Oratio ad Graecos / Rede an die Griechen: Redaktion: Trelenberg, Jörg 9783161518751, 9783161509391

Tatians O ratio ad Graecos ist eine kulturhistorisch und theologisch höchst wertvolle Schrift des zweiten nachchristlich

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German Pages 318 [319] Year 2012

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Widmung
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
I. Werkeinführung
1. Der Autor
2. Abfassungszeit und -ort
3. Manuskripte und Editionen
4. Aufbau und Struktur der Schrift
5. Die Theologie Tatians
a) Schöpfungslehre
b) Logosspekulation
c) Pneumatologie
d) Dämonologie
e) Anthropologie und Ethik
6. Die Apologetik Tatians
a) Diffamierung der Philosophie
b) Verspottung der Mythologie
c) Polemik gegen die Astrologie
d) Vorrang des Barbarentums
7. Gesamtwürdigung
II. Kritischer Text, Übersetzung mit Anmerkungen
Abbreviationes
I) Codices Tatiani
a) Codices vetustiores (vd. p. 23)
b) Codices recentiores (vd. p. 23)
II) Editiones (vd. p. 15ff.251)
III) Auctores alii (vd. p. 253ff)
[0] Τατιανου πρòς ῞Ελληνας.
[0] Tatianos: An die Griechen
III. Spezialprobleme
1. War Tatian ein Schüler Justins?
2. War Tatian ein Gnostiker?
3. Warum fehlt der Name Christi?
4. Die Frage nach den Adressaten
5. Die Frage nach der Gattung
Verzeichnisse
Literaturverzeichnis
1. Antike Quellen
2. Textausgaben: Tatiani Oratio ad Graecos
3. Hilfsmittel
a) Übersetzungen der Oratio ad Graecos
b) Index apologeticus
4. Sekundärliteratur
Index locorum
E Scriptura Sacra
E Scriptis profanis et christianis
Index nominum
Index verborum
Autorenregister
Stellenregister
Sachregister
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Oratio ad Graecos / Rede an die Griechen: Redaktion: Trelenberg, Jörg
 9783161518751, 9783161509391

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Beiträge zur historischen Theologie Herausgegeben von Albrecht Beutel

165

Tatianos

Oratio ad Graecos Rede an die Griechen Herausgegeben und neu übersetzt von Jörg Trelenberg

Mohr Siebeck

Jörg Trelenberg, geboren 1965; Studium der Ev. Theologie sowie der lateinischen und griechischen Philologie in Münster; Oberstudienrat in Hemer; 2003 Promotion; 2007 Habilitation.

e-ISBN PDF 978-3-16-151875-1 ISBN 978-3-16-150939-1 ISSN 0340-6741 (Beiträge zur historischen Theologie) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Datan sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von pagina in Tübingen gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Für Greta

Vorwort Tatians oratio ad Graecos ist eine kulturhistorisch und theologisch höchst wertvolle Schrift des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts. Sie erleichtert das Verständnis eines Christentums, welches zunehmend auch die höheren sozialen Schichten ergreift und mit wachsendem Selbstbewusstsein nicht mehr bereit ist, die pagane Kulturhoheit in der griechisch-römischen Welt zu akzeptieren. Der Autor versteht sich als die Stimme einer äußerlich unterdrückten, aber innerlich stolzen religiösen Minderheit, die sich von deklassierenden Vorurteilen mehr und mehr emanzipieren und gesellschaftliche Erniedrigung nicht länger ertragen will. Die oratio ad Graecos ist ein beredtes Zeugnis für eine im aufstrebenden Christentum sich verstärkende Stimmung und Neigung, allmählich den „Kampf der Kulturen“ zu probieren und mit allen Konsequenzen aufzunehmen. Dass die erste umfassende Attacke auf die Grundfesten der jahrhundertelang bestehenden Ordnung gleich derart heftig ausfällt, dürfte allerdings dem Persönlichkeitsprofil des Verfassers geschuldet sein. Maßvolle Bescheidenheit ist seinem Charakter fremd, überlegener Stolz, ja Hochmut und unverhohlene Arroganz entsprechen eher seinem Naturell. In der oratio jedenfalls lässt er keine Gelegenheit aus, seine klassische Bildung zu demonstrieren, seine heidnischen Gegner aber der Dummheit und Unmoral zu bezichtigen. Tatians Schrift ist polemisch, manchmal gehässig, reich an Information, schnell in der Argumentation, häufig kryptisch, dann wieder von bestechender Klarheit, mitunter naiv, um im nächsten Satz tiefgründigen und genialen Gedankenreichtum zu präsentieren. Der LoÂgow proÁw ÏEllhnaw ist ein schillerndes und paradoxes Werk eines Autors, der nach eigenen Angaben alles weiß und alles kann. Man mag ihn beurteilen, wie man will. Nur eines versteht Tatian objektiv nicht: langweilig zu sein. Nach Vorgängerwerken aus dem 19. Jahrhundert ist die bisher letzte deutsche Übersetzung der tatianischen Apologie im Jahre 1913 durch Richard Cornelius Kukula angefertigt und in der Bibliothek der Kirchenväter publiziert worden. Sie war nie unumstritten, hat aber aufgrund ihres prominenten Erscheinungsortes ein Jahrhundert lang die Tatian-Forschung begleitet und maßgeblich beeinflusst, was ihr bleibendes Verdienst sein wird. Längst genügt sie allerdings sprachlich, interpretatorisch und von ihrer textkritischen Basis her nicht mehr den heutigen Ansprüchen, sodass eine moderne, den fortgeschrittenen Forschungsstand berücksichtigende Fassung

VIII

Vorwort

zumindest im deutschsprachigen Raum schon seit geraumer Zeit als ein Desiderat empfunden wurde. Die Frage nach dem griechischen Ausgangstext war nicht einfach zu beantworten. Zwar existiert eine neuere kritische Edition aus den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Recht schnell wurde aber deutlich, dass sie als Grundlage für eine Übersetzung nicht in Frage kam. Eine hochspekulative Textemendation, die in ihrer Konjekturfreudigkeit und ihren sprachästhetischen Idealen an das 19. Jahrhundert erinnert, ist als geistreiche Anregung, nicht aber als Basis einer breiteren Rezeption geeignet, die auf einen verlässlichen Text vertraut und angewiesen ist. Es musste also eine eigene Textgrundlage konstituiert werden, die – wie ausführlich begründet wird – die handschriftliche Überlieferung wieder mehr zur Geltung kommen lässt, sich entschieden gegen jede Bevormundung des antiken Autors wendet und dementsprechend auch vor Lesarten, die auf den ersten Blick schwierig erscheinen, nicht zurückschreckt. Die Textanmerkungen sind vergleichsweise umfangreich ausgefallen, was der Tatsache Rechnung trägt, dass bei Tatian, wie ein moderner Ausleger schreibt, „ein wahres Feuerwerk mythologischer Kenntnis abgebrannt wird“. In der Tat ist die Griechen-Rede Tatians mit Bildungselementen gespickt, die nicht nur die griechische Mythologie, sondern auch deren Philosophie, Historiographie, Astrologie, Linguistik, Musik und die bildende Kunst, nicht zuletzt religiös-kultische Fragen traktieren, die zweifellos bereits die graecophonen Zeitgenossen beeindrucken sollten, erst recht aber heute nicht mehr allgemein- und selbstverständlich sind. Ein Schwerpunkt der Erläuterungen liegt daher auf Sacherklärungen und Hinweisen auf Parallelen in der antiken Literatur, verbunden mit einer Einordnung der tatianischen Aussagen in das Gesamtcorpus der griechischen und lateinischen Apologeten des zweiten und dritten Jahrhunderts. Die vorgeschaltete Einleitung und Werkeinführung hat sich zum Ziel gesetzt, Orientierung und Überblick über die grundlegenden Erkenntnisse in der Tatian-Forschung der letzten 150 Jahre zu geben, allerdings ohne jeden abstrusen Irrweg in infinitum zu verfolgen. Eine Bündelung der Forschungsergebnisse schien umso dringlicher zu sein, als das Wissen über Tatian und dessen oratio kaum in Monographien, sondern fast ausschließlich in versprengten, oft schwer erreichbaren Aufsätzen, Artikeln und Miszellen Niederschlag gefunden hat, andererseits aber auch die Redundanzen – fast naturgemäß mittlerweile – einen relativ großen Raum eingenommen haben. Dient also der erste Teil im besonderen Maße der Sichtung und Sicherung des Wissensbestandes über Tatian, so widmen sich die abschließenden Untersuchungen im dritten Teil einigen Spezialproblemen, die die gelehrte Diskussion über die oratio Tatiani bereits in der Vergangenheit beschäftigt haben und vielleicht auch in der Zukunft neu beleben werden. Hemer/Münster, im Mai 2011

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII I.

Werkeinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 2. 3. 4. 5.

1

Der Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abfassungszeit und -ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manuskripte und Editionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau und Struktur der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Theologie Tatians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schöpfungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Logosspekulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pneumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Dämonologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anthropologie und Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Apologetik Tatians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Diffamierung der Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verspottung der Mythologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Polemik gegen die Astrologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vorrang des Barbarentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 8 15 25 29 29 34 41 45 49 54 54 58 63 66 72

II. Kritischer Text, Übersetzung mit Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . .

82

III. Spezialprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. 2. 3. 4. 5.

War Tatian ein Schüler Justins? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . War Tatian ein Gnostiker? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warum fehlt der Name Christi? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Frage nach den Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Frage nach der Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

195 204 219 224 230

X

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Index locorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Index nominum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Index verborum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

I. Werkeinführung 1. Der Autor Über die Person Tatians besitzen wir nur wenige, zum Teil unsichere Nachrichten. Unser Wissen geht über die Mitteilungen, die der Autor selbst in seiner oratio gibt, kaum hinaus. Dieser Umstand scheint in bezeichnender Weise bereits für die Antike zu gelten. Denn die meisten biographischen Angaben, die durch Irenäus, Eusebius oder Epiphanius auf uns gekommen sind, entgehen nicht dem Verdacht, primär aus der oratio selbst erschlossen worden zu sein. Über seine Herkunft informiert uns Tatian im Epilog seines Werkes. Er Ä n ’AssyriÂvn gh Äì) geboren, wosei „in dem Lande der Assyrer“ (eÆn thÄì tv runter man in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts insbesondere das aramäischsprachige Kernland am mittleren Tigris (Adiabene und nördliches Mesopotamien) versteht.1 Er genoss nach eigenen Angaben eine profunde hellenistische Bildung,2 die er sich unter anderem auf weit ausgedehnten Reisen erwarb,3 die ihn schließlich nach Rom führten.4 Dort war er möglicherweise Schüler des christlichen Philosophen und Apolo1

Die genaue Lokalisation der Herkunftsregion Tatians (westlich oder östlich des Tigris) ist nicht möglich. Die unter Trajan im Jahre 116 n. Chr. geschaffene Provinz Assyria befand sich – im Unterschied zur vormaligen Region Assyrien – zwar ausschließlich östlich des Tigris. Die Provinz musste jedoch bereits unter Hadrian wieder aufgegeben werden. Erst Septimius Severus eroberte sie 195 n. Chr. kurzfristig für die Römer zurück (daher sein Beiname Adiabenus). Insofern bleibt es unsicher, ob Tatian mit seiner Ortsangabe auf die klaren Grenzen der ehemaligen römischen provincia anspielt oder aber einen (nach Westen) wesentlich erweiterten Gebietsbegriff zugrunde legt. Vgl. zu dieser Frage Th. Zahn, Tatians Diatessaron (FGNK 1), Erlangen 1881, S. 268f; M. Elze, Tatian und seine Theologie, Göttingen 1960, S. 16f; W.L. Petersen, Tatian’s Diatessaron: Its Creation, Dissemination, Significance, and History in Scholarship, Leiden 1994, S. 68, und neuerdings ausführlich B. Pouderon, Les apologistes grecs du IIe sie`cle (Chap. 8: Tatien; S. 175–201), Paris 2005, hier: S. 175, Anm. 1. 2 Vgl. or. 42,1: paideyueiÁ w prv Ä ton taÁ yë me tera. Siehe dazu die Angaben bei Eusebius (hist. eccl. 4,16,7), die allerdings auf der Auswertung der Tatianschrift selbst beruhen dürften. Vgl. infra Anm. 383 zu or. 35,1. 3 Vgl. or. 35,1: pollhÁ n eÆpifoith saw ghÄ n. 4 Vgl. ibid.: eÍsxaton thÄì ëRvmai vn eÆndiatri caw po lei.

2

I. Werkeinführung

geten Justin von Sichem, des späteren Märtyrers.5 Tatian habe sich später, so die Überlieferung, von der Kirche distanziert6 (nach Eusebius im Jahre 172/73 n. Chr.7) und sei in den Osten zurückgekehrt, wo er eine Schule gegründet habe.8 Tatian verfasste eine Reihe von Schriften, unter denen die oratio ad Graecos (LoÂgow proÁw ÏEllhnaw) schon in der Antike die berühmteste war. Eusebius nennt sie „das schönste und nützlichste von allen Werken Tatians“.9 Daneben steht sein zweites bekanntes Werk, die heute verlorene Evangelienharmonie (Diatessaron), eine ursprünglich auf syrisch oder griechisch verfasste, an der Chronologie des Johannesevangeliums orientierte 5

Tatians zweifache Erwähnung der Person Justins (or. 18,6; 19,4) könnte eine Lehrer-Schüler-Beziehung andeuten, was aber nicht eindeutig ist. Dass Tatian (einen Teil der) Schriften Justins kannte, kann dagegen als gesichert gelten (vgl. M. Marcovich, Tatiani oratio ad Graecos, Berlin/New York 1995, S. 1f; anders A. Harnack, Die Überlieferung der griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts in der Alten Kirche und im Mittelalter [TU 1,1.2], Leipzig 1882, S. 196, Anm. 219). Ein Schülerverhältnis zu Justin wird als erstes explizit von Irenäus (adv. haer. 1,28,1) ausgesprochen. Ob Irenäus dies jedoch aus der oratio extrahiert oder weitere Informationsquellen (die verlorenen Werke Tatians?) besitzt, kann nicht mehr entschieden werden. Auch Eusebius berichtet von dem besagten Schülerverhältnis (hist. eccl. 4,29,1), ist aber, wie er selbst angibt, von Irenäus abhängig. Epiphanius, der ebenfalls einen Umgang Tatians mit Justin erwähnt (haer. 46,1), schreibt noch einmal wesentlich später; auch sein Wissen reicht erkennbar über Irenäus und Eusebius nicht hinaus. 6 Irenäus (adv. haer. 1,28,1) führt an, Tatian habe die Pflicht zur Ehelosigkeit verkündet. Diese gegen den Schöpferwillen gerichtete Gotteslästerung habe er allerdings erst aufgebracht, nachdem er sich nach dem Märtyrertode Justins von der Kirche getrennt habe. Er habe nunmehr als großer Lehrer gelten wollen und in seinem Hochmut und seiner Aufgeblasenheit Sonderlehren aufgestellt. 7 Vgl. Euseb, Chronikon, ad ann. Abr. 2188 (p. 206 Helm): Tatianus haereticus agnoscitur, a quo Encratitae. 8 Epiphanius (Panarion 46) bemerkt, Tatian sei nach dem Tode Justins ohne Führung „wie ein Blinder“ umhergeirrt. Er habe eine Schule in Mesopotamien gegründet und zwar „ungefähr um das 12. Jahr des Antoninus, welcher den Beinamen ,der fromme Kaiser‘ führt“. Diese Angabe des späteren Kirchenvaters würde bedeuten, Tatian sei bereits ca. 150 wieder im Osten gewesen. Möglicherweise liegt eine Verwechslung von Antoninus Pius mit Marcus Aurelius vor, welcher bekanntlich den Namen seines Adoptivvaters im eigenen Namen mitführte. Legt man das 12. Regierungsjahr des Marcus Aurelius zugrunde, gelangt man in das Jahr 172/3 und damit in Übereinstimmung mit der Angabe des Eusebius. – Ein erster Hinweis auf die Gründung einer Schule durch Tatian findet sich u. U. bereits bei Eusebius in seinem Irenäus-Zitat (hist. eccl. 4,29,1), wo von einem didaskaleiÄon die Rede ist, worunter Harnack (Überlieferung, S. 203, Anm. 240) allerdings – gegen den normalen Gebrauch des Wortes, aber mit guten Gründen – eher Tatians neue „Lehre“ verstehen will. 9 Hist. eccl. 4,29,7: oÊw dhÁ kaiÁ dokeiÄ tv Ä n syggramma tvn aë pa ntvn ayÆ toyÄ ka llisto w te kaiÁ vÆ felimv tatow yë pa rxein.

1. Der Autor

3

Kompilation der vier kanonischen Evangelien.10 Dieses „VierevangelienBuch“, dessen Rekonstruktion bedingt möglich ist,11 wirkte insbesondere in der Liturgie der syrischen Kirche noch lange fort und wurde dort erst im 5. Jahrhundert allmählich durch die biblischen Evangelien ersetzt.12 Tatian selbst erwähnt sodann eine Schrift „Über Lebewesen“ (PeriÁ zvÂìvn), in der er die biblische Gottebenbildlichkeit des Menschen offenbar in einem geistigen Sinne interpretiert: Ein Mensch, der sich über die Tiere dadurch erhebe, dass er nach Gott fragt, übersteige sogar sein Menschsein selbst und könne wahrhaft als Gottes Abbild und Gleichnis (eiÆkvÁn kaiÁ oëmoiÂvsiw toyÄ ueoyÄ ) gelten.13 Eine Schrift mit dem kryptischen Titel „An die, welche sich über das Göttliche geäußert haben“ (ProÁw toyÁw aÆpofhnameÂnoyw taÁ periÁ ueoyÄ) wird von Tatian zumindest angekündigt. Ob sie je veröffentlicht wurde, ist nicht bekannt. Offenbar sollte die christliche Ethik am Anspruch der heidnisch-griechischen Philosophie gemessen werden.14 Clemens von Alexandrien setzt uns über ein weiteres Werk Tatians in Kenntnis: „Über die Vollkommenheit nach den Worten des Erlösers“ (PeriÁ toyÄ kataÁ toÁn svth Ä ra katartismoyÄ ). Darin habe Tatian die sexuelle Aktivität in der Ehe diffamiert. Eine solche „Gemeinschaft des Verderbens“ (koinvniÂa fuoraÄw) diene der Unmäßigkeit und Unzucht, letztlich dem Teufel selbst. Dagegen sei die in der Ehe getroffene Übereinkunft zur Enthaltsamkeit sowohl eine Förderung des Gebets als auch ein Dienst an Gott selbst.15 Eusebius schließlich weiß von einem „Buch der Probleme“ (problhmaÂtvn bibliÂon). Darin habe Tatian dunkle Stellen der Schrift dargelegt.16 Dass weitere Schriften

10

Zur Hypothese einer „fünften Quelle“ im Diatessaron, vermutlich ein weiteres proto- oder extrakanonisches Evangelium, siehe W.L. Petersen, Tatian the Assyrian, S. 126, Anm. 7, oder (ausführlich) dens., Tatian’s Diatessaron (in indice s. v. Diatessaron, „fifth source“). Zurückhaltend urteilt in dieser Hinsicht D. Wünsch, Art. „Evangelienharmonie“, in: TRE 10, 1982, S. 629. 11 Theodor Zahn (siehe supra Anm. 1) veröffentlichte bereits 1881 eine Rekonstruktion, die er insbesondere aus dem Diatessaron-Kommentar des Ephraem (um 360/70) gewann, dessen syrische Textform erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekannt wurde, aber bereits in einer armenischen Übersetzung aus dem 6. Jahrhundert zugänglich war. Vgl. neuerdings: C. Lange, Ephraem der Syrer. Kommentar zum Diatessaron I (Fontes Christiani 54/I), Brepols 2008. 12 Zur Bedeutung und erstaunlichen Langlebigkeit des Diatessaron in der östlichen bzw. syrischen Kirche vgl. W.L. Petersen, Tatian the Assyrian, S. 154f. 13 Or. 15,4f. 14 Or. 40,3. 15 Strom. 3,12,81. – Vgl. dazu: James Rendel Harris, Tatian: Perfection according to the Saviour, in: Bulletin of the John Rylands Library Manchester 8, 1924, S. 15–51. 16 Hist. eccl. 5,13,8. Eusebius beruft sich für seine Kenntnis auf die an Kallistios gerichtete Schrift des Rhodon, einem Schüler Tatians in Rom.

4

I. Werkeinführung

Tatians im Umlauf waren, deren Titel wir nicht kennen, ist sehr wahrscheinlich.17 Viel mehr ist an sicheren Nachrichten über den Autor der oratio nicht erhalten.18 Man hat versucht, aus einer beiläufigen Notiz Tatians dessen ehemalige Zugehörigkeit zur römischen Armee abzuleiten. In Kapitel 11 bekennt Tatian mit Anklängen an den zeitgenössischen stoischen Sprachgebrauch, dass er von der Gier nach Reichtum und Ruhm frei sei und überhaupt die Güter dieser Welt verachte.19 So wolle er z.B. keine Herrschaft ausüben (basileyÂein oyÆ ueÂlv), nicht reich sein (ployteiÄn oyÆ boyÂlomai ), auch lehne er das Feldherrnamt ab (thÁ n strathgiÂan par hÂìthmai ). Aus sprachlichen Gründen, dem Tempuswechsel vom Präsens zum Perfekt, meinte man, auf eine reale Situation in einer angeblichen militärischen Laufbahn Tatians schließen zu können.20 Doch abgesehen davon, dass es sich hier kaum um das seltene perfectum historicum handeln dürfte (da die gesamte Aufzählung lediglich stereotype zeit- und personenunabhängige Verhaltensweisen anführt), wären weitere Hinweise zum Erhalt der Hypothese dringend vonnöten. Diese aber sucht man vergebens.21 In Kapitel 29 der oratio schaut Tatian auf sein Leben vor seiner Bekehrung zum Christentum zurück. Er gibt an, persönliche Erfahrungen mit heidnisch-religiösen Kulten und Bräuchen gemacht zu haben, sogar persönlich in die Mysterien initiiert worden zu sein und dabei insbesondere die Praktiken der Priester der Kybele (= Rhea) kennengelernt zu haben. Doch sind immer wieder Zweifel an den Angaben Tatians angemeldet worden. Denn erkennbar herrscht beim Autor die Tendenz, für bestimmte Dinge, die er nachweislich lediglich aus der Literatur kennt, eigenes Erleben und Autopsie zu beanspruchen. So behauptet er, eine Reihe verschiedener Statuen in Rom selbst gesehen zu haben, obwohl er sich 17

Vgl. or. 16,2; Clemens, strom. 3,12,82; eclog. proph. 38; Origenes, de orat. 24; Hieronymus, In Amos 2,12; In ep. ad Tit. praef.; In ep. ad Gal. 6,8. 18 Das bei A. Hamman (Tatien, Sp. 798) angegebene Geburtsjahr Tatians („vers 120“) ist reine Spekulation, wird aber von M. Whitthaker (Tatian, S. 764) übernommen. Vgl. auch P.K. Chrestu (Tatianos [Tatiano w], Sp. 693). 19 Zum stoischen Hintergrund der schablonenhaft angelegten Passage siehe J. Trelenberg, Der frühchristliche Märtyrer und der stoische Weise, in: Zeitschrift für antikes Christentum / Journal of ancient Christianity 14/2 (2010), S. 341. 20 So G.F. Hawthorne, Tatian and his discourse to the Greeks, in: Harvard Theological Review 57 (1964), S. 163 (mit zustimmendem Bezug auf J. Rendel Harris; vgl. ibid. Anm. 16). 21 W.L. Petersen (Tatian the Assyrian, S. 129) leitet aus Tatians Angabe in or. 11,2 („als freier Mann bin ich auf meine edle Abkunft nicht stolz“) dessen Herkunft aus der höheren Gesellschaftsschicht ab; doch handelt es sich hier, der Kontext ist eindeutig, um eine über-individuelle Notiz mit postulativer Intention, jedenfalls nicht biographischen Charakters.

1. Der Autor

5

bei seiner Beschreibung maßgeblich auf literarisches Quellenmaterial stützt.22 Ebenso unglaubwürdig ist Tatians persönliche „Entdeckung“ (vgl. eyë rvÂn ), dass in Rom für Zeus Latiaris Menschenopfer dargebracht würden, ebenso wie für die Artemis, angeblich unweit der Hauptstadt.23 Detaillierte neuere Forschungen können Tatian nicht vom Vorwurf entlasten, im Sinne seiner apologetischen Technik und Taktik zumindest teilweise bewusst die Unwahrheit zu sagen.24 Es ist offenbar, dass Tatian sogar seine eigene Vita stilisiert, um seiner Schrift Überzeugungskraft und seiner Verteidigung des Christentums größere Wirkung zu verleihen. Er gibt sich als bewanderter Experte auf sämtlichen Gebieten der heidnischen Kultur, sei es in der griechischen Mythologie und der Historiographie, in der Philosophie und der bildenden Kunst, in Linguistik, Musik und Astrologie, insbesondere aber in religiös-kultischen Fragen.25 Die Demonstration seines Wissens dient einem einzigen Zweck: Tatian will seine Entscheidung für das Christentum als Ergebnis der sorgfältigen Reflexion eines Gelehrten verstanden wissen. Vor dem Hintergrund seines Universalwissens soll die Wahrheit, die er nunmehr am Ende eines langen Weges gefunden hat, umso heller erstrahlen.26 Nach Tatians Angaben war es die Lektüre alter, barbarischer 22 Vgl. Kap. 35 und dazu A. Kalkmann, Tatians Nachrichten über Kunstwerke, in: Rheinisches Museum für klassische Philologie, N.F. 42 (1887), S. 489–524. Ponschab (Rede, S. 6) und Whittaker (Background, S. 59) ziehen eine Autopsie Tatians zwar in Erwägung, liefern aber weder Argumente noch Belege. 23 Or. 29,1. 24 Siehe insbesondere I. Gradel, Jupiter Latiaris and human blood. Fact or fiction?, Kopenhagen 2005. In der älteren Forschung urteilte vor allem Kalkmann kritisch und scharf über Tatian als „lügnerischen Autor“ (Kunstwerke, S. 522): „Tatian, der christliche Apologet, ist von dem Verdachte bewusster Fälschung schwerlich ganz freizusprechen; wir müssen uns damit wohl oder übel abfinden, und mögen den Sophisten in ihm zur Rechenschaft ziehen, dem es nun einmal zur zweiten Natur geworden ist, mit eitel Putz und Flimmer zu prunken.“ 25 Dazu ausführlich Whittaker, Background, S. 57–59, mit dem Fazit (S. 59): „Tatian wants ... to represent himself as a travelled polymath“. In diesem Sinne auch S. Freund, Dichter, S. 117: „Offenbar ist ihm das wichtig, ... nämlich bei aller Kritik an der paganen Bildung und bei aller Polemik gegen das Griechentum aus der Perspektive des Syrers durchblicken zu lassen, daß hier ein Kundiger schreibt.“ Vernichtend lautet das Urteil bei O. Scheel, Tatian, Sp. 1082: „Tatian ... kann ... sich im Bildungshaß gefallen. Und doch benutzt er sie als Apologet, will ,gebildet‘ sein und schreibt, nur im Besitz einer oberflächlichen Bildung, ebenso wie die früheren Apologeten die trüben Quellen der heidnischen Literatur unselbständig aus. Seine geistige Bedeutung wird gewöhnlich überschätzt.“ 26 Gut herausgestellt bei S. Di Cristina, Discorso ai Greci, S. 18: „Taziano, per parte sua, presenta se stesso come un viaggiatore, una sorta di pellegrino del sapere; parla con una certa frequenza delle proprie personali conoscenze, crede nella bonta` della sua

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I. Werkeinführung

(= alttestamentlicher) Schriften, die ihn in autonomer, bewusst abwägender Entscheidung der christlichen Lehre zuführte.27 Doch steht die Darstellung seiner Konversion im erkennbaren Zusammenhang mit dem breit ausgeführten Altersbeweis28 und in nicht zu übersehender Affinität zu den Bekehrungsschilderungen Justins.29 Insofern muss auch hier mit autoreigener, nachträglicher Stilisierung gerechnet werden.30 Über die Gründe, warum Tatian Rom verließ, kann ebenfalls nur spekuliert werden. Epiphanius berichtet lediglich, dass sein Wegzug zeitlich nach dem Martyrium Justins erfolgte.31 In der Literatur ist daraufhin in Erwägung gezogen worden, Tatians Rückkehr in den Osten könne mit der Agitation des kynischen Philosophen Crescens gegen Justin, von dessen Gewaltandrohung sowohl Justin selbst32 als auch Tatian33 berichten, im Zusammenhang gestanden haben.34 Sicherheit ist hier nicht zu gewinnen. Auch die angebliche Überlieferung, Tatian sei aus der römischen Gemeinde ausgeschlossen worden, weil er den Eucharistiewein durch Wasser ersetzt habe, hat bei genauer Prüfung keinen Anhalt an den Quellen.35 Es kann lediglich gesagt werden, dass Tatians Lehre im Westen, obwohl er in Rom wohl eine Schule betrieben hatte,36 langfristig keinen großen Nachdocumentazione e della esperienza delle cose di cui si occupa: ci tiene insomma a presentare se stesso come un intelletuale e un ricercatore assiduo, quanto non facilmente soddisfatto, della verita`.“ 27 Vgl. or. 29,2f; 42,1f. 28 Or. 31–41. 29 Iustinus, 2 Apol. 12 und Dial. 7f. Vgl. M. Pellegrino (Studi su l’antica apologetica, Rom 1947) zum „motivo familiare“ (S. 41) der beiden Konversionsschilderungen als sog. „elemento protrettico e propagandistico“. Vgl. erhellend auch neuerdings E.J. Hunt, Christianity in the Second Century. The case of Tatian, London 2003, hier: S. 56–58 („Conversion stories“). 30 So auch K.-G. Wesseling, Tatian der Syrer, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. XI (1996), Sp. 552. Eine differenzierte Diskussion, welchen historischen Wert (bzw. welchen Grad an Historizität) man der Bekehrungsschilderung Tatians beimessen soll, hat bisher nicht stattgefunden. Bei Justin ist die Diskussion, die durchaus Rückschlüsse auch auf Tatian zulassen würde, seit geraumer Zeit recht weit fortgeschritten; vgl. hierzu besonders: Oskar Skarsaune, The conversion of Justin Martyr, in: Studia Theologica 30 (1976), S. 53–73. 31 Adv. haer. 1,46,1,7. 32 2 Apol. 3(8) und 11. 33 Or. 19,2. 34 Vgl. K.-G. Wesseling, Tatian, Sp. 552. 35 So interpretiert Wesseling (Tatian, S. 553) die Nachricht bei Epiphanius, Panarion 1,46,2,3. Dort ist in der Tat davon die Rede, dass Tatian in seiner Sekte die kirchlichen „Mysterien“ gleichsam „imitiere“ und hierbei Wasser verwende. Doch befindet sich Tatian bei Epiphanius schon längst im Osten! 36 Dies kann aus Eusebius, hist. eccl. 5,13,1.8, wo zumindest ein Schüler (Rhodon)

1. Der Autor

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klang gefunden hat, während sie im Osten – nach Epiphanius vor allem in Syrien (Antiochia/Daphne), Zilizien und Pisidien37 – offenbar eine größere Anhängerschaft gewinnen konnte. Die kirchliche Nachwelt hat Tatian als Häretiker abgestempelt. Sowohl Irenäus als auch Clemens, Eusebius, Epiphanius und Hieronymus fällen ein hartes Urteil über ihn. So wird er in einem Atemzug mit Saturninus (Satornil) und Marcion genannt und als Begründer der asketischen Sekte der Enkratiten namhaft gemacht.38 Tatian habe die Pflicht der Ehelosigkeit gelehrt und damit die Schöpfungsordnung Gottes verworfen, da Mann und Frau zur Erhaltung des Menschengeschlechts geschaffen worden seien.39 Auch habe er dadurch, dass er die Enthaltung von Fleischverzehr gefordert habe, sich gegen Gott undankbar erwiesen.40 Des Weiteren habe er wie die Valentinianer Äonen erdichtet.41 Er habe behauptet, Adam sei nicht gerettet worden und ihm die Seligkeit abgesprochen.42 Nicht zuletzt sei Tatian ein Fälscher der Aussagen des Apostels gewesen43 und habe einige Paulusbriefe nicht anerkannt.44 Er habe eine (gnostische) Zweierwähnt wird, geschlossen werden. Vgl. ähnlich W.L. Petersen, Tatian the Assyrian, S. 132; ders., Art. „Tatian“, in: TRE, Bd. 32, 2001, S. 655; B. Pouderon, Re´flexions sur la formation d’une e´lite intellectuelle chre´tienne au IIe sie`cle: les „e´coles“ d’Athe`nes, de Rome et d’Alexandrie, a. a.O., Paris 1998, S. 241; K. Greschat, „Woher hast du den Beweis für deine Lehre?“ Der altkirchliche Lehrer Rhodon und seine Auseinandersetzung mit den römischen Marcioniten, in: Studia Patristica 34, Leuven 2001, S. 82–87; C. Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen, Tübingen 2007, S. 91. 37 Panarion 1,46,1,8. 38 Irenäus, adv. haer. 1,28,1; Eusebius, hist. eccl. 4,28f; Hieronymus, In Amos 2,12 (Tatianus Encratitarum princeps); In ep. ad Tit. praef. (Tatianus Encratitarum patriarches); In ep. ad Gal. 6,8 (Tatianus [v. l.: Cassianus] Encratitarum vel acerrimus haeresiarches). Zur Phänomenologie, historischen Differenzierung und theologischen Lehre der Enkratiten (auf der Basis literarischer Aussagen und zeitgenössischer epigraphischer Funde) vgl. die gründliche Arbeit von G. Blond, L’„he´re´sie“ encratite vers la fin du quatrie`me sie`cle: Recherches de Science Religieuse 32 (Paris 1944), S. 157–210. 39 Irenäus, adv. haer. 1,28,1; Eusebius, hist. eccl. 4,29; vgl. Clemens, strom. 3,12,80f. 40 Eusebius, hist. eccl. 4,29; vgl. bereits Tertullian, De ieiun. 15,1: Reprobat etiam illos qui iubeant cibis abstinere, sed de providentia spiritus sancti, praedamnans iam haereticos perpetuam abstinentiam praecepturos ad destruenda et despicienda opera creatoris, quales inveniam apud Marcionem, apud Tatianum, apud Iovem, hodiernum de Pythagora haereticum, non apud paracletum. Hieronymus (In Amos 2,12) erwähnt, Tatian habe auch den Weingenuss verboten. 41 Irenäus, adv. haer. 1,28,1; Eusebius, hist. eccl. 4,29. 42 Ibid. 43 Eusebius, hist. eccl. 4,29. 44 Diese Nachricht ist singulär bei Hieronymus in seiner Vorrede zum Titusbrief erhalten.

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I. Werkeinführung

Götter-Lehre vertreten45 und über den Leib Christi doketische Ansichten verbreitet.46 – Die eingehende Analyse zeigt, dass die Kritik an Tatians angeblichen Irrlehren in wesentlichen Punkten auf die Notizen des Irenäus zurückgeht, welche in den folgenden Jahrhunderten reproduziert und breiter ausgezogen wurden.47 Ein Teil der Vorwürfe ist mit einiger Wahrscheinlichkeit, nachdem Tatian einmal als Häretiker galt, auch aus der oratio selbst entwickelt worden. Eine vollständige Ableitung ist jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.48 Da über die Art, Herkunft und Güte der weiteren Informationen, über welche die spätantiken Autoren zweifellos verfügten, nur bedingt Aussagen möglich sind, ist die Frage nach der Häresie Tatians bis heute umstritten.49

2. Abfassungszeit und -ort Für die Abfassungszeit der oratio sind eine Reihe von begründeten Vorschlägen unterbreitet worden. Die Spanne reicht vom Jahr 150 n. Chr. (Frühdatierung durch Zahn) bis zum Jahre 177/8 n. Chr. (Spätdatierung durch Grant) und umfasst damit mehr als ein Vierteljahrhundert. Die Frage nach der Entstehungszeit ist mit der Frage nach dem Abfassungsort unlösbar verknüpft. Zum Teil wird die Beantwortung der einen Frage zum Entscheidungskriterium der jeweils anderen gemacht. In Anbetracht der zunehmenden Komplexität der Argumentation scheint es sinnvoll, die gelehrte Diskussion der letzten 130 Jahre zunächst in ihrer Genese darzustellen. Nachdem vormals der consensus communis dahin ging, dass die oratio Tatians erst nach dem Tode Justins (ca. 165 n. Chr.) verfasst worden sei, plädiert Theodor Zahn im Jahre 1881 im Rahmen seiner berühmten

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Clemens, strom. 3,12,82; vgl. Origenes, De orat. 24. Hieronymus, In ep. ad Gal. 6,8: Tatianus [v. l.: Cassianus], qui putativam Christi carnem introducens ... 47 Siehe insbesondere die Detailergebnisse der ausführlichen Untersuchung Harnacks (Überlieferung, passim), dessen Ergebnisse Elze (Tatian, S. 106–120) im Wesentlichen bestätigt. Ähnlich votiert Hawthorne (discourse, S. 165). 48 Dies wird neuerdings und völlig zu Recht betont von Naomi Koltun-Fromm (Re-imagining Tatian: The Damaging Effects of Polemical Rhetoric, in: Journal of Early Christian Studies 16, 2008, S. 1–30); vgl. z.B. S. 8: „Tatian’s ascetic views (encratic or otherwise), if he indeed held any, may have been written up in other now lost treatises, but they do not manifest themselves in his Oration.“ Vgl. auch S. 3.5.9.13. 49 Vgl. ausführlich (mit eigener Positionierung) unsere Ausführungen infra unter III 2. 46

2. Abfassungszeit und -ort

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Diatessaron-Rekonstruktion dafür, die Abfassungszeit vorzuverlegen.50 Maßgeblich stützt er sich für seine Argumentation auf das Kapitel 19 der oratio: Die lebhafte Erwähnung der Nachstellungen des Kynikers Crescens deute darauf hin, dass die bedrohliche Situation für Justin und seinen Schüler nicht in einer fernen Vergangenheit liege. Sie sei von Tatian in einem nicht allzu großen zeitlichen Abstand beschrieben worden. Die Entstehung der oratio könne zeitlich mit der Abfassung der Apologie Justins (um 150) nahezu zusammenfallen. Dieselbe konkrete Verfolgungsgefahr werde jeweils aktuell reflektiert und mit ein und derselben Person in Verbindung gebracht. Eine frühe Datierung vertritt auch Adolf Harnack ein Jahr später in seiner detailreichen „Überlieferung der griechischen Apologeten“.51 Zusätzlich zum Zahn’schen Argument verweist er auf Tatians Erwähnung des Peregrinus Proteus im 25. Kapitel der Schrift. Die schillernde Figur des zur Selbstinszenierung neigenden kynischen Philosophen, der wegen seiner Kritik am römischen Kaiser um 152 der Hauptstadt verwiesen wurde, sei im präsentischen Stil so lebhaft und detailliert beschrieben, dass eine zeitnahe Autopsie des Autors angenommen werden müsse. Eine Abfassungszeit der oratio um das Jahr 152/3 sei wahrscheinlich.52 Als Abfassungsort komme Griechenland in Frage, schwerlich Rom. Denn wenn Tatian über stadtrömische Angelegenheiten schreibe, habe man regelmäßig den Eindruck, er erzähle seinen Adressaten Dinge, die ihnen unbekannt seien.53 Wiederum ein Jahr später (1883) veröffentlicht Franz Xaver Funk seine Recherchen zur Chronologie Tatians.54 Er hält den Hinweis auf eine Verfolgung Tatians durch Crescens55 (Kap. 19) für spätere Interpolation („Einschiebsel“). So folgt er im Unterschied zu Zahn und Harnack nicht der Lesart der Handschriften (MPV: kauaÂper kaiÁ eÆmeÁ), sondern hält an dieser Stelle den frühen Text des Eusebius für wahrscheinlich. Das Hauptargu50

Vgl. S. 274–280. Vgl. S. 196–213. 52 S. 197f. So Harnack auch noch später; vgl. dens., Geschichte der altchristlichen Literatur, Bd. 2, S. 284 („nicht später als c. 155“). 53 S. 198f. Harnacks Griechenlandthese wird später von A. Casamassa (Gli apologisti greci. Studio introduttivo, Rom 1944) aufgegriffen, die Entstehungszeit der oratio allerdings wesentlich später angesetzt (nach Justins Tod, aber vor 172; siehe S. 144–147). 54 F.X. Funk, Zur Chronologie Tatians, in: Theologische Quartalsschrift 65 (1883), S. 219–233 (Wiederabdruck mit Zusätzen in: ders., Kirchengeschichtliche Abhandlungen und Untersuchungen, Bd. 2, Paderborn 1899, S. 142–152). 55 Für Funk ist der kynische Philosoph zur Zeit der Abfassung der oratio bereits nicht mehr am Leben. Tatian spreche in Kap. 19 mehrfach im Vergangenheitstempus (yëperh negken, hËn, eÆdedi ei ) und daher „schwerlich von einem Lebenden“. 51

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I. Werkeinführung

ment für eine Abfassung der oratio noch zu Lebzeiten Justins sei damit hinfällig. Stützend komme der Umstand hinzu, dass auch der Ausdruck oë uaymasivÂtatow ’IoystiÄnow (Kap. 18) ganz und gar den Eindruck mache, als sei der Lehrer Tatians bereits unter die seligen Toten zu rechnen. Das Proteus-Argument Harnacks wird von Funk nicht akzeptiert: Der weitgereiste Tatian könne das aufsehenerregende Treiben des Kynikers auch außerhalb Roms beobachtet oder aber die Ereignisse in späterer Retrospektive beschrieben haben. Richard Cornelius Kukula, der sich um die Jahrhundertwende mit mehreren wichtigen Arbeiten zu Tatians Apologie zu Wort meldet,56 entwickelt – auf Vorarbeiten aufbauend57 – eine eigene Theorie. Der Titel der Schrift (loÂgow/oratio) wird von ihm wörtlich verstanden und diese als eine vor Publikum wirklich gehaltene Rede erkannt. Sogenannte „Schnellschreiber“ (taxygraÂfoi) hätten diese während des Vortrags mitgeschrieben. Als Indizien verweist Kukula auf die lebhaft-emotionalen Ausrufe in der Rede oder auch die Anrede „Zuhörer“ (aÆkoyÂontaw) in Kap. 36. Da man die „Rede“ mit ihren polemischen und hasserfüllten Angriffen niemals vor einem „echtgriechischen“ oder „echtrömischen“ Publikum hätte halten können, nimmt Kukula den Orient als Schauplatz des Ereignisses an. Als „Sitz im Leben“ wird an die Einleitung zu einer Reihe von Missionspredigten gedacht oder aber an eine konkrete Eröffnungsrede („Inaugurationsrede“) anlässlich der Aufnahme des Lehrbetriebs an der von Tatian gegründeten Schule in Mesopotamien. Dementsprechend wird eine relative Spätdatierung der Schrift (nach 172) in Anschlag gebracht, wozu nicht nur der „echt orientalische Griechenhass“, sondern auch der häretisch-gnostische Charakter der Apologie auf das Beste passe. Für Aime´ Puech (1903)58 steht fest, dass Tatian in Kap. 18f den Tod Justins bei seinen Lesern als bekannt voraussetzt.59 Zudem sei es an einigen 56

R.C. Kukula, „Altersbeweis“ und „Künstlerkatalog“ in Tatians Rede an die Griechen. Jahresbericht des K. K. Staatsgymnasiums im II. Bez. in Wien, Wien 1900; ders., Tatians sogenannte Apologie. Exegetisch-chronologische Studie, Leipzig 1900; ders., Was bedeuten die Namen ÏEllhnew und Ba rbaroi in der altchristlichen Literatur?, in: Festschrift für Theodor Gomperz (1902), S. 359–363; ders., Tatians des Assyrers Rede an die Bekenner des Griechentums, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt, 1. Bd. (= BKV 12), München/ Kempten 1913. 57 Vgl. B. Ponschab, Tatians Rede an die Griechen, Gymn. Programm Metten, 1894/95, S. 8f. 58 A. Puech, Recherches sur le discours aux Grecs de Tatien suivie d’une traduction franc¸aise du discours avec notes (Universite´ de Paris. Bibliothe`que de la faculte´ des lettres 17), Paris 1903, S. 6–13. 59 Ibid., S. 9: „oë uaymasiv tatow ’IoystiÄnow oÆruv Ä w eÆ jefv nhsen semble bien indiquer qu’il entend parler d’un mort illustre.“

2. Abfassungszeit und -ort

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Stellen sehr wahrscheinlich, dass Tatian die Schriften Justins – auch den Dialogus – gekannt und für seine oratio benutzt habe.60 Aus diesen Gründen wird die von Zahn und Harnack vorgeschlagene Frühdatierung abgelehnt. Eine Datierung auf die 60er Jahre scheide ebenfalls aus: Da Tatian in Kap. 4 und 19 von einer kaiserlichen Alleinherrschaft ausgehe, könne die Abfassung der oratio nicht in die Zeit der Doppelherrschaft von Marc Aurel und Lucius Verus (161–169) fallen.61 Der terminus ante quem sei das von Eusebius mitgeteilte Datum der Schulgründung im Orient, sodass eine Entstehungszeit zwischen 169 und 172 n. Chr. anzusetzen sei.62 Der Abfassungsort wird – unter Aufnahme und Vermehrung der Argumente Harnacks – dezidiert außerhalb von Rom angesiedelt,63 in Erwägung gezogen wird Griechenland, Edessa, insbesondere aber Antiochien (wegen der Erwähnung bei Epiphanius, Panarion 1,46,1,8).64 In einer denkwürdigen Invektive schließt sich Johannes Geffcken (1907)65 grundsätzlich der Spätdatierung durch Kukula an, implizit auch der Lokalisation im graecophoben Orient. Das wichtigste Indiz für eine späte Abfassung sei der „unverkennbare häretische Charakter der Rede“. Es sei unvorstellbar, dass Tatian bereits zu Lebzeiten seines Lehrers Justin „so weit im Lager der Gnostiker“ gestanden habe, wie es seine minderwertige Schrift offenbare. Der Bruch mit der Großkirche müsse schon eingetreten gewesen sein. Im Gegensatz zu Kukula bezweifelt Geffcken allerdings, dass es sich um eine tatsächlich gehaltene Rede handle, da – so die Begründung – Tatian das geeignete Publikum gefehlt haben dürfte. Eine völlig ungeordnete, zutiefst hasserfüllte, intellektuell wenig anspruchsvolle Rede habe ein Autor verfasst, der „ein höchst unfertiger Kopf, ein ganz seichter Denker“ sei. In seinem Hass gegen die Gebildeten erkenne man nichts anderes als „das Bewußtsein des untüchtigen Schülers“. Der „halbgebildete Besserwisser“ hätte – zumindest im Umkreis der griechischen Kulturwelt – niemals jemanden gefunden, der ihm zugehört hätte. In mehreren Aufsätzen aus den 50er und 60er Jahren bemüht sich Robert McQueen Grant, strittige Fragen zu Tatian einer Lösung zuzu60

Vgl. die Beispiele ibid., S. 10–13. S. 9f (in Anlehnung an Harnack). 62 Cf. S. 10. 63 S. 7 (mit Bezug auf Kap. 19 und insbesondere Kap. 35 der Tatianschrift): „Il n’est donc pas seulement vraisemblable, on peut regarder comme certain que l’Oratio a e´te´ compose´e ailleurs qu’a` Rome.“ 64 S. 7f. 65 J. Geffcken, Zwei griechische Apologeten (Sammlung wissenschaftlicher Kommentare zu griechischen und römischen Schriftstellern), Leipzig/Berlin 1907 (= Nachdruck Hildesheim/New York 1970), S. 105–113. 61

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I. Werkeinführung

führen.66 In der Frage nach dem Entstehungszeitraum der oratio gelangt er zum bisher spätesten Datum: „written after the year 176, perhaps in 177 or 178“.67 Grant schließt zunächst – wie Kukula und Geffcken – kategorisch aus, dass Tatians häretisches Werk zu Lebzeiten seines Lehrers Justin hätte verfasst werden können.68 Für eine genauere Datierung beruft er sich auf konkrete historische Anspielungen in der oratio: In Kap. 23 sieht Grant eine Bezugnahme Tatians auf die Rekrutierung von dalmatischen und dardanischen Räubern für die römische Armee in den Jahren 172/73;69 in Kap. 19 sei Marc Aurels Stiftung von vier hochdotierten philosophischen Lehrstühlen in Athen im Herbst 176 reflektiert;70 Kap. 6 der Tatianschrift sei eine unmittelbare Reaktion auf die Meldungen von grausamen Verfolgungen, wie sie sich unter Marc Aurel in den Jahren 176/77 verdichteten und im Martyrium von Lyon und Vienne kulminierten.71 Martin Elze wiederum spricht sich in seiner wichtigen Monographie (1960)72 für eine frühere Datierung aus und weist zunächst darauf hin, dass die Inaugurationshypothese Kukulas schon allein deshalb fragwürdig und unsicher sei, weil gar nicht feststehe, „ob Tatian überhaupt im Orient eine eigene Schule eröffnet und unterhalten hat“.73 Eine Spätdatierung sei deshalb problematisch, weil die Abfassungszeit der Schrift zu weit vom Datum der Bekehrung Tatians abrücke. In Kap. 35 insinuiere der Autor, dass 66 R.M. Grant, The Date of Tatians Oration, in: The Harvard Theological Revue 46 (1953), S. 99–101; ders., The Heresy of Tatian, in: The Journal of Theological Studies NS 5 (1954), S. 62–68; ders., The Chronology of the Greek Apologists, in: Vigiliae Christianae 9 (1955), S. 25–33; ders., Tatian and the Bible, in: Studia Patristica 1 [TU 63] (Berlin 1957), S. 297–306; ders., Studies in the Apologists, in: The Harvard Theological Revue 51 (1958), S. 123–134; ders., Tatian (Or. 30) and the gnostics, in: The Journal of Theologial Studies NS 15 (1964), S. 65–69. 67 Grant, Date, S. 99. Die Spätdatierung wird von Grant trotz schwerwiegender Gegenargumente (z.B. Clarke) unbeirrbar bis in die späten 80er Jahre beibehalten (siehe zuletzt dens., Five Apologists and Marcus Aurelius, in: Vigiliae Christianae 42, 1988, S. 11–13; Greek Apologists of the Second Century, London 1988, S. 128f). Der Argumentation Grants schließt sich an: A.J. Droge, Homer or Moses? Early Christian Interpretations of the History of Culture, Tübingen 1988 (vgl. S. 84 und 99). Droge hält es – aufgrund von zeitlichen wie inhaltlichen Erwägungen – für möglich, dass die oratio Tatiani eine Antwort auf die (ebenfalls schwierig zu datierende) Christentumskritik des Kelsos darstellt; vgl. ebd., S. 97–101. 68 Grant, Heresy, S. 63: „It may be said at once, that the Oration was not written while Tatian was still Justin’s disciple.“ 69 Date, S. 100. 70 Date, S. 99f; Heresy, S. 63. 71 Date, S. 99f, Heresy, S. 63. 72 M. Elze, Tatian und seine Theologie, Göttingen 1960. 73 Ebd., S. 42. Dazu supra Anm. 8.

2. Abfassungszeit und -ort

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er vor nicht allzu langer Zeit (nyÄn) noch in der Lage seiner Adressaten, d. h. ein heidnischer Philosoph, gewesen sei. Elze macht darauf aufmerksam, dass es nach Eusebius eine (heute verlorene) Schrift Justins gab, die denselben Titel wie die Tatianschrift trug.74 Justins LoÂgow proÁw ÏEllhnaw könne – nach Elze – eine Zusammenfassung seiner Lehrvorträge in Rom gewesen sein und es sei denkbar, „daß Tatian sich das Werk seines Lehrers mit zum Vorbild genommen hat“.75 Unter Umständen habe Tatian seine oratio sogar noch zu Lebzeiten Justins verfasst. Als Abfassungsort sei Rom naheliegend,76 da die Anrede „Hellenen“ bekanntermaßen keine Volksgruppe bezeichne, sondern die illustre Gesellschaftsschicht der philosophisch Gebildeten.77 Wenig später (1967) wendet sich auch G.W. Clarke mit sehr beachtlichen Argumenten gegen die Spätdatierung durch Grant.78 Der Katalog von Todesarten in Kap. 6 sei kaum eine Reflexion der konkreten Verfolgungen von Lyon und Vienne, sondern ein auch bei anderen Autoren – zumal bei Stoikern – erscheinender Topos, dass der Tod des Körpers und insbesondere sein Begräbnis als „a matter of indifference“ anzusehen seien.79 Auch die hochbezahlten Philosophen von Kap. 19 müssten nicht 74

Eusebius, hist. eccl. 4,18,3. Vgl. S. 44. 76 Ebd. 77 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass im Jahre 1962 ein Aufsatz von Luigi Leone mit dem Titel „Due date della vita di Taziano“ (in: Orientalia Christiana Periodica, S. 27–37) erscheint. Leone scheint das ein Jahr zuvor erschienene Werk Elzes noch nicht gekannt zu haben, jedenfalls zitert er es nicht, gelangt aber in erstaunlicher Weise mit nahezu denselben Argumenten zu denselben Ergebnissen. So sei eine Abfassung in Rom wahrscheinlich, denn der partizipiale Aorist diatri caw in or. 35,1 bezeichne nicht „il rapporto temporale, ma solo la qualita` dell’azione“ (S. 28). Nach eingehender Analyse der einschlägigen Stellen (bes. 18,6; 19,2; 35,4), jedoch ohne grundsätzlich neue Erkenntnisse zu präsentieren, setzt Leone die Abfassungszeit der oratio Tatiani exakt auf die Zeit „fra il 160 ed il 161“ und zwar kurz nach dessen Konversion, die „fra il 155 ed il 160“ stattgefunden habe (S. 37). – Erwähnt sei auch die (kaum rezipierte) Dissertation von E.F. Osborne aus dem Jahre 1969, in der der Autor eine Teilungshypothese vertritt: Der erste Teil der oratio (cap. 31–41) sei bereits kurz nach der Bekehrung Tatians in Rom entstanden, der zweite Teil (cap. 1–30 und 42) erst nach Justins Tod außerhalb von Rom; siehe dazu S. 65–92. 78 G.W. Clarke, The Date of the Oration of Tatian, in: The Harvard Theological Revue 60 (1967), S. 122–126. Ausdrücklich unterstützt wird Clarke in seiner Argumentation ein Jahr später durch L.W. Barnard, The Heresy of Tatian – Once Again, in: Journal of Ecclesiastical History 19 (1968), S. 1–10, hier: S. 1f. Barnard selbst errechnet eine Abfassungszeit zu Lebzeiten Justins, und zwar um 160 „or a few years before“ (S. 3); vgl. dens., Apologetik I. Alte Kirche, in: TRE, Bd. 3, 1978, S. 379 („um 160 oder wenig davor“). 79 Clarke, Date, S. 123, mit Hinweis auf entsprechende Stellen bei Seneca (Ep. 75

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I. Werkeinführung

zwangsläufig diejenigen sein, deren Alimentation durch Marc Aurel in Athen veranlasst wurde. Nachweislich hätten beispielsweise auch Hadrian und andere römische Kaiser im zweiten nachchristlichen Jahrhundert – als gängige Praxis – prominente Lehrstühle mit öffentlichen Geldern finanziert.80 Die Mörder und Räuber in Kap. 23 seien keine Rekruten der römischen Armee, sondern – der Kontext lege es unmittelbar nahe – Gladiatorenkämpfer in der Arena.81 In neuerer Zeit greift Miroslav Marcovich (1995) insbesondere diejenigen Argumente auf, die bereits Puech ins Feld geführt hatte.82 Demnach sei es als erwiesen anzusehen, dass Tatian in mehreren Passagen seiner oratio von Schriften seines Lehrers Justin literarisch abhängig sei.83 Auch sei der Ausdruck oë uaymasivÂtatow ’IoystiÄnow (or. 18,6) als Terminus der Martyriumssprache klares Indiz dafür, dass Justins Märtyrertod allgemein bekannt sei (vgl. Mart. Pol. 5,1 und 16,2 oë uaymasivÂtatow maÂrtyw Poly karpow). Offenbar seien die Nachstellungen des Crescens erfolgreich gewesen.84 Der klare terminus post quem für die Abfassungszeit der Schrift sei damit der Tod Justins. Bezüglich des Abfassungsortes wird im Gegensatz zu Puech (u.a.) erneut Rom in Erwägung gezogen. Denn mehrfach werde auf neueste Entwicklungen in der Hauptstadt Bezug genommen. Somit müsse als terminus ante quem das (aus Eusebius und Epiphanius eruierte) Datum der Abreise aus Rom gesetzt werden, die Abfassung der oratio demnach zwischen 165 und 172 n. Chr. angesiedelt werden.85 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein eindeutiges und gänzlich unanfechtbares Kriterium für die Datierung der oratio ad Graecos – trotz intensiver Bemühungen in den letzten 130 Jahren – nicht zu gewinnen ist. Als sehr wahrscheinlich ist allerdings anzusehen, dass Tatian die Schriften Justins gekannt und benutzt hat.86 Als weiteres Indiz mit einem gewissen Gewicht kann gelten, dass das Epitheton uaymasivÂtatow für Justin in or. 18,6 (verbunden mit der auffälligen Parallele im Martyrium Polyarpi) of92,34f), Marc Aurel (Ep. ad Front. 1,6,5), Athenagoras (De resurr. 8,4) und Minucius Felix (Oct. 11,4). 80 S. 123f. 81 S. 125f. 82 M. Marcovich, Tatiani oratio ad Graecos (PTS 43), Berlin/New York 1995. 83 Marcovich (S. 1f) nennt or. 28,3 (cf. 1 Apol. 27,1), or. 3,7 (cf. 2 Apol. 3(8),1f), or. 5,3f (cf. dial. 61,2). 84 Ansonsten würde man in or. 19,2 – so Marcovich (S. 2) – präsentisches pragmatey esuai erwarten, nicht aber den überlieferten Aorist pragmatey sasuai . 85 Ibid., S. 3. 86 Es handelt sich hier – dies haben insbesondere Puech und Marcovich richtig gesehen – zweifellos um das schwerwiegendste Argument. Siehe dazu im Detail unsere Aufstellung unten („War Tatian ein Schüler Justins?“).

3. Manuskripte und Editionen

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fenbar die Retrospektive auf dessen Märtyrertod beinhaltet. Auch die von Harnack und Puech vorangetriebene Argumentation, dass Rom nicht der Abfassungsort sein könne, da mit einem deutlichen Abstand von der Hauptstadt berichtet werde (or. 19,2; 35,1f), entbehrt nicht einer gewissen Plausibilität und spräche unter der Voraussetzung, dass sich Tatian nur einmal in Rom aufhielt, für eine späte Endredaktion (nach 172 n. Chr.). Aber letzte Sicherheit ist nicht zu gewinnen. Die Frage ist, ob es überhaupt sinnvoll ist, ein punktuelles Abfassungsdatum für die oratio anzusetzen. Spätere Ausführungen sollen an dieser Stelle nicht vorweggenommen werden. Aber angesichts des unverkennbaren Portfolio-Charakters der Apologie,87 angesichts der Disparität des gesammelten Materials, angesichts der zahlreichen inhaltlichen und stilistischen Brüche88 können durchaus Zweifel entstehen, ob die oratio wirklich „in einem Zug“ geschrieben und verfasst wurde. Es ist zu fragen, ob größere Teile der Apologie, z.B. der Altersbeweis (or. 31.36–41), der Erfinder- (or. 1) und der Kunstwerkekatalog (or. 33f), der Philosophenspott (or. 2f), der Astrologie-Exkurs (or. 8–10), vielleicht auch die kleine christliche Dogmatik (or. 5ff) nicht unabhängig entstanden sind und erst nachträglich unter dem sehr weit gefassten Thema „Vorrang des Barbaren- vor dem Griechentum“ äußerlich zusammengebunden wurden. Tatian scheint ein vielseitiger und produktiver Autor gewesen zu sein89 und es ist nicht auszuschließen, dass er auf älteres Material, das ursprünglich zu anderen Anlässen entstanden ist, zurückgegriffen hat. Im Einzelfall könnten Versatzstücke sogar aus Tatians vorchristlicher Periode stammen.90

3. Manuskripte und Editionen Die editio princeps der oratio Tatians erschien im Jahre 1546 in Zürich (gedruckt bei Christoph Froschauer) und wurde von Conrad Gesner besorgt. Zugunde lag ein – nicht mehr mit Sicherheit identifizierbares – griechisches Manuskript aus dem 16. Jahrhundert, welches Gesners Freund und Kollege Johann Fries ein Jahr zuvor in Venedig aus der Bibliothek des Diego Hurtado de Mendoza erworben hatte.91 Gesner fügte 87

Siehe unten unter „Die Frage nach der Gattung“. Siehe unten unter „Aufbau und Struktur der Schrift“. 89 Siehe oben unter „Der Autor“. 90 J. Zellinger (Tatian, Sp. 1002) vermutet zumindest für die in or. 15f erwähnten Schriften (sc. die Schrift PeriÁ zvÂìvn sowie eine Schrift über Dämonen) ein Abfassungsdatum vor seiner Bekehrung zum Christentum. 91 Der sog. codex Frisianus, der heute verloren bzw. verschollen ist, gehörte mit einiger Sicherheit (so Harnack, Überlieferung, S. 8f; ähnliche Vermutung bereits bei 88

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seiner Edition eine lateinische Übersetzung und Anmerkungen bei. – Auf der Basis der editio princeps gibt Fredericus Morellus im Jahre 1615 in Paris eine zweite Tatian-Ausgabe heraus, deren Konjekturen zum Teil noch heute erwägenswert sind. – Ebenfalls in Paris erscheint nur wenig später, im Jahre 1624, die Edition des Fronto Ducaeus, die sich dadurch auszeichnet, dass zum ersten Male Lesarten aus dem wichtigen codex Parisinus 174 (Mittelalter-Handschrift des 12. Jahrhunderts92) mitgeteilt werden. – Der gründlichen Ausgabe von Wilhelm Worth, im Jahre 1700 in Oxford erschienen, liegen der genannte Parisinus 174, die Züricher Ausgabe sowie der codex Aetonensis und der codex Parisinus 2376 (beides RenaissanceHandschriften des 16. Jahrhunderts93) zugrunde. Wie seine beiden Vorvon Otto) zur Gruppe der Tatian-Handschriften, die der bekannte Kopist Valeriano Albini, seines Zeichens Canonicus regularis S. Salvatoris zu Bologna, in den 30er und 40er Jahren des 16. Jahrhunderts gleichsam geschäftsmäßig für verschiedene Zwecke erstellt hatte. Valerian, des Griechischen nur oberflächlich kundig, fabrizierte nicht nur grob fehlerhafte Abschriften, sondern behandelte seine Vorlagen insgesamt recht frei, was sich schon allein daraus ergibt, dass sämtliche (erhaltene) Tatianhandschriften, die aus seiner Hand stammen, vergleichsweise stark voneinander abweichen. Der Zustand der besagten Handschrift zwang den Gelehrten Gesner nachweislich zu zahlreichen Konjekturen. Da diese aber in der editio princeps von den handschriftlichen Varianten nicht immer eindeutig zu unterscheiden sind, ist der Frisianus nur bedingt rekonstruierbar. – Franco Bolgiani (in: Kyriakon. Festschrift Johannes Quasten, Münster 1970, Bd 1, S. 226, Anm. 1) hält es gleichwohl für denkbar, dass der Frisianus mit dem 1543 hergestellten (im Tatiantext verstümmelten) codex Vaticanus Ottobonianus gr. 112 identisch sei. Für die Textkritik bei Tatian spielt diese Frage nur eine untergeordnete Rolle, da es sich in jedem Falle um eine späte (Renaissance-)Handschrift handeln dürfte. Wahrscheinlich ist deren Vorlage – wie man noch sehen wird – sogar bekannt. Ein eigenständiger Wert in der Textüberlieferung kommt ihr nach heutiger Kenntnis kaum zu. 92 Der Parisinus 174 enthält insgesamt 14 Schriften aus der Hand unterschiedlicher Schreiber, die jedoch alle derselben Zeit (12. Jhdt.) zuzurechnen sind. Unter den ersten Schriften finden sich hauptsächlich exegetische Kommentare oder Scholien zum Alten Testament, die letzten sechs Stücke sind allesamt apologetischen Inhalts, und zwar in der folgenden Reihenfolge: 1) Ps.-Iustinus, Epistula ad Zenam et Serenum, 2) Ps.-Iustinus, Cohortatio ad Gentiles, 3) Tatianus, Oratio ad Graecos, 4) Athenagoras, Supplicatio, 5) ders., De resurrectione, 6) Eusebius, Adversus Hieroclem. 93 Die erste stammt – wie aus dem Scholion auf fol. 8b hervorgeht – aus dem Jahre 1535 (nicht 1534, wie Worth in seiner [unpaginierten] praefatio mitteilt) und stammt aus der Hand des oben genannten Valeriano Albini. Vor der oratio Tatians, die an vierter Stelle erscheint, stehen die [Ps.-Iustini] epistula ad Zenam et Serenum sowie die supplicatio des Athenagoras und dessen Schrift De resurrectione. Auch der codex Parsinus 2376 trägt – zum Teil – die Handschrift des Kopisten Valeriano, wie auf fol. 236b verzeichnet; dort auch die Angabe der Jahreszahl: 1539. Der Inhalt des codex umfasst Schriften von Asklepius, Nikomachos von Gerasa und Cleomedes, dann die oratio Tatians, danach [Ps.-] Gregor Thaumaturgos sowie mehrere Schriften des Gemistius Pletho und Bessarion.

3. Manuskripte und Editionen

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gänger gibt auch Worth der griechischen Textgestalt die lateinische Übersetzung Gesners bei und fügt erläuternde Anmerkungen hinzu. – Im Jahre 1742 erscheint in Paris die Ausgabe des Prudentius Maranus, welcher den griechischen Text der Morellus-Edition übernimmt. Gesners lateinische Übersetzung wird verbessert und der Tatiantext in die bis heute gültigen 42 Kapitel unterteilt. Einige glänzende Konjekturen Marans sind nach wie vor beachtenswert. Im Jahre 1851 ediert Johann Carl Theodor von Otto im Rahmen seines 9 Bände umfassenden Corpus Apologetarum Christianorum auch die Apologie Tatians. Auf der Basis neuer Kollationen, der Berücksichtigung älterer Editionen und mit gutem textkritischen Gesamturteil wird eine solide Textgrundlage geboten. An der herausragenden Bedeutung des Parisinus 174 lässt von Otto weiterhin keinen Zweifel und kann dies durch viele Einzelbeobachtungen untermauern. – Es ist Adolf Harnack, der die Forschung entscheidend vorantreibt, als er im Jahre 1882 eine „Metastudie“ veröffentlicht.94 In seiner „Überlieferung der griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts“ wertet Harnack die ihm verfügbaren Editionen zu den griechischen Apologeten und anderen altkirchlichen Schriftstellern aus, berücksichtigt insbesondere den textkritischen Apparat von Ottos, zieht auch verstreute Nachrichten über bisher nicht benutzte (bzw. verschollene) Handschriften heran, um schließlich für die handschriftliche Überlieferung der altkirchlichen Apologien insgesamt, nicht nur des Tatiantextes, ein umfasssendes Ergebnis zu präsentieren. Er erkennt, dass zwei (bis dahin für Tatian nicht benutzte) mittelalterliche Manuskripte, i.e. der codex Mutinensis95 und der codex Marcianus96, sowohl in der Textgestalt als auch in ihrem Inhalt – vor allem auch in der Abfolge der in ihnen enthaltenen Schriften – dem Parisinus 174 nahestehen, sich prinzipiell mit diesem auf derselben Überlieferungsstufe befinden und für 94 A. Harnack, Die Überlieferung der griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts in der Alten Kirche und im Mittelalter (TU 1,1.2), Leipzig 1882. 95 Der Mutinensis Misc. gr. 126 wurde früher gelegentlich auf das 10., heute in der Regel auf das beginnende 11. Jahrhundert datiert. Er enthält insgesamt neun Schriften in der folgenden Reihenfolge: 1) Clemens Alexandrinus, Protreptikos, 2) ders., Paidagogos, 3) Ps.-Justin, Ep. ad Zenam et Serenum, 4) Ps.-Justin, Cohortatio ad Gentiles, 5) Expositio fidei vel de trinitate, 6) Tatian, Oratio ad Graecos, 7) Athenagoras, Supplicatio, 8) ders., De resurrectione, 9) Lactantius, De sibyllis. Damit enthält der Mutinensis fünf apologetische Schriften (Ps.-Justin, Tatian, Athenagoras), die auch der Parisinus 174 enthält, und zwar in derselben Abfolge! 96 Der Marcianus gr. 343 ist eine Handschrift aus der Mitte des 11. Jahrhunderts. Er enthält die fünf ersten Bücher der Praeparatio evangelica des Eusebius, sodann desselben Schrift Adversus Hieroclem, schließlich Tatians Oratio ad Graecos. Zwei von drei Schriften des Marcianus enthält (n.b.) auch der Parisinus 174.

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den Tatiantext offensichtlich auf eine gemeinsame Vorlage zurückgreifen. Als den gemeinschaftlichen Ursprung aller drei Handschriften postuliert Harnack den berühmten Codex Arethae aus dem Jahre 914. Dessen bekannte Lücke von insgesamt 32 Folien (= 64 Seiten) habe, wie Harnack mit bestechenden Argumenten nachweist, ursprünglich die oratio des Tatian enthalten.97 Das Harnack’sche Stemma98 hat prinzipiell noch heute Gültigkeit. Es weist drei Überlieferungsstufen auf, deren dritte ausschließlich aus Renaissance-Handschriften aus der Feder des Kopisten Valeriano Albini besteht.99 Die Tatsache, dass sich die in den Handschriften präsentierte Textgestalt insgesamt – bei Abweichungen im Detail – als vergleichsweise kongruent darstellt, kann durch den einheitlichen Ursprung der gesamten Textüberlieferung im 10. Jahrhundert nunmehr schlüssig erklärt werden.

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Der Codex wurde von einem geübten, ansonsten allerdings unbekannten Kopisten namens Baanes offenbar als Auftragsarbeit für Arethas (* ca. 860; † nach 944), den gelehrten Erzbischof von Caesarea in Kappadokien, verfasst. Er enthält zunächst den Protreptikos und den Paidagogos des Clemens, dann die Ep. ad Zenam und die Cohortatio Ps.-Justins, die am Schluss verstümmelt ist. Nach der Lücke steht die Praeparatio des Euseb, jedoch ohne deren Anfang, dann die Supplicatio und De resurrectione des Athenagoras, zum Schluss wieder Euseb mit seinem Buche Adversus Hieroclem. Harnack kann durch exakte Berechnung zeigen, dass das fehlende Ende der Cohortatio, die gesamte Oratio Tatians und der fehlende Beginn der Praeparatio ziemlich genau, und zwar in der Schriftart des Arethas-Codex, 32 Folien füllen würden (a. a.O., S. 25f). 98 Nach Harnack, Überlieferung, S. 68; die Stammtafel dort jedoch mit weiteren Handschriften apologetischen Inhalts. 99 In Ermanglung neuerer, zuverlässiger Kollationen sämtlicher Valerianhandschriften ist auf dieser dritten Überlieferungsstufe das Stemma im Einzelnen noch immer mit Unsicherheiten belastet: 1) Harnack postulierte den Bononiensis als Vorlage für den zwei Jahre jüngeren Aetonensis (siehe Überlieferung, S. 6; cf. von Otto, S. XX). Dieses Abhängigkeitsverhältnis ist hier mangels eindeutiger Beweise nicht übernommen worden. Grundsätzlich ist es eher wahrscheinlich, dass der Kopist für alle seine Handschriften, die nachweislich kurz hintereinander entstanden, dieselbe Vorlage benutzt

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Auf der Basis der Untersuchungen Harnacks und dessen Forderung, die wichtigen codices der „zweiten Generation“ (11./12. Jahrhundert) auszuwerten, beginnt Eduard Schwartz noch im selben Jahr sein Unternehmen. Sechs Jahre später, im Jahre 1888, präsentiert er der Fachwelt einen Tatiantext, der – längst überfällig – auf einer sorgfältigen Kollation des Parisinus 174, des Mutinensis und Marcianus beruht. Das Stemma Harnacks modifiziert er dahingehend, dass er dessen Archetypus Valerianus* weitgehend mit dem Parisinus 174 identifiziert, i.e. die späteren Handschriften des 16. Jahrhunderts allesamt aus bekanntem handschriftlichen Material ableitet und ihnen jeglichen eigenständigen Wert abspricht.100 Dies entspricht noch heute dem Stand der Forschung. Der kritische Apparat der Schwartz’schen Ausgabe ist umfangreich und detailliert. Er genügt modernsten Ansprüchen. Ein weiteres Verdienst der Edition ist es, dass Schwartz nunmehr auch die Parallelüberlieferung bei Euseb berücksichtigt.101 Nach mühevoller Durchsicht der ihm erreichbaren Handschriften der historia und praeparatio kommt er zu dem Ergebnis, dass schon Euseb eine nicht einwandfreie Tatianabschrift vorgelegen haben müsse.102 Eines Urteils, welcher Überlieferung der Vorzug zu geben sei (Euseb oder Arethas), enthält er sich zugunsten von textkritischen Entscheidungen im Einzelfall. Aufgrund der Annahme, dass sowohl die Arethas- als auch die EusebÜberlieferung des Tatiantextes kontaminiert sein müsse, greift Schwartz – als klassischer Philologe des 19. Jahrhunderts – vergleichsweise häufig zum Mittel der Konjektur. Tatian selbst wird von Schwartz eine gewisse Stilhöhe zugesprochen und beispielsweise postuliert, dass überall dort, wo ein unerlaubter Hiatus in den Handschriften erscheine, dieselben offen-

hat. 2) Harnack (ebd., S. 68, Anm. 168) weist auf die Möglichkeit hin, dass der Archetypus der Valerianhandschriften mit dem Mutinensis identisch sein könnte. Für den Tatiantext steht diese Klärung noch immer aus. 3) Über die kaum noch lösbare Frage der exakten Identität des Frisianus (= Gesners editio princeps; = codex Ottobonianus gr. 112 ?) wurde oben gehandelt. 100 Der entscheidende Satz in der praefatio (S. IV) lautet: Hi codices [sc. Parisinus 174, Mutinensis, Marcianus] pro unico recensionis fundamento habendi sunt: qui praeterea extant recentes recentissimique, eos ex illis, imprimis ex codice Parisino, descriptos esse neque quicquam valere alio loco fuse demonstrabo. Schon Harnack hatte festgestellt, dass der Archetypus der Valeriankodizes dem Parisinus „sehr nahe verwandt gewesen sein muss“ (Überlieferung, S. 65); vgl. dens., Geschichte der altchristlichen Literatur, Bd. 1, S. 486. 101 Eusebius von Caesarea zitiert ausgewählte Kapitel der oratio Tatians. In hist. eccl. 4,16,8 zitiert er aus Kap. 19; Kap. 31 und 36–42 finden sich in praep. ev. 10,11,1–35. Insgesamt steht damit fast ein Fünftel der oratio bei Euseb. 102 Praef., S. IV: vel Eusebio, cum Praeparationi et Historiae Tatiani locos insereret, exemplar praesto erat vitiis refertum et ne ab interpolatione quidem liberum.

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bar verderbt sein müssten.103 Ebenfalls aus stilistischen Gründen nimmt Schwartz eine Reihe von Lücken (lacunae) im überlieferten Text an, die er in seiner Ausgabe an entsprechender Stelle markiert. In der Texterstellung wird Schwartz über längere Zeit von seinem Lehrer Ulrich WilamowitzMoellendorff unterstützt, der ebenfalls, wie im kritischen Apparat der Ausgabe jeweils sorgfältig angemerkt wird, eine Reihe von (bemerkenswerten, zum Teil genialen) Konjekturen beisteuert.104 Die beiden deutschen Übersetzungen von Adolf Harnack (1884) und Richard Cornelius Kukula (1913) notieren in ihren Anmerkungen jeweils textkritische Vorschläge. Beide Übersetzer sind bemüht, die handschriftliche Überlieferung zur Geltung kommen zu lassen. Insbesondere Kukula gewinnt dieser – manchmal durch waghalsige Interpretationen – einen Sinn ab, wo Vorgänger oft verzweifelten. Die griechische Textausgabe von Edgar J. Goodspeed (1914) druckt, mit nur geringen Änderungen, den von Schwartz erstellten Text ab. Der Apparat beschränkt sich auf das Wesentliche. An diesem orientiert sich wiederum die Edition von Molly Whittaker (1982), allerdings mit einer deutlichen Tendenz, den konjekturfreudigen Schwartz’schen Text wieder auf eine „more conservative line“ zurückzuführen, „when possible giving preference to the manuscripts rather than emendation“.105 Witthaker sieht sich – die innere Textkritik betreffend – in der Tradition von Ottos: Non autem licet scriptorem coniecturis tentare nisi ubi summa corruptelae sit evidentia.106 Die letzte griechische Textausgabe des vergangenen Jahrhunderts stammt von Miroslav Marcovich (1995), der die Schwartz’sche Tradition und deren „textual improvement“ dezidiert fortsetzt.107 Marcovich bietet 103

Praef., S. VI: magis magisque igitur mihi persuasi in Tatiani Oratione hiatum tolerari non posse et siqui traditus sit hiatus non legitimus, id corruptelae certum esse indicium. Völlig zu Recht kritisiert bereits A. Puech (S. 16f), dass Schwartz aus der (an sich richtigen!) Beobachtung, dass Tatian bisweilen den Hiatus vermeidet, auf eine grundsätzliche Regel schließe und viel zu häufig textverändernd eingreife: „Mais inversement les exemples ou` la re`gle est ne´glige´e sont trop nombreux pour qu’on n’en tienne pas compte et pour que le texte doive eˆtre corrige´, comme voudrait le faire Schwartz, pour ce seul motif“ (S. 17). 104 Schwartz gibt zu (praef., S. VII), dass er Wilamowitz non adiutorem, sed alterum editorem nennen müsse. 105 Introduction, S. XXII. Vgl. bereits dies., Some Textual Points in Tatian’s Oratio ad Graecos: StP 7 [TU 92] (Berlin 1966), 348–351, hier S. 351: „I am only suggesting that when the text is re-edited more respect should be shown to the MSS readings.“ 106 Ebd., S. XXII. 107 Vgl. Marcovich, oratio, S. 5: „No significant textual improvement was made after Schwartz.“ Marcovichs Technik der konstruktiven Textemendation ist nicht unumstritten; vgl. als deren Rechtfertigung dens., Patristic Textual Criticism (Illinois Classical Studies, Suppl. 6), Atlanta/Georgia 1994; speziell zur Überlieferungsgeschichte

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dementsprechend eine Vielzahl stilistischer Verbesserungen an, indem er Partikel ergänzt oder sinngemäß ändert, grammatikalisch raue Stellen glättet, Satzumstellungen vornimmt, die von Schwartz postulierten lacunae sinnvoll ergänzt und insgesamt einen „gut lesbaren Tatian“ produziert. Gleichwohl lässt der ausführliche und aussagekräftige Apparat108 den Leser über die handschriftliche Überlieferung nie im Zweifel. Wertvoll sind die vielen Hinweise auf antike Quellen und Parallelen zu Tatian in den Anmerkungen. Der Tatiantext, der in der hiesigen Ausgabe geboten wird, fühlt sich einer textkritischen Tradition und Auffassung verpflichtet, wie sie im 19. Jahrhundert – damals noch auf handschriftlich unsicherer Basis – namentlich Otto und Harnack, im 20. Jahrhundert insbesondere Whittaker vertreten haben: Den Lesarten der Handschriften wird, wo immer es möglich und erträglich ist, der Vorzug vor der Spekulation gegeben. Die moderate Konjektur findet nur bei eindeutig verderbten Stellen Anwendung. Vor der lectio difficilior wird nicht zurückgescheut, ohne jedoch – wie bei Kukula – in Übertreibungen zu verfallen. Da die handschriftliche Basis des Tatiantextes ausgewertet und momentan nicht erweiterbar ist, kann es einen Fortschritt in der Textedition nur über die innere Textkritik geben. Besonderes Augenmerk wird daher auf die textlichen Eigenarten der Manuskripte gelegt. Ausgenutzt wird der für die Tatianüberlieferung günstige Umstand, dass bekannt ist, auf welche Weise die Kopisten des Parisinus 174, Mutinensis und Marcianus ihre Arethas-Vorlage – nämlich in den Schriften vor und nach dem herausgerissenen Tatian – jeweils bearbeiteten. Hier hat bereits Harnack sehr wertvolle Hinweise geliefert, die aber in der Tatian-Edition bisher kaum Berücksichtigung fanden.109 Tatians: The Transmission of Tatian and Athenagoras, in: G. Cavallo (Hrsg): Le strade del testo (studi e commenti 5), Bari 1987, S. 125–137. 108 Als Defizit ist allerdings zu werten, dass Marcovich die wertvollen (z.T. ingeniösen) textkritischen Beobachtungen Harnacks ignoriert (S. 49–51, im Anschluss an dessen dt. Tatian-Übersetzung im Gießener Ludwigtagsprogramm). 109 Für das Verhältnis von Arethaskodex (A) und Parisinus (P) konnten umfangreiche Vergleiche auf der Grundlage folgender Schriften vorgenommen werden: Epistula ad Zenam, Cohortatio, Supplicatio, De resurrectione (vgl. Harnack, a. a.O., S. 50–61). Es ergibt sich für P folgendes Resultat: Der Text in P weicht von A nur sehr selten ab, selbst bei einer schwierigen Textvorlage kopiert P sehr zuverlässig. Die Texttreue geht so weit, dass auch eine Reihe von Schreibfehlern oder eigentümlichen Lesarten von A übernommen werden. Insgesamt enthält P nur sehr wenige und leichte Flüchtigkeitsfehler. Wenn P allerdings manchmal in den Text eingreift, dann handelt es sich um leichte orthographische Korrekturen oder um glättende, den Text leise verbessernde Änderungen. So werden mitunter um der Deutlichkeit willen Wortumstellungen vorgenommen, die Setzung der Partikel und Artikel verändert (mit der Tendenz, die Letz-

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Für die relative Güte der Handschriften spricht im Übrigen der Vergleich mit der indirekten Tradierung durch die frühen Kirchenväter. Ein Vergleich zwischen der Eusebius- und Arethas-Überlieferung zeigt in seinem Ergebnis, sieht man von den normalen Varianten ab, ein bemerkenswertes Maß an Konvergenz.110 Auch die Clemens-Überlieferung, die allerdings weniger Material bietet, weist nur vergleichsweise geringe Abweichungen auf. Bei den wenigen zu verzeichnenden Fällen stimmt sie in geringerer Anzahl mit den Arethas-Abschriften gegen Euseb, häufiger allerdings mit Euseb gegen den Arethas-Codex* überein. Insgesamt ergibt sich für die Tatianüberlieferung das folgende Stemma:

teren zu vermehren), bisweilen das Simplex für das Kompositum verwendet, die Gesetze der Elision strenger beachtet. Anzahl und Art der Varianten lassen den Schluss zu, dass es sich insgesamt um einen sehr sorgfältigen und nicht unkundigen Schreiber handelt. Für das Verhältnis von A und dem Mutinensis (M) konnten Rückschlüsse insbesondere anhand des Vergleichs der beiden gemeinsamen Clemensschriften gezogen werden (vgl. Harnack, S. 47–50). Es ergibt sich folgendes Bild: Auch M ist eine treue Reproduktion von A, auch gröbere Schreibfehler in der Vorlage werden häufig übernommen. Die Abweichungen teilen sich auf wenige Abschreibefehler und absichtliche, allerdings nicht immer sachgerechte Korrekturen auf. Wo die Vorlage einen sprachlich guten und einwandfreien Text bietet (z.B. in den Scholien), ist die Anzahl der Abweichungen minimal. Für das Verhältnis von A und dem Marcianus (Ma) ergeben sich Rückschlüsse aus dem Vergleich der fünf Bücher der Praeparatio evangelica Eusebs (vgl. Harnack, S. 61–65). Demnach geht Ma ein wenig freier mit der Vorlage um als P und M, doch ohne sie zu verunstalten. Es handelt sich um eine gelehrt rezensierte Handschrift, die im Interesse der Deutlichkeit und Folgerichtigkeit Worte umstellt, kleinere Änderungen bei Artikeln und Partikeln vornimmt, Verbal- und Nominalformen mitunter leicht korrigiert (häufig sog. „gelehrte“ Verbesserungen), bisweilen andere Worte als die Vorlage einsetzt (manchmal als Verschreibung, manchmal als absichtliche Korrektur) und insbesondere geläufigere Ausdrücke anstelle von ungewöhnlicheren setzt. 110 In diesem Lichte erscheint die Schwartz’sche Prämisse, dem Euseb habe ein minderwertiges, defektes Tatianexemplar vorgelegen, nicht nachvollziehbar. Der von Schwartz postulierte korrupte Text müsste gleichermaßen sowohl dem Bischof Arethas als auch dem Euseb vorgelegen haben. Das bedeutet, dass die angebliche Kontamination schon in sehr früher Zeit, gleichsam in den ersten Jahrzehnten nach Tatian, stattgefunden hätte und gleichzeitig beide Überlieferungsstränge vom selben verderbten Exemplar abhängig gewesen sein müssten. Wenn dem so wäre, fehlte nicht viel daran, die konzedierten sprachlichen Härten – dies wäre dann wahrscheinlicher und wesentlich naheliegender – gleich auf Tatian selbst zurückzuführen. Eine ästhetisierende Emendation scheint vor diesem Hintergrund nicht angezeigt.

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[1] Hist. eccl. 4,16,8 = or. 19; praep. ev. 10,11,1–5 = or. 31; 10,11,6–36 = or. 36–42. [2] Strom. 1 enthält einzelne Passagen aus or. 1.31.36–39 und 42. [3] Fol. 238r des cod. Mutinensis enthält ein zweites Mal den Schluss der oratio [ab 41,6 (xro )nvn te bis 42,2 Ende].

Zur deutschen Textgestalt Die hiesige Übersetzung folgt dem Prinzip und Leitgedanken der Wirkungsadäquanz: Der deutsche Text, so der prinzipielle Anspruch, soll auf den vorgebildeten heutigen Leser ähnlich wirken wie der griechische Text auf den antiken Leser der Schrift. Dem letztlich nicht erfüllbaren Ideal wird insofern nachgeeifert, als einerseits Texttreue ohne Sinnveränderung, andererseits Lesbarkeit in der Zielsprache angestrebt wird. Bei nicht auflösbaren Konfliktfällen wurden – als das kleinere Übel – eher Einbußen bei der Lesbarkeit hingenommen und damit sprachliche Härten, um die sich auch ein Tatian nicht sonderlich schert,111 gewissermaßen reproduziert. 111

Mit Recht wird Tatian von Otto (S. VII) als der omnium longe difficilimus graecorum apologetarum bezeichnet. Man könne ihn einen Heraclitum redivivum oder einen Tertullianum assyrium nennen. – Zu Sprache und Stil Tatians vgl. insbes. die Untersuchungen von C.L. Heiler, De Tatiani Apologetae dicendi genere, Diss. Marburg 1909; A. Puech,

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Es ist ein großes Glück, dass zur oratio Tatiani eine ausgeprägte Übersetzungstradition existiert. Die erste lateinische Übersetzung von Conrad Gesner (1546), eine sprachlich elegante, aber ungenaue Version, wurde sukzessive – namentlich durch Worth und Maranus – verbessert und fließt letztlich in die Endgestalt bei von Otto ein. Eine deutsche Übersetzung liefert Valentin Gröne für die erste Auflage der Bibliothek der Kirchenväter im Jahre 1872. Dass er bei seiner Interpretation an die lateinischen Vorarbeiten anknüpft, ist offensichtlich. Einen eigenständigen Text, laut eigenen Angaben nach mehrjährigen Überlegungen und Studien, bringt Adolf Harnack 1884 zu Papier. Sprachlich hochwertig spiegelt er die Kenntnisse und den Stand der Forschung seiner Zeit. Dass diese wertvolle Interpretationsleistung kaum rezipiert wurde, liegt wohl am abgelegenen Ort der Veröffentlichung und am äußeren Erfolg der nächsten deutschen Übersetzung. Richard Cornelius Kukula wird die Aufgabe übertragen, die deutsche Übersetzung für die zweite Auflage der Bibliothek der Kirchenväter zu liefern. Sie erscheint 1913 und ist bis heute die gemeinhin gebräuchliche. Sie schreibt immer wieder wörtlich den Harnack’schen Text ab. Wo sie von ihm abweicht, halten sich Rück- und Fortschritt die Waage. Mitunter ist sie – wie auch der zugrundegelegte griechische Text – von Eigenwilligkeiten geprägt, die oft ungeprüft in die Sekundärliteratur eingegangen sind. Sprachlich genügt sie nach einhundert Jahren den modernen Standards nur noch bedingt. Der in dieser Ausgabe gebotene deutsche Text basiert auf einer nach den neuesten Erkenntnissen (s.o.) erstellten griechischen Textgestalt. Auf dieser Grundlage ist die Übersetzung zunächst unabhängig entstanden, hat die lateinischen, deutschen, englischen, französischen und italienischen Vorgängerarbeiten jedoch sorgfältig geprüft und verglichen. Gutes und Bedenkenswertes war – in unterschiedlich reichem Maße – überall zu finden. Vor allem waren es, dies sei hier zugegeben, neben der Harnack’schen Version die Übersetzungen von Aime´ Puech (1903) und Salvatore di Cristina (1991), insbesondere aber die sehr solide und texttreue Arbeit von Molly Whittaker (1982), die entscheidende Anregungen lieferten. So hoffen wir, in dem hier vorgelegten deutschen Text gleichsam das Beste aus der Übersetzungs- und Interpretationsarbeit der letzten (fast) 500 Jahre vereinigt zu haben. Dies war jedenfalls das mit aller Intensität verfolgte Ziel.

Discours, S. 14–36; E.F. Osborne, Discourse, S. 29–51.214–217; L. Leone, Artificio e spontaneita` nello stilo taziano, in: Rendiconti dell’Accademia di Archeologia di Napoli 37, 1962, S. 5–28.

4. Aufbau und Struktur der Schrift

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4. Aufbau und Struktur der Schrift „Die ,Rede‘ Tatian’s ermangelt der planmässigen Anordnung im Grossen und Ganzen nicht, lässt aber nicht selten die ruhige Entwicklung der angefangenen Gedankenreihen vermissen.“ Mit diesen Worten Adolf Harnacks aus dem Jahre 1884112 ist die strukturelle Eigenheit der Schrift exakt beschrieben. Die Makrostruktur der oratio ist in der Tat gut nachvollziehbar und vergleichsweise klar geordnet. Innerhalb der großen Abschnitte jedoch sind die inhaltlichen Abschweifungen, die krassen Gedankensprünge, die häufig nur auf Stichwortassoziation beruhenden Einschübe so zahlreich, dass man sich wundern und dies geradezu als eine Leistung ansehen muss, dass der Autor trotz aller Um- und Seitenwege immer wieder zu seiner urspünglich eingeschlagenen Bahn, dem einmal gewählten Thema, zurückfindet.113 Manchmal ist man versucht, eine äußere Kontamination der Schrift anzunehmen, wenn beispielsweise – ein besonders frappierender Fall – der Altersbeweis in Kap. 31 begonnen, danach jäh abgebrochen und erst in Kapitel 36 mit stilistisch hartem Einsatz fortgeführt wird. Man könnte also daran denken, dass das Kapitel 31, welches sich aus dem jetzigen Kontext gut lösen lässt, ursprünglich nach Kapitel 35 stand. Auf der anderen Seite wird man mit eingreifender Literarkritik, die man an so manchem anderen Text bedenkenlos vornehmen würde, vorsichtig sein. Denn einem Autor, der seinem Leser auch an vielen anderen Stellen wenig elegante Übergänge zumutet,114 ist selbst dieser eklatante Stil- und Formbruch durchaus zuzutrauen.115 112

A. Harnack, Tatian’s Rede an die Griechen übersetzt und eingeleitet, in: Gießener Ludwigstagsprogramm, Gießen 1884, S. 8. Ähnlich urteilt Ponschab, Rede, S. 17: „Der Gedankengang selbst ist ein wohl geordneter; aber allenthalben veranlasst die Leidenschaft unseren Redner zu kleineren oder größeren Abschweifungen, nach denen aber der Redner wieder zur Sache zurückkehrt.“ 113 Treffend die Beschreibung bei P. Ubaldi (Taziano, Il discorso ai greci, Turin 1921), der die eigenwillige Anordnung und Darbietung des Stoffes auf die Leidenschaft und den lebhaften Charakter Tatians zurückführt (S. XV-XVI): „E` l’ardenza del sentimento e la vivacita` direi quasi di un poeta lirico, accoppiata alla lucidezza di un forte e profondo pensiero filosofico, quello che domina tutto il Discorso. La rapidita` dei passaggi da un pensiero all’altro, le connessioni appena accenate, l’insistenza e il ritorno quasi improvviso su un concetto poco prima, o molto prima, espresso, dipendono appunto dalla passionalita` e vivacita` dello scrittore“. Vgl. neuerdings auch D. Karadimas (Rhetoric, S. 9) zur fehlenden Kohärenz der Gedankengänge Tatians; H.R. Drobner (Patrologie, S. 125) sieht die Exkurse als „Anmerkungen“ an, die die Hauptpunkte erläutern sollen; P. Foster (Tatian, S. 109f) hält das Werk für „spontaneous rather than planned“. 114 Dazu bereits J.M. Fuller, Tatianus, Sp. 784/2. 115 Paul Fiebig (Zur Frage nach der Disposition des lo gow proÁ w ÏEllhnaw des Tatian, in: ZKG 21, 1901, S. 158), der Tatian grundsätzlich sehr wohlwollend beurteilt, er-

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I. Werkeinführung

Tatian beginnt seine oratio mit einer wirkungsvollen Einleitung (Kap. 1–4). Ohne sich mit rhetorischen Umständlichkeiten aufzuhalten, steuert er geradewegs auf sein zentrales Motiv und Anliegen zu: die Diffamierung der heidnisch-griechischen Kultur. Dass der polemische Angriff die beste Verteidigung der eigenen Position darstelle, gehört offenbar zu den Grundüberzeugungen des streitbaren Autors. In einem verbalen Rundumschlag werden insbesondere die griechischen Philosophen der Lächerlichkeit preisgegeben (Kap. 2–3). In der Regel wird ein jeder der großen Denker durch eine kurze Anekdote oder höhnische Bemerkung moralisch disqualifiziert. Es folgt eine kurzgefasste Apologie der eigenen religiösen Überzeugung (Kap. 4), bei der nicht unbedingt eine aktuelle, aber doch die grundsätzliche Verfolgungssituation, in der sich das Christentum im Imperium befindet, erkennbar im Hintergrund steht. Die Einleitung, die gut und trennscharf vom Hauptteil geschieden werden kann,116 endet mit dem programmatischen Satz: „Doch werde ich nun unsere Lehren deutlicher darlegen.“ Der Hauptteil lässt sich in zwei Großabschnitte gliedern. Während der erste Teil (Kap. 5–20) getreu der Ankündigung die grundlegenden Lehren des Christentums entfaltet, ist der zweite Teil (Kap. 21–41) dem Vergleich dieser Lehren mit der heidnischen Anschauung und Praxis gewidmet.117 Jeder dieser beiden Teile der oratio zerfällt wiederum in vier Unterabschnitte. Im ersten Fall ist eine klare Struktur zu erkennen: Die christliche Dogmatik wird im ontologischen Sinne gleichsam „von oben nach unten“ expliziert, indem zunächst der Schöpfergott selbst im Zentrum der Aussagen steht (Kap. 5–7), danach die zwar subordinierten, aber ewig existierenden Dämonen besprochen werden (Kap. 8–11), bevor kennt einen Sinn in der eigentümlichen Anordnung: „Die Absicht dabei ist klar: die historische Aufzählung hätte ohne diese Unterbrechung leicht ermüdend wirken können. (...) Die bewußte Zurücklenkung zum Thema zeigt, wie planvoll Tatian schreibt.“ Dies ist nicht plausibel. Der sieben Kapitel umfassende Altersbeweis wird im Verhältnis 1:6 geteilt! Stattdessen macht W. Bornstein (Zu Tatians lo gow proÁ w ÏEllhnaw , in: ZKG NF 7 [44], 1925, S. 62) die bemerkenswerte Beobachtung, dass Tatian offensichtlich von Josephus’ Schrift ProÁ w toyÁ w ÏEllhnaw abhängig ist, wo ab Kapitel 15 ein sehr ähnlicher – allerdings sachlich besser begründeter – Aufbau vorherrsche. 116 So auch P. Fiebig (Disposition, S. 150); H. Dembowski (Quellen, S. 15), A. Harnack (Gießener Programm, S. 8) und neuerdings B. Pouderon (apologistes grecs, S. 181) trennen die Einleitung – u. E. unzutreffend – bereits nach Kap. 3 ab. Ponschab (Rede, S. 17f) sieht den Einschnitt – ohne argumentative Untermauerung – mitten im Kap. 4, unmittelbar nach dem Zitat aus 1 Petr 2,17; so auch J. Bludau, Tatian, Sp.1237, und R.C. Kukula, „Altersbeweis“ und „Künstlerkatalog“, S. 18. 117 Gegen Fiebig (S. 153) und Ponschab (S. 19), die Kap. 21 zum vorhergehenden Abschnitt ziehen. Dembowski und Harnack stellen das Kapitel 21 ebenfalls zum nachfolgenden Abschnitt des Hauptteils der oratio.

4. Aufbau und Struktur der Schrift

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Tatian die Lehre über die Seele (Kap. 12–15a) entfaltet und zum Abschluss mit seinen anthropologischen Betrachtungen (Kap. 15b–20) gänzlich im Bereich des Irdischen angelangt ist. Die Übergänge vom einen zum anderen Abschnitt sind allerdings recht fließend und es handelt sich wohl eher um thematische Schwerpunktsetzungen, die nicht ausschließen, dass es inhaltliche „Leitfäden“ – wie zum Beispiele die Dämonologie – gibt, die sich in ständiger Rekurrenz auch durch verschiedene thematische Unterabschnitte ziehen können. Im zweiten Großabschnitt des Hauptteils verschärft Tatian seinen Ton gegen die Gegner und beginnt mit harten, denunziierenden Bemerkungen, die auf den Erweis der Minderwertigkeit der heidnisch-griechischen Kultur abzielen (Kap. 21–24). Insbesondere nimmt er hierzu die grausamen, menschenverachtenden Schauspiele und die alberne, nutzlose Bühnenkunst mit ihren lasziven Darbietungen ins Visier. Im gleitenden Übergang wird der Schwerpunkt der Vorwürfe verlagert und im darauffolgenden Abschnitt (Kap. 25–30a) insbesondere die aufgeblasene Eitelkeit und Geschwätzigkeit im Schulbetrieb der Philosophen und Rhetoren zum Thema gemacht. Der offenkundige moralische Tiefstand der paganen Welt bildet den Hintergrund, vor dem sich nunmehr (Kap. 30b–35) die hohe christliche Ethik und Sittlichkeit umso heller abhebt. Tatian spart nicht mit Schwarz-Weiß-Malerei und verzichtet gänzlich auf Zwischentöne, wenn es darum geht, auf der einen Seite die Lüge, auf der anderen die überlegene Wahrheit zu positionieren. Den Abschluss (Kap. 36–41) bildet der gut strukturierte Abschnitt über den Altersbeweis, dem bereits in Kap. 31 vorgearbeitet wurde. Mit großem theoretischen Aufwand wird die zeitliche Priorität des Mose bewiesen und das Gesamtwissen der heidnisch-griechischen Kultur – je nach Wahrheitsgehalt – entweder als Plagiat oder aber plumpe Fälschung abgetan. Den Abschluss der oratio (Kap. 42) bilden einige wenige autobiographische Bemerkungen, verbunden mit der Aufforderung, die Lehren des Konvertiten Tatian, der nun von Gott als auch seiner Schöpfung umfassende Kenntnis besitze, einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Über Einzelheiten der Disposition, insbesondere die Abtrennung der Unterabschnitte, wird man im Einzelfall diskutieren und angesichts der häufig mehrschichtig verlaufenden Gedankenstränge je nach Schwerpunktsetzung auch zu abweichenden Ergebnissen gelangen können. Denn Tatian liebt es, kürzere oder längere Exkurse einzuschalten, die in einem ungeklärten Zusammenhang mit dem jeweiligen Oberthema stehen. Der große Plan und Aufriss der Schrift steht allerdings klar vor Augen. Für den Gesamtzweck der Schrift, einer Apologie, erschien es dem Autor offenbar günstig, zunächst das Christentum selbst in seiner grundlegenden Dogmatik systematisch und im Zusammenhang darzustellen. Die Kohärenz

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I. Werkeinführung

und Plausibilität der „barbarischen Lehren“ mussten über jeden Zweifel erhaben sein. Erst vor dieser Folie – so das Kalkül des Autors – würde sich die Widersprüchlichkeit, Unvernunft und Verwerflichkeit der heidnischgriechischen Kultur umso erbärmlicher ausnehmen, vor allem dann, wenn auf die manifesten Unterschiede in der praktisch-ethischen Umsetzung hingewiesen würde. Apologie bedeutet für Tatian nicht ein demütiges Bitten um Verständnis und Gnade in der Beurteilung, sondern strategisch gut vorbereiteter Angriff und Invektive: Je lächerlicher, abstruser, dümmer und frevelhafter der Gegner erscheint, desto unangreifbarer, edler und göttlicher erstrahlt die Wahrheit der eigenen Lehre. I Einleitung (1–4) 1. Die wichtigen Erfindungen der Barbaren (1a) 2. Die fragwürdige Redekunst der Griechen (1bc) 3. Die Scheinheiligkeit und Uneinigkeit der Philosophen (2–3) 4. Der Gott der Christen (4) II Hauptteil (5–41) 1. Die Grundlehren des christlichen Glaubens (5–20) a) Schöpfung und Eschatologie (5–7) a ) Gott und der Logos; die Weltschöpfung (5) b) Die Auferstehung und das Gericht (6) g ) Die freie Selbstbestimmung der Engel und Menschen (7a) d) Die Verstoßung des Erstgeborenen (7b) b) Dämonologie (8–11) a ) Die Verführung der Menschen durch Dämonen (8ab) b) Die Widersprüche bei den Dämonen/Göttern (8cd) g ) Die Dämonen als Schicksalsmächte (9a) d) Astronomisch-mythologische Ungereimtheiten (9b–10) e) Die Verachtung weltlicher Güter (11) c) Psychologie (12–15a) a ) Seele, Geist und Materie (12) b) Fall und Aufstieg der menschlichen Seele (13–14a) g ) Der ewige Tod der Dämonen (14b) d) Die vielteilige Seele als Band des Körpers (15a) d) Anthropologie (15b–20) a ) Der Mensch als Gleichnis Gottes (15b) b) Die Einwirkung der Dämonen auf die Menschen (15c–16) g ) Die Magie als dämonische Macht (17) d) Die Heilmittelkunst als dämonische Macht (18) e) Exkurs: Die Nachstellungen des Crescens (19a)

5. Die Theologie Tatians

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z) Die Weissagekunst als dämonische Macht (19b) h) Der Aufstieg in die himmlischen Welten (20)

2. Der Vergleich von Christen- und Heidentum (21–41) a) Die Minderwertigkeit der heidnischen Kultur (21–24) a ) Die anthropomorphen Göttergestalten (21) b) Die Fragwürdigkeit des Theaters (22) g) Die mörderischen Gladiatorenspiele (23) d) Die nutzlosen musischen Künste (24) b) Die Fragwürdigkeit des heidnischen Schulbetriebs (25–30a) a ) Die Widersprüche bei den griechischen Philosophen (25) b) Unkenntnis und Geschwätz der Rhetoriklehrer (26–27) g) Die Uneinheitlichkeit der Gesetzgebung (28) d) Die überlegene Einsicht und Bekehrung Tatians (29–30a) c) Die heidnische und die christliche Ethik (30b–35) a ) Die moralische Überlegenheit der Christen (30b) b) Vorausschau auf den Altersbeweis (31) g) Keine Ausgrenzung bei den Christen (32) d) Die sittenlosen Kunstwerke der Griechen (33–34) e) Das glaubwürdige und überlegene Wissen Tatians (35) d) Der Altersbeweis (36–41) a ) Einleitung zum Altersbeweis (36a) b) Das Zeugnis der Chaldäer (36b) g) Das Zeugnis der Phönizier (37) d) Das Zeugnis der Ägypter (38) e) Das hohe Alter des Mose (39) z) Die Plagiat- und Fälschungsthese (40) h) Mose ist älter als die vorhomerischen Autoren und die Weisen (41) III Schluss: Aufforderung zur Prüfung der Lehren des Konvertiten Tatian (42)

5. Die Theologie Tatians a) Schöpfungslehre In seiner Lehre über den Schöpfer lässt Tatian keinen Zweifel an der unbedingten Transzendenz seines Gottesbegriffes.118 Gott ist für mensch118 M. Whittaker, Art. „Tatian“, in: New Catholic Encyclopedia, S. 765: „The most striking feature of his theology is his emphasis of the transcendence of God.“

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I. Werkeinführung

liche Augen nicht erkennbar und überhaupt der menschlichen Erkenntnis nicht zugänglich. Mit den typischen Termini einer negativen Theologie, die namentlich an Philo und die entrückte mittelplatonische Gottesvorstellung erinnert, werden dem Schöpfergott alle Kennzeichen des Irdischen konsequent abgesprochen. Gott ist körperlos und nicht berührbar (aÆnafhÂw), unsichtbar (aÆoÂratow), auf keine Weise und mit keinem „Mittel“ fassbar (oyÆ teÂxnhì perilhptoÂw).119 Tatian zieht eine scharfe Trennlinie zwischen dem Schöpfergott und der von ihm geschaffenen Kreatur. Während die hiesige Welt in den Koordinaten von Raum und Zeit existiert, befindet sich Gott als immaterieller, reiner Geist (pneyÄma oë ueoÂw) außerhalb derselben. Im betonten Gegensatz zur Stoa handelt es sich nicht um einen Gott, der in räumlicher Ausdehnung die Materie durchwaltet (oyÆ dihÂkvn diaÁ thÄw yÏlhw), noch ist der, der allein keinen Anfang besitzt (moÂnow aÍnarxow), an zeitliche Parameter gebunden. Sein Ursprung liegt nicht in der Zeit (oyÆk eÍxei syÂstasin eÆn xroÂnvì).120 Dennoch ist Gott keine unbekannte Größe. Tatian lehrt die natürliche Gotteserkenntnis, die dem Menschen mittelbar durch die Betrachtung der Schöpfung zuteil wird. Gott selbst ist unfassbar, aber dennoch – in paradoxer Weise – in seinen Schöpfungswerken begreifbar.121 Mit und in der Kreatur wird das an sich Unsichtbare sichtbar gemacht: toÁ aÆoÂraton toiÄw poih masi katalambanoÂmeua.122 Gott ist nicht gänzlich verborgen. Als der anfangslose Anfang aller Dinge, als der unsichtbare Vater des Sichtbaren, als der immaterielle Schöpfer der Materie ist er – gleichsam via negationis123 – der Erkenntnis des gläubigen Menschen zugänglich.124 Trotz seines unendlichen Abstandes zur Welt ist er dennoch nicht, wie mitunter im zeitgenössischen Platonismus, jenseits des Seins. Eine hyperontische Lokalisierung findet man bei Tatian nicht. Im Gegenteil: Gott ist „das Sein selbst“ (ayÆtoÁ toÁ oÍn).125 119

Or. 4,2f. Or. 4,3. 121 W. Pannenberg (Die Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffs als dogmatisches Problem der frühchristlichen Theologie, a. a.O., S. 17) entwickelt u. a. von dieser Tatian-Stelle (or. 4,3) her seine zentrale These, dass alle Apologeten (auch die philosophie-feindlichen wie Tatian) sich den griechisch-philosophischen Gottesbegriff, der „methodisch“ durch Rückschluss vom Vorhandenen auf eine göttliche Ursache entstanden sei, zwar äußerlich angeeignet, diesen aber nur unzureichend mit der jüdisch-christlichen Gottesoffenbarung verbunden hätten. 122 Or. 4,3. 123 Eine aufschlussreiche Aufstellung der tatianischen Gottesprädikate, die mit sog. alpha privativum beginnen, gibt R. Hanig, Vergleich, S. 62, Anm. 116. 124 Or. 4,3. 125 Or. 15,4. 120

5. Die Theologie Tatians

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Die Erschaffung der materiellen Welt ist bei Tatian unmissverständlich und mit klaren Worten dargestellt. In strenger Vermeidung eines Prinzipiendualismus wird der Materie das göttliche Attribut der Anfangslosigkeit abgesprochen: „Denn weder ist die Materie anfangslos wie Gott, noch ist sie an sich – etwa aufgrund ihres fehlenden Anfangs – gleichmächtig wie Gott; sie ist geworden und zwar von keinem anderen geschaffen als von dem, der sie als der alleinige Schöpfer der Dinge hervorbrachte.“126 Damit lehrt Tatian faktisch die creatio ex nihilo, auch wenn er dies nicht explizit, wie beispielsweise Theophilos,127 ausspricht. Tatian betont aber ausdrücklich: „Der Herr aller Dinge, welcher selbst der Grund des Alls ist, war zu der Zeit, da es noch keine Schöpfung gab, allein (kataÁ thÁ n mhdeÂpv gegenhme nhn poiÂhsin moÂnow hËn ).“128 Wenn der Schöpfer vormalig allein war und die Materie nicht etwa aus Gott selbst „herausgeflossen“ ist – der Gedanke einer derartigen Emanation ist in der oratio nicht nachweisbar –, bleibt schlechterdings nichts anderes übrig, als dass die Welt aus dem Nichts ins Dasein gehoben wurde.129 Die Entstehung des Kosmos vollzieht sich nach Tatian in zwei Stufen. Die creatio prima, um eine spätere Systematik zu bemühen, geschieht daÄì) zunächst die durch, dass Gott, und zwar durch sein Wort, sich (eëaytv Materie als solche schafft, gewissermaßen als den grundlegenden Baustoff seiner Schöpfung.130 Diese muss man sich, wie Tatian wenig später mitteilt, als gestaltlos (aÍpoion) und ungeformt (aÆsxhmaÂtiston) vorstellen.131 Aus dieser amorphen Materie entsteht in einem zweiten Schritt die 126 Or. 5,7. Tatian unterscheidet sich mit dieser klaren Aussage von Justin, der die Ungeschaffenheit einer Urmaterie (vgl. Platons Timaios) zwar nicht selbst explizit vertreten, aber auch nirgends bestritten bzw. ausgeschlossen hat und sich offensichtlich an dieser Stelle „eines Gegensatzes des christlichen Glaubens zur platonischen Kosmogonie nicht bewußt war“ (Pannenberg, Gottesbegriff, S. 19); vgl. Iustinus, 1 Apol. 10,2; 59,1–6; 67,8; dazu J.M. Pfättisch, Der Einfluß Platos auf die Theologie Justins des Märtyrers, Paderborn 1910, hier: S. 93–103; M. Elze, Tatian, S. 80; E.F. Osborne, Discourse, S. 114–116. 127 Theophilos betont die Tatsache, dass die Schöpfung Gottes eÆj oyÆ k oÍntvn geschehen sei, wiederholt und mit allem Nachdruck; siehe z.B. Ad Autol. 1,4: taÁ pa nta oë ueoÁ w eÆ poi hsen eÆ j oyÆ k oÍ ntvn eiÆ w toÁ eiËnai. Vgl. auch ibid. 1,8; 2,4.10.13. 128 Or. 5,1. 129 Ähnlich schon J. Feuerstein, Anthropologie, S. 23. Auch wenn Tatian in 5,7 und in 12,2 formuliert, die yÏlh sei probeblhme nh (sc. vom Demiurgen), so ist dieser Ausdruck keineswegs im Sinne einer gnostischen Emanationslehre zu verstehen. Richtig hierzu M. Elze, Theologie, S. 84: „Gerade seine Kosmologie ist ganz ungnostisch, und dagegen kann nicht geltend gemacht werden, daß er an dieser Stelle mit dem Begriff proba llesuai den Terminus der Gnostiker für die Emanationen aufgenommen habe.“ 130 Or. 5,6. 131 Or. 12,2.

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I. Werkeinführung

Schöpfung (poiÂhsiw) im eigentlichen Sinne.132 Die creatio secunda besteht darin, dass das „Rohmaterial“, die sogenannte aÆkoÂsmhtow yÏlh, nunmehr geordnet wird.133 Durch Teilung und Unterscheidung (diaÂkrisiw), gewissermaßen durch eine innere Differenzierung (hë eÆn ayÆthÄì diaiÂresiw) wird die Materie zu einem Kosmos im wahrsten Sinne des Wortes: „Durch diese Teilung existiert nun ein Himmel aus Materie und die Sterne an ihm; und die Erde und alles, was man auf ihr sieht“.134 Die auf diese Weise geschaffene Welt ist in allen ihren Einzelteilen „gut hergerichtet und wohlgeordnet“ (kekosmhmeÂnon kaiÁ eyÍtakton).135 Zur Materie hat Tatian, wie sich noch zeigen wird, ein ambivalentes Verhältnis. Doch zunächst hält er daran fest, dass die materielle Welt als Schöpfung Gottes, und zwar im physischen Sinne, als uneingeschränkt gut zu gelten hat. Die Welt ist als Einheit zu begreifen. Aufgrund ihres einheitlichen göttlichen Ursprungs eignet der Materie in all ihren Erscheinungsformen prinzipiell dasselbe Qualitätsmerkmal.136 Dennoch existieren innerhalb der Schöpfungswerke Unterschiede. Tatian formuliert sorgfältig und in jeder Hinsicht abwägend, wenn er zu dem Schluss gelangt, dass „das eine schöner ist, das andere an sich (ayÆtoÂ) auch schön, nur im Vergleich zu etwas Besserem geringer.“137 Damit führt er den Gedanken der Relationalität ein. Der prinzipiellen Güte (in absoluter Sichtweise) entsprechen verschiedene Qualitätsstufen. Ein ungünstiges Urteil über eine Kreatur ist lediglich im Binnenvergleich (relative Sichtweise) statthaft. Die Welt wird – in Anlehnung an stoisches Gedankengut138 – mit dem Bau eines menschlichen Körpers verglichen, in dessen staunenswerten „Mikrokosmos“ ebenfalls Teile von unterschiedlichem An- und Aussehen (doÂja) existieren. Wie nun der menschliche Organismus in seiner inneren Differenziertheit eine zuhöchst planvolle, harmonische Einheit (miÂa oiÆkonomiÂa ) offenbart, so hat auch das Weltgebäude nach dem Willen des Schöpfers teils mehr, teils weniger herrliche Bestandteile erhalten.139 132 Der Ausdruck poi hsiw steht bei Tatian für die Gesamtschöpfung, gewissermaßen das Endprodukt aus den beiden Schöpfungsakten; vgl. die beiden Kernstellen or. 5,5f und 12,2. 133 Or. 5,5. 134 Or. 12,2. 135 Ibid. 136 Die gemeinsame Herkunft alles Materiellen (koinhÁ pa ntvn ge nesiw ) garantiert im gesamten Kosmos ein und dieselbe „Beschaffenheit“ (thÁ n oëmoi an sy stasin ); vgl. or. 12,2. Siehe dazu Elze, Theologie, S. 86. 137 Or. 12,3. 138 Zum Weltall als Lebewesen vgl. insbesondere die Ausführungen des Stoikers Balbus in Ciceros 2. Buch De natura deorum (passim); vgl. auch Philo, De opif. mundi 146; De plant. 28; Aristides, Apol. 7,1. 139 Ibid.

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Mehrfach betont Tatian, dass die Schöpfung in ihrer Anlage gut ist und a priori nichts Schädliches enthält.140 Dennoch – dies ist das Paradoxon – kann die an sich unschädliche Materie dem Menschen schaden. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Mensch falschen Gebrauch von ihr macht. Wenn der Mensch der Materie einen Platz zuweist, der ihr nicht zukommt, sie vergöttert oder auf andere Weise ungebührlich erhöht, dann ist nicht etwa die von Gott geschaffene Materie schlecht, sondern der Mensch, der sich willentlich für das Niedrige entscheidet, obwohl er für Höheres bestimmt ist.141 Ein malum physicum existiert nicht, das Schlechte in der Welt ist ausschließlich ethischer Natur und von den Menschen selbst verursacht.142 Gegen jeden (stoischen) Determinismus wird die freie Selbstbestimmung des Menschen gesetzt. Mit Tatians Worten: „Unser freier Wille hat uns verdorben.“143 – „Gott hat nichts Schlechtes erschaffen, wir haben die Schlechtigkeit hervorgebracht.“144 – „Wenn aber in der Schöpfung etwas Schädliches ist, dann ist dieses durch unsere Sünde hineingeraten.“145 In den Kategorien seiner Schöpfungslehre spricht Tatian auch von der Auferstehung des Menschen am Ende aller Tage. Gegen die Platoniker betont er die Leiblichkeit der Auferstehung, explizit gegen die Stoiker die Einmaligkeit der Auferstehung.146 Wie der Mensch vor seiner Geburt nicht existierte oder gar ein Bewusstsein besaß, wie er nur stofflich-potentiell (eÆn yëpostaÂsei) in der irdisch-materiellen Substanz vorhanden war, so wird er auch nach seinem natürlichen Tode nicht mehr existieren und unsichtbar sein, sich gleichsam wieder in Materie auflösen.147 Bei der leiblichen Auferstehung, und zwar nach der Vollendung aller Dinge (metaÁ thÁ n tv Ä n oÏlvn synte leian ), wiederholt sich nunmehr der einstige Schöp140

Or. 11,4; 17,6; 19,4 und 10. Tatian äußert diesen Gedanken in unterschiedlichen Nuancierungen sehr häufig. Vgl. or. 4,4; 12,5f; 17,5; 18,1.4; 19,1; 20,1; die Stelle or. 15,8, wo Materie (yÏlh ) und Schlechtigkeit (ponhri a) nahezu identifiziert werden, ist im Übrigen kein Gegenbeispiel. Hier muss die spezifische Dämonologie Tatians beachtet werden: Die Dämonen, die sich ebenfalls wie die Menschen für das Niedrige entschieden haben, benutzen die Materie im Kampf gegen die Menschen; erst dadurch erhält diese ihre schädliche Wirkung; vgl. z.B. or. 16,6; 17,4ff. 142 Tatian steht mit dieser Haltung nicht allein. Vgl. richtig M. Spanneut (Le Stoı¨cisme des pe`res de l’e´glise, Paris 1957), S. 366: „Aucun Pe`re n’a condamne´ la matie`re en elle-meˆme, comme œuvre du de´mon. Pas meˆme le violent Tatien. La matie`re n’est mauvaise que sur le plan moral, par l’usage qu’on en fait.“ 143 Or. 11,4. 144 Ibid. 145 Or. 19,10. 146 Vgl. or. 6,1. 147 Or. 6,3. 141

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fungsakt, wie er auch zu Beginn dieser Welt sich vollzog: Die unsichtbare Materie des Menschen, die zwar im Kosmos verteilt, aber für Gott noch immer sichtbar ist, dient als die materielle Grundlage für eine Neuschöpfung. Erneut wird der Mensch von der Nichtexistenz in die Existenz gehoben, wird gleichsam neu geboren und erhält, wie Tatian ausdrücklich betont, auch das Bewusstsein seiner Existenz.148 Auch die neue, ewige Welt beschreibt Tatian – keineswegs metaphorisch – in enger Analogie zur Ä new oië kreiÂttonew ) irdischen: Die sogenannten „besseren Welten“ (aiÆv befinden sich oberhalb des sichtbaren, begrenzten Himmels, sie kennen keinen Wechsel der Jahreszeiten und es herrscht ein immerwährendes mildes Klima149 bei ununterbrochenem Tageslicht. Die Präsenz Gottes ist nunmehr sichtbar, nämlich in einem „Lichtglanze, dem sich die hiesigen Menschen nicht nähern können.“150 b) Logosspekulation Der Logosbegriff Tatians ist ein kompliziertes Konstrukt. Zum einen leitet Tatian ihn bewusst aus der Tradition her, wie er sie vor allem durch seinen Lehrer Justin in der Interpretation der einschlägigen Schriftstellen (Gen 1; Sap 8f; Joh 1) kennt.151 Zum anderen ist er bemüht, sein Logosverständnis 148

Or. 6,3f. Vgl. als Parallele Past. Hermae, sim. 4,2: „ ... denn die zukünftige Welt ist Sommer für die Gerechten, aber Winter für die Bösen.“ 150 Or. 20,4. 151 Zur Logoslehre Justins vgl. insb. B. Studer, Der apologetische Ansatz zur LogosChristologie Justins des Märtyrers, in: Kerygma und Logos. FS Carl Andresen, Göttingen 1979, S. 435–448; M.J. Edwards, Justin’s Logos and the Word of God, in: Journal of Early Christian Studies 3 (1995), S. 261–280. – Dass die Logoslehre Tatians im Wesentlichen mit derjenigen Justins übereinstimme, ist vor allem in der älteren Literatur weitgehender Konsens. Vgl. H. Hagemann, Die Römische Kirche und ihr Einfluß auf Disziplin und Dogma in den ersten drei Jahrhunderten, Freiburg i. Br. 1864, S. 113 („Jedenfalls stimmen sie in der Hauptfrage der damaligen Zeit, in der Lehre vom Logos, mit einander fast vollständig überein“); A. v. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte. Band 1, S. 533, Anm. 2 („Zwischen Justin, Tatian und Theophilos hat in der eigentlichen Logoslehre schwerlich eine wirkliche Differenz bestanden“); J. Lortz, Tertullian als Apologet. Bd. I, Münster 1927, S. 190, Anm. 244; W. Bousset, Kyrios Christos. Geschichte des Christusglaubens von den Anfängen des Christentums bis Irenäus, Göttingen 61967, S. 304–333; F. Loofs, Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte, Tübingen 71968, S. 90–92; E.F. Osborne, From Justin to Origen. The Pattern of Apologetic, in: Prudentia 4, 1972, S. 2–4; K. Beyschlag, Grundriß der Dogmengeschichte, Bd. 1, Darmstadt 21988, S. 117–128; A. Gilg, Weg und Bedeutung der altkirchlichen Christologie, München 1989, S. 21–31. – In der jüngeren Literatur werden zunehmend auch Unterschiede im Detail benannt. Vgl. L. Abramowski, Der Logos in der altchristlichen Theologie, a. a.O., Berlin 1992, S. 189–201; P.M. Head, Tatian’s 149

5. Die Theologie Tatians

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gegen Missverständnisse abzugrenzen, insbesondere gegen ein einseitiges stoisch-immanentes Konzept. Schließlich bringt Tatian in seiner Logosspekulation seine ureigenen theologischen Grundüberzeugungen zur Sprache. In gedrängter Kürze präsentiert Tatian einen erstaunlich großen gedanklichen Reichtum, verbunden mit einem hohen Grad der Differenzierung in den Begrifflichkeiten, und befindet sich insgesamt – die Logoslehre betreffend – durchaus auf dem theologischen Niveau seiner Zeit. Zunächst ist ein unbedingter Prinzipienmonismus für Tatian Axiom: Gott war im Anfang (eÆn aÆrxhÄì). Gott war vor der Schöpfung allein (moÂnow). Ihm eignet göttliche Einfachheit (aëploÂthw).152 Eine erste Schwierigkeit gilt es zu lösen, wenn die Überlieferung trotz der behaupteten Einzigkeit und Einfachheit Gottes von einem Logos spricht, der ebenfalls mit dem Anfang (aÆrxhÂ) assoziiert wird, ja sogar den Anfang selbst darstellt: „Ihn kennen wir als den Anfang der Welt.“ (ToyÄton Íismen toyÄ ko smoy thÁ n aÆrxh n.)153 Die Gefahr eines unreflektierten Dualismus, welcher von zwei Anfängen spricht, steht im Raum, scheint Tatian aber bewusst gewesen zu sein. Denn bei genauer Betrachtung nimmt man wahr, dass der „Anfang der Welt“ (or. 5,2) mit dem absoluten „Anfang“ (or. 5,1) bei Tatian nicht auf einer Ebene liegen. Dem Logos als der aÆrxhÁ toyÄ ko smoy , die ja bereits einen Beginn der Zeitlichkeit impliziert, ist die absolute, unabgeleitete und anfangslose aÆrxh gewissermaßen vorgeordnet. Diese aÆrxh „an sich“ kann nicht der Logos sein; denn dieser muss, wie sich noch zeigen wird, selbst erst gezeugt werden. So steht bei Tatian nicht der Logos bzw. das Wort am Anfang, sondern – dies ist seine spezifische Lösung – die „Macht des Wortes“ (dyÂnamiw loÂgoy).154 Der Begriff „Macht des Wortes“ ist für die Logosspekulation Tatians zentral. Obgleich dieser bei seinem Lehrer Justin – in der Variante Christology and Its Influence on the Composition of the Diatessaron, in: Tyndale Bulletin 43, 1992, S. 121–137; P. Hofrichter, Logoslehre und Gottesbild bei Apologeten, Modalisten und Gnostikern, a. a.O., S. 186–217; R.M. Hübner, EiÎw ueoÁ w ’IhsoyÄ w xristo w , in: Münchener theologische Zeitschrift 47, 1996, S. 325–344, insbes. S. 343; R. Hanig, Tatian und Justin. Ein Vergleich, in: Vigiliae Christianae 53, 1999, S. 31–73. 152 Cf. cap. 5. – Vgl. W. Pannenberg (Gottesbegriff, S. 33) zu den philosophischen Wurzeln der aëplo thw toyÄ ueoyÄ , welche nichts anderes als eine konsequente Fortführung der Vorstellung der Unvergänglichkeit und Ewigkeit Gottes ist, da – insbesondere seit Platon – alles Zusammengesetzte (so auch der Mensch; vgl. or. 15) wieder zerstört und damit nicht von bleibender Dauer sein kann. 153 Or. 5,2. Bereits in 5,1 betont Tatian (durch exponiertes pareilh famen ), dass es sich bei der Identifizierung des „Wortes“ (Logos) mit dem „Anfang“ um ein Faktum der Überlieferung handelt 154 Or. 5,1.

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I. Werkeinführung

dy namiw logikh – terminologisch vorgebildet ist,155 handelt es sich in der

konzeptionellen Ausformung wohl um Tatians eigene gedankliche Leistung. Betrachtet man die Referenzstellen, an denen Tatian von der „Wort-Macht“156 bzw. der „Macht des Wortes“157 spricht, so gelangt man zu dem Ergebnis, dass es sich um ein Wesen sui generis handelt. Es ist keineswegs mit dem Logos identisch; denn der Logos stammt aus der Macht des Wortes und geht gewissermaßen erst aus ihr hervor. Der himmlische Logos (loÂgow eÆpoyraÂniow) ist, wie Tatian in 7,1 unmissverständlich sagt, das pneyÄma aÆpoÁ toyÄ patroÂw und – nota bene! – der loÂgow eÆ k logikh Ä w dyna mevw. Nun könnte man auf den ersten Blick meinen, dass die Macht des Wortes mit dem Vater selbst identisch sei. Denn immerhin ist die dyÂnamiw loÂgoy als die aÆrxh bezeichnet worden (5,1) und offenbar stammt der Logos von ihr ab (7,1). Eine vollständige Identifikation ist jedoch schwierig. Der Wortlaut der anderen Belegstellen spricht eindeutig dagegen. So begründet beispielsweise der Vater das All durch (diaÂ) die Macht des Wortes.158 Und wenn Tatian später seinen Leser auffordert: „Folge der Macht des Wortes!“159, so hat er nicht primär den Vater vor Augen, wie die kontextuellen Synonyme „Kraft Gottes“ (dyÂnamiw ueoyÄ )160 und „Wort der Macht Gottes“ (loÂgow ueoyÄ dyna mevw )161 eindeutig zeigen. Es handelt sich bei der „Macht des Wortes“ bzw. der „WortMacht“ demnach um eine Art Mittlerwesen. Zieht man die spätere Systematik zu Rate, so befindet es sich exakt in der Mitte zwischen der ersten und der zweiten trinitarischen Person, wo es gewissermaßen als ein Bindeglied fungiert. Ihm eignet beinahe, wie vor allem die Stelle 7,1 insinuiert, eine hypostatische Qualität. Die Intention Tatians ist offen-

155 Vgl. Dial. 61,1: aÆrxhÁ n proÁ pa ntvn tv Ä n ktisma tvn oë ueoÁ w gege nnhke dy nami n tina eÆ j eë aytoyÄ logikh n. Dazu V.A.S. Little, The Christology of the Apologists, Lon-

don 1934, S. 189; M. Elze, Tatian, S. 74f. D. Karadimas, Rhetoric, S. 34–38, versucht eine Herleitung des Begriffs dy namiw lo goy aus der antiken Rhetorik. In dieser sei Tatian vor seiner Konversion zum Christentum gründlich geschult worden, sodass er imstande sei, sie nunmehr für seine „neue“ Philosophie und Theologie nutzbar zu machen. 156 Die Variante dy namiw logikh erscheint zweimal, nämlich in or. 5,1 und 7,1. 157 Die Variante dy namiw lo goy (mit und ohne Artikel) erscheint viermal, in 5,1; 7,3; 7,4; 18,5. Zum Unterschied zwischen den beiden Begrifflichkeiten (dy namiw logikh und dy namiw lo goy ) bei Tatian vgl. S. Di Cristina, L’idea di Dy namiw nel De Mundo e nell’Oratio ad Graecos di Taziano, in: Augustinianum 17, 1977, S. 496–499. 158 Or. 5,1. 159 Or. 18,5. 160 Or. 18,1. Justin gebraucht den Begriff „Macht/Kraft Gottes“ häufig; er ist bei ihm terminus technicus für Christus bzw. den Logos als die zweite trinitarische Person; vgl. 1 Apol. 14,5; 23,2; 32,9; 60,5; 2 Apol. 10,8; Dial. 61,1.3; 105,1; 128,2.3. 161 Or. 16,8.

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sichtlich: Die Konstruktion einer solchen „Verbindung“ rückt den Logos sehr nah an die Hypostase des Vaters heran, führt ihn unmittelbar in die höchste, absolute und transzendente Sphäre und distanziert ihn gleichzeitig in eindeutiger Weise vom stoisch-immanenten Logosbegriff. Auf der anderen Seite bleibt der Monismus gewahrt. Die ursprüngliche Einfachheit und Einzigkeit Gottes, darauf legt Tatian höchsten Wert,162 bleibt in jeder Hinsicht unangetastet.163 Die Entstehung des Wortes (= Logos) aus dem Vater wird von Tatian detailliert beschrieben.164 Es ist ein Akt der inneren Selbstdifferenzierung. Die ursprüngliche Einfachheit (aëploÂthw) entfaltet sich, indem sie durch einen göttlichen Willensakt (uelhÂmati) den Logos hervorbringt.165 Auch hier ist ein anti-stoischer Impetus mitzudenken: Die Selbstentfaltung geschieht nicht etwa aus schicksalhafter Notwendigkeit, sondern ist äußerlich unbegründet, spontan und lediglich auf den freien, autonomen Willen des Schöpfers zurückzuführen.166 Von einem Determinismus, welcher Art auch immer, findet sich bei Tatian jedenfalls keine Spur. Der Entstehungsprozess an sich wird mit verschiedenen Begriffen umschrieben. Tatian spricht von einem „Hervorspringen“ des Logos (prophdaÄn), einem „Ausgehen“ (xvreiÄn), einem „Hervorgehen“ (proeÂrxesuai), allgemein einem „Entstehen“ und „Abstammen“ (giÂgnesuai), dreimal konkret von einem „Zeugen“ (gennaÄn).167 Einmal wird der Logos als das „Werk“ (eÍrgon) des Vaters bezeichnet,168 was zunächst irritiert. Doch muss bedacht 162

Vgl. insb. or. 5,2. Dies betont in neuerer Zeit insbesondere R. Hanig (Tatian und Justin. Ein Vergleich, in: Vigiliae Christianae 53, 1999, S. 31–73). Die wichtige und sehr gründliche Arbeit gelangt zu dem Ergebnis, dass die oratio Tatiani eine Form des Monotheismus präsentiert, der in seiner äußersten Zuspitzung (Hanig spricht sogar – anfechtbar – von „Monarchianismus“) über Justins Fassung der Gottes- und Logoslehre erkennbar hinausgehe. Hanig stellt nach eingehender Untersuchung resümierend fest, dass „vor dem Hintergrund durchaus vorhandener Übereinstimmungen ... Tatian seinen Lehrer in einem wesentlichen Punkt korrigiert hat, nämlich im Gottesglauben, und daß er hierbei trotz der Rezeption des Logosgedankens eine deutliche Nähe zur monarchianischen Lehre aufweist“ (S. 72f). Einen strengen Monotheismus bei Tatian beobachten auch A. Puech, Discours, S. 54; E. Preuschen, Tatian, S. 392; J. Lortz, Monotheismus, passim; M. Elze, Tatian, S. 63 u. ö.; R.M. Grant, Doctrine, S. 22; J. Barbel, Geschichte, S. 67. 164 Hierzu ausführlich R. Hanig, Vergleich, S. 39–57. 165 Or. 5,2. 166 So auch W. Steuer, Gottes- und Logoslehre, S. 57; M. Elze, Tatian, S. 73f; L. Leone, La dottrina del Logos nel „Discorso ai Greci“ di Taziano, in: Atti della Accademia Pontaniana N.S. 11, 1961/62, S. 291f. 167 Vgl. or. 5,2–6 und 7,1. 168 Or. 5,2. 163

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werden, dass die Antithese von „Zeugen“ und „Erschaffen“ noch nicht dieselbe Zuspitzung erfahren hat, in der sie später im arianischen Streit begegnet.169 Dass Tatian hier noch sehr unbefangen formulieren kann, zeigt allein schon die Tatsache, dass er das genannte eÍrgon mit nachgestelltem Epitheton als prvtoÂtokon bezeichnet, ohne offenbar einen Widerspruch zu empfinden. Es ist bereits auf den auffälligen Umstand hingewiesen worden, dass Tatian den Logos in fast allen Wendungen nicht direkt aus dem Vater, sondern weit überwiegend aus dessen „Macht“ (dyÂnamiw) entspringen und hervorgehen lässt.170 Der tatianische Vorstellungshorizont scheint zu sein, dass Gottes „Gesamt- und Allmacht“ (paÄsa dyÂnamiw) auch und unter anderem eine „Wort-Macht“ enthielt.171 Und aus eben dieser „Wort-Macht“ Gottes entspringt der Logos, der sich vormals „in ihm“ Äì) befand.172 Von großer Wichtigkeit ist für Tatian, dass die (eÆn ayÆtv Entäußerung des Logos zu keiner Verminderung der Macht des Vaters führt. Das Hervorgehen des Logos geschah durch Teilung (kataÁ merismoÂn ), nicht durch Abtrennung (kat’ aÆpokoph n ),173 wobei der Begriff „Teilung“ gleichsam im Sinne einer „Machtmitteilung“ verstanden wird. Den ganzen Akzent legt Tatian jedenfalls darauf, dass das erste Prinzip Ä ton ) keinen Verlust erfährt und verdeutlicht dies an einem (toÁ prv Beispiel, welches sinngemäß bereits Justin verwendet:174 An einer Fackel können viele Feuer entzündet werden, ohne dass das Licht der ersten Fackel durch das Entzünden der anderen verringert wird.175 Dies bedeutet: Durch das Hervorgehen des Wortes ist dessen Erzeuger keineswegs „wortlos“ (aÍlogow) geworden. Die gesamte Macht und damit 169

Ähnliche Sichtweise bei A. Casamassa (apologisti greci, S. 159f) und G. Bardy (Tatien, S. 63), die auf das nachfolgende tatianische Bild („Licht vom Lichte“) als eine Art Korrektur der potentiell anstößigen Stelle verweisen. 170 Siehe neben or. 5,1 besonders 5,4 (der Logos geht „aus der Macht des Vaters“ hervor) und 7,1 (der Logos stammt „aus der Macht des Wortes“). 171 Or. 5,1. 172 Ibid. 173 Or. 5,3. 174 Or. 5,4; vgl. Dial. 61,2. 175 Ob Tatian Justins Dialogos gekannt hat, ist umstritten. Marcovich (Oratio, S. 2) hält die Verwendung des Fackelvergleichs durch Tatian für das entscheidende Argument für eine literarische Abhängigkeit: „ ... the dependence of Tatian from Justin’s Dialogue seems to be evident.“ Für Harnack (Geschichte, S. 286, Anm. 1) ist „die Abhängigkeit ... nur eine sachliche, nicht eine wörtliche, so dass sie sich hinreichend aus dem Schülerverhältnis erklärt.“ Und er fügt hinzu (ibid.): „die Logoslehre in dieser Fassung war sicherlich Gemeingut der wissenschaftlichen Theologie in Rom.“ Siehe dazu ausführlich unsere Ausführungen infra unter III 1: „War Tatian ein Schüler Justins?“

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auch die Macht des Wortes befindet sich weiterhin unvermindert beim Vater.176 Der vom Vater ausgegangene Logos tritt nunmehr als Schöpfungsmittler auf. Nacheinander erschafft er eine zweifache sogenannte „Schöpfungsgattung“ (thÄw poihÂsevw eiËdow), zunächst diejenige der Engel, danach die der Menschen.177 Tatian geht sogar so weit, dass er den Logos explizit als Schöpfer, als Demiurgen (dhmioyrgoÂw), bezeichnet.178 Doch wird hier nicht etwa ein gnostischer oder gar marcionitischer „zweiter Schöpfergott“, gleichsam als Gegenspieler Gottes, eingeführt. Eine solche Deutung wäre nach all dem, was Tatian zuvor über die überaus enge Verbindung zwischen dem Vater und seinem Logos gesagt hat, ein grobes Missverständnis.179 Tatian beharrt im Gegenteil auf der unbedingten Güte sowohl des Vaters als auch seines Schöpfer-Logos. Demgegenüber könne auch das unübersehbare Übel in der Welt nicht als Einwand geltend gemacht werden. Dieses habe eine gänzlich andere Ursache. Sowohl den Engeln als auch den Menschen habe der Logos die freie Selbstbestimmung

176 Elze meint zu beobachten, dass die „Macht des Wortes“ in ihrer zweifachen begrifflichen Gestalt auch eine inhaltliche Dihärese in der tatianischen Logoslehre beschreibt: Er vergleicht die beim Vater verbliebene dy namiw logikh (or. 5,1 und 7,1) mit dem lo gow eÆndia uetow der Stoiker und die eher selbstständige, von Gott ausgegangene dy namiw lo goy (or. 5,1; 7,3; 7,4; 18,5) mit dem bekannten stoischen lo gow proforiko w . Zumindest terminologisch weise das stoische und das tatianische Konzept Analogien auf (siehe bes. S. 76). Uns erscheint eine solche dualistisch-differenzierende Interpretation der „Wort-Macht“ bzw. der „Macht des Wortes“, von der ja noch einmal der Logos selbst unterschieden werden muss, angesichts der geringen Anzahl der Belegstellen als zu sophistisch und gewagt. Die bei Tatian nur zweifach belegte dy namiw logikh würde in dieser Deutung – was Elze selbst sieht (vgl. S. 74) – dem Gebrauch bei Justin (dial. 61,1), auf den der Begriff offensichtlich zurückgeht, eklatant widersprechen. 177 Or. 7,2. 178 In or. 13,6 wird der Logos sogar als „Gott (der gelitten hat)“ bezeichnet, eine zwar ungewöhnliche Formulierung (die signifikanterweise in der Handschrift V sowie in der Marcovich’schen Edition abgeändert wird), die man jedoch weder im Sinne eines gnostischen Götterdualismus noch – dies wäre anachronistisch – als „sabellianisch“ (so Ponschab, Tatians Rede, S. 42; R. Hanig, Vergleich, S. 63, Anm. 118) disqualifizieren sollte. Dazu A. Harnack, Rede, S. 4; W. Steuer, Gottes- und Logoslehre, S. 75f; R.M. Grant, Gods and the One God. Christian Theology in the GraecoRoman World, London 1986, S. 87; St.M. Burgess, The Holy Spirit: Ancient Christian Traditions, Peabody 21994, S. 30. 179 Gegen W.L. Petersen, Tatian the Assyrian, S. 146–148, der allein aus der Schöpfungsmittlerschaft des Logos (die zum verbreiteten Allgemeingut nicht nur der Apologeten gehört!) gnostische Tendenzen herausliest.

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(ayÆtejoyÂsion) zugeeignet.180 Das Böse, welches sowohl durch die Gattung der Engel, insbesondere den „Erzfrevler“, als auch durch den Menschen selbst in die Welt gelangt sei, könne keineswegs auf Gott zurückgeführt werden. Der Lauf der Welt, so die vehemente anti-stoische und auch anti-gnostische Stoßrichtung, sei kein schicksalhafter (oyÆ kau’ eiëmarme nhn ).181 Gleichwohl sah die „Macht des Wortes“ (hë toyÄ loÂgoy dyÂnamiw) in ihrer göttlichen Präszienz das Übel voraus und nimmt, da es sich nunmehr im Kosmos befindet, den aktiven Kampf auf. So ist es dieselbe „Macht des Wortes“ – Tatian scheint sie geradezu als Person zu denken (s.o.) –, die als erste Reaktion den Erzfrevler als gefallenen Engel aus der himmlischen Gemeinschaft ausschließt.182 Und auch im irdischen Kampf gegen das unheilvolle Böse können die Menschen auf die Hilfe des Logos als der „Kraft Gottes“ (dyÂnamiw ueoyÄ) vertrauen. Sie gebietet den Dämonen beim Exorzismus Einhalt,183 und wer sich ihr zuwendet, hat die Aussicht, auch von alltäglichen Krankheiten geheilt zu werden.184 Es ist zwar richtig, dass Christus in der gesamten oratio Tatians nicht genannt wird.185 Sein Name jedoch besaß, wie wir insbesondere durch Justin wissen,186 im Wortlaut der beim Exorzismus verwendeten Beschwörungsformeln seinen festen Platz. Eine Identifizierung (Logos = Christus) ist an diesen Stellen besonders evident und stand jedem christlichen Leser unzweifelhaft und klar vor Augen.

180

Ibid. – Die Autonomie aller denkenden Geschöpfe betont Tatian in seiner oratio häufig und stellt sich damit – in der Nachfolge Justins (vgl. 2 Apol. 7(6),5; vgl. Dial. 88,5 und 102,4) – in den schärfsten Widerspruch zu allen deterministischen Systemen. 181 Or. 7,3. 182 Or. 7,3f. 183 Or. 16,8. 184 Or. 18,1. 185 Dasselbe Phänomen bei Theophilos’ Ad Autolycum. Zu den vermuteten Gründen formuliert W.L. Petersen (Tatian the Assyrian, S. 152, Anm. 95): „This non-Christocentrism may be part of a primitive Hellenistic theology in which Jesus’ role was minimized, and one focused on the logos and God instead.“ In der älteren Literatur vertrat vor allem J. Lortz (Christentum als Monotheismus, S. 301–327) den Ansatz, dass die Nichterwähnung Christi lediglich apologetisch-taktischen Gründen geschuldet sei. Das Hauptargument des Vorrangs des Mono- vor dem Polytheismus hätte geschwächt werden können (siehe bes. S. 313). Das Beispiel Tertullians zeige, dass man sich davor hüten müsse, von einer Apologie auf die Gesamttheologie eines Autors zu schließen (S. 315). Siehe dazu ausführlich unsere Ausführungen infra unter III 3: „Warum fehlt der Name Christi?“ 186 Siehe infra S. 128, Anm. 184.

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c) Pneumatologie Die Schlüsselstelle für das Verständnis der Pneumatologie Tatians findet sich gegen Ende der Einleitung der oratio ad Graecos. Tatian unterscheidet mit aller wünschenswerten Klarheit zwei pneyÂmata, einen transzendenten höheren Geist und einen niedrigeren, welcher die Materie durchzieht: PneyÄ ma gaÁ r toÁ diaÁ th Ä w yÏlhw dih Ä kon, eÍ latton yëpa rxon toyÄ ueioteÂroy pney matow. („Der Geist nämlich, der die Materie durchwaltet, ist geringer als der göttlichere Geist.“)187 Diese grundlegende Dichotomie des

Geistes muss der Leser der oratio ständig mitdenken, will er alle Einzelaussagen, die Tatian im Folgenden an verstreuten Stellen tätigt, richtig einordnen und verstehen. Der obere Geist, über den Tatian häufiger und ausführlicher handelt, ist unzweifelhaft göttlicher Natur. Nach dem Unterscheidungskriterium der einleitenden Aussage durchwaltet er die irdische Materie nicht. Damit rückt er per definitionem in die unmittelbare Nähe zu Gott selbst. Denn wenige Sätze zuvor hatte Tatian festgestellt: „Gott ist Geist“ (pneyÄma oë ueoÂw ) und hatte in derselben Weise klärend hinzugefügt: „er durchwaltet die Materie nicht“ (oyÆ dihÂkvn diaÁ thÄw yÏlhw).188 Weiteren Aufschluss erhält der Leser, wenn er wenig später liest, dass das „himmlische Wort“ (loÂgow eÆpoyraÂniow) als „Geist vom Vater“ (pneyÄma aÆpoÁ toyÄ patroÂw) bezeichnet wird und gleichzeitig als das „Wort aus der Macht des Wortes“ (loÂgow eÆk logikhÄw dynaÂmevw).189 Es kann also in keiner Weise ein Zweifel bestehen, dass der obere, göttliche, vom Vater stammende Geist kein anderer als der Logos selbst ist. Vollends bestätigt wird diese Identifizierung, wenn Tatian den transzendenten, höheren Geist als „Gottes Abbild und Gleichnis“ (ueoyÄ deÁ eiÆ kvÁ n kaiÁ oë moiÂvsiw) sieht.190 Auch wenn die Vorstellung von der imago dei bei Tatian in aller Regel (nach Gen 1,26) auf den Menschen bezogen wird,191 so ist der hiesige Zusammenhang doch eindeutig: Es ist der präexistente Logos-Geist, welcher bei der Weltschöpfung, genauer: der creatio 187

Or. 4,4. Dieselbe Unterscheidung in or. 12,1. Or. 4,3. Man beachte die maskuline Form des Partizips: Gott durchwaltet die Materie nicht. Ein neutrales, auf das Pneuma bezogenes Partizip hätte vermutlich zu Missverständnissen geführt. Denn wie or. 4,4 zeigt, gibt es sehr wohl auch bei Tatian ein immanentes, die Materie durchwaltendes Pneuma. Vgl. hierzu auch Elze, S. 68. 189 Or. 7,1. Wir sehen keinen Anlass, an der einmütigen handschriftlichen Überlieferung (M V P) zu zweifeln. Diese überliefert pneyÄ ma aÆpoÁ toyÄ patro w, was einen guten Sinn ergibt. Warum Schwartz pneyÄ ma aÆ poÁ toyÄ pney matow konjizieren will, ist schleierhaft und in keiner Weise notwendig. 190 Or. 12,1. 191 Vgl. or. 15. 188

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secunda, die amorphe Materie teilt, formt, ordnet, gestaltet und auf diese Weise die nunmehr sichtbare Welt erschafft.192 – Eine letzte Stelle gibt uns letzte Sicherheit: Im Zusammenhang mit seiner spezifischen Soteriologie verweist Tatian auf die Tatsache, dass die menschliche Seele nicht von sich aus, sondern allein durch den Geist errettet werden kann. Er greift zu einer Metapher und erklärt, dass das Licht gemeinhin die Dunkelheit ergreift, und nicht etwa umgekehrt. Die Auflösung des Bildes wird vom Autor gleich mitgeliefert: „Der Logos ist das Licht Gottes, die Dunkelheit aber die unwissende Seele.“193 Es ist also eindeutig – nach späterer Nomenklatur – das zweite trinitarische Prinzip, i.e. der Logos als der „höhere Geist“, welcher allein der menschlichen Seele gleichsam „von oben“ zu ihrer Errettung verhelfen kann. Neben dem oberen, himmlischen, göttlichen, heiligen und vollkommenen Geist194 existiert nach Tatian der niedrigere, immanente Geist, welcher die Materie durchwaltet. Dieser Geist ist, wie es in der Einleitung heißt, der Seele gleichartig (cyxhÄì parvmoivmeÂnon).195 Leider ist die Textstelle durch moderne Emendation verunstaltet worden, indem statt „Seele“ hier „Materie“ eingetragen wurde.196 Dass die handschriftliche Überlieferung, die hier zugrunde gelegt wird, eindeutig die richtige und ursprüngliche Lesart bietet, wird durch eine spätere Stelle bestätigt. Dort heißt es unmissverständlich: „Wir kennen zwei verschiedene Arten geistiger Wesen (dyÂo pneymaÂtvn diaforaÂw); das eine wird Seele genannt, das andere ist vorzüglicher als die Seele und heißt Gottes Abbild und Gleichnis.“197 Es ist also gegenüber irreführenden Interpretationen festzuhalten: Das untere pneyÄma wird von Tatian als ein seelenartiges verstanden. Der niedrigere Geist durchwaltet, wie Tatian mehrfach zu verstehen gibt,198 die materielle Welt: „Es gibt einen Geist in den Himmelslichtern, einen Geist in den Engeln, einen Geist in den Pflanzen und Gewässern, einen Geist in den Menschen, einen Geist in den übrigen Lebewesen; obgleich er einer und derselbe ist, birgt er doch Unterschiede in sich 192

Or. 12,1f. Or. 13,2. 194 So die Bezeichnungen für den Logos-Geist bei Tatian: toÁ ueiÄon pneyÄ ma (13,3); toÁ pneyÄ ma toÁ aÏ gion (15,1); pneyÄ ma eÆ poyra nion (16,6); toÁ te leion pneyÄ ma ( 20,2). 195 Or. 4,4. 196 Statt cyx hÄì setzt Schwartz thÄì yÏlhì in seinem Text, was den Sinn entstellt. Wilamowitz schlägt cyxhÁ 〈thÄì yÏlh〉 ì vor. Die Manuskripte haben cyxhÄ i ( M P, so auch Elze, p. 69) bzw. cyxhÄ (V). Ein typisches Beispiel eines (im 19. Jahrhundert erfolgten) willkürlichen Eingriffs in die unversehrte, in keiner Weise anstössige Textgestalt der Handschriften! Siehe dazu supra unter „Manuskripte und Editionen“. 197 Or. 12,1. 198 Besonders deutlich in or. 4,4 und 12,1. 193

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selbst.“199 Die tatianische Vorstellung vom pneyÄma yëlikoÂn kommt der stoischen sehr nahe,200 eventuell hat Tatian sie bereits (durch Justin?) in platonischer Umformung kennengelernt, denn die Ausführungen erinnern doch stark an eine Art Weltseele.201 Diese ist als Einheit zu verstehen, allerdings in sich differenziert und individualisiert. Es scheint der platonische Gedanke der ontologischen Teilhabe der vielen Einzelseelen bzw. Pneumata an der einen Weltseele im Hintergrund zu stehen. Tatian kann somit, ohne sich zu widersprechen, beides behaupten: Einerseits besitzt jedes Lebewesen und selbst die leblosen Kreaturen ein sie durchwaltendes Pneuma individueller Natur, andererseits ist die Vielheit in einer sie umfassenden Einheit aufgehoben. Tatian spricht unmissverständlich davon, dass der Kosmos selbst beseelt ist, da er nach dem Willen des Schöpfers ein ihm eigenes pneyÄma yëlikoÂn erhalten habe (oë koÂsmow ... uelhÂmati toyÄ dhmioyrgh santow pney matow meteiÂlhfen yëlikoyÄ ).202 In der spezifischen Soteriologie Tatians haben das höhere und das niedrigere Pneuma ihre je eigene Aufgabe. Sie müssen zusammenwirken, um die Rettung des Menschen zu bewerkstelligen. Die Trennung der beiden Pneumata ist nämlich nicht der ursprüngliche Zustand. Zu Anfang führte der göttliche Geist zusammen mit der Seele gewissermaßen ein gemeinsames Leben: GeÂgone syndiÂaiton aÆrxhÄuen thÄì cyxhÄì toÁ pneyÄma.203 Für die Trennung und Aufspaltung ist allerdings die Seele allein verantwortlich. Denn sie ist es, die sich abwärts der Materie zuwendet (proÁw thÁn yÏlhn neyÂei ka tv ), während sich die Wohnung des göttlichen Geistes „hoch oben“ (aÍnv) befindet.204 Das Heil und die erlösende Rettung des Menschen liegt bei Tatian in der Überwindung der Diastase der beiden Pneumata: Das untere Pneuma, welches beim Menschen die Seele ist, muss wieder mit dem oberen, welches dem Logos-Geist entspricht, vereinigt werden. Für die Rettung ist es günstig, dass die Seele auch nach der Trennung vom Geist „gleichsam ein Fünkchen seiner Kraft“ (vÏsper eÍnaysma th Ä w dyna mevw ayÆtoyÄ) bewahrte.205 Dieser Rest an verbliebener Kraft, gleichsam ein Rest ihrer ursprünglichen Göttlichkeit, reicht zu-

199

Or. 12,8. Dazu ausführlich und erhellend: M. Spanneut, Le Stoı¨cisme des pe`res de l’e´glise, Paris 1957 (hier bes. S. 138–140: „Deux esprits chez Tatien“; S. 335–336: „Unite´ de matie`re et de pneuma“). 201 Vgl. Elze, S. 88, mit Hinweis auf C. Andresen, Justin und der mittlere Platonismus, in: ZNW 44 (1952/53), S. 157–195, hier: S. 191–193. 202 Or. 12,3. 203 Or. 13,4. 204 Or. 13,3. 205 Or. 13,4. 200

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mindest dafür aus, dass sich die Seele aus eigener Kraft wenigstens auf die Suche nach Gott (zhtoyÄsa toÁn ueoÂn) begeben kann.206 Die endgültige Rettung des Menschen ist aber primär eine Tat des göttlichen Geistes. Mehrfach wird hierfür die Metaphorik vom Aufstieg der Seele bemüht: Wenn die Seele sich der Weisheit verschreibt, dann zieht sie gewissermaßen den hoch oben wohnenden, ihr verwandten Geist an sich. Diesem muss sie folgen, dann „steigt sie auf in die Lande, in die der Geist sie führt“ (aÆneÂrxetai deÁ proÁw aÏper ayÆthÁn oëdhgeiÄ xvriÂa toÁ pneyÄ ma).207 An anderer Stelle wird auf das berühmte platonische Bild der gefiederten Seele (Phaidr. 246) Bezug genommen: „Das Gefieder der Seele ist der vollkommene Geist“ (pteÂrvsiw hë thÄw cyxhÄw pneyÄma toÁ teÂleion ).208 Es war ihr Verhängnis, dass die Seele sich der niederen Materie zuwandte, die Verbindung mit dem Himmel und dadurch gleichsam ihr Gefieder verlor und „wie ein junger Nestvogel“ zu Boden fiel.209 Tatian verbindet die platonische Erlösungslehre mit biblischer Redeweise vom Heiligen Geist (vgl. Joh 15,17 u.ö.): Was wir empfangen haben, konnten wir nicht festhalten, weil unsere Verirrung (plaÂnh) uns daran hinderte.210 Die Rettung des Menschen besteht darin, „die Seele mit dem HeiÄì pneyÂmati tv Äì ligen Geist zu vereinigen“ (zeygnyÂnai thÁn cyxhÁn tv aë giÂvì).211 Hat die Wiedervereinigung mit dem Geist, dem „Gottesdiener“ (diaÂkonow toyÄ ... ueoyÄ),212 stattgefunden, wird sie mit ihm zusammen die Unsterblichkeit als „die himmlische Überkleidung der Sterblichkeit“ erwerben.213

206

Ibid. – Vgl. 15,1 (aÆnazhteiÄn). Or. 13,3. 208 Or. 20,2. 209 Ibid. – Im Phaidros (a. a.O.) ist des Gefieders Kraft das Göttliche. Dessen verlustig stürzt die Seele ab, bis sie in der körperlichen Welt einen Halt findet. Tatians Schilderung des „Sündenfalls“ der Seele lehnt sich eng an das platonische Vorbild an. Ob Tatian auf den Phaidros direkt zurückgreift, ist nicht auszumachen. Das Bild der gefiederten Seele wird im Mittel- und später im Neuplatonismus häufig bemüht. 210 Or. 29,3. 211 Or. 15,1. Tatian unterscheidet, wie man hier und an den anderen angegebenen Stellen sieht, noch nicht scharf zwischen dem Logos und dem Heiligen Geist im trinitarischen Sinne. Die zweite und dritte trinitarische Person bzw. Hypostase fällt bei ihm gleichsam im Logos-Geist zusammen. Dies hat bereits Elze (S. 94) gesehen, wenn er bemerkt, dass „für Tatian pneyÄ ma und lo gow nur verschiedene Bezeichnungen für die gleiche Sache sind.“ 212 Or. 13,6. 213 Or. 20,6. Vgl. 1 Kor 15,53f; 2 Kor 5,1–4. 207

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d) Dämonologie In der frühchristlichen Auseinandersetzung mit dem Heidentum spielt die Dämonologie generell eine zentrale Rolle, so auch in der oratio Tatians.214 Die Anschauungen über die Entstehung und das Wirken der Dämonen, die hier geradezu lehrmäßig dargeboten werden, sind facettenreich, aber überwiegend konventionell. Tatian teilt die verbreitete Grundannahme einer Identifizierung der Dämonen mit den überlieferten heidnischen Göttergestalten. (Deren Existenz wird nicht etwa geleugnet, sondern als sehr real empfunden.) Auf dieser Basis präsentiert der Apologet eine Dämonenlehre, die sich aus den unterschiedlichsten Traditionen speist: Biblisch-christliche Engel- und Satansvorstellungen werden mit heidnisch-griechischer Mythologie verbunden, alttestamentliche Schöpfungslehre und neutestamentliche Eschatologie werden mit Elementen zeitgenössischer Astrologie, Magie und Mantik angereichert, insbesondere aber ist die dämonische Welt Tatians – hier liegt ein Proprium – durch seine spezifische Pneumatologie geprägt.215 Die Entstehung der Dämonen geht nach Tatian auf die Erschaffung der Engel zurück. Als der Logos diese nach der Bildung der Materie, aber noch vor der Erschaffung des Menschen erschuf,216 erhielten sie gleichzeitig die freie Selbstbestimmung.217 Einige von ihnen missbrauchten ihre Freiheit sträflich, indem sie dem „klugen Erstgeborenen“218 nachfolgten, welcher sich gegen die Ordnung Gottes aufgelehnt hatte. Da sie ihn zu einem Gotte erhoben, schloss die Macht des Wortes sie und den „Erzfrevler“ (toÁn aÍrjanta thÄw aÆponoiÂaw) aus der Gemeinschaft mit ihm aus. In gewisser Weise liegt hier – in der Synchronität von Freveltat und Verstoßung – der Ursprung der bösartigen Geister: Die verblendeten Engel „erwiesen sich“ bzw. „wurden“ (aÆpobebhÂkasi) zu einem Heer von Dämonen.219 Über die Konstitution der Dämonen lehrt Tatian, dass diese wie alle Engel ein Pneuma besitzen. Es handelt sich dabei wohlgemerkt um die niedrigere Art des Pneumas, 214

Vgl. zur Dämonologie Tatians vor allem die Ausführungen bei M. Elze, Tatian, S. 100–103; G.F. Hawthorne, Tatian, S. 174f; E.F. Osborne, Discourse, S. 128f. 172–180; R.M. Grant, Greek Apologists, S. 130f, sowie H. Wey, Die Funktion der bösen Geister bei den griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts nach Christus, Winterthur 1957. 215 Vgl. in neuerer Zeit die Darstellung bei E.J. Hunt (case, S. 133–136), die eine Provenienz der tatianischen Dämonologie erstens aus den sog. „Semitic cultures“ und zweitens aus Vorstellungen der „hellenistic philosophy“ (S. 133) herausarbeitet. 216 Vgl. or. 7,2: proÁ thÄ w tv Ä n aÆ nurv pvn kataskeyhÄ w ... 217 Vgl. ähnlich Iustinus, 2 Apol. 7(6),5; Dial. 88,5; 102,4. 218 Vgl. or. 7,4. Tatian spielt auf die listige Schlange in Gen 3,1 an; vgl. Clemens, Strom. 6,155,1. 219 Or. 7,4f.

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nämlich das die Materie durchwaltende pneyÄma yëlikoÂn. Dieses ist etwa auf derselben ontologischen Stufe anzusiedeln wie der untere Geist in den Menschen (= Seele) und entspricht prinzipiell demjenigen Geist, der auch in Pflanzen oder Gewässern herrscht und waltet.220 Dämonen besitzen insgesamt eine materielle Natur (syÂmphjin eÆj yÏlhw), sie gehen aus Materie hervor und fühlen sich ihr zugezogen.221 Dies bedeutet jedoch mitnichten, dass sie etwa einen Körper besäßen. Im Gegenteil: Tatian betont entschieden die Körperlosigkeit der ehemaligen Engel (sarkoÁw gaÁr aÆmoiroyÄsi).222 Keiner von ihnen besitzt eine fleischliche Hülle (sarkiÂon ).223 Materieller Natur ist vielmehr der Geist der Dämonen.224 Man müsse sich, so Tatian, diese eigenartigen fleischlosen Wesen „hauchartig“ (pneymatikhÂ) vorstellen, in ihrer Konsistenz am ehesten dem Feuer oder der Luft vergleichbar.225 In dieser Eigenart, in dieser Pseudo-Körperlichkeit, sind sie den meisten Menschen, nämlich den Psychikern, unsichtbar.226 Lediglich Ä ma zu sedie geistbesitzenden Pneumatiker vermögen ihr spezielles sv hen.227 Durch ihren Fehltritt und ihre Ursünde, nämlich zu „Räubern der ì Á ueoÂthtow )228 geworden zu sein, haben sich die DäGöttlichkeit“ (lhstai monen selbst gerichtet. Sie wurden ihrer Heimat verwiesen und aus dem Himmel herabgestürzt,229 ohne jemals die Möglichkeit einer reuigen Umkehr zu erhalten.230 Ihr Schicksal ist umso schlimmer, weil sie in aller Regel – aufgrund ihrer fleischlosen Substanz – keinen physischen Tod ì erleiden können: „Dämonen sterben nicht so leicht“ (unhÂìskoysi oyÆ rëa220

Vgl. or. 12,8. Or. 12,5f. Vgl. or. 15,8: Die Dämonen sind „der Abglanz von Materie und Schlechtigkeit“. 222 Or. 14,3. 223 Or. 15,6. 224 Or. 12,5. 225 Or. 15,6. 226 Or. 15,7. Vgl. aber anderslautend or. 16,5: „Aber auch von den Psychikern werden die Dämonen erblickt.“ Der Widerspruch ist nicht leicht aufzulösen. Möglicherweise will Tatian ausdrücken, dass der Psychiker den gewöhnlich unsichtbaren Dämon nur dann wahrnimmt, wenn dieser sich aktiv selbst zu erkennen gibt (toiÄw aÆnurv poiw eë aytoyÁ w eÆ kei nvn deikny ntvn ). 227 Vgl. or. 15,7. Im tatianischen Verständnis fungiert in gewisser Weise der hauchartige Geist als „Körper“ der Dämonen. Folgt man dem Sprachgebrauch der angegebenen Stellen, so könnte man zugespitzt formulieren: Die Dämonen besitzen zwar keine sa rz , aber gleichwohl ein sv Ä ma . 228 Or. 12,6. 229 Or. 20,3. 230 Or. 15,8; wörtlich (mit Anklang an Hebr 12,17): Sie haben keinen „Ort der Buße“ (metanoi aw to pon ). 221

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di vw ).231 Andererseits erleiden sie den geistlichen Tod, den sogenannten

zweiten Tod, und zwar sehr häufig immer dann, wenn sie ihre menschlichen Anhänger das Sündigen lehren können.232 So ergibt sich das Paradoxon, dass Dämonen während ihres gesamten Lebens immerfort sterben (diaÁ toyÄ zhÄn aÆpounhÂìskontew).233 Sie erleiden gleichsam „einen Tod in Unsterblichkeit“ (uaÂnatow eÆn aÆuanaÂtvì).234 Eine zusätzliche Dimension erhält der Dämonenbegriff bei Tatian dadurch, dass er die traditionellen heidnischen Götter mit ihnen identifiziert. Die Dämonisierung der griechischen Götterwelt ist ein zentrales Motiv der Apologie, sie gehört zu den Grundelementen der Taktik der Diffamierung. So paradox es klingen mag: Tatian ist zutiefst daran interessiert, die überlieferten anthropomorphen Göttergestalten als real zu erweisen. Eine „aufklärerische“ typologische Interpretation durch gewisse pagane Schriftsteller passt dem Autor der oratio überhaupt nicht ins Konzept: „Erklärt eure Geschichten und eure Götter doch nicht allegorisch!“235 Seinen schärfsten Angriff auf das Heidentum kann Tatian, dies hat er genau gesehen, nur unter der Prämisse der realen Existenz der mythischen Götterwelt platzieren. Ist dies aber einmal geklärt, so kann er nun deren abgrundtiefe Schlechtigkeit und dämonische Bosheit äußerst wirkungsvoll attackieren. So muss dem christlichen Leser beispielsweise Zeus, wenn er in berechneter Polemik der „Anführer der Dämonen“ genannt wird,236 geradezu als der Satan selbst erscheinen.237 Vor diesem Hintergrund wird insbesondere die Astrologie als ein listiges und verführerisches Werk der Dämonen geschildert. Die Dämonen seien aus dem Himmel verbannt worden, doch seien sie weit davon entfernt, diesen aufzugeben.238 Sie nutzen ihn vielmehr als eine Art „Spielbrett“ (diaÂgramma) und regieren dort zum Leidwesen der Menschen durch ein himmlisches, zutiefst ungerechtes Schicksal (eiëmarmeÂnh aÍdikow).239 Das 231

Or. 14,3. Ibid. 233 Or. 12,5. 234 Or. 12,4. 235 Or. 21,5: mhdeÁ toyÁ w my uoyw mhdeÁ toyÁ w ueoyÁ w yë mv Ä n aÆ llhgorh shte. 236 Or. 8,2. 237 Aufgrund der Identifizierung der biblischen Dämonen mit den heidnischen Göttern sind Tatians eindringliche Dämonenwarnung und seine Polytheismuskritik zwei Seiten derselben Medaille. Wer als Mensch den Dämonen gehorcht, so Tatian, zieht die Vielherrschaft der Alleinherrschaft vor (or. 14,1). Daher sein Aufruf (or. 19,9): „Schwört den Dämonen ab und folgt dem einzigen Gott!“ 238 Eine kühne, aber für Tatian wie andere Apologeten selbstverständliche Synthese von christlicher Angelologie und heidnischer Astrologie. 239 Or. 8,1. 232

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große himmlische Glücksspiel diene ihnen zur Ergötzung, es herrsche bei ihnen ein dämonisches „Götterlachen“.240 Die Dämonen spielen mit himmlischen Figuren, deren Bezeichungen der Tierwelt entnommen sind.241 Sie selbst befinden sich gleichsam als die „Brettspieler“ am selben Himmel; sie sind – wie ihre Namen verraten – mit den „Irrsternen“ (planhÄtai) identisch.242 Trotz der vielfältigen Metaphorik insinuieren die Ausführungen Tatians auch an dieser Stelle einen deutlichen Realismus. Er ruft aus, dass er niemals die „Irrsterne der Dämonen“ (planhÄtai daimo nvn ) anbeten werde, sondern nur den einen, nie irrenden Herrn.243 Vor der Weissagekunst der Astrologen warnt er als einer tatsächlichen Gefahr; sie basiere auf den „listigen Täuschungen verblendeter Dämonen“ (parafoÂrvn daimoÂnvn aÆntisofisteyÂmata).244 Ein weiterer Wirkungsbereich der Dämonen ist die Heilkunst und Arzneimittelkunde (farmakeiÂa). Auch sie gilt Tatian – wie die Astrologie – als deren „listige Erfindung“.245 Die Dämonen gaukeln den Menschen vor, materielle Substanzen könnten Heilung bewirken, und rauben ihnen dadurch das Vertrauen auf die Macht Gottes.246 Die bösen Geister bedienen sich der Materie und kämpfen geradezu mit ihrer Hilfe gegen den Menschen, der sich der dämonischen Macht nur dann entziehen kann, wenn er sich der Materie entzieht.247 In gesteigertem Maße gilt das tatianische Verdikt dem Heilungszauber und der Magie. Die für diese Praktiken verwendeten Materalien wie Kräuter, Wurzeln oder Knochen sind geradezu der Grundstoff für die Bosheit der Dämonen (stoixeiÂvsiw thÄw tv Ä n daimo nvn moxuhriÂaw ).248 Tatian legt allerdings Wert darauf, dass nicht die Materie an sich etwas Schlechtes darstelle noch bewirken könne; denn Gott habe nur Gutes erschaffen. Der Missbrauch der Substanzen sei das listige Werk der Dämonen. Durch das Vertrauen auf die Materie soll der Mensch von der Gottesverehrung (ueoseÂbeia) abgebracht werden.249

240

Ibid. – Vgl. Homer, Iliad. 1,599; Odyss. 8,326. Or. 9,1. Gemeint sind die Sternbilder des Zodiaks (Tierkreises). 242 Or. 9,2f. 243 Or. 9,3; 10,2: toyÁ w planh taw proskyneiÄn oyÆ boy lomai. 244 Or. 12,10. 245 Or. 18,1: Farmakei a ... thÄ w ayÆ thÄ w eÆstin eÆpitexnh sevw. 246 Or. 18,1–5; vgl. 17,5. Tatian hält Arzneimittel (fa rmaka ) aus materiellen Substanzen für mehr oder weniger wirkungslos (or. 18,2; 20,1), er lässt ihre Anwendung zwar widerwillig zu (or. 20,1), weist aber darauf hin, dass jeder Heilungserfolg letztlich eine Tat Gottes sei. 247 Vgl. or. 16,6–8. 248 Or. 17,4. 249 Or. 17,5. 241

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Dämonen können einen Menschen auch unmittelbar befallen. In ihrer Bosheit wüten sie in den Menschen und erschüttern deren hilflosen Körì Â )250 befallen sie die per. In ihrer Grundeigenschaft als „Räuber“ (lhstai Gliedmaßen der Menschen und ergreifen Besitz von ihnen. Mitunter geben sie den Menschen zu dem Zwecke, dass man an sie glaube, Träume ein. Selbst verirrte himmlische Wesen251 täuschen sie die in die Irre geleiteten Seelen der Menschen und überwältigen sie, wie Räuber andere Räuber überwältigen.252 Zur Demonstration ihrer Macht und der Mehrung ihres Ruhms vor den Menschen befehlen sie ihren Opfern mitunter, vor aller Augen öffentlich aufzutreten.253 Einhalt gebietet dem mutwilligen Treiben der Dämonen, die am liebsten den Himmel herabholen und die gesamte Schöpfung vernichten würden,254 einzig und allein das Wort der Macht Gottes (loÂgow ueoyÄ dynaÂmevw),255 konkret: der Exorzismus unter Anrufung des Namens Christi.256 e) Anthropologie und Ethik Tatian rezipiert für seine Anthropologie mehrfach die überkommene Lehre vom Menschen als dem Abbild Gottes (vgl. Gen 1,26f). Die Gottebenbildlichkeit sei dem Menschen bei seiner Schöpfung zugeeignet worden. Genauer: Der Logos-Geist, selbst ein Abbild und Gleichnis Gottes,257 habe in seiner Eigenschaft als Schöpfungsmittler den Menschen „in der Nachahmung des Vaters“ (kataÁ thÁn toyÄ patroÁw miÂmhsin) geschaffen.258 Hervorragendes Merkmal dieser Ebenbildlichkeit sei die Unsterblichkeit (aÆuanasiÂa) gewesen. Wie die Unvergänglichkeit (aÆfuarsiÂa) bei Gott sei, so habe auch der Mensch einen Anteil an der Würde Gottes erhalten und in seinem ursprünglichen Zustand das Unsterbliche (toÁ 250

Or. 18,6. Tatian spielt für diesen Vergleich nach eigenen Angaben auf einen Ausspruch Justins an, der sich in dessen erhaltenen Schriften allerdings nicht findet. 251 Tatian betont, dass es sich bei den Dämonen um übernatürliche Wesen, keinesfalls – so die häufig anzutreffende vulgäre Auffassung – um die Seelen Verstorbener handle. Da Tatian die Sterblichkeit der Seelen lehrt (or. 13,1), können diese nach ihrem Ableben schlechterdings nicht mehr aktiv sein. Vgl. or. 16,1. 252 Or. 14,2. 253 Or. 18,6. 254 Or. 16,6. 255 Or. 16,8. 256 Tatian, der den Namen „Christus“ in der gesamten oratio nicht erwähnt, spielt in diesem Zusammenhang, wie die Parallelstellen bei Justin bezeugen (vgl. dazu infra S. 128, Anm. 184), unmissverständlich auf ihn an. 257 Or. 12,1. Der obere Geist, der vorzüglicher sei als die Seele, sei ueoyÄ eiÆkvÁ n kaiÁ oë moi vsiw. 258

Or. 7,1.

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I. Werkeinführung

aÆ ua naton) an sich gehabt.259 Dass Tatian den Fokus auf die Unsterblich-

keit des Menschen als das entscheidende Kennzeichen seiner imago dei legt, hat nicht unerhebliche Konsequenzen. Denn anders als in anderen, konkurrierenden Konzeptionen kann bei ihm die menschliche Gottebenbildlichkeit keinesfalls dauerhaft sein. Bei Tatian wird sie dem Menschen, nachdem er sie gerade erst erhalten hatte, mit dem Sündenfall sogleich wieder entzogen: Der nach dem Bilde Gottes Geschaffene wurde sterblich, weil der mächtigere Geist (= der Logos) sich – infolge der schuldhaften Abwärtsneigung des Menschen – von ihm getrennt hatte.260 Da Gott in der Gestalt seines Geistes nicht mehr im Menschen wohnt, ist der Mensch nunmehr kein Gleichnis Gottes (oyÆk vÃn oëmoiÂvsiw toyÄ ueoyÄ). Er gleicht vielmehr den Tieren, führt ein Leben (diÂaita) wie sie und hat ihnen allenfalls seine artikulierte Stimme voraus.261 Allerdings kann der Mensch seine Gottebenbildlichkeit und -unmittelbarkeit wiedererlangen. Er muss mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften seinen ursprünglichen Zustand (toÁ aÆrxaiÄon) ersehnen und alles aufgeben, was hinderlich ist.262 Allein der Weisheit (sofiÂaì) muss er gehorchen und auf diese Weise den ihm verwandten Geist (toÁ pneyÄma syggeneÂw ) wieder an sich ziehen.263 Was der Mensch verloren hat, muss er Äì pneyÂmati tv Äì erneut suchen und seine Seele mit dem Heiligen Geist (tv aë giÂvì) wiederum vereinigen und eine Verbindung herstellen, wie sie dem ursprünglichen Schöpferwillen entsprach.264 Ein Mensch, der diesen Weg – gleichsam über sein reines Menschsein hinaus (poÂrrv thÄw aÆnurvpoÂthtow ) – zu Gott gegangen ist, kann wieder als „Gottes Abbild und Gleichnis“ (eiÆkvÁn kaiÁ oëmoiÂvsiw toyÄ ueoyÄ) betrachtet werden.265 259

Ibid. Or. 7,5; vgl. 29,3. 261 Or. 15,5. Den Widerspruch und die „verhängnisvolle Unklarheit“, die A. Struker (Die Gottebenbildlichkeit des Menschen in der christlichen Literatur der ersten zwei Jahrhunderte, Münster 1913, hier: S. 31) in Tatians Konzept der menschlichen Gottebenbildlichkeit in cap. 15 konstruieren will, hat keinen Anhalt am Text. Struker stellt – zu Recht – fest, dass die Gottebenbildlichkeit für Tatian zur „Wesensdefinition des Menschen“ (ibid.) gehört, folgert daraus aber – zu Unrecht – eine Unverlierbarkeit dieser Würde. Das Gegenteil ist der Fall: Ein Mensch, der Gott nicht in sich wohnen lässt, verliert zusammen mit seiner Gottebenbildlichkeit auch sein „Menschsein“ im engeren Sinne und steht mit den Tieren auf einer Stufe. 262 Vgl. or. 20,4. 263 Or. 13,6. Sowohl die „Weisheit“ als auch der „verwandte Geist“ sind, wie aus dem Zusammenhang erhellt, der bei Tatian nur unscharf unterschiedene Logos-Geist und der Heilige Geist, mithin also – nach späterer Systematik – eine Synthese von 2. und 3. trinitarischer Person. 264 Or. 15,1. 265 Or. 15,3. 260

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Die Soteriologie Tatians hat, wie sich auch an dieser Stelle zeigt, einen starken intellektualistischen Grundzug. Die Suche nach Gott und dem eigenen Ursprung ist die Suche nach Wahrheit, Wissen und Weisheit. Es ist geradezu eine Grundbestimmung des Menschen, dass er zur Aufnahme der Wahrheit geschaffen ist.266 So ruft Tatian seinen heidnischen Adressaten zu, sie möchten doch ebenfalls „mit Eifer lernen“ (manuaÂnein speyÂsate ) und die göttlichen Offenbarungen studieren.267 Denn nur derjenige, der die Wahrheit erkannt und die Erkenntnis Gottes (thÁn eÆpiÂgnvsin toyÄ ueoyÄ ) erlangt habe,268 werde im jenseitigen Gericht belohnt.269 Derjenige lebe gottgefällig, so betont Tatian in seinem autobiographischen Epilog, der von Gott und seiner Schöpfung „Kenntnis“ besitze.270 Die Wiedererlangung der Unsterblichkeit und damit der Gottebenbildlichkeit ist für den Menschen auf dem Wege der Wahrheitserkenntnis grundsätzlich möglich. Allerdings liegt auf diesem Weg eine einschneidende Zäsur. Diese liegt darin, dass für Tatian zunächst einmal jede menschliche Seele sterblich ist.271 Dezidiert wendet sich Tatian gegen die platonische Vorstellung, dass die Seele unsterblich sei, nach dem Tode des Menschen aus dessen Körper auswandere und dadurch „klüger“ (fronimvteÂran) werde, was wohl heißen soll: das Reich der Ideen schaue.272 Die tatianische Vorstellung ist derart, dass der Mensch nach seinem Tod wieder in die Situation vor seiner Geburt, d.h. in die Nichtexistenz zurückversetzt wird.273 Erneut ist der Mensch unsichtbar und lediglich potenziell in der irdisch-materiellen Substanz vorhanden, um danach gleichsam ein zweites Mal geboren zu werden.274 Diese als „Wiedergeburt“ verstandene Auferstehung ist nach Tatian ganzheitlich. Wiederum richtet sich der Autor gegen den zeitgenössischen Platonismus, wenn er neben der Wiederbelebung der Seele pointiert auch die leibliche Auferstehung verkündet: „Gegen die Behauptung, die Seele allein werde Unsterblichkeit erlangen, sage ich, auch der mit ihr verbundene

266

Or. 5,6: Der Mensch ist thÁ n toyÄ aÆlhuoyÄ w kata lhcin pepoihme now. Or. 12,9f. 268 Or. 13,1; vgl. or. 12,7, wo Tatian im selben Zusammenhang von der Heilsnotwendigkeit einer toyÄ telei oy ueoyÄ gnv sevw spricht. 269 Or. 12,7. 270 Or. 42,2: Ginv skvn ... ti w oë ueoÁ w kaiÁ ti w hë kat’ ayÆ toÁ n poi hsiw ... 271 Elze (Tatian, S. 90) zieht in der Frage der Seelensterblichkeit eine Abhängigkeit Tatians von Straton von Lampsakos in Erwägung; vgl. M.O. Young, Justin Martyr and the Death of Souls, in: Studia Patristica 16 [TU 129], Berlin 1985, S. 209–215. 272 Or. 16,2. 273 Or. 6,3. 274 Ibid. 267

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I. Werkeinführung

Leib.“275 Unmissverständlich macht Tatian auch deutlich, dass alle Menschen bei der Vollendung der Welt (eÆpiÁ synteleiÂaì toyÄ koÂsmoy) auferstehen werden, die einen zum ewigen Leben, die anderen zum ewigen Tod, wörtlich und paradox: zu einem „Tod in Unsterblichkeit“ (uaÂnaton eÆn aÆuanasi aì).276 Die Ethik, die Tatian in seiner oratio vertritt, würde jedem Stoiker oder Kyniker zur Ehre gereichen. Tatian predigt die Bedürfnislosigkeit und Einfachheit des Lebens und verrät dabei deutlich einen persönlichen Hang zur asketischen Lebensführung: „Herrschen will ich nicht, nach Reichtum verlangt es mich nicht, das Feldherrenamt weise ich zurück, Unzucht ist mir verhasst, keine unersättliche Habgier treibt mich aufs Meer hinaus, für den Besitz von Siegerkränzen strenge ich mich nicht an, vom Wahnsinn der Ruhmsucht bin ich frei, den Tod verachte ich, über jede Art von Krankheit bin ich erhaben, keine Trauer verzehrt meine Seele.“277 Affinität zur Stoa besteht auch in einer betont egalitären Grundeinstellung, gepaart mit einer Schicksalsergebenheit, die den äußeren Stand des Menschen gleichsam zu den Adiaphora rechnet: „Als Sklave ertrage ich die Sklaverei, als freier Mann bin ich auf meine edle Abkunft nicht stolz. Ich sehe eine Sonne, die für alle dieselbe ist, und einen Tod, der allen blüht, ob durch Genusssucht oder Mangel.“278 Aufschlussreich ist der tatianische Vorwurf an die vom (stoischen) Kaiser alimentierten Philosophen, die – entgegen ihrer eigenen, von Tatian ausdrücklich approbierten Lehre – die schlimmsten Geizhälse, Päderasten, Schlemmer und Betrüger seien.279 Ein weiterer Grundzug der Ethik Tatians, mit seiner Askese-Neigung zusammenhängend, ist eine ausgeprägte Ablehnung der Körperlichkeit und des Materiellen im weiteren Sinne.280 So ruft er im Kampf gegen die allgegenwärtige Gefahr der dämonischen Verführung dazu auf, sich der Materie zu entziehen: thÁn yÏlhn paraithsaÂsuv.281 Denn die Dämonen, 275

Or. 25,4. Or. 13,1. 277 Or. 11,1. 278 Or. 11,2. Speziell zur devoten Ergebenheit an das allgegenwärtig waltende Schicksal (eiëmarme nh ) vgl. die Ausführungen Tatians in or. 11,3. 279 Vgl. or. 19,1–4 und 25,1f. Zum Paradoxon, dass Tatian als Philosophenhasser, der insbesondere als Kritiker der stoischen Lehre auftritt, letztlich in entscheidenden Punkten von ihr abhängig ist, vgl. neuerdings J. Trelenberg, Der frühchristliche Märtyrer und der stoische Weise, in: Zeitschrift für antikes Christentum / Journal of ancient Christianity 14/2 (2010), S. 341. 280 Dazu ausführlich J.P. Martı´n, Taciano de Siria y el Origen de la Oposicion de Materia y Espiritu, in: Stromata 43, 1987, S. 71–107; vgl. auch G. Botti, Il fattore personale nel Lo gow proÁ w ÏEllhnaw di Taziano, in: Studi dedicati alla memoria di Paolo Ubaldi (Mailand 1937), S. 87–97. 281 Or. 16,7. 276

5. Die Theologie Tatians

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so Tatian, führen ihren Kampf in dieser Welt mittels der niederen Materie. So sei insbesondere „die Materie an den Menschen“ (hë eÆn hëmiÄn yÏlh) von Krankheiten und Kämpfen betroffen, weil die Dämonen ihr verderbliches Spiel mit ihr trieben.282 Aus demselben Grund sei jede Art der Magie und des Heilungszaubers, da man sich hierzu materieller Substanzen wie Wurzeln, Kräuter oder Knochen bediene, bösartige dämonische List und Tücke, die der gläubige Mensch nur durch eine konsequent geistige Ausrichtung überwinden und besiegen könne.283 Schwergewichtige Athleten, die eine „Masse an Fleisch“ mit sich herum trügen, werden von Tatian ebenso verachtet wie die Gladiatoren, die vor ihrer Abschlachtung den Körper noch kräftig mästeten.284 Und nicht zuletzt scheint Tatian, auch wenn dies nicht mit voller Klarheit ausgedrückt wird, in seiner Abneigung gegen alles „Fleisch“ sogar den Verzehr desselben, die sog. krevfagiÂa , verabscheut zu haben.285 Der Hintergrund der Materie-, Fleisch- und Leibfeindlichkeit Tatians ist zweifellos vielschichtig. Man wird ihn nicht einlinig aus dem Platonismus (über Justin), aber auch nicht aus der Gnosis allein ableiten können, wie dies die altkirchlichen Kritiker (in der Nachfolge des Irenäus) taten. Zu rechnen ist vielleicht mit einem enkratitischen Einfluss, wenn nicht auch hier die Ketzerschablone der alten Kirche Anwendung gefunden hat.286 Biblisch-christliche Ethik im engeren Sinne findet sich bei Tatian vornehmlich dort, wo er auf den Gleichheitsgedanken und die Nächstenliebe unter den Christen verweist. Offensichtlich reagiert Tatian auf den heidnischen Vorwurf, die christliche Lehre werde lediglich von Weibern, Unmündigen und Alten geglaubt.287 Der Autor stellt klar, dass jedes Alter und Geschlecht bei den Christen willkommen sei288 und der Mensch nicht nach seiner äußeren Erscheinung beurteilt werde.289 In jeder erdenklichen Hinsicht seien die weisen, ehrbaren und züchtigen Frauen in den christlichen Gemeinden den liederlichen und wolllüstigen Weibern der Heiden 282

Vgl. or. 16,8. Vgl. insbes. or. 16,6–18,6. 284 Or. 23.1–3. 285 Or. 23,5. Mit letzter Sicherheit lässt sich die Frage, ob Tatian den Fleischverzehr generell abgelehnt habe, allerdings nicht entscheiden; siehe in neuerer Zeit J.E. Hunt (case, S. 152): „Tatian’s distaste for the eating of meat may actually reflect a rejection of any meat eating.“ 286 Vgl. Irenäus, adv. haer. 1,28,1; Eusebius, hist. eccl. 4,28f; Hieronymus, In Amos 2,12 (Tatianus Encratitarum princeps); In ep. ad Tit. praef. (Tatianus Encratitarum patriarches); In ep. ad Gal. 6,8 (Tatianus [v. l.: Cassianus] Encratitarum vel acerrimus haeresiarches). 287 Vgl. or. 33,1. 288 Or. 32,2f. 289 Or. 32,7. 283

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I. Werkeinführung

moralisch überlegen. In seiner Attacke auf deren Unsittlichkeit ist Tatian jede Schmähung recht: Ein mehrere Kapitel umfassender Katalog von lüsternen und liebestollen Weibern, von Sappho über Lais bis zu Philainis und Elephantis,290 soll dem Leser die Augen öffnen. Bei den Christen jedoch, so betont Tatian im Verein mit den anderen Apologeten, gebe es weder Unzucht noch Unwahrheit.291

6. Die Apologetik Tatians a) Diffamierung der Philosophie Tatian verfolgt in seiner gesamten Apologie den Grundsatz, dass die wirksamste Verteidigung der eigenen Sache der Angriff auf den Gegner sei. So ist ein großer Teil der oratio von der Polemik gegen die heidnische Philosophie geprägt. Bereits an der Einleitung ist deutlich erkennbar, dass Tatian kaum an einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Lehren der jeweiligen Philosophenschulen gelegen ist. Weniger die Lehre, sondern die Philosophen selbst werden als Personen diffamiert. Seien es Diogenes, Aristipp, Platon oder Aristoteles, seien es Heraklit, Zenon, Empedokles oder Krates: der Autor kennt eine ganze Reihe von „anecdotes scandaleuses“292 und hat eine passende für jeden Philosophen.293 Das Vorgehen Tatians ist durchsichtig. Offenbar schöpft er aus vorliegenden Katalogen oder Sammelwerken und scheint sich die jeweils skurilste „Schauergeschichte“ herauszusuchen.294 Er kürzt sie auf schnell erzählte zwei oder drei Sätze, um sogleich den nächsten Philosophen zu blamieren. Wichtig ist ihm der Eindruck, der bei den Lesern haften bleibt: Der gesamte Berufsstand der griechischen Philosophen bestehe aus einer Ansammlung von aufgeblasenen, eitlen, geschwätzigen, widersprüchlichen, obskuren, 290

Vgl. or. 33–35. Iustinus, 1 Apol. 2,1; 8,2; 26,7; 34,3; 2 Apol. 4(3),4; Athenagoras, Leg. 3,1; 32,1f; Theophilos, Ad Autol. 3,4; 3,15; Tertullian, Apol. 21,27; Minucius Felix, Oct. 9,6f; 28,2; 31,1. 292 A. Puech, S. 40. 293 Vgl. or. 2f. Richtig urteilt P. Lampe (Die stadtrömischen Christen, S. 247): „es handelt sich eher um oberflächliches Handbuchwissen als um die Früchte des Studiums von Primärliteratur.“ Eine übersichtliche Darstellung der Benutzung klassisch-literarischer Vorlagen durch Tatian (Philosophie, Dichtung, Historiographie, Realien etc.) bietet M. Pellegrino (Gli apologetici greci del II secolo, Rom 1947); siehe dort S. 101–109 („Uso e conoscenza della cultura classica“). 294 Elze, S. 26. Welche literarische Vorlage Tatian im Einzelnen benutzt, ist kaum noch erkennbar. Elze (S. 26, Anm. 2) verweist auf die Schrift Goh tvn fv ra des Oinomaos von Gadara. 291

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schwachsinnigen und verlogenen Existenzen. Tatian schreibt mit wenig Anspruch für die Galerie, seine Polemik will erheitern und unterhalten, sie ist – wie Puech treffend formuliert – „superficelle“ und „sans scrupule“.295 Neben der persönlichen Blamage verweist Tatian – wie alle anderen christlichen Apologeten296 – auf die Widersprüche unter den Philosophenschulen: „Jeder hat doch herausgeschrien, was ihm gerade in den Sinn kam.“297 „Ihr führt Krieg gegen euch selbst und verdammt euch gegenseitig.“298 Tatian betont, dass die Wahrheit nur eine einzige sein könne. Die Philosophen aber hätten durch ihre unzähligen Streitigkeiten „die Weisheit zerteilt“ (meriÂzontew thÁn sofiÂan) und sich dadurch von der einen und wahren Weisheit gleichsam abgeschnitten.299 – Mit derselben Intensität, wie Tatian die Lehrunterschiede zwischen den Philosophenschulen anprangert,300 kritisiert er den Hiatus zwischen Lehre und Leben der ehemaligen wie aktuellen Philosophen. Insbesondere wird die Heuchelei der Kyniker gegeißelt: Sie predigen die einfache Lebensweise und bedürfen doch der materiellen Güter. Für Geld stellen sie ihre angebliche Bedürfnislosigkeit zur Schau.301 Ihnen wird – am Beispiel des Crescens – nicht nur Geldgier, Völlerei, Päderastie, Betrug und Ruhmsucht vorgeworfen, sondern auch eine dem stoisch-kynischen Ideal zutiefst zuwiderlaufende Todesangst (dedieÂnai toÁn uaÂnaton).302 Dies ist in der Tat auffällig, dass Tatian neben den Kynikern vor allem die Stoiker kritisch ins Visier nimmt. So lehnt er besonders scharf deren 295

Ebd., S. 40. Vgl. u. a. Iustinus, 1 Apol. 4,8; 7,3; 44,10; 2 Apol. 10,3; 13,3; Athenagoras, Leg. 7,2; Theophilos, Ad Autol. 2,8; 3,3; 3,7; Ps.-Iustinus, Coh. 4,2; 5,1; 7,1; 35,2; Hermias, Irrisio (passim). 297 Or. 3,7. Dazu Puech, S. 41. 298 Or. 26,5. Konkrete Beispiele für Widersprüche unter den Philosophenschulen nennt Tatian insbesondere in cap. 25. 299 Or. 26,5. Justin führt die Unterschiede in der Lehrauffassung der griechischen Philosophie darauf zurück, dass zunächst zwar ein ernsthaftes Fragen nach Wahrheit durch die Schulhäupter stattfand, danach aber ein Epigonentum einsetzte und jeder Philosoph lediglich nachsprach, was er von seinem jeweiligen Lehrer lernte. Vgl. Dial. 2,1f. Der Unterschied zur Sichtweise Tatians, der mit seiner Kritik selbst vor ehrwürdigen Gestalten wie Platon oder Aristoteles nicht Halt macht (vgl. or. 2f), ist deutlich. 300 Puech (S. 41) verweist darauf, dass der Urspung des Aufzeigens von Widersprüchen zwischen den philosophischen Richtungen in der (heidnisch-)philosophischen Protreptik liege, deren Argumentation sich die christlichen Apologeten zunutze machen konnten: „Mais l’argument tire´ du de´saccord des philosophes est encore emprunte´ directement aux paı¨ens eux-meˆmes.“ 301 Or. 25,1f. 302 Or. 19,1–4. 296

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zyklisches Weltbild ab und setzt die einmalige christliche Auferstehung dagegen.303 Die stoische Ekpyrosis und Palingenesis sind Zielscheibe satirischen Spottes.304 Neben der Kosmologie der Stoiker wird auch deren zweites Hauptgebiet, die Logik, zutiefst verachtet: Ihre Haufenschlüsse (svreiÂa) und Syllogismen seien bestenfalls nutzlos.305 Schließlich wird auch die Ethik der vom Kaiser alimentierten Stoiker und Kyniker als Doppelmoral enttarnt.306 Die Gründe für die zugespitzte Kritik an der stoisch-kynischen Doktrin sind zweifellos mehrschichtig. Es ist möglich, dass Tatian andere Philosophen, namentlich die Platoniker, vergleichsweise wenig attackiert, weil auch sein mutmaßlicher Lehrer Justin als „Philosoph“ ein erklärter Platoniker war. Es ist aber auch denkbar, dass Tatian in Rom verstärkt auf diejenigen Philosophen aufmerksam wurde, die im Umfeld des stoischen Kaisers lehrten, und eine bewusste Abgrenzung aus diesem Grunde für ratsam hielt. Vor allem aber dürften die konkreten inhaltlichen Divergenzen entscheidend sein: Der stoische Materialismus passt nicht gut zur ausgeprägt materie-feindlichen Haltung Tatians. Eine Philosophie, die lediglich weltimmanente Deutungen und Erklärungen zulässt, passt nicht gut zur tatianischen Betonung der (göttlichen) Transzendenz. Es kommt nur allzu selten vor, doch mitunter ist man überrascht, dass Tatian der heidnischen Philosophie ein verstecktes Lob zukommen lässt. Bereits im ersten Kapitel äußert der Autor die vorsichtige Ansicht, dass sich der eine oder andere Philosoph bei der Weisheitssuche unter Umständen achtbar (semnoÂw) gezeigt habe.307 Wenig später bezeichnet er Sokrates, zusammen mit dem legendären Herakles, indirekt als einen guten und gerechten Menschen (er sei sowohl aÆgauoÂw als auch diÂkaiow gewesen).308 Nicht nur die Personen, auch manche Lehren der Philosophen 303

Or. 6,1. Or. 3,3. 305 Or. 27,9. 306 Or. 19. 307 Or. 1,5. Elze, S. 20f, vertritt die Ansicht, Tatians Aussage („auch wenn da mancher durchaus Ehrwürdige auf ihrem Gebiet wäre“) sei ironisch zu verstehen. Doch ist dies im hiesigen Kontext wenig wahrscheinlich. Eher könnte man Kukula (siehe dessen Übs. zur Stelle) zustimmen, der hier an den „Philosophen“ Justin denkt. Aber auch Sokrates käme, wie man noch sehen wird, in Betracht. Ob Tatian hier eher christliche oder herausragende heidnische Philosophen anvisiert, sei dahingestellt; jedenfalls stimmt diese seine Aussage mit anderen Stellen darin überein, dass er bereit ist, der heidnischen Philosophie – bisweilen und in sehr begrenztem Ausmaße – Konzessionen zu machen. 308 Or. 3,3. Puech, S. 39, vertritt die These, die positive Darstellung des Sokrates sei der Tatsache zu schulden, dass Tatian hier lediglich „une the`se stoı¨cienne“ darstelle, also gleichsam referiere und keineswegs eine eigene Wertung zum Ausdruck bringe. Für 304

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werden approbiert, nämlich dann, wenn sie mit der christlichen Anschauung übereinstimmen. Explizit wird die stoische Todesverachtung (das mhÁ deiÄn dedie nai toÁn ua naton ), wie sie zumindest in der Theorie gelehrt werde, positiv gewürdigt.309 Und sogar Epikur wird – im Grundton sachlich-referierend, aber durchaus anerkennend – als derjenige erwähnt, der die Nichtigkeit (das oyÆdeÁn eiËnai) der griechischen Götter erhellt habe.310 Liest man die oratio Tatians bis zum Ende, so wird man mit wünschenswerter Klarheit belehrt, warum es möglich ist, dass die Philosophen zumindest partiell auch Wahres sagen: Sie sind allesamt Plagiatoren und haben dort, wo sie sich der Wahrheit nähern, von Mose abgeschrieben.311 Immer wieder lässt Tatian durchscheinen, warum er der heidnischen Philosophie eine eigenständige Existenzberechtigung abspricht: Die Philosophie besitzt keine gültige Wahrheitsquelle oder -norm. Die Philosophen sind hilflos auf sich allein gestellt und können nur das verkünden, was sie sich selbst erdacht haben. Um wie viel höher als alle Wahrscheinlichkeitserwägungen und sophistische Schlüsse stehen die Worte einer göttlichen Offenbarung (ueioteÂraw eÆkfvnhÂsevw)!312 Und um wie viel mehr steht der Inhalt der christlichen Lehre (thÄw hëmeteÂraw paideiÂaw) höher als jeder weltliche Verstand (aÆnvteÂrv thÄw kosmikhÄw katalhÂcevw )!313 Die Philosophen sind „Rabenkrächzer“ (korako fvnoi);314 sie schreien nutzlose Dinge heraus. Sie versuchen sich an Erklärungen über das Göttliche und kennen nicht einmal sich selbst; sie gaffen in den Himmel und fallen in Abgründe.315 Die Vielzahl der literarischen Produktionen kann über den Mangel an Qualität und Wahrheitsgehalt nicht hinwegtäuschen.316 Für Tatian scheitern alle Bemühungen der Philosophen diese Sichtweise Puechs könnte man durchaus ins Feld führen, dass Tatian an anderer Stelle Herakles in ganz anderem Lichte, nämlich als maßlosen Lüstling, auftreten lässt (or. 21,3). Eine Hochschätzung des Sokrates durch Tatian ist aber gut denkbar; als argumentum ex negativo kann angeführt werden, dass Sokrates bei Tatians umfassender Philosophenkritik in auffälliger Weise verschont bleibt. 309 Or. 19,3. 310 Or. 27,5. 311 Or. 40,1: Mose ist die phgh , aus der die Griechen ihre Weisheit geschöpft, oftmals aber ohne Verständnis übernommen und weitergegeben haben. Zur jüdischen Provenienz der These vom Mose-Plagiat, die zum Allgemeingut der christlichen Apologeten des 2. Jahrhunderts gehört, siehe infra zur Stelle. 312 Or. 12,9. 313 Or. 12,10. 314 Or. 15,3. 315 Or. 26,1f; Anklang an eine in der Antike bekannte Anekdote über den „Himmelsforscher“ Thales von Milet (siehe infra die Anm. zur Stelle). 316 Ibid.

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immer an dem einen Grundproblem: Mit diesseitigen Mitteln können transzendente Wahrheiten nicht erfasst werden. Der heidnischen Philosophie fehlt der entscheidende Schlüssel und damit der Zugang zu einer Wahrheit, die allein Gott „von oben“ den Menschen offenbaren kann. Angesichts der überaus heftigen Philosophiekritik in der oratio nimmt der Leser erstaunt zur Kenntnis, dass Tatian auch die christliche Lehre wiederholt als Philosophie bezeichnet. In der gesamten Schrift erscheinen niemals Termini wie „christlich“, „Christentum“ oder gar der Name „Christus“ selbst.317 Stattdessen spricht er von „unserer Philosophie“ (cap. 31). Er konstatiert: „Alle, die philosophieren wollen, sind bei uns gern gesehene Menschen“ (cap. 32). Tatian spricht von „Philosophinnen bei uns“ und davon, dass es „weise Frauen bei uns“ gebe (cap. 33). Die Propheten des Alten Testamentes werden genauso als Philosophen bezeichnet (cap. 40) wie der Apologet Justin (cap. 19). Dass Tatian die christliche Lehre an zwei Stellen „barbarische Philosophie“ nennt (cap. 35.42), bringt auf die Spur, wie Tatian den Gegensatz verstanden wissen will. Der Grundunterschied zwischen der falschen Philosophie und der wahren Philosophie „bei uns“ korreliert mit dem Gesamtthema der oratio, nämlich dem Gegensatz zwischen Griechen- und Barbarentum.318 Nicht die Philosophie an sich steht im Fokus der tatianischen Kritik,319 sondern ihre kulturelle Verankerung im epigonistischen, wahrheitsverzerrenden Griechentum. Auch in der Philosophie komme das Ursprüngliche und Wahre – wie in vielen anderen Bereichen – den „Barbaren“ zu. b) Verspottung der Mythologie Die reichhaltige griechische Mythologie nimmt in der oratio Tatians einen breiten Raum ein. Die Anklänge, Verweise und Zitate sind kurz gehalten, dafür aber umso zahlreicher über die gesamte Schrift verstreut. Tatian setzt die detaillierte Kenntnis der griechischen Göttergeschichten, auch der weniger bekannten, bei seiner Leserschaft als Gemeingut voraus. Seine Technik ist immer dieselbe: Eine kurze Andeutung der Sage, manchmal auch nur eines Einzelzuges derselben, genügt in der Regel, um sogleich den Spott darüber auszugießen, wo immer sich eine Gelegenheit bietet.320 Schriller und höhnischer ist sein Ton als bei den anderen Apolo317

Zum Hintergrund siehe ausführlich infra unter III 3 („Warum fehlt der Name Christi?“). 318 In diesem Sinne bereits Elze, S. 24. 319 Gegen W. Krause (Die Stellung der frühchristlichen Autoren zur heidnischen Literatur, Wien 1958), der unpräzise von einer „Antithese Philosophie – Christentum“ (S. 68) bei Tatian spricht. 320 P. Lampe (Die stadtrömischen Christen, S. 247) verweist in diesem Zusammen-

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geten (mit Ausnahme vielleicht Tertullians), aber die Substanz der Kritik ist in nuce dieselbe wie bei seinen Vorgängern und Nachfolgern: Fast immer konzentriert sie sich auf die beiden wesentlichen Punkte, nämlich a) auf die Unmoral der mythischen Protagonisten und b) auf den allzu naiven Anthropomorphismus im griechischen Götterhimmel. So wird schon in der Einleitung der oratio, im ersten Kapitel, die Kunst der Mythographen deshalb gescholten, weil sie dazu genutzt werde, „um Götterkämpfe und -liebschaften und Seelenverderbnis in Verse zu fassen.“321 Der Mangel an moralischer Integrität und Verehrungswürdigkeit der griechischen Götter, ihr allzu menschliches Tun und Fühlen, wenn sie „heiraten, Knaben schänden, ehebrechen, lachen und zürnen, die Flucht ergreifen und verwundet werden“,322 diskreditiere a priori die gesamte heidnische Religion und Kultausübung. Dass dieselben Götter und Heroen sich aber nicht nur wie Menschen verhalten, sondern nach Auskunft der Dichter sogar so weit hinabgestiegen seien, dass sie sich in Pflanzen oder Tiere verwandelten,323 ist – wenn man den Geschichten Glauben schenkte – für Tatian der Inbegriff der Blasphemie. Und so wird der Autor der oratio nicht müde zu betonen, wie viel höher doch der christliche Glaube (sc. an den transzendenten Gott) stehe und dass es geradezu gotteslästerlich wäre, „unsere Vorstellung von Gott mit denjenigen Gestalten, die sich in Materie und Schmutz wälzen, auch nur zu vergleichen.“324 Tatian setzt wie selbstverständlich voraus, dass die heidnische Welt des 2. Jahrhunderts die uralten Götter- und Heldenepisoden noch immer, und zwar in jeder Einzelheit, für historisch und realistisch hält. Eine längst eingetretene philosophische Aufklärung wird weitgehend ignoriert und stattdessen – zweifellos mit Kalkül und Berechnung – Auffassungen unterstellt und bekämpft, die im Grunde einer fernen Vergangenheit angehören.325 Wenn beispielsweise der Glaube an eine „obere Erde“, von welcher der von Herakles getötete Löwe herabgestiegen sei, als „auf jede hang auf die typologischen Elemente der tatianischen Rhetorik: „Tatians Vorliebe für Anekdoten, für Obskuritäten, seine Mythologumena ... all dies passt ins Bild vom damaligen Rhetor.“ – „Tatian fügt sich bestens in das Bild ein, das wir von der Rhetorik des 1./2. Jh. n. Chr. besitzen – als einer Prunkberedsamkeit, die eine imponierende Breite von Bildungselementen auffährt, aber an der Oberfläche bleibt.“ 321 Or. 1,5. 322 Or. 8,2. 323 Or. 10,1–5. 324 Or. 21,8. 325 Pointiert formuliert J. Lortz (Christentum als Monotheismus, S. 302): „Schaurige Geschichten, mit denen im Heidentum niemand mehr etwas zu tun hatte, werden unbesehen weiter verwertet und den bösen Zeitgenossen aus dem heidnischen Lager vorgehalten“.

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Weise einfältig“ dargestellt wird,326 so sieht man deutlich, dass es Tatian nicht um eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Heidentum seiner Zeit, sondern allenfalls um einen Effekt bei seinen christlichen Lesern geht.327 Wenn Tatian gleich zweimal in der oratio unterstellt, man erwarte und fürchte noch immer das kommende Unterweltgericht durch Minos und Rhadamanthys,328 und im selben Atemzug das Endgericht des christlichen Schöpfergottes dagegenstellt, so wirft dies ein bezeichnendes Licht auf Tatians apologetische Technik: Die Kunstwelt der Mythologie dient als Hintergrund für den Erweis der Überlegenheit des „echten“ und „realen“ Glaubens. Fiktion und geglaubte Wirklichkeit werden im Sinne der Apologetik effektvoll miteinander verglichen. Die Tatsache, dass alle christlichen Apologeten – mit unterschiedlicher Intensität – auf dieselbe Weise vorgehen, beweist nichts anderes, als dass man sich der erwünschten Wirkung bei einer breiten Leserschaft sicher sein konnte. Die Schieflage der tatianischen Argumentation wird an vielen Beispielen deutlich, manchmal durch blendende Rhetorik vordergründig verschleiert. Der im Volk verbreitete Vorwurf an die Christen, sie fröhnten dem Kannibalismus (= aÆnurvpofagiÂa), wird vom Autor entschieden zurückgewiesen und gleichzeitig auf die Heiden zurückgeschleudert, und zwar mit einer erstaunlichen Begründung: der Tantalide Pelops sei den Göttern zum Fraße vorgesetzt worden, Kronos habe seine Söhne verschlungen und Zeus habe die Metis verspeist.329 Der heidnischen Polemik, in den Christengemeinden befänden sich vor allem leichtgläubige Kinder, greise Frauen und mit dem Alter kämpfende Männer, wird mit der Hochschätzung des homerischen Nestors, des kränklichen Philoktetes und des blutjungen Neoptolemos bei den Heiden begegnet.330 Die Beispiele ließen sich beliebig vermehren. In der gesamten oratio ist die Vermischung von Fiktion und Realität des Autors beliebteste Methode.331 Die Illusion eines wortwörtlichen und buchstäblichen Fürwahrhaltens der Mythologie durch die Heiden wird von Tatian sorgfältig gepflegt und 326

Or. 27,8. So bereits A. Puech, S. 43: Tatian bekämpfe die heidnische Mythologie „moins en vue d’une argumentation se´rieuse qu’en vue d’effets oratoires faciles“. 328 Or. 6,2; 25,4. Man vergleiche dasselbe, aber gänzlich anders dargebotene Argument bei Justin (1 Apol. 8), der das Gericht durch Minos und Rhadamanthys als eine Meinung Platons darstellt. 329 Or. 25,5. 330 Or. 32,4–6. 331 Tatians Vorgehensweise kann gut an den Details seines Altersbeweises (cap. 31 und 36–41) studiert werden. Mythische Gestalten der grauen Vorzeit werden ohne Unterschied neben historische Personen gesetzt und mit großem Schwung in ein und dasselbe Zeitschema gepresst. 327

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aufrecht erhalten. Denn sie nützt ihm, wenn es darum geht, seinen Freunden und Feinden die „barbarische“ Lehre annehmbar zu machen. Die potentiell anstößige Lehre von der Menschwerdung des Gottessohnes (die insbesondere für Anhänger der platonischen Schule eine Zumutung darstellen musste) wird nicht etwa argumentativ plausibel gemacht. Stattdessen wird – in halsbrecherischer Manier – auf analoge Vorgänge in den alten Götter- und Heldensagen verwiesen. Auch bei den Heiden, so Tatian, verwandeln sich doch Götter in Menschen: Athene tritt in der Gestalt des Deiphobos auf, Hera verwandelt sich in die Amme der Semele, Phoibos wird zum Hirten des Admetos.332 Wenn den Heiden die christlichen Lehren lächerlich und merkwürdig erschienen, dann sollten sie wissen, dass ihre eigenen noch merkwürdiger seien. Was solle man davon halten, dass Asklepios – als Gott der Heilkunst – den Tod erlitt oder der mächtige Herakles sich selbst in erbärmlicher Weise dem Feuer überlieferte?333 Wenn Tatian nicht nur in einem Nebensatz, sondern mit nicht wenig Aufwand in einen zweifelhaften Überbietungswettbewerb eintritt und auf breiter Basis erörtert, welche Lehren denn irrationaler und sonderlicher seien, dann wird man seine Argumentation, wenn nicht naiv, so doch vergleichsweise oberflächlich nennen müssen. Vor diesem Hintergrund versteht man gut, warum Tatian kaum etwas so fürchtet wie eine allegorische Deutung der griechischen Mythen. Eine solche „aufgeklärte“ Position, die die Götter und Heroen lediglich als Naturgewalten deutet, würde einen zentralen Teil der tatianischen Beweisführung mit einem Schlage ad absurdum führen. Und so rät er den Heiden scheinbar fürsorglich, doch die eigenen Götter nicht zu beseitigen.334 Es sei doch allzu töricht, wenn man dem Epikurschüler Metrodoros von Lampsakos folgte und die Geschichten um Zeus, Hera und Athene lediglich als Allegorie (aÆllhgoriÂa) auffasse und den epischen Gestalten wie Hektor, Achilles, Agamemnon, Helena und Paris lediglich eine literarische Funktion – sc. in der homerischen Ilias – zuschriebe, anstatt in ihnen wirkliche Menschen zu sehen.335 Und so insistiert (welch ein Paradoxon!) der Christ Tatian darauf, dass die Inhalte der paganen Mythen echt und deren Götter und Heroen real seien. Dass es sich hier um eine reine Zweckargumentation des Apologeten handelt, ist mehr als durchsichtig. Denn nur dann, wenn sie auch existieren, kann Tatian die heidnischen Götter als gefährliche und schlechte Dämonen (daiÂmonew fayÄloi)

332

Or. Or. 334 Or. 335 Or. 333

21,2. 21,3. 21,5. 21,6. Vgl. Elze, S. 103.

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diffamieren und vor ihnen warnen.336 Und nur dann, wenn die Götter wirklich an der Seite der Menschen kämpfen, verfängt sein wiederholt vorgebrachter Vorwurf des Anthropomorphismus und der Blasphemie.337 Insgesamt sind es sehr verschiedene Zwecke, für die Tatian das reichhaltige Material der griechischen Mythologie benutzt. a) Die Diskreditierung der heidnischen Religion ist, wie beschrieben, das hauptsächliche Ziel. Hier fühlt sich der Autor berufen, auf eine höherstehende Wahrheit hinzuweisen und für sie zu werben. b) Darüber hinaus dienen ausgewählte Beispiele aus der Mythologie dazu, die Kultur der Griechen insgesamt zu diffamieren. So wird die epische und dramatische Dichtkunst, wenn sie ihre Aufführung im Theater findet, zur Zielscheibe einer besonders radikalen Kritik: Es seien „Lügengeschichten“ und „Phantasiegebilde“, die dort dargeboten würden, die noch dazu unanständig, sittenverderbend und daher geeignet seien, das gänzlich unwürdige Niveau des Griechentums unter Beweis zu stellen.338 c) Dass die zahlreichen mythologischen Anspielungen nebenbei auch dazu dienen sollen, das breite Wissen und die hohe Bildung des Autors zu demonstrieren, ist ebenfalls nicht zu übersehen. Denn dies hält sich Tatian zugute, dass er sehr bewusst den „barbarischen Lehren“ folge, obwohl und gerade weil er die griechische Kultur so gut kenne.339 Mit jeder weiteren Homer-Reminiszenz will er diesen Anspruch offensichtlich unterstreichen.340 d) Ein letztes, aber sicher nicht unwichtiges Motiv ist für Tatian schlicht die Unterhaltung des Lesers. Das delectare ist ihm, dies wird in nahezu jedem Kapitel deutlich, mindestens ebenso wichtig wie das docere. Wenn er selbst den heutigen Leser bisweilen zum Schmunzeln bringt, so wird man vermuten können, dass er auch die damalige Leserschaft, die mit der griechischen Mythologie ungleich vertrauter war, mit einiger Sicherheit nicht gelangweilt hat.341 336

Or. 21,5. So auch hier in or. 21,8. 338 Vgl. bes. or. 21f. Deutlich sieht man auch hier, dass Tatian den Wahrheitsgehalt der Mythologie sehr unterschiedlich bewerten kann. 339 Vgl. bes. cap. 29 und 42. 340 Über die Funktion und die Art der Einflechtung von Dichterzitaten in der oratio Tatians vgl. erhellend S. Freund, Dichter, bes. S. 114–117. Tatian benutze die Zitate nicht primär aus inhaltlichen Gründen, nie stünden sie im Zentrum der Argumentation. Gleichwohl seien seine intellektuellen Anspielungen und Pointen ein argumentatives Mittel, um „bei aller Kritik an der paganen Bildung und bei aller Polemik gegen das Griechentum aus der Perspektive des Syrers durchblicken zu lassen, daß hier ein Kundiger schreibt“ (S. 117). 341 Vgl. L. Nasrallah (Mapping the World, S. 300) zum speziellen Witz Tatians, dessen „vocabulary of jokes and laugther“ sich in der oratio zahlreich nachweisen lasse. 337

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c) Polemik gegen die Astrologie In seinem Erfinderkatalog zu Beginn der oratio schreibt Tatian die Anfänge der Astrologie den Nichtgriechen zu: Die Sternkunde hätten die Babylonier entwickelt und die Möglichkeit der Vorhersage aus den Sternen sei eine Entdeckung der Karer gewesen.342 Eine Wertung dieser „Wissenschaft“ oder „Tätigkeit“ (eÆpithÂdeyma) ist an dieser Stelle nicht zu erkennen; denn Tatian kommt es lediglich darauf an, den Griechen jedwede Pionierleistung abzusprechen und sie als inspirationslose Nachahmer zu deklassieren. An allen anderen Stellen außerhalb der Einleitung wird über die Astrologie jedoch ein vernichtendes Urteil gefällt. Sie stellt nach Tatian einen besonders fragwürdigen Teil der griechischen Kultur und Wissenschaft dar, da sie a) in sich widersprüchlich und unsinnig und b) ein perfides und gefährliches Dämonenwerk sei. Zunächst zum ersten Argumentationsstrang (a): Die Astrologie ist für Tatian grober „Unsinn“ (lhÄrow),343 da sie zu viele Ungereimtheiten aufweise. So berichte die griechische Mythologie vielfach davon, dass Tiere, Menschen, Heroen oder Götter als Sternbild an den Himmel gesetzt wurden, um sie einer besonderen Ehre zu würdigen. So könne man dort angeblich Triptolemos und Demeter bewundern, aber auch den Hund der Erigone, den Skorpion der Artemis, die Bärin der Kallisto, den Kentaur Cheiron oder sogar einen Teil der Argo.344 Wenn sie aber irgendwann dorthin versetzt wurden, müsste der Himmel – so Tatian – vor ihrer Apotheose sternenlos und leer gewesen sein. Lächerlich erscheine auch die Tatsache, dass ein und dasselbe Sternbild mehrere Deutungen erfahre, dass ein leuchtendes Dreieck am Himmel einerseits die Umrisse Siziliens, andererseits ein Delta als Anfangsbuchstaben eines Gottes abbilde. Zudem sei es äußerst willkürlich, dass sich Sizilien am Himmel befinde, nicht aber andere Mittelmeerinseln. Es sind „Beweisführungen“ dieser Art, ungeordnet und eklektizistisch zusammengerafft, mit denen Tatian seinen Lesern die Nichtigkeit einer Pseudo-Wissenschaft vor Augen führen will. Von grundsätzlicher Art ist ein anderer Einwand. Tatian insistiert darauf, dass die gesamte Himmelssphäre einen Teil der Natur darstelle, dass die Aura des Göttlichen, mit der die Sternbilder umgeben seien, in keiner Weise gerechtfertigt sei.345 Mit Tatians Worten: Wie kann man einen Stier (als Sternbild) anbeten und ihn gleichzeitig (als natürliche Kreatur) als Op342

Or. 1,1. Or. 9,7. 344 Vgl. or. 9; weitere Beispiele in cap. 10. 345 Astrologie ist für Tatian nicht nur falsche Überhöhung der natürlichen Schöpfung, sondern sogar das Gegenteil: die Entwürdigung der Schöpfung; vgl. or. 10,4: Ti 343

d’ ayÆ toyÄ thÁ n poi hsin aÆ tima zete;

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fertier schlachten?346 Die Entgöttlichung der Natur ist ein Anliegen Tatians, welches immer wieder durchscheint: „Das Schöpfungswerk, das er um unsretwillen geschaffen hat, will ich nicht anbeten. Sonne und Mond sind unsretwegen geschaffen worden; wie kann ich denn meine Diener anbeten?“347 Noch deutlicher wird Tatian, wenn er sich über die am Himmel befindlichen Wandelsterne (= Planeten) auslässt, welche – aufgrund ihrer Namen – mit den heidnischen Göttern assoziiert werden: „Ich will keine Planeten anbeten!“348 Die nämlichen „Irrsterne“ (planhÄtai), die bei den Griechen das göttliche Schicksal versinnbildlichen, stehen nicht etwa über dem Menschen, noch haben sie in irgendeiner Weise Gewalt über ihn. Sie sind lediglich ein Teil der Schöpfung Gottes, sie sind, wie Tatian in einem schönen Wortspiel sagt, die Werke des „einen, nie irrenden Herrn“.349 Die andere Argumentationslinie (b) ist mit der ersten textlich eng verwoben, basiert aber auf einem völlig anderen Ansatz. Die Astrologie ist für Tatian ein Werk der Dämonen und damit eben doch nicht nur harmlos-lächerliche Erfindung von Menschen. So gehen für ihn insbesondere die Bezeichnungen der Sternbilder auf übernatürliche dämonische Wesen zurück. Tatian meint dies zweifellos ernst: Die Namensgebung der Tierkreiszeichen hätten die ehemals im Himmel wohnenden, dann aber von Gott abgefallenen und von ihm auf die Erde verbannten Dämonen vorgenommen und hätten sich dabei der nunmehr allzu vertrauten Tierwelt bedient. Durch die „Erhöhung“ des Tierreichs an den Himmel gaukelten sie vor, noch immer im Himmel zu leben, und übten nun von dort ihre Macht aus.350 Damit erweist sich Tatian nun doch wieder als Kind seiner Zeit. Die Entmystifizierung des Himmels findet nun doch nicht statt. An die Stelle des heidnischen Astrogötter-Kultes tritt eine ebenso mysteriöse, pseudo-christliche Dämonologie. Man wird es nicht anders sagen können, als dass die heidnischen Götter im Grunde genommen bei Tatian noch lebendig sind. Ihre neue, dämonische Gestalt, in der sie nun in Erscheinung treten, kann darüber kaum hinwegtäuschen. Aber selbst die neue Nomenklatur ist nicht konsequent durchgehalten: Die pseudo-christlichen Dämonen haben das Himmelsschicksal zum Leidwesen der Menschen eingeführt und dieselben Gestalten machen sich als heidnisch-homerische Götter vom Himmel herab über das Schicksal der Menschen lustig.351 Der Synkretismus wird vollends 346

Ibid. Or. 4,4. 348 Or. 10,2: ToyÁ w planh taw proskyneiÄn oyÆ boy lomai. 349 Or. 9,3: eÏna toÁ n aÆplanhÄ despo thn memauh kamen. 350 Or. 9,1. 351 Or. 8,1. 347

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vollzogen, wenn Zeus an einer Stelle sogar als der Anführer (hëgoyÂmenow) der Dämonen namhaft gemacht wird.352 In dem gesamten Abschnitt über die Astrologie sind christliche Vorstellungen mit paganem Götterglauben derart eng verflochten, dass man Tatian an dieser Stelle vielleicht einen Vertreter des Henotheismus, nicht aber einen strengen Monotheisten nennen kann. Denn die Aktivität einer Vielzahl von noch immer wirksamen (buchstäblich im Himmel befindlichen) quasi-göttlichen Mächte erscheint ungebrochen.353 Dem ungeklärten und ambivalenten Verhältnis Tatians zu den Himmelsmächten entspricht dieselbe schwankende Ansicht über das von ihnen festgelegte Schicksal (eiëmarmeÂnh). Es gibt Aussagen Tatians (insbesondere jeweils zu Beginn der cap. 8 und 9), die eine deterministische Schicksalsgläubigkeit vermuten lassen. Bei diesen Ausführungen handelt es sich nicht einfach nur um ein Referat heidnisch-griechischer Ansichten, denn die Einführung des Schicksals wird explizit als Werk derjenigen Mächte beschrieben, die vom Schöpfergott wegen ihres Abfalls aus dem Himmel vertrieben wurden,354 also als ein Werk der für Tatian real existierenden Dämonen. Auf der anderen Seite – und diese Aussagen überwiegen bei weitem – wendet sich Tatian entschieden gegen jeden astrologischen Fatalismus und Determinismus: „Wir stehen höher als das Schicksal.“355 – „Wir werden nicht vom Schicksal bestimmt.“356 Tatian verweist mehrfach mit Nachdruck auf die persönliche Freiheit des Menschen, auf sein sog. ayÆ tejoy sion , gleichsam seine „Vollmacht über sich selbst“.357 Und wie es Tatians Art ist, gießt er seinen Spott über seine griechischen Adressaten aus, die zwar das in den Sternen stehende Schicksal anerkennten, aber in keiner Weise danach lebten. Tatian spricht wie ein Stoiker, wenn er darauf verweist, dass Schicksalsgläubigkeit mit Angst- und Sorgenfreiheit einhergehen müsse: „Wenn das Schicksal waltet, warum hast du mir dann aus Habsucht schlaflose Nächte? Wenn das Schicksal waltet, warum bist du mir dann so gierig, und stirbst so oft daran?“358 Wenn die Astrologie nicht einmal ein angstfreies Leben ermögliche, so die Quintessenz der tatiani-

352

Or. 8,2. Bereits Loofs (Leitfaden, § 18, 1b) kam insbesondere unter Berücksichtigung Tatians zu dem Schluss, dass der Monotheismus der Apologeten „eine heidnisch-philosophische pluralistische Färbung“ besitze. Ihr Glaube an den einen Gott habe Merkmale einer „heidnisch-philosophischen Dehnbarkeit“ (ibid. 5a). 354 Vgl. als Hintergrund die Dämonologie Tatians in or. 7. 355 Or. 9,3. 356 Ibid. 357 Vgl. bes. or. 11,4 und 7,3.5. 358 Or. 11,3. 353

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schen Argumentation, dann sei sie nicht nur in der Theorie lächerlich und perfide, sondern auch für die Praxis unbrauchbar und höchst unnütz. d) Vorrang des Barbarentums Tatian stilisiert seine Apologie als einen Vergleich des Griechen- und Barbarentums.359 Der Nachweis des Vorrangs der Barbaren hat dabei den unübersehbaren Hauptzweck, die eigene (christliche) Lehre, die er – anders als Justin360 – dem Barbarentum zurechnet, gegen ein Präjudiz zu verteidigen. Das von Tatian vorausgesetzte Vorurteil der Griechen, dass alles „Barbarische“ eo ipso minderwertig sei, wird zurückgewiesen und geradezu in sein Gegenteil verkehrt: Die gesamte Kultur der Griechen sei epigonistisch, depraviert und heuchlerisch. Denn alle wichtigen und wertvollen Kulturleistungen gingen auf Nicht-Griechen zurück. Tatian, der wiederum im Angriff die beste Verteidigung sieht, ist nicht zimperlich und kennt kaum Zwischentöne. Die Welt der Griechen und die Welt der Barbaren stehen sich wie monolithische Blöcke gegenüber. Feine Differenzierungen oder vermittelnde Sichtweisen sind dem Autor der oratio gänzlich fremd.361 Ein besonderes Anliegen Tatians ist die Widerlegung einer Minderwertigkeit der Barbaren im Hinblick auf ihre Sprache. Dass die Griechen über die Sprachen der Barbaren abschätzig urteilen, sei sachlich nicht 359

Zur demonstrativen und selbstbewussten Hochschätzung des Barbarentums bei Tatian vgl. neuerdings: J.E. Fojtik, Tatian the Barbarian: Language, Education and Identity in the Oratio ad Graecos, a. a.O., Frankfurt a.M. 2009. 360 In dial. 119,4 wird sich im Hinblick auf die Christen gegen die Bezeichnung „Barbaren“ ausdrücklich verwahrt: „Wir sind also kein verachtenswertes Volk, noch ein Barbarenvolk, noch eine Nation wie die Karer oder Phryger“ (Übs. Ph. Hauser). Dagegen kann Justin sehr wohl das jüdische Volk dem Barbarentum zurechnen; vgl. 1 Apol. 5,4; 46,3. Vgl. Fojtik, Tatian the Barbarian, S. 24. 361 Zur Hochschätzung des Barbarentums in der popularphilosophischen Literatur (mit einer Auswahl an Belegen) vgl. P. Lampe, Die stadtrömischen Christen, S. 249, Anm. 485; siehe auch den dortigen Hinweis auf M. Elze, Theologie, S. 25f, und N. Hyldahl, Philosophie, S. 244f. Tatian kongruiert unübersehbar mit einem im griechisch-römischen Kulturraum durchaus verbreiteten und keinesfalls nur temporären „positiven Barbarenbegriff“. Zwar sind konkrete Abhängigkeiten nur schwer nachzuweisen, doch ist vor diesem Hintergrund, wie auch Lampe (ibid.) betont, Zurückhaltung bei allen (zumeist älteren) Interpretationen geboten, die Tatian allzu sehr „von orientalischen Voraussetzungen“ oder „von seiner syrischen Nationalität“ her verstehen wollen. – Eine typische Beurteilung, wie sie in der Vergangenheit (meist in sehr undifferenzierter Form) üblich war, bei M. Pellegrino, Apologeti Greci, S. 97: „Taziano conservo` sempre quell’avversione all’ellenismo e alla civilta` occidentale in genere, che e` caratteristica dell’anima orientale“. Die Beispiele könnten beliebig vermehrt werden.

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angezeigt. Hohn und Spott seien unangebracht, denn – Tatian deutet kryptisch auf den Turmbau zu Babel – es gebe eine Ursache dafür, dass die Menschen sich gegenseitig nicht verstehen könnten.362 Zudem seien die Griechen in hohem Maße inkonsequent, da sie Lehn- und Fremdwörter aus anderen Sprachen durchaus hochschätzten, gern benutzten und eben dadurch eine noch größere Sprachverwirrung hervorriefen.363 Tatian scheint sich geradezu als linguistischer Purist aufzuspielen, wenn er darauf dringt, bei der Benutzung des griechischen Idioms die Fremdworte zu meiden. Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, was der eigentliche Hintergrund dieser Forderung ist. Tatian will vermitteln: Selbst bei der Verwendung der eigenen Muttersprache seien die Griechen unselbstständig und unoriginell. Man schmücke sich mit fremden Federn, wenn bei jeder Gelegenheit auf die barbarischen Ausdrücke zurückgegriffen werde. Entzöge man der griechischen Sprache alle Fremdworte, sei sie höchst defizitär und z.B. für die dialektische Wissenschaft kaum mehr tauglich.364 Wenn den Griechen eine Vorrangstellung hinsichtlich der Sprache abzusprechen sei, so vielmehr noch im Hinblick auf andere Kulturleistungen. Um hierfür den Beweis anzutreten, stellt Tatian an den Anfang seiner oratio einen umfangreichen Erfinderkatalog.365 Alle bedeutsamen wissenschaftlichen Entdeckungen auf dem Gebiete der Astronomie, Geometrie, Mantik, Literatur, Kunst und Musik gingen auf die Barbaren zurück. Die Griechen hätten sich fremder Leistungen für eigene Zwecke bedient, und es sei eine Verfälschung der Geschichte, wenn die Nachahmungen (mimhÂseiw) als eigene Erfindungen (eyëreÂseiw) ausgegeben würden.366 – Nun ist der imposant erscheinende Erfinderkatalog bei Tatian ebenfalls nicht originell. Derartige Auflistungen kursierten in der Literatur, und es existierte, wie wir durch Clemens Alexandrinus wissen, sogar ein eigenes Genos von Schriften mit dem Titel „Über Erfindungen“ (PeriÁ eyërhma tvn). Der Alexandriner, der in seinen Stromateis selbst einen solchen Katalog präsentiert, nennt immerhin acht Autoren dieser Literaturgat362

Vgl. or. 30,3f. Or. 1,4. 364 Vgl. or. 26,1. – Dass Tatian in Bezug auf die unterschiedlichen griechischen Dialekte die Idealisierung des Attischen so stark kritisiert (or. 26,8), kann verschiedene Ursachen haben. a) Tatian, der aus Assyrien stammt, verteidigt auf diese Weise eigene Unzulänglichkeiten in der Aussprache der griechischen Hochsprache. b) Dadurch dass Tatian auf die faktische Vielzahl der griechischen Dialekte hinweist (attisch, dorisch, aiolisch, ionisch, ...) vermittelt er wie schon bei der Philosophie so auch in sprachlicher Hinsicht ein Bild der Zerrissenheit und Uneinigkeit des Griechentums; vgl. hierzu bes. or. 1,4. 365 Hierzu ausführlich M. Kremmer, De catalogis heurematum, Diss. Leipzig 1890. 366 Or. 1,2. 363

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I. Werkeinführung

tung.367 Während das Material, das in der oratio benutzt wird, offensichtlich Traditionsgut darstellt, ist dessen Anwendung für die christliche Apologetik vielleicht ein Einfall Tatians,368 der später noch mehrfach reproduziert werden sollte.369 Jedenfalls begründet und eröffnet der Erfinderkatalog das Gesamtthema der anti-griechischen und pro-barbarischen Schrift, welche mit dem (ebenfalls traditionellen) Altersbeweis thematisch passend abschließen wird. Wiederholt kontrastiert Tatian in seiner Schrift die Einfallslosigkeit und Unwissenheit der Griechen mit dem Wissen und der Erkenntnis der Barbaren. Der Grund liege in der gänzlich anderen Zugangsweise zur Wahrheit. Während die Griechen erfolglos versuchten, sie aus sich selbst heraus zu finden, seien die Barbaren – i.e. die Juden und Christen – zu Empfängern „höchst göttlicher Offenbarungen“ geworden.370 Tatian malt in schwarz und weiß: Die Griechen wissen nichts, die Barbaren wissen alles. Tertium non datur! So möchten sich die Griechen doch endlich „von uns, Ä n tv Ä n eiÆdo tvn) belehren und überzeugen lasden Wissenden“ (par’ hëmv sen,371 von einer Lehre, die aufgrund ihres göttlichen Ursprungs „höher stehe als jeder weltliche Verstand“ (aÆnvteÂrv thÄw kosmikhÄw katalhÂcevw ).372 Tatians Missionseifer tritt immer wieder zu Tage, allerdings in wenig umwerbender, sondern insgesamt recht schroffer, geradezu arroganter Weise. Stets ist der Autor bemüht, die eigene Überlegenheit herauszustellen. Die Zuwendung zum Christentum bedeutet für ihn primär Lernund Wissenszuwachs, der notwendig sei, um das Stadium der Dummheit und des „Stumpfsinnes“ (blakeiÂa) zu verlassen.373 Die Bekehrungsauf-

367

Clemens nennt Skamon von Mitylene, Theophrastos von Eresos, Kydippos von Mantonea, Antiphanes, Aristodemos, Aristoteles, Philostephanos und den Peripatetiker Straton (Strom. 1,16,77). 368 A. Puech (S. 39) macht darauf aufmerksam, dass eine vergleichbare jüdischalexandrinische Apologetik existierte. Autoren wie Eupolemos oder Artapanos von Alexandrien (vgl. die Fragmente bei Euseb, praep. ev. 9,17,26; 9,18,23 und Clemens, Strom. 1,23,153) sowie Josephus (Contra Apionem 2) versuchen sich an dem Beweis, dass die Juden den Griechen insbesondere in künstlerisch-technischer Hinsicht vorangegangen seien. Puech denkt an eine gedankliche Inspiration auf Tatian, gibt aber zu, dass eine substantielle Verbindung hinsichtlich des verwendeten Materials nicht existiert: „Mais il est curieux de voir qu’il n’y ait aucun lien direct, en cette matie`re, entre l’apologe´tique jude´o-alexandrine et l’apologe´tique chre´tienne.“ 369 Zu nennen sind vor allem Clemens, Eusebius und Gregor von Nazianz; vgl. infra die Anmerkungen zu cap. 1 und A. Puech, S. 37f. 370 Vgl. or. 12,4 (taÁ w ueiota taw eërmhnei aw ) und 12,9 (ueiote raw tinow eÆkfvnh sevw ). 371 Or. 19,1. 372 Or. 12,10. 373 Or. 32,7.

6. Die Apologetik Tatians

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forderung Tatians ist demnach immer eine intellektuelle Herausforderung: boylo menoi manua nein speyÂsate. – „Seid lernbegierig und eifrig!3Ï74 Für den Nachweis der intellektuellen Überlegenheit der Barbaren wirft Tatian auch seine eigene Persönlichkeit in die Waagschale. Gänzlich unbescheiden erklärt er seinen Adressaten, er besitze das „Verständnis von Ä n oÏ lvn).375 Die Griechen der Gesamtheit der Dinge“ (kataÂlhcin periÁ tv möchten doch endlich auf ihn, den „Herold der Wahrheit“ (toÁn khÂryka th Ä w aÆlhueiÂaw ) hören, der ihnen „aus der Höhe“ (aÆ poÁ toyÄ metevÂroy ) zurufe.376 Sein Weg zum Verständnis der Wahrheit sei die Abkehr vom Griechentum und eine konsequente Hinwendung zum Barbarentum gewesen. Auf ausgedehnten Studienreisen, die ihn über große Teile der Erde geführt hätten,377 habe er die griechische Kultur und Wissenschaft gründlich kennengelernt – um ihr letztlich den Abschied zu geben und sich der älteren und vorzüglicheren „barbarischen Philosophie“ (barbaÂroy filosofiÂaw ) zuzuwenden.378 Die höhere Wertigkeit dieser Philosophie habe er aus „gewissen barbarischen Schriften“ (grafaiÄw tisin barbarikaiÄw) erkannt, auf die er zufällig gestoßen sei.379 Als Begründung für den Vorrang wird von Tatian eine in sich konsistente und umfassende Welterklärung angeführt: Die barbarische Lehre informiere in schlichter und ungekünstelter Sprache sowohl über die Anfänge als auch das Ende der Welt, präsentiere eine bemerkenswerte Ethik, lehre nur einen einzigen Gott und weise den Weg zur Erlösung.380 Modern ausgedrückt: Die christliche Lehre biete ein kohärentes und integratives Gesamtkonzept, welches die Grundfragen der Kosmologie, Eschatologie, Ethik, Theologie und Soteriologie inhaltlich überzeugend und für jedermann verständlich 374

Or. 12,10. W.L. Petersen (Tatian the Assyrian, S. 130) formuliert treffend: „one should note that Tatian’s conversion (at least as he describes it) is essentially an intellectual exercise, not a charismatic experience. He is not evangelized; there is no catharsis; there is no emotion involved.“ 375 Or. 27,6. 376 Or. 17,2. 377 Vgl. L. Nasrallah (Mapping the World, bes. S. 291.298–306.312–314) zur Tendenz Tatians, durch zahlreiche geographische Verortungen innerhalb seiner Argumentation sich als feingebildeten, universal beheimateten Gelehrten mit herausragender paideia darzustellen. 378 Or. 35,2. J.E. Fojtik schildert Tatian, und zwar von seiner ganzen Persönlichkeit her, als einen ausgesprochen „stolzen Barbaren“ (Tatian the Barbarian, S. 34): „Tatian as a self-identified barbarian and convert to a ,barbarian‘ religion does not denounce the label but rather takes it as a badge of honor. [...] To be Greek and to follow Greek ways is demonstrated to be wanton, and alternatively, to be barbarian is to be wise and virtuous.“ 379 Or. 29,2. 380 Ibid.

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I. Werkeinführung

beantworte. Tatian fasst den Unterschied zur griechisch-römischen „Prahlerei“ in einem Wort zusammen: Die barbarischen Lehren seien „göttlicher“ (ueioteÂraiw).381 Nachdem Tatian (in cap. 29) seine „Bekehrung“ zum höherwertigen Barbarentum geschildert hat, folgen in der oratio noch zwei umfangreichere Demonstrationen dieser Überlegenheit: der Statuenkatalog (cap. 33–35) und der sog. Altersbeweis (cap. 31 und 35–41). – Die Aufzählung der in Rom aufgestellten griechischen Statuen, für die Tatian Autopsie beansprucht,382 dient zunächst dem allgemeinen Nachweis, dass auch bei den Griechen – an den Bildnissen deutlich sichtbar – zahlreiche Frauen in Ehren stünden. Tatian will auf diese Art dem Vorwurf begegnen, bei den Christen seien die leichtgläubigen Weiber, vornehmlich junge Mädchen und alte Frauen, besonders stark vertreten. Nachdem der Autor zu diesem Zweck eine rein feminine Statuenliste geboten hat (cap. 33), ändert er plötzlich sein Vorgehen und seine Strategie: Er zählt nun unterschiedslos weibliche wie männliche Kunstobjekte auf (cap. 34). Weiterhin wird nicht versäumt, zu jeder abgebildeten Person ein verwerfliches und abstoßendes Sittengemälde mitzuliefern. Die Addition der Skandalgeschichten scheint kein Ende zu nehmen.383 Es ist dies die tatianische Art, den Vorrang des Barbarentums zu untermauern: Ein Griechentum, das derart viele unzüchtige, sittenlose, frevelhafte und kriminelle Personen auf den Sockel hebe, sei moralisch minderwertig und als Richterin über die ethisch überlegenen Barbaren nicht qualifiziert. Den Abschluss der oratio bildet der detaillierte „Altersbeweis“. Das Rahmenthema des Vorrangs der Barbaren, welches mit dem Erfinderkatalog (cap. 1) eingeleitet wurde, findet hier den entsprechenden Abschluss. Die im alexandrinischen Judentum aufgekommene, unter den Christen weit verbreitete, von den Apologeten des 2. Jahrhunderts ge381

Das Epitheton „göttlich“ verwendet der Autor der oratio mehrfach für die Lehren und Offenbarungen der „Barbaren“ (vgl. or. 12,9; 16,4; 29,2; 32,4; 33,5); bei Tatian fungiert es quasi als Ersatzwort für das konsequent vermiedene Adjektiv „christlich“. 382 Dass Tatian literarische Vorlagen verwertet, ist früh erkannt worden; vgl. A. Kalkmann, Tatians Nachrichten über Kunstwerke, in: Rheinisches Museum für klassische Philologie, N.F. 42 (1887), S. 489–524. 383 A. Puech (S. 47–53) bemängelt zu Recht die willkürliche Auswahl der Statuen durch Tatian und die fehlende inhaltlich-argumentative Überzeugungskraft der gesamten Darstellung. Warum, so könne man fragen, hat Tatian es nicht wie andere Apologeten bei einer schlichten Zeichnung des harmlos-friedfertigen, sittlich hochstehenden christlichen Lebens belassen? Puech hat Recht: „Parce qu’il pre´fe´rait l’offensive a` la de´fensive“ (S. 48); „Tatien n’aime pas la de´fensive“ (ibid.). In gewisser Weise scheine es tatsächlich so zu sein, dass Tatian schlicht und einfach Vergnügen und Freude an den skandalös-pikanten Geschichten an sich habe: „Tatien ait pris quelque plaisir a` e´crire ce morceau pour lui-meˆme“ (S. 49).

6. Die Apologetik Tatians

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betsmühlenartig vorgetragene Grundannahme, die griechischen Dichter und Philosophen seien dort, wo sie Wahres berichten, von Mose und den übrigen hebräischen Propheten abhängig,384 wird von Tatian dadurch „bewiesen“, dass er das mosaische Zeitalter chronologisch weit vor dem Beginn der Schriftkultur der Griechen ansetzt. Der historische Nachweis wird mit aller Akribie geführt, indem neben der griechischen Zeitrechnung auch chronologische Nachrichten der Chaldäer (cap. 36), Phönizier (cap. 37) und Ägypter (cap. 38) herangezogen und ausgewertet werden. Nachweislich hat die tatianische Ausarbeitung bei späteren Autoren Eindruck hinterlassen und wurde namentlich von Clemens Alexandrinus im 1. Buch seiner Stromateis passagenweise und von Eusebius im 10. Buch seiner praeparatio evangelica vollständig übernommen.385 Seine Kraft bezieht der Altersbeweis aus dem auch in der heidnischen Antike anerkannten Prinzip, dass die ältere Weisheit, die näher am göttlichen Ursprunge liege, grundsätzlich die bessere und wertvollere sei.386 Die Plagiatthese im engeren Sinne ist für Tatian, der im Unterschied zu den anderen Apologeten den heidnischen Schriftstellern Lüge, Phantasie und Unwahrheit in toto vorwirft, nicht unproblematisch. Wie kann er die Heiden der Falschaussage bezichtigen, wenn diese von Mose abgeschrieben haben? Tatian löst das Problem notdürftig, indem er den Griechen vorwirft, sie hätten Mose „ohne Verständnis“ (oyÆ kat’ eÆpiÂgnvsin) kopiert, ihn bewusst zu „verfälschen“ (paraxaraÂttein) versucht und in schönklingenden Worten „die Wahrheit zur Mythologie verzerrt“ (vëw myuologiÂan thÁn aÆlhÂueian parabrabey svsi ).387 Deutlich sieht man, dass Tatian auch hier – rigoroser als die anderen frühchristlichen Apologeten – den fundamentalen Unterschied zwischen heidnischer und christlicher Weisheit betont. Der Vorrang der sog. „Barbaren“ gilt nicht nur in kultureller, sprachlicher und moralischer Hinsicht, sondern noch viel mehr auf dem Gebiete der Wahrheitserkenntnis und der göttlichen Offenbarung.

384

Vgl. infra die Anmerkungen zu cap. 31. Eusebius, praep. ev. 10,11,1–35. Zu den ausgewählten Passagen bei Clemens siehe den Einzelnachweis infra in den Anmerkungen zu cap. 31.35–41. 386 Vgl. W.L. Petersen, Tatian (4RGG), Sp. 47: „... in der Antike war Anciennität ein Erweis der Wahrheit.“ Siehe ausführlich: P. Pilhofer, Presbyteros Kreitton. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und ihre Vorgeschichte (WUNT 2,39), Tübingen 1990. Pilhofer sieht die genuine Leistung Tatians darin, dass dieser als erster Homer und Mose zur Grundlage einer systematisch-chronologischen Argumentation gemacht und damit den traditionellen Altersbeweis „methodisch ... verbessert und ausgestaltet“ habe (S. 260; vgl. S. 255). 387 Or. 40,1f. 385

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I. Werkeinführung

7. Gesamtwürdigung Eine Würdigung der dogmatischen und apologetischen Leistung Tatians kann nur auf der Grundlage einer Unterscheidung von Konventionellem und Eigenem geschehen. Es ist unübersehbar, dass das Genre der apologetischen Schriften des 2. Jahrhunderts auf einem gemeinsamen Schatz von Vorstellungen und Argumenten, Bildern und Motiven beruht und dass die einzelnen Apologien untereinander – direkt oder indirekt – abhängig sind. Der Grad der literarischen Abhängigkeit und der gegenseitigen inhaltlichen Beeinflussung ist umso höher einzuschätzen, wenn man bedenkt, dass längst nicht alle Verteidigungs- und Schutzschriften dieser Zeit überliefert sind,388 dass es äußerst glücklichen Umständen zu verdanken ist, dass überhaupt einige Schriften dieser Zeit den selektiven Tradierungsprozess in Antike und Mittelalter in z.T. sehr wenigen Handschriften unversehrt überstanden haben.389 Eine Einschätzung dessen, was als tatianisches Proprium anzusehen ist, kann also nur mit einem Seitenblick auf die anderen erhaltenen Apologien vorgenommen werden, namentlich im Vergleich zu Aristides (Apol.), Justin (1 Apol.; 2 Apol.; Dial.), Athenagoras (Leg.; De resurr.) und Theophilos (Ad Autol.). Auch spätere Apologeten wie Tertullian (Apol., Ad nat.), Minucius Felix (Oct.) oder Hermias (Irr.) sind zu berücksichtigen, da sie vielfach auf älteres Material zurückgreifen. Gemeinsam ist dem apologetischen Schrifttum die Betonung der unbedingten Transzendenz des christlichen Gottes, welcher von den anthropomorphen Göttergestalten des Heidentums in jeder Hinsicht abgegrenzt und in seiner reinen Geistigkeit allen körperlich-materiellen Konnotationen entzogen wird.390 Tatian liegt gänzlich auf dieser Linie, wenn er an exponierten Stellen Gottes zeitlose Existenz, seine Aseität, seine Übersinnlichkeit und Immaterialität, seine Geistigkeit und – zusammen mit Athenagoras391 – sein in ontologischer Hinsicht allen anderen Dingen vorgeordnetes „absolutes Sein“ bzw. „Sein an sich“ (ayÆtoÁ toÁ oÍn) hervorhebt.392 Tatians Rede über Gott ist prägnant und konzise, sie infor388

Verloren sind bis auf wenige Fragmente die Apologien von Quadratus (um 125), Aristo von Pella (um 140), Melito von Sardes, Claudius Apollinaris von Hierapolis und Miltiades (um 170). 389 Siehe oben Kap. 3: „Manuskripte und Editionen“. 390 Tertullian (adv. Prax. 7,8) ist ein Sonder-, aber kein Ausnahmefall. Die Substanz Gottes wird als körperlich gedacht, weil für Tertullian auch alles Geistige ein corpus sui generis darstellt: Quis negabit, deum corpus esse, etsi deus spiritus est? Spiritus enim corpus sui generis in sua effigie. 391 Leg. 19. 392 Vgl. bes. or. 4f und 15.

7. Gesamtwürdigung

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miert über das Wesentliche und Notwendige, ohne allerdings – dies mag aber dem definitorischen Stil geschuldet sein – an die tiefe philosophische Durchdringung des Gottesbegriffes, wie sie z.B. bei Athenagoras oder bereits bei Aristides erscheint, heranreichen zu können. Dennoch setzt Tatian auch eigene Akzente, die bei anderen Apologeten keine unmittelbare Entsprechung finden, namentlich bei der Ausgestaltung seiner ihm eigenen spekulativen Theologie von der „Macht des Wortes“ (dyÂnamiw loÂgoy bzw. dyÂnamiw logikh ). Durch die Etablierung eines derartigen Bindegliedes zwischen den beiden ersten trinitarischen Personen gelingt es ihm trotz des latenten Subordinatianismus, der seine Logosvorstellung durchzieht, den hypostatischen „Abstand“ zwischen den göttlichen Personen auf ein Minimum zu reduzieren und so eine Diastase im Gottesbegriff zu vermeiden.393 Die Schöpfungslehre Tatians basiert auf der sich allmählich durchsetzenden Vorstellung der Zweistufigkeit.394 In einem ersten Schöpfungsakt schafft Gott die amorphe Materie als den einheitlichen, allen Dingen zugrunde liegenden kosmischen „Baustoff“. Durch die betonte Aussage, dass Gott allein anfangslos sei und dass alles Übrige, speziell die Materie, einen Anfang besitze, lehrt Tatian implizit eine creatio ex nihilo. Dass er diese an keiner Stelle eigens reflektiert, kann ihm schwerlich zum Vorwurf gemacht werden. Erst Theophilos wird die Lehre von der Schöpfung eÆj oyÆk oÍntvn einer eingehenden, wiederholten Betrachtung unterziehen.395 Die sog. creatio secunda, verbunden mit der Lehre von der Schöpfungsmittlerschaft des Logos, wird bei Tatian ebenfalls in konventioneller Form geboten. Mittels des Logos-Wortes Gottes wird die ungeformte Materie durch Teilung und Unterscheidung in eine Ordnung gebracht und somit die sichtbare Körperwelt aus ihrem Vorstadium in die konkrete Existenz überführt. Tatians Logoslehre ist in ihren Hauptpunkten dogmatisch klar und bewegt sich vollständig im orthodoxen Rahmen seiner Zeit. Selbst Irenäus, der größte Kritiker Tatians, findet keinen Stein des Anstoßes. In der Retrospektive mag man vermissen, dass Justins berühmte und wirkungsgeschichtlich bedeutsame Lehre vom logos spermatikos, des auch in den Heiden wirksamen „Logoskeimes“, von Tatian nicht übernommen, zumindest nicht ausführlicher dargelegt wird.396 Doch selbst wenn Tatian ihr 393

Dazu detailliert supra Kap. I 5b („Logosspekulation“). Anders noch Justin, der aufgrund seines Platonismus (Timaios) vermutlich die Ewigkeit der Materie voraussetzte; vgl. 1 Apol. 10,2; 59,1–6; 67,8. Dazu J.M. Pfättisch, Einfluß Platos, S. 93–103; Pannenberg, Gottesbegriff, S. 19; M. Elze, Tatian, S. 80; E.F. Osborne, Discourse, S. 114–116. 395 Vgl. Ad Autol. 1,4; 1,8; 2,4; 2,10; 2,13. 396 Allenfalls Ansätze mag man erkennen, wenn Tatian in cap. 13 von einem „Fünk394

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I. Werkeinführung

grundsätzlich zuneigte, widerspräche eine Entfaltung dieser Lehre fundamental dem kontrastiven Gesamtkonzept der oratio ad Graecos, welches eben darauf abhebt, dass die Griechen nichts, die (christlichen) „Barbaren“ aufgrund göttlicher Offenbarung alles wissen.397 – Dass Tatian unter dem Eindruck der zeitgenössischen Logoslehre noch weitgehend binitarisch denkt und sich von einer Trinitätsauffassung in der oratio keine sichere Spur finden lässt, kann schon eher als ein Desiderat gewertet werden, vor allem dann, wenn man bedenkt, dass Justin (1 Apol. 13) und insbesondere Athenagoras (Leg. 10) eine solche schon haben und – im letzteren Fall – bereits ein beachtliches Reflexionsstadium demonstrieren. Indes ist eine eindeutige Entscheidung, inwieweit sich Tatian auf der Höhe der Theologie seiner Zeit befindet, nur schwer zu treffen. Immerhin schwanken die Vorschläge für die Abfassungszeit der oratio um mehr als ein Vierteljahrhundert.398 Statt eines Bekenntnisses zur christlichen Trinität399 offeriert Tatian eine zwar komplizierte, aber keineswegs unverständliche oder gar kryptische Pneumatologie. Sie ist in der Vergangenheit leider missverstanden worden und bedarf dringend einer Rehabilitation.400 Man hat behauptet, erst modernen Interpreten sei es gelungen, sie in ein widerspruchsfreies System zu bringen. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Durch textkritische Verunstaltungen allzu eifriger Emendatoren ist ihr Verständnis erschwert worden.401 Legt man den handschriftlichen Text zugrunde, so steht die tatianische Lehre vom doppelten Pneuma sehr klar vor Augen. Richtig ist, wie gesagt, dass sie den Trinitätsgedanken nicht zum Ausdruck bringt. Dennoch ist die Rede vom göttlichen pneyÄma eÆpoyraÂnion402 und vom

chen“ (eÍ naysma ) der Kraft des oberen, göttlichen Geistes spricht, der in jedem Menschen aufbewahrt wird. Aber erst Clemens (Protr. 74,7) erklärt ausdrücklich, dass sog. eÆ nay smata tina toyÄ lo goy toyÄ uei oy auch in den Heiden wirkmächtig seien, sodass auch sie bisweilen „einiges wenige von der Wahrheit“ verkündigten. 397 Vgl. or. 19,1; 19,4; 20,6; 27,6; 35,4 u. ö. 398 Von 150 n. Chr. (Zahn) bis 177/8 n. Chr. (Grant); siehe detailliert supra Kap. 2: „Abfassungszeit und -ort“. 399 Bei Tatian fallen die zweite und dritte trinitarische Person/Hypostase gewissermaßen noch in dem einen Logos-Geist zusammen. So richtig bereits Elze, S. 94. 400 Vgl. die für die ältere Literatur charakteristische Einschätzung bei F. Loofs, der in seiner Darstellung die tatianische Pneumatologie bewusst übergeht, „um von Tatians eigenartigen Gedanken zu schweigen“ (Leitfaden, § 18, 5a). 401 Vgl. den kritischen Apparat infra z.B. zu or. 7,1 oder 4,4. 402 Neben dem Ausdruck pneyÄ ma eÆpoyra nion (16,6) finden sich synonym in der oratio das pneyÄ ma aÆpoÁ toyÄ patro w (7,1), toÁ ueiÄon pneyÄ ma (13,3), toÁ pneyÄ ma toÁ aÏ gion (15,1) und toÁ te leion pneyÄ ma (20,2).

7. Gesamtwürdigung

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irdischen pneyÄma yëlikoÂn,403 deren schuldhafte Trennung zur Errettung des Menschen durch Wiedervereinigung aufgehoben werden muss, von einem gedanklichen und begrifflichen Reichtum, für den man in anderen Apologien kaum Vergleichbares findet. Platonische Voraussetzungen und biblische Redeweise in ein kohärentes und in sich stimmiges System gebracht zu haben, ist eine zweifellos unterschätzte Leistung eines Autors, der zur griechischen Philosophie meist nur äußerlich auf Abstand geht. In der Seelenlehre greift Tatian eine zeitgenössische Diskussion auf, die sich auch bei Justin (Dial. 5) und bei Theophilos (Ad Autol. 2,27) spiegelt. Soll man die Seele sterblich oder unsterblich nennen? Das Dilemma lautet: Ist die Seele ein unsterbliches, ewiges Wesen, dann ist ihr Geschaffensein und ihre offensichtliche Fehlbarkeit schwer erklärlich. Ist sie aber a priori sterblich, müsste man Gott für ihr defizitäres Wesen verantwortlich machen. Tatians Lösung, die erkennbar die Mitte sucht, ist zwar eigenwillig, aber darin nicht ungeschickt, dass sie die Willensfreiheit des Menschen404 gleich zweifach ins Zentrum rückt. a) Der erste Tod der Seele (nicht nur des Leibes!) ist eine Folge des vermeidbaren Sündenfalles, also keineswegs eine Schuld Gottes. b) Ob die Seele nach ihrer Wiedererschaffung den ewigen zweiten Tod erleidet oder das ewige Leben genießt, ist ebenso eine freie Entscheidung des Menschen. – Man kann nicht sagen, dass Tatian mit seiner ihm eigenen Psychologie im Gegensatz zu den dezidierten Unsterblichkeitsaussagen der Platoniker Justin (1 Apol. 18) und Athenagoras (Leg. 36) steht. Seine Lehre besitzt durch die Einführung einer Zäsur, nämlich der vorübergehenden und reversiblen Auflösung aller Seelen, allenfalls ein theologisches Additum und damit insgesamt einen höheren Differenzierungsgrad. Doch ist Tatians Ansatz in der Alten Kirche letztlich nicht entscheidend weitergeführt worden. Durch biblische Aussagen ließ er sich nur schwer stützen und insbesondere stand das platonische Dogma der kontinuierlichen, „ununterbrochenen“ aÆuanasiÂa cyxh Ä w (Phaidon) einflussreich und prominent entgegen.405 Immerhin schlägt Theophilos in seiner Seelenlehre eine Richtung ein, die dem Ta-

403

Neben toÁ pneyÄ ma yë liko n (12,5) auch Ausdrücke wie pneyÄ ma diaÁ thÄ w yÏlhw dih Ä kon (4,4) oder aÆ nepisth mvn cyxh (13,3). 404 Tatian vertritt die Freiheit des Willens sowohl der Engel als auch der Menschen in seiner oratio besonders profiliert, doch handelt es sich um eine allgemeine Grundüberzeugung der Apologeten; vgl. Iustinus, 1 Apol. 43; 2 Apol. 7(6); Athenagoras, Leg. 24; Theophilos, Ad Autol. 2,27; Minucius Felix, Oct. 34.36. 405 Auf der anderen Seite vertreten die Apologeten insgesamt, nicht nur Tatian, kompromisslos eine „unplatonische“, aber biblische Auferstehung des Leibes. An diesem Beispiel wird deutlich, wo im Zweifels- und Konfliktfall die dogmatischen Prioritäten gesetzt werden; vgl. Athenagoras, Leg. 36; resurr., passim; Iustinus, 1 Apol. 18f.

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I. Werkeinführung

tian’schen Modell zumindest in den Grundanliegen erstaunlich nahe kommt.406 Auch in seiner Dämonologie setzt Tatian eigene Akzente. Für ihn gilt die grundsätzliche Gleichung, dass die heidnischen Götter gefährliche Dämonen seien. Wenn andere Apologeten meist zurückhaltender formulieren und den Dämonen eine indirekte Wirkung in und hinter den Götterbildern zuschreiben,407 so benennt Tatian unumwunden Zeus als den Anführer (hëgoyÂmenow) aller Dämonen.408 Die Entstehung der antigöttlichen, dämonischen Mächte setzt Tatian zeitlich noch vor der Erschaffung des Menschen an. Es handelt sich um gefallene Engel, die im Gefolge des „Erzfrevlers“ ihre Freiheit zum Abfall von Gott missbrauchten, daraufhin aus dem Himmel verstoßen wurden und seitdem auf der Erde ihr Unwesen treiben. Die vorbehaltlose Identifikation der heidnischen Göttergestalten mit den vorzeitlichen Dämonen ist vielleicht der Grund dafür, dass Tatian – anders als z.B. Athenagoras,409 Theophilos410, Tertullian411 und Minucius Felix412 – keinen Euhemerismus lehrt. Denn dies ist konsequent, dass Tatians dämonische Götter, da sie ihren Ursprung im Himmel haben, keine ehemaligen Menschen sein können. Auf der anderen Seite führt Tatians Dämonologie, insbesondere seine ausgeprägte Dämonophobie, die bisweilen – ähnlich wie bei Tertullian – ins Abergläubische und Magische abzudriften droht, zu einem ernsthaften theologischen Problem. Die Wirksamkeit der dämonischen Göttergestalten ist für Tatian insbesondere in der Astrologie so real und präsent, dass mitunter tatsächlich die Gefahr besteht, dass er in seinem Kampf gegen den Astrogötter-Kult, den kein anderer Apologet so intensiv führt, den alten heidnischen Polytheismus eher bestätigt als vernichtet.413 406 Auch Theophilos (Ad Autol. 2,27) weigert sich, die Frage nach der Mortalität der Seele im generellen Sinne zu beantworten. Die Seele ist für ihn von Natur aus, d. h. bei ihrer Erschaffung, weder sterblich noch unsterblich, sondern „fähig für beides“ (dektikoÁ n aÆ mfote rvn ). Wie Tatian verweist Theophilos auf die indivduelle Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen. 407 Vgl. Athenagoras, Leg. 23.27; Iustinus, 2 Apol. 5(4) und 11; daneben auch 1 Apol. 5.9.21.25; Minucius Felix, Oct. 27. 408 Or. 8,2. 409 Leg. 26.28. 410 Ad Autol. 1,9; 2,34. 411 Apol. 10–12. 412 Oct. 21. 413 Dämonologie, Astrologie und „aufgeklärte“ Götterkritik stehen bei Tatian in einem unausgewogenen, noch nicht gänzlich geklärten Verhältnis. Dies wird besonders daran deutlich, dass einerseits auf die perfide Aktivität dämonisch-göttlicher Himmelsmächte verwiesen wird, an anderen Textstellen aber eine eindeutige Tendenz zur Entgöttlichung und Entmystifizierung der Himmelssphäre vorherrscht. Für Letzteres über-

7. Gesamtwürdigung

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Tatians Ethik entspricht im Allgemeinen den christlichen Vorstellungen des 2. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist, dass sich der Autor der oratio in seiner Propagierung des einfachen, bedürfnislosen Lebens nicht selten auch mit stoischen oder kynischen Idealen trifft. Eine gewisse asketische Tendenz kommt zum Ausdruck, wenn er den Fleischgenuss (krevfagiÂa) abzulehnen scheint,414 was unter Umständen – wie Irenäus, Eusebius und Hieronymus mutmaßen415 – auf enkratitischen Einfluss deuten könnte. Dass Tatian allerdings auch eine Pflicht der Ehelosigkeit gelehrt habe,416 ist zumindest in der oratio nicht nachweisbar. Das Lob der Jungfräulichkeit417 ist konventionell, ebenso eine allgemeine Konzentration der Ethik auf die Sexualmoral. Letzteres ist bei allen Apologeten nachweisbar,418 bei Tatian ist es nur so, dass sie aufgrund seines ständigen Vergleichs mit den Praktiken „der Griechen“ stärker in den Vordergrund gerückt scheint. Tatian hat dort seine besonderen Stärken, wo er die eigene (christliche) Moral gegen heidnische Gerüchte und ungerechtfertigte Polemik verteidigt. Eindrucksvoll beteuert er die Unschuld, Harmlosigkeit, ja sogar Nützlichkeit der Christen für Gesellschaft und Staat. Allerdings fällt die eigentliche Verteidigung, der Kernbestand manch anderer Apologie, bei ihm vergleichsweise kurz aus. Tatian hätte, wie ein Blick auf seine Mitstreiter lehrt,419 noch viel mehr bringen können. Aber er mag die Defensive nicht sonderlich und konzentriert sich schnell wieder auf seinen nimmt Tatian die christlich-apologetische Grundwahrheit, dass man den Schöpfer, nicht das Geschöpf anbeten bzw. (im metaphorischen Sinne) den Künstler, nicht das Kunstwerk verehren solle. Wenn andere Apologeten eine solche Argumentation vornehmlich im Hinblick auf die Anbetung und Verehrung von Götterbildern entwickeln (vgl. Aristides, Apol. 3; Iustinus, 1 Apol. 9; Athenagoras, Leg. 15f.19; Theophilos, Ad Autol. 1,1; 2,2; Tertullian, Apol. 12; Minucius Felix, Oct. 3), so überträgt Tatian dieselben Gedanken – recht überzeugend – auf den heidnischen Sternenkult. Vgl. z.B. or. 10,2: ToyÁ w planh taw proskyneiÄn oyÆ boy lomai . Ähnlich aber auch Athenagoras, Leg. 16; später dann Theophilos, Ad Autol. 2,35. 414 Or. 23,5. 415 Irenäus, adv. haer. 1,28,1; Eusebius, hist. eccl. 4,28f; Hieronymus, In Amos 2,12; In ep. ad Tit. praef.; In ep. ad Gal. 6,8. 416 Vgl. Irenäus, adv. haer. 1,28,1; Eusebius, hist. eccl. 4,29; vgl. Clemens, strom. 3,12,80f. 417 Or. 33,5. 418 In anderen Apologien wird zum Teil sogar eine rigidere Sexual- und Ehemoral vertreten. Vgl. Athenagoras, Leg. 33f (Ehe nur zum Zweck der Kindererzeugung; Verbot der Wiederverheiratung selbst nach dem Tode der Gattin); Iustinus, 1 Apol. 15.27; Minucius Felix, Oct. 31.35. 419 Vgl. die besonders schönen Sittengemälde bereits bei Aristides, Apol. 15; Iustinus, 1 Apol. 13–17; siehe auch Athenagoras, Leg. 11 und 35; Theophilos, Ad Autol. 3,4.9.13–15; Tertullian, Apol. 45 u. ö.

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I. Werkeinführung

nächsten Angriff.420 Hier aber, wenn es um die Offensive geht, kämpft der Autor der oratio nicht immer mit fairen Mitteln. Eine beliebte Strategie ist es, die hohe Moral der (real existierenden) Christen mit dem sittenlosen Verhalten (fiktiver) mythologischer Gestalten zu vergleichen. So werden die zahlreichen Fehltritte des Göttervaters, um ein häufiges Beispiel zu nennen, zum normalen Verhalten „der Griechen“ stilisiert. Auf ähnliche Art gehen zwar auch die anderen Apologeten vor,421 aber da Tatian besonders häufig und umfangreich mythologisches Material in dieser Weise heranzieht, durchzieht gleichsam die gesamte Apologie – aus heutiger Sicht – ein Beigeschmack von Unredlichkeit und fehlender Seriosität.422 Tatian scheint am sittenlosen Treiben der olympischen Götter nicht nur ein oberflächliches, sondern geradezu ein „apologetisches Vergnügen“ zu haben. Es passt ihm offenbar so gut in seine Beweisführung, dass er eine allegorische Deutung der Mythen empört zurückweist und auf diese Weise – wie paradox (!) – zu einem glühenden Verteidiger einer archaischen, anthropomorphen Göttervorstellung wird.423 Die Kulturkritik, die Tatian im Hinblick auf das Griechentum übt, ist vielfältig und wesentlich schärfer als bei den anderen griechischen Apologeten.424 Nahezu alles ist diesem Ziel untergeordnet. Allerdings ist Tatian gerade in dieser Hinsicht weniger ein origineller Denker als ein Sammler von ihm geeignet erscheinenden Informationen. Die unterschiedlichen Ansichten und Widersprüche der griechischen Philosophen waren längst in Überblickswerken gesammelt und mussten lediglich extrahiert werden. Dieselbe Kompilationstechnik wird später auf ähnlich oberflächliche Wei420

Treffend W.L. Petersen (Tatian the Assyrian, S. 135): „Tatian seems unable to modulate his tone. He is in ‘attack mode’ all the time.“ 421 Vgl. Theophilos, Ad Autol. 3,5; Tertullian, Apol. 9; Minucius Felix, Oct. 30. Justin dagegen argumentiert bzgl. der Göttermythen meist anders; vgl. 1 Apol. 25: „Wer derartiges glaubt, den bedauern wir“. 422 Ein ähnliches Urteil bereits bei E. Preuschen, Art. „Tatian“, in: Realenzyklopädie für protestantische Theologie, Bd. 19, 31907, S. 390: „Aber indem er an allen Punkten über das Ziel hinausschoß, hat seine scheltende und polternde Strafpredigt ihre beste Wirksamkeit eingebüßt; denn ihr fehlt die Gerechtigkeit und sie macht sich zur Verbreiterin des albernsten Klatsches.“ 423 Natürlich nur aus taktischen Gründen, um die transzendente Gottesvorstellung der Christen umso effektvoller von den menschenähnlichen Göttern der Heiden, „die sich in Materie und Schmutz wälzen“, abzusetzen (vgl. or. 21). Eine tiefsinnigere Behandlung der allegorischen Mythenauslegung bei Aristides, Apol. 13 und Athenagoras, Leg. 22. 424 Treffend die Bemerkung bei M. Pellegrino (Gli apologetici greci del II secolo, Rom 1947, S. 100): „Mentre in altri apologeti la polemica e` usata como un’arma necessaria per la difesa, ... Taziano e` il polemista nato, che non saprebbe esporre o dimostrare un fatto o una verita` se non scagliandosi contro gli avversari.“

7. Gesamtwürdigung

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se der Apologet Hermias in seiner Irrisio anwenden.425 Den Katalog der nicht-griechischen Erfindungen hat Tatian ebenfalls aus Vorlagen zusammengeschrieben. Ein Seitenblick auf Clemens Alexandrinus (Strom. 1,16,77) lehrt, dass eine ganze Literaturgattung von Schriften mit dem Titel PeriÁ eyërhmaÂtvn („Über Erfindungen“) existierte. Das Material für den umfangreichen Katalog der Statuen – für Tatian die beweiskräftigsten Symbole der Unsittlichkeit und Dekadenz der Griechen – ist gleichfalls literarischen Vorlagen entnommen.426 Man darf weiterhin annehmen, dass Tatian für seine Kritik am attizistischen Sprachideal ebenso auf Vorgänger zurückgegriffen hat, wie es für seine Theater- und Schauspielkritik ausgemacht ist, dass sie einen christlichen Allgemeinplatz darstellte.427 In dieselbe Reihe gehört auch die These vom Mose-Plagiat der Griechen in Verbindung mit dem sogenannten „Altersbeweis“. Mit dem akribisch geführten Nachweis, dass Mose älter sei als alle griechischen Schriftsteller, sucht Tatian den Griechen nicht nur jegliche Originalität abzusprechen, sondern bezichtigt sie sogar der bewussten Fälschung. Es ist bekannt, dass bereits jüdische Autoren wie Aristobul und Philo von Alexandrien den Altersbeweis bemühten und dass Tatian denselben, wenn auch nicht so detailliert, bei seinem unmittelbaren Vorgänger Justin vorfinden konnte.428 Insgesamt stellt die Kulturkritik Tatians ein recht wahlloses Sammelsurium griechenfeindlicher Attacken dar. Das Material ist unterschiedlicher Provenienz und Beschaffenheit und wird recht äußerlich (unter dem Gesichtspunkt „Vorrang des Barbaren- vor dem Griechentum“) miteinander verbunden.429 So entsteht über weite Passagen der Eindruck, es handle sich eher um eine Schmäh- als eine Schutzschrift.430 Dass Tatian in 425

Der Hinweis auf sich widersprechende Lehren der Philosophen auch bei Athenagoras, Leg. 7; Iustinus, dial. 2–8; Theophilos, Ad Autol. 2,7. 426 Ein ähnlicher Katalog bei Athenagoras, Leg. 17; dazu ausführlich: A. Kalkmann, Tatians Nachrichten über Kunstwerke, in: Rheinisches Museum für klassische Philologie, N.F. 42 (1887), S. 489–524. 427 Vgl. Athenagoras, Leg. 35; Theophilos, Ad Autol. 3,15; Tertullian, spect., passim; Minucius Felix, Oct. 37. 428 Vgl. Iustinus, 1 Apol. 32,1; 44,8 (presby terow gaÁ r MvshÄ w kaiÁ pa ntvn tv Ä n eÆ n ÏEllhsi syggrafe vn ); 54,5; 59,1. 429 A.J. Droge (Homer or Moses?, S. 87, mit Anm. 21) denkt an verschiedene „Listen“, die Tatian vorgelegen haben müssten, z.B. von Sternen [or. 9f], Göttern [or. 8], Dichtern und Mythographen [or. 24], Dichterinnen [or. 33], Bildhauern [or. 33f], Königen [or. 39], vorhomerischen Schriftstellern [or. 41]. 430 Gleichwohl ist insgesamt am Charakter einer Apologie nicht zu zweifeln. Vgl. hierzu ausführlich unsere Ausführungen infra unter III 5 („Die Frage nach der Gattung“). Die Diskussion über die Gattung der oratio ad Graecos (Apologie, Spottschrift, Diatribe, Lehrtraktat, Inaugurationsrede oder Protreptikos?) hat vor einiger Zeit insbesondere Michael McGehee neu entfacht (Why Tatian never „Apologized“ to the

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I. Werkeinführung

seiner schroffen Art heidnische Leser überzeugen konnte, ist schwer vorstellbar. Dass die Schrift aber die Christen, selbst die Gebildeten unter ihnen, beeindruckt hat, bezeugt das Urteil des Eusebius, der Tatians LoÂgow proÁ w ÏEllhnaw „das schönste und nützlichste von allen seinen Werken“ nennt.431

Greeks, in: Journal of Early Christian Studies 1,2 (1993), S. 143–158). McGehee selbst vertritt die These, dass es sich um einen Protreptikos eines unabhängigen, kirchlich nicht gebundenen „Wanderphilosophen“ handele. Die oratio sei verfasst worden, um neue Schüler für den eigenen Unterricht anzuwerben. Trotz vieler guter Beobachtungen des Autors ist jedoch zu fragen: Ist der feindlich-gehässige Ton der Schrift für Werbezwecke geeignet, wenn potentielle Interessenten für die „barbarische Philosophie“ (nämlich z.B. die Klientel der „klassisch“ Gebildeten) gleichsam von vornherein abgeschreckt und auf rüde Weise verprellt werden? 431 Hist. eccl. 4,29,7: oÊw dhÁ kaiÁ dokeiÄ tv Ä n syggramma tvn aë pa ntvn ayÆ toyÄ ka llisto w te kaiÁ vÆ felimv tatow yë pa rxein.

II. Kritischer Text, Übersetzung mit Anmerkungen Abbreviationes I) Codices Tatiani a) Codices vetustiores (vd. p. 23) M Mbis V P

codex codex codex codex

Mutinensis Misc. gr. 126; fol. 205r – 226v (saec. 11) Mutinensis Misc. gr. 126; fol. 238r (saec. 11) Marcianus gr. 343; fol. 239r – 276r (saec. 11) Parisinus gr. 174; fol. 112r – 132r (saec. 12)

b) Codices recentiores (vd. p. 23) Bon. 2304 Aet. 100 Par. 2376 Ott. 112

codex codex codex codex

Bononiensis 2304 (ann. 1533) Aetonensis 100 (ann. 1535) Parisinus gr. 2376 (ann. 1539) Vaticanus Ottobonianus gr. 112 (ann. 1543)

II) Editiones (vd. p. 15ff.251) Gesner Morellus Ducaeus Worth Maranus Otto Schwartz Goodspeed Whittaker Marcovich

Conrad Gesner, Tatiani Assyrii ... Oratio contra Graecos, Zürich 1546. Frederic Morel, Tatiani Assyrii Oratio adversus Graecos, Paris 1615. Fronton du Duc, Bibliotheca veterum patrum, Paris 1624. Wilhelm Worth, Tatiani Oratio ad Graecos, Oxford 1700. Prudentius Maran, Tatiani Oratio adversus Graecos, Paris 1742. Karl Theodor von Otto, Tatiani Oratio ad Graecos, Jena 1851. Eduard Schwartz, Tatiani Oratio ad Graecos, Leipzig 1888. Edgar Goodspeed, Die ältesten Apologeten, Göttingen 1914. Molly Whittaker, Tatian. Oratio ad Graecos, Oxford/New York 1982. Miroslav Marcovich, Tatiani Oratio ad Graecos, Berlin/New York 1995.

III) Auctores alii (vd. p. 253ff) Boeckh Brunn Chadwick

A. Boeckh, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 2, 1844, pp. 445.578. H. Brunn, Zur griechischen Künstlergeschichte, München 1880. H. Chadwick, ap. M. Whittaker, p. 12.

Abbreviationes

Elze Gataker Gebhardt Geffcken Goodwin Hanig Harnack Haupt Helm Hunt Jahn Kalkmann Keil Kremmer Kukula Loewy Münzel Nauck Pearson Ponschab Puech Sillig Stephanus Thirlby Voss Vossius Weijenborg Wesseling Wilamowitz Zwaan

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M. Elze, Tatian und seine Theologie, Göttingen 1960. T. Gataker, De disciplina stoica, London 1652. O. von Gebhardt ap. E. Schwartz. J. Geffcken, Zwei griechische Apologeten, Leipzig/Berlin 1907. Goodwin, ap. M. Whittaker, p. 4. R. Hanig, in: Vigiliae Christianae 53, 1999, pp. 31–73. A. Harnack, Tatians Rede an die Griechen, Gießen 1884. M. Haupt, Opusc. III, p. 447 (ap. M. Marcovich, p. 55). R. Helm, Hieronymi Chronicon, Berlin 1956. E.J. Hunt, Christianity in the second century. The case of T., London 2003. O. Jahn, in: Arch. Zeitung, 1850, p. 239. A. Kalkmann, in: Rhein. Museum f. klass. Philol., N.F. 42, 1887, p. 489–524. C. Keil, in: Analecta epigraphica, Leipzig 1842, p. 159. M. Kremmer, De catalogis heurematum, Leipzig 1890. R.C. Kukula, Tatians sogenannte Apologie, Leipzig 1900. E. Loewy, Inschriften griechischer Bildhauer, Leipzig 1885. R. Münzel ap. E. Schwartz. A. Nauck, in: Philologus 9, 1854, pp. 370–372. J. Pearson ap. W. Worth. B. Ponschab, Tatians Rede an die Griechen, Metten 1884f. A. Puech, Recherches sur le Discours aux Grecs de Tatien, Paris 1903. I. Sillig, Catalogus artificium, Dresden/Leipzig 1827. H. Stephanus, Iustini ... Epistula ad Diognetum et Oratio ad Graecos, 1517. S. Thirlby, Iustini ... Dialogus ..., London 1722. I. Voss, Observat. in Catullum, p. 264 (ap. M. Marcovich, p. 24). G.I. Vossius, De historicis Graecis (ed. Westermann, Leipzig 1838). R. Weijenborg, in: Antonianum 47, 1971, pp. 362–390. P. Wesseling, Probabilium liber singul., p. 99 (ap. M. Marcovich, p. 48). U. v. Wilamowitz-Moellendorff ap. E. Schwartz. I. de Zwaan, in: Mnemosyne, NS 48, 1920.

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[0] TatianoyÄ proÁw ÏEllhnaw. [1] (1) MhÁ pa ny file xurvw diatiÂuesue proÁ w toyÁ w barba royw, v Ë aÍndrew ÏEllhnew, mhdeÁ fuonh shte toiÄw toyÂtvn do gmasin. PoiÄon gaÁ r eÆpithÂdeyma par’ yë miÄn thÁ n syÂstasin oyÆk aÆ poÁ barba rvn eÆ kthÂsato; Telmisse vn gaÁ r oië dokimv tatoi thÁ n di’ oÆ neiÂrvn eÆjeyÄ ron mantikhÂn, Ka Ä rew thÁ n diaÁ tv Ä n aÍstrvn proÂgnvsin, pth seiw oÆ rniÂuvn FryÂgew kaiÁ ÆIsay rvn oië palaiÂtatoi, KyÂprioi uytikh n, aÆstronomeiÄn BabylvÂnioi, magey ein PeÂrsai, gevmetreiÄn AiÆgy ptioi, thÁ n diaÁ grammaÂtvn paideiÂan FoiÂnikew. (2) ÏOuen payÂsasue taÁ w mimhÂseiw eyëreÂseiw aÆ pokaloyÄ ntew. PoiÂhsin meÁ n gaÁr aÆskeiÄn kaiÁ aÍìdein ÆOrfeyÁ w yëma Ä w eÆ diÂdajen, oë deÁ ayÆtoÁ w kaiÁ myeiÄsuai´ ToyskanoiÁ pla ttein, iëstoriÂaw syntaÂttein aië par’ AiÆgyptiÂoiw tv Ä n xroÂnvn aÆ nagrafaiÂ. MarsyÂoy deÁ kaiÁ ÆOlyÂmpoy thÁn ayÆlhtikhÁ n aÆphneÂgkasue, Fry gew deÁ oië aÆmfo teroi, thÁ n diaÁ sy riggow aë rmoniÂan aÍgroikoi synesthÂsanto. TyrrhnoiÁ sa lpigga, xalkeyÂein KyÂklvpew, kaiÁ eÆ pistolaÁw synta ttein hë Persv Ä n pote hë ghsame nh gynh , kaua fhsin ëElla nikow´ ÍAtossa deÁ oÍnoma ayÆ th Äì hËn.

1 inscriptio tatianoyÄ , proÁ w eÏllhnaw M V P (oë proÁ w eÏllhnaw lo gow Clem. Strom. 1,101,2; Orig. c. Cels. 1,16; Eus. hist. eccl. 4,16,7) 2 vË V P: om. M 5 telmisse vn M V P (telmiseiÄw Clem.): Telmhsse vn Schwartz 5 gaÁ r M V: meÁ n gaÁ r P (ex corr.) 6 pth seiw M V P: 〈thÁ n diaÁ thÄ w〉 pth sevw C. Wachsmuth (ap. M. Kremmer, p. 10): 〈thÁ n kataÁ 〉 pth seiw Marcovich 7 aÆ stronomeiÄn om. P 8 diaÁ om. V 13 deÁ oië M V P: deÁ [oië ] Wilamowitz, agn. Schwartz: de 〈t〉oi Marcovich 13 post aërmoni an add. 〈kaà n〉 Marcovich 15 synta ttein V: -ssein M P (sed cf. v. 11; cap. 31 v. 4 [p. 168]; cap. 35 v. 7; cap. 41 v. 4 [p. 190]) 16 hËn del. Schwartz (ob hiatum) 1

Cf. Clemens Alexandrinus, Strom. 1,74,1: OyÆ mo nhw deÁ filosofi aw, aÆllaÁ kaiÁ pa shw sxedoÁ n te xnhw eyë retaiÁ ba rbaroi. – Tatian greift in der folgenden Aufzählung auf enzyklopädisches Wissen zurück, welches in antiken Erfinderkatalogen gesammelt war. Dazu M. Kremmer, De catalogis heurematum, Diss. Leipzig 1890. – Einige dieser Sammelwerke nennt Clemens, Strom. 1,77,1. Fast alle Beispiele Tatians finden sich ebendort (Strom. 1,74,2–76,10), teilweise mit leichten Abwandlungen. Der Erfinderkatalog des Gregor von Nazianz stimmt mit den Angaben Tatians weitgehend überein; cf. or. 4,109: Mysterienkult/Thraker; Opferkunde/Kyprier; Astrologie/Babylonier; Geometrie/Ägypter; Magie/Perser; Traumdeutung/Einwohner von Telmissos; Vogelflug/Phryger. 2 Vgl. Cicero (divin. 1,91.94), bei dem die Telmissenser jedoch vorrangig als Experten der Opferschau (haruspicum disciplina) gelten. Tertullian (De anima 46,3) weiß allerdings von der Praxis der Traumdeutung in Telmissos und kritisiert sie als unseriös: Telmessenses nulla somnia evacuant, imbecillitatem coniectationis incusant. 3 Cf. Cicero, divin. 1,92; leg. 2,33; Isidorus, Etym. 8,9,32: Auguria autem avium Phryges primi invenerunt.

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[0] Tatianos: An die Griechen [1] (1) Seid gegen die Barbaren nicht so überaus feindlich eingestellt, ihr griechischen Männer, und schaut nicht geringschätzig auf deren Lehren! Denn welche Errungenschaft bei euch geht in ihrer Entstehung nicht auf Barbaren zurück?1 Denn die angesehensten Männer bei den Telmissensern entdeckten das Traumorakel,2 die Karer die Vorhersage aus den Sternen, die Deutung des Vogelflugs die Phryger3 und in uralter Zeit die Isaurer, die Kyprier die Opferschau,4 Sternkunde die Babylonier,5 Zauberkunst die Perser, Geometrie die Ägypter, die Buchstabenlehre die Phönizier.6 (2) Hört daher auf, eure Nachahmungen als Erfindungen zu bezeichnen! Denn Verse zu dichten und zu singen hat Orpheus euch gelehrt, ebenso die Einweihung in die Mysterien; Etrusker vermittelten die Töpferkunst, die kalendarischen Aufzeichnungen bei den Ägyptern waren das Vorbild für die Abfassung von Geschichtswerken. Die Kunst des Flötenspiels eines Marsyas und Olympos7 habt ihr für euch vereinnahmt, beide waren jedoch Phryger, sie stammten vom Lande und brachten auf der Hirtenflöte wohlklingende Töne hervor.8 Tyrrhener erfanden die Trompete,9 die Schmiedekunst Kyklopen, und das Verfassen von Briefen die Frau, die einstmals die Perser regierte, wie Hellanikos berichtet; Atossa war ihr Name.10

4

Clemens (Strom. 1,74,4) nennt als Begründer der Opferschau die Etrusker. – Die

uytikh ist die Weissagung aufgrund der Opfer- bzw. Eingeweideschau, nicht etwa, wie

Nonnus Abbas dies missversteht (1,70; PG 36,1021), die Praxis des Götteropfers als solche. 5 Bei Clemens (Strom. 1,74,2) werden neben den Babyloniern (Chaldäern) gleichrangig die Ägypter angeführt. 6 Als Überbringer der Buchstabenlehre gilt Kadmos, der König der Thebaner und Sohn des phönizischen Königs Agenor von Sidon. Cf. infra cap. 39. 7 Bereits Platon (Nom. 3,677 d 4) führt in einer Art Kulturentstehungslehre die Erfindung der Musik auf Marsyas und Olympos zurück. 8 Clemens (Strom. 1,76,4.6) weiß darüber hinaus zu berichten, dass Olympos die lydische Tonart, Marsyas die phrygische, mixophrygische und mixolydische, der Thraker Thamyris die dorische Tonart erfand. 9 Die „tyrrhenische Trompete“ als feste Junktur bereits bei Aischylos, Eum. 567f. – A. Puech (S. 38) folgert aus der Inkonzinnität, dass die Tyrrhener (= Etrusker) zweimal im tatianischen Erfinderkatalog erscheinen, dass Tatian in der Kompilation des zweifellos traditionellen Materials auf mehrere literarische Vorlagen zurückgreift: „tout dans le morceau n’a pas la meˆme origine“. Ebenso A.J. Droge, Homer or Moses?, S. 87. 10 Cf. Hellanici Fr. 178 Jacoby (FGrH 1,4).

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TatianoyÄ proÁ w ÏEllhnaw

(3) Kataba lete toigaroyÄ n toyÄton toÁ n tyÄ fon mhdeÁ proba llesue rë hma tvn eyÆpreÂpeian, oiÏtinew yëf’ yë mv Ä n ayÆtv Ä n eÆpainoyÂmenoi synhgo royw toyÁ w oiÍkoi ke kthsue. XrhÁ deÁ toÁ n noyÄ n eÍ xonta thÁn aÆf’ eëte rvn perimeÂnein martyriÂan syn aÂìdein te kaiÁ eÆ n th Äì toyÄ loÂgoy profor a Äì. (4) NyÄ n deÁ mo noiw yëmiÄn aÆpobe bhke mhdeÁ eÆ n taiÄw oë miliÂaiw oë mofvneiÄn. DvrieÂvn meÁ n gaÁ r oyÆ x hë ayÆ thÁ leÂjiw toiÄw aÆ poÁ th Ä w ÆAttikh Ä w, AiÆoleiÄw te oyÆ x oëmoiÂvw toiÄw ÍIvsi fue ggontai´ staÂsevw deÁ oyÍshw tosayÂthw par’ oiÎw oyÆk eÆxrh Än aÆporv Ä tiÂna me deiÄ kaleiÄn ÏEllhna. KaiÁ gaÁr toÁ pa n〈tvn〉 aÆ topvÂtaton, taÁ w mhÁ syggeneiÄw yëmv Ä n eë rmhneiÂaw tetimhÂkate, barbarikaiÄw te fvnaiÄw eÍsu’ oÏte kataxrvÂmenoi sy mfyrton yëmv Ä n pepoih kate thÁ n dia lekton. (5) ToyÂtoy xa rin aÆ petaja meua th Äì par’ yë miÄn sofiÂa, ì kaà n eiÆ pa ny semno w tiw hËn eÆ n ayÆth Äì. KataÁ gaÁ r toÁ n kvmiko n « ÆEpifylliÂdew tayÄ t’ eÆ stiÁ kaiÁ stvmyÂlmata, xelidoÂnvn moyseiÄa, lvbhtaiÁ teÂxnhw » laryggiv Ä si te oië tayÂthw eÆfie menoi kaiÁ kora kvn aÆfiÂentai fvnh n. ëRhtorikhÁ n meÁ n gaÁr eÆ p’ aÆdikiÂaì kaiÁ sykofantiÂaì synesthÂsasue, misuoyÄ pipraÂskontew tv Än lo gvn yë mv Ä n toÁ ayÆtejoyÂsion kaiÁ polla kiw toÁ nyÄ n diÂkaion ayËuiw oyÆ k aÆgauoÁ n paristv Ä ntew´ poihtikhÁ n de , ma xaw Ïina syntaÂsshte kaiÁ uev Än eÍrvtaw kaiÁ cyxh Ä w diafuora n.

1 kataba lete M (corr. ex kataba lletai ) V P: kataba llete Gesner 1 toyÄ ton om. V 3 ke kthsue M P: ke xrhsue V 4 te M V P: deÁ Marcovich 6 oyÆ x hë M P: oyÆ xiÁ V 6 te M V P: deÁ Wilamowitz 7 par’ oiÎw M V P: par’ 〈yëmiÄn eÆn〉 oiÎw Wilamowitz, agn. Schwartz 8 pa n〈tvn〉 aÆtopv taton Gesner: paÄ n aÆtopv taton M V P: pantatopvÂ Ä n M V P: yë miÄn Marcovich 10 sy mfyrton Marcovich: symtaton Goodwin 9 yë mv fy rdhn M V P: symfy rthn Otto 12 eÆ pifylli dew tayÄ t’ eÆ stiÁ Marcovich ex Aristophane: tayÄ ta eÆstin eÆpifylli dew M V P 13 moysi a M V 14 oië om. V 14 aÆfi entai Gesner: eÆfi entai M V P 14 gaÁ r om. V 17 synta sshte P: synta sshÄ n M V P: uev Ä n kaiÁ Wilamowitz tai M: synta sshsue V 17 kaiÁ uev 11 Der Ausdruck eyÆ pre peia in Bezug auf den lo gow bereits bei Thukydides (3,11,3; 3,82,8) und Platon (Euthym. 305 e 4f) jeweils mit kritisch-pejorativer Konnotation. 12 Im hiesigen Kontext der Forensik ist lo gow die Gerichtsrede; in diesem Sinne hofft Tatian, dass seine Adressaten, wenn sie vernünftig und unvoreingenommen sind, auch seinem eigenen lo gow (proÁ w ÏEllhnaw) zustimmen werden. 13 Clemens, Strom. 1,142,4 überliefert die „griechische“ Gegenposition: Bei ihnen würden nur fünf Mundarten gesprochen, nämlich die attische, die ionische, die dorische, die aiolische und die allgemein-hellenistische. Die Sprachen der Barbaren seien an Zahl unbegrenzt und könnten nicht „Mundarten“ (dia lektoi) , sondern nur „Sprachen“ (glv Ä ssai ) genannt werden. 14 P. Lampe (Die stadtrömischen Christen, S. 248) liest eine verklausulierte Selbstbeschreibung heraus: „Die Formulierung ist so gehalten, daß Tatian durchaus selber darunter [sc. unter die achtbaren Philosophen] gerechnet werden möchte.“ J.E. Foijtik (Tatian the Barbarian, S. 23f) äußert sich neuerdings ebenso.

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(3) Darum legt also diese Aufgeblasenheit ab und verschanzt euch nicht hinter dem Wohlklang bloßer Worte,11 ihr alle, die ihr euch selbst Beifall spendet und eure eigenen Hausanwälte besitzt. Wer aber Verstand hat, sollte auch die Zeugenaussage von anderen zulassen und im Vortrag der Rede12 übereinstimmen. (4) Nun aber ist es schon allein unter euch so, dass ihr in euren Sprachen nicht übereinstimmt. Denn die Dorier haben nicht dieselbe Ausdrucksweise wie die Bewohner von Attika, und Aioler sprechen nicht in derselben Weise wie die Ionier; da aber eine so große Uneinigkeit bei denjenigen herrscht, bei denen es nicht der Fall sein sollte, bin ich ratlos, wen ich überhaupt als einen Griechen bezeichnen soll.13 Denn das Widersinnigste von allem ist doch, dass ihr Redewendungen, die fremder Herkunft sind, hochschätzt und dadurch, dass ihr bisweilen fremde Ausdrücke falsch verwendet, eure eigene Sprache entstellt habt. (5) Um dieser Tatsache willen haben wir von eurer Weisheit Abschied genommen, auch wenn vielleicht sich manch einer durchaus achtbar in ihr zeigte.14 Denn nach dem Wort des Komödiendichters „das sind aufgepfropfte Zweige15 und leere Plauderei, Schwalbengezwitscher, Kunstschänder“16 schreien sie aus voller Kehle, die nach dieser Weisheit streben, und geben Rabengekrächze von sich. Denn die Redekunst habt ihr für eure Zwecke17 auf Beleidigung und Verleumdung abgestellt. Für Geld verkauft ihr die ureigene Freiheit eurer Worte und oft stellt ihr das, was momentan Recht ist, ein andermal als Unrecht hin.18 Die Dichtkunst aber benutzt ihr, um Kämpfe, Götterliebschaften19 und Seelenverderbnis in Verse zu fassen.

15 Konventionelle Übersetzung: „Nachlesetrauben“ (vgl. zuletzt S. Freund, Dichter, S. 100). 16 Aristophanes, ran. 92f, scherzhaft über die zeitgenössischen attischen Tragödiendichter. Cf. auch Dionys. Hal. Ant. Rom. 10,18. Zur Funktion der Dichterzitate bei Tatian im Allgemeinen siehe S. Freund, Dichter, S. 97–117. 17 Wiedergabe des Mediums synesth sasue. 18 Wahrscheinlich eine Anspielung auf die beiden bekannten Vorträge des akademischen Skeptikers Karneades, welcher bei seinem Auftritt in Rom 155 v. Chr. öffentlich Stellung zugunsten der Gerechtigkeit bezog, um am nächsten Tag die Position der Ungerechtigkeit zu vertreten. Die Episode des in utramque partem dicere war in der Antike vor allem durch Cicero, De re publica (Buch 3) bekannt; vgl. Lactantius, Div. inst. 5,14,3–5. Siehe auch Cicero, Lucullus 139. 19 Ein häufiger und beliebter Kritikpunkt auch in der heidnischen, philosophisch„aufgeklärten“ Literatur; vgl. Platon, Polit. 2,378 b 8 – c 5; Cicero, nat. deor. 2,70. Ironie bezüglich der anthropomorphen Göttergestalten der griechischen Mythologie ist ein stehender Topos in der christlichen Apologetik seit Aristides; vgl. dens., Apol. 8,1–4; Athenagoras, Leg. 21,3 u. ö.

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[2] (1) Ti gaÁ r semnoÁ n filosofoyÄ ntew eÆ jhneÂgkate; TiÂw deÁ tv Ä n pa ny spoydaiÂvn aÆ lazoneiÂaw eÍ jv kaue sthken; DiogeÂnhw, piuaÂknhw kayxhÂmati thÁ n ayÆ ta rkeian semnyno menow, poly podow vÆmoboriÂaì pa uei sysxeueiÁw eiÆle v Äì diaÁ thÁ n aÆkrasiÂan aÆpote unhken. ÆA riÂstippow eÆ n porfyriÂdi peripatv Ä n aÆjiopiÂstvw hÆ svteyÂsato. PlaÂtvn filosofv Ä n yëpoÁ DionysiÂoy diaÁ gastrimargiÂan eÆpipra sketo. (2) KaiÁ ÆA ristoteÂlhw, aÆmauv Äw oÏron t h Äì pronoiÂaì ueiÁ w kaiÁ thÁ n eyÆdaimoni an eÆ n oiÎw hÆre sketo perigra caw, liÂan aÆpaideyÂtvw ÆAle jandron toÁ memhnoÁ w meiraÂkion eÆ kola keyen, oÏstiw ÆAristotelikv Ä w pa ny toÁ n eë aytoyÄ fiÂlon diaÁ toÁ mhÁ boyÂlesuai proskyneiÄn ayÆ toÁ n kaueiÂrjaw, v Ï sper aÍrkton hà paÂrdalin perie fere. Pa ny goyÄ n eÆ peiÂueto toiÄw toyÄ didaska loy do gmasi thÁ n aÆndreiÂan kaiÁ thÁ n aÆrethÁ n symposiÂoiw eÆ pideiknyÂmenow kaiÁ toÁ n oiÆ keiÄon kaiÁ pa ny fiÂltaton diapeiÂrvn t v Äì do rati kaiÁ pa lin klaiÂvn kaiÁ aÆ pokarterv Ä n profa sei ly phw, Ïin’ yë poÁ tv Ä n oiÆkeiÂvn mhÁ mishu h Äì. (3) Gela saimi d’ aà n kaiÁ toyÁ w me xri nyÄn toiÄw do gmasin ayÆtoyÄ kataxrvmeÂnoyw, oiÊ taÁ metaÁ selhÂnhn aÆprono hta leÂgontew eiËnai, prosgeioÂteroi paraÁ thÁ n selh nhn yë paÂrxontew kaiÁ katvÂteroi toyÄ tay thw dro moy pronooyÄ si tv Ä n aÆ pronoh tvn´ par’ oiÎw deÁ oyÆk eÍ sti ka llow, oyÆ ployÄ tow, oyÆ rë vÂmh svÂmatow, oyÆ k eyÆge neia, paraÁ toyÂtoiw oyÆ k eÍsti kataÁ toÁ n ÆA ristote lh toÁ eyÍ daimon. KaiÁ oië toioyÄ toi filosofeiÂtvsan. 3 vÆmo /ri ai P: vÆmoborei ai M : vÆmoboreiÄa V 4 eiÆle v Äì Schwartz: iÆ lev Ä i M P: iÆ lev Ä V 8 toÁ memhnoÁ w Nauck (Philol. 9 [1854], pp. 370–72): te memnhme now M V P, Harnack (p. 49) 10 proskyneiÄn ayÆ toÁ n M V: ayÆ toÁ n proskyneiÄn P 11 kaiÁ om. V 12 eÆn post aÆ rethÁ n add. corr. cod. Par. 2376 13 diapei rvn (ei in ras.) P: diaph rvn M V 19 kataÁ corr. cod. Par. 2376: paraÁ M V P 19 aÆristote lh M V: aÆristote lhn P 20 Tatian übernimmt eine von mehreren – meist polemisch motivierten – Varianten über den Tod des Diogenes. So soll der kynische Philosoph nach anderen Versionen u. a. durch das Verhalten des Atems oder an Cholera nach dem Benagen eines Ochsenfußes (sic!) bzw. nach dem Genuss eines Polypen oder an einem Biss in die Fußsehne, nachdem er einen Polypen an Hunde verfüttern wollte, gestorben sein. Cf. Diog. Laert. 6,76 (poly poda fago nta vÆmoÁ n xolerik hÄì lhfuhÄ nai kaiÁ vÎde teleythÄ sai ); Athenaios 8,341 E (vÆ moÁ n poly poda katafagvÁ n ... aÆ pe uane ); Plutarch, De esu carnium I, 955 D; ders., Aquane an ignis 956 B; Lucianus, Vit. auct. 10. 21 Ähnlich wirft Tertullian (Apol. 46,16) dem purpurgewandeten Aristippos Schwelgerei vor: Aristippus in purpura sub magna gravitatis superficie nepotatur. 22 Vgl. wörtlich übereinstimmend und in ähnlichem inhaltlichen Zusammenhang Tertullian, Apol. 46,15: Plato a Dionysio ventris gratia venditatur. Angespielt wird jeweils auf die Legende, nach der der Tyrann von Syrakus den Philosophen nach dessen Kritik am Luxusleben in Magna Graecia als Kriegsgefangenen in Aigina verkauft haben soll. 23 Anspielung auf den Aristoteles zugeschriebenen Satz, dass „die Vorsehung nur bis zum Mond reiche“. Vgl. Ps.-Aristoteles, De mundo 6,397 b 30–32; Aetios, Plac. 2,4,12; Athenagoras, Leg. 25,2; Clemens, Strom. 5,90,3; Protr. 66,4; Hippolytos, Refut. 1,4,3; 1,20,6; 7,19,2; 7,24,3; Eusebius, praep. ev. 15,5,1.

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[2] (1) Was habt ihr denn Bedeutendes bei eurem Philosophieren hervorgebracht? Welcher von den Hochgeschätzten war frei von Prahlerei? Diogenes, der sich mit seinem Fass brüstete und sich seiner Selbstgenügsamkeit rühmte, starb wegen seiner Unmäßigkeit an einer schmerzhaften Darmverschlingung, nachdem er einen rohen Tintenfisch verschlungen hatte.20 Aristippos ging in Purpur gewandet und lebte – wie glaubwürdig! – in Saus und Braus.21 Der Philosoph Platon wurde von Dionysios um der Schlemmerei willen verkauft.22 (2) Und Aristoteles, der in seiner Unwissenheit der Vorsehung eine Grenze gesetzt23 und die Glückseligkeit durch das, worin man seine Befriedigung finde, bestimmt hatte, pflegte den verrückten Jüngling Alexander in sehr alberner Weise zu umschmeicheln,24 welcher wiederum, ganz nach der Art des Aristoteles, seinen eigenen Freund, der ihm nicht auf den Knien huldigen wollte, in einen Käfig sperrte und wie einen Bären oder Panther herumführte.25 Gänzlich jedenfalls befolgte er die Lehren seines Meisters, indem er seine Männlichkeit und Tapferkeit mittels Trinkgelagen unter Beweis stellte und seinen vertrauten, allerliebsten Freund mit dem Speer durchbohrte,26 dann wiederum weinte und in angeblicher Trauer fastete, um sich nicht den Hass seiner Freunde zuzuziehen. (3) Lachen könnte ich auch über die, die sich bis heute an seine Lehren halten; sie leugnen die Vorsehung unterhalb des Mondes, und obwohl sie der Erde näher sind als der Mond und sich unterhalb seiner Bahn befinden, übernehmen sie selbst die Rolle der Vorsehung, wo es angeblich keine Vorsehung gibt: wer keine Schönheit, keinen Reichtum, keine Körperkraft und keinen Edelmut besitze, bei dem finde sich, so Aristoteles, auch keine Glückseligkeit.27 Solche Leute sollen nur weiter philosophieren!28 24 Tertullian ist im 46. Kapitel seines Apologeticum, wie am Wortlaut der Aristippund Dionysioskritik (s. o.) deutlich wird, von Tatian abhängig und übernimmt dementsprechend auch dessen Vorwurf der aristotelischen „Schmeichelei“ (46,15): Idem Aristoteles tam turpiter indecore Alexandro, regendo potius, adulatur. 25 Gemeint ist Kallisthenes, der gegen den Rat des Aristoteles allzu offen und freizügig zu Alexander sprach; vgl. Diog. Laert. 5,6. 26 Gemeint ist der Jugendfreund Kleitos (der Schwarze), welcher in der Schlacht am Granicus zwar das Leben Alexanders gerettet hatte; da er jedoch dem König später – in einem hitzigen Streit bei einem Symposion – die legitime Herrschaft über die Makedonier absprach, erstach dieser ihn eigenhändig mit einem Speer; vgl. Plutarch, Alex. 51,9–11; Seneca, De ira 3,17,1: Dabo tibi ex Aristotelis sinu regem Alexandrum, qui Clitum carissimum sibi et una educatum inter epulas transfodit manu quidem sua. 27 Cf. Aristoteles, Eth. Nik. A 8, 1098 b 12 ff; Rhet. A 5, 1360 b 25 ff; Diog. Laert. 5,30; Hippol. Refut. 1,20,5. 28 L. Alfonsi (Echi de giovane Aristotele in Taziano, a. a.O., S. 251) sieht im Gebrauch des Ausdrucks filosofei tvsan eine wörtliche Anspielung auf eine Formulierung im (verlorenen) aristotelischen Protreptikos (pa ntvw filosofhte on; fr. 2 W).

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[3] (1) ToÁ n gaÁr ëHra kleiton oyÆk aà n aÆpodejaiÂmhn eÆ maytoÁ n eÆdidajaÂmhn eiÆpo nta diaÁ toÁ ayÆtodiÂdakton eiËnai kaiÁ yë perh fanon oyÆ d’ aà n eÆpaine saimi katakry canta thÁ n poiÂhsin eÆn tv Äì th Ä w ÆA rteÂmidow nav Äì, mysthrivdv Ä w oÏ pvw yÏsteron hë tay thw eÍ kdosiw giÂnhtai. KaiÁ gaÁr oiÎw meÂlon eÆ stiÁ periÁ toyÂtvn, fasiÁn EyÆripi dhn toÁ n tragvdopoio ì Á n katio nta kaiÁ aÆnaginvÂskonta diaÁ mnhÂmhw kat’ oÆliÂgon toÁ ëHrakleiÂteion sko tow spoydaiÂvw paradedvke nai. (2) Toy toy meÁ n oyËn thÁ n aÆmauiÂan oë ua natow synhÂlegjen´ yÏdrvpi gaÁ r sysxeueiÁw kaiÁ thÁ n iÆ atrikhÁ n vë w filosofiÂan eÆ pithdey saw bolbiÂtoiw te peripla saw eë ayto n, th Ä w koÂproy kratynueiÂshw synolka w te toyÄ pantoÁ w aÆpergasame nhw sv matow, spasueiÁ w eÆ teley thsen. (3) ToÁ n gaÁ r Zh nvna diaÁ th Ä w eÆkpyrv sevw aÆpofaino menon aÆniÂstasuai pa lin toyÁ w ayÆtoyÁ w eÆpiÁ toiÄw ayÆ toiÄw, le gv deÁ ÍAnyton kaiÁ MeÂlhton eÆ piÁ t v Äì kathgoreiÄn, BoyÂsirin deÁ eÆ piÁ t v Äì jenoktoneiÄn kaiÁ ëHrakle a pa lin eÆ piÁ tv Äì aÆuleiÄn, paraithte on´ oÏ stiw eÆ n tv Äì kataÁ thÁ n eÆkpy rvsin loÂg vì pleiÂonaw toyÁ w moxuhroyÁ w tv Ä n dikaiÂvn eiÆshgeiÄtai (Svkra toyw eënoÁ w kaiÁ ëHrakleÂoyw kai tinvn aÍllvn toioyÂtvn gegono tvn oÆ liÂgvn, kaiÁ oyÆ pollv Ä n). Oië gaÁ r kakoiÁ pa ny pleiÂoyw eyëreuh sontai tv Ä n aÆgauv Ä n, kaiÁ oë ueoÁ w kakv Ä n aÆpodeixuhÂsetai kat’ ayÆtoÁ n poihthÂw, eÆ n aÆ ma raiw te kaiÁ skvÂlhji kaiÁ aÆrrhtoyrgoiÄw kataginoÂmenow. (4) ÆEmpedokle oyw gaÁ r toÁ aÆ lazonikoÁ n aië kataÁ thÁn SikeliÂan toyÄ pyroÁ w aÆnafysh seiw aÆpeÂdeijan, oÏti mhÁ ueoÁ w v à n (toyÄ u’ oÏ per eÍ legen eiËnai) katecey deto. (5) Gelv Ä kaiÁ thÁn FerekyÂdoyw graologiÂan kaiÁ toyÄ

1 gaÁ r M V P: deÁ Par. 2376 in mg 1 eÆdidaja mhn M V P, Harnack (p. 49): eÆdizhsa mhn Maran ex Heraclito 2 oyÆ d’ Schwartz: oyÍ t’ M V P 4 gi nhtai M V: ge nhtai P 6 hëraklei teion Mm. rec. et Gesner: hëra kleiton M P: hëra kleion V: ëHraklei toy Worth 7 spoydai vw M V P: toiÄw spoydai oiw Schwartz 8 synh legjen M P: dih legjen V 13–15 tv Ä (ter) P, accepi propter eÆ piÁ toiÄw ayÆ toiÄw : toÁ (ter) M V 19 aÆ ma raiw M V P: aÆ ra xnaiw coniecit Schwartz 22 oÏ per M V P: v Îìper Schwartz (p. vii) 29 Das überlieferte Heraklit-Fragment (Fr. 18 Diels = Fr. 101 DK = Fr. 15 Marc.) lautet anders: eÆdizhsa mhn eÆmevyto n (ich suchte mich selbst); vgl. z.B. Plotin, Enn. 5,9,5 (eÆmaytoÁ n eÆdizhsa mhn ). Dennoch wird durch Tatian der Sinn leidlich gewahrt, wie Diog. Laert. 9,5 zeigt: hÍ koyse te oyÆ deno w, aÆll’ ayë toÁ n eÍfh dizh sasuai kaiÁ maueiÄn pa nta par’ eë aytoyÄ ; ähnlich wie Tatian formulierte bereits Dion v. Prusa, Or. 55,2 (mhdeno w dida jantow ). 30 Die Arroganz des Sonderlings Heraklit ist neben seiner „Dunkelheit“ geradezu sprichwörtlich; vgl. z.B. Diog. Laert. 9,1: megalo frvn deÁ ge gone par’ oë ntinoyÄ n kaiÁ

yë pero pthw. 31 Das im Tempel der Artemis/Diana deponierte Buch des Heraklit erwähnt auch Diog. Laert. (9,6).

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[3] (1) Dem Heraklit kann ich keinen Beifall spenden, der da sagte: „Ich habe von mir selbst gelernt“;29 denn er war ein Autodidakt der arroganten Art.30 Und ich kann nicht gutheißen, dass er sein Schriftwerk im Tempel der Artemis versteckte,31 damit später die Herausgabe desselben unter mysteriösen Umständen geschehe. Fachleute auf diesem Gebiet sagen, der Tragödiendichter Euripides sei gekommen, habe es gelesen und habe aus dem Gedächtnis nach und nach Heraklits dunkle Worte eifrig weiter verbreitet.32 (2) Die Art seines Todes allerdings hat ihn der Unwissenheit überführt: Ihn befiel die Wassersucht, und da er die Heilkunst genauso gewissenhaft wie die Philosophie betrieb, bestrich er sich rundherum mit Kuhfladen. Als der Kot sich verhärtete und bewirkte, dass der Körper sich überall zusammenzog, starb er unter Krämpfen.33 (3) Den Zenon muss ich mir verbitten, welcher sich dahingehend äußerte, dass nach dem Weltenbrand34 dieselben Menschen wieder auferstünden, um dieselben Taten zu vollbringen, nämlich Anytos und Meletos,35 um anzuklagen, Busiris, um seine Gäste zu ermorden,36 und Herakles, um wiederum schwere Aufgaben zu bewältigen. Bei seiner These vom Weltenbrand setzt er als Annahme mehr Übeltäter als Gerechte an (es gibt nur einen Sokrates und einen Herakles und wenige andere Menschen dieser Art, nicht viele). Denn in der Tat wird man mehr schlechte Menschen bei ihm finden als gute. Folgt man Zenon, so wird sich Gott als der Urheber des Bösen erweisen, welcher in Kloaken und Würmern wohnt, und in Menschen, die Unsagbares tun.37 (4) Die Aufschneiderei des Empedokles haben die Vulkanausbrüche auf Sizilien ans Tageslicht gebracht, dass er nämlich kein Gott war (dies gab er vor zu sein), sondern ein Lügner.38 (5) Ich lache auch über die Altwei32

Cf. zu dieser Episode Diog. Laert. 2,22 und 9,11. Zu den mysteriösen Umständen des Todes Heraklits vgl. vergleichsweise ausführlich Diog. Laert. 9,3f. 34 Zenon von Kition (geb. um 336 v. Chr.), der Begründer der Stoa, entwickelte die Theorie von der zyklisch ablaufenden Zerstörung (eÆkpy rvsiw ) und Neuentstehung (paligge nesiw ) des Kosmos. 35 Anytos und Meletos sind Ankläger im Asebie-Prozess gegen Sokrates in Athen; zu Anytos vgl. Plat. apol. 18B; 29C; 30B; 31A; zu Meletos vgl. Plat. Euthyp. 2B; Apol. 23E; Xenoph. Memorab. 4,4,4; 8,4. 36 Busiris ist in der griechischen Mythologie (im Sagenkranz um Herakles) ein ägyptischer König und Priester des Osiris, der dem Gotte alljährlich Menschen opfern ließ. Ein historischer Kern solcher Menschenopfer im Rahmen des Osiriskult ist in der Spätzeit Ägyptens möglich, aber in der Forschung umstritten. 37 Anspielung auf den stoischen Panentheismus; vgl. infra cap. 21. 38 Nach einer in mehreren Varianten überlieferten Legende habe Empedokles durch einen (vorgetäuschten) Sprung in den Feuerkrater des Ätna den Beweis seiner Göttlichkeit erbringen wollen. Der Betrug wurde ruchbar, als man später einen seiner 33

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Pyuago roy thÁ n periÁ toÁ do gma klhronomiÂan kaiÁ toyÄ PlaÂtvnow, kaÍn tinew mhÁ ueÂlvsi, thÁ n periÁ toy toy miÂmhsin. (6) TiÂw gaÁr aà n eÆ pimartyrh sai th Äì Kra thtow kynogamiÂhì kaiÁ oyÆ ma Ä llon paraithsa menow thÁ n eÍntyfon tv Ä n oë moiÂvn ayÆ tv Äì glvssomaniÂan eÆ piÁ toÁ zhteiÄn [eÆpiÁ ] toÁ kat’ aÆ lh ueian spoydaiÄon treÂcaito; (7) DioÂper mhÁ parasyre tvsan yë ma Ä w aië tv Ä n filoco fvn kaiÁ oyÆ filoso fvn panhgy reiw, oiÏtinew eÆ nantiÂa meÁn eëaytoiÄw dogmatiÂzoysin, kataÁ deÁ toÁ eÆpeluoÁ n eÏkastow eÆ kpefvÂnhke. PollaÁ deÁ kaiÁ par’ ayÆ toiÄw eÆsti proskroy smata´ miseiÄ meÁ n gaÁr eÏ terow toÁ n eÏteron, aÆntidojoyÄ si deÁ eëaytoiÄw diaÁ thÁ n aÆlazoneiÂan toÂpoyw eÆ pilegoÂmenoi toyÁ w proyÍ xontaw. ÆExrh Än deÁ mhÂte basileiÂaw prolhÂmmati kolakey ein toyÁ w hëgoymeÂnoyw, perimeÂnein deÁ meÂxriw aà n proÁ w ayÆtoyÁw oië megista Ä new aÆfi kvntai.

[4] (1) DiaÁ ti gaÂr, aÍndrew ÏEllhnew, v Ï sper eÆ n pygm h Äì sygkroyÂein boyÂlesue taÁ w politeiÂaw kau’ hë mv Ä n, kaiÁ eiÆ mhÁ toiÄw tinvn nomiÂmoiw sygxrh Ä suai boyÂlomai, ti now xa rin kaua per miarvÂtatow memiÂshmai; (2) Prosta ttei foÂroyw teleiÄn oë basiley w´ eÏ toimow pareÂxein. DoyleyÂein oë despo thw kaiÁ yëphreteiÄn´ thÁ n doyleiÂan ginv skv. ToÁ n meÁ n gaÁr aÍnurvpon aÆnurvpiÂnvw timhte on, fobhteÂon deÁ mo non toÁ n ueoÂn, oÏ stiw 1 toyÄ V: thÁ n M P 2 toy toy M V P: toy toyw Schwartz 3 kynogami hì Worth: koinogami ai M P, –i a V 4 eÆ piÁ 2 delevit Gesner 5 tre caito Marcovich: tre cai M V: tre cetai P 6 filoco fvn Thirlby (in edit. Iustini Dial. p. 120): filoso fvn M V P 10 post eÆpilego menoi lacunam ind. Wilamowitz: paraÁ supplevit Marcovich 11 mh te M V P: mhdeÁ Schwartz 11 kolakey ein M P: uerapey ein hà kolakey ein V 14 tinvn M V P: yëmv Ä n coni. Gesner Schuhe fand (nach Diog. Laert. 8,11; vgl. Strab. 6,274C; Horaz, Ars poetica 464–66: deus immortalis haberi dum cupit Empedocles, ardentem frigidus Aetnam insiluit); cf. Emped. B 112,4f DK: eÆgvÁ d’ yëmiÄn ueoÁ w aÍmbrotow, oyÆ ke ti unhto w, pvleyÄ mai. 39 Gemeint ist die Seelenwanderungslehre des Pherekydes (vgl. infra cap. 25); die These vom Abhängigkeitsverhältnis der drei Philosophen in Bezug auf ihre Psychologie wird u. a. von Cicero (Tusc. 1,38f) reflektiert: Pherecydes Syrius primus dixit animos esse hominum sempiternos, antiquus sane ... Hanc opinionem discipulus eius Pythagoras maxime confirmavit ... Platonem ferunt, ut Pythagoreos cognosceret, in Italiam venisse et didicisse Pythagorea omnia primumque de animorum aeternitate non solum sensisse idem quod Pythagoras, sed rationem etiam attulisse. 40 „Hundehochzeit“ (kynogami a) soll der Kyniker Krates, ein Schüler des Diogenes, die mit seiner Frau Hipparchia öffentlich in der Stoa poikile vollzogene Eheschließung genannt haben. Weitere provokante Handlungen des Krates sind bekannt, mit denen er – wie sein Lehrer – für das einfache und „natürliche“ Leben ohne Luxus warb. Vgl. Clemens, Strom. 4,121,6; Suda, s. v. 2341; Lactantius, Div. inst. 3,15,20.

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bermärchen des Pherekydes,39 die Übernahme seiner Lehre durch Pythagoras und, auch wenn einige es nicht wahrhaben wollen, dessen Nachahmung durch Platon. (6) Wer würde schon Krates mit seiner „Hundehochzeit“40 zum Zeugen anrufen und nicht vielmehr das aufgeblasene, verrückte Geschwätz seiner Gesinnungsgenossen sich verbitten und sich der ernsthaften Suche nach Wahrheit zuwenden wollen? (7) Möge euch darum die große Ansammlung der Weisheitsliebenden (filosoÂfvn), besser: der „Geschwätzliebenden“ (filocoÂfvn), nicht fortreißen. Sie geben einander widersprechende Lehren von sich; jeder hat doch herausgeschrien, was ihm gerade in den Sinn kam.41 Auch herrscht viel Zank und Streit unter ihnen; denn einer hasst den anderen, sie stellen Meinung gegen Meinung und in ihrer Eitelkeit suchen sie sich die ersten Plätze aus. Sie sollten den Machthabern auch nicht mit dem Blick auf eine zukünftige Königswürde schmeicheln,42 sondern abwarten, bis die hohen Herren zu ihnen kommen. [4] (1) Warum wollt ihr denn, ihr griechischen Männer, wie in einem Faustkampf die Bürgerschaft auf uns hetzen?43 Wenn ich mit dem Brauchtum gewisser Leute nichts zu tun haben will, weswegen bin ich dann wie der gottloseste Mensch verhasst? (2) Der Kaiser befiehlt, Steuern zu zahlen; ich bin bereit, sie zu entrichten. Mein Gebieter fordert zu dienen und gehorsam zu sein; ich kenne meine Pflicht als Untertan.44 Den Menschen muss man nämlich ehren, wie es einem Menschen gebührt, Gott allein

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Der Verweis auf die Widersprüche der antiken Philosophen sind stehender Topos in der christlich-apologetischen Literatur; vgl. Iustinus, 1 Apol. 4,8; 7,3; 44,10; 2 Apol. 10,3; 13,3; Athenagoras, Leg. 7,2; Theophilos, Ad Autol. 2,8; 3,3; 3,7; Ps.-Iustinus, Coh. 4,2; 5,1; 7,1; 35,2; Hermias, Irrisio (passim). 42 Wahrscheinlich eine Anspielung auf Aristoteles; vgl. supra cap. 2. 43 Dass Christen zu Unrecht angeklagt werden, da es unter ihnen keine Verbrecher gebe, betonen auch Justin (jedoch mit Einschränkungen: 1 Apol. 7) und besonders apodiktisch Tertullian (Apol. 2.4.7.44). 44 Im Anklang an zentrale Bibelstellen des Neuen Testaments (Mk 12,17 par; Röm 13,6f) wird die gute staatsbürgerliche Gesinnung der Christen auch in den Fragen der Steuermoral unterstrichen. Auf dieselbe Weise argumentieren Justin (1 Apol. 17,1f) und Tertullian (Apol. 42,9). Eine direkte Abhängigkeit Tatians von Justin an dieser Stelle sehen A. Puech (Discours, S. 12f und 113, Anm. 1) und R. Hanig (Vergleich, S. 67), sie wird bestritten von H. Dembowski (Quellen, S. 16f.95) und W. Bornstein (Beiträge, S. 19, Anm. 2). – A. Casamassa (Apologisti greci, S. 157) und E.F. Osborne (Discourse, S. 71) scheinen den despo thw (Herr, Gebieter) mit Gott zu identifizieren; R. Hanig (Vergleich, S. 64f) folgt dieser Interpretation, will aber als Objekt des Dienens und Gehorchens weiterhin den Kaiser verstehen.

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aÆnurvpiÂnoiw oyÆk eÍ stin oë ratoÁ w oÆ fualmoiÄw, oyÆ te xn hì perilhpto w. ToyÄton moÂnon aÆrneiÄsuai keleyoÂmenow oyÆ peisuh somai, teunh jomai deÁ ma Ä llon, Ïina mhÁ ceyÂsthw kaiÁ aÆ xa ristow aÆpodeixuv Ä. (3) UeoÁ w oë kau’ hë ma Ä w oyÆ k eÍxei syÂstasin eÆ n xroÂnv, ì mo now aÍnarxow v Ãn Äw kaiÁ ayÆ toÁ w yëpa rxvn tv Ä n oÏlvn aÆrxh . PneyÄ ma oë ueoÂw, oyÆ dih kvn diaÁ th yÏlhw, pneyma tvn deÁ yëlikv Ä n kaiÁ tv Ä n eÆ n ayÆt h Äì sxhma tvn kataskeyasthÂw, aÆo ratoÂw te kaiÁ aÆ nafh w, aiÆsuhtv Ä n kaiÁ oë ratv Ä n ayÆtoÁ w gegonvÁ w path r. ToyÄ ton diaÁ th Ä w poihÂsevw ayÆtoyÄ Íismen kaiÁ th Ä w dynaÂmevw ayÆ toyÄ toÁ aÆoÂraton toiÄw poihÂmasi katalambanoÂmeua. (4) DhmioyrgiÂan thÁ n yë p’ ayÆtoyÄ gegenhme nhn xa rin hëmv Ä n proskyneiÄn oyÆ ueÂlv. GeÂgonen hÏliow kaiÁ selh nh di’ hëma Ä w´ eiËta pv Ä w toyÁ w eÆmoyÁ w yë phre taw proskynhÂsv; Pv Ä w deÁ jyÂla kaiÁ liÂuoyw ueoyÁ w aÆpofanoyÄ mai; PneyÄ ma gaÁ r toÁ diaÁ th Ä w yÏlhw dih Ä kon, eÍ latton yëpaÂrxon toyÄ ueioteÂroy pney matow, v Ï sper deÁ cyxh Äì parvmoivmeÂnon, oyÆ timhte on eÆ p’ Íi shw t v Äì telei vì ue v Äì. (5) ÆAll’ oyÆ deÁ toÁ n aÆnonoÂmaston ueoÁ n dvrodokhteÂon´ oë gaÁr pa ntvn aÆnendehÁ w oyÆ diablhteÂow yëf’ hë mv Ä n vëw eÆndeh w. FanervÂteron deÁ eÆ kuhÂsomai taÁ hë meÂtera.

[5] (1) UeoÁ w hËn eÆ n aÆrxh Äì, thÁ n deÁ aÆrxhÁ n lo goy dyÂnamin pareilh famen. ëO gaÁ r despoÂthw tv Ä n oÏlvn, ayÆ toÁ w yëpa rxvn toyÄ pantoÁ w hë yëpo stasiw, 7 aÆnafh w M V P: aÆfanh w Marcovich in textu 7 oë ratv Ä n Wilamowitz: aÆ ora tvn M V P et Puech (p. 113) 13 yëpa rxon M P: yëpa rxei V 14 cyxhÄ i M P et Elze (p. 69): cyxhÄ V: t h Äì yÏ l hì Schwartz in textu et cyxhÁ Schwartz (p. VII): cyxhÁ 〈t h Äì yÏ l h〉 ì Wilamowitz 15 aÆnono maston M V: aÆnvno maston P 18 eÆn aÆrx hÄì M P: meÁ n aÆrxhÁ V 45

Vgl. 1 Petr 2,17; Apg 5,29; Theophilos, Ad Autol. 1,11; Tertullian, Apol. 30,1.7. Zur Unfasslichkeit des transzendenten Gottes vgl. insb. Athenagoras, Leg. 10,1. 47 Dass Verleugnung des Glaubens eine unerlaubte Lüge sei, sagen explizit auch Justin (1 Apol. 8,1; 39,3; 2 Apol. 2,11; 3,4) und Tertullian (Apol. 21,27: nec fas est ulli de sua religione mentiri). 48 Dass Gott allein ohne Anfang, aber für alle anderen Dinge der Anfang sei (sc. da er sie ex nihilo ins Dasein gerufen hat), betonen – vor dem arianischen Streit – neben Tatian besonders deutlich Theophilos (Ad Autol. 1,4) und Clemens (Strom. 4,162,5: oë ueoÁ w deÁ aÍ narxow, aÆ rxhÁ tv Ä n oÏ lvn pantelh w, aÆ rxh Ä w poihtiko w ). 49 Joh 4,24. 50 Eine Anspielung auf den Materialismus der Stoiker und deren immanente Logoslehre. Man beachte, dass das Partizip dih kvn in der maskulinen Form verwendet wird, nicht wie in der Stoa – auf das Pneuma bezogen – in der neutralen. Das bedeutet: Gott durchwaltet in seiner Transzendenz die Materie nicht. Ein Pneuma dagegen, das die kosmische Materie durchzieht, kennt Tatian sehr wohl (siehe das pneyÄ ma diaÁ thÄ w yÏ lhw dih Ä kon wenig später in or. 4,4). 46

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aber muss man fürchten.45 Dieser ist für menschliche Augen unsichtbar und auf keine Weise fassbar.46 Nur wenn mir befohlen wird, ihn zu verleugnen, werde ich nicht gehorchen; lieber werde ich tot sein, damit ich nicht als treuloser Lügner47 befunden werde. (3) Unser Gott hat seinen Ursprung nicht in der Zeit; er allein ist anfangslos und selbst Anfang aller Dinge.48 Gott ist Geist,49 nicht die Materie durchwaltend,50 sondern Schöpfer der an die Materie gebundenen Geister und Formen. Er ist unsichtbar und körperlos, selbst jedoch der Vater des sinnlich Fassbaren und Sichtbaren.51 Wir kennen ihn durch seine Schöpfung und begreifen durch seine Werke seine unsichtbare Macht.52 (4) Das Schöpfungswerk, das er um unsretwillen geschaffen hat, will ich nicht anbeten. Sonne und Mond sind unsretwegen geschaffen worden; wie kann ich denn meine Diener anbeten?53 Wie kann ich Hölzer und Steine für Götter erklären?54 Der Geist nämlich, der die Materie durchwaltet, ist geringer als der höhere, göttliche Geist;55 da er einer Seele gleicht, darf er nicht in derselben Weise verehrt werden wie der vollkommene Gott. (5) Auch sollen dem unaussprechlichen Gott56 keine Geschenke gebracht werden; denn an allem hat er genug und darf von uns nicht herablassend wie ein Bedürftiger behandelt werden.57 Doch werde ich nun unsere Lehren deutlicher darlegen. [5] (1) Gott war im Anfang; der Anfang aber, so ist es uns überliefert, war die Macht des Wortes.58 Denn der Herr aller Dinge, welcher selbst der 51 Die Konjektur oë ratv Ä n (Wilamowitz) ist hier der handschriftlichen Lesart (aÆora tvn ) vorzuziehen. Der Abschreibefehler ist offensichtlich aufgrund des wenig später stehenden aÆoÂraton in den Text gelangt. 52 Vgl. Röm 1,20. 53 Vgl. Aristides, Apol. 1,6; Athenagoras, Leg. 16; Clemens, Protr. 63,4f. 54 Gemeint sind Statuen und Bilder von Göttern und vergöttlichten Kaisern; vgl. bes. Clemens, Protr. 3,1 sowie 2 Clem. 1,6; Athenagoras, Leg. 15; Ep. ad Diogn. 2,2. 55 Wörtlich: „der göttlichere Geist“. 56 Ausdruck der sogenannten „negativen“ Theologie, nach der Gott durch die ihm beigelegten Namen nicht adäquat zu erfassen ist. Die Rede vom „namenlosen Gott“ (vgl. Ex 3,13f) hat insbesondere in der Theologie Justins ihre besondere Bedeutung; vgl. z.B. 1 Apol. 10,1; 61,11; 63,1; 2 Apol. 5,1. 57 Die Betonung der Bedürfnislosigkeit Gottes ist ein häufiger Topos bei den Apologeten, der insbesondere der heidnischen Opferpraxis, zuweilen auch dem ausufernden Devotionalienkult entgegengehalten wird; vgl. Ep. ad Diogn. 3,5; Aristides, Apol. 1,4; Iustinus, 1 Apol. 10,1; 13,1; Dial. 22,1.11; 23,2; Athenagoras, Leg. 13,2; 16,1; 29,2; Theophilos, Ad Autol. 2,10. 58 Cf. Gen 1; Sap. 8,21ff; Joh 1,1ff. – Als Übersetzung für den elementaren, bedeutungsschweren Ausdruck lo gow wird hier durchgängig das „Wort“ gewählt, um Tatians ständigen Rückbezug auf den Akt (bzw. die Art) des Schöfungshandeln Gottes

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kataÁ meÁ n thÁ n mhdeÂpv gegenhme nhn poiÂhsin mo now hËn´ kauoÁ deÁ pa Ä sa dy namiw oë ratv Ä n te kaiÁ aÆora tvn ayÆ toÁ w yëpoÂstasiw hË n syÁ n ayÆtv Äì, taÁ pa nta syÁ n ayët v Äì diaÁ logikh Ä w dyna mevw ayÆ toÁ w kaiÁ oë lo gow, oÊw hËn eÆ n ayÆ tv Äì, yëpeÂsthsen. (2) UelhÂmati deÁ th Ä w aëplo thtow ayÆtoyÄ prophd a Äì lo gow´ oë deÁ loÂgow oyÆ kataÁ kenoyÄ xvrhÂsaw eÍ rgon prvtoÂtokon toyÄ patroÁ w giÂnetai. ToyÄ ton Íismen toyÄ ko smoy thÁ n aÆrxh n. (3) Ge gonen deÁ kataÁ merismoÂn, oyÆ kataÁ aÆpokoph n´ toÁ gaÁr aÆpotmhueÁ n toyÄ prvÂtoy kexvÂristai, toÁ deÁ merisueÁ n oiÆkonomiÂaw thÁ n aiÏresin proslaboÁ n oyÆ k eÆndea Ä toÁ n oÏuen eiÍlhptai pepoiÂhken. (4) ÏVsper gaÁ r aÆpoÁ mia Ä w d ado ì Á w aÆ na ptetai meÁ n pyraÁ polla , th Ä w deÁ prvÂthw dado ì Á w diaÁ thÁ n eÍ jacin tv Ä n pollv Ä n d adv ì Ä n oyÆ k eÆlattoyÄ tai toÁ fv Ä w, oyÏ tv kaiÁ oë lo gow proeluvÁ n eÆk th Ä w toyÄ patroÁ w dyna mevw oyÆ k aÍlogon pepoiÂhke toÁ n gegennhkoÂta. (5) KaiÁ gaÁ r ayÆ toÁ w eÆ gvÁ lalv Ä , kaiÁ yë meiÄw aÆ koyÂete´ kaiÁ oyÆ dh poy diaÁ th Äw metaba sevw toyÄ lo goy kenoÁ w oë prosomilv Ä n toyÄ lo goy giÂnomai, proballo menow deÁ thÁ n eÆmaytoyÄ fvnhÁ n diakosmeiÄn thÁ n eÆn yëmiÄn aÆkoÂsmhton yÏlhn prohÂìrhmai. (6) KaiÁ kaua per oë loÂgow eÆ n aÆrx h Äì gennhueiÁw aÆ ntegeÂnnhse thÁ n kau’ hë ma Ä w poiÂhsin, ayÆ toÁ w eëaytv Äì thÁ n yÏ lhn dhmioyrgh saw, oyÏ tv kaÆgvÁ kataÁ thÁ n toyÄ lo goy mi mhsin, aÆnagennhueiÁ w kaiÁ thÁ n toyÄ aÆlhuoyÄ w kata lhcin pepoihme now, metarryumiÂzv th Ä w syggenoyÄ w yÏlhw

2 ayÆ toÁ w yë po stasiw secl. Schwartz ut dittographiam 3 syÁ n ayë tv Äì Schwartz: syÁ n ayÆ t v Äì M V P; secl. Marcovich 3–4 kaiÁ oë lo gow, oÊ w hËn eÆn ayÆ tv Äì secl. Schwartz et Wilamowitz 9 oiÆ konomi aw M V P: 〈eÆn〉 oiÆ konomi hì coni. Schwartz: oiÆ konomi aw 〈xa rin〉 coni. Marcovich 9 aiÏresin M V P: 〈di〉ai resin Schwartz (Gen 1) zum Ausdruck zu bringen. Der feststehende Terminus „Macht/Kraft des Wortes“ (lo goy dy namiw bzw. logikhÁ dy namiw; vgl. cap. 7 u. 18) findet sich in exakt demselben Zusammenhang, d. h. in der spezifischen Verbindung von Schöpfungstheologie und Christologie, bei Justin (Dial. 61,1): aÆrxhÁ n proÁ pa ntvn tv Ä n ktisma tvn oë ueoÁ w gege nnhke dy nami n tina eÆ j eë aytoyÄ logikh n. – Zur häufigen Rede von Christus als der „Kraft Gottes“ (1 Kor 1,24) bei Justin vgl. infra Anm. 184. 59 Möglicherweise hat Tertullian die hiesige Stelle vor Augen, wenn er sprachlich und inhaltlich ähnlich formuliert (Adv. Praxean 5): Ante omnia enim deus erat solus, ipse sibi et mundus et locus et omnia. Solus autem, quia nihil aliud extrinsecus praeter illum. Ceterum ne tunc quidem solus; habebat enim secum quam habebat in semet ipso rationem, suam scilicet. 60 Zur wichtigen frühchristlichen Vorstellung, dass der Sohn dem Willen des Vaters entspringt, mitunter sogar in Personifikation der Wille des Vaters ist, vgl. Ignatius, Ep. ad Smyrn. 1,1; Iustinus, Dial. 61,1; 128,3; Clemens, Strom. 5,6,3; Hippolytos, C. Noet. 13; Origenes, Princ. 4,4,1 u. ö. 61 Mit der Rede vom „Hervorspringen“ des Logos aus dem Willen des Vaters greift Tatian terminologisch auf Justin (Dial. 128,3) zurück: oyÏ tvw oë path r, oÏtan boy lhtai ... , dy namin ayÆ toyÄ prophda Ä n poieiÄ.

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Grund des Alls ist, war zu der Zeit, da es noch keine Schöpfung gab, allein. Sofern aber alle Macht bei ihm lag und er selbst der Grund sowohl des Sichtbaren als auch des Unsichtbaren war, begründete er das bei ihm existierende All durch die Macht des Wortes, er selbst und das Wort, das in ihm war.59 (2) Durch einen Willensakt60 der göttlichen Einfachheit sprang das Wort hervor;61 das Wort aber, das nicht vergeblich ausging, wurde das erstgeborene Werk des Vaters.62 Ihn kennen wir als den Anfang und Urgrund der Welt. (3) Er entstand aber durch Teilung, nicht durch Abtrennung. Denn das Abgeteilte ist vom Ersten geschieden, aber das Geteilte nimmt eine andere Funktion an, ohne eine Verminderung dessen, von dem es genommen ist. (4) Wie nämlich von nur einer Fackel viele Feuer entzündet werden, das Licht der ersten Fackel aber durch das Anzünden der vielen anderen nicht verringert wird, so ging auch das Wort aus der Macht des Vaters hervor und hat den Erzeuger dennoch nicht wortlos gemacht.63 (5) Denn auch ich selbst rede, und ihr hört zu; und ohne Zweifel werde ich beim Reden, während mein Wort zu euch hinübergeht, keineswegs wortlos, sondern indem ich meine Stimme erhebe, bin ich entschlossen, die ungeordnete Materie in euch zu ordnen. (6) Und wie das im Anfang gezeugte Wort seinerseits die Schöpfung, in der wir leben, hervorgebracht hat, nachdem es sich selbst die Materie geschaffen hatte, so ordne auch ich, der ich neu geboren64 und zur Aufnahme der Wahrheit geschaffen 62 Vgl. Kol 1,15: oÏw eÆstin eiÆkvÁ n toyÄ ueoyÄ toyÄ aÆora toy, prvto tokow pa shw kti sevw . – Dass Christus der „Erstgeborene“ vor allen Geschöpfen sei, ist stehende Wen-

dung bei Tatians Lehrer Justin: 1 Apol. 23,2; 33,6; 46,2; 53,2; 58,3; 63,15; Dial. 84,2; 85,2; 100,2; 116,3; 125,3; 138,2 u. ö. – Dass Tatian den Logos an dieser Stelle als Werk (eÍrgon ) des Vaters bezeichnet, ist ihm in späterer Zeit – anachronistisch – als Arianismus ausgelegt worden; vgl. den Scholiasten des Parisinus gr. 174 zu or. 5,2 (abgedruckt bei Marcovich, oratio, S. 77; Übs. bei R. Hanig, Vergleich, S. 47, Anm. 72). – Eine vergleichbare Wendung findet sich bei Philon, Ebr. 31, in einer Variante von Spr 8,22f, wo die Weisheit als „die erste unter allen seinen Werken“ (prvti sthn tv Ä n eë aytoyÄ eÍ rgvn ) bezeichnet wird; dazu A. Gilg, Christologie, S. 24. 63 Das Feuerbeispiel Tatians ist eine exakte Reproduktion von Iustinus, Dial. 61,2: „Doch sehen wir denn nicht ähnliche Vorgänge auch bei uns? Wenn wir nämlich ein Wort (lo gow ) aussprechen, erzeugen wir ein Wort, ohne damit etwas zu verlieren, ohne daß also die Vernunft (lo gow ) in uns weniger wird. So sehen wir auch, daß ein Feuer, wenn an ihm ein anderes entsteht, nicht deshalb, weil an ihm etwas entzündet worden ist, verringert wird, daß es vielmehr ein und dasselbe bleibt; das an ihm entzündete Feuer erscheint jenem gleich, und doch hat es jenes nicht verringert, an dem es entzündet wurde.“ (Übs. Haeuser). Eine ausführliche Analyse der Justin- und Tatianversion bei R. Hanig, Vergleich, S. 49–57. 64 Von einer aÆnage nnhsiw spricht auch Justin (1 Apol. 61,3f.10) mit Bezug auf

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thÁ n syÂgxysin. (7) OyÍte gaÁ r aÍnarxow hë yÏlh kauaÂper kaiÁ oë ueo w, oyÍ te diaÁ toÁ aÍnarxon kaiÁ ayÆ thÁ iÆsodyÂnamow t v Äì uev Äì, genhthÁ deÁ kaiÁ oyÆx yë po toy aÍlloy gegonyiÄa, mo noy deÁ yëpoÁ toyÄ pa ntvn dhmioyrgoyÄ probeblhmeÂnh.

[6] (1) KaiÁ diaÁ toyÄto kaiÁ svma tvn aÆ na stasin eÍ sesuai pepistey kamen metaÁ thÁ n tv Ä n oÏlvn synte leian, oyÆ x vëw oië StviÈkoiÁ dogmatiÂzoysi kata tinaw kyÂklvn perioÂdoyw ginome nvn aÆeiÁ kaiÁ aÆpoginomeÂnvn tv Ä n ayÆtv Än oyÆ k eÆpi ti xrhÂsimon, aÏpaj deÁ tv Ä n kau’ hëma Ä w aiÆv nvn peperasmeÂnvn kaiÁ eiÆw toÁ panteleÁ w diaÁ moÂnvn tv Ä n aÆnurvÂpvn thÁ n syÂstasin eÍ sesuai xa rin kriÂsevw. (2) Dika zoysi deÁ hë miÄn oyÆ MiÂnvw oyÆ deÁ ëRadaÂmanuyw, v În proÁ th Ä w teleyth Ä w oyÆdemiÂa tv Ä n cyxv Ä n, vë w myuologoyÄ sin, eÆ kriÂneto, dokimasthÁ w deÁ ayÆtoÁ w oë poihthÁ w ueoÁ w giÂnetai. (3) Kaà n gaÁr pa ny flhna foyw te kaiÁ spermolo goyw hë ma Ä w nomiÂshte, meÂlon oyÆ k eÍ stin hëmiÄn, eÆ peiÁ toy t vì t v Äì loÂg vì pepisteyÂkamen. ÏVsper gaÁr oyÆ k v à n priÁn hà gene suai tiÂw hÍmhn oyÆk eÆgiÂnvskon, mo non deÁ eÆn yëpostaÂsei th Ä w sarkikh Ä w yÏlhw yë ph Ä rxon, gegonvÁ w deÁ oë mhÁ pa lai diaÁ th Ä w geneÂsevw toÁ eiËnai pepiÂsteyka´ toÁ n ayÆ toÁ n troÂpon oë geno menow kaiÁ diaÁ uanaÂtoy mhkeÂt’ v à n ayËuiÂw te mhkeÂu’ oërv menow eÍ somai pa lin v Ï sper mhÁ paÂlai gegonv w, eiËta gennhueiÂw. (4) Kaà n pyÄ r eÆjafaniÂshì moy toÁ sarkiÂon, eÆ jatmisueiÄsan thÁ n yÏ lhn oë ko smow kexvÂrhke´ kaà n eÆn potamoiÄw, kaà n eÆn ualaÂssaiw eÆ kdapanhuv Ä,

1 oyÍ te 1 Wilamowitz: oyÆ deÁ M V P 2 kaiÁ ayÆ thÁ secl. Wilamowitz 2–3 yëpo toy M P, Marcovich: yëpoÁ V, Schwartz 9 kaiÁ del. Wilamowitz 9 sy stasin M V P: aÆna stasin Gesner: thÁ n aÆ na stasin post sy stasin suppl. Marcovich 9 eÍ sesuai del. Schwartz 13 te om. P 16 oë M: oÊ P V 19 eiËta gennhuei w M V P: eiËt’ 〈aÆna〉gennhuei w Marcovich Joh 3,3–6, woraus erhellt, dass auch Tatian die Wiedergeburt im Sinne des johanneischen gennhuhÄ nai aÍ nvuen meint. 65 Tatian nimmt die populäre Kritik auf, die der platonischen Kosmologie, z.B. im Timaios, einen Prinzipiendualismus (Gott – ewige Materie) unterstellt. Demgegenüber wird nachdrücklich betont, dass Gott die Materie „geschaffen“ (d. h. nicht nur „geordnet“) habe; die Materie sei somit weder gleichewig noch gleichmächtig. Vgl. W. Pannenberg, Gottesbegriff, S. 19. 66 Vgl. supra cap. 3 zur stoischen eÆkpy rvsiw . 67 Tatian arbeitet mit sprachlichen Versatzstücken aus Hebr 9,26–28 (vgl. dort: aÏ paj [3x], eÆpiÁ syntelei a, ì tv Ä n aiÆ v nvn, kri siw ).

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bin, in der Nachahmung des Wortes die Verwirrung einer mir verwandten Materie. (7) Denn weder ist die Materie anfangslos wie Gott, noch ist sie an sich – etwa aufgrund ihres fehlenden Anfangs – gleichmächtig wie Gott;65 sie ist geworden und zwar von keinem anderen geschaffen als von dem, der sie als der alleinige Schöpfer aller Dinge hervorbrachte. [6] (1) Und deshalb haben wir den Glauben, dass nach der Vollendung aller Dinge auch eine leibliche Auferstehung geschehen wird, nicht, wie die Stoiker lehren, indem nach bestimmten zyklisch wiederkehrenden Zeitspannen dieselben Dinge ohne irgendeinen Zweck immer wieder entstehen und vergehen,66 sondern insgesamt nur einmal, nach Vollendung unseres jetzigen Äons, damit allein die Menschen um des Gerichts willen versammelt würden.67 (2) Unsere Richter sind aber nicht Minos und Rhadamanthys,68 vor deren Tod – so die Mythologie – keine Seele gerichtet worden sei, sondern es prüft uns der Schöpfergott selbst. (3) Auch wenn ihr uns für überaus törichte Schwätzer und Phrasendrescher69 haltet, kümmert uns das nicht, da wir dieser Lehre Glauben geschenkt haben.70 Wie ich nämlich nicht existierte, bevor ich geboren wurde, und nicht wusste, wer ich war, sondern nur latent in der irdischmateriellen Substanz vorhanden war, aber dann als einer, der nicht von Anfang an war, durch meine Geburt zu der Überzeugung, dass ich existierte, gelangte: auf dieselbe Weise werde ich, der ich zwar geboren wurde, aber infolge meines Todes dereinst nicht mehr existieren und wiederum unsichtbar sein werde, erneut wie einer sein, der nicht von Anfang an war, dann aber geboren wurde.71 (4) Auch wenn Feuer mein bisschen Fleisch vernichten sollte, so enthält der Kosmos die verdampfte Materie; auch wenn ich in Flüssen oder Mee-

68 Die mythischen Toten- und Unterweltrichter Minos und Rhadamanthys (cf. Homer, Odyss. 4,564; Platon, Gorg. 523 E 6 – 524 A 7; Apol. 41 A 3; Cicero, Tusc. 1,10; Vergil, Aen. 6,432; 6,566; et al.) erscheinen mehrfach auch bei anderen frühchristlichen Apologeten, um den christlichen Gott bzw. Christus selbst als Weltenrichter an deren Stelle zu setzen: Iustinus, 1 Apol. 8,4; Athenagoras, Leg. 12,1; Tertullianus, Apol. 23,13; Ad nat. 1,19,5; spect. 30,4; Lactantius, Div. inst. 3,20,17; 7,22,5. 69 Bezug auf Act 17,18: Paulus wurde in Athen von stoischen und epikureischen Philosophen als spermolo gow („Wortausstreuer“) bezeichnet, nachdem er über die Auferstehung gepredigt hatte. 70 Auch Athenagoras (Leg. 36,2) reflektiert darüber, dass den Heiden die Verkündigung der Auferstehung als „törichte Rede“ erscheinen könne; wie Tatian verweist auch er auf vergleichbare Vorstellungen in der heidnischen Philosophie. 71 Vgl. Tertullianus, Apol. 485f: „Aber wie kann, wendet man ein, die aufgelöste Materie wieder vorgeführt werden? Betrachte dich selbst, o Mensch, und du wirst den

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kaà n yëpoÁ uhriÂvn diaspasuv Ä , tameiÂoiw eÆ napo keimai ploysiÂoy despo toy. KaiÁ oë meÁ n ptvxoÁ w kaiÁ aÍueow oyÆ k oiËden taÁ aÆpokeiÂmena, ueoÁ w deÁ oë basiley vn, oÏ te boyÂletai, thÁn oë rathÁ n ayÆ tv Äì mo n vì yëpoÂstasin aÆ pokatasthÂsei proÁ w toÁ aÆrxaiÄon.

[7] (1) Lo gow gaÁr oë eÆpoyra niow, pneyÄ ma gegonvÁ w aÆ poÁ toyÄ patroÁ w kaiÁ lo gow eÆ k logikh Ä w dyna mevw, kataÁ thÁ n toyÄ gennh santow ayÆtoÁ n patroÁw mi mhsin eiÆkoÂna th Ä w aÆuanasiÂaw toÁ n aÍ nurvpon eÆ poiÂhsen, Ïin’, v Ï sper hë aÆfuarsiÂa paraÁ t v Äì ue v Äì, toÁ n ayÆtoÁ n troÂpon ueoyÄ moiÂraw aÍnurvpow metalabvÁ n eÍxhì kaiÁ toÁ aÆua naton. (2) ëO meÁ n oyËn loÂgow proÁ th Ä w tv Ä n aÆnurvÂpvn kataskeyh Ä w aÆgge lvn dhmioyrgoÁ w giÂnetai, toÁ deÁ eëka teron th Äw poih sevw eiËdow ayÆtejoyÂsion ge gone taÆ gauoyÄ fy sin mhÁ eÍ xon, oÏper mo non paraÁ tv Äì uev Äì, th Äì deÁ eÆleyueri aì th Ä w proaireÂsevw yëpoÁ tv Ä n aÆnurvÂpvn eÆ kteleioyÂmenon, oÏpvw oë meÁn fayÄ low dikaiÂvw kolaÂzhtai di’ ayë toÁ n gegonvÁ w moxuhroÂw, oë deÁ diÂkaiow xa rin tv Ä n aÆndragauhmaÂtvn aÆ ji vw eÆpainh Ä tai, kataÁ toÁ ayÆ tejoyÂsion toyÄ ueoyÄ mhÁ parabaÁ w toÁ boyÂlhma. (3) KaiÁ taÁ meÁn periÁ toyÁ w aÆgge loyw kaiÁ aÆ nurv poyw toyÄ ton eÍ xei toÁ n tro pon´ hë deÁ toyÄ loÂgoy dy namiw, eÍ xoysa par’ eë ayth Äì toÁ prognvstikoÁ n

2 aÍ ueow M V P: aÍ uliow Wilamowitz: aÆue 〈at〉ow Marcovich 3 mo nv V: mo nhn M P: mo non Schwartz 5 aÆ poÁ M P: para V 5 patroÁ w M V P: pney matow coni. Schwartz (prob. Whittaker, Marcovich) 6 eÆk M V: eÆk thÄ w P 9–10 tv Ä n aÆ nurv pvn coni. Otto: t’ aÆndrv Ä n M V P: tv Ä n aÆ ndrv Ä n corr. m. rec. M P 11 oÏ per coni. Otto (prob. Chadwick, Whittaker): oÊ plhÁ n M V P: oÏper mo nvì pa resti tv Äì ue v Äì Par. 2376 in mg: oÊ 〈te leion meÁ n Íi smen yë pa rxon oyÆ damoyÄ 〉 coni. Schwartz: oÏ 〈per oyÆ damoyÄ 〉 plhÁ n coni. I. de Zwaan (Mnemosyne NS 48 [1920], p. 318): oÏ〈per oyÆ k eÍsti〉 plhÁ n coni. Marcovich 17 toÁ om. P 17 post prognvstiko n add. kataÁ paÄ n Wilamowitz: toÁ proÁ w add. Kukula: kaiÁ gnvri zoysa add. Marcovich Glauben daran finden. Bedenke, was du gewesen bist, ehe du warst. Offenbar nichts; denn, wenn du etwas gewesen wärest, so würdest du dich daran erinnern. Du also, der du, bevor du wurdest, nichts warst, und der du demselben Nichts angehören wirst, wenn du zu sein aufhörst, warum solltest du durch den Willen desselben Schöpfers, der dich aus dem Nichts entstehen machte, nicht nochmals aus dem Nichts entstehen? Nichts Neues also wird dir passieren. Du warst nicht und bist geworden, und wiederum wirst du werden, wenn du nicht mehr bist. Erkläre, wenn du kannst, wie du geworden bist, und dann suche zu erklären, wie du wieder werden wirst. Und doch wird es sicherlich leichter sein, daß du wieder wirst, was du schon einmal gewesen bist, da es gleich unschwer war, daß du wurdest, was du noch niemals warst.“ (Übs. Kellner).

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ren ausgelöscht oder von wilden Tieren in Stücke gerissen werde,72 bin ich in der Schatzkammer eines reichen Herrn geborgen. Der arme, gottlose Mensch kennt die dort aufbewahrten Schätze nicht; Gott, der Herrscher, wird aber, wann er will, die allein ihm sichtbare Substanz in ihren vormaligen Zustand zurückversetzen. [7] (1) Denn das himmlische Wort, als Geist73 vom Vater und als Wort aus der Macht des Wortes stammend, schuf in der Nachahmung des Vaters, der es gezeugt hatte, als Abbild der Unsterblichkeit den Menschen, damit dieser, wie die Unvergänglichkeit bei Gott ist, in derselben Weise Anteil an der Würde Gottes erhalte und das Unsterbliche an sich habe.74 (2) Nun wurde das Wort vor der Erschaffung der Menschen zum Schöpfer der Engel; jede der beiden Schöpfungsgattungen erhielt die freie Selbstbestimmung.75 Das wesenhaft Gute besitzen beide zwar nicht; dieses kommt allein Gott zu,76 doch kann das Gute von den Menschen frei gewählt und erfüllt werden, sodass der Böse gerechterweise bestraft wird, da er aus sich selbst heraus zum Sünder wurde, der Gerechte aber um seiner guten Taten willen verdientermaßen gepriesen wird, weil er in freier Entscheidung den Willen Gottes nicht übertreten hat. (3) Dies ist die Lage, in der sich die Engel und Menschen befinden. Die Macht des Wortes aber trägt in sich selbst das Wissen um die zukünftigen

72 In der demonstrativen Betonung, dass es gänzlich unerheblich sei, welches Schicksal dem menschlichen Leib nach dem Tode ereile, treffen sich stoische Rationalisierung der Todesangst und christliche Auferstehungshoffnung; vgl. die Beispiele bei Seneca, Ep. 92,34f (Feuer, Erde, wilde Tiere, Vögel, Meerestiere); M. Aurelius, Ep. ad Front. 1,6,5 (Meere, Flüsse, Sand, wilde Tiere, Vögel); Athenagoras, De resurr. 8,4 (Feuer, Wasser, Tiere); Min. Felix, Oct. 11,4 (wilde Tiere, Meere, Erde, Feuer). 73 Zur Geistnatur des Logos cf. 2 ep. Clem. 9,5; Past. Hermae, sim. 9,1,1; Theophilos, Ad Autol. 2,10; Clemens, Paed. 1,43,3. – Zur Geistnatur Gottes (i. e. des Vaters) cf. supra cap. 4 (pneyÄ ma oë ueo w) mit Bezug auf Joh 4,24; vgl. Athenagoras, Leg. 16,2. 74 Vgl. Sap. 2,23: „Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit (eÆ p’ aÆfuarsi a) ì geschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht.“ 75 Dass der Schöpfergott die beiden „Gattungen“ der Engel und der Menschen als freie, selbstbestimmte Wesen geschaffen habe, sagt mit nahezu denselben Worten bereits Justin (2 Apol. 7,5): ayÆ tejoy sion to te tv Ä n aÆ gge lvn ge now kaiÁ tv Ä n aÆ nurv pvn thÁ n aÆ rxhÁ n eÆ poi hsen oë ueo w ... ; vgl. ähnlich Dial. 88,5 und 102,4. 76 Cf. Mk 10,18 par. – Sehr ähnlich wie Tatian formuliert später Maximus Confessor, De caritate 4,90: Fy sei aÆgauoÁ w mo now oë ueo w.

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toÁ me llon aÆpobaiÂnein oyÆ kau’ eiëmarme nhn, th Äì deÁ tv Ä n aië roymeÂnvn ayÆ tejoysi vì gnvÂm h, ì tv Ä n melloÂntvn proyÍ lege taÁ w aÆpoba seiw kaiÁ th Ä w meÁ n ponhriÂaw kvlythÁw eÆgiÂneto di’ aÆpagorey sevn, tv Ä n deÁ meno ntvn aÆgauv Än eÆ gkvmiasthÂw. (4) KaiÁ eÆpeidh tini fronimvte r vì paraÁ toyÁ w loipoyÁ w oÍ nti diaÁ toÁ prvtoÂgonon synejhkoloyÂuhsan kaiÁ ueoÁ n aÆ ne deijan oië aÍ nurvpoi kaiÁ 〈aÍggeloi 〉 toÁ n eÆpanista menon tv Äì noÂmvì toyÄ ueoyÄ , toÂte hë toyÄ lo goy dy namiw to n te aÍrjanta th Ä w aÆponoiÂaw kaiÁ toyÁ w synakoloyuh santaw toyÂt vì th Ä w syÁ n ayÆ tv Äì diaiÂthw parhth ì  sato. (5) KaiÁ oë meÁ n kat’ eiÆ koÂna toyÄ ueoyÄ gegonvÂw, xvrisue ntow aÆp’ ayÆtoyÄ toyÄ pneyÂmatow toyÄ dynatvte roy, unhtoÁw giÂnetai´ diaÁ deÁ thÁ n para basin kaiÁ thÁn aÍnoian oë prvto gonow daiÂmvn aÆ podeiÂknytai kaiÁ toyÄton oië mimhsa menoi. Toy toy deÁ taÁ fanta smata daimoÂnvn stratoÂpedon aÆ pobebh kasi kaiÁ diaÁ toÁ ayÆtejoy sion th Äì sfv Ä n aÆbelthriÂaì paredoÂuhsan.

[8] (1) ëYpo uesiw deÁ ayÆtoiÄw th Ä w aÆpostasiÂaw oië aÍ nurvpoi giÂnontai. Dia gramma gaÁ r ayÆ toiÄw aÆstrouesi aw aÆnadeiÂjantew (v Ï sper oië toiÄw ky boiw paiÂzontew), thÁ n eiëmarme nhn eiÆshghÂsanto liÂan aÍdikon. ÏO te gaÁ r kriÂnvn kaiÁ oë krino menow kau’ eiëmarme nhn eiÆsiÁ n gegono tew, kaiÁ oië foneyÂontew kaiÁ oië foneyoÂmenoi, kaiÁ oië ploytoyÄ ntew kaiÁ oië peno menoi th Ä w ayÆth Äw eiëmarme nhw yë pa rxoysin aÆpogennhÂmata, pa Ä sa te geÂnesiw (v Ï sper eÆ n ueaÂtr v) ì terpvlhÁ n pare sxe toyÂtoiw, par’ oiÎw, v Ï w fhsin ÏOmhrow, aÍsbestow d’ aÍr’ eÆnv Ä rto geÂlvw maka ressi ueoiÄsin. (2) Oië gaÁr toyÁ w monomaxoyÄ ntaw bleÂpontew kaiÁ ua terow uateÂrvì spoyda zvn kaiÁ oë gamv Ä n kaiÁ paidofuorv Ä n kaiÁ moixeyÂvn gelv Ä n te kaiÁ oÆrgizo menow feyÂgvn te kaiÁ titrvsko menow pv Ä w oyÆ xiÁ unhtoÁ w eiËnai no3 kvlythÁ w M V P: kolasthÁ w Wilamowitz 6 kaiÁ erasit P 6 〈aÍ ggeloi〉 suppl. Schwartz 7 aÍ rjanta M P: aÆrjamenon V 10 aÍ noian coni. Otto: aÍ gnoian M V P: aÆ po noian Maran 11 kaiÁ toyÄ ton oië mimhsa menoi secl. Marcovich 11 deÁ M V P: te Schwartz (p. VII) et Marcovich 12 thÄ i ... aÆbelthri ai M1 P (h corr. in e M2): thÄ w ... aÆ belthri aw V 15 toiÄw ky boiw M P: toyÁ w ky boyw V 16 post eiÆ shgh santo suppl. basi leian Wilamowitz: ibid. gennh trian suppl. Marcovich 20 toy toiw M P: toiÄw toioy toiw V 22–23 post spoyda zvn lacunam ind. Schwartz: ueoÁ w suppl. Marcovich 23 paidofuorvÄ n M P: oë paidofuorvÄ n V 77

Zum göttlichen Vorherwissen der menschlichen Taten vgl. insbes. die Parallele bei Iustinus, 1 Apol. 44,11: aÆllaÁ prognv stoy toyÄ ueoyÄ oÍntow tv Ä n mello ntvn yë poÁ pa ntvn aÆ nurv pvn praxuh sesuai, kaiÁ do gmatow oÍ ntow par’ ayÆ tv Ä n kat’ aÆ ji an tv Ä n pra jevn eÏ kaston aÆ mei cesuai me llonta tv Ä n aÆ nurv pvn, kaiÁ taÁ par’ ayÆ toyÄ kat’ aÆ ji an tv Än prattome nvn aÆ panth sesuai, diaÁ toyÄ profhtikoyÄ Pney matow prole gei ... 78

Vgl. Gen 3,1 (von der Schlange); thematisiert bei Clemens, Strom. 6,155,1.

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Geschehnisse, welche sich nicht etwa schicksalhaft, sondern aufgrund der freien Entscheidung der Wählenden ereignen werden.77 Immer wieder hat sie die Ereignisse der Zukunft vorhergesagt, schränkte die Schlechtigkeit durch Verbote ein und verhalf denen zum Ruhm, die beständig im Guten verharrten. (4) Als die Menschen und die Engel aber einem, der wegen seiner Erstgeburt klüger78 war als die übrigen, zusammen nachfolgten und ihn, obwohl er sich gegen das Gesetz Gottes aufgelehnt hatte, zu einem Gott erhoben, da schloss die Macht des Wortes sowohl den Erzfrevler als auch seine Nachfolger aus der Gemeinschaft mit ihm aus.79 (5) Und der nach dem Bilde Gottes Geschaffene wurde sterblich, weil der mächtigere Geist80 sich von ihm getrennt hatte. Der Erstgeborene aber wurde ob seiner Übertretung und seiner Verblendung als Dämon erwiesen und mit ihm diejenigen, die seinem Beispiel gefolgt waren. Seine trügerischen Abbilder jedoch wurden zu einem Heer von Dämonen und wurden in Anbetracht ihres freien Willens ihrer eigenen Unverbesserlichkeit überantwortet. [8] (1) Die Leidtragenden des Abfalls der Dämonen aber wurden die Menschen. Denn sie zeigten ihnen in der Höhe eine Art Spielbrett (wie bei den Würfelspielern), auf dem Sterne eingezeichnet waren, und führten das allzu ungerechte Schicksal ein. Zum Richter und zum Kriminellen wird man nämlich nun infolge des Schicksals; die Mörder und die Ermordeten, die Reichen und die Armen sind Kreaturen desselben Schicksals. Jede seiner Schöpfungen trägt (wie im Theater) zur Ergötzung derer bei, von denen es bei Homer heißt: „Unauslöschliches Gelächter erhob sich unter den glückseligen Göttern.“81 (2) Solche Gestalten, die dem Zweikampf von Kriegern zuschauen und dabei parteiisch den einen oder anderen anfeuern, die heiraten, Knaben schänden, ehebrechen,82 lachen und zürnen,83 die Flucht ergreifen84 und verwundet werden85 – sie wird man nicht für sterblich halten? Denn 79

Vgl. Gen 3,23f. Vgl. infra cap. 12,1 und 13 zum höheren und niederen Geist des Menschen. Der „mächtigere Geist“ hat bei Tatian verschiedene Namen: toÁ ueiÄon pneyÄ ma (13,4); toÁ aÏ gion (15,1); toÁ eÆ poyra nion (16,6); toÁ te leion pneyÄ ma ( 20,2). 81 Homer, Iliad. 1,599; Odyss. 8,326. Vgl. Platon, Polit. 389 a. 82 Vgl. Theophilos, Ad Autol. 1,9 über die blutschänderische Ehe, den Ehebruch und die Knabenliebe des Zeus: ... peri te aÆdelfokoiti aw kaiÁ moixei aw kaiÁ paidofuori aw ... 83 Zur Kritik an den anthropomorphen griechischen Göttern, insbesondere deren Zornausbrüchen, vgl. Athenagoras, Leg. 21,1 (mit Bezug auf Homer, Iliad. 4,23f). 84 Apollon flüchtete vor Achilleus; vgl. Theophilos, Ad Autol. 1,9 (mit Bezug auf Homer, Iliad. 21,601–605). 85 Diomedes verwundete Aphrodite (Homer, Iliad. 5,376) und Ares (ibid. 5,858); vgl. Athenagoras, Leg. 21,2; Theophilos, Ad Autol. 1,9; Clemens, Protr. 36,1; Ps.-Iustinus, Coh. 2,4. 80

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misuh setai; Di’ v Î n gaÁ r eë aytoyÂw, oëpoiÄoi tinew pefyÂkasi, toiÄw aÆnurvÂpoiw pefanervÂkasi, diaÁ toyÂtvn toyÁ w aÆ koyÂontaw eÆ piÁ taÁ oÏmoia proyÆ treÂcanto. KaiÁ mhÂti ge oië daiÂmonew ayÆtoiÁ metaÁ toyÄ hë goymeÂnoy ayÆtv Ä n DioÁ w yëpoÁ thÁ n eiëmarmeÂnhn peptvÂkasi, toiÄw ayÆ toiÄw pa uesin oiÎsper kaiÁ oië aÍ nurvpoi krathueÂntew. (3) KaiÁ aÍllvw deÁ pv Ä w timhte on toyÂtoyw par’ oiÎw dogmaÂtvn eÆ nantio thw eÆ stiÁ pollh ; ëRe a meÁ n gaÂr, hÊn oië aÆpoÁ tv Ä n FrygiÂvn oÆrv Ä n KybeÂlhn fasiÂn, aÆpotmhÂseiw aiÆdoiÂvn nenomoue thken diaÁ toÁ n eÆrv menon tayÂthw ÍAttin´ ÆAfrodiÂth deÁ gaÂmoy plokaiÄw hÏdetai. Ma gow eÆ stiÁn hë ÍArtemiw, uerapeyÂei oë ÆApo llvn. (4) KaiÁ metaÁ thÁ n GorgoyÄ w karatomiÂan, th Ä w Poseidv Ä now eÆrvme nhw, aÆ f’ hÎ w PhÂgasow oë Ïi ppow kaiÁ oë Xrysa vr aÆ ne uore, taÁ w stagoÂnaw tv Ä n aiëma tvn hë ÆAuhna Ä kaiÁ oë ÆA sklhpioÁ w dieneiÂmanto´ kaiÁ oë meÁ n aÆp’ ayÆ tv Ä n eÍ s vzen, ì hë deÁ aÆpoÁ tv Ä n oë moiÂvn lyÂurvn aÆ nurvpokto now hë polemopoioÁ w eÆ giÂneto. (5) TayÂthn moi dokoyÄ sin ÆA uhnaiÄoi mhÁ boylhueÂntew diaba llein toÁ n aÆpoÁ th Ä w ëHfaiÂstoy miÂjevw gino menon th Äì G h Äì prosa ptein, Ïina mhÁ nomiÂzhtai, kaua per hë ÆA tala nth diaÁ toÁ n Mele agron, oyÏ tv kaiÁ hë ÆAuhna Ä diaÁ toÁ n ÏHfaiston th Ä w aÆndreiÂaw eÆ sterh Ä suai. ëO gaÁ r aÆmfigyhÂeiw , vë w eiÆ ko w, oë poÂrpaw kaiÁ gnamptaÁ w eÏ likaw dhmioyrgv Ä n, toiÄw korokosmiÂoiw hÆ pa thse thÁ n aÆmh tora paiÄda kaiÁ oÆ rfanh n.

1 vÎ n M V: vÎ nper P 3–5 KaiÁ mh ti ge ... krathue ntew post v. 21 (p. 102) ueoiÄsin traiecit Wilamowitz (prob. Marcovich) 3 ayÆ tv Ä n del. Schwartz 4 pa uesin om. V 4 oiÎsper Schwartz: vÏ sper M V P 6 toy toyw M P: ayÆ toyÁ w V 7–8 ëRe a ... nenomoue thken corr. Gesner et Ducaeus: ëRe an ... nenomouethke nai M V P 8 tay thw M P: ayÆ thÄ w V 11 oë xrysa vr M V: xrysa vr P 14 hë M V: hà P: kaiÁ Gesner 14 hë polemopoioÁ w secl. Schwartz 14 eÆ gi neto V P: gi netai M1: eÆ gi netai M2: eÆ ge neto Marcovich 15 kaiÁ (post diaba llein ) del. Kukula et Marcovich 15 gino menon M V P: geno menon Marcovich 17 aÆ ndrei aw M V P: aë gnei aw coni. Worth 18 gnamptaÁ w M V: gnaptaÁ w P 86 In der frühchristlichen Apologetik ist der despektierliche Hinweis auf die Selbstentmannung der Galli (i. e. Priester der phrygischen Kybele) geradezu Pflicht; cf. Aristides, Apol. 11,5; Iustinus 1 Apol. 27,4; Athenagoras, Leg. 26,1; Theophilos, Ad Autol. 1,9; 3,8; Tertullianus, Ad nat. 1,10,47; 2,7,16; Minucius Felix, Oct. 22,4; 24,12; Lactantius, Div. inst. 1,21,16; Athanasius, C. gentes 26. 87 Artemis wurde u. a. mit Hekate gleichgesetzt, der sog. „Hexengöttin“ (i. e. der unterweltlichen Göttin der Zauberkunst, der Nekromantie und des Spuks). 88 Gemeint ist die schlangenhaarige Medusa, die einzig sterbliche der drei Gorgonen. Pallas Athene hatte das ehemals schöne Mädchen aufgrund ihrer Liebschaft mit Poseidon in ein Ungeheuer verwandelt, dessen Anblick jeden zu Stein erstarren ließ. Nachdem Perseus mit Hilfe der Athene die Medusa enthaupten konnte, entsprang ihrem Körper Pegasus sowie der – ebenfalls häufig in Pferdegestalt dargestellte – Krieger Chrysaor, da Poseidon der Medusa in der Gestalt eines Pferdes beigewohnt hatte. – Tatian formuliert in auffallender Ähnlichkeit mit Hesiod (Theog. 280f): ThÄw oÏte dhÁ

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durch dieses Verhalten, durch das sie sich den Menschen in ihrer wahren Natur offenbarten, ermunterten sie die, die davon vernahmen, zu gleichen Taten. Ganz zu schweigen davon, dass die Dämonen selbst samt ihrem Anführer Zeus dem Schicksal unterworfen sind und von denselben Leidenschaften beherrscht werden wie die Menschen. (3) Und wie kann man überhaupt denen Respekt zollen, deren Maßstäbe voll von Widersprüchen sind? Denn Rhea, welche die Bewohner der phrygischen Berge Kybele nennen, hat um ihres Geliebten Attis willen die Kastration zum Gesetz gemacht;86 Aphrodite dagegen hat ihre Freude an ehelichen Verbindungen. Eine Zauberin ist Artemis,87 Apollon betreibt die Heilkunst. (4) Nach der Enthauptung der Gorgo, der Geliebten Poseidons, aus der das Pferd Pegasus und der Chrysaor entsprang,88 teilten Athene und Asklepios die Blutstropfen unter sich auf: während dieser mit ihnen heilte, wurde jene, die Kriegstreiberin, mit Hilfe desselben Blutes zur Menschenmörderin.89 (5) Um sie nicht in Verruf zu bringen, so scheint es mir, haben die Athener den Sohn, der aus ihrer Verbindung mit Hephaistos stammte, der Gaia zugeschoben, damit man nicht glauben sollte, Athene sei von Hephaistos – so wie Atalante von Meleagros – ihrer Tapferkeit beraubt worden.90 Denn der beidseitig lahme91 Hephaistos, der Hersteller von Spangen und Ohrringen,92 hat wahrscheinlich das mutterlose Waisenkind93 mit Mädchenschmuck betört.

PerseyÁ w kefalhÁ n aÆ pedeiroto mhsen , / eÆ je uore xrysa vr te me gaw kaiÁ Ph gasow Ïi ppow; siehe auch Ovid, Metam. 4,784–86; Ps.-Apollodor, Bibl. 2,4,2. 89

Athene schenkte Asklepius einen Teil des Blutes der Medusa, mit dessen magisch heilsamen Kräften es ihm gelang, medizinische Wundertaten zu vollbringen. Vgl. Ps.Apollodor, Bibl. 3,10,3,9 („Er hatte nämlich von Athene das aus den Adern der Gorgo geflossene Blut bekommen, wovon er das aus den linken Blutadern geflossene zum Verderben [proÁ w fuora n] der Menschen, das aus den rechten zum Heil [proÁ w svthri an] verwandte; durch das letztere weckte er die Toten auf.“); Zenob. 1,18; Eurip. Ion 999–1005. 90 Vgl. die Version bei Ps.-Apollodor, Bibl. 3,14,6: Der von Aphrodite verlassene Hephaistos verfolgt nunmehr Athene; diese setzte sich als jungfräuliche Göttin gegen seine Umarmung zur Wehr und sein Same ergießt sich auf ihr Bein. Angewidert wischt Athene diesen mit einem Stück Wolle ab, welches sie auf die Erde (= Gaia) wirft. Die Göttin flieht, aber aus dem zur Erde gefallenen Samen entsteht Erichthoneos. – Zu Atalante und Meleagros vgl. die Schilderung der Jagd auf den Kalydonischen Eber bei Ps.-Apollodor, Bibl. 1,8,2. 91 Oder: „krummbeinige“ (cf. S. Freund, Dichter, S. 102); vgl. Homer, Iliad. 18,383. 92 Zitat aus Homer, Iliad. 18,401: po rpaw te gnampta w u’ eÏ likaw ... 93 Zeus hatte die von ihm schwangere Metis verschlungen (cf. infra cap. 25) und Athene selbst als „Kopfgeburt“ zur Welt gebracht.

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(6) Poseidv Ä n naytiÂlletai, pole moiw ÍArhw hÏdetai, kiuaristh w eÆ stin oë ÆApo llvn, UhbaiÂoiw DioÂnysow tyranneiÄ, KroÂnow tyrannoktoneiÄ. ZeyÁw kaiÁ uygatriÁ syggiÂnetai, kaiÁ hë uyga thr aÆ p’ ayÆtoyÄ kyeiÄ. (7) Martyrh sei moi nyÄ n ÆEleysiÁw kaiÁ dra kvn oë mystikoÁ w kaiÁ ÆOrfeyÁ w oë uyÂraw d’ eÆ piÂuesue bebhÂloiw le gvn. ÆAÈi dvneyÁw aërpaÂzei thÁ n KoÂrhn, kaiÁ aië praÂjeiw ayÆtoyÄ gego nasi mysthÂria´ klaiÂei DhmhÂthr thÁ n uygate ra, kai tinew aÆpatv Ä ntai diaÁ toyÁw ÆAuhnaiÂoyw. (8) ÆEn t v Äì temeÂnei toyÄ LhtoiÉdoy kaleiÄtai tiw oÆ mfaloÂw´ oë d’ oÆ mfaloÁ w ta fow eÆ stiÁn Diony soy. (9) ÆEpainv Ä seÁ nyÄ n, v Ë Da fnh´ thÁ n aÆkrasiÂan toyÄ ÆApoÂllvnow nikh sasa, hÍ legjaw ayÆ toyÄ thÁ n mantikhÂn, oÏti mhÁ prognoyÁ w taÁ periÁ seÁ th Ä w ayëtoyÄ te xnhw oyÆk v Í nato. (10) LegeÂtv moi nyÄ n oë eëkathbo low pv Ä w ëYaÂkinuon diexrh sato ZeÂfyrow. Än ZeÂfyrow ayÆ toÁ n neniÂkhken´ kaiÁ toyÄ tragvdopoioy ì Ä leÂgontow ayÍ ra uev oÍxhma timivÂtaton, yëpoÁ braxeiÂaw ayÍraw nikhueiÁw aÆpvÂlese toÁn eÆrvÂmenon.

[9] (1) ToioyÄ toi tine w eiÆsin oië daiÂmonew oyÎtoi oiÊ thÁ n eië marmeÂnhn v Ï risan. StoixeiÂvsiw deÁ ayÆtoiÄw hë zvÂìvsiw hË n. TaÁ gaÁ r eÆpiÁ th Ä w gh Ä w eë rpetaÁ kaiÁ taÁ eÆ n toiÄw yÏdasi nhktaÁ kaiÁ taÁ eÆpiÁ toiÄw oÍresi tetra poda, meu’ v Î n eÆpoioyÄ nto 1 oë del. Schwartz 3 kaiÁ uygatriÁ M V P: thÄì uygatriÁ Münzel: kaiÁ 〈thÄì〉 uygatriÁ Marcovich 4 d’ P: om. M V 9 hÍ legjaw M V P: 〈syn〉hÂlegjaw Schwartz et Marcovich 10 ayë toyÄ Schwartz: ayÆ toyÄ M V P 11 Ze fyrow om. V 12 kaiÁ M V P: kai 〈toi〉 Marcovich 15 oyÎ toi secl. Schwartz 94

Kronos entmannte seinen Vater Uranus mit einer Sichel und übernahm dessen Weltherrschaft, bis ihm durch seinen Sohn Zeus ein ähnliches Schicksal ereilte. Vgl. denselben Bezug bei Iustinus, 1 Apol. 21,5; Gregor v. Nazianz, Orat. 4,121. 95 Zeus verliebte sich in seine aus der Verbindung mit Demeter stammende Tochter Persephone (= Persephassa, = Kore), kroch in der Gestalt einer Schlange in sie und befruchtete sie; vgl. infra cap. 10; Athenagoras, Leg. 20,2; Clemens, Protr. 16,1; Arnobius, Adv. nat. 5,21,4: ... et quia nefarium videbatur satis patrem cum filia comminus uxoria coniugatione misceri, in draconis terribilem formam migrat, ingentibus spiris pavefactam colligat virginem ... 96 Orpheus gilt in einer nicht unumstrittenen Tradition als der Gründer der eleusinischen Mysterien; vgl. z.B. Theodoret, Graec. aff. cur. 1,21. – Zum Zitat: Orph. frg. 59; 334 Kern; Olympiodoros (d. J.), Proleg. In Categ. p. 12,11 Busse; vgl. Ps.-Iustinus, Cohort. ad gent. 15. 97 Homerische Nebenform zu ÏAidhw (Hades), dem Gott der Unterwelt. 98 Die griechische Mythologie kennt mehrere Versionen vom Ende und Verbleib der „Reliquien“ des Dionysos, unter anderem von deren Bestattung in Delphi: Die Tita-

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(6) Poseidon ist Seemann, an Kriegen erfreut sich Ares, Apollon spielt die Kithara, Dionysos ist Tyrann bei den Thebanern, Kronos ist ein Tyrannenmörder.94 Zeus verkehrt sogar mit seiner Tochter und die Tochter ist von ihm schwanger.95 (7) Zeugnis ablegen werden mir heute noch Eleusis und die mystische Schlange und Orpheus mit seinem Ausruf: „Verschließt die Tore vor den Profanen!“96 Aı¨doneus97 raubt die Kore und seine Taten gelten nun als Mysterien. Demeter beweint ihre Tochter und so mancher wird von den Athenern in die Irre geführt. (8) Im Tempel des Sohnes der Leto wird eine gewisse Stelle Omphalos (Nabel) genannt; dieser Omphalos aber ist das Grab des Dionysos.98 (9) Da lobe ich dich, Daphne: Dadurch dass du die Geilheit des Apollon in die Schranken gewiesen hast, hast du auch seine Weissagungsgabe widerlegt; denn er sah das, was mit dir geschah,99 nicht voraus und er konnte keinen Nutzen aus der ihm zugesprochenen Fähigkeit ziehen. (10) Jetzt sage mir der treffsichere100 Apollon auch noch, wie Zephyros den Hyakinthos töten konnte. Zephyros überwand Apollon selbst: Obwohl nach dem Spruch des Tragödiendichters „der Luftzug der Götter liebstes Fahrzeug ist“,101 wurde er von einem zarten Lufthauch überwältigt und verlor seinen Geliebten.102 [9] (1) Wesen solcher Art sind diese Dämonen, welche das Schicksal festlegten! Zu seiner Bezeichnung diente ihnen das Tierreich. Denn was auf der Erde kriecht und im Wasser schwimmt und im Gebirge auf vier

nen hatten Dionysos auf Betreiben der Hera getötet und in sieben Teile zerrissen. Zeus sammelte diese Teile, um sie Apollon zu übergeben, der sie in Delphi begrub. (Vgl. u. a. Callim. Frg. 643 Pfeiffer.) Die Identifizierung des Grabes mit dem Omphalos, dem legendären „Nabel“ der Welt, begegnet nur bei Tatian. 99 Daphnes Vater, der Flussgott Peneios, rettete seine Tochter vor der Verfolgung des Apollon durch ihre Verwandlung in einen Lorbeerbaum. Vgl. Ovid, met. 1,452ff; Lukian, Dial. deor. 16,1. 100 Nicht „Ferntreffer“ (Kukula; ähnlich Harnack) oder „far-shooter“ (Whittaker); eë kathbo low setzt sich aus dem Instrumentalis zu eë kv n und ba llv zusammen: „nach seinem Willen treffend“; Tatian stellt die angebliche „Treffsicherheit“ Apollons ironisch seiner offensichtlich defizienten, nicht immer „zutreffenden“ Sehergabe gegenüber. 101 Trag. adesp. Fr. 565 Kannicht-Snell. 102 Mit dem expliziten Hinweis auf den nicht vorhergesehenen Tod des Hyakinthos – er wurde von einem vom Westwind Zephyros abgelenkten Diskos getroffen – wird Apollon auch von anderen Apologeten die Sehergabe abgesprochen; vgl. Athenagoras (Leg. 21,4); Theophilos (Ad Autol. 1,9: ’Apo llvna ... thÄ w Da fnhw eÆrv Ä nta, kaiÁ toÁ n ëYaki nuoy mo ron aÆ gnooyÄ nta ); vgl. in demselben Sinne auch – etwa zeitgleich – die satirische Religionskritik des Lukian v. Samosata (Dial. deor. 16,1).

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thÁ n diÂaitan eÍ kblhtoi th Ä w eÆn oyÆ ranv Äì diaiÂthw gegenhmeÂnoi, tayÄ ta th Äw eÆ poyraniÂoy timh Ä w hÆjiÂvsan, Ïina te nomisuv Ä sin ayÆtoiÁ diatriÂbein eÆ n oyÆranv Äì kaiÁ thÁ n aÍ logon eÆ piÁ gh Ä w politeiÂan eyÍ logon diaÁ th Ä w aÆstrouesiÂaw aÆpodeiÂjvsin. (2) ÏVste oë uymikoÁ w kaiÁ oë eÆpiÂmoxuow, kaiÁ oë eÆgkrateyÄ n 〉 eÆ sti tv Ä n noo menow kaiÁ oë aÆkrathÂw, kaiÁ oë ptvxeyÂvn 〈kaiÁ oë ploytv mouethsa ntvn thÁ n ge nesin. ëH gaÁr toyÄ zvdiakoy ì Ä kyÂkloy grafhÁ uev Än eÆ sti poiÂhma, kaiÁ toÁ eÆpikrath Ä san, v Ï w fasin, eënoÁ w ayÆtv Ä n fv Ä w toyÁ w pleiÂonaw parabrabeyÂei, kaiÁ oë nikvÂmenow nyÄ n eiÆ sayÄ uiw eÆ pikrateiÄn eiÍvuen, eyÆarestoyÄ si deÁ ayÆ toiÄw oië eë ptaÁ planh Ä tai, v Ï sper oië eÆ n toiÄw pessoiÄw aÆuy rontew. (3) ëHmeiÄw deÁ kaiÁ eiëmarme nhw eÆ smeÁ n aÆnvÂteroi, kaiÁ aÆntiÁ planhtv Ä n daimoÂnvn eÏ na toÁ n aÆ planh Ä despo thn memauh kamen, kaiÁ oyÆ kau’ eiëmarme nhn aÆgoÂmenoi toyÁ w tayÂthw nomoueÂtaw parhth ì  meua. (4) Le ge moi proÁ w toyÄ ueoyÄ ´ Tripto lemow eÍ speire toyÁ w pyroyÂw, kaiÁ metaÁ toÁ peÂnuow eyÆergeteiÄ toyÁ w ÆAuhnaiÂoyw´ diaÁ ti deÁ hë Dhmh thr th Äw uygatroÁ w mhÁ aÆpolvlyi aw tv Ä n aÆnurvÂpvn eyÆ erge tiw oyÆ k eÆgeÂneto; (5) KyÂvn oë th Ä w ÆHrigo nhw eÆn oyÆ ranv Äì deiÂknytai, kaiÁ skorpiÂow oë th Äw ÆArte midow bohuoÂw, kaiÁ XeiÂrvn oë KeÂntayrow, hÏ 〈te 〉 hë miÂtomow ÆA rgvÂ, kaiÁ hë KallistoyÄ w aÍ rktow´ eiËta pv Ä w priÁn toyÂtoyw periÁ taÁw proeirhmeÂnaw ta jeiw geneÂsuai aÆ koÂsmhtow hË n oë oyÆ rano w; (6) TiÂni deÁ oyÆ geloiÄon eiËnai do jei toÁ kataÁ meÂn tinaw diaÁ thÁ n SikeliÂan aÆ strouetoyÂmenon Deltvto n, kat’ eÆniÂoyw deÁ 〈vëw 〉 th Ä w toyÄ DioÁ w prosvnymiÂaw prvto typon stoixeiÄon; DiaÁ ti gaÁ r oyÆxiÁ kaiÁ hë SardvÁ kaiÁ hë KyÂprow eÆ n oyÆranv Äì

5 kaiÁ oë ploytvÄ n eÆsti Schwartz (kaiÁ oë ploytvÄ n aÆp’ ayÆ tv Ä n eÆ sti iam Gesner): aÆ p’ Ä n aÆ po tv Ä n ayÆ tv Ä n eÆ sti uev Ä n Marcovich 8 nyÄ n ayÆ tv Ä n eÆ sti M V P: kaiÁ oë ploytv eiÆ sayÄ uiw Maran: eiÆ s ayÄ uiw nyÄ n M V P 9 post planhÄ tai lacunam ind. Schwartz 9 eÆ n del. Wilamowitz et Schwartz 11 kaiÁ M V P: vëw Marcovich 14 diaÁ ti deÁ hë dhmh thr M V P: hë dhmh thr: diaÁ ti deÁ transp. Wilamowitz 17 〈te〉 add. Schwartz 19 ta jeiw Wilamowitz: pra jeiw M V P 20 eiËnai om. P 21 〈vë w〉 add. Wilamowitz 103

Konnotiert sind die Götter bzw. Dämonen selbst, nach denen die Planeten (= Irrsterne) benannt sind. 104 Im Sternbild der Jungfrau (Parue now ) sah man in der griechischen Antike u. a. Demeter dargestellt (konkurrierende Deutungen: Athene, Hera, Kallisto, Dike, Astraea, Erigone). Danach hält Demeter eine schimmernde Kornähre in ihren Händen (dargestellt durch den hellen Stern Spica). Vgl. Aratos, Phainom. 97 und dazu Ps.-Eratosthenes, Cataster. 9 (= Comm. In Aratum p. 201.20 Maass). 105 Vgl. Hygin, Fab. 130: Der Hund der Erigone führte dieselbe zum Leichnam ihres von Hirten erschlagenen Vaters. Daraufhin erhängte sich die Tochter aus Trauer an einem nahe stehenden Baum. Die Götter aber setzten den Vater Ikarios (= Arcturus), Erigone selbst (= Virgo) und den Hund Maira (= Canicula) an den Sternenhimmel. Cf. auch dens., Astronom. 2,4,4; Ps.-Apollodor, Bibl. 3,14,7.

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Füßen läuft, all das, womit die Dämonen zu tun hatten, nachdem ihnen der Aufenthalt im Himmel verwehrt worden war, würdigten sie nun der himmlischen Ehre, damit man glauben sollte, sie lebten noch immer im Himmel, und um zu zeigen, dass das Unberechenbare auf der Erde durch die Anordnung der Sterne in plausible Zusammenhänge gebracht werden könne. (2) So sind der Hitzkopf und der Geduldsmensch, der Enthaltsame und der Unmäßige, der Bettler 〈und der Reiche〉 nunmehr die Machwerke jener, die für ihre Geburt bestimmte Gesetzmäßigkeiten aufstellten. Denn die Anordnung der Tierkreiszeichen ist ein Werk der Götter; wenn das Licht eines von ihnen sich in der Aszendenz, so wird es genannt, befindet, dominiert es über die Mehrzahl der anderen; und im stetigen Wechsel steigt das momentan unterliegende ein andermal zur Herrschaft auf. Die sieben Planeten103 aber haben ihren Gefallen daran wie die Brettspieler an ihren Steinen. (3) Aber wir stehen noch höher als das Schicksal und anstatt der Irrsterne, nämlich der Dämonen, kennen wir nur den einen, nie irrenden Herrn. So werden wir nicht vom Schicksal bestimmt und verwerfen die, die es zum Gesetz gemacht haben. (4) Sage mir in Gottes Namen: Triptolemos hat den Weizen gesät und erst nach der Trauerklage den Athenern diese Wohltat erwiesen; warum ist Demeter nicht schon vor dem Verlust ihrer Tochter zur Wohltäterin der Menschen geworden?104 (5) Der Hund der Erigone wird uns am Himmel vorgeführt,105 ebenso der Skorpion als der Gehilfe der Artemis,106 der Kentaur Cheiron,107 die eine Hälfte der Argo108 und die Bärin der Kallisto.109 Wie denn? War der Himmel etwa ohne Schmuck, bevor jene an die erwähnten Orte gesetzt wurden? (6) Wem wird es nicht lächerlich erscheinen, dass die dreieckige Figur des Delta nach der Ansicht einiger Leute im Hinblick auf die Umrisse Siziliens, nach anderen als der erste Buchstabe im Namen des Zeus (= Dis) an den Sternenhimmel gesetzt worden sei?110 Denn warum sind nicht auch Sardinien und Zypern durch 106

Der Jäger Orion hatte durch seinen Vorsatz, alle wilden Tiere zu erlegen, den Zorn der Artemis erregt; diese befahl dem Skorpion, Orion zu töten. Vgl. Nikandros, Theriaka 13–20; Aratos, Phainom. 634–46; Hyginus, Astronom. 2,26; Ps.-Eratosthenes, Cataster. 7. 107 Vgl. Ps.-Eratosthenes, Cataster. 40. 108 Vgl. Aratos, Phainom. 342–52; Ps.-Eratosthenes, Cataster. 35; Hyginos, Astronom. 2,37. 109 Vgl. Hyginos, Astronom. 2,4,1; Ps.-Eratosthenes, Cataster. 8. 110 Hyginus (Astronom. 2,19) kennt ebenfalls die beiden Deutungen des himmlischen Deltoton und nennt weitere: Hoc sidus quod ut littera est Graeca in triangulo posita, itaque appellatur. Quod Mercurius supra caput Arietis statuisse existimatur ideo, ut obscuritas Arietis huius splendore, quo loco esset, significaretur, et Iovis nomine Graece Dios primam litteram deformaret. Nonnulli Aegypti positionem; alii, qua Nilus terminaret Aethiopiam et

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tetiÂmhntai; TiÂnow deÁ eÏ neken oyÆxiÁ kaiÁ tv Ä n toyÄ DioÁ w aÆ delfv Ä n, oiÊ dienei manto taÁw basileiÂaw, 〈taÁ oÆ noÂmata 〉 gramma tvn sxhmatoyrgiÂaì kathsteriÂsuhsan; (7) Pv Ä w te oë pedhueiÁ w Kro now kaiÁ th Ä w basileiÂaw eÍkblhtow genoÂmenow th Ä w eiëmarme nhw oiÆkono mow kauiÂstatai; Pv Ä w te basilei aw oë mhke ti basileyÂvn diÂdvsin; Kataba lete toigaroyÄn toÁn lh Äron kaiÁ mhÁ diaÁ toÁ miseiÄn hë ma Ä w aÆdiÂkvw paranomh shte.

[10] (1) MetamoÂrfvsiw aÆnurvÂpoiw memyuoloÂghtai´ metamorfoyÄ ntai deÁ par’ yë miÄn kaiÁ oië ueoiÂ. De ndron hë ëRe a giÂnetai, draÂkvn deÁ oë ZeyÁ w diaÁ thÁ n Ferse fassan, aiÍgeiroi aië toyÄ Fae uontow aÆdelfaiÂ, kaiÁ hë LhtvÁ zv Äìon eyÆtele w, di’ hÊn ÆOrtygiÂa Dh Ä low hë nyÄ n ke klhtai. UeoÂw, eiÆ pe moi, ky know giÂnetai, kaiÁ thÁ n aÆetoyÄ morfhÁ n aÆ nalamba nei kaiÁ di’ oiÆ noxoiÉan toyÄ GanymhÂdoyw thÁ n paiderastiÂan semny netai; (2) Ti moi seÂbein ueoyÁ w dvrolh ptaw kaiÁ oÆ rgizome noyw, aà n mhÁ laÂbvsin; ÆExeÂtvsan oyÎ toi thÁ n eiëmarme nhn´ toyÁw planh taw proskyneiÄn oyÆ boyÂlomai. (3) TiÂw eÆ stin oë BereniÂkhw ploÂkamow; PoyÄ deÁ oië aÆsteÂrew ayÆ th Ä w priÁn thÁ n proeirhmeÂnhn aÆpouaneiÄn; Pv Ä w deÁ oë teunevÁ w ÆAnti noow, meiraÂkion vë raiÄon, eÆn th Äì

2 taÁ w basilei aw M P: thÁ n basilei an V 2 〈taÁ oÆno mata 〉 addi suad. Worth: aië prosvnymi ai addi suad. Schwartz 3 kathsteri suhsan Nauck: kathsteri xuhsan M V P 5 kataba lete M V: kaba lete P: kataba llete Gesner 6 paranomh shte corr. Gesner: paranomi shte M V P 7 aÆnurv poiw M V P: aÆnurv pvn coni. Wilamowitz 9 post aiÍgeiroi add. te Schwartz 12 thÁ n paiderasteian V: thÄ i paiderast(e)i ai M P 15 beroni khw V 15 deÁ M V P: te Marcovich 16 aÆpouaneiÄn M V P: aÆpotameiÄn coni. Voss (Observat. in Catullum, p. 264) 16–1 eÆn thÄ i selh nhi vëraiÄon P Aegyptum dixerunt. Alii Siciliam figuratam putaverunt; alii, quod orbem terrarum superiores trifariam diviserunt, tres angulos esse constitutos dixerunt. 111 Poseidon und Hades als Meeres- und Unterweltherrscher; vgl. Homer, Iliad. 15,187–193. 112 Cf. supra Anm. 94. 113 Der Planet Saturn. Die Planeten „herrschen“ über die Tierkreiszeichen und damit über das Schickal (vgl. die Metaphorik vom dämonischen Würfelspiel; cap. 8f). 114 Die Sage ist nicht bekannt; eine Anspielung bei Ovid (met. 10,103–05) bzw. Martial (13,25) ist nicht auszuschließen. 115 Siehe cap. 8. 116 Als Phaeton den väterlichen Sonnenwagen (i. e. des Helios) nicht mehr zu zügeln vermochte, traf ihn der strafende Blitzschlag des Zeus. Aus Trauer um ihren getöteten Bruder erstarrten die Heliaden zu Pappeln. Vgl. die „klassische“ Version bei Ovid, met. 2,346–66.

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einen Platz am Himmel geehrt worden? Weshalb sind nicht auch die Namen der Brüder des Zeus, die sich mit ihm die Herrschaft teilten,111 durch Anbringung von Buchstabenzeichen fixiert worden? (7) Wie ist es möglich, dass der gefesselte Kronos, der aus seinem Herrschaftsbereich vertrieben wurde,112 als Verwalter des Schicksals eingesetzt wird?113 Wie kann der, der seiner Herrschaft ledig ist, Herrschaften verteilen? So lasst doch diesen Unsinn fahren und vergeht euch nicht weiter in eurem ungerechten Hass gegen uns. [10] (1) Es gibt Sagen, in denen Menschen verwandelt werden; bei euch verwandeln sich sogar die Götter. Rhea wird zu einem Baum,114 Zeus zu einer Schlange wegen der Phersephassa,115 die Schwestern des Phae¨ton zu Pappeln,116 und die Leto zu einem armseligen Tier; nach ihr hat die Insel Ortygia, das heutige Delos, ihren Namen.117 Erkläre es mir: Ein Gott wird zum Schwan?118 Und er nimmt die Gestalt eines Adlers an, wobei er sich, da Ganymed sein Mundschenk ist, der Knabenliebe rühmt?119 (2) Warum sollte ich Götter verehren, die Geschenke annehmen und zornig werden, wenn sie diese nicht erhalten? Diese Wesen mögen ihr Schicksal behalten; ich will keine Planeten anbeten. (3) Was hat es mit der Lockenpracht der Berenike auf sich? Wo waren ihre Sterne, bevor die Genannte starb?120 117 Leto (= Latona), die von Zeus mit den Zwillingen Apollon und Artemis schwanger war, musste sich bei ihrer Niederkunft auf der Insel Ortygia (= Delos) in eine Wachtel (oÍrtyj ) verwandeln, um der Rache der Hera zu entgehen. Eine andere Sage weiß von Asteria, der Schwester der Leto, welche (in eine Wachtel verwandelt) von Zeus (in der Gestalt eines Adlers) verfolgt wird und schließlich als Stein ins Meer stürzt, woraus die kleine Felseninsel Ortygia entstand. Möglicherweise konfundiert Tatian die beiden in mehreren Varianten überlieferten Versionen. Vgl. z.B. Ps.-Apollodoros, Bibl. 1,4,1; Hyginos, Fab. 53.140; Ovid, met. 15,337. 118 Gemeint ist wiederum Zeus, der sich in dieser Gestalt der Leda näherte. Aus der Verbindung entstanden Helena und Polydeukes. 119 Der schöne Hirtenknabe Ganymed wurde von Zeus in der Gestalt eines Adlers (alias: durch einen Sturm) auf den Olymp entführt, um dort die Aufgabe eines Mundschenks für die Götter zu übernehmen. Bei Platon wird mit dem Ganymed-Mythos die Ephebophilie gerechtfertigt. Vgl. z.B. Homer, Iliad. 20,231; Vergil, Aen. 5,255; Ovid, met. 10,155–61. 120 Tatian bezieht sich auf eine Anekdote, die man ansonsten von Kallimachos (fr. 110 Pfeiffer) bzw. Catull (66,35–42) leicht abweichend kennt: Berenike, die Frau des ägyptischen Königs Ptolemaios III., versprach der Aphrodite ihr prächtiges Haar zu opfern, wenn ihr Gatte siegreich und unversehrt aus dem (Syrischen) Krieg zurückkehren würde. Nach dem Sieg des Ptolemaios löste sie ihr Versprechen ein und brachte ihr Haar im Tempel dar, wo es aber am nächsten Tag verschwunden war. Der Hofastronom Konon erklärte ihr, die Götter seien über die Gabe derart erfreut gewesen, dass sie diese an den Himmel versetzt hätten.

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selhÂn hì kauiÂdrytai; TiÂw oë aÆ nabiba saw ayÆ toÂn, eiÆ mh ti kaiÁ toyÄ ton vë w toyÁw basileÂaw misuoyÄ di’ eÆpiorkiÂaw tiw, toyÁw ueoyÁ w katagelv Ä n, eiÆw toÁ n oyÆ ranoÁ n aÆnelhlyue nai fhÂsaw pepiÂsteytai k aËìta toÁ n oÏmoion ueologh saw timh Ä w kaiÁ dvrea Ä w hÆjiÂvtai; (4) Ti moy toÁ n ueoÁ n sesylh kate; Ti deÁ ayÆ toyÄ thÁ n poiÂhsin aÆ timaÂzete; Uy eiw pro baton, toÁ d’ ayÆ toÁ kaiÁ proskyneiÄw´ tayÄro w eÆstin eÆ n oyÆ ran v Äì, kaiÁ thÁ n eiÆkoÂna sfa tteiw ayÆtoyÄ. Z v Äìon ponhroÁ n oë ÆEn go nasin eÆ kuliÂbei´ kaiÁ toÁ n aÆnurvpopoioÁ n Promhue a katafagvÁ n aÆetoÁ w tetiÂmhtai. KaloÁ w oë ky know, oÏti moixoÁ w hËn´ kaloiÁ deÁ kaiÁ eë teroh meroi Dio skoroi, tv Än LeykippiÂdvn oië aë rpastaiÂ. (5) KreiÂttvn hë ëEleÂnh, toÁ n meÁn kaÂrh januoÁ n Mene laon katalipoyÄ sa, tv Äì deÁ mitrhfoÂrvì kaiÁ polyxryÂs vì Pa ridi katakoloyuoyÄ sa. DiÂkaiow kaiÁ svÂfrvn oë thÁ n eÆ kporneyÂsasan eiÆw ÆHlyÂsia pediÂa metateueikvÂw. ÆAll’ oyÆdeÁ hë TyndariÁw aÆphuana tistai, kaiÁ sofv Ä w oë EyÆripi dhw yë poÁ ÆOre stoy th Ä w proeirhmeÂnhw gynaikoÁw thÁn aÆnaiÂresin pareishÂgage.

2 post misuoyÄ add. hà V 2 toyÁ w ueoyÁ w M V P: toyÄ ueoyÄ Wilamowitz 3 kaÄ ta (i. e. k aËìta) M P: kataÁ V 3 toÁ n M V P: toÁ Maran 5 moy M V: moi P 8 post kaiÁ add. oë Schwartz 10 krei ttvn Pcorr. m. rec.: kreiÄtton M V 10 karh januon M V P: corr. Nauck 12 aÆkoloyuoyÄ sa V 121

Antinoos war ein Günstling und (vermutlich) der Geliebte des Kaisers Hadrian. Nach seinem legendären, stellvertretenden Tod für den Kaiser wurde er von diesem zum Gott deklariert. Insbesondere wurde Antinoos, wie Münzfunde aus der hadrianischen Epoche zeigen, als Deus Lunus verehrt. Vgl. zum Akt der Apotheose insbesondere Dio Cassius, Hist. 69,11,4: kaiÁ te low aÆste ra tinaÁ ayÆ to w [= ëAdrianoÁ w] te oë raÄ n vë w toyÄ ’Antino oy oÍ nta eÍ lege. Bei den frühchristlichen Schriftstellern wird die Vergöttlichung des Antinoos – in Verbindung mit der unterstellten Päderastie des Kaisers – heftig kritisiert bzw. der Lächerlichkeit preisgegeben: Iustinus, 1 Apol. 29,4; Athenagoras, Leg. 30,2; Theophilos, Ad Autol. 3,8; Clemens, Protr. 49,1–3; Tertullianus, Ad nat. 2,7,6; 2,10,11; Apol. 13,9; De corona 13,6; Adv. Marc. 1,18,4; Origenes, C. Cels. 3,36–38; 5,63; 8,9; Athanasius, C. gentes 9,9; Epiphanios, Ancor. 106,9; Prudentius, C. Symmach. 1,271–74; Theodoret, Graec. aff. cur. 8,28. 122 Vgl. ähnlich Iustinus, 1 Apol. 21,3; vgl. Suetonius, Div. Aug. 100,4: Nec defuit vir praetorius, qui se effigiem cremati [sc. Augusti] euntem in caelum vidisse iuraret. 123 Sc. das Sternbild Aries (als Zodiakalgott); vgl. Aratos, Phainom. 225–232; Ps.Eratosthenes, Cataster. 19. 124 Dieselbe Kritik bei Iustinus, 1 Apol. 24,3: ÏOti gaÁ r oyÆ taÁ ayÆ taÁ par’ oiÎw meÁ n ueoiÁ , par’ oiÎw deÁ uhri a, par’ oiÎw deÁ ië ereiÄa nenomisme na eÆ stiÁ n, aÆ kribv Ä w eÆ pi stasue.

Zum Sternbild Taurus siehe Aratos, Phainom. 167–178; Ps.-Eratosthenes, Cataster. 14. 125 Wörtlich: „Auf Knien“. Das Sternbild wurde mit mehreren mythischen Gestalten identifiziert, z.B. mit Prometheus, Theseus oder Orpheus. Durchgesetzt hat sich

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Auf welche Weise hat sich Antinoos, der schöne Jüngling, nach seinem Tod auf dem Mond niedergelassen?121 Wer hat ihn hinaufgeschafft, wenn doch nicht etwa ein gewisser Götterverächter, der für Lohn unter Meineid aussagte, auch dieser sei – wie bei den Kaisern üblich – in den Himmel gelangt?122 Man schenkte ihm Glauben, und hat ihn dann, nachdem er denselben für einen Gott erklärt hatte, mit Ruhm und Geschenken bedacht. (4) Warum habt ihr meinen Gott beraubt? Warum entwürdigt ihr seine Schöpfung? Du opferst ein Schaf, dasselbe betest du aber auch an.123 Ein Stier befindet sich am Himmel und sein Ebenbild schlachtest du.124 Im Sternbild Engonasi125 bezwingt ein Mann eine gefährliche Bestie und gleichzeitig steht ein Adler in Ehren, der den Menschenbildner Prometheus zerfleischte.126 Ein edles Tier ist der Schwan, weil er ein Ehebrecher war.127 Von edler Gesinnung sind auch die Räuber der Leukippostöchter, die tagweise lebenden Dioskuren.128 (5) Erhabener noch ist die Helena,129 die „den goldhaarigen Menelaos“130 verließ und Paris, dem goldgeschmückten Stirnbandträger,131 hinterherlief. Gerecht und weise ist derjenige, der die Ehebrecherin in die elysischen Gefilde versetzt hat!132 Aber die Tochter des Tyndareos133 ist nicht mit Unsterblichkeit gesegnet worden, und trefflich hat Euripides die Ermordung des genannten Weibsbildes durch Orestes auf die Bühne gebracht.

schließlich die Verbindung mit der Heraklessage: Der Held kniet auf dem Drachen Ladon [= Sternbild Draco], dem Bewacher der goldenen Äpfel der Hesperiden. Vgl. Aratos, Phainom. 45–70; Ps.-Eratosthenes, Cataster. 3f; Hyginus, Astronom. 2,3,1; 2,6,1. 126 Zeus hatte den Götterverächter Prometheus, der das Menschengeschlecht erschaffen hatte, dadurch bestraft, dass er ihn an einen Felsen im Kaukasus ketten ließ; täglich kam der Adler Ethon und fraß von seiner stetig nachwachsenden Leber. – Zum Sternbild Cygnus siehe Aratos, Phainom. 275–81; Ps.-Eratosthenes, Cataster. 25. 127 Sc. Zeus (s. o.). – Zum Sternbild Aquila siehe Aratos, Phainom. 313–15; Ps.Eratosthenes, Cataster. 30. 128 Die beiden unzertrennlichen Dioskuren, der sterbliche Kastor und der (ursprünglich) unsterbliche Polydeukes, verbrachten abwechselnd einen Tag zusammen im Hades, den anderen auf dem Olymp. – Zum Sternbild Gemini siehe Ps.-Eratosthenes, Cataster. 10; Hyginus, Astronom. 2,22. 129 Siehe Plinius, nat. hist. 2,101: diram illam ac minacem [sc. stellam] appellatamque Helenam; vgl. bereits Euripides, Orest. 1636f. 130 Zitat aus Homer, Odyss. 15,133. 131 Vgl. Euripides, Iph. Aul. 73f; Troad. 991–96; Clemens, Paid. 3,13,1f. 132 Bekannt ist nur, dass dem Menelaos, Helenas Gatte, das Elysium verheißen wurde (Homer, Odyss. 4,564). 133 Entweder Helena (vgl. Euripides, Orest. 1423; 1512) oder ihre Schwester Klytaimnestra.

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[11] (1) Pv Ä w oyË n geÂnesin thÁ n kau’ eiëmarme nhn aÆpodeÂjomai toioyÂtoyw ayÆth Ä w toyÁw oiÆkonoÂmoyw uevrv Ä n; Basiley ein oyÆ ue lv, ployteiÄn oyÆ boyÂlomai, thÁ n strathgiÂan par hÂìthmai, porneiÂan memiÂshka, naytiÂllesuai diaÁ thÁ n aÆplhsti an oyÆ k eÆpithdeyÂv, stefa noyw eÍ xein oyÆ k aÆgvniÂzomai, dojomaniÂaw aÆ phÂllagmai, uana toy katafronv Ä , no soy pantodaph Äw aÆ nvÂterow giÂnomai, lyÂph moy thÁ n cyxhÁ n oyÆ k aÆnaliÂskei. (2) DoyÄ low eÆaÁ n v Ë , thÁ n doyleiÂan yëpome nv´ kaà n eÆ leyÂuerow yë paÂrxv, thÁ n eyÆ geÂneian oyÆ semny nomai. ToÁ n hÏlion oë rv Ä pa ntvn toÁ n ayÆto n, eÏ na deÁ kataÁ paÂntvn toÁ n uaÂnaton di’ hë donh Ä w kaiÁ eÆlattvÂmatow. (3) ëO ploy siow speiÂrei, kaiÁ oë peÂnhw th Ä w ayÆth Ä w spora Ä w metalamba nei´ teleytv Ä sin oië ploysivÂtatoi kaiÁ oië metaitoyÄ ntew thÁ n ayÆ thÁ n eÍxoysi toyÄ biÂoy perigrafhÂn. PleioÂnvn xr hÂìzoysin oië ploytoyÄ ntew kaiÁ di’ aÆ jiopistiÂaw metaÁ th Ä w do jhw giÂnontai´ pe nhw deÁ kaiÁ oë metrivÂtatow tv Ä n kau’ eë aytoÁ n eÆfieÂmenow eyÆmare steron perigiÂnetai. Ti moi kau’ eië marmeÂnhn aÆgrypneiÄw diaÁ filargyriÂan; Ti de moi kau’ eiëmarme nhn polla kiw oÆ rego menow polla kiw aÆ pounhÂìskeiw; (4) ÆApo unhske ì tv Äì koÂsm vì paraitoyÂmenow thÁ n eÆ n ayÆ tv Äì maniÂan´ zh Ä ui tv Äì uev Äì diaÁ th Ä w ayÆtoyÄ katalhÂcevw thÁ n palaiaÁ n ge nesin paraitoy menow. OyÆ k eÆgenoÂmeua proÁ w toÁ aÆpoun hÂìskein, aÆpoun hÂìskomen deÁ di’ eë aytoy w. ÆApvÂlesen hëma Ä w toÁ ayÆ tejoy sion´ doyÄloi gego namen oië eÆ leyÂueroi, diaÁ thÁ n aëmartiÂan eÆpra uhmen. OyÆ deÁn fayÄ lon yë poÁ toyÄ ueoyÄ pepoiÂhtai, thÁ n ponhriÂan hë meiÄw aÆ nedeiÂjamen´ oië deÁ aÆnadeiÂjantew dynatoiÁ pa lin paraithÂsasuai.

[12] (1) DyÂo pneyma tvn diaforaÁ w Íi smen hë meiÄw, v Î n toÁ meÁ n kaleiÄtai cyxhÂ, toÁ deÁ meiÄzon meÁn th Ä w cyxh Ä w, ueoyÄ deÁ eiÆkvÁ n kaiÁ oë moiÂvsiw´ eëka 7 thÄ eyÆ geneiÄa V 9 kaiÁ M V P: hà 〈di’〉 Marcovich 12–13 kaiÁ di’ aÆjiopisti aw metaÁ th Ä w do jhw gi nontai pe nhw deÁ M V P, Whittaker, Marcovich: met’ aÆ jiopisti aw kaiÁ diaÁ th Ä w do jhw gi nontai pe nhtew prop. Wilamowitz, Schwartz, Geffcken: kaiÁ di’ aÆ jiopisti aw metaÁ th Ä w do jhw gi nontai pene steroi Puech (p. 123 n. 0): kaà n ... gi nvntai Maran („quamvis fides illis et honos habeatur“): di’ aÆjiopisti aw thÄ w do jhw metagiÂ Ä ntew eÆ ndeeiÄw 〉 post do jhw nontai I. de Zwaan (Mnemosyne NS 48 [1920], p. 316): 〈zv suppl. Marcovich (vix recte) 13 metriv tatow M V P, Whittaker: metriv terow Wilamowitz, Schwartz, Geffcken, Marcovich 18 ayÆ toyÄ Maran: eëaytoyÄ M V P 134

Vgl. Tertullian, spect. 18,2f: ... nullus tibi coronarum usus est. Die in cap. 11 präsentierte Ethik ist deutlich vom Ideal des stoischen Weisen geprägt. Dies ist bemerkenswert, da Tatian zwar die Philosophie der Griechen auf Schritt und Tritt attackiert, aber letztlich in entscheidenden Punkten von ihr abhängig ist. – Speziell zur Vermeidung der Ruhmsucht (dojomani a) vgl. SVF III, Nr. 667 (= Athenaios, Deipnosoph. 11). 135

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[11] (1) Wie kann ich nun an eine schicksalsbestimmte Geburt glauben, wenn ich mir diejenigen anschaue, die dieses Schicksal verwalten? Herrschen will ich nicht, nach Reichtum verlangt es mich nicht, das Feldherrenamt weise ich zurück, Unzucht ist mir verhasst, keine unersättliche Habgier treibt mich aufs Meer hinaus, für den Besitz von Siegerkränzen strenge ich mich nicht an,134 vom Wahnsinn der Ruhmsucht bin ich frei,135 den Tod verachte ich, über jede Art von Krankheit bin ich erhaben, keine Trauer verzehrt meine Seele. (2) Als Sklave ertrage ich die Sklaverei,136 als freier Mann bin ich auf meine edle Abkunft nicht stolz. Ich sehe eine Sonne, die für alle dieselbe ist,137 und einen Tod, der allen blüht, ob durch Genusssucht oder Mangel.138 (3) Der Reiche streut den Samen aus, am Ertrag hat ebenso der Arme teil. Es sterben auch die reichsten Menschen, und die Bettler haben dieselbe Lebensgrenze. Die Reichen haben immer mehr nötig139 und durch ihr Ansehen genießen sie Ruhm; aber auch ein Armer, der sehr bescheiden ist und nur das Seine begehrt, überlebt ohne größere Mühe. Wenn das Schicksal waltet, warum hast du mir dann aus Habsucht schlaflose Nächte? Wenn das Schicksal waltet, warum bist du mir dann so gierig, und stirbst so oft daran? (4) Stirb der Welt ab140 und entsage ihrem Wahn! Lebe Gott141 und entsage, indem du ihn ergreifst, deiner alten Geburt!142 Wir sind nicht zum Sterben geboren,143 sondern sterben durch eigene Schuld. Unser freier Wille hat uns verdorben; zu Sklaven sind wir geworden, die wir frei waren; um der Sünde willen sind wir verkauft.144 Gott hat nichts Schlechtes erschaffen, wir haben die Schlechtigkeit hervorgebracht; aber die sie hervorgebracht haben, sind auch imstande, ihr wieder zu entsagen. [12] (1) Wir kennen zwei verschiedene Arten geistiger Wesen; das eine wird Seele genannt,145 das andere ist vorzüglicher als die Seele und heißt 136

Vgl. 1 Kor 7,20f. Vgl. Mt 5,45b; Petronius, Satyricon 100: sol omnibus lucet. 138 Dass die Christen den Tod in der Verfolgung deshalb nicht fürchten, weil sowieso jeder Mensch sterben müsse, ist eine Argumentation, die wiederholt bereits bei Tatians Lehrer Justin begegnet. Vgl. 1 Apol. 11,2; 57,2; 2 Apol. 11,1. 139 Ähnlich bereits Horaz, Ep. 1,2,56: Semper avarus eget. 140 Vgl. Kol 2,20. 141 Vgl. Röm 6,10. 142 Vgl. Röm 6,6; Eph. 4,22; Kol 3,9. 143 Vgl. Sap 2,23. 144 Vgl. Röm 7,14: ... peprame now yëpoÁ thÁ n aëmarti an ... 145 Die Seele, der „untere Geist“ des Menschen, heißt bei Tatian auch aÆnepisth mvn cyxh (13,3) oder toÁ pneyÄ ma yë liko n (12,5). 137

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tera deÁ paraÁ toiÄw aÆnurvÂpoiw toiÄw prv toiw yë ph Ä rxen, Ïina toÁ meÂn ti v Ë sin yë likoiÂ, toÁ deÁ aÆnvÂteroi th Ä w yÏlhw. ÍExei deÁ oyÏtv. (2) Pa Ä san eÍ stin iÆ deiÄn toyÄ ko smoy thÁ n kataskeyhÁn syÂmpasa n te thÁ n poiÂhsin gegonyiÄan eÆ j yÏlhw kaiÁ thÁ n yÏlhn deÁ ayÆthÁ n yë poÁ toyÄ ueoyÄ probeblhme nhn, Ïina toÁ meÂn ti ayÆ th Ä w aÍporon kaiÁ aÆsxhma tiston noh Ä tai proÁ toyÄ diaÂkrisin labeiÄn, toÁ deÁ kekosmhme non kaiÁ eyÍ takton metaÁ thÁ n eÆn ayÆ th Äì diaiÂresin. ÍEstin oyË n eÆ n ayÆth Äì oë oyÆ ranoÁ w eÆ j yÏ lhw kaiÁ taÁ aÍstra taÁ eÆn ayÆ t v Äì´ kaiÁ hë gh Ä deÁ kaiÁ pa Ä n toÁ eÆp’ ayÆth Ä w nooyÂmenon thÁ n oëmoiÂan eÍxei syÂstasin vëw eiËnai koinhÁ n pa ntvn ge nesin. (3) Toy tvn deÁ oyÏtvw yëparxo ntvn diaforai tinew tv Ä n eÆj yÏ lhw eiÆ siÂn, vëw eiËnai toÁ meÂn ti ka llion, toÁ deÁ kaiÁ ayÆ toÁ meÁ n kalo n, plhÁn yë po tinow kreiÂttonow eÆ lattoyÂmenon. ÏVsper gaÁr hë meÁ n toyÄ svÂmatow syÂstasiw mia Ä w eÆstin oiÆkonomiÂaw, periÁ deÁ ayÆtv Äì eÆsti toyÄ gegenh Ä suai toÁ aiÍtion, kaiÁ toy tvn oyÏtvw oÍ ntvn diaforai tineÂw eiÆsi do jhw eÆn ayÆtv Äì, kaiÁ toÁ meÂn oÆ fualmoÁw tiÂw eÆ stin, toÁ deÁ oyË w, toÁ deÁ trixv Ä n diako smhsiw kaiÁ eÆ ntosuiÂvn oiÆkonomiÂa myelv Ä n te kaiÁ oÆsteÂvn kaiÁ neyÂrvn syÂmphjiw, ua teron deÁ uateÂroy oÃn dia foron kat’ oiÆkonomiÂan symfvniÂaw eÆ stiÁn aë rmoniÂa´ paraplhsiÂvw kaiÁ oë ko smow kataÁ thÁ n toyÄ pepoihko tow ayÆ toÁ n dy namin taÁ meÂn tina faidroÂtera, taÁ de tina toyÂtoiw aÆ no moia kekthmeÂnow uelh mati toyÄ dhmioyrghÂsantow pneyÂmatow meteiÂlhfen yëlikoyÄ . (4) TaÁ deÁ kau’ eÏkasta dynatoÁ n katanoh Ä sai t v Äì mhÁ kenodo jvw aÆ poskorakiÂzonti taÁ w ueiota taw eë rmhneiÂaw, aiÊ kataÁ xroÂnon diaÁ grafh Ä w eÆjelhlegmeÂnai pa ny ueofileiÄw toyÁw prose xontaw ayÆtaiÄw pepoih kasin.

1 yëphÄ rxon V 5 aÍ poron M V P: aÍ poion Schwartz (p.VIII): aÍ peiron Wilamowitz 6 eÆn ayÆ thÄ i M P: ayÆ thÁ n V 7 eÆn ayÆ thÄ i M V P: tay thì Marcovich: secl. Schwartz 8 eÆp’ Schwartz: aÆp’ M V P 8 nooy menon M V P: 〈zvogo ì 〉noy menon Schwartz 8–9 vëw eiËnai – ge nesin om. V 13 periÁ M V P: pneyÄ ma coniec. Elze (p. 87) 13 ayÆ tv Ä i M P: ayÆ to V: tayÆ toÁ coniec. Gesner 15 oÆ fualmoÁ w ti w M P (ti V): ti oÆ fualmo w Schwartz 17 oà n dia foron M V P: dia foron oà n Schwartz 19 tina 1 M V: ti P 19 tina 2 secl. Schwartz 20 yë likoyÄ M V P: oë likoyÄ coniec. Pearson (ap. Worth, p. 155) 146

Vgl. Gen 1,26. – Für den „oberen vorzüglicheren Geist“ des Menschen verwendet Tatian im Folgenden die Bezeichnungen: toÁ ueiÄon pneyÄ ma (13,3); toÁ pneyÄ ma toÁ aÏ gion (15,1); pneyÄ ma eÆ poyra nion (16,6); toÁ te leion pneyÄ ma ( 20,2). 147 Tatian lehrt die Theorie einer zweistufigen Erschaffung der körperlichen Welt, wonach durch Gott zunächst – gleichsam ex nihilo (vgl. cap. 5) – die amorphe Materie erschaffen wird, danach durch Formung der Materie (hier: deren „Teilung“) die konkreten Einzeldinge entstehen. – Zum Gedanken der Weltschöpfung durch Formung

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Gottes Abbild und Gleichnis.146 Beide waren bei den ersten Menschen angelegt, damit sie einerseits mit der Materie verbunden seien, andererseits oberhalb der Materie stünden. Es verhält sich wie folgt: (2) Es ist offenbar, dass das gesamte Weltgebäude und die gesamte Schöpfung aus Materie besteht und die Materie an sich von Gott geschaffen wurde, in der Weise, dass sie einerseits, und zwar vor ihrer Teilung, als maßlos und ungeformt gedacht wird, andererseits, nach einer inneren Differenzierung, als gut hergerichtet und wohlgeordnet. Durch diese Teilung existiert nun ein Himmel aus Materie und die Sterne an ihm; und die Erde und alles, was man auf ihr sieht, besitzen dieselbe Beschaffenheit, sodass alle Dinge eine gemeinsame Herkunft aufweisen.147 (3) Obwohl all dieses auf solche Weise existiert, gibt es dennoch gewisse Unterschiede bei den materiellen Dingen, sodass das eine schöner ist, das andere an sich auch schön, nur im Vergleich zu etwas Besserem geringer. Wie nämlich der Bau des menschlichen Körpers einen einheitlichen Plan besitzt, welcher für die Existenz desselben ursächlich und maßgebend ist, und gleichzeitig seine Teile ein unterschiedliches Ansehen besitzen – das eine Teil ist ein Auge, das andere Ohr, dann ist dort der Haarschmuck, die Anordnung der inneren Organe, das Gefüge von Mark, Knochen und Sehnen – wie also bei aller Verschiedenheit der Einzelteile dennoch eine planvolle, harmonische Einheit existiert: in ähnlicher Weise hat auch der Kosmos gemäß der Macht seines Schöpfers teils mehr, teils weniger herrliche Bestandteile erhalten und nach dem Willen des Werkmeisters einen Lebensgeist, allerdings materieller Natur, empfangen. (4) Es ist möglich, dies in seinen Einzelheiten zu verstehen, wenn man nicht in eitler Aufgeblasenheit die zuhöchst göttlichen Offenbarungen verächtlich zurückweist, welche nach und nach schriftlich aufgezeichnet wurden und diejenigen, die sie studierten, zu uneingeschränkten Gottesverehrern gemacht haben.148

einer zugrunde liegenden gestaltlosen (meist in Gen 1,1f erblickten) „Ursubstanz“ vgl. Athenagoras, Leg. 10,3; 15,2; Clemens, Strom. 5,89,6; Hippolyt, Refut. 1,19,3. Zu Vorstellung und Begriff der yÏlh aÍ morfow siehe Platon, Tim. 50 d 7; 51 a 7; Aristoteles, Phys. A 7, 191 a 10; Iustinus, 1 Apol. 10,2; 59,1. 148 Tatian verweist in diesem Abschnitt zwar auf „zuhöchst göttliche Offenbarungen“, expliziert aber ein Konglomerat platonisch-stoischer Kosmologie. Allerdings trifft sich die hier präsentierte Grundanschauung der Einheit, Ordnung und Harmonie im Mikro- und Makrokosmos, insbesondere auch das Insistieren auf der unbedingten Güte alles Geschaffenen (wenn auch in abgestufter Form) mit grundlegenden biblischen Aussagen, z.B. mit dem – von Tatian häufig benutzten – priesterlichen Schöpfungsbericht (Gen 1).

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(5) ëOmv Ä w d’ oyËn kaiÁ oië daiÂmonew, oyÊw yëmeiÄw oyÏ tv fateÂ, syÂmphjin eÆj yÏlhw labo ntew kthsa menoi te pneyÄ ma toÁ aÆ p’ ayÆ th Ä w aÍsvtoi kaiÁ liÂxnoi gego nasin, oië me n tinew ayÆ tv Ä n eÆ piÁ toÁ kauarvÂteron trapeÂntew, oië deÁ th Äw yÏlhw eÆ pileja menoi toÁ eÍ latton kaiÁ kataÁ toÁ oÏmoion ayÆ t h Äì politeyo menoi. (6) Toy toyw deÂ, aÍndrew ÏEllhnew, proskyneiÄte gegono taw meÁ n eÆj yÏlhw, makraÁ n deÁ th Ä w eyÆtajiÂaw eyëreue ntaw. Oië gaÁ r proeirhme noi th Äì sfv Än aÆbelthriÂaì proÁ w toÁ kenodojeiÄn trape ntew kaiÁ aÆfhnia santew l hstai ì Á ueo thtow gene suai proyÆuymhÂuhsan´ (7) oë deÁ tv Ä n oÏlvn despo thw eÆntryfa Ä n ayÆ toyÁ w eiÍase, me xriw aà n oë ko smow peÂraw labvÁ n aÆnalyu h Äì kaiÁ oë dikasthÁ w parage nhtai, kaiÁ pa ntew oië aÍnurvpoi diaÁ th Ä w tv Ä n daimo nvn eÆ panasta sevw eÆfie menoi th Ä w toyÄ teleiÂoy ueoyÄ gnvÂsevw teleiote ran diaÁ tv Ä n aÆgvÂnvn eÆn hëmeÂraì kriÂsevw thÁ n martyriÂan laÂbvsin. (8) ÍEstin oyËn pneyÄ ma eÆn fvsth Ä rsin, pneyÄ ma eÆn aÆ ggeÂloiw, pneyÄ ma eÆn fytoiÄw kaiÁ yÏdasi, pneyÄ ma eÆ n aÆnurv poiw, pneyÄ ma eÆ n z vÂìoiw´ eÊn deÁ yëpa rxon kaiÁ tayÆ toÁ n diaforaÁ w eÆ n ayëtv Äì keÂkthtai. (9) TayÄ ta deÁ hëmv Ä n lego ntvn oyÆk aÆpoÁ glvÂtthw oyÆ deÁ aÆ poÁ tv Ä n eiÆko tvn eÆ nnoiv Ä n synta jevÂw te sofistikh Ä w, ueioteÂraw de tinow eÆ kfvnhÂsevw lo goiw kataxrvme nvn, oyÊ w oië boyloÂmenoi manua nein speyÂsate´ (10) kaiÁ oië toÁ n SkyÂuhn ÆA na xarsin mhÁ aÆposkorakiÂzontew kaiÁ nyÄ n mhÁ aÆnajiopauh shte paraÁ toiÄw barbarik h Äì nomouesiÂaì parakoloyuoyÄ si paideyÂesuai. Xrh sasue toiÄw do gmasin hë mv Ä n kaà n vëw th Äì kataÁ BabylvniÂoyw prognvstikh Äì´ katakoyÂsate lego ntvn hëmv Ä n kaà n vë w dryoÁ w manteyomeÂnhw. KaiÁ taÁ meÁ n proeirhmeÂna parafoÂrvn daimoÂnvn eÆ stiÁn aÆ ntisofisteyÂmata, taÁ deÁ th Äw hë meteÂraw paideiÂaw eÆ stiÁn aÆ nvteÂrv th Ä w kosmikh Ä w katalh cevw. 1 oë mv Ä w Kukula (p. 25): oÏ mvw M V P: oë m〈oi 〉vw I. de Zwaan (Mnemosyne NS 48 [1920], p. 318) 1 d’ om. V 3–4 oië deÁ thÄ w yÏ lhw M V P: thÄ w yÏ lhw, oië d’ transp. Marcovich 4 ayÆ thÄ i M V P: ayÆ tv Äì Marcovich 7 aÆ belthri ai V P: aÆ belteri ai M 10 diaÁ M V P: di 〈x〉a Marcovich 11 eÆ fie menoi M V P: aÆ fie menoi Schwartz 12 aÆ gv nvn M P: aÆ go nvn V: aiÆ v nvn Schwartz (p. VIII), agn. Puech (p. 125) 15 ayë t v Äì Worth: ayÆ tv Äi M V P 16 eiÆko tvn eÆnnoiv Ä n M V P: eiÆ ko tvn oyÆ deÁ aÆ p’ eÆ nnoiv Ä n Wilamowitz (agn. Schwartz): eiÆko tvn 〈lo gvn kaiÁ 〉 eÆnnoiv Ä n Marcovich 18 oyÊ w M P: oiÎw V: secl. Worth 19 aÆjiopauh shte P 20 deÁ toiÄw V 21 kaà n M P: kaiÁ V: kaà n mhÁ P1 Aet. 100 Ott. 112 23 proeirhme na om. V 23 aÆparafo rvn V 24 aÆnvte rv(i) M P: aÆnv tera V 149

Derselbe Ausdruck (aÆbelthri a) für das Grundübel im Verhalten der Dämonen wie bereits in cap. 7 (Ende). 150 Die Dämonen wollen Gott seinen Platz streitig machen, indem sie ihren Anführer, den „Erzfrevler“, zum Gott erheben; vgl. cap. 7. 151 Der Aufruf zur geistigen Weiterentwicklung, nämlich im Sinne christlicher Wahrheit und Weisheit, findet sich besonders eindringlich auch bei Justin zum Ende seiner 2. Apologie (cap. 15). 152 Anacharsis ist ein in der antiken Literatur häufig erwähnter legendärer Skythe, der – im Gegensatz zu seinem ansonsten als wild, verroht und kulturfeindlich darge-

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(5) Ebenso haben auch die Dämonen, wie ihr sie nennt, eine materielle Natur erhalten und besitzen einen dementsprechenden Geist. Heillos verdorben und lustbesessen sind sie; die einen von ihnen wandten sich dem reineren Teil zu, die anderen aber wählten den niedrigeren Teil der Materie und verhielten sich demgemäß. (6) Diese aber, ihr griechischen Männer, betet ihr an, obgleich sie aus Materie hervorgingen und weit außerhalb der rechten Ordnung befunden wurden. Denn in ihrer Unverbesserlichkeit149 wandten sie sich der eitlen Aufgeblasenheit zu, rebellierten und erkühnten sich gar, zu Räubern der Göttlichkeit150 zu werden. (7) Der Herrscher des Universums aber lässt sie in ihrem Übermut gewähren, bis der Kosmos ein Ende hat und seine Auflösung erfährt, der Weltenrichter erscheint und alle Menschen, die während des Aufstands der Dämonen dennoch nach der Erkenntnis des vollkommenen Gottes strebten, um ihrer Kämpfe willen am Tage des Gerichts ein umso vollkommeneres Zeugnis erhalten. (8) Es gibt also einen Geist in den Himmelslichtern, einen Geist in den Engeln, einen Geist in den Pflanzen und Gewässern, einen Geist in den Menschen, einen Geist in den übrigen Lebewesen; obgleich er einer und derselbe ist, birgt er doch Unterschiede in sich selbst. (9) Da wir aber dieses nicht nur als Gerede und nicht aufgrund von Wahrscheinlichkeitserwägungen und sophistischen Schlüssen dahersagen, sondern von den Worten einer gewissen höheren göttlichen Offenbarung Gebrauch machen, daher seid lernbegierig und eifrig!151 (10) Und da ihr den Skythen Anacharsis152 nicht weggejagt habt, so entrüstet euch doch auch jetzt nicht, wenn ihr von den Anhängern einer barbarischen Gesetzgebung belehrt werdet! Befasst euch mit unseren Lehren, wenigstens so, wie ihr es mit der Weissagekunst der Babylonier tut; hört auf uns, wenn wir reden, wenigstens so, wie ihr einer prophezeienden Eiche lauscht!153 Das eine, die soeben erwähnten Dinge, sind listige Täuschungen verblendeter Dämonen, das andere aber, der Inhalt unserer Lehre, steht höher als jeder weltliche Verstand.

stellten Volk – wegen seines Sachverstandes und der ihm eigenen Wissbegierde berühmt war. So soll er zu Solons Zeiten eine Bildungsreise nach Griechenland unternommen haben. Schiffsanker, Blasebalg und Töpferscheiben werden als seine Erfindungen genannt. Zeitweise wurde er zu den Sieben Weisen gezählt. Vgl. Herodot, Hist. 4,46.76f; Platon, Polit. 10,600 a 6; Aristoteles, Eth. Nik. 10,6, 1176 b 33; Cicero, Tusc. 5,90; Diog. Laert. 1,41.101ff; Athenaios, Deipnosoph. 10,437f.445. 153 Gemeint ist die heilige Orakeleiche der Gaia, später des Zeus und der Dione in Dodona. Aus dem Rauschen der Blätter weissagten die 3 Priesterinnen die Zukunft; vgl. z.B. Homer, Iliad. 16,233–245; Odyss. 14,327–330 = 19,296–299; Hesiod, fr. 134; Herodot, Hist. 1,56; 2,54–57.

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[13] (1) OyÆ k eÍstin aÆ ua natow, aÍndrew ÏEllhnew, hë cyxhÁ kau’ eë aythÂn, unhthÁ de ´ aÆllaÁ dyÂnatai hë ayÆ thÁ kaiÁ mhÁ aÆpoun hÂìskein. UnhÂìskei meÁ n gaÁr kaiÁ lyÂetai metaÁ toyÄ svÂmatow mhÁ ginvÂskoysa thÁ n aÆ lh ueian, aÆniÂstatai deÁ eiÆw yÏsteron eÆpiÁ synteleiÂaì toyÄ ko smoy syÁ n tv Äì svÂmati uaÂnaton diaÁ timvri aw eÆn aÆuanasiÂaì lamba noysa´ pa lin te oyÆ unhÂìskei, kaà n proÁw kairoÁ n lyu h Äì, thÁ n eÆpiÂgnvsin toyÄ ueoyÄ pepoihme nh. (2) Kau’ eë aythÁ n gaÁ r sko tow eÆ stiÂn, kaiÁ oyÆdeÁ n eÆn ayÆ th Äì fvteino n, kaiÁ toyÄ to eÆ stin aÍra toÁ eiÆrhme non´ « ëH skotiÂa toÁ fv Ä w oyÆ katalamba nei. » CyxhÁ gaÁ r oyÆ k ayÆthÁ toÁ pneyÄ ma eÍ svsen, eÆsv uh deÁ yë p’ ayÆtoyÄ´ kaiÁ toÁ fv Ä w thÁ n skotiÂan kateÂlaben, hÎì lo gow meÂn eÆsti toÁ toyÄ ueoyÄ fv Ä w, sko tow deÁ hë aÆ nepisth mvn cyxhÂ. (3) DiaÁ toyÄ to moÂnh meÁ n diaitvme nh proÁ w thÁ n yÏlhn neyÂei ka tv synapounhÂìskoysa th Äì sarkiÂ, syzygiÂan deÁ kekthmeÂnh thÁ n toyÄ ueiÂoy pney matow oyÆ k eÍstin aÆ bohÂuhtow, aÆne rxetai deÁ proÁ w aÏper ayÆthÁ n oë dhgeiÄ xvriÂa toÁ pneyÄma´ toyÄ meÁn ga r eÆstin aÍnv toÁ oiÆkhth rion, th Ä w deÁ ka tvueÂn eÆ stin hë geÂnesiw. (4) Ge gonen meÁ n oyËn syndiÂaiton aÆrxh Ä uen t h Äì cyxh Äì toÁ pneyÄ ma´ toÁ deÁ pneyÄ ma tay thn eÏpesuai mhÁ boylome nhn ayÆ tv Äì katale loipen. ëH deÁ v Ï sper eÍnaysma th Ä w dyna mevw ayÆtoyÄ kekthme nh kaiÁ diaÁ toÁ n xvrismoÁ n taÁ te leia kauora Ä n mhÁ dyname nh, zhtoyÄ sa toÁ n ueoÁ n kataÁ plaÂnhn polloyÁ w ueoyÁ w aÆnety pvse toiÄw aÆ ntisofistey oysi daiÂmosi katakoloyuoyÄ sa. (5) PneyÄ ma deÁ toyÄ ueoyÄ paraÁ pa Ä sin meÁ n oyÆk eÍsti, paraÁ de tisi toiÄw dikaiÂvw politeyome noiw´ katagoÂmenon kaiÁ symperipleko menon th Äì cyxh Äì

2 dy natai M P: dynatoÁ n V: dynatoÁ w Schwartz 5 te M P: deÁ V 10 hÎi M V: hà P 14 taÁ oiÆkhth ria V 16 toÁ pneyÄ ma thÄ i cyxhÄ i P 20–21 katakoloyuh sasa P 22 katago menon M V P: katag〈in〉o menon Schwartz 154

Diese zunächst überraschende Aussage erklärt sich durch den Blick auf eine Parallele bei Iustinus (Dial. 5). Wenn Tatian hier erkennbar zögert, die Seele a priori unsterblich zu nennen, dann geschieht dies mit Blick auf einen möglichen Einwand: „Die Seele darf man keineswegs unsterblich nennen; denn wenn sie unsterblich ist, ist sie auch unerzeugt“ (Dial. 5,1). Wenn die Seelen aber unerzeugt wären, so die weitere Argumentation, dann wäre ihre Schlechtigkeit nicht erklärbar: „Denn wenn sie unerzeugt wären, würden sie nicht sündigen, wären nicht voll Unverstand“ (Dial. 5,5). 155 In einer Parallelstelle, die eine bemerkenswerte Affinität zu den Aussagen Tatians aufweist, setzt Theophilos (Ad Autol. 2,27) ausführlich auseinander, dass die Seele weder sterblich noch unsterblich sei. Denn wäre sie sterblich, könne man Gott die Schuld an diesem Defekt geben. Wäre sie aber unsterblich, hätte sie der Schöpfer zum Gotte gemacht. Beides sei undenkbar. Die Frage der Mortalität der Seele sei bei ihrer Erschaffung noch nicht beantwortet und festgelegt, sie sei „fähig für beides“ (dektikoÁ n aÆ mfote rvn ). 156 Eine ausführliche Erklärung, warum die Auferstehung auch des Leibes geradezu notwendig sei, liefert Athenagoras, De resurr. 21f.

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[13] (1) Die Seele an sich, ihr griechischen Männer, ist nicht unsterblich, sondern sterblich;154 aber es ist auch möglich, dass sie nicht stirbt.155 Denn sie stirbt und zerfällt zusammen mit dem Körper, wenn sie die Wahrheit nicht erkannt hat; später aber bei der Vollendung der Welt steht sie mit dem Leib zusammen auf156 und erfährt als Strafe einen ewigen Tod.157 Andererseits stirbt sie nicht, auch wenn sie für eine Weile aufgelöst wird,158 wenn sie die Erkenntnis Gottes erlangt hat. (2) Denn an sich ist sie Dunkelheit und kein Licht ist in ihr; und so lautet das Wort: „Die Dunkelheit ergreift das Licht nicht.“159 Denn es ist nicht die Seele, die den Geist errettet, sondern sie wird von ihm errettet; und das Licht ergreift die Dunkelheit, wobei das Wort (der Logos) das Licht Gottes ist, die Dunkelheit aber die unwissende Seele. (3) Wenn sie daher für sich allein lebt, neigt sie sich abwärts der Materie zu und stirbt zusammen mit dem Fleisch; hat sie aber Gemeinschaft mit dem göttlichen Geist ist sie nicht heillos verloren, sondern steigt auf in die Lande, in die der Geist sie führt. Denn seine Wohnung ist hoch oben, ihr Ursprung aber tief unten. (4) Ursprünglich also wohnte der Geist mit der Seele zusammen; doch der Geist verließ sie, weil sie ihm nicht folgen wollte. Aber da sie gleichsam ein Fünkchen160 seiner Kraft bewahrte und doch wegen der Trennung das Vollkommene nicht schauen konnte, geriet sie auf ihrer Suche nach Gott in die Irre und bildete sich zahlreiche Götter, indem sie den listigen und betrügerischen Dämonen folgte. (5) Der Geist Gottes ist nicht bei allen Menschen, bei einigen aber, welche einen rechtschaffenen Lebenswandel führen; bei seiner Heimkehr und innigen Verbindung mit deren Seele

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Wörtlich: „einen Tod in Unsterblichkeit“. Tatian unterscheidet in diesem Abschnitt – weitgehend trennscharf – die Auflösung (ly esuai ) und den Tod (un hÂìskein ) der Seele, i. e. den irdischen und den geistlichen Tod. 159 Vgl. Joh 1,5. Die Ersetzung von kate laben durch katalamba nei ist auffällig und stellt offensichtlich eine bewusste Änderung Tatians dar; vgl. T. Baarda, John 1,5 in the Oration and Diatessaron of Tatian. Concerning the Reading KATALAMBANEI , in: Vigiliae christianae 47, 1993, S. 209–225. Zweifel an eine Bezugnahme auf den Johannes-Prolog bei J. Moingt, La re´ception du prologue de Jean au IIe sie`cle, in: Recherches de science religieuse 83, 1995, S. 262f. 160 Vgl. Clemens, Protr. 74,7: Selbst die Griechen (sc. die Heiden) besitzen in ihrer Verblendung „gewisse Fünkchen des göttlichen Logos“ (eÆnay smata tina toyÄ lo goy toyÄ uei oy ); nur daraus erkläre sich, dass sie mitunter durchaus Wahres sagen. – N. Hyldahl (Philosophie und Christentum, S. 236–255) bringt das hiesige eÍnaysma Tatians in Verbindung mit dem berühmten lo gow spermatiko w Justins (2 Apol. 13); dagegen bereits kritisch R. Joly (Christianisme et Philosophie, S. 79f), der hier gnostischen Einfluss sieht; siehe ausführlich J.T. King, Controversy, S. 81–92. 158

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diaÁ proagoreyÂsevn taiÄw loipaiÄw cyxaiÄw toÁ kekrymmeÂnon aÆ nh ggeile´ Äì〉 sofiÂaì sfiÂsin ayÆtaiÄw eÆ feiÄlkon toÁ pneyÄ ma (6) kaiÁ aië meÁ n peiuo menai 〈th syggeneÂw, aië deÁ mhÁ peiuoÂmenai kaiÁ toÁ n dia konon toyÄ peponuo tow ueoyÄ paraitoy menai ueoma xoi ma Ä llon hÍ per ueosebeiÄw aÆnefaiÂnonto.

[14] (1) ToioyÄ toi tineÂw eÆ ste kaiÁ yëmeiÄw, v Ë ÏEllhnew, rëhÂmasi meÁ n stvmy loi, gnvÂmhn deÁ eÍ xontew aÆllo koton, kaiÁ thÁ n polykoiraniÂhn ma Ä llon hÍper thÁ n monarxiÂan eÆjhskhÂsate kaua per iÆ sxyroiÄw nomiÂzontew daiÂmosi katakoloyueiÄn. (2) ÏVsper gaÁr oë lhstey ì  vn aÆ pa nurvpow v à n diaÁ toÂlmhw tv Ä n oëmoiÂvn eÆ pikrateiÄn eiÍvuen, oyÏ tv kaiÁ oië daiÂmonew eiÆw pollhÁ n kakiÂan eÆjokeiÂlantew taÁ w memonvme naw par’ yë miÄn cyxa w, di’ aÆgnoiv Än kaiÁ fantasiv Ä n eÆjhpath kasin. (3) OiÊ un hÂìskoysi meÁn oyÆ rëadi ì  vw, sarkoÁw gaÁ r aÆmoiroyÄ si´ zv Ä ntew deÁ uana toy pra ttoysin eÆpithdey mata, tosaytaÂkiw kaiÁ ayÆtoiÁ un hÂìskontew, oë sa kiw aà n toyÁ w eëpome noyw ayÆtoiÄw taÁ w aëmarti aw eÆ kpaideyÂsvsin, (4) v Ï su’ oÏper eÆ stiÁn ayÆtoiÄw perittoÁ n eÆ n tv Äì nyÄ n, mhÁ oëmoiÂvw toiÄw aÆnurvÂpoiw aÆpoun hÂìskein, toyÄ u’, oëpo tan meÂllvsi kolaÂzesuai, paroÁ n ayÆtoiÄw´ oyÆ meue joysin aÆ idiÂoy zvh Ä w aÆntiÁ uanaÂtoy 〈uaÂnaton〉 eÆ n aÆuana tvì metalamba nontew. (5) ÏVsper deÁ hëmeiÄw, oiÎw toÁ unhÂìskein rëaÂìdion aÆpobaiÂnei nyÄ n, eiÆsayÄ uiw hà metaÁ aÆpolay sevw toÁ aÆua naton hà toÁ lyphroÁ n metaÁ aÆuanasiÂaw proslamba nomen, oyÏ tv kaiÁ oië daiÂmonew t h Äì nyÄn zv h Äì proÁ w toÁ plhmmeleiÄn kataxrvÂmenoi kaiÁ diaÁ pantoÁ w [kaiÁ diaÁ ] toyÄ zh Ä n aÆpounhÂìskontew eiÆsayÄ uiw eÏ joysin thÁn ayÆ thÁ n aÆuanasiÂan [oë moiÂan th Ä w par’ oÊn eÍ zvn xroÂnon], kataÁ meÁ n thÁ n syÂstasin oë moiÂan aÆnurvÂpoiw toiÄw kataÁ gnv mhn diaprajame noiw, aÏper ayÆ toiÄw, par’ oÊ n eÍzvn xro non, Äw nenomoueth kasi. (6) KaiÁ mhÂti ge toiÄw eëpomeÂnoiw 〈ayÆ〉toiÄw eÆ laÂttona th 2 thÄì addi suad. Wilamowitz 2 eÆfeiÄlkon toÁ Münzel: eÆfeiÄlkonto M V P 3 peponuo tow M P, def. Hanig (p. 62, ann. 117): om. V: pepoihko tow Marcovich (cf. Criticism, p. 20) 8 gaÁ r M P: om. V: deÁ Marcovich 10 memonvme naw M V P: memvrvme naw Gesner 16 paroÁ n M V P: pikroÁ n Wilamowitz, agn. Schwartz: par〈ai ti〉on Marcovich 17 post ayÆ toiÄw lacunam indicavit Schwartz 17 post aÆ ntiÁ addi tay thw suad. Schwartz 17 〈ua naton〉 addi suad. Harnack (p. 49) 17–18 eÆn aÆ uana t vì uana toy Schwartz 19 hà 1 huc transp. Schwartz: post aÆ polay sevw M P: om. V 21 diaÁ pantoÁ w [kaiÁ diaÁ ] Maran: diaÁ pantoÁ w kaiÁ diaÁ M V P: kaiÁ diaÁ pantoÁ w Ä w par’ oÊ n eÍ zvn xro non ut dittographiam secl. [diaÁ ] Marcovich 22–23 oë moi an th Marcovich 23 meÁ n M V P: deÁ Gesner: me n〈toi〉 Marcovich 24 par’ oÊn eÍzvn xro non ut dittographiam secl. Schwartz 25 post toiÄw addi suad. meÁ n Gesner et Schwartz 25 〈ayÆ 〉toiÄw Schwartz: toiÄw M V P 161 Die „Weisheit“ hier Chiffre für den Logos-Geist, aber auch den Heiligen Geist wie bei Theophilos, Ad Autol. 2,15 (die göttliche Dreiheit dort namentlich als ueo w, Lo gow, Sofi a ); vgl. ibid. 2,10; Irenäus, Adv. haer. 4,7,4.

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verkündete er durch Weissagungen auch den übrigen Seelen das Verborgene. (6) Und diejenigen Seelen, die der Weisheit161 gehorchten, zogen den verwandten Geist an sich, die nicht folgsamen Seelen aber, die den Diener162 des Gottes, der gelitten hat, zurückwiesen, offenbarten sich eher als Gottesgegner,163 denn als Gottesverehrer. [14] (1) Solche Leute seid auch ihr, Griechen: mit Phrasen geschwätzig, mit einer sonderbaren Erkenntnis versehen; und in der Praxis habt ihr die Vielherrschaft164 der Alleinherrschaft vorgezogen, weil ihr den vermeintlich mächtigen Dämonen165 glaubtet folgen zu müssen. (2) Denn wie der Räuber, ein Unmensch, oftmals in seiner Dreistigkeit auch Seinesgleichen überwältigt, so haben auch die Dämonen eure allein gelassenen Seelen166 in tiefe Schlechtigkeit versinken lassen und sie durch Irrtümer und Vorspiegelungen gründlich getäuscht. (3) Dämonen sterben nicht so leicht, denn sie sind fleischlos; während ihres Lebens betreiben sie ein Geschäft des Todes und sterben auch selbst, und zwar so oft, wie sie ihre Anhänger das Sündigen lehren können. (4) So kommt es, dass das, was sie ihnen momentan voraus haben, nämlich nicht wie die Menschen zu sterben, ihnen dereinst zustößt, wenn sie ihre Strafe erhalten; am ewigen Leben werden sie nicht teilhaben, sie empfangen anstatt des Todes einen Tod in Unsterblichkeit.167 (5) Wie aber wir, für die das Sterben jetzt recht schnell kommt, künftig entweder mit Genuss die Unsterblichkeit oder den unaufhörlichen Schmerz erlangen, so werden auch die Dämonen, die das jetzige Leben zum Sündigen missbrauchen und immerfort während ihres Lebens sterben, künftig dieselbe Unsterblichkeit [wie in ihrem zeitlichen Leben] besitzen, und zwar unter ähnlichen Bedingungen wie die Menschen, die freiwillig das vollbrachten, was die Dämonen ihnen in ihrem zeitlichen Leben vorschrieben; (6) und 162 163

Sc. der Heilige Geist. Vgl. Act 5,39: eiÆ deÁ eÆk ueoyÄ eÆstin, oyÆ dynh sesue katalyÄ sai ayÆ toy w mh pote kaiÁ

ueoma xoi eyë reuhÄ te. 164

Zur Bevorzugung der Alleinherrschaft vor der „Herrschaft der Vielen“ (polykoirani h ) vgl. Homer, Iliad. 2,204: oyÆ k aÆ gauoÁ n polykoirani h: eiÎw koi ranow eÍ stv (zitiert u. a. bei Aristoteles, Metaph. L 10, 1076 a 4; Philon, De confus. linguarum 170; Epiphanios, Ancor. 104,3). Der Bezug dieser Stelle zur allgemeinen Pluralismuskritik bei Tatian ist bei Norelli, Critique, S. 92f, dargestellt; auch für R. Hanig, Vergleich, S. 37, ist die Stelle – zusammen mit or. 29,2 – für Tatians ausgeprägten Monotheismus (Monarchianismus) zentral. Vgl. auch G. Uribarri Bilbao, Monarquia, S. 95–104. 165 Vgl. Mt 12,22–30. 166 Zur selbst verschuldeten Einsamkeit der Seelen vgl. supra cap. 13. 167 Tatian spielt sprachlich mit der doppelten Bedeutung von ua natow , wenn er – wie schon in cap. 13 – dem ersten, physischen Tod den zweiten, geistlichen Tod, d. h. den ewigen Tod der Verdammnis, gegenüberstellt.

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aëmartiÂaw eÆ januoyÄ si taÁ eiÍdh diaÁ toÁ mhÁ polyxroniÂvw bioyÄ n, toiÄw deÁ proeirhmeÂnoiw daiÂmosin toÁ plhmmeleiÄn meiÄzon aÆpobe bhken diaÁ toÁ aÍpeiron th Ä w bioÂthtow.

[15] (1) KaiÁ xrhÁ loipoÁ n hëma Ä w oÏper eÍ xontew aÆ polvleÂkamen toyÄ to nyÄ n aÆnazhteiÄn zeygnyÂnai te thÁ n cyxhÁ n t v Äì pneyÂmati t v Äì aëgiÂvì kaiÁ thÁ n kataÁ ueoÁ n syzygiÂan pragmateyÂesuai. (2) CyxhÁ meÁ n oyËn hë tv Ä n aÆnurv pvn polymerh w eÆ sti, kaiÁ oyÆ monomerh w. SynuethÁ ga r eÆ stin, vë w eiËnai faneraÁ n ayÆthÁ n diaÁ svÂmatow´ oyÍte gaÁ r aà n ayÆ thÁ faneiÂh poteÁ xvriÁ w svÂmatow, oyÍte aÆni statai hë saÁ rj xvriÁ w cyxh Ä w. (3) ÍEsti gaÁr aÍnurvpow oyÆ x, v Ï sper oië korakoÂfvnoi dogmatiÂzoysi´ « zv Äìon logiko n, noyÄ kaiÁ eÆ pisthÂmhw dektikoÂn » (deixuh setai gaÁ r kat’ ayÆtoyÁ w kaiÁ taÁ aÍ loga noyÄ kaiÁ eÆ pisth mhw dektikaÂ)´ mo now deÁ oë aÍ nurvpow eiÆ kvÁ n kaiÁ oë moiÂvsiw toyÄ ueoyÄ , leÂgv deÁ aÍnurvpon oyÆ xiÁ toÁ n oÏmoia toiÄw zvÂìoiw pra ttonta, aÆ llaÁ toÁ n poÂrrv meÁ n th Ä w aÆnurvpo thtow proÁ w ayÆ toÁ n deÁ toÁ n ueoÁ n kexvrhko ta. (4) KaiÁ periÁ meÁ n toyÂtoy eÆ n tv Äì PeriÁ zvÂìvn aÆkribeÂsteron hëmiÄn synte taktai, toÁ deÁ nyÄ n syne xon rëhte on potaph ti w eÆ stin hë kataÁ ueoÁn eiÆkvÁ n kaiÁ oë moiÂvsiw. ToÁ meÁ n aÆsyÂgkriton oyÆ deÂn eÆ stin eÏ teron hà ayÆtoÁ toÁ oÍ n, toÁ deÁ sygkrinoÂmenon oyÍ ti eÏ teron hà toÁ paro moion. ÍAsarkow meÁ n oyËn oë teÂleiow ueoÂw, aÍnurvpow deÁ sa rj´ desmoÁ w deÁ th Ä w sarkoÁ w cyxhÂ, sxetikhÁ deÁ th Ä w cyxh Ä w hë saÂrj. (5) ToÁ deÁ toioyÄ ton th Ä w systa sevw eiËdow eiÆ meÁ n vë w naoÁ w eiÍh, katoikeiÄn eÆ n ayÆtv Äì ueoÁ w boy letai diaÁ toyÄ presbey ontow pneyÂmatow´ toioy toy deÁ mhÁ oÍ ntow toyÄ skhnvÂmatow proyÍxei tv Ä n uhriÂvn oë

2 meiÄzon Schwartz: meizo nvw M V P 9 hë del. Schwartz 9 gaÁ r M V P: d’ Marcovich 14 po rrv meÁ n M P: po rrvuen V 16 toy toy M V P: toy tvn Schwartz 19 hà toÁ M V: hà ayÆ toÁ toÁ P 20 hë ante cyxh add. Marcovich 22 eiÍh Schwartz: hË P: hÎ i M V 22 boy letai ueoÁ w P 168

Die Mehrteiligkeit der menschlichen Seele wird nicht nur, aber insbesondere in der stoischen Psychologie vertreten; vgl. Tertullianus, De anima 14,2: Dividitur autem in partes, nunc in duas a Platone, nunc in tres a Zenone, nunc in quinque ab Aristotele et in sex a Panaetio, in septem a Sorano, etiam in octo penes Chrysippum, etiam in novem penes Apollophanen, sed et in duodecim apud quosdam Stoicorum, et in duas amplius apud Posidonium, qui a duobus exorsus titulis, principali, quod aiunt hëgemoniko n, et a rationali, quod aiunt logiko n, in decem septem exinde prosecuit; ita aliae ex aliis species dividunt animam. 169 Vgl. ähnlich Theophilos, Ad Autol. 1,5: Kaua per gaÁ r cyxhÁ eÆn aÆnurv pvì oyÆ ble petai, aÆ o ratow oyË sa aÆ nurv poiw, diaÁ deÁ th Ä w kinh sevw toyÄ sv matow noeiÄtai hë cyxh ... 170 Vgl. Sextus Empiricus, Pyrrh. hypot. 2,26; 2,211; Adv. Math. 7,269: aÍ nurvpow zv Äìon logikoÁ n unhto n, noyÄ kaiÁ eÆ pisth mhw dektiko n.

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ganz zu schweigen davon, dass bei ihren Anhängern wegen ihres nicht sehr langen Lebens weniger Arten der Sünde in Erscheinung treten, bei den erwähnten Dämonen aber wegen der Unendlichkeit ihres Lebens das Sündigen häufiger vorkommt. [15] (1) So bleibt uns nur übrig, was wir besaßen und verloren haben, nun erneut zu suchen, die Seele mit dem heiligen Geist zu vereinigen und eine gottgefällige Verbindung herzustellen. (2) Nun ist die Seele der Menschen vielteilig,168 und nicht etwa einteilig. Denn sie ist zusammengesetzt, so dass sie am Körper klar erkennbar ist; niemals nämlich kann sie getrennt vom Körper in Erscheinung treten,169 noch kann das Fleisch ohne die Seele auferstehen. (3) Der Mensch ist nicht, wie die Rabenkrächzer lehren, „ein vernunftbegabtes Wesen, für Verstand und Wissen empfänglich“170 (denn folgt man ihnen, wird sich zeigen, dass auch die unvernünftigen Wesen für Verstand und Wissen empfänglich sind).171 Allein der Mensch jedoch ist Gottes Abbild und Gleichnis; ich meine aber nicht einen Menschen, der sich wie die Tiere verhält, sondern jemanden, der weit über sein Menschsein hinaus den Weg zu Gott selbst gegangen ist. (4) Zu diesem Thema haben wir eine Abhandlung „Über Lebewesen“ verfasst, in der Genaueres mitgeteilt wird. Die Hauptsache ist jetzt aber, darüber zu sprechen, wie solch ein göttliches Abbild und Gleichnis beschaffen ist. Das, was allein unvergleichbar172 ist, ist das Sein selbst; verglichen werden kann nur das, was ähnlich ist. Nun ist der vollkommene Gott kein körperliches Wesen,173 der Mensch aber besitzt einen Körper; als Band des Körpers fungiert eine Seele,174 Träger dieser Seele aber ist der Körper. (5) Wenn nun solch ein zusammengesetztes Wesen einem Tempel gleicht, dann ist es Gottes Wille, durch den Geist, seinen Gesandten, in ihm zu wohnen;175 bietet der Mensch aber keine derartige Wohnung, so hat er 171

Dass nicht nur im Menschen, sondern im gesamten Kosmos der lo gow bzw. die ratio walte, ist zentrale stoische Doktrin; vgl. Sextus Empiricus, Pyrrh. hypot. 2,26; Lactantius, Div. inst. 2,1; Cicero, leg. 1,22; Seneca, Ep. 41,8; Epiktet 1,9,2; 3,1,25; Plutarch, De soll. Anim. 2; Athenagoras, De resurr. 15. 172 Zur Unvergleichbarkeit Gottes vgl. als Parallele Theophilos, Ad Autol. 1,3: Do jhì gaÁ r eÆ stin aÆ xv rhtow, mege uei aÆ kata lhptow, yÏ cei aÆ perino htow, iÆ sxy Èi aÆ sy gkritow, sofi aì aÆ symbi bastow, aÆ gauvsy n hì aÆ mi mhtow, kalopoiiÉaì aÆ nekdih ghtow. 173

Tatian setzt sich bewusst vom stoischen Materialismus ab. Zur Vorstellung, dass die Seele den Körper zusammenhalte und vor Verfall schütze, vgl. Platon, Phaid. 99 c 6; Plutarch, Symp. 685 c; Aetios, Plac. 1,3,4; Euseb, praep. ev. 15,12,3; vgl. auch das bekannte Bonmot Chrysipps, das Schwein habe die Seele anstatt des Salzes erhalten, damit es nicht verfaule (bei Cicero, nat. deor. 2,160: Sus vero quid habet praeter escam; cui quidem, ne putesceret, animam ipsam pro sale datam dicit esse Chrysippus.) 175 Vgl. 1 Kor 3,16; 6,19; 2 Kor 6,16; Eph 2,21f; Röm 8,9; 1 Petr 2,5; Hebr 3,6. 174

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aÍnurvpow kataÁ thÁ n eÍnaruron fvnhÁ n mo non, taÁ deÁ loipaÁ th Ä w ayÆth Äw eÆ keiÂnoiw diaiÂthw eÆ stiÂn, oyÆ k v à n oëmoiÂvsiw toyÄ ueoyÄ . (6) DaiÂmonew deÁ pa ntew sarkiÂon meÁ n oyÆ ke kthntai, pneymatikhÁ de eÆstin ayÆtoiÄw hë sy mphjiw, vëw pyroÁw kaiÁ aÆ e row. (7) Mo noiw goyÄ n toiÄw pneyÂmati ueoyÄ froyroyme noiw eyÆ syÂnopta kaiÁ taÁ tv Ä n daimo nvn eÆ stiÁ sv mata, toiÄw loipoiÄw deÁ oyÆdamv Ä w, leÂgv deÁ toiÄw cyxikoiÄw´ toÁ gaÁ r eÍ latton kata lhcin oyÆ k iÆsxy ei poieiÄsuai toyÄ kreiÂttonow. (8) DiaÁ toyÄ to goyÄ n hë tv Än daimo nvn yëpoÂstasiw oyÆk eÍ xei metanoiÂaw to pon, th Ä w gaÁ r yÏlhw kaiÁ ponhriÂaw eiÆsiÁ n aÆpayga smata´ (9) yÏ lh deÁ th Ä w cyxh Ä w katejoysiaÂzein hÆ ueÂlhsen´ kaiÁ kataÁ toÁ ayÆ tejoyÂsion oië meÁ n uanaÂtoy no moyw toiÄw aÆ nurvÂpoiw paradedvÂkasin´ oië deÁ aÍ nurvpoi metaÁ thÁ n th Ä w aÆuanasiÂaw aÆpobolhÁ n uana tvì t v Äì diaÁ piÂstevw toÁ n ua naton nenikh kasin, kaiÁ diaÁ metanoiÂaw klh Ä siw ayÆtoiÄw dedvÂrhtai kataÁ toÁ n eiÆ poÂnta loÂgon´ «eÆ peidhÁ braxy ti par’ aÆgge loyw hÆlattvÂuhsan.» (10) DynatoÁ n deÁ pantiÁ t v Äì nenikhme nvì pa lin nika Ä n, toyÄ uana toy thÁ n sy stasin paraitoymeÂnv´ ì tiÂw de eÆ stin ayÏth, eyÆ syÂnopton eÍ stai toiÄw boylome noiw aÆnurvÂpoiw toÁ aÆua naton.

[16] (1) DaiÂmonew deÁ oië toiÄw aÆnurvÂpoiw eÆ pitaÂttontew oyÍ k eiÆsin aië tv Än aÆnurvÂpvn cyxai´ pv Ä w gaÁ r aà n ge nointo drastikaiÁ kaiÁ metaÁ toÁ aÆpouaneiÄn, xvriÁw eiÆ mhÁ zv Ä n meÁ n oë aÍ nurvpow aÆnoÂhtow kaiÁ aÆ dy natow geÂnoito, nekroÁ w deÁ genoÂmenow loipoÁ n drastikvteÂraw pisteyÂoito metalamba nein dyna mevw; (2) ÆAll’ oyÍ te toyÄ u’ oyÏtvw eÆ stiÂn, vëw eÆ n aÍlloiw aÆ pedeiÂjamen, kaiÁ xalepoÁ n oiÍesuai thÁ n aÆua naton yëpoÁ tv Ä n toyÄ svÂmatow merv Ä n eÆ mpodizome nhn fronimvte ran, eÆ peidaÁ n aÆp’ ayÆtoyÄ metanasth Äì, giÂnesuai. (3) DaiÂmonew gaÁ r th Äì sfv Ä n kakohueiÂaì toiÄw aÆnurvÂpoiw eÆ mbakxeyÂontew poiki laiw kaiÁ eÆ ceysmeÂnaiw dramatoyrgiÂaiw taÁ w gnvÂmaw ayÆtv Ä n paratre poysi ka tv neneykyiÂaw, oÏ pvw metarsioyÄ suai proÁw thÁ n eÆ n oyÆ ranoiÄw poreiÂan eÆ jadynatv Ä sin. (4) ÆA ll’ oyÍ te hëma Ä w taÁ eÆn ko sm vì 4 kaiÁ Wilamowitz: vëw M V P 4 goyÄ n M V: deÁ P 5 eiÆsiÁ V 9 thÄ w ponhri aw P 12 kaiÁ uana tv V 14 pantiÁ M P: paraÁ V 15 paraitoyme nvì Worth: paraitoy menon M V P 15–17 ti w de eÆ stin ayÏ th – toÁ aÆ ua naton M V P: Schwartz legi suadet (p. VIII): ti w de eÆstin ayÏ th 〈hë klhÄ siw〉, eyÆ sy nopton eÍstai toiÄw boylome noiw 〈maueiÄn paraÁ toyÄ pney matow, oÊ di dvsi toiÄw〉 aÆ nurv poiw toÁ aÆ ua naton 22 oyÏ tvw M P: oyÎ tow V 26 eÆ mbakxey ontew V: eÆ n- M: eÆ k- P 176

Die Dämonen Tatians gleichen in ihrer Konstitution dem Konzept der stoischen Seele als „feuriger Hauch“; vgl. z.B. Nemesios, De nat. hom. 2 (= SVF II, 773): oië meÁ n gaÁ r StviÈkoiÁ pneyÄ ma le goysin ayÆ thÁ n eÍ nuermon kaiÁ dia pyron.

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den Tieren lediglich seine artikulierte Stimme voraus, in den übrigen Dingen aber führt er dasselbe Leben wie jene, ist also kein Gleichnis Gottes. (6) Keiner der Dämonen besitzt eine fleischliche Hülle, ihre Konstitution ist hauchartig, wie die von Feuer und Luft.176 (7) Nur für diejenigen, von denen der Geist Gottes Besitz ergriffen hat, sind auch die Körper der Dämonen gut sichtbar, für die übrigen Menschen, ich meine die „Psychiker“,177 ist dies nicht möglich;178 denn das Niedrigere vermag sich keine Wahrnehmung vom Höheren zu verschaffen. (8) Aus diesem Grund besitzt die Substanz der Dämonen keine Möglichkeit der reuigen Umkehr,179 denn sie sind nichts als der Abglanz von Materie und Schlechtigkeit. (9) Als Materie aber wollten sie Macht über die Seele ausüben, und in der ihnen eigenen Willkür gaben sie den Menschen Gesetze des Todes; doch überwanden die Menschen nach dem Verlust ihrer Unsterblichkeit den Tod dadurch, dass sie im Glauben starben, und infolge ihrer Umkehr wurde ihnen als Geschenk eine Berufung zuteil gemäß dem Worte: „nachdem sie nur eine kurze Zeit unter die Engel erniedrigt worden waren“.180 (10) Jedem Besiegten ist es eben möglich, wiederum zu siegen,181 wenn er den Zustand des Todes ablegt; was darunter zu verstehen ist, werden diejenigen Menschen, die die Unsterblichkeit begehren, leicht verstehen. [16] (1) Die Dämonen aber, die den Menschen gebieten, sind nicht die Seelen der Menschen; denn wie könnten sie auch nach ihrem Ableben noch aktiv sein? Es sei denn, man nähme an, der Mensch sei zu seiner Lebzeit geist- und kraftlos, als Toter dann aber von größerer Aktivität und Kraft. (2) Aber dies ist nicht so, wie wir an anderer Stelle gezeigt haben; auch ist es schwer zu glauben, dass die unsterbliche Seele, die an die Glieder des Körpers gebunden war, klüger werde, wenn sie aus ihm auswandere. (3) Denn es sind die Dämonen, die in ihrer Bosheit in den Menschen wüten, durch betrügerisches Machwerk verschiedenster Art deren abwärts gerichtete Gedanken verderben, damit sie sich nicht erheben und zu ihrer himmlischen Reise aufmachen können. (4) Aber uns 177

„Psychiker“ nennt Tatian wie die Gnostiker diejenigen Menschen, in denen anders als bei den „Pneumatikern“ lediglich eine Seele ohne Geist wohnt; vgl. 1 Kor 2,14f. 178 Ähnliches behauptet Tertullian von der (körperlich aufgefassten) Seele des Menschen; sie sei dem Fleische unsichtbar, dem Geiste aber sichtbar: Tantummodo et animae corpus invisibile carni, si forte, spiritui vero visibile est (De anima 8,5). 179 Wörtlich: „Ort der Buße“ (Zitat aus Hebr 12,17). 180 Vgl. Psalm 8,5; Hebr 2,7.9. 181 Unter den Dicta Catonis findet sich eine ähnliche Sentenz (2,10): Victorem a victo superari saepe videmus.

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le lhue, kaiÁ yëmiÄn eyÆ kata lhpton eÍ stai toÁ ueiÄon th Ä w aÆpauanatizoy shw taÁ w cyxaÁ w 〈dyna mevw〉 yëmiÄn proseluoyÂshw. (5) Ble pontai deÁ kaiÁ yëpoÁ tv Ä n cyxikv Ä n oië daiÂmonew, eÍsu’ oÏte toiÄw aÆnurvÂpoiw eëaytoyÁ w eÆkeiÂnvn deiknyÂntvn, Ïina te nomisuv Ä sin eiËnai tinew hà kai ti bla cvsi kaua per polemiÂoyw, fiÂloi kakoiÁ thÁ n gnvÂmhn yëpa rxontew, hà th Ä w eiÆw ayÆtoyÁw urhskeiÂaw toiÄw oëmoiÂoiw ayÆ toiÄw taÁ w aÆformaÁ w para sxvsin. (6) EiÆ gaÁ r dynatoÁ n ayÆtoiÄw, pa ntvw aà n kaiÁ toÁ n oyÆranoÁ n syna ma t h Äì loip h Äì poihÂsei kaueiÂlkysan. NyÄ n deÁ toyÄ to meÁ n pra ttoysin oyÆ damv Ä w´ aÆ dynatoyÄ si gaÂr´ yÏl hì deÁ th Äì kaÂtv proÁ w thÁ n oë moiÂan ayÆ toiÄw yÏlhn polemoyÄ sin. (7) ToyÂtoyw deÁ nika Ä n aÍn tiw uelhÂs h, ì thÁ n yÏ lhn paraithsa suv´ uvÂraki gaÁ r pneyÂmatow eÆ poyraniÂoy kauvplismeÂnow pa Än toÁ yëp’ ayÆtoyÄ periexoÂmenon sv Ä sai dynatoÁ w eÍstai. (8) EiÆ siÁn meÁ n oyË n kaiÁ no soi kaiÁ sta seiw th Ä w eÆ n hëmiÄn yÏlhw´ daiÂmonew deÁ ayÆtoiÁ toyÂtvn taÁ w aiÆtiÂaw, eÆ peidaÁ n symbaiÂnvsin, eë aytoiÄw prosgraÂfoysin, eÆ pio ntew oë poÂtan katalamba nhì ka matow. ÍEsti deÁ oÏte kaiÁ ayÆ toiÁ xeimv Ä ni th Äw sfv Ä n aÆ belthriÂaw kradaiÂnoysin thÁ n eÏjin toyÄ sv matow´ oiÊ loÂg vì ueoyÄ dyna mevw plhtto menoi dedio tew aÆpiÂasin, kaiÁ oë kaÂmnvn uerapeyÂetai.

[17] (1) PeriÁ gaÁr tv Ä n kataÁ toÁ n DhmoÂkriton jympaueiv Ä n te kaiÁ aÆ ntipaueiv Ä n ti kaiÁ le gein eÍ xomen hà toyÄ u’ oÏ ti kataÁ toÁ n koinoÁ n loÂgon ÆA bdhrolo gow eÆstiÁn oë aÆ poÁ tv Ä n ÆAbdhÂrvn aÍ nurvpow; ÏVsper deÁ oë th Äì poÂlei th Ä w proshgoriÂaw aiÍtiow fiÂlow v Í n, v Ï w fasin, ëHrakleÂoyw yë poÁ tv Ä n Dio1 eÍstai M V: eÆsti P 1 toÁ ueiÄon del. Kukula 2 〈dyna mevw 〉 suppl. Gesner: lo goy Ä sin dyna mevw addi suad. Schwartz: ueoyÄ dyna mevw legi suad. Marcovich 4 nomisuv corr. Par. 2376 in mg, Maran, Harnack (p. 50): nomi zvsin M V P 4–5 tinew ... ti M V P: ti ... tinaw Schwartz 5 thÁ n gnv mhn M P: thÄ gnv mh V 6 urhskei aw toiÄw om. P 7 hËn post dynatoÁ n addi suad. Schwartz (p. VIII) 12 eÍstai dynato w transp. Schwartz ob hiatum 13 hëmiÄn Pm. rec.: yëmiÄn M V P1 13 ayÆ toiÁ secl. Marcovich: aiÍtioi (et 〈oiÎw〉 taÁ w aiÆ ti aw) Diels 16 aÆ belthri aw P V: aÆ belteri aw M 19 jympaueiv Ä n M V: sym- P 22 hërakle oyw vëw fasin P 182

Zum Ausdruck vgl. supra cap. 15. Vgl. Eph 6,11.14; 1 Thess 5,8; 2 Kor 10,4. 184 Die „Macht/Kraft Gottes“ (1 Kor 1,24) als Chiffre für Christus als der 2. trinitarischen Person ist stehende Wendung bei Justin; vgl. 1 Apol. 14,5; 23,2; 32,9; 60,5; 2 Apol. 10,8; Dial. 61,1.3; 105,1; 128,2.3. – Tatian handelt hier natürlich vom Exorzismus, bei dem die Anrufung des Namens Christi konstitutives Element war. Die Parallelstellen bei Justin lassen auf eine feste Beschwörungsformel schließen, die insbesondere das Leiden Christi und dessen Kreuzigung unter Pontius Pilatus beinhaltete; vgl. 2 Apol. 5,6; Dial. 30,3; 76,6; 85,2. 183

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sind die weltlichen Dinge nicht verborgen, und für euch wird das Göttliche leicht zu begreifen sein, wenn die Kraft, welche den Seelen Unsterblichkeit verleiht, zu euch gekommen ist. (5) Aber auch von den Psychikern182 werden die Dämonen erblickt, manchmal nämlich zeigen sie selbst sich den Menschen, entweder aus Geltungsbedürfnis oder um ihnen wie Feinden einigen Schaden zuzufügen, wie es übel gesinnte Freunde tun, oder um ihresgleichen Anlass zu geben, sie zu verehren. (6) Wenn es ihnen nämlich möglich wäre, dann würden sie ohne Zweifel auch den Himmel herabholen und mitsamt der übrigen Schöpfung vernichten. Nun tun sie dies aber mitnichten, denn sie haben hierzu keine Macht; mit der niederen Materie kämpfen sie gegen die ihnen ähnliche Materie. (7) Will jemand über die Dämonen siegen, so muss er sich der Materie entziehen. Denn mit dem Panzer des himmlischen Geistes ausgerüstet,183 wird er alles, was dieser umschließt, retten können. (8) Die Materie an uns ist von Krankheiten und inneren Kämpfen betroffen. Wenn sie auftreten, schreiben sich die Dämonen selbst deren Ursachen zu, und kommen immer dann herbei, wenn die Erschöpfung eintritt. Manchmal jedoch erschüttern sie auch selbst in ihrer dummen Wut die Verfassung des Körpers; vom Wort der Macht Gottes184 betroffen, fliehen sie jedoch in Furcht, und der Kranke wird geheilt. [17] (1) Über die Sympathien und Antipathien185 des Demokritos haben wir lediglich Folgendes zu sagen: Dieser Mensch aus Abdera ist, wie der Volksmund sagt, ein abderitischer Dummkopf.186 Wie der Namensgeber der Stadt, angeblich ein Geliebter des Herakles, von den Pferden des Diomedes zerfleischt wurde,187 so wird auf dieselbe Weise auch der, wel185 Eine Schrift des Bolos von Mendes, die unter dem Namen des Demokrit verbreitet wurde (PeriÁ sympaueivÄ n kaiÁ aÆntipaueivÄ n: Diels-Kranz 68 B 300.10 = II, S. 215f). Es handelt sich um ein naturwissenschaftlich orientiertes Werk, welches die beiden als kosmische Grundstrukturen angesetzten Parameter der Sympathie und Antipathie nacheinander an Tieren, Pflanzen und Steinen explizierte. Die Aufdeckung dieser in der Natur verborgenen Kräfte sollte dem Heil der Menschen dienen und insbesondere zur Heilung von Krankheiten, aber z.B. auch zur Erlangung von Ruhm und Ansehen genutzt werden. 186 Die Bewohner von Abdera waren die sprichwörtlichen Schildbürger der Antike, die wegen ihrer Kleinstädterei und Narrheit berüchtigt waren und dementsprechend verspottet wurden; vgl. etwa Demosthenes, Or. 17,23; Cicero, Ad Atticum 7,7,4; Martialis 10,25,4 (Abderitanae pectora plebis habes). 187 Abderos, der Sohn des Hermes, ist eine tragische Figur der Heraklessage. Der Heros, der als achte Aufgabe die vier fleischfressenden Pferde des Diomedes (i. e. des thrakischen Königs der Bistonen) fangen soll, hat diese bereits seinem Herrn entwendet und übergibt sie seinem Freund Abderos zur Bewachung. Während Herakles selbst gegen die angreifenden Bistonen kämpft, wird Abderos von den Pferden in Stücke

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mhÂdoyw Ïippvn katebrv uh, troÂp vì t v Äì ayÆtv Äì kaiÁ oë toÁ n ma gon ÆOsta nhn kayxv menow eÆn hëmeÂr aì synteleiÂaw pyroÁw aiÆvniÂoy bor a Äì paradouh setai. (2) KaiÁ yë meiÄw de , toyÄ ge lvtow hà n mhÁ aÆpopay shsue, tv Ä n ayÆ tv Än v Î nper kaiÁ oië go htew timvriv Ä n aÆpolay sete. Dio per, v Ë ÏEllhnew, kekragoÂtow v Ï sper aÆpoÁ toyÄ metevÂroy katakoy sate moy mhd’ eÆ pitvua zontew thÁ n yë meteÂran aÆlogistiÂan eÆpiÁ toÁ n khÂryka th Ä w aÆlhueiÂaw meta gete. (3) PaÂuow oyÆ k eÍ sti di’ aÆ ntipaueiÂaw aÆpollyÂmenon, oyÆ deÁ oë memhnv w skytiÂdvn eÆ jarthÂmasi uerapey etai. Daimo nvn eiÆsiÁ n eÆ pifoith seiw´ kaiÁ oë nosv Än kaiÁ oë leÂgvn eÆ ra Ä n kaiÁ oë misv Ä n kaiÁ oë boyloÂmenow aÆmy nesuai toyÂtoyw lamba noysin bohuoyÂw. (4) TroÂpow deÁ ayÆtoiÄw th Ä w mhxanh Ä w oyÎ tow´ v Ï sper gaÁ r oië tv Ä n grammaÂtvn xarakth Ä rew stiÂxoi te oië aÆ p’ ayÆ tv Ä n oyÆ kau’ eë aytoyÂw eiÆ si dynatoiÁ shmaiÂnein toÁ syntattoÂmenon, shmeiÄa deÁ tv Ä n eÆnnoiv Ä n sfiÂsin 〈ayÆ toiÄw〉 aÍnurvpoi dedhmioyrgh kasi, paraÁ thÁ n poiaÁ n ayÆ tv Ä n syÂnuesin ginvÂskontew oÏpvw kaiÁ hë ta jiw tv Ä n gramma tvn eÍ xein nenomoue thtai, paraplhsi vw kaiÁ tv Ä n rëizv Ä n aië poikiliÂai neyÂrvn te kaiÁ oÆ ste vn paralh ceiw oyÆ k ayÆtaiÁ kau’ eëaytaÁ w drastikai tine w eiÆ si, stoixeiÂvsiw de eÆsti th Äw tv Ä n daimo nvn moxuhriÂaw, oiÊ proÁw aÏ per eÏ kaston ayÆtv Ä n iÆ sxyÂein vë riÂkasin´ (5) eÆpeidaÁ n pareilhmme nhn yë poÁ tv Ä n aÆ nurvÂpvn ueaÂsvntai thÁ n di’ ayÆ tv Ä n yëphresiÂan, yëpolamba nontew sfiÂsin ayÆ toiÄw doyleyÂein toyÁ w aÆnurvÂpoyw aÆperga zontai. Pv Ä w d’ aà n aÆ gauoÁ n moixeiÂaiw yë phreteiÄn; Pv Äw deÁ kaiÁ spoydaiÄon proÁ w toÁ miseiÄn tinaw parioÂntaw bohueiÄn; ÃH pv Ä w yÏ l hì kaloÁ n prosana ptein thÁ n eiÆw toyÁw memhno taw boh ueian kaiÁ mhÁ t v Äì ue v Äì; TeÂxn hì gaÁr th Ä w ueosebeiÂaw toyÁ w aÆnurvÂpoyw paratre poysi, po aiw ayÆ toyÁw kaiÁ rë iÂzaiw peiÂuesuai paraskeya zontew. (6) ëO deÁ ueo w, eiÍper ayÆtaÁ proÁ w toÁ poieiÄn aÏ per oië aÍ nurvpoi boyÂlontai kateskeya kei, ponhrv Än aà n hËn pragma tvn dhmioyrgoÂw´ eÆ peiÁ ayÆ toÁ w meÁn pa Ä n toÁ eyË pvw eÍ xon

8 eiÆsiÁ n om. M 9 oë1 om. P 9 le gvn M V P: ue lvn Marcovich 12 sti xoi te oië aÆ p’ ayÆ tv Ä n secl. Marcovich ut glossema 13 〈ayÆ toiÄw〉 add. Wilamowitz (cf. v. 20) 17 tine w M V P: tino w coni. Maran 17 eÆsti M V P: eiÆsiÁ Marcovich 18 eÏkaston Gesner: eÏkastow M V P: eëka staw Schwartz (p. VIII) 18 ayÆ tv Ä n V P: ayÆ to n M 20 yëpolamba nontew M V Pp. corr.: eÆpi- Gesner: syl- Wilamowitz 21 aà n del. Schwartz 23 prosana ptein M V P, def. Puech (p. 29 n. 4): prosa ptein Schwartz: prossyna ptein Gataker (ad M. Aurel 4,21) 27 eÆ peiÁ M V P: eÆ pei 〈per〉 Schwartz (p. VIII) gerissen (alias: zu Tode geschleift). Vgl. Ps.-Apollodoros, Bibl. 2,5,8; Philostratos, Imag. 2,25. Eine abgewandelte Version der Sage bei Hyginus, Fab. 30. 188 Legendärer Weiser (um 400 v. Chr.) entweder persischer oder ägyptischer Herkunft, der in der Astrologie das Erbe Zoroasters weiterentwickelt haben soll. Nach Plinius d. Ä. (nat. hist. 30,11) war er Hofwahrsager Xerxes’ I. und hat diesen auf

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cher den Magier Ostanes188 rühmte, am Tage der Vollendung dem Fraße des ewigen Feuers übergeben werden. (2) Aber auch ihr werdet, wenn ihr nicht mit eurem Gelächter189 aufhört, dieselben Strafen wie die Zauberer zu schmecken bekommen. Deshalb, ihr Griechen, hört auf mich, der ich euch gleichsam aus der Höhe zurufe,190 und übertragt in eurem Spott nicht eure eigene Unvernunft auf den Herold der Wahrheit. (3) Kein Leiden wird durch Antipathie beseitigt und kein Rasender wird durch lederne Amulette geheilt. Dies sind Heimsuchungen von Dämonen; der Kranke, der seine Liebe Beschwörende, der Hasserfüllte und der Rachsüchtige machen sie zu ihren Helfern. (4) Auf folgende Weise verüben sie ihre arglistige Kunst: wie die Buchstabenzeichen und die aus ihnen gebildeten Zeilen nicht von sich aus fähig sind, dem Abgefassten eine Bedeutung zu geben, sondern die Menschen es waren, die sich Bezeichnungen für ihre Gedanken geschaffen haben und aus der Art ihrer Zusammensetzung erkennen, wie eben diese Buchstabenordnung einen festgelegten Sinn ergibt, so sind auch die verschiedenen Wurzeln und die verwendeten Bänder und Knochen nicht aus sich selbst heraus wirksam, sondern elementarer Grundstoff der Bosheit der Dämonen, welche Bedeutung und Zweck eines jeden dieser Stoffe bestimmt haben. (5) Wenn sie sehen, dass die Menschen sich ihrer Hilfe bedienen, fallen sie sie an und machen die Menschen zu ihren Sklaven.191 Wie könnte es aber gut sein, bei Ehebrüchen Hilfe zu leisten? Wie kann es ehrenwert sein, beim Hass auf irgendwelche Mitmenschen Beistand zu leisten? Oder wie kann es richtig sein, die Heilung der Rasenden der Materie und nicht Gott zuzuschreiben? Durch List nämlich bringen sie die Menschen von der Gottesverehrung ab und arbeiten darauf hin, dass sie Kräutern und Wurzeln vertrauen. (6) Wenn aber Gott diese Dinge mit den Wirkungen ausgestattet hätte, die die Menschen sich von ihnen versprechen, so wäre er Urheber dieser bösartigen Praktiken. Da er alles nur erdenklich Gute geschaffen hat,192

seinem Feldzug nach Griechenland begleitet. Ostanes galt als Lehrer des Demokritos (vgl. Plinius, nat. hist. 30,8f). Vgl. DK 68 B 300.12; Tertullian, De anima 57,1. 189 Anspielung auf Demokritos, der als „der lachende Philosoph“ gilt. Als Grund für dessen Frohsinn wird in den antiken Quellen der Spott über seine Mitbürger (insbesondere aus Abdera) genannt oder aber seine Lehre von der gelassenen, heiteren Grundstimmung (= Euthymia). 190 Der Vergleich mit Iustinus, 2 Apol. 12,7 lässt u.U. an eine Rednerbühne denken (anders Harnack und Kukula in den Übss.). 191 Zur Versklavung der Menschen durch die Dämonen siehe die Parallele bei Iustinus, 1 Apol. 14,1. Siehe auch Clemens, Protr. 58,3. 192 Vgl. Gen 1,31.

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eÆ dhmioyÂrghsen, hë deÁ tv Ä n daimoÂnvn aÆ svtiÂa toiÄw eÆ n t v Äì koÂsm vì proÁ w toÁ kakopoieiÄn eÆ xrhÂsato, kaiÁ toyÂtvn eÆ stiÁ th Ä w kakiÂaw toÁ eiËdow kaiÁ oyÆxiÁ toyÄ teleiÂoy. (7) Pv Ä w gaÁr aà n zv Ä n meÁ n hÏkista moxuhroÁ w eiÍhn, nekroyÄ deÁ oÍntow moy leiÂcanon toÁ eÆn eÆmoiÂ, mhdeÁ n eÆmoyÄ pra ttontow, toÁ mh te kinoy menon, aÆllaÁ mhdeÁ aiÆsuanoÂmenon aiÆsuhtoÂn ti aÆ perga setai; (8) Pv Äw deÁ oë teunevÁ w oiÆktiÂstvì uana tvì dynhÂsetai proÁ w timvriÂan tinoÁw eÆ jyphreth Ä sai; ToyÄ to gaÁ r eiÆ oyÏtvw eiÍh, pollv Äì ma Ä llon aÆ f’ eëaytoyÄ toÁ n oiÆkeiÄon eÆxuroÁ n aÆmyneiÄtai´ dyna menow gaÁ r kaiÁ aÍ lloiw bohueiÄn eÍ kdikow poll v Äì ma Ä llon eëaytoyÄ katasthÂsetai.

[18] (1) FarmakeiÂa deÁ kaiÁ pa Ä n toÁ eÆ n ayÆth Äì eiËdow th Ä w ayÆth Ä w eÆstin eÆ pitexnh sevw. EiÆ ga r tiw yë poÁ th Ä w yÏlhw uerapeyÂetai pisteyÂvn ayÆ th Äì, uerapeyuh setai ma Ä llon ayÆ toÁ w dyna mei ueoyÄ prosane xvn. (2) ÏVsper gaÁ r taÁ dhlhthÂria synue seiw eiÆsiÁn yëlikaiÂ, toÁ n ayÆtoÁ n tro pon kaiÁ taÁ iÆv mena th Ä w ayÆth Ä w yëposta sev w eÆ stin. EiÆ deÁ thÁ n fayloteÂran yÏlhn paraitoy meua, polla kiw kaiÁ diaÁ th Ä w eÆ f’ eÏteron tv Ä n kakv Ä n tinow eÆ piplokh Ä w iÆ a sasuai tinew eÆ pithdeyÂoysi kaiÁ toiÄw kakoiÄw kaà n proÁ w toÁ aÆgauoÁ n kataxrhÂsontai. (3) Kaua per deÁ oë t v Äì lhstey ì  onti syndeipnh saw, kaà n mhÁ l hsth ì Á w ayÆ toÁ w hËì, aÆll’ oÏmvw diaÁ toÁ synestiauh Ä nai timvriÂaw metalamba nei, troÂp vì tv Äì ayÆtv Äì kaiÁ oë mhÁ kakoÁ w tv Äì deÁ fayÂl vì aÆ namigeiÁ w proÁ w toÁ nomizoÂmenon kaloÁ n sygxrhsa menow diaÁ thÁ n eiÆ w ayÆ toÁ n koinvniÂan yëpoÁ toyÄ kriÂnontow toyÄton ueoyÄ kolasuhÂsetai. (4) DiaÁ ti gaÁ r oë pisteyÂvn yÏ lhw oiÆkonomiÂaì pisteyÂein oyÆ boyÂletai t v Äì uev Äì; TiÂnow deÁ xa rin oyÆ t v Äì dynatvteÂrvì proseÂrx hì despoÂt h, ì uerapeyÂeiw deÁ ma Ä llon ayëtoÁ n v Ï sper oë meÁn kyÂvn diaÁ po aw, oë deÁ eÍ lafow di’ eÆ xiÂdnhw, oë deÁ syÄ w diaÁ tv Ä n eÆ n potamoiÄw karkiÂnvn, oë deÁ leÂvn diaÁ tv Ä n piuh kvn; (5) Ti de moi ueopoieiÄw taÁ eÆn koÂsm v; ì Ti deÁ uerapeyÂvn toÁ n plhsiÂon 2 kaiÁ 1 del. Marcovich 3 toyÄ telei oy M P: toyÄ ueoyÄ toyÄ telei oy V: toyÄ telei oy 〈ueoyÄ 〉 Schwartz 3 aà n post gaÁ r add. Wilamowitz 4 toÁ 2 del. Wilamowitz 5 mhdeÁ Schwartz: mh te M V P 7 toÁ n om. V 8 aÆmyneiÄtai Schwartz: aÆmy nhtai M V P 10 uerapei aw post ayÆ thÄì suppl. Schwartz (p. VIII) 16 eÆpithdey oysi M V P: eÆpithÍ n coni. Schwartz dey soysi Schwartz 16 kaà n Schwartz: aà n M V P 18 hË i M V P: v 18 aÆll’ oÏmvw om. V 19 vÍ n post kakoÁ w add. Marcovich 19 deÁ om. P 19 aÆnamigeiÁ w M V P: 〈syn 〉anamigeiÁ w Wilamowitz 20 sygxrhsa menow M V P: sygxrhso menow coni. Marcovich 21 toyÄ ton om. P, del. Maran 22 boy letai M V P: boy lhì Marcovich 25 potamvÄ V 193

Hinweis auf den antiken Reliquienkult, der allerdings bei den Heiden weitgehend unerwünscht war, jedoch bei den Christen nachweislich um die Mitte des 2. Jahrhunderts sich herauszubilden begann.

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die Liederlichkeit der Dämonen aber die Dinge dieser Welt für ihr übles Werk missbrauchte, geht diese Art der Schlechtigkeit ebenfalls auf sie zurück, und nicht auf den Vollkommenen. (7) Denn auch wenn ich als Lebender mir nicht das Geringste habe zuschulden kommen lassen: Wie können, wenn ich tot bin und nichts mehr tun kann, meine sterblichen Überreste, welche sich weder bewegen und nicht einmal etwas wahrnehmen können, irgendetwas Wahrnehmbares zustande bringen?193 (8) Wie wird einer, der des elendsten Todes gestorben ist, jemandem bei der Rache zu Diensten sein können?194 Denn wenn er dies könnte, würde er sich viel eher den eigenen Feind vom Leibe halten.195 Denn wer sogar anderen helfen kann, wird noch viel mehr als Rächer seiner selbst auftreten. [18] (1) Die Heilmittelkunde in ihrer ganzen Ausprägung basiert auf derselben listigen Erfindung. Denn wenn jemand durch materielle Substanz geheilt wird, weil er an sie glaubt, umso mehr wird er geheilt werden, wenn er sich der Macht Gottes196 zuwendet. (2) Wie die Gifte nämlich Mischungen aus Materie sind, so sind auch die Heilmittel von derselben Substanz. Wenn wir die mehr oder weniger wirkungslosen materiellen Substanzen beiseite lassen: Oftmals bemühen sich manche durch die Vermischung verschiedener übler Substanzen zu heilen und wollen bösartige Dinge sogar zum Guten verwenden. (3) Wie aber derjenige, der zusammen mit einem Räuber gespeist hat, ohne selbst ein Räuber zu sein, dennoch dieselbe Strafe erhält, weil er mit ihm verkehrt hat, so wird auch der Nichtböse, der mit dem Bösen Verbindung aufnimmt, um es zum vermeintlich Guten zu verwenden, wegen des Umgangs mit dem Bösen von Gott, dem Richter, bestraft werden. (4) Warum will derjenige, der an die Heilswirksamkeit197 der Materie glaubt, nicht auf Gott vertrauen? Weswegen wendest du dich nicht dem mächtigeren Herrn zu, sondern heilst dich lieber wie der Hund mit Gras,198 der Hirsch mit einer Schlange,199 das Schwein mit den Flusskrebsen200 und der Löwe mit den Affen201? (5) Warum vergöttlichst du mir die 194 Anspielung auf die sog. „Biaeothanati“ (die gewaltsam ums Leben Gekommenen), deren Seelen nach den Büchern bestimmter Magier bei menschlichen Racheakten besonders hilfreich seien. Vgl. Tertullianus, De anima 57,1–3. 195 Vgl. Mt 27,42. 196 D.h.: Christus bzw. der Logos; vgl. supra cap. 16; zur Verwendung des Ausdrucks bei Iustinus siehe Anm. 184. 197 Übersetzung des zentralen theologischen Begriffes der oiÆ konomi a. 198 Aelian (nat. anim. 5,46) weiß u. a. davon, dass Hunde Kräuter kennen, mit denen sie ihre Wunden heilen, und dass sie Gras zum Purgieren benutzen. 199 Vgl. Plinius, nat. hist. 8,118; 28,150; Aelian, nat. anim. 2,9; 8,6. 200 Vgl. Plinius, nat. hist. 32,55. 201 Vgl. Plinius, nat. hist. 8,52; Aelian, nat. anim. 5,39; 15,17.

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eyÆ ergeÂthw aÆpokalh Äì; Lo goy dyna mei katakoloy uhson´ oyÆ uerapeyÂoysin oië daiÂmonew, teÂxn hì deÁ toyÁ w aÆ nurv poyw aiÆ xmalvtey oysi. (6) KaiÁ oë uaymasivÂtatow ÆIoystiÄnow oÆruv Ä w eÆjefv nhsen eÆ oikeÂnai toyÁ w proeirhmeÂnoyw lhstai ì Äw. ÏVsper gaÁ r eÆkeiÂnoiw eÍ uow eÆ stiÁ zvgreiÄn tinaw, eiËta toyÁ w ayÆtoyÁ w misuoyÄ toiÄw oiÆkeiÂoiw aÆ pokauista Ä n, oyÏ tv kaiÁ oië nomizo menoi ueoiÁ toiÄw tinvn eÆpifoitv Ä ntew meÂlesin, eÍ peita di’ oÆ neiÂrvn thÁ n eiÆ w ayëtoyÁ w pragmateyo menoi doÂjan dhmosiÂaì te toyÁ w toioy toyw proiÈeÂnai keleyÂsantew pa ntvn oërv ntvn, eÆpeidaÁ n tv Ä n eÆgkvmiÂvn aÆpolay svsin, aÆpopta menoi tv Ä n kamnoÂntvn, hÊ n eÆpragmatey santo no son perigraÂfontew, toyÁ w aÆnurvÂpoyw eiÆw toÁ aÆrxaiÄon aÆpokauistv Ä sin.

[19] (1) ëYmeiÄw deÁ toyÂtvn oyÆk eÍ xontew thÁ n kata lhcin par’ hë mv Ä n tv Än eiÆdo tvn eÆkpaideyÂesue, leÂgontew uana toy katafroneiÄn kaiÁ thÁn ayÆ ta rkeian aÆskeiÄn. Oië gaÁ r par’ yë miÄn filoÂsofoi tosoyÄ ton aÆpodeÂoysi th Äw aÆskhÂsevw v Ï ste paraÁ toyÄ ëRvmaiÂvn basileÂvw eÆ thsiÂoyw xrysoyÄ w eë jakosiÂoyw lamba nein tinaÁ w eiÆw oyÆ deÁn xrhÂsimon, oÏpvw mhdeÁ toÁ ge neion dvraÁ n kaueime non ayë tv Ä n eÍ xvsin. (2) Krh skhw goyÄ n oë eÆnneotteyÂsaw th Äì mega lhì po lei paiderastiÂaì meÁ n pa ntaw yë perh negken, filargyriÂaì deÁ pa ny prosexhÁ w hËn. Uana toy deÁ oë katafroneiÄn symboyleyÂvn

2–4 KaiÁ oë uaymasiv tatow ... l hstai ì Äw secl. Weijenborg ut interpolationem Evagrii Antiocheni (p. 372–376) 5 misuv Ä V 6 ayë toyÁ w Schwartz: ayÆ toyÁ w M V P 7–8 keley santew M V P: keley ontew Marcovich 8 eÆgkvmi vn Wilamowitz: eÆgkosmi vn M V P 8–9 aÆ popta menoi M P: aÆ posta menoi V 12 post eÆ kpaidey esue lacunam indicavit Schwartz et pay esue deÁ supplevit 12ff le gontew uana toy katafroneiÄn ... katafronhtaiÁ ge nesue secl. Weijenborg ut interpolationem Evagrii Antiocheni (p. 376–380) 15 xrh simon M V P: xrh simon 〈hà 〉 Schwartz: xrh simon 〈plhÁ n〉 Marcovich 16 ayë tv Ä n Schwartz: ayÆ tv Ä n M V P 16 krh skhw M V et Eus.: kri skhw P et Eus. cod. A 16 goyÄ n Eus.: oyË n M V P et Eus. cod. E 18 katafron 〈eiÄn symboyÄn M V P ley 〉vn Ducaeus ex Eus.: katafronv 202 Zum feststehenden Terminus vgl. supra cap. 5 (dazu Anm. 58) und 7. – Vgl. Mk 2,14; 8,34; 10,21 et al. 203 In den erhaltenen Werken des Iustinus findet sich ein solcher Satz nicht. Eine gewisse Affinität besteht allerdings zu Iustinus, 1 Apol. 12: Die Herrscher, derer sich die Dämonen oft bemächtigen, gleichen in ihrer Machtausübung den „Räubern in der Wüste“; vgl. eventuell auch 2 Apol. 5(4),3f. Für Peter Lampe (Die stadtrömischen Christen, S. 245, Anm. 468) handelt es sich um ein Zitat „aus dem Unterricht“ Justins. Reinhold Weijenborg (Die Berichte über Justin und Crescens bei Tatian, in: Anto-

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Dinge dieser Welt? Warum lässt du dich, wenn du deinen Nächsten heilst, als Wohltäter ausrufen? Folge der Macht des Wortes!202 Die Dämonen heilen nicht, mit List nehmen sie die Menschen gefangen. (6) Auch der höchst bewundernswerte Justinus hat mit Recht den Ausspruch getan, dass die Dämonen Räubern glichen.203 Wie jene nämlich die Leute lebendig gefangen zu nehmen und dann gegen Lösegeld ihren Verwandten zurückzugeben pflegen, so befallen auch die vermeintlichen Götter die Gliedmaßen gewisser Menschen. Dann schaffen sie es durch Träume, dass man an sie glaubt,204 und gebieten ihren Opfern, öffentlich vor den Augen aller aufzutreten. Wenn sie ihren Ruhm genossen haben,205 verlassen sie die Gepeinigten wie im Fluge, beenden die Krankheit, die sie hervorgerufen haben, und versetzen die Menschen wieder in ihren ursprünglichen Zustand.206 [19] (1) Ihr aber, die ihr kein Verständnis dieser Zusammenhänge besitzt, solltet von uns, den Wissenden, lernen – gebt ihr doch vor, den Tod zu verachten und euch in Selbstgenügsamkeit zu üben. Denn eure Philosophen sind so weit von dieser Übung entfernt, dass manche vom römischen Kaiser völlig unverdient pro Jahr 600 Goldstücke erhalten,207 wohl damit nicht einmal ihr langer Bart umsonst wächst. (2) Crescens208 jedenfalls, der sich in der Großstadt eingenistet hatte, hatte sich mehr als alle anderen der Päderastie verschrieben und war der Geldgier gänzlich verfallen. Dieser Mann, der den Tod zu verachten 〈riet〉, fürchtete eben

nianum 47, 1971, S. 362–390) hält – mit sehr beachtenswerten, aber letztlich nicht vollkommen überzeugenden Argumenten – den gesamten Satz für eine spätere Interpolation. 204 Zu den Traumgesichten der Dämonen: Iustinus, 1 Apol. 14,1. 205 Wilamowitz vermutet eine Anspielung auf die Heilgötter-Eulogien des Aelius Aristides. 206 Über Schädigung und (heuchlerische) Heilung durch die Dämonen vgl. sehr ähnlich Tertullianus, Apol. 22,11, und Minucius Felix, Oct. 27,2; siehe auch Eusebius, praep. ev. 5,2,1; Lactantius, Div. inst. 2,14,13; 2,15,1. 207 Sueton (Vesp. 18) berichtet, dass Vespasian der erste römische Kaiser gewesen sei, der öffentlich bestallten Rhetoriklehrern, Dichtern und Künstlern ein festes Gehalt aus der Staatskasse habe zukommen zu lassen: Primus e fisco Latinis Graecisque rhetoribus annua centena constituit; praestantis poetas, nec non et artifices. 208 Crescens (griech.: Krh skhw bzw. Kri skhw ) wird von Justin in seiner 2. Apologie erwähnt und als „unvernünftig“ (11,1) bezeichnet, als ein Mensch, der den Namen eines Philosophen nicht verdiene (8,1). Justin erklärt, dass er sich von Crescens bedroht fühle und mit Verfolgung rechne (ebd.).

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oyÏ tvw ayÆ toÁ n eÆdediÂei toÁ n ua naton vëw kaiÁ ÆIoystiÄnon kaua per mega lvì kak v Äì tv Äì uanaÂt vì peribaleiÄn pragmateyÂsasuai, dio ti khry ttvn thÁ n aÆ lh ueian liÂxnoyw toyÁ w filosoÂfoyw kaiÁ aÆpatev Ä naw synh legxen. TiÂnaw d’ aÆ na gkh div Ä jai toÁ n filoÂsofon eiÆ mhÁ mo noyw yë ma Ä w; (3) ÏOuen eiÍ fate mhÁ deiÄn dedie nai toÁ n uaÂnaton koinvnoyÄ ntew hë mv Ä n toiÄw do gmasi, mhÁ diaÁ thÁn aÆnurvpiÂnhn dojomaniÂan, vë w ÆAna jarxow, aÆ poun hÂìskete, xa rin deÁ th Ä w toyÄ ueoyÄ gnvÂsevw toyÄ uana toy katafronhtaiÁ geÂnesue. (4) Ko smoy meÁ n gaÁr hë kataskeyhÁ kalh , toÁ deÁ eÆn ayÆt v Äì poliÂteyma fayÄ lon´ kaiÁ kaua per eÆ n panhgyÂrei ueatrokopoymeÂnoyw eÍ nestin iÆdeiÄn toyÁ w oyÆk eiÆ do taw toÁ n ueoÂn. (5) Ti gaÂr eÆsti mantikh ; Ti deÁ yë p’ ayÆ th Ä w peplaÂnhsue; Tv Ä n eÆ n koÂsm vì pleonejiv Ä n eÆ sti soi diaÂkonow. PolemeiÄn ue leiw kaiÁ tv Ä n fo nvn lamba neiw syÂmboylon toÁ n ÆApoÂllv´ koÂrhn aërpaÂsai ueÂleiw kaiÁ toÁ daimo nio n soi synagvniÂsasuai proairh Äì´ noseiÄw diaÁ seaytoÁ n kai , v Ï sper ÆAgameÂmnvn de ka symfra dmonaw, eiËnai ue leiw metaÁ seaytoyÄ ueoyÂw. (6) PioyÄ sa tiw yÏdvr maiÂnetai kaiÁ diaÁ liba nvn eÍ kfrvn giÂnetai, kaiÁ syÁ thÁ n toiay thn manteyÂesuai le geiw. (7) PrognvÂsthw yëph Ä rxen oë ÆA po llvn

1 ayÆ toÁ n M V P: ayÆ toÁ w Pearson ex Eus. 1 mega lvì H. Stephanus ex Eus. (in Praef. ed. Ep. ad Diogn., Paris 1592): kaiÁ eÆmeÁ vë w (signo adnotationis in mg. posito) M: kaiÁ Ä naw Schwartz ex Eus.: kaiÁ eÆ meÁ oyÊ w P: kaiÁ eÆ meÁ oiÎon V 3 toyÁ w filoso foyw kaiÁ aÆ patev aÆ patev Ä naw toyÁ w filoso foyw M V P 3 synh legxe(n) M V P et Eus. codd. B D: eÆ jh legxe(n) Eus. codd. A T E R M 3–4 d’ aÆna gkh div Ä jai O. de Gebhardt: d’ aà n Ä jai daÁ n V: d’ aà n kaiÁ 〈eÍ dei〉 div Ä jai Wilamowitz (de on add. kaiÁ div Ä jai M P: kaiÁ div Kukula, p. 5) 4 tv Ä n filoso fvn Pm. rec. 4 oÏ uen M V: eiÍvuen P 7 ge nesue M V P: gi nesue Schwartz 12–13 toÁ n aÆ po llv sy mboylon tv Ä n fo nvn lamba neiw P 209

In der Verachtung des Todes und der dezidierten Weigerung, ihn als ein Übel anzuerkennen, treffen sich stoische (kynische) Ethik und christliche Martyriumstheologie. 210 Der Passus über die Intrige des Crescens wird von Eusebius in seiner Kirchengeschichte (hist. eccl. 4,16,8) aus Tatian zitiert; Eusebius gibt – zu Unrecht – an, dies sei der Anlass zum Martyrium des Justin gewesen (ebd.). Dieselbe Aussage bei dems., Chron. 233 Ol. (p. 203 d Helm). Auch hier ist Euseb, wie der Vorwurf der Schlemmerei (gulosum) zeigt, offensichtlich von der hiesigen Tatianstelle abhängig: Crescens Cynicus agnoscitur, qui Iustino nostri dogmatis philosopho, quia se gulosum et prevaricatorem philosophiae coarguebat, persecutionem suscitavit, in qua ille gloriose pro Christo sanguinem fudit. 211 Anaxarchos von Abdera (ca. 360 bis 320 v. Chr.), griechischer Philosoph und Anhänger der Lehre Demokrits. Wegen seiner allzu offenen Kritik am Tyrannen Nikokreos von Zypern ließ dieser jenen angeblich in einem Mörser zu Tode stampfen. Ohne einen Schmerzenslaut soll er lediglich gesagt haben: „Stampfe, stampfe die Hülse des Anaxarchos, Anaxarchos aber zerstampfst du nicht.“ – Vgl. u. a. Diogenes Laertios

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diesen Tod so sehr, dass er danach trachtete, namentlich den Justinus mit dem Tode – als sei er ein großes Übel209 – zu bedrohen. Denn Justinus, der offen die Wahrheit verkündete, überführte die Philosophen als Schlemmer und Betrüger.210 Für wen aber besteht eine Notwendigkeit, den Philosophen vor Gericht zu ziehen, außer allein für euch? (3) Von daher: Wenn ihr sagt, man dürfe den Tod nicht fürchten, und darin mit unseren Lehren übereinstimmt, dann sterbt nicht, wie Anaxarchos, wegen der rasenden Ruhmsucht eines Menschen,211 sondern werdet um der Erkenntnis Gottes willen zu Verächtern des Todes.212 (4) Denn die Welt in ihrer Anlage ist gut, aber die Lebensführung in ihr ist schlecht; und wie bei einem Volksfest213 kann man Leute sehen, die von Gott nichts wissen und Beifall erhalten. (5) Denn was ist die Weissagekunst? Warum habt ihr euch von ihr in die Irre führen lassen? Sie ist dir Gehilfin bei deinem Wunsch nach Geltung in der Welt. Du willst Krieg führen und nimmst den Apollon als Ratgeber für deine Mordtaten. Du willst ein Mädchen rauben und wählst die dämonische Macht als deinen Kampfgenossen. Du bist durch eigene Schuld krank, und wie Agamemnon zehn Ratgeber bei sich haben wollte,214 so willst du Götter an deiner Seite. (6) Eine gewisse Frau hat Wasser getrunken,215 befindet sich nun in Verzückung und gerät durch Weihrauchdüfte von Sinnen,216 und du behauptest, eine solche Person sage die Zukunft vorher. (7) Als ein Seher galt der Apollon und war ein Lehrer der Wahr-

9,59; Cicero, Tusc. 2,52; nat. deor. 3,82; Valerius Maximus 3,3 ext. 4; Tertullian, Apol. 50,6: Tunde, tunde, aiebat, Anaxarchi follem; Anaxarchum enim non tundis! 212 R. Weijenborg (Berichte, S. 376–380) hält den gesamten Abschnitt 19,1 (ab „gebt ihr doch zu“) bis 19,3 (bis einschließlich „Verächtern des Todes“) für einen Einschub eines Interpolators. 213 Zur Metaphorik des Lebens als eines Volksfestes vgl. z.B. Cicero, Tusc. 5,9; Diogenes Laertios 8,8. Danach habe Pythagoras drei Klassen von Menschen unterschieden. Die einen kämpften mit gut trainierten Körpern um Ruhm und Ehre, andere kümmerten sich um das Kaufen und Verkaufen, die dritte Gruppe komme zum Zuschauen. Die dritte Gruppe sei die edelste, denn sie erstrebe weder Beifall noch Gewinn. Dies seien die Philosophen, denen es lediglich an der Betrachtung und Erkenntnis der Dinge liege. Vgl. auch Epiktetos, diss. 2,14,23. 214 Anspielung auf Homer, Iliad. 2,372: Agamemnon begehrt, nachdem der greise Nestor geredet hat, zehn Ratgeber (de ka symfra dmonew ) dieses Schlages. 215 Wahrscheinlich ist die delphische Pythia gemeint; vgl. Lukian, Hermot. 60: „Man sagt, die Seherin in Delphi werde durch einen Schluck aus der heiligen Quelle sogleich inspiriert“; Pausanias 10,24,7: „Man sagt, dass das Wasser der Cassotis-Quelle unter die Erde sinke und die Seherinnen im Heiligtum des Gottes inspiriere.“ 216 Kukula (Anm. 169) denkt an den „berauschende[n] Aushauch der Erdspalte“ im delphischen Heiligtum.

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kaiÁ tv Ä n manteyome nvn dida skalow´ eÆ piÁ th Ä w Da fnhw eë aytoÁ n eÆ ceyÂsato. (8) DryÄ w, eiÆpe moi, manteyÂetai kaiÁ pa lin oÍrniuew proagoreyÂoysi, syÁ deÁ tv Ä n z vÂìvn kaiÁ fytv Ä n eÆla ttvn yë paÂrxeiw; KaloÁn aÍra soi geneÂsuai jy lvì mantikv Äì kaiÁ tv Ä n aÆerofoiÂtvn thÁ n pth Ä sin lamba nein. (9) ëO poiv Ä n se fila rgyron, oyÎtow kaiÁ periÁ toyÄ ployteiÄn soi manteyÂetai´ sta seiw kaiÁ ma xaw oë eÆ geiÂrvn kaiÁ periÁ th Ä w eÆn pole m vì niÂkhw proagoreyÂei. Tv Ä n pauv Ä n aà n yë pa rxhw ì aÆnvÂterow, tv Ä n eÆn t v Äì ko sm vì pa ntvn katafronhÂseiw. ToioyÂtoyw hëma Ä w oÍntaw mhÁ aÆ postygh shte, aÆllaÁ paraithsa menoi toyÁ w daiÂmonaw ue v Äì tv Äì moÂnvì katakoloyuh sate. PaÂnta yë p’ ayÆtoyÄ kaiÁ xvriÁw ayÆtoyÄ ge gonen oyÆdeÁ eÏ n. (10) EiÆ deÁ eÍ stin eÆ n toiÄw fyomeÂnoiw dhlhthÂrion, toyÄ to diaÁ toÁ eÆnaÂmarton hëmv Ä n eÆ pisymbeÂbhken. ÍExv deiknyÂein thÁ n toyÂtvn oiÆkonomiÂan´ yë meiÄw katakoyÂsate, kaiÁ oë pistey vn eÆpignv setai.

[20] (1) Kaà n uerapeyÂhsue farma koiw (kataÁ syggnvÂmhn eÆ pitreÂpv soi), thÁ n martyriÂan prosa ptein se deiÄ tv Äì uev Äì. Ko smow gaÁ r hëma Ä w eÍti kaueÂlkei, kaiÁ di’ aÆtoniÂan thÁ n yÏlhn eÆpizhtv Ä . (2) PteÂrvsiw gaÁr hë th Ä w cyxh Äw pneyÄ ma toÁ te leion, oÏper aÆ porriÂcasa diaÁ thÁ n aëmartiÂan eÍ pth v Ï sper neossoÁ w kaiÁ xamaipethÁ w eÆ geÂneto, metaba Ä sa deÁ th Ä w oyÆrani oy synoysiÂaw tv Ä n eÆ lattoÂnvn metoysiÂan eÆ pepo uhsen. (3) Metvki ì  suhsan oië daiÂmonew, eÆ jvriÂsuhsan deÁ oië prvtoÂplastoi´ kaiÁ oië meÁ n aÆp’ oyÆ ranoyÄ kateblhÂuhsan, oië deÁ aÆ poÁ gh Ä w meÁ n, aÆll’ oyÆk eÆk tayÂthw, kreiÂttonow deÁ th Äw eÆ ntayuoiÄ diakosmhÂsevw. (4) KaiÁ xrhÁ loipoÁ n hëma Ä w eÆpipouhÂsantaw toÁ aÆrxaiÄon paraith sasuai pa Ä n toÁ eÆmpodvÁ n ginoÂmenon. OyÆk eÍ sti gaÁr aÍpeirow oë oyÆranoÂw, v Ë aÍnurvpe, peperasme now deÁ kaiÁ eÆ n teÂrmati´ taÁ deÁ yëpeÁ r toyÄ ton aiÆ v Ä new oië

3 aÍra M V P: aÍr’ 〈hËn〉 prop. Marcovich 9–10 yëp’ ayÆ toyÄ M V P: yëp’ ayÆ toyÄ 〈ge gone〉 Marcovich ex NT 11 ante dhlhth rion add. kaiÁ Pex corr. 11 diaÁ toÁ om. V 12 thÁ n om. V 12 oiÆ konomi an O. de Gebhardt: eiÆko na mi an M V P 15 martyri an M V P: uerapei an superscr. m. al. M 15 prosta ttein V 17 toÁ pneyÄ ma V 17 eÍpth M V P: eÍpth〈jen〉 Wilamowitz 19 post met vki ì  suhsan add. gaÁ r Schwartz (goyÄ n add. Marcovich) 20 deÁ Schwartz: gaÁ r M V, Hunt (p. 134): om. P 21 eÆk del. Wilamowitz 24 gino menon M V P: geno menon Marcovich 25 eÆn M V: eÆpiÁ P 217

Vgl. supra cap. 8. Die Orakeleiche von Dodona; vgl. cap. 12 (mit Anm. 153). 219 Zum Ausdruck vgl. Aischylos, fr. 282 Radt; Aristophanes, ran. 1291. 220 Vgl. Joh 1,3. – Tatian ersetzt das johanneische di’ ayÆ toyÄ , welches die Schöpfungsmittlerschaft des Logos ausdrückt, durch das im Kontext geforderte yëp’ ayÆ toyÄ . 218

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sager: bei der Daphne hat er sich getäuscht.217 (8) Sage mir: Eine Eiche weissagt218 und ein andermal prophezeien Vögel, du aber bist geringer als die Tiere und Pflanzen? Es wäre folglich gut für dich, zu einem weissagenden Holz zu werden und von den Seglern der Lüfte219 das Fliegen zu übernehmen. (9) Wer dabei ist, dich habgierig zu machen, der weissagt dir auch vom Reichsein; wer darauf aus ist, Aufstände und Kämpfe zu erregen, sagt dir auch den Sieg im Krieg voraus. Bist du über die Leidenschaften erhaben, wirst du alle Dinge dieser Welt verachten. Solche Menschen sind wir; daher verschmäht uns nicht, sondern schwört den Dämonen ab und folgt dem einzigen Gott. „Alles ist von ihm und ohne ihn ist nicht Eines geworden.“220 (10) Wenn aber in der Schöpfung etwas Schädliches ist, dann ist dieses durch unsere Sünde hineingeraten.221 Ich kann euch den gesamten Zusammenhang aufzeigen; ihr müsst gut zuhören, und wer glaubt, wird zur Erkenntnis gelangen. [20] (1) Auch wenn ihr euch durch Arzneien heilen lasst (mit Nachsicht stelle ich dir dies anheim), musst du den rühmlichen Erfolg dennoch Gott zuschreiben. Noch zieht uns nämlich die Welt herab, und aufgrund von Schwäche wende ich mich der Materie zu. (2) Denn das Gefieder der Seele222 ist der vollkommene Geist. Diesen warf sie infolge der Sünde ab, flatterte wie ein junger Nestvogel und fiel zu Boden.223 Da sie die Verbindung mit dem Himmel verloren hatte, verlangte sie nach der Gemeinschaft mit den niederen Dingen. (3) Die Dämonen wurden ihrer Heimat verwiesen, die zuerst Gebildeten aber wurden verbannt;224 und zwar wurden die einen vom Himmel herabgestürzt, die anderen aber von der Erde vertrieben, jedoch nicht von dieser, sondern von einer, die herrlicher gestaltet war als die hiesige. (4) Wir müssen fortan den ursprünglichen Zustand ersehnen und alles aufgeben, was hinderlich ist. Denn der Himmel, Mensch, ist nicht unermesslich, sondern begrenzt und besitzt ein Ende. Was über ihm liegt, sind

E.F. Osborne, Discours, S. 113f, und R.M. Grant, Greek Apologists, S. 128, halten dafür, dass Tatian mit ueo w den Logos meint; dagegen wendet sich bereits R. Hanig (Vergleich, S. 58f), allerdings mit der anfechtbaren These, dass Tatian das eigenständige Wesen des Logos im Sinne eines Monarchianismus (siehe S. 73) bewusst unterdrückt. 221 Ausführlicher expliziert bei Theophilos, Ad Autol. 2,17. 222 Die Metaphorik der gefiederten Seele geht auf Platon, Phaidr. 246 zurück. 223 Dasselbe Bild bei Theophilos, Ad Autol. 2,17: „Menschen aber, die Gott nicht kennen und verehren, gleichen Vögeln, die zwar Flügel haben, aber nicht auffliegen und die Höhen der Gottheit nicht erreichen können.“ (Übs. Leitl). 224 Vgl. 1 Mose 3,23f.

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kreiÂttonew oyÆ metabolhÁ n vë rv Ä n eÍxontew (di’ v Î n poikiÂlai no soi kauiÂstantai), pa shw deÁ eyÆ krasiÂaw meteilhfo tew hëme ran eÍ xoysi diameÂnoysan kaiÁ feÂggow toiÄw eÆ nteyÄuen aÆ nurv poiw aÆ pro siton. (5) Oië meÁ n oyËn taÁ w gevgrafiÂaw eÆ kpone santew, meÂxriw hËn dynatoÁ n aÆnurv pv, ì tv Ä n xvriÂvn thÁ n aÆnagrafhÁ n eÆpoihÂsanto, taÁ d’ eÆ peÂkeina leÂgein oyÆ k eÍxontew diaÁ toÁ aÆ dy naton th Ä w uevriÂaw aÆmpvÂteiw hÆìtia santo, kaiÁ ualassv Ä n thÁ n meÁ n prasvÂdh, thÁ n deÁ phlvÂdh, toÂpvn deÁ tv Ä n meÁ n toÁ eÍ kpyron, tv Ä n deÁ toÁ cyxroÁ n kaiÁ diapephgo w. (6) ëHmeiÄw deÁ taÁ yëf’ hë mv Ä n aÆgnooyÂmena diaÁ profhtv Ä n memauhÂkamen, oiÏtinew aÏma t h Äì cyx h Äì pepeismeÂnoi oÏti pneyÄ ma toÁ oyÆra nion eÆpeÂndyma th Ä w unhtoÂthtow thÁ n aÆ uanasiÂan kekth setai, taÁ oÏ sa mhÁ eÆgiÂnvskon aië loipaiÁ cyxaiÂ, proyÍ legon. DynatoÁ n deÁ pantiÁ gymnhtey onti kthÂsasuai toÁ eÆpikoÂsmhma kaiÁ proÁ w thÁ n syggeÂneian thÁ n aÆrxaiÂan aÆnadrameiÄn.

[21] (1) OyÆ gaÁr mvraiÂnomen, aÍndrew ÏEllhnew, oyÆdeÁ lh royw aÆ paggeÂllomen, ueoÁ n eÆ n aÆnurv poy morf h Äì gegone nai kataggeÂllontew. Oië loidoroyÄ ntew hë ma Ä w sygkriÂnate toyÁ w myÂuoyw yë mv Ä n toiÄw hëmete roiw dihghÂmasin. (2) DhiÉfobow, v Ï w fasin, hË n hë ÆAuhna Ä diaÁ toÁ n ÏEktora, kaiÁ xa rin ÆAdmhÂtoy FoiÄbow oë aÆ kersekoÂmhw taÁw eiÆ liÂpodaw boyÄ w eÆ poiÂmaine, kaiÁ presbyÄ tiw aÆ fikneiÄtai proÁ w thÁn Seme lhn hë toyÄ DioÁ w gameth . ToiayÄ ta deÁ meletv Ä ntew pv Ä w hë ma Ä w diagela Ä te;

2 eÍxoysi M V P: 〈par〉eÍxoysi Marcovich 5 d’ om. V 8 diapephgo w M V P: pephÄ n M V P: yë mv Ä n Maran, prob. I. de Zwaan (Mnemosyne NS 48 go w Wilamowitz 8 hë mv [1920], p. 318f) 9 pepeisme noi V P, M (in mg): kekthme noi M (in textu) 9 pneyÄ ma M V P: sv Ä ma Maran 10 thÁ n aÆ uanasi an P (in mg. pr. m.) 18 aÆ kerseko mhw M V: aÆ keireko mhw P 225

Zum Topos, dass für die Gerechten in der jenseitigen Welt ewiger Sommer herrsche, vgl. Past. Hermae, sim. 4,2. 226 Partielle Zitation von 1 Tim 6,16: fv Ä w oiÆ kv Ä n aÆ pro siton, oÊ n eiËden oyÆ deiÁ w aÆ nurv pvn oyÆ deÁ iÆ deiÄn dy natai. Vgl. auch Athenagoras, Leg. 16,1. 227 Vgl. zum „lauchgrünen Meer“: Anonymus, geogr. compend. 32 Müller; Marcianus, Peripl. 1,40 Müller. 228 Auf die unterschiedlichen Angaben der Historiker und Geographen über die terrae incognitae rekurriert auch Plutarch, Thes. 1,1. 229 Vgl. 1 Kor 15,53f; 2 Kor 5,1–4. 230 Vgl. 2 Kor 5,3. 231 Ein sehr ähnlicher Vergleich (heidnische Mythen vs. christliches Dogma) schon bei Iustinus, 1 Apol. 21,1 und – speziell auch auf die Inkarnation Christi bezogen – bei

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die besseren Welten, die keinen Wechsel der Jahreszeiten kennen225 (durch die verschiedene Krankheiten entstehen). Dort herrscht ein ganz und gar mildes Klima sowie ein immerwährender Tag und ein Lichtglanz, dem sich die hiesigen Menschen nicht nähern können.226 (5) Diejenigen, die Erdbeschreibungen angefertigt haben, entwarfen, soweit dies einem Menschen möglich war, Beschreibungen der Länder. Aber da sie über das Jenseitige nichts sagen konnten, weil eine Anschauung unmöglich war, gaben sie an, es gebe Gezeiten, und von den Meeren sei das eine lauchgrün,227 das andere schlammig, die einen Landstriche seien brennend heiß, die anderen eisig kalt und gefroren.228 (6) Wir aber haben von dem, was wir von uns aus nicht wissen, durch unsere Propheten Kenntnis. Diese waren überzeugt, dass der Geist zusammen mit der Seele die Unsterblichkeit, die himmlische Überkleidung der Sterblichkeit,229 erwerben werde, und sagten das voraus, was die übrigen Seelen nicht erkannten. Jedem aber ist es in seinem Nacktsein230 möglich, diesen Schmuck zu erwerben und zur ursprünglichen Gemeinschaft zurückzukehren. [21] (1) Denn wir sind keineswegs einfältig, ihr griechischen Männer, und wir verbreiten kein leeres Geschwätz, wenn wir verkünden, Gott sei in Menschengestalt erschienen. Die ihr uns verhöhnt, vergleicht doch eure Mythen mit unseren Berichten.231 (2) Athene, sagt man, nahm wegen Hektor die Gestalt des Deiphobos an,232 um Admetos willen hütete der langgelockte Phoibos die schleppfüßigen Rinder233 und als Greisin kam die Gattin des Zeus zu Semele.234 Wie könnt ihr, die ihr euch so etwas ausdenkt, über uns lachen?

Tertullianus, Apol. 21,14: Iste igitur dei radius, ut retro semper praedicabatur, delapsus in virginem quandam et in utero eius caro figuratus nascitur homo deo mixtus. Caro spiritu instructa nutritur adolescit affatur docet operatur et Christus est. Recipite interim hanc fabulam – similis est vestris –, dum ostendimus, quomodo Christus probetur et qui penes vos eiusmodi fabulas aemulas ad destructionem veritatis istius [modi] praeministraverint. 232 Anspielung auf Homer, Iliad. 22,226f. 233 Vgl. Ps.-Apollodoros, Bibl. 3,10.4: Phoibos Apollon, der die Kyklopen vernichtet hatte, wurde von Zeus zur Strafe für ein Jahr zum Dienst bei den Menschen verurteilt. Er begab sich nach Pherai zu Admetos und diente diesem als Hirte. Dort bewirkte er, dass alle Kühe Zwillingskälber warfen. Vgl. Euripides, Alkestis 1–9. – Die Junktur eiÆli podaw boyÄ w ist Zitat aus Homer, Iliad. 21,448. 234 Hera, eifersüchtig auf die neue Liebschaft ihres Gatten, verwandelt sich in die Gestalt der alten Amme (Beroe) der Semele. Als solche weckt sie bei Semele Zweifel an der Identität ihres göttlichen Liebhabers. Als Semele daraufhin Zeus bittet, sich ihr in seiner wahren Gestalt zu zeigen, wird sie durch seinen Glanz (alias: durch seinen Blitz) vernichtet. Vgl. Hyginus, fab. 167,2; 179,2; Ovidius, met. 3,275–78.

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(3) Te unhken yë mv Ä n oë ÆAsklhpio w, kaiÁ oë taÁw penth konta parue noyw mi a Äì nyktiÁ Uespia Ä si diakoreyÂsaw pyroÁ w eëaytoÁ n paradoyÁ w bora Äì oiÍxetai. PromhueyÁ w tv Äì Kayka s vì prosarthueiÁw timvri an xa rin th Ä w eiÆ w aÆnurvÂpoyw eyÆergesiÂaw yë ph negke. FuoneroÁ w oë ZeyÁ w kau’ yë ma Ä w, kaiÁ kry ptei toÁ n oÍ neiron toyÁ w aÆ nurv poyw boylo menow aÆ poÂllysuai. DioÂper aÆpobleÂcantew proÁ w taÁ oiÆkeiÄa aÆpomnhmoneyÂmata kaà n vë w oëmoiÂvw myuologoyÄ ntaw hëma Ä w aÆpode jasue. (4) KaiÁ hë meiÄw meÁ n oyÆ k aÆfraiÂnomen, flh nafa deÁ taÁ yëmeÂtera. Ge nesin aà n le ghte uev Ä n, kaiÁ unhtoyÁ w ayÆtoyÁ w aÆpofaneiÄsue. DiaÁ ti gaÁr oyÆ kyeiÄ nyÄ n hë ÏHra; Po teron gegh raken hà toyÄ mhny sontow yë miÄn aÆporeiÄ; (5) PeiÂsuhte moi nyÄ n, v Ë aÍ ndrew ÏEllhnew, mhdeÁ toyÁ w myÂuoyw mhdeÁ toyÁ w ueoyÁ w yëmv Ä n aÆllhgorhÂshte´ kaà n gaÁr toyÄ to praÂttein eÆ pixeirh shte, ueoÂthw hë kau’ yë ma Ä w aÆnhÂìrhtai kaiÁ yë f’ hëmv Ä n kaiÁ yë f’ yë mv Ä n. ÃH gaÁr toioyÄ toi par’ yë miÄn oÍntew oië daiÂmonew oë poiÄoi kaiÁ leÂgontai, fayÄ loi toÁ n tro pon eiÆsiÂn, hà metagoÂmenoi proÁ w toÁ fysikvÂteron oyÍ k eiÆsin oiÎoi kaiÁ le gontai. SeÂbein deÁ tv Ä n stoixei vn thÁ n yëpo stasin oyÍt’ aà n peisueiÂhn, oyÍt’ aà n peiÂsaimi toÁ n plhsi on. (6) KaiÁ MhtroÂdvrow deÁ oë LamcakhnoÁ w eÆ n tv Äì PeriÁ ëOmhÂroy liÂan eyÆh uvw dieiÂlektai, pa nta eiÆ w aÆllhgoriÂan meta gvn. OyÍ te gaÁ r ÏHran oyÍte ÆAuhna Ä n oyÍ te DiÂa toyÄ t’ eiËnai fhsin oÏper oië toyÁ w peribo loyw ayÆtoiÄw kaiÁ teme nh kauidryÂsantew nomiÂzoysin, fyÂsevw deÁ 2 pyroÁ w eëaytoÁ n paradoyÁ w boraÄ (i) M V: boraÄ i pyroÁ w eëaytoÁ n paradoyÁ w P: pyroÁ w eë aytoÁ n bor a Äì paradoyÁ w Schwartz 5 post kry ptei 〈toÁ pyÄ r kaiÁ pe mpei〉 addi suad. Wilamowitz 5 toÁ n oÍneiron M V P: toÁ n 〈oyË lon〉 oÍneiron prop. Marcovich (in apparatu) 5 toyÁ w aÆnurv poyw M V: toiÄw aÆnurv poiw P 6 proÁ w M P: eiÆ w V 6 post taÁ Ä w aÆ lhuei aw profe rontaw addi suad.): proÁ w taÁ oiÆ keiÄa lac. indic. Schwartz (qui e. g. th hë mv Ä n suppleri suad. Marcovich 7 kaiÁ M V P: kai 〈toi〉 Marcovich 9 kyeiÄ nyÄ n M P: kyeiÄn V 10 aÆ poreiÄ Nauck (Philol. 9 [1854], p. 371): aÆ poreiÄtai V P: aÆ poreiÄte M 11 vË del. Schwartz 13 kaiÁ 1 M V P: vëw Marcovich 13 ÃH Maran: eiÆ M V P 15 metago menoi Schwartz (cf. v. 18 et 13,22): metageno menoi M V P 19 oÏper oië Pm.rec., Otto, Harnack (p. 50) et al.: oÊ periÁ M V P1 20 post fy sevw 〈yëposta seiw 〉 addi suad. Schwartz (p. VIII), cf. v. 1 (p. 144). 235 Der Tod des vom Blitz getroffenen Asklepios ist bei den christlichen Apologeten beliebtes Beispiel für die Unannehmbarkeit eines sterblichen Gottes; vgl. Aristides, Apol. 10,5f; Iustinus, 1 Apol. 21; Athenagoras, Leg. 29; Theophilos, Ad Autol. 1,9; Minucius Felix, Oct. 22,7. 236 Gemeint ist Herakles; dass der Heros in einer Nacht die 50 Töchter des Thespios beschläft, entspricht einer Version der Sage, die auch Pausanias kennt (9,27,7); bei Ps.Apollodoros (Bibl. 2,4,10) schwängert Herakles die Jungfrauen in 50 aufeinanderfolgenden Nächten. 237 Der Sage nach ließ sich Herakles auf dem Berg Öta von Philoktetes lebendigen Leibes auf dem Scheiterhaufen verbrennen, um den entsetzlichen Qualen zu entgehen, die ihm das Nessoshemd bereitete.

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(3) Euer Asklepios ist tot,235 und derjenige, der sich zu Thespiae in einer Nacht über die fünfzig Jungfrauen hermachte,236 gab sich selbst dem Feuer zum Fraße und ging zugrunde.237 Der an den Kaukasus gekettete Prometheus erhielt seine Bestrafung um der Wohltat willen, die er den Menschen erwiesen hatte.238 Zeus ist eurer Ansicht nach missgünstig und schickt einen dunklen Traum, wenn er die Menschen verderben will.239 Daher betrachtet eure eigenen Denkwürdigkeiten240 und akzeptiert uns, wenn auch nur als Leute, die auf ähnliche Weise Geschichten erzählen. (4) Doch wir sind nicht töricht, ihr aber gebt törichtes Geschwätz von euch. Wenn ihr über Geburten von Göttern redet, dann werdet ihr sie auch für sterblich erklären müssen.241 Warum ist Hera denn jetzt nicht mehr schwanger? Ist sie zu alt oder hat sie niemanden, der es euch verraten könnte?242 (5) Lasst euch nun endlich von mir überzeugen, ihr griechischen Männer, und erklärt eure Geschichten und eure Götter doch nicht allegorisch! Denn selbst wenn ihr dies zu tun versucht, so ist eure Gottheit damit bereits beseitigt,243 nicht nur von uns, auch von euch selbst. Denn entweder sind eure Dämonen das, wofür man sie hält: von ihrer Art her schlecht; oder sie werden eher in die Richtung einer Naturkraft gedeutet und sind eben nicht das, wofür man sie gerade hält. Die elementare Materie zu verehren, dazu könnte man mich nicht überzeugen, noch könnte ich davon einen anderen überzeugen. (6) Und Metrodoros von Lampsakos244 redet in seinem Buch über Homer allzu naives Zeug daher, wenn er alles ins Allegorische wendet. Denn er sagt, dass weder Hera noch Athene noch Zeus das seien, wofür sie diejenigen hielten, die ihnen Tempel und heilige Haine weihten, sondern sie seien natürliche Elemente und grund238

Vgl. z.B. Hesiod, Op. 50ff; Theog. 565ff; Ps.-Apollodoros, Bibl. 1,7,1. Anspielung wohl auf Homer, Iliad. 2,1ff: Zeus sendet Agamemnon einen „täuschenden Traum“ (oyË lon oÍneiron ), um die Achaier zu vernichten. Zur Interpretation dieser Stelle vgl. ausführlich: S. Freund, Dichter, S. 109f. 240 Von „Denkwürdigkeiten“ spricht auch Iustinus in 1 Apol. 66,3; 67,3 sowie insgesamt 13 mal in Dial. 99ff und versteht darunter die Schriften der „Apostel“, d. h. in der Regel die neutestamentlichen Evangelien. 241 Seit Parmenides besteht in der Antike die verbreitete philosophische Grundüberzeugung, dass entstandene Wesen vergänglich sind, ewige aber weder Anfang noch Ende besitzen; vgl. Parmen. B 8,3.21; Platon, Phaidr. 245 d 3; Philon, De aetern. mundi 27; Lucretius 5,235–46; Cicero, nat. deor. 1,68 (si ortus est deorum, interitus sit necesse est); siehe bei den christlichen Apologeten besonders klar: Athenagoras, Leg. 19,1. 242 Vgl. ähnlichen Spott über die „unfruchtbar gewordene“ Hera bei Minucius, Oct. 21,11; vgl. auch Theophilos, Ad Autol. 2,3; Clemens, Protr. 37,3. 243 Dieselbe Argumentation ausführlich bei Athenagoras, Leg. 22. 244 Freund und Schüler Epikurs (330–277 v. Chr.). 239

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yë postaÂseiw kaiÁ stoixeiÂvn diakosmhÂseiw. (7) KaiÁ toÁ n ÏEktora deÁ kaiÁ toÁ n ÆAxilleÂa dhladhÁ kaiÁ toÁ n ÆAgame mnona kaiÁ paÂntaw aëpajaplv Ä w ÏEllhna w te kaiÁ barba royw syÁ n th Äì ëEle n hì kaiÁ tv Äì Pa ridi th Ä w ayÆth Ä w fy sevw yë pa rxontaw xa rin oiÆkonomiÂaw eÆ reiÄte pareish Ä xuai oyÆdenoÁ w oÍntow tv Ä n proeirhme nvn aÆnurvÂpvn. (8) TayÄ ta deÁ hë meiÄw proeteiÂnamen v Ï sper eÆ piÁ yëpoue sevw´ thÁ n gaÁ r hëmete ran periÁ toyÄ ueoyÄ kataÂlhcin oyÆdeÁ sygkriÂnein oÏ sion toiÄw eiÆ w yÏ lhn kaiÁ boÂrboron kylindoymeÂnoiw.

[22] (1) OiÎa ga r eÆstin yë mv Ä n kaiÁ taÁ didaÂgmata; TiÂw oyÆ k aà n xleyaÂseie taÁ w dhmoteleiÄw yë mv Ä n panhgyÂreiw, aiÊ profa sei ponhrv Ä n eÆ piteloyÂmenai daimo nvn eiÆw aÆ dojiÂan toyÁ w aÆnurvÂpoyw peritreÂpoysin; (2) EiËdo n tina polla kiw, kaiÁ iÆdvÁ n eÆuayÂmasa kaiÁ metaÁ toÁ uaymaÂsai katefro nhsa pv Ä w eÍ svuen meÂn eÆstin aÍ llow, eÍ jvuen deÁ oÏper oyÆ k eÍ sti ceyÂdetai, aëbryno menon sfoÂdra kaiÁ pantoiÂvw diaklvÂmenon, kaiÁ toyÄ to meÁn toiÄw oÆ fualmoiÄw marmaryÂssonta, toyÄ to deÁ kaiÁ tvÁ xeiÄre lygizo menon kaiÁ diaÁ phli nhw oÍ cevw daimonv Ä nta, kaiÁ poteÁ meÁn vëw ÆA frodiÂthn, poteÁ deÁ vë w ÆApo llvna gino menon´ (3) eÏna kathÂgoron pa ntvn tv Ä n uev Ä n, deisidaimoni aw eÆ pitomhÂn, dia bolon hërviÈkv Ä n pra jevn, fo nvn yë pokrith n, moixei aw yëpomnhmatisth n, uhsayroÁ n maniÂaw, kinaiÂdvn paideyth n, katadikazome nvn aÆ formhÂn, kaiÁ toÁ n toioyÄ ton yëpoÁ paÂntvn eÆpainoyÂmenon. (4) ÆEgvÁ deÁ ayÆ toÁ n parhthsa ì  mhn pa nta ceydo menon kaiÁ thÁ n aÆueo thta kaiÁ taÁ eÆpithdeyÂmata kaiÁ toÁn aÍ nurvpon. ëYmeiÄw deÁ yë poÁ toyÂtvn sylagvgeiÄsue kaiÁ toyÁ w mhÁ koinvnoyÄ ntaw yë mv Ä n taiÄw pragmateiÂaiw loidoreiÄte. (5) Kexhne nai pollv Ä n aÆìdoÂntvn oyÆ ueÂlv, kaiÁ t v Äì neyÂonti kaiÁ

4 eÆreiÄte pareishÄ xuai P M in mg: eÆn thÄ poih sei pareish xuhsan V 4 oyÆ denoÁ w M V P: mhdenoÁ w Wilamowitz (ob hiatum) 7 kaiÁ om. V 7 kylindome noiw V 9 panhgy reiw yëmvn P 9–10 daimo nvn eÆpiteloy menai P 13 〈toÁ n〉 aëbryno menon Schwartz 14 kaiÁ 1 om. P, del. Marcovich 14 kaiÁ 2 om. V 15 kaiÁ del. Wilamowitz 15 deÁ om. P 18 uhsayroÁ n mani aw V (et coni. Pearson): uhsayromani aw M P 20 deÁ M V P: meÁ n Marcovich 20 post ceydo menon addi suadet bdelytto menow Schwartz 21 toy tvn M V P: toy toy Marcovich 245

Über die allegorische Deutung der homerischen Dichtung durch Metrodoros vgl. Diogenes Laertios (2,11) und Hesychos (Diels-Kranz 61 A3); Philodem (ibid. 61 A4) führt aus, dass in der Ilias Agamemnon für den Aether, Achill für die Sonne, Helena für die Erde, Alexandros für die Luft und Hektor für den Mond stehe. 246 Vgl. die ähnliche Kritik an den unsittlichen und idolatrischen Volksfesten (panhgy reiw ) bei Ps.-Iustinus, orat. 4,1. 247 Zum Theaterspiel als unerlaubte „Täuschung“, „Heuchelei“ und „Verfälschung“, welches Gott, dem „Urheber der Wahrheit“ (auctor veritatis), niemals gefallen könne, vgl. Tertullian, spect. 23,5f.

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legende Ordnungen. (7) Sowohl Hektor als auch natürlich Achilles, Agamemnon und überhaupt alle Griechen und Barbaren mitsamt Helena und Paris seien von derselben Natur, werdet ihr sagen, und tauchten aus Kompositionsgründen in der Dichtung auf, keiner sei einer der erwähnten Menschen gewesen.245 (8) Dieses aber haben wir gleichsam in prinzipieller Hinsicht vorgebracht; denn es wäre blasphemisch, unsere Vorstellung von Gott mit denjenigen Gestalten, die sich in Materie und Schmutz wälzen, auch nur zu vergleichen. [22] (1) Von welcher Art sind denn auch eure Theateraufführungen? Wer verspottet wohl nicht eure öffentlichen Volksfeste,246 welche äußerlich zur Ehre böser Dämonen gefeiert werden und dabei die Menschen der Schande und Verachtung preisgeben? (2) Ich sah häufig manch einen, den ich beim Zusehen bestaunte und nach dem Staunen verachtete, nämlich die Art und Weise, innerlich ein anderer zu sein, äußerlich aber, was nicht ist, vorzutäuschen;247 gewaltig angeberisch und auf jede Art weibisch, mal mit den Augen klimpernd, mal die Hände verbiegend und mit dem tönernen Maskengesicht sich verrückt aufführend, manchmal als Aphrodite,248 manchmal als Apollon sich gebärdend; (3) ein einziger Ankläger aller Götter, eine Zusammenfassung abergläubischer Götterverehrung,249 ein Verleumder heroischer Taten, ein Darsteller von Mord und Totschlag, ein Mahner zum Ehebruch, eine Schatzkammer des Wahnsinns, ein Lehrer von Lüstlingen, eine Hilfe für Kriminelle,250 und einem solchen Mann spenden alle Beifall! (4) Ich aber wies ihn, der alles vorgaukelt zurück: seine Gottlosigkeit, seine Taten und den Menschen. Ihr dagegen lasst euch von diesen Personen gefangen nehmen und lästert über die, die an eurem Treiben nicht teilnehmen. (5) Ich will nicht mit aufgerissenem Mund mit der Menge mitsingen, und ich will mich nicht mitreißen lassen, wenn sich jemand

248 Dass das Theater als „ein Heiligtum der Venus“ (sacrarium Veneris) fungiere, d. h. Laszivität auf der Bühne an der Tagesordnung sei, ist auch die Ansicht und Kritik Tertullians; siehe spect. 10,3f u. ö. 249 Vgl. Tertullian, spect. 10,12: Immo quod ad artes pertinet, altius praescripsisse debemus, daemonas ab initio prospicientes sibi inter cetera idololatriae etiam spectaculorum inquinamenta, quibus hominem a domino avocarent et suo honori obligarent, eiusmodi quoque artium ingenia inspirasse. 250 Tertullian (spect. 27,1) beklagt, dass von den Theateraufführungen für diejenigen Zuschauer, die zwischen dargebotener Fiktion und eigener Realität nicht genügend unterscheiden können, in Bezug auf kriminelle Handlungen Anreize und „Versuchungen“ (temptationes) ausgehen.

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kinoyme nvì paraÁ fy sin oyÆ boyÂlomai syndiatiÂuesuai. (6) Ti uaymastoÁn oyÆ par’ yëmiÄn eÆ jhyrhme non diapra ttetai; ëRinayloyÄ si meÁ n gaÁr kaiÁ laloyÄ si taÁ aiÆsxra , kinoyÄ ntai deÁ kinh seiw aÊw oyÆ k eÆxrh Ä n, kaiÁ toyÁ w oÏ pvw deiÄ moixeyÂein eÆ piÁ th Ä w skhnh Ä w sofisteyÂontaw aië uygateÂrew yëmv Ä n kaiÁ oië paiÄdew uevroyÄ si. (7) KalaÁ par’ yë miÄn taÁ aÆkroath ria, khryÂttonta pa nu’ aÏper eÆn nyktiÁ moxuhrv Ä w pragmateyÂetai kaiÁ te rponta toyÁ w aÆkroataÁ w aiÆsxrv Ä n lo gvn eÆkfvnh masin. KaloiÁ de eiÆ siÁ n yëmv Ä n kaiÁ oië poihtaiÂ, ceydoloÂgoi kaiÁ diaÁ sxhma tvn eÆ japatv Ä ntew toyÁ w aÆkrovmeÂnoyw.

[23] (1) EiËdon aÆnurvÂpoyw yë poÁ th Ä w svmaskiÂaw bebarhmeÂnoyw kaiÁ fortiÂon tv Ä n eÆ n ayëtoiÄw krev Ä n perife rontaw, oiÎw eÍ paula kaiÁ steÂfanoi pro keintai, prokaloyme nvn ayÆtoyÁ w tv Ä n aÆgvnouetv Ä n oyÆ k eÆp’ aÆndragaui a, ì yÏbrevw deÁ kaiÁ sta sevw filoneikiÂa, ì kaiÁ toÁ n ma Ä llon plh kthn stefanoyÂmenon. (2) KaiÁ tayÄ ta meÂn eÆ sti tv Ä n kakv Ä n taÁ eÆla ttona´ taÁ deÁ meiÂzona tiÂw oyÆ k aà n eÆjeipeiÄn oÆ knh seien; ÆA rgiÂan tineÁ w eÆ panhrhme ì  noi diaÁ thÁ n aÆsvtiÂan eë aytoyÁw eiÆw toÁ foneyuh Ä nai pipra skoysin´ kaiÁ pvleiÄ meÁn eëaytoÁ n oë peinv Ä n, oë deÁ ploytv Ä n vÆ neiÄtai toyÁ w foney sontaw. (3) KaiÁ toyÂtoiw oië martyroyÄ ntew kauiÂzontai, monomaxoyÄ si te oië pykteyÂontew periÁ oyÆdeno w, kaiÁ oë bohuh svn oyÆ ka teisin. (4) ËAra ge taÁ toiayÄ ta yë f’ yë mv Ä n kalv Ä w eÆ piteleiÄtai; ToÁ meÁ n gaÁr strato pedon tv Ä n miaifonoyÂntvn oë proyÍ xvn eÆ n yëmiÄn synageiÂrei l hstotrofei ì Än eÆpaggelloÂmenow, oië deÁ l hstey ì  ontew aÆ p’ ayÆtoyÄ proiÉasin, kaiÁ pa ntew eÆpiÁ thÁ n ueÂan sy nite kritaiÁ ginoÂmenoi toyÄto meÁ n ponhriÂaw

3 laloyÄ si M V: ayÆ loyÄ si P 7 eÆkfvnh mata V 7 yëmv Ä n eiÆ siÁ V 11 ayÆ toiÄw M V P: corr. Schwartz 11 perife rontaw M V: eÆpife rontaw P 13 post aÆndragaui aì lac. indic. Schwartz 13 deÁ om. P 13 kaiÁ sta sevw seclusit ut glossema Marcovich 14 stefanoyme nvn Kukula (p. 30) 17 peinv Ä n M V: ponv Ä n P 17 toyÁ w M V: toy toyw P 18–19 KaiÁ toy toiw – oyÆ ka teisi in v. 14 (post stefanoy menon ) transtulit Puech (p. 138), prob. Marcovich 19 te M V P: deÁ Marcovich 23 sy nite Wilamowitz: syni ete M V P: syni 〈z〉ete Ponschab (p. 17) 251 Die erotisch-anzüglichen Bewegungen der Schauspieler im Theater, deren zur Schau gestellte „Weichheit in der Gestik und im Biegen des Körpers“ (de gestu et corporis flexu mollitiam) tadelt auch Tertullian heftig; vgl. spect. 10,8. 252 Zu rëinayloyÄ sin vgl. in der Sache Clemens, paid. 3,29,2f: „Jene Weiber aber haben Freude an dem Verkehr mit verweichlichten Männern; und zu ihnen hinein strömen Scharen von Verehrern der widernatürlichen Unzucht (ki naidoi ) mit schamlosen Reden; schmutzig ist ihr Körper, schmutzig sind ihre Worte, nur zu schamlosen Diensten sind sie männlich genug; Gehilfen sind sie beim Ehebruch; sie kichern und

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wider die Natur hin und her biegt.251 (6) Welchen Klamauk habt ihr euch nicht ausgedacht, um ihn nun aufzuführen? Denn sie geben Geräusche mit der Nase von sich252 und schwatzen unanständiges Zeug, vollführen Bewegungen, die sich nicht gehören, und denjenigen, die auf der Bühne die Kunst des Ehebruchs vermitteln, schauen eure Töchter und Söhne zu.253 (7) Schöne Hörsäle gibt es bei euch, in denen alles verkündet wird, was nachts in lasterhafter Weise getrieben wird, und in denen die Zuhörer durch das Ausrufen unanständiger Redensarten erheitert werden! Schöne Dichter habt ihr auch, die Lügengeschichten erfinden und durch Phantasiegebilde die Zuhörer in die Irre führen! [23] (1) Ich sah Menschen, die als schwergewichtige Athleten eine Masse an Fleisch mit sich herumtrugen. Für sie waren Kampfpreise und Siegeskränze ausgesetzt. Die Kampfrichter feuerten sie an, nicht zur Mannhaftigkeit, sondern zu Mutwillen, Streit und Ruhmgier; und ich sah, wie der eifrigere Schläger bekränzt wurde. (2) Und dies sind noch die geringeren Übel: Wer zögerte wohl nicht, die schlimmeren Dinge auszusprechen? Es gibt Leute, die sich um der Schwelgerei willen der Trägheit hingeben und sich selbst zur Abschlachtung verkaufen. Der Hungernde verkauft sich selbst, der Reiche kauft die Mörder. (3) Und die Zeugen hierfür sitzen dabei, die Faustkämpfer kämpfen als Gladiatoren für nichts, und keiner steigt hinunter, um zu helfen.254 (4) Werden hier sittlich gute Taten eurerseits ausgeübt? Denn der Mächtige unter euch zieht das Heer der Mörder zusammen, gibt bekannt, dass er eine Bande von Räubern halte, die Räuber aber werden von ihm losgelassen; und alle kommt ihr zu dem Schauspiel zusammen und werdet zu Richtern, bald über die Untauglich-

zischeln und lassen beim Atmen durch die Nase schamlose zur Unzucht reizende Laute ertönen; mit unzüchtigen Reden und Gebärden suchen sie zu ergötzen und reizen dadurch zum Lachen, dem Vorläufer der Unzucht. (3) Und manchmal, wenn sie von irgendeinem Zorn gerade erhitzt sind, bringen sie, die entweder selbst Hurer sind oder auch der Schar der Kinäden zu ihrem Verderben nacheifern, auch wie die Frösche mit der Nase laute Geräusche hervor, gerade als ob sie die Leidenschaft in den Nasenlöchern sitzen hätten.“ (Übs. O. Stählin, BKV 2,7) 253 Derselbe Hinweis auf die jugendgefährdende Wirkung des Theaters bei Tertullian, spect. 21,2: ... ut et qui filiae virginis ab omni spurco verbo aures tuetur, ipse eam in theatrum ad illas voces gesticulationesque deducat. 254 Der Satz („Und die Zeugen ... helfen.“) wird von Puech und Marcovich vorgezogen. Doch besteht kein Grund, an der handschriftlichen Überlieferung zu zweifeln. Insbesondere durch ka teisi wird deutlich, dass es sich um einen Kampf in der Arena handelt, in die man „hinabsteigen“ müsste, wenn man helfend einschreiten wollte. Das Verbum monomaxe v bedeutet hier im speziellen Sinne „als Galdiator kämpfen“, wie durch monomaxoy ntvn (23,4) und monoma xoyw (23,5) bestätigt wird.

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aÆgvnoueÂtoy, toyÄ to deÁ kaiÁ ayÆ tv Ä n tv Ä n monomaxoyÂntvn. ëO deÁ t v Äì foÂn vì mhÁ perityxvÁ n lypeiÄtai, dioÂti mhÁ katekri uh ponhrv Ä n kaiÁ miarv Ä n eÍrgvn ueathÁ w gene suai. (5) UyÂete zv Äìa diaÁ thÁ n krevfagiÂan, kaiÁ aÆ nurvÂpoyw vÆ neiÄsue t h Äì cyx h Äì [diaÁ] thÁ n aÆnurvpofagiÂan parexo menoi, treÂfontew ayÆ thÁ n aiëmatekxysiÂaiw aÆ uevta taiw. ëO meÁ n oyËn l hstey ì  vn foneyÂei xa rin toyÄ labeiÄn, oë deÁ ploytv Ä n monomaÂxoyw vÆneiÄtai xa rin toyÄ foneyÄ sai.

[24] (1) Ti moi symba lletai proÁ w vÆ feÂleian oë kataÁ toÁ n EyÆripiÂdhn maino menow kaiÁ thÁ n ÆAlkmaiÂvnow mhtroktoniÂan aÆ pagge llvn, v Îì mhdeÁ toÁ oiÆkeiÄon pro sesti sxh Ä ma, keÂxhnen deÁ meÂga kaiÁ jiÂfow perifeÂrei kaiÁ kekragvÁ w piÂmpratai kaiÁ foreiÄ stolhÁ n aÆpa nurvpon; (2) ÆErreÂtv kaiÁ taÁ ëHghsiÂoy myuologh mata kaiÁ MeÂnandrow, th Ä w eÆkeiÂnoy glv tthw oë stixopoio w. (3) Ti moi kaiÁ teuhpe nai toÁ n myuikoÁ n ayÆlhth n; Ti de moi kaiÁ kataÁ ÆAristoÂjenon toÁ n UhbaiÄon ÆAntigeniÂdhn polypragmoneiÄn; ParaxvroyÄ men yë miÄn taÁ mhÁ vÆ feÂlima´ kaiÁ yëmeiÄw hà peiÂsuhte toiÄw do gmasin hëmv Än hà kataÁ toÁ oÏmoion tv Ä n yëmete rvn hëmiÄn eÆ kxvrh sate.

2 ponhrvÄ n M P: ponhrvÄ n kaiÁ aÆue vn V 4 diaÁ del. Fr. Morellus et al. edd. 5 aië matoxysi aiw V 10 deÁ Wilamowitz: te M V P 11 foreiÄ Schwartz: fore ei M V P 12 hëghsi oy M V: hë ghsila oy P 13 myuikoÁ n M V P: PyuikoÁ n Wilamowitz 15 hëmv Ä n V P2: yë mv Ä n M P1 255

Ob Tatian hier den Fleischgenuss insgesamt zu missbilligen scheint, ist aus der knappen Bemerkung nicht eindeutig herauszulesen. Allzu spekulativ erscheint daher Kukula (cf. Anm. 199 ad loc.), wenn er einen Hinweis erkennt, dass der Autor sich zur Zeit der Abfassung der Schrift bereits im Umfeld asketisch-enkratitischen Gedankengutes, d. h. in Mesopotamien befindet. – Von der Fleischabstinenz des Tatian weiß allerdings auch Tertullian (De ieiunio 15), ebenso Hieronymus, Ad Iovinianum 1,3: Nec Tatiani principis Encratitarum errore decepti, omnemcoitum spurcum putamus; qui non solum nuptias, sed cibos quoque quos deus creavit ad utendum damnat, et reprobat. Cf. auch Augustinus, De haeresibus 25: Tatiani a Tatiano quodam instituti, qui et Encratitae appellati sunt, ... non vescuntur carnibus, easque omnino abominantur. ... Epiphanius Tatianos et Encratitas ita discernit ut Encratitas Tatiani schismaticos dicat. 256 Dass Gladiatorenspiele nichts anderes als organisiertes Morden seien, ist eine Auffassung, bei der sich die stoische und christliche Ethik – wie so häufig – die Hand reichen. Cf. Seneca, ep. 7,3: spectacula ... nunc omissis nugis mera homicidia sunt; Athenag. Leg. 35,1; Theoph. Ad Autol. 3,15; Min. Fel. Oct. 30,6; 37,11; Tert. spect. 19.21; Lact. Div. inst. 6,20,10. 257 Gemeint ist Alkmaion, der nach seinem Muttermord von einer Erinys verfolgt wurde und dem Wahnsinn verfiel. Cf. Ps.-Apollodor (Bibl. 3,7,7,2) über die mani a des

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keit eines Kampfrichters, bald über die auch der Gladiatoren selbst. Wer den Mord gerade nicht mitbekam, der ist betrübt, weil er nicht dazu verurteilt wurde, Zuschauer von verbrecherischen und frevelhaften Taten zu werden. (5) Ihr schlachtet Tiere um des Fleischfressens willen,255 und Menschen kauft ihr, um der Seele Menschenfraß zu bieten und sie mit äußerst gottlosem Blutvergießen zu nähren. Der Räuber mordet jedenfalls, um zu rauben, der Reiche aber kauft Gladiatoren, um zu morden.256 [24] (1) Was nutzt und welchen Beitrag liefert mir der rasende Schauspieler bei Euripides257 sowie derjenige, der den Muttermord des Alkmaion verkündet,258 der eine unnatürliche Haltung einnimmt, den Mund weit aufreißt, mit dem Schwert herumwirbelt, sich kreischend in Wallung bringt und ein für einen Menschen unmögliches Gewand trägt? (2) Fort auch mit den Fabeln eines Hegesias259 und mit Menander, dem Versemacher, der dieselbe Sprache wie jener spricht. (3) Was soll ich auch den mythischen Flötisten260 bestaunen? Was soll ich auch wie Aristoxenos261 vielerlei Erkundigungen über den Thebaner Antigenides262 anstellen? Wir überlassen euch diese unnützen Dinge; und ihr, lasst euch entweder von unseren Lehren überzeugen oder geht uns, wie wir es mit euren Lehren tun, aus dem Wege.

Protagonisten in der euripideischen Version der Sage: EyÆ ripi dhw de fhsin ’Alkmai vna kataÁ toÁ n th Ä w mani aw xro non eÆ k MantoyÄ w Teiresi oy paiÄdaw dy o gennhÄ sai ... 258

Angespielt wird auf das delphische Orakel, durch das Apollon den Muttermord des Alkmaion – als dessen Rache für den Tod des Vaters – weissagen lässt. In Frage kommen die beiden verlorenen Dramen „Alkmaion in Korinth“ (nach 406) und „Alkmaion in Psophis“ (438). 259 Gegen Kukula, der ëHghsi ppoy konjizieren will; mit M und V ist zweilfesfrei ëHghsi oy zu lesen, cf. FGrH 142, Test. 9 Jacoby; Gellius, Noct. Att. 9,4,3: Erant autem isti omnes libri Graeci miraculorum fabularumque pleni, res inauditae, incredulae, scriptores veteres non parvae auctoritatis: Aristeas Proconnesius et Isigonus Nicaeensis et Ctesias et Onesicritus et Polystephanus et Hegesias. 260 Wilamowitz’ Konjektur (PyuikoÁ n) ist, wie schon Kukula bemerkt, unnötig. – Gemeint ist Marsyas (siehe oben Kap. 1), der sich der Sage nach im musikalischen Wettstreit mit Apollon duellierte. Letzterer gewann, weil er auch auf der umgedrehten Lyra spielen und gleichzeitig dazu singen konnte, was dem Marsyas mit seinem Instrument nicht möglich war. Der Gott bestrafte seinen Rivalen grausam, indem er ihn an einen Baum hängte und bei lebendigem Leibe die Haut abzog. 261 Aristoxenos von Tarent (ca. 370–300 v. Chr.), peripatetischer Philosoph und Musiktheoretiker; verfasste eine Schrift PeriÁ ayÆ lhtv Ä n. 262 Bewunderter Flötenspieler des 4. Jahrhunderts; berühmt für seine Sorgfalt bei der Herstellung der Instrumente. Vgl. zu seiner Kunst Plutarch, De virtute Alexandri or. 2,4.

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[25] (1) Ti me ga kaiÁ uaymastoÁ n oië par’ yë miÄn eÆ rga zontai filo sofoi; UateÂroy gaÁ r tv Än v Í mvn eÆjameloyÄ si koÂmhn eÆ pieime noi pollh n, pvgvnotrofoyÄ sin oÍnyxaw uhriÂvn perife rontew kaiÁ leÂgontew meÁ n deiÄsuai mhdeno w, kataÁ deÁ toÁ n Prvte a skytode coy meÁ n xr hÂìzontew diaÁ thÁ n phÂran, yë fa ntoy deÁ diaÁ toÁ ië ma tion kaiÁ diaÁ toÁ jyÂlon dryoto moy, diaÁ deÁ thÁ n gastrimargiÂan tv Ä n ploytoyÂntvn kaiÁ oÆ copoioyÄ . (2) ëO zhlv Ä n, aÍnurvpe, toÁ n kyÂna, toÁ n ueoÁ n oyÆ k oiËdaw kaiÁ eÆpiÁ thÁ n aÆloÂgvn miÂmhsin metabe bhkaw´ oë deÁ kekragvÁ w dhmosiÂaì met’ aÆjiopistiÂaw eÍ kdikow giÂn hì saytoyÄ , kaà n mhÁ la bhw, ì loidoreiÄw, kaiÁ giÂnetai soi teÂxnh toyÄ poriÂzein toÁ filosofeiÄn. (3) ToiÄw Pla tvnow eÏ p hì do gmasi, kaiÁ oë kat’ ÆEpiÂkoyron sofistey vn diapry siow aÆnuiÂstatai soi´ pa lin te eiËnai ueÂleiw kataÁ toÁ n ÆA ristoteÂlh, kai tiw kataÁ toÁ n DhmoÂkriton loidoreiÄtai soi. Pyuago raw EyÍ forbow gegone nai fhsiÁ kaiÁ toyÄ FerekyÂdoyw doÂgmatow klhrono mow eÆ stiÂn´ oë deÁ ÆAristote lhw th Ä w cyxh Ä w diaba llei thÁ n aÆuanasiÂan. (4) StasivÂdeiw deÁ eÍxontew tv Ä n dogma tvn taÁ w diadoxaÁ w aÆsyÂmfvnoi proÁ w toyÁw symfvÂnoyw eë aytoiÄw diama xesue. Sv Ä ma tiw eiËnai le gei toÁ n teÂleion ueoÂn, eÆ gvÁ deÁ aÆ sv maton´ aÍlyton eiËnai toÁ n koÂsmon, eÆ gvÁ deÁ lyo menon´ eÆ kpyÂrvsin aÆpo-

2 post ko mhn add. te Schwartz 3 oÍnyxaw uhri vn perife rontew in v. 2 (post eÆjameloyÄ si ) transtulit Marcovich 4 xr hÂìzontew M V P: xr hÂìzoysi Marcovich 6 oë M V P1: vË P2 7 aÆlo gvn Maran: aÍ logon M V P 12 pa lin te eiËnai M V P: politey esuai Schwartz 12 aÆristote lh M (cf. 2, Z. 19): aÆristote lhn P Vin ras. 13 toÁ n om. V 14 gegone nai M V: gegenhÄ suai P 14 fhsiÁ kaiÁ ... oë deÁ ’Aristote lhw P. Wesseling (Probabilium liber singul., p. 99): fhsiÁ n, oë deÁ aÆristote lhw toyÄ fereky doyw do gmatow klhrono mow eÆ sti´ kaiÁ th Ä w cyxhÄ w M V P 14 fereky doy P2 17 le goi M 263 Cf. Cyprian (De bono patientiae 2), der den Philosophen mangelnde Demut vorwirft sowie deren „unverschämte Prahlerei mit ihrer entblößten, halbnackten Brust“ (exerti ac seminudi pectoris inverecunda iactantia). 264 Das Vorziehen der Worte oÍnyxaw uhri vn perife rontew (hinter eÆjameloyÄ si ) durch Marcovich ist unnötig und zerstört die schöne Pointe, dass die Philosophen zwar die Schulter entblößen, dafür aber ihr langes Haar als „Kleidung“ haben. 265 Gemeint ist der kynische Philosoph Peregrinus Proteus (geb. um 100 n. Chr. in Parion in Mysien; gest. 165 in Olympia). In der antiken Literatur ist er wegen seiner angeblichen Wankelmütigkeit und Selbstinszenierung umstritten. Aufsehen erregte sein in aller Öffentlichkeit vollzogener Feuertod bei den Olympischen Spielen, der ihm auf der einen Seite – in Fortführung der kynischen Tradition des Suizides – als ehrenvoll, andererseits als ruhmsüchtig ausgelegt wird. Zu seiner Person cf. insbes. die Schrift Lukians PeriÁ thÄ w Peregri noy teleythÄ w; dazu: Lukian, Der Tod des Peregrinos. Ein Scharlatan auf dem Scheiterhaufen. Hrsg., übers. und mit Beiträgen versehen von P. Pilhofer, M. Baumbach, J. Gerlach, D.U. Hansen, Darmstadt 2005. 266 Anspielung auf die in der Antike häufig von ky vn (Hund) hergeleitete philosophische Richtung des Kynismus (= „Hundigkeit“ im Sinne von „Bissigkeit“).

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[25] (1) Was tun die Philosophen bei euch schon Bedeutendes und Bewundernswertes? Denn in nachlässiger Weise lassen sie eine der beiden Schultern nackt,263 haben sich jedoch in viel Haupthaar gehüllt,264 sie lassen ihre Bärte wachsen und laufen mit Krallen wie wilde Tiere umher. Sie sagen, sie bedürften keines Menschen, verlangen aber wie Proteus265 nach einem Gerber wegen ihres Ranzens, nach einem Weber wegen ihres Mantels, und wegen ihres Stockes nach einem Holzfäller, wegen ihrer Völlerei aber nach den Begüterten und nach einem Koch. (2) Mensch, der du dem Hund266 nacheiferst: du kennst Gott nicht und bist zur Nachahmung vernunftloser Lebewesen übergegangen; du aber, der du in der Öffentlichkeit herumschreist,267 wirst hinsichtlich deiner Glaubwürdigkeit zum Richter über dich selbst, und wenn du nichts erhältst, schimpfst du, und das Philosophieren wird dir zum Erwerbsgeschäft.268 (3) Du schließt dich den Lehren Platons an, und der Vertreter der Lehre Epikurs stellt sich dir lauthals entgegen; dann wieder willst du auf des Aristoteles Seite stehen, und irgendein Anhänger der Lehre Demokrits beschimpft dich. Pythagoras sagt, er sei Euphorbos gewesen269 und übernimmt die Lehre des Pherekydes;270 Aristoteles aber verwirft die Unsterblichkeit der Seele. (4) Die Lehren, die ihr übernommen habt, widersprechen sich, und so kämpft ihr in eurer Uneinigkeit gegen die, die sich untereinander einig sind. Irgendeiner sagt, der vollkommene Gott sei ein Körper;271 ich aber sage, dass er unkörperlich sei. Es wird gesagt, der Kosmos sei unauflöslich;272 ich aber sage, er werde aufgelöst. Von Zeit zu 267 Aufnahme eines beliebten „Wandermotivs“ in der antiken Literatur, wonach die Kyniker die Menschen öffentlich „wie Hunde“ angefallen und ihnen ihre Lehre lautstark, rücksichtslos, z.T. in schamverletzender Weise aufgedrängt hätten; cf. bes. Diog. Laert. 3f. 268 Zur Behauptung, dass auch die Kyniker sich der Begierde hingaben, cf. Augustinus, De civitate dei 14,20. 269 In der homerischen Ilias ist Euphorbos, der Sohn des Panthoos und der Phrontis, einer der tapfersten Helden, der auf der Seite der Trojaner kämpfte. Einer späteren Legende zufolge war Pythagoras eine Reinkarnation von Euphorbos. Er soll imstande gewesen sein, sich an seine früheren Inkarnationen zu erinnern. So erkannte er den Schild des Euphorbos, der in Argos im Tempel der Hera als Beutestück aufbewahrt wurde, als den seinigen. Cf. Diog. Laert. 8,4; Porphyr. Vita Pythagorae 45; Hippol. Refut. 1,2,11; 1,3,3; Tertull. De anima 28,3. 270 Pherekydes von Syros (geb. zwischen 584 und 581 v. Chr. [in der 49. Olympiade]; griechischer Mythograph und Kosmologe) ist der früheste namentlich bekannte Philosoph der Antike, der die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, und zwar in Form einer Seelenwanderungslehre, vertrat. 271 Anspielung auf den stoischen Materialismus. Cf. das Scholion des Arethaskodex in der Abschrift P: tv Ä n StviÈkv Ä n ayÏ th hë do ja. 272 Cf. bes. Aristoteles, De caelo A 3, 270 a 13f.

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baiÂnein kataÁ kairoyÂw, eÆgvÁ deÁ eiÆ sa paj´ kritaÁw eiËnai MiÂnv kaiÁ ëRada manuyn, eÆ gvÁ deÁ ayÆtoÁ n toÁ n ueoÂn´ aÆ pauanatiÂzesuai mo nhn thÁ n cyxhÂn, eÆ gvÁ deÁ kaiÁ toÁ syÁ n ayÆth Äì sarkiÂon. (5) Ti blaÂptomen yë ma Ä w, v Ë aÍndrew ÏEllhnew; Ti deÁ toyÁ w loÂg vì ueoyÄ katakoloyuoyÄ ntaw kaua per miarvta toyw memish kate; Par’ hëmiÄn oyÆk eÍstin aÆnurvpofagiÂa (ceydoma rtyrew oië pepaideymeÂnoi gego nate), par’ yë miÄn deÁ Pe loc deiÄpnon tv Ä n uev Ä n giÂnetai kaà n Poseidv Ä now eÆrvÂmenow, kaiÁ Kro now toyÁ w yië oyÁ w aÆ naliÂskei, kaiÁ oë ZeyÁ w thÁ n Mh Ä tin katapiÂnei.

[26] (1) PayÂsasue loÂgoyw aÆ llotriÂoyw uriambeyÂontew kaiÁ v Ï sper oë koloioÁ w oyÆk iÆdiÂoiw eÆ pikosmoyÂmenoi pteroiÄw. ëEkaÂsth po liw eÆ aÁ n aÆ fe lhtai thÁ n iÆdiÂan ayÆth Ä w aÆf’ yë mv Ä n leÂjin, eÆ jadynath soysin yëmiÄn taÁ sofiÂsmata. (2) ZhtoyÄ ntew tiÂw oë ueoÂw, tiÂna taÁ eÆn yëmiÄn, aÆ gnoeiÄte´ kexhno tew deÁ eiÆw toÁ n oyÆranoÁ n kataÁ bara urvn piÂptete. LabyriÂnuoiw eÆ oiÂkasin yëmv Ä n tv Än bibli vn aië aÆpoue seiw, oië deÁ aÆnaginv skontew tv Äì pi uvì tv Ä n DanaiÉdvn. (3) Ti moi meriÂzete toÁ n xroÂnon, le gontew toÁ meÂn ti eiËnai parvxhko ì Áw ayÆtoyÄ , toÁ deÁ eÆnestv w, toÁ deÁ me llon; Pv Ä w gaÁ r dyÂnatai parelueiÄn oë 1 eiÆsa paj M P: aÏ paj V 4 vË eiecit Schwartz 5 post hëmiÄn 〈meÁ n〉 add. Marcovich 7 tv Ä n uev Ä n deiÄpnon V 7 kaà n Schwartz: kaiÁ M V P 12 thÁ n iÆ di an ayÆ th Ä w aÆ f’ yë mv Än M P: aÆfymv Ä n thÁ n iÆ di an V 13 hë miÄn Pm. rec. 15 aÆ poue seiw Marcovich: aÆ naue seiw M V P (cf. v. 15 aÆnaginv skontew ) 17 eÆnesto w Worth 273

Gemeint ist das Dogma der Abfolge von eÆkpy rvsiw und paligge nesiw in der stoischen Kosmologie. 274 Minos, Rhadamanthys und Sarpedon: Im kretischen Sagenkreis die drei Söhne von Zeus und Europa. Cf. supra cap. 6. 275 Die biblische Auferstehung des Fleisches wird mit der Lehre Platons von der aÆ uanasi a th Ä w cyxhÄ w kontrastiert. 276 Der Vorwurf der sog. Thyesteischen Mahlzeiten (cf. aÆnurvpofagi a) seitens der Christen ist in der apologetischen Literatur breit belegt: Iustinus, 1 Apol. 26,7; 2 Apol. 12,2; Dial. 10,1; Athenagoras, Leg. 3,1; 31,1; 34,2; 35,1; 36,1; Eusebius, hist. eccl. 5,1,14.52 (= ep. eccl. Lugd. et Vienn.); Theophilos, Ad Autol. 3,4.8.15; Tertullianus, Apol. 4,11; 7,1–8,9; Ad nat. 1,2,8; 1,7,10ff; 1,15,6ff; Minucius Felix, Oct. 9,5; 28,1–6; 30,1; Origenes, C. Cels. 6,27.40. 277 Pelops ist in der griechischen Mythologie der Sohn des phrygischen Königs Tantalos, Bruder der Niobe und des Broteas. Um die Allwissenheit der Götter auf die Probe zu stellen, setzte Tantalos ihnen seinen Sohn – in Stücke geschnitten – als Mahlzeit vor. Die Götter bemerkten die Freveltat, woraufhin Tantalos in den Hades verbannt und mit den sprichwörtlichen Tantalusqualen versehen wurde. Cf. Pindaros, Ol. 1,45ff; Hyginus, Fab. 83 u. ö.

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Zeit ereigne sich ein Weltenbrand, wird behauptet;273 ich aber sage, dies werde nur einmal geschehen. Man spricht von Minos und Rhadamanthys als Richter;274 ich dagegen sage, dieser sei Gott selbst. Gegen die Behauptung, die Seele allein werde Unsterblichkeit erlangen, sage ich, auch der mit ihr verbundene Leib.275 (5) In welcher Hinsicht schaden wir euch, ihr griechischen Männer? Warum seid ihr voller Hass auf die, die Gottes Wort gehorchen, als ob wir die frevelhaftesten Menschen wären? Bei uns gibt es keinen Kannibalismus276 (falsche Zeugen seid ihr Gebildeten); bei euch aber wird Pelops zum Fraß der Götter,277 auch wenn er der Liebling des Poseidon war, und Kronos vertilgt seine Söhne,278 und Zeus verschlingt die Metis.279 [26] (1) Hört auf, den Fremdworten zum Triumph zu verhelfen und euch wie die Dohle mit fremden Federn zu schmücken.280 Wenn jede Stadt ihre eigenen Ausdrücke euch wieder entzöge, würden euch eure Sophismen unmöglich gemacht. (2) Ihr sucht zu ergründen, wer Gott sei, und wisst nicht, was euer eigenes Wesen ist. Ihr gafft in den Himmel und fallt in Abgründe.281 Eure Bibliotheken282 gleichen Labyrinthen, die Leser aber dem Fass der Danaiden.283 (3) Was zerteilt ihr mir die Zeit, indem ihr sagt, dass das eine ihre Vergangenheit sei, das andere ihre Gegenwart, das dritte ihre Zukunft?284 Denn wie kann die Zukunft Vergangenheit werden, wenn 278

Nach Hesiod (Theog. 446ff) fraß Kronos alle seine aus der Verbindung mit seiner Schwester Rhea hervorgegangenen Kinder: Hestia, Demeter, Hera, Hades, Poseidon (die sog. Kroniden). Lediglich Zeus, der jüngste Sohn, entkam und konnte später seinen Vater unter Gewaltanwendung dazu bringen, die verschlungenen Kinder wieder auszuspeien. Cf. Platon, Eutyphr. 6 a 1; Lactantius, Div. inst. 1,13,2. 279 Zeus zeugte mit Metis die Athene, fraß seine schwangere Geliebte jedoch auf, nachdem ein Orakel ihm geweissagt hatte, eine Tochter der Metis werde ihm gleichrangig sein, ein Sohn werde ihn stürzen. Cf. Hesiod, Theog. 881ff et al. 280 Cf. Aesop, fab. 103; Phaedrus, fab. 1,3. 281 Anspielung auf die in der Antike bekannte Anekdote, nach der Thales die Sterne am Himmel beobachtete und dabei in einen Brunnen fiel. Eine witzige Thrakerin habe ihn daraufhin verspottet, weil er sich bemühe, die Dinge am Himmel zu erfahren, während ihm das entgehe, was vor seinen Füßen liege. Siehe Platon, Theait. 174 a 4–8; vgl. Diog. Laert. 1,34; Hippol. refut. 1,1,4; Tertull. Ad nat. 2,4,18; De anim. 6,8. 282 Die aÆpoue seiw (Konjektur Marcovich; Kukula: aÆntiue seiw ; M V P: aÆnaue seiw [ wohl aufgrund des nachfolgenden aÆ naginv skontew] ) sind die „Ablagen“ der Bücher, i. e. deren Aufbewahrungsorte. 283 Die 50 Töchter des Danaos ermordeten auf Befehl ihres Vaters in der Brautnacht ihre jungen Ehemänner, die 50 Söhne des Aigyptos. Als Strafe müssen sie im Hades Wasser in ein durchlöchertes Fass schöpfen. 284 Vgl. die Diskussion über die Einteilung der Zeit bei den älteren Stoikern: SVF II 518f.

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meÂllvn, eiÆ eÍ stin oë eÆnestvÂw; ÏVsper deÁ oië eÆmpleÂontew th Ä w nevÁ w feromeÂnhw oiÍontai diaÁ thÁ n aÆmauiÂan oÏ ti taÁ oÍrh treÂxoysin, oyÏ tv kaiÁ yëmeiÄw oyÆ ginvÂskete paratre xontaw meÁ n yë ma Ä w, eë stv Ä ta deÁ toÁ n aiÆv Ä na, meÂxriw aà n ayÆ toÁ n oë poihÂsaw eiËnai uelhÂs h. ì (4) DiaÁ ti gaÁr eÆgkaloyÄ mai leÂgvn taÁ eÆ maÂ, taÁ de moy pa nta kataly ein spey dete; MhÁ gaÁ r oyÆx yëmeiÄw kataÁ toÁ n oÏmoion tro pon hëmiÄn gege nhsue, th Ä w ayÆth Ä w toyÄ koÂsmoy dioikh sevw meteilhfo tew; Ti fa skete sofiÂan eiËnai par’ yë miÄn mo noiw, oyÆ k eÍ xontew aÍllon hÏlion oyÆ deÁ aÆste rvn eÆ pifoith seiw kaiÁ geÂnesin diaforvte ran ua nato n te paraÁ toyÁw aÍlloyw aÆ nurv poyw eÆ jaiÂreton; (5) ÆArxhÁ th Ä w flyariÂaw yë miÄn gegoÂnasin oië grammatikoiÂ, kaiÁ oië meriÂzontew thÁ n sofiÂan th Ä w kataÁ aÆ lh ueian sofiÂaw aÆpetmh uhte, taÁ deÁ oÆnoÂmata tv Ä n merv Ä n aÆ nurvÂpoiw proseneiÂmate´ kaiÁ toÁ n meÁ n ueoÁ n aÆgnoeiÄte, polemoyÄ ntew deÁ eëaytoiÄw aÆllhÂloyw kauaireiÄte. (6) KaiÁ diaÁ toyÄ to paÂntew oyÆdeÁ n Íi ste, sfeteriÂzontew meÁ n toyÁ w loÂgoyw, dialego menoi deÁ kaua per tyfloÁ w kvf v Äì. Ti kate xete skeyÂh tektonikaÁ tektaiÂnein mhÁ ginvÂskontew; Ti loÂgoyw eÆpanaireiÄsue tv Ä n eÍ rgvn makraÁ n aÆfestv Ä tew; (7) FysvÂmenoi meÁ n diaÁ do jhw, eÆn deÁ taiÄw symforaiÄw tapeinoyÂmenoi paraÁ loÂgon kataxra Ä sue toiÄw sxhÂmasi´ dhmosi aì meÁ n gaÁ r pompeyÂete, toyÁ w deÁ loÂgoyw eÆpiÁ taÁ w gvniÂaw aÆ pokryÂptete. ToioyÂtoyw yëma Ä w eÆ pigno ntew kataleloiÂpamen kaiÁ tv Ä n yëmeteÂrvn oyÆke ti cayÂomen, ueoyÄ deÁ loÂg vì katakoloyuoyÄ men. (8) Ti ga r, aÍnurvpe, tv Ä n grammaÂtvn eÆ jartyÂeiw toÁ n po lemon; Ti deÁ vëw eÆn pygm h Äì sygkroyÂeiw taÁ w eÆ kfvnhÂseiw ayÆ tv Ä n diaÁ toÁ n ÆAuhnaiÂvn cellismo n, de on se laleiÄn fysikv teron;

4 gaÁ r M V P: d’ Marcovich 5 de M V P: te Marcovich 5 moy M V P: 〈toyÄ ko s〉moy Schwartz 6 tro pon hë miÄn M P: hë miÄn tro pon V 12 aÆ nurv poiw M V P: aÍ lloiw aÍ lla coni. Schwartz 14 Íi ste Kukula (p. 31): eÆ ste M V P 15 kaua per om. M 15 kate xetai M V 16 eÆfestv Ä tew P 19 lo goyw M V P: fo boyw Marcovich 21 gaÁ r M V P: goyÄ n Marcovich 22 eÆjarty eiw P: eÆjarty ein M V 23 toÁ n ’Au. celÄ n ’Au. cellismv Ä n V: celismv Ä n M V P 23 se Pm. rec.: deÁ M V P1 lismo n Schwartz: tv 285

Cf. Eusebius, De vit. Const. 6. Ähnliche Argumentation bei Iustinus (2 Apol. 1,1), der auf die gemeinsame Natur und die Brüderschaft unter den Menschen, gleich ob Heiden oder Christen, verweist. Siehe im selben Sinne auch Tertullian (Apol. 39,8): Fratres autem etiam vestri sumus, iure naturae matris unius. In der Doktrin von der natürlichen Wesensverwandtschaft aller Menschen stimmen die genannten Apologeten insbesondere mit peripatetischen und stoischen Lehren überein; vgl. z.B. Epiktet, diss. 1,13,3f. 287 Cf. Mt 5,45. 288 P. Lampe (Die stadtrömischen Christen, S. 248) ist der Ansicht, dass wir aus dieser Bemerkung Tatians „wenigstens schließen dürfen, daß er nicht unfreier Herkunft war.“ 286

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die Gegenwart da ist? Wie aber die Passagiere eines fahrenden Schiffes wegen ihrer Unkenntnis der Meinung sind, dass die Berge sich bewegen, so erkennt auch ihr nicht, dass ihr selbst vorüberzieht, die Zeit aber stillsteht, solange der Schöpfer will, dass sie existiert.285 (4) Weswegen werde ich denn getadelt, wenn ich meine Ansichten vortrage, weshalb beeilt ihr euch sodann, alle meine Lehren auseinanderzunehmen? Seid ihr denn nicht auf dieselbe Art und Weise geboren wie wir, und habt ihr nicht Anteil an derselben Weltordnung?286 Wie könnt ihr behaupten, Weisheit gebe es allein bei euch, wenn ihr doch weder eine andere Sonne habt287 noch einen anderen Lauf der Sterne noch eine höhere Geburt288 noch im Vergleich zu den übrigen Menschen einen besonderen Tod? (5) Der Anfang des Geschwätzes bei euch geht auf die Schulmeister zurück, und indem ihr die Weisheit zerteiltet, wurdet ihr von der wahren Weisheit abgeschnitten;289 ihre Teile aber habt ihr nach Menschen benannt. Und weil ihr Gott nicht kennt, führt ihr Krieg gegen euch selbst und verdammt euch gegenseitig. (6) Und deshalb wisst ihr alle nichts; die Worte eignet ihr euch zwar an, aber ihr unterhaltet euch wie ein Blinder mit einem Tauben. Was nehmt ihr Bauwerkzeug in die Hände, wenn ihr die Baukunst doch nicht beherrscht? Was eignet ihr euch Worte an, wenn ihr von den Taten weit entfernt seid?290 (7) Vor Dünkel aufgeblasen, im Unglück aber am Boden zerstört, macht ihr ohne alle Vernunft Gebrauch von euren Phrasen. In der Öffentlichkeit stolziert ihr einher, eure Lehren291 aber verbergt ihr in den Winkeln. Weil wir euch als solche Menschen kennenlernten, haben wir euch verlassen und rühren alles, was sich bei euch findet, nicht mehr an, sondern folgen Gottes Wort. (8) Denn was zettelst du einen Krieg der Buchstaben an, Mensch? Was hetzt du aber die Arten ihrer Aussprache wie in einem Kampf gegeneinander auf, nur um das Stammeln der Athener nachzuahmen? Dabei sollte es doch darauf ankommen, dass man möglichst natürlich spricht. Denn wenn du attisch 289

Derselbe Vorwurf bereits bei Tatians Lehrer Iustinus (Dial. 2,1f): Während dieser den Schulhäuptern der einzelnen philosophischen Richtungen noch ein ernsthaftes Fragen nach der Wahrheit zugesteht, wird dies den zahlreichen Nachfolgern abgesprochen. Denn diese hätten sich lediglich nach der Autorität der Schulgründer gerichtet. Hierin sei der Grund der Zerteilung der einen und einzigen, gottgefälligen Philosophie zu sehen. 290 Der Hinweis auf einen Hiatus zwischen Worten (lo goi) und Taten (eÍrga, pra gmata ) ist in der apologetischen Literatur geradezu topisch: cf. Iustinus, 1 Apol. 16,8f; Athenagoras, Leg. 11,2f; 33,2; Minucius, Oct. 38,6; Ps.-Iustinus, Coh. 35,2. 291 Marcovich konjiziert fo boyw statt handschriftlich überliefertes lo goyw (mit Hinweis auf SVF III 407.409). Kukula dagegen verweist mit Recht darauf, dass Tatian hier philosophische Geheimlehren im Blick hat, und führt den von Tatian selbst erwähnten „dunklen Heraklit“ an (cf. 3,1f), der sein Werk im Tempel der Artemis verbarg.

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TatianoyÄ proÁ w ÏEllhnaw

EiÆ gaÁ r aÆttikiÂzeiw oyÆ k v à n ÆAuhnaiÄow, leÂge moi toyÄ mhÁ dvriÂzein thÁ n aiÆtiÂan´ pv Ä w toÁ meÁ n eiËnai soi dokeiÄ barbarikv teron, toÁ deÁ proÁ w thÁ n oë miliÂan iëlarvÂteron; [27] (1) EiÆ deÁ syÁ th Ä w eÆ keiÂnvn aÆnte x hì paideiÂaw, ti moi do jaw aiëroymeÂn vì dogma tvn v Î n ue lv diamaÂxh; ì Pv Ä w gaÁ r oyÆ k aÍtopon toÁn meÁ n lhsth ì Á n mhÁ kola zein priÁn hà taÆlhueÁ w eÆp’ aÆkribeiÂaì katamanua nein, hëma Ä w deÁ diaÁ toÁ eÆ pikathgoroyÂmenon oÍ noma prolhÂmmati loidoriÂaw aÆnejeta stvw memishke nai; (2) Diago raw aÍ ueow hËn, aÆllaÁ toyÄ ton eÆ jorxhsa menon taÁ par’ ÆAuhnaiÂoiw mysthÂria tetimhÂkate´ kaiÁ toiÄw FrygiÂoiw ayÆ toyÄ lo goiw eÆntygxa nontew hë ma Ä w memishÂkate. (3) Le ontow kekthmeÂnoi taÁ yëpomnh mata proÁ w toyÁ w aÆf’ hë mv Ä n eÆle gxoyw dysxerai nete´ kaiÁ taÁw periÁ tv Ä n kat’ AiÍgypton uev Ä n do jaw ÆApiÂvnow eÍ xontew par’ eë aytoiÄw vëw aÆuevta toyw hë ma Ä w eÆkkhryÂssete. (4) Ta fow toyÄ ÆOlympiÂoy DioÁ w kau’ yë ma Ä w deiÂknytai, kaà n cey desuai tiw toyÁw Krh Ä taw leÂg h. ì (5) Tv Ä n pollv Ä n uev Ä n hë

5 dogma tvn M V P: didagma tvn Schwartz: dogmat〈ist〉v Ä n Marcovich 6–7 diaÁ toÁ ì Á n in M V P, huc transtulit Marcovich eÆ pikathgoroy menon oÍ noma post v. 5 l hsth 8 aÍ ueow prop. Kukula (conl. test. plur.): aÆuhnaiÄow M V P (cf. v. 9 ’Auhnai oiw ): Mh liow coni. Jakoby 9 tetimh kate Maran: tetimvrh kate M V P 11 eÆ le goyw P 13 eÆkhry ttete V 13 toyÄ om. P 13 dioÁ w M P: ueoyÄ dioÁ w V 292

M. Whittaker (Tatian’s Educational Background, S. 58) sieht Tatians Abneigung gegen den attischen Purismus in seiner Biographie begründet: „ ... his bitterness against pure Attic pronunciation ... may reflect his own schoolboy difficulties.“ 193 Die Übersetzung folgt an dieser Stelle der Textumstellung durch Marcovich. Denn der klagende Vorwurf, dass Christen nicht wegen nachgewiesener Verbrechen, sondern lediglich aufgrund ihres „Namens“ (sc. zu Unrecht) verurteilt werden, ist stehender Topos in der apologetischen Literatur. Cf. Iustinus, 1 Apol. 4,1f; 2 Apol. 2,16; Athenagoras, Leg. 2,2; Tertullianus, Ad nat. 1,3,1; 1,3,2; Apol. 2,3–5: Confessio nominis, non examinatio criminis – quando, si de aliquo nocente cognoscatis, non statim confesso eo nomen homicidae vel sacrilegi vel incesti vel publici hostis, ut de nostris elogiis loquar, contenti sitis ad pronuntiandum, nisi et consequentia exigatis, qualitatem facti, numerum, locum, tempus, conscios, socios. De nobis nihil tale ... Offen bekannte bereits Plinius als Statthalter von Bithynien seine Unsicherheit in dieser Frage: ... nomen ipsum, si flagitiis careat, an flagitia cohaerentia nomini puniantur (epist. 10,96,2). 194 Diagoras von Melos (gest. 475 v. Chr.), griechischer Lyriker, Anhänger der atomischen Philosophie Demokrits, häufig mit dem Epitheton „der Atheist“ versehen; so z.B. bei Cicero, nat. deor. 1,63 (Diagoras, aÍ ueow qui dictus est); 3,89 (Diagoras ... aÍ ueow ille qui dicitur); Diod. 13,6,7 (Diago raw oë klhueiÁ w aÍ ueow ); Suda s. v. 523f; Min. Fel. Oct. 8,2 (Diagoras Melius, cui aÍ ueon cognomen adposuit antiquitas). Verschiedene, seine Geisteshaltung illustrierende Anekdoten sind überliefert. So soll er einen hölzernen Herakles aus Holzmangel verbrannt haben, um sich auf dem Feuer sein Essen zu kochen (vgl. Athenagoras, Leg. 4,1; Clemens, Protr. 24). Im Jahre 415 – im selben Jahr wie

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sprichst, ohne ein Athener zu sein, dann sage mir den Grund, warum du nicht dorisch sprichst. Wie kann es sein, dass dir dieser Dialekt barbarischer, jener für die Unterhaltung wohlklingender erscheint?292 [27] (1) Wenn du dich aber an die Lehre jener Männer hältst, warum bekämpfst du mich dann, wenn ich diejenigen Lehransichten wähle, die mir zusagen? Ist es denn nicht auf jede Weise widersinnig, den Räuber nicht zu bestrafen, bevor der wahre Tatbestand in aller Gründlichkeit genau geprüft wurde, uns aber nur wegen unseres Namens zu beschuldigen293 und aufgrund vorweggenommener Verleumdung ohne Prüfung zu verabscheuen? (2) Diagoras war ein Gottesleugner:294 doch haltet ihr diesen Mann, der die Mysterien bei den Athenern verhöhnte, in Ehren, und während ihr fleißig seine Phrygischen Reden295 lest, stehen wir in eurer Verachtung. (3) Ihr besitzt die Denkschriften eines Leon,296 aber empfindet Widerwillen gegen die Widerlegungen von unserer Seite. Ihr duldet bei euch die Ansichten eines Apion297 über die ägyptischen Götter, uns aber prangert ihr lauthals als die gottlosesten Menschen an. (4) Ein Grab des Olympischen Zeus zeigt man bei euch, auch wenn mancher behauptet, dass die Kreter lügen.298 (5) Die Schar der zahlreichen GötProtagoras – wurde Diagoras in Athen in einem Asebie-Prozess wegen Profanierung der Mysterien verurteilt und aus der Stadt vertrieben. 295 Das Werk ist weder erhalten noch inhaltlich bekannt. Das Suda-Lexikon (s. v. 523) schreibt Diagoras aÆpopyrgi zontew lo goi zu. Diogenes Laertios (9,49) erwähnt, Demokrit habe eine Abhandlung mit dem Titel Fry giow lo gow verfasst. 296 Leon von Pella bzw. Leon, der Ägypter (4. Jh. v. Chr.), Historiker und Priester makedonischer Herkunft, verfasste ein Werk PeriÁ tv Ä n kat’ AiÍgypton uev Ä n , als dessen Grundlage ein fiktiver Brief Alexanders des Großen an seine Mutter Olympias diente (cf. Minucius Felix, Oct. 21,3). Leon war ein Zeitgenosse des Euhemeros und erklärte den Ursprung der Götter auf ähnliche Weise. Aufgrund dieser Tatsache ist er für die christlichen Schriftsteller der Spätantike interessant und wird mehrfach erwähnt: Athenagoras, Leg. 28,1; Clemens, Strom. 1,106,3; Tertullian, De corona 7,6; De pallio 3; Cyprian, Quod idola dii non sint 3; Augustinus, civ. 8,5.27; 12,11. 297 Cf. cap. 38. – Alexandrinischer Gelehrter (Grammatiker, Historiker und Homerkommentator; gest. ca. 45–48 n. Chr.), dessen Kritik an der jüdischen Kultur und Geschichte durch Josephus’ Schrift Contra Apionem beantwortet wurde. 298 Anspielung auf Kallimachos (Hymn. in Iovem 8f), der sich in seiner Zeus-Epiklese fragt, ob er sich an den Zeus vom kretischen Ida-Gebirge oder vom arkadischen Lykaion wenden soll. Denn mit beiden Orten verbinde sich die Tradition von der Geburt des Zeus, in Kreta existiere sogar ein Grab des Zeus (sc. eine vorgriechische Kultstätte eines sterbenden und auferstehenden Gottes, der später mit Zeus identifiziert wurde). Da die Unsterblichkeit der Götter aber feststehe, hilft sich Kallimachos in seinem Dilemma mit einem Zitat aus früharchaischer Spruchdichtung: KrhÄ tew aÆeiÁ ceyÄ suai. – „Die Kreter sind stets Lügner.“ (Vgl. die Zitate derselben KallimachosStelle bei Athenag. Leg. 30,2; Clem. Protr. 37,4; Orig. c. Cels. 3,43.)

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oë mh gyriw oyÆ deÂn eÆ stin´ kaà n oë katafronv Ä n ayÆtv Ä n ÆEpiÂkoyrow d adoyx ì h Äì, toyÁ w aÍrxontaw oyÆ deÁn pleÂon 〈timv Ä 〉 toyÄ ueoyÄ . (6) Kata lhcin hÊ n eÍ xv periÁ tv Ä n oÏ lvn, tay thn oyÆ k aÆpokry ptomai. Ti moi symboyleyÂeiw cey sasuai thÁ n politeiÂan; Ti deÁ leÂgvn uanaÂtoy katafroneiÄn, diaÁ teÂxnhw feyÂgein ayÆtoÁ n katagge lleiw; ÆEgvÁ meÁ n oyÆk eÍxv kardiÂan eÆ laÂfoy, taÁ deÁ tv Ä n yë mete rvn loÂgvn eÆ pithdeyÂmata kataÁ toÁ n aÆmetroeph Ä UersiÂthn giÂnetai. (7) Pv Ä w peisuh somai tv Äì leÂgonti myÂdron toÁ n hÏlion kaiÁ thÁ n selhÂnhn gh Ä n; TaÁ gaÁ r toiayÄ ta loÂgvn eÆ stiÁn aÏmilla kaiÁ oyÆk aÆlhueiÂaw diako smhsiw. (8) ÃH pv Ä w oyÆk hÆliÂuion piueÂsuai toiÄw ëHrodv roy bibli oiw periÁ toyÄ kau’ ëHrakleÂa loÂgoy, gh Ä n aÍnv khryÂttoysin katelhlyue nai te aÆp’ ayÆ th Ä w leÂonta toÁ n yëf’ ëHrakle oyw foneyue nta; (9) Ti d’ aà n vÆfelhÂseie leÂjiw ÆA ttikhÁ kaiÁ filoso fvn svreiÂa kaiÁ syllogismv Ä n piuanoÂthtew kaiÁ me tra gh Ä w kaiÁ aÍ strvn ueÂseiw kaiÁ hë liÂoy dro moi; ToÁ gaÁr periÁ toiayÂthn aÆsxoleiÄsuai zh thsin nomouetoyÄ ntoÂw eÆstin eÍrgon eëayt v Äì taÁ do gmata.

[28] (1) DiaÁ toyÄto kaiÁ th Ä w par’ yëmiÄn kateÂgnvn nomouesiÂaw. MiÂan meÁ n gaÁ r eÆ xrh Ä n eiËnai kaiÁ koinhÁn aë pa ntvn thÁ n politeiÂan´ nyniÁ deÁ oÏ sa geÂnh po levn, tosayÄtai kaiÁ tv Ä n no mvn ueÂseiw, vë w eiËnai taÁ par’ eÆ niÂoiw aiÆ sxraÁ para tisi spoydaiÄa. (2) NomiÂzoysin goyÄ n ÏEllhnew feyktoÁ n eiËnai

2 timv Ä add. Marcovich, se bv iam Wilamowitz 10 ëHrodv roy Worth (et C. Mueller): hërodo toy M V P 10 bi bloiw P 10 post ghÄ n add. eiËnai Marcovich (post khry tÄ (i) M V P: eë aytoyÄ Schwartz toysin iam Jacoby) 13 kaiÁ 4 om. M 15 eë aytv 299 300

uev Ä n hë oë mh gyriw : Zitat aus Homer, Iliad. 20,142.

Die in der Antike verbreitete Ansicht, Epikur habe aus Angst vor den Anschuldigungen der Athener die Existenz der Götter zwar nicht offiziell geleugnet, sie aber durch weitgehendes Ignorieren faktisch beseitigt, referiert mehrfach z.B. Cicero; cf. nat. deor. 1,85; 1,123; 3,3. 301 Kardi an eÆ la foy : Zitat aus Homer, Iliad. 1,225. Der Vers wird seit Platon (Polit. 389 E 13) häufiger zitiert; cf. S. Freund, Dichter, S. 110. 302 ’AmetroephÄ uersi thn : Zitat aus Homer, Iliad. 2,212. 303 Gemeint ist die Theorie des Vorsokratikers Anaxagoras; cf. Diog. Laert. 2,3,4 und 9. 304 Gemeint ist Herodoros von Herakleia (um 400 v. Chr.), Sophist und Mythograph, der in seiner Darstellung der Heraklesgeschichte (sowie der Argonautensage) eine rationalistisch-allegorisierende Mythendeutung betrieb. Tatian spielt auf dessen

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ter299 ist nichtig: Zugegeben, dass schon deren Verächter Epikur300 diese Tatsache wie mit einer Fackel erhellt, so 〈bringe ich〉 doch auch den Herrschern nicht größere 〈Verehrung entgegen〉 als meinem Gott. (6) Mein Verständnis von der Gesamtheit der Dinge, welches ich besitze, dieses verberge ich nicht; warum rätst du mir dann, staatsbürgerliche Gesinnung vorzutäuschen? Warum behauptest du, den Tod zu verachten, und forderst dennoch dazu auf, ihm durch List und Tücke zu entkommen? Ich habe nicht das Herz einer Hirschkuh,301 aber euer Redebetrieb ist nach der Art des maßlosen Schwätzers Thersites.302 (7) Wie soll ich dem glauben, der da behauptet, die Sonne sei eine glühende Metallmasse und der Mond ein Körper wie die Erde?303 Denn diese Dinge sind strittige Thesen und nicht ordnungsgemäß aufgestellte Wahrheitsaussagen. (8) Oder ist es nicht auf jede Weise einfältig, den Büchern des Herodoros über die Herakleserzählung Glauben zu schenken, die von einer oberen Erde künden, von der aus der Löwe herabgestiegen sei, der von Herakles getötet wurde?304 (9) Bringt vielleicht der attische Stil irgendeinen Nutzen, und die Haufenschlüsse der Philosophen, die Wahrscheinlichkeiten der Syllogismen, die Abmessungen der Erde, die Stellungen der Gestirne und die Läufe der Sonne? Denn die Beschäftigung mit derartigen Untersuchungen ist Sache desjenigen, der seine eigenen Ansichten zu Gesetzen erhebt. [28] (1) Daher habe ich auch keine hohe Meinung von der Gesetzgebung bei euch. Es müsste eine einzige und gemeinsame Verfassung für alle geben. Nun aber gibt es so viele Gesetzgebungen wie Staatswesen,305 sodass das, was manche als verwerflich ansehen, bei anderen als ehrenwert gilt.306 (2) Griechen halten beispielsweise den Beischlaf mit der Mutter für

Erzählung von einer „Welt des Mondes“ an, wo Lebewesen 15mal so groß seien wie auf der Erde. Vgl. FHG II, p. 30s. (fr. 9). 305 Vgl. den Eingangssatz der Apologie des Athenagoras: „Mächtigste Herrscher! Obwohl Eure Untertanen die widersprechendsten Sitten und Einrichtungen haben, sieht sich doch keiner aus ihnen durch ein Gesetz und durch die Furcht vor Strafe gezwungen, von der Liebe zu den heimischen Bräuchen abzulassen, sollten diese auch noch so lächerlich sein.“ (Übs. Eberhard). 306 Sehr ähnlich argumentiert Tertullian in seinem Traktat De spectaculis (21,1): Da die Heiden nicht im Besitz der vollen Wahrheit (vgl. Tatian, cap. 29: taÆ lhue w) seien, würden die Begriffe „schlecht“ und „gut“ bei ihnen willkürlich und nach Gutdünken ausgelegt: „Was hier als schlecht gilt, gilt dort als gut, und was hier als gut gilt, gilt dort als schlecht“ (alibi bonum quod alibi malum, et alibi malum quod alibi bonum). – Bereits Cicero führt die inconstantia der Menschen in ethisch-dogmatischen Fragen auf eine veritatis ignorantia zurück (nat. deor. 1,43).

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toÁ syggeneÂsuai mhtriÂ, ka lliston deÁ toÁ toioyÄ toÂn eÆstin eÆ pith deyma paraÁ toiÄw Persv Ä n ma goiw´ (3) kaiÁ paiderastiÂa meÁ n yëpoÁ barba rvn divÂketai, pronomiÂaw deÁ yë poÁ ëRvmaiÂvn hÆjiÂvtai, paiÂdvn aÆgeÂlaw v Ï sper Ïippvn forba dvn synageiÂrein ayÆ tv Ä n peirvmeÂnvn.

[29] (1) TayÄ t’ oyËn iÆdv n, eÍti deÁ kaiÁ mysthriÂvn metalabvÁ n kaiÁ taÁw paraÁ pa Ä si urhskeiÂaw dokima saw diaÁ uhlydriv Ä n kaiÁ aÆndrogyÂnvn synistameÂnaw, eyë rvÁ n deÁ paraÁ meÁ n ëRvmaiÂoiw toÁ n kat’ ayÆ toyÁw Latia rion DiÂa ly uroiw aÆnurvÂpvn kaiÁ toiÄw aÆpoÁ tv Ä n aÆndroktasiv Ä n aiÏmasi terpo menon, ÍArtemin deÁ oyÆ makraÁn th Ä w mega lhw po levw tv Ä n ayÆtv Ä n pra jevn eÆ panhrhme ì  nhn toÁ eiËdow aÍ llon te aÆllaxh Ä daiÂmona kakopragiÂaw eÆ panasta seiw pragmateyoÂmenon, kat’ eÆ maytoÁ n geno menow eÆ zhÂtoyn oÏt vì tro pvì taÆlhueÁ w eÆ jeyreiÄn dy namai. (2) PerinooyÄ nti de moi taÁ spoydaiÄa syne bh grafaiÄw tisin eÆ ntyxeiÄn barbarikaiÄw, presbyte raiw meÁ n vë w proÁ w taÁ ëEllh nvn do gmata, ueioteÂraiw deÁ vë w proÁ w thÁn eÆkeiÂnvn pla nhn´ kai moi peisuh Ä nai tayÂtaiw syneÂbh dia te tv Ä n le jevn toÁ aÍ tyfon kaiÁ tv Ä n eiÆpo ntvn toÁ aÆnepith deyton kaiÁ th Ä w toyÄ pantoÁ w poihÂsevw toÁ eyÆ kataÂlhpton kaiÁ tv Ä n mello ntvn toÁ prognvstikoÁn kaiÁ tv Ä n paraggelma tvn toÁ eÆjaiÂsion kaiÁ tv Ä n oÏlvn toÁ

4 ayÆ tv Ä n M V P: ayë toiÄw Wilamowitz 7 meÁ n om. V 7 kataÁ toyÁ w P 10 toÁ eiËdow M V P: toyÍ neidow M. Haupt (Opusc. III, p. 447) 12 dy namai M V P: dy nvmai H. Stephanus (in edit. Ep. ad Diogn., p. 108) 18 eÆjai sion M V P: eÆjarti zon coni. Schwartz (p. IX) 307

Dasselbe Beispiel, nämlich den Inzest bei den Persern, bringt Origenes (c. Cels. 5,27) und verbindet damit wie Tatian die Kritik an der heterogenen Gesetzgebung in der heidnischen Welt. – Vgl. auch Min. Fel. Oct. 31,3; Tertull. Apol. 9,16; Ad nat. 1,16,4; Euseb. praep. ev. 1,4,6. 308 Offensichtlich ist Tatian durch Iustinus, 1 Apol. 27,1 inspiriert: „Und wenn man von den Alten nur die Aufzucht ihrer Herden von Rindern, Ziegen, Schafen oder Pferden auf der Weide (iÏppvn forba dvn) kennt, so jetzt auch die von Knaben (pai dvn) allein zu unzüchtigen Zwecken.“ Vgl. Clemens, Paed. 3,26,2 (Übs. Stählin): „von Weinschenken wird eine ganze Schar von ihnen gehalten und von blühenden Knaben wie von Haustieren ganze Herden, um von ihnen die Schönheit abzumelken.“ Cf. bereits Dion v. Prusa, or. 7,134. 309 Angespielt wird auf die Praktiken der sog. Galli, der Priester der phrygischen Kybele (= Rhea, der Magna Mater Deum Idae), die sich für den Kult ihrer Göttin selbst entmannten. Die Kybele- und Attisverehrung war – ähnlich dem Mithraskult – eine in der Spätantike im Römischen Reich sehr verbreitete Mysterienreligion. Tatian erwähnt sie bereits in cap. 8; vgl. Aristid. Apol. 11,5; Iustin. 1 Apol. 27,4; Theoph. Ad

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verabscheuenswert, als höchst ehrenvoll aber gilt diese Sitte bei den persischen Magiern.307 (3) Auch wird die Knabenliebe von den Barbaren verurteilt, während sie von den Römern als Vorrecht geschätzt ist; wie Herden weidender Pferde suchen sie Scharen von Knaben zusammenzutreiben.308 [29] (1) Nachdem ich dieses gesehen hatte, überdies auch die Einweihung in die Mysterien erlangt und sämtliche religiösen Bräuche, die von verweichlichten Eunuchen vollzogen werden,309 genau kennengelernt und dabei die Entdeckung gemacht hatte, dass bei den Römern ihr Zeus Latiaris sich an besudeltem Menschenblut und dem Blut von Menschenopfern ergötzt,310 dass Artemis nicht weit entfernt von der großen Stadt Praktiken derselben Art für sich in Anspruch nimmt,311 dass verschiedene Dämonen an verschiedenen Orten sich übler Perversionen bedienen, da fragte ich mich bei mir selbst, auf welche Weise ich die Wahrheit finden könnte. (2) Während ich aber hin und her überlegte, was das Erstrebenswerte sei, widerfuhr es mir, dass ich zufällig auf gewisse barbarische Schriften stieß, die im Vergleich zu den Lehren der Griechen älter, im Vergleich zu deren Verirrung göttlicher waren. Und es widerfuhr mir, dass sie mich überzeugten, wegen ihrer schlichten Ausdrucksweise, ihrer ungekünstelten Art des Redens, der guten Verständlichkeit der Weltschöpfung, des Vorherwissens zukünftiger Dinge, der Besonderheit ihrer Vorschriften und der

Autol. 1,10; 3,8; Tertull. Ad nat. 1,10,47; 2,7,16; Min. Fel. Oct. 22,4; 24,12; Lact. Div. inst. 1,21,16; Aug. civ. 7,26.28. 310 Vgl. Iustin. 2 Apol. 12,5; Theoph. Ad Autol. 3,8; Tertull. Apol. 9,5; Scorp. 7,6; Min. Fel. Oct. 22,6; 30,4; Cypr. De spect. 5; Lact. Div. inst. 1,21,3; Prud. c. Symmach. 1,396; Porph. De abstin. 2,56,9. – Zur neueren Diskussion um die Historizität der Darstellungen seitens (u. a.) der christlichen Apologeten vgl. I. Gradel (Jupiter Latiaris and human blood. Fact or fiction? Kopenhagen 2005), der es für erwiesen hält, dass Menschenblut im besagten Jupiterkult eine Rolle spielte, dass jedoch die Nachrichten über Menschenopfer mit großer Wahrscheinlichkeit Unterstellungen seien. 311 Gemeint ist die Diana von Aricia bei Rom (= Diana Nemorensis), deren Heiligtum ein Priester hütete, der seine Stellung dadurch erhalten hatte, dass er seinen Vorgänger tötete. In seinem Kommentar zur Aeneis (6,136) überliefert Servius wenige Einzelheiten einer Asylpraxis: „In ihrem [sc. der Diana] Tempel stand nach der Neuordnung des Opferritus ein gewisser Baum, von dem kein Zweig abgebrochen werden durfte. Flüchtige Sklaven aber waren ermächtigt: Sollte einer es vermocht haben, von dort einen Zweig wegzuholen, konnte er sich mit dem Tempelpriester, einem flüchtigen Sklaven, duellieren. [....] Die Duellbefugnis aber wurde gewissermaßen zur Erneuerung des vormaligen Opfers [i. e. bei der legendären Kultstiftung] gewährt.“ Vgl. auch Strab. 5,3,12 (239 C.); Paus. 2,27,4; Ovid, Fast. 3,261–264 und 271f.

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monarxiko n. (3) Ueodida ktoy de moy genomeÂnhw th Ä w cyxh Ä w synh Ä ka oÏ ti taÁ meÁ n katadiÂkhw eÍ xei toÂpon, taÁ deÁ oÏ ti ly ei thÁ n eÆn koÂsm vì doyleiÂan kaiÁ aÆrxo ntvn meÁ n pollv Ä n kaiÁ myriÂvn hë ma Ä w aÆposp a Äì tyraÂnnvn, diÂdvsi deÁ hë miÄn oyÆ x oÏper mhÁ eÆlaÂbomen, aÆ ll’ oÏ per labo ntew yëpoÁ th Ä w pla nhw eÍ xein eÆ kvly uhmen.

[30] (1) ToyÂtvn oyËn thÁ n kata lhcin pepoihmeÂnow boyÂlomai kaua per taÁ nhÂpia tv Ä n brefv Ä n aÆpodyÂsasuai. ThÁ n gaÁ r th Ä w ponhriÂaw syÂstasin eÆ oikyiÄan t h Äì tv Ä n braxyta tvn sperma tvn Íismen aÏte diaÁ mikra Ä w aÆformh Ä w toy toy kratynueÂntow, pa lin d’ ayË lyuhsomeÂnoy, hë mv Ä n peiuomeÂnvn loÂg vì ueoyÄ kaiÁ mhÁ skorpizo ntvn eë aytoyÂw. (2) Dia tinow gaÁ r aÆpokryÂfoy uhsayroyÄ tv Ä n hë mete rvn eÆpekra thsen, oÊn oÆry ttontew koniortoyÄ meÁ n hëmeiÄw eÆ neplhÂsuhmen, toyÂt vì deÁ toyÄ synesta nai thÁn aÆformhÁ n pareÂxomen. ToÁ gaÁ r ayÆtoyÄ pa Ä n oë aÆpodexo menow kth Ä ma toyÄ polytimoteÂroy ployÂtoy thÁ n eÆjoysiÂan eÆ xeirvÂsato. (3) TayÄ ta meÁn oyËn proÁ w toyÁ w hë mv Ä n oiÆkeiÂoyw eiÆ rh suv´ proÁ w deÁ yëma Äw toyÁw ÏEllhnaw ti aÃn eÏteron hà toÁ mhÁ toiÄw kreiÂttosin loidoreiÄsuai mhd’, eiÆ ba rbaroi le gointo, tayÂthn lamba nein th Ä w xleyÂhw thÁ n aÆformh n. (4) ToyÄ gaÁ r paÂntaw aÆllh lvn eÆ pakoy ein th Ä w dialeÂktoy mhÁ dy nasuai thÁ n aiÆtiÂan eyëreiÄn, hÃn eÆ ueÂlhte, dynhÂsesue´ eÆ jetaÂzein gaÁr boylome noiw taÁ hë meÂtera rë adi ì  an kaiÁ aÍ fuonon poihÂsomai thÁ n dih ghsin. 2 to pon Marcovich (cf. 15,8): tro pon M V P 3 hëmaÄ w om. V 3 kaiÁ tyra nnvn M 6 pepoihme now M P: memyhme now kaiÁ pepoihme now V 6 post boy lomai lac. ind. Harnack (p. 50) 7 post tv Ä n brefv Ä n lac. ind. Schwartz, 〈toÁ n xitv Ä n’〉 suppleri suad. Marcovich 8 thÄ i M V P: tvì Marcovich 9 toy toy M V P: lei pein dokeiÄ P in mg: toyÄ Ä n Schwartz 11 koniortoyÄ M: kv nion´ ponhroyÄ coni. Gesner 9 peiuome nvn hë mv Ä n P 13 pare xomen M V P: pare sxomen Maran 13 ayÆ toyÄ M V P: toyÄ V: koniortv ayë toyÄ Schwartz 13 pa Ä n M V P: pa Ä w 〈oë 〉 Schwartz 13–14 polytimote roy M P (-timv- V): polytimota toy Marcovich 18 eÆpakoy ein Schwartz: yëpakoy ein M V P (yëp- ex corr. add. P) 19 ante eÆjeta zein 〈toiÄw〉 add. Schwartz 19 boylome noiw Maran: boylo menow M V P 312

Tatian nennt in aller Kürze die Hauptargumente christlicher Apologetik und Mission unter den Heiden, indem er a) auf den Weissagungsbeweis, b) die hohe Sittlichkeit der Christen und c) den Vorrang des Monotheismus vor der Vielgötterlehre rekurriert. Vgl. als summarisch-systematische Darstellung der apologetischen Argumentation: W. Koch, Die altkirchliche Apologetik des Christentums, in: Theologische Quartalsschrift 90, 1908, S. 7–33. 313 ueodida ktoy : nach 1 Thess. 4,9. Vgl. Ep. Barnabae 21,6; Athenag. Leg. 11,1; 32,2; Theoph. Ad Autol. 2,9. 314 Vgl. Röm 8,21.

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Lehre von einem einzigen Herrscher des Alls.312 (3) Meine Seele wurde von Gott gelehrt313 und ich begriff, dass den einen Dingen der Platz der Verdammnis zugewiesen wird und dass die anderen von der Knechtschaft in der Welt erlösen,314 uns von zahlreichen Herrschern und unzähligen Tyrannen befreien und uns nicht etwa geben, was wir nicht schon empfangen hätten, sondern was wir empfangen haben, aber nicht festhalten konnten, weil unsere Verirrung uns daran hinderte.315 [30] (1) Nachdem ich nun Einsicht in diese Dinge habe, will ich gleichsam die kindlichen Torheiten ablegen. Denn wir wissen, dass das Wesen des Bösen dem der kleinsten Samenkörner316 gleicht: aus einem kleinen Anfang317 wächst es ja kraftvoll hervor, kann andererseits aber wieder herausgerissen werden, wenn wir dem Worte Gottes gehorchen und uns nicht selbst zerstreuen. (2) Denn es hat Macht über das Unsrige gewonnen durch einen gewissen verborgenen Schatz,318 bei dessen Aushebung wir zwar mit Staub bedeckt wurden, aber ihm319 nun die Möglichkeit geben fortzubestehen. Wer ihn nämlich ganz in Besitz nimmt, hat die Macht über einen überaus wertvollen Reichtum320 erlangt. (3) Dies soll freilich zu unseren eigenen Leuten gesagt sein; zu euch Griechen aber, was könnte ich anderes sagen, als dass ihr die moralisch Überlegenen nicht schelten und deren sogenanntes Barbarentum nicht zum Anlass für Hohn und Spott nehmen solltet. (4) Die Ursache nämlich, warum alle Menschen ihre Sprache gegenseitig nicht verstehen können, werdet ihr, wenn ihr wollt, entdecken können.321 Denn denen, die unsere Lehren näher untersuchen wollen, werde ich eine leicht einleuchtende und ausführliche322 Darstellung geben. 315 Tatian meint, wie vor allem aus cap. 13 erhellt, den Heiligen Geist. Vgl. 15,1.9; 20,2f. 316 Cf. Mk 4,31; Mt 13,32. 317 DiaÁ mikra Ä w aÆ formhÄ w : cf. Röm 7,8.11. 318 Cf. Mt 13,44. 319 Worauf sich das toy tvì an dieser kryptischen Stelle bezieht, wird kontrovers diskutiert. Harnack deutet es in seiner Übersetzung auf den „staubgeborenen Menschen“, Kukula auf das Wort Gottes (lo gow ueoyÄ ), Whittaker auf den ausgegrabenen Schatz (uhsayro w) . Weitere Deutungen sind bei Whittaker, S. 84–86, gesammelt und besprochen. Die „vielleicht ... schwierigsten Verse in der ganzen Schrift“ (Harnack) werden am ausführlichsten – unter besonderer Beachtung ihres NT-Bezuges – interpretiert bei Franco Bolgiani: Taziano, „Oratio ad Graecos“, Cap. 30,1, a. a.O., S. 226–235. 320 Cf. Eph 3,8. 321 Zweifellos hat Tatian die Erzählung vom Turmbau zu Babel (Gen 11,1–9) im Blick. 322 Cf. Sap. 7,13; Iustin. 1 Apol. 6,2.

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[31] (1) NyÄ n deÁ proshÂkein moi nomi zv parasth Ä sai presbyteÂran thÁ n hë meteÂran filosofiÂan tv Ä n par’ ÏEllhsin eÆ pithdeymaÂtvn. ÏOroi deÁ Ä n eiËnai hë miÄn keiÂsontai Mvsh Ä w kaiÁ ÏOmhrow´ t v Äì 〈gaÁ r 〉 eëka teron ayÆ tv palaio teron kaiÁ toÁ n meÁ n poihtv Ä n kaiÁ iëstorikv Ä n eiËnai presbyÂteron, toÁ n deÁ paÂshw barba roy sofiÂaw aÆ rxhgo n, kaiÁ yëf’ hë mv Ä n nyÄ n eiÆ w sy gkrisin paralambane suvsan´ eyërhÂsomen gaÁ r oyÆ mo non th Ä w ëEllhÂnvn paideiÂaw taÁ par’ hë miÄn, aÆ ll’ eÍti deÁ kaiÁ th Ä w tv Ä n gramma tvn eyë reÂsevw aÆ nvÂtera. (2) Ma rtyraw deÁ oyÆ toyÁ w oiÍkoi paralh comai, bohuoiÄw deÁ ma Ä llon ÏEllhsi 〈kata〉xrhÂsomai. ToÁ meÁn gaÁ r aÍgnvmon (oÏ ti mhdeÁ yëf’ yë mv Ä n paradektoÂn), toÁ d’ aà n aÆpodeiknyÂhtai uaymasto n, oë〈poÂ〉tan yë miÄn diaÁ tv Ä n yë mete rvn oÏplvn aÆ ntereiÂdvn aÆnypo ptoyw par’ yë mv Ä n toyÁ w eÆ leÂgxoyw 〈para 〉lamba nv. (3) PeriÁ gaÁ r th Ä w ëOmh roy poih sevw geÂnoyw te ayÆtoyÄ kaiÁ xroÂnoy kau’ oÊ n hÍkmasen prohreyÂnhsan oië presby tatoi Ueage nhw te oë ëRhgiÄ〈n 〉ow kataÁ KambyÂshn gegonvÁ w kaiÁ SthsiÂmbrotow oë Ua siow kaiÁ ÆA ntiÂmaxow oë KolofvÂniow ëHroÂdoto w te oë ëAlikarnasseyÁ w kaiÁ Diony siow oë ÆOlyÂnuiow, metaÁ 〈deÁ 〉 eÆ keiÂnoyw ÍEforow oë KymaiÄow kaiÁ Filo xorow oë ÆA uhnaiÄow MegakleiÂdhw te kaiÁ Xamaile vn oië Peripathtikoi´ eÍ peita grammatikoiÁ

1 proshÄ kon Worth 3 toÁ V 3 〈gaÁ r〉 ex Eus. add. Gesner 4 palaio teron M V P: palai taton Worth ex Eus. 4 presby teron M P et Eus. N D: presby taton Schwartz ex Eus. I O: palaio teron V 5 barba roy sofi aw M V P: sofi aw barba roy Eus. 7 aÆ ll’ eÍ ti deÁ M: eÍ ti deÁ V et Eus.: aÆ ll’ eÍ ti P 9 〈kata〉xrh somai Schwartz ex Eus.: xrh somai M V P 9 oÏti M V P et Eus.: aÏ te Marcovich 10 yëmv Än Maran ex Eus. I O: hëmv Ä n M V P et Eus. N D 10 paradekto n Schwartz ex Eus.: paradekte on P M2: paradeikte on M1 V 10 toÁ Gesner ex Eus.: tosv Ä (i) M P: toÁ sv Ä V 10 aÆpodeikny htai M V P et Eus. I: aÆpodei knytai Eus. O N 10 oë〈po 〉tan Schwartz ex Eus.: oÏt’ aà n M V P 11 oÏplvn om. V 11 par’ M V P: kau’ Eus. 12 〈para〉lamba nv Marcovich ex Eus. (cf. v. 6 et 8): lamba nv M V P 13 thÄ w poih sevw toyÄ oë mh roy P 14 oië presby tatoi M V P: presby tatoi 〈meÁ n〉 Schwartz ex Eus. 14 ëRhgiÄ〈n〉ow Otto (post alios) ex Eus.: rëhÂgiow M V P 15 kaiÁ Sthsi mbrotow Schwartz ex Eus.: sthsi mbroto w te M V P 15 aÆnti maxow M V P: kalli maxow Eus. 17 〈deÁ 〉 ex Eus. add. Schwartz: om. M V P 18 kaiÁ Gesner, Maran ex Eus.: oë M V P 18 ante eÍpeita addi suad. kaiÁ Schwartz 323

Bereits in der jüdischen Literatur, z.B. bei Aristobul oder Philo, findet sich die Behauptung, die griechischen Autoren hätten, wenn sie Wahres berichteten, oftmals die älteren jüdischen Schriften benutzt. Der sogenannte Altersbeweis, der den Vorrang und die Überlegenheit des eigenen Schrifttums untermauern soll, wird auch bei den christlichen Apologeten gern und häufig ins Feld geführt. Vgl. Iustinus, 1 Apol 32,1; 44,8 (presby terow gaÁ r MvshÄ w kaiÁ pa ntvn tv Ä n eÆ n ÏEllhsi syggrafe vn ); 54,5; 59,1; Theophilos, Ad Autol. 2,30; 3,16.20; Tertullian, Apol. 19; Ps.-Iustinus, Coh. ad gent. 9,1. Clemens Alexandrinus hebt hervor, dass Tatian den Altersbeweis besonders sorgfältig (aÆ kribv Ä w) geführt habe (Strom. 1,101,1f).

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[31] (1) Nun aber obliegt es mir, so glaube ich, darzulegen, dass unsere Philosophie älter ist als die Errungenschaften bei den Griechen.323 Maßgebend sollen für uns Moses und Homer sein, 〈denn〉 beide sind jeweils die ältesten; der erste ist von den Dichtern und Geschichtsschreibern der älteste,324 der zweite der Begründer aller barbarischen Weisheit. Sie sollen nun von uns einem Vergleich unterzogen werden. Wir werden nämlich herausfinden, dass unser Wissen nicht nur älter ist als die griechische Kultur, sondern sogar als die Erfindung der Buchstaben. (2) Als Zeugen werde ich aber nicht unsere eigenen Leute heranziehen, sondern vielmehr die Befürworter der Griechen aufrufen. Das Erstere wäre nämlich unklug (weil nicht einmal bei uns beweiskräftig), das Letztere aber mag wohl Bewunderung hervorrufen, wenn ich euch mit euren eigenen Waffen Widerstand leiste und Beweise heranziehe, die auch aus eurer Sicht unverdächtig sind.325 (3) Über die Dichtung Homers freilich sowie über dessen Abstammung und Blütezeit sind in ältester Zeit erste Untersuchungen von Theagenes aus Rhegion,326 einem Zeitgenossen des Kambyses,327 angestellt worden sowie von Stesimbrotos aus Thasos328 und Antimachos aus Kolophon,329 von Herodotos aus Halikarnass330 und von Dionysios aus Olynth;331 nach jenen 〈aber〉 Ephoros aus Kyme,332 Philochoros aus Athen333 sowie die Peripatetiker Megakleides334 und Chamaileon335; danach die Grammatiker Zeno324 Der (zweifellos ursprüngliche) Komparativ in den Handschriften ist sachlich mit dem Superlativ identisch. 325 Zur hier verwendeten argumentativen Methode vgl. ähnlich Ps.-Iustinus, Coh. ad gent. 9,1. 326 Griechischer Dichter des 6. Jahrhunderts, der eine allegorische Auslegung der homerischen Epen betrieb, um diese gegen die rationalistische Kritik seiner Zeit zu verteidigen. 327 Der altpersische König aus der Dynastie der Achämeniden regierte ungefähr von 600 bis 559 vor Christus. 328 Sophist und Homer-Exeget des 5. Jahrhunderts vor Christus. 329 Epiker um 400 vor Christus; verfasste (als Grammatiker) eine Rezension der homerischen Epen. 330 Herodot setzt die Lebenszeit Homers „maximal 400 Jahre“ (tetrakosi oisi eÍ tesi ... kaiÁ oyÆ ple osi) vor seine eigene (Hist. 2,53). 331 Unbekannter Autor. 332 Griechischer Historiker (Schüler des Isokrates; geb. ca. 400; gest. 330 v. Chr.), der eine Universalgeschichte in 29 Büchern verfasste, die mit der Dorischen Wanderung einsetzte und bis in seine eigene Zeit führte. 333 Griechischer Historiker und Mythograph (gest. ca. 261 v. Chr.); sein Hauptwerk „Atthis“ enthält in 17 Büchern die Geschichte Athens von den Anfängen bis ins Jahr 262. 334 Grammatiker des 4. Jahrhunderts v. Chr. 335 Chamaileon aus Herakleia; ein mutmaßlich indirekter Schüler des Aristoteles.

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Zhno dotow, ÆAristofa nhw, KalliÂstratow, KraÂthw, ÆEratosue nhw, ÆA riÂÄw starxow, ÆApolloÂdvrow. (4) ToyÂtvn deÁ oië 〈meÁ n 〉 periÁ KraÂthta proÁ th ëHrakleidv Ä n kauo doy fasiÁn ayÆ toÁ n hÆ kmakeÂnai, metaÁ taÁ TrviÈkaÁ eÆ ndoteÂrv tv Ä n oÆgdoh konta eÆtv Ä n´ oië deÁ periÁ ÆEratosue nh metaÁ eë katostoÁ n eÍtow th Ä w ÆIliÂoy aë lvÂsevw´ oië deÁ periÁ ÆAriÂstarxon kataÁ thÁ n ÆIvnikhÁ n aÆpoikiÂan, hÏ eÆ sti metaÁ eëkatoÁn kaiÁ tessaraÂkonta eÍ th tv Ä n ÆIliakv Ä n´ Filo xorow deÁ metaÁ thÁ n ÆIvnikhÁ n aÆpoiki an, eÆpiÁ aÍ rxontow ÆA uh nhsin ÆArxiÂppoy, tv Ä n ÆIliakv Ä n yÏ steron eÍ tesin eë katoÁ n oÆ gdoh konta´ oië deÁ periÁ ÆApollo dvron metaÁ thÁ n ÆIvnikhÁ n aÆpoikiÂan eÍ tesin eë katoÂn, oÊ geÂnoit’ aà n yÏsteron tv Ä n ÆIliakv Ä n 〈eÍ tesi 〉 diakosiÂoiw tessara konta. (5) TineÁ w deÁ 〈mikroÁn〉 proÁ tv Ä n ÆOlympia dvn eÍfasan ayÆ toÁ n gegoneÂnai, toyÄ t’ eÍ sti metaÁ thÁ n ÆIliÂoy aÏlvsin eÍtesi tetrakosiÂoiw. ÏEteroi deÁ ka tv toÁ n xro non yë phÂgagon, syÁ n ÆArxiloÂx vì gegone nai toÁn ÏOmhron eiÆ poÂntew´ oë deÁ ÆA rxiÂloxow hÍkmase periÁ ÆOlympia da triÂthn kaiÁ eiÆkosth n, kataÁ Gy ghn toÁn Ä n ÆIliakv Ä n eÍ tesi pentakosiÂoiw. Lydo n, 〈yÏsteron〉 tv (6) KaiÁ periÁ meÁ n tv Ä n xroÂnvn toyÄ proeirhme noy poihtoyÄ , leÂgv deÁ ëOmhÂroy, sta sevÂw te kaiÁ tv Ä n eiÆpo ntvn 〈taÁ 〉 periÁ ayÆ toÁ n aÆ symfvniÂaw toiÄw eÆ p’ aÆkribeÁ w eÆjeta zein dyname noiw ayÆ ta rkvw hë miÄn vëw eÆ piÁ kefalaiÂvn 1 Kalli stratow Wilamowitz: kalli maxow M V P et Eus. 2 〈meÁ n〉 ex Eus. add. Schwartz: om. M V P 4 eÆratosue nh M V P: toÁ n eÆratosue nhn Eus. 5 periÁ toÁ n aÆ ri starxon Eus. 6 hÏ M V P et Eus.: hÏ 〈tiw〉 Wilamowitz 6 kaiÁ post eë katoÁ n om. Eus. 6 eÍth om. V 7 aÆpoiki an om. V 7 post aÆpoiki an addit Eus. eÍtesi (eÍ th I) tessara konta, at cf. Clem. 8 ’Arxi ppoy Eus. Chron. et Ducaeus: aÆ rji ppoy M V P et Eus. P. E. 9 oÊ M V P et Eus.: oÏ〈per〉 Gesner 10 〈eÍ tesi〉 ex Eus. add. Maran: om. M V P 10 diakosi oiw tessara konta Maran ex Eus.: diakosi vn penth konta M V P 11 〈mikroÁ n〉 add. R. Helm (Eus. Chron. p. 315): modico Hieron. 11 post gegone nai addit eÍtesin eÆnenh konta Maran (conl. Clem. Strom. 1,117,10) 12 tetrakosi oiw Eus.: tetrakosi oiw eÆ nenh konta M V P: tetrakosi oiw eë pta coni. Gesner (cf. 41,9) 14 kataÁ Worth ex Eus.: kaiÁ M V P 15 〈yÏsteron 〉 ex Eus. add. Maran: om. M V P 16 tv Än xro nvn Schwartz ex Eus.: toyÄ xro noy M V P 16 deÁ M V et Eus. I: dhÁ P et Eus. O 17 sta sevw Maran ex Eus.: syssta sevw M V P 17 〈taÁ 〉 periÁ ayÆ toÁ n Schwartz ex Eus.: periÁ ayÆ toyÄ M V P 18 kefalai vn M V P et Eus. O: kefalai vi Eus. I N 336 Zenodotos von Ephesos, griechischer Epiker und Grammatiker, Direktor der Bibliothek von Alexandria von 285–270 v. Chr. 337 Aristophanes von Byzanz (257 bis 180 v. Chr.), griechischer Philologe und Leiter der Bibliothek von Alexandria von 204–180 v. Chr. 338 Alexandrinischer Gelehrter (insbes. Homerkritiker und -exeget) um die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr.; Schüler des Aristophanes von Byzanz. 339 Krates von Mallos (gest. um 145 v. Chr.), Grammatiker und stoischer Philosoph, gründete in Pergamon eine eigene Schule, die in grammatischen Grundauffassungen und hinsichtlich der Homerinterpretation im scharfen Gegensatz zur alexandrinischen Lehre (Aristarchos) stand. Das bekannte kratetische Weltbild einer viergeteilten, kugelgestaltigen Erde wirkte bis ins Mittelalter fort.

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dotos,336 Aristophanes,337 Kallistratos,338 Krates,339 Eratosthenes,340 Aristarchos341 und Apollodoros.342 (4) Von diesen343 sagen die Schüler des Krates, dass seine Blütezeit vor der Rückkehr der Herakliden gelegen habe, innerhalb einer Zeitspanne von 80 Jahren nach dem Trojanischen Krieg; die Schüler des Eratosthenes jedoch, 100 Jahre nach der Eroberung Ilions; die Schüler des Aristarchos, zur Zeit der ionischen Wanderung, das heißt 140 Jahre nach den Kämpfen um Ilion; Philochoros aber, nach der ionischen Wanderung, während des Archontats des Archippos in Athen, 180 Jahre nach der Einnahme Ilions; die Schüler des Apollodoros aber, 100 Jahre nach der ionischen Wanderung, was 240 Jahre nach den Ereignissen um Ilion wäre. (5) Einige sagten, er sei 〈kurz〉 vor den Olympiaden geboren, das heißt 400 Jahre nach der Eroberung Ilions.344 Andere aber verlegten die Zeit noch weiter herab, indem sie behaupteten, Homer sei ein Zeitgenosse des Archilochos345 gewesen; Archilochos aber hatte seine Blütezeit um die 23. Olympiade, zur Zeit des Lyders Gyges,346 500 Jahre 〈nach〉 den Ereignissen um Ilion. (6) Was ich über die Zeiten des vorgenannten Dichters, ich meine Homer, und über den Widerspruch und die Uneinigkeit347 derjenigen, die sich über ihn äußerten, angeführt habe, sei gleichsam zur Übersicht für 340 Eratosthenes von Kyrene (geb. ca. 276; gest. 194 v. Chr.); griechischer Historiker, Philologe, Dichter, Mathematiker und Geograph; Direktor der Bibliothek von Alexandria von 245–204 v. Chr.; berechnete aufgrund des unterschiedlichen Schattenwurfs an zwei Orten (Alexandria, Syene) den Umfang der Erde. 341 Aristarchos von Samothrake (geb. um 216; gest. 144 v. Chr.); griechischer Philologe und Leiter der Bibliothek von Alexandria von 175–145 v. Chr.; veranstaltete – wie vor ihm vor allem Zenodotos und Aristophanes – textkritische Untersuchungen zur Homerüberlieferung. 342 Vermutlich Apollodoros von Athen (gest. nach 120/19 v. Chr.), Grammatiker mit Wirkungsstätte in Alexandria, Pergamon und Athen; Schüler des Aristarchos; unter den überlieferten Titeln seiner Werke finden sich die xronika , eine Weltgeschichte in vier Büchern von der Eroberung Trojas bis ins Jahr 120/19 v. Chr., sowie ein Kommentar zum Schiffskatalog des Homer in 12 Büchern (PeriÁ toyÄ nev Ä n katalo goy). 343 Vgl. für die folgende Textpassage der unterschiedlichen Homerdatierungen die nahezu wörtliche Wiedergabe bei Euseb/Hieronymus, Chron. pp. 66a–67a ed. Helm; vgl. auch Clemens, Strom. 1,117 und Ps.-Plutarchos, vit. Hom. 2,3. 344 Der Berechnung liegt das mythische Datum der Eroberung Trojas im Jahre 1183 und der Beginn der Olympischen Spiele im Jahre 776 v. Chr. zugrunde. 345 Archilochos von Paros (gest. um 645 v. Chr. [?]); Begründer der gefühlsbetonten „persönlichen Lyrik“. 346 Sagenumwobener König; Herrscher über Lydien in Kleinasien vermutlich vor 668 [680?] bis 644 v. Chr.; Begründer der Mermnaden-Dynastie, welche in der Niederlage des Kroisos gegen den Perserkönig Kyros II. endete. 347 Vgl. Euseb/Hieronymus, Chron. p. 66a ed. Helm: Quanta autem de eo apud veteres dissonantia fuerit, manifestum esse poterit ex sequentibus ...

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eiÆrh suv. DynatoÁn gaÁ r 〈pantiÁ 〉 ceydeiÄw aÆ pofh nasuai kaiÁ taÁw periÁ toyÁ w lo goyw doÂjaw´ par’ oiÎw gaÁ r aÆsyna rthtoÂw eÆstin hë tv Ä n xro nvn aÆ nagrafh , paraÁ toyÂtoiw oyÆdeÁ taÁ th Ä w iëstoriÂaw aÆ lhueyÂein dynatoÂn. Ti gaÁ r toÁ aiÍtion th Ä w eÆn t v Äì gra fein pla nhw, eiÆ mhÁ toÁ syntaÂttein taÁ mhÁ aÆlhuh Ä;

[32] (1) Par’ hë miÄn deÁ th Ä w meÁ n kenodojiÂaw oë Ïi merow oyÆ k eÍstin, dogmaÂtvn deÁ poikiliÂaiw oyÆ kataxrvÂmeua. Lo goy gaÁ r toyÄ dhmosiÂoy kaiÁ eÆ pigeiÂoy kexvrisme noi kaiÁ peiuo menoi ueoyÄ paragge lmasi kaiÁ no mvì patroÁ w aÆfuarsiÂaw eëpoÂmenoi, pa Ä n toÁ eÆ n do j hì keiÂmenon aÆnurvpiÂn hì paraitoy meua, (2) filosofoyÄ si te oyÆ mo non oië ploytoyÄ ntew, aÆ llaÁ kaiÁ oië pe nhtew proiÄka th Ä w didaskaliÂaw aÆ polayÂoysin´ taÁ gaÁr paraÁ ueoyÄ th Ä w eÆn koÂsm vì dvrea Ä w yëperpaiÂei thÁ n aÆmoibhÂn. ToyÁ w deÁ aÆkroa Ä suai boylomeÂnoyw pa ntaw oyÏ tvw prosie meua, kaà n presbyÂtidew v Ë si kaà n meiraÂkia, pa Ä sa te aëpajaplv Ä w hë likiÂa par’ hëmiÄn tygxaÂnei timh Ä w´ taÁ deÁ th Ä w aÆselgeiÂaw poÂrrv kexvÂristai. (3) KaiÁ hë meiÄw meÁ n leÂgontew oyÆ ceydo meua´ taÁ deÁ th Ä w yëmete raw periÁ thÁ n aÆpistiÂan eÆ pimonh Ä w kaloÁ n meÁ n eiÆ lambaÂnoi perigrafhÂn´ eiÆ d’ oyËn, taÁ hëmeÂtera eÍ stv ueoyÄ gnvÂm hì bebaioyÂmena, gela Ä te deÁ yëmeiÄw, vë w kaiÁ klayÂsontew. (4) Pv Ä w gaÁ r oyÆ k aÍtopon Ne stora meÁ n kau’ yë ma Ä w tv Ä n Ïi ppvn taÁw parhoriÂaw brade vw aÆpote mnonta diaÁ toÁ aÍ tonon kaiÁ nvueÁ w th Ä w hëlikiÂaw uay-

1 〈pantiÁ 〉 ex Eus. add. Schwartz: om. M V P 1 aÆpofh nasuai M V P: aÆpofai nesuai Eus. 2 lo goyw M V P et Eus.: xro noyw coni. Gesner 3 dynato n M V P: dy natai Eus. 4 toÁ 2 M P2, Harnack (p. 50): toÁ mhÁ V P1 8 patroÁ w M P: pney matow V 10 te M V P: d’ Marcovich 17 oyË n M V P: oyÍ Ducaeus 17 post hëme tera add. meÁ n Wilamowitz 18 ante yëmeiÄw add. nyÄ n Marcovich ex NT 19 tv Ä n Ïi ppvn M V P: toyÄ Ïi ppoy Marcovich conl. Iliad. 8,81.87 348 Zur Abwertung menschlicher Weisheit im Vergleich zur höheren göttlichen vgl. 1 Kor 2,5 (eÆn sofi aì aÆnurv pvn – eÆn dyna mei ueoyÄ ); Iustinus, 1 Apol 60,11 (sofi aì aÆ nurvpei aì – dyna mei ueoyÄ ); Ep. ad Diogn. 5,3. 349 Auch Athenagoras (Leg 11,3) hebt darauf ab, dass sich in den christlichen Versammlungen „Ungebildete, Handwerker und alte Mütterchen“ (iÆdiv taw kaiÁ xeirote xnoyw kaiÁ graiÉdia) fänden, die im Gegensatz zu den unablässig streitenden heidnischen Philosophen einen einfältig-lauteren und gottgefälligen Lebenswandel führten. – Vgl. Minucius Felix (Oct. 8,4) zum heidnischen Vorwurf, dass sich bei den Christen nur „Unwissende“ (inperitioribus) und „leichtgläubige Weiber“ (mulieribus credulis) versammelten; siehe auch ibid. 11,2; 13,5; Origenes, C. Cels. 3,44; Lactantius, Div. inst. 1,13,3. – Bereits Plinius d.J. berichtete an den Kaiser Trajan, in der Sekte der Christen

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die gesagt, die es auf das Sorgfältigste selbstständig zu untersuchen imstande sind. Nun ist es 〈jedem〉 zu zeigen möglich, dass auch die Ansichten, die man über die Erzählungen hat, unwahr sind. Leute nämlich, deren chronologischer Ansatz nicht stimmig ist, können ebensowenig die historischen Ereignisse wahrheitsgemäß schildern. Denn worin sonst besteht die Ursache des Irrtums in der Geschichtsschreibung als in der Kombination von Falschheiten? [32] (1) Bei uns aber gibt es kein Verlangen nach eitlem Ruhm, wir brauchen keine bunte Vielfalt von Lehrmeinungen. Denn die gemeine und irdische Lehre haben wir hinter uns gelassen, gehorchen nun den Geboten Gottes, folgen dem Gesetz des unvergänglichen Vaters und weisen daher alles zurück, was auf rein menschlicher Meinung beruht;348 (2) und nicht nur die Reichen betreiben Philosophie, sondern auch die Armen kommen unentgeltlich in den Genuss eines Unterrichts. Denn was uns von Gott her erreicht, ist zu wertvoll für ein Tauschgeschäft mit weltlicher Gegenleistung. So gewähren wir allen, die hören wollen, den Zutritt, mag es sich um greise Frauen handeln oder um kleine Jungen, einfach jedes Alter gelangt bei uns zu Ehren;349 alles Unzüchtige aber steht fernab und ausgesondert.350 (3) Und wenn wir reden, lügen wir nicht;351 es wäre angemessen, wenn euer Beharren im Unglauben an eine Grenze gelangte; andernfalls mögen unsere Lehren nunmehr durch Gottes Urteil bestätigt werden; lacht ihr nur, ihr werdet noch weinen!352 (4) Ist es denn nicht absurd, dass Nestor, der eurer Schilderung zufolge das Geschirr der Beipferde aufgrund der Schlaffheit und Kraftlosigkeit seines Alters nur langsam abschneiden konnte,353 deshalb bewundert354 wird, weil

befänden sich Menschen „jeden Alters, Standes und Geschlechts“ (omnis aetatis, omnis ordinis, utriusque sexus). 350 An dieser Stelle steht wahrscheinlich der heidnische Vorwurf der inzestuösen (oidipodeischen) Verbindungen im Hintergrund, gegen den sich auch andere Apologeten zur Wehr setzen: Iustinus, 1 Apol. 26,7; Athenagoras, Leg. 3,1; 32,1f; Theophilos, Ad Autol. 3,4; 3,15; Minucius Felix, Oct. 9,6f; 28,2; 31,1. 351 Vgl. Iustinus, 1 Apol. 2,1; 8,2; 34,3; 2 Apol. 4,4; Theophilos, Ad Autol. 3,15; Tertullian, Apol. 21,27: nec fas est ulli de sua religione mentiri. 352 Lk 6,25b. – Eine zweifelhafte, geradezu gehässige Ausgestaltung dieser Drohung, dass sich der Triumph der Heiden im Endgericht ins Gegenteil verkehren werde, findet sich bei Tertullian, spect. 30: Quid rideam? Ubi gaudeam, ubi exultem, tot spectans reges, qui in caelum recepti nuntiabantur, cum Iove ipso et ipsis suis testibus in imis tenebris congemescentes? 353 Cf. Homer, Iliad. 8,87: oÍfr’ oë ge rvn Ïippoio parhori aw aÆpe tamne. 354 Cf. z.B. Iliad. 10,87: vË Ne stor NhlhiÈaÂdh me ga kyÄ dow ’Axaiv Ä n.

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ma zesuai peirv menon eÆ piÂshw toiÄw neÂoiw polemeiÄn, toyÁ w deÁ par’ hë miÄn t v Äì gh raì palaiÂontaw kaiÁ taÁ periÁ ueoyÄ pragmateyomeÂnoyw gela Ä suai; (5) TiÂw deÁ oyÆ k aÃn gela seien ÆAmazoÂnaw meÁ n kaiÁ SemiÂramin kai tinaw aÍllaw polemikaÁ w faskoÂntvn yëmv Ä n gegoneÂnai, taÁw deÁ par’ hëmiÄn parueÂnoyw loidoroy ntvn; (6) Meira kion hË n oë ÆA xilleyÁ w kaiÁ gennaiÄow eiËnai pepiÂsteytai sfoÂdra´ kaiÁ oë Neopto lemow nev terow, aÆllaÁ iÆ sxyroÁ w hËn´ Filokth thw aÆsuenhÂw, aÆ ll’ eÍxr hzen ì ayÆtoyÄ kataÁ TroiÂaw toÁ daimo nion. ëO UersiÂthw oëpoiÄow hËn; ÆAll’ eÆ strathÂgei´ toÁ deÁ aÆmetroepeÁ w eiÆ mhÁ prosh Ä n ayÆtv Äì diaÁ thÁ n aÆmauiÂan, oyÆ k aà n vë w fojoÁ w kaiÁ cednoÁ w diebaÂlleto. (7) PaÂntew oië boyloÂmenoi filosofeiÄn 〈fiÂloi 〉 par’ hëmiÄn aÍnurvpoi´ oyÆ toÁ oërv menon dokima zomen oyÆ deÁ toyÁ w prosio ntaw hëmiÄn aÆ poÁ sxh matow kriÂnomen´ toÁ gaÁr th Ä w gnv mhw eÆ rrvme non paraÁ pa Ä sin eiËnai dyÂnasuai lelogi smeua, kaà n aÆsueneiÄw v Ë si toiÄw sv masi. TaÁ deÁ yëmeÂtera fuo noy mestaÁ kaiÁ blakeiÂaw pollh Ä w.

[33] (1) DiaÁ toyÄto proyÆuymhÂuhn aÆ poÁ tv Ä n nomizomeÂnvn par’ yë miÄn timi vn parista Ä n oÏti taÁ meÁ n hëmeÂtera svfroneiÄ, taÁ deÁ yëmeÂtera eÍ uh maniÂaw eÍxetai pollh Ä w. Oië gaÁr eÆn gynaijiÁ kaiÁ meirakiÂoiw parueÂnoiw te kaiÁ presby taiw flyareiÄn hëma Ä w le gontew kaiÁ diaÁ toÁ mhÁ syÁ n yëmiÄn eiËnai xleya zontew aÆkoyÂsate tv Ä n par’ ÏEllhsi pragmaÂtvn toÁ n yÏ ulon. LhraiÂnei gaÁ r ma Ä llon diaÁ doÂjhw pollh Ä w tv Ä n par’ yë miÄn eÆ uv Ä n taÁ eÆpithdeyÂmata kaiÁ diaÁ th Ä w gynaikvniÂtidow aÆsxhmoneiÄ. (2) Pra jillan meÁ n gaÁr Ly sippow eÆ xalkoyÂrghsen mhdeÁ n eiÆ poyÄ san diaÁ tv Ä n poihma tvn xrhÂsimon, LearxiÂda deÁ MeneÂstratow, SilaniÂvn deÁ SapfvÁ thÁ n eëtaiÂran, ÍHrinnan thÁn LesbiÂan NaykyÂdhw, BoiÉskow 1 tv Ä i M P: toÁ V 5 loidoreiÄsuai V 10 〈fi loi〉 suppl. Marcovich: lac. ibidem (post filosofeiÄn ) indic. Schwartz: pa reisin add. Kukula (p. 36) 10 aÍ nurvpoi M V P: oiÊ Schwartz 19 tv Ä n M P: toÁ n V 19 yÏ ulon M V P in mg: lh Ä ron P (cf. Lhrai nei ) 20 diaÁ do jhw maÄ llon P 20 yëmiÄn eÆuv Ä n M V: hë miÄn uev Ä n P 21 aÆ sxhmoneiÄ Wilamowitz: aÆsxhmoneiÄte M V P 23 Silani vn Gesner (cf. 33,3): sielani vn P: selane vn M V 24 Nayky dhw Gesner: nayki dhw M V P 355 D.h. sich „mit theologischen Fragen“ auseinandersetzen; vgl. S. Freund, Dichter, S. 111. 356 In der griechischen Mythologie ein kämpferisches, matriarchalisch organisiertes Frauenvolk am Ostufer des Schwarzen Meeres. Der trojanische König Priamos soll in seiner Jugend gegen die „männergleichen“ Kriegerinnen (’Amazo new aÆntia neirai) gekämpft haben (Iliad. 3,184ff). 357 Semiramis, die mythische altorientalische Königin und Gründerin von Babylon, wird von Athenagoras (Leg. 30,1) als „wollüstiges und blutbesudeltes Weib“ betitelt.

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er gleichwie die jungen Männer zu kämpfen versuchte, dass aber die ausgelacht werden, die bei uns mit dem Alter kämpfen und sich um die göttlichen Belange355 kümmern? (5) Wer lachte wohl nicht darüber, wenn ihr von Amazonen356 und Semiramis357 und einigen anderen Kriegerinnen erzählt, aber die jungen Frauen bei uns verhöhnt? (6) Ein junger Bursche war Achilles, und man ist überzeugt, er sei sehr edelmütig gewesen; und noch jünger war Neoptolemos, aber er war kräftig; Philoktetes war kränklich, aber die Gottheit bedurfte seiner gegen Troja. Von welcher Art war Thersites? Und doch war er ein Feldherr. Wäre nicht diese törichte und maßlose Geschwätzigkeit358 an ihm gewesen, wäre er nicht als spitzund kahlköpfig359 gescholten worden. (7) Alle, die philosophieren wollen, sind bei uns gern gesehene Menschen; wir prüfen nicht die äußere Erscheinung und beurteilen die, die zu uns kommen, nicht nach ihrem Aussehen; denn Geisteskraft, so meinen wir, kann jeder besitzen, auch wenn er körperlich schwach sein sollte. Aber eure Gedanken sind voller Missgunst und großer Dummheit! [33] (1) Deswegen möchte ich gern – ausgehend von dem, was bei euch als ehrenwert gilt – darlegen, dass unsere sittlichen Vorstellungen vernünftig sind, eure aber in vielfacher Hinsicht an Wahnsinn grenzen. Denn: Ihr sagt, wir faselten Unsinn unter Frauen und Jünglingen, Mädchen und alten Weibern, und verspottet uns, weil wir nicht auf eurer Seite stehen; hört aber, mit welch dummem Zeug sich die Griechen beschäftigen. Mehr als albern ist nämlich durch vielfache Vorstellung euer sittliches Verhalten und durch euer Weibervolk wird es gar unschicklich. (2) Denn Lysippos hat eine Bronzestatue von Praxilla angefertigt,360 obwohl sie nichts Nützliches in ihren Gedichten geäußert hat; Menestratos bildete die Learchis, Silanion die Hetäre Sappho,361 Naukydes die Lesbie358

Cf. Iliad. 2,212. Cf. Iliad. 2,212–220 über Thersites als den „hässlichsten Mann, der nach Ilion kam“ (216); cf. 218f: ayÆ taÁ r yÏperue fojoÁ w eÍhn kefalh n cednhÁ d’eÆpenh noue la xnh. 360 Vgl. zum folgenden Statuenkatalog: A. Kalkmann, Tatians Nachrichten über Kunstwerke, in: Rheinisches Museum für Philologie 42, 1887, S. 489–524; R.C. Kukula, „Altersbeweis“ und „Künstlerkatalog“ in Tatians Rede an die Griechen, in: Jahresbericht des K. K. Staatsgymnasiums im II. Bezirk in Wien, Wien 1900. – Bemerkenswert ist, dass Tatian neun Frauen nennt, die von Antipatros (Anthologia Palatina 9,26) den neun Musen zugerechnet werden: Prh jilla, Moirv , ’Any th, Sapfv , ÍHrinna, Tele silla, Ko rinna, Nossi w, My rtiw. Von den übrigen fünf Frauen existieren über Tatian hinaus keine weiteren Nachrichten. 361 Über die Sappho des Silanion vgl. Cicero, Verr. 2,4,126: Silanionis opus tam perfectum, tam elegans, tam elaboratum quisquam non modo privatus sed populus potius haberet quam homo elegantissimus atque eruditissimus, Verres? 359

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MyrtiÂda, MyrvÁ thÁ n ByzantiÂan Khfiso dotow, GoÂmfow PrajagoriÂda kaiÁ ÆAmfiÂstratow KleitvÂ. (3) Ti ga r moi periÁ ÆA nyÂthw leÂgein TelesiÂllhw te kaiÁ NossiÂdow; Th Ä w meÁ n gaÁr EyÆ uykra thw te kaiÁ Khfiso dotow, th Ä w deÁ Nikh ratow, th Ä w deÁ ÆAristoÂdotoÂw eiÆsin oië dhmioyrgoi´ MnhsarxiÂdow th Äw ÆEfesi aw EyÆ uykra thw, KoriÂnnhw SilaniÂvn, Ualiarxi dow th Ä w ÆA rgeiÂaw EyÆ uykra thw. (4) TayÂtaw deÁ eiÆpeiÄn proyÆuymhÂuhn, Ïina mhdeÁ par’ hë miÄn je non ti pra ttesuai nomiÂzhte kaiÁ sygkriÂnantew taÁ yë p’ oÍ cin eÆ pithdey mata mhÁ xleya zhte taÁ w pa r’ hë miÄn filosofoyÂsaw. (5) KaiÁ hë meÁ n SapfvÁ gyÂnaion pornikoÁ n eÆ rvtomane w, kaiÁ thÁ n eëayth Ä w aÆseÂlgeian aÍìdei´ pa Ä sai deÁ aië par’ hë miÄn svfronoyÄ sin, kaiÁ periÁ taÁ w hÆ laka taw aië parueÂnoi taÁ kataÁ ueoÁ n laloyÄ sin eÆ kfvnh mata spoydaioÂteron th Ä w par’ yë miÄn paido w. ToyÂtoy xa rin aiÆdeÂsuhte, mauhtaiÁ meÁ n yë meiÄw tv Ä n gynaiÂvn eyërisko menoi, taÁw deÁ syÁ n hë miÄn politeyome naw syÁ n t h Äì met’ ayÆ tv Ä n oë mhgyÂrei xleyaÂzontew. (6) Ti gaÁ r yëmiÄn hë GlaykiÂpph semnoÁ n eiÆshgh sato, paidiÂon hÏtiw tera stion eÆge nnhsen, kauvÁ w deiÂknysin ayÆ th Ä w hë eiÆkv n, NikhraÂtoy toyÄ EyÆ kthÂmonow ÆAuhnaiÂoy toÁ geÂnow xalkey santow; EiÆ gaÁ r eÆ kyÂhsen eÆ leÂfanta, ti toÁ aiÍtion toyÄ dhmosiÂaw aÆ polayÄ sai timh Ä w thÁ n GlaykiÂpphn; (7) Fry nhn thÁ n eëtaiÂran yëmiÄn PrajiteÂlhw kaiÁ ëHro dotow pepoih kasin, kaiÁ PanteyxiÂda syllamba noysan eÆ k fuore vw EyÆ uykraÂthw eÆ xalkoyÂrghsen. BhsantiÂda thÁ n PaioÂnvn basiÂlissan, oÏti paidiÂon meÂlan eÆ kyÂhsen, DeinomeÂnhw diaÁ th Ä w eë aytoyÄ te xnhw mnhmoneyÂesuai pareskeyÂasen. (8) ÆEgvÁ kaiÁ PyuagoÂroy kate gnvka thÁ n EyÆ rvÂphn eÆ piÁ toyÄ tayÂroy kauidry santow kaiÁ yë mv Ä n, oiÏtinew toyÄ DioÁ w toÁ n kath goron diaÁ thÁ n eÆ keiÂnoy teÂxnhn tetimhÂkate. Gelv Ä kaiÁ thÁ n MiÂkvnow eÆ pisth mhn mo sxon poihÂ-

1 Prajagori da C. Keil (Analecta epigr., Lipsiae 1842, p. 159): prajigori da M V: prajhgori da P 3 Nossi dow H. Brunn (Künstlergeschichte I, p. 525): mysti dow M V P 4 post oië dhmioyrgoi addunt M P kleitoyÄ w deÁ aÆmfi stratow : del. Worth (cf. v. 2) 4 mnhsiarxi dow M V P, corr. O. Jahn (Arch. Zeitg. 1850, p. 239) 4 deÁ post mnhsiÄ w par’ arxi dow in V: om. M P 5 ualarxi dow M V P, corr. O. Jahn (loc. cit.) 12 th yë miÄn paidoÁ w spoydaio teron P 14 oë mhgy rei M V: panhgy rei P 19 Fry nhn te P 20 panteyxi da M V P: Pannyxi da O. Jahn (loc. cit.), vix recte 25 mh kvnow M V P, corr. I. Sillig (Catalogus artificium, Dresdae et Lipsiae 1827, p. 275): My kvnow vel My rvnow Gesner (My rvnow agn. Kalkmann, pp. 490 et 515) 25f poih santow mo sxon P 362

Gegen Kukula (Anm. 3 zur Übs.), der – mit Hinweis auf Thuk. 1,138 – die

eÆ pithdey mata als „Weiberkult“ deuten will. 363

Eine Identität mit der von Plinius d. Ä. (nat. hist. 7,34) erwähnten Statue der Alcippe ist wahrscheinlich, die ihren Platz unter den mirabiles effigies im Theater des Pompeius fand: Alcippe elephantum. Quamquam id inter ostenta est. – Auch eine Bezie-

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rin Erinna, Boiskos die Myrtis, Kephisodotos die Byzantinerin Myro, Gomphos die Praxagoris und Amphistratos die Kleito. (3) Was bleibt mir denn über Anyta, Telesilla und Nossis zu sagen? Euthykrates und Kephisodotos fertigten ein Bildnis der ersten, Nikeratos der zweiten und Aristodotos der dritten; Euthykrates bildete die Ephesische Mnesarchis, Silanion die Korinna, Euthykrates die Argiverin Thaliarchis. (4) Diese wollte ich aufzählen, damit ihr nicht denkt, bei uns werde etwas Befremdliches praktiziert, und damit ihr nicht, wenn ihr die offen zur Schau gestellten Künstlerarbeiten362 vergleicht, die Philosophinnen bei uns verspottet. (5) Die Sappho war ein unzüchtiges, liebestolles Weib, die ihre eigene Lüsternheit besang; alle Frauen bei uns aber sind züchtig und am Spinnrocken reden die Jungfrauen nur göttliche Worte, köstlicher als das, was jenes Mädchen von euch hervorbringt. Schämt euch darum, die ihr als Schüler von Weibern befunden werdet, diejenigen Frauen, die unseren Lebenswandel teilen, zu verspotten, und mit ihnen die Versammlungen, an denen sie teilnehmen. (6) Was hat euch denn Glaukippe Verehrungswürdiges vorgeführt, welche ein Ungeheuer als Kind gebar, wie das Bildnis von ihr zeigt, welches Nikeratos, ein Sohn des Euktemonos, ein Athener von Geburt, in Erz gegossen hat? Wenn sie nämlich mit einem Elephanten schwanger wurde, aus welchem Grunde wurde der Glaukippe dann öffentliche Ehre zuteil?363 (7) Die Hetäre Phryne haben euch Praxiteles364 und Herodotos geschaffen, und Panteuchis, die von einem Frauenschänder schwanger wurde, hat Euthykrates in Erz gebildet. Der Besantis, der Königin der Paionier, hat Deinomenes durch seine Kunst ein Andenken verschafft, weil sie ein schwarzes Kind empfangen hatte. (8) Meine Geringschätzung gilt sowohl dem Pythagoras, der die Europa auf den Stier setzte,365 als auch euch, die ihr ihn wegen seines Kunstwerkes in Ehren haltet, obwohl er dadurch zum Ankläger des Zeus wird. Ich lache auch über die Kunstfertigkeit des Mikon, der einen jungen Stier geschaffen hat, auf diesem aber hung zu Livius 27,11, wo ein Junge cum elephanti capite erwähnt wird, ist erwogen worden. Vgl. Valerius Maximus 1,6,5: alium cum elephantino capite natum. 364 Die berühmte griechische Hetäre aus Thespiai (4. Jhdt. v. Chr.) diente dem Praxiteles als Modell für seine Aphrodite von Knidos. Im Tempel von Thespiai stand neben dieser das Bildnis der Phryne desselben Künstlers. Der Legende nach soll Phryne vor dem Areopag in Athen der Asebie angeklagt worden sein, da sie sich angemaßt habe, die Schönheit der Aphrodite zu übertreffen. Vor Gericht soll sie sich entkleidet und ihren Körper als „Beweis“ vorgezeigt haben. Vgl. Plinius, nat. hist. 34,70; Pausanias 1,20,1f; 9,27,5; 10,15,1; Plutarch, amat. 753 EF; Athenaios 13,591 B; Aelian, var. hist. 9,32; Iustinus, 1 Apol. 9,4; Clemens, Protr. 53,6; Arnobius, adv. nat. 6,13. 365 Vgl. Varro, De lingua Latina 5,32: Europa ab Europa Agenoris, quam ex Phoenice, Manlius scribit taurum exportasse, quorum egregiam imaginem ex aere Pythagoras Tarenti.

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santow, eÆ piÁ deÁ ayÆtoyÄ NiÂkhn, oÏti thÁ n ÆAgh norow aërpa saw uygateÂra moixei aw kaiÁ aÆkrasiÂaw brabeiÄon aÆ phne gkato. (9) DiaÁ ti GlykeÂran thÁ n eë taiÂran kaiÁ ÆArgeiÂan thÁn ca ltrian oë ÆOlyÂnuiow ëHro dotow kateskey asen; BryÂajiw Pasifa hn eÍsthsen, hÎ w thÁ n aÆ seÂlgeian mnhmoney santew mononoyxiÁ kaiÁ taÁ w gynaiÄkaw taÁ w nyÄ n toiayÂtaw eiËnai prohÂìrhsue. (10) MelaniÂpph tiw hËn sofh´ diaÁ toyÄ to tayÂthn oë LysiÂstratow eÆ dhmioyÂrghsen´ yë meiÄw deÁ eiËnai par’ hë miÄn sofaÁ w oyÆ pepisteyÂkate.

[34] (1) Pa ny goyÄ n semnoÁw kaiÁ oë tyÂrannow FaÂlariw, oÊw toyÁ w eÆpimastidiÂoyw uoinv menow paiÄdaw diaÁ th Ä w Polystra toy toyÄ ÆA mprakivÂtoy kataskeyh Ä w me xri nyÄ n v Ï w tiw aÆ nhÁ r uaymastoÁ w deiÂknytai´ kaiÁ oië meÁ n ÆAkragantiÄnoi bleÂpein ayÆtoyÄ toÁ proÂsvpon toÁ proeirhmeÂnon diaÁ thÁ n aÆnurvpofagiÂan eÆ dediÂesan, oiÎw deÁ meÂlon eÆstiÁ paideiÂaw ayÆxoyÄ sin oÏ ti di’ eiÆko now ayÆ toÁ n uevroyÄ si. (2) Pv Ä w gaÁr oyÆ xalepoÁ n aÆdelfoktoniÂan par’ yë miÄn tetimh Ä suai, oiÊ PolyneiÂkoyw kaiÁ ÆEteokleÂoyw oë rv Ä ntew taÁ sxhÂmata kaiÁ mhÁ syÁ n tv Äì poih santi PyuagoÂr aì katabourvÂsantew eÆ napo llyte th Äw kakiÂaw taÁ yëpomnh mata; (3) Ti moi diaÁ PeriklyÂmenon toÁ gyÂnaion, oÏper eÆ kyÂhse tria konta paiÄdaw, vëw uaymastoÁn hë geiÄsue kaiÁ katanoeiÄn poiÂhma; Pollh Ä w gaÁ r aÆ krasiÂaw aÆ penegkame nhn taÁ aÆkrouiÂnia bdelyÂttesuai kaloÁ n hË n, t h Äì kataÁ ëRvmaiÂoyw syiÌ pareikazome nhn, hÏtiw kaiÁ ayÆ thÁ diaÁ toÁ oÏmoion mystikvte raw, v Ï w fasin, hÆjiÂvtai uerapeiÂaw. (4) ÆEmoiÂxeysen deÁ ÍArhw thÁ n ÆAfrodiÂthn, kaiÁ thÁ n aÆp’ ayÆ tv Ä n ëA rmoniÂan ÍAndrvn yëmiÄn

2 diaÁ ti Kalkmann (p. 490): diaÁ thÁ n M P: diathÁ n V 3 hëro dotow M V P: ëHro dvrow coni. E. Loewy (Inschriften griech. Bildhauer, p. 370, ad Nr. 541), cf. Kalkmann, p. 511 3–4 kateskey ase om. V 5 nyÄ n mononoyxiÁ V 8 semnoÁ w om. V 9 thÄ w V P: toyÄ M 9 toyÄ om. P 11 toÁ proeirhme non secl. Marcovich 13 gaÁ r M V P: d’ Marcovich 13–14 tetimhÄ suai par’ yëmiÄn Schwartz (ob hiatum) 15 kaiÁ del. Schwartz 15 eÆnapo llyte M P: eÆnapo lloito V: synapo llyte Wilamowitz 16 Perikly menon toÁ Marcovich: toÁ perikly menon M V P: toÁ n Perikly menon Gesner, Otto, Harnack (p. 50) 17 hëgeiÄsue M P2: hëgeiÄsuai V P1 17 kaiÁ del. Kukula: kaiÁ 〈aÍ jion toyÄ 〉 coni. Schwartz 18 aÆpenegkame nhn Schwartz: aÆpenegkame nh(i) M V P 19 pareikazome nhn Schwartz: pareikazome nh(i) M V P 20 fhsiÁ n M 366 Die Tochter des Agenor ist Europa, die von Zeus (in der Gestalt eines Stieres) getragen wird. 367 Eine (verlorene) Tragödie des Euripides trägt den Titel Melani pph hë sofh . Über den Inhalt geben die Fragmente spärlich Auskunft: Melanippe, die Tochter des Aiolos, bringt heimlich Zwillinge zur Welt, die sie in einem Rinderstall aussetzt. Aiolos, der die Kinder findet, hält sie für Missgeburten von Kühen und will diese umbringen. Melanippe überzeugt ihn, dass es ein derartiges Wunder nicht gebe, sondern dass es sich um menschliche Kinder handeln müsse.

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die Nike, weil jener durch den Raub der Tochter Agenors366 einen Siegespreis für Ehebruch und Unzucht davontrug. (9) Weswegen hat der Olynthier Herodotos die Hetäre Glykera und die Lyraspielerin Argeia geschaffen? Bryaxis hat die Pasiphae aufgestellt, deren Ausschweifung ihr in Andenken haltet und dadurch beinahe den Eindruck macht, ihr zöget es vor, dass die heutigen Frauen von derselben Art wären. (10) Eine gewisse Melanippe war eine weise Frau;367 deswegen hat Lysistratos eine Skulptur von ihr angefertigt; ihr aber glaubt nicht, dass es weise Frauen bei uns gibt. [34] (1) Ganz besonders verehrungswürdig war sicherlich auch der Tyrann Phalaris, der Säuglinge verschmauste368 und dennoch durch die künstlerische Arbeit des Amprakioten Polystratos bis heute als ein bewundernswerter Mann zur Schau gestellt wird; die Akragantiner369 fürchteten sich, das erwähnte Gesicht desselben wegen seines Kannibalismus anzuschauen, die Bildungsbeflissenen aber brüsten sich damit, dass sie ihn in einem Bildnis sehen. (2) Ist es denn nicht in jeder Hinsicht schlimm, dass Brudermord bei euch in Ehren steht, da ihr beim Anblick der Bildnisse des Polyneikes und des Eteokles370 auch diese Denkmäler der Schlechtigkeit nicht zusammen mit ihrem Schöpfer Pythagoras begrabt und gleich mitvernichtet? (3) Weshalb gebietet ihr mir wegen des Periklymenos, das Weib, welches dreißig Kinder gebar,371 ebenfalls als ein bewundernswertes Geschöpf zu betrachten? Es wäre richtig gewesen, Abscheu vor ihr zu empfinden, die sie doch die Früchte ihrer großen Unenthaltsamkeit erntete und der Sau372 bei den Römern gleicht, die ebenfalls aus ähnlichem Grunde eines, wie man sagt, recht „mystischen“ Kultes für würdig befunden wurde. (4) Ares verführte die Aphrodite und die daraus entstandene Harmonia hat euch Andron als Bildnis ge368

Zum angeblichen Kannibalismus des grausamen Phalaris (Tyrann auf Sizilien von ca. 570 bis 555 v. Chr) vgl. Aristoteles, Eth. Nic. 1148b 24 und 1149a 14; siehe auch Athenaios 9,396 E: eiÆw toyÄ to fhsin vÆ mo thtow Fa larin toÁ n ty rannon eÆla sai, vë w galauhnaÁ uoina Ä suai bre fh. 369

Akragas an der Südküste Siziliens; lat.: Agrigentum. Polyneikes und Eteokles, die beiden verfluchten Söhne des Ödipus und der Iokaste, töteten sich im Kampf um Theben gegenseitig im Zweikampf. Vgl. Ps.Apollodor, Bibl. 3,60–74. 371 Nach Plinius dem Älteren (nat. hist. 7,34) stand im Theater des Pompeius eine Statue der Eutychis, welche 30 Kinder zur Welt gebracht haben soll: Pompeius Magnus in ornamentis theatri mirabiles fama posuit effigies, ob id diligentius magnorum artificum ingeniis elaboratas, inter quas legitur Eutychis a XX liberis rogo inlata Trallibus, enixa XXX partus. 372 Anspielung auf das Sau-Prodigium der Aeneis, durch welches Tiburinus dem Aeneas den Ort der Gründung Albas andeutet; vgl. Vergil, Aen. 390f = 8,43f: sus triginta capitum fetus enixa iacebit. 370

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kateskey asen. (5) LhÂroyw te kaiÁ flyariÂaw Sv frvn diaÁ syntagmaÂtvn paradoyÁ w eÆndojoÂterow xa rin th Ä w xalkeytikh Ä w hÊ me xri nyÄ n eÆstin´ kaiÁ toÁ n ceydoloÂgon AiÍsvpon aÆ eiÂmnhston oyÆ moÂnon taÁ myuologh mata, kaiÁ hë kataÁ toÁ n ÆAristo dhmon dhÁ plastikhÁ perispoy dastow aÆ peÂdeijen. (6) EiËta pv Ä w oyÆ k aiÆdeiÄsue tosayÂtaw meÁ n eÍxontew poihtriÂaw oyÆ k eÆpi ti xrhÂsimon, poÂrnaw deÁ aÆpeiÂroyw kaiÁ moxuhroyÁ w aÍndraw, tv Ä n deÁ par’ hë miÄn gynaikv Ä n diaba llontew thÁ n semno thta; (7) Ti moi spoydaiÄon manua nein EyÆ aÂnuhn eÆn Peripa t vì tekeiÄn kaiÁ proÁ w thÁ n KallistraÂtoy kexhne nai teÂxnhn kaiÁ t h Äì Kallia doy NeaiÂraì pare xein toyÁ w oÆfualmoyÂw; ëEtai ra gaÁ r hËn. LaiÌw eÆ poÂrneysen, kaiÁ oë po rnow ayÆ thÁ n yëpo mnhma th Äw porneiÂaw eÆpoiÂhsen. (8) DiaÁ ti thÁ n ëHfaistiÂvnow oyÆ k aiÆ deiÄsue porneiÂan, kaiÁ eiÆ pa ny FiÂlvn ayÆ toÁ n eÆnte xnvw poieiÄ; TiÂnow deÁ xa rin diaÁ Levxa royw Ganymh dh toÁ n aÆndroÂgynon v Ï w ti spoydaiÄon eÍ xontew kth Ä ma tetimh kate kaiÁ oÊ celioyÂmeno n ti gyÂnaion Prajite lhw eÆ dhmioyÂrghsen; (9) ÆExrh Ä n deÁ pa Ä n toÁ toioyÄton eiËdow paraithsame noyw toÁ kataÁ aÆ lh ueian spoydaiÄon zhteiÄn kaiÁ mhÁ FilainiÂdow mhdeÁ ÆElefantiÂdow tv Ä n aÆrrh tvn eÆ pinoiv Än aÆntipoioyme noyw thÁ n hë mete ran politeiÂan bdelyÂttesuai.

2 eÆndojo terow Gesner: eÆndojo teron M (on in rasura) V P 2 post thÄ w lac. ind. Marcovich, qui nomen sculptoris desideret 2 hÊ del. Schwartz 3 toÁ n om. V 3 myuologh mata M P: ceydologh mata V 3 post myuologh mata superscr. aÆ llaÁ Pm. rec. 4 dhÁ Marcovich: deÁ M V P1: del. P2 4 perispoy dastow Schwartz: –on M V P 6 deÁ 1 M V P: t’ Marcovich 6 kaiÁ moxuhroyÁ w aÍndraw secl. Marcovich ut glossema 6 deÁ 2 om. P 9 kaiÁ thÄì scripsi (t hÄì iam Otto, Kukula): kaiÁ proÁ w taÁ M V P (proÁ w fortasse dittographia ex v. 8): kaiÁ proÁ w del. Schwartz: hà [proÁ w] thÄì Marcovich 9 pare xein M V P: prose xein Schwartz, Whittaker, Marcovich 10 po rnow Wilamowitz: toyÄ rnow M V P: to rnow Nauck (Philol. 9 [1854], p. 371) 10 post po rnow lac. ind. Marcovich, qui nomen sculptoris desideret 13 ganymh dhn V 14 oÊ celioy menon M V P: spiloy menon Gesner, agn. Ducaeus, Otto, Kalkmann (p. 492 n. 4) 16 mhÁ Schwartz: mhÁ deÁ M V P 373

Der dauerhaften Liebesbeziehung zwischen Ares und der mit Hephaistos verheirateten Aphrodite entsprangen – je nach Version der Sage – mehrere Kinder: Eros, Anteros, Harmonia, Deimos, Phobos, Enyalios. 374 Griechischer Komödiendichter aus Syrakus im 5. Jahrhundert; Fragmente ediert von C.J. Botzon (1867); vgl. dens., De Sophrone et Xenarcho mimographis, 1856. 375 Die mythische Mutter der drei Chariten (Grazien). 376 Berühmte, skandalumwitterte Hetäre des 4. Jahrhunderts v. Chr. mit außergewöhnlicher Bildung; vgl. Athenaios 13,593 F – 594 A; Demosthenes, or. 59. 377 Häufiger Name für Hetären im antiken Griechenland; hier vermutlich die ältere Lais aus Korinth (422–392 v. Chr.), die für ihre horrenden Preise, die sie ihren Liebhabern abverlangte, berüchtigt war. 378 Anspielung auf die Legende, Hephaistion sei der beste Freund und intimste Vertraute Alexanders des Großen gewesen. Ihre Beziehung wurde in der antiken Li-

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staltet.373 (5) Albernes und geschwätziges Zeug hat Sophron374 in seinen Schriften überliefert, berühmter noch ist er durch die Schmiedekunst, die bis heute existiert; und den Lügendichter Aisopos haben nicht nur seine Fabeln unvergesslich gemacht, auch die Bildnerkunst des Aristodemos trug gewiss zu seiner Berühmtheit bei. (6) Trotzdem schämt ihr euch nicht, die ihr so viele nichtsnutzige Dichterinnen, zahllose Dirnen und üble Schurken bei euch habt, die Ehrbarkeit unserer Frauen in den Schmutz zu ziehen? (7) Warum ist es für mich wichtig, darüber belehrt zu werden, dass Euanthe375 auf einem Spaziergang ihre Niederkunft hatte, mit offenem Mund die Kunst des Kallistratos zu bestaunen und die Neaira376 des Kalliades eines Blickes zu würdigen? Sie war nämlich eine Hetäre. Lais377 war eine Hure, und ihr Freier schuf ihre Statue als Andenken an die Hurerei. (8) Warum schämt ihr euch nicht für die Hurerei des Hephaistion,378 auch wenn Philon ihn überaus kunstvoll darstellt? Weshalb haltet ihr den von Leochares gebildeten Ganymedes,379 das androgyne Wesen, in Ehren, als ob ihr einen kostbaren Schatz besäßet, sowie das Weibsbild mit Armband,380 welches Praxiteles geschaffen hat? (9) Ihr solltet jedes Bildnis dieser Art zurückweisen und das wahrhaft Gute erstreben, und nicht unseren Lebenswandel verabscheuen, während ihr auf die unsäglichen geistigen Ergüsse einer Philainis und Elephantis381 scharf seid.382 teratur, im Vergleich zur Freundschaft zwischen Achilleus und Patroklos, im Sinne der Homoerotik gedeutet; siehe z.B. Aelian, var. hist. 12,7. 379 Vgl. Plinius den Älteren (nat. hist. 34,79), der eine Bronzestatue des Leochares erwähnt, die den Adler zeige, welcher den jungen Ganymed mit aller Vorsicht trage und den Eindruck erwecke, er wisse um seine wertvolle Fracht und für wen er sie trage: Leochares aquilam sentientem, quid rapiat in Ganymede et cui ferat, parcentemque unguibus etiam per vestem puero. – Zur bekannten Ganymed-Sage siehe z.B. die Versionen bei Homer, Iliad. 20,231; Vergil, Aen. 5,255; Ovid, met. 10,155–61. 380 Von dieser (Bronze-)Statue des Praxiteles weiß auch Plinius der Ältere (nat. hist. 34,69f): Praxiteles quoque, qui marmore felicior, ideo et clarior fuit, fecit tamen et ex aere pulcherrima opera: ... pseliumenen. 381 Philainis ist die mutmaßliche Verfasserin einer in der Antike populären Schrift über die Stellungen beim Liebesakt (vgl. Athenaios 5,220 F; 8,335 B; 10,457 D; Polybios, Hist. 12,13,1). Elephantis wird ein ähnliches, bebildertes Werk zugeschrieben sowie medizinische Ratgeber über die Empfängnis und deren Verhütung (vgl. z.B. Martial, epigr. 12,43,4; Plinius, nat. hist. 28,81; Sueton, vit. Tib. 43). Beide Autorinnen erscheinen gemeinsam im Suida-Lexikon, s. v. „Astyanassa“. 382 Offensichtlich ist der Schlusssatz dieses Kapitels durch den Schluss der 2. Apologie des Iustinus inspiriert (15,3): eiÆ deÁ mhÁ , kaà n Svtadei oiw kaiÁ Filainidei oiw kaiÁ oÆ rxhstikoiÄw kaiÁ ’Epikoyrei oiw, kaiÁ toiÄw aÍ lloiw toiÄw toioy toiw poihtikoiÄw dida gmasin oyÆ x oÏ moia, oiÎw eÆ ntygxa nein pa Ä si, kaiÁ genome noiw kaiÁ gegramme noiw, sygkexv rhtai.

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[35] (1) TayÄ ta meÁ n oyË n oyÆ par’ aÍ lloy mauvÁ n eÆjeueÂmhn, pollhÁn deÁ eÆ pifoithÂsaw gh Ä n kaiÁ toyÄ to meÁn sofisteyÂsaw taÁ yëmeÂtera, toyÄ to deÁ teÂxnaiw kaiÁ eÆpinoiÂaiw eÆgkyrh saw pollaiÄw, eÍ sxaton deÁ th Äì ëRvmaiÂvn eÆ ndiatriÂcaw poÂlei kaiÁ taÁ w aÆf’ yë mv Ä n vëw ayÆ toyÁ w aÆnakomisueiÂsaw aÆ ndria ntvn poikiliÂaw katamauvÂn. OyÆ ga r, vëw eÍuow eÆ stiÁ toiÄw polloiÄw, aÆ llotriÂaiw do jaiw taÆmaytoyÄ kraty nein peirv Ä mai, pa ntvn deÁ v Î n aà n ayÆ toÁ w poih svmai thÁ n kata lhcin, toyÂtvn kaiÁ thÁn aÆnagrafhÁ n syntaÂttein boy lomai. (2) DioÂper xaiÂrein eiÆpvÁ n kaiÁ th Äì ëRvmaiÂvn megalayxiÂaì kaiÁ th Äì ÆAuhnaiÂvn cyxrologi aì do gmasin aÆsynarth toiw, th Ä w kau’ yë ma Ä w barba roy filosofiÂaw aÆntepoihsa mhn´ hÏtiw oÊn troÂpon eÆ stiÁ tv Ä n par’ yëmiÄn eÆ pithdeyma tvn aÆrxaiote ra, gra fein meÁ n aÆ rjaÂmenow, diaÁ deÁ toÁ katepeiÄgon th Ä w eÆjhgh sevw yë perueÂmenow, nyÄ n oÏ te kairoÁ w periÁ tv Ä n kat’ ayÆthÁ n dogma tvn le gein peira somai. (3) MhÁ gaÁ r dysxera nhte thÁ n hë mete ran paideiÂan mhdeÁ flyariÂaw kaiÁ bvmoloxiÂaw mesthÁ n aÆntilogiÂan kau’ hë mv Ä n pragmateyÂshsue leÂgontew´ TatianoÁ w yëpeÁ r toyÁw ÏEllhnaw yëpe r 〈te〉 toÁ aÍpeiron tv Ä n filosofhsa ntvn plh Ä uow kainotomeiÄ taÁ barba rvn doÂgmata. (4) Ti gaÁr xalepoÁ n aÆnurvÂpoyw pefhnoÂtaw aÆmaueiÄw yëpoÁ aÆnurvÂpoy nyÄ n oëmoiopauoyÄ w syneleÂgxesuai; Ti deÁ kaiÁ aÍtopon kataÁ toÁ n oiÆ keiÄon yë miÄn sofisthÁ n ghra skein aÆeiÁ pa nta didaskome noyw;

[36] (1) PlhÁ n ÏOmhrow eÍstv mhÁ 〈moÂnon 〉 yÏ sterow tv Ä n ÆIliakv Ä n, aÆllaÁ kat’ eÆkeiÄnon ayÆtoÁ n yëpeilh fuv 〈gegone nai 〉 toÁ n toyÄ poleÂmoy kairo n, eÍ ti 3 eÆgky rsaw V 4 ayÆ toyÁ w Gesner: ayÏ tvw M V P 6 aÃn add. Schwartz 6–7 ayÆ toÁ w poih svmai M: poih somai V: aÆ popoih somai ayÆ toÁ w P 7 synta ttein V: -ssein M P (sed cf. cap. 1 v. 11 et 15; cap. 31 v. 4; cap. 41 v. 4) 9 post cyxrologi ai lac. ind. Schwartz (qui e. g. kaiÁ toiÄw thÄ w yëmete raw filosofi aw addi suadet): kaiÁ toiÄw eëkate rvn addi suad. Puech (p. 154): kaiÁ toiÄw ëEllh nvn addi suad. Marcovich 9 yëmaÄ w M V P, def. H. Stephanus (in edit. Ep. ad Diogn., p. 107: hëmaÄ w Gesner, Harnack (p. 51) 12 oÏte M V P: aÏte coni. Marcovich 13 post le gein lac. ind. Schwartz: eÆkue suai suppleri suad. Wilamowitz 14 gaÁ r M V P: goyÄ n Marcovich 14 paidi an M V 14 mh te V 14–15 flyari aiw kaiÁ bvmoloxi aiw M V P, corr. Wilamowitz 15 pragmatey hsue P 16 〈te 〉 add. Schwartz 17 post xalepoÁ n addit eiÆ pe moi V 19 yë miÄn M V P: yëmv Ä n Schwartz 20 aÆ eiÁ M V P: aiÆ eiÁ Worth 20 pa nta M V P (et Schol. in Soph. Antig. 711): pollaÁ Solo (et coni. Gesner, H. Stephanus, p. 110) 20 didaskome noyw V P: didasko menow M: didasko menon Marcovich 21 〈mo non〉 ex Eus. add. Maran: om. M V P 21 post 〈mo non〉 addi suad. 〈oyÆ x〉 Marcovich (cf. Kukula, p. 40) 21 yÏsterow Maran ex Eus.: yÏ steron M V P 22 〈gegone nai〉 Marcovich ex Eus.: om. M V P

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[35] (1) Dieses habe ich dargelegt, nicht als Wissen aus zweiter Hand, sondern nachdem ich große Teile der Erde bereist habe; zum einen habe ich eure Sophistik studiert,383 zum anderen sind mir viele Künste und Theorien begegnet, letztlich hielt ich mich in der Stadt der Römer auf und lernte bestens die verschiedenen Statuen kennen, die sie von euch zu sich nach Hause gebracht hatten. Denn ich versuche nicht, wie es Unsitte bei den meisten ist, meine eigenen Anschauungen durch fremde Ansichten zu untermauern und will nur von all denjenigen Dingen eine Beschreibung liefern, von denen ich mir selbst einen Eindruck verschaffen kann. (2) Eben darum gab ich sowohl der Prahlerei der Römer den Abschied als auch dem langweiligen Gerede der Athener, ihren unzusammenhängenden Lehren, und bemühte mich um die „barbarische“ Philosophie, wie ihr sie nennt. Inwiefern diese älter ist als eure Praktiken, begann ich zwar zu beschreiben, schob dies aber einer dringend erforderlichen Ausführung wegen auf, werde nun aber, da die rechte Zeit gekommen ist, es in Angriff nehmen, über ihre Lehren zu sprechen. (3) Missbilligt doch unsere Belehrung nicht, und lasst euch doch nicht in eine geschwätzige und alberne Kontroverse mit uns ein, indem ihr sagt: „Tatian geht über die Griechen und über die unendliche Menge der Philosophen hinaus und führt mit den Lehren der Barbaren Neuerungen ein.“ (4) Denn was ist Schlimmes daran, dass offenkundig unwissende Menschen von jemandem, der soeben noch in derselben Lage war,384 überführt werden? Und was ist daran ungewöhnlich, dass es Personen gibt, die – nach dem Ausspruch eures eigenen Sophisten – „im Älterwerden stets über alles sich belehren lassen“?385 [36] (1) Indessen386 sei angenommen, Homer habe nicht 〈bloß〉 nach den Kämpfen um Troja, sondern zu genau jener Zeit des Krieges gelebt, dar383 Eusebius (hist. eccl. 4,16,7) charakterisiert Tatianos gewissermaßen mit dessen eigenen Worten, möglicherweise aufgrund der hiesigen Stelle: Tatiano w, aÆnhÁ r toÁ n

prv Ä ton ayÆ toyÄ bi on sofistey saw eÆ n toiÄw ëEllh nvn mauh masi kaiÁ do jan oyÆ smikraÁ n eÆ n ayÆ toiÄw aÆ penhnegme now ... 384

Die grundlegende Verwandtschaft aller Menschen hinsichtlich ihres Wesens und ihrer Natur (hier: ihres „natürlichen“ Unwissens) wird bei den Apologeten bisweilen zum Zwecke der captatio benevolentiae betont. So insbesondere bei Iustinus, 2 Apol. 1,1 (ebenfalls unter Verwendung des Terminus oë moiopauh w; vgl. Act 14,15; Jak 5,17); siehe auch Tertullian, Apol. 39,8: fratres autem etiam vestri sumus iure naturae matris unius; für die stoische Provenienz der Vorstellung vgl. z.B. Epiktet, diss. 1,13,3f. 385 Solon, fr. 18 West: Ghra skv d’ aiÆ eiÁ pollaÁ didasko menow. 386 Die Passage von Kap. 36 bis einschließlich Kap. 42 hat Euseb exzerpiert (siehe praep. ev. 10,11,6–35). Für die Rekonstruktion der ursprünglichen Textgestalt ist er ein höchst wichtiger Zeuge.

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deÁ kaiÁ toiÄw periÁ toÁ n ÆAgame mnona synestrateyÄ suai kai , eiÆ boyÂletai tiw, priÁn kaiÁ tv Ä n stoixeiÂvn gegone nai thÁ n eyÏ resin. Fanh setai gaÁr oë proeirhmeÂnow MvyÈ sh Ä w ayÆ th Ä w meÁ n th Ä w ÆIliakh Ä w aëlvÂsevw presbyÂterow pa ny polloiÄw eÍ tesi gegonv w, th Ä w 〈deÁ 〉 〈gegonyiÂaw〉 ÆIliÂoy ktiÂsevw kaiÁ toyÄ TrvoÁ w kaiÁ Darda noy liÂan aÆrxaio terow. (2) ÆA podeiÂjevw deÁ eÏ neken ma rtysi xrhÂsomai XaldaiÂoiw, FoiÂnijin, AiÆgyptiÂoiw. KaiÁ ti moi leÂgein pleiÂona; XrhÁ gaÁr toÁ n peiÂuein eÆpaggelloÂmenon syntomvteÂraw poieiÄsuai taÁ w periÁ tv Ä n pragma tvn proÁ w toyÁ w aÆkoyÂontaw dihgh seiw. (3) BhrvssoÁ w aÆ nhÁ r BabylvÂniow, iëereyÁw toyÄ par’ ayÆtoiÄw Bh loy, kat’ ÆAleÂjandron gegonvÁ w ÆAntioÂx vì t v Äì met’ ayÆ toÁ n triÂt vì thÁ n XaldaiÂvn ië storiÂan eÆn trisiÁ bibli oiw katata jaw kaiÁ taÁ periÁ tv Ä n basileÂvn eÆkueÂmenow, aÆfhgeiÄtai tinow ayÆtv Ä n oÍnoma Naboyxodono sor, toyÄ strateyÂsantow eÆ piÁ FoiÂnikaw kaiÁ ÆIoydaiÂoyw´ aÏtina diaÁ tv Ä n kau’ hë ma Ä w profhtv Ä n Íismen kekhrygme na gegonoÂta meÁ n polyÁ th Ä w MvyÈ seÂvw hë likiÂaw katvÂtera, proÁ deÁ th Ä w Persv Ä n hë gemoniÂaw eÍ tesin eë bdomhÂkonta. (4) BhrvssoÁ w de eÆstin aÆ nhÁ r iëkanvÂtatow´ kaiÁ toyÂtoy tekmhÂrion, ÆIoÂbaw PeriÁ ÆA ssyriÂvn gra fvn paraÁ BhrvssoyÄ fhsi memauhke nai thÁ n ië storiÂan´ eiÆsiÁ deÁ ayÆ tv Äì biÂbloi PeriÁ ÆAssyriÂvn dy o.

[37] (1) MetaÁ deÁ toyÁw XaldaiÂoyw taÁ FoiniÂkvn oyÏ tvw eÍ xei. Gego nasi par’ ayÆtoiÄw aÍ ndrew treiÄw, Ueo dotow, ëYcikra thw, Mv Ä xow´ toyÂtvn taÁw biÂbloyw eiÆw ëEllhniÂda kateÂtajen fvnhÁn LaiÄtow oë kaiÁ toyÁw biÂoyw tv Än 1 toÁ n om. Eus. 1 synestrateyÄ suai Schwartz ex Eus.: sy(n)stratey esuai M V P 2 kaiÁ priÁ n Eus. 2 thÁ n eyÏ resin gegone nai Eus. 3 mvyÈ shÄ w M V P: MvshÄ w Schwartz ex Eus. 4 gegonv w M V P: om. Eus., del. Schwartz 4 〈deÁ 〉 ex Eus. add. Maran: om. M V P 4 〈gegonyi aw〉 scripsi ex Eus.: om. M V P 6 le gein M V P et Eus. I O: deiÄ le gein Eus. N D 9 kaiÁ ante bhrvs. M V: om. P et Eus.: hà coni. Schwartz cum lacuna 9 bhrvssoÁ w V et Eus.: bhrvsoÁ w M P: bh rvssow Clem. 9 toyÄ om. P 10 gegonv w M V P: geno menow Eus. 10 met’ ayÆ toÁ n M V P: metaÁ se leykon Eus. 11 eÆktiue menow Eus. 12 naboyxodono sor P2 et Eus.: naboyxodono svr M V P1 12 toyÄ systratey santow Eus. 13 aÏ tina M V P et Eus. I O: aÊ Eus. N D 14 hëliki aw om. V et Eus. N D 15 deÁ 1 om. P 16 post ’Io baw add. oÊw Maran ex Eus.: om. M V P 19 toyÁ w xaldai oyw Maran ex Eus.: toyÁ w xaldai vn M V P: taÁ xaldai vn Morellus, Harnack (p. 51) 20 aÍ ndrew treiÄw Schwartz ex Eus.: treiÄw aÍ ndrew M V P 21 LaiÄtow Reinesius ap. Io. G. Graeve (Synt. var. dissert., Ultraiecti 1702, p. 50) et Gaisford ex Clem. (laitow L): xaiÄtow M V P: aÍ ditow Eus. I O N D 387

Das ist Antiochus Soter (281–261 v. Chr.), der Sohn Seleukos’ I. Der Bel- und Mardukpriester Berossos, der spätere Leiter des Esagila-Tempels (von 258 bis 253 v. Chr.), versucht in seinem (nur fragmentarisch erhaltenen) Auf388

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über hinaus im Gefolge des Agamemnon am Feldzug teilgenommen und sei, wenn man so will, sogar vor der Erfindung der Buchstaben geboren. Es wird sich zeigen, dass der vorgenannte Moses sehr viele Jahre älter war als eben die Eroberung Ilions, dass er sogar lange vor 〈dem Ereignis〉 der Gründung Ilions und von Tros und Dardanos gelebt hat. (2) Um dies zu beweisen, werde ich die Chaldäer, Phönizier und Ägypter als Zeugen heranziehen. Was soll ich noch mehr sagen? Denn wer zu überzeugen verspricht, muss für seine Zuhörer die Darstellung der Fakten möglichst präzise fassen. (3) Berossos, ein Babylonier und Priester des dort verehrten Belos, geboren zur Zeit Alexanders, der für den dritten König in dessen Nachfolge, Antiochos,387 die Geschichte der Chaldäer in drei Büchern niedergeschrieben388 und die Geschehnisse im Königreich dargestellt hat, beginnt mit einem gewissen König namens Nabuchodonosor,389 der gegen die Phönizier und Juden ins Feld gezogen ist. Diese Ereignisse kennen wir durch die Verkündigung unserer Propheten und wir wissen, dass sie weit nach der Zeit des Moses stattgefunden haben, 70 Jahre vor der Herrschaft der Perser. (4) Berossos ist ein sehr fähiger Mann; als Beweis hierfür kann Jobas390 gelten, der in seiner Schrift über die Assyrer sagt, er sei in der Geschichtsschreibung ein Schüler des Berossos;391 sein Werk „Über die Assyrer“ besteht aus zwei Büchern. [37] (1) Nach den Chaldäern nun die Phönizier, mit deren Zeugnis es sich folgendermaßen verhält. Es gab bei ihnen drei Männer: Theodotos,392 Hypsikrates und Mochos; deren Bücher hat Laitos in die griechische Spra-

tragswerk durch Konfundierung mesopotamischer und griechischer Traditionslinien die Seleukidenherrschaft ideologisch zu stützen. 389 Sc. der neubabylonische König Nebukadnezar II. (604–562 v. Chr.). 390 Juba II. (geb. 50 v. Chr. in Numidien; gest. 23 n. Chr. in Mauretanien); sein Vater Juba I. hatte sich im römischen Bürgerkrieg auf die Seite des Pompeius geschlagen und gegen Gaius Julius Caesar in der Schlacht bei Thapsus eine vernichtende Niederlage hinnehmen müssen. Der damals vierjährige Königssohn wurde nach Rom gebracht, wo er eine gute Ausbildung erhielt. Neben der von Tatian erwähnten Abhandlung über Assyrien verfasste er vergleichbare historisch-geographische Werke über Arabien und Libyen. 391 Clemens Alexandrinus benutzt in seinem „Altersbeweis“ dasselbe Argument, um die Glaubwürdigkeit des Berossos zu stützen; vgl. Strom. 1,122,2: ’Io baw deÁ periÁ ’Assyri vn gra fvn oë mologeiÄ thÁ n ië stori an paraÁ Bhrv ssoy eiÆ lhfe nai, martyrv Ä n thÁ n aÆ lh ueian taÆ ndri . 392 Eine Identität mit dem von Josephus (c. Apion. 1,216) erwähnten Theodotus ist in Erwägung gezogen worden.

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filoso fvn eÆ p’ aÆkribeÁ w pragmateysa menow. (2) ÆEn dhÁ taiÄw tv Än proeirhmeÂnvn iëstoriÂaiw dhloyÄ tai kataÁ tiÂna tv Ä n basileÂvn EyÆ rvÂphw aërpaghÁ ge gonen Menela oy te eiÆ w thÁ n FoiniÂkhn aÍfijiw kaiÁ taÁ periÁ XeiÂramon, oÏ stiw Solomv Ä ni t v Äì ÆIoydaiÂvn basileiÄ proÁ w gaÂmon doyÁ w thÁ n 〈eëaytoyÄ〉 uygateÂra kaiÁ jyÂlvn pantodapv Ä n yÏ lhn eiÆw thÁ n toyÄ naoyÄ kataskeyhÁ n eÆdvrh sato. (3) KaiÁ Me nandrow deÁ oë PergamhnoÁ w periÁ tv Än ayÆtv Ä n thÁ n aÆnagrafhÁ n eÆpoihÂsato. ToyÄ deÁ Xeira moy oë xro now hÍ dh poy toiÄw ÆIliakoiÄw eÆggiÂzei´ SolomvÁ n deÁ oë kataÁ XeiÂramon polyÁ katvÂtero w eÆ sti th Ä w MvyÈ seÂvw hë likiÂaw.

[38] (1) AiÆgyptiÂvn de eiÆsin aÆ kribeiÄw xroÂnvn aÆnagrafaiÂ, kaiÁ tv Ä n kat’ ayÆtoyÁ w gramma tvn eërmhneyÂw eÆ sti PtolemaiÄow, oyÆ x oë basileyÂw, ië ereyÁ w Ä n basile vn praÂjeiw eÆ ktiueÂmenow kat’ deÁ 〈eÆ k 〉 MeÂndhtow. OyÎ tow taÁ w tv ÍAmvsin AiÆgyÂptoy basile a gegone nai ÆIoydaiÂoiw fhsiÁ thÁ n eÆj AiÆgy ptoy poreiÂan eiÆw aÏper hÍuelon xvriÂa, MvyÈ seÂvw hë goymeÂnoy. LeÂgei deÁ oyÏ tvw´ oë deÁ ÍAmvsiw eÆ geÂneto kat’ ÍInaxon 〈toÁ n〉 basileÂa. (2) MetaÁ deÁ toyÄton ÆApiÂvn oë grammatikoÂw, aÆnhÁ r dokimvÂtatow, eÆ n th Äì teta rt hì tv Ä n AiÆgyptiakv Ä n (pe nte de eiÆsin ayÆ t v Äì grafaiÂ) pollaÁ meÁ n kaiÁ aÍlla, fhsiÁ deÁ oÏti kate skace thÁ n AyÆariÂan ÍAmvsiw kataÁ toÁ n ÆA rgeiÄon 1 dhÁ Schwartz ex Eus.: deÁ M V P 2 iëstori aiw dhloyÄ tai Schwartz ex Eus.: dhloyÄ tai ië stori aiw M V P 2 kataÁ ti na M V P: kata tina Eus. 3 aë rpaghÁ Wilamowitz ex Eus.: aërpaghÁ n M V P 3 ge gone Wilamowitz: gegone nai M V P et Eus. 4 xei ramon M V P (hic et in vv. 7 et 8): eiÍramon Eus. et Clem. 5 eëaytoyÄ ex Eus. add. Schwartz: om. M V P 5 naoyÄ M V P: nevÁ Eus. 9 mvyÈ se vw M V P: Mvse vw Schwartz ex Eus. 10 aÆkribeiÄw Schwartz ex Eus.: aië eÆp’ aÆkribeiÄw M P (V): aië eÆp’ aÆkribeÁ w cod. Fris. in mg et Ducaeus 11 gramma tvn A. Boeckh ex Eus. (Zs. f. Geschichtswiss. 2 [1844], pp. 445 et 578): pragma tvn M V P 11 eÆsti om. Eus. 11 ptolemaiÄow om. V 12 〈eÆk〉 scripsi ex Eus. N D: om. M V P 13 AiÆ gy ptoy basile a Schwartz ex Eus.: basile a aiÆ gy ptoy M V P 13 iÆ oydai oiw M V et Eus. I O: iÆ oydai oyw P et Eus. N D 14 hÍ uelon Schwartz ex Eus.: hËluon M V P 14 mvyÈ se vw M V P: Mvse vw Schwartz ex Eus. 15 〈toÁ n〉 scripsi ex Eus.: om. M V P 16 toyÄ ton Par. 2376 in mg et Maran ex Eus.: toy tvn M V P 18 post fhsiÁ deÁ add. kaiÁ Wilamowitz 18 kate skace M V P, Eus. I et Clem. L: kate strece Eus. N D: kate strece te Eus. O 18 AyÆ ari an Schwartz ex Clem.: AyÍ arin Maran ex Eus.: lyari an M V P 393

Cf. Homer, Odyss. 4,83. Hiram I., König von Tyros (999–935 v. Chr.); der phönizische König wird im Alten Testament, im 1. Buch der Könige und im 2. Buch der Chronik, häufig erwähnt. 395 Josephus (c. Apion. 1,116ff) nennt einen Menander von Ephesus als Gewährsmann für das kontemporäre Auftreten von Cheiramos und Salomo. Vgl. dens., Ant. Iud. 8,144ff. 394

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che übertragen, der auch sorgfältige Studien über das Leben der Philosophen angefertigt hat. (2) In den Geschichtsbüchern der Vorgenannten nun wird dargelegt, unter welchem König die Entführung der Europa stattgefunden habe und wann Menelaos nach Phönizien gekommen sei,393 wann auch die Geschehnisse um Cheiramos394 sich ereignet hätten, welcher Salomo, dem König der Juden, seine Tochter zur Frau gegeben hatte und auch für die Errichtung des Tempels allerlei Holzmaterial spendete. (3) Dieselben Ereignisse hat auch Menander aus Pergamon aufgezeichnet.395 Nun liegt die Zeit des Cheiramos bereits irgendwo in der Nähe des Trojanischen Krieges; Salomo aber, der Zeitgenosse des Cheiramos, lebte lange nach der Zeit des Moses.396 [38] (1) Die Ägypter aber besitzen genaue chronologische Aufzeichnungen, und der Übersetzer der bei ihnen gebräuchlichen Schriftzeichen ist Ptolemaios, nicht der König, sondern ein Priester aus Mendes.397 Dieser sagt in seiner Darstellung der Taten der Könige, zur Zeit des ägyptischen Pharaos Amosis398 sei der Auszug der Juden aus Ägypten ins ersehnte Land erfolgt, und zwar unter der Führung des Moses.399 Er schreibt aber wie folgt: „Amosis lebte zur Zeit des Königs Inachos.“400 (2) Nach diesem schreibt der Grammatiker Apion,401 ein sehr vertrauenswürdiger Mann, im vierten Buch seiner (fünf Bücher umfassenden) Ägyptischen Geschichte neben vielen anderen Dingen das Folgende: „Amosis, der zur Zeit des Argivers Inachos lebte, riss Auaria402 nieder, wie

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Clemens kompiliert die Ausführungen Tatians und verwendet sie ebenfalls für seinen „Altersbeweis“ (Strom. 1,114,2): EiÍramow thÁ n eëaytoyÄ uygate ra SolomvÄ ni di dvsi kau’ oyÊ w xro noyw metaÁ thÁ n Troi aw aÏ lvsin Menela vì eiÆ w Foini khn aÍ fijiw, v Ïw fhsi Me nandrow oë PergamhnoÁ w kaiÁ LaiÄtow eÆ n toiÄw FoinikikoiÄw. 397

Eine der antiken Großstädte im südlichen Nildelta. Amosis (= Ahmose I.), Begründer der 18. Dynastie (Neues Reich), Regierungszeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 399 Clemens von Alexandrien beruft sich auf die seiner Ansicht nach sorgfältigen Recherchen Tatians (vgl. Strom. 1,101,2) und übernimmt dessen historische Rekonstruktion. Über Tatian hinaus weiß er zu berichten, dass das Werk des Ptolemaios drei Bücher umfasste: ëO deÁ PtolemaiÄow oyÎ tow iëereyÁ w meÁ n hËn, taÁ w deÁ tv Ä n AiÆ gypti vn 398

basile vn pra jeiw eÆ n trisiÁ n oÏ laiw eÆ kue menow bi bloiw kataÁ ÍAmvsi n fhsin, AiÆ gy ptoy basile a, MvyÈ se vw hë goyme noy gegone nai ’Ioydai oiw thÁ n eÆ j AiÆ gy ptoy porei an, eÆ j v În synv Ä ptai kataÁ ÍInaxon hÆ kmake nai toÁ n Mvse a. 400 Zur Synchronisierung von Moses und Inachos (i. e. der mythische älteste König von Argos, Sohn des Okeanos und der Tethys) cf. auch Tertullian, Apol. 19,3: Si quem audistis interim Moysen, Argivo Inacho pariter aetate est. 401 Siehe cap. 27 zum bekannten alexandrinischen Gelehrten. 402 Ägyptische Stadt in der antiken Provinz Sais (Nildelta).

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geno menow ÍInaxon, vëw eÆn toiÄw XroÂnoiw aÆ neÂgracen oë Mendh siow PtolemaiÄow. (3) ëO deÁ aÆ p’ ÆIna xoy xroÂnow aÍ xri th Ä w ÆIliÂoy aë lvÂsevw aÆpoplhroiÄ geneaÁ w eiÍkosi´ kaiÁ taÁ th Ä w aÆpodeiÂjevw toyÄ ton eÍ xei toÁ n tro pon. [39] (1) GegoÂnasin ÆArgeiÂvn basileiÄw oiÏde´ ÍInaxow, ForvneyÂw, ËApiw, ÆArgeiÄow, KriÂasow, FoÂrbaw, Trio paw, Kro tvpow, Suene laow, DanaoÂw, Lygkey w, ÍAbaw, ProiÄtow, ÆAkriÂsiow, Persey w, Suene laow, EyÆ rysueyÂw, ÆAtrey w, Uye sthw, ÆAgame mnvn, oyÎ kataÁ toÁ oÆ ktvkaideÂkaton eÍ tow th Äw basilei aw ÍIlion eëaÂlv. (2) KaiÁ xrhÁ toÁ n noynexh Ä syneiÄnai metaÁ pa shw aÆkribeiÂaw oÏ ti kataÁ thÁ n ëEllhÂnvn para dosin oyÆ d’ iëstoriÂaw tiw hËn par’ ayÆtoiÄw aÆnagrafh . Ka dmow gaÁ r oë taÁ stoixeiÄa toiÄw proeirhmeÂnoiw paradoyÁ w metaÁ pollaÁ w geneaÁ w th Ä w BoivtiÂaw eÆpeÂbh. MetaÁ deÁ ÍInaxon eÆpiÁ Forvne vw mo giw toyÄ uhrivÂdoyw biÂoy kaiÁ noma dow perigrafhÁ geÂgonen metekosmhÂuhsa n te oië aÍnurvpoi. DioÂper eiÆ kataÁ ÍInaxon peÂfhnen oë MvyÈ sh Ä w gegonvÂw, presby tero w eÆsti tv Ä n ÆIliakv Ä n eÍ tesi tetrakosiÂoiw. Ä w tv Ä n ÆA ttikv Ä n ba(3) ÆApodeiÂknytai deÁ toyÄ u’ oyÏtvw eÍ xon aÆpoÁ [te ] th sile vn diadoxh Ä w [kaiÁ Makedonikv Ä n kaiÁ PtolemaiÈkv Ä n, eÍ ti deÁ kaiÁ ÆA ntioxikv Ä n]´ oÏ uen eiÆ metaÁ toÁ n ÍInaxon aië diafane sterai pra jeiw par’ ÏEllhsin aÆnegra fhsa n te kaiÁ ginvÂskontai, dh Ä lon vë w kaiÁ metaÁ MvyÈ seÂa. (4) KataÁ 〈meÁ n 〉 gaÁ r ForvneÂa toÁ n met’ ÍInaxon mnhmoneyÂetai par’ ÆAuhnaiÂoiw ÍVgygow, eÆf’ oyÎ kataklysmoÁ w oë prv Ä tow´ kataÁ deÁ FoÂrbanta ÆAktaiÄow, aÆf’ oyÎ kaiÁ ÆAktaiÂa hë ÆAttikh´ kataÁ 〈deÁ 〉 Trio pan PromhueyÁ w kaiÁ ÆEpimhueyÁ w kaiÁ ÍAtlaw kaiÁ oë difyhÁ w KeÂkroc kaiÁ hë ÆIv ´ kataÁ deÁ

3 toyÄ ton eÍ xei Schwartz ex Eus.: eÍxei toyÄ ton M V P 5 ’ArgeiÄow, Kri asow, Fo rbaw, Trio paw, Kro tvpow Schwartz ex Eus. (aÆ rgeiÄow kri asiw fo rbaw trio paw krotv paw iam Bon. 2304 et Aet. 100): kri asiw´ trio paw´ aÆrgeiÄow´ fo rbaw´ krotv paw M V P 6 ÍAbaw, ProiÄtow Schwartz ex Eus.: proiÄtow aÍ baw M V P 6 Suene laow om. P et Eus. I N 8 syneiÄnai M V P et Eus. I O: synie nai Eus. N D 9 tv Ä n ëEllh nvn Eus. I 11 metaÁ pollaÁ w geneaÁ w M V P et Eus.: pollaÁ w geneaÁ w met’ 〈ÍInaxon〉 coni. Marcovich 11 eÆpiÁ M V P: yëpoÁ Eus. 12 mo giw M V P: mo liw Eus. 13 te Ducaeus ex Eus.: deÁ M V P 15 te et vv. 16–17 kaiÁ MakedonikvÄ n – kaiÁ ’AntioxikvÄ n secl. ut glossema P. Wesseling (Probabilium lib. singul., c. 35, p. 315) 17 diafane sterai M V P: diafane statoi Eus.: diafane statai Marcovich 18 aÆ negra fhsan M V P: eÆ gra fhsan Eus. 19 〈meÁ n〉 ex Eus. add. Schwartz: om. M V P 21 kaiÁ M V P: om. Eus. et Clem. 21 〈deÁ 〉 ex Eus. et Clem. add. Otto: om. M V P 403

Auch der Hinweis auf das vierte Buch der „Ägyptischen Geschichte“ des Apion wird von Clemens (Strom. 1,101,3f) übernommen, das von Tatian überlieferte Zitat erscheint wortwörtlich: ’Api vn toi nyn oë grammatikoÁ w ... eÆn thÄì teta rt hì tv Ä n AiÆ gyptiakv Ä n ië storiv Ä n ... ’Amv siow toyÄ AiÆ gypti vn basile vw memnhme now ... kaiÁ taÁ th Äw le jevw ayÆ toyÄ v Î de eÍ xei´ Kate skace deÁ thÁ n AyÆ ari an ÍAmvsiw, kataÁ toÁ n ’ArgeiÄon geno menow ÍInaxon, vë w eÆ n toiÄw xro noiw aÆ ne gracen oë Mendh siow PtolemaiÄow.

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der Mendesier Ptolemaios in seiner Chronik verzeichnet hat.“403 (3) Die Zeitspanne von Inachos aber bis zur Eroberung Trojas beträgt zwanzig Generationen,404 was auf folgende Weise bewiesen werden kann: [39] (1) Die Könige der Argiver waren folgende: Inachos, Phoroneus, Apis, Argeios, Kriasos, Phorbas, Triopas, Krotopos, Sthenelaos, Danaos, Lynkeus, Abas, Proitos, Akrisios, Perseus, Sthenelaos, Eurystheus, Atreus, Thyestes, Agamemnon, in dessen 18. Herrschaftsjahr Ilion erobert wurde.405 (2) Wer Verstand besitzt, muss nun mit vollständiger Gewissheit einsehen, dass es nach der Überlieferung der Griechen noch keine Art der Geschichtsaufzeichnung bei ihnen gab. Denn Kadmos, der den Vorgenannten die Buchstaben hinterlassen hat, traf erst viele Generationen später in Böotien ein.406 Erst nach Inachos, zur Zeit des Phoroneus, gab es eine notdürftige Eingrenzung des tierartigen Nomadendaseins und die Lebensordnung der Menschen änderte sich.407 Daher gilt: Wenn Moses offensichtlich ein Zeitgenosse des Inachos war, lebte er 400 Jahre vor dem Trojanischen Krieg.408 (3) Dass dieses sich so verhält, kann aus der Abfolge der attischen [makedonischen, ptolemäischen und schließlich der antiochenischen] Könige erwiesen werden. Wenn daher erst nach Inachos die bekannteren Taten der Griechen aufgeschrieben und zur Kenntnis genommen wurden, dann ist klar, dass auch dies erst nach Moses stattfand. (4) Denn zur Zeit des Phoroneus, der auf Inachos folgt, wird bei den Athenern Ogygos erwähnt, zu dessen Lebzeiten es die erste Überschwemmung gab.409 Zur Zeit des Phorbas wird von Aktaios berichtet, nach dem Attika auch Aktaia heißt. Zur Zeit des Triopas lebten Prometheus, Epimetheus, Atlas, der 404

Die von Tatian genannten 20 Generationen markieren bei Clemens (Strom. 1,102,3) die Mindestzahl: EiÆ w de toÁ n xro non tv Ä n TrviÈkv Ä n aÆ poÁ ’Ina xoy geneaiÁ meÁ n eiÍkosi hà 〈mi a Äì〉 plei oyw diariumoyÄ ntai. 405

Nahezu wörtliche Übernahme der tatianischen Wendung bei Clemens (Strom. 1,104,1): KataÁ deÁ toÁ oÆktvkaide katon eÍtow thÄ w ’Agame mnonow basilei aw ÍIlion eë a lv ... 406

Kadmos, der mythische König von Theben, Sohn des phönizischen Königs Agenor von Sidon und der Telephassa, kam im Auftrag seines Vaters zusammen mit seinen Brüdern nach Griechenland, um nach ihrer von Zeus geraubten Schwester Europa zu suchen. 407 Phoroneus gilt der Sage nach als der Gesetzgeber der Argiver; vgl. Clemens, Protr. 108,4. 408 Vgl. Clemens, Strom. 1,102,3. 409 Der geschichtliche Abriss der wichtigsten Ereignisse von der Zeit des Phoroneus bis auf Agamemnon ist wörtlich von Clemens Alexandrinus übernommen worden; vgl. Strom. 1,102,5; 103,2–5; 104,1.

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Kro tvpon hë eÆpiÁ FaeÂuontow eÆ kpyÂrvsiw kaiÁ hë eÆpiÁ DeykaliÂvnow eÆ pombriÂa´ (5) kataÁ deÁ Suene laon hÏ te ÆAmfiktyÂonow basilei a kaiÁ hë eiÆw Pelopo nnhson DanaoyÄ paroysiÂa kaiÁ hë yëpoÁ Darda noy th Ä w DardaniÂaw ktiÂsiw hÏ te eÆk FoiniÂkhw th Ä w EyÆ rvÂphw eiÆw thÁ n Krh thn aÆnakomidh ´ kataÁ deÁ Lygke a th Ä w KoÂrhw hë aërpaghÁ kaiÁ hë toyÄ eÆ n ÆEleysiÄni teme noyw kauiÂdrysiw kaiÁ hë Triptole moy gevrgiÂa kaiÁ hë KaÂdmoy eiÆw Uh baw paroysiÂa MiÂnvo w te hë basileiÂa´ kataÁ deÁ ProiÄton oë EyÆ moÂlpoy proÁ w ÆA uhnaiÂoyw po lemow´ kataÁ deÁ ÆAkriÂsion hë PeÂlopow aÆ poÁ FrygiÂaw dia basiw kaiÁ 〈hë 〉 ÍIvnow eiÆ w taÁ w ÆA uh naw aÍfijiw kaiÁ oë deyÂterow KeÂkroc aiÏ te PerseÂvw kaiÁ Diony soy pra jeiw kaiÁ oë ÆOrfe vw mauhthÁ w MoysaiÄow´ kataÁ deÁ thÁ n ÆAgameÂmnonow basileiÂan eëaÂlv toÁ ÍIlion.

[40] (1) OyÆ koyÄn pe fhne 〈oë〉 MvyÈ sh Ä w aÆpo ge tv Ä n proeirhmeÂnvn presby terow hërvÂvn, poÂlevn, poleÂmvn, daimo nvn. KaiÁ xrhÁ tv Äì presbeyÂonti Ä w ] phgh Ä w aÆrysame noiw kataÁ thÁ n hëlikiÂan pisteyÂein hÍ per toiÄw aÆ poÁ [th ÏEllhsin oyÆ kat’ eÆpiÂgnvsin taÁ eÆkeiÂnoy do gmata. (2) Pollh Äì gaÁ r oië kat’ ayÆtoyÁ w sofistaiÁ kexrhme noi periergi aì taÁ oÏsa paraÁ tv Ä n kataÁ MvyÈseÂa kaiÁ tv Ä n oë moiÂvw ayÆtv Äì filosofoyÂntvn eÍ gnvsan, paraxara ttein eÆ peiraÂuhsan, prv Ä ton meÁ n Ïi na ti leÂgein Íi dion nomisuv Ä si, deyÂteron deÁ oÏpvw taÁ oÏsa mhÁ syniÂesan dia tinow eÆpipla stoy rë htologiÂaw parakaly ptontew, vëw myuologiÂan thÁ n aÆlh ueian parabrabey svsi. (3) PeriÁ meÁ n oyËn th Ä w kau’ hëma Ä w politeiÂaw ië storiÂaw te th Ä w kataÁ toyÁw hë meteÂroyw noÂmoyw oÏsa te eiÆrh kasin oië paraÁ toiÄw ÏEllhsi lo gioi kaiÁ 2 Suene laon Schwartz ex Eus.: sue nelon M P (et Clem. L): sue neulon V 7 hë M V P: om. Eus. et Clem. 8 hë M V P: om. Eus. et Clem. 8 〈hë〉 add. Schwartz: om. M V P, Eus. et Clem. 9 taÁ w om. Clem. 10 kaiÁ Diony soy M V P et Clem.: om. Eus. 10 kaiÁ oë oÆrfe vw mauhthÁ w moysaiÄow M P (om. oë V): ’Orfey w te kaiÁ MoysaiÄow Clem.: om. Eus. 11 eëaÂlv toÁ Íilion M V P: ÍIlion eëaÂlv Eus. et Clem. 12 〈oë〉 Marcovich ex Eus.: om. M V P 12 mvyÈ shÄ w M V P: MvshÄ w Eus. 12 ge Maran ex Eus.: te M V P 12–13 presby terow M V P: presby tatow Eus. 13 po levn, pole mvn coni. Otto: palaiv Ä n´ pole mvn P: palaiv Ä n kaiÁ pole mvn M: palaiv Ä n´ aÆ poÁ te pole mvn V: po levn Eus., Maran 13 presbey onti M V P et Eus. N D: presbytey onti Eus. O 14 thÄ w om. Eus., del. Schwartz 15 poll hÄì Schwartz: pollhÁ Eus. N D: polloiÁ M V P et Eus. I O 16 taÁ M V P: oiÊ Eus. 16 paraÁ Maran ex Eus.: periÁ M V P 16 tv Ä n kataÁ mvse a M P et Eus.: toÁ n mvse a V: toyÄ [kataÁ ] Mvse vw Marcovich 17 post eÍgnvsan addunt aÊ kaiÁ M P: aÊ V: om. Eus.: aÊ del. Maran et kaiÁ del. Schwartz 18 eÆpeira uhsan M V P et Eus. I N: eÆpexei rhsan Eus. O 18 nomisuvÄ si Maran ex Eus.: nomi zvsi(n) M V P: nomi zvntai coni. Gesner 19 rëhtologi aw M V P et Eus.: rë htorologi aw Par. 2376 in mg: aÆ retalogi aw Bonner: teratologi aw Rose: 〈aÆ r〉rhtologi aw R. Merkelbach 20 parabrabey svsi Schwartz ex. Eus.: parapresbey svsi M P2: parapresbey vsin M P1

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zweigestaltige Kekrops410 und die Io. Zur Zeit des Krotopos ereignete sich der phae¨tontische Weltbrand und die deukalionische Flut. (5) Zur Zeit des Sthenelaos ist die Herrschaft des Amphiktyon anzusiedeln sowie Danaos’ Erscheinen auf der Peloponnes, Dardania wurde von Dardanos gegründet und Europa aus Phönizien nach Kreta gebracht. In die Zeit des Lynkeus fallen die Entführung der Kore, die Errichtung der Tempelstätte in Eleusis, der Ackerbau des Triptolemos, die Ankunft des Kadmos in Theben und die Herrschaft des Minos. Zur Zeit des Proitos fand der Krieg des Eumolpos gegen die Athener statt. In die Zeit des Akrisios datiert der Auszug des Pelops aus Phrygien, die Ankunft des Ion in Athen, der zweite Kekrops, die Taten des Perseus und Dionysos sowie das Auftreten des Orpheusschülers Musaios. Zur Zeit der Herrschaft des Agamemnon wurde Troja erobert. [40] (1) Also ist vom Gesagten her klar, dass Moses älter ist als Heroen, Städte, Kriege und Dämonen, und man sollte dem Glauben schenken, der in Bezug auf das Alter den Vorrang besitzt, mehr als den Griechen, die aus ihm als [der] Quelle geschöpft411 und seine Lehren ohne Verständnis übernommen haben. (2) Denn in ihrem Übereifer haben ihre Sophisten das, was sie aus den Büchern des Moses und von denjenigen, die gleich ihm philosophierten,412 kennengelernt hatten, zu verfälschen versucht, damit man erstens glauben sollte, sie sagten etwas Eigenes, und um zweitens das, was sie nicht verstanden, unter der Schminke der Schönrederei413 zu verbergen und so die Wahrheit zur Mythologie zu verzerren.414 (3) Unsere Lebensweise nun und die Geschichte unserer Gesetze, und was die griechischen Gelehrten hierüber geäußert haben, und wie viele und 410

Kekrops I., der zweite König Attikas, war der Sage gemäß Autochthone, halb Mann und halb Drache/Schlange; vgl. Ovid, met. 2,555 (geminus); Iustinus, hist. 2,67 (biformis); Suda, s. v. 1492 (Ke kropi oÍnti difyeiÄ). 411 Der Vorwurf, dass die heidnischen Philosophen die Plagiatoren der weit älteren biblischen Schriften seien, findet sich bereits bei jüdischen Autoren, z.B. bei Aristobul oder Philo. Cf. supra zu cap. 31. 412 Gemeint sind – nach Clemens Alexandrinus – die übrigen „hebräischen Propheten“; cf. Strom. 1,87,2: paraÁ tv Ä n ëEbraiÈkv Ä n profhtv Ä n. 413 Ähnliche Wendung bei Iosephus, Bell. Iud. 4,247: eÆk tv Ä n eÆ pipla stvn lo gvn. 414 Wie so häufig greift Clemens Alex. (Strom. 1,87,1f) mit wörtlichen Entlehnungen auf Tatian zurück, wenn er die griechische Philosophie mit dem geraubten Feuer des Prometheus vergleicht, ihre Autoren als „Diebe und Räuber“ beschimpft, die den hebräischen Propheten Teile der Wahrheit „ohne Verständnis“ (oyÆ kat’ eÆpi gnvsin ) entwendet, sie als ihre eigenen Lehren (vëw Íidia ... do gmata ) ausgegeben, sie jedoch verfälscht (paraxara jantew) und in ihrem „Übereifer“ (yëpoÁ periergi aw ) umgedeutet hätten.

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po soi kaiÁ tiÂnew eiÆsiÁn 〈oië〉 mnhmoneyÂsantew, eÆn t v Äì ProÁ w toyÁ w aÆpofhnameÂnoyw taÁ periÁ ueoyÄ deixuhÂsetai. [41] (1) ToÁ deÁ 〈nyÄ n〉 syne xon, spey〈s〉teÂon metaÁ paÂshw aÆkribeiÂaw safhniÂzein vë w oyÆ x ëOmh roy moÂnon presbyÂteroÂw eÆstin oë MvyÈ sh Ä w, eÍ ti deÁ kaiÁ tv Ä n proÁ ayÆtoyÄ syggrafe vn´ LiÂnoy, FilaÂmmvnow, Uamy ridow, ÆA mfiÂonow, ÆOrfe vw, MoysaiÂoy, DhmodoÂkoy, FhmiÂoy, SibyÂllhw, ÆEpimeniÂdoy toyÄ Krhto w, oÏ stiw eiÆw thÁ n Spa rthn aÆ fiÂketo, ÆA ristaiÂoy toyÄ Prokonnhsi oy toyÄ taÁ ÆArima spia syggra cantow, ÆA sbo loy te toyÄ Kentay roy kaiÁ Ba kidow DryÂmvno w te kaiÁ EyÍ kloy toyÄ KypriÂoy kaiÁ ÏVroy toyÄ SamiÂoy kaiÁ PronapiÂdoy toyÄ ÆAuhnaiÂoy. (2) LiÂnow meÁ n gaÁr ëHrakle oyw eÆstiÁ dida skalow, oë deÁ ëHraklh Ä w mia Äì tv Än TrviÈkv Ä n progene sterow peÂfhne genea Äì´ toyÄ to de eÆsti faneroÁ n aÆ poÁ toyÄ paidoÁ w ayÆtoyÄ Tlhpole moy 〈toyÄ 〉 strateyÂsantow eÆ piÁ ÍIlion. (3) ÆOrfeyÁ w deÁ kataÁ toÁn ayÆtoÁ n xroÂnon ëHrakleiÄ ge gonen, aÍllvw te kaiÁ taÁ eiÆw ayÆtoÁ n eÍph fero mena fasin yë poÁ ÆOnomakriÂtoy toyÄ ÆA uhnaiÂoy synteta xuai

1 oië ex Eus. add. Schwartz: om. M V P 3 〈nyÄ n〉 syne xon coni. Otto: syne xon M V P: nyÄ n eÍ xon Eus. 3 speyste on Maran ex Eus. O: speyte on M V P: peyste on Eus. I: safhniste on ( omisso safhni zein) Eus. N D 4 mvyÈ sh Ä w M V P: MvshÄ w Eus. 6 ’Orfe vw, Moysai oy Schwartz ex Eus.: moysai oy oÆ rfe vw M V P 7 post aÆfi keto add. kaiÁ Schwartz 8 kaiÁ toyÄ taÁ Eus. 9 Ba kidow Schwartz: iÆsa tidow M V P et Eus. 9 dry mvno w te M V P et Eus.: corrupta Schwartz 9 EyÍ kloy G.I. Vossius (De historicis Gr., ed. Westermann, p. 11) ex Eus. I N: eyÍ ploy Eus. O: eyÆ mi kloy M V P 10 Pronapi doy Worth (p. 137 s.) et Gaisford: pronayti doy M V P: pronaiti doy Eus. I O: protaini doy Eus. N D 12 pe fhne M V P et Eus. I: ge gone Eus. O N 13 〈toyÄ 〉 ex Eus. add. Schwartz: om. M V P 15 eÍ ph fero mena M P, Scaliger, Harnack (p. 51): eÆ pifero mena V: eÆ peisfero mena Eus. 15 oÆ noma kritow V 415

Der Titel der Schrift ist kryptisch (Harnack: „An die, welche sich mit der Theologie beschäftigt haben“; Kukula: „An die Lehrer der Theologie“; Whittaker: „To those who have propounded ideas about God“; cf. Puech, Recherches, S. 87f), ob sie jemals geschrieben wurde, ist nicht bekannt. 416 In der griechischen Mythologie ist Linos, der Sohn des Apollon, der Musiklehrer des Herakles; bisweilen gilt er als der Erfinder der Buchstaben, der Herakles das Schreiben lehrte. – Cf. Clemens, Strom. 1,107,4. 417 Sohn der Chione und des Apollon, von dem er sein musikalisches Talent erbte; gehörte zu Jasons Mannschaft auf der Argo. 418 Sohn des vorgenannten Philammon und der Nymphe Argiope; Sänger, Dichter und Kitharist von großem Talent; vgl. z.B. Homer, Iliad. 2,594–600; Platon, Ion 533bc; Pausanias 4,33,3.7; 10,28,2; Plutarch, De musica 1132ab. 419 Der mythische Amphion soll wie Orpheus die Gabe besessen haben, durch sein Lyraspiel wilde Tiere zu zähmen; oft wird er mit seinem berühmten Pendant – wie hier von Tatian – in einem Atemzug genannt.

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welche 〈der〉 Autoren es waren, wird in meiner Schrift „An die, welche sich über das Göttliche geäußert haben“ dargestellt werden.415 [41] (1) Aber die Hauptsache ist 〈nun〉, dass ich mich beeilen muss, mit aller Sorgfalt zu erläutern, dass Moses nicht nur älter ist als Homer, sondern auch als die Autoren vor ihm: Linos,416 Philammon,417 Thamyris,418 Amphion,419 Orpheus, Musaios, Demodokos,420 Phemios,421 Sibylle, Epimenides aus Kreta, welcher nach Sparta kam,422 Aristeas von Prokonnesos, der Verfasser der Arimaspien,423 der Kentaur Asbolos424 und Bakis,425 Drymon und Euklus von Zypern,426 Horos von Samos und Pronapides von Athen.427 (2) Linos ist nämlich der Lehrer des Herakles; Herakles aber trat eine Generation vor dem Trojanischen Krieg auf; dieses ist daraus ersichtlich, dass sein Sohn Tlepolemos gegen Ilion in den Krieg zog.428 (3) Orpheus lebte zur selben Zeit wie Herakles, überdies sollen die ihm zugeschriebenen Aussprüche von Onomakritos aus Athen429 zusammengestellt wor420 In Homers Odyssee der gottbegnadete, blinde Sänger der Phaiaken auf der Insel Scheria, der die bereits berühmt gewordenen Helden von Troja besang. 421 Sänger am Hof des Odysseus in Ithaka. 422 Philosoph und Priester des Zeuskultes in Knossos auf Kreta; der Legende nach sollen die Spartaner ihn im Alter von mehreren hundert Jahren aus Knossos entführt und, nachdem er ihnen nur Unglück prophezeite, hingerichtet haben. 423 Das Werk des Aristeas über die Arimaspen, ein einäugiges zentralasiatisches Volk im Norden der Issedonen, scheint von Aischylos in seinem Prometheus benutzt zu sein (cf. 790–805); auch Herodot kennt und zitiert es in seinen Historien (3,116; 4,13–16; cf. 4,27.32). 424 Legendärer, aus dem Sagenkranz um Herakles bekannter tiefschwarzer Kentaur, der aus dem Vogelflug die Zukunft deuten konnte. 425 Ein angeblich von Nymphen besessener Orakeldichter aus Böotien, von dem man glaubte, er habe den Perserfeldzug gegen Athen geweissagt; cf. Pausanias 10,12,11; 14,6. 426 Orakeldichter, der nach Pausanias die Geburt Homers auf Zypern vorhergesagt haben soll (10,24,3); auch prophezeite er angeblich noch vor Bakis den Perserkrieg (ibid. 10,12,11; 14,6). 427 Nach Dionys. Scytobrach. ap. Diod. 3,67,5 (= F. Gr. Hist. 32 Fr. 8) ein Schüler Homers: ’Orfe a kaiÁ Pronapi dhn toÁ n ëOmh roy dida skalon, eyÆ fyhÄ gegono ta me-

lopoio n. 428

Cf. Homer, Iliad. 2,653–658. – Die Fixierung der Lebenszeit des Herakles mittels des Auftretens seines Sohnes im Trojanischen Krieg wird von Clemens (Strom. 1,104,3) reproduziert: uhseyÁ w deÁ [oë] ëHrakle oyw zhlvthÁ w và n presby tero w eÆsti tv Än TrviÈkv Ä n mi a Äì gene a Äì. ToyÄ goyÄ n Tlhpole moy, oÊ w hË n yië oÁ w ëHrakle oyw, ÏOmhrow me mnhtai eÆ piÁ ÍIlion stratey santow. 429 Chresmologe um 500 v. Chr., der Orakelsprüche sammelte bzw. kompilierte; vgl. Herodot, Hist. 7,6; Pausanias 8,37,5.

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TatianoyÄ proÁ w ÏEllhnaw

genomeÂnoy kataÁ thÁ n Peisistratidv Ä n aÆrxhÁ n periÁ thÁ n penthkosthÁ n ÆOlympia da. (4) ToyÄ deÁ ÆOrfe vw MoysaiÄow mauhth w. ÆA mfiÂvn deÁ dysiÁ proa gvn geneaiÄw tv Ä n ÆIliakv Ä n toyÄ pleiÂona proÁw toyÁ w filomaueiÄw synta ttein hë ma Ä w aÆpeiÂrgei. (5) DhmoÂdokow deÁ kaiÁ Fh miow kat’ ayÆ toÁ n toÁ n TrviÈkoÁn poÂlemon gegoÂnasin´ die tribon gaÁr oë meÁn paraÁ toiÄw mnhsth Ä rsin, oë deÁ paraÁ toiÄw FaiÂajin. KaiÁ oë Ua myriw deÁ kaiÁ oë Fila mmvn oyÆ polyÁ toy tvn eiÆsiÁ n aÆ rxaioÂteroi. (6) PeriÁ meÁ n oyËn th Ä w kau’ eÏkaston 〈tv Ä n〉 log〈i 〉vn pragmateiÂaw xro nvn te kaiÁ aÆnagrafh Ä w ayÆtv Ä n, vë w oiËmai, sfoÂdra metaÁ paÂshw yë miÄn aÆ kribeiÂaw aÆnegra camen´ Ïina deÁ kaiÁ toÁ meÂxri nyÄ n eÆndeÂon aÆpoplhrv svmen, eÍti kaiÁ periÁ tv Ä n nomizome nvn sofv Ä n poih somai thÁn aÆ poÂdeijin. (7) MiÂnvw 〈meÁ n〉 ga r, oë pa shw proyÍxein nomisueiÁw sofiÂaw aÆgxinoiÂaw te kaiÁ nomouesiÂaw, eÆpiÁ Lygke vw toyÄ metaÁ DanaoÁ n basiley santow geÂgonen eë ndekaÂthì gene a Äì metaÁ ÍInaxon. (8) LykoyÄ rgow deÂ, polyÁ metaÁ thÁ n ÆIli oy gennhueiÁw aÏlvsin, proÁ tv Ä n ÆOlympiaÂdvn eÍ tesin eëkatoÁ n nomoueteiÄ LakedaimoniÂoiw. (9) Dra kvn deÁ periÁ ÆOlympiaÂda triakosthÁ n kaiÁ eÆ na thn eyë riÂsketai gegonvÂw, SoÂlvn periÁ mw, Pyuago raw periÁ jb, taÁw deÁ ÆOlympia daw yÏsteron tv Ä n ÆIliakv Ä n eÍtesin aÆpedei jamen gegonyiÂaw tetrakosiÂoiw eëpta . (10) KaiÁ dhÁ toy tvn oyÏ tvw aÆ podedeigmeÂnvn, diaÁ braxeÂvn eÍti kaiÁ periÁ th Ä w tv Ä n eëptaÁ sofv Ä n hë likiÂaw aÆnagra comen. ToyÄ gaÁ r presbyta toy tv Ä n proeirhme nvn Ua lhtow genomeÂnoy periÁ thÁ n penthkosthÁ n ÆOlympia da, kaiÁ taÁ periÁ tv Ä n met’ ayÆtoÁ n sxedoÁ n yë miÄn synto mvw eiÍrhtai.

[42] (1) TayÄ u’ yë miÄn, v Ë aÍ ndrew ÏEllhnew, oë kataÁ barba royw filosofv Än TatianoÁ w syne taja, gennhueiÁw meÁ n eÆn t h Äì tv Ä n ÆA ssyriÂvn gh Äì, paideyueiÁ w deÁ prv Ä ton meÁ n taÁ yëmeÂtera, deyÂteron deÁ aÏ tina nyÄ n khryÂttein eÆ paggeÂl1 gegono tow V 1 thÁ n M V P et Eus. O: thÁ n tv Ä n Eus. I N 2 mauhthÁ w moysaiÄow P 3 iÆliakv Ä n M V P: TrviÈkv Ä n Eus. 4 hë ma Ä w aÆ pei rgei Schwartz ex Eus.: aÆ pei rgei hë ma Äw M V P 4–5 kat’ ayÆ toÁ n toÁ n TrviÈkoÁ n Schwartz ex Eus.: kataÁ toÁ n ayÆ toÁ n tv Ä n trvikv Än M V P, Kukula (p. 13) 6 kaiÁ 1 om. P 6 deÁ 2 om. Eus. 8 〈tv Ä n〉 log〈i 〉vn Wilamowitz, agn. Schwartz: lo gon M V P et Eus., def. Kukula (p. 13): 〈tv Ä n eÆ n〉 lo g vì Marcovich 8 ab (xro )nvn te incipit Mbis (f. 238r) 9 post sfo dra lac. ind. Wilamowitz: metri vw te kaiÁ suppl. Kukula (p. 13): synto mvw kaiÁ suppl. Marcovich 9–10 yë miÄn aÆ kribei aw Schwartz ex Eus.: aÆ kribei aw yë miÄn M Mbis V P 12 〈meÁ n〉 ex Eus. add. Schwartz 12–13 aÆgxinoi aw te kaiÁ nomouesi aw Maran ex Eus.: aÆgxinoi a te kaiÁ nomouesi a Mbis V P: aÆ gxinoi ai te kaiÁ nomouesi ai M 14–15 gennhueiÁ w metaÁ thÁ n iÆ li oy P 16 eÆnna thn M Mbis P 17 So lvn periÁ tessarakosthÁ n kaiÁ eÏkthn Eus. 17 Pyuago raw kataÁ thÁ n Eus. 18 tv Ä n hë liakv Ä n Mbis 20 kaiÁ th Ä w periÁ Mbis 22 yë miÄn M Mbis V P: hëmiÄn Maran ex Eus. 24 vË M Mbis V P: om. Eus., del. Schwartz

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Tatianos: An die Griechen

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den sein, welcher zur Zeit der Herrschaft der Peisistratiden lebte, um die 50. Olympiade. (4) Der Schüler des Orpheus ist Musaios. Die Tatsache, dass Amphion den Ereignissen um Ilion nur um zwei Generationen vorangeht, hält uns davon ab, noch mehr Material für die Wissbegierigen zusammenzustellen. (5) Demodokos und Phemios lebten zu eben dieser Zeit des Trojanischen Krieges; der eine nämlich hielt sich bei den Freiern auf, der andere bei den Phäaken.430 Thamyris aber und Philammon sind nicht viel älter als diese. (6) Über die Tätigkeit eines jeden einzelnen Schriftstellers also, über ihre jeweilige Datierung und ihr literarisches Werk habe ich euch, wie ich meine, eine exakte, mit aller Sorgfalt erstellte Aufzeichnung geliefert. Um aber das bis jetzt noch Fehlende zu vervollständigen, werde ich auch im Hinblick auf die sogenannten Weisen noch den Beweis führen. (7) Minos nämlich, der sich durch jede Art von Weisheit, durch seinen Scharfsinn und seine Gesetzgebung ausgezeichnet haben soll, lebte zur Zeit des Lynkeus, welcher nach Danaos als König herrschte, in der elften Generation nach Inachos. (8) Lykurgos aber, lange nach der Eroberung Ilions geboren, gab den Lakedaimoniern einhundert Jahre vor den Olympiaden seine Gesetze.431 (9) Drakons Geburt setzt man um die 39. Olympiade an,432 Solons um die 46.,433 die des Pythagoras um die 62.,434 wobei wir gezeigt haben, dass der Beginn der Olympiadenrechnung 407 Jahre nach den Ereignissen um Ilion anzusetzen ist.435 (10) Nachdem dieses also bewiesen ist, werde ich in aller Kürze auch noch etwas über das Zeitalter der sieben Weisen aufschreiben. Da Thales, der älteste der eben Genannten, um die 50. Olympiade lebte,436 habt ihr auch eine kurzgefasste ungefähre Angabe über die zeitliche Einordnung seiner Nachfolger. [42] (1) Für euch, ihr griechischen Männer, habe ich, Tatianos, der Anhänger einer barbarischen Philosophie, dieses zusammengestellt, geboren im Lande der Assyrier, unterrichtet zuerst in euren Lehren,437 danach je430 Die hiesigen Angaben Tatians zu Orpheus, Onomakritos, Musaios, Amphion, Demodokos und Phemios sind bei Clemens (Strom. 1,131,1f) wie gewohnt in enger wörtlicher Anlehnung übernommen. 431 Cf. Clemens, Strom. 1,79,6. 432 Cf. Clemens, Strom. 1,80,1. 433 Cf. Clemens, Strom. 1,65,3; Diog. Laert. 1,62. 434 Cf. Clemens, Strom. 1,65,2; Diog. Laert. (8,45) nennt abweichend die 60. Olympiade. 435 Cf. Clemens, Strom. 1,130,1. 436 Cf. Clemens, Strom. 1,129,3. 437 Noch einmal, wie schon in cap. 1 und 35, betont Tatian seine profunde Vorbildung in der heidnischen Philosophie und Gelehrsamkeit; cf. Eusebius, hist. eccl. 4,16,7.

192

TatianoyÄ proÁ w ÏEllhnaw

lomai. (2) GinvÂskvn deÁ loipoÁ n tiÂw oë ueoÁ w kaiÁ tiÂw hë kat’ ayÆ toÁ n poiÂhsiw, eÏtoimon eÆ maytoÁ n yë miÄn proÁ w thÁ n aÆ na krisin tv Ä n dogmaÂtvn pariÂsthmi menoy shw moi th Ä w kataÁ ueoÁ n politeiÂaw aÆnejarnh toy.

3 kataÁ toÁ n ueoÁ n Eus. O

3 subscriptio tatianoyÄ proÁ w eÏllhnaw M Mbis V: om. P

Tatianos: An die Griechen

193

doch in denjenigen, die ich nun zu verkündigen bekenne. (2) Da ich nunmehr von Gott und seiner Schöpfung Kenntnis besitze, stelle ich mich bereitwillig für die Prüfung dieser Lehren zu eurer Verfügung, mit der Maßgabe, dass ich den gottgefälligen Lebenswandel beibehalten und nicht verleugnen werde.

III. Spezialprobleme 1. War Tatian ein Schüler Justins? Ob Tatian ein Schüler des Märtyrers Justinus von Sichem war, ist nicht so sicher, wie es häufig, zumal in Überblickswerken, dargestellt wird.1 Es ist möglich, dass Tatian während seines Aufenthaltes in Rom2 Justin gehört hat, aber wir können dies nicht mit Sicherheit verifizieren.3 Tatian selbst erwähnt zwar in seiner oratio den Namen Justins an zwei Stellen und macht aus seiner Bewunderung keinen Hehl. Er nennt ihn uaymasivÂtatow 4 und gibt an, Justin habe immer offen die Wahrheit verkündet.5 Doch in welcher persönlichen Beziehung er zu ihm stand, lässt Tatian völlig offen. Die Nachricht, dass der Philosoph Crescens nicht nur Justin,6 sondern auch Tatian verfolgte und nach dem Leben trachtete, ist in der oratio textkritisch nicht eindeutig und eher unwahrscheinlich.7 Die Vorstellung von einem Lehrer-Schüler-Verhältnis der beiden berühmten Apologeten geht auf Irenäus zurück, der in seiner Schrift gegen die Häretiker behauptet, Tatian habe Irrlehren erst aufgebracht und verkündet, 1

Siehe prominent in neuerer Zeit: B. Pouderon, Les apologistes grecs du IIe sie`cle (Chap. 8: Tatien; S. 175–201), Paris 2005, hier: S. 176 u. ö.; W.L. Petersen, Art. „Tatian“, in: TRE, Bd. 32, 2001, S. 655; ders., Art. „Tatian“, in: RGG, 4. Aufl., Bd. 8, 2005, Sp. 47: „So kam er nach Rom (ca. 155), wo er zum Kreis von Justins auditores gehörte.“ 2 Vgl. or. 35,1. 3 So auch zuletzt W.L. Petersen (Tatian the Assyrian, Leiden 2005), der ein persönliches Zusammentreffen der beiden Apologeten in Rom zwar für sehr wahrscheinlich hält, letzte Zweifel aber nicht ausräumt (vgl. S. 132: „Tatian and Justin eventually found each other ... “). 4 Or. 18,6. 5 Or. 19,2. 6 Vgl. Iustinus, 2 Apol. 3(8),1; 11,1. 7 Vgl. den textkritischen Apparat zu or. 19,2. Vgl. Ponschab, Rede, S. 6. – Noch wesentlich weiter geht R. Weijenborg (Die Berichte über Justin und Crescens bei Tatian, in: Antonianum 47, 1971, S. 362–390), der beide Justin-Reminiszenzen in der oratio als Interpolationen des Evagrius Antiochenus (spätes 4. Jhdt.) erweisen will. L.W. Barnard (Apologetik I, TRE 3, 1978, S. 379) hält die Tatian-Verfolgung durch Crescens trotz aller Gegenargumente für authentisch.

196

III. Spezialprobleme

als er kein Schüler Justins mehr war.8 Ob man Irenäus an dieser Stelle Vertrauen schenken darf, ist schwer zu entscheiden. Es könnte sich um einen Rückschluss des Bischofs von Lyon aus der oratio Tatiani handeln. Auf der anderen Seite ist nicht ausgeschlossen, dass Irenäus als Zeitgenosse, der sich bekanntlich auch in Rom aufhielt, weitergehende Informationen besaß, und es ist ebenfalls nicht ausgeschlossen, dass Irenäus neben der oratio noch weitere Werke Tatians kannte. In der Frage nach dem persönlichen Verhältnis muss man sich mangels äußerer Informationen notgedrungen der akademisch-skeptischen eÆpoxh befleißigen. Eine davon zu unterscheidende Frage ist allerdings, ob Tatian vielleicht die Apologien Justins kannte, von ihnen profitierte, sie bei der Abfassung seiner oratio unter Umständen vor sich liegen hatte und somit zwar nicht in persönlicher, aber doch in literarisch-theologischer Hinsicht als ein Schüler des bekannten Märtyrers zu gelten hat. Für die Beantwortung dieser Frage liegen die Voraussetzungen naturgemäß günstiger, da die entsprechenden Schriften erhalten sind und verglichen werden können. Methodisch ist dabei so vorzugehen, dass nach auffälligen Gemeinsamkeiten sowohl auf sprachlich-literarischer als auch auf inhaltlicher Ebene Ausschau gehalten werden muss. Dabei ist es für die Begründung eines Abhängigkeitsverhältnisses grundsätzlich günstig, wenn die aufgezeigten Parallelen bei anderen zeitgenössischen Apologeten nicht oder nicht in demselben Maße und Umfang erscheinen. Iustinus

Tatianus

1 Apol. 4 (cf. 2 Apol. 2) Gewöhnlich gilt bei den Römern, niemanden zu bestrafen (kola zein ), dessen Schuld nicht erwiesen ist; die Christen aber werden allein aufgrund ihres beigelegten Namens (eÆk toyÄ kathgoroyme noy oÆ no matow ) verurteilt.

Or. 27 Man pflegt einen Räuber erst zu bestrafen (kola zein ), wenn der Tatbestand gründlich geprüft wurde; wir aber werden lediglich wegen des beigelegten Namens (diaÁ toÁ eÆpikathgoroy menon oÍnoma ) ohne Prüfung beschuldigt.9

1 Apol. 4 Manche eignen sich den Namen und das Äußere von Philosophen an, ohne dass ihre Handlungen dem in irgendeiner Weise entsprechen.

Or. 25 Philosophen lassen die Schulter nackt, lassen Haare, Bart und Nägel wachsen, widersprechen durch ihr Verhalten aber der eigenen Lehre.

8 9

Irenäus, Adv. haer. 1,28,1. Cf. Athenagoras, Leg. 2,2; Tertullianus, Ad nat. 1,3,1; 1,3,2; Apol. 2,3–5.

1. War Tatian ein Schüler Justins?

197

Iustinus

Tatianus

1 Apol. 4 (cf. 7.44; 2 Apol. 10.13) Die Philosophen widersprechen sich in ihren Ansichten und Lehren (taÁ eÆnanti a doja santew kaiÁ dogmati santew ).

Or. 3 (cf. 25) Die Philosophen geben widersprechende Lehren von sich (eÆnanti a dogmati zoysi ).10

1 Apol. 8 Platon nannte Radamanthys und Minos (ëRada manuyn kaiÁ Mi nv ), die die Ungerechten, die zu ihnen kämen, richteten; wir aber sagen, dass das Gleiche durch Christus geschehen werde.

Or. 6 Unsere Richter sind aber nicht Minos und Rhadamanthys (oyÆ Mi nvw oyÆ deÁ ëRada manuyw ), vor deren Tod – so die Mythologie – keine Seele gerichtet worden sei, sondern es prüft uns der Schöpfergott selbst.11

1 Apol. 10 (cf. 59) Gott hat am Anfang alle Dinge aus formloser Materie (eÆj aÆ mo rfoy yÏ lhw ) um des Menschen willen erschaffen.

Or. 12 (cf. 5) Die anfängliche Materie (yÏlhn ), die Gott geschaffen hat, muss man sich als maßlos und ungeformt (aÍ poion kaiÁ aÆsxhma tiston ) vorstellen.

1 Apol. 10 (cf. 18f) Wie die Menschen vor ihrer Geburt nicht existierten (oyÆ k oÍntaw ), dann aber ins Dasein gerufen wurden (gene suai ), so werden die Gläubigen auf dieselbe Weise (toÁ n ayÆ toÁ n tro pon ) die Unsterblichkeit erlangen und des Zusammenwohnens mit Gott gewürdigt werden.

Or. 6 Wie ich nicht existierte, bevor ich geboren wurde (gene suai ), auf dieselbe Weise (toÁ n ayÆ toÁ n tro pon ) werde ich, der ich zwar geboren wurde, aber infolge meines Todes dereinst nicht mehr existieren werde (mhke t’ vÍ n), erneut wie einer sein, der nicht von Anfang an war, dann aber geboren wurde.12

1 Apol. 12 Die Herrscher, derer sich die Dämonen oft bemächtigen und denen der Ruhm höher steht als die Wahrheit, sind wie die Räuber (lhstai ì Â ) in der Wüste.

Or. 18 et 23 Der bewundernswerte Iustinus sagte, die ì Dämonen glichen den Räubern (lhstaiÄw ). – Der Mächtige hält eine Bande von Räubern; die Räuber (oië lhstey ì Â ontew ) werden von ihm losgelassen.

1 Apol. 13 (cf. 21f) Man beschuldigt uns der Torheit, dass wir die zweite Stelle nach dem unwandelbaren und ewigen Gott einem gekreuzigten Menschen (aÆnurv pvì) zuweisen.

Or. 21 Wir sind keineswegs einfältig und wir verbreiten kein leeres Geschwätz, wenn wir verkünden, Gott sei in Menschengestalt (eÆn aÆnurv poy morf hÄì) erschienen.

10 Cf. Athenagoras, Leg. 7,2; Theophilos, Ad Autol. 2,8; 3,3; 3,7; Ps.-Iustinus, Coh. 4,2; 5,1; 7,1; 35,2; Hermias, Irrisio (passim). 11 Cf. Athenagoras, Leg. 12,1; Tertullianus, Apol. 23,13; Ad nat. 1,19,5; spect. 30,4; Lactantius, Div. inst. 3,20,17; 7,22,5. 12 Cf. Tertullianus, Apol. 485f.

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III. Spezialprobleme

Iustinus

Tatianus

1 Apol. 14 (cf. 2 Apol. 5) Die Dämonen machen sich durch Traumgesichte (di’ oÆ nei rvn eÆpifanei aw ) und Zauberkünste die Menschen untertänig.

Or. 18 Die Dämonen, die vermeintlichen Götter, schaffen es durch Träume (di’ oÆ nei rvn ), dass man an sie glaubt.

1 Apol. 17 Or. 4 Steuern und Abgaben (fo royw ) suchen Der Kaiser befiehlt, Steuern (fo royw ) zu wir vor allen anderen zu entrichten, wie zahlen; ich bin bereit, sie zu entrichten. wir von Christus angeleitet wurden. 1 Apol. 17 Wir beten Gott allein (ueoÁ n mo non ) an, euch aber gehorchen wir (yëphretoyÄ men ) mit Freuden, indem wir euch als Könige und Herrscher der Menschen anerkennen und für eure vernünftige Einsicht beten.

Or. 4 Mein Gebieter fordert zu dienen und gehorsam zu sein (yëphreteiÄn); ich kenne meine Pflicht als Untertan. Den Menschen muss man nämlich ehren, wie es einem Menschen gebührt, aber Gott allein (mo non toÁ n ueo n) muss man fürchten.

1 Apol. 18 Jeder der früheren Herrscher starb den allen gemeinsamen Tod (toÁ n koinoÁ n paÄ si ua naton ).

Or. 11 Ich sehe einen einzigen Tod, der alle trifft (eÏna kataÁ pa ntvn toÁ n ua naton ), ob durch Genusssucht oder Mangel.

1 Apol. 20 et 2 Apol. 7(6) Wir sagen, dass ein Weltenbrand (eÆkpy rvsin ) sich ereignen werde, aber nicht, wie die Stoiker lehren (oië StviÈkoiÁ dogmati zoysi ), in der Art eines Übergangs aller Dinge ineinander.

Or. 6 et 25 (cf. 3) Die Stoiker lehren (oië StviÈkoiÁ dogmati zoysi ), dass nach zyklisch wiederkehrenden Zeitspannen ein Weltenbrand (eÆkpy rvsin ) sich ereigne, aber dies wird nur einmal am Ende der Zeiten geschehen.

1 Apol. 21 (cf. 4; 2 Apol. 5.12) Die Heiden ahmen die Götter nach, insbesondere deren Anführer Zeus (toÁ n hëgemo na Di a ), der von ihnen in seiner sittenlosen Liebeslust nachgeahmt wird; es handelt sich hier um ein Werk, welches die Dämonen (oië dai monew ) verrichten.

Or. 8 Die griechischen Götter handeln zuchtund sittenlos und ermuntern dadurch die Menschen zu gleichen Taten. Die Dämonen (oië dai monew ) mitsamt ihrem Anführer Zeus (toyÄ hëgoyme noy Dio w) entsprechen in ihren Leidenschaften gänzlich dem menschlichen Verhalten.

1 Apol. 21 Im Vergleich zur griechischen Mythologie bringen wir mit unserer Lehre von Tod, Auferstehung und Himmelfahrt nichts Befremdliches vor; auch Asklepius wurde angeblich vom Blitz erschlagen und ist in

Or. 21 Wir verbreiten kein leeres Geschwätz, wenn wir verkünden, Gott sei in Menschengestalt erschienen. Die ihr uns verhöhnt, vergleicht doch eure Mythen mit unseren Berichten ... Asklepius ist tot13 ...

13 Cf. Aristides, Apol. 10,5f; Athenagoras, Leg. 29; Theophilos, Ad Autol. 1,9; Minucius Felix, Oct. 22,7.

1. War Tatian ein Schüler Justins?

199

Iustinus

Tatianus

den Himmel aufgefahren. Herakles übergab sich dem Feuertod, um seinem Leiden zu entrinnen (fyg hÄì po nvn eëaytoÁ n pyriÁ do nta ).

der die 50 Jungfrauen beschlief (= Herakles), gab sich selbst dem Feuer zum Fraße (pyroÁ w eëaytoÁ n paradoyÁ w bor aÄì) und ging zugrunde.

1 Apol. 21 Was sollen wir von den toten Herrschern sagen, die ihr für wert haltet, unter die Unsterblichen versetzt zu werden, sodass einer vorgeführt wird, der schwört, er habe den verbrannten Kaiser vom Scheiterhaufen in den Himmel (eiÆw toÁ n oyÆ rano n ) auffahren sehen.

Or. 10 Ein gewisser Götterverächter sagte für Lohn unter Meineid aus, Antinoos sei – wie bei den Kaisern üblich – in den Himmel (eiÆw toÁ n oyÆ rano n) gelangt. Man schenkte ihm Glauben und hat ihn dann, nachdem er denselben für einen Gott erklärt hatte, mit Ruhm und Geschenken bedacht.14

1 Apol. 27 Früher hielt man nur Herden (aÆge law ) von Rindern, Ziegen, Schafen und weidenden Pferden (Ïippvn forba dvn ) zur Aufzucht. Jetzt hält man auch Knaben (paiÄdaw ) zu rein unzüchtigen Zwecken.

Or. 28 Die Knabenliebe wird von den Barbaren verurteilt, während sie von den Römern als Vorrecht geschätzt ist; sie suchen Scharen von Knaben wie Herden weidender Pferde (pai dvn aÆge law vÏsper Ïippvn forba dvn ) zusammenzutreiben. 15

1 Apol. 44 Die Zukunft geschieht nicht mit schicksalhafter Notwendigkeit (oyÆ eiëmarme nhw aÆ na gk hì). Für alle Menschen weiß Gott die Zukunft voraus (prognv stoy toyÄ ueoyÄ oÍ ntow tv Ä n mello ntvn ) und es ist sein Grundsatz, jedem der zukünftigen Menschen nach dem Verdienste seiner Taten zu vergelten und nach dem Werte seiner Handlungen.

Or. 7 Die Macht des Wortes aber trägt in sich selbst das Wissen um die zukünftigen Geschehnisse (toÁ prognvstikoÁ n toÁ me llon ), welche sich nicht etwa schicksalhaft (oyÆ kau’ eië marme nhn ), sondern aufgrund der freien Entscheidung der Wählenden ereignen werden.

1 Apol. 44 (cf. 23.54.59; dial. 5) Älter ist Mose (presby terow MvshÄ w) als alle griechischen Schriftsteller (syggrafe vn ). Alles, was Philosophen und Dichter über die menschliche Seele, den Tod, die himmlischen Dinge und über ähnliche Lehren (tv Ä n oë moi vn dogma tvn ) gesagt

Or. 40f (cf. 31.36–41) Moses ist älter (MvyÈ shÄ w presby terow ) als Homer und andere Schriftsteller (syggrafe vn ). Er besitzt in Bezug auf das Alter den Vorrang gegenüber den Griechen, die aus ihm als Quelle geschöpft und seine Lehren (taÁ eÆkei noy do gmata ) ohne Ver-

14 15

Cf. Suetonius, Div. Aug. 100,4. Cf. Clemens, Paed. 3,26,2.

200

III. Spezialprobleme

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Tatianus

haben, konnten sie nur aufgrund der bib- ständnis übernommen haben. Ihre Sophislischen Propheten erfassen und ausführen. ten haben das, was sie aus den Büchern des Moses und von denjenigen, die wie er philosophierten, erfahren hatten, zu verfälschen versucht.16 1 Apol. 44 Die prophetischen Schriften, mit denen wir uns beschäftigen (eÆntygxa nomen ), haben Überzeugungskraft; viele Menschen werden wir wohl mit ihnen überzeugen (pei svmen ).

Or. 29 Es widerfuhr mir, dass ich auf gewisse barbarische Schriften stieß (eÆntyxeiÄn). Und es widerfuhr mir, dass sie mich überzeugten (peisuhÄ nai ).

2 Apol. 1 Bei euch geschehen Dinge wider die Vernunft (aÆlo gvw ), vieles wisst ihr nicht in eurem Dünkel (diaÁ thÁ n do jan ).

Or. 26 Aufgeblasen vor Dünkel (diaÁ do jhw ), macht ihr ohne alle Vernunft (paraÁ lo gon ) Gebrauch von euren Phrasen.

2 Apol. 3(8) (cf. 11) Ich erwarte, von Crescens verfolgt und in den Block gespannt zu werden. Er verdient den Namen Philosoph nicht, da er öffentlich über uns Dinge verbreitet, von denen er nichts versteht. Zum Beweis, dass ich die Wahrheit (aÆlhuhÄ ) rede, bin ich bereit, ihn öffentlich zur Lehre Christi zu befragen.

Or. 19 Crescens trachtete danach, den Iustinus mit dem Tode zu bedrohen. Denn Iustinus, der offen die Wahrheit (thÁ n aÆ lh ueian ) verkündete, überführte die Philosophen als Schlemmer und Betrüger.

2 Apol. 3(8) Ich werde vielleicht von Crecens, dem „Geschwätzliebenden“ (filoco foy ) und Angeber, verfolgt. Man darf ihn nicht einen Weisheitsliebenden (filo sofon ) nennen.

Or. 3 Möge euch die große Ansammlung der Weisheitsliebenden (filoso fvn ), besser: der „Geschwätzliebenden“ (filoco fvn ), nicht fortreißen.

2 Apol. 6(5) Sein Sohn aber, der Logos (oë lo gow ), der vor aller Schöpfung in ihm war und gezeugt wurde (gennv menow ), als er im Anfang (thÁ n aÆ rxh n ) alles durch ihn schuf und ordnete (eÆko smhse ), wird Christus

Or. 5 Ich bin entschlossen, die ungeordnete Materie in euch zu ordnen (diakosmeiÄn). Wie das im Anfang (eÆn aÆrx hÄì) gezeugte (gennhueiÁ w ) Wort (oë lo gow ) seinerseits die Schöpfung hervorgebracht hat, nachdem

16 Cf. Theophilos, Ad Autol. 2,30; 3,16.20; Tertullian, Apol. 19; Ps.-Iustinus, Coh. ad gent. 9,1; Clemens, Strom. 1,101,1f.

1. War Tatian ein Schüler Justins?

Iustinus

201

Tatianus

genannt, weil er gesalbt wurde und Gott es sich selbst die Materie geschaffen hatte, durch ihn alles ordnete (kataÁ toÁ kosmhÄ - so ordne auch ich in der Nachahmung des Wortes eine mir verwandte Materie. sai ). 2 Apol. 7(6) (cf. 1 Apol. 43; Dial. 88.102) Gott hat das Geschlecht der Engel und das der Menschen frei (ayÆ tejoy sion ) erschaffen; daher werden sie mit Recht (dikai vw ) für ihre Vergehen bestraft und mit Recht ist ihre Tugend des Lobes würdig (eÆpaineto n).

Or. 7 Beide Schöpfungsgattungen, die Engel und die Menschen, erhielten die freie Selbstbestimmung (ayÆ tejoy sion ). Das Gute kann von den Menschen frei gewählt und erfüllt werden, sodass der Böse mit Recht (dikai vw ) bestraft wird, der Gerechte aber um seiner guten Taten willen verdientermaßen gepriesen wird (eÆpainh Ä tai ).

2 Apol. 9 Wir haben verschiedene Gebräuche und Gesetze (no moyw ) bei den Menschen. Gewisse Dinge gelten bei den einen als gut (kala ), bei den anderen als verwerflich (aiÆ sxra ) oder umgekehrt.

Or. 28 Es müsste eine einzige und gemeinsame Verfassung für alle geben. Nun aber gibt es so viele Staatswesen wie GesetzgebunÄ n no mvn ue seiw ), sodass das, was gen (tv bei manchen als verwerflich (aiÆ sxra ) angesehen wird, bei anderen als ehrenwert (spoydaiÄa) gilt.

2 Apol. 12 Möchte doch jemand eine hohe Bühne (bhÄ ma yëchlo n) besteigen und mit mächtiger Stimme zu euch herabrufen.

Or. 17 Deshalb, ihr Griechen, hört auf mich, der ich euch gleichsam aus der Höhe (aÆpoÁ toyÄ metev roy ) zurufe.

2 Apol. 12 Wir feiern nicht in Menschenopfern (eÆn tv Äì aÆ ndrofoneiÄn ) die Mysterien (mysth ria ) des Kronos und berauschen uns nicht am Blut, was allerdings bei eurem Götzenbild geschieht, welches mit Menschenblut (aiÏmata aÆnurv peia ) besprengt wird, wobei ihr es von eurem vornehmsten Mann mit dem Blute der Hingerichteten (toyÄ tv Ä n foneyue ntvn aiÏmatow ) begießen lasst.

Or. 29 Ich habe auch die Einweihung in die Mysterien (mysthri vn ) erlangt und dabei die Entdeckung gemacht, dass bei den Römern ihr Zeus Latiaris sich an besudeltem Menschenblut (ly uroiw aÆnurv pvn ) und dem Blut von Menschenopfern (toiÄw aÆ poÁ tv Ä n aÆ ndroktasi vn aiÏmasi ) ergötzt, dass Artemis nicht weit entfernt von der großen Stadt Praktiken derselben Art für sich in Anspruch nimmt.17

17

Vgl. Theoph. Ad Autol. 3,8; Tertull. Apol. 9,5; Scorp. 7,6; Min. Fel. Oct. 22,6; 30,4; Cypr. De spect. 5; Lact. Div. inst. 1,21,3; Prud. c. Symmach. 1,396; Porph. De abstin. 2,56,9.

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III. Spezialprobleme

Iustinus

Tatianus

2 Apol. 15 Unsere Lehren sind über alle menschliche Weisheit erhaben; und selbst wenn nicht, so gleichen sie dennoch nicht den Lehren einer Philainis (Filainidei oiw ).

Or. 34 Ihr solltet das wahrhaft Gute erstreben und nicht unseren Lebenswandel verabscheuen, während ihr auf die unsäglichen geistigen Ergüsse einer Philainis (Filaini dow ) scharf seid.

Dial. 2 Warum die Philosophie vielköpfig geworden ist, will ich euch sagen: Den ersten Philosophen schlossen sich später solche an, die nichts nach der Wahrheit (aÆlhuei aw ) fragten; sie erhielten schließlich den gleichen Namen (toyÍ noma ) wie ihre Vorgänger.

Or. 26 Der Anfang des Geschwätzes bei euch geht auf die Schulmeister zurück, und indem ihr die Weisheit zerteiltet, wurdet ihr von der wahren Weisheit (thÄ w kat’ aÆlh ueian sofi aw ) abgeschnitten; die Namen (taÁ oÆno mata ) ihrer Teile aber habt ihr nach Menschen benannt.

Dial. 5 Auch darf man die Seele (cyxh ) keineswegs unsterblich (oyÆ deÁ aÆ ua naton ) nennen; jedoch behaupte ich durchaus nicht, dass alle Seelen sterben. Die einen, welche gotteswürdig erscheinen, sterben nicht mehr (oyÆ k aÆpoun hÂìskoysin ), die anderen werden bestraft, so lange Gott will, dass sie noch existieren und bestraft werden.

Or. 13 Die Seele (cyxh ) an sich ist nicht unsterblich (oyÆ k aÆua natow ), sondern sterblich; aber es ist auch möglich, dass sie nicht stirbt. Denn sie stirbt und zerfällt, wenn sie die Wahrheit nicht erkannt hat; später aber steht sie mit dem Leib zusammen auf und erfährt als Strafe einen ewigen Tod. Andererseits stirbt sie nicht (oyÆ un hÂìskei ), wenn sie die Erkenntnis Gottes erlangt hat.

Dial. 23 Die sündhaften Menschen sind der Grund, warum der ewig gleiche Gott Gebote erlassen hat, und wir können erklären, dass er die Menschen liebt, die Zukunft voraussieht, keiner Sache bedürftig (aÆnendehÄ ), gerecht und gut ist.

Or. 4 Auch sollen dem unaussprechlichen Gott18 keine Geschenke gebracht werden; denn an allem hat er genug (aÆnendeh w) und darf von uns nicht herablassend wie ein Bedürftiger (eÆndeh w) behandelt werden.

Dial. 61 Vor allen Geschöpfen als Anfang (aÆrxh n) hat Gott aus sich eine vernünftige Kraft (dy nami n tina eÆj eëaytoyÄ logikh n) erzeugt, welche vom Heiligen Geiste auch Herrlichkeit des Herrn, ein andermal Sohn, dann Weisheit, bald Engel, bald Gott, bald Herr und Logos (lo gow ) genannt wird.

Or. 5 (cf. 7.18) Gott war im Anfang; der Anfang (aÆrxh n ) aber, so ist es uns überliefert, war die Macht des Wortes (lo goy dy namin ). Denn der Herr aller Dinge begründete das bei ihm existierende All durch die Macht des Wortes (diaÁ logikhÄ w dyna mevw ), er selbst und das Wort (lo gow ), das in ihm war.

18 Vgl. Iustinus, 1 Apol. 10,1; 61,11; 63,1; 2 Apol. 5,1 zur Rede vom „namenlosen Gott“ (vgl. Ex 3,13f), welcher in der Theologie Justins seine besondere Bedeutung hat.

1. War Tatian ein Schüler Justins?

203

Iustinus

Tatianus

Dial. 61 (cf. 128) Wenn wir nämlich ein Wort (lo gon ) aussprechen, erzeugen wir ein Wort, ohne damit etwas zu verlieren, ohne dass also die Wortgewalt (lo gon ) in uns weniger wird (eÆlattvuhÄ nai ). So sehen wir auch, dass bei einem Feuer (eÆpiÁ pyro w), wenn an ihm ein anderes entsteht, nicht deshalb, weil an ihm das Anzünden (hë aÍnaciw ) geschah, etwas verringert wird, dass es vielmehr ein und dasselbe bleibt; das an ihm entzündete Feuer erscheint jenem gleich, und doch hat es jenes nicht verringert (oyÆ k eÆlattv Ä san ), an dem es entzündet wurde.

Or. 5 Wie nämlich von nur einer Fackel viele Feuer (pyra ) entzündet werden, das Licht der ersten Fackel aber durch das Anzünden (diaÁ thÁ n eÍjacin ) der vielen anderen nicht verringert wird (oyÆ k eÆlattoyÄ tai ), so ging auch das Wort aus der Macht des Vaters hervor und hat den Erzeuger dennoch nicht wortlos (oyÆ k aÍ logon ) gemacht. Denn auch ich selbst rede, und ihr hört zu; und ohne Zweifel werde ich beim Reden, während mein Wort zu euch hinübergeht, keineswegs wortlos (toyÄ loÂgoy keno w).

Die Gegenüberstellung führt zu einem eindeutigen Ergebnis. Die Gemeinsamkeiten zwischen der oratio Tatians und dem erhaltenen Schrifttum Justins sind offensichtlich. Die häufigen Parallelen sind gedanklicher Natur, vielfach befleißigt sich Tatian aber sogar desselben Sprachgebrauchs. Die inhaltliche und literarische Affinität bezieht sich grundsätzlich auf alle drei Werke, die beiden Apologien wie auch auf den Dialogus. Die Anzahl der Parallelen zur letzteren Schrift fällt trotz ihres größeren Umfangs vergleichsweise gering aus, was sich aber zwanglos aus ihrem abweichenden literarischen Charakter und Thema erklärt. Zwar ist zu konstatieren, dass Vieles, was zwischen Justin und Tatian übereinstimmt, auch bei den übrigen Apologeten des 2. Jahrhunderts beobachtet und in deren Werken lokalisiert werden kann, also gewissermaßen zum allgemeinen „apologetischen Gedankengut“ gehört. Doch existieren andererseits auch exklusive Parallelen, die mitunter in sehr enger, teils wortwörtlicher Abhängigkeit stehen. Angesichts dieses Befundes erscheint es als sehr wahrscheinlich, dass Tatian die Schriften Justins kannte und damit mit Recht als sein Schüler bezeichnet werden kann.19 19

Das Ergebnis ist umso wertvoller, als auch E.J. Hunt (case, S. 52–73) neuerdings – in nuce – zu demselben Resultat gelangt; zur abweichenden Methodik cf. S. 73: „My focus in this study has not been on the use of parallel terms in Justin and Tatian. Instead I have concentrated on more general correlations in attitude and thought in an attempt to present a more rounded and accurate picture of the relationship between Justin und Tatian.“ Wenn Hunt allerdings im Ergebnis den direkten, literarischen Einfluss („direct influence“; S. 73) wesentlich niedriger einschätzt als den inhaltlich-allgemeinen („substantial amount of influence“; ibid.), so muss kritisch bemerkt werden, dass hier ein Urteil über etwas gefällt wird, was nach eigenen Angaben (s. o.) gar nicht untersucht worden ist.

204

III. Spezialprobleme

2. War Tatian ein Gnostiker?20 Die Frage, ob Tatian orthodox gelehrt habe oder unter die Häretiker zu rechnen sei, ist unter den Tatianinterpreten heftig umstritten. Für eine Zuordnung zur gnostischen Häresie haben sich sehr deutlich R.C. Kukula21, J. Geffcken22, J. Dräseke23, M. Zappala`,24 A. Orbe25 und R.M. Grant26 ausgesprochen, für einen innerkirchlichen, nicht-häretischen Autor halten ihn H.A. Daniel,27 E. Preuschen,28 G. Bardy,29 B. Ponschab30 20 Zur hier verwendeten Terminologie: Unter Gnosis wird im Folgenden ein religionsgeschichtliches, sowohl inner- als auch außerchristliches Phänomen der Spätantike verstanden, welches auf philosophisch-mythischer Basis die (häufig esoterisch vermittelte) Erkenntnis göttlich-kosmologischer Zusammenhänge als für die Erlösung des Menschen konstitutiv ansieht. Als ein Gnostiker wird dementsprechend eine historische Person bezeichnet, deren Lehre zentral um gnostische Inhalte kreist, durch sie elementar bestimmt ist und aufgrund ihrer spekulativ-mythischen, oft unhistorischen Ausrichtung sehr häufig (nach den Maßstäben der Alten Kirche) als häretisch gilt, d. h. sich außerhalb der großkirchlichen Normativität und der durch sie festgelegten „Rechtgläubigkeit“ befindet. An Stellen, an denen Missverständnisse auftreten können, wird mitunter auch präziser von „häretischer Gnosis“ bzw. von einem „häretischen Gnostiker“ gesprochen. Davon zu unterscheiden ist die (christliche) Form des Gnostizismus, die nicht zwangsläufig häretisch sein muss. Als Gnostizist gilt ein Theologe oder Philosoph, der zwar in der Nähe zu gnostischen Inhalten und Lehren steht und einzelne Tendenzen aufweist, ohne jedoch auf das Ganze gesehen die kirchlich-„rechtgläubige“ Norm zu verlassen. Vgl. zur Nomenklatur: J. Holzhausen, „Gnostizismus, Gnosis, Gnostiker: Ein Beitrag zur antiken Terminologie“, in: JAC 44 (2001), S. 58–74; K.L. King, What is Gnosticism?, Cambridge/Mass. 2003; C. Scholten, Probleme der Gnosisforschung: Alte Fragen – neue Zugänge, in: Communio 26, 1997, S. 481–501. 21 R.C. Kukula, Tatians sogenannte Apologie. Exegetisch-chronologische Studie, Leipzig 1900; ders., Tatians des Assyrers Rede an die Bekenner des Griechentums, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt, 1. Bd. (= BKV 12), München/Kempten 1913. Vgl. insbesondere S. 193 und namentlich die Anmerkungen zu cap. XIII 4, XV 3 und 9, XVIII 2, XX 2 und 4, XXIII 5 und XXXV 4. 22 J. Geffcken, Zwei griechische Apologeten (Sammlung wissenschaftlicher Kommentare zu griechischen und römischen Schriftstellern), Leipzig/Berlin 1907 (= Nachdruck Hildesheim/New York 1970), S. 105–113; zum „häretische[n] Charakter der Rede“ cf. bes. S. 105f. 23 J. Dräseke, Zu Tatianos’ „Rede an die Hellenen“, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie, NF 8 [43], 1900, S. 603–612. Dräseke urteilt in der HäresieFrage im Anschluss an die „exegetisch-chronologische Studie“ Kukulas; cf. S. 603. 24 M. Zappala`, Taziano e lo gnosticismo, in: Rivista trimestrale di studi filosofici e religiosi 3 (1922), S. 307–338. 25 A. Orbe, Variaciones gnosticas sobre las alas del Alma, in: Gregorianum 35 (1954), S. 21–33. 26 R.M. Grant, The Heresy of Tatian, in: The Journal of Theological Studies NS 5

2. War Tatian ein Gnostiker?

205

und vor allem M. Elze31, G.F. Hawthorne32 und E.J. Hunt33. Differenziert äußern sich L.W. Barnard34 und neuerdings B. Pouderon35, W.L. Petersen36 und N. Koltrun-Fromm37. Um eine abwägende Entscheidung gründlich vorzubereiten, empfiehlt sich zunächst ein genauer Blick auf das Urteil der Kirchenväter. Grundsätzlich ist damit zu rechnen, dass ihnen Informationen zur Verfügung standen, die uns heute nicht mehr erreichbar sind. Der Tatsache nämlich, dass die weit überwiegende Anzahl der Tatianschriften heute verloren ist, aber diese den Kirchenvätern, zu(1954), S. 62–68. Ein milderes Urteil über Tatians Häresie fällt Grant allerdings in seinem „Spätwerk“ (Greek Apologists of the Second Century, Philadelphia 1988); cf. die Zusammenfassung bei E.J. Hunt, The case of Tatian, S. 34–36. 27 H.A. Daniel: Commentationis de Tatiano apologeta specimen, Halle 1835, S. 25. 28 E. Preuschen, Tatian, in: Realenzyklopädie für protestantische Theologie, Bd. 19, 3 1907, S. 391f. 29 G. Bardy, Tatien, in: Dictionnaire de the´ologie catholique, Bd. 15, 1946, S. 65: „Lorsqu’il e´crivait le Discours aux Grecs, Tatien e´tait encore orthodoxe“. 30 B. Ponschab, Tatians Rede an die Griechen, Gymn. Programm Metten, 1894/95. Vgl. das abschließende Fazit auf S. 44: „Im ganzen enthält also unsere Rede noch keine andere ausgeprägte Häresie als den Subordinatianismus [sc. der Logoslehre; Vf.]“. 31 M. Elze, Tatian und seine Theologie, Göttingen 1960, bes. S. 84f. 98f. 32 G.F. Hawthorne, Tatian and his discourse to the Greeks, in: Harvard Theological Review 57 (1964), S. 161–188. 33 E.J. Hunt, Christianity in the Second Century. The case of Tatian, London 2003. Vgl. S. 20–51, insbes. S. 36: „I consider the Oration to belong to a non-gnostic stream of Christianity, which was later erroneously labelled ‘Valentinian’.“ 34 L.W. Barnard, The Heresy of Tatian – Once Again: Journal of Ecclesiastical History 19, 1968, S. 1–10; vgl. dens., Apologetik I, in: TRE, Bd. 3 (1978), S. 380. Barnard, der eine Frühdatierung der oratio favorisiert (Heresy, S. 3: „160 or a few years before“), hält Tatian für einen innerkirchlichen Lehrer mit gnostischen Tendenzen: „In the mid-second century it was possible for a writer to adopt certain Gnostic ideas without putting himself outside of the Church“ (S. 5). Barnards These findet sich ausführlich bei W.L. Petersen (s. u.) wieder. 35 B. Pouderon, Les apologistes grecs du IIe sie`cle (Chap. 8: Tatien; S. 175–201), Paris 2005, hier: S. 196–201. 36 W.L. Petersen: Tatian the Assyrian, Leiden 2005, S. 125–158, bes. S. 152–156. Petersen sieht Tatian zwar dezidiert als einen Gnostiker (siehe S. 152 u. ö.) hebt aber – mit Hinweis auf die einschlägigen Untersuchungen von W. Bauer (Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, Tübingen 1934) – darauf ab, dass die Unterscheidung von Häresie und Orthodoxie für die Zeit Tatians anachronistisch sei: „Only in retrospect can one speak about ‘orthodoxy’ and ‘heresy’ in this period“ (ibid., S. 139). 37 N. Koltun-Fromm, Re-imagining Tatian: The Damaging Effects of Polemical Rhetoric, in: Journal of Early Christian Studies 16, 2008, S. 1–30; eine Häresie Tatians wird nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sei aber in den erhaltenen Werken, so in der oratio, nicht nachweisbar. Vgl. S. 3.5.8f.13.

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III. Spezialprobleme

mindest den früheren unter ihnen, mit großer Wahrscheinlichkeit noch zugänglich waren, wird nicht immer ausreichend Rechnung getragen. Um es bereits an dieser Stelle vorwegzunehmen: Das theologische Urteil der spätantiken Nachwelt über Tatian ist vernichtend. Die alte Kirche hat den assyrischen Apologeten ausnahmslos als Ketzer abgestempelt. Vielstimmig hat sie das Anathema über ihn ausgerufen und ihn namentlich in die Nähe der gnostischen Irrlehre gerückt oder aber, was nicht immer sorgsam unterschieden wurde und mitunter dasselbe ausdrücken sollte, als einen Vertreter des Marcionismus bzw. des Enkratismus gebrandmarkt. a) Bei Irenäus, dem schärfsten Kritiker Tatians, fungiert dieser als die personifizierte „Verbindung zwischen allen Häretikern“ (connexio omnium haereticorum).38 Aus der Sicht des Bischofs von Lyon ist die Lehre Tatians von gnostischen Einflüssen geradezu durchsetzt. Insbesondere wirft er seinem Zeitgenossen vor, dass er die Ehelosigkeit eines jeden Christen zur Pflicht erhoben habe. Eine solche Vorschrift aber sei, da hierdurch die gute Schöpfung Gottes verachtet und die Fortpflanzung des Menschengeschlechts behindert werde, geradezu als „Gotteslästerung“ (blasfhmi a)39 zu werten. Tatian habe, so die Angabe bei Irenäus, diese Lehre als erster aufgebracht; die Sekte der Enkratiten, die auf Marcion und den Gnostiker Satornil zurückgehe, habe sie von ihm übernommen.40 Auch seien von Tatian bestimmte Formen der Nahrungsaskese verordnet worden, namentlich der Verzicht auf Fleischverzehr (der Genuss sog. „animalischer Speisen“), wodurch er sich ebenfalls als undankbar gegen den Schöpfer erwiesen habe.41 Weiterhin habe Tatian, wie es bei den Valentinianern üblich sei, Äonen erdichtet,42 d.h. als Anhänger des gnostischen Mythos emanatistische Lehren in die Welt gesetzt. Nicht zuletzt wirft ihm Irenäus vor, er habe die Errettung und Seligkeit Adams geleugnet, und meint damit nichts anderes, als dass Tatian einer grundsätzlich pessimistischen Weltsicht verfallen sei, also nach Art der Gnostiker die gefallene Natur des Menschen betone, ohne gleichzeitig die Wirklichkeit der Gnade Gottes durch und in Christus anzuerkennen.43 b) Hippolyt von Rom ist in seinem Urteil über Tatian erkennbar von Irenäus abhängig. Er bemängelt dessen „marcionitische“ Ehegesetzgebung, kritisiert die Erfindung unsichtbarer „valentinianischer“ Äonen (durch einen von ihnen, einen untergeordneten, sei die Welt gebildet 38

Adv. haer. 3,23,8. Adv. haer. 1,28,1. 40 Ibid. 41 Ibid. 42 Ibid.: AiÆ v Ä na w tinaw aÆ ora toyw, oë moi vw toiÄw aÆ poÁ OyÆ alenti noy, myuologh saw. 43 Vgl. adv. haer. 1,28,1 und ausführlich 3,23,8. 39

2. War Tatian ein Gnostiker?

207

worden) und die Lehre von der Unerlöstheit Adams, weil er „der Rädelsführer des Ungehorsams“ gewesen sei.44 c) Clemens Alexandrinus weiß – offenbar unabhängig von Irenäus – zu berichten, dass Tatian in seiner Schrift „Über die Vollkommenheit nach den Worten des Erlösers“ die Kinderzeugung grundsätzlich, selbst in der Ehe, verabscheue und überhaupt die gesamte Fortpflanzung des Menschen dem Teufel zuschreibe.45 Nach Tatian sei jeder Akt des sexuellen Verkehrs schädlich, weil er insbesondere das Gebet aufhebe und zunichte mache.46 In die unmittelbare Nähe der häretischen Gnosis und des Marcionismus wird Tatian vollends gerückt, wenn Clemens von ihm behauptet, er habe eine dualistische Zwei-Götterlehre vertreten. Mit den Worten des Clemens: Tatian habe einen Gott des Gesetzes und einen zweiten, anderen Gott des Evangeliums gelehrt, welcher das vormalige Gesetz aufgehoben habe.47 An anderer Stelle bringt Clemens sogar die Notiz bei, Tatian habe – ganz im Sinne eines theistischen Dualismus – den SchöpÄ w ) als eine Bitte des Schöpfungsbefehl „Es werde Licht!“ (genhuhÂtv fv fergottes um Erleuchtung interpretiert, gerichtet an den „oberen Gott“ (toÁn yëperkeiÂmenon ueoÂn).48 d) Origenes weiß um dieselbe Art der (gnostischen bzw. marcionitischen) Genesisauslegung bei Tatian: Dieser habe die Schöpfungsimperative durchgängig als Optative verstanden und insbesondere die Bitte um Licht von einem Gott aussprechen lassen, der sich in der Dunkelheit (eÆn skoÂt vì) befunden habe.49 e) Tertullian nennt Tatian ebenfalls in einem Atemzug mit Marcion; auch er kennt dessen Neigung zur Nahrungsaskese und bezichtigt ihn darum der Verachtung der Werke des Schöpfers.50 f) In seiner Kirchengeschichte macht Eusebius – mit Berufung auf eine Schrift des Kirchenschriftstellers Musanus – Tatian sogar als den eigentlichen Urheber der Sekte der Enkratiten namhaft.51 Er zitiert ansonsten ausführlich die Gnosis-Vorwürfe des Irenäus. Nicht zuletzt weiß er zu 44

Refutatio 8,4.16; 10,18 (Übs. Preysing; BKV 1,40). Strom. 3,12,81. Zur Interpretation dieser Stelle vgl. ausführlich neuerdings: D. Pevarello, Ricezione e influenza di I Corinzi 7 sul primo ascetismo cristiano. L’esempio di Taziano, Clemente Alessandrino e Tertulliano, in: Protestantesimo 64, 2009, S. 265–279. 46 Ibid. 47 Strom. 3,12,82: eÆkeiÄnow (sc. Tatian) kataly vn toÁ n no mon vëw aÍ lloy ueoyÄ . 48 Eclog. proph. 38. 49 De orat. 24. 50 De ieiun. 15,1. 51 Hist. eccl. 4,28; siehe dens., Chronikon, ad ann. Abr. 2188 (p. 206 Helm): Tatianus haereticus agnoscitur, a quo Encratitae. 45

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III. Spezialprobleme

berichten, Tatian habe den Wortlaut der Briefe des Apostels Paulus verändert.52 g) Epiphanius von Salamis rechnet Tatian ausdrücklich zu den Schülern Marcions, dessen Lehrsystem er durch die Hinzufügung weiterer Punkte weiterentwickelt habe. Auch Epiphanius sieht Tatian als den Urheber der Enkratiten an. Diese aber verdammten die Ehe und schrieben sie dem Satan zu. Des Weiteren enthielten sie sich des Verzehrs alles Belebten.53 h) Auch für Hieronymus ist Tatian ein Häretiker und er überzieht ihn mit Anschuldigungen, die ebenfalls unübersehbar in die gnostische Richtung weisen. Auch Hieronymus nennt Tatian mehrfach den „Anführer der Enkratiten“ (Encratitarum princeps)54 und weiß im Hinblick auf seine asketische Neigung passend zu berichten, dass er den Weingenuss verboten habe55 und jede sexuelle Verbindung zwischen Mann und Frau als unrein angesehen habe.56 Zusammen mit Marcion und anderen Häretikern wird Tatian unterstellt, er habe nicht alle Paulusbriefe anerkannt.57 Vor allem aber berichtet Hieronymus, Tatian habe – wie nicht wenige gnostische Schulen – doketische Ansichten über den Leib Christi vertreten.58 Trotz der Fülle und Vehemenz der altkirchlichen Kritik wagen sich moderne Ausleger wie Elze, Hawthorne und Hunt an den Nachweis der Rechtgläubigkeit Tatians und führen ihn von seinem Prinzip her folgendermaßen: Die Anklagepunkte des Irenäus seien sämtlich der oratio ad Graecos entnommen, ekklektizistisch aus ihr gleichsam herausgesponnen und mit übertreibender Tendenz wiedergegeben worden. Die übrigen Kirchenväter und -lehrer hätten im Anschluss lediglich die Angaben des Irenäus aufgenommen und, nachdem Tatians Status als Häretiker einmal feststand, im Sinne der Ketzerschablone weiterentwickelt.59 Darüber hin52

Hist. eccl. 4,29. Haer. 46f. 54 In Amos 2,12; vgl. In ep. ad Tit. praef. (Tatianus Encratitarum patriarches); In ep. ad Gal. 6,8 (Tatianus [v. l.: Cassianus] Encratitarum vel acerrimus haeresiarches). 55 In Amos 2,12: ... de hoc loco haeresim suam Tatianus Encratitarum princeps struere nititur vinum asserens non bibendum ... 56 In ep. ad Gal. 6,8: Tatianus, qui ... coniunctionem masculi ad feminam immundam arbitrabatur ... 57 In ep. ad Tit. praef.: Tatianus Encratitarum patriarches, qui et ipse nonnullas Pauli epistolas repudiavit, hanc vel maxime, hoc est ad Titum, apostoli pronuntiandam credidit parvi pendens Marcionis et aliorum qui cum eo in hac parte consentiunt assertionem. 58 In ep. ad Gal. 6,8: Tatianus, qui putativam Christi carnem introducens ... 59 Vgl. Elze, S. 106: „Denn immerhin haben wir in Irenäus einen zeitgenössischen Zeugen vor uns, und dessen Urteil lautet, dass Tatian Enkratit und Gnostiker gewesen sei, was denn auch seither alle Welt ihm nachspricht.“ Vgl. ibid., S. 13: „Allerdings 53

2. War Tatian ein Gnostiker?

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aus wird geltend gemacht, dass manche Lehren Tatians, die als häretisch gebrandmarkt würden, nicht unbedingt als solche aufzufassen seien. Enkratismus beispielsweise könne auch als Strömung innerhalb der Großkirche gelten,60 in der es seit ihren Anfängen immer schon asketische Richtungen vielgestaltiger Art gegeben habe.61 Obwohl zugegeben werden muss, dass Einzelbeobachtungen der genannten Gelehrten scharfsinnig und zweifellos richtig sind, überzeugt doch das Gesamtkonzept der Beweisführung nicht. Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass insbesondere Hippolyt, Euseb und Epiphanius in ihren wichtigsten Punkten – bis hinein in sprachliche Wendungen – sich der Argumentation des Irenäus anschließen und diese reproduzieren. Dennoch bleiben recht viele Anschuldigungen bestehen, die zweifelsfrei nicht auf Irenaeus’ Adversus haereses zurückgehen.62 So weiß Clemens offenbar Einzelheiten aus mindestens einer weiteren Schrift Tatians, Euseb bezieht sich ebenfalls auf eine nicht-irenäische Quelle, Tertullian kennt – haben Irenäus und nach ihm andere Kirchenväter eine Charakteristik Tatians gegeben, die ihn ganz als Gnostiker erscheinen läßt, und vor allem darauf gründet sich natürlich das verbreitete Vorurteil, das Tatian mit der Gnosis in Verbindung bringt. Der Bericht des Irenäus ist aber von einer entschiedenen Voreingenommenheit gegen Tatian geprägt. Sein Urteil und das der Späteren ist also mit kritischer Vorsicht zu werten.“ Vgl. Hawthorne, S. 165: „It is quite possible that Irenaeus’ catalog of heresies is derived solely from his acquaintance with the Discourse ... Subsequent references to Tatian as a heretic among the early Fathers seem to be based on Irenaeus’ remarks with very little new evidence for his heresy.“ Auch E.J. Hunt, The case of Tatian, S. 21, gelangt neuerdings zu demselben Urteil, allerdings aufgrund unzureichender Quellenauswertung (es fehlt die Auswertung der Belege bei Tertullian, Origenes und Hieronymus). 60 Zu Inhalt, Einordnung und Abgrenzung des sog. Enkratismus im Rahmen der vielfältigen allgemein-asketischen Strömungen vgl. insbesondere die Standardwerke von A. Vööbus: The History of Asceticism in the Syrian Orient, 3 Bde., Louvain 1958/1960/1988, bes. Bd. 1, S. 31–61; ders.: Celibacy: A Requirement for Admission to Baptism in the Early Syrian Church, Stockholm 1951; vgl. als kompakte und übersichtliche Darstellungen: G. Quispel, The Study of Encratism: A Historical Survey, in: Bianchi, U. (Hrsg.): La Tradizione dell’Enkrateia: Motivazioni ontologiche e protologique, Rom 1985, S. 35–81; H. Chadwick, Art. „Enkrateia“, in: RAC 5, S. 343–365. 61 Vgl. Hawthorne, S. 106f: „Some of the things for which Irenaeus condemned Tatian can hardly be classified as heresy. Encratism, for example, seems to have been a spirit permeating the Christian Church from its inception, even that aspect of encratism that repudiated marriage.“ Vgl. auch E.J. Hunt, case, S. 64f und bes. S. 145–150 (negativer Nachweis von Enkratismus in Tatians Diatessaron) und insbesondere W.L. Petersen, Tatian the Assyrian, S. 144–146 (über die komplexen literarkritischen Schwierigkeiten, tatianischen Enkratismus im Diatessaron zu lokalisieren). 62 Dies ist entschieden festzuhalten, auch wenn das Gegenteil in der Literatur (seit M. Elze) immer aufs Neue wiederholt und behauptet wird (zuletzt von W.L. Petersen, Tatian the Assyrian, S. 138).

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III. Spezialprobleme

wie Textvergleiche zeigen63 – das Werk Tatians aus erster Hand, Hieronymus weiß Dinge über Tatian zu berichten, die durch keine andere Überlieferung auf uns gekommen ist. Weiterhin ist völlig eindeutig, dass nicht alle Häresievorwürfe aus der oratio entwickelt werden konnten. Einzelheiten der Genesisauslegung Tatians, die bei Clemens und Origenes bewahrt werden, können nicht aus der „Rede an die Hellenen“ herausgesponnen sein.64 Die Nachricht, dass Tatian die Kinderzeugung generell verabscheue und die menschliche Fortpflanzung dem Satan zuschreibe, stammt nach der Angabe des Clemens, woran nicht zu zweifeln ist, aus einer anderen Schrift Tatians.65 Auch für das tatianische Verbot des Weingenusses, wie es von Hieronymus glaubhaft überliefert wird, ist nicht der geringste Anhalt in der Apologie zu finden. Zwar versuchen insbesondere Elze, Hawthorne und – mit anderer Intention – auch Grant den Ausgangspunkt des Häresieverdikts in der oratio zu verorten, doch wirken die meisten dieser Erklärungsversuche gezwungen und in der Beweisführung allzu artifiziell.66 Es ist nur allzu natürlich und es entspricht den Gesetzen des Tradierungsprozesses, dass den Zeitgenossen Tatians mehr Informationen über seine Lehre zur Verfügung standen als dem modernen Ausleger, der im Wesentlichen lediglich den Apologeten kennt. Den heutigen defizitären Kenntnisstand auf die Zeit um 200 (z.B. Irenäus, Clemens) zurückzuprojizieren und für jeden Einzelfall präzise Angaben zu machen, wie die Väter zu ihrem Urteil gelangt seien, ist wissenschaftliche Hybris, welche die Vielgestaltigkeit des mündlichen und schriftlichen Austausches in der sich konstituierenden Großkirche ignoriert. Auch wenn übertreibende und tendenziöse Wiedergabe der tatianischen Lehre in Rechnung gestellt werden muss, so ist doch das Gesamtbild eindeutig. Nach aller historischen Wahrscheinlichkeit hat Tatian eine Lehre vertreten, die in der 63 Siehe Elze, S. 117, Anm. 1. Die Vermutung äußerte bereits Harnack, Geschichte der altchristlichen Literatur, Bd. 1, S. 487. 64 Dies gibt sogar Elze zu, der eine spätere Schrift Tatians über das Sechstagewerk vermutet; vgl. S. 119f. 65 Die Schrift PeriÁ toyÄ kataÁ toÁ n svthÄ ra katartismoyÄ , vgl. Strom. 3,12,81. 66 Um nur ein Beispiel zu nennen: Irenäus soll seine Nachricht über die tatianische Forderung nach Eheverzicht, so will es Grant (Heresy, S. 64), aus den abwertenden Bemerkungen über die heidnischen Götter herausgelesen haben. Doch wenn Tatian den Göttern der Griechen vorwirft, dass sie „heiraten, Knaben schänden, ehebrechen“ (cap. 8), so ist dies Tatians Kritik an einem unreflektierten Anthropomorphismus, aber doch nicht an der christlichen Ehe! Und wenn Tatian (ibid.) Aphrodite „ihre Freude an ehelichen Verbindungen“ haben lässt, so soll ein Gegensatz zur Kybele konstruiert werden, welche die Kastration befehle. Hier eine Ehekritik Tatians hineinzulesen, ist doch sehr kühn. Vgl. bereits die Kritik bei Hawthorne, S. 166.

2. War Tatian ein Gnostiker?

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Großkirche allgemein als häretisch galt und empfunden werden musste, da sie nicht nur eine Nähe zu gnostischen Vorstellungen aufwies, sondern auch zentrale Inhalte übernahm. Offensichtlich hat Tatian einer über die Schrift hinausgehenden kosmologischen Spekulation zugeneigt, vielleicht eine Zwei-Götterlehre marcionitischer Couleur vertreten, unter Umständen zu einer doketischen Christologie tendiert, mit Sicherheit aber extreme Ansichten einer Sexual- und Nahrungsaskese propagiert. Die Tatsache, dass Tatian im Laufe seines bewegten Lebens irgendwann häretische Ansichten vertreten hat, muss nun nicht zwangsläufig bedeuten, dass er auch zur Zeit der Abfassung seines LoÂgow proÁw ÏEllhnaw außerhalb der Orthodoxie stand. Irenäus behauptet bekanntlich, Tatian habe zu Lebzeiten seines Lehrers Iustinus noch keine ketzerischen Lehren vertreten.67 Die Frage, auf die eine Antwort gefunden werden muss, betrifft demnach den genauen „Grad“ der Häresie in der oratio. Vertritt Tatian bereits in seiner Apologie gnostische Irrlehren oder befindet er sich noch im Rahmen dessen, was nach den Kriterien des späten 2. Jahrhunderts als „rechtgläubig“ gelten kann? Kann Tatian unter Umständen als ein innerkirchlicher, christlicher „Gnostizist“ bezeichnet werden oder steht er als „Gnostiker“ eindeutig jenseits der orthodoxen Demarkationslinie? Dabei muss die Untersuchung, wenn sie zu sinnvollen Ergebnissen und einer fairen Beurteilung führen soll, methodisch in zwei Richtungen geführt werden. Notwendig ist erstens die Suche nach einem „Positivnachweis“, der konkrete Aussagen der oratio als gnostisch oder mindestens unter gnostischem Einfluss stehend erweist. Ebenso aufschlussreich aber wird auch die „Negativanzeige“ sein, die nämlich danach fragt, welche konstitutiven Elemente der Gnosis bei Tatian nicht erscheinen. Beginnen wir bei der Kosmologie und der Gotteslehre: Zunächst einmal ist negativ zu konstatieren, dass Tatian keinen gnostischen Mythos entwickelt und ausgestaltet, wie er als zentrales Element in der Emanationsmystik beispielsweise der valentinianischen Gnosis anzutreffen ist.68 Tatian kennt keinen Fall einer Gottheit bzw. eines Teils derselben, er unterscheidet dementsprechend auch nicht zwischen einem unbekannten, transzendenten Gott und einem seelischen, nichtgeistigen oder gar bösen Demiurgen als Schöpfer der Welt. All diese Elemente der gnostischen oder auch marcionitischen Kosmologie fehlen in der oratio. Ein theistischer Dualismus im Sinne einer Zwei-Götter-Lehre, wie Clemens ihm

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Adv. haer. 1,28,1. Vgl. richtig W.L. Petersen, Tatian the Assyrian, S. 152, Anm. 96. – Andeutungen an den gnostischen Mythos finden sich bei Tatian allerdings; doch dazu später (infra zu or. 5, 13 und 20). 68

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III. Spezialprobleme

vorwirft, ist in der Schrift an die Hellenen nicht nachzuweisen.69 Wenn dennoch behauptet wird, dass eine tatianische Wendung wie oë teÂleiow ueoÂw , die in der Tat mehrfach belegt ist,70 einen Hinweis auf einen oberen Gott abgebe und dieser dementsprechend – wie beim Gnostiker Ptolemäus – die Existenz einer niederen, untergeordneten Gottheit impliziere,71 so muss entschieden entgegnet werden, dass keine einzige der in Frage kommenden Stellen in irgendeiner Weise abgrenzenden Charakter besitzt. Das Epitheton teÂleiow ist auch nicht exklusiv gnostisch, bereits in der Bergpredigt, um ein frühes Beispiel zu nennen, wird Gott als der himmlische Vater ausdrücklich als „vollkommen“ bezeichnet.72 Die Absurdität der Beweisführung wird deutlich, wenn man liest, dass Tatian in or. 17,6 ausdrücklich und zweifelsfrei – im diametralen Gegensatz zum gnostischen Mythos73 – den Schöpfer als teÂleiow bezeichnet. Im Unterschied zu den meisten gnostischen Systemen ist das Böse nach Tatian nicht etwa durch den Demiurgen in die Welt gekommen, sondern explizit durch die Schuld der mit Freiheit und Selbstbestimmung (ayÆtejoyÂsion) ausgestatteten Kreatur.74 Zwar erscheint an mehreren Stellen der oratio der Ausdruck oë dhmioyrgoÂw oder (partizipial) oë dhmioyrgh saw, aber es ist aus dem Zusammenhang völlig eindeutig, dass dieser mit dem guten, transzendenten Gott bzw. seinem Logos identisch ist.75 Ausdrücklich wird betont, dass dieser „alles nur erdenklich Gute geschaffen hat“ (paÄn toÁ eyË pvw eÍxon eÆdhmioyÂrghsen).76 So finden wir bei Tatian in keiner Weise eine Abwertung oder gar despektierliche Betrachtung der Schöpfung. Im Gegenteil: Tatian lehrt sogar, was ein Gnostiker nie tun würde,77 eine gewisse „natürliche“ Gotteserkenntnis, die es ermöglicht, Gott in seinen Werken zu erkennen: „Wir kennen ihn durch seine Schöpfung und begreifen durch seine Werke seine unsichtbare Macht.“78 Wenn Tatian an nicht wenigen Stellen allerdings eine ausgeprägte Materiefeindlichkeit nachgewiesen werden kann79 und ein eindeutiger Hiatus 69

So auch eindeutig E.J. Hunt, case, S. 180: „There is no second god in Tatian’s Oration.“ Anders W.L. Petersen, Tatian the Assyrian, S. 148. 70 Siehe or. 4,4; 12,7; 15,4; 17,6; 25,4. 71 So Grant, Heresy, S. 64, und ebenso Hunt, case, S. 24. 72 Mt 5,48. 73 Vgl. Irenäus, adv. haer. 2,30,1–9, zum defizitären Charakter des valentinianischen, lediglich „seelischen“ Demiurgen. 74 Or. 7,2; 11,4. 75 Siehe or. 5,6f; 7,2; 12,3; 17,6. 76 Or. 17,6. Vgl. auch or. 3,5; 5,7; 11,6; 19,6. 77 So richtig bereits Elze, S. 74. 78 Or. 4,3. 79 Vgl. or. 5,7; 12,7; 15,11; 16,6; 18,2; 21,9.

2. War Tatian ein Gnostiker?

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bzw. Dualismus zwischen dem jenseitigen, göttlichen und geistigen Urgrund einerseits und der irdischen, materiellen Welt andererseits besteht, so trifft sich eine derartige Kosmologie zwar mit der gnostischen und auch marcionitischen Weltanschauung.80 Auf der anderen Seite lassen sich die betreffenden tatianischen Aussagen aber auch zwanglos aus (mittel-)platonischen Prämissen erklären. Bestimmte Formulierungen, Bilder und Vergleiche an den einschlägigen Stellen weisen dezidiert in diese Richtung.81 Tatian ist durch seinen Lehrer Justin geschult, welcher bekanntlich der platonischen Philosophie zuneigte.82 Ganz abgesehen davon war der platonische Primat der unkörperlichen Idee vor der Materie in der Spätantike eine sehr verbreitete Vorstellung, die sich an vielen Stellen (auch) in der „orthodoxen“ großkirchlichen Literatur niederschlägt. Ausgesprochen gnostisch allerdings, terminologisch wie inhaltlich, klingt eine Stelle in cap. 20. Dort spricht Tatian davon, dass über dem Himmel, welcher begrenzt sei, die so genannten „besseren Welten“ Ä new oië kreiÂttonew ) liegen.83 Diese oberen Äonen kennen nach Tatian (aiÆv keinen Wechsel der Jahreszeiten, es herrscht dort ein ganzjähriges mildes Klima und immerwährender Tag sowie – nota bene! – ein Lichtglanz (feÂggow), dem sich die Menschen dieser Erde nicht nähern können. Es ist auch die Rede davon, dass die Menschen von einer Erde, die herrlicher ist als die hiesige, vertrieben wurden und dass es Aufgabe der Menschen sei, ihren ursprünglichen Zustand zu ersehnen. Die Stelle ist schwer zu deuten. Möglicherweise handelt es sich um Anklänge an einen Mythos, der die Vertreibung des Protoplasten aus dem Paradies (Gen 3) zur Grundlage hatte.84 Es könnte sich aber auch um kryptische Hinweise auf einen Mythos handeln, der seinen Platz weit vor der Weltschöpfung innehatte. Wie auch immer es sich verhält: Dass die oberen Äonen mit einer betonten Lichtglanzmetaphorik beschrieben werden, weist mit einiger Sicherheit auf eine Nähe zu gnostischen Vorstellungen und Vorbildern.85 Fest steht, dass die Äonenspekulation ihre prominenteste Ausprägung in der Gnosis des Valentinian hatte, welcher etwa von 136 bis 165 in Rom lehrte (danach wieder im Osten), sodass sogar eine persönliche Bekanntschaft mit Tatian nicht auszuschließen ist. 80

Vgl. besonders or. 21,9. Vgl. z.B. das Bild vom platonischen Seelenflug (vgl. Phaidr. 246) in or. 20,1f. 82 Iustinus, dial. 2,6. 83 Auf diese Stelle verweisen Grant, Heresy, S. 63, und Kukula, Anm. 6 ad locum, als Beispiel für Tatians gnostische Gesinnung. 84 Vielleicht Anklänge an das valentinianische Paradies über dem dritten Himmel? Vgl. Irenäus, adv. haer. 1,5,2. 85 In der valentinianischen Gnosis ist das „Licht“ regelmäßig ein Hinweis auf den Äon Christi. 81

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III. Spezialprobleme

Auch in Bezug auf die Logoslehre wird bisweilen eine gnostizierende Tendenz bei Tatian festgestellt. Es wird darauf abgehoben, dass die Vatergottheit den Logos „hervorbrachte“ bzw. „zeugte“, bevor dieser wiederum als Schöpfungsmittler in Erscheinung trat und die Schöpfung, und zwar zunächst die Materie, „seinerseits hervorbrachte“ bzw. „seinerseits zeugte“ (aÆntegeÂnnhse).86 Je nachdem, wie das gennaÄn verstanden wird (als bloßes „Hervorbringen“ oder als „Zeugen“), ergibt sich in der Tat eine Affinität zur Vorstellung der Äonen-Emanation, wie sie beispielsweise für Valentinian belegt ist.87 Doch ist dies – von der konkreten Wortwahl her – die einzige anstößige Stelle. Die tatianische Wiedergabe der Logoslehre entspricht ansonsten weitgehend den gängigen Vorstellungen, wie sie auch bei Justin und den übrigen Apologeten erscheinen.88 Mehr noch: Es gibt kaum ein Lehrstück Tatians, welches engere Beziehungen zu seinem Pendant bei Justin aufweist, zu dem es nicht nur inhaltlich, sondern sogar in terminologischer Abhängigkeit steht.89 Die Lehre von der Schöpfungsmittlerschaft an sich ist selbstverständlich nicht anstößig. Richtig ist zwar, dass eine Reihe von Mittlergestalten und -ideen in der Gnosis eine besondere Rolle spielen und die Weltschöpfung nicht unmittelbar vom uranfänglichen Wesen bzw. der höchsten Gottheit ins Werk gesetzt wird. Doch wäre es unzulässig, allein hieraus einen Häresieverdacht für Tatian zu konstruieren.90 Die Schöpfungsmittlerschaft des Logos ist bekanntlich theologisches Allgemeingut und keineswegs spezifisch tatianisch. Darüber hinaus muss anerkannt werden, dass Tatian – mehr als manch anderer Theologe seiner Zeit und erst recht als die Gnostiker – bemüht ist, den latenten Subordinatianismus, der die Logoslehre immer durchzieht, möglichst abzumildern, indem „das Wort“ mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln an die Hypostase des Vaters herangerückt, mit dieser verbunden und auch für den Logos dieselbe unbedingte Transzendenz wie für seinen „Erzeuger“ (toÁn gegennhkoÂta) in Anspruch genommen und reklamiert wird.91 86

Or. 5,6. Siehe Grant, Heresy, S. 64: „This seems to reflect the Valentinian doctrine of the emanation of aeons.“ Zurückhaltend gegenüber Grant äußert sich E.J. Hunt, case, S. 22: „this evidence is ... rather weak“. 88 Vgl. A. v. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte. Band 1, S. 532: „Die Logoslehre der Apologeten ist ganz wesentlich einstimmig“; J. Lortz, Tertullian als Apologet, Bd. I, Münster 1927, S. 190, Anm. 244: „Die Griechen vertreten die Logostheorie in mehr oder minder großer Übereinstimmung“. 89 Siehe hierzu die Anmerkungen supra zu or. 5. 90 Gegen Petersen, Tatian the Assyrian, S. 146–148. 91 Vgl. or. 5. – Wenn in Bezug auf die Logoslehre Tatians hier von einer „abgemilderten Subordination“ gesprochen wird, so stellt dies im bunten Spektrum diver87

2. War Tatian ein Gnostiker?

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Die Pneumatologie und Psychologie Tatians tragen deutliche Spuren der zeitgenössischen Gnosis. Wenn es Kennzeichen für gnostisches Denken und Empfinden ist, dass der Mensch, der sich in einer ihm fremden Welt befindet, einen unverlierbaren göttlichen Wesenskern besitzt und durch ihn mit dem transzendenten Gott verbunden ist, so bedient sich Tatian völlig unmissverständlich eben dieser Vorstellung. Im „gnostischen“ 13. Kapitel veranschaulicht Tatian, dass der Geist (= der göttliche Logosgeist) ursprünglich mit der Seele eine gemeinsame Wohnung besaß, doch der Geist die abtrünnige Seele verlassen musste. Diese aber bewahrte ein „Fünkchen“ (eÍnaysma) seiner Kraft in sich, mit dessen Hilfe sie auch in einer feindlichen Welt, in der sie heillos umherirrt, den ihr verwandten Geist (toÁ pneyÄma syggeneÂw) wiederfinden, ihn an sich ziehen und so den Rückweg in ihre ursprüngliche Heimat antreten kann. Nun kann man darauf verweisen, dass Clemens Alexandrinus als Vertreter einer „kirchlichen Gnosis“ dasselbe Bild verwendet, wenn er den Heiden „gewisse Fünkchen des göttlichen Logos“ (eÆnayÂsmata tina toyÄ lo goy toyÄ ueiÂoy ) zuspricht.92 Man kann auch geltend machen, dass das Gesamtmotiv des Falls und Wiederaufstiegs der Seele in die geistige Welt eine gängige (mittel-)platonische Vorstellung ist. Andererseits ist es sicher kein Zufall, dass Tatian für die innige Verbindung von Geist und Seele ausgerechnet den Ausdruck „Syzygie“ (syzygiÂa) verwendet, bekanntlich der terminus technicus für die valentinianischen Äonen-Paare.93 So erinnert die gesamte Stimmung der Wiederaufstiegsmystik, derer sich Tatian in Verbindung mit dem zentralen Ausdruck der „göttlichen Verbindung“ von Seele und Geist bedient,94 an das bekannte valenti-

gierender Beurteilungen gleichsam eine Mittelposition dar. Eine solche wird beispielsweise auch von P. Hofrichter (Logoslehre und Gottesbild bei Apologeten, Modalisten und Gnostikern, a. a.O., S. 186–217) vertreten, allerdings aufgrund eines anderen Ansatzes: Die tatianische Logoslehre falle weit weniger subordinatianisch aus als diejenige Justins. Während Justin für seine Ausformung der Logoschristologie das JohannesEvangelium kaum rezipiere (bis auf dessen Prolog, allerdings in einer – wie Hofrichter vermutet – möglicherweise vom Evangelium unabhängigen Form; cf. S. 197), so kenne und akzeptiere Tatian zusammen mit den späteren Apologeten auch den „Corpus“ des vierten Evangeliums, betrachte diesen offensichtlich als „kanonisch“ und gelange vor dem Hintergrund der dortigen Einheitsaussagen zu einer Abmilderung der justinischen, insbesondere auf Philo zurückgehenden Logos-Unterordnung (dazu bes. S. 211). – Für die extreme Gegenposition sei exemplarisch B. Ponschab genannt, der im Blick auf die tatianische Logoslehre urteilt, diese sei „ziemlich deutlicher Arianismus“ (Rede, S. 40). 92 Protr. 74,7. 93 Vgl. hierzu auch Grant, Heresy, S. 64; Hunt, case, S. 23. 94 Vgl. neben or. 13,4 insbes. or. 15,1: thÁ n kataÁ ueoÁ n syzygi an.

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III. Spezialprobleme

nianische „Brautgemach“95, ohne im Einzelnen mit ihm identisch zu sein.96 Gnostischer Einschlag ist auch für die Soteriologie Tatians zu konstatieren, denn sie geht gänzlich in der Erkenntnislehre auf. Wortstatistisch sind die Ausdrücke des Wissens, Verstehens und Erkennens in hoher Frequenz in explizit soteriologischen Zusammenhängen verwendet, darunter Ä siw selbst (12,7; 19,3) sowie eÆ piÂgnvsiw an exponierter Stelle auch die gnv (13,1; 40,1), gignvÂskein (13,1; 42,2), eÆpigignvÂskein (19,10) oder gnvÂmh (14,1). Der wissende und darum erlöste Mensch ist bei Tatian derjenige, der – wie Tatian autobiographisch zusammenfasst – Kenntnis „von Gott und seiner Schöpfung“ besitzt.97 Und es heißt dezidiert, dass eine Seele stirbt und zusammen mit dem Körper aufgelöst wird, „wenn sie die Wahrheit nicht erkannt hat“ (mhÁ ginvÂskoysa thÁn aÆlhÂueian).98 Auch der Offenbarungsbegriff besitzt bei Tatian wie bei den Gnostikern eine prominente Stellung, doch sind auch die Unterschiede zu markieren: Während den Gnostikern häufig „schlagartig“ und durch unmittelbare Offenbarung das Wesen Gottes, der Welt und des eigenen Selbst klar wird, vollzieht sich die Wahrheitserkenntnis bei Tatian eher durch ein rationales Erkennen. In seinem eigenen Fall war es – wohl stilisiert nach dem Vorbild Justins99 – die Lektüre „gewisser barbarischer Schriften“, die ihn den rechten Weg zur Erkenntnis führte. Auch fehlt bei Tatian ein spezifisch gnostisches Erwählungsbewusstsein100 und – anders als z.B. bei Aristides101 – ein elitäres Geheimwissen. Im Gegenteil: Die oratio ad Graecos wimmelt von Aufforderungen an seine heidnische Leserschaft, durch philosophisches, d.h. intellektuelles Erkennen sich die jedermann zugänglichen Wahrheiten anzueignen.102 95

Siehe Irenäus, adv. haer. 1,7,1. Vgl. aber den Ausdruck symperiple kein (13,6), den man mit Kukula durchaus mit „sich vermählen“ wiedergeben könnte. 97 Or. 42,2. 98 Or. 13,1. 99 Vgl. Iustinus, Dial. 7f; siehe auch bereits Aristides, Apol. 16. 100 Tatian verwendet zwar bisweilen (or. 15,7; 16,5) den auch bei Gnostikern beliebten Ausdruck „Psychiker“ für die bloßen „Seelenmenschen“, die den Geist nicht besitzen (vgl. 1 Kor 2,14f). Doch besteht zwischen den beiden Menschenklassen bei Tatian keine grundsätzliche anthropologische Barriere, die nicht überbrückt werden könnte. Die Unterscheidung bezieht sich lediglich auf den unterschiedlichen Status der (allen Menschen zugänglichen) Erkenntnis. 101 Vgl. Aristides, Apol. 16,2. 102 Vgl. als einen Beleg unter vielen die Stelle or. 16,4: „für euch [sc. die Griechen] wird das Göttliche leicht zu begreifen sein“ (yëmiÄn eyÆ kata lhpton eÍstai toÁ ueiÄon ). Siehe andererseits aber das Kap. 30, in dem Tatian sich zunächst in einigen kryptisch-änigmatischen Sätzen „an unsere eigenen Leute“ (proÁ w toyÁ w hëmv Ä n oiÆ kei oyw ), 96

2. War Tatian ein Gnostiker?

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In Bezug auf die Anthropologie und Ethik in der oratio wird Tatians angebliche (gnostische) Leib- und Fleischfeindlichkeit angeführt. Doch muss hier differenziert geurteilt werden. Zunächst steht eindeutig fest, dass Tatian – im Gegensatz zu den meisten Gnostikern – „nach der VollÄ n oÏ lvn synte leian) die „Auferstehung endung aller Dinge“ (metaÁ thÁn tv der Leiber“ (svmaÂtvn aÆnaÂstasiw) gelehrt hat.103 Mit aller wünschenswerten Klarheit wird die Unsterblichkeit (das aÆpauanatiÂzesuai) des FleiÄ ma ) bzw. sches gelehrt.104 Eine Interpretation, die unter „Leib“ (sv „Fleisch“ (saÂrkion) die materiehafte Seele verstehen will und aufgrund dessen eine „gnostische Auferstehung“ annimmt, muss als eindeutig verfehlt gelten.105 Für Tatian ist der Mensch grundsätzlich ein aus Körper und Seele zusammengesetztes Wesen. Wie der Leib nicht ohne Seele existieren kann, so kann auch – dies gilt auch im Leben nach dem Tod – die Seele niemals ohne Leib existieren. Als Träger der Seele ist der Körper notwendig (or. 15,4) und „niemals kann sie getrennt vom Körper in Erscheinung treten“ (or. 15,2). Gnostisch-enkratitische Leibfeindlichkeit wird bisweilen auch für die Sexualmoral Tatians in Anschlag gebracht. Doch man hat den Eindruck, als seien die späteren Zeugnisse der Kirchenväter in die oratio hineingelesen worden. Tatian greift Unzucht, Ehebruch, Päderastie, Inzest, Homoerotik bzw. Laszivität der Theaterschauspieler an, er lobt die Jungfräulichkeit, Treue und Ehrbarkeit bei den christlichen Frauen. Aber damit steht er keineswegs außerhalb der kirchlichen Lehre. Im Gegenteil: Es gibt bei Tatian nichts, was nicht auch bei einem anderen Apologeten steht oder zumindest stehen könnte. Die Häufigkeit der Attacken auf die griechische Kultur bringt es mit sich, dass Tatian als Vertreter einer rigiden Sexualmoral erscheint. Aber substantiell kann ihm in der oratio nichts Außergewöhnliches – im Sinne einer „häretischen“ Sexualaskese – nachgewiesen werden. Bezüglich der Nahrungsaskese liegt der Fall anders. Hier scheint es tatsächlich so zu sein, dass Tatian den Fleischgenuss ablehnt. Doch letzte Sicherheit ist nicht zu gewinnen. Ist die Kreophagie, das Schlachten der Tiere „um des Fleischfressens willen“106, ein konkreter Vorwurf oder dient sie lediglich der Illustration der verwerflichen Anthropophagie?107 Fest steht, dass Tatian eine gewisse Abneigung gegendanach erst wieder an die eigentlichen Adressaten, die Griechen, wendet. – Dass Tatian eine „Salvation open to all“ vertrete, unterstreicht auch E.J. Hunt (case, S. 49). 103 Or. 6,1. 104 Or. 25,6. 105 So Grant, Heresy, S. 65. 106 Or. 23,5. 107 Man beachte das Wortspiel an dieser Stelle (krevfagi a vs. aÆnurvpofagi a) , worauf schon Puech (S. 138, Anm. 3) hingewiesen hat. Für Kukula dagegen ist die

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III. Spezialprobleme

über fettleibigen Menschen, gegen Schwelgerei und Völlerei erkennen lässt.108 Aber ob Tatian über seinen eventuellen Vegetarismus hinaus auch andere Speisen abgelehnt hat, ist allein aufgrund der oratio nicht auszumachen. Erst recht fehlen sämtliche Hinweise darauf, dass für Tatian – wie für einige gnostische Gruppierungen – die Askese eine besondere soteriologische Funktion innehatte, also in irgendeiner Form heils- und erlösungsrelevant gewesen sein könnte. Zusammenfassend ist festzustellen: Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit hat Tatian in seinen Schriften häretische Lehren vertreten. Das vielfache Zeugnis der Kirchenväter kann nicht ignoriert werden, zumal sich darunter frühe und voneinander unabhängige Nachrichten befinden. Die Tatsache, dass die Mehrheit der Werke Tatians heute verschollen ist, dass sich andererseits die Häresievorwürfe nicht vollständig, sogar nur zu einem geringen Teil aus der oratio ableiten lassen, zwingt zu dem Schluss, dass den spätantiken Zeitgenossen weitere Schriften Tatians, deren Inhalt wir nicht genau kennen, vorgelegen haben müssen. Das in der Vergangenheit praktizierte Verfahren, Tatian vom Verdacht der Häresie freizusprechen, weil sich die Kritik der Kirchenväter in der oratio nicht ausreichend verifizieren lasse, muss als verfehlt gelten. Eine hiervon zu unterscheidende Frage ist, ob Tatian sich auch in seiner oratio als Häretiker, namentlich als Gnostiker erweist. Die Antwort wird man davon abhängig machen müssen, was im Einzelfall unter Gnosis verstanden wird. Fällt Tatians Enkratismus, der in der oratio nicht einmal zweifelsfrei belegt ist, bereits unter das Verdikt häretischer Gnosis?109 Befindet sich Tatians intellektualistische Soteriologie bereits außerhalb der Orthodoxie, weil sie auf (mittel)platonischen Prämissen beruht und maßgeblich auf die Erkenntnis Gottes und ein Verstehen kosmischer ZusamInterpretation dieser Stelle eindeutig: „Tatian ... stand daher, als er die Rede hielt, bereits im Lager der gnostischen Enkratiten“ (S. 232, Anm. 4). 108 Or. 23,1.3; 25,1; vgl. auch 2,1. 109 Bedenkenswert ist der Einwand bei Hunt (case, S. 154): „The label ‘Encratite’ originates with the western heresiologists, and we should remember that the heresiologists had agendas of their own. What seemed radical in the West as regards ascetic practises appears to have been the norm in the East, and whilst Tatian is denounced as an arch-heretic in the West, in the East the ‘heresy’of Tatian is passed over in silence – a silence that seems very significant in its acceptance of Tatian’s views.“ In der Tat ist es Agapius von Hierapolis, der als erster östlicher Schriftsteller in seiner Universalgeschichte Kı¨tab al-’Unwan (um 942) Tatian als Häretiker namhaft macht. Bis dahin wird Tatian im Osten bezeichnenderweise „der Grieche“ genannt (so u. a. in Theodore bar Koni’s liber scholiorum von 791), und zwar ohne seine problematische Stellung im kirchlichen Westen – sc. als Gnostiker – auch nur ansatzweise zur Kenntnis zu nehmen. Vor diesem Hintergrund lautet das pointierte Ergebnis bei W.L. Petersen (Tatian the Assyrian, S. 156): „Tatian can be seen ... as simply a victim of time and place.“

3. Warum fehlt der Name Christi?

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menhänge abzielt?110 Ist der von Tatian vertretene Primat des Geistes vor der Materie bereits Irrlehre, weil er nicht nur bei Platonikern, sondern auch in jeder gnostischen Sekte zu finden ist? Ist Tatian ein Gnostiker, weil er Ausdrücke benutzt, die in der Gnosis eine zentrale Bedeutung besitzen, aber auch von großkirchlichen Schriftstellern verwendet werden und (teilweise) sogar biblisch sind?111 Überschritten sind die rechtgläubigen Grenzen allerdings eindeutig Ä new oië dort, wo Tatian von „besseren Welten“ oder „höheren Äonen“ (aiÆv kreiÂttonew ) spricht, über die dortigen Licht- und Klimaverhältnisse berichtet, sie für die hiesigen Menschen jedoch als unzugänglich erklärt.112 Zwar gestaltet Tatian keinen eigenen gnostischen Mythos aus, scheint einen solchen aber mindestens zu kennen und grundsätzlich zu akzeptieren. Auch die Lehre vom vorzeitigen Fall der Seele in die Welt der Materie, ihrem mystischen Aufstieg (mit Hilfe eines geistigen „KraftFünkchens“) und ihrer endlichen Vereinigung mit dem Geist (die sog. „Syzygie“) spiegelt zentrale gnostische Lehren,113 sodass man insgesamt – unter Berücksichtigung der oben genannten Sprachregelung114 – zu einem differenzierten Ergebnis gelangt: Tatian präsentiert sich in der oratio als ein christlich-philosophischer Schriftsteller, dessen Kosmologie, Soteriologie, Pneumatologie, Psychologie, Anthropologie und Ethik von vielfältigen gnostizistischen Tendenzen durchzogen sind, welche sich im Regelfall und bei wohlwollender Beurteilung noch innerhalb des Rahmens großkirchlicher Rechtgläubigkeit verorten lassen, diesen im Einzelfall jedoch eindeutig verlassen.

3. Warum fehlt der Name Christi? Schon in der älteren Forschung hat der merkwürdige Umstand für Irritationen gesorgt, dass in der oratio Tatiani, die zweifellos eine christliche Apologie darstellt, der Name „Jesus“ oder „Christus“ nicht ein einziges Mal erwähnt wird. Ebenso fehlen sämtliche Derivate des Verbums xriÂein, unter denen man insbesondere die Vokabel xristianoÂw vermisst, welche in der gesamten Schrift weder in adjektivischer noch substantivischer Ver110 Vgl. hierzu den autobiographischen Schlussabschnitt der oratio (cap. 42); vgl. aber sehr ähnliche Beispiele für eine „Erkenntnis-Soteriologie“ auch bei anderen Apologeten, besonders Aristides, Apol. 16. 111 Zum tatianischen Ausdruck oë te leiow ueo w (or. 4,4; 12,7; 15,4; 17,6; 25,4) vgl. Mt 5,48, zum Ausdruck cyxikoi (or. 15,7; 16,5) vgl. 1 Kor 2,14. 112 Vgl. or. 20. 113 Vgl. or. 13. 114 Siehe supra Anm. 20.

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III. Spezialprobleme

wendung erscheint. Die Frage nach den Ursachen dieses auffälligen Tatbestandes, welcher gemessen an der relativen Länge der Rede keine zufällige Erscheinung sein kann, ist noch heute Gegenstand der Spekulation und es sind grundsätzlich mehrere Antworten (= Hypothesen) denkbar, die im Folgenden auf ihre Plausibilität und Wahrscheinlichkeit geprüft werden sollen. a) Man könnte in Erwägung ziehen, dass Tatian das nomen Christi (das nomen Christianorum115) bewusst vermeidet, weil er in einer konkreten Verfolgungssituation steht, zumindet jederzeit hineingeraten könnte. Aus den verschiedenen Dokumenten, die über die Christenprozesse im zweiten Jahrhundert berichten, ist ausreichend bekannt und verbürgt, dass das Bekenntnis zum Namen Christi genügte und im Zweifelsfall das ausschlaggebende, ja sogar einzige Kriterium darstellte, um der römischen Provinzial-Gerichtsbarkeit zu verfallen. Es konvergieren hier Darstellungen, wie wir sie beispielsweise im Christenbrief des Plinius aus Kleinasien,116 in der ersten Apologie des Iustinus,117 in den Akten der Scilitanischen Märtyrer118, in der Passio Perpetuae119 oder auch zu Beginn des tertullianeischen Apologeticum120 kennen. Es ist der Name „Christ“, welcher gleichsam das Schibboleth darstellt und für den Bekenner im Ernstfall das Todesurteil bedeutet. Warum sollte man ohne Not das gefährliche nomen nennen? Tatian selbst demonstriert aus seinem eigenen Umfeld am Beispiel Justins (vgl. or. 18f), wie unvorsichtiges Verhalten zur ernsthaften, sehr realen Gefahr werden konnte. Auf der anderen Seite ist geltend zu machen, dass Tatian in seiner oratio nicht im mindesten den Versuch unternimmt, Anfeindungen aus dem Wege zu gehen. Tatian ist alles andere als ein Leisetreter. Im Gegenteil: Der Autor provoziert seine Gegner, wo er nur kann. Dass er auch in den Fragen des Bekenntnisses vor dem Richterstuhl keine Kompromisse kennt, zeigt seine Ankündigung in or. 4,2: „Den Menschen muss man nämlich ehren, wie es einem Menschen gebührt, Gott allein aber muss man fürchten. [...] Nur wenn mir befohlen wird, ihn zu verleugnen, werde ich nicht gehorchen; lieber werde ich tot sein, damit ich nicht als treuloser Lügner befunden werde.“ Und mit dem letzten Satz seiner Verteidigungsschrift bekräftigt Tatian noch einmal, gleichsam um auch den 115 Vgl. den Wortlaut bei Tertullian, Apol. 1,4: Hanc itaque primam causam apud vos collocamus iniquitatis odii erga nomen Christianorum. 116 Vgl. Ep. 10,96,2: ... nomen ipsum, si flagitiis careat, an flagitia cohaerentia nomini puniantur. 117 1 Apol. 4. 118 Pass. Sanct. Scil. 9.10.13. 119 Pass. Perp. 6. 120 Apol. 3.

3. Warum fehlt der Name Christi?

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letzten Zweifel auszuräumen, dass er „den gottgefälligen Lebenswandel beibehalten und nicht verleugnen werde“. Tatian selbst sagt von sich, er habe nicht „das Herz einer Hirschkuh“ (or. 27,6), und angesichts des wenig diplomatischen Tones in der oratio sind wir durchaus geneigt, ihm zu glauben. Dass Tatian sich zweifelsfrei zur verfolgten Minderheit der Christen zählt und sich offen zu ihr bekennt, geht unmissverständlich aus der Bemerkung in or. 27,1 hervor: „Ist es denn nicht auf jede Weise widersinnig, den Räuber nicht zu bestrafen, bevor der wahre Tatbestand in aller Gründlichkeit genau geprüft wurde, uns aber nur wegen unseres Namens zu beschuldigen und aufgrund vorweggenommener Verleumdung ohne Prüfung zu verabscheuen?“ Völlig unzweideutig rechnet sich Tatian also selbst zu derjenigen Gruppierung, die den verbotenen Namen trägt. Es muss also nach anderen Motiven für das auffällige Schweigen gesucht werden. b) Man könnte anführen, dass Tatian deswegen von Christus und den Christen schweigt, weil er einen Ersatz-Terminus benutzt, der ihm zum Zwecke seiner Argumentation günstiger erscheint. Tatian nennt die eigene Lehre entweder „unsere Philosophie“ (31,1: thÁn hëmeteÂran filosofiÂan ; vgl. 40,2) oder spricht von „barbarischer Philosophie“ (35,2: barba roy filosofiÂaw ; vgl. 42,1). Er selbst bezeichnet sich nicht als Ä n ) und „Christ“, sondern er ist „der Philosophierende“ (42,1: oë filosofv seine Mitchristen sind diejenigen, die „philosophieren“ (32,2: filosofoyÄ si) oder zumindest „philosophieren wollen“ (32,7: oië boylo menoi filosofeiÄn). Man könnte die Überlegung anstellen, dass Tatian aus Gründen des Sozialprestige eher von Philosophie spricht als vom christlichen Glauben, um nämlich nicht a priori mit derjenigen religiösen Sekte verbunden zu werden, die nach dem verbreiteten Vorurteil der Heiden zur „untersten Hefe des Volkes“121 gehörte, sich aus Ungebildeten, Sklaven und „leichtgläubigen Weibern“ zusammensetzte.122 Tatian als Autor, so könnte man in Erwägung ziehen, betont seine eigene hohe Bildung und Wissenschaftlichkeit sowie die seiner Mitstreiter deshalb so auffällig redundant, weil er mit allen Mitteln einer Schablone entgehen möchte, die mit dem nomen Christianorum den untersten Pöbel verband. Man muss dieser Argumentation allerdings entgegenhalten, dass Tatian an mehreren Stellen seiner oratio ein klares Bekenntnis dazu ablegt, dass sich „jedermann“ in der christlichen Gemeinde aufhalte und willkommen sei. Eine Verschleierungstaktik ist eindeutig nicht Gegenstand seiner Strategie. Sehr freimütig erwähnt er die Frauen (32,5; 33,5; 33,10; 34,6) und die Armen (32,2) in der Gemeinde, dass man dort jedes Alter, nämlich 121 122

Minucius, Oct. 8,4; vgl.Tacitus, Ann. 15,44. Minucius, Oct. 8,4; vgl. Tatian, or. 32,1; Origenes, C. Celsum 1,9.

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III. Spezialprobleme

sowohl gebrechliche Greise (32,2; 32,7) als auch sehr junge Kinder (32,2) antreffen könne. Armut und niedriger Rang in der Gesellschaft sind für Tatian kein Defizit, sondern durchaus ein Vorrecht oder sogar das Ziel einer geeigneten Philosophie (11,1–3). Zwar wird man das Argument nicht völlig entkräften können, dass Tatian den gängigen Gerüchten und Vorurteilen entgehen möchte. Denn die Erwähnung der Niedriggestellten dient allein dem Nachweis, dass fehlender sozialer Rang in keiner Weise eine intellektuelle Beeinträchtigung bedeutet. Im Hinblick auf die Alten und Kranken konstatiert Tatian: „Geisteskraft, so meinen wir, kann jeder besitzen, auch wenn er körperlich schwach sein sollte“ (32,7). Und auch das Geschlecht ist für Tatian kein Indiz für intellektuelle Defizite: „ihr aber glaubt nicht, dass es weise Frauen bei uns gibt“ (33,10). Angesichts der Freimütigkeit, mit der Tatian über die Sozialstruktur der christlichen Gemeinde berichtet und – mehr noch – sie eloquent verteidigt, scheint es keinen zwingenden Grund zu geben, den Christennamen, auch wenn er im heidnisch-philosophischen Umfeld objektiv keinen guten Klang besaß, so konsequent zu vermeiden. c) Wenn Tatian weder aus Gründen der äußeren Bedrohung noch aus Gründen des (Sozial-)Prestige den besagten Namen verschweigt, so muss nach einer weiteren Lösung gesucht werden. Das Problem scheint sich zunächst zu verschärfen, wenn man sieht, wie häufig Tatians Lehrer Justin den Namen Christus bzw. Jesus Christus verwendet, nämlich insgesamt 97 mal in den beiden Apologien. Dem steht jedoch ein äußerst sparsamer Gebrauch bei den anderen griechischen Apologien des 2. Jahrhunderts gegenüber: So wird die Person Christi von Aristides nur 5 mal, von Athenagoras und Theophilos gar nicht genannt.123 Man kann und sollte also feststellen, dass nicht etwa Tatian mit seiner Nicht-Erwähnung des Namens Christi die Ausnahme darstellt, sondern vielmehr Justin mit seiner außergewöhnlich hohen Frequenz. Die Antwort auf die gestellte Frage muss also neben den Eigenheiten der tatianischen Apologie auch die Gemeinsamkeiten im corpus apologeticorum in den Blick nehmen. Hier aber wird man vor allem anderen den spezifischen Gottesbegriff nennen müssen. Dies ist zentral und immer wieder betont worden, dass bei aller Unterschiedlichkeit im Detail die griechischen Apologeten darin konvergieren, dass sie eine „monotheistische Auswahl“124 treffen. In der Auseinandersetzung mit dem heidnischen 123

Theophilos, Ad Autol. 1,12 hat zwar die Vokabel xristo w, doch wird sie im ursprünglichen Sinne („gesalbt“) verwendet, um die Herkunft des Namens der Christen zu erklären, ohne jedoch auf die Person Christi einzugehen. Der „Christ“ (xristiano w ), entweder im Singular oder im Plural, erscheint bei Aristides 16 mal, bei Athenagoras 4 mal und bei Theophilos 7 mal. 124 J. Lortz, Monotheismus, S. 302 u. ö.

3. Warum fehlt der Name Christi?

223

Polytheismus ist das Festhalten an dem einen und einzigen Gott, die konsequente Monolatrie, das überzeugendste und stärkste Argument. Da aber in einer Zeit, in der die Trinitätstheologie sich erst langsam auszuformen begann, die Person Jesu Christi in gewisser Weise als eine Schwächung dieser Position verstanden werden konnte, ist es nur allzu verständlich, dass die Christologie – Justin ist die einzige Ausnahme125 – radikal zurückgedrängt wurde. Es findet im Blick auf die Außenwirkung eine „a-christliche Lehrauswahl“126 statt. An die Stelle Christi tritt regelmäßig – sieht man von Aristides als Sonderfall ab – der Logos. Dieser stellt offensichtlich in seiner tendenziell subordinierten und stärker entpersonalisierten Form eine deutlich geringere Gefahr für den strengen Monotheismus dar. Die allgemeine Feststellung lässt sich durch Einzelbeobachtungen in der Apologie Tatians gut untermauern: Unmittelbar zu Beginn der tatianischen Dogmatik steht das klare und unmissverständliche Bekenntnis zur unbedingten Einzigkeit, Einfachheit und Transzendenz Gottes (5,1f). Dem heidnischen Polytheismus wird explizit der Glaube an den einen Gott gegenübergestellt (9,3; 14,1; 29,2). Die Unkörperlichkeit Gottes wird betont, um sie den dämonischen, quasi-materiellen Mächten gegenüberzustellen (15,4.6; 25,4), und vor dem Hintergrund des ausgeprägten Geist/Leib-Antagonismus vermeidet Tatian, offenbar um alle Missverständnisse auszuschließen, den Namen Christi sogar dort, wo er fester Bestandteil der tradierten Exorzismus-Formel ist (16,8).127 Dass Gott nach dem Glauben der Christen in Menschengestalt erschienen sei, wird zwar kurz erwähnt (21,1), aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies geradezu als peinlich empfunden wird; jedenfalls weiß Tatian keine bessere Taktik, als mit dem Hinweis auf ähnliche Anthropomorphismen im griechischen Götterglauben diese Anstößigkeit notdürftig zu egalisieren (21,1–2). Dass die irdische Inkarnation Christi in dessen Leiden und Tod mündet, wagt Tatian gar nicht in Worte zu fassen, verweist aber prophylaktisch auf die Mortalität auch der olympischen (Halb-)Götter 125

Es ist insbesondere die prophetische Christusverkündigung, die für Justins argumentativen Ansatz eine so zentrale Rolle spielt. Vgl. R. Hanig, Vergleich, S. 72 u. ö. 126 Vgl. J. Lortz, Monotheismus, S. 307. Zu Recht betont Lortz, dass die von den Apologeten getroffene inhaltliche „Auswahl“ den apologetisch-taktischen Rücksichten zuzuschreiben sei, keinesfalls ein „Antasten des christlichen Besitzes“ (S. 313) bedeute. 127 Höchst bemerkenswert ist auch die Stelle or. 25,4, die mit Iustinus, 1 Apol. 8 zu vergleichen ist. Den griechischen Unterweltrichtern Minos und Rhadamanthys wird von Justin ausdrücklich Christus als Weltenrichter gegenübergestellt, Tatian spricht in exakt demselben Zusammenhang von Gott als dem Richter am Ende der Zeit. Kurz zuvor hat er ausdrücklich betont, dass die vollkommene Gottheit unkörperlich (aÆsv maton ) sei.

224

III. Spezialprobleme

(21,3–4).128 Allzu Menschliches hält Tatian vom christlichen Gottesbegriff konsequent fern, denn nur so behält sein Blasphemie-Vorwurf gegen die unwürdigen griechischen Göttergestalten seine volle Kraft (21,8). Wenn Tatian gar von der Jungfrauengeburt reden würde, wie passten dann seine despektierlichen Äußerungen über die unnatürlichen Geburten in der griechischen Mythologie (8,4–5)? Es ist also festzuhalten: Das Verschweigen des Namens Christi in der oratio ad Graecos entspringt nicht etwa dogmatischen Vorbehalten.129 Wie die anderen Apologeten ist Tatian als Autor einer Verteidigungsschrift um eine glaubwürdige Außendarstellung bemüht und vermeidet alles, was ihm im Sinne seiner gewählten apologetischen Taktik, nämlich der Herausstellung des Monotheismus, als strategisch ungeschickt erscheint.

4. Die Frage nach den Adressaten Bereits im ersten Satz wird der moderne Übersetzer der oratio vor nicht geringe Probleme gestellt. Wie ist Tatians Anrede vË aÍndrew ÏEllhnew zu verstehen und wie kann sie sprachlich richtig, historisch exakt und werkimmanent sinnvoll wiedergegeben werden? Wendet sich Tatian an eine Gruppe mit bestimmter nationaler Identität oder Volkszugehörigkeit? Oder handelt es sich primär um eine geographische Angabe? In wie weit spielen Gesichtspunkte der Religionszugehörigkeit hinein, oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten kulturellen Tradition? Ist durch die Anrede ein gewisser Bildungsstand impliziert? Oder wendet sich Tatian an die Gesamtheit der Menschen, die der griechischen Sprache mächtig sind? Die publizierten Übersetzungen bieten unterschiedliche, zum Teil irritierende und in sich widersprüchliche Lösungen. Pratten (1867) schreibt „O Greeks“,130 Harnack (1884) „ihr Griechen“ und Puech (1903) lediglich „Grecs“. Kukula (1913) übersetzt ausladend mit „ihr Bekenner des Griechentums“ und gibt – unter Verweis auf eine separate Studie131 – gleichzeitig an, man könne auch „Tatians Rede an die Heiden“ schreiben, denn die ÏEllhnew seien „die Göttergläubigen“, die baÂrbaroi dagegen 128

Tatian spricht es aus taktischen Gründen nicht deutlich aus, aber es ist völlig eindeutig, dass Prometheus das heidnische Pendant zum heilbringenden, leidenden Christus, Asklepios zum leidenden und sterbenden Christus darstellt (21,3). 129 Tatian ist der Verfasser des Diatessarons (!) sowie – nach dem Zeugnis des Clemens (Strom. 3,12,81) – einer Schrift mit dem Titel „Über die Vollkommenheit nach den Worten des Erlösers“ (PeriÁ toyÄ kataÁ toÁ n svthÄ ra katartismoyÄ ). 130 So neuerdings übernommen von Ryland (2004). 131 R.C. Kukula, Was bedeuten die Namen ÏEllhnew und Ba rbaroi in der altchristlichen Literatur?, in: Festschrift für Theodor Gomperz (1902), S. 359–363.

4. Die Frage nach den Adressaten

225

die Christen, ohne dass jeweils ein Bezug auf Abstammung oder Volkstum gegeben sei.132 Whittaker (1982) scheint an eine geographische Bezeichnung zu denken und übersetzt mit „men of Greece“, betont aber andererseits den Aspekt der kulturellen Bildung: Tatian konnotiere, wenn er die Griechen anrede, deren angestammte Kultur, in der auch er selbst erzogen und gebildet wurde. Unter baÂrbaroi seien dagegen die „Ausländer“ und „Nicht-Griechen“ zu verstehen, und damit generell die Ungebildeten, die aber nicht zwangsläufig als „barbarisch“ anzusehen seien.133 Um dem verwickelten Problem auf die Spur zu kommen, muss geprüft werden, an welchen speziellen Stellen und in welchen inhaltlichen Zusammenhängen Tatian seine Adressaten nennt und anredet. Darüber hinaus ist zu untersuchen, welche Rolle die ÏEllhnew, die mehrfach auch außerhalb der Anrede erscheinen, generell in der oratio besetzen und welche okkasionelle Bedeutung ihnen jeweils zukommt. Es muss weiterhin versucht werden, über das offensichtliche Antonym baÂrbaroi eine werkimmanente Begriffsklärung herbeizuführen. Schließlich ist es nicht unwichtig zu wissen, in welchem Sinne die vergleichbare Literatur derselben Epoche, also vorrangig die anderen frühchristlichen Apologeten, von der Bezeichnung ÏEllhnew Gebrauch macht. Es empfiehlt sich, mit dem letzten Punkt zu beginnen. – Aristides kennt die Aufteilung der Menschheit in die vier Gattungen der Barbaren und Griechen, Juden und Christen.134 Diese Differenzierung, die die gesamte Disposition seiner Apologie bestimmt, wird nahezu ausschließlich nach religiösen Gesichtspunkten vorgenommen. Die Barbaren zeichneten sich dadurch aus, dass sie Naturgottheiten wie Erde, Wasser, Feuer, Wind, Sonne, Mond und Sterne (cf. sap. 13) anbeten135 oder – im Falle der Ägypter – Tiere zu Göttern erheben.136 Die Griechen aber seien diejenigen, die Götter in Menschengestalt verehren.137 Aristides tadelt die moralischen Fehltritte der Vielzahl der griechischen Götter hart, polemisiert gegen deren Anthropo- und Theriomorphismus (cf. Zeus) und macht das 132 BKV 12, 1913, S. 195, Anm. 1 zum Titel der Schrift. Begründete Kritik an der Nomenklatur Kukulas bereits bei J.H. Waszink (Observations, bes. S. 50) und A.J. Droge (Homer or Moses?, S. 88). 133 M. Whittaker, Tatian. Oratio ad Graecos and Fragments, Oxford/New York 1982, S. 3, Anm. a. 134 Nach der syrischen Version (Apol. 2). In der griechischen Fassung liegt eine Dreiteilung vor: Den Juden und Christen werden die „Götterverehrer“ gegenübergestellt, die sich wiederum in Chaldäer, Griechen und Ägypter einteilen lassen. 135 Apol. 3–7. 136 Apol. 12. 137 Apol. 8–11.13.

226

III. Spezialprobleme

Vorbild der griechischen Götter für die Lasterhaftigkeit der Griechen selbst verantwortlich, die an Sittlichkeit und Vernunft den barbarischen Völkern ansonsten weit überlegen seien.138 Deutlich sieht man an dieser Argumentation, dass die ÏEllhnew sich bei Aristides auch über die Volkszugehörigkeit definieren.139 In jeder Hinsicht vorherrschend bleibt jedoch die religiöse Identifikation über die polytheistisch-anthropomorphistische Gestalt ihres Götterglaubens. Von besonderer Bedeutung ist der Sprachgebrauch bei Justin. Allerdings ist dieser uneinheitlich. Einerseits werden die Griechen quasi-synonym mit „Heiden“ gleichgesetzt.140 An anderen Stellen ist die Volkszugehörigkeit das entscheidende Zuordnungskriterium zum Griechentum,141 wobei nicht zu übersehen ist, dass weniger nationale oder ethnische, als vielmehr die Aspekte der kulturellen Einheit im Vordergrund stehen. Die „Griechen“ zeichnen sich durch einen gemeinsamen Schatz philosophisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und insbesondere durch eine ihnen eigene Mythologie aus.142 Anders als Aristides zählt Justin – dies ist für den Sprachgebrauch bei Tatian wichtig – die Juden als Nichtgriechen dezidiert zu den Barbaren.143 Die Christen (welche bekanntlich bei Tatian nie namentlich in Erscheinung treten) werden bei Justin allerdings nicht zu den Barbaren gezählt. Die Christen seien deshalb kein Barbarenvolk, weil sie keine Nation (wie etwa die Karer oder Phryger) bildeten.144 Christen gebe es, so Justin, unter allen Völkern, den sesshaften wie nicht-sesshaften, sowohl unter den Barbaren als auch – nota bene! – unter den Griechen.145 Wenn Athenagoras in seiner Apologie die ÏEllhnew nennt, dann impliziert er grundsätzlich einen religiösen Zusammenhang. Die Griechen verehren die ihnen eigenen (olympischen) Götter, wie sie in ihrem Wesen und ihren Handlungen durch die Mythographen überliefert wurden.146 Auch Theophilos denkt und schreibt in diesem Vorstellungshorizont, wenn er die Griechen erwähnt.147 Wenn er etwa von den Fragen der 138 139

Apol. 13,1. Besonders deutlich in Apol. 13, wo von den Gesetzen der Griechen gehandelt

wird. 140

1 Apol. 54. 1 Apol. 7; dial. 117. 142 1 Apol. 7.54; dial. 67. 143 Vgl. 1 Apol. 4 und 46. 144 Dial. 119. 145 Siehe dial. 117. Dem widerspricht jedoch dem Wortlaut nach 1 Apol. 7, wo Justin die Weisen unter den Griechen „Philosophen“ nennt, die Weisen unter den anderen Völkern „Christen“. 146 Vgl. Athenagoras, Leg. 17.28. 147 Theophilos, Ad Autol. 1,10; 2,7. 141

4. Die Frage nach den Adressaten

227

prophetischen Offenbarung handelt, so vertieft er namentlich den Gegensatz zwischen Griechen und Hebräern, wobei auffällig ist, dass er – anders als alle anderen genannten Apologeten – den Ausdruck baÂrbaroi konsequent vermeidet.148 Theophilos kennt aber auch den profanen Gebrauch der Bezeichnung ÏEllhnew: So wird etwa das Griechentum negativ von den älteren Hoch- und Schriftkulturen der Chaldäer, Ägypter und Phönizier abgegrenzt.149 Schaut man nun auf den Sprachgebrauch Tatians, so wird man schnell gewahr, dass dieselbe Uneinheitlichkeit der Bedeutungen, die sich bei den anderen griechischen Apologeten spiegelt, auch in der oratio ihren Platz findet. Insgesamt wendet sich Tatian zehnmal im Vokativ direkt an die ÏEllhnew als seine Adressaten150 und vierzehnmal schreibt er in der dritten Person über sie.151 In nicht wenigen Fällen, aber längst nicht in allen, trifft Kukulas Beobachtung zu, dass die Griechen gleichsam synonym für die Heiden stehen. Denn oft erschöpft der Gegensatz zwischen den baÂrbaroi und den ÏEllhnew sich nahezu vollständig in der unterschiedlichen Wertigkeit ihrer Religionsanschauung. So schildert Tatian seine „Bekehrung“ und berichtet, dass der Inhalt gewisser barbarischer Schriften, in diesem Fall Schriften des Alten Testaments, ihm „göttlicher“ erschienen sei als die Lehren der Griechen.152 An anderer Stelle stellt Tatian fest, dass die Griechen dem ewigen Feuer überantwortet werden, falls sie nicht auf ihn, den „Herold der Wahrheit“ hören möchten.153 Mehrfach lobt Tatian die moralische Überlegenheit der „christlichen“ Barbaren und tadelt die Unsittlichkeit der durch ihre Göttervorstellung verdorbenen „heidnischen“ Griechen.154 Die Griechen sind bei Tatian diejenigen, die den heidnischen Göttern, welche in Wirklichkeit gefährliche Dämonen sind, Ehre und Gehorsam erweisen.155 Die Griechen stehen in der Tat für das Heidentum insgesamt, wenn sie als diejenigen namhaft gemacht werden, die die christliche Lehre von der Inkarnation Gottes verhöhnen,156 voller 148

Ad Autol. 2,9; 2,35f. Ad Autol. 3,30. 150 Or. 1,1; 4,1; 12,6; 13,1; 14,1; 17,2; 21,1; 21,5; 25,5; 42,1. Die Langform der Anrede ist (wie in or. 1,1) vË aÍndrew ÏEllhnew ; öfter steht sie auch ohne das VokativSupplement vË und mitunter auch ohne das Substantiv aÍ ndrew , wobei sowohl die mittelalterlichen Textzeugen als auch die modernen Editoren im Einzelfall variierende Lesarten bieten. 151 Or. 1,4; 21,7; 28,2; 29,2; 30,3; 31,1 (2x); 31,2; 33,1; 35,3; 39,2; 39,3; 40,1; 40,3. 152 Or. 29,2. 153 Or. 17,2. 154 Or. 30,3; 33,1. 155 Or. 14,1; 21,5. 156 Or. 21,1. 149

228

III. Spezialprobleme

Hass auf das Wort Gottes sind157 und die „Barbaren“ in den Zeiten der Christenverfolgung unterdrücken und bedrängen.158 Unübersehbar jedoch verwendet Tatian die Antithese von Griechenund Barbarentum nicht selten auch in nicht-religiösen Kontexten. So rekurriert er dort auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes baÂrbarow (wörtlich: Stammler, Stotterer, br-br-Sager), wo er die Sprachgemeinschaft der Griechen von allen anderen Völkern fremdartiger Sprache und Herkunft abgrenzt. Gleichzeitig versucht Tatian aufzuzeigen, dass die Überheblichkeit der Griechen nicht angezeigt sei, da selbst die eigene „griechische“ Sprache keine Einheitlichkeit aufweise. Dorier, Athener, Aioler und Ionier unterschieden sich in ihrem Idiom derart, dass die Sammelbezeichnung „Griechen“ aus linguistischer Sicht höchst fragwürdig sei.159 In den Ohren der puristischen Attizisten klängen selbst die anderen griechischen Dialekte „barbarisch“.160 Die willkürliche und künstlich geschaffene Vorrangstellung einer Sprache sei in jeder Hinsicht unangebracht. Denn es sei geradezu naturgemäß und es gebe eine einfache Erklärung dafür, dass die Ausdrucksweise der Menschen – Tatian spielt auf die babylonische Sprachverwirrung an – sich unterscheide, bisweilen so sehr, dass eine Verständigung nicht mehr möglich sei.161 Eine andere Verwendungsweise des Ausdrucks ÏEllhnew ist von Bedeutung: Recht häufig meint Tatian, wenn er von den Griechen spricht, speziell und exklusiv die Philosophen. So fällt die Anrede „Griechen“ gehäuft dort, wo Tatian über die Seelenlehre spricht: „Die Seele an sich, ihr griechischen Männer, ist nicht unsterblich, sondern sterblich!“162 Tatian verbindet mit seinen Adressaten offenbar in besonderer Weise platonische oder platonisch beeinflusste Philosophen, jedenfalls solche Denker und Gelehrte, die die aÆuanasiÂa thÄw cyxhÄw vertreten. Platoniker werden auch ins Visier genommen, wenn Tatian diejenigen „Griechen“ anspricht, die die Inkarnation des Logos bezweifeln: „Denn wir sind keineswegs einfältig, ihr griechischen Männer, und wir verbreiten kein leeres Geschwätz, wenn wir verkünden, Gott sei in Menschengestalt erschienen.“163 Der Vorwurf des „griechischen Geschwätzes“ richtet sich zuweilen auch an die gesamte Berufsgruppe der (ehemaligen wie zeitgenössi157

Or. 25,5. Or. 4,1. 159 Vgl. or. 1,4. 160 Vgl. or. 26,8. 161 Vgl. or. 30,4. 162 Or. 13,1. Auch in or. 14,1 und 25,5 spricht Tatian seine Adressaten direkt mit vË Ë aÍ ndrew ÏEllhnew an, nachdem er unmittelbar zuvor über die PsyÏEllhnew bzw. v chologie gehandelt hatte. 163 Or. 21,1. 158

4. Die Frage nach den Adressaten

229

schen) Philosophen.164 An anderer Stelle wiederum hat der Autor die Anhänger des Demokrit im Sinn, wenn er die Anrede vË ÏEllhnew wählt.165 Und wiederum an anderer Stelle sind diejenigen Philosophen fokussiert, die die überkommenen Göttermythen – sehr zum Unmut Tatians – als Allegorien deuten: „Lasst euch nun endlich von mir überzeugen, ihr griechischen Männer, und erklärt eure Geschichten und eure Götter doch nicht allegorisch!“166 Griechen und Philosophen werden mitunter in einem Atemzug genannt,167 und wenn Tatian seine bekannte These vom Mose-Plagiat der Griechen entwickelt, so meint und nennt er in diesem Zusammenhang ausdrücklich deren „Sophisten“ (sofistaiÂ).168 Berücksichtigt man sämtliche Belegstellen der oratio, so ist hinzuzufügen, dass das Griechentum auch als eine allgemeine Kulturgemeinschaft begriffen wird. Bereits im ersten Kapitel werden die ÏEllhnew und baÂrbaroi dahingehend kontrastiert, dass sie sich hinsichtlich ihres unterschiedlichen Erfindungsreichtums in technischer bzw. kultureller Hinsicht grundsätzlich unterschieden.169 Das Griechentum stünde in seiner kulturellen Entwicklung anderen Völkern nach und sei von seinem Wesen her imitatorisch und epigonenhaft. So besäßen die Griechen zwar eine ihnen eigene und gemeinsame Schriftkultur, die allerdings auf fremdem Einfluss beruhe und bei Weitem nicht die älteste sei.170 Nicht nur die formalen Grundlagen (z.B. Schriftzeichen) hätten die Griechen übernommen, auch der Inhalt des griechischen Schrifttums sei ein einziges Plagiat barbarischer Weisheit. Nicht ohne Stolz verkündet Tatian, das jüdisch-alttestamentliche Wissen sei wesentlich „älter als die griechische Kultur“ (thÄw ëEllhÂnvn paideiÂaw ... aÆ nvÂtera).171 Wo die Griechen eigene kulturelle Leistungen vorzuweisen hätten, seien diese als depraviert und moralisch bedenklich anzusprechen. Dies gelte insbesondere für die fragwürdige Mythologie der Griechen,172 insbesondere die ihr inhärierende „Sexualkultur“.173 Die-

164

Or. 14,1. Or. 17,2. 166 Or. 21,5. 167 Or. 35,3. 168 Or. 40,2. 169 Or. 1,1. 170 Or. 39,2. 171 Or. 31,1. 172 Siehe or. 25,5 u. ö. 173 Wie bei den anderen Apologeten steht auch bei Tatian der Göttervater Zeus wiederholt im Fokus der Moralkritik. In der Realität allerdings werden die Sexualpraktiken der Griechen – zumindest in or. 28,2f – positiv von denen der Perser (Inzest) und Römer (Pädophilie) abgehoben. 165

230

III. Spezialprobleme

se wiederum zeige ihr hässlichstes Gesicht in den frivolen und insgesamt verachtenswerten Werken griechischer Bildhauerkunst.174 Zusammenfassend kann nunmehr festgestellt werden, dass Tatian in Bezug auf die „Griechen“ sich desselben unklaren Sprachgebrauchs bedient wie die anderen zeitgenössischen Apologeten. Gemeinsam ist allen Autoren, dass die ÏEllhnew häufig schlechthin die „Heiden“ sind. Mit Justin und Theophilos kongruiert Tatian dahingehend, dass das Griechentum als eine geschlossene kulturelle Einheit gilt, die sich insbesondere – so auch bei Athenagoras – durch eine gemeinsame Mythologie auszeichnet. Unterschiede im Sprachgebrauch sind zu veranschlagen, wenn es um den Begriff des Barbarentums geht. Während bei Aristides und Justin die Christen dezidiert und ausdrücklich nicht zu den baÂrbaroi, bei Justin teilweise sogar zu den ÏEllhnew gezählt werden, so gehören die Juden und Christen für Tatian – in strenger Opposition zu den heidnischen Griechen – auf die Seite der Barbaren. Für die tatianische Verwendung des Begriffs ÏEllhnew ist insgesamt und als Ergebnis festzuhalten, dass er unter ihnen die Gesamtheit der (1) heidnischen, (2) griechisch sprechenden, (3) der hellenistischen Kultur verhafteten und (4) in der griechischen Philosophie gebildeten Menschen versteht. Inhaltlich-begriffliche Überlagerungen und deutliche Inkonzinnitäten – beispielsweise die Tatsache, dass es auch griechisch sprechende Christen gibt – scheinen den Autor nicht gestört zu haben. Alle angeführten Konnotationen muss der Leser der oratio mitbedenken, wenn er auf die wiederholte Adressierung vË aÍndrew ÏEllhnew stößt. Für den Übersetzer, der einerseits nicht simplifizieren (Whittaker), andererseits nicht zu einem Wortungetüm (Kukula) greifen will, bleibt keine andere Wahl, als (ähnlich wie Pratten, Harnack und Puech) schlicht und einfach mit „ihr griechischen Männer“ zu übersetzen.175

5. Die Frage nach der Gattung Der schillernde und singuläre Charakter der tatianischen oratio ad Graecos hat in der Vergangenheit immer wieder Anlass gegeben, nach der Gattung dieser eigentümlichen Schrift zu fragen. Am häufigsten wird sie unter

174

Vgl. or. 33,1. Dass die äußerlich angesprochenen ÏEllhnew nicht die einzigen Adressaten der Schrift sind, sondern die oratio wie alle anderen erhaltenen Schutzschriften (inklusive die lateinischen des Tertullian und Minucius) naturgemäß auch für die eigene christliche Partei verfasst ist, muss nicht gesondert betont werden. Cf. insbesondere or. 30,3. 175

5. Die Frage nach der Gattung

231

dem Namen der Apologie geführt,176 was eindeutig darin seinen Ursprung besitzt, dass sie in vielfachen inhaltlichen Bezügen zu den anderen frühchristlichen Schutz- und Verteidigungsschriften steht, namentlich – um die wichtigsten zu nennen – zu denen des Aristides, Justin, Athenagoras, Theophilos, Tertullian und Minucius Felix. So wenig in der Literatur bestritten wird, dass das corpus apologetarum des zweiten und beginnenden dritten Jahrhunderts eine zeitlich, thematisch und situativ bedingte Einheit bildet, so sehr wurde von verschiedenen Gelehrten in Zweifel gezogen, dass die traditionelle Nomenklatur auch auf die Tatianschrift anwendbar sei. Zumindest sei es nicht statthaft, von einer Apologie im engeren Sinne („une Apologie au sens strict“) zu reden.177 Vermisst wird insbesondere die Adressierung an eine staatliche Autorität und eine Verteidigungsstrategie auf juristischer Grundlage.178 Dementsprechend sind im Zuge der modernen Erforschung des Werkes verschiedene Alternativvorschläge unterbreitet worden. Die prominentesten unter ihnen sollen im Folgenden besprochen werden. a) Bekannt ist die These, die Richard Cornelius Kukula im Vorwort seiner Tatian-Übersetzung179 mit großer Bestimmtheit vertritt, nämlich dass es sich bei der oratio um eine tatsächlich gehaltene Rede handle. Der LoÂgow proÁ w ÏEllhnaw sei keineswegs „bloß für den Buchhändler und ein Lesepublikum“180 verfasst, sondern atme die Lebendigkeit des gesprochenen Wortes, wie man insbesondere an den wiederholten imperativischen Ausrufen erkennen könne, in denen sich der Redner direkt an sein hörendes Publikum wende: „Seid lernbegierig und eifrig!“181 – „Hört auf uns, wenn wir reden!“182 – „Hört auf mich, der ich euch gleichsam aus der 176

Vgl. A. Puech, Recherches, S. 3f; dens., Apologistes, S. 167; I. Giordani, polemica, S. 57; R.M. Grant, Date, S. 100; G.F. Hawthorne, Tatian, S. 161; L.W. Barnard, Heresy, S. 10; G.A. Kennedy, Rhetoric, S. 134; M.J. Edwards et al., Apologetics, S. 1–13. 177 Vgl. A. Puech, Les Apologistes grecs, S. 148–171. 178 Vgl. S. Di Cristina, Discorso ai Greci, S. 23f: „lo scritto di Taziano manca di alcuni elementi caratteristici del genere apologetico, quali l’indirizzo all’autorita` imperiale e la difesa del cristianesimo sul piano giuridico.“ 179 R.C. Kukula, Tatians des Assyrers Rede an die Bekenner des Griechentums, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt, 1. Bd. (= BKV 12), München/Kempten 1913. Vgl. bereits dens., Tatians sogenannte Apologie. Exegetisch-chronologische Studie, Leipzig 1900 (hier bes. S. 52). 180 Ibid., S. 190. 181 Or. 12,9. 182 Or. 12,10.

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III. Spezialprobleme

Höhe zurufe!“183 – „Lacht ihr nur, ihr werdet noch weinen!“184 An diesen und ähnlichen Beispielen sehe man deutlich, so Kukula, dass die gesamte Rede „auf oratorischen, aber nirgends auf literarischen Effekt angelegt“ sei.185 Auf das Konto der frei gehaltenen Rede gingen auch die sprachlichen Inkonzinnitäten und die mannigfaltigen thematischen Abschweifungen und Exkurse. Ihr „knapp dosierter Lehrgehalt“186 überfordere die Zuhörer nicht, sondern sei vermutlich nur der Auftakt und das „Proömium“ für geplante Fortsetzungen und Vertiefungen. Der Sitz im Leben ist für Kukula entweder die Missionspredigt oder – historisch konkret – eine „Inaugurationsrede“ anlässlich der Eröffnung seiner angeblich in Mesopotamien gegründeten Schule (didaskaleiÄon).187 In pragmatischer Hinsicht stellt sich Kukula vor, der von Tatian präsentierte Vortrag sei von sogenannten „Schnellschreibern“ (taxygraÂfoi) protokolliert worden. Tatian selbst habe allerdings wichtige Daten vortragsbegleitend auf einer „Tafel“ (saniÂw) festgehalten, sodass auch die auf Schriftlichkeit hinweisenden Ausdrücke (or. 35,2: graÂfein aÆrjaÂmenow; or. 41,10: aÆnagraÂcomen ) erklärt werden könnten. Auch wenn die These Kukulas (im englischen Sprachraum unter dem Terminus „dedicatory speech“) bis in die jüngere Vergangenheit Zustimmung gefunden hat,188 so bedarf es kaum der Erwähnung, dass eine solche historische Rekonstruktion, die sogar die konkreten Begleitumstände (Schuleröffnung, Schnellschreiber, Tafel) nennt, als hochgradig spekulativ anzusehen ist. Denn es ist nicht einmal sicher, dass Tatian überhaupt eine Schule im Osten gegründet hat.189 Sodann sind die lebhaften Ausrufe innerhalb der oratio, die nach Kukula auf audiovisuelle Interaktion deuten, in keiner Weise beweiskräftig. Auch in Justins Apologie, um nur das nächstliegende Beispiel zu nennen, zieht sich die Aufforderung zum „Hören“ durch die gesamte Schrift.190 Auf der anderen Seite erscheinen, wie Kukula selbst einräumt, in der oratio Tatians auch die Ausdrücke des „Schreibens“, die nur gezwungen umgedeutet werden können.191 Am 183

Or. 17,2. Or. 32,3. 185 A.a.O., S. 190. 186 Ibid., S. 191. 187 Eusebius, hist. eccl. 4,29,1; vgl. Epiphanius, Pan. 46. 188 Zurückhaltend, aber keineswegs abgeneigt äußern sich: J. Quasten, Patrology, Bd. 1, S. 221; A. Adam, Lehrbuch, S. 154; S. Di Cristina, Discorso ai Greci, S. 42f („un vero discorso“); M. McGehee, Why Tatian never „Apologized“ to the Greeks, in: Journal of Early Christian Studies 1,2 (1993), S. 143–158, hier: S. 148, Anm. 12. 189 Siehe supra Anm. 8 zu Kap. I 1 („Der Autor“). 190 Cf. 1 Apol. 33.34.35.40.45.49.50.51.53.59.60; 2 Apol. 9 (u. ö.). 191 Siehe neben or. 35,2 und 41,10 insbesondere auch 35,1 (aÆnagrafhÁ n synta ttein 184

5. Die Frage nach der Gattung

233

gewichtigsten scheint aber der folgende Einwand zu sein: Vor welchem Publikum sollte Tatian eine solche Rede gehalten haben? Etwa vor den formalen Adressaten, den wiederholt angeredeten Griechen (ÏEllhnew)? Diese hätten sich seine Tiraden kaum angehört.192 Oder vor den Christen, den Anhängern der „barbarischen Philosophie“? Dann könnte er sie nicht mit vË aÍndrew ÏEllhnew ansprechen. In einem schriftlich verfassten Werk dagegen muss – wie unzählige Beispiele zeigen – der formale, literarische Adressat und der real intendierte Leser keinesfalls identisch sein. b) Ein zweiter Gattungstypus, der bisweilen ins Spiel gebracht wird, ist derjenige der Spott- oder Schmähschrift, kursierend auch unter den Namen „Invektive“, „Scheltrede“, „polemic treatise“, „attack“ oder – in Anlehnung an das verwandte Pamphlet des Hermias – der „irrisio“.193 Es ist unschwer zu erkennen, dass Tatian seine wahre Freude an der Blamage seines Gegners hat, dass er mit unverhohlener Aggression zu Werke geht, dass ihm weniger am Sieg in der Sache gelegen ist als an der Diffamierung der Person. In besonderer Intensität gießt er seinen Hohn und Spott über die griechischen Philosophen aus, wobei es ihm gleichgültig ist, ob es sich um Größen der Vergangenheit oder um Zeitgenossen handelt. Um die ureigenen Worte Tatians zu benutzen: Aristoteles sei „unwissend“ und „albern“ (2,2), Heraklit ein „Autodidakt der arroganten Art“ (3,1), Empedokles ein „Aufschneider“ und „Lügner“ (3,4), Pherekydes verkünde wie Pythagoras und Platon „Altweibermärchen“ (3,5), Krates und seine boy lomai ). Bereits O. Bardenhewer (Geschichte, S. 265f) erkannte richtig: „Die Apo-

logie Tatians ... ist eine freilich für Buchzirkulation bestimmte Rede“. 192 Ähnliche Sichtweise bei D. Karadimas, Rhetoric, S. 24: „ ... a purely pagan audience could not been supposed here. Tatian’s style is not simply critical but at times evinces a strong aggressiveness. Thus, it is almost certain that this speech, if delivered, could become provocative and could lead to a result contrary to the one desired.“ Vgl. auch F.M. Young, Greek Apologists, S. 85: „this (sc. the address) can never have been literally an oration to a specific audience.“ 193 Vgl. J. Quasten, a. a.O., S. 221: „It remains true, however, that the speech is not so much an apology for Christianity as it is a vehement, immoderate, polemic treatise which rejects and belittles the whole culture of the Greeks.“ Den beleidigenden Charakter der oratio betonen auch: A. Puech, Apologistes, S. 151; J.R. Harris, mentality, S. 8–10; W. v. Soden, Tatian, Sp. 998 („ ... kann sich an Herabsetzung der letzteren [sc. der Philosophen] gar nicht genug tun“); E. Fascher, Tatianus, Sp. 2470 (gehört ... zum Typus des Renegaten, der nach dem Bruch mit seiner Vergangenheit das Alte mit Leidenschaft verfolgt); R.M. Grant, Heresy, S. 63; G.F. Hawthorne, Tatian, S. 162 („violently hostile“) und 188; A. Hamman, Tatian der Assyrer, Sp. 1305; L.W. Barnard, Heresy, S. 1.9; C. Andresen, Antike und Christentum, S. 60 („Scheltrede“ [co gow ]); W.L. Petersen, Tatian the Assyrian, S. 135 („He is in ‘attack mode’ all the time“).

234

III. Spezialprobleme

Kyniker-Kollegen verbreiteten „aufgeblasenes und verrücktes Geschwätz“ (3,6), Demokrit sei ein „abderitischer Dummkopf“ (17,1), Metrodoros rede „naives Zeug“ daher (21,6) und die Philosophen seien insgesamt „geschwätzliebend“, dem „Zank und Streit“ sowie der „Eitelkeit“ ergeben (3,7). Die zeitgenössischen Weisheitslehrer werden nicht minder hart attackiert: Crescens habe sich der „Päderastie“ verschrieben und sei der „Geldgier“ verfallen (19,2) und sie alle seien „Schlemmer“ und „Betrüger“ (19,2), vernachlässigten ihr Äußeres und frönten der „Völlerei“ (25,1). Das gesamte Griechentum sei von „Missgunst“ und „großer Dummheit“ geprägt (32,7), in ihm herrsche „eitle Aufgeblasenheit“ (12,4; vgl. 1,3), die Griechen seien „Fälscher der Wahrheit“ (40,2) und in sittlicher Hinsicht grenzten ihre überaus unzüchtigen Vorstellungen an „Wahnsinn“ (33,1). Noch ärger werden die Römer der exzessiven Knabenschändung (28,3) und der Menschenopfer (29,1) beschuldigt. Frechheiten leistet sich Tatian sogar gegenüber dem Leser selbst, wenn er „die ungeordnete Materie“ (5,5) in ihm ordnen will. Die kleine Auswahl an Beschimpfungen steht stellvertretend für den aggressiven, polemischen und beleidigenden Ton, der in weiten Teilen der oratio herrscht. Die gehässige und feindliche Grundhaltung, die bei Tatian immer wieder hervorbricht und in der er sogar einen Tertullian übertrifft, ist völlig unstrittig und im Hinblick auf die Gattungsfrage häufig hervorgehoben worden. Dennoch ist zu fragen, ob sie zum leitenden Kriterium gemacht werden kann. Es ist zwar vollkommen richtig, dass a) Tatian die Defensive nicht sonderlich liebt und b) gerade diese im Normalfall den Charakter einer Apologie auszumachen scheint. Letzteres gilt besonders, wenn man den versöhnlichen, vermittelnden und werbenden Justin oder auch den friedlichen, feingebildeten Athenagoras vor Augen hat. Unbestreitbar ist aber auch, dass es andere Beispiele gibt, namentlich das Apologeticum Tertullians, in dem der Autor es ebenfalls an Hohn, Spott, Polemik und unverhohlener Angriffslust nicht fehlen lässt. Insofern scheint der „Ton“ der Rede sich als ausschlaggebendes Gattungsmerkmal kaum zu eignen. Allenfalls sind innerhalb des corpus apologetarum graduelle, keine prinzipiellen Unterschiede auszumachen. Hinzu kommt, dass die oratio Tatians durch den Terminus „Schmähschrift“ kaum vollständig beschrieben ist. Denn es existieren große Partien innerhalb des Werkes, die der Polemik nahezu vollständig entbehren, die vielmehr dogmatischen oder lehrmäßigen Charakter besitzen. Zu nennen ist im ersten Teil der Schrift die Entfaltung der Gottes- und Logoslehre sowie große Partien seiner Psychologie und Anthropologie, im zweiten Teil vor allem der ausführlich geführte Altersbeweis. Ein Drittes sei ebenfalls genannt: So sehr Tatians Tiraden manche Teile seines Werkes äußerlich dominieren, so sind sie doch nicht Hauptzweck und letztes Ziel des Autors, sondern

5. Die Frage nach der Gattung

235

dienen fraglos – als Angriff – der Verteidigung! Wir werden dies unten genauer ausführen. c) Die recht umfangreichen Partien lehrmäßigen Inhalts gaben den Anlass, die oratio ad Graecos als eine Lehrschrift zu bezeichnen, als eine theologische Abhandlung bzw. einen Traktat (treatise), als ein Syntagma bzw. loÂgow syntaktiko w.194 Speziell für die Nomenklatur „Syntagma“ (= Zusammenstellung/-fassung, sc. von Lehrinhalten) kann man auf die Kürze und den prinzipiellen Charakter der Darstellung Tatians verweisen. Denn insbesondere zu Beginn des theologischen Teils der Schrift (cap. 4–7), in dem Tatian die Grundlagen der Gottes- und Logoslehre, den Vorgang der Weltschöpfung, die Tatsache der Auferstehung und des Gerichts, wichtige Elemente der Angelo- und Anthropologie vermittelt, ist dem Autor eine konzentrierte und systematische Form der Darbietung nicht abzusprechen. In der zweiten Hälfte der Schrift entspricht vor allem der informationsreiche Altersbeweis (cap. 31.36–41) den Anforderungen an einen präzisen, sachlich nüchternen, nicht weitschweifigen oder gar abschweifenden Schreib- und Darbietungsstil. Auch die listen- und katalogartigen Präsentationen der „barbarischen“ Erfindungen (cap. 1) und der römischen Kunstwerke (cap. 33–34) kann man mit gutem Recht als kleine „Syntagmata“ bezeichnen, durchaus auch die Aneinanderreihung der philosophischen Skandalgeschichten (cap. 2–3), wobei es zunächst unerheblich bleibt, in wie weit die Zusammenfassung der Daten als eine Übernahme aus bereits vorhandenen Sammelwerken, Doxographien und Enzyklopädien oder aber als eigene Leistung des Autors anzusprechen ist. Für eine Titulierung als Lehrschrift und speziell als ein sogenanntes „Syntagma“ ist der Wortgebrauch bei Tatian selbst ins Feld geführt worden. Tatian benutzt tatsächlich das Verbum syntaÂttein mehrfach (1,2; 1,5; 15,4; 31,6; 34,5; 35,1; 41,3; 41,4), darunter einmal als Ausdruck für die Abfassung eines seiner weiteren Werke, nämlich der Schrift PeriÁ z vÂìvn,195 sodann für die Präsentation seines Statuenkatalogs in der oratio selbst196 und – ebenfalls signifikant – als terminus technicus für das Bereitstellen von Datenmaterial zum Zwecke seines Altersbeweises.197 Mit einer gewissen Berechtigung können also bestimmte Partien innerhalb der 194 Vgl. J. Quasten, Patrology, S. 11 („treatise“); M. Elze, Tatian, RGG3, Bd. 6, 1962, Sp. 621 („Lehrvortrag“); G.F. Hawthorne, discourse, S. 162 („treatise“, „syntagma“); R.M. Grant, Five Apologists, S. 12f; dens., Greek Apologists, S. 115–117 (lo gow syntaktiko w ). 195 Or. 15,4: KaiÁ periÁ meÁ n toy toy eÆ n tv Äì PeriÁ z vÂìvn aÆ kribe steron hë miÄn synte tak-

tai ... 196 197

Or. 35,1: ... toy tvn kaiÁ thÁ n aÆnagrafhÁ n synta ttein boy lomai. Or. 41,4: ... plei ona proÁ w toyÁ w filomaueiÄw synta ttein hëmaÄ w aÆpei rgei.

236

III. Spezialprobleme

Schrift als Syntagmata gelten, und zwar durchaus im engeren Sinne, nicht nur – wie dies auch der Fall ist – als allgemeiner und unspezifischer Ausdruck für eine „Schrift“ beliebiger Art. Eine hiervon zu unterscheidende Frage ist allerdings, ob auch die oratio als Gesamtkomposition als ein solches lehrhaftes Syntagma verstanden werden kann. Hier wird man sich doch zurückhalten wollen. Gerade weil die oratio gleichsam einen Portfolio-Charakter besitzt und viele „Syntagmata“ unterschiedlichster Art in sich vereint, entbehrt sie als Gesamtprodukt eines einheitlichen, in sich kohärenten und systematisch strukturierten Lehrinhaltes.198 Zwar sind alle „Lehrstücke“ Tatians in der Form ihrer Darbietung auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet, nämlich den Erweis des Vorrangs des Barbaren- vor dem Griechentum, aber ein darüber hinausgehender innerlicher Zusammenhang besteht zwischen der Erfinderliste, der Logoslehre, dem Kunstwerkekatalog, dem Philosophenspott, der Sternkunde, der Seelenlehre und dem Altersbeweis eindeutig nicht. d) Ein sehr ernstzunehmender Versuch geht dahin, die oratio ad Graecos als einen Protreptikos zu interpretieren.199 Die These geht von der Voraussetzung aus, dass es sich bei Tatian um einen privaten, kirchlich unabhängigen Lehrer gehandelt habe, der sein Publikum zur Beschäftigung mit der „barbarischen Philosophie“ anregen wollte.200 Die oratio sei als eine „Werbeschrift“201 für die christlich-tatianische Lehre zu verstehen, die im 198

Ähnlich D. Karadimas (Rhetoric, S. 39), der gut strukturierte Einzelstücke („units“) erkennt, die aber mit dem Mangel an Kohärenz, der der Gesamtrede eigne, nicht kompatibel seien. Karadimas (ibid.) folgert: „There are ... indications which make it seem probable that these units were written before the final construction of the oration as a whole.“ 199 Zu vergleichen ist der wertvolle Beitrag von Michael McGehee (Why Tatian never „Apologized“ to the Greeks; siehe Anm. 188) aus dem Jahre 1993. Bereits vorher wurde der „ermunternde“ Charakter der oratio hervorgehoben; vgl. insbesondere R.C. Kukula, „Altersbeweis“ und „Künstlerkatalog“, S. 16; W. Bornstein, Beiträge, passim; B. Altaner/A. Stuiber, Patrologie, S. 71; M. Whittaker, Tatian, S. XV: „Tatian’s apology is essentially hortatory rather than didactic.“ Ähnlich L. Alfonsi, Appunti sui Lo gow di Taziano, S. 274; S. Di Cristina, Discorso ai Greci, S. 24. 200 Vgl. McGehee, Tatian, S. 154: „Even by those who condemned him, Tatian was seen as a teacher. [...] The fact that he is described as a teacher obviously implies that he had both a ‘school’ and pupils. And, since teachers had to attract students, Tatian either had to rely on others to publicize for him or else follow the common practise of recuiting by his own protreptic speeches.“ 201 Antike Beispiele für den Protreptikos, i. e. die „Werbe- oder Mahnschrift“, die zum Teil den Gattungsnamen im Titel tragen: Aristoteles (Protreptiko w), Ps.-Isokrates (ProÁ w Dhmo nikon ), Epikur (Epistula an Menoikeus), Cicero (Hortensius), Seneca (De brevitate vitae), Iamblichos (Lo gow protreptikoÁ w eiÆw filosofi an ), Galenos (Pro-

5. Die Frage nach der Gattung

237

gegnerischen Lager der heidnischen Philosophie neue Anhänger für die eigene Schule habe rekrutieren wollen. Die Tatsache, dass insbesondere die theologisch-dogmatischen Partien recht kurzgefasst und in allgemeinverständlicher Diktion präsentiert würden, sei Teil des hortativen Charakters der Schrift. Es werde dazu eingeladen und aufgefordert, die „barbarischen Lehren“ nicht oberflächlich zu beurteilen, sondern genauer zu untersuchen (z.B. or. 30,4).202 Wenn aber ausnahmsweise nicht die Außenstehenden adressiert, sondern die „eigenen Leute“ angeredet seien, so geschehe dies nur kurz und sei gesondert kenntlich gemacht (vgl. or. 30,3). Weiterhin wird geltend gemacht, dass der aggressive Ton der oratio und die Herabsetzung von (stoisch-kynischen) Rivalen gut zum Konzept des Protreptiko w passe, da sich die eigene tatianische Schulrichtung für ihren Erfolg bei potentiellen Schülern bewusst von Konkurrenten absetzen müsse.203 Die feststellbaren Abweichungen von der orthodoxen christlichen Lehre hätten darin ihren Grund, dass freie Lehrer nicht an die kirchliche Doktrin im engeren Sinne gebunden seien und im Sinne einer gewünschten Popularität und Attraktivität geradezu zwangsweise originell sein müssten.204 Dass darüber hinaus die oratio mitunter den Stil einer unterhaltsamen Diatribe annehme,205 sei ebenfalls einem bewussten Abzielen auf äußerlichen Effekt und Aufmerksamkeit geschuldet. Derselben (profitorientierten) Eigenwerbung diene auch Tatians Selbstdarstellung als allwissender Experte und Universalgelehrter in sämtlichen Wissensgebieten. Obwohl viele Einzelzüge der oratio auf die Gattung eines ProtreptikoÂw hindeuten und zweifellos sogar gattungstypisch sind, stehen auch einige Bedenken entgegen. Zunächst baut die These vom umherziehenden Wanderphilosophen und -lehrer auf Annahmen auf, die kaum beweisbar sind. Es gibt Passagen (z.B. or. 32,1–3 oder 33,1), die sehr klar auf Strukturen in ansässigen christlichen Ortsgemeinden rekurrieren, in die Tatian offenbar eingebunden ist und die offensichtlich den Hintergrund für sein Wirken bilden. In diesen Gemeinden sind, wie Tatian ausdrücklich sagt, auch Arme erwünscht (or. 32,2), was in einer gewissen Spannung zumindest zur kommerziellen Variante stünde. Gegen einen Protreptikos, der sich ja definitionsgemäß an Außenstehende richtet, sprechen Passagen, die eindeutig an Eingeweihte gerichtet sind (z.B. 30,1–2), die mitunter direkt treptikoÁ w eÆ p’ iÆ atrikh n ), Clemens Alexandrinus (ProtreptikoÁ w proÁ w toyÁ w ÏEllhnaw ),

Augustinus (Contra Academicos I). 202 Vgl. McGehee, Tatian, S. 149. 203 Vgl. McGehee, Tatian, S. 146. 204 Vgl. McGehee, Tatian, S. 157. 205 Vgl. Kukula, Rede, S. 186.191; F. Bolgiani, Art. „Taziano“, Sp. 1808; Barnard, Heresy, S.1; S. di Cristina, Discorso ai Greci, S. 24.

238

III. Spezialprobleme

angesprochen (or. 30,3), an anderen Stellen deutlich als Adressaten gedacht werden. Wenn nun aber, was die These vom werbenden Protreptikos voraussetzen würde, die literarischen Adressaten – sc. die aÍndrew ÏEllhnew – in jedem Fall auch die realen sein sollten, so ist nur schwer vorstellbar, dass gerade die umworbene und anvisierte Klientel so schwer persönlich beleidigt und mit gehässigen Vorwürfen belegt wird (z.B. or. 14,1–2). Eine Werbung für die eigene Partei, die mit tatsächlichen Bekehrungen rechnete, müsste persönliche Brücken bauen, sie aber nicht mit jeder neuen Attacke gründlich zerstören. e) Die genannten Vorschläge zur Gattungsbestimmung der oratio erscheinen insofern unzureichend, als sie zwar Teilaspekte der Schrift richtig sehen, aber kaum das Gesamtkonzept angemessen berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen, ob nicht doch die traditionelle Bezeichnung als Apologie der Pluriformität der präsentierten Inhalte und Ausdrucksformen letztlich am besten gerecht wird. Denn zentral ist zunächst, dass die Schrift ihren unverkennbaren „Sitz im Leben“ in der konkreten Verfolgungssituation hat. Dies ist völlig unbestritten und zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Büchlein, dass Tatian für eine zu Unrecht verfolgte religiöse Minderheit Partei ergreifen und vor übermächtigen Feinden schützen will (vgl. 4,1f; 6,4; 9,3.7; 10,2; 19,2; 25,5; 27,1–5; 32,3; 42,2). Es gibt nicht wenige Passagen, die einen ausgesprochen apologetischen Charakter besitzen, in denen Tatian die christliche Lehre und Praxis rechtfertigt und verteidigt.206 Man denke, um nur sehr Weniges zu nennen, an die Darstellung der vorbildlichen Alters- und Sozialstruktur in den Christengemeinden (cap. 32), den Hinweis auf die Sittlichkeit und Keuschheit der christlichen Frauen (cap. 33), den Verweis auf die gute staatsbürgerliche Gesinnung der Christen (cap. 4), das implizite Zurückweisen gängiger Vorurteile über die Christen, etwa des Menschenopfers (cap. 29), die Erklärung schwer zu verstehender und potentiell anstößiger Lehren wie die Menschwerdung Gottes (cap. 21). Es ist in der modernen Diskussion in den Hintergrund geraten, dass die oratio über weite Strecken zweifelsfrei apologetischer Natur ist, und zwar „au sens strict“. Der auffällig tadelnde Stil („vituperative style“207) der oratio, die wiederholten verbalen Attacken des Autors, der weder Gemeinplätze noch Gemeinheiten scheut, sprechen nicht a priori gegen die Gattung einer Verteidigungsschrift. Sie sind gut erklärbar, wenn man bedenkt, dass na206

So auch L. Alfonsi, Appunti, S. 274; auch W.L. Petersen (Art. „Tatian“, in: TRE, Bd. 32, 2001) nennt die oratio weiterhin eine „Apologie“ (S. 656). 207 McGehee, Tatian, S. 145.

5. Die Frage nach der Gattung

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hezu jede Apologie auch einen „Über-Adressaten“ besitzt. Mag eine Schutzschrift auch formal an die Heiden gerichtet sein – gleichgültig ob an das römische Kaiserhaus (Quadratus, Aristides, Justin, Athenagoras), an politische Potentaten (Tertullian), einen heidnischen Freund (Theophilos) oder lediglich „an die Griechen“ (Tatian) –, so ist doch längst und vielfach herausgearbeitet worden, dass in der Regel auch, wenn nicht gar hauptsächlich an eine christliche Leserschaft gedacht ist.208 Apologien dienen immer auch der Selbstvergewisserung und dazu, die eigene Klientel mit den passenden Argumenten zu versorgen. Auch Tatian, dessen verbale Ohrfeigen einen Treffer nach dem anderen verzeichnen, durfte wenigstens bei seiner eigenen Partei auf Applaus und Zustimmung hoffen. Das Zeugnis des Eusebius, dass es sich bei der oratio um „das schönste und nützlichste von allen Werken Tatians“209 handle, mag für das Urteil der christlichen Zeitgenossen charakteristisch sein. Vor der dunklen Folie der heidnischen Torheit soll die christliche Wahrheit und Vernunft umso heller erstrahlen. Tatian verfolgt die offensive Taktik: Um die eigene Überzeugung zu sichern und zu schützen, wird jegliche Kritik im Keim erstickt, die Kritiker selbst mundtot gemacht, alles Bedrohliche auf größtmögliche Distanz gehalten. Auch die Passagen in der oratio, die einen lehrmäßigen Charakter besitzen, fügen sich gut in das Gesamtkonzept einer Apologie ein. Im Rahmen der Verteidigungsstrategie sind sie geradezu unverzichtbar, denn sie dienen dazu, einem disparaten, aus Freund und Feind bestehenden Adressatenkreis die Plausibilität des eigenen Glaubens zu beweisen. Die einzelnen „Syntagmata“, die – wie oben beschrieben – kaum einen thematischen Zusammenhang aufweisen, erhalten hier ihre übergeordnete Einheit. Die Kompilation der unterschiedlichsten Lehrstücke – vom Erfinderkatalog über die Logoslehre bis hin zum Altersbeweis – dient dem einen und einzigen Zweck, die eigene Lehre unangreifbar zu machen, indem sie sowohl äußerlich (etwa durch die Absicherung ihrer Originalität und ihres Alters) als auch inhaltlich (durch plausible Explikation der grundlegenden Dogmen) gegen Angriffe jeder Art abgesichert wird. Dass die „Lehre“ in der oratio einen vergleichsweise großen Platz einnimmt, ist dem Anliegen Tatians geschuldet, den eigenen Glauben als vernünftige, widerspruchslose Philosophie darzustellen und sich selbst als einen besonnenen, erfahrenen und gelehrten Denker mit überragender Urteilskraft zu präsentieren. Die protreptischen Züge der oratio, die in keiner Weise zu leugnen sind, gehören naturgemäß zum Wesen einer Apologie. In den meisten ver208 209

Vgl. bes. deutlich or. 30.3. Hist. eccl. 4,29,7: oÊw dhÁ kaiÁ dokeiÄ tv Ä n syggramma tvn aë pa ntvn ayÆ toyÄ ka lli-

sto w te kaiÁ vÆ felimv tatow yë pa rxein.

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III. Spezialprobleme

gleichbaren Schutz- und Verteidigungsschriften folgt auf die Abwehr der Vorwürfe auch die Werbung und Einladung, die sich bisweilen bis zur Drohung steigern kann. Der missionarische Kontext ist auch und gerade in den Hoch-Zeiten der Christenverfolgung niemals ausblendbar (vgl. Aristides, Apol. 16f; Athenagoras, Apol. (= Leg.) 11; Iustinus, 1 Apol. 3.68; 2 Apol. 15; Theophilos, Ad Autol. 1,14; Tertullian, Apol. 23; Minucius Felix, Octavius 1.40). So ist insgesamt festzustellen, dass in Tatians oratio ad Graecos kaum etwas zu finden ist, was nicht auch in anderen Apologien des 2. und beginnenden 3. Jahrhunderts steht oder zumindest stehen könnte. Tatians Apologie bereichert die thematische und situative Einheit des corpus apologetarum durch teilweise recht schillernde Facetten, steht in ihrer Gesamtkonzeption aber nicht außerhalb derselben.

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Index locorum (Numeri ad caput et paragraphum referuntur)

E Scriptura Sacra Genesis 1,1 1,26 1,31 3,1 3,21 3,23f 11,1–9

5,1 12,1; 15,3; 15,4 17,6 7,4 30,1 7,4; 20,3 30,4

1 Regum 5,24 37,2 Psalmi 8,5

15,9

Sapientia Salomonis 2,23 7,1; 11,4 7,13 30,4 8,21ff 5,1 Matthaeus 5,45 12,22–30 13,32 13,44 27,42

11,2; 26,4 14,1 30,1 30,2 17,8

Marcus 2,14 4,31 8,34 10,18 10,21

18,5 30,1 18,5 7,2 18,5

Lucas 6,25

32,3

Ioannes 1,1 1,3 1,5 3,3–6 4,24

5,1 19,10 13,2 5,6 4,3

Acta apostolorum 5,29 4,2 5,39 13,6 14,15 35,4 17,18 6,3 Epistula ad Romanos 1,20 4,3 6,6 11,4 6,10 11,4 7,8 30,1 7,11 30,1 7,14 11,4 8,9 15,5 8,21 29,3 Epistula ad Corinthios 1 2,5 32,1 3,16 15,5 6,19 15,5 7,20f 11,2 15,53f 20,6 Epistula ad Corinthios 2 5,1–4 20,6 5,3 20,6 6,16 15,5 10,4 16,7

262 Epistula ad 2,8 2,21f 3,8 4,22 4,22–24 6,11 6,14

Index locorum

Epistula ad Timotheum 1 6,16 20,4

Ephesios 32,2 15,5 30,2 11,4 30,1 16,7 16,7

Epistula ad 2,7 2,9 3,6 9,26–28 12,17

Epistula ad Colossenses 1,15 5,2 2,20 11,4 3,9 11,4 3,9f 30,1

Hebraeos 15,9 15,9 15,5 6,1 15,8

Epistula Petri 1 2,5 15,5 2,17 4,2

Epistula ad Thessalonicenses 1 4,9 29,3 5,8 16,7

E Scriptis profanis et christianis Antimachus Colophonius Fr. 129–148 Wyss 31,3

Eratosthenes FGrHist 241 Fr. 9

Apio FGrHist 616 Fr. 2a FGrHist 616 Fr. 18

38,2 27,3

Hegesias FGrHist 142 Test. 9

Apollodorus FGrHist 244 Fr. 63

31,4

Aristophanes Ranae 92f

1,5

Berosus FGrHist 680 Test. 2 36,3f FGrHist 680 Fr. 8b 36,3f Callistratus FGrHist 348 Fr.

31,3

Chamaeleon Fr. 14–22 Wehrli

31,3

Ephorus FGrHist 70 Fr. 98f FGrHist 70 Fr. 101

31,3 31,3

31,4

24,2 Hellanicus FGrHist 4 Fr. 178

1,2

Heraclitus B 101 DK = Fr. 15 Marc. 3,1 Herodorus FGrHist 31 Fr. 4

27,8

Herodotus 2,53 2,116f

31,3 31,3

Homerus Iliad. 1,225 Iliad. 1,599 Iliad. 2,3–6 Iliad. 2,39

27,6 8,1 21,3 21,2

263

E Scriptis profanis et christianis

Iliad. 2,204 Iliad. 2,212 Iliad. 2,219 Iliad. 2,372 Iliad. 8,87 Iliad. 18,383 Iliad. 18,401 Iliad. 21,448 Iliad. 22,226f Odyss. 8,326 Odyss. 15,133 Iuba FGrHist 275 Fr. 4 Iustinus Martyr 1 Apol. 27,1 2 Apol. 3(8) Dialogus 61,2

14,1 27,7; 32,6 32,6 19,5 32,4 8,5 8,5 21,2 21,2 8,5 10,5

Orphicorum Fr. 59 Kern Fr. 334 Kern

8,7 8,7

Philochorus FGrHist 328 Fr. 211 31,4 Ptolemaeus Mendesius FGrHist 611 Test. 1a 38,1 FGrHist 611 Fr. 1a 38,1 Solo Fr. 18 West

35,4

36,4 Stesimbrotos Thasius FGrHist 107 Fr. 21 31,3 28,3 3,7; 19,2 5,4f

Laetus FGrHist 784 Test. 1 37,1–3 FGrHist 784 Fr. 1 37,1–3 FGrHist 794 Fr. 5d 37,1–3 Menander Pergamenus FGrHist 783 Test. 4 37,3 FGrHist 783 Fr. 2 37,3

Theagenes Rheginus DK 8,1 31,3 Tragicorum Gr. Adesp. Fr. 565 Kannicht-S. 8,10

Index nominum (Numeri ad caput et paragraphum referuntur) Abas 39,1 Abdera 17,1 Achilleus 21,7; 32,6 Admetos 21,2 Agamemnon 19,5; 21,8; 36,1; 39,1; 39,5 Agenor 33,8 Aı¨doneus 8,7 Aisopos 34,5 Akrisios 39,1; 39,5 Aktaia 39,4 Aktaios 39,4 Alexandros 2,2; 36,3 Alkmaion 24,1 Amazonen 32,5 Amosis 38,1; 38,1; 38,2 Amphion 41,1; 41,4 Anaxarchos 12,10 Andron 34,4 Antigenides 24,3 Antimachos 31,3 Antinoos 10,3 Antiochos 36,3 Anyta 33,3 Anytos 3,3 Aphrodite 8,3; 22,2; 34,4 Apion 27,3; 38,2 Apollodoros 31,3; 31,4 Apollon 8,3; 8,6; 8,9; 19,5.7; 22,2 Archilochos 31,5 Archippos 31,4 Ares 8,4; 34,4 Argeia 33,9 Argeios 39,1 Argo 9,5 Arimaspien 41,1 Aristaios 41,1 Aristarchos 31,3.4

Aristippos 2,1 Aristodemos 34,5 Aristodotos 33,3 Aristophanes – poeta 1,5 – grammaticus 31,3 Aristoteles 2,2f; 25,3 Aristoxenos 24,3 Artemis 3,1; 8,3; 9,5; 29,1 Asbolos 41,1 Asklepios 8,4; 21,3 Atalante 8,5 Athen 31,4; 39,5 Athene 8,4f; 21,2; 21,6 Atlas 39,4 Atossa 1,2 Atreus 39,1 Attika 1,4; 39,4 Attis 39,1 Attis 8,3 Auaria 38,2 Bakis 41,1 Belos 36,3 Berenike 10,3 Berosos 36,3f Besantis 33,7 Boiotien 39,2 Boiskos 33,2 Bryaxis 33,9 Busiris 3,3 Chaldäer 36,2f; 37,1 Chamaileon 31,3 Cheiramos 37,2f Cheiron 9,5 Chrysaor 8,4

Index nominum

Danaiden 26,2 Danaos 39,1.5; 41,7 Daphne 8,9; 19,7 Dardania 39,5 Dardanos 36,1; 39,5 Deinomenes 33,7 Deiphobos 21,2 Delos 10,1 Demeter 8,7; 9,4 Demodokos 41,1.5 Demokritos 17,1; 25,3 Diagoras 27,2 Diogenes 2,1 Diomedes 17,1 Dionysios – tyrannus 2,2 – Olynthius 31,3 Dionysos 8,6.8; 39,5 Dioskuren 10,4 Drakon 41,9 Drymon 41,1 Elephantis 34,9 Eleusis 8,7; 39,5 Empedokles 3,4 Engonasi 10,4 Ephoros 31,3 Epikuros 25,3; 27,5 Epimenides 41,1 Epimetheus 39,4 Eratosthenes 31,3f Erigone 9,5 Erinna 33,2 Eteokles 34,2 Euanthe 34,7 Euktemon 33,6 Eumolpos 39,5 Euphorbos 25,3 Euripides 3,1; 10,5; 24,1 Europa 33,8; 37,2; 39,5 Eurystheus 39,1 Euthykrates 33,3.7 Gaia 8,5 Ganymed 10,1; 34,8 Glaukippe 33,6 Glykera 33,9

265

Gomphos 33,2 Gorgo 8,4 Gyges 31,5 Halikarnass 31,16 Harmonia 34,15 Hegesias 24,2 Hektor 21,2.7 Helena 10,5; 21,7 Hellanikos 1,2 Hephaistion 34,8 Hephaistos 8,5 Hera 21,4.6 Herakleitos 3,1 Herakles 3,3; 17,1; 27,8; 41,2f Herakliden 31,4 Herodoros 27,8 Herodotos – Halicarnass. 31,3 – Olynthius 33,7.9 Homeros 8,1; 21,6; 31,1.3.5f; 36,1; 41,1 Horos 41,1 Hyakinthos 8,10 Hypsikrates 37,1 Ilion 31,4f; 36,1; 39,1f.4.7.9 Inachos 38,1–3; 39,1–3.6 Io 39,4 Iobas 36,4 Ion 39,5 Isaurer 1,1 Iustinos 18,6; 19,2 Kadmos 39,2.5 Kalliades 34,7 Kallisto 9,5 Kallistratos – grammaticus 31,3 – sculptor 34,7 Kambyses 31,3 Karer 1,1 Kaukasos 21,3 Kekrops 39,4 Kentauros 9,5; 41,1 Kephisodotos 33,2f Kleito 33,2 Kolophon 31,3

266

Index nominum

Kore 8,7; 39,5 Korinna 33,3 Krates – Cynicus 3,6 – grammaticus 31,3f Kreskes 19,2 Kreta 39,5 Kriasos 39,1 Kronos 8,6; 9,7; 25,5 Krotopos 39,1.4 Kybele 8,3 Kyklopen 1,2

Musaios 39,5; 41,1.4 Myro 33,2 Myrtis 33,2

Lais 34,7 Laitos 37,1 Lampsakos 21,6 Learchis 33,2 Leochares 34,8 Leon 27,3 Lesbos 33,2 Leto 8,8; 10,1 Leukippos 10,4 Linos 41,1f Lykurgos 41,8 Lynkeus 39,1.5; 41,7 Lysippos 33,2 Lysistratos 33,10

Ogygos 39,4 Olympos 1,2 Onomakritos 41,3 Orestes 10,5 Orpheus 1,2; 8,7; 39,5; 41,1.3f Ortygia 10,1 Ostanes 17,1

Marsyas 1,2 Megakleides 31,3 Melanippe 33,10 Meleagros 8,5 Meletos 3,3 Menandros – poeta 24,2 – historicus 37,3 Mendes 38,1f Menelaos 10,5; 37,2 Menestratos 33,2 Metis 25,5 Metrodoros 21,6 Mikon 33,8 Minos 6,2; 25,4; 39,5; 41,7 Mnesarchis 33,3 Mochos 37,1 Moses 31,1; 36,1.3; 37,3; 38,1; 39,2f; 40,1f; 41,1

Nabuchodonosor 36,3 Naukydes 33,2 Neaira 34,7 Neoptolemos 32,6 Nestor 32,4 Nike 33,8 Nikeratos 33,3.6 Nossis 33,3

Paionier 33,7 Panteuchis 33,7 Paris 10,5; 21,7 Pasiphae 33,9 Pegasos 8,4 Peisistratiden 41,3 Peloponnesos 39,5 Pelops 25,5; 39,5 Periklymenos 34,3 Perseus 39,1.5 Phaiaken 41,5 Phalaris 34,1 Phemios 41,1.5 Pherekydes 3,5; 25,3 Phersephassa 10,1 Philainis 34,9 Philammon 41,1.5 Philochoros 31,3f Philoktetes 32,6 Philon 34,8 Phoibos 21,2 Phorbas 39,1.4 Phoroneus 39,1f.4 Phryger 1,1 Phrygien 39,5 Phryne 33,7

Index nominum

Platon 2,1; 3,5; 25,3 Polyneikes 34,2 Polystratos 34,1 Poseidon 8,4.6; 25,5 Praxagoris 33,2 Praxilla 33,2 Praxiteles 33,7; 34,8 Proitos 39,1.5 Prokonnesos 41,1 Prometheus 10,4; 21,3; 39,3 Pronapides 41,1 Proteus 25,1 Ptolemaios 38,1f Pythagoras – philosophus 3,5; 25,3 – artifex 33,8; 34,2 Rhadamanthys 6,2; 25,4 Rhea 8,3; 10,1 Sappho 33,2.5 Semele 21,2 Semiramis 32,5 Sibylle 41,1 Sikelia 3,4; 9,6 Silanion 33,2f Sokrates 3,3 Solomon 37,2f Solon 41,9 Sophron 34,5

267

Sparta 41,1 Stesimbrotos 31,3 Sthenelaos 39,1.5 Stoiker 6,1 Tatianos 35,3; 42,1 Telesilla 33,3 Telmissenser 1,1 Thales 41,10 Thaliarchis 33,3 Thamyris 41,1.5 Theagenes 31,3 Thebai 39,5 Theodotos 37,1 Thersites 27,6; 32,6 Thespiai 21,3 Thyestes 39,1 Tlepolemos 41,2 Triopas 39,1 Triptolemos 9,4; 39,5 Troia 32,6 Tros 36,1 Tyrrhener 1,2 Zenodotos 31,3 Zenon 3,3 Zephyros 8,10 Zeus 8,2.6; 9,6; 10,1; 21,2f.6; 25,5; 27,4; 29,1; 33,8

Index verborum (sine verbis, quae frequentissime occurrunt: kaiÂ, oyÆ , eiÆ miÂ, oyÎ tow etc.) aÆ bdhrolo gow 17,1 aÆ belteri a 7,5; 12,6; 16,8 aÆ boh uhtow 13,3 aë bry nv 22,2 aÆ gauo w 1,5; 3,3; 7,2; 7,3; 17,5; 18,2 aÍ ggelow 7,2; 7,3; 12,8 aÆ ge lh 28,3 aÏ giow 15,1 aÆ gnoe v 20,6; 26,2; 26,5 aÍ gnoia 14,2 aÆ gnv mvn 31,2 aÍ groikow 1,2 aÆ grypne v 11,3 aÆ gxi noia 40,7 aÍ gv 9,3 aÆ gv n 12,7 aÆ gvni zomai 11,1 aÆ gvnoue thw 23,1; 23,4 aÆ delfh 10,1 aÆ delfoktoni a 34,2 aÆ delfo w 9,6 aÆ diki a 1,5 aÍ dikow 8,1 aÆ doji a 22,1 aÆ dynate v 16,6 aÆ dy natow 16,1; 20,5 aÍìdv 1,2; 22,5; 33,5 aÆ ei 6,1; 35,4 aÆ ei mnhstow 34,5 aÆ ero foitow 19,8 aÆ eto w 10,1; 10,4 aÆ h r 15,6 aÆ uanasi a 7,1; 13,1; 14,5 bis; 15,9; 20,6;

25,3 aÆ ua natow 7,1; 13,1; 14,4; 14,5; 15,10;

16,2

aÍ ueow 23,4; 23,5; 27,3 aÆ ueo thw 22,4 aÆ ule v 3,3 aÆ uy rv 9,2 aiÍgeirow 10,1 aiÆ de omai 33,5; 34,6; 34,8 aÆÈi diow 14,4 aiÆ doiÄow 8,3 aiÎma 8,4; 29,1 aië matekxysi a 23,5 aië re omai 7,3; 27,1 aiÏresiw 5,3 aiÆ sua nomai 17,7 aiÆ suhto w 4,3; 17,7 aiÆ sxro w 22,6; 22,7; 28,1 aiÆ ti a 16,8; 26,8; 30,4 aiÆ tia omai 20,5 aiÍtiow 12,3; 17,1; 31,6; 33,6 aiÆ xmalvtey v 18,5 aiÆ v n 6,1; 20,4; 26,3 aiÆ v niow 17,1 aÆ kerseko mhw 21,2 aÆ kma zv 31,3; 31,4; 31,5 aÆ ko smhtow 5,5; 9,5 aÆ koy v 5,5; 8,2; 33,1; 36,2 aÆ krasi a 2,1; 8,9; 33,8; 34,3 aÆ krath w 9,2 aÆ kri beia 27,1; 39,2; 40,6; 41,1 aÆ kribh w 15,4; 31,6; 37,1; 38,1 aÆ kroa omai 22,7; 32,2 aÆ kroath rion 22,7 aÆ kroath w 22,7 aÆ kroui nion 34,3 aÆ lazonei a 2,1; 3,7 aÆ lazoniko w 3,4

Index verborum aÆ lh ueia 3,6; 13,1; 17,2; 19,2; 26,5;

27,7; 34,9; 40,2 aÆ lhuey v 31,6 aÆ lhuh w 5,6; 27,1; 29,1; 31,6 aë li skomai 39,1; 39,5 aÆ llaxhÄ 29,1 aÆ llhgore v 21,5 aÆ llhgori a 21,6 aÆ llh lvn 26,5; 30,4 aÆ llo kotow 14,1 aÍ llow 3,3; 5,7; 8,3; 16,2; 17,8; 22,2; 26,1; 26,4; 29,1; 32,5; 35,1; 38,2; 40,3 aÆ llo triow 26,1; 35,1 aÆ logisti a 17,2 aÍ logow 5,4; 9,1; 15,3; 25,2 aÍ lytow 25,4 aÏ lvsiw 31,4; 31,5; 36,1; 38,3; 40,8 aÏ ma 20,6 aÆ mauh w 2,2; 35,4 aÆ maui a 3,2; 26,3; 32,6 aÆ ma ra 3,3 aë ma rtia 11,4; 14,3; 14,6; 20,2 aÆ metroeph w 27,6; 32,6 aÆ mh tvr 8,5 aÏ milla 27,7 aÆ moibh 32,2 aÆ moire v 14,3 aÍ mpvtiw 20,5 aÆ my nomai 17,3; 17,8 aÆ mfo teroi 1,2 aÆ nabiba zv 10,3 aÆ nagge llv 13,5 aÆ nagenna v 5,6 aÆ naginv skv 3,1; 26,2 aÆ nagrafh 1,2; 20,5; 31,6; 35,1; 37,3; 38,1; 39,2; 40,6 aÆ nagra fv 38,2; 39,3; 40,6; 40,10 aÆ nadei knymi 7,4; 8,1; 11,4 bis aÆ nazhte v 15,1 aÆ naur vÂìskv 8,4 aÆ naire omai 21,5 aÆ nai resiw 10,5 aÆ nakomidh 39,5 aÆ nakomi zomai 35,1 aÆ na krisiw 42,2 aÆ nalamba nv 10,1 aÆ nali skv 11,1; 25,5

269

aÆ naly v 12,7 aÆ najiopaue v 12,10 aÆ na ptomai 5,4 aÍ narxow 4,3; 5,7 bis aÆ na stasiw 6,1 aÆ natre xv 20,6 aÆ natypo v 13,4 aÆ nafai nomai 13,6 aÆ nafh w 4,3 aÆ nafy shsiw 3,4 aÆ ndraga uhma 7,2 aÆ ndragaui a 23,1 aÆ ndrei a 2,2 aÆ ndria w 35,1 aÆ ndro gynow 29,1; 34,8 aÆ ndroktasi a 29,1 aÆ nendeh w 4,5 aÆ nejeta stvw 27,1 aÆ nepisth mvn 13,2 aÆ nepith deytow 29,2 aÆ ne rxomai 10,3; 13,3 aÆ nh r 1,1; 4,1; 12,6; 13,1; 21,1; 21,5;

25,5; 34,1; 36,3; 36,4; 37,1; 38,2; 42,1 aÆ nui stamai 25,3 aÆ nurv pinow 4,2; 19,3; 32,1 aÆ nurvpokto now 8,4 aÆ nurvpopoio w 10,4 aÍ nurvpow 4,2; 6,1; 7,1 bis; 7,2; 7,3; 7,4;

8,1; 8,2 bis; 9,4; 12,1; 12,7; 12,8; 13,2; 14,4; 14,5; 15,1; 15,3 ter; 15,4; 15,5; 15,9; 15,10; 16,1 ter; 16,3; 16,5; 17,1; 17,4; 17,5 ter; 17,6; 18,5; 18,6; 20,4 bis; 20,5; 21,1; 21,3 bis; 21,7; 22,1; 22,4; 23,1; 23,5; 25,2; 26,4; 26,5; 26,8; 29,1; 35,4 bis; 39,2 aÆ nurvpo thw 15,3 aÆ nurvpofagi a 23,5; 25,5; 34,1 aÆ ni stamai 3,3; 13,1; 15,2 aÆ no htow 16,1 aÍ noia 7,5 aÆ no moiow 12,3 aÆ nono mastow 4,5 aÆ nterei dv 31,2 aÆ nte xomai 27,1 aÆ nti 9,3; 14,4 aÆ ntigenna v 5,6 aÆ ntidoje v 3,7

270

Index verborum

aÆ ntilogi a 35,3 aÆ ntipa ueia 17,1; 17,3 aÆ ntipoie v 34,9; 35,2 antisofi steyma 12,10 aÆ ntisofistey v 13,4 aÆ ny poptow 31,2 aÍ nv 12,10; 13,3; 27,8 aÆ nv terow 9,3; 11,1; 12,1; 31,1 aÆ jiopisti a 11,3; 25,2 aÆ jiopi stvw 2,1 aÆ jio v 9,1; 10,3; 28,3; 34,3 aÆ ji vw 7,2 aÆ o ratow 4,3 bis; 5,1; aÆ pagge llv 21,1; 24,1 aÆ pago reysiw 7,3 aÆ pauanati zv 10,5; 16,4; 25,4 aÆ paidey tvw 2,2 aÆ pa nurvpow 14,2; 24,1 aÏ paj 6,1 aë pajaplv Ä w 21,7; 32,2 aÏ paw 28,1 aÆ pata v 8,5; 8,7 aÆ patev n 19,2 aÆ pay gasma 15,8 aÍ peimi 16,8 aÆ pei rgv 40,4 aÍ peirow 14,6; 20,4; 34,6; 35,3 aÆ perga zomai 3,2; 17,5; 17,7 aÆ pisti a 31,2 aÆ planh w 9,1 aÆ plhsti a 11,1 aë plo thw 5,2 aÆ pobai nv 1,4; 7,3; 7,5; 14,5; 14,6; 25,4 aÆ po basiw 7,3 aÆ poble pv 21,3 aÆ pobolh 15,9 aÆ poge nnhma 8,1 aÆ pogi nomai 6,1 aÆ podei knymi 3,4; 4,2; 7,5; 9,1; 16,2;

31,2; 34,5; 39,3; 40,9; 40,10 aÆ po deijiw 36,2; 38,3; 40,6 aÆ pode xomai 3,1; 11,1; 21,3; 30,2 aÆ pode v 19,1 aÆ pody omai 30,1 aÆ po uesiw 26,2 aÆ poun hÂìskv 2,1; 10,3; 11,3; 11,4 bis;

13,1; 14,4; 14,5; 16,1; 19,3

aÆ poiki a 31,4 ter aÆ pokaui sthmi 6,4; 18,6 bis aÆ pokale v 1,2; 18,5 aÆ pokartere v 2,2 aÆ po keimai 6,4 aÆ pokoph 5,3 aÆ pokry ptv 26,7; 27,6 aÆ po kryfow 30,2 aÆ po laysiw 14,5 aÆ polay v 17,2; 18,6; 32,2; 33,6 aÆ po llymi 8,10; 9,4; 11,4; 15,1; 17,3;

21,3 aÆ pomnhmo neyma 21,3 aÆ po noia 7,4 aÆ popay v 17,2 aÆ pope tomai 18,6 aÆ poplhro v 38,3; 40,6 aÆ pore v 1,4; 21,4 aÍ porow 12,2 aÆ porri ptv 20,2 aÆ poskoraki zv 12,4; 12,10 aÆ pospa v 29,3 aÆ postasi a 8,1 aÆ postyge v 19,9 aÆ pota ssomai 1,5 aÆ pote mnv 5,3; 26,5; 32,1 aÆ po tmhsiw 8,3 aÆ pofai nv 3,3; 4,4; 21,4; 31,6; 40,3 aÆ pofe rv 1,2; 33,8; 34,3 aÆ prono htow 2,3 bis aÆ pro sitow 20,4 aÍ ra 13,2; 19,8 a Ë ra 23,4 aÆ rgi a 23,3 aÆ re skomai 2,2 aÆ reth 2,2 aÍ rktow 2,2; 9,5 aë rmoni a 1,2; 12,3 aÆ rne omai 4,2 aë rpagh 37,2; 39,5 aë rpa zv 8,7; 19,5; 33,8 aë rpasth w 10,4 aÍ rrhtow 34,9 aÆ rrhtoyrgo w 3,3 aÆ ry omai 40,1 aÆ rxaiÄow 6,4; 18,6; 20,4; 20,6; 35,2; 36,1;

40,5

Index verborum aÆ rxh 4,3; 5,1; 5,2; 5,6; 26,5; 40,3 aÆ rxhgo w 31,1 aÆ rxh Ä uen 13,4 aÍ rxv 7,4; 27,5; 29,3; 35,2; 36,26 aÍ sarkow 15,4 aÆ se lgeia 32,2; 33,5; 33,9 aÆ suenh w 32,6; 32,7 aÆ ske v 1,2; 19,1 aÍ skhsiw 19,1 aÆ sth r 10,3; 26,4 aÆ strouesi a 8,1; 9,1 aÆ strouete v 9,6 aÍ stron 1,1; 12,2; 27,9 aÆ stronome v 1,1 aÆ sy gkritow 15,4 aÆ symfvni a 31,6 aÆ sy mfvnow 25,5 aÆ syna rthtow 31,6; 35,2 aÆ sxhma tistow 12,2 aÆ sxhmone v 33,1 aÆ sxole v 27,9 aÆ sv matow 25,4 aÆ svtey omai 2,1 aÆ svti a 17,6; 23,3 aÍ svtow 12,5 aÆ tima zv 10,4 aÆ toni a 20,1 aÍ tonow 32,4 aÍ topow 1,4; 27,1; 32,4; 35,4 aÆ ttiki zv 26,8 aÍ tyfow 29,2 ayË 30,1 ayË uiw 1,5; 6,3 ayÆ lhth w 24,3 ayÆ lhtikh 1,2 ayÍ ra 8,10 bis ayÆ ta rkeia 2,1; 19,1 ayÆ ta rkvw 31,6 ayÆ tejoy siow 1,5; 7,2 bis; 7,3; 7,5; 11,4;

15,9 ayÆ todi daktow 3,1 ayÆ xe v 34,1 aÆ faire omai 26,1 aÆ fhge omai 36,3 aÆ fhnia zv 12,6 aÆ fuarsi a 7,1; 32,1 aÍ fuonow 30,4

271

aÆ fi emai 1,5 aÆ fikne omai 3,7; 21,2; 40,1 aÍ fijiw 37,2; 39,5 aÆ fi stamai 26,6 aÆ formh 16,5; 22,3; 30,1; 30,2; 30,3 aÆ frai nv 21,4 aÆ xa ristow 4,2 aÍ xri 38,3 ba rauron 26,2 barbariko w 1,4; 12,10; 26,8; 29,2 ba rbarow 1,1 bis; 21,7; 28,3; 30,3; 31,1;

35,2; 35,3; 42,1 bare v 23,1 basilei a 3,7; 9,6; 9,7 bis; 39,1; 39,5 ter basiley w 4,2; 10,3; 19,1; 36,3; 37,2 bis;

38,1 mult.; 39,1; 39,3 basiley v 6,4; 9,7; 11,1; 40,7 basi lissa 33,7 bdely ttomai 34,3; 34,9 bebaio v 32,3 bibli on 26,2; 27,8; 36,3 bi blow 36,4; 37,1 bi ow 11,3; 37,1; 39,2 bio thw 14,6 bio v 14,6 blakei a 32,7 bla ptv 16,5; 25,5 ble pv 8,2; 16,5; 34,1 boh ueia 17,5 bohue v 17,5; 17,8; 23,2 bohuo w 9,5; 17,3; 31,2 bo lbiton 3,2 bora 17,1; 21,3 bo rborow 21,8 boy lhma 7,2 boy lomai 2,2; 4,1 bis; 6,4; 8,5; 10,2;

11,1; 12,9; 13,4; 15,5; 15,10; 17,3; 17,6; 18,4; 21,3; 22,5; 30,1; 30,4; 31,1; 31,4; 35,1; 36,1 boyÄ w 21,2 brabeiÄon 33,8 brade vw 32,4 braxy w 8,10; 30,1; 40,10 bre fow 30,1 bvmoloxi a 35,3

272

Index verborum

gameth 21,2 game v 8,2 ga mow 8,3; 37,2 gastrimargi a 2,1; 25,1 gela v 2,3; 3,5; 8,2; 32,3; 32,4; 32,5;

33,8 geloiÄow 9,6 ge lvw 17,2 genea 38,3; 39,2; 40,2; 40,4; 40,7 ge neion 19,1 ge nesiw 6,3; 8,1; 9,2; 11,1; 11,4; 12,2;

13,3; 21,4; 26,4 genhto w 5,7 gennaiÄow 32,6 genna v 5,4; 5,6; 7,1; 33,6; 40,8; 42,1 ge now 28,1; 31,3; 33,6 gevgrafi a 20,5 gevmetre v 1,1 gevrgi a 39,5 gh Ä 9,1 bis; 12,2; 20,3; 27,7; 27,8; 27,9;

35,1; 42,1 gh Ä raw 32,4 ghra skv 21,4; 35,4 ginv skv 4,2; 6,3; 13,1; 17,4; 20,6; 26,3;

26,6; 39,3; 42,2 glvssomani a 3,6 glv Ä tta 12,9; 24,2 gnv mh 7,3; 14,1; 14,5; 16,3; 16,5; 32,3;

32,7 gnv Ä siw 12,7; 19,3 go hw 17,2 goyÄ n 2,2; 15,7; 15,8; 19,2; 28,2; 34,1 gra mma 1,1; 9,6; 17,4 bis; 26,8; 31,1;

38,1 grammatiko w 26,5; 31,3; 38,2 graologi a 3,5 grafh 9,2; 12,4; 29,2; 38,2 gra fv 31,6; 35,2; 36,4 gymnhtey v 20,6 gynaikvniÄtiw 33,1 gy naion 33,5 bis; 34,3; 34,8 gynh 1,2; 10,5; 33,1; 33,9; 34,6 gvni a 26,7 d adoyxe ì  v 27,5 daimona v 22,2 daimo nion 19,5; 32,6

dai mvn 7,5 bis; 8,2; 9,1; 9,3; 12,5; 12,7;

12,10; 13,4; 14,1; 14,2; 14,5; 14,6; 15,6; 15,7; 15,8; 16,1; 16,3; 16,5; 17,3; 17,4; 17,6; 18,5; 19,9; 20,3; 21,5; 22,1; 29,1; 40,1 d aÂìw 5,4 bis deiÄ 1,4; 19,3; 20,1; 22,6; 26,8 dei dv 16,8; 19,2; 19,3; 34,1 dei knymi 9,5; 15,3; 16,5; 19,10; 27,4; 33,4; 34,1; 40,3 deiÄpnon 25,5 deisidaimoni a 22,3 de ka 19,5 dektiko w 15,3 bis de ndron 10,1 de omai 25,1 desmo w 15,4 despo thw 4,2; 5,1; 6,4; 9,3; 12,7; 18,4 dey terow 39,5; 40,2; 40,9; 42,1 dh 37,2; 40,10 dhladh 21,7 dhlhth riow 19,10; 18,2 dhlo omai 37,2 dh Ä low 39,3 dhmioyrge v 5,6; 8,5; 12,3; 17,4; 17,6; 33,10; 34,8 dhmioyrgi a 4,4 dhmioyrgo w 5,7; 7,2; 17,6; 33,3 dhmo siow 18,6; 26,7; 32,1; 33,6 dhmotelh w 22,1 dh poy 5,5 diaba llv 4,5; 8,5; 25,3; 32,6; 34,6 dia basiw 39,5 dia bolow 22,3 diagela v 21,2 dia gramma 8,1 diadoxh 25,4; 39,3 diai resiw 12,2 di aita 7,4; 9,1 bis; 15,5 diaita v 13,3 diakla v 22,2 dia konow 13,6; 19,5 diakorey v 21,3 diako sioi 31,4 diakosme v 21,3 diako smhsiw 12,3; 20,3; 21,6; 27,7 dia krisiw 12,2

Index verborum diale gomai 21,6; 26,6 dia lektow 1,4; 30,4 diama xomai 25,4; 27,1 diame nv 20,4 diane mv 8,4; 9,6 diapei rv 2,2 diaph gnymi 20,5 diapra ttomai 14,5; 22,6 diapry siow 25,3 diaspa v 6,4 diati uemai 1,1 diatri bv 9,1; 40,5 diafanh w 39,3 diafuora 1,5 diafora 12,1; 12,3 bis; 12,8 dia forow 12,3; 25,4 diaxra omai 8,10 di dagma 22,1 didaskali a 32,2 dida skalow 2,2; 19,7; 40,2 dida skv 1,2; 3,1; 35,4 di dvmi 9,7; 29,3; 37,2 dih ghma 21,1 dih ghsiw 30,4; 36,2 dih kv 4,3; 4,4 dika zv 6,2 di kaiow 1,5; 3,3; 7,2 bis; 10,5; 13,5 dikasth w 12,7 dioi khsiw 26,4 dio per 3,7; 17,2; 21,3; 35,2; 39,2 dio ti 19,2; 23,4 difyh w 30,3 div kv 19,2; 28,3 do gma 1,1; 2,2; 2,3; 3,5; 8,3; 12,10;

19,3; 24,3; 25,3 bis; 25,4; 27,1; 27,9; 29,2; 32,1; 35,2 bis; 35,3; 40,1; 42,2 dogmati zv 3,7; 6,1; 15,3 doke v 8,5; 9,6; 26,8 dokima zv 29,1; 32,7 dokimasth w 6,2 do kimow 1,1; 38,2 do ja 11,3; 12,3; 18,6; 26,7; 27,1; 27,3; 31,6; 32,1 bis; 35,1 dojomani a 11,1; 19,3 do ry 2,2 doylei a 4,2; 11,2; 29,3 doyley v 4,2; 17,5

273

doyÄ low 11,2; 11,4 dramatoyrgi a 16,3 dra kvn 8,7; 10,1 drastiko w 16,1 bis; 19,5 dro mow 2,3; 27,9 dryto mow 25,1 dryÄ w 12,10; 19,8 dy namai 13,1; 13,4; 17,8 bis; 26,3; 29,1;

30,4 bis; 31,4; 31,6 dy namiw 4,3; 5,1 ter; 5,4; 7,1; 7,3; 7,4;

12,3; 13,4; 16,1; 16,8; 18,1; 18,5 dynato w 7,5; 11,4; 12,4; 15,10; 16,6;

16,7; 17,4; 18,4; 20,5; 20,6; 31,6 bis dy o 12,1; 36,4; 40,4 dysxerai nv 27,3; 35,3 dvrea 10,3; 19,1; 32,2 dvre omai 37,2; 15,9 dvri zv 26,8 dvrodoke v 4,5 dvrolh pthw 10,2 eÆ a n 11,2; 26,1 eÆ a v 12,7 eë bdomh konta 36,3 eÆ ggi zv 37,3 eÆ gei rv 19,9 eÆ gkale omai 26,4 eÆ gko smiow 18,6 eÆ gkratey omai 9,2 eÆ gkyre v 35,1 eÆ gkvmiasth w 7,3 eÍ uow 18,6; 33,1 bis; 35,1 eÍ uv 9,2; 14,2 eiËdow 7,2; 14,6; 15,5; 17,6; 18,1; 29,1;

34,9 eiÍkosi 38,3 eiÆ kosto w 31,5 eiÆ kv n 7,1; 7,5; 10,4; 12,1; 15,3; 15,4;

33,6; 34,1 eiÆ li poyw 21,2 eië marme nh 7,3; 8,1 ter; 8,2; 9,1; 9,3 bis;

9,7; 10,2; 11,1; 11,3 bis eiÍper 17,6 eiËpon 3,1; 10,1; 15,9; 19,8; 29,2; 31,5;

31,6; 33,2; 33,4; 35,2 eiÎw 3,3; 5,4; 9,2; 9,3; 11,2; 12,3; 12,8;

21,3; 22,3; 28,1; 40,2

274

Index verborum

eiÆ sa paj 25,4 eiÆ sayÄ uiw 9,2; 14,5 bis eiÆ shge omai 3,3; 8,1; 33,6 eiËta 4,4; 6,3; 9,5; 18,6; 34,6 eÏ kastow 3,7; 12,4; 17,4; 26,1; 40,6 eë ka terow 7,2; 12,1; 31,1 eë kathbo low 8,10 eë kato n 31,4 ter; 40,8 eë katosto w 31,4 eÍ kblhtow 9,1; 9,7 eÆ kdapana v 6,4 eÍ kdikow 17,8; 25,2 eÍ kdosiw 3,1 eÆ keiÄnow 15,5; 16,5; 18,6; 24,2; 27,1;

29,2; 31,3; 33,8; 36,1; 40,1 eÆ kuli bv 10,4 eÆ kkhry ssv 27,3 eÆ kpaidey v 14,3; 19,1 eÆ kpone v 20,5 eÆ kporney v 10,5 eÍ kpyrow 20,5 eÆ kpy rvsiw 3,3 bis; 25,4; 39,4 eÆ kteleio v 7,2 eÆ kti uemai 4,5; 35,1; 36,3; 38,1 eÏ ktow 40,9 eÆ kfe rv 2,1 eÍ kfrvn 19,6 eÆ kfvne v 3,7; 18,6 eÆ kfv nhma 22,7; 33,5 eÆ kfv nhsiw 12,9; 26,8 eÆ kxvre v 24,3 eÆ latto v 5,4; 12,3 eÆ la ttvma 11,2 eÆ la ttvn 4,4; 12,5; 14,6; 15,7; 19,8;

20,2; 23,3 eÍ lafow 18,4; 27,6 eÍ legxow 27,3; 31,2 eÆ leyueri a 7,2 eÆ ley uerow 11,2; 11,4 eÆ le faw 33,6 eÆ maytoyÄ 3,1; 5,5; 29,1; 35,1; 42,2 eÆ mbakxey v 16,3 eÆ mo w 4,4; 26,4 eÆ mpi mplamai 30,2 eÆ mple v 26,3 eÆ mpodi zv 16,2 eÆ mpodv n 20,4

eÆ na martow 19,10 eÆ nanti ow 3,7 eÆ nantio thw 8,3 eÆ napo keimai 6,4 eÍ narurow 15,5 eÍ natow 40,9 eÍ naysma 13,4 eÆ ndeh w 4,5; 5,3 eë nde katow 40,7 eÆ nde v 40,6 eÆ ndiatri bv 35,1 eÍ ndojow 34,5 eÆ ndote rv 31,4 eÍ neimi 19,4 eÏ neken 9,6; 36,2 eÍ nioi 9,6; 28,1 eÆ ni stamai 26,3 bis eÆ nneottey v 19,2 eÍ nnoia 12,9; 17,4 eÆ ntayuoiÄ 20,3 eÆ nteyÄ uen 20,4 eÆ nte xnvw 34,8 eÆ nto suiow 12,3 eÆ ntryfa v 12,7 eÆ ntygxa nv 27,2; 29,2 eÍ ntyfow 3,6 eÆ jadynate v 16,3; 26,1 eÆ jai retow 26,4 eÆ jai siow 29,2 eë jako sioi 19,1 eë jakosto w 40,9 eÆ jamele v 25,1 eÆ janue v 14,6 eÆ japata v 14,2; 22,7 eÆ ja rthma 17,3 eÆ jarty v 26,8 eÆ jaske v 14,1 eÆ jatmi zv 6,4 eÆ jafani zv 6,4 eÍ jaciw 5,4 eÆ jeiÄpon 23,3 eÆ jele gxv 12,4 eÆ jeta zv 30,4; 31,6 eÆ jeyri skv 1,1; 22,6; 29,1 eÆ jh ghsiw 35,2 eÏ jiw 16,8 eÆ joke llv 14,2

Index verborum eÆ jori zv 20,3 eÆ jorxe omai 27,2 eÆ joysi a 30,2 eÆ jyphrete v 17,8 eÍ jv 2,1 eÍ jvuen 22,2 eÍ oika 8,5; 12,9; 18,6; 26,2; 30,1 eÆ pagge llomai 23,4; 36,2; 42,1 eÍ paulon 23,1 eÆ paine v 1,3; 3,1; 7,2; 8,9; 22,3 eÆ pakoy v 30,4 eÆ panaire omai 23,3; 26,6; 29,1 eÆ pana stasiw 12,7; 29,1 eÆ pani sthmi 7,4 eÆ papo llymi 34,2 eÆ pei 6,3; 17,6 eÆ peida n 16,2; 16,8; 17,5; 18,6 eÍ peimi 16,8 eÍ peita 18,6; 31,3 eÆ pe keina 20,5 eÆ pe ndyma 20,6 eÆ pe rxomai 3,7 eÆ pibai nv 39,2 eÆ pi geiow 32,1 eÆ piginv skv 19,10; 26,7 eÆ pi gnvsiw 13,1; 40,1 eÆ pidei knymai 2,2 eÆ pie nnymi 25,1 eÆ pizhte v 20,1 eÆ pikathgore v 27,1 eÆ pikosme v 26,1 eÆ piko smhma 20,6 eÆ pikrate v 9,2 bis; 14,2; 30,2 eÆ pile gomai 3,7; 12,5 eÆ pimartyre v 3,6 eÆ pimasti diow 34,1 eÆ pimonh 32,3 eÆ pi moxuow 9,2 eÆ pi noia 34,6; 35,1 eÆ piorki a 10,3 eÆ pi plastow 40,2 eÆ piplokh 18,2 eÆ pipoue v 20,2; 20,4 eÆ pisth mh 15,3 bis; 33,8 eÆ pistolh 1,2 eÆ pisymbai nv 19,10 eÆ pita ttv 16,1

275

eÆ pitele v 22,1; 23,4 eÆ pite xnhsiw 18,1 eÆ pith deyma 1,1; 14,3; 22,4; 27,6; 28,2;

31,1; 33,1; 33,4; 35,2 eÆ pithdey v 3,2; 11,1; 18,2 eÆ pitomh 22,3 eÆ pitre pv 20,1 eÆ pitvua zv 17,2 eÆ pife rv 40,3 eÆ pifoita v 18,6; 35,1 eÆ pifoi thsiw 17,3; 26,4 eÆ pixeire v 21,5 eÏ pomai 13,4; 14,3; 14,6; 25,3; 32,1 eÆ pombri a 39,4 eÆ poyra niow 7,1; 9,1; 16,7 eë pta 9,2; 31,5; 40,9; 40,10; eÆ ra v 17,3; 8,3; 8,4; 8,10; 25,5 eÆ rga zomai 25,1 eÍ rgon 5,2; 26,6; 27,9 eë rmhnei a 1,4; 12,4 eë rmhney w 38,1 eë rpeto w 9,1 eÍ rrv 24,2 eÆ rv Ä 13,2; 21,7; 30,3; 31,6; 40,3; 40,10 eÍ rvw 1,5 eÆ rvtomanh w 33,5 eÍ sxatow 35,1 eÍ svuen 22,2 eë tai ra 33,2; 33,7; 33,9; 34,7 eë teroh merow 10,4 eÏ terow 1,3; 3,7 bis; 15,4 bis; 18,2; 30,3;

31,5 eÆ th siow 19,1 eÍ ti 20,1; 29,1; 31,1; 36,1; 40,1; 40,6;

40,10 eÏ toimow 4,2; 42,2 eÍ tow 31,4; 31,4 mult.; 31,5 bis; 36,1;

36,3; 39,1; 39,2; 40,8; 40,9 eyË 17,6 eyÆ areste v 9,2 eyÆ ge neia 2,3; 11,2 eyÆ daimoni a 2,2 eyÆ dai mvn 2,3 eyÆ ergesi a 21,3 eyÆ ergete v 9,4 eyÆ erge thw 9,4; 18,5 eyÆ h uvw 21,6

276

Index verborum

eyÆ kata lhptow 16,4; 29,2 eyÆ krasi a 20,4 eyÍ logow 9,1 eyÆ marh w 11,3 eyÆ pre peia 1,3 eyÏ resiw 1,2; 31,1; 36,1 eyë ri skv 3,3; 12,6; 29,1; 30,4; 31,1;

33,5; 40,9 eyÆ sy noptow 15,7 bis eyÍ taktow 12,2 eyÆ taji a 12,6 eyÆ telh w 10,1 eÆ fe lkv 13,6 eÆ fi emai 1,5; 11,3; 12,7 eÆ xuro w 17,8 eÍ xidna 18,4 zey gnymi 15,1 zhlo v 25,2 zhte v 3,6; 13,4; 26,2; 29,1; 34,9 zh thsiw 27,9 zv Ä 11,4; 14,3; 14,5 bis; 16,1; 17,7 zvgre v 18,6 z vdiako ì  w 9,2 zvh 14,4; 14,5 zv Äìon 10,1; 10,4; 12,8; 15,3 bis; 15,4;

19,8; 23,5 z vÂìvsiw 9,1 hÍ 2,2; 6,3; 14,5 bis; 15,4 ter; 17,1; 17,5;

21,4; 21,5 bis; 24,3 bis; 27,1; 27,8; 30,3 hë gemoni a 36,3 hë ge omai 1,2; 3,7; 8,2; 34,3; 38,1 hÍ dh 37,3 hÏ domai 8,3; 8,6 hë donh 11,2 hÏ kistow 17,7 hÆ laka th 33,5 hÆ li uiow 27,8 hë liki a 32,2; 32,4; 36,3; 37,3; 40,1;

40,10 hÏ liow 4,4; 11,2; 26,4; 27,7; 27,9 hë me ra 12,7; 17,1; 20,4 hë me terow 4,5; 12,10; 21,1; 21,8; 30,2;

30,4; 31,1; 32,3; 33,1; 34,9; 35,3; 40,3 hë mi tomow 9,5 hÍ n 17,4; 30,4

hÍ per 13,6; 14,1; 40,1 hë rviÈko w 22,3 hÏ rvw 40,1 ua lassa 6,4; 20,5 ua natow 3,2; 6,3; 11,1; 11,2; 13,1; 14,3;

14,4; 15,9 ter; 15,10; 17,8; 19,1; 19,2; 19,2 ter; 19,3 bis; 26,4; 27,6 ua terow 8,2 bis; 12,3; 25,1 uayma zv 22,2 bis; 32,4 uayma siow 18,6 uaymasto w 22,6; 25,1; 31,2; 34,1; 34,3 ue a 23,4 uea omai 17,5 ueath w 23,4 ueatrokope omai 19,4 ue atron 8,1 ueiÄow 4,4; 12,4; 12,9; 13,3; 16,4; 29,2 ue lhma 5,2; 12,3 ue lv 3,5; 4,4; 11,1; 15,9; 16,7; 19,5 ter; 22,5; 25,3; 26,3; 27,1; 30,4; 38,1 ueodi daktow 29,3 ueologe v 10,3 ueoma xow 13,6 ueopoie v 18,5 ueo w 1,5; 3,3; 3,4; 4,2; 4,3 bis; 4,4 bis; 4,5; 5,1; 5,7 bis; 6,2; 6,4; 7,1 bis; 7,2 bis; 7,4 bis; 7,5; 9,2; 9,4; 10,1 bis; 10,2; 10,3; 10,4; 11,4 bis; 12,1; 12,2; 12,7; 13,1; 13,2; 13,4 bis; 13,5; 13,6; 15,1; 15,3 bis; 15,4 bis; 15,5 bis; 15,7; 16,8; 17,5; 17,6; 17,7; 18,1; 18,3; 18,4; 18,6; 19,3; 19,4; 19,5; 19,9; 20,1; 21,1; 21,4; 21,5; 21,8; 22,3; 25,2; 25,4 bis; 25,5 bis; 26,2; 26,5; 26,7; 27,3; 27,5 bis; 30,1; 32,1; 32,2; 32,3; 32,4; 33,5; 40,3; 42,2 bis ueose beia 17,5 ueosebh w 13,6 ueo thw 12,6; 21,5 ueofilh w 12,4 uerapei a 34,3 uerapey v 8,3; 16,8; 17,3; 18,1 bis; 18,4; 18,5 bis; 20,1 ue siw 27,9; 28,1 uevre v 11,1; 22,6; 34,1 uevri a 20,5

Index verborum uhlydri aw 29,1 uhri on 6,4; 15,5; 25,1 uhriv dhw 39,2 uhsayro w 22,3; 30,2 un hÂìskv 4,2; 10,3; 13,1 bis; 14,3 bis;

14,5; 17,8; 21,3 unhto w 7,5; 8,2; 13,1; 21,4 unhto thw 20,6 uoina v 34,1 urhskei a 16,5; 29,1 uriambey v 26,1 uri j 12,3 uyga thr 8,6 bis; 8,7; 9,4; 22,6; 33,8;

37,2 uymiko w 9,2 uytikh 1,1 uy v 10,4; 23,5 uv raj 16,7 iÆ a omai 18,2 bis iÆ atrikh 3,2 Íi diow 26,1 bis; 40,2 ië erey w 36,3; 38,1 ië kano w 36,4 ië laro w 26,8 iÆ leo w 2,1 ië ma tion 25,1 Ïi merow 32,1 Ïi na 1,5; 2,2; 4,2; 7,1; 8,5; 9,1; 12,1;

12,2; 16,5; 33,4; 40,2; 40,6 Ïi ppow 8,4; 17,1; 18,2; 32,4 iÆ sody namow 5,7 Íi sow 4,3; 32,4 Ïi sthmi 26,3; 33,9 ië stori a 1,2; 31,6; 36,3; 36,4; 37,2; 39,2;

40,3 ië storiko w 31,1 iÆ sxyro w 14,1; 31,4 iÆ sxy v 15,7; 17,4 kaua 1,2 kauaire v 26,5 kaua per 4,1; 5,6; 5,7; 8,5; 14,1; 16,5;

18,3; 19,2; 19,4; 25,5; 26,6; 30,1 kauaro w 12,5 kauei rgv 2,2 kaue lkv 16,6; 20,1

277

kaui drysiw 39,5 kauidry v 10,3; 21,6; 33,8 kaui hmi 19,1 kaui zomai 23,2 kaui stamai 2,1; 9,7; 17,8; 20,4 kauo 5,1 ka uodow 31,4 kauopli zv 16,7 kauora v 13,4 kauv w 33,6 kainotome v 35,3 kairo w 13,1; 25,4; 35,2; 36,1 kaki a 14,2; 17,6; 34,2 kakoh ueia 16,3 kakopoie v 17,6 kakopragi a 29,1 kako w 3,3 bis; 16,5; 18,2 bis; 18,3; 19,2;

23,3 kale v 1,4; 8,8; 10,1; 12,1 ka llow 2,3 kalo w 10,4 bis; 12,3 bis; 17,5; 18,3;

19,4; 19,8; 22,7 bis; 23,4; 28,2; 32,3; 34,3 ka matow 16,8 ka mnv 16,8; 18,6 kaÍ n 1,5; 3,5; 6,3; 6,4 mult.; 11,2; 12,10 bis; 13,1; 18,2; 18,3; 20,1; 21,3; 21,5; 25,2; 25,5; 27,4; 27,5; 32,2 bis; 32,7 karatomi a 8,4 kardi a 27,6 karki now 18,4 kataba llv 1,3; 9,7; 20,3 katabibrv skv 17,1 katabouro v 34,2 katagge llv 21,1; 27,6 katagela v 10,3 katagi nomai 3,3 kataginv skv 28,1; 33,8 katadika zv 2,2 katadi kh 29,3 kataklysmo w 39,4 katakoloyue v 10,5; 13,4; 14,1; 18,5; 19,9; 25,5; 26,7 katakoy v 12,10; 17,2; 19,10 katakri nv 23,4 katakry ptv 3,1 katalamba nv 4,3; 13,2; 16,8

278

Index verborum

katalei pv 10,5; 13,4; 26,7 kata lhciw 5,6; 11,4; 12,10; 15,7; 19,1;

21,8; 27,6; 30,1; 35,1 kataly v 26,4 katamanua nv 27,1; 35,1 katanoe v 12,4; 34,3 katapi nv 25,5 kataska ptv 38,2 kataskeya zv 17,6; 33,9; 34,4 kataskeyasth w 4,3 kataskeyh 7,2; 12,2; 19,4; 34,1; 37,2 katasteri zv 9,6 katata ssv 36,3; 37,1 katafrone v 11,1; 19,1; 19,2; 19,9;

22,2; 27,5; 27,6 katafronhth w 19,3 kataxra omai 1,4; 2,3; 12,9; 14,5; 18,2;

26,7; 31,2; 32,1 katacey domai 3,4 ka teimi 3,1; 23,2 katejoysia zv 15,9 katepei gv 35,2 kate rxomai 27,8 katesui v 10,4 kate xv 26,6 kathgore v 3,3 kath gorow 22,3; 33,8 katoike v 15,5 ka tv 13,3; 16,3; 16,6; 31,5 ka tvuen 13,3 katv terow 2,3; 36,3; 37,3 kayxa omai 17,1 kay xhma 2,1 keley v 4,2; 18,6 keiÄmai 31,1; 32,1 kenodoje v 12,6 kenodoji a 32,1 kenodo jvw 12,4 keno w 5,2; 5,5 kefa laiow 31,6 kh Ä ryj 17,2 khry ttv 19,2; 22,7; 27,8; 36,3; 40,1 kiuaristh w 8,6 ki naidow 22,3 kine omai 17,7; 22,5; 22,6 ki nhsiw 22,6 klai v 2,2; 8,7; 32,3

klhronomi a 3,5 klhrono mow 25,3 klh Ä siw 15,9 koino w 12,2; 17,1; 28,1 koinvne v 19,3; 22,4 koinvni a 18,3 kola zv 7,2; 14,4; 18,3; 27,1 kolakey v 2,2; 3,7 koloio w 26,1 ko mh 25,1 koniorto w 30,2 ko prow 3,2 korako fvnow 15,3 ko raj 1,5 ko rh 19,5 koroko smion 8,5 kosme v 12,2 kosmiko w 12,10 ko smow 5,2; 6,4; 11,4; 12,2; 12,3; 12,7;

13,1; 16,4; 17,6; 18,5; 19,4; 19,5; 19,9; 20,1; 25,4; 29,3; 32,2 kradai nv 16,8 kra zv 17,2; 24,1; 25,2 krate v 8,2 kraty nv 3,2; 30,1; 35,1 kre aw 23,1 krei ttvn 10,5; 12,3; 15,7; 20,3; 20,4; 30,3 krevfagi a 23,5 kri nv 6,2; 8,1 bis; 18,3; 32,7 kri siw 6,1; 12,7 krith w 23,4; 25,4 kry ptv 13,5; 21,5 kta omai 1,1; 1,3; 12,3; 12,5; 12,8; 13,3; 13,4; 15,6; 20,6; 20,6; 27,3 kth Ä ma 30,2; 34,8 kti siw 36,1 ky bow 8,1 kye v 8,6; 21,4; 33,6; 33,7; 34,1 ky klow 6,1; 9,2 ky know 10,1; 10,4 kylinde omai 21,8 kynogami a 3,6 ky vn 9,5; 18,4; 25,2 kvly omai 29,3 kvlyth w 7,3 kvmiko w 1,5 kvfo w 26,6

Index verborum laby rinuow 26,2 lale v 5,5; 22,6; 26,8; 33,5 lamba nv 5,3; 10,2; 12,2; 12,5; 12,7 bis;

13,1; 17,3; 19,1; 19,5; 19,8; 23,5; 25,2; 29,3 bis; 30,3; 32,3 lanua nv 16,4 laryggia v 1,5 le gv 2,3; 3,3; 3,4; 8,7; 8,10 bis; 9,4; 12,9; 12,10; 15,3; 15,7; 17,1; 19,1; 19,6; 20,5; 21,4; 21,5; 21,5; 25,1; 25,4; 26,4; 26,8; 27,4; 27,6; 27,7; 30,3; 31,6; 32,3; 33,1; 33,3; 35,2; 35,3; 36,2; 38,1; 40,2 lei canon 17,7 le jiw 1,4; 26,1; 27,9; 29,2 le vn 18,4; 27,8 lhrai nv 33,1 lh Ä row 9,7; 21,1; 33,1; 34,5 l hstey ì  v 14,2; 18,3; 23,4; 23,5 l hsth ì  w 12,6; 18,3; 18,6; 27,1 l hstotrofe ì  v 23,4 li an 2,2; 8,1; 21,6; 36,1 li banow 19,6 li uow 4,4 li xnow 12,5; 19,2 logi zomai 22,2; 32,7 logiko w 5,1; 7,1; 15,3 lo giow 40,3 lo gow 1,3; 1,5; 3,3; 5,1; 5,2 bis; 5,4; 5,5 bis; 5,6 bis; 6,3; 7,1 bis; 7,2; 7,3; 7,4; 12,9; 13,2; 15,9; 16,8; 17,1; 18,5; 22,7; 25,5; 26,1; 26,6 bis; 26,7 bis; 27,2; 27,4; 27,6; 27,7; 30,1; 32,1; 40,6 loidore v 21,1; 22,4; 25,2; 25,3; 30,3; 32,5 loidori a 27,1 loipo w 7,4; 13,5; 15,1; 15,5; 15,7; 16,1; 16,6; 20,4; 20,6; 42,2 ly uron 8,4; 29,1 lype v 23,4 ly ph 2,2; 11,1 lyphro w 14,5 ly v 13,1 bis; 19,4; 25,4; 30,1 magey v 1,1 ma gow 8,3; 17,1; 28,2 mauhth w 33,5; 39,5; 40,3

279

mai nomai 2,2; 17,3; 17,5; 19,6; 24,1 makro w 12,6; 26,6; 29,1 ma la 3,6; 4,2; 13,6; 14,1; 17,8 bis; 18,1;

18,4; 23,1; 31,2; 33,1 manua nv 9,3; 12,9; 20,6; 34,7; 35,1;

36,4 mani a 11,4; 22,3; 33,1 mantey omai 12,10; 19,6; 19,7; 19,8; 19,9 mantiko w 1,1; 8,9; 19,5; 19,8 marmary ssv 22,2 martyre v 8,7; 23,2 martyri a 1,3; 12,7; 20,1 ma rtyw 31,2; 36,2 ma xh 1,5; 19,9 megalayxi a 35,2 me gaw 12,1; 14,6; 19,2; 19,2; 23,3; 24,1;

25,1; 29,1 megista n 3,7 meira kion 2,2; 10,3; 32,2; 32,6; 33,1 me law 33,7 meleta v 21,2 me llv 7,3; 7,3; 14,4; 26,3 bis; 29,2 me low 18,6 me lv 3,1; 6,3; 34,1 me nv 7,3; 42,2 meri zv 5,3; 26,3; 26,5 merismo w 5,3 me row 16,2; 26,5 mesto w 32,7; 35,3 metabai nv 20,2; 25,2 meta basiw 5,5 metabolh 20,4 meta gv 17,2; 21,5; 21,6 metaite v 11,3 metakosme v 39,2 metalamba nv 7,1; 11,3; 12,3; 14,4;

16,1; 18,3; 20,4; 26,4; 29,1 metamorfo v 10,1 metamo rfvsiw 10,1 metani sthmi 16,2 meta noia 15,8; 15,9 metarryumi zv 5,6 metarsio omai 16,3 metati uhmi 10,5 mete xv 14,4 mete vrow 17,2 metoiki zv 20,3

280

Index verborum

metoysi a 20,2 me triow 11,3 me tron 27,9 me xri 2,3; 3,7; 12,7; 20,5; 26,3; 34,1;

34,5; 40,6 mhde 1,1; 1,3; 1,4; 17,2; 19,1; 21,5 bis;

24,1; 30,3; 31,2; 33,4; 34,9; 35,3 mhdei w 17,7; 25,1; 33,2 mhde pv 5,1 mhke ti 6,3 bis; 9,7 mhny v 21,4 mh te 3,7; 17,7 mh thr 28,2 mh ti 8,2; 14,6 mhtroktoni a 24,1 mhxanh 17,4 miaifone v 23,4 miaro w 4,1; 23,4; 25,5 mikro w 30,1 mi mhsiw 1,2; 3,5; 5,6; 7,1; 25,2 mi jiw 8,5 mise v 2,2; 3,7; 4,1; 9,7; 11,1; 17,3; 17,5;

25,5; 27,1 misuo w 1,5; 8,4; 10,3 mitrhfo row 10,5 mnh mh 3,1 mnhmoney v 33,7; 33,9; 39,4; 40,3 mnhsth r 40,5 mo giw 39,2 moiÄra 7,1 moixei a 17,5; 22,3; 33,8 moixey v 8,2; 22,6; 34,4 monarxi a 14,1 monarxiko w 29,2 monomaxe v 8,2; 23,2; 23,4 monoma xow 23,5 monomerh w 15,2 mononoyxi 33,9 mono v 14,2 mo now 1,4; 4,2 bis; 4,3; 5,1; 5,7; 6,1; 6,3;

6,4; 7,2; 13,3; 15,3; 15,5; 15,7; 19,2; 19,9; 25,4; 26,4; 31,1; 32,2; 34,5; 36,1; 40,1 morfh 10,1; 21,1 mo sxow 33,8 moxuhri a 17,4 moxuhro w 3,3; 7,2; 17,7; 22,7

my drow 27,7 myelo w 12,3 mye v 1,2 myuologe v 6,2; 10,1; 21,3 myuolo ghma 24,2; 34,5 myuologi a 40,2 myÄ uow 21,1; 21,5 myri ow 29,3 mysth rion 8,7; 27,2; 29,1 mysthriv dhw 3,1 mystiko w 8,7; 34,3 mvrai nv 21,1 nao w 3,1; 15,5; 37,2 nayÄ w 26,3 nayti llomai 8,6; 11,1 nekro w 16,1; 17,7 ne ow 32,4; 32,6 neosso w 20,2 neyÄ ron 12,3; 17,4 ney v 13,3; 16,3; 22,5 nhkto w 9,1 nh piow 30,1 nika v 8,9; 8,10 bis; 9,2; 15,9; 15,10 bis;

16,7 ni kh 19,9 noe omai 12,2 bis noma w 39,2 nomi zv 6,3; 8,2; 8,5; 9,1; 14,1; 16,5;

18,3; 18,6; 21,6; 28,2; 31,1; 33,1; 40,2; 40,6; 40,7 no mimow 4,1 nomouesi a 12,10; 28,1; 40,7 nomouete v 8,3; 9,2; 14,5; 17,4; 27,9; 40,8 nomoue thw 9,3 no mow 7,4; 15,9; 28,1; 32,1; 40,3 nose v 17,3; 19,5 no sow 11,1; 16,8; 18,6; 20,4 noynexh w 39,2 noyÄ w 1,3; 15,3 bis nyÄ n 1,4; 1,5; 2,3; 8,7; 8,9; 8,10; 9,2; 10,1; 12,10; 14,4; 14,5 bis; 15,1; 15,4; 16,6; 21,4; 21,5; 28,1; 31,1 bis; 33,9; 34,1; 34,5; 35,2; 35,4; 40,6; 41,1; 42,1 ny j 21,3; 22,7 nvuh w 32,4

Index verborum jenoktone v 3,3 je now 33,4 ji fow 24,1 jy lon 4,4; 12,5; 25,1; 37,2 jympa ueia 17,1 oÆ gdoh konta 31,4 bis oÏ de 39,1 oë dhge v 13,3 oÏ uen 1,2; 5,3; 19,3; 39,3 oiËda 4,3; 5,2; 6,4; 12,1; 19,1; 19,4; 25,2;

30,1; 36,3 oiÆ keiÄow 2,2 bis; 17,8; 18,6; 21,3; 24,1;

30,3; 35,4 oiÆ khth rion 13,3 oiÆ konomi a 5,3; 12,3 bis; 12,3; 18,4;

19,10; 21,7 oiÆ kono mow 9,7; 11,1 oiËkow 1,3; 31,2 oiÍktistow 17,8 oiËmai 16,2; 26,3; 40,6 oiËow 21,5; 22,1 oiÍxomai 21,3 oÆ kne v 23,3 oÆ ktvkaide katow 39,1 oÆ li gow 3,1; 3,3 oÏ low 4,3; 5,1; 6,1; 12,7; 27,6; 29,2 oë mh gyriw 33,5 oë mili a 1,4; 26,8 oë moiopauh w 35,4 oÏ moiow 1,4; 3,6; 8,2; 8,4; 10,3; 12,2; 12,5; 14,2; 14,4; 14,5; 15,3; 16,5; 16,6; 21,3; 24,3; 26,4; 34,3; 40,2 oë moi vsiw 12,1; 15,3; 15,4; 15,5 oë mofvne v 1,4 oÆ mfalo w 8,8 bis oÏ mvw 18,3 oÍ neirow 1,1; 18,6; 21,3 oÆ ni nhmi 8,9 oÍ noma 1,2; 26,5; 27,1; 36,3 oÍ nyj 25,1 oÏ plon 31,2 oë poiÄow 8,2; 21,5; 32,6 oë po tan 14,4; 16,8; 31,2 oÏ pvw 3,1; 7,2; 16,3; 17,4; 19,1; 22,6; 40,2 oë rato w 4,2; 5,1; 6,4

281

oë ra v 6,3; 11,2; 12,2; 18,6; 19,4; 22,2

bis; 23,1; 29,1; 32,7; 34,2 oÆ rgi zomai 8,2; 10,2 oÆ re gomai 11,3 oÆ ruv Ä w 18,6 oë ri zv 9,1; 17,4 oÍ rniw 1,1; 19,8 oÍ row 8,3; 9,1; 26,3 oÏ row 2,2; 31,1 oÆ rfano w 8,5 oë sa kiw 14,3 oÏ siow 21,8 oÏ sow 20,6; 28,1; 40,2 bis; 40,3 oÆ ste on 12,3; 17,4 oÏ stiw 1,3; 2,2; 3,3; 3,7; 4,2; 20,6; 29,1;

33,6; 33,8; 34,3; 35,2; 36,3; 37,2; 40,1; 42,1 oÏ te 1,4; 6,4; 16,5; 16,8 oÏ ti 3,4; 8,9; 10,4; 17,1; 20,6; 26,3; 29,3 bis; 33,1; 33,7; 33,8; 34,1; 38,2; 39,2 oyÆ damv Ä w 15,7; 16,6 oyÆ de 3,1; 4,5; 6,2; 10,5; 12,9; 17,3; 21,1; 21,8; 26,4; 31,6; 32,7; 39,2 oyÆ dei w 6,2; 11,4; 13,2; 15,4; 19,1; 21,7; 23,2; 26,6; 27,5 bis oyÆ ke ti 26,7 oyÆ koyÄ n 40,1 oyË n 3,2; 7,2; 11,1; 12,2; 12,5; 12,8; 13,4; 15,2; 15,4; 16,8; 20,5; 23,5; 29,1; 30,1; 30,3; 35,1; 40,3; 40,6 oyÆ ra niow 20,2; 20,6 oyÆ rano w 9,1 bis; 9,5 bis; 9,6; 10,3; 10,4; 12,2; 16,3; 16,6; 20,3; 20,4; 26,2 oyË w 12,3 oyÍ te 5,7 bis; 15,2; 15,4; 16,2; 16,4; 21,5 bis; 21,6 ter oyÍ ti 15,4 oÆ fualmo w 4,2; 12,3; 22,2; 34,7 oÍ ciw 22,2; 33,4 oÆ copoio w 25,1 pa uow 2,1; 8,2; 17,3; 19,9 paidei a 1,1; 12,10; 27,1; 31,1; 34,1;

35,3 paiderasti a 10,1; 19,2; 28,3 paidey omai 12,10; 25,5; 42,1 paideyth w 22,3

282

Index verborum

paidi on 33,6; 33,7 paidofuore v 8,2 pai zv 8,1 paiÄw 8,5; 22,6; 28,3; 33,5; 34,1; 34,3;

40,2 pa lai 6,3; 6,3 palaio w 1,1; 11,4; 31,1 palai v 32,4 pa lin 2,2; 3,3 bis; 6,3; 11,4; 13,1; 15,10;

19,8; 25,3; 30,1 panh gyriw 3,7; 19,4; 22,1 pantelh w 6,1 pantodapo w 11,1; 37,2 pantoi vw 22,2 pa ny 1,1; 1,5; 2,1; 2,2 ter; 3,3; 6,3; 12,4;

19,2; 34,1; 34,8; 36,1 parabai nv 7,2 para basiw 7,5 parabrabey v 9,2; 40,2 para ggelma 29,2; 31,1 paragi nomai 12,7 paradektiko w 31,2 paradi dvmi 3,1; 7,5; 15,9; 17,1; 21,3;

34,5; 39,2 para dosiw 39,2 paraite omai 3,3; 3,6; 7,4; 9,3; 11,1;

11,4 ter; 13,6; 15,10; 16,7; 18,2; 19,9; 20,4; 22,4; 32,1; 34,9 parakaly ptv 40,2 parakoloyue v 12,10 paralamba nv 5,1; 17,5; 31,1; 31,2 bis para lhciw 17,4 paranome v 9,7 paraplh siow 12,3; 17,4 paraskeya zv 17,5; 33,7 parasy rv 3,7 paratre pv 16,3; 17,5 paratre xv 26,3 para forow 12,10 paraxara ttv 40,2 paraxvre v 24,3 pa rdaliw 2,2 pareika zv 34,3 pa reimi 17,5 pareisa gv 10,5; 21,7 pare rxomai 26,3 pare xv 4,2; 8,1; 16,5; 23,5; 30,2; 34,7

parhori a 32,4 parue now 21,3; 32,5; 33,1; 33,5 pari sthmi 1,5; 31,1; 33,1; 42,2 paroi xomai 26,3 paromoio v 4,4 paro moiow 15,4 paroysi a 39,5 bis pa Ä n (= universum) 5,1 bis; 29,2 path r 4,3; 5,2; 5,4; 7,1; 32,1 pay omai 1,2; 26,1 peda omai 9,7 pedi on 10,5 pei uv 2,2; 4,2; 13,6 bis; 17,5; 20,6; 21,5

ter; 24,3; 27,7; 27,8; 29,2; 30,1; 32,1; 36,2 peina v 23,3 peira omai 28,3; 32,4; 35,1; 35,2; 40,2 pe nhw 11,3 bis; 32,2 pe nuow 9,4 pe nomai 8,1 pentako sioi 31,5 pe nte 38,2 penth konta 21,3 penthkosto w 40,3; 40,10 perai nv 6,1; 20,4 pe raw 12,7 periba llv 19,2 peri bolow 21,6 perigrafh 11,3; 32,3; 39,2 perigra fv 2,2; 18,6 perigi nomai 11,3 periergi a 40,2 perie xomai 16,7 perilhpto w 4,2 perime nv 1,3; 3,7 perinoe v 29,2 peri odow 6,1 peripate v 2,1 peripla ssv 3,2 perispoy dastow 34,5 peritre pv 22,1 peritto w 14,4 peritygxa nv 23,4 perife rv 2,2; 23,1; 24,1; 25,1 pesso w 9,2 pe tomai 20,2 phgh 40,1

Index verborum

283

ph linow 22,2 phlv dhw 20,5 ph ra 25,1 piua knh 2,1 piuano thw 27,9 pi uhkow 18,4 pi uow 26,2 piktey v 23,2 pi mpramai 24,1 pi nv 19,6 pipra skv 1,5; 2,1; 23,3 pi ptv 8,2; 26,2 pistey v 6,1; 6,3 bis; 10,3; 16,1; 18,1;

poihtikh 1,5 poih tria 34,6 poikili a 17,4; 32,1; 35,1 poiki low 16,3; 20,4 poimai nv 21,2 poiÄow 1,1; 17,4 poleme v 16,6; 19,5; 26,5; 32,4 polemiko w 32,5 pole miow 16,5 po lemow 8,6; 19,9; 26,8; 36,1; 39,5;

18,4 bis; 19,10; 32,6; 33,10; 40,1 pi stiw 15,9 plana omai 19,5 pla nh 13,4; 29,2; 29,3; 31,6 planh thw 9,2; 9,3; 10,2 plastikh 34,5 pla ttv 1,2 pleoneji a 19,5 plh Ä uow 35,3 plh kthw 23,1 plhmmele v 14,5; 14,6 plh n 7,2; 12,3; 36,1 plhsi on 21,5 plh ttomai 16,8 plo kamow 10,3 plokh 8,3 ploy siow 6,4; 11,3 bis; 18,5 ployte v 8,1; 11,1; 11,3; 19,9; 23,3; 23,5; 25,1; 32,2 ployÄ tow 2,3; 30,2 pneyÄ ma 4,3 bis; 4,4 bis; 7,1; 7,5; 12,3; 12,5; 12,8 ter; 12,8 bis; 13,2; 13,3 bis; 13,4 bis; 13,5; 13,6; 15,1; 15,5; 15,7; 16,7; 20,2; 20,6; 21,1 pneymatiko w 15,6 po a 17,5; 18,4 poie v 1,4; 5,3; 5,4; 5,6; 7,1; 9,1; 11,4; 12,3; 12,4; 13,1; 13,6; 15,7; 17,6; 19,9; 20,5; 26,3; 30,1; 30,4; 33,7; 33,8; 34,2; 34,7; 34,8; 35,1; 36,2; 37,3; 40,6 poi hma 4,3; 9,2; 33,2; 34,3 poi hsiw 1,2; 3,1; 4,3; 5,1; 5,6; 7,2; 10,4; 12,2; 16,6; 29,2; 31,3; 42,2 poihth w 3,3; 6,2; 22,7; 31,1; 31,6

politei a 4,1; 9,1; 27,6; 28,1; 34,9; 40,3;

40,1; 40,5 po liw 17,1; 19,2; 26,1; 28,1; 29,1; 35,1;

40,1 42,2 poli teyma 19,4 politey omai 12,5; 13,5; 33,5 polla kiw 1,5; 11,3 bis; 18,2; 22,2 polykoirani h 14,1 polymerh w 15,2 poly poyw 2,1 polypragmone v 24,3 poly w 3,3 ter; 3,7; 5,4 bis; 8,3; 9,2; 11,3;

13,4; 14,2; 17,8 bis; 22,5; 25,1; 27,5 bis; 29,3; 32,7; 33,1 bis; 34,3; 35,1 ter; 36,1; 36,2; 36,3; 37,3; 38,2; 39,2; 40,2; 40,4; 40,5; 40,8 poly timow 30,2 polyxroni vw 14,6 poly xrysow 10,5 pompey v 26,7 ponhri a 7,3; 11,4; 15,8; 23,4; 30,1 ponhro w 10,4; 17,6; 22,1; 23,4 porei a 16,3; 38,1 pori zv 25,2 pornei a 11,1; 34,7; 34,8 porney v 34,7 po rnh 34,6 porniko w 33,5 po rnow 34,7 po rrv 15,3; 32,2 porfyri w 2,1 po sow 40,3 potamo w 6,4; 18,4 potapo w 15,4 pote 1,2; 15,2; 22,2 bis po teron 21,4

284

Index verborum

poyÄ 10,3; 37,3 pra Ä gma 17,6; 33,1; 36,2 pragmatei a 22,4; 40,6 pragmatey omai 15,1; 18,6 bis; 19,2;

22,7; 29,1; 32,4; 35,3; 37,1 pra Ä jiw 8,7; 9,5; 22,3; 29,1; 38,1; 39,3;

39,5 prasv dhw 20,5 pra ttv 14,3; 15,3; 16,6; 17,7; 21,5;

33,4 presbey v 15,5; 40,1 pre sbyw 29,2; 31,1 bis; 31,3; 31,5; 36,1;

39,2; 40,1 bis presbyÄ tiw 21,2; 32,2 presby thw 33,1 pri n 6,3; 9,5; 10,3; 27,1; 36,1 pro 6,2; 7,2; 12,2; 31,4; 31,5; 36,3; 40,1;

40,8 prosago reysiw 13,5 prosagorey v 19,8; 19,9 proa gv 40,4 proaire omai 5,5; 19,5; 33,9 proai resiw 7,2 proba llv 5,5; 5,7; 11,3; 12,2 pro baton 10,4 progenh w 40,2 proginv skv 8,9 pro gnvsiw 1,1 prognv sthw 19,7 prognvstiko w 7,3; 12,10; 29,2 pro eimi 18,6; 23,4 proereyna v 31,3 proe rxomai 5,4 proerv Ä 9,5; 10,3; 10,5; 12,6; 12,10;

14,6; 18,6; 21,7; 31,6; 34,1; 36,1; 37,2; 39,2; 40,1; 40,10 proe xv 3,7; 15,5; 23,4; 40,7 prouyme omai 12,6; 33,1; 33,4 proi j 32,2 prokale omai 23,1 pro keimai 23,1 prole gv 7,3; 20,6 prolhmma 3,7; 27,1 pronoe v 2,3 pro noia 2,2 pronomi a 28,3 prophda v 5,2

prosana ptv 17,5 prosane xv 18,1 prosa ptv 8,5; 30,1 prosarta v 21,3 pro sgeiow 2,3 prosgra fv 16,8 pro seimi (proseiÄnai ) 24,1; 32,6 pro seimi (prosie nai ) 32,7 prose rxomai 16,4; 18,4 prosexh w 19,2 prose xv 12,4 proshgori a 17,1 prosh kv 31,1 prosi emai 32,2 pro skroysma 3,7 proskyne v 2,2; 4,4 bis; 10,2; 10,4; 12,6 proslamba nv 5,3; 14,5 prosne mv 26,5 prosomile v 5,5 prosta ttv 4,2 prosvnymi a 9,6 pro svpon 34,1 protei nv 21,8 protre pomai 8,2 pro fasiw 2,2; 22,1 profh thw 20,6; 36,3 profora 1,3 prvto gonow 7,4; 7,5 prvto plastow 20,3 prv Ä tow 5,3; 5,4; 12,1; 39,4; 40,2; 42,1 prvto tokow 5,2 prvto typow 9,6 ptero n 26,1 pte rvsiw 20,2 pth Ä siw 1,1; 19,8 ptvxey v 9,2 ptvxo w 6,4 pygmh 4,1; 26,8 pyÄ r 3,4; 5,4; 6,4; 15,6; 17,1; 21,3 pyro w 9,4 pvgvnotrofe v 25,1 pvle v 23,3 pv Ä w 4,4 bis; 8,2; 8,3; 8,10; 9,5; 9,7 bis;

10,3; 11,1; 16,1; 17,5 ter; 17,6; 21,2; 22,2; 26,3; 26,8; 27,1; 27,7; 27,8; 32,4; 34,2; 34,6

Index verborum rë aÂìdiow 14,3; 14,5; 30,4 rë h Ä ma 1,3; 14,1 rë hte on 15,4 rë htologi a 40,2 rë htorikh 1,5 rë i za 17,4; 17,5 rë inayle v 22,6 rë v mh 2,3 rë v nnymai 32,7 sa lpigj 1,2 sarkiko w 6,3 sarki on 6,4; 15,6; 25,4 sa rj 13,3; 14,3; 15,2; 15,4 ter safhni zv 40,1 seaytoyÄ 19,5 bis; 25,2 se bv 10,2; 21,5 selh nh 2,3 bis; 4,4; 10,3; 27,7 semno w 1,5; 2,1; 33,6; 34,1 semno thw 34,6 semny nomai 2,1; 10,1; 11,2 shmai nv 17,4 skeyÄ ow 26,6 skhnh 22,6 skh nvma 15,5 skorpi ow 9,5 skoti a 13,2 sko tow 3,1; 13,2 bis skyti w 17,3 skytode chw 25,1 skv lhj 3,3 sofi a 1,5; 13,6; 26,4; 26,5 bis; 31,1;

40,7 so fisma 26,1 sofistey v 22,6; 25,3; 35,1 sofisth w 35,4; 40,2 sofistiko w 12,9 sofo w 10,5; 33,10 bis; 40,6; 40,10 spa v 3,2 spei rv 9,4; 11,3 spe rma 30,1 spermolo gow 6,3 spey dv 12,9; 26,4; 41,1 spora 11,3 spoyda zv 8,2 spoydaiÄow 2,1; 3,1; 3,6; 17,5; 28,1;

29,2; 33,5; 34,7; 34,8; 34,9

285

stagv n 8,4 sta siw 1,4; 16,8; 19,9; 31,6 stasiv dhw 25,4 stere omai 8,5 stefano v 23,1 ste fanow 11,1; 23,1 stixopoio w 24,3 stoixeiÄon 9,6; 21,5; 21,6; 36,1; 39,2 stoixei vsiw 9,1; 17,4 stolh 24,1 stratey v 36,3; 40,2 strathge v 32,6 strathgi a 11,1 strato pedon 7,5; 23,4 stvmy low 14,1 sy 8,9 bis; 19,5 bis; 19,6; 19,8 bis; 19,9

bis; 20,1 bis; 25,2; 25,3 bis; 26,8 bis; 27,1 sygge neia 20,6 syggenh w 1,4; 5,6; 13,6 syggi nomai 8,6; 28,2 syggnv mh 20,1 syggrafey w 40,1 syggra fv 40,1 sygkri nv 15,4; 21,1; 21,8; 33,4 sy gkrisiw 31,1 sygkroy v 4,1; 26,8 sygxra omai 4,1; 18,3 sy gxysiw 5,6 syzygi a 13,3; 15,1 sykofanti a 1,5 sylagvge v 22,4 syla v 10,4 syllamba nv 33,7 syllogismo w 27,9 symbai nv 16,8; 29,2 bis symba llomai 24,1 symboyley v 27,6 sy mboylow 19,5 sy mpaw 12,2 symperiple kv 13,5 sy mphjiw 12,3; 12,5; 15,6 sympo sion 2,2 symfora 26,7 symfra dmvn 19,5 sy mfyrtow 1,4 symfvni a 12,3

286

Index verborum

sy mfvnow 25,4 synagei rv 23,4; 28,3 synagvni zomai 19,5 syn aÂìdv 1,3 synakoloyue v 7,4 syna ma 16,6 synapoun hÂìskv 13,3 syndeipne v 18,3 syndi aitow 13,4 syndiati uhmi 22,5 sy neimi 23,4 synele gxv 3,2; 19,2; 35,4 synejakoloyue v 7,4 synestia v 18,3 syne xv 2,1; 3,2; 15,4; 41,1 synh gorow 1,3 sy nuesiw 17,4; 18,2 sy nuetow 15,2 syni hmi 29,3; 39,2; 40,2 syni stamai 1,2; 1,5; 29,1; 30,2 synolkh 3,2 synoysi a 20,2 sy ntagma 34,5 sy ntajiw 12,9 synta ttv 1,2 bis; 1,5; 15,4; 17,4; 31,6;

35,1; 40,3; 40,4; 42,1 synte leia 6,1; 13,1; 17,1 sy ntomow 36,2; 40,10 syÄ rigj 1,2 syÄ w 18,4; 34,3 sy stasiw 1,1; 4,3; 6,1; 12,2; 12,3; 14,5;

15,5; 15,10; 30,1 systratey v 36,1 sfa ttv 10,4 sfeiÄw 7,5; 12,6; 13,6; 16,3; 16,8; 17,4;

17,5 sfeteri zv 26,6 sfo dra 22,2; 32,6; 40,6 sxedo n 40,10 sxetiko w 15,4 sxh Ä ma 4,3; 22,7; 24,1; 26,7; 32,7; 34,2 sxhmatoyrgi a 9,6 s vÂìzv 8,4; 13,2 bis; 16,7 sv Ä ma 2,3; 3,2; 6,1; 12,3; 13,1 bis; 15,2

bis; 15,7; 16,2; 16,8; 25,4; 32,7 svmaski a 23,1 svrei a 27,9

svfrone v 33,1; 33,5 sv frvn 10,5 tameiÄon 6,4 tapeino v 26,7 tayÄ row 10,4; 33,8 ta fow 8,8; 27,4 te uhpa 24,3 tekmh rion 36,4 tektai nv 26,6 tektoniko w 26,6 te leiow 4,4; 12,7 bis; 13,4; 15,4; 17,6;

20,2; 25,4 teleyta v 3,2; 11,3 teleyth 6,2 tele v 4,2 te menow 8,8; 21,6; 39,5 tera stiow 33,6 te rma 20,4 te rpv 22,7; 29,1 terpvlh 8,1 tessara konta 31,4; 31,4 tessarakosto w 40,9 te tartow 38,2 tetrako sioi 31,5; 39,2; 40,9 tetra poyw 9,1 te xnh 4,2; 8,9; 17,5; 18,5; 25,2; 27,6;

32,6; 33,7; 33,8; 35,1 ti uhmi 2,2 ti ktv 34,7 tima v 1,4; 4,2; 4,4; 8,3; 9,6; 10,4; 33,8;

34,2; 34,8 timh 9,1; 10,3; 32,2; 33,6 ti miow 33,1 timvre v 27,2 bis timvri a 13,1; 17,2; 17,8; 18,3; 21,3 titrv skv 8,2 toigaroyÄ n 1,3; 9,7 to lma 14,2 to pow 33,7; 15,8; 20,5; 29,3 tosayta kiw 14,3 tosoyÄ tow 1,4; 19,1; 28,1; 34,6 to te 7,4 toyte sti 31,5 trag vdopoio ì  w 3,1; 8,10 treiÄw 37,1; 36,3 tre pomai 3,6; 12,5; 12,6

Index verborum tre fv 23,5 tre xv 26,3 tria konta 34,3 triakosto w 40,9 tri tow 31,5; 36,3 tro pow 6,3; 7,1; 7,3; 17,1; 17,4; 18,2;

18,3; 21,5; 26,4; 29,1; 35,2; 38,3 tygxa nv 32,2 tyranne v 8,6 tyrannoktone v 8,6 ty rannow 29,3; 34,1 tyflo w 26,6 tyÄ fow 1,3 yÏ briw 23,1 yÏ drvc 3,2 yÏ dvr 9,1; 12,8; 19,6 yië o w 25,5 yë liko w 4,3; 12,1; 12,3; 18,2 yÏ lh 4,3; 4,4; 5,5; 5,6; 5,7; 6,3; 6,4; 12,1;

12,2 ter; 12,3; 12,5 bis; 12,6; 15,8; 15,9; 16,6 bis; 16,7; 16,8; 17,5; 18,1; 18,2; 18,4; 20,1; 21,8; 31,2; 37,2 yë me terow 17,2; 21,4; 24,3; 26,7; 27,6; 31,2; 32,3; 32,7; 33,1; 35,1; 42,1 yë pa gv 31,5 yë pa rxv 2,3; 4,3; 4,4; 5,1; 6,3; 8,1; 11,2; 12,1; 12,3; 12,8; 16,5; 19,7; 19,8; 19,9; 21,7 yë perh fanow 3,1 yë perpai v 32,2 yë perti uemai 35,2 yë perfe rv 19,2 yë phresi a 17,5 yë phrete v 4,2; 17,5 yë phre thw 4,4 yë po uesiw 8,1; 21,8 yë pokrith w 22,3 yë polamba nv 17,5; 36,1 yë pome nv 11,2 yë po mnhma 27,3; 34,2; 34,7 yë pomnhmatisth w 22,3 yë po stasiw 5,1; 6,3; 6,4; 15,8; 18,2; 21,5; 21,6 yë pofe rv 21,3 yÏ sterow 3,1; 13,1; 31,4 bis; 36,1; 40,9 yë fa nthw 25,1 yë fi sthmi 5,1

287

faidro w 12,3 fai nomai 15,2; 35,4; 36,1; 39,2; 40,1;

40,2 fanero w 4,5; 15,2; 40,2 fanero v 8,2 fantasi a 14,2 fa ntasma 7,5 farmakei a 18,1 fa rmakon 20,1 fa skv 26,4; 32,5 fayÄ low 7,2; 11,4; 18,2; 18,3; 19,4; 21,5 fe ggow 20,4 fey gv 8,2; 27,6 feykto w 38,1 fe romai 26,3 fhmi 1,2; 3,1; 8,1; 8,3; 9,2; 10,3; 12,5;

17,1; 19,3; 21,2; 21,6; 25,3; 31,4; 31,5; 34,3; 36,4; 38,1; 38,2; 40,3 fue ggomai 1,4 fuonero w 21,3 fuone v 1,1 fuo now 32,7 fuorey w 33,7 filargyri a 11,3; 19,2 fila rgyrow 19,9 file xurvw 1,1 filomauh w 40,4 filoneiki a 23,1 fi low 2,2 bis; 16,5; 17,1 filosofe v 2,1 bis; 2,3; 25,2; 32,2; 32,7; 33,4; 35,3; 40,2; 42,1 filosofi a 3,2; 31,1; 35,2 filo sofow 3,7; 19,1; 19,2 bis; 25,1; 27,9; 37,1 filo cofow 3,7 flh nafow 6,3; 21,4 flyare v 33,1 flyari a 26,5; 34,5; 35,3 fobe omai 4,2 foney v 8,1 bis; 23,3 bis; 23,5 bis; 27,8 fo now 19,5; 22,3; 23,4 fojo w 32,6 forba w 28,3 fo row 4,2 forti on 23,1 fro nimow 7,4; 16,2 froyre v 15,7

288

Index verborum

fy omai 8,2; 19,10 fysa v 26,7 fysiko w 21,5; 26,8 fy siw 7,2; 21,6; 21,7; 22,5 fyto n 12,8; 19,8 fvnh 1,4; 1,5; 5,5; 15,5; 37,1 fv Ä w 5,4; 9,2; 13,2 bis fvsth r 12,8 fvteino w 13,2

xvri zomai 5,3; 7,5; 32,1; 32,2 xvri on 13,3; 20,5; 38,1 xvri w 15,2 bis; 16,1 xvrismo w 13,4

xai nv 22,5; 24,1; 26,2; 34,7 xai rv 35,2 xalepo w 16,2; 34,2; 35,4 xalkeytikh 34,5 xalkey v 1,2; 33,6 xalkoyrge v 33,2; 33,7 xamaipeth w 20,2 xarakth r 17,4 xa riw 1,5; 4,1; 4,4; 6,1; 7,2; 18,4; 19,3;

21,2; 21,3; 21,7; 23,5 bis; 33,5; 34,8 xeimv n 16,8 xei r 22,2 xeiro v 30,2 xleya zv 22,1; 33,1; 33,4; 33,5 xley h 30,3 xra omai 12,10; 17,6; 36,2; 40,2 xrh 1,3; 1,4; 3,7; 15,1; 20,4; 22,6; 34,9; 36,2; 39,2; 40,1 xr hÂìzv 11,3; 25,1; 32,6 xrh simow 6,1; 19,1; 33,2; 34,6 xro now 1,2; 4,3; 12,4; 14,5; 26,3; 31,5; 31,6 bis; 37,3; 38,1; 38,2; 40,3; 40,6 xrysoyÄ w 19,1 xvre v 5,2; 6,4; 15,3

34,5;

ca ltria 33,9 cay v 26,7 cedno w 32,6 celio v 34,8 cellismo w 26,8 ceydh w 31,6 ceydolo gow 22,7; 34,5 cey domai 16,3; 19,7; 22,2; 22,4; 27,4;

27,6; 32,3 ceydoma rtyw 25,5 cey sthw 4,2 cyxh 1,5; 4,4; 11,1; 12,1 bis; 13,1; 13,2

bis; 13,4; 13,5 bis; 14,2; 15,1; 15,2 bis; 15,4 bis; 15,9; 16,1; 16,2; 16,4; 20,2; 20,6 bis; 23,5; 25,3; 25,4; 29,3 cyxiko w 15,7; 16,5 cyxrologi a 35,2 cyxro w 20,5 v Ë 1,1; 8,9; 14,1; 17,2; 20,4; 21,5; 25,5;

42,1 28,1;

31,3; 38,3;

vÆ mobori a 2,1 v Ë mow 25,1 vÆ ne omai 23,3; 23,5 bis vë raiÄow 10,3 v Ï ra 20,4 v Ï ste 9,2; 14,4; 19,1 vÆ fe leia 24,1 vÆ fele v 27,9 vÆ fe limow 24,3

Autorenregister Abramowski, L. 34 Adam, A. 232 Alfonsi, L. 89, 236, 238 Altaner, B. 236 Andresen, C. 43, 233 Baarda, T. 121 Barbel, J. 37 Bardenhewer, O. 233 Bardy, G. 38, 204, 205 Barnard, L.W. 13, 195, 205, 231, 233, 237 Bauer, W. 205 Beyschlag, K. 34 Blond, G. 7 Bludau, J. 26 Bolgiani, F. 16, 163, 237 Bornstein, W. 26, 93, 236 Botti, G. 52 Bousset, W. 34 Burgess, St.M. 39 Casamassa, A. 9, 38, 93 Chadwick, H. 82, 209 Chrestu, P.K. 4 Clarke, G.W. 13 Daniel, H.A. 204, 205 Dembowski, H. 26, 93 Di Cristina, S. 5, 24, 36, 231, 232, 236, 237 Dräseke, J. 204 Drobner, .R. 25 Droge, A.J. 12, 79 Edwards, M.J. 34, 231 Elze, M. 1, 8, 12, 13, 31, 32, 36, 37, 39, 41, 42, 43, 44, 45, 51, 54, 56, 66, 73, 74, 83, 205, 208, 209, 210, 212, 235

Fascher, E. 233 Feuerstein, J. 31 Fiebig, P. 25, 26 Fojtik, J.E. 66, 69, 86 Foster, P. 25 Freund, S. 5, 62, 87, 143, 170 Fuller, J.M. 25 Funk, F.X. 9, 10 Geffcken, J. 11, 12, 83, 204 Gilg, A. 34, 97 Giordani, I. 231 Gradel, I. 5 Grant, R.M. 8, 11, 12, 13, 37, 39, 45, 74, 139, 204, 210, 212, 213, 214, 215, 217, 231, 233, 235 Greschat, K. 7 Hagemann, H. 34 Hamman, A. 4, 233 Hanig, R. 30, 35, 37, 39, 83, 93, 97, 123, 139, 223 Harnack, A. 2, 8, 9, 10, 11, 15, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 24, 25, 26, 34, 38, 39, 83, 107, 163, 188, 210, 214, 224 Harris, J.R. 3, 4, 233 Hawthorne, G.F. 4, 8, 45, 205, 208, 209, 210, 231, 233, 235 Head, P.M. 34 Heiler, C.L. 23 Hofrichter, P. 35, 215 Holzhausen, J. 202 Hübner, R.M. 35 Hunt, E.J. 6, 45, 53, 83, 203, 205, 208, 209, 212, 214, 215, 217, 218 Hyldahl, N. 66 Joly, R. 121

290

Autorenregister

Karadimas, D. 25, 36, 233, 236 Kalkmann, A. 5, 70, 79, 83, 171 Kennedy, G.A. 231 King, J.T. 121 King, K.L. 204 Koch, W. 162 Koltun-Fromm, N. 8, 205 Krause, W. 58 Kremmer, M. 67, 83, 84 Kukula, R.C. V, 10, 11, 12, 20, 21, 24, 26, 56, 83, 107, 148, 149, 155, 163, 171, 172, 204, 213, 216, 217, 224, 225, 227, 231, 232, 236, 237 Lampe, P. 54, 58, 66, 86, 134, 154 Lange, C. 3 Leone, L. 13, 24 Little, V.A.S. 36 Loofs, F. 34, 65, 74 Lortz, J. 34, 37, 40, 59, 214, 222, 223

Pouderon, B. 1, 7, 26, 195, 205 Preuschen, E. 37, 78, 204, 205 Puech, A. 10, 14, 15, 20, 24, 37, 54, 55, 56, 57, 60, 68, 70, 83, 85, 93, 147, 188, 217, 224, 231, 233 Quasten, J. 232, 233, 235 Quispel, G. 209 Scheel, O. 5 Scholten, C. 204 Schwartz, E. 19, 20, 22, 41, 42, 82 Skarsaune, O. 6 Soden, W. von 233 Spanneut, M. 33, 43 Steuer, W. 37, 39 Struker, A. 50 Studer, B. 34 Stuiber, A. 236 Trelenberg, J. 52

Marcovich, M. 2, 14, 20, 21, 38, 39, 82, 97, 147, 150, 155, 156 Markschies, C. 7 Martı´n, J.P. 52 McGehee, M. 80, 232, 236, 237, 238 Moingt, J. 121 Nasrallah, L. 62, 69 Norelli, E. 123 Orbe, A. 204 Osborne, E.F. 13, 24, 31, 34, 45, 73, 93, 139 Otto, Th. von 17, 18, 20, 23, 24, 82 Pannenberg, W. 30, 31, 35, 73 Pellegrino, M. 6, 54, 66, 78 Petersen, W.L. 1, 3, 4, 7, 39, 40 69, 71, 78, 195, 205, 209, 211, 212, 214, 218, 233, 238 Pfättisch, J.M. 31, 37 Pilhofer, P. 71, 150 Ponschab, B. 5, 10, 25, 26, 39, 83, 195, 204, 205, 215

Ubaldi, P. 25 Uribarri Bilbao, G. 123 Vööbus, A. 209 Waszink, J.H. 225 Weijenborg, R. 83, 134, 137, 195 Wesseling, K.-G. 6, 83 Wey, H. 45 Whittaker, M. 4, 5, 20, 24, 29, 82, 107, 156, 163, 188, 225, 236 Wünsch, D. 3 Young, M.O. 51 Young, F.M. 233 Zahn, Th. 1, 3, 8, 9, 11 Zappala`, M. 204 Zellinger, J. 15 Zwaan, J. de 83

Stellenregister Aelianus

Anonymus

De natura animalium 2,9 133 5,39 133 5,46 133 8,6 133 15,17 133

Martyrium Polykarpi 5,1 14 16,2 14

Varia historia 9,32 12,7

173 177

Aetios Placita philosophorum 1,3,4 125 2,4,12 88 Aischylos Eumenides 567f

85

Prometheus 790–805

189

Aisopos Fabulae 103

153

Anonymus Dicta Catonis 2,10

127

Anonymus Geographiae expos. compendiaria 32 140

Antipatros Anthologia Palatina 9,26 171 Aratos Phainomena 45–70 97 167–178 225–232 275–281 313–315 634–646

112 108 112 112 113 113 109

Aristides Apologia 1,4 1,6 2 3 3–7 7,1 8–11 8,1–4 10,5 10,6 11,5 12 13 13,1 15

95 95 225 77 225 32 225 87 142, 198 142, 198 104, 160 225 78, 225, 226 226 77

292 16 16,2 17

Stellenregister

216, 219, 240 216 240

Aristophanes Ranae 92 93 1291

87 87 138

Aristoteles De caelo A3, 270a 13f

151

Ethica Nicomachea A8, 1078b 12ff 89 A8, 1156b 33 119 A8, 1129a 14 175 A8, 1128b 24 175 Physica A7, 189a 10

116

Ars rhetorica A5, 1340b 25ff 89 Arnobius Adversus nationes (gentes) 5,21,4 106 6,13 173 Athanasius Contra gentes 9,9 26

112 104

Athenagoras De resurrectione 8,4 15 21 22

14, 101 125 120 120

Legatio 2,2 3,1 4,1 7

156, 196 54, 152, 169 156 79

7,2 10,1 10,3 11 11,1 11,2 11,3 12,1 13,2 15f 15 15,2 16 16,1 16,2 17 19 19,1 20,2 21,1 21,2 21,3 21,4 22 23 24 25,2 26 26,1 27 28 28,1 29 29,2 30,1 30,2 31 31,1 32,1 32,2 33 33,2 34 34,2 35 35,1 35,1 36

55, 93, 197 94 116 240 162 155 155, 168 99, 197 95 77 95 116 77, 95 95, 140 101 79, 226 72, 77 143 106 103 103 87 107 78, 143 76 75 88 76 104 76 76, 226 157 142, 198 95 170 112, 157 77 152 54, 169 54, 162, 169 77 155 77 152 77, 79 148 152 75

293

Stellenregister

36,1 36,2

152 99

Athenaios Deipnosophistai 5,220 F 8,335 B 8,341 E 9,396 E 10,437 10,438 10,445 10,457 D 11 13,591 B 13,593 F 13,594 A

177 177 88 175 119 119 119 177 114 173 176 176

Augustinus De civitate dei 7,26 7,28 8,5 8,27 12,11 14,20 De haeresibus 25

161 161 157 157 157 151

De re publica 3

87

Lucullus 139

85

Tusculanae disputationes 1,10 99 1,38 92 1,39 92 2,52 135 5,9 137 5,90 119 In C. Verrem 2,4,126

171

Clemens Alexandrinus 148

Catullus Carmina 66,35–42

De natura deorum 1,43 159 1,63 156 1,68 143 1,85 158 1,123 158 2,70 87 2,160 125 3,3 158 3,82 137 3,89 156

199

Cicero Epistulae ad Atticum 7,7,4 129 De divinatione 1,91 1,92 1,94

84 84 84

De legibus 1,22 2,33

125 84

Eclogae propheticae 38 4, 207 Paedagogus 1,43,3 3,13,1 3,13,2 3,26,2 3,29,2 3,29,3

101 113 113 160, 199 146 146

Protrepticus 3,1 16,1 24 36,1 37,3 37,4 49,1–3 53,6

95 106 156 103 143 157 112 173

294

Stellenregister

58,3 63,4 63,5 66,4 74,7

131 95 95 88 74, 121, 215

Stromateis 1,16,77 1,23,153 1,65,2 1,65,3 1,74,1 1,74,2–76,10 1,74,2 1,74,4 1,74,6 1,77,1 1,79,6 1,80,1 1,87,1 1,87,2 1,101,1 1,101,2 1,101,3 1,101,4 1,102,3 1,102,5 1,103,2–5 1,104,1 1,104,3 1,106,3 1,107,4 1,114,2 1,117 1,122,2 1,129,3 1,130,1 1,131,1 1,131,2 1,142,4 3,12,80 3,12,81 3,12,82 4,121,6 4,162,5 5,6,3 5,89,6 5,90,3

68, 79 68 191 191 84 84 85 85 85 84 191 191 187 187 164, 200 164, 183, 200 184 184 185 185 185 185 189 157 188 183 167 181 191 191 191 191 86 7, 77 3, 77, 210, 224 4, 8, 207 92 94 96 116 88

6,155,1

45, 102

Cyprian De bono patientiae 2 150 Quod idola dii non sint 3 157 Demosthenes Orationes 17,23 59

129 176

Diodoros Bibliotheca historica 13,6,7 156 Diogenes Laertios Vitae philosophorum 1,34 153 1,41 119 1,62 191 1,101ff 119 2,3,4 158 2,3,9 158 2,11 144 2,22 91 3 151 4 151 5,6 89 5,30 89 6,76 88 8,4 151 8,8 137 8,11 92 8,45 191 9,1 90 9,3 91 9,4 91 9,5 90 9,6 90 9,11 89 9,49 157 9,59 137

295

Stellenregister

Dion von Prusa Orationes 7,134 55,2

160 90

Dionysios von Halikarnassos Antiquitates Romanae 10,18 87 Dionysios Scytobrach FrGHist 32 F. 8 189 Empedokles Fragmenta B 110,4f DK

113 113 113 113

Troades 991–996

113

Eusebios Chronicon 233 2188

136 2, 207

De vita Constantini 6 154 92

Epiktetos Dissertationes (Diatribai) 1,9,2 125 1,13,3 154, 179 1,13,4 154, 179 2,14,23 137 3,1,25 125 Epiphanios Ancoratus 104,3 106,9

Orestes 1423 1512 1636 1637

123 112

Panarion haeresium 1,46 2, 208, 232 1,46,1 2 1,46,1,7 6 1,46,1,8 7, 11 1,46,2,3 6 1,47 208 Euripides

Historia Ecclesiastica 4,16,7 1, 179, 191 4,16,8 19, 23, 135 4,18,3 13 4,28 7, 53, 77, 207 4,29 7, 53, 77, 208 4,29,1 2, 232 4,29,7 2, 80, 239 5,1,14,52 152 5,13,1,8 6 5,13,8 3 Praeparatio evangelica 1,4,6 160 5,2,1 135 9,17,26 68 9,18,23 68 10,11,1–5 23 10,11,1–35 19, 71 10,11,6–35 179 10,11,6–36 23 15,5,1 88 15,12,3 125 Gellius

Alkestis 1–9

141

Noctes Atticae 9,4,3

Ion 999–1005

105

Gregor von Nazianz

Iphigenia in Aulide 73 113 74 113

149

Orationes Theologicae 4,109 84 4,121 106

296

Stellenregister

Heraklitos

Hippolytos

Fragmenta Fr. 18 Diels / 99 DK / 15 Marc. 90

Contra Noetum 13

Herodotos Historiae 1,56 2,53 2,54–57 3,116 4,13–16 4,27 4,32 4,46 4,76 4,77 7,6

119 165 119 189 189 189 189 119 119 119 189

Hesiodos Opera et dies 50ff

143

Theogonia 280 281 446ff 565ff 881ff

104 104 153 143 153

Hesychos 61 A 3

144

Hieronymus Ad Iovinianum 1,3

148

In Amos prophetam 2,12 5, 7, 53, 77, 208 In epistulam ad Galatas 6,8 4, 7, 8, 53, 77, 208 In epistulam ad Titum praef. 4, 7, 53, 77, 208

96

Refutatio omnium haeresium 1,1,4 153 1,2,11 151 1,19,3 116 1,20,5 89 1,20,6 88 1,3,3 151 1,4,3 88 7,19,2 88 7,24,3 88 8,4 207 8,16 207 10,18 207 Homeros Ilias 1,225 1,599 2,1ff 2,204 2,212–220 2,212 2,216 2,218 2,219 2,372 2,594–600 2,653–658 3,184ff 4,23 4,24 5,376 5,858 8,87 10,87 15,187–193 16,233–245 18,383 18,401 20,142 20,231 21,448 21,601–605

158 48, 103 143 123 171 158, 170 171 171 171 137 188 189 170 103 103 103 103 169 169 110 119 105 105 158 111, 177 141 103

297

Stellenregister

22,226 22,227

141 141

Odysseia 4,83 4,564 8,326 14,327–330 15,133 19,296–299

182 99, 113 48, 103 119 113 119

Horatius Ars poetica (ep. 2,3) 464–66 92 Epistulae 1,2,56

Contra Apionem 1,116ff 182 1,216 181 2 68 Irenäus Adversus haereses 1,5,2 1,7,1 1,28,1 2,30,1–9 3,23,8 4,7,4

213 216 7, 53, 77, 196, 206, 211 212 206 122

Isidorus 115

Hyginus Mythographus

Etymologiae 8,9,32

84

Iustinus martyr

Astronomica 2,3,1 2,4,1 2,4,4 2,6,1 2,19 2,22 2,26 2,37

112 109 108 112 109 113 109 109

Fabulae 30 53 83 130 140 167,2 179,2

130 111 152 108 111 141 141

Ignatius Epistula ad Smyrnaeos 1,1 96 Iosephus Antiquitates Iudaicae 8,144ff 183 Bellum Iudaicum 4,247 187

Apologia 1 2,1 3 4 4,1 4,2 4,8 5 5,4 6,2 7 7,3 8 8,1 8,2 8,4 9 9,4 10 10,1 10,2 11,2 12 13–17 13 13,1 14

54, 169 240 196, 197, 198, 220, 226 156 156 55, 93 76 66 163 93, 197, 226 55, 93 60, 197, 223 94 54, 169 99 76, 77 173 197 95, 202 31, 73, 116 115 134, 197 77 197 95 198

298 14,1 14,5 15 16,8 16,9 17 17,1 17,2 18 19 20 21 21,1 21,3 21,6 22 23 23,2 24,3 25 26,7 27 27,1 27,4 29,4 32,1 32,9 33 33,6 34 34,3 35 39,3 40 43 44 44,10 44,1 44,8 45 46 46,2 46,3 49 50 51 53 53,2

Stellenregister

131, 135 36, 128 77 155 155 198 93 93 75, 197, 198 75, 197 198 76, 142, 197, 198, 199 140 112 106 197 199 36, 97, 128 112 76, 78 54, 152, 169 77, 199 14, 160 104, 160 112 79, 164 36, 128 232 97 232 54, 169 232 94 232 75, 201 197, 199, 200 55, 93 102 79, 164 232 226 97 66 232 232 232 232 97

54 54,5 57,2 58,3 59 59,1–6 59,1 60 60,5 60,11 61,3 61,4 61,10 61,11 63,1 63,15 66,3 67,3 67,8 68

199, 226 79, 164 115 97 197, 199, 232 31, 73 79, 116, 164 232 36, 128 168 97 97 97 95, 202 95, 202 97 143 143 31, 73 240

Apologia 2 1,1 2 2,11 2,16 3(8) 3(8),1 3(8),2 3(8),4 4(3),4 5(4) 5(4),3 5(4),4 5(4) 5(4),1 5(4),6 6(5) 7(6) 7(6),5 8(7),1 9 10 10,3 10,8 11 11,1 12

154, 179 196 94 156 6, 200 14, 195 14 94 54, 169 76 134 134 198 95, 202 128 200 75, 198, 201 40, 45, 101 135 201, 232 197 55, 93 128 6, 76. 200 115, 135, 195 6, 198, 201

299

Stellenregister

12,2 12,5 12,7 13 13,3 15 15,3

152 161 131 121, 197 55, 93 118, 202, 240 177

Dialogus cum Tryphone 2–8 79 2 202 2,1 155 2,2 155 2,6 213 5 75, 120, 199, 202 5,1 120 5,5 120 7 6, 216 8 6, 216 22,1 95 22,11 95 23 202 23,2 95 30,3 128 61 202, 203 61,1 36, 39, 96, 128 61,2 14, 38 61,3 36, 128 67 226 76,6 128 84,2 97 85,2 97, 128 88 201 88,5 40, 45, 101 99ff 143 100,2 97 102 201 102,4 40, 45, 101 105,1 36, 128 116,3 97 117 226 119 226 119,4 66 125,3 97 128 203 128,2 36, 128 128,3 36, 96, 128 138,2 97

Kallimachos Fragmenta 110 643

111 107

Hymnus in Iovem 8 157 9 157 Lactantius Divinae institutiones 1,13,2 153 1,13,3 169 1,21,16 104, 161 1,21,3 161, 201 2,1 125 2,14,13 135 2,15,1 135 3,15,20 92 3,20,17 99, 197 5,14,3–5 87 6,20,10 148 7,22,5 99, 197 Livius Ab urbe condita 27,11

173

Lucretius De rerum natura 5,235–46 143 Lukianos aus Samosata Dialogi deorum 16,1

107

Hermotimos 60

137

Lucianus Vitarum auctio 10

88

Marcianus Geographus Periplus maris exteri 1,40 140

300

Stellenregister

Nemesios

Martialis Epigrammata 10,25,4 12,43,4 13,25

129 177 110

Maximus Confessor Capita de caritate 4,90 101

Nikandros Theriaka 13–20

109

Olympiodoros Proleg. et in categorias comm. p. 12,11 Busse 106

Minucius Felix Octavius 1 3 8,2 8,4 9,5 9,6 9,7 11,2 11,4 13,5 21 21,3 21,11 22,4 22,6 22,7 24,12 27 27,2 28,1–6 28,2 30 30,1 30,4 30,6 31 31,1 31,3 34 35 36 37 37,11 38,6 40

De natura hominis 2 126

240 77 156 168, 221 152 54, 169 54, 169 168 14, 101 168 76 157 143 104, 161 161, 201 142, 198 104, 161 76 135 152 54, 169 77 152 161, 201 148 77 54, 169 160 75 77 75 79 148 155 240

Origenes Contra Celsum 1,9 3,36–38 3,43 3,44 5,27 5,63 6,27 6,40 8,9

221 112 157 168 160 112 152 152 112

De oratione 24

4, 8, 207

De principiis 4,4,1

96

Orphicorum Fragmenta 59 106 334 106 Ovidius Fasti 3,261–264 3,271 3,272

161 161 161

Metamorphoses 1,452ff 2,346–366 2,555 3,275–278 4,784–86 10,103–105

107 110 187 141 104 110

301

Stellenregister

10,155–161 15,337

111, 177 111

Parmenides Fragmenta (Peri phys.) B 8,3,21 143 Passio Perpetuae et Felicitatis 6 220

Petronius Satyrica 100

115

Phaedrus Fabulae 1,3

153

Philon

Passio Sanctorum Scilitanorum 9 220 10 220 13 220

De aeternitate mundi 27 143

Patrum Apostolicorum Opera

De opificio mundi 146 32

Epistula ad Diognetum 2,2 95 3,5 95 5,3 168 Epistula Barnabae 21,6 162 Epistula Clementis secunda 1,6 95 9,5 101 Pastor Hermae sim. 4,2 sim. 9,1,1

34, 140 101

Pausanias Graeciae descriptio 1,20,1 1,20,2 2,27,4 4,33,3 4,33,7 8,37,5 9,27,5 9,27,7 10,12,11 10,14,6 10,15,1 10,24,3 10,24,7 10,28,2

(Per. Hell.) 173 173 161 188 188 189 173 142 189 189 173 189 137 188

De confusione linguarum 170 123

De plantatione 28

32

Philostratos Imagines 2,25

130

Pindaros Epinicia (Ol.) 1,45ff

152

Platon Apologia 23 e 41 a 3

91 99

Euthydemos 305 e 4 305 e 5

86 86

Euthyphron 2b 6a1

91 153

Gorgias 523 e 6 – 524 a 7 99 Nomoi 3,677 d 4

85

302

Stellenregister

Phaidon 99 c 6

125

Phaidros 245 d 3 246

143 44, 139, 213

Politeia 378 b 8 – c 5 389 a 389 e 13 600 a 6

87 103 158 119

Symposion 685 c

125

Theaitetos 174 a 4–8

153

Timaios 50 d 7 51 a 7

116 116

Naturalis Historia 2,101 113 7,34 172, 175 8,52 133 8,118 133 28,81 177 28,150 133 30,8 131 30,9 131 32,55 133 34,69 177 34,70 173, 177 34,79 177 Plinius d. J. 156, 220

Plotinos Enneades 5,9,5

90

De esu carnium 1,955 D

88

De musica 1132 AB

188

De sollertia animalium 2 125 De virtute Alexandri 2,4 149 Vita Alexandri 51,9–11

89

Porphyrios De abstinentia 2,56,9

161, 201

Prudentius Contra Symmachum 1,271–274 112 1,396 161, 201 Ps.-Apollodoros Bibliotheke 1,4,1 1,7,1 1,8,2 2,4,2 2,4,10 2,5,8 3,7,7,2 3,10,3,9 3,10,4 3,14,6 3,14,7 3,60–74

173

111 143 105 104 142 130 148 105 141 105 108 175

Ps.-Aristoteles De mundo 6,397 b 30–32

Plutarchos Amatorius 753 EF

88

De vita Pythagorae 45 151

Plinius d. Ä.

Epistulae 10,96,2

Aquane an ignis 956 B

88

303

Stellenregister

Ps.-Eratosthenes

Sextus Empiricus

Katasterismoi 3 4 7 8 9 10 19 25 30 35 40

Adversus Mathematicos 7,269 124

112 112 109 109 108 113 112 113 113 109 109

Ps.-Iustinus Cohortatio ad Graecos (Gentiles) 2,4 103 4,2 55, 93, 197 5,1 55, 93, 197 7,1 55, 93, 197 9,1 164, 165, 200 15 106 35,2 55, 93, 155, 197 Oratio ad Graecos (Gentiles) 4,1 144 Ps.- Plutarchos De vita Homeri 2,3

167

Solon Fragmenta 18

179

Stoici veteres Fragmenta II 9 III 407 III 409

159 155 155

Strabon Geographica 5,3,12 6,274

161 92

Suda 523 524 1492 2341

156, 157 156 187 92

Suetonius De vita XII Caesarum 100,4 112

Seneca De ira 3,17,1

Pyrrhoneae Hypotyposes 2,26 124,127 2,211 124

89

Epistulae morales 7,3 148 41,8 125 92,34 14, 101 92,35 14, 101 Servius Commentarius in Vergilii Aeneida 6,136 161

Tacitus Annales 15,44

221

Tertullianus Ad nationes 1,2,8 1,3,1 1,3,2 1,7,10ff 1,10,47

152 156, 196 156, 196 152 104, 161

304 1,15,6ff 1,16,4 1,19,5 2,4,18 2,7,6 2,7,16 2,10,11

Stellenregister

152 160 99 153 112 104, 161 112

Adversus Marcionem 1,18,4 112 Adversus Praxean 5 96 7,8 72 Apologeticum 1,4 2 2,3–5 3 4 4,11 7,1–8,9 7 9 9,5 9,16 10–12 12 13,9 19 19,3 21,14 21,27 22,11 23 23,13 30,1 30,7 39,8 42,9 44 45 46,15 46,16 48,5 48,6 50,6

220 93 156, 196 220 93 152 152 93 78 161, 201 160 76 77 112 66, 200 183 141 54, 94, 169 135 240 99, 197 94 94 154, 179 93 93 77 88, 89 88 99 99 137

De anima 6,8 8,5 14,2 28,3 46,3 57,1–3

153 127 124 151 84 131, 133

De corona 7,6 13,6

157 112

De ieiunio 15 15,1

148 7, 207

De pallio 3

157

De spectaculis 10,3 10,4 10,8 10,12 18,2 18,3 19 21 21,1 21,2 23,5 23,6 27,1 30 30,4

144 144 146 144 114 114 148 148 159 147 144 144 144 169 99, 197

Scorpiace 7,6

161, 201

Theodoret Graecarum affectionum curatio 1,21 106 8,28 112 Theophilos Ad Autolycum 1,1 1,10 1,11

77 161, 226 94

305

Stellenregister

1,12 1,14 1,3 1,4 1,5 1,8 1,9 2,3 2,10 2,13 2,15 2,17 2,2 2,27 2,30 2,34 2,35 2,36 2,4 2,7 2,8 2,9 3,3 3,13–15 3,15 3,16 3,20 3,30 3,4 3,7 3,8 3,9

222 240 125 31, 73, 94 124 31, 73 76, 103, 104, 107, 142, 198 143 31, 73, 95, 101, 122 31, 73 122 139 77 75, 76, 120 164, 200 76 77, 227 227 31, 73 79, 226 55, 93, 197 162, 227 55, 93, 197 77 54, 79, 148, 152, 169 164, 200 164, 200 227 54, 77, 152, 169 55, 78, 93, 197 104, 112, 152, 161, 201 77

Thukydides Historiae 1,138 3,11,3 3,82,8

172 86 86

Tragicorum Graecorum fragmenta Fragmenta adespota (= Vol. II) 565 107 Valerius Maximus 1,6,5 173 3,3 ext. 4 137 Varro De lingua Latina 5,32 173 Vergilius Aeneis 3,390 3,391 5,255 6,432 6,566 8,43 8,44

175 175 111, 177 99 99 175 175

Xenophon Memorabilia 4,4,4 4,8,4

91 91

Zenobios Epitome 1,18

105

Sachregister Altersbeweis 6, 15, 25, 27, 60, 68, 70, 71, 79, 164, 183, 234, 235, 239 Altes Testament 6, 216, 227 Anfang (Ursprung) 30, 31, 32, 35, 45, 73, 214 Angriff (Polemik) 28, 54, 55, 66, 79, 233, 234, 235, 238 Anthropologie 49ff, 216, 217, 219, 234, 235 Anthropomorphismus 59, 62, 78, 87, 103, 210, 223, 225, 226 Äonen 7, 206, 213, 214, 215, 219 Apologie 5, 9, 10, 26, 27, 28, 40, 47, 54, 60, 68, 72, 77, 79, 224, 231, 234, 238, 239, 240 Askese 3, 7, 52, 77, 148, 206, 207, 208, 209, 211, 217, 218 Astronomie/-logie VI, 5, 15, 45, 47, 48, 63ff, 67, 76, 84 Auferstehung 33, 51, 52, 56, 99, 101, 120, 217, 235 Autopsie 4, 9, 70 Barbarentum 15, 58, 66ff, 224ff, 235, 236 Bekehrung 4, 5, 6, 12, 13, 15, 36, 46, 68, 70, 227, 238 Bildung V, VI, 1, 5, 59, 62, 69, 80, 191, 221, 224, 225, 239 Böses (Übel) 39, 40, 45, 212 Christus (Christentum) 36, 40, 49, 58, 128, 206, 219ff, 225, 238 Creatio ex nihilo 31, 73, 94, 116 Dämonen 26, 27, 33, 40, 45ff, 52, 53, 61, 63, 64, 65, 76, 118, 126, 127 Demiurg 31, 39, 211, 212

Determinismus 33, 37, 40, 65 Diatessaron 2, 3, 224 Dualismus 35, 39, 207, 211, 213 Emanation 31, 206, 211, 214 Engel 39, 40, 42, 45, 47, 75, 101, 235 Enkratismus 7, 53, 77, 148, 206, 208, 209, 217, 218 Epikur 57, 61, 99, 158 Erkenntnis 30, 51, 68, 71, 204, 212, 216, 218, 219 Erzfrevler (Satan) 40, 45, 47, 76, 118 Ethik 27, 28, 33, 49ff, 56, 59, 69, 70, 77, 78, 114, 162, 217, 219, 227, 238 Euhemerismus 76, 157 Exorzismus 40, 49, 128, 223 Geist (Pneuma) 30, 41ff, 45, 46, 49, 50, 72, 74, 94, 101, 103, 116, 127, 215, 219 Gnosis 7, 10, 11, 31, 39, 40, 53, 204ff Gottebenbildlichkeit (imago dei) 3, 41, 42, 49, 50, 51 Götter 45, 47, 48, 57, 58, 59, 61, 63, 64, 65, 72, 76, 78, 87, 207, 210, 223, 224, 225, 226, 227 Griechenland 11, 224, 225 Griechentum 5, 10, 15, 58, 62, 63, 66ff, 77, 217, 224ff, 236 Häresie 7, 8, 10, 11, 12, 53, 195, 204ff Historiographie VI, 5 Hypostase 36, 37, 44, 214 Imago dei (Gottebenbildlichkeit) 3, 41, 42, 49, 50, 51 Inauguration 10, 12, 79, 232

Sachregister

Kirche 2, 6, 7, 11, 53, 75, 204, 209, 210 Kosmos (Welt) 30, 31, 32, 34, 35, 36, 40, 41, 42, 43, 52, 69, 98, 117, 204, 206, 211, 213, 214, 218, 219 Kraft (Macht) 34ff, 41, 43, 45, 96, 128 Kultur V, 5, 11, 26, 27, 28, 62, 63, 66, 67, 69, 78, 79, 217, 225, 226, 229, 230 Kunst VI, 5, 67, 77 Kyniker 6, 9, 10, 52, 55, 56, 77, 88, 136, 150, 151, 237 Logos (Wort) 31, 34ff, 41, 42, 43, 44, 45, 49, 50, 73, 74, 95, 101, 121, 212, 214, 223, 234, 235, 239 Macht (Kraft) 34ff, 41, 43, 45, 96, 128 Magie 48, 53, 76, 84, 104 Malum physicum 33 Marcionismus 39, 206, 207, 208, 211, 213 Martyrium (Verfolgung) 6, 9, 12, 13, 14, 15, 26, 136, 195, 220, 228, 238, 240 Materie 30, 31, 32, 33, 34, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 48, 51, 52, 53, 56, 72, 73, 94, 98, 116, 212, 213, 214, 217, 219 Menschenopfer 5, 91, 161, 217, 234, 238 Mesopotamien 1, 2, 10, 148, 232 Mittelplatonismus 30, 44, 51, 213, 215, 218 Monismus 35, 37 Monotheismus 37, 40, 65, 162, 222, 223, 224 Mose 57, 71, 79, 229 Mythologie VI, 5, 45, 47, 58ff, 63, 78, 87, 206, 211, 212, 213, 219, 223, 229, 230

307

Polemik (Angriff) 28, 54, 55, 66, 79, 233, 234, 235, 238 Polytheismus 40, 47, 65, 76, 223 Protreptik 6, 55, 79, 80, 236, 237, 238, 240 Rhetorik 36, 59, 60 Rom 1, 5, 6, 9, 10, 11, 13, 14, 15, 38, 56, 70, 195, 196, 213 Satan (Erzfrevler) 40, 45, 47, 76, 118 Schicksal 40, 47, 52, 64, 65, 110 Schöpfung 26, 27, 29ff, 41, 45, 49, 51, 63, 64, 65, 73, 76, 116, 138, 206, 207, 211, 212, 213, 214, 216, 235 Seele 120, 215, 216, 217, 219, 228, 234 Sein 30, 72 Sittlichkeit 27, 28, 33, 49ff, 56, 59, 69, 70, 77, 78 Soteriologie 42, 43, 44, 46, 49, 51, 75, 204, 207, 216, 218, 219 Sprache 66, 67, 71, 79, 86, 224, 228 Stoa 4, 13, 30, 32, 33, 35, 37, 39, 40, 43, 52, 55, 56, 57, 65, 77, 91, 92, 94, 101, 114, 117, 125, 136, 148, 152, 237 Sünde 33, 40, 44, 45, 46, 47, 50, 75, 120 Syntagma 235, 236, 239 Syrien 7, 66, 67, 191 Tod 33, 46, 47, 51, 52, 55, 57, 75, 101, 115, 121, 136, 217 Trinität 36, 42, 44, 50, 73, 74, 128, 223 Übel (Böses) 39, 40, 45, 212 Unsterblichkeit 59, 50, 51, 75, 101, 120, 217, 228 Ursprung (Anfang) 30, 31, 32, 35, 45, 73, 214

Orient 2, 3, 11, 12, 66, 232 Philosophie VI, 3, 5, 27, 30, 52, 54ff, 69, 75, 93, 155, 187, 221, 230, 239 Platonismus 31, 33, 43, 44, 51, 53, 61, 73, 75, 98, 117, 213, 215, 218, 219 Pneuma (Geist) 30, 41ff, 45, 46, 49, 50, 72, 74, 94, 101, 103, 116, 127, 215, 219

Verfolgung (Martyrium) 6, 9, 12, 13, 14, 15, 26, 136, 195, 220, 228, 238, 240 Wahrheit 5, 27, 51, 55, 57, 58, 68, 69, 71, 118, 159, 195, 216, 227, 239 Weisheit 44, 50, 51, 55, 56, 71, 118, 122, 168, 229 Welt (Kosmos) 30, 31, 32, 34, 35, 36, 40, 41, 42, 43, 52, 69, 98, 117, 204, 206, 211, 213, 214, 218, 219

308

Sachregister

Willensfreiheit 33, 37, 39, 45, 65, 75, 76, 212 Wort (Logos) 31, 34ff, 41, 42, 43, 44, 45, 49, 50, 73, 74, 95, 101, 121, 212, 214, 223, 234, 235, 239

Zeit 30, 35 Zeus 47, 65, 76, 78, 103, 106, 107, 110, 111, 113, 153, 225