmengen zur Versorgung des übrigen Deutschland bei. Bei den Eiern w a r die ostdeutsche Bilanz gut ausgeglichen; ihr geringer Überschuß von 8 M i l l . Stück fiel bei dem großen Zuschußbedarf von Westund Mitteldeutschland (zusammen über 1,4 Mrd. Stück) nicht ins Gewicht. Dagegen stellten die 1,1 Mrd. Liter Milch, die Ostdeutschland trotz einer erheblich besseren Versorgung des eigenen Gebietes dem übrigen Deutschland, insbesondere Groß-Berlin, zur Verfügung stellte, einen Posten dar, der in der deutschen Milchversorgungsbilanz sehr erheblich zu Buche schlug. Von ungleich stärkerer Kraft war die kompensierende, bilanzverbessernde Wirkung der deutschen Ostgebiete bei der Fleischversorgung, im ganzen gesehen, also bei einer Summierung der verschiedenen Fleischarten. Auch dieser Beitrag der deutschen Ostgebiete wurde erzielt bei 4

Ostbuch

50

Landwirtschaft u n d Fischerei

einem entschieden höheren eigenen Versorgungsniveau als dem durchschnittlichen Verbrauchsstand i m übrigen Deutschland. Sämtliche übrigen größeren Teilgebiete Deutschlands hatten 1934/35 i n der Fleischversorgung Unterbilanzen aufzuweisen. Sie war natürlich besonders hoch für das rein großstädtische Gebiet von Berlin (— 220 000 t). Der ostdeutsche Überschuß war aber so hoch, daß er nicht n u r dieses Berliner Defizit und auch die mitteldeutsche Fehlmenge von 18 000 t v o l l deckte, sondern darüber hinaus noch weitere 10 000 t zur westdeutschen Versorgung beitragen konnte. Dadurch ergab sich für Deutschland i m ganzen eine erhebliche Verbesserung seiner Fleischversorgungsbilanz. Die 28 000 t, die damals als gesamtdeutsche statistische Fehlmenge blieben, stellten den Teil der westdeutschen Fleisch V e r s o r g u n g dar, der weder aus eigener Kraft noch aus der überschießenden Produktionskraft des deutschen Ostens sichergestellt werden konnte. Ohne die bedeutende Leistung des Gebietes östlich der Oder/Neiße aber wäre das reichsdeutsche Defizit beim Fleisch ein Mehrfaches so hoch gewesen, wie es mit der Hilfe der deutschen Ostgebiete tatsächlich war. Dieses B i l d w i r d bestätigt durch die Daten der Verkehrsstatistik. Nach den für das Jahr 1937 vorliegenden Angaben versandten die deutschen Ostgebiete netto (also nach Abzug der gegenläufigen Empfänge) die folgenden Stückzahlen von lebenden Tieren m i t der Eisenbahn: nach Mitteldeutschland Schweine (außer Ferkeln) . . Ferkel Rindvieh

4- 333 — 41 + 135

nach Berlin

nach Westdeutschland i n Tausend + 610 + 634 + 3 — 206 + 85 + 166

NettoVersand insges. + 1577 — 244 + 386

Danach kamen die Zuchtferkel ganz überwiegend aus den westdeutschen Viehzuchtgebieten. Ebenfalls für das Jahr 1937 wies die deutsche Verkehrsstatistik — unter Einbeziehung nicht nur der Eisenbahn, sondern auch der Binnenwasserstraßen und des Seeverkehrs — den folgenden ostdeutschen Nettoversand an Getreide, Mehl, Kartoffeln usw. auf: nach Mitteldeutschland nach Berlin nach Westdeutschland

430 000 t, 323 000 t, 736 000 t.

Es ist auffallend, daß der deutsche Osten nicht nur für den benachbarten mitteldeutschen Raum (einschließlich der Weltstadt Berlin), sondern i n sehr erheblichem Maße auch für Westdeutschland ein Produktionsgebiet darstellte, aus dessen Überschüssen die deutsche Bevölkerung leben konnte, die westlich der Oder/Neiße ihren Wohnsitz hatte.

Kapital

Forstwirtschaft

D

und

Bergbau

a) Waldbestand und Holznutzung Vgl. hierzu die Standortkarte

auf Seite 120 f

I n der Verstellung erscheint vielen der ostdeutsche Raum als das Land der weiten Ackerflächen. Dabei ist der deutsche Osten nicht weniger bewaldet als etwa M i t t e l - oder Westdeutschland m i t ihrer Vielzahl von Mittelgebirgen. Tatsächlich liegen i n Ostdeutschland weit ausgedehnte Waldflächen beinahe gleichmäßig über das Land östlich der Oder/Neiße verteilt. I n Ostdeutschland nahmen die Wälder, die i m südlichen Ostpreußen, i m Gebiet des Pommerschen Landrückens, i n der früheren Grenzmark, i n Ostbrandenburg und 'dem angrenzenden Teil von Niederschlesien, i n den Sudeten u n d i n Oberschlesien besonders stark verbreitet sind, vor dem Kriege eine Fläche von nahezu 3 M i l l , ha ein. Das waren etwa 23 v H der gesamten Waldfläche des Reichsgebietes i n den Grenzen von 1937. Diese ostdeutschen Wälder hatten zudem eine überdurchschnittliche Bedeutung: sie enthielten einen höheren Derbholzvorrat, als lediglich der Fläche entsprochen hätte. So ist für das Jahr 1933 für ganz Deutschland (ohne Saargebiet) ein Derbholzvorrat von 1430 M i l l , f m ermittelt worden. Davon besaß Ostdeutschland allein 385 M i l l , f m oder 26,2 vH. Die verhältnismäßig großen Vorräte i n Ostdeutschland sind auf den hohen A n t e i l von alten Baumbeständen zurückzuführen: 1933 waren 18,1 v H der ostdeutschen Baumbestände über 80 Jahre alt. Auch an dem Prozentsatz des Brennholzes, für das die geringwertigen Holzsorten genommen werden, läßt sich indirekt die höhere Qualität der ostdeutschen Forsten ablesen. M i t 19,7 v H (1939) war der Brennholzanteil i n Ostdeutschland niedriger als i m übrigen Deutschland (Anteil des Brennholzes am gesamtdeutschen Holzeinschlag: 21 vH). Forstsachverständige haben immer wieder auf die große Bedeutimg der i n den ostdeutschen Wäldern verbreiteten Holzarten hingewiesen. Besonders gilt das für die ostdeutsche Kiefer, nicht allein wegen der weiten Flächen, die sie einnimmt, sondern auch wegen ihrer hohen Qualität. Ihre Kerngebiete liegen i n Ostpreußen, Ostpommern, i n der Grenzmark, der Landsberger Heide und i n Niederschlesien. Dort waren vor dem Kriege über vier Fünftel der Waldfläche m i t Kiefern bestanden. Die Qualität der ostdeutschen übertrifft die der übrigen deutschen Kiefernhölzer; sie sind vor allem i n Ostpreußen zu wertvollen 4*

52

Forstwirtschaft u n d Bergbau

Kiefernrassen gezüchtet worden. Sie entsprachen daher auch den hohen Qualitätsanforderungen der Möbelindustrie, eigneten sich ausgezeichnet als Grubenhölzer, für Schwellen oder Rammpfähle, wenn sie nicht als Faserholz der Zellstoff indus trie zugeführt wurden. Ebenfalls wegen ihrer hohen Qualität sind die ostdeutschen Laubholzbestände (etwa, 15 v H der dortigen Waldfläche) von großer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen. Als Ersatz für die früher importierte Zeder lieferten die ostdeutschen Erlen das Holz für die Bleistiftfabrikation, und die ostdeutschen Birken fanden zur Herstellung von Pflockholz Verwendung, ein in der Schuhfabrikation unentbehrlicher Werkstoff für die maschinelle Nagelung. Die hohe Bedeutung, die der ostdeutsche Wald für die gesamte deutsche Volkswirtschaft hatte, t r i t t aber erst dann klar hervor, wenn man sich vergegenwärtigt, wieviel Wald der i m Osten, i m Westen und i n der Mitte Deutschlands lebenden Bevölkerung zur Verfügung stand. Die Umrechnung ergibt: je 1000 Menschen, also jeweils die Bewohnerzahl einer größeren Ortschaft, verfügten i m Gebiet östlich der Oder/Neiße i m Durchschnitt über 306 ha Wald, i n Westdeutschland dagegen nur über 174 ha, und i n Mitteldeutschland, wenn man Groß-Berlin mit einrechnet, sogar nur über 152 ha. Diese i m Vergleich zum mitteldeutschen Raum doppelt so reichliche Ausstattung der ostdeutschen Bevölkerung mit Forstflächen erklärt es auch, warum das Gebiet östlich der Oder/Neiße früher der einzige von den nach 1945 geschaffenen drei größeren deutschen Teilräumen war, der über Holzüberschüsse verfügte, die er an das übrige Deutschland abgeben konnte. Nach einer für das Jahr 1940 aufgestellten Statistik hatte Deutschland i n den Grenzen von 1937 einen jährlichen Zuschußbedarf von 4 200 000 fm. Dieses Ergebnis wäre noch bedeutend ungünstiger gewesen, hätte Ostdeutschland nicht seinen eigenen Überschuß von 1 018 000 fm zur Verringerung des gesamtdeutschen Fehlbetrages beigesteuert. Die übrigen Teile Deutschlands, also die späteren vier Besatzungszonen einschließlich des Saargebietes, wiesen 1940 dagegen für sich genommen, also ohne Ostdeutschland, einen jährlichen Zuschußbedarf von 5 218 000 fm auf. Von diesen kamen 3 903 000 f m auf die heutige Sowjetzone, 1 200 000 f m auf Groß-Berlin (alle vier Sektoren), 115 000 fm auf Westdeutschland (einschl. Saargebiet). Trotz des Waldreichtums der süddeutschen Gebirge stellte also Westdeutschland in seiner Gesamtheit ein Zuschußgebiet für Holz dar. Vor allem aber waren die ostdeutschen Holzüberschüsse unentbehrlich für den benachbarten mitteldeutschen Raum, besonders für Groß-Berlin.

Waldbestand u n d Holznutzung

53

Der Holzreichtum des ostdeutschen Gebietes machte es auch verständlich, daß die dortige Bevölkerung ihren Brennholzbedarf viel leichter zu decken vermochte, als das i n vielen Teilen Westdeutschlands und i n Mitteldeutschland der Fall war. Als holz reiches Gebiet bot Ostdeutschland darüber hinaus günstige Standortbedingungen für eine leistungsfähige Sägewerks- und holzverarbeitende Industrie sowie für eine ansehnliche Zellstoff- und Papiererzeugung.

b) Bergbau und Bodenschätze Vgl. hierzu die Standortkarten

auf Seite 120 f, 122 f.

Mannshohe Steinkohlenflöze, also solche mit einer Mächtigkeit von etwa 2 m, wo der Bergmann beim Abbau frei stehen kann, besitzen i n vielen Bergbaurevieren der Erde einen Seltenheitswert. I n Oberschlesien w i r d diese vertikale Ausdehnung von zahlreichen Steinkohlenflözen weit überboten: die sogenannten Sattelflöze erreichen Mächtigkeiten bis zu 14 m. Kommen zu diesem großen Vorteil noch eine flache und ungestörte Ablagerung auf quadratkilometerweite Erstreckung sowie Festigkeit und Reinheit der Kohle hinzu und fehlen

9

LEISTUNG JE MANN UND SCHICHT UNTER TAGE IM STEINKOHLENBERGBAU IM JAHRE 1938

2 500

die sonst so verhängnisvollen Schlagwetter, wie das i n Oberschlesien der Fall ist, so bedeutet das eine ganz ungewöhnliche Gunst der geologischen Verhältnisse. Kein Wunder, daß der oberschlesische Steinkohlenbergbau innerhalb Europas die höchste Schichtleistung aufzuweisen vermochte. Das wirtschaftliche Ergebnis dieser günstigen Gewinnungsmöglichkeiten waren relativ niedrige Produktionskosten. Selbst nach der wesentlichen Verkleinerung des deutschen Anteils an der oberschlesischen Kohle, die sich als Folge des Versailler Ver-

Forstwirtschaft u n d Bergbau

54

träges und der Teilung des Reviers i m Jahre 1922 ergab, ist die oberschlesische Steinkohle ein wichtiger Faktor für die deutsche Kohlenversorgung geblieben; ja, hier gelang eine zwar kostspielige, aber erfolgreiche Substitution für den erlittenen Verlust. Durch die Anlage neuer Schächte und den Ausbau der vorhandenen Bergwerke konnte die bei Deutschland verbliebene westoberschlesische Produktion mehr als verdreifacht werden: die westoberschlesische Steinkohlenförderung stieg von 7,3 M i l l , t (1921) auf 27,2 M i l l , t (1939)1. Dieses Substitutionsproblem konnte innerhalb des nach dem ersten Weltkrieg ungeteilt gebliebenen Reiches als eine Aufgabe von nationaler Bedeutung gelöst werden. Die erzielten Produktionsergebnisse kamen der gesamten deutschen Wirtschaft zugute. Die oberschlesische Kohlenbilanz der Vorkriegszeit macht das, deutlich. Von den 21 M i l l , t Steinkohle, die 1936 i n Westoberschlesien gefördert wurden, dienten 4,8 M i l lionen t dem Verbrauch i n Westoberschlesien selbst und wurden 4 M i l lionen t nach anderen Teilen Ostdeutschlands (östlich der Oder/Neiße) versandt. Diese Teilmengen wurden jedoch erheblich übertroffen von den 10 Mill, t, die für M i t t e l - und Westdeutschland zur Verfügung gestellt werden konnten. Und schließlich waren die dann noch verbleibenden 2,2 M i l l , t Exportkohle ein höchst erwünschter devisenbringender Beitrag des westoberschlesischen Kohlenreviers zugunsten der gesamtdeutschen Zahlungsbilanz. Die westoberschlesische Steinkohle ist eine hochwertige Hausbrand-, Industrie- und Gaskohle. Als solche wurde sie i n ihren zahlreichen A b satzgebieten verwandt. Es bedeutete eine qualitätsmäßige Ergänzung hierzu, daß i m schlesischen Raum ein zweites Revier, das Steinkohlenrevier von Waldenburg (Niederschlesien), die i n Oberschlesien weniger häufig vorkommende Kokskohle aufwies. Trotz störungsreicher und damit kostensteigernder geologischer Verhältnisse stellte die Waldenburger Kokskohle ein wertvolles A k t i v u m besonders auch für eine zukünftige Entwicklung dar. Vor dem Kriege förderte das niederschlesische Revier jährlich 5,3 M i l l , t Steinkohle (1937 und 1938). Die Abtrennung der beiden schlesischen Steinkohlenreviere von West- und Mitteldeutschland bedeutet eine sehr fühlbare Belastung und hat für die gespaltene deutsche Wirtschaft ein neues Substitutionsproblem aufgeworfen. Z u r Zeit gehen die Auswirkungen dieser unorganischen Trennung vor allem zu Lasten des mitteldeutschen Raumes (Sowjetische Besatzungszone und Berlin). Soweit nicht durch devisenverzehrende Importe (besonders aus dem polnischen Währungsgebiet) oder durch die Verwendung von technisch weniger geeigneter Braunkohle ein gewisser Ausgleich erfolgt, bleibt der Kohlenbedarf der 1

Quelle: Die Kohlenwirtschaft der Welt i n Zahlen 1952, S. 40.

Bergbau u n d Bodenschätze

55

mitteldeutschen Bevölkerung unbefriedigt, w i r d also ein Ausgleich nur durch fortgesetzten Mangel erzwungen. Die wirtschaftliche Wiedervereinigung von West- und Mitteldeutschland könnte dieses Substitutionsproblem wesentlich erleichtern, da dann das überaus leistungsfähige Ruhrgebiet für die Versorgung des mitteldeutschen Raumes unbehindert zur Verfügung stehen würde. Die betriebliche Substitution der westoberschlesischen und niederschlesischen Schachtanlagen, etwa i m Ruhrgebiet, würde aber auch auf diesem Wege Investitionen erfordern, deren Größenordnung in die Milliarden D M reicht. Legt man, was üblich ist, an den schlesischen Steinkohlenbergbau den Maßstab der Vorratsschätzungen an, so stellte er m i t sicheren Vorräten von 4,5 Mrd. t (bis 1000 m Tiefe) ein knappes Zwölftel (8,0 vH) der gesamten Vorratskapazität des Deutschen Reiches (in den Grenzen von 1937) dar. Bei der Produktion dagegen war der A n t e i l des schlesischen Steinkohlenbergbaues gut doppelt so groß: 1936 erbrachte er 16,5 v H der gesamten deutschen Steinkohlenförderung. Diese über den VomHundert-Satz der geologischen Vorräte hinausgehende Produktion war vor allem eine Folge der erwähnten Ersetzung der nach dem ersten Weltkrieg verloren gegangenen ostoberschlesischen Steinkohlenbergwerke. Gerade entgegengesetzt w a r die Entwicklung bei der ostdeutschen Braunkohle. Hier waren bei Vorräten von 9,7 Mrd. t — das waren 17,1 v H der gesamten Braunkohlenvorkommen des alten Reichsgebietes — östlich der Oder/Neiße immer nur weniger als 1 v H der gesamtdeutschen Braunkohlengewinnung gefördert worden. Die ostdeutschen Braunkohlenvorkommen, die namentlich i n Ostbrandenburg und Niederschlesien anzutreffen sind, bildeten eine wertvolle Leistungsreserve für eine entferntere Zukunft, die i n Anbetracht der reichen schlesischen Steinkohlen- und der umfangreichen mitteldeutschen Braunkohlenproduktion noch geschont werden konnte. Substitutionsnotwendigkeiten hatten nach dem ersten Weltkrieg auch die Entwicklung des oberschlesischen Zink- und Bleierzbergbaus bestimmt. U m die Leistung der verlorenen ostoberschlesischen Gewinnungsstätten zu ersetzen, w a r i n dem bei Deutschland verbliebenen westoberschlesischen Bergbaugebiet die Förderung von Zinkerzen und Bleierzen sehr erheblich gesteigert worden. 1935 hatte die gesamte deutsche Blei- und Zinkerzförderung (einschl. der Haldenerze) 1 964 000 t betragen. Diese hatte einen Metallinhalt von 60 650 t Blei und 163 000 t Zink. Hieran war Westoberschlesien allein m i t 640 000 t Blei- und Zinkerzen beteiligt, die 21 300 t Blei und 91 500 t Zink enthielten. Gemessen am Metallinhalt lieferte also Westoberschlesien damals sehr ansehn-

Forstwirtschaft u n d Bergbau

56

liehe Anteile der deutschen bergbaulichen Gewinnung: beim Blei 35,1 v H und beim Zink 56,1 vH. Diese Anteile entsprachen in ihrer Größenordnung den ostdeutschen geologischen Vorräten, die bei den Bleierzen auf 39,0 vH, bei den Zinkerzen auf 63,9 v H aller deutschen Vorkommen geschätzt wurden. Ein wesentlicher Teil dieser oberschlesischen Erze ist i n einer modernen Zinkelektrolyse-Anlage in Magdeburg verhüttet worden; ein Beispiel für die enge Verflechtung der mittel- und ostdeutschen Metallwirtschaft. Während i n Anbetracht des hohen Nickelbedarfes der geringen Nickelerzgewinnung, die bei Frankenstein (Niederschlesien) betrieben wurde, nur eine begrenzte Bedeutung zukam — auch wenn sie das einzige nennenswerte deutsche Nickelvorkommen darstellte —, bildete die ostpreußische Bernsteingewinnung einen wichtigen Beitrag des deutschen Ostens zur Leistung des deutschen Bergbaus. Während man den Bernstein zunächst durch Auflesen am Strande und durch Baggern, besonders i m Kurischen Haff, gewonnen hatte, erfolgte später eine regelrechte bergbauliche Gewinnung, die i n Palmnicken an der Samlandküste nordwestlich von Königsberg ihren Standort hatte. Abgesehen von der Zeit der Wirtschaftskrise ergab das eine jährliche Förderung von 300 bis 600 t Rohbernstein i m Werte von IV2 bis 2V2 Mill. RM. Derartige Spezialproduktionen bereicherten die Vielgestaltigkeit der deutschen Wirtschaft. Sie banden aber immer nur einen Bruchteil der i m ostdeutschen Bergbau tätigen Produktivkräfte. Wo das eigentliche Schwergewicht lag, zeigt am deutlichsten die Verteilung der Arbeitskräfte. Kurz vor Kriegsausbruch waren 1939 i n den 183 ostdeutschen Betrieben des Bergbaus (technische Einheiten) 94 000 Menschen tätig, davon im im im im

Steinkohlenbergbau Braunkohlenbergbau Erzbergbau ....... Bernsteinbergbau

76 600, 2 300, 5 000, 700.

Die übrigen 9400 Arbeitskräfte waren i n den dazugehörigen Verwaltungs- und Hilfsbetrieben sowie bei bergbaulichen Aufschließungsarbeiten beschäftigt. I n regionaler Hinsicht lag das Schwergewicht bei den schlesischen Bergbaubetrieben, von denen 1939 die niederschlesischen 24 300, die oberschlesischen 66 800 Menschen beschäftigten. I m oberschlesischen Bergbaurevier führte das zu Großstadtballungen, die i n vieler Hinsicht ein verkleinertes A b b i l d des Ruhrgebietes darstellten. So hatten schon 1933 die drei benachbarten Bergbaustädte Gleiwitz, Hindenburg und Beuthen die Grenze von 100 000 Einwohnern überschritten.

K a p i t e l

Industrie

und

Ε

Handwerk

a) Die industriellen Kapazitäten und ihre Standorte Je feiner sich eine industrielle Produktion verästelt, desto mehr erweist sie sich als standortbeeinflußt. I n der i n höchstem Maße arbeitsteilig organisierten deutschen Industrie verteilte sich die Erzeugung industrieller Waren auf ausgeprägte Standortbereiche, die fast jeder Stadt oder Landschaft eine spezifische gewerbliche Note gegeben haben. Diese arbeitsteilige industriewirtschaftliche Organisation wurde 1945 durch die regionale Aufspaltung auf das Schwerste gestört. Allerorts zeigten sich die Disproportionalitäten einer auseinandergerissenen Produktion u n d Versorgung. Welcher A r t und Größe sie waren, läßt sich über eine Standortbetrachtung beweisen, die uns die sehr eingehenden Unterlagen des Industrie-Zensus von 1936 ermöglichen 1 . Die Verflechtung der ostdeutschen Wirtschaft mit allen Gebieten Deutschlands war intensiv, i m einzelnen bestand sogar eine völlige oder starke Abhängigkeit von typisch ostdeutschen industriell erzeugten Waren. So lag Deutschlands Magnesitgewinnung und die Erzeugung von Schieferschamotte zu 100 v H i m ostdeutschen Gebiet. Einen weit überdurchschnittlichen A n t e i l hatte vor dem Kriege das deutsche Wirtschaftsgebiet östlich der Oder/Neiße mit folgenden Produktionen an der gesamtdeutschen Erzeugung: Flachsspinnereien und Leinen W e b e r e i e n (48 vH), Flachs- und Hanfröstereien (43 vH), Zellstofferzeugung {40 vH), Produktion von Spinnpapier (53 vH), Erzeugung von Kartoffelstärke und -flocken (65 bzw. 50 vH). Mehr als ein Viertel der gesamtdeutschen Erzeugung von Magnesitsteinen (29 vH), von Zeitungsdruckpapier (27 vH), Sackpapier (31 vH), Nitrierpapier (35 vH), Granit und Marmor (28 bzw. 26 vH), von Spiritus (32,5 vH) und genau ein Viertel der deutschen Rohzuckerproduktion lag i n Ostdeutschland. I n wirtschaftsgeographischen Darstellungen ist es üblich, zur Kennzeichnung von Ländern und regionalen Bereichen Typenbegriffe zu verwenden. So spricht man von Agrar- und Industriegebieten und von Räumen, die zwischen beiden i n der Mitte stehen. Man versieht also 1 Die meisten der i m Statistischen Reichsamt erarbeiteten Standortkarten der einzelnen Branchen sind wenigstens i n Ablichtungen der deutschen wissenschaftlichen Forschung erhalten geblieben.

58

Industrie u n d H a n d w e r k

gewisse Wirtschaftsräume m i t entsprechenden Etiketten. Das ist ein zulässiges Hilfsmittel für die erste Orientierung. Bei der Betrachtung des ostdeutschen Arbeitskräftepotentials haben w i r bereits festgestellt, daß — unter Einbeziehung der Familienangehörigen — vor Beginn des Krieges i n Ostdeutschland etwas mehr Menschen (fast 2,9 Mill.) i m Bereich von Industrie und Handwerk ihren Lebensunterhalt fanden als i n der Land- und Forstwirtschaft (gut 2,7 Mill.). Das soziologisch interessante B i l d ändert sich allerdings, wenn man von den tatsächlich Erwerbstätigen ausgeht. Wegen der großen Zahl der i n der Landwirtschaft beschäftigten mithelfenden Familienangehörigen waren danach 1939 i n der ostdeutschen Land- und Forstwirtschaft mehr Menschen beruflich tätig (1,8 Mill.) als i n der Industrie und dem Handwerk (über 1,3 Mill.). — Vgl. Tabelle S. 154. Schon diese wenigen Größenordnungen beweisen, daß das Land östlich der Oder/Neiße vor dem Kriege kein ausgesprochenes Agrarland mehr war. Agrarproduktion und gewerbliche Erzeugung standen dort vielmehr i n einem bestimmten Mischungsverhältnis, das es eher rechtfertigt, von einem Agrar-Industrie-Gebiet zu sprechen, eine Kennzeichnung, i n der das Nebeneinanderbestehen von rein agrarischen Bezirken und hochindustrialisierten Zentren, wie sie sich besonders i n Schlesien befanden, zum Ausdruck kommt. Den geeigneten Weg, u m von einem solchen noch recht allgemeinen Urteil zu einer differenzierten und auch anschaulichen Charakterisierung vorzudringen, bietet der Begriff der Wertschöpfung. Das ist der gemeinsame Nenner, mit dem die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung operiert, u m wirtschaftliche Leistungen verschiedener räumlicher und fachlicher Bereiche miteinander zu vergleichen. Ohne Einbeziehung der Energiewirtschaft hat die ostdeutsche Industrie 1936 eine Wertschöpfung {Nettoproduktion) von 2030 M i l l . R M erzielt. Hieran waren beteiligt: Der die die die die die

Bergbau mit Grundstoffindustrien mit Bauindustrie mit anderen Investitionsgüterindustrien mit Verbrauchsgüterindustrien (im engeren Sinne) m i t Nährungs- u n d Genußmittelindustrien mit

231 299 506 201 519 274

Mill. Mill. Mill. Mill. Mill. Mill.

RM, RM, RM, RM, RM, RM.

I m vorangegangenen Kapitel ist die Leistung des ostdeutschen Bergbaus dargestellt. Danach w a r Schlesien vor dem Kriege m i t einem reichlichen Zehntel an der Wertschöpfung des gesamten deutschen Bergbaus (in den Reichsgrenzen von 1937) beteiligt, während die ostdeutsche Industrieproduktion i m Durchschnitt genommen 1936 etwa 6,5 v H zur Industrieerzeugung des Deutschen Reiches beitrug.

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

59

Stärker noch übertraf die ostdeutsche Bauindustrie — über die Nettoproduktion gerechnet — diesen Durchschnittssatz. Sie erbrachte 1936 eine Wertschöpfung von 13,5 v H der bauindustriellen Erzeugung des Deutschen Reiches. Ihre Produktion hatte also ein Gewicht, das dem Anteil der ostdeutschen Bevölkerung an der Reichsbevölkerung sehr nahe kam. Sehen w i r aber einmal von diesen beiden Sonderfällen ab und betrachten w i r die Strukturen der Verarbeitenden Industrie, also der anderen industriellen Produktionsgruppen, die man meistens unter den drei Sammelbegriffen der Grundstoffindustrien, Investitionsgüterindustrien und Verbrauchsgüterindustrien einordnet. 1936 waren an der gesamten Nettoproduktion der Verarbeitenden Industrien beteiligt: Die Grundstoffindustrien i n Ostdeutschland i m Deutschen Reich dagegen

mit mit

23,1 vH, 26,4 v H ;

die Investitionsgüterindustrien i n Ostdeutschland m i t 15,5 vH, i m Deutschen Reich dagegen m i t 34,2 v H ; die Verbrauchsgüterindustrien (einschl. Nahrungsmittelindustrie) i n Ostdeutschland m i t 61,4 vH, i m Deutschen Reich dagegen m i t 39,4 v H .

Diese Anteilsätze lassen erkennen, daß die Grundstoffindustrien, auch bei Außerachtlassung des Bergbaus, i n Ostdeutschland vor dem Kriege einen nahezu ebenso hohen Produktionsanteil aufwiesen wie i m gesamten Reichsgebiet. Dagegen waren i n Ostdeutschland die Investitionsgüterindustrien weniger als halb so stark vertreten wie i m Reichsdurchschnitt. Jedoch das Gewicht der ostdeutschen Verbrauchsgüterindustrien war mehr als anderthalbmal so stark, wie es den Durchschnittsverhältnissen i m übrigen Deutschland entsprochen hätte.

1. Die Grundstoffindustrien Vgl. hierzu die Standortkarten

auf Seite 122 f., 126 f., 130 f., 132 f.

A n der Wertschöpfung (Nettoproduktion) der ostdeutschen Grundstoffindustrien waren 1936 beteiligt: Die Eisenschaffende, N E - M e t a l l - u n d GießereiIndustrie m i t 61 M i l l i o n e n RM, die Chemische u n d Kraftstoffindustrie m i t 43 M i l l i o n e n RM, die Industrie der Steine u n d Erden (einschließl i c h K e r a m i k u n d Glas) m i t 195 M i l l i o n e n RM.

In Ostdeutschland übertraf also die Wertschöpfung der Baustoffindustrie sehr erheblich die Produktionsleistung der beiden anderen Bereiche. I n der Tat war die relativ schwache Entfaltung der Metall-

60

Industrie und H a n d w e r k

industrie und der Chemischen Industrie für den deutschen Osten charakteristisch, der i n diesen Bereichen stets ein wichtiges Absatzgebiet für die west- und mitteldeutsche Produktion dargestellt hat. Eisenschaffende

Industrie

Die Versorgung des ostdeutschen Raumes, insbesondere der schlesischen Industrie, aus der Produktion der oberschlesischen Eisen- und Stahlwerke ist seit jeher nennenswert gewesen. F ü r die Zeit vor dem Kriege ist der Anteil, den die oberschlesische Stahlindustrie an der ostdeutschen Versorgung hatte, auf ein reichliches D r i t t e l des Verbrauches zu schätzen. Die ostdeutsche Rohstahlerzeugung betrug vor Kriegsausbruch jährlich über V2 M i l l i o n t gegenüber ungefähr IV2 Millionen t i m mitteldeutschen Raum. Die ost- und mitteldeutsche Eisenerzeugung und die darauf basierende Stahlproduktion war standortmäßig beeinflußt — abgesehen von der oberschlesischen Kohle — durch die starken ost- und mitteldeutschen Verbraucher und konnte sich insbesondere dank dem hohen regionalen Schrottanfall wenigstens i m Wettbewerb bei den minderen Sorten gegenüber dem Ruhrgebiet sehr erfolgreich behaupten. Für einen wesentlichen Teil ihres Bedarfs waren aber Ost- und Mitteldeutschland genau so wie der süddeutsche Raum von den Zulieferungen aus dem Zentrum der deutschen Schwerindustrie, dem Ruhrgebiet, abhängig. Bei den Qualitätsstählen war diese Abhängigkeit geradezu bestimmend; seit jeher ist Ost- und Mitteldeutschland ein wichtiger Abnehmer von westdeutschen Qualitätsstählen gewesen. Die Eisenindustrie des Ruhrgebietes verdankte ihre führende Stellung i m ungeteilten Deutschland nicht zuletzt dem Reichtum der dortigen Lagerstätten an hochwertiger Kokskohle. Demgegenüber war das oberschlesische Industriegebiet insofern i m Nachteil, als die oberschlesische Steinkohle zur Verkokung relativ wenig geeignet ist. Die oberschlesische Eisenhüttenindustrie hatte es aber verstanden, sich diesem Umstand erfolgreich anzupassen, indem sie sich so gut wie ausschließlich des Siemens-Martin-Verfahrens bediente. Dieses basiert i n nicht so hohem Maße wie etwa das Thomas-Verfahren auf Roheisen und damit indirekt auf Kokskohle, sondern stützt sich vor allem auf einen relativ hohen Schrotteinsatz. So ist es zu erklären, daß 1938 i n Oberschlesien, und zwar i n den Hüttenwerken von Bobreck-Karf, Gleiwitz und Malapane, bei einer Roheisenerzeugung von n u r 315 000 t unter Zusatz der entsprechenden Schrottmengen eine Rohstahlerzeugung von 511 000 t erreicht wurde. Von dieser bestanden allein 503 000 t aus Siemens-Martin-Rohblöcken, die restlichen 8000 t aus Elektrostahl.

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

61

A u f dieser Rohstahlbasis baute sich vor dem Kriege die oberschlesische Walzwerkserzeugung auf, die 1938 ein Produktionsergebnis von 360 000 t fertigen Walzwerkserzeugnissen, darunter 288 000 t an Trägern, Stab- und Bandeisen (einschließlich Röhrenstreifen aus Bandeisen), aufzuweisen hatte. Nichteisenmetallindustrie

(NE-Metalle)

Die Bedeutung des Gebietes östlich der Oder/Neiße i m Rahmen der deutschen Nichteisenmetallwirtschaft kommt i n ihrem Produktionswert, der 1936 immerhin 20 Millionen R M (Gesamtabsatz) erreichte, nicht voll zum Ausdruck. V i e l stärker beruhte sie auf gewissen Schwerpunktbildungen wie der Erzeugung des Ferrolegierungswerkes von Kraftborn (Niederschlesien) (2000 t i m Jahre 1936) oder der i n Frankenstein (Niederschlesien) betriebenen Hüttenproduktion an Nickel (240 t i m Jahre 1936). DEUTSCHLANDS ERZEUGUNG AN ZINN U. ZINNLEGIERUNGEN (Sn-JnhQ/t) 4.480 t

WESTDEUTSCHLAND

BERLIN

MITTELDEUTSCHLAND

OSTDEUTSCHLAND

Nicht zuletzt verdient aber die Produktionsleistung der ostdeutschen Metallschmelzereieri Erwähnung, die 1936 nicht weniger als 16,5 v H der deutschen Gesamtproduktion aufgebracht haben. Gießereiindustrie Es liegt i n der Wesensart der Gießereiindustrie, daß sie in erster Linie für den örtlichen und regionalen Bedarf arbeitet. Dem entsprach es, daß die über 1400 Eisen-, Stahl- und Tempergießereien, die 1939 i m sogenannten Altreichsgebiet vorhanden waren und nahezu 180 000 A r beitskräfte beschäftigten, in sehr breiter Streuung über das ganze Reichsgebiet verteilt waren. I n Ostdeutschland lagen davon über 130 Betriebe mit nahezu 12 000 Beschäftigten. Von diesen befanden sich die meisten, 55 Betriebe mit über 7000 Arbeitskräften, i n Niederschlesien. Das ist ein Hinweis

62

Industrie u n d H a n d w e r k

auf die Standortsorientierung dieses Produktionszweiges nach der regionalen Verteilung des Bedarfs. Unter Einbeziehung der m i t Flußstahlwerken verbundenen Stahlformgießereien erzeugten die ostdeutschen Eisengießereien vor dem Kriege jährlich 180 000 t Eisen-, Temper- und Stahlguß. Chemische und

Kraftstoffindustrie

I m ungeteilten deutschen Reichsgebiet verstand es sich von selbst, daß ein m i t K r a f t sich entfaltender Produktionszweig wie die noch junge Chemische« Industrie sich die i n einer großen Volkswirtschaft gegebenen Möglichkeiten der regionalen Arbeitsteilung v o l l zunutze machte. Es w a r daher kein Zufall, daß die wichtigsten Schwerpunkte der deutschen Chemischen Industrie, die i n besonders enger Verbindung mit der Steinkohle der Ruhr und der mitteldeutschen Braunkohle sich entwickelte, i m Rheinland u n d i n der früheren Provinz Sachsen lagen. Nur verglichen m i t der Leistung dieser gigantischen Industrieballungen w i r k t e die ostdeutsche Chemische Industrie relativ bescheiden. Erzeugte sie doch 1936 i n ihren vier Hauptgruppen die folgenden nicht unbeträchtlichen Absatz werte: Kraftstoffindustrie Chemische Industrie ( i m engeren Sinne) Chemisch-technische Industrie K a u t s c h u k - u n d Asbestindustrie

26,3 29,7 30,5 3,7

Millionen Millionen Millionen Millionen

RM, RM, RM, RM.

Nach 1936 ist die ostdeutsche Chemieproduktion, vor allem i m Bereich der Kraftstoffe, wegen der i n den ersten Kriegsjahren bestehenden geringeren Luftgefährung des deutschen Ostens noch besonders stark ausgebaut worden. So erreichte 1943 die Benzinerzeugung aus Hydrierung und Synthese i m Gebiet östlich der Oder/Neiße 462 000 t (ohne Flugbenzin). Das waren 21,7 v H der Erzeugung des alten Reichsgebietes. DEUTSCHLANDS BENZIN-ERZEUGUNG^19A3 (AUS HYDRIERUNG UND SYNTHESE)

849.000 t

821.000 t

WESTDEUTSCHLAND *)Einschl.

Benimäus

BERLIN

Erdöl.

Ohne

Flugbenzin.

MITTELDEUTSCHLAND

OSTDEUTSCHLAND

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

63

Waren diese kriegswirtschaftlichen Produktionsleistungen letzten Endes der reichlichen Ausstattung des schlesischen Raumes m i t Kohlenlagerstätten zu verdanken, so waren bereits i n der Friedenswirtschaft zwei ältere Produktionszweige der ostdeutschen Kraftstoffindustrie von diesem Umstand begünstigt worden. Das waren die Steinkohlenteerdestillation und die Benzolreinigung. 1936 brachten die Steinkohlenreviere von Westoberschlesien und Waldenburg (Niederschlesien) zusammen mit verschiedenen kleineren ostdeutschen Produktionsstätten 6,6 v H des gesamtdeutschen Absatzwertes der Steinkohlenteerdestillation und 9,3 v H des gesamtdeutschen Absatzwertes der Benzolreinigungsanstalten auf. Die Erzeugimg von Rohbenzol allein belief sich 1936 auf 15 800 t i m niederschlesischen und 25 400 t i m oberschlesischen Steinkohlenrevier. Diese 41 200 t stellten 9,8 v H der Erzeugung des Deutschen Reiches (420 600 t) dar. Dem Holzreichtum der deutschen Ostgebiete war es zu verdanken, daß dieser Raum bei der Erzeugung von Zündhölzern eine führende Rolle spielte. 1936 belief sich die ostdeutsche Produktion auf über 44 000 Normalkisten zu je 600 000 Stück. Das war ein Beitrag von 21,5 v H zu der gesamten Erzeugung des Deutschen Reiches. Kein Industriebereich ist wegen der großen Zahl der von ihm gefertigten verschiedenen Erzeugnisse so schwer zu überblicken wie die Chemische Industrie mit ihren zahlreichen Produktionszweigen. Auch i n den deutschen Ostgebieten fehlte es keineswegs an nennenswerten chemischen Produktionsstätten der verschiedensten A r t , wie etwa die Erzeugung von Brauerpech i n Ziegenhals/Oberschlesien (150 t i m Jahre 1936), von Seifen, Waschmitteln und Glyzerin, besonders in den Kreisen Breslau, Gleiwitz, Ratibor, Sorau, Tilsit, Insterburg, Königsberg, Stargard, Greifenhagen und Stettin (zusammen 1936 f ü r 16 Millionen RM), von Haut- und Lederleim in Neusalz/Niederschlesien (16001 = 8 v H der gesamtdeutschen Erzeugung i m Jahre 1936), von Knochenleim i n Bremberg/Niederschlesien (4001 = 4 v H der gesamtdeutschen Erzeugung i m Jahre 1936), von Lacken und Anstrichmitteln i n den Kreisen Breslau, Liegnitz, Stettin und Elbing i m Werte von rund 3 M i l l i o nen RM. I m Bereich der Kautschukindustrie wären zu nennen die i n Marienburg/Ostpreußen ansässige Herstellung von Massivreifen mit Stahlband, die über 12 v H der gesamtdeutschen Kapazität (12 641 1) verfügte, die Erzeugung von Gummischuhen m i t einem Produktionswert von 2 M i l lionen R M und Gummisohlen u n d -absätzen (250 t i m Jahre 1936) in Ottmuth/Oberschlesien sowie die Kautschukwarenerzeugung i n Giersdorf/Niederschlesien.

64

Industrie u n d Handwerk

I n Anbetracht der hohen landwirtschaftlichen Erzeugung der deutschen Ostgebiete ist es verständlich, daß es dort auch an Betrieben der Düngemittelindustrie nicht ganz fehlte. Für die ostdeutsche Landwirtschaft war es i m allgemeinen aber günstiger, sich die Standortvorteile nutzbar zu machen, über die West- und Mitteldeutschland auf Grund der dortigen Kalivorkommen und Großindustrie i n diesem Bereich verfügte. Ostdeutschland versorgte sich also i n erster Linie aus dem übrigen Deutschland mit Kali-, Stickstoff- und Phosphordünger. Nach der Verkehrsstatistik des Jahres 1937 war das ein ostdeutscher Güterempfang (netto) von über 1,6 Millionen t. I n d u s t r i e der Steine und Erden Unter den Grundstoffindustrien hatte vor dem Kriege i n Ostdeutschland die Industrie der Steine und Erden eine relativ hohe Bedeutung. Z u dem gesamtdeutschen Absatzwert dieses Produktionszweiges von l 2 / 3 Mrd. R M (ohne Keramik und Glas) trug das Gebiet östlich der Oder/Neiße über 200 Millionen R M bei. Das waren 12,2 vH, ein VomHundert-Satz, der erheblich über den A n t e i l hinausging, mit dem Ostdeutschland i m großen Durchschnitt an der gesamtdeutschen Industrieerzeugung beteiligt war. Diese Vorzugsstellung der Baustoffindustrie w i r d verständlich, wenn man sie mit dem entsprechenden Anteil vergleicht, den die Produktion des ostdeutschen Baugewerbes hatte: mit 13,5 v H der gesamtdeutschen Nettoproduktion kam die Bauleistung des Gebietes östlich der Oder/ Neiße 1936 dem ostdeutschen Bevölkerungsanteil (13,9 vH) recht nahe. Sieht man einmal ab von der Feinkeramischen und der Glasindustrie, die i n der Industriestatistik hier oft m i t einbezogen wurden, dann handelt es sich bei der Industrie der Steine und Erden u m die Gewinnung und Bearbeitung von Natursteinen, die Steinbildhauerei und Steinmetzerei, die Torfgräberei und -aufbereitung, die Gewinnung und A u f bereitung verschiedener anderer Nutzmineralien, die Kalk-, Gips- und Zementindustrie, die Herstellung von Betonwerksteinen, Beton- und Terrazzowaren, die Herstellung von Ziegeln und sonstigen künstlichen Mauersteinen, sowie u m die Herstellung anderer grobkeramischer Erzeugnisse. I n diesen Industriezweigen waren 1939 innerhalb des Reichsgebietes v o n 1937 r u n d 470 000 Menschen beschäftigt, davon i m Gebiet östlich der Oder/Neiße 67 000 Arbeitskräfte. Davon standen bei den ostdeutschen Ziegeleien und bei den Erzeugern von sonstigen künstlichen Mauersteinen allein 30 500 Menschen i n Lohn und Arbeit. M i t der Gewinnung und Bearbeitung von Natursteinen, bei der die Produktion für den Wege-, Bahn- und Wasserbau bei weitem i m Vordergrund stand und i m Reichsdurchschnitt gut zwei D r i t t e l der Arbeitskräfte

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

65

beanspruchte, waren i n Ostdeutschland 16 100 Menschen beschäftigt. I n der ostdeutschen K a l k - , Gips- und Zementindustrie waren 1939 über 6800 Menschen tätig. Abgesehen von einigen wenigen Handwerksbetrieben der Gipsherstellung bestanden diese drei bedeutendsten Sparten der Baust off Produktion — ebenso wie die i n Ostdeutschland 2300 Menschen beschäftigende Herstellung von grobkeramischen Erzeugnissen — lediglich aus industriellen Erzeugungsstätten. Dagegen wurde i n Ostdeutschland wie i m gesamten Reichsgebiet die Steinbildhauerei und Steinmetzerei, die vor Kriegsausbruch 23 500 Menschen i m alten Reichsgebiet, davon über 2600 Menschen i n Ostdeutschland beschäftigte, ausschließlich handwerklich betrieben. Einen gemischten industriell-handwerklichen Charakter zeigte die Herstellung von Betonwerksteinen, Beton- und Terrazzowaren. Hier beschäftigten i m Reichsdurchschnitt die Handwerksbetriebe über 38 v H der Arbeitskräfte. I n Ostdeutschland waren i n diesem Produktionszweig 4700 Menschen tätig. Das waren 15 v H der i m Altreichsgebiet i n dieser Branche Beschäftigten. Bei der rein industriell betriebenen Gewinnung und Aufbereitung verschiedener Nutzmineralien handelte es sich u m die Gewinnung von Kies und Sand sowie um die Gewinnung und Aufbereitung von Ton und Lehm, von Kaolin, Kieselgur, Schwerspat u. a. Diese Branche beschäftigte 1939 i n Ostdeutschland 3750 Menschen. Vor allem die schlesischen Gebirgsgegenden hatten eine ansehnliche Gewinnung von Natursteinen und Nutzmineralien. Über ein Viertel der deutschen Gewinnung solcher für die Bauwirtschaft wertvoller Steine (auch Granit und Marmor) lag i n Schlesien. Es gab Erzeugnisse, bei denen Niederschlesien den einzigen deutschen Lieferanten darstellte, und zwar für Schieferschamotte und Magnesit. Hier verfügte also das Geibiet östlich der Oder/Neiße — worauf bereits verwiesen wurde — über 100 v H der deutschen Produktion. Bei Steinzeugton und Findlingsquarziten erreichte der ganz aus Schlesien stammende ostdeutsche Produktionsanteil je 19 vH. Daß die Zementindustrie vor dem Kriege trotz ihrer Konjunkturempfindlichkeit sich i n einem lebhaften strukturellen Wachstum befand, w i r d bei einem Vergleich der Produktionszahlen von 1928 (dem Jahr des Vorkrisenhöhepunkts der deutschen Zementerzeugung) und 1938 (dem letzten vollen Vorkriegs jähr) besonders deutlich. 1928 w u r den i m früheren Reichsgebiet 7,6 Millionen t Zement erzeugt, 1938 dagegen mit 15,3 Millionen t (in den Reichsgrenzen von 1937) genau das Doppelte. A n diesem sich kräftig entfaltenden Industriezweig w a r das Gebiet östlich der Oder/Neiße m i t einer Produktionsleistung von 12,6 v H beteiligt (1936), obwohl hierzu Ostpreußen und Ostbrandenburg nicht beitrugen. Die ostdeutschen Zementfabriken befanden sich im 5

Oetbucb

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Industrie und H a n d w e r k

schlesischen Raum (in den Kreisen Oppeln und Bunzlau) und i m Mündungsgebiet der Oder. Der Entzug dieser Kapazitäten eines auf lange Sicht expandierenden Produktionszweiges mußte u m so fühlbarer sein, als die ostdeutsche Zementerzeugimg den dortigen Verbrauch übertraf, also zur Versorgung vor allem des benachbarten mitteldeutschen Raums (einschließlich des reinen Zuschußgebietes Groß-Berlin) beizutragen vermochte. Auch die ostdeutsche Ziegeleiindustrie war i n der Lage, m i t ihren Überschüssen zur Versorgung des reinen Zuschußgebietes Groß-Berlin beizutragen. Das galt sogar bei den Dachziegeln, wo 1938 das Gebiet östlich der Oder/Neiße 95 v H mehr als seinen Bedarf erzeugte, sogar i n noch stärkerem Maße als für die Hintermauerungsziegel, bei denen die ostdeutsche Erzeugung den dortigen Bedarf u m etwa 20 v H übertraf. Keramischelndustrie Während die sogenannte Grobkeramik, zu der vor allem die Ziegelindustrie gehört, beim Industriezensus von 1936 zu der Industrie der Steine und Erden gezählt wurde, faßte man unter der Bezeichnung „Keramische Industrie" zwei Produktionszweige zusammen: die Feinkeramische Industrie und die Schleifmittelindustrie. Dabei wurde unter Feinkeramik die Erzeugung von Porzellanwaren, Boden- u n d Wandplatten, Geschirr- u n d Ziersteingut, sanitärer Keramik, von Ofenkacheln, Steatit- u n d Specksteinwaren, Töpferwaren und feinen Steinzeugwaren verstanden. Insgesamt setzte 1936 die so abgegrenzte Feinkeramische Industrie des Deutschen Reiches Waren i m Werte von 277 M i l l . R M ab. Obwohl Ostpommern, Ostpreußen und Oberschlesien so gut wie gar nicht an diesem Produktionszweig beteiligt waren, erzeugte das Gebiet östlich der Oder/Neiße über 7 v H dieses gesamtdeutschen Absatzwertes. Das war der beachtlichen niederschlesiscben Produktion zu verdanken, die besonders i n den Kreisen Breslau, Waldenburg, Schweidnitz u n d Bunzlau betrieben wurde; daneben auch den ostbrandenburgischen Produktionsstätten i m Kreise Sorau. Bei den Schleifmitteln dagegen war das Gebiet östlich der Oder/Neiße ein wichtiges Absatzgebiet für die Lieferanten i m Kölner und Frankfurter Raum sowie i n Sachsen und Hannover; betrug doch der ostdeutsche Produktionsanteil bei der Schleifmittelindustrie nur etwa ein Zehntel Prozent. Glasindustrie Die Herstellung von Glas und Glaserzeugnissen (ausgenommen Glasspielwaren und Ohristbaumschmuck) ist ein vorwiegend industrieller Gewerbezweig. Die 10 v H der Beschäftigten, die 1939 i n Handwerksbetrieben und i n Hausgewerbe- und Heimarbeitsbetrieben gezählt w u r den, waren ausschließlich m i t der Veredelung von Hohl- und Flachglas

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

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oder m i t der Glasverarbeitung beschäftigt. Die Herstellung von Hohlund Flachglas wurde dagegen fast ausschließlich i n Industriebetrieben vorgenommen. I m Reichsgebiet m i t den Grenzen von 1937 waren 1939 i m Glasgewerbe insgesamt 86 100 Menschen tätig; davon i n den östlich der Oder/Neiße gelegenen Betrieben 16,8 vH. Das waren 14 450 Arbeitskräfte. Sehr gering waren die Beschäftigtenzahlen in Ostpommern und Ostpreußen und auch wenig bedeutend i n Oberschlesien. Dagegen waren mit der Herstellung von Glas und Glaserzeugnissen beschäftigt: 10 300 Menschen i n Niederschlesien und 3 600 Menschen i n Ostbrandenburg. Den Glassand (Quarzsand), den sie benötigten, erhielten sie nur zum kleinen Teil aus dem niederschlesischen Kreise Sprottau; sehr viel bedeutendere Mengen mußten sie aus dem heute zur Sowjetischen Besatzimgszone gehörenden Kreise Hoyerswerda beziehen, der 1936 nicht weniger als 31 v H der gesamten deutschen Gewinnung von Glassand aufbrachte und damit i n ganz Deutschland einzig dastand. 1936 wurde i m damaligen Reichsgebiet eine halbe M i l l i o n Tonnen Hohlglas erzeugt. Daran war das Gebiet östlich der Oder/Neiße m i t nennenswerten Produktionsleistungen beteiligt. So erzeugte der Kreis Sorau etwa 15 000 t Hohlglas und die schlesischen Erzeugungsstätten i n Sprottau, Hirschberg, Glatz, Habelschwerdt und Hindenburg (OS) schätzungsweise weitere 15 000 bis 20 000 t. Die ostdeutschen Fensterglashütten befanden sich i n Kunzendorf, Bunzlau u n d Hermannsthal. Vor dem Kriege (1938) erzeugten sie reichlich 3 Millionen qm und trugen damit 11,2 v H zur Erzeugung des alten Reichsgebietes bei. Während des Krieges wurde ihre Produktion auf über 4,7 Millionen q m (1943) gesteigert. Das waren ebenfalls 11,2 v H der Erzeugung i m Gebiet von 1937. Da vor dem Kriege (1936) der Verbrauch an Fensterglas innerhalb des ostdeutschen Raumes 1,6 Millionen qm betrug, war die ostdeutsche Glasindustrie i n der Lage, das übrige Deutschland jährlich m i t 1,4 M i l lionen q m Fensterglas zu versorgen. Dies entsprach dem gesamten damaligen Zuschußbedarf von Groß-Berlin, das über keine eigenen Erzeugungsstätten verfügte. 2. Das Baugewerbe (Bauindustrie und Bauhandwerk)

Die hohe Bedeutung des ostdeutschen Gebietes für die deutsche Volkswirtschaft w i r d sehr augenfällig durch die Tatsache unterstrichen, daß das Land östlich der Oder/Neiße i m letzten vollen Vorkriegs jähr (1938) über eine Baukapazität von nicht weniger als 1850 Millionen R M verfügt' hat. Das waren 15,0 v H der damals m i t 12,4 Mrd. R M zu ver*

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Industrie u n d H a n d w e r k

anschlagenden Bauproduktion&kapazität des Deutschen Reiches i n den Grenzen von 1937. Je Einwohner erreichte somit die jährliche ostdeutsche Bauproduktionsleistung 193,60 RM. Das waren noch 8,2 v H mehr als die i m großen Durchschnitt i n Deutschland je Einwohner zur Verfügung stehende Kopfquote. Diese hohe baugewerbliche Leistungsfähigkeit der deutschen Ostgebiete beruhte auf einem1 ansehnlichen Bestand an Baubetrieben und Arbeitskräften. Nicht weniger als 357 000 i m Gebiet östlich der Oder/Neiße wohnhafte Personen waren M i t t e 1939 i n Bauberufen erwerbstätig, zum Teil allerdings als Betriebshandwerker i n der Industrie und i m Verkehr usw. Das waren 14,1 v H der über 2V2 Millionen bauberuflich Erwerbstätigen des gesamten Reichsgebietes (in den Grenzen von 1937). I m einzelnen gehörten i n Ostdeutschland den Bauberufen an: Beschäftigte Bauingenieure, -techniker usw. . . . . 15 400 Baumaschinisten 2 700 Maurer 78 400 Betonfacharbeiter 5 400 Zimmerer 36 000 Dachdecker 5 600 Glaser 1900 Bauhilfsarbeiter 45 500 E r d - u n d Tiefbauarbeiter 106 700.

Unter Einschluß des Baunebengewerbes, der Architekten- und Vermessungsbüros, der bauwirtschaftlichen Verwaltungs- und Hilfsbetriebe sowie des Bauhilfsgewerbes (Schornsteinfegereigewerbe und Zimmer-, Fenster- und Metallreinigung), gab es M i t t e 1939 i n Ostdeutschland über 24 000 baugewerbliche Betriebe m i t über 280 000 Arbeitskräften. Von diesen beschäftigte das eigentliche Baugewerbe, also der Hoch-, Tief- und Straßenbau einschließlich der zugehörigen Zimmerei, des Betonbaus, der Steinsetzerei, Asphaltiererei und Pflasterei allein über 220 000 Menschen, die in über 8000 Betrieben i n Lohn und Arbeit standen. I m Durchschnitt waren also 27 bis 28 Arbeitskräfte i n einem ostdeutschen Baubetrieb tätig. Das ostdeutsche Baunebengewerbe, also die Malerei, Tüncherei und Anstreicherei, das Tapezier- und Polstergewerbe, die Glaserei, die Ofensetzerei, das Stukkateur- und Gipsgewerbe, die Kunstholz-, Mosaik- und Fliesenlegerei, der Brunnen- und Pumpenbau u. dgl., umfaßte 1939 nahezu 13 500 Betriebe mit 50 000 besetzten Arbeitsplätzen. Hier handelte es sich i m Durchschnitt also u m kleinere Betriebe m i t drei bis vier 1 Arbeitskräften. Das Baugewerbe ist ein überwiegend städtischer Erwerbszweig. Es war nicht nur in den ostdeutschen Großstädten, sondern auch i n den

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Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

für den deutschen Osten so charakteristischen zahlreichen Klein- und Mittelstädten ansässig. Auffallend ist seine gleichmäßige Verteilung über das gesamte Gebiet östlich der Oder/Neiße, eine Verteilung, die i n enger Korrelation stand zu der jeweiligen Bevölkerungszahl. F ü r M i t t e 1939 wurden die folgenden regionalen Anteile an den ostdeutschen Gesamtzahlen ermittelt: Teilgebiete Ostpreußen Ostpommern Ostbrandenburg Niederschlesien Oberschlesien Kreis Z i t t a u (Teil) Gebiet östlich der Oder/Neiße

Beschäftigte i m gesamten Baugewerbe in vH 26,9 20,9 6,6 31 >3 14,1 0,2 100,0

Bevölkerung in v H 25,9 19,6 6,8 31,6 15,9 0,2 100,0

Bs ist nicht uninteressant festzustellen, daß die i n dieser Korrelation (Beschäftigte in der Bauwirtschaft : Bevölkerungszahl) ausgedrückte Baudichte i n Ostpreußen u n d Ostpommern sogar etwas höher w a r als in den übrigen ostdeutschen Landesteilen und besonders als i n Oberschlesien. Es ist nicht die Aufgabe dieser Darstellung, zu der schwierigen methodischen Frage der Abgrenzung zwischen Industrie und Handwerk Stellung zu nehmen. Die Statistik hat immer wieder vor dieser Aufgabe gestanden und sie nach den verfügbaren auszählbaren Merkmalen jeweils praktisch) gelöst. Die bei der Arbeitsstättenzählung von 1939 gewählte Zuordnung ergab für das damalige Reichsgebiet das folgende baugewerbliche Strukturbild. Gemessen an der Zahl der Beschäftigten waren am gesamten Bau- und Baunebengewerbe beteiligt die Bauindustrie m i t das Bauhandwerk m i t

34,6 v H , 65,4 v H .

Selbst beim eigentlichen Baugewerbe überwog das Handwerk m i t einem A n t e i l von 59,2 vH. Dieses Übergewicht w a r aber i m Baunebengewerbe mit einem handwerklichen Anteilssatz von 91,0 v H noch viel ausgeprägter. Die bei dem Industriezensus von 1936 gewählte Abgrenzung hatte den Begriff der Bauindustrie jedoch weiter gefaßt. Hier ist zu dem industriellen Kern des Baugewerbes noch eine große Zahl von Handwerksbetrieben hinzugezählt worden. I n diesem weiteren Sinne genommen hatte 1936 die deutsche Bauindustrie einen Nettoproduktionswert von 3738 Millionen R M geschaffen. A n dieser Wertschöpfung war das Gebiet östlich der Oder/Neiße m i t 506 Millionen R M beteiligt. Das waren 13,5 vH.

Industrie u n d H a n d w e r k

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Woraus bestand diese bedeutsame Produktionsleistung? Eine bauwirtschaftliche Spezialerhebung über das Jahr 1938, deren Ergebnisse erhalten geblieben sind, gibt hierüber Auskunft. Sie stellte fest: A n öffentlichen Gebäuden sind 1938 gebaut worden:

i m Deutschen Reich (Gebiet von 1937) darunter i n Ostdeutschland (östlich Oder/Neiße)

Anzahl

Umbauter Raum i n M i l l , cbm

3479

15,6

630

2,1

I n Ostdeutschland sind also 1938 — gemessen am umbauten Raum — 13,4 v H der i m Reichsgebiet von 1937 erstellten öffentlichen Gebäude errichtet worden. A n gewerblichen und sonstigen wirtschaftlichen Gebäuden wurden 1938 erstellt:

i m Deutschen Reich (Gebiet von 1937) darunter i n Ostdeutschland (östlich Oder/Neiße)

Anzahl

Umbauter Raum i n M i l l , cbm

70 086

61,5

15 157

8,9

Das w a r eine ostdeutsche Bauleistung von 14,4 v H der deutschen gewerblichen Gebäudebauten (umbauter Raum). Noch i m letzten Baujahr vor dem Kriege hatte Ostdeutschland einen Zugang von 35 660 Wohnungen, darunter nur 3828 Wohnungen, die durch Umbau gewonnen waren. Alles andere waren Neubauten. Damit hatte das Gebiet östlich der Oder/Neiße 1938 einen A n t e i l von 11,7 v H an dem gesamten reichsdeutschen Wohnungsneubau. 3. Die Investitionsgüterindustrien

Vgl. hierzu die Standortkarten

auf Seite 124—129

Während Ostdeutschland auf dem Gebiet der Bauindustrie m i t einer hohen, über eine halbe Milliarde R M hinausgehenden Wertschöpfung an der deutschen Gesamtproduktion des Jahres 1936 beteiligt war, ist es auf dem Gebiet der anderen Investitionsgüterindustrien i n erster Linie ein wichtiges Absatzgebiet f ü r West- und Mitteldeutschland gewesen, nicht zuletzt für Groß-Berlin. Dem steht nicht entgegen, daß auch i n diesem Produktionsbereich wichtige Erzeugungsstätten östlich der Oder/Neiße beheimatet waren. A n den 201 Millionen RM, die die ostdeutschen Investitionsgüterindustrien i m Jahre 1936 erzeugten (Nettoproduktion), waren beteiligt der die der die

Maschinenbau Eisen- u n d Stahlwarenindustrie Stahl- u n d Eisenbau Elektroindustrie

mit mit mit mit

72 42 36 18

Mill. Mill. Mill. Mill.

RM, RM, RM, RM,

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte mit die Fahrzeugindustrie mit die Metallwarenindustrie die Feinmechanische u n d Optische Industrie m miitt

71

15 M i l l . R M , 11 M i l l . R M , 5 M i l l . RM.

Maschinenbau Deutschland als hochindustrialisiertes Land besaß vor dem Kriege eine weit verzweigte und sehr leistungsfähige Maschinenindustrie. Bei Kriegsausbruch (1939) waren i m alten Reichsgebiet (Grenzen von 1937) etwa 120 000 Menschen m i t dem Bau von Kraftmaschinen und 600 000 mit der Herstellung von Arbeitsmaschinen der verschiedensten A r t beschäftigt. Diese Produktionen wurden ergänzt durch 20 000 Arbeitskräfte, die i m Apparatebau, und weitere 75 000, die i m Kesselbau tätig waren. Nahezu 30 000 von diesen 800 000 Beschäftigten des Maschinenbaus gehörten zu Betrieben, die östlich der Oder/Neiße lagen. Auch 1 der deutsche Maschinenbau machte sich die Vorteile einer regionalen Arbeitsteilung zunutze. Die Orientierung nach der Abnehmerschaft, nach den Arbeitskräften, nach den Bezugsmöglichkeiten und auch nach der Verkehrslage schuf oft i n Anknüpfung an handwerkliche und frühindustrielle Traditionen ein vielfältiges Netz von Standorten des Maschinenbaus. Gerade die Aufspaltung des deutschen Raumes nach dem Kriege ließ die so entstandenen Schwerpunktsbildungen deutlich und schmerzhaft hervortreten. Bedeutsamen Maschinenbauzweigen, wie der Herstellung von Hütten- und Walzwerksanlagen, dem Bau von Gießereimaschinen und Industrieöfen, der Anfertigung von Getrieben und Wälzlagern und dem Landmaschinenbau, i n denen der westdeutsche Produktionsanteil 1936 bei 80 v H und mehr gelegen hatte, standen andere nicht weniger charakteristische Zweige des Maschinenbaus gegenüber, die ihren Schwerpunkt i n Mitteldeutschland, also dem heutigen Gebiet der Sowjetzone, gefunden hatten. Das waren vor allem der Bau von Büromaschinen, von Textilmaschinen und von Druckmaschinen. Ostdeutschland war ein wichtiges Absatzgebiet für den west- und mitteldeutschen Maschinenbau, aber es verfügte darüber hinaus über nennenswerte eigene Produktionsstätten. Und vergegenwärtigt man sich, daß der ostdeutsche Maschinenbau sich besonders stark auf Niederschlesien konzentrierte, wo beispielsweise bei der Herstellung von A r beitsmaschinen fast die Hälfte aller ostdeutschen Maschinenbauer dieses Zweiges beschäftigt waren, dann erhält dieses Teilgebiet des ostdeutschen Raumes ein i m gesamtdeutschen Rahmen beachtenswertes Gewicht. M i t fast 14 v H der gesamtdeutschen Erzeugung lieferte die ostdeutsche Produktion von Papierherstellungsmaschinen einen relativ hohen Beitrag zu der deutschen Gesamtleistung. Da es sich hier aber um eine Spezialproduktion handelte, die 1936 i n ganz Deutschland einen A b -

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Industrie u n d H a n d w e r k

satzwert von rund 25 Millionen R M erstellt hatte, wurde die ostdeutsche Produktion an Papierherstellungsmaschinen (3,4 Millionen R M Absatzwert im Jahre 1936) ihrer absoluten Höhe nach von anderen Maschinenbauzweigen überboten. Hierzu gehörte bei den Arbeitsmaschinen in erster Linie die Landmaschinenproduktion, die 1936 m i t einem Absatzwert von 17,4 Millionen R M 5,3 v H zur Reichsproduktion beitrug. Jeweils etwa 7 Millionen R M erreichte die ostdeutsche Erzeugung i m Apparate- und Kesselbau, je über 5 Millionen R M der i m Gebiet östlich der Oder/Neiße geschaffene Absatzwert bei der Herstellung von Metallbearbeitungsmaschinen u n d von Aufbereitungs- und Baumaschinen. A u f dem Gebiet der Kraftmaschinen erzielte Ostdeutschland vor dem Kriege bei der Herstellung von Kolbendampfmaschinen und Lokomobilen i m Werte von fast 3 Millionen R M rund 22 v H des deutschen Gesamtabsatzes (1936). Der ostdeutsche Absatzwert w a r bei den Verbrennungsmotoren m i t 8,4 Millionen R M durchschnittlich. Ein deutliches Beispiel f ü r das östlich der Oder/Neiße gelegene Potential bot die ostdeutsche Lokomotivproduktion, die sich 1936 vor allem i n Elbing konzentrierte und i n geringerem Umfange auch i n Breslau und Hindenburg (OS) betrieben wurde. Sie hatte damals zu der deutschen Gesamterzeugung rund 3 Millionen R M oder 2,2 v H beigetragen. Während des Krieges wurde sie dann auf über das 30fache gesteigert. M i t einem Absatzwert von 90,4 Millionen R M erstellte 1943 der ostdeutsche Lokomotivbau 17,5 v H der Produktion des Altreichs. Stahl - und Eisenbau Unter der Bezeichnung „Stahl- und Eisenbau" wurden beim Industriezensus von 1936 drei Produktionszweige zusammengefaßt: der Schiffbau, die Waggonindustrie und der Stahlbau i m engeren Sinne, worunter man die Herstellung von Brücken und anderen Stahlkonstruktionen versteht. A n allen diesen Produktionszweigen war bis zum Zusammenbruch auch das Gebiet östlich der Oder/Neiße beteiligt. Wie die Standortkarte (S. 124 f.) veranschaulicht, konzentrierte sich der Schiffbau des Deutschen Reiches i n seiner Nordwestecke, besonders i n den großen Werftzentren Hamburg, K i e l und Bremen. Neben ihnen konnten Königsberg und Stettin aber eine regionale Bedeutung beanspruchen. Zu der halben Milliarde RM, die der deutsche Schiffbau 1936 erzeugte (Absatzwert), trug Ostdeutschland 2,6 v H bei. Das waren 13,2 Millionen RM. Einschließlich des Baues von Flußfahrzeugen und der Reparaturwerkstätten gaben vor Kriegsausbruch die über 60 ostdeutschen Schiffbaubetriebe rund 9000 Menschen Arbeit und Lohn. Eine starke betriebliche Konzentration zeigte der ostdeutsche Waggonbau. Er w a r i n Ostpommern und i n Ostbrandenburg nicht ver-

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

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treten, und auch i n Oberschlesien gehörten i h m 1939 nur drei kleinere Betriebe mit zusammen 150 Beschäftigten an. Sein Schwerpunkt lag ganz eindeutig i n Niederschlesien, w o 1939 i n fünf Betrieben über 4300 Menschen tätig waren. Hierzu gehörte Grünberg, das 1936 mit rund 1 v H an der Waggonproduktion des Deutschen Reiches beteiligt war, vor allem aber Breslau, das damals der wichtigste Standort der gesamten deutschen Waggonindustrie war. M i t einem Produktionsanteil von 13 v H übertraf Breslau sämtliche übrigen bedeutenden Standorte wie K ö l n (11 vH), Nürnberg (8 vH), Görlitz (7 vH), Wismar (6 vH), Bautzen, Kassel und Ürdingen (je 5 vH). östlich der Oder/Neiße verfügte außerdem Königsberg über einen größeren Waggonbaubetrieb m i t 840 Arbeitskräften (1939). Die wenigen, aber bedeutenden Betriebe des ostdeutschen Waggonbaus erzeugten 1936 einen Absatzwert von 20 Millionen RM. Das war nahezu ein Fünftel (18,5 vH) der gesamtdeutschen Erzeugung. I n ihrer absoluten Höhe wurde 1936 die Erzeugung des ostdeutschen Waggonbaus noch u m die Hälfte überboten von der Herstellung des ostdeutschen Stahlbaus. I n den Standorten Stettin und Königsberg, i n den niederschlesischen Städten Grünberg, Breslau und Waldenburg sowie in Hindenburg (OS) verfertigte dieser Zweig der Investitionsgüterindustrie Konstruktionen i m Werte von 30 Millionen RM. Das waren 7,5 v H einer Reichserzeugung, die in Berlin, Leipzig, Dortmund und anderen Städten des Ruhrgebietes ihre hervorragendsten Standorte besaß. 1939 beschäftigten die über 100 ostdeutschen Stahlbaubetriebe etwa 6600 Menschen. Fahrzeugbau

Der Fahrzeugbau hat verhältnismäßig große Freiheit i n der Standortwahl. Unter den zahlreichen Standorten, die auf Grund ihrer naturgegebenen Lage — wie z. B. ihrer Verkehrsgünstigen Situation — i n Betracht kämen, erfolgt meist die Auswahl zugunsten von Orten, i n denen qualifizierte Arbeitskräfte entweder schon ansässig sind oder wohin sie aus einer dichtbesiedelten Nachbarschaft unschwer herangezogen werden können. Ist aber einmal eine solche Standortwahl getroffen, so gibt sie den Anstoß zu einer Schwerpunktbildung. Das folgt aus zwei Motiven: der dem Fahrzeugbau innewohnenden Tendenz zum Mittel- oder gar Großbetrieb und der berufsbildenden, d. h. Spezialfertigkeiten entwickelnden und pflegenden K r a f t eines Produktionszentrums, sobald dieses überhaupt erst einmal entstanden ist. Es sind nur ganz wenige Standorte, an denen sich in Deutschland der Kraftfahrzeugbau konzentrierte. So war bei der Erzeugung von Personenkraftwagen die Schwerpunktbildung so ausgeprägt, daß beispielsweise i n Rüsselsheim nicht weniger als 28 vH, in Chemnitz 22 v H der

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Industrie u n d H a n d w e r k

gesamten Produktion konzentriert waren, und auch die hinter diesen rangierenden Produktionszentren Stuttgart (13 vH), Frankfurt/Main (10 vH), K ö l n (6 vH) und Eisenach (5 vH) wiesen Verdichtungsgrade auf, die jeweils mindestens den zwanzigsten Teil der damaligen Reichsproduktion lokalisierten. Es ist bekannt, i n wie hohem Maße die Automobilproduktion spezialisiert war. Das bedeutete, daß die Produktion von Lastkraftwagen meist an anderen, allerdings häufig benachbarten Standorten betrieben wurde. So waren vor dem Kriege die wichtigsten deutschen Produktionsstätten für Lastkraftwagen und Kraftomnibusse i n Gaggenau (mit 18 vH), Essen (12 vH), Braunschweig, Brandenburg (je 11 vH), Kassel (9 vH) und Nürnberg (8 v H der Reichsproduktion) lokalisiert. Noch stärker w a r die räumliche Konzentration bei der Erzeugung von Krafträdern. Hier stammte 1936 fast die gesamte deutsche Produktion — 78,9 Millionen R M von 82,1 Millionen R M — aus den vier Standorten Zschopau (30,5 vH), Nürnberg (30,4 vH), Neckarsulm (20,4 vH) und M ü n chen (14,8 v H der deutschen Gesamterzeugung). Es w a r schließlich eine natürliche Folge dieser Zentrenbildung, daß weite Räume des deutschen Reichsgebietes keinerlei Automobilproduktion aufwiesen. Hierzu gehörten Schleswig-Holstein, Mecklenburg und die deutschen Ostgebiete m i t Ausnahme von Stettin, das m i t etwa 1 v H an der Personenkraftwagenerzeugung des damaligen Reichsgebietes beteiligt war, und von Breslau, auf das etwa 3 v H der damaligen gesamtdeutschen Erzeugung von Schleppern entfiel. Auch, für die Herstellung von Kraftfahrzeuganhängern verfügte das Gebiet östlich der Oder/Neiße über Produktionsstätten von regionaler Bedeutung. Das waren die Betriebe von Breslau, Heynau und Grünberg i n Niederschlesien, von Alt-Kotziglow i n Ostpommern und von Königsberg und Elbing i n Ostpreußen. I m ganzen gesehen aber w a r der ostdeutsche Raum ein wichtiges Absatzgebiet für die west- und mitteldeutsche Automobilerzeugung. Auch auf dem Fahrradmarkt bestand das gleiche Verhältnis. Ostdeutschland verfügte zwar über eigene Produktionsstätten, die 1938 über 18 000 Fahrräder herstellten, w a r aber in der Hauptsache ein A b satzgebiet der west- und mitteldeutschen Fahrradindustrie, deren wichtigste Standorte i n Bielefeld (24 vH), Siegmar-Schönau (Sachsen; 11 vH), Nürnberg, Rüsselsheim (je 7 vH), Frankfurt/Main (6 vH) und Brandenburg (4 v H des gesamtdeutschen Absatzwertes Von 1936) lagen. Es entsprach der rüstungswirtschaftlichen Expansionstendenz der letzten Vorkriegsjahre, wenn die Flugzeugindustrie, die 1936 i n Ostdeutschland erst m i t einer geringfügigen, i n Granau (Niederschlesien) beheimateten Erzeugung vertreten war, 1939 i n 14 ostdeutschen Betrieben bereits über 4000 Arbeitskräfte beschäftigte. Aus w e h r w i r t -

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schaftlichen Gründen lag jedoch das Schwergewicht dieses Produktionszweiges, der i m Sommer 1939 i m Altreichsgebiet rund 213 000 Menschen beschäftigte, i m mitteldeutschen Raum. Feingliederige Mechanismen, wie sie die modernen Maschinen, Apparate und Fahrzeuge darstellen, bedürfen laufender Pflege und wiederholter Reparatur. Von Ausnahmefällen abgesehen, ist es a m rationellsten, -die i n derartigen Reparaturleistungen vorliegende Wertschöpfung nicht an wenigen Schwerpunkten, sondern am Ort oder in möglichster Nähe des auftretenden Reparaturbedarfs ausführen zu lassen. Zahlreiche, meist zum Handwerk gehörende Kleinbetriebe bilden also das Kennzeichen des Reparaturgewerbes. Entsprechend dem — i m ganzen — hohen Bestand der ostdeutschen Gebiete an Maschinen, Apparaten und Fahrzeugen w a r es auch i n den Landesteilen östlich der Oder/Neiße m i t zahlreichen Betrieben vertreten. Wie die Arbeitsstättenzählung von 1939, die auch die handwerklichen Betriebe m i t einbezog, ermittelt hat, verfügte Ostdeutschland vor Kriegsausbruch über fast 5000 Reparaturwerkstätten für Maschinen und Fahrzeuge. I n diesen arbeiteten 23 300 Menschen. Das waren 12,6 v H der damals i m Reichsgebiet (Grenzen von 1937) i n derartigen Betrieben Beschäftigten. Niederschlesien allein besaß über 2000 Reparaturwerkstätten m i t 8500 Arbeitskräften. Elektrotechnik — Feinmechanik

— Optik

I n der Elektrotechnik wie i m Bereich der Feinmechanik und Optik lag i n den deutschen Ostgebieten sogar das hauptsächliche Gewicht bei den Installations- und Reparaturbetrieben. Von den gut 23 000 Arbeitskräften der Elektrotechnik, die 1939 i m Gebiet östlich der Oder/Neiße gezählt wurden, gehörten über 14 600 der fast ausschließlich handwerklich betriebenen Elektroinstallation und -reparatur an. Von den rund 124 000 vergleichbaren Beschäftigten i m Handwerk des alten Reichsgebietes waren das 11,8 vH. I m großen gesehen w a r Ostdeutschland ebenso wie die meisten anderen Teile des Reiches ein Absatzgebiet der geradezu überragenden Berliner Elektroindustrie. Doch fehlte es auch östlich der Oder/Neiße nicht an einer elektrotechnischen Erzeugung, die besonders i n Breslau (Batterien und Akkumulatoren) und Zielenzig/Ostbrandenburg (Elektromotoren und Transformatoren) betrieben wurde. Während des Krieges wurde i n Ostdeutschland die Erzeugung von Glühlampen so weit gesteigert, daß sie 1943 m i t 6,6 Millionen Stück = 4 v H an der i m Altreichsgebiet hergestellten Menge beteiligt war. Von den vor Kriegsausbruch i n den ostdeutschen Betrieben der Feinmechanik und Optik beschäftigten 7400 Menschen arbeitete die Hälfte an der Herstellung und Reparatur von Uhren. Bei diesen 3700 Arbeits-

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Industrie u n d H a n d w e r k

kräften, die i n etwa 1900 Betrieben tätig waren, handelte es sich zum größten Teil u m Angehörige des Uhrmacherhandwerks. I m rein industriellen Bereich der Feinmechanik wäre die i n Breslau beheimatete Erzeugung von Wärmetechnischen und Mengenmeßgeräten sowie von Reglern hervorzuheben. Diese trug 1936 m i t einem Absatzwert von 3,3 Millionen R M rund 11 v H zu der gesamten deutschen Erzeugimg bei. Bereits vor dem Kriege erzeugte Stettin 2 v H der i m Reich hergestellten nautischen Geräte. Eisen-, Stahl - und

Metallwaren

Auch bei der Herstellung von Eisen-, Stahl- und Metallwaren überwog i n Ostdeutschland die handwerkliche Seite. Von den fast 60 000 A r beitskräften, die 1939 i m Gebiet östlich der Oder/Neiße i n diesem Produktionszweig beschäftigt waren, gehörten allein über 21 300 dem Schmiedegewerbe an. Sie waren i n über 9700 Arbeitsstätten tätig. Weitere 8200 Menschen arbeiteten in den 1800 Betrieben der Schlosserei, Schweißerei u n d Schleiferei. Über 13 500 Arbeitskräfte waren i n den über 2900 Betrieben der Klempnerei, Gas- u n d Wasserinstallation tätig. Zusammen waren das über 43 000 Arbeitskräfte i n diesen drei fast restlos dem Handwerk vorbehaltenen Gewerbezweigen. Wie das Schaubild auf S. 126 f. erkennen läßt, waren besonders i n den beiden schlesischen Provinzen Betriebe der Eisen-, Stahl- und Metallwarenindustrie ansässig. Insgesamt erzielten sie 1936 einen Absatzwert von 87,3 Millionen RM, der einer Wertschöpfimg von 53 Millionen R M entsprach. Von den einzelnen Sparten dieser ostdeutschen Produktion konzentrierte sich beispielsweise die Herd- und Ofenindustrie i n Jauer/ Niederschlesien, das 1936 allein für 3,5 Millionen R M Öfen u n d Herde erzeugte. Von den übrigen Produktionszweigen w a r östlich der Oder/ Neiße die Draht warenindus trie relativ am stärksten vertreten. Sie stellte 1936 einen Absatzwert von 25,3 Millionen R M her, gleich 5,1 v H der gesamtdeutschen Erzeugung. 4. Die Verbrauchsgüterindustrien

Vgl. hierzu die Standortkarten

auf Seite 130 f., 134 f., 136 f.

W i r hattenj bereits festgestellt, daß vor dem Kriege östlich der Oder/ Neiße die Verbrauchsgüterindustrien i m Rahmen der gesamten Verarbeitenden Industrie ein größeres Gewicht hatten als i m übrigen Deutschland. Das gilt sowohl f ü r die Nahrungs- und Genußmittelindustrie, die in der Wirtschaftsstatistik wegen ihrer Bedeutung oft als ein besonderer Produktionsbereich behandelt wird, wie auch für die Verbrauchsgüterindustrien im engeren Sinne, also die industrielle Bearbeitung und Weiterverarbeitung von Holz, Papier, Spinnstoffen und Leder.

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Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

Die diesen Produktionszweigen zu verdankende Wertschöpfung hatte 1936 i n Ostdeutschland die Halbmilliardengrenze überschritten. Sie erzeugten einen Nettoproduktionswert von 519 Millionen RM, und zwar 115 132 180 92

die Holzindustrie (einschl. Sägeindustrie) . die Papierindustrie u n d das Druckgewerbe die Textilindustrie u n d die Leder- u n d Bekleidungsindustrie .

Mill. Mill. Mill. Mill.

RM, RM, RM, RM.

Sägeindustrie Während, wie w i r schon feststellten, vor dem Kriege i n Mitteldeutschland (einschließlich Berlin) für je 1000 Einwohner nur eine Waldfläche von 152 ha zur Verfügung stand und auch i n dem gebirgsreicheren westdeutschen Gebiet nur 174 ha, kamen i n Ostdeutschland 306 ha Waldfläche auf 1000 Einwohner. Es entspricht dieser reichlicheren Ausstattung des ostdeutschen Raumes m i t Waldflächen, daß sich hier eine lebhafte Sägeindustrie entwickelt hatte. Einschließlich der Schwellen- und Mastenfabriken, der Hobel- und Furnierwerke gab diese 1936 über 24 000 Menschen Beschäftigung. Das waren 22,4 v H der i m Reichsgebiet i n diesem Industriezweig Tätigen. Einschließlich der kleineren nichtindustriellen Betriebe erreichte die Zahl der i n der ostdeutschen Sägeindustrie Arbeitenden bis 1939 sogar rund 32 400 Menschen, die i n über 2300 Arbeitsstätten tätig waren. Diese Sägewerke waren für den deutschen Osten sehr charakteristisch, sie waren überall anzutreffen. A l l e i n i n Ostpreußen zählte man fast 600 Betriebe mit 11 500 Arbeitskräften. I m Zensusjahr 1936 trug die ostdeutsche Sägeindustrie 16 v H zur deutschen Gesamtproduktion bei. Das war eine ostdeutsche Absatzleistung von 122 Millionen RM. Holzverarbeitende

Industrie

I n der deutschen Holzverarbeitenden Industrie nimmt die Möbel- und Bauteileindustrie eine überragende Stellung ein. Sie beschäftigte vor dem Kriege mehr Menschen und erzielte einen höheren Absatz als sämtliche anderen holzverarbeitenden Industrien zusammengenommen. Das t r i f f t nicht n u r für das damalige Reichsgebiet i m ganzen zu, sondern ebenso für den Osten wie für den Westen. Diese Gleichförmigkeit i m A n t e i l der Möbel- und Bauteileindustrie ist ein Spiegelbild des i m großen und ganzen gleichartigen Bedarfs, den dieser Industriezweig zu befriedigen hat: schließlich w i r d er bestimmt durch den nicht unwesentlichen Beitrag der Bauteileindustrie zum Wohnungsbau selbst und dann durch die Einrichtung der Wohnungen. Innerhalb des ostdeutschen Raumes erbrachte die Möbel- und Bauteileindustrie 1936 eine industrielle Produktionsleistung v o n 60,2 M i l -

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Industrie u n d H a n d w e r k

lionen RM. Sie bezieht sich aber lediglich auf die Industriebetriebe dieser Branche, i n denen damals etwa 14 000 Arbeitskräfte beschäftigt waren. Bei Einbeziehung auch der handwerklichen Betriebe würde sich für diesen ostdeutschen Produktionszweig ein Produktionswert von über 100 Millionen R M errechnen. Wie bei der umfassenden Arbeitsstättenzählung des Frühsommers 1939 festgestellt wurde, waren vor Kriegsausbruch über 50 000 Arbeitskräfte i n den 12 218 ostdeutschen Betrieben tätig, die sich m i t der Herstellung von Möbeln, Holzbauten und Bauzubehör befaßten. Von diesen waren allein i n Niederschlesien über 19 000 Menschen an 4300 Arbeitsstätten beschäftigt. Nach der Möbel- u n d Bauteileherstellung bildet die Holzwarenindustrie eine wichtige holzverarbeitende Branche. Außer i n den 35 Betrieben der Holzmehlindustrie, die 1936 i m Reichsgebiet für 2,5 Millionen R M Holzmehl und Sägespäne absetzten, waren 1936 i n der deutschen Holzwarenindustrie i n rund 1500 Betrieben über 40 000 Arbeitskräfte beschäftigt. I h r vielgestaltiger Absatz belief sich auf 175 Millionen RM, zu dem die östlich der Oder/Neiße gelegenen Holzwarenfabriken 10,6 Millionen R M beitrugen. Z u dem vielfältigen Fabrikationsprogramm dieses Industriezweiges gehören Leisten aller A r t , hölzerne Haus- und Küchengeräte, Handgriffe, Stiele, Spulen, Kästchen, Holzwerkzeuge, Holzgeräte u. dgl. Auch hier steht neben der industriellen eine namhafte handwerkliche Erzeugung. So ermittelte der Industriezensus 1936 etwa 2650 Beschäftigte i n der ostdeutschen Holzwarenindustrie, die Arbeitsstättenzählung von 1939, die auch das Handwerk einbezog, dagegen fast 3800 einschlägige Arbeitskräfte. Von diesen arbeiteten allein 1330 i n den 350 niederschlesischen Betrieben. Dagegen nahm Ostpreußen i n der Sperrholzerzeugung eine Vorzugsstellung ein. Die Sperrholzfabriken von Königsberg lieferten 8 vH, Tilsit-Ragnit 3 vH, Elbing 2 vH, Lyck und Johannisburg je 1 vH, ganz Ostpreußen also 15 v H der gesamtdeutschen Erzeugung. Sie verdienen also auf diesem Spezialgebiet eine betonte Erwähnung neben den westdeutschen Sperrholzfabriken des Weserberglandes. Die sehr geringe Ausstattung des mitteldeutschen Raumes, der deshalb auf die Lieferungen der ostdeutschen und westdeutschen Sperrholzfabriken angewiesen war, verweist auch auf diesem Sektor auf die ausgeprägte arbeitsteilige Gesamtstruktur der deutschen Vorkriegswirtschaft. Zellstoff Nicht n u r die für die Holzzufuhr so wichtige Verkehrsgunst, die sich aus der Flußlage ergibt, sondern auch der produktionstechnisch bedingte hohe Wasserbedarf hatten zur Folge, daß i m Rahmen des früheren Reichsgebietes die Standorte der Zellstoff-Fabriken die Flußläufe um-

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Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

säumten. I n Ragnit u n d Tilsit an der Memel, i n Königsberg-Cosse und Königsberg-Sackheim am Pregel, längs der Oder i n Cosel, Krappitz, Maltsch und Odermünde, längs der Elbe i n Pirna und Heidenau, i n Kelheim an der Donau, i n Redenfelden am I n n und längs des Rheins in Mannheim, Mainz-Kostheim und Walsum standen vor dem Kriege die wichtigsten deutschen Zellstoff-Fabriken. Jede von diesen Produktionsstätten verfügte über mindestens 3 v H der damaligen Gesamtkapazität des Reichsgebietes. DEUTSCHLANDS ZELLSTOFF-ERZEUGUNG 1938

WESTDEUTSCHLAND

BERLIN

MITTELDEUTSCHLAND

OSTDEUTSCHLAND

Faßt man die Leistung aller vor dem Kriege vorhandenen deutschen Zellstoff-Fabriken nach der heutigen räumlichen Gliederung zusammen, so t r i t t hier die über den damaligen Bevölkerungsanteil (von 13,9 v H der Reichsbevölkerung) weit hinausgehende Bedeutung des ostdeutschen Raumes auf diesem wichtigen Produktionsgebiet deutlich hervor. Z u den rund 1,2 Millionen t Zellstoff, die 1936 i m damaligen Reichsgebiet erzeugt wurden, trugen bei ganz Westdeutschland die heutige Sowjetzone dagegen Ostdeutschland u n d hiervon das nördliche Ostpreußen allein

514 000 205 000 477 000 237 000

t t t t

= = = =

43,0 17,1 39,9 19,8

vH, vH, vH, vH.

Papier - undP appener zeugung Auch bei der Erzeugung von Zeitung s druckpapier überstieg der A n teil der deutschen Ostgebiete wesentlich das Ausmaß, das ihrer Bevölkerungszahl entsprochen hätte. So produzierte Ostdeutschland 1936 an Zeitungsdruckpapier allein 129 000 t oder 27,2 v H der i m damaligen Reichsgebiet erzeugten Gesamtmenge (474 000 t), zu der Mitteldeutschland 158 000 t und Westdeutschland 187 000 t beitrugen. Beim Druck- und Schreibpapier belief sich 1936 der A n t e i l der östlich der Oder/Neiße liegenden Produktionsstätten immerhin auf 14,9 vH. Das waren 183 000 t von der 1,23 Millionen t betragenden Reichserzeugung, zu der Mitteldeutschland nahezu die Hälfte (609 000 t) beisteuerte.

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Industrie u n d H a n d w e r k

Bei einzelnen Spezialerzeugungen kam den deutschen Ostgebieten eine besonders bedeutende Rolle zu. Beispielsweise produzierten die vor allem i n Schlesien (Krappitz m i t 14 vH, Sagan mit 8 vH, Priebus/Niederschlesien m i t 3 v H der Reichsproduktion) und i n Altdamm/Pommern ( 5 v H der Reichsproduktion) gelegenen ostdeutschen Werke 1936 zusammen 31 v H (30 600 t) des i n ganz Deutschland erzeugten Sackpapieres (98 600 t). DEUTSCHLANDS ERZEUGUNG AN ZEITUNGSDRUCKPAPIER

1938

DEUTSCHLAND

DEUTSCHLAND

DEUTSCHLAND

Dieser ostdeutsche Produktionsanteil wurde aber noch überboten beim Nitrierpapier, wo 1936 die drei ostdeutschen Standorte Odermünde (25 vH), Königsberg (7 vH) und Kampmühle/Pommern (3 vH) zusammen 35 v H ( = 4400 t) der Reichsproduktion (12 600 t) aufbrachten, und erst recht beim Spinnpapier mit Anteilen von 30 v H für die i n Cosel (11 vH), Oberleschen (7vH), Jannowitz, Priebus (je 5 vH) und Sacrau (1 vH) gelegenen schlesischen Werke, Anteilen von 14 v H für Ostpreußen (Ragnit) und von 9 v H für Ostpommern (Odermünde 7 vH, Altdammj 2 vH). Von den 7052 t Spinnpapier, die i m damaligen Reichsgebiet erzeugt wurden, lieferte der deutsche Osten also über die Hälfte (53 vH). A u f der anderen Seite stellten die Ostgebiete bei den Hartgeweben und Hartpapieren ein wichtiges Absatzgebiet der mitteldeutschen und Berliner Produktionsstätten dar, die 1936 zur deutschen Gesamterzeugung nicht weniger als 71 v H bei den Hartgeweben und 52 v H bei den Hartpapieren beitrugen. Die Pappenherstellung erfolgte innerhalb des früheren Reichsgebietes vor allem in drei Verdichtungsräumen: neben den niederrheinischen und sächsischen Werken vollzog sich ein wesentlicher Teil der Pappenerzeugung i n den Lausitzer Betrieben. Dieses ostdeutsche Häufungsgebiet, zu dem so wichtige Standorte wie Rothenburg, Sorau und Guben gehörten, wurde von der Neiße-Demarkationslinie durchschnitten. In dieser Abgrenzung hatte Ostdeutschland 1936 einschließlich der weniger bedeutenden pommerschen und oberschlesischen Fabriken über 11 v H der gesamten deutschen Pappenproduktion aufgebracht.

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Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

Papierverarbeitung und Druck I n wie starkem Maße Ostdeutschland m i t dem übrigen Deutschland arbeitsteilig verflochten war, k a m auf dem Papiersektor deutlich zum Ausdruck. Während, wie w i r sahen, die ostdeutschen Zellstoff- und Papierfabriken m i t Produktionsmengen aufwarteten, die über den regionalen Bedarf weit hinausgingen und zur Versorgung des übrigen Deutschland, insbesondere des mitteldeutschen Raumes, unentbehrlich waren, kehrte ein Teil dieser ostdeutschen Lieferungen i n verarbeiteter Form wieder nach dem Gebiet östlich der Oder/Neiße zurück. Das galt für die Erzeugnisse der Papierveredelungs- und der Tapetenindustrie, wo der ostdeutsche Raum wegen des so gut wie völligen Fehlens einer eigenen Erzeugung fast restlos auf mittel- und westdeutsche Lieferungen angewiesen war. I n nicht ganz so starkem Maße war das aber auch kennzeichnend für das Druckgewerbe und die Buchbindereien, die Papierwarenindustrie sowie die Pappenverarbeitende Industrie. Immerhin waren i m gesamten Bereich dieser zusammenfassend als Industriegruppe „Druck und Papierverarbeitung" bezeichneten Erzeugungen vor dem Kriege i n Ostdeutschland r u n d 14 500 Menschen tätig (1936), einschließlich der handwerklichen Betriebe (1939) sogar 22 700 Beschäftigte; das waren etwa 5 v H der vergleichbaren Zahlen für das gesamte Reichsgebiet. Textilindustrie Die Textilindustrie ist m i t Abstand die bedeutendste Industriegruppe innerhalb der Verbrauchsgütererzeugung (ohne Nahrungs- und Genußmittelindustrie). Diese führende Stellung kommt der Textilindustrie nicht nur heute innerhalb der westdeutschen und der mitteldeutschen (sowjetzonalen) Verbrauchsgütererzeugung zu, sondern bestand auch vor dem Kriege innerhalb der damaligen Reichsgrenzen. 1936 wurde für die Textilindustrie des Reichsgebietes ein Nettoproduktionswert von 2840 M i l l . R M ermittelt. Hieran waren beteiligt: Westdeutschland (einschl. Saargebiet) Mitteldeutschland (Sowjetzone) B e r l i n (Ost- u n d Westberlin) u n d Ostdeutschland

mit mit mit mit

1581 1035 44 180

Mill. Mill. Mill. Mill.

RM RM RM RM

= 55,67 vH, = 36,44 v H , = 1,55 v H , = 6,34 vH.

Nicht weniger als 76 000 Beschäftigte hatte der Industriezensus i m Jahre 1936 in den ostdeutschen Textilbetrieben gezählt, rund 72 v H davon allein i n Niederschlesien. Von den zehn größeren Produktionszweigen, die i n der Branchenübersicht auf S. 178 f. bei der Textilindustrie aufgeführt worden sind, ist jeder einzelne i n allen drei großen deutschen Teilräumen vertreten gewesen. Das darf aber nicht zu dem Schluß verleiten, daß die deutsche 6

Ostbuch

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Industrie und H a n d w e r k

Textilwirtschaft, wie das dem i m großen und ganzen gleichartigen Bedarf der deutschen Teilregionen entsprochen hätte, innerhalb eines jeden dieser Teilräume ein abgerundetes Produktionsprogramm aufgewiesen habe. Eine derartige Entsprechimg von Produktions- und Bedarfsstruktur hat für keinen der deutschen Teilräume, sondern nur für das damalige Reichsgebiet i m ganzen bestanden. E i n tieferes Eindringen i n die Einzelzüge der deutschen Textilproduktion der Vorkriegszeit läßt auch für diesen wichtigen Zweig der Verbrauchsgütererzeugung deren arbeitsteilige Bezogenheit auf den deutschen Gesamtraum erkennen, so daß die bei Kriegsende der deutschen Volkswirtschaft auferlegte regionale Aufspaltung jeweils nur einen Torso entstehen ließ, der durch diese gebietlichen Amputationen wesentliche Teile des textilwirtschaftlichen Gesamtkörpers verloren hatte. Die Rohstoffschwierigkeiten, unter denen die deutsche T e x t i l w i r t schaft während der gesamten Dauer des nationalsozialistischen Regimes i n sich immer mehr verschärfendem Maße l i t t , veranlaßte eine forcierte Erhöhung der einheimischen Kunstfasererzeugung. So wurde die Erzeugimg an Kunstseide erheblich gesteigert und erhöhte sich i m Gebiet östlich der Oder/Neiße von knapp 3300 t (1933) auf 6800 t (1938). Gemessen an den Spinnstellen befanden sich 1936 rund 8 v H der gesamten deutschen Kunstseidenkapazitäten i m ostdeutschen Raum an den Standorten Sydowsaue (Pommern) m i t 5 v H und Breslau mit 3 v H der gesamtdeutschen Kapazität, die damals 169 000 Spinnstellen erreicht hatte. Ebenfalls m i t 8 v H war 1936 die ostdeutsche Zellwollindustrie an der reichsdeutschen Spinnstellenzahl (15 800 Stück) beteiligt. Damals war die Zellwollerzeugung i n einem stürmischen Ausbau begriffen. I m Reichsgebiet hatte sie sich von 1933 bis 1936 von 4000 t auf 43 600 t erhöht; hieran war der deutsche Osten noch proportional beteiligt m i t einer Steigerung von 252 t auf, 2744 t. Besonders intensiv w a r die Produktionszunahme i n den beiden Jahren unmittelbar vor Kriegsausbruch, da nunmehr die i m Rahmen des Autarkisierungsprogramms („Vierjahresplan") neu errichteten Kapazitäten i n Betrieb kamen. 1938 wurden i m Reich (Gebiet von 1937) 157 200 t Zellwolle erzeugt, zu denen das Gebiet östlich der Oder/Neiße 18 600 t beisteuerte. Das Kriegsjahr 1943 überbot diese Produktionsleistung m i t 294 400 t (Altreich) und 30 618 t (Ostdeutschland) noch erheblich. Unter den Begriff Spinnstoffaufbereitung fallen die Wollwäscherei und die Wollkämmerei, die Reißerei sowie die Flachs- und Hanfrösterei. Vor dem Kriege (1936) wurde die Wollwäscherei zwar an zahlreichen west- und mitteldeutschen Standorten betrieben. Unter diesen aber

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

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nahmen i n Westdeutschland die Wollwäschereien von Osterholz (mit 26 v H des gesamtdeutschen Waschergebnisses), Hannover (mit 21 vH), Harburg (6 vH) und Delmenhorst (4 vH) u n d i n Mitteldeutschland die Leipziger (14 vH) und Zwickauer (4 vH) Betriebe eine führende Stellung ein. I n Ostdeutschland lagen nur die Wollwäschereien von. Guben (etwa 1 vH) und Grünberg (unter 1 v H des Reichsergebnisses). Recht ähnlich war die regionale Struktur der Wollkämmereien. Innerhalb Westdeutschlands dominierten hier ebenfalls die i m Raum von Bremen und Hamburg liegenden Standorte: Blumenthal (mit 37 v H der 3318 reichsdeutschen Kammstühle), Delmenhorst und Harburg (mit je 6 vH), und auch Hannover (mit 15 v H der gesamtdeutschen Kapazität) bildete ein wichtiges Produktionszentrum. Innerhalb des Freistaates Sachsen hatte Leipzig m i t 14 v H aller deutschen Kammstühle auch bei der Wollkämmerei die Führung. I m Raum östlich der Oder/ Neiße fehlte dieser Produktionszweig völlig. A n der Produktionsleistung der Reißereien, die außer ihren räumlich weit verteilten west- und südwestdeutschen Standorten besonders stark i n Sachsen und der Lausitz vertreten waren, hatte das Gebiet östlich der Oder/Neiße einen A n t e i l von 5 vH, der sich auf die Arbeitsstätten i n den niederschlesischen Kreisen Grünberg, Sprottau und Schweidnitz und i n den brandenburgischen Kreisen Guben und Crossen stützte. Dagegen hatten die ostdeutschen Flachs- und Hanfröstereien eine überproportionale Bedeutung. Gemessen an der Beschäftigtenzahl waren sie 1936 mit 43 v H an diesem Produktionszweig beteiligt. A l l e i n i m schlesischen Raum waren 35 v H (rund 2200 Arbeitskräfte) von den i m damaligen Reichsgebiet i n diesem Zweig der Spinnstoffaufbereitung beschäftigten 6200 Menschen tätig. Unter den schlesischen Standorten waren Landeshut, Kreuzburg (je 6 v H der Reichssumme), Schweidnitz (4 vH), Glogau und Freystadt (je 3 vH), Ratibor, Hirschberg und Militsch (je 2 vH) die wichtigeren. Ostbrandenburg m i t Sorau (3 v H der Reichssumme), Ostpommern m i t Schneidemühl (2 vH) und Ostpreußen mit Bartenstein (3 vH) und Gumbinnen (unter 1 vH) lieferten weitere Produktionsbeiträge. Hatten die 20 000 Arbeitskräfte der ostdeutschen Spinnereien 1936 insgesamt 46 600 t Garn erzeugt — also 6,4 v H der gesamten deutschen Garnproduktion —, so führte die geringere Luftgefährdung des schlesischen Raumes während des Krieges sogar dazu, daß bei einem starken Rückgang i n den west- und mitteldeutschen Erzeugungsgebieten die Garnproduktion des Gebietes östlich der Oder/Neiße auf 71 700 t (1944) gesteigert wurde. Das waren 15,1 v H der i m Altreichgebiet erzeugten G a m m enge. 6*

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Industrie und H a n d w e r k

Die Bedeutung des ostdeutschen Raumes für die gesamte deutsche Spinnereiproduktion bestand i n der hochgradigen Spezialisierung auf die Flachs-, Hanf- und Hartfaserspinnerei. Doch war das Gebiet östlich der Oder/Neiße auch an den übrigen Zweigen der Garnherstellung beteiligt. I n den beiden Sparten der Woliv er spinnung verfügte Ostdeutschland 1936 über 4 v H der 2,1 M i l l , deutschen Kammgarnspindeln und über 11 v H der 1,67 M i l l , deutschen Streichgarnspindeln. So waren i n den niederschlesischen Kreisen Breslau, Bunzlau, Lauban, Hirschberg und Waldenburg und i m Kreise Bartenstein (Ostpreußen) die ostdeutschen Kammgarnspinnereien ansässig und i n den niederschlesischen Kreisen Sprottau, Grünberg und Hirschberg, i n den ostbrandenburgischen Kreisen Guben, Crossen, Sorau, Königsberg/Neumark und Züllichau-Schwiebus sowie i n den pommerschen Kreisen Dramburg und Rummelsburg die ostdeutschen Streichgarnspinnereien. Über bedeutende Bestände an Baumwollspindeln verfügte nur der niederschlesische Kreis Reichenbach (2 v H der 10,3 M i l l , deutschen Baumwollspindeln des Jahres 1936), über 8 v H der 200 000 deutschen Jutespindeln die ostdeutschen Standorte Landsberg a. d. Warthe (7 vH) und Freystadt/Niederschlesien. Das Schwergewicht der ostdeutschen Spinnereierzeugung lag aber nicht bei den beiden genannten bedeutenden Zweigen der Woll- und Baumwollspinnerei, die von den r u n d 20 000 i n der ostdeutschen Spinnerei tätigen Arbeitskräften zusammen etwas mehr als 8000 Menschen beschäftigten, sondern bei den Flachs- und Hanfspinnereien. Fast die Hälfte (49 vH) aller Spinnspindeln der deutschen Flachsspinnerei konzentrierte sich 1936 i m Gebiet östlich der Oder/Neiße. Das waren die niederschlesischen Standorte Neusalz (8 vH), Freiberg, Zillerthal und Liebau (je 6 vH), Ullersdorf und Landeshut (je 5 vH), Waldenburg (4 vH), Luthrötha, Gräflich Röhrsdorf und Wüstegiersdorf (je 3 v H der deutschen Flachs-Spinnspindeln) und Sorau i n Ostbrandenburg. Fast ein Viertel (22 vH) der 50 000 deutschen Hanfspindeln (Spinnspindeln) befanden sich 1936 ebenfalls östlich der Oder/Neiße, und zwar 8 v H i m Kreise Breslau, je 3 v H i n den Kreisen Grünberg, Landeshut, Hindenburg (OS), und Landsberg a. d. Warthe, 2 v H i m Kreis Königsberg und weitere Spindeln i n den Kreisen Schweidnitz und Falkenberg (OS). Von den 10 000 deutschen Hartfaserspindeln arbeiteten 1936 rund 11 v H i m Gebiet östlich der Oder/Neiße i n den Kreisen Freystadt/Niederschlesien (2 vH), Falkenberg und Hindenburg (OS) (je 1 vH), i n den Kreisen Landsberg a. d. Warthe und Stettin (je 3 vH) sowie i m Kreis Saatzig (Pommern).

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

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Die hohe Produktionsleistung der ostdeutschen Textilindustrie beruhte i n großem Umfange auf der Erzeugung der Webereien. Die ostdeutschen Webereien beschäftigten 1936 fast 44 000 Arbeitskräfte, das waren 11,6 v H der entsprechenden Zahl für ganz Deutschland. Dabei entsprach die Struktur der hauptsächlich i n Niederschlesien und den benachbarten ostbrandenburgischen Bezirken ansässigen ostdeutschen Webereiindustrie weitgehend den dort ausgebildeten Produktionszweigen der Spinnereistufe. So hatte die ostdeutsche Weberei von wollenen und wollhaltigen Bekleidungsstoffen i m Jahre 1936 einen Anteil von rund 12 v H an der gesamtdeutschen Erzeugung von fast 87 000 t. Daran waren die Webereibetriebe i n den niederschlesischen Kreisen Grünberg (4 vH), Sprottau (2 vH) und Lauban, i n den brandenburgischen Kreisen Guben (3 vH), Crossen {2 vH), Züllichau^Schwiebus und Königsberg/Neumark sowie der pommersche Kreis Dramburg beteiligt. Die ostdeutsche Baumwollweberei konzentrierte sich auf die niederschlesischen Kreise Reichenbach (5 v H der deutschen Erzeugung), Waldenburg und Lauban und trug 8 v H zu den 228 500 t bei, die 1936 i n Deutschland erzeugt wurden. Der Kreis Lauban m i t 3 v H der deutschen Gesamterzeugung von 4750 t war ein wichtiger Standort der Baumwollsamt- u n d Velvetweberei. Ein ausgesprochener Schwerpunkt der ostdeutschen Produktion lag aber bei der Leinenweberei vor. Sie erzeugte fast die Hälfte (48 vH) der gesamten deutschen Produktion, die 1936 über 25 800 t betrug. Verglichen mit der Verdichtung dieses Textilzweiges in den niederschlesischen Kreisen Landeshut (13 vH), Jauer (6 vH), Reichenbach (5 vH), Lauban (4 vH), Hirschberg u n d Waldenburg (je 3 vH), Löwenberg und Glatz (je 2 vH) und i n dem südostbrandenburgischen Kreis Sorau (8 vH), zeigt die Leinenweberei von West- und Mitteldeutschland eher das B i l d einer räumlichen Aufsplitterung. Während die Teppichweberei, die 1936 i n ganz Deutschland 25 700 t erzeugte, in Ostdeutschland mehr durch die Summierung örtlich gestreut liegender Produktionen — so i n Leobschütz (3 vH), Grünberg, Hirschberg, Waldenburg (je 1 v H der gesamtdeutschen Produktion) und Neiße (OS) zur Geltung kam, war für die Möbelstoffweberei die räumliche Konzentration kennzeichnend. 1936 t r u g allein der Kreis Sprottau (Niederschlesien) 10 v H zu der deutschen Gesamterzeugung von reichlich 15 200 t bei. Ähnlich war die ostdeutsche Juteweberei i n Landsberg a. d. Warthe konzentriert (9 v H der insgesamt 96 000 t betragenden deutschen Erzeugung von 1936).

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Industrie u n d H a n d w e r k

I n einer Spezialbranche wäre die ostdeutsche Produktion hervorzuheben. Es ist die Netzindustrie, die 1936 i n Landsberg a. d. Warthe neben kleineren Produktionen i n Pommern dem Werte nach etwas über 15 v H der i n Deutschland überhaupt erzeugten Netze herstellte. War bei der Leinenweberei eine deutliche Schwerpunktbildung in Niederschlesien — und damit i m ostdeutschen Raum — erkennbar, so bildet die Wirk- und Strickwarenindustrie einen klassischen Fall, in dem der mitteldeutsche Raum innerhalb der vielgestaltigen arbeitsteiligen deutschen Volkswirtschaft die höchste Standortverdichtung aufwies. Konzentrierten sich allein i n Chemnitz 28 v H der gesamten deutschen Wirkerei- und Strickereiproduktion, fertigten Orte wie Glauchau 7 vH. Rochlitz, Stollberg und Apolda je 5 vH, Annaberg 4 vH, und waren diese von einem Kranz benachbarter Standorte umgeben, die i n ihrer Summierung ebenfalls einen erheblichen Teil zur deutschen W i r k - und Strickwarenerzeugung beitrugen, dann w i r d es verständlich, daß das Gebiet der heutigen Sowjetzone auf diesem Produktionssektor dominierte und 1936 über 94 000 Menschen ( = 61,8 v H der Reichszahl) i n diesem Industriezweig beschäftigte, m i t deren Hilfe ein Produktionswert von über einer halben Milliarde ( = 63,0 v H der gesamtdeutschen Erzeugung) geschaffen wurde. Ostdeutschland kam hier i n spiegelbildlicher Entsprechung, ebenso, wie das auch für fast ganz Westdeutschland — mit hauptsächlichster Ausnahme Württembergs — zutraf, die Rolle eines wichtigen Absatzgebietes zu. So bildet die Textilindustrie, von der hier nur die wichtigsten Produktionszweige angesprochen wurden, ein lebendiges Beispiel für die fruchtbaren Beziehungen eines vielgestaltigen Gebens und Nehmens, mit denen die deutschen Teilräume innerhalb der ungeteilten Volkswirtschaft miteinander verbunden waren. Fragt man darüber hinaus noch nach den besonderen Produktivkräften, m i t denen der ostdeutsche Raum an dieser Leistung der deutschen Textilwirtschaft beteiligt war, so zeigt bereits ein Blick auf das Kartenbild (Standortkarte der Textilindustrie auf S. 136 f.), daß es der niederschlesische Raum und die ihm benachbarten östlichen Teile der Niederlausitz waren, wo die ostdeutsche Textilproduktion ihre beachtlichsten und bis gegen das Kriegsende h i n noch gesteigerten Leistungen verrichtet hat. Bekleidungsindustrie Auch die Bekleidungsindustrie bietet ein deutliches Beispiel f ü r eine Schwerpunktbildung der Produktion, wie sie f ü r eine große arbeitsteilige Volkswirtschaft charakteristisch ist. Nicht weniger als 30 v H von den 351 M i l l . RM, die 1936 i n der Bekleidungsindustrie als Löhne

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

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gezahlt wurden, sind i n Berlin aufgewendet worden, das auch heute noch nach seiner politischen Spaltung auf der einen Seite für das Bundesgebiet und andererseits für die Sowjetzone ein wichtiges Konfektionszentrum darstellt. Zu dem natürlichen Absatzgebiet der Berliner Bekleidungsindustrie gehörten vor dem Kriege und bis zum Zusammenbruch auch die östlichen preußischen Provinzen. Aber ebenso wie es i n West- und Mitteldeutschland kleinere Schwerpunkte der Bekleidungsindustrie gab, also Orte wie Aschaffenburg m i t 4 vH, Bielefeld und München m i t je 3 vH, Stuttgart, Frankfurt, Köln, M.-Gladbach und Herford und i m sächsischen Raum Auerbach und Dresden m i t je 2 v H der 1936 i m ganzen Reich gezahlten Lohnsumme, ebenso verfügte auch der deutsche Osten über regionale Zentren der Bekleidungsindustrie. Das waren Breslau und Stettin mit je 3 vH, Guben mit 2 vH, Königsberg (Ostpreußen) und Löwenberg (Niederschlesien) m i t je 1 v H der gesamtdeutschen Produktion und die noch darunter bleibenden Standorte Goldberg, Landeshut und Liegnitz in Niederschlesien sowie Ratibor i n Oberschlesien, die aber immer noch Millionenumsätze aufwiesen. Noch ausgeprägter w a r die Schwerpunktbildung bei einem speziellen Zweig der Bekleidungsindustrie, der Pelzveredelung. Hier konzentrierten sich 95 v H der gesamtdeutschen Erzeugung (gemessen an der insgesamt 5,7 Millionen R M betragenden Lohnsumme des Jahres 1936) i m Raum von Leipzig. Dieses bekannte Produktionszentrum steuerte allein über die Hälfte bei (54 vH), benachbarte Orte wie Merseburg (18 vH), Grimma (14 vH) und Borna (6 vH) verstärkten dieses regionale Übergewicht. Das ganze übrige Deutschland war ein Absatzgebiet der Leipziger Pelzveredelungsindustrie. I n Ostdeutschland hatten die beiden niederschlesischen Standorte Trebnitz und Breslau nur lokale Bedeutung. Die ostdeutsche Bekleidungsindustrie im ganzen genommen aber gab immerhin rund 20 000 Menschen Arbeit und erzeugte 1936 einen Absatzwert von. 138,5 M i l l . RM. Damit trug sie 8,7 v H zu der damaligen Reichsproduktion bei. Die Bekleidungsindustrie fand jedoch auch i n Ostdeutschland die sich aus dem räumlich weit verzweigten Bedarf der Bevölkerung ergebende Ergänzung i m Bekleidungshandiverk. Unter Einbeziehung des Schuhmacherhandwerks, das bei der Betriebszählung (1939) zum Bekleidungsgewerbe (im weiteren Sinne) gerechnet wurde, erhöhte dies die Gesamtzahl der in diesem ostdeutschen Gewerbezweig Beschäftigten auf fast 128 000 (1939). M i t nahezu 55 000 von diesen dominierte auch hier wieder Niederschlesien. Diese niederschlesischen Arbeitskräfte waren in fast 25 000 Betrieben tätig, während sich die 128 000 ostdeutschen

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Industrie u n d Handwerk

Beschäftigten auf insgesamt reichlich 62 000 Betriebe verteilten. Das sind i m statistischenDurchschnitt also Zwei-Mann-Betriebe gewesen. Die Bekleidungserzeugung hatte ein vorwiegend handwerkliches Gepräge. Dies gilt auch für die größte Untergruppe dieses Gewerbezweiges, die mit der Herstellung von Kleidern und Wäsche beschäftigten 42 600 ostdeutschen Betriebe, die über 85 000 Menschen Arbeit gaben. I n Niederschlesien allein befanden sich 17 260 derartige Arbeitsstätten m i t 38 100 besetzten Arbeitsplätzen. Schuh - und

Lederindustrie

Die Herstellung und Reparatur von Schuhen nahm vor dem Kriege 16 500 ostdeutsche Betriebe mit 28600 Arbeitskräften in Anspruch. Auch hier w a r Niederschlesien mit 6400 Arbeitsstätten, i n denen über 10 400 Menschen tätig waren, relativ stark beteiligt. Die durchschnittliche Größe aller dieser Betriebe, die noch unter zwei Arbeitsplätzen liegt, beweist, daß hier die handwerkliche Produktion vorherrschte. Trotzdem fehlte es auch in Ostdeutschland keineswegs an einem industriellen Kern in diesem Produktionssektor. 1936 waren 4000 Arbeitskräfte in der ostdeutschen Schuhindustrie tätig. Sie erzeugten einen Absatzwert von 20,8 M i l l . R M oder 3.2 v H des gesamtdeutschen Wertes. Bei einem Bevölkerungsanteil von 14 v H w a r diese ostdeutsche Schuherzeugung aber bei weitem nicht ausreichend. Schon ein Blick auf die Standortkarte der deutschen Schuhindustrie (S. 134 f.) läßt erkennen, daß die größten Schuhproduktionszentren Pirmasens (20 v H des gesamtdeutschen Erzeugungswertes) und Ludwigsburg (9 vH) i n Westdeutschland lagen. Auch die mittelgroßen Standorte m i t Produktionsanteilen von 2 bis 4 vH, wie Frankfurt a. Main, Nürnberg, Tuttlingen, Kleve, Stuttgart, Lichtenfels, der Rhein-Wupper-Kreis, waren zum größten Teil in Westdeutschland oder wie Weißenfels (3 vH), Erfurt, Döbeln, Burg und Berlin (je 2 vH) in Mitteldeutschland zu finden, während i n Ostdeutschland lediglich Groß-Strehlitz (OS) einen A n t e i l von rund 2 v H der reichsdeutschen Schuhproduktion erreichte, die 1936 einen Erzeugungswert von rund 650 M i l l . R M darstellte. Dem entspricht es, daß von den 144,2 M i l l . Paar Schuhen, die 1936 insgesamt i n Deutschland erzeugt wurden, nur 2,1 M i l l . Paar aus der ostdeutschen Produktion stammten. Ebenso wie auf anderen Produktionsgebieten wurde aber während des Krieges auch die Schuhproduktion in den damals weniger luftgefährdeten deutschen Ostgebieten erheblich gesteigert. Das Produktionsergebnis des letzten vollen Kriegsjahres (1944) w a r i n Ostdeutschland m i t 7,2 M i l l . Paar ein Mehrfaches des Vorkriegsstandes. Diese Erzeugungssteigerung w a r die Folge von Produktionsverlagerungen. Die west- und mitteldeutsche Erzeugung

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

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ging gleichzeitig stark zurück, Ostdeutschlands Anteil, der 1938 nur 1,5 v H betragen hatte, erhöhte sich auf 7,2 vH. Die deutsche Ledertreibriemenindustrie setzte 1936 für etwa 42 M i l l . R M Treibriemen und andere technische Lederwaren ab. Daran war ihr Haupterzeugnis m i t fast 25 M i l l . R M oder über 3500 t Ledertreibriemen beteiligt. Auch in diesem Industriezweig war der ostdeutsche Erzeugungsanteil relativ gering. Waldenburg (Niederschlesien) und Stettin trugen je 2 vH, Guben, Breslau und Gleiwitz je 1 v H zu dem Reichsergebnis bei, während die wichtigsten mitteldeutschen Standorte Berlin (6 vH), Dresden (5 vH), Ludwigslust (4 vH) und erst recht die westdeutschen Städte Nürnberg, Aachen (je 5 vH), Hannover, Bielefeld (je 4 vH), Leonberg, Mülheim (Ruhr) und Hamburg (je 3 vH) zusammen mit zahlreichen kleineren Standorten das Schwergewicht der deutschen Produktion trugen. I n diesem Produktionsbereich war der deutsche Osten ein Absatzgebiet für das übrige Deutschland. Über 35 000 Menschen waren 1936 in Deutschland m i t der industriellen Herstellung von Leder- und Sattlerwaren beschäftigt. A n dieser sehr vielseitigen Produktion waren die deutschen Ostgebiete m i t 1266 Arbeitskräften beteiligt. Dieser Industriezweig erzeugte 1936 einen A b satzwert von 6,2 M i l l . R M i n Ostdeutschland und von 236,4 M i l l . R M i m ganzen Reich. Dazu gehörten nicht n u r Täschnerwaren, Koffer und andere Reiseartikel, Etuis, Galanteriewaren, Gürtel und lederne Sportartikel, sondern auch Aktenmappen und Schulranzen und i n der damaligen Aufrüstungsperiode nicht zuletzt auch Sättel, sonstige Reitausrüstungen. Koppel und Tornister. Durch die Produktionserhebung des Jahres 1936 sind auch die Standorte dieser Branchen ermittelt worden. So war beispielsweise die Sattelerzeugung an verhältnismäßig wenigen Standorten konzentriert, von denen Berlin mit 37 v H der deutschen Gesamterzeugung (im Jahre 1936: 82 500 Stück i m Werte von 7,0 M i l l . RM) der führende war. Mainz (9 vH), Offenbach, K ö l n (je 8 vH), München (6 vH) und Ansbach (5 vH) stellten i m wesentlichen den westdeutschen, Freiberg (5 vH) und Radebeul (3 vH) den mitteldeutschen Produktionsanteil. Der Osten verfügte über drei sehr bedeutende Standorte: Breslau und Guttstadt (Ostpreußen) m i t je 6 vH, Landsberg a. d. Warthe m i t 5 v H der Reichserzeugung. Auch bei der Herstellung vom Lederwaren fand die industrielle Produktion ihre Ergänzung durch die Leistungen des Handwerks. Man kann aus den Angaben der Betriebszählung von 1939, die ja beide Produktionsformen zusammenfaßt, und für Ostdeutschland i n der i n der Tabelle 32 (S. 188 unten) sichtbar gemachten regionalen Gliederung fast 4000 einschlägige Betriebe mit nahezu 9300 Arbeitsplätzen nach-

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Industrie u n d H a n d w e r k

weist, den Schluß ziehen, daß i n diesem Produktionszweig das Handwerk ein Mehrfaches der industriellen Beschäftigung darstellte. Dagegen war die Herstellung von Leder, auf der diese vorzugsweise handwerkliche Weiterverarbeitung beruhte, ein ausgesprochen industrielles Betätigungsfeld. Das ist aus den Beschäftigungszahlen erkennbar. I m ostdeutschen Raum wurden 1936 i n den Lederfabriken und Gerbereien 1333 Arbeitskräfte ermittelt, 1939 für den gesamten Gewerbezweig der Lederherstellung 1580 Beschäftigte gezählt. Die Durchschnittszahl von nicht ganz 10 Arbeitsplätzen je Betrieb läßt allerdings auf einen vorwiegend kleinindustriellen Charakter schließen. Dies w i r d durch die regionale Verteilung bestätigt. Von den drei wichtigeren ostdeutschen Standorten Brieg, Breslau -und Neustadt (Oberschlesien) weist keiner mehr als 1 v H der Reichserzeugung auf. Anders dagegen in Westdeutschland, w o Backnang allein 9 vH, und i n Mitteldeutschland, wo Schleiz und Ludwigslust allein 6 v H bzw. 5 v H der deutschen Ledererzeugung aufgebracht haben. 5. Die Nahrungs- und Genußmittelindustrie

Vgl. hierzu die Standortkarten

auf Seite 138 f., 144.

Für die Nahrungs- und Genußmittelindustrie ist es kennzeichnend, daß sie besonders hochwertige Einsatzstoffe verarbeitet. Verglichen mit ihren Materialaufwendungen ist der Wert, den sie diesen bei der Verarbeitung hinzufügt, geringer als bei anderen verarbeitenden I n dustrien. Es ist üblich, die von einem Produktionszweig oder einer Produktionsstufe bewirkte Werterhöhung als deren Wertschöpfung oder Nettoproduktionswert zu bezeichnen. Vergleicht man diese Nettoproduktion mit dem zur gleichen Zeit und i m gleichen Bereich erzeugten Gesamtwert (also einschließlich sämtlicher Aufwendungen für verbrauchte Materialien) oder Bruttoproduktionswert, dann ergeben sich die jeweiligen Nettoquoten. Diese für die Produktionsstruktur der verschiedenen Industriezweige sehr charakteristischen prozentualen Anteile des Nettoproduktionswertes am Bruttoproduktionswert sind für das Zensusjahr 1936 i n der Tabelle 28 (Spalte 5) auf S. 169 wiedergegeben. Die Nettoquote der Nahrungs- und Genußmittelindustrie w i r d hier m i t nur 38,6 v H ausgewiesen, während Produktionszweige wie die Baumaterialgewinnung oder Industriezweige m i t einer sehr hochgradigen Verfeinerung wie die Elektrotechnische und Feinmechanisch-Optische Industrie sehr hohe Nettoquoten (von 70 und mehr vH) aufweisen. Trotz dieser niedrigen Nettoquote von weniger als 40 v H ist die absolute Wertschöpfung der Nahrungs- und Genußmittelindustrie i m Jahre 1936 i m Reichsgebiet rund 3,6 Mrd. R M hoch gewesen, sie nahm nach der Industriegruppe des Maschinen-, Stahl- und Fahrzeugbaus und

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

91

der Bauindustrie die dritte Stelle ein. Bezieht man jedoch den jeweils verarbeiteten Materialwert m i t ein, vergleicht man also die Bruttoproduktionswerte, dann rangiert die Nahrungs- und Genußmittelindustrie 2 m i t einem Erzeugungswert von 9,3 Mrd. R M (im Deutschen Reich 1936) sogar bei weitem an erster Stelle. Hieran war das Gebiet örtlich der Oder/Neiße m i t einer Bruttoproduktion von mindestens 710 M i l l . R M ( = 7,6 vH) beteiligt. Dieser ostdeutsche A n t e i l erhöhte .s;ch i m Laufe des Krieges noch. A u f dem reichsdeutschen M a r k t hatte die ostdeutsche Nahrungsmittelindustrie allerdings eine sehr unterschiedliche Position. Sie war mit einem nur schwachen Anteil an der Margarine-, an der Teigwarenund der Konservenerzeugung beteiligt. Das gilt auch für die Tabakindustrie und sogar für die industrielle Futtermittelerzeugung. Eine starke Stellung hatte dagegen die standortbegünstigte Spiritus- und Stärkeindustrie. Das vom Reichsdurchschnitt abweichende Gewicht, m i t dem die einzelnen Branchen an der Produktionsleistung der ostdeutschen Nahrungs- und Genußmittelindustrie teilhatten, ist aus den jeweils wirksamen speziellen Ursachen zu erklären, und zwar oft i n Verbindung m i t strukturellen Gegebenheiten der gesamtdeutschen Wirtschaft. Wenn beispielsweise bei den Getreide- und Schälmühlen der ostdeutsche Produktionsanteil genau m i t dem Anteil Ostdeutschlands an der deutschen Gesamtbevölkerung übereinstimmte, obwohl doch die Getreideproduktion i n Ostdeutschland viel höher war, so w i r d das aus der konsumnahen Standortorientierung der Mühlenindustrie verständlich. Es ist eben rationeller, Getreide zu transportieren statt Mehl. Wenn die Brot- und die Fleischwarenindustrie i n Ostdeutschland (mit 4 bis 5 v H der gesamtdeutschen Produktion) relativ schwach vertreten sind, so erklärt sich das aus dem speziell auf den großstädtischen Verbrauch eingestellten Charakter dieser Branchen. Ostdeutschland, so sahen w i r , ist aber ein Gebiet m i t einem verhältnismäßig geringen Anteil von Großstädten. Die hauptsächlichste Versorgung der ostdeutschen Bevölkerung m i t Fleischwaren und Brot erfolgte — wie auch sonst i n Deutschland — durch handwerkliche Betriebe. Vor dem Kriege beschäftigte das ostdeutsche Handwerk fast 50 000 Bäcker und nicht viel weniger Fleischer. Diejenigen Lebensmittelindustrien, i n denen Ostdeutschland besonders hohe Produktionsanteile aufzuweisen hatte, wie 'die Stärke-, Spiritus- und Zuckerindustrie, verdankten dies den hohen agrarischen 2 I n der Abgrenzung der Industriegruppe, die den Tabellen 28 bis 30, S. 169 f. zugrunde liegt. Einschließlich. F u t t e r m i t t e l - , Spiritus-, Fischmehl-, Gelatine- usw. Erzeugung der Industrie.

92

Industrie und Handwerk

Überschüssen des Landes östlich der Oder/Neiße, insbesondere an Hackfrüchten. Kartoffelverarbeitung Die räumliche Struktur der deutschen Stärkeindustrie, wie sie vor dem Zweiten Weltkrieg bestanden hat, w i r d nur verständlich, wenn man sie i m Rahmen der gesamten deutschen Volkswirtschaft betrachtet. Diese Industrie gliedert sich — je nach dem verarbeiteten Rohstoff — i n vier Produktionszweige. Von den 209 700 t Stärke, die Deutschland i m Wirtschaftsjahr 1935/36 (Oktober—September) erzeugte, waren 111 000 70 700 20 600 7 400

t t t t

Kartoffelstärke, Maisstärke, Reisstärke u n d Weizenstärke.

Dabei wurde Reisstärke nur i n Nord Westdeutschland erzeugt, hauptsächlich i m Kreise Lemgo. Weizenstärke wurde vor allem i m Kreise Tecklenburg (Westfalen) hergestellt, Maisstärke nur in den beiden heute zur Sowjetzone gehörenden Kreisen Calbe (Saale) und Zerbst tind außerdem in Hamburg. I n Ostdeutschland dagegen gab es keine Stärkeerzeugung aus Mais, Reis oder Weizen. DEUTSCHLANDS ERZEUGUNG AN STÄRKE U. STÄRKEERZEUGNISSEN

1938

290.086 t

^nur

310.739 t

Ostberlin

Dafür lag in dem Gebiet östlich der Oder/Neiße, besonders i n Pommern, Ostbrandenburg und den niederschlesischen Kreisen Glogau und Guhrau, das wichtigste deutsche Produktionsgebiet für Kartoffelstärke, das fast zwei D r i t t e l zu der gesamtdeutschen Vorkriegsproduktion beitrug. Der Rest k a m fast ausschließlich aus dem Gebiet der heutigen Sowjetzone. Die hohen ost- und mitteldeutschen Produktionsüberschüsse an Kartoffelstärke wurden i n Westdeutschland abgesetzt. Die bedeutenden ostdeutschen Kartoffelüberschüsse ermöglichten außerdem eine ansehnliche Produktion von Kartoffelflocken i n den

93

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

Kartoff eltrocknereien. Von den 120 000 t, die i m Wirtschaftsjahr 1935/36 i m gesamten Reichsgebiet erzeugt worden sind, entfielen auf Ostdeutschland Mitteldeutschland Westdeutschland dagegen n u r . .

60 000 t = 50 v H , 54 000 t = 45 v H , 6 000 t = 5 vH.

A n der ostdeutschen Erzeugung nahmen Pommern mit 33 000 t, Schlesien m i t 21 000 t, Ostbrandenburg m i t 3500 t und Ostpreußen m i t 2500 t teil. DEUTSCHLANDS ERZEUGUNG AN TRINKBRANNTWEIN ALLER ART

1938

4 3 7 6 9 3 hl

WESTDEUTSCHLAND

RERUN

MITTELDEUTSCHLAND

OSTDEUTSCHLAND

Die hohe ostdeutsche Kartoffelerzeugung hat neben dem Getreide auch die Rohstoffgrundlage geliefert, auf der die dortige Spiritusindustrie aufbauen konnte. Besonders zu der Produktionsleistung der rohstoffnäheren von den beiden Erzeugungsstufen, aus denen die Spiritusindustrie besteht, zu den Brennereien, trug Ostdeutschland einen hohen Produktionsanteil bei. 1936 erzielten die deutschen Brennereien (einschließlich der Spiritusreinigungsanstalten) einen bereinigten Absatzwert von 206,5 M i l l . RM. Daran waren beteiligt: Ostdeutschland Mitteldeutschland Berlin Westdeutschland

mit mit mit mit

67,1 45,8 23,9 69,6

Mill. Mill. Mill. Mill.

RM RM RM RM

= = = =

32,5 22,2 11,6 33,7

vH, vH, vH, vH.

A n der technisch hieran anschließenden Herstellung von Trinkbranntwein nahm Ostdeutschland m i t 22,5 v H teil. Das war ein Absatzwert von fast 83 Mill. R M (1936). Von den über 9000 Menschen, die kurz vor Kriegsausbruch i n den über 2200 Betrieben der ostdeutschen Spiritusindustrie (auf beiden Produktionsstufen) tätig waren, hatte fast ein Drittel seinen Arbeitsplatz i n Ostpommern, das über besonders hohe Kartoffelüberschüsse verfügte.

94

Industrie u n d H a n d w e r k

Zuckerindustrie Der Zucker n i m m t heute i n Westdeutschland unter den Nahrungsmitteln eine Sonderstellung ein: er ist das einzige Nahrungsmittel, das m i t einer Verbrauchssteuer belegt ist; seine Rationierung ist am spätesten v o n allen Nahrungsmitteln — erst i m M a i 1950 — aufgehoben worden, und die abermalige Zuckerknappheit nach dem Ausbruch des Koreakrieges, die M i t t e 1951 besondere Lenkungsmaßnahmen i m Zuckergroßhandel verursachte, dürfte i n Westdeutschland noch i n Erinnerung sein. A l l diese Spannungserschein-ungen i n der westdeutschen Zuckerversorgung der Nachkriegszeit haben eine entscheidende Ursache: die A u f spaltung der deutschen Wirtschaft bei Kriegsende, die zugleich eine Zerschlagung der bisherigen deutschen Zuckerwirtschaft bedeutete. Welches war ihre Struktur vor dem Kriege? W i r stellten bereits fest, daß an der deutschen Zuckerrübenernte von 12 881 000 t i m Fünf Jahresdurchschnitt 1934/38 beteiligt waren: Ostdeutschland Mitteldeutschland Westdeutschland

mit mit mit

3 278 000 t = 25,5 v H , 5 467 000 t = 42,5 v H , 4 116 000 t = 32,0 v H .

A u f dieser Rohstoffgrundlage beruhte eine regional ähnlich verteilte Zuckerproduktion. Diese Parallelität ist verständlich, da ja eine rationelle Produktion möglichst niedrige Transportkosten anstrebt. Für das Wirtschaftsjahr 1935/36 (Oktober bis September) ergab die räumliche Verteilung der deutschen Rohzuckererzeugung (1 622 500 t) das folgende Bild: 2 v H stammten aus den ostpreußischen Kreisen Marienburg, Rastenburg u n d Bromberg, 3 v H aus den pommerschen Kreisen Pyritz, Arnswalde und Greifenberg, nicht weniger als 19 v H aus Schlesien, wo neben zahlreichen anderen Kreisen die von Breslau, Brieg, Strehlen DEUTSCHLANDS ZUCKER-ERZEUGUNG 1936/37 (auf Rohzucker

berechnet) 846.431 t

WESTDEUTSCHLAND

BERLIN

MITTELDEUTSCHLAND

OSTDEUTSCHLAND

Die industriellen Kapazitäten u n d ihre Standorte

und Schweidnitz eine besonders hohe Erzeugung aufwiesen. Zusammen ergab das einen ostdeutschen Produktionsanteil von 24 vH. Fast die Hälfte der deutschen Rohzuckererzeugung (49 vH) stammte aus dem Gebiet der heutigen Sowjetzone. Sämtliche fünf mitteldeutschen Länder, vor allem Sachs en-Anhalt, trugen hierzu bei. Demgegenüber stand die westdeutsche Rohzuckererzeugimg, die i m Räume Hannover-Braunschweig ihre stärkste Verdichtung aufwies, weit zurück (ganz Westdeutschland: 27 vH). Nach Westdeutschland gingen daher bis zur Aufspaltung Deutschlands die ost- u n d mitteldeutschen Zuckerüberschüsse. Das erlaubte Deutschland, solange es nicht gespalten war, sich aus der eigenen Rübenzuckererzeugung selbst zu versorgen. Trotz der starken Vermehrung der westdeutschen Zuckerrübenflächen nach dem Kriege ist dies heute i n Westdeutschland nicht mehr möglich. Ausländischer Zucker, auch Rohrzucker, ist nach dem Kriege i m Bundesgebiet eine alltägliche Erscheinung geworden. 6. D i e E n e r g i e w i r t s c h a f t

Vgl. hierzu die Karte auf Seite 140 f. Auch wenn die Tendenz i n der deutschen Energieversorgung seit Jahrzehnten immer stärker auf eine Verbundwirtschaft gerichtet war, wenn also für die Überschußproduktion besonders günstig arbeitender Betriebe an Strom und Gas durch die Erstellung von Überland- und Ferngasleitungen immer neue Absatzmöglichkeiten eröffnet wurden, so ließ die dem entgegenwirkende Rücksicht auf die Fortleitungsverluste doch die Notwendigkeit bestehen, i n den regionalen Bereichen ein gewisses M i n i m u m an örtlicher Energieerzeugung zu erhalten und auszubauen. Diese Überlegung würde bereits erklären, warum der deutsche Osten m i t einem sehr namhaften A n t e i l an der gesamtdeutschen Elektrizitätsund Gaserzeugung beteiligt war. Der gleichsam als M i n i m u m zu betrachtende Anteilsatz erfuhr aber noch dadurch eine Verstärkung, daß Ostdeutschland i n Gestalt des oberschlesischen Montanreviers und des Waldenburger Kohlengebietes außerdem auch natürliche Energieüberschußgebiete einschloß. Unter Einbeziehung der Wasserwerke beschäftigte die ostdeutsche Versorgungswirtschaft vor Kriegsausbruch 24 650 Menschen. Von diesen arbeiteten 1939 an der Gewinnung und Verteilung von Elektrizität Gas Wasser . . .

10 360 Personen, 5 030 Personen, 1 910 Personen,

96

Industrie u n d H a n d w e r k

die übrigen 7350 Personen i n Verwaltungs- und Hilfsbetrieben sowie i n einem niederschlesischen Fernheizwerk. Die ostdeutschen Elektrizitäts- und Gaswerke allein hatten 1936 eine Wertschöpfung von 168 M i l l . R M hervorgebracht. Das waren 8,5 v H der entsprechenden Nettoproduktion des gesamten Deutschen Reiches.

b) Ostdeutschlands industrielle Exportkrait I m Deutschland der Vorkriegszeit haben die deutschen Ostgebiete eine geringere industrielle Exportintensität aufgewiesen als etwa die durch ihre Verkehrslage i m Einzugsgebiet der großen nordwesteuropäischen Welthäfen (Antwerpen, Rotterdam, Bremen, Hamburg) für den Export geradezu prädestinierten west- und mitteldeutschen Landesteile. Die UN-Wirtschaftskommission f ü r Europa hat schon bald nach Kriegsschluß versucht, auch eine Bilanz der ehemaligen außenwirtschaftlichen Verflechtung der deutschen Wirtschaftsgebiete zu erstellen. Sie hat dabei errechnet, daß Ostdeutschland 1936 w o h l an der reichsdeutschen Einfuhr fast ebenso stark wie das übrige Deutschland beteiligt war, seine Exportquote jedoch — dem Werte nach — noch nicht halb so groß w a r wie .die von Mitteldeutschland, Berlin oder gar Westdeutschland. Import- bzw. Exportquote in v H 1936 (wertmäßig) OstMittelBerlin Westdeutschland deutschland deutschland I m p o r t i n v H des Verbrauchs 9,8 7,6 12,9 11,6 Export i n v H der Produktion 5,0 11,3 11,1 13,4

Da die agrarischen Exporte Deutschlands wegen des unzureichenden Selbstversorgungsgrades n u r sehr gering sein konnten, beschränkten sich auch die ostdeutschen Ausfuhren hauptsächlich auf die Erzeugnisse von Industrie und Bergbau. Es waren insbesondere die nicht unerheblichen Kohlenlieferungen nach Südosteuropa, aber auch i n die skandinavischen Länder, die i m ostdeutschen Export mengenmäßig eine große Bedeutung hatten. Dem Werte nach w a r wie i m übrigen Reichsgebiet auch für Ostdeutschland die industrielle Ausfuhr ausschlaggebend. I m mengenmäßigen Güterumschlag des ostdeutschen Auslandsverkehrs stand die Transportleistung der Seeschiffahrt an der Spitze, denn fast drei Fünftel des ostdeutschen Güterversands nach dem Ausland wurde 1938 durch Seeschiffe bewältigt. Stettin war ja nicht nur ein bedeutender Umschlaghafen für Ostdeutschland, sondern auch für Mitteldeutschland und Berlin. Von den 2,6 Millionen t Export aus ost-

Ostdeutschlands industrielle E x p o r t k r a f t

97

deutschen Häfen gingen nicht weniger als 2,2 Millionen t über Stettin. Der Königsberger Hafenverkehr trat demgegenüber sehr zurück, ganz i m Gegensatz zu seinen verhältnismäßig hohen Umschlagleistungen bei den Importen über See. A n den 5,0 Millionen t Einfuhren, die 1938 über ostdeutsche Häfen gingen, war Stettin m i t 3,3 Millionen t, Königsberg m i t fast 1,5 Millionen t beteiligt. Bei dem hohen A n t e i l der Massengüter (Kohle, Erze, Getreide usw.), den der ostdeutsche Auslandsverkehr aufwies, ist es verständlich, daß die Verkehrsleistungen Ostdeutschlands sowohl i m Import wie i m Export Deutschlands bedeutender waren, als aus den Umsatzwerten hervorgeht. Anteil am Auslands-Güterverkehr 1938 a) Güterversand (Exportmenge) i n v H WestOstMitteldeutsch- deutsch- B e r l i n deutschland land land 12,4 2,6 0,4 84,6 Eisenbahnverkehr* 0,1 0,0 99,6 0,3 Binnenschiffahrt 16,8 3,2 0,0 80,0 Seeschiffahrt — Kraftfahrzeug verkehr* * 13,0 4,4 82,6 7,4 90,8 0,1 Export zusammen 1,7

Reichsgebiet insges. 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

b) Güterempfang (Importmengen) i n v H WestOstMittelReichsdeutsch- deutsch- B e r l i n deutschgebiet land land insges. land 10,9 Eisenbahnverkehr* 2,4 100,0 75,3 11,4 — 1,6 0,6 97,8 100,0 Binnenschiffahrt — 83,4 15,0 100,0 1,6 Seeschiffahrt 87,1 Kraftfahrzeugverkehr** 2,4 100,0 3,5 7,0 I m p o r t zusammen 87,2 9,3 0,5 100,0 3,0 * Ohne Sendungen unter 500 kg. — * * Ohne Sendungen bis 50 k m E n t fernung.

Die hochwertigen Güterströme der industriellen Importe und Exporte kommen i n den Zahlen über die bloßen Transportleistungen nur schwach zur Geltung. Man kann die hohe Bedeutung des ostdeutschen Industrieexports für das Jahr 1936 zahlenmäßig recht eingehend belegen. Anläßlich der von der amtlichen deutschen Industriestatistik für dieses Jahr durchgeführten totalen Produktionserhebung ist auch der Auslandsabsatz der Industriewerke erfragt worden, und die Aufbereitung dieser Angaben erfolgte für die einzelnen, recht detailliert gegliederten Industriezweige nach Ländern und Provinzen. Unter Verwendung von Unterlagen dieser ehemaligen deutschen Industriestatistik ist nach dem Kriege i n dem Statistischen Zentralamt i n Berlin eine sachverständige Aufschlüsse7

Oetbuch

98

Industrie u n d Handwerk

lung der deutschen Exportleistungen ides Jahres 1936 auf die nach 1945 entstandenen deutschen Teilgebiete vorgenommen worden. Diese läßt vor allem zweierlei erkennen: Erstens ist i n der Tat der A n t e i l der deutschen Ostgebiete am Gesamtexport der deutschen gewerblichen Wirtschaft niedriger als i m Westen des Reiches. M i t einem Exportwert von schätzungsweise 151 bis 152 Millionen R M stellte der Industrieexport des deutschen Ostens etwa 3,2 v H der reichsdeutschen Gesamtausfuhr (abzüglich der Ausfuhr von unverarbeiteten landwirtschaftlichen Erzeugnissen), die sich i m Jahre 1936 nach der amtlichen Außenhandelsstatistik auf 4718 M i l lionen R M belief. Z u m anderen zeigt jedoch die gewerbliche Ausfuhr aus den deutschen Ostgebieten eine auffallende Vielseitigkeit und läßt dadurch indirekt erkennen, daß Ostdeutschland i n wichtigen Teilräumen eine feingliederige Industrialisierung aufwies, die es zu qualitativ hochwertigen Exportleistungen befähigte. I m einzelnen ergeben die — nach dem Kriege — rekonstruierten früheren Exportdaten für Ostdeutschland folgendes Bild: Von den 154,3 Millionen R M der ostdeutschen Gesamtausfuhr entfielen auf unverarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse . . Rohstoffe Halbwaren Fertigwaren u n d bei diesen wiederum auf Vorerzeugnisse Enderzeugnisse

2,9 M i l l . 30,6 M i l l . 24,7 M i l l . 95,2 M i l l .

RM, RM, RM, RM,

30,8 M i l l . RM, 64,4 M i l l . RM.

Die Enderzeugnisse waren also zu etwa 42 v H am ostdeutschen Export beteiligt. Dies ist ein Hinweis darauf, daß der deutsche Osten vor dem Kriege über leistungsfähige Kapazitäten der höheren Verarbeitungsstufen verfügte. Bei der gewerblichen Rohstof/ausfuhr des deutschen Ostens dominierten entschieden die Steinkohlen, insbesondere die oberschlesischen. Die hierfür vorliegenden Zahlen brauchten übrigens nicht erst durch eine statistische Rekonstruktion nach dem Kriege erstellt zu werden. Die Versandstatistik der deutschen Bergbaureviere gab bereits einen klaren Aufschluß über die Herkunft und die Absatzmengen der deutschen Kohle. Die aus den beiden ostdeutschen Revieren Westoberschlesien und Niederschlesien stammenden Steinkohlen trugen 1936 einschließlich der Steinkohlenbriketts mit einem Ausfuhrwert von 25,0 Millionen R M in einer Menge von 2,65 Millionen t zum ostdeutschen Export bei. Nicht unbedeutend war bei dieser ostdeutschen Rohstoffausfuhr der Beitrag der Baustoffwirtschaft: r u n d 400 000 t Steine und Erden i m

99

Ostdeutschlands industrielle E x p o r t k r a f t

Werte von 3,5 Millionen R M gelangten der erwähnten statistischen „Rekonstruktion" zufolge i m Jahre 1936 von Ostdeutschland aus i n den Export. Der Koks als Veredelungsprodukt des schlesischen Steinkohlenbergbaus stellt 1936 m i t einer Ausfuhrmenge von rund 300 000 t und einem Ausfuhrwert von 3,7 Millionen R M einen wertvollen Beitrag zur ostdeutschen Ausfuhr gewerblicher Halbwaren. Diese Exportleistung w i r d aber noch erheblich überboten durch die ostdeutsche Ausfuhr von Holzmasse und Zellstoff. Bei diesen Weiterverarbeitungsprodukten der Holz w i r tschaft befanden sich die wichtigsten Produktionskapazitäten i m nördlichen Ostpreußen, also i n demjenigen ostdeutschen Gebiet, das heute unter sowjetischer Verwaltung steht. Aus diesem „Königsberger Gebiet" gelangten 1936 schätzungsweise 106 000 t Holzmasse und Zellstoff i m Werte von 9,5 Millionen R M i n den Export, aus Ostdeutschland insgesamt 130 000 t Holzmasse und Zellstoff m i t einem Wert von 11,6 Millionen RM. Die Vielseitigkeit der ostdeutschen Industrieentwicklung t r i t t bei der Halbwarenausfuhr deutlich i n Erscheinung. Sie umfaßte vor dem Kriege — um nur noch einige wichtigere Ausfuhrposten bzw. Warengruppen zu nennen — nicht nur Textil-Halbwaren wie Kunstseide und Gespinste, insbesondere aus Wolle und Bastfasern (zusammen schätzungsweise 1000 t i m Werte von 3,7 Millionen RM), sondern auch Eisenschrott, Roheisen und Eisenhalbzeug (zusammen rund 48 000 t i m Werte von über 2 Millionen RM), Zement und andere Baustoffe (zusammen über 30 000 t i m Werte von 1,5 Millionen RM). Noch vielseitiger war vor dem Kriege die Fertig Warenausfuhr aus Ostdeutschland. Wieder nach den rekonstruierten Zahlen des Jahres 1936 ergab sich hier folgendes Bild: Innerhalb der, wie w i r sahen, mehr binnenmarktorientierten ostdeutschen Industriewirtschaft stellte die westoberschlesische Eisenindustrie einen relativ exportstarken Sektor dar. A u f sie entfiel 1936 dem Gewicht nach nahezu vier Fünftel (102 0001), dem Werte nach bald die Hälfte (13,5 Millionen RM) der ostdeutschen Ausfuhr von industriellen Vor er Zeugnissen. Daran waren beteiligt: Stab- u n d Formeisen Eisenbleche Stahl- u n d Gußröhren Eisendraht

mit mit mit mit

37 800 23 300 18 800 7 900

t t t t

im im im im

Werte Werte Werte Werte

von von von von

4,2 3,4 2,9 1,3

Mill. Mill. Mill. Mill.

RM, RM, RM, RM.

Waren diese Ausfuhren den schwerindustriellen Erzeugungskapazitäten des Ostens zu verdanken, so beruhte die nächstwichtige Gruppe von Ausfuhren ostdeutscher industrieller Vorerzeugnisse auf der leichtindustriellen Ausstattung dieses deutschen Teilraumes. 1936 verließen 7*

100

Industrie und H a n d w e r k

rund 35001 ostdeutscher Gewebe und Gewirke i m Werte von über 9 Millionen R M das Reichsgebiet. A n diesem ostdeutschen Textilexport waren entsprechend dem besonderen Charakter der stark auf dem Flachs aufbauenden niederschlesischen Textilindustrie die Bastfasergewebe allein m i t 2400 t i m Werte von 2,5 Millionen R M beteiligt. Mengenmäßig noch stärker ins Gewicht fielen 1936 m i t einer ostdeutschen Ausfuhr von 7800 t die verschiedenen „chemischen Vorerzeugnisse". Sie erbrachten einen Deviseneingang von 2,6 Millionen RM. Andere industrielle Vorerzeugnisse, wie keramische Erzeugnisse (mit einer ostdeutschen Ausfuhr von 6000 t i m Wert von 1,4 Millionen RM), Glas (3500 1 für über 1 M i l l i o n RM), Furniere, Sperrholz, Faßholz u. dgl. (2800 t i m Wert von 1,2 Millionen RM), Papier u n d Pappe (mit einer Ausfuhr von 3700 t i m Wert von 0,8 Millionen RM, die restlos aus dem nördlichen Teile Ostpreußens stammte) rundeten zusammen m i t den Vorerzeugnissen aus Edelmetallen (31 i m Werte von bald 0,5 Millionen RM) und den „Sonstigen Vorerzeugnissen" (850 1 für 0,8 Millionen RM) das B i l d ab, das die ostdeutsche Ausfuhr von industriellen Vorerzeugnissen, also der vorletzten Verarbeitungsstufe der industriellen Fertigwaren, vor dem Kriege bot. Das Schwergewicht der ostdeutschen Industriewarenausfuhr der Vorkriegszeit lag aber, wie w i r bereits feststellen konnten, bei der höchsten Verarbeitungsstufe, den Enderzeugnissen. Hier entspricht die größere Vielseitigkeit des Bildes der erreichten letzten Stufe der Konsumreife. Es ist daher auch schwer, i n der Darstellung über die i n der Nomenklatur der amtlichen Außenhandelsstatistik gebrachten Zusammenfassungen! hinauszugehen, die sich bekanntlich entweder an den i n den Fertigwaren-Enderzeugnissen verarbeiteten Roh- und Werkstoffen oder an den von ihnen befriedigten Verwendungszwecken orientieren. A m ehesten gelingt eine solche Zusammenfassung von Warengruppen noch für den Bereich der ΒekleidungsWirtschaft. A u f diesem Sektor gelangten 1936 aus Ostdeutschland rund 600 t i m Wert von über 3,6 M i l lionen R M i n den Export. Dieser Beitrag der ostdeutschen Bekleidungsindustrie zur deutschen Außenwirtschaft wurde aber von einer ganzen Reihe anderer Fertigungszweige, besonders denen der Metallverarbeitung, wesentlich überboten. Namentlich i n den vielseitigen Exportleistungen des ostdeutschen Maschinen- und Fahrzeugbaus spiegelte sich der hohe Stand der dortigen technischen Leistungsfähigkeit wider. Nach den verfügbaren, auf die jetzigen deutschen Teilgebiete aufgeschlüsselten Exportzahlen des Jahres 1936 kamen damals die folgenden Enderzeugnisse des ostdeutschen Maschinen- und Fahrzeugbaus zur Ausfuhr:

Ostdeutschlands industrielle E x p o r t k r a f t Werkzeugmaschinen Dampflokomotiven über Kraftmaschinen rund Pumpen, Druckluftmaschinen u. dgl. Papier- u n d Druckmaschinen über Maschinen für die Nahrungs- u n d Genußmittelindustrie Sonstige Maschinen

2 700 1 200 1 500 500 1 300

t t t t t

im im im im im

Werte Werte Werte Werte Werte

101

von über 4,4 M i l l . von 1,2 M i l l . von 2,1 M i l l . von über 1,1 M i l l . von 2,2 M i l l .

RM RM RM RM RM

600 t i m Werte von 1,0 M i l l . R M 3 400 t i m Werte von über 5,2 M i l l . R M

Das sind zusammen 11 200 t i m Werte von 17,2 Millionen RM. Rechnet man zu diesen noch die aus Ostdeutschland exportierten Wasserfahrzeuge hinzu, die einen Devisenertrag von 1,5 Millionen R M erbrachten, so ergibt sich für die Ausfuhrleistung des ostdeutschen Maschinen- und Fahrzeugbaus i m Jahre 1936 die nicht unerhebliche Zahl von 18,7 M i l lionen R M (von damaliger Kaufkraft). A l l e i n i m Bereich der Metallverarbeitung traten damals noch weitere Exportleistungen hinzu. So wurden für 1936 die ostdeutschen Ausfuhrwerte der „Sonstigen Eisenwaren" (5250 t) auf 3,1 Millionen RM, die der Kupferwaren (rund 800 t) auf ebenfalls 3,1 Millionen RM, die der „Sonstigen Waren aus unedlen Metallen" (300 t) auf 0,9 Millionen RM, die der Elektrotechnik (2600 t) auf 5,2 Millionen R M und schließlich die der Feinmechanik und Optik (240 t) auf 3,6 Millionen R M beziffert. Zusammen sind das weitere 16 Millionen R M an Deviseneriösen, die die ostdeutsche Metallverarbeitung erbrachte. Die Metall Wirtschaft nahm also 1936 m i t einem Ausfuhrwert von rund 35 Millionen R M die überragende Stellung bei der Ausfuhr ostdeutscher Fertigwaren-Enderzeugnisse ein. Trotzdem w a r der ostdeutsche Export konsumreifer Fertigwaren keineswegs einseitig. Außer der bereits erwähnten Bekleidungswirtschaft trugen zahlreiche weitere Verarbeitungsizweige hierzu bei. So die Papierwaren Holzwaren Steinwaren Keramische Waren Glaswaren Kunststoffwaren

über

2 200 800 7 500 6 800 10 100 210

t t t t t t

im im im im im im

Werte Werte Werte Werte Werte Werte

von von von von von von

2,1 1,2 3,1 5,9 9,2 1,6

Mill. Mill. Mill. Mill. Mill. Mill.

RM, RM, RM, RM, RM, RM.

Die verfügbaren Unterlagen lassen allerdings eine nachträgliche wertmäßige Feststellung der Export rich tungen nicht zu. Für den deutschen Ost- und Südosthandel hatten die ostdeutschen Unternehmungen zumindest die Bedeutimg einer wertvollen Mittlerstellung. Es läßt sich nur annäherungsweise bestimmen, wie weit der ostdeutsche Außenhandel unmittelbar ostwärts oder südostwärts gerichtet war (vgl. hierzu Tabellen 47 und 48 i m Tabellenteil). I m Rußlandhandel Deutschlands spielten die Standortvorteile des deutschen Ostens schon deshalb nicht die sonst im Auslandsverkehr maßgebliche Rolle, weil der sowjetische Außenhandel nicht marktwirtschaftlich orientiert ist.

Kapitel F V e r k e h r

a) Das ostdeutsche Verkehrsnetz Vgl. hierzu die Standortkarten

auf Seite 142 f.

I m Verkehrsnetz der deutschen Ostgebiete hat die enge Verbundenheit und Wechselwirkung, in der dieses Land zu den übrigen Teilen Deutschlands stand, seinen sichtbaren Ausdruck gefunden. Dabei spricht das B i l d des Eisenbahnnetzes, des wichtigsten Verkehrsträgers, eine besonders eindringliche Sprache. Sein Ausbau w a r während des 19. Jahrhunderts begonnen und i n den Hauptrichtungen weitgehend durchgeführt worden, u m den Verkehrsbedürfnissen des Preußischen Staates und des Deutschen Zollvereins Rechnung zu tragen. Das Gravitationszentrum dieses Eisenbahnnetzes war Berlin, die Hauptstadt des Preußischen Staates und seit 1871 zugleich auch des Deutschen Reiches. M i t Berlin standen sämtliche Teilräume des deutschen Ostens i n direkter Verbindung über gut ausgebaute Hauptstrecken. Es war geplant, Hasselbe Grundprinzip einer raschen direkten Verbindung mit der Reichshauptstadt auch bei dem Ausbau der Autobahnen anzuwenden. Die bei Kriegsausbruch bereits erstellten Teilstrecken, insbesondere die schlesische Abzweigungslinie des deutschen Autobahnnetzes, lassen das deutlich erkennen. Gerade i n dem schlesischen Teilraum war die Gestaltung des Verkehrsnetzes damit der natürlichen Struktur des Raumes gefolgt, wie sie i n der vorherrschenden Südost-Nordwest-Richtung des Odertals in Erscheinung tritt. Durch eine Ergänzung der durch die Oder i n ihrem Unterlauf vorgezeichneten Verkehrsmöglichkeiten ergab sich zwanglos eine tragfähige Verbindung der Reichshauptstadt m i t dem pommerschen Wirtschaftsraum und der Hafenstadt Stettin. Das war der v i r kehrspolitische Sinn des bekannten Großschiffahrtsweges, der, von Berlin-Spandau aus als Kunstbau durch die märkische Waldlandschaft geführt, unweit der imposanten Terrasse von Niederfinow die Oder erreicht. Weniger stark von der Natur vorgezeichnet waren dagegen die Verkehrsverbindungen der Reichshauptstadt und des sie umgebenden mitteldeutschen Raumes mit Ostpreußen. Die Hauptbahnlinie mußte den Pommerschen Landrücken auf seiner Südseite umgehen; der größte Fluß dieses nordöstlichsten deutschen Teilraumes, die Weichsel, lag quer zu der Hauptrichtung dieses Verkehrsstranges und wurde bei Dirschau von einer mächtigen Brücke überspannt.

Das ostdeutsche Verkehrsnetz

103

I m Jahre 1938 verfügten die Eisenbahnen des Deutschen Reiches (in den Grenzen von 1937) über eine Streckenlänge von 68 229 km. Ostdeutschland besaß davon 13 869 km. Das sind 20,3 vH, entsprechend der relativ großen Flächenausdehnung. Von den 24 095 Lokomotiven, die damals i m Reichsgebiet gezählt wurden, gehörten 3448 zu Ostdeutschland ( = 14,3 vH). Entsprechendes gilt von den 8751 ostdeutschen Personenwagen (ebenfalls 14,3 vH) unter den 61 309 Personenwagen des Altreichs, von den 2516 ostdeutschen unter 19 899 reichsdeutschen Gepäckwagen, von den 75 133 oder 13,0 v H ostdeutschen Güterwagen bei einem reichsdeutschen Güterwagenbestand von 577 060. Ostdeutschland verfügte vor dem Kriege über ein gut ausgebautes Straßennetz von 40 151 k m Länge. Wie bei der Eisenbahn hält der A n teil der ostdeutschen Reichs- und Landstraßen an der Gesamtlänge der deutschen Reichs- und Landstraßen mit 18,8 v H die Mitte zwischen dem ostdeutschen Bevölkerungsanteil und dem ostdeutschen Flächenanteil. A u f diesen Landstraßen sowie den 210 k m der Reichsautobahnen, die 1938 in Ostdeutschland bestanden, wurde damals ein Kraftfahrzeugpark von 135 000 Personenkraftwagen, 30 000 Lastkraftwagen, 7000 Zugmaschinen, 1800 Omnibussen und 184 000 Motorrädern gezählt. Verglichen mit dem Bestand i m Altreich war dies eine Ausstattung, die nur wenig hinter dem Bevölkerungsanteil der deutschen Ostgebiete zurückstand. Von den 7654 k m verkehrswichtigen Binnenschiffahrtsstrechen, über die Deutschland (Gebiet von 1937) i m Jahre 1938 verfügte, befanden sich 1382 k m ( = 18,1 vH) in Ostdeutschland. A u f ihnen war eine ansehnliche Flotte von Binnenschiffen beheimatet: die 456 ostdeutschen Schlepper stellten 19,1 v H der deutschen Gesamtzahl von 2387 Schleppern dar. Die 331 sonstigen Schiffe mit Eigenkraft in Ostdeutschland waren gerade 10 v H der deutschen Gesamtzahl. Dagegen machten die i n Ostdeutschland beheimateten 3243 Schiffe ohne Eigenkraft 26,9 v H der deutschen Einheiten aus. Sie stellten m i t einer Tragfähigkeit von über 1,1 Millionen t 19,2 v H des gesamten deutschen Ladevermögens (5,8 Millionen t) i n dieser Schiffskategorie. I m gesamtdeutschen Rahmen der Vorkriegszeit war der deutsche Seeschiff-Bestand so stark in Westdeutschland, insbesondere i n den Hansestädten Hamburg und Bremen konzentriert, da!ß daneben die anderen deutschen Küstengebiete nur eine untergeordnete Rolle spielten. Von den durch die Demarkationslinien des Jahres 1945 entstandenen Teilräumen hatte aber Ostdeutschland vor dem Kriege noch einen höheren Seeschiff-Bestand als Mitteldeutschland (Sowjetische Besät-

104

Verkehr

zungszone). So w a r 1938 eine Tonnage von 151 000 BRT i n Ostdeutschland beheimatet. Dagegen war die prozentuale Beteiligung der ostdeutschen Seehäfen (Stettin, Königsberg, Kolberg, Stolpmünde u. a.) am Güterumschlag der deutschen Seeschiffahrt mit 18,9 v H wesentlich höher, als dieser Tonnage entsprochen hätte.

b) Der ostdeutsche Verkehrsbeitrag für die gesamtdeutsche Volkswirtschaft Ostdeutschland hatte 1937 einen Güterempfang i m Eisenbahn-, Binnenschiff- und Seeverkehr von insgesamt rund 67 Millionen t. Von diesen wurden 21 Millionen t von außerhalb empfangen und 46 M i l lionen t innerhalb des ostdeutschen Gebietes selbst bewegt. Diese 46 Millionen t erscheinen dementsprechend auch wieder auf der anderen Seite der ostdeutschen Verkehrsbilanz: dem Güterversand. Dieser betrug insgesamt 78,4 Millionen t, umfaßte also einen ostdeutschen Versand nach außerhalb von 32,4 Millionen t. Die ostdeutsche Verkehrsbilanz zeigte somit mengenmäßig einen Überschuß von etwa 11,4 M i l lionen t. — Vgl. hierzu Tabellen 47 und 48 i m Tabellenteil. Von den in der Verkehrsstatistik für Ostdeutschland verzeichneten Waren und Warengruppen fielen vor dem Kriege die Kohlen — wie das bei den Transportleistungen der meisten Länder der F a l l ist — am stärksten ins Gewicht. Nicht weniger als 20,4 Millionen t von Kohlen der verschiedensten Arten und Sorten wurden damals innerhalb der ostdeutschen Gebiete umgeschlagen. Sie stammten vor allem aus den Steinkohlenrevieren in Ober- und Niederschlesien. Deren hoher Leistungsgrad spiegelte sich gerade auch i n der ostdeutschen Kohlenverkehrsbilanz wider, die bei einer „Ausfuhr" (Versand aus Ostdeutschland nach außerhalb) von 18,4 Millionen t und einer „Einfuhr" (Empfang Ostdeutschlands von außerhalb) von 4,2 Millionen t für das Jahr 1937 den stattlichen Aktivsaldo von 14,2 Millionen t Kohlen aller A r t aufwies. Von den 18,4 Millionen t Kohlen aller A r t , die 1937 Ostdeutschland verließen, wurden allein 12,6 Millionen t auf der Schiene bewegt, während 3,7 Millionen t auf Binnenschiffen befördert wurden. Die übrigen 2,1 Millionen t, die auf Seeschiffen — und zwar fast ausschließlich ins Ausland — versandt wurden, stellten, da ja in den ostdeutschen Küstengebieten keine Kohlengewinnungsstätten vorhanden sind, Umschlaggut dar. W i r können auch aussagen, welche deutschen Teilgebiete vor dem Kriege von Ostdeutschland m i t Kohlen versorgt worden sind. Das waren, was ja bei einem so frachtempfindlichen Rohstoff verständlich ist, in erster Linie die benachbarten Teilräume: das angrenzende mittel-

Ostdeutscher Verkehrsbeitrag f ü r gesamtdeutsche Volkswirtschaft

106

deutsche Gebiet, die heutige Sowjetzone, die rund 8 Millionen t ostdeutsche Kohlen empfing, und Berlin, das m i t 4,2 Millionen t ostdeutschen Kohlen versorgt wurde, während den weiteren Weg nach Westdeutschland nur 2,6 Millionen t ostdeutsche Kohle antraten. Die 4,2 Millionen t Kohlen aller A r t , die Ostdeutschland 1937 einführte, entstammten drei verschiedenen Quellen. Es handelte sich hierbei um mitteldeutsche Braunkohlenbriketts sowie vor allem um westdeutsche und westeuropäische Steinkohle, die i n die ostdeutschen Küstenbezirke ging. Nächst der Kohle stellten die Baustoffe den gewichtsmäßig größten Posten, dar, der v o m ostdeutschen Verkehrswesen bewegt wurde. Auch bei den Baustoffen spielte der innerregionale Versand die dominierende Rolle. Er setzte 1937 nahezu 11 Millionen t Baumaterialien i n Bewegung. Hinzu kam ein gewichtsmäßig ziemlich ausgeglichener Baustoffumsatz mit der Außenwelt. Ein Versand von etwa 2,7 Millionen t bei gleichzeitigem Empfang von 2,4 Millionen t erbrachte für Ostdeutschland einen aktiven Mengensaldo von etwa 300 000 t. Auch bei dieser ebenfalls recht frachtempfindlichen Warengruppe hatte der nahräumige Verkehr die führende Bedeutung. Die deutschen Ostgebiete versandten 1937 nach Mitteldeutschland 2,4 Millionen t Baustoffe und empfingen von dort 1,6 Millionen t Baumaterialien. Der Aktivsaldo bei Getreide, Mehl, Kartoffeln usw. betrug 1937 rund 1,8 Millionen t. Von diesem ostdeutschen Aktivsaldo ergaben sich 300 000 t i m Verkehr m i t dem Ausland, wo vor allem West- und Südeuropa ein Aufnahmegebiet f ü r ostdeutsche Agrarerzeugnisse war. Zum größten Teil aber entstand dieser Aktivsaldo der deutschen Ostgebiete i m innerdeutschen Güterumschlag. Ostdeutschland lieferte 1937 nicht weniger als 2 140 000 t Getreide, Mehl, Kartoffeln usw. nach den anderen deutschen Teilräumen und bezog aus diesen nur 650 000 t. Dabei bildete sich m i t dem benachbarten mitteldeutschen Gebiet (heutige Sowjetzone) — o h n e Berlin — bei ostdeutschen Lieferungen von 880 000 t und ostdeutschen Bezügen von 450 000 t ein ostdeutscher Aktivsaldo von 430 000 t. Demgegenüber erzielte Ostdeutschland 1937 i m Güterumschlag m i t Westdeutschland bei Getreide, Mehl, Kartoffeln usw. einen noch größeren Aktivsaldo (von 736 000 t), der sich aus ostdeutschen Lieferungen i n Höhe von 929 000 t ergab, denen ostdeutsche Bezüge von 193 000 t gegenüberstanden. I m Austausch m i t Berlin, wohin Ostdeutschland 331 000 1 Getreide, Mehl, Kartoffeln usw. versandte, erzielten 1937 die deutschen Ostgebiete einen Aktivsaldo von 323 000 t. Ein starker Personenverkehr verband die ostdeutschen Gebiete untereinander und flutete über die Oder von Ost nach West und umgekehrt. Die Ostseebäder waren ebenso wie das Riesengebirge ein

106

Verkehr

beliebtes Urlaubsziel besonders der Berliner und der sächsischen Bevölkerung. Obwohl der städtische Nahverkehr weniger ausgebildet war als i n den westlichen Landesteilen Deutschlands, erreichte der ostdeutsche Personenverkehr auf der Eisenbahn ungefähr dreiviertel der Reisehäufigkeit des übrigen Reichsgebietes. Auch als die Personenbeförderung i m Kriege — ohne den Wehrmachtsverkehr — sich fast verdoppelte, blieb der A n t e i l der ostdeutschen Verkehrsleistung im Personenverkehr fast konstant. M i t 127 Millionen verkauften Fahrkarten erreichten die ostdeutschen Strecken der Deutschen Reichsbahn einen Anteil von 10,8 v H der i m ehemaligen Reichsgebiet i m Jahre 1942 durch die Reichsbahn beförderten Personen (ohne den S-Bahn-Verkehr i n Berlin u n d Hamburg). Selbst über den Autobusverkehr lassen sich Angaben machen. I m Personenlinienverkehr bestanden 1938 i n Ostdeutschland nicht weniger als 7431 k m Autobuslinien, zu 97 v H für den Überlandverkehr. Bezogen auf die Bevölkerungszahl war das Autobusverkehrsnetz Ostdeutschlands mindestens halb so dicht wie i m übrigen Reichsgebiet. Über ein Drittel der Kleinbahnen Deutschlands lagen i n den ostdeutschen Provinzen; das Straßenbahnnetz hatte einen Umfang, der der Bevölkerungsdichte reichlich entsprach. Ein Kranz von Flugplätzen stand dem zivilen Luftverkehr i m ostdeutschen Räume zur Verfügung. Der Flughafenverkehr in Ostdeutschland 1938

Flughäfen

Flugzeuge AnAbkunft flug

Fluggäste A n - Durch- A b kunft flug gang

F r a c h t f Post AnAnkunft kunft in t in t

50,0 1 492 1 504 5 351 1 114 5 278 Breslau — 957 938 295 299 Gleiwitz 8,1 529 2,3 241 580 248 — Hirschberg 1 369 1 364 7 174 943 7 469 141,9 Königsberg 755 5,3 418 674 671 420 Stettin 265 264 423 473 533 Swinemünde 2,1 Reichsdeutscher* — Flugverkehr insges. 68 596 68 585 315 926 326 190 4 700,2 davon über ostdeutsche Flughäfen i n v H 6,0 4,8 — 4,5 6,0 4,7

143,7 4,2 0,0 397,4 2,1 7,2 5 820,3 9,5

* Gebietsstand v o m 1. J u l i 1938. — f Einschließlich Gepäck.

M i t der Entwicklung des reichsdeutschen zivilen Luftverkehrs hatte Ostdeutschland noch nicht Schritt halten können. Für die Randlage der ostdeutschen Flughäfen m i t einer wegen ihrer Ostlage nur geringen Frequenz i m Auslandsverkehr hatten die kurz vor dem Kriege erreichten Beförderungsziffern jedoch bereits eine respektable Höhe.

Kapitel G

Volksvermögen a) Der ostdeutsche Anteil am deutschen Volks vermögen 1945 Obwohl der ganze ostdeutsche Raum in den ersten Wochen des Jahres 1945 von der kämpfenden Front überrollt wurde und bis zur Schlußoffensive zur Eroberung Berlins, also bis Anfang April, die beiderseitigen Aufmarscharmeen entlang der Oder/Neiße einen Gürtel schwerer Verwüstungen hinterließen, waren die unmittelbaren Zerstörungen Ostdeutschlands durch den Krieg im großen und ganzen weniger umfangreich als im bombenzerstörten Berlin, i n M i t t e l - oder gar Westdeutschland. Weite Teile der ostdeutschen Provinzen blieben bis zum Abschluß der Kampfhandlungen ganz oder fast unbeschädigt und fielen mit allen realen Vermögenswerten in den sowjetisch-polnischen Besitz. Anfangs requirierte die sowjetische Armee aus dem Vollen, die Plünderer hausten, dann setzte eine systematische sowjetrussische Demontage ein, und schließlich fiel der polnischen Okkupation i n die Hände, was das ostdeutsche Land an produktiven und unproduktiven, an w i r t schaftlichen und kulturellen Werten besaß. Ostdeutschland war 1945 nicht nur weniger zerstört, seine Industrie war, wie i m ersten Kapitel (Abschnitt c) bereits dargelegt worden ist, seit 1936 um fast die Hälfte leistungsfähiger geworden, verhältnismäßig stärker jedenfalls als das übrige Deutschland. Ostdeutschland wurde noch dazu i m Laufe des Krieges zum „Luftschutzkeller" des Reichsgebietes. Große Rohstoff- und Nahrungsmittelvorräte lagerten östlich der Oder/Neiße, erhebliche zivile Verlagerungen von Privatvermögen gingen i n den ostdeutschen Raum. Auch der Ausbau der ostdeutschen Verkehrsanlagen war i n den Jahren vor Kriegsausbruch stark gefördert worden, das gleiche sahen w i r — vgl. hierzu den Abschnitt über das Bauwesen S. 67 f. — bereits aus den Darlegungen über den Wohnungsbau i m ostdeutschen Gebiet. Vermögensrechnungen sind immer schwierig. Schätzungen über volkswirtschaftliche Vermögenswerte sind so voller Tücken, daß sich selten jemand an dieses Unterfangen wagt. Schon betriebliche Werte sind schwer bestimmbar, obwohl der M a r k t ständig vergleichbare Preise bildet, nach denen man bewerten kann. Sollen aber Vermögen i n ihrem Gegenwartswert — der sich praktisch für eine Volkswirtschaft nie realisieren ließe —, i n ihrem Anschaffungswert oder i n ihrem voraussichtlichen Wiederbeschaffungswert bewertet werden? Wenn dazu das Preisniveau selbst im konjunkturellen Ablauf heftigen Schwankungen unter-

108

Volksvermögen

worfen ist, wie das für die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen charakteristisch war, dann sind für eine Volkswirtschaft verschiedene Schätzungsgrößen denkbar, die, jede für sich, unter bestimmten A n nahmen, ihre Berechtigung haben.

UNZERSTORTE WOHNGEBÄUDE BEI ABSCHLUSS DER KAMPFHANDLUNGEN in v.H. d e e ursprünglichen Bestandes nach Angaben der polnischen Verwaltung (1946) Anzahl der erhalten gebliebenen Bauerngehöfte des flachen Lendes

Anzahl der erhalten gebliebenen Wohngebäude in den größeren Städten

100%

über 90 %

70-90%

50-70%

weniger als 5 0 %

Die deutschen Großhandelspreise für industrielle Fertigwaren schwankten beispielsweise, 1913 = 100 gesetzt, m i t den Veränderungen der Konjunkturlage, seit 1936 unter der Wirkung des Preisstop-Versuches: ^"""Wi 1924 = 156,2 1927 = 147,3 1929 = 157,4

1933 = 112,8 1936 = 121,2 1939 = 125,9

Noch ganz unter der Einwirkung des Krisentiefs 1932/33 legte die deutsche Finanzverwaltung für den gesamten Bereich der gewerblichen Wirtschaft sowie für den Grund- und Hausbesitz am 1. 1. 1935 einen steuerlichen Bewertungsmaßstab fest, den sogenannten Einheitswert. Deshalb ist es verständlich, daß über den Wert des deutschen Vorkriegsvermögens sehr verschiedene Aussagen gemacht werden, je nachdem, mit welchen Wertansätzen gerechnet wird.

Der ostdeutsche A n t e i l am deutschen Volksvermögen 1945

109

Der Verfasser schätzte i n einer gleich nach dem Zusammenbruch i m Statistischen Zentralamt (Berlin) aus den Nachlaß-Unterlagen des Statistischen Reichsamts durchgeführten Analyse der regionalen Aufteilung des reichsdeutschen Realvermögens auf Grund der von den Steuerbehörden vorsichtig angesetzten Mindestwerte (Einheitswerte von 1935) das Volksvermögen auf 300 Milliarden RM. Eine unveröffentlicht gebliebene Studie des Instituts für W e l t w i r t schaft kam kurze Zeit danach zu einem annähernd gleichen Ergebnis. I n seinem ersten großen Lagebericht nach dem Kriege veröffentlichte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung darauf eine Schätzung von Robert Nieschlag, die auf der Grundlage von Vorkriegspreisen und Tageswerten auf ein Volksvermögen für 1939 von fast 600 Mrd. R M kam. Otto Schörry bemühte sich später u m eine Korrektur dieser Berechnungen, er veranschlagte das Volksvermögen Deutschlands i n den Grenzen von 1937 auf 455 bis 500 Millionen R M Verkehrswert (Tageswerte des Jahres 1939). Trotz dieser verschiedenen Bewertungen — die alle ihre innere Berechtigung haben — kommen sämtliche Schätzungen hinsichtlich der regionalen Anteile des Vermögens zu weitgehend übereinstimmenden Ergebnissen. Danach lagen vor dem Kriege 11,5 bis 13 v H des reichsdeutschen realen Volks Vermögens i n den deutschen Gebieten östlich der Oder/Neiße. Ostdeutschlands Anteil am Volksvermögen des Deutschen Reiches nach Vermögensbereichen (ohne Bodenschätze) L a n d - und Forstwirtschaft Industrie, Bergbau, Energie usw Wohnungs Wirtschaft Hausrat u n d allgemeiner Privatbesitz Handel u n d Gastgewerbe Verkehrswesen öffentliche Bauten Ostdeutschlands A n t e i l am Volksvermögen insgesamt

L935 EinheitswerlSchätzuog*

1939 DIWSchätzung**

18

18,1 \ 7,5

J 10,7

/

7

1939 lt. FnianzArchivf

18,2 1 7,1—7,7

17,9 (8,3)

14 11 10 18 10

9,2 10—11,4 10 16,0—17,8 14,3—15,0

11,5

12—13

12,3—12,4



* Berechnungen B. Gleitze, 1945. * * R. Nieschlag i n „ D i e deutsche W i r t schaft zwei Jahre nach dem Zusammenbruch", S. 41. t O. Schörry i n „Finanzarchiv", 1948, Bd. 11, Heft 2.

Lediglich über die steuerlichen Einheitswerte (von 1935) gerechnet, stellte das i n Ostdeutschland enthaltene Realvermögen, und zwar ohne die Bodenschätze, bereits einen Wert von 35 Mrd. D M dar. Das mag ungefähr der Goldwertrechnung aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg entsprochen haben. Dem tatsächlichen Preisniveau bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges entsprechend, wäre das ehemalige Ostvermögen

110

Volksvermögen

auf 60 bis 70 Mrd. R M zu schätzen. Der Sachwert i n Gegenwartspreisen 1955 betrüge aber das Doppelte. Vermögensanreicherung und Vermögensverluste bis Kriegsschluß eingerechnet, müssen 1945 i m Saldo mehr als 100 Milliarden D M (Gegenwartswert) der deutschen Bevölkerung durch ihre Vertreibung hinter die Oder-Neiße-Linie entzogen worden sein. Das ist etwa ein Viertel aller deutschen Vermögensverluste, die durch die Substanzvernichtung während des Krieges und i n der Demontageperiode danach i n ganz Deutschland entstanden sind. M i t ihren Sachwerten, die bei den Fluchtbewegungen meist nur bestenfalls als bescheidenstes Gepäck mitgeführt werden konnten, verlor die ostdeutsche Bevölkerung mehr als die übrige — insbesondere westdeutsche — Bevölkerung ihre Geld- und Kapitalmittel. Fast drei Milliarden R M Spargelder lagen 1940 bei ostdeutschen Sparinstituten, das waren 11,2 v H aller deutschen Spareinlagen (im Reichsgebiet von 1937). Stetig war der Aufbau dieser echten Spareinlagen, deren inflationistische Aufblähung erst i m Laufe des Krieges erfolgte: Einlagen ostdeutscher Sparkassen i n M i l l . R M Anteile i n v H der Sparkassen überhaupt . . . .

1932 1013 9,6

1935 1479 10,7

1938 1934 10·,8

1940 2841 11,2

b) Ostdeutschlands Finanz- und Steuerkraft vor dem Kriege Die ostdeutschen Gebiete sind kein Notstandsgebiet der deutschen Wirtschaft gewesen. Das leichte Preis- und Lohngefälle von West nach Ost i m alten Reichsgebiet ließ hier und da eine optische Täuschung aufkommen, die durch partielle Schwierigkeiten — sichtbar bei Teilen des Großgrundbesitzes — noch verstärkt wurde. Nicht n u r das ostdeutsche Sparvolumen war dem des übrigen Deutschland gleichwertig. 10,3 v H aller Steueraufkommen der Gemeinden und K r eis verbände i n Deutschland entfielen auf die ostdeutschen Gebiete, i h r Zuschußbedarf war nur wenig höher als i n Mittel- oder Westdeutschland. Die spezifische Struktur der Wirtschaft Ostdeutschlands, die i n den vorstehenden Kapiteln dargestellt worden ist, beanspruchte natürlich die in Deutschland üblichen Steuerquellen unterschiedlich. Ebenso wie die Grundlage der Vermögensbesteuerung bestätigen uns die Umsätze, daß die effektiven steuerlichen Leistungen der ostdeutschen Gebiete dem durchschnittlichen Reichsniveau entsprachen, wenn man die steuerliche Sonderstellung Berlins und anderer Städte stärkster Unternehmenskonzentration, insbesondere der juristischen Personen, i n Betracht zieht. Eine gewisse Umsatzbeeinflussung lag auch i n dem verschiedentlich etwas niedrigeren Preisniveau ländlicher Gabiete und i n der steuerlichen Begünstigung der gerade i n Ostdeutschland überdurchschnittlich hohen landwirtschaftlichen Umsätze.

111

Ostdeutschlands Finanz- u n d Steuerkraft vor dem Kriege Die regionalen Unterschiede in der Nutzung der Steuerquellen aus dem Vermögen Reichsgebiet Jahr insgesamt in Mill. RM

Einheitswerte Landwirtsch. Vermögen 1935 Forstwirtsch. Vermögen 1935 Gärtner. Vermögen . . 1935 Grundvermögen : a) bebaute Grundstücke 1935 b) unbebaute Grundstücke 1935 Betriebsvermögen 1935 Steuer-Me ßbeträge Grundsteuer f ü r a) l a n d - u n d f o r s t w i r t schaftliche Betriebe 1938 b) Grundstücke 1938 Gewerbesteuer 1938 Vermögensteuerveranlagung Natürliche Personen a) Rohvermögen 1935 b) Steuerpflichtiges Vermögen .... . . 1935 Juristische Personen a) Gesamtvermögen . . 1935 b) Steuerpflichtiges 1935 Vermögen ....

davon entfielen in vH auf WestMittelOstdeutschBerlin deutsch- deutschland land land

35 014 5 180 383

18,7 16,7 8,4

23,4 17,7 33,9

0,0 0,0

74 127 4 391 44 318

8,5 4,4 6,3

21,1

11,2

367 722 694

18,6

23.2

6,7

21.3

63 115

9,8

38 935

3,1 14,8 17,0

17,7

18,2

0,0

57,9 65,6 54,6 59,2 63,1 58,5

11,0 12,5

58,2 59,8 59,5

22,7

11,5

56,0

8,5

22,3

11,5

57,7

27 323

4,9

15,6

20,3

59,2

27 802

4,9

15,5

20,4

59,2

8,0

21,2

N u r f ü r 1935 s i n d U n t e r l a g e n g r e i f b a r gewesen, u m d i e r e g i o n a l e H e r k u n f t d e r v e r s t e u e r t e n U m s ä t z e z u untersuchen. D i e Ergebnisse s i n d f ü r d i e V o r k r i e g s z e i t r e p r ä s e n t a t i v . M e h r als 10 M r d . H M U m s ä t z e w u r d e n 1935 i n d e n ostdeutschen G e b i e t e n v e r s t e u e r t , d a v o n n u r 1,2 M r d . R M i n d e r L a n d w i r t s c h a f t , dagegen 4,7 M r d . R M i n I n d u s t r i e u n d H a n d w e r k , 4,0 M r d . R M i n H a n d e l u n d V e r k e h r . Versteuerte Umsätze i m Reichsgebiet 1935 Reichsgebiet insgesamt in Mill. RM

Insgesamt davon Landwirtschaft Industrie u. Handwerk Handel u. Verkehr Übriges Gewerbe . . . .

Ostdeutschland

davon entfielen in vH auf MittelWestBerlin deutschdeutschland land

112149

9,0

20,9

13,7

56,4

5 439 62 012 42 900 1 798

22,9 7,5 9,4 10,8

31,0 21,2 19,3 18,5

0,4 12,5 17,1 13,1

45,7 58,8 54,2 57,6

D i e w i r t s c h a f t l i c h e n K r e i s l ä u f e d e r ostdeutschen W i r t s c h a f t u n t e r schieden sich an I n t e n s i t ä t u n d V e r f l e c h t u n g s d i c h t e w e n i g von denen

Volksvermögen

112

der Wirtschaft westlich der Oder/Neiße. Die 1935 zur Umsatzsteuer anlagten 400 000 Ostdeutschen brachten es i m Durchschnitt auf 30 000 R M Jahresumsatz, also weniger als i m Reichsdurchschnitt, der Klein- und Mittelbetrieb i m deutschen Osten relativ stärker treten war.

verüber weil ver-

Umsatzsteuerergebnisse 1935 in Ostdeutschland

Landwirtschaft Industrie u. H a n d w e r k . . . . dar. Maschinen-, Fahrzeugbau Elektrotechnik Chemie Textilerzeugung Nahrungs- u. Genußmittelindustrie Bäckerei u. Backwarenindustrie Fleischerei u n d Fleischwarenindustrie Handel und Verkehr .... dar. Großhandel m i t N a h rungs- u. Genußmitteln Handel m i t V i e h Einzelhandel m i t Nahrungs- u. Genußmitteln Gaststättenwesen Übriges Gewerbe Umsatzsteuerpflichtige insgesamt

Umsätze in KM je Veranlagten OstDeutsches deutschland Reich

Veranlagte Steuerpflichtige

Gesamtumsätze in Mill. RM

121 764 131 439

1369 5 135

11200 39 100

9 000 56 500

3 811 2 210 256 1052

259 49 58 319

68 000 22 300 226 000 303 000

185 000 114 000 557 000 272 000

32 235

2 051

63 600

75 700

13 024

287

22 000

25 100

12 542 130 946

553 5 426

44 100 41 400

51 600 49 300

3 537 3 803

1070 294

303 000 77 300

240 000 69 200

31 266 27 365 17 814

654 503 346

20 900 18 400 19 400

18 200 19 200 17 200

401 963

12 276

30 500

42 200

Die veranlagten Umsätze i n der Landwirtschaft sind wegen des hohen Anteils der gutswirtschaftlichen Großbetriebe j e Betrieb höher als sonst i m Reichsgebiet gewesen. Höhere Betriebsumsätze zeigten aber auch der Groß- w i e der Kleinhandel. A n ihren Umsätzen gemessen, waren die ostdeutschen Betriebe nicht weniger leistungsfähig als die der übrigen deutschen Wirtschaftsgebiete. Wenn auch m i t einer der Eigenart des ostdeutschen Landes angepaßten und deshalb abweichenden Struktur, war die Effizienz der Wirtschaft des deutschen Ostens der des übergroßen Teiles des deutschen Westens ebenbürtig.

Teil I I (Karten-Teil) V e r z e i c h n i s Ernährung: Karten 1 — 3

Seite

1. Überschüsse und Fehlmengen in der Versorgung Deutschlands 1934/35 mit Brotgetreide 114 2. desgl. mit Kartoffeln 116 3. desgl. mit Fleisch 118

BodenschiUse: Karte 4 4. Ostdeutschlands Bodenschätze und Waldbestande

120

Industrie: Karten 5—13 5. Standorte des Bergbaas, dar Zementindustrie und der Eisen* und Stahlerzeugung 6. Standorte des Stahlbaus und der Fahrzeugindustrie 7. Regionale Produktioneergebnisse der Gießereien, der Eisen* und Stahl· warenindustrie und des Maschinenbaus 8. Standorte der elektrotechnischen Industrie, der feinmechanischen und der optischen Industrie 9. Standorte der Industrie der Steine und Erden, des Druckgewerbes, der Papier-, Glas- und feinkeramischen Industrie 10. Regionale Produktionsergebnisse der chemischen und chemisch-technischen Industrie (einschl. Kraftstoffe) 11. Standorte der Bekleidungsindustrie, der Wirkerei und Strickerei und der Schuhindustrie 12. Standorte der Textilindustrie 13. Regionale Produktionsergebniese der Nahrungs- und Genußmittelindustrie

122 124 126 128 130 132 134 136 138

Sonstiges: Karten 14—16 14. Das Energieversorgungenetz im ostdeutschen Raum 140 15. Die Verkehreanlagen Ostdeutschlands 142 16. Standorte spezieller Zweige der ostdeutschen Nahrungs- und Genußmittelindustrie 144 Die Standortkarten

sind bearbeitet

nach unveröffentlichten

des ehemaligen Reichsamts für wehrwirtschaftliche Regionale Gebiet östlich Oder/Neiße: Sowjetische B e s i t z u n g « « » : Berlin und Westdeutschland : Saargebiet?

Abgrenzung: Stand Stand Stand Stand

Unterlagen

Planung.

der Vorkrlegsieit von 1945 bis 1950 von 1953 von 1936

Überschüsse

_ 0-5

Fehlmengen

[7

5-10

Bimml

m

10-15 15-20 20-25 25-50 über 5 0 t j e q U m

ÜBERSCHÜSSE UND FEHLMENGEN IN DER VERSORGUNG DEUTSCHLANDS 1934/35

MIT KARTOFFELN Berechnungen des DIW für die Stadt-u. Landkreise in t j e qkm

ψ::.·..

Überschüsse

|

|

| 0-5

Fehlmengen

{Χ;.]

M

'WM 5 - 1 0 10-15 15-20 20-25 25-50 ü b e r 5 0 t j e q k m

| |JJJ]

V/

Überschüsse 10 über 10 t je qkm Fehlmengen

120

OSTDEUTSCHLANDS BODENSCHÄTZE UND WALDBESTÄNDE

Fe

Eisenerz

Granit

Zn,Pb Z i n k - u . Bleierz Ni

Nlickelerz

Cr

Chromerz

Cu

Kupfererz

Sn

Zinnerz

As

Arsenerz

Torf

Braunkohle

Steinkohle

Sandstein Mergel K a l k s t e i n u. Dolomit I Β 1 Bernstein CS)

Kaolin

Waldfläche

50 -

*

100 Um C—j

Ε β

STANDORTE DES BERGBAUS, DER ZEMENTINDUSTRIE UND DER EISEN-U.STAHLERZEUGUNG PRODUKTION

1936

Oberschlesien

• # A # • φ •

Steinkohle BraunUohle Zechen-u.HüttenUoks Roheisen einseht. Hochofen- Ferro man gan Fluß- u. Schweißstahl Edelstahl ( b ^ e Baustahl) Ferrolegierungen Ί qcm - 50 Mill. Produktion werf(Stendorf* von weniger 0/3 OS Mill ΆΗ smd weit/ich der Oder/Heißt nicht dargestellt)

Nickel I Hüttenerzeugung



Kali Zement Erdöl Erdöl,

Ems/and

(seit

19U2)

125

STANDORTE DES STAHLBAUS UND DER FAHRZEUGINDUSTRIE PRODUKTION

Stahlbau Schiffbau Waggonbau

^ • · •

Personenkraftwagen Lastkraftwagen Schlepper Kraftfahrzeuganhänger 1qcm -- 50 Mill JIM Produktionswert (Standort von weniger als O.SM/ΙΙΆΗ sind westlich der Oder/ Neiße nicht dargestellt )

1936

Y^ra^räöer

Fahrrader

OSTL BRANDENB. WESTOSTBERLIN

REGIONALE "RODUKTIONSERGEBNISSE DER GIESSEREIEN, DER EISENND STAHLWAREΝIΝ D. UND DES MASCHINENBAUS

m

PRODUKTION

Θ Drahtwaren Δ WerUzeugindustrie Ο Blechwarenindustrie Schloß- u.Beschläge-Industrie • Feine Schneidwaren • Fahrzeugteile • Herde und Öfen Φ Sonstige Zweige der Eisenu. Stahlwarenindustie 1 gcm

' 50

Mill.

1936

Ο • • ^ V Ο SZ7 Ο

Eisen-u.Temperguß Metallguß Werkzeugmaschinen Textil-u BeUleidungsmaschinen Landmaschinen Maschinen fur Nahrungs-u.Genußmittel Armaturen Sonst. Maschinenbau einschl. Kesselbau

XM

ProduU

tionswert

DRESDEN

% STANDORTE DER ELEKTROTECHN. IND., DER FEINMECHAN. UND DER OPTISCHEN INDUSTRIE PRODUKTION

1936

1qcm = 50 Mi//. Produktion svsert (Standorte von weniger a/s OLSM/// ΆΚ und westlich der Oder/Net fit nicht dargestellt)

] > ) ^ 7 7 à

Elektr. Maschinen Transformatoren Elektr Schalt-u,Steuergeräte Starkstromkabel Schwachstromkabel Isolierte Leitungen Lack- u. Dynamodrähte

ί Sender u. Empfänger fur drahtlose Telegrafie u.Telefonie I Rundfunkempfangsapparate fc Rundfunkempfangsröhren • Elektr. Meßinstrumente

w Akkumulatoren (Blei-ü.alkal.) A » f, Kraftfahrzeuge 4 Röntgenappar a te υ. - röhren # Elektr. Licht: Anlaß - u. Zund maschinen, Zündkerzen I Glühlampen • Chirurgische Instrumente Jk Chirurgische SteriJisieru. Laboratoriumsappara te m Chirurgische Nadeln

Artilleristische Gerate (Richtkreise, Bussolen usw. ) Ziel - u. Scherenfernrohre Prismenfeldstecher luftfahrtbord-u, nautische Gerate Luftbildkameras • Amateurkarneras m Brillen u. Brillenfassungen qp Brillengläser Τ Mikroskope u. Zubehör • Wärmetechnische u. Mengen meßgeräte, Regler

130

Düsseid··::

(München

%

STANDORTE DES DRUCKGEWEPBES, DER IND. DER STEINE U.ERDEN UND DER PAPIER-, FEINKERAM.IND.

·' ^ V i V··.



• \ F i j l 4A . V

PRODUKTION

yΛ·.· a T

fe

,.,

.we. V

• • • #

DrucUgewerbe Hohlglas Fensterglas FeinUeramik

j é l Holzschliff • Zellstoff · Papiere u. Kartons U Pappen

1qcm - 50 Mill. flM Prodokrionsnert(Standorte von weniger al s O.SMi//.Ri( sind weit!ich der Oder/Neiße nicht do rgestellt )

1936

132

133

'jr W ^ j j /

OSTPREUSSEN

f ^

f

BRANDENB.

^jV·

:·:·

T " REGIONALE PRODUKTIONSERGEBNISSE DER CHEMISCHEN v^UND CHEM.-TECHN. INDUSTRIE U p

^ ( E I N S C H L . KRAFTSTOFFE USW.)

T f

\

PRODUKTION 1936

NIEDERSCHLESIEN

% . * m

;

τ

t \


7 2 399

4 7 9 12

794 750 872 391

1 2 2 3

487 301 350 679

1 1 1 2

4. Elektroenergie-Erzeugung, Eigenanlagen



1933 1936 1938 1943

1000 t

1933 1936 1938 1943

Mill, cbm

n -

1031 1 467 2 077 2 907

3 5 7 11

100 284 565 560

27 64 107 116

7 532 11 923 14 198 19 063

36 85 143 154

251 872 976 993

5. Kokserzeugung aus Gaswerken 4 4 5 6

413 866 700 987

467 516 605 741

2 2 3 4

822 953 364 234

269 289 330 398

8 15 18 20

929 219 510 800

643 1 110 1 485 1 914

959 1056 1 237 1 684

297 328 384 452

2 2 2 3

537 592 693 613

153 374 781 497

949 1 046 1 225 1 533

975 1 075 1 260 1 587

229 253 296 377

1401 1 462 1 665 2 194

617 644 733 966

637 664 757 995

147 154 175 233

6. Gaswerksgas-Erzeugung

»

620 647 737 1003

167 175 199 273

365 380 433 366

7 . Kokereigas-Erzeugung 1933 Mill, cbm 1936 1938 n 1943



71 122 142 125













8 13 16 18

215 987 883 761

7,536 12 830 15 441 17 035



i

— — —

679 1 157 1 442 1 726

Anmerkungen: 1 ) Von den hier genannten Engpaßleistungen bzw. Versorgungsleistungen kamen auf das sog. „Königsberger Gebiet": Einheit 1933 1936 1938 1943 58 1. Elektroenergie, Engpaßleistung der öff. Werke 1000 K W 2. Elektroenergie, Engpalileistung d. Eigenanlagen 13 3. Klektroenergie, Erzeugung d. öffentlichen Werke Mill. kWh 87 4. Elektroenergie, Erzeugung d. Eigenanlagen 22 5. Kokserzeugung aus Gaswerken 1000 t 110 6. Gaswerksjas-Erzeugung 59 Mill, cbm Eine Kokereigas-Erzeugung fehlte im sog. „Königsberger Gebiet". —





54 61 15 20 142 172 43 ι 60 122 , 143 62 i 71

84 24 254 68 175 89

2

) Einsdil. des Saargebietes (früherer Gebietsumfang). — ') Engpaßleistungen bzw. Versorgungsleistungen für 1933 und 1938 wurden zonal nach den für 1936 bekannten Anteilen beredinet. Quellen: Erhebungen des ehem. Statistischen Reichsamts für die Zahlen der Jahre 1933, 1936, 1938 und bei Nr. 5—7 auch für 1943, Statistik der ehem. Wirtschaftsgruppe Elektrizitätsversorgung für die Nr. 1—4 des Jahres 1943.

211 Tabelle 46

Deutschlands Verkehrsträger

1938 davon im Gebiet

Einheit

Deutsches Reich insgesamt

Ostdeutschland (östlich Oder/Neiße)

Mitteldeutschland (So wj.-Zone)

absolut j vH

absolut 1 vH

Westdeutschland

Berlin

absolut 1 vH absolut 1 vH

a) Eisenbahn Streckenlänge insgesamt davon : Reichsbahn Privatbahnen Kleinbahnen

. . .

km

68 229

13 869 20,3

17 681 25,9

1 221

1,8

35 458 52,0

η

55 032 4128 9 069

10 226 18,6 239 5,8 3 404 37,5

13 034 23,7 1 359 32,9 3 288 36,3

1 180

2,1

41

0,4

30 592 55,6 2 530 61,3 2 336 25,8

6 648 21.5 3 519 15.6 3 0,5

7 337 23,7 4 986 22,2 153 23,6

298 1,0 675 3,0 117 18,1

16 655 53,8 13 319 59,2 375 57,8

»

Von der Gesamtlänge der Reichsbahnschienenwege waren eingleisig zweigleisig drei- u. mehrgleisig . . . .

km

30 938 22 499 648

Der Fahrzeugpark der Reichsbahn umfaßte Lokomotiven Personenwagen Gepäckwagen Güterwagen

Anzahl

24 095 61 309 19 899 577 060

Gesamter Personenverkehr . . Mill.Pers Gesamter Güterumschlag 1 . . Mill, t

659,8 959,3

3 8 2 75

448 751 516 133

14,3 5 14,3 13 12,6 4 13,0 135

69,4 10,5 123,9 12,9

397 670 414 155

22,4 22.3 22,2 23.4

1 4 1 16

742 600 157 781

7,2 13 508 7,5 34 288 5.8 11 812 2.9 349 991

56,1 55,9 59,4 60,7

160,8 24,4 198,1 20,7

26,1 17,8

3,9 1,9

403,5 61,2 619,5 64,5

1850 24.2

145

1,9

4 277

55.8

1 371 58,1 2 291 443,3 6 012 3 646,8

57,4 63.9 69,3 74,9 49,8 63,0

b) Binnenschiffahrt Verkehrswichtige Strecken . . Binnenschiffs-Bestand : a) Schlepper Tragfähigkeit b) Sonst. Schiffe m. Eigenkraft Tragfähigkeit c) Schiffe ohne Eigenkraft . . Tragfähigkeit

km

7 654

1382

18,1

Anzahl ItOO t Anzahl 1000 t Anzahl 1000 t

2 387 90,8 3 305 592,0 12 065 5785,8

456 14,6 331 36,4 3 243 1 111,5

19.1 16,1 10,0 6,1 26,9 19.2

560 18,1 683 112,3 2 810 1 027,5

23,5 20,0 20.7 19,0 23.3 17.8

Güterumschlag

Mill, t

209,8

13,6

6,5

18,0

8,6

90 5,5 7 3.7 130 8,2 137 4,4 21 4.8 7 0,9 13,1 18,9

80 5 55 53 19 1 2,1

4,9 2,6 3,5 1,7 4,3 0,1 3,0

•2) .2) •2) 4,3

169,2 80,6

0,3

0,4

1 466 178 1 404 2 930 403 814 54,0

115 . S)

3,5

9,0

c) Seeschiffahrt a) Segelschiff B e s t a n d . . . . Anzahl Rauminhalt lOOOBRT b) Dampfschiff-Bestand . . . Anzahl Rauminhalt lOOOBRT c) Motorschiff-Bestand . . . Anzahl Rauminhalt 1000 BRT Mill, t Güterumschlag

1 636 190 1 589 3120 443 822 69,5

•2) 2

• ) •

2

)

89.6 93.7 88,3 93,9 90,9 99,0 77,7

d) Landstraßenverkehr Länge der Reichsautobahnen . . Länge d. Reichs- u. Landstraßen Kraftfahrzeug-Bestände a) Krafträder b) Lastkraftwagen c) Personenkraftwagen d) Kraftomnibusse e) Zugmaschinen

km

Anzahl . . .

Ges. Güterumschlag im Fernverkehr über 50 km . . . .

η Mill, t

3 304 213 391

210 6,3 40 151 18,8

1 512 362 357 713 1 266 532 13 920 54 456

183 869 30 119 134 937 1 823 6 939

36,0

3,5

409 12,4 46 538 21,8

12,2 398 449 26,3 61 086 8,5 79 193 22,1 35 513 10,7 297 243 23,5 112 918 971 13,1 3 129 22,5 3 322 12,7 14 032 25,8 9,7

7,7 21,4

2,2

2 570 77,8 126 702 59,4

4,0 868 958 57,5 9,9 212 888 59,5 8,9 721 434 56,9 7 997 57,4 7.0 6.1 30 163 55,4 6,1

22,6 62,8

Anmerkungen: *) Ohne Sendungen unter 500 kg. — *) I n den Angaben für Mitteldeutschland (Sowjet-Zone) enthalten. — 3 ) Statistisch nicht erfaßt. (Gesamtlänge aller von Berlin zu unterhaitenuen Straßen: 4563 km) Quellen: Material des ehem. Statistischen Reicheamte.

14·

212 Tabelle 47

Ostdeutschlands davon

Güterverkehr innerhalb Ostdeutschlands

Ostdeutscher Versand insgesamt

41 887

23 008

227 19 257 435 10 291 1 062 928 57 1 322 109 4 159

in übrige deutsche Gebiete

darunter nacl1 Westdeutschland

Sowjetzone

Berlin

20 642

13 316

3 159

4 167

430 12 572 173 2 544 263 338 102 660 69 1 302

26 11 018 164 2 503 263 333 99 594 63 1 265

25 7 005 136 2 242 247 133 41 349 39 620



1 817 18 16 8 5 14 105 4 164

1 2 196 10 245 8 195 44 140 20 481

3 319

5 393

5 386

1 810

2 955

Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren . . . . Leder und Textilien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

338 877 28 489 17 245 271 36 4 366

2 3 669 43 165 2 116 231 69 5 524

1 3 669 43 165 2 116 230 65 5 524

1 944 5 129 2 67 78 8 2 248

Versand insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff. : Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren . . . . Leder und Textilien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

821

4 002

965

β) 74

58 2 112 89 22

27 51 82 10

a) Versand mit Versand insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren . . . . Leder und Textilien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

b) Versand auf Versand insgesamt

_

621.

_

2 362 38 35



363



- -

2 68 54 2 167

47 84 3 1 109

1

c) Versand



278 7 139 —

6).

891 27 47 82 3



4 —

7





81 14 15 2 98

173 153 84 5 709

167 82 13 3 351



10 3 3 1 12



46 027

32 403

26 993

15 200

565 20 412 470 10 919 1 079 1254 342 1 373 115 4 623

490 18 353 305 2 731 265 627 486 813 79 2 535

54 14 738 289 2 678 265 616 411 672 71 2 140

26 7 953 141 2 378 249 210 122 360 42 880

157 79 10 2 339





d) Ostdeutschlands Versand insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren . . . . Leder und Textilien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

6 114

5 679



28 2 606 92 249 8 399 207 153 23 929

4 179 56 51 8 7 82 159 6 331

Anmerkungen; Nordeuropa: Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland. — Osteuropa: Litauen, Lettland, Estland, Sowjet-Union. — 3 ) Südosteuropa: Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien, Albanien, Bulgarien, 4 Griechenland, Türkei. — ) Süd- und Westeuropa: Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Schweiz, Österreich, Italien, Spanien, Portugal. — 5 ) Alle übrigen Länder. — e ) Berlin in den Angaben für die Sowjet-Zone enthalten.

213 Giiterversand

1937 in 1000 t

Tabelle 47

Güterversand darunter nach ins

Europa

Ausland Nordi)

Ost 2)

Übersee 5 )

Südost 3 )

der Eisenbahn 2 366

21

107

1 948

290

6

404 1 311 7

237

404 1 554

1

41

31

1

3 66 6 37

3 31 5

27 19

Versand insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren Leder und Textilien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

1 1

8

1

10

Wasserstraßen 7

7

1

1

Versand insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren Leder und Textilien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

im Seeverkehr 3 037 31 2 061 η

1 157 947

12 6 71 71 2 358

4 28 2 7

388 294 1 1 12

22

229

1217

222

31 552 ο 0

-

46 -

6 67 21

-

1

350

502

2 177

1 507

1 300 2 43

404 1 533 7 9

31 789 7 1

1 1

3 3 31 5 9

7 67 29 1 360

-

46

-

Versand insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren Leder und Textilien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

Güterversand insgesamt 5 410 436 3 615 16 53 11 75 141 8 395

1 178 947

4 28 2 7

53 19

46 46



Versand insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren Leder und Textilien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

Quellen: Entnommen bzw. errechnet aus: „Die Güterbewegung auf deutschen Eisenbahnen 1937", „Die Binnenschiffahrt 1937", „Güterverkehr und Schiffsverkehr 1937" (sämtlich Schriften des ehem. Statistischen Reichsamts).

214 Tabelle 48

Ostdeutschlands Güterverkehr innerhalb Ostdeutschland*

davon Ostdeutscher Empfang insgesamt

aus den übrigen deutschen Gebieten

darunter von Sowjetzone

Berlin

Westdeutschland

a) Empfang mit Empfang insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel . Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren . . . Leder und Textilien . . . . Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

41 887

12 271

10 891

7 582

227 19 257 435 10 291 1 062 928 57 1 322 109 4 159

76 1 785 247 1 742 1 910 419 23 1 144 82 473

62 1 713 234 1 702 1 816 127 23 1 102 69 443

48 1 384 130 1 384 1 222 107 17 369 28 402

Empfang insgesamt darunter:

3 319

1 275

1002

516

338 877 28 489 17 245 271 36 4 366

1 21 40 199 41 204 27 133 15 65

1 21 40 196 41 18 27 133 15 46

1 9 7 186 1 17 19 2 1 26

821

7 447

2 456

185

1038 2 372 196 504 262 354 376 271 8 201

1 124 62 240 42 15 9 110 6 162

46 027

20 993

14 349

8 283

565 20 412 470 10 919 1 079 1 254 342 1 373 115 4 623

1 115 4 178 483 2 445 2 213 977 426 1 548 105 739

63 2 858 336 2 138 1 899 160 59 1345 90 651

49 1393 137 1 611 1 223 124 40 380 29 450

748 19 41 110 145 2 141 6 6

2 561 14 310 63 208 449 20 4 593 35 35 b) Empfang auf

Kohlen Mineralöle Baustoffe Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren . . . . Leder und Textilien . . . . Geireide, Mehl, Kartoffeln usw.

138

25 3 4 31 2

348 12 8 7 40 1 4 100 14 18 c) Empfang im

Empfang insgesamt darunter: Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und S t a h l w a r e n . . . . Leder und Textilen Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

278 7 139 81 14 15 2 98

41

β) .

2 271 1 124 62 199 42 15 5 99 6 140



4 11 22

d) Ostdeutschlands Empfang insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahl waren . . . Leder und Textilien . . . . Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

886 19 66 113 145 6 172 6 8

5 180 14 1 446 133 414 531 36 13 792 55 193

Anmerkungen: ') Nordeuropa: Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland — 2 ) Osteuropa: Litauen, Lettland, Estland, Sowjet-Union — 3 ) Südosteuropa: Tschechoslowakei, Uugarn, Rumänien, Jugoslawien, Albanien, Bulgarien, Griechenland, Türkei — 4 ) Süd- und Westeuropa: Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Schweiz, Österreich, Italien, Spanien, Portugal — 5 ) Alle übrigen Länder — e ) Berlin in den Angaben für die Sowjet-Zone enthalten.

215 Giiterempfang

1937 in 1000 t

Tabelle 48

Güterempfang darunter aus aus dem

Eui opa

Ausland

Südost 3 )

Süd und West 4)

Nord i)

Ost 2)

34

485

695

1 1 11 12

17 70 2 26 1 62







Übersee 5 )

der Eisenbahn 1 380 18 72 13 38 94 292 —

— — — — —



229

— —

42 13 30



27 3 6

— — —

166



1











93 1

— — —

5 8 1

10 2 23

Empfang insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren Leder und Textilien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.



— — —

Wasserstraßen 273

271



















3



186























3





2 —



186



























































19

19



Empfang insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren Leder und Textilien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

Seeverkehr 4 991

1 209

902

111

2 257

512

872





1038 1 248 134 264 220 339 367 161 2 39





37 1 248

129







1 61 —

15 1 11 2 25

12 —

271 364 47 —

26 — —

165 220





133 — —

53



2 99

— — —

5



_9



4 — —

Empfang insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahlwaren Leder und Texti ien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

Güterempfang insgesamt 6 644

1 243

1 658

808

2 423

512

1 056 1320 147 305 314 817 367 203 15 88

872

1 1 11 27

17 70 2 52 1 62

37 1 249

129



1 61 —

15 1 11 2 25



686 364 74 3 30



10 2 23



165 313 1 2 104 8 10



133 — —

53 —

4

_



Empfang insgesamt darunter : Eisenerze Kohlen Mineralöle Baustoffe Düngemittel Holz, Zellstoff Papier, Pappe Eisen- und Stahl waren Leder und Textilien Getreide, Mehl, Kartoffeln usw.

Quellen: Entnommen bzw. errechnet aus „Die Güterbewegung auf deutschen Eisenbahnen 1937", „Die BinnenSchiffahrt 1937", „Güterverkehr und Schiffsverkehr über See 1937** (sämtlich Schriften des ehem. Statistischen Reicheamts)

216 T abelle 49

Deutsche Verkehrsleistungen

im

Inlandsvcrkehr

davon Deutsches Reich insgesamt

Ostdeutschland

Mitteldeutschland

(östlich Oder/Neiße)

(SowjetZone)

a) Inlands-Güterversand 1938 in 1000 t 466 148 64 861 94 019 Eisenbahnverkehr !) Binnenschiffahrt 76 906 8 624 8 990 Seeschiffahrt 10 191 1 786 635 2 Kraftfahrzeug - Fernverkehr ) 17 940 1 900 3 881 77171 107 525 Insgesamt3) 571 185

Berlin

Westdeutschland (einschl. Saargebiet)

4 631 1 267 118 614 6 630

302 637 58 025 7 652 11 545 379 859

b) Versand-Anteile im Inlandsverkehr 1938 in vH 81,6 84,0 87,4 1 69,8 Eisenbahnverkehr^) Binnenschiffahrt 13,5 11,2 8,4 19,1 Seeschiffahrt 1,8 2,3 0,6 1,8 2 Kraftfahrzeug - Fernverkehr ) 2,5 3,6 9,3 3,1 100,0 100,0 100,0 100,0 Insgesamt3)

79,7 15,3 2,0 3,0 100,0

c) Inlands-Güterempfang 1938 in 1000 t Eisenbahnverkehr1) 465 163 55 839 102 169 Binnenschiffahrt 76 899 4 496 8 772 Seeschiffahrt 10191 3 657 411 2 Kraftfahrzeug - Fernverkehr ) 17 903 1 625 3 790 65 617 115 152 Insgesamt4) 570 156

12 768 7 765 134 1 529 22 196

294 387 55 866 5 979 10 959 367 191

d) Empfangs-Anteile im Inlandsverkehr 1938 in vH 81,6 85,1 88,7 57,1 Eisenbahnverkehr1) Binnenschiffahrt 13,5 6,8 7,6 35,0 Seeschiffahrt 5,6 0,4 0,6 1,8 Kraftfahrzeug - Fernverkehr2) 3,1 2,5 3,3 6,9 100,0 100,0 ιοο,ο Insgesamt4) 1(Ό,0 ;

*Ό,2 15,2 1,6 3,0 100,0

e) Inlands-Güterversand 1942 in 1000 t5) 438 831 72 892 92 573 Eisenbahnverkehr *) Binnenschiffahrt 71 588 6 243 6 896 Seeschiffahrt 5 641 1 721 369 Kraftfahrzeug - Fernverkehr . 80 856 99 838 Insgesamt 3 ) 6 ) 516 064 f) Inlands-Güterempfang 1942 in 1000 t5) Eisenbahnverkehr 1) 442 107 64 560 99 980 Binnenschiffahrt 72 093 3 774 5 501 Seeschiffahrt 5 421 2 007 137 Kraftfahrzeug - Fernverkehr . 70 341 105 618 Insgesamt 4 ) ö ) 519 621

5 050 1399 23

268 316 57 050 3 532

6 472

328 898

12 915 5 142 14

264 622 57 676 3 263

18 071

325 591

Anmerkungen: M Ohne Sendungen unter 500 kg. — 2 ) Ohne Sendungen unter 50 km Entfernung. — ) Einschl. des Versandes des Altreichs (Gebietsstand 1937) nach Österreich und Sudetenland. — ) Einsdil. des Empfanges des Altreichs (Gebietsstand 1937)ι aus Österreich und Sudetenland. — s ) Gebietsstand 1937. — e ) Ohné Kraftfahrzeug-Fernverkehr. Quelle: Material des ehem. Statistischen Reichsamts.

3 4

217 Tabelle 50

Deutsche Verkehrsleistungen

im

Auslandsverkehr

davon Deutsches MittelOstReich deutschld. deutschld. Berlin (östlich (Sowjetinsgesamt Zone)

Oder/Neiße)

a) Güter\rersand ins Ausland 19 38 in 10001 t 396 1852 Eisenbahnverkehr ) 57 14 951 98 11 Binnenschiffahrt 29 856 3 496 2 626 Seeschiffahrt 15 666 4 6 Kraftfahrzeug-Fernverkehr 2 ) 46 2 1

Westdeutschld. (einschl. Saargebiet)

12 646 29 244 12 540 38

Insgesamt 60 019 4 489 996 66 b) Versand-^Lnteile im ,Ausland sverl?:ehr 1938 iin vH 39,8 86,4 24,9 41.3 Eisenbahnverkehr1) 9,8 4,5 48,9 0,2 Binnenschiffahrt 49,8 6,1 26,1 Seeschiffahrt 58,5 Kraftfahrzeug-Fernverkehr 2 ) 0,6 3,0 0,1

54 468

Insgesamt 100,0 c) Güteremplfang aus d