Nietzsches Personliche Bibliothek 3110158582, 9783110158588

Der Band verzeichnet erstmals samtliche Werke und Noten aus Nietzsches personlicher Bibliothek (BN) bis Anfang Januar 18

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Table of contents :
Vorwort (Giuliano Campioni, Aldo Venturelli)......Page 7
Geschichte der Bibliothek Nietzsches und ihrer Verzeichnisse (Paolo D’Iorio)......Page 33
Kriterien zur Erschließung der Bibliothek Nietzsches (Maria Cristina Fornari)......Page 79
Aufgabenverteilung und Danksagung......Page 93
Nietzsches persönliche Bibliothek (BN)......Page 95
Bücher und Zeitschriften......Page 97
Noten......Page 700
Anhänge......Page 715
Anhang I: Retournés......Page 716
Anhang II: Eindringlinge......Page 721
Abkürzungsverzeichnis......Page 737
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Nietzsches Personliche Bibliothek
 3110158582, 9783110158588

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Supplementa Nietzscheana

W DE

G

Supplementa Nietzscheana Herausgegeben von Thomas Boning Wolfgang Müller-Lauter Karl Pestalozzi

Band 6

2003 Walter de Gruyter · Berlin · New York

Nietzsches persönliche Bibliothek Herausgegeben von Giuliano Campioni, Paolo D'Iorio, Maria Cristina Fornari, Francesco Fronterotta und Andrea Orsucci unter Mitarbeit von Renate Müller-Buck

2003 Walter de Gruyter · Berlin · New York

Abbildungen © Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Weimar (Signatur: HA AB); Stiftung Weimarer Klassik Goethe- und Schiller-Archiv, Weimar (Signatur: GSA); Sigrid Montinari, Privatarchiv.

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 3-11-015858-2 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. © Copyright 2003 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin

Inhaltsverzeichnis

Vorwort (Giuliano Campioni, Aldo Venturelli)

7

Geschichte der Bibliothek Nietzsches und ihrer Verzeichnisse (Paolo D'Iorio)

33

Kriterien zur Erschließung der Bibliothek Nietzsches (Maria Cristina Fornari)

79

Aufgabenverteilung und Danksagung

93

Nietzsches persönliche Bibliothek (BN)

95

Bücher und Zeitschriften Noten

Anhänge

97 700

714

Anhang I: Retournes

716

Anhang II: Eindringlinge

721

Abkürzungsverzeichnis

737

Vorwort

Die Frage „welche Bücher hat ein Autor benutzt?" hat wenig Aussicht auf präzise Beantwortung, wenn jener Autor ein seinen Quellenschrifistellern überlegener Kopf ist, der mit voller Freiheit über sie schaltet und waltet und der alles, was er an Material aus ihnen entnimmt, in neue Form gießt und mit dem Stempel seiner Individualität versieht. [...] Denn was fragen wir überhaupt, wenn wir nach den Quellen eines Autors fragen: nur wenn wir die Aussicht haben, nicht einen Namen für einen ändern Namen, sondern Erkenntnisse um Erkenntnisse einzutauschen: ein Buch soll uns in seiner Form, in seinem Gedankengehalt verständlicher werden; wir wollen mehr sehen als das fertige Buch, wir wollen die Genesis eines Buches, die Geschichte seiner Zeugung und Geburt vor unserm Auge sehen. [...] Wir wünschen, daß der Prozeß seines Werdens sich langsam vor unserm Blicke enthülle. Friedrich Nietzsche

1. Hiermit stellen wir das neue Verzeichnis der persönlichen Bibliothek Nietzsches vor, die zum größten Teil in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar aufbewahrt wird. Dieser Buchbestand wurde schon sehr früh und im Lauf der Geschichte mehrfach verzeichnet, doch blieben alle Versuche, so nützlich sie auch waren, unzureichend, provisorisch und teilweise auch verwirrend. Die Notwendigkeit einer umfassenden wissenschaftlichen Erschliessung der Bibliothek Nietzsches ist, wie schon Hans Joachim Mette sagte, eine unabdingbare Voraussetzung für die Arbeit an der Historisch-kritischen Gesamtausgabe Nietzsches (1932). Das gedruckte Verzeichnis, dessen sich die Forschung bislang bedient hat, war dasjenige Max Oehlers (1942), welches den heutigen Erfordernissen nicht mehr entspricht. Das Schicksal der Bibliothek Nietzsches, die diversen Versuche, sie zu ordnen, und die ganz anderen, neuen Kriterien, die dem vorliegenden Verzeichnis zugrunde liegen, werden in der einleitenden Abhandlung von Paolo D'Iorio zur Geschichte der Bibliothek Nietzsches und ihrer Verzeichnisse sowie in den Kriterien zur Erschließung der Bibliothek von Maria Cristina Fornari erläutert. Das vorliegende Verzeichnis ist das Ergebnis der Arbeit einer von Giuliano Campioni geleiteten Gruppe, die ihren Ursprung an der Universität

Nietzsches Bibliothek

Pisa und der Scuola Normale von Pisa hat und danach teilweise an der Universität Lecce sowie an der Ecole Normale Superieure von Paris weitergearbeitet hat. Ein Teil dieser Gruppe hat bereits in dem von Mazzino Montinari 1983 gegründeten italienischen Projekt "Nietzsches Bibliothek und Lektüre" mitgearbeitet. Die Gruppe, die damals gegründet worden ist, hatte drei Sitze an den Universitäten, an denen Montinari im Laufe seines Lebens gelehrt hat: Urbino, Florenz und Pisa. Der Plan, das Verzeichnis der Bibliothek Nietzsches als wissenschaftliche Ergänzung zur Kritischen Gesamtausgabe neu zu edieren, existierte bereits 1970. In einem Brief an Colli vom 27. September 1970 sprach Montinari von der Notwendigkeit, die Kritische Gesamtausgabe um zwei Ergänzungsbände zu erweitern: die Werke um Nietzsches Bibliothek und den Briefwechsel um Der kranke Nietzsche. So hat er es auch dem Verlag de Gruyter vorgeschlagen. In einem Memorandum vom 28. November 1984, nach der Gründung der italienischen Gruppe, hatte Montinari dem Verlag die Veröffentlichung der "Randglossen Nietzsches (Unterstreichungen, Anstreichungen)" als Aufgabe der "Addenda bzw. Supplementa der KGW-KGB" nahegelegt. Das nunmehr vorliegende Verzeichnis der Weimarer Bibliothek mit ihren Besonderheiten ist Teil des umfassenderen Projekts "Nietzsches ideelle Bibliothek", an dem neben den Herausgebern dieses Bandes zahlreiche Forscher in verschiedenen Ländern mitarbeiten. Die ursprünglich italienische Arbeitsgruppe hatte 1982 die Gelegenheit, sich während einer Tagung im Wissenschaftskolleg zu Berlin, die sich den Grundfragen der Nietzscheforschung widmete (12.-14. Juli), zu treffen. Nach dem Tod Montinaris im November 1986 hat die italienische Gruppe kontinuierlich weitergearbeitet, unterstützt von den beiden Hauptherausgebern und wissenschaftlich Verantwortlichen der KGW und KGB, Wolfgang Mül-

1. In den Gründungsjahren 1983 und 1984 leitete Mazzino Montinari das Projekt auf nationaler Ebene sowie die Florentiner Gruppe mit den Mitarbeiterinnen Helga AnaniaHess, Renate Müller-Buck und Vivetta Vivarelli. Die Leitung der Pisaner Gruppe hatte Giuliano Campioni mit den Mitarbeitern Ingrid Hennemann Barale, Sandro Barbera und Maurizio Ghelardi; Leiter in Urbino war Aldo Venturelli, sein Mitarbeiter war Mario Specchio. Ab 1985, nachdem Montinari einem Ruf an die Universität Pisa gefolgt war, leitete er das Projekt auf nationaler Ebene mit denselben Mitarbeitern weiter. Leiterin der Florentiner Gruppe wurde Vivetta Vivarelli. Bereits 1982 hatte Montinari mit den beiden Mitarbeiterinnen Helga Anania-Hess und Renate Müller-Buck ein lokales Forschungsprojekt an der Universität Florenz unter dem Titel "Nietzsches Bibliothek" beantragt. 2. Vgl. Wolfgang Müller-Lauter, Zwischenbilanz. Zur Weiterführung der von Montinari mitbegründeten Nietzsche-Editionen nach 1986, Nietzsche-Studien, 23 (1994), S. 314. 3. Die Vorträge wurden in dem Sonderband der Nietzsche-Studien, 13 (1984 ) veröffentlicht.

Vorwort

ler-Lauter und Karl Pestalozzi. Zu der Gruppe um Giuliano Campioni kamen neue Mitarbeiter hinzu, in erster Linie diejenigen, die den vorliegenden Band erstellt haben (Paolo D'Iorio, Maria Cristina Fornari, Francesco Fronterotta, Andrea Orsucci). Anderen Nietzsche-Forschern wie Luca Crescenzi, der das Verzeichnis der von Nietzsche aus der Universitätsbibliothek in Basel entliehenen Bücher erstellt hat, sowie Marco Brusotti verdanken wir zahlreiche Hinweise. Insbesondere dem viel zu früh verstorbenen Federico Gerratana verdanken wir eine Fülle von Anregungen und wichtige Hinweise, die er mit viel Leidenschaft und einer enormen intellektuellen Großzügigkeit mitteilte. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind in den zahlreichen Beiträgen zur Quellenforschung, in der eigens dafür eingerichteten Rubrik der Nietzsche-Studien dokumentiert sowie in zahlreichen Veröffentlichungen, unter denen als wich4. Zur Einschätzung der Bedeutung der Quellenarbeit bei Nietzsche, vgl. Wolfgang MüllerLauter, Zwischenbilanz. Zur Weiterführung der von Montinari mitbegründeten Nietzsche-Editionen nach 1986, a.a.O., insbes. S. 314 f. Dieser Vortrag wurde in Weimar auf der Tagung " Wie ein Schuster gute Schuhe mach f. In memoriam Mazzino Montinari, Stiftung Weimarer Klassik, 4. und 5. April 1993, gehalten. Auf dieser Tagung berichtete eine Pisaner Gruppe über den Stand der Arbeit an der Bibliothek Nietzsches. 5. Luca Crescenzi, Verzeichnis der von Nietzsche aus der Universitätsbibliothek in Basel entliehenen Bücher (1869-1879), in: Nietzsche-Studien, 23 (1994), S. 388-442. 6. Von Federico Gerratana zitieren wir hier einen Bericht über seine Arbeit an Nietzsches Lektüre und die Bedeutung, die ihr in den Berliner Seminaren beigemessen wurde, die Montinari nach der Tagung Grundfragen der Nietzscheforschung gehalten hat: "Mit diesen Zusammenkünften wollte Montinari die Seminararbeit fortsetzen, die er mit der Tagung von 1982 begonnen hat; er teilte uns seine neuesten Erkenntnisse aus der Arbeit am Nachbericht mit (an der VII. Abteilung der Werke und am Zarathustra), er ließ uns an den Randglossen der Bücher aus Nietzsches Bibliothek arbeiten und besprach mit uns die Ergebnisse. Es ging hauptsächlich um die französischen Zeitgenossen Nietzsches, die in Montinaris letzten Jahren für ihn und auch für uns so wichtig geworden sind: die Gebrüder Goncourt, Paul Bourget, Ferdinand Brunetiere. Die philologische Arbeit Montinaris, die nicht Zweck dieser Zusammenkünfte war, bildete jedoch die unabdingbare Voraussetzung. Die konstitutiven Elemente dieser Arbeit gaben die Richtung an, in die sich Montinaris neuer Interpretationsansatz entwickelte. Die Arbeit an den inneren Verweisen von den Fragmenten aufs Werk und umgekehrt sowie die Rekonstruktion der Vorstufen schärften das Bewußtsein für die (innere und äußere) Geschichte eines Werks, für seine Entstehung und seinen ständigen Selbstbezug. Die Erschließung der Quellen, d.h. der Gesprächspartner auf die Nietzsche sich implizit und explizit bezieht, lenkten den Blick auf Nietzsches permanente Auseinandersetzung mit der Tradition und seinen Zeitgenossen. Für diese Forschungsrichtung, die die Rekonstruktion von Nietzsches "ideeller Bibliothek" zum Ziel hat, brauchte Montinari viel Zeit. Es war gar nicht möglich und sogar nicht einmal wünschenswert, alle Resultate für den kritischen Apparat zu benutzten" (in: Mazzino Montinari, L'arte di leggere Nietzsche, hrsg. von Paolo D'Iorio, Florenz, Ponte alle Grazie, 1992).

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Nietzsches Bibliothek

tigste (wegen des internationalen Charakters und der behandelten Themen) die Centauren-Geburten hervorzuheben sind. Dieser Sammelband, der aus einer Tagung hervorgegangen ist, die 1992 an der Universität Urbino stattgefunden hat, sollte unter anderem die Bedeutung der Quellenforschung dokumentieren, um so neue Perspektiven für die Interpretation von Nietzsches Philosophie zu öffnen. Die Tagung in Urbino bot auch Gelegenheit zu einer ersten Präsentation und Diskussion des Projekts, das mit der vorliegenden Veröffentlichung seinen Abschluß findet. Es handelt sich also um eine komplexe Forschungssituation. Der Pisaner Gruppe kommt das Verdienst zu, die aufwendige Redaktionsarbeit des vorliegenden Verzeichnisses zu Ende geführt zu haben. Sie wurde dabei begleitet, durch Anregungen, Ideen und Vorschläge bereichert und organisatorisch unterstützt von vielen Forschern, die an verschiedenen Orten, jedoch unter denselben methodischen Voraussetzungen arbeiteten und immer wieder Gelegenheiten fanden, die Ergebnisse ihrer Arbeit auszutauschen. Dieses neue Verzeichnis versteht sich als zentraler Ausgangspunkt des sehr viel umfassenderen Projekts "Nietzsches ideelle Bibliothek und Lektüre".

2. Die lange Forschung, die die Erstellung des vorliegenden Verzeichnisses ermöglicht hat, ist in starkem Maße der Lehre Mazzino Montinaris und seiner Auffassung der historisch-philologischen Arbeit verpflichtet. Für ihn war die Arbeit an der Gesamtausgabe weder ein Weg der Gewißheiten und positivistisch auf dem Fetisch der Fakten und "Texte" beruhenden Garantien, noch eine reine Destruktion der mythisierenden Verkrustungen, sondern eine Schule der Vorsicht und methodischen Annäherung. Montinari war sich von Anfang an bewußt: "Geschichtlichsein heißt nie, im Sichwissen aufgehen" (Hans-Georg Gadamer). Daher der mühsame, aufwendige Kampf gegen den kurzen Weg der "Verallgemeinerung", gegen ideologische Vereinnahmung, gegen voreilige Synthesen, die immer nur vorgefaßte Meinungen bestätigen: Wissenschaftlichkeit ist für mich kein Fetisch, sondern einfach der Wunsch, ein guter 'Arbeiter' zu sein, wie ein Schuster gute Schuhe macht. Der realistische und zähe Ernst des Handwerks scheut die Mühe nicht und die langweiligen Dinge, weil er ein Resultat anstrebt, das sich bereits in sich selbst rechtfertigt (Brief an Colli vom 29. September 1967).

Centauren-Geburten. Wissenschaft, Kunst und Philosophie beim jungem Nietzsche, hrsg. von T. Borsche, E Gerratana, A. Venturelli, Berlin, de Gruyter, 1994. Die Internationale Tagung Der junge Nietzsche. Aspekte seines Denkens und Wirkens (Urbino 2. bis 4. März 1992) wurde von dem nationalen Forschungsprojekt "Nietzsches Bibliothek und Lektüre" der Universitäten Florenz, Pisa und Urbino organisiert.

Vorwort

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Der Editor arbeitet ohne vorgefaßte Gewißheiten, ohne den Fetisch Text, ohne apriorische abstrakte Vorstellungen davon, wie das Modell einer Edition auszusehen habe. Er gelangt mühsam zu konkreten Lösungen konkreter Probleme in der konkreten täglichen Arbeit. Dies bedeutete für Montinari keineswegs, sich der schlechten Empirie oder ungezügeltem Pragmatismus zu überlassen. Es ist vielmehr eine höchst bewußte textkritische Entscheidung und methodische Absicherung gegenüber apriorischen Gewißheiten. Eine Bewußtheit, die bei ihm auch in der theoretischen Auseinandersetzung mit der deutschen Nachkriegsphilologie entstanden ist sowie durch das aufmerksame Verfolgen der Diskussion von Kriterien zur Edition neuzeitlicher Autoren, die. in diesen Jahren besonders lebhaft geführt worden ist. Montinari macht mit einem historischen Bewußtsein, das keine Gewißheiten kennt, deutlich, daß die Errungenschaft der modernen Philologie gerade darin besteht, einen geschlossenen und statischen Text in einen offenen und dynamischen zu verwandeln, indem man ihm seinen historischen Kontext wiedergibt. Die Öffnung geschieht in zwei Richtungen: "nach dem Text, vordem Text". Die zweite Richtung ist die schwierigste. Die Textgenese zeigt sich in allen möglichen dokumentierbaren Entwicklungsstufen. Die Reflexion der Lektüren Nietzsches ist offensichtlich ein zentrales Thema nicht nur im Hinblick auf den "Text", sondern auch im Hinblick auf die "Individualität" des Philosophen. Diese kommt um so deudicher zum Vorschein, "je mehr es gelungen ist, Nietzsches Stellung innerhalb der Tradition, innerhalb seiner Zeit und der Zukunft, die mit ihm beginnt, zu erfassen". Die Beschäftigung mit Nietzsches "ideeller Bibliothek", die das "philiströse Konzept der Originalität'" zerstört, bedeutet auch, weit über die ursprünglichen Perspektiven einer Edition hinauszugehen. Sie dient dazu, Nietzsche als Individuum zu transzendieren und ihn zu einem Teil der Geschichte zu machen. Dies hat Montinari in einer undatierten Notiz kurz vor seinem Tod unmißverständlich klargestellt: Wozu dient die Beschäftigung mit der Bibliothek Nietzsches? Dazu, eine Brücke zur Kultur seiner Zeit zu schlagen, seine Originalität tiut hierbei nichts zur Sache, es handelt sich darum, eine homogene Atmosphäre zu rekonstruieren, die allen gemeinsam ist, die im damaligen Europa lebten, arbeiteten und dachten. Die Erforschung der BN dient nicht nur dazu, besser in Nietzsche einzudringen, sondern mehr noch, aus ihm herauszukommen, um allgemeine Zusammenhänge in der Geschichte der Philosophie, der Politik, der Literatur und der Gesellschaft in den Blick zu bekommen. Um

9. Mazzino Montinari, Nietzsche und die "decadence", in: D'Annunzio e la cultura germanica. Akten der VI. Internationalen Tagung der D'/Annunzio-Forschung, 3. bis 5. Mai 1984, Pescara, 1984,5.117.

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Nietzsches Bibliothek

das Ferment N zu isolieren (Thema der Nietzsche-Forschung) muß man die Nährlösung kennen, in der es gewirkt hat. (s. Abbildung 1).

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Der Wille, über den 'Text' und seine engen Grenzen hinauszugehen, ihn so weit wie möglich in Richtung 'Komplexität' und historische Entwicklung zu öffnen, bedeutet eine weitere Infragestellung des 'Textes'. Der Extratext, der Teil der Entstehungsgeschichte des Textes ist, ("wenn die Lektüren überliefert sind") wird dann "bedeutsamer als das, was man rein im Text findet (innerhalb der dokumentierten Überlieferung)". In einer nicht veröffentlichten Anmerkung skizziert Montinari diese Haltung folgendermaßen: Die Lektüre Nietzsches rührt uns 'aus dem Text hinaus' - der 'Text' lebt nur, wenn es ein 'außerhalb des Textes" gibt, das man kennen muß, weil es den Text herausfordert — Text sind auch Randglossen - Text ist auch einfache Lektüre (ohne Glossen!) - der Text ist Teil einer umfassenderen Realität — nichtsdestotrotz muß er für sich erkannt werden - aber diese Erkenntnis liefert uns nichts als den reinen Text — sie gibt dem

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Vorwort

Text keine Bedeutung- sie ist leer ohne das 'außerhalb des Textes' - eine rein immanente Interpretation gibt es nicht.

Und zur Typologie der Lektüren: 1) ohne Glossen, aber mit 'historischen' Bezügen zur Diskussion Nietzsches 2) mit Glossen, ohne Aufnahme in den 'Text' (sie wird selbst zum Text) 3) Exzerpte, die nicht in den 'Text' eingehen (sondern sich unter den nachgelassenen Fragmenten befinden). 4) Exzerpte, die in den Text eingehen, vom Nachlaß zum Werk, (siehe Abbildung 2 u. 3).

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15. Mal Er.P/A,

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W e i m a r

Betr.: Kletzeche-Archiv J.n Hauptraann and dabei in «eiear

V e r f o l g unseres gestrigen Sespraciies habe Ich Herrn Oserflwsici wegen «ies .Nietzsche-Archivs angerufen festgestellt, daß sich das f!ietzscr>9-*reai» oo«h bef in-iet. Es ist also nicht iua Abtracsport sekoaeen.

Ich bebe Herrn Hauptaann Oeerewaki auf die Fälschungen hingewiesen, welcne die Schwester Nietzsches SD dessen Sachlaß begoEgec hat, und da8 ein Interesse daran besteht, aus mindesten seitens der Niötzeche-?orscher, den wahren Nietzsche von diesen Falschunger. zu befrsien. Sie »^^eri sion dieaarhalb, insbesondira wegen der Untftrbrjr.gijtig des Archive and dessen.geeigneter Sieaerstellang nit Herrn ;]ai»ptEAnn Ceereiisüi anmittelbar in Verbindung setzen.

(Dr.

Abbildung 6: Brief von Rudolf Paul

stellen. Am 14. Juli schrieb Hans Wahl an das Thüringische Volksbildungsministerium, daß es ihm noch nicht gelungen sei, den ersten Stock freizubekommen, daß er aber mit Hilfe Dempes die Aufstellung der Bibliothek Nietzsches im Erdgeschoß auf den Weg gebracht habe. Darüberhinaus sprach Wahl den Wunsch aus, die Leitung des Nietzsche-Archiv? einem NietzscheForscher zu übertragen und schlug Dr. Pauly vor, einen 38-jährigen Nietz30. Vor Beginn seiner Arbeit überreichte Dempe Wahl einen Plan, in dem die Neuordnung der Bibliothek an erster Stelle stand: "Es kann aufgestellt werden: die Bibiliothek Nietzsches (die Regale sind noch vorhanden), die Literatur über Nietzsche (Bücher), soweit die Regale ausreichen (Herr Tiedemann [der Hausmeister] stellt noch ein Regal auf, das er bisher auf dem Boden in Verwahrung hatte)." 31. Seit 1. Dezember 1946 war Wahl Interimsdirektor des Nietzsche-Archivs. Vgl. den Beschluß des Amtsgerichts Weimar vom 3. Dezember 1946, von dem eine Ausfertigung im GSA aufbewahrt wird: "Wir bestellen Herrn Prof. Dr. Hans Wahl zum Vorsitzenden des Vorstandes des Nietzsche-Archivs in Weimar und zwar auf solange, bis ein neuer Vorsitzender nach der Satzung gewählt wird (§§ 29, 86 BGB)".

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Nietzsches Bibliothek

sche-Forscher, der ihm in einem Schreiben von Prof. Hans Leisegang von der Universität Jena vorgeschlagen worden war und mit dem er selber brieflich in Kontakt stand. In einem dieser Briefe berichtet Pauly von seinem Besuch im Nietzsche-Archiv und den Materialien, die er auf einem großen Haufen vorfand: "Die Sichtung des ganzen auf einem grossen Haufen zusammen liegenden Bestandes an Büchern und Schriftstücken wird sehr viel Zeit in Anspruch nehmen" (Brief vom I.Juli 1947). Indem er vom 21. Juli bis Ende 1947 in unregelmäßigen Abständen daran arbeitete, war es Dempe gelungen, das gesamte Erdgeschoß wieder in den alten Zustand zu versetzten. Im Januar 1948 beschloß dann auch noch die Familie Hammer auszuziehen und den ersten Stock freizugeben. Aber genau in diesem Augenblick, möglicherweise durch den plötzlichen Tod Hans Wahls oder durch eine Veränderung des intellektuellen Klimas wurde der Plan, das Nietzsche-Archiv wieder zu eröffnen, abrupt aufgegeben. Laut Protokoll der Sitzung der Stiftung Nietzsche-Archiv vom 21. Oktober 1949, wurde die Überfuhrung der Handschriften Nietzsches ins Goetheund Schiller-Archiv beschlossen, um so ihre sachgerechte Archivierung zu gewährleisten, während die Räume des ehemaligen Nietzsche-Archivs in ein "Arbeitsseminar für den wissenschaftlichen Nachwuchs der Deutschen Demokratischen Republik" umgewandelt wurden (so die Formulierung in der Drucksache vom 10. Oktober 1950, in welcher der Umzug des Nietzsche-Bestands bekanntgegeben wurde). Die Handschriften sowie die Handbibliothek Nietzsches sind jetzt in das GoetheSchiller-Archiv, Hans Wahlstr. 4, gebracht worden. Die Räume des Goethe-SchillerArchivs bieten fiir die Verwahrung der Handschriften und Handbibliothek größere Sicherheit und archivalisch eine bessere Möglichkeit der Pflege. Das ehemalige Nietzsche-Archiv wird in seinen unteren Räumen als Arbeitsseminar des Goethe-SchillerArchivs dienen. Ab 25. Oktober findet dort ein Lehrgang für den Wissenschaftlichen Nachwuchs der Deutschen Demokratischen Republik statt. An ihm nehmen alle Kandidaten der Forschung und Lehre teil, die im Hauptfach Germanisten sind, sowie eine Reihe von Dozenten der Hochschulen und Arbeiter- und Bauernfakultäten. Im ersten Stockwerk des Hauses wird das Sterbezimmer Nietzsches wieder in den alten Zustand gebracht werden, nachdem es im Gefolge des Krieges anderen als musealen Zwecken gedient hat.

Im November 1950 wurde Hugo Schlippe damit beauftragt, die Materialien des ehemaligen Nietzsche-Archivs TU ordnen. Schlippe versuchte die Ordnung wiederherzustellen, die durch die alten Signaturen des Nietzsche-Archiv vorgegeben war, die sich noch auf den Büchern und Handschriften befanden. 32. Anwesend waren der neue Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs Prof. Gerhard Scholz, Ministerialdirektor Senffund Edith Braemer, Mitglieder der "Stiftung Nietzsche-Archiv".

Geschichte der Bibliothek Nietzsches und ihrer Verzeichnisse

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Bei der Bibliothek Nietzsches griff er zudem auf das Verzeichnis Max Oehlers zurück. Darüber hinaus erstellte er eine Liste der fehlenden Bücher. Schauen wir uns genauer an, was Hugo Schlippe in diesem, für Nietzsches Nachlaß und insbesondere für seine Bibliothek entscheidenden Augenblick getan hat. Über die Spuren hinaus, die er bei der Signierung der Bücher hinterlassen hat, verfügen wir über folgende Unterlagen, die seine Tätigkeit dokumentieren: Den "Bericht über die Neueinrichtung des Friedrich Nietzsche Archivs 1950/1951", den "Arbeitsbericht" mit Datum "Weimar 14.4.1951", sowie drei Bücherlisten: "Fehlende Bücher aus der Handbiblioth. Nietzsches", "Fehlende Bücher aus der Allgemeinen Bibliothek", "Fehlende Bücher aus der Literatur über Nietzsche", die wir im Anhang ungekürzt wiedergeben. Hugo Schlippe fand sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, in wenigen Monaten einen Haufen Bücher, Manuskripte und Akten zu ordnen, die willkürlich aufeinandergestapelt in der Eingangshalle des Goethe- und SchillerArchivslagerten. Beim Antritt meines Auftrages fand ich das Nietzsche Archiv, bestehend aus einer zahlreichen Bibliothek, der Handbücherei Nietzsches und einer grösseren Anzahl in blauen Mappen untergebrachten Handschriften, in der Empfangshalle des Goethe Schiller Archivs auf einem grossen Haufen wirr durcheinander liegend, vor [...] Der Bücherhaufen nahm die ganze Breite der Halle ein und die Höhe des Haufen war stattlich. Ein Katalog war nicht vorhanden.

Bei den Büchern ist es ihm dank der Signaturen des ehemaligen NietzscheArchivs gelungen, "Die philosophische Bibliothek" und "Die allgemeine Bibliothek" zu identifizieren. Auch "Nietzsches Handbücherei" war entsprechend der Anordnung in Oehlers Verzeichnis von l bis 805 durchnumeriert. Nietzsches Handbücherei hat keine äussere Signatur. Die Nummern 1-805 stehen immer auf dem ersten und letzten Buchdeckel. Sie wurde eingeordnet, um ein leichteres Aufrinden der Bücher zu gewährleisten, in Abständen von 10 Werken mit einer Einsteckkarte mit schwarzer Nummer versehen. Nach dem gedruckten Katalog fehlende Werke wurden durch rote Einstecknummern gekennzeichnet.

33. H. Schlippe, Bericht über die Neueinrichtung des Friedr. Nietzsche Archivs 1950/51, S. 1. 34. Heute sind diese beiden Bibliotheken des ehemaligen Nietzsche-Archivs m der Abteilung C der Herzogin Anna Amalia Bibliothek zusammengelegt (die alten Signaturen des NietzscheArchivs, die größtenteils noch lesbar sind, bezeugen noch die frühere Ordnung). Es wäre interessant, auch diese Bibliotheken zu rekonstruieren, um eine bessere Vorstellung der kulturellen und ideologischen Orientierung des Nietzsche-Archivs zu bekommen und zu sehen, welche Bücher danach bei der Neuordnung al.s "präfaschistisch" eingestuft und ausgesondert wurden (Schlippe schrieb: "[Die allgemeine Bibliothek] enthielt auch eine Anzahl Werke, die auf dem Index standen und die ausgesondert wurden", Bericht, S. 2).

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Nietzsches Bibliothek

Abbildung 7: Nietzsches Bibliothek im Nietzsche-Archiv (s. Anm. 29)

Geschichte der Bibliothek Nietzsches und ihrer Verzeichnisse

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Von der Handbücherei ist ein gedruckter Katalog und ein Zettelkatalog vorhanden. Derselbe wurde redigiert und in Koncordanz mit dem Bestand gebracht.

Schlippe hat also lediglich, mit dem Verzeichnis Oehlers in der Hand, versucht, die entsprechend durchnumerierten Bände zu finden und daneben eine Liste der vierzig fehlenden Bände erstellt. Vermutlich hat Schlippe bei dieser Arbeit in ein Exemplar des Oehlerschen Verzeichnisses die fortlaufenden Nummern eingetragen, die er in den jeweiligen Bänden gefunden hat. Ein Exemplar des Oehlerschen Verzeichnisses "Mit Nummer" wird noch heute in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek unter der Signatur C 5092 aufbewahrt (siehe Abbildung 8). Auch der Zettelkatalog des ehemaligen Nietzsche-Archivs ist noch erhalten und wurde von Schlippe sowie den Bibliothekaren der Zentralbibliothek der deutschen Klassik benutzt, wie wir im folgenden Abschnitt sehen werden. Auf der Grundlage der von Schlippe durchgeführten Inventarisierung sandte der Direktor des Goethe- und Schiller-Archivsam 2. August 1951 einen Bericht an das Staatssekretariat für Hochschulwesen in Berlin, den wir hier vollständig zitieren: Im Herbst 1950 erfolgte auf Anordnung des Ministeriums für Volksbildung Thüringen die Überfuhrung der gesamten Materialien des ehemaligen Nietzsche-Archivs aus der Humboldtstrasse 36 in das Gebäude des Goethe- und Schiller-Archivs, Weimar, Hans-Wahlstr. 4. Hier wurden die Originalhandschriften, sowie die Handbibliothek Nietzsches (805 Exemplare) in den Schränken des Nordteils der Galerie des Handschriftensaals fachgemäss untergebracht und die Bücher, Zeitschriften, Kataloge, Zettelkästen und dergleichen des alten Nietzsche-Archivs zweckentsprechend aufgestellt. Dabei wurden sämtliche Bestände an Originalmaterialien sorgfältig auf ihre Vollzähligkeit hin anhand der übernommenen Repertorien bzw. Kataloge überprüft. Soweit sich irgend die ursprüngliche Anordnung noch erkennen liess, wurde sie beibehalten, bzw. hier am neuen Standort wieder hergestellt. Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit wurden ein Verzichnis der 14 Mappen der gesondert aufbewahrten Briefe Cosima Wagners an Friedrich Nietzsche, sowie des Briefwechsels der Familie FörsterNietzsche, ferner ein Katalog der Ausgaben der Werke Nietzsches und ein Sachkatalog der philosophischen Bibliothek (1734 Exemplare) und der allgemeinen Bibliothek (1363 Exemplare) neu angefertigt. Die in den beiden letztgenannten Bibliotheken zeimlich zahlreichen präfaschistischen bzw. offen nazistischen Bücher wurden ausgesondert und in einen Kellerraum geschafft, zu dem niemand ohne ausdrückliche Genehmigung des Direktors Zutritt hat. Somit sind die Originalmaterialien des ehemaligen Nietzsche-Archivs in sichere Obhut genommen und könnten ohne besondere Schwierigkeiten für wirklich wissenschaftliche Forschungsarbeiten zugänglich gemacht werden. Um jeden Missbrauch auszuschliessen (- denn zahlreiche Anfragen aus Westdeutschland und den anderen unter USA-Einfluss stehenden Ländern verraten e-in symptomatisches Ansteigen des 35. Hugo Schlippe, Arbeitsbericht, S. 1.

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Nietzsches Bibliothek

"Interesses" für Nietzsche -), möchten wir indessen niemandem die Erlaubnis der Benutzung der Nietzschematerialien erteilen, ohne vorher Ihre schriftliche Einwilligung einzuholen.

4. Vom Goethe- und Schiller-Archiv in die Zentralbibliothek der deutschen Klassik (1953-1955): Das BDK-Verzeichnis. Während von 1951 an die Handschriften Nietzsches zum festen Bestand des Goethe- und Schiller-Archivs gehörten, blieben die Bücher des ehemaligen Nietzsche-Archivs nur drei Jahre lang dort, um danach erneut umzuziehen und zwar in die Zentralbibliothek der deutschen Klassik, eine kleine Bibliothek, die 1954 gegründet wurde, um in erster Linie die Buchbestände der GoetheGesellschaft aufzunehmen. In der Zentralbibliothek der deutschen Klassik wurden die Bücher des ehemaligen Nietzsche-Archivs im April 1954 katalogisiert und mit einer neuen Signatur versehen, die aus einer fortlaufenden Nummer mit einem C davor bestand. Das Zugangs- und Abgangsverzeichnis der Abteilung C: Nietzsche-Bibliothek erlaubt uns, den Prozeß der Katalogisierung nachzuvollziehen, der für die Zusammenstellung dessen, was bis heute als "Nietzsche-Bibliothek" bezeichnet wird, erhebliche Folgen gehabt hat. Es handelt sich um ein handschriftliches Verzeichnis, das am 21. September 1955 begonnen und am 3. Oktober 1955 abgeschlossen wurde. Es ist 6l Seiten lang und wird in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek aufbewahrt. Wir nennen es "BDK-Verzeichnis" (siehe Abbildung 9). Der unbekannte Verfasser des BDK-Verzeichnisses hat sich, wie vor ihm bereits Hugo Schlippe, auf das Verzeichnis Max Oehlers gestützt, indem er dem ersten Titel die Signatur C l zuteilte und so sämtliche Bände durchnumerierte bis C 775. Unter C 776 bis C 803 befinden sich die Bände aus der Bibliothek Erwin Rohdes (schon von Schlippe inventarisiert), gefolgt von den Büchern Elisabeth Förster-Nietzsches und des Nietzsche-Archivs sowie der Sekundärliteratur zu Nietzsche, wobei das, was im Nietzsche-Archiv ursprünglich als "philosophische Bibliothek" und als "allgemeine Bibliothek" klassifiziert war, nun vermischt wurde. Gleichzeitig mit der Neukatalogisierung sah sich der Verfasser des BDKVerzeichnisses aus unerfindlichen Gründen genötigt, die Lücken im Nietzsche-Bestand (die 37 Bände, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit verloren gegangen sind und die bereits Hugo Schlippe in seiner Liste "Fehlende Bücher aus der Handbiblioth. Nietzsches" verzeichnet hat) zu schließen. Auf 36. In einer Aktennotiz vom 8. Februar 1954 wird der Umzug der Bibliothek angeordnet. In einer weiteren Notiz vom 7. April wird der Vollzug des Umzugs mitgeteilt sowie die Modalitäten des Transports (GSA, NFG-Vorakten, 180).

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Geschichte der Bibliothek Nietzsches und ihrer Verzeichnisse

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Nietzsches Bibliothek

diese Weise kam eine gewisse Anzahl von "Eindringlingen" in die Bibliothek Nietzsches, regelrechte Lückenfuller, die vorwiegend aus den anderen Beständen des ehemaligen Nietzsche-Archivs entnommen wurden. Diese Bände wurden von den Bearbeitern der vorliegenden Rekonstruktion der Bibliothek Nietzsches identifiziert und ausgeschlossen. Sie sind im Anhang verzeichnet. So finden wir beispielsweise unter der Signatur C 574 an Stelle von Eckermanns Gesprächen mit Goethe (3. Aufl. Erster Theil, Leipzig, Brockhaus, 1868), die bei Oehler verzeichnet, aber in der Nachkriegszeit verloren gegangen sind, die Worte mütterlicher Liebe an meine Tochter. Eine Gabe für christliche Jungfrauen von Wilhelmine von Oeynhausen zu Grevenburg (geb. von Mengersen), 2. Aufl., Frankfurt am Main, Brönner, 1844. Oder unter der Signatur C 739 an Stelle der Russischen Novellen von Nikolas Gogol (Leipzig 1846), deren Präsenz in der Bibliothek Nietzsches von Steiners Verzeichnis an dokumentiert ist, eine Dissertation über Nietzsche von 1904: Erich Witte, Das Problem des Tragischen bei Nietzsche, Halle 1904.37 Für diese Eingriffe in den Nietzsche-Bestand hat der Verfasser des BDKVerzeichnisses auch den Zettelkatalog benutzt. Zahlreiche maschinenschriftliche Kärtchen aus dem Zettelkatalog weisen in der Tat handschriftliche Anmerkungen von derselben Hand wie das BDK-Verzeichnis auf (siehe die Abbildung im Aufsatz von Maria Cristina Fornari, S. 85, 87). Diese verzeichnen auf der Rückseite der Kärtchen zu den verloren gegangenen Bänden, die bibliographischen Angaben derjenigen Bücher, mit denen die Lücken gefüllt wurden. Es ist also, als ob es zwei Zettelkataloge gäbe, einen maschinenschriftlichen, der identisch ist mit dem Verzeichnis von Oehler und einen mit Streichungen und handschriftlichen Ergänzungen mit Bleistift, der identisch ist mit dem B D K-Verzeichnis. Die neue Signatur der Zentralbibliothek der deutschen Klassik befindet sich auf einem Aufkleber auf dem Buchrücken und wird mit einem Stempel auf den ersten Seiten im Buchinnern wiederholt (siehe Abbildung 10) Diese neue Signatur kommt zu den beiden vorherigen hinzu: Zu derjenigen Oeh37. Weitere Beispiele von Eindringlingen finden sich in dem Aufsatz von Maria Cristina Fornari auf S. 86 in diesem Band. 38. In einem Fall hat das BDK-Verzeichnis einen Eindringling nicht nur eingesetzt, um einen verloren gegangenen Band aus Nietzsches Bibliothek zu ersetzen, sondern um eine Lücke in der fortlaufenden Zahlung zu schließen. In der Tat gibt es in Oehlers Verzeichnis "Mit Nummer" einen Sprung in der Numerierung. Der Nummer 459 ist kein Titel zugeordnet. Das Kärtchen 459 existiert auch nicht im Zettelkatalog, der sich an Oehlers Verzeichnis orientiert. Das BDK-Verzeichnis schließt die Lücke, indem auf der Rückseite von 458 unter der Nr. 459 ein Buch hinzugefügt wird, das sich noch heute unter der Signatur C 459 an dieser Stelle befindet: Max Jähns, Ein Jahr der Jugend. Gedichte, Dresden, Blochmann, o. J.

Geschichte der Bibliothek Nietzsches und ihrer Verzeichnisse

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Nietzsches Bibliothek

lers, bestehend aus einer fortlaufenden Nummer von l bis 805 "auf dem ersten und letzten Buchdeckel", wie Schlippe bemerkte, und einer noch älteren in violetter Tinte, die ebenfalls aus einer fortlaufenden Nummer mit BN davor besteht (beide durchgestrichene Signaturen sind noch zu erkennen in dem Band: Jacob Burckhardt, Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch, Leipzig: E. A. Seemann 1869, der heute die Signatur C 482 trägt, siehe Abbildung 10). Der Verfasser des BDK-Verzeichnisses hat nicht nur die neue Signatur hinzugefugt, sondern auch die beiden vorherigen durchgestrichen. Da Steiner die Bände nicht signiert hat, könnte die violette Signatur, die nach Steiner, aber vor Oehler erfolgte, auf Mette zurückgehen (in diesem Fall hätte sich Oehler nicht nur darauf beschränkt, die Ergebnisse Mettes zu publizieren, sondern hätte den Bestand zumindest neu katalogisiert). Noch wahrscheinlicher handelt es sich jedoch um eine Signatur, die bereits vor Mette von einem weiteren Mitarbeiter des Nietzsche-Archivs erteilt wurde.

5. In der Herzogin Anna Amalia Bibliothek (l 991-heute). Restaurierung und Forschung Seit 1954 sind die Bestände der Bibliothek Nietzsches und der Bibliotheken des Nietzsche-Archivs im Weimarer Stadtschloß untergebracht und nicht mehr umgezogen. Stattdessen hat die Bibliothek, in der sie untergebracht 39. Daß die Durchstreichungen durch die Zentralbibliothek der deutschen Klassik erfolgten, wird u.a. dadurch bestätigt, daß der Band von Eduard Hanslick Vom Musikalisch-Schönen noch die alte, nicht durchgestrichene Signatur von Oehler (509) trägt. Dieser Band — der sich heute nicht, wie zu erwarten wäre, unter der Signatur C 509 befindet, sondern unter C 5151, bei den Büchern der Bibliothek des Nietzsche-Archivs - wurde vom Verfasser der BDK als verloren erachtet (obwohl er sich nicht auf Schlippes Liste der verloren gegangenen Bücher befand) und durch ein anderes Werk ersetzt, das sich ebenfalls bis heute unter der Signatur C 509 befindet: Festordnung bei der Erinnerungsfeier des 3ten Februar 1813, Naumburg 1842. Als sich die Katalogisierung dem Ende näherte, tauchte der Band von Hanslick wieder auf, aber es war zu spät und so wurde er trotz der früheren Signaturen und trotz der Randglossen Nietzsches, die eindeutig die Zugehörigkeit zu seiner Bibliothek belegen, unter C 5151 in der Bibliothek des Nietzsche-Archivs untergebracht. Dasselbe geschah mit den Werken Lessings, die fälschlich unter C 3850 stehen, während die ursprüngliche Signatur 606 durch einen Lückenfiiller besetzt ist. 40. Daß diese Signaturen erst nach Erstellung des Verzeichnisses von Steiner zugeteilt wurden, geht u.a. aus dem folgenden Beispiel hervor: Im ersten Band der Werke Ciceros (C 88a[l]) befindet sich neben der Signatur Oehlers die alte Signatur "BN 204" mit violetter Tinte, die zur Hälfte ausgestrichen ist und gefolgt von der Angabe "19 Bde". Da Steiner noch 20 Bände der Werke Ciceros verzeichnet hat, muß die Signatur mit violetter Tinte später zugeteilt worden sein. Darüberhinaus ist diese alte Signatur unabhängig von Steiners Verzeichnis, da die Reihenfolge ihrer fortlaufenden Zahlen nicht der Reihenfolge der Titel in Steiners Verzeichnis entspricht.

Geschichte der Bibliothek Nietzsches und ihrer Verzeichnisse

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sind, Namen und Struktur gewechselt. 1969, in Folge eines Neugliederungsprozesses sämtlicher Bibliotheken in der DDR, wurde die Zentralbibliothek der deutschen Klassik mit der unmittelbar benachbarten Thüringischen Landesbibliothek zusammengelegt, die eine bedeutende Geschichte aufzuweisen hat und großes Ansehen genießt (zur Zeit Goethes, der für sie zuständig war, gehörte sie zu den zwölf bedeutendsten Bibliotheken Deutschlands). Erstaunlicherweise übernahm die größere Bibliothek den Namen der kleineren: Zentralbibliothek der deutschen Klassik, bis sie 1991 in Herzogin Anna Amalia Bibliothek umbenannt wurde. Bereits in der Zentralbibliothek der deutschen Klassik und noch mehr in den Jahren der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, waren die Bücher Nietzsches und des Nietzsche-Archivs für die Forscher zugänglich. 1993 hat die Herzogin Anna Amalia Bibliothek einen eigenen Raum für die Benutzung dieser beiden Bestände eingerichtet. 1996 wurde die Bibliothek Nietzsches komplett verfilmt und kann heute nur noch auf Mikrofilm benutzt werden. An der Herzogin Anna Amalia Bibliothek wird derzeit die Sicherung und Restaurierung der Nietzsche-Bibliothek in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Bucherhaltung in Leipzig und der Fachhochschule Köln, Fachbereich Restaurierung vorbereitet. Folgende Punkte sind dabei von Bedeutung: ausführliche Schadensdokumentation, Tests zur verlustfreien Stabilisierung des Papiers (Entsäuerung, Papierspaltung), Ermittlung des originalen Zustandes der Bücher, bevor sie nach Nietzsche bzw. Förster-Nietzsche neu gebunden worden sind.

IV. Das vorliegende Verzeichnis (1991-2001) Giuliano Campioni und Aldo Venturelli haben bereits im Vorwort über die Geschichte dieses Bandes gesprochen. An dieser Stelle möchte ich nur einige Bemerkungen zu drei der Kriterien machen, die unsere zehnjährige Arbeit bestimmt haben, und im übrigen auf den Aufsatz von Maria Cristina Fornari verweisen, der eine detaillierte Beschreibung der Struktur unseres Verzeichnisses enthält.

l. Der Besitz Die Bibliothek Nietzsches setzt sich aus der Gesamtheit sämtlicher gedruckter Werke zusammen, die Nietzsche gehörten, weil er sie entweder persönlich erworben hat oder sie ihm geschenkt worden sind. Dies ist das wichtigste Kriterium, das unserer Arbeit zugrunde Hegt. Ein vielleicht selbstverständliches Kriterium, vor allem aber eines, das un,s erlaubt hat, die Bibliothek Nietzsches nicht mit seinen Lektüren zu vermengen, und uns vor einer Reihe

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von Mißverständnissen bewahrt hat: z.B. dem Mißverständnis, daß die von Nietzsche zitierten Werke ipso facto Teil seiner Bibliothek sind, oder umgekehrt, daß die Bücher mit unaufgeschnittenen Seiten nicht dazu gehören, oder daß Nietzsche ein Werk, bloß weil es sich nicht im Verzeichnis seiner Bibliothek befindet, nicht gekannt habe, oder umgekehrt, daß er alle Werke, die sich in seiner Bibliothek befinden, gelesen habe. Und es bewahrte uns vor der allgemeinen Auffassung, daß das Verzeichnis der Bibliothek eines Autors die Bücher enthalten müsse, die sein Denken am stärksten beeinflußt haben.41 Unser Verzeichnis beabsichtigt nicht, Nietzsches livres de chevet aufzulisten. Es enthält im Gegenteil auch diejenigen Werke, die er nicht gelesen hat, deren Kauf er bereute, die ihm geschenkt worden sind und die er keines Blickes würdigte. Hingegen fehlen zahlreiche Bücher, die er geliebt und gelesen hat, unterstrichen, mit Anmerkungen versehen, exzerpiert und auswendig gelernt hat, die ihm aber nicht gehörten. Gewiß interessieren uns als Nietzsche-Forscher in erster Linie die Bücher, welche einen entscheidenden Einfluß auf seine geistige Entwicklung gehabt haben und im folgenden Abschnitt fordern wir all unsere Kollegen dazu auf, ihren Beitrag zu einem Verzeichnis von Nietzsches Lektüren zu leisten. Als Verfasser des Verzeichnisses von Nietzsches Bibliothek jedoch haben wir nur diejenigen Werke berücksichtigt, die Nietzsche, und sei es auch nur für kurze Zeit, im Laufe seines bewußten Lebens besessen hat.

2. Die Rekonstruktion der Bibliothek Wenn das entscheidende Kriterium der Besitz ist, bedeutet die Rekonstruktion von Nietzsches Bibliothek, sämtliche Dokumente zu suchen und zu analysieren, die diesen Besitz bestätigen. Die wichtigsten Dokumente für unser Verzeichnis sind folglich die Rechnungen und Quittungen der Buchhändler. Auch Quittungen über verkaufte Bücher bestätigen den Besitz des ent41. Zur Methodologie im Umgang mit Bibliotheken von Schriftstellern vgl. Paolo D'Iorio und Daniel Ferrer (Hrsg.), Bibliotheques d'e"crivains, Paris, fiditions du CNRS, 2001, 214 Seiten. 42. Was, wenn Nietzsche ein Buch gekauft hat, um es an Freunde zu verschenken? Das Buch befindet sich dann in unserem Verzeichnis, da es Nietzsche, und sei es auch nur für kurze Zeit, gehört hat. Möglicherweise hat dieses Buch (oder zumindest dieses Exemplar) keinen großen Einfluß auf Nietzsches geistige Entwicklung ausgeübt. Aber wir erstellen ja gerade nicht das Verzeichnis von Nietzsches Lektüren. Wenn aber die Lektüre nicht das entscheidende Kriterium für die Zugehörigkeit zu Nietzsches Bibliothek ist, dann hat ein Buch, das er selbst nur für Augenblicke besaß, ehe er es verschenkte, denselben Einfluß auf sein Denken, wie ein Buch, das er ein Leben lang besaß, dessen Seiten er aber nie aufgeschnitten hat.

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