Nürnberg als Kunstzentrum des Heiligen Römischen Reiches. Höfische und städtische Malerei in der Zeit Karls IV. 1346-1378 3422073329, 9783422073326

'Vornehmste Stadt des Reichs' nannte Kaiser Karl IV. Nürnberg im Jahre 1366. Da hatte er die freie Reichsstadt

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German Pages 716 [358] Year 2019

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Titelblatt
Inhaltsverzeichnis
Europa unter Karl IV. (reg. 1346-78)
I. Nürnberg als Kaiserstadt
II. Sebald Weinschröter – kaiserlicher Hofmaler in Nürnberg
III. Die Genese des neuen künstlerischen Stils in Prag, 1350-60
IV. Die stilistische Geschlossenheit der Nürnberger Kunst – das Ergebnis des Wirkens Sebald Weinschröters?
V. Nachfolge und Konkurrenz Sebald Weinschröters
VI. Nürnberg, Kunstmetropole zwischen Prag und dem Westen
Quellenanhang
Literatur
Personenregister
Bildnachweis
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Nürnberg als Kunstzentrum des Heiligen Römischen Reiches. Höfische und städtische Malerei in der Zeit Karls IV. 1346-1378
 3422073329, 9783422073326

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Nürnberg als l(unstzentrum des Heiligen Römischen Reichs

Höfische und städtische Malerei in der Zeit Kaiser Karls IV.

1346-1378

Nürnberg als l(unstzentrum des Heiligen Römischen Reichs Höfische und städtische Malerei in der Zeit Kaiser Karls IV. 1346-1378

Jirf Fajt

Deutscher Kunstverlag Berlin München Nationalgalerie Prag

Für Jana, Elisabeth und Nicolas

.

Inhaltsverzeichnis /

Vorwort Einleitung

/

12 18

IV Die stilistische Geschlossenheit der Nürnberger Kunst das Ergebnis des Wirkens Sebald Weinschröters?

Nürnberg als Kaiserstadt ,,Hauptstadt" des Reichs unter Karl IV. Kampf um Nürnberg: Herrschaftssicherung und antiluxemburgischer Aufstand Das Pogrom und die Bildung der kaisernahen Allianzen Die Burg als kaiserlicher Stützpunkt Die Frauenkirche als persönliche Stiftung Karls IV.

II

Die stilistische Geschlossenheit der Nürnberger Kunst? Das Baldachinretabel der Jungfrau Maria aus dem Nürnberger Klarissenkloster Das Altarretabel der hl. Maria Magdalena und zwei Baldachinretabel der hl. Klara aus dem Nürnberger Klarissenkloster Das Retabel des Hauptaltars der Nürnberger Deutschordenskirche St. Jakob Urkunden und Zeichnungen Die Wandmalerei mit dem hl. Wendelin in der St.-Lorenz-Kirche Ein textiles Antependium (?) Das Epitaph des Hofarztes Friedrich Mengot Die Glasmalereien im Chor der Pilgerspitalkirche St. Martha Die Glasmalereien im Ostchor der St.-Sebald-Kirche

26 33

38 44 47

Sebald Weinschröter - kaiserlicher Hofmaler in Nürnberg

Die schriftliche Überlieferung Die Wandmalereien in St. Moritz Geburt und feierliche Taufe Wenzels IV. in Nürnberg, Februar bis April 1361 Die Friedhofskapelle St. Moritz. Architektur, Gründung, die Stifterfamilie Mendel Der Wenzelszyklus. Umstände seiner Stiftung, Ikonografie und Stil Motivische Voraussetzungen und stilistische Zusammenhänge der Wandbilder der Moritzkapelle

63 79 79 90 101

V

III Die Genese des neuen künstlerischen Stils in Prag

1350-60

Die künstlerische Genese des Luxemburger-Stammbaums

145 162 162 162 166 174 177 180

Von Straßburg nach Karlstein

190

Nikolaus Wurmser als Maler im Palas und im Kleinen Turm der Burg Karlstein

190 199 215 228 244 244 249 264 264 274 287

Die Kanzlei des Johann von Neumarkt und ihr Beitrag zum Kaiserstil Der pictor regis, Nikolaus Wurmser von Straßburg Der Stammbaum der Luxemburger auf Burg Karlstein Original und Kopie: Die Codices in Wien und Prag Zur Lokalisierung und Datierung der Fresken Die literarischen Vorbilder des Luxemburger-Stammbaums Historische Tradition und Legitimation herrscherlicher Macht

Das Leben Nikolaus Wurmsers nach den Quellen Die Straßburger Wurzeln von Wurmsers Stil Karl IV. und das Elsass

Der Widerhall des Werks von Nikolaus Wurmser außerhalb der Burg Karlstein Die Handschriftengruppe um das Brevier des Hochmeisters Leo Vysehrad als künstlerisches Zentrum in Konkurrenz zum Kaiserhof

Magister Theodoricus, pictor noster et familiaris Theoderich und die Heilig-Kreuz-Kapelle im Großen Turm der Burg Karlstein Organisation des Werkstattbetriebs Werk und künstlerische Herkunft Meister Theoderichs

338 362 426 443 453 453 457 477

Nachfolge und Konkurrenz Sebald Weinschröters

Die Resonanz Sebald Weinschröters in den Reichsgebieten des heutigen Hessen Frankfurt am Main, die Wahlstadt der Römischen Könige Ulrich II. von Kronberg, mainzischer Vicedomus im Rheingau und kaiserlicher Geheimrat Fritzlar - eine traditionsreiche Bastion der Erzbischöfe von Mainz Das Retabel in der Soester Wiesenkirche Bischöfliche und städtische Konkurrenz Sebald Weinschröters im Umfeld Nürnbergs Berthold von Zollern, Bischof von Eichstätt, seine künstlerische Repräsentation und ihre Prager Inspirationen Forchheim, die Residenz der Bamberger Bischöfe Die „Imago imperialis" aus Lucca in Weißenburg in Bayern

120

311

312

499 499 512

522 539

548

549 569

606

VI Nürnberg, Kunstmetropole zwischen Prag und dem Westen Zusammenfassung

A

B

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/

621

Rekonstruiertes Abb. 56 - Abschrift der Stiftungsurkunde Karls IV. für den Wenzelsaltar im Obergeschoss des Domes zu Aachen vom 20. Dezember 1362 - Aachen, 15. Jahrhundert • finte auf Papier, siehe Quellenanhang ' r 39. Aachen , Domarchiv, Stiftsarchiv 11.A.a.2 Nr. 1

96 Quellenanhang Nr. 31. 97 Quellenanhang Nr. 28 und 29. - GÜMBEL 1904/1, 22, Anm . 33. 98 Quellenanhang Nr. 32-34. - GÜM BEL 1904/1. 221. 99 GÜM BEL 1904/1, 23, Anm. 35. 100 GÜ MBEL 1903. - GÜ MBEL 1904/1, 221. 101 AHLBO RN 1969. - IM HOFF 1989, 361. - DIEFENBACHER 2000. 102 Botschaft Karls IV. an das Königreich Böhmen anlässlich der Geburt seines Sohnes : ,,Exuftent iam celebris iocunditate leticie cunctorum corda fidelium, exultent iam omnes regie subditi dicioni et pro nostri regis emolumento liat in populo solempnitas generalis. Gaudeat se Boemia tanti eventus auspiciis clarificata felicibus et magnis exultacionum

tripudiis, similiter annexe provincie iocundentur, letentur inquam universaliter singuli et singufariter universi, simul in unum dives et pauper. Gaudeant et /estivis applausibus

Elisabeth Weinschröter besaß die Hälfte eines Hauses neben Albert Heugel an der „Füll" unweit der Sebalduskirche, die sie vermutlich anlässlich ihrer Eheschließung mit Fritz Weinschröter am 4 . April 1377 ihrem Sohn Konrad überließ. Dessen Frau Geut zahlte hier die Haussteuer in Höhe von 90 Gulden. Am 2. Februar 1383 trug Heinrich Klügel mit Genehmigung seines Stiefvaters, seiner Mutter und seines Bruders hundert Gulden und sechshundert Schock Heller auf das Haus ein.97 Fritz Weinschröter versteuerte nach der Losungsliste des Sebalder Stadtteils von 1392 und 1397 nicht in der „Füll", sondern im Viertel „Domus M assner" bzw. ,,Domus m eister Apotheker" in der Nähe des Dominikanerklosters . Aus diesen Verzeichnissen kennen wir seine unmittelbaren Nachbarn: 1392 waren dies C. Kötzner und Frantz Goltslaher auf der einen und F. Kamermeister, H. Kamermeister mit „Relicta S. Wagnerin" auf der anderen Seite, was sich fünfJahre später im Prinzip wiederholt, denn 1397 treten nun C. Kötzner, Eber ,,filius suus", Hans Tumernicht und gegenüber H. und F. Camermeister mit S. Wagnerin auf. Im Jahr 1400 wird jedoch statt Fritz Weinsch röter ein „Ber(told) M aler" aufgeführt, über dessen Verhältnis zu dem Malerkollegen Fritz wir nur Vermutungen anstellen können.98 Vielleicht hatte Berthold das Haus nach Fritz' Tod gekauft und dessen Werkstatt übernommen, vielleicht hatte er es geerbt, war also mit einer Tochter des Fritz verheiratet, über die wir aber bisher keine Nachrichten besitzen, denn die vage Information, dass im Stadtviertel St. Sebald im selben Jahr 1400 eine gewisse Hanns Weinschröterin vermerkt ist,99 lässt sich gewiss nicht mit einer solchen hypothetischen Tochter des Fritz Weinschröter verbinden, müsste diese dann doch im selben Jahr mit einem Verwandten gleichen Familiennamens verheiratet gewesen sein, was sich ausschließt. Der in den Jahren 1365/70 bis 1432 belegte Maler Berthold gilt als Begründer der Nürnberger Kaufmannsfamilie Landauer, deren traditioneller Wohnort ein Haus gegenüber der Predigerki rche war. 100 Dies entspricht tatsächlich der erwähnten Lage des vormaligen Hauses von Fritz Weinschröter und unterstützt somit die Vermutungen über eine Verbindung des Berthold Maler (Landauer) 101 mit

cum iunioribus iubilent seniores, quia ecce de radice stirpis ingenue pa/mes precessit noviter generosus et maiestas regia in pignus fructificavit eximium, optatam duicius produxit sobolem et hereditarium protulit successorem. Natus itaque est nobis puer, per quem, dum arduis freta suggestibus et aucta est nuper solempnibus incrementis regalis supereminencie celsitudo, cetus fidelium, qui ab olim quasi anxius rebus meritis fluctuans titubabat, verens forsitan a/ti detrimenta sanguinis atque sceptri proclivis dampna timens poterit respirare et in vitam redire communis valebit alacritas quam exuberantis desiderii affectibus lacessitam prolixa exspectacio de rege tenero fere coegerat exspirare. Natus itaque nobis puer, ad cuius omen natalicii gloriosum velud ad ortum surgentis aurore dies nobis emicuit generosa, quia de mutancium cordibus subditorum discussa dubiatatis cuiuslibet caligine et spei 1/uctuantis nubilo religato ad omnes pristine vigor felicitatis rediit et serena devocionis sinceritas remeavit. Natus itaque est nobis puer, in quo regnum Boemie ve/ud in turri fortitudinis stabilitum emulorum insolenciam non timebit, ymo superborum subsidium superans ipsorum pressuras opprimet, augustabit angustias, reprobabit obpropria et summi rectoris industria violencias viofabit, quia certis patet indiciis et ocu/ate videtur fidei regularitas, qui divini numinis gracia gratis appfaudit, magnifico principi Boemorum fatorum favet series et Fortuna fortiter Famulatur, maxime dum ex sui stipite generis excellentes plures ramusculi pullulant, emergunt virgule, succrescunt heredes necessarii, prodeunt et egrediuntur egregii principatus, ne semen iustum corruat et deo dicata prosapia eclipsin a/iquatenus paciatur (... )". KAISER 1900, 2641 .. Nr. 324; SCHANNAT 1724, 1331.. Nr. 33.- Deutsche Übersetzung nach PELZEL 1781, II, 6791.c ,,Freuet euch, ihr Herzen, aller unserer Getreuen! Frohlocket. unsere lieben Unterthane. und das ganze Volk stelle ein allgemei nes Freudenfest an. Ganz Böhmen, samt den Provinzen fr ohlocke über das große Glück, we lc hes ihm w iederfa hren. Ihr Reichen und Arme n, ihr Jungen und Alten jauc hze t, denn se het, der kön ig liche Stamm hat einen Sproßen hervorgeb racht! Der Himmel hat end lich unsre heißen Wünsc he erhört, und die Kaiserin, unsere Gemah lin, hat uns einen von Gott erbetenen Erben und Thronfolger geboren! Wir haben einen Sohn, ihr Getreuen! Frohlocket! Er befreyet euch von der Furcht unsern königlichen Stamm erloschen, und hiedurch das Königreich zerrüttet zu sehen. Er bringt die Munterkeit auf eure Stirne wieder, welche in Erwartung desselben mit Sorge und Trau ri gkeit bis zu dieser Zeit umnebelt war. Wir haben einen Prinzen! Der Tag seiner Geburt war für uns ein

glorreicher Tag. Seine Erscheinung war, wie die aufgehende Sonne, welche den Nebel vertreibt, denn eben so zerstreute dieser Neugebohrne die Wankelmuth, Unentschlossenheit, Furcht und Hoffnung aus dem Herzen unsrer Untergebenen, und brachte die vorige Glückseligkeit, das heitere Zutrauen, und die Liebe in dieselben wieder zurück. Wir haben endlich einen Prinzen! Auf diesem soll unser Königreich, wie auf einem harten Felsen befestiget stehen. Es hat sich nun vor dem Ungestümm der Feinde nichts zu fürchten, die Vorsicht begünstiget es augenscheinlich, und wird es immer desto mehr beglücken, jemehr Prinzen, Nachkommen und Erben aus unserm Stamme entspringen, damit der Same des Gerechten nicht zu Grund gehe, und das Gott gewidmete Geschlecht nie ausgelöscht werde." - Die Mitteilung über die Geburt seines Sohnes schickte Karl IV. auch an den Papst: ,,Sanctissime Pater etc. Nativitatem 11/ustris Primogeniti nostri, quem Deus omnipotens de sue benignitatis munere speciali post multiplices lugubres curas et suspiria do/orosa, quibus post clare memorie 11/ustrium Dominarum Blancze et Anne inopinatum occasum animum nostrum sauciis meroribus nubilavit, consuete pietatis non oblitus, pro veteribus nostris mestitiis resecandis feliciter in fucem mundi prodire constituit, sanctitati vestre presentibus intimamus, ut sicut Eadem Vestra Sanctitas afflictionibus nostris, paternis compassionibus animum non negavit opponere, sie una nobiscum de communis gaudii innovata leticia gratuletur (... )." PELZEL 1781, II, Urkundenbuch 254, Nr. 245. 103 Karl war bereits in seiner zweiten Ehe mit Anna von der Pfalz am 17. Januar 1350 ein Sohn Wenzel geboren worden, der jedoch am 28. Dezember 1351 plötzlich verstorben war. 104 Bereits einen Tag nach der Geburt teilte Königin Anna von Schweidnitz ihr Glück mit Papst lnnozenz VI.: ,,Sanctissime Pater et Reverendissime Domine. Auxiliante altissimo, qui regna regit, et Regibus dat sa/utem die Veneris ante Dominicam Oculi, hora quasi tertia masculinam sobolem, corpu/entam et membris singulis elegantem in /ucem produximus huius mundi. et post partum una cum prole, Deo auspice, grata corporis sanitate gaudemus. Et quia sanctitatem Vestram de persona nostra felicia nona libenter audire confidimus, hec eidem sanctitati Vestre per Honorabilem Capellanum nostrum, exhibitorem presentium intimamus, supplicantes humiliter, ut ipsium nostre interventionis obtentu in suis petitionibus habere dignemini recommissum." PELZEL 1781, II, Urkundenbuch 2541., Nr. 246, in der Übersetzung durch PELZEL 1781, II, 6801.: ,,Heiliger Vater, Ehrwürdigster Herr! Wir haben mit der Hülfe des Allerhöchsten, welcher über die Reiche herrschet. und den Königen Heil ertheilet. am Freytag vor dem Sonntag Ocu li, um die dritte Stunde, einen wohlgestalteten Sohn zur Welt gebracht. Wi r befinden uns samt dem Kinde nach der Geburt, mit Hülfe Gottes, gesund. Weil uns bekannt ist, daß Euer Heiligkei t von unser Person gerne etwas hören, und sich über unsere Glückseligkeit freuen, so haben wir Euer Heiligkeit auch hievon die Nachricht durch unsern Kaplan, den Ueberbringer dieses Briefes, mittheilen wollen." - Ein ähnlicher Brief hat sich auch an den Stadtrat in Straßburg erhalten, was, auch wenn man von der Existenz weiterer ähnlicher Briefe ausgehen darf. auf die außerordentliche Stellung der oberrheinischen Städte in der „Rangliste" des Kaiserpaars hinweist: Quellenanhang Nr. 38. 105 Karls Nachricht nach Nürnberg, geschrieben auf Burg 2ebrak am 17. Juni mit detaillierten Reiseangaben siehe MENDL/ LINHARTOVA 1954-63, Nr. 557 (1360, 17. Juni).

der Familie Weinschröter. Umso hilfreicher wäre es nun, Werke dieser Maler sicher oder wenigstens mithilfe tragfähiger Indizien benennen zu können, denn so wäre an Nürnberger Beispielen Schritt für Schritt der künstlerische Wandel vom monumentalen Kaiserstil des dritten Viertels des 14. Jahrhunderts zu den idealisierten Formen des Schönen Stils um die Jahrhundertwende zu verfolgen.

Die Wandmalereien in St. Moritz Geburt und feierliche Taufe Wenzels IV. in Nürnberg, Februar bis April 1361 ,,Wir haben einen Prinzen! Der Tag seiner Geburt war für uns ein glorreicher Tag. Seine Erscheinung war wie die aufgehende Sonne, welche den Nebel vertreibt, denn eben so zerstreute dieser Neugebohrne die Wankelmuth, Unentschlossenheit, Furcht und Hoffnung aus dem Herzen unsrer Untergebenen, und brachte die vorige Glückseligkeit, das heitere Zutrauen, und die Liebe in dieselben wieder zurück. Wir haben endlich einen Prinzen! "102 Mit diesen Worten der Begeisterung verkündete Karl IV. der Welt die Gebu rt seines Sohnes Wenzel (1 361-1419),1°3 des ungeduldig erwarteten Thronfolgers. 104 Er wurde Karls dritter Gemahlin Anna von Schweidnitz (1339-62) am 26. Februar 1361 auf der kaiserlichen Burg in Nürnberg geboren, wohin der Kaiser mit seiner Familie von Prag bereits am 16. Juni 1360 aufgebrochen war.105 (Abb. 54) Nach dem Feldzug gegen die Grafen von

Württemberg und den anschließend einberufenen Verhandlungen der Kurfürsten in Mainz kehrte Karl im Oktober 1360 wieder nach Nürnberg zurück und hielt sich hier mehrere Monate bis Ende April des folgenden Jahres auf.106 In der Reichsstadt beschäftigten ihn neben der gängigen Kanzleiagenda auch Verhandlungen über Hilfeleistungen für Papst Innozenz VI. sowie der Streit mit seinem ihm feindlich gesonnenen Schwiegersohn Rudolf IV. von Habsburg und dessen unbändigen machtpolitischen Ambitionen, die sich auf gefälschte Privilegien stützten. Der 45-jährige Kaiser lebte damals an der Seite seiner schwangeren Gemahlin in der freudigen Hoffnung auf Familienzuwachs, der die dynastische Politik von Grund auf ändern und ihr eine neue Dynamik verleihen könnte. Die Reichsstadt war sicherlich nicht zufällig als Aufenthaltsort der kaiserlichen Familie gewählt worden. Karl gab durch die Wahl des Geburtsorts seines Kindes symbolisch die hohe Wertschätzung Nürnbergs im Kontext der Reichspolitik zu erkennen und dachte zweifellos auch an die demonstrative Präsentation eines eventuellen Sohnes als Erben des Römischen Throns an dem Ort, an dem das wichtigste Reichsgesetz verkündet worden war. 107 Und entsprechend wurde das Ereignis denn auch aufgenommen:108 Der Konstanzer Kanoniker und Chronist Heinrich von Dießenhofen beschrieb Wenzels Geburt als außerordentliches Ereignis, 109 während Karls Prager Hofchronist Benesch Krabitz von Weitmühl (Benes Krabice z Veitmile) nach lapidarer Feststellung zum Ablauf der Ereignisse zurückkehrt. 110 Verständlicherweise widmeten sich der Geburt Wenzels IV. auch die Nürnberger Chronisten - wenn auch in unterschiedlichem Umfang.11 1 Damit sich das Ereignis dem Gedächtnis der Zeitgenossen wirklich unauslöschlich einpräge, wurde zu Ehren Wenzels in Nürnberg eine festliche Prozession mit Glockengeläut veranstaltet. Der Geburtsstadt seines Sohnes erließ Karl die Zahlung der Reichssteuer, 112 zudem amnestierte er einen Großteil der dortigen Gefangenen. In seinen Gebeten für die Geburt eines männlichen Nachkommen hatte Karl IV. gelobt, falls ihm der ungeduldig erwartete Thronfolger gewährt werde, das Münster in Aachen zu beschenken, den Krönungsort der Römischen Könige und Grablege des kaiserlichen Vorgängers und persönlichen Patrons, Karls des Großen, zu dessen direkten Erben er sich nicht nur als Römischer Kaiser, sondern auch als Angehöriger des Hauses Luxemburg zählte. Nach der Geburt ließ er den Neugeborenen in Gold aufwiegen und sandte 16 Pfund, d.h. fast vier Kilogramm reines Gold, an das Kapitel zu Aachen, 11 3 das die Votivgabe des Kaisers wohl zur Finanzierung des gewaltigen neuen Ostchors am Münster verwendete. 114 (Abb. 55) Persönlich reiste Karl IV. erst Ende des folgenden Jahres nach Aachen, wo er Weihnachten feierte und im Obergeschoss des dortigen Oktogons am 20. Dezember 1362 zur Erinnerung an den hl. Wenzel einen Altar mit Kaplansamt gründete, dessen Inhaber böhmischer Herkunft sein oder die tschechische Sprache beherrschen sollte, um Pilgern aus Böhmen dienlich zu sein. (Abb. 56) Aus der vom Notar der kaiserlichen Kanzlei Henricus de Wesalia (Oberwesel) vorbereiteten und vom Registrator Johannes Saxo, Inhaber einer Pfründe an der Frauenkirche in Nürnberg, geschriebenen Gründungsurkunde geht hervor, dass das Präsentationsrecht an diesem Altar bei Karl oder seinen Erben auf dem Thron des böhmischen Königs lag. 11 5 Außer dem Festtag des hl. Wenzel sollte hier am Todestag Karls IV. eine Seelmesse zur Ehre des Andenkens an ihn und seine Vorfahren gefeiert werden: an den kaiserlichen Großvater Heinrich VII., den Großonkel Balduin von Trier, Karls Vater, den böhmischen König Johann von Luxemburg, an seine Mutter Elisabeth und die bis dahin drei Gemahlinnen sowie auch an den unlängst geborenen Sohn Wenzel. 116 Aus den schriftlichen Quellen erfahren wir nicht, ob bereits damals auf der Altarmensa ein künstlerisch gestalteter Schrein aufgestellt wurde. An Karls Gründung erinnert heute ein spätgotisches, gemaltes Retabel, dessen Ikonografie, Kompositionstyp und reiche dekorative Ausstattung der Festtagsseite andeuten, dass es von einem wohl Kölner Maler irgendwann nach Mitte des 15. Jahrhunderts ganz im Geiste eines ersten Retabels von 1362 geschaffen wurde. 117 Auf Wunsch des Kanonikers Sigismund von Iglau (Zikmund z Jihlavy), der das Amt am Aachener Wenzelsaltar von König Ladislaus Postumus (1440-57; seit 1444 ungarischer, seit 1453 böhmischer König) erhalten hatte, könnte dieses Bild das ältere Karlsretabel ersetzt haben, das wohl ebenfalls den

106 In Nürnberg ist er vom 16. Okto ber 1360 bis zum 26. April 1361 be legt. HUBER 1877, Nr. 3377-3688, 6219-6220, danach verbrachte er einige Tage bis zum 29. April im nahen Sulzbach. HUBER 1877, Nr. 3687- 3694. - KAVKA 1993, 1. 164. geht von einem Aufenthalt in Nürnberg bis Mitte Mai aus. 107 Dazu be reits PELZEL 1781, 11, 679. - SPEVACEK 1986, 331 .. lehnte diese Interpre tation ab. da sie nicht in sein national konnotie rtes Bild passte, demzufolge er hinter jedem von Karls Sch rit te n aussch ließlich böhmische Inte ressen erkennen wo ll te. - Zur Diskussion zwischen Ferdinand

Seibt und Jifi Spevacek siehe Ausst.-Kat. Köln 1978, Kolloquiumsband 1980, 198-2DD; MORAW 1982. 275-283. 108 HUBER 1877, Nr. 3565a (1361, 26. Februar). 109 ,,/tem eodem mense Februari anni fxi. natus fuit Filius Karofi iiii. et natus fuit in Nürrenberg. Et tune imperator relaxavit omnes captivos ibidem, omnes eciam cives dicte civita tis ad certum

tempus ab omni col/ecta abso/vit. Et processionem per clerum sollempnem pulsatis campani fieri mandavit et devote peregit et quedam vota peregrinationis emisit." BÖHM ER/HUBER 1868, 122. 110 „ Anno Domini MCCCLXI domino imperatore moram trahenre in civitate Nuremberga cum coniuge sua, domina Anna imperatrice, natus est eis fifius, cui nomen Wenczes laus in baptism imponitur, feria VI in crastino beati Mathie aposto li."

Chronicon Benessii de Weitmil, in: EMLER 1884/111, 527. BLAHOVA 1987, 233. 111 „Anno domini 1361 am freytag vor remynyscere da ward geborn kunk Wenczlab von Behehm, dez romyssen kaysers Karl sun, und ward zu Nurenberg geborn, der auch her nach romisser kunk warb." Ulma n Stromers Püche/ von meim ges/echet und von abentewr 1349 bis 1407, in: HEGEL 1862, 23-106, hier 33. - .,/tem anno dom. 1300 und 61 jar da ward kunig Wenczelaw, der behemisch Kunig, geporen zu Nurenberg auf der vesten an sant Gerdruden tag in der vasten, der ein sun ist gewesen Karoli des leczeren keisers

und ist gekront worden zu einem kunige an dem andern jar seines alters an dem tag sant Beyts des heiligen marters. derse/big kunig bescheiß sich in der tauf. und da man das wasser so/t wermen, da pran der pfarrhof ab, das großer zaichen zway waren und bedeutnus gaben der zukunftigen zeit. der irrirrsalung. dy er gemert hat und nicht geminnert /...) wee aber in, dy im darzu geholfen haben, als vater und muter und dy anderen gunner, der nie kein gute tat tete, dy weil er wo/ het gemöcht zu keiser zu wrden. Es so/t aber nicht sein, wenn es schedlichen wer gewesen der cristenheit, als es noch zu frw ist mit seinem pruder kunig Sigmund, der auch das lobe und preiß wil verliesen umb der gutet willen, dy er getan hat, als dy einigung der pebste. Aber was noch geschih t das weiß niemand als wo/ als got, der sey uns genedig und helf uns von trubsalen und unterstee den unge/auben du rch sein allmechtigkeit, weisheit und gu tigkeit des heiligen ges tes amen." Chronik aus Kaiser Sig ismunds Zeit bis 143 4 mit Fortsetzung bi s 1441. bearb. von Th eodor von Kern. in: HEGEL 1862. 34 4- 41 4, hier 3521. 112 Die Steuer wa r zum Martinstag 1362 fä ll ig. HUBER 1877, Nr. 3576 (1361, 7. März). 113 Dieses Ereig nis schilde rt der Nü rnberger Johannes Mü lln er. der sich in seinen Annalen von 1623 auf chron ika lische sowie urkundliche Quellen stützte: .,Anno 136 1. In diesem Jahr. wie die Nürnbergischen Chroniken setzen, an S. Gertrautentag oder, wie Ulmann Stromer meldet, Freitag vor Reminiscere,

die Behemische Chronik den 28. Septembris, ist Kaiser Carl von seiner dritten Gemahe/ Anna. geborner Herzogin von Schweinicz oder, wie Joachim Curcus in Annalibus Silesiae

114 115 11 6 117

schreibet. filia Henrici Jaurensis, ein Sohn geborn worden; und nachdem er. sobald sich sein Gemahel schwanger befunden, ein Ge/übd getan gehabt. wann das Kind ein Sohn wäre, Unser Frauen zu Aach so viel Gold zu opfern. so schwer das Kind wäre, hat er solches a/sba lden vollzogen." MÜLLNER / HIRSC HMA NN 1972, 35 . - WERUN SKY 1892, II I. 238, nen nt das Ereignis ohne Angabe einer Quelle. Ebenfalls o hne Ve rweis au f Quellen ode r Literat ur erzäh lt SPE VAC EK 1986. 33, dass Karl nach de r Ge bur t We nzels eine Wa llfahr t nach Aachen zu unterne hmen gedachte. Wege n d rin gender Reichsa nge legenheiten habe er die Wa llfahrt jedoc h absagen müssen und als Ersa t z ließ er dan n sei nen So hn in Go ld aufwiegen und Aachen d ieses Gold sc henken. WINA NDS 1989. - SIEB IGS 1997. - Der Alta r w urde 1784 abgebrochen. Quellenanhang Nr. 39. Quellenanhang Nr. 39. Die äußeren Re tabelflügel in der oberen Bildhäl fte zeigen die Verkü ndigung an Maria, in der untere n Häl ft e den hl. Stepha n und Ka rl d en Große n sowie de n hl. Wenze l und vo r ihm kni end den Ka no niker Sig ism und von lg lau (Zikm und z Jihl avy). Das geöff net e Ret abel stell t Christus am Kreuz sowie Ma ria und den hl. Johannes Evangelista dar. dem der kn iend e Ka iser Karl IV., vom hl. Wenzel empfoh len, sowie Kö nig Ladisla us Postumus, f ür den der hl. Veit Fü rsprache hält, huldigen. Auf den inneren Altar fl ügeln si nd Hei ligen paa re da rgest ellt: li nks die Heilige n Sig ismund und Ludm illa, gegenüber d ie Heiligen Ada lbe rt und Proko p. Vo n der d ynas t isc h-herr scherli c hen Iko nog ra f ie her erinn ert das Wenzels- Ret abe l des Sig is mund von lg lau stark z. B. an die be kannte Voti vtafe l des Prage r Erzbischofs Johann Ocko von Vlasim aus der Zeit um 1370

Abb. 57 - Nürnberg, St. Sebald, Ostchor - 1361 bis 1372 wurde der Ostchor über der Grablege des Stadtheiligen Sebaldus ausgebaut; in die Zeit fällt wahrscheinlich auch die Umwidmung der Kirche von St. Petrus auf St. Sebald

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stolzen Kaiser als Vater mit seinem Sohn gezeigt hatte. Gerade das Porträt Wenzels IV., dieses im Reich erfolglosen, für die meisten Fürsten unakzeptablen und von den späteren Historiografen verlachten Königs, mag der Grund für den Austausch des Retabels gewesen sein, durch den Wenzel durch Ladislaus Postumus ersetzt wurde, den Sohn Albrechts II. von Habsburg und der Elisabeth von Luxemburg, der Tochter von Karls Sohn Sigismund. Ladislaus wurde somit als legitimer Fortsetzer des Stiftungswerks seines Urgroßvaters, Karls IV., vorgestellt.118 Für den 11. April 1361 setzte Karl IV. in Nürnberg die Taufe Wenzels fest und berief zugleich einen großen Hoftag ein (sollempnis curia), 119 dessen ursprünglich geplanter Beginn verschoben wurde, damit genügend Zeit für die Vorbereitungen blieb. An diesen beteiligte sich sicherlich auch Albrecht Krauter, 1355 bis 1372 Pfarrer an St. Sebald, begeisterter Verehrer des Stadtpatrons und Titelheiligen seiner Kirche, der die damalige Aufmerksamkeit des Kaisers für einen neuen Versuch nutzte, die Kanonisation des Eremiten Sebaldus in die Wege zu leiten.120 Zentraler Bestandteil dieser Aktivitäten war der kurz nach Wenzels Taufe begonnene Neubau des geräumigen Hallenchors anstelle der Ostteile der alten Kirche, in dessen Mitte das Grab des Sebaldus neu inszeniert wurde und der wohl zunächst als Beginn eines völligen Neubaus der Sebalduskirche gedacht war. 12 1 (Abb. 57) Bereits Anfang April reisten hohe Würdenträger des Reichs mit fünf Kurfürsten an der Spitze nach Nürnberg: die Erzbischöfe Gerlach von Mainz, Wilhelm von Köln, der Pfalzgraf bei Rhein Ruprecht, der sächsische Herzog Rudolf II. und Markgraf Ludwig von Brandenburg. Nur der greise Trierer Erzbischof Boemund von Saarbrücken sandte seinen Vikar.122 Belegt sind weiter der Prager Erzbischof Ernst von Pardubitz und die Bischöfe Albrecht von Würzburg, Johann von Straßburg, Karls Kanzler Johannes von Leitomischl, Leupold von Bamberg, Johann von Olmütz,

Abb. 58 - Nürnberg, Hauptmarkt mit der kaiserlichen Frauenkirche und links davon dem Haus (Hauptmarkt 16 / Obstgasse 2) des Ulman Stromer (1329-1407) - ab 1370 leitete er mit seinen Brüdern das Stromersche Großhandelshaus, dessen Geschäfte \'On Ba rcelona bis Riga und Asow reichten , 1368 erwarb er für 1825 Gulden ein groGes Anwesen am Hauptmar:._ und baute es für über 2000 Gulden zu einem repräsen tiven \Vohns1 tz und Kauffa hrerhof aus , Zustand 1934-36 , Fotografie: Staatliche Bildstelle Be rlin

(Prag, Nati onalga lerie, lnv.-N r. 0 84), au f der Ka rl IV. mit se in em Sohn Wen zel als Ve reh rer d er zugl eic h die Ecc lesia ve rkö rpern den Maria darges tellt ist , wo bei er von sei nen pe rsönli chen Sc hutz hei lige n Sig ismund und Wen ze l em pfo hl en w ird. 118 Zum Aac hener Ret abe l KVE T 1930. - GR IMME 1972, 11 5, Ka t .- Nr. 103, Ab b. 115, 11 6. - HI LG ER 1973. - PES IN A 1974/76, 553. - FAJT 2000, 496 f. 119 HUBER 1877, Nr. 3621a (1361, 11. April). - ,. Et omnes electores imperii et muftos alios principes tarn episcopos et abbates ac secufares principes et comi tes seu ba ro nes et nobi/es vocavit et cu riam sive convocationem indixit ad dominicam secundam post festum resurrectionis, que dominica resu rrectionis tune fui t v. ka/. Aprilis, convoca tio vero iii. idus aprilis. Et ibi quedam fac ta sunt, que secuntur: primum, quod filium suum ba p tizari feci t coram e/ecto ribus p rincipibu s ibidem congrega tis, excepto Trevirensi, qui vicarium suum illic misit. Et archiepiscopus Pragensis puerum bap tizavit et vocatus es t Wenze/aus et magnam letitiam ibidem habuit impera tor cum suis et duravit per oc to dies ." BÖHMER/ HUBER 1868, 122 f. (Heinric h von Dieße nhofe n). - ,, ltem an no Domini MCCC LXI in principio mensis Marcii imperatrix in Nurenberch filium mascu/inum genuit. Oe qua imperator /eticiam habuit non modicam et eundem baptizandum sof/empniter reser vavi t per unum mensem et amplius. Nam ad bap tismum ipsius convocat

Abb. 59 - Heiltümer und Reichskleinodien ürn berg, um 1440 , Ei nblattdruck, Holzschnitt auf Papier , Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, l nv.-Nr. HB 24755 Kapsel 1334 '> Abb. 60 - Das jüngere Landeskreuz, das "wertvollste Kleinod der Könige und des Königreichs Böhmen" - Prag, 1370er Jahre (Fuß 1522) , Gold und fd elsteine, Fuß vergoldetes Si lber, H. 62,5 cm, B. 41,5 T. 5 cm • ehemals Karlstein (bis 1619), später Prag 1t 1625), Metropolitni kapitula u svateho Vita v Praze, schatz, Inv.-Nr. 25 (97)

so//empnem c uriam in Nurenberch et e/ectores imperii quasi omnes. Et hie fi/ius baptisatus est dominica, qua cantatur Misericordia Domin. que tune fuit III. ydus Aprilis, in parochia s(anc) ti Sewoldi in Nurenberch Babenbergensis dyocesis et /eva tus de fonte per archiepiscopos Maguntinensem. Co loniensem, Pragensem et per episcopos sex et quinque abba tes, et nomen eius Wenczes /aus appel/atum. Et duravit hec curia cum magno gaudio per octo dies. Nam et insignia imperia/ia imperator iubet deduci de Bohemia cum sollempni appara tu et ostendit ibidem. Et existen tibus ibidem denuntiantur magne indu lgen tie, quas fnnocencius sextus papa tune g raciose concessit, vide/icet easdem indu/gencias. quas in urbe Romani pon tifices in die cene Domini co ncedere consueverunt. Et habita sunt has tiludia et alia solacia infinita. Post hec imperator disponit visita re limina beate virg inis Aquisgrani set deliberat mittere. offertorium iffuc pro filio suo

Dietrich von Minden, Gerhard von Speyer, Berthold von Eichstätt, Gerhard von Naumburg, Albrecht von Schwerin, Dietrich von Worms, Marquard von Augsburg, Johannes von Gurk, Peter von Chur und Heinrich von Lebus. Unter den Fürsten und Grafen befanden sich der Brandenburger und Lausitzer Markgraf Otto, Friedrich und Wilhelm von Meißen, die bayerischen Herzöge Adolf, Stephan und Friedrich, die Stettiner Herzöge Barnim und Kasimir, vier Adlige namens Bolek (von Schweidnitz, von Münsterberg, von Falkenberg und von Oppeln), Herzog Heinrich von Glogau, Wenzel von Liegnitz, Ludwig und Heinrich von Brieg, Nikolaus von Troppau und Premysl von Teschen. Die Liste lässt sich fortsetzen mit Karls Hofmeister, dem Magdeburger Burggrafen Burchard, dem Nürnberger Burggrafen Friedrich, den Württemberger Grafen Eberhard und Ulrich, Johann und Burchard, Grafen von Retz, Heinrich und Wilhelm, Grafen von Montfort, Johann, Heinrich und Günther Grafen von Schwarzburg, GrafJohann von Nassau, Wilhelm von Katzenelnbogen, Otto von Ortenburg, Ulrich von Helfenstein, Eberhard von Wertheim, den Landgrafen Johann und Ulrich von Leuchtenberg, den Herren Kraft und Gottfried von Hohenlohe, Gozo von Bruneck, Friedrich von Heideck, Thimo von Colditz sowie Peter, Jobst und Ulrich von Rosenberg. Etwas später kamen Bischof Paul von Freising, Herzog Ridakar von Braunschweig, Ludwig von Oettingen und die böhmischen Adligen Zbynko Zajic von Hasenburg und Hasek von Zviretitz. 123 Die illustre Gästeschar wurde durch Äbte und Pröpste

< Abb. 61 - Weisung der Reichskleinodien a m Hauptmarkt in Nürnberg in einem \X'allfahrtsführer Nürnberg, 1487 • kolorierter Holzschnitt, Pergament, H. 21 cm, B. 15,5 cm • Nürnberg, Staatsarchiv, Reic hsstadt. 'ürnberg, Handschriften,. 'r. 399a, fol. 4 > Abb . 62 - Initiale A mit dem jungen König \11/enzel

IV., Chronik des Pflbik von Radenfn, gen. Pulkava Prag, 1373 . illuminierte Handschrift , Pergament, 143 BI., H 32 cm, B. 23 cm • Krakau, ,\luzeum Narodowe, Biblioteka Czar toryskich, Ms. Czart. 1414, fol. 3r

bedeutender Reichsklöster und -stifte aufgewertet. In Nürnberg traf sich im April 1361 also eine bunte, hierarchisch gestufte Gesellschaft, deren Angehörigen nur ein einziges Moment gemeinsam war: das Interesse, gute Beziehungen zum mächtigen Kaiser zu unterhalten. Auf der anderen Seite gab auch Karl IV. bereits mit der Einladung zu Wenzels Taufe seine Gunst zu erkennen. Dies wird besonders daran deutlich, dass bei den Feiern Karls Schwiegersohn Rudolf IV. von Habsburg fehlte, zu dem das Verhältnis zu dieser Zeit sehr angespannt war. Dieses sollte freilich zu einem der Hauptthemen darauffolgender Verhandlungen werden, zu denen der österreichische Erzherzog geladen war - allerdings erst nach dem Ende der achttägigen Feiern, am 18. April. 124 Neben den sicher zahlreichen Gastmählern, dem großen Turnier, an dem angeblich an die tausend Gäste teilnahmen, 125 und der unendlichen Reihe weiterer Vergnügungen waren aus Prag mit dem entsprechenden Pomp (cum solempni apparatu) auch die Reichskleinodien (insignia imperialia) nach Nürnberg überführt worden. Sie wurden gemeinsam mit anderen kostbaren, in das von Karl gestiftete Karlsteiner goldene Reliquienkreuz des Königreichs Böhmen eingefügten Passionsreliquien öffentlich gezeigt, ähnlich wie in Böhmen, und zwar vom äußeren Umgang der dem Erzengel Michael geweihten Kapelle über der Vorhalle der kurz zuvor vollendeten Frauenkirche am Hauptmarkt. Die Zeitgenossen verschweigen allerdings den Ort des Geschehens. Erstmals wird er erst in der jüngeren, häufig jedoch ungenauen Chronik des Sigmund Meisterlin aus der Zeit um 1488 erwähnt, der sogar von zwei Schauen spricht. Die erste soll 1360 stattgefunden haben: ,,da kam Carolus gen Nurnberg und het da eine große Samlung und da er mit

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nato. Unde iubet filium ponderare in statera cum auro, qui ponderavit XVI marcas auri. quas mittit Aquisgrani. Et ipse cum uxore et filio et insigniis supra scriptis in Bohemiam est reversus . Et nota, quod insignia imperialia, que tune vidi, de quibus papa festum indixit, sunt hec: primum videlicet Ferrum /ancee. que transfixit /atus Christi; item c/avuscum aliquali pecia figni sancte crucis, qui transivit manum Christi: item gladius Karoli Magni primi imperatoris Romanorum, quem tune imperator tenebat in manibus et corona, qua coronatus est in imperatorem a Leone papa III; item gladius Mauricii martyris; item pecia brachii sancte Anne, matris Marie virginis, et dens lohannis baptiste; item pecia corde. qua Christus fuit ad columpnam /igatus; item spongia, qua fuit in cruce potatus, et alie plures reliquie sanctorum." Chronica Heinrici Surdi de Selbach (Chronik des Heinrich Taube von Selbach). BRESSLAU 1922, 1171. ROTH 1980. - Zur Heiligsprechung Sebalds KRAUS 1950, 39. Zur Bauchronologie des Ostchors MARX 1984. - Präzise Ergebnisse neuer Bauforschungen zu Planung und Ausführung nebst verformungsgerechtem Grundriss bei HERTLEIN/KU LKE 2000. HUBER 1877. Nr. 3619 (1361. 7. April). HUBER 1877. Nr. 3581 (1361, 11. Ap ril ). - Zu den Gästen bei der Taufe Wenzels IV. und beim anschließenden Hoftag SPEVACEK 1986, 34-36 . HUBER 1877. Nr. 3572 (1361, 5. März). Limburger Chronik des Tilemann Elhen von Wolfhagen. WYSS 1883, 351. HEGEL 1864. 158.

im gepracht het das wirdig hailtumb da ließ er vor ein hoff außrüefen, und als er gar frölich das österliche fest begangen hett, da verkünd er, wie man das hailtumb wurd zaigen auffreitag vierzehn tag nach dem hailligen karfreitag, also war es gezaigt auf dem umgang der kaiserlichen capell die auf diese zeit gar in kurzer zeit gepawet was worden''. 126 Die zweite ein Jahr später, also 1361: ,,also ließ er das hailtumb zaigen an dem Freitag darvor und stund der außschreier auf dem umblauf unser frawen capellen; auch ließ er den bebstlichen ablaß, von Innocencio gegeben, über das fest des spers ausrüefen''. 127 Dabei kann kein Zweifel bestehen, dass sich beide Erwähnungen auf ein und dieselbe Präsentation der kostbaren Reichs- und anderen Reliquien im Jahr 1361 beziehen, denn zu Ostern 1360 hielt sich Karl IV. nachweislich in Böhmen auf. 128

127 HEGEL 1864, 161. 128 HUBER 1877, Nr. 3106a (Abreise nach Mähren: 1361, April); Nr. 3101a (Ostern: 1361. 5. April); Nr. 3102 (1360. 14. April); Nr. 3103 (1360. 16. April); Nr. 7021 (Prag: 1360, 17. April). BLOHM 1993, 1811. 129 LÜTZELSCHWA~ 2006, 202-206 .

Karl nutzte mit der Heiltumsschau in Nürnberg die Gelegenheit und manifestierte die Geburt seines Sohnes im Kontext der christozentrischen höfischen Frömmigkeit so, wie er sie in Paris kennengelernt und in den 1350er Jahren in Prag selbst institutionalisiert hatte. 129 Diese beruhte auf dem Gedanken der Weltherrschaft Christi, des Königs der Könige, von dem die irdischen Herrscher ihre Legitimität und den sakralen Charakter ihres Amtes ableiteten. Der Besitz von Christusreliquien verlieh den gekrönten Häuptern außerordentliche Bedeutung, denn als Beschützer dieser Heiltümer nahmen sie unter ihren Standesgenossen automatisch eine privilegierte Position ein. Und auch Wenzel war vorbestimmt, diese magische Kraft und auserwählte Stellung dereinst einzunehmen. Über den Verlauf der rituellen Präsentation der Reliquien informiert uns ein Augenzeuge, der Chronist Heinrich Taube von Selbach, der eine Reihe von

----~ Reliquien aus dem Reichsschatz aufzählte - in erster Linie die ~eilige Lanz~ .u nd den Nagel, beide im Reichskreuz eingefügt, dann einen Holzsplitter vom Heiligen Kreuz, das Schwert Karls des Großen, die Kaiserkrone, das Schwert des hl. ._Mauritius, eine Armreliquie der hl. Anna und einen Zahn des hl. Johannes ~es Tauf~rs sowie einige Heiltümer aus dem böhmischen Schatz, z~ de~en ein Teil des Seils gehörte, mit dem Christus während der Geißelung an die Saule gefesselt wor~en war, und ein Fragment des Schwamms, den Stefaton Christus am K.reuz gereicht hatte. (Abb. 59) Die Aufzählung ist nicht vollständig, wie der Chromst selbst festhielt. Wir wissen allerdings nicht, ob die Nürnberger Zeremome nach de.r Or~nung der alljährlichen Heiltumsschauen auf dem Prager Viehmarl~t verlief, die aus vier Hauptweisungen bestand (ostensiones): An erster Stelle der 1~s~esamt 37 Reliquien wurden die Häupter der böhmischen Landespa~rone, der Heiligen Wenzel, Veit, Adalbert und Sigismund, Reliquien der Evangelisten Markus un~ Lukas oder der heiligen Päpste Urban und Gregor aus dem Prag~r Sch~tz ~es Ve1tsdoms gezeigt. In der zweiten und dritten Phase kamen die Pass10nsreliqu1en der Prager Bischofskirche und des Karlsteiner Schatzes an die Reihe und zum Abschluss und zugleich als Höhepunkt der Zeremonie wurden die Reichskle_inodien .m it La~ze und Nagel präsentiert. (Abb. 60) 1361 handelte es sich vermutli~h um.e1~e ver~mfachte Form der sich damals erst konstituierenden berühmten Pilgerfe1erlichke1ten in Prag deren Kern _ der Reichsschatz - damals um einige Heiltümer aus dem Karlste:ner Schatz (und dem Domschatz?) erweitert worden war. 13 0 (Abb. 61) Bei diesem feierlichen Moment wollte auch Papst Innozenz VI. nicht zurückstehe~, der den Pilgern große Ablässe gewährte, die sich mit jenen vergleichen lassen, die in Rom nur am Gründonnerstag erte1·1t wur den. 13 1

-urnberg, Moritzkapelle von Südwesten, tauf dem Friedhof von St. Sebald Zustand um t >gr,lfi( Stadtarlhiv Nürnberg 4 1'/ürnberg, die am 3. Oktober 1944 urch eine Sprengbombe zerstörte Moritzkapelle 1d nach 3. Oktober 1944 • Fotografie: Stadtarchiv

130 Ein für die Tei lnehme r erstelltes Verzeichnis: Mü nch.en, Bayerische Staatsb ibliot hek, Cl m 6686, fo l. 324_ (.. h,c sunt subscripta nomina imperialium et aliarum rehqwar~m- quae ostendi solent") und München, Bayerische Staatsb1_bl1othek, Clm 15956 (.. nota Prage tempore ostensionis re/1qwarum hec reliquie sun t os tense"). - Verzeic hnis für den Aufrufenden, Prag Archiv Praiske ho hradu, Metropolit ni kapi t ula u sv. Vita~ Praze, Cod. IX, fol. 38v. Dazu au_ch EMLER 1882/1 11, 519 (Chronicon Benessii de Weitmil). KUBINOVA 2006, 291-294. zur Genese der Prager Reliquienfeiern MACHILEK 1986. 60f. - KÜ HN E 2000, 11 4- 125. - OTAVSKY 2009. 131 BRESSLAU 1922, 117.

132 BR ESS LAU 1922, 117f. 133 Siehe z. B. MÜ LLNER/H IRSC HMANN 1972, 35f. 134 So der Mainzer Erzbischof Johann II. von Nassau in der Urkunde, in de r er Wenze ls Suspendierung forder te. WE IZSÄCKER 1956, 254-260, Nr. 204 (deutsch); 260-264, Nr. 205 (lateinisc h).

Karls Sohn wurde in der Pfarr- und Ratskirche St. Sebald von dem unlängst aus Avignon zurückgekehrten Prager Erzbischof Ernst von Pardubitz (Arnost z Pardubic) getauft. Beteiligt waren auch der Mainzer Metropolit Gerlach von Nassau, der kirchenrechtlich für die Spendung des Sakraments zuständig gewesen wäre, und der Kölner Erzbischof Wilhelm von Gennep. 132 Die Taufe Wenzels von Luxemburg wurde so zu einer großartigen Schau der Reichs- und Kircheneliten und erhielt als solche ihren festen Platz in der chronikalischen Schilderung 13 3 der Stadtgeschichte. Im Hinblick auf die spätere stürmische politische Entwicklung im Reich, die 1400 in der Absetzung Wenzels IV. als Römischer König gipfelte, wurde Karls Sohn jedoch bald zum Zentrum der Aufmerksamkeit von Erzählern „aus dem Volk", die mit immer neuen Geschichten kamen, um Wenzels von Anfang an problematischen Charakter und sein katastrophales Schicksal zu belegen, d. h. die fundamentalen Stigmata des „unnützen, faulen und gänzlich ungeeigneten" Königs Wenzel IV. 134 (Abb. 62) Dieses negative Bild überwog in der deutschen und tschechischen Geschichtsschreibung noch vor Wenzels Tod am Vorabend der Hussitenkriege (t 1419). Dabei spielte sicherlich das alte biblische Stereotyp vom weisen König-Vater und dem missratenen König-Sohn eine wichtige Rolle, das so gut zu der konkreten Situation im Reich passte. Dies scheinen die Vergleiche Wenzels mit Saul und Nebukadnezar in den Schriften des Klerus zu bestätigen, besonders jedoch der Vergleich mit Rehabeam, dem missratenen Sohn des weisen Salomo, mit dem wiederum Karl verglichen zu werden pflegte. 135 Außer Alexander dem Großen war kein anderer antiker Herrscher im mittelalterlichen Bewusstsein so präsent wie Nero, der Henker der Heiligen Apostel Petrus und Paulus. Seine Taten hielt Jacobus de Voragine im 13. Jahrhundert in der

< Abb. 65 Moritzkapelle im Zustand um 1300, Johann Georg Gruber - Nürnberg, 1-05 • Kupferstich auf Papier • , 1ürnberg, Germanisches ationa lmuseu •11, lm .-Nr. SP 9118a

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populären Legendensammlung, der Legenda aurea, geschlossen fest, wo Neros im Brand Roms gipfelnde Verbrechen nachzulesen sind.136 An Neros Ruf fühlt man sich erinnert, wenn man die Zeilen über Wenzel IV. liest, in denen Abt Ludolf von Sagan in seinem Tractatus de longevo schismate 137 die Situation durch die Erzählung verschärfte, der böhmische König wolle zu seinem Vergnügen Prag ebenso anzünden wie Rom einst von Kaiser Nero angezündet worden sei. In Nürnberg wiederum sollte die Taufe Wenzels IV. die direkte Ursache für den Brand des Pfarrhofes von St. Sebald gewesen sein, der angeblich beim Anwärmen des Wassers für das Taufbecken ausgebrochen war. Die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht, die bezeichnenderweise von Heinrich Taube, dem Augenzeugen der Aprilereignisse, in seiner Chronik nicht genannt wird, leidet außer an dem erwähnten topischen Charakter des Motivs auch an der Tatsache, dass die Konstruktion des ursprünglichen, erhaltenen Taufbeckens aus dem 14. Jahrhundert, über dem wohl auch Wenzel getauft wurde, direkt an Ort und Stelle in der Kirche das Vorwärmen und Warmhalten des Wassers erlaubt. Zu den weiteren tradierten Erzählungen, die darauf abzielen, bereits in den ersten Lebenstagen Wenzels IV. habe sich dessen Vorbestimmung zu einer schlechten Regierung gezeigt, zählt auch jene, dass der Neugeborene bei seiner eigenen Taufe in das Taufbecken uriniert habe.138 Pavel Zidek erweiterte dies in seiner Schrift Spravovna von 1470/71, indem er über den zweijährigen Wenzel anführt, dass er „auf der [Prager, Anm. J. F.] Burg gekrönt wurde, und in diesem

Abb. 91 Baldachin mit einem kastenförmigen Aufsatz über der Szene der Einschulung Wenzels IV., Zyklus aus dem Leben Wenzels IV. (Wenzelsbild), unteres Register, Sebald \Veinschröter (zugeschrieben), Detail - Wand malerei, Zustand um 1943, siehe Kat. • ·r Ja • ehema ls Nürn berg, Mo ritzkapelle, zweites Joch vo n Osten, Sch ilcl\,and an der Nordseite, unteres Regtstl'r, zerstört 1944 , Fo tografie: Mü nchen , Zentra linstitut für Kunstgesc hichte, Farbdiaarchiv für \\'ancl und Det·kl·nmalerci

hier mit einem häuschenartigen Aufbau mit Satteldach versehen, dessen Giebelwand durch einen Bogen und dessen Längsseite in einem querrechteckigen Fenster geöffnet sind. Sie ermöglichen wieder den Durchblick auf die für die gesamte Wandmalerei charakteristische Kassettendecke, die sich aus Feldern zusammensetzt, welche diagonal in zwei dreieckige, zumeist Schwarz und Rot kombinierende Flächen geteilt sind. Eng verwandt ist der mit einer halbkreisförmigen Öffnung versehene Raum unter einem Satteldach auf der Darstellung des Baus der Marienkirche auf der Prager Burg im Karlsteiner Ludmillazyklus. (Abb. 90, 91} Im dortigen Wenzelszyklus an den Außenwänden des Treppenhauses am Großen Turm, konkret in der Szene, in der der hl. Wenzel Hostien vorbereitet und bäckt, liegt

/ Abb. 92 - Der hl. Wenzel bäckt Hostien. Vom Typ der Architektur mit Satteldächern ahnelt das Karlsteiner Doppelhaus den doppelten (Sakral-) Bauten in der Nürnberger Szene der Verkündigung a n die schwangere Kaiserin (rechts) - 1·arlstein, um 1361/65 , Wandmalerei • Burg Karlstein, Großer Tu rm. Treppenhaus, Zvklus der Wenzelslegende
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83 Gebetbuc h der Bo na von Luxemburg. New York , The Metr op o litan Museum of Art. The Cloisters Collection. lnv. · Nr. 6 9 .86 . - STER LIN G 1987, 1. 109-113. - Zuletzt Ausst.-Kat. Prag 2006. 81f.• Kat.· Nr. 5 (Barbara DRAKE BOEHM). 84 AVRIL 1978. 23. nPr nirtr.r rPnic:: Nik()l;::i11c:: W11rmc::Pr vnn StrnRh11ro

HH

Abb. 17- - Das Fest, Guillaume de J\,lachaut (1300?-77), Poesies, Remede de Fortune (23r-58v), Meister des Remede de Fortune Paris, um 1350 , illuminierte Handschrift, Pe rgament, 226 BI., H. 30 cm, B. 21,5 cm • Paris, Bibliotheque nationale de France, ms. fr. 1586, fol. 55r

Abb. 175 (oben) - Ankunft des Poeten am Schloss der geliebten Dame, Guillaume de Machaut (1300?-77), Poesies, Remede de Fortune (23r-58v), Meister des Remede de Fortune Pans um 1350 , illuminierte Handschrift, Pergament, 226 BI., H. 30 cm, 8. 21,5 cm • Paris, B1bliotheque nationale de France, ms . fr. 1586, fol. 23r Abb. 176 - Der Tanz, Guillaume de Machaut (1300?-77), Poesies, Remede de Fortune (23r-58v), Meister des Remede de Fortune - Paris, um 1350 , illumi111erte Handschrift, Pergament, 226 BI., H. 30 cm, B. 21,5 cm , Pans, Bibliotheque nationale de France, ms. fr. 1586, fol. 5lr 1R.? J 111

niP GPnPc:.P rlPc:. nP1 J!=ln klmstl Pric:.r.hP.n Stils in

Prna 1350-60

85 Paris, Musee du Louvre. lnv.-Nr. RF 2490. - STERLING 1987, 1, 147-150, Nr. 21.

König , der sich systematischer für literarisches Schaffen und Bücher interessierte. Seine Thronbesteigung im Jahr 1350 wurde auch von einer Ausdrucksveränderung in der Hofmalerei begleitet, in der die früher eher marginalisierten realistisch-expressiven Tendenzen zum Kennzeichen der offiziellen Herrscherrepräsentation der jungen Valois-Dynastie erhoben wurden. Als Beleg mag das offizielle Porträt des Königs aus dem Louvre dienen. 85 (Abb. 172) Das präzise modellierte, typisierte Antlitz, das durch individuelle physiognomische Züge belebt wird , erinnert nicht nur an die italianisierenden Arbeiten in Avignon , sondern auch an die Karlsteiner Porträts - konkret beispielsweise an den ersten Frankenkönig Chlodwig (fol. 19r) oder den niederlothringischen Herzog Heinrich III. (fol. 47r). (Abb.171) Am überzeugendsten wird die Tiefe des auf einer Fähigkeit zu geschärfter Beobachtung des Menschen und der Natur beruhenden Wandels bei den Illuminatoren an Johanns Pariser Hof deutlich, die nicht davor zurückschreckten , physisch nicht perfekte oder sogar hässliche Gesichter ins Bild zu setzen, und die von der Möglichkeit fasziniert waren, sich mit der Landschaft als eigenständigem künstlerischem Genre auseinanderzusetzen.

Dieser treffende und erdverbundene Stil, dessen Voraussetzungen bereits im Pariser Milieu der ersten Hälfte des Jahrhunderts formuliert worden waren, erhielt in den durch die neue Situation an den Königshof gezogenen niederländischen Malern eine mächtige Stütze. Das Aufkommen der „ realistischen " Tendenzen lässt sich gut an der reich illuminierten Bible moralisee verfolgen, für deren Ausschmückung an der bis zu 15 Maler beteiligt waren - Johann der Gute zwischen 1349 und 1352 erhebliche finanzielle Mittel aufwendete .86 (Abb_ 174) Im Hinblick auf da s Eindringen der naturalistischen Kunst niederländischer Provenienz ist besonders Folio 59 mit Szenen aus dem Buch der Richter (16,4-21) von Bedeutung , wo Delila das Geheimnis von Simsons Kraft an die Fürsten der Philister verrät. Das Hauptwerk dieses Malers sind allerdings die Miniaturen zu dem Gedicht Le Remede de Fortune in einem Sammelband des Guillaume de Machaut (1300-77) (Abb_ 175-177), des seit 1340 in Reims lebenden einstigen Sekretärs und Kaplans des böhmischen Königs Johann von Luxemburg. 87 Sicher ist die Vermutung berechtigt, dass Machauts prunkvoll illustrierte Bücher auch wegen des früheren Wirkens ihres Autors in Prag die Aufmerksamkeit Karls IV. erregten - und dies, obwohl sich keine Nachrichten über dessen bibliophile Interessen erhalten haben. Für den Prager bzw. Karlsteiner Kontext sollte aber ein Maler von größerer Bedeutung sein, der den Meister des Remede de Fortune in der Beliebtheit am Pariser Königshof ablöste : der Illuminator einer weiteren Bibel , deren Übersetzung ins Französische Johann der Gute 13 55 bei Jean de Sy in Auftrag gab.88 (Abb. 173) Wegen des unglücklichen Schicksals des Mäzens, der ein Jah r später bei Poitiers in englische Gefangenschaft geriet, blieb das Werk unvollendet. Seine Ausschmückung besorgte ein unbekannter Maler, der nach den charakteristischen Gruppierungen gekrümmter Bäume in seinen Landschaften als Maftre aux Boqueteaux oder nach seinem Hauptwerk als Meister der Bibel des Jean de Sy bezeichnet wird. Er tauchte um die Mitte der 1350er Jahre in Paris auf und verweilte hier noch unter Johanns Sohn Karl V. (reg . 1364-80). Der Stil seiner Miniaturen mit den mächtigen, relati v uniform aufgefassten , lebhaft diskutierenden Figuren vor dem Hintergrund breiter Landschaftsszenerien , die nur selten mit Vegetation bewachsen sind , wurde allerdings nicht primä r von dem Illuminator geprägt, sondern eher von monumentaleren malerischen Werken , vermutlich Wandgemälden. Dies würde auch seine komplexe Arbeit mit dem Licht bestätigen , das in seiner Auffassung nicht mehr nur Instrument zur lokalen Modellierung plastischer Gesichter ist, sondern sich gemeinsam mit der Farbe in ein autonomes künstlerisches Mittel verwandelt, dessen Steigerung die europäische Malerei von nun an für mehrere Generationen antreiben sollte. Die engen Beziehungen der beiden Maler - des Karlsteiner Meisters des Luxemburger-Stammbaums und des Pariser Meisters der Bibel des Jean de Sy - zeigen sich in zahlreichen stilistischen und motivischen Analogien . (Abb. 178, 179) Besonders anschaulich ist ein Vergleich des robusten Abraham der Pariser Bibel (fol. 34v) mit seiner Karlsteiner Paraphrase in Gestalt des griechischen Helden Herictoniu s.89 (Abb. 180, 181) Ähnlich wichtig ist auch die Londoner Bible historiale, die nach 1356 für König Johann den Guten wohl im selben Pariser Atelier ausgeschmückt wurde . Hier fesseln besonders die körperlichen Aktionen und die ihnen entsprechenden Gewandfalten der thronenden Gestalten auf den beiden Titelblättern , die sich bei den sitzenden Karlsteiner Herrschern so genau wiederholen, dass man einen gemeinsamen künstlerischen Ausgangspunkt beider Maler annehmen muss. •0 (Abb. 182, 183) Die Mitte des 14. Jahrhunderts war für die Pariser Malerei somit eine Zeit der Intensivierung „ realistischer " Tendenzen und diese konnten aus zwei Richtungen kommen. Zum einen aus Avignon , wo in den 40er Jahren der Italiener Matteo Giovannetti an der Ausgestaltung des päpstlichen Palastes mitgewirkt hatte. Ihm wird ein nicht erhaltenes Tafelbild zugeschrieben , das einst in der Sakristei der Pariser Sainte-Chapelle ausgestellt war und den Dauphin Johann bei einem Besuch in Avignon 1342 in dem Augenblick zeigte, in dem er ein von Papst Clemens VI. geschen ktes gemaltes Diptychon annahm. •• (Abb. 184) An dieser Stelle mag es nützlich sein, auf die außergewöhnlich engen Verbindungen Papst Clemens' VI. zu Karl IV. hinzuweisen, wobei Letzterer sicherlich die großzügige Ausstattung des Palastes in Avignon mit Interesse verfolgte - so wie er auch die königliche Kapelle im Palast auf der Pariser //e infrage kommenden de la Cite sehr gut kannte. Die zweite mögliche und wohl für die beiden hier zur Rede stehenden Maler noch einflussreichere Quelle künstlerischer Innovation waren die niederländischen Städte, Brüssel , Antwerpen oder Löwen in Brabant, Brügge oder Gent in Flandern. Von hier könnte der Illuminator der Bibel des Jean de Sy gekommen sein , hier könnte der Autor des Karlsteiner Zyklus gelernt haben. Mit Blick auf den intensiven künstlerischen Austausch , der sich in den folgenden Gene-

Abb. 178 - Porträt König Karls V. von Frankreich (1338-80, reg. seit 1364) in der Urkunde, die Apanage des Herzogs von Orleans betreffend, Meister der Bibel des Jean de Sy, Detail - Paris, 136- , Urkunde, Pergament • Par is, Archi\'CS nationales de Fra nce, Sign. J 358, 110. 12 > Abb. 1-9 - Karl\'. von Frankreich (1338-80, König seit 1364) in der ersten Karlsteiner Reliquienszene, die Kaiser Karl IV. zeigt, der auf dem Reichstag zu Metz im Jahr 1356 zwei Dornen der Dornenkrone Christi und eine Partikel vom HI. Kreuz erhält, Nikolaus Wurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail - Karlstein , um 1361 62-64 , \\'and malerei m it plastisch appliz ierter Krone , Burg Karls tein, Kleiner Tu rm , Passion-Christi-Kapelle, 11·estlicher Absc hnitt der Sud11·and

86 Paris, Bibliotheque natio nale de France, ms. fr. 167. - AVRIL 1978, 25f. - STERLING 1987. 1. 150-155. Nr. 22 . 87 Pa ris, Biblioth eque nationa le de Fra nce. ms. fr. 1586. - AVRI L 1978. 26-28. - STERLIN G 1987. 1. 160 - 165. 88 1355/ 57. Paris. Bibl iot heq ue nat io nale d e France. ms. fr. 15397. - Am ausführli chsten zur Perso n ih res Illuminators STERLING 1987, 1, 174-1 86. 89 Codex Heid elberge nsis, Prag, Na rodn i galeri e v Praze, Arc hiv. Sign. AA 20 15. fo l. 11r. - Berei ts ang ef ührt von STERLIN G 1987. 1. 177. Abb . 10 1. - Die künstleri sc hen zusa mmenhänge zwi schen dem Meister d es Ka rlsteiner Stammbaum s und dem Mei ster d er Bibel des Jean de Sy konstatiert en sc hon KROFTA 1975/ 11 und na ch ihm STEJ SKA L 1978/1 und 1978/11. 90 London. The Brit is h Library. Ms. Roya l 19 D II. - SC HMIDT 1969/1. 190 f. - Zur Han dsc hrift Auss t. ·Kat . Pari s 1981, 323f.. Ka t.-Nr. 277 (Fran 9ois AVRIL). 91 Das Bild ist nur au s einer Ko pie des 17. Jahrhu ndert s be kan nt. Paris. Bibli otheque natio nale de Fra nc e. Sig n. Est. Oa 11. fol. 85 . - STERLING 1987. 1. 140 -14 5. - Vo n der bedeuten den Rolle Av ign ons ging bereit s DVO RAK 1901/1 aus. - Auf den Ein flu ss des Matteo Giova netti mac hte STOC KH AUS EN 1938 aufmerk sa m.

rationen zwischen den nordfranzösischen und niederländischen Kunstzentren abspielte, wird dies kaum überraschen: Erinnert sei nur daran, dass beispielsweise der Bildhauer Jean de Liege (tätig 1357-81) seit 1361 in Paris nachgewiesen ist, Andre Beauneveu (tätig 1361-1400/03) ähnlich wie Jean de Beaumetz (tätig 1361-91) aus dem südniederländischen Valenciennes in die französische Metropole kam, Claus Sluter (1380-1406) sich aus dem nordniederländischen Haarlem nach Dijon begab, während der königliche Maler Jean Bondol (tätig 1368-81) aus dem flandrischen Brügge nach Paris kam. Melchior Broederlam (tätig 1381-1409), Hofmaler der Grafen von Flandern und Herzöge von Burgund, stammte aus Ypres, und der in Burgund tätige Jean Malouel (tätig 1396-1415) wiederum aus dem nordniederländischen Nijmegen. Diese Überlegung wird durch die Tatsache noch wahrscheinlicher, dass sich in der brabantischen Metropole Brüssel nach 1354 Wenzel von Luxemburg (t 1383) an-

\bb. 181 - Abrahams Bund mit Abimelech l \los 21,30), Bibel des Jean de Sy, Meister der Bibel des Jean de Sy - Paris, 1355-57 • ill uminierte andschrift , Pergament , 371 BI., H . .n cm, B. 30 cm • Pa ns, Bibliotheque nationale de France, ms. fr. 15397, tc,' 34,· < Abb. 180 Herictonius aus dem LuxemburgerStammbaum in der Nachzeichnung des Codex Heidelbergensis, Kopie nach Nikolaus \\'urmser \'On Straßburg - Prag, um 1571 • Papier, 56 Zeichnungen • Prag, Narodnf ga lerie ,. Praze, Archi\·, \'ar ia , Zugangsnr. .\A 2015, fo l. 11 r

Abb. 182 - Gottvater und vier Evangelisten, Bible historiale des Johann des Guten, König von Frankreich, Detail - Pans, nach 1356 . illumi111crte Handschrift, Pergament , 526 BI., H .. iJ cm, ß. 28,5 cm. Lerndon, ßritish l.ibrary, Roya l 19 D Il, fol. Ir > Abb. 183 - Pippin der Jüngere (714-68), König der Franken (seit 751), aus dem LuxemburgerStammbaum in der Nachzeichnung des Codex Heidclbergensis, Kopie nach Nikolaus \\'urmser von Straßburg - Prag, um 1:;-1 • Pap ier, 56 Ze ichnungen. Prag, '\ärodni ga lerie, Pr,ize, Archi\, ,·aria, Zugangsnr. r\A 2015, fo l. 31 r

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siedelte, der Halbbruder Karls IV., der als Herzog von Brabant, Limburg und Luxemburg amtierte und dessen Hof später für seinen Luxus und künstlerischen Reichtum berühmt werden sollte. 92 Sicherlich konnte Wenzel dem Kaiser bewährte Maler empfehlen . Die Rolle des Vermittlers mag aber auch Karls Schwager, Johann der Gute von Frankreich, übernommen haben, wie übrigens auch die modische Kleidung einiger Figuren des Karlsteiner Stammbaums andeuten könnte, die aktuellen Trends am für ganz Europa tonangebenden Pariser Hof entsprechen. Obwohl man in Prag mit seiner stark frankophilen kulturellen Ausrichtung , deren Wurzeln bis in die Jahre vor 1300 zurückreichen , als die böhmische Metropole in der Pracht des Hofs Wenzels II. (1271-1305) erstrahlte, an die exaltiert-verfeinerte Zeremonialkultur des Pari-

93 „habitum muliebrem secundum sue gentis conswetudinem secum attulit, et apparatum secundum dignitatis sue statum,

92 FANTYSOVÄ-MATEJ KOVÄ 2007.

quem domus regia exigit. non modicum apportavit. " EMLER 1884/1. 320 (Pete r von Zittau. Kön igsaaler Chron ik, 3. Buch . Kap. II).

ser Hofs gewöhnt gewesen sein muss, wurden Kleidung und modische Aufmachung zum Ziel aggressiver Angriffe vonseiten der Kirche. (Abb. 185) Pariser Flair brachte auch 1333 das junge Ehepaar Karl IV. und Blanche de Valois mit nach Prag, wie sich der Chronist Peter von Zittau erinnerte, nach dessen Aussage die französische Prinzessin „eine Frauentracht nach dem Brauch ihres Volkes mit sich führte ".93 Geradezu wie eine Illustration der kritisierten Sitten wirken einige Figuren des LuxemburgerStammbaums , so Lambert Graf von Löwen (Codex Heidelbergensis, fol. 38r) m it seinen ondulierten , auf die Schultern fallenden Haaren, die an der Stirn mit einem rosafarbenen Band zusammengebunden waren . (Abb. 186) ,, Einige dieser Neue rer lassen sich nach Art der Barbaren lange Bärte wachsen und rasieren sich nicht.

Es gibt auch andere, die die männliche Würde schmähen und sich , wenn es um die Haare geht, in allem an die Art der Frauen halten: Manche zerwühlen ihre Haare in ganzer Breite wie die Wollarbeiter und lassen sie bis zu den Ohren offen . Und wieder andere verwenden ein Brenneisen , um sich mit gelockten und wehenden Haaren zu schmücken." So Franz von Prag , der in dieser Passage seiner Bischofschronik vom Anfang der 1340er Jahre an die Königsaa ler Chronik des Peter von Zittau (t 1336) anknüpft. •• Auch für den folgenden Abschnitt aus dieser Chronik könnte eine getreue bildliche Umsetzung auf Karlstein gefunden werden , nun in Gestalt des niederlothringischen Herzogs Gottfried 1. des Bärtigen (Abb. 187): ,,In der Kleidung herrscht eine solche Verschiedenheit und Monstrosität, wie es die Verschiedenheit monströser Gehirne predigt . Jeder, der eine neue Mode erdenkt, hält sich für über die Maßen glücklich . Das Wams ist kurz und eng , beim Ellbogen hängt es manchen wie ein Eselsohr bis zur Erde; Zwei Diener ziehen ihren Herrn wegen der engen Kleidung nur mit Anstrengung an . (. .. ) Ältere und vernünftigere Leute wundern sich und lachen über die Stiefel und Schuhe, die Waden und Füße sehr eng zusammenziehen ." Selbst Karl IV. sah sich seiner frivolen Kleidung wegen der Kriti k ausgesetzt. Zum Ziel des Spotts wurden auch die Frauen , da sie „ kostbare seidene Schleier mit vielen gekräuselten und plissierten Zipfeln oder Rändern trugen. Auch an den Mänteln und Röcken trugen sie große und breite Säume. Ihre Röcke waren oben sehr eng und unten am Saum in viele Falten ausgefranst , wobei sie bis zur Erde reichten ". Dies klingt, als hätte der Chronist das Karlsteiner Porträt der Herzogin Mathilde vor Augen gehabt (Codex Heidelbergensis, fol. 45r) . (Abb. 148) Zum Schluss beschwert sich Franz von Prag : ,, nach dem Untergang der einheimischen Könige probierte Böhmen verschiedene Herrschaften und übernahm von ihnen verschiedene Sitten. Deshalb ist nun das Sprichwort entstanden: ,In Böhmen benimmt man sich wie die Affen; man macht nämlich das, was man die anderen vorführen sieht .' Reaktionen , die das lasterhafte der Mode und der Sitten an den damaligen aristokra1 QQ 1 111

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Abb. 18·1 - Der fr anzösische Dauphin Johann, Herzog der Normandie (1319-64), erhält 1342 in ,hignon von Papst Clemens \'l. (1290-1352, reg. sei t 1342) ein gemaltes Diptychon, Kopie eines in der königlichen Sainte-Chapelle in Paris über der T ür zur Sakristei angebrachten Tafelbildes Pa ns, 1- Jahrhundert • Zeichnung auf Papier • Paris, B1bliotheque nationale de France. Departement des estampes et de la photographte - Collection Gaignieres, Sign Oa 11 Fol, fol. 85

9 4 „ Sunt quidam de hiis inventoribus, qui more barbarorum nutriunt fongas barbas, non radentes ipsas. Sunt et alii, qui dign itatem deformando virilem morem secuntur in crinibus p er omnia muliebrem, alii crines suos in latum more faniticum p ercuciunt in rotundum auretenusque diffundunt, alii crines to rnant calamistro, ut comis crispantibus et circumvolantibus humeros suos ornent. Mitrarum usus, qui primitus fuit, modo p enitus est abrasus, cantus fractis vocibus per dicessaron et d iapente modulatus iam in choreis ubique resonat et p lateis." - ,,In vestibus tanta est diversitas et deformitas, quanta deformium mencium varietas dictat. Se quisque reputat fe /iciorem, qui excogitate novum morem. Curta est vestis et arta circa cubitum quasi auris asinine a/iquibus dependens usque ad terram; duo famuli induunt dominum p ropter ves tis artitudinem cum labore. Capucia vero sunt /ata, q uorum tines a tergo ad terram pro tenduntur, quibus multi capita sua circumvolvunt, quidam nodu/es in eis ligant more /a tuorum. Unde et rustici /ata capucia deferent et ob/onga. De c aligis et sotularibus crura et pedes artissime stringentibus senibus et prudentibus sepe admiracio fit et risus. " - ., Femine quoque et virgines specialiter in ornatu suo superbiam demonstrabant: pep/a namque preciosa sericea deferebant c um mu/tis finibus sive extrem itatibus densis et crispatis. In

Abb. 186 - Lambert 1. der Bärtige, Graf von Löwen (t 1015) aus dem LuxemburgerStammbaum in der Nachzeichnung des Codex Heidelbergensis, Kopie nach Nikolaus \Vurmservon Straßburg - Prag, um 1571 • Papier, 56 Zeichnungen . Prag, :s.J'arodnf ga lerie v Praze, Archiv, Varia, Zuga ngsnr. AA 2015, fol. 38r Abb. 185 (oben) - Sitzende Höflinge aus dem Skizzenbuch eines Malers - Paris, um 1350 • lavierte Ze ichnung auf Pe rgament• Berlin, Staatliche i\lusee n zu Berlin Preußischer Ku lturbesitz, Kupferstichkabinett Abb. 18:- - Gottfried 111. der Bärtige, Herzog von Niederlothringen (t 1069) aus dem Luxemburger-Stammbaum in der Nachzeichnung des Codex Heidelbergensis, Kopie nach Nikolaus Wurmser von Straßburg - Prag, um 15-1 • Papier, 56 Zeichnungen • Prag, Narodni galer ic ,. Praze, Arch iv, \'aria, Zugangsnr. AA 2015, fol. 42r nor nir"'tnr ronic:: t\liltnl~, ,c:: \A/11rmc::or ,,nn C:.tr~8.h11rn

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~oliii tischen Höfen anprangerten , sind allerdings nicht nur aus Böhmen belegt, sondern finden sich während des dritten Viertels des 14. Jahrhunderts im Prinzip im gesamten Territorium des Heiligen Römischen Reichs.9 5 Diese Zeit brachte also in vielerlei Hinsicht umwälzende kulturelle Veränderungen mit sich, die auch Mitteleuropa und das Prag der Luxemburger betrafen hierhin wurde die neue Ästhetik der menschlichen Gestalt nach der Jahrhundertmitte von einem Maler gebracht, dessen zentrales Werk der Luxemburger-Stammbaum auf Karlstein war. Unzweifelhaft beherrschte der Künstler die komplizierten Bewegungsmuster und die perspektivischen Verkürzungen meisterlich, aber er veränderte auch die Rolle von Licht und Farbe radikal , wodurch er seine Kenntnis der damals aktuellen italienischen Erfindungen bewies. Die massive Plastizität und die physische Konkretheit seiner Gestalten, die ungewöhnlich lebhafte Gestik und die physiognomisch eindringlich charakterisierten Gesichter verraten allerdings eher eine nordfranzösische oder niederländische Schulung.

_.\bb. 188 - Ansicht von Straßburg, Hartmann Schedel (1440-1514) (Verfasser), Liber Chronicarum \\'eltchronik), Michael Wolgemut (1434-1519) und \\ 'ilhelm Pleydenwurff (1460-94) (Holzschnitte), Detail - Nürnberg, gedruckt von Anton Koberger für Sebald Sc hreyer und Sebastian Kammermeister, 1493 • kolorierter Holzschnitt auf Papier, Inkunabel, 2, 262 BI. • :--.'ürnberg, Germanisches Nat,onalmuseum, lnc. 2 266 , fol. 139v-140r

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Von Straßburg nach Karlstein Nikolaus Wurmser als Maler im Palas und im Kleinen Turm der Burg Karlstein Als Autor des Luxemburger-Stammbaums wird des Öfteren der erste, 1357 archivalisch belegte pictor regis Karls IV., der Straßburger Bürger Nikolaus Wurmser, angenommen .96 Die elsässische Metropole erfreute sich im Spätmittelalter bei gesellschaftlich etablierten Mäzenen einer traditionell hohen Anerkennung , was sie sicher nicht nur ihrer strategisch günstigen Lage an der wichtigsten europäischen Handelsroute nördlich der Alpen verdankte, sondern auch ihrer kosmopolitischen Offenheit und ihren engen kulturellen Verbindungen zu den niederländischen Städten. (Abb. 188) So war es den Straßburger Künstlern nicht erst zu einer Zeit, als Nikolaus Gerhaert von Leiden in ihre Stadt kam , möglich, an den aktuellsten Problemen und Lösungen der Kunst teilzuhaben. Wie anders sollte man sich die Tatsache erklären, dass noch vor Mitte des 14. Jahrhunderts von der päpstlichen Kanzlei Clemens' VI. der Straßburger Maler Galterius Alamannus in Dienst gestellt wurde•; und dass noch mehr als hundert Jahre später Kaiser Friedrich III. den erwähnten Bildhauer Nikolaus Gerhaert an seinen Hof beorderte, und nicht nur diesen, sondern auch andere Straßburger Meister ? Nicht anderes war die Situation zu Zeiten Karls IV., an dessen Prager Hof sich seit den 1350er Jahren Nikolaus Wurmser aufhielt . Für die malerische Ausstattung der Burg Karlstein sind natürlich Fragen der Bauchronologie, aber auch der ursprünglichen Funktionen und Patrozinien der Sakralräume von Bedeutung; dies gilt besonders heute, da all dies in gänzlich anderem Licht erscheint.•• Wir wollen uns hier jedoch nur einem Teilaspekt dieser komplexen Problematik widmen, nämlich künstlerisch-technologischen Fragen , und dabei versuchen , Argumente für eine Antwort auf die alte Frage zu finden , was der Straßburger Nikolaus Wurmser auf Karlstein geschaffen haben könnte. Die mächtigen Figuren mit ihren lebhaften, ,, sprechenden" Gesten und dem düsteren Ausdruck der Gesichter mit ihren auffällig großen Nasen und lei cht hervorquellenden Augenpartien , wie sie aus dem Lu xemburger-Stammbaum bekannt sind, begegnen uns erneut im Kleinen Turm der Burg. (Abb. 189) Und von ähnlichem Charakter sind auch die ältesten Anteile der Malereien der Heilig-Kreuz-Kapelle im Großen Turm, nämlich das Fresko mit der Anbetung der 24 Ältesten der westlichen Fensternische (Abb. 190) und die Mehrheit der in Kohle ausgeführten Präsentationszeichnungen auf dem Putz der Altarnische und der angrenzenden Wände. (Abb. 191) Für die Tätigkeit einer einzigen umfangreicheren Malerwerkstatt sprechen in diesen Fällen die übereinstimmende malerische Technologie und die lebhafte, geradezu nervöse Pinselfaktur, weiter das beschränkte Register figuraler Typen und Motive, das wohl von einem gemeinsamen Werkstattskizzenbuch ausging , sowie die dekorative Ausgestaltung der figuralen Szenen . Zur Illustration sei beispielsweise der Vollbart des Hauptmann s der Kreuzigung im kleinen Sakralraum (der späteren Schatzkammer) im Kleinen Turm angesprochen, (Abb. 192) der sich in gleicher Ausführung bei zwei Propheten im Apokalyptischen Zyklus (Abb. 193) und bei dem am Rande stehenden Apostel im Marientod in der Fensternische der benachbarten großen Kapelle der Passionsreliquien wiederholt, (Abb. 194) und der offensichtlich von einer bereits für den Noah des Lu xemburger-Stammbaums verwendeten Vorlage ausgeht (Codex Heidelbergensis, fol. 2r) . (Abb. 195) Das scharf geschnittene Profil mit der Adlernase eines der römischen Soldaten in der besagten Kreuzigung zitiert genau den Antlitztyp von Jupiters Vater Saturn (Codex Heidelbergensis, fol . Sr) oder des lothringischen Grafen Heinrich 11./IV. (Codex Heidelbergen-

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palliis quoque et tunicis maximas et /atas fimb rias deferebant, et earum tunice superius erant valde stricte, inferius in fimb riis multis plicis dilatate et ad terram protense et in calceis eciam strictis et artis ambulabant." - ,.Non enim cernentem ve/ legentem ista novitas edificat, sed signat et significant regni Boemie magnam mutacionem; nam post naturafium regum interitum passa est Boemia dominium diversum, de quo accepit morum consuetudinem diversorum, unde exit proverbium nunc generale: Admodum simee Boemia habet se; /acit enim, quicquid alios viderit exercere." EMLER 1884/11 , 404f. (Franz von Prag , Chron ik, 2. Buch, Kap. 19). NEUW IRTH 1897/11, 16-19. - KESSEL 1984. NEUW IRTH 1898. - FRIEDL 1956. - SC HM IDT 1969/ 1, 189196. - HOMOLKA 1997/ 1, 106. - FAJT 2006/ 1, 62-65. - Siehe Quellenan hang Nr. 41-43. - Einen eindeutig ablehnenden Standpunkt nahmen ein, KROFTA 1975/ 11. - STEJSKAL 2003, 561. - Eine vorsichtige Bewertung unter Berufung auf Karel Stejskal findet sich auch bei Charles STER LIN G 1987, 1, 1771. OLIVER 1995, 189. CHUDAREK 2003. - CHU DAREK 2006. - FAJT 2009.

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sis, fol . 41r) im Luxemburger-Stammbaum. (Abb_ 196-198) Die Emotionen , die sich in den Zügen des Evangelisten Johannes spiegeln, finden ihre Entsprechung in dem grün gekleideten Jüngling der apokalyptischen Ausrottung der Menschheit. (Abb. 199-201) Das Gleiche gilt für die Figuren des Evange listen Johannes der Kreuzigung, des Marientods über dem Fenster der Passionskapelle und der apokalyptischen Szene „ Der Engel gibt Johannes das Buch zu essen". Auch die verzerrten Gesichter der Betei ligten am Passionsdrama der kleinen Kapelle und die Masken der Stimmen aus dem Himmel im benachbarten großen Sakralraum sind sich nicht nur vom Typ, sondern auch von der malerischen Ausführung her auffällig ähnlich. (Abb. 202, 203) Aufmerksamkeit verdient auch das Antlitz der Kaiserin Anna von Schweidnitz aus der Szene der Erhöhung des Kreuzes im kleinen Sakralraum im Kleinen Turm , das mehrfach im Lu xemburger-Stammbaum auftaucht, so bei der Figur der Blithild (fol. 23r) oder bei der Kaiserin selbst, die in der Kopie irrtümlich als 8/anca Regina Boemiae firmiert (fol. 56r) .99 (Abb. 204-206) Und so könnte man im Vergleichen von Typen , Motiven sowie der eigentlichen Faktur noch weiter fortfahren. Die Wandmalereien in den Repräsentationsräumen des Karlsteiner Palas - hier vor allem der umfangreiche Luxemburger-Stammbaum , des Weiteren die Bilder in den beiden Sakralräumen des Kleinen Turms, d. h. die jüngere Schicht der Ausstattung in der kleinen , ursprünglichen für das Kapitel bestimmten Marienkapelle, die im Zusammenhang mit ihrem Umbau zur Schatzkamme r für die Reliquien erfolgte, und die komplette Ausmalung der benachbarten großen Kapelle der Passionsreliquien mit ihrem Apokalyptischen Zyklus, den Reliquienszenen , dem Passionsz yklus in der

Abb. 190 - Anbetung des Lammes durch die 24 Ältesten, Nikolaus W'urmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail - karlstein, 1363 '64 , \X'a ndma lerei m it plastischen Applikationen am Hintergrund • Burg Karlstein, Großer Turm, Kre uzkapelle, Ge wölbe der wes tlichen Fensternische Abb. 189 - Die apokalyptischen Reiter töten ein Drittel der Menschheit (Offb 9,13-21), Apokalyptischer Zyklus, Nikolaus \Xlurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail - Karlstein, um 1361162-64 , Wand malerei m it plast ischen Applikationen a m Hintergrund , Burg Ka rlstein, Kleiner Turm, Passion-Christi-Kapelle, Ostwa nd, oberes Regis ter > Abb. 191 - HI. Johannes der Täufer, Nikolaus \Vurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail karlste in, um 1362/63 , Ze ichnung, schwarze Kohle, "·e1ße Kreide auf Putz, H. 117 cm, B. 96,5 cm , Burg karlstein, Großer Turm, Heilig-Kreuz-Kapelle, ordwand, rechts neben der Altarnische, unteres Reg ister

99 Vgl. Kap. 111.2.1.2.

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Abb. 193 (oben) - Vollbärtige Antlitze zweier EndzeitPropheten (Offb 11,1-6), Apokalyptischer Zyklus, Nikolaus Wunnser von Straßburg (zugeschrieben), Detail - Karlstein, um 1361 '62-64 • \'\'andmalerei mi t plastisc hen Applikationen am Hintergrund • Bu rg Ka rlstein, k leiner Turm, Passion-Christikapelle, Ostwand, oberes Register Abb. 194 - Apostel in der Szene des Marientodes, Nikolaus Wurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail - Karlstein, um 1361 '62-64 , \\'andma lerei, Burg Karlstein, Kleiner Tu rm, Passion Christi-1,apelle, \\'estwand, fens tererker > Abb. 195 - Vollbärtiges Antlitz des Noah aus dem

Abb. 192 - Vollbärtiges Antlitz des Hauptmannes aus der Szene der Kreuzigung, ikolaus Wurmservon Straßburg (zugeschrieben), Detail- Ka rlstein, um 1361 /62 • \X'an dmalerci mit plastischen App likationen am Hintergrund, Burg Karlstein, Kleiner Turm, Schatzkam mer (ehemals Stiftskapelle Unser Lieben Frauen, Stirnwand der Altarmensa in der Ostwandnische

Luxemburger-Stammbaum in der Nachzeichnung des Codex Heidelbergensis, Kopie nach Nikolaus Wurmser von Straßburg - Prag, um 1571 , Papier, 56 Zeichnungen , Prag, Narodni galerie ,· Prazc, Arch1Y, \ 'ana, Zugangsn r. AA 2015, fo l. 2r

Abb. 197 - Kreuzigung, ikolaus \'\'urmser von Straßburg (zugeschrieben) - Karlstein, um 1361 62 • \\ andma lerei plastischen Applikationen am Hintergr und. Burg 1':arlstein, Kleiner Tur m, Schatzkammer (ehemals Stiftskapelle LJnser Lieben Frauen, Stirnwand der Altarmensa in der Ost\\'a ndnische Abb. 198- Adlernase eines Soldaten unterhalb des Kreuzes aus der Szene der Kreuzigung, Nikolaus \\'urmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail harlstem, um 1361 62 , \\'andmalerei plastischen Applikatio nen am Hintergrund • Burg 1'arlstein, Kleiner Turm , Schatzkammer (ehemals Stiftskapelle L nser Lieben Frauen, Stirnwand der Altarmensa m der O st" andn ische Abb. 196 - Adlernase des Saturn aus dem Luxemburger-Stammbaum in der Nachzeichnung des Codex Heidelbergensis, Kopie nach Nikolaus \\ urmser von Straßburg - Prag, um 1571 • Papier, 56 7eich nungen, Prag,, 'arodni ga lene ,. Praze, Arc h1\', \ aria, Zugangsnr. AA 2015, fo l. 8r

Fensternische, den Engels- und Heiligenchören und schließlich auch der älteste Teil der figürlichen Ausstattung der Heilig-Kreuz-Kapelle im Großen Turm, zu der mit einer Ausnahme alle Kohlezeichnungen auf dem Putz und das Fresko der Anbetung des Apokalyptischen Lamms durch die 24 Ältesten in der westlichen Fensternische gehören-, sie alle sind nicht nur durch motivische, typusmäßige und stilistische Kennzeichen , sondern auch durch eine auffällig ähnliche malerische Technik und dekorative Ausstattung verbunden . (Abb. 207-209) Beachten wir beispielsweise die zahlreichen geometrischen Ornamente auf dem vergoldeten Hintergrund der figürlichen Szenen , die häufig noch durch plastische Applikationen hervorgehoben wurden. 10 0 (Abb. 210-212) In der Schatzkammer betrifft dies nicht nur die Kreuzigung an der Stirnwand des gemauerten Untersatzes, wo viereckige plastische Applikationen mithilfe einer Zinnfolie auf die Malerei geklebt wurden. In der Exaltatio crucis am Türsturz des dortigen Portals findet sich wiederum ein gemaltes rhombisches Muster, das durch applizierte plastische Motive (Rosetten usw.) ergänzt wird . Die zuerst erwähnte Technik wiederholt sich in den Reliquienszenen der benachbarten großen Passionskapelle, und ähnlich taucht dort auch die zweite Methode auf - diesmal in den Szenen des Apokalyptischen Zyklus . Das dekorative Schema der viereckigen oder rhombischen Netze war seit dem 13. Jahrhundert besonders bei englischen Illuminatoren sehr beliebt . Seit Anfang des 14. Jahrhunderts

100 FRINTA 1998. n,=,.r nirtnr r,=,nic: Nik"nl~11c: W11rm01

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bb. 207 - Dardanus aus dem Luxemburger-Stammbaum in der Nachzeichnung des Codex Heidelbergensis, Kopie nach Nikolaus Wurmser von Straßburg, Detail - Prag, um 1571 • Papier, 56 Zeichnungen • Prag, Narodnf galerie, Praze, ,;c hiv, Varia, lugangsnr. AA 2015, fol. !Or .\bb. 208 - HI. Petrus, Nikolaus Wurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail - Ka rlstein , um 1362/63 • Zeichnu ng, sc hwarze Kohle, weiße Kreide auf c1 tz, H. lJ 7 cm, B. 96 cm • Burg Karlstein, Großer Tur m, Heilig-Kreuz-Kapelle. ordwa nd, zweites Feld rechts neben der Altarnische, unteres Reg ister Abb. 209 - Antlitz eines der Greise aus der Szene der Anbetung des Lamme~ durch die 24 Ältesten, Nikolaus Wurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail - Karlstein, 1363/64 • Wandmalerei mit plastischen Applikationen am mtergrund • Burg Karlstein, Großer Turm, Kreuzkapelle, Gewölbe der westlichen ensternische Abb. 204 (oben) - Kaiserin Anna von Schweidnitz (1339-62, reg. als Ka iserin seit 1355) aus der Szene der Weisung und Verehrung des böhmischen königlichen Reliquienkreuzes (Exaltatio crucis), Nikolaus Wurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail - Ka rlstein , 1361/62 • Wandmalerei mit ')lastischen Applikationen am Hi ntergrund • Burg Ka rlstein, Kleiner Turm, chatzka mmer (ehemals Stiftskapelle Unser Lieben Frauen), \X'estwand oberhalb de Portals Abb. 206 - Blithild (um 513-80) aus dem Luxemburger-Stammbaum in der '\'achzeichnung des Codex Heidelbergensis, Kopie nach Nikolaus Wurmser , on Straßburg, Detail - Prag, um 1571, Papier, 56 Zeichnu ngen • Prag, Narodm ga lerie v Praze, Archi\', Varia, Zugangsnr. AA 2015, fol. 23 r « Abb. 205 - Kaiserin Anna von Schweidnitz (1339-62, reg. als Kaiserin seit 1355) aus dem Luxemburger-Stammbaum in der Nachzeichnung des Codex Heidelbergensis, Kopie nach Nikolaus Wurmser von Straßburg, Detail - Prag. um 1571 , Papier, 56 Zeichnungen, Prag , Narodnf galerie v Praze, ArchiY, \'aria. Zugangs nr. AA 2015, fol. 56r nPr nirtr,r rPnic:. 1\lih1l::i11c:. \All 1rmc:.Pr 1,1nn C::.tr::iRh11rn

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Abb. 210 - Gekreuzigter Christus aus der Szene der Kreuzigung, Ansicht im schrägen Licht, Nikolaus Wurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail 1'arlstein, um 1361 62 • \\'andmalerei mit plastischen App likationen am Hintergrund • Burg Karlstein, Kleiner Turm, Schatzkammer (ehema ls Stiftskapelle Unser Lieben Frauen). Stirnwand der Altarmensa in der Ostwandnische > Abb. 211 - Das plastisch applizierte vergoldete Kreuz vor gerautetem Hintergrund aus der Szene der Weisung und Verehrung des böhmischen königlichen Reliquienkreuzes (Exaltatio crucis), Nikolaus Wurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail Karlstein, 1361 ·62 • \Vandmalerei mit plastischen Applikationen am Hintergrund• Burg Karlstein, Kleiner Turm, Schatzkammer (ehemals Stiftskapelle Unser Lieben Frauen), \\'estwand oberhalb des Portals

» Abb. 212 - Zwei Endzeit-Propheten vor geraute lern Hintergrund (Offb 11,1-6), Apokalyptischer Zyklus, Nikolaus Wurmser von Straßburg (zugeschrieben}, Detail - Karlstein , um 1361 '62-64 • Wandma lerei mit plastischen Appltkationen am Hintergrund• Burg Karlstein, Kleiner Turm, PassionChristi-Kapelle, ÜSt\\·and, oberes Register

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» Abb. 225 - HI. Euphemia (?), Nikolaus Wurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail - Karlstein , um 1361 /62 • Wandmalerei • Burg Karlstein, Kleiner Turm, Schatzkammer (ehemals Stiftskapelle Unser Lieben Frauen), südliche Seitenwand der Altarmensa in der Ostwand

die Beamten nicht über eingehendere Kenntnisse der konkreten Hintergründe verfügten. Somit darf die Aussagekraft solcher Schriften auch nicht überbewertet werden . Die Urkunde für Wurmser hat der Notar der kaiserlichen Kanzle i, Johann von Eichstätt, zusammengestellt. Derjenige, der sich persön lich beim Kaiser für den Hofmaler einsetzte, war der Relator der Urkunde, Thimo VIII. von Colditz (t 1383), Kammermeister und w ichtiger Höfling am Kaiserhof. 121 (Abb. 216) Solche persönlichen Verbindungen ermögl ichen eine tiefere Kenntnis der Strukturen und des Milieus am Prager Hof, in dem sich die Maler bewegten und wo sie ihre persönlichen Fürsprecher beim Ka iser fanden. Der Sinn der kaiser li chen Privilegien lag in der Anerkennung abgesch lossener Werke und der Ermutigung des Künstlers, auch künftig tatkräftig zu arbe iten. Für Nikolaus Wurmser lässt sich vermuten, dass der Erlass der Urkunde Ende 1360 mit der Vollendung eines der größeren Aufträge auf Karlstein zusammenhängt. Infrage kommt wohl nur der Stammbaum im Palas, da die zweite Phase der Ausmalung des kleinen sakralen Raumes im Kleinen Turm , nach der Umwandlung der Marienkapelle in eine Schatzkammer, sowie die Ausma lun g der benachbarte Passionskapelle mi t den Re liquienszenen, dem Aposte lzyk lu s mit der Darstellung von Karls Gatt inn en und dem umfangreichen Zyklus der Apoka lypse wahrsche inli ch erst nach 1360 begonnen wurden und sich mindestens bis 1364 hingezogen haben dürften. 122 Möglicherweise sind die letzten Fresken von Wurmsers Werkstatt ohne ihren Meister vollendet worden: Er se lbst ist, wie es sche int , bereits 1363 versto rb en - es we ist alles darauf hin, dass Karls Hofmaler mit jenem Ma ler Nikolaus (Mixo) identisch wa r, de r Anfang des Jahre s 1363 ermordet wu rde. Der Tat wurde der Prager Fäh rm ann Wanko (Wanek) durch einen sonst unbekannten Maler Jaxo (Jakub) beschu ldigt. 123 Ist es Ironie des Schicksal s oder deutet sich ein tieferer Zusammenhang an , wenn der Lebensweg des Straßburgers Nikolaus Wurmser in Prag gleichsam von zwei Morddelikten gerahmt w ird? 1357 wurde er beschu ldigt, 1363 war er wohl selbst das tragische Opfer.

121 Er stammte aus einer Meißner Ministerialenfamilie und besetzte 1360 eines der von Karl neu gegründeten Verwal t ungsämter auf der kaiserl ichen Bu rg zu Nürnberg. Späte r begleitete er den Kaiser als Kämmerer und wurde schließ lich zum Landeshauptmann in Breslau. TRUÖL 1927, 44-74. 122 Die Verbildlichung der Re liquienschenkung durch den byza nt inischen Kaiser Johannes V. Palaiologos im Jahr 1360 widerlegt die traditionelle Dat ierung der Re liqu ienszenen in die Zeit kurz vor Gründung des Karlsteiner Kapitels. d. h. vor 1357. (Abb. 140) Da hier zudem Karl V. von Frankreich berei t s mit der Königskrone dargestellt wird. erfolgte der Abschluss der Arbeit vermutlich erst nach dessen Krönung 1364. Für den Apostelzyklus gibt hingegen das Todesjahr der Königin Anna von Schweidnitz 1362 den terminus ante quem. Zur Datierung der Ausmalung im Kleinen Turm zuletzt FAJT 2009, 273-279. 123 Quellena nhang Nr. 47. - ViTOVSKY 1992. 4, mit de r unzutreffenden Angabe des 1. November 1363 als Tag der Ermord ung . -1362 wei lte de r Ma ler Nikolaus noch unter den Le benden. vg l. Que llenan hang Nr. 46 . 124 Zur Arch itektur und küns t le rischen Aussc hmüc kung des Mü nste rs WE IG ERT 1928. - RECHT 1971. - RECHT 1974 , 27-80. - RECHT 1993. - DORE 2007 (mit umfang reichem Literaturverzeichnis 4 99 - 505). 125 REC HT 1987/1. - Den Stand der Forschung erfassen d HÖRSC H 2006/11 1. 126 Auf d ie Bedeutung des Verhält nisses von Straßburg und Prag in künstlerischer Hinsicht wiesen hin , KLETZL 1936/1. STOCKHAUSEN 1938/39. - RECHT 1980. - GALLET 2012.

Die Straßburger Wurzeln von Wurmsers Stil (Abb. 217) Weisen die in ihrem Sti l bemerkenswert homogenen Malereien auf Karlstein trotz der marginalen Unterschiede, die durch die Betei li gung mehrerer Künstler zu erklären sin d, Zusammenhänge mit dem künstler ischen Mil ieu St raßburgs auf, die ein e Zuschreibung an Nikolaus Wurmser unterstützen? Die Rolle Straßbu rgs als eine s der größten, ja des größten Kunstzentrums im Südwesten des Reichs in Hoch- und Spätmitte lalter ist allgemein bekannt, 12• die epochemachende Architektur se ines Münsters trug dazu ebenso bei wie das inspirierende bildhauerische Werk eines Nikolaus Gerhaert von Leid en.r2 5 In diesen beiden Fällen beeinflusste Straßburger Kunsttätigkeit gerade auch die östlichen Reichsterritorien , wo sie rezipiert wurde, wodurch die Spannbreite des Kunstschaffens bedeutend erwe itert wurde. Auch im 14. Jahrhun dert war dies nicht anders - d ie Metropole am Oberrhein stand in ihrer Bedeutung dem Status im vorausgehenden wie im nachfolgenden Jahrhundert in nichts nach, auch wenn sich die Wissenschaft bisher wenig mit den Verbindungen zu Ka rl IV. und nach Prag befasst hat. 126 Ein interessantes Beispiel der Aufnahme westeuropäischer Figurentypen in Straßburg ist der b isher kaum beachtete Grabstein des Johann Ta ler (Johannes de Taler, t 1356) aus der Zeit vor 1356 in der Stiftskirche St. Thomas.r' 7 (Abb. 218) Der wundersame „ mi/es de austria", der Ritter aus Österreich , wird wegen seines auf dem

C < Abb. 226 - HI. Euphemia (?), Nikolaus \X'urmser von Straßburg (zugeschrieben) 1,arlstei n, um l361 62 • \\'a ndmalerei • Burg Karlste in, Kleiner Turm, Schatzkammer (ehemals Stiftskapelle Unser Lieben Frauen), südliche Seite nwand de r Altarmensa in der Ostwand

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> Abb. 227 - Katharina von Luxemburg (1342-95), Tochter Kaiser Karls I\'. und Ehefrau Herzog Rudolfs IV. von Österreich (1339-65) \\ ien, um 1359 60 • Sandstein, H. 220 cm • ehemals W ien , Stephansdom , 1\ordpfeiler der West fassade, heute \\'ien i\!use um , Museum der Stadt W ien, Im . 'lr. 600

» Abb. 228 - Unter dem Schutzmantel der Ewigen \X'eisheit übernimmt die Nonne Elsbeth Stage! das Christusmonogramm (IHC) von ihrem Lehrer Heinrich Seuse (um 1295/971366), Darstellung im „Exemplar" - Straßburg, um 1366 . illum inierte Handschrift, Pergament, H. 21,2 cm, B. 16,8 cm • StraGburg, Bibliotheque nationa le et uni,·crsitaire de Strasbourg, \!s . 2929, fo l. 68v

127 Feinkö rn iger Sandstein. H. 175,5 cm. B. 68 cm. St ark beschädigt. vor allem im Bereic h des Gesichts. wo neben allgemeiner Verdunkelung der Oberfläche auch Nacharbeitungen der Modellierung sich t bar sind . Der linke Arm ist später ersetzt worden, die Partie hinter dem Gürtel mit Dolch ist abgemeißelt. und abgeschlagen ist auch ein Teil des Gürtels, der mit der rechten Hand gehalten wird. Der Grabstein be fi ndet sich heute im nördlichen Quer hausa rm. Die umla ufende. nach t räg lic h aufgebrachte Inschrift la utet , .. + ANNO O D(OMl)NI O M ° CCC / 0 LVI O /III O IDVS O AVGVST/ 0

Grabmal angedeuteten Kleinwuchses für einen Hofzwerg gehalten . Es ist jedoch nicht bekannt, ob er eher zum Hof des Straßburger Bischofs gehörte, worauf die Tatsache hinweisen könnte, dass das Domkapitel bei St. Thomas residierte, oder eher zum Hof der Habsburger, die im Elsass eine alte Stütze ihrer territorialen Hausmacht hatten, worauf die Titulatur Johanns hinzuweisen scheint. Wie dem auch gewesen sein mag, der Ritter ist in modischer Hofkleidung mit einer Kette und einer Rosenblüte dargestellt. Er trägt ein kurzes, enges Wams mit einem halboffenen, unter dem Halsmiteiner Reihe von kleinen Knöpfen verschließbaren Hemd. Mit seiner rechten Hand hebt er den gezaddelten Rand se ines Mantels, während er dessen anderes Ende leger über der Schulter trägt. Dass dieses höfische Motiv, wie Gerhard Schmidt annahm, aus dem Westen stammt, zeigt die Alabasterstatuette eines französisch-niederländischen Höflings aus den späten 1350er Jahren, die einem ähnlichen Figuren- und Gewandtypus folgt. 128 (Abb. 220) Von g leicher Herkunft ist auch eine Marmorstatuette, die mit der vorigen vermutlich derselben Werkstatt zuzuordnen ist, ein sitzender Fürst (König?) in ungewöhnlicher Position, der sein angewinkeltes rechtes Bein über sein linkes schlägt und dabei mit dem rechten Zeigefinger nach links zeigt, was entfernt an die Haltung richtender Herrsc her erinnert. 12 • (Abb. 222) Die Statuette war wohl für den Beginenhof im wallonischen Namur bestimmt.

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0(81/T) D(OMl)N(V)S O IOhANNES O DE(?)S O / TALER O MILES 0 0 DE/ AVSTRIA O ORATE O PRO O EO 0 ." - LUSCHIN 1873.

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128 Antwerpen. Museum Mayer van den Bergh. lnv.·Nr. 2124.- DE COO 1969, 132. - SCHMIDT 19 92/11.1. 163. II, Abb. 185-187. 129 New York. The Met ropolitan Museum of Art. Ace. Nr. 26.63.34 (Gesche nk des Ehepaars Joh n D. Rockefeller jun.). Hier bezeichne t als sitzender König. Südn iederlande (Maastal). 1. Hälft e 14. Jah rhundert. Marmor. Der Bildhauer soll auch für königliche Auftraggeber in Paris gearbeitet haben.

Dass Straßburg bei der Vermittlung künst leri scher Innovationen der westeuro päischen Zentren nach Mitteleuropa eine gewichtige Rolle sp ielte, belegt eben das Taler-Grabmal, dessen Gewandgesta ltung sich bei einig en Herrschern des Karlsteiner Luxemburger-Stammbaums wiederholt, so bei Kusch (fol. 4r) oder Herzog Heinrich 1. (fol. 44r). (Abb. 219) Sowe it es noch möglich ist, das beschädigte Relief stilkritisch zu beurteilen, weist es bemerkenswerte Analogien zu Werken in Nürnberg auf,

.\bb. 230 - Zwei Könige aus der Szene der Anbetung des Kindes - Straßburg, um 1360 , Glasma lerei , Zabern (Sa\'erne), Pfarrkirche NotreDame-de-la-Nativite, Bischofskapelle < Abb. 229 (links) - Marientod, Legenda sanctorum aurea, verdeutscht in elsässischer Mundart, Jacobus de \'oragine, Detail - Straßburg, 1362 , illuminierte Handschrift, Pergament, 251 BI., H. 37,6 cm, 8. 26,6 cm • \lünchen, Bayerische Staatsbibl iothek, Cgm 6, fo l. J..10\'

Abb. 231 (unten) - Kaiser Karl der Kahle (823 -77) aus dem Luxemburger-Stammbaum in der ,achzeichnung des Codex Heidelbergensis, Kopie nach Nikolaus Wurmser von Straßburg - Prag, um 15-1 , Papier, 56 Zeichnu ngen , Prag. Narodni ga lerie \ Praze, Arc hi v, \'ar ia, l.ugangsnr. AA 2015, fo l. 34r

vor allem den jüngeren Wer ken der Bildhauerwerkstatt der Westfassade der Pfarrkirche St. Lorenz, zu deren Werken auch die Grabtumba des Reichsschultheißen Konrad Groß im Hei lig-Geist-Spita l zäh lt (t 1356). 130 Die angedeuteten zusammenhänge des Luxemburger-Stammbaums mit Westeuropa unterstützt auch eine Statuette aus Namur, deren Bewegungsdarstellung in der Figur des Johann von Lu xemburg ihr ge maltes Pendant findet (fol. 51r). (Abb. 221 ) In Straßburg war um die Mitte des 14. Jahrhunderts eine Buchmalerei-Werkstatt tätig , die für den Konvent der Magdalenerinnen um 1360 eine Vi ta der hl . Maria Mag da lena und des hl. Veit illustrierte. " ' (Abb. 223) Figuren mit vorgeschobenen Köpfen auf langen, festen Hälsen sind charakteristisch für einen der be iden Il luminatoren, besonders ihre Gesichtstypik mit den auffällig großen Nasen, leicht hervorstehenden Augen und einem kleinen , vollen Mund und hängenden Mundwinkeln. Oft gehen die Ges ic hter ins Grimassierende, so be i der Min iatur mit Magda lena , d ie an lässl ich des Festmahls im Hause des Simon Christi Füße mit ihren Haaren trocknet (fo l. 10v). (Abb. 224) Nur leicht verändert findet sich die Komposition dieser Szene in einer Glasma lerei des Südseitenschiffs im Straßburger Münster wieder. ' 32 Und eine überraschend nahe Analogie zu diesen Straßburger Figuren findet sich in der hl. Euphemia an der Schmalseite des gemauerten Sockels in der Schatzkammer und früheren Marienstiftskirche des Kleinen Turms auf Burg Karlstein. 133 (Abb. 226) Ihren zierlichen, schlanken Körper im engen , lachsfarbenen Kleid mit Dekollete hüllt ein dunkelblauer, vorn geöffneter Mantel ein. Das Verhältnis von Körper und Gewand, das hier deutlich zwischen Kern und Hülle unterscheidet, faszinierte Mitte des 14. Jahrhunderts Künstler in West- und Mitteleuropa, wie die Beliebtheit des Motivs in den Bildhauerwerkstä tte n der habsburgischen Erzherzöge in Wien be legt, man verg leiche nur die Figur des Herolds am Singertor oder die Skulpturen Katharinas von Luxemburg und Rudolfs IV. vom nördlichen Pfeiler der Westfassade des Wiener Stephansdoms, ge sc haffen 1359/60 . ' 34 (Abb. 227) Auch in diesem Fa ll könn te Straßburg die Vermittlerrolle gespielt haben, worauf die Miniatur aus dem jüngeren Straßburger Manuskr ipt des „ Exemplar" Heinrich Seuses mit der Ewigen Weisheit hinzuweisen sc heint, auf der der Autor den Heiligen Namen Christi seiner geistlichen Tochter Elsbeth Stagel übergibt (fol. 68v) . 135 (Abb. 228) Das Manuskript stammt wahrscheinlich aus den 1360er Jahren 136 und schöpft künstlerisch aus noch älteren lokalen Traditionen. Die Darstellung der Figur mit offenem Mantel erinnert an die Karlsteiner Euphemia. Die künstler isc he Verwa nd tsc haft mit den Karlstei ner Ma lereien erwe isen in d iesem Zusammenhang auch d ie bereits in der Literatur angeführten Miniaturen des Straßburger Manuskripts der Legenda aurea von 1362. 137 (Abb. 229) Die bodenständigen Figuren mit sprechenden Gesten, die ihrem Typus nach den Kar lste iner Herrschern der Reliqu ienszenen der Passionskape lle ähne ln (Abb. 97), sind auch aus einem Fragment jener Glasmalere ien bekannt, die etwa gleichzeitig von Johann von Lichtenberg für die Bischofskapelle in Zabern (Saverne) bestellt wurden (Abb. 230), 138 oder aus den Fenstern der Stiftskirche St-Florent in Niederhaslach aus der Ze it um 1360. 139 Hier

> Abb. 232 - Unterer Teil der Reliquienszenen mit Arkaden und Säulengängen auf einem vierfach abgestuften Podium, Nikolaus Wurmser rnn Straßburg (zugeschrieben), Detail 1'arlstein, um 1361 '62-64 , \X'andmalcrei , Burg Karlstein, Kleiner Turm, Passion-Christi-Kapelle (fruher bezeichnet als Marienkapelle), westlicher Abschnitt der Südwand

>"> Abb. 233 - Engel der siebten Posaune (Offb

11,14-17), Apokalyptischer Zyklus, Nikolaus Wurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail - Ka rl stein, um 1361 '62-64 , Wandmalerei mit plastischen Applikationen am Hint ergrund • Bu rg Karlstei n, Klei ner Tur m, Pass ion -ChristiI Abb. 433 - Nürnberg, Lorenzkirche, Westportalanlage mit drei Tympana: oben Jüngstes Gericht und Passionsszenen, unten Kindheit Jesu, links Geburt Christi und Anbetung der Könige, rechts Kindermord in Bethlehem, Darbringung Christi im Tempel und Flucht nach Ägypten - Ende 1340er-Anfang 1350er Jahre, Sandstein

und unzweifelhaft die Nürnberger Inspirationsquelle verrät, sind ikonografische Zusammensetzung und räumlicher Aufbau der „Reiselandschaft", durch die sich der Zug von oben im Bogen nach rechts durch ein Tal mit felsigen Berghängen und vereinzelten Bäumen mit kugelförmig stilisierten Kronen zieht, begleitet von Genredetails wie dem an den Zweigen eines Baums herumkauenden Steinbock oder sich mit den Hinterbeinen kratzenden Schafen. Die Analogien zum Nürnberger Retabel erschöpfen sich in Thann allerdings nicht in der Komposition. Die Westfassade der Theobaldskirche erweckt mit ihrem ganzen überraschend reich skulpierten Portal mit Hunderten von kleinen Statuen und drei Relieftympanons Aufmerksamkeit. (Abb. 432) Auf dem oberen Tympanon werden in fünf horizontalen Abschnitten von unten nach oben Schlüsselszenen des Marienlebens zusammengestellt, so Mariä Verkündigung und Jesu Kindheit, der Tod Mariens, ihre Himmelfahrt und himmlische Krönung im Bogen. Die beiden kleineren, untergeordneten Tympana über den Portalen führen dann die beiden schon bekannten zentralen Szenen der Heilsgeschichte aus, nämlich die Geburt Jesu nebst Anbetung durch die Weisen aus dem Morgenland und Christi Opfertod am Kreuz. Bis auf die Vertauschung der beiden Szenen - die Kreuzigung rückt hier in die nördliche Ehrenposition - handelt es sich also um dasselbe ikonografische Schema wie beim Jakobsretabel. Das Kreuzigungsrelief ist eine narrativ wesentlich reicher ausgestaltete Variante der Nürnberger Komposition,

Abb. 435 - Trauernde Frauen unter dem Kreuz in der Szene der Kreuzigung, oberes Tympanon des \Yestportals der Nürnberger Lorenzkirche - Ende 1340er-Anfang 1350er Jahre• Sandstein Abb. 434 - Trauernde Frauen unter dem Kreuz in der Szene der Kreuzigung, Alltagsseite des rechten Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Detail - Nürnberg, um 1360-65 • siehe Kat. Nr. 2 • 'ürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, tE' evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob

was trotz neuerer Eingriffe (Christus am Kreuz ist eine Ergänzung aus jüngerer Zeit) vor allem die emotional erregte Gruppe trauernder Frauen unter dem Kreuz bestätigt, die ein offensichtliches - wenn auch um eine Figur reduziertes - Zitat der gemalten Szene in St. Jakob ist: Im Angesicht des Todes ihres geliebten Sohns sinkt Maria ohnmächtig zu Boden, wobei eine der sie begleitenden Marien sie von hinten und die andere von ihrer rechten Seite stützt. Warum aber wurde in Thann das Retabel der Nürnberger Deutschordenskirche nachgeahmt? Eine Lösung könnte in der Tatsache zu sehen sein, dass die gemalte Gruppe der trauernden Frauen unter dem Kreuz auf dem Jakobsretabel wiederum eine ältere Vorlage an der Westfassade der Nürnberger Lorenzkirche hat, wie nicht nur die vergleichbare Haltung des in die Knie gesunkenen, ohnmächtigen Körpers der Gottesmutter mit ihren ausgebreiteten Armen andeutet, an denen sie von hinten durch zwei Frauen gehalten wird, sondern auch die Art, wie die rechte Frau ihre linke Hand auf Mariens rechte Schulter legt, als ob sie mit dieser Geste tiefes Verständnis und Mitgefühl ausdrücken wolle. (Abb. 433-435) Die bildhauerische Ausschmückung des Westportals der St-Lorenz-Kirche entstand vermutlich Ende der 1340er Jahre. Erst nach Karls IV. Hochzeit mit Anna von Schweidnitz (t 1362) im Jahr 1353 wurden in die Zwickel der Fassade die heraldischen Wappen des Königreichs Böhmen und Schlesiens, des Heimatlandes von Karls dritter Gemahlin, eingesetzt, was die Pfarrkirche plötzlich - neben der in der benachbarten r,,.., ,.. Dn t- ,.., h ,... 1,.,1 ,...,,. u ,.., ,, ,....t-,.., lt- ~ r"' rl o „1\ 1,",rnh o rr, o „ r'l o , ,t-,,.,... h,... .. rl ,... ..., ,..1, ;.,,..h,... Ct-

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I n Abb. ·144 - Laubbäume und Gebüsche in der Anbetung der Könige, Alltagsseite des linken Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Detail - Nürnberg, um 1360-65, siehe Kat.-Nr. 2, 1 ürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, heute evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob

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erklären sodann die verwandte Gestaltung beispielsweise der Engel in der Szene der Begegnung Josefs und Mariens sowie des zwischen den heiligen Aposteln Bartholomäus und Andreas stehenden Propheten auf dem linken Flügel des Jakobsretabels. (Abb. 445-448) Auffällig ist das Motiv der rechten Hand mit dem Zügel beim ältesten König der Anbetung in St. Jakob. Der Arm mit dem unnatürlich gedrehten, scharfen Ellbogen zeigt nach vorne, was genau von Josefs linker Hand mit dem Stab auf dem Marienretabel der Klarissen wiederholt wird. (Abb. 409, 345) Die dreieckige Verkürzung des im Dreiviertelprofil gezeigten Gesichts von Jesu Nährvater hat enge Parallelen auf dem Retabel des Deutschen Ordens, und zwar bei zahlreichen Propheten- und Apostelfiguren der Festtagsseite, und auch die lieblichen, von dichtem welligem Goldhaar umrahmten, vollen Gesichter kennen wir sowohl von den Engeln des Baldachinretabels als auch von den Hirten der Verkündigung auf dem Jakobsaltar. Und in dieser Art ließe sich weiter fortfahren. Die Beobachtungen belegen deutlich die bemerkenswerte Intensität und Vielfalt der Zusammenhänge, die zwischen diesen bedeutenden malerischen Werken Nürnberger Herkunft bestehen. Sicherlich handelt es sich nicht um Arbeiten von einer Hand. Dies ist beim Retabel der Jakobskirche schon deshalb ausgeschossen, weil wir vermutlich {wie selbst bei dem kleinen Marienretabel) von mehreren Beteiligten ausgehen müssen. Als Arbeit eines künstlerisch weniger ambitio nierten Malers erscheinen beispielsweise die Jungfrau Maria mit dem Kind und die Engel der Anbetung der Könige, obwohl wir nicht wissen, ob der offensichtliche qualitative Abfall in der Faktur der Inkarnate nicht durch den Verlust der modellierenden oberen Farbschichten und Lacke verursacht wurde. Allerdings wirken auch die Bewegung des kleinen Jesus und die Art seiner Körperhaltung nicht überzeugend. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind sie jedoch Beleg für die Existenz

Abb. 445 - Engel mit Psalter aus der Marienkrönung, Tafelfragment vom Baldachinretabel des Marienseitenaltars der Nürnberger Klarakirche, Sebald Weinschröter (zugeschrieben) - Nürnberg, um 1362 • siehe Kat.-Nr. Sa, Frankfurt am Main, Städel Museum, Inv.-Nr. SG 443

Abb. 446 - Prophet im roten Gewand, oberes Register der Feiertagsseite des linken Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und \Verkstatt (zugeschrieben), Detail - Nürnberg, um 1360-65 • siehe Kat.-Nr. 2 , Nürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, heute evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob

Abb. 447 - Fiedel spielender Engel aus der Szene Josef erkennt Maria als Mutter Gottes, Tafelfragment vom Baldachinretabel des Marienseitenaltars aus der Nürnberger Klarakirche, Sebald Weinschröter (zugeschrieben) - Nürnberg, um 1362 • siehe Kat.-Nr. Sb• Berlin, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, lnv.-Nr. 1216

Abb. 448 -Prophet mit roter Kopfbedeckung, oberes Register der Feiertagsseite des linken Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Detail - Nürnberg, um 1360-65 , siehe Kat.-Nr. 2, Nürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, heute evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob

Abb. 450 - Pilatus (links) und zwei Männer unter dem Kreuz in der Szene der Kreuzigung, Alltagsseite des rechten Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben) - Nürnberg, um 1360-65 • siehe Kat.-Nr. 2 • Nürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, heute evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob < Abb. 449 - Kreuzigung mit zwei am Fuß des

Kreuzes betenden Deutschordensrittern, Alltagsseite des rechten Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben) - Nürnberg, um 1360-65 • Tempera und Öl mit Gold aufLindenholz, H. des Flügels 162 cm, B. des Flügels 235 cm, siehe I Abb. 453 - Drei stehende Propheten und drei stehende Apostel im \\'echsel im oberen Register, unten Auferstehung Christi und drei Frauen am Grabe, Feiertagsseite des rechten Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Detail Nürnberg, um 1360-65, siehe Kat.-Nr. 2, Nürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, heute evang. -luth. Pfarrkirche St. Jakob

des Hamburger Meisters Bertram von Minden vom Ende des 14. Jahrhunderts,107 die vor dem gefesselten und verspotteten Christus ihre Hände in Unschuld wäscht: Pilatus, kaiserlicher Statthalter und Präfekt der römischen Provinz Judäa. Über Pilatus sprechen im Zusammenhang mit der Gefangennahme und Kreuzigung Christi nur die Evangelisten, unter ihnen besonders ausführlich Johannes. Die heilsgeschichtliche Rolle Pilatus' wurde jedoch höchst gegensätzlich interpretiert - für das apokryphe Martyrium Pilati wurde er zum Heiligen, für andere, so Jacobus de Voragine, zur Verkörperung des Bösen. Pilatus selbst wurden Texte zugeschrieben, welche die Wundertaten Christi, dessen Tod und Auferstehung schildern (Anaphora, Evangelium des Gamaliel). 108 Nur selten wurde er in anderen Bildzusammenhängen dargestellt als dem des Bertram-Retabels, wo die Juden den gefesselten Christus mit der Anschuldigung vor Pilatus bringen, Christus habe sich zum Gottessohn und König erklärt, und seinen Tod fordern. Pilatus dachte aber über Christi Taten nach und zog seine Freilassung in Erwägung. Dagegen traten die Juden entschieden auf und drohten, er werde dann nicht mehr ,,des Kaisers Freund" (Joh 19,12) sein. Der Evangelist Johannes stellt Pilatus als positive Persönlichkeit dar, die zwar schließlich den Zwängen ihres Amtes und dem Druck der Juden nachgab, aber vor der Urteilsverkündung die Juden zu überzeugen versuchte, ihre Klage zurückzuziehen. 109 Warum nun ist Pilatus gerade auf der Kreuzigung des Nürnberger Retabels wiedergegeben? Ist diese außergewöhnliche Ikonografie eine bewusste Reaktion

107 Hannover. Niedersächsisc hes Landesmuseum Hannover, lnv.·Nr. PAM 922a-c. WOLFSON 1992. 40-47, Kat.-Nr. 2; 44. Abb. 21. 108 LThK VI II (2006), Sp. 296-299 (Lau rentius KOCH). 109 Joh 18,28-40; 19,1-16.

110 Dass Pilat us- Darstell unge n generell für Ide nti f ikati onsporträ t s infrage komm en können, dara uf verwe ist PO LLEROSS 1986, 1, 2231., der auf 8e rtrando de' Rossi hi nweist, der sich um 1385 in einer von ihm gestifteten lomba rd ischen Handschri ft als Pilatus darstellen ließ (POLLEROSS 1986, 1, 223, Anm. 4. - Früher hat ma n den Stifte r als Gian Ga leazzo Visconti gedeutet). Gesichert scheint des Wei teren d ie Identi fiz ierung des Pilat us auf der Geißelu ng Christi von Piero della Fra ncesca als Kaise r Jo hannes VII I. Palaiologos. GIN ZBU RG 1994, 169, interpretierte diese Tafel als verschl üsselte Aufforderun g des Bürgermeisters von Gubbio, Giovanni Bacci, an Federico da Montefeltro zur Unterst ützung der Kreuzzugspläne des mit beiden befreundeten Kardina ls Bessarion aus dem Jah r 1459. Die Geißelung Ch rist i symbolisierte die Verfolg ung de r oströmischen Kirche durch d ie Türken, dere n Erfolg nic ht zu letzt du rch das vo n Ka ise r Johannes nic ht verhind ert e Scheit ern d er Ei nig ungsbest rebu nge n ermög lic ht worde n wa r. POLLEROSS 1986, I, 224, Anm . 3. - Ohne übe rzeugende inha lt liche und for male Belege bleibt letzt lich d ie Deutu ng des Pilatus auf dem Bambe rger Altar von 1429 als Identifikat ionsporträt Kaiser Sigismunds du rch KERY 1972, 1751„ Abb. 1431. 111 Siehe Ka p. 1.3. - HUBER 1877, Nr. 1335 (1350, 12. Oktober). Er tru g dem Reichsschultheiße n un d dem Stadtrat auf, Juden aufzunehmen un d zu schü t ze n, wo bei ih re Steuerpflic ht gegenübe r d er Reichskammer zu wa hren sei. HUBER 1877, Nr. 1490 (1352, 26. Ma i). - Au f 15 Jahre nimmt er die Juden in Nürnberg unter seinen und des Reiches Schutz und befiehlt der Stadt Nürnberg, sie vor Gewa lt und Wi ll kür zu bewahren, wobei er ihre Abgaben im Verhält nis 2/ 3 für das Reich und 1/ 3 fü r die Stadt teilt. HU BER 1877, Nr. 3092 (1360, 11. Mä rz). - Auf 20 Jahre ni mmt er die Ju de n in Nürn berg unter sei nen un d des Reic hes Schutz un d befiehlt der Sta dt Nürnberg, dass sie ihm aus der Judenste uer jä hrlich 400 Gulden zu zah len habe. HUBER 1877, Nr. 4945 (1371 , 25. März).

auf die spezifische Situation in Nürnberg nach dem blutigen antijüdischen Pogrom, in das auch Kaiser Karl IV. unrühmlich verwickelt war? Dafür könnte sprechen, dass Pilatus mit seinen physiognomischen Zügen tatsächlich an den damals verbreiteten Typus des älteren, weisen und leutseligen Herrschers erinnert, der so häufig im Kontext von Karls Herrscherrepräsentation mit vielen allegorischen Konnotationen und symbolischen Verweisen gerade auf die panegyrische Identifizierung mit biblischen Figuren verwendet wurde.110 Handelte es sich also um eine Art sakralisierte moralistische Bildpolemik zur damaligen Situation in Nürnberg? Oder eher um einen Ausdruck kaiserlicher Zweifel an der Richtigkeit der eigenen Taten und des Nachdenkens über das eigene Verhalten? Unter den gegebenen Umständen in Nürnberg schien gerade für Karl IV. die Frage des Pilatus „Was ist Wahrheit?" (Joh 18,38), nach der Pilatus sich für die Unschuld Christi ausgesprochen hatte, an Dringlichkeit zu gewinnen. Trotz seiner Zweifel verurteilte Pilatus Christus und schickte ihn in den Tod. Der Konflikt des Pilatus konnte gut als biblische Parallele für den geistigen Zwiespalt des Kaisers dienen, der Ende 1349 zunächst den umfangreichen Pogrom und die Beschlagnahmung jüdischen Besitzes genehmigt hatte, um die Juden danach erneut unter den Schutz des Reichs zu stellen. m Pilatus als direkter Zeuge von Christi Tod ist die Hauptfigur der apokryphen Schrift Acta Pilati, die im Mittelalter zum Bestandteil des Nikodemus-Evangeliums wurde, eines der vielgelesenen Texte des christlichen Mittelalters, in dem ausführlich nach einem Augenzeugenbericht die Apologie Christi beschrieben Das Retabel des Hauotaltars der Nürnberoer Deutschordenskirche St. Jakob

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u4 - Erzengel Gabriel mit Spruchband e gracia ple11a dominus tecum/Gegrüßet du, voll der Gnade, der Herr ist mit dir") der Verkündigung an Maria, unteres •g1ster der Feiertagsseite des linken Flügels es Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald crnschröter und Werkstatt (zugeschrieben), tail Nürnberg, um 1360-65, siehe Kat.-Nr. 2, l' bcrg, ehemalige Deulschordenskirche St. Jakob, • itc evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob

Abb. 455 - Erzengel Gabriel mit Spruchband ve gracia plena dominus tecum/Gegrüßet 1st du, voll der Gnade, der Herr ist mit dir") us der Verkündigung an Maria, sog. Sachst•rkündigung, Flügel eines Diptychons, Vorderseite, Detail. Ein ähnliches Gemälde könnte dem .iiserlichen Hofmaler Sebald Weinschröter 1ls Inspirationsquelle gedient haben, wie der 1rekte Vergleich nahelegt - 'ordfrankreich oder derlande, 1350-60, Tempera und Öl auf Holz, ,0.32 cm, B. 31,43 cm, T. 4,76 cm, Cleveland (Ohio), 1

CleveJand Museum of Art, Mr. and Mrs. William H.

f\, latt Fund, Inv.-Nr.

1954.393

112 TI SC HEN DORF 1876, 21D-486. - MASSER 1978.

wird, die Pilatus vor den jüdischen Hohepriestern vortrug. Unter diesen fand sich ein Nikodemus, der die Verteidigung auf die nicht zu leugnenden Wunder stützte und die Freilassung Christi forderte. Dieser Nikodemus könnte die dritte Figur im dunkelroten Gewand sein, die auf dem Nürnberger Retabel zwischen dem Hauptmann und Pilatus eingefügt wurde. Als andere Möglichkeit käme Josef von Arimathäa in Betracht, der noch am selben Abend nach dem Tod des Erlösers Pilatus um die Herausgabe des Leichnams bat, um diesen beisetzen zu können. Die Identifizierung des Pilatus würde auch durch die Tatsache unterstützt, dass sein Gesicht später großflächig beschädigt wurde - vielleicht absichtlich in dem Versuch, sich einer nicht eindeutig zu bewertenden Figur zu entledigen. Auf jeden Fall müssen wir das Nikodemus-Evangelium zu den Texten rechnen, deren Kenntnis direkt auf die Ikonografie der Kreuzigungsszene auf der Außenseite des rechten Flügels des Jakobsretabels eingewirkt haben könnte.11 2 Die Tatsache, dass dieser moralisierende Unterton gerade auf einem Gemälde des Hochaltars der Nürnberger Deutschordenskirche zu finden ist, muss nicht sonderlich überraschen. Die Ordensritter mit dem schwarzen Kreuz waren am Kaiserhof in Prag vor allem in den 1350er und 60er Jahren regelmäßige DAs

406 / IV

Die stilistische Geschlossenheit der Nürnberqer Kunst-das Erqebnis des Wirkens Sebald Weinschröters?

Rernbel des Hauotaltars der Nürnberaer Deutschardenskirche St. Jakob

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Gäste und dabei in exklusiver Position Vertreter der fränkischen Ordensprovinz. Unmittelbar nach der Veränderung der politischen Situation im Reich taucht der Deutschmeister Wolfram von Nellenburg (amt. 1330-61), ehemals enger Anhänger Ludwigs des Bayern, gemeinsam mit dem fränkischen Landeskomtur Berthold von Zollern an der Seite des neuen Herrschers aus dem Hause Luxemburg auf. 113 Philipp von Bickenbach, Komtur im fränkischen Mergentheim, begleitete dann 1354/55 gemeinsam mit dem böhmischen Landkomtur Rudolf von Homburg und dem Deutschmeister Wolfram von Nellenburg Karl IV. auf der Krönungsfahrt nach Rom. Philipp gewann das Vertrauen des Kaisers, wurde 1358 Landkomtur von Franken und 1361 bis 1375 zum für alle deutschen Provinzen verantwortlichen Deutschmeister gewählt. Dem Reichsoberhaupt lieh er Geld für die Romreiseu4 und 1361 nahm er an den Feiern anlässlich der Geburt des Thronfolgers in Nürnberg sogar in der Position eines Paten des kleinen Wenzel teil. us Die meisten vom Kaiser erteilten Privilegien aus den 1350er Jahren sind allgemein formuliert und gelten für „unsire(n) liben andechtigen" 116 Orden als Ganzes.117 Dieser tritt darin als Institution auf, ähnlich wie auch im Fall der beiden knienden Ritter ohne persönliche Kennzeichen auf dem Hochaltarretabel in der Kirche der Nürnberger Kommende, wo also diese juristische, auf die Körperschaft bezogene Sicht in die Ikonografie eines repräsentativen Kunstwerks übertragen wurde. Außerordentliche Aufmerksamkeit widmete Karl IV. dem wichtigen Ordenssitz in Marburg an der Lahn oder den Sitzen in bedeutenden Reichsstädten wie Sachsenhausen gegenüber Frankfurt am Main. In Sonderurkunden bot er dem Orden den Schutz des Reichs und verbot bei Strafe die Verletzung seiner Rechte und Besitzungen.11 8 Wegen der treuen Dienste des fränkischen Landkomturs Berthold von Zollern, eines Angehörigen des Geschlechts der Nürnberger Burggrafen und Bischof von Eichstätt, den er 1365 zum Kanzler ernennen sollte, übertrug er der Nürnberger Kommende am 18. November 1347 die Dörfer Schwarzach und Nieder-Pavelsbach, drei Tage später schenkte er noch das DorfVorra an der Pegnitz und erteilte Obereschenbach (dem heutigen Wolframs-Eschenbach) die Stadtrechte.119 Kurz nach Verkündung der Goldenen Bulle 1356 entschied Karl den Streit zwischen den Ordensrittern und der Stadt Nürnberg um die Holzgewinnung aus den umliegenden Reichswäldern zugunsten des Ordens.120 Der Orden gehörte also zu den treuesten Anhängern des Herrschers und konnte auch von den antijüdischen Stimmungen Mitte des 14. Jahrhunderts profitieren. Mit einer Urkunde vom 8. November 1350 wurden die Ritter von der Begleichung von Schulden bei den Juden befreit.121 Am 13. Dezember 1360 wurde eine weitere bedeutende Urkunde erlassen, in der Karl dem Deutschen Orden für ,,die getrewen redlichen dienste, die uns und dem reiche, unser lieben andechtigen, uber berg mit uns gen Rome z u zihen und auch in andern zeiten umverdrozzenlich offt getan haben, tegelichen tun und wol getun mugen und sullen in kumpftigen zeiten", die Reichssteuern erließ.122 Der Deutsche Orden setzte sich so besonders in den 1360er Jahren als unübersehbarer Partner und Stützpfeiler von Karls Reichspolitik durch - also zu einer Zeit, in der auch das monumentale Retabel in der Jakobskirche entstand. Später waren die gegenseitigen Bindungen nicht mehr so intensiv.123 Und so kann man das Reichsoberhaupt aus dem Kreis der möglichen Stifter des Jakobsretabels nicht ausschließen, ganz im Gegenteil: Zahlreiche Gründe sprechen für Karl. Die Festtagsseite des geöffneten Retabels wird durch zwei Reihen plastischer vergoldeter Arkaden in einzelne Felder gegliedert - auf den Flügeln sind es jeweils drei Bogenfelder oben, je vier unten, immer mit gemalten Darstellungen. Im Schrein dürften die Bogenfelder ursprünglich mit Reliefs geschmückt gewesen sein. Die durchlaufende Architektur vereinheitlicht die bemalten Flügel und den plastisch gestalteten Schrein, was so bisher nur von dem kölnisch beeinflussten Retabel im brandenburgischen Rossow bekannt ist, das aus der Zeit um 1340 stammt und ursprünglich für den Hochaltar der Havelberger Kathedrale bestimmt war. 124 (Abb. 451) Gemalte und schnitzerische figürliche Darstellungen unter Arkaden kombinieren auch, hier jedoch außen und innen, das Oberweseler Retabel und der sog. Böhmische Altar der Zeit um 1375 im Dom zu Brandenburg. Zumindest in ihren schnitzerischen Teilen knüpfen an solche Vorbilder die großen

> Abb. 456 - Segnung der Himmelskönigin, unteres Register der Feiertagsseite des linken Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Detail Nürnberg, um 1360-65 • siehe Kat. Nr. 2 • Nürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, heute evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob

113 HAAF 1954, 63. - JÄHN IG 1978, 109, Anm. 34. 114 WIES ER 1969, Nr. 17. - JÄ HNI G 1978, 11 5, Anm. 74. 115 „da wir unseres herren des keyse rs gefattere da worde n". WYSS 1889, Nr. 1015. - JÄ HNI G 1978, 1441„ Anm. 240. 11 6 HUBER 1877, Nr. 1954 (1354, 14. Deze mber). - JÄHNIG 1978, 111, Anm. 47. 117 HUBER 1877, Nr. 6699 (1352, 5. Deze mber); Nr. 193 4c (1354, 14. Oktober); Nr. 1954 (135 4, 14. Dezember); Nr. 6825 (1355, 18. Juli); Nr. 2335 (1355, 13. Dezember); Nr. 2341 (1355, 17. Dezember); Nr. 2369 (1356, 2. Jan uar); Nr. 2375 (1356, 5. Januar) usw. - JÄH NI G 1978, 1111„ Anm . 53-57. 11 8 HUBER 1877, Nr. 2089; Nr. 6809 (1355, 28. April ). 11 9 HUBER 1877, Nr. 433 (1347, 18. Novembe r); Nr. 4 40 (1347, 21. Novembe r). - JÄ HNI G 1978, 117. 120 HUBER 1877, Nr. 2406 (1356, 11. Januar), Nr. 6870 (1356, 12. Januar). - Zwei Jah re später bes tätig te er die Mög lichkeit der Ho lzgewinn ung für die Kommende in Donauwörth. HUBER 1877, Nr. 6199 (1358, 5. Oktobe r). 121 HU BER 1877, Nr. 1340 (1350, 8. November). 122 HUBER 1877, Nr. 3473 (1360, 13. Dezem ber). - JÄ HNI G 1978, 1391., Anm. 210. 123 JÄHN IG 1978, 145. 124 Ausst.·Kat. Berlin 1980, 114-118, Ab b. 90-94. - SACHS 1990.

Retabel der Marienkirche in Gardelegen in der Altmark aus den späten 1370er Jahren und das Hochaltarretabel der Franziskanerkirche in Braunschweig (der sog. Brüdernkirche) aus den 80er Jahren an. Auf dem linken Flügel des Nürnberger Retabels sitzt im oberen Abschnitt links ein Prophet mit geöffnetem Buch und dem Psalmentext „beati qui diligunt iusticiam". (Abb. 452) Es folgen sechs sich regelmäßig abwechselnde, stehende Apostel und Propheten, die sich paarweise einander zuwenden und diskutieren. Entsprechendes findet sich auf dem gegenüberliegenden rechten Flügel, wobei am rechten Rand wiederum ein Prophet sitzt. (Abb. 453) Wenn ein vollständiger 1111\

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Abb. 457 - Auferstehung Christi und drei Fraut'n am Grabe, unteres Register der Feiertagsseite des rechten Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrit•bt•n), Detail- Nürnberg, um 1360-65 • siehe Yat. Nr :.! , ürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St, J 11 oh, heute evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob

Zyklus der Propheten und Apostel vorhanden gewesen sein sollte, müssen im Mittelteil weitere sechs Paare gefolgt sein, die in den zentralen Arkaden wohl um vier weitere Heilige ergänzt wurden. Im unteren Register begann die Erzählung links mit der Fleischwerdung Christi in der Verkündigung an Maria: Der in ein prächtiges Goldgewand und einen weißen, mit goldenen Sternen besetzten Mantel gekleidete Erzengel Gabriel hält in der Linken das Spruchband „Ave gracia plena dominus tecum (Gegrüßt seist du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir)", während er mit der Rechten die überraschte, soeben noch lesende Maria segnet, die auf einer Bank mit Brokatkissen und hoher, in einem Bogen

endender Rückenlehne sitzt. (Abb. 454) Der Beginn des beliebtesten Mariengebets stützt sich auf die berühmten Worte des Lukas-Evangeliums, wonach der Engel Gottes zu der mit einem Mann namens Josef aus dem Geschlecht Davids verlobten Jungfrau Maria gesandt wurde (Lk 1,28-38). In einer fast elliptischen Verkürzung folgt als nächste Szene bereits die Segnung der gekrönten Jungfrau durch den auferstandenen Christus im Himmel. (Abb. 456) Maria wird also bereits als Himmelskönigin und Personifikation der Kirche gefeiert. Beide Bildnisse der Gottesmutter ähneln sich auffällig, Maria sitzt jeweils mit offenem Haar, gekleidet in ein silbernes Brokatgewand mit stilisierten Palmzweigen, und nur der einfarbige, über die Schulter geworfene Mantel unterscheidet sich jeweils: Auf der Verkündigung ist die Außenseite dunkelblau, die Innenseite dunkelrot und unter dem Hals wird der Mantel von einer vierblättrigen Brosche mit roten Edelsteinen (Rubinen?) verschlossen, um sich über Brust und Leib zu öffnen, damit das prächtige Silbergewand seinen Effekt erzielen kann. In Mariens Schoß überkreuzen sich die Säume. Mit der Öffnung des Mantels dürfte symbolisch der heilige Moment des Eintreffens des Heiligen Geistes, d. h. der Empfängnis, gemeint sein; zugleich aber wird farblich und motivisch durch das Kreuz im Schoß der künftige Erdenweg des Sohnes angedeutet, der seinen Höhepunkt im Kreuzesopfer fand . Auf der benachbarten Szene ist dann die Außenseite des Mantels grün, und Maria trägt auf dem Kopf eine Krone mit niedrigem, mit roten Sternen besetztem Reif. Das Kissen ist verschwunden, Maria sitzt auf einer einfachen Holzbank dem gekrönten, barfüßigen Christus in dunkelrotem, einfachem Gewand gegenüber, der nur über die linke Schulter einen Mantel aus luxuriösem Brokatstoff geworfen hat. Unter ähnlichen Arkaden dürften sich im Schrein weitere Szenen befunden haben, freilich, wie bereits angedeutet, in reliefierter Form. 125 Auf dem rechten Flügel endet unter vier Arkaden und in dem am Rand hinzugefügten länglichen Feld der marianisch-christologische Zyklus mit der Auferstehung Christi mit den drei Marien am Grabe und den drei schlafenden soldatischen Wächtern. (Abb. 457) Es scheint so, als wiesen die Szenen auf den Außenseiten der Flügel auf die inneren voraus: Links wird die mariologische Thematik mit der Anbetung des Kindes, die ja immer auch die kurz zuvor eingetretene Geburt impliziert, eröffnet, innen ergänzt durch Verkündigung und Segnung der Himmelskönigin. Rechts wird die zentrale Szene von Passion und Opfertod innen durch die Auferstehung vervollständigt. Eine solche programmatische Verflechtung der Ikonografie von Außen- und Innenseiten eines Retabels ist eher selten. Viel häufiger ist, was ja nach allem, was wir über die Funktionsweisen der Flügelaltäre wissen, auch logischer scheint, die Unterscheidung der Schauseiten nach rein marianischen, christologischen oder auf Heilige bezogenen Zyklen. Den Schlüssel zur endgültigen Deutung dieser Programmatik könnte nur die Besetzung der tiefen Mittelnische liefern. Stand hier eine Statue, eine Hostienmonstranz oder ein Reliquiar, eventuell mit kostbaren Passionsreliquien? 126 Für erstere Lösung spräche das Konstruktionsprinzip des Retabels mit Baldachinschrein und bemalten, verschließbaren Flügeln (Abb. 458), ein Typus, der in der Werkstatt, der auch das Jakobsretabel entstammte, öfter produziert wurde, wie die Beispiele aus dem Nürnberger Klarissenkloster belegen. Auch thematisch besäße eine Madonnenstatue eine tiefe Berechtigung. Eine thronende Madonna besetzte vermutlich die Baldachinnische des in seiner Konstruktion auffällig verwandten Retabels von Schloss Tirol, das um 1370 wahrscheinlich anlässlich des Vertragsabschlusses zwischen den habsburgischen Brüdern, dem älteren Albrecht III. und Leopold III., über die Herrschaft in Tirol in Auftrag gegeben wurde. 127 (Abb. 459, 460) Sein Maler stammte aus dem Milieu der Prager Hofkunst, vermutlich aus dem Umkreis Meister Theoderichs. Die Architektur ist bei beiden geschlossenen Retabeln im Wesentlichen identisch. Wie im Nürnberger Fall werden die beiden großen, ungegliederten Altarflügel jeweils von einer einzigen malerischen Komposition monumental ausgefüllt und enden in zwei Wimpergaufsätzen mit Krabben und Kreuzblumen sowie schlanken Fialen dazwischen. Über dem Spalt zwischen beiden Flügeln befindet sich, aus zwei Hälften bestehend, ein fünfter größerer Aufsatz, hinter dem dann der turmartige Baldachin emporwächst. Auf den Flügeln sind links die schmerzensreiche Maria 4 17. / IV

n,P stil,st,sr.hF! GF!sr.hlossF!nhF!it rlF!r N11rnbP.roer Kunst-das Eroebnis des Wirkens Sebald Weinschröters?

Ab':>. 58 - Schreinarchitektur des Nürnberger Hochaltarretabels von St. Jakob mit einer zentralen, baldachinartigen Fiale und einem Paar beweglicher Flügel, die von jeweils zwei Wimpergaufsätzen gekrönt werden, erinnert im Gesamtaufbau an ein Diptychon, zudem könnte sie das Vorbild für das Tiroler Altarretabel gewesen sein - • 'ürnberg, um .360 65 • siehe Kat. Nr. 2 • Nürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, heute e\'ang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob .., Abb. l59 - Altarretabel aus der Kapelle St. Pankraz im Schloss Tirol, Alltagsseite mit der Schmerzhaften Gottesmutter und dem hl. Johannes dem Evangelisten sowie den Heiligen Georg und Pankraz und den Stiftern Erzherzog Albrecht III. von Österreich (1349/50 -95), seiner Gemahlin Elisabeth (135 -73), einer Tochter Karls IV. (rechter Flügel), Herwg Leopold III. von Tirol (1351-86) und seiner Gemahlin \'iridis Visconti (um 1350-1414) (linker Flügel), Maler aus dem Prager Umkreis des Meisters Theoderich - Wien oder Tirol, um 1370 • Tempera und Gold auf Buchenholz, mit Leinwand überzogen, t-1 nut Baldach111turm 249 cm, B. des Schreines 139 cm , als Leihgabe im Tiroler Landesmuseum I-crd,n ndeum

125 Zum Erha lt ungszustand und zu r Rekonstruktion des ursprüngl ic hen Zustand s des Jakobsretabels bisher KAHS NITZ 200 1, 101f. 126 Letzterer Lösung neig t KAHSN ITZ 2001, 101f„ Anm. 47-48, zu. 127 SCHM IDT 2005/11. 89, Abb. 4. - 8RUCHER 2000, 540, Kat.· Nr. 279 (l rm a TRATTNER).

und der durch das Tiroler Wappen identifizierbare Herzog Leopold mit seiner Gemahlin Viridis Visconti von Mailand abgebildet, dahinter steht ein heiliger Ritter (Georg?), während sich auf der anderen Seite der hl. Johannes der Evangelist findet, gemeinsam mit Herzog Albrecht und dessen Ehefrau Elisabeth von Luxemburg, der Tochter Karls IV., die von einem anderen Ritter (Pankratius?) empfohlen und durch das österreichische Wappen kenntlich gemacht werden. Der Spalt wurde höchstwahrscheinlich ähnlich wie in Oberwesel durch ein geschnitztes Kruzifix verdeckt, zu dem die beiden gemalten Assistenzfiguren aufsahen. Die Innenseite des Retabels von Schloss Tirol ist allerdings nicht durch Arkaden in kleine Nischen unterteilt, wie dies in Nürnberg der Fall war, sondern die Flügel sind horizontal halbiert und tragen somit je zwei gemalte Marienzenen, während sich zu beiden Seiten der Baldachinnische in der Mitte des Schreins nur jeweils ein Bildfeld befindet. (Abb. 460) Sein unterer Teil war vergittert und für die Ausstellung von Reliquien in entsprechenden Behältnissen bestimmt. Diesen Zweck erfüllte in Nürnberg wahrscheinlich die heute nicht mehr erhaltene Predella. Die Konstruktion generell und das Prinzip der Anbringung großer Szenen auf den Außenseiten bei kleineren Bildern innen stehen sich so nahe 128 und sind zugleich in der erhaltenen zeitgenössischen Produktion so außergewöhnlich, dass man im Falle des Retabels von Schloss Tirol nur von dessen direkter Beeinflussung durch die Nürnberger Lösung ausgehen kann. Dies überrascht bei den habsburgischen Herzögen nicht, die häufig Programmschemata aus dem Kontext kaiserlicher Repräsentation imitierten, man erinnere sich nur an das Beispiel der Westfassade von St. Theobald in Thann, wo sogar die Ausschmückung eines Tympanons von der Anbetung der Könige des Jakobsretabels ausging. Dies bedeutet aber vice versa, dass das Retabel als Teil der Herrscherrepräsentation verstanden wurde und sich eine direkte Beteiligung Karls IV. an der Bestellung als immer wahrscheinlicher darstellt. In eine ähnliche Richtung weisen auch die Stilmerkmale der Malereien des Jakobsretabels, deren Werkbezüge zum Marienretabel und den anderen Malereien des Klarissenklosters sowie zu den Wandmalereien der Moritzkapelle bereits herausgearbeitet wurden. Allen gemeinsam ist die Rezeption gleicher bildnerischer Vorlagen. Ihr Ursprung wurde in westeuropäischen Zentren vermutet, wenngleich sich beim Jakobsretabel auch Prag bereits stärker zu Wort meldet. Der führende Maler der Werkstatt verfügte über eine direkte, wohl persönliche Erfahrung mit dem höfischen Umfeld der kaiserlichen Metropole, beginnend mit Zusammenhängen mit der älteren Schicht des Meisters des Hohenfurther Zyklus, über die den 1350er Jahren entstammenden Anstöße aus dem Werk des Meisters des Morgan-Diptychons oder des Straßburgers Nikolaus Wurmser, hin zu Anregungen aus dem Umfeld des 1359 erstmals nachgewiesenen Theoderich. Dabei handelte es sich nicht um sklavische übernahmen, sondern eher um Inspirationen, deren Quellen sich nicht verleugnen lassen, obwohl sie in einem autonomen komposito rischen und dekorativen Rahmen verwendet wurden. Dies gilt beispielsweise für das Motiv des von spiralförmig gedrehten, langen Locken umrahmten Gesichts, wie der Vergleich mit Theoderichs Schmerzensmann der Karlsteiner Heilig-KreuzKapelle (KA 2679) zeigt, den man sich gut als Inspiration für den Gekreuzigten auf dem Jakobsretabel vorstellen kann. (Abb. 461, 462) Für Körperproportionen und -haltung des Kruzifixus lassen sich allerdings eher Analogien in der Brügger Malerei der Generation vor Jean Bondol finden, wie das Kanonblatt eines Missales der Kathedrale des im Mittelalter noch zum Reich gehörenden Cambrai aus den 1360er Jahren zeigt. 12 9 (Abb. 463) Ein ähnlich ornamentales Motiv gedrehter Strähnen findet sich auch beim Vollbart des hl. Christophorus in der Moritzkapelle. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen wir beim Vergleich des schmerzverzerrten Gesichts des hl. Johannes des Evangelisten auf den Kreuzigungen von Karlstein und Nürnberg - wobei Erstere erneut die Rolle der Inspirationsquelle hatte, Letztere deren reduzierte Anwendung im traditionellen, lokalen und westeuropäisch gestimmten Stil. (Abb. 464,465) Ähnlich finden wir auch für den Typus der sitzenden Jungfrau Maria auf dem linken Flügel eine verwandte Lösung in Wurmsers Luxemburger-Stammbaum, beispielsweise in der Kaiserin Margaretha, der Gemahlin Heinrichs VII., oder in Anna von Schweidnitz. 130 (Abb. 158, ,

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Abb. 46C - Altarretabel aus der Kapelle St. Pankraz im Schloss Tirol im geöffneten Zustand (Feiertagsseite): auf dem linken Flügel Verkündigung an Maria und Anbetung der Könige, auf dem rechten Flügel Marienkrönung und Marientod, im Schrein Heimsuchung und Geburt Christi, Maler aus dem Prager Umkreis des Meister Theoderich - Wien oder Tirol, um 1370 • Tempera und Gold auf Buchenholz, mit Leinwand überzogen, H. mit Baldachinturm 249 cm, B. des geöffnetem Retabels 277-279 cm , Innsbruck, Prä monstratenser-Chorherrenstift Wilten, seit 1938 als Leihgabe im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

128 Dazu bereits KAHSNITZ 2001 , 100. Anm. 39; 102, Anm. 49-50. 129 Cambrai, Bibliotheque munic ipa le, ms. 232, fol. 60r. Ausst .-Kat. Pa ris 1981, 3511., Kat.-Nr. 305 (Francois AVRIL).

130 Codex Heid elbergensis, Prag, Narod ni galeri e v Praze, Arc hiv, Sig n. AA 2015, fo l. 49 r un d 56r. 131 Codex Heid elbergensis, Prag, Narodni galeri e v Praze, Archiv. Sig n. AA 2015, fol. 3r und 16r. 132 Codex Heid elberg ensis, Prag, Narodni ga leri e v Praze, Arc hiv, Sig n. AA 2015, fo l. 29r.

154) Auch die bei den Figuren der Festtagsseite der Nürnberger Flügel beliebten wehenden Zipfel tauchten in demselben Zyklus auf Karlstein spätestens um 1360 z. B. bei Harn oder Chlodwig auf. 131 (Abb. 167) Die Faszination durch das Motiv des anliegenden, wie nass wirkenden Stoffs, unter dem die Körperformen hervorleuchten, war bei den erwähnten Werken ebenfalls ähnlich, obwohl diese letztlich auf Plinius zurückführende Lösung in Nürnberg bereits durch das italianisierende Schaffen der 1330er Jahre eingeführt worden war, erinnert sei an die Weißenburger Tafel. (Abb. 101) Die lawinenartige Verbreitung einer monumentalisierten und in der Modellierung weicheren Variante dürfen wir aber wohl eben mit der Prager Hofmalerei der Generationen von Wurmser und Theoderich in Verbindung bringen, wie der Vergleich des Eckpropheten im oberen Register des rechten Flügels in Nürnberg mit dem Pippin des Luxemburger-Stammbaums 132 oder dem hl. Jakobus d. J. Theoderichs in der Karlsteiner Heilig-Kreuz-Kapelle (KA 3730) aufzeigt. (Abb. 469- 471) Die Zusammenhänge zwischen Nürnberg und Prag bzw. Karlstein werden noch durch einen Blick auf die Gruppe der Marien erweitert, die den Körper der ohnmächtig zusammensinkenden Jungfrau Maria stützen. Zu denken ist hier an die Kreuzigung des Jakobsretabels und an eine Glasmalerei aus der Schatzkammer

Abb. 461 - Gekreuzigter aus der Szene der Kreuzigung, Alltagsseite des rechten Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Detail - Nürnberg, um 1360-65 • siehe Kat.-Nr. 2 • Nürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, heute evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob

Abb. 462 -:- .Schmerzen s.~ an n, Meister Theoderich (zugesch rieben), Detail - Prag, 1363-65 • lempera und 01 auf Buchenholz, H. 78,5 cm, B. 55 cm• Burg Karlstein, Großer Turm, Heilig- Kreuz Kapelle, Altarwand, unter der Kreuzigungstafel, lnv. -Nr. KA 3679

< Abb 46~ - Kanonblatt mit Kreuzigung, Missale der Diozese Cambrai - Brügge, 1360er Jahre• lc!mpera und C,old auf Pergament, H. 27 cm, B. 17,7 cm• Call!l:Jra1 Bibliotheque municipale, ms. 232, fol. 60r

, Abb 4o4 - HI. Johannes der Evangelist unter dem Kreuz aus der Kreuzigung, Alltagsseite des rechten Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald \\'einschröter und \Verkstatt (zugeschrieben), Detail - • 'ürnberg, um 1360-65 • siehe Kat.-Nr. 2 • urr">erg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, heute e, ng. luth. Pfarrkirche St. Jakob Abb. 465 - HI. Johannes der Evangelist unter dem Kreuz aus der Kreuzigung, Meister Theoderich (zugeschrieben), Detail - Prag, 1363-65 • Tempera .ind 01 uf Buchenholz, H. 210 cm, B. 151,2 cm • BJrg Karlstein, Großer Turm, Heilig-Kreuz-Kapelle, lt rwand, lnv.-Nr. KA 3686

im Karlsteiner Kleinen Turm, der ursprünglichen Stiftskapelle St. Marien . Deren Entstehung lässt sich eben mit dem Umbau zum Reliquientresor in Verbindung bringen, der kurz nach 1360 stattfand und eine neue Ausstattung umfasste, an der die Werkstatt Nikolaus Wurmsers beteiligt war. (Abb. 472,473) Das zur rechten Schulter geneigte Haupt Mariens, der Typus und der traurige Ausdruck ihres Gesichts sowie der breite Umriss ihres Körpers mit dem rechten Arm, durch die die unter die Achsel geschobene Hand der hinter ihr stehenden Frau angehoben wird - dies alles sind t ypenmäßig-motivische Details, die zwar für eine gegenseitige Beziehung der Nürnberger und der Karlsteiner Gruppe sprechen würden; doch der Versuch, ihren Charakter näher zu bestimmen, wirft ein Problem auf. Bei dessen Lösung könnte der Hintergrund der Karlsteiner Figurenkomposition helfen, auf dem sich auf schwarzer Fläche verschiedene dunkelblaue Pflanzenranken verflechten, ein Motiv, das in Westeuropa in Handschriften und der Goldschmiedekunst verbreitet war. Heranzuziehen ist beispielsweise das kleine Bronze-Triptychon mit der sitzenden Madonna des Kathedralschatzes in Susa, eine Brügger Goldschmiedearbeit von 1355. 133 Dieses dekorative System war in Böhmen nach der Mitte des 14. Jahrhunderts vollkommen assimiliert. Hinreichend genau entspricht es dem der Glasmalereien im Chor der nach 1365 erbauten Nürnberger Spitalkirche

133 OPI TZ 1936, 1311. - SUCKALE 2004/ 11, mit Abb. 1. 134 Auch in Nürnberg wa ren Pflanzenranken als Hi ntergrun d figürliche r Komposi t ionen bekannt. was ei ne Glasmalerei mit Kreuzigung und zwei Stiftern wohl aus den 1330er Jahren zeigt, die aber motivisch wie technologisch abweicht. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, lnv.-Nr. MM 27. - HESS 2007, 338, Abb. 303, Kat .-Nr. 449 (mit weiterer Li teratu r).

St. Martha, und in seiner Struktur erinnert es zudem an die punzierten Pflanzenornamente am vergoldeten Hintergrund der Nürnberger Tafelbilder von den Retabeln des Klarissenklosters und der Deutschordenskommende.13 4 (Abb. 393, 394, 399) Im Hinblick auf die zahlreichen weiteren künstlerischen Beziehungen, die zwischen Nürnberg und Prag bestanden, ist es daher nicht ausgeschlossen, dass die Nürnberger Malerwerkstatt, mit der wir die Entstehung der erwähnten Retabel in Verbindung bringen, auch Kartons für Glasmalereien entwarf. Zum anderen und vor allem aber ist anzunehmen, dass ihr Hauptmeister rege Kontakte zu Persönlichkeiten der Prager Hofkunst unterhielt, wohin er offensichtlich häufig reiste. Allerdings kommt auch eine andere Möglichkeit in Betracht, dass nämlich im Gegenteil das Motiv der Frauen unter dem Kreuz mit der niedersinkenden Gestalt der Muttergottes, an die ähnliche Gruppe des Steinreliefs der Kreuzigung an der Westfassade der St.-Lorenz-Kirche anknüpfend, von diesem in Nürnberg wirkenden Maler nach Prag gebracht wurde, wo die Komposition der dramatischen Szene Nikolaus Wurmser beeindruckte, in dessen Werkstatt die Entwürfe für die Glasmalereien auf Karlstein mit größter Wahrscheinlichkeit entstanden sind. Die Analyse des ikonografischen Programms des Hochaltarretabels der Nürnberger Jakobskirche ermöglichte es, eine direkte Einwirkung des Herrschers Das Retabel des Hauotaltars der Nürnberaer Deutschordenskirche St. Jakob

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Abb. 467 - Maria aus der Marienkrönung, Tafelfragment vom Baldachinretabel des Marienseitenaltars der Nürnberger Klarakirche, Sebald Weinschröter (zugeschrieben) - Nürnberg, um 1362 • siehe Kat.-Nr. 5a • Frankfurt am Main, Städel Museum, Inv.-Nr. SG 443 Abb. 466 (oben links) - Maria aus der Segnung der Himmelskönigin, unteres Register der Feiertagsseite des linken Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Detail - Nürnberg, um 1360-65 • siehe Kat.-Nr. 2 • Nürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, heute evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob

Abb. 469 - Pippin der Mittlere (um 635-714, reg. im Frankenreich seit 679) aus dem Luxemburger-Stammbaum in der Nachzeichnung des Codex Heidelbergensis, Kopie nach Nikolaus \Vurmser von St~aßburg, Detail - Prag, um 1571 • Papier, 56 Zeichnungen. Prag, , 'arodn1 galerie v Praze, Archiv, Varia, Zugangsnr. AA 2015, fol. 29r > Abb. 170 (oben) - Hockender Prophet, oberes Register der Feiertagsseite des rechten Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Detail urnberg, um 1360 - 65 • siehe Kat. Nr 2 • Nürnberg, ehemal ~e Deutschordenskirche St. Jakob, heute evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob

bb. 4-1 - HI. Jakobus der Jüngere, Meister Theoderich (zu ~rieben}, Detail - Prag, 1363-65 • Tempera und Öl auf

< Abb. 468 - Margarethe von Brabant (1276-1311),

römische Königin (seit 1309) und Gemahlin König und Kaiser Heinrichs VII. von Luxemburg, aus dem Luxemburger-Stammbaum in der Nachzeichnung des Codex Heidelbergensis, Kopie nach Nikolaus Wurmser von Straßburg, Detail, seitenverkehrte Wiedergabe Prag, um 1571 • Papier, 56 Zeichnungen • Prag, Narodni galerie v Praze, Archiv, Varia, Zugangsnr. AA 2015, fol. 49r

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FrnP.hnis riP.S Wirkfms Sebald Weinschröters?

Buc. enholz H. 145 cm, B. 94 cm • Burg Karlstein, Großer Turm, HeiligK.ipelle, Westwand hinter dem Gitter, unteres Register, linkes r KA 3730

bei der Stiftung in Erwägung zu ziehen. Damit würde nicht nur die Tatsache übereinstimmen, dass es mit Vorliebe von anderen Reichsfürsten und Prälaten als Vorlage genutzt wurde (z. B. von den Habsburgern in Thann und Tirol) und den Zeitgenossen als fester Bestandteil der kaiserlichen Repräsentation galt. In dieses Konzept passt bestens der gerade an Fürsten- und Herrscherhöfen so beliebte Kult der Heiligen Drei Könige. Spätestens seit Anfang des 14. Jahrhunderts hatte sich als untrennbarer Bestandteil der zeremoniellen Erhöhung der neu gewählten und gekrönten Könige die Wallfahrt zum Schrein der Könige im Kölner Dom durchgesetzt, wo sie im Gebet als Beschützer angerufen wurden. 135 Eine wichtige Rolle spielte ihr Kult allerdings bereits bei der eigentlichen Krönungsmesse in Aachen, in die Messtexte des Festtags der Heiligen Drei Könige eingefügt worden waren.136 Wenn Ludwig der Bayer für die Kirche der Nürnberger Deutschordenskommende 422 / IV

DIP. stilistische Geschlossenheit der Nürnberaer Kunst-das Erqebnis des Wirkens Sebald We1nschröters?

Abb 4„2 - Schmerzhafte Muttergottes unter trauernden Frauen unter dem Kreuz, Fragment einer Kreuzigung, nach Entwurf von Nikolaus Wurmser von 'itraßburg (?), Detail Karlstein bzw. Prag, um 61 62 , Glasmalerei, Burg Karlstein, Kleiner Turm, a s Stiftskapelle Unser Lieben Frauen und spätere tz ammer, Südwand, heute Burgsammlung 173 - Schmerzhafte :\luttergottes unter trauernden Frauen unter dem Kreuz in der Szene d r Kreuzigung, Alltagsseite des rechten Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald elnschröter und Werkstatt (zugeschrieben), f) ail - Nürnberg, um 1360-65 • siehe Kat.-Nr. 2 • t berg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, evang.- luth. Pfarrkirche St. Jakob

135 Bild lich ist die Wal lfa hrt nach Köln erstma ls in der Bilderchronik Heinrichs VII. und Balduins von Trier für das Ja hr 1308 belegt. HEYEN 1965. Bild Sa. - Am Tag der Heiligen Drei Könige ließen sich mit der Eisenkrone der Lango bard en in Mai land Heinrich VII. 1311 wie auch sein En kel Ka rl IV. 1354 krönen. EL ZE 1955, 4741. 136 HOFMANN 1975, 141. 137 Dies vermutete bereits BEENK EN 1933, 332, ebenso die Ve rbindu ng der Werks tatt des sog. Klaren meisters mit der Nü rnb erge r Hofwerks tatt.

die bildhauerische Ausstattung bestellt hatte, darunter die Anbetung der Könige an der Nordwand des Chors, dann wäre es kaum erstaunlich, dass Karl IV. ihn am gleichen Ort mit einer Beteiligung an dem großzügigen Retabel des bis dahin leer stehenden Hauptaltars zu übertrumpfen gesucht hätte. Die auffällige Dichte der Anleihen von Prager Werken der Jahre von etwa 1350 bis 1360 lässt vermuten, dass es sich bei dem leitenden Meister der Werkstatt, in der das Retabel entstand, um den in Nürnberg zu dieser Zeit einflussreichen kaiserlichen Maler Sebald Weinschröter handelte.137

« Abb. 475 - HI. Katharina aus der Urkunde des Nürnberger Dominikanerinnenklosters für Reichsforstmeister Konrad IV. Waldstromer, Sebald \\feinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Detail - Nürnberg, 1362, siehe Kat.-Nr. 9, Nürnberg, Stadtarchiv, A 1 Nr 1362-07-23 Abb. 476 - HI. Franziskus aus der Urkunde des Nürnberger Klarissenklosters für Reichsforstmeister Konrad IV. Waldstromer, Sebald \\feinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Detail Nürnberg, 1362 , siehe Kat.-Nr. 10 • Nürnberg, Staatsarchiv, Münchner Abgabe, Urkunde Nr. 1118


Abb. 486 - Altarretabel aus der Kapelle St. Veit in Mühlhausen am Neckar mit den böhmischen Landespatronen hl. Wenzel (Mitte), hl. Veit (links) und hl. Sigismund (rechts) - Prag, 1385 • Tempern und Gold auf Leinwand über Fichtenholz mit Eichenholzeinlagen, H. 223,5 cm, B. 233,5 cm, Stuttgart, Staatsgalerie Stuttgart, Inv.-Nr. 1038

und Maria als Himmelkönigin mit dem Brustbild des Schmerzensmannes, Skizzenbuch, Sebald Weinschröter (zugeschrieben) - Nürnberg, um 1360 67(?), siehe Kat.-Nr. 3a, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. Kapsel 559, Hz38

144 Robert Suckale gi ng von einem amateurhaften Eing riff du rch

145 146 147 148

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eine der Dominikan erinnen aus. Ausst. -Kat. Bonn/ Essen 2005. 515. Kat.- Nr. 461. Siehe Anhang. Ka t .-Nr. 3. PlCCARD Online. Nr. 119 469 - 119470. PlCCARD Online. Nr. 119354 (Venedig), 120491 (Straßburg). 1370, Bolog na (Pl CCA RD Online. Nr. 120485, 119598, 119834). St raßburg (PlCCA RD On li ne. Nr. 119807), Mai land (PICCARD Onli ne, Nr. 119809), Flo renz (PICCARD On li ne, Nr. 119489-11 9 490), Ferrara (PlCCARD On li ne. Nr. 119494); 1371, Straßburg (PI CCA RD On line, Nr. 11 9751, verwendet für eine Urkun de über die Allianz des Str aßburge r Bischofs Johan n mit Graf Eberh ard von Württemberg. Auc h Nr. 119765, 12006 4) usw. STROMER 1970, 47- 89.

15 0 In Nürnberg ist di e Verwe ndung ital ienisc hen Papie rs beleg t für 1357 (PI CCA RD Onl in e, Nr. 123750-123751), 13 67 (PI CCAR D Online, Nr. 8 6 238, 86239, 161 711-1 61712), 1370 (PICCAR D On line, Nr. 67704, 67707 usw.) und später. 151 Siehe An hang, Ka t.-N r. 4. - Abzu lehnen ist die Dat ier un g um 149 0 du rc h KL ElN SC HMIDT 1930, 149, obwohl die hl. Anna am Ausgang des 15. Ja hrhundert s als Pa t ron in der fran zösisc hen Kö nigin Ann e de Breta g ne (1477-151 6) in d eren Stundenbüc hern al s Erzi eherin dargestellt w urd e. Paris, Bi bliot heq ue nati o nale de Fra nce, lat. 9 474 . MASS ERON 19 26, Abb. 31.

Handelsbeziehungen der Nürnberger Kaufmannsfamilien in die norditalienischen Städte, 14 9 besonders mit Venedig und Mailand, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Papier als Zeichenmaterial auf direktem Weg von dort nach Nürnberg gelangte, wo wir auch sonst bereits seit der zweiten Hälfte der 1350er Jahre auf italienisches Papier mit Wasserzeichen stoßen. 150 Die beiden Blätter sind Fragmente eines Skizzenbuchs und stammen von einem Zeichner und Maler, der mit größter Wahrscheinlichkeit an der Spitze einer größeren Werkstatt stand, in der das Skizzenbuch als Quelle für Figurentypen und Bildthemen verwendet wurde. Auf der Vorderseite des ersten Blattes sehen wir die sitzende hl. Anna mit dem Schleier auf dem Kopf, die ihre jugendliche Tochter Maria aus einer Buchrolle das Lesen lehrt. (Abb. 479) Ungewöhnlich ist die Anwesenheit von vier Cherubim mit prunkvollen Pfauenflügeln, von denen einer den Rotulus mit den Füßen hält und die die sonst eher genrehaft aufgefasste Szene ins Irreale heben, zumal die Münder der vorderen Engel eine Art überirdischen Gesang anzudeuten scheinen. Ebenfalls nur angedeutet erscheint ein Interieur eher sakralen Charakters, und zwar mit Weinblättern (Konsolen?) über senkrechten, an Wandvorlagen erinnernden Strukturen hinter der hl. Anna, die vielleicht auch zu einer Bank gehören könnten. Die Darstellung der Mutter Anna als Erzieherin ist im 14. Jahrhundert noch ein seltenes Thema, und die Nürnberger Zeichnung stellt eine der ältesten bildlichen Fassungen dar. Ein wenig jüngerer Zeugdruck zeigt das gleiche Motiv der lehrenden Mutter Anna (Abb. 480); er soll aus einer rheinländischen Kirche stammen. 15 1 Es ist bemerkenswert, dass auf dem Stoff eine seitenverkehrte Übernahme der Komposition der Zeichnung aus dem Skizzenbuch vorliegt. Offenbar lieferte die Weinschröter-Werkstatt auch Vorlagen für die textilen Künste.

Abb. 488 - Erzengel Gabriel aus einer Verkündigungsgruppe Nürnberg, um 1360, Keupersandstein, H. 140 cm, B. 50 cm• Nürnberg, ehemals Fraue·n kirche, Südportal, heute Germanisches Nationalmuseum, lnv.-Nr. PLO. 2425 < Abb. 487 - Auferstandener Christus, Skizzenbuch, Sebald Weinschröter (zugeschrieben) - Nürnberg, um 1360-67(?) • Zeichnung, schwarze Tusche auf Papier, H. 12,5 cm, B. 5,5 cm, siehe Kat.-Nr. 3b , Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, lnv.-Nr. Kapsel 559, Hz 37

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Abb. 489 - Epitaph des Heilsbronner Abtes Friedrich von Hirschlach (reg. 1345-50) - .Nürnberg, um 1350, Tempera, Gold und plastische Applikationen auf Holz, H. 234 cm, B. 86 cm • Heilsbronn, ehemalige Zisterzienserabteikirche, heute evang.-luth Pfarrkirche St. Maria und St. Jakob > Abb. 490 (oben) - Epitaph der Kunigunde Stromer (t 1360), Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben) Nürnberg, um 1360, Wandmalerei (zerstört), siehe Kat.-Nr. 12 • Nürnberg, ehemalige Dominikanerinnenkirche St. Katharina 152 BERLI NER 2003/ 111 . 208 - 210. 153 Wien, Österr eic hisc he Nat iona lb ib liot hek, Cod. 370, fol. 1r. SC HMI DT 1967/ 1, 7-4 2. - SCHM IDT 2005/ IV, 269 -271. - Den kultu re ll en Einfl uss des Prager Hofes zeig t ein ähnli c hes Motiv in den Glasmalere ien des Regensburger Do ms. DE MUS· WITT ERNIGG 1951 , 36 . 154 VETTER 1958/ 59, 32- 34.

Die Rückseite des Skizzenbuchblattes ist zwei Marienthemen gewidmet. (Abb. 481) Links hält die gekrönte Maria vor dem Leib das Brustbild des Schmerzensmanns gregorianischen Typs, den sie mit schützender Geste in ihren Mantel hüllt. Dieses Andachtsthema illustriert anschaulich die im Hochmittelalter aktuelle theologische Diskussion um die Rolle Mariens in der Heilsgeschichte und stellt sie keineswegs als Mittlerin dar, sondern als „Mit-Retterin" (corredemptrix).152 Die bildliche Umsetzung findet sich in ausführlicher Version erstmals im luxemburgischen Böhmen, genauer gesagt im Umkreis des Prager Hofs des glühenden Marienverehrers Karl IV., wie eine Miniatur der geflügelten Maria mit dem Kind und einem Medaillon des leidenden Christus in der Sonnenscheibe auf dem Titelblatt der Bildersammlung Liber depictus dokumentiert, die um das Jahr 1358 für das damals „in honore ss. Corporis Christi et gloriosae Virginis Mariae" neu gegründete Minoritenkloster in Böhmisch Krumau (Cesky Krumlov) gestiftet worden war. 153 (Abb. 482) Die Identifikation der Gottesmutter mit dem apokalyptischen Weib stützt sich auf die Vision des Evangelisten Johannes (Offb 12,1-2): ,,Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Sie war schwanger und schrie vor Schmerz in ihren Geburtswehen." Die mittelalterlichen Exegeten erklärten dies zum Beweis für die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria. In der Genese bildlicher Darstellungen dieses Themas kommt dem Krumauer Kodex ein sehr frühes Stadium zu. 154 Mariens Flügel berufen sich wiederum auf die Offenbarung (12,14), wonach der Frau „die beiden Flügel des großen Adlers gegeben (wurden), damit sie in die Wüste an ihren Ort fliegen konnte. Dort ist sie vor der Schlange sicher und wird eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit lang ernährt." In den mariologischen Interpretationen wurde dies als Hinweis auf die Himmelfahrt Mariens verstanden. Christus als Schmerzensmann im Medaillon mit den Sonnenstrahlen ist eine Personifikation der Sonne (sol), die wiederum als symbolische Erinnerung an Christus ausgelegt wurde. In der Krumauer Variante wurde dies mit dem leidenden Christus und so mit einer deutlichen eucharistischen Botschaft verknüpft. Die Sonnenaura ist das Attribut der Macht des Allerhöchsten, die Maria bei der Herabkunft des Heiligen Geistes im Augenblick der Verkündigung und somit der Fleischwerdung „überschattet" (,,Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten." Lk 1,35). Die Nürnberger Zeichnung wiederholt mit größter Wahrscheinlichkeit einen nicht erhaltenen, einst beliebten Darstellungstypus, der in Böhmen, konkreter in Prag, wohl in bildhauerischer Ausführung Urkunden und Zeichnunaen

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verbreitet war. Sie ist nämlich bereits die essenzielle, vereinfachte Variante eines ursprünglich komplizierten, vielschichtigen theologischen Konstrukts, indem sie sich auf die Präsentation der Jungfrau Maria als Himmelskönigin und Allegorie der Kirche konzentriert. Maria hatte nach dem Willen des Allerhöchsten einen Sohn zur Welt gebracht, der die Erbsünde des Urelternpaars auf sich nahm und die Menschheit durch seinen Kreuzestod erlöste, was den Gläubigen in der symbolischen Verdichtung und der realen Wiederholung des Eucharistie-Wunders immer wieder nachvollziehbar wurde und wird. Rechts stellte der Zeichner die etwas größere stehende Maria mit dem hoch sitzenden Kind in ihrem rechten Arm dar, ein wiederum besonders in Böhmen beliebtes Motiv, das kompositorisch durch den doppelten Saumumschlag unter Christi Leib unterstrichen wurde. Der Aufbau der Gewandfigur erinnert an die steinerne Madonnenstatue vom Altstädter Rathaus in Prag, die von einem Bildhauer der Dombauhütte zu St. Veit nach älterem französischem Vorbild vermutlich in der zweiten Hälfte der 1350er Jahre geschaffen wurde. 155 (Abb. 484) Die kontrapostische Haltung der Prager Maria, die einen S-förmigen Körperschwung entstehen lässt, ruht auf dem rechten, dem Standbein, über dem sie das relativ große Kind trägt. Das Spielbein ist im Knie gebeugt und leicht vorgestreckt. Mariens über den Kopf geworfener Mantel reicht quer über den Körper bis auf die Seite des Kindes, von wo er in parallelen vertikalen Kaskaden zur Erde fällt. Zugleich

Abb. 492 - Zwei Jünglinge im Profil (rechts im Bild) neben Kaiser Karl IV. in der Szene der Geburt bzw. der Übergabe des neugeborenen Wenzel an Karl IV., Wenzelszyklus, unteres Register, Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Detail Nürnberg, 1361 65 • Wandmalerei, Foto 1943/4-1, siehe l at. -Nr. la • ehemals Nürnberg, \1oritzkapellc, Nordwand , Schildwand des zweites Jochs von Osten

Abb 491 - Cherubim hinter der lesenden Maria m der Szene der Unterweisung der Jungfrau Maria durch ihre Mutter, die hl. Anna, Sebald Weinschroter (zugeschrieben) Nürnberg, um 13606- 1 , • he Kat.-Nr. 3a • Nürnberg, Germanisches N.1t10nalm seum, lnv. Nr. I,apsel 559, Hz 38

bb. Abb. 528 - Identifikationsbildnis Kaiser Karls IV. in Gestalt von König David in der Szene der Anbetung der Könige (n II 3c), Fenster der Familie Groß, nach Vorlagen Sebald \Veinschröters und seiner \Verkstatt (zugeschrieben) , ürnberg, um 1370 • siehe Kat.-, Tr. 13b • , ·ürnberg, ehe1'1alige Pilgerspitalkirche St Martha heute evang. reform. Pfarrkirche St. i\lartha, Chor, Fenstern II

das Grundstück genau eingrenzten, sondern auch den Charakter der Bauten definierten. Aus Stein sollte nur der Chor der Kirche mit dem polygonalen Abschluss sowie einer Breite von 20 und einer Länge von 28 Fuß gebaut werden, 2 09 die übrigen Gebäude auf dem Areal waren aus Holz. Dass zu dieser Zeit auf dem Gelände des Spitals bereits gebaut wurde oder der Bau zumindest intensiv vorbereitet wurde, belegen Ablassurkunden. Die erste wurde von Bischof Heinrich von Termopolis am 25. Mai 1363 ausgestellt, die nächste am 6. Juni 1364 durch den Bamberger BischofFriedrich II. von Truhendingen (amt. 1363-66). 210 Am 25. November 1368 folgte der Eichstätter Bischof Raban Truchseß von Wildburgstetten (amt. 1365-83), bevor sie im selben Wortlaut am 2. Februar 1372 von Erzbischof Martin Belutiensis (?) und noch einmal am 22. August 1380 von Kardinal Pileus wiederholt wurde.211 Zuerst wurde also der gewölbte steinerne Chor gebaut, was hinsichtlich seiner kleineren Ausmaße recht schnell erfolgen konnte. Als Vorbild diente die Frauenkirche, wie nicht nur die Raumverhältnisse des Kapellenchors zu drei Jochen mit polygonalem Schluss zeigen, an den dann das breite Kirchenschiff anschließt, sondern vor allem die analoge Gliederung der Chorwände unter den Fensterbrüstungen, in die niedrige, segmentbogenförmig geschlossene Nischen eingelassen wurden. (Abb. 514) Die Wahl des kaiserlichen Sakralbaus als Modell für die Pilgerspitalkirche St. Martha überrascht bei der Gründerfamilie Waldstromer kaum, denn die hochgestellten Landesbeamten unterhielten über Generationen enge Verbindungen zum Reichsoberhaupt. Karl IV. bezeichnete Konrad IV. bereits 1349 als „unser(en) liebe(n) getreue(n)" 2 12 und bestätigte ihm am 18. Dezember 1355 das Amt des Reichsforstmeisters.21 3 Der Sohn, Konrad V., heiratete 1372 Agnes Has, die Tochter eines treuen kaiserlichen Beamten auf der Nürnberger Burg, der aus dem böhmischen Adelsgeschlecht von Hasenburg stammte.2 14 1364 hatte Karl IV. zudem aufgrund der treuen Dienste die beiden ältesten Brüder Konrad V. und Hans unter sein „Hofgesinde" aufgenommen - mit allen Rechten und Freiheiten, die sich aus dieser gesellschaftlichen Stellung ergaben, einschließlich der exklusiven gerichtlichen Verantwortlichkeit gegenüber dem kaiserlichen

et Sancte Marthe in hospitali peregrinorum sito iuxta portam frawe n tor nuncupato ... Nürnberg. St adtarchiv. A 21, 138-2. fo l. 31v- 32v: Abschri ft der Urkunde Bischof Friedrichs von Bamberg von 1366, 10. Januar, mit der die Pfründenstiftung des Ko nrad V. und Hans Waldstromer in der „Capel/e corporis christi sanc te Marthe et pergrinorum hospicio ante portam dictam frawento, .. bestätigt wurde. Ebenda auch Abschrift der Gründ un gsurkunde von 1363, 27. Oktober. 209 Quellenanh ang Nr. 56. - Die Größe des Chors be t rug nach SC HARR 1963/64, 26. 22 Fuß in der Breite und 28 in der Länge. - PILZ 1979, 29. spricht von 5,8 m Breite. 10,65 m Länge und 9.8 m Höhe. 210 Nürnberg , Stad tarc hiv. A 1, Urkunde von 1364. 6. Juni: Ablass des Bi schof s Fr ied rich II. von Tru he nd ingen von Bambe rg für die Wohltäter der Marthaki rche, ,.in qua etiam domo multi pe regrin i advene pauperes et infirmi recipiuntur". Ablass für dieje nig en, ,,q ui ad structuram novi coopertorii aJtaris corporis xpi et beate marthe (... ) ad aliaque diversa ipsius domus necessaria suas largiti sunt ... PILZ 1979. 10. 211 Nür nberg. St adtarchiv. A 1, Urkunde von 1363, 25. Mai. SC HARR 1963/64. 26 . - Ab lässe für die Festtage Nat ivitas Dom in i, Res urrectio, Ascens io, Pentecostem, Corpus Do mini und ihre Oktav sowie natü rlich für alle Marientage, Apos teltage und de n Tag der hl. Martha siehe Nürnberg, Stadtarchi v. A 1, Urkund en von 1368. 25. Novembe r; 1372. 2. Februar; 1380, 22. August. 212 SC HARR 1963/64. 23. 213 HUBER 1877. Nr. 2345. Am selben Tag verlieh der Kaiser dem Ko nrad IV. Wa ld st romer und seine n Erben ,.den graben und die weihestä tte oberhalb der bürger weihe,··. HU BER 1877, Nr. 2346. 21 4 SC HARR 1963/64, 24. niP ~l;=1~m::1IPrPiPn im r.hnr rlPr PilnP.r~nit;::ilkirr:hP. St M;:irthA

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> Abb. 531 - Fenster der Familie Rieter, unbekannte Nürnberger Glasmalerwerkstatt, nach älteren Vorlagen der Werkstatt Sebald Weinschröters (?) Nürnberg, nach 1388 , Glasmalerei, H. 530 cm, B. 165 cm, siehe Kat.-Nr. 13d , , 'ürnberg, ehemalige Pilgerspitalkirche St. Martha, heute cvang. reform . Pfarrkirche St. Martha, Chor, Fenstern Ill

Abb. 529 (oben) - Dornenkrönung (s II 3a-c), Fenster der Familie Stromer, nach Vorlagen Sebald Weinschröters und seiner Werkstatt (zugeschrieben) - Nürnberg, um 1370 , siehe ",lt 'r. Be , , 1ürnberg , ehemalige Pilgerspitalkirche ~t Martha, heute evang.-reform. Pfarrkirche St. Martha, Chor, l·enster s II
Abb. 630 - Stiftungsbild mit hl. Agnes von Böhmen im Brevier des Großmeisters Leo der Kreuzherren mit dem Roten Stern, Detail Prag, 1356 • illuminierte Handschrift, Pergament, !03 BI., H. 26,7 cm, B. 19 cm • Prag, Orden der Kreuzherren mit dem Roten Stern, ab Depositum in der Narodnf knihovna Ceske rcpubliky, Sign. XVIll F 6, fol. 2r

Abb. 631 - Kaiserin Anna von Schweidnitz (1339-62) in der Szene der Weisung und Verehrung des böhmischen königlichen Reliquienkreuzes (Exaltatio crucis), Nikolaus \Vurmser von Straßburg (zugeschrieben), Detail - Karlstein, 1361-62 • Wandmalerei mit plastischen Applikationen • Burg Karlstein, Klei ner Turm, Schatzkammer (ehemalige Stiftskapelle Unser Lieben Frauen), Westwand oberhalb des Portals

117 Katalog der Miniaturen bei EBERLEIN 1987, 70-73. 118 Eine böhmische Beeinflussung dieses Teils der malerischen Aussc hmückung des Gundekarianums erwä hnt bereits EBERLEIN 1987, 69 f. 119 Prag, Narodni knihovna Ceske republiky, Depositum der Bibliothek des Ritterordens der Kreuzherren mit dem Roten Stern . Sign. XV III F6, fol. 2r. 120 Man vergleiche die Anteile des Hauptmalers des Liber viaticus des Kanzlers Johann von Neumarkt. so Maria in der Verkündigung in der Initiale O (Prag, Knihovna Narodniho muzea. Sign. XIII A 12, fol. 69v) , oder der Maler seiner Umgebung, wie Johannes von Troppau, etwa die Figuren im Schaft der Initiale I im Evangeliar Herzog Albrechts III. (Wien. Österreichische Nationalbibliothek . Cod. 1182, fol. 149r). 121 New York, The Morgan Library & Museum. Acq. Nr. AZ022.1-2.

dürfte {fol. 27r). (Abb. 628) Die künstlerische Handschrift deutet auf denselben Illuminator hin, der auch die älteren Bildnisse schuf. In derselben Werkstatt, allerdings von der Hand eines anderen, weniger gewandten Malers, entstand auch das Porträt von Bertholds Nachfolger Raban Truchsess von Wilburgstetten (reg. 1365-83), was die Aktivität der Werkstatt, wenn auch wohl mit personellen Veränderungen, noch nach 1383 belegt. 11 7 In der Gesamtauffassung wie in den physiognomischen Zügen erinnern die Figuren des Eichstätter Pontifikales und des Titelblatts des Salbuchs von St. Walburg an die luxemburgische Hofmalerei Prags. 118 Gerade die weniger bekannte Klosterhandschrift zeigt dies besonders schön: Der vorgestreckte Kopf der hl. Walburga mit den gewellten, über den Rücken fließenden Haaren wiederholt das Porträt der Kaiserin Anna von Schweidnitz aus der Szene der Exaltatio crucis von Nikolaus Wurmser in der Marienkapelle und späteren Schatzkammer auf Burg Karlstein, ebenso das Bild der hl. Agnes auf dem Titelblatt des Breviers des Großmeisters Leo der Kreuzherren mit dem Roten Stern. 119 (Abb. 629-631) Die bartlosen, im Eichstätter Pontifikale mit den Bischöfen Gebhard und Heinrich diskutierenden Kleriker (fol. 24v, 25r) wie auch das Gesicht des Klostergründers auf dem Titelblatt des Salbuchs von St. Walburg sind Variationen ein und derselben Vorlage. (Abb. 632, 633) Sie stehen sich auch in der Zeichnung so nahe, dass es wohl keinen Zweifel daran geben kann, dass es sich um die Arbeit eines einzigen Miniators handelt. Mit den gleichen vertikalen Strichen wird in den Miniaturen der beiden Handschriften das Terrain angedeutet. Im Schaffen des bei der Prager Hofkanzlei tätigen Ateliers 120 hat auch die recht unkonventionelle Lösung des Gewands der hl. Walburga eine Analogie, dessen Zipfel über das linke Knie geworfen ist, sodass hier das Untergewand sichtbar wird, während der Saum des Obergewandes in strenger Linie zwischen den Knien zur Erde sinkt und das rechte Bein in den Stoff des über dem Knie gestrafften und zum Schoß hingezogenen Obergewands eingehüllt ist. Die mit nervösen, kürzeren und verdichteten Federzügen modellierte Draperie der Heiligen besitzt ein Äquivalent zur farbigen Behandlung des Bischofsgewands Gebhards III. im Gundekarianum (fol. 24v), wo die Umrisse ebenfalls mit einer kräftigen schwarzen Linie betont sind. {Abb. 634, 635) Mariens kompaktes Gesicht auf dem Heilsbronner Epitaph mit den markanten Wangen, dem kleinen Mund mit den fleischigen Lippen und der langen, geraden Nase nähert sich wiederum auffällig den Mariendarstellungen des Morgan-Diptychons. 121 Qicr-hAflif"'ho 11nrl ctörl t icl'"'ho l(r,nln 1rron 7 C:oh-:ilrl \filoinc:-l"'hrAtorc:- im l l mfolrl l\ll1rnhorr,e

t::t:;.7

(Abb. 127, 135) Mit ihnen verwandt ist auch die Madonna auf dem Bostoner Marientäfelchen (Abb. 136),122 und dies nicht nur durch die Typik ihres Gesichts und die Fältelung des Schleiers, sondern auch durch den melancholischen Ausdruck - beide Gemälde entstanden im selben Atelier bei der Hofkanzlei in Prag.123 Der sentimental verschlossene Ausdruck des Mariengesichts auf dem Heilsbronner Epitaph entspricht wiederum der Maria der Kreuzigung des Meisters Theoderich in der Heilig-Kreuz-Kapelle auf Burg Karlstein (KA 3686). (Abb. 636-638} Und so könnten wir noch lange fortfahren. Die Dichte der künstlerischen Kontakte zwischen der Eichstätter Werkstatt und für den Prager Kaiserhof tätigen Künstlern dürfte aber kaum überraschen, denn Berthold selbst verfügte ja über engste Beziehungen sowohl zum Herrscher wie zweifellos auch zu dessen Kanzlei, an deren Spitze er schließlich 1364 stehen sollte. Mit großer Wahrscheinlichkeit kam durch seine Vermittlung ein Prager Maler nach Eichstätt, der hier eine Werkstatt gründete, in der naheliegenderweise auch das bischöfliche Epitaph entstand, das beim Grab Bertholds von Zollern in der Zisterzienserabteikirche Heilsbronn aufgehängt wurde. Die böhmische Abkunft der Ausstattung des Salbuchs von St. Walburg wird zudem durch eine Stilparallele bestätigt, nämlich durch das Graduale des Breslauer Prämonstratenserstifts St. Vinzenz auf dem Elbing. 124 (Abb. 639) Dessen Illuminator arbeitet mit einer ähnlich raffinierten Farbigkeit, die auf dem Kontrast von sattem Rot und Altrosa vor dunkelblauem Hintergrund mit schwarzer Pflanzenornamentik aufbaut, bereichert durch gelegentliche Akzente von Weiß und Schwarz.125 Auch seine künstlerische Genese ist ohne den entscheidenden Einfluss der Malerei des Prager Kaiserhofs nicht vorstellbar.

Abb. 633 - Antlitz eines Kanonikers um den Bischof Heinrich Schenk von Reicheneck, Bischof von Eichstätt (t 1344), Pontifikale Gundekarianum, Abschnitt des Eichstätter Bischofs Berthold von Zollern, Illuminator aus dem Prager höfischen Umfeld, Detail - Eichstätt, 1350er Jahre • Buchmalerei auf Pergament, H. 41 cm, B. 31 cm • Eichstätt, Diözesanarchiv, Cod. B 4, fol. 25v

Abb. 634 - Ausführung des Gewandes der hl. Walburga, Titelblatt des Salbuches des Benediktinerinnenklosters St. Walburg in Eichstätt, Illuminator aus dem Prager höfischen Umfeld, Detail - Eichstätt, um 1360 • Buchmalerei auf Pergament, H. 18,8 cm, B. 12,5 cm• Eichstätt, Archiv der Benediktinerinnenabtei St. Walburg, o. Sign. > Abb. 635 - Ausführung des Gewandes des

< Abb. 632 -

Antlitz des Stifters Leodegar, Titelblatt des Salbuches des Benediktinerinnenklosters St. Walburg in Eichstätt, Illuminator aus dem Prager höfischen Umfeld, Detail - Eichstätt, um 1360 • Buchmalerei auf Pergament, H. 18,8 cm, B. 12,5 cm • Eichstätt, Archiv der Benediktinerinnenabtei St. Walburg, o. Sign.

122 Bosto n, Museum of Fine Arts, Ma ria An toi nette Fund, Acq. no. 34.1459. 123 Zum Sc haff en des At eliers bei der ka iserlichen Ka nzlei bzw. des Meist ers d es Morga n·Diptychons siehe Kap. 111.1 sowie Ausst .-Ka t. Prag 200 6, 98-103, Ka t. -N r. 15-17 (Jiri FAJT). 124 Breslau, Bibl ioteka Un iwersytecka w Wroc!awiu, Oddzial R~kop is6w, Sig n. 1F 423. - Ausst. -Kat. Lieg nitz/Prag 2006/07, 105, Kat. -Nr. 1.4.7; 1041„ Abb. 1. 4.7 A-C. 125 Die sc hwa rze Zeic hnung der Ra nke n au f d unkelblauer Fläc he vo m Titelblatt des Eic hstät t er Salbuchs wied erholt beisp ielswe ise ganz gena u de n Hintergrund der Mi niatur mit de r Kreuzig un g Christi aus dem Orationale Arnesti, das im Atelier der kai serlichen Ka nzlei in d er Zeit vor 1364 geschaff en w urde. Prag, Kn ihovna Narod niho muzea, Sign. XIII C 12, fo /. 21v.

Gebhard von Graisbach, Bischof von Eichstätt (t 1327), Pontifikale Gundekarianum, Abschnitt

des Eichstätter Bischofs Berthold von Zollern, Illuminator aus dem Prager höfischen Umfeld, Detail - Eichstätt, 1350er Jahre• Buchmalerei auf Pergament, H. 41 cm, B. 31 cm, Eichstätt, Diözesanarchiv, Cod. B 4, fol. 24v

,t,2 5 Vgl. Kap. IV.9.

In Nürnberg selbst finden wir - abgesehen von den spärlichen Resten der im 15. Jahrhundert durch die Stadt zerstörten Burggrafenburg, die die Hohenzollern nach Übernahme des Burggrafenamts 1192 neben der staufischen Kaiserburg erbaut hatten, und dem Burggrafenfenster im Ostchor der Sebalduskirche126 - so gut wie keine Hohenzollern'schen Stiftungsaktivitäten mehr. In der von ihnen offenbar genutzten Schottenklosterkirche St. Egidien finden sich aus diesen älteren Zeiten keinerlei Reste mehr, und anscheinend verschob sich der Schwerpunkt ihrer dynastischen Repräsentation bald in das Gebiet ihres entstehenden Territorialstaats, wo sie sich zweifellos ohne Beschränkung durch die stolz-bescheidenen Nürnberger Patrizier entfalten konnten, die ohnehin nichts anderes im Sinn hatten, als die Bedeutung des Burggrafenamts einzuschränken und zu untergraben. Forchheim, die Residenz der Bamberger Bischöfe Im Vergleich zu den Bistümern Würzburg und Eichstätt war die Situation in Bamberg für Karl IV. unvergleichlich viel einfacher. Bereits kurz nach der Königswahl erhielt hier 1347 der bis dahin als Elekt regierende Friedrich I. von Hohenlohe (Elekt 1344-47, Bischof 1347-52) aus den Händen Karls IV. die Regalien. Er entstammte demselben hochbedeutenden und weit verzweigten fränkischen Geschlecht wie der Würzburger Bischof Albrecht II. Auch Friedrichs Nachfolger Lupold (Leupold) von Bebenburg (reg. 1353-63) stand fest auf Seiten Karls. Und so sind im Rahmen eines Versuchs der Ausdeutung der Kunst der karolinischen Epoche die Kunstaufträge jener Bischöfe von besonderer Bedeutung, zu deren Diözese die Stadt Nürnberg gehörte.

Abb. 637 - Antlitz der Muttergottes aus der Darbringung Christi im Tempel, Laus Mariae des Konrad von Haimburg, Meister des Morgan-Diptychons, Detail - Prag, nach 1360 • Pergament, 170 BI., H. 29,4 cm, B. 20,8 cm • Prag, Knihovna Narodnfho muzea, Sign. XVI D 13, fo l. 34v < Abb. 636 (links oben) - Antlitz der Muttergottes aus dem Epitaph des Eichstätter Bischofs Berthold von Zollern (1320-65, reg. seit 1351), Wolf Traut (1486-1520) (?), Detail - Nürnberg, 1497 nach dem Original von um 1365 • Tempera auf Holz, H. 164 cm, B. 57 cm • Heilsbronn, ehemalige Zisterzienserabteikirche, heute evang.- luth. Pfarrkirche St. Maria und St. Jakob

« Abb. 638 - Antlitz der Muttergottes aus der Kreuzigung, Meister Theoderich (zugeschrieben), Detail - Prag, 1363-65 • Tempera und Öl auf Buchenholz, H. 210 cm, B. 151,2 cm • Burg Karlstein, Großer Turm, Heilig-Kreuz-Kapelle, nördliche Altarwand, oberste Reihe, mittleres Feld, Jnv. -Nr. KA 3686

> Abb. 639 - A-lnitiale mit Verkündigung an Maria, Graduale des Prämonstratenserstifts St. Vinzenz auf dem Elbing in Breslau, Illuminator aus dem Prager höfischen Umfeld - Prag, 1362 • Tinte, Tempera und Gold auf Pergament, 342 BI., H. 49,5 cm, B. 31 cm • Bre lau, Bibliotheka Uniwersytecka w Wrodaw iu, Oddzial R~kopisöw, ign I F 423, fo l. 2v

Risrhi\flir.hP 11nrl stlirltisr.hP Knnk11rrnn7 S Abb. 641 - Forchheim, Burg, ehemalige bischöfliche Residenz, Ostflügel, sog. Große Kemenate, sog. Kaisersaal (links) - Grundriss des Erdgeschosses (gewestet) nach BREUER 1961

» Abb. 642 - Forchheim, Burg, ehemalige bischöfliche Residenz, Ostflügel, sog. Große Kemenate, Kapelle und Südraum (links) Grundriss des ersten Obergeschosses (gewestet) nach KOHNERT 2008

freilich verlor die Stadt Bamberg im Lauf des 14. Jahrhunderts etwas von ihrer Bedeutung als Residenzstadt, denn offenbar gab es ein Bedürfnis der Fürstbischöfe, befestigte, sichere Plätze zu schaffen, sich vielleicht auch von ihren unter komplizierten rechtlichen Verhältnissen lebenden Stadtbürgern und nicht zuletzt den mächtigen Domkapitularen zu distanzieren. Darauf deutet der Ausbau der Altenburg auf einem Hügel oberhalb der Stadt, insbesondere aber die zunehmende Bedeutung des den südlichen Eckpunkt ihres Territoriums bildenden Forchheim hin. Die bischöfliche Residenz in Forchheim wurde, vielleicht an der Stelle, wohl aber in der Nähe des ehemaligen Königshofs bereits zu Beginn des 12. Jahrhunderts durch den heiliggesprochenen Bischof Otto (reg. 1102-39) errichtet und dann im 14. Jahrhundert weiter bis zur bestehenden Gestalt erweitert. (Abb. 640) Diese umfangreiche Baukampagne wird traditionell mit dem Fürstbischof und bedeutenden Diplomaten in den Diensten Karls IV. und Wenzels IV., Lamprecht von Brunn (reg. 1374-99), in Verbindung gebracht, obwohl gerade die Reste der ehemals reichen malerischen Ausstattung auch andere Lösungen anzudeuten scheinen. Im Ostflügel des Bischofspalastes, der sog. Großen Kemenate, haben sich im sog. Kaisersaal im Erdgeschoss Fragmente einer Secco-Wandausschmückung des 14. Jahrhunderts erhalten, ebenso im ersten Stock in zwei benachbarten Räumlichkeiten, der ehemaligen Kapelle und einem heute durch eine Wand von ihr getrennten Ecksaal. (Abb. 641, 642) Der Kaisersaal mit Kreuzrippengewölben über einem Mittelpfeiler diente einst als zentraler Repräsentationsraum der Residenz für feierliche Zeremonien wie den Empfang hoher Gäste oder die Huldigungs-Zeremonie gegenüber neuen Bischöfen, wofür auch die technisch raffinierte Art der Rischöfliche und städtische Konkurrenz Sebald Weinschröters im Umfeld Nürnberos

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< Abb. 643 - Wappen des Königreichs Böhmen -

Forchheim, um 1346/47-52, Wandmalerei (secco) , Forchheim, Burg, ehemalige bischöfliche Residenz, Ostflügel. sog. Große Kemenate, sog. Kaisersaal, Erdgeschoss, Südwand > Abb. 644 - Thronender König David mit Spruchband - Forchheim, späte 1370er Jahre , Wand malerei , Forchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Kemenate, sog. Kaisersaal, Erdgeschoss, Westwand

Warmluftbeheizung spricht. 127 Seine Südwand zieren die gemalten Wappen des Königreichs Böhmen mit dem silbernen Löwen auf rotem Feld (Abb. 641) und des Heiligen Römischen Reichs mit dem schwarzen, einköpfigen Adler. Die einzige erhaltene figürliche Szene ist der an der Westwand thronende König David im Hermelingewand mit dem Spruchband ,,[gerechtig]keit ist hie ein hart und pringt unz ewigfrewde dort". (Abb. 644) Hinter seinem Rücken wendet sich ihm ein Elefant zu, und vor ihm steht ein Löwe, der auf den biblischen „Löwen aus dem Stamm Juda, de(n) Spross aus der Wurzel Davids", der das Buch mit den sieben Siegeln öffnen kann, verweist (Offb 5,5). David verkörpert in diesem Kontext den gerechten Herrscher und Richter, ähnlich wie die beiden begleitenden Tiere Symbole der Tugenden guter Herrscher sind, Stärke (fortitudo) und Mäßigung (temperantia). An den anderen Wänden waren vermutlich weitere Exempla für gerechte Richter und Herrscher wiedergegeben, unter denen sicher König Salomo nicht fehlte. 128 Die Palastkapelle im ersten Stock bestand aus zwei Jochen und endete an der Ostseite in einer Fensternische, die sich in einem breiten Bogen wohl zu einem Erker öffnete, vor dem in solchen Fällen der Altar zu stehen pflegte. 129 An den Stirnwänden des Raums zuseiten der Nische sieht man rechts den Erzengel Gabriel, der die Frohe Botschaft Maria überbringt, welche hier auf der linken, vom Altar aus gesehen ranghöheren Nordseite vor einem Lesepult mit geöffnetem Buch kniet. (Abb. 645, 646) Am oberen Abschnitt der Laibung der Nische ist das Jüngste Gericht mit dem auf dem Regenbogen thronenden Christus angebracht, der wie üblich bei einer Deesisgruppe von Maria und Johannes dem Täufer begleitet wird und von Engelchen mit den Arma Christi umgeben ist (Abb. 647). Darunter wohnen an den beiden Seitenwänden der Nische die jeweils zu dritt in zwei Reihen übereinander sitzenden Apostel dem Geschehen bei. (Abb. 648) Am östlichen Feld der Kapellennordwand belegt die noch ablesbare Form des Schildbogens die frühere Existenz eines Kreuzrippengewölbes. Hier ist - als am besten erhaltene

127 KOHNERT 1997. - KOHNERT 2004, 711. - Des Weiteren BURGER 2004, 27. - STEIN-KECKS 2007, 481„ Anm. 7 und 9. Ausführlich KOHNERT 2008, 59-68. 128 MAYER 1952, 76. - BREUER 1971, 735. - Ausst.-Kat. Köln 1978, 1, 380 (Günter BRÄUTIGAM). - Zur Ikonografie zuletzt STEINKECKS 2007, 50-52. 129 KOHNERT 2008, 74. konnte zwar bei der Untersuchung der Außenwand keine Spuren eines Erkers entdecken, aber ein solcher ist. aufgrund der Blickrichtung, die für das Gemälde des Jüngsten Gerichts vorgesehen ist. nämlic h von Ost nach West, und dann natürlich wegen des auch noch unterzubringenden Altars. unbedingt vorauszusetzen.

Risr,hnflir,hp 11nrl st~rltisr:hP. Konkwrnn1 SP.h8ld Weinschröters im Umfeld Nürnberas

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Malerei der gesamten Bischofsburg - die Anbetung der Könige zu sehen, die in perspektivisch aufgebauten Architekturen spielt. (Abb. 649-651) Die anschließende Westwand der Kapelle war mit einer Reihe stehender Propheten verziert, von denen sich drei vor einem Hintergrund mit stilisiertem Pflanzenornament mit Rosenblüten erhalten haben. (Abb. 652) Die Südwand wurde in ihrer gegenwärtigen Gestalt wohl erst im 18. oder 19. Jahrhundert errichtet, 130 doch lässt das anzunehmende zweijochige Kreuzrippengewölbe darauf schließen, dass es schon im Mittelalter eine Abgrenzung zwischen dem Kapellenraum und dem südlichen Anraum gegeben haben wird. 13 1 In jenem Anraum finden sich an der Ostwand das Fragment eines Männergesichts mit reichem, schneckenförmig gedrehtem Vollbart und langen Haaren sowie an der Schräge des nordöstlichen Fensters inmitten ähnlicher Pflanzenmuster wie in der benachbarten Kapelle zwei Fabelwesen: ein Reiter auf einem Kamel mit Storchenschnabel und ein geflügelter, auf der Fiedel spielender Mann (Triton). (Abb. 653) Beide stehen in ihrer künstlerischen Ausführung und im Erhaltungszustand, der vor allem noch die Unterzeichnungen sichtbar sein lässt, ohne Zweifel mit der Davids-Darstellung im Kaisersaal in Zusammenhang. Diese mit größter Wahrscheinlichkeit auf ein und denselben Maler zurückgehende Verbindung zwischen der Ausmalung des Repräsentationssaals im Erdgeschoss und einem Teil der Ausschmückung des Raums im ersten Stock, der an die Kapelle grenzt, wurde bereits früher erkannt, aber die Bewertungen des Verhältnisses dieser Bilder vor allem zu den Malereien der eigentlichen Kapelle und die Datierungen der künstlerischen Ausstattung der Residenz unterscheiden sich erheblich. Sie reichten von der Identifizierung von drei Stilkreisen und fünf Zeitschichten - 1. Propheten (französisch beeinflusster Maler, um 1353), 2. König David und Fabelwesen (böhmisch beeinflusster Maler, um 1393), 3. Anbetung der Könige (böhmisch beeinflusster Maler, um 1395), 4. Verkündigung an Maria (fränkischer Maler, um 1397), 5. Jüngstes Gericht (fränkischer Maler, um 1400) 132 - bis zu der Meinung, es handle sich um zeitlich eng zusammenhängende Werke respektive um zwei nicht allzu weit voneinander entfernte Stilschichten aus den 80er Jahren oder vom Anfang der 90er Jahre des 14. Jahrhunderts.13 3 Vor dem Hintergrund solcher Überlegungen wurde in letzter Zeit als Besteller Bischof Lamprecht von Brunn identifiziert, der im Jahr 1377 den durchgreifenden Umbau der Bischofsburg in Angriff genommen haben soll, wobei ältere Teile integriert worden seien. Vor allem aber ,i76 / V

NAr.hfnlm, ,inrl Knnkllrrf'n7 Sf'hAlrl WP.insr.hröters

Abb. 645 - Verkündigung an Maria - Fo rchheim, um 1360-63 , Wandmalerei , Forchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Kemenate, erstes Obergeschoss, ehemalige Kapelle, Ostwand > Abb. 646 - Erzengel Gabriel aus der Verkündigung an Maria, Detail - Fo rchheim, um 1360-63 , Wandmalerei , Forchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Kemenate, erstes Obergeschoss, ehemalige Kapelle, Ostwand

130 KO HNERT 2008, 73. - Sie wurde ursprüng lich als Wand des späten 16. Jahrhun derts gedeutet. 131 Die Gewö lbe d er Ka pelle und des südlichen Nebenraums w urden unter Fürstbischof Joha nn Ph ilipp von Gebsattel wo hl 1603 abgebroc hen (KO HNERT 2008, 74). KOHNERT 20 08. 77. ve rmut et wege n der anders gearteten Th emen der Malerei im heut igen Südraum ei ne unterschied lic he Nutzung. We gen der eher .. literarischen" Ikonografie ha be sic h hie r mögli cherw ei se Lamprech t s Bibliot hek befunden. 132 KEHRER 1912/ 1. 133 Au sst .-Kat . Kö ln 1978. 1, 379 (G ünter BR ÄUTI GAM). - STEIN· KE CKS 2007. - Des Weiteren STANGE 1936, 1631. - BREUER 1961. - MÜLLER 1964. - BRÄU TI GAM 1971, 1121. - ROTH 1982, 5 0-5 4. - GOLD BERG 2002. - BECK ETT 2004 . - SCH ICK 200 4 . - BECKETT 2007.

wurde der Zeitpunkt der Vollendung dieser Baumaßnahmen als bedeutsam für die Datierung der malerischen Ausschmückung erachtet.134 Doch halten die Schlussfolgerungen dem Blick auf den Stilcharakter der Wandgemälde stand? Die nähere Betrachtung zeigt, dass wir zwei künstlerisch sehr verschiedene Malereigruppen vor uns haben. Zum einen sind es mächtige, robust wirkende Gestalten mit kompakten Umrissen, die in durch Licht weich modellierte Gewänder gehüllt sind und in der Ausstattung der Kapelle im ersten Stock und des Nachbarsaals auftauchen, ausgenommen die dortigen Fabelwesen. Der wiegende Rhythmus der Schüsselfalten ihrer Gewänder wird manchmal durch ein Spannen des anliegenden Stoffs gestört, wo wir dann eine hervortretende Körperrundung wahrzunehmen meinen. Eine ähnlich belebende Rolle spielen die wie im Winde wehenden Stoffzipfel, wie beispielsweise das Tuch auf dem Haupt eines der Propheten an der Westwand der Kapelle oder die umknickenden Säume an den Mänteln der Weisen aus dem Morgenland wie der Gottesmutter in der Anbetung der Könige. Technologisch erinnern diese Malereien wegen des breiten Spektrums farbiger Pigmente und der applizierten Metallschichten wie Blatt- und Zwischgold (auf Silberfolie geschlagenes Blattgold) an die Tafelmalerei.135 Zu dieser Stilschicht gehören auch die Verkündigung und das Jüngste Gericht in der Fensternische. Die figürlichen Szenen sind nicht in ein anspruchsvoll konstruiertes, tiefenräumlich wirksames Ambiente eingefügt, eher im Gegenteil. Die Propheten stehen vor einem durch die Ornamentierung noch flächiger wirkenden Hintergrund, die Verkündigung spielt sich in einem flachen Raum ohne Verwendung architektonischer Mittel ab. Die Ausnahme bildet die Anbetung der Könige, die in eine fantastische, wie aus dicken, geschnitzten Tafeln zusammengesetzte Bühnenarchitektur eingeschlossen ist. Jeder Figur wird der entsprechende Raum zugewiesen: Auf einem Baldachinthron mit niedrigem Sockel sitzt Maria und hält auf dem linken Bein das sich lebhaft bewegende Jesuskind, das seine linke Hand nach einer Goldmünze (?) ausstreckt, während es mit der Rechten bereits eine solche hochhebt. (Abb. 651) Vor ihm kniet der älteste König, dem ein enger, durch zwei hängende Konsolen begrenzter Raum zugewiesen ist. Hinter ihm steht in der breitesten Nische der mittlere König, der mit der Rechten zum Stern zeigt und in der Linken ein goldenes Deckelgefäß hält. 136 Zuletzt folgt der junge, bartlose König mit einem auffällig gefältelten Mantel, dessen übergeschlagenen Saum er mit der Linken hält. Diese anspruchsvollste erzählende Szene wirkt trotz allem eher durch die Monumentalität der untersetzten Figuren und die weiche Kalligrafie der Falten als durch die Raffinesse des c;:7~ / \/

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Abb. 647 - Das Jüngste Gericht (Deesis) Forchheim, um 1360-63 • Wandmalerei • Forchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Kemenate, erstes Obergeschoss, ehemalige Kapelle, Ostwand, Wölbung der Fensternische > Abb. 648 - Apostel als Beisitzer des Jüngsten Gerichts, Detail - Forchheim, um 1360-63 • Wandmalerei • Forchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Kemenate, erstes Obergeschoss, ehemalige Kapelle, Ostwand, südliche Laibung der Fensternische

134 Zur Ba ugeschichte der Pfa lz SITZMANN 1989, XX II, 70-75. KO HN ERT 2004. - Grund legend, KO HN ERT 2008. 135 BECKETT 2004, 89. 136 Wegen de r physiognomisc hen Züge des massigen bärt igen Gesicht s des mittleren Kö nigs mit leicht vorgereck tem, walzenför mige m Hals w urde de r Versuch unternom men, ihn als Identi fikationsporträt Ka iser Ka rls IV. zu in te rpre tie ren, in

dessen Herrscherrepräsent ation die Iko nografie de r He iligen Drei Könige eine wichtige Roll e spie lte. Diese Möglichkeit ist nicht gä nzl ich auszusc hließen, und wen n KE HRER 1912/1, 37-42, sie kategorisch ablehnte, so vor allem wohl d eshalb, wei l er die Entsteh ung der Malereien zwanzig Jahre nach dem Tod des Kaisers datierte. RisrhnflirhP, inrl st~rltisr.hf' Knnk11rrf'n7 Sebald Weinschröters im Umfeld Nürnberas

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Abb. 649 - Anbetung der Könige - Forchheim, um 1360-63 • Wandmalerei • Forchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Kemenate, erstes Obergeschoss, ehemalige Kapelle, Nordwand

< Abb. 650 - Mittlerer König aus der Anbetung der Könige, Detail - Forchheim, um 1360-63 , Wandmalerei , Forchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Kemenate, erstes Obergeschoss, ehemalige Kapelle, Nordwand > Abb. 651 - Christuskind, Geschenke des ältesten Königs entgegennehmend, aus der Anbetung der Könige - Forchheim, um 1360-63 • Wandmalerei , Forchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Kemenate, er. es Obergeschoss, ehemalige Kapelle, Nordwa nd

perspektivisch konstruierten Bildraums. Ein ähnlich monumentaler Ausdruck stoisch ausgeglichener Gestalten, begleitet von Desinteresse an beschreibenden oder gar erzählenden Details, ist auch für die Malerei am Prager Kaiserhof bezeichnend. Die relativ konventionellen Gewandfiguren der Forchheimer Propheten 137 erinnern zumindest in einigen Details an die Herrscher des Karlsteiner LuxemburgerStammbaums von Nikolaus Wurmser, besonders durch das Motiv des wehenden, um den Kopf gebundenen Tuchs, das bei dem erwähnten Forchheimer Propheten und bei dem ehemaligen Karlsteiner Harn auftritt. 13 8 (Abb. 167) Die Verbreitung dieses ursprünglich wohl frankoflämischen Motivs belegt freilich die verwandte Lösung der Kopfbedeckung eines Propheten aus dem Hansesaal des Rathauses in Köln. 139 Die einst weiche Zeichnung der stark gewellten Haarlocken und des reichen Vollbarts in den ansonsten deutlich beschädigten Gesichtern der Forchheimer Propheten verrät das außergewöhnlich gut erhaltene Fragment des männlichen Antlitzes von der Ostwand des an die Kapelle angrenzenden Saals, dessen Raffiniertheit uns wiederum in das künstlerische Umfeld des Prager Hofs führt, diesmal in die Nähe Meister Theoderichs, wie ein Vergleich mit dessen Tafelbildern (Karlstein, KA 3738, 3682) aus den Jahren 1362-64 zeigt. (Abb. 655,656) Und nach Karlstein führt auch die Suche nach einer Vorlage für das perspektivisch dargestellte Lesepult in der Verkündigungsszene mit der abgeknickten, vermutlich in sich beweglich zu denkenden Halterung für kleinere Bücher. Hier sind die Karlsteiner Tafeln mit den Kirchenvätern Hieronymus und Augustinus (KA 3789 und 3787) heranzuziehen. Das gesamte Schema der Anbetung der Könige mit dem sich auf einen Stock stützenden Josef könnte wiederum von Theoderichs Komposition des gleichen Themas in der nordöstlichen Fensternische der Heilig-Kreuz-Kapelle auf Karlstein inspiriert

137 KEHR ER 1912/1, 71., hielt sie für Werke Seba ld Weinschröters, der sie angeblich nach seine r Ve rtreibung aus Nürnberg gemalt haben sollte, d. h. zwisch en 1350 und 1357. 138 Prag, Narodni ga lerie v Praze, Arch iv, Codex Heid elberge nsis, AA 2015, fol. 3. 139 Köln , Wal lraf -Richartz-M use um , lnv.-N r. 323-327. Unter den aus der Ru ine dieses Baus transferi erten Wan dmal ere ien f indet sich auch Karl IV. als böh m ischer König un d rang höc hst er der Kurfürsten. Auss t .-Kat . Köl n 1978, 1, 2041. , Ab b. au f S. 205 (Fra nk Günt her ZEHN DER ).

< Abb. 652 - Stehender Prophet mit Spruchband Forchheim, um 1360-63 , Wandmalerei , Forchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Kemenate, erstes Obergeschoss, ehemalige Kapelle, Westwand

140 Erlangen. Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Handschriften. Alte Drucke und Graphische Sammlung, H62/B 1, 2. - Siehe Kap. 111.3.2. 141 HUBER 1877. Nr. 5466 (1375, 18. Februar). 142 Zur Persönlichkeit Lamprechts von Brunn MACHILEK 2001. bes. 198-203. 143 Zu deren Ikonografie FAJT/ROYT 1998. 144 HUBER 1877. Nr. 1580 (1353, 23. August). 145 HUBER 1877. Nr. 1584 (1353, 5. September); Nr. 1589 (1353, 7. September). 146 HUBER 1877. Nr. 6711 (1353, 7. September); Nr. 6918 (1357, 25. Januar). 147 HUBER 1877. Nr. 1636 (1353, 18. Oktober). 148 HUBER 1877. Nr. 1709 (1354, 2. Januar); Nr. 2625 (1357, 5. März); Nr. 1931 (1354. 4. Oktober); Nr. 6791 (1354. 5. Oktober); Nr. 2624 (1357, 5. März). 149 HUBER 1877, Nr. 2184 (1355, 18. Januar); Nr. 6825 (1355, 18. Juli); Nr. 2187 (1355, 21. Juli); Nr. 6830 (1355, 23. Juli); Nr. 2207 (1355, 31. Juli); Nr. 2297 (1355, 29. November); Nr. 6849 (1355, 29. November); Nr. 2321 (1355, 8. Dezember); Nr. 3203 (1360, 4. Juli); Nr. 3619 (1361. 7. April); Nr. 3634 (1361, 14. April). 150 GATZ 2001, 49f. (Helmut FLACHEN ECKER, mit zahlreicher weiterer Literatur). 151 Die Errichtung eines Kollegiatstifts bei St. Martin in Forchheim hatte bereits Bischof Friedrich von Hohenlohe (reg. 1344-52) eingeleitet. nachdem er von Papst Giemens VI. die entsprechende Erlaubnis erhalten hatte. Da aber kurze Zeit später, Ende 1352, Bischof und Papst verstarben, konnte das Kapitel erst von Friedrichs Nachfolger Lupold eingerich tet werden. Der Propst in Forchheim wurde in der Regel aus den Reihen der Bamberger Domkanoniker erna nnt und musste aus seinen Einkünften einen Sänger im Bamberger Chor unterhalten. Die Einkünfte des Dekans stammten von einem Hof in Forchheim, er selbst war Beichtvater der Kanoniker und Vikare und finanzierte den Rektor der Kapitelschule. Der Kustos war für die Ausübung des geistlichen Dienstes in der Stadt und an weiteren Filialkirchen verantwortlich und kümmerte sich zudem um Bibliothek und Paramente. JAKOB 1998, 138. - MIEKISCH 2006, 19f. - Mit dem Kollegiatkapitel in Forchheim knüpfte am 28. März 1360 das Augustinerstift im unweit gelegenen Neunkirchen am Brand enge Verbindungen (Bamberg. Staatsarchiv. Hochstift Bamberg. Bamberger Urkunden Nr. 3067). JAKOB 1998, 152, 4201. - MIEKISCH 2006, 20, 2141. (Übersetzung der Urkunde).

worden sein. Deshalb überrascht es nicht weiter, dass diese Gruppe der Forchheimer Malereien sich im Figurenverständnis auffällig den Zeichnungen jenes Skizzenbuchs mit alter Nürnberger Provenienz 140 nähert, dessen Entstehung im unmittelbaren Umkreis Meister Theoderichs und in den Jahren zwischen 1355 und 1365 anzunehmen ist. Dies bezeugt der erwähnte Josef der Forchheimer Anbetung der Könige, dessen voluminöse Körperformen und großzügige Faltenzüge des Mantels unterhalb der Knie entsprechenden Details der Zeichnung des Ptolemaios auffällig verwandt sind. (Abb. 657, 658) Solche Vergleiche verraten nicht nur die künstlerischen Wurzeln dieser Malereien im Umfeld des Prager Kaiserhofs, sondern sind zugleich wichtige Hinweise für ihre Datierung. Nur schwerlich können wir eine Entstehung dieser Malereien später als im Laufe der 1360er Jahre annehmen, als die Ausstattung der Karlsteiner Kapellen ihrem Höhepunkt zustrebte und sich diese Stilströmung zugleich als unverwechselbares Attribut der kaiserlichen Repräsentation Karls IV. durchsetzte. Verschiebt man die Entstehung der Malereien wie bisher in die 80er Jahre, so hinkten sie der Entwicklung um fast eine künstlerische Generation hinterher. Angesichts der grundlegenden Bedeutung des Bamberger Bistums für die Reichspolitik und der unmittelbaren Beziehungen der Bischöfe zum Kaiser ist dies kaum vorstellbar. Und überhaupt nicht denkbar ist eine solche Verspätung in der Amtszeit des kaiserlichen Ratgebers 141 Lamprecht von Brunn, eines der einflussreichsten Anhänger Karls IV., der zweifellos mit den aktuellsten Kunsttrends am Hof des Reichsoberhaupts bestens vertraut war. 142 Doch welcher seiner Vorgänger käme als Besteller der Ausmalung der Kapelle des Bischofspalastes infrage, die in ihrer zwar klassischen, aber auch pointiert ausgewählten Abfolge von Inkarnation, Epiphanie und Parusie eine Reduktion des ikonografischen Konzepts der Karlsteiner Sakralräume darstellt?143 Am 12. Januar 1353 wurde vom Bamberger Domkapitel als Nachfolger Friedrichs von Hohenlohe einstimmig Lupold von Bebenburg aus einer fränkisch-schwäbischen Ministerialenfamilie gewählt (reg. 1353-63), der sich bald eine wichtige Stellung am Prager Hof aufbauen konnte und das Vertrauen Karls IV. genoss, dessen Reichspolitik und Stifteraktivitäten in Nürnberg wie den Bau der Frauenkirche und des Ostchors von St. Se bald er auf jede mögliche Weise unterstützte. Noch im Jahr der Bischofswahl schloss er sich dem verkündeten Landfrieden an. 144 Karl IV. vergaß nicht, Lupold für seine treuen Dienste zu belohnen, sei es durch die Aufsicht über die Pflichtabgaben der Nürnberger, 145 den Erlass bischöflicher Schulden bei den Juden, 146 die Bestätigung alter 147 oder den Erlass neuer Privilegien. Beispielsweise erhielt der Bischof die Erlaubnis zur Prägung von Gold- und Silbermünzen in Bamberg, zu bewaffnetem Vorgehen gegen alle Personen, welche die Geschlossenheit der Besitzungen des Bistums und des Domkapitels bedrohten bis hin zur Zerstörung ihrer Burgen oder zur Erhebung außerordentlicher Abgaben z.B. für die Begleitung auf der Reise nach Kronach. 148 Lupold von Bebenburg taucht häufig als Zeuge in Urkunden der kaiserlichen Kanzlei auf, 149 er war bei der Nürnberger Taufe Wenzels IV. im April 1361 anwesend. An der Seite des Reichsoberhaupts nahm er an mehreren Reichstagen teil, zuvorderst an jenem in Nürnberg im Herbst 1356, auf dem Karl IV. die Goldene Bulle verkündete. Deren Diktion übernahm Lupold in seinen zahlreichen juristisch-historischen Schriften, in denen er sich mit dem Verhältnis zwischen Kaiser und Papst beschäftigte. Als Erster hatte er 1346 im Liber privilegiorum versucht, die Geschichte der fränkischen Territorien darzustellen. Die Legitimität der Herrschaft der Römischen Könige leitete er ausschließlich von der Kurfürstenwahl ab, die päpstliche Approbation spielte in seinem Konzept des Reichsrechts keine Rolle. Christus als Herrscher über die Welt bzw. dessen institutionalisierter Stellvertreterin, der Kirche, gestand er die Position einer moralischen Autorität zu (Tractatus de iuribus regni et imperii, 1340). 150 Lupold machte sich auch außerordentlich um die Verbesserung des Status seiner Zweitresidenz Forchheim verdient, bei deren Pfarrkirche St. Martin er 1353 ein Kollegiatkapitel mit Propst, Dekan, Kustos und fünf Kanonikern gründete.151 (Abb. 659) Es ist nicht auszuschließen, dass die Kapitulare auch den liturgischen Dienst an der Kapelle der Bischofsburg versahen. Lupold unterhielt also enge Verbindungen zum Kaiser und Forchheim als seine zweite Residenz stand vor Amtsantritt Lamprechts von Brunn im Jahr 1374 dem Prag der Luxemburger Ric:rhfiflir.hP 11nrl stÄrltic:r:hP Knnk11rrPn7 SPh.::ilrl WPinsrhrhtPrs im l Jmf Plrl Ni'lrnhPms

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< Abb. 653 -Geigender Triton, Detail - Forchheim, späte 1370er Jahre , Wa ndmalerei, Forchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Kemenate, erstes Obergeschoss, Südraum, östliche Fensternische der Südwand

152 Zur Verbindung zwischen Forchheim und Prag KRÖLL 1973. 153 GUTTENBERG 1937, 224. - GATZ 2001, 501. (Helmut FLACHEN ECKER). 154 HUBER 1877, Nr. 98 (1365, 28. Mai); Nr. 99 (1365, 28. Mai). 155 HUBER 1877, Nr. 4067 (1364, 13. Juli); Nr. 4068 (1364, 13. Juli). 156 HUBER 1877, Nr. 4131 (1365, 14. Februar). 157 HUBER 1877, Nr. 4281 (1366, 24. April). 158 Der Bamberger Bischof Ludwig von Meißen trat immerhin, wenn auch im Vergleich mit Lupold von Bebenburg seltener, wieder als Zeuge in Urkunden Karls auf, HUBER 1877, Nr. 4443 (1366, 1. Dezember); Nr. 4879 (1370, 17. September); Nr. 4884 (1370, 25. September). 159 HUBER 1877, Reichssachen Nr. 537 (1371, 23. Oktober); Reichssachen Nr. 566 (1372, 26. November). 160 HUBER 1877, Nr. 4738a (1369, 1. Mai); Nr. 4816 (1370, 16. Februar). 161 PFEIL 1986, 4-7. - Die der hl. Walburga und den Aposteln Philippus und Jakobus geweihte Kapelle der Altenburg wurde von Bischof Otto 1. am 1. Mai 1124 gegründet. Eine zweistöckige Kapelle ist 1435 erwähnt (PFEIL 1986, 65), war aber woh l bedeutend älter. Eine Kapelle im Palas wird seit dem 16. Jahrhundert erwähnt (PFEIL 1986, 49). 162 Bamberg, Historisches Museum, lnv.-Nr. 46. 163 HÖRSCH/SCHMIDT 2002, mit Abb. S. 94. 164 Die Altenburg soll angeblich zu großen Teilen erst in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erbaut worden sein (PFEIL 1986, 91-94), wobei Bischof Lamprecht von Brunn (reg. 1374-99) für den Initiator gehalten wird, der mit dem Bau im letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts begonnen habe. Die Anlage über rechteckigem Grundriss mit Ecktürmen, einem massiven Wohnturm und angrenzendem Palas wäre allerdings vom Typus her bereits stark ve raltet gewesen und hätte auch den damals aktuellen Verteidigungsanforderungen nicht entsprochen (PFEIL 1986, 94-97). Es stellt sich aber die Frage, ob die zeitweise in starke innenpolitische Querelen und die Hussitenkriege verstrickten Bischöfe der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wie Friedrich von Aufseß (reg. 1421-31), die die Altenburg auch als externe Residenz nutzen wollten, überhaupt in der Lage gewesen wären, eine solche anspruchsvolle Anlage grundsätzlich neu zu gestalten, und was sie mit einem dann möglicherweise bewussten Rückgriff auf ältere Bautypen bezweckt hätten. Es ist daher zu überlegen, ob das architektonische Konzept der Altenburg nicht älter ist und vielmehr unter Lupold von Bebenburg in der zweiten Hälfte der 1350er Jahre, spätestens jedoch um 1360 entstand. - Zur baulichen Chronologie der Burg Karlstein zuletzt mit weiterer Literatur FAJT 2009.

niemals so nahe wie gerade zu Lupolds Zeit. 152 Diese Situation änderte sich jedoch unter dessen Nachfolger Friedrich von Truhendingen (reg. 1363-66), der sich im Prinzip aus der Reichspolitik zurückzog. Im Unterschied zu seinem Vorgänger trat Friedrich niemals als Zeuge in einer kaiserlichen Urkunde auf, und seine feindliche Position gegenüber Karl wurde in erheblichem Maß durch die machtpolitisch-territorialen Ansprüche des Kaisers in der Oberpfalz bestimmt, die eindeutig gegen die Interessen der Bamberger Bischöfe gingen. Karl IV. zögerte nicht, die Verhältnisse im Bamberger Bistum 1365 als desolat zu bezeichnen, 153 und mit diesem Argument erzwang er von Papst Urban V., dass Bamberg gemeinsam mit den Bistümern Regensburg und Meißen dem Prager Erzbischof als apostolischem Legaten unterstellt wurde. 154 Friedrich ging zu seiner Verteidigung 1365 sogar eine Allianz mit dem Nürnberger Burggrafen Friedrich V. von Hohenzollern (reg. 1357-97) ein. Kaiser Karl war dem Bamberger Friedrich seinerseits ebenso wenig zugeneigt und stützte sich bei der Durchsetzung der Reichsinteressen im Bistum eher auf treue Diener aus den Reihen des hohen Klerus, wie ein 1364 für Propst Johann vom Bamberger Kapitel zu St. Stephan, den Geheimen Schreiber des Kaisers, ausgestelltes Schreiben andeutet, welches seinen Besitz und den des Kapitels gegen jede Verpfändung schützt, auch wenn diese vom Bischof selbst angeordnet werden sollte. 155 Als durchaus gegen Bischof Friedrich gerichtet darf man zudem die Ernennung Friedrichs, Abt des Zisterzienserklosters Langheim, zum kaiserlichen Geheimen Rat, Kaplan und Höfling ansehen, durch die der Kaiser den Abt gegenüber dem Bamberger Bischof in Schutz nahm. 156 Erst zwei Monate vor dessen Tod stellte Karl IV. Friedrich von Truhendingen eine von sehr wenigen Urkunden aus, in der er zudem nur das ältere Privileg der Münzprägung bestätigte. 157 In ihren Grundzügen bestand die Spannung im Verhältnis zwischen Kaiser und Bamberger Bischof auch unter Friedrichs Nachfolger Ludwig aus dem Hause der Wettiner (reg. 1366-74) weiter, denn auch zu dessen Familie waren die Beziehungen des Kaisers um 1370 ausgesprochen angespannt. Sie gipfelte sogar in einem bewaffneten Konflikt. 158 Erst im Oktober 1371 konnte der Nürnberger Burggraf Friedrich die beiden Parteien zum Niederlegen der Waffen bewegen und Verhandlungen beginnen, die ein Jahr später mit der Erbverbrüderung von Pirna zwischen dem Kaiser und den Wettinern endeten. 159 Karl IV. vertraute auch während Ludwigs Amtszeit lieber auf die guten Beziehungen zu Vertretern des Bamberger hohen Klerus, wie beispielsweise zu seinem „prothonotarius familiaris secretarius" Konrad, Propst des Domkapitels, der ihn 1369 auf der Romfahrt begleitete. 160 Im Hinblick auf politische und persönliche Voraussetzungen hatte also Lupold von Bebenburg die engsten Kontakte zum Kaiser und zum Prager Hof. Bisher ist nicht über seinen möglichen Anteil an den Um- und Ausbauten der zweiten bischöflichen Burgresidenz außerhalb Bambergs nachgedacht worden, der Altenburg auf einem Höhenzug in Sichtweite der Hauptstadt. Und dies, obwohl die Bischöfe hier bereits seit Anfang des 14. Jahrhunderts immer öfter Hof hielten. 161 Die dominante Masse ihres hohen Wohnturms, der an der zur Stadt gewandten Seite um einen Palas ergänzt war, überliefert das Tafelgemälde des Bamberger Apostelabschieds von 1483.162 (Abb. 660) Dieser Anblick der Altenburg beschwört geradezu Erinnerungen an die Silhouette der kaiserlichen Burg Karlstein, 163 wo eben in Lupolds Amtszeit (1353-63) die Bau- und Ausschmückungsarbeiten ihren Höhepunkt erreichten (die Weihe der Heilig-Kreuz-Kapelle im Großen Turm fand am 5. Februar 1365 statt). 164 Auf jeden Fall erhöhte Lupold die Pfarrkirche in Forchheim zum Sitz eines Kollegiatkapitels und trug damit zu einer Erhöhung des geistlichen Glanzes der dortigen Bischofsresidenz bei. Es würde nicht überraschen, wenn gerade er die Privatkapelle im Bischofspalast mit ihrem vermutlich christologischen Patrozinium (z. B. Arma Christi) hätte ausschmücken lassen. Für deren Malereien finden sich im unweit gelegenen Nürnberg, wo zu dieser Zeit die Werkstatt des kaiserlichen Malers Sebald Weinschröter den Ton angab, keine künstlerischen Ausgangspunkte, sondern eher direkt in Prag, woher der Maler der Forchheimer Bischofskapelle berufen worden sein könnte. Die frühzeitige Entstehung der Forchheimer Malereien - und zwar bereits um 1360, spätestens jedoch zu Beginn der 60er Jahre (Lupold von Bebenburg starb

Abb. 655 - Antlitz mit Vollbart und langen Haaren einer unbekannten Gestalt Forchheim, um 1360-63 • Wandmalerei • Fo rchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Kemenate, erstes Obergeschoss, Südraum, Ostwand

Abb. 654 - Maria mit dem Kind aus der Anbetung der Könige, Detail - Forchheim, um 1360-63 • Wandmalerei. Forchheim, Burg, Ostflügel, sog. Große Ke menate, erstes Obergeschoss, ehemalige Kapelle, Nordwa nd

Abb. 656 - Vollbart des hl. Matthäus des Evangelisten, Meister Theoderich (zugeschrieben), Detail - Prag, 1363-65 • Tempera und Öl auf Buchenholz, H. 114,8 cm, B. 92,8 cm• Burg Karlstein, Großer Turm, zweites Stockwerk, Heilig-Kreuz-Kapelle, nördliche Altarwand, dritte Reihe vo n oben, mittleres Feld rechts von der Kreuzigung, lnv.-Nr. KA 3682

< Abb. 657 - HI. Josef aus der Anbetung der Könige, Detail - Forchheim, um 1360-63 • Wandmalerei • Fo rchheim, Burg, Ostflügel. sog. Große Kemenate, erstes Obergeschoss, ehemalige Kapelle, Nordwand > Abb. 658 - Ptolemaios auf dem Blatt eines Skizzenbuches, Meister Theoderich, Werkstatt (?), Detail - Prag, um 1360-65 • Pergame nt, Pinsel und Feder mit Rot und Gelb, H. 13,7 cm, B. 13,5 cm, ursprünglich Nürnberg, Slg. Willibald Imhoff, Inv.Nr. 1573/74, heute Erlangen, Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Handschriften, Alte Drucke und Graphische Sammlung, H62/ B l

165 HUTH 1967, Abb. 402-403. - SPIEGELB ERG 2006.

1363) - findet ihre Bestätigung an weit entlegener Stelle: den Wandmalereien der alten Pfarrkirche St. Nazarius und Celsus des abgegangenen Dorfes Ersheim zu Füßen der heute hessischen Stadt Hirschhorn am Neckar. 165 Die erste schriftliche Erwähnung der Kapelle stammt von 1345, als sie vermutlich auch vollendet wurde. Mauern und Kreuzrippengewölbe des ehemaligen Chorbereichs aus der Zeit um die Mitte des 14. Jahrhunderts waren vollständig ausgemalt, wobei gut hundert Jahre später die Ostwand dem Anbau eines größeren, polygonal geschlossenen Chors mit spätgotischem Sterngewölbe (vollendet 1464) zum Opfer fiel und das ehemalige Presbyterium zu einer Verbindung zwischen Schiff und neuem Chor wurde. An den Wänden findet sich eine Reihung der stehenden Apostel, deren mächtige, blockhaft angelegte Gestalten mit dem grüblerischen Ausdruck und den schneckenförmig gedrehten Wellen ihrer dichten Vollbärte und Haare sowie dem wiegenden Rhythmus der weich modellierten Falten, unter denen von Zeit

zu Zeit körperliche Umrisse aufscheinen oder sich eine Hand respektive ein Knie andeutet, getreu den Malereien der Forchheimer Kapelle entsprechen. (Abb. 661, 662) Die dergestalt übereinstimmende künstlerische Auffassung der beiden Zylden scheint nicht nur die Zugehörigkeit zu einer ihre Inspirationen aus der Malerei am Prager Kaiserhof schöpfenden Stilschicht, sondern eine verwandte Mentalität der beiden Maler zu verraten. Ist die Existenz so auffälliger künstlerischer Zusammenhänge in zwei so weit voneinander entfernten Zyklen ein Werk des Zufalls oder lässt sie sich vielleicht doch durch die Persönlichkeit(en) des oder der Stifter begründen? Im Fall von Forchheim haben wir gezeigt, dass die engen Verbindungen Lupolds von Bebenburg zu Prag vermutlich die Auswahl eines Malers für die Ausmalung seiner Pfalz beeinflussten. Dieselbe Frage wäre nun auch für die Ersheimer Kapelle zu stellen, die älteste kirchliche Gründung im Bereich der späteren Stadt Hirschhorn. Sie diente als Grablege des bedeutenden gleichnamigen Reichsrittergeschlechts, der Herren von Hirschhorn, deren Grundbesitz sich im unteren Neckartal, im Kleinen Odenwald, im Kraichgau und im Rheinland erstreckte. Seine größte Ausdehnung erreichte ihr kleines Territorium unter Engelhart I. (t 1361), der finanziell nicht nur dem rheinischen Pfalzgrafen Ruprecht I. und dem Mainzer Erzbischof aushalf,166 sondern auch - wie zahlreiche Privilegien und Besitzvergünstigungen zeigen - zu einem bedeutenden Unterstützer und Anhänger Kaiser Karls IV. wurde. An dessen Seite stand Engelhart seit den ersten Jahren der karolinischen Herrschaft, wie eine Urkunde vom 11. Februar 1349 bezeugt, in der Engelhart gegen 2000 Gulden die Synagoge und alle Häuser der Juden in Speyer verpfändet wurden. Zwei Monate später schenkte Karl Engelharts Gemahlin Elisabeth das Haus eines reichen Juden in der Reichsstadt Heilbronn am Neckar. 167 1350 bestätigte Karl IV. ihm alle Reichsbesitzungen und erhöhte zugleich die daran gebundene Pfandsumme um weitere 7000 Gulden.168 Auch in den folgenden Jahren erwarb Engelhart weitere Besitzungen, sei es als Pfand oder als Lehen,169 und 1356 wurde er Patron des Zisterzienserinnenklosters Billigheim in der Würzburger Diözese.170 Der Kaiser erneuerte und

Abb. 659 - Stadt Forchheim, Matthäus Merian (1593-1650), aus: Topographia Franconiae, Frankfurt am Main 1656, nach S. 42, Kupferstich > Abb. 660 - Altenburg bei Bamberg, ehemalige bischöfliche Burgresidenz, Apostelabschied vor der Kulisse der Stadt Bamberg, Umkreis Wolfgang Katzheimers (zugeschrieben), Detail - Ba mberg, 1483, Te mpera und Öl auf Holz, H. 156 cm, B. 181 cm • Bamberg, ehemals Kirche St. Martin, Apostelaltar, heute Historisches Museum, Inv.-Nr. 46

166 So erhielt er von Ruprecht 1. gegen 6000 Gulden die Städte Sinsheim und Mosbach zum Pfand: Genehmigung Karls IV. vom 3. April 1349, HUBER 1877, Nr. 1349; von Karl ausgestellte Bestätigung des Eigentums an der Burg Sinshe im vom 15. September 1349, HUBER 1877, Nr. 6623; Erhöhung der Pfandsumme an diesen Städten um weitere 2000 Gulden vom Kaiser bestätigt am 29 . September 1359, HUBER 1877, Nr. 7014). Des Weiteren auch Meckenheim. Ober-Schönmattenwag, Neckarau und die Burg Rheinhausen mit d em Dorf Mannheim. Vom Mainzer Metropoliten erhielt er au f ähnliche Weise unter anderem Burg Starkenburg mit der zuge höri gen Herrschaft, Heddesheim und Bensheim. - Zur Gesch ic hte der Herre n von Hirsch horn IRSCHLINGER 1969. LOHMA NN 1986. - STEINMETZ 1997. 167 HUBER 1877, Nr. 860 (1349, 11. Feb ruar). 168 Es handelte sich um d ie Städte Si nsheim mit der Vogtei des d ort igen Klosters und Mosbach mit de r Vogtei des Zisterzienseri nnenklosters Billigheim. HUBER 1877, Nr. 6647 (1350, 20. April); Nr. 1272 (1350, 20 . April). -1362 kaufte dann Ruprecht von der Pfalz für 7000 Gulden die Städte von den Erben Engelharts 1. zurück. HUBER 1877, Nr. 3877 (1362, 3. September). 169 HUB ER 1877, Nr. 6704 (1353, 22. Juni); Nr. 1663 (1353, 24. November). 170 HUB ER 1877, Nr. 2416 (1356, 16. Januar).

171 HUBER 1877, Nr. 2418 (1356, 18. Januar); Nr. 3743 (1361, 1. September). 172 Am 4. Juli 1360 bestätig te er Engelharts Tochter Elsbet den Besitz von Tutembu rg, Ottenheim, Ober- und NiederGriesheim usw., HUBER 1877, Nr. 3201; am 22. November 1360 bestimmte er Engelha rt 1. zum Erben der Herrsc haft Bebenburg für den Fall, dass Engelhart von Bebenburg kinderlos blei ben sollte, HU BER 1877, Nr. 3418; am 30. Novem be r 1360 ve rlieh er ih m den Zehnten in Heilb ronn zu Reichslehen, HUBER 1877, Nr. 3436; am 8. Dezem ber 1361 bat Ka rl den Stad trat vo n Straßbu rg und den do rt igen Bürgermeister um Hil fe für Engelha rts Witwe Elisabe th bezüg lich des Erbes am Besitz ihres Bruders Wa lter von Schowenbu rg, Kanonikers des Straßburger Domkapitels, HUBER 1877, Nr. 3785. 173 HUBER 1877, Nr. 3314 (1360, 19. September). 174 Als Zeuge t ri tt er in Prag am 28. September 1359 auf, HUBER 1877, Nr. 7013; 1360 ist er gemeinsam mit Karl in Mainz, Metz und Nürnberg, HUBER 1877, Nr. 3342 (1360, 5. Oktober); Nr. 6328 (1360, 9. Oktober); Nr. 3430 (1360, 25. November).

bestätigte Engelhart und seiner Familie wiederholt alle Privilegien 171 und vergrößerte den Besitz der Hirschhorn auch weiterhin. 172 Ein Ausdruck der hohen gesellschaftlichen Anerkennung Engelharts I. am Kaiserhof war der Erbbesitz des Reichsrichteramts für das Gebiet des Kleinen Odenwalds, die Stüber Zent, der ihm von Karl IV. 1360 bestätigt wurde.173 Engelhart I. hielt sich auch in Prag auf, wie sein Name unter den Zeugen kaiserlicher Urkunden belegt. 174 Dank einer klugen Politik, deren Rückgrat enge Beziehungen zum Kaiser wie zu den mächtigen kurfürstlichen Nachbarn, dem Mainzer Erzbischof und dem Pfalzgrafen bei Rhein, bildeten, machte sich Engelhart I. um den politischen Aufstieg seines Geschlechts verdient. Bereits der gleichnamige Sohn Engelhart II. konnte das Werk seines Vaters nicht mehr fortsetzen: Er geriet bald in einen langwierigen Streit mit seinem vom rheinischen Pfalzgrafen unterstützten Schwager Burkhard Sturmfeder und wegen einer entfremdeten Fingerreliquie des hl. Georg kam er auch in Konflikt mit dem Mainzer Erzbistum. Schließlich wurde 1364 die Reichsacht über ihn verhängt, Pfalzgraf Ruprecht verhaftete ihn und sein Schwiegervater Conrad IV. von Erbach hielt ihn lange Jahre gefangen. Die Acht wurde erst 1383 von Wenzel IV. aufgehoben. Unter Engelhart I. wurde die Burg Hirschhorn zur standesgemäßen Residenz ausgebaut; die unterhalb in der Talaue gelegene Kapelle des Ortes Ersheim ließ er ausschmücken. (Abb. 663) Denn als er 1361 darin beigesetzt wurde, waren Wände und Gewölbe des quadratischen Presbyteriums wohl bereits mit den

< Abb. 661 - Stehender Apostel, hl. Bartholomäus

(?), Detail - Ersheim, um 1350 , Wandmalerei ,

ehemalige Pfarrkirche St. Nazari us und St. Celsus in Ersheim, heute Hirschhorn-Ersheim, kath. Friedhofskapelle St. Nazari us und St. Celsus, Vorc hor, Südwand > Abb. 662 - Sitzende Propheten, Detail - Ersheim , um 1350 • Wandma lerei , ehemalige Pfarrkirche St. Nazarius und St. Celsus in Ershe im, heute Hirschhorn -Ersheim, kath. Friedhofskapelle St. Nazanu und St. Celsus, Vorchor, Nordseite der Schildwand

Wandmalereien ausgestaltet, deren Maler mit den aktuellen Kunsttrends am Kaiserhof vertraut war, zumindest aber entsprechende Werke aus den Territorien des Heiligen Römischen Reichs kannte oder mitgestaltet hatte, die von der karolinischen Kunst ausgingen, wie dies etwa in Forchheim der Fall war. Die jüngere Schicht der Ausstattung der Forchheimer Bischofsburg, die zeitlich tatsächlich mit einer Umgestaltung unter Lamprecht von Brunn zusammenhängt, bilden die Malereien im sogenannten Kaisersaal des Erdgeschosses. Zu dieser Zeit wurde auch im ersten Stock wieder gemalt, im südlichen Anraum der Kapelle, wie die Fabelwesen an den Wänden der südöstlichen Fensternische zeigen. Wie erwähnt, sind sie zweifellos das Werk desselben Ateliers wie der König David mit seinen begleitenden Symboltieren. Man hat sich vermutlich entschieden,

die ältere Ausschmückung der Bischofskapelle zu belassen und sie im benachbarten Raum um weitere Darstellungen zu erweitern. Damit aber diese zeitlich und stilistisch sehr unterschiedlichen Werke nicht allzu sehr auseinander fielen, übernahmen Lamprechts Maler die Pflanzenmotive des ornamentalen Hintergrunds der Kapelle und verwendeten sie als Rahmen für ihre schlanken Figuren mit den theatralischen Gesten und der teils exaltierten Mimik. (Abb. 664) Nur so können im Anraum der Kapelle vor - dem Anschein nach - gleichem Hintergrund mit Pflanzenranken das Fragment eines „Theoderich'schen" Männergesichts aus der älteren Lupold-Phase zwischen den Fenstern der Ostwand und die Reste der jüngeren Lamprecht-Ausmalung mit den Fabelwesen in der Fensternische nebeneinander existieren. Bischöfliche und städtische Konkurrenz Sebald Weinschröters im Umfeld Nürnber;:is

595

< Abb. 663 - Grabstein des Ritters Engelhart I. von Hirschhorn (t 1361) - Heidelberg (7 ), um 1361 • Sandstein • ehemalige Pfarrkirche St. Nazarius und St. Celsus in Ersheim, heute Hirschhorn-Ersheim, kath. Friedhofskapelle St. Nazarius und Celsus, Ostchor > Abb. 664 - Rankenpflanze hinter dem geigenden Triton, Detail - Forchheim, späte 1370er Jahre • Wandmalerei • Forchheim, Burg, Ostflügel. sog. Große Kemenate, erstes Obergeschoss, Südraum, östliche Fensternische der Südwand

Bischöfliche und städtische Konkurrenz Sebald Weinschröters im Umfeld Nürnbergs

597

< Abb. 665 - Wappen des Bamberger Bischofs Lamprecht von Brunn (um 1320/30-99, reg. seit 1374) - Forchheim, bischöfliche Residenz, sog. Große Kemenate, drittes Obergeschoss, Ostfassade > Abb. 666 - Reichswappen mit einköpfigem Adler - Fo rchheim, um 1346/47- 52 • Wandmalerei (secco) • Forchheim, Burg, ehemalige bischöfliche Residenz, Ostflügel, sog. Große Kemenate, sog. Kaisersaal, Erdgeschoss, Südwand

175 Völlig zu Recht weist KOHNERT 2008, 79, zunächst einmal darauf hin. dass das Wappen Fürstbischof Johann Philipps von Gebsattel (reg. 1599-1609) auf den hölzernen Schlussstein-Platten gewiss nichts mit der Erbauung der Gewölbe zu tun hat. 176 BECKETT 2007, 11-13. - KOHNERT 2008, 79. 177 STEIN ·KECKS 2007, 48-50. 178 Vgl. KOHNERT 2008, 38, Pläne S. 179-184. ~QR / v

N~ Abb. 681 - Volto Santo, unbekannter Prager Hofmaler, Detail - Petschau (Becov nad Teplou), 1370-75, Wandmalerei, Petschau, Burgkapelle, Nordwand

220 SC HN ÜRER/ RITZ 1934. 212. - SEIDEL 2007. 178, Abb. 177. - Zum Grafengesc hlecht der Mont fo rt BERG/BURMEISTER

1982. - BURMEISTER 1996. - BURMEISTER 1997 (mit weiterer Literatur).

221 Privilegien, die Angehörigen der drei Linien des Hauses Mon tfort erte ilt w urd en, HUBER 1877, Nr. 593. 594 (1348, 30. Januar); Nr. 1645 (1353, 3. November); Nr. 7015 (1359, 9. Oktober; Friedrich von Montfort. Mitglied des Hofstaats); Nr. 3242 (1360, 22. Juli); Nr. 3271 (1360, 22. August); Nr. 3272 (1360. 24. Augus t); Nr. 3716 (1361, 10. Juli); Nr. 3756 (1361, 10 . Oktober); Nr. 7100 (1 363, 22. März). 222 Als Zeugen treten in kaiserlichen Urkunden auf, Friedrich vo n Mont fo rt , HUBER 1877. Nr. 7008 (Karlst ein. 1359, 20 . Juli); Nr. 7091 (Kirchberg . 1363, 15. Janua r). - Hein rich IV. von Montfort, HUBER 1877. Nr. 7013 (Prag, 1359, 28 . September); Nr. 3006 (Prag , 1359. 13. Oktober); Nr. 3227 (Nü rn berg. 13 6 0 , 14. Ju li); Nr. 3248 (Nü rnbe rg , 1360, 25. Juli); Nr. 3308 (Reu tl ingen. 1360, 17. September); Nr. 34 44 (Nürn berg, 1360, 4. Dezember); Nr. 3851 (Lauf, 1362, 31. März); Nr. 3930 (Nürnberg, 1363. 13. März); Nr. 4126 (Prag, 1365, 29. Januar). - Heinric h IV. und Wi lhelm II I. vo n Montfort, HUBER 1877, Nr. 3619 (Nürnberg , 1361. 7. April). - Wi lhelm II I. von Montfor t , HUBER 1877, Nr. 4009 (Brunne, 1364, 8. Februar). 223 HUBER 1877. Nr. 3756 (1361, 10. Oktober). 224 So SEID EL 2007, 178. 225 SC HÄFER 1914. III . 20- 23. 226 So stand das Prager Vorbild gewiss hinter dem - heute extrem übermalten - Wandbi ld des Volta Santo in der Kath ed rale von Mari enwerder (Kwidzy n) in Po mmern , deren malerische Ausschmückung unter Bischof Johann es 1. Mönch (reg . 1376-1409) entstand. Er st iftete 1380 auch ein Mosaik über dem Süd portal sei ner Kirc he, das ohne die Kenntnis des berü hmten Mosaiks an der Südq uerh ausfassad e des Veitsdoms nicht zu denken ist. Au fgru nd verwandter Technik zieht man sogar die Arbeit der g leichen Mosaizisten in Er wäg ung , die zehn Jahre früher in Prag tä tig gewesen waren. Die Rezeption d er Prager Vorl agen verda nkt sich vermutl ich Johannes Marienwerder. Professor an der Prager Hochschule und später Dekan des pomesan ischen Metro po lkapite ls. DOMAS l OWSKI 2004, 1291. - Zum Volta-S anto -Kult im oberungarisc hen Po ni ky BU RA N 2002. 14 9 -1 51. 227 Ausst .-Ka t. Prag 2006, 128- 130, Kat. -Nr. 34. mit Abb . (Jiri FAJT). 228 Die Gü lt igkeit wa r auf zwöl f Jahre beschränk t und an d ie Bedingung geknüpft, dass d ie Fö rdermeng e 50 Sc hock Groschen in der Woche nicht übertreffe. HUBER 1877. Nr. 1898 (1354, 31. Juli). - Zu wei teren, den Herrn von Ri esenburg erteilten Privi legie n HUBER 1877, Nr. 6691 (1352 , 11. Mai); Nr. 7084 (1362, 3. April); Nr. 7302 (1370 . 14. Feb ru ar); Nr. 7303 (1370, 12. Ju li); Nr. 7400 (1374, 15. Sept em ber). Zum Gesch lecht der Rabischit z VELiMSKY 2002. 229 Die tec hno logisc he Untersuc hung der Wan d malereien in der Kapelle au f Burg Petschau f ührte Tomas Berge , durch , dem ich fü r den Einblick in die Protokolle zu Da nk verp f lichtet bin . 230 „ Bo rsch vo n Petsczow". Tepl (Tepla), Arch iv. Heft S 15, 114. Zit . nach VELI MSKY 2002, 314, Anm . 12. 231 Sein Name taucht hä ufig unter d en Zeugen in Urkunden der Hofkanzlei auf, HUB ER 1877, Nr. 3420 (1360, 23. November); Nr. 7134 (1364, 21. Oktobe r); Nr. 4159 (1365. 3. Mai); Nr. 4174 (1365. 7. Ju ni); Nr. 4227 (1365, 20. Novem be r); Nr. 4231 (1365, 23 . Dezember); Nr. 4273 (1366 , 16. Februar); Nr. 4280 (1366, 21. März); Nr. 4296 (1366, 14. Apri l); Nr. 4298 (1366, 19. April); Nr. 4387 (1366, 25. Septembe r); Nr. 7256 (1368 , 29. Janua r); Nr. 7299 (1370, 30. Jan uar); Nr. 4819 (1370, 18. Februar); Nr. 4853 (1370, 23. Juni); Nr. 7331 (1371 , 29. Mai); Nr. 5308 (1373. 13. Dezember). 232 HUBER 1877, Nr. 4174 (1365, 7. Jun i). - Zum Titel ka ise rl ic her Rat VELiMSKY 2002. 173. 233 TOM EK 1866, 221 , 225. 234 HUBER 1877. Nr. 4819 (1370, 18. Februar); Nr. 4884 (1370, 25. September). 235 HUBER 1877. Nr. 3328 (1360. 29. September); Nr. 7239 (1367, 21. Januar); Nr. 7299 (1370, 30. Ja nua r); Nr. 4863 (1370, 1. Aug ust); Nr. 7340 (1372. 9. Februa r); Nr. 5162 (1372. 26. Dezembe r); Nr. 5935 (1378. 1. Septem be r). -1374 wir d er als „ capitaneus Transilvanus " bezeic hnet. HUBER . 1877. Nr. 5439 (1374, 6. Dezember). 236 HUB ER 1877, Nr. 7322 (1371. 16. Mä rz); Nr. 5201 (1373. 24 . Ma i).

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Das hohe Amt und die Gunst des Kaisers trugen zweifellos zu seinem steigenden Selbstbewusstsein bei, das in einem ehrgeizigen Umbau der Burg Petschau seinen Ausdruck finden sollte. (Abb. 683) Es verwundert nicht, dass Bores die Ausmalung der Kapelle einem der am Kaiserhof tätigen Maler anvertraute, da er als treuer Beamter Karl IV. auch in Fragen der künstlerischen Repräsentation als Vorbild ansah. Bores hatte Karl IV. zwar nicht auf dessen zweiter Romreise begleitet, hatte das Luccheser Kultbild also nicht mit eigenen Augen gesehen, aber er war unter denjenigen, die den Kaiser in den ersten Tagen des Jahres 1370 in Prag in Empfang nahmen.2 37 Das Datum ante quem für die Ausmalung der Petschauer Kapelle ist das Jahr 1375, als zum letzten Mal die Verwendung des ungeteilten Familienwappens der Herren von Riesenburg, des Rechens, nachgewiesen ist, das noch den dortigen Gewölbeschlussstein ziert.238

Abb. 682 - Tod der hl. Klara, unbekannter Prager Hofmaler, Detail - Petschau (Becov nad Teplou), 1370-75 • Wandmalerei • Petschau, Burgkapelle, Südwand > Abb. 683 - Ma rtyrium der Zehntausend Ritter, unbekannter Prager Hofmaler - Petschau (Becov nad Teplou), 1370-75 •Wandmalerei• Petschau, Burgkapelle, Südwand

237 HU BER 1877, Nr. 7299 (1370, 30. Ja nuar); Nr. 4819 (1370, 18. Februar). - Zu den Umstä nden der Bestell ung der Pet schauer Malereien Ausst. -Kat. Prag 2006, 44, An m . 22: 128-130, Kat.· Nr. 34 (Jiri FAJT) . 238 BRA NDL 1878, Nr. 247. - KAVKA 1993, II. 179. - VELIMSKY 2002, 178, An m. 65. - Zu r Bauc hronolog ie der Kapell e MENCLOVA 1972 , II , 87. Ric:.f"'ht\flirhP 11nrl c:.brltic:.rhP k'nnk11rrpn7 ,c;ph.:::ilrl WPin!=;r:hrhtP.rs im l JmfP.lrl NlirnhP.raS

617

< Abb. 684 - Cherub aus der Kreuzigung, Alltagsseite des rechten Flügels des Hochaltarretabels von St. Jakob, Sebald Weinschröter und Werkstatt {zugeschrieben), Detail - Nürnb erg, um 1360-65 , Temp era und Öl mit Gold aufL indenholz, siehe Kat. -Nr. 2 • Nürnberg, ehemalige Deutschordenskirche St. Jakob, heute evang.luth. Pfa rrkirche St. Jakob

Zusammenfassung In Nürnberg mischten sich die vielfach gegenläufigen Interessen mehrerer Machtgruppen. Der öffentliche Raum der Reichsstadt wurde damit zu einer Tribüne, auf der sich deren unterschiedliche Ambitionen und Positionen auch visuell manifestierten. Der Grundriss der Stadt lässt sich als kompliziertes System sich gegenseitig überschneidender, einzelne Interessensbezirke bezeichnender Kreise beschreiben. Die mit Abstand wichtigste Rolle kam auf diesem Terrain dem Reichsoberhaupt mit Sitz auf der Kaiserburg über der Stadt zu. Eine ähnliche Höhenlage besaß in enger Nachbarschaft zum Kaiser die Burg der Burggrafen, freilich zeigte sich hier auch der Nachteil einer auch gegen die Stadt abgesicherten, befestigten Lage. Während der Landesherr durch eine ausgeglichene und pragmatische Diplomatie seinen Einfluss auf die Stadt behielt, indem er mit ihr zusammenarbeitete, verkleinerte sich im Verlauf des 14. Jahrhunderts der burggräfliche Einfluss in der Stadt rasant. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts verschwand er, nachdem die politischen Entscheidungsträger der Stadtkommune die Burggrafenburg mehr und mehr baulich isoliert, dann ihre Rechte sukzessive aufgekauft hatten, um sie schließlich mit militärischen Mitteln großteils zu zerstören. Die Amtsinhaber des Burggrafenamtes aus dem Hause Hohenzollern, die zulasten des Reichs ihre eigenen Interessen pflegten, wurden so zum Opfer der kompromisslosen Politik der Ratsoligarchie. Für diese war die Vorstellung eines entfernten Kaisers mit gelegentlichen Aufenthalten in der Stadt akzeptabler als eine auf Dauer ansässige Obrigkeit. Auch der zuständige Ortsbischof, dessen repräsentative Stiftungen sich auf die Residenzstadt Bamberg und insbesondere seine Residenzen Altenburg, Forchheim, Kronach, seine Grenzfestungen Veldenstein oder Schmachtenberg konzentrierten, war bei seinen Entscheidungen bezüglich der Nürnberger Pfarreien nicht frei und musste seine Schritte mit den Vorstellungen des Stadtrats synchronisieren. Die gleichsam unbegrenzten Mittel der führenden Nürnberger Patrizierfamilien veränderten die städtische Topografie grundlegend, wie nicht nur die von der Familie Mendel finanzierte Verlegung der Moritzkapelle auf den Friedhof von St. Sebald, sondern auch die großzügige Stiftung des Heilig-Geist-Spitals durch Konrad Groß oder die etwas später erfolgte Gründung der Pilgerspitäler Heilig-Kreuz durch die Familie Haller und St. Martha durch die Familie Waldstromer belegen. Die führenden Patriziergeschlechter gründeten in den Pfarr- und Ordenskirchen Familiengrablegen, die dann über Jahrhunderte die Memoria aufrecht erhielten. In Fragen der künstlerischen Repräsentation hatte sich das Nürnberger Patriziat bereits unter Karls Vorgänger Ludwig IV. am Herrscherhof orientiert. Unter Karl IV. galt dies in noch stärkerem Maße. Auch das Oberhaupt des Reichs hatte ein überaus großes Interesse daran, die eigene Position in der Stadt zu stärken, wie die Gründung landesherrlicher Ämter beweist, deren Sinn es war, auf der Kaiserburg ein funktionierendes und zuverlässiges Zentrum der Reichsverwaltung zu einer Zeit anzulegen, als gegenseitiges Misstrauen die Beziehungen zwischen Kaiser und Burggraf bereits untergraben hatte. Zu dieser Zielsetzung gehört auch die Anwesenheit eines kaiserlichen Malers, wie man ihn sonst, gleichsam als Institution bei Hofe, nur in der Residenzstadt Prag antrifft. Allein diese Tatsache spricht für das durchdachte Konzept einer offiziellen visuellen Repräsentation kaiserlicher Majestät in Nürnberg. An entscheidenden Stellen wollte Karl IV. die kaiserliche Repräsentation in der „Hauptstadt" des Reichs prägen - und dies ist ihm, erstaunlich genug, bis heute gelungen.

Zwar geht heute gerade von der Malerei insbesondere durch den Verlust fast aller wichtigen Wandbilder im Verlaufe des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr derselbe bestechende Eindruck aus wie von der wieder aufgebauten Frauenkirche, dem Chor der Sebalduskirche oder auch von der Westfassade der St-Lorenz-Kirche, aber man ka nn die Zielsetzung, mit der Sebald Weinschröter in seine Vaterstadt zurückkehrte, nach allem, was wir versucht haben zusammenzutragen, doch noch gut rekonstruieren: Es scheint mir schon aufgrund der Ikonografie und der gesamten Stiftungsu mstände gar nicht anders möglich, als dass man die Ausschmückung der Moritzkapel le in u nmittelbarem Zusammenhang mit der Geburt des Thronfolgers Wenzel, des Erben des Römischen und böhmischen Königsthrons, in engste Verbindung mit dem Hofmaler des Kaisers bringt, diesem die Autorschaft daran zurückgibt. Diese Hypothese wird auch durch die Feststellung einer überraschenden stilistischen und motivischen Homogenität der Nürnberger Malereiprodu ktion gegen Ende der 50er und in den 60er Jahren des 14. Jahrhunderts gestützt, deren Echo noch zwei Jahrzehnte später zu vernehmen ist. Hinter dieser besonderen Situation steht mit größter Wahrscheinlich keit die von dem kaiserlichen Ma ler Sebald Weinschröter geführte Malerwerkstatt, die nach dessen Tod vermutlich von seinem Sohn Fritz weitergeführt wurde. Ih rem Charakter nach unterscheidet sich die Nürnberger Malerei von der Hofkunst Prager Provenienz, auch wenn sie von den gleichen künstlerischen Vo raussetzungen ausging. Stärker noch als in Prag wurde hier der frankoflä mische „Realismus" mit seinen deutlichen, aber schon anverwandelten Anleihen bei der toskanischen oder der, genereller gesprochen, norditalienischen Ma lerei rezipiert. Prag und ähnlich auch Nürnberg verwandelten sich damals durch außerordentlich gü nstige wirtschaftl iche und gesellschaftliche Bedingungen in lebendige mitteleuropäische Kunstzentren, die nicht nur bereitwill ig fremde Anregungen aufgr iffen, sondern diese vor allem aufgrund einer ausreichenden Nachfrage (denn ohne eine dauerhafte Produ ktivität ist die Ausbildung einer eigenständigen Tradition nicht möglich) und im schöpferischen Spannungsverhältnis zur lokalen Kunsttradition in besondere Ausdrucksformen zu überführen vermochten. Fü r die Prager Hofmalerei waren Monumentalität und Plastizität der Formen, eine Maitechnik, die auf dunkel-leuchtende Farben und weiche Modellierung durch Licht abzielte, oft auch eine gedämpfte, manchmal fast monochrome Farbigkeit sowie eine - anders kann man es kaum ausdrücken - ,,Erdverbundenheit" des Ausdrucks bei dennoch offenkundigem Streben nach Individualisierung charakteristisch. Der Meister des Morgan-Diptychons, Nikolaus Wurmser aus Straßburg und Meister Theoderich brachten Prag damals auf ein Niveau, das einzig mit dem der Residenz Paris vergleichbar war, wohin König Karl V. (reg. 1364-80) zahlreiche außerordentliche Künstlerpersönlichkeiten berief, darin vielleicht sogar durch die Kunstpolitik seines Onkels, des Kaisers, inspiriert. Auch die Kunst des Pariser Hofs geriet, ähnlich wie es etwas früher in Prag der Fall gewesen war, in ein Dienstverhältnis zur Politik, und ihr Charakter wurde in erheblichem Maß durch eine starke Herrscherpersönlichkeit bestimmt. 1 Die dominante Stellung des luxemburgisch regierten Prag ließ für die Forschung die Umrisse der spezifischen Situation der Nürnberger Kunst verschwimmen. Trotz der starken Bindu ng an Böhmen, wo Weinschröter vermutlich die Zeit seiner Verbannung verbracht hatte, gelang es ihm, die hier erhaltenen Anregungen nach seiner Rückkehr nach Nürnberg in eine eigenständige Variante des „Kaiserstils" zu überführen, die sich hier bald durchsetzen sollte. Die Nürnberger Kunst wurde von diesem - mit einem Wort Stephan Kemperdicks - ,,avantgardistischen"2 Schaffen derart beeinflusst, dass man für die tonangebende Werkstatt Weinschröters fast von einer Monopolstellung sprechen kann, zumindest im Künstlerischen. Die sch nell steigende Nachfrage nach ihren Diensten wird durch die trotz des fragmentarischen Objektbestands immer noch bemerkenswert hohe Zahl erhaltener Werke belegt. Sie machte eine personelle Erweiterung des Betriebs nötig. Dies brachte eine Diversifizieru ng der ma lerischen Auffassungen mit sich. W ie die erhaltenen Malereien zeigen, schöpften aber alle Mitarbeiter aus einem gemeinsamen figürlichen und motivischen Bestand. Das fast überraschende Ausmaß ihrer Verwandtschaft lässt sich wohl am ehesten durch die Verwendung

Abb. 685 - Nürnberg, Blick auf den Chor der Katharinenkirche des ehemaligen Dominikanerinnenkonvents - Zustand 1906 , Fotografie: Nürnberg, Stadtarchiv, (Konrad G. Seitz)

1 Zu den Modellen he rrscherlicher Repräsenta ti o n am französischen Hof CARQUE 2004. - BRÜCK LE 2005. CARQUE 2009. 2 Auss t .-Ka t . Frankfurt am Mai n 2002 (S t ep han KEMPERDICK) .

werkstatteigener Musterbücher erklären, während das vereinheitlichende Korrektiv des Hauptmeisters zwar vorhanden war, eine vollkommene Einheit des Stils unter Weinschröter aber nicht eisern eingefordert wurde. Die Produkte der Werkstatt Weinschröters waren im Umkreis der einflussreichsten Patrizierfamilien, deren Angehörige durch enge Beziehungen mit dem Kaiserhof in Prag verbunden waren, außergewöhnlich beliebt. Die Stromer und Schatz hatten in der böhmischen Hauptstadt bedeutende Ämter in der Hofkanzlei inne, andere, wie beispielsweise die Groß, Koler und Waldstromer, waren in landesherrlichen Diensten direkt in Nürnberg tätig. Handelskontakte mit der kaiserlichen Metropole unterhielten wiederum die Mendel, Ebner, Haller, Behaim, Pfinzing und Tucher. Da kann es nicht überraschen, wenn wir Mitglieder dieser Familien unter den Kunden des kaiserlichen Malers bzw. einige von ihnen sogar in Weinschröters Freundeskreis finden. Ohne das persönliche Engagement vor allem von Mitgliedern der weit verzweigten Familie Stromer wäre Sebald Weinschröter, der wegen Beteiligung am antiluxemburgischen Aufstand 1349 auf ewige Zeiten aus Nürnberg verbannt worden war, kaum in der Lage gewesen, in seine Heimatstadt zurückzukehren. Diese persönlichen Beziehungen zu den Eliten der Reichsstadt garantierten ihm zusammen mit dem Titel eines Höflings Karls IV. hohe Anerkennung, ausreichend Aufträge und nicht zuletzt auch ein entsprechendes Vermögen. Der Ruf Weinschröters gelangte bald über die Stadtgrenzen Nürnbergs hinaus. Es verwundert kaum, dass das Schaffen des kaiserlichen Malers ein Echo im Werk jenes Bamberger Malers fand, der für den Ostchor der Wahlkirche der Römischen Könige in Frankfurt am Main eine neue Ausstattung einschließlich eines Retabels für den Hauptaltar zu liefern hatte. Die Nürnberger Malerei unter Karl IV. wurde somit zur Norm des ästhetischen Geschmacks und zum Attribut einer gesellschaftlichen Stellung, vor allem aber zu einem Abzeichen, mit dem man die Zugehörigkeit zur Partei des Kaisers ausdrückte.

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A Rel{onstruiertes uvredes Nürnberger Hofmalers l(arls IV., Sebald einschröter und seiner erl{statt

1. Wandmalereien/ Nürnberg, ehemalige Moritzkapelle

Kat.-Nr. la

a. Szenen der Geburt Wenzels (IV.), oberes Register: Bote Karls vor Anna von Schweidnitz, Kaiser Karl IV. zu Pferde; unteres Register: Geburt Wenzels, Taufe Wenzels, Karl IV. besucht Wenzel im Kreise seiner Mitschüler (Abb. 79). b. HI. Christophorus mit dem Jesuskind. (Abb. 98)

Kat.-Nr. lb

Wandmalerei, genaue Maße unbekannt. Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Nürnberg, 1361-65. - Untere Abschnitte vor Einrichtung der am 25. August 1829 in der Moritzkapelle eröffneten Bildergalerie zerstört; 1902 von Prof. Joseph Schmitz fre igelegt, restauriert und gekittet (insbesondere bildbreite mittige Fehlstelle), aber auch frei ergänzt (z. B. Heiligenschein des Täuflings); 1924 Restaurierung der Kapelle; endgültige Vernichtung von Kapelle und Malerei im Zweiten Weltkrieg, 1944. Nürnberg, Moritzkapelle, Nordwand, zweites (a) und viertes (b) Langhausjoch von Osten. LITERATUR GEBHARDT 1908, 12f., 15f., 19f. 23 ( .. Meister der Moritzkapelle" bzw ... Fritz Weinschröter''). - ABRAHAM 1912, 287 (hl. Christophorus nicht datierbar). - KEHRER 1912/1, 57-60, 68f. (..nach seinem [Karls IV.] Tode (1378]"). - KEHRER 1912/11 (ohne Datierung). - Die Denkmalpflege 19 (1917), H. 8, 60-62. - STANGE 1936. 162. - SCHWEMM ER 1978, 540-543 (..nicht vor 1370"). - MULZER 1992, 44f. - SUCKALE 1993, 111 mit Anm. 45 (..1365/70"), 199, Anm. 76,257. - SCHÄDLER·SAUB 2000, 55 mit Abb. 32,

Kat.-Nr. 2

82, 1331. (Wenzelszyklus, .. um 1370"), 1391. mit Abb. 25 (Christophorus, .. um 1370/90"). - SCHOLZ 2002, 561., 60f. (noch in den 1360er Jahren). - Jiri FAJT in dem unpublizierten Vortrag „Norimberk a karlstejnske obrazove

am Grabe, oben Apostel und Propheten. Malereien des rechten Flügels: außen Kreuzigung mit zwei Deutschordensrittern als Stiftern; innen unten Verkündigung an Maria und Krönung Mariens, oben Apostel und Propheten. (Abb. 405, 409, 449) Inschriften (Schriftbänder der Stifter): ,,miserere mei deus"; deus deus meus , respice, in , me" Linde, Tempern und Vergoldung, H. der Flügel 235 cm, B. 162 cm. Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Nürnberg, um 1360-65. - 1632 stark deckende Übermalungen der Flügelgemälde; barocker Umbau des Altars; Eingriffe in Mittelschrein und Turm (frdl. Hinweis von Rüdiger Scholz). 1693 wurde die Schreinvorderseite mit Leinwandbildern verdeckt. - 1824/25 Regotisierung durch Carl Alexander von Heideloff. Dabei starke Ergänzung des Mittelschreins, Anbringung von Relieffiguren, Anfertigung der Wimperge des linken Flügels; alle Maßwerkteile des Retabels wurden schwarz übermalt. - 1904 Restaurierung durch Prof. Haggenmiller, München. - 1931 Restaurierung durch Carl Barfus senior, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, dabei Mittelschrein mit Turm durch Schreinerwerkstatt des Germanischen Nationalmuseums neu gefertigt. Auf den Flügeln die Übermalungen von 1632, jedoch in schädlicher Weise, entfernt, Wiederherstellung der Maßwerkvergoldung an den Flügelinnenseiten, Angleichung der ergänzten Wimperge am linken Flügel. - 1962 Neuanfe rtigung der Predella und Einstellen dreier Tonapostel und eines geschnitzten Johannes der Täufer; in der zentralen Nische des Mittelschreins Platzierung des Schmerzensmann mit den Engeln. - 2000-03 Restaurierung der Flügel durch Eike und Karin Oellermann und Ingo Trüper; 2001-02 Restaurierung des Mittelteils. Nürnberg, ehern. Deutschordenskirche und evang.luth. Pfarrkirche St. Jakob, Hochaltar. Im Zweiten Weltkrieg ausgelagert; wegen Zerstörung der Jakobskirche bis 1951 in St. Lorenz; danach Aufstellung im Chor von St. Jakob; 1961/62 Germanisches Nationalmuseum; nach Fertigstellung der Kirche 1962 Wiederaufstellung am originalen Standort.

cykly [Nürnberg und d ie Karlsteiner Bilderzyklen]" beim

Kat.-Nr. 2

Kolloquium „Schodistni cykly Velke veze hradu Karlstejna.

LITERATUR

Stav po restaurovani [Die Treppenhauszyklen des

CARBACH 1733, 441. - WÜRFEL 1760, 4. - MURR 1801 ,

Großen Turms der Burg Karlstein. Der Zustand nach der

147. - Neues Taschenbuch 1819, 44 (2. Auf l. 1829, 46). -

Restaurierung]", abgehalten in Prag vom 5.5.-7.5.2004

LÖSCH 1825, 23-25. - MÜNZENBERGER 1885/90, 43-45. -

durch das Institut für Kunstgeschichte der Akademie

BRAUN 1924, II. 335, 570. - ZIMMERMANN 1930/31, 26-28,

der Wissenschaften der Tschechischen Republik, vgl.

Abb. 46-63. -Ausst.·Kat. Nürnberg 1931, Kat.-Nr. 32. -

VSETECKOVA 2006, 3-6 (Einführung). - Ausst.·Kat.

LUTZE 1931/32, 78-80, mit Abb. - BALDASS 1932, 62f. -

Prag 2006, 1251., Kat.-Nr. 32 (Jiri FAJT). - FAJT 2006/1,

BEENKEN 1933 (Zuschreibung an Sebald Weinschröter,

731. - FAJT/BOE HM 2006, 462. - FAJT/HÖRSCH 2006/

.,um 1360"). - STANGE 1936, 166-170, Abb. 211 -215. -

II, 361-363. - HESS 2007, 343. - SCHOLZ 2007, 10, 70

SCHULTZ 1939, 14. - HASSE 1941, 19. - WEGNER 1941, 48. -

(..um 1365/70"). - SCHOLZ 2009, 2231., 2291. - SCHOLZ

FEHRING/RESS 1961, 58. - PILZ 1964, 27-31. - WILDEN HOF

2013, 40, 42, 89, 1771., 408 - BAUMBAUER/FAJT 2016,

1974, 35, Kat.·Nr. 86. - Ausst.·Kat. Köln 1978, 1. 379

115, 118. - Ausst.·Kat. Prag/Nürnberg 2016, 436 (Helena

(Günther BRÄUTIGAM). - STANGE/STRIEDER/HÄRTLE

DÄNOVA), 441 (Ma rkus HÖRSCH), 442, Kat.·Nr. 10.6 (Benno

1978, 19, Nr. 6. - Ausst.·Kat. Nürnberg 1990, 5341„ Kat.·

BAUMBAUER).

Nr. Vl ll.4.11 (Robert SUCKALE). - STRIEDER 1993, 17-20, 168, Kat.· Nr. 6, Abb. 8-11. - KAHSNITZ 2001. - Ausst.-Kat. Frankfurt am Main 2002, 35. - BR INKMANN/KEMPERDICK

2. Hochaltarretabel von St. Jakob/ Nürnberg, ehemalige Deutschordenskirche, heute evang.-luth. Pfarrkirche St. Jakob Monumentales Retabel mit baldachinüberhöhter Mittelnische und einem Flügelpaar. Mittelnische und Predella sekundär, ebenso die darin eingestellten plastischen Werke. 1 (Abb. 406,407) Malereien des linken Flügels: außen Anbetung der Könige; innen unten Auferstehung Christi und die Frauen

2002, 481., 51 (Stephan KEMPERDICK). - SCHOLZ 2002, 54-57. - WOLF 2002, 131-134, Abb. 73-79. - Die Denkmalpflege 62 (2004), H. 1, 63f. - FAJT 2006/1, 72, Abb. 11.36, 73f., 124, Kat.·Nr. 31. - HESS 2007, 340-343. WEILANDT 2007, 96, Anm. 62 - BAUMBAUER/FAJT 2016, 118. - Ausst.-Kat . Prag/Nürnberg 2016, 4471. (Jiri FAJT). 453 (Wilfried FRANZEN), 521 (Jenny WISCHNEWSKY). OELLERMANN 2019. - OELLERMANN/OELLERMANN 2019. - VETTER/HECHT 2019. In der Mittelnische von Engeln umgebener geschnitzter Schmerzensmann um 1420/30; am Nischenrand Engelsfiguren, 2. Hälfte 15. Jahrhundert; in der Predella drei sitzende Apostel aus gebranntem Ton, Ende 14. Jahrhundert (ehemals Nürnberg, Frauenkirche, vgl. WEILANDT 2003) sowie ein sitzender, aus Holz geschnitzter Johannes der Täufer, um 1400.

3. Zeichnungen aus einem Skizzenbuch/ Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum

Als Teil der ersten Forrer'schen Sammlung vom GNM 1895 erworben. LITERATUR FORRER 1894, 281. (,,Anfang 15. Jh."), Fig. 10, Taf. XXX. - HAMPE 1896, 164, Kat.-Nr. 1159 (,,Anfang des 15. Jahrhunderts"), Taf. XIII. - HAMPE 1897. - SCHNÜTGEN, Alexander, Rez. von HAMPE 1897. In, Zeitschrift für christliche Kunst 10 (1897), 352. - FORRER 1898, 26 mit Fig. 7. - FORRER 1913. - KLEINSCHMIDT 1930, 149 (Datierung

a. Unterweisung der Jungfrau Maria (recto); Maria als Himmelskönigin mit Brustbild des Schmerzensmanns und Maria mit dem Kind (versa). (Abb. 479, 481) Feder und Pinsel auf Papier, H. 12,5 cm, B. 11,7 cm; links beschnitten, Ecken abgerundet. Fragment eines Wasserzeichens mit Jagdharnmotiv. b. Auferstandener Christus. (Abb. 487) Feder und Pinsel auf Papier, H. 12,5 cm, B. 5,5 cm; linker Teil des Blattes fehlt, an den Seiten beschnitten. Fragment eines Wasserzeichens mit Jagdharnmotiv. Sebald Weinschröter (zugeschrieben), Nürnberg, um 1360-67(?). Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. Hz 38 und 37, Kapsel 559. Provenienz: Hans Max Freiherr von und zu Aufseß (Sammlungsstempel der Familie Aufseß [Lugt 2750]) .

Kat.-Nr. 3a

um 1490). - KING 1962, 28. - ZINK 1968, 11. - WILCKENS 1991, 1611. (,,nicht authentisch"/ Mitte 19. Jahrhundert) SCHOLZ 2009, 2301. (mit der älteren Literatur) . - SCHOLZ 2013, 38 - Ausst.-Kat. Prag/Nürnberg 2016, 452, Kat.-Nr. 10.11 (Wilfried FRANZEN).

5. Fragmente eines der Muttergottes geweihten Baldachinretabels / Nürnberg, ehemalige Klarissen klosterki rche, heute röm.-kath. Kirche St. Klara

Kat.-Nr. 5e

Kat.-Nr. 3b und Kat.-Nr. 4

Kat.-Nr. 6a und b

30, Nr. 1. - LEHRS 1925/26. - SCHILLING 1934, VII, Nr. 1. WIEGAND 1934/35.- VETTER 1958/59, 52-57, Abb. 25. Ausst .-Kat. Wien 1962, 274, Kat .-Nr. 293. - TROESCHER 1966, 162, 2331., Abb. 121, Abb. 403. - ZINK 1968, 111., Kat.-Nr. 1-2 (,,Südostdeutschland, um 1380-90"). SCHOCH 1992, 22-25, Kat .-Nr. 3. - SCHOLZ 2002, 230. BERLINER 2003/111, 114, Abb. 12. - Ausst.-Kat. Prag 2006, 1251., Kat.-Nr. 32.a-b (Jifi FAJT). - FAJT 2006/1, 731. KLEIN 2007, 536, Kat.-Nr. 263 (Stephanie BUCK, Iris BRAHMS). - SCHOLZ 2013, 381. (,,um 1370/80")- BAUMBAUER/FAJT 2016, 120. - HÖRSCH 2016, 200, Anm. 10. Ausst.-Kat. Prag/Nürnberg 2016, 437 (Helena DANOVA). 450-452, Kat.-Nr. 10.9 und 10.10 (Wilfried FRANZEN) (,,um

a. Vorderseite: Marienkrönung; Rückseite: Kreuztragender Christus (oberer Teil). (Abb. 343, 339) Inschriften (Vorderseite): ,,dileldus meus ame loquidur"" (Hld 2,10) (Maria); ,,veni electa mea" (Hld 2,10) (Christus). H. 35,2 cm, B. 25,1 cm. Frankfurt am Main, Städel Museum, Inv.-Nr. SG 443. Provenienz: Köln, Johann Peter Weyer (1852). Mit der Sammlung Weyer 1862 versteigert. Im Bestand der Hohenzollern'schen Sammlung Sigmaringen. - Daraus 1928 für die Städtische Galerie erworben.

4. Bedruckter Stoff mit Motiven aus der Weinschröter-Werkstatt / Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Die hl. Anna lehrt die junge Maria das Lesen in Gegenwart von fünf harpyienhaft gestalteten Seraphim. Szene vor Blüten- und RankenHintergrund unter einer Baldachinarchitektur, oben und unten eingefasst mit einer Vierpassbordüre. (Abb. 480) Inschrift: ,,gr(at)ia laus xpo" (Schriftrolle Mariens). Vermutlich nach Entwurf der Werkstatt Sebald Weinschröter, letztes Viertel des 14. Jahrhunderts Negativdruck in Schwarz auf Leinen, H. 35 cm, B. 24-27 cm, Model ca. 29 x 27 cm. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, lnv.-Nr. Gew 1159. Provenienz: Angeblich aus einer „Kirche bei Euskirchen"' von Robert Forrer vor 1894 erworben. -

c. Vorderseite: Vision der hl. Klara; Rückseite: Kreuztragender Christus (unterer Teil). (Abb. 344, 340) Inschriften (Vorderseite): ,,o deus meus custodi has famulas tuas" (Klara); ,,custodiam te et omnes sorores tuas" (Jesus); ,,ecce panis angelorum" und „ vere Christus est thesaurus noster" (Engel). - Rückseite: ,,deus propicius esto michi peccatrici'' (Lk 18,13) (Klarissin). H. 40 cm, B. 27 cm. Großbritann ien, Privatsammlung. Provenienz: Kunsthandel Großbritannien (1978). d. Vorderseite: Stigmatisierung des hl. Franziskus von Assisi; Rückseite: Schmerzensmann (unterer Teil). (Abb. 342, 338) Inschriften (Vorderseite): ,.ego en(im) stigmata ihesu incorpore meo" (Gai 6,17) (von Franziskus' Seitenwunde ausgehend); ,,sig(na) & mirabilia

c. Tod der hl. Martha mit klagenden Reuerinnen. (Abb. 371) H. 39,9 cm, B. 37,9 cm. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. Gm 103a (erworben vor 1856). d. Goldener Weinstock mit Vögeln (ursprünglich Rückseite von Gm 103a). (Abb. 372) H. 40,3 cm, B. 37,9 cm. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, lnv.-Nr. Gm 103d (erworben vor 1856). Malerei und Metallauflagen auf Nadelholz. Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Nürnberg, um 1360-65. Provenienz: Nürnberg, ehern. Klarissenkirche und röm.-kath. Kirche St. Klara, Hochaltar. LITERATUR ZIMMERMANN 1930/31, 25 und Taf. 41-45. - STANGE 1934, 201-203 und Abb. 209. - LUTZE/WIEGAND 1937, 1141. - STANGE/STRIEDER/HÄRTLE 1978, 21, Kat.-Nr. 9. - Ausst.Kat. Nürnberg 1982, 85, Kat.-Nr. 63 (Peter STRIEDER). - STRIEDER 1993, 20-22, 1671., Kat.-Nr. 5, Abb. 210 (bringt München, Bayerisches Nationalmuseum, lnv.-Nr. MA 2292, in Verbindung. Sie besteht aus zwei neu zusammengefügten Teilen, die zwar vermutlich in der gleichen Werkstatt entstanden sind, zweifellos aber nicht als Bestandteile des Martha-Magdalena-Retabels, wie nicht nur das

Kat.-Nr. 6c und d

Sebald Weinschröter und Werkstatt (zugeschrieben), Nürnberg, um 1362. Provenienz: Nürnberg, ehern. Klarissenkirche und röm.-kath. Kirche St. I