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German Pages 287 [288] Year 2004
Christiane Voss Narrative Emotionen
W G DE
Ideen & Argumente Herausgegeben von Wilfried Hinsch und Lutz Wingert
Walter de Gruyter • Berlin • New York
Christiane Voss
Narrative Emotionen Eine Untersuchung über Möglichkeiten und Grenzen philosophischer Emotionstheorien
Walter de Gruyter • Berlin • New York
© G e d r u c k t auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über H a l t b a r k e i t erfüllt.
ISBN 3-11-017943-1 Bibliografische
Information
Der Deutschen
Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© Copyright 2004 by Walter de Gruyter G m b H & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in G e r m a n y Umschlaggestaltung: + m a l s y , k o m m u n i k a t i o n und gestaltung, Bremen
Für Tom und meine Familie
Danksagung
In den vielen Jahren, in denen ich über Emotionen philosophisch nachgedacht und geforscht habe, gab es eine Reihe von Menschen - Freunde und Kollegen - ohne deren Motivation und freundschaftliche Unterstützung ich womöglich den Mut verloren hätte, diese Arbeit noch zu beenden. Ihnen allen möchte ich von Herzen danken. Allen voran hat Tom Tykwer mich durch sämtliche Phasen der Arbeit mit geradezu unerschöpflicher Energie und Freundschaft sowie in unzähligen inspirierenden Gesprächen über Emotionen in Philosophie, im Leben und im Film begleitet und gestärkt. Ihm danke ich mehr als ich sagen kann. Meiner Mutter Hannelore Voss sowie meiner Schwester Bettina, ihrem Mann Georg und meinem Bruder Martin möchte ich für ihre motivierende und liebevolle Art danken, mit der sie auch dann noch an dieses Projekt geglaubt haben, wenn ich daran zweifelte. Maria Köpf möchte ich dafür danken, dass sie mich stets loyal unterstützt hat. Anna Tykwer, Katja Dringenberg, Kerstin Schröder, Kay Fescharek, Romano Pocai, Steffen Oelsner danke ich für ihre Freundschaft und Geduld in dieser Zeit. Meinen philosophischen Kollegen und Kolleginnen William Lyons, Walther Pfannkuche, Christa Hackenesch, Christoph Jäger, Romano Pocai, Helmut Pape, Sybilla Lotter, Michael Hampe, Sebastian Rödl, Christoph Demmerling, Hilge Landweer, Andreas Wildt u.a. danke ich für produktive Arbeitsgruppen, Vortragseinladungen und Diskussionen, in denen ich viel über Emotionstheorien lernen und wo auch mein eigener Ansatz Thema sein konnte. Der Studienstiftung des Deutschen Volkes danke ich für die finanzielle Unterstützung. Meinem Lehrer Ernst Tugendhat danke ich dafür, dass ich bei ihm das Philosophieren lernen durfte und dafür, dass er mich motiviert hat, mich nicht eher zufrieden zu geben mit einer Arbeit, bis sie vor den eigenen Ansprüchen bestehen kann.
VIII
Danksagung
Diejenigen, die mir noch zur Seite standen und die ich zufallig hier nicht erwähnt habe, bitte ich mir zu verzeihen und sich meines Dankes dennoch gewiss zu sein. Dem de Gruyter Verlag danke ich schließlich dafür, dass er die Arbeit in der Reihe „Ideen und Argumente" aufgenommen hat. Christiane Voss, Berlin 2004
Inhalts ver z eichnis
Danksagung Einführung und Hintergrund 0.1 Einfuhrung: Die emotionalen Seiten des Menschen 0.2 Der philosophische Blick auf Emotionen 0.3 Zur Terminologie und Abgren2ung des Phänomenbereichs I. Teil Menschenbild und Verortung der Emotionen 1.1 Geschlechtsspezifität der Emotionen 1.2 Die Einteilung der Seele 1.3 Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen: Orientierung durch Emotionen 1.4 Zur kommunikativen Funktion der Emotionen 1.5 Kulturelle Prägung der Emotionen 1.6 Gefühle als Weisen des ,Involviertseins' II. Teil Spektrum der philosophischen Emotionstheorien 2.1 Die Fühlbarkeit der Emotionen: René Descartes, David Hume und William James 2.1.1 Ich fühle, also weiß ich's: René Descartes 2.1.2 Was ich weiß, das fühl' ich: David Hume 2.1.3 Selbstwahrnehmung und Täuschung 2.1.4 Verquickung von Emotion und Kognition am Beispiel von Stolz 2.1.5 Ich fühl' nur, was sich regt: William James 2.2 Die Sichtbarkeit der Emotionen: Gilbert Ryle, John Dewey 2.2.1 Emotionen zwischen Episoden und Dispositionen: Gilbert Ryle 2.2.1.1 Die Erklärungskraft unserer emotionalen Sprache
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Inhaltsverzeichnis
2.2.2 Anpassung durch emotionale Entladung: John Dewey 2.2.2.1 Fehlerquellen der alltagspsychologischen Sicht auf Emotionen 2.2.2.2 Der kalte Blick auf Emotionen 2.2.3 Grenzen der verhaltenstheoretischen Konzeptionen der Emotionen 2.3 Die Verstehbarkeit der Emotionen: Varianten der kognitivistischen Emotionstheorie 2.3.1 Der emotionale Fokus 2.3.1.1 Epistemische Implikationen der Emotionen 2.3.2 Emotionen im Spiegel der Sprache 2.3.3 Zum Realitäts- und Phantasiegehalt der Emotionen 2.3.4 Die Wertigkeit der emotionalen Welt 2.3.5 Wie man lernt, was man fühlt 2.3.6 Was es heißt, sich emotional zu verhalten 2.3.7 Die Rationalität der Emotionen 2.3.7.1 Haben Emotionen eine eigene Logik? 2.3.7.2 Der Fall anomaler Emotionen 2.3.7.3 Der Fall ambivalenter Emotionen 2.3.7.4 Emotionale Selbsttäuschung und Authentizität 2.3.8 Magie der Emotionen 2.3.9 Was wir in emotionalen Lagen erleiden 2.4 Die Vielschichtigkeit der Emotionen: Komponententheorien 2.4.1 S- und H-Gefühle: Die emotionalen Begleiter 2.4.2 Hedonistische Wertigkeit der Emotionen: Zum Korrespondenzprinzip am Beispiel von Aristoteles 2.4.2.1 Die Veränderbarkeit der emotionalen Gefühle 2.4.3 Holismus der Emotionen III. Teil Die Narrativität der Emotionen 3.1 Die narrative Einheit der Emotionen 3.2 Zur Historizität der Emotionen 3.3 Tanz der emotionalen Komponenten 3.3.1 Der ,Heureka-Fall'
66 67 70 72 76 78 83 89 95 101 109 112 119 125 128 130 134 137 140 151 159 168 173 178 181 184 188 194 201
Inhaltsverzeichnis
3.4 3.5 3.6 3.7
Der sequenzielle Charakter der Emotionen Die Macht der Zuschreibung von Emotionen Die Kontrolle narrativer Emotionen Fließende Grenzen der narrativen Emotionen 3.7.1 Die sprachliche Abbildung narrativer Verknüpfungen 3.7.2 Offenes Ende, unabschließbare Emotionen? 3.8 Emotionen zwischen .Wiederholungszwang' und Aufbruch 3.9 Der Fall Eifersucht 3.10 Grenzen des narrativen Ansatzes und Ausblick Anmerkungen Literatur Namenregister Sachregister
XI
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Einführung und Hintergrund 0.1 Einführung: Die emotionalen Seiten des Menschen Emotionen wie Furcht, Scham, Misstrauen, Schuldgefühle, Eifersucht, Neid, Liebe, Hass, Trauer, Freude und Glücksgefühle durchziehen so sehr die menschliche Existenz und bestimmen das tägliche Miteinander, dass man sich schwer vorzustellen vermag, wie ein menschliches Leben überhaupt aussehen könnte, in dem sie gänzlich fehlten. Trotzdem wird die menschliche Phantasie immer wieder dazu angeregt, dieser Vorstellung wenigstens im Bereich des Fiktionalen Gestalt zu verleihen. Eine berühmte Filmfigur der Science-Fiction-Serie Star Trek ist der extraterrestrische Mr. Spöck, der als sogenannter ,Vulkanier' zu einer Spezies ungefährlicher Wesen reiner Intelligenz gehört, die in Sprache und Körperlichkeit den Menschen ganz und gar ähnlich sind, jedoch keine Gefühle haben. Wer die Filmserie kennt, weiß, wie wenig konsequent es gelingt, die Figur des Mr. Spöck durchgängig emotionslos zu zeigen. Er hat eher den Charme eines distinguierten, kühlen Engländers, der nach außen hin nicht zeigt, was er empfindet, dessen integres Verhalten, zuverlässige Loyalität und Opferbereitschaft gegenüber seinen menschlichen Weltraum-Kollegen in jeder Situation allerdings deutlich von einem tugendhaften Charakter zeugen, der über das rechte Maß an Emotionen im Hintergrund verfügt. Ansonsten ist die Phantasie vom emotionslosen Menschen oder menschenähnlichen Wesen viel häufiger eine Schreckensvision. So hat man während der Hochphase des so genannten g a l ten Krieges' das Feindbild der russischen Kommunisten immer wieder dadurch bedient, dass man sie - wie z.B. in dem Film Invasion of the Body Snatchers — als kalte Maschinen- und Roboterwesen darstellte. 1 Technische Fortschritte sowie die Computerisierung setzen bis heute Zukunftsvisionen frei, in denen das Szenario einer vollständig zweckrational gesteuerten, synthetischen Welt antizipiert wird, in der es keinen
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Einführung
und
Hintergrund
Platz mehr für Irrationalität und Emotionalität gibt. Aspekte der Fragilität und Berührbarkeit werden dabei ausgeblendet, an denen jedoch die authentische Lebensform und Qualität der menschlichen Existenz im Wesentlichen zu hängen scheinen. Vor kurzem hat der französische Autor Michel Houellebecq in seinem kulturpessimistischen Roman Elementarteilchen die negative Utopie einer sich selbst entfremdenden Welt zeitgemäß dramatisiert. 2 Er überzeichnet dort das Bild unserer westlichen Kultur als eine, in der es außer rein geschäftlichen Tauschbeziehungen keine stabilen Bindungen mehr unter den Menschen gibt. Die individualistischen Lebensformen und die fortschreitende Auflösung der Familienverbände sind im Roman u.a. Ausdruck der technologisch-gesellschaftlichen Veränderungen in der Moderne und Postmoderne. Die Figuren des Romans kranken dabei an der alles verdinglichenden, sozialen Umwelt und der damit einhergehenden Erkaltung ihrer eigenen Herzen. Leidvoll ist dies für die Betroffenen natürlich nur, weil und solange sie überhaupt noch emotionale Wesen sind. Diese residuale Empfindungsfähigkeit, so Houellebecqs Vision, verkümmert jedoch auch bald unter dem Druck der Anpassung an die alle Lebensbereiche bestimmende technisch-ökonomische Rationalität. A m Ende des Romans gibt es überhaupt keine leidensfähigen Menschen mehr. Das Menschengeschlecht wird durch besser funktionierende, emotionslose Wesen abgelöst. Der Leser bleibt nach der Lektüre dieses Buches keineswegs erleichtert zurück, sondern mit einem Gefühl tiefer Beklemmung. Man versteht anhand dieses fiktionalen Gedankenexperiments ex negativo, dass uns mit unserer Emotionalität zugleich eine zentrale Dimension des Sinns abhanden käme. Wozu sollte man leben, wenn einen nichts mehr erfreuen, man nichts mehr erhoffen oder befürchten könnte, wenn man weder etwas oder jemanden lieben, noch um etwas oder jemanden bangen oder trauern könnte? Wenn unser Herz aus Stein wäre, wären wir allem gegenüber neutral und damit innerlich leer. Was sollte dann aber unser Streben und Trachten noch antreiben? Die Philosophie betrachtet es von jeher als ihre Aufgabe, ihren erklärenden Beitrag zum Verstehen grundlegender Belange menschlicher Existenz zu leisten. Wenn zumindest eine wichtige Dimension des Sinns unseres Lebens an dem Vorkommen von Emotionen hängt, könnte man erwarten, dass gerade die Philosophie sich ausfuhrlich mit ihnen beschäftigt hätte. Tatsächlich wendet sich die Philosophie, parallel zur Entwick-
Die emotionalen
Seiten
des
Menschen
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lung auch in der neueren Psychologie, Biochemie und Physiologie, erst wieder in den letzten drei Jahrzehnten verstärkt den Emotionen zu. Für das immer wieder auch lange Schweigen der Philosophie über die Emotionen dürfte jene tradierte Auffassung vom Menschen mitverantwortlich sein, der zufolge unsere Emotionalität — implizit oder explizit — als dasjenige Element der menschlichen Natur angesehen wird, das dem rationalen Vermögen entgegenstrebt, es gar behindert und daher negiert werden sollte. Die bis heute immer wieder vorgenommene, pauschale Zuordnung der Emotionen zu den unkontrollierbaren, sinnlichen und triebhaften Begehrensvermögen wie Durst, Hunger, Sexualitätstrieb, lässt sich durchaus als eine Abwertung der Emotionen begreifen. Schon Piaton, der die menschliche Seele in die drei Vermögen Vernunft, Wille und Sinnlichkeit einteilte, bewertete die Emotionen gegenüber den rationalen Vermögen (Verstand und Wille) als mehr oder weniger lästige Störfaktoren des Denkens und Handelns. 3 Die Stoiker verglichen die Emotionen sogar mit Krankheiten, deren Beherrschung und Unterdrückung sie als Königsweg zu einem guten Leben betrachteten. 4 Traditionell beschäftigen sich Philosophen daher vorwiegend mit den rationalen Seelenvermögen des Menschen: dem Denken, Wünschen und Wollen. Sie erörtern die Bedingungen, Funktionsprinzipien und Zwecke menschlicher Rationalität, die Zusammenhänge von Denken, Wünschen und Handeln sowie ihre Beiträge für hohe menschliche Werte — wie Freiheit und Gerechtigkeit — unter weitestgehender Ausblendung emotionaler Empfindungs- und Funktionsfähigkeiten. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass der Mensch im Zustand emotionaler Erregung gerade nicht als vernunftbegabtes Wesen erscheint, das seinen freien Willen gemäß selbst gewählter Prinzipien durchsetzen kann, ist es durchaus nachvollziehbar, dass Philosophen sich so auffallend wenig oder einseitig abwertend um eine Analyse der Emotionen bemüht haben. 5 Wenn diese — wie die Stoiker meinten — nichts als Wahnzustände (pertubatdonis animi) oder wenigstens krankheitsähnliche Zustände sind, denen Menschen sich hilflos ausgeliefert fühlen, liegt es nahe, sie in den Zuständigkeitsbereich der Medizin und Psychologie zu verbannen, wo es dann um die Erforschung der Mittel ihrer Heilung geht/' Von diesem Standpunkt aus erscheint es auch selbstverständlich, den Tieren Emotionen zuzuschreiben, so dass Emotionen demnach nicht einmal spezifisch menschliche Vermögen wären. Sofern Emotionen als sinnliche Kräfte aufgefasst werden, die ebenso wie bei den Tieren funk-
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Einführung
und
Hintergrund
tionieren, scheinen sie zu den atavistischen, unzivilisierten Kräften in uns zu gehören. Akzeptiert man diese Prämisse, so folgt daraus, dass es allein die rationalen und sprachlichen Fähigkeiten des Menschen sein können, die ihn gegenüber anderen animalischen Lebewesen in eine Ausnahmeposition rücken. Inwieweit sich aber tatsächlich die angeblichen Furcht-, Eifersuchtsoder Zuneigungsreaktionen der Tiere mit den entsprechenden Emotionen des Menschen vergleichen lassen, ist bei genauerer Betrachtung durchaus fraglich. Allein die Tatsache, dass Menschen im Unterschied zu Tieren eine Spezies sind, die über Sprache und Kultur verfugt, markiert einen signifikanten Unterschied. Naheliegenderweise ist davon auszugehen, dass Fähigkeiten wie etwa die, Einstellungen höherer Ordnungen zu generieren oder auch sich auf eine ferne Zukunft und abstrakte Sachverhalte repräsentierend beziehen zu können, irgendeinen Einfluss auf die Art und Funktionsweise unserer Emotionen haben. 7 Trotz der biologischen und funktionalen Analogien zwischen den emotionalen Reaktionen bei Mensch und Tier sind die Differenzen zwischen ihnen ebenso zu berücksichtigen, will man eine Anthropomorphisierung vermeiden. Das Bild vom Menschen als dichotomem Wesen, in dem sich emotionale und verstandesartige Vermögen unvermittelt gegenüberstehen, ändert sich allmählich zugunsten einer homogeneren Auffassung. So erkunden die neueren positiven und so genannten .Lebenswissenschaften' die untrennbare Vernetzung und wechselseitige Beeinflussung von Fühlen, Wahrnehmen, Denken und Handeln im lebendigen Existenzvollzug der Menschen. 8 In der zeitgenössischen, insbesondere der angelsächsischen Philosophie der Emotionen wird zudem die Rolle der Sprache für die Genese und ein begriffliches Verständnis menschlicher Emotionen reflektiert. 9 Immerhin kommt Sprache schon auf der ersten Stufe der Beschäftigung mit Emotionen ins Spiel, wenn wir darüber nachdenken, wie wir sie bei uns und anderen zur Kenntnis nehmen. Typischerweise schreiben wir uns und anderen Emotionen zu, indem wir Emotionsausdrücke und ihre Synonyme auf bestimmte Kontexte anwenden. Zudem reden wir über unsere emotionalen Reaktionen mit anderen und bilden Theorien über ihre Hintergründe und Funktionen, die wir austauschen und überprüfen. Emotionen sind also sprachlich kommunizierbar. 10 Darüber hinaus wenden wir ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Wertbegriffe auf Emotionen an, so z.B. wenn wir es angemessen finden,
Die emotionalen
Seiten
des
Menschen
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dass sich jemand für sein verletzendes Verhalten entschuldigt oder wenn wir das Ausmaß einer Emotion im Verhältnis zum Auslöser für unangemessen halten. Letzteres wäre sicher der Fall, wenn jemand auf einen zu leise ausgesprochenen Gruß eines Nachbarn mit einem Wutausbruch reagiert. Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit von Emotionen ist letztlich etwas sprachlich Erworbenes und setzt Kenntnisse der relevanten Durchschnittsszenarien voraus, die als Vorbild und Maßstab dienen. Auch diese Tatsachen sind im Kontext einer Theorie der Emotionen zu berücksichtigen. Menschen sind außerdem in der Lage, mit reflexiven Emotionen oder Emotionen ,zweiter Stufe' auf Emotionen .erster Stufe' zu reagieren. Damit ist gemeint, dass man sich z.B. seines Neides schämen oder stolz auf sein Mitgefühl sein kann. Das sind reflexive Formen der emotionalen Bewertungen von Emotionen, die sich z.T. auf die Kritik einer Emotion erst aufbauen und also auf Kritik zu reagieren scheinen. Bereits solche phänomenalen Fakten verweisen darauf, dass unsere Emotionen zumindest nicht ausschließlich von angeborenen Reflexen und Instinkten geprägt werden. Vielmehr scheinen auch Akte der sprachabhängigen und normativen Reflexion in diesem Zusammenhang wirksam zu werden. Anhand der alltagspsychologischen Zu- und Beschreibungen von emotionalen Regungen erfahren wir immer auch etwas über das Verhältnis der betroffenen Menschen zur Welt, in der sie leben. Was wir erfreulich finden, gehen wir motiviert und häufiger an und was uns bedrückt, bedrohlich erscheint oder langweilt, versuchen wir eher zu meiden oder zu delegieren. Emotionen scheinen von daher zu den Regulationsfaktoren unserer Beziehungen zu Tätigkeiten, Lebewesen und Dingen zu gehören. Wie bereits mit Blick auf Houellebecqs Roman ex negativo angedeutet wurde, wirken Emotionen sinnstiftend. 11 Das kann natürlich sehr Verschiedenes bedeuten. So nehmen einige Emotionen in fast jeder menschlichen Biografie eine Art Sonderstellung ein, wie z.B. die Liebe zu einem anderen Menschen oder auch die Traurigkeit über ungelebte Möglichkeiten und Verluste. Die oft weit reichenden biografischen Konsequenzen emotionaler Bindungen an Personen oder Dinge liefern auch den Stoff für die mannigfachen Darstellungen und Illustrationen in Filmen, Liedern, Gedichten, Büchern und den Medien.
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Einführung
und
Hintergrund
In vielen Situationen beziehen wir uns auf unsere Emotionen, indem wir unter anderem auf die Wünsche und Bedürfnisse, Wahrnehmungen und Gedanken verweisen, die hinter ihnen stehen oder aus ihnen zu folgen scheinen. Der Konnex von Emotionen mit anderen mentalen Zuständen spiegelt sich z.B. darin, dass wir befriedigt oder frustriert, irritiert oder bestätigt auf etwas reagieren. Die Befriedigungen und Frustrationen, Abweichungen und Bestätigungen unserer Wünsche und Bedürfnisse sowie die Erreichung und Verfehlung unserer Ideale erleben wir als die Auslöser und Gründe unserer Emotionen. Das Spektrum menschlicher Emotionen lässt sich insofern als Indikator für die Ausdifferenzierung unserer Bestrebungen und Bedürfnisse verstehen, die von einfachen Wünschen bis hin zu komplexen Lebensvorstellungen reichen. In Abhängigkeit von der individuellen Bedürfnis- und Denkstruktur, die wir als kritik- und revisionsfähige Wesen ausbilden können, variiert offenbar das emotionale Spektrum auch individuell. Wir staunen häufig darüber, wie verschieden Menschen doch fühlen, wie sehr sie hinsichtlich ihrer emotionalen Ansprechbarkeit in unterschiedlichen Welten leben. Was der einen Person größte Freude bereitet, ist der nächsten womöglich gleichgültig oder gar unangenehm. Die meisten von uns suchen daher, aus einem grundlegenden Harmoniebedürfnis heraus, in ihrem Leben die Nähe von Menschen, die ein ähnliches emotionales Profil haben wie sie selbst. Unter den Emotionen ist besonders das Staunen häufig als der Affekt der Philosophie bezeichnet worden. 12 Neugieriges Staunen regt uns generell dazu an, Erklärungen zu suchen und nicht zuletzt dazu, komplexe Theorien zu bilden. So gesehen zählen wenigstens manche Emotionen zu den nicht wegzudenkenden motivationalen Grundlagen selbst noch unserer wissenschaftlichen Betätigungen. Beziehen wir uns also staunend und neugierig auf die emotionalen Quellen menschlicher Zustandsveränderungen und Handlungsweisen und fragen: Woraus bestehen diese gleichermaßen alltäglich präsenten wie vielseitig wirkenden Emotionen? Woran erkennen wir sie bei uns und anderen? Und wie lässt sich ihre Rolle im menschlichen Leben und Selbstverstehen aus philosophischer Sicht erhellen?
Der philosophische
blick
auf
Emotionen
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0.2 Der philosophische Blick auf Emotionen Eine philosophische Theorie der Emotionen hat die Aufgabe, zu beschreiben und zu erklären, woraus die darunterfallenden Phänomene bestehen und was sie im Wesentlichen auszeichnet. Leitender Gesichtspunkt ist dabei die Suche nach einem Beschreibungsrahmen, der geeignet ist, die konstitutiven Elemente repräsentativer Emotionen so zu erfassen, dass ihre Abgrenzung von verwandten affektiven und nicht-affektiven Phänomenen möglich wird. 13 Von der Konzeption der Emotionen hängt es unter anderem ab, wie wir das Verhältnis von Passivität und Aktivität, Erleben und Handeln im menschlichen Leben gewichten. Erst im Anschluss an den Durchgang durch die Problematisierungen und Lösungsvorschläge der zeitgenössischen philosophischen Theorien zu den Emotionen werden wir über die notwendigen argumentativen und begrifflichen Mittel verfügen, um eine vertretbare Definition des Emotionsbegriffs zu geben. Was unter „Emotionen" verstanden werden soll, ist also die Frage, auf die die gesamte Arbeit eine Antwort zu geben versucht und deren Beantwortung damit am Schluss und nicht am Anfang der vorliegenden Untersuchung stehen kann. Im Gegensatz zu skeptischen Positionen, wie sie u.a. Amélie Rorty 14 und Ullaliina Lehtinen l s einnehmen, die eine Theorie der Emotionen aufgrund der Vielfältigkeit der dazu zählenden Phänomene für aussichtslos halten, gehe ich in dieser Arbeit davon aus, dass den Emotionen trotz der großen Anzahl und Unterschiedlichkeit der dazu zählenden Phänomene — eine formal angebbare, gemeinsame Struktur zugrunde liegt. Die These, für die ich hier argumentiere, lautet, dass Emotionen eine irreduzibel narrative Struktur haben und Geschichten die kleinsten Bedeutungseinheiten der einzelnen Emotionsbegriffe bilden. Eine Strukturanalyse, wie ich sie hier entwickele, ist aus meiner Sicht dann ausreichend plausibilisiert, wenn sie auf die zentralen und paradigmatischen Beispielfälle erklärend anwendbar ist. Sie erhebt nicht den Anspruch, auf jedes mögliche Vorkommnis einer Emotion gleichermaßen gut anwendbar zu sein. Dieser eingeschränkte Geltungsanspruch sollte nicht als Relativismus missverstanden werden. Es ist der Sache immanent, dass es eine unaufhebbare Unschärfe an den Rändern des Emotionsbegriffs gibt. Vermutlich lassen sich für jeden emotionstheoretischen Ansatz Grenzphänomene finden, die nicht mehr in dessen Begrifflichkeit und Erklärungsschemata einzupassen sind. Phänomene wie Schreck oder Interesse
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Einführung
und
Hintergrund
sind für viele Theorien solche Grenzfalle und bleiben es auch für den von mir hier vertretenen narrativen Ansatz. Die Frage ist, welches kritische Gewicht den problematischen Grenzphänomenen einzuräumen ist. Um nicht einfach dogmatisch zu sein, muss auch eine Strukturanalyse der Emotionen den Anforderungen einer Theorie gerecht werden, darunter insbesondere der, falsifizierbar zu sein. Was würde also als Gegenargument gegen den hier zu entwickelnden Ansatz gelten können? Eine auf strukturelle Einheit und allgemeine Gültigkeit abzielende Theorie der Emotionen ist dadurch falsifizierbar, dass Beispiele für Phänomene angeführt werden können, die klarerweise für die meisten sprachkompetenten Personen zu den Emotionen zählen — und dennoch nicht in Begriffen der vertretenen Strukturanalyse angemessen erfasst werden können. Die nachweisbar großen Unstimmigkeiten hinsichtlich der Extension des Emotionsbegriffs sollten jedoch nicht das dazu gegenläufige Phänomen verdecken, dass die meisten Menschen eine große Sicherheit in ihren vortheoretischen Meinungen darüber an den Tag legen, um welche Phänomene es sich bei Emotionen handelt. Immerhin sind Emotionen keine abstrakten Entitäten, wie Zahlen oder Quarks, sondern konkrete Alltagsphänomene. Diese normale Sicherheit im Wissen um die Emotionen hat bereits Descartes mit Selbstverständlichkeit auch philosophisch in Anspruch nehmen zu können gemeint, wenn er schreibt: „Es handelt sich dabei [bei den Emotionen, C.V.] um einen Gegenstand, dessen Kenntnis [...] nicht schwer erscheint, da jeder diese Leidenschaften in sich selbst fühlt und deshalb die Beobachtungen nicht von Anderen zu entnehmen braucht, um ihre Natur zu erfassen." 16
Ob nun ausgerechnet das, „was jeder in sich selbst fühlt" ohne weiteres verallgemeinerbar ist, mag man gegenüber Descartes mit Gründen anzweifeln. Doch ungeachtet der prinzipiell möglichen Irrtümer sind es stets die generalisierbaren Merkmale emotionaler Erfahrungen, um deren Herausarbeitung sich philosophische Analysen bemühen. Eine vertretbare Theorie der Emotion muss sich jenseits von Kohärenz, Einfachheit und Begründetheit auch noch daran messen lassen, inwieweit sie unseren alltäglichen Erfahrungen und Umgangsweisen mit Emotionen adäquat echnung trägt. Dass nicht einmal dieser Anspruch unkontrovers ist, wird deutlich, wenn man sich die Meinungen von Autoren wie Joseph
Der philosophische
Blick
auf
Emotionen
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LeDoux und Paul Griffith ansieht. 17 Ihrer Auffassung nach ist ein Bezug auf alltagspsychologische Meinungen über Emotionen deshalb überflüssig, weil subjektives Bewusstsein ohnehin keine Rolle für Genese oder Verständnis der Emotionen spielen würde, da die meisten Emotionen unterhalb der Schwelle bewusster Wahrnehmung abliefen und Alltagstheorien zudem wissenschaftlich unabgestützt seien. Im Gegensatz dazu gehe ich hier mit der Mehrheit der zeitgenössischen philosophischen Ansätze davon aus, dass eine Analyse der sprachlichen Zuschreibungsbedingungen von Emotionstermen durchaus dazu verhilft, einem Verständnis unserer Emotionen und emotionalen Erfahrungen den Weg zu bahnen. Philosophische Theorien verfahren daher so, dass sie hin- und hergehen, zwischen einer auf konkrete Erfahrungen und alltagspsychologische Umgangsweisen mit Emotionsausdrücken Bezug nehmenden Beschreibung einzelner emotionaler Situationen und einer daraus abstrahierenden Filterung der identifizierenden Aspekte, die den paradigmatischen emotionalen Vorkommnissen gemeinsam sind. Von den meisten naturwissenschaftlichen Annäherungen weichen Philosophen in ihren Theoriebildungen zu Emotionen also auch darin ab, dass sie das alltags sprachliche Verständnis der Emotionen selbst mit zu dem empirischen Material zählen, das es zu verstehen gilt. Mit Hilfe der Analyse unserer alltagssprachlichen Praxis der Zuschreibung von Emotionstermen — so der Gedanke - erfahren wir den konkreten Sinn von „Freude", „Wut", „Verliebtheit", „Schuld" und „Mitleid" für unsere menschliche Existenz. Die meist implizit bleibenden, alltagstheoretischen Vorstellungen davon, was Emotionen sind, sind natürlich ihrerseits fehleranfällig und bei genauerer Betrachtung häufig genug in sich inkonsistent, so dass sie nicht unhinterfragt bleiben können. Indem diese alltagspsychologischen Vorstellungen explizit gemacht werden, kann gegebenenfalls auch ihre Revision erforderlich werden. Auch diese kritische Funktion, so ist zu ergänzen, hat eine Theorie der Emotionen im Auge zu behalten. Die vorliegende Arbeit gliedert sich thematisch in 3 Teile. Der 1. Teil dieser Untersuchung führt in die Motive, Methoden und Ziele der vorliegenden Untersuchung ein. Nach einem Exkurs zur Terminologie folgt die Überleitung zu einem Kapitel über anthropologische Annahmen, die zumindest implizit im Hintergrund einer jeden Theorie der Emotionen stehen. In diesem Teil geht es übersichtartig um die Funktionsbestimmungen von Emotionen aus psychologischer, philosophischer, neuro-
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Einführung
und
Hintergrund
wissenschaftlicher und soziobiologischer Sicht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Verhältnisbestimmung von kognitiven und emotionalen Vermögen im menschlichen Seelenhaushalt. Je nachdem, welches Bild vom Menschen favorisiert wird, erscheinen kognitive und emotionale Vermögen entweder als oppositionelle Kräfte zueinander, die den Menschen innerlich spalten oder als untrennbar verknüpfte Vermögen, die ein in sich harmonisches Menschenbild erlauben. Im Anschluss an die anthropologischen Grundsatzüberlegungen wird zum 2. Hauptteil der Arbeit übergeleitet, in dem die zentralen philosophischen Theorien der Emotionen vorgestellt und diskutiert werden. Aus Gründen der Anschaulichkeit wird das Spektrum der philosophischen Theorien der Emotionen zunächst von seinen entgegen gesetzten Polen her abgesteckt: Traditionelle introspektionistische Ansätze werden mit behavioralen Ansätzen konfrontiert. Über die Kritik dieser Ansätze führt der Text zur Diskussion unterschiedlicher kognitivistischer Rekonstruktionen der Emotionen, die heute innerhalb der Philosophie das Feld der Emotionsforschung dominieren. Im Zentrum der kognitivistischen Analysen von Emotionen stehen Fragen zur epistemischen Dimension der zu untersuchenden Phänomene, die auch den Zugang zu ihnen betreffen. Diese werden primär unter den Gesichtspunkten der so genannten Intentionaütät und normativen Bewertbarkeit von Emotionen aufgenommen. Die verschiedenen Ansätze innerhalb des Kognitivismus zu diesen Themen werden miteinander verglichen und auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft. Im weiteren Fortgang der Arbeit wird untersucht, wie aus kognitivistischer Sicht das Verhältnis von Emotionen zu Empfindungen, Wahrnehmungen und Verhaltenstendenzen sowie zu nicht-emotionalen intentionalen Zuständen zu gewichten ist. Das führt u.a. zur Auseinandersetzung mit einer gängigen Kritikvariante am Kognitivismus. Während der Kognitivismus aus meiner Sicht gegen zu kurz greifende Vorwürfe der Überintellektualisierung von Emotionen zu verteidigen ist, führen andere problematische Reduktionsversuche des Kognitivismus zur Fokussierung erweiterterer Ansätze, nämlich der so genannten komponententheoretischen Ansätze. Mit der Darstellung dieser komponententheoretischen Konzeptionen der Emotionen endet der 2. Hauptteil der vorliegenden Arbeit. In einem dritten und letzten Teil der Arbeit werden zum einen die Vorzüge und Grenzen auch der komponententheoretischen Ansätze reflektiert sowie zum anderen eigenständige Perspektiven entwickelt,
Terminologie
und Abgrenzung
des Phänomenbereichs
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welche die innere Einheit der komplexen Emotionen sowie ihre genuin gefühlsmäßige Dimension ins Zentrum der Auseinandersetzung rücken. In dem Versuch, die Frage nach der Einheit der Emotionen zu beantworten sowie einen Vorschlag zur Differenzierung des Gefühlsbegriffs zu unterbreiten, geht diese Arbeit über die Rahmensetzungen der bestehenden Emotionstheorien hinaus. In diesem dritten Teil argumentiere ich für ein sogenanntes narratives Modell der Emotionen, das neben komplexen intentionalen Konstituenten auch den hedonistischen Gefühlen von Lust und Unlust einen wichtigen Platz innerhalb der Konzeption der Emotionen zuweist.
0.3 Zur Terminologie und Abgrenzung des Phänomenbereichs In Übereinstimmung mit den Gepflogenheiten der einschlägigen - meist englischsprachigen Literatur - wird hier der Begriff der Emotion (engl, emotion) gegenüber den traditionelleren Synonymen „Affekt" und „Leidenschaft" bevorzugt verwendet. Dieser modernere Begriff hat den Vorteil, neutraler konnotiert zu sein, als die Bezeichnungen „Affekte" oder „Leidenschaften", welche für die besonders überwältigenden Formen emotionaler Erregung reserviert sind, während es in dieser Abhandlung um das ganze emotionale Spektrum gehen soll. Der Etymologie nach weisen „Affekt" und „Leidenschaft" auf ein passivierendes Moment der dazu zählenden Phänomene hin. „Affekt" geht auf das lateinische Wort „affectus" (körperlicher oder geistiger Zustand, Leidenschaft, Stimmung) zurück, das wiederum ein Verbalabstraktum von „afficere" (.einwirken, anregen") ist. Es verweist darauf, dass man von etwas berührt, ergriffen wird. 18 „Leidenschaft" (engl, passion, lat. passio, griech. pathos) ist eine Lehnprägung zu frz. „passion" und verweist ebenfalls auf ein Erleiden. Der Ausdruck wird heute u.a. auch verwendet, um die besondere Hingabe, mit der sich jemand einer Sache oder Beschäftigung widmet, zu bezeichnen. So sprechen wir auch von einem Hobby oder einer Liebe als Leidenschaften. 19 „Emotion" ist dem frz. „émotion" bzw. „émouvoir" (.bewegen', .erregen*) entlehnt, das wiederum die lateinische Wurzel „movere" (,bewe-
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Einführung
und
Hintergrund
gen") enthält, so dass „Emotion" ebenfalls ein ,Bewegt-werden-durchetwas' andeutet. 20 Ein gebräuchliches Wort, das speziell im Deutschen verwendet wird, ist „Gefühl" - ein Abstraktum zu dem Verb „fühlen". Es entstand im 17. Jahrhundert und entspricht eher dem französischen „sentiment" als dem englischen „feeling" (letzteres dt.: „Empfindung"). 2 1 Unter „Gefühlen" sind im weiteren Sinne alle subjektiven Wahrnehmungen innerer und äußerer Zustände zu verstehen. „Gefühle" dient daher als Überbegriff für sämdiche affektiven Phänomene. Dazu zählen neben den Emotionen auch Stimmungen und Launen, affektive Einstellungen wie Sympathie, Antipathie, Vertrauen und Misstrauen sowie lokalisierbare und diffuse Empfindungen und sogar Intuitionen. In der Literatur ist die Abgrenzung der Emotionen von den verwandten Stimmungen zentral. 22 Im Unterschied zu emotionalen Verfassungen, in denen wir stets mit etwas Konkretem konfrontiert sind, werden Stimmungen wie Angst, Depression, Heiterkeit, Traurigkeit, Euphorie als nicht-intentional — oder intentional diffus — charakterisiert, weil sie typischerweise auf nichts Besonderes bzw. auf Welt oder Leben im ganzen zielen. Euphorie ist ein Beispiel für eine positive Stimmung, für die es - im Unterschied zur Freude (über etwas) - charakteristisch ist, dass sie einen sozusagen aus dem Nichts heraus ergreifen kann und den Impuls weckt, die ganze Welt umarmen zu wollen, die einem pauschal und undifferenziert als hell, leicht und angenehm erscheint. Launen haben im Prinzip denselben undifferenzierten Effekt auf die Befindlichkeit wie die Stimmungen und sind nur im Vergleich zu den Stimmungen noch sprunghafter in ihrem Auftreten und Verschwinden. Diese Unterscheidung zwischen Stimmungen, Launen und Emotionen schließt nicht aus, dass es empirisch durchaus fließende Übergänge zwischen ihnen gibt. Manchmal ist es de facto nicht eindeutig festzustellen, ob z.B. noch eine Trauer oder schon eine Depression vorliegt, da die Symptome wie Antriebsschwäche, Lust- und Hoffnungslosigkeit sowie das Einnehmen eines pauschal negativen Weltbildes beiden Zustände inhärent sind. In der alltagspsychologischen Praxis behilft man sich dann beispielsweise damit, eine zeitliche Grenze als Wendepunkt zu nehmen. Dauert eine Trauer länger als ein paar Monate an, mag sie als Depression eingestuft und behandelt werden. Im Vergleich dazu ist ein bloßer Anflug von Traurigkeit eher als eine Laune denn als eine Stimmung oder eine Emotion zu bezeichnen. Hin-
Terminologie
und Abgrenzung
des Phänomenbereichs
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sichtlich ihrer pauschalen Effekte auf Urteile und Handlungsweisen dauert ein solch launenhafter Anflug von Traurigkeit erstens kürzer an als die entsprechende Stimmung und zweitens ist sie ihrem Gegenstandsbezug nach wiederum wesentlich diffuser als eine echte Trauer (Emotion). „Empfindungen" (engl, feelings), die ebenfalls zur Klasse der Gefühle gehören, bezeichnen im Vergleich zu Stimmungen, Emotionen und Launen die körperlichen Wahrnehmungen im engeren Sinne. Wir empfinden z.B. Berührung, Temperaturwechsel, Druck oder Geräusche aber auch Hunger, Müdigkeit, Herzrasen sowie Schmerzen und Gänsehaut. Die weitere Unterkategorie der „Lust- und Unlustgefiihle" sind von Stimmungen, Emotionen, Launen und Empfindungen nochmals dadurch zu unterscheiden, dass sie zu den organisch nicht-lokalisierbaren, gleichwohl wahrnehmbaren Zustandsveränderungen gehören, die bewirken, dass wir uns insgesamt behaglich oder unwohl fühlen. Neben den körperlich-organisch lokalisierbaren Empfindungen wie Herz- oder Magenstiche und den unlokalisierbaren Lust- und Unlustregungen - auch Phänomene wie Nervositäts- und Trägheitsgefühle gehören dazu —, zählen wir, wie schon erwähnt, manchmal auch „Intuitionen" zur Kategorie der Gefühle. So kann man ein .ungutes Gefühl' bei der Lösung eines theoretischen Problems haben oder auch bei einer geschäftlichen Verhandlung. In diesen Fällen geben wir einer Art dunkler Vorahnung davon zum Ausdruck, dass etwas (die Lösung oder die Verhandlung) nicht stimmt oder schief gehen könnte. Hier handelt es sich jedoch um Grenzfálle. Klammern wir Intuitionen einmal ein, so ist zumindest den Emotionen, Stimmungen, Launen und Empfindungen als Gefühlsphänomenen gemeinsam, dass sie positiv oder negativ empfunden werden und meist expressiv sind. 23 Ein Blick auf die klassischen und modernen Auseinandersetzungen mit Emotionen bestätigt den Eindruck, dass viele Autoren recht Verschiedenes unter „Affekten" bzw. „Emotionen" verstehen. 24 Aristoteles, Descartes, Spinoza oder Hume — um nur eine beliebige Auswahl zu nennen — sind so verfahren, dass sie Listen mit definierenden Beschreibungen möglichst aller oder der vermeintlich elementaren Emotionstypen erstellten, aus denen alle anderen Emotionen dann als Mischformen abgeleitet werden sollten. 25 Nicht zwei Listenbildungen finden sich darunter, die identisch wären, so dass den Listen sowie den Versuchen, einzelne Emotionen zu „Basisemotionen" zu erklären, etwas Willkürliches anhaftet.
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Einführung
und
Hintergrund
Dennoch sind auch signifikante Übereinstimmungen in bezug auf die Mehrzahl der ausgewählten Phänomene zu verzeichnen, die früher wie heute als Emotionen (bzw. Affekte oder Leidenschaften) eingestuft werden. Während z.B. Phänomene wie „Begierde", „Interesse" und „Schreck" nur von einigen Autoren zu den repräsentativen Emotionen gerechnet werden, kommen andere emotionale Phänomene in nahezu jeder emotionstheoretischen Auflistung vor. Die Rede ist von Freunde, Glück, Dankbarkeit, Wut, Schuldgefühl, Scham, Stolz, Mitleid, Eifersucht, Neid, Liebe, Hass, Trauer, Sehnsucht und Furcht - um nur die wichtigsten zu nennen. Der Gegenstandsbereich, um den es in emotionstheoretischen Untersuchungen — wie auch in der vorliegenden — geht, ist mithilfe dieser intuitiven gewählten Auflistung hinreichend eingeschränkt. Da im weiteren Verlauf dieser Untersuchung nur die Unterklasse der Emotionen und nicht sämtliche affektiven Phänomene überhaupt in ihren identifizierenden Merkmalen beschrieben werden sollen, können weitere Feinheiten in der Bestimmung z.B. von Stimmungen oder Körpergefühlen zurückgestellt bleiben. Im Verlauf dieser Arbeit werden weitere terminologische Feinabstimmungen, da wo es notwendig wird, in der Auseinandersetzung mit einzelnen Positionen und Autoren vorzunehmen sein.
I. Teil Menschenbild und Verortung der Emotionen Wie eingangs erwähnt, präformieren anthropologische Vorannahmen die Perspektive, unter der Emotionen betrachtet werden. Insbesondere die auf Piaton zurückgehende tradierte Aufspaltung der Seele in vernünftige, voluntative und affektive Anteile und die dabei vorgenommene Abstufung der affektiven Vermögen auf das Niveau bloßer Triebkräfte wird von den einschlägigen Emotionsforschern aller Disziplinen für die theoretische Vernachlässigung der Emotionen verantwortlich gemacht. Sieht man sich daraufhin die anthropologischen Prämissen der relevanten Ansätze näher an, so zeichnet sich durchaus eine differenziertere Lage ab, sofern kaum ein Autor auf einer strikten Trennung der drei seelischen Vermögen beharrt. Dennoch bleibt selbst jenseits bloßer Kontrastierungen emotionaler und rationaler Vermögen das Verhältnis von Vernunft und Gefühl zu bedenken und bildet ein zentrales Motiv einer Ontologie der Emotionen.
1.1 Geschlechtsspezifität der Emotionen Der beklagten pejorativen Polarisierung von .kultivierender Vernunft' und .animalischer Emotionalität', die angeblich im Menschen um die Vorherrschaft ringen, begegnet man nicht nur auf theorieimmanenter Ebene philosophischer Anthropologien und Ontologien, sondern auch auf anderen Ebenen, wie z.B. der politischen. 26 Flankiert durch weitere korrespondierende Dichotomisierungen trägt z.B. die polarisierende Zuschreibung von entweder vernünftiger oder affektiver Natur dazu bei, ideologieträchtige Unterschiede innerhalb unserer Spezies zwischen den Kulturen (z.B. in der Rede von .Natur- versus Kulturvölkern') oder innerhalb unserer Kultur auch zwischen den Geschlechtern festzuschreiben. Effektiv in dieser Richtung wirkt sich die entsprechende Klischie-
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rung und Differenzierung von Männlichkeit und Weiblichkeit auf die Identität und das Selbstverständnis der Menschen in patrilinearen Gesellschaften aus. Während Qualitäten der Passivität, Irrationalität, Sinnlichkeit und Fürsorglichkeit als zusammengehörig gedacht und gleichermaßen der angeblich primär emotional bestimmten, weiblichen „Natur" zugeordnet werden, stehen für die Kategorisierung von Männlichkeit Attribute wie Aktivität, Aggressivität, Kampfgeist und kühle Rationalität zur Verfügung. 27 Eine vermeintlich rein männliche Rationalität steht demnach innerhalb einer sozialen Gemeinschaft einer vermeintlich rein weiblichen Einfühlungskraft und Emotionalität gegenüber, als handele es sich dabei um zwei grundverschiedene Kulturen oder Lebensformen. Unter dem Einfluss einer feministischen Kritik an den daraus abgeleiteten, komplementären Rollenerwartungen entwickelte sich im ausgehenden letzten Jahrhundert eine Tendenz zum Paradigmenwechsel. 28 Wo die direkte Entgegensetzung von angeblich emotional gesteuerter Weiblichkeit und rational gesteuerter Männlichkeit nicht selbst schon als falsches Menschenbild zurückgewiesen und zugunsten komplexerer Entwürfe beider Geschlechteridentitäten revidiert wird, gehört es zu den Bemühungen des feministischen Spektrums, zumindest eine Aufwertung der Emotionalität/Weiblichkeit vorzunehmen, indem z.B. die gesellschaftliche Relevanz von Fürsorge, Mitgefühl und Empathie stärker hervorgehoben wird. Somit werden Formen sozialer Intelligenz einer vermeintlich einseitig zweckrationalen Vernunft — die bis dahin als eigentlich gesellschaftstragend und spezifisch männlich galt — korrigierend zur Seite gestellt. 29 Auch jenseits feministischer Diskurse ist eine wachsende Offenheit gegenüber einer Neubewertung der Emotionen für biologische, soziale, psychologische und philosophische Belange feststellbar. In der praktischen Philosophie werden u.a. im Rahmen zeitgenössischer Ethikdebatten allzu einseitig rationalistische Auffassungen vom Menschen — die meist auf Kant zurückgeführt werden —, für ergänzungswürdig gehalten. Ursula Wolf hebt z.B. besonders die Leidensfähigkeit von Lebewesen als Kriterium für ihre Integration in die moralische Gemeinschaft hervor. 30 Carroll Gilligan stellt einer rationalistischen Pflichtethik Dimensionen zwischenmenschlicher Fürsorge ergänzend zur Seite.31 Anton Leist hebt die Fähigkeit zu Mitleid und Mitgefühl als emotionale Bedingungen für moralische Flexibilität und Verlässlichkeit hervor. 32 Und im Kontext der
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modernen Moralbegründung unterstreicht Ernst Tugendhat die Notwendigkeit einer affektiven Verankerung moralischer Normen in Form der Ausbildung .innerer Sanktionen' (d.h. Schuld, Scham und Empörung). 3 3 In all diesen Fällen geht es zumindest nebenbei darum, ein nichtreduktionistisches, einheitlicheres Bild von sozialer Interaktion und moralischer Motivation zu zeichnen, wobei das Ineinandergreifen affektiver und rationaler Zugangsweisen zur Welt als realistisches und unverzichtbares Moment erachtet wird. 34
1.2 Die Einteilung der Seele Eine vergleichbar neuartige Entwicklung zeichnet sich auch in der Psychologie der Emotionen ab. Als Hintergrundfolie dient hier die Vermögenspsychologie, die gewissermaßen das psychologische Pendant zur philosophisch-platonischen Dreiteilung der Seele darstellt. Sie geht auf Johann N. Tetens (Philosophische Versuche über die menschliche Natur und Entwicklung, 1776-77) und Moses Mendelssohn (Briefe über die Empfindungen, 1755) zurück und wird später von Franz Brentano auf modifizierte Weise für die Psychologie übernommen. 3 5 Während Tetens und Mendelssohn Gefühl, Verstand und Willen für die drei nicht aufeinander rückführbaren Grundvermögen der Seele halten, teilt Brentano die menschlichen Vermögen der Seele in die der Vorstellungen, Urteile und Gemütsbewegungen ein, wobei er das Willensvermögen ebenfalls zur Klasse der Gemütsbewegungen rechnet. Allen drei Vermögen ordnet Brentano eine immanente, charakteristische Zweckorientierung (telos) zu: Im Vorstellen zielt man Brentano zufolge auf das Schöne und Hässliche, im Urteilen auf das Wahre und Falsche, und die Gemütsbewegungen einschließlich des Willens zielen ihm zufolge auf das Gute oder das Schlechte. Liebe und Hass bilden für Brentano die Grundkategorien der Emotionen, von denen alle anderen Emotionstypen wie Furcht, Ärger, Freude, Dankbarkeit usw. Derivate sind. Die Klasse der Gemütsbewegungen besteht entsprechend aus positiven und negativen Emotionstypen, die aus Brentanos Sicht in verschiedenartiger Form auf etwas Anziehendes oder Abstoßendes gerichtet sind.
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„Wer sich nach etwas sehnt, der liebt es zu haben; wer über etwas trauert, dem ist das unlieb, worüber er trauert; wer sich über etwas freut, liebt, dass es so ist; wer etwas tun will, liebt es zu tun [...], und die genannten Akte sind nicht etwas, was bloß mit einem Lieben zusammen besteht, sondern sie selbst sind Akte der Liebe. So zeigt sich, dass ,gut sein' und .irgendwie zu lieben sein' so wie andererseits .schlecht sein' und .irgendwie zu hassen sein' dasselbe besagen." 36
Der Gedanke, dass sich sämtliche Emotionen entlang einer PositivNegativ-Polarität einordnen lassen, ist von jeher ein verbreiteter Topos innerhalb der Emotionsforschung. 37 Emotionen werden je nachdem als evaluative Wahrnehmungszustände betrachtet, in denen in unterschiedlichem Maß zum Ausdruck kommt, was ein Mensch liebt oder hasst, anstrebt oder vermeidet, was ihm schadet oder nützt, was Lust oder Unlust bereitet, Lebensenergie steigert oder mindert. 38 Trotz der Abgrenzung der Emotionen von den anderen seelischen Vermögen vermeidet Brentano eine statische Deutung seiner teleologischen Vermögenspsychologie, indem er ihr den zweigliedrigen Gedanken einer idealen und einer faktisch-funktionalen Einheit der Grundkräfte überordnet: „Das Ideal der Ideale besteht in der Einheit alles Wahren, Guten und Schönen [...]. Hieraus ersehen wir, dass die Phänomene der drei Grundklassen aufs innigste sich miteinander verflechten [...]. Wir erkennen ferner, dass die drei Klassen von äußerster Allgemeinheit sind; es gibt keinen psychischen Akt, bei welchem nicht alle vertreten wären. Jeder Klasse kommt eine gewisse Allgegenwart in dem ganzen Seelenleben zu." 39
Was sich dergestalt wie ein rein theoretisches Bekenntnis zu einem ,Holismus des Mentalen' ausnimmt, hat im Kontext emotionstheoretischer Überlegungen innerhalb der Psychologie eine eminent konkrete Dimension. Die Bedeutung einer Vernetzung der mit Brentano begrifflich zu differenzierenden ,Seelenvermögen' hat u.a. Luc Ciompi aus psychiatrischer Sicht betont. Nach seiner Auffassung ist die psychische Integration kognitiver und affektiver Funktionen geradewegs die Bedingung für psychische Gesundheit. 40 Ciompi hält das Auseinanderklaffen oder die Integration von Fühlen und Denken für das auszeichnende Merkmal kranker oder gesunder Persönlichkeiten und setzt einer letztlich krank-
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heitsbildenden Abspaltung von Affektivität und Kognitivität die Beschreibung einer gesunden psychischen Konstellation entgegen, die beide Faktoren in einer „Affektlogik" synthetisiert. „Das anspruchsvolle Fernziel einer adäquaten affektlogischen Theorie müsste es somit sein, in allen nur möglichen psychischen Vorgängen und Erscheinungen affektive und kognitive Komponenten nicht isoliert, sondern in ihrem ständigen und engen funktionellen Zusammenwirken zu verstehen."41 Eine Verzahnung von Affektivität und Kognitivität zeigt sich u.a. an dem Einfluss der Emotionen auf unsere Gedächtnis- und Lernleistungen. Affektiv besetzte Stimuli und Szenarien werden offenbar leichter dem Gedächtnis .einprogrammiert' und auch automatischer abgerufen, als affektiv neutrale Stimuli und Szenarien. 42 Dafür scheinen neben Alltagserfahrungen auch neuerliche psychologische Untersuchungen zu sprechen. Die Wirkung von Emotionen auf das Gedächtnis und auf Lernprozesse testen Psychologen z.B. dadurch, dass sie Versuchspersonen in bestimmte Stimmungen versetzen und ihnen dann in zeitlichen Abständen wiederholt dieselben Stimuli, z.B. Bilder, präsentieren. Die Erinnerung an diese Bilder funktioniert in späteren Testsituationen überdurchschnittlich gut, wenn die Versuchspersonen sich in der gleichen Stimmung wie bei der ersten Darbietung des Materials befinden. 43 Die Resultate empirischer Tests sprechen dafür, dass im Netzwerk des Gedächtnisses vermehrt solche Inhalte aktiviert werden, die mit der jeweiligen Gefühlslage bereits assoziiert sind.44 Psychologen bezeichnen dieses Phänomen auch als ,Stimmungs-Kongruenz-Effekt', der die Aufnahmebereitschaft gegenüber neuen Informationen betrifft. So sind im Durchschnitt traurig oder depressiv Gestimmte für negative Informationen und fröhlich Gestimmte für optimistische Informationen empfänglicher. 45 Werbepsychologen machen sich diesen experimentell nachweisbaren Einfluss von Gefühlen auf den Abruf von Informationen aus dem Geächtnis bei der Platzierung von Werbeblöcken und der Gestaltung von Werbung überhaupt zunutze. Die Überprüfung des Verbraucherverhaltens bestätigt wohl, dass z.B. eine .bedächtige' Werbung, die ein .ernstes' Filmprogramm unterbricht, bereitwilliger aufgenommen wird als eine lustige. Allerdings gilt wohl auch dies nur unter Einschränkungen. So weist Gerhardt Roth darauf hin, dass der Einfluss von Gefühlen und Stimmungen auf Urteilsbildung und Gedächtnis meist vielfältiger aus-
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fällt. Zu starke emotionale Erregung z.B. blockiert Erinnerung. Der berühmte ,black-out' in Stress besetzten Prüfungssituationen ist nur ein Bespiel dafür, das wir aus dem Alltag kennen. Zudem gibt es auch noch einen .Stimmungs-Inkongruenz-Effekt', sofern sich aus einer negativen Stimmung heraus positiv besetzte Inhalte besser einprägen als negative. Ist z.B. der Film, den man gerade sieht, sehr traurig, dann kann eine fröhliche Werbeunterbrechung sogar positiver aufgenommen werden, als eine der Stimmung nach zum Film besser passende, weil dann womöglich schon wieder ein Bedürfnis nach Ausgleich der Extreme besteht. 46 Die Hervorhebung der wechselseitigen Einflussnahme von Kognitionen und Emotionen impliziert noch keine Verschleifung ihrer Differenzen, sondern setzt im Gegenteil eine vermögenspsychologische Sicht auf die Psyche des Menschen voraus. Auf Basis der Unterscheidung voluntativer, kognitiver und affektiver Funktionen lässt sich erst konkretisieren, worin der spezifische Beitrag von Denk- und Fühlvorgängen zur Einheit der Psyche besteht. Aus psychiatrischer Sicht lautet z.B. Luc Ciompis Vorschlag dazu, dass Emotionen der für sich betrachtet ,abstrakt- immateriellen' Ebene des Denkens einen .konkret-materiellen', nämlich fühlbaren Ausdruck verleihen. 47 Durchgehend beschreibt Ciompi Affekte als Phänomene der lust- oder unlustvollen Wahrnehmung physischer — vor allem peripherer und hormoneller - Veränderungen. „Der eine (nämlich der Gefühlsanteil) ist stark im Materiellen, Körperlichen und Konkreten verankert, dem direkten Tun und Perzipieren (d.h. der SensoMotorik) verhaftet, und reicht damit in seinen Ursprüngen recht direkt ins Animalische und Biologische zurück. Der andere (nämlich der geistige oder kognitive Anteil) dagegen greift unter gradliniger Weiterdifferenzierung der schon im Biologischen und sensori-motorischen Bereich angelegten Strukturen, wie Piaget gezeigt hat, weit über das materielle und faktische Geschehen hinaus, indem er dieses - mit einem ungemeinen Gewinn an Ökonomie [...], kurz an Freiheit, [...] - zunehmend abstrahiert und intemalisiert."48 Denkvorgänge betreffen nach Ciompi insofern etwas .Immaterielles', als ihnen die Aufgabe einer differenzierten Erfassung von abstrakten Verhältnissen und Relationen nach Gesichtspunkten der Logik unterstehen. Darüber hinaus ist für Ciompi selbst ein vermeintlich rein kognitives Handeln, wie die Lösung mathematischer Probleme, affektiv getönt. Eine gefundene Lösung lässt einen z.B. befriedigt mit der Suche nach anderen Lösungen aufhören und wird als angenehm empfunden. Solange das
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Problem nicht gelöst ist, empfindet man die Aufgabe als quälend, was einen antreibt, weitere Wege der Lösung auszuprobieren. 49 Während Brentano sämtliche psychische Funktionen für allgegenwärtig hält, glaubt Ciompi an die faktische Allgegenwärtigkeit besonders der affektiven Kräfte, weil sie es seiner Auffassung nach erst sind, die uns in Bewegung und Tätigkeit versetzen. Das effiziente Zusammenwirken von Denken und Fühlen zeigt sich Ciompi zufolge schon auf der frühesten Stufe menschlicher Erkenntnisentwicklung. Sobald ein Kind z.B. handelnd-erlebend ein kognitives Schema über den Umgang mit Feuer bildet, lernt es dabei Unlustgefiihle mit Gefahren zu assoziieren, die mit dem Feuer verbunden sind. So entsteht ein Schema, in dem nun Angstsignale gepaart mit Geboten zur Vorsicht fest verankert sind. Die erkenntnis- und handlungsleitende Relevanz der Gefühle besteht demnach in der Lust- bzw. Unlustmarkierung kognitiver Repräsentationen (Schemata), womit wir auch bei Ciompi wiederum einer genuin evaluativen Funktion und Dimension der Affekte begegnen. 50 Da Ciompi nicht zwischen verschiedenen affektiven Phänomenen unterscheidet, vielmehr einfach abwechselnd von Stimmungen, Emotionen und Gefühlen so spricht, als ob es sich um Synonyme handelt, ist seine These von der evaluativen Funktion auf das gesamte Spektrum der Affektivität bezogen und nicht ausschließlich auf die im engeren Sinne emotionalen Phänomene wie Furcht, Ärger, Eifersucht, Verliebtheit, Freude usw. eingeschränkt. Beeinflusst ist Ciompi durch die Psychoanalyse, von der man wohl zu Recht sagen kann, dass sie das Menschenbild im letzten Jahrhundert nachhaltig verändert hat. Dabei ist es gerade ihr Merkmal, die auch ins Unbewusste verdrängte Emotionalität in ihrer bestimmenden Kraft für individuelle Biografíen hervorgestellt zu haben. Um zu verstehen wie, sind die Grundzüge der Freudschen Psychoanalyse mit Fokus auf die darin enthaltene Affekttheorie ins Gedächtnis zu rufen. Zunächst findet sich auch in der Psychoanalyse eine Positiv-NegativEinteilung der Affekte ebenso wieder wie eine eigene Form der Dreiteilung der ,Seele', da Sigmund Freud in seinem so genannten ,topischen Modell' das menschliche Bewusstsein (Seele) in die Instanzen des Überich, Ich und des Es aufspaltet. 51 In diesem Modell umfasst die Instanz des Es die Triebe und sinnlichanimalischen Bedürfnisse des Menschen und ist der Bereich des Unterbewussten. Dem gegenüber steht das Über-Ich, das durch die Verinnerli-
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chung elterlicher Ge- und Verbote zustande kommt und damit die psychische Instanz eines kulturell überformten Sollen und Willen darstellt. Das Ich stellt schließlich die bewusste Ebene der Psyche dar und ist gewissermaßen das Ergebnis des Kampfes zwischen den antagonistischen Kräften des Über-Ich und des Es. Aus ähnlichen Gründen, aus denen die Stoiker und Piaton glaubten, dass ein .gutes Leben' die Herrschaft der Vernunft über die Gefühle voraussetze, hält Freud die Kontrolle und Zensur des Es durch das Überich für erforderlich. Erst die Triebkontrolle befähigt den Menschen dazu, ein Leben zu fuhren, das Gewalt, Inzest und andere Exzesse zugunsten zivilisierter Formen ausschließt. Triebverzicht ist Freud zufolge der Preis für Zivilisation, eine entsprechende Hierarchisierung der drei Bewusstseinsebenen die Bedingung dafür. 52 Emotionen oder Affekte nehmen in Freuds Modell nun eine Art Zwischenstellung zwischen allen drei Instanzen ein. Einfache Affekte, die aus dieser Sicht als lustvoll oder unlustvoll erlebte Abfuhrvorgänge von Spannungen zwischen Ich und Es zu verstehen sind, zählt Freud ebenso dazu wie komplexer strukturierte Schuldgefühle, die sich aus der Abweichung des Ich von Geboten des Über-Ich ergeben. 53 Freud überschreitet die traditionelle Gleichsetzung der Emotionen mit bloßen Trieben oder Empfindungen, indem er ihnen neben einer triebartigen eine kognitive Komponente zuordnet. 54 Unter den kognitiven Komponenten sind die Vorstellungen und Gedanken zu verstehen, die z.B. einem Schuldgefühl oder einer Furcht ihren Inhalt verleihen. Die Positiv-Negativ-Aufspaltung der Affekte orientiert Freud jedoch ausschließlich an dem hedonistischen Wert der Emotionen, d.h. daran, ob Lust- oder Unlustempfindungen vorliegen. Diese ergeben sich ihm zufolge aus der Spannung oder Übereinstimmung von dem auf Triebbefriedigung zielenden Lustprinzip 55 und dem auf Triebkontrolle zielenden Realitätsprinzip 56 , die gleichermaßen intrinsische Konstanten im menschlichen Leben darstellen und lebenslang auf den Menschen einwirken. 57 Freuds Topik ist nun ebenfalls auf Dynamik angelegt: die drei Instanzen Es, Ich und Über-Ich interagieren im Prinzip ständig. 58 Welcher gedankliche Inhalt in welcher Form (z.B. als Furcht- oder Wutregung, als Traum oder Wunsch) ins Bewusstsein vordringen darf, wird im Verlauf der Koordination aller drei psychischer Instanzen entschieden. Das Ausmaß, in dem die intrapsychische Koordination reibungslos verläuft oder Spannung erzeugt, entscheidet letztlich über Art und Intensität des
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emotionalen Ausdrucks und das subjektive Wohlbefinden. Die gesamte Affektdynamik, d.h. der Verlauf einer affektiv getönten Spannung von ihrer Steigerung bis zu ihrem .AbIdingen', wird nach Freud zusätzlich vom so genannten „Nirvanaprinzip" reguliert, das permanent auf einen Ausgleich und Abbau affektiver Spannungen bis zum Nullpunkt drängt.59 Dieses Nirvanaprinzip nimmt eine psychoökonomisch notwendige Ausgleichsfunktion gegenüber der Spannung bildenden Polarität von Lust- und Realitätsprinzip ein, ohne das die Menschen von ihren Emotionen hin und her geworfen würden. Die Psychoanalytikerin Edith Jacobson hält dieses von Freud gezeichnete Bild vom Menschen und insbesondere das wichtige Nirvanaprinzip für ergänzungswürdig, da ihrer Meinung nach das psychische Leben der Menschen einer noch komplexeren Aufgabenstellung unterworfen ist.60 Die Beherrschung und Befriedigung der Triebe will Jacobson zufolge ebenso geleistet sein wie die Anpassung an wechselnde soziale Umgebungen und die organische und psychische Selbsterhaltung. Ein Versagen jeder einzelnen dieser Funktionen führt bereits zu entsprechenden Störungen der psychischen Ökonomie. Jacobson gibt daher zu bedenken, dass ein ausschließlich auf Erhaltung eines konstanten Spannungsniveaus abzielendes ökonomisches Gesetz (Freuds Nirvanaprinzip) diesen komplexen Funktionen des psychischen Haushaltes nicht angemessen wäre.61 Sie hält daher eine erweiterte Beschreibung der psychoökonomischen Gesetzmäßigkeit für angebracht, wonach neben einem konstanten Zustand des Gleichgewichts vor allem eine ausgeglichene Verteilung der unterschiedlichen energetischen Kräfte innerhalb der psychischen Organisation aufrechtzuerhalten ist. Da es sich hier um theoretische Hypostasierungen handelt, wählt Jacobson die Konjunktivform in folgendem Zitat: „Die Funktion des Konstanzprinzips [d.h. .Nirvanaprinzip', C.V.] bestünde nicht in der Spannungsreduktion, sondern in der Errichtung und Erhaltung einer unveränderlichen Mittellinie der Spannung und eines gewissen Spielraums für die Schwingungsausschläge; des weiteren hätte dieses Prinzip die Aufgabe, die Rückkehr des Spannungspendels zur Mittellinie durchzusetzen und die Abfolge der Spannungsschwingungen zu steuern." 62
Anders gesagt ist Jacobson zufolge nicht ein konstant spannungsfreies Grundbefinden das psycho-organisch angestrebte Ziel, sondern das rieh-
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tige Maß des Auf und Ab, das sich aus konkurrierenden Trieb- und Zielansprüchen der menschlichen Verfassung ergibt. Damit liefert die Psychoanalyse eine Theorie der psychodynamischen Hintergründe für die vielen Schattierungen, in denen Emotionen anzeigen, was gerade anstrengend ist oder auch unterdrückt wird, was nützlich ist, Energie erhaltend und auf- oder abbauend wirkt usf. endang der möglichen innerpsychischen Spannungs- und Harmoniezustände. 63 Da aus psychoanalytischer Perspektive der Mensch nur dadurch eine gewisse Kontrolle über sich bzw. seine unbewusst wirksamen Zustände und Bedürfnisse erlangen kann, wenn er sie sich bewusst macht und verstehend nachvollzieht, fokussiert die Psychoanalyse auch in praktischer Hinsicht besonders auf verdeckt wirksame Handlungsmotive und Einstellungen. Da Emotionen nach Freud aus triebhaften und kognitiven Komponenten zusammengesetzte Phänomene darstellen, besteht die Aufgabe einer Bewältigung emotionaler Konflikte (und andere gibt es nicht) darin, die (verdrängten) emotionalen Vorstellungsinhalte bewusst zu machen und sie durch verbale Thematisierung und psychoanalytische Kritik psychisch zu integrieren, um sie auf diese Weise .unschädlich' zu machen. Durch verbale Thematisierung und Kritik sollen Emotionen also offenbar auch hinsichtlich ihrer Triebkomponenten zu beeinflussen sein, und damit ist eine kognitive Einflussnahme - und nur eine solche — auf den Bereich des Emotionalen zugestanden. Da uns hier nur das Spektrum der gängigen Menschenbilder interessiert, die im Hintergrund jeder Emotionstheorie stehen, reicht es aus, sich anzusehen, wie im Rahmen der Psychoanalyse Emotionen bestimmt werden und welche Funktionen ihnen dort zu- oder abgesprochen werden. Eine weiterführende Auseinandersetzung oder Kritik an dem Modell der Psychoanalyse als Theorie vom Menschen oder ihrer Behandlungsmethoden wäre zwar verlockend, würde jedoch den Rahmen der hier vorgegebenen Fragestellung überschreiten. Für die vorliegende Fragestellung ist es vielmehr informativ, sich anzusehen, unter welchen Gesichtspunkten heutige empirische Wissenschaften vom Menschen das Verhältnis der denkenden und fühlenden Vermögen problematisieren und in ihre Konzepte vom menschlichen Leben einbauen.
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1.3 Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen: Orientierung durch Emotionen Im Kontext der gegenwärtigen neurowissenschaftlichen und physiologischen Forschung ist es vor allem Antonio Damasio, der die unverzichtbare Signalfunktion der Emotionen neben der wechselseitigen Einflussnahme von Fühlen, Wahrnehmen, Denken und Handeln untersucht und damit von empirischer Seite her neues Licht auf die Konzeption von Emotionen wirft. 64 Damasio hält die auf Descartes ,Leib-SeeleDualismus' zurück gehende Spaltung von Körper und Geist für unhaltbar und formuliert auf physiologischer Ebene eine entsprechend integrative Theorie vom ,geistbestimmten Körper' oder eines ,körperbestimmten Geistes'. 65 Ganz analog zur Lage in der Philosophie und Psychologie beklagt Damasio mit Blick auf die Neurowissenschaften das Versäumnis, sich mit dem Thema der Emotionen auseinandergesetzt zu haben. 66 Und hier wie dort kann ein tradiertes Modell einer zu spalterischen Konzeption des Geistes, insbesondere die unkritisch übernommene Entgegensetzung von Gefühl und Vernunft, auch aus seiner Sicht dafür verantwortlich gemacht werden. Revidiert hat Damasio die bis vor kurzem die Neurowissenschaften beherrschende Auffassung von Paul MacLean, der mit seiner „Triunebrain"-Konzeption des Gehirns als neuroanatomisches Pendant zur geisteswissenschaftlichen Dreiteilung der Seele interpretiert werden kann. 67 Demnach sollte das Hirn in drei unabhängige Funktionsbereiche unterteilt werden, die jeweils das Denken, Fühlen und Wahrnehmen steuern und darüber hinaus entwicklungsgeschichtlich zu verschiedenen Zeitpunkten der menschlichen Evolution entstanden sind. Das angeblich stammesgeschichtlich älteste Hirnareal, das er als .Reptiliengehirn' bezeichnet, ist MacLean zufolge für die Steuerung vegetativer Funktionen, niederer Affekte und Instinkte verantwortlich und sollte lange bevor der Mensch über Sprache und Kultur verfügte existiert haben. Emotionen ordnet MacLean dem an zweiter Stelle ausgebildeten ,subcorticallimbischen Gehirnareal' zu, das einem Säugerhirn entspricht. Zuletzt habe sich das .entwickelte Säugergehirn' ausgebildet, das mit dem Neocortex über den Sitz für Sprache und Vernunft verfügt. Da nach MacLean kaum Verbindungen zwischen Neocortex und limbischem System bestehen, erklärt sich daraus für ihn auch das Phänomen, dass Emotionen
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nicht durch Willen und Vernunft kontrollierbar sind und gewissermaßen ein Eigenleben fuhren. 58 Antonio Damasios Neuansatz bezieht sich auf seine umfangreichen Untersuchungen mit Hirnpatienten, die durch Unfall, Vergiftungen oder Krankheiten eine Schädigung an bestimmten Gehirngebieten (präfrontaler Cortex) aufwiesen, welche offenbar für die Verarbeitung und Steuerung von Emotionen zuständig sind. Was Damasio letztlich zur Revision von McLeans Modell 69 veranlasste, war die Entdeckung, dass sich Patienten mit spezifischen Hirnläsionen als unfähig erwiesen, persönliche und soziale Entscheidungen rational zu treffen, obwohl sie weiterhin über ihr Wissen verfügen sowie logische Aufgaben und theoretische Probleme mühelos meistern konnten. 70 Diese abrufbaren, kognitiven Leistungen blieben jedoch bei besagten Patienten praktisch unwirksam, weil sie emotionale Defizite aufwiesen. Die Patienten wurden durch ihr teilnahmsloses Verhalten ihren engsten Mitmenschen fremd, waren unfähig, Präferenzen zu setzen und konnten daher riskante oder konflikthafte Situationen nicht auf angemessene und selbstschützende Weise lösen. Den Grund dafür sieht Damasio darin: „Dass die empfindlichen Denkmechanismen nicht mehr - unbewusst und manchmal auch bewusst — dem Bombardement jener Signale ausgesetzt sind, welche der der Emotion zu Grunde liegende neuronale Mechanismus aussendet. [...] Emotionen am richtigen Ort und im richtigen Maße scheinen ein Hilfssystem zu sein, ohne das unser Vernunftgebäude ins Wanken gerät." 7 '
Erforderlich ist eine Orientierung durch Gefühle Damasio zufolge deshalb, weil wir allein mit rein logischen Mitteln - wie Deduktion, Induktion, Kosten-Nutzen-Kalkülen - nicht entscheiden können, welche Informationen, Wahrnehmungen, Meinungen und Wünsche nun durchmustert werden sollen, welche wichtig, bedenkenswert oder dringlich für uns zu einem bestimmten Zeitpunkt sind, und welche zurückgestellt gehören. Um uns nicht wie Damasios Hirnpatienten unter dem Andrang potenziell unendlicher Informationen und Entscheidungsmöglichkeiten zu verlieren, müssen wir eine Vorauswahl der relevanten Optionen treffen. In praktisch jeder alltäglichen Situation ist eine schnelle Einschätzungs- und Reaktionsbereitschaft gefordert, angesichts derer wir versagen würden, wenn wir jedes Mal sämtliche negativen oder positiven Aspekte der Situation explizit abzuwägen hätten. Und selbst wenn das
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theoretisch möglich wäre, würde es nicht weiter helfen, da wir immer noch einer genuin subjektiven Selektion der für uns wichtigen Informationen und Schlussfolgerungen bedürften. Auf eine automatisch funktionierende Vorselektion der für uns relevanten Möglichkeiten sind wir mit anderen Worten existenziell angewiesen. Für Damasio — und übrigens auch für Philosophen wie Ronald DeSousa, um nur einen der repräsentativen Autoren herauszugreifen, der diesen Gedanken geisteswissenschaftlich formuliert — ist die Setzung eines Relevanzrahmens für unser Denken und Handeln die Einsatzstelle der Gefühle. 72 Sobald Denk-, Wunsch- oder Entscheidungsalternativen mit negativen Unlustempfindungen versehen werden, so die Hypothese, scheiden diese vorab aus dem Kalkül aus, so dass die Auswahl der zu prüfenden Alternativen effektiv reduziert wird. Aufbauend auf dem Gedanken, dass in diesem Prozess körperliche Empfindungen die Aufmerksamkeit steuern, indem sie Vorstellungsbilder mit einem affektiven .Minus' oder ,Plus' kennzeichnen, entwickelt Damasio seine „Hypothese der somatischen Marker" 73 . Somatische Marker sind durch Muskelanspannung oder andere somatische Veränderungen entstehende ,Körperbilder', die dem Gehirn die Wahrnehmung positiver oder negativer, lustvoller oder unlustvoller Qualitäten übermitteln. Diese somatischen Marker werden durch Erfahrungen im soziokulturellen Umfeld erworben und unterliegen zugleich der Kontrolle eines angeborenen Präferenzsystems, das sich im Laufe der Evolution zur Sicherung des Organismus herausgebildet hat. Und ähnlich wie Freud und Jacobson mit dem Nirvanaprinzip gibt auch Damasio zu bedenken: „Die Sicherung des Uberlebens deckt sich letztlich mit der Reduzierung unangenehmer Körperzustände und der Herstellung homöostatischer Zustände, das heißt funktional im Gleichgewicht befindlicher biologischer Zustände. Dem inneren Präferenzsystem wohnt die Tendenz inne, Schmerzen zu vermeiden und potentielle Lust zu suchen, und wahrscheinlich ist es von Natur aus dazu eingerichtet, diese Ziele in sozialen Situationen zu suchen." 74
Gefühle unterstützen aufgrund ihrer wertenden Signalwirkung diese Zielausrichtung des menschlichen Organismus.
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1.4 Zur kommunikativen Funktion der Emotionen Während Psychologen und Physiologen primär die orientierungsleitende Signalwirkung der Emotionen nach innen, zum Organismus hin untersuchen, ist für Charles Darwin und seine Nachfolger die nach außen gerichtete, kommunikative Funktion des emotionalen Ausdruckverhaltens ihr entscheidender Aspekt. 75 Mensch und Tier zeigen sich haaresträubend, zähnefletschend, pupillenvergrößernd, grinsend, fliehend, zitternd und umarmend an, welche Bedürfnisse und Gefühle sie gerade haben und was der andere in einer konkreten Situation zu erwarten oder zu leisten hat. 76 Darwin glaubt, dass selbst die willentliche Unterdrückung oder Nachahmung eines Ausdrucks von Emotionen häufig ausreicht, um diese selbst entweder zu unterdrücken oder hervorzurufen. Das bloße Ziehen eines grimmigen oder freudigen Gesichts soll also automatisch Gram oder Freude evozieren und zudem von den Lebewesen der eigenen Art unmittelbar verstanden werden können. 77 Seine vergleichenden Beobachtungen des Verhaltens verschiedener Tierarten und Kulturgruppen angesichts ähnlicher Reizsituationen veranlassen Darwin zur Konstatierung einer arten- und kulturübergreifenden Universalisierung des emotionalen Ausdrucksverhaltens. Neben anderen hat auch John Dewey seine sogenannte .Endadungstheorie' (eng. .discharge-theory 1 ) auf Basis der Ideen Darwins entwickelt. „Emotion in its entirety is a mode of behaviour which is purposive [...], which also reflects itself into feeling or Affects, as the subjective valuation of that which is objectively expressed in the idea of purpose." 78
Dabei versteht Dewey Emotionen als Ausdruck gestörter teleologischer Koordinationen' 79 Die Störungen, die zu emotionalen Erregungen führen, bestehen ihm zufolge typischerweise in der Unterbrechung einer gewöhnlichen, zweckgerichteten Handlung, wie etwa der Suche nach Futter, die auf ein Hindernis stößt - z.B. auf eine drohende Gefahr —, so dass das ursprünglich angestrebte Ziel nicht einfach weiter verfolgt werden kann. Dadurch wird im Organismus eine Spannung verursacht, die sich ins Bewusstsein als Gefühl endädt und Handlungen motiviert, die geeignet sind, die störende Unterbrechung wieder aufzuheben. 80 Emotionen drücken sich demnach in Verhalten aus, das sich darüber charakterisieren lässt, teleologisch (evolutionär) interpretierbar zu sein und sich
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nach innen hin in Form von Gefühlen der Spannung bemerkbar macht. Trotz der Einbeziehung von Gefühlen kommt es Dewey ebenso wie Darwin auf die expressive und motivationale Seite der Emotionen an. Schließlich würde man keine Angst vor einer wütenden Person empfinden, so Dewey, wenn ihre Wut nur darin bestünde, Gefühle bestimmter Art zu haben. Wir furchten uns vielmehr deshalb vor einer wütenden Person, weil sie uns aus dieser Verfassung heraus angreifen und verletzen könnte. Auch die gegenwärtige Debatte der Verhaltensforscher und Anthropologen um die menschliche Natur und die Rolle der Emotionen ist stark von Darwins Ansatz beeinflusst. So haben Autoren wie Paul Ekman, Carroll Izard, Robert Plutchik und Sylvan Tomkins ebenfalls vergleichende Studien durchgeführt und Darwins These des universell verbreiteten emotionalen Ausdruckverhaltens im Prinzip bestätigt. 81 Tomkins und Izard untersuchen speziell die kulturübergreifende Verbreitung der Mimik, mit dem Ergebnis, die propriozeptive Wahrnehmung des durch die Gesichtsmuskulatur bewirkten Gesichtsausdrucks als die eigentliche emotionale Reaktion zu betrachten. Ekman u.a. beziehen Gestik, Tonfall und z.T. Sprachverhalten in ihre kulturvergleichenden Untersuchungen ein und folgern aus Ubereinstimmungen der getesteten Reaktionen auf präsentierte Reize (wie Filme, Fotos, Geschichten), dass bestimmte Basisemotionen universell identifiziert werden können. 82 Neben der situationsgerechten Auswahl expressiver Verhaltensweisen sowie der Regulierung ihrer Intensität und Dauer betonen evolutionstheoretische Ansätze seit Darwin besonders eine ökonomische Funktion der Emotionen: sie tragen zur Speicherung von Verhaltensweisen bei, die unter bestimmten situativen Bedingungen schon einmal erfolgreich waren. 83 Das führt schon innerhalb individueller Biografien zu einer immer automatischer ablaufenden Identifikation von emotionalen Auslösereizen nach Gesichtspunkten der Ähnlichkeit mit früheren Erfahrungen. Die meisten Menschen werden schon einmal erlebt haben, wie emotional besetzte Assoziationen auf ihr Handeln durchschlagen können, etwa wenn sie auf ihre Mitmenschen überzogen reagieren, weil sie unwillkürlich Eigenschaften von z.B. Personen ihrer früheren Kindheit auf diese übertragen. 84 Dieses Phänomen kennt übrigens auch die Psychoanalyse, die dafür den Begriff der .Übertragung' wählt. Übertragungen gehören sogar zu den notwendigen Bedingungen beim Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Patient und Therapeut und dienen der Psychoanalyse
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auch als Erklärung von Liebe, die ihr zufolge eine Form der (unbewussten) Wiederholung früher Elternbindungen darstellt, weil sie auf entsprechenden Projektionen basiert. Das aus Darwins Sicht wichtigste Prinzip, das den emotionalen Ausdrucksbewegungen zugrunde liegt, ist daher das von ihm sogenannte „Prinzip der zweckmäßigen assoziierten Gewohnheiten": „Gewisse komplizierte Handlungen sind unter gewissen Seelenzuständen von direktem oder indirektem Nutzen, um gewisse Empfindungen, Wünsche usw. zu erleichtern oder zu befriedigen, und sobald derselbe Seelenzustand herbeigeführt wird, so schwach dies auch geschehen mag, so ist infolge der Macht der Gewohnheit und der Assoziation eine Neigung vorhanden, dieselben Bewegungen auszufuhren, wenn sie auch im gegebenen Falle nicht von geringstem Nutzen sind. Einige in der Regel durch Gewohnheit mit gewissen Seelenzuständen assoziierte Handlungen können teilweise durch den Willen unterdrückt werden, und in derartigen Fällen sind die Muskeln, welche am wenigsten unter der besonderen Kontrolle des Willens stehen, diejenigen, welche am meisten geneigt sind, doch noch tätig zu werden und damit Bewegungen zu veranlassen, welche wir als ausdrucksvoll anerkennen. In gewissen andern Fällen erfordert das Unterdrücken einer gewohnheitsmäßigen Bewegung andre unbedeutende Bewegungen, und diese sind gleichermaßen ausdrucksvoll." 85
Aus Darwins Sicht verfügen wir des Weiteren über ein genetisches Gedächtnis, das uns erlaubt, von emotionalen Erfahrungen unserer frühesten Vorfahren zu profitieren. Er ergänzt seine Theorie emotionaler Ausdrucksbewegungen daher um das „Prinzip, dass Handlungen durch die Konstitution des Nervensystems verursacht werden, die von Anfang an unabhängig vom Willen und in einem gewissen Maße unabhängig von Gewohnheit sind." 86 Die Tatsache, dass Menschen ihre unwillkürlichen Furcht- und Schreckreaktionen häufig auch als dysfunktional erleben, wie etwa beim Anblick einer Schlange im Zoo, erklärt Darwin damit, dass Emotionen eben als Erbe aus jenen frühen Zeiten der Evolution anzusehen sind, wo das durch sie gesteuerte Verhalten wie Fluchtimpulse, Drohgebärden und Abwehr von Nahrung durch Ausspeien durchaus für das unmittelbare Überleben notwendig und adaptiv waren. Was gemäß den Anforderungen einer bestimmten Lebenssituation der Vorfahren einmal angemessenes Verhalten gewesen ist, kann für spätere Generationen im
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Verhältnis zu ihrer veränderten Lebenssituation unangemessen sein. Da aber überlebensdienliche Prägungen über Jahrtausende hinweg entstehen, dauert es auch eine Zeit, bis sie wieder aus dem genetischen Gedächtnis gestrichen werden. Dysfunktionale Reaktionen im emotionalen Haushalt sind also als Atavismen erklärbar. 87 Darwins Beitrag zur Emotionsforschung lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass er die Mehrheit der expressiven Verhaltensweisen, die Emotionen ausdrücken, bei Menschen und Tieren für angeboren und ererbt hält — und nicht für kulturell und individuell erworben — und darüber hinaus einen Fokus auf die neuronalen und physiologischen Grundlagen eröffnet. 88 Darwin erhärtet seine Thesen methodisch durch den Vergleich der emotionalen Ausdrucksformen verschiedener Arten sowie mit Blick auf Kleinkinder und Blinde, die (noch) keine Chance haben, den emotionalen Ausdruck bei anderen zu studieren und nachahmend einzuüben. 89 Vor diesem Hintergrund versucht insbesondere Joseph LeDoux, unter den gegenwärtigen Neurowissenschaftlern eine Art physiologischen Reduktionismus der Emotionen zu formulieren. Über die Bedeutung von „Furcht", „Freude", „Ärger", „Eifersucht" sagt er aus: „Gleichzeitig hätte keines dieser Wörter einen Sinn, gäbe es nicht ein zugrundeliegendes Emotionssystem, das die Hirnzustände und körperlichen Ausdrucksformen erzeugt, auf die sich diese Wörter beziehen. Evolutionär sind die Emotionen nicht als bewußte, sprachliche oder sonstwie differenzierte Gefühle entstanden, sondern als Hirnzustände und körperliche Reaktionen. Die Hirnzustände und körperlichen Reaktionen sind die grundlegenden Tatsachen einer Emotion, und die bewußten Gefühle sind Verzierungen, die dem emotionalen Kuchen zu einem Zuckerguß verhalfen." 90
Die Fragen, wie sich Personen in emotionalen Zuständen fühlen und was sie aus derartigen Zuständen heraus an sich selber oder an ihrer Umwelt wahrnehmen, spielen bei LeDoux keine Rolle, weil das Bewusstseinselement an emotionalen Erfahrungen als Epiphänomen verstanden wird. Unter Umgehung der Person, so könnte man zugespitzt sagen, wird direkt das Gehirn in Form von Strommessungen und Tests .befragt' und zum Träger der Emotion erklärt. LeDouxs Beitrag zur empirischen Emotionsforschung zielt also darauf, Emotionen nicht länger als Bewusstseinsphänomene zu betrachten. Die alltagssprachlichen Formen
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des Umgangs mit und des Ausdrucks von Emotionen stellen LeDoux zufolge rein pragmatische Versuche dar, die objektiven Wissenslücken zu überspielen, die nur die empirischen Einzelwissenschaften profund zu schließen vermögen. 91 Aus eben diesem Grund vertritt auch Paul E. Griffiths in der aktuellen Diskussion die Meinung, es seien nicht die Philosophen oder phänomenologisch orientierten Psychologen und Psychoanalytiker die geeigneten Spezialisten, die das Emotionsthema adäquat behandeln könnten, sondern die Biologen und Neurologen. Dass deren Ergebnisse und Beschreibungen nichts oder wenig noch mit dem zu tun haben, was Menschen von sich wissen, erleben und beschreiben (können), wenn sie emotionale Erfahrungen machen, wird auch von Griffith nicht als handicap betrachtet, weil sich das alltagspsychologische Selbst- und Emotionsverständnis nach seiner Auffassung als Schimäre entlarvt. Bei Griffiths führt dies neben einer Fundamentalkritik an sprachanalytischen Methoden der Emotionserforschung explizit zu dem Vorschlag, den Begriff der „Emotionen" ganz aus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu verbannen: „The general concept of emotion has no role in any future psychology. [...] This does not necessarily imply that the emotion concept will disappear from everyday thought. Vernacular concepts are involved in a whole range of nonepistemic projects. Concepts like „spirituality" have no role in psychology but play an important role in other human social activities. But as far as undestanding ourselves is concerned the concept of emotion, like the concept of spirituality, can only be a hindrance."
Auf das Beispiel „Angst" bezogen sagt Griffiths: „The scientific facts unknown to most speakers are entirely relevant to the meaning of fear". 92
Und ebenso verhält es sich in bezug auf alle anderen Emotionsterme.
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1.5 Kulturelle Prägung der Emotionen Die Relevanz von Sprache sowie von kulturell eingeübten und individuell veränderbaren Einstellungen für die Genese von Emotionen wird gegen Neo-Darwinisten wie Griffith, LeDoux, Ekman et al. besonders von solchen Sozialforschern und Anthropologen hervorgehoben, die Emotionen als sozial konstruierte und kulturell tradierte Phänomene auffassen. Aus dieser so genannten ,sozial-konstruktivistischen' Sicht sind Emotionen Produkte der Gesellschaft, nicht der Biologie, und verdanken sich auch nicht einem ,geisdosen' Funktionieren biologischer Hardware, sondern sind gesellschaftlich tradierte Verhaltensweisen auf Basis eingeübter Interpretationen von Situationen. 93 Diesem Einwand gegen evolutionsbiologische Ansätze geht es primär um die Betonung der Spielräume individueller und kulturspezifischer Modifikationen des emotionalen Repertoires, die aus dieser Sicht von biologistischen Theorien zu sehr eingeengt werden. Hiermit verschiebt sich der Fokus also auf die übergeordnete Frage nach der Freiheit oder (biologischen) Determiniertheit des Menschen, was am Beispiel der Genese und Funktion von Emotionen anschaulich werden soll. Sozial-konstruktivistische Auffassungen belegen ihre Position meist mit vielfachen Nachweisen nicht übertragbarer, kulturspezifischer Ausprägungen bestimmter Emotionen. 94 Repräsentativ für diese Ausrichtung ist James Averiiis Ansatz, der u.a. ein aus westlicher Sicht besonders ungewöhnliches emotionales Verhaltensmuster anführt, das er bei einem neuseeländischen Gartenbauervolk, den Gururumba, beobachten konnte. Sie geben einer Art vorübergehendem Wahnzustand, der offenbar durchaus häufiger in ihrer Kultur auftritt, den Namen „ein Wildschwein sein". Dieser emotionale Zustand bewirkt bei den betroffenen Personen, dass sie ohne einsichtige Gründe plötzlich aggressiv und gewalttätig werden und — ähnlich wie es manchmal offenbar bei Hausschweinen vorkommt — verwildern. Nach einer Zeit legt sich dieser Zustand und das Verhalten wieder, den die Gururumbas auf eine Art .Einflüsterungen' verstorbener Seelen zurückführen und der daher auch nicht mit normalen Mitteln, etwa medizinisch, heilbar ist. Der oder die Betroffene wird währenddessen in den Wald geschickt und behandelt wie ein verwildertes Schwein. Wenn die Menschen irgendwann wieder ,zu sich kommen', können sie sich meist an nichts erinnern und werden wieder in die Gemeinschaft reintegriert. 95 Was die Gururumba als vertraute emotionale Entgleisung kennen, ist in westlichen Kulturkreisen über-
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haupt nicht mit analogen emotionalen Kategorien erfassbar und insofern eine kulturelle Spezifität dieses Volkes. Kulturelle Differenzen kennen wir auch aus weniger exotischen Zusammenhängen, etwa wenn man an das offenbar spezifisch englische Gefühl des .embarrassment' denkt, das keine eindeutige Entsprechung im Deutschen kennt und am ehesten noch als eine Mischung aus Peinlichkeit und Indignation über soziale Regelverstöße beschreibbar wäre. Ein weiteres, oft zitiertes Beispiel einer kulturspezifischen Emotion ist der den Japanern zugeschriebene Zustand namens ,amae', dem kein Begriff einer indogermanischen Sprache entspricht und der eine Art von .Ausnutzung' der Liebe oder Gutmütigkeit eines anderen meint. 96 Die Tendenz zur Polarisierung von kultureller versus natürlicher Prägung hat abgesehen von Kulturwissenschaftlern und Anthropologen auch im Bereich der Soziobiologie die Lager gespalten: während die naturwissenschaftlich orientierten Theorien unter den Soziobiologen behaupten, die menschliche Natur sei ausschließlich als Produkt deterministischer Gene zu verstehen, verfechten die eher geisteswissenschaftlich ausgerichteten Ansätze eine Emanzipation des Menschen von seinen biologischen Grundlagen durch Kulturbildung. Im Extremfall wird dann der Mensch ausschließlich als Produkt der kulturellen Entwicklung angesehen, so dass sich deterministische und freiheitliche Auffassungen vom Menschen scheinbar unvereinbar gegenüberstehen. Edward O. Wilson, der als Begründer der Soziobiologie gilt, argumentiert in seinem programmatischen Buch Die Einheit des Wissens für einen dritten Weg, der die menschliche Natur weder als Summe präskriptiver Gene noch als Endprodukt von Kultur auffasst. Wilson räumt zwar ein, dass die menschliche Natur etwas ist, „für das wir noch keine passende Bezeichnung gefunden haben". Er argumentiert dennoch zugunsten einer genetisch-kulturellen Koevolution, von der aus die Spaltung zwischen natur- und geisteswissenschaftlichen Erklärungsansätzen der Conditio Humana künstlich erscheint. Koevolution besagt über die menschliche Natur, dass sie von: „epigenetischen Regeln, jenen ererbten Regelmäßigkeiten unserer geistigen Entwicklung bestimmt [werde], welche die kulturelle Evolution in die eine oder andere Richtung lenken und somit die Gene mit Kultur verknüpfen."97
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„Kultur" wird von Wilson als „komplexes und sozial erlerntes Verhalten" definiert, das die Gene über den Aufbau eines bestimmten Umfeldes beeinflusst. Die Conditio Humana ergibt sich schließlich, ebenso wie für alle anderen Lebewesen, aus der Reziprozität von Umwelt und Verhalten. Das Einzigartige der menschlichen Umwelt besteht nun gerade darin, ein kultureller Raum zu sein. Dieser kulturelle Raum wird durch menschliches Handeln hergestellt und wirkt zugleich auf dieses Handeln sowie auf dessen genetische Grundlagen prägend zurück, so dass eine Art dynamischer Zirkel menschlicher Determination entsteht, der die Freiheit zum .Anders-handeln-können' impliziert. Wo Wilson konkret auf die Vernetzung von kognitiven und emotionalen Funktionen eingeht, greift er auf Damasios Theorie der Emotionen als somatische Marker zurück: „Einen Großteil seines Inputs bekommt das Gehirn nicht von der Außenwelt, sondern durch innere Körpersensoren [...]. Die resultierende Flut von .Gefühlen im Bauch' vermengt sich mit dem rationalen Denken, nährt es und wird seinerseits durch die Reflexe der inneren Organe und der neurohormonellen Schleifen genährt. Während die von Reizen ausgelösten Bewusstseinsszenarien durch den K o p f rauschen und Erinnerungen an vergangene Ereignisse aufrufen, werden sie von Gefühlen gewichtet und abgewandelt." 98
Wie hier deutlich wird, führt eine evolutionsbiologische Annäherung an die Emotionen, die auch deren physiologischen Grundlagen berücksichtigt, nicht notwendigerweise zur traditionellen Entgegensetzung von Kognition und Emotion, da ja auch — wie Wilson mit Damasio glaubt — unter den die Emotionen steuernden, neuronalen und physiologischen Prozessen solche beteiligt sein können, die für die Steuerung von Kognitionen zuständig sind. Wilson sieht die besondere Aufgabe der Emotionen ebenfalls darin, eine schnelle und adäquate Einschätzung von Situationen für das Wohlergehen von empfindungsfähigen Lebewesen zu garantieren. Ärger, Abscheu, Angst, Freude und Überraschung zeichnet er als emotionale Grundkategorien aus, die über unzählige Abstufungen endlos neue Emotionen bilden können. Wichtig hierbei ist, dass erst durch die Vernetzung von Fühlen und Denken überlebenswichtige Entscheidungen getroffen und realisiert werden. Wilson drückt das pointiert so aus:
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„Ohne den Reiz und die Anleitung von Gefühlen verlangsamt sich das rationale Denken und löst sich schließlich auf." 9 5
U m nun den Überschneidungen und den Differenzen im emotionalen Verhalten
zwischen
Menschen
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sowie denen zwischen Mensch und Tier gerecht werden zu können, ist es nicht nur für Wilson und Damasio ein probates Mittel, eine Abstufung zwischen primären und sekundären (bzw. elementaren und komplexen) Gefühlen einzuführen. Eine solche Differenzierung hat den Vorteil, dass man sowohl Kulturbildung und Sprache als auch biologische Anlagen in die Konzeption menschlicher Emotionen einbeziehen kann, und man ist nicht auf das gesamte Spektrum der zu untersuchenden Phänomene bezogen gezwungen, einen pauschalen Hiatus zwischen menschlicher und animalischer Emotionalität auf allen Ebenen behaupten zu müssen. Die Differenzierung primärer und sekundärer oder einfacher und komplexer Emotionen kann entlang einer unscharfen Grenzlinie von instinktivem, angeborenem, triebhaftem Verhalten und Wahrnehmen auf der einen Seite und einem erlernten, kultivierten, komplexeren Verhalten und Wahrnehmen auf der anderen, gezogen werden. Die Gemeinsamkeit zwischen primären und sekundären Gefühlen besteht dann in zweifacher Hinsicht: als Gefühle haben sie eine innere, subjektiv wahrnehmbare Seite und als funktionale Anpassungsleistungen motivieren sie zu Verhaltensweisen, die im Dienste des eigenen Wohlergehens stehen, wobei im Falle der sekundären Gefühle dieser letztgenannte Bezug sozusagen elaborierter ausfällt. Als paradigmatisches Primärgefühl 100 — das also bei Mensch und Tier zu ähnlichen Verhaltensweisen führt - betrachten die meisten Emotionsforscher den angstvollen Fluchtimpuls, der durch bestimmte Reize — z.B. durch ein schnell näher kommendes, großes Wesen — automatisch ausgelöst wird. 101 Andere Primärgefühle mögen Ekel, sowie Schmerz- und Lustverhalten sein. Die minimale Voraussetzung für Primärgefühle ist die Fähigkeit, Reize distinktiv wahrzunehmen, wozu etwa die verlässliche Unterscheidung gefährlicher und zuträglicher Situationen gehört, was selbst für einfachste Lebewesen unabdingbar ist und insofern von der Ausbildung einer Sprache und höherstufiger Kognitionen unabhängig 102 ist. Als Primärgefühle lassen sich dann alle solche affektiven Reaktionen einstufen, die mit bestimmten Körperzustandsprofilen
verknüpft
sind, entsprechend die subjektive Aufmerksamkeit auf physische E m p -
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findungen und Signale lenken und zu bestimmten Verhaltensweisen führen.' 0 3 Wilson mutmaßt, dass solche Primärgefuhle nahezu unverändert von den Wirbeltiervorfahren auf die menschliche Linie übertragen worden sind. 104 Als sekundäre Gefühle lassen sich emotionale Phänomene einstufen, die sich im Laufe der individuellen Biografíen ausdifferenzieren und komplexere Bewusstseinsleistungen sowie kognitive Differenzierungen voraussetzen. Phänomene wie Euphorie und Ekstase betrachtet Damasio z.B. als sekundäre Spielarten von Glück; Melancholie und Wehmut hält er für sekundäre Varianten von Traurigkeit; Panik und Schüchternheit für sekundäre Spielarten von Furcht.' 05 Die sekundären Gefühle scheinen aus physiologischer Sicht zwar über den Umweg der Beteiligung komplexerer Bewusstseinsvorgänge als die primären zustande zu kommen. Für ihren Ausdruck und ihre Empfindung nutzen sie aber offenbar dieselbe .biologische Hardware' wie die Primärgefühle. Wilson drückt diesen Punkt so aus: „Einen alten Freund zu treffen, sich zu verlieben, befördert zu werden oder eine Beleidigung ertragen zu müssen - all das setzt die limbischen Schaltkreise der Primärgefühle in Gang, allerdings erst, nachdem zuvor die höchsten integrativen Prozesse der Großhirnrinde in Aktion getreten sind. Dann gilt es zu erkennen, ob jemand Freund oder Feind ist, und weshalb er sich auf eine bestimmte Weise verhält. So gesehen sind der Zorn des Kaisers oder das Entzücken des Dichters lediglich kulturelle Verfeinerungen, die auf dieselbe Maschinerie zurückgehen, von der schon unsere Primatenvorfahren angetrieben wurden."
Die von Damasio, Wilson u.a. vorgenommene Abstufung von primären und sekundären Emotionen ist auch für philosophische Theoriebildungen zu Emotionen von Vorteil: Fragen wie: „Sind Emotionen biologisch oder kulturell geprägt?" oder „Sind sämtliche Emotionen von kognitiven und sprachlichen Vermögen abhängig oder nicht?", wären dann nicht mehr als pauschale .Entweder-Oder-Alternativen' zu verstehen, die zu unerwünschten Erklärungslücken führen. Diese Erklärungslücken betreffen die Sicherheit, mit der die meisten Menschen sowohl nicht sprachfähigen wie noch nicht sprachfähigen Wesen grundlegende Affekte zuschreiben. Aufgrund der biologischen und sozialen Funktion von Affekten, wie sie vor allem von Darwin, Damasio und Wilson herausgestellt werden, ist es wahrscheinlich, dass Selbsterhaltung ohne diese Funktion kaum denkbar wäre. Mit der Differenzierung der Bandbreite
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von Gefühlen in primäre und sekundäre verschiebt sich das Interesse darauf, welche einzelnen Vorkommnisse oder auch Typen von Emotionen als primäre und welche als sekundäre anzusehen sind. Da sich zudem beliebige Übergänge und Zwischenformen denken lassen, gewinnt man für die Kategorisierung einzelner emotionaler Vorkommnisse die gebührende Elastizität. Diese gradierbare Differenzierung von einfachen und komplexeren, angeborenen und kulturell erworbenen Gefühlen hat in der Philosophie insbesondere Agnes Heller fruchtbar gemacht. 107 „Gefühle" verwendet sie im Rahmen ihrer „Theorie der Gefühle" als Überbegriff für verschiedene Phänomene, die sie ihrem Komplexitäts- und Kulturalisierungsgrad nach abstuft. Heller zählt zu Gefühlen Triebgefühle (Hunger, Durst, Müdigkeit etc.), emotionales Ausdruckverhalten (z.B. Wut, Furcht), Schmerz- und Lustgefühle, sowie sogenannte Orientierungsgefühle 108 . Weiterhin zählt sie auch kognitive Emotionen im engeren Sinn 109 zur Klasse der Gefühle sowie das Lebensgefühl (z.B. Optimismus, Pessimismus), Launen und Stimmungen (Depressionen, Euphorie). Während auf dieser Liste von Gefühlen die primitivste Ebene von den Triebgefühlen eingenommen wird, für die ebenso wie für die Lust- und Schmerzgefühle sowie für emotionales Ausdruckverhalten gilt, dass sie angeboren sind, gehören für Heller die kognitiven Emotionen und die Orientierun^sgefühle zu den ausschließlich kulturell herausgebildeten Gefühlen.
1.6 Gefühle als Weisen des ,Involviertseins' Launen, Lebensgefühl und Stimmungen sind Heller zufolge ,Prädispositionen der Gefühle', die ihrem Ursprung nach sowohl genetisch als auch biografisch bedingt sein können. Allen Gefühlen ist redindant gemeinsam, dass sie, wie Heller es ausdrückt, .Weisen des Involviertseins' sind. Was immer Menschen auf die eine oder andere Weise gefühlsmäßig affiziert, geht sie persönlich an, bleibt ihnen nicht äußerlich. Je nachdem, wodurch und auf welchem Niveau sie affiziert werden, erleben sie eine qualitative Veränderung an sich, in körperlicher, gefühlsmäßiger und/oder geistiger Hinsicht. Mit kritischem Blick auf die anthropologischen Annahmen, die jeder Theoriebildung der Emotionen implizit oder explizit zugrunde liegen,
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weist Heller die traditionelle Gegenüberstellung von Fühlen und Denken zurück und verortet ihre .Theorie der Gefühle' folgendermaßen: „Wie lässt sich der .Standpunkt' unserer Theorie der Gefühle formulieren? Wir akzeptieren die Fragestellung unseres Zeitalters; infolgedessen ist auch für uns die Analyse des Verhältnisses von Gefühl und Denken grundlegend. Die Präferenz der letzten Einheit von Gefühl, Denken und Moral ist zugleich unser ordnender und organisierender Wert. Wir wollen beweisen, dass der .einheitliche Mensch' eine empirische Tatsache ist."
Auf die Fragen nach der Prägung unseres Fühlens und Denkens durch Natur oder Kultur nimmt Heller, ähnlich wie Wilson, einen Revolutionären Standpunkt ein. Dabei zieht sie nun nicht innerhalb der Klasse der Gefühle einen erneuten Hiatus zwischen den primitiven Triebgefühlen und den komplexen Emotionen. Vielmehr gesteht sie selbst den primitivsten Triebgefühlen beim Menschen noch eine Entwicklung zu, im Rahmen derer sie kulturell transformiert werden. Dieser Gedanke lässt sich an einem Beispiel anschaulich machen, das Heller selbst gibt. Der menschliche Säugling kommt zwar mit der angeborenen Fähigkeit zu Hungergefühlen zur Welt; aber das Hungergefühl bleibt nicht lange unbeeinflusst vom sozio-kulturellen Umfeld des Kindes. Recht bald schon bildet es Hunger auf bestimmte Nahrung aus. Diese kulturelle Überformung selbst der Triebgefühle geht mit der allmählichen Ausbildung sprachlicher und kognitiv-epistemischer Kompetenzen einher. Um sich z.B. zu einem Gourmet entwickeln zu können, mag es sogar nötig sein, instinktive und kulturell erworbene Abwehrtendenzen gegenüber dem Anblick bestimmter Speisen zu überwinden, um z.B. eine exotische, schwarz gefärbte Speise zu probieren. Irgendwann sehnt sich der Gourmet womöglich nach der schwarzen Speise und d.h., er hat sein Spektrum affektiv besetzbarer Auslöser ausdifferenziert. Die von Heller hervorgehobene kulturelle Transformation selbst der primären Emotionen wird auch erkennbar, wenn man sich vergegenwärtigt, wie sich z.B. die Anlässe für Furcht im Verlauf von Biografíen verändern. Während Kleinkinder sich noch vor archaischen Dingen wie Fremden oder vor Dunkelheit unmittelbar fürchten, werden die Ängste im Zuge der weiteren Entwicklung durch andere ersetzt, die sich z.B. auf religiöse, politische und komplexe soziale Angelegenheiten beziehen.
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Mit der Ausbildung sprachlicher Kompetenzen werden zunehmend abstraktere und sublimere Schematisierungen emotional auslösender Situationen und Dinge möglich und notwendig. Sofern Heller Recht damit hat, dass der Prozess der Kulturalisierung letztlich alle Gefühle modifiziert, ist das Verhältnis von sozialer Kodetermination und biologischen Anlagen für die gesamte Palette der Gefühle konstitutiv. Der Prozess der Kulturalisierung geht dabei in Hellers Vorstellung nicht nur irgendwie mit einer zunehmenden Versprachlichung einher; Sprache eröffnet vielmehr erst die Möglichkeit einer Identifikation und Distinktion der Gefühle. Damit hebt Hellers Position sich von allen bisher genannten deutlich ab, für die Sprache im Kontext der Genese von Emotionen überhaupt keine Rolle zu spielen scheint. Autoren wie Griffith und LeDoux meinen sogar, dass alltagssprachliche Umgangsweisen zu Emotionen irreführend seien, und eher abergläubischen Versuchen vergleichbar, in denen das eigene Unwissen mit Hilfe von psychologischen Pseudoerklärungen verdeckt wird. Für die Psychoanalyse spielt Sprache zumindest indirekt eine Rolle, da Freud den Emotionen eine gedankliche und d.h. semantische Komponente zuordnet, die u.a. im therapeutischen Gespräch nachträglich bewusst gemacht werden kann. Was das über den Zugang zu Emotionen und ihre Identifikation aber letztlich aussagt, ist dennoch nicht eindeutig festlegbar, da Freud selbst in der Frage unschlüssig ist, ob Emotionen aufgrund ihrer Triebkomponente doch ausschließlich bewusst empfundene Zustände oder - aufgrund ihrer Vorstellungskomponente — auch unbewusste Denkprozesse darstellen. Heller ist demgegenüber entschieden: Die Distinktion der Gefühle ist ihr zufolge eine Funktion von klassifizierenden Deutungen und Benennungen, die wir von unseren Mitmenschen übernehmen. „Wie lernt man Gefühle zu erkennen? [...] das Erlernen des Gefühls ist immer zugleich der .Koordinierungsprozess' des emotionellen Begriffs und des Gefühls." 112
Und andernorts heißt es: „Ein Neugeborener, der mit einem schweren Denkfähigkeitsdefekt zur Welt gekommen ist, fühlt zwar, seine Gefühle werden aber die Funktionen der Homöostase und Selektion nie erfüllen können, da sie sich nicht den Aufga-
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ben entsprechend differenzieren können und die Kognition in die Gefühle nicht reintegriert werden kann. Dass der Mensch fühlt, ist also nicht erlernt. Aber jedes konkrete Gefühl knüpft auf irgendeine Weise an das Lernen an oder ist selbst erlernt."
Neuerlich hat Holmer Steinfath Hellers Theorie der Gefühle aufgenommen und diesen Punkt der Sprachabhängigkeit der Gefühle wieder einzuschränken versucht. 114 Gefühle sind für Steinfath Weisen des Gebzw. Missfallens sui generis, die sich nicht an andere Weisen des Weltbezugs — insbesondere nicht an propositionale Meinungen und Wünsche — assimilieren lassen. Er betont, dass wir über Gefühle auf eine direkte, nicht-begriffliche Weise mit der Welt in Kontakt treten. Das Bewusstsein der Gefühle denkt Steinfath entsprechend als ein unmittelbares Bewusstsein ihrer vorbegrifflichen ,Welthaltigkeit'. Das in Hellers Theorie der Gefühle zur Darstellung gelangende Verhältnis von primitiven zu komplexen Emotionen nimmt Steinfath trotzdem in seinen Ansatz auf: „Im Laufe unserer lebensgeschichtlichen Entwicklung gewinnen primitive Emotionen jedoch nicht nur einen reicheren kausalen Hintergrund, auf den sie ihrerseits zurückwirken. Vielmehr verbinden sie sich vielfach mit epistemischen Annahmen über die Welt, aber auch mit komplexeren kognitiven Tätigkeiten nicht-epistemischer Art zu festeren kognitiv-affektiven Strukturen, die durch bestimmte Wünsche und Verhaltensmuster weiter angereichert werden können. Der Prozess der individuellen Sozialisation und der kollektiven Kulturalisierung besteht ganz wesentlich in der Kanalisierung und Transformierung primitiver, universal geteilter Emotionen zu individuell und kulturell variierenden kognitiv-affektiven Strukturen, die ich komplexe Emotionen nennen möchte."
Wenn man davon ausgeht, dass es im Verlaufe der Entwicklung eines Menschen zu einem Prozess der kulturellen Transformierung seiner Gefühle kommt, hat das auch Konsequenzen für den Zugang zumindest zu den komplexen und epistemisch aufgeladenen Emotionen: Der Zugang zu ihnen ist dann wohl ebenfalls begrifflich-interpretierender Natur. Wie auch anders sollte man begrifflich-epistemische Entitäten und Zusammenhänge begreifen können, wenn nicht auf begrifflich-epistemische Weise?
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Für Heller jedenfalls ist das menschliche Sein durch eine Antinomie von biologischer Bestimmung und Freiheit ausgezeichnet, die m.E. tatsächlich als Spezifikum der Conditio Humana anzusehen ist, wobei zu ergänzen ist, dass neben dem bloßen Faktum auch noch ein Bewusstsein dieser Grundspannung dem Menschen eigentümlich ist." 6 Das animalische Sein ist im Vergleich zum Menschen nicht durch eine vergleichbare Antinomie gekennzeichnet. Der menschliche Organismus beinhaltet zwar ebenfalls genetisch vorgegebene Informationen. Diese fungieren aber lediglich als Vorbedingungen der Aneignung einer von Heller so genannten „stummen Gattungsmäßigkeit" menschlicher Existenz. Zugleich ist der Organismus ein autonomes, idiosynkratisches System. Was den Menschen de facto zum Menschen macht, liegt bei der Geburt außerhalb seines biologischen Organismus in den menschlichen Beziehungen, in die er hinein geboren wird. Die Verhältnisse, in denen der Mensch aufwächst, welche durch die Verwendung von Sprache, Denkoperationen und einen instrumenteilen sowie nicht-instrumentellen, ästhetischen Objektgebrauch (z.B. in der Kunst) bestimmt sind, machen die von Heller sogenannte „eigentliche Gattungsmäßigkeit" aus. 117 Ich möchte an diesem Punkt die Überlegungen zur Anthropologie abschließen und zu den im engeren Sinne philosophisch-ontologischen Fragen der Bestimmung der Natur von Emotionen überleiten. Eine funktionale Sicht auf Emotionen, wie sie von den genannten psychologischen, evolutionsbiologischen, neurowissenschaftlichen und auch philosophischen Ansätzen vertreten wird, ist im Prinzip mit unterschiedlichen ontologischen Bestimmungen der Emotionen kompatibel. Die insbesondere von den Naturwissenschaftlern hervorgehobenen anpassungsfunktionalen Dimensionen der Emotionen verweisen darauf, dass sie zur Grundausstattung des Menschen gehören und vor dem Hintergrund von und im Verbund mit Präferenzen, Wahrnehmungen und anderen mentalen und vitalen Vorgängen (Muskelbewegungen, Hormonsystem, Physiologie und neuronalen Prozessen) figurieren. Dass Wut, Freude, Misstrauen, Furcht oder Ekel das Resultat verinnerlichter Erfahrungen sind und kontextbezogen Verhalten steuern etwa, wenn man lernt vor Feuer ängstlich auszuweichen, weil man die Erfahrung des Verbrennens gemacht hat — präjudiziert noch nichts darüber, ob die Emotionen ihrerseits auf Kognitionen aufbauen, solche enthalten oder Kognitionen bestimmter Art zur Folge haben. Um die Fragen des Verhältnisses von Kognitionen und sekundären Gefühlen
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als Weisen
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(komplexen Emotionen) dreht sich die emotionstheoretische Diskussion in der zeitgenössischen Philosophie. Je nachdem wie das Verhältnis von Emotion zu Kognition betrachtet wird, hat das auch Konsequenzen für die erklärenden Beschreibungen des Zugangs zu den komplexen Emotionen und ihrer möglichen Kritik. Diese Themen rücken ins Zentrum der nun folgenden philosophischen Überlegungen." 8
II. Teil Spektrum der philosophischen Emotionstheorien 2.1 Die Fühlbarkeit der Emotionen: René Descartes, David Hume und William James Phänomenologisch betrachtet stellen emotionale Erregungen vorübergehende Bewusstseinsveränderungen dar, die im Extremfall die Grenzen rationaler Kontrolle und der Selbstbeherrschung überschreiten. Jeder kennt die Erfahrung, sei es an sich selbst oder an anderen, die man mit extremen Situationen emotionaler Affizierung verbindet: Man fühlt und benimmt sich so, als wäre man nicht mehr ,man selbst'. Körperfunktionen sind zum Teil außer Kraft gesetzt, wenn man z.B. aus Angst ,wie gelähmt ist', oder sie verselbständigen sich, wie wenn die Stimme vor Wut zu zittern beginnt oder die ,Knie weich werden' vor Lampenfieber. Zustände emotionaler Erregungen verändern die Perspektive auf die Umwelt für einen begrenzten Zeitraum, selbst wenn sie nicht dramatisch sind. Aus einer Freude heraus gehen wir z.B. Angelegenheiten, die nicht unmittelbar mit der Freude ursächlich verbunden sein müssen, beschwingter an und wir nehmen selbst Rückschläge gelassener hin, wenn wir uns gerade ,wohl in unserer Haut' und mit uns selbst zufrieden fühlen. Die Ordnung der Dinge scheint sich in emotionalen Lagen zu verändern und in den Phasen starker Erregung gar zu verwirren. Angelegenheiten, denen sonst unsere ganze Aufmerksamkeit gilt, treten in den Hintergrund und Dinge, mit denen wir uns sonst nicht beschäftigen würden, rücken ins Zentrum unseres Daseins. Unser sichtbares Verhalten bleibt von der Weise, in der wir gerade emotional tangiert sind, ebenfalls nicht unbeeinflusst und allein deshalb schon ist man gemeinhin um emotionale Kontrolle bemüht. Dass jedoch gerade auch die expressive, motivationale Facette der Emotionen ihren potenziell überwältigenden Charakter belegen kann,
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wird wiederum anhand extremer Ausformungen emotionaler Reaktionen greifbar. So bedeutet der in der Rechtsprechung verwendete Begriff der „Affekthandlung", dass Personen als nicht voll zurechnungs- und schuldfähig gelten, wenn ihre Handlungen in einem solchen Ausmaß von Affekten bestimmt werden, dass die Akteure ihre Handlungen nicht mehr willentlich beeinflussen können. Die dergestalt Handelnden werden gewissermaßen analog zu Situationen, in denen sie externen Kräften oder Schicksalsschlägen ausgeliefert sind, als ,Opfer' ihrer eigenen emotionalen Verfassung betrachtet. Für die aus dem Affekt heraus Handelnden ist nicht allein die Wahrnehmung ihrer Umwelt vorübergehend stark eingeschränkt, sondern auch die Selbstwahrnehmung verzerrt. Regelmäßig berichten die Medien von Gewalttaten, die aus ,blindem Hass' oder .rasender Eifersucht' heraus begangen werden, an die sich die Täter aber im Nachhinein häufig gar nicht mehr erinnern können. Sie fühlen sich, als seien sie erst zu einem späteren Zeitpunkt aus einer Art Ohnmacht erwacht, nachdem „es" schon geschehen war. Gehen wir von solchen phänomenologischen Beobachtungen aus, so scheinen Emotionen in erster Linie etwas Passives zu sein, etwas, das Personen mehr oder weniger plötzlich ergreift und das sie auf eine zum Teil unkontrollierbare Weise erleiden. Natürlich werden emotionale Erregungen deshalb nicht schon in allen Situationen als leidvoll erlebt, nicht einmal in allen extremen. Verliebte z.B. betonen oft den erhebenden Charakter ihres Zustandes, in dem sie ihre individuelle Begrenztheit zu transzendieren vermeinen und es gibt Abenteurer, die die Konfrontation mit etwas Furchteinflössendem genießen, um es dann mutig überwinden zu können. An solchen Beschreibungen fallt auf, dass prima facie weniger die auslösenden Anlässe und Ursachen als vielmehr die Emotionen selber es zu sein scheinen, die einem wie fremde Mächte zustoßen. Sie scheinen uns zu überwältigen und auf eigentümliche Weise verändern zu können. Wenden wir uns der Philosophie zu und sehen uns näher an, wie dort die phänomenalen Erfahrungen mit Emotionen verarbeitet werden und zu welchen erklärenden Beschreibungen der Emotionen die Auseinandersetzungen fuhren. Als Einstieg bietet es sich an, unter den repräsentativen philosophischen Affekttheorien die von René Descartes und David Hume skizzen-
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haft zur Darstellung zu bringen. 119 Für diese in die Historie zurückgehende Auswahl sprechen zwei Gründe: Erstens nehmen beide Autoren gängige vortheoretische Intuitionen hinsichtlich des Wesens von Emotionen philosophisch ernst, wobei besonders den Aspekten der spezifischen Subjektivität und der Passivität von Emotionen Raum gegeben wird. Zum zweiten figurieren Humes und Descartes Konzepte der Affekte bis heute als Kontrastfolie sowohl für die ihnen direkt entgegengesetzten, verhaltenstheoretischen Affekttheorien, die am Beispiel von Ryle und Dewey im Anschluss diskutiert werden, als auch für die zeitgenössischen, kognitivistischen Konzeptionen der Emotionen. In Abgrenzung vom cartesianisch-humeianischen Begriff der Emotionen sowie von dem der verhaltenstheoretisch ausgerichteten Theorien hat sich die heute dominierende Position des so genannten ,Kognitivismus' in der Philosophie der Emotionen erst herausgebildet. 120 Über die Wahl dieser Reihenfolge in der Darstellung wird der Diskussionskontext sozusagen von den Rändern her abgesteckt. Mithilfe der Darstellung und Konfrontation der zentralen Thesen und Konzepte gerade von Gefühls- und Verhaltenstheorien werden die generellen systematischen Probleme und Fragen einer philosophischen Bestimmung der Natur der Emotionen, ihrer Abgrenzung von verwandten Phänomenen sowie der Herausarbeitung ihrer Spezifität für den menschlichen Seelenhaushalt greifbar.
2.1.1 Ich fühle, also weiß ich's: René Descartes In seiner Abhandlung Die Leidenschaften der Seele unterscheidet René Descartes eingangs zwischen aktiven und passiven Seelenvermögen, wobei er Emotionen (Leidenschaften) zu den letzteren zählt. 121 Unter aktiven Seelenanteilen versteht Descartes Gedanken, die vermeintlich nur der ,Seele selbst' entspringen und sich nicht weiteren, externen Bedingungen verdanken. Dieses Charakteristikum der rein innerseelischen Bedingtheit soll das voluntative Vermögen insgesamt auszeichnen, welches Wünsche und Willensakte gleichermaßen umfasst. Gedanken, zu denen sich die Seele passiv verhält, sofern sie diese durch Gegenstände .empfängt', bezeichnet Descartes als Wahrnehmun-
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gen. 122 Innerhalb der Klasse der Wahrnehmungen differenziert er wiederum zwischen drei Formen: Erstens gibt es Wahrnehmungen der Außenwelt, zweitens solche, die auf den eigenen Körper gerichtet sind und drittens Wahrnehmungen seelischer Veränderungen. Nur die Wahrnehmungen seelischer Veränderungen sind nach Descartes die .Leidenschaften der Seele' bzw. Emotionen. 123 Als Grundformen der Leidenschaften zeichnet Descartes des weiteren Verwunderung, Begehren, Liebe, Hass sowie Freude und Traurigkeit aus. In diesen sechs Typen von Leidenschaften drücken sich für ihn die grundlegenden Dimensionen dessen aus, was von menschlichen Wesen als zuträglich und was als schädlich empfunden wird. „Will man deshalb die einzelnen Leidenschaften auffinden, so hat man nur der Reihe nach zu prüfen, auf wie viele für uns wichtige Arten die Sinne durch die Gegenstände erregt werden können." 124
Aus den sechs Grundformen sollen alle anderen Leidenschaften ableitbar sein. Descartes legt sodann bei der näheren Charakterisierung der Emotionen besonderen Wert auf einen Aspekt des Zugangs zu ihnen: „Bei den Leidenschaften tritt eine Täuschung nicht ein, weil sie unserer Seele so nahe und so innerlich sind, dass sie sie nur so empfinden kann, wie sie wirklich sind." 125
Damit markiert Descartes eine Position, der zufolge Emotionen ausschließlich und eindeutig über ihre fühlbare Qualität identifizierbar sein sollen. Wir wissen, so Descartes, im Schlaf und im Wachzustand stets unmittelbar und exakt, in welchen emotionalen Zuständen wir uns befinden, weil wir sie fühlen. Er meint diesen Aspekt der epistemischen Sicherheit erster Personen im fühlenden Zugang zu ihren Emotionen über den Vergleich von Emotionen mit anderen Wahrnehmungen noch fundamentieren zu können, wenn er schreibt: „Auch stellt man sich mitunter im Traume und selbst im Wachen Gegenstände so lebhaft vor, dass man sie zu sehen oder innerlich zu fühlen meint, obgleich sie nicht vorhanden sind; aber selbst der Schlafende kann sich im
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Traum nicht traurig oder sonst bewegt fühlen, wenn seine Seele diese Leidenschaft nicht wirklich hat."126 Während gedankliche Vorstellungen auf Irrtümern basieren können und auch unsere sinnlichen Wahrnehmungen fehlgehen mögen, weil ihre vermeintlichen Objekte gegebenenfalls gar nicht existieren (wie im Fall von Phantomschmerzen oder optischen Täuschungen), registrieren wir, wie Descartes hier suggeriert, unsere emotionalen Regungen stets unfehlbar introspektiv. Diese Infalübilität im Zugang zu den Emotionen ist für ihn also ein kennzeichnendes Merkmal der Emotionen selbst und soll ein Unterscheidungskriterium zu anderen, falliblen Wahrnehmungsformen abgeben. Diese Annahme begründet Descartes nicht weiter. Vielmehr setzt er den Unterschied zwischen selbsttransparenten Emotionen und anderen Wahrnehmungen als unproblematisch gegeben voraus. Die systematische Position, die ab jetzt — zu recht oder nicht sei dahingestellt — Descartes und Hume repräsentativ zugeschrieben wird, ist als ,gefiihlstheoretische Auffassung' der Emotionen zu bezeichnen. In der cartesianischen Version, die den zeitgenössischen Emotionstheoretikern als zentrales Paradigma der Gefühlstheorien überhaupt gilt, wird im Kern die zweigliedrige These vertreten, dass wir uns unserer Emotionen über den Weg von Gefühlen (jetzt im Sinne von ,Empfindungen' verstanden) unmittelbar vergewissern und zwar so, dass die Emotionen für uns zugleich unfehlbar transparent sind. In der Sache entspricht Descartes Auffassung von Emotionen damit einer durchaus verbreiteten, vortheoretischen Intuition, der die meisten von uns spontan zuzustimmen bereit sind: nämlich der Auffassung, dass nur die Person, die emotional affiziert ist, mit Sicherheit wissen kann, was in ihr vorgeht, weil nur sie den fühlenden Zugang zu ihrem Inneren hat. Emotionen werden insofern prima facie als radikal private Zustände von Subjekten verstanden, zu denen diese einen privilegierten Zugang haben. Wenn überhaupt, so können zweite und dritte Personen maximal indirekt, z.B. über den Umweg der annähernden Umschreibungen seitens der Betroffenen oder über Analogieschlüsse, Kenntnis von den emotionalen Zuständen anderer erlangen. Von außen lässt sich folglich weder überprüfen, ob wirklich die Emotionen vorliegen, die wir in einer konkreten Situation zu empfinden behaupten; noch lassen sich Leugnungen
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emotionaler Zustände durch andere Personen einfachhin widerlegen. Und für die erste Person, so meint Descartes, gibt es kein anderes Verfahren der emotionalen Selbstüberprüfung als ,in-sich-hinein-zu-fühlen'. Wenn die gefühlstheoretische These cartesianischer Prägung zutrifft, dann ist eine Emotion, was sie ist, unabhängig davon, ob und zu welchen Verhaltensweisen oder Ausdrücken sie anregt. Eine solche unmittelbare und zugleich unfehlbare Selbstwahrnehmung kann man sich wohl nur als angeborene Distinktionsfähigkeit vorstellen - in dieser Hinsicht den Fähigkeiten zu hören oder zu sehen vergleichbar. 127
2.1.2 Was ich weiß, das fühl' ich: David Hume Neben Descartes wird - zumindest seit Kennys Diskussion dieser Ansätze - auch David Hume zu den klassischen Gefühlstheoretikern der 128 Emotionen gezählt. Diese Einordnung ergibt sich daraus, dass auch Hume behauptet, Emotionen seien natürlich gegebene Zustände, die sich a) durch eine distinktiv fühlbare Qualität hinreichend unterscheiden lassen und die b) introspektiv zugänglich sind. Darüber hinaus hält Hume Emotionen ebenfalls für Selbstwahrnehmungen, womit er sie, ähnlich wie Descartes, von Sinneswahrnehmungen abgrenzt, über die man mit der Welt in Kontakt tritt. Hume drückt dies an einer Stelle z.B. so aus: „Primäre Eindrücke oder Eindrücke der Sinneswahrnehmung sind solche, die in der Seele entstehen, ohne dass gleichartige Perzeptionen ihnen vorausgegangen sind. Sie entstehen aus der Körperbeschaffenheit, den Lebensgeistern oder aus der Einwirkung von Objekten auf die äußeren Organe. Sekundäre Eindrücke oder Eindrücke der Selbstwahrnehmung sind solche, die aus irgendeinem primären Eindruck hervorgehen, entweder unmittelbar oder durch die Vermittlung der Vorstellung derselben. Zur ersteren A r t gehören alle Sinneseindrücke und alle körperlichen Schmerz- und Lustgefühle; zur zweiten die Affekte und alle ihnen ähnlichen Gefiihlserregungen."
Hume beschreibt Emotionen hier unter dem Stichwort .Sekundäre Eindrücke' als eine Art Gefühle ,zweiter Ordnung', sofern sie sich vermittelt durch Vorstellungen oder Wahrnehmungen von Sinneseindrücken auf diese aufbauen sollen. Das klingt so, als ob Hume damit andeuten wolle,
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dass Emotionen unsere Aufmerksamkeit in allen Fällen ihres Vorliegens auf Sinneseindrücke lenken und somit stets von deren zumindest vermeintlichem Gegebensein ursächlich abhängen würden. Dass Emotionen jedoch manchmal durch Vorstellungen anderen Inhaltes zustande kommen können, haben aber sowohl Hume als auch Descartes in ihren definierenden Beschreibungen einzelner Emotionstypen berücksichtigt. Mit .Vorstellungen anderen Inhalts' sind ganz allgemein Meinungen über Sachverhalte (oder wie es in der angelsächsischanalytisch geprägten Philosophie üblicher ist zu sagen: über .Präpositionen*) angesprochen. Räumt man die Möglichkeit ein, dass Emotionen sich auch auf bloßen Meinungen aufbauen können, so ist ein Gegebensein einer vorgängigen Sinneserfahrung offenbar nicht in allen Fällen notwendig. Wie ist Hume aber dann zu verstehen, wenn er behauptet, sekundäre Eindrücke — und d.h. Affekte — würden entweder direkt aus primären Eindrücken hervorgehen oder vermittelt durch Vorstellungen primärer Eindrücke gebildet? Bei Hume kommt an diesem Punkt noch ein anderer Gedanke hinzu, der die Rede von sekundären Selbstwahrnehmungen, die stets irgendwie auf Sinnes eindrücke zurückgehen sollen, verständlicher macht. Den Zusammenhang von Vorstellungen oder Meinungen und Emotionen stellt Hume sich nämlich so vor, dass Vorstellungen oder Meinungen nie allein aufgrund ihres Inhaltes Emotionen hervorbringen könnten, sondern nur über den Zusatz eines lust- oder unlustvoll besetzten Eindrucks, der mit ihnen zugleich assoziiert wird. Erst dadurch, dass eine gefühlsmäßige Qualität, die Hume auch als .sinnlichen Eindruck' bezeichnet, zu den kognitiven Zuständen hinzutritt, haben jene die Kraft, affektive Regungen wie z.B. Stolz oder Niedergeschlagenheit hervorzurufen. Insofern sind auch dann Sinneseindrücke mit im Spiele, wenn Emotionen auf Meinungen zurückgehen. „Aus dieser Erwägung heraus, und im übrigen aufgrund zweifelloser Erfahrung, dürfen wir sagen, dass eine Assoziation der Vorstellungen zwar sehr nötig, aber allein nicht ausreichend ist, um einen Affekt hervorzurufen. Es liegt also auf der Hand, dass außer dem Vorstellungszusammenhang [...] noch eine Gefühlsregung oder ein selbständiger, auf einem anderen Grund beruhender Eindruck vorhanden sein muss, wenn der Geist bei der Erfassung eines mit ihm in Zusammenhang stehenden Gegenstandes den Affekt des Stolzes oder der Niedergeschlagenheit erleben soll." 130
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Gefühle — nicht Emotionen — sind für Hume omnipräsente Phänomene des menschlichen Seelenlebens. „Ich glaube, es darf ruhig als allgemeine Regel hingestellt werden, dass kein Objekt sich den Sinnen darbietet, und kein Bild von der Einbildungskraft geformt wird, ohne eine dasselbe begleitende Gefühlsregung und Bewegung der Lebensgeister, die der jedesmaligen Eigenart des Objektes oder Bildes entspricht. Die Gewohnheit macht, dass wir uns dieser Empfindung nicht (gesondert) bewusst werden, sondern sie mit dem Objekt oder der Vorstellung zusammen fliessen lassen."131 Während das bewusste Empfundenwerden emotionaler Regungen ein ihnen selbst zukommendes, typisches Merkmal ist, spielt die Gegenwärtigkeit von Empfindungsqualitäten der kognitiven Zustände für den Zugang zu ihnen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle, denn hier sind Gefühle sogar üblicherweise verdeckt, wie Hume einräumt.
2.1.3 Selbstwahrnehmung und Täuschung In ihren definierenden Beschreibungen der Emotionen unterscheiden sowohl Descartes als auch Hume zwischen körperlich und geistig verursachten Vorkommnissen. Geistig ist für Descartes z.B. eine Reaktion der Freude oder Traurigkeit dann, wenn „die Freude von der Meinung kommt, ein Gut zu besitzen", und die Traurigkeit „von der Meinung, ein Uebel oder einen Mangel zu haben." 132 Zustände der Heiterkeit oder Bedrückung, die demgegenüber z.B. durch den Einfluss des Lichts auf den Stoffwechsel zustande kommen, bilden die entsprechend körperlichen Affektformen von Freude und Trauer. Analog dazu unterscheidet auch Hume z.B. zwischen einer Freude, die sich aufgrund von sinnlichen Lustgefühlen einstellt und einer Freude über die Vorstellung eines Guts, wobei man diese Differenzierung als Analogon zur heute üblichen Einteilung der Emotionen in einfache und komplexe Emotionen betrachten kann. Wahrnehmungen und Meinungen sind unterschiedliche Zugangsweisen zur Welt. Daher könnte man mutmaßen, dass auch Emotionen wenigstens indirekt Weltbezüge herstellen oder gar enthalten, wenn sie auf
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Meinungen oder Wahrnehmungen aufbauen. Damit jedoch würde Humes und Descartes Kategorisierung der Emotionen als ,reine Selbstwahrnehmungen der Seele' in eine gewisse Spannung zu geraten. Diese Überlegung scheint aber weder Hume noch Descartes zu irritieren - denn keiner von ihnen nimmt an irgendeinem Punkt der Texte Stellung dazu. Geht man davon aus, dass es sich dabei nicht um ein bloßes Versäumnis handelt, so wird dieser Punkt einsichtiger, sobald man den Beschreibungsrahmen erweitert. Da Meinungen und Wahrnehmungen mentale (seelische) Zustände sind, bleibt eine Form des Selbstbezugs der .Seele' ganz selbstverständlich auch dann gewahrt, wenn Emotionen doxastisch oder perzeptiv fundiert sind. Sowohl Descartes als auch Hume kommt es schließlich auf die Wirkungen von Meinungen oder Wahrnehmungen auf das Gemüt bzw. die Seele an. Diese Wirkungen sind es erst, die beiden Autoren zufolge angeblich unmittelbar erfasst werden und zwar immer. Eben deshalb bezeichnete Descartes die Affekte ja auch als .Leidenschaften der Seele'. Während Descartes diese Wirkungen auf die Seele für unfehlbar selbsttransparent (infallibel) hält, ist für Hume, im Unterschied zu Descartes, die Wahrnehmung von Emotionen — egal, ob sie sich nun sinnlichen Eindrücken oder Meinungen verdanken — nicht per se infallibel. Hume verweist in diesem Zusammenhang auf das phänomenale Faktum der gradierbaren Intensität von Emotionen. Furcht, Scham, Eifersucht etc. können mehr oder weniger stark ausfallen. Es zeigt sich in vielen Situationen eine Verlaufskurve, auf der sie zunächst stärker .anschwellen', um dann mit der Zeit allmählich wieder .abzuklingen'. Je nach ihrer fühlbaren Intensität, so Hume, werden Emotionen mal deutlicher und mal undeutlicher bis gar nicht mehr wahrgenommen. Dieses Merkmal der gradierbaren Intensität ist für Hume, wie bereits erwähnt, keine ausschließlich den Affekten zukommende Eigenschaft. Selbst Kognitionen — also Meinungen und Wünsche — werden ihm zufolge von Gefühlserregungen begleitet, nur dass diese dann typischerweise nicht separat wahrgenommen werden. Meinungen und Wünsche können folglich ebenfalls stark oder schwach ausfallen, je nachdem wie sehr sie es aufgrund ihrer Gefühlsanteile vermögen, lebhafte seelische Veränderungen — d.h. Vorstellungen oder Eindrücke — hervorzubringen. Für Hume ist daher auch die Sympathie die wichtigste Eigenschaft der menschlichen Natur, denn nur über dieses Vermögen zur mitschwingen-
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den Einfühlung in die Gefühlsregungen ähnlich konstituierter Wesen läuft seiner Auffassung nach letztlich jedwedes Verstehen. Emotionen können nun Hume zufolge — etwa durch Gewohnheit oder Ablenkung der Aufmerksamkeit — unbemerkt bleiben, so dass Täuschungen über die eigenen emotionalen Verfassungen möglich sind. „Das Entzücken an Poesie und Musik erreicht oft die größte Höhe, während jene anderen Eindrücke, die speziell Affekte genannt werden, zu einer so sanften Gefühlsregung abgeschwächt sein können, dass sie gewissermaßen unbemerkbar werden."133 Irrtümer und Verwechslungen bezüglich der eigenen Befindlichkeit räumt H u m e also explizit ein, wobei ein solcher Irrtum auch die Form annehmen kann, dass jemand den Eindruck hat, er würde etwas auf Basis von Gründen glauben, obwohl er es in Wirklichkeit auf Basis einer unbemerkten Leidenschaft tut. 134 Wenn Menschen demnach selbst ihre Meinungen oder Wünsche auf Basis von Emotionen entwickeln können, belegt dies jedenfalls den möglichen Einfluss der Emotionen auf die kognitive Sphäre - und das Medium dafür ist nach H u m e die Assoziation.
2.1.4 Verquickung von Emotion und Kognition am Beispiel von Stolz Wie H u m e sich den Zusammenhang von Emotionen und Kognitionen denkt, lässt sich an dem von ihm selbst gegebenen Beispiel des Stolzes detaillierter nachvollziehen. Stolz ist für ihn ein repräsentativer Fall eines Affekts, der .zwischen zwei Ideen platziert ist', wie er sich ausdrückt, von der die eine ,Idee* seine Ursache und die andere ,Idee' seine Folge ist. Wenn jemand z.B. lustvoll an sein schönes Eigenheim denkt, das er sich gerade gekauft hat, so kann dieser Gedanke den Affekt des Stolzes nach dem Prinzip der assoziativen Verknüpfung generieren. Der so generierte Affekt bewirkt nun seinerseits über Assoziation eine weitere lustbesetzte Vorstellung. In diesem besonderen Fall ist es die Vorstellung eines positiv aufgewerteten Selbst. Man fühlt sich nun wie ein ehrenwerter Mensch, weil man Hausbesitzer ist. D e r Stolz stellt dabei das verbindende Mittelglied in der As-
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soziationskette dar, die von der Vorstellung des schönen Eigenheims (Ursache) zur Selbstaufwertung (Effekt) führt und insofern .zwischen den Ideen' liegt. Wut, Ärger, Freude und Stolz können nach Hume also die kausale Kraft haben, Gedanken oder Meinungen hervorzubringen und umgekehrt können sie von Gedanken oder Meinungen verursacht werden. Da es dabei aber nicht zu einer .Vermischung' von Affekt und Kognition kommt, sondern es sich vielmehr um eine Art additiver Aneinanderreihung kognitiver und affektiver Veränderungen zu handeln scheint, meint Hume konsequenterweise, dass es nur in einem uneigentlichen, elliptischen Sinn eine Kritik der Emotionen hinsichtlich ihrer Begründbarkeit oder Rationalität geben könne. Eine mögliche Begründbarkeit ist ganz allgemein nur auf mentale Zustände zu beziehen, die einen semantischen Gehalt haben, also Gedanken bzw. ihre Unterformen — Meinungen oder Wünsche — sind. Da Emotionen keine Gedanken sind, ist streng genommen nur eine Beurteilung der Rationalität der sie verursachenden oder ihnen folgenden Gedanken möglich. Von Meinungen kann z.B. ausgesagt werden, ob die in ihnen repräsentierten Gehalte auf die Welt zutreffen oder nicht und ob ihr Zustandekommen gemäß akzeptierter Rationalitätsstandards (wie Kohärenz, Widerspruchsfreiheit etc.) nachvollziehbar ist. Wünsche können danach beurteilt werden, ob ihre Prämissen rational sind, ob ihre Zielgehalte kompatibel mit anderen Wünschen sind und ob ihre Verwirklichung negative Ergebnisse erzielen würde. Je nachdem wie die Beurteilung ausfällt, sind Wünsche und Meinungen prinzipiell korrigierbar oder auch zu rechtfertigen.' 35 Diese Möglichkeiten der Rechtfertigung oder Kritik - so impliziert Humes Modell — können nicht direkt auf Emotionen übertragen werden. Darauf wird bei der Diskussion der Kognitivisten noch vertiefend zurückzukommen sein. Auf Hume bezogen ist es an diesem Punkt der Darstellung bloß wichtig zu sehen, dass er, trotz der von ihm beschriebenen assoziativen Kopplung von Meinungen und Affekten, an einer kategorialen Differenz von kognitiven und affektiven Eigenschaften gemäß den Parametern ihrer Semantizität und Rationalitätsfähigkeit festhält. 136 Auf Hume geht auch die terminologische Unterscheidung von Ursache und Objekt einer Emotion zurück. Im Beispielfall von Stolz ist der lustbesetzte Gedanke an das schöne Eigenheim die Ursache und das aufgewertete Selbst das Objekt des Stolzes. Doch beide Relationen — Emo-
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tion/Auslöser und Emotion/Objekt — konzipiert Hume nach dem Modell von Ursache und Wirkung. Dass Personen stets nur auf etwas stolz sein können, das in einem bestimmten Besitzverhältnis zu ihnen steht, und man im Stolz immer auf das eigene Selbst aufwertend gerichtet ist, nimmt Hume zwar zur Kenntnis. 137 Er deutet diese generelle Eigenheit aber nicht als einen begrifflichen Aspekt von .Stolz', sondern als kontingente Tatsache, die sich der empirischen Beschaffenheit unseres Geistes verdankt, die in dieser Beziehung ebenso gut auch anders sein könnte. 138 Auch dass ein Affekt wie .Liebe' z.B. stets mit dem Wunsch danach einhergeht, mit dem/der Geliebten zusammen sein zu wollen und auf sein/ihr Wohl bedacht zu sein, oder dass ,Hass' stets bedeutet, dem Gehassten zu wünschen, es möge ihm schlecht gehen, sind für Hume ebenfalls kontingente Tatsachen, die von der Natur ebenso gut auch anders eingerichtet sein könnten, so dass es theoretisch denkbar wäre, dass Liebe und Hass mit den direkt entgegengesetzten Wünschen verbunden wären. Dass eine solche fiktive Veränderung der .Logik' unserer Emotionsbegriffe fundamental widerspricht, empfindet Hume offenbar nicht als ein sinnvolles Ausschlusskriterium für solche Phantasien. Für Hume — wie auch für Descartes - ist klar, dass wenn man z.B. vom Affekt des Stolzes die angenehme Lustempfindung oder von dem der Niedergeschlagenheit die Unlust abziehen würde, von solchen Phänomenen nichts mehr übrig bliebe, was sich noch als Emotion beschreiben ließe. Trotz des Faktums, dass Emotionen wenigstens zusätzlich unsere Aufmerksamkeit auf irgendwelche Objekte lenken und mit bestimmten Wünschen sowie Meinungen einhergehen können, bleibt für Hume ihre zentrale Eigenschaft ihre angeblich intrinsische Gefühlsqualität: „Die [...] Besonderheit, die ich in diesen Affekten entdecke, und die ich nicht minder für eine ursprüngliche Eigentümlichkeit des Geistes halte, besteht in der Empfindung, die sie uns geben oder in den besonderen Gefühlserregungen, die sie in der Seele hervorrufen, und die eben ihr Sein und Wesen ausmachen." 139
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2.1.5 Ich fühl' nur, was sich regt: William James Von hier aus lässt sich zu einer dritten Variante der als .Gefühls- oder auch Empfindungstheorie der Emotionen' zu bezeichnenden Tradition überleiten, wie sie über ein Jahrhundert später von William James entwickelt wurde. In einem Aufsatz mit dem programmatischen Titel What is an Emotion? hat James mit Bezug auf Standardemotionen, zu denen er Überraschung, Neugierde, Furcht, Ärger, Freude und Geiz zählt, folgendes Diktum ausgegeben: „Our natural way of thinking about these standard emotions is that the mental perception of some facts excites the mental affection called the emotions, and that this latter state of mind gives rise to the bodily expression. My thesis on the contrary is that the bodily changes follow direcdy the PERCEPTION of the exciting fact, and that our feeling of the same changes as they occur IS the emotion. [...] the more rational statement is that we feel sorry because we cry, angry because we strike, afraid because we tremble, and not that we cry, strike, or tremble, because we are sorry, angry, or fearful, as the case may be." 140
Emotionen sind James zufolge wiederum Formen von Selbstwahrnehmungen, aber in Abweichung von Hume und Descartes soll es sich dabei ausschließlich um Gefühle von Körperveränderungen handeln. Ob man traurig oder wütend oder anderweitig emotional ist, sagt einem James zufolge der Körper in Form distinktiver Selbstwahrnehmungen. Darüber hinaus stellt James den .common sense' über die reguläre Affektverursachung provokativ auf den Kopf, wenn er behauptet, dass wir nicht etwa weinen, weil wir traurig sind oder weglaufen, weil wir uns furchten; sondern geradewegs umgekehrt, traurig sind, weil wir weinen und uns fürchten, weil wir fliehen. Worauf es ihm dabei ankommt ist, dass zwischen die Wahrnehmung oder Vorstellung eines Gegenstandes und dem Gefühl, das er mit der emotionalen Reaktion gleichsetzt, physiologische und andere körperliche Veränderungen zwischengeschaltet sind. Man nennt James Theorie auch ,Rückmeldetheorie', weil es erst die Rückmeldung einer körperlichen Reizverarbeitung an das autonome Nervensystem ist, die dort als Gefühl (d.h. als Empfindung) registriert wird und die James mit der Emotion identifiziert. 14 '
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Die subjektiven Gefühle verdanken sich der Rückmeldung von veränderter Herzschlagfrequenz, Magen- und Darmtätigkeit oder von Schweißabsonderung und anderen physiologischen Körperreaktionen, die durch bestimmte Reize verursacht werden. Aus James Sicht verleiht die spezifische Beschaffenheit der sensorischen Rückmeldung jeder Emotion ihre eigentümliche Qualität. Schuld wird deshalb anders empfunden als Scham oder Liebe, weil sie eine andere physiologische Signatur besitzt. 142 Wie schon Descartes und Darwin hat James explizit die Rolle der am emotionalen Erleben beteiligten physiologischen und Hirn-Funktionen zu einem Zeitpunkt hervorgehoben, als Neurowissenschaften und Physiologie noch am Anfang standen. Der zweite wichtige Aspekt seiner Theorie ist die erneut introspektionistische Wendung, die James gegen den zu seiner Zeit in der Psychologie vorherrschenden Behaviorismus stark zu machen versuchte. Bloße gefühlsmäßige Selbstwahrnehmung ist auch aus James Sicht alles, was man zu einer hinreichend distinktiven Emotionsidentifikation benötigt. 143 Während Hume und Descartes spekulieren, dass von einem Affekt nichts übrig bliebe, wenn man die Lust/Unlustempfindungen von ihm abziehen würde, konstatiert James, dass wenn man die bewussten Körpergefühle an einer emotionalen Reaktion abziehen würde, nichts von ihr zurück bliebe als maximal die rein intellektuellen Zustände, die eventuell 144 im ersten Schritt die Emotionen verursacht haben. Kognitionen, zu denen auch Wahrnehmungen zählen, finden in James Modell ausschließlich in der Funktion kausaler Antezedenzien der Emotionen Berücksichtigung. Die subjektiven Gefühle und der daran geknüpfte, vermeintlich vorsprachliche und introspektive Zugang zu Emotionen sind für alle Gefühlstheoretiker die konstitutiven Elemente, die eine Emotion zu dem machen, was sie ist. Eine Emotion, die nicht empfunden wird, ist nach Descartes und James ein Unding; für Hume ist es immerhin ein möglicher Grenzfall, wobei auch bei ihm die unbemerkten Emotionen im Kern unbemerkte Gefühle sind. Dass aber so oder so in dem gefühltheoretisch entworfenen Bild von Emotionen Elemente unterschlagen werden, die selbst in Standardfällen konstitutive Eigenschaften von ihnen zu sein scheinen, wird u.a. von der verhaltenstheoretischen Gegenposition stark gemacht, zu der ich im folgenden überleite.
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2.2 Die Sichtbarkeit der Emotionen: Gilbert Ryle, John Dewey Als „Verhaltenstheorien der Emotionen" lassen sich solche Ansätze bezeichnen, denen zufolge Emotionen weitgehend bis ausschließlich Verhaltensmuster darstellen. Die sogenanten Verhaltenstheoretiker stellen das von Gefühlstheoretikern fokussierte subjektive Empfindungsmoment im Zugang zu den Emotionen zugunsten objektiv beobachtbarer Verhaltensaspekte zurück, an denen sich Emotionen ihrer Meinung nach im Wesentlichen identifizieren lassen. Gilbert Ryle und John Dewey, deren Positionen hier repräsentativ für diese Ausrichtung in der Philosophie skizziert werden, wenden sich mit ihren Konzeptionen der Emotionen auf unterschiedliche Weise direkt gegen die von Descartes, Hume und James. Während Gilbert Ryle philosophisch den so genannten .linguistic turn' auf das Emotionsthema anwendet, indem er sich einer Analyse der alltagssprachlichen Bedeutung von Emotionstermen zuwendet, ist John Dewey der Tradition des Pragmatismus zuzuordnen und in seinen erklärenden Beschreibungen der Emotionen stärker biologistisch ausgerichtet als Ryle. 145 Auf das Emotionsthema angewandt hat diese philosophische Differenz zwischen Ryle und Dewey Konsequenzen für ihre Einschätzungen des Informationsgehalts, der sich aus einer Analyse alltagssprachlicher Zuschreibungen von Emotionsausdrücken für ontologische Annahmen über die ,Natur' von Emotionen gewinnen lässt. Wenn wir verstehen, welchen Zwecken alltagssprachliche Zuschreibungen von Emotionen dienen, so die Überzeugung der Sprachanalytiker, verstehen wir damit die Bedeutung der Emotionsbegriffe und d.h. dasjenige, was mit ihnen bezeichnet wird. Die ontologische Grundfrage nach der ,Natur' der Emotionen soll sich auf diese Weise mit den Mitteln einer semantisch-pragmatischen Analyse angehen lassen. Analysiert wird dabei, welche kennzeichnenden Bedingungen für die Zuschreibung und Identifikation einer Emotion unverzichtbar und welche nebensächlich sind. Über den Weg der Differenzierung verzichtbarer, notwendiger und hinreichender Bedingungen gelangen Sprachanalytiker zu einer Liste der Merkmale, die sie zum Begriff der Emotionen zählen.
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2.2.1 Emotionen zwischen Episoden und Dispositionen: Gilbert Ryle Aus Ryles Perspektive vertreten besonders die Gefuhlstheorien der Emotionen deshalb einen falschen Ansatz, weil sie von der Prämisse ausgehen, dass Emotionen vorsprachliche Entitäten sind, die sich unabhängig von der Entwicklung sprachlicher Kompetenzen ausbilden und distinguieren lassen. Sprache kann dann noch bestenfalls dazu verwendet werden, metaphorisch nachzubilden, was zu einem je früheren Zeitpunkt ,in uns' stattfand, bleibt damit aber dem genuin emotionalen Ablauf und Erleben kategorial äußerlich. Dieser Gedanke verfehlt jedoch aus sprachanalytischer Sicht sowohl die realen Möglichkeiten, die wir alltäglich im Umgang mit Emotionen haben, als auch die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit eine überprüfbare Identifikation von Emotionen überhaupt möglich wird. Eine Bedingung der Möglichkeit des Zugangs zu Emotionen ist aus Ryles Sicht, dass wir die sprachliche Klassifikation emotionaler Verhaltensweisen von vorneherein gemeinschaftlich einüben. Erst dieser Fähigkeit zur begrifflichen Klassifikation verdanken wir die Kompetenz zur Distinktion der Emotionen. Unter Anleitung und durch Nachahmung lernt man bestimmte Verhaltensmuster als diese und jene Emotion zu bezeichnen. Das Verständnis davon, welches Verhaltensmuster innerhalb einer Sprachgemeinschaft unter welchen situativen Bedingungen dann z.B. als .Furcht', ,Scham' oder .Eifersucht' usw. gilt, ist aus dieser Sicht eine direkte Funktion der Sprachkompetenz, die wir innerhalb der intersubjektiven Sozialisation erwerben und nicht eine angeborene Kompetenz des Fühlens. 146 Ryle führt den Begriff „Emotion" zunächst als Überbegriff für unterschiedliche Phänomene ein: „Ich werde zu beweisen versuchen, dass die Wörter .Gemütsbewegung' oder .Emotion' zumindest drei oder vier verschiedene Arten von Dingen bezeichnen, die ich .Neigung', .Stimmung', .Erregung' und .Gefühl' nennen werde. Neigungen und Stimmungen sowie Erregungen sind nicht Ereignisse und finden daher weder öffentlich noch privat statt. Sie sind Tendenzen, nicht Handlungen und nicht Zustände. Sie sind jedoch Tendenzen verschiedener Art. Gefühle dagegen sind Ereignisse, aber bei der Beschreibung menschli-
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chen Verhaltens sollten sie an ganz anderer Stelle erwähnt werden als an der, . 147 die ihnen die üblichen Theorien zuweisen." Unter .Gefühle' subsumiert Ryle Phänomene wie Schauer, Stechen, Temperatur- und Druckwahrnehmung, Gruseln, Übelkeit, kurz: alles, was sich subjektiv, mehr oder weniger körperlich lokalisierbar, wahrnehmen lässt. Gefühle und Emotionen gehören für Ryle zwar beide zur Gattung der .Gemütsbewegungen', bilden jedoch zwei unterschiedliche Bedeutungen. „Zum einen sind sie gleichzusetzen mit Gefühlen, zum anderen bezeichnen .Gemütsbewegungen' Motive, durch die die höheren Verhaltensweisen der Menschen erklärt werden. Wenn jemand als eitel, rücksichtsvoll, geizig, patriotisch oder faul bezeichnet wird, dann enthält das eine Erklärung, warum er seine Handlungen, Wachträume und Gedanken so vor sich gehen lässt, wie er es tut und nach der maßgeblichen Terminologie gelten Eitelkeit, Freundlichkeit, Geiz, Patriotismus und Faulheit als Arten der Gemütsbewegungen; deshalb werden sie selbst als Gefühle angesehen. Aber es liegt eine große Wortverwirrung vor, verbunden mit einer logischen Verwirrung." 148 Die Verwirrungen bestehen für Ryle nun darin, dass erstens diese beiden Bedeutungen von .Gemütsbewegung' vermischt werden und zweitens die primär dispositionelle Bedeutung der Emotionsterme übersehen wird. Er selbst bestimmt Emotionen positiv als andauernde Züge eines Charakters bzw. Neigungen zu mehr oder weniger spezifischen Handlungen. Emotionen sind Ryle zufolge Handlungsmotive, wobei die aus ihnen entspringenden Handlungen außerdem auch manchmal mit Gefühlen einhergehen können. Über die generelle Notwendigkeit oder Verzichtbarkeit von Gefühlen für das Vorliegen von Emotionen heißt es bei Ryle: „Es stimmt zwar, dass die Kennzeichnung eines Menschen als eitel bedeutet, er habe einen gewissen Hang, aber es stimmt nicht, dass er jedes Mal gewisse Stiche oder Schauer verspürt, wenn er diesem Hang folgt. Im Gegenteil, wenn wir hören, jemand sei eitel, erwarten wir von ihm in erster Linie, dass er sich 149 in einer bestimmten Art verhält." Für Ryle sind Emotionen also stets auf der Verhaltensebene sichtbar, ohne aber immer mit Gefühlen einherzugehen. Jenseits subjektiver Emp-
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findungen sind Emotionen wie .Furcht' auf Basis von Ryles Auffassung primär als Neigung, sich von einer Gefahrenquelle zu entfernen, bestimmbar; .Schuld' z.B. als eine Neigung zu .WiedergutmachungsHandlungen', .Trauer' versteht Ryle als eine durch Tod vereitelte Zuneigung, .Verliebtheit' als ein durch Anziehung ausgelöstes Nähebedürfnis usw. Dabei sind Neigungen oder Motive für Ryle nicht als unabhängige Bewusstseinszustände zu verstehen, die den Handlungen zeitlich vorangehen würden. 150 Aus seiner Sicht sind Neigungen — und daher Emotionen — überhaupt keine Bestandteile innerhalb eines introspektiv wahrnehmbaren Bewusstseinsstroms und schon deshalb nicht mit Gefühlen (Empfindungen) identisch. Emotionen werden Ryle zufolge überhaupt nicht im Inneren einer Person irgendwie entdeckt. Die Vorstellung, wonach wir durch bloße Innenschau verlässlich Kenntnis von unseren Absichten, Wünschen oder auch Emotionen erlangen könnten, gehört für Ryle zu den .paramechanischen Mythen' der cartesianischen Ontologie und Erkenntnistheorie. Um etwas Sinnvolles über die mögliche Kenntnisnahme von Emotionen aussagen zu können, plädiert Ryle dafür, sich der spezifisch explanatorischen Funktion der Zuschreibungen von Emotionstermen zuzuwenden.
2.2.1.1 Die Erklärungskraft unserer emotionalen Sprache „Es gibt zwei ganz verschiedene Bedeutungen von [...] .Emotion', die wir bei der Erklärung menschlichen Verhaltens durch Hinweise auf Emotionen verwenden. Die erste Bedeutung bezieht sich auf die Motive oder Neigungen, aus denen mehr oder weniger intelligente Handlungen begangen werden. Die zweite Bedeutung bezieht sich auf Stimmungen, einschließlich Erregungen oder Aufregungen, die sich in gewissen ziellosen Bewegungen zeigen. Bei keiner dieser Bedeutungen behaupten wir oder geben wir zu verstehen, dass das offene Benehmen die Wirkung eines gefühlten Strudels im Bewusstseinsstrom des Handelnden ist."
Die in einer definierenden Beschreibung von Emotionen zu berücksichtigenden Faktoren sind demnach .offenes Benehmen' und darauf bezogene Erklärungen. Ryle legt nun Wert darauf, dass es sich dabei nicht um den Typus von Kausalerklärungen, sondern um Begründungen handelt.
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Den Unterschied markiert er wie folgt: In Kausalerklärungen muss auf ein singuläres Ereignis Bezug genommen werden, das einem anderen vorangeht und hinreicht, um es als Wirkung hervorzubringen. Da Emotionen aber für Ryle keine Ereignisse sind, trifft ihm zufolge die kausale Erklärungsart nicht zu. Vielmehr gibt man Begründungen, die gesetzesartige Sätze enthalten und allgemeine hypothetische Aussagen über den zu erklärenden Sachverhalt oder Gegenstand liefern. 152 Man erklärt (im Sinne von ,begründet") Verhalten dadurch als Ausdruck von Emotionen, dass man es generellen Charakterzügen bzw. typischen Verhaltensneigungen einer Person zuordnet. So gesehen entspricht die Zuschreibung von Emotionen der Logik der Zuschreibung von dispositionellen Eigenschaften — auch in jedem Einzelfall. Ryle schreibt: „Wenn man jemandem ein Motiv für eine Tat unterstellt, ist das nicht ein kausaler Schluss auf ein unbeobachtbares Ereignis, sondern die Unterordnung eines Ereignissatzes unter einen gesetzesähnlichen Satz. Er ist daher einer Erklärung von Reaktionen und Handlungen durch Reflexe und Gewohnheiten gleichzustellen oder der Erklärung des Zerspringens des Glases durch Hinweis auf seine Zerbrechlichkeit."
Aufgrund von Regelmäßigkeiten im Verhalten der Menschen verfugen wir nach Ryle über eine Art Faustregel, die uns in den meisten Situationen erlaubt, bestimmte Auslöser mit Verhalten so zu korrelieren, dass wir darin ein Muster wiedererkennen, welches wir mit Emotionsbegriffen belegen. Wir schließen Ryle zufolge stets induktiv auf Emotionen. Induktionen, also kognitive Operationen - und nicht vorsprachliche Empfindungen - stellen demnach das Medium des Zugangs dar. Da induktive Schlussverfahren als solche fehleranfallig sind, ist es schon aus logischen Gründen (nicht nur aus psychologischen) möglich, dass wir uns bei der Zuschreibung von Emotionen irren können. Solche Irrtümer findet man nach Ryle dadurch heraus, dass man die Situation, in der eine Emotion identifiziert wird, einer ähnlichen Szenerie gegenüberstellt und dabei prüft, ob sich die betreffende Person unter diesen vergleichbaren Umständen genauso verhalten würde. Erst regelmäßige Übereinstimmungen im Verhalten unter gleichen Bedingungen bilden die Grundlage für die emotionale Klassifizierung eines bestimmten Verhaltens.
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Dass wir die eigenen oder auch die emotionalen Äußerungen anderer Menschen zum Teil auf eine unmittelbarere Weise zu verstehen meinen — und d.h. ohne indirekt auf sie schließen zu müssen — hat Ryle zwar gesehen. Aber das ist seiner Auffassung nach nur deshalb manchmal so, weil wir durch stetige Wiederholung und Nachahmung irgendwann ganz automatisch erkennen, welche Gesten, Tonfälle, Äußerungen und Ausdrucksweisen unter welchen Bedingungen welche Emotion bedeuten, so dass die induktiven Prozesse der Identifikation einer Emotion nach einer Zeit der Übung sozusagen bis zur Unkenntlichkeit schnell ablaufen. Was wie eine unmittelbare, nicht-inferenzielle Identifikation einer Emotion aussieht, basiert in Wahrheit aus Ryles Sicht ebenfalls auf der manchmal geradezu blitzartigen Anwendung induktiver Schlussverfahren auf uns selbst und andere. „Mögen und Nicht-Mögen, Freude und Kummer, Verlangen und Widerstreben sind also nicht .innere' Vorfalle, bei denen zwar der Betroffene zugegen ist, seine Freunde aber nicht. Es sind keine Vorfalle und somit auch nichts Derartiges, w o Zeugen anwesend sein oder abwesend sein können. Gewiss können wir gewöhnlich, aber nicht immer, ohne Untersuchungen sagen, ob wir etwas gern haben oder nicht [...] aber unsere Gefährten können das auch, vorausgesetzt, dass wir in unseren Gesprächen offen mit ihnen sind und keine Maske tragen." 154
Die Gemeinsamkeit der von Ryle zur Kategorie der .Gemütsbewegungen' gezählten Phänomene wie Stimmungen, (die sich ihm zufolge in ziellosem Benehmen ausdrücken), Körpergefühlen (wie Stichen oder Schauer) und den Emotionen sieht er darin, dass sie allesamt Verhaltensreaktionen auf gestörte Handlungsabläufe sind. 155 Emotionen markieren dabei ein bestimmtes Feld von Situationen gesteigerter Handlungsanforderungen und zeigen sich als mehr oder weniger lösungsorientiertes Verhalten. Erste und dritte Personen haben demnach prinzipiell dieselben Möglichkeiten des Zugangs zu Emotionen. .Betroffene' sind nach Ryles Ansicht grundsätzlich nicht in einer besseren Ausgangslage als ihre Mitmenschen, wenn es darum geht, zu erkunden, in welcher emotionalen Verfassung sie sich befinden. Der Grund dafür ist der, dass es sich bei Emotionen um objektiv beobachtbare und generalisierte Motive und nicht um singulare, versteckte, innere Zustände handelt. Jemand, der z.B.
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behauptet, sich schuldig zu fühlen und gleichzeitig nicht das geringste Anzeichen in seinem Verhalten dafür gibt, sich zu entschuldigen, ist einfach nicht glaubwürdig, egal welche Gefühle er sich sonst zuschreiben mag. 156 Da Menschen außerdem nicht unparteiisch sich selbst gegenüber sind und manchmal bestimmte Regungen des Neids oder der Eifersucht gar nicht wahrhaben wollen, weil solche Neigungen z.B. sozial geächtet sind, geht Ryle sogar im Kontrast zu Descartes und auch im Unterschied zu Hume davon aus, dass andere Personen häufig besser einschätzen können, wie es um uns steht, als wir selbst. Gefühlen räumt Ryle eine Art ungefährer Signalfunktion für das Vorliegen einer Emotion ein. Sie sind aus seiner Sicht Gleichgewichtsstörungen, die entweder durch das gleichzeitige Vorliegen widerstrebender Neigungen zustande kommen oder dadurch, dass eine Handlungsneigung auf ein Hindernis stößt. 157 Aber auch der Konnex von Gefühlen und Emotionen ist für ihn nichts Unmittelbares oder Unfehlbares. „Wir wollen hier hervorheben, dass wir eine Kausalhypothese anwenden, ob wir nun eine körperliche Empfindung einer physiologischen Verfassung oder ein Gefühl einer emotionalen Verfassung zuordnen. Schmerzen kommen nicht schon mit dem Stempel ,rheumatisch' an, auch nicht Stiche mit dem Stempel .Mitleid'." 158
Bei der Zuordnung von Gefühlen zu Emotionen können wir uns folglich auch noch irren, wenn wir sie nämlich als Zeichen für Emotionen deuten, obwohl sie in Wahrheit z.B. auf eine Krankheit, Kaffeegenuss oder etwas anderes zurückgehen. Das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein von Gefühlen ist deshalb kein verlässlicher Faktor, von dem eine eindeutige Distinktion und Zuschreibung einer Emotion abhängen könnte. Vielmehr ist es geradewegs umgekehrt: Erst wenn wir bereits wissen, mit welcher Emotion wir es zu tun haben, können wir die Gefühle, die wir zu diesem Zeitpunkt durchmachen, auch als emotionszugehörig einordnen. Deshalb spielen Gefühle (Empfindungen) in Ryles Begriffsanalyse von Emotionen eine nebengeordnete Rolle. Diese Aussage ist kompatibel damit, dass es eine empirisch sogar häufig vorkommende Tatsache sein mag, dass emotionale Reaktionen auch noch mit Gefühlen einhergehen.
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2.2.2 Anpassung durch emotionale Entladung: John Dewey Ähnlich wie Ryle betont auch John Dewey, dass subjektive Selbstwahrnehmungen gegenüber den für konstitutiv erachteten Verhaltensaspekten an Emotionen zweitrangig sind. Er charakterisiert Emotionen als „disposition, mode of conduct, way of behaviour". 159 Bezug nehmend auf unseren Umgang mit emotional erregten Personen bemerkt er, dass wir uns kaum vor einer wütenden, rachsüchtigen oder neidvollen Person in Acht nehmen würden, wenn das Wesentliche in all diesen Fällen nur darin bestünde, dass die affizierte Person irgendwelche inneren Zustände durchlebt. Bedenklich finden wir dabei vielmehr, so Dewey, dass die betreffende Person dann zu bestimmten Handlungen neigt, die uns auf die eine oder andere Weise schädigen oder nützen könnten. Generell entstehen Emotionen ihm zufolge dann, wenn gewohnheitsmäßige Handlungsorientierungen unterbrochen werden. „Habit is energy organized in certain channels. When interfered with, it swells as resentment and as an avenging force. [...] Emotion is a perturbation from clash or failure of habit." lf, °
Was wir über Menschen aussagen, die wir als emotional beschreiben, bezieht sich aus Deweys Sicht immer auf handlungspraktische Wirkungen. „When we say that John Smith is very resentful at the treatment he has received, or is hopeful of success in business, or regrets that he accepted a nomination for office, we do not simply, or even chiefly, mean that he has a certain ,feel' occupying his consciousness. We mean he is in a certain practical attitude, has assumed readiness to act in certain ways." 161
Darüber hinaus sieht Dewey es wie Ryle als gegeben an, dass Gefühle (Empfindungen), sofern sie in emotionalen Situationen überhaupt verspürt werden, erst im Nachhinein einen spezifisch emotionalen Sinn zugesprochen bekommen. Um Gefühlsregungen als subjektiv erlebte Rückwirkungen einer vereitelten Handlungsorientierung — und d.h. für Dewey als Emotion - interpretieren zu können, muss man bereits wissen, welcher emotionalen Episode man sie zuordnen will. Gefühle sind aus dieser Sicht keineswegs
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selbsttransparente Hinweise auf Emotionen, sondern interpretationsbedürftige Phänomene. Diesen Punkt kann man sich auch unabhängig von Dewey klar machen. Manche Gefühle z.B. des Magendrucks oder auch von Nervosität können mit ganz unterschiedlichen geistigen und körperlichen Verfassungen einhergehen und unterschiedliche Gefühle — wie Erschöpfung oder Aufregung — mögen den Verlauf einer einzigen emotionalen Episode von z.B. Kummer begleiten. In solchen Situationen ist es offensichtlich, dass es eine Differenz zwischen Emotion und Gefühl gibt. Die Gefühlstheorien kommen unter anderem dort an Grenzen, wo sie nicht imstande sind, diese Differenz zwischen veränderlichen Gefühlen und einheitlichen Emotionen in ihre Konzeptionen der Emotionen aufzunehmen. Dewey bezieht Gefühle nun insofern in seine Untersuchung der Emotionen mit ein, als er davon ausgeht, dass sich auch Energie im Organismus entlädt, wenn dessen Handlungsroutine unterbrochen wird und d.h., sobald eine emotionalisierende Situation vorliegt. Deweys Theorie wird deshalb auch als Endadungstheorie (.discharge theory*) der Emotionen bezeichnet, weil Emotionen demnach nach innen und außen gerichtete Entladungsvorgänge gleichzeitig sind. Was das wiederum für den Zugang zu Emotionen - den eigenen und den Emotionen anderer - bedeutet, sagt Dewey nicht mehr. Aufgrund seiner biologistisch-funktionalistischen Annäherung an das Thema hält er Fragen danach, wie es Subjekten in emotionalen Situationen ergeht und was sie dabei an Widerfahrnissen oder auch Aktivitäten selber wahrnehmen, offenbar für überflüssig.
2.2.2.1 Fehlerquellen der alltagspsychologischen Sicht auf Emotionen Der alltagssprachlichen Umgehensweise mit emotionalen Reaktionen lassen sich Dewey zufolge keine Informationen über die Natur der Emotionen entnehmen. Obwohl er sich selbst, wie im zuvor angeführten Zitat, auf Umgangsprache bezieht, wenn er auf die primär praktische Bedeutung von Emotionszuschreibungen aufmerksam macht, weist er sie andererseits als Fehlerquelle aus:
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„It is sheer reflective interpretation to say that the activity in anger is set up by the object, if we by object mean something consciously apprehended as object. This interpretation, if we force it beyond a mere way of speaking into the facts themselves, becomes a case of the psychological fallacy."162
Dewey meint, dass ontologische Ableitungen aus den alltagssprachlichen Korrelierungen von Ursachen, Objekten und Emotionen auf psychologische Fehlschlüsse hinauslaufen. Denn für Dewey sind die Kausalunterstellungen und Objektzuweisungen innerhalb der Zuschreibungen von Emotionen reine Metaphorisierungen, die der Rationalisierung natürlicher und undurchschauter Phänomene dienen. Aufgrund ihrer geistigen Verfassung wollen Menschen verstehen, warum und was mit ihnen geschieht. Um dieses Erklärungsbedürfnis zu befriedigen, konstruieren sie aus seiner Sicht Ursache/Wirkungs- sowie Begründungszusammenhänge auch dort, wo ihnen ein Wissen um die wahren Zusammenhänge fehlt. Zu solchen Pseudoerklärungen gehören die Versuche der Menschen, ihr Verhalten und ihre Gefühle auf einen vermeintlich vorgängig wahrgenommenen Auslöser zurückzuführen. Dass wir de facto in Sätzen der Form: „Er ist wütend auf...", „Sie fürchtet sich vor ...", „Er hofft, dass ..." den emotionalen Reaktionen auslösende Objekte zuordnen, ist zwar ein Tatbestand unserer alltags sprachlichen Umgehensweise mit Emotionen. Dewey meint jedoch, dass die dabei vorgenommene Differenzierung von .Objekt' und .Subjekt' oder auch von .Ursache' und .Reaktion' bereits irreführende Abstraktionen sind. Emotionales Erleben und Handeln ist vielmehr eine in sich ganzheidiche, ungeteilte Aktivität eines biologisch bestimmten Organismus. Die rein sprachlich vorgenommene Strukturierung emotionaler Erregungen in klar abgrenzbare Wahrnehmungs- und Reaktionsphasen, Ursachen und Wirkungen sind aus Deweys Sicht nachträgliche Differenzierungsleistungen, die keinen objektiven Wahrheitsgehalt haben. Sie genügen sich sozusagen selbst und sind pragmatische Konstrukte im Umgang mit unseren unverstandenen Regungen, die wir „Emotionen" nennen. Sprachliches Verhalten ist aus Deweys Sicht also für das Zustandekommen und die Identifizierung von Emotionen irrelevant.
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„Even the pathological or objectless emotion is so only to the rational spectator. To the experiencer (if I may venture the term) it subsumes at once its own object as source or aim. This feeling of depression must have its reason; the world is dark and gloomy; no one understands me; I have a dread disease; I have committed the unpardonable sin. This feeling of buoyancy must have its ideal reference; I am a delightful person, or one of the elect or have a million dollars left me."163 Was auf Zustände wie grundlose Depression oder Heiterkeit zutrifft, dass man gewöhnlich selbst ihnen, aus dem Hang zur Rationalisierung heraus, auslösende Objekte und Ziele unterstellt, obwohl sie keine haben, gilt Dewey zufolge auch für alle anderen Emotionen. Das plausibilisiert er anhand eines Beispiels. Wenn man z.B. von einer Furchtreaktion aussagt, ihr verursachendes Objekt sei ein bedrohlicher Bär, ist bereits eine die Lage verdrehende Projektion im Spiel. Denn, um den Bären überhaupt bedrohlich zu finden, so Dewey Gedanke, muss Furcht bereits vorliegen. Ohne die Furcht wäre der Bär einfach ein neutrales Faktum in der Welt der uns umgebenden Objekte. Und insofern, meint er, gehört das jeweils Furcht Erregende mit zur emotionalen Aktivität hinzu, steht nicht als abspaltbarer Auslöser irgendwie außerhalb dieser Furcht. Wir reden nur so, als ob es sich derart verhalten würde. „Here, then, is our point of departure in placing the ,feel', the .idea', and the ,mode of behavior' in relation to one another. The idea or object which precedes and stimulates the bodily discharge is in no sense the idea or object (the intellectual content, the ,at' or ,on account o f ) of the emotion itself. The particular idea, the specific quality or object to which the seizure attaches, is just as much due to the discharge as is the seizure itself. More accurately and definitely, the idea or the object is an abstraction from the activity just as much as is the ,feel' or seizure."164 Mit Seitenblick auf James, der Emotionen ja als Reaktionen auf vorgängige Reizwahrnehmungen beschreibt, meint Dewey daher: „The conception of an instinctive reaction is the relevant idea; that of reaction upon an element .which strikes us as important' the incongruous idea. Does it strike us prior to the reaction, as important? Then, most certainly, it already has emotional worth; the situation is already delightful and to be perpetuated or terrible and to be fled of, or whatever. What does recognition of
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importance mean aside from the ascription of worth, value - that is, aside from the projection of emotional experience?"165 Was als vermeintlich auslösende Objekte zugeschrieben wird, gehört in Wirklichkeit zu den Wirkungen von Emotionen. Emotionen interpretiert Dewey biologistisch als eine Form von adaptivem Verhalten, das auf die Sicherung des Überlebens zielt und Ausdruck einer gestörten Anpassungsleistung ist. In Deweys Konzeption verstehen Personen, wenn sie emotional reagieren, nicht, was wirklich abläuft, weil sie die evolutionären Mechanismen nicht durchschauen, von denen diese Prozesse determiniert werden. Mit den rein pragmatischen Interpretationen ihres Erlebens helfen sich Personen alltagspsychologisch über die objektiven Wissenslücken hinweg, die nur die empirischen Einzelwissenschaften profund zu schließen vermögen.
2.2.2.2 Der kalte Blick auf Emotionen An Deweys extrem objektivistischer und zugleich sprachkritischer Beschreibung von Emotionen knüpfen heute, wie bereits im Einfuhrungskapitel erwähnt, unter anderem Physiologen wie Joseph LeDoux sowie Philosophen, u.a. Paul Griffith, an. 166 Emotionsterme bezeichnen ihnen zufolge ausschließlich objektiv beobacht- und messbare, körperliche und physiologische Abläufe, wobei subjektive Erkenntnisprozesse und Beschreibungen betroffener Personen ausgeblendet bleiben. Solche objektivistischen Verhaltenstheorien lehnen nicht nur — wie Ryle es ja auch tut — das gefühlstheoretische Privileg erster Personen im Zugang zu ihren Emotionen ab. Sie halten auch den von Ryle und den sprachanalytischen Philosophen ins Spiel gebrachten sprachlichen Zugang zu Emotionen für prinzipiell fehlleitend. 167 Um zu erklären, was Emotionen sind und wodurch emotionale Reaktionen im ersten Schritt überhaupt zustande kommen, so die objektivistische Vorstellung, müssen die vom wissenschaftlichen Laien undurchschauten, objektiven Zusammenhänge neuronaler, biochemischer und evolutionärer Prozesse analysiert werden, die mit psychologischen oder philosophischen Mitteln überhaupt nicht zu erfassen sind.
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Eine solche Sicht auf die Dinge lässt sich nun zwar nicht rundheraus zurückweisen, aber man kann zeigen, welche problematischen Konsequenzen ein solcher Ansatz mit sich bringt. Zum einen ist durch die bloße Verschiebung des Fokus auf objektive physiologische, biologische und evolutionäre Zusammenhänge noch nichts darüber ausgesagt, ob kognitive Prozeduren sowie subjektive Selbstwahrnehmungen eine Rolle für den Aufbau und die Struktur von Emotionen spielen und wenn ja, welche. Die philosophischen Gefühlstheorien haben zwar den subjektiven Selbstwahrnehmungscharakter von Emotionen einseitig überbetont. Aber dass wir uns selbst immer auch irgendwie miterfahren, wenn wir emotional reagieren und unsere emotionalen Regungen persönliche Belange und spezifisch subjektive Sichtweisen transportieren, bleibt aus meiner Sicht eine wichtige und erklärungsbedürftige Dimension, die in objektivistischen Ansätzen ohne Gründe und d.h. dogmatisch ausgeblendet wird. Eine andere problematische Konsequenz der ausschließlich objektivistisch-einzelwissenschaftlich ausgerichteten Bemühungen um die Emotionen ä la Dewey, LeDoux und Griffith ist, dass unserer alltagssprachlichen Zuschreibungspraxis von Emotionsbegriffen und den damit einhergehenden alltagspsychologischen Verstehensbemühungen um Emotionen jegliche rationale und realistische Grundlage abgesprochen wird, bevor überhaupt geprüft werden kann, welche sachlichen Informationen ihnen eventuell zu entnehmen sind. Gänzlich mysteriös müsste schließlich dann auch die Tatsache gewertet werden, dass wir uns der Alltagssprache weitestgehend erfolgreich bei der alltäglichen Erklärung, Beschreibung und Voraussage von Emotionen bedienen können. Akzeptiert man z.B. Deweys Diktum, ist jeglicher philosophischen Theorie im Ansatz schon der Boden und das Material entzogen, auf das sich ihre Analysen der Emotionen beziehen könnte. Das Unternehmen einer philosophischen Theorie der Emotionen könnte erst dann wieder in Angriff genommen werden, nachdem die Hirnphysiologen und Biologen ein für alle mal empirisch herausgefunden hätten, was nun genau Emotionen sind. 168 Doch dies ist eben nicht auf direktem Wege empirischer Untersuchungen möglich, da keine Einigkeit darüber herrscht, was unter „Emotionen" verstanden und in der Folge davon untersucht werden soll. Von daher bleibt es eine genuin philosophische Aufgabe, das Für und Wider der verschiedenen Auffassungen von Emotionen abzu-
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wägen und mit Gründen den relativ aussichtsreichsten Ansatz zu verteidigen. Anstatt daher einzelwissenschaftliche und ausschließlich verhaltenstheoretische sowie evolutionstheoretische Untersuchungen als Alternativen zu einer philosophischen Analyse der Emotionen aufzufassen, ist es aus meiner Sicht sinnvoller, sie als Ergänzung zu Unteraspekten des Emotionsthemas zu sehen: eben als Beitrag zur Untersuchung der (neuro-) physiologischen und biologischen Operationen, die den verschiedenen emotionalen Phänomenen zugrunde liegen. Die zusätzliche Dimension dessen, was Menschen aus der Perspektive der ersten Person verstehen, wenn sie emotional sind, ist u.a. von philosophischer Seite her beizusteuern.
2.2.3 Grenzen der verhaltenstheoretischen Konzeptionen der Emotionen Wie an der Darstellung von Ryles und Deweys Ansatz deutlich wurde, unterscheiden sich ihre verhaltenstheoretischen Konzeptionen der Emotionen u.a. danach, ob sie ausschließlich biologische Prägungen oder auch das kulturelle Einüben sprachlichen Verhaltens einbeziehen. Probleme für verhaltensorientierte Theorien der Emotionen bilden so oder so alle expressiv uneindeutigen und komplexen Emotionen wie Hoffnung oder Sehnsucht. Eine Hoffnung auf eine entspannende Reise z.B. drückt sich nicht stereotyp aus, wie die reflexhaften Schreck- und Furchtreaktionen vor Bären und bissigen Hunden, die schon Darwin und seinen Nachfolgern, m.E. zu unrecht, als Paradigmen der Emotionen überhaupt dienten. Auf die komplexen und ihrem Ausdrucksverhalten nach uneindeutigen Fälle emotionaler Regungen, wie z.B. Verliebtheit oder Neid, lassen sich die Analogien zu Reflexen und automatischen Verhaltensweisen nun einmal nicht anwenden. Außerdem gibt es die Möglichkeit der Verstellung auf der Verhaltensebene. Wir können sowohl Emotionen vortäuschen, die wir gar nicht haben, als auch — zumindest wenn wir gute Schauspieler sind - vorhandene Emotionen nach außen hin überspielen. Und das zeigt m.E., dass nicht in sämtlichen Situationen der Zugang zu Emotionen aus der ersten und dritten Personen-Perspektive gleichermaßen im Abschätzen und
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Einordnen des sichtbaren Verhaltens bestehen kann, wie z.B. Ryle behauptet. Problematisch ist überdies aus meiner Perspektive der überzogene Abgrenzungsreflex der Verhaltenstheoretiker gegenüber den introspektionistischen gefühlstheoretischen Ansätzen. Er führt bei Ryle und Dewey u.a. dazu, die subjektive Empfindungsqualität der Emotionen zu stark abzublenden. Insbesondere Ryles primäre Orientierung an der dispositionellen Verwendungsweise von Emotionsausdrücken übersieht den episodalen, vorübergehend erregenden Charakter emotionaler Affektionen. Die Zuschreibung von z.B. Verliebtheit hängt durchaus auch davon ab, ob die betreffende Person u.a. auch starke Gefühle für jemanden empfindet. Wenn die betreffende Person an sich feststellt, dass das Präsent- oder Abwesendsein des angeblich Geliebten keinerlei gefühlsartige Veränderungen in ihr bewirkt, lässt dies sicherlich den Schluss zu, dass sie aufgehört hat, diese Person zu lieben. Wenn dem so ist, gibt es neben dispositionellen offenbar auch episodale Verwendungsweisen von Emotionsausdrücken, deren Funktion zumindest u.a. darin besteht, vorübergehend wahrnehmbare Zustandsveränderungen zuzuschreiben. Ryles Konzeption erscheint auch noch in anderen Hinsichten problematisch. Unter den Philosophen, die sich mit Ryles Emotionstheorie beschäftigt haben, sieht z.B. Anthony Kenny folgendes Problem gegeben: „It is ironic that Ryle, having attacked the .impulse' theory of motives for wrongly regarding explanation by motives as a type o f causal explanation, should himself offer a theory which is, on his own view o f causation, no less causal. [...] His theory differs from the one he rejects only in that it offers public circumstances, instead of private impulses, as the cause o f the boasting." 169
In dieser Kritik verfehlt Kenny jedoch Ryle, weil es ja gerade Ryles Pointe ist, dass vermeintlich private innere Impulse eben nicht auf dieselbe Weise real existieren, wie die objektivierbaren Umstände, die aus der Perspektive 3. Personen auf kontrollierbare Weise identifizierbar sind. Nur dergestalt Objektives hat kausale Kraft, während innere Impulse aus Ryles Sicht Schimären sind. Und Schimären können nun einmal nicht in Kausalrelationen zu irgendetwas stehen. Ryle wehrt sich also nicht, wie Kenny suggeriert, gegen irgendeine kausale Lesart der Emotionen. Viel-
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mehr argumentiert Ryle gegen eine bestimmte Deutung der Kausalität von Emotionen, wonach deren Ursachen sozusagen auf falscher Ebene, nämlich innerhalb einer vermeintlich privaten Seelentiefe anstatt im Kontext von Verhalten gesucht werden. Aus meiner Sicht ergibt sich ein anderes Problem, das schwerer wiegt, als die von Kenny hervorgehobene, angebliche Selbstwidersprüchlichkeit Ryles. Seine These ist ja, dass man von Verhalten auf Emotionen immer dann zurütk schließen kann, wenn dies die beste Erklärung für das Verhalten zu sein scheint. Der Verweis auf Emotionen soll dabei solchen Erklärungen von Handlungen entsprechen, die man vornimmt, wenn man sie auf Reflexe oder Gewohnheiten zurückfuhrt. Wenn es nun zutrifft, dass von vorliegenden Verhaltensweisen maximal hypothetische Rückschlüsse auf Emotionen gezogen werden können, dann folgt daraus, dass Emotionen offenbar doch nicht mit Verhalten identisch sind, denn sonst wären die vermeintlichen Rückschlüsse bloße Tautologien. Was aber sind Emotionen dann? Die zu erklärenden Emotionen bleiben offenbar ihrem Wesen nach in der verhaltenstheoretischen Beschreibung Ryles unbestimmt. Ein weiterer gewichtiger Kritikpunkt ergibt sich daraus, dass auch Fragen nach der Angemessenheit von Emotionen aus verhaltenstheoretischer Sicht nie dadurch beantwortet werden können, dass man etwa die Qualität der Gründe für die involvierten Meinungen der emotional betroffenen Person überprüft. Beurteilungen von Emotionen sind bei Ryle auf Fragen der richtigen oder falschen Kategorisierung von Verhalten reduziert. Ob im Einzelfall ein bestimmtes Verhalten einer Person zu Recht als Instanz einer entsprechenden .Neigung' angesehen werden kann, lässt sich Ryle zufolge ausschließlich über den Vergleich mit anderen Situationen herausfinden. Ein Zuschreibungsfehler soll über den Hinweis auf analoge Situationen nachgewiesen werden können, in denen ein ähnliches Setting nicht zu dem gleichen, als emotional klassifizierten Verhalten geführt hat. Aus den Abweichungen soll dann gefolgert werden dürfen, dass die vormals unterstellte generelle Neigung (Emotion) doch nicht bestand. Paradoxerweise ist es dann aber theoretisch möglich, dass ein und dieselbe Reaktionsweise, zu verschiedenen Zeitpunkten betrachtet, einmal als nicht-emotionale und das andere Mal als emotionale Reaktion eingestuft werden könnte. Was gerade richtig ist, hängt dann prinzipiell nicht
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von Merkmalen der konkreten Situation selbst ab, in der die fragliche Reaktion stattfindet, sondern allein davon, ob zu diesem Zeitpunkt ein gleichartiges Verhaltensmuster mitidentifizierbar ist oder (noch) nicht. Das ist jedoch meiner Meinung nach eine falsche Beschreibung der Sachlage. Wir erklären problemlos emotionale Reaktionen von den konkreten Anforderungen der Situation her, in denen sie stattfinden, ohne dass wir zu diesem Zweck stets zum Allgemeinen übergehen müssen. Nur in problematischen Fällen, in denen uns eine emotionale Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis unpassend vorkommt, behelfen wir uns damit, den Erklärungsrahmen sozusagen zu erweitern und gegebenenfalls nach einem Wiederholungsmuster zu suchen, das die einzelne Reaktion zu erklären hilft. Die derart einseitige, verhaltenstheoretische Ausrichtung an allgemeinen Dispositionen muss es zudem offen lassen, wie neue emotionale Erfahrungen möglich sein sollen. Wie u.a. Erroll Bedford zusätzlich hervorhebt, ist es auch zu unspezifisch, über emotional erregte Personen nur auszusagen, dass es ihnen ähnlich sieht, auf eine bestimmte Weise zu reagieren. 170 Bedford meint dazu: „Mir scheint, dass Emotionsworte in zweierlei Hinsicht über diese Art Erklärung hinausgehen. Erstens stellen sie die erklärungsbedürftige Handlung nicht nur in den Kontext des sonstigen individuellen Verhaltens, sondern in einen sozialen Kontext. ,Er war grob zu dir, weil er eifersüchtig war' ähnelt dem Satz ,Ich half ihm, weil er ein Freund war' darin, dass beide Verhalten unter Bezugnahme auf die Beziehung zu anderen erklären." 171
Zweitens weisen aus Bedfords Perspektive Verhaltenserklärungen durch Rekurs auf Emotionsworte auch deshalb über Ryles Ansatz hinaus, weil sie eine Art von Rechtfertigung oder teilweiser Rechtfertigung einer Handlung angeben. Da jedoch Verhalten für sich genommen noch kein anderes Verhalten rechtfertigen kann, müssen mentale Zustände wie Wünsche und Einstellungen im Spiele sein, deren Integration in ein Konzept der Emotionen einen anderen Ansatz erforderlich macht als Ryle oder auch Dewey ihn bieten. Ich fasse zusammen: Sowohl die Probleme, die sich aus der Assimilierung von Emotionen an stereotype und automatisch einsetzende Verhaltensreflexe ergeben, als auch die, die sich aus den gefühlstheoretisch
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weitreichenden Identifikationen der Emotionen mit vorsprachlichen Empfindungen ergeben, machen Alternativkonzeptionen notwendig. Die so genannten Kognitivisten innerhalb der philosophischen Theoriebildung zu Emotionen bieten eine solche Alternativkonzeption. Sie weisen auf den markanten Unterschied von Emotionen zu bloßen Gefühlen (Empfindungen) sowie auf den von Emotionen zu Verhaltensmustern hin, indem sie u.a. die enge Verknüpfung der Emotionen mit Kognitionen, darunter insbesondere Meinungen und Wünsche, in den Mittelpunkt ihrer Analysen rücken. Sowohl die Zugangsproblematik als auch das Verhältnis von Emotionen zu Kognitionen — und damit einhergehend die Rolle der Sprache beim Zustandekommen der Emotionen — werden bei ihnen neu gewichtet.
2.3 Die Verstehbarkeit der Emotionen: Varianten der kognidvisdschen Emodonstheorie In Abgrenzung zu den vorgehend präsentierten Theorien rücken die Kognitivisten eine unbehandelt gebliebene Dimension ins Zentrum ihrer Auseinandersetzung mit den Emotionen, nämlich die ihrer inhaltlichen Bedeutsamkeit. Wer sich wütend, eifersüchtig oder erfreut fühlt, ist mit etwas oder jemand Bestimmtem verstrickt, was ausmacht, dass man sich gerade so fühlt. Die während einer emotionalen Episode spürbar werdenden psycho-physischen Veränderungen und/oder die Verhaltensimpulse sind nach kognitivistischer Auffassung selten zugleich auch die relevanten Bezugspunkte für eine emotional affizierte Person. Vielmehr rücken die Dinge, Sachverhalte und Personen, auf die Menschen emotional reagieren, ins Zentrum der subjektiven Aufmerksamkeit. Die fokussierten Auslöser bekommen eine hervorstechende Wichtigkeit für die betroffenen Personen, die zumindest solange anhält, wie die emotionale Erregung andauert. Wenn sich jemand z.B. in einer geselligen Runde befindet und sich plötzlich durch einen Witz auf seine Kosten verletzt fühlt, dann ist ihm nicht nur irgendwie unangenehm zumute - er wird auch gedanklich von dem Geschehen okkupiert, das seine Verletzung bewirkt. Er könnte daher ohne Umschweife seinem Gegenüber vorwerfen: „Du hast mich mit Deinem Witz sehr verletzt!" Oder er könnt nach
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geeigneten Mitteln und Wegen suchen, sich für die vermeintliche Verletzung z.B. mit einem entsprechenden .Gegenwitz' zu revanchieren. Es ist diese bedeutungshafte Dimension emotionaler Erfahrungen, die Kognitivisten im Weiteren unter dem Begriff der ,Intentionalität' von Emotionen behandeln. .Intentionalitat' ist ein der Scholastik endehnter Begriff, den Franz Brentano wieder aufgenommen hat und der bei ihm ein kennzeichnendes Merkmal mentaler Zustände anzeigt, das darin besteht, .auf etwas gerichtet zu sein'. 172 Wünsche und Meinungen sind paradigmatische mentale Zustände, die sich Brentano zufolge aufgrund ihrer Intentionalität insbesondere von rein physischen Zuständen - wie Schmerzen oder Müdigkeitsempfindungen — hinreichend unterscheiden lassen. In intentionalen Zuständen ist man, anders als in rein physischen Zuständen, symbolisch repräsentierend auf Welt bezogen. In Überzeugungen repräsentieren wir z.B. die Welt so, wie sie tatsächlich ist oder zu sein scheint, also deskriptiv. In Wünschen beziehen wir uns auf die Welt so, wie sie sein oder werden sollte, also evaluativ und Optativ. Wenn wir wiederum Meinungen über einen Sachverhalt in der Welt bilden, verbinden sich darin zum Teil Evaluationen mit Deskriptionen von Sachverhalten, etwa wenn wir meinen, ein Kunstwerk sei innovativ. Man kann auch anstatt von „intentionalen" oder „mentalen" von „repräsentationalen" Zuständen sprechen, die — wie Meinungen und Wünsche — in Abgrenzung zu rein physischen Zuständen einen semantischen Gehalt aufweisen. 173 In gewissem Sinne lässt sich zwar auch von manchen physischen Zuständen wie Bauchschmerzen oder Hungergefühlen sagen, sie seien ,auf etwas bezogen'. Ein Bauchschmerz .richtet' die Aufmerksamkeit z.B. auf den Bauch und ein Hungergefühl gegebenenfalls auf Nahrung. Das ist aber insofern ein Unterschied zu repräsentationalen Zuständen wie Meinungen und Wünschen, als Körperregungen wie Schmerzen und Hungergefühle entstehen und identifiziert werden können, ohne eine Kompetenz zur Sprach- und Symbolverwendung vorauszusetzen oder zu implizieren. Brentano sieht nun die charakteristische Eigenart intentionaler Beziehungen zur Welt darin, dass man in ihnen auf etwas gerichtet sein kann, das zu diesem Zeitpunkt nicht raum-zeitlich existieren muss. So ist es z.B. möglich, sich Wesen wie Einhörner vorzustellen, obwohl sie in unserer Welt nicht existieren. Außerdem kann man sich repräsentierend auch auf zukünftige und vergangene Sachverhalte oder Entitäten beziehen sowie auf abwesende und abstrakte, auf falsche und negative Sachverhal-
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te, die ebenfalls nicht zum Zeitpunkt der Bezugnahme raum-zeitlich gegeben sein müssen oder sein können. 174 Von solchen Relata, die keine externe Referenz aufweisen, sagt Brentano manchmal auch, sie seien .intentional inexistent', d.h. zu einem bestimmten Zeitpunkt nur als Gedankenkonstrukte oder -inhalte existent. 175 In dieser Hinsicht sollen sich intentionale Beziehungen zur Welt von z.B. kausalen und räumlichen Beziehungen unterscheiden, für die es durchaus wesentlich ist, dass die Glieder auf beiden Seiten der Relationen auch raum-zeitlich existieren. 176 Besonders die Unterschiede zwischen kausalen und intentionalen Relationen beschäftigen die Emotionstheoretiker, wenn sie versuchen herauszufinden, worin der ,impact' von Emotionen besteht und was es heißt, dass Menschen emotional auf etwas gerichtet sind. 177 Um zu verstehen, was daran hängt, können wir uns den diesbezüglichen Überlegungen zu kausalen und logischen Relationen zuwenden, die Anthony Kenny anstellt.
2.3.1 Der emotionale Fokus Anthony Kenny gilt als repräsentativer Pionier des Kognitivismus sprachanalytischer Prägung. Seine Auffassung zur Intentionalität der Emotionen hat er in seinem Buch Actio», Emotion and Will entwickelt, wo sie im Kontext einer umfassenderen Theorie der Handlungen und des freien Willens steht. 178 Er beginnt sein Buch mit der Darstellung und Kritik klassischer Emotionstheorien, insbesondere jener von Descartes und Hume. Um Wiederholungen zu vermeiden, können wir uns hier auf seine kritischen Auseinandersetzungen mit deren Konzeptionen des epistemischen Zugangs zu Emotionen sowie seinen eigenen positiven Ansatz beschränken. Kenny moniert vor allem an den gefühlstheoretischen Ansätzen, dass durch ihre Betonung des selbstwahrnehmenden Charakters von Emotionen unthematisch bleibt, wie das Verhältnis zur Welt zu denken ist, das Personen einnehmen, wenn sie sich in emotionalen Verfassungen befinden. Für Gefühlstheoretiker wie Descartes, Hume und James, aber auch für Verhaltenstheoretiker wie Ryle und Dewey, gehören Bezüge zur Welt, in Form von Wahrnehmungen oder Meinungen von Objekten, besten-
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falls zur kausalen Vorgeschichte einer Emotion und/oder gegebenenfalls noch zu ihren kausalen Folgen. Warum die Annahme einer bloß kausalen Verbindung von Emotionen mit ihren Objekten gerade nicht ausreicht, hängt aus Kennys Sicht mit Merkmalen von Kausalrelationen selbst zusammen. Kennys Gedanke lässt sich wie folgt zusammenfassen: Gemäß allgemein verbreiteter Auffassung von Kausalität, die auf Hume zurückgeht, müssen zwei Glieder einer Kausalrelation, Ursache und Wirkung, unabhängig voneinander beschreibbar sein, um so überhaupt zueinander ins Verhältnis treten und auch zeitlich aufeinander, wie die Wirkung auf ihre Ursache, folgen zu können. Besteht demgegenüber zwischen zwei Begriffen A und B etwa ein Verhältnis der logischen Implikation, so dass der Begriff B bereits in der Formulierung von A enthalten ist, kann der eine nicht ohne Bezug auf den anderen Begriff individuiert werden. A ist dann also nicht unabhängig von B beschreibbar, was für eine kausale Relationiertheit der beiden Glieder zueinander eine notwendige Bedingung wäre. 179 Legt man die Auffassungen der Emotionen zugrunde, wie Hume und Descartes sie vertreten, so besteht aus dieser Sicht offenkundig eine Unabhängigkeit hinsichtlich der identifizierenden Beschreibbarkeit von Emotionen und ihren auslösenden Objekten. Unabhängig davon, was man über etwas oder jemanden meint oder wahrnimmt, sollen die eigenen Emotionen via Introspektion hinreichend zu distinguieren sein. Ein Zustand der Verliebtheit beispielsweise müsste sich rein selbstwahrnehmend und unabhängig von der Person, auf die sich diese Emotion richtet, identifizieren und zuschreiben lassen. Geht es um die Identifikation der Affekte bei anderen Personen, so schließt man Hume und Descartes zufolge wiederum von den kausalen Wirkungen bestimmter Situationsbedingungen auf die Affekte der Personen zurück. Die so oder so bloß kausal relationierten Glieder — Emotion (z.B. Verliebtheit) und Objekt (z.B. Geliebte) — könnten dann theoretisch ebensogut ein anderes Verhältnis zueinander haben, etwa ein räumliches oder zeitliches. Wenn Emotionen und ihre Objekte dergestalt unabhängig voneinander sind, müsste es sogar denkbar sein, dass sie in gar keinem Verhältnis zueinander stehen. Tatsächlich räumt zumindest Hume die Möglichkeit ein, dass wir in einer anderen Welt etwas lieben könnten, das wir in jeder Hinsicht negativ beurteilen oder dass wir auf etwas neidisch sein könnten, das uns selbst gehört oder stolz auf etwas sein könnten, womit wir
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nichts zu tun hätten, etwa auf die Erdanziehungskraft oder auf einen uns unbekannten Zustand. Die kausale Relation von Emotion zu Objekt soll in diesem Sinne kontingent sein. Humes Zitat lautet dazu wörtlich: „It always happens that we feel proud of our own achievements and not, say, of the industry of ants in stone-age-Papua; but the suggestion that we might feel proud of such things is as perfectly intelligible as the suggestion that the trees might flourish in December and decay in June. The idea of self is not part of the nature of pride and humility; all that belongs to this is a particular experience. [...] All these connections between passions and their causes are, like any other causal connections, purely contingent."' 80 Kenny wendet sich nun gegen die so verstandene kausale Lesart der Beziehungen von Emotionen zu ihren Objekten mit der Gegenbehauptung, dass Emotionen allererst über Bezugnahmen auf Objekte spezifizierbar sind. „The most important difference between a sensation and an emotion is that emotions, unlike sensations, are essentially directed to objects."'81 Emotionen können dem zufolge gerade nicht oder wenigstens nicht vollständig unabhängig von Bezügen auf Objekte beschrieben werden. Kenny weist daher Humes kausale Beschreibung zurück, wonach Emotionen zwar maximal .zwischen zwei Ideen' platziert sein können, selber jedoch keinerlei .Ideenanteile' aufzuweisen hätten. Diese Beschreibung läuft ebenso wie bei Descartes und später bei James darauf hinaus, Emotionen als inhaltslose Gefühlszustände zu konzipieren. Mit Kenny halten Kognitivisten generell die Grenzziehung zwischen bloßen Gefühlen und den Bedeutung tragenden Emotionen für zentral. Kenny selbst drückt dies so aus: „It is not in general possible to ascribe a piece of behaviour or a sensation to a particular emotional state without at the same time ascribing an object to the emotion. [...] No flutterings of the heart or melting of the bowels could tell me I was in love without telling me with whom." 182 Erroll Bedford, der ebenfalls zu den repräsentativen, sprachanalytisch orientierten Kognitivisten innerhalb der philosophischen Emotionstheorie zählt, fügt in diesem Kontext hinzu, dass Gefühle schon sprachlich we-
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sentlich weniger klar und diffizil voneinander zu unterscheiden seien als Emotionen. 1 8 3 Eine zweite signifikante Differenz, auf die Bedford aufmerksam macht, ist die, dass man sich an Emotionen erinnern kann, ohne auch die dazugehörigen Gefühle erinnern zu müssen. 184 Und drittens weist er darauf hin, dass man zum Teil überhaupt keine Gefühle verspüren muss, obwohl man emotional ist, weil manche Typen von Emotionen a) genuin ,ruhige' Fälle wie Hoffnung oder Neugierde sind oder b) eine betroffene Person zu sehr von dem jeweiligen emotional besetzten Sachverhalt abgelenkt ist, um sich selbst dabei genau wahrzunehmen. 1 8 5 Das wichtigste Argument der Kognitivisten gegen die Gleichsetzung von inhaltsleeren Gefühlen und den Emotionen bezieht sich auf die Möglichkeiten von intersubjektiver Kommunikation und Bewertung emotionaler Reaktionen aufgrund ihrer Semantizität. Der Schritt, mit dem Kognitivisten wie Kenny und Bedford eine andersartige Perspektive auf das Emotionsthema eröffnen, besteht darin, den Emotionen selbst repräsentationale, d.h. symbolisch-sprachliche Anteile wie Meinungen und Wünsche, in denen wir Welt repräsentieren, als genuine Konstituenten zuzuweisen. Der subtile, aber relevante Unterschied der kognitivistischen zu gefuhls- und verhaltenstheoretischen Ansätzen besteht also darin, solche repräsentationalen Bezüge nicht bloß als kausale Antezedenzien oder Konsequenzen aus dem Emotionsbegriff sozusagen auszulagern. Vielmehr kann aus kognitivistischer Sicht etwas dadurch als Gegenstand oder Objekt einer emotionalen Reaktion fungieren, als die Bedingung erfüllt ist, dass die betroffene Person einen intentionalen Bezug zu diesem Objekt herstellt. Und dieser Bezug gehört direkt zur Emotion hinzu. Jemand, der z.B. über einen Witz seines Tischnachbarn verletzt ist, bezieht sich eben auf den Witz als intentionales Objekt seiner Verletzung. Und jemand, der sich über das Angebot, in der Firma aufzusteigen, freut, bezieht sich auf dieses Angebot als Objekt seiner Freude. Solche propositionalen Bezüge geben den emotionalen Erregungen erst einen konturierenden Sinn. Für die Identifizierbarkeit und Identität von Emotionen hat das Konsequenzen, die Kenny u.a. in einem Gedankenexperiment wie folgt zum Ausdruck bringt: „Might not some Big Brother, armed with a battery of technical devices, put himself into a position to observe all our most secret moods and passions? Only if he could observe also the thoughts; for it is not in general possible to
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identify an emotion without identifying also its object; and where, ex hypothesi, an emotion takes a form of a feeling which is not acted upon, the connection with the object can be made only by the thoughts which surround the sensation." 186
Erst wenn man außer den Verhaltensweisen und Empfindungen, die für Kenny ebenfalls zu den konstituierenden Komponenten der Emotionen gehören, die spezifischen Gedanken des betroffenen Subjekts über ein Objekt oder einen Sachverhalt p kennt, ist man in der Lage entscheiden zu können, in welcher emotionalen Verfassung das Subjekt sich gerade befindet. Die mit Emotionen einhergehenden Verhaltensimpulse können unterdrückt und die mit einer Emotion einhergehenden Gefühle diffus sein - doch ohne die mögliche Spezifikation ihres intentionalen Gehalts entfällt nach Kenny die Möglichkeit, Emotionen überhaupt zuzuschreiben. Die Distinktion von Emotionen, so lässt sich seine These zusammenfassen, besteht daher im Kern in der Identifikation einer objektspezifizierenden Meinung des betroffenen Subjekts, die zum Zeitpunkt der Erregung generiert ist. Von daher stellen Emotionen ihrem Wesen nach selbst Formen von Urteilen dar. Robert Solomon, dessen Name stärker noch als Bedfords und Kennys mit dem Begriff der .Urteilstheorie der Emotionen' verbunden wird, betont explizit, dass Emotionen subjektive Urteile sind: „My anger is that set of judgements. Similarly, my embarrassment is my judgement to the effect that I am in an exceedingly awkward situation. My shame is my judgement to the effect that I am responsible for an untoward situation or incident. My sadness, my sorrow, and my grief are judgements of various severity to the effect that I have suffered a loss. A n emotion is an evaluative (or a .normative") judgement, a judgement about my situation and about myself and/or about all other people." 187
Aus kognitivistischer Sicht sind Emotionen über ihre intentionalen Bezugnahmen auf Gegenstände oder Sachverhalte definiert, und daher kann es schon aus begriffslogischen Gründen keine objekdosen Emotionen geben. Alle jene affektiven Zustände, die ohne einen intentionalen Objektbezug distinguierbar sind, subsumiert Kenny pauschal unter die Kategorie der .Sensationen', die er mit Brentano als nicht-intentionale aber z.B. organisch wahrnehmbare - Zustände einstuft.
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2.3.1.1 Epistemische Implikationen der Emotionen Kenny fragt rhetorisch, ob es nicht trotz aller logischen Kohärenzforderungen von der Sache her eingeräumt werden müsse, dass zumindest manche emotionalen Vorkommnisse objekdos seien: „But are there not bjectless emotions, such as pointless depression and undirected fears? And does not their existence show that the connection between an emotion and its object is purely contingent?"
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Seine Antwort darauf ist jedoch eindeutig negativ: „Some emotions often described as objectless are not so in fact. We are often unaccountably depressed, on days when for no reason everything seem black; but poindess depression is not objectless depression, and the objects of depression are things which seem black." 189
Selbst Depressionen, in denen man alles schwarz sieht, fasst Kenny hier noch als intentionale Zustände, auch wenn man in ihnen auf nichts Konkretes bezogen ist. Obwohl es fließende Übergänge geben mag, assimiliert Kenny hier aus meiner Sicht zu stark die auf Allgemeines zielenden bis gänzlich ungerichteten Stimmungen — wie z.B. frei fluktuierende Ängste — an die objektgerichteten Emotionen. Mit solchen Ängsten oder auch Depressionen und Euphorien haben wir jedoch affektive Phänomene vor Augen, die hinsichtlich ihrer phänomenalen Qualität und/oder motivationalen Wirkungen eindeutig identifizierbar sein können, ohne dass die betroffenen Personen dafür auf etwas Besonderes bezogen sein müssten. Manchmal erwacht man schon depressiv gestimmt aus dem Schlaf oder wird beim Hören eines Musikstücks plötzlich traurig, ohne eine Idee davon zu haben, was genau einen so depressiv stimmt bzw. worüber man eigentlich so traurig ist. Damit jedoch erfüllen die stimmungshaften Phänomene Kennys eigenes Kriterium zur Einordnung in die Kategorie der Emotionen nicht, nämlich über einen konkreten Objektbezug determiniert zu sein. Eine graduelle Unterscheidung von Emotionen und Stimmungen hat u.a. Ernst Tugendhat gegenüber Kenny und mit Rückbezug auf Witt-
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genstein und Heideggers Theorie der Stimmungen auf den Punkt gebracht: „Die Stimmungen unterscheiden sich dadurch von den Affekten, dass sie keinen intentionalen Gegenstand haben, und man wird auch sagen müssen, dass sie kein wohl definiertes Handlungsmotiv implizieren. Da damit die definierenden Charakteristika der Affekte wegzufallen scheinen, hat sich Kenny dagegen gewehrt, solche ,objektlosen Emotionen' überhaupt anzuerkennen. [...] Da die .Emotionen' — also die Affekte — durch einen jeweiligen Gegenstandsbezug definiert sind, muss die Möglichkeit von objekdosen Emotionen in der Tat abgelehnt werden, aber eine Stimmung ist eben überhaupt nicht ein Affekt, wenngleich sie ein affektiver Zustand ist." 190 Für die weitere, positive Charakterisierung der Stimmungen bezieht Tugendhat sich auf Heidegger: „Diese gewiss unzureichende und nur programmatische Charakterisierung zeigt jedenfalls, dass die Stimmung ein Zustand der Person ist, der ihre affektive Aufgeschlossenheit bzw. Verschlossenheit mit Bezug auf das ,im ganzen' betrifft, und genau so wird sie von Heidegger charakterisiert: ,Die Gestimmtheit der Befindlichkeit konstituiert existenzial die Weltoffenheit des Daseins,' ,Die Stimmung hat je schon das In-der-Welt-sein als Ganzes erschlossen und macht ein Sichrichten auf ... allererst möglich,' [...] Im Gegensatz zu dem wohl definierten Gegenstandsbezug der Affekte liegt in dem Weltbezug der Stimmungen zwar auch ein Gegenstandsbezug, aber ein offener, unbestimmter." 191 Stimmungen sind demnach nicht notwendigerweise gehaltvoll, aber sie können es sein, wenn auch ihr Gehalt im Unterschied zu dem der Emotionen etwas Unbestimmtes bleibt. Tugendhats Abgrenzung der Emotionen von den ihrem möglichen Gehalt nach pauschalen und unbestimmten Stimmungen erlaubt es, entsprechend graduelle Ubergänge zwischen ihnen zuzulassen. Eine traurig besetzte Verlusterfahrung kann sich z.B. verstetigen und zu einer Depression auswachsen und umgekehrt kann das Vorliegen einer umfassenden Stimmung dazu motivieren, einen bestimmten Sachverhalt auf entsprechend emotionale Weise zu fokussieren. So neigt man manchmal eher dazu, besonders traurig auf negative Ereignisse zu reagieren, weil man zuvor bereits depressiv gestimmt war,
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wobei eine ursprünglich undifferenzierte Stimmung dann nahtlos in eine Emotion übergeht. Einige Begriffe wie .Traurigkeit' haben zudem von vorneherein eine doppelte Bedeutung und d.h., sie können manchmal dazu verwendet werden, eine Emotion zuzuschreiben und ein anderes Mal dazu, eine Stimmung zuzuschreiben, je nachdem, ob es sich um einen gerichteten oder ungerichteten Zustand handelt. 192 Stimmung und Emotion hängen jedoch nicht zwangsläufig auch kausal zusammen, wenn sie gleichzeitig aktiviert sind. In manchen Situationen kann eine Hintergrundstimmung z.B. der Heiterkeit gleichzeitig mit einer Freude über etwas gegeben sein, ohne dass die Stimmung die Emotion bedingt hätte. Derselbe Sachverhalt wäre dann kontrafaktisch auch vor dem Hintergrund einer neutralen Gestimmtheit erfreulich gewesen. Mit der begrifflichen Differenzierung von Stimmungen und Emotionen nimmt man Kennys These nichts von ihrer Bedeutung für die Emotionen, sondern grenzt sie nur angemessen ein. Kenny selbst hat das später offenbar auch so gesehen, denn in seiner Schrift The Metaphysics of Mind, in der er seine Emotionstheorie aus Action, Emotion and Will wiedergibt, weicht er in diesem Punkt von ihr ab: „Though depression may have an object (I may be depressed because I have let my writing get so far behind schedule), it may be simply a generalized feeling which at best fastens on quite inadequate objects such as the unseasonable drizzle or the need to take the cat to the vet. Not only are moods more loosely tied to objects than emotions are, they also lack the specific behavioural expressions which some emotions have." 193
Wenn die Identifikation der Emotionen von dem Objektbezug der Emotionen abhängt, wie Kognitivisten behaupten, müsste auch ein Kriterium anzugeben sein, mithilfe dessen sich die relevanten Objekte einer emotionalen Erregung mit Sicherheit identifizieren lassen. Es wäre ja vorstellbar, dass verschiedene Dinge in einer emotionalen Situation als Kandidaten für ein .Objekt' in Frage kommen könnten. Um bei dem eingangs erwähnten Beispiel von dem Menschen zu bleiben, der sich über eine scherzhafte Bemerkung gekränkt fühlt, könnte ihn z.B. der Tonfall ihm gegenüber gekränkt haben oder eher der Inhalt eines Satzes oder auch die Wirkung der Bemerkung auf andere Personen usw. Eine Methode
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der Objekterkennung wird erforderlich, die zugleich die Mittel dafür an die Hand gibt, wie die relevanten Objekte von anderen Faktoren der Emotionen, etwa von ihren Ursachen, zu unterscheiden sind. Während Hume nur rhetorisch zwischen Ursachen und Objekten einer Emotion unterscheidet, ohne die damit verbundenen Relationen hinlänglich zu differenzieren, will Kenny mithilfe eines Tests, den er am Ende des Kapitels „Feelings" einfuhrt, ein Kriterium zur Abgrenzung von Ursachen und Objekten einer Emotion angeben. 194 Dieser Test ist auch auf diejenigen Fälle als Hilfsmittel anzuwenden, in denen Ursachen und Objekte von Emotionen de facto zusammenfallen oder es aus sonstigen Gründen einfach schwer zu entscheiden ist, worin das emotionale Objekt genau besteht. Dem Test nach besteht für Kenny die Ausschlag gebende Differenz des Verhältnisses von Emotionen zu ihren Ursachen und dem der Emotionen zu ihren Objekten in epistemischer Hinsicht. „The distinction between the cause and the object of an emotion is thus most easily made out by the reference to the knowledge or beliefs of the subject" 1 9 5
Kennys Test formuliert nämlich als notwendige Bedingung der Wahrheit eines Satzes von der Form ,A od, weil p', (wobei für die Variable „od" ein beliebiger emotionszuschreibender Ausdruck eingesetzt werden kann) eine Wissensforderung seitens des Subjekts hinsichtlich p. Wenn es für die Wahrheit eines solchen Satzes „A 0 d, weil p." notwendig ist, dass A glaubt, dass p, dann soll der Satz eine Anspielung auf das Objekt enthalten; wenn nicht, dann auf die Ursache der Emotion. Emotionen können z.B. auf Ursachen wie Drogeneinfluss, Krankheit oder andere Gemütsverfassungen zurückzuführen sein, die nicht mit ihren Objekten identisch sein müssen und die den Betroffenen zum Zeitpunkt ihrer emotionalen Erregung auch nicht gegenwärtig sind. Während dieses Unwissen mit Blick auf die möglichen oder tatsächlichen Ursachen einer Emotion kein Problem für die Identifizierung der Emotion selbst darstellt, käme Kenny zufolge eine Solche ohne irgendeine bewusste Objektspezifikation erst gar nicht zustande. Naph Kenny ist eine (beliebige) Emotion über ihr Objekt definierbar, aber nicht über ihre Ursachen. Die Erforschung emotionaler Ursachen mag ihm zufolge
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höchstens zu weiteren Erklärungen ihres Zustandekommens beitragen. Das drückt er so aus: „Causes are assigned to particular emotions, and objects to unspecified emotions; this is because emotions are specified by their objects. That is to say: if someone betrays the marks of some emotions (as fear or embarrassment) we may seek to find the object of his emotion by asking ,what are you afraid of?' or ,what is embarrassing you?' Having learnt the object of the emotion, we may then go on to ask such questions as ,but why are you afraid of the dark?' or ,but why do bawdy jokes embarrass you?'; and the answer to these questions may, though it need not, assign a cause for the emotions thus specified."196 In diesem Zitat macht Kenny deutlich, dass die Frage nach der Kausalgenese einer Emotion — wenn überhaupt —, so erst im Anschluss an ihre Zuschreibung Sinn macht. Dann dient der Rekurs auf die Kausalgenese dem Zweck, zu erklären, warum jemand so und nicht anders auf etwas reagiert. Und tatsächlich verstehen wir häufig erst die emotionalen Reaktionen einer Person in dem anspruchsvolleren Sinn, dass wir sie auch nachvollziehbar finden, wenn wir erfahren, wie es zu ihnen gekommen ist, ob und wenn ja, wie genau sie womöglich auf spezielle Daten der Biographie einer Person zurückzuführen sind. Mit der näheren Erklärung von Emotionen durch ihre biographische Einordnung treffen wir auf Überlegungen, die Kenny selbst nicht mehr anstellt. Er beschränkt sich ganz auf das vorgelagerte, deskriptive Unterfangen, zu bestimmen, was Emotionen sind, worüber wir sie identifizieren können und meint offenbar dafür die Fragen nach ihrem ,Warum' nicht oder jedenfalls nicht weitergehend vertiefen zu müssen. 197 Aus der Binnenperspektive eines emotional betroffenen Subjekts gibt es zu dem Zeitpunkt, zu dem es ein bestimmtes Objekt emotional fokussiert, keinen wahrnehmbaren Unterschied zwischen vermeintlichen aber falschen und vermeintlichen und richtigen Annahmen über das Objekt. Kenny unterstreicht daher die epistemische Sicherheit einer emotional betroffenen Person hinsichtlich ihrer Objektspezifikation. „If I feel great happiness and relief because my wife unexpectedly recovers from a mortal illness, I do not first discover that I feel happy and relieved, and then draw the conclusion that this feeling is caused by my wife's recovery. [...] there are not cases where one is in doubt which of two disasters one is
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afraid of, or when one knows that one is expecting bad news, but is not yet sure what the bad news is that one is expecting."198 Das könnte man so missverstehen, als ob Kenny Irrtümer bei der emotionalen Objektwahrnehmung für ausgeschlossen hielte. Das wäre natürlich insofern falsch, als es immer möglich ist, dass die für Emotionen konstitutiven Meinungen und Wahrnehmungen auf Missverständnissen oder Fehlinformationen beruhen und in diesem Sinne auf Irrtümern basieren. Was Kenny hier wohl meint, ist, dass eine Person, sobald sie die für ihre emotionale Verfassung konstitutive Meinung über x einmal hat, sich der dabei vorgenommenen Objektspezifikation und Existenzannahmen subjektiv gewiss ist. 199 Kenny geht offenbar davon aus, dass der Zugang erster Personen zu ihren Meinungen unmittelbar im Sinne von ,nicht-inferenzielT ist und deshalb die Selbstzuschreibung der darauf aufgebauten Emotion auch nicht (durch andere) ad hoc korrigierbar ist. 200 Hier scheint Kenny so etwas wie ein kognitivistisches Pendant zum .Privileg' erster Personen in der Selbstzuschreibung von Emotionen zu reformulieren, das auf andere Weise schon für Gefühlstheoretiker eine zentrale Rolle spielt. Bei Gefühlstheoretikern verläuft der unfehlbare Zugang zu Emotionen über unmittelbare Selbstwahrnehmungen gefühlsmäßiger Art und nicht, wie die Kognitivisten denken, über transparente Meinungen. 201 Kennys Hervorhebung der subjektiven Gewissheit in bezug auf emotionale Objekte hängt auch direkt mit seiner Unterscheidung von Objekten und Ursachen der Emotionen zusammen. Sofern der epistemische Zugang zu Kausalursachen insofern ein indirekter ist, als man nur über Verfahren der Induktion und Hypothesenbildung tentativ auf sie schließen kann, möchte Kenny zwischen Objekt und Ursache von Emotionen theoretisch auch dort unterschieden wissen, wo sie de facto zusammenfallen. Eine verletzende Geste mag sowohl hinreichender Auslöser (Ursache) als auch thematischer Bezugspunkt (Objekt) einer gekränkten Reaktion sein. Wäre jedoch die identifizierende Objektwahrnehmung ebenso wie die Ursache bloß über tentative Hypothesenbildung vermittelt, geriete damit die Möglichkeit einer eindeutigen Identifizierbarkeit der gegebenen Emotion in Gefahr. Da Emotionen über Objektbezüge bestimmt sind, könnten auch sie dann immer nur unter Vorbehalt zugeschrieben werden. Doch das widerspricht nach Kenny der Sicherheit, mit
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der wir normalerweise, ohne große Untersuchungen anstellen zu müssen, wissen, worauf wir emotional reagieren und auf welche Weise. „If the relation between an emotion and its object were one of effect to cause, then it would be only by induction and tentative hypothesis that one knew on any particular occasion what one was afraid of or excited about. But this is sometimes obviously untrue."202 Der häufig apodiktische Charakter und die Resistenz emotionaler Sachverhaltswahrnehmungen gegenüber relativierenden Begründungen bezeugen zusätzlich noch phänomenal diese, von Kenny hervorgehobene, epistemische Sicherheit. Emotionen sind aus kogniüvistischer Sicht insofern ausnehmend subjektive Zustände, als sie von Wahrnehmungen und Beurteilungen abhängen, die — zunächst unabhängig davon, wie nachvollziehbar oder berechtigt sie objektiv und in den Augen anderer Personen erscheinen - Ausdruck der idiosynkratischen Möglichkeiten sind, Welt zu verarbeiten.
2.3.2 Emotionen im Spiegel der Sprache Emotionen weisen einen semantischen Kern auf, der in einem repräsentationalen Objektbezug besteht. Dieses Faktum spiegelt sich auch auf der Ebene der Sprache, mit der wir Emotionen zuschreiben und ausdrücken. So ist unter anderem an Emotionsverben wie .furchten', .schämen', .freuen' augenfällig, dass sie transitiv sind. Jeder Fall von Furcht, Scham, Verliebtheit, Schuld oder Wut, um eine beliebige Auswahl zu treffen, ist ein Sich-furchten-vor-etwas, ein Sich-schämen-über-etwas, ein Verliebtsein-in-jemanden, ein Sich-schuldig-fühlen-angesichts-von-etwas und ein Wütend-sein-auf-jemanden oder etwas. Die Präpositionen ,vor', ,über', ,in', ,angesichts', ,auf haben in Sätzen, mit denen wir Emotionen zuschreiben, die Funktion, das jeweilige Bezugsobjekt der Emotion anzuzeigen, das meist in Form einer Objektphrase oder Proposition ausgedrückt wird und direkt auf die Präposition folgt. Justin Gosling, der die Orientierung am grammatischen Kriterium zur Objektidentifizierung einer Emotion für zu ungenau hält, unterbreitet einen Alternatiworschlag zu Kenny 2 0 3 Ein emotionales Objekt soll ihm zufolge dadurch verlässlich herausgefunden werden können, dass man
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prüft, worauf bezogen jemand handelt oder handeln will, der emotional ist. Emotionen sollen dann über das, was Gosling als ,object of concern' bezeichnet, individuierbar sein: Wen man z.B. bestrafen will, auf den oder die ist man wütend. Wem man nahe sein will, in den oder die ist man verliebt. Bei wem man sich entschuldigen will, der oder die ist Objekt der Schuld usw. Schon Aristoteles hat im Rahmen seiner Affektdefinitionen darauf hingewiesen, dass wenn jemand z.B. aus Zorn über ein ihm unrechtmäßig zugefügtes Leid Rache üben will, er dann ja nicht nur ein epistemisches Bezugsobjekt hat, sondern auch auf ein Ziel handelnd bezogen ist. 204 Man möchte dann z.B. mithilfe von Vergeltungshandlungen für einen Ausgleich des Leids sorgen. Während Kenny unter Objekten von Emotionen ausschließlich die objektspezifizierenden Meinungen und Gedanken versteht, fasst Gosling darunter vornehmlich Handlungsziele. Dieser Vorschlag Goslings übersieht aus meiner Sicht jedoch zweierlei: Erstens ist nicht jede Emotion auf ein eindeutiges Handlungsziel ausgerichtet, so dass Goslings Identifikationskriterium nicht universell anwendbar wäre. Die Freude über einen gelungenen Arbeitstag ist ein Beispiel dafür und beliebig weitere ließen sich ergänzen. Zweitens übersieht Gosling, dass emotional generierte Handlungsziele ihrerseits davon abhängig sind, dass vorab etwas oder jemand als Bezugspunkt identifizierbar ist, was die bestimmten Handlungswünsche allererst motiviert. Ein Sinnen nach Rache beispielsweise verweist von sich aus auf eine vorab identifizierte Kränkung und damit auf eben jene identifizierende Meinung, die nach Kenny das erforderliche epistemische Objekt der betreffenden Emotion stellt. Insofern stellt Goslings Auffassung eines emotionalen Objekts keine brauchbare Gegenposition zu Kennys dar, sondern ergänzt diese vielmehr um eine weitere, nämlich motivationale Facette des intentionalen Objektbezugs. Der Hinweis auf die Transitivität der Emotionsterme dient im übrigen auch, anders als Gosling unterstellt, bei Kenny nicht dem Zweck, ein einfaches Kriterium zur möglichen Objektspezifikation für jeden Fall anzugeben. Erst die in seinem ,ObjektTest' formulierte Wissensforderung gibt ein Orientierungskriterium dafür ab, wie sich das Objekt einer emotionalen Reaktion — auch im Zweifelsfall — herauskristallisieren lässt. Die Transitivität der Emotionsterme ist dabei nicht mehr und nicht weniger als ein sprachliches Indiz dafür, dass die Zuschreibungen von Emotionen solange unvollständig und unverständlich bleiben, wie sie nicht durch ei-
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nen korrelativen Gegenstand bzw. eine entsprechende Proposition ergänzt werden. Die aus kognitivistischer Sicht für jede Fremd- und Selbstzuschreibung einer Emotion erforderlich werdende Objektspezifikation dient nicht nur der intersubjektiven Verständigung. Auch für eine betroffene Person selbst ist es unmöglich, z.B. verliebt zu sein, ohne vor sich selbst zumindest zugleich konkretisieren zu können, in wen oder was man verliebt ist. Ebensowenig ist es denkbar, Hass zu empfinden, ohne vor sich selbst konkretisieren zu können, was bzw. wen man hasst. 205 Emotionale Reaktionen erweisen sich dergestalt als Verstehensweisen. Da dass menschliche Leben sich - wie alles Leben — in einem ständigen Fluss befindet, ist streng genommen keine emotionale Reaktion mit einer anderen identisch. Jedes Vorkommnis einer Emotion ist vielmehr ein individuelles Ereignis und hat insofern auch ihr eigenes Objekt. Nun ist noch klärungsbedürftig, wie die verschiedenen Typen von Emotionen — Scham, Schuld, Angst, Wut etc. — zustande kommen können. Als Objekt sollte nach Kenny ja alles in Frage kommen, was an einer Satzstelle eingesetzt werden kann, auf die in einem emotionszuschreibenden Ausdruck eine Präposition verweist. Was macht aber nun z.B. eine Furcht vor einem bissigen Hund und die Furcht vor einer Prüfung gleichermaßen zu einer Instanz (token) vom selben Emotionstyp „Furcht"? Mit Blick auf Aristoteles' definierende Beschreibungen der Emotionstypen antwortet Kenny darauf so, dass er die wichtige Unterscheidung von formalen und konkreten Objekten einführt. 206 Die formalen Objekte sind diejenigen übergeordneten Eigenschaftskategorien, die sich ergeben, wenn man einen Querschnitt durch vergleichbare Situationen zieht, in denen Personen auf bestimmte Auslösertypen mit bestimmten psycho-physischen Veränderungen reagieren. So ist z.B. eine Reaktion der Scham ihrem formalen Objektbezug nach auf Eigenschaften der eigenen Person bezogen, die (vermeintlich) den Selbstwert minimieren. Wut lässt sich formal darüber bestimmen, dass man sie angesichts eines gegen uns gerichteten Verhaltens empfindet, das unsere Pläne und Wünsche zu durchkreuzen droht. Stolz ist formal auf etwas bezogen, das uns selbst oder dem, womit wir identifiziert sind, zukommt und den persönlichen Selbstwert erhöht. In Situationen der Eifersucht ist die Aufmerksamkeit stets auf vermeintliche Konkurrenten gerichtet, die uns die exklusive Zuwendung von jemandem streitig zu machen drohen. Schuldgefühle sind ihrem formalen Ob-
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jekt nach auf eigene normenverstoßende Fehlhandlungen bezogen, die im Prinzip wenigstens wieder gut gemacht werden können. Und Freude empfindet man dem formalen Objektbezug nach über etwas positiv Bewertetes, das uns oder unseren Nächsten zukommt. Derart breit fällt also das Spektrum der formal bestimmten Korrelate für die diversen Emotionstypen aus. In bezug auf die oben gestellte Frage, was z.B. eine Furchtreaktion vor einem bissigen Hund mit der Furcht vor einer Prüfung gemeinsam hat, Iässt sich jetzt antworten: In beiden Fällen reagiert die betroffene Person auf etwas, das aus ihrer Sicht die Eigenschaft aufweist, für sie bedrohlich zu sein. Sie fürchtet sich also in beiden Fällen vor etwas vermeintlich Bedrohlichem. Mit ,dem Bedrohlichen' hätten wir das formale Objekt von „Furcht" und d.h. aller Furchtreaktionen benannt. 207 Eine Kategorie wie ,das Bedrohliche' ist insofern eine relativ formale Eigenschaftskategorie, als darunter inhaltlich sehr verschiedene Sachverhalte subsumierbar sind. Die Bedrohung, die ein bissiger Hund darstellen kann, ist auf die leibliche Unversehrtheit bezogen, während wiederum die Bedrohung, die für jemanden von einer Prüfung ausgehen mag, berufliche Perspektiven und gegebenenfalls die daran geknüpfte soziale Anerkennung betrifft. Ein bissiger Hund oder eine Prüfung stellen dann die konkreten Objekte von einzelnen Furchtreaktionen dar, wobei sie aus der Sicht der betroffenen Person die Eigenschaften des formalen Objekts von Furcht — nämlich für sie in irgendeiner Hinsicht bedrohlich zu sein — aufweisen. Auch Gabriele Taylor geht so vor, dass sie den generischen Emotionstermen sowie den Ausdrücken für singulare Vorkommnisse von Emotionen intentionale Gehalte korrelativ zuordnet. 208 Taylor bevorzugt die Rede von .bestimmbaren' und ,bestimmten Qualitäten' (engl. ,determinable' und ,determinate qualities"), über welche die einzelnen Affekttypen wie Angst, Schuld, Eifersucht, Freude, Verliebtheit formal und die emotionalen Vorkommnisse pro Situation konkret definiert werden können. In der Sache sind die von Taylor eingeführten Terme Ubersetzungen von Kennys „formalen" und „konkreten" Objekten und können von daher im Weiteren synonym verwandt werden. Stärker als Kenny unterstreicht Taylor den Aspekt einer minimalen, immanenten Begründungsstruktur emotionaler Objektbesetzungen. Eine Person A wird Taylor zufolge glauben — und normalerweise auch artikulieren können —, dass ein Objekt X bestimmte Qualitäten Y hat und dar-
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über hinaus wird sie glauben, dass X bestimmbare Qualitäten Z hat, weil es bestimmte Qualitäten Y hat. So empfindet eine Person etwas z.B. als gefährlich (bestimmbare Qualität aller Furchtobjekte), weil es scharfe Zähne hat oder giftig oder mächtig oder aggressiv ist (bestimmte Qualität eines besonderen Objekts). Wenn eine Person A einen Affekt gegenüber einem Objekt X empfindet, dann glaubt sie auch (oder nimmt an oder stellt sich vor), dass X bestimmte Eigenschaften Y aufweist, die minimal einsichtig machen, weshalb sie auf X mit dieser Emotion reagiert. Mit der erforderlichen minimalen Einsichtigkeit von Objektbesetzungen bringt Taylor eine normative Kategorie ins Spiel, die Irving Thalberg unter dem Begriff der .Angemessenheit von Objektbesetzungen' ebenfalls als eine wichtige Dimension des Verhältnisses von Emotionen zu Objekten fasst. 209 Nimmt man diesen Gedanken von Taylor und Thalberg mit Kennys Ansatz zusammen, so lässt sich die daraus resultierende Sicht folgendermaßen skizzieren: Da es keinen Weg gibt, das Objekt einer Emotion zu spezifizieren, ohne anzunehmen, dass die betreffende Person zugleich auch Gedanken über das Objekt hegt, gilt erstens, dass ein besonderer Typus von Gedanken eine logisch notwendige Bedingung für jeden Emotionstyp ist. Und zweitens gilt, dass jeder Typus einer Emotion auch angemessen in bezug auf bestimmte Typen von Gedanken und unangemessen in bezug auf andere ist. Die Bedingungen der semantischen Richtigkeit und der minimalen Angemessenheit von Objektbesetzungen werden gleichermaßen durch das Verhältnis von formalen zu konkreten Objekten pro Emotionstyp festgelegt. Die von Kenny als .formale Objekte' und von Taylor als b e stimmbare Eigenschaften' bezeichneten semantischen Einschränkungsbedingungen für die Anwendung von Emotionsausdrücken sind nicht contra Gosling — einfach äußerliche Merkmale von Sprachregelungen. Vielmehr schränken die semantischen Einschränkungsbedingungen die faktischen Möglichkeiten emotionaler Besetzungen auch substanziell ein. So ist der Umfang dessen, worauf jemand beispielsweise im Zustand des Neids gerichtet sein kann, so eingeschränkt, dass das Korrelat nur eine andere Person und nicht z.B. ein Ding oder ein Wochentag sein kann. Der Hinweis, dass es eine andere Person sein muss, auf die jemand im Zustand von Neid bezogen ist, gehört zu den minimalen Sinnkriterien der Zuschreibung dieses Zustandes selbst. Diese Einschränkung der möglichen Korrelate mancher Emotionstypen führt Gabriele Taylor dazu, innerhalb der Klasse der Emotionen
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zwischen .fremdbezogenen' und .selbstbezogenen' Emotionen zu unterscheiden. 210 In emotionalen Zuständen von Neid, Hass, Wut oder Bewunderung ist man primär auf andere Personen bezogen. Daher gelten sie als fremdbezogene Emotionen. Scham, Schuld und Stolz geben demgegenüber Beispiele für selbstbezogene Emotionen ab. In ihnen sind betroffene Personen primär auf sich selbst bewertend bezogen. Weitere Differenzen innerhalb der Subklassen fremd- und selbstbezogener Emotionen ergeben sich dann aus den Details ihrer formalen Bestimmungen. So lassen sich innerhalb der Klasse der selbstbezogenen Emotionen Scham und Schuld u.a. dahingehend unterscheiden, dass Scham eher auf eine Selbstverachtung aufgrund von vermeintlich minderwertigen Eigenschaften zielt, während Schuld eher auf Selbstkritik aufgrund von Übertretungshandlungen bezogen ist, die gegebenenfalls entschuldbar sind. Sind die formalen Objekte oder auch bestimmbaren Eigenschaften, über welche die Emotionstypen definiert werden, zu eng gefasst, birgt dies die Gefahr in sich, Möglichkeiten der Anwendung von bestimmten Emotionsbegriffen auf bestimmte Situationen eventuell zu restriktiv auszuschließen. Wenn man z.B. Aristoteles darin folgt, den Emotionstyp ,Wut' seinem formalen Korrelat nach über vermeintlich destruktive Handlungen anderer Personen zu definieren, wären Wutreaktionen gegenüber sächlichen Dingen und leblosen Gegenständen tendenziell ausgeschlossen, weil leblose Dinge keine Handlungsintentionen formulieren können. Eine Reaktion wie das Fluchen über einen fallenden Gegenstand z.B., der einen verletzt, wäre dann entweder als irrationale Form von Wut oder als wutähnliche Reaktion, z.B. als Ausdruck bloßer Agression, kohärent zu beschreiben. Eine formal zu weit gefasste Bestimmung eines generischen Emotionsterms mag umgekehrt nicht mehr aussonderungsfähig genug sein, um unsinnige oder völlig willkürliche Anwendungen eines Emotionsbegriffs auszuschließen. Die Möglichkeit einer kontrollierten und intersubjektiv verständlichen Zuschreibung von Emotionstermen innerhalb einer Sprachgemeinschaft hängt von den formalen Bestimmungen der Emotionsterme ab. Selbst in bezug auf solche Emotionen wie die Liebe, die wir als extrem subjektiv variabel und kaum objektiv definierbar erleben, müssen wir eine zumindest relative Einigkeit darüber voraussetzen können, welche Erfahrungen wir sinnvollerweise so bezeichnen wollen. Um das an einem Extremfall deutlich zu machen: Wir würden einer Person, die von sich behauptet liebend zu sein und die sich dennoch gegenüber
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einem angeblich Geliebten regelmäßig abwertend, nachlässig und brutal verhalten würde, die Glaubwürdigkeit absprechen, weil .Liebe' unserem gängigen Verständnis nach gerade darüber bestimmt ist, einem anderen gegenüber zärtlich eingestellt und auf ihn/sie unterstützend und beschützend bezogen zu sein. Insofern gehen mit dem Spracherwerb und dem Bedeutungsverstehen der Emotionsterme auch substanziell normative Prägungen darüber einher, was innerhalb einer Sprachgemeinschaft als adäquate Korrelate emotionaler Reaktionen fungieren darf. Die Abweichung von der Norm birgt das Risiko, (emotional) einfach nicht verstanden oder akzeptiert zu werden. Treten hingegen Abweichungen massenhaft und regelmäßig auf, so mag dies auf der anderen Seite durchaus dazu führen, dass ein soziales und semantisches Verständnis davon, was entweder für eine bestimmte Person oder auch für ein Kollektiv als geeignete Kandidaten einer emotionalen Reaktion zählen darf, prinzipiell erweitert wird. Das zeigt sich z.B. daran, welche Dinge im Laufe der Generationswechsel zum Gegenstand normaler Empörung gehören. Veränderungen in den Sitten und Gebräuchen — wozu beispielsweise die liberalisierte Einstellung gegenüber Sexualität zählt — führen zu einem gesellschaftlich veränderten Konsens auch in den wechselseitigen Erwartungen bezüglich emotionaler Reaktionen und Bewertungen. Eben dieser, im Prinzip weltanschauliche, imaginäre Konsens ist in den formalen Definitionen der Emotionstypen manifestiert.
2.3.3 Zum Realitäts- und Phantasiegehalt der Emotionen Wenn jede Sorte von Emotion auf der einen oder anderen Form eines Gedankens beruht, der als logisch notwendige Bedingung einer Emotion figuriert, so ist davon auszugehen, dass Menschen eine bestimmte Art von Emotion haben, wenn sie zweifeln und eine andere, wenn sie mutmaßen oder etwas fest glauben. Der Modus der Objektrepräsentation spielt folglich für die Art der Emotion eine Rolle. Eine entsprechende Kategorisierung von Emotionen in Subklassen ergibt sich dann daraus, dass man sich die verschiedenen Repräsentationsmodi vergegenwärtigt, die in Emotionen eingehen. Bisher ist allgemein von .Gedanken' und etwas spezifischer von .Meinungen' die Rede gewesen, wenn es darum ging, die intentionale Komponente der Emotionen zu benennen.
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Robert M. Gordon weist darauf hin, dass es Vorkommnisse von Emotionen gibt, für die weniger feste Meinungen als vielmehr Träumereien und spekulative Vorstellungen die Formen sind, in denen auf Objekte Bezug genommen wird. 211 Gordon schlägt daher vor, die Emotionen insgesamt in zwei Grundklassen der faktiven (engl.: .factive*) und epistemischen Emotionen (engl. ,epistemic emotions") einzuteilen. Was jeweils zutrifft, ist abhängig davon, in welchem Modus Welt repräsentiert wird. Nur für die faktiven Emotionen ist es Gordon zufolge kennzeichnend, dass sie auf Tatsachenannahmen beruhen. Wenn man z.B. eine Tat bereut, sich über sie freut, stolz auf sie ist, sich ihrer schämt oder schuldig fühlt, so implizieren alle genannten emotionalen Reaktionen - neben diversen Evaluationen — die feste Meinung, dass man die Tat auch tatsächlich begangen hat. Beispiele für emotionale Reaktionen der Kategorie ,epistemischer Emotionen' sind demgegenüber etwa die Mit-Trauer mit einer Person im Film oder die diffuse Befürchtung, eine Verabredung, auf die man sich gefreut hat, könnte ohne Grund platzen oder eine Sehnsucht nach einem unrealisierbaren Zustand, wie z.B. ewigem Glück. Solche emotionalen Vorkommnisse basieren eher auf vagen Vorstellungen und Phantasien als auf wahren Meinungen. Vorstellungen und Phantasien ist als Repräsentationsweisen nach Gordon gemeinsam, dass sie .unsichere Wissensarten' darstellen. Emotionen, die auf solchen unsicheren Wissensarten basieren, sind zwar auch ihrem propositionalen Gehalt nach eindeutig fassbar, lassen sich aber nicht auf dieselbe Weise wie die faktiven Emotionen z.B. durch Hinweise auf Tatsachen verstärken oder aus der Welt schaffen. 212 Der Unterschied zwischen epistemischen und faktiven Emotionen, so lässt sich über Gordon hinausführend weiterdenken, wirkt sich auch auf den Umgang mit ihnen aus. Während die stärker auf festen Annahmen oder Wahrnehmungen aufgebauten Emotionen dadurch zu beeinflussen sind, dass man sie durch neue Informationen über die sie fundierenden Sachverhaltsannahmen bestätigt oder relativiert, sind epistemische Emotionen eher dadurch zu beeinflussen, dass man den ihnen zugrunde liegenden Phantasien andere, plastische Phantasieausmalungen entgegenhält oder, je nachdem, bestätigend zur Seite stellt.
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Erst auf Basis der kognitivistischen Auffassung, wonach Emotionen repräsentationale Zustände sind, werden Einteilungen der Emotionen hinsichtlich ihrer konstitutiven Repräsentationsmodi möglich. Ähnlich wie Gordon unterscheidet u.a. auch O.H. Green die Emotionen danach, welche epistemischen Implikationen sie aufweisen. 213 Für Green besteht die emotionale Intentionalität der unterschiedlichen Emotionstypen in irreduziblen ,belief-desire'-Verschränkungen. Der intentionale Kern aller Emotionen soll sich demnach als Wunsch plus Meinung („ ..., dass p") analysieren lassen. 214 Green unterscheidet insgesamt vier Subklassen von Emotionen: unsichere und sichere sowie positive und negative Emotionstypen. Paradigmen der Sorte .unsichere Emotionen' sind für Green Hoffnung und Furcht. Nach seiner Ansicht betrifft ihre charakteristische epistemische Unsicherheit die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens von p (wobei p die Bedingung der Wunscherfüllung ist), während er beide Affekte - Furcht und Hoffnung - in volitiver Hinsicht (d.h. auf der Ebene ihrer konstitutiven Wünsche) für identisch hält. Greens Beispiel dafür sind zwei Bauern, die während einer Dürreperiode um eine gute Ernte bemüht sind. Während der eine Bauer befürchtet, dass es nicht regnen wird, hofft der andere, dass es regnen wird. Beide wünschen Green zufolge, dass es regnen wird (p). Er analysiert dann die Differenz der intentionalen Struktur beider emotionalen Reaktionen folgendermaßen: Der sich Fürchtende glaubt mit einer gewissen Unsicherheit (d.h. mit der subjektiven Wahrscheinlichkeit zwischen 0 und 1), dass es nicht regnen wird (dass - , p ) , während der Hoffende mit einer gewissen Unsicherheit (d.h. der subjektiven Wahrscheinlichkeit zwischen 0 und 1) glaubt, dass es regnen wird (dass p). Green meint also, dass der eine Bauer qua Hoffnung optimistisch und der andere qua Furcht pessimistisch mit Blick auf das wahrscheinliche Eintreten des gewünschten Sachverhalts, ,dass es regnen wird', eingestellt sei. 215 Repräsentative Beispiele für ,sichere Emotionen' sind für Green Freude und Wut, wobei die Sicherheit hier wiederum die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens von p betreffen soll, die in der Überzeugung besteht, dass eine wunscherfüllende Bedingung gegeben ist. Die Differenz zwischen Wut und Freude sieht Green in volitiver Hinsicht gegeben, da der Wütende wünscht, dass etwas nicht der Fall sei, während der Erfreute sich etwas bereits Gegebenes auch wünscht. Als Beispiele dafür nennt Green a) die Freude einer Person A über ihr neues
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Auto. A glaubt dann, dass die wunscherfüllende Bedingung — der Kauf eines neuen Autos — gegeben ist und hat auch den Wunsch nach einem neuen Auto. Das Beispiel b) ist A's Wut über den Autodiebstahl seines Nachbarn. Green analysiert diese Wut ihrem intentionalen Gehalt nach wie folgt: A glaubt (mit der Wahrscheinlichkeit von 1), dass sein neues Auto von seinem Nachbarn gestohlen wurde und hat den Wunsch, im faktischen Besitz seines neuen Autos zu sein. Als ,positive Emotionen' bezeichnet Green nun nicht, wie man vielleicht meinen könnte, solche, deren impliziten Wünsche oder Meinungen eine positive Evaluation enthalten. Da Green eine ,belief-desire-Theorie' der Emotionen vertritt, geht es ihm vielmehr um das Verhältnis der Wünsche und Meinungen zueinander, die den Gehalt einer Emotion ausmachen. Als .positive Emotionen' klassifiziert Green dann solche, deren kognitive und volitive Komponenten konvergieren und die deshalb einen positiven hedonistischen Wert haben, d.h. von Lust begleitet sind. Beispiele dafür sind: Freude, Vergnügen, Dankbarkeit, Glück, Liebe, Stolz, Erleichterung. .Negative Emotionen' sind entsprechend solche, in denen die kognitive und die volitive Komponente divergieren und die aus Greens Sicht deshalb einen negativen hedonistischen Wert haben, d.h. von Unlust begleitet sind. Als Beispiele dafür nennt Green: Scham, Angst, Verzweiflung, Trauer, Entrüstung, Mitleid, Schmerz, Reue. Die vier BasisEmotionen, die sich aus dieser vierfachen Klassifizierung ergeben sollen, sind nach Green: Freude (gladness), Trauer (sorrow), Hoffnung (hope) und Furcht (fear), wobei alle anderen Gefühle Modifikationen davon darstellen sollen. Green fügt dem noch ergänzend hinzu, dass die intentionalen Konstituenten der Emotionen die Bedingung erfüllen müssen, inhaltlich auf dasselbe Thema bezogen zu sein. Denn das bloß gleichzeitige Vorliegen von z.B. einer Überzeugung, dass es regnet und eines Wunsches nach Weltfrieden generiert überhaupt noch keinerlei Gefühle, da Überzeugung und Wunsch keine semantische Beziehung zueinander haben. Erst wenn die Überzeugung über die hohe oder niedrige Wahrscheinlichkeit der Satisfaktion des Wunsches mit dem Gewünschtem übereinstimmt oder divergiert, entsteht Green zufolge eine positive/negative emotionale Reaktion. In dieser Analyse werden Emotionen wiederum nicht bloß als Folgeerscheinungen von vorgängigen Wunscherfüllungen oder —frustrationen gefasst, sondern als intentionale Phänomene eigenen Rechts, in
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denen solche vermeintlichen Konvergenzen/Divergenzen in ihrer subjektiven Bedeutsamkeit für jemanden zum Ausdruck kommen. Vergleicht man Kenny, Taylor, Gordon und Green, so weichen sie untereinander darin ab, wie sie die intentionale Dimension der Affekte im Einzelnen bestimmen. Je nachdem, um welchen Emotionstyp es sich handelt, so lauten die verschiedenen Kategorisierungsvorschläge, ist man auf sich selbst oder andere(s) bezogen, sicher oder unsicher (nach Green hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Sachverhalten und ihrer Wünschbarkeit), positiv-lustvoll, negativ-unlustvoll, feststellend oder phantasierend auf etwas gerichtet. An diesem Punkt könnten resistente Skeptiker eventuell dennoch die Frage wiederholen wollen: Gibt es nicht doch Emotionen, die von den meisten Menschen auf den ersten Blick intuitiv und unproblematisch als solche identifiziert werden können und die dennoch keine Objektannahmen implizieren müssen? Falls ja, dann wäre die zuvor genannte kognitivistische Grundannahme als falsch oder zumindest korrekturbedürftig zurückzuweisen. Justin Gosling und J.R.S. Wilson schlagen z.B. vor, unter „Objekten" von Emotionen ausschließlich raumzeitlich gegebene Entitäten zu verstehen. 216 Da nur raumzeitliche Dinge eine kausale Kraft haben können, vermögen auch nur solche Dinge ihrer Meinung nach überhaupt eine reale, psycho-physische Reaktion wie eine Emotion hervorzubringen. Wenn Menschen tatsächlich in emotionalen Zuständen auf Welt reagieren, so der Gedanke, können die dafür verantwordichen Objekte nicht bloße Schimären oder Ideen sein. Vor dem Hintergrund dieser begrifflichen Voraussetzung sind automatisch alle Fälle emotionaler Reaktionen als „objekdos" einzustufen, die ihrem Gehalt nach auf falsche, fiktive, auf theoretische oder negative Sachverhalte bezogen sind. 217 Natürlich kann man den Objektbegriff so definieren, dass er nur raum-zeitliche Entitäten umfasst. Sofern es sich nur um einen Streit um Worte handelt, hängt daran natürlich nichts. Aus meiner Sicht ist jedoch gegen den Vorschlag von Gosling und Wilson anzuführen, dass Emotionen so oder so nicht mit einfachen, sinnlichen Wahrnehmungen vergleichbar sind, für die es eventuell zutreffen mag, dass ihre Objekte raumzeitlich gegeben sein müssen. 218 Gerade die intentionale Struktur der Emotionen und damit in eins auch die Qualität ihrer Gegenstände fallen komplexer aus. Außerdem können wir selbstverständlich emotional auf falsche, abstrakte, fiktive sowie auf negative Sachverhalte gerichtet
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sein und auch z.B. auf Zukünftiges, Nicht-Existentes sowie auf Vergangenes bezogen sein. Eine Furcht vor einem bissigen Hund ist nicht mehr oder weniger real als etwa die Furcht vor weniger leicht optisch vorführbaren .Objekten', wie z.B. die vor sozialen Erwartungen. Zudem erschöpft sich der intentionale Gehalt einer Emotion selbst dann nicht in der Wahrnehmung bloßer Präsenz eines singulären Gegenstandes oder einer Person, wenn solche im Fokus der emotionalen Aufmerksamkeit stehen. Vielmehr erfahren und .erschaffen' wir geradezu in unserem emotionalen Wahrnehmen eine eigene subjektiv-werthafte Welt, die Robert Solomon als „Surrealität" bezeichnet. 219 Die emotionale Surrealität ist eine subjektiv transformierte Welt, die einen persönlichen wertmäßigen Überschuss aufweist und damit über die Welt der neutralen Fakten immer schon hinausweist. Das heißt jedoch nicht, dass deshalb sämtliche emotionalen Objekte Schimären sind, obwohl es manchmal zutrifft, dass Menschen auch vor eingebildeten Dingen wie z.B. Geistern Furcht empfinden können. Vielmehr handelt es sich bei Emotionen um wertende Beziehungsformen zur Welt, in denen sich das .wahrnehmende' Subjekt zugleich immer schon positiv oder negativ berührt miterfährt. Solomon drückt das so aus: „Every emotion, as a uniquely subjective judgement, involves a judgement of both one's Self and his surreality. It is through our emotions that we constitute ourselves. In many emotions, this self-involvement is explicit and obvious, as in pride and shame, self-love and guilt. Many emotions, particularly those which tie us closest to other people, are what I shall call .bipolar', neither solely about oneself nor solely about another person and not a conjunction of the two but rather about the relationship, as in love and hate, anger and jealousy." 220
Aufgrund der irreduziblen Komplexität und evaluativen Subjektivität emotionaler Gehalte scheint es nicht sinnvoll, Emotionen von einem vergegenständlichten Objektbegriff her zu verstehen und damit sämtliche Emotionen a priori auf einfache und objektive Entitäten als ihre Korrelate festlegen zu wollen. Gegenüber Goslings und Wilsons Vorschlag, den Objektbegriff auf raumzeitliche Entitäten einzuschränken, ist ein weit gefasster Objektbegriff, wie Kenny ihn u.a. in seinem Test formuliert, auch deshalb zu bevorzugen, weil er auf alle Emotionen — auch die von Gordon als .epistemische' und die von Green als ,unsiche-
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re' Emotionen kategorisierten - gleichermaßen anwendbar ist. Jenseits der subjektiven Gewissheitsforderung bezüglich eines intentionalen Gehalts sind m.E. keine zusätzlichen ontologischen Einschränkungen emotionaler Objekte notwendig.
2.3.4 Die Wertigkeit der emotionalen Welt An diesem Punkt der Überlegungen können wir festhalten, dass verschiedenartige Entitäten, z.B. fiktive und reale, als Korrelate der Emotionen fungieren können. Das kognitivistische Bild der epistemischen Qualitäten von Emotionen ist jedoch noch in einer anderen Hinsicht zu ergänzen. Der volle intentionale Gehalt einer Emotion erschöpft sich nämlich nicht, wie z.B. Green, aber auch Kenny u.a. suggerieren, in isolierbaren Meinungen, Wünschen, Wahrnehmungen oder einzelnen ,belief-desire'-Verschränkungen. Die kognitivistischen Ansätze gelangen aus meiner Perspektive dort an ihre Grenze, wo sie nicht mehr darum bemüht sind, die intentionale Dimension der Emotionen über die minimalen Anforderungen epistemischer Bedingungen für ihre Zuschreibungen hinaus genauer zu erhellen. Bei detaillierter Betrachtung zeigt sich nämlich, dass typischerweise ganze Einstellungsgruppierungen und Wunschformationen sowie eigenständige Wertungen in emotionale Reaktionen eingehen und damit ihre epistemischen Implikationen entsprechend komplexer als bisher ausgewiesen ausfallen. Wenn eine Person z.B. verliebt ist, dann hegt sie normalerweise diverse Wünsche hinsichtlich der geliebten Person, wie z.B. die, ihr nah sein zu wollen, ihre exklusive Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, von ihr ebenfalls geliebt zu werden, mit ihr Zeit zu verbringen, alles von ihr zu erfahren, sie zu schützen etc. Dabei geht die verliebte Person auch von vielen trivialen und allgemeinen sowie nichttrivialen Annahmen über ,das Objekt' ihrer Verliebtheit aus. So glaubt sie z.B., dass die geliebte Person real und nicht nur in ihrer Phantasie existiert, dass sie kein geklönter Computer ist, dass sie sich nicht in eine andere Person verwandeln kann, dass sie Eltern hatte, zumindest eine Sprache beherrscht, Gefühle und eine besondere Lebensgeschichte hat und vieles mehr. Darüber hinaus muss die verliebte Person auch über identifizierende Be-
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Schreibungen hinsichtlich der geliebten Person verfugen, die andere identifizierende Beschreibungen ausschließen.
Neben solchen allgemeinen und spezifischen Annahmen und Wünschen gehören zu den relevanten intentionalen Elementen von Emotionen auch Wertungen, die nicht automatisch schon, wie Green z.B. meint, mit den Evaluationen zusammenfallen müssen, die in den emotionalen Wunschanteilen impliziert sind. Man mag z.B. in einem verliebten Zustand einerseits wünschen, mit X zusammen zu sein, von ihm/ihr geliebt zu werden usw., aber darüber hinaus beurteilt man X gegebenenfalls auch noch als anziehend, bewundernswert und interessant. Die Positivwertigkeit eines Emotionstyps wie Verliebtheit besteht aus meiner Sicht nicht nur, wie Green konstatiert, darin, dass ein bestimmter Wunsch und darauf bezogene Tatsachenannahmen konvergieren. Im Falle der Verliebtheit z.B. sind bereits auf der Ebene der Objektwahrnehmung Wertungen involviert wie Idealisierungen und Preisungen der charakterlichen, erotischen und ästhetischen Vorzüge eines Menschen, die wiederum die typischen Wünsche nach Nähe und Exklusivität auf eben diesen Menschen bezogen allererst motivieren. Darüber hinaus tragen solche Objektbewertungen dazu bei, z.B. weitere positive Unterstellungen gegenüber X zu generieren, wie die Zuschreibung von Eigenschaften besonderer Intelligenz, Tiefe oder Einfühlsamkeit. Ein anderes Beispiel, an dem man, wie ich meine, außer der Komplexität den auch eigenständig evaluativen Charakter emotionaler Intentionaliät, unabhängig von dem der Wünsche, aufzeigen kann, ist Trauer. Jemand kann z.B. in seiner Trauer über den Tod eines nahe stehenden Menschen dessen schmerzlichen Verlust für sich beklagen und muss dennoch nicht einmal den irrationalen Wunsch hegen, der womöglich zuvor sehr krank gewesene Freund möge weiterleben. Eventuell akzeptiert der Betreffende einfach die Sterblichkeit der Menschen und hält Trauer für eine angemessene Form des Abschieds. In diesem Fall mögen zwar alle möglichen Wünsche Voraussetzungen für die Trauer sein — etwa der Wunsch nach einer lebenslangen Freundschaft — aber nicht unbedingt zu den intentionalen Bestandteilen der Trauer selbst zählen. Da dann aber auch keine Diskrepanz zwischen Meinungen und Wünschen besteht, welche die spezifische Negativität der Trauerreaktion in intentionaler Hinsicht ausmachen könnte, kann die Negativität der Emotionen nur noch auf der Ebene der Evaluation, ,dass ein schmerzlicher Verlust gegeben ist', liegen. Sofern diese analysierende Beschreibung etwas Rieh-
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tiges trifft, haben wir zugleich damit ein Gegenbeispiel zu Greens ,beliefdesire-Theorie' der Emotionen vor Augen. Nicht jede Emotion ist dann ihrer konstitutiven intentionalen Kernstruktur nach als .Wunsch plus Meinung' analysierbar und ihr negativ- oder positivwertiger Charakter hängt nicht allein von der Divergenz oder Konvergenz der volitiven und deskriptiven Anteile und den sie begleitenden Lust- und Unlustgefühlen ab. Je nachdem, mit welchem Emotionstyp wir es gerade zu tun haben, so stellt sich die Lage jetzt dar, treten auf der Ebene der Intentionalität der Emotionen zu den relevanten Formationen von Annahmen und Wünschen noch eigenständige Evaluationen hinzu. Menschen nehmen in ihren emotionalen Reaktionen vor allem wertend Stellung zu etwas. Die spezifisch evaluative Seite der Emotionen spiegelt sich erneut auf der Ebene der Sprache. So gelangt Erroll Bedford 221 über den Weg einer semantisch-pragmatischen Analyse der Verwendungsweise von Emotionstermen seinerseits zu dem Ergebnis, dass diese primär zu unserem Vokabular von Wertschätzung und Kritik gehören. Die einzig notwendige und nach Bedford auch hinreichende Bedingung für die Identifizierung einer Emotion ist, dass die betreffende Person bestimmte Bewertungen gegenüber einem Sachverhalt vornimmt. Und nur weil Emotionen im Kern Bewertungen enthalten, sind sie zu kritisieren oder zu rechtfertigen. Wir können, so Bedford, den impliziten Wertgehalt von Emotionen artikulieren und über den Prozess des Gebens und Nehmens von Gründen dazu affirmativ oder kritisch Stellung beziehen. An die Adresse der gefühlstheoretischen und verhaltensorientierten Ansätze in der Emotionstheorie sagt Bedford über die Funktion von Aussagen, in denen das Vorliegen von Emotionen vermittelt wird: „Im Allgemeinen wird angenommen, sie [die Aussagen über Emotionen, C.V.] bestünden in der Mitteilung von Gefühlen oder in der Mitteilung, Vorhersage oder Erklärung von Verhalten. [...] meiner Uberzeugung nach wäre es ein Fehler zu glauben, dass die primäre Funktion dieser Aussagen die Mitteilung psychologischer Tatsachen sei. Ihre wesentliche Funktion ist Beurteilung, nicht Information." 222
Bedfords Beispiele und Deutungen, mit denen er seine These zu belegen versucht, sind u.a. „Ich beneide Schnabel um seine Technik", womit nach Bedford die Klaviertechnik von Schnabel gerühmt wird; „Jetzt schäme ich mich dafür" ist aus seiner Sicht als ein Zugeständnis von Verantwort-
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lichkeit für eine negativ besetzte Tat oder Unterlassung zu verstehen oder auch als eine Bitte um Nachsicht; „Ich habe deswegen nie eine Spur von Reue empfunden", übersetzt Bedford als Rechtfertigung einer Wahl. 223 Ronald de Sousa ist hier mit dem Gedanken ergänzend anzuführen, dass das Spektrum der emotionalen Werteigenschaften, die er als „axiologische Qualitäten" bezeichnet, in „paradigmatischen Szenarien" erlernt wird. „I propose that emotions have a semantics derived from .paradigm scenarios', in terms of which our emotional repertoire is learned and the formal objects of our own emotions fixed." 224 Den von Kenny übernommenen Begriff des .formalen Objekts', über den ein Emotionstypus jeweils identifiziert werden soll, versteht de Sousa mit Bedford als evaluative bzw. axiologische Dimension der Emotionen. „We can think of the different formal objects as independent dimensions of evaluation, which I call axiological." 225 Da „Axiologie" einfach „Lehre von Werten" heißt, es allerdings sehr verschiedene Arten von Werten gibt (z.B. religiöse, politische, moralische, materielle, ästhetische usw.) möchte de Sousa den axiologischen Qualitäten emotionaler Objekte dadurch einen spezifischen und zugleich weniger objektivistischen Anstrich geben, dass er ihnen eine besondere phänomenale Gefühlsqualität zusätzlich zuordnet: „Every scenario has its own feel." 226 In dieser Allgemeinheit trifft die Aussage wahrscheinlich selbst auf nicht-emotionale Wertwahrnehmungen zu und ist von daher zwar nicht falsch, aber m.E. zu unspezifisch für die Charakterisierung emotionaler Evaluationen oder genauer: derjenigen evaluativen Eigenschaften, die wir in emotionalen Situationen wahrzunehmen meinen. Weiterführende Bestimmungen des spezifisch evaluativen Charakters von Emotionen finden sich u.a. bei William Lyons und Ernst Tugendhat. 227 Lyons hebt zunächst ebenfalls den werthaften Charakter emotionaler Gehalte hervor und übersetzt Kennys „formale Objekte" und Taylors „bestimmbare Eigenschaften" als „evaluative Kategorien": „It is important to realise that the formal object of an emotion seems to be the evaluative category under which the appraisal or evaluation of a particular
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object, material or intentional, falls on a particular occasion. [...] And the description of the type of the evaluation or appraisal is the kernel of the concept of the emotion in question." 228
Die einzelnen generischen Emotionstypen sind in Lyons Terminologie nicht über irgendwelche Objekte, sondern über evaluative Kategorien definiert. In jeder emotionalen Reaktion wird etwas (d.h. ein Sachverhalt, ein Ding, eine Eigenschaft oder Person) in Begriffen der, auf die Situation passenden, evaluativen Kategorie wahrgenommen. Eine evaluative Kategorie, über die z.B. der Emotionstyp .Furcht' bestimmt wird, ist, wie schon genannt, ,das Bedrohliche'. ,Scham' ist auf .Selbstwertabwertendes' bezogen. ,Stolz' ist über etwas ,Selbstwert-aufwertendes' bestimmt. Ein .unrechtmäßig zugefügtes Leid' bildet das evaluative Korrelat von ,Wut'. Vorteile von Lyons Begriffseinführung gegenüber Taylors und Kennys sehe ich darin, dass erstens die Rede von .evaluativen Kategorien' nicht die auf ontologische Abwege führende Vergegenständlichung nahe legt, wie es der Objektbegriff tut. Und zweitens wird von vorneherein der irreduzibel werthafte Charakter emotionaler Weltbezüge deudich. Das Element einer jeden emotionalen Reaktion auf das sich Lyons zufolge auch alle anderen Komponenten der Reaktion — wie Körperveränderungen und Verhaltensweisen — ihrem Sinn nach rückbeziehen lassen müssen, ist nicht ein Objekt oder eine Meinung einfachhin, sondern eine bestimmte subjektive Wertung. „So, [...] what emotion will dwell up in a person will depend on how he .sees' the object he has apprehended or believes he has apprehended. A man is afraid because he .sees' the object or situation as dangerous. A man is angry because he .sees' the situation as offensive or insulting. A man is embarrassed because he .sees' the situation as one in which he has lost face. A man is in love because he .sees' some person as appealing. To put it another way, we will only count this emotional state as a case of fear if the persons' particular judgement, say, that there is a bomb in the corner of the room and that it is likely to go off, and so is likely to injure or kill him, are judgements which together can be said to fall under the general category or description of viewing the situation as dangerous. [...] Now this .light' in which the subject of an emotion .sees' the object includes an evaluation such that, in the most objective of these evaluations, the subject can be said to rate the object according
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to some scale. An emotion such as fear, for example, seems to evaluate its object according to some more or less objective norm." 229
Deutlicher als de Sousa und Bedford schränkt Lyons die Normenskala, die für emotionale Evaluationen ausschlaggebend sein soll, auf informative Weise so ein: „The angry man evaluates something as a slight to himself. It is this relating of events to ourselves, or to our quasi-selves, our friends or loved ones, that generates emotion. If we didn't we would not be moved. We would be just calm and dispassionate adjudicators and evaluators of passing events."230
Das subjektiv rückbezügliche Element der Emotionen, das Descartes, Hume und James ausschließlich unter dem Aspekt der gefühlsmäßigen Selbstwahrnehmung thematisieren, bekommt nun bei Lyons einen neuen Sinn: Die persönliche Relevanz von Sachverhalten, Ereignissen und Personen im Verhältnis zur eigenen Befindlichkeit auf verschiedenen Ebenen unserer Wünsche, Interessen, Ziele und Bedürfnisse stellen die Inhalte dar, die anhand emotionaler Reaktionen erfahrbar werden. In und während einer emotionalen Bezugnahme auf etwas erfährt sich das Subjekt zugleich als ein von einem Objekt negativ oder positiv betroffenes mit. Der betroffene Blick auf etwas in emotionalen Lagen ist nie objektiv-neutral, sondern stets partikular-werthaft. Die Werthaftigkeit kommt anders gesagt also dadurch hinein, dass Personen einen Sachverhalt, eine Person oder ein Ereignis stets im Verhältnis zu ihrem persönlichen Wohlbefinden wahrnehmen und auswerten. Ernst Tugendhat bringt die auszeichnende evaluative Dimension emotionaler Bezüge so auf den Punkt: „Machen wir uns zunächst klar, dass das Wesen der Affekte noch unterbestimmt ist, wenn man lediglich konstatiert, dass sie sich auf Sachverhalte beziehen, vielmehr handelt es sich immer um Sachverhalte der Art, dass etwas für mich oder für einen anderen als gut oder schlecht erscheint: Bei der Furcht um ein künftiges Übel, beim Zorn um den Sachverhalt, dass jemand mich geringschätzt, beim Dank, dass jemand mir etwas Gutes getan hat, bei Neid, dass jemand anderem statt mir etwas Gutes widerfahren ist usw."23'
Es ist diese evaluative Besonderheit emotionaler Weltbezüge, die ihren Urteilscharakter von Formen nicht-emotionaler und gleichwohl subjekti-
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ver Wertaussagen abhebt. Evaluationen, die sich maßstäblich an der Erhöhung oder Minderung des eigenen Wohlergehens ausrichten, bilden demnach das Zentrum einer jeden emotionalen Reaktion. Was im Einzelnen als ein geeigneter Repräsentant einer emotionalen Wertwahrnehmung fungiert, ist dabei von vielen sich verändernden Faktoren abhängig. Hintergrundstimmungen, individueller Gesundheitszustand, situative Konzentrationsfähigkeit, aber auch Faktoren wie Alter, Geschlecht, Gruppenzugehörigkeit sowie persönliche Erfahrungen und intellektuelle Kapazitäten beeinflussen die persönliche Angehbarkeit und Deutung der Umwelt. Dinge, die einem als Kleinkind bedrohlich erschienen sind, lassen einen eventuell in einem späteren Alter kalt und umgekehrt ist womöglich etwas, das man als Kind unproblematisch fand, wie z.B. auf eine hohe Mauer zu klettern, später furchtbesetzt. Was also jeweils als geeigneter Kandidat der Kategorie .Bedrohliches' gilt, variiert naturgemäß zwischen Personen und zu verschiedenen Zeitpunkten auch für eine Person. Und so verhält es sich wohl auch auf alle anderen Emotionen bezogen. Aufgrund dieses subjektiven Spielraums emotionaler Objektbesetzungen erfahren wir auch immer zugleich etwas über die so involvierte Person und ihre ganz persönliche Sicht der Dinge. Wie verhält sich nun diese subjektive Seite der Emotionen zu den von den Kognitivisten hervorgehobenen objektiven Sinnkriterien der Zuschreibung von Emotionen? Was Kenny und Taylor relativ neutral als .formale Objekte' oder .bestimmbare Eigenschaften' der Emotionen bezeichnet haben, legt die objektiven Sinn- und Rahmenbedingungen der Zuschreibung von Emotionsausdrücken fest. Sie fungieren daher als Einschränkungen auch des subjektiven Spielraums bei der Anwendung von Emotionstermen. Lyons, de Sousa und Tugendhat betonen, wie vorgeführt, stärker als Kenny und Taylor die Werthaftigkeit der emotionalen Gehalte, so dass Lyons von ,evaluativen' und de Sousa von ,axiologischen' Qualitäten emotionaler Korrelate spricht. Bestimmte, für jeden Emotionstyp festgelegte evaluative Qualitäten müssen demzufolge gegeben sein oder wahrgenommen werden, damit eine Emotion auf verständliche Weise zugeschrieben werden kann. Wir orientieren uns an intersubjektiv verbindlichen Normen bei der Unterscheidung richtiger und abweichender Zuschreibungen von Emotionstermen und ihrer Synonyma. Mit den relativ formal gefassten, evaluativen Korrelaten pro Emotionstyp sind jene Analoga zu den Erfüllungsbedingungen von Meinungen und Wünschen erfasst, die entspre-
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chend auch intersubjektiv verbindliche Maßstäbe für mögliche Korrekturen in der Zuschreibung von Emotionen sowie für ihre Kommunizierbarkeit und Kritik festsetzten. Bereits auf der Ebene der bloßen Zuschreibung von Emotionen begegnen wir damit offenbar einer gewissen Normativität. Sie zeigt sich als implizite Forderung nach einer relativen Übereinstimmung von subjektiv konkreten Objektbesetzungen mit den konventionellen Vorgaben, denen sich die Bedeutungen der genetischen Emotionsterme in einer Sprachgemeinschaft verdanken. Das heißt: Die definierende Zuordnung jedes einzelnen Emotionsausdrucks zu einem bestimmbaren, korrelierenden Situationstyp bildet den normativen Rahmen, in den jede konkrete emotionale Reaktion sozusagen .eingepasst' werden muss. Wir erwarten daher im Normalfall implizit von der Angabe des .Wovor' einer Furcht oder des Objekts einer beliebig anderen Emotion, dass sie wenigstens minimal einsichtig macht, warum sich jemand durch dieses und jenes bedroht oder sonstwie emotional berührt fühlt. Ein bissiger Hund ist ein besonders geeignetes Objekt für Furcht, da ihn, statistisch betrachtet, die meisten Menschen bedrohlich finden, weil seine Bisse tatsächlich Schaden und Schmerzen verursachen können. Statistische Normalität in der Wirkung eines Objekts oder Sachverhalts auf menschliches Wohlbefinden ist dabei der orientierungsleitende Maßstab und die immer schon veranschlagte Norm emotionaler Beurteilungen. Je nachdem, wie intersubjektiv bekannt und nachvollziehbar die besonderen emotionalen Gegenstandsbesetzungen sind, erscheint entsprechend die Emotion insgesamt als mehr oder weniger normale oder pathologische, rationale oder irrationale Reaktion. Es gibt Situationen, in denen dasjenige, wovor sich eine Person fürchtet, derart idiosynkratisch ausfällt, dass die Furchtreaktion mehr über die Anormalität der Person verrät als über die objektive Gefährlichkeit des vermeintlichen Übels. Denken wir uns z.B. einen Menschen, der davor zurückschreckt, in öffentlichen Lokalen Getränke zu bestellen, weil er befürchtet, jemand könne ihm Gift einmischen. Die objektive Wahrscheinlichkeit ohne Grund in Lokalen vergiftet zu werden ist so gering, dass man eine solche Person als übertrieben ängstlich oder gar als phobisch bezeichnen kann. Die identifizierende Definition von Emotionsausdrücken über bestimmte evaluative Szenarien fällt gerade nicht so eng aus, dass solche idiosynkratischen bis irrationalen Objektbesetzungen ausgeschlossen wären. Im Gegenteil: Bewertungen der Idiosynkrasie oder Irrationalität sind erst
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im Verhältnis zu einem definierten Normal- bzw. Idealfall sinnvoll möglich. 2.3.5 Wie man lernt, was man fühlt Die Orientierung der kognitivistischen Philosophen an den intentionalen und sprachlichen Bedingungen von Emotionszuschreibungen zieht eine weit reichende Einsicht auch für die Zugangsthematik der Emotionen mit sich. Die Distinktionsfähigkeit in bezug auf Emotionen erscheint aus kognitivistischer Sicht nicht mehr durch eine irgendwie angeborene Gefühlskompetenz verbürgt. Vielmehr trainiert und erlernt man in paradigmatischen Situationen unter intersubjektiver Anleitung die Fähigkeit, Emotionsterme und deren Synonyma auf bestimmte Situationstypen anzuwenden. Kompetente Sprecher einer Sprachgemeinschaft führen ihrem Nachwuchs an unzähligen Beispielfällen und repräsentativen Geschichten vor, unter welchen Umständen welche psychophysischen Reaktionen auf welche thematisch eingrenzbaren Situationstypen normalerweise folgen und passen. An solchen Musterbeispielen werden die Zusammenhänge paradigmatisch aufgezeigt, die dann u.a. als „Angst", „Scham" oder „Traurigkeit" zu kennzeichnen sind. Unter Anleitung erwerben Individuen im Laufe ihrer Sozialisation die Fähigkeit, zunehmend auch selbständig komplexe Zusammenhangsgefüge gemäß der Konventionen der Sprachgemeinschaft, der sie angehören, unter emotionale Begriffe zu fassen. Entsprechend der irgendwann individuell zur Verfügung stehenden, sprachlichen und klassifikatorischen Differenzierungsmöglichkeiten fällt dann auch die Ausdifferenzierung der eigenen emotionalen Gefühlswelt und das Verständnis der Gefühlswelt anderer Menschen aus. Um es auf eine kurze Formel zu bringen: Sprachniveau determiniert das emotionale Gefühls- und Verständnisniveau. Die Reife einer Persönlichkeit bemisst sich unter anderem durchaus an der Souveränität, mit der sie in der Lage ist, selbst nicht-stereotype, unkonventionelle oder gar paradoxe Verhaltensweisen als Ausdruck einer bestimmten Emotion richtig zu deuten. So sind Kinder und naive Personen z.B. kaum in der Lage, ironische Äußerungen oder Verhaltensweisen richtig einzuschätzen, da sie (noch) keine zweite Ebene der Deutung ha-
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ben, ihnen die Phantasie dafür fehlt und sie von daher dazu tendieren, alles wörtlich und gemäß standardisierter Vorgaben wahrzunehmen. 2 3 2 Es gibt eine Reihe von Emotionen, von denen ohne weiteres klar ist, dass sie nur von Sprachbenutzern erfahren werden können und nicht z.B. von Tieren oder Babys, weil ihre Objektspezifikationen das Verständnis elaborierter Konzepte voraussetzen. Dazu zählen z.B. Schuldgefühle über unterlassene Hilfestellung, die Ehrfurcht vor Gott oder die Bewunderung gegenüber moderner Kunst. Wer z.B. nicht die moralische N o r m verinnerlicht hat, anderen Menschen in Not zu helfen, wo das möglich und nötig ist, der/die kann auch keine darauf bezogenen Schuldgefühle generieren, die ja nichts anderes sind, als eine Selbstabwertung in bezug auf eine derartige Normenübertretung. Wer kein Konzept von .Glauben', .Religion', .Schöpfung' und .Transzendenz' hat, wird sich nicht ehrfürchtig auf .Gott' beziehen können; und ohne einen Begriff von moderner Malerei zu haben wird man kaum das Kunstvolle eines Richter-Bildes z.B. bewundern können. Als Beleg für die Sprachabhängigkeit von Emotionen kann auch ein psychologisches Störungsphänomen namens »Alexithymie' gewertet werden. Es bezeichnet die Unfähigkeit von Personen, bei sich oder anderen Gefühle in Worte zu fassen und wahrzunehmen. Alexithyme Personen können maximal Erschöpfungszustände von Aufregung unterscheiden, realisieren jedoch nicht, ob es z.B. Zorn, Angst, Neugierde oder Freude ist, was sie erleben oder was andere an Emotionalität kommunizieren 233 Entsprechend eindimensional fällt ihre Interpretation der persönlichen Bedeutung von Erlebnissen, Beziehungen und Eindrücken aus sowie die Einschätzung der Reaktionen anderer. 234 Bereits die Sozialpsychologen Stanley Schachter und Jerome E. Singer 235 sind in ihren empirischen Versuchen zu dem Resultat gekommen, dass erst über eine Interpretation und sprachliche Klassifikation der mehrdeutigen Erregungszustände seitens des Subjekts emotionale Gefühle entstehen. In ihrem Adrenalin-Experiment demonstrieren sie, wie Probanden, denen z.T. Adrenalin und z.T. ein Placebo-Mittel injiziert worden ist, in Abhängigkeit von den Informationen, die man ihnen über die soziale Situation und ihre physische Verfassung gab, ihre körperlichen Veränderungen als emotionale oder nicht-emotionale identifizieren und benennen konnten. Das explanative Vakuum, das zwischen den offenbar unspezifischen physiologischen Rückmeldungen und den im Unterschied dazu spezifisch erlebten Emotionen entsteht, wird Schachter/Singer zu-
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folge von der kognitiven Einschätzung der Situation ausgefüllt. Aus Informationen über die aktuelle Situation sowie einem Wissen darüber welche Emotionen unter welchen Umständen normalerweise auftreten, gewinnen wir ihnen zufolge die Basis für eine benennende Einordnung von Erregungszuständen. In diesem Prozess der Benennung identifizieren wir allererst bestimmte physiologische Veränderungen als Symptome von „Furcht", „Liebe", „Trauer", „Zorn" oder „Freude". Die benennende Klassifizierung von Erregungszuständen ist Schachter und Singer zufolge die Bedingung der Möglichkeit für ein eindeutiges Erleben von Emotionen.2315 In bezug auf Primärgefuhle wie Angst und Freude mag man dennoch davor zurückschrecken, vorsprachlichen Wesen wie Tieren und Babys Emotionalität abzusprechen, nur weil sie kein oder noch kein propositionales Sprachverständnis entwickelt haben. Solche vorsprachlichen und präkognitiven Reaktionen wie ängstliche Fluchtimpulse oder auch Schreck- und Freudereaktionen, die Ähnlichkeiten mit entsprechenden Reaktionen von Sprachbenutzern auf der Verhaltensebene aufweisen, kann man als Prototypen der sprachabhängigen Emotionen betrachten. 237 Von solchen prototypischen Emotionen sind sekundäre Emotionen gerade insoweit zu unterscheiden, als nur letztere anspruchsvolle epistemische und sprachliche Kompetenzen voraussetzen und implizieren. Sekundäre Emotionen wie etwa Eifersucht, Stolz, Schuld, Scham und Verliebtheit weisen — anders als ihre prototypischen Vorläufer — schon ihrer Funktion nach über eine unmittelbar archaische Überlebenssicherung hinaus. Kontexte, in denen sekundäre Emotionen sich ausbilden, betreffen eher Belange der sozialen Anerkennung oder des sozialen Status, resultieren aus der Verletzung eines Selbstwertgefühls oder sind gegebenenfalls als Rückschlag erfüllter oder vereitelter Vorstellungen vom guten Leben zu verstehen. Ungeklärt ist, in welchem Ausmaß die Fähigkeit, etwas als etwas zu identifizieren, vom Sprachverstehen abhängt. Wir schreiben Kleinkindern und Tieren Emotionen - auch komplexere wie Eifersucht z.B. — allein auf Basis von beobachtbarem Verhalten zu, das dem Verhalten sprach- und denkfähiger Personen in vergleichbaren Situationen, die wir als emotionale zu identifizieren gelernt haben, hinreichend ähnlich ist. Damit enthalten solche Zuschreibungen zwangsläufig einen spekulativen Überschuss, da wir Tiere und Babys eben nicht fragen können, was sie
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meinen, wenn sie augenscheinlich emotional reagieren. Wir behandeln sie eben aus pragmatischen Gründen so, als ob sie zu komplexen emotionalen Reaktionen wie Eifersucht und Scham in der Lage wären, ohne letztlich ermessen zu können, inwieweit das der Wahrheit entspricht und ob sie eventuell über analoge vorsprachliche Möglichkeiten von Informationsverarbeitung verfugen, die den kognitiven Leistungen entsprechen, welche für die sekundären Varianten der Emotionen konstitutiv sind.
2.3.6 Was es heißt, sich emotional zu verhalten Kommen wir vor dem Hintergrund der kognitivistischen Bestimmung der Emotionen nochmals auf die Seite des emotionalen Verhaltens zurück. Trotz der expressiven Variabilität der unterschiedlichen Emotionstypen, die ich, wie erinnerlich, als Argument gegen den Versuch einer verhaltenstheoretischen Reduktion der Emotionen geltend machte, ist festzuhalten, dass für die meisten emotionalen Vorkommnisse eine besondere Verhaltenstendenz charakteristisch ist. So manifestiert sich Scham u.a. darin, sich vor den Blicken anderer zurückzuziehen, Schuldgefühle darin, sich zu entschuldigen, Verliebtheit darin, die Nähe des Geliebten zu suchen. Solche Verhaltensweisen gehören zu den beobachtbaren Symptomen, die wir als Ausdruck emotionaler Regungen zu verstehen lernen, wenn wir die Bedeutungen der Emotionsterme beigebracht bekommen. Obwohl man emotionale Regungen auf der Verhaltensebene tarnen und für sich behalten kann und sie in diesem Sinne .privat' bleiben können, wäre es unmöglich, die Bedeutung der Emotionsbegriffe zu lehren und zu lernen, wenn emotionale Regungen nie in beobachtbarem Verhalten oder auf sprachlichem Wege zum Ausdruck kämen. Denn wenn Emotionen ausschließlich radikal private Phänomene wären — und dies ist ja eine von Gefühlstheoretikern akzeptierte Annahme —, zu denen erste Personen und nur diese einen vorsprachlichen, gleichwohl unmittelbar introspektiven Zugang hätten, dann wäre nicht nur keine Verständigung zwischen verschiedenen Personen über Emotionen möglich. Man würde unter diesen Bedingungen weder je wissen können, ob die identifizierten eigenen emotionalen Empfindungen denen eines anderen entsprechen, noch, ob eine konkrete Regung eine Instanz eines emotionalen
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Genus wäre. Es gäbe dann voraussetzungsgemäß keinen von der jeweils gegenwärtigen Introspektion unabhängigen objektiven Maßstab, der einen Vergleich zwischen Personen oder auch verschiedenen Erlebnissen einer einzelnen Person zu unterschiedlichen Zeitpunkten zulassen würde. Das bedeutet aber, dass eine Person auch von sich selber nie mit Gewissheit feststellen könnte, welche Emotion sie gerade verspürt und ob es sich überhaupt um eine Emotion handelt, da sie ebenfalls über keinen, die akute Introspektion ergänzenden Maßstab zum Vergleich zweier Reaktionsweisen verfügen würde. Aufgrund dieses begrifflich-logischen Zusammenhangs und nicht, weil mit jedem empirischen Emotionsvorkommnis auch de facto ein stereotypes Verhalten einhergehen würde, ist Verhalten als eine konstitutive Emotionskomponente neben der intentionalen Komponente anzusehen. Diesen Sachverhalt kann man mit Kenny so ausdrücken, dass Verhaltensweisen ebenfalls zum Begriff der Emotionen gehören. ,„He boasted out of vanity' adds little to ,He boasted'; for to boast is precisely to make vain remarks about oneself. Boasting is a sign of vanity, and, in general emotions are not called in to explain their own obvious manifestations. If a man laughs genuinely and heartedly, we do not need to explain that he does so because he is amused." 238
Das herzhafte Lachen einer Person durch Verweis auf ihre Amüsiertheit erklären zu wollen, wäre in der Tat redundant und d.h., es wäre überhaupt keine Erklärung. Wie sehr Verhaltensweisen Emotionen auszeichnen, ohne bloß in ihrer Folge aufzutreten, kann man sich auch unabhängig von Kenny klar machen, indem man überlegt, welche Kombinationen von Verhaltensund Emotionstypen miteinander inkompatibel wären. Aus Dankbarkeit heraus einem Gönner schaden zu wollen oder sich für ein Geschenk, über das man sich uneingeschränkt freut, rächen zu wollen oder auch aus Trauer heraus lachend und tanzend zu jubilieren, sind schlicht unverständliche Vorstellungen. Man würde diese Verhaltensneigungen in Verbindung mit den zugeordneten Emotionen nicht verstehen, weil zur Logik sowohl von „Dankbarkeit" als auch von „Freude" und „Trauer" andere, den genannten Verhaltensweisen geradezu entgegengesetzte Verhaltensweisen gehören.
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Anhand von typischen Verhaltensweisen, die unter bestimmten kontextuellen Bedingungen auftreten, lassen sich emotionale Klassifizierungen einüben. Kenny zählt drei Bedingungen dafür auf: „The concept of each emotion is linked with non-emotional concepts in three ways. The concept, for example, of fear stands on three struts: (a) fearful circumstances, (b) symptoms of fear, (c) action taken to avoid what is feared. Just the verbal expression of fear must be learnt in the context of one or other o f them." 239
Im Standardfall lernt man dem zufolge, anhand des Kontextes, des symptomatischen Ausdrucksverhaltens sowie anhand von Handlungsneigungen eine Emotion zu identifizieren. Verhaltensweisen wie beispielsweise Laufen, Weinen oder Schreien sind jedoch erst dann als emotionales Verhalten einer besonderen Sorte einzuordnen, wenn man ausserdem weiß, auf welche subjektiven Objektannahmen in diesem Kontext sie bezogen werden können und passen. 240 Obwohl auch Ryle gesehen hat, dass für Emotionszuschreibungen deutende Hypothesenbildungen in bezug auf Verhalten notwendig werden, hat er nicht die Konsequenz daraus gezogen, solche Deutungsleistungen als intentionale Komponenten der Emotionen auszuweisen. Dieser Schritt ist erst auf Basis kognitivistischer Konzeptionen möglich. Die klassifizierenden Deutungsleistungen bezüglich eines kontextbezogenen Verhaltens gehören für Kognitivisten prima facie zu den epistemischen Voraussetzungen der Anwendungen von Emotionstermen. Die Deutungen von Verhalten werden daher von Kognitivisten nicht als zusätzliche Repräsentationsleistungen angesehen, die sozusagen zum objektspezifizierendem Gehalt einer Emotion hinzutreten würden. Das ist allerdings aus meiner Sicht genau der Schritt, der noch fehlt. Warum das so ist, wäre an diesem Punkt der Untersuchung jedoch noch verfrüht gesagt. Ich komme im Zusammenhang der Frage nach der Einheit der Komponenten von Emotionen im letzten Kapitel der vorliegenden Arbeit darauf zurück. An dieser Stelle soll es noch weiter um die Integration der motivationalen Dimension von Emotionen in das kognitivistische Bild der Emotionen gehen. Dass Emotionen, contra Ryle und Dewey, nicht einfachhin mit Handlungsstereotypen gleichzusetzen sind, wurde bereits im Kontext der Kritik an verhaltenstheoretischen Konzeptionen deutlich. Die motivationale
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Dimension von Emotionen ist nicht nur in sich vielschichtig, sie hängt auch auf vielseitige Weise untrennbar mit ihren impliziten Meinungen zusammen. Wir hörten schon im Zusammenhang mit den Kognitivisten Taylor und Thalberg, dass die evaluativen Objektwahrnehmungen zum Teil auch einsichtig machen (müssen), weshalb jemand genau so und nicht anders auf etwas reagiert. Die emotionalen Objektbewertungen (Evaluationen), so gilt es m.E. erweiternd anzufgügen, sind manchmal auch letzte Gründe für Handlungen, die sich z.T. sogar erst in der späteren Folge einer emotionalen Reaktion einstellen. Wenn jemand z.B. seine besondere Rücksichtnahme gegenüber den Interessen einer anderen Person in diesem Sinne rechtfertigend erklären will, so mag der letzte Satz dazu die Aussage sein: „Ich tue dies, weil ich ihm/ihr dankbar war", oder „weil ich ihn/sie liebe", was weitere Warum-Fragen überflüssig macht. Worauf ich hier hinaus will, ist, anders formuliert, folgender Punkt: Wir können nicht nur unmittelbar auf bestimmte Weise aus Eitelkeit, Scham oder Schuld agieren. Manchmal handeln wir auch aufgrund von Emotionen und zwar ggbf. auch längerfristig. Nicht nur wenn, auch weil ein Mensch sich beleidigt fühlt, kann er in der Folge davon eine Freundschaft abbrechen. Und weil ein Mensch eifersüchtig ist, kann er auch mittel- bis langfristig noch ein zurückgezogenes Verhalten an den Tag legen. Und weil man sich selbst über eine generöse Geste sehr gefreut hat, ist man evtl. über die Situation hinaus motiviert, selbst generös gegenüber anderen Personen zu agieren. Der Rekurs auf Emotionen kann im Zusammenhang mit solchen Handlungen, die nicht mehr direkt zu den expressiven Seiten der Emotionen zählen, eine rationalisierende Funktion haben. Emotionen sind insofern nicht nur ihrerseits begründungsbedürftige und begründbare Phänomene. Vielmehr erkennen wir sie auch selbst als Kandidaten für Gründe an, weil sie intentionale Eigenschaften haben. Etwas aus einem Grund zu tun bedeutet, dass man es nicht (nur) automatisch tut.24' Damit von einer Beziehung der Begründung gesprochen werden kann, müssen Wahlmöglichkeiten bestehen. Im Kontext von Begründungen werden normalerweise Für- und Wider-Argumente gemäß bestimmter Normen geprüft und abgewogen. Dabei sind Alternativen aufgrund von Überlegungen in eine Hierarchie zu bringen und daraufhin auszuwählen. Ein schreckhaftes Aufspringen aufgrund eines lauten Knalls zählt z.B. nicht zum Typus .begründeter Verhaltensweisen', weil es automatisch und unkontrollierbar abläuft.
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Die durch Emotionen begründeten Handlungen müssen - anders als die unmittelbaren, emotionalen Verhaltenssymptome - die Minimalbedingung erfüllen, kontrollierbar zu sein. Dann erst macht es Sinn, einer emotional reagierenden Person gegebenenfalls vorzuwerfen, bestimmte Handlungen nicht unterlassen oder, je nach Kontext, unternommen zu haben. In einer bedrohlichen Lage würde unter Umständen eine Handlung wie die, Hilfe zu holen, andere Personen vor der vermeintlichen Gefahr zu warnen oder sich ihr gar entgegenzustellen, geboten sein, obwohl man aus dem Affekt der Furcht heraus nur fliehen will. Sinnvoll zu kritisieren wäre daran nicht der an sich unkontrollierbare Fluchtimpuls, sondern maximal die Unterlassung der anderen Verhaltensweisen, insofern sie zumutbar und erforderlich sind. 242 Zur Differenzierung zwischen emotionalem Ausdrucksverhalten und emotional begründetem Verhalten schlage ich vor, sich (a) an dem Abstand zu orientieren, der zwischen einer Handlung und einer emotionalen Objektspezifikation liegt sowie (b) an dem Grad der Abweichung einer Handlung von demjenigen charakteristischen Musterverhalten, das für eine Emotion identifizierend ist. Festzuhalten ist, dass nur diejenigen Handlungen als emotional begründete gelten können, die nicht eine unmittelbare und charakteristische Manifestation der Emotion sind. Akzeptiert man, dass Emotionen wenigstens manchmal ihr Handlungspotenzial auch längerfristig entfalten können, lässt sich daraus eine weitere, bisher ungenannte Bedeutung der dispositionellen Verwendungsweise der Emotionsterme gewinnen. Dass die unmittelbar expressiven Ausdruckssymptome der Emotionen nicht zu den durch sie begründeten Handlungs folgen gehören, schließt aus meiner Sicht nicht umgekehrt aus, dass letztere z.T. dennoch zu den Bestandteilen der Emotionen selbst zählen können. Wenn wir bereit sind, auch komplexere Folgehandlungen zu den Bestandteilen der Emotionen zu zählen, wird es möglich, sich die Erstreckung von ein und derselben Emotion auch über einen längeren Zeitraum hinweg zu denken. Ein Beispiel dafür liefern Eltern, die jahrelang Schuldgefühle über die Vernachlässigung ihrer Kinder hegen. Gegebenenfalls macht sich ihr Schuldgefühl über diesen langen Zeitraum hinweg an dem wiederholten Drang zur Thematisierung ihrer erzieherischen Unfähigkeit und an vielfachen Wiedergutmachungsbezeugungen bemerkbar. Viele weitere Beispiele ließen sich leicht hinzufügen. Von solchen, nennen wir sie der Einfachheit halber „lang anhaltenden Emotionen" sind nochmals Charaktereigenschaften abzugrenzen, die
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ebenfalls mit Emotionsbegriffen bezeichnet werden. Exemplarisch dafür sind Neid, Geiz, Eifersucht, Stolz usw. Bei den Charaktereigenschaften handelt es sich um feste Habitualisierungen, deren Zuschreibungen nicht voraussetzen, dass ihre Aktualisierungen auch das affektive Befinden oder das subjektive Gegenwartsbewusstsein der Betroffenen verändern. Wenn z.B. jemand regelmäßig die Hilfe anderer Personen selbst in Notlagen ausschlägt und man dieses Verhalten mit ihrem stolzen Charakter begründet, so braucht diese erklärende Einordnung ihres Verhaltens weder zu berücksichtigen, ob und wie die Person sich selbst dabei fühlt, noch wie sie ihre Umwelt situativ wahrnimmt. Im Unterschied zu den ebenfalls handlungswirksamen, lang anhaltenden Emotionen, die dabei aber auf einen partikularen Anlass (Objekt) bezogen bleiben, führen genannte Charaktereigenschaften bei ganz verschiedenen Anlässen zum immer gleichen Verhalten. 243 Es gibt noch eine weitere, indirekte Handlungsmotivation durch Emotionen, zu der Emotionstheoretiker aufgrund ihrer Rahmensetzungen nicht mehr Stellung nehmen und die ich vollständigkeitshalber an dieser Stelle wenigstens erwähnt haben möchte. Ich meine die Konsequenzen, die starke emotionale Erfahrungen für das eigene Leben im ganzen haben können. Man kann aufgrund sehr positiver oder negativer emotionaler Erfahrungen mit Menschen, Tätigkeiten oder sogar mit Umgebungen motiviert sein, weitere Erfahrungen dieser Art, z.B. durch das Aufsuchen von ähnlichen Menschen, Tätigkeiten oder Umgebungen, wahrscheinlich zu machen oder zu verhindern. Um z.B. die Einmaligkeit und Exklusivität einer Liebesbeziehung nicht in Frage zu stellen, gehen manche nach deren Ende nie wieder eine neue Beziehung ein, weil sie es als .Sakrileg' gegenüber der vergangenen empfinden würden. Ein anderer fährt womöglich immer wieder an den gleichen Urlaubsort, weil er als Kind dort so glückliche Zeiten erlebt hat. Je nach Temperament und Anlage können Menschen sogar derart von einzelnen emotionalen Erfahrungen beeinflusst werden, dass sich ihr Charakter im ganzen und d.h. ihre affektiven Dispositionen maßgeblich verändern. Die Individualität von Personen bemisst sich u.a. daran, welchen emotionalen Erlebnissen sie in ihrem Leben Schlüsselstellungen einräumen und wie sie diese in den Rahmen der Geschichte ihres Lebens einordnen. 244 Die insgesamt relativ vielseitigen Verknüpfungsmöglichkeiten von Emotionen und Verhalten machen aus meiner Sicht ein erweitertes Ver-
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ständnis von Emotionen erforderlich, das zumindest auch bei Bedford anklingt, wenn er schreibt: „Emotionsbegriffe sind m.E. nicht nur psychologische Begriffe: Sie setzen Begriffe sozialer Beziehungen und Institutionen voraus und Begriffe, die zu moralischen, ästhetischen und rechtlichen Bewertungssystemen gehören. Indem wir Emotionsworte verwenden, können wir daher Verhalten in Beziehung zu dem komplexen Hintergrund setzen, vor dem es stattfindet, und dadurch menschliche Handlungen verständlich machen."245 Die evaluativen und z.T. normativen Einstellungen, die wir im Zuge unserer Sozialisation erwerben, bleiben auch aus erweiterter kognitivistischer Perspektive die zentralen Bezugspunkte emotionaler Zuschreibungen. Solche kommen in den subjektiven und evaluativen Sachverhaltswahrnehmungen zum Ausdruck und machen andere Facetten, wie Wünsche, Mittelabwägungen und Handlungen, die mit Emotionen direkt oder indirekt einhergehen oder durch sie motiviert werden, allererst intelligibel. Vergleicht man die bisher dargestellten Ansätze darin, wie sie jeweils zu epistemischen Dimensionen der Emotionen Stellung beziehen, so ergibt sich folgendes Bild: Von Gefiihlstheoretikern wird eine epistemische Dimension nur auf der Ebene des Zugangs zu Emotionen thematisiert. In dieser Hinsicht sollen z.B. Fehler oder Irrtümer im Zugang zu Emotionen entweder gänzlich ausgeschlossen werden (Descartes, James) oder ausschließlich eine Frage mangelnder Gefühlsintensität sein (Hume). Verhaltenstheoretiker nennen zwei epistemische Fehler- und Irrtumsmöglichkeiten. Man kann sich ihnen zufolge erstens bei der Zuordnung von Gefühlen zu Emotionen irren und zweitens bei der Rückführung von Verhalten auf eine bestehende Neigung. Durch Hinweis auf Verhaltensabweichungen in vergleichbaren Situationen soll ein Zuschreibungsfehler festzustellen sein. Wichtig ist den Verhaltenstheoretikern, dass die Option eines unfehlbaren Zugangs erster Personen zu ihren emotionalen Zuständen entfällt. Da Kognitivisten (komplexe) Verhaltensdimensionen in ihre Konzeptionen der Emotionen einbeziehen, sind die darauf bezogenen, potenziellen Fehler- und Irrtumsmöglichkeiten integrierbar. So ist es aus dieser Sicht z.B. möglich, dass man ein Verhalten fälschlicherweise als Zeichen einer bestimmten Emotion deutet, weil Informationen über den Kontext
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fehlen. Eine darauf bezogene Korrektur kann, muss aber nicht zur Folge haben, dass deshalb auch die ganze Zuschreibung der Emotion fehlerhaft ist. Auf der Ebene des Zugangs zu Emotionen bestehen für Kognitivisten die möglichen Irrtümer in der Verwechslung von Szenarien, auf die man eine Zuschreibung von Emotionstermen glaubt anwenden zu können, obwohl sie nicht passen. Bei der Zuschreibung einer Emotion kann man sich ihnen zufolge an gegebenem sprachlichen und nichtsprachlichen Verhalten des Betreffenden innerhalb einer bestimmten Situation orientieren und vor allem an seinen/ihren subjektiven Beurteilungen. Da Emotionen aus kognitivistischer Sicht Urteile sind oder zumindest solche enthalten, sind Irrtümer und Fehler nun auch auf einer weiteren Ebene möglich. Sie betreffen - gewissermaßen innerhalb der Zuschreibung einer Emotion — die intentionale Komponente. Dabei geht es um die Angemessenheit und Begründetheit der Repräsentationen, also derjenigen evaluativen Perzeptionen, Kognitionen und Volitionen, die den Emotionen zugrunde liegen. Diese Dimension der semantischen Bewertung von Emotionen wird unter dem Begriff der .Rationalität von Emotionen' in der einschlägigen Literatur erörtert.
2.3.7 Die Rationalität der Emotionen Wenn ein mentaler Zustand überhaupt als rationalitätsfähig gelten soll, muss er gemäß einem festgelegten Standard sowohl rational als auch irrational sein können. Wie wir bereits hörten, lassen sich aus kognitivistischer Sicht verbindliche Rationalitätsbedingungen für die Zuschreibungen von Emotionsausdrücken benennen. Der Begriff des .formalen Objektes' gehört zu jedem gehaltvollen Zustand, der überhaupt hinsichtlich seiner Rationalität beurteilt werden kann. Ebenso wie für Überzeugungen und Wünsche definieren die formalen Objekte auch im Falle der Emotionen die Standards ihrer Richtigkeit und Angemessenheit. Deskriptive Zustände wie Tatsachenannahmen zielen ihrem formalen Objekt nach auf .Wahrheit'. Und je nachdem, ob ihr Gehalt auf die in ihnen repräsentierte Welt zutrifft oder nicht, können die Annahmen wahr oder falsch sein. Im Vergleich dazu zielen evaluative und Optative
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Zustände wie Wünsche ihrem formalen Objekt nach auf ,das Gute' sowie auf die ,Wünschbarkeit der Realisierung ihres Gehalts'. 246 Die formalen Objekte der Emotionen sind nun die evaluativen Korrelate, die - wie wir bei Kenny, Taylor, de Sousa und Lyons sahen -, normativ festlegen, welche Art von Sachverhalt oder Ereignis dem repräsentationalen Kern einer emotionalen Reaktion entspricht. 247 Dabei korrespondiert jedem Emotionstyp ein strukturell anderer Typus eines evaluativen Sachverhalts. De Sousa drückt das so aus: „There are as many formal objects as there are different emotions." 248 De Sousa geht in seinem programmatisch betitelten Buch The Rationality of Emotions über diese formale Bestimmung der Emotionen hinaus, indem er dort eine substanzielle Lesart der emotionalen Objekte hinzufügt. In Anlehnung an die Psychoanalyse sieht de Sousa nämlich die Standards für die Beurteilung der Rationalität von Emotionen durch die prägenden Lernsituationen einer Biografie bereitgestellt. An dieser Stelle bekommt die Rede von der .Rationalität der Emotionen' zumindest bei de Sousa einen nicht nur semantischen, sondern auch einen rechtfertigenden Sinn in psychologischer Hinsicht. In paradigmatischen Lebenssituationen erwerben Individuen jene evaluativen Einstellungen, die den Bedeutungen der Emotionsterme zugrunde liegen. Ist aber erst einmal ein individuell-biografisch modifiziertes, emotionales Grundverständnis ausgebildet, so de Sousa, richten sich alle weiteren Erfahrungen eines bestimmten Emotionstyps am Schema der ursprünglich prägenden Grunderfahrung desselben aus. Übereinstimmung einer emotionalen Reaktion mit dem lebensgeschichtlichen Paradigma ist dabei der Maßstab der emotionalen .Rationalität' in dem eingeschränkten Sinne ihrer biografischen Nachvollziehbarkeit. Eine Person wird, anders gesagt, emotional eben so reagieren, wie sie es einmal (frühkindlich) gelernt hat. De Sousa sagt dazu: „When a paradigm scenario suggests itself as an interpretation of a current Situation, it arranges and rearranges our perceptual, cognitive, and inferential dispositions in terms of some real configuration of human experience."249 Der Begriff des „paradigmatischen Szenarios" deckt für de Sousa zweierlei ab. Die biografische Lernsituation eines Individuums bietet den einen Teil des Maßstabs zur Beurteilung emotionaler Rationalität — nämlich die individuelle Normalität. Angemessen ist eine emotionale
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Reaktion im Sinne der individuellen Normalität dann, wenn sie zum biografischen Muster des Individuums passt. Zudem haben Emotionen de Sousa zufolge auch eine biologische Funktion, die ihre objektive Angemessenheit festlegt. .Objektive Normalität' ist daher der zweite Beurteilungsmaßstab. De Sousa fährt fort: „ O n this view emotions will be objectively correct if and only if they correspond to scenarios stemming normally from human nature." 250
Gegen die entstehenden subjektiven Variabilitäten, die durch biografische Differenzen in den emotionalen Prägungen bedingt sind, wirken sich nach seiner Meinung auch biologisch bedingte Gemeinsamkeiten auf die emotionalen Dispositionen der Menschen aus. Die Übereinstimmungen in den durchschnittlichen Reaktionen der Menschen auf bestimmbare Sachverhalte sind auf eine gemeinsame menschliche Natur zurückzuführen. Etwas, das den Menschen z.B. Schmerzen oder Lust zufügt, wie Naturkatastrophen oder Unterhaltungsprogramme, wird bei den meisten eine ängstlich abgeschreckte oder interessiert zugewandte Reaktion hervorrufen. „Emotions — at least objective ones - are not mere projections but apprehensions o f real properties in the world. [...] emotions deal with the insufficiencies of reason by Controlling salience." 251
Emotionen, so verstehe ich hier de Sousa, kontrollieren die Aufmerksamkeit über die Fixierung evaluativer Eigenschaften an Sachverhalten oder Dingen, die einer rein rationalen Herangehensweise entgehen. Auf emotionaler Basis können Individuen unterscheiden, was relevant und was irrelevant, zu- oder abträglich für sie ist. Dergestalt verhelfen Emotionen objektiv zu funktionalen Relevanzsetzungen und ergänzen damit die strategische und kognitive Rationalität im Menschen um eine weitere Möglichkeit der Hierarchisierung von Entscheidungsoptionen. Darin sieht de Sousa ihren evolutionär bedingten Beitrag zur menschlichen Natur. Normale, d.h. intersubjektiv begründbare und biografisch kohärente Emotionen informieren uns ihm zufolge durchaus über die reale Welt. Die emotional erfahrbare Wirklichkeit gestaltet sich aber anders als die, welche wir über neutrale Wahrnehmungen und Kognitionen erfassen. Emotional erfahren wir eben die Welt so, wie sie im Verhältnis zu den
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charakteristischen Neigungen und Reaktionen der menschlichen Natur wirkt. Ähnlich wie die Psychoanalyse geht auch de Sousa davon aus, dass die emotionalen Erfahrungen, welche man im Zuge der frühen Biografié erworben hat, spätere Wahrnehmungen und das Verständnis der Welt nachhaltig präformieren. In Begriffen vertrauter Schematisierungen eignen Menschen sich ihre Welt an. Aus dieser Faktizität will de Sousa normative Angemessenheitsstandards ableiten. „An emotion can be assessed for its intrinsic rationality - a kind of correctness or incorrectness - in terms of the resemblance between a presenting Situation and a paradigm scenario." 252
Emotionale Irrationalität bedeutet demnach eine Verwechslung von Szenarien, auf die man sozusagen mit einem unpassenden Emotionsmuster reagiert. Neurotische und psychotische Reaktionen sind für de Sousa entsprechend die Fälle, die sich von normalen emotionalen Reaktionen gerade darin unterscheiden, dass in ihnen Wahrnehmung und orientierungsleitende Funktion gestört sind. Objektiv unähnliche Szenarien werden — z.B. aufgrund von neurotischen Übertragungen aus der Vergangenheit in die Gegenwart — miteinander verwechselt. Und das verunmöglicht eine gute Anpassung an die real gegebene, soziale und natürliche Lebenswelt. Der Möglichkeit, innerhalb einer individuellen Biografíe völlig anormalen Lernerfahrungen ausgeliefert zu werden, die ein entsprechend pervertiertes Paradigma und Normalitätsverständnis der Emotionen prägen könnten, sind — so interpretiere ich de Sousa — durch die biologische Anforderung nach Anpassung natürliche Grenzen gesetzt. Worauf er nicht mehr eingeht, ist eine weniger extreme Möglichkeit irrationaler Prägung, die durchaus eine Grenze seines Rationalitätsmodells sichtbar macht. Es gibt, wahrscheinlich sogar in den meisten Biografíen, emotionale Prägungen, von denen man sich später, im Lichte eines reflektierten Weltbildes, emanzipieren möchte und kann. Ein Grund dafür kann durchaus der sein, dass man eine biografische Prägung in sich selbst für schlecht begründet oder unangemessen hält. Dann ist es gerade nicht wünschenswert, dass die kontingente Vergangenheit zum rationalisierenden Maßstab aller weiteren emotionalen Reaktionen wird. Wenn man z.B. als Kind nie gelernt hat, etwas mit anderen zu teilen, so
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wird der eventuell daraus resultierende Geiz vielleicht sogar nützlich und im Lichte der Biografíe auch verständlich sein. Aber deshalb ist der Geiz noch lange nicht .rational' im Sinne von ,gut begründet' noch .angemessen' mit Blick auf z.B. soziale Anforderungen. 253 Ähnlich wie schon bei Ryle ist auch für de Sousa Mustergültigkeit letztlich das zentrale Kriterium der Angemessenheit emotionaler Reaktionen. Von daher treffen die gegen Ryle in diesem Punkt angeführten Argumente (Abstraktion von den konkreten Situationsbedingungen des Auftretens einer Emotion sowie Konservativismusverdacht) auch auf de Sousa zu und müssen hier nicht wiederholt werden. Die Beurteilung der Rationalität oder Irrationalität von Emotionen anhand des Kriteriums biografischer Kohärenz ist m.E. durch andere Maßstäbe zu ergänzen. Jenseits neurotischer und pathologischer Überreaktionen gibt es auch aussagekräftige Irrtümer und epistemische Fehlermöglichkeiten im Kontext der Emotionen, für die man sich nicht an der Psychoanalyse zu orientierten braucht. Sofern Emotionen als kognitiv strukturierte Phänomene konzeptualisiert werden, treffen auf sie entsprechende Fehlermöglichkeiten zu, die sich ebenfalls auf ihre Angemessenheit bzw. Rationalität auswirken. Ein Irrtum der Sorte .fehlgehender Referenz' liegt z.B. vor, wenn man sich emotional auf etwas in einer bestimmten Beschreibung bezieht, der jedoch nichts in der Welt entspricht. So freut man sich z.B. über jemanden, den man wiedererkannt zu haben glaubt und stellt dann fest, dass es ein Fremder ist, der nur so aussieht, wie ein Bekannter. Oder jemand freut sich z.B. über das Lob seines Buches und realisiert dann, dass gar nicht seines, sondern das Buch seines Kollegen gemeint war. Die Reaktionen der Freude sind zwar in beiden Fällen zu Recht zuzuschreiben. Aber die sie fundierenden Objekte sind fehlerhaft identifiziert. Beide Reaktionen verlieren mit der Aufklärung des Irrtums ihre Objekte und damit die Bedingungen, unter denen sie angemessen zu sein schienen. Ob solche kognitiven Irrtümer über die Angemessenheit der emotionalen Reaktionen im Ganzen etwas aussagen, hängt u.a. davon ab, auf welchen einsichtigen oder uneinsichtigen Wegen sie zustande kamen. Wenn z.B. jemand derart eitel ist, dass er stets positive Bemerkungen auf sich bezieht, obwohl er ansonsten geistig normal genug ist, um wissen zu können, dass sich die Welt nicht ständig um ihn dreht, dann geht er von einer unsinnigen Prämisse seiner Schlussfolgerung aus, welche die Basis seiner Freude ist. In dieser Hinsicht wäre z.B. seine Freude über ein Lob,
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das evidentermaßen nicht ihm galt, in der Tat als unangemessen einzustufen. Generell gilt: Gewöhnliche kognitive Fehler wie falsche argumentative Übergänge, Verallgemeinerungen, Gewichtungen und Schlussfolgerungen mögen die Grundlage einer Emotion bilden und dafür verantwortlich sein, dass die emotionale Reaktion ihrerseits grundlos und unangemessen ausfällt. Täuschungsmöglichkeiten in bezug auf emotionale Objektbesetzungen, die z.B. auf einen unverschuldeten Wissensmangel oder beabsichtigte Fehlinformationen zurückgehen, lassen die Angemessenheit und Rationalität der Emotion selbst untangiert. Man trauert z.B. um einen Menschen, weil man gehört hat, dass er bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen ist und erfährt dann, dass dieser Mensch besagtes Flugzeug knapp verpasst hat. Sowohl die Trauer als auch ihre vermutlich spontane Auflösung nach der Aufklärung der Sachlage sind normal und angemessen. Dieses Beispiel lässt sich mit demselben Effekt auch so variieren, dass es sich bei der schockierenden Nachricht nur um eine bewusste Täuschung - einen bösen Scherz — anderer handelt, der dann aufgeklärt wird. Die verständliche Trauer in den Beispielfällen verwandelt sich höchstwahrscheinlich in Erleichterung respektive Wut auf die Lügner, sobald sich ihre Grundlosigkeit herausstellt. Eine solche Einflussmöglichkeit bestätigt die kognitivistische Emotionsauffassung insofern, als die bloße Veränderung der kognitiven Basis hinreicht, um die darauf gründende Emotion im ganzen zu verändern. Dem lässt sich ein ,Prinzip der Kovarianz' entnehmen: Wann immer sich eine emotionsfundierende Meinung ändert, ändert sich entsprechend auch die Emotion. Ähnlich sieht es auch der Urteilstheoretiker Solomon, wenn er schreibt: „This is why our emotions are so dependent upon our opinions and beliefs. A change in my beliefs (for example, a refutation of my belief that John stole my car) entails (not causes) a change in my emotion (my being angry that John stole my car). I cannot be angry if I do not believe that someone has wronged or offended me. [...] My anger is that set of judgements. Similarly, my embarrassment is my judgement to the effect that I am in an exceedingly awkward situation. My shame is my judgement to the effect that I am responsible for an untoward situation or incident. My sadness, my sorrow, and my grief are judgements of various severity to the effect that I have suffered a loss. A n emotion is an evaluative (or a .normative") judgement, a judgement about my situation and about myself and/or about all other people." 254
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Wenn sich nun 2eigen ließe, dass das von mir hier sogenannte ,Prinzip der Kovarianz' nicht in allen Fällen gilt, geriete die Urteilstheorie der Emotionen in Erklärungsnot. Diese besagt ja, dass Veränderungen der Emotionen im Normalfall verlässlich durch die rationale Qualifizierung ihrer kognitiv-volitiven Basis zustande kommen sollen. Da dies ein Hauptargument für die Gleichsetzung der Emotionen mit Urteilen ist, zielt die Kritik am ,Kovarianzprinzip' auf einen Stützpfeiler der Urteils theorie. Amélie Rorty, Cheshire Calhoun und Patricia Greenspan werfen der Urteilstheorie eine Überintellektualisierung der Emotionen vor. 255 Ihren Einwänden geht es um den Nachweis, dass Emotionen und nichtemotionale Urteile gerade hinsichtlich ihrer Rationalität und argumentativen Beeinflussbarkeit unterschieden sind. Die Intuition ist entgegen der z.B. von Solomon und Kenny vertretenen die, dass Emotionen eben nicht einer kognitiven, sondern einer .eigenen Logik' oder auch gar keiner folgen. Im weiteren Verlauf des Textes gehe ich auf die Kritikvarianten am Kognitivismus näher ein, wobei ich zeigen möchte, dass a) die vorgebrachten Argumente gegen die Urteilstheorie zum Teil selbstwidersprüchlich sind oder am Ziel vorbeigehen und b) auf unfreiwillige Weise selbst zu einer produktiveren Lesart des Kognitivisnus anregen, die den Kritiken standhält.
2.3.7.1 Haben Emotionen eine eigene Logik? Cheshire Calhoun 256 möchte anhand von unterschiedlichen Beispielen deutlich machen, dass es zu Konflikten zwischen bewussten Meinungen und emotionalen Haltungen kommen kann, ohne dass solche Konfliktfälle als Fälle inkonsistenter Meinungen beschrieben werden müssen. Eine einfache Rückführung emotionaler Haltungen auf Meinungen (engl, beliefs) hält sie für eine unsachgemäße Verkürzung des kognitiven Gehalts von Emotionen. 2 5 7 Sie führt exemplarisch eine Person an, die Verachtung und Ekel gegenüber einem Bekannten empfindet, der ihr seine Homosexualität gesteht, obwohl sie sich als aufgeklärt und tolerant versteht und auf Nachfrage nichts Negatives oder Verwerfliches an Homosexualität finden will.
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Hier stehen der Ekel und die explizite Toleranz gegenüber Homosexualität in Spannung zueinander. Um diese Spannung nun nicht als Widerstreit zweier Überzeugungen beschreiben zu müssen, glaubt Calhoun eine Alternative darin zu finden, dass sie den Begriff der „Kognition" erweitert. Unser kognitives Leben ist ihr zufolge nicht reduzierbar auf volle, artikulierte und reflektierte Meinungen, die sie zusammenfassend als „belief-set" bezeichnet. Unser „belief-set" ist nicht mit dem von ihr sogenannten „cognitive-set" identisch, so Calhoun, sondern nur ein Teil des letzteren. Der Rest dieses „kognitiven Sets" ist ein unartikulierter Horizont, ein Interpretationsrahmen, der unsere Sicht auf die Dinge hintergründig beeinflusst. Das kognitive Set kann in früher Kindheit erworben werden und unbewusst bleiben. Eben dieses diffuse kognitive Set soll unseren Emotionen ihrer Auffassung nach zugrunde liegen und verantwortlich dafür sein, dass wir z.T. unsere emotionalen Beurteilungen nicht bewusst bestätigen können. Im Ergebnis stellen Emotionen, Calhoun zufolge, eine nicht-reduzierbare, eigenständige Klasse von Kognitionen dar, eben die von ihr eingeführten „dunklen Kognitionen". Sie wählt das Wahrnehmungsphänomen der Fata Morgana als Analogie, um die spezifisch emotionale Zugangsweise zur Welt im Unterschied zu einer rein intellektuellen plastisch zu machen. Ihr Beispiel ist eine bekannte Situation, die man Auto fahrend manchmal in glühender Hitze auf trockener Straße erleben kann. Man sieht vor sich ein Bild, als ob auf der Straße Wasser wäre, obwohl sich in Wahrheit nur das Licht der Sonne in einem bestimmten Winkel auf der asphaltierten Straße bricht. Da man auf diese optische Illusion nicht hereinfällt, weil man ihr nicht zustimmt und sie als Fata Morgana einstuft, weicht aus Calhouns Sicht in dieser Situation eine perzeptive Evidenzerfahrung von einer kognitiven Einschätzung der Lage ab. Calhoun möchte nun analog dazu zwischen dem unterscheiden, wie die Welt uns emotional (evidentiell) erscheint, — was Calhoun auch als „emotional-seeing-the-world-as" bezeichnet — und dem, was wir über einen Sachverhalt gemäß einem „belief-set" intellektuell glauben. Der epistemische Unterschied soll dem zwischen den Sätzen „Es erscheint mir so, als ob p" und „Ich glaube, dass p" entsprechen, wobei der erste Satz eine emotionale Sichtweise und der zweite eine kognitive Sichtweise ausdrücken soll. Kognitive Theorien liegen, so Calhouns Fazit, falsch in der Annahme, das kognitive Element der Emotionen sei ein Urteil oder eine Meinung. Diese Version könne nicht die beschriebenen Konflikte zwischen Emotionen und Meinungen adäquat
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beschreiben. Dass Emotionen häufig dennoch mit Meinungen und Urteilen einhergehen, liegt nicht daran, dass Emotionen solche implizieren oder gar selber eine Spezies davon wären. Vielmehr sei dies deshalb der Fall, weil wir normalerweise auch glauben, dass die Dinge so sind, wie sie uns erscheinen. Was wir Calhoun zufolge aus Emotionszuschreibungen ableiten können ist nicht, was Menschen glauben, sondern wie ihnen die Welt erscheint. Dies auch zu glauben, benötigt Reflexion und eine darauf gründende Affirmation des Wahrnehmungsgehalts. Dazu ist zunächst kritisch anzumerken, dass zumindest das Beispiel unglücklich gewählt ist, um herzugeben, was Calhoun aus ihm ziehen möchte. So ist das Fata Morgana-Beispiel schon in Calhouns eigener Skizzierung gar kein echter Konfliktfall, da kein Widerstreit zwischen zwei Kognitionen oder einer Wahrnehmung und darauf bezogener Kognition vorliegt. Es liegt ihrer eigenen Beschreibung nach einfach ein optischer Eindruck vor, dessen illusionärer Charakter von vorneherein durchschaut ist. Keiner würde sein Auto in solch einer Situation verlassen, um das Wasser von der Strasse abzuschöpfen, da jeder weiß, dass es sich nicht um Wasser handelt. Streng genommen liegt nicht einmal ein Fall von Täuschung vor, jedenfalls dann nicht, wenn man es für konstitutiv erachtet, dass Täuschungen als solche auch erfolgreich sein müssen. Calhouns Analogie soll vielleicht eher darauf verweisen, dass wir unsere emotionalen Einschätzungen und Wahrnehmungen von etwas trotz besseren Wissens ebensowenig verändern können wie optische Eindrücke. Dann wäre es allerdings in dieser Hinsicht gleichgültig, ob wir Emotionen mit einer Fata Morgana oder einer normalen Wahrnehmung vergleichen. Jedoch gelangt die Analogie von Emotionen und sinnlichen Wahrnehmungen prinzipiell an Grenzen. Im Unterschied nämlich zur Fata Morgana und anderen sinnlichen Wahrnehmungen kann man immerhin überhaupt die emotionalen Einschätzungen von etwas modifizieren (revidieren, abschwächen, verstärken etc.), indem man über den betreffenden Sachverhalt nachdenkt, weitere Gesichtspunkte berücksichtigt, zusätzliche Informationen darüber sammelt oder sonstige Hintergründe für die emotionale Einschätzung überprüft. Zudem weisen, wie Bedford, Kenny, Lyons, Taylor und Solomon herausgestellt haben, emotionale Wahrnehmungen im Unterschied zu sinnlichen eine evaluative und eine normative Komponente auf. Die evaluativen Gehalte müssen formalen Kategorien entsprechen, die als emo-
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tionale Bedeutungsmuster festgelegt und erworben sind. Darüber hinaus motivieren Emotionen typischerweise zum Handeln, was optische Wahrnehmungen nicht tun. Somit bleibt am Ende nicht genug an Ähnlichkeit zwischen Emotionen und sinnlichen Wahrnehmungen übrig, um aus der Analogie allzu viel über Emotionen ableiten zu können. Auch das andere Beispiel, das Calhoun erwähnt, ist m.E. nicht geeignet, gegen die Urteilstheorie verwendet zu werden. Die affektive Abscheureaktion gegenüber der Homosexualität des Bekannten konfligiert, wie Calhoun es beschreibt, mit der politischen oder moralischen Überzeugung derselben Person, tolerant zu sein und keine negativen Meinungen hinsichtlich Homosexualität zu hegen. Dieser Fall zeigt nun aber gerade nicht, dass die Emotionen Ekel und Verachtung keine Urteile implizieren, sondern bestenfalls, dass sie keine reflektierten und erwünschten Urteile implizieren. Das spricht aber nur dann gegen eine Urteilstheorie der Emotionen, wenn diese so ausgelegt wird, als ob sie emotionale Einschätzungen mit reflektierten Urteilen gleichsetzen würde. Vielleicht gibt es diese Position - und wenn sie jemand vertreten sollte, wäre Calhouns Zurückweisung nur zuzustimmen. Es ist jedenfalls nicht Solomons Position und soweit ich die urteilstheoretischen Varianten innerhalb des Kognitivismus überblicke, gibt es keine entsprechende Auffassung. In bezug auf das Beispiel müsste sich Calhoun auch fragen lassen, was denn für den Homosexuellen unangenehm an dem Ekel und der Verachtung seines Bekannten ist, wenn nicht die Tatsache, dass er sich durch solche Gefühlsregungen verurteilt sieht? Um hier einen intrasubjektiven und gleichermaßen intersubjektiven Konflikt zuschreiben zu können sehe ich keinen anderen Weg, als letztlich doch eine Urteilskomponente in die Beschreibung der Emotionen aufzunehmen.
2.3.7.2 Der Fall anomaler Emotionen Eine andere Variante der Kritik an der Urteilstheorie entwickelt Amélie Rorty. Sie versucht am Beispiel anomaler Emotionen, d.h. kritikresistenter Emotionen, zu zeigen, dass diese in kognitiver Hinsicht irrational sein können, während sie zugleich im Lichte ihrer Ätiologie als angemessen oder verständlich betrachtet werden können. Die Beurteilung einer Emotion hinsichtlich ihrer Rationalität und Angemessenheit sei also keine
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Funktion der kognitiven Rationalität ihrer inhärenten Meinungen und Urteile. Rorty erklärt das mit der intentionalen Komplexität der Emotionen, die dadurch zustandekommt, dass ein ganzer Erlebnishintergrund sowie frühe Erfahrungen und Prägungen in emotionale Reaktionen und Objektbesetzungen Eingang finden. Im Kontext der erklärungsbedürftigen und irrationalen Emotionen sieht sie ein Problem darin, genau bestimmen und abgrenzen zu können, was nun alles — noch oder schon nicht mehr — zu ihren Objekten und Urteilen gehören soll. Was sich an den schwierigen Fällen zeigt, soll auch für die einfacheren Emotionen gelten, nämlich dass sie durch ganze Formationen intentionaler Einstellungen geprägt werden und sie nicht nur als okkasionelle Urteile oder einfache .belief-desire-Verbindungen' analysierbar sind. Mit Blick auf die soziologische, psychologische und biologische Entwicklungsgeschichte der intentional komplexen Emotionen kommt Rorty zu dem Ergebnis: „If this analysis is correct, then an account of how people succeed in changing emotions that they judge inappropriate or irrational closely follows the more general explanation of how people change their habits. The difficulties involved in bringing about such changes - the deep conservation o f emotional habits - make the claims that emotions are choices or voluntary judgements seem implausible." 258
Urteile behalten auch bei Rorty ihren konstitutiven Anteil an den Emotionen, aber so, dass die Emotionen ihrem vollen Gehalt und d.h. ihren Objektbezügen und ihrer rationalen Bewertung nach unterbestimmt bleiben, solange man sie auf ihre ,Urteilskerne' zu reduzieren versucht. Rortys wichtiger Hinweis auf die komplexe Determiniertheit emotionaler Reaktionen spricht allerdings weniger gegen eine urteilstheoretische Auffassung der Emotionen als gegen die reduktionistische Variante, wonach Emotionen ahistorische, kognitiv einfach strukturierte oder gar voluntative Einstellungen sind. Hier lässt sich, wie schon auf Calhouns Kritik bezogen, nur wiederholen, dass es eine solche Auffassung nicht gibt und sie jedenfalls von Kognitivisten auch nicht vertreten werden muss. Während Kognitivisten wie Kenny und Solomon gemäß dem, was ich als .Prinzip der Kovarianz' bezeichnet habe, eine direkt an den unmittelbar emotionsfundierenden Urteilen ansetzende Kritik für eine hinreichende Maßnahme ihrer Beeinflussung im ganzen halten, glaubt Rorty, dass Emotionen, wie z.B. Ressentiments gegenüber dem anderen Ge-
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schlecht, nicht allein durch eine solche Kritik der bewussten Urteile beeinflusst werden können. Vielmehr würden Emotionen häufig auch gegenüber gut fundierter Kritik resistent bleiben. Emotionen wie Ressentiments verweisen Rorty zufolge ihrem intentionalen Gehalt nach auf ein ganzes Netz vergangener Erfahrungen und Einstellungen, auf die man sich auch im Umgang mit ihnen beziehen muss, will man sie ihrem vollen Gehalt nach identifizieren und gegebenenfalls verändern. Dem ist sicherlich zuzustimmen. Wieweit man aber z.B. historisch-biografisch argumentieren muss, um jemandem begreiflich zu machen, dass er emotional unangemessen reagiert, ist bei den Kognitivisten aber gar nicht festgelegt. Wenn jemand an einem emotionalen Urteil wie der Abwertung des anderen Geschlechts trotz guter Gegengründe festhält, so verhilft der Rückgang in dessen Biografie dennoch nicht dazu, dieses Urteil rationaler zu gestalten, nur weil man dann weiß, wie seine/ihre irrationale Sicht zustande kam. So oder so bliebe das Ressentiment von einem egalitären Standpunkt aus zumindest der Kritik ausgesetzt, unangemessen und irrational zu sein. Die Geschichtlichkeit und der Holismus, d.h. die Abhängigkeit intentionaler Einstellungen von anderen intentionalen Zuständen, sind zudem keine Spezifität von Emotionen, wie Rorty suggeriert. Vielmehr sind dies Merkmale auch nicht-emotionaler intentionaler Einstellungen. Es gibt eingefleischte Vorurteile, lange gehegte Wünsche und Überzeugungen oder auch so etwas wie Aberglauben, z.B. den Glauben an die Wahrheit astrologischer Vorhersagen, die sich oft ebenfalls nicht oder nicht ohne weiteres revidieren oder abschwächen lassen, nur weil es gute Gründe geben mag, die gegen sie sprechen. In allen Fällen ist die Kritikresistenz ein Kriterium der Irrationalität intentionaler Zustände - emotionaler und nicht-emotionaler. Da solche Beispielfälle in bezug auf nicht-emotionale Zustände auch nicht zur Postulierung einer „eigenen Logik" fuhren, sehe ich darin noch keinen hinreichenden Grund, eine solche im Kontext der Emotionen zu vermuten.
2.3.7.3 Der Fall ambivalenter Emotionen Patricia Greenspan hat gegen die Urteilstheorie den Einwand erhoben, diese sei nur um den Preis der inadäquaten Beschreibung oder Leugnung möglicher affektiver Phänomene kohärent vertretbar. 259 Ihr Argument
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dafür entwickelt sie anhand des Falles ambivalenter Gefühle. Dieser Fall zeichnet sich ihrer Meinung nach dadurch aus, dass gleichzeitig zwei konträre Gefühle wie Freude und Ärger oder Stolz und Scham vorliegen können, ohne dass diese Tatsache für die Irrationalität der Person spricht, die sich in einem derart ambivalenten Zustand befindet. Dieselben Personen, die nicht so irrational sind, gleichzeitig zwei konträre Urteile wie „Alle S sind P" und „Kein S ist P" für wahr zu halten, können sehr wohl ambivalente Gefühle haben. Während das gleichzeitige Fürwahrhalten konträrer Urteile die Irrationalität einer Person beweist, trifft das, so Greenspan, zumindest unserem normalen Alltagsverständnis nach nicht auf Personen mit ambivalenten Gefühlen schon deshalb zu, weil sie diese haben. Dieser Differenz in der rationalen Beurteilung der beiden Fälle muss eine Differenz in der Beschreibung der Fälle entsprechen, sie sind prima facie also nicht identisch. Am Beispiel freundschaftlicher Rivalität will Greenspan diesen Punkt verdeutlichen. Vorausgesetzt es stimmt, dass Menschen normalerweise an den Affekten nahestehender Personen sympathetisch partizipieren. Und weiter angenommen, zwei eng befreundete Personen, die in dieser Hinsicht normal sind, bewerben sich beide um einen Preis im Rahmen eines Literaturwettbewerbs, den nur einer von beiden auch tatsächlich erhält. Dann wäre es durchaus nachvollziehbar, wenn der Verlierer ambivalente Gefühle gegenüber seinem Freund hegt. Er würde sich einerseits über den Gewinn seines Freundes mitfreuen und andererseits zugleich Enttäuschung oder gar Ärger und Neid darüber empfinden, dass statt seiner der Freund den begehrten Preis gewonnen hat. Obwohl die so verstandene Ambivalenz per definitionem eine Inkonsistenz enthält, zeigt dieses Beispiel laut Greenspan, dass sie mit minimaler Rationalität kompatibel ist, insofern sie begründet sein kann. Da dies für konträre Urteile nicht gilt, so folgert sie, können Emotionen schon aus logischen Gründen nicht mit den ihnen zugrunde liegenden Urteilen identisch sein. 260 Hält man an der Urteilstheorie fest und behauptet die Rationalität von Gefühlen, ist man Greenspan zufolge gezwungen, die Möglichkeit ambivalenter Gefühle zu leugnen. Das wiederum widerspricht zumindest unserem alltagspsychologischen Verständnis. Wir reden de facto von gemischten und ambivalenten Gefühlen und können sie sowohl uns selbst als auch anderen Personen ohne größere Verständnisschwierigkeiten zuschreiben.
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Dass Greenspans Argumentation auf den ersten Blick plausibel erscheint, liegt daran, dass sie bereits in die Prämissen ihrer Beispielbeschreibung hineinlegt, was aus ihr folgen soll. Denn ohne weiter dafür zu argumentieren konstatiert sie, dass zwar die beiden Aussagen (1) „Ich bin glücklich darüber, dass mein Freund den Preis gewonnen hat" und (2) „Ich bin unglücklich darüber, dass mein Freund den Preis gewonnen hat" gleichzeitig über eine Person wahr sein können, während die angeblich korrespondierenden Urteile (1') „Es ist gut, dass A gewonnen hat" und (2') „Es ist schlecht, dass A gewonnen hat" nicht gleichzeitig von einer rationalen Person für wahr gehalten werden können. Sowohl ihr Begriff von „emotionaler Ambivalenz" als auch die Übersetzungen der Aussagen (1) und (2) in die Urteile (1') und (2') scheinen mir nicht überzeugend zu sein. Hier lässt sich zurückfragen, was überhaupt phänomenologisch dafür spricht, dass Personen mit Bezug auf ein und dasselbe Objekt ein eindeutig identifizierbares Gefühl der Freude und ein ebenso deutliches Gefühl des Ärgers zum selben Zeitpunkt empfinden können? Es ist doch wahrscheinlicher, dass sich zwei derart entgegengesetzte Gefühle gegenseitig neutralisieren, so dass die betroffene Person sich weder wirklich freuen noch wirklich ärgern könnte. Die Person wäre in einem emotional unbestimmten Zustand, der aber deshalb nicht in sich widersprüchlich wäre. Eine andere nahe liegende Möglichkeit, das Phänomen emotionaler Ambivalenz zu beschreiben, ist, dass die betroffene Person abwechselnd zwischen Freude und Ärger hin- und hergerissen ist. Beide Möglichkeiten lassen sich unproblematisch als Ambivalenzfalle beschreiben, auch wenn in ihnen gerade die Gleichzeitigkeit der vermeintlich konträren Affekte wegfällt, die Greenspans Begriff von Ambivalenz auszeichnet. Das größere Problem in Greenspans Argumentation liegt aus meiner Sicht jedoch in der Behauptung, die Emotionen Freude und Ärger bezögen sich in dem genannten Beispiel auf dasselbe Objekt, d.h. auf den Sachverhalt, dass der Freund den Literaturpreis gewonnen hat. Nur dann würde es sich ja um konträre Emotionen handeln. Der Grund für diese Deutung liegt darin, dass Greenspan nicht zwischen Ursachen und Objekten der Emotionen hinlänglich unterscheidet. Während zwar für beide Affekte die Tatsache, dass der Freund den Preis gewonnen hat, gleichermaßen auslösend ist, sind sie in ihrem Objektbezug, d.h. ihrer identifizierenden Meinung nach, gänzlich verschieden. Auf Basis der von Kenny und Solomon eingeführten Unterscheidung von Objekt und Ur-
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sache einer Emotion ergibt sich ein anderes Bild der Lage. Das positive Gefühl der Freude, im Sinne der Mitfreude, ist auf den Gewinn des Freundes bezogen bzw. darauf, dass dieser sich über seinen Gewinn freuen kann. Demgegenüber ist der negative Affekt des Ärgers auf die Tatsache bezogen, dass durch den Gewinn des Freundes die eigenen Wünsche konterkariert wurden. Die Bezugspunkte der in den Affekten implizierten Evaluationen sind also auseinander zu halten: Denn in dem einen Fall stehen die Wünsche des Freundes und im anderen Fall die eigenen Wünsche zur Disposition. Und auch die evaluierten Sachverhalte fallen auseinander: Der Gewinn des Freundes steht dem eigenen Verlust gegenüber. Was Greenspan als gemeinsames Objekt von Freude und Ärger identifiziert, erweist sich im Rahmen der neuen Beschreibung als Ursache für zwei verschiedene Konsequenzen, die jeweils die Objekte der unterschiedlichen Emotionen darstellen. Mit dieser Beschreibung geht zugleich derjenige Widerspruch auf der impliziten Urteilsebene verloren, der Freude und Ärger im zitierten Beispiel allererst zu konträren Gefühlen machte. Die Sätze (1') und (2') erweisen sich als elliptische Formulierungen komplexerer Urteile, deren Bewertungshinsichten und evaluierten Sachverhalte unterschiedlich qualifiziert sind. Durch das bloße Vorliegen einer negativen und einer positiven Emotion entsteht ebensowenig per se ein logischer Widerspruch wie durch das Fürwahrhalten eines negativen und positiven Urteils über verschiedene Sachverhalte oder verschiedene Aspekte eines Sachverhaltes. Wenn Ambivalenz schlussendlich entweder als eigenständiger Zustand der Unentschlossenheit oder als Schwankungen zwischen verschiedenen Emotionen, die sich abwechselnd einstellen, beschrieben werden kann, ist — contra Greenspan — auch der Fall ambivalenter Emotionen mit der Urteilstheorie vereinbar. Ich fasse zusammen: Was an den genannten Kritiken an der Urteilstheorie der Emotionen m.E. richtig ist, ist der Verweis darauf, dass Emotionen nicht erschöpfend mit Urteilen gleichgesetzt werden können, selbst wenn ihnen solche zugrunde liegen. Die bekannte Erfahrung, dass durch rein logische Verfahrensweisen und Argumentationen unsere Emotionen keineswegs immer oder ad hoc zu beeinflussen sind, ist allerdings ein nur sehr bedingt brauchbarer Einwand gegen eine urteilstheoretische Auffassung der Emotionen. Denn die Erfahrung von Kritikresistenz und Irrationalität machen wir regelmäßig auch mit nichtemotionalen Kognitionen und Urteilen, ohne dass sie deshalb ihren kog-
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nitiven Charakter verlören. So halten wir manchmal an eingefleischten Meinungen und Vorurteilen fest - sei es aus Gewohnheit, Phantasielosigkeit, Bequemlichkeit oder auch einfach so —, obwohl einiges oder womöglich sogar alles gegen sie spricht. Dann handelt es sich eben um irrationale Meinungen usw., die sich von rationalen Meinungen gerade durch ihre schlechte Begründetheit abgrenzen lassen. Was spricht dagegen, auch innerhalb der Klasse der Emotionen zwischen irrationalen und rationalen Vorkommnissen zu differenzieren? Zu behaupten, wie es Calhoun, Rorty und Greenspan tun, dass die mögliche Irrationalität von Emotionen bereits auf eine „eigene Logik" verweise, die womöglich, wie es bei Pascal heißt, ,der Verstand nicht versteht', verhilft nicht zu besser erklärenden Beschreibungen emotionaler Grenz- und Konfliktfälle als die Urteilstheorie. Darüber hinaus wird die einseitige Hervorhebung problematischer Grenzfälle der Tatsache nicht gerecht, dass unsere emotionalen Einstellungen, ebenso wie andere epistemische Zustände, im Normalfall auf Informationsverarbeitung und Reflexion sowohl aufbauen als auch durch kognitive Operationen zu beeinflussen sind. Die mögliche kognitive Irrationalität der Emotionen abzustreiten heißt, ihnen überhaupt die Rationalitätsfähigkeit abzuerkennen. Damit aber verliert man mehr, als man gewinnt, da dann nicht nur die begründungsresistenten Vorkommnisse emotionaler Einstellungen zu mythischunerklärlichen Phänomenen werden, sondern Emotionen überhaupt. 261 Wenn Calhoun z.B. dann noch die Emotionen als dunkle, überkomplexe und begründungsresistente .Kognitionen' zu charakterisieren versucht, klingt das nur noch wie ein rein rhetorischer Tribut an einen Kognitivismus, der inhaltlich leer bleiben muss.
2.3.7.4 Emotionale Selbsttäuschung und Authentizität Die von Rorty, Calhoun und Greenspan zu Recht hervorgehobene Komplexität der Emotionen spiegelt sich aus meiner Sicht durchaus auch in den verschiedenen Dimensionen der Beurteilung von Emotionen. Interessant ist in diesem Kontext u.a. eine Sorte von subtilen und schwer nachzuweisenden Fehler- und Täuschungsmöglichkeiten, die für die Frage entscheidend sind, wie ernst die Zuschreibung einer Emotion zu nehmen ist und was sie über die wahren Meinungen der betroffenen Per-
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son aussagt. Ohne dass kognitive Fehler der zuvor genannten Art vorliegen müssen, kann etwas in dem ganz anderen Sinn des Wortes .falsch' sein, wenn eine Emotion nicht authentisch ist. Ein alltagspsychologisch bekanntes Phänomen emotionaler Inauthentdzität entspringt der Möglichkeit zur Selbsttäuschung. Eine Selbsttäuschung liegt dann vor, wenn eine Person vor sich selbst (und anderen) so tut, als ob sie bestimmte Emotionen auf etwas oder jemanden bezogen erleben würde, obwohl das nicht oder nicht so oder zumindest nicht in dem Maße, wie sie es vorgibt, zutrifft. Man kann dieses Phänomen auch als emotionale Pseudoreaktion bezeichnen. Zu emotionalen Pseudoreaktionen ist z.B. jemand motiviert, der ein bestimmtes Selbstbild von sich hat, an dem er festhält, obwohl er ihm offensichtlich nicht (immer) entspricht. So mag jemand von sich glauben und behaupten, ein ganz besonders gutmütiger Mensch zu sein, was ihm verbietet, sich negative Regungen wie Hass, Neid oder Eifersucht einzugestehen. Sobald sich z.B. konkurristische Gedanken oder schlechte Wünsche auf andere bezogen einzustellen beginnen, wehrt sich der Betreffende mit allen Mitteln der Selbstbeschreibung dagegen, anzuerkennen, dass er zu solch tabuisierten Einstellungen in der Lage ist. Er zwingt sich gegebenenfalls zu demonstrativ großzügigen Gesten dem Beneideten gegenüber, um sich selbst zu beweisen, dass er gutmütig ist. Was ihn in den Augen erfahrener Personen ,verrät', mag sein verkniffener Gesichtsausdruck sein, mit dem er seine vermeintlich großzügige Geste vorbringt. Das Zusammenspiel seiner Handlungen und unwillkürlichen Ausdrucksweisen wirkt uneinheitlich, bemüht und daher unüberzeugend. Während er sich angeblich über die Vorteile oder Gewinne eines anderen freut, drücken seine Gesten aus, dass er sich dabei unwohl fühlt. Ein anderes Beispiel für emotionale Selbsttäuschung, die zu emotionalen Ersatzreaktionen führt, ist ein Geschäftsmann, der gerade sein größtes Geschäft verloren hat und nun aus seiner Frustration heraus jede Gelegenheit nutzt, um den unschuldigen Angehörigen seiner Familie gegenüber vorwurfsvoll und aggressiv aufzutreten. So kann er seiner Verzweiflung und Wut über das vereitelte Geschäft ersatzweise Platz verschaffen. Während er in seinen Wutanfällen jeweils vorgibt zu meinen, dass seine Angehörigen ihm gegenüber rücksichtslos sind, sucht er in Wahrheit geradezu nach Anlässen, um seine bereits vorhandene, ohnmächtige Wut auf irgendjemanden umlenken zu können. Hier findet eine Verschiebung vom Objekt der emotionalen Besetzung (Verlustge-
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schäft) auf ein anderes Objekt (Verhalten der Familie) statt. Die Wut existiert dann ganz real. Möglicherweise ist es sogar typisch für ihn, dass er mit Wut sein eigenes Versagen kompensiert. Faktisch inauthentisch ist die gezeigte Wut dennoch in dem Sinn, als ihr doxastischer Gehalt nicht die wahren Meinungen des Betroffenen über seine Familie widerspiegelt. Zugegebenermaßen ist so etwas wie die ,Authentizität' der Emotionen nur vage zu bestimmen und wird wohl deshalb auch nicht von den Kognitivisten behandelt. In der alltäglichen Kommunikation spielt Authentizität im Sinne eines wahrhaftigen und harmonischen Selbstverhältnisses von Personen — besonders in emotionaler Hinsicht — eine entscheidende Rolle. Von der berechenbaren Einschätzung des emotionalen Profils einer Person hängt u.a. unser Vertrauen ab. Wir erwarten normativ voneinander eine gewisse Stimmigkeit und Transparenz in den persönlichen Einstellungen, Neigungen und Motiven, um zu wissen, woran wir mit jemandem sind, was wir zukünftig von ihr/ihm zu erwarten haben. Dazu gehört auch eine weitgehende Konvergenz von evaluativen Einstellungen erster und zweiter Stufe. Jemand, der auf reflektierter Ebene nie zu seinen emotionalen Bewertungen stehen würde, ist streng genommen kaum vorstellbar oder nur als gespaltene Persönlichkeit. Wenn jemand, wie der besagte Geschäftsmann, mit emotionalen Ersatzreaktionen andere emotional besetzte Hintergründe überdeckt und deshalb nicht zu seinen emotionalen Regungen steht, wird er sich tendenziell irrational oder auffallig verhalten. Und aufgrund einer sei es auch nur subtil wahrnehmbaren Diskrepanz zwischen Sein und Schein wird der Betreffende auch unecht wirken. Die Etymologie von „authentisch" verweist bereits auf diese Bedeutung, da es auf lat. „authenticus" und dieses auf gr. „authentikös" (= ,zuverlässig', .richtig") zurückgeht. Die Dimensionen emotionaler Authentizität gehören, wie vage sie auch sein mögen, ähnlich wie de Sousas Kriterium der biografischen Kohärenz, zum Begriff einer auch psychologisch zu verstehenden Angemessenheit (Rationalität) von Emotionen hinzu.
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2.3.8 Magie der Emotionen Jean Paul Sartre hat seine Version einer Urteilstheorie der Emotionen geradezu auf die Möglichkeit von emotionaler (Selbst-)Täuschung aufgebaut. 262 Emotionen sind ihm zufolge „magische Transformationen der Wirklichkeit", d.h. motivierte (Selbst-) Täuschungsmanöver mit eskapistischer Funktion. Sie sind Krisenphänomene, die sich, wie Sartre meint, dann einstellen, wenn aus einer Situation eine Handlungsanforderung erwächst, von der man sich überfordert fühlt. Emotional wird die in dieser Situation als anstrengend empfundene Welt jeweils so transformiert (überhöht, verharmlost, verändert wahrgenommen), dass plötzlich magische Auswege und Lösungsmöglichkeiten dem Subjekt selbst dort noch Kontrolle und Handhabung von Problemen suggerieren, wo es sie realiter nicht gibt. Wenn man z.B. eine Mathematikaufgabe zu lösen hat, dazu aber nicht in der Lage ist, mag man in einem Wutanfall die daraus entstehende Spannung dadurch .lösen', dass man das Blatt mit der Aufgabe in der Luft zerreißt. Dies ist natürlich keine Lösung des Problems mit mathematischen und rational gebotenen Mitteln. Es ist aber eine idiosynkratische Ersatzlösung, da kurzfristig das Objekt der Anstrengung (die überfordernde Aufgabe) sozusagen gelöscht wird. Reaktionen der Ohnmacht angesichts eines Furcht erregenden Gegenstands zählt Sartre ebenfalls zu den repräsentativen Beispielen, anhand derer er die emotionale Transformationskraft sichtbar machen will. Weil man z.B. glaubt, nicht rechtzeitig vor einer Bedrohung fliehen zu können, rettet man sich in einen anderen Bewusstseinszustand, in die Ohnmacht, in der das Bedrohende magisch verschwindet. Selbst positive Emotionen, wie z.B. die Vorfreude auf ein Wiedersehen mit einer begehrten Person, sollen nach Sartre in dieses Transformationsschema passen. Das Springen vor Freude analysiert er als rituellen Versuch einer magischen Inbesitznahme dessen, worauf man sich freut und das zugleich als sich entziehend wahrgenommen wird, solange es noch nicht da ist. Dass Sartre auf negative Affekte einseitig bezogen bleibt, kann man gerade an seiner Beschreibung der Freude sehen, da er selbst in sie noch ein negatives Moment von Unerträglichkeit einträgt: Das Erfreuliche entzieht sich. Sartre kommt es in seiner Emotionstheorie auf Spannungsabbau an und Spannungen entstehen besonders dann, wenn Schwierigkeiten vorliegen.2113 Der ,magische' Selbsttäuschungs-
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aspekt der Emotionen ist für Sartre gerade das Funktionale an ihnen. Er formuliert das folgendermaßen: „Das Bewusstsein beschränkt sich nicht darauf, affektive Bedeutungen auf die es umgebende Welt zu projizieren: Es erlebt die neue Welt, die es gerade konstituiert hat. Es erlebt sie direkt, es ist davon betroffen, es erleidet die Qualitäten, die die Verhaltensweisen angedeutet haben." 264
Um dem Eindruck entgegenzuarbeiten, er wolle einem willkürlich verzerrenden Charakter von Emotionen das Wort reden, bemüht Sartre sich, die von William James hervorgehobene Rolle der physiologischen Veränderungen in seine Konzeption einzubeziehen: „Wir verstehen hier die Rolle der rein physiologischen Phänomene: sie stellen das Seriöse der Emotion dar." 265 Anhand der An- oder Abwesenheit physiologischer Veränderungen soll es in Sartres Konzeption erst möglich werden, wahre (d.h. authentische) von falschen (d.h. vorgetäuschte) Emotionen zu unterscheiden. Solange keinerlei unwillkürliche, körperlichen Regungen oder Erschütterungen mit hervorgerufen werden, bleibt eine Situation emotional schal, so dass sich das Subjekt seine eigene Emotion nicht glaubt (falsche Emotion). Ist das betroffene Subjekt hingegen auch körperlich erschüttert, dann glaubt es sich auch selbst die emotionale Reaktion auf einen Gegenstand, dessen Wirkung es dann passiv an sich erlebt (wahre Emotion). Diese körperlich verbürgte Passivitätserfahrung wird in Sartres Konzeption in doppelter Hinsicht eine Objektivitätserfahrung: Zum einen, weil davon die Echtheit des emotionalen Gefühls abhängt und zum zweiten, weil davon zugleich der Glaube an das Sosein der Welt abhängt, wie sie uns emotional erscheint. Dass wir auch glauben, was wir emotional wahrnehmen, ist nur möglich, wenn die faktisch gegenstandskonstituierende Kraft der „magischen Transformation" des eigenen emotionalen Zustands nicht zugleich mit wahrgenommen wird. Körperliche Erschütterungen und unwillkürliche Regungen wie Zittern, Schweißabsonderungen, abfallender Kreislauf, Frieren etc. nähren den subjektiven Glauben daran, dass es sich bei dem emotional Wahrgenommenen nicht um frei Konstruiertes oder instrumentell Projiziertes handelt, sondern um eine real anzuerkennende, subjektunabhängige Wirklichkeit, mit der man konfrontiert ist. Diese Art von Evidenzerfahrung meint Sartre,
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wenn er sagt: „Nun können wir das Wesentliche erfassen: Emotionen sind Glaubensphänomene." 266 Damit hat Sartre zwar vermieden, den Emotionen einen gänzlich ins Aktivisch-Willkürliche gewendeten Charakter zu unterstellen. Falsch ist aber erstens der Gedanke, dass Emotionen sich nur als Reaktionen auf überfordernde Situationen einstellen. Die Freude über ein Geschenk oder das Mideid über einen Schicksalsschlag eines Freundes fallen schon nicht mehr darunter und ebensowenig die meisten alltäglichen emotionalen Reaktionen. Zweitens gibt es ,faktive Emotionen', wie z.B. die Traurigkeit über einen Verlust, für die keine Selbsttäuschungsmanöver, sondern überprüfbare Tatsachenannahmen und realistische Wahrnehmungen die Grundlage bilden. Anders als für Sartre sind es die durch Wahrnehmung, Argumentation und Information beeinflussbaren affektiven Regungen, die Kognitivisten generell zum Paradigma ihrer urteilstheoretischen Konzeptionen der Emotionen erheben. Orientierungsleistung in der Welt und nicht Eskapismus ist schon aus biologischen Gründen als die zentrale Funktion emotionaler Phänomene anzuerkennen. Solomon sowie de Sousa übernehmen aber den Gedanken Sartres, dass die Art der Wirklichkeit, die emotional wahrgenommen wird, eine spezifisch subjektive ist. Wenn man etwas bedrückend, langweilig, bedrohlich, abstoßend oder anziehend findet, reagiert man nicht einfach wertend auf eine so bereits vorgegebene Welt. Vielmehr, wie Solomon immer wieder betont, .stiften' wir mittels emotionaler Wertbezüge zugleich eine evaluativ bedeutsame Welt für uns. Emotionen sagen uns, was für uns zählt, in ihnen nehmen wir werthafte Setzungen vor. So erfahren wir emotional und nur emotional, was uns persönlich wichtig und nichtig ist, was uns anzieht und abstößt. Und diese persönliche Bedeutung der Wertqualitäten bzw. der je persönliche Sinn von etwas lässt sich nicht unabhängig von emotional tangierten Personen den Dingen an sich zuschreiben. Solomon geht davon aus, dass wir ohne diese emotional fundierte, subjektive Wertwahrnehmung überhaupt erst so etwas wie einen Sinn im Leben finden könnten: „What distinguishes the emotions is not what they value but that they value, that they endow our lives with meaning." 267 Er nennt die emotional wahrgenommene Welt auch unsere „Surrealität", weil sie, ähnlich wie Sartres transformierte Welt, einen persönlichen, wertmäßigen Überschuss aufweist. Aber dieser Überschuss ist, wie wir
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zuvor schon bei de Sousa hörten, gerade nicht a priori mit bloßer Täuschung oder Tatsachenverzerrung zu verwechseln. Wäre es so, hätten wir schon aus biologischen Gründen wahrscheinlich keine Emotionen mehr, weil sie dann gänzlich dysfunktional wären. Emotional erfasst man vielmehr eine eigene Dimension von Objektivität: eben das Verhältnis der empfindsamen und fragilen Menschen zu ihrer sozialen und physischen Umwelt.
2.3.9 Was wir in emotionalen Lagen erleiden Zu Beginn der Darstellung von Humes und Descartes Emotionsauffassungen wurde darauf hingewiesen, dass — abgesehen von Descartes Postulat eines privilegierten Zugangs erster Personen zu ihren Emotionen — insbesondere zwei Faktoren es sind, die ihren Positionen eine starke intuitive Plausibilität verleihen: Erstens der Gedanke, dass Emotionen subjektiv empfundene Zustände sind und zweitens die Erfahrung von Passivität, die mit Emotionen verbunden zu sein scheint und die beide Autoren über die Analogisierung von Emotionen und (Selbst-) Wahrnehmungen herausstellen. Was haben Verhaltenstheoretiker und Kognitivisten zu diesen Aspekten des emotionalen Erlebens zu sagen? Das subjektive Element der wahrnehmbaren Empfindungen stellt für Verhaltenstheoretiker, wie ich gezeigt habe, maximal eine Nebenfunktion emotionaler Erregung dar. Nach Dewey z.B. entlädt sich Energie auch ins Innere eines Organismus, so dass eine Person etwas empfindet, was sich als subjektiver Rückschlag ihrer nach außen gerichteten Aktivitäten in emotionalen Situationen beschreiben lässt. Bei Ryle bekam Subjektivität im Zusammenhang mit Emotionen eine gänzlich andere Bedeutung, da sie sich bei ihm darauf beschränkt, dass bestimmte Verhaltensneigungen (Emotionen) eben Charakter bildend und nur in diesem Sinne typisch zugehörig zu einem Subjekt sind. Der Aspekt der Passivität von Emotionen ist in diesem Bild natürlich ebenfalls keine Funktion von überwältigenden Gefühlen. Stattdessen sind Personen aus verhaltenstheoretischer Perspektive höchstens insofern passiv, als sie mehr oder weniger automatisch auf bestimmte ,inputs' reagieren — sei es, weil die Evolution solche Reaktionsprogramme eingebaut hat (so sehen es Dewey und Darwin), sei es, weil soziale und
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sprachliche Prägungen dazu beitragen, auf einen bestimmten Typus von Situationen bezogen ein korrespondierendes Musterverhalten auszubilden (Ryle, Ekman et al.). 268 Unter der .Subjektivität' der Emotionen verstehen Kognitivisten wiederum etwas Eigenständiges, nämlich das, was sich auf der Ebene der doxastischen Implikationen als ihr evaluativer Kern beschreiben lässt: Denn stets geht es um die Bewertung von etwas als gut oder schlecht für das je eigene subjektive Wohlbefinden. Wir fanden insbesondere bei Bedford, Tugendhat und Lyons diesen Sachverhalt expliziert. Auch Solomon versteht unter der Subjektivität der Emotionen eine Form von Perspektiwerengung auf eigene Wünsche und Bedürfnisse. Die von diesem Standpunkt aus betrachtete, subjektive Sichtweise auf die Welt grenzt Solomon von den objektiv beobacht- und messbaren Aspekten emotionaler Reaktionen nochmals so ab: „To me, my passion is my way of seeing and structuring my world, whatever might be going on in the synapses of my brain, whatever long-forgotten childhood traumas may have set up this or that .complex' of reactions, and whatever chemicals might be peddling their unseen influence in my experiences."269 Solomon begnügt sich jedoch nicht damit, die Subjektivität der Emotionen in dieser Perspektiwerengung zu sehen. Er fügt dem eine auch inhaltliche Selbstbezüglichkeit hinzu, indem er ein Grundthema (ultimate object) benennt, das angeblich allen emotionalen Reaktionen zugrunde liegen soll. „The ultimate object of our emotional judgements is always our sense of personal dignity and self-esteem. Whatever its particular object and strategy, whether it is committed to collecting butterflies or to ruling Asia, an emotion is ultimatedly concerned with personal status, self-respect, and one's place in his or her world."270 Würde (dignity) und Selbstachtung (self-esteem) sowie persönliche Stellung und Status einer Person sollen die Ausgangsthemen und gleichermaßen übergeordneten Bezugsnormen sein, von woher und worauf bezogen Personen, wenn sie emotional sind, die Welt um sich herum immer schon auswerten. Damit vereinheitlicht Solomon die Emotionen, sofern er allen gleichermaßen und unabhängig von ihren unmittelbaren,
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akuten Objektbezügen ein gemeinsames Grundthema oder Ur-Objekt unterstellt. Dazu ist aus meiner Sicht folgendes anzumerken. Zwar ist der Bezug von Emotionen auf subjektive Interessen, Wünsche und Bedürfnisse sicherlich gegeben. Jedoch bedeutet dies keineswegs, dass die Interessen-, Wunsch- und Bedürfnislagen der Menschen derart auf Würde und Selbstachtung inhaltlich eingeschränkt sind, wie Solomon behauptet. Man kann sich z.B. über einen inspirierenden Gedanken freuen, auf einen Vortrag neugierig sein oder befürchten, dass man die Herdplatte nicht abgeschaltet hat, wobei man in solchen Situationen in ganz verschiedenen Hinsichten und in bezug auf verschiedene Interessen involviert ist. Zudem sind neben Würde und Selbstachtung sicherlich auch Bedürfnisse nach Kreativität, Abwechslung oder/und Sicherheit — um nur einige zu nennen - für viele Menschen ebenso basal. Den Normenbezug emotionaler Bezugnahmen generell auf Würde und Selbstachtung festlegen zu wollen, ist also rechtfertigungsbedürftig und kann nicht einfach vorausgesetzt werden. Zudem müssten dann, wenn Solomon Recht hätte, selbst genuin intersubjektive und fremdbezogene Emotionen wie Mitleid, Verliebtheit oder Dankbarkeit als eigentlich selbstbezogene Reaktionen umgedeutet werden, was einen fundamentalanthropologischen Egoismus voraussetzt, der ebenfalls strittig ist.271 Solomons zusätzliche Einschränkung des Spektrums emotionaler Reaktionen auf derart einseitige und egoistische Themenbezüge ist also weder überzeugend noch notwendig. Bei Solomon fahrt die Erkenntnis, dass die spezifisch subjektive Qualität der emotionalen Wertgehalte einen wahrnehmend-konstituierenden Doppelcharakter aufweist, in Verbindung mit der ablehnenden Haltung gegenüber den traditionellen Gefühlstheorien, zu einer Umkehrung, derzufolge Emotionen gar als Aktivitäten einer bestimmten Sorte beschrieben werden. Für Solomon sind Emotionen nämlich nicht einfach deskriptive oder evaluative Urteile, sondern konstitutionelle Urteile, deren Besonderheit er anhand des Vergleichs mit performativen Sprechakten zu verdeutlichen sucht. Das Beispiel, das er wählt, ist der Schuldspruch eines Richters im Rahmen einer Gerichtsverhandlung. 272 Das Besondere an performativen Sprechakten (zu denen z.B. auch Grüße und Taufakte zählen) ist, dass in ihrem Vollzug etwas handelnd hergestellt wird, d.h. die Realitäten, von denen sie propositional handeln, zugleich geschaffen werden. Analog dem Richter, der mit einem Schuldspruch eine Beurtei-
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lung von Fakten gemäß eines juridischen Normenkanons vornimmt und damit zugleich eine juridische Realität schafft, nimmt auch eine Person aus Solomons Sicht - in ihren emotionalen Beurteilungen .Setzungen' gemäß ihres subjektiven Normenkanons vor. Unter dem subjektiven Normenkanon sind persönliche Erfahrungen, Prägungen, Vorstellungen und Wünsche zu verstehen. Wenn jemand etwas als verletzend, erfreulich oder irritierend empfindet, wird nicht etwas Soseiendes einfach wahrgenommen, sondern eine werthafte subjektive Wirklichkeit allererst geschaffen. Solomon spitzt diesen Gedanken noch zu, wenn er schreibt: „Of course a single judgement can be overruled. The magistrate's verdict can be reversed by an appellate court; an emotion may seem unwarrantend or absurd in the court of reflection. But it is important to stress that neither can be shown to be .incorrect' or ,wrong', for such terms apply only to descriptive judgements, which claim to ,correspond to the facts', not to constitutive judgements, which do not .correspond' to anything."273 Nach meiner Beurteilung übersieht Solomon hier, dass es innerhalb der Palette der heterogenen Emotionen mehr oder weniger realistische gibt, wobei es nur bei einigen Emotionen zutrifft, dass sie ausschließlich auf Projektionen oder Wunschphantasien bezogen sind, denen .nichts in der Welt entspricht', wie er sich ausdrückt. Darüberhinaus bedeutet subjektive Beurteilung von Dingen und Sachverhalten nicht automatisch eine aktive Setzung von Wertqualitäten. Worum es sich bei emotionalen Reaktionen vielmehr handelt ist eine Verengung der Perspektive darauf, wie etwas das eigene Wohlergehen in bestimmter Hinsicht tangiert. Gerade deshalb erfahren wir uns aber auch als passiv, weil wir uns unsere Wunsch- und Bedürfnisstruktur und emotionalen Wertmeinungen nicht einfach bewusst und voluntativ aussuchen können. In Reaktionen der Sympathie oder Antipathie auf Dinge oder Personen, die wir vielleicht nicht einmal gut kennen oder auch in Reaktionen des Neids oder der Bewunderung, die wir auf jemanden bezogen empfinden mögen, geschieht es häufig, dass wir unsere eigenen emotionalen Urteile als überraschend, unverhältnismäßig oder nicht wünschenswert empfinden und dennoch nicht anders können, als genauso wertend auf etwas oder jemanden zu reagieren, wie wir es nunmal tun. Was unser idiosynkratisches Wohlbefinden negativ oder positiv tangiert und in welchem Ausmaß, und das ist es ja, was aus kognitivistischer Sicht spezifisch in den emoti-
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onalen Urteilen zum Ausdruck kommt, liegt eben nur allzu oft nicht in unserer Macht. Mit der emotional erfahrbaren Passivität hängt ein subtiler Aspekt zusammen, der die epistemische Dimension der Emotionen betrifft und bisher unthematisiert blieb. Um deutlich zu machen, worum es dabei geht, möchte ich hier nochmals auf einen Unteraspekt von Kennys Differenzierung emotionaler Objekte und Ursachen zurückkommen. Rekonstruieren wir kurz Kennys Hauptargument für diese Unterscheidung: Die Logik kausaler Verbindungen verlangt, dass Ursachen unabhängig von ihren Wirkungen beschreibbar sein müssen, um so zueinander ins Verhältnis treten zu können. Da Emotionen nicht unabhängig von ihren Objekten beschreibbar sind, so Kenny, können die Verbindungen von Emotionen zu ihren Objekten nicht kontingenter Natur sein und d.h. für ihn, sie können nicht kausaler Natur sein. Stattdessen sollen wir es im Falle der Beziehungen von Emotionen zu Objekten ausschließlich mit notwendigen Beziehungen logischer Art zu tun haben. Daran sind nun nachträglich gleich mehrere Dinge in Frage zu stellen. Zunächst kennen wir durchaus mehrere Kontingente Relationen' — also Relationen, die sich der empirischen Beschaffenheit der Welt verdanken —, wie z.B. räumliche und zeitliche Beziehungen sowie Beziehungen der Ähnlichkeit, so dass die bloße Charakterisierung einer Beziehung als .kontingent' noch nichts darüber besagt, welcher Art genau sie ist. Das ist zumindest ein Argument gegen die Selbstverständlichkeit, mit der Kenny von kontingenten als kausalen Relationen spricht. Darüber hinaus - und das ist ein wichtigerer Punkt — schließt aber auch die Tatsache, dass A zu B in einer notwendigen Beziehung steht, nicht aus, dass A zu B auch in kausalen Beziehungen stehen kann, wie Kenny zu meinen scheint. So steht z.B. eine Mutter notwendigerweise in einer bestimmten Relation zu einem Kind, eben in einer elterlichen Beziehung, was jedoch nicht besagt, dass diese Beziehung deshalb keine kausale sein könnte. Außerdem lässt sich auch noch folgende Überlegung gegen Kenny geltend machen: Wenn man von der bloßen Notwendigkeit dessen, dass eine Beziehung zwischen A und B besteht, auf die Nicht-Kausalität einer solchen Beziehung selbst schließt, müsste daraus auch folgen, dass, weil eine Ursache notwendigerweise mit einer Wirkung verbunden ist, diese nicht kausal mit der Wirkung verbunden sein könne — was offensichtlich falsch ist. 274
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Auch Kennys Argument für seine antikausale Lesart der Beziehung von Emotionen zu ihren Objekten, wonach Emotionen nicht unabhängig von ihren Objekten beschrieben werden können, ist nicht uneingeschränkt zu bestätigen. Wenn man überhaupt keine unabhängige Beschreibung zweier Entitäten geben kann, würde dies sicherlich Zweifel hinsichtlich ihrer Unterschiedenheit hervorrufen. Eine Wut auf x mag über x bestimmt sein und dennoch ist sie ja nicht einfach dasselbe wie x, sondern ein auf x intentional bezogener Zustand. In emotionalen Situationen sind Personen über Gedanken oder Wahrnehmungen mit etwas (Objekten) verbunden - und dass sich diese intentionalen Bezüge nicht auf kausale Beziehungen reduzieren lassen, ist der verständliche Kern von Kennys These zum Objektverhältnis der Emotionen. Die strikt antikausalistische Deutung des emotionalen Objektverhältnisses, die bei Kenny durchscheint und auch von Solomon geteilt wird, ist der problematische Teil. Solomon äußert sich explizit dazu: „The intentionality and nature of an emotion have nothing to do with its causes." 275 Dies erläutert er wie folgt: „Our everyday emotional life is [...] chemically dependent; that does not make our everyday emotions any less ,real' (surreal) either. The distinction between ,reaT (surreal) and ,false' emotions has nothing to do with their causes. A n emotion is distinguished by its object, not by its causes, and the ,surreality' of an emotion depends only upon its role in our subjective lives, however it may have originally been instigated." 276
Anders als Kenny begründet Solomon hier die angebliche, kausale Unabhängigkeit emotionaler Intentionalität mit ihrer Subjektivität. Dass die kausal regulierte, natürliche Beschaffenheit der Welt — und dazu zählt ja immerhin auch unsere eigene körperlich-geistige Verfassung - für unsere emotionalen Reaktionen keinerlei Rolle spielen soll, ist jedoch nicht einzusehen. Eine relevante Überlegung, die Kenny und Solomon aufgrund ihrer Kontrastierungen von logischen und kausalen Beziehungen nicht prüfen können, ist, dass den intentionalen Objekten wenn schon nicht ausschließlich, so doch zumindest irgendeine kausale Kraft beim Zustandekommen einer Emotion zuzusprechen ist. Wenn man über dieses oder jenes erfreut, beschämt oder beleidigt ist, dann ist man nicht nur in der Lage, Kennys Test richtig anzuwenden, so dass man ein evaluatives Ob-
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jekt identifiziert. Man glaubt dann normalerweise auch, dass man durch eben dieses Objekt bedingt erfreut, beschämt oder beleidigt reagiert. D.h., man nimmt zugleich wahr, dass der emotionale Zustand auch eine Reaktion auf ein spezifizierbares Objekt ist und durch dieses mit hervorgebracht ist. Darin liegt aber gerade ein zentrales Moment von Passivität der emotionalen Reaktionen, dass wir die Dinge, auf die wir dabei subjektiv bezogen sind, auch als objektiv auf unser Wohlbefinden Einfluss nehmend empfinden. Die Wissensforderung seitens des Subjekts einer emotionalen Reaktion fallt von daher komplexer aus, als Kenny es in seinem Test zur Darstellung bringt. Das Defizit, den passiven und kausalen Aspekten emotionaler Objektwahrnehmungen Rechnung zu tragen, kann aus meiner Sicht ausgeglichen werden, indem man die Annahme einer kausalen Kraft der intentionalen Objekte zusätzlich zu dem jeweils objektidentifizierenden Repräsentationsakt, nämlich zu „glauben, dass p", hinzuaddiert. Ohne implizite, subjektive Kausalannahmen gibt es auch keine subjektiv als wirksam empfundene Realität irgendwelcher Objekte. Wenn z.B. jemand auf eine Prüfung bezogen ängstlich durchspielt, was in ihrem Verlauf alles geschehen könnte und dabei Magenschmerzen verspürt, wird er/sie auch glauben oder wahrnehmen, dass es die Prüfung ist, die die darauf bezogenen Gedanken und Magenschmerzen verursacht. Letzteres jedenfalls dann, wenn er/sie die Magenschmerzen ebenfalls als emotionales Symptom der ängstlichen Reaktion auffasst und nicht als etwas zufällig anderweitig bedingtes. Die Verbindung der Objekte mit den Emotionen als eine wenigstens in Teilen kausale zu begreifen ist mit einer intentionalistischen Emotionsauffassung vereinbar, wobei — so lautet mein ergänzender Vorschlag — dieser Kausalkonnex in die identifizierenden Meinungen des emotionalen Subjekts einzubeziehen wäre. Damit gewinnt man zugleich eine zusätzliche, mögliche Fehlerquelle emotionaler Intentionalität. Wenn nämlich jemand innerhalb seiner emotionalen Objektidentifikation die kausale Rolle des Objekts für die Genese seiner Emotion falsch einschätzt, hätte er immer noch ein emotionales Objekt spezifiziert, nur eben so, dass er kausale Aspekte von p falsch eingeschätzt hätte. Bei der Aufklärung eines solchen Fehlers müsste die Person nicht die ganze Emotionszuschreibung zurücknehmen. Es wäre dann vielmehr möglich, auch innerhalb eines bestehen bleibenden Ob-
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jektbezugs leichte Korrekturen hinsichtlich kausaler Aspekte des Objekts vorzunehmen. So glaubt vielleicht jemand, dass die knappe Begrüßung eines Kollegen der Ausschlag gebende Grund für sein Misstrauen diesem gegenüber ist. Später mag er sich aber daran erinnern, dass diesem Gruß bereits Situationen vorweg gegangen sind, in denen derselbe Kollege illoyale Seitenbemerkungen gemacht hat, die das Misstrauen ihm gegenüber - stärker noch als der Gruß — verursachten. Der merkwürdige Gruß würde gegebenenfalls auch weiterhin eine Rolle für das Zustandekommen des Misstrauens dem Kollegen gegenüber spielen, wenn auch eine untergeordnete. Statt das Misstrauen also nur auf einen einzigen Aspekt des Verhaltens seitens des Kollegen zu beziehen, wird es um weitere Faktoren ergänzt, die insgesamt zu einer komplexeren Objektwahrnehmung des Misstrauens beitragen. Solche Abstufungen in der Korrektur von Emotions- bzw. Objektidentifikationen einzuräumen, entspricht unseren vielgestaltigen Beurteilungsmöglichkeiten von Emotionen. Die Einschätzung der kausalen Rolle des Objekts für das Zustandekommen der Emotion ist — contra Solomon und Kenny — direkt relevant für den Objektbezug selbst. Dabei verhält es sich nicht immer so — und auch das ist m.E. gegenüber den gängigen kognitivistischen Ansätzen zu ergänzen —, dass die Untersuchung der Kausalgenese einer Emotion die Reaktion im Ganzen stets besser zu erklären hilft, weil sie diese z.B. in eine Geschichte einbettet. Die Untersuchung der Kausalgenese einer Emotion kann auch dazu führen, dass sich der Objektbezug sehr wohl als falsch oder bloß projiziert herausstellt. Und das betrifft die Identität der Emotion unmittelbar negativ. So mag auf diese Weise z.B. unser Kaufmann aus dem früheren Beispiel die Inauthentizität seiner Wut auf seine Familie herausstellen, sobald er eingesteht, dass eigentlich nicht sie, sondern das Verlustgeschäft der auslösende Grund seiner affektiven Reaktion war. Was er dann zugibt — und wofür er sich z.B. entschuldigen könnte - , wäre gerade, dass in seiner Wut auf seine Familie diese von ihm nicht angemessen repräsentiert wurde. Das Verhalten seiner Angehörigen war nicht der wahre Auslöser seiner Reaktion. In einem normativen Sinne stellt sich seine Wut daher als durchaus gegenstandslos heraus. Die bisherigen Überlegungen fuhren uns zu folgendem Zwischenergebnis: Emotional erfahren wir eine evaluative und subjektive Welt, die man so nicht unabhängig vom emotionalen Bezug auf sie vorfinden
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kann. Andererseits sollen zumindest die meisten Emotionen auch hinsichtlich ihrer Angemessenheit sowie Nachvollziehbarkeit beurteilbar sein. Eine solche Kritik präjudiziert jedoch Objektivität, so dass den emotionalen Gehalten — will man sie nicht auf Projektionen reduzieren — auch irgendeine Form von subjektunabhängiger Wirklichkeit zukommen muss. Wie sind diese beiden Seiten - die subjektive und die objektive im Rahmen der kausal-intentionalen Bestimmung der Emotionen zusammenzubringen? De Sousa schlägt vor, die in emotionalen Situationen wahrgenommenen Eigenschaften von realen oder imaginären Zielgegenständen als diejenigen Aspekte anzusehen, die im Normalfall in einem subjektiven und objektiven Sinn für das Auftreten einer Emotion ausschlaggebend sind. Und übereinstimmend mit dem von mir oben Angeführten, sieht auch de Sousa es als als eine notwendige Bedingung der emotionalen Bezugnahme auf etwas an, dass das betroffene Subjekt diesem Objekt zumindest implizit eine kausale Wirkkraft zuschreibt. Man freut oder ärgert sich nur dann über etwas, wenn man dieses ,etwas' bzw. bestimmte Eigenschaften daran auch für den auslösenden Faktor der Freude oder des Ärgers hält. Falsifizierbar ist eine solche subjektive Kausalannahme, weil man sich in der Einschätzung der emotionsauslösenden Ursachen - oder, so lässt sich ergänzen, kausaler Aspekte der Objekte — täuschen kann. Eine solche Korrigierbarkeit präsupponiert de Sousa zufolge eine objektive oder zumindest eine übersubjektive Wahrheit, über die sich überhaupt etwas aufklären lässt. Er addiert daher eine zweite kausale Bedingung emotionaler Objektbeziehungen hinzu: Ein Ereignis oder Sachverhalt soll nun auch unabhängig davon, ob die emotional reagierende Person die Kausalzusammenhänge richtig einschätzt — in diesem Sinne ,objektiv'die emotionale Reaktion hervorbringen können. Nur dann ist nach de Sousa zu Recht von einer echten Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen Welt und Subjekten in emotionalen Situationen auszugehen, wie wir es in unseren voranalytischen Intuitionen tun. Er drückt das so aus: „In inferentional knowledge the structure of causality and justification involves two levels. On one level the belief must have been caused, and not merely justified, by the other beliefs that constitute its grounds. This necessary condition says nothing about the truth of the premises. But in addition the belief in the premises must have been caused by the fact itself (or, if facts
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cannot be causes, by some event beating a suitable relation to facts.) Similarly with emotions. The grounds of the emotions correspond to the premises of an inferential belief. They must cause the emotion, or else they are nonstarters."277 Neben diesen beiden Kausalbedingungen sieht de Sousa noch einen weiteren kausalen Effekt darin gegeben, dass wir über unsere emotionalen Objektwahrnehmungen zu Verhaltensweisen motiviert werden, mit denen wir auf die Welt verändernd einwirken können. Die Welt wirkt daher nicht nur kausal auf uns ein, wenn wir entsprechende Objekwahrnehmungen ausbilden, so de Sousa, sondern wir wirken in emotionalen Zuständen auch umgekehrt handelnd auf die Welt zurück. „The connection of the emotions with the world is not all one way. [...] we looked mosdy at the other direction of causation: the effect of emotions, through motivation, on the world."278 Anzumerken ist dazu aus meiner Sicht, dass dem Versuch, einer emotional betroffenen Person nachzuweisen, dass sie in ihrer emotionalen Reaktion von falschen Kausalunterstellungen ausgeht, Grenzen gesetzt sind. Manchmal verändert sich dasjenige, was eine bestimmte, z.B. negative emotionale Reaktion hervorruft, aus der Sicht des Betroffenen tatsächlich allein dadurch, dass sich die Person in ihren normativen Grundeinstellungen verändert. Was sie früher womöglich Grauen erregend oder langweilig fand, wie z.B. Kunstbetrachtungen oder eine bestimmte Musik, mag sie im Laufe ihrer weiteren Entwicklung ganz anders sehen, weil sie z.B. Kenntnisse erworben hat, die es ihr ermöglichen, Kunstbetrachtungen oder besagte Musik sogar zu lieben. De Sousa überbestimmt m.E. die Seite der Objektivität emotionaler Objektbedeutungen, wenn er es als eine zweite notwendige Kausalbedingung ansieht, dass ein Ereignis auch dann eine Emotion verursachen können soll, wenn die betroffene Person das nicht so sieht. Eine Emotion zu verursachen heißt aber u.a., subjektive Wertungen mit Bezug auf das eigene Wohlergehen zu verursachen. A n den subjektiven evaluativen Objektvorstellungen und Wahrnehmungen sowie den darauf bezogenen Kausalannahmen führt also kein Weg vorbei. Emotionen bleiben ja Veränderungen, die von der ersten Person erfahren werden müssen. Was wir an bedauerlichen, bedrohlichen, furcht-
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baren, beschämenden, liebenswerten Hinsichten oder Eigenschaften einem Gegenstand oder Sachverhalt zuschreiben, wird stets von unseren subjektiven Wunschvorstellungen, Erfahrungen und Wertungen überformt. Eben darin ist es geradewegs Ausdruck davon, wie uns etwas ganz persönlich angeht. Die Korrekturmöglichkeiten emotionaler Objektbesetzungen beschränken sich auf die Dimension ihrer intersubjektiven Nachvollziehbarkeit, ihrer Gründe und Evidenzen. Um eine Korrektur wie z.B. in dem Fall der aufgedeckten inauthentischen Reaktion beschreiben zu können, ist es ausreichend, sich vorzustellen, dass die sich selbst betrügende Person zunächst durchaus in einem schwachen Sinne registriert, was ihr wie emotional zustößt, dies aber vor sich selbst und anderen leugnet und diese Leugnung irgendwann eingesteht. Sie macht dann nicht die Art von Entdeckung, die man mit etwas vollständig Unbekanntem macht, sondern sie ordnet eigene Wissenszustände um. Wenn man nicht selbst einem Sachverhalt emotionalen Wert und eine entsprechende Wirkkraft zuspricht, kann es auch kein anderer ersatzweise für einen tun. Die Frage nach den subjektiven und objektiven Aspekten Iässt sich überhaupt nicht sinnvoll in der Weise auf emotionale Beziehungen zur Welt beziehen, als sei die Seite der jeweiligen Objektvorstellungen von ihren werthaft-subjektiven Rückwirkungen auf Personen abzuspalten. Die sogenannten emotionalen .Objekte' sind ja nichts anderes als die Effekte von Dingen oder Sachverhalten auf das psycho-physische Wohlbefinden einer Person, die in Form von Meinungen oder phantasiehaften Vorstellungen repräsentiert werden. Emotionale Objekte haben keine Realität außerhalb unserer subjektiven Berührbarkeit. Vielmehr sind sie Ausdruck davon, wie uns etwas Bestimmtes negativ oder positiv berührt. Die subjektive Wirklichkeit und Wertigkeit von etwas erschließt sich uns in emotionalen Lagen zudem auch auf gefühlsmäßige und körperliche Weise. Diese Dimensionen bleiben jedoch in den kognitivistischen Beschreibungen der emotionalen Intentionalität weitgehend unberücksichtigt.
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2.4 Die Vielschichtigkeit der Emotionen: Komponententheorien Jenseits der theoriespezifischen Ausformulierungen verschiedener subjektiver und passiver Qualitäten emotionaler Erfahrungen ist noch offen, wie die besonderen Formen der Subjektivität und Passivität berücksichtigt werden könnten, die für Gefühlstheoretiker so zentral sind. Immerhin bleibt es ja auch unabhängig von gefühlstheoretischen Reduktionen der Emotionen auf Gefühle ein wichtiges Faktum, dass wir in emotionalen Lagen zum Teil sogar extreme Zustandsveränderungen wahrnehmen und uns irgendwie fühlen dabei. Von Kognitivisten ist vor allem zu erfahren, wie wir denken und handeln, wenn wir emotional sind. Wie lässt sich aber die auch gefühlsmäßige Qualität der Emotionen in die kognitivistische Perspektive integrieren? Die Antwort darauf fällt für die diversen Autoren unterschiedlich aus. Bisher ist unter den Kognitivisten O.H. Green der einzige, der Gefühle in seine Emotionstheorie explizit mit aufgenommen hat. Er fügt Lustund Unlustgefühle den ,belief-desire'-Konvergenzen bzw. Divergenzen als konstitutive Begleitphänomene bei. Emotionen sind also Green zufolge ,belief-desire'-Verschränkungen plus Lust- oder Unlustgefühle. Bereits Aristoteles hat eine Unterteilung positiver und negativer Emotionen vorgenommen und deren positiven und negativen Urteilskomponenten entsprechende Lust- oder Unlustgefühle zur Seite gestellt: „Affekte aber sind alle solche Regungen des Gemüts, durch die Menschen sich entsprechend ihrem Wechsel hinsichtlich der Urteile unterscheiden und denen Schmerz bzw. Lust folgen."279 Im Rahmen der Auflistung paradigmatischer Emotionstypen, die Aristoteles in seinem Lehrbuch zur Rhetorik gibt, findet sich für die meisten Affekte die konstitutive Verschränkung von drei Faktoren: 1.) Einschätzungen einer Situation, eines Sachverhaltes oder Gegenstandes, die den kognitiv-evaluativen Anteil der Emotionen ausmachen. 2.) Handlungsimpulse, die den motivationalen Faktor der Emotionen abdecken. Und 3.) Gefühle von Lust oder Schmerz, die den subjektiv-gefühlsmäßigen Faktor der Emotionen ausmachen. Zorn wird bei Aristoteles z.B. definiert als ein mit Unlustgefühlen einhergehendes Urteil, von jemandem ungerecht behandelt worden zu sein, dem es der eigenen Auffassung
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nach nicht zusteht (entspricht 1. und 3.). Dieses Urteil ist darüber hinaus typischerweise mit dem Wunsch oder zumindest mit der Phantasie verbunden, dieser Person im Gegenzug schaden und sich an ihr rächen zu wollen (entspricht 2.). 280 Der so charakterisierte Zornaffekt bliebe unterdeterminiert, würde man ausschließlich auf entweder seine körperlichen Begleiterscheinungen oder seine impliziten Handlungswünsche oder seine impliziten Urteile als je hinreichende Konstituenten verweisen. Die Einsicht, dass ein Reduktionismus der Emotionen auf einen der drei Anteile aussichtslos ist, führt zu einer komponententheoretischen Auffassung der Emotionen. Mit Bezug auf die Kritik an der Urteilstheorie besonders von Calhoun und Rorty wurde bereits angemerkt, dass es die Position eines ,kognitivistischen Reduktionismus' nicht gibt, wonach Emotionen ausschließlich (reflektierte) Urteile wären. Kennzeichnende Verhaltensweisen und/oder Wahrnehmungen körperlicher Veränderungen werden als zusätzliche Konstituenten angesehen. Unter Kognitivisten fallen allein die Vorstellungen darüber unterschiedlich aus, welche Komponenten im einzelnen in welchem Verhältnis zueinander als notwendige oder/und hinreichende Konstituenten zu veranschlagen sind. 281 Aristoteles, der als historischer Vorläufer kognitivistischer Emotionsauffassungen gilt, vertritt z.B. ein dreikomponentales Modell der Emotionen. Ihm zufolge zeichnen sie sich nämlich über die Verschränkung von Urteilen, Verhaltensweisen und Gefühlen aus. Kenny vertritt ebenfalls ein dreikomponentales Modell der Emotionen, weicht jedoch in einem Punkt von Aristoteles ab. Er definiert Emotionen nämlich über erstens einen intentionalen Kontextbezug, zweitens über symptomatisches Verhalten und drittens über Handlungen. Gefühle (feelings) werden in dieser Aufzählung also erst gar nicht erwähnt. 282 De Sousa bemerkt en passant und ohne vertiefend darauf einzugehen, dass jedes paradigmatische Szenario, über das der definierende Objektbezug pro Emotionstyp festgelegt wird,,seine eigene Gefühlsqualität' aufweisen würde. Was unter einem .Gefühlselement' der Emotionen überhaupt zu verstehen ist, lassen sich die Kognitivisten zum großen Teil (und paradoxerweise) von James vorgeben, der darunter ausschließlich Wahrnehmungen physiologischer Veränderungen versteht. Wo nicht von physiologischen Veränderungen gesprochen wird, ist von .Sinneswahrnehmungen' die Rede. So fragt z.B. George Pitcher:
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„Sind auch Sinneswahrnehmungen charakteristische Merkmale von ihnen [den Emotionen, C.V.]?"283
Seine Antwort lautet: „Nein", denn: „(a) kann es stille Leidenschaften geben, die normalerweise kein solches Wahrnehmungselement beinhalten. [...] Wenn P hofft, dass Sie heute kommt, dann glaubt er einfach, Sie könnte kommen und betrachtet ihr Kommen als etwas Gutes. [...] Und (b) kommen selbst solche Emotionen, die charakteristische Wahrnehmungen aufweisen — wie Furcht und Zorn - , manchmal ohne diese Wahrnehmungen vor. [...] Wenn P Q gerade dabei antrifft, wie Q P's Haus ansteckt, und sich in blinder Wut auf ihn stürzt, scheint es äußerst unangemessen darauf zu bestehen, dass P bestimmte Wahrnehmungen gehabt haben muss. Tatsächlich macht P unter solchen Umständen wahrscheinlich überhaupt keine Wahrnehmung, und doch ist er unzweifelhaft äußerst zornig."284
Wenn jemandes Wertungen und Reaktionen deutlich genug sind, sei es überflüssig, so Pitcher, darauf zu bestehen, dass irgendwelche Wahrnehmungen beteiligt sein müssen, um diese Wertungen und Verhaltensweisen als emotionale einzustufen. Er nennt ein Einstellungsgespräch als Beispiel dafür, wie die subjektive Aufmerksamkeit zu sehr auf andere Dinge gelenkt sein kann, um sinnliche Veränderungen zu bemerken. Der Bewerber mag sich über seinen Gesprächspartner ärgern und — für Außenstehende leicht wahrnehmbar — eine eisige Stimme im Verlaufe des Gesprächs bekommen, ohne dies jedoch selbst zu bemerken, weil er ganz damit beschäftigt ist, einen guten Eindruck zu machen. Doch auch ohne dass der Bewerber bestimmte Gefühle verspüren muss, weiß er, dass er sich ärgert. Auch Bedford schließt sich der These an, dass Gefühle sekundäre Elemente von Emotionen sind. Aus seiner Sicht gehören Emotionsterme generell primär zu unserem Vokabular von Wertschätzung und Kritik und nicht zu der Sorte psychologischer Begriffe, die Hinweise auf Zustandsveränderungen enthalten. Moreland Perkins wendet sich gegen die Einseitigkeit der u.a. von Bedford zum Paradigma seiner Theorie erhobenen Verwendungsweisen von Emotionstermen mit folgendem Argument:
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„Ein Mangel von Bedfords Analyse der Funktion von Aussagen über Emotionen [...] ist, dass wir ihr nicht entnehmen können, warum in unserer Sprache zwischen den Worten ,fühlen' und .Emotion' eine so enge Verbindung besteht."285 Für Perkins besteht der Sinn einer Zuschreibung von Emotionen wenigstens unter anderem darin, auch etwas über die Gefühle (feelings) einer Person auszusagen.286 Perkins variiert daher Bedfords eigene Beispiele, indem er an ihnen die Wahrnehmung einer zeitlich begrenzten Veränderung hervorhebt: „Einen Moment lang ließ mein Neid auf Schnabels Technik keinen Raum für eine andere Emotion; dann trat er hinter dem Genuss zurück.", „Als der Zug abfuhr, und er einen letzten Blick von seiner davon fahrenden Familie erhaschte, fühlte er einen Moment lang heftige Reue.", „Ich hoffe, dass ich nie wieder Grund haben werde, mich so zu schämen wie in jenem Moment." 287 Perkins geht es in diesen Aussagen darum, den Teil des gegenwärtigen Bewusstseins von emotional betroffenen Personen hervorzuheben, in dem sie empfinden, wie sie von etwas angerührt werden. Er gelangt dann zu folgender Position: „Die hier vertretene Hypothese ergänzt Bedfords Darstellung des gewöhnlichen Informationsgehalts von Aussagen über Emotionen um das Merkmal eines Körpergefühls."288 Wieweit Perkins hier tatsächlich nur eine Ergänzung an Bedford vornimmt oder doch eine Alternative zu Bedford formuliert, kann offen bleiben. Gegenüber kognitivistischen Gleichsetzungen von Emotionen mit bestimmten Werturteilen zeigt Perkins sich jedenfalls skeptisch: „Gleichwohl möchte ich eine Voraussage machen: Viele Menschen — und zwar diejenigen, für die das [...] Band zwischen ,Emotion' und .fühlen' besonders stark ist - werden die Anwendung des Ausdrucks .Emotion' auf dasjenige, was mit ihnen bei Gelegenheit vorgeht - nämlich unter alleiniger Beteiligung von Bewertungen - nicht akzeptieren. [...] D.h. nicht jeder wird jeden Anlass für die korrekte Verwendung von .eifersüchtig',,neidisch' usw. auch als einen Anlass für die Verwendung eines Emotionswortes ansehen. Die Überlegung, ob man bewegt oder angerührt ist, spielt in diesem Zusammenhang
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eine wichtige Rolle. Und wenn ein besonderes Körpergefuhl fehlt, bedeutet das vielleicht auch, dass man nicht bewegt oder wirklich angerührt ist."289
Festzuhalten ist für unsere Überlegungen an dieser Stelle, dass auch Perkins unter „Gefühlen" Körperempfindungen versteht. Ihnen soll sich die spezifische Affektivität der Emotionen verdanken. Bei Sartre hörten wir ebenfalls, dass Emotionen deshalb .Glaubensphänomene' seien, weil die Realität unserer selbst in der Welt sowie die der Emotionen erst anhand körperlicher Effekte glaubwürdig wird. Dennoch hat auch Sartre die Betonung innerhalb seiner Emotionsanalyse deutlich auf den intentionalen und transformierenden Charakter der Emotionen gelegt und die Frage erst gar nicht aufgeworfen, welche sonstigen Merkmale notwendig und/oder hinreichend für Emotionen sind. Man kann seine Hauptthesen aber leicht so zusammenfassen, dass er eben zwei Komponenten für die notwendigen Konstituenten von Emotionen erachtet: (1) Transformation eines Sachverhalts plus (2) Wahrnehmung von Körperveränderungen. William Lyons vertritt ähnlich wie Sartre ein zweikomponentales Modell der Emotionen. Für Lyons ist die Abwesenheit ungewöhnlicher Körperwahrnehmungen und/oder evaluativer Einschätzungen Indiz und Kriterium dafür, dass keine Emotion im vollen Sinn vorliegt. Wichtig ist ihm dabei, dass Evaluationen nicht einfach nur zeitgleich mit ungewöhnlichen physiologischen Veränderungen vorkommen, sondern die emotionsspezifischen Evaluationen letztere auch verursacht haben. Dieser Kausalnexus ist in seiner „kausal-evaluativen Theorie der Emotionen" abgebildet. Er schreibt: „Now the causal-evaluative theory gets its name from advocating that X is to be deemed an emotional state if and only if it is a physiologically abnormal state caused by the subject of that states evaluation of his or her situation. The causal order is important, emotion is a psychosomatic state, a bodily state caused by an attitude, in this case an evaluative attitude. Just to believe that one is in danger but not to be thereby physiologically affected, is not to be emotional. If I overexercise and confuse myself, such that I start babbling nonsense; or if I drink too much and fall over, I am not being emotional. But if I think you have made a fool of me, and this upsets me, upsets me physiologically, and I start babbling and falling over, then I am being emotional."290
Lyons fasst Emotionen demnach als irreduzibel psychosomatische Zustände auf, wobei es ihm darauf ankommt, dass die anteiligen physischen Zustände durch die vorgängigen Evaluationen verursacht sind und nicht
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umgekehrt die emotionalen Bewertungen Wirkungen oder Ausdruck vorgängiger Körpererregungen sind. Den Evaluationen räumt er im Rahmen seiner Theorie eine Sonderstellung ein, wenn er ergänzend hinzufügt: „For it is the evaluative aspect which is central to each emotion." 291 Ohne Evaluation eines Sachverhaltes keine Emotion: In diesem Punkt ist Lyons Urteilstheoretiker. Da er dennoch daran festhält, dass Emotionen zugleich affektive Zustände sind, ist die Beteiligung von Körperempfindungen für ihn nichts Epiphänomenales. Die Spannung, die dadurch entsteht, dass er zugesteht, manche Emotionen wie Hoffnung oder Neid kämen manchmal auch ohne wahrnehmbare Körperempfindungen vor, ohne deshalb ihren emotionalen Charakter zu verlieren, versucht Lyons über die Unterscheidung zwischen akuten und dispositionellen Varianten emotionaler Vorkommnisse aufzulösen. Während nur für die akuten Vorkommnisse von Hoffnung und Neid Wahrnehmungen ungewöhnlicher Körperregungen charakteristisch sein sollen, trifft dies für dispositionelle Emotionen nicht zu. Dispositionelle Emotionen können sozusagen in physischer Hinsicht latent bleiben, bis sie aktualisiert werden. Und d.h. aus Lyons Sicht: bis sie in akute Emotionen mit Körperveränderungen umschlagen. Ein z.B. lang gehegtes Ressentiment gegenüber jemandem, der einen vor langer Zeit einmal gekränkt hat, mag immer wieder situativ in offenen Zorn gegenüber dieser Person (oder ihr ähnlichen Personen), mit allen dazugehörigen Zustandsveränderungen, umschlagen. Dass eine derartige Aktualisierung möglich ist, belegt erst die dispositionelle Verankerung einer Emotion. Die Umkehrung gilt hingegen nicht, wonach akute Emotionen erst dadurch zuschreibbar werden, dass sie in lang anhaltende übergehen. Aufgrund dieser Asymmetrie sind für Lyons die akuten Emotionen die paradigmatischen Orientierungsfälle, während die dispositionell zugeschriebenen Emotionen abgeleitete Formen derselben darstellen. Für die Gewinnung eines vollen Emotionsbegriffs sind laut Lyons also die von Körperempfindungen begleiteten, zeitlich begrenzten und evaluativ objektbezogenen Emotionen die maßgeblichen Paradigmen. Die Komponente aber, die sich aus keiner emotionalen Situation wegdenken lässt, weil sie sowohl für die akuten wie die dispositionellen Emotionen identifizierend bleibt, ist die Komponente der Bewertung.
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Deshalb, und nicht, weil er einen auf Kognitionen oder Evaluationen reduzierten Emotionsbegriff vertritt, ist für Lyons die Aussage „ohne Evaluation keine Emotion" verallgemeinerbar. Die Diversität der Emotionstypen sowie die Kontextrelativität der Einzelfälle (token) gebieten Vorsicht gegenüber rigideren Generalisierungen. Für diejenigen Kognitivisten, die, wie z.B. George Pitcher, Stimmungen und Emotionen nicht als zwei zu unterscheidende Subklassen affektiver Phänomene ansehen, gibt es sogar Vorkommnisse von Emotionen, denen ein intentionales Element fehlt. Eine irrationale Fallangst, die jemanden überkommen kann, der auf einem sicheren Balkon steht und das auch weiß, führt Pitcher als ein Beispiel dafür an. Hier fehlt ihm zufolge ein objektspezifizierendes Verständnis, weil die Person gar nicht wirklich glaubt, dass sie sich in Gefahr befindet, obwohl sie sich fürchtet. Dennoch soll Angst zuschreibbar sein, weil sich die betreffende Person so verhält, als ob sie etwas Bedrohliches wahrnehmen würde. Pitcher dazu: „Sie [die irrationale Fallangst, C.V.] teilt mit den Normalfällen solcher Furcht die meisten Merkmale, unterscheidet sich von ihnen aber in der wesentlichen Hinsicht, dass das charakteristische Objektverständnis fehlt; aber nur wegen der gemeinsamen Merkmale nennen wir sie Fallangst." 292
Pitcher vertritt ein mehrkomponentales Modell der Emotionen, das aber flexibel auf Einzelfälle anwendbar sein soll. Ein intentionaler Objektbezug (1), Verhalten im weiteren Sinne, das Bewertungen ausdrückt (2) sowie Sinneswahrnehmungen (Empfindungen) (3) sind ihm zufolge die charakteristischen Merkmale des Durchschnitts emotionaler Vorkommnisse. Auf alle drei Konstituenten bezogen räumt Pitcher jedoch - anders als z.B. de Sousa, Taylor, Lyons oder Kenny - die Möglichkeit ein, dass jede einzelne oder gar zwei von ihnen — nur nicht alle gleichzeitig — bei einer Emotionszuschreibung fehlen können. Pitcher schreibt: „Man sieht, dass für das Wahrnehmungselement das gleiche gilt wie für die Elemente Verständnis und Bewertung: Es ist ein charakteristisches Merkmal von Emotionssituationen - wenn auch nur bei einigen Emotionen und nicht bei allen - , aber kein absolut notwendiges, so dass es im Einzelfall Emotionssituationen geben kann, in denen es fehlt." 293
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Demgegenüber lautet die strengere kognitivistische Auffassung, dass ein intentionales Bewertungselement als einziges nie fehlen kann, wenn eine Emotion identifiziert wird. Ich halte diese Auffassung für die richtige und zwar aus folgenden Gründen: Zunächst sieht Pitcher selbst in den angeblich .objektlosen' Fällen, wie der genannten irrationalen Fallangst, ein .Quasiobjekt' spezifiziert, sofern ein „Schatten eines Objektverständnisses", wie er es nennt, enthalten sei. Die betroffene Person verhält sich immerhin so, als ob sie die für Furcht spezifische Meinung oder Vorstellung hätte, sie würde von dem Abgrund unter ihren Füssen bedroht. Das heißt aber: Für die ängstliche Person stellt sich die Lage so dar, als ob sie vom Balkon stürzen könnte und damit hat sie bereits eine Objektspezifikation vorgenommen, die Pitcher leugnet. Die von Pitcher erwähnte Gemeinsamkeit zwischen einer irrationalen Fallangst und anderen Formen von Ängsten besteht zudem gerade darin, dass Personen sich in solchen Zuständen durch etwas bedroht sehen. Die subjektiven Gefühle oder auch Verhaltensweisen wie Weglaufen oder auch Erstarrung usw. sind erst als Ausdruck einer bestimmten Emotion zu identifizieren, wenn man sie auf die Annahmen der betroffenen Person zurückbeziehen kann. Weinen kann man ebensogut aus Trauer wie aus Wut oder auch vor Freude; Weglaufen kann man aus Spaß, Stolz oder aus Furcht, so dass in dieser Hinsicht keine verlässlichen Gemeinsamkeiten zwischen Emotionen einer Sorte bestehen. Mit welcher Emotion wir es zu tun haben, hängt vom subjektiven Verständnis der jeweiligen Situation ab, sonst wüssten wir auch von demjenigen, der unter einer irrationalen Fallangst leidet, nicht, dass es Fallangst ist, die er hat und nicht z.B. eine Angst vor nichts oder vor Ufos. Versteht man unter .Objekten' mit Kenny dasjenige, was eine Person zu einem Zeitpunkt über etwas meint (oder auch annimmt oder auch nur phantasiert) — und Pitcher formuliert keinen eigenen Objektbegriff aus, der davon abweichen würde —, so ist damit ja noch nichts über die Angemessenheit und Rationalität der Repräsentationen ausgesagt. Eine emotionsfundierende, gleichwohl irrationale Meinung — wie z.B. die des Fallsüchtigen, dass er von einem Abgrund bedroht wird, von dem er zugleich weiß, dass er objektiv keine Gefahr darstellt — ist nicht gar keine Meinung, sondern nur eine unbegründete. Pitcher selbst betont an anderer Stelle desselben Aufsatzes, dass die Möglichkeiten der Begründung und Kritik der Emotionen als Indizien
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für ihre Intentionalität zu werten seien. Denn nur intentionale Zustände könnten überhaupt sinnvoll hinsichtlich ihres semantischen Gehalts beurteilt werden. Die von Pitcher erwähnte irrationale Fallangst kann dann aber auch nur auf ihre intentionalen Elemente bezogen als .irrational' eingestuft werden. Ihre Irrationalität besteht in der Grundlosigkeit ihrer Repräsentationen, nicht darin, dass sie frei von Semantik wäre. Wenn die Einwände gegen Pitcher einleuchten und man die in der Literatur einschlägige Unterscheidung von Stimmungen und Emotionen als zwei affektive Klassen noch hinzuzieht, ist die resultierende Sicht die, dass im Rahmen komponententheoretischer Modelle der Emotionen die intentionale Komponente als einzig unverzichtbare gelten kann. Mit den bisher dargestellten Kognitivisten haben wir repräsentative Autoren kennengelernt, deren Vorstellungen darüber, welche Komponenten wenigstens in den anschaulichen Fällen für Emotionen konstitutiv sind, sich weitestgehend decken. Diskrepanzen entstehen erst in bezug auf mögliche Verallgemeinerungen einzelner Komponenten für alle Fälle.
2.4.1 S- und H-Gefühle: Die emotionalen Begleiter Der bisher erreichte Stand ist, dass Komponententheoretiker den Emotionen gemäß ihres erweiterten Begriffsverständnisses behaviorale (expressive), körperlich-perzeptive und intentionale (kognitiv-evaluative) Komponenten zuschreiben. Ergänzungsbedürftig sind die Komponententheorien aus meiner Sicht in zwei zentralen Hinsichten. Ein Manko dieser Ansätze besteht darin, dass sie die phänomenale Dimension der Lust- und Unlustgefühle von Emotionen nicht adäquat behandeln. Da es keine einheitliche Terminologie in der Literatur gibt, werde ich im folgenden Textverlauf für die Ausdrücke „Lust- und Unlustgefühle" den Ausdruck „H-Gefuhle" abkürzend verwenden, wobei „H" für „hedonistisch" steht. Der hedonistische Ton einer Emotion bemisst sich daran, ob sie sich für ein betroffenes Subjekt eher erhebend oder bedrückend, lustvoll oder unlustvoll anfühlt. Empfindungen von innerer Kälte und Hitze sowie Wahrnehmungen von Schaudern, Zittern, Schluck- und Atemnot, Herzstichen, Kopfschmerzen, nervöser Aufregung, Schwindel usw., die typische Begleit-
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phänomene unserer Emotionen sind, kürze ich im folgenden auch als „S-Gefühle" ab, wobei „S" für „Sensationen" (engl, „sensation") stehen soll. Diese S-Gefüihle sind gegenüber H-Gefühlen stärker organisch gebundene, lokalisierbare Zustandsveränderungen und Wahrnehmungen. Der Term „Gefühl" ohne weitere Qualifikation (engl, „feeling") dient weiterhin als Uberbegriff für jede Form eines subjektiv unmittelbaren Bewusstseins geistiger und/oder körperlicher Regungen (also für H- und S-Gefühle). 294 Im ersten Teil des kommenden Textabschnittes erörtere ich die Frage, warum H-Gefühle in der einschlägigen Literatur zu kurz kommen und entwickele dann einen Vorschlag dazu, wie sie aus meiner Sicht innerhalb eines Komponentenmodells zu berücksichtigen wären. Daran anschließend wende ich mich in einem zweiten Teil dem zu, was ich als „Problem der Einheit der Emotionen" bezeichnen möchte. Aus meiner Sicht ist es ein weiteres Manko der Komponententheorien, dass sie nicht mehr darauf eingehen, wie die ausdifferenzierten Konstituenten der Emotionen miteinander zusammenhängen (müssen), um die spezifische Einheit zu bilden, welche die Emotionen sind. Ich werde für die These argumentieren, dass die innere Einheit der multikomponentalen Emotionen in ihrer narrativen Strukturiertheit besteht. Der Weg dorthin fuhrt über eine stufenweise Ergänzung bestehender kognitivistischer Grundannahmen. Dass die meisten modernen Komponententheorien wenig bis gar nicht auf die phänomenale Dimension der Lust- und Unlustgefühle unserer Emotionen eingehen und sie daher auch nicht als eine eigenständige Komponente der Emotionen neben den genannten anderen anführen, hat m.E. mit drei Motiven zu tun, die unterschiedlich zu gewichten sind. (1) In historischer Hinsicht ist die Kritik der Kognitivisten an der sogenannten .Gefühlstheorie der Emotionen' für das verbreitete Desinteresse an der Gefühlsdimension der Emotionen verantwortlich. Unter den modernen Emotionstheoretikern dominiert nach wie vor ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der Tradition, die in ihren Augen gerade die Gleichsetzung von Emotionen mit körperlichen Selbstwahrnehmungen (S-Gefühlen) einseitig überstrapaziert hat. Die .Entdeckung' der intelligenten und intentionalen Seite von Emotionen führte dann zu einem abstrakten Umschlag in einen zum Teil einseitig mit Fragen der Intentionaütät beschäftigten Kognitivismus, der sich in der Grundtendenz der zeitgenössischen Ansätze noch bemerkbar macht. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ergibt sich die konzeptuelle Vernachlässigung der
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H-Gefiihle weniger aus systematischen Überlegungen als vielmehr aus dem kontingenten Faktum, dass die zeitgenössische philosophische Diskussion der Emotionen noch in den Anfängen steckt. (2) Größere sachliche Schwierigkeiten ergeben sich, nach meiner Auffassung, aus einem zu eingeschränkten Verständnis der Natur der Gefühle. Gemeint ist damit die unter Emotionstheoretikern verbreitete Ausrichtung an S-Gefühlen als primärer Bedeutung von Gefühlen überhaupt. Diese Perspektiwerengung ergibt sich vermutlich daraus, dass S-Gefühle ein breites Spektrum an unterschiedlichen Phänomenen abdecken, die zu den typischen Begleitphänomenen emotionaler Reaktionen zählen. Zudem wird die Fixierung auf S-Gefühle sicher noch dadurch begünstigt, dass ihre natürliche Basis — also physische und physiologische Veränderungen - Phänomene sind, die sich objektiv messen lassen. Demgegenüber sind Lust- und Unlustgefühle nicht zu messen, oft schwerer zu identifizieren und somit rein introspektiv-subjektiv zugängliche Phänomene. Einer auf Objektivität Anspruch erhebenden und in allgemein überprüfbaren Begriffen formulierten Theorie ist diese impressive Dimension von Gefühlen nicht zugänglich. Die einzige Instanz, die Aussagen über Art und Existenz solcher phänomenaler Bewusstseinsqualitäten wie Lust und Unlust machen kann, ist das betroffene Subjekt selbst. Da es für Empfindungen des Angenehmen oder Unangenehmen und ihre Zuschreibung keine übersubjektiven Möglichkeiten der Uberprüfung gibt, kann man nur glauben oder nicht glauben, was jemand gerade zu fühlen behauptet. Die Individualität des Fühlens bildet eine zusätzliche Grenze für mögliche Verallgemeinerungen, um die es aber den Emotionstheoretikern in ihren Analysen gerade geht. (3) Ein drittes Motiv, das in meinen Augen der theoretischen Ausblendung gefühlsmäßiger Qualitäten von Emotionen Vorschub geleistet hat, ist das folgende: Selbst wenn H-Gefühle vorliegen, und d.h. Personen ihre Emotionen auch noch als angenehm oder unangenehm empfinden, ist dieser Sachverhalt für die Identifikation und Zuschreibung von Emotionen verzichtbar. Emotionen werden über ihre Gegenstandsbezüge identifiziert und eventuell noch über typisches Verhalten. HGefühle sind demnach epiphänomenal. Weil das historisch bedingte Problem unter Punkt (1) nicht eigentlich sachlich motiviert ist, können wir es auf sich beruhen lassen. Im folgenden werde ich mich nur den unter Punkt (2) und (3) genannten Schwie-
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rigkeiten zuwenden, die sich aus der Bedeutungsverengung des Gefühlsbegriffs sowie dem Argument des Epiphänomenalismus in bezug auf HGefiihle ergeben. Ad (2). Die meisten Emotionstheoretiker problematisieren erst gar nicht, was unter „Gefühlen" zu verstehen ist. Das gängige Vorurteil ist hier einfach die Position von James, wonach Gefühle in der Wahrnehmung von Mustern physischer und physiologischer Veränderungen bestehen. Gerade weil darunter so ziemlich alle Regungen fallen, die man sich nur vorstellen kann, scheint die Kategorie der S-Gefühle auch geeignet, als Überbegriff für das breite Spektrum der Gefühlsphänomene zu dienen, die mit Emotionen einhergehen mögen. Und in der Tat handelt es sich auch nur um eine Subtilität, die in der allgemeinen Fixierung auf S-Gefühle übersehen wird. Selbst Autoren, die die Bedeutungsvielfalt des Gefühlsbegriffs reflektieren, scheinen zu meinen, dass sie Gefühle pauschal als Körperveränderungen thematisieren können und gehen von daher nicht weiter auf Lust- und Unlustgefühle als eigenständig zu behandelnde Qualitäten emotionaler Regungen ein. So erwähnt Kenny zwar die Unterschiede zwischen organisch bedingten und nicht organisch bedingten sowie zwischen lokalisierten und diffusen Gefühlen. In bezug auf emotionale Gefühle, die er davon abzugrenzen versucht, vertritt er aber dann die folgende Auffassung: „[...] feelings are linked more directly to the symptoms of an emotion than to motivated action. Trembüng, blushing, psychogalvanic reflexes, and cardiac disturbances are symptoms [,..]."295
Demnach bezieht Kenny allein solche Gefühle in seine Überlegungen zum Emotionsbegriff ein, die Wahrnehmungen von körperlichen Sensationen bzw. S-Gefühle sind. Im Rahmen seiner Rekonstruktion der Geschichte moderner Emotionstheorien vertritt William Aiston unter Berücksichtigung des ,Ockhamschen Ökonomieprinzips' folgende Meinung: „Wenn man annimmt, dass Gefühle auf jeden Fall auch von Körperwahrnehmungen begleitet sind, dann ist es offensichtlich einfacher anzunehmen, dass die .Gefühls'komponente in den Gefühlen nur ein Komplex von Körperwahrnehmungen ist, als für jede unterscheidbare Art von Gefühl eine spezifische unanalysierbare Qualität zu postulieren. Sofern die einfachere Hypothese nicht irgendwelchen gesicherten Daten widerspricht, zeigt die Wahl der
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komplizierteren lediglich eine Vorliebe für die Vervielfältigung letzter Qualitäten."296 Und auch Lyons identifiziert emotionale Gefühle mit Wahrnehmungen physiologischer Veränderungen, wenn er schreibt: „[...] wenn, wie ich zu zeigen versuchte, der dispositionelle Gebrauch von ,Liebe' von der Möglichkeit des auftretenden Gebrauchs des Wortes abhängt, dann folgt daraus, dass ,Ich liebe Dich' nur möglich ist, wenn der Sprecher physiologische Veränderungen durchgemacht hat und gewöhnlich auch die darauf folgenden Gefühle für den Angeredeten in der Vergangenheit durchlebt hat."297 Es scheint in der einschlägigen Literatur Konsens zu sein, nur S-Gefühle im Rahmen einer komponentalen Konzeption von Emotionen zu berücksichtigen. Das Problem, das ich dabei sehe, hat mit einer unzureichenden phänomenologischen Differenzierung zwischen S- und H-Gefiihlen und ihren Funktionen innerhalb emotionaler Vorkommnisse zu tun. Zwar besitzen wahrscheinlich alle Gefühle — also auch Lust- und Unlustgefühle irgendeine körperlich-materielle Grundlage. Welche physiologische, hormonelle und/oder neurologische Beschaffenheit S- und H-Gefühle haben, ist allerdings sowieso nicht philosophisch zu entscheiden, sondern eher eine empirisch zu lösende Aufgabe. Da es im Zusammenhang philosophischer Emotionstheorien darum geht, den Beitrag von Gefühlen zur Identität von Emotionen auf begrifflicher Ebene zu erörtern, ist eine Entscheidung auf empirischer Ebene gar nicht erforderlich. Neben den spürbaren physiologischen Veränderungen und ihren Wahrnehmungen (S-Gefühle) gibt es auch eine subjektiv erlebbare, phänomenale Qualität, die H-Gefühle in emotionale Situationen einbringen. Was m.E. also unterschlagen wird, wenn man Lust- und Unlustgefühle pauschal mit den wahrnehmbaren Körperwahrnehmungen unter eine Kategorie verbucht, ist die subjektive Erlebnisqualität der Emotionen selbst. Gerade weil Emotionen nicht einfach mit Körperveränderungen identisch sind, kann auch ihre Empfindung nicht oder zumindest nicht ausschließlich in der Wahrnehmung von solchen Veränderungen bestehen. Die auszeichnende Eigenschaft von H-Gefühlen besteht vielmehr darin, den emotionalen Regungen insgesamt eine affektiv-werthafte Nu-
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ance zu verleihen. Das Spektrum dieser affektiv-werthaften Qualitäten der Emotionen erstreckt sich dabei von .angenehm' bis .schmerzlich'. HGefühle sind dabei ihrerseits Überbegriffe für ganz unterschiedliche Ausprägungen, zu denen auch Qualitäten wie Erleichterung und Belastung, Erhebung und Dämpfung gehören. Dass die mit Emotionen einhergehenden H-Gefiihle nicht einfach Ausdruck von physiologisch auffälligen Veränderungen sind, kann man sich auch an einem beliebigen Beispiel leicht vergegenwärtigen. Denken wir uns z.B. jemanden, der auf eine lobende Anerkennung seiner Leistungen mit Stolzgefühlen reagiert und sich dabei wohl fühlt. In seinem Stolzaffekt fühlt er dann nicht nur, wie ihm das Blut in den Kopf steigt, ihm warm wird, seine Brust sich weitet, die Muskeln sich straffen und eventuell noch der Verhaltensimpuls, sich zu bedanken, aufkeimt. Er wird in Verbindung damit auf jeden Fall auch einen psychischen Effekt der lobenden Anerkennung registrieren, der sich in dem Gefühl eines gesteigerten Selbstwerts manifestiert. Das Gefühl eines gesteigerten Selbstwerts ist im Stolzaffekt nicht von den besagten Körperveränderungen und Wahrnehmungen abzukoppeln, geht aber auch nicht darin auf. Faktoren wie soziale Ansprüche und Wünsche wirken auf das Befinden der Person in einer solchen Lage ebenso ein wie die Phantasie, gemäß einer anerkannten Norm ein Ziel erreicht, etwas Wichtiges geschafft zu haben. Die betroffene Person fühlt sich aus diesem Grund stark, in ihrer Existenz legitimiert und eventuell noch einiges mehr, was von der konkreten Leistung, Situation und Persönlichkeitsstruktur des Betreffenden abhängt. Diese nur zu einem begrenzten Teil als Körperwahrnehmungen zu beschreibenden Gefühle und die auch sozial und psychologisch bedingten Konsequenzen für den Selbstwert der Person bestimmen gemeinsam die phänomenale Gesamtqualität dieser besonderen Stolzerfahrung — und damit das positive subjektive Gefühl dieses Affekts im Ganzen. Daher gehört die gefühlsmäßige Qualität von .Stolz' weder eindeutig auf die Seite seiner rein körperlichen Merkmale noch auf die seiner intentionalen oder behavioralen Eigenschaften. Wenden wir uns von dieser Beschreibung aus nochmals dem allgemeineren Verhältnis von Gefühlen und Emotionen zu, so ergibt sich jetzt folgendes Bild: Die Kritik der modernen Emotionstheorien an der Gleichsetzung der Emotionen mit körperlichen Selbstwahrnehmungen und Empfindungen ist gerechtfertigt und auch die Differenz von Emotionen und Gefühlen ist zu vertreten. Mit der Mehrheit der einschlägigen
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Autoren stimme ich darin überein, dass das Vorkommen von Gefühlen generell an Körperlichkeit in einem weiten Sinn gebunden ist und daher selbst Gefühle von Lust und Unlust zugleich körperliche Selbstwahrnehmungen sind. Der feine und bedeutsame Zusatz, um den es mir hier geht, kommt durch eine Art phänomenalem Überschuss herein, der den spezifischen Beitrag der H-Gefühle zu Emotionen ausmacht. Dieser phänomenale Überschuss der emotionalen Gefühle besteht eben in jenen unlokalisierten, subjektiv spürbaren Rückwirkungen der anteiligen Wahrnehmungen, Handlungswünsche und Objektvorstellungen, die für Emotionen insgesamt konstitutiv sind. Anders gesagt: Emotionen weisen nicht nur SGefuhle auf der Ebene ihrer Bestandteile auf, wenn sie z.B. mit Empfindungen von Muskelanspannung oder körperlich lokalisierbaren Wahrnehmungen wie Herzstichen einhergehen. Emotionen haben außerdem auch selbst noch eine gefühlsmäßige bzw. phänomenale Qualität, die sich darin nicht erschöpft. Erst mit der Dimension von H-Gefühlen kommt eine spezifisch emotionale Werthaftigkeit ins Spiel, sofern sie es sind, die eine Schwächung oder Stärkung des subjektiven Befindens affektiv bezeugen. Halten wir dies als Zwischenergebnis fest, so stellt sich nun die Frage, wie wir den Stellenwert dieser phänomenalen Qualität von Emotionen für ihre Konzeption einschätzen. Bevor ich auf diesbezügliche Vorschläge am Beispiel von Aristoteles und Green eingehe, möchte ich dieses Zwischenergebnis gegen die Auffassung verteidigen, die ich unter Punkt (3) aufgeführt habe. Rekonstruieren wir kurz das Argument. Ad (3) Um herauszufinden, welche Komponenten notwendigerweise immer vorliegen müssen, wenn wir Emotionen zuschreiben, bestand das Verfahren der diskutierten Ansätze bisher darin, anhand diverser Beispiele vergleichend durchzuspielen, welche Komponenten für das Verständnis und die Distinktdon emotionaler Reaktionen notfalls verzichtbar sind. Das Ergebnis dieser Überlegungen war: Der evaluative Bezug auf einen Gegenstand ist die einzige Komponente, die wir stets für die Distinktion von Emotionen brauchen. Wie sich dabei etwas für eine Person anfühlt, ist für die Identifikation und Zuschreibung von Emotionen prima facie überflüssig. Geltend gemacht wurde dafür unter anderem, dass Gefühle für manche Emotionstypen wie Hoffnung, Neugierde oder Dankbarkeit ohnehin nicht spezifisch sind oder besonders deutlich ausfallen. Und das wurde nicht als Besonderheit allein der schwachen Emotionen angese-
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hen. Vielmehr könnten selbst sehr stark emotional erregte Personen derart mit einem Sachverhalt verstrickt sein, dass sie keinerlei phänomenale Selbstwahrnehmungen registrieren. Pitcher hält es von daher für überflüssig, darauf zu bestehen, dass stets irgendwelche Gefühle beteiligt sein müssen, damit von einer emotionalen Reaktion die Rede sein darf. Sofern also nicht jedem emotionalen Vorkommnis auch eine eigentümliche Gefühlsqualität zuzukommen scheint, hält die Mehrheit der kognitivistischen Komponententheoretiker Gefühle generell für epiphänomenal. Diese Schlussfolgerung geht m.E. zu weit. Es ist zwar richtig, dass die Distinktion von Emotionen nicht über eine Distinktion von Gefühlen (H- und/oder S-Gefühlen) laufen kann. Zu bedenken ist aber, dass wir häufig sehr wohl die Beteiligung von H-Gefühlen unterstellen, wenn wir Emotionen zuschreiben. Das ist Ausdruck der Tatsache, dass wir es hier nun einmal mit affektiven Phänomenen zu tun haben. Die Trivialität dieser Tatsache mag selbst mit ein Grund dafür sein, dass sie so häufig übersehen wird. Wenn wir ab und zu in der (Selbst-) Zuschreibung emotionaler Reaktionen von den sie begleitenden S-Gefühlen absehen, lässt sich daraus nicht ableiten, dass keine H-Gefühle beteiligt sind oder sein müssen. Hierfür gibt es auch andere, plausible Interpretationsmöglichkeiten, die zu Unrecht übergangen werden, wenn man wie Pitcher direkt von ruhigen Emotionen wie Hoffnung oder Neid auf die Verzichtbarkeit von Gefühlen für den Emotionsbegriff im ganzen schließt. Gegebenenfalls wollen wir nur Redundanz vermeiden und nicht extra explizieren, was wir für selbstverständlich halten, nämlich dass Personen, die sich schämen, eifersüchtig oder verliebt sind, sich selbst dabei auch irgendwie gut oder schlecht - fühlen (H-Gefühle). Und selbst wenn, wie in dem erwähnten Fall starker emotionaler Erregung, die begleitenden Gefühle nicht im Fokus der bewussten Aufmerksamkeit des Betroffenen stehen, so sind sie dennoch im Hintergrund vorhanden und können auf Nachfragen auch bewusst gemacht werden. Und manchmal durchlaufen wir in einer emotionalen Lage so verwirrend verschiedene Gefühle, dass wir einfach nur nicht genau sagen können, welche im Einzelnen beteiligt sind. Wenn eine Person also behauptet, sich zu freuen oder wütend zu sein und dennoch, auch auf Nachfragen hin, daran festhält, überhaupt keine Gefühle zu verspüren, ist das für die meisten zu Recht ein klares Indiz dafür, dass sie keine echte Freude oder Wut oder welche Emotion auch immer hat. Es stimmt also nicht, dass Gefühle für das Verständnis
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der Emotionen und für ihre Zuschreibungen einfach verzichtbar wären, nur weil sie de facto manchmal im Vergleich zu anderen Merkmalen unserer emotionalen Interaktionen mit unserer Lebenswelt uneindeutig oder nebensächlich sind. In Liebesverhältnissen ist das Fehlen von positiven Gefühlen der Verzauberung und lustvollen Weltentrückung sogar ein Kriterium dafür, dass die Phase der Verliebtheit vorbei ist und diese nun entweder in Liebe übergeht oder das Ende des Verhältnisses zum anderen erreicht ist. Verliebtheit hat im Vergleich zur Liebe einen hedonistischen Zug gerade darin, dass ihre lustvollen Wirkungen bereits um ihrer selbst willen geschätzt werden. Der Bezug auf den anderen Menschen ist im Zustand der Verliebtheit noch nicht so differenziert und schon gar nicht so moralisch aufgeladen wie im Zustand der Liebe, mit ihren aufopferungsvollen und wohlwollenden Tendenzen. Der Andere kann dem Verliebten auch einfach nur als Auslöser der berauschenden Hochgefühle so schätzenswert erscheinen und genau so lange interessant bleiben, wie er auch tatsächlich die wünschenswerten Lustgefühle hervorruft. So wie im Positiven lässt sich auch die eigenständige Relevanz der HGefühle emotionaler Erfahrungen im Negativen hervorheben. Allein die Vorstellung oder Erfahrung der besonderen Qual, die z.B. Eifersucht mit sich bringt, motiviert manche Menschen dazu, entsprechende Situationen und Bindungen so weit es geht zu meiden. In einer solchen Vermeidungsstrategie, die eine Selbstschutzmaßnahme ist, drückt sich u.a. aus, dass Eifersucht, obwohl sie ein sehr komplexes Phänomen ist, bereits mit Blick auf ihr schmerzhaftes Potenzial bewertet wird. Der Punkt, um den es mir hier geht, dürfte jetzt klar geworden sein. Emotionen haben selbst eine positive oder negative phänomenale Qualität, die nicht in ihren anteiligen Wahrnehmungen physiologischer Veränderungen einfach aufgeht. Ihr hedonistischer Wert bemisst sich daran, ob sie als eher lustvoll oder eher schmerzhaft, als eher erhebend oder eher herunterdrückend erlebt werden.
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2.4.2 Hedonistische Wertigkeit der Emotionen: Zum Korrespondenzprinzip am Beispiel von Aristoteles
Aristoteles hat es von vornherein selbstverständlich gefunden, Gefühle der Lust oder Unlust als charakteristische Begleitphänomene der Emotionen zu betrachten. Er schreibt: „Affekte aber sind alle solche Regungen des Gemüts, durch die Menschen sich entsprechend ihrem Wechsel hinsichtlich der Urteile unterscheiden und denen Schmerz bzw. Lust folgen."298 Aristoteles hat dies in seinen Definitionen der einzelnen Emotionstypen dann so dargestellt, als ob Lustgefühle mit positivwertigen und Unlustoder Schmerzgefühle mit negativwertigen Emotionen einhergingen. Als positivwertig sind Emotionen wie Freude oder Stolz zu verstehen, in denen ein Sachverhalt oder Gegenstand in bestimmter Hinsicht positiv beurteilt, affirmiert oder gewollt wird. Und ergänzend dazu sind negativwertige Emotionen solche wie Neid oder Zorn, in denen ein Sachverhalt oder Gegenstand in bestimmter Hinsicht negativ beurteilt, abgelehnt oder nicht gewollt wird. 299 Der für unsere Thematik hier interessante Gedanke ist dabei der, dass emotional abgelehnte Dinge automatisch auch Unlust und emotional affirmierte Dinge Lust bereiten. Ich meine, dass sich diese Vorstellung einer durchgehenden Korrespondenz von Urteils- und Gefühlsqualität bei Emotionen nicht halten lässt. Um meiner Skepsis in dieser Hinsicht Substanz zu verleihen, möchte ich an typischen Fällen negativwertiger und positivwertiger Emotionen wie Zorn, Freude, Traurigkeit, Verliebtheit und Ekel durchspielen, in welchem Ausmaß sich ihre hedonistischen Qualitäten variieren lassen und in welcher Beziehung diese Qualitäten zu den Urteilskomponenten und anderen Faktoren emotionaler Erregung stehen. Wir können den Versuch einer eindeutigen Zuordnung bestimmter Gefühlsqualitäten von Lust oder Unlust zu den einzelnen Emotionstypen dann mit guten Gründen ablehnen, wenn sich zeigen lässt, dass die Differenzierung der Gefühle innerhalb des Spektrums von Lust bis Unlust zum Teil quer zur Differenzierung positiv- und negativwertiger Emotionstypen steht. Denn wenn dies zutrifft, können die einzelnen Emotionen nicht auf der Ebene ihrer formalen Bestimmung schon daraufhin festgelegt werden, ob sie als angenehm oder unangenehm empfunden werden. Vielmehr wäre dies dann von Fall
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wäre dies dann von Fall zu Fall herauszustellen. Außerdem gilt es, die zusätzlichen Faktoren zu benennen, die über die Urteilskomponente der Emotionen hinaus ihre hedonistische Qualität determinieren. In diesem Zusammenhang stoßen wir auch auf solche emotionalen Vorkommnisse, deren Urteilsebene bereits uneindeutig ausfällt, die also weder einfach in die Kategorie negativwertiger noch in die positivwertiger Emotionen fallen. Eine Kategorisierung aller Emotionen gemäß ihrer Urteile erschöpft sich nach meiner Auffassung nicht in einer dualistischen Einteilung von positiv- und negativwertigen Emotionstypen, sondern ist um die abstufbaren Mischformen zu ergänzen, die zwischen ihnen liegen. Wenden wir uns zuerst dem eindeutig negativwertigen Affekt des Zorns zu, um zu prüfen, ob er gemäß des .Korrespondenzprinzips' darauf festlegbar ist, mit Unlustgefuhlen einherzugehen. 300 Aristoteles selbst hat zunächst recht eindeutig ,Zorn' als „ein mit Schmerz verbundenes Trachten nach Rache für eine unrechtmäßige Kränkung" definiert. Hier harmonieren das negative Urteil und das folgende Schmerzgefühl miteinander, da beides negativ ist. Die Korrespondenz besteht darin, dass einem unerwünschten Ereignis — das schlechte Verhalten anderer — eine Verschlechterung des eigenen Befindens entspricht — Unlustgefühle. In der weiteren definierenden Beschreibung des Zornaffektes spricht Aristoteles dem negativwertigen Zorn jedoch auch einen Lustaspekt zu. Das scheint meiner vorherigen Deutung direkt zu widersprechen, in der ich Aristoteles unterstelle, er folge zumindest implizit einem Korrespondenzprinzip bei der Zuordnung von Urteils- und Gefühlskomponenten für jeden Emotionstyp. Es zeigt sich jedoch, dass das von Aristoteles eingeführte Lustgefühl wiederum eine positive Urteilskomponente spiegeln soll, da er einen positivwertigen Hoffnungsaspekt in den Zorn selbst einträgt: „Wenn man also das als Zorn bezeichnet, so folgt daraus notwendig, [...] dass der Zorn in jedem Fall von einem gewissen Lustgefühl begleitet ist, das auf der Hoffnung, sich rächen zu können, basiert; denn es ist angenehm, sich vorzustellen, man werde das, wonach man strebt, erreichen. Niemand aber strebt nach dem, was ihm unerreichbar erscheint. Der Zürnende aber strebt nach dem ihm scheinbar Erreichbaren."301
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Sogar einen weiteren Lustaspekt von Zorn sieht Aristoteles in folgendem begründet: „Es folgt nämlich sowohl deswegen [wg. der Hoffnung, C.V.] eine gewisse Lust als auch, weil man in Gedanken bei dem Sich-Rächen verweilt. Die dabei entstehende Phantasie flösst Lust ein wie bei den Träumen."302 Dem wäre aus meiner Sicht hinzuzufügen, dass nicht erst dann, wenn Rachepläne hoffnungsvoll verfolgt werden, auch Lustgefühle hinzukommen. Schon die aggressive Selbstentäußerung im Zorn kann an sich selbst eine Lustkomponente annehmen, insofern man sich darin als machtvoll und expansiv erfährt. Werden die aggressiven Zornesregungen vielleicht auch aus Hilflosigkeit geboren, so sind sie doch in sich selbst endadend und wirken oft bedrohlich nach Außen. Diese Lust an der eigenen Macht, die sich direkter noch im Jähzorn bemerkbar macht, ist dann weder durch das den Zorn identifizierende negativwertige Urteil (Kränkung) noch durch das positivwertige Urteil (Hoffnung auf Rache) determiniert. Macht ist überhaupt kein Urteil, sondern ein Vermögen, sich zu behaupten. Wenn die Umstände es zulassen und sich der Machtaspekt des Zornes nur intensiv genug entfalten kann, ist es möglich, dass die Zornesreaktion als ganze lustvoll empfunden wird. 303 Damit haben wir eine denkbare Variante einer negativwertigen Emotion vor Augen, die gleichwohl unmittelbar lustvoll erlebt werden kann und insofern eine gewisse Diskordanz zwischen Gefühlsqualität und Urteil aufweist. Bezieht man die graduierbare Intensität von emotionalen Gefühlen in die Überlegungen ein, lassen sich auch sehr einfach Fälle positivwertiger Emotionen vorstellen, die mit Unlustgefühlen einhergehen. Eine Verliebtheit, die in einer erotischen Begeisterung für eine andere Person besteht und insofern positivwertig ist, kann sich bei hoher Intensität zu einer beengenden Fixierung auf diese Person ausweiten. In dieser gesteigerten Form lässt sie gegebenenfalls kaum noch Raum für andere Beschäftigungen, von deren Ausübung aber auch das positive Selbstverständnis und Wohlbefinden abhängt. 304 Mit anderen Worten: Die Intensität der eigenen Verliebtheit kann übersteigert und allein dadurch zur Qual werden. Und selbst eine so eindeutig positivwertige Emotion wie Freude kann unter Umständen schmerzhaft empfunden werden. Das können wir an den Freudereaktionen über die Erfüllung eines sehr lange und tief er-
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sehnten Wunsches manchmal beobachten. Konkrete Beispiele dafür finden wir auch täglich in der Sensationspresse. Wenn z.B. Opfer von Entführern wochenlang unter katastrophalen Bedingungen ihrer Rettung entgegenbangen und diese dann plötzlich da ist, mag die Freude darüber eventuell so unfassbar sein, dass es zu Schwächeanfallen, Weinen sowie Sprachlosigkeit kommen kann, was nicht mehr eindeutig von einem Trauerverhalten abzugrenzen ist. Es gehört zur Eigenart und Affektivität der Emotionen, graduierbar zu sein und d.h. gefühlsmäßig schwächer und stärker ausfallen zu können. Wie ich zu zeigen versucht habe, beeinflusst der Intensitätsgrad der Gefühle z.T. die Lust- oder Unlustqualitäten unserer Emotionen. Der gefühlsmäßigen Intensität unserer Emotionen kommt sogar eine indirekt erkenntnisartige Funktion zu. Sie zeigt uns an, wie stark wir von einem negativ oder positiv beurteilten Objekt in unserem Sein betroffen sind. Ein Geschenk, das unser ,Herz höher schlagen iässt' und unser Gemüt in Wallung versetzt, ist für uns auch dann dadurch das schönere oder wichtigere, wenn es in anderen bewertbaren Hinsichten dem Vergleich mit anderen Geschenken nicht standhält, die uns jedoch nicht rühren. Die Intensität unserer Gefühle in emotionalen Situationen wird damit selbst manchmal zum zusätzlichen Kriterium der Wertbeimessung zu Objekten. Wenn diese Beispielbeschreibungen und ihre Deutungen einleuchten, lässt sich ihnen folgendes entnehmen: So wenig wir einer positiven oder negativen Objektbeurteilung in emotionalen Lagen eo ipso entnehmen können, ob sie lust- oder unlustbesetzt ist, so wenig können wir von einer umfassenden und in diesem Sinne extremem Objektbeurteilung, die einer Emotion zugrunde liegt, auf den Intensitätsgrad der sie begleitenden H-Gefühle schließen. Weder in evaluativer Hinsicht noch in einer anderen Hinsicht lässt sich demnach eine prinzipielle Kongruenz zwischen den Komponenten der Objektbeurteilungen und der H-Gefühle von Emotionen feststellen. Da manchmal die Lust- oder Unlustgefühle von Emotionen sogar auf die ihnen zugrunde liegenden Objektbeurteilungen einwirken können, ist auch nicht von einer einseitigen Determination der H-Gefühle durch emotionale Evaluationen auszugehen. Neben positiv- und negativwertigen Emotionen gibt es auch solche, die gemäß ihrer Urteile Mischtypen darstellen. Wenden wir uns der Schadenfreude als einer solchen gemischten Emotion zu, um zu sehen, wie sich das mögliche Verhältnis von Gefühl- und Urteilsqualität in ih-
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rem Fall darstellt. Desweiteren interessiert uns, von welchen bisher noch nicht genannten Faktoren die hedonistische Qualität der Emotionen zusätzlich abhängen kann. Schadenfreude ist, trotz ihres Namens, aus folgendem Grund keine Instanz einer schlicht positivwertigen Freude: Wir bejahen in der Schadenfreude zwar etwas, nämlich das Leiden eines anderen. Allerdings freuen wir uns nur dann über das Leiden unserer Mitmenschen, wenn wir zu ihnen ein negatives Verhältnis haben und wir sie entweder für irgendetwas bestraft sehen wollen oder sie um etwas beneiden. Dieser .bittere' Zug der Schadenfreude weist sie zugleich als eine Variante von Hass oder Neid auf die Vorzüge anderer aus. Entweder halten wir die Person, auf die sich unsere Schadenfreude richtet, für einen besonders schlechten Menschen oder wir meinen, sie sei zu Unrecht überprivilegiert. Wäre keine abwertende Einschätzung dieser Person im Spiel, könnten wir ihrem Leiden gegenüber auch mitleidig oder gleichgültig sein. Wenn Schadenfreude eine Art Mischform zwischen Freude und Hass oder Neid darstellt, dann ist eine Diskrepanz von Gefühlsqualität und Urteil in ihrem Fall gegeben, wenn sie mit ungemischten Lustgefühlen einhergeht. Denn diese würden dann nicht die negativwertigen Urteilsaspekte spiegeln, die ex hypothesis ebenfalls für Schadenfreude konstitutiv sind. Ob die Freude über den Schaden anderer Personen de facto mit Lustgefühlen einhergeht, hängt zusätzlich von den Bedingungen ab, unter denen sie auftritt. Schauen wir uns eine solche Bedingung näher an. Wie Hass und Neid, so sind auch Regungen der Schadenfreude aufgrund ihrer immanent zerstörerischen Wünsche sozial geächtet. Sofern wir eine normale Sozialisation erfahren haben, ist diese soziale Beurteilung der Schadenfreude wahrscheinlich ebenfalls verinnerlicht. So kann die eigene Schadenfreude wie alle Emotionen selbst zum Objekt höherstufiger Beurteilungen werden, die ebenfalls gefühlsmäßige Effekte bewirken. Die Schadenfreude mag dann Unlust hervorrufen, wenn die betroffene Person gemäß ihrem Selbstbild auf keinen Fall ein so gehässiger Mensch sein möchte. Die Abweichung von einem normativen Selbstbild kann aus sich selbst heraus oder vermittelt über die Generierung einer Emotion zweiter Ordnung, wie z.B. der Scham über die eigene Schadenfreude, zu starken Unlustgefühlen führen, die einen potenziellen Genuss der Schadenfreude überlagern.
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Fällt das kritische Selbstverhältnis weg, ist die Frage nach der hedonistischen Qualität der Schadenfreude wieder offen. Angesichts der Wunscherfüllung, die durch den Schaden bestimmter Personen oder Personengruppen zustande kommt, mag die Schadenfreude mit Gefühlen ungebrochener Erleichterung einhergehen. Ebenso ist es denkbar, dass sie einen in sich unbestimmten oder neutralen hedonistischen Ton annimmt, der auch eine eigene Qualitätsnuance darstellt. Dass es auch eine ambivalente oder neutrale Gefühlsqualität von Emotionen geben kann, ist ebenfalls im Rahmen der modernen Emotionstheorien unbeachtet geblieben und daher aus meiner Sicht nachzutragen. So existieren nicht nur auf der Urteilsebene der Emotionen Abstufungen, die von sehr positiven Objektbeurteilungen über gemäßigte und ambivalente bis zu sehr negativen reichen. Ebenso liegen zwischen den Polen der klaren Lustgefühle auf der positiven Seite der Skala und den deutlichen Unlustgefuhlen, die auf der negativen Seite anzusiedeln sind, Zwischennuancen gemischter und ambivalenter Gefühle. Unsere alltäglichen Emotionen der .kleinen' Freuden, Verärgerungen, Neugierden, Enttäuschungen oder Regungen von Langeweile haben sogar meist einen solchen mittleren hedonistischen Ton — sei es nun aufgrund mangelnder Intensität, inhaltlicher Irrelevanz, neutralisierender Wirkungen höherstufiger Beurteilungen oder einfach so. Festzuhalten bleibt: Der Versuch, sämdiche Emotionen mit Blick auf ihre Urteilsebene entweder in die Kategorie positivwertiger oder in die negativwertiger Typen einordnen zu wollen, zeigt sich als ebenso unzulässige Vereinfachung wie der Versuch, sie gemäß ihrer hedonistischen Qualität in entweder lust- oder unlustbesetzte Emotionen aufteilen zu wollen. Die intentionale und die gefühlsmäßige Ebene der Emotionen fallen jeweils in sich differenzierter aus. Darüber hinaus ist ihr Verhältnis zueinander variabel und entspricht nicht per se einer einfachen Kongruenz.
2.4.2.1 Die Veränderbarkeit der emotionalen Gefühle Für die Variabilität der H-Gefühle von Emotionen sorgen auch, wie wir sahen, Faktoren wie ihre Intensität und/oder höherstufige Beurteilungen der Emotionen. Da unsere Emotionen nie in einem Vakuum vorkom-
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men, sind die Bedingungen ihres Auftretens sowie ihr Zusammenspiel mit anderen Zuständen auch bei der Frage zu berücksichtigen, wovon ihre gefühlsmäßige Qualität - ihr .affektives Rauschen' sozusagen - im Einzelnen abhängt. Eine erfreuliche Überraschung, mit der man in einem erschöpften Zustand konfrontiert wird, mag einen weniger lustvoll begeistern, als wenn sie einen in einem ohnehin schon unbeschwerten Zustand trifft. Ein zusätzlicher Faktor, der für die Herausbildung und Entwicklung der Gefühlsqualität von Emotionen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, ist neben den bereits genannten Einflussgrößen auch die Dauer einer emotionalen Erregung. Anders als Schreckreaktionen erstrecken sich Emotionen, mit all ihren Facetten und Phasen, über einen bestimmten Zeitraum, haben also selbst einen sequenziellen und nicht punktuellen Charakter. Innerhalb der Zeitspanne ihres Aufbaus und Abklingens ist es normal, dass sie sich mehr oder weniger unmerklich auch mit anderen mentalen, affektiven und sonstigen Zuständen verbinden. 305 Solche Verbindungen mit anderen Zuständen sind keine esoterischen Sachverhalte. Sie kommen dadurch zustande, dass wir uns immer schon in dem einen oder anderen Zustand befinden, bevor wir emotional werden. Auch außerhalb emotionaler Erregungen geht es uns ja mehr oder weniger gut, mittelmäßig oder schlecht. Besonders Heidegger hat herausgestellt, dass Bewusstsein immer schon gestimmtes Bewusstsein ist. 306 Dies bedeutet, dass wir auf die Frage „Wie geht es Dir?" normalerweise zu jedem Zeitpunkt eine Antwort geben können. Jeder kennt z.B. Phasen, in denen er oder sie sich allgemein fragil und schwach fühlt und in denen dann selbst kleinste Kränkungen oder Belastungen zu unverhältnismäßigen Reaktionen und Konsequenzen führen können, einfach weil man überempfindlich gegenüber allem ist. Die Verknüpfung der Emotionen mit anderen Zuständen kommt außerdem auch noch dadurch zustande, dass wir uns in ihrem Verlauf zum Teil bereits zu ihnen verhalten. Wie wir uns zu unseren Emotionen verhalten, während wir sie durchleben, beeinflusst direkt ihre Entwicklung und daher auch die Weise, wie sie sich anfühlen. So erwähnten wir schon am Beispiel der Schadenfreude den Einfluss kritischer Selbstbildanforderungen und höherstufiger Beurteilungen auf ihren Verlauf und ihre Gefühlsqualität. Ebenso ist es normal, dass eine Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen im Laufe der Zeit gefühlsmäßig schwächer wird, weil man
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Strategien ausbildet, um mit dem Verlust fertig zu werden. 307 Obwohl der Verlust bleibt, verändert sich die darauf bezogene Trauer ihrem Charakter nach, sobald die betroffene Person bereit ist, den Schwerpunkt ihrer täglichen Beschäftigungen und Auseinandersetzungen auf andere Themen zu lenken und den Verlust zunehmend als unumstößliches Faktum ihrer Existenz zu akzeptieren. In unserer westlichen Kultur wird auch erwartet, dass eine gesunde Person über den Tod ihrer Eltern oder auch über eine unglückliche Liebe gefühlsmäßig hinwegkommt und d.h. unter anderem: den damit verbundenen Schmerz nicht ins Zentrum ihrer Existenz rückt. Verharrt jemand zu lange in seiner Trauer, wachsen irgendwann Misstrauen und Ungeduld der Mitmenschen darüber, dass er sich ,in seinem Schmerz einrichtet'. Womöglich, so ließe sich z.B. mutmaßen, versucht diese Person zumindest unbewusst von den Vorteilen der Trauererfahrung, zu denen soziale Rücksicht zählt, zu profitieren. 308 Natürlich ist auch das Festhalten an einem emotionalen Zustand eine eigene Form, sich zu seinen Emotionen zu verhalten und diese zu modifizieren. So schildert Marcel Proust in seinem Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit eine weibliche Figur, Leonie Octave, die nach dem Tod ihres Mannes auf eine solche Weise .entscheidet', ihr Leben nurmehr als Kranke im Bett liegend zuzubringen, obwohl sie keine feststellbare Krankheit hat. Sie jammert von diesem Zeitpunkt an täglich über ihren schlechten Zustand, reagiert aber extrem abwehrend und aggressiv auf alle Hilfestellungen und Ratschläge. Sie hat sich in ihrer Trauer so sehr eingerichtet, dass diese ihr zur neuen Identität wird, die sie wie einen Schatz verteidigt. 309 Der Schutz, den Leonie Octave aus ihrer „Krankheit" zieht, funktioniert jedoch nur solange, wie kein Außenstehender in ihre Selbstdiagnose einstimmt. Proust beschreibt das in folgenden Worten: „Ganz sicher also, nicht mehr empfangen zu werden, konnten alle diejenigen sein, [...] die dann im Verlaufe ihres Besuches [...] schüchtern etwas vorzubringen wagten wie: .Meinen Sie nicht, wenn Sie bei diesem schönen Wetter ein bißchen vor die Tür gingen ...' oder im Gegenteil auf ihre Bemerkung: .Ich bin recht schwach, recht schwach, es geht zu Ende, meine Lieben', ihr geantwortet hatten: A c h ja! Wenn man die Gesundheit nicht mehr hat! Aber Sie können es doch immer noch ein paar Jährchen machen', amüsierte sich Francoise [die Dienerin, C.V.] schon über das Entsetzen, das meine Tante befiel, wenn sie von ihrem Bett aus eine dieser Personen in der offenkundigen Absicht, sie zu besuchen, näher kommen sah." 310
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Eine solche Kultivierung der Trauer verstärkt einerseits das Schmerzgefühl, wirkt aber andererseits auch mildernd, weil die betreffende Person aus ihrer Ohnmacht eine Art magische Aktivität zaubert, indem sie den Verlust ihres Mannes wenigstens auf einer imaginären Ebene ständig aktiv reinszeniert. Sie transformiert insofern die Trauer und die Schmerzen über den ohnmächtig erlebten Verlust ihres Mannes, indem sie ihre Schmerzen geradezu verabsolutiert und daraus aktiv eine ganze Lebensform macht, die es ihr zudem erlaubt, sich als chronisch Kranke schonen und pflegen zu lassen. Dieser Fall markiert zugleich den Übergang eines Affektes in eine Haltung oder Charaktereigenschaft. Manche Emotionsbegriffe wie Trauer, Stolz, Eifersucht, Mut, Geiz, Liebe, Ehrgeiz und selbst Einsamkeit weisen diese Mehrfachbedeutungen auf, sofern man mit ihnen Emotionen sowie Haltungen und Charaktereigenschaften gleichermaßen bezeichnen kann, die fließend ineinander übergehen können. Als Charaktereigenschaft oder Haltung verstanden bezeichnen diese Begriffe eine typische Disposition von Personen, in verschiedenen Situationen mit dem gleichen Muster zu agieren und zu reagieren. Der/die Mutige ist dann z.B. jemand, der/die sich Herausforderungen generell stellt, anstatt ihnen zu entfliehen; der/die Traurige ist jemand, der/die sich generell eher in negativen Phantasien ergeht und leidet, anstatt aktiv und hoffnungsvoll zu sein; der/die Geizige ist jemand, der/die generell dazu neigt, sein/ihr Hab und Gut nicht mit anderen Menschen zu teilen und dieses vielmehr meist auf Kosten anderer zu mehren. Darüberhinaus gibt es, wie bereits im Zusammenhang der kognitivistischen Perspektive auf die Verhaltensdimensionen der Emotionen erwähnt, auch länger anhaltende Emotionen, die sich nicht deshalb schon zu einer Lebenshaltung oder generellen Disposition verfestigen müssen, nur weil sie andauern. Zum Teil ist es schwer zu entscheiden, ob es sich noch um einen irgendwann vorübergehenden emotionalen Zustand oder bereits um eine Verfestigung im Sinne einer affektiven Prädisposition einer Person handelt. Gerade die Trauer über den Verlust einer nahestehenden Person hält aufgrund der Wichtigkeit, die wir diesem Sachverhalt für unser Leben gemeinhin beimessen, meist länger an als andere Affekte. Dadurch erhöhen sich auch die Gelegenheiten, sich dazu widersprüchlich zu verhalten und entsprechend verschiedene Stadien der Affektverstärkung und —abschwächung zu durchlaufen. Normalerweise erreichen die meisten Menschen ihre Stabilität dadurch wieder, dass sie sich neu orientieren und Abstand von den Dingen oder Personen neh-
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men, mit denen sie jahrelang verstrickt waren und die sie nun verloren haben. Damit ist dann das Ende einer Trauer erreicht. In anderen Fällen können Menschen aber auch an solchen affektiv besetzten Verlusterfahrungen zerbrechen. Nur in diesem letztgenannten Fall mündet eine emotionale Trauererfahrung in eine gegebenenfalls lebenslang anhaltende Haltung der Hoffnungslosigkeit. Da Trauer von sich aus kein stereotypes Verhaltensprofil aufweist, zugleich aber eine sehr leidvolle Erfahrung ist, die zumindest die meisten Menschen überwinden möchten und müssen, wenn sie auf gute Weise weiterleben wollen, sind die Strategien ihrer Bewältigung individuell sehr verschieden und nicht immer eindeutig als Bewältigungsstrategien zu identifizieren. Gerade deshalb kann man nicht immer eine klare Linie ziehen zwischen einem emotionalen Zustand der „Trauer" und der Art, wie wir uns unmittelbar zu dieser Trauer verhalten. Die Grenzziehung zwischen der empfindungshaft-zuständlichen und der reflexiven Seite unseres emotionalen Erlebens ist also weit weniger eindeutig vorzunehmen als z.B. John Dewey mit der Figur des „psychologischen Fehlschlusses" suggeriert, da beides wie gerade dargestellt,innerhalb' einer Emotion untrennbar miteinander verwoben ist. Andere Emotionen sorgen gewissermaßen schon ,von sich aus' dafür, dass ihre Dauer begrenzt ist. Daher lässt sich nicht jeder emotionale Affekt in eine Haltung verwandeln oder auf die gleiche Weise wie Trauer z.B. zeitlich ausdehnen oder kultivieren. So weiß man nicht einmal, was es heißen könnte, dass sich jemand in seinem Ekel einzurichten versucht. Für diesen besonderen Emotionstypus ist es kennzeichnend, stark unlustbesetzt zu sein und spontane körperliche Abwehrreaktionen hervorzurufen, die dafür sorgen, eine Distanz zwischen angeekelter Person und dem Auslöser zu schaffen. Wendet man sich von dem Ekel erregenden Objekt ab, so verschwindet damit normalerweise auch der Ekel. Ob man dennoch Varianten finden kann, die zeigen, dass selbst Ekelerfahrungen Lust bereiten oder kultiviert werden können, bezweifle ich zwar, mag aber letztlich eine Frage der Phantasie sein. Jedenfalls sind die möglichen Formen selbst der Instrumentalisierungen von Emotionen und der Umgehensweisen mit ihnen sowohl relevant für ihre Lust- und Unlustqualitäten als auch für ihre immanenten Urteile bzw. evaluativen Objektvorstellungen. Proportional zum Andauern einer Emotion wächst voraussichtlich auch die subjektiv empfundene Relevanz des Objekts und das kann eine
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Funktion der Weise sein, wie weit sich die betroffene Person in ihre affektive Lage hineinsteigert. Um es nochmals deutlich zu wiederholen: Eine objektiv eindeutige Unterscheidung zwischen dem, was innerhalb einer emotionalen Sequenz unmittelbarer Ausdruck der Emotion ist und dem, was währenddessen als Umgehensweise mit der Emotion zu zählen hätte, ist häufig unmöglich. Das ist allerdings nicht, wie ich meine, auf eine bloße Ungenauigkeit in der Deutung unserer Emotionen zurückzuführen als vielmehr in der Sache selbst begründet. Verhaltensweisen wie die genannte Kultivierung der Trauer, die ich als einen exemplarischen Fall des Umgangs mit Emotionen beschrieben habe, können aus einer erweiterten Perspektive auf Emotionen wiederum als Ausdruck eben dieser Trauer selbst aufgefasst werden. Damit jedoch erfährt zugleich die entsprechende Zuschreibung der Emotion .Trauer' eine enorme Erweiterung in der Zeit, wobei innerhalb dieser Sequenz die Trauer mit weiteren kennzeichnenden Eigenschaften — wie z.B. einem mehrfachen Wechsel ihrer hedonistischen Qualität u n d / o d e r ihrer Verhaltenstendenzen und Phantasiebildungen - angereichert wird.
2.4.3 Holismus der Emotionen In den oben gegebenen Beschreibungen möglicher Einzelfälle habe ich deutlich zu machen versucht, dass und welche vermeintlich .externen' Faktoren — etwa ein kritisches Selbstverhältnis, Strategien der Kultivierung, Dauer oder gesellschaftliche Erwartungen an unsere Umgangsformen mit Emotionen - auf unser emotionales Leben und auch auf unsere Gefühle dieser Emotionen direkt einwirken können. Emotionen sind bei aller begrifflichen Abgrenzung von anderen mentalen Zuständen de facto immer schon untrennbar mit anderen mentalen Zuständen und Einstellungen verknüpft. Dieses Faktum lässt sich unter dem Stichwort des .Holismus der Emotionen' zusammenfassen. Die Frage, was als Element zu einer E m o tion gerechnet werden kann und wo ihre Grenzen verlaufen, ist häufig nur von den konkreten Situationen her ad hoc zu entscheiden. Dass dabei bestimmte Reflexionen, Umgehensweisen und auch Instrumentalisierungen der emotionalen Reaktionen zu diesen selbst gehören können, ergibt sich z.T. aus ihrem Aufmerksamkeit absorbierenden
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Charakter. Sie zwingen uns immerhin, unsere Konzentration zeitweise auf etwas Bestimmtes zu lenken, wovon wir uns z.T. nur mit Mühe wieder ablenken können und auch müssen, um uns unseren alltäglichen Anforderungen zuwenden und diese bewältigen zu können. Von welchen Gefühlen eine Emotion dann letztlich begleitet wird hängt davon ab, welche Ansprüche und Eindrücke in dem Zeitraum des Auf- und Abbaus einer emotionalen Sequenz auf die betroffenen Personen einwirken. Da wir praktisch nie in der Lage sind, unsere Emotionen und emotionalen Gefühle unabhängig von ihren direkten Wechselwirkungen mit Hintergrundgefühlen und anderen mentalen sowie körperlichen Zuständen zu isolieren, ist es ratsam, für diese Unschärfe auch theoretisch einen gewissen Spielraum einzuräumen. Schon die Gefühlsqualität der Emotionen scheint über ihre immanenten Urteilsaspekte hinaus von vielen verschiedenen Faktoren abhängig zu sein. Die Dauer einer emotional erregenden Situation und die darin statthabenden Interaktionen mit der Umwelt bestimmen ebenso die Weise, wie sich der Verlauf einer emotionalen Erregung im ganzen anfühlt, wie die aktuelle affektive Gesamtbefindlichkeit der betroffenen Personen. Zudem sind die Lust- oder Unlustqualitäten von Emotionen auch abhängig davon, wie diese selbst in das sonstige Welt-, Selbst- und Menschenbild der Personen integriert werden können. Desweiteren ist es erwähnenswert, dass unsere Gefühle in emotionalen Situationen auch davon beeinflusst werden, wie unser sonstiges Verhältnis zu einem akut emotional besetzten Gegenstand ausfallt, welche biografischen Erfahrungen wir in vergleichbaren Situationen gesammelt haben. Wenn sich z.B. Person A immer wieder über rituelle Handlungen ihres Kollegen B ärgert, mag die bloße Wiederholung dieser Handlungen dazu führen, dass A sich zugleich auf immer weniger aufgeregte Weise über B ärgert. Oder A ärgert sich im Gegenteil immer intensiver über das Gleiche, empfindet immer stärkere Unlustgefühle angesichts der aus ihrer Sicht ärgerlichen Handlungen von B, einfach weil sie durch die Wiederholungen dafür zunehmend sensibilisiert ist. Um schließlich den differenzierten Möglichkeiten Rechnung zu tragen, in denen verschiedene Gefühle an Emotionen beteiligt sein können, ist es aus meiner Sicht alternativelos, auf der Ebene ihrer allgemeinen Strukturbestimmung offen zu lassen, welche hedonistische Qualität sie im einzelnen haben. In Aristoteles leicht modifizierender Weise gilt es aber festzuhalten, dass Emotionen von mehr oder weniger bewussten
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H-Gefühlen begleitet werden, die auf einem Spektrum von Lust bis Unlust verlaufen. Das Verhältnis dieser gefühlsmäßigen Dimension emotionaler Regungen zu den anderen konstitutiven Emotionskomponenten lässt sich als eine Art Supervenienzbeziehung charakterisieren. HGefühle sind im Zusammenhang mit Emotionen zwar darin ontologisch unselbständig, dass sie die potenziell bewusste, subjektiv spürbare Seite des Zusammenspiels der heterogenen Komponenten von Emotionen darstellen. Sie sind jedoch - jenseits ihrer kausalen Abhängigkeit vom Zusammenspiel der anderen Komponenten — nicht selbst in diese Komponenten zergliederbar. Der ,ontologische Beitrag' der H-Gefühle zu den Emotionen ist zugleich spezifisch und nicht durch anderes zu ersetzen, weil sie den Emotionen erst ihre affektive Wertigkeit verleihen. HGefuhle bilden, metaphorisch gesagt, den subjektiven Ton emotionaler Reaktionen, auf den sich der Chor ihrer diversen Komponenten einstimmt. Von daher lassen sich fortan die H-Gefuhle als vierte Konstituente der Emotionen benennen.
III. Teil Die Narrativität der Emotionen Der von Emotionstheorien zu behandelnde Phänomenbereich fallt so vielgestaltig aus, dass sich nicht ohne weiteres von den identifizierenden Merkmalen beliebig ausgewählter Emotionen auf diejenigen anderer oder gar aller anderen Emotionen schließen lässt. Wie ich versucht habe deutlich zu machen, scheitern an solchen unkritischen Verallgemeinerungen die reduktionistischen Ansätze unter den Emotionstheorien, also die Gefühls- und Verhaltenstheorien, sowie zu einseitig kognitivistisch ausgerichtete Ansätze. Unbefriedigend sind letztere, sofern sie Emotionen - wie es etwa Solomon, Bedford oder auch Green tun - zu rigide an Urteile anzugleichen versuchen. Dabei bleiben die phänomenalen, funktionalen und logischen Unterschiede zwischen Emotionen und nicht emotionalen intentionalen Zuständen verdeckt. Generell sind Emotionen in mehreren Hinsichten von nicht-emotionalen Urteilen und Wünschen abzugrenzen. Zum einen bestehen schon in intentionaler Hinsicht Divergenzen: Nur die Emotionen sind ihrem Gehalt nach auf die spezifisch subjektiven Beurteilungen von etwas bezüglich seiner Wirkung auf das eigene Wohlbefinden eingeschränkt. In welcher genaueren Hinsicht das Wohlergehen betroffen ist - ob z.B. bezüglich der Sicherheit oder der Anerkennungsbedürfnisse oder bestimmter Besitzansprüche — wird in jeder emotionalen Situation über die evaluativen Objektbezüge konkretisiert. Zum zweiten weisen Emotionen als affektive Zustände — anders als bloße Meinungen und Wünsche — eine hedonistische Tönung auf. Es fühlt sich mehr oder weniger gut oder schlecht an, schuldig, verliebt, erfreut oder verärgert zu sein. Die Unterschiede zwischen nichtemotionalen intentionalen Zuständen und Emotionen machen sich drittens auch im Verhältnis zur Beurteilung ihrer Rationalität bemerkbar. Emotionen zielen ihren formal-semantischen Bestimmungen nach weder wie Überzeugungen auf .Wahrheit', noch wie Wünsche auf ,das Gute' oder ,das Wünschenswerte'. Die Rationalität einer Überzeugung ist z.B.
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eine Funktion der Wahrscheinlichkeit des Zutreffens ihrer Erfiillungsbedingungen, also der Wahrscheinlichkeit ihrer Wahrheit. Die Rationalität von Wünschen ist sowohl eine Funktion der Wahrscheinlichkeit, mit der die Erfüllungsbedingung, sprich: ihre Befriedigung erreicht werden kann, als auch eine Funktion der Nützlichkeit und Wünschbarkeit des Wunschinhaltes. Jeder Emotionstyp ist nun im Vergleich zu den volitiven und kognitiven Zuständen auf sein eigenes evaluatives Korrelat (formales Objekt) ausgerichtet, das als seine besondere Erfüllungsbedingung verstanden werden kann. 311 In Begriffen des evaluativen Szenarios muss eine gegebene Lage sinnvoll zu beschreiben sein, wenn eine normale Emotion generiert ist. Bedrohlich ist z.B. etwas, das einen Organismus geistig und/oder physisch in Gefahr bringt. Erfreulich ist z.B. das, was affirmiert wird und Luststeigerung zur Folge hat. Und enttäuschend ist z.B. etwas, das Pläne oder Ziele durchkreuzt und das Hintergrundgefühl der Vitalität kurzfristig mindert. Die formal gefassten, evaluativen Szenarien legen also fest, unter welchen Bedingungen und in welcher Hinsicht das subjektive Wohlergehen betroffen sein muss, damit ein bestimmter Emotionstyp auf einsichtige Weise zugeordnet werden kann. Mit den semantischen Erfüllungsbedingungen sind zugleich auch die minimalen Rationalitätsbedingungen der Zuschreibungen von Emotionen festgelegt. Es kann eben nicht etwas Beliebiges sinnvoll auf beliebig emotionale Weise besetzt werden. 312 Da Emotionen zudem nicht nur repräsentationale Zustände sind, sondern sich aus mehreren Komponenten (auch nicht-repräsentationalen) zusammensetzen, ist die Folge, dass auch ihre Beurteilungen — anders als die bloßer Meinungen und Wünsche — unter den Aspekten ihrer Angemessenheit und Nachvollziehbarkeit entsprechend vielgestaltig ausfallen 313 So können z.B. allein die emotional motivierten Handlungskonsequenzen sowohl hinsichtlich ihrer Funktionalität für den Handelnden selbst als auch bezüglich der Tolerierbarkeit für das soziale Umfeld der emotional agierenden Person in die Beurteilung der Emotion einbezogen werden. Nur unter anderem werden Emotionen auch in kognitiv-volitiver Hinsicht — mit Bezug auf ihre evidentiellen Grundlagen sowie die Begründetheit und Kohärenz ihrer kognitiv-evaluativen Implikationen — beurteilt.
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Da Emotionen als affektive Phänomene zudem noch graduierbare Phänomene sind, geht die Dimension ihrer Proportionalität ebenfalls als Kriterium in ihre Beurteilung ein. Ein gewisses Ausmaß an Furcht mag prinzipiell adäquat sein, wenn jemand z.B. aus routinemäßigen Gründen einer beruflichen Anstellung zu einem Amtsarzt gehen muss. Doch wenn die Furcht vor dem Arztbesuch derart ausufert, dass der Betroffene fast wie gelähmt ist, stimmt die Verhältnismäßigkeit nicht mehr. Darüber hinaus gibt es eine psychologische Dimension der Beurteilung von Emotionen, die ihre Authentizität und Glaubwürdigkeit betrifft sowie das Ausmaß, in dem emotionale Vorkommnisse kohärent in eine Biografie einzuordnen sind. Diese unterschiedlichen Beurteilungshinsichten können, auf ein und dieselbe emotionale Regung angewandt, auch in Spannung zueinander geraten. So kann ein Wutausbruch funktional in dem Sinne sein, als er authentisch und befreiend für eine ansonsten vielleicht eher gehemmte Person ist. Doch gleichzeitig mag derselbe Wutausbruch von der Situation her und hinsichtlich seiner sozialen Auswirkungen unangemessen und übertrieben sein. Die genannten Differenzen zu kognitiven und zu nicht-emotionalen evaluativen Einstellungen reichen aus, um die Grenzen eines zu eng gefassten Kognitivismus der Emotionen zu demonstrieren. Doch selbst dann, wenn es um die Bestimmung allein der intentionalen Komponente von Emotionen geht, erweist sich eine zu enge Ausrichtung an den von Green als .faktive Emotionen' bezeichneten Vorkommnissen - für die Tatsachenannahmen oder ,belief-desire-Verschränkungen' konstitutiv sind - als ergänzungsbedürftig. Für manche Formen von Emotionen wie Bewunderung, vage Befürchtungen und Hoffnungen, die Green als .epistemische Emotionen' abgrenzt, besteht die repräsentationale Grundlage eher aus wunschhaften Phantasien und ungefähren Vorstellungen als aus festen Meinungen. Bezieht man — in Abweichung von den Kognitivisten — zusätzlich den Zeitfaktor in die Analyse der emotionalen Intentionalität ein, so zeigt sich u.a. anhand lang anhaltender Emotionen - z.B. von jahrelangen Schuldgefühlen oder Ressentiments - sowie generell dann, wenn es um komplexe Emotionen wie Eifersucht, Liebe, Hass, Neid oder auch Mitleid geht, dass ohnehin ganze Formationen von Einstellungen und Wünschen ihren intentionalen Gehalt bilden. Wahrnehmungen, Meinungen
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und Wünsche gehen darin dann ebenso ein wie Phantasien und Mutmaßungen. Um diese breitere intentionale Grundlage der Emotionen theoretisch adäquat zu berücksichtigen, werde ich im folgenden versuchen, eine erweiterte intentionalistische Komponententheorie der Emotionen zu entwerfen.
3.1 Die narrative Einheit der Emotionen Zu einem vollen Begriff einer Emotion zählen 1.) intentionale Komponenten (d.h. kognitive, evaluative und imaginative 314 Repräsentationen), 2.) behaviorale Komponenten (wozu der unmittelbare expressive Körperausdruck ebenso zählt wie sprachliche und sonstige Handlungen), 3.) eine körperlich-perzeptive Komponente (d.h. Empfindungen auch physiologischer Veränderungen) sowie 4.) eine hedonistische Komponente (H-Gefühle). Durch die Einbeziehung der H-Gefühle als eigenständige, affektive Emotionskomponente wird es möglich, selbst ruhigen Emotionstypen wie Hoffnung oder Neid eine affektive Note zuzusprechen, sofern auch sie einen hedonistischen Ton haben. Um ruhige Emotionen von nichtemotionalen intentionalen Zuständen abgrenzen zu können, sah sich u.a. Lyons aufgrund der Nicht-Differenzierung zwischen S- und H-Gefühlen zu der Behauptung gezwungen, selbst episodalen Vorkommnissen von Hoffnung oder Neid noch ungewöhnliche Körperveränderungen als Begleiterscheinungen zuzuweisen. 315 Das leuchtet jedoch von phänomenologischer Seite her nicht ein. Ruhige Emotionen unterscheiden sich von aufwühlenden wie z.B. Scham oder Zorn gerade darin, dass keine auffälligen Erregungszustände mit ihnen verbunden sind. Dennoch fühlen wir natürlich auch etwas, wenn wir hoffen oder nur vage Befürchtungen haben oder neidisch sind. Diese affektive Seite an ihnen wird, so lautet mein Vorschlag, eben durch die besagten H-Gefühle abgedeckt. Die modernen Emotionstheoretiker haben es merkwürdigerweise nicht für nötig gehalten, die Verknüpfungen zwischen den einzelnen Komponenten der Emotionen zu thematisieren. Die Art und Weise, wie sich unserem Bewusstsein die Konstellation der für Emotionen konstitutiven psychischen, physischen, expressiven und gefühlsmäßigen Faktoren darstellt, bleibt in den zeitgenössischen Ansätzen gänzlich unterbe-
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stimmt. Aus meiner Sicht ist es jedoch evident, dass wir zusätzlich zur Aufzählung der wichtigsten konstitutiven Komponenten von Emotionen und den Bedingungen ihres Auftretens auch ihr formgebendes Prinzip erfassen müssen. Wir kommen diesem Ziel nach meiner Auffassung ein ganzes Stück näher, wenn wir die Emotionen nicht nur hinsichtlich ihrer fundierenden Wertmeinungen, sondern in ihrer psycho-physischen Gesamtkonstitution unter dem Gesichtspunkt ihrer übergeordneten Erkenntnishaltigkeit betrachten. Immerhin zeigen uns unsere Freuden und Leiden mit ihren geistigen und körperlichen Facetten auf entsprechend unterschiedlichen Niveaus an, wie es um uns steht, wie es um die konkreten Erfüllungen oder Verfehlungen unserer Bedürfnisse, Ziele und Sinnstiftungen in unserem Alltag und Leben bestellt ist. Der Zusammenhang zwischen den emotionalen Komponenten folgt dabei nicht der Logik einer bloßen Akkumulation. Wenn dem so wäre, dann könnten auch beliebige, zeitgleich vorliegende psycho-physische Veränderungen als emotionszugehörig interpretiert werden. Dass wir den multikomponentalen Emotionen vielmehr einen eindeutigen Sinn entnehmen, wenn wir sie uns oder anderen zuschreiben, macht eine kontrollierte Synthetisierungsleistung erforderlich. Wir erleben unsere emotionalen Regungen der Freude, Verliebtheit, Verzweiflung oder Traurigkeit im Ganzen als bedeutsam, wobei wir offenbar ihre vielen Facetten in eine intentionale Superstruktur integrieren. Meine These ist nun, dass die gesuchte Einheit der in sich komplexen Emotionen in dem besteht, was man formal als ,narrative Verknüpfung ihrer heterogenen Elemente' umreissen kann. Emotionales Bewusstsein und Erleben ist selbst immer schon narrativ strukturierendes Bewusstsein und Erleben. Dieser Vorschlag zielt gegenüber den Konzepten der bisher dargestellten Komponententheoretiker auf eine Erweiterung der intentionalen Verfassung von Emotionen. Denn neben den evaluativen Objektspezifikationen geht aus der von mir hier vertretenen narrativitätstheoretischen Sicht auch die Repräsentation der Verknüpfungen aller Komponenten noch mit in die emotionale Intentionalität der Emotionen ein. Die dabei über sämdiche Konstituenten der Emotionen supervenierenden H-Gefühle machen zudem ihre narrative Einheit auch in affektiver Hinsicht einheitlich erfahrbar. Der Begriff des .Narrativen' bezeichnet ganz allgemein eine .Synthetisierung von Heterogenem' und wird in unterschiedlichen Diskursen verwendet. 316 So kann man von einer Narration als dem Ergebnis einer
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absichtsvollen Schreib- oder Sprechhandlung reden, aber auch von einem Narrativ, womit abstrakt eine Struktur bezeichnet wird, deren heterogene Elemente durch Assoziation und zeitliche Verknüpfung in ein chronologisches Sinnganzes gebracht werden. 317 Für meine Überlegungen zur Einheitsfrage der Emotionen ist die strukturbeschreibende Bedeutung im Sinne des Narrativs produktiv zu machen. Allerdings verweist die narrative Struktur der Emotionen von sich aus auch schon auf Geschichten als die Sprachform, in der sie sich abbilden und objektivieren lassen. Während diejenigen Geschichten oder Erzählungen, wie sie im Film oder der Literatur vorkommen, Kunstformen darstellen, gibt es auch auf alltagspsychologischer Ebene Erzählungen, die zu den primären Artikulationsformen der Menschen zählen. Geschichten oder Erzählungen sind die sprachlichen Grundformen, in denen sich das menschliche Selbst318
und Weltverhältnis artikuliert. Da wir hier philosophisch nach der .Natur von Emotionen' fragen, so geht es natürlich nicht um Kunst- oder Sprachgebilde, sondern um die erklärende Beschreibung psychophysischer Entitäten, die als zentrale Bewusstseinsformen sui generis zur menschlichen Existenz gehören. Das dem Menschen eigene emotionale Bewusstsein seiner selbst im Verhältnis zur Welt verstehe ich als Form einer chronologischen Synthesebildung, in der ein thematisch gebundener Zusammenhang psychischer und physischer Elemente repräsentiert wird (Narrativ). Was wir dann emotional erleben und auf welche Weise, lässt sich wiederum in Geschichten darstellen. Die nachträglich reflektierende und aufarbeitende Einbettung emotionaler Erlebnisse in den Kontext einer Geschichte ist m.E. als Prozess einer bereits höherstufigen .Metanarration' vom unmittelbar narrativen Erleben einer noch unabgeschlossenen Situation erster Stufe zu unterscheiden. Daher lassen sich narrative Bewusstseinsformen erster und zweiter Stufe auseinander halten. Auch wenn die Grenze zwischen dem narrativ strukturierten emotionalen Erleben und einer darauf bezogenen narrativen Reflexion empirisch z.T. fließend sein mag, ist die Differenz einer ersten und zweiten Stufe eines narrativen Bewusstseins zumindest begrifflich im Auge zu behalten, um reflektierte von unreflektierten Reaktionen unterscheiden zu können. Allerdings gehört es zu den bekannten Erfahrungen, dass man im Verlaufe einer Erzählung die darin zum Ausdruck zu bringende Emotion im Prozess ihrer Artikulation selbst z.T. verändern kann. Wir nehmen dabei gegebenenfalls im Vergleich zum vorgängigen Erleben ei-
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ner emotionalen Sequenz partielle Umwertungen vor, die den thematischen Mittelpunkt des Narrativs verschieben, welcher aber gerade den Sinnhorizont der emotionalen Gesamtreaktion absteckte. Eine nur leicht erweiterte Perspektive auf eine emotional auslösende Situation kann z.B. unseren glühenden Zorn übertrieben erscheinen lassen oder umgekehrt dazu führen, eine zunächst noch vage Unmutsregung durch die volle Artikulation ihrer Gründe in Wut zu steigern. In der einschlägigen Literatur wird der Begriff des Narrativen insbesondere dann mit Emotionen in Zusammenhang gebracht, wenn es darum geht, ihre Aufarbeitung, Bewältigung oder auch Evokation zu beschreiben. Martin Löw-Beer spricht z.B. von einer narrativen Konstruktion der Angemessenheit von Gefühlen als normativem Prinzip. „Man sollte davon ausgehen, dass es möglich ist, Gefühle lebensgeschichtlich zu verstehen und angemessen zu machen. Unverständliche und unangemessene Gefühle sind nach diesem Prinzip unserem fehlenden Verständnis und Einfallsreichtum zuzuschreiben bzw. mangelnder Toleranz." 315
Erst dadurch, so Löw-Beer, dass wir Emotionen in eine Lebensgeschichte integrieren, werden sie selbst zu sinnhaften Erlebnissen, denen wir u.a. Wertvorstellungen entnehmen können. Nicht-integrierte Emotionen sind Abspaltungen, die dazu fuhren, das emotionale Erleben auf etwas Dingliches zu reduzieren, das man „allenfalls als angenehm oder unangenehm erfährt." 320 Martha Nussbaum untersucht diese Aspekte primär mit Blick auf die 321
literarische Verarbeitung menschlicher Erfahrungen. Dabei begreift Nussbaum Emotionen als .soziale Konstrukte', die insbesondere im Medium von Geschichten erlernt und reproduziert werden. „They are taught, above all, through stories. Stories express their structure and teach us their dynamics. These stories are constructed by others and, then, taught and learnt. [...] Indeed it seems right to say, [...] not only that a certain sort o f story shows or represents emotion but also that emotion itself is the acceptance of, the assent to live according to, a certain sort of story. Stories, in short, contain and teach forms of feeling, forms of life." 322
In diesem Verständnis dienen die Geschichten von emotionalen Reaktionen als Medien der intersubjektiven Vermittlung normativer Lebens-
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konzepte. Die emotional überzeugende Kraft gerade auch des plastisch dargestellten Lebens in Wort, Bild und Ton ist einer der Gründe, warum sich narrative Medien immer wieder zu Werbe-, Überzeugungs- oder gar Propagandazwecken ge- und missbrauchen lassen. Eben diesen kalkulierbaren Wirkungszusammenhang plastischer Darstellung und emotionaler Reaktion hat bereits Aristoteles im Blick gehabt, als er die Affekte 30 in seinem Lehrbuch der Rhetorik behandelte. In der Redekunst geht es ja ebenfalls darum, die affektiven Einstellungen und darauf gründenden Handlungsbereitschaften der Menschen durch möglichst detailliert ausmalende Rede zu beeinflussen.
3.2 Zur Historizität der Emotionen Annette Baier, Ronald de Sousa und Richard Wollheim sind repräsentativ für diejenigen zeitgenössischen Autoren zu nennen, die eine an der Psychoanalyse orientierte, historisierende Sicht auf Emotionen einnehmen. 324 Sie betrachten die definierenden emotionalen Korrelate der Emotionen als Objektivierungen frühkindlicher Prägungen. Den Sinn und die Angemessenheit jeder einzelnen emotionalen Regung bemessen Baier, de Sousa und Wollheim daran, inwieweit diese zur historischnarrativen Kohärenz beiträgt. Anders gesagt: Das Verständnis von Emotionen hängt daran, inwieweit sich über ihre Artikulation und Einbindung die Kontinuität einer individuellen Lebensgeschichte möglichst bruchlos fortschreiben lässt. Richard Wollheim spricht z.B. in Anlehnung an die Freudsche Psychoanalyse von der Phantasiebildung als Vehikel unbewusster Wünsche und imaginärer Wunschbefriedigung, die auch den narrativen Gehalt von Emotionen ausmachen. Wollheim geht davon aus, dass jeder emotionalen Phantasiebildung unbewusste Wünsche zugrundeliegen, die angstbesetzt sind und deshalb in verstellter Form repräsentiert werden. Daher benötigt man für die entschlüsselnde Analyse emotionaler Gehalte ihm zufolge ein ähnliches Instrumentarium wie Freud für die Traumdeutung: Eine psychoanalytische Symboltheorie sowie eine Theorie des Unbewussten. Nach Wollheim verweisen emotionale Narrative auf zwei grundlegende Charakteristika der Emotionen: auf ihre biografisch bedingte Bedeutung für eine Person sowie auf ihre biografische Determiniertheit. Die kulturell-historische Genese der Emotionen, die auch über
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Kulturvergleiche erschließbar ist, ist eine dritte historische Dimension der Emotionen, die Wollheim jedoch nicht verfolgt. 325 „Specifically I claimed, first, that the role of emotions is to provide the person with an attitude or orientation, where this is contrasted with a picture o f the world, which belief supplies, and with a target which desire provides, and, secondly, that the characteristic history of an emotion is that it arises out of desire satisfied or desire frustrated: that is, satisfied or frustrated (one) really and actually, or (two) in mere belief, or (three) prospectively."
Bei Amélie Rorty verbinden sich die sozialkonstruktivistischen Tendenzen Nussbaums mit den biografischen Rekonstruktionen von Emotionen durch Baier, de Sousa und Wollheim, wenn sie von einer .historischen Permeabilität' psychischer Haltungen spricht, zu denen sie die Emotionen zählt. 327 Sie meint damit, dass die vollen semantischen Gehalte der Emotionen nur im Rückgriff auf ihre lebensgeschichtliche Gewordenheit und Verwobenheit mit Charakterzügen, sonstigen Einstellungen und Erfahrungen eines Individuums narrativ einholbar sind. Das auszeichnende Merkmal emotionaler Haltungen ist für Rorty das, was sie deren .Historizität' nennt. Dabei unterstreicht sie, dass die Emotionen, als psychische Haltungen verstanden, auch im historischen Wandel sozialer, politischer und intellektueller Zusammenhänge gesehen werden müssen. Emotionale Objektbezüge greifen ihr zufolge schon von sich aus auf die gelebte Vergangenheit eines immer schon konkret historisch verorteten Individuums über. Daher muss man ihr zufolge ganze historischbiografische Geschichten identifizieren, wenn man eine Emotion hinlänglich identifizieren will. Der rein situative Objektbezug, den eine emotional erregte Person vornimmt und über den die Kognitivisten seit Kennys Einführung der .formalen' und .konkreten Objekte' die Emotionen bestimmt sehen, reicht auch aus Rortys Sicht nicht für eine angemessene Identifikation einer Emotion aus. „Doch sind die relationalen psychischen Haltungen keine Zustände, die durch die funktionale Beziehung zwischen dem Subjekt und irgendeinem Objekt (einer Person, einem Sachverhalt, einem propositionalen Inhalt) identifiziert werden. [...] Diese psychischen Haltungen erkennt man an den Einzelheiten
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der Erzählungen über die Interaktion zwischen Subjekt und Objekt, Interaktionen, die ebenfalls die an ihnen beteiligten Personen individuieren."
Psychische Haltungen wie Liebe, Sehnsucht, Freude weisen Rorty zufolge immerhin auch eine Gefühlsqualität auf, sind aber nicht darauf zu reduzieren. „Die Geschichte insgesamt macht jedoch die Haltung aus, nicht nur ihr ins Auge fallender, hervorgehobener, affektiver Aspekt." 329 Ähnlich wie Rorty argumentiert auch de^ Komponententheoretiker Peter Goldie dafür, Gefühle und Narrationen in die Konzeption der Emotionen und ihrer besonderen Form von Intentionalität einzubezie,
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Dabei kommt es ihm ebenso wie Rorty, Löw-Beer, Nussbaum, Baier und de Sousa auf den holistischen Gedanken an, dass Emotionen als Teile eines Ganzen, eines bereits narrativ strukturierten Lebens, zu verstehen sind. Er schreibt: „It is the notion of narrative structure which ties together and makes sense of the individual elements of emotional experience - thought, feeling, bodily change expression, and so forth - as parts of a structured episode; and in turn it underpins the way that individual emotional episodes relate to emotion of which the episode is a part, and this emotion to mood^ to character trait and to character, and to the person's life seen as a whole."
Im weiteren Verlauf seines Buches über Emotionen legt Goldie dann jedoch die Betonung auf die Rehabilitierung der Gefühle für die Konzeption der Emotionen, ohne den Gedanken einer internen Narrativität der Emotionen zu vertiefen, um den es mir hier geht. Unter den an Emotionen beteiligten Gefühlen versteht Goldie nun weder H- noch S-Gefiihle, sondern psychologische Phänomene, die er als „feelings towards" bezeichnet und die selbst bereits eine intentionale Komponente aufweisen sollen: „Feeling toward is, I say, an essentially intentional psychological phenomenon with a special sort of emotionally laden content, and it is also one which essentially involves feeling."
Diese bereits intentionalen „feelings towards" sollen ihm zufolge dann noch zusätzlich mit weiteren Gedanken verknüpft werden, so dass Ge-
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danken (thoughts) plus „feelings towards" die Emotionen im Wesentlichen konstituieren. Goldie schreibt: „So my position can be seen as retaining what is right about the traditional view that intentionality is essential to emotion, but bringing in feeling in the right place, as an ineliminable part of the intentionality of emotional experience, as directed towards the world from a point of view, not merely as an afterthought." 333
Diese Vorstellung von semantisch aufgeladenen Empfindungen (engl.: feelings) findet sich im Deutschsprachigen schon bei Max Scheler. Er drückt das so aus: „Nennen wir dieses aufnehmende Fühlen von Werten die Klasse der intentionalen Fühlfunktionen. Dann gilt für diese Funktionen durchaus nicht, dass sie erst durch die Vermittlung sog. .objektivierender Akte' des Vorstellens, Urteilens usw. mit der gegenständlichen Sphäre in eine Verbindung treten. Einer solchen Vermitdung bedarf nur das zuständliche Gefühl, nicht aber das echte intentionale Fühlen. Im Verlaufe des intentionalen Fühlens .erschließt' sich uns vielmehr die Welt der Gegenstände selbst, nur eben von ihrer Wertseite her. Gerade das häufige Fehlen von Bildobjekten im intentionalen Fühlen zeigt, dass das Fühlen seinerseits von Hause aus ein ,objektivierender Akt' ist, der keiner Vorstellung als Vermittlers bedarf."
Anstatt wie Goldie und Scheler die an Emotionen beteiligten Gefühlselemente bereits als semantisch aufgeladene Zustände aufzufassen, möchte ich im folgenden einen anderen Weg einschlagen. Wenn die an Emotionen beteiligten Gefühle angeblich selbst bereits einen .emotionalen Gehalt' implizieren, zu dessen Erklärung sie doch erst beitragen sollen, bringt dies m.E. ein unnötig zirkuläres Element in die Emotionsdefinition ein. Nach meiner Auffassung tragen Gefühle ( H - und SGefühle) vielmehr gerade deshalb etwas Spezifisches zu Emotionen und ihrer Intentionalität bei, weil sie selbst keine intentionalen Phänomene sind. Durch das natürlich gegebene Vermögen zu fühlen erfahren wir auch auf vorsprachliche Weise etwas über uns in der Welt. Wir fühlen einen Schmerz oder eine Lust, eine Aufregung oder Bedrückung unmittelbar körperlich. Ein inhaltlicher Zusammenhang solcher phänomenalen Gefühlsqualitäten mit dem Rest einer emotionalen Veränderung wird, wie ich meine, durch ihre Einbettung in ein emotionales Narrativ herge-
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stellt. Dadurch erhalten die an sich selbst semantikfreien Gefühlsregungen einen bestimmten Sinn, wie z.B. den, die positive oder negative Tönung einer emotionalen Regung wie Eifersucht mit all ihren repräsentationalen und motivationalen Elementen anzuzeigen. Der auf Emotionen bezogene holistische Grundgedanke, demzufolge sie nie isoliert, sondern immer schon vor dem Hintergrund von und im Verbund mit anderen affektiven und nicht-affektiven Zuständen vorkommen, drückt eine unbestreitbare Tatsache aus. Und dass es zu einem tieferen Verständnis der Emotionen beiträgt, wie Rorty, Baier, Löw-Beer et al. hervorheben, wenn man sie ins Verhältnis zu Charaktereigenschaften und der Biografie einer Person setzt, die wiederum durch die Anschauungen und Normen ihrer Zeit geprägt ist, dürfte ebenso unstrittig sein. Um die bereits immanent narrative Strukturiertheit der Emotionen selbst beschreiben zu können, muss man sozusagen einen Schritt hinter die holistische Einbettung der Emotionen zurück gehen. Während ich hier methodisch vom Vergleich emotionstheoretischer Strukturbeschreibungen ausgehe und dabei schrittweise den Begriff der Emotion um weitere Komponenten bis hin zur Integration des Narrativen erweitere, gelangen Nussbaum, Rorty, Baier, Löw-Beer, Wollheim und Goldie zu ihren historisch-narrativen Auffassungen der Emotionen sozusagen vom anderen Ende der Analyse her: Vom Verstehen und Beurteilen bereits vorliegender Emotionen. Goldie schreibt: „To make sense of one's emotional life including its surprises, it is thus necessary to see it as part of a larger unfolding narrative, not merely as a series of discrete episodes taken out of, and considered in abstraction from, the narrative in which they are embedded. A true narrative, as I understand it, is not simply an interpretive framework, placed so to speak, over a person's life; it is, rather, what that life is."
Für Goldie et al. wird die Narrativität erst interessant, wenn eine Emotion im Prinzip schon vollständig vorliegt und dann in eine Lebensgeschichte zu integrieren ist. Wenn Goldie, Löw-Beer, Rorty et al. aber Recht damit hätten, dass wir unseren emotionalen Regungen erst einen Sinn abgewinnen können, sobald wir sie in ein vollständiges Lebensgefüge einschreiben, würden wir streng genommen wohl kaum je dahin gelangen, einer alltäglichen
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emotionalen Reaktion einen Sinn abzugewinnen. Es wäre eine Überforderung unserer Reflexivität und aus meiner Sicht eine unnötig anspruchsvolle dazu, weil die Kenntnis einer emotional besetzten Situation in ihren Details und ihrer inneren Dynamik normalerweise völlig ausreicht, um die darauf bezogenen Affekte ihrem Sinn und Gehalt nach zu verstehen. Dass jemand sich z.B. auf zurückhaltende Weise über die Anerkennung seines Vortrags im Rahmen einer Konferenz erfreut zeigt, gehört gegebenenfalls einfach zum guten Ton in diesem Kontext und ist unabhängig davon, wie temperamentvoll dieser Teilnehmer sich ansonsten und außerhalb dieses Rahmens über Erfreuliches geriert. Seine zurückhaltende Freude ist vollständig dadurch zu erklären, dass er die Konventionen eines solchen Settings internalisiert hat und das eben in seinen affektiven Reaktionen zeigt. Und auch in den Fällen, wo jemand neue emotionale Erfahrungen macht, kann der Rückgriff auf die eigene Biografie uninformativ sein, weil dieser uns nichts anderes erschließen würde als eben die Tatsache, dass es sich gerade um eine neue und ungewohnte Erfahrung handelt. Uber den inhärenten oder gar tieferen Sinn z.B. einer ersten Liebe, den sie von sich aus für uns hat, wäre damit jedoch nichts gewonnen. Nussbaums und Goldies Gleichsetzungen des menschlichen Lebens mit Erzählungen scheinen mir eine zu starke Behauptung zu sein. Sowohl die Tatsache, dass wir manche biografischen Episoden immer wieder umdeuten können als auch die direkt dazu gegenläufige Tatsache, dass wir nicht jede beliebige Erzählung gleichermaßen gut auf uns beziehen können, spricht m.E. gegen eine vollständig narrative Identifizierung des menschlichen Lebensvollzugs. Erinnerungen und Perspektiven entziehen sich uns systematisch und wir stehen oft Verständnis- und ratlos vor unserer eigenen kontingenten und unüberschaubaren Existenz, die dennoch keine beliebige Fiktionalisierung oder narrative Beschreibung zulässt. Aufgrund dieser Fakten kommt u.a. Dieter Thomä in seiner systematischen Auseinandersetzung mit den modernen narrativen Konzeptionen menschlicher Identität zu folgendem kritischen Schluss: „Das Eigenrecht des Lebensvollzugs gegenüber der Erzählung entlastet diese von dem Anspruch, Form des Lebens selbst zu sein." Und einige Zeilen weiter heißt es:
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„Die Gegenwart ist der blinde Fleck, von dem aus Erzählungen in die Vergangenheit und in die Zukunft fortgesponnen werden, indem sie sich bewähren oder scheitern. In diesem blinden Fleck verbirgt sich die Komplikation, in die das Modell der Erzählung bei der Anwendung auf das Leben gerät. [...] Diese prinzipielle Unbestimmtheit ist die Voraussetzung dafür, dass sich etwas im Menschen exzentrisch zu seiner Erzählung verhalten, er also in einen Zustand der Unstimmigkeit geraten kann."
Was Goldie positiv über die narrative Identität eines ganzen Lebens konstatiert und Thomä aus meiner Sicht plausibel bestreitet, ist auf Emotionen bezogen durchaus zu vertreten: nämlich, dass sie als Bewusstseinsphänomene narrativ strukturiert sind - und außerhalb davon nicht existieren. Emotionen zuzuschreiben heißt demnach, eine zeitlich begrenzte Reduktion von Komplexität vorzunehmen und sich vorübergehend der selektiven Fokussierung eines partikularen Sachverhaltes bezüglich seiner positiven bis negativen Wirkungen auf das eigene Befinden zu überlassen. Kontingente und unverfügbare Elemente gehen dabei in ein emotionales Narrativ ein, weil es eben z.B. Gefühlsregungen, physiologisch bedingte Selbstwahrnehmungen sowie z.T. unkontrollierbare Assoziationsketten und Handlungsimpulse sind, die darin eine gemeinsame, sinnhafte Konstellation bilden. Die Einbettung von Emotionen in ,Metanarrationen' — d.h. Biografíe, Geschichte, Therapie etc. - ist gerade deshalb so reibungslos möglich, weil darin ihre ureigene, temporalisierte und zugleich thematisch begrenzte Form adäquat abgebildet werden kann. 338 Darstellbar ist in Form von Geschichten die zeitliche Erstreckung der Emotionen in all ihren Facetten, über Phasen der Auf- und Abregungen, die um ein zentrales Thema eines emotionalen Settings arrangiert sind — das je nachdem z.B. eine Verletzung, einen Gewinn, eine Wunschbefriedigung oder einen Verlust, eine Selbstwerterhöhung oder anderes beinhaltet.
3.3 Tanz der emotionalen Komponenten Bei den zeitgenössischen Komponententheoretikern finden sich zwar keine Aussagen über die Einheit der multikomponentalen Emotionen als Bewusstseinsphänomene. Doch immerhin finden sich Teilbeschreibungen von Verbindungen der in ihren Augen zentralen Komponenten von
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Emotionen, die uns füir die hier interessierende innere Dynamik der Emotionen durchaus weiterhelfen können. So hörten wir bei William Lyons z.B., dass das Befinden von Personen in emotionalen Situationen so in Mideidenschaft gezogen wird, dass die Wahrnehmungen von etwas in Begriffen der evaluativen Kategorien, die für jeden Emotionstyp festgelegt sind, ungewöhnliche physiologische Veränderungen zur Folge haben. Lyons These dazu, wie unser Befinden in emotionalen Situationen tangiert wird, enthält daher eine Aussage darüber, wie die evaluative mit einer körperlich-perzeptiven Komponente zusammenhängt, nämlich kausal. Im Rahmen seiner „kausal-evaluativen Theorie der Emotionen" versteht Lyons unter „Kausalität" eine schwache, modifizierte Version der 340
Humeschen Kausalitätsauffassung. Mit der Zuschreibung von Kausalität drücken wir ihm zufolge eine Regelmäßigkeit in der Abfolge von bestimmten Evaluationen und Körperveränderungen aus. 341 Eine solche Kausalhypothese ist dann als ,Schluss auf die beste Erklärung' anzuwenden, wenn in einer aktuellen Situation keine besseren Alternativen zur Hand sind, die unsere ungewöhnlichen Körperveränderungen zufriedenstellend erklären könnten. „It is quite simply a matter of being the best claimant in the circumstances for being the cause of the observed physiological effects." 3 4 2
Die Verursachungsrichtung verläuft dabei Lyons zufolge stets von den Evaluationen zu den Körperveränderungen und nicht andersherum. Emotionen sind für ihn mental verursachte Körperveränderungen und nicht - wie wir bei James z.B. lesen konnten - zunächst physische Veränderungen, die dann zu evaluativen Einschätzungen führen. Die Kognitivisten (insbesondere Gabriele Taylor und Anthony Kenny) konzentrieren sich zusätzlich — wie zuvor dargestellt wurde — auf einen zweiten Typus von Verbindung, die zwischen der intentionalen und behavioralen Komponente einer Emotion besteht. Die emotionsspezifischen Objektwahrnehmungen motivieren ihnen zufolge nämlich auch auf rechtfertigende Weise unsere Handlungen, sofern sie Präferenzen und Gründe für die aus ihnen folgenden Handlungen abgeben. Hier liegt also nicht bloß eine kausale, sondern eine Verbindung des Typs .Begründung' vor.
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So mag jemand aufgrund von Schuldgefühlen anderen Personen gegenüber zu kompensierenden Wiedergutmachungen motiviert sein oder jemand aus Dankbarkeit darüber nachsinnen, wie er sich gütig gegenüber einem anderen erweisen kann, der ihm einen Gefallen getan hat. Kausale und begründende Effekte gehen gleichzeitig von den intentionalen Objektspezifizierungen der Emotionen aus — da über Gedanken oder Wahrnehmungen sowohl physiologische Veränderungen als auch Verhalten hervorgebracht werden und diese Kausalwirkungen zugleich auch intelligibel sein müssen. Die von Kenny, Taylor und Lyons eingeführte semantisch-normative Dimension der intentionalen Objektwahrnehmungen und -beurteilungen lässt sich aus meiner Sicht ebenfalls für die Frage der inneren Einheit der emotionalen Komponenten produktiv machen. Wie erinnerlich, verstehen genannte Kognitivisten unter der Norm richtiger Zuschreibungen von Emotionstermen das Verhältnis formaler und konkreter Objektbesetzungen. 343 Die für Emotionszuschreibungen einschlägigen Intelligibilitätsbedingungen bestehen in der impliziten Forderung nach Übereinstimmung einer konkreten Emotionszuschreibung mit einem formal definierten Normalfall. Über die Kognitivisten hinausgreifend kann man nun auch darin eine weitere Art der Verbindung emotionaler Komponenten sehen, eben eine normative. Normativität kommt nicht allein der intentionalen Komponente zu, sondern betrifft sämtliche Komponenten einer Emotion und ihren Zusammenhang. Denn es muss ja die gesamte Konstellation der emotionalen Komponenten - und nicht nur ihr bewerteter Gegenstand zu einem Muster passen, das den Normalfall des entsprechenden Emotionstyps vorgibt. Wenn eine Emotion entsteht, müssen wir jeweils aus einem ganzen Netzwerk immer schon gleichzeitig vorliegender Zustandswechsel, Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen diejenigen .auswählen', die wir als Bestandteile oder Anzeichen der Emotion zu Recht auffassen können. So ist es zwar nahe liegend, körperliche Veränderungen wie Adrenalinschub und Hitzewallung auf eine unmittelbar bevorstehende Prüfung erklärend zu beziehen, die sich als bedrohlich erweist. Es wäre aber vergleichsweise abwegig, die womöglich zum selben Zeitpunkt empfundenen Schmerzen im Knie oder Wetterfühligkeit in denselben Zusammenhang zu stellen. Solche Körperregungen oder gefühlsmäßigen
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Veränderungen entsprechen eben nicht dem normalen Muster von Furchtreaktionen. Jenseits einer bloßen Regelmäßigkeit in der Aufeinanderfolge von Meinungen und physiologischen Veränderungen, die einzig von Lyons in den Blick genommen wird, drücken wir auch in unseren Zuordnungen der behavioralen und gefühlsmäßigen Regungen zu einem Emotionstyp Ähnlichkeit und Übereinstimmung mit einem definierten Normalfall aus. Die normative Ausrichtung am Standardfall betrifft also alle Dimensionen emotionaler Komponenten und nicht nur ihre doxastische Komponente. 344 Die bisher erwähnten Verbindungsmöglichkeiten der Konstituenten einer Emotion sind also, je nachdem, kausaler, begründender sowie normativer Art. Da Kognitivisten sich hauptsächlich für die Logik der emotionalen Objektbeziehungen interessieren, enden ihre Bemühungen dort, wo sie die kausalen, begründenden und normativen Zusammenhänge der doxastischen Implikationen von Emotionen — abgespalten von den anderen Konstituenten — benannt haben. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings eine komplexe innere Dynamik der Emotionen, die auch ihre intentionale Qualität nicht unberührt lässt und sich zusätzlich den nichtintentionalen Komponenten sowie ihren Wechselwirkungen untereinander verdankt. Wie Lyons hervorhebt, motivieren ungewöhnliche Körperveränderungen dazu, sie auf bestimmte Evaluationen kausal zurückzuführen, wodurch die Körperveränderungen als Ausdruck einer Emotion verstehbar werden. 34 Das ist aber häufig noch nicht die ganze Geschichte. Dauert die emotionale Regung ein wenig weiter an, können wir von dort aus noch einen Verständnisschritt machen. Wir erklären dann nämlich mithilfe der körperlichen Auswirkungen unserer objektspezifizierenden Vorstellungen oder Wahrnehmungen die evaluative Qualität dieser Vorstellungen oder Wahrnehmungen selbst. Manchmal zeigt uns erst ein Adrenalinschub oder das Aufkommen von Hitzewallungen an, dass wir z.B. einer unmittelbar bevorstehenden Prüfung gegenüber, auf die wir beide Phänomene beziehen, doch nicht neutral eingestellt sind, sondern uns vielmehr vor ihr fürchten. So gesehen nehmen wir wenigstens manchmal auch von den Körperveränderungen in Richtung auf die Evaluationen — die intentionale Komponente der Emotionen — einen .Schluss auf die beste Erklärung' vor. Die evalua-
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tive Qualität der besagten Prüfung verändert sich, nach Meinung des Betroffenen, aufgrund ihrer physischen Wirkungen auf ihn, von einer vormals relativ neutralen Angelegenheit in eine bedrohliche. James, aber auch Kognitivisten wie Perkins, Sartre und Lyons haben gerade deshalb die körperlichen Aspekte emotionaler Regungen hervorgehoben, weil diese unseren Wahrnehmungen von Welt eine subjektive Relevanz, eben eine affektive Wertigkeit verleihen. Wir nehmen eben häufig erst dann die Einschätzung einer Lage als uns persönlich negativ oder positiv betreffend wahr und ernst, wenn wir auch ihre Wirkungen am eigenen Leibe zu spüren bekommen. 346 Ebenso wie die gegebenenfalls an einer Emotion beteiligten physiologischen Veränderungen können auch die H-Gefuhle die intentionalen Objektwahrnehmungen beeinflussen. Im Zusammenhang meiner Überlegungen zur Rolle der an Emotionen beteiligten Lust- und Unlustgefühle habe ich gezeigt, wie allein ihre starke Intensität auf die anderen Elemente einer emotionalen Reaktion einwirken kann. Ein Geschenk, das uns rührt, so lautete ein Beispiel, und unser ,Herz höher schlagen lässt', kommt uns allein aufgrund dieses Effekts schöner als andere Geschenke vor, denen es sogar objektiv in vielerlei Hinsicht unterlegen sein mag. In einem anderen Fall mag das Nachlassen der Schmerzgefühle, die mit einer Trauer über den Verlust einer Person einhergehen, mit dazu beitragen, dass der Verlust aus dem Mittelpunkt der Aufmerksamkeit einer Person allmählich an den Rand rückt und zunehmend erträglicher wird. In wiederum anderen Situationen kann ein starkes Unlustgefühl die kognitive Einschätzung einer Situation als eine peinliche so verstärken, dass die Situation uns, nur aufgrund des anhaltenden Gefühls und obwohl sie an sich unverändert bleibt, zunehmend immer peinlicher vorkommt. Folgendes lässt sich m.E. daraus ableiten: Je länger und vehementer eine Situation gefühlsmäßig aufregend wirkt, desto tiefgreifender, wichtiger oder dramatischer erscheint einem das Heil oder Unheil auch zu sein, als dessen Wirkung man diese Veränderung im ersten Schritt aufgefasst hat. In diesen Fällen haben wir es mit objektverändernden Rückwirkungen auch der gefühlsmäßigen Komponenten zu tun. Anders gesagt: Sowohl die hedonistische als auch die körperlich-perzeptive Komponente wirken ihrerseits kausal auf die intentionale Komponente der entsprechenden Emotion zurück und begründen damit zugleich auch in evalua-
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tiver Hinsicht eine Bedeutungsverschiebung der doxastischen Implikationen. Auch die dritte, behaviorale Komponente von Emotionen kann z.T. von sich aus eine eigenständige Kraft entfalten, welche die emotionale Reaktion im Ganzen und die ursprünglich auslösende Objektwahrnehmung im Besonderen modifiziert. Je länger und stärker man z.B. den Wunsch hegt, sein Gegenüber schlagen zu wollen, desto tiefer und umfassender erscheint einem gegebenenfalls von dort aus rückschließend das Problem mit ihm zu sein. Mit Bezug auf die bloße Intensität und Dauer des Handlungswunsches können wir somit das Ausmaß unserer negativen Beurteilung dieser Person und die Steigerung der Wut auf sie begründen. Ich fasse zusammen: Neben der erklärenden Rückführung von Gefühlen sowie Körper- und Verhaltensveränderungen auf Evaluationen lassen sich also auch die objektspezifizierenden Evaluationen rückwirkend durch Art und Wirkung der anderen Komponenten beeinflussen. Diese verstärkenden oder abmildernden, jedenfalls verändernden Einflussmöglichkeiten der anderen Komponenten einer emotionalen Reaktion auf ihre evaluativen Anteile fallen, wie dargestellt, teils kausal und teils begründend aus und werden wahrscheinlicher, je länger die Emotion insgesamt andauert. Das Wechselspiel der emotionalen Komponenten untereinander ist also dynamisch und bewirkt weitere Kettenreaktionen. Wenn z.B. das Vorliegen bestimmter Lust- oder Unlustgefiiihle (H-Gefühle) die intentionale Komponente einer Emotion so beeinflusst, dass dadurch - wie im Beispiel der Freude über ein Geschenk - dem auslösenden Objekt entweder ein größerer oder auch geringerer Wert beigemessen wird, so hat das wiederum Konsequenzen für die weiteren emotionalen Handlungsfolgen. Während z.B. das anrührende Geschenk voraussichtlich besonders geschützt und gepflegt wird, wird ein anderes Geschenk, über das wir uns weniger intensiv freuen, bald schon in Vergessenheit geraten. Und die emotional motivierte Umsicht mit dem Gegenstand wird diesem wiederum noch mehr positiven Wert in unseren Augen verleihen, weil Menschen aufgrund ihrer Endlichkeit dasjenige schätzen, worin sie Zeit und Aufmerksamkeit investieren. So kann der subjektive Wert eines Dinges über die Zeit allein deshalb steigen oder fallen, weil es vermeintlich Grund und Auslöser einer sich selbst verstärkenden Reaktionskette wie gerade skizziert ist.
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Sofern die ruhigen Emotionen wie Hoffnung, Neugierde, Neid, Dankbarkeit oder Ehrfurcht normalerweise nicht mit ungewöhnlichen Körperwahrnehmungen einhergehen, sind es auch nicht immer solche, die einen Erklärungsbedarf verursachen, der zu Emotionszuschreibungen führt. Im Prinzip, so ist Lyons zu ergänzen, kann jedes konstitutive Element einer Emotion diese indizierende Rolle spielen. Sowohl Meinungen als auch Verhaltensneigungen oder H-Gefiihle können einen Erklärungsbedarf produzieren, der uns auf die Spur unserer eigenen Emotionalität bringt. So erkennen wir manchmal erst an einer extremen Abwertung eines anderen unsere Ressentiments ihm gegenüber oder an unseren ungewollt aggressiven Äußerungen eine dahinter liegende, verdeckte Wut. In anderen Situationen empfinden wir vielleicht nur ein starkes Unbehagen, das uns nach einer Erklärung suchen und diese in der Zuordnung zu einer Kränkung finden lässt. Das sprachlich erworbene Begriffsverständnis der Emotionsterme ermöglicht es uns erst, selbst vereinzelt wahrgenommene Körperveränderungen, Gefühle, Verhaltensweisen oder Meinungen als Anzeichen und Teile eines emotionalen Sinnzusammenhangs zu begreifen. Bei der Identifikation relevanter Veränderungen als emotionale Symptome orientiert man sich an bekannten Vorbildern, eigenen Erfahrungen und an Geschichten vergleichbarer Erfahrungen anderer Personen. Für emotional erfahrene Menschen ist es oft sehr schnell möglich, bereits an dem vereinzelten Auftreten besonderer Veränderungen etwas Typisches aus anderen emotionalen Situationen wiederzuerkennen. Ein z.B. häufig auftretendes Gefühl nervöser Unbehaglichkeit oder Schlafstörungen können dann prompt als Symptome einer aufkeimenden Versagensangst erkannt werden, noch bevor die betroffene Person die dazugehörigen Gedanken hat, die sie um das Scheitern ihrer Karriere kreisen lassen. In solchen Fällen erkennt man gewissermaßen in einem Frühstadium, dass und auf welche Weise man emotional ist oder gerade wird, noch bevor sich die Emotion in all ihren Facetten voll ausgebildet hat.
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Komponenten
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3.3.1 Der ,Heureka-Fall' In Standardfällen läuft die erkennende Zuordnung bestimmter Elemente der eigenen Reaktion zu einem Emotionstyp sehr schnell ab, so dass der beteiligte narrative Deutungsakt selbst nicht extra bewusst hervorsticht. In unsicheren oder schwierigen Fällen kann der Prozess der narrativen Zusammensetzung heterogener Elemente zu einem emotionalen Ganzen aber durchaus sichtbar gemacht werden. So registrieren wir manchmal erst im Nachhinein, wie es uns zu einem früheren Zeitpunkt in emotionaler Hinsicht eigentlich' ergangen ist, weil der Abstand es uns erst erlaubt, die z.B. über einen ganzen Abend versprengten Elemente des eigenen Verhaltens und Empfindens in ein Narrativ verdichtend zusammenzufügen, das z.B. dem Muster von .Langeweile' entspricht. Dass man seine Gelangweiltheit im Nachhinein aufdeckt, heißt nicht, dass an dem besagten Abend selbst das Bewusstsein der Langeweile irgendwie gegeben war, man es nur nicht bemerkt hätte. Was sollte das auch bedeuten? Oder anders gefragt: Wie ist eine unbewusste Emotion zu denken? Da ich über keine Theorie des Unbewussten verfuge und auch keine kenne, die weiterhelfen würde, muss dieser Fall anders beschrieben werden. Die einzelnen Elemente einer emotionalen Reaktion stehen zwar nicht alle gleichzeitig im Fokus der bewussten Aufmerksamkeit — und können es auch aus psychoökonomischen Gründen wohl nicht. Aber wenn dem betreffenden Subjekt auch das Bewusstsein einer positiven oder negativen Betroffenheit durch etwas fehlt, ist aus meiner Sicht auch keine Emotion generiert. Wenn z.B. ein Gastgeber erst im Nachhinein seine eigene Langeweile bei dem von ihm veranstalteten Fest eingesteht, fehlte zu dem von ihm erinnerten Zeitpunkt gerade die entscheidende Perspektive auf sich und seine Umwelt, die es dann bereits ermöglicht hätte, seine über den Abend verteilten, unterschiedlichen Reaktionsweisen als zusammengehörig und musterbildend für z.B. .Langeweile' wahrzunehmen. Aus dem Abstand heraus sieht er erst, dass ihn an diesem Abend nichts wirklich tiefer berührt hat. Die in seinem Gedächtnis rekonstruierten Gespräche und Begegnungen blieben ohne Unterhaltungswert an der Oberfläche und waren nur mühsam aufrechtzuerhalten. Er erinnert sich vielleicht sogar an die Wahrnehmung extrem langsam vergehender Zeit und an Anfälle großer Müdigkeit. Wäre er nicht selbst der Gastgeber gewesen, wäre er am liebsten gegangen usw. Über einen
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ganzen Abend verteilt können es also sehr viele verschiedene Eindrücke, Aktivitäten, Zustände und Begegnungen sein, die in narrativer Verkettung miteinander eine Langeweile insgesamt bedingen. Unverbunden in seiner bewussten Aufmerksamkeit blieben jedoch die Müdigkeitsanfälle des Gastgebers nur Müdigkeitsanfälle, sein langsam vergehendes Zeitgefühl nur das, was es war, ohne zu diesem Zeitpunkt eine konkrete emotionale Tönung und Bedeutung für ihn anzunehmen. Hätte es das fehlende subjektive Element eines Bewusstseins von Langeweile gegeben, hätte der Wechsel der Befindlichkeit des Gastgebers an dem Abend von ihm selbst thematisch vereinheitlicht, erklärt und damit auch verändert wahrgenommen werden können. 347 Sich nachträglich eine Emotion zuzuschreiben, die man zuvor nicht empfand, heißt einfach, dass man seinem Verhalten und seinen Gefühlen nachträglich einen neuen Sinn gibt und sie in einen anderen normativen Deutungsrahmen versetzt. Diesen potenziell erfahrbaren emotionalen Sinn auch empfunden zu haben hätte die Lage im geschilderten Fall für den Gastgeber erst zur tatsächlich langweilenden gemacht.
3.4 Der sequenzielle Charakter der Emotionen Den narrativen Prozess des Aufbaus einer Emotion kann man besonders gut anhand von Situationen sichtbar machen, in denen sich dieser Aufbau dadurch verzögert, dass man z.B. durch etwas anderes immer wieder abgelenkt wird. So geschieht es manchmal, dass die verschiedenen Veränderungen, die wir einer Emotion zuordnen, innerhalb größerer zeitlicher Abstände versetzt zueinander auftreten. Das kann man sich anhand einer beliebigen fiktiven Situation klar machen. Das Gefühl eines schmerzhaften Stichs in der Magengegend tritt z.B. am Anfang eines Gesprächs mit einer Person auf, die einem einen Vorwurf macht. Ab da verläuft sich erst einmal die Situation wieder, weil ein Dritter hinzukommt oder das Thema gewechselt wird. Erst am Ende des friedlich verlaufenden Abends stellt sich plötzlich der Handlungswunsch ein, sich für das zu entschuldigen, was einem am Anfang des Abends vorgehalten wurde. Wenn man dann insgesamt ein Schuldgefühl an sich feststellt, so umfasst dieses sowohl das Gefühl des Magenstichs am Anfang als auch den wesentlich später auftretenden Wunsch, sich zu entschuldigen. Denn beides wird auf den Vorwurf und das daraus resultierende Selbstbild,
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nämlich etwas Verbotenes gegenüber einem Bekannten getan zu haben, bezogen. Die Verlaufsgestalt einer Emotion, wie sie sich dem Bewusstsein durch die assoziierte zeitliche und kausale Aufeinanderfolge der psychophysischen Komponenten einer Emotion präsentiert, ist natürlich nicht stets die gleiche, sondern situativ variabel. Eine Furcht kann sich in der einen Situation durch ein bestimmtes Körpersignal ankündigen und in einer Flucht enden. In einer anderen Situation beginnt Furcht mit dem Impuls zu fliehen und endet in Erschöpfung. In einer dritten Situation manifestiert sich Furcht gegebenenfalls nur in anhaltend gesteigerter Aufmerksamkeit. Die dann einsetzende erklärende Zurückführung nichtintentionaler Regungen auf eine furchtspezifische Evaluation („Dort ist etwas Bedrohliches!") beinhaltet keine Fesdegung darauf, dass die Evaluation auch in einem zeitlichen Sinn Priorität haben und zuerst identifiziert werden müsste. Das kognitivistische Bild der Emotionen ist m.E. insofern erweiterungsbedürftig, als die intentionale Struktur bereits komplexer ausfällt als es gemeinhin dargestellt wird. Mit dem oben eingeführten Begriff der ,intentionalen Superstruktur' geht es mir um den Hinweis darauf, dass eine Repräsentationsleistung erforderlich ist, die sich auf die vielen geistigen und körperlichen Veränderungen synthetisierend bezieht, die ja aus komponententheoretischer Sicht erst zusammengenommen eine Emotion konstituieren. Dabei steuern auch die körperlichen, expressiven und gefühlsmäßigen Reaktionen zur Intentionalität der Emotionen bei, weil wir ihnen Informationen über den persönlichen — auch körperlich-gefühlsmäßigen — Wert einer Situation entnehmen können. Ihre narrative Verknüpfung sowie die deutende Unterordnung der dynamischen KomponentenKonstellation unter ein emotionsspezifisches Thema gehen in die Gesamtrepräsentation der Emotion ein. Die .intentionale Superstruktur' der Emotionen besteht aus meiner Sicht nun darin, dass ihre Elemente insgesamt — und nicht nur ihre unmittelbaren Meinungsanteile — als Bedeutungsträger eines thematischen Überbaus wahrgenommen werden. Deshalb können selbst einzelne körperliche (d.h. nicht-intentionale) oder gedankliche (d.h. intentionale) Regungen repräsentativ für eine ganze Emotion genommen werden. Die Verwendung der Metapher vom .gebrochenen Herzen' ist z.B. ein .pars pro toto' für Liebeskummer. Ebenso
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kann aber auch ein realer Magendurchbruch Ausdruck von großem Kummer sein. Wir können nur verstehen, was wir emotional besetzen, wenn wir zugleich verstehen, wie wir das tun. Daher gehören zur vollen Identifikation eines emotionalen Gehalts neben dem auslösenden Objekt die angedeuteten Wechselwirkungen zwischen den weiteren Komponenten dieser Reaktion hinzu.
3.5 Die Macht der Zuschreibung von Emotionen Den Akten der Zuschreibung von Emotionen kommt innerhalb meines Ansatzes eine zentrale Funktion zu. Unsere Emotionen bilden sich nicht unabhängig davon vollständig aus, worauf wir gerade unsere Verstehensbemühungen und unsere Aufmerksamkeit richten. Vielmehr wird eine Emotion erst im Vollzug der deutenden Zuwendung zu unseren ungewöhnlichen körperlichen und geistigen Veränderungen festgeschrieben. Alle objekt- und subjektseitigen Veränderungen sind als Phasen der Emotion selbst anzusehen, die eine Person innerhalb eines begrenzten Zeitraums dazu zählt. Das, was in der Zeitspanne von der emotionsauslösenden Objektvorstellung bis zum Abklingen der Gefühle auf ein Subjekt einwirkt, wird dabei in eben jene narrative Ordnung gebracht, die wir in paradigmatischen Situationen erlernt haben. Der willkürlichen Zuschreibung von Emotionen ist eine doppelte Grenze gesetzt. Weder suchen wir uns einfach voluntativ aus, was uns körperlich und/oder geistig bewegt, noch können wir den semantischnormativ abgesteckten Rahmen - ohne Verlust von Sinn - überschreiten, der die Zuschreibungsmöglichkeiten von Emotionen beschränkt. Mithilfe von erzählerischen Klischees und auch bildlichen Darstellungen oder Ausmalungen üben wir ein Verständnis der Dramaturgie ein, die einen bestimmten Typus von Interaktionen und Begebenheiten als Standardfälle von z.B. Furcht-, Scham- oder Liebessituationen qualifiziert. Unter Anwendung dieser erlernten Deutungsfolien auf uns in Relation zu unserer Umwelt ordnen wir einem in Frage kommenden Gefühl und/oder Handlungswunsch, einer Wahrnehmung und bestimmten Gedanken eine spezifisch emotionale Bedeutungsfunktion innerhalb eines Situationsverlaufs zu.
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Betrachten wir exemplarisch dafür, wie sich eine Regung der Peinlichkeit über verschiedene Stufen der Deutung und Umdeutung allmählich aufbauen kann. Am Anfang mag ein Gefühl von Unruhe zum Anlass dafür werden, sich auf weitere Merkmale einer sozialen Situation (z.B. eine Veranstaltung), in der man sich gerade befindet, zu konzentrieren. Das Unruhegefühl wird also zum Startsignal für eine Aufmerksamkeitsverschiebung. Man beginnt nun konkret die Personen um sich herum verstärkt zu beobachten und Vergleiche anzustellen. Diese vergleichende Tätigkeit ist der nächste vorbereitende Schritt für eine Bewertung der eigenen Lage in diesem Kreis. Die Ausdrucksweise der Menschen um einen herum, ihre Mimik, Gestik und Kleidung sagen etwas über ihre soziale Herkunft, Umgangsformen, Bildungsstand und darüber, ob sie auf ihre Außenwirkung bedacht sind oder nicht. Plötzlich überlegt man vielleicht, wie wohl die anderen einen jetzt einschätzen und beginnt - wie in einem Rollenspiel — die Perspektive zu wechseln und sich mit den Augen der anderen zu betrachten. Angenommen, der nächste Gedanke ist die Feststellung, dass man vergleichsweise nachlässig gekleidet ist und im Gespräch wenig Impulse geben kann. Man registriert, wie diese Selbsteinschätzung eine weitere Verkrampfung bewirkt. Das Unruhegefühl weicht jetzt einem manifesten Stressgefühl und damit einhergehenden Befürchtungen, den sozialen Anforderungen der gegebenen Situation nicht gerecht werden zu können. Die eigene Gestik wird plötzlich steif, der Tonfall hölzern und auch der Versuch, höflich auf eine Bemerkung eines anderen hin zu lachen, klingt in den eigenen Ohren gekünstelt und übertrieben. Diese Unsicherheit indizierenden Veränderungen verstärken noch den subjektiven Eindruck, fehl am Platze zu sein und sich irgendwie negativ auffällig zu benehmen. Würde an diesem Punkt die Situation abbrechen, weil z.B. das Programm der Veranstaltung beginnt oder einfach sonst ein Ereignis die Situation auflöst, wäre gerade noch eine manifeste Peinlichkeits- oder Schamregung vermieden. Dieselben Veränderungen in dieser Abfolge würden jedoch zu den Bestandteilen eines Affekts der .Peinlichkeit' gerechnet werden können, wenn sich die Situation bis zur manifesten Selbstabwertung („Ich bin zu schlecht gekleidet, zu schüchtern, zu ungebildet und zu verkrampft, um diesen Menschen ebenbürtig zu sein.") gesteigert hätte. Der Prozess eines stufenweisen Aufbaus einer Emotion läuft nicht immer so klar und linear ab, wie gerade dargestellt. Die Entwicklung hin
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zu einer als dezidiert peinlich empfundenen Selbstabwertung kann auch chaotischer verlaufen, mehrfach unterbrochen sein und dabei auch abwechselnd abgeschwächt und wieder gesteigert werden.
3.6 Die Kontrolle narrativer Emotionen Da die vielgestaltigen Emotionen anders als reflexhafte Schockreaktionen normalerweise nicht schlagartig ,über uns kommen', sich vielmehr erst sukzessive aufbauen, kann man manchmal auch auf verschiedene Phasen ihres Verlaufs Einfluss nehmen. Wie ich bereits im Zusammenhang der Beschreibung einer auch inneren Dynamik der emotionalen Komponenten untereinander thematisiert habe, ist z.T. eine Form von Kausalität im Sinne der wechselseitigen Verstärkung oder Hemmung zwischen einzelnen Emotionskonstituenten zu beobachten. Das ist z.B. der Fall, wenn eine starke körperliche Aufregung (Empfindungskomponente der Emotion) auch zu hektischem Verhalten (motivationale Komponente der Emotion) führt oder umgekehrt durch hektisches Verhalten die Komponente der körperlichen Aufregung einer emotionalen Reaktion verstärkt wird. Solche Wechselwirkungen können wir zum Teil im Umgang mit unseren Emotionen produktiv machen, indem wir sie bewusst zu steuern versuchen. So können wir uns z.B. darauf konzentrieren, uns ruhig zu verhalten, um eventuell durch den beruhigenden Effekt dieser Verhaltenskomponente auf andere Komponenten einer Stress-, Wut- oder Furchtreaktion die jeweilige Emotion im Ganzen zu mildern. Einflussmöglichkeiten auf Emotionen ergeben sich also dadurch, dass man die narrativen Verkettungen — z.B. die einer physischen Komponente mit dem Rest einer emotionalen Interaktion - bewusst zu dissoziieren versucht. In einer Situation des Lampenfiebers z.B. kann man sich zu diesem Zweck auf ein Element der körperlichen Aufregung zu konzentrieren versuchen. Man isoliert das Element der körperlichen Aufregung dadurch aus dem emotionalen Bedeutungszusammenhang wieder heraus, indem man beispielsweise losgelöst von jedem Objektbezug nur noch auf den Rhythmus des Atmens achtet. Gelingt es, die Aufmerksamkeit ganz auf die Atmung zu lenken, ist sie von dem Lampenfieber verursachenden Sachverhalt wieder abgezogen. Dadurch werden die zuvor fo-
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kussierten und narrativ miteinander assoziierten Elemente der eigenen Reaktion voneinander getrennt, so dass der innere narrative Zusammenhang auseinanderfallt, der das Lampenfieber jedoch ausmachte. Von dort aus kann dann noch zusätzlich jene Kettenreaktion im Körper der betroffenen Person einsetzen, die auch die anderen Elemente des Lampenfiebers (Zittern, Fluchtimpuls, Herzrasen, Panikgefühle und Angstphantasien) allmählich beruhigt. Natürlich beschreibt dies nur eine mögliche Verfahrensweise der emotionalen Selbstkontrolle, da es nicht immer in unserer Macht liegt zu entscheiden, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken wollen. Worauf es mir hier ankommt ist, dass verschiedene Akte von Deutungen - zu denen auch Assoziationen und Kausalhypothesen bezüglich des Zusammenhangs einzelner Komponenten zählen - in Emotionszuschreibungen eingehen, die potenziell anfechtbar und narrativ umdeutbar sind. Die Möglichkeit einer emotionalen Umstrukturierung durch Umdeutungen des Erlebten spiegelt sich auch auf der Ebene des reflektierten Umgangs mit Emotionen. In Erzählung und Gegenerzählung können Deutungsangebote unterbreitet werden, die das Verständnis einer emotionalen Reaktion verändern/erweitern. Eine emotionale Beurteilung von etwas lässt sich z.B. relativieren, wenn man an den vermeintlich passiv erlebten Aspekten einer emotionalen Situation die projektiven oder inauthentischen Anteile hervorhebt und sichtbar macht. So kann man z.B. einer ewig sich schuldig fühlenden Person die narzisstischen Aspekte ihrer Schuld darzustellen versuchen oder einem Trauernden eine Umwertung anbieten, indem man ihm gerade den Gewinn des von ihm beweinten Verlustes plastisch ausmalt oder indem man einer selbstmitleidigen Person ihre dabei übersehene Ignoranz gegenüber anderen demonstriert. Die unmittelbaren und die reflexiv gesteuerten Wechselwirkungen der intentionalen und nicht-intentionalen Komponenten einer Emotion verändern auch das, was in solchen Zuständen repräsentiert wird. Daher ist es nur sehr begrenzt sinnvoll, emotionale Korrelate als stabile Größen zu betrachten, die sich von ihren kausalen und rechtfertigenden Auswirkungen auf unser Befinden klar abgrenzen lassen. Was wir als .Objekte' der Emotionen bezeichnen, lässt sich nicht als etwas von außen an die Emotionen Herantretendes beschreiben, auf das diese dann mehr oder weniger adäquate Reaktionen darstellen. Aus der hier von mir entwickelten Perspektive auf Emotionen stellen ihre Objekte insofern selbst eine relativ unscharfe Größe dar, als diese erst in Begriffen ihrer vorübergehen-
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den und veränderlichen Wirkungen auf unsere Befindlichkeit und unsere Meinungen diejenigen Attribute annehmen, die ihre emotional relevante Wirklichkeit für uns innerhalb einer begrenzten Zeitspanne ausmachen. Zum Objekt unseres Ekels oder unserer Begeisterung oder einer sonstigen Emotion entwickelt sich etwas allein dadurch, dass es im Lichte der dynamischen Wechselwirkung unserer unwillkürlichen Regungen, Wahrnehmungen und auch Deutungen, die unsere emotionalen Interaktionen im Ganzen bestimmen, einen subjektiven Wert erhält. Die sogenannten .Objekte' unserer Emotionen sind also ebenso ihre Produkte wie ihre Gründe und Auslöser.
3.7 Fließende Grenzen der narrativen Emotionen Auf Basis des bisher Dargestellten gelange ich zu einer Sichtweise auf Emotionen, die es erlaubt, sie als Überbegriffe für thematisch geleitete, affektiv getönte, psycho-physische Relationen zu verstehen. Der Begriff der .Relation' verweist darauf, dass Emotionen nicht auf einer Seite von Subjekt-Objekt-Beziehungen zu verorten sind. Emotionen bezeichnen vielmehr — ähnlich wie für Amélie Rorty, die Emotionen als .dynamische, interaktive, historische und psychische Haltungen' versteht - irreduzibel diese ganzen Relationen selbst. 348 Die Charakterisierung von Emotionen als affektive Relationen hat u.a. den Vorteil, den in sich dynamischen und aktiv-passiven Doppelcharakter der Emotionen zu betonen. Personen treten in emotionalen Situationen mit anderen Personen, Ereignissen oder der Dingwelt in ein reziprokes Bestimmungsverhältnis ein. In der Zeitspanne, während der eine emotionale Erregung operativ ist, nimmt man etwas Benennbares so wahr, wie es einen jeweils auf den verschiedenen Ebenen der psychophysischen Konstitution affiziert. Dabei wirkt man im Zuge seines ,Affiziert-Seins' auch auf die Bedeutung und den Charakter dessen ein, worauf man nur zu reagieren meint. Die falsche Vorstellung, derzufolge wir in emotionalen Zuständen auf starre Objekte fixiert sind, gilt es zugunsten des hier gebotenen Neuansatzes zu revidieren. Unsere emotionalen Interaktionen weisen thematische Brennpunkte auf, wobei wir den involvierten Meinungen entnehmen können, was genau in unserem Leben gerade positiv oder negativ für uns ist. Zur vollen Identifikation eines emotionalen Objekts gehört
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jedoch nicht nur, wie die Kognitivisten behaupten, die mögliche Angabe der Auslöser und Gründe einer gegebenen Reaktion. Ebenso konturieren die oben angedeuteten Wechselwirkungen auf den verschiedenen Ebenen unserer emotionalen Interaktionen mit der Welt den inhaltlichen Fokus des Ganzen. Emotionen wie „Scham", „Furcht", „Liebe", „Hass", „Freude" usw. sind in meinem Modell Überbegriffe für die einander abwechselnden und miteinander wechselwirkenden Phasen geistiger und körperlicher Bewegungen. Ihre Einheit - und das ist ein Kerngedanke meiner narrativen Konzeption der Emotionen - ist das Resultat davon, dass diese Bewegungen auf einen gemeinsamen Sinn, einen thematischen Mittelpunkt eines Geschehens narrativ bezogen werden. Die dabei miteinander assoziierten kausalen, begründenden und normativen Beziehungen der diversen Komponenten, welche unsere Emotionen ausmachen, lassen sich sprachlich adäquat in Form ganzer Geschichten ausdrücken. Geschichten — nicht isolierte Propositionen - sind damit sozusagen die kleinsten Bedeutungseinheiten der Emotionen. Jene evaluativen Sachverhalte, über welche Kognitivisten die generischen Emotionsterme definieren, können nun als die propositional gefassten Kurzformen der wesentlich detaillierteren Narrative verstanden werden, über die Emotionen erst hinreichend individuierbar sind. Außer Schockreaktionen, die ohnehin zu den Grenzfällen der Emotionen zählen, benötigen normale Zorn-, Ekel-, Freude-, Enttäuschungs-, Schuld-, Scham- und Furchtreaktionen eine gewisse Zeitspanne, bis sie sich in all ihren Komponenten sozusagen aufgebaut haben. Erwähnt wurde schon das fiktive Beispiel eines Schuldgefühls einer Person, das sich über auseinander liegende Etappen eines ganzen Abends erstreckte. Andere Beispiele für dergestalt ausdehnbare Emotionen sind Ressentiments oder auch die bereits öfter erwähnten Trauererfahrungen, die ggbf. über Jahre hinweg anhalten bzw. immer wieder aktualisiert werden können. Besonders die komplexen Emotionen wie Liebe und Eifersucht gehören zu den emotionalen Paradigmen, für die eine zeitlich lange Erstreckung konstitutiv ist. Innerhalb der Zeitspannen, in denen sich eine emotionale Regung (erneut) aufbaut, verändert sich unsere körperliche und geistige Verfassung mehrfach und folgt dabei zumeist einem stufenweisen An- und Abstieg.
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Ebensowenig wie Emotionen aus dem Nichts heraus plötzlich entstehen, brechen sie abrupt an einem markierbaren Punkt ab. Wie wir sehen konnten, gibt es dynamische und mehrfache Wechselwirkungen zwischen den einer Emotion zugeordneten Körperveränderungen, Verhaltensaspekten, Gefühlen und Evaluationen. Solche Rückkoppelungen zwischen den Komponenten bewirken, dass Emotionen in sich Phasen der Steigerung und der Beruhigung erfahren können. Dabei kommt es sogar häufig vor, dass einzelne Komponenten insbesondere einer aufwühlenden emotionalen Regung sozusagen noch nachwirken, obwohl z.B. die evaluative Objektfixierung schon aufgelöst ist. Angenommen man ist tagelang empört über eine vermeintlich boshafte Intrige, die sich dann aber als Missverständnis herausstellt. Dann kann es sein, dass man sich eine Zeit danach noch körperlich und gefühlsmäßig aufgewühlt fühlt und selbst in mentaler Hinsicht einen Rest an Skepsis nicht ad hoc verliert, obwohl es nichts mehr gibt, worüber man sich emotional erregen kann. Solche Regungen lassen sich dann als Nachwirkungen der vormaligen Empörung interpretieren. Würde man nun besagte Regungen statt als .Nachwirkungen' einer abklingenden Emotion als .Indizien' für eine noch bestehende oder wieder bevorstehende Affektion deuten, wären dieselben Veränderungen allein aufgrund ihrer Positionierung in einem Situationsverlauf - eben als Signale einer neuen emotionalen Erregung oder einer neuen Steigerungsphase einer bereits gegebenen emotionalen Erregung signifikant. Die heterogenen körperlichen und geistigen Elemente unserer affektiven Relationen werden über solche Akte deutender Zuordnung in eine thematisch eingegrenzte Verlaufsstruktur eingebunden, die in bestimmte Phasen eingeteilt ist. Dabei weist eine volle emotionale Sequenz mindestens eine und häufig sogar mehrere vorbereitende, klimaktische und auslaufende Phasen auf. Eine solche .Dramaturgie' in der Phasenabfolge findet sich nicht nur bei lang anhaltenden Emotionen. Auch kurzlebige Emotionen wie ein Anflug von Freude oder eine Enttäuschung über eine Kleinigkeit haben einen ungefähren Anfang, einen Höhepunkt und eine Endphase. Was von Komponententheoretikern als .volle' Emotionen bezeichnet wird, sind in meinem narrativen Schema emotionale Vorkommnisse, die ihren Höhepunkt erreicht haben. Auf diesem Höhepunkt angelangt, weisen die meisten Emotionen anteilige Gefühle, Körperveränderungen, Meinungen und Handlungswünsche auf.
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3.7.1 Die sprachliche Abbildung narrativer Verknüpfungen Die innerhalb einer emotionalen Situation vorgenommene narrative Verknüpfung heterogener Regungen und Verlaufsphasen (Aufbau-, Höhepunkt- und Auslaufstadium) spiegelt sich auch in der Kommunikation von Emotionen wider. Sprachlich drücken wir unsere emotionalen Erlebnisse typischerweise in Satzverkettungen der Form „Und dann ..., und dann ..." aus. In solchen erzählungsbildenden Verkettungen und Sequenzbildungen rekonstruieren wir den bereits schematisierten Verlauf emotional erlebter Ereignisverkettungen. Im Zentrum jedes emotionalen Narrativs sowie seiner erzählenden Wiedergabe steht, inhaltlich nach korrelativen Situationstypen unterschieden, eine negative oder positive Erfahrung mit etwas Bestimmtem. Diese subjektiven Bewertungen von etwas bilden auch in der erzählenden Wiedergabe emotionaler Erlebnisse die .Pointen'. Die Tatsache, dass wir uns primär im Modus des Erzählens — und nicht z.B. in Form von Statistiken oder bloßen Aufzählungen — zu unseren Emotionen verhalten und sie dabei auch verändern können, mag selbst als Indiz ihrer narrativen Struktur gewertet werden. Im erzählenden Zuwenden zu unseren Emotionen können wir diese nämlich z.T. auflösen, steigern oder mildern. Das ist nach meiner Auffassung deshalb möglich, weil wir uns dabei auf Teilsequenzen ihres Narrativs umdeutend oder auch unterstreichend - je nachdem — beziehen können. Es wurde bereits angemerkt, dass wir auf einzelne Komponenten unserer komplexen emotionalen Interaktionen bewusst Einfluss nehmen und ihre Wechselwirkungen mit den anderen Komponenten nutzen können, um die Emotion im Ganzen zu beruhigen oder auch zu verstärken. Auf Basis der Einbeziehung des Konzepts des .Narrativen' können wir dies nun so beschreiben, dass wir affirmative oder kritische Deutungen einsetzen können, um auch Teilsequenzen der ursprünglichen emotionalen ,Skripte' zu intensivieren oder zu neutralisieren. 349 Eine Teilsequenz eines emotionalen Narrativs wird umgedeutet, wenn man — auch innerhalb der Aufbauphase einer Emotion - etwa bestimmte relevante Kausalhypothesen verändert. Dieser Fall liegt vor, wenn man in einer Situation z.B. seine Kopfschmerzen zunächst auf emotionsspezifische Evaluationen zurückgeführt hat und dann aber feststellt, dass sie wohl doch eher krankheitsbedingt sind. Je nachdem wie wichtig diese bestimmte
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Kausalhypothese für die emotionale Einschätzung des Sachverhalts war, findet daraufhin gegebenenfalls eine Umstrukturierung der ganzen emotionalen Situation statt. Was uns zuvor aufgrund der vermeintlich schmerzlichen Wirkung als extrem anstrengend galt, mag durch die Rücknahme besagter Kausalannahme („Die Kopfschmerzen sind doch krankheitsbedingt und nicht durch das Ereignis x.") wieder harmloser erscheinen. Und dieser Effekt auf die Beurteilung der Situation und der eigenen Lage darin bedingt womöglich, dass wir uns nicht mehr konkret emotional tangiert fühlen.
3.7.2 Offenes Ende, unabschließbare Emotionen? Emotionen werden gemeinhin zeitlich begrenzt erlebt, weil es schon aus psychoökonomischen Gründen weder sinnvoll noch möglich ist, auf die begrenzten Sachverhalte einseitig bezogen zu bleiben, die im Mittelpunkt einer jeden Emotion stehen. Aber die Übergänge von nicht-emotionalen in emotionale Zustände und von einer Emotion in eine andere sind empirisch fließend. Wann unsere Emotionen anheben, ist daher oft erst im Nachhinein festzuschreiben und wann sie zu einem Abschluss gelangen, ist ebenfalls in den seltensten Fällen exakt zu bestimmen. Bei den zeitlichen Rahmensetzungen, die wir dennoch vornehmen, wenn wir Emotionen zuschreiben, handelt es sich eher um funktionale Hypostasierungen als um Feststellungen eindeutig beobachtbarer Tatsachen. Zum Teil erfahren wir auch erst durch Reaktionen unseres sozialen Umfeldes auf uns, dass wir z.B. über eine Enttäuschung hinweg sind oder länger als wir uns selbst zugestehen doch noch von etwas Bestimmtem emotional tangiert sind. Jemand hält uns dann womöglich erstaunt entgegen: „Du kannst ja endlich wieder lachen." oder „Du bist ja immer noch gekränkt!" Verabschiedet man sich von einem zu atomistischen Verständnis der Emotionen als punktuell auftretenden, einfachen Zuständen, wird der Blick frei für den sequenziellen und offenen Charakter der Emotionen sowie für die komplexe Dramaturgie emotionaler Abläufe generell. Was wir durch die Einbeziehung des Narrativen in die Analyse der Emotionen gewinnen, ist eine Vorstellung von der Form, in der wir die emotionalen Sequenzen erleben und in der Folge davon beschreiben und
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,Wiederkolungs%a>ang'
und Aufbruch
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verstehen können. Die Wahrnehmung der Dramaturgie von miteinander verkoppelten kausalen, rechtfertigenden, semantischen und auch zeitlichen Abfolgebeziehungen der verschiedenen Komponenten emotionaler Reaktionen orientiert sich jeweils an erlernten Schematisierungen. Dadurch werden Emotionen immerhin in ihren Musterverläufen wiedererkennbar und auf kontrollierbare Weise auch intersubjektiv zuschreibbar.
3.8 Emotionen zwischen ,Wiederholungszwang' und Aufbruch Im Einklang mit der Psychoanalyse geht u.a. de Sousa davon aus, dass es konkret erlebte, biografische Situationen sind, die im Sinne von „paradigmatischen Szenarien" unseren emotionalen Schematisierungen als bindende Vorlagen dienen. 350 An ihnen sollen alle weiteren Regungen derselben Art ausgerichtet sein, um angemessen und verständlich zu sein. Dass es emotionale Objektbesetzungen gibt, deren tiefere subjektive Bedeutung sich ausschließlich biografisch-historisch verstehen lässt, erleben wir in der Tat häufig. Und dabei handelt es sich nicht nur um pathologische oder neurotische Übertragungen. So können wir uns z.B. über ein Bild gerührt erfreuen, weil es uns daran erinnert, wie uns in der Kindheit die Eltern zu eben diesem Bild viele schöne Geschichten erzählt haben. Falsch ist allerdings aus meiner Sicht die Generalisierung, dass jede emotionale Erfahrung inhaltlich auf die bloße Variation der immergleichen Grunderfahrungen unserer Kindheit festgelegt sei. Dass wir z.B. in jeder Geliebten unsere Mutter suchen oder in jedem Geliebten unseren Vater, weil wir im Verhältnis zu ihnen zum ersten Mal überhaupt Liebe erfahren haben, leuchtet außerhalb psychoanalytischer Voraussetzungen nicht ein. Wir kennen nicht nur regressive Emotionen. Unsere Erfahrungen bestätigen das zumindest nicht. Emotionale Erfahrungen können im Prinzip zu jedem Zeitpunkt unserer Biografie lebensbestimmend oder prägend wirken, je nachdem, wie wichtig, erkenntnisfördernd oder zu bewältigen dasjenige ist, was wir dabei erleben. Emotionale Erfahrungen am Arbeitsplatz oder in der Konfrontation verschiedener sozialer Kreise oder auch angesichts politischer und natürlicher Umwälzungen überschreiten bereits den familiären und kindlichen Erfahrungsraum. Es gibt auch emotionale Selbstverhältnisse, die aus sich heraus schon rein thematisch
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altersgebunden sind, wie z.B. die Traurigkeit über die eigene Endlichkeit oder Alterserscheinungen, die sich erst im späteren Erwachsenenalter einstellen. Und nicht zuletzt erwerben wir auch ein Begriffsverständnis solcher Emotionsterme, die wir biografisch eventuell nie selbst erfahren haben und nur aus Schilderungen oder Begegnungen mit anderen Menschen kennen. Man kann sich in die Situation eines Menschen versetzen, der religiöse Gefühle oder Heimweh hat, ohne selbst religiös oder je verreist zu sein. Und man mag den Hass eines Gewaltopfers auf den Täter nachvollziehen, ohne je selbst jemanden gehasst zu haben. Dass, wie de Sousa behauptet, jedes Individuum aufgrund seiner partikularen Erfahrungen einen ganz eigenen emotionalen ,Idiolekt' ausbildet, ist zwar zuzugestehen. Die emotionale Individualität ist aber kein Argument dafür, Emotionen auf den Ausdruck einer subjektiven Geschichtlichkeit reduzieren zu können. Die Allgemeinheit beinhaltende Sprachabhängigkeit unseres Emotionsverständnisses sowie die Fähigkeit zur Phantasie garantieren immer schon Anbindungen an übersubjektive Erfahrungs- und Verstehensräume. Annette Baier nimmt den Gedanken der biografisch formierten Emotionen de Sousas in variierter Form auf, sofern auch sie unter .emotionalen Objekten' akkumulierte biografische Erfahrungen versteht. 351 Jede Emotion hat Baier zufolge ,geschichtsgeladene Objekte' (engl.: .layered objects') und soll von daher eine irreduzible Tiefendimension aufweisen. Ihrer Auffassung nach müssen die prägenden infantilen Ur-Objekte immerhin nicht realen Erlebnissen entsprechen. Sie können kollektiven Phantasien, Wünschen oder Träumen entspringen und sogar in der Zukunft liegen. Baier zitiert das Beispiel der Furchtreaktion vor einem kalten Körper, wie dem eines Regenwurms, hinter der sie die Furcht vor dem zukünftigen eigenen Tod versteckt sieht. Der Regenwurm steht dann stellvertretend für den eigenen kalt gewordenen, toten Körper. Baier schreibt: „Stories about corpses may, in the child who has never seen a corpse, stimulate curiosity and possibly nightmares, but it is the fearful imagination, not the wishfulfilling fantasy nor the memory, that surely must be responsible for any actual episode of corpse-directed revulsion that could be taken as the infancy paradigm scenario of revulsion."
Zwischen
,Wiederbolungs%wang'
und
Aufbruch
215
Da Baier jedoch an der infantilen Imprägnierung sämtlicher emotionaler Reaktionen festhält, treffen in diesem Punkt auf sie letztlich dieselben Argumente wie auf de Sousa zu und brauchen hier nicht wiederholt zu werden. Interessant ist aus meiner Sicht ein Nebenaspekt an Baiers Beschreibungen. Sie ergänzt nämlich den Begriff des repräsentationalen Gehalts von Emotionen um weitere Formen, die bei anderen Autoren unberücksichtigt bleiben. Neben Erinnerungen, Wahrnehmungen und Meinungen bezieht Baier hinsichtlich der intentionalen Charakterisierung der Emotionen auch außersprachliche und gleichwohl repräsentationale Kategorien des Symbolisch-Bildhaften, des Traums sowie akustische Wahrnehmungen z.B. von Tonhöhe und Rhythmus als bedeutungstragende Faktoren ein. Um zu erklären, warum jemand z.B. durch das Hören eines bestimmten Liedes gerührt wird, ist es ihrer Meinung nach nötig, die entsprechend bildlichen Ausmalungen oder Erinnerungen zu kennen, die in der Geschichte des Individuums liegen und von diesem dazu assoziiert werden. Sie schreibt: „It will be enough if that unconsciously recalls the loving tones of the parent who sang one to sleep as an infant, we need not go beyond that to the long past age of the species to find the deep object of the emotion aroused in a hearer by a Schubert song." Um die auch übersubjektiven Merkmale unserer emotionalen Erfahrungen zu erklären, wie z.B. dies, dass Ärger allgemein in tiefen und Furcht in hohen Tönen geäußert wird, muss man Baier zufolge in die Geschichte der Vorfahren unserer Spezies zurückgehen. Baier geht mit Darwin davon aus, dass dem genetischen Gedächtnis kommunikative Signale und ihre Bedeutung eingeschrieben sind, die auf archaische (Über-) Lebenssituationen der Vorfahren zurückgehen. Uber Baier hinaus ist aus meiner Sicht an diesem Punkt nachzutragen, dass wir uns auch unabhängig von der Symbolisierung der Vergangenheit — sei es die individuelle oder die der ganzen Spezies — mithilfe von bildlich-räumlichen Vorstellungen sowie klanglichen Eindrücken ein narratives Szenario im Detail ausmalen, das den Gehalt einer emotionalen Veränderung unserer Befindlichkeit ausmacht.
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Zu weiteren typischen und nicht vollständig sprachlichen, repräsentationalen Akten, die in die narrative Intentionalität von Emotionen eingehen, gehören manchmal auch mehrfache Wiederholungen z.B. eines bestimmten imaginierten Geschehens vor unserem inneren Auge. Je länger eine Emotion andauert - sagen wir z.B. eine Kränkung - desto öfter durchlaufen wir bildhafte Wiederholungen der auslösenden Ereignisse sowie kontrafaktische ,Was-wäre-wenn-Varianten' in unserer Phantasie. So stellt man sich manchmal wieder und wieder vor, welcher Satzwechsel in welcher Betonung und welche Handlungen von unserer Seite und seitens der involvierten Personen möglich gewesen wären, wenn uns jemand z.B. mit Nichtachtung oder Arroganz gekränkt hat. Man malt sich dabei mehr oder weniger genau aus, wie man zum rechten Zeitpunkt in der richtigen Weise hätte reagieren können. Rachephantasien, die typische Konsequenzen von Kränkungen sind, bestehen meist aus sehr plastischen Ausmalungen von Szenarien, in denen wir uns als Unheil bringende oder machtvolle Akteure imaginieren, die wir als Gekränkte gerade nicht waren. Vergleichbar einem Theaterstück stellen wir uns dann, wenn wir uns rächen wollen oder auch durch eine Trennung bekümmert sind, konkrete Satz- und Argumentationswechsel, aber auch genaue Gesten, Blicke, Bewegungen und Augenaufschläge sowie das Hinzu- und Abtreten weiterer Personen in bestimmten Räumen und Atmosphären vor, die das emotional besetzte Szenario detailliert vervollständigen. In diesem Sinne ist Amélie Rorty zuzustimmen, dass sich Emotionen resistent gegenüber einer vielleicht logisch stimmigen, aber im Detail abstrakt bleibenden Kritik verhalten können. Wenn so viele auch bildliche Elemente in das narrative Grundgeflecht einer Emotion eingehen, sind entsprechend umfangreiche Gegenausmalungen vonnöten, um die überzeugende Plastizität und Wirklichkeit emotionaler Wahrnehmungen zu relativieren. 354 Von daher wird aber auch erst recht verständlich, warum Emotionen besonders im Film, im Theater und in der Literatur adäquat zum Ausdruck kommen können. Diese Medien weisen gerade die Plastizität in der Darstellung ihrer Gehalte auf, die auch den emotionalen Narrativen ihre apodiktische Suggestivkraft verleiht. Emotionale Inhalte lassen sich bevorzugt als ganze .Szenarien' anstatt als .Objekte' fassen, weil dies dem Tatbestand eher gerecht wird, dass wir es in jeder emotionalen Lage mit Rahmenbedingungen zu tun haben, die wir in Abhängigkeit von den geistigen und körperlichen Bewegungen, die
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wir darauf bezogen durchlaufen, auch als veränderliche erfahren. Die narrativ verbundenen Elemente, die unsere Emotionen ausmachen, lassen sich in ganzen Geschichten ausdrücken, die sprachliche und nichtsprachliche Repräsentationen verknüpfen. Auch in dieser Hinsicht, um es zu wiederholen, geht eine narrative Theorie der Emotionen über kognitivistische Komponententheorien hinaus. Die intentionale Bedeutung der Emotionen lässt sich nicht auf die von den Kognitivisten genannten abstrakten Propositionen reduzieren. Den Propositionen, über welche die generischen Emotionsterme verkürzend definiert werden, lassen sich allerdings die thematischen Kernpunkte entnehmen, um die herum alle anderen Elemente einer emotionalen Reaktion deutend verknüpft werden.
3.9 Der Faü Eifersucht Sehen wir uns abschließend einen Fall des Emotionstyps .Eifersucht' zur Veranschaulichung des bisher Dargestellten an. Zur Bedeutung von Eifersucht gehört stets ein ganzer Vorstellungs- und Wunschzusammenhang, der sich auf eine Dreierkonstellation von Personen bezieht, zu der die betroffene Person sich selbst zählt sowie eine Reihe von Handlungsimpulsen und Körperzuständen, die dem Affekt insgesamt seine komplexe Struktur verleihen. Eifersucht tritt normalerweise im Kontext von Nah- und Liebesbeziehungen auf. Dabei geht sie mit einer Fixierung auf quälende Phantasien einher, die den drohenden Verlust eines begehrten/geliebten Menschen umkreisen, der durch dessen vermeintlich liebende und/oder sexuelle Hinwendung zu einem anderen Menschen bedingt ist. Die gedankliche und bildliche Fixierung auf quälende Verlustphantasien, verbunden mit der Wahrnehmung vermeintlich bestätigender Evidenzen dafür, wirken häufig extrem selbstverstärkend. Daher fällt es Eifersüchtigen - wie in .Othello' zeitlos gültig dargestellt - oft so schwer, sich mit misstrauischen Unterstellungen und Bestrafungsbedürfnissen zurückzuhalten oder sich von Beschwichtigungen und Unschuldsbeteuerungen der .Angeschuldigten' wirklich beruhigen zu lassen. Auch das gehört zur Lektion von Eifersucht, die wir lernen, wenn wir sie anderen Personen oder uns selbst zuschreiben. Die Tendenz zur Selbstverstärkung ist nicht etwas der Eifersucht Äußerliches. Damit sich Eifersucht überhaupt ausbilden kann
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und die sich für sie maßgeblichen Rivalitätsphantasien auch erhärten und zu Überzeugungen verfestigen können, durchläuft die betroffene Person meist verschiedene Phasen, in denen sie abwechselnd ihren Verdacht verwirft und dann wieder bestätigt sieht. Bildliche Ausmalungen romantischer und sexueller Begegnungen der Geliebten mit dem Rivalen werden wiederholt heraufbeschworen. Diese Phantasien ziehen meist Schmerzgefühle nach sich und sind auch zum Teil von Regungen wie Appetidosigkeit, beschleunigtem Herzschlag, Stechen in der Brust und Druck auf den Magen begleitet, die dem Ganzen noch eine zusätzlich reale Note geben. Auch diese leiblichen Regungen werden von der betroffenen Person als Ausdruck ihrer schmerzhaften Zurücksetzung interpretiert und aufgrund ihrer Präsenz sogar als Beweise wirklich existierender Verhältnisse gewertet. Ein weiteres Charakteristikum eines eifersüchtigen Szenarios ist, dass der oder die Eifersüchtige zu einem bestimmtem Verhalten motiviert ist, das man zum Typus ,misstrauischer Verfolgung vermeintlicher Rivalentätigkeiten' zählen kann. Das Hin- und Hergerissensein zwischen Selbstberuhigung und Aufregung ist symptomatisch für Eifersucht und betrifft sowohl die körperliche wie die geistige Verfassung. Eben diese Veränderungen wirken auf die auslösenden Vorstellungen und Wahrnehmungen zurück, auf die bezogen der Eifersüchtige bloß zu reagieren meint. Man hat verstanden, was .Eifersucht' ist, wenn man in der Lage ist, eine derartige komplexe Konstellation heterogener Elemente — z.T. auch über lange Zeiträume hinweg und unterbrochen durch andere Beschäftigungen und Zustände — über ein gemeinsames Grundthema zu verknüpfen, das im Zentrum einer jeden Eifersucht steht. Im Falle der Eifersucht ist das verbindende Grundthema der vermeintliche Verlust der exklusiven Zuwendung eines begehrten Menschen. Dieses skizzierte Szenario welches alles, von der Objektwahrnehmung über Gefühle, Verhaltensimpulse bis zu Phantasien und Zuständen umfasst — ist insofern relativ formal gehalten und gerade deshalb ein repräsentatives Paradigma, weil es keine besondere Objektbesetzung enthält, auf die nun alle anderen Eifersuchtsregungen abgebildet werden müssten. Wessen exklusive Zuneigung verlangt wird, wer als Rivale gilt und welche Gefühle in welcher Intensität beteiligt sind, bleibt in dieser Geschichte gerade offen. Ich fasse zusammen: Ein Begriffsverständnis der Emotionen zu erwerben, das uns befähigt, unsere psycho-physischen Interaktionen mit der Welt so zu strukturieren, dass wir sie in das Spektrum menschlicher
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Emotionen einordnen können, setzt voraus, sich an solchen strukturellen, gleichwohl plastischen Szenarien orientieren zu können. Das strukturelle Verständnis emotionaler Szenarien, das uns als Deutungsfolie auch neuer emotionaler Erfahrungen dient, gewinnen wir aus einem abstrahierenden Querschnitt der vielen emotionalen Interaktionen, mit denen wir in Erzählungen, Spielen, Filmen, Berichten und vor allem in Begegnungen im Laufe unseres Lebens konfrontiert werden. Nur weil wir gerade von den Details einer konkreten emotionalen Besetzung und Erfahrung abstrahieren, können wir verschiedene, auch unkonventionelle Begebenheiten gleichermaßen unter die generalisierten Narrative von z.B. .Eifersucht', Neid' oder ,Furcht' subsumieren. Jeder Emotionstyp ist über ein paradigmatisches Narrativ von thematisch gebundenen plastischen Eindrücken, Gefühlen, Verhaltensweisen und Vorstellungen konstituiert. Narrativ charakterisierbar ist jedes emotionale Szenario, wie gerade an einem Beispiel von Eifersucht dargestellt, insofern es sich dabei um eine Verkettung von Ereignissen und Erlebnissen handelt, die um einen mehr oder weniger dramatisch bewerteten Mittelpunkt angeordnet sind, der das jeweilige Grundthema der emotionalen Situation angibt. Im thematischen Zentrum emotionaler Interaktionen und Situationen stehen - je nachdem, um welches emotionale Szenario es sich gerade handelt — entweder ein Verlust oder Gewinn, eine Erfüllung oder Enttäuschung unserer Wünsche und Zielvorstellungen, eine Bestätigung oder Durchkreuzung unserer Erwartungen, eine Anerkennung oder Zurückweisung unserer Bedürfnisse und Bemühungen. Substanzieller lassen sich die emotionalen Themen nicht vereinheitlichen, dazu ist das Spektrum viel zu groß. Es gibt keine universellen Urthemen, auf die sämtliche emotionalen Reaktionen zurückzuführen wären. Weder die Einschränkung auf Belange der Selbsterhaltung (Spinoza 355 , Darwin 3 5 6 ) noch auf Belange der Würde (Solomon 357 ) oder Erlebnisse der Kindheit (Freud 358 ) sind als Grundthemen sämtlicher emotionaler Regungen plausibel auszuweisen. Mit Hilfe von erzählerischen Klischees und bildlichen Darstellungen üben wir ein Verständnis der Dramaturgie ein, die bestimmte Ereignisverkettungen als typische Furcht-, Scham- oder Liebessituationen ausweisen. Unter Anwendung dieser Deutungsfolien auf uns selbst im Verhältnis zu unserer Umwelt verleihen wir erst den aus sich heraus nicht zusammenhängenden geistigen und körperlichen Veränderungen eine
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emotionsspezifische Bedeutung. Dabei ordnen wir den entsprechenden Repräsentationen, Gefühlen, Handlungswünschen und Wahrnehmungen bestimmte Rollen und Funktionen in einem Situationsverlauf zu. So müssen wir, um beim Beispiel der Eifersucht zu bleiben, jemand anderem die Rolle des Begehrten und einem zweiten die eines Rivalen zuordnen und auch unseren Körperveränderungen und Gefühlen eine Rolle zuweisen, z.B. die, kausale Wirkungen oder Anzeichen eines verlierenden Konkurrenzkonflikts zu sein. Die Verwendung von Metaphern, zu denen wir greifen, um unsere emotionalen Eindrücke zu schildern, wie z.B. „Dieser Blick versetzt mir einen Stich ins Herz", macht die Relevanz eines Sachverhalts für die persönliche Befindlichkeit in der auch physischen und bildlichen Plastizität nachvollziehbar, die emotionale Erfahrungen haben. Nicht nur im Falle von Eifersucht oder Liebe, sondern in emotionalen Situationen generell verhalten sich betroffene Personen charakteristischerweise so, dass sie ihre Wahrnehmungen, Körperveränderungen, Gefühle, Handlungswünsche und Vorstellungen in eine Ordnung, einen auch erzählerisch darstellbaren Sinnzusammenhang, bringen. Das tun sie, indem sie sich situativ in eine Erlebnisgeschichte eingebunden sehen, die typischerweise einen Vorlauf, Höhepunkt und Nachwirkungen hat, die sie meist nicht antizipiert haben. Dass wir die Erlebniszusammenhänge, die wir akut durchleiden, meist nicht antizipieren, gehört mit zu den passiven Momenten unserer emotionalen Erfahrungen. Die Akte der Zuschreibung von Emotionen erhalten in dem hier vertretenen narrativen Modell eine verstehende und zugleich wirklichkeitskonstituierende Kraft. Was ein sprachkompetenter Mensch als zugehörig zu einem emotionalen Narrativ auffasst, gehört zunächst allein dadurch, dass er sie so auffasst, zu den Bestandteilen der Emotion. Solche deutenden Zuordnungen sind jedoch zumindest prinzipiell anfechtbar. Da auch unwillkürliche Regungen wie Gefühle und Körperveränderungen zum erlernbaren Muster der Emotionen gehören, ist es nicht der individuellen Willkür anheimgestellt, was als emotionales Element zählt. Es gibt hier aber einen Spielraum. Daher können verschiedene Personen in Konflikt darüber geraten, welchen Regungen und Vorstellungen emotionales Gewicht zuzusprechen ist. Mit Bezug auf eine Zuschreibung von z.B. Traurigkeit können Personen darüber streiten, welcher Aspekt welche emotionale Deutung verdient. Wenn eine dominante Persönlichkeit z.B. behauptet, traurig zu sein, weil andere sich nicht gemäß ihrer
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Wünsche verhalten, wird sie weniger Verständnis und Akzeptanz für diese Zuschreibung erwarten können als jemand, der aufgrund eines Schicksalsschlages seine Sicht der Dinge als .traurig' und .hoffnungslos' beschreibt. Obwohl die meisten Menschen schon aufgrund eines natürlichen Interesses an ihrem Wohlbefinden kompetent darin sind zu differenzieren, was genau positiv oder negativ auf sie einwirkt, ist man häufig in Situationen der Beschämung, Freude oder Traurigkeit unsicher in der Frage, welche Aspekte der eigenen Veränderungen und Bewegungen als Ausdruck und Bestandteil einer Emotion verstanden werden können oder so verstanden werden sollten. Von daher haftet den Zuschreibungen von Emotionen selbst etwas Offenes und Unbestimmtes an. Auf Nachfrage hin mag die beschreibende Geschichte einer emotionalen Erregung immer umfangreicher, die ihr zugeordneten Elemente mögen immer mehr und differenzierter und diese Geschichte am Ende sogar immer widersprüchlicher ausfallen. Da jede psycho-physische Interaktion mit der Welt für uns .blinde Flecken' und nicht bewusste Elemente enthält, die partiell auch erst später zu Bewusstsein kommen können, wäre es allerdings auch erstaunlich, wenn ausgerechnet diese epistemische Unschärfe nicht auch unser emotionales Selbstverständnis beträfe.
3.10 Grenzen des narrativen Ansatzes und Ausblick Was ich hier als narrative Struktur der Emotionen herauszuarbeiten versucht habe, ist in der Tat nur auf die sekundären oder komplexen Emotionen wie Eifersucht, Verliebtheit, Neid, Schuld, Scham, Stolz, Enttäuschung, Rache, Freude, Mitleid, Glück, Hass, Ressentiments, Langeweile zu beziehen sowie auf höherstufige Emotionen wie Stolz auf Mitleid, Schuldgefühle über Neid usw. Die komplexen und z.T. elaborierten Deutungen und Kausalhypothesen, die in Zuschreibungen von Emotionen eingehen, verweisen zudem auf Symbolisierungs- und Sprachkompetenzen als notwendige kognitive Voraussetzungen eben dieser Zuschreibungen von Emotionen. Grenzfälle, die durch diesen Ansatz nicht mehr abgebildet werden können, stellen von daher alle primären Emotionen dar, wie sie bereits Kleinkindern und Tieren zugeschrieben werden, die nicht oder noch nicht über elaborierte Konzepte und Sprache verfügen. Ich
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glaube allerdings, dass sich zumindest beim Menschen selbst die primitiven affektiven Anlagen im Zuge der kulturellen und sprachlichen Entwicklung transformieren und eben dies die Differenz zur Affektivität der Tiere ausmacht. Zudem können wir Emotionen — nicht Empfindungen oder bloße H-Gefuhle — einklagen, unterdrücken oder auch trainieren, weil sie semantische Haltungen sind, auf die wir erzählerisch ausmalend und sogar argumentierend einwirken können. Da ich die narrative Struktur als eine deutende und synthetisierende Bewusstseinsleistung beschrieben habe, von der die (Selbst-)Zuschreibung einer Emotion abhängt, ist unthematisiert geblieben, ob und wenn ja wie unbewusste Emotionen in diesem Modell zu denken sind. Da ich über keine Theorie des Unbewussten verfuge, kann ich darauf nur tentativ antworten. Wenn es eine sinnvolle Theorie gäbe, in der von repräsentationalen Bewusstseinszuständen wie Meinungen, Phantasien sowie komplexen Haltungen ausgesagt werden kann, dass sie unbewusst sind, wird dies prinzipiell auch für die an Emotionen beteiligten Repräsentationen gelten. Für andere Elemente wie z.B. Stoffwechselvorgänge oder neuronale Aktivitäten, die ja ebenfalls an Emotionen beteiligt sind, ist es ohnehin klar, dass sie sich unserer bewussten Aufmerksamkeit und Repräsentation entziehen, und das Gleiche lässt sich auch von mimischen und anderen expressiven Aspekten unserer emotionalen Interaktionen sagen. Wenn jedoch alle Elemente einer Emotion gleichzeitig unbewusst in diesem nicht-psychoanalytischen Sinne sind, gibt es auch nichts, das narrativ zu synthetisieren wäre. Dann ist es m.E. allerdings fraglich, wie man überhaupt vom Vorliegen einer Emotion sprechen kann. Da ich Emotionen als affektive Verstehensformen begreife, in denen ein persönlich wertendes Verhältnis zur Welt abgebildet und auch zeitlich begrenzt erlebt wird, ist eine unbewusste Emotion im Prinzip nicht denkbar. Das schließt jedoch nicht aus, dass es zumindest emotional besetzte Themen gibt, die unbewusst gespeichert und d.h. aus einem nicht gegenwärtig präsenten Wissensspeicher durch entsprechende Stimuli wieder aufgerufen werden können. Bei lang anhaltenden Emotionen, wie z.B. bei jahrelangen Schuldgefühlen über die Vernachlässigung der eigenen Kinder, muss eine unbewusste Speicherung dieses Tatbestandes im Hintergrund angenommen werden, da besagte Schuldgefühle ja wiederholte Aktualisierungen eben dieses bestimmten Narrativs sind. Einige am Anfang dieses Buches genannten empirischen Untersuchungen von Psychologen mit unterschwellig dargebotenen Reizen, so-
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wie verhaltenstheoretische und neurologische Versuche an Tieren scheinen Prozesse nicht bewusster Informationsverarbeitungen zu belegen, die auch an Emotionen beteiligt sind. 359 Wenn z.B. abwehrendes oder anziehendes Verhalten durch bestimmte Stimuli — etwa durch freundliche oder wütende Gesichter — automatisch ausgelöst werden kann, scheinen sogar rudimentäre Wertungen auf neuronaler Ebene programmiert und wirksam zu sein. 360 Solche Informationsverarbeitungsprozesse können aber gegebenenfalls zu den Lust-/Unlustregungen oder auch zu Verhaltensimpulsen fuhren, die wiederum ihrerseits als bewusste Elemente in das Narrativ komplexer Emotionen eingehen. Wenn das hier entwickelte narrative Modell der Emotionen die Form ihrer bewussten Repräsentation und Einheit richtig beschreibt, wäre es interessant, es für einzelne Emotionstypen auszuformulieren, um gegebenenfalls auch für empirische Uberprüfungen operationalisierbar zu werden. Ob das möglich ist und wie ein solch empirisches Verfahren aussehen könnte, sind Fragen, deren Beantwortung die Möglichkeiten einer rein philosophischen Arbeit, wie es die vorliegende ist, überschreiten. Es bleibt mir daher nur abschließend zu wünschen, dass die hier angestellten philosophischen Überlegungen zum Emotionsbegriff auch für den einzelwissenschaftlich an den Emotionen Interessierten produktive Anregungen enthalten.
Anmerkungen Einführung und Hintergrund 1
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Invasion of the Body Snatchers aus dem Jahre 1957 gehört zu den repräsentativen Science-fiction-Filmen der fünfziger Jahre und wurde von dem Regisseur Don Siegel inszeniert. Houellebecq, Elementarteilchen. Vgl. u.a. Piaton, Tim. 69c, 69d, Philebos 31d, 32, Polit. IV, 444dff., Phaidros I (Kap. 34 u. 35), 252c-253e. Zur Affektenlehre des Chrysippos vgl. Craemer-Ruegenberg, Begrifflichsystematische Bestimmung von Gefühlen. Beiträge aus der antiken Tradition, S. 20-33. Einen guten Uberblick verschafft außerdem: Bormann, Zur stoischen Affektenlehre. Immerhin findet selbst bei Kant eine wichtige Emotion Eingang in die (Pflicht-) Ethik, nämlich die der Achtung vor dem Gesetz. Vgl. Kant, Von den Triebfedern der reinen praktischen Vernunft, in: Kritik der praktischen Vernunft, S. 142, 146-147 sowie ders., Ubergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntnis zur philosophischen, in: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 400-402. Wie darüber hinaus die Affektivität ins Kantische Konzept der Moral integrierbar ist, zeigt Tugendhat in: Vorlesungen über Ethik, dort 6. und 7. Vorlesung, S. 98-161 sowie in der 15. Vorlesung, S. 282310. Vgl. Bormann, Zur stoischen Affektenlehre, S. 79-103. Mit Einstellungen höherer Ordnung sind reflexive Stellungnahmen gemeint, die sich auf andere mentale Einstellungen beziehen. So kann man z.B. wünschen einen bestimmten Wunsch erster Stufe zu haben oder nicht zu haben. Der Begriff höherstufiger Einstellungen geht auf Harry Frankfurt zurück. Vgl. Frankfurt, Freedom of the Will and the Concept of a Person, S. 11-25. Vgl. Damasio, Ich fühle, also bin ich, sowie: Roth, Fühlen, Denken, Handeln. Auf die relevanten Autoren und Positionen komme ich später zu sprechen, wenn es um die Darstellung der Behavioristen und Kognitivisten geht. Wenn Menschen mit Gefühlen der Ohnmacht, Angst, Wut und Trauer konfrontiert sind, suchen sie oft bei Freunden, in der Literatur oder in Therapien erklärende Deutungen ihrer Zustände, um diese dadurch ggf. zu bewältigen. Und wenn sie mit positiven Gefühlen der Euphorie, Erleichterung, des Dankes oder des Stolzes erfüllt sind, suchen sie nicht minder nach einem verstehenden Echo bei ihren Mitmenschen. Indem Menschen ihre Emoti-
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onen anderen mitteilen, ermöglichen sie deren Anteilnahme an ihren persönlichen Erlebnissen. Vgl. Houellebecq, Elementarteilchen. Zu dieser klassischen - seit Piatons Theaitetos und Aristoteles Metaphysik bekannten - Einsicht vgl. Albert, Das Staunen als Pathos der Philosophie, S. 149-173. Verwandte affektive Phänomene sind z.B. Stimmungen, wie Angst und Langeweile und verwandte nicht-affektiv Phänomene wären u.a. Wahrnehmungen. Vgl. Rorty, Explaining Emotions. Ulialiina Lehtinen hat in Anlehnung an Amélie Rorty die zeitgenössische Emotionstheorie aufgrund ihrer angeblichen Tendenz zur Reduktion der Emotionen auf Kognitionen kritisiert und für einen „ontologischen Agnostizismus" plädiert. Dieser Ausdruck markiert ihre Meinung, wonach sich philosophisch nicht sinnvoll über die Emotionen reden lasse, da zu heterogene Phänomene unter den Emotionsbegriff fallen würden. Lehtinen vertritt aber selbst zumindest in Bezug auf Scham eine kognitivistische Auffassung aus feministischer Perspektive. Kurz gesagt, kommt sie zu dem Ergebnis, dass weibliche Scham Ausdruck einer sozial eingeübten, geschlechtsspezifischen Sichtweise (gender-specific knowledge) sei, die sich in Abhängigkeit von einer (unterdrückten) Lebensform (form of life) ausbildet. Vgl. Lehtinen, Underdog Shame, S. 100 ff. Descartes, Ueber die Leidenschaften der Seele, S. 11. LeDoux, Das Netz der Gefühle und Griffith, What Emotions really are. The Problem of Psychological Catégories. Vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch, S. 17. A.a.O., S. 512. A.a.O., S. 220. A.a.O., S. 290. Vgl. Siemer, Stimmungen, Emotionen und soziale Urteile, S. 11 ff. Bei Intuitionen ist es nicht so klar, ob sie einen Gefühlswert haben und sie drücken sich auch nicht expressiv aus. Vgl. Rorty, Explaining Emotions, S. 103-127. Kleinginna & Kleinginna haben in ihrer Untersuchung 101 Emotionsdefinitionen gezählt. Kleinginna & Kleinginna, A categorized list of emotion définitions, with suggestions for a consensual définition, Motivation and Emotion, S. 345-379. Vgl. Aristoteles, Rhetorik; Descartes, Ueber die Leidenschaften der Seele; Spinoza, Die Ethik nach geometrischer Methode dargestellt, Kap. III: Von dem Ursprung und der Natur der Affekte, Hume, Ein Traktat über die menschliche Natur, Buch 2: Über die Affekte.
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Einen Überblick über die kulturwissenschaftliche Diskussion der Emotionen gibt Catherine Lutz in: The Anthropology of Emotions, S. 405-431. Diese Klischees einer vermeintlich wesensmäßigen Geschlechterdifferenz fuhren in der Praxis zu einer gesellschaftlichen Verteilung von Kompetenzen, Rechten und Handlungsräumen auf die Geschlechter zuungunsten der Frauen, was im Westen seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts eine feministische Kulturkritik auf den Plan gerufen hat Bei aller Vielfalt der feministischen Ansätze gehen ihre Bemühungen, kurz gefasst, dahin, die Unterdrückung des weiblichen Geschlechts auf nahezu allen Ebenen kultureller Reproduktion aufzuzeigen und durch Kritik sowie durch neue Welt- und Menschenbilder in Richtung auf eine Gleichstellung der Geschlechter zu überwinden. Feministische Wissenschaftskritik bedeutet daher auch für einige etablierte Konzeptionen des Menschen eine Revision. Das bis heute tradierte Rollenverständnis von Frauen und Männern als .Sammlerinnen und Jäger' und insbesondere die tendenziöse Auszeichnung des Jägerprinzips als allein Kultur bringendes, entlarven Feministinnen als ein androzentrisches Konzept vom Menschen, das in legitimistischer Absicht patriarchale Familien- und Machtverhältnisse historisierend festschreibt Die Wirksamkeit dieses Jäger und Sammler-Modells' verlängert sich bis in unsere heutige, postindustrielle Zeit, wie sich u.a. an den für Männer und Frauen unterschiedlich regulierten Möglichkeiten des Zugangs zu den Arbeitsmärkten ablesen lässt. Während der Privatbereich nahezu überall in die Zuständigkeit der Frau fallt, sind die entscheidungsrelevanten, öffentlichen Positionen und Funktionen an die Männer delegiert Vgl. dazu Meier-Seethaler, Gefühl und Urteilskraft. Ein Plädoyer für die emotionale Vernunft, bes. S. 185-210. Einem m.E. problematischen Antagonismus der Geschlechter bleiben jedoch auch neuere psychoanalytische Theorien dort verhaftet, wo sie den Geschlechtern eine eigentümliche emotionale Grundstruktur inskribieren, die den ,Geschlechterkampf geradezu ontogenetisch fundiert. Während die klassisch orientierte Psychoanalyse seit Freud die Konstruktion eines „weiblichen Penisneides" als natürliche Quelle von weiblichen Selbstwertproblemen und Ressentiments gegenüber Männern ansieht, geht die feministisch geprägte Psychoanalyse umgekehrt von einem „Uterus- und Gebärneid" des Mannes aus und erklärt das ,typisch männliche' Herrschaftsverhalten als Strategie der Kompensation dieser natürlichen Unterlegenheit. Vgl. MeierSeethaler, Gefühl und Urteilskraft, S. 189ff. sowie Fischer-Homberger, Krankheit Frau. Aus dieser Sicht wird auch männliche .Rationalität', die äußerlich zur gesellschaftlichen Dominanz fuhrt, dadurch entschärft, dass sie auf eine unbewusste, irrationale Tiefenebene eines Ressentiments zurückgeführt wird. Der tiefste Bezugspunkt allen männlichen Handelns ist demnach ja ein Gefühl der Unterlegenheit und das daraus entspringende Bedürfnis, der (qua Gebärfahigkeit) überlegenen Frau etwas entgegen-
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zusetzen. Problematisch daran ist aus meiner Sicht die Universalisierung dieser Hintergrundmotive und die Tatsache, dass die genannte Motivlage ins Unbewusste verlegt wird. Denn dann ist nicht zu sehen, wie das Ressentiment überhaupt identifiziert, geschweige denn überwunden werden können soll. Eben darin wirkt die Motiv-Zuschreibung selbst ideologisch. Hierher gehört auch das Klischee vom genuin aggressiven (u.a. Krieg führenden) Mann und der friedfertigen Frau, das häufig über den Verweis auf die wesentlich höhere Anzahl der von Männern - im Vergleich zu Frauen - verübten Gewalttaten und Kriminaldelikten untermauert wird. Diese Entgegensetzung hat u.a. Margarete Mitscherlich mit Blick auf ihre jahrelange psychoanalytische Erfahrung mit weiblichen und männlichen Patienten als Mythos endarvt. Vgl. Mitscherlich, Die friedfertige Frau. Wolf, Das Tier in der Moral, S. 79 ff. Dazu bemerkt Meier-Seethaler kritisch in: Gefühl und Urteilskraft, S. 214: „Gilligan [wird] missverstanden, wenn man ihr von feministischer Seite vorwarf, sie etabliere erneut ein komplementäres Modell von weiblichen und männlichen Tugenden. Die .andere Stimme', die sich im ethischen Diskurs gegenüber der abstrakten Gerechtigkeit zu Wort meldet, beruht für sie nicht auf dem biologisch definierten .Wesen' der Frau, sondern ist Ausdruck mitmenschlicher Erfahrungen und Lebenszusammenhänge, in die Frauen - bis jetzt - stärker eingebunden sind als die sich distanzierenden Männer." Leist, Mideid und universelle Ethik. Tugendhat, Zum Begriff und zur Begründung von Moral. S. 317 ff. „Emotionale Intelligenz" (kurz: EQ) ist der populär gewordene Begriff, den Goleman für eine Mischung aus charakterlicher Ausgeglichenheit gepaart mit sozialen Formen von Intelligenz eingeführt hat und als Ergänzung dem traditionellen IQ (Intelligenzquotienten) zur Seite stellt. Vgl. Goleman, Emotionale Intelligenz, S. 56: „Emotionale Intelligenz ist eine Metafähigkeit, von der es abhängt, wie gut wir unsere sonstigen Fähigkeiten, darunter auch den reinen Intellekt, zu nutzen verstehen." Vgl. Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt. Vgl. Brentano, Von der Klassifikation der psychischen Phänomene, S. 92. Die Auszeichnung von Liebe und Hass als emotionale Grundkategorien übernimmt heute u.a. Luc Ciompi für die Psychoanalyse in: Affektlogik, S. 48: „Liebe und Hass erscheinen als die beiden großen und absolut zentralen Gegenspieler im gesamten Affektleben; Trauer und Melancholie ebenso wie etwa affektbeladene Zwänge und Dränge, hysterische Phänomene und andere neurotische Symptome stellen nichts als besonders geartete Ab- und Umwandlungen von ursprünglich erotischen oder aggressiven, nunmehr aber unter dem Einfluss unbewusster Verdrängungen nicht mehr unverstellt an die Oberfläche der Psyche gelangenden Affektregungen dar." Die Grundaffekte, aus denen sich z.B. Spinoza zufolge alle anderen zusammensetzen sollen, sind Freude und Traurigkeit als die beiden positiven
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und negativen Grenzpole. Als dritte Grundkategorie nennt er die Begierde. Alle positiven und negativen Emotionstypen kommen ihm zufolge in lokalisierter oder unlokalisierter Form vor. So ist für Spinoza eine lokalisierte Freude identisch mit Lust, eine nicht lokalisierbare Freude mit Heiterkeit. Lokalisierte Trauer ist Schmerz und nicht lokalisierbare Trauer ist Trübsinn. Für Begierde gilt nur, dass sie eine Triebregung ist, die stets bewusst empfunden wird. Vgl. Spinoza, Von dem Ursprung und der Natur der Affekte, Lehrsatz 11, in: Die Ethik nach geometrischer Methode dargestellt, S. 120ff. Der Physiologe Richard Davidson unterscheidet positive und negative emotionale Schaltkreise im Gehirn, die er als „Annäherungssystem" (engl. ,approach system") und „Rückzugssystem" (engl, /withdrawal system") bezeichnet. Das Annäherungssystem fördert Verhalten hin zu Ereignissen oder Objekten; das andere führt zur Vermeidung von Ereignissen oder Objekten. Vgl. Davidson, Neuropsychological perspectives on affective styles and their cognitive consequences, S. 103-124. In der Psychologie hat u.a. Magda Arnold eine entsprechende funktionale Bewertungstheorie der Emotionen vertreten. Vgl. Arnold, Emotion and Personality. Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt, S. 122. Wie Ulich und Mayring feststellen, erscheinen die gegenwärtigen Auseinandersetzungen der Emotionspsychologen um das Primat von Denken oder Fühlen dagegen wie ein Rückfall vor Brentano. Vgl. Ulich und Mayring, Psychologie der Emotionen, S. 25. Vgl. Ciompi, Affektlogik, S. 68ff. Ciompi, Affekdogik, S. 47. Unter „Affekdogik" versteht Ciompi eine Zusammenfuhrung von Freuds Theorie der Affektgenese mit Piagets genetischer Epistemologie, die eine Entwicklungstheorie der abgestuften Ausbildung kognitiver Fähigkeiten darstellt. Vgl. Lewis und Williams, Mood-congruent vs. mood-state-dependent learning: Implications for a view of emotion, S. 151-171 sowie Bower, Some Relations between Emotions and Memory sowie Rapaport, Emotions and Memory. Vgl. Levenson, The Intrapersonal Functions of Emotion. Die verstärkende Wirkung von Affekten auf Erinnerungen sowie das automatische Auslösen einer Emotion aufgrund von Assoziationen hatte bereits Spinoza intuitiv erfasst. Vgl. Spinoza, Von dem Ursprung und der Natur der Affekte, in: Die Ethik nach geometrischer Methode dargestellt, Lehrsatz 18, S. 127ff. Dass die Stimmungslagen der Verbraucher von Werbetreibenden ernst genommen werden, zeigt sich u.a. an dem in Amerika und Europa zu verzeichnenden Rückgang des Werbeaufkommens in den Tagen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Die Werbetreibenden befürchteten eine pauschale Abwehrreaktion auf Werbung in dieser Zeit und manche Marketingstrategen glauben sogar, dass NY seither ein für allemal als Sinnbild der Katastrophe besetzt ist und damit für viele Werbezwecke unbrauchbar wird.
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Vgl. Roth, Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert, S. 276 ff. Vgl. Roth, ebd. Vgl. Ciompi, Affektlogik, S. 81. A.a.O., S. 80. Dieses Beispiel gibt Ciompi in: Affektlogik, S. 68. Der Bereich des Affektiven wird bei Ciompi unter der Hand zunehmend auf hedonistische Gefühle eingeschränkt und Emotionen im engeren Sinn davon nicht hinreichend abgegrenzt. Eben deshalb ist es ihm möglich, alles Denken und Handeln als affektiv getönt zu beschreiben. Unklar bleibt zudem, ob er beschreiben will, wie sich Psychodynarnik de facto verhält oder ob er meint, dass eine Synthese von Fühlen und Denken ein wünschenswerter, gesunder, positiver usw. Zielzustand sei, den man über die Wahl geeigneter Mittel - etwa eine Therapie - herbeiführen sollte. Vgl. Freud, Psychologie des Unbewussten, dort besonders: Das Ich und das Es, S. 273-327. Auf gesellschaftstheoretischer Ebene vertritt Norbert Elias diese These. Vgl. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Vgl. Freud, Das ökonomische Problem des Masochismus, S. 350 ff. Beide Elemente - die Kognitionen und die energetische Triebkomponente - können nach Freud durch Prozesse der Verdrängung, Zensur oder Projektion auch voneinander abgespalten werden und ein unabhängiges Dasein im Bewusstsein führen. Phobien sind solche Ersatzbildungen, wie Freud u.a. am Fall des .kleinen Hans' aufzeigt, der mit seiner Pferdephobie die eigentliche Kastrationsangst vor dem Vater gegenüber dem eigenen Bewusstsein verdeckt und damit zusätzlich einen Ambivalenzkonflikt im Verhältnis zum gleichzeitig gefürchteten und geliebten Vater kompensiert. Vgl. Freud, Hemmung, Symptom und Angst, S. 246 ff. Obwohl es der klassischen Psychoanalyse an einer ausgearbeiteten Theorie der Emotionen erstaunlicherweise fehlt, erfährt das Emotionale andererseits eine Aufwertung gegenüber dem Kognitiven dadurch, dass die zentralen Hypostasierungen des psychoanalytischen Menschenbildes - darunter u.a. der sogenannte Ödipuskomplex auf affektive Konflikte der frühen Entwicklungsphase der Menschen aufbauen. Schuld- Depressions- und Angstbearbeitung bilden zudem das Hauptbeschäftigungsfeld der theoretischen und praktischen Analysen. Es umfasst ein Streben nach Lust ebenso wie das Vermeiden von Unlust. Es umfasst sinnliche Wahrnehmungen, Gedächtnisleistungen sowie Denkvorgänge, die einer, möglichst Energieaufwand ersparenden, Orientierung in der Welt dienen. Vgl. Freud, Formulierungen über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehens, S. 20 ff. Ebd. Das lässt sich an einem beliebigen Beispiel einer Affektverdrängung nachvollziehen. Angenommen, es entsteht eine emotionale Hassregung auf
Anmerkungen
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den eigenen Vater, die vom Über-Ich als nicht tolerierbar eingestuft wird. Eine derartige Hassregung kann nach Freuds Vorstellung vom Über-Ich dadurch entschärft und zensiert werden, dass es ihre Trieb- und Vorstellungskomponente sozusagen wieder auseinander spaltet und wahlweise die Triebkomponente oder Vorstellungskomponente isoliert ins Es zurückdrängt. Die beiden ehemaligen Konstituenten des Hasses sind nun frei fluktuierend und zu neuen Verbindungen bereit, so dass der Hass damit aufgelöst und bis auf weiteres aus dem Bewusstsein verbannt ist. Die Frage, ob es unbewusste Affekte geben kann, hat Freud ambivalent beantwortet, was sich besonders in folgendem Zitat zeigt, Freud, Unbewußte Gefühle, S. 137: „Es kann zunächst vorkommen, daß eine Affekt- oder Gefühlsregung wahrgenommen, aber verkannt wird. Sie ist durch Verdrängung ihrer eigentlichen Repräsentation zur Verknüpfung mit einer anderen Vorstellung genötigt worden und wird nun vom Bewußtsein für die Äußerung dieser letzteren gehalten. [...] In allen Fällen, wo der Verdrängung die Hemmung der Affektentwicklung gelingt, heißen wir die Affekte, die wir im ,Redressement' der Verdrängungsarbeit wieder einsetzen, .unbewußte'." Nur einige Zeilen weiter schreibt Freud: „Es besteht aber im Vergleich mit der unbewußten Vorstellung der bedeutsame Unterschied, dass die unbewußte Vorstellung nach der Verdrängung als reale Bildung im System Ubw bestehen bleibt, während dem unbewußten Affekt ebendort nur eine Ansatzmöglichkeit, die nicht zur Entfaltung komme durfte, entspricht. Strenggenommen und obwohl der Sprachgebrauch tadellos bleibt, gibt es also keine unbewußten Affekte, wie es unbewußte Vorstellungen gibt." 59
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Freud hat unter einer Steigerung des Wohlbefindens den Abbau von Spannung verstanden und damit den Nullpunkt der Spannung zum idealen Lustzustand erklärt. Aus diesem Grund wird das psychoökonomische Nirvanaprinzip manchmal auch als „Konstanzprinzip" bezeichnet, weil es stetig auf die Erhaltung oder (Wieder-) Herstellung eines konstanten Spannungsniveaus zielt. Vgl. Freud, Triebe und Triebschicksale, Bd. 3, S. 83 ff. Dem widerspricht Edith Jacobson u.a. mit dem Verweis auf Erfahrungen lustvoll erlebter Spannungssteigerungen, zu denen etwa ein Orgasmus zählt. Vgl. Jacobson, Depressionen, S. 37. Vgl. Jacobson, Depressionen. Jacobson, a.a.O, S. 41 ff. Jacobson, a.a.O., S. 47. Jacobson unterscheidet Affekte, die durch Spannungen innerhalb der Systeme Ich, Es, Über-Ich zustande kommen sowie solche, die durch Konflikte zwischen den Systemen, d.h. zwischen z.B. Ich und Es sowie zwischen Ich und Über-Ich entstehen. Vgl. Jacobson, Depressionen, S. 27 ff. Im deutschsprachigen Raum tritt u.a. Gerhardt Roth für eine integrative Konzeption von kognitiven und emotionalen Vermögen ein, vgl. Roth, Fühlen, Denken, Handeln.
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Damasio, Descartes' Irrtum und ders., Ich fühle, also bin ich. Damasio, Ich fühle, also bin ich, S. 56: „In den letzten Jahren haben sich sowohl die Neurowissenschaften als auch die kognitive Neurowissenschaft endlich auf die Emotionen besonnen.[...] Mehr noch, der vermeintliche Gegensatz von Emotion und Vernunft wird nicht mehr fraglos hingenommen. Beispielsweise haben Arbeiten in meinem Labor gezeigt, dass die Emotion unter günstigen wie ungünstigen Bedingungen ein integraler Bestandteil von Denk- und Entscheidungsprozessen ist." MacLean, Sensory and Perceptive Factors in emotional Functions of the Triune Brain, S. 9-37. Wie Gerhard Roth feststellt, ist die Auffassung von drei unabhängig arbeitenden Gehirnarealen ebenso falsch, wie die Idee einer stammesgeschichtlichen Abfolge der Entstehung solcher Gehirnteile. Vgl. Roth, Fühlen, Denken, Handeln, S. 261 ff. MacLean, Sensory and Perceptive Factors in emotional Functions of the Triune Brain, S. 14 sowie Meier-Seetaler, Gefühl und Urteilskraft, S. 181. Eine Zusammenfassung von und Kritik an MacLeans Ansatz findet sich in: Roth, a.a.O., S. 216. Vgl. die Schilderungen des Falls .Phineas Gage' in: Damasio, Descartes' Irrtum, S. 25-40. Damasio, a.a.O., S. 54. Ronald de Sousa spricht von einem .philosophischen Rahmenproblem', das sich im Kontext der Entscheidungslogik und KI-Forschung darin zeigt, dass man bereits wissen müsse, inwiefern sich eine zu ziehende Schlussfolgerung überhaupt als relevant erweisen wird, bevor das Ergebnis gewonnen ist. Eine solche Relevanzmarkierung übernimmt nach de Sousa die Emotion. Vgl. de Sousa, Rationality of Emotions, S. 169 ff. Damasio, Descartes' Irrtum, S. 237: „Da die Empfindung den Körper betrifft, habe ich dem Phänomen den Terminus somatischer Zustand gegeben (soma ist das griechische Wort für Körper) und da sie ein Vorstellungsbild kennzeichnet oder .markiert', bezeichne ich sie als Marker. Dazu ist abermals festzustellen, dass ich somatisch im allgemeinsten Sinne verwende (das heißt, damit alles bezeichne, was zum Körper gehört) und sowohl viszerale wie nicht-viszerale Wahrnehmungen gemeint sind, wenn von somatischen Markern die Rede ist." Des weiteren geht Damasio davon aus, dass die somatischen Markierungen von Entscheidungen und Vorstellungen unbemerkt ablaufen können und sich diesem unbewusstem Funktionieren unsere Intuitionen verdanken. Vgl. Damasio, a.a.O., S. 256 ff. Damasio, Descartes' Irrtum, S. 245. Vgl. Darwin, Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren sowie Ekman, Expression and the Nature of Emotion, S. 319-344.
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Vgl. Darwin, a.a.O. Diese kommunikative Seite des Ausdrucksverhaltens set2t noch kein propositionales Wissen oder die Bildung bewusster Kommunikationsintentionen voraus, denn selbst Blumen und Insekten zeigen über ihre Farblichkeit z.B. oder über Verhalten (z.B. Balztanz) an, ob z.B. Honig gewonnen werden kann, ob Befruchtungen möglich sind, Gefahr droht oder wo die nächste Futterstelle ist. Vgl. Bennett, Rationality, S. 42 ff. Vgl. Ekman, Universale emotionale Gesichtsausdrücke, S. 177-187. Dewey, The Theory of Emotion, S. 163. Dewey, a.a.O., S. 154-172. Dewey hält Darwins Rede von einem ^Ausdrucks verhalten der Emotionen' insofern für irreführend, als sie die Vorstellung nahe legt, Verhalten als Ausdruck von etwas anderem - eben einem vorgängigen emotionalen Zustand - aufzufassen. Emotionen, so will Dewey Darwins Ansatz in Richtung auf eine strikt behavioristische Lesart disambiguieren, seien aber selbst einfach die Verhaltens formen, die auf Problemlösung und Anpassung im Dienste des Überlebens zielen, nicht irgendwelche inneren Zustände. Vgl. Dewey, a.a.O., S. 153 ff. Vgl. u.a.: Ekman, Universale emotionale Gesichtsausdrücke, Izard, Innate and universal facial expressions: Evidence from development and crosscultural research, S. 288-299, Plutchik, Emotion: A Psychoevolutionary synthesis, Tomkins, Affect, Imagery, and Consciousness. Zur Kritik an diesen Ansätzen vgl. Ulich und Mayring, Psychologie der Emotionen, S. 49 ff. Die Autoren verweisen dort darauf, dass die erlebnisphänomenalen Gesichtspunkte der Emotionen in den genannten Untersuchungen unterbehandelt bleiben und damit ein zentrales Merkmal der Emotionen übersehen wird. Darwin hatte bereits die Beobachtung erhärten können, dass unechtes Lachen oder Lächeln von anderen Muskeln koordiniert wird als echtes. Die subjektive Selbstwahrnehmung dieser unterschiedlichen Muskelbewegungen ist daher auch in beiden Fällen verschieden. Da das Gegenüber diese mimischen Bewegungen sehen kann, erklärt dies auch, warum man häufig doch ein vorgetäuschtes freundliches Lachen oder Lächeln als .unechtes' enttarnen kann. Künstliches Lächeln ist als „Duchenne-Lächeln" in die Forschung eingegangen, weil die fotografierte Versuchsperson Darwins so hieß. Vgl. Darwin, Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren, S. 167 ff. Diesen Punkt hat Paul Ekman in interkulturellen Studien bestätigt. Auf neuronaler Ebene soll es entsprechende Unterschiede geben. Vgl. Ekman, Voluntary smiling changes regional brain activity. S. 342-345. Auch die Psychoanalyse unterstreicht die mnemotechnische Funktion affektiver Besetzungen von Schemabildungen und Erfahrungen für die Habitualisierung von Verhalten. Vgl. Freud, Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, S. 380 ff.
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Anmerkungen
Für die psychoanalytische Praxis sind die Begriffe „Übertragung" und „Gegenübertragung" Schlüsselkonzepte in der Beziehung zwischen Patienten und Therapeuten. Vgl. Freud, Die Übertragung, Bd. 1, S. 415 ff. Darwin, Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren, S. 36. Die beiden anderen Prinzipien nennt Darwin „Das Prinzip des Gegensatzes", womit die angebliche Neigung zu unzweckmäßigem Verhalten bei extremen Emotionswechsel beschrieben wird, und: ,,[d]as Prinzip, dass Handlungen durch die Konstitution des Nervensystems verursacht werden, von Anfang an unabhängig vom Willen und in einem gewissen Maße unabhängig von Gewohnheit sind". (Ebd.) Sowohl der Umschlag von einer Emotion in eine entgegengesetzte (Prinzip 2) als auch Tätigkeiten des Nervensystems (Prinzip 3) fuhren Darwin zufolge — neben den gewohnheitsmäßigen Assoziationen (Prinzip 1) — zu emotional ausdrucksvollem Verhalten. Darwin, a.a.O., S. 37 ff. Von Darwin ist zu diesem Automatismus die Anekdote eines SelbstExperiments überliefert, das er während eines Zoobesuchs anstellte: Er drückte die Nase an die Glaswand eines Schlangenkäfigs und nahm sich fest vor, beim Zuschnellen der Schlange in Richtung auf sein Gesicht nicht zu erschrecken oder die Position zu verlassen, da die Situation nach bewusster eigener Einschätzung objektiv harmlos war. Doch kaum wirft sich die Schlange, wie erwartet, gegen die Käfigwand, findet sich Darwin auch schon einen bis zwei Meter entfernt vom Käfig wieder. Es gab offenbar keine Möglichkeit, diesen Fluchtimpuls rational und bewusst zu steuern. Eben deshalb knüpfen Physiologen heute an Darwins Untersuchungen an.Vgl. LeDoux, Das Netz der Gefühle und Damasio, Ich fühle, also bin ich. Während Ausdrucksformen wie Zähnefletschen aus Wut, Gänsehautbildung aus Furcht, Pupillenvergrößerungen aus Schreck zwischen Menschen und Tieren gleichermaßen verbreitet sind, registriert Darwin auch artenspezifische Ausdrucksvarianten, wie das Lachen und Weinen, die sich nur beim Menschen beobachten lassen. Vgl. Darwin, Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren, S. 161 ff. LeDoux, Das Netz der Gefühle, S. 325. Zu dem innerhalb der Philosophie des Geistes vielfach diskutierten Verhältnis von alltagspsychologischen Erklärungen zu (einzel-) wissenschaftlichen Erklärungen vgl. Peter Bieris Einleitung in: Analytische Philosophie des Geistes, S. 1-29, sowie Jerry Fodor, The Persistence of the Attitudes, in: Modern Philosophy of Mind, S. 240-272 und Marcus Birkes Aufsatz: Alltagspsychologie, S. 30 ff. Griffiths, What emotions really are, S. 36. Averiii, The social construction of emotion: With special reference to love., S. 89-109, auch Shweder, The cultural psychology of the emotions.
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Vgl. auch Ortony und Turner, What's basic about basic emotions?, S. 315331. Averiii, Emotion and anxiety: Sociocultural, biological, and psychological determinants, S. 37-73. Zur Auseinandersetzung zwischen Universalisten, die glauben, dass das Repertoire an Emotionen mehr oder weniger universell identisch ist und den sozialen Konstruktivisten, die von kulturell bedingten Differenzen in der Ausbildung der Emotionen ausgehen, vgl. auch Ekman und Davidson, Affective science: A research agenda, S. 409-431. Wilson, Die Einheit des Wissens, S. 221. Wilson, a.a.O., S. 152. Ebd. Für welche Formulierung man sich hier entscheidet ist Geschmackssache. Angst gilt als das am meisten untersuchte affektive Phänomen in der Wissenschaft. Vgl. LeDoux, Das Netz der Gefühle, S. 152 ff. LeDoux und Griffith übertragen daher Ergebnisse der Tierversuche zum Teil auf die Menschen, insbesondere die Annahme, dass emotionale Reaktionen überwiegend automatisch gesteuerte und z.T. vorbewusste Programme sind. Vgl. LeDoux, Das Netz der Gefühle, S. 186: „Ich habe keine Zweifel, dass die Untersuchung der Furchtreaktionen von Ratten uns viel darüber verraten, wie die Furchtmechanismen auch in unserem Gehirn funktionieren". So auch Griffith, What emotions really are, S. 95 ff. Aus neurowissenschaftlicher Perspektive scheinen Primärgefiihle hauptsächlich in den Schaltkreisen des limbischen Systems aktiviert zu werden, wobei die Amygdala offenbar die entscheidende Integrations- und Relaisstation ist. Vgl. dazu LeDoux, Im Netz der Gefühle, S. 186: „Die wesentliche Tatsache ist, dass die Abwehr von Gefahr von den einzelnen Arten auf der Verhaltensebene ganz unterschiedlich realisiert wird, die Rolle der Amygdala aber dieselbe bleibt. Diese neurale Entsprechung zwischen den Arten erlaubt es zweifellos, dass unterschiedliche Verhaltensweisen bei verschiedenen Tieren ein und dieselbe evolutionäre Funktion erfüllen. Diese funktionale Äquivalenz und neurale Entsprechung gilt für viele Wirbeltiere, auch das menschliche Gehirn. Was das Erkennen einer Gefahr betrifft und die Reaktion darauf, hat sich das Gehirn einfach nicht sehr verändert." Wilson, Die Einheit des Wissens, S. 154. Zu den archaischen Emotionsauslösern bei Menschen zählt Wilson z.B. sexuelle Reize, laute Geräusche, windende Bewegung von schlangenartigen Objekten sowie körperliche Verletzungen bzw. Annehmlichkeiten. Sie fuhren zu Primärgefühlen wie erotische Anziehung, Schreck, Angst, Abscheu, Schmerz und Lust. Damasio, Descartes' Irrtum, S. 207: „Diese zweite Empfindungsart wird von der Erfahrung beeinflusst; feinere Schattierungen des kognitiven Zustands verbinden sich mit differenzierteren Spielarten des emotionalen Körperzustands. Diese Verbindung aus einem komplizierten kognitiven
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Inhalt und der Modifikation eines präorganisierten Körperzustandprofils ermöglicht uns, verschiedene Abstufungen von Reue, Verlegenheit, Schadenfreude, Rachsucht und so fort zu empfinden." Er unterscheidet insgesamt aber drei Empfindungsarten: 1.) Empfindungen von grundlegenden Universalgefuhlen (Basisemotionen, Primärgefuhle), 2.) Empfindungen von differenzierten Universalgefühlen (Sekundärgefühle) und 3.) Hintergrundemp findungen. Wilson, Die Einheit des Wissens, S. 155. Heller, Theorie der Gefühle. Orientierungsgefühle sind Heller zufolge Ja-Nein-Gefühle', die ihrer Meinung nach die meisten mentalen Vorgänge begleiten. Beispiele dafür sind alle Arten von intuitiver Urteilsfähigkeit, so wenn man z.B. ein schlechtes Gefühl bei einer Verhandlung hat oder auch etwas sympathisch findet. Vgl. Heller, a.a.O., S. 114 ff. Heller spricht genauer von der Kategorie der .kognitiv-situativen Gefühle', zu denen sie Scham, Schuld, Freude, Verliebtheit usf. zählt. Kognitivsituative Gefühle sollen sich darüber auszeichnen, auf bestimmte Situationen korrelativ bezogen zu sein. Darüber hinaus spricht Heller den Emotionen ein hohes Maß an Idiosynkrasie zu (z.B. ist Romeos Liebe zu Julia anders als seine zu Resa), die zudem eine historisch-kulturelle Varianz aufweisen. Vgl. Heller, Theorie der Gefühle, S. 126: „So gab es z.B. nicht immer schlechtes Gewissen, Andacht, Wunsch der Unabhängigkeit, Demut, Menschenliebe." Das schließt nicht aus, dass Triebgefuhle oder Affekte einen Anteil an Emotionen haben können und insofern auch Mischungen möglich sind. Heller, Theorie der Gefühle, S. 15. Heller, Theorie der Gefühle, S. 167. Ebd., S. 154. Steinfath, Orientierung am Guten. Steinfath, a.a.O., S. 144. Vgl. Tugendhat, Egozentrizität und Mystik. Eine anthropologische Studie. Für Tugendhat hängt die Fähigkeit des Menschen nicht nur situationsgebunden reagieren, sondern darüber hinaus referieren und vorausschauend planen zu können, an der Eigenschaft der Propositionalität der Sprache. Mithilfe singulärer Termini und Sätze können wir uns - anders als Tiere z.B. auch auf abwesende und zukünftige Sachverhalte beziehen. Zudem eignet dem Menschen nach Tugendhat ein Bewusstsein seiner Relativität und Kontingenz angesichts eines unüberschaubaren Universums, das im Verbund mit dem Zeitbewusstsein und dem damit einhergehenden Wissen um die eigene Sterblichkeit, Furcht und Leiden erzeugt. Tugendhat hält es für eine Strategie der Bewältigung dieses Leidens, dass der Mensch in der Lage ist, sich von sich selbst, d.h. seinem voluntativ-affektiven "Sichwichtig-nehmen" zu distanzieren und so die zunächst passiv erfahrene, ob-
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jektive Relativität seiner Existenz sozusagen aktiv ins Selbstverhältnis zu übernehmen. Tugendhat, a.a.O., S. 111 ff. Das gilt in gewisser Hinsicht für andere Gattungen auch, sofern erst die spezifischen Anforderungen der sozialen und natürlichen Umwelt den Maßstab für die Herausbildung von Fähigkeiten bilden. Tomasello hat u.a. gezeigt, dass Affen, die in einer menschlichen Umgebung aufwachsen, weitaus mehr menschenähnliche Fertigkeiten ausbilden als ihresgleichen, die normal aufwachsen. Allerdings bleibt der Unterschied zwischen einer selbständig kulturschaffenden und einer selbst flexibel anpassungsfähigen Gattung fundamental: „The fact that chimpanzees and bonobos raised from an early age and for many years in human-like cultural enviroments may develop some aspects of human social cognition and cultural learning demonstrates the power of cultural processes in ontogeny in a particularly dramatic way, and the fact that other animal species do not respond in this manner demonstrates the impressive social learning skills of the great apes. But responding to a culture and creating a culture de novo are two different things." Tomasello, The Cultural Origins of Human Cognition, S. 36. In wie weit die folgenden Überlegungen und Ergebnisse der philosophischen Untersuchungen auf die so genannten einfachen Emotionen anwendbar sind, muss offen bleiben. Relevant bleibt allerdings die Überlegung, dass mit dem Einsetzen der Sprache und der Reflexionsfahigkeit beim Menschen eine Transformation eben auch der primären Emotionen statthat, die so bei Tieren nicht möglich ist. Wenn also die hier zu behandelnden Emotionstheorien sich mit dem Spektrum der sekundären Emotionen beschäftigen, handelt es sich dabei immerhin um das Gros der relevanten menschlichen Affekte.
II. Teil 119 120
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Darin folge ich Kenny. Vgl. Kenny, Action Emotion and Will. Auf die Position des Kognitivismus wird im Anschluss an die Darstellung der gefühlstheoretischen Positionen von Descartes und Hume sowie der verhaltenstheoretischen Ansätze zu kommen sein. Descartes, Ueber die Leidenschaften der Seele. Descartes, a.a.O., S. 24. Descartes, a.a.O., S. 28, 29: „Auf die Seele bezieht man die Vorstellungen, die man als deren alleinige Wirkung nimmt und von denen man in der Regel keine nächste Ursache kennt, auf die man sie beziehen könnte. Dahin gehören die Gefühle der Freude, des Zorns und ähnliche, die durch Gegenstände, welche die Nerven erregen, erweckt werden. [...] Obgleich nun alle unsere Vorstellungen [...] in Wahrheit leidende Zustände der Seele sind, wenn man dieses Wort in seinem allgemeinsten Sinne nimmt, so ver-
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steht man darunter doch nur die, welche sich auf die Seele selbst beziehen, und nur diese bilden unter dem Namen .Leidenschaften der Seele' den Gegenstand des Werkes." Descartes, a.a.O., S. 50. Descartes, a.a.O., S. 29. Ebd. In der Nikomachischen Ethik (NE) hat auch Aristoteles darauf hingewiesen, dass zumindest die Fähigkeit Affekte zu verspüren eine natürlich gegebene Anlage ist. Er unterscheidet dort drei Seelenvermögen, die aufeinander bezogen, aber nicht aufeinander reduzierbar sein sollen: 1) irrationale Regungen (d.h. sämtliche Affekte), 2) Anlagen zu fühlen und 3) Haltungen zu den Affekten, die auf eine rechte Ausgewogenheit ihrer Extreme (meson) zielen. Vgl. Aristoteles, NE, Buch 2,4., [1105b 3-26], S. 41. Vgl. Kenny, Action, Emotion and Will. Hume, Ein Traktat über die menschliche Natur, Buch 2, Über die Affekte. A.a.O., S. 36. A.a.O., S. 108. Descartes, Ueber die Leidenschaften der Seele, S. 73 (Hervorhebung, C.V.). Hume, a.a.O., S. 4. Vgl. a.a.O., S. 109 ff. Vgl. dazu Kusser, Dimensionen der Kritik von Wünschen. Rationalitätsfähigkeit bezieht sich nicht auf Propositionen als solche, sondern auf das Fürwahrhalten von Meinungen, die hinsichtlich des Zutreffens und Zustandekommens ihres semantischen Gehaltes nach normativen Regeln von .richtig und falsch', .rational oder irrational' beurteilt werden können. Vgl. Gosepath, Aufgeklärtes Eigeninteresse. Eine Theorie theoretischer und praktischer Rationalität, S. 28 ff. Über den Effekt von Niedergedrücktheit und Stolz auf unsere Vorstellungen sagt Hume in: Ein Traktat über die menschliche Natur, Buch 2, Über die Affekte, S. 15: „Wenn wir von dem einen oder anderen Affekt bewegt werden, so ist unser Blick zuletzt immer auf uns selbst gerichtet, und wir können in solcher Gemütsverfassung niemals dieses Objekt [,das Selbst', C.V] aus dem Auge verlieren. Ich gebe nicht vor, hierfür einen Grund aufweisen zu können; ich halte eben diese besondere Richtung unseres Vorstellens für eine ursprüngliche Eigentümlichkeit des Geistes." Das jedenfalls legt die Analogie nahe, die Hume zur Fundierung dieses Sachverhaltes selber gibt: Der Zusammenhang von Stolz und dem eigenen Selbst erscheint ihm ebenso notwendig oder zufallig wie die Tatsache, „dass unsere Ohren unterhalb unserer Augen liegen", was sich einzig der empirischen Beschaffenheit unseres Körpers verdankt. Vgl. Hume, ebd. Hume, a.a.O., S. 16. James, What is an Emotion? S. 126 (Hervorhebungen im Original).
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Der dänische Psychologe C.G. Lange kam fast zur gleichen Zeit wie James zu dieser These, weshalb manche sie auch als „James-Lange-Theorie" bezeichnen. Da Lange aber im Unterschied zu James nicht eigenständig diskutiert wird, hat sich die zugunsten von James ausfallende Abkürzung eingebürgert, bei der auch ich im weiteren bleiben werde. Eine andere bekannte Bezeichnung für James' Theorie ist „peripherische" oder „peripherialistische" Theorie, weil es die peripheren Körperreaktionen sind, deren Wahrnehmung bei James im Mittelpunkt stehen. Vgl. dazu Klaus Kühl, Emotion, Kognition und Motivation in: Sprache und Kognition, S. 1-27. Vgl. James, a.a.O. Vgl. die Kritik von Cannon an James: Cannon, Bodily changes in pain, hunger, fear, rage. Die Behauptung einer emotionsdistinguierenden Spezifizität der physiologischen Rückmeldungen ist von dem Physiologen Walter B. Cannon bestritten worden. Cannon hat die Theorie von James experimentell zu prüfen versucht und keine eindeutige ANS-Signatur einzelner Emotionstypen finden können. Daraus hat Cannon die Konsequenz gezogen, dass die senso-motorischen Rückmeldungen ans Hirn nicht die Ursachen der Emotionen sein können. Zugleich entdeckte Cannon den Hypothalamus als das Zentrum des emotionalen Gehirns. Offenbar können Sinneseindrücke den Hypothalamus auch direkt aktivieren, ohne den sensorischen Kortex durchlaufen zu müssen — wie James behauptete - und dies ist der zentrale Kritikpunkt an James auf physiologischer Ebene gewesen. Zur detaillierteren Darstellung der Experimente Cannons und den physiologischen Hintergründen vgl. LeDoux, Das Netz der Gefühle, S. 87 ff. Vgl. James, a.a.O., S. 131: „I now proceed to urge the vital point of my whole theory which is this. If we fancy some strong emotion, and then try to abstract from our consciousness of it all the feelings of its characteristic bodily symptoms, we find we have nothing left behind, no ,Mind-stuff out of which the emotions can be constituted, and that a cold and neutral state of intellectual percepion is all that remains." Und an anderer Stelle sagt James: „Can one fancy the state of rage and picture no ebullition of it in the chest, no flushing of the face, no dilatation of the nostrils, no clenching of the teeth, no impulse to vigorous action, but in their stead limb muscles, calm breathing, and a placid face? The present writer, for one, certainly cannot. The rage is as completely evaporated as the sensation of its so-called manifestations, and the only thing that can possibly be supposed to take its place is some cold-blooded and dispassionate judicial sentence, confined entirely to the intellectual realm, to the effect that a certain person or persons merit chastisement for their sins." A.a.O., S. 132; beide Stellen zit. nach der von Solomon herausgegebenen Anthologie, What is an emotion? Neben Wittgenstein und Austin u.v.a zählt auch Ryle seit Mitte des letzten Jahrhunderts zu den Vertretern des .linguistischen turns' in der Philoso-
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phie. Die Kernüberzeugung der auch ,sprachanalytisch' genannten Ausrichtung innerhalb der Philosophie ist allgemein gesagt die, dass eine sorgfaltige Analyse der alltäglichen Verwendungsweise von Sprache und ihrer Funktionen im alltäglichen Diskurs zur (Auf-)Lösung philosophischer Probleme beitragen kann. Manche Grundfragen und Aporien der Philosophiegeschichte werden aus dieser Sicht als Scheinfragen entlarvt, die z.T. auf die doppeldeutige Verwendung oder Verwechslungen grammatisch ähnlicher Begriffe und Terme zurückgeführt werden. Einen Uberblick verschafft Tugendhat, Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie. Der Pragmatismus ist eine in Amerika der vorletzten Jahrhundertwende entwickelte Form der Bedeutungstheorie, die mit Charles Peirce, William James sowie John Dewey verbunden wird und von Dewey auch als ,Instrumentalismus' bezeichnet wird. Sehr vereinfacht ausgedrückt ist die pragmatische Kernüberzeugung die, dass im Handeln der wesentliche Grundzug des Menschen liegt und auch der Wert und Unwert des Denkens sich danach bemessen lassen soll, ob es der Lebenspraxis dient. Einen Überblick verschafft Pape in: Der dramatische Reichtum der konkreten Welt. 146
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Vgl. bes. die repräsentativen Beiträge von Aiston, Bedford, Perkins, Pitcher, Gerth und Mills, Kemper und Solomon in der Aufsatzsammlung von G. Kahle (Hg.), Logik des Herzens. Die soziale Dimension der Gefühle, S. 9-155, S. 233-254. Ryle, Der Begriff des Geistes, S. 107. Mit den .üblichen Theorien' meint Ryle die Gefuhlstheorien, insbesondere die von Descartes. Ryle, a.a.O., S. 109. A.a.O., S. 110-111. A.a.O., S. 110 ff. A.a.O., S. 151. A.a.O., S. 114 ff. A.a.O.,S. 117. A.a.O., S. 144. An unterschiedlichen Stellen formuliert Ryle die These, dass Erregungen stets Motive und Neigungen voraussetzen bzw. auf solche verweisen. Vgl. Ryle, a.a.O., S. 121: „Eine Erregung setzt voraus, daß zwei Neigungen bestehen oder eine Neigung und ein faktisches Hindernis. Trauer einer gewissen Art ist durch den Tod vereitelte Zuneigung usw." Ryle charakterisiert die Art des Zugangs zu Emotionen nochmals genauer, wenn er schreibt: „Die eigenen, auf längere Zeit bestimmenden Motive findet man auf dieselbe Art heraus wie die Motive anderer. Die Quantität und die Qualität des einem zugänglichen Tatsachenmaterials ist in beiden Untersuchungen verschieden, aber ihr Inhalt ist im allgemeinen von derselben Art." (A.a.O., S. 117)
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Dabei wird das Vorhandensein von Bedürfnissen vorausgesetzt, welche die zu erreichenden Ziele des Verhaltens festlegen und nicht selbst wieder Emotionen sind. Ryle, a.a.O., S. 139. Dewey, The theory of emotion, S. 164. Ebd. Ebd. A.a.O., S. 166. A.a.O., S. 165. A.a.O., S. 167. A.a.O., S. 166. Vgl. Griffith, What emotions really are, und Ledoux, Das Netz der Gefühle, S. 325 ff. Vgl. die Kritik von Griffith an sprachanalytischen Ansätzen in: Griffith, a.a.O., S. 21-44. In Bezug auf die Frage, was Bewusstsein ist, haben z.B. Philosophen wie John Searle, Patricia und Paul Churchland die Neurobiologen aufgefordert, sich mit dem Thema zu beschäftigen, weil sie von ihnen einen Beitrag zur Klärung des Gegenstandes erwarten. Vgl. dazu Damasio, Descartes' Irrtum, S. 313 ff. Kenny, Action, Emotion and Will, S. 79. Ryle vergleicht Erklärungen durch Rekurse auf Emotionen mit erklärenden Rekursen auf Dispositionen, wie wir sie in Sätzen der Art: „Dieses Glas ist gesprungen, weil Glas zerbrechlich ist", vornehmen. Vgl. Ryle, Der Begriff des Geistes, S. 126 ff. Bedford, Emotionen, S. 55. Brentano, Von der Klassifikation der psychischen Phänomene, S. 29: „Die psychischen Phänomene unterscheiden sich von allen physischen durch nichts so sehr als dadurch, dass ihnen etwas gegenständlich innewohnt." Im folgenden Verlauf des Textes werden diese Begriffe synonym verwendet. John Haidane nennt deshalb intentionale Beziehungen auch „einseitige Relationen" (engl, „one-sided-relations"). Haidane sieht eine interne Asymmetrie intentionaler Beziehungen darin, dass nur das Subjekt solcher Beziehungen existieren muss, während dem Objektausdruck nichts raumzeitlich Identifizierbares in der externen Welt entsprechen muss. Vgl. Haidane, Intentionality and one-sided-relations, S. 100-115. Dass man Brentanos Auffassung von Intentionalität nicht notwendigerweise als Neuformulierung eines ontologischen Leib-Seele-Dualismus verstehen muss, diese vielmehr indifferent gegen die Probleme der ,body-mind'-Diskussion sei, ist die These von Dermot Moran. Vgl. Moran, Brentanos Intentionalitätsthese, 78-92. Vgl. Brentano, Von der Klassifikation der psychischen Phänomene. Dies ist z.B. der Fall, wenn jemand mit einem Stein eine Scheibe einwirft.
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Anmerkungen
Den Begriff „impact" verwendet Charles Taylor für die subjektiv bedeutsame Dimension von etwas. Vgl. Taylor, Self-interpreting animals. Vgl. Kenny, Action, Emotion and Will. Vgl. a.a.O., S. 26. A.a.O., S. 24, 25. Im Englischen kann „cause" sowohl in der Bedeutung von „Grund" (engl, auch „reason") als auch im Sinne von „Anlass" und „Ursache" verwendet werden. Vgl. Collins, Pons-Wörterbuch. DeutschEnglisch, Englisch-Deutsch, S. 99. Aus dem Kontext geht jedoch hervor, dass Hume mit „cause" an dieser Stelle „Grund" und nicht „Ursache" meint. Da Hume nicht zwischen Gründen und Objekten von Emotionen unterscheidet, ist die Aussage des angeführten Zitats auf Objekte zu beziehen. Ein Indiz dafür ist auch, dass er als Beispiel ,das Selbst' nennt, worauf man im Stolz bezogen ist, was stets das Bezugsobjekt dieses Affekts ist. Kenny, a.a.O., S. 60. Diesen Gedanken übernimmt Kenny offenbar von Brentano, der über Emotionen aussagt: „dass es sich analog wie bei den Urteilen um Wahrheit oder Unwahrheit bei den Phänomenen dieser Klasse um Güte und Schlechtigkeit, um Wert oder Unwert der Gegenstände handelt. Und diese charakteristische Beziehung zum Objekte ist es, die, wie ich behaupte, bei Begehren und Wollen so wie bei allem, was wir Gefühl oder Gemütsbewegung nennen, die innere Wahrnehmung in gleich unmittelbarer und evidenter Weise erkennen lässt." Aus: Brentano, Von der Klassifikation der psychischen Phänomene, S. 83-84. Kenny, a.a.O., S. 60. Bedford, Emotionen, S. 35. Ebd. A.a.O., S. 41. Kenny, a.a.O., S. 64. Solomon, The Passions, S. 126. Kenny, Action, Emotion and Will, S. 60. A.a.O., S. 61. Tugendhat, Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung, S. 205. A.a.O., S. 206. „Angst", „Euphorie", „Langeweile" oder „Fröhlichkeit" sind weitere Terme, die diese Doppelbedeutung aufweisen. Kenny, Metaphysics of Mind, S. 57. Kenny, Action, Emotion and Will, S. 75. Ebd. A.a.O., S. 73. Auf die Probleme dieser Auffassung wird später noch zurückzukommen sein. A.a.O., S. 73. A.a.O., S. 75: „I cannot be angry because of the way a man speaks if I do not notice the way he speaks. [...] ,1 feel elated because I have just been
Anmerkungen
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complimented' suggests that I believe that I have just been complimented." Dass Emotionen demnach primär bewusste Erfahrungen darstellen, ist fur Kenny offenbar ein eindeutiges Faktum. Ob dies nun die problematische Implikation birgt, dass es unbewusste Emotionen dann aus begrifflichen Gründen nicht geben kann, ist hier schwer zu entscheiden, da Kenny sich mit diesem Thema selbst nicht auseinandersetzt. Im Zusammenhang der Diskussion von Ansätzen von Annette Baier, Ronald de Sousa sowie Jean Paul Sartre wird auf das Thema der unbewussten Objekte zurückzukommen sein. Robert Solomon drückt diesen Gedanken folgendermaßen aus: „This is why our emotions are so dependent upon our opinions and beliefs. A change in my beliefs (for example, a refutation of my belief that John stole my car) entails (not causes) a change in my emotion (my being angry that John stole my car). I cannot be angry if I do not believe that someone has wronged or offended me." Vgl. Solomon, The Passions, S. 126. Kenny, Action, Emotion and Will, S. 73. Gosling, Emotion and Object. Aristoteles, Rhetorik, 2. Buch, 2. Kap. [1378 b], S. 85. Das schließt natürlich nicht aus, dass man ungerichtet aggressiv sein kann. Agressionen gehören jedoch zu den stimmungsartigen und nicht zu den emotionalen Zuständen. Kenny, Action, Emotion and Will, S. 189 ff. sowie Lyons, Emotion, S. 99 ff. Die definierende Beschreibung von z.B. „Furcht" als Reaktion auf etwas Bedrohliches ist deshalb nicht zirkulär, weil ,das Bedrohliche' auch durch einen nicht-emotionalen Begriff wie den ,des Gefahrlichen' ersetzt werden kann. Etwas kann als gefahrlich eingestuft werden, ohne dass man davor automatisch auch Angst oder Furcht empfinden muss. Taylor, G., Pride, Shame and Guilt. Thalberg, Emotion and Thought, S. 291-305. Vgl. Taylor, G., Pride, Shame and Guilt. Gordon, The Structure of Emotions. A.a.O., S. 31. Vgl. Green, Emotion and Belief. Die entsprechenden Negativformen sind gedanklich zu ergänzen. Das ist allerdings eine weniger zwingende Deutung als Green suggeriert. Zwar lassen sich beide Affekte ihrer intentionalen Struktur nach als ,beliefdesire'-Verschränkungen analysieren, aber es folgt nicht, dass ihre implizierten Wahrscheinlichkeitsannahmen hinsichtlich p divergieren. Beide Bauern könnten p auch denselben Wahrscheinlichkeitswert zuordnen und dennoch hinsichtlich des Gegenstandes, auf den sie repräsentational bezogen sind, voneinander abweichen, da der Sich-fürchtende auf einen negativen Sachverhalt nicht p ("'p = Abwesenheit von Regen) bezogen ist
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Anmerkungen
und der Hoffnungsvolle auf den positiven Sachverhalt p (p = Anwesenheit von Regen). Vgl. Gosling, Pleasure and Desire sowie Wilson, Emotion and Object. Beispiele für falsche Objektbesetzungen sind fehlreferierende Emotionen, wie etwa die Furcht vor einem Einbrecher, der aber in Wahrheit mit einem Kleiderständer verwechselt wird. Ein Beispiel für eine emotional negative Objektbesetzung wäre die Traurigkeit darüber, dass eine abwesende oder verstorbene Person bei einem gegenwärtigen Ereignis nicht anwesend sein kann. Und selbst für sinnliche Wahrnehmungen von einfachen Gegenständen wie einer Vase benötigen wir, jenseits physikalischer Präsenz und Kausalität des Gegenstandes selbst, auch noch so etwas wie Klassifikations- und Abstraktionsfahigkeiten seitens des wahrnehmenden Subjekts, damit z.B. ein visueller Eindruck eines Dinges als Vase eingeordnet werden kann. Um eine Wahrnehmungssituation vollständig zu beschreiben sind zudem die Selektionsmechanismen mitzubeschreiben, welche die Aufmerksamkeit leiten uvm. Solomon, The Passions, S. 148: „The Mythology of emotion is the construction of surreality in dramatic form." A.a.O., S. 128. Bedford, Emotionen. A.a.O., S. 50. Weitere Satzbeispiele gibt Bedford ebd. Keine dieser Übersetzungen macht Sinn im Zusammenhang mit Aussagen über bloße Gefühle, und von daher können Emotionen aus Bedfords Sicht nicht mit Gefühlen identisch sein. Das spricht wiederum gegen Descartes und Hume, da beide Emotionen strikt als gefühlsmäßige Selbstwahrnehmungen konzipieren, selbst wenn sie darüber hinaus einräumen, dass Emotionen auch Meinungen und Wünsche beeinflussen können und umgekehrt von ihnen beeinflussbar sind. De Sousa, The Rationality of Emotion, S. 172. A.a.O., S. 173. A.a.O., S. 184. Vgl. Lyons, Emotion und Tugendhat, Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung. Darüber hinaus vgl. auch Scheele, Emotionen als bedürfnisrelevante Bewertungszustände. Gtundriss einer epistemologischen Emotionstheorie, S. 67 ff. Lyons, Emotion, S. 100. A.a.O., S. 78. A.a.O., S. 35. Tugendhat, Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung, S. 202 (Hervorhebung, C.V.). Vgl. Harris, Children and Emotion. Das Problem z.B. für autistische Kinder, ein differenziertes emotionales Repertoire und Fremdverstehen aus-
Anmerkungen
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zubilden, besteht Harris zufolge u.a. darin, dass ihnen die Möglichkeit der Imagination fehlt, sich in andere Personen hineinzuversetzen. Autistische Kinder reagieren offenbar, wenn überhaupt, auf eindeutige Signale und Verhaltensweisen unmittelbar mimetisch, ohne jedoch solche Verhaltenszeichen zu womöglich noch paradoxen Intentionen (z.B. zu Wünschen, Absichten, Wertvorstellungen) ins Verhältnis setzen zu können. Vgl. a.a.O., S. 193-216. Harris, Children and Emotion. Vgl. a.a.O., S. 214 ff. Schachter und Singer, Cognitive, social, and physiological determinants of emotional State, in: Psychological Review 69, S. 379 ff. Die Experimente und die These von Schachter und Singer sind bis heute umstritten. Joseph Ledoux hält dem z.B. entgegen, dass in dieser kognitivistischen Lesart das Emotionale an den Emotionen verlorengeht und letztlich doch Deweys Fehlschluss (oder zumindest eine Variante davon) vorliegt. Schachters und Singers Theorie erklärt in seinen Augen nur, was wir mit emotionalen Reaktionen machen, nachdem sie einmal generiert sind. Offen bleibe, wodurch eine emotionale Reaktion im ersten Schritt überhaupt zustandekommt. Vgl. Ledoux, Das Netz der Gefühle, S. 52-53. — Richard Lazarus versucht hingegen anhand neuer Versuchsanordnungen die These von der kognitiven Deutungsabhängigkeit der Emotionen zu stützen. So hat Lazarus z.B. verschiedenen Gruppen von Versuchspersonen (Vps) einen Film vorgeführt, der brutale Beschneidungsrituale unter australischen Ureinwohnern zeigte. Je nachdem, ob die Qual der Beteiligten von einem Kommentator ausgeschmückt wurde oder ob sie z.B. wissenschaftlich-ethnologisch rationalisiert und heruntergespielt wurde, beurteilten die Vps den Film auch emotional unterschiedlich. Vor dem Hintergrund der ausmalenden Kommentierung empfanden sie ihn als schrecklich, während sie im anderen Fall das Ritual relativ nüchtern betrachten konnten. Auch die gemessenen ANS-Reaktionen (ANS = Autonomes Nervensystem) der ersten Gruppe waren stärker als die der zweiten. Lazarus zieht daraus den Schluss, dass zwischen die Wahrnehmung des dargebotenen Reizes — in diesem Fall eines Films — und der darauf folgenden Erregung sowie Verhaltensweisen eine kognitive Interpretation der Lage zwischengeschaltet wird. In Abhängigkeit davon, wie diese zwischengeschaltete Interpretation ausfallt, ob der Film also als Dokumentation eines Schreckensszenarios oder einer ethnologischen Besonderheit eingestuft wird, variieren auch die emotionalen Reaktionen darauf. Vgl. Lazarus, On the primacy of Cognition, in: American Psychologist 39, S. 124-129. - Für einen guten Überblick über den aktuellen Stand der empirischen Forschung und Kontroversen vgl. den Sammelband hrsg. von P. Ekman und R. J. Davidson, The nature of emotion.
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Anmerkungen
Vgl. u.a. Lazarus, Appraisal: The long and the short of it, S. 208-216 sowie Wilson, Die Einheit des Wissens, S. 152 ff. und Ledoux, Das Netz der Gefühle, S. 61 ff. Kenny, Acrion, Emotion and Will, S. 78. A.a.O., S. 67. Auch Ryle hat darauf hingewiesen, dass Verhalten nur dann als emotionales einzustufen ist, wenn der Kontext dafür stimmt. Aber im Unterschied zu den Kognitivisten hat er die Relevanz der subjektiven Objektwahrnehmungen innerhalb eines emotionalen Kontextes nicht genügend berücksichtigt. In dieser Hinsicht geht eben die Begründung von Verhalten durch Hinweis auf Emotionen über Dewey und Darwin insofern hinaus, als es sich dabei nicht in jedem Fall um eine Analogie zu Reflexen handelt. Welches Ausmaß an Selbstkontrolle z.B. in bezug auf Angst- oder Wutunterdrückung zumutbar ist, ist wiederum kontext- und personenrelativ. Das Verhalten eines Kindes, das schreiend vor einem angeleinten Hund davonläuft, ist tolerierbar. Das gleiche Verhalten eines Erwachsenen würde man als unangemessen einstufen und erwarten, dass er die Situation emotional anders bewertet und handhabt. Auf die spezielle dispositionelle Verwendungsweise der Emotionsterme im Sinne von Charaktereigenschaften passt aus meiner Sicht am ehesten die verhaltenstheoretische Analyse. Über die Psychoanalyse hat in unsere Alltagssprache z.B. der Begriff des „Traumas" Eingang gefunden, mit dem emotionale Erfahrungen prägender Art beschrieben werden, deren Rekonstruktion im Extremfall eine ganze Lebensform zu erklären hilft. Bedford, Emotionen, S. 55. Die Beurteilung von Wünschen bezieht sich primär auf die Möglichkeit und die Kosten ihrer Befriedigung. Die Möglichkeit, einen Wunsch zu befriedigen, bemisst sich wiederum an den Fähigkeiten und Gelegenheiten dazu. Unter den Kosten kann die Nicht-Befriedigung kompetitiver Wünsche verstanden werden, deren Erfüllungsbedingungen mit denen des betreffenden Wunsches inkompatibel wären. Zur Rationalität von Wünschen vgl. Kusser, Dimensionen der Kritik von Wünschen. Vgl. Kenny, Action, Emotion and Will, Lyons, Emotion und Taylor, Pride, Shame and Guilt. De Sousa, The Rationality of Emotion, S. 123. A.a.O., S. 201. A.a.O., S. 202. A.a.O., S. 201. A.a.O., S. 201. Wer Geiz nicht als repräsentative Emotion auffasst, weil der Begriff auch für Charaktereigenschaften verwendet werden kann, mag das Beispiel
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durch beliebig andere ersetzen, etwa durch entsprechend irrationale, idiosynkratische Konditionierungen von Eifersucht, Scham oder Furcht. Solomon, Passions, S. 126. Vgl. Rorty, Explaining Emotions, Calhoun, Cognitive Emotions? und Greenspan, Emotions and Reasons. Vgl. Calhoun, Cognitive Emotions? Ausschließen will sie solche Fälle, in denen die ins Auge gefassten Konflikte bloße Scheinkonflikte sind, weil in Wirklichkeit die Person heimlich doch auch glaubt, was sie fühlt und es nur nicht zugibt. Rorty, Explaining Emotions, S.121. Greenspan, A case of mixed feelings: Ambivalence and the logic of Emotions. Dieses Beispiel diskutiert Greenspan in: Emotions and Reasons sowie in Rorty, Explaining Emotions, S. 223-251. Solomon selbst versucht eine psychologische Dimension emotionaler Rationalität einzubeziehen, indem er die spezifische Rationalität der Emotionen in Begriffen ihres Beitrags zur Maximierung von Würde (engl, „dignity") und Selbstachtung („self-esteem") glaubt beschreiben zu können. Vgl. Solomon, The Passions, S. 93 ff. Dieser Vorschlag leuchtet m.E. jedoch deshalb nicht ein, weil sich erstens die Bandbreite der Emotionen schwerlich auf ein gemeinsames Thema bringen lässt. Beliebige Beispiele ließen sich anführen, wie etwa eine Freude über einen freien Arbeitstag oder das Mitleid mit einem kranken Tier, die jeglichen Zusammenhang mit Würde oder Selbstachtung vermissen lassen. Zweitens wäre emotionale Rationalität dann auf bloße Zweck-Funktionalität reduziert und dies wiederum unterbestimmt die vielseitigen Möglichkeiten und Hinsichten der Beurteilung von Emotionen. So können emotionale Reaktionen z.B. übertrieben ausfallen, weil ihre Handlungskonsequenzen es sind oder irrational sein, weil ihre kognitive Basis unbegründet ist. Sartre, Eine Skizze der Theorie der Emotionen. Selbst eine Reaktion der Freude über die Ankunft eines lang ersehnten Freundes soll noch einen Aspekt von Unerträglichkeit an sich haben, da das begehrte Gegenüber nie in seiner Totalität vereinnahmt werden kann, wie Sartre sich ausdrückt. Somit fallt eine Art des Vermissens noch in die Begegnung mit einem ersehnten Freund hinein. Dieser negative Aspekt der Unerträglichkeit motiviert Sartre zufolge Verhaltensweisen wie einen Freudentanz oder andere rituelle Handlungen, womit die Negativität magisch kompensiert wird. A.a.O., S. 305. A.a.O., S. 304. A.a.O., S. 305. Solomon, The Passions, S. 128.
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Vgl. Dewey, The Theory of Emotion, Darwin, Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren, Ryle, Der Begriff des Geistes, Ekman, The Nature of Emotion. Solomon, The Passions, S. 124-125. A.a.O., S. 129. Diesen Punkt an Solomons Theorie kritisiert in ähnlicher Weise auch William Lyons. Vgl. Lyons, Emotion, S. 180 ff. Solomon, The Passions, S. 135 ff. A.a.O., S. 136. Dieses Argument bringt auch Wilson gegen Kenny vor. Vgl. Wilson, Emotion and Object, S. 22. Solomon, The Passions, S. 119. A.a..O., S. 120. De Sousa, The Rationality of Emotion, S. 120. Ebd. Wenn man so will, ist dies zugleich eine Aussage über die Verbindung zwischen zwei Emotionskonstituenten: Die evaluativen Urteile (d.h. die intentionale Komponente) verursachen und begründen Verhalten (d.h. die behaviorale Komponente). Aristoteles, Rhetorik, Buch 2, Kap. 2, [1378a], S. 84. In der Rhetorik, Buch 2, Kap. 2, [1378b-1380a] findet sich die volle Beschreibung des Zorns. Die sozialen Bedingungen (Beziehungen und Hierarchien), die Aristoteles zufolge gegeben sein müssen, damit man von jemandem überhaupt gekränkt werden kann, sind, wie Stocker und Hegemann meinen, bis heute unverändert die gleichen. Vgl. Stocker und Hegeman, The complex evaluative world of Aristotle's angry man, aus: Valuing Emotions, S. 265 ff. - John M. Cooper bemerkt, dass Zorn in der Rhetorik des Aristoteles eine Sonderrolle einnimmt und keineswegs klar ist, dass die drei Konstituenten, die für den Zornaffekt nach Aristoteles kennzeichnend sind, es auch für andere Affekttypen sind. Anders als Kenny sieht Cooper keine einheitliche Theorie der Affekte in Aristoteles Rhetorik und der dort gegebenen Auflistung der definierenden Beschreibungen der Affekte versteckt: „As we saw especially clearly in the case of anger, Aristotle seems to recognize three central elements as constituting the emotions - they are agitated, affected states of mind, arising from the ways events or conditions strike the one affected, which are at the same time desires for a specific range of reactive behaviours or other changes in the situation as it appears to her or to him to be. However, he does not draw special attention to this common structure, and he does not accord equal attention to each of the three elements in the case of every emotion he discusses." Cooper, An Aristotelian Theory of the Emotions, S. 251. Vgl. Alston, Emotion und Gefühl, S. 9-34, Matthias Kettner, Kommunikative Vernunft, Gefühle und Gründe, S. 123-147.
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Kenny, Action, Emotion and Will, S. 67: „The concept of each emotion is linked with non-emotional concepts in three ways. The concept, for example, of fear stands on three struts: (a) fearful circumstances, (b) symptoms of fear, (c) action taken to avoid what is feared." Pitcher, Emotionen, S. 96. A.a.O., S. 97. Perkins, Emotion und Gefühl, S. 58-82. Diesen Punkt hebt auch William Lyons hervor in: Lyons, Über die Rolle der Gefühle, S. 1-12. Perkins, Emotion und Gefühl, S. 68. A.a.O., S. 65. Perkins, a.a.O., S. 74. Lyons, Emotion, S. 58. A.a.O., S. 102. Pitcher, Emotionen, S. 95. A.a.O., S. 97. Für den Uberbegriff „Gefühle" wird manchmal auch das moderne Wort „Quale" (plural: „Qualia") verwendet. Die Vagheit des Gefühlsbegriffs, der eine eigene Abhandlung verdienen würde, zeigt sich u.a. daran, dass wir ein Phänomenspektrum damit bezeichnen, dass von Sensationen bis zu Intuitionen und Gefühlen der Gewissheit z.B. reicht. So fühlen wir manchmal, dass wir auf dem richtigen Weg bei der Suche nach einer Lösung einer technischen oder mathematischen Aufgabe sind oder wir fühlen ganz deutlich, dass ein verabredeter Plan durchkreuzt wird, obwohl nichts Konkretes dafür spricht. Kenny, Action, Emotion and Will, S. 98. Aiston, Emotion und Gefühl, S. 24. Lyons, Emotionen und Gefühle, S. 11. Aristoteles, Rhetorik, Buch 2, Kap. 1 [1378a], S. 84. Da es hier um die Werturteile sämtlicher Emotionen geht, ist es sinnvoll, die evaluative Komponente möglichst weit zu fassen. Weitere Beurteilungshinsichten können ergänzt werden, wie z.B. etwas als schön oder häßlich zu empfinden oder als abstoßend oder anziehend, als gut oder schlecht usw. für die vielen Emotionstypen. Unter diesem Prinzip verstehe ich hier die Position, die von einer strikten Korrespondenz zwischen positiver oder negativer Urteilsqualität der Emotionen und ihrer positiven oder negativen Gefühlsqualität ausgeht. Aristoteles, Rhetorik, Buch 2, Kap. 2 [1378b], S. 85. Ebd. Dieses befreiende, lustvolle Moment mag auch erklären, weshalb Menschen manchmal geradezu nach Kränkungen suchen, um sich wütend verhalten zu dürfen. Besonders detaillierte Schilderungen des Liebesleidens gibt Proust in: Die Gefangene, aus: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. S. 2769-3318.
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Anmerkungen
Proust führt dort anhand der Hauptperson Marcel eine so übersteigerte wie prinzipiell unerfüllbare Liebe vor. Einerseits zielt Marcels Liebe ganz eifersüchtig auf den Besitz der Geliebten, Albertine. Andererseits jedoch wird seine Liebe sofort frustriert, sobald sich die Geliebte ihm ganz fügt. Denn dann geht jener Zauber der geheimnisvollen Autonomie gerade verloren, um derentwillen er Albertine im ersten Schritt so possessiv fixiert hat. Eine noch so kleine unkontrollierbare Geste seitens Albertine entfacht jedoch immer wieder aufs Neue sein Begehren, so dass die Fixierung auf Albertine ununterbrochen besteht. Dieses Liebesleiden Marcels dominiert über Jahre sein ganzes Leben und Trachten. Im Zornbeispiel war es, wie gesagt, ein Machtgefühl, das mit dem Zorn einherging. Vgl. Pocai, Heideggers Theorie der Befindlichkeit, dort besonders S. 45 ff. Immerhin kann so mancher betrauerte Verlust von Bindungen oder Verhältnissen längerfristig z.T. auch eine Befreiung bedeuten. Man kann diesen Effekt als eine Art sekundären Krankheitsgewinn auf geistiger Ebene bezeichnen. Vgl. Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, 1. Band, In Swanns Welt, Combray 2. Teil, dort u.a. die Schilderungen des Dialogs zwischen der angeblich kranken Madame Léonie Octave und ihrer Dienerin Françoise, S. 76-82. Bei Proust wird die Figur der Madame Octave von ihren Familienangehörigen, dem Hauspersonal und Besuchern des Städtchens Combray tatsächlich wie eine Kranke behandelt und stirbt sogar früher als es ihrer physischen Konstitution nach gemäß gewesen wäre. Proust, a.a.O., S. 96. III. Teil
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So sehen es jedenfalls die Kognitivisten. Dieser Punkt ist neuerdings von Holmer Steinfath bestritten worden. Er meint, dass der Begriff der Passungsrichtung (,direction-of-fit') zumindest prima facie nicht auf Emotionen anwendbar sei, gerade weil sie weder wie Wünsche erfüllt oder unerfüllt werden könnten, noch wie Überzeugungen falsch oder wahr sein könnten. Allerdings belässt Steinfath es bei dieser Behauptung, ohne sich mit den, die Zuschreibung von Emotionstermen einschränkenden, evaluativen Kategorien oder formalen Objekten zu befassen, die von den hier dargestellten Kognitivisten als emotionsspezifische Pendants der semantischen und rechtfertigenden Erfullungsbedingungen kognitiver und volitiver (oder optativer) Zustände aufgefasst werden. Steinfath vertritt dann auch eine anti-kognitivistische und anti-komponentale Emotionsauffassung, sofern er Emotionen weder für notwendig repräsentationale noch für zusammengesetzte Zustände hält. Vgl. Steinfath, Orientierung am Guten, S. 135.
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Z.B. neidisch auf die Sonne zu sein, ist - zumindest außerhalb bewusst künstlerischer Metaphemverwendung - eine unverständliche Zuschreibung. Manche Aspekte der Emotionen entziehen sich auch der rationalen Beurteilung. Dazu zählen die rein körperlichen Veränderungen sowie die bildlichen Ausmalungen, die ebenfalls zu ihren Repräsentationsmodi gehören. Unter „imaginativen Prozessen" fasse ich im folgenden Textverlauf alle nicht-sprachlichen, wahrnehmungsähnlichen Repräsentationsmodi wie bildliche und akustische Vorstellungen. Lyons, Emotion, S. 135. Einen guten Überblick über die Wiederentdeckung des Narrativen in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen verschafft Christopher Nash: Nash, Narrative in Culture. The Uses of Storytelling in the Sciences, Philosophy and Literature. — Einen systematisch-historischer Entwurf zur narrativen Identität entwickelt Paul Ricoeur in: Ricoeur, Zeit und Erzählung, Bd.l-3. Vgl. Freeman, Rewriting the Self: History, Memory, Narrative sowie Brockmeier, The language of human temporality: Narrative schemes and cultural meanings time, S. 102-118. Diesen Aspekt betont Paul Ricoeur, wenn er schreibt: „Die Zeit wird in dem Maße zur menschlichen, wie sie narrativ artikuliert wird; umgekehrt ist die Erzählung in dem Maße bedeutungsvoll, wie sie die Züge der Zeiterfahrung trägt." Ricoeur, Zeit und Erzählung, Bd. 1, S. 13. Löw-Beer, Überlegungen über die Fähigkeiten, angemessen zu fühlen, in: Auge und Affekt, S. 169. Löw-Beer, a.a.O., S. 169. Vgl. dazu Martha Nussbaums Aufsatzsammlung: Love's Knowledge. Nussbaum, Narrative Emotions: Beckett's Genealogy of Love, in: Love's Knowledge, S. 287. Vgl. Aristoteles, Rhetorik Buch 2, Kap. 2. Baier, What Emotions are about?, S. 76-89, de Sousa, The Rationality of Emotion, Wollheim, On The Emotions. A.a.O., S. 148. Wollheim, ebd. Vgl. Rorty, Die Historizität psychischer Haltungen, S. 175-195. A.a.O., S. 176. A.a.O., S. 176. Goldie, The Emotions. A.a.O., S. 4. Ebd. A.a.O., S. 4-5. Scheler, Fühlen und Gefühle, aus: Grammatik der Gefühle, S. 38. Goldie, The Emotions, S. 5. Thomä, Erzähle Dich selbst, S. 254.
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Anmerkungen
A.a.O., S. 255. Von .Metanarrationen' kann man deshalb hier sprechen, weil die Integration von Emotionen in Geschichten einer Einbettung narrativer Einheiten in übergeordnete narrative Einheiten gleichkommt. Lyons, Emotion, S. 100. Der Begriff „Kausalität" hat bei Hume eine zweifache Bedeutung. Der einen zufolge bezeichnet Kausalität soviel wie die Regelmäßigkeit von Abfolgen. Auf A folgt B und es gilt, dass auf alle A-ähnlichen Objekte auch B-ähnliche Objekte folgen. In einer zweiten Formulierung von Kausalität drückt Hume eine kontrafaktische Analyse von Kausalität aus. Sie besagt, dass wenn es die Ursache nicht gegeben hätte, dann auch die Wirkung nie existiert hätte. Lyons bezieht sich nur auf die erste Formulierung, also auf die Regelmäßigkeitsanalyse von Kausalität. Zu den verwickelten Problemen beider Auffassungen und ihres Zusammenhangs kann ich hier nicht adäquat Stellung nehmen. - Einen guten Überblick verschafft die Monographie: Kausalität, Neue Texte, hrsg. von G. Posch. Lyons, a.a.O., S. 61. Ebd. Gabriele Taylor spricht stattdessen, wie erinnerlich, vom Verhältnis .bestimmbarer* zu .bestimmten Eigenschaften'; William Lyons bezeichnet diese Dimension als das Verhältnis ,evaluativer Kategorien' zu ihren Instanzen und Ronald de Sousa übersetzt dies in das Verhältnis .paradigmatischer Szenarien' zu passenden Instanzen einer konkreten emotionalen Situation'. Vgl. Taylor, Liebe, S. 136, Lyons, Emotion, S. 100 ff. und de Sousa, The Rationality of Emotion, S. 181 ff. Die Abwesenheit bestimmter Verhaltenskomponenten kann manchmal an der Authentizität einer emotionalen Reaktion im ganzen zweifeln lassen. So kann es z.B. vorkommen, dass jemand Schuldgefühle entwickelt, weil er beim Begräbnis seines Vaters einfach nicht weinen kann. Er zweifelt gegebenenfalls an der Aufrichtigkeit seiner eigenen Trauer nur deshalb, weil er in seiner Unfähigkeit zu weinen, vom Standardfall einer Trauersituation abweicht, die weinendes Verhalten vorsieht. Lyons, Emotion, S. 53 ff. Die Dimension einer leiblichen Betroffenheit rücken die Phänomenologen ins Zentrum ihrer Auseinandersetzungen mit Emotionen. Emotionen sollen demnach über die spürbaren Veränderungen, die sie bewirken, distinguierbar sein. Vgl. Schmitz, Das leibliche Befinden und die Gefühle sowie Landweer, Verständigung über Gefühle und Wildt, Phänomenologie der moralischen Gefühle und normative Moralphilosophie. An diesem Beispiel sieht man bereits, dass die Zuschreibung von Emotionen nicht nur davon abhängt, was in einem objektive Sinne faktisch gegeben ist, sondern auch davon, wie man eine Situation bewerten will. Der Gastgeber hat z.B. Gründe, .Langeweile' als Deutung seiner eigenen Gesamtbefindlichkeit zu vermeiden, weil er selbst verantwortlich für das Ge-
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lingen seines Festes ist, das er damit subjektiv abwerten würde. Insofern gibt es keine .eigentliche' Wahrheit über seinen emotionalen Zustand. Vielmehr konkurrieren hier, wie in vielen Lebenssituationen sonst auch, zum Teil mehrere plausible Varianten emotionaler Kategorisierungen. Rorty, Die Historizität psychischer Haltungen, S.176. Vgl. Shank und Abelson, Scripts, Plans, Goals and Understanding. De Sousa, The Rationality of Emotion. Baier, What Emotions are about?, S. 14. Ebd. A.a.O., S. 13. Vgl. Rortys Kontrastierung der effektiven Kritikmöglichkeit nichtemotionaler Beurteilungen durch logische Argumentation mit den angeblich kritikresistenten ,anomalen' Emotionen in: Rorty, Explaining Emotions, S. 103-127. Spinoza geht davon aus, dass der Mensch zur Selbsterhaltung bestimmt ist. Der Körper kann ihm zufolge nur so affiziert werden, dass sich seine Wirkungskraft erhöht, erniedrigt oder gleich bleibt. Emotionen sind nach Spinoza diejenigen Affektionen des Körpers, durch die wir erfahren, ob die Wirkungskraft des Körpers verringert oder vermehrt wird, plus die Ideen dieser Affektionen. Vgl. Spinoza, Die Ethik nach geometrischer Methode dargestellt, 2. Buch, Über die Affekte. Vgl. Darwin, Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren. Solomon, The Passions, S. 129. Vgl. Freud, Das Unbewusste, in: Psychologie des Unbewussten, S. 136 ff. LeDoux, Das Netz der Gefühle, S. 34. Von rudimentären Wertungen kann man hier sprechen, weil es sich bei den beschriebenen Phänomenen zwar nicht um propositionale Wertungen, aber immerhin um Abstoßung und Anziehung handelt.
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243, 118, 244,
225,
228 f., 241 f., 255 B r o c k m e i e r J . 253, 255 Bower, G. 229, 255 Cannon, W 239, 256 Calhoun, C. 125, 128, 134 f , 152, 247, 256, 258, 261 Cooper, J. M. 248 f., 256 Ciompi, L. 18, 20 (., 225, 229 f., 256 Craemer-Ruegenberg, I. 225, 255 f. Davidson, R. 229, 235, 246, 255 f., 259, Damasio, A. 25-27, 35-37, 225, 232234, 236, 2 4 1 , 2 5 6 Darwin, C. 28-31, 37, 58, 72, 141, 215, 219, 233 f., 246, 248, 254, 256 Descartes, R. 8, 13, 25, 45-53, 56-59, 65, 78-80,106, 118,140, 226, 232 f.,
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264
Namenregister
James, W 33,45, 57-59, 69, 78, 80, 106, 118, 138, 152, 162, 195, 198, 239 f., 258 Kant, I. 1 6 , 2 2 5 , 2 5 8 Kenny, A. 73 f , 78, 80-93, 99-101, 104, 107, 113 f., 120, 125, 128, 130, 133, 144-147,152,157 f., 162,195 f., 237 f , 241-243,246-249,258 Kettner, M. 249, 258 Kleinginna, P. R. 226, 258 Kleinginna, A. M. 226, 258 Kluge, F. 226, 258 Kühl, K. 239, 258 Kusser, A. 238, 247, 258 Landweer, H. VII, 253, 258 Lazarus, R. 245 f., 258 LeDoux, J. 9, 31-33, 40, 70 f., 226, 234 Lehtinen, U. 7, 226, 259 Leist, A. 16, 225, 259 Levenson, R. 229, 259 Lewis, V. 229, 259 f. Löw-Beer, M. 187, 190, 192, 251 f., 259 Lohmann, G. 256 f., 259 Lutz, C. 227, 259 Lyons, W VII, 104-107, 120, 128, 141, 155-157, 163, 184, 195-198, 200, 243, 245, 247-253, 257, 259 MacLean, P. 25, 232, 259 Mayring, P. 229, 233, 261 Meier-Seethaler, C. 227f., 232, 259 Mitscherlich, M. 225, 2 2 8 , 2 5 9 Nash, C. 2 5 1 , 2 5 9 Nussbaum, M. 187, 189 f., 192 f., 252, 259 Ortony, A. 235, 259 Pape, H. VII, 240, 259, 261 Piaget,J. 20,229, 259 Plutchik, R. 29, 233, 259 Pocai, R. VII, 250, 260
Posch, G. 252, 260 Proust, M. 175, 250, 260 Rapaport, D. 229, 260 Ricoeur, P. 251, 260 Rorty, A. 7,125,129 f., 134 f., 152,189 f , 192, 208, 216, 226, 247, 252 f., 255257,259 f. Roth, G. 19, 225, 230, 233, 260 Ryle, G. 47, 59-66, 70, 72-75, 78, 114, 123,140 f , 240 f., 246, 248, 260 Schachter, S. 110 f., 245, 260 Sartre, J. P. 137-140, 155, 198, 243, 248, 260 Scheele, B. 245, 260 Scheler, M. 1 9 1 , 2 5 2 , 2 6 0 Searle, J. 241, 260 Shank, R. 235, 260 Shweder, R. 235, 260 Siemer, M. 226, 260 Singer, J. 110 f., 245, 260 Sousa de, R. 27, 204, 106 f., 120-123, 137, 139 f., 148 f., 152, 157, 188200, 213-215, 232, 243, 245, 247 f., 252 f., 260 Solomon, R. 82, 100, 124 f., 128, 130, 133, 139, 141-143, 145-147, 181, 219, 240, 243 f., 247 f , 254, 256, 258, 261 Stocker, M. 248, 261 Spinoza de, B. 13, 219, 226, 229, 253, 261 Taylor, Ch. 242, 261 Taylor, G. 92, 99, 104 f., 107, 115, 120, 128, 157,195 f., 244, 27, 252 f., 261 Thalberg, 1 . 9 3 , 1 1 5 , 244,261 Tomasello, M. 237, 261 Tomkins, S. 29, 233, 261 Tugendhat, E. VII, 16, 83 f., 104,106 f., 141, 225, 236 f., 240, 243, 245, 261 Turner, T. 235, 259 Ulich, D. 229, 233, 261
N
Wildt, A. VII, 253, 261 Williams, R. 229, 261 Wilson, J. R. S. 99 f. Wilson, E. O. 34-37, 39, 235 f., 244, 246, 248,261
amenregister
Wolf, U. VII, 25, 261 Wollheim, R. 188 f., 192, 252, 261 Zajonc, R. 262
Sachregister Abfuhr 22 Abhängigkeit 6, 41, 79, 110, 130, 145, 180,214, 216, 226, 236, 245 f. Abwehr 30, 39, 175,177, 229, 235 Achtung 225 ästhetisch 42, 102, 104, 118 Affekt 6, 11, 46, 51, 54-56, 58, 84, 93, 116, 133, 169, 177, 217, 231, 251, 258 f. affektiv 19 f., 23, 164 f., 177, 208, 226, 230 Affekthandlung 46 Affektenlehre, 225 stoische 225, 255 Affektlogik 19, 225, 229 f., 256 Agnostizismus 226 Ahnung 13 Alexithymie 110 alltagspsychologisch 5, 9, 32, 67, 70 f., 132,135,186,235 Angemessenheitsstandard 122 angenehm 12, 20, 56, 161, 164, 169, 187 Angst 12, 21, 29, 32, 35, 45, 91 f., 98, 109-111,157 f., 188, 200, 207, 225 f., 230, 235 f., 243 f., 246,257 angstvoll 36 Anpassung 2, 23, 66,122, 233, 237 Anpassungsleistung 36, 70 Antagonismus 227 anthropologisch 9 f., 15, 38, 142, 136, 261 Anthropomorphisierung 4 Anerkennung 92, 111, 164, 181, 193, 219 Atavismus 31 atavistisch 4 Authentizität 135-137, 147,183, 253
Ausdruck, emotionaler 30 Auslöser 5 f., 29, 39, 56, 63, 68 f., 76, 88, 9 1 , 1 4 8 , 1 6 7 , 177,199, 208, 236 Axiologie 104 Bandbreite (siehe Emotion) Basisemotion 14, 29, 236 Bedeutungseinheit 7, 209 Bedürfnis 6, 20 f., 24, 2 8 , 1 0 6 , 141, 143, 185,219, 241 Befindlichkeit 12, 54, 84, 106, 202, 207, 2 1 5 , 2 2 0 , 2 5 0 , 260 Begründung 63, 89, 92, 115, 158, 195, 225, 246, 261 Begründungszusammenhang 68 Begründetheit 8 , 1 1 9 , 1 3 4 , 1 8 2 Behaviorismus 58, 225 behavioral 10, 159, 164, 184, 195, 197, 199,233, 248 Begriffsanalyse 65 begriffliche Differenzierung 18, 85 Begriffsverständnis 159, 200, 214, 218 belief-desire-Theorie 97 f., 101, 103, 129,151,183, 244 Beurteilung 5, 55, 74, 8 9 , 1 0 3 , 1 0 8 , 1 1 9 f., 123, 126, 129, 131, 135, 143, 147, 171-174,181-183,196,199, 207, 212, 247,250 f., 253 Beurteilungsmaßstab 121 Bewertungstheorie 229 Bewusstsein 9, 21 f., 28, 41 f., 62, 138, 174, 184-186, 201 f., 221, 230 f., 237, 241 Biografie 5, 21, 29, 37, 120, 122 f., 130, 183, 192-194,213 biografisch 5, 38, 120-123, 130, 137, 179, 188 f., 197, 213 f.
268
Sachregister
bipolar 100 Charakter 1, 45-48, 63, 73, 78, 84, 89, 102-105, 117, 127, 134, 138-140, 155 f., 174 f., 179, 189, 202, 208, 212 Charaktereigenschaften 117, 176, 192, 246 f. Dankbarkeit 14, 17, 98, 113, 142, 195, 199 Dauer 29, 174, 177-179, 199 Denkabhängigkeit (siehe Abhängigkeit) Deutungsabhängigkeit 245 Deutungsakte 207, 210 Deutungsrahmen 202 Depression 12 f., 38, 69, 83 f., 230-232 Deskription 77 determinieren 169-171, 188, 235, 245, 255 Determinismus 33-35, 40, 70, 83, 129, 152 dichotom 4 Dichotomisierung 15 Diskordanz 170 Distinktion 40, 50, 60, 82,109,165 f. Disposition 60, 75, 117, 121, 133, 156, 176 f., 241 Divergenz 9 9 , 1 0 3 , 1 5 1 , 1 8 1 Doppelcharakter 142, 208 doxastisch 65, 91 f., 53, 136,141, 197 f. Dramaturgie 204, 210, 212, 219 Dynamik, innere 194, 197 dysfunktional 130 f., 140 Eifersucht 1, 4, 14, 21, 31, 46, 53, 60, 65, 91 f., 111 f., 117, 135, 167, 176, 183,191,209,217-221,247 Eigenschaft allgemein 29, 53, 55, 58, 63, 91-94, 102, 104 f., 115, 117, 121, 148, 150, 164, 176, 178, 192, 237, 246 f., 252 auszeichnende 164 bestimmbare 9 3 , 1 0 4 , 1 0 7
bestimmte 93, 148 evaluative 104 f. Einfühlung 54 Einheit der Emotion 11, 160,184, 196 Einteilung der Seele (siehe Seele) Ekel 36, 42, 126, 128, 168, 177, 207, 209 Emotion ambivalente 131 f., 134, 173, 231 anomale 129, 253 einfache 36, 38, 52, 125, 129, 212, 237 epistemische 39, 41, 48, 78, 83, 8690, 96, 100 f., 111, 114, 118, 123, 126,134,144, 183, 221 faktive 96,139, 183 irrationale 122 f., 129, 134 komplexe 3 6 , 4 1 , 1 8 3 , 221 konträre 131, 133 Kritisierbarkeit 103, 226 Kultivierung 176,178 kurzlebige 210 lang anhaltend 117, 156, 177, 183, 210,222 negative 17, 20, 97 f., 102, 117, 133, 149,151,167-170, 229, 244, 250 positive 12, 17, 20, 97 f., 117, 133, 137,151,169-171,229, 250 primäre 36 f., 39, 50 f., 111, 221, 235-23 rationale 119-125, 129, 134, 136 f., 181 f., 233, 245, 247 f., 253, 260 repräsentative 7, 14, 27, 247 sekundäre 36 f., 43, 50 f., 111-113, 153, 221,237 selbstbewertende 94 selbstverstärkende 199, 217 sichere 97 unsichere 96 f., 99 volle 126, 129 f , 150, 156, 184, 189, 210 zweiter Ordnung 50, 172 Verlaufsgestalt 202 Emotionskonstituent 11, 98, 155, 157, 185,197
Sachregister
Emotionstyp 102-105, 157, 165, 197, 200, 250
14, 17, 51, 91-95, 97, 99, 107, 112-114, 120, 151, 168 f., 177, 182, 184, 195217, 219, 223, 229, 239,
Empfindung 2 f , 10,12 f., 17, 22, 27, 30, 36 f., 49, 52, 56-59, 65 f , 73, 76 f., 82, 112, 140, 155-157, 159, 161, 163, 165, 184,206,222 Empörung 17, 95, 210 Entgleisung, emotionale 33 Enttäuschung 131, 173, 209 f., 212, 219, 221 Entladungstheorie 28, 67 Entrüstung 98 Epiphänomen 31, 156, 161 f., 166 episodal 73, 184 epistemisch 10, 39, 41 f., 48, 78, 83, 8690, 96 f., 100 f., 111, 114, 118, 123, 1 2 6 , 1 3 4 , 1 4 4 , 1 8 3 , 221 Ereignisverkettung 211, 219 Erfahrung 8 f., 27,29-32, 42-45 51, 75, 77, 94, 107, 117, 120, 122, 129 f., 134, 140, 143, 150 f., 167, 177, 179, 186 f., 189, 193, 200, 211, 213 ff., 219 f., 225, 228, 231, 234, 236, 243, 246 Erfüllungsbedingung 182 Erklärungsbedürfnis 68 Erinnerung und Emotion 19, 81 erleiden 11, 46, 138, 140 Erregung 3, 11, 19, 28, 45 f., 60, 62, 68, 76, 81 f., 85 f., 110 f., 140, 166, 168, 174, 179, 184, 208, 210, 221, 241, 246 Ersatzreaktion 136 erzählende Wiedergabe 211 Erzählung 186, 189, 193 f., 207, 211, 219, 251,260 Ethik 16, 225 f., 228 f., 238, 253, 255, 259-261 Euphorie 12, 37 f., 83, 226, 243 Evaluation 77, 96, 98,102-107, 115, 133, 155-157, 171, 195, 197, 199, 203, 209, 211
269
evaluativ 18, 21, 77, 82, 100, 102-108, 115, 118-120, 125, 128, 136, 139, 141 f., 146, 148, 150 f., 155, 159, 165, 171, 177, 181-185, 195, 197199, 209 f., 250-252 Evidenzerfahrung 126,139 evolutionstheoretisch 29, 72 expressiv 13, 29, 31, 45, 72, 112, 115 f., 159,184,203,223,226 Extension 8 Fähigkeit 2-4, 10, 16, 36, 39, 41, 50, 55, 60, 107, 109-111, 116, 134, 214, 228 f., 236-238, 244, 247, 251, 253, 259 Fallangst 157-159 Fallibilität 49 fallibel 49, 53 Fata Morgana 126 f. Fehlerquelle 67, 147 Feministin 227 feministisch 16, 226-228 Fluchtimpuls 30, 36,111, 116, 207, 234 Fokus, emotionaler 78, 87, 100 Freude 1, 6, 9 , 1 2 , 17, 21, 28, 31, 35, 42, 45, 48, 52, 55, 57, 64, 81, 85, 90-92, 97 f., 110 f , 113, 123 f., 131-133, 137-139, 148, 158, 167 f., 170-174, 185, 189, 193, 199, 209 f., 221, 229, 236, 238, 247 f. Fühlbarkeit der Emotion 45, 53 Fürsorge 16 fundiert 53, 130, 139, 227 Furcht 1, 4, 14, 17, 21 f., 30 f., 37-39, 42, 46, 53, 57, 60 f., 69, 72, 89, 9193, 97 f , 100, 105-108, 110 f., 116, 137, 150, 153, 157 f., 183, 196, 199, 203 f., 206, 209, 214, 219, 234 f., 237, 243 f., 247 Gattungsmäßigkeit 42 Gedächtnis 19, 21, 30 f., 201, 215, 230 Gefühl allgemein 2, 11-13, 15 17, 19-23, 2529, 31, 34-41, 43, 47, 49-54, 56-58,
270
S
60-62, 65-68, 71, 73, 76, 78, 80-82, 88, 98, 101, 103-105, 109-111, 118, 128, 131-133, 138, 141, 151-155, 158-169, 171, 173, 178-181, 184 f., 187, 189, 190 f., 194, 196, 198-200, 204, 209 f., 214, 218-220, 222, 225228, 230-232, 234-236, 238-242, 244-246, 249 f., 252-261 gemischt 132,171-173 hedonistisch 11, 98, 230 H-Gefühl 159-167, 171, 173, 180, 184 f., 198-200, 222 imaginativ 184, 251 negativ 133 positiv 133 semantikfrei 191 S-Gefühl 160-163,165 f., 190 f. Gefühlstheorie der Emotion 60, 67, 71, 160,240 Gehalt, emotional 100, 104, 107, 148, 188,191,203 Geltungsanspruch 7 Gemütsbewegung 17, 60 f., 64, 233 f., 242,248, 254, 256 Gesamtrepräsentation 203 Geschichte 7, 29, 109, 117, 147, 162, 186 f., 189 f., 194, 197, 200, 209, 213, 215 f., 218, 2 2 1 , 2 5 2 Geschichtlichkeit 130, 214 Geschlechteridentität 16 Geisteswissenschaftliche Sicht auf Emotionen 25, 27 Geiz 57,61, 117, 1 2 3 , 1 7 6 , 2 4 7 Gewissheit 88, 101, 113, 249 gradierbar 38, 53 Grenzphänomen 7 f. Grundform, sprachliche 48, 186 H-Gefühl (siehe Gefühl) Haltung 125, 142, 176 f., 189 f., 208, 222, 238, 252 f., 260 Handlung 6, 13, 24, 28, 30, 46, 60-67, 74 f., 165, 179, 182, 184, 188, 194 f., 199, 202, 204, 210, 216 f., 219 f., 227, 234, 248
achregister
Handlungswunsch 199, 202, 204 Handlungsziel 90 Hass 1, 14, 17 f., 46, 56, 91, 94, 135, 172, 183, 209, 214, 221, 225, 228, 231 Harmonie Bedürfnis 6 Zustand 24 harmonieren 169 hedonistisch allgemein 159, 167 f , 172 f., 179, 198 Komponente 184, 198 Tönung 1 7 3 , 1 8 1 , 1 8 4 Wert 22, 9 8 , 1 6 7 f. Heureka-Fall 200 Hintergrundgefühl 179, 182 Historizität 188 f., 252 f., 260 historische Dimension 188 Höhepunkt 210, 220 Hoffnung 12, 72, 81, 97 f., 156, 165 f., 169 f., 176 f., 183 f., 199, 221, 244 Holismus emotionaler 178 mentaler 18 Hunger 3 , 1 3 , 38, 77, 239, 256 Hypothesenbildung 8 8 , 1 1 4 Idealisierung 102 Ideenanteil 80 Identifikation 29, 40, 58-60, 64, 76, 79, 82, 85, 90, 147, 161, 165, 189, 200, 203, 208 nicht-inferenzielle 64, 88 Identifikationskriterium 90 Identifizierbarkeit der Emotion 81, 88 identifizierende Beschreibung 9 Identität 16, 81, 147, 163, 175, 193 f., 251 Idiosynkrasie 108, 236 Idiolekt, emotionaler 214 Illusion 126 f. Imagination 245 Implikation 79, 83, 97, 101, 141, 182, 197 f., 243
271
Sachregister
Individualität, emotionale 117, 161, 214 Induktiv 63 f. Infallibilität 49, 53 Inhalt 19 f., 22, 24, 51, 76, 78, 80 f., 85, 92, 98, 106, 134, 141 f., 153, 173, 182, 189, 191, 194, 203, 208, 211, 213 f., 2 1 6 , 2 3 6 , 2 4 1 Inkonsistent 9, 125 intersubjektiv 60, 81, 91, 94, 107-109, 121,128, 1 4 2 , 1 5 0 , 1 8 7 , 213 Instanz, emotionale 22, 74, 91, 112, 161,172, 252 psychische 22 Instrumentalisierung 177 f. Interaktion, emotionale 167, 179, 206, 208,211,219,222 Intensität 22, 29, 53, 118, 170 f., 173, 198 f., 218 intentional 10-12, 77 f., 81-83, 90, 92, 95, 97-104,109,113-115,119, 129 f , 145 f., 148, 152, 155, 157-160, 164, 173, 181, 183-185, 190 f., 195-199, 203,207,215,217 Intentionalität 10, 77 f., 97, 103, 145, 147, 150, 159 f., 183, 185, 190 f., 203,215, 242 Introspektion 10, 58, 73, 79, 113 Involviertsein 38, 74, 102, 107, 142,
208, 216 Irrationalität 2, 16, 108, 122 f., 130 f., 134, 159 Irrtum 1, 54,118 f., 123,232 f., 236,241 jammern 175 Kälte 159 Kategorie, evaluative 104 f., 195, 251 f. Kategorisierung 16, 38, 53, 74, 95, 99, 169,253 Kausalannahme 146, 148, 150, 211 Kausalgenese 8 7 , 1 4 7 Kausalhypothese 65, 195, 207, 211, 221 Kausalität 74, 79, 145, 195, 206, 244, 252, 260 Kausalkonnex 146
Kenny's Test 86,100, 146 Klassifizierung 63, 9 8 , 1 1 1 Klischee 204, 219, 227 f. Körperreaktion 58, 239 Koevolution 34, 39 Kognition allgemein 20, 35, 41-43, 53-55, 58, 76, 119, 122, 126 f., 134, 157, 226, 230, 239, 258 dunkle 126 höherstufige 36 kognitves Set 126 Kognitivismus 10, 47, 7 8 , 1 2 5 , 1 2 8 , 134, 160,183, 238 Kritik 10,125 Kohärenz 8, 55, 83, 123, 137, 182, 188 kommunikativ 28, 215, 233, 249, 258 Kommunizierbarkeit 4, 108, 110 Komponententheorie 151, 159 f., 184, 217 Komponententheorie der Emotion 151,159 f., 184,217 Konflikt 24, 26, 125, 127 f., 134, 220, 230, 232, 247 Kontrolle der Emotion 22, 24, 45, 137, 206 f., 246 Konstanzprinzip 23, 231 Kontext 4 f., 16, 18, 25, 40, 42, 47, 74 f., 78, 80,111, 114-116, 119,123, 129, 131, 135, 152, 157, 186, 193, 217, 2 3 2 , 2 4 2 , 2 4 6 Kontextbezug 152 kontingent 56, 80, 123, 144, 16, 161, 193 f. Kontinuität 188 Konvergenz 99, 103, 136,151 Korrektur 1 0 8 , 1 1 9 , 1 4 7 , 1 5 0 Korrelate 92 f., 95, 100 f., 107, 120, 188, 207 korrelativ 90, 9 2 , 2 1 1 , 2 3 6 Korrespondenztheorie Kovarianzprinzip 125 Kränkung 90,169 f., 174, 200, 216, 250 Krankheit, emotionale 3 f., 19, 26, 65, 175,211 f.
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S
Kritisierbarkeit (siehe Emotion) Kultivierung (siehe Emotion) Kultur 2, 4, 15 f., 25, 28, 33-37, 39, 175, 188,227 Langeweile 173, 201, 221, 226, 243, 253 langweilig 139, 149 Laune 12 f., 38 Lebensgeschichte 101, 183, 192 Leid 90, 105, 172,185, 237 Leidenschaft 4, 8, 11 f., 14, 47 ff., 53 f., 153, 226, 238, 256 Lernsituation 120 f. Liebe 1, 5, 12, 14, 17 f., 30, 34, 48, 56, 58, 94 f., 98, 111, 117, 163, 167, 175 f., 183, 189, 193, 203 f., 209, 213, 217, 219 f., 225, 228, 236, 250, 253, 260 lösungsorientiert 64 Logik der Emotion 20, 56, 63, 223, 125, 131, 134, 144, 185, 197, 240, 255 f. Lustgefühl allgemein 20, 167-170, 172 f. lokalisierbar 12 f. unJokalisierbar 13, 229 Lustkomponente 170 Macht 30, 144, 170, 204, 207, 227 Machtgefühl 250 Magie 137 Meinungsanteil 203 mental 6, 32, 42, 53, 55-57, 75, 77, 119, 142, 174, 177-179, 195, 210, 225, 236 f., 240 Metanarration 186, 194, 252 Metapher 203, 220, 251 Mischform 1 4 , 1 6 9 , 1 7 2 Mimik 29, 205 Misstrauen 1, 12, 4 2 , 1 4 7 , 1 7 5 Mitleid 9, 14, 16, 65, 98, 139, 142, 183, 195, 2 2 1 , 2 2 5 , 2 4 7 , 259 Mitleidsethik (siehe Ethik) Moral 16, 39, 225, 228, 253, 261 moralisch 16 f., 104, 110, 118, 128, 167, 253, 261
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Motiv 15, 61-64, 135, 160 f., 226, 228, 239,241,258 Motivation 1, 17, 226, 239, 258 motivationale Komponente 6, 29, 45, 83, 90,114, 151, 191,206 Müdigkeit 13, 38, 77, 201 multikomponental 160, 185, 194 Muster 63,109, 116, 121, 123, 141, 162, 176,196,201,220 Musterverlauf 213 Mut 1, 176 Mythos 225 Nachvollziehbarkeit 120, 148, 150,182 Narrativ, das 185-188, 191 f., 194, 201, 209,211-213,219, 233 Narrativität 181,190, 192 narrative Struktur 7,160,185 f., 192,211,221 f. Verkettung 201, 206 Verknüpfung 185, 203, 210 Neid 1, 5, 14, 65, 74, 93 f., 106, 117, 131, 135, 143, 154, 156, 166, 168, 172, 183 f., 199, 219, 221 Neigung 30, 60-62, 65, 74, 118, 122, 136, 234, 241 Neugierde 57, 8 1 , 1 1 0 , 1 6 5 , 1 7 3 , 1 9 9 neuronaler Prozess 26, 31, 35, 42, 70, 222 f. Neurowissenschaft 25, 31, 58, 232 neurowissenschaftlich 9, 25, 42, 235 negativwertig 168-173 Nirvanaprinzip 23, 27, 231 Norm der Emotion 95, 196 Normenskala 106 normative (siehe Prägung) Normalität 108,121 f. Normativität 108, 196 Nuance, affektiv-werthafte 164 Nützlich 2 4 , 1 2 3 , 1 8 2 Objekt aUgemein 49 f., 52, 55f., 68-70, 78-82, 85-94, 96, 99 f., 104-108, 117, 119 f., 122 f , 132 f., 136 f., 144-148, 150,
Sachregister
158, 171 f., 177, 182, 189, 199, 203, 207 f., 214,216,229,236,242 f , 251 f. bestimmbares 92 ff., 104 bestimmtes 87, 90-94 formales 91-94, 104, 107, 119 f., 182,189, 196,218, 251 konkretes 91-94 Objektbeziehung 148, 197 objektlos 82-84, 99, 158 Objektspezifikation 86-88, 90 f., 110, 116,158,185 Objekt-Test 86, 9 0 , 1 0 0 , 1 4 6 Objektivität 138,140, 148 , 1 6 1 Objektwahrnehmung 88,102,115,146 f., 149,195 f., 198 f., 218, 246 Ökonomieprinzip 162 ontologisch 42, 59, 68, 101, 105, 180, 226, 242 Orientierung 25 f., 38, 73, 89 f., 109, 1 3 9 , 1 5 6 , 2 3 0 , 236, 251 pars pro toto 203 pathologisch 108, 123, 213 Passivität 7, 16, 47, 138, 140 f., 144, 146, 151 Panik 37, 207 Paradigma 49, 120, 122,139,153, 218 paradigmatisch 7, 9, 36, 77, 104, 109, 120 f., 151 f., 156,204,213, 219,252 partikular 106, 117, 194,214 peripherische Theorie 239 Pflichtethik 16 phänomenale Dimension 159 f. Phänomenologie 253, 261 Phantasie 1, 56, 95 f., 99, 101, 110, 134, 143, 150, 152, 164, 170, 176-178, 183 f., 188, 207, 214, 216-218, 222 Phantasiegehalt 95 Phase 210 Philosophie 1-4, 6, 10, 16, 25, 38, 43, 46 f., 51, 59, 226, 235, 240, 255-257, 259-261 physiologisch 25, 31, 35, 37, 57 f., 65, 70-72, 110 f., 138, 152, 155, 161164, 167, 184,194-196,198, 239
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Plastizität emotionaler Gehalte 256 f., 259 Polarisierung 15, 34 Pole 10, 173 Positionierung 210 positivwertig 103,168-170,172 Prädisposition 38, 176 Prägung allgemein 31, 34, 39, 78, 95, 122, 141,143 biologisch 72 cartesianisch 50 emotional 121 f., 129 kulturell 53 f., 72 normativ 95 pragmatisch 32, 59, 68, 70, 103, 112, 140 primitiv 38 f., 41, 221 Projektion 30, 69, 143, 148, 230 propositional 41, 81, 96, 111, 143, 189, 209, 233, 237, 254 Propositionalität der Emotion 237 Psychoanalyse 21, 24, 29 f., 40, 120, 122 f., 188, 213, 227 f., 230, 234, 246 Psychologie 3, 17 f., 25, 58, 225, 229 f., 254, 256 f., 260 f. psychologischer Fehlschluss 117 Quäle 249 Qualität der Emotion 151,172 Rache 90, 95, 101, 103, 154, 169 f., 216, 221 Rahmenbedingung 107, 216 Rahmenproblem 232 Rahmensetzung 117, 212 rational 1, 3 f., 15-17, 26, 35 f., 45, 55, 57, 69, 71, 108, 119, 121, 123, 125, 129-133,136 f., 238,246, 251 Rationalität 2 f., 16, 55, 119-125, 129, 131 f , 134, 137, 158, 181 f., 227, 238, 247, 257 Rationalitätsfähigkeit 55, 134, 238 Rationalisierung 68 f.
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Realität 22 f , 95, 143, 1 4 6 , 1 5 0 , 1 5 5 Rechtfertigung 55, 75, 104 Reduktionismus allgemein 31, 152 behavioristisch 233 gefühlstheoretisch 151 kognitivistisch 152, 226 verhaltenstheoretisch 112 Regelmäßigkeit 34, 6 3 , 1 9 5 f., 252 reflektieren 4, 11, 122, 126, 128, 136, 152,162,186,207 Reflex 5, 35, 63, 72, 74, 237, 246 Reflexion 1 2 7 , 1 3 4 , 1 7 8 , 186, 246 Reiz 2 7 , 2 9 , 3 5 f., 57 f., 69,222,236, 246 Relation; Relationalität allgemein 20, 55, 78-80, 86, 2 0 4 , 2 0 8 , 2 1 0 , 2 2 9 , 242 kausale 79 f. Relativität 234 Relevanz, persönliche 106 Repräsentation 21, 95-97, 114, 146, 158 f., 184 f., 203, 216, 222 f., 2 3 1 , 2 5 1 repräsentational 77, 81, 89, 97,
144,
119, 219, 120,
182 f., 191,215, 222,244, 251 Ressentiment 130, 156, 183, 200, 209, 2 2 1 , 2 2 7 f. resistent 9 9 , 1 2 9 f., 134, 216, 253 Richtigkeit (emotionale) 120 Rückmeldetheorie 57 Rückschluss 74 Rollenerwartung 16 Sachverhaltswahrnehmung 89, 118 Schadenfreude 171-174, 236 Scham 1, 14, 17, 53, 58, 60, 89, 91, 94, 98, 105, 109, 111 f., 115, 131, 172, 184, 204 f., 209, 219, 221, 226, 236, 247 Schema 2 1 , 1 2 0 , 2 1 0 , 2 3 4 Schematisierung 4 0 , 1 2 2 , 212 f. Schimäre 32, 73, 99 f. Schuld 1, 9, 14, 17, 22, 58, 62, 89-92, 94, 110-112, 115 f., 143, 183, 195, 202, 207, 209, 221 f., 230, 236, 253
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Schuldgefühl 1,14, 22, 91, 110, 112 Schmerz 13, 27, 36, 38, 50, 65, 77, 98, 108, 121, 151, 168 f., 175 f., 191, 196,198, 218,229, 236 Schreckreaktion 30, 174 Seele 3, 10, 15, 17 f., 21, 25, 30, 33, 4750, 52 f., 56, 7 4 , 2 2 6 , 238, 242, 256 Seelenvermögen 3, 18, 47, 238 Selbstbild 135, 172,174, 202 Selbstverstärkung 217 Selbstwahrnehmung 46, 50-53, 57 f., 66, 71, 88, 106, 160, 164-166, 194, 232, 245 Selbstwertgefühl 111 Selbstzuschreibung 88, 91 Semantizität 55, 81 semantisch 40, 55, 59, 77, 89, 93, 95, 98, 103,119 f., 159, 181 f., 189, 191, 196,204, 2 1 2 , 2 2 2 , 2 3 8 , 251 Sensation 80, 8 2 , 1 6 0 , 1 7 1 , 240, 249 sequenzieller Charakter der Emotion 174, 202, 212 S-Gefühl (siehe Gefühl) Sicherheit 8, 37, 48 f., 85, 87-89, 97, 142,181,205 Signalwirkung 27 f. Sinn des Lebens 2 , 1 4 0 sinnlich 3 f , 21, 49, 51-53, 99, 127 f , 153, 230, 244 Sinnlichkeit 3, 16 Situationsbezug 6 Situationstyp 108 f., 211 skeptisch 7, 154 Skript 211 somatischer Marker 27, 35, 232 Souveränität 109 Spannung 22-24, 28 f , 53, 126, 137 f., 156, 183,231 f. sprachliche Abbildung 210 Sprachabhängigkeit 4 1 , 1 1 0 , 214 Sprachanalyse 59 Spracherwerb 95 Sprachkompetenz 60, 221 Sprachniveau 109 Staunen 6, 226, 255
S
Steigerungsphase 210 Stimmung allgemein 11-14, 19-21, 38, 60, 62, 64, 83-85,157,159,226,229, 261 Kongruenz-Effekt 19 Inkongruenz-Effekt 20 Störung 23, 28,110 Stolz 14, 51, 54-56,91, 98,105,111,131, 158,164,168,176, 221,238 f., 242 Subjektivität 47,100,140 f., 145,151 Subjekt-Objekt-Relation 208 Superstruktur, intentionale 185, 203 Surrealität der Emotion 100,140 Synthesebildung 186 Synthetisierungsleistung 185 Subklasse 94 f., 97,157 Supervenienzbeziehung 180 symbolisch 77, 81, 215 Sympathie 12, 53,143, 236 Symptom 12, 111 f., 114, 116, 146, 162, 200, 225, 230, 235,249,257 symptomatisch 114,152, 218 Szenario 1, 121, 152,182, 215 f., 218 f., 246 Täuschung 48 f., 52, 54, 124, 127, 135, 137,140 Tatsachenannahme 96, 102, 120, 139, 183 Teilsequenz 211 temporalisierte Form 194 teleologisch 18, 28 f. Tiefendimension 214 Tolerierbarkeit 182, 231,246 Topik 22 Transformation 39,137 f., 155, 237 Transitivität 90 Trauer 1 f., 12-14, 18, 52, 62, 96, 98, 102, 111, 113, 124, 158, 171, 174178, 198, 207, 209, 225, 229, 241, 250, 253 Traum 22,48 f., 215, 246 Traumdeutung 188 Traurigkeit 5, 12 f., 37, 48, 52, 85, 109, 139,168,185, 213, 220 f., 229,224
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Triune-brain-Konzeption 25,141 Tugend 1, 225 Typ 38, 48, 62, 81, 91, 93, 116, 120, 141,173,195,204, 218 Übel 106,108 Übergang, fließender 12, 83 Überintellektualisierung 10, 125 Überleben 27, 30,70, 111,233 Überschuss 100,111, 140,165 Übertragung 29 Umgehensweise 67 f., 177 f. Umwertung 187, 207 unangenehm 6, 27, 76, 128, 161, 169, 187 unbewusst 24, 26, 30, 40, 126, 175, 188, 201, 222, 227 f., 231, 233, 243 Unfähigkeit 110,116, 253 unkonventionell 109, 219 Unlustgefühl 13, 21, 151, 159-163, 169179,198 f. unreflektiert 186 unwillkürlich 29 f., 135,138 f., 208, 220 Ur-Objekt 142, 214 Ursache 46, 54-56, 68, 74, 79, 86, 88, 133,144 f., 148, 238 f., 242, 252 Urteilstheorie der Emotion 82, 125, 128 f., 131 f., 134, 137, 152 Urthema 219 Verhaltensmuster 33, 41, 59 f., 75 f. verhaltenstheoretisch 47, 58, 72, 74 f., 81, 112, 114, 141, 222, 238,246 Verhaltenstheorie 47, 59, 70,181 Verknüpfung der Komponente 185 Verlaufsgestalt (einer Emotion) 202 Verliebtheit 9, 21, 62, 72 f., 79, 89, 92, 102, 111 f., 142, 167 f., 170, 185, 221,236 Verlusterfahrung 84, 177 Vermögenspsychologie 17 f. Vernetzung 4,18, 35 Verständnis 4, 9, 60, 95, 109 f., 118,122, 132,157 f., 161,165,167,187 f., 192, 197,204,207,212,218-220
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S
Verstellung 72 Versuchsperson 19, 233, 245 Verursachungsrichtung 195 voluntativ 15, 20, 4 7 , 1 3 0 , 1 4 3 , 204, 237 Vorahnung (siehe Ahnung) vorsprachlich 58, 60, 63, 76,111 f., 191 Vorurteil 130,134, 162 Wahrheit 64 f., 68, 86, 112, 120, 130, 136, 148, 161, 181 f., 238, 242, 244, 253 Wahrnehmung, akustische 212 Wahrscheinlichkeit 97-99,108, 182, 244 Wechselwirkung 179, 197, 203, 206 f., 209, 211 weltanschaulich 95 Weltbild 12, 122 Weltoffenheit 84 Wert, emotionaler 5, 22, 39, 98, 101 f., 104, 106 f., 139, 142 f., 150, 165, 168,203, 250 Wertaussage 107 Wertigkeit (siehe Wert) Wertung 3, 5, 16, 55, 81, 95, 101-103, 105, 108, 110, 115, 118 f., 129 f., 133, 136, 141, 150, 153 f., 156-158, 187, 200, 205, 207, 211, 223, 229231,245, 254, 261 Wertqualität 139, 143 Wertwahrnehmung 104, 107, 139 Wiederholungszwang 213 Willkür 14, 220 willkürlich 94,138, 204 Wissen 8, 24, 32, 34, 68, 70, 86, 90, 96, 111, 124, 127, 146, 150, 222, 227, 233, 234-237, 246, 262 Wissensart 96 Wissensforderung 86, 9 0 , 1 4 6
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Wohlbefinden 22, 106, 108, 141, 144, 150, 1 7 0 , 1 8 1 , 2 2 1 , 2 3 1 Wohlergehen 35 f., 107, 143,150, 181 f. Wunsch 22, 27, 56, 97 f., 101-103, 142 f., 150, 152, 171, 173, 182, 188, 194,199, 202, 217, 225, 236, 247 wunscherfüllende Bedingung 97 f. Wunschformation 101 Wut 5, 9, 14, 22, 29, 38, 42, 45, 55, 89, 91, 97 f., 105, 124,136 f., 145, 147 f., 153, 158, 167, 183, 187, 199 f., 206, 225, 234,246 zeitliche Beziehung 144 Erstreckung 194 Zensur 22, 230 Zugang zur Emotion allgemein 40 f., 43, 48, 58-60, 64, 67, 7 0 , 7 3 , 7 8 aus der Perspektive dritter Personen 73 erster Personen 72 indirekter 49, 118 unfehlbarer 49,88, 118 unmittelbarer 49 privilegierter 49, 140 Zugangsproblematik 76 Zuschreibung der Emotion 9, 59, 62 f., 65, 68, 78, 90, 84, 107 f., 111, 119, 135, 154, 161, 165-167, 178, 182, 196,204, 220-222, 2 5 1 , 2 5 3 Zuschreibungsfehler 74, 118 Zustandsveränderung 6, 13, 73, 151, 153, 156,160 Zorn 37, 90, 106, 110 f., 151-153, 156, 168-170, 184, 187, 209, 238, 248250