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German Pages 268 [270] Year 2020
Nachhaltigkeit in der Antike Diskurse, Praktiken, Perspektiven Herausgegeben von Christopher Schliephake, Natascha Sojc und Gregor Weber
Alte Geschichte Franz Steiner Verlag
Geographica Historica | 42
Geographica Historica Begründet von ernst kirsten Fortgeführt von eckart olshausen und vera sauer Band 42
Nachhaltigkeit in der Antike Diskurse, Praktiken, Perspektiven Herausgegeben von Christopher Schliephake, Natascha Sojc und Gregor Weber
Franz Steiner Verlag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020 Druck: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12733-2 (Print) ISBN 978-3-515-12742-4 (E-Book)
VORWORT Das altertumswissenschaftliche Kolloquium der Universität Augsburg stand im Wintersemester 2016/17 unter dem Thema „Formen von ‚Nachhaltigkeit‘: Umweltverhalten in der Antike“. In den hier vorgelegten Vorträgen, die um Beiträge von MARK LOCICERO, CHRISTOPHE CHANDEZON, JENS SOENTGEN und den Herausgebern ergänzt sind, wurde der Versuch unternommen, anhand von Fallbeispielen aus verschiedenen Lebensbereichen antiker Menschen deren Umweltverhalten in dezidiert interdisziplinärer altertumswissenschaftlicher Perspektive zu untersuchen sowie die Mensch-Umwelt-Beziehungen auf ihre ‚nachhaltigen‘ Dimensionen hin zu befragen. Unser Dank gilt deshalb vor allem den beteiligten Kolleginnen und Kollegen, die sich trotz vielfältiger anderer Verpflichtungen auf die Thematik eingelassen haben. Die Gesellschaft der Freunde der Universität Augsburg hat die Finanzierung des Kolloquiums ermöglicht; ohne die Förderung durch das „Wissenschaftszentrum Umwelt“ der Universität Augsburg hätte die Drucklegung des Bandes nicht realisiert werden können. Dem Vorstand des Zentrums sind wir ebenso zu Dank verpflichtet wie ECKART OLSHAUSEN und VERA SAUER für die Aufnahme in die Reihe „Geographica Historica“ und für zahlreiche wichtige Hinweise zum Thema. KATHARINA STÜDEMANN vom Franz Steiner Verlag hat mit großem Engagement und kompetenter Betreuung maßgeblich zum Gelingen des Bandes beigetragen. HEIDRUN RIETZLER hat sich um die Korrekturen, den Satz und die Registererstellung verdient gemacht. Ihnen sei herzlich gedankt. An der Konzeption der Vortragsreihe und des Sammelbandes hat sich unsere geschätzte Kollegin HANNA STÖGER mit großer Begeisterung beteiligt und gab in der frühen Phase wertvolle Impulse aus der archäologischen Perspektive. Ihre schwere Erkrankung und ihr Tod verhinderten jedoch den Beitrag eines eigenen Fallbeispiels zum hier vorgelegten Band – der für uns dennoch mit ihrem Andenken verbunden bleibt. Christopher Schliephake Natascha Sojc Gregor Weber
‚NACHHALTIGKEIT‘ IN DER ANTIKE: DISKURSE, PRAKTIKEN, PERSPEKTIVEN INHALT
Christopher Schliephake / Natascha Sojc / Gregor Weber Einleitung ............................................................................................................
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Lukas Thommen Nachwachsende und erschöpfte Ressourcen: Zum Problem des ‚Umdenkens‘ und der ‚Ökologie’ in der Antike ........................................................................ 25 Ingmar Unkel Archäohydrologie und Nachhaltigkeit. Der Einfluss des Wasserdargebots auf frühe Gesellschaften ........................................................................................... 43 Mark Locicero Waters Waters Everywhere: Sustainability and Water Supply Strategies in the Roman Harbour City of Ostia, Italy .............................................................. 57 Janet DeLaine Strategies and Technologies of Environmental Manipulation in the Roman World: The Thermal Economy of Baths............................................................. 75 Clemens Voigts Nachhaltigkeit oder Sparsamkeit? Verwendung und Wiederverwendung von Marmorbauteilen im kaiserzeitlichen Rom......................................................... 95
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Inhalt
Natascha Sojc Beseitigung, Verwahrung oder Kreislauf? Zum stofflichen Potenzial deponierter Materialien in antiken griechischen Heiligtümern. Das Beispiel des extraurbanen Heiligtums S. Anna bei Agrigent (Sizilien)............................ 117 Christopher Schliephake ‚Nachhaltigkeit‘ in Kult und Mythos – Athenas Olivenbaum auf der Akropolis ............................................................................................................ 143 Gregor Weber Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Handlungs-, Deutungs- und Wissenskategorien in den Zauberpapyri und in Artemidors Oneirokritika ........ 163 Christophe Chandezon La dent funeste des chèvres et la plume acerbe des historiens. Discours de la durabilité, naguère et aujourd’hui ....................................................................... 179 Lars Mielke Moralisieren gegen landgrabbing. Zum Verhältnis von Rhetorik und ‚Nachhaltigkeit‘ bei Columella (1,3,8–13) ......................................................... 205 Jens Soentgen Nachhaltigkeitsdenken in der Romantik und in der Antike ................................ 229 Register ............................................................................................................... 249 Die Autorinnen und Autoren .............................................................................. 265
EINLEITUNG Christopher Schliephake / Natascha Sojc / Gregor Weber ‚Nachhaltigkeit‘ ist kein antikes Konzept.1 Wenn die im Band versammelten Autorinnen und Autoren dennoch danach fragen, wie antike Gesellschaften mit begrenzten natürlichen Rohstoffen und Ressourcen umgingen, dann soll damit keineswegs ein modernes Modethema auf vergangene Epochen ausgeweitet werden, um Aktualität und vermeintliche Relevanz herzustellen. Vielmehr soll der Begriff der ‚Nachhaltigkeit‘ als heuristisches Instrument dienen, das es erlaubt, antikem Umweltverhalten nachzuspüren. Es wird dabei im Folgenden aber nicht darum gehen, antiken Gesellschaften nachträglich einen Stempel aufzudrücken, der sie in diachronem Vergleich als mehr oder weniger ‚nachhaltig‘ gegenüber anderen Epochen auszeichnet. Im Gegenteil erlaubt es der Begriff, sowohl Gemeinsamkeiten beziehungsweise historische Kontinuitätslinien als auch Unterschiede sowie soziohistorische Brüche zu unserer heutigen Zeit und Erfahrungswelt herauszuarbeiten. Dadurch wird es auch möglich, über den Begriff der ‚Nachhaltigkeit‘ selbst zu reflektieren, der gegenwärtig Hochkonjunktur hat, dem es allerdings an definitorischer Schärfe mangelt. In dem vorliegenden Band geht es um einen tiefenhistorischen Blick auf das Phänomen ‚Nachhaltigkeit‘. Die einzelnen Beiträge fragen danach, wie vormoderne Gesellschaften mit Prozessen der Umweltveränderung und -erhaltung umgingen, wie sie mit (begrenzten) Ressourcen verfuhren und wie es ihnen gelang, auch in Zeiten ökologischer Krisen ihr Überleben zu sichern. Unser Band soll die Themenfelder ‚Nachhaltigkeit‘ und Umweltverhalten in der Antike als Chance begreifen, den altertumswissenschaftlichen Beitrag für gegenwärtige Umweltdebatten herauszustellen. Denn obgleich sich mit jüngeren Ansätzen der Anspruch verbindet, MenschUmwelt-Interaktionen aus einem Blickwinkel zu betrachten, der ihrer Komplexität und Vielgestaltigkeit gerecht wird, und obwohl es nicht an umweltgeschichtlichen Arbeiten fehlt, die auch das Problem zeitlicher Tiefenstrukturen, beispielsweise aus geologischer Sicht, diskutieren, bleibt die Feststellung, dass eine Ausweitung des analytischen Programms etwa der ‚Environmental Humanities‘2 auf 1
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Untersuchungen, die die Mensch-Umwelt Beziehungen in der Antike systematisch auf ihre ‚nachhaltigen‘ Dimensionen hin befragen, fehlen bislang. Vgl. die grundlegenden Bemerkungen bei THOMMEN 2009: 137 und THOMMEN 2011: 16–18. Punktuell auch GRASSL 2012. Die sog. ‚Environmental Humanities‘ versammeln dabei nicht nur alle Kerndisziplinen der Human- und Sozialwissenschaften wie Geographie, Geschichte, Kulturwissenschaft, Philologie und Philosophie, sondern stellen auch vielfältige Anknüpfungspunkte zu Natur- und Lebenswissenschaften her. In diesem stark inter- oder vielmehr transdisziplinären Ansatz geht es darum, die gegenwärtige Umweltkrise aus einem Blickwinkel zu betrachten, der ihre viel-
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vormoderne Epochen bislang weitestgehend fehlt und der Fokus eher auf das sog. ‚Anthropozän‘ gelegt wird, dessen Beginn meist um 1800 mit dem Aufkommen der Industriellen Revolution oder alternativ mit dem Beginn des Atomaren Zeitalters 1945 in eins gesetzt wird.3 Gerade die Frage der ‚Nachhaltigkeit‘ in der Antike erlaubt es jedoch, diese imaginäre zeitliche Schwelle zu überwinden und Phänomene des Wandels und/oder der Verstetigung von Umweltverhalten im Altertum zu diskutieren. Indem der Sammelband Forscherinnen und Forscher aus der Alten Geschichte, der Klassischen Archäologie und der Klassischen Philologie zusammenbringt, sollen textbasierte Forschung, quantitative Daten und materielle Befunde gleichermaßen berücksichtigt werden. Die Schriftquellen beschreiben zwar häufig Umweltverhalten oder reflektieren negative Auswirkungen des menschlichen Handelns auf die ‚Natur‘, tatsächliche antike Praktiken erschließen sich dagegen häufig erst durch die archäologische Untersuchung materieller Hinterlassenschaften. Aus der Analyse von Diskursen und materiellen Praktiken sollen weiterführende Erkenntnisse über historisch gewachsenes Umweltverhalten (in der Antike) abgeleitet werden. Die in diesem Band zusammengeführten Quellen, die die Diskurse um Ressourcenverbrauch oder -schonung abbilden, sind dabei denkbar weit und umfassen neben der Historiographie und dem philosophischen Schrifttum, der Briefliteratur und der erzählenden Prosa auch Gebrauchstexte und Fachschriftstellerei. Neben bloßen Beobachtungen zum Zustand der physischen Umgebung, der sich gegenüber einem vorherigen Zeitpunkt geändert haben mochte, finden sich auch Reflektionen über die Tragweite der menschlichen Eingriffe in die Umwelt oder aber Überlegungen, wie Menschen sich gegenüber ihrer natürlichen Umgebung verhalten sollten. Auch Texte, wie etwa Zauberpapyri, die bislang nicht in einem umweltgeschichtlichen Kontext untersucht wurden, konnten Hinweise auf erwünschte Zustände geben oder Handlungen beschreiben, mit deren Hilfe ein bestimmter Effekt erzielt werden sollte – allerdings nicht in dem Sinne, dass ‚nachhaltiges‘ Verhalten eingefordert wurde, sondern indem sie einzelnen Anwendern einen ma-
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fältigen Facetten gleichermaßen berücksichtigt – diese umfassen ethische, ökonomische, biologische, kulturelle, philosophische, politische und soziale Aspekte, die keinesfalls von nur einer disziplinären Warte aus analysiert werden können. Zu diesem ökologischen Denkansatz kommt noch eine stärker politisch motivierte Agenda, die die Relevanz der Humanwissenschaften in einem zunehmend kompetitiven akademischen Klima sichern und ihnen auch gesamtgesellschaftlich wieder mehr Gewicht sichern soll – etwa, indem vorherrschende (historisch gewachsene) Denkmuster und Grundeinstellungen zur Natur kritisch reflektiert und die ethische Komplexität der gegenwärtigen Umweltprobleme herausgestellt werden sollen. Vgl. EMMETT/NYE 2018, OPPERMANN/IOVINO 2017, sowie HEISE/CHRISTENSEN/NIEMANN 2017. Aus althistorischer Sicht liefert der Band von SCHLIEPHAKE 2017a hierzu vielfältige Anknüpfungspunkte; zu ‚Environmental Humanities‘, dem ‚Anthropozän‘ und der Antike SCHLIEPHAKE 2020. Der Begriff wurde im Jahr 2000 von dem Atmosphärenforscher PAUL CRUTZEN und dem Ökologen EUGENE F. STOERMER vorgeschlagen, um eine neue geochronologische Epoche zu beschreiben, in der der Mensch zu einem geologischen und meteorologischen Faktor geworden ist.
Einleitung
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teriellen Vorteil gegenüber anderen verschaffen sollten. Diskurse um ‚Nachhaltigkeit‘ können also nicht von vorneherein für die Quellen vorausgesetzt werden, sie brauchen einen konkreten Anlass und Kontext, der verlangt, dass man sich die Konsequenzen von Ressourcenverbrauch bewusst machen musste; dieses Bewusstsein war jedoch kein dezidiertes Kennzeichen antiker oder vormoderner Gesellschaften. So wundert es auch nicht, dass erwünschtes Umweltverhalten immer wieder, etwa von staatlicher Seite, eingefordert werden musste. Tendenzen, die zumindest in Richtung von Umweltschutz gehen konnten, finden sich, wie jüngere Studien nahelegen, vor allem in inschriftlichen Texten.4 Neben den Diskursen um ‚nachhaltiges‘ Umweltverhalten können wir aber auch materielle Überreste danach befragen, wie und ob antike Menschen bei der Auseinandersetzung mit der Natur und der Anpassung der gebauten Umwelt ressourcenschonende Verfahren einsetzten. Dazu zählen die Wiederverwendung von Gebäudeteilen ebenso wie die Lagerung oder Entsorgung von Schutt und Abfall oder aber Verfahren, mit denen Gebäudetypen wie Bäder isoliert wurden, um den Wärmehaushalt zu regulieren. Ferner lässt sich archäologisch der Aufwand dokumentieren, der in der Antike für eine langfristige Versorgung mit qualitätvollem Trinkwasser betrieben wurde und den Zugriff auf den nachwachsenden Energieträger Holz sicherte. All diese Praktiken, die ausgehend von materiellen Spuren erfasst und beschrieben werden können, legen den Schluss nahe, dass es bei ihnen auch um Ressourcenschonung ging. Stein, Brennholz oder Wasser waren natürliche Rohstoffe, deren Beschaffung teils erheblichen Aufwand mit sich brachte, und deren Verwendung sich immer auch nach deren Vorhandensein richtete. Dies bedeutet nicht, dass antike Menschen die natürliche Lebenswelt und deren Ressourcen um deren selbst Willen schonten; es kam aber zu kulturellen – in seltenen Fällen auch zu existenziell erforderlichen – Wertzuschreibungen, mit denen Rohstoffe einen hohen symbolischen Gehalt erhielten und der Rückwirkungen auf die Art und Weise hatte, wie antike Menschen mit der Natur und mit bestimmten Materialien umgingen. Es ist ein Hauptanliegen des vorliegenden Bandes, dieses Zusammenspiel von kulturellen Diskursen und materiellen Praktiken für antike Gesellschaften aufzuzeigen. MODERNE UND ANTIKE PERSPEKTIVEN Ob man den Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ in diesem Zusammenhang eher als Chance oder Problem sieht, hängt von der Perspektive ab, die man an den jeweiligen Forschungsgegenstand heranträgt. Versteht man ihn als (bewussten) Anachronismus und hält man ihn für die quellenkritische Analyse für unbrauchbar, beraubt man ihn von vorneherein seines heuristischen Potentials. Betrachtet man ihn dagegen als Kurzformel für Formen der Mensch-Umwelt-Interaktion, die allgemein auf Verstetigung und Permanenz von Ressourcennutzung und damit einhergehenden
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Vgl. dazu den Band von CORDOVANA/CHIAI 2017.
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Sozialstrukturen abzielen, wird es möglich, neue Einsichten in die Wechselwirkungen zwischen Mensch und ‚Natur‘ in der Geschichte zu gewinnen. Ganz gleich, wie man dem Begriff gegenübersteht, ‚Nachhaltigkeit‘ ist in den letzten Jahren zu einem Schlagwort geworden, das gleichzeitig ökologische, ökonomische, politische sowie kulturelle Aspekte vereint. Obwohl der Begriff seit dem 18. Jahrhundert belegt ist, trat er erst 1992, nach der UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung von Rio de Janeiro, verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Neben wichtigen Absprachen und Regelungen zu Fragen des Klimaschutzes oder der Biodiversität, brachte die Konferenz mit der sogenannten „Agenda 21“ und der „Deklaration über Umwelt und Entwicklung“ zwei wichtige Initiativen auf den Weg, die das weltweite Recht auf „nachhaltige Entwicklung“ (engl. „sustainable development“) erstmals zu einem Leitziel internationaler Politik machten.5 Aufbauend auf früheren Initiativen, wie etwa der Studie über Die Grenzen des Wachstums des Club of Rome von 1972 oder dem sog. BrundtlandBericht Unsere gemeinsame Zukunft von 1987, wird darin ‚Nachhaltigkeit‘ als ein Ideal intergenerationeller Gerechtigkeit beschrieben.6 Danach soll Umwelthandeln stets die Begrenztheit natürlicher Ressourcen im Blick behalten, statt sie zu einem rein auf die Gegenwart bezogenen Faktor ökonomischer Kosten-Nutzen-Rechnungen zu machen. So nachvollziehbar diese Forderung nach ‚nachhaltigem‘ Umweltverhalten auch ist, so sehr hat der Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ doch erhebliche Kritik auf sich gezogen. Einerseits wird berechtigterweise seine definitorische Unschärfe bemängelt.7 Es konnte etwa gezeigt werden, dass ‚Nachhaltigkeit‘ in den letzten Jahrzehnten zu einem Werbeslogan geworden ist, der mit seiner ursprünglich ökologischen Substanz nicht mehr viel gemein hat.8 Andererseits wird gleichzeitig die dem Begriff ‚nachhaltige Entwicklung‘ inhärente ökonomische Perspektive anstandet, die Umweltprozesse unter einem elitären, entwicklungspolitischen Blickwinkel betrachtet. Sowohl soziale als auch ökologische Gerechtigkeit würde dabei jedoch auf der Strecke bleiben.9 Nach BERND HERRMANN liegt dem Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ ohnehin von vorneherein ein „Wahrnehmungsproblem“ zugrunde, da natürliche Stoffkreisläufe keineswegs nach den Prinzipien eines Gleichgewichtsprinzips ablaufen; „Nachhaltigkeit“ ist für ihn dementsprechend auch „eine Wertefrage, keine Kategorie der Natur.“ Das zeigt sich etwa daran, dass er „nirgendwo ein indigener Begriff, sondern ein von außen definierter, wissenschaftlich oder entwicklungspolitisch eingebrachter Begriff“ ist.10 Umwelthistorikerinnen und Umwelthistoriker stehen dem Schlagwort ‚Nachhaltigkeit‘ häufig ambivalent gegenüber, was mit seiner ökonomischen Konnota5 6
LEXIKON DER NACHHALTIGKEIT 2015. MEADOWS ET AL. 1972 und WORLD COMMISSION ON ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT 1987. Zur Begriffsgeschichte GROBER 2010, eine kritische Bestandsaufnahme liefert O’GRADY 2003. 7 AGYEMAN 2016: 186. 8 PRATT 2009. 9 ALAIMO 2012: 558f.; MORTON 2010: 49f. 10 HERRMANN 2013: 248 und 323.
Einleitung
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tion ebenso zu tun hat wie mit seinen vielen, nicht immer trennscharfen Bedeutungsebenen.11 Für JOACHIM RADKAU liegt darin aber gerade eine Chance. Wie er deutlich macht, ist „die Wirksamkeit des Ideals der Nachhaltigkeit stets auch von bestimmten ökonomischen und politischen Mächten bestimmt“. Eine Analyse von ‚Nachhaltigkeit‘ in der Geschichte hilft damit die „wirkliche[n] Triebkräfte“ von Umweltverhalten herauszuarbeiten, was exemplarisch ein Bündel kurzer, aber prägnanter Fragen verdeutlicht: „Wer definiert Nachhaltigkeit, mit welchen Mitteln definiert er sie, und wer kontrolliert sie?“12 Dass Diskurse um ‚Nachhaltigkeit‘ tatsächlich eng mit Fragen politischer Teilhabe, der Instrumentalisierung bestimmter, gleichsam von oben gesteuerter Mechanismen der Ressourcennutzung und der Kontrolle des Zugangs zu ihnen, auch mit sozialen Hierarchien der Distribution von Sachgütern zu tun haben, dafür gibt es in der Geschichte genügend Beispiele. RADKAU selbst nennt als Beispiel den frühneuzeitlich für Deutschland und Frankreich quellenmäßig gut belegbaren Konkurrenzkampf um Wälder und den Energieträger Holz, den sich einzelne Gruppen bewusst zu Nutze machen und Forderungen nach ‚Nachhaltigkeit‘ in die zeitgenössischen Debatten einspeisen, um etwa Preise für Holzschlag in ihrem Sinne zu regulieren.13 Betrachtet man das Beispiel des Bereichs Wald- und Forstwesen,14 wird schnell deutlich, dass in der Geschichte bisweilen lange Zeit Konzepte existieren, für die es zunächst aber keine Begriffe gibt.15 Zumal vormoderne Agrargesellschaften mussten schon um ihrer selbst willen die ‚nachhaltige‘ Ressourcennutzung, den Erhalt der Fruchtbarkeit von Ackerböden, den Zugang zu Trinkwasserquellen und so weiter sicherstellen, wenn sie sich selbst erhalten wollten.16 Dieses Abzielen auf Verstetigung der eigenen Existenz, dieser Selbsterhaltungstrieb konnte gerade für die jeweiligen Eliten eng mit Fragen des eigenen Machterhalts zusammenhängen und Praktiken der Verwaltung beziehungsweise des Umgangs mit der natürlichen Welt bedingen, ohne dass sich dahinter ein eigenes Begriffsgerüst oder eine voll entwickelte Ideologie verbarg.17 Dies stellt sicherlich ein Hauptproblem für die Erforschung vormoderner Praktiken der ‚Nachhaltigkeit‘ dar: es lässt sich keine Entsprechung in der Begrifflichkeit finden. Für die Antike ergibt sich als weitere Schwierigkeit, dass – zumindest die narrativen – Schriftquellen aus einer dezidiert elitären Perspektive geschrieben sind und somit den Wahrnehmungshorizont einer literarisch geschulten, vergleichsweise gut situierten Gruppe widerspiegeln. Alleine daraus lässt sich nicht auf wirkliches Umweltverhalten, vor allem nicht auf dasjenige breiter Gesellschaftsschichten schließen. 11 12 13 14
Vgl. dazu RADKAU 2008: 134f.; auch HUGHES 2016: 100 und 108. RADKAU 2008: 133–135. RADKAU 2008: 131–134. Der Kontext, in dem die Prinzipien der ‚Nachhaltigkeit‘ aufgegriffen wurden, verbindet sich mit der bergbaulich betriebenen Forstwirtschaft um 1700. Damals formulierte VON CARLOWITZ mit Blick auf eine langfristig angelegte Ressourcenstrategie, „daß es eine continuierliche, beständige und nachhaltende Nutzung gebe“. VON CARLOWITZ 2000: 105f. 15 Zum Beispiel der Holzwirtschaft in der Antike HUGHES 2017. 16 SIEFERLE 2007: 95 und RADKAU 2008: 132. 17 Vgl. HUGHES 2016: 22–24 mit antiken Bezügen.
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Umso wichtiger sind dokumentarische Quellen des reich überlieferten Inschriftenmaterials oder der Papyri, das bislang noch nicht systematisch in umwelthistorischer Sicht ausgewertet worden ist.18 Wie es ROSI BRAIDOTTI formuliert hat, situiert der Begriff der ‚Nachhaltigkeit‘ das Subjekt – und man könnte präzisieren: das geschichtliche Subjekt – in einem materiell eingefassten Rahmen des Handelns und der Verantwortlichkeit mit und gegenüber seiner beziehungsweise ihrer jeweiligen Umwelt.19 BRAIDOTTI greift damit die durch den „material turn“ aufgeworfene epistemologische, ontologische sowie ethische Problematisierung des Bilds vom historisch geprägten Selbst beziehungsweise des in der Geschichte wirksam werdenden, menschlichen Akteurs auf.20 Nach dieser Sichtweise ist die menschliche Subjektivität überhaupt nur in einem Netzwerk aus Triebkräften sozialer wie auch nicht-sozialer, d. h. nicht-menschlicher Art denkbar.21 Die materiellen Praktiken der Interaktion mit der nicht-menschlichen Umwelt sind für die Konstituierung des Individuums und damit der Gesellschaft ebenso zentral wie etwa die kulturelle Ebene anthropogener Organisation oder symbolischer Selbstauslegung. ‚Nachhaltigkeit‘ wird gemäß dieser dezidiert ‚posthumanen‘ Perspektive zu einem Problemfeld, insofern es die Stoffkreisläufe zwischen menschlichen Systemen und der ‚Natur‘ zugunsten einer anthropozentrischen Perspektive vereinnahmt, die Stabilität suggeriert, wo sich eigentlich beständiger Wandel abspielt.22 Demgegenüber wird die ‚Resilienz‘, d. h. die Fähigkeit natürlicher Systeme betont, über einen längeren Zeitraum Eingriffe beziehungsweise Störungen zu absorbieren und selbstregulierend Prozesse der Veränderung zu durchlaufen.23 Dies kann auf Bereiche des menschlichen Handelns ebenso zutreffen wie auf natürliche Ökosysteme, wodurch ‚Nachhaltigkeit‘ von einer anderen ‚Akteurs‘-Seite, nämlich der materiellen Welt, her gedacht ist. Der vorliegende Band trägt dieser Perspektivenverschiebung innerhalb der Umweltgeschichtsschreibung insofern Rechnung, als sie als große Chance begriffen wird, gerade die Rolle der archäologischen Forschung in einem dezidiert interdisziplinären Dialog über vormodernes Umweltverhalten herauszustellen.24 Wie oben bereits angemerkt wurde, greift eine Perspektive, die nur auf textbasierter Quellengrundlage arbeitet, zu kurz, wenn es darum geht, tatsächliche MenschUmwelt-Interaktionen in der Geschichte abzubilden. Gemessen an dem ‚material turn‘ stellen bisherige umwelthistorische Ansätze zur Klassischen Antike zumeist eine Auseinandersetzung mit der Welt der menschlichen Ideen und Interpretationen dar, nicht aber mit der eigentlichen materiellen Basis dieser diskursiven Zeugnisse, obwohl eine solche schon seit längerem eingefordert wird: Einerseits 18 19 20 21 22 23 24
Dazu CORDOVANA/CHIAI 2017 mit ersten konzeptionellen Überlegungen. BRAIDOTTI 2006: 137. BRAIDOTTI 2006: 97–142 mit Ausführungen zur ‚Natur‘. Vgl. auch IOVINO/OPPERMAN 2014. LATOUR 1991. ALAIMO 2012: 561–563. HOLLING 1973. Dazu auch MILLER/MOORE/RYAN 2011 sowie mit etwas anderer Schwerpunktsetzung COOPER/SHEETS 2012.
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in der Umweltarchäologie, die bereits seit dem Ende der 1970er Jahre die Heranziehung technischer Daten und naturwissenschaftlicher Methoden zum vertieften Verständnis der archäologischen Quellen vertritt.25 Andererseits mehren sich die Stimmen in den archäologischen Debatten, die sich für eine verstärkte Beschäftigung mit posthumanen Aspekten, darunter auch Resilienz, eintreten.26 Dabei kommt dem konzeptionellen Aspekt der Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle zu. Im Sinne des Kulturerbes kann beispielsweise jenseits des Sozialen das Materielle selbst als Phänomen begriffen werden, das sich fossilgleich in geologische Schichten einschreibt. Archäologische Befunde können dabei nicht allein als Ergebnis menschlichen Handelns analysiert werden, sondern als Produkt, das menschliche, tierische und natürliche Prozesse voraussetzt.27 Aufbauend auf solchen Ansätzen versucht der Band gerade in Bereichen, wo zum Teil kein oder nur unzureichendes Textmaterial vorliegt, neue Wege aufzuzeigen über antikes Umweltverhalten nachzudenken. Wegweisend in diesem Zusammenhang sind Untersuchungen, die den antiken Umgang mit Ressourcen und materialbasierte Gegebenheiten – seien es Wasser, Baumaterialien, Brennstoffe oder Abfälle – im Detail unter besonderer Berücksichtigung der antiken naturwissenschaftlich-technischen Gegebenheiten analysieren. Neben diese sozialen beziehungsweise machtpolitischen sowie materiellen Aspekte, die in diesem Band die Perspektive auf ‚Nachhaltigkeit‘ im Altertum bestimmen, treten noch zwei weitere, nämlich primär kultureller beziehungsweise kulturhistorischer Art. Sie stellen gleichzeitig Themenfelder dar, in deren Bereich noch Grundlagenforschung zu leisten ist und die deshalb an dieser Stelle zumindest kurz angesprochen werden sollen. Der erste Bereich betrifft die Frage, wie antike Gesellschaften Erfahrungen von zeitlichem Wandel, von Generationenfolge und zukünftigen Folgen gegenwärtigen Handelns aufgearbeitet haben. Die Frage ist insofern für den Bereich der ‚Nachhaltigkeit‘ von entscheidender Bedeutung, als verschiedene Maßstäbe von Zeit beziehungsweise Zeitlichkeit bei der Ausformulierung von Grundsätzen ‚nachhaltigen‘ Umweltverhaltens eine Rolle spielen. Dies beginnt schon bei der Einsicht in die potentielle Endlichkeit von Ressourcen und Energieträgern und reicht bis hin zum Verständnis, dass man durch sein eigenes Verhalten direkten Einfluss auf zukünftige Generationen haben wird. Gerade im Bereich der Philologie, auch der Historiographiegeschichte, gibt es gegenwärtig Tendenzen, das antike Verständnis von Zeitstrukturen neu zu hinterfragen;28 bislang sind daraus aber, abgesehen von älteren Untersuchungen etwa zum Kalender in der Antike,29 keine umweltgeschichtlichen Schlüsse gezogen worden. 25 Vgl. z. B. EVANS 1978; BINTLIFF/DAVIDSON/GRANT 1988; BUTZER 1982. Für einen Überblick zur Entwicklung dieser Ansätze s. z. B. EVANS 2003: 1–19 und CRUMLEY 2013. 26 Vgl. z. B. OLSEN 2010; CLARE/WENINGER 2010; ARMSTRONG OMA 2010; EDGEWORTH 2014. 27 Für einen Überblick zum Stand der Nachhaltigkeitsdiskussionen in der Archäologie s. bei HUDSON 2013 und FREDENGREN 2015. 28 LIANERI 2016; GRETHLEIN 2013. 29 VERNANT 2016: 54 und 80f. mit allgemeinen Überlegungen etwa zur Geschlechterabfolge bei Hesiod.
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Ein zweiter Bereich betrifft das Konzept einer ‚kulturellen‘ Dimension von ‚Nachhaltigkeit‘.30 Damit ist das Phänomen angesprochen, dass Ideen von ‚Nachhaltigkeit‘ durch kulturelle Symbole und Narrative verbreitet und hervorgebracht werden, dass es aber auch innerhalb kultureller Systeme Strukturen gibt, die Generationenwechsel und zeithistorische Brüche überdauern. Seit der Antike sind Menschen mit dem Problem konfrontiert, wie Wissen – vor allem solches zu Umweltverhalten und Umgang mit Ressourcen – so weitergegeben und tradiert werden kann, dass es auch zukünftigen Generationen zur Verfügung steht. Forschungen zu kulturellem Gedächtnis und Schriftlichkeit haben hier wesentliche Impulse geliefert, die die ‚nachhaltige‘ Leistung der antiken Kulturen in der organisierten Weitergabe von Wissen aufgezeigt und auf funktionsgeschichtliche Aspekten hin untersucht haben.31 Demgegenüber scheint die Rolle, die Studien zu vormodernem Umweltverhalten, in aktuellen, über alle wissenschaftlichen Disziplinen hinweg geführten Debatten zu ‚Nachhaltigkeit‘ und Ökologie einnehmen, eher bescheiden zu sein. Vor allem die Fachkolleginnen und -kollegen im Bereich der Neueren beziehungsweise Neuesten Geschichte sowie der Zeitgeschichte sind hier besonders gefordert, Umweltdebatten in ihrer jüngeren Genese zu untersuchen und an historische Kontexte zurückzubinden.32 Der Antike gebührt ein Platz in diesen Debatten, schon allein deswegen, weil antike Kulturen mit ökologischen (Subsistenz-)Krisen (auch selbstverschuldeten) sehr gut vertraut waren. Aber nicht nur deswegen. Wie STEPHANIE LEMENAGER und STEPHANIE FOOTE es in einem bedenkenswerten Artikel zu „Sustainable Humanities“ formuliert haben, stellen die ‚kulturellen Archive‘ ein Reservoir ‚möglicher Zukunftsentwürfe‘ dar und enthalten zugleich ein kulturell geprägtes Abbild vergangener Umwelten.33 Mit ihrem dezidiert kulturhistorischen Blickwinkel stellen die Geisteswissenschaften dabei ihrerseits ein wichtiges Reservoir des Wissens bereit, um zum Verständnis der Genese von Umweltverhalten, -krisen und deren Bewältigung beizutragen. Der Band Nachhaltigkeit in der Antike versteht sich als ein Beitrag zu dieser Debatte. Vor allem möchte er innerhalb einer geisteswissenschaftlichen Beschäftigung mit Themen der Umwelt, wie sie paradigmatisch im Begriff ‚Environmental Humanities‘ aufscheint, dafür plädieren, die Vormoderne nicht unberücksichtigt außen vor zu lassen. Damit würde man sich eines beträchtlichen Teils des eigenen disziplinären ‚Archivs‘ berauben – und das wäre, gerade mit Blick
30 Dazu jüngst MEIREIS/RIPPL 2019. Grundsätzliche Reflexionen auch in SCHLIEPHAKE 2017b: 259–261 und SCHLIEPHAKE 2017c. 31 ASSMANN 1992. Zum Konzept und seiner Weiterentwicklung siehe die kritische Diskussion in ERLL 2017; jüngst wurde das ‚Erinnerungsparadigma‘ auch auf Naturräume und den kulturellen Umgang mit Umwelt ausgeweitet, dazu UEKÖTTER 2013. 32 SEEFRIED 2015. 33 LEMENAGER/FOOTE 2012: 575: „the archives of literary and cultural studies imply alternative futures, since archives always suggest a charged engagement with the future’s past, what the past will be for succeeding generations“.
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auf ideengeschichtliche Kontinuitätslinien und Differenzerfahrungen, eine vertane Chance.34 ZUM INHALT DER BEITRÄGE Basierend auf diesen Überlegungen, möchte der Band zum einen die Reflexion über den Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ vertiefen und zum anderen durch analytische Beispiele und Fallstudien aus der Antike dessen Relevanz untermauern. Daraus leitet sich ein Bündel von Fragen ab, deren Bearbeitung auch für andere Epochen relevant ist: – – – – –
Welche historischen Konstellationen bedingen eine Auseinandersetzung mit ‚Nachhaltigkeit‘? Welche soziokulturellen Umstände machten die ‚nachhaltige‘ Nutzung von Ressourcen notwendig? Welche Deutungen und Wahrnehmungsmuster bildeten antike Zeitgenossen aus, um Prozesse zu beschreiben, die wir heute als ‚nachhaltig‘ bezeichnen würden? Ist das Bemühen um ‚Nachhaltigkeit‘ eine Triebfeder von technologischer Innovation und sozialer Veränderung? Wie schlägt sich ‚nachhaltiges‘ Denken und Handeln im Umgang mit Materialien aller Art nieder?
Es ist nicht Anspruch des Bandes und schon gar nicht der einzelnen Beiträge mit ihren unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen alle Fragen eindeutig zu klären. Er möchte aber Denkanstöße liefern und neue Wege in der Reflexion vormodernen Umweltverhaltens aufzeigen. LUKAS THOMMEN widmet sich im ersten Beitrag einer grundsätzlichen Begriffsbestimmung. In seinem Beitrag „Nachwachsende und erschöpfte Ressourcen: Zum Problem des ‚Umdenkens‘ und der ‚Ökologie‘ in der Antike“, legt er dar, dass die antiken Kulturen noch kein Konzept der ‚Nachhaltigkeit‘ kannten – und zwar weder in einem begriffs-, noch in einem übertragenen, ideengeschichtlichen Sinn. So mochte zwar über die gesamte Antike hinweg bei vereinzelten Autoren ein Verständnis für die Auswirkungen des menschlichen Umwelthandelns vorhanden sein, eine dezidierte Forderung nach einem veränderten Umgang mit natürlichen Ressourcen wurde daraus aber nirgends abgeleitet, weshalb die Vorstellung, dass es im Laufe des Altertums zu einem „Umdenken“ gekommen sein könnte, sicher nicht zutrifft. Dies veranschaulicht THOMMEN am Beispiel von Metall- und Gesteinsgruben, Böden, Wäldern und Wasser. In einem zweiten Schritt 34 Ausführlich dazu SCHLIEPHAKE 2020. Zu Naturvorstellungen im Alten Orient und in Griechenland vgl. BRANDES/HILLENBRAND 2018, zum Zusammenhang zwischen Natur, Mythos und Religion im antiken Griechenland vgl. SCHEER 2019, außerdem die Beiträge in beiden Bänden.
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nimmt der Aufsatz die Grundlagen des antiken Umgangs mit Tieren sowie Pflanzen in den Blick, um nachzuprüfen, wie die wechselseitigen Interaktionen zwischen dem Menschen und anderen Lebewesen ideengeschichtlich reflektiert und thematisiert wurden. Hier lässt sich tatsächlich zeigen, dass die ‚Natur‘ als ein von den Menschen autonomer Raum, mit zum Teil eigenen Regeln entdeckt wurde, ohne dass jedoch wissenschaftlich begründete Schutz- oder Nachhaltigkeitsgedanken formuliert wurden. INGMAR UNKEL stellt in seinem Beitrag „Archäohydrologie und Nachhaltigkeit. Der Einfluss des Wasserdargebots auf frühe Gesellschaften“ einen in der deutschsprachigen Diskussion bislang wenig präsenten Forschungsbereich vor, der die Ressource Wasser und den kulturellen Umgang mit ihr in einem archäologischen Kontext untersucht. Wie UNKEL darlegt, nimmt die Archäohydrologie systematisch die Wechselwirkung zwischen Wasser, Landschaft und Kultur in der Vergangenheit in den Blick. Anhand von drei Fallbeispielen – den Maya, den Nasca in Peru sowie der mykenischen Kultur der Spätbronzezeit – wird komparativ in unterschiedlichen Geographien und Zeiten das Zusammenspiel von Mensch, Klima und Umwelt analysiert. Dabei geht er der Frage nach, inwieweit gesellschaftliche Entwicklungen und klimatischen Bedingungen interagieren und ob bei den besprochenen Beispielen von nachhaltiger Wassernutzung gesprochen werden kann. Tatsächlich zeichnen sich alle drei Kulturen, trotz oder vielleicht wegen eines geringen Wasserdargebotes, durch eine effektive Ressourcennutzung aus. Selbst in Zeiten, in denen es wohl klimatisch bedingt zu Knappheit kam, wiesen sie noch eine gewisse Resilienz auf. Allerdings hat diese wie auch die nachhaltige Nutzung ihre Grenzen. Tiefgreifende Veränderungen, die schließlich zum Zusammenbruch einer Gesellschaft führen, können durch Wassermangel zwar angestoßen werden, in der Regel handelt es sich dabei jedoch um nur einen Faktor von vielen. Nachhaltige Wassernutzung ist auch das Thema im Beitrag von MARK LOCICERO, „Waters Waters Everywhere: Sustainability and Water Supply Strategies in the Roman Harbour City of Ostia, Italy“. Aufbauend auf Studien, die vor allem die Technologie hinter der römischen Wassernutzung und -versorgung betrachtet haben, lenkt LOCICERO den Blick auf die tieferliegenden Motivationen, die in einem städtischen Umfeld überhaupt den Umgang mit der Ressource Wasser angetrieben haben. Durch eine Analyse der verschiedenen Wasserarten und ihrer Versorgungsstrategien in Ostia, der Hafenstadt Roms, wird der kulturelle Kontext hinter dieser Mensch-Umwelt-Interaktion aufgearbeitet. So wird einerseits gezeigt, dass bewusst unterschiedliche Typen von Wasser verwendet wurden, und dass diese Verwendung andererseits eine gewisse Resilienz mit sich brachte, die sich jedoch je nach Zeitkontext und je nach Stadtviertel änderte. Dabei ging es wohl nicht alleine um die Speicherung großer Mengen von Wasser, sondern auch um kulturelle Wertmaßstäbe, die je nach Wasserart variieren konnten. Die Steuerung und Kontrolle von Umweltgegebenheiten in der römischen Badekultur nimmt JANET DELAINE in ihrem Beitrag „Strategies and Technologies of Environmental Manipulation in the Roman World: The Thermal Economy of
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Baths“ in den Blick. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsdebatten nimmt das römische Badewesen eine Position zwischen der Makroperspektive menschlicher Eingriffe in die Umwelt und der Mikroperspektive individueller Umweltmanipulation zu Gunsten des eignen körperlichen Wohlbefindens ein. In diesem Feld untersucht DELAINE ausgehend vom archäologischen und architektonischen Befund zwei technische Neuerungen, die für die Bäder des 1. Jh. n. Chr. literarisch bei Seneca überliefert sind: verglaste Fenster und Wandheizungen. Zu fragen ist, so DELAINE, ob diese in ihrer Zeit als positive Neuerungen begrüßten Innovationen auch positive Auswirkungen auf den Energieverbrauch und die thermische Effizienz der Bäder hatten. DELAINE fasst zunächst die uns bekannten Rahmenbedingungen römischer Bäder und ihren Heizungssystemen zusammen, bevor sie eine Kalkulation der thermischen Effizienz ausgehend von Heizung, Heizmaterial und Fensterverglasung unternimmt – bisher ein Desiderat der Forschung. Durch ihre Berechnungen kann DELAINE aufzeigen, dass vor allem das römische Know-How zur thermischen Optimierung der Bäder durch Wandheizungen, zum Teil doppelverglaste Fenster, isolierte Boiler u. ä. es ermöglicht haben, das Badewesen bis in die Spätantike aufrecht zu erhalten ohne ganze Wälder kahlzuschlagen. Einen wichtigen Bereich antiker, zumal selbstrepräsentativer Kultur nimmt CLEMENS VOIGTS in seinem Beitrag „Nachhaltigkeit oder Sparsamkeit? Verwendung und Wiederverwendung von Marmorbauteilen im kaiserzeitlichen Rom“ in den Blick. Während die Pracht und der Umfang kaiserlicher Bauvorhaben in Rom zunächst keinen ‚nachhaltigen‘ Hintergrund vermuten lassen, so kann VOIGTS anhand ausgewählter Beispiele, die das Pantheon, die Villa Hadriana bei Tivoli und die Diokletiansthermen umfassen, zeigen, dass Praktiken der Schonung von Rohstoffen und die Wiederverwendung von Bauteilen durchaus die kaiserzeitliche Architekturgeschichte prägen. Allerdings spielten dabei weniger ökologische, als vielmehr pragmatische und ökonomische Überlegungen eine handlungsleitende Rolle. Die Wiederverwendung von Ressourcen half, Baukosten niedrig zu halten, sowie in späterer Zeit an die glorreiche Bautätigkeit des frühen Prinzipats anzuknüpfen. Von zentraler Bedeutung waren dabei unter Umständen Materiallager oder Magazine mit wiederverwendbaren Architekturteilen, auf die ab dem späten 3. Jh. n. Chr. vor allem kaiserliche Bauprojekte zurückgreifen konnten. Fragen zu Formen der Nachhaltigkeit in Zusammenhang mit antikem Abfallverhalten untersucht NATASCHA SOJC in ihrem Beitrag „Beseitigung, Verwahrung oder Kreislauf? Zum stofflichen Potenzial deponierter Materialien in antiken griechischen Heiligtümern. Das Beispiel des extraurbanen Heiligtums S. Anna bei Agrigent (Sizilien)“. Ausgehend von jüngsten archäologischen Erkenntnisse zur besonderen Rolle von Abfällen in griechischen Heiligtümern, die zeigen, dass in sakralen Kontexten Abfall nicht unbedingt wie säkularer Müll entsorgt werden konnte, untersucht SOJC exemplarisch Funde und Befunde aus den laufenden Ausgrabungen der Universität Augsburg. In einem Heiligtum westlich der antiken Polis Akragas können mehrere Deponierungen beobachtet werden, die aus keramischem Trink- und Speisegeschirr, Terrakottafigurinen, persönlichen Gegenständen sowie Knochenresten und Pflanzensamen gebildet werden. Diese verschiedenen organischen und anorganischen Materialen verblieben wohl zu Zwe-
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cken der rituellen Reinigung am Ort. Zudem markierten die Materialansammlungen von ‚sacrifical rubbish‘ das Heiligtum als sakralen Raum. Antike Formen von Nachhaltigkeit stellt SOJC sowohl hinsichtlich einer archäologisch greifbaren ‚Abfallauslese‘ fest, als auch in Bezug auf die Verlängerung einzelner Objektbiographien, die auch in fragmentiertem Zustand noch für rituelle Aktivitäten genutzt wurden und für zukünftige Rituale im Heiligtum verblieben. Offenbleiben muss jedoch, so SOJC, auf dem Stand der derzeitigen Forschungen, ob auch einzelne Materialien wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt wurden. CHRISTOPHER SCHLIEPHAKE widmet sich in seinem Beitrag „‚Nachhaltigkeit‘ in Kult und Mythos – Athenas Olivenbaum auf der Akropolis“ der religiösen sowie kulturellen Dimension nachhaltigen Umwelthandelns. Vorangestellt werden Überlegungen zu einer ‚ökologischen’ Mythentheorie, die mythische Erzählungen als Narrative versteht, die die historisch gewachsenen Wechselbeziehungen zwischen menschlicher Gemeinschaft und nicht-menschlichem Lebensraum symbolisch ausgestalten und neben identitätsstiftenden Aspekten auch umweltbezogenes Wissen weitergeben. Dies wird am Beispiel des athenischen Gründungsmythos, dem Wettstreit zwischen Athena und Poseidon auf der Akropolis, diskutiert, wobei zwei grundlegende Lebenselemente, Erde und Wasser, aufeinander bezogen und in ihrer Bedeutung für die Gemeinschaft (in Landwirtschaft und Seefahrt) reflektiert werden. Durch Analyse kultischer Praktiken und sog. Kultgesetze wird schließlich die lebenspraktische Reichweite des Mythos erläutert, die in der besonderen Bedeutung des Olivenbaums beziehungsweise seiner Früchte für die athenische Polis zutage tritt. Bemerkungen zur allgemeinen Rolle von Religion und fundierenden Ursprungserzählungen für eine Theorie und Praxis der ‚Nachhaltigkeit‘ schließen die Betrachtung ab. In seinem Aufsatz „Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Handlungs-, Deutungs- und Wissenskategorien in den Zauberpapyri und in Artemidors Oneirokritika“ nimmt GREGOR WEBER zwei Quellengruppen in den Blick, die bislang nicht dezidiert in einem umweltgeschichtlichen Kontext diskutiert wurden. Dies mag insofern verwundern, als gerade der hohe Anwendungsbezug, der mit Formen des Zaubers und der Traumdivination zu tun hatte, nicht nur menschliche Belange betraf, sondern nicht-menschliche Akteure und Substanzen mit einbezog. Wie WEBER aufzeigt, waren sowohl Zauberpapyri als auch die Traumdeutungsliteratur, die im kaiserzeitlichen Autor Artemidor von Daldis ein idealtypisches Beispiel findet, zwar sehr wohl auf zukünftige Handlungen bezogen, allerdings weniger in einem Sinne, der tatsächlich ein ‚nachhaltiges‘ Umwelthandeln nahelegt. Vielmehr verwendeten Zauberformeln die dingliche Natur oder auch Tiere als Ressourcen, um möglichst zeitnah vor allem ökonomische Vorteile für Einzelne zu generieren. In der Traumdeutung Artemidors dominierte hingegen eine ‚ökologischere‘ Sicht, wonach alles in der Natur miteinander verbunden war; Fragen der ‚Nachhaltigkeit‘ und der Mensch-Natur-Interaktion waren jedoch ausgeklammert. Das ländlich-bäuerliche Leben an sich stellte hier eher einen Bereich dar, in dem von vornherein bestimmten Maßgaben des Handelns oder der Ressourcennutzung eine Rolle spielten. Zukunftsweisende Handlungsmuster wurden daraus aber nicht abgeleitet.
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Ausgehend von einer der bekanntesten umwelthistorischen Textstellen der antiken Literatur (Plat. Kritias 110e–111e), unternimmt CHRISTOPHE CHANDEZON den Versuch, einen Topos der Umweltgeschichtsschreibung kritisch zu hinterfragen, der der Weide- und besonders der Ziegenhaltung einen nachhaltig negativen Effekt auf den Waldbestand zuschreibt. Anhand verschiedener Quellen zeigt CHANDEZONs Aufsatz „La dent funeste des chèvres et la plume acerbe des historiens. Discours de la durabilité, naguère et aujourd’hui“ die Rolle auf, die der Ziege in antiken Texten zukam, wenn es um des Umwelthandelns ging, die wir heute als ‚nachhaltig‘ bezeichnen würden. Wenn aus Sicht der Quellentexte nachhaltige Umwelteffekte der Ziegenhaltung angesprochen waren, betraf dies weniger Wälder als vielmehr Kulturpflanzen. Man hat es also immer mit anthropogenen, sozial determinierten Wertungen zu tun, wenn es um den Wert oder eben den Schaden ging, der durch die Zucht von Ziegen erzielt werden konnte. Dies kann auch durch einen diachronen Vergleich gezeigt werden, der deutlich macht, dass besonders im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit Fragen des ökologischen Wertes der Ziege vor dem Hintergrund sozialer Hierarchien und gesellschaftlicher Konflikte verhandelt wurden. Da Ziegen vor allem von ärmeren Bevölkerungsschichten gehalten wurden, wurden negative Bewertungen der Ziege fast ausschließlich von Seiten der Elite vorgenommen. Die griechische Antike kannte jedenfalls noch keinen Zusammenhang zwischen Entwaldung und Ziegenhaltung – im Gegenteil: aus ökologischer Sicht überwogen sogar die positiven Effekte. Dass antike Landwirtschaft ein Lebensbereich war, in dem Fragen der Nachhaltigkeit auf unterschiedlichen sozialen sowie wirtschaftlichen Ebenen wirksam wurden und vielfältige ethische Probleme anstießen, zeigt LARS MIELKE in seinem Beitrag „Moralisieren gegen landgrabbing. Zum Verhältnis von Rhetorik und ‚Nachhaltigkeit‘ bei Columella (1,3,8–13)“. Anhand des Agrarbuches De Re Rustica des frühkaiserzeitlichen Autors Lucius Iunius Moderatus Columella untersucht MIELKE, wie dieses antike Werk auf verschiedenen rhetorischen Ebenen Fragen der Wirtschaftlichkeit sowie der gesellschaftlichen Bedeutung und Verantwortung verhandelt. Obgleich sich darin eine Kritik an der Anhäufung großen Landbesitzes findet, wird, wie ein close reading der zentralen Argumentationsstränge zeigt, diese moralisierende Position durch eine Sichtweise unterlaufen, die dem ökonomischen Faktor des Landwirtschaftens den Vorrang gegenüber dessen sozialer Verantwortung einräumt. Daraus ergeben sich werkimmanente Widersprüche, die nur durch geschickte Anwendung rhetorischer Mittel verdeckt werden konnten. Columellas Text mag durchaus Aspekte enthalten, die heutigen ‚nachhaltigen‘ Ideen in der Landwirtschaft entsprechen; vor allem aber verdeutlicht er, wie sehr ‚Nachhaltigkeitsdenken‘ und ‚-diskurse‘ seit jeher vordergründig instrumentalisiert werden können, um Handlungsstrategien zu verschleiern, die primär nicht auf ökologische Belange, sondern vielmehr auf ökonomische Ziele hin ausgerichtet sind. Einen begriffs- sowie rezeptionsgeschichtlichen Blickwinkel nimmt JENS SOENTGEN im abschließenden Beitrag, „Nachhaltigkeitsdenken in der Romantik und in der Antike“, ein. Ausgehend von einer Diskussion des frühneuzeitlichen ‚Nachhaltigkeitsbegriffs‘, wie er im deutschsprachigen Raum vor allem mit der
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Forstwirtschaft in Verbindung steht, wird darin gezeigt, wie eng der moderne Begriff mit dem Konzept des Nießbrauchs verwandt ist. Als alternatives Konzept der Nutzung und Pflege von Sachen (etwa von Wäldern oder Gebäuden), schlägt der „usus fructus“ den Bogen zu einem rechtsphilosophischen Konzept der Antike. Diese historische Tiefenperspektive erlaubt es SOENTGEN, das moderne Nachhaltigkeitsdenken mit Konzepten und Diskussionen in Verbindung zu bringen, die für die inhaltliche Weiterentwicklung unseres modernen Nachhaltigkeitsdenkens fruchtbar gemacht werden können. So wird etwa der Blick weg vom Primat des Ökonomischen hin auf den Substanzerhalt von Ressourcen oder Dingen gerichtet, was die ‚Nachhaltigkeit‘ in einem ökologischen Sinne weiterdenken hilft. BIBLIOGRAPHIE AGYEMAN, J. 2016. Sustainability, in J. ADAMSON/W. GLEASON/D. PELLOW (Hg.), Keywords for Environmental Studies. New York, 186–189. ALAIMO, S. 2012. Sustainable This, Sustainable That: New Materialisms, Posthumanism, and Unknown Futures, PMLA 127/3, 558–564. ARMSTRON OMA, K. 2010. Between Trust and Domination, World Archaeology 42, 175–187. ASSMANN, J. 1992. Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München. BINTLIFF, J., DAVIDSON, D. A. und GRANT, E. G. 1988. Conceptual issues in environmental archaeology. Edinburgh. BRAIDOTTI, R. 2006. Transpositions: On Nomadic Ethics. Malden, MA. BRANDES, T. und HILLENBRAND, K. 2018. ‚Natur‘ nach modernem und antikem Verständnis, in F. SCHIMPF, D. BERRENS, K. HILLENBRAND, T. BRANDES und C. SCHIDLO (Hg.), Naturvorstellungen im Altertum. Schilderungen und Darstellungen von Natur im Alten Orient und in der griechischen Antike, Oxford, 5–17. BUTZER, K. W. 1982. Archaeology as Human Ecology: Method and Theory for a Contextual Approach. Cambridge. CLARE, L. und WENINGER, B. 2010. Social and biophysical vulnerability of prehistoric societies to rapid climate change, Documenta Praehistorica 37, 283–292. COOPER, J. und SHEETS, P. (Hg.) 2012. Surviving Sudden Environmental Change: Answers from Archaeology. Boulder, CO. CORDOVANA, O. D. und CHIAI, D. F. 2017. Introduction. The Griffin and the Hunting, in O. D. CORDOVANA und D. F. CHIAI (Hg.), Pollution and the Environment in Ancient Life and Thought (Geographica Historica 36). Stuttgart, 11–24. CRUMLEY, C. L. 2013. Historical Ecology in Archaeology, in C. SMITH (Hg.) Encyclopedia of Global Archaeology. New York, 3245–3261. EDGEWORTH, M. 2014. Archaeology of the Anthropocene, Journal of Contemporary Archaeology 1/1, 73–132. EMMETT, R. S. und NYE, D. E. 2018. The Environmental Humanities: A Critical Introduction. Cambridge, MA. ERLL, A. 32017. Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen: Eine Einführung. Stuttgart. EVANS, J. G. 1978. An Introduction to Environmental Archaeology. London. EVANS, J. G. 2003. Environmental Archaeology and the Social Order. London. FREDENGREN, C. 2015. Nature: Culture: Heritage. Sustainability and Feminist Posthumanism, Current Swedish Arachaeology 23, 109–130. GRASSL, H. 2012. Zum Problem der Nachhaltigkeit in der Ressourcenausbeutung im Altertum, in E. OLSHAUSEN und V. SAUER (Hg.), Die Schätze der Erde – Natürliche Ressourcen in der An-
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NACHWACHSENDE UND ERSCHÖPFTE RESSOURCEN Zum Problem des ‚Umdenkens‘ und der ‚Ökologie‘ in der Antike Lukas Thommen
Zusammenfassung: Der Aufsatz geht der Frage nach, ob in der Antike angesichts erschöpfter Ressourcen ein Bewusstseinswandel stattgefunden hat, der eine Änderung des Umweltverhaltens bewirkte. Dazu werden zunächst die einschlägigen Quellen zur Wahrnehmung von Metall- und Steingruben, Ackerböden, Wäldern und Wasser betrachtet. In einem nächsten Schritt wird einigen grundlegenden Auffassungen von Lebewesen nachgegangen, um zu klären, inwieweit damals bereits Vorstellungen von ‚Evolution‘ und ‚Ökologie‘ existierten. Anhand von Theophrasts botanischen Werken wird untersucht, welche wechselseitigen Beziehungen zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt zur Sprache kamen. Dabei zeigt sich, dass Theophrast zwar den Pflanzen ihren eigenen Zweck im Leben der Natur zusprach, aber keinen grundsätzlichen Schutz der Umwelt und ihrer Ressourcen forderte. Insgesamt wird deutlich, dass die Griechen und Römer zahlreiche Auswirkungen des menschlichen Handelns auf die natürlichen Prozesse und Umgebung feststellten, aber nicht zu einer näheren wissenschaftlichen Bestimmung von Umwelt und Ökologie gelangten, so dass der Glaube an das Nachwachsen von Ressourcen bestehen blieb. Da umfassende Vorstellungen von ‚evolutionären‘ Entwicklungen und ‚ökologischen‘ Systemen fehlten, zeichnete sich auch kein eigenes, wissenschaftlich begründetes Konzept für Nachhaltigkeit ab. Schäden an der Natur wurden zwar immer wieder in Erinnerung gerufen, führten aber nicht zur Forderungen nach einer Änderung des Umweltverhaltens. Abstract: The essay examines whether a change in awareness took place in antiquity that, in the face of depleted resources, brought about a change in environmental behaviour. First, the relevant sources for the perception of metal and stone pits, arable land, forests and water are considered. The next step is to explore some basic notions of living beings in order to clarify to what extent notions of ‘evolution’ and ‘ecology’ already existed at that time. Using Theophrastus’ botanical works, it examines the interrelations between living beings and their environment. As will be shown, although Theophrastus gave plants their own purpose in the life of nature, he did not demand fundamental protection of the environment and its resources. Overall, it becomes clear that the Greeks and Romans were aware of numerous effects of human action on natural processes and the environment, but did not arrive at a closer scientific definition of environment and ecology, so that the belief in the regrowth of resources remained. Since there were no comprehensive ideas of ‘evolutionary’ developments and ‘ecological’ systems, no scientifically based concept of sustainability emerged. Although damage to nature was repeatedly remembered, it did not lead to demands for a change in environmental behaviour.
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Ausgangspunkt dieses Beitrags ist der Aufsatz von HERBERT GRASSL „Zum Problem der Nachhaltigkeit in der Ressourcenausbeutung im Altertum“ aus dem Jahre 2012.1 Darin geht GRASSL auf den antiken Umgang mit dem Phänomen von erschöpften Ressourcen ein, was konkret anhand des Metall- und Gesteinsabbaus erläutert wird. Grundlegend dabei ist die schon von ROBERT HALLEUX im Jahre 1970 getroffene Feststellung, dass bereits seit Homer (Il. 2,857) die Vorstellung von der ‚Geburt‘, dem Wachsen und Nachwachsen von Metallen verbreitet war und bis ans Ende der Antike bewahrt wurde.2 Diese ist auch noch beim byzantinischen Gelehrten Johannes Tzetzes (Chil. 12,322) im 12. Jh. zu finden und beflügelte bis ins 17./18. Jh. hinein zahlreiche Alchemisten, die Edelmetalle zu synthetisieren versuchten. Über die ganzen Jahrhunderte griechischer und römischer Geschichte hinweg begegnet die Idee von der ‚fruchtbaren‘ Erde, in der sich ausgebeutete Steinund Metallgruben wieder von Natur aus füllen oder die Materialien an anderen Orten in neuer Form hervortreten. GRASSL betont in seinem Aufsatz aber auch, dass die Beobachtung von erschöpften Metalladern und -gruben im 1. Jh. n. Chr. zu einem „Bewusstseinswandel“ geführt habe, der im 3. Jh. n. Chr. schließlich zu einer „Umkehr in der Lebensweise“ zwang. Allerdings wurde dieses Argument in dem knapp gehaltenen Artikel nicht weiter vertieft und soll daher im Folgenden in einem erweiterten Kontext untersucht werden. Dazu sind zunächst die einschlägigen Quellen zum Metall- und Gesteinsabbau nochmals kurz zu rekapitulieren. Anschließend werden diese mit weiteren Zeugnissen zum Umgang mit natürlichen Ressourcen ergänzt, speziell im Zusammenhang mit den Ackerböden, Wäldern und dem Wasser. Ziel ist es, zu überprüfen, wie weit die Forderungen nach Schonung von Ressourcen gingen und ob im Verlauf der Zeit tatsächlich eine Art Umdenken einsetzte. Für diese Frage ist in einem nächsten Schritt auch der antike Umgang mit Tieren einzubeziehen, da diesen für die Versorgung der menschlichen Gemeinschaft ebenfalls zentrale Bedeutung zukam. Zur weiteren Erklärung des antiken Umweltverhaltens soll schließlich einigen grundlegenden Auffassungen über Lebewesen nachgegangen werden, wobei neben den Tieren auch die Pflanzen ins Spiel kommen. Im Zentrum steht dabei die Frage, inwieweit es damals bereits Vorstellungen von ‚Evolution‘ und ‚Ökologie‘ gab. Besonders einschlägig ist zunächst Aristoteles (384–322 v. Chr.), welcher über die Tier- und Pflanzenwelt zum ersten Mal systematische, wissenschaftliche Abhandlungen verfasste, auch wenn diejenige über die Pflanzen verloren ist. Überliefert sind hingegen die Pflanzenkunden seines Schülers Theophrast von Eresos (371– 287 v. Chr.), der weitum als eigentlicher Begründer der Botanik gilt.3 Darüber hinaus hat ihn der Umwelthistoriker J. DONALD HUGHES auch als „Vater der Ökologie“ bezeichnet.4 Anhand von Theophrasts botanischen Werken ist deshalb genauer zu 1 2 3 4
GRASSL 2012. HALLEUX 1970. AMIGUES 1999: 127–133; PRIMAVESI 2005: 1072; WÖHRLE 1997: 389f. betont, dass Theophrasts Schriften auf Aristoteles’ biologischen Forschungen (De plantis etc.) beruhen. HUGHES 1975: 122; HUGHES 1988: 74.
Nachwachsende und erschöpfte Ressourcen
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prüfen, welche wechselseitigen Beziehungen zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt in der Antike überhaupt thematisiert wurden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen letztlich dazu dienen, die antike Nutzung von Ressourcen vor einem verbreiterten geistigen Hintergrund zu beleuchten. 1. METALL- UND GESTEINSGRUBEN Nachdem schon Homer (Il. 2,857) von natürlich entstehenden Metallen berichtet hatte, wurde diese Vorstellung auch in der wissenschaftlich orientierten Literatur des 4. Jh. v. Chr. weitergeführt. Aristoteles beziehungsweise die pseudo-aristotelischen Mirabilia (mir. 93 = 837b) konstatierten das Nachwachsen einer tyrrhenischen Kupfermine und der Aristoteles-Schüler Theophrast vertrat die Meinung, dass einige Steine andere erzeugen (Plin. nat. 36,134). Allerdings soll Theophrast (lap. 1,5) auch gewisse Zweifel an der Lehre seines Meisters gehegt haben; diese besagte nämlich, dass die Metalle aus verdunstetem Wasser entstanden, das in trockener Erde eingeschlossen und komprimiert wurde (Aristot. meteor. 4,1,378a 19– 378b 4).5 Bereits einige Jahre davor hatte Xenophon die Unerschöpflichkeit der Metallvorkommen betont und zwar im Zusammenhang mit dem Silberabbau von Laureion im südlichen Attika (vect. 1,4; 4,2–11). Dennoch gab er zu bedenken, dass die Suche nach den Silbererzen auch das Risiko des Misserfolgs barg (vect. 4,29–32), allerdings ohne eigentliche Grenzen der Ressourcennutzung zu benennen.6 Sowohl im Gebiet von Laureion als auch an anderen Orten wurde in Kauf genommen, dass für den Bergbau Unmengen von Holz geschlagen werden mussten. Dies führte verschiedentlich zu Bodenerosion und zum Absinken des Grundwasserspiegels, während die Luft durch die Schmelzöfen verpestet wurde (Diod. 5,13,1).7 Selbst gegen diese Folgeschäden wurden kaum konkrete Maßnahmen ins Auge gefasst, so dass im Kontext des griechischen Bergbaus offensichtlich keine Veränderung des Bewusstseins festzustellen ist. Auch die im 2. Jh. v. Chr. einsetzenden schriftlichen Quellen der Römer nehmen grundsätzlich das Nachwachsen von ausgebeuteten Gruben an. Cato (orig. 93P = Gell. 2,22,29) wunderte sich über die Vergrößerung eines bewirtschafteten Salzberges in Spanien. Verschiedene römische Autoren des 1. Jh. v. Chr., wie Diodor (2,36,2; 5,27,1; 5,38,2), Strabon (3,2,3; 11,8,6; 15,2,10; 16,4,20), Caesar (Gall. 5,12,5) und Vitruv (7,6,1; 7,12,2), glaubten nach wie vor an das Hervorgehen der Steine und Metalle aus der Natur, und auch Vergil (Aen. 10,174) rechnete offenbar mit dem Nachwachsen der Metalle: Die Insel Elba soll jedenfalls durch unerschöpfliche Metallvorkommen (inexhaustis metallis) Berühmtheit erlangt haben. Zudem galt für Strabon der Bergbau immer noch als segensreiche Maßnahme gegen dichte, 5 6 7
HALLEUX 1974: 97–105. Theophrast (lap. 2,9f.) geht selbst davon aus, dass metallhaltiges Gestein Feuchtigkeit enthält, da es sonst nicht schmelzen könnte. FELLMETH 2012: 124. DOMERGUE 2008: 44–49, bes. 48; THOMMEN 2009: 67; THOMMEN 2012: 62f.
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unkultivierte Wälder (14,6,5). Dabei stellte Strabon einerseits durchaus Erschöpfungen der Silberbergwerke von Laureion (9,1,23), der Goldproduktion in der Troas (13,1,23) und der Erzgruben in der Umgebung von Populonium fest. Andererseits meinte er aber auch verwundert, dass Eisen auf Elba nachwächst, wie man es ebenso von den Steinschichten auf Rhodos, dem Marmor auf Paros und den Salzlagern in Indien erzähle (5,2,6). Über Spanien berichtet Strabon von unvergleichlichem Metallreichtum, hält es allerdings für übertrieben, wenn Poseidonios diesen als unerschöpflich bezeichnet (3,2,8). Die von ihm erwähnten spanischen Blei- und Silbergruben waren schon von den Karthagern genutzt worden (3,2,10) und wurden in der frühen Kaiserzeit durch die ausgedehnten Goldbergwerke von Leon ergänzt, bis sie im 3. Jh. n. Chr. wegen Erschöpfung überall weitgehend zum Erliegen kamen.8 Diese haben im Gebiet von Las Médulas die wohl bekanntesten Landschäden der Antike hinterlassen, wobei die zum Einsturz gebrachten Berge schon bei Plinius beschrieben sind (nat. 33,70– 76). Im Zusammenhang mit den Silbergruben ist bei Strabon (3,2,8) und Plinius (nat. 33,98) auch von schädlichem Dunst und Gestank die Rede. Allerdings wurden daraus keine weiteren Konsequenzen gezogen oder spezifische Forderungen abgeleitet. Aufgrund des intensivierten Bergbaus hatten die Römer bereits im 1. Jh. n. Chr. verschiedentlich Erschöpfungen festgestellt, speziell für die Metalladern von Temesa an der tyrrhenischen Küste (Stat. silv. 1,1,42). Dies soll gemäß GRASSL generell einen „Bewusstseinswandel“ eingeläutet haben. In der Tat forderte Plinius (nat. 33,2f.; 2,158), der die Erschöpfung der Kupfergruben von Kalchedon bei Byzanz (37,72) und der Steinbergwerke der Perser (37,105) konstatierte, die Rohstoffgewinnung auf nachwachsende Produkte der Erdoberfläche zu beschränken. Er erwähnt auch, dass in dem erzreichen Italien durch einen „alten Senatsbeschluss“ die Ausbeutung von Minen untersagt (3,138; 33,78) und in Britannien die Gewinnung von schwarzem Blei aus den obersten Erdschichten rationiert worden waren (34,164). Diese singulären Maßnahmen sind allerdings fragwürdig, so dass sie kaum mit einem bewussten Bewahren von Ressourcen in Verbindung zu bringen sind.9 In der Praxis ist jedenfalls nirgends ein entsprechender Rückgang oder Verzicht zu beobachten. Dazu kommt, dass Plinius selbst durchaus an das Nachwachsen der Gruben glaubte, konkret des Eisenerzes in Elba (nat. 34,142), der spanischen Blei- und Silbergruben (34,165) und der Marmorbrüche Italiens (36,125). Ferner ging es ihm mehr um eine Kritik am übermäßigen Luxus, den die Römer anhäuften, als um eine programmatische Schonung der Natur.10 Die Natur soll der Mensch mit seinem Verstand und technischen Mitteln richtig nutzen und gestalten – ohne der Mutter Erde die Eingeweide herauszureißen und dabei seine eigenen Lebensgrundlagen zu 8
DOMERGUE 1990: 219f.; DOMERGUE 2008: 209f. schätzt, dass insgesamt 190 Tonnen Gold gewonnen wurden (vgl. WILSON 2007: 113). HEALY 1978: 152 geht davon aus, dass für den Bergbau im römischen Reich 5.400 ha Wald pro Jahr abgeholzt wurden. 9 ORTH 1924: 152 glaubt, dass die italischen Minen unrentabel waren. 10 BEAGON 1992: 75–79.
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zerstören beziehungsweise mit Bodenschätzen Unglück über sich zu bringen (2,158f.; 33,1–6). Ein genereller Wandel im Denken und im Umgang mit der Natur kann aus diesem moralischen Appell nicht abgeleitet werden, auch wenn Plinius in seiner umfassenden Naturgeschichte ein vertiefteres Bewusstsein für die Umwelt erkennen lässt.11 Der ungebrochene Glaube an das Nachwachsen von Ressourcen zeigt sich dann auch bei Plutarch (de def. or. 434a). Dieser Autor stellte im frühen 2. Jh. n. Chr. fest, dass Bergwerke in Attika und Euböa erschöpft waren, meinte aber immer noch, dass sie an anderer Stelle wieder hervortreten werden. Erst beim christlichen Schriftsteller Cyprian von Karthago (ad Demetr. 3), der im 3. Jh. n. Chr. in den Bergen die Erschöpfung von Marmor, Silber und Gold feststellte, sei dann laut GRASSL eine eigentliche Umkehrforderung aufgekommen.12 Genauer betrachtet rechnet Cyprian im Gegensatz zur griechischen Auffassung von der Ewigkeit der Welt allerdings generell mit dem unaufhaltsamen Altern und Ende der Erde. Dies ist auch bei späteren Kirchenvätern der Fall – darunter Basilius von Caesarea (4. Jh. n. Chr.), der im Hinblick auf die Endzeit ebenfalls von einem natürlichen Verfall der Erde ausging (hex. 1,3).13 Trotz der Verehrung der von Gott geschaffenen Natur ist aber nicht zu erkennen, dass das Christentum in Bezug auf die Ressourcennutzung eine neue Verhaltensweise ins Spiel brachte. Der Mensch – als Ebenbild Gottes – war grundsätzlich dazu angehalten, die Erde zu bebauen und sie für seine Zwecke einzusetzen beziehungsweise sie sich untertan und dienstbar zu machen (Gen. 1,28; Psalm 8,7).14 Auch wenn im 4. Jh. n. Chr. erneut erschöpfte Bergwerke festgestellt wurden (Serv. Aen. 10,174), blieb der Glaube an den Metallreichtum der Erde erhalten (Solin. 52,17; Rut. Nam. 1,355). Ein wirkliches Umdenken ist somit im Bereich des Metall- und Gesteinsabbaus bis ans Ende der Antike nicht auszumachen. Dieser Sachverhalt soll im Folgenden am Beispiel von weiteren natürlichen Ressourcen überprüft werden. 2. BÖDEN Der Boden erweckte gemäß antiken Vorstellungen nicht nur Metalle zum Leben, sondern lebte selbst als Mutter Erde (Plin. nat. 18,21) beziehungsweise Mutter der Pflanzen.15 Als solche konnte er aber durchaus selbst in Mitleidenschaft gezogen werden. Konkret wurden in der Antike neben ausgebeuteten Bodenschätzen auch erschöpfte und versalzene Böden festgestellt (Xen. oik. 20,12). Schon um 700 v. Chr. hatte Hesiod (erg. 464) erkannt, dass bei ausgelaugten Böden eine Brache eingeschaltet werden muss. Zudem kamen zu seiner Zeit Tiermist, später vermehrt
11 12 13 14 15
Dazu HEALY 1999: 29 und 371–379; CORDOVANA 2017: 110 und 127. GRASSL 2012: 139. Unter Berufung auf 1. Korinther 7,31; Matthäus 24,35; vgl. GLACKEN 1967: 190f. GLACKEN 1967: 150–168. WINIWARTER 1999: 212.
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auch Grünpflanzen als Dünger zum Einsatz, um die Böden möglichst gewinnbringend zu bebauen.16 Der Tragödiendichter Sophokles beklagte im Jahre 442 v. Chr. in seiner Antigone (337–341) dennoch, dass es der Mensch geschafft habe, die nie ermüdende Erde zu schwächen. Xenophon (oik. 20,22–26) entwickelte anschließend sogar einen ökonomischen Zugang zu übernutzten Böden. Er sah die Möglichkeit, vernachlässigtes Land aufzukaufen, durch richtige Kultivierung aufzubereiten und mit Gewinn weiterzuverkaufen. Auch Theophrast (caus. plant. 3,20,3) hielt fest, dass erschöpfte Böden durch die Mischung von Erden wieder fruchtbar gemacht werden können. Generelle Forderungen nach einem schonenden Umgang mit der Erde sind dabei nicht ersichtlich. Römische Autoren prangerten im Zusammenhang mit der Landwirtschaft ebenfalls an, dass fruchtbare Erde durch nachlässige Behandlung schlecht geworden war und die Misshandlung des Bodens zur Verringerung oder sogar zum Versiegen der Bodenerträge führte (Colum. 1 praef. 1–3; 2,1; Lucr. 2,1150; Plin. nat. 18,21). Da der Boden durch verschiedene Methoden beziehungsweise neue Formen von Dünger (Kompost, Asche, Kalk) aber immer wieder aufbereitet werden konnte, war auch hier keine unwiederbringliche Erschöpfung festzustellen. Raubbau blieb aus dieser Sicht ein zu bewältigendes Problem, das keine prinzipielle Zurückhaltung nahelegte.17 Dieser pragmatische Umgang mit der Natur änderte sich auch in der Spätantike und dem frühen Christentum nicht wesentlich. Ambrosius von Mailand (339–397 n. Chr.) vertraute generell in die im Sinne des Schöpfers „rasch sprossende Erde“ beziehungsweise deren Fruchtbarkeit (hex. 1,13; 3,26.33.35; 4,6); der Mensch seinerseits giere nach Erzeugnissen des Bodens (3,65.70) und nutze die Früchte sowie das Holz der Bäume (3,53). Auch wenn die Erde eine vergängliche Schöpfung ist (1,28; 4,31), sei die Sprossung als „Naturgesetz“ (lex naturae) für alle Zeit in Kraft (3,26). Hier wurde von christlicher Seite eine optimistische Sicht der Umwelt bewahrt und dieser gegenüber kein grundsätzlich neues Verhalten eingefordert. 3. WÄLDER Im Zusammenhang mit dem Raubbau am Wald wurde schon in klassischer Zeit der Verlust von Kulturland festgestellt. Platon verbreitete im frühen 4. Jh. v. Chr. in seinem berühmten Dialog Kritias (110e; 111c–d) die Ansicht, dass die in Attika vorgenommenen Rodungen fruchtbaren Boden weggeschwemmt und zu einer Verarmung der Landschaft geführt hätten. Trotzdem glaubte er aber immer noch an die Fruchtbarkeit und Schönheit des attischen Landes, auf dem nach wie vor Bäume und Weiden genutzt werden konnten, die auch den Bienen zu Nahrung verhalfen.
16 RICHTER 1968: 105f.; vgl. ISAGER/SKYDSGAARD 1992: 109 und 111. 17 KESSLER/OTT 2017: 212 sprechen im Falle von Columellas Vorschlägen zur Verbesserung des Bodens (vgl. 201) von „economic sustainability“.
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Forderungen an die Zeitgenossen, das eigene Verhalten zu ändern, wurden nicht erhoben. Andererseits geht bei Platons Schüler Aristoteles (pol. 6,8,1321b 27–30; 7,12,1331b 14–16) hervor, dass in den Wäldern nicht nur Raubbau betrieben wurde, sondern auch Holzreserven erhalten werden sollten. Die von ihm erwähnten Forstaufseher legen es nahe, dass staatliche Kontrollen beim Waldbau aus wirtschaftlichen Gründen als wichtig erachtet wurden.18 Für das ptolemäische Ägypten ist konkret bekannt, dass die Baumbestände staatlich überwacht wurden.19 Bei der Nutzung von Holz gab es demnach durchaus gewisse Grenzen, die aber nicht mit einer grundsätzlichen Schonung der Natur verbunden waren. Auch bei Theophrast kann der Mensch die Landschaft durch richtige Kultivierung positiv beeinflussen (vent. 13), sie durch Fehlverhalten aber ebenso verschlechtern (caus. plant. 5,14,2f.). Obwohl Theophrast in der Waldrodung einen einflussreichen Faktor erkannte (caus. plant. 5,14,5f.), insistierte er nicht weiter auf der Verantwortung des Menschen. Schutzmaßnahmen sind nur nötig, um kostbare Holzressourcen und ökonomisch wertvollen Raum in bestimmten Gebieten zu bewahren. Dies wird am Beispiel der zypriotischen Könige verdeutlicht, die sich im eigenen Interesse um den Waldbau kümmerten (hist. plant. 5,8,1). Theophrast geht auf Arborikultur nur ganz am Rande und hauptsächlich aus utilitaristischen Gründen ein, erwähnt hingegen keine planmäßige Aufforstung (hist. plant. 2,2,2–12). Auch in Theophrasts Werken gibt es einen grundlegenden Glauben an die Erholung von natürlichen Ressourcen und die Ewigkeit der Welt. In diesem Zusammenhang fehlen generelle Forderungen nach Schutz der Umwelt beziehungsweise respektvollerem Umgang mit der Natur, wie sich später noch zeigen wird. Auch bei den Römern wurden Wälder bekanntlich intensiv genutzt und vermehrt großflächig gerodet. Gleichzeitig wurden sie aufgrund von unterschiedlichen Besitzverhältnissen und strategischen Überlegungen wiederholt geschützt, so etwa im neu eroberten Makedonien 167 v. Chr. (Liv. 45,29,14) und später im Libanon, wo Kaiser Hadrian bestimmte Wälder zu seinem Eigentum erklärte und wertvolle Baumsorten für sich selbst reservierte (CIL III 180).20 Zudem erkannte nicht nur Plinius (nat. 31,53), dass Abholzungen zu Hochwassern und Überschwemmungen führen konnten. Trotzdem wurden Rodungen in der Kaiserzeit nach wie vor als zivilisatorischer Fortschritt erachtet und auch in christlichen Kreisen propagiert, wie schon bei Tertullian von Karthago (anim. 30,3) um 200 n. Chr. deutlich wird: „verrufene Einöden sind längst in die lieblichsten Triften [Grundstücke] verwandelt, Wälder zu Ackerfeld urbar gemacht, die wilden Tiere durch die zahmen vertrieben, Sandflächen besäet, Felsen gesprengt, Sümpfe ausgetrocknet und die Zahl der Städte so groß als
18 HUGHES 2017: 211f. 19 HARRIS 2011: 127f.; HARRIS 2013: 180f. 20 FISCHER 1995: 155f.; HARRIS 2011: 130f.; HARRIS 2013: 182f. Bei Varro (rust. 1,6,5) ist generell von Baumpflege die Rede.
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ehedem die der Hütten.“21 Dennoch werden bei Tertullian (anim. 30,4) auch Grenzen des Wachstums angemahnt: „Wir sind der Erde eine Last, kaum reichen die Elemente (elementa = Grundstoffe) für uns aus, die Bedürfnisse werden knapper und überall gibts Klagen, da uns die Natur bereits nicht mehr erhalten will.“22 Allerdings führte die christliche Kritik an den menschlichen Begierden auch hier nicht dazu, grundsätzlich neue Verhaltensweisen gegenüber der Umwelt zu postulieren. 4. WASSER Wasser ist in allen Kulturen eine grundlegende Ressource, für die in Griechenland schon in der archaischen Zeit künstliche Zuleitungen, Zisternen und Brunnen angelegt wurden (Aristot. pol. 7,11,1330b 5–8).23 Diese galt es zu unterhalten und auch vor feindlichen Übergriffen zu schützen. In Athen fungierte Themistokles zu Beginn des 5. Jh. v. Chr. als Aufseher über die Wasserleitungen (Plut. Them. 31). In Pergamon sorgten spezielle Beamte (astynomoi) dafür, dass die Zisternen ordentlich unterhalten waren und die Stadtbewohner die an ihre Häuser angrenzenden Straßen sauber hielten (SEG XIII 521 = OGIS 483). Dennoch konnte die Verschmutzung in den Städten nicht vermieden werden. Im hellenistischen Ägypten bewirkte der wasserarme Nil eine Massenvergiftung (Athen. 2,42a), und auch im augusteischen Athen war der Fluss Eridanos bereits erheblich verseucht (Strab. 9,1,19). In den römischen Städten wurde bekanntlich stets großer Wert auf genügende Zuleitung von Frischwasser gelegt. Allein in der Hauptstadt Rom waren in der Kaiserzeit verschiedene curatores aquarum mit einem Stab von 700 Mitarbeitern mit der Wasserversorgung beschäftigt (Front. aqu. 98–101).24 Daneben kamen auch in der römischen Landwirtschaft verbreitet Bewässerungskanäle zum Einsatz (Verg. georg. 1,106–110). Damit das Wasser sowohl für private als auch für öffentliche Zwecke unbeeinträchtigt zur Verfügung stand, waren böswillige Verunreinigungen unter Strafe gestellt und Anrainer von Leitungen aufgefordert, Schutzstreifen freizuhalten (Front. aqu. 97; 127). Eingriffe, die bewirkten, dass das Wasser eines öffentlichen Flusses einen anderen Verlauf nahm als im vorangegangenen Sommer, waren grundsätzlich verboten (Dig. 43,13). Das Zu- und Ableiten von Wasser war durch verschiedene Vorschriften rechtlich geregelt, damit auch die Interessen der Nachbarn gewährleistet blieben (Dig. 8,3; 39,3,8; 43,20).25 Obwohl es hier in erster
21 solitudines famosas retro fundi amoenissimi oblitteraverunt, silvas arva domuerunt, feras pecora fugaverunt, harenae seruntur, saxa panguntur, paludes eliquantur, tantae urbes quantae non casae quondam. 22 onerosi sumus mundo, vix nobis elementa sufficiunt, et necessitates artiores, et querellae apud omnes, dum iam nos natura non sustinet. 23 TÖLLE-KASTENBEIN 1990: 28–34, 43–40 und 106–114. 24 THOMMEN 2009: 106–112; THOMMEN 2012: 106–111. 25 FARGNOLI 2012: 158–160.
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Linie um privatrechtlichen Schutz ging, konnten diese Maßnahmen für die Natur durchaus positive Auswirkungen haben.26 Die Gewässerverschmutzung durch Abwasser wurde demgegenüber kaum unterbunden. Plinius d. Ä. stellte jedenfalls vergiftete Flüsse fest (nat. 18,3), und sein Neffe wollte in der Provinz Bithynia–Pontus den Fluss Amastris wegen Seuchengefahr zudecken lassen (Plin. epist. 10,98f.). Der Tiber war unterhalb von Rom derart verschmutzt, dass die Fische ungenießbar waren.27 Weiterführende Maßnahmen zum Schutz von öffentlichen Gewässern waren aber nicht vorgesehen, so dass sich auch hinsichtlich der natürlichen Erhaltung von Wasser nie ein erhöhtes Problembewusstsein abzeichnete.28 Selbst die schon früh geübte Kritik an Eingriffen in die Meereslandschaft (Sall. Catil. 13; Varr. rust. 3,3,10) und der Verbauung von Flussund Seeufern (Sen. epist. 89,21; Sen. contr. 5,5) verhallte ohne Wirkung. Dies änderte sich unter christlichen Vorzeichen kaum, obwohl der besorgte Tertullian (anim. 30,3) bilanzierte: „Auch die Inseln sind nicht mehr Gegenstand der Furcht, Klippen schrecken nicht mehr, überall sind Wohnungen, überall Bevölkerungen, überall Staaten, überall Leben.“29 Für Bischof Ambrosius gab es auf Erden letztlich „überreiches“ Wasser (hex. 2,12) und das verbaute, abgeleitete und ausgebeutete Meer wurde eher hingenommen als zum Anlass für Umweltkritik genutzt (hex. 5,2. 27). Insgesamt ist also ein ungebrochenes Vertrauen in die natürlichen Ressourcen festzustellen, für das der Glauben an die Erholung und das Nachwachsen aber nur einen Teil der Erklärung darstellen dürfte. Im Hinblick auf das Umweltverhalten ist daher über den Verbrauch von Ressourcen hinaus zu fragen, wie in der Antike mit den natürlichen Lebewesen umgegangen wurde beziehungsweise welche Auffassungen von Tieren und Pflanzen in der griechischen und römischen Gesellschaft herrschten. Von besonderem Interesse ist dabei, inwieweit es damals schon Überlegungen zur ‚Evolution‘ und ‚Ökologie‘ gab. 5. TIERE, TIERKUNDE UND DIE ANTIKE ‚EVOLUTION‘ Im Zusammenhang mit natürlichen Ressourcen sind Tiere insofern einschlägig, als sie in der Antike eine entscheidende Lebensgrundlage bildeten. Sie dienten nicht nur als Nahrungsmittel- und Rohstofflieferanten, sondern auch als Arbeits- und Transporttiere sowie als Opfergaben, persönliche Begleiter und publikumswirksame Unterhalter. Eine entsprechende Übernutzung oder Dezimierung konnte daher im Einzelfall erhebliche Probleme bereiten. Durch die Schule der Pythagoreer wurde bereits früh eine Schonung von Tieren proklamiert und dementsprechend auf 26 FISCHER 1995: 45 und 144–147; FARGNOLI 2012: 169–171. 27 THÜRY 2001: 48. 28 Vgl. FISCHER 1995: 36, 45f. und 157. Im Jahre 15 n. Chr. ergaben sich hingegen verschiedene Bedenken, den natürlichen Verlauf des Tibers durch das Ableiten und Eindämmen von Zuflüssen zu regulieren (Tac. ann. 1,79). 29 Iam nec insulae horrent nec scopuli terrent; ubique domus, ubique populus, ubique respublica, ubique vita.
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Vegetarismus gesetzt (Ov. met. 15,463–469). Diese Haltung blieb im Verlauf der Antike jedoch eher die Ausnahme. Selbst bei den römischen Arenaspielen ist nur in einem Fall (55 v. Chr.) Mitleid des Publikums mit den Tieren bezeugt (Cic. fam. 7,1,3; Plin. nat. 8,20f.; Dio 39,38,2f.). Grundsätzlicher Schutz für Tiere war schon mit der Kategorisierung von Aristoteles (pol. 1,5,1254b 10–14; 1,8,1256b 16–23) prekär, der bei den Tieren den Verstand (logos) vermisste; damit siedelte er sie zwar über den Pflanzen, aber auch klar unterhalb der Menschen an, die sich ihrer bedienen durften. Die Kritik von Aristoteles’ Schüler Theophrast an blutigen Opfern blieb bis in die Spätantike weitgehend ungehört (Porphyr. abst. 2,5–53). Löwen, Leoparden und Hyänen waren schon bis zur Zeitwende in Griechenland ausgerottet.30 Laut Strabon (2,5,33) hatte die Jagd auf wilde Tiere an den Küsten Nordafrikas den Vorteil, dass der Ackerbau begünstigt wurde. Auch für den frühkaiserzeitlichen jüdischen Philosophen Philon von Alexandria (opif. mund. 84f.) stand es dem Menschen grundsätzlich zu, über das Tier zu dominieren.31 Erst im 4. Jh. n. Chr. wurde beim heidnischen Philosophen Themistios (or. 10,140a) das Verschwinden von einzelnen Arten – konkret den Elefanten in Libyen, den Löwen in Thessalien und den Nilpferden in den Nilsümpfen (Amm. Marc. 22,15,24) – bedauert und als Naturzerstörung verurteilt.32 Trotz einzelner Verbote von Tierhetzen blieben diese aber auch unter christlichen Vorzeichen bis ans Ende der Antike verbreitet. Die christliche Kritik an den Arenaspielen richtete sich weniger gegen den Missbrauch der Natur beziehungsweise das Abschlachten von Tieren als Teil der Schöpfung als gegen die blutigen Tieropfer der antiken Religion (Tert. spect. 1,1–4; 2,1–6; 12,7; 14,1–3; 19,5). Ein grundsätzliches Umdenken ist auch im Zusammenhang mit den Tieren nicht auszumachen. Ambrosius setzte Pflanzenkost mit dem Alten Testament zwar vor der Tierkost an, womit er aber in erster Linie gegen Völlerei argumentierte und zur generellen Mäßigung aufrief (hex. 3,28). Auch für ihn waren die von Gott gut geschaffenen Tiere grundsätzlich zähmbar und den Menschen dienstbar (hex. 6,4. 36), denn diese galten – genau gleich wie anschließend bei Augustin – nach wie vor als höhergestellt (Aug. Gen. ad litt. 9,25; Gen. c. Manich. 1,28f.). Insgesamt war in der Antike also schon früh über grundlegende Charakteristika von Lebewesen und deren Entstehung nachgedacht worden. Daher stellt sich die Frage, inwieweit es damals bereits Vorstellungen von einer ‚evolutionären‘ Entwicklung gab, die letztlich auch für das Umweltverhalten in Rechnung zu stellen sind. Begrifflich vorwegzunehmen ist dabei, dass ‚Evolution‘ eine ‚allmähliche Entwicklung‘ bezeichnet und auf lateinisch evolvere (auseinanderrollen; entwi30 HUGHES 2014: 102f. 31 GLACKEN 1967: 187. 32 εἶτα θηρίων μὲν τῶν ἀγριωτάτων ἃ διείργει πρὸς ἡμᾶς οὐκ Ἴστρος οὐδὲ Ῥῆνος, ἀλλ’ ἡ φύσις αὐτή, φειδὼ ποιούμεθα, ὅπως ἂν τῷ γένει σῴζοιτο καὶ διαμένοι, καὶ δυσχεραίνομεν ἐξῃρημένων ἐκ Λιβύης μὲν ἐλεφάντων, ἐκ Θετταλίας δὲ λεόντων, ἐκ δὲ τῶν ἑλῶν τῶν περὶ τὸν Νεῖλον τῶν ἵππων τῶν ποταμίων, ἔθνος δὲ ἀνθρώπων, καὶ εἰ πάνυ φαίη τις βαρβάρων, ἀλλὰ ἀνθρώπων, ἐπτηχός, ὑποκῦπτον, ἐφ’ ἡμῶν κεῖσθαι ὁμολογοῦν, οὐ θαυμασόμεθα τὸν μὴ παντελῶς ἐξελόντα, ἀλλὰ περιποιήσαντα καὶ φεισάμενον;
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ckeln; entfalten) zurückgeht (Duden). Der Begriff wurde aber erst seit dem 17. Jh. für verschiedenste Entwicklungen eingesetzt und im biologischen Sinne erst seit dem frühen 19. Jh. verwendet.33 Auch wenn der Antike eine „stammesgeschichtliche Entwicklung der Lebewesen“ (Duden), wie sie dann vor allem CHARLES DARWIN („On the Origin of Species“, 1859) begründete, noch fremd war, sind bei den Griechen und Römern einige Vorformen für ein ‚evolutionäres‘ Denken festzustellen. Die ionischen Naturphilosophen nahmen grundsätzlich an, dass die Lebewesen aus einem Urstoff (Erde, Wasser, Luft, Feuer) entstanden waren (Urzeugung). Für Anaximander von Milet (1. Hälfte 6. Jh. v. Chr.) sind die Lebewesen aus der Feuchtigkeit beziehungsweise der Mensch aus dem Fisch hervorgegangen (12 A 11. 30 D/K). Gemäß Empedokles von Agrigent (Mitte 5. Jh. v. Chr.) hatte die Erde einzelne Glieder, wie Köpfe, Arme und Augen, aus Wasser und Feuer hervorgebracht, die nur in geeigneter Kombination überlebensfähig waren und sich zu menschlichen Körpern vereinigten (31 B 57–62 D/K). Xenophanes von Kolophon (um 500 v. Chr.) vertrat die Meinung, dass Fossilien im Meerschlamm durch Eintrocknen zu Fels geworden waren (21 A 33 D/K), wobei aber in keinem Fall eine Weiterentwicklung erkannt wurde. Auch für Aristoteles (4. Jh. v. Chr.) sind Fossilien in der Erde entstanden, die zu Stein vertrocknet wurden (meteor. 4,1,378a 19–26), während Aale aus „Erddärmen“ im Schlamm entstanden sein sollen (hist. an. 6,16,570a).34 In seiner Tierkunde hat Aristoteles dann erstmals rund 550 blutlose und blutführende Tiere erfasst, kategorisiert und dabei durchaus schon Faktoren ihrer Umwelt (Land, Wasser, Luft) sowie bestimmte Entwicklungen innerhalb einer Art berücksichtigt (hist. an. 5,12,543b 23–31; 8,28,608b 19–609a 3). Dabei ging Aristoteles aber auch von einer relativ stabilen Umwelt aus, die insgesamt keine grundsätzlichen Veränderungen der Lebewesen im Sinne von ‚Evolution‘ hervorrief.35 Aus dieser Sicht gab es also nur bescheidene Ansätze für ein ‚evolutionäres‘ Denken.36 Diesem stand entgegen, dass sowohl empirische Daten als auch ein Zeitbegriff im Zusammenhang mit dem Kosmos und der Entstehung der Natur fehlten, so dass keine Vorstellung von kontinuierlichen Entwicklungen existierte; vielmehr herrschten die Ideen von einem zyklischen Wandel sowie von der Ewigkeit der vollendeten Welt vor.37 Trotz des verbreiteten Postulats nach Gestaltung und Beherrschung der Natur (Cic. nat. deor. 2,152; leg. 3,3) hat sich deshalb auch kein erhöhtes Bewusstsein dafür ausgebildet, dass der Mensch die vorgegebenen natürlichen Prozesse langfristig verändern kann.
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Online Etymology Dictionary, s.v. evolution (www.etymonline.com). ZIMMERMANN 1953: 51f. PREUS 1975: 180f. und 252f.; LENNOX 2001: 178. HERZHOFF 1990: 30; KULLMANN 2014: 178–196 bezeichnet die Ansätze als „kryptoevolutionistisch“ (196); HENRY 2016 spricht von „failure of evolutionary thinking in Antiquity“ (vgl. 326). 37 ZIMMERMANN 1953: 30; STRIPF 2007: 17.
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6. THEOPHRASTS PFLANZENKUNDE UND DIE ANTIKE ‚ÖKOLOGIE‘ Da bereits Aristoteles eine gegenseitige Beeinflussung von Lebewesen und ihrer Umwelt erkannt hatte,38 stellt sich als nächstes die Frage, inwiefern es in der Antike ein ‚ökologisches‘ Bewusstsein gab. Dafür ist die Pflanzenkunde von Aristoteles’ Schüler Theophrast besonders einschlägig. Dieser hat als erster wissenschaftlicher Verfasser von botanischen Texten Berühmtheit erlangt und ist auch in den Schriften des Naturkundlers Plinius und der Ärzte Dioskurides und Galen breit rezipiert worden.39 Der Autor unterschied in der Nachfolge von Aristoteles zwischen beschreibender Forschung (Historia plantarum), in der er 550 Arten von Pflanzen aufführt, und erklärender Forschung (De causis plantarum), welche die Ursachen (aitiai) für bestimmte botanische Eigenschaften und Prozesse untersucht, insbesondere die Reproduktion, Sprossung und das Wachstum. In beiden Schriften wird deutlich, dass die Umwelt von Pflanzen, also Boden, Wind, Wasser, Feuchtigkeit, Temperatur, Lage, Höhe, aber auch der Mensch, wichtige Faktoren sind, die positive oder negative Auswirkungen haben. Daher liegt die Frage nach ‚ökologischen‘ Konzepten auf der Hand. Vorauszuschicken ist, dass der Begriff ‚Ökologie‘ in der Antike noch unbekannt war und die ökologische Wissenschaft eine moderne Errungenschaft des 19. Jh. ist; als solche erforscht sie heute „alle Interaktionen zwischen Organismen (Individuen, Populationen, Lebensgemeinschaften) und mit ihrer abiotischen und biotischen Umwelt im Hinblick auf Energie-, Stoff- und Informationsfluss.“40 Die moderne Biologie unterscheidet zwischen Ökologie einer einzelnen Art (‚Autökologie/Autoökologie‘), Ökologie ganzer Populationen beziehungsweise Fortpflanzungseinheiten (‚Populationsökologie‘) und Ökologie von Gemeinschaften von verschiedenen Arten (‚Synökologie‘), welche auch Bestandteile der Ökosystemforschung darstellen.41 Ein derart differenziertes wissenschaftliches Untersuchungsspektrum ist in der Antike freilich nicht zu erwarten. Dennoch stellte Theophrast durchaus einige Überlegungen an, die auf überraschende Weise mit modernen ökologischen Konzepten korrelieren, wie insbesondere J. DONALD HUGHES hervorgehoben hat.42 Indem Theophrast in seinen Schriften gegenseitige Auswirkungen zwischen Pflanzen und ihrer Umgebung in Betracht zog, überwand er das hergebrachte deterministische Denken der Hippokratischen Schule.43 Nach dieser Theorie, die weiterhin verbreitet blieb, sollen die Lebewesen einseitig von ihren Umweltbedingungen (Luft, Wasser, Standort) geprägt sein. Demgegenüber hat Theophrast das Untersuchungsspektrum stark erweitert. Seine Beobachtungen über Standorte der Pflanzen weisen durchaus schon ‚autökologische‘ Merkmale auf und drehen sich 38 Aristoteles (hist. an. 5,12,543b 23–31; gen. an. 2,4,738b 34f.) bemerkte, dass der Boden, das Wasser und die Winde das Pflanzenwachstum beeinflussen (WÖHRLE 1997: 395). 39 SCARBOROUGH 2012: 245f. 40 NENTWIG/BACHER/BRANDL 2009: XII. 41 HEINRICH/HERGT 2002: 61. 42 HUGHES 1975: 122–124; HUGHES 1988: bes. 68; vgl. bereits ZIMMERMANN 1953: 61. 43 HUGHES 1988: 69.
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um das biologische Verhältnis zwischen einem einzelnen Organismus und seiner Umwelt. Gemäß Theophrast werden Pflanzen vom Mikroklima beeinflusst und passen sich der natürlichen Umgebung an.44 Pflanzen – sowie Tiere – können somit durch die Umweltbedingungen mutieren, was spätestens in der dritten Generation erkennbar sein soll (caus. plant. 2,13,1–3; 4,11,7); erwähnt werden die standortbedingte Mutation ganzer Pflanzen (2,16,2–8) sowie die Mutation von Getreide nach drei Jahren beziehungsweise drei Generationen (1,9,3; hist. plant. 2,4,1), freilich ohne dies mit einer ‚evolutionären‘ Entwicklung zu verbinden. Auf der anderen Seite macht Theophrast auch gewisse ‚synökologische‘ Beobachtungen und zieht sowohl die wechselseitige ökologische Abhängigkeit von Gemeinschaften von Organismen als auch das Verhältnis von verschiedenen Gruppen von Organismen zu ihrer gemeinsamen Umwelt in Betracht. Ihm zufolge können einige Pflanzen wie Myrten und Kiefern einen positiven, andere wie Feigen-, Oliven- und Mandelbäume einen negativen nachbarschaftlichen Einfluss haben (caus. plant. 3,10,3–8). Reben wenden sich angeblich vom Kohl und Lorbeer ab, um bessere Erträge zu erzielen (hist. plant. 4,16,6). Das Wachstum der Pflanzen hängt generell von der Dichte der Plantage ab, denn es besteht eine Konkurrenz zwischen Wurzeln, aber auch um die Sonne (caus. plant. 3,10,5; 5,15,4f.). Hingegen können verschiedene Arten von Pflanzen einander insofern unterstützen, als ihr Laub den andern Dünger abgibt (caus. plant. 2,18,1f.). Schließlich ist ein bescheidenes Konzept für Symbiose und Parasitismus erkennbar, zum Beispiel im Falle von Efeu und Misteln (hist. plant. 3,18,9; 4,16,5; caus. plant. 2,17,1–18,4; 5,15,4). Aber abgesehen davon werden Pflanzengemeinschaften oder Populationsdynamiken kaum in Betracht gezogen. Die Frage nach der Stabilität einer Population im Wechselspiel mit der Umwelt blieb somit erst der modernen ‚Populationsökologie‘ überlassen.45 Dennoch hatte Theophrast erkannt, dass die Umwelt für das Wachstum der Pflanzen ein entscheidender Faktor ist. Er legte auch klimatische Zonen fest, in denen bestimmte Pflanzen heimisch waren (oikeios topos: hist. plant. 4,1,1; caus. plant. 1,9,3; 1,16,11; 2,3,7; 2,7,1; 3,6,6f.). Dies ist ein wichtiges neues Konzept, das zeigt, dass Pflanzen dort am besten wachsen, wo die Bedingungen ihrer Natur entsprechen (kata physin: hist. plant. 2,5,7).46 Exotische Pflanzen, die von den Menschen oder der Natur verbreitet worden sind, haben Schwierigkeiten, sich voll zu entwickeln (caus. plant. 2,3,7f.), wie etwa die Dattelpalmen (hist. plant. 2,2,8; 3,3,5) oder die Ägyptischen Bohnen (4,8,8). Die Umwelt der Pflanzen, einschließlich der Mensch, arbeitet somit für oder gegen die Natur der Pflanzen – modern gesprochen: gegen ihren Genotyp beziehungsweise ihre Genexpression.47 Theophrast stellt darüber hinaus bereits fest, dass der Mensch auf die Landschaft und das Klima einwirken kann. In Larisa in Thessalien wurde ein See trockengelegt, was zu einer Abkühlung des Klimas in dieser Gegend geführt habe und 44 45 46 47
HUGHES 1988: 70f. HUGHES 1988: 73. HUGHES 1988: 67f. und 72; AMIGUES 2007: 98f. HUGHES 1988: 68 und 72.
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die Olivenbäume zum Verschwinden brachte (caus. plant. 5,14,2f.). In Philippi, im östlichen Makedonien, war Frost gemäß Theophrast in früheren Tagen hingegen üblicher als zu seiner Zeit; durch die Absenkung des Grundwassers und Kultivierung beziehungsweise Waldrodung wurde die Region trockener und die Luft dünner; Theophrast meint dazu: „unkultiviertes Land ist kälter und seine Luft dicker, denn solches Land ist bewaldet und das Sonnenlicht kann es nicht so gut erreichen oder die Winde tragen die Feuchtigkeit fort, und weil gleichzeitig das Land selber eine Reihe von Orten hat, an denen sich Wasser ansammelt und liegen bleibt“ (caus. plant. 5,14,5f.).48 Schließlich wird auch im Falle der kretischen Berge und ihrer Hochebenen menschlicher Einfluss geltend gemacht (vent. 13):49 Aufgrund von Vernachlässigung der Kultivierung wurden Frost und Schnee strenger; der Wind blase jetzt ohne Widerstand und mache das Land unfruchtbar, so dass Landwirtschaft unmöglich sei. Eine weitergehende Erörterung des Themas bleibt jedoch aus. Trotz des menschlichen Einflusses gibt es aber auch natürliche Veränderungen in der Landschaft. Die aufgeführten Beispiele drehen sich primär um die Auswirkungen, den die verschiedenen Winde, das Wasser und die Sonne auf das Klima haben: „Wasser macht ein Land nicht immer kälter; vielmehr wird die Veränderung, die wir zuerst erwähnt haben, durch das bestätigt, was in Ainos (Thrakien) eintrat, wo die Stadt jetzt als wärmer gilt, da der (Fluss) Hebros näher gerückt ist“ (caus. plant. 5,14,2f.).50 Theophrast sah zwar in kultivierten Landschaften Vorteile, machte für den Menschen insgesamt aber keine eigentliche Verantwortung gegenüber der Natur geltend. Er sah generell von moralischen Urteilen ab und gab keine Anweisungen für das Umweltverhalten. Seine Schriften beabsichtigten vielmehr, für den Menschen die Handhabung von Pflanzen zu verbessern und eine Art Handbuch für Gärtner (hist. plant. 7,5,2) und Landwirte zur Verfügung zu stellen, so dass sie durchaus nutzungsorientiert waren. Auch wenn Theophrast keine Handlungsmaximen gegenüber der Umwelt ableitete, hat er in seinen Schriften einen neuen wissenschaftlichen Zugang geschaffen, welcher der Natur ihr eigenes Recht gab. Für Theophrast liegt der Zweck der Pflanzen (telos) in deren eigenem Interesse, nämlich ihrer Reproduktion und Vermehrung (caus. plant. 1,16,3), so dass die Beziehung zum Menschen nur sekundär ist.51 Der Mensch kann zwar von Pflanzen profitieren, sie durch seine Fähigkeiten 48 ἡ γὰρ ἀργὸς ψυχροτέρα καὶ παχύτερον ἔχει τὸν ἀέρα διὰ τὸ ὑλώδης εἶναι καὶ μήτε τὸν ἥλιον ὁμοίως διϊκνεῖσθαι μήτε τὰ πνεύματα διαπνεῖν ἅμα δὲ καὶ αὐτὴν ἔχειν ὑδάτων συρροὰς καὶ συστάσεις πλείους· 49 Εἰ δ’ οὖν ἀληθὲς, ὃ λέγουσιν ἄλλοι τε καὶ οἱ περὶ Κρήτην, ὡς ἄρα νῦν μείζονες οἱ χειμῶνες καὶ χιὼν πλείων πίπτει, τεκμήρια φέροντες ὡς τότε μὲν ᾠκεῖτο τὰ ὄρη καὶ ἔφερε καρπὸν καὶ τὸν σιτηρὸν καὶ τὸν δενδρίτην πεφυτευμένης καὶ διειργασμένης τῆς χώρας·ἔστι γὰρ πεδία ἐν τοῖς ἰδαίοις ὄρεσιν εὐμεγέθη καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις ὧν νῦν οὐδ’ ὁτιοῦν γεωργοῦσι διὰ τὸ μὴ φέρειν, τότε δ’ ὥσπερ εἴρηται καὶ ἐπῴκουν, ὅθεν καὶ ἡ νῆσος πλήρης ἦν ἀνθρώπων, ὄμβρων μὲν γενομένων κατ’ ἐκεῖνον τὸν χρόνον πολλῶν χιόνων δὲ καὶ χειμώνων μὴ γινομένων, εἰ δ’ ἔστιν ἀληθῆ ταῦτα, ὅπερ λέγουσιν, ἀναγκαῖον καὶ τοὺς ἐτησίας εἶναι πλείους. 50 Ὅτι δὲ τὸ ὕδωρ οὐκ ἀεὶ ψυχροτέρας ποιεῖ, ἀλλ’ ὅπερ καὶ τὸ πρότερον ἐλέχθη σημεῖον τὸ περὶ Αἶνον γενόμενον·αὕτη γὰρ ἀλεεινοτέρα δοκεῖ νῦν γεγονέναι πλησιαίτερον ὄντος τοῦ Ἕβρου. 51 HUGHES 1988: 68.
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aber auch unterstützen, nämlich durch Fertigkeiten (techne) wie sähen, stutzen, wässern, düngen, pflügen etc. (hist. plant. 2,7,1). Trotzdem ist „die Lokalität (topos) wichtiger als Kultivierung (ergasia) und Unterhalt (therapeia)“ (hist. plant. 2,2,8), die auch negative Effekte haben können (hist. plant. 1,3,6; caus. plant. 3,10,6–8); wilde Pflanzen (agrioi) werden generell als stärker erachtet als kultivierte (hemeroi) (hist. plant. 3,2,1; vgl. 4,13,1). Die Natur folgt ihren eigenen Zwecken, in die der Mensch nur bedingt eingreifen kann, um sie dabei zu unterstützen (synergein te physei pros to telos: caus. plant. 3,1,1).52 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Einfluss des Menschen auf ganze Arten, Populationen und Landschaften bei Theophrast kaum in Betracht gezogen wird. Wie gesehen, werden Veränderungen in der Landschaft in der Regel als ein natürliches Phänomen betrachtet (caus. plant. 5,14,3), das keine weitere Aufmerksamkeit erfährt. Theophrasts Überlegungen zum menschlichen Einfluss auf die Landschaft bleiben durchweg unsystematisch und beschränken sich auf punktuell eingestreute Beispiele. Aus dieser Sicht müssen wir insgesamt schließen, dass bei Theophrast ein eigentliches Konzept für Ökosysteme fehlt, also kein ganzheitliches „Wirkungsgefüge von Lebewesen und deren anorganischer Umwelt“53 zustande kommt, wie das die moderne Ökosystemforschung zum Ziel hat. Deshalb ist es auch problematisch, ihn mit J. DONALD HUGHES global als „father of ecology“ beziehungsweise „a consistent, well-balanced ecologist“ zu bezeichnen.54 Ein prinzipieller Fortschritt bestand darin, dass Theophrast Veränderungen in der Welt der Pflanzen nicht länger als von den Göttern, dem Mond oder den Sternen verursacht betrachtete (caus. plant. 3,2,5), sondern durch die Lebensbedingungen in der natürlichen Umwelt. Pflanzen haben bei ihm ihre eigene Welt, ohne auf den Menschen fixiert zu sein, so dass der Mensch darin nicht zentral ist. Trotzdem können die Menschen von den Kenntnissen der Wachstumsbedingungen profitieren und die natürlichen Ressourcen besser nutzen. Ein genereller Schutz der Umwelt wird dabei nicht in Betracht gezogen. Da die Auswirkungen des Menschen und vor allem der Gesellschaft im Ganzen weitgehend vernachlässigt werden, kann Theophrasts Werk letztlich nicht in einer kritischen, sozialen Ökologie resultieren. In unserem Zusammenhang folgt daraus, dass sie dementsprechend auch keine Anhaltspunkte für prinzipielle Ressourcenschonung lieferte. Auch spätere ökologische Beobachtungen in Griechenland und Rom gingen kaum weiter und verzichteten auf genauere Nachforschungen oder detailliertere Untersuchungen.55 Plinius (nat. 17,30) wiederholt die Passagen von Theophrast (caus. plant. 5,14,2–6), ohne diese zu vertiefen. Nur auf summarische Weise erwähnt er den Einfluss des Bodens und des Klimas in Form des „Himmels“ (caelus) auf die Bäume: Diese lieben angeblich den Nordwind am meisten, so dass sie durch ihn dichter und fester wachsen (nat. 17,9f.). Pausanias hält fest, dass der Mäander, der durch das bebaute Land der Phryger und Karer fließt, entsprechend viel Sedi52 53 54 55
WÖHRLE 1985: 46f. ELLENBERG 1973: 1. HUGHES 1975: 124; HUGHES 1988: 74. Zu den Griechen vgl. RACKHAM 1996: 33–38.
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mente mitführte und die Mündungsbucht zwischen Priene und Milet verlandete – während der Acheloos, der durch das verlassene Land der Aitoler strömte, keinen gleichmäßigen Schlamm enthalten haben soll (8,24,11; vgl. 7,2,10–11), obwohl die der Mündung vorgelagerten Echinadeninseln teilweise verlandet waren (Hdt. 2,10; Thuk. 2,102). Insgesamt blieben die Auswirkungen menschlichen Handelns in solchen Zusammenhängen diffus, so dass aus den getroffenen Beobachtungen auch keine eigentlichen Handlungsanweisungen abgeleitet wurden. Damit kam dem Menschen in Bezug auf das Umweltverhalten ein erheblicher Spielraum zu. Die Überzeugung, dass sich die Natur von sich aus erholt, wurde jedenfalls nicht erschüttert. Dadurch wurde das menschliche Verhalten bis in die späte Kaiserzeit immer wieder entlastet und auch unter christlichen Vorzeichen nicht grundsätzlich in Frage gestellt. 7. SCHLUSS Die Griechen und Römer machten zwar zahlreiche Beobachtungen zu den Auswirkungen menschlichen Handelns auf die natürlichen Prozesse und Umgebung, gelangten aber nicht zu einer umfassenderen wissenschaftlichen Bestimmung von Umwelt und Ökologie. Insgesamt zeigt sich, dass der Glaube an das Nachwachsen von Ressourcen nie wirklich überwunden wurde und daher auch nicht zu einem ‚Umdenken‘ führte. Schäden an der Natur wurden zwar schon seit dem frühen Griechenland festgestellt und sowohl bei den Griechen als auch bei den Römern immer wieder angemahnt. Dies verband sich – entgegen GRASSL – aber nie mit der Forderung nach einer Änderung des Umweltverhaltens, sondern wurde sowohl von römischer als auch von christlicher Seite meist als moralischer Appell angesichts der übermäßigen Verschwendungssucht – speziell der oberen Gesellschaftsschichten – formuliert. Da genauere Vorstellungen von ‚evolutionären‘ Entwicklungen und ‚ökologischen‘ Systemen fehlten, konnte sich auch kein eigentliches, wissenschaftlich begründetes Konzept für Nachhaltigkeit entwickeln.56 Daher wurde eher Hoffnung in die natürliche, nach wie vor auch göttlich gestützte Regeneration gesetzt, als zur Schonung von Ressourcen angehalten. Dennoch hatten die Griechen die Natur als einen Raum eigenen Rechts entdeckt und ihn von den menschlichen Errungenschaften abgegrenzt. Insgesamt steuerte Theophrast im Anschluss an Aristoteles beträchtlich zu diesem rationalen Zugang bei und ließ den Pflanzen ihren eigenen Zweck im Leben der Natur zukommen. Aktiver Schutz der Umwelt und ihrer Ressourcen lag aber noch außerhalb seiner Wirkungsabsichten und blieb daher – wie die Ökologie selbst – seinen Nachfolgern in sehr viel späteren Zeiten überlassen. Erst im 19. Jh. wurde im Rahmen der modernen Biologie begonnen, ‚evolutionäre‘ Entwicklungen der Lebewesen und deren Interaktion mit der Umwelt systematisch zu erforschen. Als im Verlauf des 20. Jh. schließlich generell „Die Grenzen des Wachstums“ (Club of Rome, 1972) erkannt wurden, kam es erstmals zu weitergehenden Forderungen nach Ressourcen56 Zum Problem der Nachhaltigkeit vgl. THOMMEN 2011: 16–18; ferner oben Anm. 17.
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schonung. Ein solcher Paradigmenwechsel hatte sich in der Antike noch nicht aufgedrängt. BIBLIOGRAPHIE AMIGUES, S. 1999. Les traités botaniques de Théophraste, in G. WÖHRLE (Hg.), Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften in der Antike, Bd. 1: Biologie. Stuttgart, 124–154. AMIGUES, S. 2007. L’exploitation du monde végétal en Grèce classique et hellénistique: essai de synthèse, Topoi 15/1, 75–125. BEAGON, M. 1992. Roman Nature: the Thought of Pliny the Elder. Oxford. CORDOVANA, O. D. 2017. Pliny the Elder and Ancient Pollution, in O. D. CORDOVANA und G. F. CHIAI (Hg.), Pollution and the Environment in Ancient Life and Thought. Stuttgart, 109–129. DOMERGUE, C. 1990. Les mines de la Péninsule Ibérique dans l’antiquité romaine. Rome. DOMERGUE, C. 2008. Les mines antiques: la production des métaux aux époques grecque et romaine. Paris. ELLENBERG, H. (Hg.) 1973. Ökosystemforschung. Berlin et al. FARGNOLI, I. 2012. Umweltschutz und Römisches Recht?, in I. FARGNOLI und S. REBENICH (Hg.), Das Vermächtnis der Römer: Römisches Recht und Europa. Bern, 151–175. FELLMETH, U. 2012. Die natürlichen Ressourcen Athens und ihre wirtschaftliche Nutzbarmachung in Xenophons Poroi, in E. OLSHAUSEN und V. SAUER (Hg.), Die Schätze der Erde – Natürliche Ressourcen in der antiken Welt (Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 10, 2008: Geographica Historica 28). Stuttgart, 119–125. FISCHER, R. 1995. Umweltschützende Bestimmungen im Römischen Recht. Augsburg. GAISER, K. 1985. Theophrast in Assos: zur Entwicklung der Naturwissenschaft zwischen Akademie und Peripatos. Heidelberg. GLACKEN, C. J. 1967. Traces on the Rhodian Shore: Nature and Culture in Western Thought from Ancient Times to the End of the Eighteenth Century. Berkeley/Los Angeles (Reprint 1990). GRASSL, H. 2012. Zum Problem der Nachhaltigkeit in der Ressourcenausbeutung im Altertum, in E. OLSHAUSEN und V. SAUER (Hg.), Die Schätze der Erde – Natürliche Ressourcen in der antiken Welt (Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 10, 2008: Geographica Historica 28). Stuttgart, 137–141. HALLEUX, R. 1970. Fécondité des mines et sexualité des pierres dans l’antiquité gréco-romaine, RBPH 48, 16–25. HALLEUX, R. 1974. Le problème des métaux dans la science antique. Paris. HARRIS, W. V. 2011. Bois et déboisement dans la Méditerranée antique, Annales. Histoire, Sciences sociales 66, 105–140. HARRIS, W. V. 2013. Defining and Detecting Mediterranean Deforestation, 800 BCE to 700 CE, in W.V. HARRIS (Hg.), The Ancient Mediterranean Environment between Science and History. Leiden/Boston, 173–194. HEALY, J. F. 1978. Mining and Metallurgy in the Greek and Roman World. London. HEALY, J. F. 1999. Pliny the Elder on Science and Technology. Oxford. HEINRICH, D. und HERGT, M. 52002. dtv-Atlas Ökologie. München. HENRY, D. 2016. The Failure of Evolutionary Thinking in Antiquity, in G. L. IRBY (Hg.), A Companion to Science, Technology, and Medicine in Ancient Greece and Rome, Bd. 1. Chichester, 313–328. HERZHOFF, B. 1999. Das Erwachen des biologischen Denkens bei den Griechen, in G. WÖHRLE (Hg.), Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften in der Antike, Bd. 1: Biologie. Stuttgart, 13–49. HUGHES, J. D. 1975. Ecology in Ancient Greece, Inquiry 18, 115–125.
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ARCHÄOHYDROLOGIE UND NACHHALTIGKEIT Der Einfluss des Wasserdargebots auf frühe Gesellschaften Ingmar Unkel
Zusammenfassung: Nicht in jeder Region der Erde gibt es so viel Wasser im Überfluss wie in Deutschland. Oft muss Wasser über weite Strecken herangebracht werden und die Menschen müssen Lösungen finden, wie man das kostbare Gut darüber hinaus am besten speichert. Dieses Problem ist so alt wie die Menschheit selbst, und die Kulturen dieser Erde haben damals wie heute die unterschiedlichsten Methoden ersonnen, um es zu lösen. Bei der Frage nach dem Verhältnis von frühen Gesellschaften zu Wasser stützt sich die Forschung allerdings bislang oft auf Wasserbautechnik oder auf spirituelle Aspekte. Archäohydrologie, ein im Deutschen bislang noch selten genutzter Begriff, untersucht hingegen Wasser im archäologischen Kontext und sucht nach Zusammenhängen zwischen Wasserdargebot, den natürlichen hydrologischen und ökologischen Bedingungen und der sozio-kulturellen Entwicklung von Menschen in der Vergangenheit. Vor diesem Hintergrund werden nachfolgend archäohydrologische Forschungen im südlichen Griechenland im Vergleich mit Beispielen aus dem vorspanischen Amerika vorgestellt und diskutiert. Abstract: Not every region on Earth is as abundant in water as Germany. People often have to carry water over long distances and have to plan thoroughly how to store the precious good. This problem is almost as old as humankind itself, and cultures around the world have developed a variety of methods how to solve this issue in ancient times as well as today. However, when asking about the relation between ancient societies and water, research has almost exclusively focused on hydraulic techniques or spiritual aspects of water. Archaeohydrology, an expression rarely used in German, deals with water in an archaeological context and investigates the relationship between water resources, the natural hydrological and ecological conditions, and the socio-cultural development of humans in the past. Within this framework, I will present recent results from archaeohydrological research in Southern Greece and will discuss them with comparable examples from pre-Hispanic America.
Die 2015 von den Vereinten Nationen veröffentlichte „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ ist geprägt von der Überzeugung, dass sich globale Herausforderungen wie soziale Gerechtigkeit und ökologische Schäden nur gemeinsam, über alle politischen Grenzen hinweg, lösen lassen. Kernstück der Agenda ist ein Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, den sogenannten „Sustainable Development Goals“, SDGs, die erstmals alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Soziales, Umwelt, Wirtschaft – gleichermaßen berücksichtigen.1 Nicht von ungefähr finden sich auf der Liste zwei Ziele, die den Schutz und die Qualität von 1
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Wasser als Lebensgrundlage zum Schwerpunkt haben. Wasser ist für unser Leben und Überleben essenziell. Doch ist dies keine grundsätzlich neue Erkenntnis, denn auch unsere eigenen Vorfahren und frühe Gesellschaften in den unterschiedlichsten Regionen der Erde waren sich der Kostbarkeit der Ressource Wasser – zumindest meistens – durchaus bewusst. Eine besondere gesellschaftliche Rolle spielt die Wasserversorgung von Natur aus in Regionen mit aridem Klima, d. h. in Gebieten, in denen die jährliche Verdunstung größer ist als der gefallene Niederschlag. Fällt immerhin in drei bis fünf Monaten eines Jahres mehr Niederschlag als verdunsten kann, so spricht man von semi-aridem Klima. In den folgenden Fallbeispielen geht es um Gebiete, in denen je nach Zeitphase arides oder semiarides Klima vorherrschte. Angesichts der aktuellen Herausforderungen durch den anthropogenen Klimawandel und die alles andere als nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen durch unsere moderne Gesellschaft beschäftigen sich zahlreiche archäologische und paläoklimatologische Forschungsvorhaben mit zwei zentralen Fragen: (1) Hatte ein sich änderndes Klima Auswirkungen auf das Überleben vergangener Gesellschaften, und (2) wie sind frühere Gesellschaften, insbesondere in ariden oder semi-ariden Gebieten, mit der kostbaren Ressource Wasser umgegangen? Archäohydrologie, ein im deutschen wissenschaftlichen Sprachgebrauch noch selten genutzter Begriff, untersucht Wasser im archäologischen Kontext und sucht nach Zusammenhängen zwischen Wasserdargebot, den natürlichen hydrologischen und ökologischen Bedingungen und der sozio-kulturellen Entwicklung von Menschen in der Vergangenheit. Sehr oft liegt dabei der Fokus auf antike Wasserbautechnik, Hydraulik oder Bewässerungssysteme, was eigentlich genauer als Hydro-Archäologie bezeichnet werden müsste. Relativ selten wird Archäohydrologie im Zusammenhang mit den hydrologischen und ökologischen Bedingungen während einer kulturellen Phase genutzt, obwohl der Begriff archaeohydrology erstmals 1965 in einer englischsprachigen Publikation genau in diesem Kontext verwendet wird.2 Drei kurze Fallbeispiele von vergangenen Gesellschaften in verschiedenen Gegenden dieser Erde sollen nachfolgend das Zusammenspiel von Mensch, Klima und Umwelt hinsichtlich Wasserdargebot und Wassernutzung veranschaulichen. Bei jedem Beispiel stellt sich die Frage, ob oder inwieweit eine Gesellschaft von sich ändernden klimatischen Bedingungen beeinflusst werden kann und ob es so etwas wie eine nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen gab. 1. DIE MAYA IN MITTELAMERIKA Die Maya-Kultur in Mittelamerika übt seit geraumer Zeit eine ungemeine Faszination auf Forscher und Öffentlichkeit zugleich aus. Neben ihren herausragenden Bauwerken wird auch ihr ausgefeiltes Kalendersystem bewundert, das in der Öffentlichkeit besonders im Jahr 2012 stark rezipiert wurde, da am 21.12.2012 ein 2
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großer Kalenderzyklus (Baktun) endete;3 ein Datum, das mancher als prophezeites Weltuntergangsdatum sah. Der Hype, den ein errechnetes Datum eines Kalenders einer alten, untergegangenen Kultur in unserer modernen, hochtechnisierten Gesellschaft erzeugte, legt den Schluss nahe, dass die Maya-Kultur in gewisser Weise als Projektionsfläche eigener Ängste vor dem Untergang unserer ‚Zivilisation‘, verursacht durch Klimawandel und Ressourcenausbeutung, dient. Dass sich offenbar auch Wissenschaftler diesem Hype nicht vollständig entziehen können, lässt die Flut von Artikeln zu möglichen Ursachen des ‚Untergangs‘ der Maya-Kultur vermuten, die in den letzten Jahren erschienen sind. Die meisten Artikel in naturwissenschaftlichen Fachzeitschriften konzentrieren sich mit ihren möglichen Untergangs-Szenarien auf das Ende der Klassischen Periode (250–950 n. Chr.),4 während der große Städte wie Tikal und Chichen Itza ihre Blütezeit hatten. Sowohl Klimawandel als auch Ressourcenausbeutung spielen je nach Autoren eine mehr oder minder bedeutende Rolle beim Ende der Klassischen Periode. Zwei Artikel, beide erschienen im Jahr des ‚Weltuntergangs‘ 2012, spiegeln dabei exemplarisch die verschiedenen Sichtweisen der Forschung auf die Resilienz beziehungsweise Vulnerabilität der Maya-Gesellschaft gegenüber Umwelt- und Klimaveränderungen wider. KENNETT et al. beschreiben in ihrem Artikel die Entwicklung und den Zerfall des politischen Systems der Maya als Antwort auf ein sich änderndes Klima.5 Sie stützen sich bei ihrer Argumentation auf ein hochaufgelöstes Klimaarchiv in einem Stalagmiten aus der Yok Balum Höhle in Beliz. Aus dessen Calcit-Ablagerungen lassen sich die Schwankungen zwischen trockeneren und feuchteren Klimaphasen anhand von Änderungen im Sauerstoff-Isotopenverhältnis rekonstruieren. Das Klimasignal des Stalagmiten zeigt eine ausgeprägte Trockenphase von 1020 bis 1100 n. Chr., was in etwa mit dem Niedergang der Stadt Chichen Itza, 500 Kilometer nördlich der Höhle gelegen, zusammenfällt. Nicht nur die große räumliche Distanz zwischen Klimaarchiv und Maya-Metropole wirft dabei die Frage auf, inwieweit wirklich ein kausaler Zusammenhang zwischen trockenerem Klima und Niedergang der Stadt hergestellt werden kann. Auch der Umstand, dass das Klimasignal aus dem Stalagmiten ausgerechnet im 20. Jahrhundert mit den instrumentell gemessenen Klimadaten nicht übereinstimmt, wie KENNETT et al. in ihrem Artikel selbst anmerken, schwächt zumindest teilweise die Argumentation für einen eindeutigen Einfluss des Klimawandels auf die gesellschaftlichen Veränderungen in Chichen Itza. SCARBOROUGH et al. vertreten im Gegensatz zu solchen klimabezogenen Untergangsszenarien die Ansicht, dass die Maya-Kultur extrem gut an Umwelt und Klima angepasst war, und beschreiben in ihrem Artikel das Wassermanagement und die nachhaltige Landnutzung in der alten tropischen Stadt Tikal im heutigen Guatemala, nur etwa 120 Kilometer nordwestlich der Yok Balum Höhle gelegen.6 3 4 5 6
MARK 2012. MARK 2012. KENNETT ET AL. 2012. SCARBOROUGH ET AL. 2012.
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Tikal hatte seine Blütezeit zwischen 300 und 850 n. Chr.7 und baute während dieser Zeit ein umfassendes System zum Wassermanagement auf. Dieses umfasste unter anderem den größten Damm und den tiefsten in Stein gehauenen Kanal im gesamten Maya-Tiefland, Bereiche mit Sandfiltration zur Reinigung des Wassers und eine Verteilerstation für ein saisonales Wassermanagement.8 Das Forscherteam um SCARBOROUGH legt zwei Jahre später nochmals nach und beschreibt das nahezu nachhaltige Managementsystem von Wald- und Ackerflächen rund um das urbane Zentrum Tikal.9 Interessanterweise schreiben LENTZ et al., dass das ausgefeilte System der Bewohner von Tikal nicht widerstandsfähig genug gewesen sei, um eine ausgedehnte Trockenperiode im 9. Jahrhundert zu überstehen. Sie stützen sich dabei ebenfalls auf Klimadaten eines Stalagmiten, allerdings nicht aus der nahegelegenen Yok Balum Höhle (denn dieser zeigt im 9. Jahrhundert sogar eine Feuchtphase), sondern aus der Tzabnah Höhle in Mexiko, die nur 90 Kilometer westlich von Chichen Itza liegt – aber 400 Kilometer nördlich von Tikal.10 Allein diese beiden Beispiele zeigen, wie schwierig es ist, einen möglichen kausalen Zusammenhang zwischen sich änderndem Klima, dem Wasserdargebot in einer Region und der Nutzung des Wassers durch den Menschen zu einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit zu rekonstruieren. Doch wie kommt es in dieser Region aus paläoklimatischer Sicht überhaupt zu solchen Schwankungen im Niederschlag, die langfristiger wirken als jährliche Schwankungen? Die Niederschläge im Siedlungsgebiet der Maya werden durch den Südamerikanischen Sommermonsun beeinflusst. Als Monsun bezeichnet man zunächst einmal ganz allgemein großräumige Luftströmungen hoher Intensität und Beständigkeit mit halbjährigem Windrichtungswechsel von mindestens 120°.11 In den tropischen Breiten wird dieser Wechsel der Windrichtung durch die Verlagerung der äquatorialen Tiefdruckrinne (oder auch Innertropischen Konvergenzzone, ITCZ, genannt) durch den jahreszeitlichen Wechsel des höchsten Sonnenstandes zwischen nördlichem und südlichem Wendekreis verursacht. Die in der ITCZ zusammenströmenden Passatwinde erzeugen einen Luftmassenaufstieg, was zur Wolkenbildung und teils ergiebigen Niederschlägen führt. Im Idealfall würde die ITCZ sich parallel zum Äquator zwischen den Wendekreisen hin- und herbewegen. Durch den Einfluss von Land-Ozean-Verteilung, Gebirgszügen und angrenzenden Hoch- und Tiefdruckgebieten wird der Verlauf der ITCZ jedoch mehr oder minder stark verbogen. Im Bereich von Mittel- und Südamerika tragen das Hochdruckgebiet über der Osterinsel (Osterinsel-Hoch) und das AmazonasTief zum Verbiegen der ITCZ bei. Infolgedessen erreicht heutzutage die ITCZ während des Nord-Sommers in einem Bogen gerade noch die Yucatan-Halbinsel auf 20°N und verläuft dann auf ungefähr 10°N entlang der Küste von Venezue-
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CARTWRIGHT 2014. SCARBOROUGH ET AL. 2012. LENTZ ET AL. 2014. MEDINA-ELIZALDE/ROHLING 2012. BRUNOTTE ET AL. 2001.
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la.12 Nun kann man sich leicht klar machen, dass eine Verlagerung der ITCZ um nur wenige Breitengrade aufgrund unterschiedlicher Klimamechanismen dazu führen kann, dass im Siedlungsgebiet der Maya für längere Zeiträume mehr oder eben auch weniger Niederschlag ankommt. Die Frage ist also, wie gut eine Gesellschaft auf eine solche hydrologische Veränderung reagieren kann, wie resilient oder, anders ausgedrückt, wie flexibel sie ist beziehungsweise war. Von dieser kulturellen Resilienz hängt ab, ob eine Abnahme der Niederschlagsmenge auch negative Auswirkungen auf die Gesellschaft hat, sogar deren Zusammenbruch herbeiführen kann, oder nicht. Das Konzept der Resilienz wurde ursprünglich in den 1970er Jahren in der Ökologie entwickelt und beschreibt die Fähigkeit eines ökologischen Systems, Stress zu absorbieren und weiterhin funktionsfähig zu bleiben.13 Nach und nach wurde das Konzept dann auch zur Beschreibung komplexer Zusammenhänge zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Systemen herangezogen.14 Für den Diskurs der Nachhaltigkeit spielt Resilienz insbesondere dann eine Rolle, wenn man die Fähigkeit zur Erneuerung, der Reorganisation und der Weiterentwicklung von gesellschaftlichen oder ökologischen Systemen in den Blick nimmt.15 2. DIE NASCA IN PERU Noch stärker als die Maya in Mittelamerika waren die frühen Kulturen in Peru von den Veränderungen der Lage der ITCZ betroffen. Dies liegt vor allem daran, dass das Regenband der ITCZ während des Süd-Sommers durch Osterinsel-Hoch und Amazonas-Tief so stark verbogen wird, dass es im nördlichen bis zentralen Andenraum annähernd in Nord-Süd-Richtung verläuft statt parallel zum Äquator.16 Infolgedessen erreichen die Region entlang der Peruanischen Pazifikküste zwischen Äquator und südlichem Wendekreis in heutiger Zeit nahezu keine Niederschläge. Durch den zusätzlichen Einfluss des kalten Humboldtstroms, der entlang der südamerikanischen Küste von der Antarktis bis nach Ecuador fließt und für ein arides Klima an Land sorgt, ist die Südküste Perus, wo sich die NascaKultur entwickelte, heute eine der trockensten Regionen der Erde. Jenseits aller meteorologischen Messdaten spricht die persönliche Aussage eines Einheimischen aus der Region Nasca für sich, der, darauf angesprochen, ob er jemals schon Regen in seiner Heimat gesehen hätte, antwortete, er könne sich in seinen 65 Lebensjahren an vier Mal Regen erinnern. Die Gegend war jedoch nicht immer so trocken, sondern zeitweise sogar ein Grasland, wie geoarchäologische Untersuchungen belegen.17 12 13 14 15 16 17
HAUG 2003. HOLLING 1973. HOLLING 2001. FOLKE 2006; GUNDERSON/HOLLING 2002. MASLIN/BURNS 2000. EITEL ET AL. 2005.
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Die kulturellen Überreste der Nasca datieren in die Zeit von etwa 260 v. Chr. bis 640 n. Chr. Bereits vorher blühte die Paracas-Kultur in derselben Region (etwa 840–260 v. Chr.),18 doch ist besonders die Nasca-Kultur wegen ihrer riesigen Erdzeichnungen (Geoglyphen) im Wüstenboden und ihrer reich dekorierten Keramik weltweit bekannt. Die Nasca waren es auch, die nach heutigem Kenntnisstand von der Verwandlung ihrer Umwelt von einem semi-ariden Grasland in eine aride bis hyper-aride Wüste betroffen waren.19 Wie kam es dazu und welche Hinweise gibt es darauf? Das einzige Wasser, das den Menschen der Nasca-Region zur Verfügung steht, stammt aus den Niederschlägen des Südamerikanischen Sommermonsuns, die hoch oben im Altiplano, etwa 50–60 km östlich der Pampa de Nasca, niedergehen und über Flüsse wie den Rio Grande de Nasca, den Rio Palpa oder den Rio Viscas in die trockene Küstenregion transportiert werden.20 Wo Pflanzen noch das Grundwasser in den Talauen erreichen können, bilden sich um die flachen Wasserläufe Flussoasen, die wie grüne Lebensadern die karge Gegend durchziehen. Geoarchäologische Untersuchungen der Landschaft haben jedoch gezeigt, dass zu Beginn der Nasca-Zeit die monsunalen Niederschläge gut 50–60 km weiter die Andenhänge hinab nach Westen gereicht haben dürften.21 Dies hatte nicht nur zur Folge, dass die Flüsse vermutlich mehr und länger Wasser führten, sondern auch, dass sich außerhalb der Flussoasen ein Grasland, eine Art Savanne, bilden konnte. Ein starkes Indiz für eine solche Grasvegetation ist Löss, ein sehr feinkörniges Sediment, feiner als Dünensand, das nur vom Wind transportiert und durch Gräser aus der Luft ‚gekämmt‘ wird.22 Zusätzliche Hinweise auf zumindest geringfügig feuchtere Bedingungen und eine damit verbundene dichtere Vegetation liefern archäologische Oberflächenbefunde aus den Flusstälern von Rio Grande de Nasca, Rio Palpa und Rio Viscas.23 Siedlungsbefunde entlang der Täler aus der frühen bis mittleren Nasca-Zeit (etwa 260 v. bis 450 n. Chr.) reichen bis weit nach Westen, wo sich die drei Täler zu einem großen gemeinsamen Tal vereinigen. In der späten Nasca-Zeit (etwa 450–640 n. Chr.) werden solche Siedlungsfunde immer seltener und beschränken sich immer weiter auf die Hochlagen der Täler, zeitgleich mit einem nach Osten voranschreitenden Wüstenrand.24 Doch „feuchtere“ Bedingungen ist ein relativer Begriff. Sie bedeuten in dieser Region vielleicht 150 mm statt 100 mm Niederschlag im Jahr, was nach wie vor einem ariden Klima entspricht. Die Frage ist, ob eine Gesellschaft an so wenig Niederschlag angepasst ist, die Wasserressourcen also nachhaltig nutzt und somit überleben kann, und wo die Grenzen ihrer Anpassungsmöglichkeiten liegen. Ein eindrucksvolles Beispiel für eine extrem gute Anpassung an solch geringe, aber verlässliche Niederschläge liefert die archäologische Stätte von Ciudad Perdida, 18 19 20 21 22 23 24
UNKEL ET AL. 2012. EITEL ET AL. 2005. MÄCHTLE/EITEL 2013. EITEL ET AL. 2005; MÄCHTLE/EITEL 2013. EITEL ET AL. 2005. SOSSNA 2014. SOSSNA 2014.
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„die Verlorene Stadt“, etwa 50 km nördlich der heutigen Stadt Nazca im Tal des Rio Santa Cruz gelegen. Ciudad Perdida erlebte ihre Blüte während der Späten Zwischenperiode (etwa 1180–1560 n. Chr.),25 einer Periode deutlich nach dem Verschwinden der Nasca-Kultur, aber mit vermutlich 150–200 mm Niederschlag pro Jahr.26 Die Bewohner dieser Stadt hatten ein ausgeklügeltes System entwickelt, um diesen wenigen Niederschlag zu sammeln und effektiv zu nutzen, eine Technik, die „water harvesting“ genannt wird und auch aus anderen semiariden Gebieten der Erde wie Indien, dem Nahen Osten oder Teilen Afrikas in ähnlicher Form bekannt ist.27 In dem Wassersystem von Ciudad Perdida flossen die episodischen Starkniederschläge vorwiegend an der Erdoberfläche ab. Von den Oberhängen gelangten sie konzentriert auf Ackerbau-Terrassen am Hang, welche nacheinander kaskadenartig vom Wasser erreicht wurden. Der linienhafte Abfluss der Hänge wurde außerdem in Kanälen gezielt gesammelt. Zum Schutz vor Abflussspitzen wurden steilere Talflanken oberhalb von Cuidad Perdida mit kleinen Mauern verbaut. Sogenannte „Sammler“ leiteten Wasser zu ausgemauerten Schächten, die als Zisternen genutzt wurden. Der größte Teil des Sammlerabflusses wurde in die Quebrada, ein Trockental, abgeleitet. Dort verhinderte ein Wall den weiteren Oberflächenabfluss und fing gleichzeitig das Feinsediment auf, das als Anbausubstrat genutzt werden konnte.28 Fassen wir den möglichen Einfluss des Wasserdargebots auf die Menschen in der Wüstenregion des südlichen Perus in einem Gedankenexperiment zusammen. Stellen wir uns vor, zu einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit fallen im östlichen Hochland rund 300 mm Niederschlag im Jahr. Eine dort lebende (hypothetische) Gesellschaft nutzt und verbraucht davon 200 mm. Somit können 100 mm des Niederschlags abfließen und stehen einer anderen (hypothetisch gleichzeitig lebenden) Gesellschaft im westlichen Tiefland zur Verfügung. Das mag nur die Hälfte des Wassers sein, das die Gesellschaft im Hochland zur Verfügung hat, aber die Menschen im Tiefland sind daran angepasst und können diese geringe Wassermenge effektiv und nachhaltig nutzen. Dann aber ändert sich das Klima, es fallen langfristig nur noch 200 mm Niederschlag im Jahr. Die Gesellschaft im Hochland kann weiterhin 200 mm des zur Verfügung stehenden Wassers nutzen, für sie hat diese Klimaveränderung keine Auswirkungen. Anders sieht es für die Menschen im Tiefland aus. Da kein überschüssiges Wasser mehr aus dem Hochland abfließt, wird den Menschen dort die Lebensgrundlage entzogen. Aus archäologischer Sicht bedeutet das, dass wir keine, sehr wenige oder vielleicht nur noch sehr einfache materielle Hinterlassenschaften aus dieser Zeit finden, weil die Menschen der Tiefland-Region aufgrund der Klimaverschlechterung verschwunden sind – sei es, weil sie abwanderten oder starben. Das bedeutet allerdings nicht zwangsweise einen dramatischen Kollaps, wie ihn sich populärwissenschaftliche Medien gerne vorstellen, oder wie ihn manche von uns, beeinflusst durch die er25 26 27 28
UNKEL ET AL. 2012. EITEL ET AL. 2005. MÄCHTLE 2007. MÄCHTLE 2007.
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greifenden Bilder der Dürrekatastrophen der 1980er Jahre in Afrika, im Kopf haben. Natürliche Klimaschwankungen verlaufen in der Regel langsamer als der aktuelle, menschlich verstärkte Klimawandel, so dass es von verschiedenen anderen Faktoren mit abhängt, ob eine von Klimaveränderungen betroffene Gesellschaft „untergeht“ oder ob sie in der Lage ist, alternative Wege einzuschlagen. Das Gedankenexperiment macht indessen auch klar, dass ein und derselbe Klimawandel in benachbarten Regionen durchaus sehr unterschiedliche Auswirkungen haben kann.
Abb. 1: Die trapezförmige Geoglyphe PP01-49 in der Nähe von Palpa, Süd-Peru (Foto: I. Unkel, 2004). Während der Nasca-Zeit (ca. 260 v. Chr. bis 640 n. Chr.) wurden zahlreiche Geogylphen unterschiedlicher Form und Größe auf dem Wüstenboden geschaffen. Es wird angenommen, dass manche dieser Formen in Verbindung mit einem Wasserritus stehen.
3. DIE MYKENER IN GRIECHENLAND Wagen wir nun einen Sprung über den Atlantik nach Griechenland, und zudem gut 1500 Jahre vor die Nasca-Zeit zurück in die Späte Bronzezeit. Hier haben wir es mit einem Beispiel zu tun, das sowohl zeitweiligen Wassermangel, aber auch einen Überfluss dieser Ressource kannte – ein Charakteristikum semi-arider Gebiete. In der zweiten Hälfte der Späthelladischen Zeit, die auf etwa 1700 bis etwa 1075 v. Chr. datiert wird,29 blühte im Osten der Peloponnes um etwa 1400 v. Chr. eine Palastkultur auf, die aufgrund ihrer bedeutendsten Festungsanlage als Myke29 WEIBERG ET AL. 2016.
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nische Kultur bekannt ist. Ein herausragendes Merkmal dieser Festungen sind die sogenannten zyklopischen Mauern, die sich neben Mykene nicht nur im benachbarten Tiryns30 bewundern lassen, sondern beispielsweise auch im äußersten Westen der Peloponnes in Teichos Dymaion auf Kap Araxos. Dies ist ein Zeichen dafür, dass der Einfluss der Mykener deutlich über die Argolis hinausreichte. Doch die Menschen dieser Kultur beeindrucken uns heute nicht nur durch ihre Palast- und Festungsbauten, sondern auch durch ihre großangelegten wasserbaulichen Maßnahmen. In der Ebene von Kopaïs südöstlich von Orchomenos (Boötien) beispielsweise errichteten sie vermutlich um 1300 v. Chr. ein kilometerlanges System aus Dämmen und Kanälen, um die saisonalen Wasserschwankungen des Kopaïs-Sees zu regulieren.31 Östlich der Palastanlage von Tiryns blockierten sie etwa zur selben Zeit ein ganzes Tal mit einem riesigen Damm und leiteten den zugehörigen Fluss über ein künstliches Kanalstück in ein weiter südlich von Tiryns gelegenes Flussbett um, offensichtlich um die Stadt vor den torrentiellen Niederschlägen und damit gegen Überflutungen zu schützen.32 Auch wenn wir aus dieser Zeit keine schriftlichen Quellen haben, die solche Baumaßnahmen beschreiben, so gibt doch der Herakles-Mythos einen Eindruck davon, wie die Menschen frühester Zeit begannen, Wasser in großem Stil zu regulieren und die Landschaft nach ihren Bedürfnissen zu gestalten. Die Geschichte der von Herakles in Elis im Westen der Peloponnes umgeleiteten Flüsse Alpheios und Peneios, mit denen er angeblich die Ställe des Augias reinigte, gibt einen erzählerischen Eindruck von Bauvorhaben, wie sie bei Tiryns tatsächlich umgesetzt wurden. Der Kampf gegen die Hydra in den Sümpfen von Lerna (Argolis) ist nichts weiter als ein Bild für die Bemühungen, eine Quelle zu fassen und sie zu kontrollieren. Dass jeweils zwei Köpfe nachwachsen, sobald dem Ungeheuer einer abgeschlagen wurde, erzählt auf unterhaltsame Weise von dem Versuch, einen Wasseraustritt mit einem Stein zu verschließen, bis sich das Wasser an zwei Seiten wieder Bahn bricht. Und auch der Kampf gegen die todbringenden Vögel am Stymphalischen See westlich von Mykene symbolisiert möglicherweise Krankheiten, wie sie in Sumpfgegenden vorkommen, und das menschliche Bestreben, dieser Plagen Herr zu werden. Bei all diesen architektonischen und ingenieurtechnischen Meisterleistungen verwundert es, dass die mykenische Palastkultur etwa um das Jahr 1200 v. Chr. relativ plötzlich zusammenbricht.33 Da aus archäologischer Sicht nahezu allen materiellen Befunde in einem Zeitraum bis etwa 750/700 v. Chr. stark abnehmen oder in manchen Gegenden ganz fehlen, sprach man lange von der „Dunklen Jahrhunderten“ („Dark Ages“). Auch wenn die Anzahl an Ausgrabungen und entsprechende Publikationen aus dieser Frühphase der griechischen Eisenzeit immer noch rar sind, bezeichnet man diese Zeit inzwischen doch differenzierter als Pro-
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MARAN 2009. KNAUSS 1991. ZANGGER 1994. MARAN 2009.
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to-Geometrische und Geometrische Phase (ca. 1075–750/700 v. Chr.).34 Die Frage steht jedoch weiterhin im Raum, was zu diesem drastischen kulturellen Bruch geführt hat. Neben einer Vielzahl unterschiedlicher Hypothesen sticht aktuell – möglicherweise in der Reflexion über den modernen, anthropogen verursachten Klimawandel – die Hypothese heraus, dass das sogenannte „3.2 Klima-Ereignis“ einen entscheidenden Einfluss auf den Niedergang der mykenischen Palastkultur und den Beginn der „Dunklen Zeit“ gehabt haben könnte. ‚3.2’ ist dabei die Abkürzung der Paläoklimatologen für die Zeit 3,2 Kilo-Jahre, d. h. 3.200 Jahre vor heute oder 1200 v. Chr. Einige Autoren sehen einen direkten Beitrag dieses Klimaereignisses auf die großskaligen soziopolitischen Veränderungen, die zum Ende des Alten Reiches in Ägypten, dem Ende des Hethiter-Reiches und eben zum Zusammenbruch der mykenischen Palastkultur geführt haben.35 Ein anderes Klimaereignis mit Auswirkungen auf mindestens der ganzen Nordhemisphäre datiert in die Zeit um 800–700 v. Chr. und wird ebenfalls in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Veränderungen in Europa diskutiert. Dieses sogenannte „BondEvent“ ist durch eine Phase geringerer Sonnenaktivität charakterisiert, was verbreitet kühlere und je nach Region auch feuchtere Bedingungen mit sich brachte.36 Dieses Ereignis datiert zwar erst nach dem Zusammenbruch der mykenischen Paläste, aber es bleibt zu untersuchen, ob veränderte, für Landwirtschaft möglicherweise ungünstigere Klimabedingungen eine schnelle Rückkehr zur vorherigen kulturellen Größe verhinderten oder zumindest verlangsamten. Um sich der Frage nach der Mensch-Klima-Wechselbeziehung in Griechenland zu nähern, muss man sich zunächst überlegen, welcher Klimaparameter den größten Einfluss auf eine Gesellschaft in dieser Region hat. Während in Nordeuropa Ernteerträge stark temperaturabhängig sind, beispielsweise durch späte Frosteinbrüche während der Blütezeit oder einen verfrühten Wintereinbruch während der Erntezeit, spielt im Mittelmeerraum der Niederschlag eine deutlich wichtigere Rolle. Natürlich können zu starke Kälteperioden beispielsweise Olivenbäume in Regionen, die ohnehin am Temperaturlimit für Oliven liegen, zum Absterben bringen, aber das hätte vergleichsweise geringe Auswirkungen gegenüber zeitlich und räumlich ausgedehnten Trockenperioden, die einen Großteil der Feldfrüchte verdorren ließen. Zwar deuten Untersuchungen an Stalagmiten der Alepotrypa-Höhle (Lakonien) darauf hin, dass es in der Zeit zwischen ca. 1700 und 500 v. Chr. auf der Peloponnes tatsächlich trockener war, mit besonders trockenen Bedingungen von 1400 bis 1200 v. Chr.,37 aber war dies wirklich Grund genug, um eine Gesellschaft wie die der Mykener, die ein solch großes Geschick im Management von Wasser bewies, zum Zusammenbrechen zu bringen? Dieser Frage geht aktuell ein großes Netzwerk von Forschern an verschiedenen Universitäten in Griechenland, Schweden und Deutschland gemeinsam nach. Die Arbeiten meiner eigenen Arbeitsgruppe innerhalb dieses Netzwerkes konzentrieren sich dabei un34 35 36 37
BINTLIFF 2012. CLINE 2014; DRAKE 2012. BOND 1997; VAN GEEL ET AL. 2000. WEIBERG ET AL. 2016.
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ter anderem auf den Stymphalischen See, dessen Wassereinzugsgebiet und die benachbarten Täler. Eine relativ überraschende erste Einsicht aus den laufenden Forschungen liefert die Verknüpfung hydrologischer Niederschlagskarten mit Karten der Verteilung von archäologischen Fundplätzen. Darin fällt auf, dass die mykenische Palastkultur sich ausgerechnet in der niederschlagsärmsten Region der nördlichen Peloponnes entwickelte, der Argolis. Damit schließt sich wieder der Kreis zu dem zuvor im Zusammenhang mit der Nasca-Kultur beschriebenen Gedankenexperiment: Ist eine Gesellschaft an niedrigere Wassermengen ausreichend oder vielleicht sogar nachhaltig angepasst, stellen diese kein großes Problem dar. Die Mykener waren an weniger Niederschläge, als sie beispielsweise im Westen der Peloponnes fallen, angepasst. Und noch ein Standortvorteil der Argolis offenbart sich beim genauen Blick auf die hydrogeologischen Karten: Weite Teile der Peloponnes sind von Karst geprägt, einer Kalksteinlandschaft, die durch vorwiegend unterirdischen Abfluss charakterisiert ist. Die reichen Niederschläge, die beispielsweise in den hohen Bergen rund um den Stymphalischen See oder die Ebene von Pheneos fallen, werden über sogenannte Schlucklöcher unterirdisch abtransportiert und treten als riesige Quellen in der Argolis in Lerna, Kefalari oder Kiveri wieder hervor. Das heißt mit anderen Worten, auch wenn die Argolis niederschlagsarm ist, wird sie doch über Quellen mit reichlich Wasser aus dem Hochland der Peloponnes versorgt. Diese drei Beispiele aus unterschiedlichen Regionen der Erde zeigen, dass es Gesellschaften zu verschiedenen Zeiten geschafft haben, auch mit einem geringen Wasserdargebot mehr oder minder nachhaltig zu wirtschaften. Schwierig wird es, wenn durch ein sich änderndes Klima entweder die Verlässlichkeit des Wassernachschubs nicht mehr gegeben ist oder eine kritische Mindestmenge unterschritten wird, die zum Überleben einer Gesellschaft, die an andere Bedingungen angepasst ist, notwendig wäre. Ob diese Gesellschaft dann tatsächlich aufgrund eines veränderten Wasserdargebotes nachhaltig geschädigt ist und gar ‚zusammenbricht’, hängt vom Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Faktoren ab und muss für jede Region, jede Zeit und jede Gesellschaft individuell betrachtet und untersucht werden.
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Abb. 2: Das „Brunnenhaus“ der antiken Siedlung von Stymphalos (Griechenland), vermutlich im 4. Jhd. v. Chr. gefasst (Foto: I. Unkel, 2016). Die Karst-Quelle ist einer der größten Wasserlieferanten für den Stymphalischen See und bezieht ihr Wasser vom 2.374 m hohen Ziria-Massiv.
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WATERS WATERS EVERYWHERE Sustainability and Water Supply Strategies in the Roman Harbour City of Ostia, Italy Mark A. Locicero
Zusammenfassung: Die facettenreiche Rolle des Wassers im antiken Mittelmeerraum hat innerhalb der Forschung im letzten Jahrzehnt gesteigertes Interesse hervorgerufen. Um archäologische Spuren von Wassergebrauch in der Vergangenheit zu kontextualisieren, greifen Forscherinnen und Forscher zunehmend auf einen reichhaltigen Bestand an qualitativem und quantitativem Material zurück, das aus modernen Beispielen zur Verfügung steht. Dieser Beitrag greift verschiedene theoretische und methodologische Herangehensweisen auf, die im Bereich des ‚nachhaltigen Ressourcenmanagements’ Anwendung finden, und die die Erforschung von Wasserverwendung in modernen und antiken städtischen Kontexten auf eine neue Grundlage stellen können. Er untersucht die Verwendung unterschiedlicher Arten von Wasser in der römischen Stadt Ostia. Grundwasser, Wasser aus Aquädukten, Regenwasser und gekauftes Wasser wurden auf unterschiedliche Weise verwendet und waren mit unterschiedlichen symbolischen Bedeutungen versehen. Das Vorhandensein vielfältiger Arten von Wasser in einer Stadt, die reichhaltiges natürliches Wasservorkommen aufwies, legt nahe, dass der Wert des Wassers nicht nur durch die Menge bestimmt wurde, die davon gesammelt werden konnte. Indem der Ansatz des ‚nachhaltigen Wassermanagements’ unterschiedliche Arten von Wasser berücksichtigt, eröffnet er neue Perspektiven auf die Frage, wie und warum antike Menschen der Mittelmeerwelt Wasser so verwendeten, wie sie es taten. Abstract: The multifaceted role of water in the ancient Mediterranean world has received a growing amount of research interest in the past decade. In the search to contextualize archaeological traces of water usage, scholars of past water usage have increasingly drawn inspiration from the rich amounts of qualitative and quantitative data available from modern examples. This contribution introduces several theoretical and methodological approaches used in sustainable resource management that can open new paths of dialogue between modern and ancient approaches to studying water in urban settings. It explores the ways in which different kinds of water were procured in the Roman city of Ostia. Ground water, aqueduct water, rain water, and purchased water each were used in different ways and had separate symbolic connotations. The existence of multiple kinds of water in a city that was richly supplied with natural water resources suggests that water was not only valued for how much of it could be collected. By appreciating the multiple identities of water, the use of sustainable water management can help to shed new light on how and why people of the ancient Mediterranean world used water as they did.
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The acquisition of water is crucial to the functioning of all cities. As cities change in size, population, or function, their water requirements also change. In many parts of the modern world, the role played by water is invisible, or taken for granted. However, nearly 500 million people across the globe currently live in a state of water stress, with this figure projected to grow by 2050 to 1.3 billion people worldwide.1 With the majority of the world now living in densely populated urban areas, the acquisition, usage, and disposal of water becomes increasingly important. Global urbanization and its connection to the use of water resources has provoked progressively more complex debates investigating many different aspects of water. The results of these studies show time and again that while water is a substance that can be manipulated by pipes and channels, it is much more than a quantitative measurement of a liquid. Water and its sustainable usage are deeply connected to modern issues of international politics, gender, social justice, and leading technological advancements. This burgeoning diversity of insights into water in the 21st century forces researchers of past societies to reconsider ancient water usage. Can modern people really claim to be “more sustainable” in terms of water habits than ancient urbanized civilizations because of our available technology? Many of the authors in this volume interrogate definitions and concepts of sustainability. This contribution reexamines Roman water supply strategies from the perspective of theories and methodologies currently used to assess water in the modern world. After a brief introduction of modern sustainable water management, this paper introduces archaeological evidence of Roman water supply strategies, with examples drawn from Ostia, one of the harbour cities of ancient Rome.2 The acquisition strategies for different types of water (rain, groundwater, aqueduct water, purchased water) at Ostia are presented. These strategies will then be analysed within their cultural context, to identify uniquely Roman ways of collecting water. Supply systems are the focus of this contribution, although these must be seen as part of the wider hydraulic system, which also includes complex distribution and drainage systems. Finally, this Roman way of water management will be juxtaposed with current ways of dealing with water. 1. MODERN WATER Before trying to define sustainable water in the Roman world, it should first be stated that there is no single universally accepted definition of sustainable water usage in the modern world. This is a result of the fact that all current definitions originate from specific disciplinary frameworks.3 Nearly all definitions of sustain1
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MASON ET AL. 2018: 109. Water stress refers to a period when the demand for water is higher than the available amount, causing people to compete for water or to use lower quality water sources. This contribution is partially based on the author’s doctoral thesis, see LOCICERO 2018. SHAKER/ZUBALSKY 2015 compared 25 composite indices of sustainability across Europe and found little to no statistical correlation between the different indices or their results.
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ability fall under one of three main pillars: economic, environmental, and sociocultural sustainability. To achieve a truly sustainable culture would require all three of these kinds of sustainability to be present. Specifically focusing on water, the perspective often emerging from a hydraulic engineering stance can be broadly defined as socio-hydrological. This approach formed after the failure of many hydraulic projects (especially in the developing world) to integrate cultural values into technical designs.4 The present study does not use methods from socio-hydrology as this perspective remains focused on physical infrastructure. At the other end of the methodological spectrum is the inversely named hydro-social approach, which emerged from human geography and political ecology. 5 The hydrosocial perspective views water as the intersection between natural processes and the ever-changing social frameworks that produce scientific knowledge. Water does not mean the same thing to all people or to people in different periods; its circumscription, accessibility, and management often have much more to do with larger social and political values than with the technical ability to manage water.6 The idea that water can also give insights into issues of identity, socio-economic disparity, and gender continue to be explored by diverse research projects.7 Recent experience in constructing ex novo cities and water systems highlights the debate surrounding the centralization of water systems. This debate revolves around the question of whether it is efficient for water supply and sewer systems to all be connected to one centralized system, or if it is easier to maintain neighbourhood-level systems.8 A commonly proposed but rarely implemented solution is to apply a mix of centralized and decentralized systems to integrate local cultural preferences with new technologies for recycling sewer waste and used water. There are many other methods for conceptualizing water in the modern world, such as the Water Footprint, integrated water resources management (IWRM), or the City Blueprint.9 Yet, even this brief overview of modern ways of thinking about water demonstrates that no single discipline can adequately identify or quantify the diverse types of data required to fully understand the role of water in the modern world. As a result, several researchers have advocated for a plurality of research approaches, in which multiple systems of practice are valued at the
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PANDE/SIVAPALAN 2017. LINTON 2010: 183 defines the development of “modern water”; in his article the human relation-ship to water is viewed as a constantly changing dialectic. LINTON/BUDDS 2014. HUI/CAIN 2018 document resistance to using recycled water in drought-stricken California in 2012–2015; MASON ET AL. 2018 explored socio-economic reasons for the use of rainwater and grey water in the Philippines; NEIMANIS 2017 argues that we impose issues of gender imbalance and individualistic body image on our interactions with water. POUSTIE ET AL. 2015 assess how to mix centralized and decentralized water systems in Port Vila, Vanuatu. The technical performance of water systems increases with centralization, but decentralized systems are cheaper and have less of an impact on the surrounding environment. HOEKSTRA ET AL. 2011 for the Water Footprint method; UN 2016, sec. 72 advocates the IWRM approach; VAN LEEUWEN ET AL. 2016 for the City Blueprint method.
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same time.10 In this way, a variety of qualitative and quantitative views on any single issue can emerge simultaneously. Perhaps this very inability to define water’s limitations and presence can guide investigations into the role of water in the Roman world. 2. WATER(S) IN THE ROMAN WORLD The theme of water was incorporated into many aspects of Roman literature and architecture, and it played a large role in their material culture.11 While some PreSocratic philosophers saw water as the only element in the universe, water across the area broadly connected with Roman culture was seen as a plurality.12 There was no such idea of ‘water’ as a universal thing. Rather, water was something diverse and localized, having specific properties, personalities, and boundaries in each specific place. This diversity is well attested in a wide range of Roman literary genres, such as history, magical texts, law, poetry, and technical treatises.13 Even Frontinus, the author of a treatise on the Aqueducts of Rome (de aquaeductu), goes to great lengths to specifically define the different purposes, potability, and seasonal characteristics between the aqueducts of Rome.14 The acknowledged diversity of waters extended to usage, because certain types of water were believed to be better or worse for different purposes.15 While cities required large volumes of water on a daily basis, literary sources make it clear that there was an awareness of the fragility of water resources, and that even rivers could be contaminated or destroyed.16 This does not mean that river water was avoided; despite high concentrations of what are today called pollutants, many large cities in Europe used river water well into the 17th and 18th century.17 In other parts of the world this practice continues to the present day.18
10 CHANG 2012: 216 calls this “active scientific realism”. By tracing the history of water’s changing conception from a singular element to the compound H2O, he shows how scientific systems and frameworks of knowledge are constantly changing; EVERS ET AL. 2017 also advocate for a plurality of approaches to integrate physical and social sciences in a framework called the “human-hydro-scape”. 11 ROGERS 2018b offers a recent discussion of the role of water in power, aesthetics, and spectacle in the Roman world. 12 Most famously Thales of Miletus, recorded in Aristot. metaph. 1,3,983b 6, 8–11, 17–21, and Vitr. 8,1. 13 Cels. de medicina 2,18,12; Plin. nat. 31,21; Apoll. Rhod. arg. 3,1203. 14 Frontin. aqu. 15 with the Anio Novus as muddy. 15 KAMASH 2008 explores the paradoxical conceptions of water as both a harmful and beneficial substance in the Roman Near East. 16 Cic. div. 1,19,38. 17 BELTRÁN LLORIS 2006 explores Roman laws pertaining to responsible river usage in Spain’s Ebro river valley. 18 EUZEN/HAGHE 2012 for changes in water quality perception in Paris from the 17 th–20th centuries.
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The study of water in the Roman world has changed significantly in the past decades, with archaeologists and historians bringing new aspects of this subject to light. While the traditional approach of studying the architecture of water supply systems continues to advance with increasingly detailed digital recording methods, new theories and methods to Roman water have been advanced in the last two decades. These have included sensory approaches to ancient water displays,19 geochemical analyses of calcium carbonate deposits,20 and studies investigating latrines and health.21 While this brief introduction only scratches the surface of emerging themes in the study of water in the Roman world, it proves that new perspectives on water can continue to reveal unexpected aspects of Roman culture. 3. OSTIA To investigate whether modern approaches to sustainable water management can be identified in the Roman world, the city of Ostia will function as a case study. Focused archaeological investigation of Ostia began in the late 19th century, and has continued unabated to the present day. Water features have been identified at Ostia for more than a century, although these have not been re-examined in a comprehensive way for nearly twenty years.22 Ostia is located about 23 km to the west of Rome, where the Tiber River meets the Mediterranean Sea. As a result of centuries of silt deposition, which already affected the city in the first century AD, Ostia now lies about 3 km from the Tyrrhenian coast.23 In antiquity, a chain of salt-water marshes separated Ostia from Rome, but these marshes were reclaimed during the 20th century to eliminate the high local cases of malaria. The city lies on a grouping of low sandy hills that cover a stratum of potable and easily accessible groundwater.24 Ostia was always a watery city, surrounded in nearly every direction by different kinds of water. Indeed, this watery location was the reason for which the city was initially founded. The city’s relationship with water was one of the dominant characteristics of its history. While mytho-historical accounts attribute the foundation of Ostia to Ancus Marcius in the 7th century BC, the earliest archaeological evidence at the site dates 19 ROGERS 2018a provides the status quaestionis on monumental fountains in Roman Greece, and stresses the importance of placing these structures in their wider visual and architectural context. 20 KEENAN-JONES ET AL. 2015 calculate the amount of water flowing through the Anio Novus near Rome based on calcium carbonate deposits. 21 KOLOSKI-OSTROW 2015 and HOSS 2018 for recent publications of these long-neglected research areas. 22 RICCIARDI/SCRINARI 1996, although there are several issues with their data. However, JANSEN 2002 and SCHMÖLDER-VEIT 2009 give good overviews of the subject. 23 BELLOTTI ET AL. 2011. 24 MASTRORILLO ET AL. 2016.
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back to the late 4th to early 3rd century BC.25 This material pertains to a rectangular military fort (castrum) built at the mouth (os) of the Tiber River. Ostia acted as an early harbour for the city of Rome, with a small rectangular river harbour built into the south bank of the river.26 It retained its maritime connection through its intimate connection with the larger harbour constructed two kilometres to the north at Portus.27 Ostia continued to grow during the 2nd and 3rd centuries AD, with the city undergoing fundamental changes to its urban landscape, and large areas of the city were raised by several meters in this time.28 As a city, Ostia can be divided into city blocks (insulae) that are often surrounded on all sides by streets (fig. 1). While these city blocks vary in their size and composition, they are characterized by diversity: one city block can contain separate buildings for religious, industrial, domestic, and leisure activities.29
Fig. 1: Urban plan of Ostia from 1953 (CALZA ET AL. 1953).
This urban malleability is evident in the Late Antique (4th–6th centuries AD) phase of Ostia, when fundamental aspects of the city change. Many buildings from previous centuries are abandoned, but at the same time, new building forms develop, and changing urban foci redirect movement and investment.30 With such a diversity of buildings, and such a dynamic urban history, the city used water in equally diverse ways. While the systems with which water was used and subsequently drained are crucial to understanding the entire hydraulic system 25 ZEVI 2002. 26 SADORI ET AL. 2016 investigates the chronology of the river harbour from pollen and ostracod evidence. 27 GERMONI ET AL. 2018 for new insights into the topography and chronology of Isola Sacra, which connected Ostia and Portus. 28 JANSEN 2000. 29 STÖGER 2011 for a full discussion and definition of the term ‘insula’. 30 GERING 2013.
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of the city, Ostia’s water supply systems will be presented here in greater detail. It should be stressed that not all of the collected water was intended for human consumption, and, as intimated above by the literary sources, different types of water were used for different purposes. 3.1 Groundwater Groundwater was used throughout the entire history of Ostia, with the easily accessible stratum of potable groundwater present only a few metres below the surface.31 The level of this groundwater can fluctuate, even within a relatively short period. The present author found the water within the underground well in the Domus del Protiro (V, ii, 4–5, room 33) to fluctuate around 50 cm over a fouryear period. The high water table also ruled out the construction of underground cisterns. Several early wells were built in the area of the forum in the late 4th to early 3rd century BC, contemporary with the earliest castrum.32 The wells in Ostia comprise a shaft of brick (opus reticulatum or opus latericium), and often have a marble well-head where the well meets the ground level. Approximately 60 wells have been identified at Ostia, and they vary widely in size, depth, and method of construction.33 As a result of the ever-increasing height of the city, many wells continued to be used, with their shafts being extended upwards to match the new height of the surrounding surface level. Even when the function of the newly raised building differed from the previous, underlying structure, the well retained its place (fig. 2).
Fig. 2: Well in the Caupona del Pavone (IV, ii, 6), raised several meters from its original height (RICCIARDI/ SCRINARI 1996: Vol. 1, 47, Fig. 56b). 31 MASTRORILLO ET AL. 2016. 32 CALZA 1953: 73, fig. 21. 33 RICCIARDI/SCRINARI 1996: Vol. 1, 21–68 for the most comprehensive list at present.
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Evidently, the continued presence of the well itself was important, and these later structural adaptations were easier than simply digging 2–3 meters to create a new one. Perhaps this was just the result of a desire for hydraulic resilience or independence, so that a building could sustain itself if the urban aqueduct-fed system was destroyed or undergoing maintenance.34 There likely were also social benefits to having and displaying wells in Ostia, which is why they are often found within the marble-plated homes in the Late Antique period.35 The wells are often decorated with elaborately carved marble well-heads. Wells perhaps suggested a connection to an idealized Republican past, acting as a symbol of the simplicity of the pre-aqueduct world.36 Beyond the wells in the forum, most wells were located within buildings, namely houses and tabernae. However, in the 4th– 6th centuries, wells were dug directly through major streets in Ostia, indicating that wheeled traffic could no longer pass. Groundwater also served larger hydraulic needs, and supplied enough water for several bath complexes. Water was raised by means of water wheels and bucket-chains, which in some cases could raise water to a height of about 15 m, as in the Terme del Mitra (I, xvii, 2).37 While little research has been done on the interaction between these groundwater-supplied baths and their neighbouring buildings, it is likely that this elevated water also served the hydraulic needs of adjacent structures. A good example of such an elevated reservoir is at the Terme del Nuotatore (V, x, 3).38 Once raised to a height of about two stories, it is possible that these reservoirs acted as localized water towers, delivering pressurized water to surrounding buildings. 3.2 Aqueduct Water Ostia was served by several aqueduct lines over its lifetime, all of which came from the Malafede hills about 13 km to the east of Ostia, and entered the city at its eastern side.39 The first aqueduct line was installed in the early first century AD. The second one was created in the early 2nd century, and used the Republican city wall as a kind of ring road to transport water to the southwestern part of the city. The addition of this second aqueduct line can be detected by changes to the accretions of calcium carbonate upon the walls of the city’s castellum aquae. Different mineral compositions in this material prove the introduction and subsequent dom34 SÜRMELIHINDI ET AL. 2013 for evidence of aqueduct maintenance preserved within the calcium carbonate accretions against the sides and bottom of the aqueduct channel (specus). Frontin. aqu. 116–119 describes the maintenance activities and the division of labor. 35 DANNER 2018 for the scenographic role of water in Late Antique houses at Ostia. 36 BRUUN 2016 for the role of water as a luxury and Republican critiques of changing water habits. 37 RICCIARDI/SCRINARI 1996: Vol. 1, 155 for the bucket chain of this bath building. 38 MEDRI/DI COLA 2013: 88 describe this reservoir. 39 BUKOWIECKI ET AL. 2008 offer detailed evidence on all aspects and chronologies of Ostia’s aqueduct lines, major cisterns, and its large castellum aquae.
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inance of a second water source.40 In the early 3rd century, a third aqueduct line was created, this time reaching the city on arcaded piers, still visible where they meet the eastern wall of the city. Once there, lead pipes up to 30 cm in diameter distributed pressurized aqueduct water around the city. Names stamped onto these lead pipes provide information about their ownership, manufacturing, and chronology.41 Currently, there is no evidence that water from different aqueduct lines was kept separate across Ostia, as was the case in Rome. Additional geochemical analyses of preserved calcium carbonate deposits could shed light on this mystery. While aqueduct water could be directed into individual buildings, not all buildings had direct access to pressurized water. There were also street-side fountains providing water to those without personal water supplies.42 These rectangular, barrel-vaulted fountains (bauletti) are present across Ostia, and people could access water through a rectangular opening on one side of these basins. Friction marks on the ledges of these openings indicate that buckets or containers were pulled up from the bottom of the bauletti, suggesting that they were not always full or overflowing.43 Aqueduct water also fed larger reservoirs spread around the city. These are most often, but not always found in connection with a bath building. Yet, even when part of a thermal structure, their volumetric capacity far exceeds the required amount of water for the bath’s pools. Just as with basins supplied by groundwater, the available volume of water in these reservoirs suggest that they also served the needs and diverse purposes of neighbouring buildings. 3.3 Rainwater The collection of rainwater is a well-attested feature of Roman architecture, with impluvia known from houses across the Roman world. Most impluvium pools collected rainwater directly from the slanting roofs, although they could also be fed by aqueduct water, pressurized through a decorated fountain or sculpture. Where geologically possible, underground cisterns were created in connection with these shallow impluvia, filled when the pools themselves overflowed with water. The few identified impluvia in Ostia are from the Late Antique period, and many were aqueduct fed. Given the high water table at Ostia, very few private cisterns are known. The surviving cisterns are often large structures that were built above ground. As the roofing over these has not survived, it is difficult to determine whether a cistern was supplied by aqueduct water or rainwater, or both. One such large cistern is known to be situated near Ostia’s Porta Marina; it is aqueduct fed 40 CARLUT ET AL. 2009; the first aqueduct line slowly went out of use after the second one was introduced. 41 GEREMIA-NUCCI 2006. 42 SCHMÖLDER-VEIT 2009: 109 describes these bauletto fountains. 43 These basins also had overflow holes, from which water could be collected in larger containers.
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and has clear drainage systems to divert rainwater away from the cistern’s basin.44 So despite the opportunity to add large volumes to the cistern, this kind of water was directed away from it. As a result, it was previously believed that rainwater supply features were absent at Ostia.45 However, a re-investigation of the wells in Ostia shows that the majority of them have circular ceramic pipes built into their walls. These are often about 15– 20 cm in diameter, and pierce the well’s wall at different heights and from diverse directions (fig. 3).
Fig. 3: Two of the four ceramic pipes built horizontally into the walls of a first century AD well in the Domus del Protiro (V, ii, 4–5). The pipes are at the top and bottom right of the image (author).
Present in wells from all periods of Ostia’s history, they indicate that the groundwater level may not have been constant throughout the year. Indeed, they suggest that rainwater was consciously harvested from roof tops and re-directed into these wells. Pipes of a similar diameter are known across Ostia, but these are found placed vertically against walls, or within rectangular down-shafts.46 In some cases, these pipes likely were connected with upper floor toilets, similar to the ones
44 BUKOWIECKI ET AL. 2008: 160 identified a 20 cm diameter ceramic pipe to drain rainwater away, suggesting that there was a substantial volume of rainwater to be drained. 45 JANSEN 2006: 176. 46 Such as in buildings III, i, 14 (room 27) and V, ii, 13 (room 4).
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known in Pompeii.47 However, the presence of the same kind of pipes within wells indicates that there was a division of upper floor drainage systems into waste water and rainwater. As many buildings in Ostia have their own small-scale drainage systems, the decision to direct rainwater into the wells was not done as a form of drainage. The presence of several pipes at different heights in the same well also rules out their function as drainage conduits. Given the fact that water always finds a level (i.e. the principle of communicating vessels), the added rainwater likely did not actually increase the amount of water in the well, but simply drained into the stratum of groundwater. Yet, the presence of these pipes in the wells means that the inhabitants of Ostia believed that they were an effective way to gather water. Perhaps an amphora was placed temporarily within the well to collect the channelled rainwater for household tasks.48 Therefore, wells can be seen as part of a wider network of water supply management, rather than isolated water extraction nodes around the city. This combination of ceramic pipes and wells also implies that the separation between different types of waters varied in different circumstances. 3.4 Other Waters In addition to the types of water outlined above, other sources of water could be used. As the first aqueduct was constructed relatively late in the city’s history, and considering the paucity of wells across the city, the inhabitants of Ostia must have looked elsewhere to provide themselves with water. Right on their doorstep flowed the Tiber River, an abundant source of fresh water. However, this water flowed downstream from Rome, carrying with it the industrial, domestic, and urban effluvia of the city. While it may not sound enticing to 21st century Western sensibilities, it is crucial to remember that many European cities continued to use urban river water well into the 18th century.49 Many global cities continue to use river water for a variety of purposes today. Roman literary sources state that Rome itself made extensive use of river water before the introduction of the city’s first aqueduct.50 Perceptions of what made water good or bad for different uses was certainly different than today, and it is thus likely that river water was collected, at least from the city’s foundation until its first aqueduct line in the early first century AD. Such water use leaves little archaeological evidence, as there were not any physical systems established for the acquisition of river water.
47 TRUSLER/HOBSON 2017. 48 BOERSMA 1985: 374 notes that five intact amphorae were discovered in the well when it was first excavated. 49 EUZEN/HAGHE 2012. While perhaps anecdotal and admittedly not contemporary with Ostia, Hdt. 1,188 states that Cyrus the Great would only drink water from the Choaspes River when travelling. 50 Frontin. aqu. 1, where before the first aqueduct was created, the Romans used water from wells, springs, and from the Tiber river.
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3.5 Purchased Water From the neighbouring area of Isola Sacra comes a highly debated tombstone, which appears to depict the sale of a liquid at a bar counter. The identification of this liquid as water is based on the inscribed name: Lucifer Aquatarius.51 While water is not directly mentioned on the fragmentary tombstone, there are numerous ancient literary and artistic examples of mixing different types of water with wine.52 These specific waters were heated or cooled, depending on the season, then mixed with wine. Some bar counters at Ostia have internal basins; these are occasionally, but not always fed by aqueduct lines. One interpretation of these is that they would contain cool water for the clients of the bar.53 Sea water was also added to some types of wines to give them a salty taste.54 Special waters are known in other Roman urban contexts, where they were acquired for religious or cultic activities, especially for Egyptian cults. The diversity of deities worshipped at Ostia strongly suggests that different waters were used in their worship.55 Archaeological traces of such different waters are difficult to find, yet the knowledge that these specific consumption patterns and religious uses of water did occur at Ostia strongly argues for the presence of bought or imported water. While other types of water could be added to this overview of waters found in Ostia, the existence of even these few types demonstrates that Roman cities were places in which different types of water co-existed, and were used for different reasons.56 These range from the social capital produced from prominently displaying a centuries-old well, to the sheer accumulation of rain and groundwater, or even the purchasing of water for various reasons.
51 KIEBURG 2014: 173–176 on this tombstone and the use of water in tabernae. 52 DUNBABIN 1993: 124 for miliarium/authepsa to heat water for mixing with wine; Martial. ep. 14,105 for adding snow to wine. Cassius Dio (60,6.7) for the harshness of Claudius forbidding the sale of hot water. 53 According to KIEBURG 2014: 82–85 only 12/34 preserved Ostian bar counters have such basins, and the absence of supply pipes and drains from many basins makes it unclear whether they did in fact have a hydraulic purpose. 54 Plin. nat. 14,10 describes how this practice was first developed by accident on Cos, and then spread to Rhodes. 55 WILD 1981: 110 identified a “cultic pitcher” associated with Isaic worship on a grave relief from Ostia. The presence of a well or water basin within nearly every mithraeum in Ostia also suggests the role of water in these rites. 56 Such as the marshes that lay directly to the east of Ostia, but were reclaimed in the 20 th century. These bodies of water, together with their particular floral and faunal inhabitants, certainly played an important role in the city’s local economy (e.g. fishing, fowling), health (e.g. malaria), and hydrology (e.g. by worsening floods).
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4. ROMAN SUSTAINABILITY With such a diversity of available waters in Ostia, can a definition of Roman hydraulic sustainability be advanced? In the first place, it must be stated that any definition of ancient sustainability or ancient sustainable resource usage must originate from the Roman world itself. One cannot directly transpose modern concepts or values onto the past, foremost because, as mentioned above, there is no single modern definition of sustainability. This is not to advocate for any relativistic special pleading, but rather to place Roman water supply strategies within a Roman world view.57 This is when applying some of the insights from the hydrosocial perspective can be useful. To outline this Roman way of seeing and interacting with water supplies, two central characteristics can be identified: awareness and resilience. The fact that different types of water had separate acquisition systems makes it clear that water was seen as a plurality. This indicates that there were intrinsic qualities and culturally specific values attached to different kinds of water and its usage. Diverse literary sources state this, but often only when referring to peculiar waters in nature, or to aqueducts.58 If this subdivision of water was not a concern, then we should expect to see evidence for all types of water being collected in large reservoirs. As noted above, different types of water were easily available around and under the city. While there were some cases in which different kinds of water were mixed together, this was not a widespread practice. Roman literature also provides evidence for the awareness of wasting water.59 In Ostia, and elsewhere in the Roman world, fountains were designed to overflow and run through the streets. From the modern perspective that sees all water as a single “thing”, this appears as a design flaw, or a waste of water. However, these fountains only overflowed when they were running at full capacity, when the water source supplying them was abundant enough. Frontinus deals with this criticism, saying that any overflowing water would trickle through the streets and help to flush out the sewers.60 Recent research into Roman streets indicates that they would indeed have been filled with fluctuating levels of waste, including butchery waste, human and animal waste, and in some cases, corpses.61 Small amounts of water overflowing from dozens of fountains would add up to improve the flushing of sewer systems. While sewers were occasionally inundated by expelled water from bath buildings, their minimal slopes and right angles caused thick concentra57 LEHOUX 2012 develops this position of coherentism for understanding how Romans made sense of the world around them, within their own contemporary scientific and philosophical contexts; WALLACE 2011 offers a similar theoretical framework, but from the perspective of critical realism. 58 Joseph. BJ 4,8,3 for the spring of Jericho, which was changed from bitter to sweet by the prophet Elisha, after he threw a jar of salt into the spring; Hippokr. aer. 7f.; Philostr. ap. 1,6. 59 TAMBURRINO ET AL. 2017. 60 Frontin. aqu. 111,2. 61 CAMARDO ET AL. 2011; LEHAR 2016.
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tions of material to accumulate, requiring frequent maintenance. Even small amounts of flowing water would have helped to clean away, or at least reduce the concentration of such street and sewer waste. So, the water in this case is not being wasted, but re-purposed to remove insalubrious material from the streets and sewers. The awareness of the various applications of different types of water impacted the creation and subsequent phases of Ostia’s hydraulic system. Having a water supply that comes from multiple sources also ensures that water is evenly available throughout the year, and can be more resilient against seasonal variations or unexpected maintenance shutdowns. Resilience can be defined as the ability of a group of elements to endure through stable and dynamic periods.62 Resilience studies have largely focused on contemporary issues and case studies and have only started to look into the past. Such a strategy of resilience may have allowed past cities to be more sustainable in the long run, since great stress would not be placed on any one supply source. This can be seen in the wealthy Late Antique domus homes of Ostia, which often contain multiple water supply sources.63 Wealthier homes could exist as islands of water in the city, able to sustain themselves even if the rest of the city experienced water shortages. They were able to create systems that are more complex, allowing the homes to be connected to and independent from the urban water supply network. While resilient or redundant supply systems are present in individual buildings, this cannot have been the driving force behind water diversity at an urban level. If this were the case, there should be many more places for people to access water, such as from wells. If the city’s aqueduct line was damaged or required repair, the approximately 60 known wells could surely not have provided enough water for the drinking, health, and industrial needs of a population around 50,000.64 Although there certainly were more wells that remain unexcavated, even tripling the number of known wells would not be sufficient for the city’s needs. This picture becomes even more serious when considering the parching heat of the Italian summer, and with the knowledge that the levels of the groundwater and the Tiber River fluctuate seasonally. Thinking again of the multiple water systems of Ostia’s Late Antique homes, they were resilient because they could explore the full range of hydraulic possibilities. However, these should be seen as reflections of individual choices, or at least as possible options for dealing with water. Resilient systems were possible in Roman cities, but were not the rule.
62 LIU ET AL. 2012; SCHWANEN 2016 gives an overview of the debate surrounding “resilience”. 63 Such as the Domus del Protiro (V, ii, 4–5), with separate rainwater, groundwater, and aqueduct water systems in the same courtyard. 64 MEIGGS 1973: 78 proposes a population of 50,000 in the 2nd century. This number does not account for the water required for the animals that must have been present in the city.
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5. CONCLUSION Exploring the ways in which Romans in Ostia interacted with water offers several departure points for future research. An awareness of the plurality of water certainly existed, and it was possible to create supply systems at varying levels of complexity. These two characteristics help to sketch out the distinctly Roman way of water supply, but should not be seen as top-down forces driving Roman water supply strategies. Both of these factors are present, but varied across Ostia and throughout different periods of the city’s history. The central driving force behind the differentiated water supply systems of Ostia must then lie in the changing socio-cultural values associated with different types of water, rather than a desire to accumulate large amounts of water per se. The archaeological evidence of water in Ostia supports this interpretation. Returning to the wider aims of this volume, there is a broad collection of practices that can be identified as Roman sustainability. Some of these overlap with modern approaches to resource sustainability, like an awareness of the seasonal variations in water availability, and the use of technology to create systems to maintain stable water levels. However, there are numerous other reasons to explain why Romans used water as they did, the exploration of which has only begun with volumes such as this one. The goal is not to judge whether modern or Roman cities were more sustainable in terms of water supply strategies, firstly because most of the terms of comparison do not apply to both modern and Roman water usage. Such a temporal and cultural juxtaposition also implies value judgements: that 21st century technology and contemporary scientific systems are a priori better, or, the way we understand water today is more correct than in the past. This distils the interaction between water and cities to comparing quantitative or volumetric figures, and downplays the vast amount of social and cultural evidence for water. It is more fruitful, perhaps, to build upon the excellent technical studies of Roman water systems to identify the deeper motivations and preferences behind water usage: to move from the how to the why. This is especially the case when these reasons appear illogical to modern researchers, and are based on changing mores and practices. Rather, by acknowledging the amorphous and pervasive nature of water in the modern world, this contribution seeks to identify the diversity and complexity of water’s character in the Roman world. By identifying and moving beyond modern and western definitions/norms, new similarities and differences will emerge between modern and Roman water usage, without teleological or modern value judgments.65 The long and complex relationship between urbanism and water may even provide suggestions or warnings for the future development of our rapidly urbanising world. In this way, modern approaches can highlight water’s presence throughout Roman culture, while at the same time presenting long-term successes or solutions of ancient water usage to the modern world.
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STRATEGIES AND TECHNOLOGIES OF ENVIRONMENTAL MANIPULATION IN THE ROMAN WORLD The Thermal Economy of Baths Janet DeLaine
Zusammenfassung: Dieser Beitrag untersucht Strategien, mit denen gebaute Umwelten, vor allem Bäder, in der römischen Welt reguliert wurden, unter besonderer Berücksichtigung von örtlich begrenzten, kleinräumigen sowie erfahrungsbezogenen Anpassungen von Gebäuden. Die beiden spezifischen technologischen Innovationen, die in den antiken Quellen genannt sind – verglaste Fenster und Wandheizungsröhren –, waren für die Entwicklung von Bädern als einem römischen Kulturphänomen besonders wichtig. Da diese beiden technologischen Innovationen Auswirkungen auf den Wärmehaushalt der Bäder hatten, müssen sie auch den Brennstoffverbrauch beeinflusst haben und sind dementsprechend für die Forschungsdebatte um Entwaldung relevant. Der Beitrag untersucht den Wärmehaushalt spezifischer Badgebäude auf Basis jüngerer experimenteller und theoretischer Berechnungen, und zeigt, dass die beiden technologischen Innovationen dazu beigetragen haben, den Energiebedarf derjenigen Bäder zu reduzieren, die auf kontinuierlicher Basis betrieben wurden. Schließlich wird der Versuch unternommen, den Brennstoffbedarf von Bädern nachzuvollziehen, die mit beiden technologischen Neuerungen ausgestattet waren, wobei der Effizienz des Heizsystems besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Obwohl der tatsächliche Brennstoffbedarf, abhängig von der Art des Brennstoffs (zumeist Hartholz), sehr variabel war, legen die Untersuchungsergebnisse eine Reihe möglicher Verbrauchswerte nahe, die in derselben Größenordnung liegen. Außerhalb der Großstädte des Imperiums gibt es jedoch keinen Grund zur Annahme, dass die Bäder zwangsläufig zu einer Entwaldung geführt haben; ihre Verkleinerung in der Spätantike kann genauso gut mit sich verändernden Bevölkerungszahlen und dem Zugang zu Brennstoffen zu tun gehabt haben, weniger mit ihrem Fehlen aufgrund von Abholzung. Abstract: This paper explores the strategies for the control of human-made environments in the Roman world, with special attention to localized small-scale adaptations of buildings at the level of individual personal experience, and specifically in relation to the baths. The two specific technological innovations mentioned in the ancient sources – glazed windows and wall heating tubes – were particularly important for the development of baths as a Roman cultural phenomenon. Since these two technological innovations both had an impact on the thermal economy of baths, they must also have had an impact on fuel consumption and are therefore of relevance to the debate on deforestation. The paper examines recent experimental and theoretical calculations of the thermal economy of specific bath buildings to argue that both these technological innovations would have contributed to reducing the fuel needs of baths operated on a continual basis. Finally, an attempt is made to
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understand the fuel requirements of baths fitted out with these two technological advances, paying due attention to the question of the efficiency of the heating system. It is argued that, while the actual fuel requirements would have been very variable depending on the type of fuel (mainly hardwood), the calculations suggest a range of possible values for fuel consumption which are of the same order of magnitude. Away from the mega-cities of the empire, however, it is argued that there is no obvious reason that maintaining the baths would have inevitably led to deforestation, and that the reduction in size of late antique baths may have been due as much to changing demographics and access to sources of fuel than the lack of them due to deforestation.
1. INTRODUCTION We know that certain devices have come to light only within our own memory – such as the use of windows which admit the clear light through transparent panes, or the hypocausts [suspensurae] of the baths, with tubes set onto their walls to spread the heat, which is maintained at an even temperature from the lowest to the highest zones. Seneca, Moral Letters, 90,25 (c. AD 60)1
Environmental ‘sustainability’ in the Roman world is not a concept that can be easily identified as a concern in the surviving literature, which was produced largely by and for the political and social elites. Their interest lay rather in strategies and technologies for the control and manipulation of the natural and humanmade environments, in terms of macro interventions at the level of the landscape, and localized small-scale adaptations of buildings at the level of individual personal experience. On a large scale these included land division schemes, extensive drainage works, the building of canals, dams and aqueducts, and the terracing of sites for large-scale building works.2 In the ancient sources, such activities are seen predominantly as sources of wonder, as demonstrations of the power to challenge nature itself, and as symbols of civilisation, in addition to the purely practical advantages they may have brought to the community and the individuals within it.3 Our clearest expression of the Roman consciousness of technological innovation as related to modifying the physical environment of daily living is found in the opening quote from the mid-first century AD orator and philosopher Seneca the Younger, first tutor and then political advisor to the emperor Nero. The subject of the letter is significant: the role of philosophy in improving the life of man. In keeping with his moral and Stoic stance, Seneca propounds a negative view of such unnecessary inventions, yet the fact that they are mentioned at all suggests that they brought genuine and well-recognised changes to the conditions of life
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Quaedam nostra demum prodisse memoria scimus, ut speculariorum usum perlucente testa clarum transmittentium lumen, ut suspensuras balneorum et inpressos parietibus tubos per quos circumfunderetur calor qui ima simul ac summa foveret aequaliter. See e.g. for water projects KEENAN-JONES 2013. See DELAINE 2002.
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which could be – and often were – seen as improvements by Seneca’s contemporaries. The two specific changes noted by Seneca – glazed windows and wall heating tubes – are particularly important for the development of baths as a Roman cultural phenomenon. They coincide with an increase in size, complexity and sheer numbers of baths in the Roman world, a phenomenon which requires further investigation. The popularity of the baths in Roman society has also been argued to have had a detrimental impact on the natural environment in terms of fuel consumption, as one of the major factors leading to deforestation in the highly urbanised Mediterranean during the Roman period, although the extent of this has recently been called into question.4 Since the two technological changes mentioned by Seneca both had an impact on the thermal economy of baths, they must also have had an impact on fuel consumption and are therefore of relevance to the debate on deforestation. 2. HEATING SYSTEMS IN ROMAN BATHS The basic layout and heating system of Roman baths is well-known, although the chronology of their early development is still open to debate.5 The Stabian (c. 120 BC) and Forum Baths (c. 70 BC) of Pompeii, and the Forum Baths of Herculaneum (c. end 1st c. BC), combined with the description given by the Roman architect Vitruvius,6 writing perhaps in the 30s BC, give a good idea of average civic baths in Roman Italy before the transformations that Seneca mentions, while changes to these and later baths in Pompeii and Herculaneum show the transformation in progress. Bathing relied on a sequence of increasingly heated rooms, starting in an unheated dressing room (apodyterium), followed by a cold room with cold plunge pool(s) (frigidarium), one or more transitional lightly heated rooms which may or may not have a pool (tepidarium), one or more dry sweating rooms (laconicun or sudatorium), and finishing in a heated room with hot pool(s) (the caldarium). The water for the caldarium was heated in large metal boilers often encased in masonry, and frequently kept hot through metal heat-exchange tanks (alvei) set into the back and floor of the pool above the main furnace (the praefurnium). Heating was achieved by hot gases from the furnaces (praefurnia) passing under the raised floors (the suspensurae) of the hot rooms, and, especially in the sudatoria and caldaria, up hollow elements attached to the inner faces of the walls, eventually to vent to the outside, although charcoal braziers were still in use in the tepidarium
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See e.g. the different views of HUGHES 2011 and HARRIS 2013. FAGAN 2001 for the development; NIELSEN 1990: 14–24 and YEGÜL 1992: 356–377 for the basic technology; GRASSMANN 2011 for a more recent detailed discussion of the hypocaust system. Vitr. 5,10.
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of the Forum Baths of Pompeii even at the time of the eruption of Vesuvius in AD 79. In Campania and elsewhere in central Italy, the hollow elements took two main forms. From at least the first century BC and possibly earlier, flat square tiles called tegulae mammatae were used, named after the lugs or nipples at the four corners, pierced so that they could be nailed to the wall. The idea of using tubes to exit the hot gases of the hypocaust may go back to the second century BC, when cylindrical tubes occur in the baths at Fregellae, 7 but the use of tubes of rectangular cross-section lining entire walls appears to have developed at some time in the first half of the first century AD. The Stabian Baths, which previously used tegulae mammatae, were refurbished after AD 62 using tubuli, as were the early imperial Suburban Baths in Pompeii and Herculaneum; in contrast, only tubuli were used in the Central Baths of Pompeii, built after AD 62.8 In some baths heating was extended to the vaults using a variety of systems to create passage for the residual hot gases from the hypocaust. Vitruvius mentions the problem of condensation dripping from the vaulted ceilings of baths,9 something that the ribbed ceilings of several rooms in the baths at Pompeii and Herculaneum appear designed to counteract, as the ribs end in a gutter at the springing of the vault to take off excess water. 3. THE THERMAL ECONOMY OF BATHS 3.1 Heating While the system itself is well documented, there has been much debate about how it actually worked, including both theoretical and experimental attempts to assess the thermal economy of hypocausted baths, much of it focusing on the function of tubulation in whatever form.10 The very different results obtained from these analyses reflect advances in the understanding of complex fluid dynamics, and the impact of rapidly evolving computer modelling techniques, plus the possibility of examining the whole system of a working bath rather than an isolated hypocausted room. Whole baths systems were, however, very complicated with a very large number of possible variables, so that there is still no consensus even about the best methods of analysis, let alone the validity of results suggested by theoretical analyses. The most recent well-published experimental investigation of the thermal operation of a set of baths was conducted in a 1:1 scale model of a Roman bath built
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TSIOLIS 2013. BOUET 1999: 66f.; JACOBELLI 1993: 154. Vitr. 8,2,3f. For previous studies see the references in OETELAAR ET AL. 2014: 393, note 3.
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in 1998 near Sardis in Turkey for a NOVA TV programme.11 It had three rooms, a frigidarium with a cold pool, warm tepidarium, and a caldarium with a hot water pool, and was constructed using mainly Roman techniques and modern versions of Roman materials. Experimental firing suggested that the use of wall tubes, by increasing the heated surfaces in the caldarium, allowed the system to operate at a lower surface temperature, which would have been both safer for the user,12 and more efficient, with less energy consumption, the use of tubuli being estimated to have reduced fuel consumption by about 20% for the same environmental conditions. The main reason most often suggested in general works for the change from tegulae mammatae to tubuli is that they contained a greater volume of hot air and therefore provided a greater heat transfer.13 It may also be argued that, as heat transfer depends on the thermal conductivity of the materials and their thickness, so the relatively thinner walls of the tubuli would transfer heat more efficiently than the thicker walls of the tegulae mammatae, given that brick has generally low thermal conductivity.14 This is a gross over-simplification of the situation, but the science is very complicated and no modern comparative study of the two has been made to my knowledge. A recent scientific study of the thermal conductivity of tubuli, however, has concluded that the “system of terracotta pipes [tubuli] is not only incredibly effective for its age, it matches modern counterparts”.15 The tubuli have the additional advantages of being lighter in weight and narrower across the horizontal axis, making them easier to install without the heavy fixing of the tegulae mammatae and more adaptable especially on curved surfaces. The thermal environment of the caldarium of the same building has also been studied from a theoretical standpoint,16 giving some interesting insights into how the baths worked as a system, including the influence of the lightly heated tepidarium on reducing the heating requirements of the caldarium, and the impact of doors and their closure between caldarium and tepidarium. Assessing the caldarium on its own gives a misleadingly low value for the heat at the height of the patrons occupying the space, while the addition of the tepidarium allowed the same temperature to be achieved with hypocaust gases at a reduced temperature, and the use of doors between the rooms also had a positive effect. The conclusions reached by OETELAAR and his colleagues are that the operators of Roman baths could control the temperature of the room by manipulating the temperature at the praefurnium. While there is no direct and incontrovertible ancient evidence that the Romans were consciously aware of these effects, under the empire dry tepidaria and/or sudatoria were usually inserted into the bathing circuit before the caldaria, and there is some evidence for closable doors between these rooms, as 11 12 13 14
See YEGÜL/CROUCH 2003. Plin. epist. 3,14 for example mentions people being burned by the walls and floors of baths. E.g. THATCHER 1956: 190 note 66; BIDWELL 1979: 33; KOÇYIĞIT 2006: 114. Thicknesses of both vary from site to site, but average wall thicknesses of 25 mm and gap of 35 mm for tegulae mammatae (Stabian Baths), and 15 mm with internal gap of 120 mm for tubuli are indicative. 15 OETELAAR/JOHNSTON 2012: 426. 16 OETELAAR ET AL. 2014.
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well as angled doorways which would also have reduced the heat exchange between the rooms. Together with the move to the very efficient system of wall tubes, this suggests that the Romans were empirically aware of and aimed for thermal efficiency in the design of the baths and their heating systems. 3.2 Glazing The second of Seneca’s technical innovations is window glass, although in his letter he does not associate it particularly with baths. A number of texts suggest that the Romans understood the thermal value of glazing. Both Columella and Pliny the Elder mention raised planting beds set on wheels for the cultivation of melons, which were protected from the cold and ripened more quickly with the protection of glazed frames, presumably like modern cold-frames, while Martial refers to growing grapes under glass.17 There is also ample evidence from Pompeii and Herculaneum that window glass was extensively used, particularly in higher status domestic architecture, by the time Seneca was writing. In the House of the Mosaic Atrium in Herculaneum,18 clerestory windows in the basilica-like tablinum seem to have been mainly for light, but the glazed verandas of the large peristyle garden must have been more for warmth and protection from the wind on this exposed garden overlooking the sea, just as Pliny the Younger’s Laurentine villa on the coast south of Ostia had a glazed portico and arcade as a refuge from bad weather in winter.19 In another letter Seneca notes that “nowadays people regard baths as only fit for moths if they have not been arranged so that they receive the sun all day long through the widest of windows, if men cannot bathe and get a tan at the same time, or look out from their bath-tubs over stretches of land and sea”.20 Such large windows were integral to the design of the Central Baths of Pompeii, which were still being built at the time of the eruption in AD 79, and around the middle of the first century AD in the Suburban Baths of Pompeii and Herculaneum. The earliest 17 Plin. nat. 19,23; Colum. 11,3,52; Martial. spect. 8,68. I am grateful to Evan Proudfoot for these references and for useful discussions on the importance of glazing in domestic situations. 18 MAIURI 1958: 290–292. 19 Plin. epist. 2,17,4f., 17. 4 Cuius in prima parte atrium frugi, nec tamen sordidum; deinde porticus in D litterae similitudinem circumactae, quibus parvola sed festiva area includitur. Egregium hac adversus tempestates receptaculum; nam specularibus ac multo magis imminentibus rectis muniuntur. 5 Est contra medias cavaedium hilare, mox triclinium satis pulchrum, quod in litus excurrit ac si quando Africo mare impulsum est, fractis iam et novissimis fluctibus leviter alluitur. Undique valvas aut fenestras non minores valvis habet atque ita a lateribus a fronte quasi tria maria prospectat; a tergo cavaedium porticum aream porticum rursus, mox atrium silvas et longinquos respicit montes. For a wider discussion of glazed peristyles see VIPARD 2001–2002. 20 Sen. epist. 86. at nunc blattaria vocant balnea, si qua non ita aptata sunt ut totius diei solem fenestris amplissimis recipiant, nisi et lavantur simul et colorantur, nisi ex solio agros ac maria prospiciunt.
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use of glazing in baths, however, takes the form of skylights, covering relatively small openings set into the vaults, like those found in the apodyterium of the Stabian Baths, the apodyterium and caldarium of the Forum Baths at Pompeii, and the caldarium of the Forum Baths at Herculaneum. Circular skylights had an enduring popularity, as demonstrated by the stack of domed glass bubble lights from a late second century shipwreck off the coast of Provence. 21 While they would have been useful in letting light into the various rooms without the disadvantage of opening them to the elements, such circular skylights would have had relatively little impact on the thermal economy. The real transformation came with the development of flat window panes. The earliest window panes were cast or formed on a sanded surface, making them translucent rather than transparent and therefore hard to reconcile with all of Seneca’s description. It is possible that in some baths thin transparent sheets of selenite, known as lapis specularis, were used instead of glass, as they were in some of the houses at Pompeii.22 By the early second century AD, however, colourless and properly transparent sheet glass could be produced from a blown cylinder, examples of which have been found in the baths at Butrint in western Albania.23 The largest panes of flat glass known from bath buildings are from the Suburban baths at Herculaneum and measure 70 × 40 cm.24 Many windows in baths are much larger than these, including those from the Central Baths in Pompeii, the largest of which measure 1.98 × 2.07 m.25 Most baths would therefore have used a variety of fixing systems, traces of which have occasionally been found even where the glass itself is not preserved. Many must have been of wood, as demonstrated by the windows from the Suburban Baths of Herculaneum where timber is exceptionally found in situ. Numerous fragments of wooden glazing bars have been found at the legionary camp at Vindonissa in Switzerland, although these cannot be associated with any particular building; nevertheless they give an idea of the materials used (silver fir, which Pliny the Elder says was used for joinery including doors) and the basic design, with the window divided into panels by uprights and cross-pieces.26 By the second half of the second century AD the sudatorium of the Baths of Faustina at Miletus, featured 6.2 m-wide, segmental arch-topped windows, whose openings were divided by mullions into a tripartite system with compound units. From settings visible in the stonework, it has been possible to show that the windows were fitted with glazing bars 0.09 × 0.09 m thick that divided each unit into four columns and about 13 rows of glass panes.27 21 FONTAINE/FOY 2007. 22 Plin. nat. 36,45 recognised its potential to keep out both heat and cold. Indeed, the low thermal conductivity of gypsum is a chief reason for its use in modern plasterboard (cf. RAHMANIAN 2011: esp. 37f.). 23 JENNINGS 2015: 156f. 24 See MAIURI 1958: 146–173, and for a summary PAPPALARDO 1999: 237f. 25 MAU 1877: 219f. 26 Plin. nat. 16,225; AMREIN 2015. 27 BAATZ 1991: 10 and fig. 4. Cf. the windows of the Baths of Vedius at Ephesos, STESKAL/LA TORRE/FORSTENPOINTNER 2008: 44–47, Taf. 206–207.
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These windows are a similar width to those in the cold rooms of the Baths of Caracalla in Rome, and, as I have argued previously, there are arguments to suggest that the columnar screens of the hot rooms were glazed, which would have had considerable thermal advantages especially in the winter months.28 As anyone who has large windows in their houses or offices knows well, large windows bring their own problems in terms of indoor temperatures. For the baths, particularly in the hot Mediterranean heartland of the Roman world, large windows in the hot rooms would have provided additional solar heating not only in the summer but through much of the year, benefitting the thermal economy. Winters on the other hand, especially in the northern provinces, brought the problem of excessive heat loss, rather than solar gain. External wooden shutters could help prevent heat loss from single glazed windows overnight and during the day when there was no thermal advantage from sun, and some evidence for these has survived. The Roman engineers, however, had another response: they in-vented double glazing.29 While no complete example remains intact, starting with the Suburban Baths in Herculaneum there is sufficient archaeological evidence to show that the principle was widely known, although, as is normal in the Roman world, different specific solutions developed locally, for example at Bosra in Jordan.30 In the experimental baths at Sardis, the engineers were able to calculate the potential advantage of using double glazing together with masonry insulation for the hotwater boiler: a reduction in fuel consumption by well over half, from 15 to 6 kg/hour.31 The Sardis baths, however, were small overall and the windows modest in size, occupying only part of the lunettes in the frigidarium and caldarium, so that the heat retention properties of the masonry mass would have continued to play a major role in the thermal economy as in the earlier baths which had only small openings. The very large windows which fill most of the façades of heated rooms in the imperial thermae in Rome and other very large baths of the mid-empire, pose rather different problems. The Forum Baths at Ostia (figs. 1 and 2), built around AD 160 and refurbished in the early 4th c. AD when they certainly had double glazing, fit into this category and have been the subject of several theoretical studies with widely differing results.
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Measurements from DELAINE 1997: 243–245, Rooms 1, 4–6, and 237f. for the hot rooms. See the important study by BROISE 1991. BROISE 1991: 69–75. YEGÜL/CROUCH 2003: 175.
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Fig. 1: Ostia, Forum Baths, plan, 4th century AD phase (author)
Fig. 2: Ostia, Forum Baths, 4th century AD phase, SW façade showing the large windows in the heated rooms (author)
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In 1956, THATCHER had argued that the large heated rooms could have functioned successfully just with the tubuli and no window glass at all.32 Forty years later RING rejected THATCHER’s conclusions,33 arguing that this would not have been possible while maintaining a comfortable and safe temperature for walls and floor, at least in winter where the inside temperature would quickly reduce to that of the outside except close to the walls. He then calculated hypothetically, for the rectangular room, that, once the room had been heated to an air temperature of c. 40° C, the ambient temperature could be maintained by solar energy alone if the window was glazed, even in winter if the sun was shining. The double glazing would help maintain this raised ambient temperature overnight by trapping the heat in, aided by the heat retentive properties of the concrete masonry and the wall tubes. RING may have overestimated the thermal gains from the sun, as he seems to have assumed that the windows were made of large panes of glass with properties comparable to modern glass, whereas a considerable area of each window would have been taken up with the framing. Nevertheless, his results did suggest that the fashion for large windows in hot rooms may have been as much to do with thermal efficiency as with light. This was confirmed by MILIARESIS’s recent study, which uses much improved computing techniques to calculate the thermal economy of the whole heated range of the Forum Baths.34 She concludes that single glazing had a positive effect on reducing fuel requirements, and that, especially on cloudy days, the impact of double glazing would have been significant. While MILIARESIS’s study was based entirely on hypothetical calculations, in the absence of sufficient evidence to know whether the windows of the Forum Baths were actually glazed and if so precisely how, evidence from other sites make it clear that the Romans were indeed aware of the advantages of large glazed windows and of double glazing. This can be seen in the Baths of Neptune at Ostia. In addition to the normal large windows in the first two hot sweating rooms which face south-west over the palaestra and probably a similar large window over the south-western pool of the caldarium, which presumably were glazed, the latter had a different arrangement over the north pool. Here, where there could be no thermal advantage from the sun, there is a double window with an airspace between, which has openings in its sides towards the two hot-water boilers, making this an independently heated space forming a thermal barrier to the outside.35 These kind of strategies must have been necessary above all in heating the great imperial thermae, like the Baths of Caracalla, where the southwest facing facades of the hot rooms appear now to be completely open to the elements through columnar openings, but arguably were once glazed.
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THATCHER 1956. For the baths themselves, see CICERCHIA/MARINUCCI 1992. RING 1996. MILIARESIS 2013, especially 264–271. BROISE 1991: 64–66.
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3.3 Fuel Looking at positive indications of thermal economy and hence fuel reductions achieved by using the new technologies of tubuli and glazed or double-glazed windows presents only one aspect of the much debated question of the supply of fuel to the baths, and the related question of deforestation which is crucial to understanding the sustainability of the bathing culture which was so ubiquitous in the Roman world.36 Rather we need to try to assess fuel consumption in relation to the operating conditions of whole-bath systems, including heating the water for the pools. Fuel consumption, however, is related to a wide range of parameters, which, as well as the specific constructional details of the structure, include the type of fuel (wood, charcoal, olive pressings, etc.), and for wood the species (oak, beech, ash, etc.), the type of material (heartwood, coppice, prunings), and the moisture content, as well as the operational temperature of the furnace, and local climate conditions. This can lead to results from both experimental readings and theoretical calculations which differ widely, with consequences for understanding fuel consumption on a wider basis.37 We can see this if we compare the results from the experimental baths at Sardis and the Forum Baths at Ostia according to MILIARESIS’s analyses. In the real conditions of the Sardis baths, which included an air temperature in the caldarium of 40–42°C, 15 kg of oak heartwood were consumed every hour to heat a room of c. 9 m² with tubuli and a small hot pool holding 1.7 m³ of water, with only single glazing and no direct solar gain, plus an indirectly-heated tepidarium without tubuli of c. 6 m².38 The baths were fired around the clock, requiring 360 kg of fuel per day, although the engineers who worked on these baths argued that this could have been reduced perhaps as low as 6 kg/hour or 144 kg/day if double glazing had been used and the boiler insulated with masonry. The raw experimental data, while indicative, is based on firing a new structure (in fact one that was barely finished) from cold, and with wood of a moisture content of around 25%; the fuel required to maintain the system once heated would have been less,39 and using dry fuel would have increased the efficiency of the system considerably. The experiment was conducted in early November, when the outdoor temperature was 16 degrees centigrade, roughly the average temperature for the region, but fuel con36 For recent overviews of the fuel requirements of the empire and the factors affecting supply see MALANIMA 2013: 15–19 and 27–31, and VEAL 2013. 37 Cf. DELAINE 1988: 22–24. 38 YEGÜL/CROUCH 2003: 171–176. This is comparable to the 13 kg per hour calculated by ROOK 1978 for the Welwyn Villa baths, but he assumed higher operating temperatures. 39 The experimental firing of the civil baths at Carnuntum showed clearly that the initial firing stages, for at least the first 15 days required twice to five times as much wood as was the case after 4–5 weeks (REITHOFER 2011; for the plan of the baths see LEHAR 2017, fig. 15). Since the fuel consumption is given separately for a slightly heated room and for the hypocaust of a caldarium, rather than for a whole system, and the rooms are considerably larger than at Sardis, it is difficult to make a direct comparison, but the figure for the caldarium in the initial heating period works out at c. 17 kg of wood per square metre of floor per day, compared with 16 kg/m²/day at Sardis.
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sumption would have varied considerably day by day and over the course of the year. How does this compare to the figures obtained in MILIARESIS’s theoretical study of the Forum Baths at Ostia? These very detailed calculations result in an overall consumption for the baths of 367 kg wood per day in spring and autumn, at the equivalent external temperature to that of the Sardis experiment, 153 kg of which would have been needed to heat the water for the hot pools, leaving 214 kg to heat the six remaining directly heated rooms and the four possibly indirectly heated rooms flanking the frigidarium pools. Surprisingly these figures suggest that little more than twice the amount of wood was needed to heat the Forum Baths and their pools than the Sardis baths, despite the fact that the heated parts of the Forum Baths have roughly 50 times the surface area of those of the Sardis Baths, and over 100 times the volume, as well as nearly 30 times the amount of water to be heated. This means that, even if we take the lower figure for the Sardis baths, then 7.9 kg of wood were needed per square metre of floor, while the theoretical figure for the Forum Baths is 0.27 kg/m²; in other words, the Sardis baths appear to have required nearly thirty times as much fuel per square metre as the much larger Forum Baths.40 This is completely counter-intuitive. A large part of the answer lies in the question of efficiency. YEGÜL and CROUCH calculated that the amount of wood required to maintain the required temperature in the baths was only 30 kg/day, so that the system as operated was only working at 8% efficiency, and all the energy-saving devices of doubleglazing, insulated boiler and dry fuel would only have improved this to about 21% efficiency, the rest being due mainly to combustion losses.41 MILIARESIS, however, does not appear to have included an efficiency factor in her calculations. If we assumed that the Forum Baths were operating at the same degree of 21% efficiency as the Sardis baths at their best, then they would have required about 1,750 kg of wood per day, of which about 730 would have been needed for heating the water and 1020 for heating the rooms. This would give a figure of 1.29 kg/m² for the Forum Baths, while the Sardis baths would only have required just over 6 times as much fuel per square metre. This is a crude form of comparison given the difference between the two structures, especially the more varied plan with different degrees of heat in the Forum Baths compared to the simple Sardis baths, the fact that the figure for the Sardis Baths includes the fuel needed to heat the structure from cold, and the problems with heat and water loss in the Sardis baths during the firing. One could even argue that the efficiency of the Forum Baths as operated at their peak would have been higher, but perhaps no more than 30%, which would require about 1,220 kg of wood per day overall, and produce an average figure of 0.91 kg/m².42 40 By comparison, the fuel consumption in caldarium for the settled state at Carnuntum works out at about 2.6 kg/m²/day in summer and 5.2 kg/m²/day in winter (REITHOFER 2011). 41 YEGÜL/CROUCH 2003: 173–175. 42 Cf. BLYTH 1999: 89 who suggests an efficiency of 15–30%. WILSON 2012: 149f. makes a hypothetical calculation for heating the water for a caldarium pool working at 25% efficiency, as 33.6 kg wood per cubic metre of water. For the 1.7 m³ of the Sardis baths this would
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It is tempting to compare these figures to what can be deduced from the ancient sources. BLYTH has deduced from inscriptional evidence for fuel supplies and costs in the imperial period that fuel consumption was on average 16 –17 kg per hour, or approximately 400 kg per day.43 The evidential base is small and the calculations involve a large number of assumptions, but an inscription from Misenum which specifies 400 cartloads of hardwood for the public baths over a year suggests that on average around a cartload of wood per day would have been needed.44 The difficulty lies in turning cartloads into kilograms of wood; BLYTH assumes a cartload of 400 kg, based on the Theodosian code, although the general applicability of this has been questioned and a cartload might have been as much as twice that or more.45 While 16–17 kg/hour is close to the experimental value for the Sardis baths, we have already seen that 6 kg/hour might have been closer to the real rate, and that this may also be inflated because it includes the fuel for heating the baths from cold, among other things. So for the Sardis baths a cartload of wood might have lasted nearly three days (for a 400 kg load) or five to six days if the cart was loaded to a capacity of around 1 tonne. For the Forum Baths, operating at 21% efficiency, just over four cartloads or a little over two cartloads would have sufficed at these rates; operating at 30% efficiency, three to one and a half would have been enough. Given that the Sardis baths are much smaller than general size of public baths in imperial Italy, and the Forum Baths are considerably larger than many, a cartload of hardwood per day seems a realistic figure for an average set of public baths in Italy under the mid empire.46 All of these figures, even including the experimental ones at Sardis, depend on a range of assumptions, and can only be considered as indicative of the range of possible values for fuel consumption. The fact that they are of the same order of magnitudes is however reassuring, and allows us to extrapolate, with all the necessary caveats. MILIARESIS calculates that for all the public baths at Ostia in the mid empire, 1,682 trees of 25 m height producing c. 15.6 m³ of hardwood would have been needed each year.47 Since that is at 100% efficiency, the real figure would have been closer to somewhere between, say, 5,500 to 8,000 trees of this size. Ostia was a very large city with an exceptional number of baths, so for an average sized city we might assume no more than perhaps a quarter of this.
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suggest a figure of 57 kg wood, compared with the estimated 66 kg needed at 8% efficiency or 25 kg at 21% efficiency. These figures can however only be used as a guide; the Sardis report does not give an independent figure for heating the water but treats it as part of a system, while WILSON’s higher figure takes the water as an independent item. In a forthcoming publication, an efficiency of 35% is assumed for the firing of the Carnuntum hypocausts. BLYTH 1999: 87f. cf. c. 370 kg/day for the Carnuntum baths in winter (R EITHOFER 2011). CIL X 3687 = ILS 5689, DUNCAN-JONES 1982: no. 1309. RUSSELL 2013: 98, note 18, who assumes 1–2 tonnes for a cartload. The caldarium of a set of probably public baths discovered at Misenum have an area of c. 101 m², not very different in size to that of the caldarium of the Forum Baths (110 m²) (CUDEMO 2016). There is no evidence however to connect the inscription with this particular set of baths. MILIARESIS 2013: 283f. and 296, using a figure for the volume of 13 kg of hardwood as 0.025 m³ (p. 278).
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While it is theoretically possible that other fuels than hardwoods were used, archaeobotanical remains from baths as far apart as Wiltshire in Britain and Faragola in southern Italy (both small villa baths) demonstrate a remarkably similar range of species, predominantly oak (quercus) with some local nut and fruit trees, poplus/salix from riverbank contexts, and fraxinus (ash) for kindling.48 Oak is very good at providing high temperatures and sustained heat, which is particularly useful for systems operating continually, like heating the baths. The inscription from baths at Misenum on the bay of Naples specifies hardwood as well.49 The study of the charred fragments from the baths in Wiltshire showed beyond doubt that wood, not charcoal, had been used, while the nature of the charred remains implied lower than expected operating temperatures of 330–410 degrees centigrade, which means less fuel was used than has often been assumed. The other question that we might address using these figures is that of the fuel requirements of the imperial thermae in Rome, the largest baths in the Roman world, which have sometimes been blamed for contributing to the deforestation of central Italy. The Baths of Caracalla had a total heated area of c. 3,630 m², while the volume of the seven hot pools in the caldarium was c. 315 m³ with another 100 m³ in the tepidarium.50 Using the figures for the Forum Baths, which has a similar number and proportion of different dry heated rooms as each half of the hot ranges in the Baths of Caracalla, at 21% efficiency this would require about 4,700 kg of wood for the rooms per day plus about the same for heating the caldarium pools; at 30% efficiency the figures would be about 3,300 kg/day for each. In other words, using the same rates as MILIARESIS does for the Forum Baths, we are looking at something in the order of 140,000–200,000 trees per year to heat the Baths of Caracalla. Another way of evaluating this is through figures for the yields of coppiced woodland.51 BLYTH cites early 20th century yields for coppiced ash (the fuel assumed by MILIARESIS) of up to 3.5 tonnes/hectare each year, although not all of it would have been hardwood;52 MALANIMA, however, assumes a yield of firewood from forest at only 1.25 tonnes/hectare.53 With between 2,400 and 3,400 tonnes of fuel needed on this estimate per year for the Baths of Caracalla, between roughly 700 and 1,000 hectares of coppice would have been needed each year, covering 7–10 km², or 1,900 to 2,700 hectares (19-27 km²) of forest. These are very crude figures indeed, and yield rates for woodland, coppiced or not, are very variable; nevertheless, it provides some basic figures from which to work. If woodland was coppiced every 7 years,54 then we are talking about a minimum of perhaps 50–70 km² of coppiced land.
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Wiltshire: MCPARTLAND ET AL. 2009; Faragola: CARACUTA/FIORENTINO 2011. See note 40. Data extracted from DELAINE 1997: 241–248. See HARRIS 2013: 189–192 on the evidence for woodland management in the Roman period, especially coppicing. 52 BLYTH 1999: 88, note 9. 53 MALANIMA 2013: 30. 54 For coppicing rates see VEAL 2013: 44.
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The Baths of Caracalla were not the only imperial thermae in Rome. The Baths of Trajan, the Baths of Nero as rebuilt by Alexander Severus, and the Baths of Diocletian were on the scale of the Baths of Caracalla, while those of Agrippa, Titus, Decius and Constantine were only half the size at most.55 Even at that estimate, by the early fourth century AD, the imperial thermae alone might have required 300–400 km² of coppiced land. Given that the ‘missing’ imperial thermae were built by Commodus and Septimius Severus, even if these were only of the smaller version, it is perhaps understandable that Alexander Severus (who rebuilt the Baths of Nero) is said to have allocated specific woodlands to supply the baths in Rome, or that by the mid fourth century, after the addition of the Baths of Diocletian and the Baths of Constantine, African shipowners were being given renewed concessions to encourage them to bring logs to the city for the baths.56 To these figures we can add something for the 865 smaller baths recorded for the city of Rome in the fourth century Regionary Catalogues. If these, like the baths at Misenum, needed on average a cartload of wood per day, and that cartload was even half a tonne, then each year they would need nearly 160,000 tonnes of firewood each year, requiring 45,000 hectares or 450 square kilometres of coppice, and on a seven-year cycle about 3,200 km². If we add to this the 300–400 km² needed for the imperial thermae, it gives an area of coppice of around one fifth the size of modern Lazio. These are of course very hypothetical figures and should not be used as the basis of further calculations, but they do give some indication of the problem of supplying the baths of the metropolis (even without including the many baths still operational at Ostia at the same time). Fourth century baths, as evident from the baths of Ostia, often had smaller heated pools and rooms, so these numbers might be exaggerated.57 Nevertheless, it does give some sense of the very real demands that the baths made on fuel resources in the imperial capital under the empire, exacerbated by the building of several new or enlarged imperial thermae between the later second and the early fourth century AD, and why the only solution might have been the substantial import of wood for fuel from beyond central Italy. With the help of imports, it appears that supplying fuel for the baths in Rome was sustainable until the breakdown of political and societal structures towards the end of the 4th century. It should be remembered, however, that the hypothetical figures used here assume that all the Roman knowledge of the thermal advantages of tubulation, glazed and double-glazed windows, thermal shutters and masonry-clad boilers had been applied, which may have been the key factors which made the continued use of the baths of Rome feasible. This does not in itself, however, speak of empire-scale deforestation, or even regional deforestation beyond the hinterlands of the half-dozen mega-cities of the empire, including Alexandria and Carthage as well as Rome. Away from these, finding fuel for the baths would not necessarily have been problematic. This was 55 For the imperial thermae and the lack of evidence of the remaining three, see DELAINE 2019. 56 SHA Alex. Sev. 24,5; Cod. Theod. 13,5,10. See MEIGGS 1982: 258f. 57 For the late baths see POCCARDI 2006, and DELAINE 2006.
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particularly true for most villa and other rural baths, such as those serving the forts on the northern limes; even in the mid-fifth century AD, Sidonius Apollinaris, writing from his villa in Gaul, could describe his baths as “clinging to the roots of a wooded cliff” so that the fuel would almost roll down to the mouth of the furnace, forming into heaps (Letters 2,2,4).58 For urban centres, even quite small ones, limiting factors are more likely to have been economic, with the cost of transporting fuel the largest; this may be why we find providing fuel as a benefaction, as at Misenum.59 Things must have been more difficult in areas of the empire where tree cover was limited or non-existent, such as Egypt, but there is also good evidence for the use of alternative fuels, include olive pressings, chaff and even (if rarely) coal.60 In the later empire with the decline in population, finding manpower for collecting fuel may also have been a problem, although the requirements would also have been reduced with a smaller population to serve and the smaller size of the heated sections, as mentioned above. The practice of public benefaction also declined in many urban centres, which also may have made access to fuel more difficult. Nevertheless, the archaeological evidence makes it very clear that efforts were made to maintain at least some degree of functionality in many baths even into the fifth century. 4. CONCLUSIONS During the first century AD, the introduction of tubulation and of window glass were responsible for substantial improvements to the thermal economy of Roman baths, allowing for larger and more varied heated rooms, leading to more pleasurable sensory experiences for the bathers, without apparently putting such a strain on (mainly hardwood) fuel resources for them to be unsustainable. Only in the exceptional circumstances of the city of Rome, and possibly for a handful of other mega-cities, did the needs of the baths appear to require specific considerations and strategies for the supply of fuel. In the late empire, the reduction in the size of many baths, or at least of the heated sections of many baths, may argue more for the breakdown in the economics and/or logistics of supply than of the lack of potential fuel wood. That baths continued to function at all suggests the strong sociocultural imperatives which underpinned their ‘sustainability’.
58 balineum ab Africo radicibus nemorosae rupis adhaerescit, et si caedua per iugum silva truncetur, in ora fornacis lapsu velut spontaneo deciduis struibus impingitur. 59 See note 40. 60 See NIELSEN 1992: 19–20 with further references.
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Acknowledgements: The author would like to thank Dominik Maschek and Eduard Pollhammer, archaeological director of the Archaeological Park Carnuntum, for providing unpublished data on the experimental firing of the hypocausts in the civil baths at Carnuntum. BIBLIOGRAPHY AMREIN, H. 2015. Two Wooden Glazing Bars Found in Vindonissa (Switzerland) from the Collection of the Swiss National Museum, in J. BAYLEY, I. FREESTONE and C. JACKSON (eds.), Glass of the Roman World. Oxford, 165–169. ARLETTI, R., VEZZALINI, G., BENATI, S., MAZZEO SARACINO, L. and GAMBERIN, A. 2010. Roman Window Glass: A Comparison of Findings from Three Different Italian Sites, Archaeometry 52/2, 252–271. BAATZ, D. 1991. Fensterglastypen, Glasfenster und Architektur, in Bauplanung und Bautheorie der Antike. Berlin, 4–13. BIDWELL, P. T. and BAILEY, D. M. 1979. The Legionary Bath-House and Basilica and Forum at Exeter. Exeter. BLYTH, P. H. 1999. The Consumption and Cost of Fuel in Hypocaust Baths, in J. DELAINE and D. JOHNSTON (eds.), Roman Baths and Bathing 1: Bathing and Society. Portsmounth (RI), 87– 98. BOUET, A. 1999. Les Matériaux de Construction en Terre cuite dans les Thermes de la Gaule Narbonnaise. Paris. BROISE, H. 1991. Vitrages et volets de fenêtres thermales à l’époque impériale, in Les thermes romains: Actes de la table ronde 1988. Rome, 61–78. CARACUTA, V. and FIORENTINO, G. 2011. Wood for Fuel in Roman Hypocaust Baths: New Data from the Late-Roman Villa of Faragola, Saguntum: Papeles del Laboratorio de Arqueología de Valencia, Extra 11, 167–168. CICERCHIA, P. and MARINUCCI, A. 1992. Scavi di Ostia 11. Le terme del Foro o di Gavio Massimo. Rome. CUDEMO, A. 2016. Miseno. Il complesso termale di via Dragonara, in G. CAMODECA and M. GIGLIO (eds.), Puteoli. Studi di Storia ed Archeologia dei Campi Flegrei. Naples, 135–177. DELAINE, J. 1988. Recent Research on Roman Baths, Journal of Roman Archaeology 1, 11–32. DELAINE, J. 1997. The Baths of Caracalla in Rome: a study in the design, construction and economics of large-scale building projects in imperial Rome (Journal of Roman Archaeology, Supplement 25). Portsmouth. DELAINE, J. 2002. The Temple of Hadrian at Cyzicus and Roman Attitudes to Exceptional Construction, Papers of the British School at Rome 70, 205–230. DELAINE, J. 2006. Baths and Bathing in Late Antique Ostia, in MATTUSCH, C. C., DONOHUE, A. A. and BRAUER, A. (eds.), Proceedings of the XVIth International Congress of Classical Archaeology, Boston 2003. Oxford, 338–343. DELAINE, J. 2018. The Imperial thermae, in C. HOLLERAN and A. CLARIDGE (eds.), A Companion to the City of Rome. Chichester, 325–342. DUNCAN-JONES, R. P. 1982. The Economy of the Roman Empire: Quantitative Studies. Cambridge. FAGAN, G. G. 2001. The Genesis of the Roman Public Bath: Recent Approaches and Future Directions, American Journal of Archaeology 105/3, 403–426.
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NACHHALTIGKEIT ODER SPARSAMKEIT? Verwendung und Wiederverwendung von Marmorbauteilen im kaiserzeitlichen Rom Clemens Voigts
Zusammenfassung: Ein schonender, nachhaltiger Umgang mit Ressourcen ist in der römischen Architektur wohl am wenigsten von kaiserlichen Bauprojekten in Rom zu erwarten. Anlagen wie die Paläste auf dem Palatin, die Kaiserforen oder die großen Thermen verbinden wir in unserer Vorstellung nicht nur mit enormen Dimensionen, sondern auch mit einem großen Aufwand an kostspieligen Materialien, insbesondere an verschiedenen Marmorsorten, die aus allen Teilen des römischen Imperiums importiert wurden. In der neueren archäologischen Forschung mehren sich allerdings die Hinweise, dass selbst bei prominentesten kaiserlichen Bauvorhaben eine gewisse Rücksicht auf die zur Verfügung stehenden Rohstoffe genommen wurde. Der vorliegende Artikel stellt entsprechende Baubefunde an mehreren Fallbeispielen aus der mittleren und späten Kaiserzeit vor: am Pantheon, an der Hadriansvilla in Tivoli und den Diokletiansthermen. Aufschlussreich sind Veränderungen, die sich an monolithischen Säulenschäften beobachten lassen. Diese wurden zum Teil eingekürzt, zum Teil durch Zusatzelemente verlängert; gebrochene Schäfte wurden aufwändig repariert. Auch wenn die Beweggründe im Einzelfall nicht bekannt sind, machen diese Maßnahmen jedenfalls deutlich, dass Rohstoffe auch für einen kaiserlichen Bauherren nicht unbegrenzt verfügbar waren. Für die späte Kaiserzeit lässt sich darüber hinaus eine systematische Wiederverwendung von Marmorbauteilen nachweisen. In verschiedenen Baubefunden werden die Grundzüge einer regelrechten Recycling-Wirtschaft greifbar, die nicht nur die Schaffung von Bauteilmagazinen umfasste, sondern auch angepasste Planungsprozesse, die für Neubauten zunehmend von dem bereits vorhandenen Material ausgingen. Dies ermöglichte eine erhebliche Einsparung von Rohstoffen, und eben darin dürfte die Hauptmotivation für die Veränderungen zu sehen sein – eher als in einer ethisch begründeten Schonung von Ressourcen im modernen Sinn. Abstract: In Roman architecture, a considerate and sustainable use of natural resources would be least expected of Imperial construction projects in Rome. In our imagination, Imperial buildings like the palaces on the Palatine, the Imperial fora, or the large bath complexes are characterised not only by enormous dimensions but also by the quantity of precious materials, above all by a great variety of coloured marbles imported from all over the Roman Empire. However, modern archaeological research procures evidence that even in the most prominent Imperial building projects the availability of marble was taken into account. This article presents three cases in point from the Middle and Late Imperial periods: the Pantheon, the villa of Hadrian in Tivoli, and the baths of Diocletian. Observations on monolithic column shafts provide relevant information. Some of the columns were shortened, others were extended by additional elements; broken shafts were repaired with an elaborate technique. While the individual motivations remain
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unknown, these measures clearly demonstrate that natural resources were limited – even for an Imperial patron. Furthermore, for the Late Imperial period a systematic reuse of marble elements can be shown and the outline of a veritable recycling industry can be traced. It comprised not only the installation of marble depots but also an adaptation of planning processes, which took the extant material as a starting point for the design of new constructions. This shift in building practices allowed for a considerable saving of natural and financial resources, and this was probably the main reason for it – rather than an ethically conceived sustainability in the modern sense.
Für römische Kaiser war Bauen – und besonders das Bauen in Rom – eine der wichtigsten Formen der Selbstdarstellung. Ihr Herrschaftsanspruch kam nicht nur in den Palästen auf dem Palatin zum Ausdruck, sondern auch in öffentlichen Bauten, die sie stifteten oder veranlassten: in den Kaiserforen, Tempeln, Arenen oder in großen Thermenanlagen.1 Gerade der materielle Aufwand, der für solche Bauprojekte getrieben wurde, demonstrierte eindrücklich die Machtfülle des Princeps, dem all diese Mittel zu Gebot standen. Im Hinblick auf den Umgang mit Ressourcen könnte man also annehmen, dass kaiserliches Bauen das Gegenteil von nachhaltig wäre. Es wurden keine Kosten gescheut und keine Ressourcen geschont, um möglichst prächtige Bauwerke zu realisieren. Aus allen Teilen des Imperiums wurden Marmor und andere kostbare Steinsorten nach Rom transportiert, wo sie dem Ruhm des kaiserlichen Bauherrn dienen sollten. Dies klingt beispielsweise in den Silvae des Statius an, in denen er den Palast des Domitian preist: „Dort glänzen das libysche und das ilische Gebirge um die Wette, das dunkle Syene und Chios und die Steine, die mit dem blaugrünen Meer wetteifern, und Luna ist nur gut genug, die Säulen zu tragen.“2 Dabei scheint es zu genügen, dass der Dichter die Herkunftsgebiete der verschiedenen Gesteinsarten nennt, um bei seinem Publikum eine Vorstellung von dem Glanz und der Farbigkeit der Steinoberflächen zu evozieren: sogenannter giallo antico, ein goldgelber Kalkstein aus Numidien (mons Libys), hellgrauer Granit aus der Troas (mons Iliacus), roter Granit aus dem ägyptischen Assuan (Syene) und der rot-grau marmorierte Portasanta-Kalkstein von der Insel Chios.3 Den einzigen aus Italien stammenden Stein, den weißen Marmor aus Carrara (Luna), hält Statius offenbar für wenig spektakulär und nur für untergeordnete Zwecke geeignet – um Säulen zu tragen. Dass die anderen Steinsorten als attraktiver bewertet wurden, lag aber wohl nicht nur an ihrer Farbigkeit; wegen ihrer Herkunft aus den unterschiedlichsten Provinzen des Reichs wirkten sie auch exotisch. Gleichzeitig wurden sie gewissermaßen als Verkörperung dieser unterworfenen Länder betrachtet, sodass sie durch ihre Verwendung am Bauwerk die Größe und die Macht des Imperium Romanum vor
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S. z. B. KOLB 1995: 369–399; VON HESBERG 2005: 219–220; ZANKER 2009. Stat. silv. 4,2,26–29: aemulus illic mons Libys Iliacusque nitet, simul atra Syene et Chios et glaucae certantia Doridi saxa, Lunaque portandis tantum suffecta columnis (zitiert und übersetzt nach CORDES 2017: 37). Vgl. COLEMAN 1988: 91f.
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Augen führten.4 Das Bauen mit farbigem Naturstein war ästhetisch reizvoll und zugleich sehr prestigeträchtig, kurz: der Inbegriff von Luxus. Hinsichtlich des materiellen Aufwands haben wir also hohe Erwartungen an kaiserliche Bauten in Rom. Dennoch mehren sich in der archäologischen Forschung Beobachtungen auch an hochrangigen Bauwerken, die solchen Erwartungen zuwiderlaufen. Im Folgenden sind einige dieser Beobachtungen zusammengestellt, mit dem Ziel, sie unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zu betrachten. Dieser heute so häufig bemühte Begriff lässt sich jedoch nur bedingt auf das antike römische Bauwesen anwenden.5 Während moderne Konzepte des nachhaltigen Bauens ein zentrales Kriterium in den ökologischen Auswirkungen von Gebäuden und Bauvorgängen sehen, die mit ökonomischen und gesellschaftlichen Belangen in ein angemessenes Verhältnis zu bringen sind, lässt sich der Gedanke einer ökologischen Verantwortung in der römischen Architektur nicht erkennen. Von Bedeutung sind hier hingegen andere Merkmale von Nachhaltigkeit, etwa die Dauerhaftigkeit von Gebäuden, die gerade bei kaiserlichen Bauprojekten als tendenziell unbegrenzt angenommen werden kann, oder ein schonender Umgang mit Rohstoffen6 – ein Aspekt, der im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen stehen soll. 1. DAS PANTHEON Unter den erhaltenen Bauwerken des antiken Rom ist das Pantheon sicherlich das großartigste. Mit der Fassade seiner Vorhalle und dem beeindruckenden Kuppelgewölbe des Innenraums hat es unsere Vorstellung von römischer Baukunst stark geprägt. Bei aller Bewunderung wurden aber bereits in der Renaissance- und Barockzeit auch verschiedene architektonische Unstimmigkeiten wahrgenommen, die unter anderem in der Höhenentwicklung zwischen der Vorhalle und dem Hauptbau, der Rotunde, bestehen.7 In einem bemerkenswerten Aufsatz setzten sich 1987 PAUL DAVIES, DAVID HEMSOLL und MARK WILSON JONES erneut mit diesen Unstimmigkeiten auseinander und gelangten nun zu einer radikalen Erklärung: Die Vorhalle sei ursprünglich anders, mit deutlich größeren Säulen konzipiert gewesen.8 Als die Säulenschäfte aus ägyptischem Granit nicht in der geplanten Größe geliefert werden konnten – die Autoren halten es für wahrscheinlich, dass die enormen Monolithe auf dem Seeweg verloren gingen – habe man umdisponiert und die Vorhalle 4 5 6
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SCHNEIDER 1986: 150–152; s. auch ZEINER 2005: 84f. Vgl. THOMMEN 2009: 15 und 121–123. Die Erfahrung, dass Ressourcen endlich sind, hat das römische Bauwesen beispielsweise mit dem sog. marmor luculleum oder Africano gemacht. Dieser farblich reizvolle, schwarz-rote Buntmarmor, der in relativ kleinen Steinbrüchen nahe der kleinasiatischen Stadt Teos abgebaut und ab dem 1. Jh. v. Chr. nach Rom importiert wurde, war äußerst begehrt, aber die Vorkommen waren um die Mitte des 2. Jh. n. Chr. erschöpft, s. FANT 1989; zuletzt ADAK/KADIOĞLU 2017: 11f. So befassten sich beispielsweise Michelangelo und Antonio da Sangallo d. J. mit diesen Phänomenen, s. BUDDENSIEG 1971; NESSELRATH 2008: 67–71. DAVIES/HEMSOLL/WILSON JONES 1987.
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mit kleineren Säulen vollendet, die kurzfristig verfügbar waren. Diese Hypothese erscheint sehr überzeugend, zumal sie für das postulierte ursprüngliche Projekt einen plausiblen Rekonstruktionsvorschlag machen kann. Demzufolge wären die erwähnten Unstimmigkeiten vollständig zu vermeiden gewesen, wenn die Säulenschäfte eine Höhe von 50 römischen Fuß anstelle der tatsächlich ausgeführten 40 Fuß besessen hätten. MARK WILSON JONES hat diese Hypothese von einem architektonischen Kompromiss seither in mehreren Publikationen vertreten und kürzlich noch um einige Argumente erweitert.9 Im Zusammenhang unserer Frage, wie in kaiserlichen Bauprojekten mit Ressourcen umgegangen wurde, ist das von ihm entwickelte Bild sehr einleuchtend: Nach dem angenommenen Ausfall der Säulenlieferung war es auch für einen kaiserlichen Bauherrn nicht möglich, innerhalb kurzer Zeit gleichwertigen Ersatz zu erhalten. Monolithe dieser Größenordnung wurden sicherlich nicht auf Vorrat produziert,10 und so hätte man eine erhebliche Verzögerung des gesamten Bauprojekts in Kauf nehmen müssen, wenn man auf der Herstellung und Lieferung neuer Säulenschäfte bestanden hätte. Fraglich erscheint allerdings, ob die Ersatzsäulen, deren Schäfte mit 40 Fuß (ca. 11,80 m) immer noch eine beträchtliche Länge haben, ohne weiteres verfügbar waren. Für eine solche Annahme spräche zwar der Umstand, dass im kaiserzeitlichen Bauwesen Roms Säulen nach zunehmend standardisierten Abmessungen und Proportionen hergestellt wurden, und dass 40-Fuß-Schäfte wesentlich häufiger eingesetzt wurden als 50-Fuß-Schäfte.11 Somit wäre denkbar, dass Säulen von anderen, nachrangigen Bauprojekten abgezogen wurden, oder dass übriggebliebene ‚Restposten‘ verwendet wurden. Dennoch dürfte es nicht einfach gewesen sein, sechzehn monolithische Säulenschäfte in passender Größe kurzfristig zu beschaffen. Betrachtet man die Pantheon-Vorhalle nun unter dieser Prämisse, so fällt auf, dass für die Säulen zwei unterschiedliche Steinsorten, roter und grauer ägyptischer Granit, verwendet wurden. Bislang wurde dies meist stillschweigend als architektonische Absicht akzeptiert und nicht weiter hinterfragt – zu groß ist wohl die normative Bedeutung des Pantheons in der Architekturgeschichte.12 Allerdings wurde eine Analyse des Materialbefunds auch durch zwei Umstände erschwert. Zum einen wurden bei Instandsetzungsmaßnahmen des 17. Jh.s die nordöstliche Ecksäule und die beiden anschließenden Säulen der Ostseite ersetzt.13 Die drei Säulen erhielten dabei Schäfte aus rotem Granit; wie allgemein angenommen wird, dürfte ihr Material aber ursprünglich dem der erhaltenen Westseite symmetrisch entsprochen haben. Zum anderen unterlief KJELD DE FINE LICHT in seiner grundlegenden Pan-
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WILSON JONES 2015 mit Hinweisen auf weitere Artikel. RUSSELL 2013: 201–239. WILSON JONES 1989; vgl. RUSSELL 2013: 221–223. Vgl. die Interpretation als „farbliche Steigerung“ bei MARTINI 2006: 22. Auch bei WILSON JONES 2000 sind die Säulen in der Rekonstruktionszeichnung des angenommenen ursprünglichen Entwurfs (Abb. 10.20) nur größer dargestellt, aber in denselben Materialien, wie sie tatsächlich ausgeführt wurden. 13 MARDER 2015: 299 und 322f.
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theon-Monographie von 1968 ein Irrtum bei der Beschreibung der Säulen, der sich auch in jüngerer Literatur noch vereinzelt wiederfindet. Demnach hätten die zwölf äußeren Säulen der Vorhalle, d. h. die acht Frontsäulen und jeweils die zwei an der östlichen und westlichen Schmalseite anschließenden Säulen, Schäfte aus grauem Granit; nur die vier inneren Säulen bestünden aus rotem Granit.14 Tatsächlich wurde der graue Granit jedoch nur für die Frontsäulen verwendet, die übrigen acht Säulen haben rote Schäfte. Die reale Verteilung gibt allerdings Anlass zu Zweifeln, ob der Materialwechsel wirklich im Sinne einer Farbgestaltung beabsichtigt war. Ungewöhnlich erscheint insbesondere, dass die Säulen der drei Fassadenseiten trotz des einheitlich umlaufenden Gebälks nicht aus einheitlichem Material bestehen. So ergibt sich auf den beiden Seitenfassaden jeweils zwischen der Ecksäule und der südlich anschließenden Säule ein unvermittelter Materialwechsel. Anders als bei den vier inneren Säulen, die mit ihren roten Schäften als gezielt eingesetzter Farbkontrast zu den äußeren Säulen zu verstehen wären, wirkt der Farbwechsel an den Seitenfassaden unmotiviert und lässt sich auch kaum im Sinne einer polychromen Säulenstellung interpretieren. Dass es sich hier vielmehr um eine Notlösung handelt – weil einfach nicht genügend Schäfte aus einheitlichem Material zur Verfügung standen –, dafür spricht ein weiterer, eigentlich altbekannter Befund, auf den VOLKER HOFFMANN vor kurzem erneut aufmerksam machte.15 An zwei der acht Frontsäulen weisen die Schäfte etwa einen halben Meter unter ihrem Oberlager eine eigentümliche, in einer Wellenlinie verlaufende Fuge auf (Abb. 1). Der technisch aufwändige wellenförmige Steinschnitt sollte die Fuge möglichst unsichtbar machen; offenbar wollte man so die Tatsache kaschieren, dass die Schäfte nicht vollständig monolithisch sind, sondern oben um ein kurzes Element angestückt wurden. In derselben Technik wurden auch an anderen Bauten trajanischer und hadrianischer Zeit einzelne Säulen ergänzt, etwa an der Basilica Ulpia und an den flankierenden Portiken des Venus-und-Roma-Tempels.16 Im Unterschied zu diesen Fällen stehen die zwei Pantheon-Säulen aber exponiert und bestens sichtbar in der Hauptfassade des Baus, sodass die beschriebenen Ergänzungen hier nur als Notlösung zu bewerten sind.17 Offenkundig sahen auch die Baumeister einen Makel darin, denn sie bemühten sich, die Maßnahme nicht nur durch den raffinierten Steinschnitt möglichst unauffällig zu halten, sondern auch durch eine besondere Positionierung der beiden Schäfte. Indem sie sie jeweils als zweite Säule neben den Ecksäulen anordneten, wählten sie diejenigen Standorte, an denen mit der geringsten Aufmerksamkeit eines Betrachters zu rechnen war: möglichst weit abseits vom zentralen Eingangsjoch, aber auch nicht an den Ecken der Vorhalle, die ihrerseits Blicke auf sich ziehen. 14 DE FINE LICHT 1968: 39f. 15 HOFFMANN 2007/2008; s. auch RONDELET 1830: Bd. 1, 341, Anm. 1 und Taf. 2, Nr. 10; ADAM 1984: 60. 16 HOFFMANN 2007/2008. 17 Anders HASELBERGER 2015: 57, der die Ergänzungen als eine übliche Vorgehensweise in der monumentalen Werksteinarchitektur der Kaiserzeit sehen möchte.
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Abb. 1: Pantheon, Front der Vorhalle, zweite Säule von Osten: angestückter Säulenschaft mit wellenförmiger Fuge; die drei Bohrungen im Schaft gehören ebenso wie die eisernen Bänder am Kapitell zu einer neuzeitlichen Sicherung (Foto: C. VOIGTS).
Die Frage, welchem Zweck die Ergänzungen dienten, hat kürzlich LOTHAR HASELBERGER behandelt.18 Die von ihm gegebene Erklärung erscheint sehr plausibel, jedenfalls soweit sie die westliche der beiden Säulen betrifft: Deren Schaft war offensichtlich zu kurz. Er besaß ursprünglich eine Länge von vielleicht 381/2 oder 39 Fuß und musste durch die Ergänzung auf die erforderliche Länge von 40 Fuß gebracht werden. Dieser Umstand schlägt sich zwar nicht so sehr in einem entsprechend kleinen unteren Säulendurchmesser nieder,19 er zeigt sich aber in einem merklichen Knick der Säulenkontur im Bereich der Fuge (Abb. 2). Denn offenbar war die Entasis bereits im ursprünglichen, noch nicht verlängerten Zustand des Schafts angelegt worden und bedingte somit schon unterhalb der späteren Ergänzung eine deutliche Verjüngung. Diese wurde dann mit dem hinzugefügten Stück nicht in gleichem Maß fortgesetzt, sodass sich der beschriebene Knick ergab. Anders hingegen ist die Situation im Fall der östlichen der beiden Säulen: Hier ist der
18 HASELBERGER 2015: 55f. 19 Nach HASELBERGER 2015: 45 beträgt der untere Säulendurchmesser 148,3 cm und ist damit nur der drittkleinste unter den Frontsäulen nach dem der dritten und vierten Säule von Osten (145,9 cm und 147,7 cm).
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untere Durchmesser etwas größer; er ist sogar der zweitgrößte nach dem der erhaltenen westlichen Ecksäule, die entsprechend den Regeln Vitruvs stärker als die übrigen Frontsäulen dimensioniert wurde.20 Vor allem aber zeichnet sich die zweite Säule durch einen besonders großen oberen Durchmesser aus, der fast den entsprechenden Wert der Ecksäule erreicht.21 Die Gesamt-Verjüngung des Schafts fällt damit geringer aus als bei allen anderen Frontsäulen. Dieser Umstand spricht eher dagegen, dass der Schaft ursprünglich ebenfalls zu kurz war. Im Gegenteil, er dürfte wahrscheinlich etwas zu lang gewesen sein – vielleicht 41 oder 42 Fuß – und musste folglich eingekürzt werden. Wegen der erforderlichen An- und Ablaufprofile an seinem unteren und oberen Ende konnte er aber nicht einfach auf die passende Länge zugeschnitten werden, sondern musste zunächst oben um mehrere Fuß eingekürzt und anschließend in der beschriebenen Technik auf 40 Fuß angestückt werden.
Abb. 2: Pantheon, Front der Vorhalle, siebte Säule von Osten: Knick in der Kontur des Säulenschafts im Bereich der wellenförmigen Fuge (Foto: C. VOIGTS).
20 Nach Vitr. 3,3,11 soll der Durchmesser einer Ecksäule um ein Fünfzigstel größer bemessen werden als der einer normalen Säule (FENSTERBUSCH 1987). 21 Vgl. die Auflistung der oberen und unteren Durchmesser aller Frontsäulen bei HASELBERGER 2015: 45.
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Die aufwändigen Ergänzungen der zwei Frontsäulen führen deutlich vor Augen, dass beim Bau der Vorhalle nicht einmal für die Hauptfassade acht einheitliche monolithische Säulenschäfte verfügbar waren. Es kann aber kein Zweifel bestehen, dass eigentlich monolithische Schäfte intendiert waren; anderenfalls hätte man die Säulen ja mit viel geringerem Aufwand auch einfach aus Trommeln zusammensetzen können. Wir müssen die Ergänzungen also als Notbehelf oder bestenfalls als Kompromisslösung begreifen. In diesem Zusammenhang erscheint es außerdem bemerkenswert, dass die Baumeister sich nicht für eine andere Alternative entschieden: Offensichtlich kam es für sie nicht in Betracht, die Fassade mit den vorhandenen acht monolithischen Schäften aus rotem Granit zu errichten, obwohl sie die angestückten Schäfte aus grauem Granit dann im verschatteten Inneren der Vorhalle hätten ‚verstecken‘ können. Demgegenüber hatte es Priorität, für die Hauptfassade den grauen Stein vom Mons Claudianus zu verwenden – vermutlich, weil die Säulenhallen, die den Vorplatz des Pantheons rahmten, wohl ebenfalls Schäfte aus diesem Stein besaßen.22 Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die Materialwahl einfach nur auf eine höhere Wertschätzung des grauen vor dem roten Granit schließen lässt oder ob ersterem vielleicht auch eine bestimmte Bedeutung beigemessen wurde. Soweit dies auf dem gegenwärtigen Wissensstand zu beurteilen ist, wurde der graue ägyptische Granit in großem Maßstab erstmals in der Basilica Ulpia und den Bauten des Trajansforums eingesetzt – aus diesem Grund erhielt er in der Neuzeit die Bezeichnung granito del foro.23 Auch unter Trajans Adoptivsohn und Nachfolger Hadrian fand der Stein an prominenten Bauwerken Verwendung, neben dem Pantheon wohl auch am Tempel des vergöttlichten Trajan24 sowie an den seitlichen Hallen des Venus-und-Roma-Tempels. Dabei musste gerade am Pantheon und am Trajanstempel auffallen, dass hier monumentale Fassaden erstmals mit unkannelierten, aber polierten Granitschäften gestaltet waren. Glanz und Farbigkeit der Säulen wurden nun offenbar höher bewertet als das bisher so geschätzte Spiel von Licht und Schatten auf den kannelierten Oberflächen weißer Marmorsäulen. In der Vorstellung eines Zeitgenossen dürfte der graue ägyptische Granit eng mit den genannten Bauprojekten Trajans und Hadrians verbunden gewesen sein. Es erscheint deshalb gut denkbar, dass mit der Verwendung dieses Steins eine Konnotation des Baus als ein Monument des Ulpischen Kaiserhauses einherging und dass nicht zuletzt darin das Motiv für die Materialwahl der Pantheonsäulen lag. Das Pantheon war – auch wenn die Bauinschrift es als ein Werk des Agrippa ausgab – durch seine Granitsäulen eindeutig als ein neues, modernes Bauwerk gekennzeichnet, das auf der Höhe seiner Zeit stand. Die Entscheidung, monolithische Säulen zu verwenden, bedeutete in wirtschaftlicher Hinsicht einen enormen Aufwand an Material und Arbeitskräften, an technischen und finanziellen Mitteln. Ökonomischen Erwägungen übergeordnet war aber das Ziel, einen möglichst ein-
22 DE FINE LICHT 1968: 26–30; MARTINI 2006: 29f. 23 GNOLI 1971: 122–124. 24 CLARIDGE 2007.
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drucksvollen Bau zu schaffen und damit den Anspruch des kaiserlichen Bauherrn angemessen zum Ausdruck zu bringen. Wie wir gesehen haben, mussten gerade wegen der monolithischen Säulen erhebliche Kompromisse beim Bau der Vorhalle eingegangen werden. Mit der Entscheidung für Monolithe gingen ökonomische und logistische Zwänge einher, die das äußere Erscheinungsbild des Pantheons letztlich stark bestimmen sollten. Umso bemerkenswerter ist, welche architektonischen Qualitäten das Bauwerk trotz dieser Kompromisse besitzt und wie sehr es heute noch fasziniert. 2. DIE HADRIANSVILLA BEI TIVOLI Weitere Belege, die ein neues Licht auf kaiserliche Bauprojekte und ihren Umgang mit Ressourcen werfen, finden sich in der Villa Hadriana bei Tivoli. Dort sind an Bruchstücken von Säulenschäften gelegentlich Bohrungen zu beobachten, die schon auf den ersten Blick durch ihre Größe und Tiefe auffallen (Abb. 3).25 Mit Durchmessern von sechs bis acht Zentimetern wurden meist zwei, manchmal auch drei Löcher etwa 50 bis 80 Zentimeter tief in ein Säulenfragment gebohrt. Technisch ermöglicht wurde dies durch den Einsatz eines Hohlbohrers, d. h. einer zylindrischen Säge, die häufig eine kreisförmige Rille als charakteristische Spur auf dem Grund des Bohrlochs hinterlassen hat. Der Zweck der Löcher wird aus dem Schadensbild der Säulen ersichtlich: Die Bohrungen dienten zur Reparatur von monolithischen Säulenschäften, die in zwei Teile zerbrochen waren. Offensichtlich sollten die Fragmente ohne Flickstücke – so, wie sie gebrochen waren – wieder zusammengesetzt werden. Um die Bruchstücke dauerhaft aneinander zu befestigen und gegen seitliches Abscheren zu sichern, wurden lange Metalldübel in die Löcher eingelassen. Die große Lochtiefe ermöglichte es, die Dübel in Bereichen des Schafts zu verankern, die nicht durch den Bruch geschädigt waren. Die Befunde in der Hadriansvilla sind zwar etwas lückenhaft, da bislang kein zusammengehöriges Paar von Säulenbruchstücken ausgemacht werden konnte, sondern jeweils nur einzelne Fragmente. Zudem lassen sich in den Bohrlöchern keine Spuren der Metalldübel oder ihrer Befestigung durch Bleiverguss mehr feststellen. Die Auffassung, dass die Bohrlöcher von Reparaturen herrühren, wird aber durch einen sehr ähnlichen Befund im römischen Theater von Privernum bestätigt. Dort haben sich in einigen Säulenschäften der scaenae frons nicht nur vergleichbare Bohrlöcher, sondern auch lange eiserne Dübel erhalten, mit denen die Schäfte bewehrt waren.26 Der einzige wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Bohrungen dort von den Lagerflächen der Säulen ausgehen; die Dübel wurden demnach wahrscheinlich präventiv eingesetzt, um den Bruch eines fragil erscheinenden Säulenschafts zu verhindern. Im Gegensatz dazu wurden in der Hadriansvilla die Bohrungen von den Bruchflächen der Säulenfragmente aus vorgenommen; der Schaden
25 VOIGTS 2017: 334f. 26 AMICI 2015: 66f.
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muss hier bereits eingetreten gewesen sein. Es könnte sich deshalb um Reparaturen handeln, die wegen einer Beschädigung der Säulen nach Abschluss der Bauarbeiten erforderlich wurden, etwa aufgrund eines Erdbebens oder eines Brands. Allerdings sind die Reparaturen nur vereinzelt zu beobachten und es liegen auch keine Hinweise auf ein größeres Schadensereignis vor, das sich während der Nutzungszeit der Villa zugetragen hätte. Daher ist es wahrscheinlicher, dass die Säulenschäfte bereits beim Transport oder bei Arbeiten auf der Baustelle gebrochen waren und dann unmittelbar beim Versatz wieder zusammengesetzt wurden. In technischer Hinsicht dürften die Reparaturen einen erheblichen Aufwand dargestellt haben, nicht nur wegen der speziellen Bohrtechnik, sondern auch weil die langen Eisendübel individuell in die beiden Hälften der Dübellöcher eingepasst werden mussten, deren Richtungen vermutlich selten exakt übereinstimmten. Daher liegt die Annahme nahe, dass die Reparaturmethode vor allem dann angewandt wurde, wenn die gebrochenen Säulenschäfte schwer zu ersetzen waren – beispielsweise weil sie aus einer besonders teuren Steinsorte bestanden oder weil sie zu einem Set von Säulen mit einer seltenen Farbvarietät gehörten.
Abb. 3: Villa Hadriana, sog. Oecus beim Tempe-Pavillon: gebrochener Säulenschaft mit Bohrungen von einer antiken Reparatur (Foto: C. VOIGTS).
Aufschlussreich für unsere Frage, wie bei kaiserlichen Bauprojekten mit Ressourcen umgegangen wurde, ist nun der Umstand, dass sich die reparierten Säulen in der Hadriansvilla – entgegen der soeben geäußerten Annahme – kaum durch einen besonderen Wert auszeichneten. Sie hatten nur mittlere Größe und bestanden auch nicht aus ungewöhnlich seltenen oder kostspieligen Steinsorten. Das hier abgebildete Säulenfragment (Abb. 3) aus dem sog. Oecus beim Tempe-Pavillon ist aus einem hellen, heute dunkel patinierten Marmor gearbeitet, vermutlich aus lunensischem Marmor. Ein anderes Schaftfragment im sog. Teatro Marittimo besteht
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wahrscheinlich aus Cipollino, einem in der Kaiserzeit ebenfalls sehr gebräuchlichen, grün gebänderten Kalkstein. Das Stück wurde der Ringportikus des Teatro Marittimo zugeordnet, in deren Rekonstruktion es heute verbaut ist. Nach MATHIAS UEBLACKER waren alle Säulenschäfte der Portikus aus Cipollino gefertigt;27 allerdings kann das Gestein in diesem Fall wegen der starken Verwitterung des Fragments nicht sicher beurteilt werden. Relevant für den Wert des Stücks ist außerdem die Tatsache, dass es ebenso wie die übrigen Säulen der Ringportikus nicht kanneliert wurde.28 Obwohl also noch nicht besonders viel Zeit und Mühe in die Ausarbeitung des gebrochenen Schafts investiert worden waren, und obwohl er überdies aus keinem besonders kostspieligen Material bestand, entschied man sich für eine Reparatur – und nicht für einen Ersatz durch einen neuen Schaft. Freilich wäre denkbar, dass diese Entscheidung durch besondere Umstände bedingt war, etwa weil ein Besuch des Kaisers bevorstand und die Bauten der Villa schnellstmöglich fertiggestellt werden mussten. Aber selbst in diesem Fall bliebe festzuhalten, dass die reparierten Schäfte auch später nicht mehr ersetzt wurden. Insgesamt machen die beschriebenen Befunde deutlich, dass auch in einem so aufwändigen und auf Prachtentfaltung ausgerichteten Bauprojekt wie der Villa Hadriana durchaus maßvoll mit Rohstoffen umgegangen wurde. Auf ökonomische und logistische Belange wurde Rücksicht genommen; Verschwendung wurde vermieden. Möglicherweise kann die beschriebene Reparaturmethode sogar speziell kaiserlichen Bauprojekten zugeordnet werden – soweit die wenigen bislang beobachteten Fälle überhaupt eine Schlussfolgerung erlauben. So dürfte ein gebrochener Cipollino-Schaft am Nordosthang des Palatin von der oberhalb gelegenen Domus Tiberiana stammen. Auch in den Caracallathermen finden sich mehrere Granitschäfte mit entsprechenden Bohrungen. Außerhalb von Rom und Latium wurden vergleichbare Befunde bisher nur in Italica am Theater und – bezeichnenderweise – am Traianeum festgestellt.29 Die bisher angeführten Beispiele, das Pantheon und die Hadriansvilla, sollten verdeutlichen, wie in kaiserlichen Bauprojekten mit der Ressource Marmor und anderen hochwertigen Natursteinen umgegangen wurde. Enorme Mengen von Marmor, Buntmarmor und Granit wurden verbraucht. Abbau, Transport und Bearbeitung des Steins bedeuteten einen immensen Aufwand.30 Dieser sollte trotzdem – das kann kaum überraschen – nach Möglichkeit minimiert werden. Unerwartet ist vielleicht die Tatsache, dass manche der beschriebenen Praktiken gut sichtbare
27 UEBLACKER 1985: 30 und 38. 28 An einer der anderen Säulen wurden Ritzlinien beobachtet, die darauf hindeuten, dass ursprünglich Kanneluren vorgesehen waren, dann aber nicht ausgeführt wurden, s. UEBLACKER 1985: 39, Taf. 39, Nr. 3 und Beil. 10, Nr. 2. 29 RODRÍGUEZ GUTIÉRREZ 2015. 30 Die Kosten für die verschiedenen Arbeitsschritte standen dabei in einem direkten Verhältnis zu dem erforderlichen Aufwand an Arbeitszeit und Gerät. Als Faustregel lässt sich ansetzen, dass die Steinbruch-Kosten von Marmor ungefähr den Transportkosten für 20 km auf ebener Straße oder für 500 km auf dem Seeweg entsprachen, s. die umfassende Übersicht zu diesem Thema bei RUSSELL 2013: 95–140.
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Spuren am Bauwerk hinterließen. Die Adaptionen oder Reparaturen von Säulenschäften dürften als Spar-Maßnahmen erkennbar gewesen sein. Trotz dieser ästhetisch unbefriedigenden Auswirkungen war das Einsparpotential der Maßnahmen relativ gering. Es kann auf dem gegenwärtigen Stand der Forschung noch nicht genauer quantifiziert werden. Aber die Tatsache, dass entsprechende Baubefunde nur vergleichsweise selten zu beobachten sind, zeigt, dass die auf diese Weise eingesparten Bauteile jedenfalls deutlich weniger als 10 % des Gesamtverbrauchs an Werkstein ausmachten. Die Kosten, die sich vor allem aus den Aufwendungen für das Brechen des Steins, den Transport und die Ausarbeitung der Bauteile zusammensetzten, können somit nur um wenige Prozent gesenkt worden sein. Eine wesentlich effektivere Methode, um den Verbrauch von Rohstoffen zu reduzieren und die Baukosten zu senken, stellt dagegen die Wiederverwendung von Baumaterial dar. In öffentlichen Bauten der frühen und mittleren Kaiserzeit wurden steinerne Architekturglieder allerdings nur vereinzelt und jedenfalls nicht systematisch wiederverwendet.31 Dass planmäßig und in großem Umfang auf älteres Baumaterial zurückgegriffen wurde, ist vor allem für konstantinische Zeit bekannt und wurde häufig mit dem tiefgreifenden kulturellen Umbruch dieser Epoche in Verbindung gebracht.32 Aber auch schon vorher wurde Wiederverwendung als eine Strategie des Bauens konsequent eingesetzt, wie beispielsweise an den Diokletiansthermen kürzlich gezeigt werden konnte.33 3. DIE THERMEN DES DIOKLETIAN Eine Untersuchung zum ehemaligen Frigidarium der Diokletiansthermen konnte vor kurzem nachweisen, dass sich dort auch nach dem Einbau der Kirche Santa Maria degli Angeli im 16. Jh. ein großer Teil der antiken Architekturausstattung erhalten hat.34 Dabei handelt es sich um eine Säulenordnung von beträchtlichen Dimensionen, deren acht Säulen samt dem zugehörigen Gebälk in den Ecken und an der Vierung des ehemaligen Thermensaals beziehungsweise des Kirchenquerschiffs angeordnet sind (Abb. 4). Beim Einbau der Kirche nach Plänen Michelangelos wurden die ursprünglich korinthischen Säulen zwar teilweise verändert, indem zunächst zwei, später noch zwei weitere mit Kompositkapitellen versehen wurden. Darüber hinaus führte in der Mitte des 18. Jh.s eine Umgestaltung unter Luigi Vanvitelli mit umfangreichen Stuck-Ergänzungen dazu, dass der antike Bestand in der spätbarocken Raumfassung kaum noch kenntlich blieb. Dennoch sind die Säulen samt ihrem Gebälk bis heute in ihrer Kernsubstanz antik.
31 Ab severischer Zeit wurden bei Reparaturarbeiten gelegentlich ältere Bauteile wiederverwendet, so z. B. am Propylon der Porticus Octaviae, s. PENSABENE/PANELLA 1996: 115. 32 S. z. B. BRENK 1987; FABRICIUS HANSEN 2003. 33 VOIGTS 2014. 34 Zu dieser Untersuchung, deren Ergebnisse im Folgenden zusammengefasst werden, s. VOIGTS 2014.
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Abb. 4: Diokletiansthermen, Kirche Santa Maria degli Angeli: Die Säulen im Hauptsaal des ehemaligen Frigidariums gehören zum antiken Bau, die Säulen im Chor der Kirche (links im Mittelgrund) wurden im 18. Jh. hinzugefügt (Foto: C. VOIGTS).
Für unsere Fragestellung ist dabei von besonderem Interesse, dass die Säulenordnung weitgehend aus wiederverwendeten Bauteilen besteht. Diese stammen aber nicht von einem einzelnen Bauwerk, das etwa für die Errichtung der Thermen abgebrochen worden wäre. Vielmehr gehören sie ganz unterschiedlichen Zeitstellungen an, wie eine genaue Analyse ihrer Detailformen erweist. So zeigen die Kapitelle, von denen zumindest die vier Exemplare in den Ecken des Saals noch vorhanden sind, erstaunlich enge Parallelen zu den Kapitellen der Pantheon-Vorhalle. Sie können demnach in trajanisch-hadrianische Zeit datiert werden. Noch etwas älter sind die Architrave, deren Dekor die nächsten Vergleichsmöglichkeiten im Gebälk des Vespasianstempels von etwa 80 n. Chr. findet. Dass es sich bei den Architraven des Thermensaals um wiederverwendete Bauteile handelt, wird auch in einigen umgearbeiteten Partien deutlich sichtbar. Bei diesen Umarbeitungen, die für die neue Verwendung im Frigidarium erforderlich waren, orientierten sich die Steinmetze zwar am originalen Dekor flavischer Zeit, gelangten aber zu sehr unterschiedlichen, wesentlich gröberen Formen (Abb. 5a, b). Auch die Gesimsstücke weisen eindeutige Spuren einer Umarbeitung auf, vor allem an Eckpartien, wo Ornamente wie Eierstäbe oder Zahnschnittfriese manchmal unvermittelt abbrechen (Abb. 6). Offensichtlich war von den hier aneinanderstoßenden Gesimsseiten zunächst nur eine ausgearbeitet, die andere wurde erst für die Zweitverwendung in den Thermen angelegt. Die Entstehung der Gesimse ist wohl in severische Zeit zu datieren; dafür sprechen der strukturelle Aufbau als sog. Doppelgeison und der üppige Dekor, der die Stücke flächendeckend in einer Art horror vacui überzieht.
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Abb. 5a, b: Diokletiansthermen, Kirche Santa Maria degli Angeli, wiederverwendeter Architrav über der westlichen Ecksäule: a) ursprüngliche Außenseite mit flavischem Dekor, b) in diokletianischer Zeit umgearbeitete Seite; der Pfeil markiert die ehemalige Innenseite des Architravs (Fotos: C. VOIGTS).
Abb. 6: Diokletiansthermen, Kirche Santa Maria degli Angeli: wiederverwendetes Gesims über der westlichen Vierungssäule; die Pfeile markieren umgearbeitete Eierstäbe (Foto: C. VOIGTS).
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In ihrer heutigen Position ist weder an den Gesimsen noch an den Architraven oder Kapitellen zu erkennen, ob sie vor ihrem Einbau in den Thermen tatsächlich in einem anderen Gebäude versetzt waren oder ob sie für ein Bauwerk hergestellt wurden, das aus unbekannten Gründen unvollendet blieb. Die unterschiedliche Zeitstellung der Architekturglieder belegt aber jedenfalls, dass sie von verschiedenen Bauprojekten stammen. In ähnlicher Weise deutet auch bei den Säulenschäften manches darauf hin, dass sie nicht ursprünglich für die Diokletiansthermen angefertigt wurden. Sie bestehen zwar einheitlich aus rotem ägyptischen Granit, haben aber sehr unterschiedliche untere Durchmesser, die zwischen Werten von 136,7 cm und 159,6 cm schwanken. Ob auch die Längen der Schäfte entsprechend stark variieren, ist gegenwärtig nicht festzustellen, da ihre unteren Enden ebenso wie die Säulenbasen im 16. Jh. verändert wurden. Wie eine Untersuchung an der nördlichen Ecksäule zeigte, waren die Basen und das Anlaufprofil der Schäfte grob abgearbeitet und mit neuen Basis-Profilen aus Marmor verkleidet worden.35 Oberhalb dieser Verkleidung wurde der Anlauf in bemalter Stuckmasse ergänzt; das tatsächliche Unterlager der Schäfte liegt aber darunter verborgen. Auch wenn die Schaftlängen deshalb nicht im Einzelnen festzustellen sind, sprechen die stark variierenden Durchmesser und Proportionen der Schäfte jedenfalls dafür, dass sie für verschiedene Bauvorhaben vorgesehen waren oder zumindest aus unterschiedlichen Quellen für den Thermenbau beschafft wurden. Die Art, wie in den Diokletiansthermen Architekturteile völlig unterschiedlicher Herkunft nebeneinander verwendet und bei Bedarf auch umgearbeitet wurden, erscheint zunächst sehr pragmatisch. Offensichtlich waren mit der Wiederverwendung weder eine darüber hinausgehende, programmatische Aussage noch eine Erinnerung an den ursprünglichen Verwendungsort der Stücke verbunden; diese wären somit auch nicht als Spolien im engeren Sinn des Wortes zu bezeichnen. 36 Die Bauteile wurden einfach wiederverwendet, weil auf diese Weise mit geringem Aufwand ein Maximum an architektonischer Wirkung erzielt werden konnte. Allerdings stellt sich angesichts ihrer uneinheitlichen Provenienz die Frage nach den genaueren Umständen und Voraussetzungen ihrer Wiederverwendung. Wie ist es zu erklären, dass beim Bau der Thermen nicht nur acht qualitätvolle Kapitelle aus dem frühen 2. Jh. zur Verfügung standen, sondern auch Architrave eines flavischen Baus in geeigneter Größe sowie ein passendes Set severischer Gesimse? Die Kombination solch heterogenen Materials wurde sicherlich erleichtert durch die bereits erwähnten standardisierten Abmessungen, die im kaiserzeitlichen Rom gerade für größere Säulenordnungen üblich waren. So entsprechen die Kapitelle mit Höhen von etwa 1,65–1,69 m den Maßen, die für die relativ häufig verwendeten Schäfte von 40 Fuß Länge angemessen waren.37 Auch die Architravhöhe von ungefähr 1,08 m und die Gesimshöhe von 1,17 m passen proportional zu dieser
35 LISSI CARONNA 1988. 36 Zum Begriff der Spolie und seiner Problematik s. KINNEY 1997: 118–122. 37 WILSON JONES 1989: 40–44.
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Kapitellhöhe beziehungsweise Schaftlänge.38 Offenbar stammen die wiederverwendeten Bauteile von Architekturen gleicher Größenordnung. Doch warum wurden beispielsweise von dem postulierten flavischen Bau nur die Architrave übernommen, nicht aber Kapitelle oder Gesimse? Und warum verwendete man andererseits von dem severischen Bau ausschließlich Gesimse? Eine solche Kombination nicht zusammengehöriger Bauelemente setzt jedenfalls voraus, dass für die Ausstattung der Thermen eine größere Menge älterer Werkstücke zur Auswahl stand, vermutlich in einer Art von Bauteil-Magazin. Die Architekten hatten hier offenbar freien Zugriff und konnten nach Gutdünken geeignetes Material zusammenstellen. Falls in der gewünschten Größe verschiedene Serien von Baugliedern vorhanden waren, konnte die weitere Auswahl nach ästhetischen Kriterien erfolgen. Für das Frigidarium scheint man besonders dekorative Stücke bevorzugt zu haben: neben den opulent verzierten Gesimsen auch die Architrave mit ihrem reichen Schmuck an Faszien und Soffitten, selbst wenn die Soffittenreliefs in der neuen Anordnung im Thermensaal überhaupt nicht zur Geltung kommen konnten. Der Vorgang des Auswählens der Bauteile muss im Rahmen des architektonischen Entwurfs eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben. Es ging dabei nicht um das bloße Dekorieren eines bereits festumrissenen Rohbaus. Im Gegenteil: Die Dimensionierung des Bauwerks dürfte sich nicht zuletzt nach dem verfügbaren Material gerichtet haben. So konnte insbesondere die Höhenentwicklung des Frigidariums wohl erst genau festgelegt werden, nachdem Art und Abmessungen der wiederverwendbaren Bauteile geklärt waren. Die Sichtung des Magazins und die Auswahl der Architekturteile müssen früh im Planungsprozess stattgefunden haben; sie bildeten wichtige vorbereitende Schritte des Entwerfens. 4. STEINMAGAZINE UND DIE WIEDERVERWENDUNG VON ARCHITEKTURGLIEDERN Die hier skizzierte Vorstellung von einem Magazin, in dem Architekturteile von abgebrochenen oder nie fertiggestellten Bauten für eine zukünftige Wiederverwendung aufbewahrt wurden, ist nicht völlig neu. So schlug HUGO BRANDENBURG ein entsprechendes Modell für die Spätantike des 4. und 5. Jh.s vor.39 Dabei ging er davon aus, dass sich solche Magazine entwickelten, indem bestehende Umschlagplätze des Steinhandels, wie etwa die sog. Marmorata am Fuß des Aventin, zunehmend auch zur Einlagerung älterer Bauteile genutzt wurden. Diese Annahme erscheint durchaus plausibel, auch wenn sie sich bislang kaum auf einen direkten
38 Zu den Maßen des Gebälks in den Diokletiansthermen s. PAULIN 1890: Taf. 7; zu den Gebälkmaßen von Bauten mit vergleichbarer Säulenhöhe s. WILSON JONES 1989: 67f. 39 BRANDENBURG 2007/2008. Die Vorstellung von einem Lager für wiederverwendbare Bauteile wurde auch schon früher, allerdings eher beiläufig formuliert, s. z. B. KINNEY 1997: 124; PENSABENE 1999: 28–31.
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Nachweis stützen kann.40 Die neuen Befunde in den Diokletiansthermen machen es nun sehr wahrscheinlich, dass schon im ausgehenden 3. Jh. umfangreiche Magazine mit wiederverwendbaren Architekturteilen existierten, auf die vor allem kaiserliche Bauprojekte zurückgreifen konnten. Vermutlich waren sie bereits über einen längeren Zeitraum hinweg aufgebaut worden. Politische Krisen und die Stagnation des öffentlichen Bauwesens hätten im Lauf des 3. Jh.s vielfach Anlass dazu geboten, durch Erdbeben oder Brand beschädigte oder aus anderen Gründen obsolet gewordene Bauwerke abzutragen und ihre Architekturglieder einzulagern. Vielleicht hatte man sich für eine solche Art der Aufbewahrung zunächst nur entschieden, um aufwändig gearbeitete, aber nutzlos gewordene Bauteile nicht der Vernichtung in Kalköfen oder Marmorsägen überlassen zu müssen. Die Existenz von größeren Magazinbeständen – neuer wie gebrauchter Architekturteile – muss ihrerseits aber auch auf die Abläufe des Planens und Bauens zurückgewirkt haben. Schon in severischer Zeit, als in den Magazinen vermutlich noch überwiegend neu hergestellte und nur wenige gebrauchte Bauglieder lagerten, gehörte es offenbar zur üblichen Praxis, dass sich Architekten bei ihren Planungen von der Überlegung leiten ließen, welches Material in Depots bereits verfügbar war. Denn wohl nur unter einer solchen Annahme ist beispielsweise die auffallende Uneinheitlichkeit der Säulenschäfte an einem Bau wie dem Septizodium erklärlich. Dieses um 202/203 n. Chr. eingeweihte41 Gebäude besaß in den drei Geschossen seiner Schauseite polychrome Säulenstellungen. Allein für den nordöstlichen Gebäuderisalit (Abb. 7), der im 16. Jh. noch als letzter Überrest erhalten war und 1588 endgültig abgerissen wurde, sind Schäfte aus so unterschiedlichen Steinsorten wie Porphyr, rotem und grauem Granit, Pavonazetto, grauem und weißem Marmor sowie wahrscheinlich auch giallo antico und Cipollino bezeugt.42 Zudem hatten die Schäfte teils glatte, teils kannelierte Oberflächen.43 Auffallend ist insbesondere die Verteilung der kannelierten und unkannelierten Schäfte, die in diversen Zeichnungen des 16. Jh.s weitgehend übereinstimmend dokumentiert ist.44 Sie lässt kein klares Ordnungsprinzip oder einen Bezug zur Struktur des Bauwerks erkennen. So weisen im unteren Geschoss von den vier Frontsäulen des Risalits nur die beiden inneren Kanneluren auf, während die Ecksäulen
40 So fanden sich bei den Ausgrabungen in der Marmorata 1868–1870 fast ausschließlich Marmor-Rohlinge und Quader. In den Fundinventaren werden unter den ungefähr 1250 bis 1400 Marmorstücken größerer Abmessungen nur zwei kleinere Kapitelle sowie fünf weitere fertiggearbeitete Bauteile aufgeführt, die zudem möglicherweise von anderen Fundorten dorthin gebracht worden waren, s. MAISCHBERGER 1997: 71–74. 41 LUSNIA 2004: 540. 42 HÜLSEN 1886: 12–15; STEVENSON 1888: 288f. 43 In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass bereits GAMUCCI 1565: 81 aufgrund der völlig uneinheitlichen Säulenschäfte davon ausging, dass das Septizodium aus den Spolien mehrerer anderer Bauten errichtet sei: „Et per essere stato rifatto delle spoglie d’altri diuersi edificij lo ueggiamo hoggidì con colonne di diuerse pietre di mistio, di granito, & di porfido, striate, & senza strie“. 44 Vgl. etwa die Stiche von Antonio Lafreri und Étienne Dupérac sowie die Zeichnung von Giovanni Antonio Dosio, abgebildet bei HÜLSEN 1886: Abb. 3 und 10 sowie Taf. 1.
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glatte Schäfte haben (Abb. 7). Auf der nordöstlichen Schmalseite folgt auf die Ecksäule mindestens eine kannelierte Säule, im Südwesten springt der Risalit hingegen mit einer unkannelierten Säule zurück, an die der Haupttrakt des Gebäudes dann wiederum mit einer kannelierten Säule anschließt. Die Säulen der beiden oberen Geschosse werden in den meisten Zeichnungen mit glatten Schäften dargestellt, allerdings vermerkt ALBERTO ALBERTI in seiner Aufnahme explizit auch für das erste Obergeschoss kannelierte Säulen.45 Jedenfalls ist die Anordnung der Schäfte kaum im Sinne einer gezielten Entwurfsabsicht zu verstehen; vielmehr legt sie die Vorstellung nahe, dass hier ein vorhandener Bestand unterschiedlicher Stücke möglichst widerspruchsfrei am Bau untergebracht werden sollte. Dies spricht dafür, dass man aus dem Repertoire eines großen Steinmagazins schöpfen konnte – anstatt bei einer Vielzahl von Steinbrüchen jeweils einige Säulenschäfte in unterschiedlichen Farbvarianten zu bestellen und diese dann in verschiedenen Weisen auszuarbeiten. In Bauprojekten wie dem Septizodium können wir die Ursprünge von Entwurfsmethoden vermuten, wie wir sie am Beispiel der Diokletiansthermen betrachtet haben: Planungen, die von den vorgegebenen Möglichkeiten eines Magazins ausgingen. Steinlager wie die Marmorata hatten zunächst vor allem neu importiertes Material geliefert.46 Diese Situation dürfte sich im Lauf oder spätestens zum Ende des 3. Jh.s geändert haben, als zunehmend gebrauchte Architekturteile eingelagert wurden. Steinmagazine erhielten damit eine neue, erweiterte Bedeutung für das spätantike Bauwesen. Mit ihrer Hilfe konnte eine umfangreiche Wiederverwendung von Architekturteilen organisiert werden, die ihrerseits eine erhebliche Einsparung von Ressourcen ermöglichte. Dies mag zunächst nur zu einer willkommenen Senkung der Baukosten geführt haben. Später aber, als der Nachschub von neu gebrochenem Steinmaterial aus verschiedenen Gründen schwieriger wurde, trugen die Magazine sicherlich dazu bei, dass überhaupt noch monumentale Bauten in der gewohnten marmornen Pracht entstehen konnten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass kaiserlichem Bauen das Konzept der Nachhaltigkeit grundsätzlich wesensfremd war; im Vordergrund stand vielmehr die Demonstration imperialer Größe und Macht – mit teilweise enormem materiellem Aufwand. Dennoch zeigt sich in verschiedenen Entscheidungen, die kaiserliche Bauherren oder ihre Architekten trafen, eine durchaus pragmatische Haltung. Man war zu Kompromissen bereit und nahm auch auf die verfügbaren Ressourcen Rücksicht. Wenn allerdings in der Spätantike steinerne Architekturglieder in großem Umfang wiederverwendet wurden, dann war die Einsparung von Rohstoffen eher ein Nebeneffekt. Vor allem sollte mit den vorhandenen Mitteln die alte Größe Roms wiederhergestellt und die Tradition kaiserlicher Bautätigkeit fortgeführt werden.
45 FORNI 1991: 44f. und Taf. 59; für das oberste Geschoss des Septizodiums sind Albertis Angaben nicht eindeutig, vgl. ebd.: 94f. und Taf. 160. 46 MAISCHBERGER 1997: 71–76.
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Abb. 7: Francisco de Holanda, Ansicht des Septizodiums von Südosten, ca. 1538–1541, lavierte Federzeichnung, Real Biblioteca del Monasterio de San Lorenzo de El Escorial, RBME 28-I-20, f. 23 (aus: TORMO, E. 1940. Os desenhos das antigualhas que vio Francisco d’Ollanda, pintor portugués [... 1539–1540 ...]. Madrid, fol. 23r).
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BESEITIGUNG, VERWAHRUNG ODER KREISLAUF? ZUM STOFFLICHEN POTENZIAL DEPONIERTER MATERIALIEN IN ANTIKEN GRIECHISCHEN HEILIGTÜMERN Das Beispiel des extraurbanen Heiligtums S. Anna bei Agrigent (Sizilien) Natascha Sojc
Zusammenfassung: Einige der interessantesten antiken Kontexte der laufenden Ausgrabungen im extraurbanen Heiligtum „S. Anna“ westlich der antiken Polis Akragas umfassen Deponierungen von Material, das herkömmlicherweise von der Forschung unter einem Begriff wie ‚sacred rubbish‘ gefasst wird: Zerbrochenes Trink- und Speisegeschirr sowie Knochenreste, die den Verzehr von Schweinefleisch bezeugen, wurden über Generationen hinweg nach Festen im Heiligtum deponiert. Die Fundkontexte werden zum Anlass genommen, sich mit Fragen zu antikem Abfall und ‚Nachhaltigkeit‘ auseinanderzusetzen. Nach einem kurzen Überblick zu Definitionen von ‚Nachhaltigkeit‘ in der modernen Abfallwirtschaft wird der archäologische Forschungsstand zu antiken Abfällen referiert. Jüngste Erkenntnisse zur besonderen Rolle von Abfällen in griechischen Heiligtümern zeigen, dass in sakralen Kontexten Abfall nicht unbedingt wie profane Abfälle entsorgt werden konnte und stattdessen zu Zwecken der Reinigung am sakralen Ort deponiert verwahrt bleiben musste. Dort steigerten die zum Teil sehr voluminösen Deponierungen von ‚sacred rubbish‘ die sakrale Wirkmacht des Ortes. Zusätzlich zeigt die Analyse der Fallbeispiele aus dem Heiligtum von ‚S. Anna‘ auf, dass dort nur ein Teil der Ritualobjekte nach einer ‚Abfallauslese‘ vor Ort deponiert wurde während der andere möglicherweise dem Stoffkreislauf wieder zugeführt wurde. Für die in „S. Anna“ verblieben Materialien ergibt sich eine beeindruckende Verlängerung der Objektbiographien: noch in fragmentiertem Zustand wurden sie für rituelle Aktivitäten genutzt und blieben vielleicht auch für zukünftige Rituale greifbar – dies ließe sich als eine Form von ‚Nachhaltigkeit‘ bezeichnen. Abstract: Some of the most interesting ancient contexts of the ongoing excavation in the extraurban sanctuary “S. Anna” to the west of the ancient polis Akragas include depositions of material that is traditionally subsumed under the research category of ‘sacred rubbish’: Countless broken ceramic drinking and eating vessels as well as animal bone remains were deposited in a sanctuary area for generations after the rituals and festive dinners had taken place. The find contexts present the opportunity to consider questions of ancient waste and sustainability. After a brief overview of the definitions of sustainability in the context of modern-day waste disposal, the archaeological state of research regarding ancient waste is discussed. Recent findings in Greek sanctuaries show that in sacred contexts, rubbish could not be discarded like other secular waste, but instead had to be deposited at the sanctuary for the purpose of ritual cleaning. Moreover, the voluminous agglomerations resulting of ‘sacred rubbish’ depositions probably helped establish the sacred aura of these places. With the help of the finds from the sanctuary of “S. Anna” it is then argued, firstly,
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that only a part of the objects brought to the sanctuary were deposited on site after a ‘waste selection’ and might have been reintroduced into the material cycle of everyday objects. Secondly, for the objects remaining in the sanctuary a significant extension of their object biographies could be observed: even in a fragmented condition, these were used for rituals, and perhaps also remained tangible for future activities. Finally, it is proposed that these activities could be tentatively understood as an ancient form of sustainability.
Das Heiligtum von S. Anna bei Agrigent wurde vom 6. bis zum 4. Jh. v. Chr. von der Polis Akragas als direkt vor den Toren gelegene religiöse Stätte genutzt. Über Sichtlinien stand der Ort in enger Beziehung zur Stadt und war fußläufig in weniger als einer Stunde von dort zu erreichen.1 Die Überreste des Heiligtums wurden in den 1960er Jahren bei Bauarbeiten für ein neues Bauernhaus zufällig entdeckt.2 Da sich die Funde und Befunde auf einem Areal von etwa 1.550 m² nur im Bereich der antiken Böden und Fundamente erhalten hatten, konnte das Heiligtum keiner Gottheit zugewiesen werden und ist seitdem nach dem Fundort in der Gemeinde S. Anna benannt. Es konnten zwei schlichte Einraum-Gebäude rekonstruiert werden, mit mehreren Votiv- und Opfergruben im Inneren des größeren Gebäudes sowie in der unmittelbaren Umgebung. Aufgrund kontextueller Parallelen vor allem zum Heiligtum von Bitalemi (Gela) wurde die Sakralstätte von S. Anna als Heiligtum der Demeter beziehungsweise als Heiligtum für Demeter und Persephone interpretiert.3 Oberflächenfunde, die bei einer Geländebegehung 2011 nördlich des Heiligtums von S. Anna gemacht wurden, ließen eine deutlich größere Ausdehnung der Sakralzone vermuten.4 Diese Annahme hat sich inzwischen durch Geoprospektion und archäologische Oberflächenanalyse (survey) bestätigt; seit 2014 erforscht ein Team der Universität Augsburg dieses Gebiet von insgesamt 15.686 m². Von den bisher entdeckten mauerartigen Strukturen und Steinsetzungen werden einige vorläufig als ein weiteres Einraum-Gebäude gedeutet. Die überaus reichen Fundmaterialen lassen sich als Überreste von Opfer- und Weihehandlungen sowie von festlichen Mahlzeiten interpretieren.5 Einige der interessantesten antiken Kontexte der laufenden Ausgrabungen umfassen Deponierungen von organischem und anorganischem Material, die herkömmlicherweise von der archäologischen Forschung unter Begriffen wie ‚sacred rubbish‘ oder ‚Heiligtumsschutt‘ gefasst werden: Unzähliges kaputtes keramisches Trink- und Speisegeschirr sowie Knochenreste, die den Verzehr von Schweinefleisch bezeugen, wurden über Generationen hinweg nach Ritualen und Festen in einem Heiligtumsareal deponiert, in dem fortlaufend
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Für produktive wissenschaftliche Diskussionen zum Inhalt dieses Beitrags danke ich Silvia Bauer, Lisa Götz, Ioanna Patera, Katharina Rieger, Michael Schaper, Christopher Schliephake, Johanna Stöger, Caroline Veit und Gregor Weber. Vgl. FIORENTINI 1969. Vgl. FIORENTINI 1969: 77f.; HINZ 1998: 28–30; DE MIRO 2008: 53–59. Vgl. ADORNO 2017; KVAMME 2017; SOJC 2017. Vgl. SOJC 2016.
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solche Aktivitäten stattfanden.6 Die Funde von S. Anna geben folglich Anlass, sich mit Fragen zu antikem Abfall und Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen.7 1. ABFALL – DER HEUTIGE STAND: NACHHALTIG STATT NUTZLOS Nach Definition des Umweltbundesamtes leistet die Abfallwirtschaft einen wichtigen Beitrag für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen.8 Dabei wird Abfall im weitesten Sinne als der Natur entnommenes Material verstanden, das möglichst intensiv zu nutzen ist. Diese Perspektive ist weit entfernt von früheren Bewertungen, die etwa in Deutschland im 19. Jh. Richtlinien zur Entsorgung des vor allem als schädlich angesehenen Abfalls hervorgebracht haben.9 Die traditionellen Strategien des 19. Jh.s, die auf eine geordnete Beseitigung abzielten, wurden erst seit 1972 schrittweise aufgegeben und 2012 durch Abfallverwertung und Kreislaufwirtschaft ersetzt.10 Diese umfasst nicht nur die Müllvermeidung, die Weiterverwendung von ausgemusterten Gegenständen sowie das Recycling, sondern auch die Verwertung von Abfällen. Hierfür wird Müll beispielsweise in Energie umgewandelt oder zur Verfüllung von Abgrabungs- oder Abbaustätten verwendet. Zur nachhaltigen, d. h. effizienten Nutzung von Müll wird dieser gesammelt, sortiert und seinem stofflichen Potenzial entsprechend den verschiedenen Prozessen der Abfallbehandlung zugeführt. Ein zentrales Anliegen ist dabei die Wertschöpfung; nur noch ein kleiner Anteil an Restmüll wird als ‚nutzlos‘ im traditionellen Sinne angesehen und entsorgt. Mit der Bewertung von Abfällen nach ihrem Potential als Ressource entspricht das Umweltbundesamt durchaus den Forderungen nach einem nachhaltigen Umgang mit Abfall, wie sie beispielsweise in den „En-
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Zum Stand der Forschung zu antiken Heiligtümern vgl. z. B. ANDRINGA 2015 und WALLEN2020. 7 Verf. dankt den Verantwortlichen des Parco Archeologico e Paesaggistico della Valle dei Templi Agrigento, insbesondere den beiden Direktoren Giuseppe Parello und Roberto Sciarratta sowie Maria Concetta Parello und ferner der Direktion der Soprintendenza BB.CC.AA. di Agrigento für die Genehmigung, auf dem Gebiet des sogenannten Heiligtums von S. Anna zu forschen. Für das Interesse und die freundliche Zusammenarbeit möchte ich mich ganz besonders bei den Landbesitzern, der Familie Segreto, bedanken. Ein besonderer Dank gilt der Universität Augsburg und der Gesellschaft der Freunde der Universität Augsburg für die Finanzierung der Kampagnen und der Fundbearbeitung. Ein weiterer Dank geht an alle Studierenden und Graduierten, die an den Ausgrabungskampagnen in S. Anna teilgenommen haben. Die hier zusammengefassten Ergebnisse wären ohne die engagierte Beteiligung verschiedener Spezialisten, die die Grundlage für die hier vorläufig zusammengefassten Erkenntnisse geliefert haben, nicht möglich gewesen. Linda Adorno und Valentina Garaffa waren für die keramischen Funde verantwortlich; Clemens Voigts übernahm die Bauforschung; die Knochenreste wurden von Roberto Miccichè und die botanischen Reste von Barbara Zach untersucht. 8 https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/abfallwirtschaft. 9 Vgl. SCHMIDT 2005. 10 Vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/abfallwirtschaft und https:// www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/ressourcennutzung-ihre-folgen. STEN
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vironmental Humanities“ formuliert werden.11 Trotz der Leitideen, Objektbiographien zu verlängern und Stoffkreisläufe zu schließen, ist gerade das Thema Abfall dazu prädestiniert, grundlegende Kontroversen zur Definition von ‚Nachhaltigkeit‘ aufzuwerfen. So führt etwa ein sparsamer Umgang mit Materialien nicht immer zu einer Reduktion des Konsums. Im Falle des Verzichts auf Plastiktüten führt dies zur Zeit zu einer Produktionssteigerung von Papiertüten, die daraufhin in einem umfänglicheren Stil gebraucht und somit konsumiert werden. Zudem folgt die Definition von Abfall in vielen Fällen noch kulturellen Gepflogenheiten, die häufig bestimmte Bereiche einer Einsortierung in den Stoffkreislauf vorenthalten, seien dies bestimmte Kulturprodukte oder menschliche Überreste. Schließlich entziehen sich gewisse Rückstände, insbesondere toxische, nach wie vor einer nachhaltigen Behandlung. Die Deponierung von Atommüll unter der Erde stellt etwa eine langfristige Aussonderung aus den Materialkreislauf dar, man würde sie aber in den wenigsten Fällen als nachhaltig begreifen wollen. 2. ABFALL UND ARCHÄOLOGIE Unter archäologischen Funden nehmen diejenigen, die aus Aufschüttungen und Verfüllungen stammen und dort als ansonsten ‚nutzloser‘ Restmüll entsorgt wurden, einen breiten Raum ein. Da oberirdische Denkmäler oftmals abgetragen oder zerstört sind, befassen sich Archäologen häufig mit Verfüllungsschichten, die sich meist unter der Erde geschützt erhalten haben.12 Hierbei ist von Bedeutung, dass die Menge an antikem Material, das aus Schutt geborgen wird, proportional diejenigen Funde, die aus Funktionskontexten des antiken Lebens stammen, deutlich übersteigt.13 Abfall wird von der Archäologie seit langem dazu genutzt, um auf vergangene Kulturen rückzuschließen. Beispielsweise werden mithilfe einzelner Fundstücke und deren räumlicher Positionierung in bestimmten Schichten konkrete Handlungszusammenhänge erschlossen. Die Rekonstruktion eines antiken Gebrauchs- und Produktionshorizonts ist etwa für die Keramik schon anhand von kleinen Scherben möglich, da die Materialzusammensetzung an den Bruchkanten sichtbar ist und technische Vorgänge wie das Drehen auf der Töpferscheibe oder die Handmodellierung eindeutige Spuren hinterlassen haben. Der Gebrauch der Keramik lässt sich zudem durch die Form der Gefäße, die weitere Behandlung etwa durch Firnis oder Bemalung feststellen. Eine zeitliche Einordnung der archäologischen Schichten kann dann anhand stilistischer Entwicklungen bei Technik und bei Dekor der Gefäße vorgenommen werden. Somit erlauben stratigraphisch getrennte Keramikobjekte in Ausgrabungen eine datierende Einordnung der einzelnen Fundkontexte basierend auf ihren technologischen oder künstlerischen Unterschieden. Neben dieser als grundlegend zu bezeichnenden Funktion 11 Vgl. beispielsweise die Arbeiten von GAY HAWKINS zur biopolitischen Dimension des Abfalls: HAWKINS 2006 und 2011. 12 RATHJE/MURPHY 2001: 10. 13 SHANKS/PLAT/RATHJE 2004: 65.
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für die archäologische Forschung wird ‚Abfall‘ seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s unter weiteren Aspekten fokussiert: Er wird als Kehrseite der jeweiligen Kultur und als Quelle mit direkter historisch-sozialer Aussagekraft begriffen, u.a. zu Konsum- und Entsorgungsverhalten und zum Umgang mit Ressourcen.14 Auch die Archäologie des antik-griechischen Mittelmeerraums hat bisher verschiedentlich Mensch-Umwelt-Beziehungen thematisiert. Dazu wurde etwa die weitere Verwertung von Produktionsabfällen in der Landwirtschaft untersucht, ebenso wie die Nutzung landwirtschaftlicher Abfälle in handwerklichen Produktionszusammenhängen oder die Relation von Siedlungsverhalten und Müllentsorgung.15 Außerdem werden soziale und praktische Aspekte von Abfall untersucht, der Weiterverkauf von bereits als ‚nutzlos‘ ausgemusterten Gegenständen16 oder deren Wiederverwendung und Recycling.17 Methodisch innovativ stützen sich diese neueren Arbeiten auf die Rekonstruktion des Deponierungsverhaltens und der Handlungssequenzen, die zu den antiken Kontexten geführt haben könnten.18 Die Zusammenhänge zwischen Funden und Handlungen werden mithilfe des chaîne opératoire-Ansatzes untersucht, welcher Produktion, Gebrauchsformen und die Entsorgung von Objekten Schritt für Schritt analysiert und somit technische und soziale Aspekte in die Analyse von archäologischen Funden stets einbezieht.19 Außerdem werden objektbiographische Zugänge angewandt, um die einzelnen Stadien, die ein Artefakt von seiner Herstellung bis zu seiner Aufgabe durchläuft, beobachten zu können, ohne deren Erstverwendung beziehungsweise primären Kontext bei der Analyse zu priorisieren.20 Der Umstand, dass sich manches Mal archäologisches Kulturgut auch als ‚wissenschaftlich aufgeladener Abfall‘21 bezeichnen ließe und dass sich die Disziplin bei der Untersuchung ihrer Abfall-Kontexte eigentlich mit materieller ‚Unkultur‘22 auseinandersetzt, ist in den letzten Jahren innerhalb und außerhalb der Disziplin zum Gegenstand eigener Reflektionen geworden.23 Jüngst lässt sich ein Perspektivenwechsel in Archäologie und anthropologischer Theorie beobachten: Abfall wird nun auch in dessen von menschlichen Bewertungen unabhängigen 14 SCHMIDT 2005: 239–243. 15 Vgl. BRYSBAERT 2011: 188–190 für einen Forschungsüberblick zu Abfall und Müll in archäologischen Kontexten der griechischen Antike. Zu antiken Vorstellungen zu Umwelt und Umweltverschmutzung allgemein s. z. B. die Beiträge in CORDOVANA/CHIAI 2017. 16 Vgl. OWENS 1983. 17 Vgl. MARGONMENOU/ROUMPOU 2011: 134–137; BRYSBAERT 2011: 195–197. 18 Etwa die umfassende Studie zu Abfalldeponierungen im bronzezeitlichen Tell Sabi Abyad von KLINKENBERG 2016: 21–23, 39–41, 178f. Zu Begrifflichkeiten und Forschungsstand s. bei JOYCE/POLLARD 2010. 19 Der chaîne opératoire-Ansatz geht auf ANDRÉ LEROI-GOURHAN zurück. Vgl. LEROIGOURHAN 1945. Zum Stand der Debatten s. bei BRYSBAERT 2011: 198f. 20 Zum objektbiographischen Ansatz vgl. SCHIFFER 1972; AHEARN 2001; HOSKINS 2006. Zum Zusammenhang mit antikem Abfall s. bei RIEGER 2016: 310–312. 21 FREY 2011: 27. 22 SCHMIDT 2005: 239–243. Damit einher gehen Debatten, was unter Kultur – und nicht nur Hochkultur – eigentlich zu verstehen ist. 23 PAKKANEN 2015: 32f.; SOSNA/BRUNCLÍKOVÁ 2017: 4–6.
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Dimensionen thematisiert. Im Vordergrund steht hierbei, dass Abfälle und ausgesonderte Reste aller Art von natürlichen Systemen produziert werden – seien dies Schlackenhalden, wie man sie aus dem antiken Spanien kennt, oder Berge von Vogelfäkalien. Die Präsenz solcher Rückstände, die häufig über die Zeit hinausgehen, in welcher sie abgesondert wurden, wirkt sich zwangsläufig sowohl auf den Menschen, auf die materielle Kultur als auch auf die natürliche Umwelt aus.24 Die Verschiebung des wissenschaftlichen Fokus auf die Auswirkungen menschlicher Rückstände auf die natürliche Umwelt eröffnet eine ‚posthumane‘ Perspektive auf die Definition von ‚Nachhaltigkeit‘.25 2.1 Abfall im antiken Heiligtum: ‚sacred trash‘? Vor dem Hintergrund des Forschungsstands und der eben skizzierten allgemeinen Auseinandersetzung mit dem Thema Abfall in der Archäologie nehmen die Kontexte aus Heiligtümern nun eine Sonderstellung ein. Denn ausgehend von religionswissenschaftlichen Forschungen wurde für die antiken griechischen Sakralräume vom sogenannten ouk ekphora-Gebot ausgegangen: Was einmal als Gaben oder Opfer an die Gottheiten dargebracht wurde, ging in deren Besitz über und musste daher im Heiligtum verbleiben.26 Antike Inschriften überliefern Inventare, die das Eigentum des jeweiligen Heiligtums nach Objektkategorien aufgeschlüsselt angeben.27 Darüber hinaus wurde auch manchmal beschädigtes Material, das sich im Besitz des Heiligtums befand, einzeln aufgelistet und ferner festgehalten, wenn Gegenstände verkauft worden waren.28 In griechischen Heiligtümern wie auch in binnenländischen Sakralorten lokal-antiker Bevölkerungsgruppen in Unteritalien und auf Sizilien scheinen die großen Mengen an archäologischem Fundmaterial die Existenz solcher aus literarischen und epigraphischen Quellen erschlossenen Gebote zu bestätigen.29 In diesem Zusammenhang ist das archäologisch nachweisbare Recycling von Votiven, besonders von Metallobjekten, bereits verschiedentlich thematisiert worden.30 Ebenso ist die Verbringung älterer Weihegaben in aufgelassene Brunnen oder Quellen31 sowie in extra dafür ausgehobene Gruben32 inzwischen in vielen Heiligtümern beobachtet worden. Neben Weihegaben wurden aber auch Abfälle von im Heiligtum abgehaltenen Mahlzeiten
24 Vgl. RENO 2014 und 2016 mit biosemiotischem Ansatz, DIBLEY 2018 zu geophysikalischen Perspektiven menschlichen Abfalls. 25 BRAIDOTTI 2006: 135–138; MILLER/MOORE/RYAN 2011. 26 Vgl. NILSSON 1967: 88f.; BURKERT 1977: 103. Die tatsächliche Reichweite des Gebots problematisiert PATERA 2012: 95–101; BRYSBAERT 2011: 190; PAKKANEN 2015: 38. 27 Vgl. MYLONOPOULOS 2006: 85. 28 Vgl. SIOUMPARA 2019: 33–36. 29 Vgl. LINDSTRÖM/PILZ 2013: 268; BOCHER 2016: 270; ÖHLINGER 2015: 176f. 30 Vgl. KYRIELEIS 2006: 95–98; LINDENLAUF 2006; LINDSTRÖM/PILZ 2013: 269. 31 Vgl. SINN 1993: 96 (Olympia); PEDLEY 2005: 164f. (Samos). 32 Vgl. BOOKIDIS/STROUD 1997: 159, 211 und 380 (Korinth).
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auf Abraumhalden innerhalb der sakralen Stätten gefunden.33 Solch deponierter ‚Heiligtumsschutt‘ lässt sich vom sogenannten Geometrischen Zeitalter bis in die römische Zeit in Kultorten beobachten.34 Bemerkenswerterweise legen die z. T. zeitgleichen Befunde in Siedlungskontexten hingegen eine organisierte Müllentsorgung nahe35. Folglich ist bei der in Heiligtümern beobachtbaren ‚Beseitigung durch Lagerung‘ von einer spezifisch antiken Praxis im religiösen Kontext auszugehen. 2.2 Funktionen des Abfalls im antiken Heiligtum – reinigend und wirkmächtig Jüngst wurde das Thema Abfall im Heiligtum in der archäologischen Forschung konzeptionell behandelt. In zwei fast zeitgleich erschienenen, unabhängig voneinander erarbeiteten Studien bieten PETRA PAKKANEN und ANNA-KATHARINA RIEGER innovative Perspektiven für die weitere Untersuchung von Deponierungen in religiösen Kontexten jenseits einer pauschalen Charakterisierung als ‚sacred rubbish‘.36 Probleme der Interpretation von Deponierungen mit Überresten festlicher Mahlzeiten aus dem Poseidon-Heiligtum in Kalaureia auf Poros veranlassten PETRA PAKKANEN dazu, sich mit dem Thema Abfall genauer auseinanderzusetzen.37 Hierzu fasste PAKKANEN versuchsweise die Abfalldeponierungen im Heiligtum als Ritualabfall auf und fragte, ob nicht alle solche Deponierungen als kultische Depots aufzufassen seien. Hinsichtlich der Deponierungen aus dem Poseidon-Heiligtum ist zunächst festzustellen, dass dabei nicht nur die Essensreste unter die Erde gebracht wurden, sondern auch das Ess-, Trink- und Serviergeschirr, welches bei diesen Anlässen genutzt worden war. Aufgrund einer in Schichten organisierten Verfüllung sowie der Homogenität des Funktions- und Chronologie-Spektrums der archäologischen Funde lässt sich bei den Deponierungen in Kalaureia ein pragmatisches Wegräumen oder Saubermachen als Beweggrund ausschließen. Stattdessen seien die Aktivitäten wohl von der Notwendigkeit geleitet, das Heiligtum im religiös-rituellen Sinne rein zu halten. Der durch das Festessen entstandene Ritualabfall könnte möglicherweise zu sehr dem profanen Hausabfall geähnelt haben und daher als verunreinigt angesehen worden sein. Mit dem Konzept der Verunreinigung von MARY DOUGLAS argumentierend schlägt PAKKANEN vor,38 dass der Ritualabfall daher an einem liminalen Ort, einem Ort des Übergangs zwischen Heiligtum und umgebender Umwelt, sowie 33 34 35 36 37
Vgl. z. B. ÖHLINGER 2015: 93f. (Monte Polizzo). Vgl. D’AGATA 1997–2000 und Überblick bei RIEGER 2016. Vgl. AULT 2000: 483f. Zum Begriff ‚sacred rubbish‘ s. GLINISTER 2000. Dabei handelt es sich um das ‚dining depot‘ und den sogenannten Zisternenfund, vgl. PAKKANEN 2015: 40–42 mit Abb. 3.2. 38 Neben dem Konzept von DOUGLAS 2002 zieht PAKKANEN auch im Sinne eines interkulturellen Vergleichs archäologische Erkenntnisse zu Heiligtümern anderer Kulturregionen heran (u. a. dem Maya Zentrum Blue Creek in Belize), s. PAKKANEN 2015: 35–37.
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zwischen festgesetzten Grenzen zu lagern gewesen wäre, der dann als Kultdepot aufgefasst werden könne. Mit dem Ritualabfall im archäologischen Befund wären laut PAKKANEN demnach insbesondere Überreste von Reinigungsritualen eines griechischen Kultes zu greifen. Dass dabei auch Sauberkeit und Ordnung im hygienischen Sinne hergestellt wurden, wäre ein womöglich willkommener Nebeneffekt gewesen.39 Einen anderen Erklärungsansatz hat jüngst ANNA-KATHARINA RIEGER für ihre Studie gewählt.40 Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass keramisches Material den Hauptbestandteil an Funden in Heiligtümern bildet – oftmals sind Reste von über 500 Objekten in einer einzelnen Deponierung anzutreffen. Dabei handelt es sich um Koch-, Ess-, Trink- und Serviergeschirr, um Vorratsgefäße (von der Ölamphore bis zum Schminkbehälter), aber auch um Keramik mit symbolischer Funktion, z. B. Miniaturen. Die Gefäße stammen sowohl aus günstiger lokaler Fertigung als auch aus kostspieligem Importhandel. Darüber hinaus, so argumentiert RIEGER, sei Keramik in allen Funktionsbereichen von Heiligtümern der griechisch-römischen Epoche präsent. Daher schlägt RIEGER vor, dass der umfangreichen Ansammlung von zurückgelassener Keramik in den Heiligtümern auch eine wesentliche Rolle dabei zukam, diese als sakrale Orte zu markieren. Die Wirkmacht der als Weihegaben oder als Ess- und Trinkgeschirr ins Heiligtum gelangten Keramik war mit der Gabe an die Gottheit beziehungsweise ihrer Verwendung beim festlichen Mahl nicht beendet. In Anlehnung an den Agency-Ansatz von ALFRED GELL argumentiert RIEGER, dass für jedwede Deponierung im Heiligtum eine Intentionalität vorauszusetzen sei.41 Die Keramik besaß weiterhin agency, das heißt Wirkmacht, denn als Hauptbestandteil der Deponierungen verkörperte sie die für solche Orte wichtige materielle Erinnerungskultur und half somit die Bedeutung des Heiligtums generationenüberspannend zu symbolisieren. RIEGERs Erklärungsmodell gründet sich auf Befundkontexte, denen bisher leider zu wenig Beachtung geschenkt wurde: Denn Ausgrabungsberichte aus verschiedenen Regionen des antiken Mittelmeerraums zeigen auf, dass manche Deponierungen in Heiligtümern über lange Zeiträume und über mehrere Generationen hinweg stetig anwuchsen.42 Bei ihrer detaillierten Untersuchung deponierter Keramik zeigt RIEGER ferner auf, dass die meisten keramischen Objekte in den Heiligtümern auf dem Weg zu einer Deponierung auch Transformationsprozesse durchlaufen haben: Sie wurden mit Buchstaben versehen, ‚falsch herum‘ abgelegt – mit der Öffnung nach unten statt gemäß ihrer ursprünglichen Funktion nach oben – oder absichtlich beschädigt. Hierin zeigen sich, so argumentiert RIEGER, weitere Funktionen der Gefäße,
39 Antike Auffassungen von Hygiene werden z. Zt. in der archäologischen Forschung kontrovers diskutiert. Für Heiligtümer s. PAKKANEN 2015: 36; EKROTH 2017. 40 RIEGER 2016. 41 Vgl. GELL 1998; RIEGER 2016: 309f., mit Verweisen auf material agency bei JONES/BOIVIN 2010: 335–342. 42 Besonders aussagekräftig der Befund in Satricum s. bei RIEGER 2016: 325–329.
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die nun symbolischen Wert besitzen.43 Der Blick auf die Objektbiographien der keramischen Gefäße ermögliche es, Verwendungsarten dieses Materials zu erkennen, die herkömmlich übersehen und aus moderner Perspektive dann als Abfall bewertet würden.44 Die Verbindung zwischen keramischem Gefäß und Formen der Benutzung wie Trinken, Trankspende, Ausgießen, Ablegen oder Zerbrechen erlauben die hypothetische Rekonstruktion von Handlungen sowie von verschiedenen Lebensstadien der Objekte. Die Deutungen, die RIEGER für die verschiedenen Keramikkontexte vorschlägt, basieren nur auf dem archäologischen Befund und müssen sich nicht auf das ouk ekphora-Gebot rückbeziehen.45 Schließlich wird durch RIEGERs Untersuchung die Stimmigkeit des Begriffs ‚Abfall‘ für das Heiligtumsmaterial entscheidend in Frage gestellt, da in den Deponierungen auch das beschädigte und dem Stoffkreislauf entzogene Material noch wirkmächtige und memoriale Funktionen in sakralen Orten erfüllte. Diese beiden jüngsten Beiträge von RIEGER und PAKKANEN zu ‚Abfall‘ in griechischen Heiligtümern zeigen zwei neue Interpretationsperspektiven auf, die sich auch kombinieren lassen: Die bei PAKKANEN ausgehend von einem spezifischen Heiligtumsbefund vorgeschlagene Deutung von bestimmten Deponierungen im Sinne von transformativen Reinigungsritualen kann beispielsweise als eine Variante des auf mehreren Fallbeispielen basierenden Deutungsansatzes von RIEGER begriffen werden. Denn im Sinne einer Reinigung und Bannung bestimmter Überreste wird diesen doch eine gewisse agency zuerkannt. Zudem lässt sich die Überführung der Objekte in eine symbolische Rolle, die der Ansatz von RIEGER bietet, als übergeordnete Erklärung für die Transformationsprozesse im Heiligtum verstehen. Die Perspektive der Wirkmacht lässt sich exemplarisch mit anderen Fallbeispielen in Beziehung setzen, in denen Ritualabfall jüngst in der archäologischen Forschung thematisiert wird. Hinsichtlich der Altäre in westgriechischen Heiligtümern konnte beispielsweise CLEMENS VOIGTS feststellen, dass zusätzliche Stufen vor einem Altartisch notwendig wurden, wenn sich auf den Altären Asche und Knochenmaterial angesammelt hatten.46 Nur mit einer Erhöhung der Standfläche konnte das Opfer weiterhin verrichtet werden. Die Dicke der Ascheschicht fungierte als Würdeformel für eine lange religiöse Tradition der Opferhandlungen an diesen Altären. Gleichzeitig wird dies der Grund gewesen sein, warum die Reste der Opferhandlungen, die sich heute noch z. T. rund um antike Altäre beobachten lassen, nicht beiseite geräumt wurden. In Anbetracht eines speziellen Zerstörungsbefunds an einem spätarchaischen Haus in Monte Iato haben ERICH KISTLER und MARTIN MOHR etwa eine
43 Vgl. RIEGER 2016: 309f. ausgehend vom material agency-Konzept bei JONES/BOIVIN 2010: 347–351. Vgl. HOSKINS 2006. 44 Vgl. RIEGER 2016: 310–312. Eine vergleichbare Argumentation bei BRYSBAERT 2011: 196– 200, dort allgemein zu antikem Abfall. 45 Auch aus religionswissenschaftlicher Perspektive wird eine Allgemeingültigkeit des ouk ekphora-Gebots heute kritisch hinterfragt, vgl. PATERA 2012: 97. 46 VOIGTS 2017: 160–171.
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absichtliche Niederlegung des Gebäudes als Deutung vorgeschlagen. 47 Die Aufgabe soll mit einer rituellen Schließung und Versiegelung des eingestürzten Hauses einhergegangen sein. Dafür spricht vor allem eine im Kontext von Monte Iato singuläre großflächige Deponierung von ceremonial trash über der eingestürzten Architektur: In dieser fanden sich neben Bankettgeschirr auch Ritualobjekte, die nicht regelhaft zu archäologischen Fundkontexten in Wohnhäusern zählen. Das Fallbeispiel vom Monte Iato zeigt folglich auf, wie bestimmte Aktivitäten, die Ritualabfall produzieren, ähnlich wie im Heiligtum auch außerhalb der Sakralzone zur Anwendung kommen konnten – wenn eine solche rituelle Handlung in einem anderen Bereich des antiken Lebens erforderlich war. Die Wirkmacht der Deponierung äußert sich im Fall des Hauses am Monte Iato darin, dass die Fläche des eingestürzten Hauses mit der Bedeckung aus ceremonial trash bis ins 3. Jh. v. Chr. nicht überbaut wurde, obwohl es sich um einen zentralen Ort der Siedlung handelte. Es kann daher festgestellt werden, dass ausgehend von den archäologisch überlieferten ‚Abfall‘-Deponierungen in antiken Heiligtümern und deren Deutungen in der Forschung eine weiterführende Auseinandersetzung mit ‚unbrauchbaren‘ Stoffen geführt werden muss. Insbesondere die symbolische Aufladung scheinbar ‚nutzlos‘ gewordener Materialien durch verschiedene Handlungen oder rituelle Aktivitäten weist auf eine wertschöpfende Perspektive hin, die gegenüber (speziellen) Abfällen auf verschiedenen Ebenen eingenommen wurde. Denkt man an die eingangs skizzierten Leitlinien der heutigen Abfallbewirtschaftung, so konnte antiken Abfallobjekten sehr umfänglich, man kann sagen bis auf den letzten ‚Restmüll‘, sinnhafte Bedeutung zugewiesen werden – vor allem durch zusätzliche Stadien in der Biographie von ‚Ritualobjekten‘. Es sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die Objekte aufgrund ihres Verbleibs im Heiligtum auch einem weiteren Gebrauch und somit einem weiteren Stoffkreislauf entzogen wurden. Zur weiteren Differenzierung wird die Besprechung Fallbeispielen aus aktuell laufenden Ausgrabungen im extraurbanen Heiligtum von S. Anna bei Agrigent hier angeschlossen. 3. DAS HEILIGTUM VON S. ANNA – DER ARCHÄOLOGISCHE HINTERGRUND ZU DEN ‚ABFALL‘-BEFUNDEN Die archäologischen Ausgrabungen der Universität Augsburg im extraurbanen Heiligtum von S. Anna begannen auf einer Hügelkuppe,48 die in einer direkten Sichtachse mit der Stadt und deren Heiligtümern steht (Abb. 1). In den Kampagnen von 2014–2019 wurden architektonische Strukturen, Artefakte aus verschiedenen Materialien sowie auch organische Überreste aus griechischer Zeit vom Ende des 6. Jh.s bis zum Anfang des 4. Jh.s v. Chr. ausgegraben. 47 KISTLER/MOHR 2015: 387–390. 48 Das natürliche Plateau liegt auf einer Höhe von ca. 66–62 m ü.d.M. über einem Flusstal. Bis 2017 wurde eine Fläche von 137 m² ausgegraben.
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Bei den Untersuchungen wird sehr großer Wert auf die genaue Dokumentation der räumlichen Lage einzelner Funde gelegt, die – ebenso wie ihre Kontexte – wohl als Reste antiker Aktivitäten zu verstehen sind.49 Da auf dem gesamten Ausgrabungsareal keine jüngeren Funde aus antiker Zeit, aber auch keine antiken Zerstörungskontexte beobachtet wurden, wird zum jetzigen Zeitpunkt der Forschungen davon ausgegangen, dass das in der zweiten Hälfte des 6. Jh.s v. Chr. gegründete Heiligtum allmählich aufgegeben wurde. In der hellenistisch-römischen Zeit schrumpfte die Stadt Akragas im Westen erheblich, so dass das Heiligtum von S. Anna als extraurbaner sakraler Ort vielleicht nicht mehr gut zu erreichen war. Die urbane Reduktion hatte die Entfernung zwischen Stadt und Heiligtum fast verdreifacht. Das reiche Fundmaterial findet sich in S. Anna vor allem in Deponierungen wieder: Dazu zählen die aus anderen extraurbanen Heiligtümern bekannten Niederlegungen von Weihegaben, ebenso wie mehrere Kontexte, die als ‚sacred rubbish‘ angesprochen werden.50 Drei solche Kontexte – eine Deponierungsgrube, eine Fußbodenbettung und ein Zweikammerdepot – sollen im Folgenden vorgestellt werden.
Abb. 1: Lokalisierung des extraurbanen Heiligtums S. Anna westlich des antiken Akragas. Ausgrabungsgelände der Universität Augsburg und die zwei Gebäude aus der Altgrabung der 1960er Jahre (A. RHEEDER auf Grundlage von FIORENTINI 1969 Taf. 28; GoogleMaps 2016; SCHMIEDT/GRIFFO 1958).
49 Signifikante Funde aus scheinbar unversehrten antiken Kontexten wurden als ‚Special Finds‘ (F) mit detaillierten Messungen, Fotografien und Kontextbeschreibungen dokumentiert. Diese Informationen erlauben eine weitergehende Untersuchung der Raum-Zeit-Beziehungen zwischen einzelnen Funden. In einem weiteren Schritt macht diese Art der Dokumentation eine Interpretation der Kontexte in performativer Hinsicht möglich. 50 Allgemein zu ersten Ergebnissen von S. Anna sei auf die bereits publizierten Informationen verwiesen.
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Abb. 2: Auswahl von osteologischen Schweinfunden aus US 29. Links kalzinierte und bei hohen Temperaturen verbrannte Knochen und rechts Knochen ohne solche Spuren (Foto R. MICCICHÈ).
3.1 Reiner Abfall? Eine Deponierungsgrube im Heiligtum von S. Anna Eine Deponierungsgrube war mit fragmentiertem Material, das als ‚sacred rubbish‘ bezeichnet werden kann, gefüllt und danach sorgsam verschlossen worden.51 Diese ‚Versiegelung‘ bestand aus einer Steinschicht, in deren Mitte sich eine kleinere Menge nicht identifizierter verbrannter Substanzen befand. Am westlichen Rand der Grube wurden zwei unbemalte Trinkschalen abgelegt, daneben eine Bronze-Reibe, wie sie zur Herstellung von Speisen, aber auch zum Reiben von Gewürzen bei der Zubereitung von Getränken verwendet wurde52. Die Grube (stratigraphische Schicht US 29) enthielt eine Mischung aus unterschiedlichen Fragmenten: zerbrochenes Geschirr, z. B. Trinkschalen, ebenso wie Teile von Weiheobjekten, z. B. Miniaturen und Terrakottafiguren.53 Wie die genaue Analyse der Fragmente gezeigt hat, hatten die zerstörten Objekte ein Auswahlverfahren durchlaufen, bevor sie in die Grube verbracht wurden. Dies ist daran erkennbar, dass sich beispielsweise von den Gefäßen vor allem eine große Anzahl von Gefäßböden und Henkeln fand, aber scheinbar weniger dazugehörige
51 Der Einschnitt US 23 wurde mit US 29 gefüllt, mit den Steinen US 22 sowie einer zentralen Beschichtung aus verbranntem Material US 25 bedeckt. 52 Bronze-Reibe (F 238) enthalten in US 8; F 260 in US 22. 53 Mithilfe der importierten Keramik ist der Grubeninhalt in die Zeit zwischen 500–480 v. Chr. datiert.
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Wandscherben.54 Von den Terrakottastatuetten waren vor allem nur die ikonographisch signifikanten Partien vorhanden.55 Auch die große Zahl an Schweineknochen aus der Grube fiel durch ihre Zusammenstellung auf:56 Knochen in kalziniertem Zustand, die zu Ehren der Gottheit durch Verbrennung geopfert worden sein können,57 fanden sich mit Knochenmaterial, das Spuren der Nahrungszubereitung wie Metzgerspuren oder einer Erhitzung auf Siedetemperatur, z. B. vom Kochen, aufwies (Abb. 2). Außerordentlich vielfältig war auch die Zusammensetzung des botanischen Materials in der Grube. Neben Samen von Gerste, verschiedenen Weizenarten, Erbsen, Linsen und Traubenkernen sowie einer hohen Anzahl von Olivensteinfragmenten waren auch Reste von verbrannten Lebensmitteln wie z. B. Brot in die Erde verbracht worden.58 Mit diesem breiten Spektrum an Funden weist die Deponierungsgrube eine anscheinend bewusste Mischung von Resten aus den Bereichen Opfer, Weihung und Festmahl auf. Die Vermischung von ‚Abfall‘-Material aus mehreren Bereichen sowie die Fragmentierung und Auswahl bestimmter Objektreste müssen von den antiken Akteuren als sinnvoll erachtet worden sein, auch wenn wir heute nicht verstehen, warum dies so ist. Ob in den Überresten Instandhaltungsmaßnahmen des Heiligtums zu erkennen sind, die nach lokalen Gepflogenheiten durchgeführt wurden, oder ob es sich um Reste rituell bedeutsamer Handlungsabläufe handelt, lässt sich nicht ohne weiteres entscheiden.59 Zwar könnte es sich bei der Verfüllung der Deponierungsgrube um Abfälle handeln, d. h. um Überschüssiges, das schlicht zu entsorgen war. Die Materialien verweisen aber auf eine ganze Reihe von Handlungen, die aufeinander abgestimmt zu sein scheinen. Auf jeden Fall sind eine selektive Behandlung der Objekte nach einer anzunehmenden primären Nutzung – beim Festmahl, bei der Weihung oder beim Opfer – und deren Transformationsprozesse vorauszusetzen, um die Deponierung in der Grube zu erklären. Mit Rückverweis auf PAKKANEN könnten Funde und Befunde der Deponierungsgrube schon aufgrund des beobachteten Auswahlverfahrens als Reinigung verstanden werden, die diese Reste durchliefen.60 Darüber hinaus könnte man diese Praktiken auch als Hinweis auf wertschöpfende Aktivitäten im Heiligtum verstehen. Es war zu entscheiden, was zu behalten war und ‚was weg konnte‘, wie z. B. die Wandscherben. Ob diese entsorgten Scherben 54 Bemerkenswerterweise sind die Henkel z. T. nicht einfach vom Gefäß abgebrochen worden, sondern mit der Wand herausgebrochen, so dass das Gefäß bei dieser Trennung tatsächlich einen fundamentalen Schaden erlitt. Eine MNI Statistik ist geplant. 55 Aus der Überlegung heraus, dass die Fragmentierung der Terrakotta-Figuren nicht den durch die Produktion vorgegebenen Sollbruchstellen folgt, vgl. VAN ROOIJEN et al. 2017. 56 Für die Tierreste aus der Ausgrabung des Heiligtums von S. Anna s. MICCICHÈ 2020. 57 Vgl. EKROTH 2014: 338–339, 342–344. 58 Für die pflanzlichen Überreste aus der Ausgrabung des Heiligtums von S. Anna demnächst ausführlich B. ZACH. 59 Vgl. z. B. EKROTH 2017: 47–49 zu Überlegungen, dass nicht alle strukturierten und formalisierten Handlungen im Heiligtum als Rituale anzusprechen sind. 60 Zu antiken Konzepten der Reinheit und Reinigung vgl. CARBON/PEELS-MATHEY 2018 und CHANIOTIS 2018.
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nun anderweitig im Heiligtum deponiert wurden oder eine sonstige Verwendung fanden, muss für S. Anna noch offenbleiben. Dass Gefäßscherben sekundär gebraucht werden konnten, ist aus der antiken Literatur bekannt. So wurden beispielsweise während der Adonia Gefäßscherben mit Erde gefüllt und zur Pflanzung eines kleinen Beetes im Hauskontext verwendet.61 In der Deponierungsgrube von S. Anna waren es in den meisten Fällen diagnostische Partien, die deponiert wurden, denn an Gefäßhenkeln und -böden wie auch an Attributen der Terrakottafiguren war noch genau ablesbar, um welche Gegenstände es sich handelte.62 Hieran lässt sich die Beobachtung anschließen, dass nicht nur in der Masse, sondern auch im Einzelnen die Fragmente wie etwa Gefäßhenkel im Heiligtum von S. Anna nicht unbedingt wie wertloser Abfall behandelt wurden. Im Kontext der Ausgrabungen fanden sich beispielsweise Einzelfunddeponierungen wie etwa ein schwarz glasierter Trinkschalenhenkel unter einem horizontal auf dem Fußboden platzierten Dachziegelfragment. Dieser Henkel war genauso sorgsam deponiert worden wie eine bronzene Spendenschale oder andere – auch in unseren heutigen Augen – wertvolle Weihegaben.63 3.2 Unter den Füßen – Abfall und Wirkmacht im Heiligtum von S. Anna Unter einem dünnen Erdstampfboden einer zweiten antiken Nutzungsphase fand sich auf einer Fläche, die bisher auf 3,5 m² freigelegt wurde, eine Schicht fragmentierten Opfer- und Weihematerials. Dieses war auf einem ersten Laufniveau verstreut worden. Inmitten der Fragmente wurde einiges keramisches Speise- und Trinkgeschirr in intaktem Zustand platziert. Dazu konnte festgestellt werden, dass es sowohl in situ gebrochen war, als auch dass es sich hierbei nicht um eine Erstverwendung der Objekte handelte, d. h. nicht um das erste Stadium der Objektbiographie.64 Der ganze Kontext wurde anschließend mit etwas Erde bedeckt und diese Schicht diente dann als neuer beziehungsweise zweiter Fußboden.65 Wohl schon während dieser Anlage war abzusehen, dass die intakt niedergelegten, z. T. fragilen Gefäße, die nun buchstäblich mit Füßen getreten werden sollten, allmählich zu Bruch gehen würden. Diese Nutzung der Keramik als Teil einer Bodenbet61 Vgl. DILLON 2002: 163–167 mit Belegen für Athen und die weitere griechische Welt. 62 Allerdings fehlen Gefäßbäuche mit Bemalung und Gefäßränder, die man in der Keramikforschung ebenfalls unter diagnostische Materialien subsumieren würde. Ein Zirkelschluss kann daher m. E. ausgeschlossen werden. 63 Eine reine pars pro toto Erklärung würde hier aufgrund des fragmentierten Zustandes zu kurz greifen. Für eine differenziertere Sicht auf Substitutionsprozesse in der griechischen Religion hat sich jüngst PATERA 2015 ausgesprochen. Als auch in unseren Augen wertvolle Weihgaben, die bei den Ausgrabungen gefunden wurden, lassen sich die getriebenen und ornamental verzierten Bronzeschalen (z. B. F 152) anführen, die für Trankspenden verwendet wurden. 64 Darauf deuten die botanischen Reste von Inhalten sowie Verbrennungsspuren im Inneren der Gefäße hin. 65 Die Lagenschicht US 34 wurde auf natürlichen Boden US 16 und US 46 ausgebracht, die hier als erster Fußboden genutzt wurde. Daraufhin wurde sie mit der neuen Erdbodenschicht US 13 bedeckt.
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tung ist eine deutlich andere als ihre Primärfunktion als Behältnisse, als man sie wohl eher sorgfältig gebrauchte, um ein Zerbrechen zu verhindern.66 Ein einziges Kännchen innerhalb dieses Kontextes wurde wiederum anders inmitten der Fragmente niedergelegt: Es war mit einem gewölbten Firstziegel abgedeckt und mit einer vertikal platzierten Scherbe fixiert.67 Diese Anordnung leitete wie ein Entlastungsbogen den Druck des Fußbodens ab und schützte das Kännchen vor dem Zerbrechen. Während der Ausgrabung war nicht erkennbar, ob die Anordnung dieser drei Objekte kurz vor der Überlagerung durch den neuen Boden erfolgte oder ob dieser zu einem späteren Zeitpunkt hier nochmals geöffnet wurde, um die Objekte nachträglich anzuordnen. Im letzteren Fall wären Kännchen, Firstziegel und Scherbe dann ebenfalls mit Erde bedeckt und der Boden an dieser Stelle erneuert worden.68 In der Nähe der drei Objekte war eine beschädigte TerrakottaArula ebenfalls auf dem ursprünglichen Laufniveau platziert worden.69 Sie wurde mit kleinen Steinen gestützt, wohl um sie dauerhaft über dem neuen Boden sichtbar zu halten.70 Die Arula könnte somit an das nun überdeckte Material, wie auch an die Handlungsabläufe, die den Unter-Boden produziert hatten, erinnert haben.71 Auf dem neuen Fußboden fanden weitere Deponierungen statt, die als Niederlegungen von einzelnen Weihungen zu verstehen sind.72
66 Eine solche Argumentation schon bei RIEGER 2016: 323 und 329–332 hinsichtlich der Befunde in Olympia. 67 Das Kännchen (F 307) überwölbt mit einem Firstziegel (F 312) aus US 34 enthielt noch einige antike Substanzen, von denen bisher der intakte Samen einer Malvenart identifiziert werden konnte. 68 Vgl. AULT 2005: 9–11 zur Erneuerung von Erdböden in Häusern des 4. Jh. v. Chr. in Halieis. 69 Die Arula (F 313) enthalten in US 34. 70 In den Erdproben, die nahe der Arula entnommen wurden, ließen sich zudem Gerste, Weizen, Weinrebe und Olive sowie verkohlte Fragmente von möglicherweise zubereiteten Speisen oder Brot identifizieren. 71 Unter der Annahme, dass die Arula (F 313) gleichzeitig mit der Fragmentschicht hier positioniert wurde. 72 Verschiedene Gefäße und Objekte, die wahrscheinlich eine Generation jünger sind als das Material in der Bodenbettung, wurden hier gefunden, z. B. Trinkschale (F 200), Kopf einer Terrakottafigur (F 175) enthalten in US 13, die wiederum von der Einsturzschicht US 2 bedeckt wurde.
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Abb. 3: Antike Deponierungsaktivitäten im Bereich US 13, US 16, US 34 und US 46. Schematische Darstellung mit diagrams.net (M. SCHAPER und Verf.)
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Abb. 4: Auswahl repräsentativer Funde aus US 68: Fragmente von two handled cups, Schüsseln und Kannen aus lokaler Produktion, von Miniaturkeramik, von Schüsseln, Schalen und Lekythoi aus attischer Produktion, von Schalen ionischen Typs; daneben Lampe, figürliche Terrakotta, aes rude, Bronze-Ohrring sowie Glasperlen und BleiAnhänger (Foto L. GÖTZ und T. DWORSCHAK, Graphik A. RHEEDER).
Die räumlichen Zusammenhänge der archäologischen Funde, die eine zeitliche Abfolge von Handlungen voraussetzen, weisen auf Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Deponierungsaktivitäten im Heiligtum hin. Fragmentiertes und (nach unserem heutigen Verständnis) noch brauchbares Material begegnen sich in unmittelbarer Nachbarschaft in einer Schicht, die einen Fußboden ‚trägt‘. Zudem änderte sich im Laufe der Zeit die Bedeutung, die jeder dieser Deponierungen zukam, durch weitere Aktivitäten, die neue Konstellationen zwischen den Materialien schufen (Abb. 3). Eine weitere Fußbodenbettung (als stratigraphische Schicht US 68 bezeichnet) fand sich einige Meter südlich der bereits beschriebenen Situation. In dieser Bettung konnten fragmentierte Materialien zusammen mit einigen intakt angeordneten Gegenständen dokumentiert werden (Abb. 4).73 Auch hier ließ sich feststellen, dass nach der flächigen Deponierung der Fragmente Erde darüber verteilt wurde. Diese Schicht diente fortan als neuer Boden auf dem ebenfalls weitere Weihungen vorgenommen wurden.74 Statt nochmals ins Detail zu gehen, soll hier lediglich als weitere Information festgehalten werden, dass auch Schmuckgegenstände, d. h. Gegenstände des persönlichen Gebrauchs, in der Bettung gefunden 73 Die Fußbodenbettung US 68 befindet sich über der fundleeren Schicht US 88, die wohl die Oberfläche des natürlichen Bodens anzeigt. 74 Auf der Bodenschicht US 67 über der Bettung US 68 fanden sich die beiden Einzeldeponierungen US 65 und US 70. Aufgrund des heterogenen Erhaltungszustandes konnte nur im Falle von US 65 beobachtet werden, dass diese Deponierung von einer weiteren antiken Schicht überdeckt war, eventuell einem weiteren antiken Boden.
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wurden. Die Bestandteile einer wohl ursprünglich gefädelten Kette aus unterschiedlichen Glasperlen und reliefierten Bleianhängern fanden sich über die gesamte Fläche einzeln verstreut, jedoch nicht als ganze Kette intakt deponiert (Abb. 5).75 Da sich an anderen Stellen der Ausgrabung sowohl eine Glasperlenkette als auch einzelne Glasperlen sorgsam platziert in Deponierungen fanden,76 lässt sich schließen, dass auch solche privaten Objekte eine vergleichbare Behandlung erfahren konnten wie andere Weihegaben: Auch in diesem transformierten Zustand kam ihnen Wert als Teil einer Deponierung zu. Insgesamt zeigen die Kontexte der Fußbodenbettungen exemplarisch auf, wie sowohl fragmentiertem, in Einzelteile zerlegtem und zerstörtem Material als auch Objekten, die aus ihren früheren Funktionszusammenhängen ausgemustert und nicht mehr im alltäglichen Sinne ‚nützliche‘ Gegenstände waren, durch Transformationsprozesse symbolische Funktionen zugedacht werden konnten. Mit RIEGER kann man daher annehmen, dass selbst an Stellen, an denen ein neuer Fußboden entstanden war, durch das Wissen um die hier früher begangenen Rituale und vielleicht auch durch einzelne repräsentative Markierungen die Material- und Objektansammlungen für die Heiligtumsnutzer noch wirkmächtig präsent waren. Das Vorhandensein solcher Deponierungen machte einerseits die sakrale Aura des Ortes manifest und regte andererseits zu weiteren rituellen Handlungen an. Die Reinhaltung des Heiligtums lässt sich nicht zuletzt am schmalen Spektrum der organischen Funde ablesen, in dem Spuren von Unkraut oder Schädlingen bisher gänzlich fehlen. Auch für die antiken Akteure könnten die vielschichtigen Möglichkeiten der Verlängerung von Objektbiographien im Heiligtum in einem greifbaren Kontrast zum Umgang mit Abfall in anderen antiken Funktionsbereichen, wie z. B. dem Haus oder der Agora, gestanden haben.
Abb. 5: Funde aus US 68: Rekonstruktion einer Halskette mit Glasperlen und reliefierten Blei-Anhängern (Foto L. GÖTZ und T. DWORSCHAK, Graphik A. RHEEDER).
75 Für ähnliche Kombinationen von gefädelten Ketten mit unterschiedlichen Glasperlen und Metallanhängern die vereinzelt auf Sizilien gefunden werden, aber noch nicht interpretiert oder genauer datiert werden können vgl. z. B. ROSSONI 2002 mit weiterer Literatur. Zur Verwendung von Blei vgl. FOURMONT/TISSEYRE 2018: 97–99 und zu Glasperlen vgl. SPANÒ GIAMMELLARO 2004. 76 Im Vergleich dazu das an einem Ort in US 33 deponierte Schmuckstück aus 28 Glasperlen (F 290) und die Weihung von einer Glasperle neben einer Pfeilspitze (F 211) in US 12.
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Abb. 6: Zweikammerdepot, südliche Kammer (3D-Modell T. DWORSCHAK).
Abb. 7: Auswahl repräsentativer Funde aus dem Zweikammerdepot (US 52): Fragmente von two handled cups, von Kotyliskos, Olpai, Kannen und tiefen Schüsseln aus lokaler Produktion, von attischen Schalen, Skyphoi und Miniatur-Skyphos sowie von Kochkeramik; daneben Fragmente von Lampen und einem weiblichen Terrakottakopf (Foto L. GÖTZ und T. DWORSCHAK).
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3.3 Abfall wirkmächtig verwahrt und zukünftig verwertbar – das Zweikammerdepot im Heiligtum von S. Anna Beim letzten Beispiel handelt es sich um die Füllung einer Steinsetzung, die aus zwei Kammern besteht (Abb. 6). Die Deponierung befindet sich über den Resten von Gefäßen und figürlichen Terrakotten angelegt, die wohl auf dem Boden an Ort und Stelle zerschlagenen wurden.77 Über diesen Objektresten und in einem Umkreis von etwa 1 m wurden aus großen Lesesteinen zwei parallele, langrechteckige Kammern aufgestellt.78 An der südwestlichen Langseite ließ sich zudem eine Verkleidung aus Ziegeln beobachten, die mit einer mörtelartigen Substanz an der Außenseite der Steine befestigt waren. Die zwei, im Inneren ca. 1 m × 0,5 m großen Kammern sind nur auf drei Seiten durch die Steinsetzungen begrenzt und waren wohl an ihrer östlichen Schmalseite geöffnet. Der Befund deutet darauf hin, dass die Kammern in mehreren Schichten bis auf eine Höhe von ca. 0,5 m gefüllt wurden. Diese Materialschichten, die man als ‚sacred trash‘ bezeichnen könnte, wechselten mit Lagen von Erde, die verkohlte Pflanzenreste enthielten, darunter Olivenkerne, Getreidekörner und möglicherweise auch Fruchtfleisch. In diesen Lagen fanden sich wiederum einzelne, achtsam platzierte Fragmente und Einzelstücke. Schließlich wurde mit über 30 horizontalen Ziegelfragmenten, faustgroßen Kieseln und Erde diese geschichtete Verfüllung entlang der Oberkanten der Steinsetzung verschlossen.79 Das fragmentierte Material der Verfüllung bestand hauptsächlich aus einer Mischung von keramischem Tisch- und Serviergeschirr, z. B. Kannen, sowie Weihegegenständen, meist Miniaturkeramik und Terrakottafiguren.80 Unter den intakten Objekten, die sich in bestimmten Abständen zwischen diesen Schichten eingefügt fanden, war beispielsweise ein Miniaturgefäß,81 das kopfüber zwischen zwei Dachziegelfragmenten deponiert wurde, bevor man die nächste Lage darüber schichtete. Auch einzelne große Tierknochen und Metallfragmente fanden sich in solcher Art in den beiden Kammern platziert. Ein singulärer Fund in dieser Deponierung ist das Terrakottarelief eines menschlichen Gesichts,82 das entlang der Profillinie aus einem größeren Objekt vor der Deponierung herausgebrochen worden war. Es lag neben der Hälfte eines Schweineunterkiefers, umgeben von Henkeln und Gefäßböden, ebenfalls auf Erde gebettet (Abb. 7). 77 Diese Fragmente fanden sich in US 82. Ob sich unter diesem Bodenniveau ein früheres befindet oder ein anderer antiker Befund, wird im Zuge der weiteren Ausgrabungen untersucht. Auf dem Laufniveau konnte eine Reihe horizontaler, in schräger Linie verlegter Ziegelfragmente beobachtet werden, die auf das Areal zulaufen und die für weitere, tiefer liegende antike Kontexte an dieser Stelle sprechen. 78 Zu einem vergleichbaren Befund in Poseidonia s. FERRARA 2009: 36f. 79 Bislang wurden die Kammern nur bis zur Höhe der Steinsetzung bis auf das Niveau des angenommenen Lehmfußbodens ausgegraben. 80 Mit Hilfe der wenigen importierten Keramikstücke konnte die Verfüllung in die erste Hälfte des 5. Jh.s datiert werden. 81 Miniaturgefäß (F 358) enthalten in US 52. 82 Weiblicher Terrakottakopf (F 354) enthalten in US 52.
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Im Fall der beiden Kammern lassen sich Prozesse der Zerstörung, Fragmentierung, Selektion und Sammlung sowie zeitliche Abfolgen von Handlungen mit den unterschiedlichen Objekten in einem komplexeren Gefüge als bei der Deponierungsgrube und der Fußbodenbettungen beobachten. Auch scheint hier ein breiteres Spektrum an Materialien und Stoffen zum Einsatz gekommen zu sein: Die Qualität und die Farbe der Erden unterscheidet sich in den beiden Kammern ebenso wie die anorganischen Einschlüsse, wie Brocken von Kalk- oder Sandstein. Weitere Materialanalysen müssen zeigen, ob hier einige der Weiheobjekte zermahlen wurden, um in dieser stofflichen Grundform deponiert zu werden. Wäre dies der Fall, so könnte man weitergehend die Frage anschließen, ob die dahinterstehende Absicht war, das stoffliche Potential mancher Objekte vollends auszuschöpfen und mit der Deponierung den Kreislauf der Materialien zu schließen. Zugegebenermaßen wissen wir nicht, ob die zwei Kammern im Rahmen einer einzigen Handlungssequenz oder in einem Prozess über einen längeren Zeitraum hinweg verfüllt wurden. Auch bei verschiedenen Szenarien zeigt sich doch eine direkte und wechselseitige Beziehung zwischen dem gesetzten Stein- und dem gelagerten Verfüllungsmaterial. Dies legt den Gedanken nahe, dass auch der Steinsetzung für die beiden Kammern vielleicht eine Rolle in diesem Netzwerk an deponierten Materialien zukam. Die Deponierung der zwei Kammern lässt an eine gelenkte ‚Abfallauslese‘ denken, die für die antiken Akteure eventuell auch im Sinne von zukünftigen Ritualen eine Bedeutung besaß. Möglicherweise sollte offenbleiben, welche rituellen Rückstände noch für ein weiteres Arrangement oder eine weitere Umlagerung verwendet werden konnten, so dass das Material eventuell auch vorsorglich aufgehoben wurde. 4. FAZIT UND AUSBLICK Die Deponierungsgrube, Fußbodenbettungen und Füllungen der zwei Kammern zeigen nachdrücklich auf, wie umfänglich und sorgfältig spezieller ‚Abfall‘ in S. Anna behandelt wurde. Den Argumentationen von PAKKANEN und RIEGER folgend sind auch für S. Anna verschiedene Motivationen wie rituelle Reinigung und Bannung, aber auch Steigerung der Wirkmacht des sakralen Ortes durch vielfältigste Gaben denkbar. Die Deponierungen umfassten intakte, beschädigte und zerstörte Objekte wie Trink- und Essgeschirr, Gegenstände des persönlichen Gebrauchs, Weihegegenstände und organische Materialien. Offenbleiben muss bisher, wie mit den nicht in diesem Bereich des Heiligtums gefundenen, weiteren Ritualobjekten und Rückständen verfahren wurde, deren Präsenz aber im Heiligtum vorauszusetzen ist, wie etwa die Bauchpartien von Keramikgefäßen. Wurde dieses Material durch weiteren Gebrauch oder Recycling in den antiken Stoffkreislauf wieder zurückgeführt (z. B. über Verkäufe) und verblieb womöglich nicht im Heiligtum? Trotz dieser offenen Frage lässt sich immerhin für die dokumentierten Funde festhalten, dass das Leben verschiedener Materialien, Objektpartien und Substanzen durch vielfältige Handlungen im Heiligtum nicht nur ver-
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längert, sondern gleichsam perspektivisch mit einem stofflichen Potential zum ‚Weiterleben‘ versehen wurde: Als Fragmente, als Einzelteile, als Reste einer Weihung oder Mahlzeit ausgelesen, gelagert, umgelagert oder zwischen voll funktionsfähigen Stücken gebettet – sie wurden nicht gänzlich aufgegeben. Auch wenn sie somit einem alltäglichen Stoffkreislauf entzogen waren, könnten sie dennoch in Hinblick auf ihren religiösen Kontext als ‚nachhaltig‘ behandelt verstanden worden sein. Die rituellen antiken Handlungen in S. Anna überkreuzen damit – nach derzeitigem Kenntnisstand – einige der kontroversen Schnittstellen, die sich in heutigen Auffassungen von Nachhaltigkeit feststellen lassen und die in der Einleitung aufgezeigt wurden. In Hinblick auf weitere Forschungen zu Abfall in antiken Heiligtümern, zum sogenannten ‚sacred rubbish‘ oder ‚Heiligtumsschutt‘, wären die wechselseitigen Beziehungen von verlängerten Objektbiographien bei gleichzeitig unterbrochenen Materialkreisläufen zu untersuchen; ebenso wäre nach den Charakteristika der Auslese des anfallenden ,Abfalls’ weiter zu fragen. Auch wären antike Auffassungen von Hygiene in die archäologischen Fragestellungen miteinzubeziehen. Insgesamt sollte die spezifische Behandlung von Abfällen im Heiligtum stärker mit derjenigen in anderen Kontexten verglichen werden. Hierbei wären vor allem die Unterschiede zwischen den Heiligtümern, aber auch zwischen den verschiedenen Funktionsbereichen antiker Städte, eingeschlossen der Nekropolen, einander gegenüberzustellen. Um ferner das Nebeneinander wertschöpfender und konsumatorischer Praktiken im religiösen Kontext, die sich in antiken Heiligtümern im mediterranen Raum archäologisch feststellen lassen, besser zu verstehen, müssen systematische Studien zu Abfall in der Antike folgen. Ausgehend von einer breiteren Materialbasis könnten antike Formen der Nachhaltigkeit zukünftig noch differenzierter gefasst werden. LITERATUR ADORNO, L. 2017. Agrigento, ricognizione di superficie in località S. Anna. I reperti, in N. SOJC (Hg.), Akragas. Current Issues in the Archaeology of a Sicilian Polis. Leiden, 159–171. AHEARN, L. 2001. Language and Agency, Annual Review of Anthropology 30, 109–137. AULT, B. A. 2000. Living in the Classical Poleis: the Greek House as Microcosm, Classical World 93/5, 483–496. AULT, B. A. 2005. The Excavations at Ancient Halieis: The Houses. The Organization and Use of Domestic Space. Indiana. BOCHER, S. 2016. Dinge zwischen Menschen und Göttern: Zu Deutungsansätzen für Dedikationspraktiken in frühen griechischen Heiligtümern, in S. HANSEN, D. NEUMANN und T. VACHTA (Hg.), Raum, Gabe und Erinnerung: Weihgaben und Heiligtümer in prähistorischen und antiken Gesellschaften. Berlin, 265–279. BOOKIDIS, N. und STROUD, R. S. 1997. Corinth 18: The Sanctuary of Demeter and Kore: Topography and Architecture. Princeton. BRAIDOTTI, R. 2006. Transpositions. Malden, MA. BURKERT, W. 1977. Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche. Stuttgart.
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‚NACHHALTIGKEIT‘ IN KULT UND MYTHOS – ATHENAS OLIVENBAUM AUF DER AKROPOLIS Christopher Schliephake Zusammenfassung: Enthalten Mythen ein ‚ökologisches‘ Moment? Und wie verhandeln mythologische Erzählungen die Wechselbeziehung zwischen menschlicher Gesellschaft und der nichtmenschlichen Welt? Der Aufsatz diskutiert ausgehend von diesen Fragestellungen den Gründungsmythos des antiken Athens, den Wettstreit zwischen Athena und Poseidon. Hauptargument ist, dass der Mythos das Zusammenspiel der lebensspendenden Elemente Erde und Wasser in Szene setzt und vorführt, wie sie mit Formen der sozialen Organisation und der kulturellen Aushandlung von Bedeutung zusammenhängen. Indem der Mythos den zentralen Platz der Olive für die athenische Gesellschaft und Kultur herausstellt, weist er zugleich auf die grundlegende Bedeutung hin, die einem ‚nachhaltigen‘ Umgang mit der Ressource zukommt – eine Einsicht, die ihren praktischen Ausdruck in Kult und ‚Kultgesetzen‘ fand. Bemerkungen zur Rolle der Religion für eine Theorie und Praxis der Nachhaltigkeit schließen die Betrachtung ab. Abstract: Do mythological stories contain elements which we may term ‘ecological‘? And how do the story elements of myths negotiate the interaction between human society and the nonhuman world? Starting from these questions, the essay looks at the foundational myth of ancient Athens, namely the contest between Athena and Poseidon. The main argument is that the myth reflects on the interplay between the lifegiving elements, earth and (salt-)water, and how they relate to human social organization and processes of meaning-making. Highlighting the olive’s central role for Athenian society and culture, the myth underscores the fundamental importance of a sustainable handling of the resource – an insight that found its concrete expression in cult and ‘sacred law‘. Remarks on the role of religion for a theory and practice of sustainability conclude the discussion.
In der Nordhalle des Erechtheion auf der Akropolis von Athen war eine rechteckige Vertiefung angebracht. An dieser Stelle, so hieß es, habe Poseidon einst seinen Dreizack eingerammt, worauf Wasser zu sprudeln begonnen haben soll. Der Gott wollte damit die Bürgerschaft überzeugen, ihn zum Schutzgott der Stadt zu machen. Ihm gegenüber stand Athena, die um dasselbe Privileg stritt. Sie pflanzte einen Olivenbaum. Als die Bürgerschaft schließlich aufgerufen war, abzustimmen, welcher Gott denn nun das bessere Geschenk unterbreitet habe, entschied sie sich für Athena. Von diesem Moment an trug die Siedlung ihren Namen. Athena wie auch der Olivenbaum wurden zu zentralen Elementen der Bildund Symbolwelt der Polis. Der Wettstreit der Götter wurde in Plastiken im westlichen Tympanon des Parthenon dargestellt, spätere Generationen bewunderten den, wie es hieß, ersten aller Olivenbäume, der beim Erechtheion im sog. Pandroseion wuchs, und noch in Plutarchs (ca. 45–120 n. Chr.) Zeiten überging man im
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Herbst im Monat Boedromion den zweiten Tag, da die Götter an eben diesem ihren Wettkampf ausgetragen hatten.1 Dieser Gründungsmythos Athens zeigt sicher viele Charakteristika, die auch aus anderen Poleis bekannt sind – der Wettstreit Poseidons mit späteren städtischen Schutzgottheiten war ein Topos.2 Neben diesen topischen Momenten des Erzählens traten wichtige politische Elemente, die in manchen Varianten des Mythos in der expliziten Wahl der Bürgerschaft (oder einzelner Gruppen) zum Vorschein kommen.3 Was uns im Folgenden neben diesen wichtigen Facetten vor allem beschäftigen wird, ist aber eine dritte Ebene, die wir als eine ‚ökologische‘ ansprechen können. Wie gezeigt werden soll, zielte der Mythos nämlich nicht zuletzt auf für die Gemeinschaft lebenswichtige Elemente und band die Bürgerschaft narrativ an die materiellen Stoffkreisläufe der naturräumlichen Umgebung zurück. Um dieses Wechselverhältnis aufzuzeigen, soll zunächst der Mythos diskutiert und nach seinen ‚ökologischen‘ Aspekten hin befragt werden, die auch in Kult und Politik wichtige Effekte zeitigten. Überlegungen zu einer ‚ökologischen‘ Mythentheorie bilden die Grundlage der Diskussion. Abgeschlossen werden diese Ausführungen von allgemeinen Überlegungen zur Bedeutung von Religion für Umwelthandeln, vor allem für eine Theorie und Praxis von ‚Nachhaltigkeit‘. 1. ‚ÖKOLOGISCHE‘ MYTHENTHEORIE? Die Mythologie gilt allgemein nicht mehr als Universalschlüssel zum Verständnis antiker Religion. Versteht man Mythen als symbolisch verdichtete Narrationen, die Rückschlüsse auf die Vergangenheit und den Platz einer Gemeinschaft in der Welt erlauben, sind sie dennoch weiterhin ein wichtiger Bestandteil eines kulturwissenschaftlichen Zugriffs4 auf die Antike und unerlässlich für eine Analyse von antiken Einstellungen zur nicht-menschlichen Lebenswelt. Gerade funktionsgeschichtliche Betrachtungsweisen antiker Mythen gibt es in der Forschung zuhauf. Für gewöhnlich betonen sie den identitätsstiftenden Charakter von Ursprungserzählungen, der politisch auf unterschiedlichste Art wirksam werden konnte.5 Daneben enthalten diese symbolisch verdichteten Geschichten, die erzählt und wiedererzählt werden, aber auch Bezüge zu Naturräumen und Akteuren, die eindeutig nicht-menschlich sind – seien es nun personifizierte Naturkräfte oder (un)sichtbare Götter, die durch natürliche Kräfte wirken. Bei dem hier zu verfol1 2 3 4 5
Plut. qu. conv. 741a–b. Zum Bildprogramm KNELL 1990: 115–117. Zum politisch fundierenden Aspekt des Gründungsmythos Überlegungen bei FLAIG 2004: 35. So schon Plut. qu. conv. 741a. Vgl. außerdem PARKER 1987: 199 und MEYER 2017: 395–397. BERMAN 2017 mit konzeptionellen Überlegungen. Vgl. unten. Zuletzt mit einem narratologischen Konzept JOHNSTON 2018. Vgl. auch ASSMANN 1992: 7886 und GEERTZ 1966. Beispielhaft GEHRKE 1994.
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genden Ansatz geht es allerdings nicht darum, ältere Auffassungen einer ‚Naturreligion‘ der Griechen wiederaufzugreifen,6 noch nach Entsprechungen moderner ‚Naturauffassungen‘ im mythischen Denken zu suchen.7 Es geht darum, in mythologischen Erzählungen (und, in einem weiteren Schritt, in religiösen Praktiken) nach Elementen zu suchen, die wir als ‚ökologisch‘ charakterisieren können, wobei ‚Ökologie‘ in diesem Fall die in kulturellen Narrativen verhandelten Wechselbeziehungen zwischen Mensch und physischem Lebensraum meint. Für die griechisch-römische Welt bietet der Mythos einen Kernbestand narrativer Muster und Symbole, die aufgerufen, adaptiert und verändert werden konnten, wenn antike Gruppen über sich selbst und ihre natürliche Umgebung Rechenschaft geben wollten. Dass es dabei auch um die Deutung und Reflexion der Lebenswelt an sich zu tun war, machte etwa schon VERNANT deutlich, wenn er die „Welt der Natur“, die „Welt des Menschen“ und die „Welt der sakralen Kräfte“ als integrale Teile „der mythischen Einbildungskraft“ sah und den Mythos zu einer kulturellen Projektionsfläche machte, in der das Wirken der Natur durch Götter versinnbildlicht und das menschliche Handeln in einem größeren Kreislauf der Kräfte eingebettet war.8 Jüngst hat auch TANJA SCHEER argumentiert, „dass Natur,
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Vgl. KOHL 1986. Vgl beispielsweise bereits ALEXANDER VON HUMBOLDT (1845–1862), der in seinem opus magnum zum Weltganzen, „Kosmos“, die antike Betrachtung der und das Wissen über die ‚Natur‘ zum Ausgangspunkt seiner Gesamtschau der Welterforschung machte. VON HUMBOLDT machte bereits die Beobachtung, dass die griechische Literatur arm an Naturdarstellungen war, dass die ‚Natur‘ also noch nicht als etwas anderes (im Sinne einer wahrnehmbaren, von der menschlichen Lebenswelt getrennten physischen Entität mit eigenen Gesetzen) erschien, von dem die ‚Kultur‘ sprechen konnte. Vgl. LORAUX 1996 für eine modernere Untersuchung. Ebenso GLACKEN 1967 mit dem Versuch, in einem diachronen Zugriff aufzuzeigen, wie die jeweilige soziokulturelle Wahrnehmung der ‚Natur‘ seit der Antike geschichtliche Ereignisse und Prozesse beeinflusst hat. Für GLACKEN bieten gerade in der Vormoderne mythologische Ansichten und Weltbilder einen, wenn nicht sogar den entscheidenden Indikator, um kulturelle Verständnisse der nicht-menschlichen Welt zu analysieren und die jeweiligen, für eine Epoche wesentlichen Wechselbeziehungen zwischen ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ zu studieren. Die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Lebenswelt hätte seit den frühesten Hochkulturen zum Nachdenken über Prozesse der Schöpfung durch einen oder mehrere Götter beigetragen und kulturelle Vorstellungen von Ordnung und Chaos, Überfluss und Mangel bedingt (37f.). VERNANT 2016: 13. In VERNANTs Interpretation bot der griechische Mythos seit Hesiods Theogonie einen imaginativen Raum, der die Ordnung der Welt erklärte und das menschliche Handeln in und an der ‚Natur‘ veranschaulichte (220–226 sowie 394–403 zur Entwicklung der Anschauung von „Natur“ beziehungsweise physis durch Philosophie und die Herausbildung der Polis). So erzählte der Prometheus-Mythos etwa, warum sich die Menschen durch harte Arbeit und technologische Hilfsmittel die Rohstoffe der Erde verdienen mussten und warum es Erfahrungen des Überflusses, aber auch des Mangels gab (287–291). Dazu auch OSBORNE 1987, der die Verbundenheit von polis und chora betonte und deutlich machte, dass Ackerbau und Viehzucht auch für urbane Räume wesentliche Bezugspunkte der jahreszeitlichen Ordnung waren (ausgedrückt u.a. im religiösen Festkalender).
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Mythos und Religion in ihrem jeweiligen Zusammenwirken zentrale Zusammenhänge in der Vorstellungs- und Lebenswelt der Griechen abbilden.“9 Umweltgeschichtlich gewendet wird diese ‚ökologische‘ Mythentheorie etwa bei dem Althistoriker J. DONALD HUGHES und der Philosophin CAROLYN MERCHANT. Beide haben im Mythos eine Form des Denkens erkannt, die der Anschauung sowie dem Umgang der Griechen mit der Natur einen narrativsymbolischen Rahmen gab. Während MERCHANT die im Mythos verankerten Metaphern der „Natur“ als Organismus oder nahrungsspendende Mutter hervorhebt, die den „heiligen“ Charakter der Natur betonten, aber auch spätere Vorstellungen von Beherrschbarkeit beeinflussten,10 situiert HUGHES mythische Erzählungen sowie kultische Praktiken gänzlich in einen umwelthistorischen Kontext: In einem weiten geographischen und zeitlichen Zuschnitt unternimmt HUGHES den Versuch, die Einstellung zur und den Umgang der antiken Menschen mit der nichtmenschlichen Welt zu untersuchen. Bereits der Titel seiner viel rezipierten Umweltgeschichte der Antike, Pan’s Travail: Environmental Problems of the Greeks and Romans, bezieht den stark religiös konnotierten Aspekt des antiken Umwelthandelns mit ein, der zugleich einen wichtigen Unterschied zur heutigen Zeit ausmacht.11 Der angesprochene Gott Pan, selbst ein Mischwesen aus Mensch und Tier, der vor allem ein Hirtengott war, stand in der antiken Vorstellung insgesamt für die natürliche Lebenswelt – in strukturalistischer Lesart war er ein Gott des ‚Außen‘, dem andere Naturwesen wie Nymphen oder Satyrn zur Seite gestellt waren und der natürliche Lebenskräfte symbolisierte, gegenüber Göttern des ‚Innen‘, die stärker an einen kulturellen Kontext gebunden waren und menschliche Archetypen verkörperten.12 Nach HUGHES ermöglicht die Vorstellung von in der Natur wirksam werdenden Gottheiten, dass bestimmte Bereiche der natürlichen Lebenswelt, wie etwa Grotten, Haine oder Wasserquellen, als heilige Orte wahrgenommen werden konnten.13 Da in diesen Räumen gleichsam meist keine Bäume gefällt, Tiere getötet oder Gebäude errichtet werden durften,14 stellen sie in HUGHES’ Analyse die vielleicht wichtigste Form der antiken ‚Nachhaltigkeit‘ dar.15 Freilich muss man bei dieser Lesart in Rechnung stellen, dass damit nicht automatisch der Gedanke eines ‚Umweltschutzes‘ verbunden war: Eingriffe in ‚heilige‘ Räume sind in den 9
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SCHEER 2019: 18. Der von SCHEER herausgegebene Sammelband „Natur – Mythos – Religion im antiken Griechenland“ macht nachdrücklich deutlich, wie vielschichtig und komplex diese Zusammenhänge sind, und wie wenig wir teils noch immer über die ihnen zugrunde liegenden Prozesse wissen. MERCHANT 1980: 1f. HUGHES 1994. Vgl. dazu etwa ROSENBERGER 2012: 31, der die Wichtigkeit der ‚Naturgottheiten‘ hervorhebt. Vgl. HUGHES 1994: 45–55. Vgl. HUGHES 1994: 92–95, sowie 169–180. Wie HUGHES es ausdrückt: „The reservation of sacred groves was probably the greatest single means of conservation in the ancient world; as Greek and Roman writers note, plants and animals survived within them when they had disappeared from surrounding areas.“ (1994: 179).
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Quellen durchaus belegt, außerdem haben wir es bei den erhaltenen Überlieferungen selbst häufig mit idealisierten literarischen Projektionen zu tun. 16 Ein Blick auf Athen mag hier weiterhelfen. Über Athen wissen wir aus den Quellen vergleichsweise gut über religiöse Belange Bescheid und zwar sowohl, was mythische Erzählungen von der Entstehung von Kulten beziehungsweise der Ankunft von Göttern in der Stadt, als auch, was Aspekte ihrer Verehrung und der kultischen Praxis betrifft. 17 Bis in die hellenistische Zeit hinein war Athen ein tief in religiösen Traditionen verwurzeltes Gemeinwesen, das diesbezüglich durch einen hohen Grad der Kontinuität geprägt war.18 Allerdings fehlte es auch nicht an Veränderungen, und eine Trennlinie zwischen scheinbar Althergebrachtem und Neuem ist nicht immer klar zu ziehen:19 So berichtet Herodot, dass der oben bei HUGHES angesprochene Naturgott Pan mit Hilfe des Läufers Philippides den Athenern kurz vor der Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.) eine Nachricht zukommen ließ, in der er fragte, warum sie ihn nicht verehrten. Als der Krieg gegen die Perser siegreich beendet war, hätten die Athener schließlich dem Pan am Fuß der Akropolis einen Tempel errichtet und ihn jährlich mit Dankesopfern geehrt.20 Es wäre verlockend mit der Einführung von Pan in Athen eine veränderte Umweltsicht zu assoziieren, wodurch der natürlichen Außenwelt in symbolischer Form in der Stadt ein prominenterer Platz gegeben wurde. Solch ein Rückschluss ist allerdings kaum überzeugend zu ziehen, weil die Quellen nichts über die Intention aussagen.21 Zwar war die Einführung neuer (oder fremder, ursprünglich nicht-griechischer) Götter oftmals mit einer Ursprungsgeschichte (aition) verknüpft, solche Geschichten hatten aber die Tendenz, die verschiedenen an der Einführung beteiligten Gruppen und soziopolitischen Prozesse zu verbergen.22 16 Man mag vielleicht an die Niederbrennung des heiligen Hains des Argos durch den Spartanerkönig Kleomenes denken. Hdt. 6,76–80. 17 Zu Kult und Kultpraxis und der Stiftung von Identität innerhalb der Polis Athen gibt es eine Vielzahl von Studien. Hier zugrunde gelegt sind die Studien von GARLAND 1992, PARKER 1996 und 2005, ebenso JAMESON 2014. 18 Vgl. MIKALSON 1998. 19 Siehe dazu KEARNS 2015. 20 Hdt. 6,105. Zur Stiftung neuer Kulte im Kontext der Perserkriege auch Plut. Arist. 11. Zum kultischen Aspekt u.a. SCOTT 2017. 21 Die Perserkriege scheinen in Athen allgemein die Kulte verschiedener Gottheiten stimuliert zu haben. Zu denken wäre an wie Boreas, Artemis Agrotera und Artemis Aristoboule. Dazu ANDERSON 2015; auch KAHIL 1991. 22 Vgl. GARLAND 1992: 50–60. Wir wissen vergleichsweise wenig über diejenigen, die neue Kulte stifteten, obwohl einerseits ein panhellenischer Rahmen wie die Legitimierung durch ein Orakel oder andererseits die Zustimmung der Bürgerschaft, die in Athen spätestens ab den 460er Jahren notwendig war, vorauszusetzen ist. Im Falle Pans war es anscheinend der siegreiche Feldherr von Marathon, Miltiades, der die Einführung vorantrieb und die Naturgottheit explizit mit der Schlacht in Verbindung setzte. Daneben mögen politische Verbindungen zu Arkadien, wo Pan dem Läufer Pheidippides in einer Epiphanie erschienen sein soll, bestanden haben, die den für Athen wichtigen Nachschub von Holz sicherstellen sollten, sodass die Einführung des Kults als eine Art diplomatischer Gestus zu verstehen wäre (vgl. GARLAND 1992: 60f.). Allerdings ist in jüngerer Zeit an diesen ökonomischen Verbindungen gezweifelt wor-
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Unabhängig davon, welche Beweggründe im Einzelnen eine Rolle spielten, um den Gott in Athen einzuführen, müssen mythische Bezüge auf oder die Verehrung von Naturgottheiten nicht automatisch eine Interpretation rechtfertigen, die darin einen erhöhten Grad an Umweltbewusstsein vermuten. Die repräsentative Zurschaustellung von allgemeiner Frömmigkeit und politischen Ambitionen, die Einzelnen oder bestimmten Gruppen zu einem bestimmten innen- oder außenpolitischen Zweck dienten, waren ebenfalls wichtige Faktoren.23 Dennoch heißt dies umgekehrt nicht, dass den griechischen Gemeinwesen der Umweltbezug mythischer Erzählungen fremd gewesen wäre. Im Gegenteil lassen sich gute Gründe dafür anführen, warum historisch gewachsenes Wissen zu Natur-Kultur Beziehungen in mythologischen Erzählungen generiert und generationenübergreifend weitergegeben wurde. So hat zuletzt ESTHER EIDINOW darauf aufmerksam gemacht, dass Mythen häufig „ökologisches Wissen“ enthalten, allerdings nicht in der Form abstrakter Denkfiguren, sondern durch narrativ aufgeladene Bezüge zwischen Gemeinschaften und Orten oder Landschaften der natürlichen Lebenswelt.24 GRETA HAWES sieht diesen Bezug zur physischen Umgebung ebenfalls als konstitutiven Bestandteil gerade von Gründungs-erzählungen, wobei eben nicht allein die politische oder soziale Gemeinschaft narrativ hervorgebracht werden soll, sondern vielmehr eine kognitive Grundlage für die Orientierung im Raum geschaffen wird: Geschichtenerzählen, so HAWES, ist nicht bloß in einer spezifischen Umwelt situiert, sondern hängt von ihr ab beziehungsweise bringt sie erst hervor.25 Dies wird durch neuere kognitionswissenschaftliche An-
den (ROY 1999), sodass die Stoßrichtung der politischen Entscheidung auch als symbolischer Akt interpretiert werden könnte, der gegen Sparta, der Hegemonialmacht auf der Peloponnes, gerichtet war. 23 Außerdem gilt es, den Kult eines einzelnen Gottes wie Pan in seiner Bedeutung mit anderen innerhalb einer Polis verehrten Gottheiten zu vergleichen. Dass Athen mit Athena eine Hauptgottheit vorweisen konnte, war Ausdruck der attischen „Polis-Religion“ (vgl. SOURVINOU-INWOOD (2000) [1990]). Dieses Konzept hebt in besonderer Weise die von der Polis durchgeführten Kulte hervor, die die Identität der Bürgergemeinde rituell hervorbrachte und identitätsstiftend wirkte. Für eine Diskussion und weiterführende Kritik KINDT 2012: 12–36 sowie KINDT 2009. Zumal in Athen gab es mit der Stadt und den Demen zwei zentrale Bezugsfelder religiöser Aktivitäten, die unabhängig voneinander operierten, die aber auch Zwischenformen zuließen. Zu den verschiedenen Bezugsfeldern: PARKER 2005: 50–78. Auch SOURVINOU-INWOOD 2011 und VLASSOPOULOS 2015. Beispiele für kultische Feste der Demen wären die ländlichen Dionysien oder die Riten der Proerosia, die vor dem Pflügen durchgeführt wurden. Festivals wie die Anthesterien wurden auf Polis- wie auf Demenebene begangen. Auch die Kulte der Phylen, die Demen- und Polisebene verbanden, sind in diesem Kontext zu nennen. Das typische Beispiel für eine auf die Stadt bezogene Feier waren die Panathenäen. Die hohe Zahl der einzelnen Festtage konnte auch Kritik hervorrufen wie die berühmte Passage bei Ps.-Xen. Ath. Pol. 3,1–2. Siehe dazu WEBER 2010: 139. 24 EIDINOW 2016: 48. Dazu zuvor auch BUXTON 1994: 80–113. Zu mythogenen „Landschaften“ MCINERNEY/SLUITER 2016 sowie COHEN 2009. 25 „Storytelling“, schreibt HAWES, ist eine „activity which is both precisely situated in, and contingent on, the environment“ (HAWES 2017: 1). Wie sie mit Blick auf antike Beispiele erläutert: „We find nymphs transformed into trees and springs; rivers at once gods and forces
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sätze bestätigt, die die kognitiven Prozesse der menschlichen Informationsverarbeitung (etwa durch Narration) in einem biologisch-körperlichen Kontext des Austauschs mit der Lebenswelt situieren.26 Das Erzählen und die Rezeption von Geschichten ist demnach eine Tätigkeit, in der aktiv Handlungen und Handlungsoptionen in und mit der Umwelt eingeübt werden.27 Wenn hier also von einer ‚ökologischen Mythentheorie‘ gesprochen wird, dann wird der Begriff der ‚Ökologie‘ in einem metaphorischen Sinn gebraucht, um darauf aufmerksam zu machen, dass Mythen eine wesentliches kulturelles Instrument waren, um die Wechselbeziehung zwischen menschlichen Gesellschaften und ihrer biophysischen Umgebung auszuhandeln und mit Bedeutung zu versehen.28 Der Begriff versteht Mythen als wesentlichen Bestandteil kultureller Diskurse und Wissensordnungen, die das fundamentale Abhängigkeitsverhältnis des Menschen von der natürlichen Lebenswelt thematisieren – allerdings dezidiert nicht in einem geodeterministischem Sinn, sondern als imaginären Akt, der die natürliche Lebenswelt mit narrativen Elementen versieht, um dadurch zugleich Möglichkeitsräume des Daseins und der Interaktion zu eröffnen.29 Dieser Ansatz beinhaltet aber nicht das Argument, dass die antiken Gesellschaften bereits eine ‚Ökologie‘ in unserem Sinne kannten, obwohl es Vorläufer gegeben haben mag.30 Vielmehr soll mit Blick auf das übergeordnete Thema der ‚Nachhaltigkeit‘ deutlich gemacht werden, dass Mythen, und mit ihnen die antike Religion, zentral für die Weitergabe von ‚ökologischem‘ Wissen waren – dass ihre Weitergabe zugleich die ‚nachhaltige‘ Seite der Kultur beschreibt.31 Und dass Mythen Aspekte der Mensch-Umwelt Interaktion thematisieren konnten, in denen es bisweilen um den Wert und die Bedeutung ‚nachhaltiger‘ Nutzung lebensweltlicher Ressourcen und den schonenden Umgang mit symbolisch aufgeladenen Naturräumen ging. Diese Zusammenhänge sollen am eingangs skizzierten Fallbeispiel des athenischen Gründungsmythos aufgezeigt werden.
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of nature; tombs marking the burial sites of heroes; place names explained by the deeds of their eponyms“ (1). HASSAN 2004: 315. EIDINOW 2016. Eine ähnliche Beobachtung macht JOHNSTON 2018: 10, wenn sie darauf hinweist, dass mythische Erzählungen nicht nur auf eine (legendenhafte) Vergangenheit Bezug nehmen, sondern auch Möglichkeitsräume für die Gegenwart eröffnen. Zu dieser metaphorischen Bedeutungsübertragung bereits STEWARD 1955. Ich habe diesen Ansatz an anderer Stelle als den einer ‚storied ecology‘ beschrieben. Vgl. SCHLIEPHAKE 2020. VÖGLER 2000 und THOMMEN 2009: 14f. Zur Diskussion u.a. THOMMEN in diesem Band. Zu „kultureller Nachhaltigkeit“ SCHLIEPHAKE 2017 sowie MEIREIS/RIPPL 2019.
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2. DER ATHENISCHE GRÜNDUNGSMYTHOS Der Wettkampf zwischen Athena und Poseidon war ein beliebtes Thema, das in verschiedenen Quellentexten behandelt wurde.32 Die längste Version liefert Apollodors Bibliotheke: Kekrops, aus der Erde selbst stammend, der den zusammengewachsenen Körper eines Mannes und eines Drachens hatte, regierte als erster König über Attika und bezeichnete das zuerst Akte (‚Küste’) genannte Land nach sich als Kekropien. Unter diesem, behauptet man, schien es den Göttern gut, Städte in Besitz zu nehmen, in denen sie eigene Ehren haben sollten, jeder für sich. Es kam nun als erster Poseidon nach Attika, schlug mit seinem Dreizack mitten an die Stadtburg und ließ so Meer(-wasser) zum Vorschein treten, das man jetzt das Erechtheїsche (Meer) ruft. Nach diesem aber kam Athena, machte Kekrops zum Zeugen ihrer Inbesitznahme und pflanzte dann einen Ölbaum, der jetzt im Pandroseion gezeigt wird. Als aber beide Streit um das Land hatten, löste Zeus Athena und Poseidon voneinander und gab Schiedsrichter, nicht, wie manche gesagt haben, den Kekrops und Kranaos, auch nicht den Erysichthon, sondern die Zwölf Götter. Und da diese urteilten, wurde das Land richterlich Athena beschieden, wobei Kekrops bezeugte, dass sie als erste den Ölbaum gepflanzt habe. Athena nun rief die Stadt nach sich selbst ‚Athenai‘ (‚Athen‘), Poseidon aber fasste Groll im Gemüt, überschwemmte die Thriasische Ebene und versetzte damit Attika unter die Salzflut.33
Andere Varianten des Mythos konnten bestimmte Aspekte abändern oder jeweils in den Mittelpunkt rücken; grundsätzlich sind Ausgangssituation und Ergebnis aber dieselben, d. h. Poseidon und Athena sind die Protagonisten der Geschichte, wobei letztere den ersten Olivenbaum pflanzt.34 Der im Mythos beschriebene Wettstreit (agon) half, die naturräumlichen Begebenheiten der Akropolis mit narrativen Elementen aufzuladen und zu versehen. Zugleich wurden ‚ökologische‘ 32 Für eine ausführlichere, etwa anders gelagerte Diskussion auch SCHLIEPHAKE 2020. Weitere Quellen: Eur. Ion 1433–1436; Eur. Tro. 799–803; Xen. mem. 3,5,10; Isokr. 12,193; Ov. met. 6,70–82; Hyg. fab. 164; Kall. iamb. 4,67–69; Varro frg. 11. 33 Apollod. 3,14,1 (Übers. DRÄGER): Κέκροψ αὐτόχθων, συμφυὲς ἔχων σῶμα ἀνδρὸς καὶ δράκοντος, τῆς Ἀττικῆς ἐβασίλευσε πρῶτος, καὶ τὴν γῆν πρότερον λεγομένην Ἀκτὴν ἀφ᾽ ἑαυτοῦ Κεκροπίαν ὠνόμασεν. ἐπὶ τούτου, φασίν, ἔδοξε τοῖς θεοῖς πόλεις καταλαβέσθαι, ἐν αἷς ἔμελλον ἔχειν τιμὰς ἰδίας ἕκαστος. ἧκεν οὖν πρῶτος Ποσειδῶν ἐπὶ τὴν Ἀττικήν, καὶ πλήξας τῇ τριαίνῃ κατὰ μέσην τὴν ἀκρόπολιν ἀπέφηνε θάλασσαν, ἣν νῦν Ἐρεχθηίδα καλοῦσι. μετὰ δὲ τοῦτον ἧκεν Ἀθηνᾶ, καὶ ποιησαμένη τῆς καταλήψεως Κέκροπα μάρτυρα ἐφύτευσεν ἐλαίαν, ἣ νῦν ἐν τῷ Πανδροσείῳ δείκνυται. γενομένης δὲ ἔριδος ἀμφοῖν περὶ τῆς χώρας, διαλύσας Ζεὺς κριτὰς ἔδωκεν, οὐχ ὡς εἶπόν τινες, Κέκροπα καὶ Κραναόν, οὐδὲ Ἐρυσίχθονα, θεοὺς δὲ τοὺς δώδεκα. καὶ τούτων δικαζόντων ἡ χώρα τῆς Ἀθηνᾶς ἐκρίθη, Κέκροπος μαρτυρήσαντος ὅτι πρώτη τὴν ἐλαίαν ἐφύτευσεν. Ἀθηνᾶ μὲν οὖν ἀφ᾽ ἑαυτῆς τὴν πόλιν ἐκάλεσεν Ἀθήνας, Ποσειδῶν δὲ θυμῷ ὀργισθεὶς τὸ Θριάσιον πεδίον ἐπέκλυσε καὶ τὴν Ἀττικὴν ὕφαλον ἐποίησε. 34 PATAY-HORVÁTH 2015: 353f. Varianten des Mythos unterscheiden sich in der Frage, wer eigentlich den Wettkampf entschied (die Götter oder Menschen, so vor allem Aug. civ. 18,9 nach Varro frg. 11) und was der ausschlaggebende Faktor war – ein Wettlauf vom Olymp aus, der Wert des Geschenks für die Stadt oder aber, dass man einen Zeugen hinzuzog (oder dies eben unterließ). Um die Niederlage seines Vaters Poseidon zu rächen, soll Eumolpos Krieg gegen Athen geführt haben, wurde aber von Erechtheus erschlagen, der wiederum von Poseidon getötet wurde. Dazu Isokr. 12,193; ebenso COLLARD/CROPP 2008.
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Wechselbeziehungen zwischen menschlicher Gesellschaft und natürlichen Ressourcen thematisiert, wenn auch nur implizit und gefiltert durch ein höchst symbolhaft aufgeladenes Narrativ: Athenas Olivenbaum war sowohl das erste Siegeszeichen der Akropolis, wie auch eine der Ursachen für die in der Folge reichhaltige ökonomische Prosperität Athens.35 Denn Athen war in hohem Maße abhängig von der Produktion von Olivenöl, das als Handelsgut, zum Teil im Tausch gegen das ebenfalls wichtige Holz zum Flottenbau, fungierte. Damit war das enge Band zwischen der Polis und der Gottheit geknüpft, die somit zugleich zu einem Symbol für die wohlwollende und fruchtbare Natur Attikas wurde. Umgekehrt erklärte man sich den chronischen Trinkwassermangel Athens damit,36 dass man Poseidon mit der Entscheidung pro Athena verärgert hatte und der Gott daraufhin die Polis in regelmäßigen Abständen mit Trockenheit strafte, womit ein anderes Naturprinzip narrativ im Mythos zum Ausdruck gebracht wurde. Poseidons potenziell zerstörerische Kraft wurde nicht zuletzt in der Flut ersichtlich, die er dem Gemeinwesen schickte.37 Der Mythos eignet sich sehr gut, um antike Einsichten in Aspekte von ‚Nachhaltigkeit‘ und Mangelerfahrungen zu veranschaulichen, die religiös ausgedrückt und verhandelt wurden. Zwei wesentliche Elemente, Erde und Wasser, waren darin aufeinander bezogen und symbolisierten die natürlichen Gegebenheiten innerhalb derer sich das Leben in und um Athen vollzog. Der Mythos charakterisierte den Ölbaum nicht nur als den wesentlichen Grundbestandteil der attischen Kulturlandschaft, sondern wies ihn als einen göttlichen Segen, kurzum: als Lebensgrundlage, aus. Der Aspekt der Nachhaltigkeit ergibt sich nicht zuletzt dadurch, dass der langzeitige Effekt der göttlichen Gaben im Mittelpunkt steht: Während das Wasser aus Poseidons Quelle zwar sofort heraussprudelt, letztlich aber ungenießbar ist, offenbart sich der Nutzen von Athenas Geschenk mit einer zeitlichen Verzögerung, in der natürliche Zyklen des Wachstums und der Ernte mitberücksichtigt sind. Damit war zugleich die enge Wechselbeziehung zwischen den Athenern und der attischen Erde mitgedacht, in der Athena mit ihrem Speer den Ölbaum einpflanzte und dadurch zu einem sakralen Raum machte. Diese besondere Beziehung der Athener zu dem Boden und den Früchten, die er trägt, wird auch in anderen Texten ersichtlich38 und lässt Rückschlüsse darüber zu, dass nicht nur Elemente einer ökologischen, ökonomischen und sozialen ‚Nachhaltigkeit‘ im Mythos zur Anschauung gebracht wurden, sondern dass der Mythos selbst Teil einer ‚kulturellen Nachhaltigkeit‘ war, der Wissensbestände enthielt und (mög-
35 HURWIT 1999: 229–231. 36 Vgl. dazu etwa Plut. Sol. 23,5. 37 Dennoch war Poseidon wichtig für die bürgerliche Identität, half er den Athenern doch in der Schlacht bei Salamis und war emblematisch für den Aufstieg zur Seemacht nach den Perserkriegen. Vgl. PARKER 1987: 199 und MEYER 2017: 395–397. 38 Vgl. etwa Plat. Kritias 110e–111a. Ebenso zu religiösen Aspekten des Eigentums an der Erde Aristot. Ath. Pol. 11,4.
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licherweise in veränderter) Form über Generationen weitergegeben wurde, um so wesentlich zu dem Selbstbild der Athener beizutragen.39 Die hybride Gestalt des Kekrops, der der Erde Attikas entsprungen sein soll, verwies nicht zuletzt auf den Ursprungsmythos der Athener.40 In klassischer Zeit präsentierten sich die Athener als autochthone Gemeinschaft, deren Vorväter vom attischen Boden selbst abstammten.41 Aus dieser Zeit stammt auch die erste überlieferte Variante des Mythos: Auf der Burg ist ein Tempel des Erechtheus, der dort aus der Erde geboren sein soll, und darin ein Ölbaum und Seewasser, und die Athener behaupten, den Baum und das Wasser hätten Poseidon und Athene, als sie um das Land stritten, als Wahrzeichen dahin versetzt. Dieser Ölbaum war, als die Perser den Tempel in Brand steckten, auch mit verbrannt. Am zweiten Tage nach dem Brande aber sahen die Athener, denen Xerxes dort zu opfern befohlen hatte, als sie in den Tempel kamen, dass schon ein ellenlanger neuer Trieb aus seiner Wurzel wieder ausgeschlagen war.42
MARX konnte zeigen, dass der Mythos seine Ursprünge in archaischer Zeit hatte und dass Vasenbilder den Wettstreit zwischen Athena und Poseidon abbildeten.43 Das Narrativ bot dementsprechend bereits in den Jahrzehnten nach der persischen Invasion ein Mittel, um Erfahrungen der Zerstörung, aber auch des Weiterlebens und der Regeneration zu thematisieren. Dass das Fortleben der athenischen Gemeinschaft wesentlich von der regenerativen Kraft des Olivenbaums abhing, machte Herodots Variante deutlich. Politisches Wiederaufleben und ‚ökologisches‘ Wachstum fielen symbolisch in eins. Im Erechtheion waren beide Elemente, Erde beziehungsweise Olivenbaum und Wasser, symbolisch aufeinander bezogen. Im sogenannten Thalassa Erechtheis war das bei Herodot angesprochene „Seewasser“ aufbewahrt.44 Nicht unweit davon stand eine aus Olivenholz gefertigte Statue für Athena Polias, die angeblich einst vom Himmel gefallen war.45 Statue und Bassin waren örtliche Orientierungspunkte, die dem Mythos einen materiellen und zugleich kultischen Aspekt gaben, sowie natürliche Elemente an zentralen Punkten der Gemeinschaft veran39 Zur großen sozio-politischen Bedeutung des Mythos vgl. DETIENNE 1970. Der Olivenbaum konnte als ἀστῂ ἐλαία, als zu den Bürgern der Polis Athen gehörig, gelten. 40 ELDERKIN 1941: 117f. 41 CLEMENTS 2015. Die berühmte Passage bei Thukydides (1,2,5f.) liefert nicht zuletzt eine auf natürliche Ressourcen bezogene Variante. 42 Hdt. 8,55 (Übers. Th. Braun): ἔστι ἐν τῇ ἀκροπόλι ταύτῃ Ἐρεχθέος τοῦ γηγενέος λεγομένου εἶναι νηός, ἐν τῷ ἐλαίη τε καὶ θάλασσα ἔνι, τὰ λόγος παρὰ Ἀθηναίων Ποσειδέωνά τε καὶ Ἀθηναίην ἐρίσαντας περὶ τῆς χώρης μαρτύρια θέσθαι. ταύτην ὦν τὴν ἐλαίην ἅμα τῷ ἄλλῳ ἱρῷ κατέλαβε ἐμπρησθῆναι ὑπὸ τῶν βαρβάρων: δευτέρῃ δὲ ἡμέρῃ ἀπὸ τῆς ἐμπρήσιος Ἀθηναίων οἱ θύειν ὑπὸ βασιλέος κελευόμενοι ὡς ἀνέβησαν ἐς τὸ ἱρόν, ὥρων βλαστὸν ἐκ τοῦ στελέχεος ὅσον τε πηχυαῖον ἀναδεδραμηκότα. 43 MARX 2011. 44 Denken ließe sich entweder an ein Bassin zum Auffangen von Regenwasser oder aber ein Becken, in dem Wasser gesammelt wurde, das beispielsweise für kultische Zwecke auf die Akropolis gebracht wurde. Eine Beschreibung, für die wir heute keine archäologischen Belege haben, bietet Paus. 1,26,5. Auch PATAY-HORVÁTH 2015: 355. 45 Paus. 1,26,6. Vgl. PAPACHATZIS 1989: 176.
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kerten. Zusammen mit den kursierenden Varianten des Gründungsmythos bildeten Olivenbaum und Wasser Bestandteile eines sozial-ökologischen Bezugsrahmens, in dem gemeinschaftliche Prosperität und Wohlergehen wechselseitig auf natürliche, lebensweltliche Elemente verwiesen. Dies bedeutet nicht, dass die übertragene, identitätsstiftende Signifikanz des Mythos gering zu veranschlagen wäre; vielmehr ist dies ein Plädoyer dafür, diese höchst symbolische Ebene stärker in einem natürlich-materiellen Kontext zu betrachten, der neben politischen Aspekten auch die ‚ökologischen‘ Determinanten behandelte, die überhaupt das Leben ermöglichten. 3. KULT UND KULTGESETZE Vielleicht mögen diese Zusammenhänge selbsterklärend sein, dennoch sollten sie nicht einfach stillschweigend vorausgesetzt werden. Die naturräumlich-soziale ‚Ökologie‘, die im Gründungsmythos ausgedrückt wurde, wurde in späteren Quellen auf Entwicklungen der archaischen Zeit rückbezogen: Nun baute er (Themistokles) den Piraeus aus, denn er hatte erkannt, wie günstig seine Häfen gelegen waren, und schuf Athen zu einer wirklichen Seestadt um. Allerdings setzte er sich dadurch in Gegensatz zu den Bestrebungen der alten attischen Könige. Diese hatten nämlich darauf hingearbeitet, die Bürger vom Meere wegzuziehen und daran zu gewöhnen, unter Verzicht auf die Seefahrt das Land zu bebauen. Zu diesem Ende erfanden sie auch die Fabel, Poseidon und Athene hätten sich um den Besitz des attischen Landes gestritten, Athene aber den Sieg davon getragen, als sie den Richtern den Ölbaum zeigte. 46
Obgleich Plutarch in postklassischer Zeit lebte, weist seine Variante des Mythos darauf hin, dass er eine Vorlage benutzt hat, die in einem dezidiert agrikulturellen Kontext angesiedelt war.47 Er weist den Mythos zugleich als eine „invented tradition“48 aus, die wiederum durch die Polarität zwischen Erde und Wasser beziehungsweise Landwirtschaft und Seefahrt geprägt war. Dass wir überhaupt erst nach den Perserkriegen eine literarische Tradition fassen können, mag auch als Reflex zu verstehen sein, die stärkere Hinwendung zur See mit einem ehemals bestehenden Zustand zu kontrastieren und dennoch über den Weg des Mythos die eigene Verwurzelung in Attika zu betonen. Der Mythos verdeutlichte die vorhistorischen Bezüge zwischen athenischer Bürgerschaft und der Akropolis sowie deren wechselseitige Abhängigkeit von elementaren Kräften. 46 Plut. Them. 19,2f. (Übers. K. Ziegler): ἐκ δὲ τούτου τὸν Πειραιᾶ κατεσκεύαζε, τὴν τῶν λιμένων εὐφυΐαν κατανοήσας καὶ τὴν πόλιν ὅλην ἁρμοττόμενος πρὸς τὴν θάλατταν, καὶ τρόπον τινὰ τοῖς παλαιοῖς βασιλεῦσι τῶν Ἀθηναίων ἀντιπολιτευόμενος. [3] ἐκεῖνοι μὲν γάρ, ὡς λέγεται, πραγματευόμενοι τοὺς πολίτας ἀποσπάσαι τῆς θαλάττης καὶ συνεθίσαι ζῆν μὴ πλέοντας, ἀλλὰ τὴν χώραν φυτεύοντας, τὸν περὶ τῆς Ἀθηνᾶς διέδοσαν λόγον, ὡς ἐρίσαντα περὶ τῆς χώρας τὸν Ποσειδῶ δείξασα τὴν μορίαν τοῖς δικασταῖς ἐνίκησε. 47 Vgl. PATAY-HORVÁTH 2015: 358. Rituelles Pflügen fand in der Antike am Nordhang der Akropolis statt und die Fruchbarkeitskulte der Athena Polias wiesen ebenfalls eine stark landwirtschaftliche Konnotation auf. Dazu PAPACHATZIS 1989: 179. 48 HOBSBAWM/GRANGER 1983.
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Besonders HÅLAND hat die landwirtschaftlichen Bezüge als zentrale Elemente der Kulte und Feste interpretiert, die Athena geweiht waren.49 Fruchtbarkeit und Fruchtbarkeitsrituale nahmen dabei in allen von HÅLAND analysierten Fallbeispielen wichtige Rollen ein, wobei eine Korrelation von Festkalender und Wachstumszyklus der Olive beobachtet werden kann.50 Das untrennbare Band, das Athen mit seiner Schutzgöttin verband, hatte seine wichtigste rituelle Ausprägung in Kulten und Prozessionen auf der Akropolis.51 Bei den rituellen Umzügen und Opfern der Panathenäen war die gesamte Bürgerschaft involviert – das Gemeinwesen konnte sich hier in seiner sozialen Gliederung und doch als Gemeinschaft erleben,52 dessen kollektive Identität zur Anschauung gebracht und fest zu den mythischen Ursprüngen des Festivals in Beziehung gesetzt war.53 Auch hier spielten Aspekte der Erneuerung beziehungsweise der Regeneration eine wichtige Rolle, nicht zuletzt symbolisiert durch das neue Kleid (πέπλος), das die Statue der Athena Polias jedes Jahr erhielt.54 Es ist kein Zufall, dass HUGHES in seiner Umweltgeschichte der Antike rituelle, zyklisch wiederkehrende Feste als kulturelle Praktiken interpretiert, die die Einstellung der Gemeinschaft zur Umwelt prägten und implizit ein Verständnis für Prozesse der ‚Nachhaltigkeit‘ förderten.55 49 50 51 52 53
HÅLAND 2012: 256–258. HÅLAND 2012: 258 und 271. Vgl. dazu auch in zeitlicher Entwicklung MEYER 2017. Zur sozialen Hierarchiebildung in und durch die Prozession LARSON 2016: 148. Die Sieger in den gymnischen und hippischen Agonen bei den Großen Panathenäen erhielten Gefäße mit Olivenöl, das von Ablegern des heiligen Ölbaums gewonnen wurde. Vgl. Aristot. Ath. Pol. 60,1. Zur Gewinnung auch HORSTER 2006: 169f. Das reichhaltige Fleischopfer wurde an jeden Demos gemäß der Teilnehmerzahl in der Prozession verteilt und wurde der kommunalen und demokratischen Verfasstheit Athens gerecht. Während damit den in festen Abständen gefeierten Kultfesten in der Stadt eine soziokulturelle, nachhaltige Funktion zukam, die auf den Fortbestand der Gemeinschaft und der gesellschaftlichen Kohärenz insgesamt bezogen war, gab es in ganz Attika eine Vielzahl lokaler Kulte, die auf die Landschaft verwiesen. Wie VLASSOPOULOS es ausdrückt: „Rituals at caves, mountaintops, and other sacred locations linked the deme community to its landscape and to the divinities that occupied that landscape” (2015: 264). Dies involvierte häufig parochiale Heroen, die mit der Geschichte eines Demos verbunden waren oder die bestimmte Areale des jeweiligen Territoriums beschützten. Es bezog aber auch andere Gottheiten mit ein, die einen starken Bezug zur Natur aufwiesen und deren wohlwollende Haltung für die Polis-Gemeinschaft als Ganzer gesichert werden musste. Ob man an die Demeter in Eleusis, die Artemis in Brauron oder den Dionysos auf Ikaria denkt – all diese Gottheiten und deren Kulte thematisierten (zumindest implizit) die Verbindung zwischen menschlicher Gemeinschaft und natürlicher Lebenswelt. In besonderer Weise setzen sie Momente der Ernte, des Wachstums sowie der periodischen Wiederkehr in Szene, die für das Überleben einer vormodernen Agrargesellschaft unerlässlich waren. Beispielhaft zum Demeter Mythos und seiner nachhaltigen Dimension (auch in kultureller Sicht) SCHLIEPHAKE 2017. 54 SOURVINOU-INWOOD 2011: 271f. 55 Vgl. HUGHES 1994: 53f. sowie 95f. Beispiele wären die Arkteia in Brauron, die in besonderer Weise Kindern und jungen Tieren gewidmet waren und den symbolischen Schutz betonten, den Artemis ihnen gewährte, oder wie die Mysterien von Eleusis, die die Entstehung der Jahreszeiten und die Wechselseitigkeit von Tod und Geburt thematisierten. Aus einem umweltgeschichtlichen Blickwinkel ist diese Perspektive sicher bedenkenswert, allerdings wissen wir
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Dass der Olivenbaum eine große Bedeutung für die Athener hatte, wird aber auch aus anderen Kontexten deutlich. Für HORDEN und PURCELL gehört die Olivenfrucht zu den hervorstechenden Symbolen mediterranen Lebens. 56 Dies hat aber nicht nur mit kulturellen, sondern auch mit ökonomischen Aspekten zu tun. Bezogen auf die klimatischen Verhältnisse im vormodernen Mittelmeerraum, bot sich der Olivenbaum geradezu für die Kultivierung an, da er recht pflegeleicht ist und dankbar zusätzliche Feuchtigkeit aus seiner Umgebung aufnimmt. Der heilige Olivenbaum auf der Akropolis etwa wuchs unter freiem Himmel im Bezirk der Taugöttin Pandrosos.57 In ihrer kultivierten Form stellt die Olive seit Jahrhunderten sowohl einen Eckpfeiler mediterraner Küche und Ernährung dar, als auch, wie FOXHALL bemerkt, eine Möglichkeit die wechselseitige Bezogenheit von sozialen und kulturellen Werten, landwirtschaftlichen Praktiken und Technologien, sowie wirtschaftlichen Netzwerken der Antike zu studieren – Aspekte, die einer ‚historischen Ökologie‘ sehr nahe kommen.58 FOXHALLS Studie weist auf die vielfältigen Mikroökologien und materiellen Rahmenbedingungen hin, die es schwer machen, eine Geschichte der Olivenkultivierung zu erzählen, ohne spezifische lokale Begebenheiten sowie historisch gewachsene Narrative zu berücksichtigen.59 Die Olive stellt eine Schnittstelle zwischen ‚Natur‘ auf der einen und ‚Kultur‘ auf der anderen Seite dar. Tatsächlich lassen sich Wachstumszyklen der Olive gerade für Athen rekonstruieren,60 allerdings sind die Daten schwer zu interpretieren, da die Quellen meist nichts darüber aussagen, welchen Effekt die jeweilige Ernte auf die Gesamtbevölkerung hatte oder nicht genügend zeitgenössisches Quellenmaterial zur Verfügung steht, um weitere Rückschlüsse zu ziehen. Das berühmte, dem frühen attischen Gesetzgeber Solon zugeschriebene Gesetz, alle Waren Attikas von Exporten auszuschließen – mit der Ausnahme von Olivenöl –61 mag daher weniger etwas über die tatsächliche Verfügbarkeit dieser Ressource in archaischer Zeit aussagen, als vielmehr den zentralen Platz der Olive in der kulturellen Vorstellungswelt Athens herausstellen: als Heimat der ersten Olive galt Athen gleichzeitig als Ort, der überhaupt ihre Verbreitung über die Mittelmeerwelt befördert hatte. Aspekte der natürlichen Lebenswelt wurden so integraler Bestandteil kultureller Selbstrepräsentation. Sozio-technologische Innovation und Kontrolle (etwa der arbeitenden Sklavenbevölkerung) gingen dabei Hand in Hand.62
56 57 58 59 60 61 62
freilich nicht, welchen Bedeutungsgehalt diese Riten für die Zeitgenossen besaßen und inwiefern sich eine Teilhabe an ihnen, die ja keineswegs für alle Athener vorauszusetzen ist, auf Umwelthandlungen auswirkte. HORDEN/PURCELL 2000: 209. HÅLAND 2012: 272. FOXHALL 2007: 1. Zum Begriff der ‚historischen Ökologie‘ HORDEN/PURCELL 2000: 49; auch SCHLIEPHAKE 2020 mit weiterführenden Überlegungen. FOXHALL 2007: 3. HORDEN/PURCELL 2000: 211f. Plut. Sol. 24. HORDEN/PURCELL 2000: 210f.
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Diese sozio-ökonomischen Aspekte sind sicher Teil der ‚Nachhaltigkeit‘ – und auch sie hatten eine religiös-kultische Fundierung. In diesem Zusammenhang können wir uns einer Art von Texten zuwenden, die als Inschriften im Bereich von Heiligtümern aufgestellt wurden und die vielfach Rückschlüsse auf die Organisation und die Arten der kultischen Verehrung zulassen. Diese als „Kultgesetze“ bezeichneten Texte hatten zwar häufig einen stark normativen Charakter, müssen aber nicht zwingend Gesetze im eigentlichen Wortsinn gewesen sein, sondern konnten auch althergebrachte Traditionen und Normen im Umgang mit den Göttern beinhalten.63 Sie mussten auch nicht zwingend nur exakte Vorgaben zu einem ‚Kult‘ machen, sondern konnten andere gesellschaftliche Kontexte und Belange ansprechen – und diese Belange bezogen sich nicht zuletzt auf Umwelthandeln und den Umgang mit der nicht-menschlichen Natur.64 Neben ihrem kultischen Aspekt hatten sie aber eine dezidiert lebenspraktische Note, die auf die Stadtumwelt insgesamt Rückwirkungen zeitigte und eine nachhaltig lebenswerte Umwelt im Blick hatte. Die Regelungen zum Abladen von Unrat und Müll sind beispielsweise auch in anderen, nicht spezifisch religiösen Kontexten überliefert65 und machten einen wesentlichen Anteil dessen aus, was als umweltpolitisches Handeln in der Antike bezeichnet werden kann. Dass sie religiös gerahmt sein konnten, mag ihre normative Autorität verstärkt haben, bringt aber auch ein Verständnis der Interaktion mit der Natur zum Ausdruck, die die Umwelt als Sphäre begriff, in die auch nicht-menschliche Akteure eingebettet waren und mit denen entsprechend umgegangen werden musste. So regelte ein Kultgesetz des attischen Demos Lamptrai die Trinkwasserentnahme aus dem Fluss Halykos und sah schwere Strafen für diejenigen vor, die unter Missachtung des Nymphenkults (es war vor dem Trinken eine Obole für die Nymphen zu ent63 Einen guten Überblick über die Forschung bieten BRUIT ZAIDMAN/SCHMITT-PANTEL 1992, PARKER 2004 sowie CHANIOTIS 2009; ebenso die Übersicht bei CARBON/PIRENNE-DELFORGE 2012. 64 Eines der berühmtesten Kultgesetze stammt aus dem Bereich des Osthangs der Akropolis. Es wird auf das Jahrzehnt zwischen 440 und 430 v. Chr. datiert und sollte die kultische Reinheit von Luft und Wasser sicherstellen – im Wortlaut heißt es: [– | – δρ]- | αχμά̣ς. ἐπ[ιμ]έ̣λεσθαι δὲ | τὸμ βασιλέα· γράφσαι δ- | ὲ ἐστέλει λιθίνει καὶ | στε͂σαι ℎεκατέροθι· με- | δὲ | δέρματα σέπεν ἐν το͂- | ι ℎιλισο͂ι καθύπερθεν | το͂ τεμένος το͂ ℎερακλέ- | [ο]ς· μεδὲ βυρσοδεφσε͂ν μ- | [εδὲ καθά]ρμα̣[τ]α ς τὸν π- | [οταμὸν βάλλεν – | –]. „ – | – Dr]achmen. Sorge tragen soll | der (Archon) Basileus und aufschreiben lassen | auf einer Stele aus Marmor und (sie) | 5 aufstellen lassen zu beiden Seiten (des Flusses). Kei|ne Häute soll man einweichen i|m Hilis(s)os oberhalb | des heiligen Bezirks des Herakl]es noch soll man Felle gerben n| 10och Ab]fälle] in den F|luß werfen – | –].“ HGIÜ 87 (= SEG 3,18; LSCG Suppl. 4; IG I3 257). Das Gesetz bezog sich damit auf ein Umweltproblem beziehungsweise dessen Vorbeugung, das vor allem mit Gerbereibetrieben und dem Waschen von Fellen in Flüssen zu tun hatte, lässt aber allgemein den Versuch erkennen, das Wasser des Flusses Ilissos vor Verunreinigung zu schützen. Es ist kein Zufall, dass die Vorgaben zur Reinheit einen kultischen Bezug zu einem Tempel hatten, da unterschiedlichste Vorstellungen zu Reinlichkeit und Sauberkeit im religiösen Kontext eine besondere Rolle spielten. Dazu zuletzt CHIAI 2017. Vgl. auch Hes. Erg. 757–759, wo die Warnung nicht in Flüsse oder Quellen zu urinieren, in einer Reihe magischer Verbote auftaucht. 65 Vgl. beispielsweise Aristot. Ath. Pol. 50,2.
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richten) dennoch tranken.66 Die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser war ein zentrales Aktionsfeld der Organisation der Polis und ist in seiner Semantik nicht vom religiösen Leben zu trennen,67 das nicht nur im Mythos Wissensbestände zum Wert von Wasser weitergab,68 sondern auch konkrete, kultisch konnotierte Vorschriften und Verbote zum Umgang mit dem Lebenselement vorgab. Im selben Maß unterlagen auch die Pflege und Obhut der Olivenbäume einer stark religiösen Rahmung. Wie bereits angedeutet, war Athen in hohem Maße von der Ausfuhr von Olivenprodukten abhängig, sodass der Ausrodung von Ölbäumen, deren Pflanzland vor allem in der südlichen Ebene hin zum Piräus lag, entgegengewirkt werden musste. Per Gesetz war es Landbesitzern daher verboten, mehr als zwei ihrer im Privatbesitz befindlichen Ölbäume zu fällen. Es war aber gänzlich verboten, solche Ölbäume zu fällen, die nach dem Mythos von der Stadtgöttin einst auf der Akropolis gepflanzt worden oder deren Ableger waren. ‚Nachhaltigkeit‘ im Umgang mit Lebensressourcen im Stadtraum war somit in erhöhtem Maße mit Kultgesetzen verbunden. Symbolisch galt Athena als Schützerin der Bäume (oder Baumstümpfe) – faktisch in Recht umgesetzt wurde der Schutz aber vom Areopag, der die oberste Aufsichtsbehörde über die Ölbäume war, die Archonten mit deren Verpachtung beauftragte und sogar eigene Hilfsorgane, die γνώμονες, hatte, die Attika bereisten und die Ölpflanzungen überwachten. Wer unrechtmäßig einen als heilig geltenden Ölbaum fällte, machte sich des Frevels der Gottlosigkeit (ἀσέβεια) schuldig und hatte mit einer schweren Strafe zu rechnen.69 Diese Regelung bezog auch die Stümpfe solcher Ölbäume mit ein, die im Zuge des Peloponnesischen Krieges verbrannt oder beschädigt worden waren. Der hohe Wert, der dem Ölbaum für Athen zukam, zeigte sich nämlich nicht zuletzt darin, dass diese Stümpfe mit Einfriedungen umgeben wurden, um sie durch Pflege und Umsicht wieder ertragfähig zu machen. Gerade nach den Verheerungen am Ausgang des fünften Jahrhunderts musste es für die athenische Gemeinschaft darum gehen, lebensnotwendige Ressourcen zu schonen und einen nachhaltigen Umgang mit ihnen zu fördern – dass man sich diesbezüglich auf althergebrachte Ordnung und Tradition berief, war ein notwendiger Bestandteil dieser Form der Nachhaltigkeit. So ist es auch kein Zufall, dass Lysias’ Rede „Über den Ölbaumstumpf“ (περὶ τοῦ σηκοῦ), die für diesen Themenkomplex unsere Hauptquelle ist,70 den sakralen Aspekt hervorhebt und ein tugendhaftes Bürgerleben geradezu mit einem natür66 Vgl. HGIÜ 86 (= SEG 23,76; LSCG 178; IG I3 256). 67 Man denke in diesem Zusammenhang auch daran, dass Themistokles im Tempel der Göttermutter eine Götterstatue aus Erz gestiftet haben soll, die er aus den Strafzahlungen derjenigen hatte anfertigen lassen, die er als Aufseher der Wasserleitungen in Athen beim unrechtmäßigen Ableiten des Wassers erwischt hatte. Plut. Them. 31,1. 68 Vgl. auch die Überlegungen zur Siedlungsgeschichte Athens bei Thuk. 2,15,3–5. 69 Für eine ausführliche Diskussion vgl. HORSTER 2006. 70 Lysias schrieb sie wohl in den 390er Jahren v. Chr. für einen wohlhabenden Athener, der von seinen Feinden angeklagt worden war, weil er auf einem seiner Grundstücke einen Ölbaumstumpf ausgegraben und fortgeschafft haben soll, wobei bereits das Proömium die Anklage der Sykophanten als haltlos zurückwies.
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lichen Respekt vor den heiligen Ölbäumen in eins gesetzt wird.71 Es erscheint dementsprechend so, als ob ‚Nachhaltigkeit‘ im Umgang mit lebensspendenden Rohstoffen im Athen der klassischen Zeit Teil des in Mythos und Kult(-gesetzen) eingeforderten bürgerlichen Lebens war. Noch in spätklassischer Zeit waren die Olivenbäume jedenfalls noch immer per Gesetz geschützt und blieben für das athenische Selbstbild wesentlich.72 Einschränkend kann bemerkt werden, dass eine stark mit rhetorischen Mitteln arbeitende Rede wie die des Lysias darauf bedacht war, ein Idealbild vorzugeben, das nicht zwingend eine Entsprechung in der Wirklichkeit haben musste. Außerdem ging es hier wie auch im besprochenen Mythos und den Kultgesetzen um bürgerliche Werte, die die Identität oder aber Verhaltensweisen betrafen, die nachdrücklich in der alltäglichen Praxis, in gemeinsamen politischen oder kultischen Verfahrensweisen und Riten eingeübt wurden.73 Wenn wir darin dennoch einen Aspekt erkennen wollen, den wir heute als ‚nachhaltig‘ deuten können, dann findet er sich vor allem auf der sozialen Handlungsebene, wo der Bestand der Gemeinschaft nicht zuletzt vom allgemeinen Bewusstsein abhängig war, dass es im Umgang mit den natürlichen Ressourcen bestimmte Regeln einzuhalten galt. Diese konnten als im Einklang mit der göttlich gesetzten Ordnung gesehen und präsentiert werden, wodurch das Sozialgefüge in einem größeren Rahmen eingegliedert blieb, der gleichsam der natürlichen, nichtmenschlichen Welt ihren Platz gab. 4. SCHLUSS Wie an den besprochenen Beispielen veranschaulicht, ging es bei dem in Mythos und Kult thematisierten Umweltverhalten um die rituelle Kommunikation mit den Göttern, die eine stark soziale und politische Seite hatte, insofern sie entweder die Polis als Gesamtgefüge im Blick hatte oder aber bestimmte Gruppen (auch außerhalb der Stadt) adressierte. ‚Nachhaltigkeit‘ spielte hier in mehrfacher Hinsicht eine Rolle: zum einen ging es um den Bestand und den Zusammenhalt des Gemeinwesens als solchem, das in seiner engen Beziehung zur Stadtgottheit dargestellt wurde. Zum anderen ging es aber auch um den gesellschaftlichen Umgang mit überlebenswichtigen Ressourcen. Indem der Gründungsmythos die Bedeutung der natürlichen Lebenselemente vorführte, konnte er als ein Narrativ verstanden werden, mit dem sich über das Verhältnis von ‚Kultur‘ und ‚Natur‘ nachdenken ließ. Die antike ‚Religion‘ insgesamt eignet sich als Untersuchungsfeld, um Einblicke in vormoderne Vorstellungen vom Platz des Menschen in der Welt zu eröffnen und um die kulturell bedingten Interaktionen zwischen menschlichen Or71 Lys. 7,25, ebenso 7,41. 72 Dem. 43,71. Zu antiker Gesetzgebung mit ‚ökologischen‘ Effekten vgl. auch ADAMS 2003 und FARGNOLI 2012. Allgemein zu diesem Themenkomplex auch der anregende Sammelband von CORDOVANA/CHIAI 2017. 73 Dazu zuletzt BLOK 2017.
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ganisationssystemen und natürlichen Lebensräumen zu untersuchen. In vielerlei Hinsicht erscheint es so, als ob Phänomene, die wir heute als religiös deuten würden, ein Band zwischen beiden Sphären darstellten. Schon allein deshalb lohnt es sich auch in modernen Studien zur ‚Nachhaltigkeit‘ die Dimension der Kultur und Religion stärker in den Blick zu rücken. Religion ist in vielerlei Hinsicht ein ebenso problematischer Begriff wie ‚Ökologie‘ oder ‚Nachhaltigkeit,‘74 da er kulturell und historisch höchst unterschiedliche Phänomene in sich vereint. Dennoch ist unzweifelhaft, dass über die Jahrhunderte hinweg unterschiedliche religiöse Vorstellungen von der menschlichen Interaktion mit als überlegen empfundenen Akteuren durch Naturbetrachtungen beeinflusst wurden und umgekehrt Schöpfungs- und Ursprungsgeschichten Einstellungen zur nicht-menschlichen Umwelt prägten. Dies war auch in der Antike nicht anders, wo in Mythos, Kultpraktiken und Kultgesetzen über- oder nichtmenschliche Akteure auftraten, die die Wechselwirkung zwischen menschlicher Handlungsmacht und der natürlichen Lebenswelt symbolisierten. Dabei konnten unterschiedliche Dimensionen von ‚Nachhaltigkeit‘ angesprochen werden, die vor allem die kulturelle Bewertung und Behandlung von natürlichen Ressourcen (Wasser, Land, Holz und so weiter) im Blick hatten, ohne dass deswegen von einem ‚Umweltschutz‘-Programm auszugehen wäre. Angesichts der großen Bedeutung, die religiöse Vorstellungen im Kontext von Debatten um Arterhaltung, Naturschutz und Nachhaltigkeit haben, gibt es hier jedenfalls genügend Raum für komparative und diachrone Studien, die das sich ausbildende Paradigma der ‚Environmental Humanities‘ um die wichtige Periode der Vormoderne und um den ‚ökologischen‘ Aspekt gerade von fundierenden Erzählungen erweitern könnte.75 BIBLIOGRAPHIE Quelleneditionen und -übersetzungen BRAUN, TH. 1927. Das Geschichtswerk des Herodot von Halikarnassos. Leipzig. BRODERSEN, K., GÜNTHER, W und SCHMITT, H. H. (Hg.) 2011. Historische griechische Inschriften in Übersetzung. Darmstadt. COLLARD, C. und CROPP, M. 2008. Euripides VII: Fragments. Aegeus-Meleager. Cambridge, MA. DRÄGER, P. 2005. Apollodor: Bibliotheke. Götter und Heldensagen. Düsseldorf. FRAZER, J. G. A. 1921. Apollodorus: The Library, 2 Bde. Cambridge. GODLEY, A. D. 1920. Herodotus. Cambridge.
74 Vgl. BAUMANN/BOHANNON/O’BRIEN 2011: 4–8. 75 Zu den ‚Environmental Humanities‘ und der Antike ausführlich SCHLIEPHAKE 2020. Die Vorstellung von heiligen Tieren, Orten und Stätten, die geschützt oder in deren Ökologie nicht eingegriffen werden darf, spielt in nahezu allen Weltreligionen eine wichtige Rolle und bedingt auch heute noch vielerorts eine nachhaltige Wechselbeziehung zwischen Mensch und natürlicher Umwelt. Zu Religion und Umweltschutz allgemein RIGBY 2017. Für theologische Studien stellvertretend etwa BAUMAN/BOHANNON II/O’BRIEN 2011; LODGE/HAMLIN 2006; RASMUSSEN 2013.
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NACHHALTIGKEIT UND RESSOURCENSCHONUNG Handlungs-, Deutungs- und Wissenskategorien in den Zauberpapyri und in Artemidors Oneirokritika* Gregor Weber
Zusammenfassung: Der Beitrag nimmt zwei Quellengruppen in den Blick, die man nicht unbedingt mit der Thematik des Bandes verbinden würde: Zaubertexte waren darauf ausgerichtet, durch bestimmte Handlungen zum Ziel zu gelangen, während Träume nochmals eine andere Dimension dessen ins Spiel bringen, was für antike Zeitgenossen zumindest vorstellbar war. Insgesamt wird deutlich, dass nachhaltiges Denken und Handeln in diesen Gattungen zwar in Ansätzen vorhanden waren, letztlich aber keine besondere Rolle gespielt haben, auch wenn Mensch-Umwelt-Beziehungen durchaus thematisiert wurden; dennoch erscheint es hilfreich, nach zugrunde liegenden Motiven – hier ökonomischer oder praktischer Art – zu fragen. Bei den Zauberpapyri lassen sich immerhin Anhaltspunkte für unsere Fragestellung finden: Daraus ergibt sich, dass für einen im weitesten Sinne nachhaltigen Umgang ökonomische Interessen leitend waren, aber auch vermehrt auf natürliche Prozesse und den Kreislauf der Natur verwiesen wurde. Nachhaltigkeit im ökologischen Sinne beziehungsweise Ressourcenschonung waren in diesem Kontext nicht dezidiert verankert. Magische Handlungen, die auf die Schonung von Ressourcen bei gleichzeitiger Steigerung des Vermögens abzielen, finden sich mit Ausnahme der Goldherstellung nicht. Im Falle der Träume, deren Deutungen und Begründungen finden sich zahlreiche Belege zur Wachstumsthematik und zum Kreislauf der Natur. Dies verwundert nicht, hat doch Artemidor die Deutung „entsprechend der Natur“ einer Sache zur Leitkategorie erklärt. Großen Raum nimmt die Landwirtschaft ein, durchaus mit Details aus der Erfahrung des bäuerlichen Lebens, doch ohne Ableitung einer Agenda für den besonderen Gebrauch dieser Ressourcen, allenfalls für einen sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser. Um mehr als um Ansätze einer Nachhaltigkeit dürfte es sich kaum gehandelt haben. Abstract: The essay looks at two types of sources that, to the naked eye, do not automatically connect to the volume’s overall theme: magical texts were aimed at achieving a goal through certain practices, while dreams bring into play another dimension of what was, at least, imaginable for contemporaries. All in all, sustainable thinking and acting were, to some extent, inherent in these *
Für Hilfe bei der Materialdurchsicht danke ich Markus Boerchi (Augsburg), für Hinweise Thomas Kruse (Wien), Tobias Nowitzki und Werner Riess (beide Hamburg), Peter von Möllendorff (Gießen) und den Mitherausgebern, für die Korrektur Roman Walch und Heidrun Rietzler (Augsburg). Zugrunde gelegt werden für die Zauberpapyri die Ausgaben von BETZ ²1996, PREISENDANZ/HENRICHS ²1974–2001 und DANIEL/MALTOMINI 1990–1992, für Artemidor PACK 1963 und KRAUSS 1991.
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types of texts, but did not feature prominently, even though human-nature interactions were dealt with; however, it seems appropriate to look for underlying principles – in both an economic and a practical sense. In magical papyri, we can at least discern indications with relevance to the overall subject: they show that economic interests were characteristic of an overall sustainable behavior, accompanied by references to natural processes and the cycle of nature. Sustainability in an ecological sense or conservation were not explicitly anchored in this context. With the exception of gold production, magical practices focusing on the protection of resources and a simultaneous attention to the increase in revenue cannot be found. With regard to dreams, their interpretations and explanations, we find many references to growth and the cycle of nature. This does not surprise, since Artemidorus proclaimed that the interpretation “according to nature“ was a guiding principle. A lot of attention is given to agriculture, with details taken from the daily realities of rural life, but without a derivation of an agenda for the specific use of resources (at best of a sparing use of the resource water). Therefore we can only speak of rudiments of sustainability.
Antike Texte als Grundlage für ein Nachdenken darüber, welche Vorstellungen zum Thema der ‚Nachhaltigkeit‘ bestanden, erschließen sich nicht ohne Weiteres: Denn Nachhaltigkeit war kein Konzept der damaligen Zeit, was aber nicht ausschließt, dass es entsprechende Vorstellungen durchaus gegeben haben konnte.1 Wenn im Folgenden mit Zaubersprüchen und Träumen zwei Quellengruppen ausgewählt werden, die man auf den ersten Blick nicht mit der Thematik verbinden würde, so erfolgte dies deshalb, weil sie zweierlei ermöglichen: Träume und vor allem deren Deutungen in den Oneirokritiká des Artemidor von Daldis bringen nochmals eine andere Dimension dessen ins Spiel, was für antike Zeitgenossen zumindest vorstellbar war und wie sie dies im Rahmen eines plausiblen Systems verargumentierten.2 Zaubertexte hingegen waren u.a. darauf ausgerichtet, durch bestimmte Handlungen, bei denen verschiedene übernatürliche Helfer bemüht wurden, zum Ziel zu gelangen.3 Bei beiden Textgattungen stehen folglich völlig andere Intentionen im Vordergrund, so dass Hinweise auf Nachhaltigkeit – wenn überhaupt – eher en passant zu erwarten sind und gerade dadurch einen von grundsätzlichen oder praktischen Überlegungen unverstellten Zugang in antikes Denken und Handeln ermöglichen. Die Lektüre gleicht deshalb einer Spurensuche, deren Ergebnisse hier zunächst vorgestellt und dann diskutiert werden sollen.
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Dazu SCHLIEPHAKE 2017: 5–10 und 9–24 in diesem Band. THOMMEN 2012: 7f. und 123. Zu ihm vgl. WEBER 2020. Bei den griechischen Zauberpapyri, bestehend aus Rezeptbüchern und Vorlagen für entsprechende Handlungen, handelt es sich um eine ungemeine komplexe Materie, nicht zuletzt bedingt durch den synkretistischen Charakter, die große zeitliche Streuung (1. Jh. v.–6. Jh. n. Chr.) die Schwierigkeiten bei der Kontextualisierung überhaupt, dazu zuletzt ausführlich BORTOLANI 2016: 1–25. Eine aktuelle Auseinandersetzung mit dem Magie-Begriff, zumal mit Blick auf die Zauberpapyri, hat OTTO 2011: 38–410, vorgelegt, der die Texte als religiöse Texte versteht und deshalb keinen Gegensatz zur Religion gegeben sieht.
Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung
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1. ZAUBERPAPYRI Betrachtet man die Gruppe der als Zauberpapyri bezeichneten Texte, legt das Material eine Sortierung nach denjenigen Kategorien nahe, der mit der Ausübung bestimmter magischer Handlungen verfolgt werden sollte: Es handelt sich um „divinatorische Formulare … mit der authentischen(n) Selbstoffenbarung einer Gottheit …, gefolgt von Visionen der Götter“, „Rezepte für die Anforderung eines páredros, eines übernatürlichen Helfers“, „nekromantische práxeis“, „Schadenszauber“, „Beziehungs- und Anziehungszauber“, „Anweisungen zur Vorbereitung von Amuletten beziehungsweise (exorzistischen) Phylakterien“ und „Kleinwunder“, zu denen allen vielfach gearbeitet wurde.4 Ihnen ist gemeinsam, dass sie sich meist – positiv oder negativ – auf konkrete Personen richteten, göttlichen Beistand bewirken oder individuelle Vorteile generieren sollten. Für unseren Zusammenhang wären Kontexte aufschlussreich, in denen es um die Schonung von Ressourcen, Wachstum in landwirtschaftlichem Umfeld oder generell Handlungen geht, die der Vermehrung von Reichtum verschiedenster Art dienen sollten.5 Dabei gilt es auch zu prüfen, inwiefern magische Praktiken in einem ‚nachhaltigen‘ Kontext dazu genutzt wurden, einen unerschöpflichen Vorrat an Ressourcen zu generieren, sie somit im Rahmen langfristiger Prozesse zu verstehen sind. Es lassen sich einige Stellen finden, die zumindest ansatzweise in diese Richtung weisen beziehungsweise sich so interpretieren lassen. PGM I 26–32 (4./5. Jh. n. Chr.) beinhaltet einen Ritus mit einem Gebet, um einen solchen Helfer herbeizuzwingen: „Komm zu mir, heiliger Orion, der im Norden ruht, der die Fluten des Nils heranwälzt und dem Meere vermengt und [durch Leben] verändert.“6 Auf den ersten Blick erschließt sich hier kein nachhaltiger Kontext; insofern jedoch die periodisch auftretende Nilschwemme Erwähnung findet, die durch den Schlamm als für die Düngung der Anbauflächen im Uferbereich verantwortlich angesehen wird, ließe sich der Vorgang als eine Art natürliche Nachhaltigkeit interpretieren, einschließlich einer sozialen und ökonomischen Absicherung.7 Denn faktisch stehen damit auch umfangreiche Erhaltungsarbeiten bei Dämmen und Kanälen in Zusammenhang, die von der pharaoni-
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Nach GORDON 2002: 698. Kategorien auch bei GRAF 1996: 108–183, bes. 174–177. In etlichen Passagen wird die Natur an sich und das ihr inhärente Wachstum benannt; es besteht jedoch keine Verbindung zu einer wie auch immer gearteten Vorstellung von ‚Nachhaltigkeit‘. Relevant sind hier PGM III 216f. (Kontext aufgrund des fragmentarischen Zustands unklar), III 502–530 (verschiedene Verwandlungen im Rahmen eines Gebets), IV 1599–1615 (Gebet an Helios, der für den Kreislauf der Natur verantwortlich gemacht wird und durch dessen Wirken die Pflanzen wachsen; IV 2345–2355 (göttlicher Einfluss auf die Wachstumsvorgänge in der Natur); V 150f. (göttlicher Einfluss auf das Pflanzenwachstum). ἧκέ μοι, ὁ ἅγιος Ὠρίω[ν, ὁ ἀνακ]είμενος ἐν τῷ βορείῳ, ἐπικυλινδούμενος [τὰ τοῦ Νε]ίλου ῥεύματα καὶ ἐπιμιγνύων τῇ θαλάττῃ καὶ ἀλλ[οιῶν ζω]ῇ. Zum Konzept PACHOUMI 2011. Eine Recherche in den PGM ergab, dass der Nil als solcher kaum eine Rolle spielt; allenfalls PGM IV 28 ließe sich noch anführen, wenn von „einem erst kürzlich vom Nil gesäuberten Ort“ die Rede ist, dazu JOHNSTON 2002: 353f., derzufolge es auf die Säuberung ankommt (so auch PDM XV 283). Zur Düngung BRASHEAR/BREITENBACH 2006: 764.
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schen, dann ptolemäischen und jetzt römischen Zentralmacht vergeben und überwacht wurden, so dass die erwarteten Erträge auch eingebracht wurden.8 In PGM II 146–148 und 170–176 (4. Jh.) heißt es bei der Vorbereitung für ein Ritual: „Mach aus einem Kleiderfetzen eines gewaltsam Gestorbenen einen Docht und zünde ein Licht an von reinem Öl … Diese Figur wird auf den Fetzen vom gewaltsam Gestorbenen gezeichnet und in ein reines Licht gesteckt.“9 Hier dürfte die Verwendung von Altkleidermaterial an sich (ῥάκος) nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, denn ausschlaggebend war zweifellos der Konnex mit dem genannten gewaltsam Verstorbenen: Dessen Kräfte wollte man sich über den Weg der Zweitverwendung des Kleidungsstücks versichern. In einem Liebeszauber lautet eine Formulierung: „Lass von dem Brot, das du issest, ein weniges übrig, zerbrich es und mach es zu sieben Brocken und geh dahin, wo Heroen erschlagen wurden, Gladiatoren und Getötete, sprich das Gebet über die Brocken, wirf sie hin und heb’ Unrat (κόπρια) auf von dem Orte, wo du agierst, und wirf ihn hinein zu der, die du begehrest … Dann räuchere auf verkohltem Flachs Mist (βόλβιθον) von einer schwarzen Kuh und sprich das Folgende und heb’ wieder den Unrat (τὰ κόπρια) auf und wirf ihn, wie dir bekannt ist.“10 Die Verwendung des Unrats, der zwar nicht genau bestimmt, aber dessen Verfügbarkeit vorausgesetzt wird, lässt sich nicht nur im Sinne einer weiteren Verwertung deuten, sondern ihm kommt im Kontext der Handlung auch eine wichtige Rolle zu; was mit den erwähnten Nahrungsresten geschieht, wird freilich nicht gesagt. In einer Formel „Für Gunst und Sieg“ findet sich die folgende Anweisung: „Nimm eine Blut fressende Eidechse, wie man sie um Grabmäler findet, nimm ihre rechte Vorderpfote und trenne sie mit einem Rohr ab; dann lass’ sie lebend an ihren gewöhnlichen Ort weglaufen und trag die Pfote des Tieres gut befestigt am Unterzeug deiner Kleider.“11 Die Eidechse soll nicht einfach entsorgt oder liegen gelassen werden, sondern es erfolgt ein expliziter Verweis darauf, sie wieder in 8
Dazu ausführlich BONNEAU 1993: 117–234. Was die Regelmäßigkeit der Damm- und Kanalarbeiten betrifft, die etwa im Fayum gut durch die Penthemeros-Quittungen bezeugt werden, ist immer noch SIJPESTEIJN 1964 hilfreich, dort (12–14) auch zu den konkreten, periodisch anfallenden Arbeiten. Derlei Anstrengungen waren freilich nicht auf Ägypten begrenzt, dazu BRIANT 2006/2008. 9 ῥάκος ἀπὸ βιαίου ἐνλύχνιον ποιήσας ἅψον λύχνον ἀπὸ ἐλαίου καθαροῦ … τοῦτο δὲ τὸ ζῴδιον γράφεται εἰς τὸ ῥάκος τοῦ βιαίου καὶ βάλλεται εἰς λύχνον καθαρόν. MERKELBACH/TOTTI 1990: 64, betonen, dass mit der Anfertigung des Dochtes „der Totengeist sozusagen verbrannt wird.“ 10 PGM IV 1391–1396 und 1437–1441: καταλιπὼν ἀπὸ τοῦ ἄρτου, οὗ ἐσθίεις, ὀλίγον καὶ κλάσας ποίησον εἰς ἑπτὰ ψωμοὺς καὶ ἐλθών, ὅπου ἥρωες ἐσφάγησαν καὶ μονομάχοι καὶ βίαιοι, λέγε τὸν λόγον εἰς τοὺς ψωμοὺς καὶ ῥῖπτε, καὶ ἄρας κόπρια ἀπὸ τοῦ τόπου, ὅπου πράσσεις, βάλε ἔσω παρ' αὐτήν, ἧς ποθεῖς … ἐλθὼν γὰρ εἰς τὸν αὐτὸν τόπον καὶ ποιήσας πάλιν τὸ τῶν ψωμῶν, τότε ἐπίθυε ἐπὶ ἀνθράκων καλπασίνων βόλβιθον βοὸς μελαίνης καὶ λέγε ταῦτα, καὶ πάλιν ἄρας τὰ κόπρια ῥῖπτε, ὡς οἶδες. Dazu JOHNSTON 2002: 351f.; BRASHEAR/ BREITENBACH 2006: 772f. und 778–780, dort zu Mist und Kot in den Zauber-papyri. 11 PGM VII 187–191: λαβὼν καλαβοῦτιν ἰχωροφαγόντα, ἐν τοῖς μνημείοις εὑρισκόμενον, ἄρας αὐτοῦ τὴν δεξιὰν χεῖραν ἐν καλάμῳ κόψας ἔασον αὐτὸν εἰς τὸν ἴδιον τόπον αὐτοῦ ἀπελθεῖν ζῶντα καὶ ἀσφαλίσας τὴν χεῖραν τοῦ ζῴου φόρει εἰς τὸ ὑποκάλυμμα τῶν ἱματίων σου.
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ihr bekanntes Umfeld zu entlassen. Deshalb könnte eine Schlussfolgerung sein, dass auch mit tierischem Leben nicht (gänzlich) unachtsam umgegangen wird und es einen gewissen Wert hat, in jedem Fall wird durch das Tier auch eine ‚Verbindung‘ zwischen dem Träger der Pfote und den Toten hergestellt. PGM XII 193–201 enthält ein ausführliches und sehr technisch klingendes Rezept zur Herstellung von Pseudo-Gold aus diversen anderen Substanzen, womit man in den Bereich der Alchemie, konkret: hier der Veredelung von Metallen (ἴωσις/ἐξίωσις χρυσοῦ), gelangt – einer in ägyptischer Tradition stehenden Praxis, die seit dem 1. Jh. n. Chr. fassbar ist und seit dem 3. Jh. forciert wurde; dahinter steht „die Vorstellung von der Fruchtbarkeit von Steinen und Mineralien“.12 Eine nachhaltige Nutzung stand somit nicht im Fokus der Überlegungen, wenngleich durchaus die Beobachtung gemacht wurde, dass Metalladern auch versiegen können. Im vorliegenden Fall geht es um die künstliche Induzierung von Reichtum, nicht zuletzt um den Standard an prestigereichen Gütern zu bewahren. Dies hat nichts mit einem schonenden Umgang mit den wertvollen Ressourcen Gold oder Silber zu tun, aber durch die Nutzung anderer Materialien, die alchemistisch oder magisch transformiert wurden, ließ sich nach antiker Vorstellung die verfügbare Menge des vorhandenen Materials – je nach Sichtweise betrügerisch oder ingeniös – vermehren.13 Schließlich finden sich einige Zaubersprüche, in denen als (Räucher-)Opfergaben kleine Kugeln (κολλούρια) aus verschiedenen Materialien gefertigt werden.14 Neben verschiedenen Pflanzenteilen, Räucherwerk, Wein und Honig werden diverse Tiere – z. B. Spitzmaus, Mistkäfer, Flusskrebs, Ziegentalg, Pavianmist oder das Gehirn eines schwarzen Widders – genutzt, aus deren Masse sich viele solcher Kügelchen herstellen lassen. Von diesen soll aber, wie an einer Stelle explizit vermerkt wird, im Ritual nur eine verwendet werden; in einem anderen Fall erfolgt die Anweisung, dass die restliche Masse in einer Bleibüchse aufzubewahren sei. Man kann vermuten, dass die Magier eher aus ökonomischen Gesichtspunkten so gehandelt haben, da vermutlich im Preis für das Ritual das ganze Tier berechnet wurde (und sich die übrig gebliebenen Ingredienzien vermutlich dennoch weiterverwenden ließen),15 so dass durchaus etwas wie ‚Nachhaltigkeit‘ festzustellen ist. 12 GRASSL 2012: 137. Zu dieser voraussetzungsreichen Passage vgl. BETZ ²1996: 160f. Antiken Überlegungen zufolge ist Materie grundsätzlich veränderbar und kann durch ‚Färbeprozesse‘ in mehreren Stufen veredelt werden, dazu PRIESNER 2011: 21–24. 13 GRASSL 2012: 139–141. 14 PGM IV 1275–1322, 2441–2621, 2622–2707, 2891–2942 sowie PDM XIV 93–114 und 395– 427. Zu den einzelnen Ingredienzien LIDONNICI 2002: 362–366, außerdem ZOGRAFOU 2008: 191–199 zu den Opfergaben insgesamt. 15 JOHNSTON 2002: 349–351 zu PGM IV 2891–2942, wo die Bestandteile Blut und Fett einer Taube, unverarbeitete Myrrhe und gedörrte Artemisia sind, die allesamt eine positive Konnotation besitzen. Eingegangen wird auch auf die Beobachtung, dass man gerade Gehirne von Tieren in Ritualen benutzte, um die Gottheit zum Agieren zu bewegen; Belege im Kontext der Mumifizierung deuten hingegen darauf hin, dass Gehirne als überflüssig und wertlos angesehen wurden (350, Anm. 15).
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Rituale konnten statt mit weiterer Nutzung auch mit Vernichtung drohen. In einem Spruch für das sachgemäße ‚Ernten‘ einer Pflanze heißt es: „Ich pflücke dich, Pflanze NN, mit fünffingeriger Hand, ich der NN, und bringe dich zu mir, auf dass du mir wirksam seist zu dem entsprechenden Gebrauch. Ich beschwöre dich bei dem unbefleckten Namen des Gottes: wenn du nicht hörst, wird dich die Erde, die dich gebar, niemals wieder benetzen im Leben, falls ich mit dieser Zauberhandlung keinen Erfolg habe“.16 Gemeint ist, dass im Falle des Misserfolgs die weitere Verwertung der Pflanze durch deren völlige Vernichtung unterbunden werden soll. Lässt sich bei etlichen Zutaten für magische Rituale ansatzweise Nachhaltigkeit erkennen,17 so geht aus einigen Texten im Corpus der Zauberpapyri, was das Ziel der Handlungen angeht, eine geradezu umgekehrte Strategie hervor: Dasjenige, worauf ein Ritual oder ein Spruch ausgerichtet ist, soll mit Hilfe der angerufenen Mächte „jetzt jetzt, schnell schnell“ (ἤδη ἤδη, ταχὺ ταχύ) eintreten.18 Damit verbietet sich für die Handlung an sich alles, wofür das Wachstum eigentlich Zeit benötigt: Hier ist jegliche Nachhaltigkeit dezidiert ausgeschlossen; stattdessen wird auf die unmittelbare Umsetzung der Aktion und damit Erfüllung des Geforderten gedrängt – ein Ergebnis, das gerade mit Blick auf die heute vielfach anzutreffende Beschleunigung beziehungsweise geforderte sofortige Umsetzung vertraut erscheint. 2. TRAUMTEXTE Artemidor von Daldis, dessen Traumbuch (Oneirokritiká) als einziges aus der griechisch-römischen Antike überliefert ist, hat einen Katalog von mehreren hundert Traumsymbolen einschließlich ihrer Deutung zusammengestellt, denen er meist auch noch eine Begründung für seine Auslegung beigibt. Der gesamte Bereich der Natur (φύσις) spielt insofern in den Oneirokritiká eine wichtige Rolle, als eines der Auslegungsprinzipien Artemidor zufolge „entsprechend der Natur“ erfolgt und, sieht man von Ausnahmen ab, positiv zu deuten ist: „Ferner meinen die Fachleute, dass man alles glückverheißend beurteilen muss, was im Einklang mit Natur, Gesetz, Sitte, Kunst, Namen und Zeit geträumt wird; dabei haben sie nicht bedacht, dass Traumgesichte, die im Einklang mit der Natur stehen, für die Träumenden gefährlicher sind als die nicht im Einklang stehenden, wenn sie nicht durch die zugrunde liegenden Fakten nützlich sind.“ Hierbei handelt es sich um 16 PGM IV 287–295: αἴρω σε, ἥ τις βοτάνη, χειρὶ πενταδακτύλῳ, ἐγὼ ὁ δεῖνα, καὶ φέρω παρ' ἐμαυτόν, ἵνα μοι ἐνεργήσῃς εἰς τήν τινα χρείαν. ὁρκίζω σε κατὰ τοῦ ἀμιάντου ὀνόματος τοῦ θεοῦ· ἐὰν παρακούσῃς, ἥ σε τεκοῦσα γαῖά σε οὐκέτι βρεχήσεται πώποτε ἐν βίῳ πάλιν, ἐὰν ἀπορηθῶ τῆσδε τῆς οἰκονομίας. Dazu PFISTER 1938: 1449; LIDONNICI 2002: 360f. Zum Ritual der ‚Pflanzenhebung‘ (βοτανήαρσις), explizit in ägyptischem Kontext, s. auch PGM IV 2967–3006, wo konkret das von Ritualen begleitete Ausgraben geeigneter Pflanzen angesprochen wird. 17 S. unten unter 3. 18 Z. B. PGM I 262, III 35.85.123f., IV 973, SM I 45,53 etc.
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die sechs stoicheia als Deutekriterien, die immer wieder herangezogen werden.19 Folgende Passagen könnten für unseren Themenbereich relevant sein: Die Wachstumsthematik wird mehrfach angesprochen, etwa im Traum (1,4), aus einem Schenkel wachse Gras, während an einer anderen Stelle ebenfalls eine Pflanze aus einem Körperteil wächst: „Träumt man, dass aus den Knien ein Gewächs sprießt, so wird man gelähmte Beine bekommen; wenn das ein Kranker träumt, wird er sterben. Denn die Gewächse sprießen aus der Erde, und in Erde lösen sich die Bestandteile des Körpers auf.“20 Man könnte hier sogar eine Art Kreislauf erkennen, jedoch keine nachhaltige Nutzung.21 Aus 4,11 wird deutlich, dass die unterschiedliche Geschwindigkeit des Wachstums von Pflanzen und Tieren durchaus bekannt war – Artemidor führt als Beispiele für ‚langsam‘ wachsend z. B. Eiche, Ölbaum, Elefant und Hirsch an, für ‚schnell‘ hingegen Weinstock, Pfirsich und Schwein. Die Deutung bezieht sich aber allein auf den zeitlichen Aspekt der Traumerfüllung und nicht auf eine Form von Nachhaltigkeit.22 Ein weiterer großer Bereich betrifft alles, was mit Säen, Pflanzen und Ernten zu tun hat und in den Bereich der Landwirtschaft gehört, wie denn auch die Landwirtschaft insgesamt zu den am Beginn des Werkes explizit genannten Themenfeldern der Symbollandschaft gehört:23 „Das Feld bestellen, säen, pflanzen 19 Artem. 1,3,11,7–12: Ἔτι δὲ λέγουσιν οἱ περὶ ταῦτα δεινοὶ ὅτι δεῖ κρίνειν αἴσια τὰ φύσει καὶ νόμῳ καὶ ἔθει καὶ τέχνῃ καὶ ὀνόμασι καὶ χρόνῳ ὁρώμενα, οὐ προεννενοηκότες ὅτι τὰ φύσει βλεπόμενα τῶν οὐ βλεπομένων φύσει δεινότερα τοῖς ὁρῶσιν, εἰ μὴ χρησιμεύοι διὰ τὰς ὑποκειμένας τοῖς πράγμασιν ὑποστάσεις. Auf diese Elemente verweist auch 4,2,242,19. Dazu PEREZ-JEAN 2012: 69–71, FLAMAND 2014: bes. 111–114 mit dem Verweis auf 1,50, 1,70, und 4,2 sowie HARRIS-MCCOY 2012: 426f. Zum Konzept einer „natural world“ vgl. HUGHES 1994: 45–72. 20 Artem. 1,47,53,5–8: ὅ τι δ' ἂν ἐκ τῶν γονάτων φυτὸν πεφυκέναι δόξῃ τις ἀργοῖς χρήσεται τοῖς γόνασιν· ἐὰν δὲ νοσῶν ἴδῃ, τεθνήξεται· γῆθεν γὰρ φύεται τὰ φυτά, εἰς γῆν δὲ καὶ τὰ τῶν σωμάτων ἀναλύεται συγκρίματα. Zur Stelle HARRIS-MCCOY 2012: 446. Die Thematik wird außerdem in 4,54, 5,63 und 5,84 abgehandelt. 21 Dies gilt auch für eine weitere Passage (3,46). Bemerkenswert ist noch eine Formulierung in 2,42,177,16–18: „Eine Treppe ist das Symbol einer Reise oder eines Umzugs, ihre Stufen bedeuten Wachstum. Einige behaupten auch, dass sie Gefahr ankündigen“ (Κλίμαξ ἀποδημίας ἐστὶ σημαντικὴ καὶ μεταβάσεως, οἱ δὲ βαθμοὶ αὐτῆς καὶ προκοπὴν σημαίνουσι. λέγουσι δὲ ἔνιοι ὅτι καὶ κίνδυνον σημαίνουσι). Dazu HARRIS-MCCOY 2012: 491. Die Übersetzung von προκοπή mit „Wachstum“ impliziert einen Zusammenhang mit Natur, während es eher um „Gedeihen, Fortschritt“ geht (so auch 2,12, 4,2, 4,28). 22 Dies betrifft ebenso 4,57, wo es im Rahmen eines Nachtrags auch um das schnellere und langsame Wachstum von Bäumen geht. 23 Artem. 1,10,19,21: περὶ γεωργίας, dann ausgeführt nach 2,24,142,6. Bauern werden bei Artemidor letztlich aber weit weniger thematisiert, als man denken würde (z. B. 1,79,92,27– 93,2, außerdem in 5,74 ein einziger Beispieltraum eines Bauern). In 4,11,250,19 werden sie als Traumsymbol eingeführt, die anderen Passagen deuten Träume für sie aus: Aus 1,42,49,15 geht hervor, dass entsprechend schwielige Hände für Bauern typisch sind; in 2,8 geht es um für die Bauern günstigen Regen, in 2,12 um Maulesel. 1,73,80,2f. zufolge sind Birnen für Bauern günstig, ähnlich wie Malven- und Oleanderblüten (1,77,84,17f.) sowie aufgrund der Verbindung mit Demeter Myrten- und Ölbaumkränze (1,77,85,13–15), außerdem die unterirdischen Götter (2,34,158,16–18), Athena (2,35,160,17), Dionysos (2,37,169,19f.), Aphrodite Ourania (2,37,171,22), Demeter (2,39,174,25), die Göttermutter (2,39,175,24). Negativ ge-
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oder pflügen ist für Heiratslustige und Kinderlose von guter Vorbedeutung; denn Ackerboden bedeutet nichts anderes als die Frau, Samen und Pflanzen aber die Kinder, und zwar Weizen die Söhne, Gerste die Töchter, Hülsenfrüchte aber Fehlgeburten; für alle übrigen aber bedeutet es Mühe und Drangsal. Wenn einer im Hause des Träumenden krank ist, wird er sterben; denn Samen und Pflanzen werden wie die Verstorbenen mit Erde bedeckt. Der Traum, zur Unzeit Getreide zu ernten, Trauben zu lesen und Rebstöcke zu beschneiden, verschiebt alle Arbeiten und Unternehmungen auf jenen Zeitpunkt und jene Jahreszeit.“24 Der Faktor ‚Zeit‘ wird am Ende der Passage in der Deutung auch dieser Träume angesprochen, aber er steht nicht im Zusammenhang mit einem Handeln, das eine nachhaltige Wirkung entfaltet, sondern es geht allgemein um den Bezug zur Natur und um das Verhältnis von Natur zu Mensch.25 Hierzu bemüht Artemidor noch weitere Details, wenn er Einzelheiten beschreibt: „Bienen bringen Bauern und Imkern Glück; […] Feld- und Laubheuschrecken und die sogenannten Strichheuschrecken verkünden den Bauern Unfruchtbarkeit oder Vernichtung der Feldfrüchte; denn sie plündern und vernichten die Saat.“26 Deutlich wird der Gegensatz zwischen nützlichen und schädlichen Tieren, außerdem eine klare Sichtweise auf Natur und den mit ihr verbundenen Kreislauf, wobei sich hier noch am ehesten ein Bezug zu einer Art ‚ökologischer‘ Vorstellung herstellen lässt, die ein Verständnis für nachhaltige Prozesse in sich birgt. Die Vorstellung von einem Kreislauf wird explizit an anderer Stelle thematisiert: „Denn die Natur ist kein leerer Name, sondern man nennt Natur den Kreislauf all dessen, was überall und allenthalben sein oder nicht sein wird.“27 Oder: „Die Olive bedeutet eine Frau, Mühe, ein Amt und die Freiheit; deshalb ist es gut, sie schön sprossend, fest verwurzelt und mit reifen Früchten zu sehen. […] Die Eiche bezeichnet einen reichen Mann wegen ihres Nährwertes, wegen ihres hohen
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deutet werden wilde Eber (2,12,125,9), weil sie die Felder verwüsten, und der Anblick von Gekreuzigten (2,53,183,17), ebenso geflügelte Ameisen (3,6,206,21f.), die Verderben und gefährliche Reisen ankündigen, und die Meerzwiebel (3,50,225,10f.). Zum Bereich der Landwirtschaft bei Artemidor insgesamt vgl. CHANDEZON 2015: 82–88 zu den Bauern. Artem. 1,51,58,10–20: γεωργεῖν ἢ σπείρειν ἢ φυτεύειν ἢ ἀροτριᾶν ἀγαθὸν τοῖς γῆμαι προῃρημένοις καὶ τοῖς ἄπαισιν· ἄρουρα μὲν γὰρ οὐδὲν ἄλλο ἐστὶν ἢ γυνή, σπέρματα δὲ καὶ φυτὰ οἱ παῖδες, πυροὶ μὲν υἱοί, κριθαὶ δὲ θυγατέρες, ὄσπρια δὲ τὰ ἐξαμβλώματα· τοῖς δὲ ἄλλοις πόνον καὶ κακοπάθειαν σημαίνει. καὶ ἐάν τις νοσῇ κατὰ τὸν οἶκον τοῦ ἰδόντος, τεθνήξεται· τὰ γὰρ σπέρματα καὶ τὰ φυτὰ ὥσπερ καὶ οἱ ἀποθανόντες καταχώννυται. θερίζειν δὲ καὶ τρυγᾶν καὶ κλαδεύειν παρὰ μὲν τὸν καιρὸν ὁρώμενα τὰς πράξεις [τὰς τοιαύτας] καὶ τὰς ἐγχειρήσεις πάσας εἰς ἐκεῖνο καιροῦ καὶ ὥρας ἀναβάλλεται. Dies trifft auch auf 1,79,92,21–26 zu, wenn es um den Konnex von Erde und Toten geht. Artem. 2,22,139,3–4.16–18: Μέλισσαι γεωργοῖς μὲν καὶ τοῖς ἐξ αὐτῶν ἔχουσι τὴν ἐργασίαν ἀγαθαί· … Ἀκρίδες δὲ καὶ πάρνοπες καὶ οἱ λεγόμενοι μάστακες γεωργοῖς μὲν ἀφορίαν ἢ φθορὰν τῶν καρπῶν προαγορεύουσι· σίνονται γὰρ τὰ σπέρματα ἢ διαφθείρουσι. Artem. 4,2,244,11–13: οὐδὲ γάρ ἐστιν ἡ φύσις ψιλὸν ὄνομα, ἀλλ' ἡ τῶν πάντῃ καὶ πάντως ἐσομένων τε καὶ οὐκ ἐσομένων περιφορὰ φύσις ὠνόμασται, wobei der Begriff περιφορά bei Artemidor nur an dieser Stelle vorkommt. Dazu HARRIS-MCCOY 2012: 527f., der auf die Herkunft dieser Vorstellung aus dem Kontext der stoischen Philosophie verweist, aber auch daran erinnert, dass Artemidor „draws on Stoicism among several other philosophies“ (528); außerdem PÉREZ-JEAN 2012: 55–57, und FLAMAND 2014: 111.
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Alters einen hochbetagten Mann und aus demselben Grunde die Zeit. Der Lorbeer bezeichnet eine wohlhabende Frau, weil er immer grün ist, und eine wohlgestaltete wegen seiner Anmut, weiterhin eine Reise, eine Flucht und das Fehlschlagen der Erwartungen wegen der Sage, die sich an den Baum knüpft. […] Die Zypresse ist wegen ihres hohen, schlanken Wuchses ein Sinnbild für Langmut und Verzögerung. […] Platanen, Schwarzpappeln, Ulmen, Buchen, Eschen und alle ähnlichen Arten nützen nur denen, die in den Krieg ziehen […]. Für die übrigen sind sie ein Zeichen für Armut und Not, weil sie keine verwertbaren Früchte tragen. […] Man muss auch noch folgendes bedenken: Bäume, die etwas Gutes prophezeien, sind nur günstig, wenn sie blühen und Frucht tragen; verdorrt, entwurzelt, vom Blitz getroffen oder sonstwie vom Feuer vernichtet bedeuten sie das Gegenteil. Bäume, die etwas Schlimmes bedeuten, werden weniger schlimm, wenn sie verdorren oder abgehauen werden.“28 In diesem Kapitel werden Bäumen und Pflanzen mit ihren jeweiligen Bedeutungen ausgelegt, wobei sich gelegentlich aufschlussreiche Deutungsmuster finden, etwa die Langlebigkeit oder der Nährwert. Nachhaltigkeit ließe sich in einem anderen hierhergehörenden Bereich vermuten: „Kuhmist bringt nur Bauern Nutzen, ebenso der von Pferden und jeder andere mit Ausnahme von Menschenkot; den übrigen bedeutet er Ärger und Schaden und, wenn er beschmutzt, auch Krankheit.“29 Bemerkenswert ist, dass der positive Nutzen von Tiermist (κόπρος) als Dünger in gerade einmal fünf Zeilen abgehandelt wird, während für die ausschließlich negativen Zuschreibungen von menschlichem Kot mehr als 42 Zeilen aufgewendet werden. Daraus könnte man schließen, dass Nachhaltigkeit (= Dünger) nicht als ein wichtiges Thema erachtet wird. Bestätigung erfährt diese Vermutung aus einer anderen Passage, mit der die Thematik in einen weiteren Kontext gerät: „Mist zusammen zu holen bringt Leuten Vorteil, die von der Volksmenge ihren Verdienst gewinnen oder die ein schmutziges Handwerk betreiben; der Mist entsteht nämlich aus vielen Abfällen und wird
28 Artem. 2,25,143,20–22.144,1–6.8f.18f.145,2f.12–18: Ἐλαία γυναῖκα σημαίνει καὶ ἄθλησιν καὶ ἀρχὴν καὶ ἐλευθερίαν, ὅθεν ἀγαθὸν εὐθαλῆ ὁρᾶν καὶ ταῖς ῥίζαις ἡδρασμένην καὶ καρπὸν ἔχουσαν πεπανὸν καὶ ὥριμον. … Δρῦς ἄνδρα σημαίνει πλούσιον διὰ τὸ τρόφιμον ἢ πρεσβύτην διὰ τὸ πολυχρόνιον ἢ χρόνον διὰ ταὐτό. Δάφνη δὲ γυναῖκα σημαίνει εὔπορον διὰ τὸ ἀειθαλὲς καὶ εὔμορφον διὰ τὸ χάριεν καὶ ἀποδημίαν καὶ φυγὴν καὶ ἀποτυχίαν τῶν προσδοκωμένων διὰ τὴν περὶ τὸ δένδρον ἱστορίαν. … Κυπάρισσος δὲ μακροθυμίας καὶ παρολκῆς ἐστι σύμβολον διὰ τὸ μῆκος. … Πλάτανοι καὶ αἴγειροι καὶ πτελέαι καὶ ὀξύαι καὶ μελίαι καὶ πάντα τὰ ὅμοια μόνοις τοῖς ἐπὶ πόλεμον ὁρμῶσι. … τοῖς δὲ λοιποῖς διὰ τὸ ἄκαρπον πενίας καὶ ἀπορίας ἐστὶ σημαντικά. … μεμνῆσθαι δὲ καὶ τοῦτο χρή, ὅτι τὰ μὲν ἀγαθόν τι σημαίνοντα δένδρα θάλλοντα καὶ καρποφοροῦντα ἀγαθὰ ἂν εἴη, αὐαινόμενα δὲ ἢ πρόρριζα ἀνατρεπόμενα ἢ κεραυνούμενα ἢ ἄλλως πυρὶ καταφλεγόμενα τἀναντία σημαίνει· τὰ δὲ πονηρόν τι σημαίνοντα ἐν ταῖς ἀποβάσεσιν αὐαινόμενα καὶ διαφθειρόμενα λυσιτελέστερα καθίσταται. 29 Artem. 2,26,145,21–24: Κόπρος βοεία γεωργοῖς μόνοις συμφέρει, ὁμοίως καὶ ἡ ἱππεία καὶ ἡ ἄλλη πᾶσα πλὴν ἀνθρωπείας, τοῖς δὲ λοιποῖς δυσθυμίας καὶ βλάβας σημαίνει, μολύνουσα δὲ καὶ νόσον. Weitere Passagen bei BRASHEAR/BREITENBACH 2006: 780f.
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von vielen weggeworfen.“30 Dahinter steht die Vorstellung, wie Artemidor später ausführt, dass es einen Abfallhaufen gibt, auf dem viele ihren Müll – denn um solchen handelt es sich – deponieren. Dies wird dann durchaus positiv gedeutet, weil es sich um einen Gestus des Überflusses handelt. Es geht aber weder um Ressourcenschonung noch um die weitere Verwendung des Abfalls. Andere Traumsymbole gehören in den Bereich der Vorratshaltung beziehungsweise der bäuerlichen Vorsorge für das kommende Jahr – Getreidebehälter und Vorratskammer (1,74), Silos, Getreidegruben und Behältnisse zur Lagerung von Samen (2,24). Eine dezidiert nachhaltige Nutzung ist im Rahmen dieser Symbolik jedoch nicht impliziert. Artemidors Ausführungen zum Traumsymbol des Badens (1,64) machen deutlich, dass er für die Deutung in diesem Zusammenhang klar von einem historischen Wandel ausgeht, gehörten doch große Bäder im Sinne von Badeanstalten aufgrund verschiedener Faktoren insgesamt eher in den römischen Kontext und besaßen eine andere Valenz als in der griechischen Welt. „Heutzutage aber speisen die einen nicht eher, bevor sie gebadet haben, die anderen auch nach dem Essen; dann baden sie vor dem Abendessen wieder; und jetzt ist die Badeanstalt nichts anderes als ein Weg zu einem üppigen Leben. Dementsprechend ist das Baden in schönen, hellen und gut temperierten Bädern ein gutes Vorzeichen und bringt den Gesunden Wohlstand und gute Geschäfte, Kranken Gesundheit; denn sie baden als Gesunde, nicht aus Notwendigkeit.“31 Auch wenn die folgenden Deutungen nicht im Kontext von Nachhaltigkeitsüberlegungen stehen, so könnte in diesem Abschnitt Kritik an der durch verschwenderische Badepraktiken vergeudeten Wassermenge zu erkennen sein. Folglich ließe sich die Passage als Hinweis darauf lesen, dass ein Bewusstsein für einen sparsamen Umgang mit Wasser bestand. In jedem Fall ist die Passage einzuordnen in die übliche Luxuskritik, die nicht zuletzt griechischerseits geäußert wurde.32 An anderer Stelle bei Artemidor (2,27) wird auf „Quellen, Brunnen und Springbrunnen voll mit klarem Wasser“ 30 Artem. 3,52,226,11–14: Κόπρια συνάγειν ἀγαθὸν τοῖς ἐξ ὄχλου ποριζομένοις καὶ τοῖς τὰς ῥυπώδεις ἐργασίας ἐργαζομένοις· ἐκ πολλῶν γὰρ περισσευμάτων τὰ κόπρια γίνεται καὶ ὑπὸ πολλῶν ῥίπτεται. Eine Übersetzung mit „Abfall“ erscheint treffender als mit „Mist“. 31 Artem. 1,64,69,6–14: νῦν δὲ οἱ μὲν οὐ πρότερον ἐσθίουσιν εἰ μὴ λούοιντο, οἱ δὲ καὶ ἐμφαγόντες· εἶτα δὴ λούονται μέλλοντες δειπνήσειν· καὶ ἔστι νῦν τὸ βαλανεῖον οὐδὲν ἄλλο ἢ ὁδὸς ἐπὶ τρυφήν. τοιγαροῦν λούεσθαι ἐν βαλανείοις καλοῖς καὶ φωτεινοῖς καὶ ἀέρος εὐκράτως ἔχουσιν ἀγαθὸν καὶ εὐπορίαν ἅμα καὶ εὐπραξίαν τοῖς ἐρρωμένοις σημαῖνον καὶ τοῖς νοσοῦσιν ὑγεῖαν· ἐρρωμένων γὰρ τὸ λούεσθαι μὴ πρὸς ἀνάγκην γε ὄντων. Dazu HARRISMCCOY 2012: 452f. 32 Zum Definitorischen KLOFT 2007, zu den Privatbädern DE HAAN 2007. BERNHARDT 2002: 226–232, 333f. zeigt auf, dass gesetzlichen Regelungen zur Beschränkung des Luxus in der griechischen Welt keine durchschlagende Bedeutung zukam, verweist aber auch auf diskreditierende Sichtweise griechischsprachiger Autoren des 2. Jh.s n. Chr. Auch auf römischer Seite finden sich genau solche Aspekte in Zusammenhang mit Luxus- beziehungsweise Elitenkritik, die – z. B. mit Blick auf Kleidung – zu Verboten beziehungsweise Verbotsversuchen führen konnte (dazu CASINOS MORA 2013). Aus kritischen Bemerkungen zur Ausbeutung der Erde durch den Bergbau erfolgt allenfalls rhetorischer Nutzen, indem die senatorische Oberschicht für ihr Gewinnstreben und so weiter gegeißelt wird, dazu THOMMEN 2009: 122f.
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eingegangen, die als Traumsymbole allesamt Glück bringen; dabei erfährt insbesondere die Wichtigkeit des Wassers für das Leben und konkret für das Pflanzenwachstum besondere Hervorhebung.33 Eine Passage verdient noch gesonderte Erwähnung: „Glück bringt auch, einen Brunnen voll mit sprudelndem Wasser zu sehen, nur darf er nicht überfließen; denn überströmendes und aus dem Brunnen fließendes Wasser verkündet, dass die zuteil gewordenen Güter, die Frau und die Kinder nicht auf die Dauer bleiben werden. Dieselbe Bedeutung hat es, wenn Fremde den Brunnen ausschöpfen.“34 Die Deutung erscheint nicht ganz einfach: Gemeint ist wohl, dass das aus einem Laufbrunnen üblicherweise abfließende Wasser Wohlstand und essentielle Sozialbeziehungen wegzuschwemmen droht – zuvor heißt es bereits, dass ein Brunnen das zum Leben Notwendige bedeute; stattdessen erfolgt ein Plädoyer für volle Gefäße, wobei das erwähnte Sprudeln eigentlich das Überlaufen geradezu voraussetzt. Hier geht es also nicht um das Sparen von Wasser oder den Luxus des Überflusses beziehungsweise Überfließens, sondern um das Maßhalten.35 Ein weiterer Themenbereich stellt der Umgang mit Heizmaterial dar, 36 der im Kontext der Erwähnung von Wald als Traumelement zur Sprache kommt: „Berge, Schluchten, Täler, Abgründe und Wälder bedeuten für jeden Ärger, Furcht, Aufregungen und Untätigkeit, für Sklaven und Verbrecher Folterungen und Schläge, für Reiche Verluste, weil da Holz gehackt wird und immer etwas verlorengeht“.37 Angespielt wird hier eher auf die Bewirtschaftung des Waldes, dem Holz entnommen wird. Holz als solches kommt bei Artemidor nur selten vor, dazu in ganz anderen Kontexten.38 Die Notwendigkeit zu Heizen erscheint im Zusammenhang mit dem Warmbad, wobei auch die Verwendung von Thermalwasser, das schon erwärmt aus dem Boden kommt, bekannt ist (1,64), ebenso die Erwärmung von Öl (4,82). Bäume werden zwar an verschiedenen Stellen erwähnt, zumal im Rahmen eines ganzen Kapitels (2,25 mit Nachträgen in 4,57), aber es wird weder eine
33 Dazu LECHNER 2015: 6 mit Anm. 16. 34 Artem. 2,27,149,16–19: ἀγαθὸν δὲ καὶ πλῆρες ἰδεῖν φρέαρ πλημμυροῦντος τοῦ ὕδατος, ὅταν γε μὴ ὑπερχέηται· ἐπεὶ τὸ ὑπερχεόμενον καὶ ῥέον ὕδωρ τοῦ φρέατος τὰ προσγενόμενα ἀγαθὰ καὶ γυναῖκα τε καὶ παῖδας μὴ παραμεῖναι μαντεύεται. τὸ δ' αὐτὸ καὶ ὅταν ἀλλότριοί τινες ἀντλῶσι τὸ φρέαρ. 35 Ein nicht unwichtiger Befund ist es auch, dass das gesamte griechische Wortfeld für „Sparen“, „Sparsamkeit“ etc. bei Artemidor offenkundig nicht berücksichtigt ist; dies gilt im Übrigen auch für „Verschwenden“, wobei durchaus eine Terminologie für „Ausgaben“, „Aufwendungen“ oder „Kosten“ vorliegt, sie aber nicht das hier Gemeinte trifft. Allein der Begriff der τρυφή findet sich jenseits der eben genannten Passage („üppiges Leben“, „Luxus“) auch noch in 2,3, 2,37 und 3,59, wobei in 1,66,72,3f. τρυφή explizit (in der Formulierung διὰ τὸ τρυφᾶν) mit der Gruppe der Reichen verbunden ist. 36 BRASHEAR/BREITENBACH 2006: 773 verweisen darauf, dass Mist auch als Brenn- und Heizmaterial verwendet wurde, doch finden sich bei Artemidor keine entsprechenden Kontexte. 37 Artem. 2,28,150,10–14: ὄρη δὲ καὶ νάπαι καὶ ἄγκη καὶ φάραγγες καὶ ὕλαι πᾶσι δυσθυμίας καὶ φόβους καὶ ταραχὰς καὶ ἀνεργασίας σημαίνουσι, δούλοις δὲ καὶ κακούργοις βασάνους καὶ πληγὰς καὶ πλουσίοις βλάβας διὰ τὸ κατακόπτεσθαι καὶ ἀεί τι ἀποβάλλειν. 38 Artem. 1,31 (Zähne aus Holz), 4,34 (Kleid aus Holz), 4,54 (Holz wächst aus den Fingern).
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Verbindung zum Heizen noch zum Haus- oder Schiffsbau hergestellt39 – ein ausdrücklicher Hinweis auf eine nachhaltige Nutzung der Ressource erfolgt jedenfalls nicht. Im Kontext der Behandlung von Kleidung als Traumsymbol heißt es: „Allein einem Prozessierenden und einem Sklaven, der sich nach der Freilassung sehnt, bedeuten neue [Männer-]Kleider Unglück, auch wenn man sie im Winter träumt, weil sie strapazierfähig sind und langen Bestand haben.“40 Dahinter steht die Vorstellung, dass neue Kleidung über entsprechende Eigenschaften verfügen sollte, um möglichst lange aufgetragen werden und auch widrigen Einflüssen standhalten zu können. Von einem ressourcenschonenden Umgang oder einer Nachnutzung wird jedoch nicht gesprochen, wie es auch sonst in 2,3f. eher um die Farbe oder die besondere, den Sozialstatus betonende Art von Kleidung geht; 41 positiv konnotiert ist in jedem Fall das Waschen und das Tragen sauberer Kleidung. Festgehalten werden muss auch, dass sich bei Artemidor keine Begrifflichkeit für Altkleider, Lumpen o.ä. findet – Gegebenheiten, die aus anderen Zusammenhängen durchaus bekannt sind. 3. AUSWERTUNG Versucht man eine Auswertung der zusammen gestellten Textpassagen, so erscheint zunächst als Grundeindruck, dass nachhaltiges Denken und Handeln in diesen literarischen Gattungen zwar in Ansätzen vorhanden waren, letztlich aber keine besondere Rolle gespielt haben, obwohl Mensch-Umwelt-Beziehungen, zwar in unterschiedlichen Kontexten und Intensitäten, durchaus thematisiert wurden. Bei den Zauberpapyri richtet sich der Blick naturgemäß auf die magischen Handlungen, deren Bestandteile, Abläufe und Ziele erkennen, doch bieten Umfang und thematische Vielseitigkeit des Materials durchaus Anhaltspunkte für unsere Fragestellung. Wenn man für ‚Nachhaltigkeit‘ einerseits eine ökologische Facette, andererseits aber auch ökonomische und soziale Aspekte ausmachen kann, dann ergibt sich daraus eine aufschlussreiche Strukturierung: Auffallend ist bei einigen der wenigen Passagen, denen überhaupt eine mögliche Relevanz zukommt, dass für einen im weitesten Sinne nachhaltigen Umgang ökonomische Interessen leitend waren. Dies trifft für die kleinen Kugeln ebenso wie für die Anwendung des alchemistischen Rezeptes zu, vielleicht auch für den Umgang mit Mist beziehungsweise Abfall. Das magische Interesse ist hingegen prävalent bei der Zweitverwendung des Kleiderfetzens eines Verstorbenen. Die Mensch-Tier/ Pflanze-Beziehung wird in den Passagen über die Eidechse und die Pflanzenhe39 Siehe auch die vorherigen Belege. Allein in Artem. 2,8,112,16f. wird auf das Vertrocknen der Bäume, die vom Blitz getroffen wurden, hingewiesen, aber das tertium comparationis liegt allein im Verlust der Triebe und damit der Früchte. 40 Artem. 2,3,102,11–13: μόνῳ δὲ τῷ δίκην ἔχοντι καὶ τῷ δουλείας ἀπαλλακτιῶντι πονηρὰ τὰ καινὰ ἱμάτια, κἂν χειμῶνος βλέπηται, διὰ τὸ πολλὴν ἔχειν τρίψιν καὶ ἐπὶ πολὺ ἀντέχειν. 41 Dazu HARRIS-MCCOY 2012: 468–470.
Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung
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bung angesprochen, was den sozialen Aspekt bedient; ebenso wird – im Sinne einer ökologischen Nachhaltigkeit – vermehrt auf natürliche Prozesse und den üblichen Kreislauf der Natur verwiesen. Festzuhalten bleibt aber, dass Nachhaltigkeit im ökologischen Sinne beziehungsweise Ressourcenschonung an sich in vorliegendem Kontext von Zauber und Magie nicht dezidiert verankert sind, allenfalls über eine wirtschaftliche Motivation beziehungsweise über allgemeine Aussagen zur Vorstellung des natürlichen Kreislaufs. Eigene magische Handlungen, die explizit auf die Schonung von Ressourcen bei gleichzeitiger Steigerung des Vermögens abzielen, um damit etwa den sozialen Status zu verbessern, finden sich mit Ausnahme der Goldherstellung nicht. Im Falle der Träume, deren Deutungen und Begründungen stellt sich der Fokus geradezu universal dar, wird doch allein dem Anspruch Artemidors zufolge kein Lebensbereich ausgelassen. Zahlreiche Belege finden sich – explizit – zur Wachstumsthematik und auch – zumindest implizit – zum Kreislauf der Natur. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als Artemidor die Deutung „entsprechend der Natur“ einer Sache zur Leitkategorie erklärt und in diesem Zusammenhang auch grundsätzliche Überlegungen angestellt werden. Großen Raum nimmt der Bereich der Landwirtschaft ein, durchaus auch mit zahlreichen Details aus der praktischen, wenngleich vielfach stereotyp-zeitlosen Erfahrung des bäuerlichen Lebens, etwa der Vorratshaltung und der Aufbewahrung von Samen für die nächste Aussaat und mit klarer Beobachtung des Faktors ‚Zeit‘ beim Wachstum von Tieren und Pflanzen. Hieraus wird jedoch keine explizite Agenda für den besonderen Umgang mit diesen Ressourcen abgeleitet.42 Dies gilt auch für den Einsatz von Mist als Dünger beziehungsweise die Nachnutzung von Abfällen, den Umgang mit Holz als Heizmaterial und die Zweitverwendung von Kleidung, von der man zweifellos ausgehen muss. Vorauszusetzen ist allenfalls ein sparsamer, maßvoller Umgang mit der Ressource Wasser, wobei deren Überfluss am ehesten mit der Lebensweise reicher Zeitgenossen assoziiert wird.43 Insgesamt gewinnt man bei der Artemidorlektüre den Eindruck, dass zahlreiche Bereiche tangiert sind, in denen eine Nachhaltigkeit vermutet werden könnte; ob eine solche faktisch im Alltag der Träumenden gegeben war, wissen wir jedoch nicht. Da Artemidors Grundausrichtung der Deutung als stark polarisierend – gut/schlecht, positiv/negativ etc. – angesehen werden kann und es vielfach um sozialen Aufstieg (oder auch Abstieg) geht, dürfte nicht verwundern, dass Ansätze eines Bewusstseins kaum ausgeprägt waren beziehungsweise auch nicht forciert wurden. Die versuchte differenzierte Sicht auf verschiedene Wachstumsprozesse, Ressourcen und natürliche Kreisläufe mahnt jedoch, implizite Hinweise auf Nachhal42 CHANDEZON 2015: 88 hat aufgezeigt, dass Artemidor als Städter primär eine städtische Klientel im Blick hat; Landschaft, Landwirtschaft und die Menschen im Hinterland erscheinen deshalb wenig interessant und finden nur in begrenztem Umfang Berücksichtigung. 43 Nach CHANDEZON 2015: 88–95 liegt Artemidors Interesse für diesen Bereich allenfalls bei den großen Landgütern, wobei allein das Wirken der οἰκονόμοι analysiert wird, genauer: „le système de délégation dans l’exploitation des propriétés agricoles, avec ses régisseurs au service des propriétaires“ (95). Damit tritt ein Primat wirtschaftlichen Denkens und Handelns zutage.
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tigkeit in allgemeinen Überlegungen und Handlungen antiker Zeitgenossen nicht vorschnell abzutun oder gar zu überlesen. Stattdessen erscheint es hilfreich, die ihnen zugrundeliegenden Motive, seien sie ökonomischer, seien sie praktischer Art, in den Blick zu nehmen. BIBLIOGRAPHIE Quellen BETZ, H.-D. ²1996. The Greek Magical Papyri in Translation Including the Demotic Spells. Chicago/London. DANIEL, R. W. und MALTOMINI, F. 1990–1992. Supplementum Magicum, 2 Bde. Opladen. KRAUSS, F. S. (Übers.) 1991. Artemidor: Traumkunst, neubearb. und mit einem Nachwort sowie Anmerkungen versehen von G. LÖWE, Einleitung von F. JÜRSS. Leipzig. MERKELBACH, R. und TOTTI, M. 1990. Abrasax: Ausgewählte Papyri religiösen und magischen Inhalts. I: Gebete. Opladen. PACK, R. A. 1963. Artemidori Daldiani Onirocriticon Libri V. Leipzig. PREISENDANZ, K. und HENRICHS, A. ²1973–1974. Papyri Graecae Magicae: Die griechischen Zauberpapyri, 2 Bde. München.
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LA DENT FUNESTE DES CHÈVRES ET LA PLUME ACERBE DES HISTORIENS Discours de la durabilité, naguère et aujourd’hui Christophe Chandezon
Zusammenfassung: Einigen Althistorikern zufolge, die sich mit der Hypothese der Entwaldung in der antiken griechischen Welt beschäftigen, sind Ziegen die hauptsächliche Ursache für die drastische Verringerung des Waldgebietes in Griechenland und der anschließenden Bodenverarmung. Überweidung allgemein wird vorgeworfen, einer nachhaltigen Nutzung der mediterranen Umwelt abträglich zu sein. Einige antike Quellen geben sogar vor, dass Ziegen mit nur einem Biss einen Olivenbaum absterben lassen können. Für viele Bauern waren diese Zuchttiere jedoch nützlich und sogar notwendig, da sie viel Milch gaben und jedes Jahr 2–4 Nachkommen zeugten. Ziegen grasten in Gebieten, an denen dies selbst Schafen nicht möglich war, etwa auf kleinen Inseln in der Ägäis. Die Abwehrhaltung gegenüber Ziegen wurde in der antiken Literatur allgemein geteilt, vor allem von Wein- und Olivengutsbesitzern. Später entschloss sich die königliche Verwaltung im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Südfrankreich häufig dazu, Ziegenhaltung zu verbieten. Vorgeblich ging es um die Notwendigkeit, die Bäume zu schützen, und um die geplante Ausbeutung von Waldgebieten. Wie einige griechische Städte zuvor (etwa die Kykladeninsel Herakleia), erklärte die Zentralgewalt der Ziege den Krieg und schob dementsprechend Argumente für eine nachhaltige Forstwirtschaft vor. Diese Argumentation ist jedoch stark voreingenommen und rührt von sozialen Eliten sowie einer Zentralgewalt her, der es vorwiegend um die Einnahmemöglichkeiten der Forstwirtschaft geht. Arme Landbewohner hatten gute Gründe, Ziegenhaltung zu betreiben, aber deren Argumente erscheinen nicht in den Quellen. Es ist dementsprechend zu bedenken, dass Nachhaltigkeitsargumente häufig sozial eingefärbt sind. Abstract: According to many classicists who deal with the hypothesis of deforestation in the ancient Greek world, goats are the main agents of the drastic reduction of woodland in Greece and subsequent soil impoverishment. Overgrazing in general is accused of clashing with sustainable exploitation of the Mediterranean environment. Some ancient sources even state that goats are able to kill olive-trees with a mere bite. However, these domestic animals were actually useful and even necessary for many farmers, providing abundant milk and giving birth every year to 2–4 kids. They would graze in environments where even sheep would not, for instance on tiny islands in the Aegean. The hostility towards goats was widely shared in ancient literature, particularly by vineyard- and olive-grove-owners. Later, in Mediterranean France, at the end of the Middle Ages and in Modern times, the royal administration sometimes decided to ban goat herding. The alleged reason was the necessity to protect trees and a planned exploitation of woodland. Like some Greek cities had done (for
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instance the Cycladic island of Herakleia), the central power declared war on goats and therefore developed arguments putting forward sustainable forestry. But we need to be aware that this argumentation is deeply biased, coming from social elites and a central power mainly interested in how forestry could generate income. Poor peasants had good reasons to promote goat herding, but their arguments do not appear in the sources. We should be aware that sustainability arguments are sometimes socially biased.
La conscience de la fragilité des milieux qu’ont pu avoir les Grecs est illustrée par un texte célèbre, la description des montagnes de l’Attique telles qu’elles étaient du temps de la guerre contre l’Atlantide, opposées à celles que son auteur, Platon voyait. Dans le Critias, il explique que l’Attique présentait autrefois un visage bien différent: ses montagnes étaient alors couvertes de forêts. De manière très précise, il décrit les effets de la déforestation sur les sols: La terre de ce pays dépassait, dit-on, en fertilité toutes les autres, en sorte que la contrée était alors capable de nourrir une grande armée, exempte des travaux de la terre. Et voici un témoignage de sa bonté. Ce qui en subsiste encore aujourd’hui est sans égal pour la variété et la qualité des fruits, et pour l’excellence des pâturages qu’elle offre à toute sorte de bétail. Mais alors, outre leur qualité, elle portait aussi ces fruits en quantité infinie. Comment le croire et sur quel vestige de cette terre d’alors pourrait-on le vérifier? Détachée toute entière du reste du continent, elle s’allonge aujourd’hui dans la mer, comme l’extrémité du monde. Et certes, le vase marin qui l’enferme est partout d’une extrême profondeur. C’est qu’il y eut de nombreux et terribles déluges, au cours de ces neuf mille ans (tel est, en effet, l’intervalle de temps qui sépare l’époque contemporaine de ces temps-là). Au cours d’une période si longue et parmi ces accidents, la terre qui glissait des lieux élevés ne déposait pas, comme ailleurs, des sédiments notables, mais, roulant toujours, elle finissait par disparaître dans l’abîme. Et, ainsi qu’on peut s’en rendre compte dans les petites îles, notre terre est demeurée, par rapport à celle d’alors, comme le squelette d’un corps décharné par la maladie. Les parties grasses et molles de la terre ont coulé tout autour, et il ne reste plus que la carcasse nue de la région. Mais, en ce temps-là encore intacte, elle avait pour montagnes, de hautes ondulations de terre: les plaines qu’on appelle aujourd’hui les champs de Phelleus, étaient couverts de glèbe grasse; il y avait sur les montagnes de vastes forêts, dont il subsiste encore les traces visibles. Car, parmi ces montagnes qui ne peuvent plus nourrir que les abeilles, il y en a sur lesquelles on coupait encore, il n’y a pas très longtemps, de grands arbres, propres à monter les plus vastes constructions, dont les revêtements existent encore. Il y avait aussi beaucoup de hauts arbres cultivés et la terre donnait aux troupeaux une pâture inépuisable. L’eau fécondante de Zeus qui s’y écoulait chaque année ne ruisselait pas en vain, comme aujourd’hui, pour aller se perdre de la terre stérile dans la mer: la terre en avait dans ses entrailles, et elle en recevait du ciel une quantité qu’elle mettait en réserve dans celles de ses couches que l’argile rend impénétrables; elle dérivait aussi dans ses anfractuosités l’eau qui tombait des endroits élevés. Ainsi, en tous lieux, couraient les flots généreux des sources et des fleuves. Et pour tous ces faits, de nos jours encore, les sanctuaires qui subsistent, en l’honneur des anciennes sources, témoignent que le présent récit est véridique. Telle était donc la nature du reste du pays. Il était cultivé, comme il convient, par des vrais agriculteurs, vraiment adonnées à la culture, amis du beau, d’un bon naturel, disposant
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de la terre la plus excellent et de l’eau la plus prodigue, et jouissant en outre, sur cette terre-là, des saisons les plus heureusement tempérées. (Kritias, 110e–111e; trad. A. RIVAUD CUF)1
Cette archéologie du paysage attique fait partie du mythe de l’Atlantide et situe celui-ci 9.000 ans auparavant.2 Platon parodie des méthodes des historiens qui essayaient de reconstituer les temps originels de la Grèce et rend le lecteur témoin des vestiges de ce passé évanoui:3 les grands poutres de bois de certains bâtiments sont les preuves de la capacité qu’avait eu le territoire athénien de fournir des grands arbres et les vestiges de forêts que conservait encore la chôra sont comme des fossiles de la forêt originelle. Ce temps des belles forêts était aussi celui des gras pâturages et des grands arbres fruitiers.4 Pourquoi tout cela a-t-il disparu? Platon laisse son lecteur réfléchir, faisant seulement entendre que les hommes ont exploité ces forêts jusqu’à leur disparition. Les historiens d’aujourd’hui, quand ils prennent au sérieux cette description, en retiennent que l’Attique du 4e s. était déjà très largement déboisée et offrait un paysage proche de celui du milieu du 20e s., avant que l’abandon de la culture des 1
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Ἀρετῇ δὲ πᾶσαν γῆν ὑπὸ τῆς ἐνθάδε ὑπερβάλλεσθαι, διὸ καὶ δυνατὴν εἶναι τότε τρέφειν τὴν χώραν στρατόπεδον πολὺ τῶν περὶ γῆν ἀργὸν ἔργων. Μέγα δὲ τεκμήριον ἀρετῆς· τὸ γὰρ νῦν αὐτῆς λείψανον ἐνάμιλλόν ἐστι πρὸς ἡντινοῦν τῷ πάμφορον εὔκαρπόν τε εἶναι καὶ τοῖς ζῴοις πᾶσιν εὔβοτον. Τότε δὲ πρὸς τῷ κάλλει καὶ παμπλήθη ταῦτα ἔφερεν. Πῶς οὖν δὴ τοῦτο πιστόν, καὶ κατὰ τί λείψανον τῆς τότε γῆς ὀρθῶς ἂν λέγοιτο; Πᾶσα ἀπὸ τῆς ἄλλης ἠπείρου μακρὰ προτείνουσα εἰς τὸ πέλαγος οἷον ἄκρα κεῖται· τὸ δὴ τῆς θαλάττης ἀγγεῖον περὶ αὐτὴν τυγχάνει πᾶν ἀγχιβαθὲς ὄν. Πολλῶν οὖν γεγονότων καὶ μεγάλων κατακλυσμῶν ἐν τοῖς ἐνακισχιλίοις ἔτεσι—τοσαῦτα γὰρ πρὸς τὸν νῦν ἀπ’ ἐκείνου τοῦ χρόνου γέγονεν ἔτη—τὸ τῆς γῆς ἐν τούτοις τοῖς χρόνοις καὶ πάθεσιν ἐκ τῶν ὑψηλῶν ἀπορρέον οὔτε χῶμα, ὡς ἐν ἄλλοις τόποις, προχοῖ λόγου ἄξιον ἀεί τε κύκλῳ περιρρέον εἰς βάθος ἀφανίζεται· λέλειπται δή, καθάπερ ἐν ταῖς σμικραῖς νήσοις, πρὸς τὰ τότε τὰ νῦν οἷον νοσήσαντος σώματος ὀστᾶ, περιερρυηκυίας τῆς γῆς ὅση πίειρα καὶ μαλακή, τοῦ λεπτοῦ σώματος τῆς χώρας μόνου λειφθέντος. Τότε δὲ ἀκέραιος οὖσα τά τε ὄρη γηλόφους ὑψηλοὺς εἶχε, καὶ τὰ φελλέως νῦν ὀνομασθέντα πεδία πλήρη γῆς πιείρας ἐκέκτητο, καὶ πολλὴν ἐν τοῖς ὄρεσιν ὕλην εἶχεν, ἧς καὶ νῦν ἔτι φανερὰ τεκμήρια· τῶν γὰρ ὀρῶν ἔστιν ἃ νῦν μὲν ἔχει μελίτταις μόναις τροφήν, χρόνος δ’ οὐ πάμπολυς ὅτε δένδρων αὐτόθεν εἰς οἰκοδομήσεις τὰς μεγίστας ἐρεψίμων τμηθέντων στεγάσματ’ ἐστὶν ἔτι σᾶ. Πολλὰ δ’ ἦν ἄλλ’ ἥμερα ὑψηλὰ δένδρα, νομὴν δὲ βοσκήμασιν ἀμήχανον ἔφερεν. Καὶ δὴ καὶ τὸ κατ’ ἐνιαυτὸν ὕδωρ ἐκαρποῦτ’ ἐκ Διός, οὐχ ὡς νῦν ἀπολλῦσα ῥέον ἀπὸ ψιλῆς τῆς γῆς εἰς θάλατταν, ἀλλὰ πολλὴν ἔχουσα καὶ εἰς αὐτὴν καταδεχομένη, τῇ κεραμίδι στεγούσῃ γῇ διαταμιευομένη, τὸ καταποθὲν ἐκ τῶν ὑψηλῶν ὕδωρ εἰς τὰ κοῖλα ἀφιεῖσα κατὰ πάντας τοὺς τόπους παρείχετο ἄφθονα κρηνῶν καὶ ποταμῶν νάματα, ὧν καὶ νῦν ἔτι ἐπὶ ταῖς πηγαῖς πρότερον οὔσαις ἱερὰ λελειμμένα ἐστὶν σημεῖα ὅτι περὶ αὐτῆς ἀληθῆ λέγεται τὰ νῦν. Τὰ μὲν οὖν τῆς ἄλλης χώρας φύσει τε οὕτως εἶχε, καὶ διεκεκόσμητο ὡς εἰκὸς ὑπὸ γεωργῶν μὲν ἀληθινῶν καὶ πραττόντων αὐτὸ τοῦτο, φιλοκάλων δὲ καὶ εὐφυῶν, γῆν δὲ ἀρίστην καὶ ὕδωρ ἀφθονώτατον ἐχόντων καὶ ὑπὲρ τῆς γῆς ὥρας μετριώτατα κεκραμένας. Le texte, très connu, a été l’objet de débats sur sa dimension fictionnelle ou son utilité réelle à propos des questions de déforestation: HARRIS 2011a: 126 et n. 108; HARRIS 2011b. HARRIS est tenté de faire confiance à ce texte, qui a été cité de nombreuses fois (par ex. THOMMEN 2012: 40f., dans un développement sur la forêt et le bois dans le monde grec, 37–41). Ce texte suscite en revanche le scepticisme de HORDEN/PURCELL 2000: 331. Il me semble qu’il y a dans ce texte un écho des méthodes employées par Thucydide dans son ‹archéologie›. Les Athéniens d’alors vivaient largement de l’élevage: Kritias 118b.
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versants ne conduise à un reboisement généralisé des zones non urbanisées.5 En général, on pointe du doigt plusieurs facteurs majeurs de déboisement dans l’Antiquité.6 Le premier est la surexploitation du bois pour les flottes de guerre et dans une moindre mesure pour la grande architecture. On ajoute la métallurgie ainsi que les besoins des grandes agglomérations et de populations croissantes. Le prix à payer pour la grandeur d’Athènes classique comprenait donc le sacrifice de ses forêts. Un second facteur assez souvent envisagé est le surpâturage, et c’est à ce titre que le Critias est mentionné dans un classique de l’histoire environnementale celui de J. DONALD HUGHES7 où un coupable particulier est tout désigné, la chèvre: «One of the most consistent and widespread forces of environmental de-gradation in the ancient Mediterranean basin was the grazing of domestic animals. … But perhaps the worst effects of grazing were in making deforestation permanent and exacerbating erosion. … Goats are particularly destructive. … Goats are extremely destructive of saplings and small trees.» D’autres, moins violemment, on reprise cet argument où, curieusement, les moutons ne semblent même pas faire figure que de complices des chèvres.8 Étrange renversement des perspectives: chez Platon, les troupeaux avaient perdu à ce changement et le temps des belles forêts auraient aussi été ceux des gras pâturages, les montagnes de l’Attique classique n’étant plus en mesure que de nourrir des animaux aussi chétifs que les abeilles. C’est donc cette accusée, la chèvre, qui va retenir ici notre attention, pour analyser le rôle qu’on lui attribue dans les raisonnements sur la durabilité9 des 5
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Ce phénomène, que tout le monde peut constater et qui ne touche pas que la Grèce, a bien été mis en évidence par RACKHAM 2015: 38–40, à partir de l’exemple de la Crète (cf. déjà RACKAM/GOODY 1996: 212). Bilan récent des questions de déforestation dans HARRIS 2011a. HUGHES 2014: 72–74. Dans un classique de l’histoire de la forêt, MACNEILL 1992: 276–282, les chèvres font aussi largement figure d’accusées: «The damage that herders do to landscapes would be no greater than that of the occasional forest fire if it were not for their goats. Goats can eat almost any plant, including those with spiny leaves, and thus can prevent second-growth forest.» (p. 277; MACNEILL reprend ensuite l’opposition pasteurs / agriculteurs; p. 278, photo de chèvres dans un arbre dans le Pinde). Voir aussi dans la synthèse sur l’économie de BRESSON 2016: 38: «Greece in the Classical and Hellenistic period was a heavily populated region were wood was in very high demand for timber and fuel and where goat-raising did a great deal to prevent trees from growing back. This must have markedly contributed to the progressive deterioration of the environment.» RACKHAM/MOODY 1996: 22 établissent un lien des chèvres avec l’érosion très différent et qui fait réfléchir à la transmission de certains topoi dans les travaux d’histoire environnementale. Pour eux: «goats cause erosion chiefly by their hooves breaking up the crusts.» Leur impact sur les arbres est de favoriser des formes qui les amènent à développer une ramure sur tige (RACKHAM/MOODY 1996: 163). Depuis le rapport BRUNDTLAND 1987 il y a une hésitation pour la traduction française de sustainable par durable ou par soutenable. En Europe, durable est le plus fréquent, alors que le Canada francophone préfère soutenable perçu souvent, en France, comme un anglicisme. Il n’y a pas au départ de distinction de sens entre la notion de sustainability et celle de durabilité. La querelle lexicale a cependant parfois conduit à avancer des différences sémantiques, durable et durabilité permettant de se situer dans une perspective temporelle, donc, a priori, opératoire pour la recherche historique. C’est la raison pour laquelle, de manière sinon arbitraire, j’ai opté
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équilibres agro-sylvo-pastoraux pendant l’Antiquité.10 Ce sera l’occasion de voir en quoi cette question a été ou non centrale dans l’image culturelle que les Anciens se sont faite de ces animaux domestiques. On se demandera moins si le raccourci fait par HUGHES (chèvres / déforestation / érosion) est fondé, car JOACHIM RADKAU a déjà rappelé que c’était un présupposé,11 mais plutôt quels sont les enjeux socioéconomiques de cette condamnation des chèvres dans certaines sources et chez certains historiens. Il faut avertir les lecteurs de deux derniers points. Primo: ce travail est celui d’un historien francophone et ses références vont être d’abord francophones, alors que l’histoire environnementale est le produit d’une historiographie essentiellement américaine, et dont le Royaume-Uni et l’Allemagne ont été les premiers relais en Europe.12 En France, où la prise en compte sociale de l’environnement a été plus pour durabilité, plutôt que d’écrire, comme en langage administratif et technocratique, durable et soutenable. 10 Cette question a été posée clairement par RADKAU 2000: 35: «Manche behaupten, daß die mediterrane Garrigue mit ihrer Strauchheide den Boden im Bergland viel besser hält als der Wald. Muß man der Ziege verübeln, daß sie im Mittelmeerraum die Verwandlung von Wald in Macchie und Garrigue befördert hat?» 11 Citons encore ces de RADKAU 2000: 36f.: «Bei der Ökologie der Weidewirtschaft gibt es extreme Unterschiede, je nach den geomorphologischen Bedingungen, der Regulierung und der Art der Weidetiere. Den schlechtesten Ruf haben die Ziegen. Für viele Forstleute sind sie förmlich die Inkarnation des Bösen; einer nennt sie ‹das Rasiermesser des Waldes›. … Warum prinzipiell Partei gegen die Ziegen ergreifen; warum sollen nicht sie, sondern nur die Bäume die Natur verkörpern? … Schon 1945 wird aus Kreisen der britischen Kolonialverwaltung von einem ‹neuen Ziegenkult› als Gegenreaktion auf das Feindbild Ziege berichtet. Ein leitendes Mitglied der FAO spricht 1970 von ‹irrationaler Verdammung›, wenn die Ziege zum alleinigen Sündenbock für Bodenerosion gemacht wird, und versichert, die Bevölkerung der Peloponnes verteidige nicht die Ziege aus Dummheit, sondern aus Wissen um ihren Nutzen und ihre Unschädlichkeit. Oft wurde die ‹Kuh der armen Leute› aus sozialpolitischen Gründen gegen die auf exportfähige Bauholzqualitäten fixierten Forstverwaltungen in Schutz genommen. … Wie man die Ziege beurteilt, ist zu einem gewissen Grade eine Frage des Interesses, nicht der Ökologie. … Dennoch ist nicht zu bestreiten, daß diese Allesfresserin, die auf die Bäume steigt und an ihnen herumknabbert, in ökologisch labilen Gebieten die Vegetationsdecke beschädigen und auf Kahlschlägen den Jungwuchs an Bäumen zerstören kann. Auch hier hängt das meiste davon ab, wieweit man die Zahl der Tiere und ihre Weidefläche begrenzt. Ein besonderes Problem ist dabei der Eigensinn der Ziegen, die sich schwerer kontrollieren lassen als Kühe und Schafe.» Merci à CHRISTOPHER SCHLIEPHAKE de m’avoir signalé ce livre qui a peu circulé en France: j’y ai découvert, après rédaction de mon article, une bonne partie des positions que je souhaitais défendre. 12 Pour le Royaume-Uni, voir les travaux d’OLIVER RACKHAM, qui ont porté aussi bien sur la Grande-Bretagne que sur des régions méditerranéennes (RACKHAM 1986; RACKHAM/MOODY 1996); pour l’Allemagne, RADKAU 2000 et THOMMEN 2012 (trad. angl., la version originale en allemand datant de 2009). Pour avoir un regard d’ensemble sur le développement de l’Umweltgeschichte en Allemagne, j’ai eu recours à THOMMEN 2012: 1–16, et JAKUBOWSKI-TIESSEN 2014. On comparera cela à la façon dont le même courant historiographique s’est développé dans la recherche francophone: INGOLD 2011 ou QUENET 2014. On constate que les échanges d’idées ne fonctionnent pas en réseau et qu’en France comme en Allemagne, c’est la recherche anglophone qui est le partenaire majeur, au détriment d’échanges entre France et Allemagne par exemple.
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tardive qu’en Allemagne, l’histoire environnementale s’est d’abord heurtée à une tradition scientifique d’étude des milieux13 qui avait d’autres références et où pesait l’approche braudélienne, ce qui a empêché jusqu’aux années 2000 que des contacts scientifiques féconds n’aient lieu avec la recherche anglo-saxonne.14 Un point est révélateur: dans l’imaginaire américain de l’environnement, la wilderness a joué un rôle essentiel, alors que l’environnement, dans la culture française, est essentiellement la belle campagne, bien cultivée et bien peuplée, d’où le poids qu’a longtemps eu l’histoire agraire.15 Peut-être cela transparaîtra-t-il encore dans les pages qui vont suivre. Secundo: j’ai choisi de privilégier les sources grecques, mais pas celles d’une période ou d’une région en particulier. Ce n’est pas par fétichisme pour la longue durée mais parce qu’il n’est guère possible pour un historien de l’Antiquité réfléchissant sur l’élevage dans les problèmes de durabilité de faire autrement sans risquer de manquer de documentation. Pour la même raison, j’aurai recours aux traités latins d’agriculture et aux Geoponica16 qui reflètent un peu de la littérature technique grecque consacrée aux travaux des champs et des prés.17 1. L’ACCUSÉE: INSTRUCTION À CHARGE ET À DÉCHARGE La chèvre, telle qu’elle a été perçue des Grecs, a fait l’objet de moins d’études que d’autres espèces domestiques – le cheval et le chien étant les plus privilégiés – mais quelques articles aident à s’y retrouver.18 Ils dégagent l’image d’un animal à la frontière du domestique et du sauvage,19 donc difficile à contrôler et susceptible de causer des dégâts par ses divagations et son appétit, chose que l’homme ne semble
13 Le mot milieu, de plus en plus abandonné pour environnement, a longtemps dominé en France: QUENET 2014: 108–111. 14 Voir INGOLD 2011, bilan de 10 ans de recherches en France sur ces sujets; QUENET 2014. Les questions environnementales ont aussi profondément influencé l’archéologie française qui a intégré l’étude des paléo-environnements: CHOUQUER/WATTEAUX 2013: 243–246. 15 QUENET 2014: 104f. Ajoutons qu’en France, le médiéviste ROBERT DELORT a joué un rôle important dans cette conversion historiographique: pionnier de l’histoire des animaux, il a ensuite proposé une écologie historique et ses élèves se sont progressivement rapprochés de l’histoire environnementale (voir BECK/DELORT 1993). Tardivement, il a publié son Histoire de l’environnement européen: DELORT/WALTER 2001. Sur ce courant, voir QUENET 2014: 105f., 125. Pour l’écocritique appliquée à la littérature française, et, plus généralement, la construction de la notion d’environnement dans les études littéraires, voir POSTHUMUS 2012. 16 Pour ce texte, j’ai utilisé DALBY 2011 et LELLI ET AL. 2010; voir aussi MEANA/CUBERO/SAEZ 1998. 17 J’utiliserai aussi Longos, Daphnis et Chloè. Certes, il s’agit de littérature bucolique, mais les descriptions de la vie pastorale sont souvent d’une grande précision et d’un grand réalisme. 18 Voir RICHTER 1972, et, dans un genre différent, BRULÉ 1998. Récemment, KITCHELL 2014: 76f. 19 BRULÉ 1998: 264–266.
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jamais redouter de la brebis20 qui est comme son double apaisé.21 La chèvre a aussi des avantages, comme le peu de soins qu’elle demande, le faible coût de son élevage et sa productivité. Bien longtemps après, le COMTE DE BUFFON résumait cela ainsi: «Ces animaux, qui ne coûtent presque rien à nourrir, ne laissent pas de faire un produit assez considérable.» Contrairement aux usages judiciaires, je commencerai par l’instruction à décharge. Un premier point est évoqué de manière très fréquente dans les sources: avec les chèvres domestiques, les naissances gémellaires sont pratiquement la norme, plus souvent encore qu’avec les brebis. Aristote le constate dans son Histoire des animaux: «Les moutons et les chèvres donnent naissance à des jumeaux, quand ils ont une bonne nourriture et si le bélier, ou le bouc, est lui-même né jumeau, ou si c’est le cas de la mère.»22 L’information est répétée par les traités latins d’agriculture, qui constatent qu’il arrive parfois que les chèvres mettent bas trois chevreaux23, et figure dans les Geoponica: «Elle donne la plupart du temps naissance à des jumeaux et se charge de nourrir des petits.»24 C’est donc pour cela que Théocrite, dans plusieurs de ses Idylles, applique à la chèvre l’adjectif de didymotokos, «qui met au monde des jumeaux».25 Le croît (épigonê) est donc très rentable et un éleveur sait que chaque année, il pourra garder un des chevreaux pour renouveler son troupeau et en vendre un autre pour la viande. Cela permet d’éliminer facilement les mâles sans perte de capital, puisqu’un troupeau peut se contenter d’un bouc pour cinquante chèvres.26 Un autre avantage des chèvres est signalé dans le texte des Geoponica: «elles sont sources des revenus considérables par leur lait et leur fromage, ainsi que de la viande, à quoi il faut ajouter ceux qu’on tire de leurs poils.»27 Les deux traites quotidiennes pendant les quatre à cinq mois de lactation produisent un lait plus
20 Mouton est générique en français, alors que brebis désigne la femelle et bélier le mâle; on dira aussi souvent mouton à propos des animaux castrés; ici brebis et mouton doivent être pris pour de simples synonymes, la préférence pour le zoonyme féminin provenant du fait que les troupeaux sont d’abord formés de femelles. 21 Sur cette idée des espèces animales formant des couples proches physiquement mais opposés par l’éthos, voir FRANCO 2014: 148–153; c’était déjà l’idée développée par BUFFON 1755: 59f., où la chèvre est opposée à la brebis comme l’âne au cheval. 22 Aristot. hist. an. 6,19,573b 30–32: Διδυμοτοκοῦσι δὲ καὶ πρόβατα καὶ αἶγες διά τε εὐβοσίαν, καὶ ἐὰν ὁ κριὸς ἢ ὁ τράγος ᾖ διδυμοτόκος ἢ ἡ μήτηρ, trad. P. LOUIS, CUF. 23 Colum. 7,6,7. 24 Geop. 18,9,2, de Florentinus: Διδυμοτοκεῖ δὲ ὡς ἐπιπολύ, καὶ τρέφει τὰ γεννώμενα. 25 Theokr. 1,25; 3,34; 5,84. Voir aussi les épigrammes: Anth. Gr. 6,99 (Philippe de Thessalonique). 26 Colum. 7,6,7. 27 Geop. 18,9,2, de Florentinus: Καὶ προσόδους δίδωσιν οὐκ ὀλίγας, τὰς ἀπὸ γάλακτος καὶ τυροῦ, καὶ κρέας· πρὸς δὲ τούτοις τὰς ἀπὸ τῆς τριχός. Les traités d’agriculture de l’époque moderne comportent des phrases du même genre: voir CHANVALON 1765: 504f., «Leur chair, leur lait, leur graisse, leur peau, leur poil, et les chevreaux qu’on nomme aussi cabris, sont d’un grand rapport. Elles coûtent peu à nourrir. On ne leur donne du foin que quand elles font leurs petits.»
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abondant que celui des brebis.28 Nous n’avons pas de chiffres pour l’Antiquité, mais, dans des conditions égales, en Corse au début du 19e s., le rendement laitier quotidien moyen des brebis était de 0,130 à 0,260 L, celui des chèvres de 0,260 à 0,433 L, soit le double.29 Le lait de chèvre n’était certes pas le plus fréquent dans l’Antiquité grecque, mais jouissait d’une bonne réputation. Polyphème avait des chèvres dans son troupeau, même si les brebis étaient plus nombreuses.30 La viande de chèvre était consommée, y-compris les abats comme le montre l’inscription agoranomique du Pirée, au début du 1er s. a. C.31 Elle était cependant peu appréciée et Artémidore évoque son caractère osseux.32 La meilleure provenait des chevreaux;33 celle des chèvres laitières ou des boucs reproducteurs devenus trop vieux et que l’on engraissait était jugée médiocre. Le poil de chèvre avait de nombreux usages, notamment pour la fabrication de cordages, par exemple pour la marine,34 ou de feutre. Dans certaines régions d’Asie Mineure, les chèvres donnaient une laine ancêtre de l’angora et Aristote connaît déjà cet usage pour la Lycie.35 La peau et la panse permettaient de fabriquer des outres et c’est dans un askos aigeios qu’Ulysse a apporté le vin qui servira à enivrer le Cyclope.36 Le cuir était exploité pour l’habillement, même si les vête-ments ainsi produits étaient vus comme populaires.37 Le dernier bénéfice que l’on peut tirer des chèvres est leur fumier qui a bonne réputation comme engrais, notamment pour les arbres fruitiers.38 Certes celui que les animaux produisent au pâturage est en partie perdu, puisqu’ils se trouvent alors dans des zones incultes, mais celui de la mauvaise saison, lorsque les chèvres sont dans les exploitations agricoles pouvait être récupéré. D’autres traits d’éthologie caprine peuvent être aussi bien rangés dans la colonne des défauts que dans celle des qualités. Les chèvres sont moins craintives que les brebis à l’égard des hommes et se laissent facilement approcher,39 mais elles 28 Verg. georg. 3,608: «La chèvre a une progéniture plus nombreuse, elle donne du lait en abondance» (densior hinc suboles, hinc largi copia lactis). Le temps de lactation des brebis est en outre un peu plus bref que celui des chèvres: CASANOVA 1996: 158. 29 CASANOVA 1996: 157. 30 Hom. Od. 9,183f., 219f., 226, 244, 341; voir RICHTER 1968: 60–64. 31 RICHTER 1968: 60, DALBY 2003: 160. Inscription agoranomique du Pirée: STEINHAUER 1994, BRESSON 2000: 151–182. Nous laissons ici de côté les usages sacrificiels de la chèvre (JAMESON 1988: 99–104) et la question du rapport entre sacrifices et consommation de viande. 32 Artem. 1,70, éd. PACK, p. 76, l. 10f. Dans un registre différent, [Hippokr.] Du régime, 2,46 présente la viande de chèvre comme plus légère que celle du mouton, et laxative. 33 Theokr. 1,6: «la chair de la chevrette est bonne, jusqu’à ce qu’on la traie» (χιμάρω δὲ καλὸν κρέας, ἔστε κ’ ἀμέλξῃς). 34 Verg. georg. 3,311–313; Geop. 18,9,3 (Florentinus). Travail des poils de chèvre pendant l’hiver: Longos, Daphnis 3,3,3. 35 Hist. an. 8,28,606a 16–18: Καὶ ἐν Λυκίᾳ αἱ αἶγες κείρονται, ὥσπερ τὰ πρόβατα παρὰ τοῖς ἄλλοις; Plin. nat. 8,203, qui parle de la Cilicie; Ail. nat. 16,30, où la source est Callisthène, le neveu d’Aristote. 36 Hom. Od. 9,196. 37 Hom. Od. 24,231: Laërte, lorsqu’il travaille aux champs, porte un bonnet en cuir de chèvre, une αἰγείη κυνέη. g 38 Geop. 2,21,8, tiré de Quintilii; 3,15,6, dans le calendrier des travaux agricoles, par mois. 39 Aristot. hist. an. 9,3,610b 31–33.
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sont aussi plus indépendantes, ce qui rend le travail des chevriers (aipoloi) plus pénible. Aristote parle de la nature vive et changeante des chèvres qui fait qu’il est inutile de dresser un bouc de tête comme on a un bélier de tête quand on conduit un troupeau de moutons:40 il n’y a pas de chèvre de Panurge. Ce trait de caractère les fait comparer à la mer sans cesse changeante et à ses vagues par Artémidore. 41 Il faut donc des chevriers agiles et n’ayant pas peur d’aller rechercher des chèvres en mauvaise posture sur des parois rocheuses.42 En général, les troupeaux de chèvres tendent à s’étaler largement, alors que les brebis restent regroupées,43 et c’est ce qui justifie l’expression homérique, aipolia, plate’aigôn, «les larges troupeaux de chèvres».44 Tout cela fait que la main d’œuvre nécessaire pour un grand troupeau de chèvre est plus importante que ce que demande un troupeau de brebis. Les traités d’agriculture latins recommandent un chevrier pour 50 chèvres, 100 au maximum, tandis qu’un seul homme suffit à garder 1.000 moutons.45 Du reste, deux des rares dénombrements de troupeaux caprins connus pour le monde grec s’inscrivent dans cette norme: à Athènes, Panaitios d’Aphidna, un des condamnés de l’affaire de la mutilation des hermès, possédait, selon la stèle qui enregistre la vente de ses biens,46 un domaine agricole avec un chais rempli de vin, des ruches, 2 couples de bœufs de labour, un petit troupeau de 4 vaches et leurs veaux, 84 brebis et leurs agneaux ainsi que 67 chèvres et leurs chevreaux. Dans un plaidoyer d’Isée,47 au début du 4e s., un certain Théophon laisse une fortune comportant 60 moutons et 100 chèvres. Dans un autre plaidoyer du même Isée,48 la vente pour 1.300 dr. d’un troupeau de chèvre et de son berger indique sans aucun doute un troupeau qui ne devait pas dépasser la centaine de bêtes adultes. On peut aussi voir dans ce trait de caractère des chèvres un avantage puisque la garde du troupeau peut être plus relâchée qu’avec les brebis, mais avec des risques de pertes. Tout cela a des conséquences: élever des grandes quantités de chèvres demande un large personnel et pose un problème de main d’œuvre.49 40 Aristot. hist. an. 6,19,574a 10–12: Αἰγῶν δ’ ἡγεμόνα οὐ καθιστᾶσιν οἱ νομεῖς διὰ τὸ μὴ μόνιμον εἶναι τὴν φύσιν αὐτῶν, ἀλλ’ ὀξεῖαν καὶ εὐκίνητον. 41 Artem. 1,70, éd. PACK, p. 76, l, 8–10; 2,12, éd. PACK, p. 119, l, 21 l–p. 120, l, 4. Ajoutons que la pointe blanches des vagues, que l’on appelle des moutons en français, sont des αἶγες en grec. 42 Colum. 7,6,9; Geop. 2,2,6, résumant Varron par la phrase Τοὺς αἰπόλους ἐλαφροὺς εἶναι δεῖ καὶ ποδώκεις, ἵνα τῇ ὀξύτητι τῶν αἰγῶν παρακολουθῶσιν. Longos, Daphnis 1,10,1 exploite cette situation: il faut aller chercher les chèvres audacieuses au milieu des falaises. Voir en 2,28,3, les chèvres habituées à κρημνοβατεῖν. Chèvres et chevriers sont décrits comme φιλόκρημνοι (Anth. Gr. 6,221, v. 4, Léonidas de Tarente). 43 Geop. 17,18, Bérytios. 44 Hom. Il. 2,474; 11,679; Od. 14,101 et 103; Hes. theog. 445; cf. RICHTER 1968: 61. Voir l’explication de cette expression dans Artem. 2,12, éd. PACK, p. 120, l,8f. 45 Varro rust. 2,3,9 et 2,10,11; mêmes chiffres dans Colum. 7,6,5. 46 MEIGGS/LEWIS 1988: n° 79B. 47 Isaios or. 11, Succession d’Hagnias 41. 48 Isaios or. 6, Succession de Philoktémon 33: Ἔτι δὲ αἶγας ἀπέδοτο σὺν αἰπόλῳ τριῶν καὶ δέκα μνῶν. 49 Varro rust. 2,3,9 raconte cette mésaventure d’un Romain de rang équestre, un Gaberius ou Galerius inconnu par ailleurs: «Et l’on en trouve confirmation dans l’aventure arrivée au
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En revanche, dans un milieu pauvre, cette limite – et que l’on règle aujourd’hui souvent en maintenant les chèvres en stabulation – devient un avantage: quelques chèvres sont d’un grand rapport, et un adolescent peut aisément s’en occuper. Le problème majeur, et qui ramène aux questions de durabilité, est la voracité de la chèvre et son rapport aux arbres. Les chèvres mangent de toute sorte de végétation, dont beaucoup de feuillage brouté sur les arbres eux-mêmes. Un fragment de la comédie Les chèvres d’Eupolis (pièce représentée dans les années 420 a. C.) le dit:50 Βοσκόμεθ’ ὕλης ἀπὸ παντοδαπῆς, ἐλάτης, πρίνου κομάρου τε πτόρθους ἁπαλοὺς ἀποτρώγουσαι, καὶ πρὸς τούτοισιν ἔτ’ ἄνθην, κύτισόν τ’ ἠδὲ σφάκον εὐώδη, καὶ σμίλακα τὴν πολύφυλλον, κότινον, σχῖνον, μελίαν, λεύκην, ἀρίαν, δρῦν, κιττόν, ἐρίκην, πρόμαλον, ῥάμνον, φλόμον, ἀνθέρικον, κισθόν, φηγόν, θύμβραν. Nous nous repaissons de plantes de toutes sortes, de sapin, de kermès et d’arbousier, broutant des pousses tendres, et d’autres avec elles, le chèvrefeuille et la sauge odorante, et le liseron feuillu, l’olivier sauvage, le lentisque, le frêne, le peuplier blanc, le chêne-liège et le rouvre, le lierre et la bruyère, le saule, le nerprun, la molène, l’asphodèle, le ciste, le chêne à glands, le thym et la sarriette.
OLIVER RACKHAM a montré51 que la liste avait une dimension poétique et ne pouvait pas être lue comme une description exacte du régime alimentaire des chèvres, puisqu’elle intègre des végétaux qu’elles se refusent à consommer, comme la sarriette (thymbra: Satureia thymbra) ou la molène (phlomos: Verbascum).52 Mais elle comporte aussi pas mal d’arbres effectivement appréciés des chèvres, comme le chêne kermès (prinos: Quercus ilex), l’arbousier (komaros: Abutus andrach-ne), le frêne (melia: Fraxinus ornus) ou l’olivier sauvage (kotinos: Olea europea sylvestris). Ce sont aussi les espèces dont les bergers coupent les branches pour les donner à leurs chèvres à l’étable, lorsqu’on les nourrit de feuillard.53 Le goût particulier des chèvres pour l’olivier sauvage a servi à des plaisanteries contre
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chevalier romain Gabérius. Il avait en effet dans les environs de Rome un domaine de mille arpents. Ayant entendu dire à un chevrier qui amenait dix chèvres en ville qu’elles lui rapportaient chacune un denier par jour, il se constitua un troupeau de mille chèvres, en espérant retirer de son bien mille deniers par jour. En fait, il fit de telles erreurs qu’en peu de temps il les perdit toutes par maladie.» On notera que la vente des chèvres pour la viande est stimulée par la proximité d’un marché urbain, alors que les éleveurs des lieux isolés ont plutôt intérêt à fabriquer des fromages, Colum. 7,8,1. Eup. fr. 13 éd. KASSEL-AUSTIN, PCG V, Berlin/New York 1986, p. 308f.; éd. S. DOUGLAS OLSON, FrC, 8.1, Heidelberg 2017, 124–132, avec commentaire; LEWIS/LLEWELLYN-JONES 2018: 66. Le fragment est cité par Plut. symp. 4,1,3,662 D-E, trad. F. FUHRMANN, CUF, reprise ici. RACKHAM 2000. Voir aussi des végétaux appréciés des chèvres dans Ail. nat. 6,42. La consommation du sapin (Abies cephalonica) par une chèvre est représentée sur les monnaies d’Ainos en Thrace (BAUMANN 2000: 62-63 et ill. 150). Daphnis coupe du feuillard vert pour nourrir ses chevreaux laissés à la bergerie (τὸν Δάφνιν φυλλάδα χλωρὰν κόπτοντα τοῖς ἐρίφοις τροφὴν μετὰ τὴν νομήν): Longos, Daphnis 1,21,1. Voir aussi en 2,20,2, où il s’agit de nourrir les chevreaux l’hiver, et en 3,3,4, où c’est l’ensemble du troupeau qui est nourri ainsi en hiver.
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les athlètes qui prennent de grands risques pour emporter la couronne olympique, qui était en olivier sauvage, comparés aux chèvres, qui pour le même rameau savent mieux évaluer le danger qu’elles doivent affronter pour s’en emparer.54 Ce goût des chèvres pour les arbres et les arbustes et leur tendance à paître dans des lieux escarpés les rattachent aussi au monde sauvage: c’est comme cela que l’on peut comprendre une stèle funéraire athénienne de la fin de l’époque antonine qui représente le défunt, Artémidôros fils d’Eisigénès de Bésa, chassant le sanglier dans un paysage accidenté et, au registre inférieur, deux chèvres gardées par un chien qui s’approchent d’un arbre.55
Ill. 1: Stèle funéraire d’Artémidôros de Bésa, marbre du Pentélique. Musée National, Athènes, inv. 1192. Photographie de l’auteur.
La chèvre consomme donc une végétation assez différente de celle qui intéresse les moutons, même si c’est souvent une végétation sitée dans les mêmes types de pâturages, ceux des eschatiai et de la phrygana. Son intrépidité lui permet d’accéder à des plantes poussant dans des lieux très accidentés, comme des pentes rocheuses: «Les chèvres apprécient les lieux montagneux» écrit l’abréviateur de Florentinus 54 Par ex. Dion Chrys. 66,5, τῶν δὲ αἰγῶν οὐκ ἂν οὐδεμία κατακρημνίσειεν αὑτὴν κοτίνου χάριν, καὶ ταῦτα παρούσης ἑτέρας νομῆς. Voir Dion Chrys. 8,15, où l’ache de Némée intéresse particulièrement les chèvres. 55 KALTSAS 2002: 353, n° 747; inscription IG, II2, 5895.
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dans les Geoponica.56 Cette caractéristique éthologique détermine une des interprétations du thème onirique de la chèvre par Artémidore de Daldis: «elles [les chèvres] ne sont pas grégaires, mais, paissant à l’écart les unes des autres sur les escarpements et les rochers, elles se mettent elles-mêmes en difficulté et causent du tracas au berger.»57 Que de découvertes grâce à l’intrépidité des chèvres et à l’attention que leurs gardiens leur portent. C’est ainsi que le chasma oraculaire de Delphes aurait été remarqué.58 Dans les préférences alimentaires des chèvres, les forêts n’apparaissent qu’avec les sources latines. Varron et Columelle insistent sur ce point: les chèvres doivent être tenues à l’écart des taillis,59 mais il n’y a rien de tel dans les sources grecques. C’est comme si le thème de l’incompatibilité de la chèvre avec une bonne gestion de la forêt apparaissait seulement dans l’Italie romaine. Nous allons voir qu’il était appelé à devenir un élément majeur de l’image culturelle de la chèvre dans la Méditerranée médiévale et moderne. Le plus souvent, quand les sources cherchent à écarter les chèvres des arbres, c’est dans un tout autre domaine que se situe le propos. Avant tout, on redoute les chèvres au milieu des vignes, des oliviers et des arbres fruitiers dont elles adorent la tendre végétation de printemps.60 La poésie bucolique ne manque pas d’exploiter cette crainte. Une épigramme de Léonidas de Tarente imagine la plainte d’un cep qu’un bouc à brouté au moment où les bourgeons venaient d’éclore. Elle se termine par cette pointe: le cep vigoureux n’en survivra pas moins et bientôt, il donnera à nouveau du vin qui servira à une libation sur le corps du bouc qu’attend le sacrifice.61 Les traités latins d’agriculture sont de loin les plus précis sur cette question. Varron répète à deux reprises l’interdiction faite aux coloni et aux locataires de terre d’introduire des chèvres dans des parcelles plantées d’arbres.62 Il écrit aussi d’elles: «Elles se nourrissent en effet avec prédilection d’arbrisseaux sauvages et, dans les lieux cultivés, elles broutent les jeunes pousses.»63 On voit donc dans quel espace les chèvres posent un vrai problème de durabilité pour les Grecs: ce n’est pas dans les forêts, mais dans les terres où poussent les arbres et
56 Geop. 18,9: Αἱ αἶγες χαίρουσι τόποις ὀρεινοῖς. Theokr. 3,1f., associe les chèvres à la pâture en montagne. 57 Artem. 2,12, éd. PACK p. 120, l. 5–9: οὐ γὰρ συναγελάζονται ἀλλὰ χωρὶς ἀλλήλων νεμόμεναι κατὰ κρημνῶν καὶ πετρῶν αὐταί τε πράγματα ἔχουσι καὶ τῷ ποιμένι παρέχουσιν. 58 Diod. 16,26,2–5. 59 Varro rust. 2,3,6, et Colum. 7,6. L’idée est aussi exprimée par Verg. georg. 3,314–315: «Les chèvres paissent dans les bois et sur les sommets du Lycée les ronces épineuses et les broussailles qui aiment les escarpements» (pascuntur vero silvas et summa Lycaei / horrentisque rubos et amantis ardua dumos). 60 Voir les πτόρθοι ἁπαλοί du texte d’Eupolis cité ci-dessus. 61 Anth. Gr. 9,99. 62 Varro rust. 1,2,17; 2,3,7; il faut ajouter que le corpus des baux grecs ne comporte aucune prescription spécifique contre les chèvres 63 Varro rust. 2,3,7: Studiose enim de agrestibus fructibus pascuntur atque in locis cultis virgulta carpunt, trad. C. GUIRAUD, CUF. Voir aussi en 1,2,17.
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arbustes nourriciers des hommes, et d’abord l’olivier et la vigne.64 On peut même situer le moment de l’année agricole où le problème est le plus aigu: c’est lors de ce que l’on pourrait appeler la césure pastorale, au tout début du printemps, après le débourrage des bourgeons, quand les jeunes feuilles sont encore tendres, avant que les chèvres ne soient conduites dans les marges des finages et lorsque les chevreaux sont nés.65 Cette incompatibilité de la chèvre et de certains arbres et arbustes cultivés a donné naissance à la croyance populaire qui voulait que cet animal puisse nuire aux vignes et oliviers en les léchant ou en les mordant,66 information ultérieurement reprise dans les manuels d’agricultures du 17e et 18e siècles, comme La Maison rustique.67 Cette même perception d’une incompatibilité des chèvres avec les arbres productifs fonde une série d’aitiai sur l’usage sacrificiel de la chèvre pour Dionysos – dieu de la vigne – et Athéna – déesse des oliviers. Dans un cas, le sacrifice à Dionysos est la punition héréditaire pour un bouc qui aurait brouté un cep de vigne, tandis que dans l’autre cas, Athéna aurait acquis un dégoût pour la chèvre comme victime de sacrifice, par crainte des dégâts qu’elle pouvait faire aux oliviers. Ce raisonnement n’est connu que par des sources d’époque impériale, latines aussi bien que grecques. L’idée est exprimée dans la tirade de Pythagore, au livre XV des Métamorphoses d’Ovide, dans le développement où le philosophe rejette la consommation de la viande: «Le bouc, pour avoir mordu la vigne, dit-on, fut immolé devant l’autel de Bacchus, qui voulait un châtiment».68 Cela réapparaît dans le traité De l’abstinence de Porphyre: «C’est à Icarios en Attique qu’on tua la première fois une chèvre, parce qu’elle avait brouté les rameaux d’une vigne».69 L’opposition entre Dionysos-Bacchus et Athéna-Minerve, relativement au sacrifice caprin, est exposée comme une sorte de paradoxe logique par Varron:70 Itaque propterea instiutum diversa de causa ut e caprino genere ad alii dei aram hostia adduceretur, ad alii non sacrificaretur, cum ab eodem odio alter videre nollet, alter etiam videre peruntem vellet. Sic factum ut Libero Patri, repertori vitis, irci immolarentur, proinde ut capite darent poenas; contra ut Minervae caprini generis nihil immolarent propter oleam, quod eam quam laeserit fieri dicunt sterilem: eius enim salivam esse fructuis venenum.
64 Varro rust. 1,2,18: «Car celles-ci gâtent en broutant les jeunes plants, principalement les vignes et les oliviers.» (Haec enim omnia novella sata carpendo corrumpunt, non minimum vites ac oleas). Trad. J. HEURGON, CUF. 65 Le cycle biologique de la chèvre coïncide avec celui de la végétation: Plin. nat. 8,200 (Concipiunt Novembri mense, ut Martio pariant turgescentibus virgultis). 66 Varro rust. 1,2,19, à propos de l’olivier; Plin. nat. 8,204. Sur ces croyances, BRULÉ 1998: 261f. 67 LIGER 1740: t. 1, 355: «La morsure des chèvres est pernicieuse aux arbres, surtout à l’olivier. Il devient stérile pour peu qu’elles le lèchent.» L’information n’apparaît plus dans BUFFON, signe du changement des mentalités. 68 Ov. met. 114f.: Vite caper morsa Bacchi mactatus ad aras / Dicitur ultoris. 69 Porph. abst. 2,10,1: Αἶγα δ’ ἐν Ἰκαρίῳ τῆς Ἀττικῆς ἐχειρώσαντο πρῶτον, ὅτι ἄμπελον ἀπέθρισεν, trad. J. BOUFFARTIGUE et M. PATILLON, CUF. 70 Varro rust. 1,2,19, trad. J. HEURGON, CUF; cf. pour Minerve, Plin. nat. 8,204.
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Christophe Chandezon Voilà pourquoi on a établi, en vertu de raisons opposés, que, dans l’espèce caprine, des victimes fussent amenées à l’autel d’un dieu, mais point sacrifiées sur l’autel d’un autre, puisque la même haine inspirait la même répugnance, et au premier complaisance même à les voir périr. C’est ainsi qu’il se fait qu’à Liber Pater, inventeur de la vigne, on immolât des boucs, comme s’ils étaient punis de la peine capitale; tandis qu’à Minerve on n’immolait rien de l’espèce caprine eu égard à l’olivier, puisqu’on prétend que celui que la chèvre a mordu devient stérile: sa salive serait le poison du fruit.
Conformément à un mode de pensée courant, qui postule la force du contraire, bien souvent les recettes pour soigner les maladies des vignes et des oliviers imposent le recours à des produits tirés de la chèvre: fumier, lait, suif, corne.71 Dans l’Antiquité, la thématique des rapports difficiles des chèvres avec les arbres concernent donc bien plus les arbres cultivés que ceux des forêts. C’est une illustration de la forte intégration agro-pastorale au cœur des systèmes agraires: les chèvres sont plus craintes dans les cultures que pour les bois de taillis. En gardant ce point à l’esprit, on peut comprendre les textes – peu nombreux – réglementant la place des chèvres dans les politiques de gestion des ressources. 2. LES MESURES DE PROTECTION CONTRE LES CHÈVRES L’épigraphie livre un certain nombre d’interdictions du bétail dans des espaces sacrés ou profanes. À notre connaissance, une seule concerne explicitement les chèvres et figure dans Varron. Il prétend qu’elle serait interdite sur l’Acropole d’Athènes en raison de son incompatibilité avec Minerve.72 Les interdictions concernent le bétail (thremmata, ktênê) en général ou le petit bétail (probata) en particulier et ont des fondements parfois religieux (tel animal est tabou pour telle divinité) parfois non, même lorsqu’elle s’applique à des sanctuaires dont on cherche à protéger la végétation.73 L’interdiction peut être clairement profane dans le règlement athénien sur l’exploitation des biens d’Apollon à Délos qui précise: «qu’il ne soit pas permis de laisser pénétrer du petit bétail dans les vignes; sinon que l’on fasse payer une amende de 200 drachmes par an.»74 Bien plus tard, on retrouve une interdiction du même genre faite aux bergers dans une inscription de Hiérapolis du Méandre, toujours pour la protection des ceps de vigne.75 La plus célèbre de ces interdictions concerne une petite île des Cyclades, Hérakleia, au sud de Naxos. Cette cité a livré un décret de la fin du 3 e s. a. C. dont
71 Geop. 3,15,6, fumier de chèvre à mettre comme engrais au pied des arbres fruitiers; 4,2,1, cornes de chèvre enterrées au pied des arbres utilisés pour conduite une vigne; 5,30,3, suif de chèvre pour l’entretien des serpettes de vigneron; 5,48,2, sabot de chèvre pour le traitement de vigne etc. 72 Varro rust. 1,2,20. 73 Par exemple à Koropé en Thessalie, à la fin du 2e s. a. C., Syll.3 1157, l. 82f. 74 Modification du règlement en 157/56 a. C., ID 1416B, I, l. 45–46: μὴ ἐξέστω δ̣ὲ̣ πρόβατα εἰς τὰς ἀμ/πέλους ἐμβαλεῖν· εἰ δὲ μή, ἀποτεισάτω [δρ]α̣χ̣μ̣ὰς ΗΗ̣ κατ’ ἐνιαυτόν. 75 MAMA, IV, 297, l. 15–17: τοὺς ποιμέν[ας τοὺς] / ἰς τὰς ἀνπέλους ἰσβάλλοντας θρέμματα κὲ τ[οὺς ἐν αὐ]/[τ]ε͂ς περισπῶντας τὰ κλήματα [․․․․․c.15․․․․․․].
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LOUIS ROBERT a donné une explication qui a depuis fait l’unanimité.76 Je n’en reproduis ici que la traduction, en me contentant du grec pour les passages vraiment significatifs pour mon propos: par Héraclès et les autres dieux de l’île, si je respecte mon serment, que tout aille bien pour moi, mais si je suis parjure, alors que j’obtienne pour tout bien son contraire; et si quelqu’un usant de violence pour introduire ou élever des chèvres sur l’île à l’encontre du présenté décret et de son serment, tue l’un de ceux qui cherchent à s’y opposer, que les parents de la victime ainsi que toute la communauté des insulaires le poursuivent en justice (ἐὰν δέ τις βιασόμενος αἶγας εἰσάγ[ειν ἢ] / τρέφειν ἐν τῆι νήσωι παρὰ τόδε τὸ ψήφι[σ]/μα καὶ τὸν ὅρκον τῶγ κωλυόντων τινὰς / κτείνει, ἐπεξιόντων αὐτὸν οἵ τε προσ/ήκοντες τοῦ παθόντος καὶ τὸ κοινὸν τῶν: νησιωτῶν ἅπαν, l. 4–9); pour toute dépense afférente au procès, que chacun dépose sa part des consignations; que le hiérope Épistrophidès fasse inscrire le présent décret sur une stèle de pierre et la fasse ériger dans le Métrôon; que la dépense pour la stèle et la gravure soit prise sur le trésor public; et cela pour la garde et le salut de tous les Hérakléotes et de ceux qui habitent l’île.
La force de l’interdiction, la violence de la peine pour qui introduirait des chèvres sur l’île, les rixes mortelles que cela pourrait entraîner avec les Hérakléotes, le fait même que le décret soit classé dans la catégorie de ceux qui touchent à la garde et au salut (phylakê / sôtêria) de la cité, comme le sont des textes concernant la défense militaire, tout ceci indique que l’enjeu est de taille. Partant des observations des voyageurs de l’époque moderne à propos de bien des îlots de l’Égée, utilisés comme de vastes pâturages pour les chèvres et déserts ou presque, à l’exception des hommes qui s’occupent des animaux,77 ROBERT a pensé que peu avant le vote de ce décret, Hérakleia avait connu un tournant dans son histoire. Pendant longtemps domaine des seuls chevriers, elle avait vu une population permanente s’installer, se mettre à y cultiver la terre et y fonder une cité. Les anciens utilisateurs mécontents d’avoir perdu l’usage d’Hérakleia auraient essayé d’y réintroduire des chèvres, ce que les Hérakléotes ne pouvaient tolérer s’ils voulaient sauvegarder leurs plantations.78
76 ROBERT 1949: 161–170. BRULÉ 1998: 283 est tenté de redonner du poids aux motifs religieux dans cette interdiction. 77 Sur ce phénomène, voir aussi Brun 1996, 101. Cas en Égée pendant l’empire Byzantin: MALAMUT 1988: 391. 78 Le texte comporte des aspects encore intrigants: l’île appartenait nécessairement à une cité. C’était le cas de trois autres îlots égéens servant au moins en partie de pâturages à chèvres – l’un portant le nom révélateur de Polyaiga, l’île aux nombreuses chèvres – que Kimolos et Mèlos s’étaient disputés, ce qui avait conduit à un arbitrage de Milet et de Rhodes en faveur de Kimolos: AGER 1996: n° 3. Pour Hérakleia, il avait fallu imposer à l’ancienne détentrice de l’île d’en perdre le contrôle. Est-ce que cela signifie que c’était cette cité qui dominait Hérakleia, par exemple Naxos, qui avait mené les opérations de colonisation? Faut-il lire dans la mention de τὸ κοινὸν τῶν νησιωτῶν ἅπαν, l. 8–9, une allusion à la Confédération des Nésiotes qui serait intervenu dans cette affaire? ROBERT 1949: 162, tenait à une interprétation littérale de cette expression, «toute la communauté des habitants de l’île» mais la donnait plus par argument d’autorité qu’après démonstration.
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Une parallèle récent à cette situation a été signalé par PEREGRINE HORDEN et NICHOLAS PURCELL dans Corrupting Sea.79 Elle vient d’une publication sur le Néolithique égéen concernant une grotte sur un îlot des Sporades du Nord, celui d’Agios Pétros.80 Cet îlot se trouvait dans une baie d’une autre île, Kyra Panaghia, la plus septentrionale de l’archipel. Or, au début des années 1960, Kyra Panaghia était habitée seulement par un ou deux moines dans un monastère. Ils dépendaient de la Grande Lavra de l’Athos, propriétaire de l’ensemble de l’île. Kyra Panaghia était pourtant exploitée. Les terres basses abritaient environ 600 oliviers fournissant chaque année environ 2.800 L d’huile d’olive. Surtout, il y avait dans les 2.000 chèvres vivant sans aucun contrôle humain ou presque. Il fallait essayer de protéger les oliviers par des clôtures. Ces chèvres n’étaient pourtant pas inutiles: on parvenait tant bien que mal à les traire et des chevreaux étaient capturés pour être revendus par lots de 30 à 50 aux bouchers des îles voisines.81 En 1969, le monastère de la Grande Lavra décida de modifier son système d’exploitation de l’île et de la louer à 3 familles d’Halonnisos.82 Une dizaine de personnes élit domicile à Kyra Panaghia pour 6 ans, non pour y faire de l’agriculture ou y développer l’oléiculture, mais pour mieux exploiter les chèvres. Ils créèrent un réseau de chèvreries (stania) correspondant aux différentes zones de végétation qu’ex-ploitaient les chèvres dans l’année. Trois d’entre elles étaient équipées d’espaces de traite et les animaux fournissaient du lait du 1er avril à la fin juillet. La double traite quotidienne donnait 500 L transformés en fromage. Chaque jour, 15 chevreaux naissaient. Ce système avait sa logique et permettait de tirer parti de l’environnement local. Les chèvres, sans doute là depuis le Néolithique, en étaient le cœur. Elles n’y apparaissaient pas comme une menace à la durabilité. Dans la démonstration de ROBERT à propos de l’île d’Hérakleia ressurgit une idée qui a longtemps été un des lieux communs du discours sur les rapports entre élevage et l’agriculture: il y aurait un conflit permanent entre éleveurs et agriculteurs. Une fois de plus la chèvre en aurait été un élément. L’étude de ROBERT se termine sur cette idée: «Je crois que cette histoire de Raklia à l’époque moderne nous fait comprendre la situation de l’île à l’époque du décret des Héracléotes. Suivant les circonstances historiques et économiques, Hérakleia pouvait être une île à chèvres ou elle pouvait être cultivée par des paysans. Les intérêts des bergers et des cultivateurs sont contraires et irréconciliables et, quand les uns et les autres se trouvent en contact, la lutte est perpétuelle et violente. Ce que les paysans ont à défendre contre la dent des chèvres, ce ne sont pas leurs pâturages, mais bien leurs
79 HORDEN/PURCELL 2000: 225 (en général 224-230 sur l’élevage dans l’exploitation des petites îles). 80 EFSTRATIOU 1985. 81 EFSTRATIOU 1985: 10: «In other words, the whole island constitutes a kind of enclosed pasture for goats on a large scale.» 82 Cette méthode doit être remarquée. Quand on connaît la fréquence avec lesquelles les cités grecques mettaient en location leurs sources de revenus plutôt que dès les exploiter directement, il faut s’attendre à ce qu’un jour une inscription montre que des îlots étaient exploités ainsi dans l’Antiquité.
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cultures.»83 Aujourd’hui, la démonstration a été faite que cette opposition ne correspond à aucune réalité pour la Grèce ancienne. À quelques exceptions près peut-être, son agriculture reposait sur une intégration plus ou moins poussée de l’élevage, et l’exploitation complémentaire des espaces boisés.84 Les chèvres ne sont pas extérieures à ce système agro-sylvo-pastoral. Elles offrent la possibilité d’exploiter des niches environnementales spécifiques, inutilisables par d’autres formes de bétail. À Kyra Panaghia, les colons ont essayé d’introduire des bovins, en vain, faute de pâturages adaptés à leurs besoins. Il y avait donc des pays à chèvres dans l’Antiquité. Télémaque décrit Ithaque comme une île qui n’est bonne qu’à cela, aigibotos, mais ne vaut rien pour l’élevage des chevaux.85 Ithaque est tellement bonne pour les chèvres que le chevrier Mélanthios, en fait une sorte d’intendant en chef des troupeaux caprins du roi, donc une sorte de magister pecoris avant l’heure, pouvait faire figure de personnage important dans le royaume.86 L’intégration de troupeaux de chèvres passe aussi par des déplacements des animaux en fonction de la végétation disponible. Cela se faisait même sur l’île de Kyra Panaghia, où les zones les plus élevées (l’altitude maximum de l’île est d’environ 300 m) correspondaient à celles où les 10 colons faisaient paître les chèvres d’août à octobre. Dans les régions continentales de la Grèce, ces pâturages étaient situés dans les montagnes, qui sont souvent aussi les zones boisées et les espaces de confins des cités. Le lien entre bois et pâturage transparaît dans les quelques décrets arcadiens qui accordent à des étrangers le droit d’exploitation du bois et des pacages (l’epixylia et l’epinomia).87 La présence des chèvres dans les confins est avant tout attestée par un arbitrage de Milet et de Rhodes entre deux cités voisines d’Argolide, Hermionè et Épidaure, daté de la fin du 3e s. a. C.88 Le conflit entre Hermionè et Épidaure portait sur des terres frontalières, au bord du Golfe de Nauplie, dans la région de la baie de Vourlia. Il est tranché en décidant que la zone contestée, manifestement peu peuplée et utilisée surtout de manière agro-pastorale, sera désormais considérée comme commune. Le texte de l’arbitrage, dont le but était de proclamer ce statut et de préciser les limites de la terre commune, se termine par deux clauses allusives: «au sujet des droits de culture et de pâturage datant d’avant le jugement, qu’aucune plainte ne soit déposée ni d’un côté ni de l’autre; que je jugement précédent concernant les chèvres soit valable
83 ROBERT 1949: 169f. 84 Voir par exemple HORDEN/PURCELL 2000: 80–87, ou HOWE 2008: 1–26. 85 Hom. Od. 4,605f., trad. V. BÉRARD, CUF: «Ithaque est sans prairies, sans places à courir: ce n’est qu’une île à chèvres!» ἐν δ’ Ἰθάκῃ οὔτ’ ἂρ δρόμοι εὐρέες οὔτέ τι λειμών· / αίγίβοτος καὶ μᾶλλον ἐπήρατος ἱπποβότοιο. Voir aussi les propos d’Athéna, qui décrit Ithaque à Ulysse en 13,246, qui ajoute les porcs, le vin et les grains dans les productions de l’île, ce qui montre bien que la présence des chèvres n’est pas perçue comme exclusive. 86 Hom. Od. 20,172–177; 21,265f. 87 SEG 11,470 et DUBOIS 1986: n° O: deux décrets d’Orchomène d’Arcadie; Syll.3 623, et THÜR/TAEUBER 1994: n° 36, deux décrets de Theisoa. Sur ces questions, où l’exploitation du bois est lié aux pratiques pastorales dans des zones boisées, voir ROUSSET 2010: 48–50. 88 AGER 1996: n° 63.
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auprès des fermiers des taxes.»89 Il est impossible de comprendre en quoi des chèvres avaient été impliquées dans une affaire qui regardait aussi les fermiers des taxes – il pourrait s’agir de paiements de droits de pâturage – mais leur présence dans cette région isolée n’est pas surprenante.90 Dans beaucoup de parties de la Grèce, les chèvres étaient régulièrement conduites dans des zones écartées, où elles pouvaient certes faire des ravages dans les taillis, problème qui n’est cependant jamais soulevé. La vraie difficulté apparaissait en fait quand on gardait les chèvres au milieu des cultures. Leurs divagations dans les vignes et les oliveraies étaient alors à craindre, notamment lorsque la végétation nouvelle poussait. C’est là le problème qui préoccupait vraiment les Grecs et qu’ils géraient de deux façons: 1°) en développant un paysage agraire fortement enclos;91 2°) en recommandant aux bergers de bien surveiller leurs animaux. Ainsi prend sens un passage des Lois de Platon92 où il donne cet exemple de raisonnement faussé: Procédons de la façon que voici. Voyons, si quelqu’un approuvait l’élevage des chèvres (αἰγῶν τροφήν) et disait de l’animal lui-même que c’est une richesse appréciable (καί τὸ ζῷον αὐτὸ κτῆμα ὡς ἔστιν καλόν), mais qu’un autre, pour avoir vu des chèvres paître sans chevrier dans des terres cultivés (αἶγας χωρὶς νεμομένας αἰπόλου έν ἐργασίμοις χωρίοις) et y commettre des dégâts, se mit à les critiquer, ou qu’il blâmât de même toutes les bêtes (πᾶν θρέμμα ἄναρχον qu’il aurait vues sans gardiens ou mal gardées, croyons-nous qu’une pareille critique eût tant soit peu de bons sens?
Beaucoup reposait donc sur l’attention des bergers pour les animaux. Daphnis, le chevrier de Longos, quand il est amené à faire sa propre apologie, souligne bien ce point: «Je garde mes chèvres et je sais bien mon affaire. Il n’est pas un villageois, pas un seul, qui ne se soit jamais plaint qu’aucune d’elle n’ait brouté dans son jardin ni rompu les bourgeons de sa vigne.»93 À ce point de l’examen des sources, la dent des chèvres funeste pour les forêts et l’accusation contre ces animaux d’être les principaux facteurs de déforestation semblent la crainte des historiens d’aujourd’hui plus que celle des anciens Grecs dont on a vu qu’ils étaient pourtant bien conscients de la fragilité de ce que nous appelons les équilibres environnementaux. Il est vrai qu’elles ont pu créer des dégâts dans les es-paces boisés mais dont les sources anciennes ne parlent pas car la forêt n’est pas un enjeu pour les cités grecques, alors que la protection des vignobles et des oliveraies en est un. Mais il demeure impossible de l’affirmer. Les chèvres apparaissent, pour qui lit de près les textes, 89 AGER 1996: n° 63, l. 20–23: περὶ δὲ τῶν καρπείων καὶ τῶν / ἐπιν̣ομῶν τῶν τῶν πρὸ τῆς κρίσεως μὴ εἶναι μηδετέροις ἔγκλη/ματα μηθέν· τὸ δὲ γεγονὸς πρότερον κρίμα περὶ τῶν αἰγῶν πρὸ/ς τοὺς τελώνας κὺριον ἔστω. 90 Voir aussi la consécration faite à Épidaure au milieu du 4 e s. a. C. par un certain Timainétos d’une δεκάταν αἰγῶν (SEG 26,451). 91 Dans [Demosth.], 55,11, le plaideur dit clairement qu’il enclot une de ses parcelles aussi pour éviter que ses voisins y laissent paître leur bétail. Sur ce genre de réaction, voir HARFOUCHE 2005: 56–67. 92 Plat. leg. 1,639a, trad. É. DES PLACES, CUF. 93 Longos, Daphnis 2,16,1: Ἐγὼ νέμω τὰς αἶγας καλῶς. Οὐδέποτε ᾐτιάσατο κωμήτης οὐδὲ εἷς ὡς ἢ κῆπόν τινος αἲξ ἐμὴ κατεβοσκήσατο ἢ ἄμπελον βλαστάνουσαν κατέκλασεν. Trad. G. DALMAYDA, CUF.
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plutôt comme un outil d’une gestion équilibrée des milieux. Peut-être, et si cela ne semble pas pousser trop loin dans le sens inverse, ont-elles aidé à conserver des régions entières à l’abri du risque des incendies. RUSSELL MEIGGS l’avait fait remarquer: on a trop vite et par principe condamné la chèvre. Il concluait: «This condemnation has obscured the important part that the goat has played in the agricultural economy of the Mediterranean».94 Ce n’est peut-être que dans l’Italie romaine que les discours de la chèvre comme ennemie de la forêt bien gérée a émergé. Il a en tout cas fleuri à partir du milieu du Moyen Âge et les autorités ont dès lors assumé la mission de lutter contre les ravages des chèvres. Un détour par cette question de la chèvre et de la forêt en Méditerranée aux époques médiévale et moderne n’est pas sans intérêt. Il va rappeler que parfois, ce genre de discours traduit des conflits sociaux sous-jacents et que l’historien de l’environnement doit prendre les rapports socio-économiques en compte. 3. LES CHÈVRES, LES PAUVRES GENS ET LES AUTORITÉS PROTECTRICES DE LA FORÊT EN PROVENCE ET AILLEURS Après la seconde Guerre Mondiale, et dans le sillage de MARC BLOCH, l’historiographie française a produit une série de remarquables monographies d’histoire rurale, et cela pour les périodes historiques allant du Moyen Âge au 19e s. Ce courant s’est tari à la fin du 20e s., quand l’ancienne civilisation des campagnes d’Europe occidentale s’est définitivement éteinte. C’est dans ce fond que je vais aller chercher des parallèles, en n’en retenant que les études portant sur des espaces méditerranéens. Nombre de ces travaux ont montré que la question de l’élevage des chèvres s’est posée dès le Moyen Âge. Dans le Latium du 12e s., ce sont les élites locales, les boni homines castri, qui mènent la lutte contre les chèvres et leurs dégâts. Les amendes qui les pénalisent sont plus élevées que celles qui frappent les divagations des autres types de bestiaux. Déjà, les chèvres sont associées aux couches les moins fortunées de la société rurale.95 Pour autant, la préservation de la forêt n’apparaît pas comme un enjeu; celui-ci est toujours le même que dans l’Antiquité grécoromaine et porte sur la cohabitation des chèvres et des cultures. Dans la Provence de la fin du Moyen Âge et de l’époque moderne, le lien est fait entre lutte contre les chèvres et protection des forêts. Dès le 14e s., les communautés s’inquiètent des dégâts que les chèvres font dans les bois.96 On cherche dès lors à limiter les zones accessibles à ce type de bétail ou à imposer aux habitants de ne posséder qu’une seule chèvre.97 Les moutons ne semblent pas visés. Ces mesures émanent des élites locales et quand elles sont adoptées, elles suscitent les protestations des habitants qui veulent conserver leurs chèvres. La guerre contre les 94 95 96 97
MEIGGS 1982: 385. TOUBERT 1973: 270 et n. 1. SCLAFERT 1959: 177–180. Voir par exemple à Méthanis dans le Vaucluse, à la fin du 14 e s.: BERNARDI/BOISSEUIL 2006.
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chèvres culmine dans la deuxième moitié du 17e s. Elle remonte au Parlement d’Aix et jusqu’à Versailles. Pour le pouvoir royal comme pour les élites locales, il s’agit de protéger les bois de haute futaie, indispensables pour la marine du royaume. En 1670, on propose d’éliminer les chèvres du finage de Curbans (Alpes-de-HauteProvence), ce qui entraîne les protestations des habitants. L’ordonnance royale du 15 février 1690 s’efforce de calmer le jeu, en limitant le nombre de chèvres par paroisse, ce qui revenait à renoncer à l’interdiction complète comme certains en avaient rêvé.98 L’ambiance est la même de l’autre côté du Rhône, en Languedoc. En mai 1725, les autorités de cette province se proposent d’interdite l’élevage des chèvres, mais la mesure suscite tant de résistance que les intendants doivent accorder des dérogations. Dans le comté de Nice, on limita le nombre de chèvre à une par habitant.99 On perçoit dans quel contexte socio-économique et même culturel se déroule la lutte contre les chèvres. La protection de la forêt est désormais le point central et sa défense intéresse d’abord les élites socio-politiques qui en tirent une partie de leurs revenus et en exploitent les ressources d’une manière que l’on peut qualifier de durable, puisqu’elle vise au renouvellement des futaies. Face à ces groupes, la paysannerie pauvre sent ses moyens de survie menacés et c’est la chèvre qui cristallise les conflits. Pour les paysans pauvres, quelques chèvres sont un moyen de se procurer du lait, de la viande, le tout à moindre frais, et même sans être propriétaires de pâturages comme en demandent le gros bétail ou les moutons. Ils se défendent comme ils peuvent, par la violence, par la résistance passive, même, parfois, en argumentant habilement quand ils rappellent par exemple que sans les chèvres, bien des espaces pâturables se refermeraient et deviendraient inaccessibles aux moutons sauf à les incendier, avec les risques que cela comporte.100 Pas étonnant que dans ce contexte continue à circuler la croyance dans la nocivité de la salive de chèvres, comme on le voit par la reprise de cette information dans La Maison Rustique, une lecture courante des élites rurales avant la floraison des écrits physiocratiques. En marge de ces élites anti-chèvres, on voit apparaître quelques investisseurs fortunés qui savent profiter des dispositions dérogatoires obtenues par les protestations populaires pour entretenir à leur profit de vastes troupeaux caprins et en tirer d’importants revenus.101 On voit en quoi le discours hostile aux chèvres et la dénonciation de leurs ravages est un discours socialement déterminé. En France, il s’éteint au début du 19e s., avec les dernières mesures des préfets contre les chèvres. Il a profondément marqué l’image que l’on se fait de cet animal domestique promu au rang d’adversaire principal d’une gestion durable de la forêt. Si on adopte le point de vue de la paysannerie pauvre, l’image de la chèvre est toute différente. Pour elle c’est un élément essentiel des stratégies de survie, comme dans la Corse du début du 19e s. Les types locaux, très rustiques, assurent un rendement laitier plus important que celui des brebis. Bien d’autres sous-produits sont exploités, comme les poils. L’in98 99 100 101
Sur cette ordonnance, cf. notamment DERLANGE 1987: 457. MORICEAU 2005: 164–167. DERLANGE 1987: 456–458. DERLANGE 1987: 458; SCLAFERT 1959: 178.
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vestissement en temps et argent que demande cet élevage est réduit, de même que ses risques, les chèvres étant moins souvent malades que les brebis. En outre, en Corse, elles n’ont pas de prédateur.102 Elles permettent enfin d’exploiter des niches écologiques qui resteraient inutiles sans elles. C’est armé de ces parallèles qu’il faut revenir à l’Antiquité. Que les chèvres aient pu être source de revenus pour les élites qui avaient de l’argent à placer et cherchaient de solides sources de revenu ne fait pas de doute. On a vu que les Athéniens de l’époque classique optaient parfois pour ce genre d’investissements, sans parler du roi d’Ithaque dans la poésie homérique. Cela a évidemment continué à l’époque hellénistique. La convention financière entre Orchomène de Béotie et Eubôlos d’Élatée, vers 230–210 a. C., accorde à ce riche particulier le droit de faire paître 1000 moutons ou chèvres et 220 bœufs ou chevaux sur les pâturages publics, sans payer la taxe liée à leur usage.103 Certains sanctuaires grecs, comme celui d’Apollon à Delphes, avaient aussi investi dans l’élevage des chèvres. 104 Enfin, l’intérêt accordé par les traités d’agriculture à l’élevage des chèvres démontre que les lecteurs de ces ouvrages attendaient ce genre de développement. Mais qu’en est-il, dans l’Antiquité, des chèvres des agroikoi? Comment descendre à ces couches-là de la société, à leur rapport à leur environnement? Ce n’est évidemment pas facile, car les sources émanent des élites et parlent d’elles, mais il ne faut pas renoncer à l’expérience, même si tout un courant tend à limiter l’histoire sociale du monde gréco-romain à celle des élites et à répandre l’idée qu’elles seules peuvent être étudiées, méritent d’être étudiées. Pourtant, l’impression que la chèvre était déjà la vache du pauvre, pour reprendre une expression française,105 peut reposer sur quelques documents. Une preuve un peu étonnante de cela se trouve dans le règlement de Tégée sur l’usage de terres de la déesse Aléa. Le prêtre, qui n’appartenait pas à une couche sociale défavorisée, se voit autorisé à entretenir sur ces terres un couple de bœufs, 25 moutons et une chèvre.106 Cette chèvre unique est révélatrice de l’utilité qu’on pouvait en avoir: fournir du lait, peut-être aussi un ou deux chevreau chaque année. Pour un paysan, s’occuper des chèvres fait partie des tâches normales, autant que la culture de la terre ou des vignes et des oliviers. Un vers des Chèvres d’Eupolis résume ainsi les savoirs de l’agroikos: ἐπίσταμαι γὰρ αἰπολεῖν, σκάπτειν, νεᾶν, φυτεύειν. «Je sais garder les chèvres, bêcher, travailler la jachère, planter des arbres.»107 Bien des siècles après, au début du 2e s. p. C., un discours de Dion Chrysostome, l’Euboïkos, donne un reflet crédible de ce que pouvait être la vie de petits paysans installés dans une partie un peu isolée de l’Eubée. Ils ont de la viande salée qui provient de la chasse et produisent un peu de céréales (blé, orge et millet) et des légumineuses; ils font du vin mais ne peuvent 102 103 104 105
CASANOVA 1996: 151–190. MIGEOTTE 1984: n° 12, l. 37–40. ROUSSET 2002: 197–199. HUGHES 2014: 73, avec l’équivalent anglais de cette expression: la chèvre est the poor man’s cow. On ajoutait parfois (en français) que l’âne est le cheval du pauvre. RADKAU 2000: 36: «Kuh der armen Leute». 106 THÜR/TAEUBER 1994: n° 2, l. 1–3. 107 Eup. fr. 12 K–A, p. 308.
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fournir une outre à un voyageur qui leur en demanderait; ils sont en train de créer une vigne de plus, en plantant des ceps. Ils précisent aussi ce qu’ils possèdent en matière de bétail et d’outillage: 8 chèvres (des femelles), une vache, un veau, 4 faucilles, 4 dikellai. Pour la chasse, ils ont 3 lances et chacun a un couteau.108 Alors que des brebis, dès l’époque archaïque, symbolisent la grande propriété et les grands propriétaires,109 la chèvre est liée à l’imaginaire de la petite paysannerie. Elle s’associe à la dikella, qui permet de travailler la terre à la main, lorsque l’on ne peut pas avoir accès à des bœufs de labour, ce à quoi le vers isolé des Chèvres d’Eupolis fait allusion quand il emploie le verbe grec skaptein.110 On ne fait donc qu’entrevoir les rapports sociaux qui sous-tendent la méfiance à l’égard des dégâts que pouvaient commettre les chèvres. Si les objets de cette méfiance ne sont pas les mêmes, et ne concernent pas la forêt comme cela sera le cas dans la Méditerranée médiévale et moderne, il n’y en a pas moins une continuité dans les groupes sociaux qui s’opposent. Dans les deux cas, les élites tendent à voir un fléau dans les chèvres, alors qu’elles sont bien utiles à la frange la plus pauvre de la paysannerie. On entrevoit dès lors combien le discours sur la durabilité peut être biaisé par les arrière-pensées de ceux qui le portent. 4. CONCLUSION Il faut revenir à la tentation que l’histoire environnementale a eu de se poser en histoire a-sociale, c’est-à-dire une histoire qui ne doit pas tenir compte des rapports sociaux. ALICE INGOLD a montré comment elle a même pu être conçue comme opposée à l’histoire sociale perçue comme exagérément anthropocentrique.111 Pourtant, les enjeux de durabilité deviennent incompréhensibles si on fait fi des données sociales et le risque est grand de prendre un discours lui-même socialement prédéterminé pour le reflet d’un fait environnemental objectif. Le conflit autour de la durabilité des ressources peut aussi être un conflit où les élites promeuvent un idéal de durabilité défini à leur avantage, c’est-à-dire qu’au nom de la capacité des générations futures à répondre à leurs besoins, pour reprendre la définition du rapport BRUNDTLAND, elles promeuvent en fait les intérêts, certes à long terme, de leurs propres descendants. Ce sont ces élites qui souhaitent tirer leurs ressources du bois et transmettre ce capital, de même que les villes et les États qui en dépendent largement. Ce sont elles sans doute aussi qui ont été amené à se méfier des dégâts que les chèvres pouvaient commettre dans les cultures de vignes et d’oliviers: on sait combien la plantation de ce dernier arbre est un investissement à long terme.112 108 Dion Chrys. 7,44–47. 109 ZURBACH 2017: 528–531. C’est sans doute aussi parce qu’ils sont de ce côté-là de la société que les moutons n’ont pas été autant accusé de faire des dégâts à l’environnement (RADKAU 2000: 37f.). 110 AMOURETTI 1986: 93–100. 111 INGOLD 2011: 15. Voir aussi QUENET 2014: 240–244; HUGHES 2016: 10–12. 112 Un proverbe languedocien dit qu’on plante l’amandier pour soi, la vigne pour ses enfants et l’olivier pour ses petits-enfants.
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On a vu que la thématique des nuisances des chèvres dans les forêts fait une timide apparition dans le monde romain, puis qu’elle s’exprime en force en France à partir de la fin du Moyen Âge. Des enquêtes sur l’histoire de cette représentation de la chèvre ailleurs en Méditerranée seraient intéressantes. Mais ce changement dans les motifs de craindre les chèvres traduit-il une modification des usages des éleveurs, tentés à certaines époques et dans certaines régions de les mener dans les forêts? Ou bien ne doit-on pas y voir plutôt un signe de modifications de la perception des enjeux politiques et économiques qu’il y a à une bonne gestion des forêts? Nous n’avons pas de preuve que les cités aient jamais ressenti le besoin de mettre en place une politique de gestion durable de leurs forêts. Les premiers signes de cela datent des royaumes hellénistiques puis de l’Empire romain.113 Le processus de construction du pouvoir royal en France, à partir du milieu du Moyen Âge s’est aussi accompagné de mesures de protection des forêts. Elles ont rencontré les vœux de la partie la plus aisée de la société et se sont heurtées aux impératifs pesant sur la masse des sociétés rurales. D’une certaine manière, ce sont deux formes de privatisation des communs qui se sont opposées, chacune des deux s’exerçant au profit de strates différentes de la société. Mais une seule des deux, car elle appuie l’intérêt de la couche dominante, a donné naissance à un discours de la durabilité, au profit de la conservation de paysages arborés, que ce soient avec des oliviers ou des arbres de haute futaie (et on ne doit pas oublier que cette forêt-là est aussi un paysage anthropisé).114 C’est donc en gardant tout cela à l’esprit qu ’il faut analyser les discours de durabilité. Face à la voix dominante, celle des élites, il est bien difficile d’entendre celle des dominés, les petits propriétaires des chèvres pour lesquelles elles étaient indispensables. Pour eux, la chèvre est un moyen de survie. L’élevage de cet animal qu’ils pratiquent est comme dérobé, par opposition à l’élevage ovin.115 Les termes dans lesquels se pose la question environnementale des chèvres apparaissent comme largement conditionnés par les conflits sociaux.116 Tout cela amène l’histoire environnementale à revenir à un problème historiographique: il faut s’efforcer de dépasser les seules élites, de retrouver les dominés dans l’histoire de l’environnement. Sinon, et pardon pour le jeu de mots, on continuera à se contenter
113 Dans Aristot. pol. 6,8,1321b 30 et 7,2,1331b 15, la cité doit posséder des inspecteurs des forêts, ὑλωροί. Plus tard, nous avons, dans les royaumes hellénistiques, des signes d’une gestion de certaines forêts par les rois: GAUTHIER 1989: 22–33. Sur la gestion des forêts dans le monde romain, voir THOMMEN 2012: 85–89. On pense au corpus des inscriptions sur la gestion impériale des forêts du Liban sous Hadrien: BRETON 1980. 114 Ici encore, il faut renvoyer à RADKAU 2000: 33–41, qui pose la question du statut de la forêt perçue arbitrairement comme paysage naturel et rappelle que les activités qui s’y exercent, comme l’élevage, créent des formes environnementales qui trouvent elles-mêmes un équilibre pas vraiment moins naturel. 115 D’une certaine manière, ces considérations forment un élément de réponse au vœu qu’exprimait HOWE 2008 d’une histoire de l’élevage tenant compte des enjeux sociaux. Son étude était centrée sur les élites (cf. p. 25). 116 Sur la nécessité de prendre en compte les luttes sociales dans l’histoire environnementale, voir QUENET 2014: 250–254.
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de faire de la chèvre un bouc émissaire117 en gonflant les maux qu’elle a pu engendrer et en oubliant les services qu’elle a rendus. BIBLIOGRAPHIE AGER, S. L. 1996. Interstate Arbitrations in the Greek World, 337–90 BC. Berkeley/Los Angeles/ Londres. AMOURETTI, M.-C. 1986. Le pain et l’huile dans la Grèce antique: de l’araire au moulin. Paris. BAUMANN, H. 2000. Pflanzenbilder auf griechischen Münzen. Munich. BECK, C. et DELORT, R. (éd.), 1993. Pour une histoire de l’environnement: Travaux du programme interdisciplianire de recherche sur l’environnement. Paris. BERNARDI, P. et BOISSEUIL, D. 2006. Les statuts de 1380 de Méthanis (Vaucluse), Histoire et sociétés rurales 6, 95–127. BRESSON, A. 2000. La cité marchande (Ausonius Scripta Antiqua 2). Bordeaux. BRESSON, A. 2016. The Making of the Ancient Greek Economy: Institutions, markets, and growth in the city-state, trad. anglaise St. Rendall. Princeton/Oxford. BRETON, J.-F. 1980. Inscriptions grecques et latines de la Syrie. VIII.3: Les inscriptions forestières d’Hadrien dans le Mont Liban. Paris.+ BRULÉ, P. 1998. Héraklès à l’épreuve de la chèvre, in C. BONNET, C. JOURDAIN-ANNEQUIN et V. PIRENNE-DELFORGE (éd.), Le bestiaire d’Héraclès: IIIe rencontre héracléenne (Kernos Suppl. 7). Liège, 257–283. BRUN, P. 1996. Les archipels égéens dans l’Antiquité grecque (Ve–IIe siècles av. notre ère), Besançon. BRUNDTLAND, G. H. (ed.) 1987. Our Common Future. United Nations. BUFFON, G. L. LECLERC COMTE DE 1755. Histoire Naturelle Générale et particulière, éd. in 4°, t. 4. Paris. CASANOVA, A. 1996. Identité corse, outillages et révolution française: Essai d’approche ethnohistorique (1770–1830). Paris. CHANVALON, ABBÉ DE 1765. Manuel des champs, ou recueil choisi, instructif et amusant de tout ce qui est le plus nécessaire et le plus utile pour vivre à la campagne avec aisance et agrément, n lle éd. [1ère éd. 1763]. Paris. CHOUQUER, G. et WATTEAUX, M. 2013. L’archéologie des disciplines géohistoriques. Arles. DALBY, A. 2003. Food in the Ancient World from A to Z. Londres/New York. DALBY, A. 2011. Geoponika: Farm Work. Totnes. DELORT, R. et WALTER, F. 2001. Histoire de l’environnement européen. Paris. DERLANGE, M. 1987. Les communautés d’habitants en Provence au dernier siècle de l’Ancien Régime. Toulouse. DUBOIS, L. 1986. Recherches sur le dialecte arcadien. Cabay/Louvain-la-Neuve. EFSTRATIOU, N. 1985. A Neolithic Site in the Northern Sporades: Aegean Relationships during the Neolithic of the 5th Millenium (BAR 241). Londres. FRANCO, C. 2014. Shameless: The Canine and the Feminine in Ancient Greece. Tr. Matthew Fox. Oakland. GAUTHIER, P. 1989. Nouvelles inscriptions de Sardes II. Genève. HARFOUCHE, R. 2005. Retenir et cultiver le sol sur la longue durée: les terrasses de culture et la place du bétail dans la montagne méditerranéenne, Anthropozoologica 40, 45–80. HARRIS, W. V. 2011a. Bois et déboisement dans la Méditerranée antique, Annales HSS 66.1, 105– 140. HARRIS, W. V. 2011b. Plato and the Deforestation of Attica, Athenaeum 99, 479–482. 117 Le jeu de mot est aussi fait par RADKAU 2000: 36.
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MORALISIEREN GEGEN LANDGRABBING Zum Verhältnis von Rhetorik und ‚Nachhaltigkeit‘ bei Columella (1,3,8–13)* Lars Mielke
Zusammenfassung: Der Beitrag untersucht eine Passage aus Columellas Lehrwerk über die Landwirtschaft (De re rustica, 1. Jh. n. Chr.), in der der Agronom aus moralisch-gesellschaftlicher Perspektive umfassend dafür argumentiert, dass beim Kauf eines Landguts dessen Fläche in vernünftigen Grenzen gehalten werden soll. Nach der herrschenden Forschungsmeinung unterwirft Columella hier – entgegen dem Wertesystem, das sonst in seinen Ausführungen erkennbar ist – wirtschaftliche Überlegungen tugendethischen Vorstellungen oder sozialen Bedenken. Eine genaue Analyse der Argumentationsstruktur der Passage kann jedoch zeigen, dass der Autor die Landwirtschaft letztlich nicht ‚höheren‘ Zielen verpflichtet; vielmehr unterstreichen die gesellschaftlich-moralischen Aspekte der Argumentation die Bedeutung eines allgemeinen Wirtschaftsmodells, das der betreffenden Passage und vielen weiteren Empfehlungen des Werkes zugrunde liegt. Tatsächlich geraten mehrere dieser außerökonomischen Aspekte innerhalb der Argumentation oder im weiteren Verlauf des Lehrwerkes in Widerspruch zu erwerbsorientierten Vorschriften. Columellas moralisch gefärbte Argumentation gegen die unbeschränkte Akquise von Land eignet sich damit als ‚Urtext‘ nicht nur für die Geschichte von landgrabbing; sie deutet zudem auf das ambivalente Verhältnis von Rhetorik und Umweltethik beziehungsweise ‚Nachhaltigkeit‘ im weiteren Sinne hin: Auf der einen Seite verleiht der literarische Anspruch, den Columella an sein Werk stellt, dem privatwirtschaftlichen Diskurs eine holistische Dimension; obwohl De re rustica vornehmlich profitorientiert ist, bleibt das Werk für übergeordnete Fragen nicht blind. Auf der anderen Seite ist die Vereinbarkeit von ökonomischen Interessen und sozialen Ansprüchen, die Columellas Argumentation suggeriert, nicht realistisch und wird in den zentralen Vorschriften seines Werks wiederholt auch nicht unterstützt. Abstract: This article examines a passage from Columella’s agronomy (De re rustica, 1st cent. AD) that has often stood in the focus of scholarship because of the political and moral relevance of its content. Here, the author takes a socio-political and moral stance to argue that a farmer should keep the size of purchased land within reasonable limits. According to most scholars, economic considerations are here, contrary to the rest of Columella’s work, subordinate to virtue ethics, ideological or social concerns. However, a detailed analysis of the passage’s structure shows that the reader is not supposed to limit ventures according to ‘higher’ concerns; rather, the socio-political and moral
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Dieser Beitrag ist die überarbeitete Fassung eines Vortrages, den ich am 6. Dezember 2016 im Rahmen des Altertumswissenschaftlichen Kolloquiums „Formen von ‚Nachhaltigkeit‘: Umweltverhalten in der Antike“ an der Universität Augsburg halten durfte. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kolloquiums danke ich für ihre hilfreichen Fragen und Anmerkungen. Wichtige Hinweise und sorgfältige Korrekturen verdanke ich Prof. Christophe Chandezon (Montpellier) und Prof. Christiane Reitz (Rostock) sowie der Herausgeberin und den Herausgebern des Sammelbandes.
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aspects of the argument point to an economic model fundamental to Columella’s teachings. Furthermore, several of these non-economic considerations are contradicted by profit-oriented instructions, either within the argument itself or throughout the rest of the work. Thus, Columella’s morally informed argument against an unlimited acquisition of land can be considered a key text not only for the history of ‘land grabbing’, but also for the ambivalent relationship between rhetoric and environmental ethics or, by extension, ‘sustainability’. Although Columella is mainly concerned with profits, he shows himself aware of the wider effects and responsibilities of farming on the one hand. On the other hand, Columella’s suggestion that commercial interests and social demands might somehow be reconciled proves more often than not to be unrealistic and is repeatedly not supported by his own technical instructions.
1. FRAGESTELLUNG Die Ernährung Europas ruht heute ebenso wie in der Antike auf den Schultern privater Betriebe. Es ist unproblematisch, wenn die Landwirtschaft als Ernährerin der Menschheit und als Grundlage ihrer kulturellen Evolution gelobt wird. Aus den allgemeinen Leistungen des Faches folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass ein Landwirt vornehmlich seinem Gewerbe nachgeht, um seinen Mitbürgern Gutes zu tun und deswegen als gesellschaftlich engagiert gelobt werden sollte. Denn dieser verdient hiermit zugleich seinen Unterhalt und ggf. auch gesellschaftliches Ansehen. Die Ungewissheit über die Motivation des einzelnen Bauern kann sich für eine Gesellschaft als unbehaglich erweisen; immerhin trägt sie auch ethische Erwartungen sowie kulturelle und ästhetische Ansprüche an die Landwirtschaft heran. Landwirtschaftlich genutzte Ressourcen erfüllen eine Vielfalt von Funktionen; Nahrungsmittelproduktion darf nicht um jeden Preis geschehen. Dies trifft sowohl auf die Antike als auch die Moderne zu. Beispielsweise wurde bereits damals die großflächige Akquise von Land, die häufig mit einer Verdrängung der lokalen Bevölkerung einherging, scharf verurteilt.1 Heute wird dieses Vorgehen überwiegend in sogenannten Entwicklungsländern praktiziert und von kritischen Stimmen landgrabbing genannt.2 In einer Zeit, in der sich eine Agrarwende nach dem Leitbild der ‚Nachhaltigen Entwicklung‘ vollziehen muss,3 erscheint die Frage umso dringlicher, inwieweit von den Akteuren erwartet werden darf, dass sie ihrer (umwelt-)ethischen, außerökonomischen Verantwortung freiwillig nachkommen: Verspricht schon die 1
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Vgl. WEEBER 2012: 23, 85–93 und 158f. Siehe auch unten Anm. 77. Bezüglich dieser Problematik bietet die Antike auch im Detail eine Parallele zur bedauerlichen Situation der Moderne: Die Hälfte der Provinz Afrika soll sich im Besitz von sechs Großgrundbesitzern befunden haben, bevor Nero diese hinrichten ließ (Plin. nat. 18,35). BARON/VOGET-KLESCHIN 2016: 266. Unter einer ‚nachhaltigen Entwicklung der Landwirtschaft‘ sei im Folgenden die Transformation von Landnutzung und Tierhaltung zu einer dauerhaft umweltverträglichen sowie intra- und intergenerationell gerechten Ordnung verstanden. Reflexionen über die Umsetzung nachhaltiger Ziele im Handlungsfeld Landwirtschaft bieten OTT/DÖRING 2008: 233–260 und VOGETKLESCHIN/HAMPICKE 2016.
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Liberalisierung des bisher stark subventionierten Agrarmarktes der EU ein nachhaltiges Zukunftskonzept? Für eine Beantwortung dieser Frage ist die Beschäftigung mit der antiken Literatur lohnend: In ihr ist das generalisierende Lob des Landlebens und das (Selbst-)Lob der Bauern als moralisches Rückgrat der Gesellschaft ein traditionelles Motiv;4 doch ist auch die Kritik an gierigen Landbesitzern keine Seltenheit,5 und Dialoge wie Xenophons Oikonomikos und Varros De re rustica ermuntern ihre Leser dazu, die Rhetorik erfolgreicher Landwirte zu hinterfragen.6 In diesem Beitrag soll das Verhältnis von Rhetorik und Umweltethik („als konstitutive Grundlage der Nachhaltigkeitsidee“7) in der Selbstdarstellung antiker Grundbesitzer exemplarisch untersucht werden, und zwar anhand von Lucius Iunius Moderatus Columella. Sein vermutlich aus der neronischen Zeit stammendes Werk über die Landwirtschaft De re rustica erscheint als Fallbeispiel besonders geeignet,8 da seine Gedankenwelt heutigen Nachhaltigkeitskonzepten auf erstaunlich vielen Ebenen entspricht, wenn auch nicht auf allen und nicht immer konsequent.9 Seit MARTINs Monographie von 1971 zu den ökonomischen und sozialen Anschauungen römischer Agrarschriftsteller sind die politischen und moralischen Töne des Traktates in den Fokus der Forschung gerückt. Erkannt wurde, dass Columella rhetorische Strategien einsetzt, die den Übergang von einzelnen fachlichen Fragen zu Problemen von allgemeiner Bedeutsamkeit ermöglichen, vor allem in den Vorworten der einzelnen zwölf Bücher des Werkes und weiteren Überleitungen vom einen Gebiet der landwirtschaftlichen Disziplin zum nächsten.10 In diesem Zusammenhang sorgten werkinterne Widersprüche und die Geläufigkeit der Topoi, mit denen der Autor Kritik an seinen Zeitgenossen übt,11 häufig für Unsicherheit darüber, welchen Zielen die engagierte Sprache des Lehrbuchautors letztlich gilt. Für Einigkeit in dieser bisher verschieden beantworteten Frage12 kann nur ein 4 5
KIER 1933. Für die Kritik an Gier und Geiz der Bauern in Xenophons Oikonomikos, Varros Agronomie und Vergils Georgica siehe KRONENBERG 2009. Siehe daneben Ps.-Verg. Aen. pr.3f.; Hor. od. 2,18,23–26; epist. 1,7,85; Ov. fast. 1,677; Pers. 5,110; Sen. epist. 1,6; 114,26; Plin. nat. 18,274. Anschaulich und auch heutigen Umständen bedauerlicherweise nicht fremd ist der Mythos der lykischen Bauern, die Wasser nicht als Gemeingut, sondern als ihr Eigentum betrachteten und es einer dürstenden Göttin und ihren Kindern missgönnten (Ov. met. 6,313–381). Insbesondere in Ciceros Œuvre steht das generalisierende Lob der Landwirtschaft der generalisierenden Kritik an der Gier der Bauern scheinbar unvereinbar gegenüber (Cic. S. Rosc. 39; 75; Att. 8,13,2; Cato 51–60; off. 1,150f.). 6 KRONENBERG 2009. 7 OTT 2016: 190. 8 Als Einführung zu Columellas Leben und Wirken eignen sich MARTIN 1985 und REITZ 2013. 9 KESSLER/OTT 2017. 10 FÖGEN 2009: 199f. und 291f.; vgl. auch unten Anm. 64. 11 Für Diskrepanzen zwischen moralischem Anspruch und privatwirtschaftlichen Interessen in Columellas Werk siehe DIEDERICH 2007: 376–395; FÖGEN 2009: 189–196; KESSLER/OTT 2017: 211–214. 12 Zur Deutung der moralischen Dimension von Columellas De re rustica siehe DIEDERICH 2007: 368–395 und 407, in der Tradition von MARTIN 1971: 311–342; 1985: 1969f., COSSARINI 1978
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angemessenes Verständnis des Einsatzes von Rhetorik im Traktat sorgen: Wie genau, an welcher Stelle und in welchen Schritten lässt der von Isidor als „ausgezeichneter Redner“ (etym. 17,1,1) gepriesene Landwirt sein Metier für moralisch-gesellschaftliche Reflexionen transparent werden? Um diesen Fragenkomplex im Ansatz zu beantworten, soll im Folgenden eine der umfassenderen Argumentationen des Werkes mithilfe von Begrifflichkeiten der römischen rhetorischen Theorie analysiert werden. Es handelt sich um die vorletzte Vorschrift, die Columella zum Erwerb eines Grundstücks erteilt (1,1,18–1,4,3): Er rät dazu, die Grenzen des eigenen Landbesitzes vernünftig zu bemessen (1,3,8–13). Zur Bekräftigung wird eine Argumentation entfaltet, die durch ihre historischen exempla und die Polemik gegen Besitzer scheinbar grenzenloser Güter ins Auge fällt. Sie ließe sich als Urtext für die Kritik am Aufkauf großer Ländereien betrachten. Seit MARTIN13 wurde die Ansicht vertreten, dass Columella hier eine „soziale Regel“,14 ein „wirtschaftsethisches Programm“15 formuliert, das im Interesse des Allgemeinwohls die Ausmaße von Landgütern beschränken sollte. Die bisherigen Deutungen unterscheiden sich zwar darin, ob die Passage eher als Polemik gegen reale Verhältnisse, genauer: gegen asoziale Wirtschaftsformen der Neureichen der neronischen Zeit,16 gelesen werden sollte oder als Versuch des Autors, das eigene Metier und den eigenen Stand ideologisch aufzuwerten.17 Gemein ist allen jedoch die Vorstellung, Columella nehme ein ökonomisches Thema zum Anlass, um letztlich eine außerökonomische Agenda voranzubringen. Gegen die herrschende Forschungsmeinung argumentiert der vorliegende Beitrag dafür, dass die rhetorische Strategie von Colum. 1,3,8–13, bei Lichte betrachtet, keineswegs ideelle Ziele verfolgt; die moralisch-politischen Töne der Argumentation dienen vielmehr der Vermittlung eines Wirtschaftsprinzips, dem Columellas Leser zustimmen muss, bevor er die oft zeit- und kostenintensiven Praktiken annehmen kann, die in den kommenden Büchern vermittelt werden. Daneben ist das literarische Programm, das der Autor in seiner Fachschrift verfolgt, wesentlich, um den Wort- und Gedankenreichtum von Colum. 1,3,8–13 angemessen würdigen zu können. Auch wenn der Beitrag auf den letzten Punkt nicht näher eingehen kann, müssen heutige Leser von Columellas Traktat ihn sich doch regelmäßig ins Bewusstsein rufen: Um sich und seine Lehre für das intendierte Publikum unverzichtbar zu machen, gestaltete der Autor seine Agrarschrift als ein Werk von höchster literarischer Qualität. Zu diesem Zwecke stellt sich die Lehrperson von De re rustica auch als moralisch integre Persönlichkeit dar.18
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und RICHTER 1983: 644–650 stehend, sowie NOÈ 2001: 322–335; 2002: 111–114 und 177; FÖGEN 2009: 189–196, 199f. und 291–295; SPANIER 2010: 210–260; REITZ 2013: 283. MARTIN 1971: 343–356. COSSARINI 1978: 43. DIEDERICH 2007: 385. NOÈ 2002: 33–35 und 68–72. SPANIER 2010: 235–241. Siehe zu diesem Punkt insbesondere ANDRÉ 1989, DIEDERICH 2007: 209–258 und FÖGEN 2009. In meiner voraussichtlich 2020 erscheinenden Dissertation gehe ich genauer auf das literarische Programm ein, das den fachlichen Kontroversen in Columellas De re rustica zugrunde liegt.
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Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Zunächst wird die Struktur von Colum. 1,3,8–13 mithilfe eines Argumentationsschemas beschrieben, das sich in einem der überlieferten rhetorischen Handbücher der Antike finden lässt; dies soll es ermöglichen, zwischen Argumentationskern und Ausschmückung zu unterscheiden. In beiden Bestandteilen argumentiert Columella aus einer jeweils unterschiedlichen Perspektive: der Argumentationskern folgt einer genuin ökonomischen Logik, die Ausschmückung einer gesellschaftlich-moralischen. Nachdem beide argumentative Leitlinien getrennt voneinander nachvollzogen worden sind, wird dargelegt, dass die ökonomische Leitlinie die moralische stets an Bedeutung übertrifft, in Teilen sogar untergräbt. Dieser Befund wird im Anschluss vor dem Hintergrund einer wirtschaftlich-didaktischen Programmatik verständlich gemacht. Zum Abschluss sollen aus der Untersuchung einige Ableitungen über das Verhältnis von ‚nachhaltigen‘ Ideen und Rhetorik bei Columella gewagt werden. 2. DIE ARGUMENTATIONSSTRUKTUR VON COLUM. 1,3,8–13 Die antike rhetorische Theorie liefert für die einzelne Beweisführung (ratiocinatio/argumentatio) mehrere Strukturierungsmuster.19 Ein Schema, das sich für die Gliederung von Colum. 1.3,8–13 eignet, findet sich in der Rhetorica ad Herennium, einem vier Bücher umfassenden Lehrwerk der Rhetorik, das vermutlich aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert stammt.20 Das betreffende Argumentationsschema umfasst fünf Schritte (Rhet. Her. 2,28–30). Davon sind für eine vollständige Beweisführung drei notwendig: die ‚Behauptung‘ (propositio/expositio), die ‚Begründung mit kurzer Erläuterung‘ (ratio brevi subiectione) sowie die ‚Bekräftigung der Begründung‘ (rationis confirmatio). Dagegen werden zwei Schritte prinzipiell als verzichtbar betrachtet: die ‚Ausschmückung‘ (exornatio) und die ‚Zusammenfassung‘ (complexio). Diese sollen die Argumentation stilistisch steigern. Die rednerische Praxis lebte selbstverständlich davon, dass ein derart starres Schema stets angepasst und variiert wurde, um den Eindruck einer schulmäßigen Gemachtheit zu vermeiden.21 Nichtsdestoweniger liegt in der Striktheit des Schemas ein Vorteil: Es weist darauf hin, dass sich eine Argumentation grundlegend in zwei Komponenten unterteilen lässt: in die eigentliche Beweisführung beziehungsweise den Argumentationskern (propositio, ratio, rationis confirmatio) und in Elemente, die den Ton der Argumentation steigern (exornatio, conplexio).
19 Rhet. Her. 2,27–30; Cic. inv. 1,51–77; Quint. 5,14; vgl. MARTIN 1974: 101–107; LAUSBERG 3 1990 § 371. 20 Einen Überblick über die Datierung der Rhetorica ad Herennium und ihre Stellung in der Tradition antiker rhetorischer ‚Handbücher‘ bietet GAINES 2007. 21 Siehe beispielsweise Rhet. Her. 3,17f.; Quint. 5,14,27–35. Siehe auch für ‚Digressionen‘ Cic. inv. 1,97; Quint. 4,1,73–75; 4,3,9–11; 4,3,17; vgl. MARTIN 1974: 89–91.
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Lars Mielke Colum. 1,3,8–13
Argumentationsschritte nach Rhet. Her. 2.28–30
Lebensregel der Sieben Weisen: Maßhaltung (1,3,8) Bauern „sollen keinen größeren Acker kaufen, als ihre Buchhaltung gestattet.“ (1,3,8) Vergil-Zitat (georg. 2,412f.) und Volksweisheit der Punier: Gebot zur Beschränkung des Grundstücks (1,3,8f.) „Zweifellos bringt ein ausgedehnter Acker, der nicht richtig bebaut wurde, weniger ein als ein enger, der ausgezeichnet bebaut wurde.“ (1,3,9) Die Vorfahren fuhren größere Gewinne auf kleineren Feldern ein. (1,3,10) - positives Beispiel: Manius Curius Dentatus (1,3,10) - negatives Beispiel: Gaius Licinius (1,3,11)
„Maß also, wie in allen Dingen, muss auch beim Kauf von Äckern gehalten werden.“ (1,3,12) Beschreibung der scheinbar unermesslichen Ländereien „übermächtiger“ Großgrundbesitzer (1,3,12) ökonomische Definition von ‚Maß‘ (1,3,13)
„Behauptung“
Ergänzungen nach Quintilian
umweltethische Aspekte
„Vorbereitung/Einleitung“ (4,1,73–75; 4,3,9–11; 17) vgl. 4,4,1
Tugendlehre: Mäßigung
„Vorbereitung/Einleitung“ (4,1,73–75; 4,3,9–11; 17)
Anspielung auf Kleinbauerntum; scheinbar absolute Beschränkung von Grundbesitz
-
„Begründung mit kurzer Erläuterung“
-
„Bekräftigung der Begründung“
-
„Ausschmückung“
vgl. 5,14,6
- Tugendlehre: Zufriedenheit vs. Habsucht - Kleinbauerntum; absolute Beschränkung von Grundbesitz auf sieben beziehungsweise 50 Morgen - soziales Gewissen - gerechter Zugang zu/Umgang mit Ressourcen -
„Schlusswort“ (4,3,11; 17)
- gerechter Zugang zu/Umgang mit Ressourcen - soziales Gewissen - Ästhetik
„Zusammenfassung“
-
Tab. 1: Gefolgt wird hier der von GESNER (1735: 398f.) etablierten Einteilung von Colum. 1.3 in 13 Paragraphen. Allein die Ausgaben von RICHTER (1981) und RODGERS (2010) zählen nur zwölf Paragraphen. Grau hinterlegte Zeilen stellen nach Rhet. Her. 2.30 die Mindestbestandteile einer Argumentation, also den Argumentationskern, dar.
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3. ANALYSE DER BEIDEN LEITLINIEN DER ARGUMENTATION Im ersten Satz führt Columella mit einem Parallelismus (1,3,8: non solum aliud acturis sed et agrum paraturis) die beiden Perspektiven ein, aus denen er argumentieren wird: eine ethische, indem er einen der Sieben Weisen anführt, und eine ökonomische, indem er auf die finanziellen Möglichkeiten des Kaufinteressenten verweist. Diese Zweiteilung entspricht der Theorie und Praxis von Beratungs-reden, welche hauptsächlich auf Grundlage von Ehrbarkeit und Nützlichkeit argumentieren.22 In Colum. 1,3,8–13 wechseln sich beide Leitlinien miteinander ab, bevor sie in der ebenso parallel formulierten Zusammenfassung wieder zusammengeführt werden.23 3.1 Der ökonomische Argumentationskern Für die Behauptung, dass sich die Größe des zu erwerbenden Grundstücks dem Vermögen des Käufers anpassen solle (1,3,8), liefert Columella eine Beweisführung, die hinreichend durch ökonomische Argumente gestützt wird: In der Begründung wird erläutert, kleine, aber gut bebaute Äcker seien ertragreicher als große, aber schlecht bebaute (1,3,9). Es schließt sich sogleich als Bekräftigung der Begründung ein historischer Beleg dieser wirtschaftlichen Regel an (1,3,10): In frührepublikanischer Zeit hätten die Römer weniger Land besessen, aber mehr erwirtschaftet als die Landwirte der Gegenwart. Hierbei handelte es sich offenbar um eine allgemein anerkannte Tatsache, wurde sie doch von römischen Autoren immer wieder beschworen.24 Diese drei Schritte bilden den Argumentationskern. Er beruht ausschließlich auf historischen Daten und ökonomischer Logik.25 3.2 Das gesellschaftlich-moralische Narrativ Neben der Argumentation aus ökonomischer Sicht scheint die Lehrperson zuweilen die Sichtweise eines Staatsmannes oder sogar eines Philosophen einzunehmen. Dieser gesellschaftspolitisch-moralische Argumentationsstrang, bestehend aus fünf 22 MARTIN 1974: 9f. und 167–169; LAUSBERG 31990 §§ 231–236. Für das Verhältnis von Columellas Traktat zu Beratungsreden siehe DIEDERICH 2007: 214. 23 Colum. 1,3,12: Modus ergo, qui in omnibus rebus, etiam parandis agris habebitur. Das Nebeneinander von Moral und Wirtschaftlichkeit spiegeln auch Palladiusʼ Ausführungen zum idealen Umfang eines Landgutes wider (Pallad. 1,6,8; 1,6,12; vgl. Colum. 1,3,11). 24 Lucr. 2,1150–1174; Varro rust. 2.pr.1–4; Colum. 1.pr.19f.; 3,3,2; 3,9,3; Plin. nat. 18,17–21. Siehe aber Varro rust. 1,7,2. 25 Das heißt jedoch nicht, dass der Argumentationskern nüchtern geschrieben sei: Der Ausdruck „die weitesten Brachfelder“ (Colum. 1,3,10: amplissima vetereta) greift der pathetischen Beschreibung der Landgüter der praepotentes voraus (1,3,12). Ansonsten in Columellas Werk ein Fachterminus, wird vetereta hier abfällig gebraucht.
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exempla26 und einer Beschreibung (1,3,12), formt ein Narrativ, dessen persuasive Natur sich besonders anhand von Verkehrungen und Vereinfachungen historischer Tatsachen festmachen lässt.27 Columella führt den wirtschaftlichen Niedergang auf einen moralischen Verfall zurück. Das Ergebnis dieses Verfallsprozesses stellt sich als eine moralisch und ästhetisch beklagenswerte Situation dar: eine ungerechte Verteilung von Land und dessen abstoßende (Nicht-)Nutzung. Zu Beginn der Argumentation sucht Columella mit gleich drei Zitaten den Anschluss an die Autorität der Vorfahren. Die gewählten Zitate rufen unter anderem das traditionelle Bild des Bauern als moralische Instanz auf. Dieses Bild beruht auf der vermeintlichen Ursprünglichkeit des Landlebens28 sowie auf bestimmten Tugenden, die diesem Leben zugeschrieben wurden: Genügsamkeit, Ausdauer, Einfachheit. Sie lassen sich unter dem Begriff mos maiorum (‚Sitte der Vorfahren‘) versammeln, welchen Columella bereits im großen Vorwort seines Werkes gepriesen hatte.29 Das Vergil-Zitat konkretisiert das Motiv (georg. 2,412f.): „Preise großes Besitztum, / kleines aber bebaue.“ In „catonischen“30 Imperativen formuliert (laudato; colito)31 und zur Genügsamkeit mahnend, dürfte es an das ursprüngliche Subsistenzbauerntum erinnern.32 Einen alterehrwürdigen Anstrich verleiht der Argumentation auch das punische Sprichwort (1,3,9): „Der Acker soll schwächer sein als sein Bebauer, da ja der Besitzer, sobald mit diesem [d. h. dem Acker] gerungen werden müsse, zu Schaden komme, sollte das Grundstück stärker sein.“33 Die Kampfmetapher könnte an die Bauerngeneräle erinnern, die Columella in seinem Vorwort als Vertreter des mos maiorum gelobt hatte.34 Beide Stränge, das Subsistenzbauerntum und das Bauernkriegertum, greift Columella im ersten exemplum der Ausschmückung auf (1,3,10): Er berichtet, dass das 26 Die Lebensregel eines der Sieben Weisen (Colum. 1,3,8), ein Vergilzitat (1,3,8), ein punisches Sprichwort (1,3,9), das Verhalten von Manius Curius Dentatus (1,3,10) und Gaius Licinius (1,3,11). Für die verschiedenen Formen rhetorischer exempla siehe Quint. 5,11. 27 Für die Unterschiede von Columellas Darstellung zu anderen Versionen derselben Geschichte siehe RICHTER 1981: 643f., NOÈ 2001: 337–343; 2002: 180–185 und SPANIER 2010: 235–239. 28 Varro rust. 2.pr.1–4; 2,1,9; 3,1,1–7; Plin. nat. 18,8–14. 29 Aus der reichen Forschungsliteratur, die dem mos maiorum und dem römischen Bauerntum gewidmet sind, seien diejenigen Arbeiten genannt, die den Stellenwert der Ideologie bei Columella nachzeichnen: COSSARINI 1978; RICHTER 1983: 644–650; ANDRÉ 1989: 266f.; DIEDERICH 2007: 368–395; WEEBER 2012: 184–188; REITZ 2013: 283. Für einen Überblick und weiterführende Literatur zum Forschungsfeld ‚Römische Werte‘ siehe HALTENHOFF/HEIL/ MUTSCHLER 2011. 30 HINE 2011: 653. 31 Vgl. THOMAS 1988: 231–233. Servius (georg. 2,412) ist der Ansicht, Vergil habe seine Vorschrift direkt vom Älteren Cato übernommen. Plinius der Ältere spielt in einem ähnlichen Kontext wohl auf dieselben Vergil-Verse an wie Columella und bringt sie in Verbindung mit den Ansichten der „Alten“ (nat. 18,35). 32 Vgl. ERREN 2003: 488. CHRISTMANN 1982: 64–66 zeigt, dass Vergil bei Columella und Plinius dem Älteren als Repräsentant des altrömischen Kleinbauerntums gilt. 33 Vgl. Colum. 11,2,46; Plin. nat. 18,27: malus est ager, cum quo dominus luctatur. 34 Colum. 1.pr.13f.; 1.pr.17; 1.pr.19; vgl. 1,4,2; 12,4,2. Dem Motiv des Bauerngenerals in römischen landwirtschaftlichen Traktaten ist SPANIERs Dissertation (2010) gewidmet; vgl. NOÈ 2001: 335–337.
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römische Volk Manius Curius Dentatus für seine Leistungen als Feldherr eine Ausnahme von der gesetzlichen Grundstücksbegrenzung (sieben Morgen pro Bürger) gestatten wollte, er aber ablehnte, da er bereits zufrieden war mit dem, was er besaß. Der Autor erinnert ausdrücklich daran, dass er auf Curius Dentatus bereits in seinem Vorwort zu sprechen kam.35 Dort berichtet er, er habe gelesen, der Feldherr Dentatus habe, „nachdem er die Sabiner bezwungen hatte, ... die sieben Morgen eroberten Ackers nicht weniger emsig bebaut, als er sie tapfer unter Waffengewalt in Besitz genommen hatte“ (1.pr.14). Mit dieser Formulierung macht Columella den berechtigten Besitz beziehungsweise die Inbesitznahme eines Ackers von dessen Bewirtschaftung abhängig. Er verbindet die Weisung der Römer zur territorialen Expansion und zur Herrschaft über die Völker – am wirkmächtigsten von Vergil Anchises in den Mund gelegt (Aen. 6,851–853) – mit der Verantwortung für die Eroberten und das eroberte Gebiet. Columella unterstreicht in seiner Argumentation, dass Curius Dentatus dieser Verantwortung nachgekommen sei, da er den Umfang des eigenen Besitzes ins Verhältnis zu dem anderer gesetzt habe, „zufrieden mit dem Maß des kleinen Mannes“ (1,3,10). Anders gesagt, habe sich der Feldherr der von ihm unterworfenen Völker würdig erwiesen, sei er doch in der Lage gewesen, ihre Lebensregeln, welche Columella zuvor genannt hat (1,3,8f.), in die Tat umzusetzen. Vom Lob der Vorzeit geht Columella zum Tadel der jüngeren Vergangenheit (1,3,11) und schließlich der Gegenwart (1,3,12) über. Er lässt auf das exemplum des Dentatus das des Gaius Licinius folgen. Letzteres ist dazu angetan, in genau den Punkten Empörung zu erregen, durch die sich Dentatus auszeichnete: Licinius ging nicht wegen seiner militärischen, sondern wegen seiner Leistungen als Volkstribun in die Geschichte ein; statt „zufrieden“ (1,3,10) sei er „von maßloser Besitzgier“ (1,3,11) beherrscht gewesen; während Dentatus von seinen Mitbürgern angeboten worden sei, sich über das Maß seiner Zeit zu erheben, er dieses Geschenk des Volkes aber abgelehnt habe, habe Licinius selbst die Grundbesitzgrenze verschoben und dann noch übertreten. Columella berichtet, dass Licinius hierfür verurteilt wurde; die moralische Grundlage des Urteils zeichnet er wie folgt nach:36
35 Colum. 1,3,10: quem paulo ante rettulimus. 36 Colum. 1,3,11: nec magis quia superbum videbatur tantum loci detinere quam quia flagitiosius, quos hostis profugiendo desolasset agros, novo more civem Romanum supra vires patrimonii possidendo deserere. Das Oxymoron possidendo deserere unterstreicht, dass Licinius unvernünftig gehandelt hat. Der in der Argumentation genutzte Ausdruck novo more weist – beispielsweise im Gegensatz zu novo modo – nicht nur auf eine neue Form von Verödung hin (Äcker zu vernachlässigen, statt zu verlassen; vgl. NOÈ 2001: 342f.; NOÈ 2002: 184f.). Die Wortfügung novo more findet sich fast ausschließlich im Kontext einer Klage über den Verfall der Sitten (Cic. Verr. 2,2,67; 2,2,114; 2,5,68; Mur. 44; Sen. contr. 10,4,1; Curt. 8,7,12; Sen. brev. vit. 13,6; Petr. 31,8). Bei Columella wird mit der abfälligen Formel (‚nach neuer Sitte/Mode‘) also der Teil des Narrativs eingeleitet, der den Verfall der Landwirtschaft beschreibt. Für die Verurteilung des Rückgangs von Ernteerträgen aus moralischer Sicht siehe auch Syll.3 543; Varro rust. 2.pr.1–4; Dion Chrys. Eub. 39.
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Lars Mielke ... nicht so sehr, weil es hochmütig erschien, so viel Platz in Beschlag zu nehmen; es galt vielmehr als schimpflich, dass ein Bürger Roms diejenigen Äcker, die der Feind auf der Flucht zurückgelassen hatte, nach neuer Sitte veröden ließ, indem er mehr besaß, als sein Vermögen vertrug.
Columella greift das Motiv der imperialen Mission Roms wieder auf; diese sei von Licinius missachtet worden. Das Schlusswort von Columellas Argumentation, in dem er unermessliche und nachlässig bebaute Ländereien beschreibt, zeigt, welche Konsequenzen ein solches Verhalten zu seiner Zeit hat, da es nicht mehr justiziabel ist:37 Wir sollen nämlich so viel in Anspruch nehmen, wie nötig ist, damit wir gekauft zu haben scheinen, worüber wir herrschen können, nicht um uns selbst zu belasten und es dem Nutzen anderer zu entziehen nach Art der Übermächtigen, die Gebiete von Völkern besitzen, welche sie nicht einmal abschreiten können, sondern ihrem Vieh zum Zertrampeln und wilden Tieren zum Verwüsten und Veröden zurücklassen oder sie in Beschlag halten durch schuldhörige Bürger und Sklavenheere.
Mit der Beschreibung unermesslicher Landgüter als öde Landstriche – auch das ästhetische Empfinden des Lesers wird hier angesprochen – bringt Columella das Narrativ des Verfalls der Landwirtschaft zum Abschluss.38 Es deutet sich der Gedanke an, das römische Volk drohe die Errungenschaften eines Dentatus und damit sein Recht auf Weltherrschaft zu verspielen. Der zuvor verwendeten punischen Kampfmetapher (1,3,9) könnte an dieser Stelle rückblickend eine historische Dimension zugeschrieben werden. Mit Absicht scheint Columella hier nicht direkt vom punischen Agronomen Mago gesprochen zu haben, von dem das Sprichwort sicherlich stammt.39 Ein ganzes Volk, das der Autor für seinen Scharfsinn lobt,40 meldet sich scheinbar aus seinem Grab zu Wort; es droht seinem militärischen Eroberer, er werde die Schlacht auf dem Acker schließlich verlieren41 und damit auch seine Position als Herrscher über die Völker.42
37 Colum. 1,3,12: Tantum enim obtinendum est quanto est opus, ut emisse videamur quo potiremur, non quo oneraremur ipsi, atque aliis fruendum eriperemus more praepotentium, qui possident finis gentium quos ne circumire quoque valent, sed proculcandos pecudibus et vastandos ac populandos feris derelinquunt aut occupatos nexu civium et ergastulis tenent. 38 Das Verfallsmotiv findet sich in Columellas Werk häufiger: 1.pr.1–20; 1,1,20; 1,8,12f.; 2,1,7; 2,17,3; 2,20,5; 3,3; 3,7,3; 3,10,6f.; 3,18,1; 3,20,6; 4,3,3–5; 4,22,1; 4,24,22; 8,8,9f.; 8,10,6; 8,16,1–6; 9,13,13; 10.pr.1–3; 11,1,6; 11,1,10–12; 12.pr.9f. 39 MARTIN 1971: 43–47. 40 Colum. 1,3,9: acutissimam gentem Poenos. 41 Dieser Gedankengang ist auch bei Cicero und Seneca präsent, jedoch in Hinsicht auf Hannibal (Cic. leg. agr. 2,95; Sen. epist. 51,6; vgl. Hor. epist. 2,1,156f.). Für das Motiv der Rache der Geister der Punier siehe Verg. Aen. 4,607–629; Lucan. 1,39; 4,788–790; 6,310f. 42 Rezeptionsästhetisch bekommt der Zusammenhang einen besonderen Reiz, denkt man an die Erzählung, die im neunzehnten Jahrhundert aufkam, wonach die Römer auf Karthagos Boden Salz gestreut haben.
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3.3 Widersprüche, Gemeinplätze und der privatwirtschaftliche Primat An dieser Stelle ist zu fragen, ob überhaupt und auf welcher Grundlage entschieden werden kann, um welche der beiden Leitlinien es dem Autor in der Argumentation vornehmlich geht. Stehen Moral und kluges Wirtschaften in Columellas Traktat nicht gleichrangig nebeneinander und sind zur gegenseitigen Bestätigung ausgelegt? Es lässt sich wohl kaum bezweifeln, dass es für den Autor erfreulich gewesen sein dürfte, wenn all diejenigen Aspekte, an die er im gesellschaftlich-moralischen Narrativ anknüpft (Tugendethik, soziale Gerechtigkeit, Reichsidee und Ästhetik), tatsächlich mit der erfolgreichen Bewirtschaftung seines Landgutes zusammengefallen sein sollten. Doch ließe sich die Gegenfrage stellen: Führt Columella diese gesellschaftlich-moralischen Konzepte als Voraussetzungen oder Mindeststandards ein, also als echte Verhaltensnormen, vor denen sich die in De re rustica gelehrte Wirtschaftspraxis verantworten muss? Diese Frage bezeichnet den Unterschied zwischen echtem Engagement und einer sympathischen Färbung des eigenen Traktats, oder besser: zwischen gesellschaftspolitischer und wirtschaftsdidaktischer Programmatik. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass die außerökonomische Perspektive der Argumentation tatsächlich mit der ökonomischen in Konflikt gerät und die moralische Botschaft in Colum. 1,3,8–13 nicht wirklich für das intendierte Publikum bindend war. Das stärkste Argument gleich zu Beginn: Tatsächlich ist eine unterschiedliche Gewichtung von Moral und Erwerbsorientierung bis zum Abschluss der Argumentation kaum erkennbar. Erst der letzte Satz verdeutlicht mit einer rein ökonomischen Definition von ‚Maß‘ rückwirkend, dass es Columella bei seiner Vorschrift vornehmlich um kluges Wirtschaften geht:43 „Das Maß aber für einen jeden soll seine Bereitschaft und sein Vermögen sein; denn es reicht nicht, wie ich zuvor schon sagte, Anbau betreiben zu wollen, wenn du es nicht kannst.“ Der Autor weist an dieser Stelle explizit auf die erste Vorschrift seines Werkes zurück, welche die Trias Sachverstand, Investitionsbereitschaft und -vermögen zu komplementären Voraussetzungen für eine erfolgreiche Landwirtschaft erklärt (1,1,1f.). Sie richtet sich an „den gewissenhaften Familienvater, dem es am Herzen liegt, aus dem Landbau eine sichere Methode zur Vermögensmehrung zu verfolgen“ (1,1,3). Der Leser muss also am Ende der Argumentation rekodieren, wovon er sich bereits überzeugen ließ. Columella ging nicht ganz offen mit ihm um: Wenn er offenbar der Ansicht war, dass der zentrale Begriff seiner Argumentation, das Maß, erläuternder Worte bedurfte, weshalb hat er nicht zu Beginn seiner Argumentation eine Definition geboten?44 Stattdessen ließ der Autor seinen Rezipienten im 43 Colum. 1,3,13: Modus autem erit sua cuique voluntas facultasque; neque enim satis est, ut iam prius dixi, velle, si colere non possis. Verfehlt COSSARINI 1978: 43, ausgerechnet dieser Satz biete einen „imperativo etico e civile“. 44 Beispielsweise fordert Sokrates in Platons Phaidros, ein Redner müsse zum Zwecke der Klarheit und Widerspruchsfreiheit gleich zu Beginn seiner Rede den Gegenstand bestimmen, über den er zu sprechen wünscht (262d–265d); vgl. Cic. fin. 1,29; Sen. clem.1,3,1.
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Glauben, dass, wann immer mit ‚Maß‘ argumentiert wurde,45 die moralische Dimension ebenso bedeutsam oder sogar bedeutsamer sei als die ökonomische. Die abschließende Präzisierung von ‚Maß‘ dürfte daher für den Leser nicht vorherzusehen gewesen sein, umso mehr noch, da Columella zuvor beinahe mustergültig argumentiert; die Entscheidung, eine Definition ans Ende zu setzen, widerspricht im Fall von Colum. 1,3,8–13 prima facie dem Gebot einer rein logischen Argumentation. Man könnte mit Quintilians Worten von einer „Verwirrung“ des Lesers (5,14,29; 8,3,4f.) sprechen. Eine solche ließe sich freilich aus Sicht der rhetorischen Theorien rechtfertigen: In ihnen wird postuliert, dass Ehrbarkeit ein besseres Argument liefere als Nützlichkeit.46 Entsprechend lässt Columella seine Argumentation von einer moralischen Färbung profitieren, obwohl es ihm eher um die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens geht. Dass sein Leser aber durch die moralisierenden Töne vom eigentlichen Ziel des Traktats abgelenkt wird, verhindert er zum Abschluss der Argumentation, indem er den Begriff ‚Maß‘ ausschließlich ökonomisch definiert. Von der rein ökonomischen Definition ist diejenige Perspektive zu unterscheiden, aus der die beiden historischen exempla, Dentatus und Licinius, beurteilt werden. Der ehemalige Feldherr wird nicht etwa dafür gelobt, dass er erkannt habe, er könne auf fünfzig Morgen nicht mehr erwirtschaften als auf sieben Morgen. Als Dentatusʼ Handlungsmotiv wird stattdessen sein soziales Gewissen, die Solidarität mit dem gemeinen Volk dargestellt.47 Dagegen wird Licinius für seine charakterlichen Schwächen getadelt sowie dafür, potentiell nutzbare Ackerfläche ruiniert und anderen die Möglichkeit entzogen zu haben, sich hierum besser zu kümmern. In der Ausschmückung verbindet Columella also das richtige Maß eines Ackers mit einer sozialen Bezugsnorm, die im Argumentationskern und in der abschließenden ökonomischen Definition nicht berücksichtigt wird. Eine weitere Komponente des gesellschaftlich-moralischen Narrativs, welche rückwirkend geradezu untergraben wird, ist die scheinbare Befürwortung einer absoluten Beschränkung von Ackerflächen. Sie findet sich an mehreren Stellen, angefangen bei Vergils exiguum rus (1,3,8), gefolgt von den „licinianischen sieben Morgen“ (1,3,10) sowie den fünfzig Morgen, die der Tribun Gaius Licinius legalisiert haben soll (1,3,11). Die Sympathie für geringe Ackergrößen, die Solidarität mit dem Subsistenzbauerntum und eine hiermit verbundene „ideologia della paupertas“48 war bereits in Columellas Vorwort zum Ausdruck gekommen;49 sie ist auch Bestandteil späterer pathetischer Passagen seiner Agronomie.50 In der Beschreibung der Besitzungen der „Übermächtigen“ wird mit dem Hinweis auf die „Gebiete von Völkern“ eine absolute Beschränkung ex negativo suggeriert. In 45 Colum. 1,3,8; 1,3,11f.: modus; vgl. 1,3,8; 1,3,10: mensura; 1,3,11: inmodica libido. 46 Aristot. rhet. 1,9,16; Cic. inv. 2,158; 174f.; de orat. 2,334–336; Quint. 3,8,1; 3,8,44–47; vgl. MARTIN 1974: 171–174; LAUSBERG 31990 § 234. 47 NOÈ 2001: 327 und 339; 2002: 69–71; vgl. Hor. od. 2,15,13f. 48 NOÈ 2001: 325 und 339; 2002: 183; vgl. KIER 1933: 3–33; WEEBER 2012: 131–138. 49 Colum. 1.pr.13: quattuor iugerum avitum herediolum; vgl. Petr. 84,4. 50 Colum. 4,3,6 (vgl. NOÈ 2002: 84f.; KESSLER/OTT 2017: 208f.); Colum. 10.pr.1–3 (vgl. NOÈ 2001: 326f.; DIEDERICH 2007: 378f.; KESSLER/OTT 2017: 210).
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seinem 89. Lucilius-Brief, in dem die Besitzer übergroßer Landgüter ähnlich getadelt werden (89,20), fragt auch Seneca der Jüngere wiederholt: ‚Wie weit noch?‘51 Columella knüpft also an den moralischen Diskurs der Selbstgenügsamkeit an und suggeriert zunächst eine absolute Beschränkung des eigenen Besitzes. Jedoch macht die abschließende Definition von ‚Maß‘ klar, dass es ihm letztlich um eine relative Beschränkung der Ackergröße gemäß den ökonomischen Interessen des einzelnen Landwirtes geht.52 Diese flexible Haltung zum Umfang der eigenen Besitzungen könnte bereits im Georgica-Zitat zum Ausdruck kommen. Wenn die Columella-Philologie hierin bisher ein einfaches Autoritätsargument oder Schmuckelement sah, so hat sie offenbar nur die zweite Hälfte des Zitats in den Blick genommen (exiguum colito).53 Vergil rät aber auch dazu, große Ländereien zu preisen (laudato ingentia rura), und Columella hat sich entschieden, auch diesen Teil der Vorschrift zu zitieren. Im Verlauf der Argumentation dürfte das exiguum colito zunächst tatsächlich prominent wirken, wird doch an das Subsistenzbauerntum erinnert. Wenn Columella jedoch zum Abschluss die Besitzgrenze relativiert, wird sein Leser das antithetische Moment des Zitates besser gewürdigt haben können. Es scheint die ambivalente Haltung wiederzugeben, die ein Kleinbauer seinem Besitz gegenüber haben könnte: Er bescheidet sich klug und stolz und träumt doch von mehr.54 Insgesamt eignet sich das Vergil-Zitat im Rahmen von Columellas persuasiver Strategie nicht als eindeutige Vorschrift, sondern eher als rhetorisches Angebot, das es dem klugen Landwirt, ob ärmer oder reicher,55 ermöglicht, sich und andere mit der eigenen Situation zu versöhnen. Die ökonomische Definition von ‚Maß‘, die sich also bereits an mehreren Stellen der Argumentation andeutet,56 untergräbt rückwirkend viele Details der Ausschmückung und ihre ethischen Implikationen. Denn indem Columella die private Besitzgrenze an den finanziellen Möglichkeiten des Besitzers orientiert, erklärt er genau genommen solche Ausmaße, die den Leser zuvor empören sollten, für potentiell akzeptabel: Es wäre in Ordnung für ihn, Nicht-Römer zu töten und ihr Hab und 51 Dagegen macht Columella an anderer Stelle deutlich, seine Unterweisung beschäftige sich mit dem ‚Wie‘, nicht mit dem ‚Wie viel‘ (5,1,3). 52 Dieser Widerspruch wurde bereits im Hinblick auf den Einsatz des Vergil-Zitats bemerkt (COSSARINI 1977: 235; NOÈ 2002: 163; ERREN 2003: 488). 53 COSSARINI 1977: 235f.; 1978: 43; NOÈ 2002: 163; DIEDERICH 2007: 380; FÖGEN 2009: 190 Anm. 115. 54 Diese Interpretation wird durch eine metapoetische Lesart der Vorschrift bestätigt: THOMAS 1988: 233 weist darauf hin, dass es sich bei der Sentenz um die Umkehrung einer Vorschrift Hesiods zum Schiffshandel (erg. 643) handelt; als eine solche könnte Vergils Vorschrift eine raffinierte Variante des bescheidenen Verzichts auf poetische Großformen darstellen. Ein solche recusatio ist jedoch häufig zeitgebunden und schließt den Wunsch und das Streben nach Höherem nicht aus, gerade bei Vergil, der seine Aeneis noch schreiben sollte. Auf einen zweiten Blick atmet das Zitat einen ganz anderen Geist als den braver Bescheidung. 55 Servius (georg. 2,412) argumentiert sogar dafür, dass sich Vergils Vorschrift nur auf latifundia anwenden lässt. 56 So auch im Rahmen von Liciniusʼ Verurteilung (Colum. 1,3,11: nec magis quia suberbum videbatur tantum loci detinere).
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Gut an sich zu nehmen, solange es nicht die Investitionskraft des eigenen Kapitals übersteigt; auch der Besitz im Umfang ganzer Völker wäre vorstellbar, solange man ihn ordentlich bewirtschaften kann. Da er niemals ernsthaft soziale Interessen mit den eigenen ökonomischen abwägt, erachtet Columella mit seinem relativen Maß selbst den marginalsten Privatvorteil für wichtiger als einen enormen Vorteil für die Allgemeinheit.57 Die landwirtschaftliche Unterweisung in De re rustica folgt sozusagen einem ‚ökonomischen Rationalismus‘.58 Mit der privatwirtschaftlichen Relativierung der Problematik erscheint die soziale Bezugsnorm, die das gesellschaftlich-moralische Narrativ bietet, nicht nur als zweitrangig, sondern auch als überflüssig. Die Beschränkung von Landbesitz allein nach Maßgabe der Rentabilität schließt das Recht des Stärkeren nicht aus; sie könnte hierzu sogar einladen. Gegen derartige Überlegungen ließe sich einwenden, dass sie für die Praxis unerheblich seien: Da das Vermögen aller Gutsbesitzer beschränkt sei, ergebe sich aus der Intensivierung der landwirtschaftlichen Praxis zwangsläufig ein wirtschaftliches System, das es allen ermögliche, im Römischen Reich einen Platz für ihr jeweiliges Landgut zu finden, und das allgemein zu einer schonenden Landnutzung führe. Für eine solch wohlwollende Lektüre, wie sie sich bei COSSARINI findet,59 steht Columellas Text freilich offen; das leistet seine rhetorische Strategie. Wie oben aber gezeigt, verfehlt eine solche Deutung den Duktus der Passage. Columella formuliert weder eine soziale Regel noch ein ethisches Programm, sondern knüpft an altbekannte soziale und ethische Ideen an, um andere Ziele zu verfolgen. Es handelt sich bei diesen Ideen, die sich in der Ausschmückung und im Schlusswort der Argumentation versammeln, um sogenannte Gemeinplätze (loci communes): Die hier verwendeten sind vor allem in der Literatur der frühen Kaiserzeit präsent,60 insbesondere die übertreibende Beschreibung unermesslichen 57 Im Gegensatz zu Columellas Ausführungen zum Subsistenzbauerntum sollte in Hinblick auf seine Definition von ‚Maß‘ nicht von „präzisen Grenzen“ (COSSARINI 1978: 42) gesprochen werden. Nicht einmal die Besitzgröße eines Seneca, eines der reichsten Römer der neronischen Zeit, hält Columella für bedenklich, sondern lobt ihn sogar für die Höhe seiner Erträge (3,3,3; vgl. NOÈ 2002: 35). Auch später in seinem Werk behandelt Columella die Größe eines Waldstücks für ein Wildgehege als Kostenfrage (9,1,2–5). Hierbei bespricht er Methoden, „selbst ausgedehnteste Gebiete“ (9,1,4: etiam latissimas regiones; vgl. 1,9,8: latior ager; 4,23,2: ruris uastitas; 5,3,9: laxiora spatia; 11,2,47; 11,3,2: amplum modum saepire; 12,52,2: vasta oliveta) einzuzäunen und dies allein zum wirtschaftlichen Nutzen oder Vergnügen des Gutsherrn (9.pr.1; 9,1,1). 58 RATHBONE 2005: 267: „[We speak of economic rationality] when choices are made according to a calculation of profitability ... independently of all other factors, social, political, cultural, etc. … In fact what I argue for is ‘limited’ or ‘bounded’ economic rationality, that where and when the Appianus Estate had a choice, it was interested in efficiency, productivity, profitability.“ Für einen Überblick über den wirtschaftshistorischen Diskurs, in dem dieser Begriff aufkam, siehe RATHBONE 2005. 59 COSSARINI 1978: 41f.; 1982: 257f. 60 Ähnlich urteilen MARTIN 1971: 347 Anm. 2 und REITZ 2013: 283. Zu Manius Curius Dentatus und Gaius Licinius vgl. Cic. Cato 15; 43; 55f.; Lael. 18; 28; 39; parad. 50; Liv. 7,16,9; Val. Max. 4,3,5; 8,6,3; Plin. nat. 18,17.
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Grundbesitzes, sozusagen von grabbed land.61 Gerade dieser Gemeinplatz scheint auch eine gewisse Abnutzung erfahren zu haben, da er vermutlich zu häufig oder in unangemessenen Kontexten verwendet wurde. Einen satirischen Rekurs hierauf bietet Columellas Zeitgenosse Persius. In seiner vierten Satire weist er darauf hin, dass viele Menschen die moralischen Schwächen anderer ausgiebig kritisierten, sich ihren eigenen jedoch nicht stellten. Als Beispiel für solche heuchlerischen Verdrängungen nennt Persius die Verleumdung eines erfolgreichen Landmannes als Geizkragen (4,25–32). Persius lässt sie mit einer übertreibenden Beschreibung der Grundstücksgröße beginnen (4,25f.).62 Da aber derjenige, der in der Satire die Kritik übt, selbst über keine moralische Autorität verfügt, verliert der von ihm bemühte Gemeinplatz seine moralische Wirkung; er wird zum Klischee.63 Ebenso klischeehaft könnte Columellas literarischem Umfeld die Klage über den Verfall der eigenen Disziplin sowie das Lob der Frühzeit und die Schelte der Gegenwart erschienen sein.64 Kann man davon ausgehen, dass Columella solchen „polémi-ques ... marquées ... du sceau de la généralité“65 allzu große Bedeutung beimessen wollte? Wohl nicht, insbesondere da er als Besitzer von mindestens drei Land-gütern (3,3,3; 3,9,2) Opfer derselben üblen Nachrede hätte werden können.66 Die Beschreibung in Colum. 1,3,12 sorgt überdies für einen werkinternen Widerspruch: Columella bemerkt empört, die ‚Übermächtigen‘ würden mit ‚durchgängig gefesselten Sklaven‘ (ergastuli) ihre Äcker bebauen lassen. Wie der Ältere Seneca belegt, handelte es sich bei ergastuli um ein Reizwort und einen typischen Baustein für die Veranschaulichung von Reichtum; man lernte schon in der Rhetorenschule, mit ihr die Reichen dem Publikum verhasst zu machen (contr. 2,1,26; 61 Vgl. Sen. contr. 5,5; 8,6,2; suas. 1,2f.; Pers. 4,25f.; Petr. 48,2f.; 53,1–10; 117,8; Sen. epist. 88,10; 89,20; benef. 7,10,5; Plin. nat. 2,175; 18,7; 18,21; 18,35; Plin. paneg. 50,1–3; Ps.-Quint. 13,3; 13,11; Tac. ann. 3,53. 62 Vgl. Petr. 37,8. 63 Vgl. Quint. 1.pr.16; 3,8,44. 64 Das Lob des eigenen Gewerbes als ehrbarste Wirtschaftsform erscheint bereits im Vorwort von De re rustica (Colum. 1.pr.3–10). Diese contentio artium war ebenso wie das Lob des Landlebens ein Gemeinplatz (Plat. pol. 2,373bf.; Xen. oic. 4,4–6,11; 15,4–13; 20,14f.; Cato agr. pr.; Cic. Cato 58; off. 1,150f.; 2,89; Varro rust. 3,1,1–7; Verg. georg. 2,495–513; Vitr. 9.pr.; Ov. am. 3,8; Sen. brev. vit. 2,1; epist. 88; ira 3,33; nat. 4a.pr.7; Plin. nat. 18,1–21; Quint. 2,4,24; vgl. KIER 1933: 1f.; ANDRÉ 1989: 263; 272; NOÈ 2002: 26f.) und wurde auch in der römischen Satire thematisiert (Hor. epod. 2; Petr. 83,10). Die Klage über den Verfall der eigenen Disziplin, die mit einem moralischen Verfall der Gesellschaft einhergehe, ist ein Topos der Vorworte römischer Fachtexte (Varro rust. 2.pr.1–4; Vitr. 6.pr.5–7; 7.pr.3; 7.pr.10; 10.pr.2f.; Sen. contr. 1.pr.6–10; Plin. nat. 18,21; 18,35) und wurde in der Satire parodiert (Petr. 1–6; 88; 119,1–55). Für eine literarische Analyse von Columellas Vorworten siehe ANDRÉ 1989, SCIVOLETTO 1992, DIEDERICH 2007: 213–215 und FÖGEN 2009: 158–165; 2016: 325–328. 65 ANDRÉ 1989: 262. 66 KISSEL 1999: 495 zieht in Erwägung, dass der verleumdete Landmann „solide wirtschaftet“, also keinen echten Anlass zum Vorwurf des Geizes bieten muss. Freilich äußert sich Persius nicht dazu, inwiefern der Vorwurf gegen den Landmann der Wirklichkeit entspricht. Er tadelt lediglich die Motivation des Kritikasters. Dem Leser der Satire steht es letztlich frei, zu entscheiden, ob er sich einen Landmann vorstellen möchte, der die üble Nachrede verdient, oder nicht.
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vgl. 5,5,1). Doch werden ergastuli als Feldarbeitskräfte in Columellas Traktat berücksichtigt (1,8,16; 11,1,22) – ganz im Gegensatz zur Auffassung des Älteren und Jüngeren Plinius (nat. 18,36; epist. 3,19,7). Columella gibt sogar Anweisungen zum Bau ihrer Unterbringung (1,6,3).67 Der sich hieraus ergebende Widerspruch legt die Vermutung nahe, dass Columellas Beschreibung der Besitzungen von ‚Übermächtigen‘ nicht allzu ernst genommen werden darf.68 Letztlich geht es dem Agronomen darum, dass ein Gutsherr seine Sklavenschaft, deren maximale Größe unbestimmt bleibt, angemessen beaufsichtigt oder beaufsichtigen lässt.69 3.4 Vorschlag zur Deutung der moralisierenden Töne der Argumentation Aus dem Umstand, dass Textbausteine topisch sind, folgt freilich nicht zwangsläufig, dass es sich hierbei um Schmuckelemente handelt, die keine oder nur eine geringe inhaltliche Relevanz besitzen. Methodisch zweifelhaft ist es aber auch, aus einer besonders vehementen Rhetorik auf ein ideologisches Bekenntnis des Autors zu schließen.70 Gerade im vorliegenden Fall scheint es aufgrund der Menge an Widersprüchen zum Rest der Argumentation und des Gesamtwerkes tatsächlich unangebracht, die ethische Leitlinie von Colum. 1,3,8–13 als eine Agenda eigenen Rechts zu betrachten. Falls Columella beabsichtigt hat, seine Leser charakterlich zu bilden, reicht die in De re rustica vermittelte ‚Moral‘ nicht über die Landwirtschaft hinaus, sondern beschränkt sich auf Tugenden, die der Gewinnorientierung eines Gutsbesitzers verpflichtet sind. In jedem Fall soll das gesellschaftlich-moralische Narrativ, das Columellas Argumentation für eine vernünftige Bemessung des eigenen Grundstücks begleitet, trotz der Gefahr werkinterner Widersprüche „dem Untersuchungsgegenstand Ehre und Ansehen verschaffen“ (Rhet. Her. 2,28). 67 Vgl. MARTIN 1971: 348; DIEDERICH 2007: 387. Columellas generalisierende Kritik an der Landwirtschaft mithilfe von gefesselten Sklaven ist sicherlich in Zusammenhang mit den ersten Sätzen seines Werkes zu verstehen, in denen er über die Gewohnheit von Gutsbesitzern klagt, die Landwirtschaft gänzlich ihrer Sklavenschaft zu überlassen (1.pr.3; 1.pr.12; vgl. 1,1,20; 1,8,12f.; 3,10,6f.; 3,20,6; 12.pr.9f.; Plin. nat. 18,21). 68 Methodisch heikel daher MARTINs (1971: 347f.) Umgang mit der topischen Beschreibung als „perfekte Definition der Latifundienwirtschaft“ (vgl. COSSARINI 1982: 257). Ebenso unhaltbar MARTINs (1971: 347–350) Versuch, aus Columellas topischer Beschreibung eine absolute Begrenzung von Landgütern zu ermitteln; siehe dagegen überzeugend COSSARINI 1978: 42f. Anm. 37, NOÈ 2002: 74 und RODGERS 2010 ad loc. MARTINs Berechnungen sind höchst spekulativ, dem rhetorischen Charakter der Passage nicht angemessen und stehen Columellas relativer Definition von modus diametral gegenüber. 69 So soll Domitia Lepida dafür belangt worden sein, dass sie ihre „Sklavenheere“ zu wenig zusammengehalten habe (Tac. ann. 12,65,1). Zur Beaufsichtigung der Sklaven bei Columella siehe NOÈ 2002: 118–133, DIEDERICH 2007: 64–66 und FÖGEN 2009: 189–191. Auf die Frage, inwiefern römische Landwirte mit Sklaven als Ressource ‚nachhaltig‘ umgingen, kann im Rahmen des vorliegenden Beitrags nicht näher eingegangen werden. Als aussagekräftig in dieser Frage erscheinen mir Varro rust. 1,17,2 und Colum. 1,7,4 (vgl. DIEDERICH 2007: 388). 70 COSSARINI 1978: 44: „La condanna ... tanto dura da sembrare retorica“; DIEDERICH 2007: 394: „Dabei verrät schon sein ungewöhnlich aggressiver Ton ... eine gewachsene Statusunsicherheit.“
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Columella suggeriert, dass seine Lehre mit weiteren Aspekten des menschlichen Lebens vereinbar ist, die vielen seiner intendierten Leser auf den ersten Blick als bedeutsamer erscheinen könnten. Statt die rhetorische Strategie in Colum. 1,3,8–13 auf eine außerökonomische Agenda zurückführen zu wollen, schlage ich vor, dass sich ihre Vehemenz und ihr Umfang über die Tragweite und den kontroversen Charakter der hier beworbenen Vorschrift erklären. Columellas Ermahnung zum Maßhalten beschränkt sich nämlich nicht auf die Situation des Landkaufs; für sich genommen dürfte dieser Punkt recht banal erscheinen. Vielmehr blickt die Passage auf den gesamten zukünftigen Zeitraum der Bewirtschaftung des erworbenen Ackers voraus und damit auch auf den Fachinhalt aller kommenden Bücher von De re rustica.71 Der Autor erkennt die Frage der Grundstücksgröße als eine prinzipielle Frage der Landnutzung. So deutet er in seiner elegant formulierten Begründung auf ein allgemeines wirtschaftliches Prinzip hin: Qualität gehe über Quantität, intensive über extensive Landwirtschaft.72 Der Vergleich mit dem Älteren Plinius (nat. 18,36–43) und weiteren Passagen in Columellas Werk zeigt, dass dieses Wirtschaftsmodell keinesfalls trivial war oder in einer unwidersprochenen Fachtradition stand.73 Anscheinend musste sich Columella in der Frage nach dem Umfang von Investitionen von Agronomen wie Cato, Tremelius Scrofa und Cornelius Celsus abgrenzen. Letztere achteten in der Darstellung Columellas eher auf eine Minimierung von Verlusten, während Columella selbst die Maximierung von Gewinnen zur Maßgabe seines Handelns macht.74 Der programmatische Charakter von Colum. 1,3,8–13 zeigt sich bereits in den einleitenden Worten: „Zu den übrigen Vorschriften fügen wir jene hinzu.“75 Von der vorangegangen Vorschriftenreihe (1,3,1–7), die sich explizit am Älteren Cato orientiert, setzt Columella die folgende deutlich ab und markiert sie als die eigene. Vor diesem Hintergrund, gleichsam einem Streit zwischen zwei Schulen, wäre die rhetorische Elaboration der betrachteten Argumentation verständlich. Für Columella ist Rhetorik also didaktisches Mittel, was er zu Beginn der Argumentation auch signalisiert: „Diesen ... Lehrsatz sollen diejenigen, die einen Acker erwerben
71 Vgl. Colum. 4,3,3: nonnulli magna potius quam culta vineta possidere pulchrum esse dicunt; 7,3,9: vel exiguus numerus, cum pabulo satiatur, plus domino reddit quam maximus grex, si sensit paenuriam; siehe auch Nep. Att. 14,3. 72 Colum. 1,3,9: Nec dubium quin minus reddat laxus ager non recte cultus quam angustus eximie. Dieses Prinzip ist auch im ursprünglichen Kontext des Vergil-Zitats präsent (vgl. COSSARINI 1977: 235): Vergil beschreibt die Sorgfalt, die beim Weinanbau aufgebracht werden soll (georg. 2,397–419); diesem Gebot stellt er daraufhin die geringe cura gegenüber, die der Anbau von Olivenbäumen verlange (2.420). 73 Colum. 1.pr.1–3; 1,4,1–5; 2,1; 2,2,24f.; 3,3; 4,3; 6.pr.5; vgl. WHITE 1970: 402f.; MARTIN 1971: 375–385; COSSARINI 1978: 41–47; MARTIN 1985: 1971f.; LOMAS 1997; NOÈ 2002: 81–118; KESSLER/OTT 2017: 207f. 74 NOÈ 2002: 84. 75 Colum. 1,3,8: Nos ad cetera praecepta illud adicimus. Zu beachten ist, dass der Autor nicht nur auf ein Personalpronomen zurückgreift, sondern dieses auch prominent an den Satzanfang stellt.
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möchten, begreifen.“76 Die Argumentation und ihr gesellschaftlich-moralisches Narrativ erfüllen demnach die Aufgabe einer Verständnishilfe, einer äußerst kunstvollen Verständnishilfe.77 4. ZUM VERHÄLTNIS VON ‚NACHHALTIGKEIT‘ UND RHETORIK BEI COLUMELLA Im Folgenden sollen die Betrachtungen kurz zusammengefasst werden, um hieraus Schlüsse für das Verhältnis von Rhetorik und ‚Nachhaltigkeit‘ zu ziehen: Gezeigt wurde, dass sich Columellas Diskussion um das richtige Maß beim Kauf eines Ackers nach einem geläufigen Argumentationsschema, wie man es in römischen rhetorischen Handbüchern findet, in einen ökonomisch argumentierenden Argumentationskern und eine moralisch argumentierende Ausschmückung unterteilen lässt. Es wurde festgestellt, dass die Perspektive der Ausschmückung und einige ihrer Details sich rein logisch mit dem Argumentationskern nicht vereinbaren lassen; die gesellschaftlich-moralische Botschaft wird im Nachgang durch ein privatwirtschaftliches Kalkül annulliert, ein eventuell aus der Ausschmückung erwachsendes politisches Programm kommt nicht zur Geltung. Da die moralisierenden Töne der Ausschmückung also nicht als intendiertes Lehrziel von Columellas Traktat anzusehen sind, wurde dafür argumentiert, dass die rhetorische Vehemenz der Argumentation auf ihre paradigmatische Bedeutung für das in De re rustica propagierte Wirtschaftsmodell zurückzuführen ist. Dass moralischer Anspruch und privatwirtschaftliche Interessen auseinanderklaffen können, lässt sich nicht nur für die hier betrachtete Passage festhalten. Wie 76 Colum 1,3,8: id ... agrum paraturis dictum intellegatur. Für weiteren Nachdruck sorgt die alliterierte Einleitung der Sentenz (Colum. 1,3,8): in perpetuum posteritati pronuntiavit. 77 Colum. 1,3,8–13 thematisiert letztlich also die Form der Landnutzung und nicht den genauen Umfang der genutzten Landfläche. Diesem Darstellungsziel ist vermutlich das Fehlen des Begriffes (falls dieser von römischen Autoren einheitlich verstanden wurde; vgl. WHITE 1967: 73; WHITE 1970: 51f.; MARTIN 1971: 343–355; COSSARINI 1982; WEEBER 2012: 87–90) latifundium (wörtlich: ‚großes Landgut‘) geschuldet, der sich im moralisierenden Kontext derselben topischen Beschreibung bei Columellas Zeitgenossen findet (Val. Max. 4,4,7; Sen. epist. 88,10; 89,20; Petr. 77,1; Plin. nat. 18,35; vgl. COSSARINI 1982: 253 Anm. 3). Aus demselben Grund scheint es mir verfehlt anzunehmen, Columellas Ausführungen überstiegen eine theoretische Ebene in der Weise, dass sie sich gegen eine bestimmte Gruppe von Gutsbesitzern und einen bestimmten Umfang von Besitz richteten. In der vorliegenden Stelle dient praepotentes nicht vordergründig als Terminus für eine spezifische soziale Schicht (NOÈ 2002: 35 und 70f.; DIEDERICH 2007: 385; vgl. MRATSCHEK-HALFMANN 1993: 8); es handelt sich vor allem wohl um ein Wortspiel mit dem kurz zuvor verwendeten potiremur: Man sei also ‚übermächtig‘, wenn man mehr besitzt, als man ‚beherrschen‘ (i. S. v. ‚verwalten‘) kann (vgl. 1,3,11: possedisse; possidendi libidine; possidendo; 1,3,12: possident; 1,3,13: possis). Die tugendethische Bedeutung von praepotentes (vgl. WEEBER 2012: 87: „Gewaltmenschen“) wird durch den Einsatz desselben Topos auch beim Älteren Seneca (contr. 5,5) unterstrichen. Der Beschreibung der Besitzungen von Superreichen geht die Bemerkung voraus (contr. 5,5,1): „Es zeugt von Unbeherrschtheit, endlos zu begehren“ (Est hoc impotentiae, sine fine concupiscere); vgl. Cic. Tusc. 4,77.
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eingangs bemerkt, ist die Forschung auf ähnliche Widersprüche an mehreren Stellen von De re rustica aufmerksam geworden. Es handelt sich bei den Ergebnissen des vorliegenden Beitrags also um einen verallgemeinerbaren Befund. Die Columella-Forschung hat auf verschiedene Weise versucht, ihn zu erklären.78 Aus den unterschiedlichen Positionen lässt sich FÖGENs am besten mit den Analysenergebnissen dieses Beitrags vereinbaren. Er betrachtet „Columellas Berufung auf den mos maiorum“ als „traditionelle[s] Element ..., geradezu als eine Pflichtübung“ für einen römischen Agrarschrifsteller.79 Columellas Moralisieren gegen Maßlosigkeit lässt sich demnach in gewisser Hinsicht als Gattungskonvention oder pejorativ als ‚reine Rhetorik‘ beschreiben. In letzter Instanz sind die Vorschriften seiner Agronomie der Vermehrung privater Vermögen gewidmet. In diesem Rah-men wird die Tugend der Genügsamkeit deshalb so ausgiebig gewürdigt, da sie zu rentablem Verhalten führt.80 Ethische Ideen pragmatisch und ohne moralischen Anspruch zu gebrauchen, ist seit Platon ein üblicher Vorwurf, der in der Antike der Redekunst gemacht wurde. In seiner rhetorischen Theorie räumt auch Cicero die Möglichkeit ein, dass Redekunst ohne moralischen Anspruch betrieben wird, ohne freilich hierzu zu raten.81 Ein solcher Rhetorikbegriff wurde nicht zuletzt Cornelius Celsus vorgeworfen (Quint. 2,15,32), einem von Columella geschätzten Fachautor,82 dessen Enzyklopädie sowohl die Landwirtschaft als auch die Beredsamkeit behandelte (Quint. 12,11,24). Die Möglichkeit, dass moralisierende Töne nicht primär auf eine moralische Belehrung hinauslaufen, ist schließlich auch für Columellas landwirtschaftlichen Traktat zu konstatieren. Nicht steht Landwirtschaft hier im Dienste eines philosophischen Lebensmodells, sondern ganz im Gegenteil Philosophie im Dienste einer landwirtschaftlichen Unterweisung.83 Die angestellten Überlegungen zur Bedeutung von moralischen Ideen bei der Vermittlung agronomischen Wissens dürften einen Beitrag leisten zum Verständnis von Diskursen über Landnutzungssysteme und von nachhaltigem Denken avant la lettre. Im modernen Nachhaltigkeitsdiskurs wird die resiliente und effiziente 78 Vgl. oben Anm. 12. 79 FÖGEN 2009: 196. 80 Für ähnliche Urteile siehe REITZ 2013: 283 und KESSLER/OTT 2017: 212. Den Primat des Ökonomischen vor tierethischen, ästhetischen und emotionalen Motiven bestätigt FÖGEN 2016 anhand seiner Fallstudie zu den Büchern 6–9 von De re rustica, welche der Viehzucht gewidmet sind. 81 Cic. de orat. 3,55; vgl. Petr. 55,5; Quint. 9,1,8–13; 12.pr.4; MAY/WISSE 2001: 11f.; WISSE 2002: 389–393. 82 Colum. 1,1,14; 2,2,15; 3,17,4; 4,8,1; 9,2,1; 9,6,4; vgl. RICHTER 1983: 619–621; FÖGEN 2009: 178f. 83 Die entwickelten Überlegungen ziehen die Frage nach sich, ob von der Lehrperson in De re rustica oder gar vom Autor des Traktats mit Recht als Stoiker oder Vermittler einer dezidiert stoischen Physik und Ethik gesprochen werden kann. Diese häufig in der Forschung vertretene Ansicht (MARTIN 1971: 311–313; 1985: 1969f.; COSSARINI 1977: 234f.; RICHTER 1983: 599, 642, 646f. und 650; NOÈ 2002: 18–20; DIEDERICH 2007: 135, 232 und 236f.; SPANIER 2010: 218–260) ist vermutlich zu revidieren. Unumstritten bleibt aber, dass Columella umfassend mit philosophischem, insbesondere stoischem Gedankengut vertraut war.
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Nutzung von Naturkapital für gewöhnlich einer inter- und intragenerationellen Gerechtigkeitstheorie verpflichtet.84 Nach diesem Konzept ist nachhaltige Bodennutzung Frage einer Ethik, welche über die Ansprüche eines einzelnen Unternehmens hinausreicht; sie ist von einer dauerhaften Bodennutzung als Gebot der Klugheit zu unterscheiden.85 Folglich ist ein nachhaltig handelnder Landwirt sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst: Er versteht seinen Betrieb als Subsystem, das einer Volkswirtschaft untergeordnet ist, die wiederum in einem endlichen Ökosystem agiert; ein solches Systemdenken verlangt von einem Unternehmer, dem eigenen Zugriff auf Ressourcen unter Umständen nicht bloß verschiebbare, sondern absolute Grenzen zu setzen.86 Vom klugen zum gerechten Wirtschaften, von einer genuin ökonomischen zu einer holistischen Perspektive, vom Knappheits- zum Endlichkeitsdenken – all diese Sprünge nimmt Columellas Argumentation im Rahmen ihrer moralisierenden Ausschmückung vor. Rhetorischer Schmuck gerät damit in ein problematisches Verhältnis zum ethischen Fundament des modernen Nachhaltigkeitskonzepts: Der literarische Anspruch, von der Problematik einzelner Fälle auf allgemeine Fragen des gesellschaftlichen Lebens abzuheben, ermöglichte es einem römischen Landwirt, Landnutzung als Verteilungsfrage zu betrachten und die großflächige Akquise von Land aus ethischer Perspektive zu verurteilen. Die ‚Auffindung‘ (inventio) von Argumenten und ihre ‚Darstellung‘ (elocutio), zwei Produktionsschritte der Rhetorik, können somit als gedankliches Experimentierfeld für ‚nachhaltige‘ Ideen gelten. Gleichzeitig jedoch könnte Columellas Kombination von Genügsamkeitsdiskurs und der Argumentation für eine vernünftige Bemessung von Grundstücksgrößen den Eindruck erwecken, seine Agronomie sei tatsächlich darum bemüht und dazu geeignet gewesen, ihre Leser moralisch zu erziehen und gesellschaft-liche Fragen allein durch weitsichtiges Wirtschaften zu lösen, obgleich ja die aus der Argumentation abgeleitete Vorschrift auf der Ebene des einzelnen Betriebes verbleibt. Angenommen, heutige Landwirte griffen auf eine derartige Selbstdarstellung zurück: Man würde ihnen greenwashing vorwerfen können. Es bleibt freilich zweifelhaft, inwieweit Columellas intendierte Leserschaft die moralisierenden Töne ihres ‚Lehrers‘ ernst nehmen sollte oder wollte. Schließlich sind die von ihm genutzten Topoi altbekannt, ihre Neuanordnung in einem innovativen Narrativ scheint eher literarisch vergnügen als politisch begeistern zu wollen. Doch ob nun im Rahmen eines literarischen Wettstreits oder einer agronomischen Grundsatzdebatte, Columellas Bestreben um die Etikettierung seiner Vorschriften als maßvoll zeigt eine erstaunliche Ähnlichkeit zum Gebrauch des Wortes ‚Nachhaltigkeit‘ in vielen modernen Diskursen. Wie RADKAU beobachtet hat, handelt es sich bei Nachhaltigkeit um ein loses Ideal, das seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts bis heute dazu neigt, je nach Kontext immer wieder neu definiert zu
84 OTT/DÖRING 2008: 19–102; OTT 2016. 85 BARON/VOGET-KLESCHIN 2016: 265. 86 JESCHE 2016.
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werden:87 Aufgrund seiner Allgemeinheit und Vieldeutigkeit lasse sich das Wort unterschiedlich auslegen (ökonomisch, religiös, ökologisch oder sozial), so dass sich im Grunde jeder zur Nachhaltigkeit bekennen könne. Tatsächlich haben sich seit Prägung des Begriffes nur wenige gefunden, die öffentlich erklärt haben, sie möchten nicht nachhaltig leben. Genauso selten dürfte jemand verkünden, er wäre gerne ein schlechter Mensch. Gleiches gilt für die Forderung nach Mäßigung: Können wir ernsthaft davon ausgehen, dass es unter Columellas Leserschaft Gutsbesitzer gab, gegen die er hätte argumentieren können, die sich selbst in einem öffentlichen Kommunikationsraum „übermächtig“ nannten und explizit dazu rieten, man solle maßlos wirtschaften und leben?88 Im Grunde ist die Vorstellung vom richtigen Mittelmaß, die sich auch inhaltlich viel mit einer Idee von Nachhaltigkeit teilt, ebenso allgemein, ubiquitär und als Kriterium trivial wie das reine Wort ‚Nachhaltigkeit‘.89 Es gilt und galt für den Teilnehmer an einer Debatte um die Nutzung von Ressourcen, den entsprechenden „Kampfbegriff“90 nach den eigenen Interessen zu definieren und seinen Gegner vor diesem Richtstuhl scheitern zu lassen. So macht Columella sein Modell einer intensiven Landwirtschaft stellenweise zu einer moralischen Frage: Verfügt man über die Genügsamkeit, den eigenen Landbesitz auf ein entsprechendes Maß zu beschränken, sowie über die Charakterfestigkeit, diesen Besitz sorgfältig und ausdauernd zu bestellen? In diesem Spiel der Macht beziehungsweise der fachliterarischen Autorität ist nach Columella der Ältere Plinius als nächster an der Reihe. Er spricht sich für ein extensiveres Wirtschaftsmodell aus, aber nicht etwa deshalb, weil er meint, ihm fehlten die von Columella propagierten Tugenden. Was Columella als Geiz und Scheu vor Investitionen verdammte, lobt Plinius als Mäßigung:91
87 RADKAU 2008. 88 Es stimmt zwar, dass viele begüterte Personen gerade in der claudisch-neronischen Zeit es für gesellschaftlich nützlich hielten, das Private und den eigenen Reichtum halböffentlich zu demonstrieren (NOÉ 2001: 326f.; KRASSER 2011: 152–166), und dass sich die Topoi, die Columella zur Verurteilung maßloser Besitztümer verwendet, ebenso in der Kritik an Neros Domus Aurea wiederfinden (Mart. spec. 2,1–10, Suet. Nero 31,1–3; 39). Jedoch ließ sich, wie CORDES 2017: 59–101 zeigt, selbst die Kolossalität kaiserlicher Besitzungen und Bauten rechtfertigen, indem man deren Ausmaße als angemessen für die Göttlichkeit des Herrschers bewertete. Auch von ‚entgrenzter‘ Macht wird Mäßigung durch Vernunft erwartet (Sen. clem. 1,11,1f.; CORDES 2017: 205–252). 89 RADKAU 2008: 132: „Viele Konzepte existieren bereits, bevor es einen Begriff dafür gibt. In der Tat, in einem gewissen Sinne ist die Forderung nach Nachhaltigkeit eine Trivialität. Natürlich wußte jeder Bauer, daß er hungern muß, wenn er nicht dafür sorgt, daß sich die Fruchtbarkeit seines Bodens erneuert, und jeder Besitzer eines Obstgartens, daß er einen neuen Baum pflanzen muß, wenn der alte Obstbaum keinen Ertrag mehr bringt. So gesehen ist Nachhaltigkeit als Kriterium eine Banalität.“ 90 RADKAU 2008. 91 Plin. nat. 18,37f.: Immo, Hercules, modum iudicem rerum omnium utilissimum. Bene colere necessarium est, optime damnosum. Für die Mäßigung beim Kauf des Ackers wirbt der Ältere Plinius natürlich auch (nat. 18.35). Über die „Nachbarschaft“ von Tugenden und Lastern siehe Aristot. rhet. 1,9,28f.; Rhet. Her. 3,6; Hor. ars 24–31; Sen. epist. 120,8f.; Quint. 2,12,4; 3,7,25; 8,3,7; 9,3,65; vgl. LAUSBERG 31990 § 749.
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Lars Mielke „Nein, beim Herkules, ich meine, dass das Maß der nützlichste Richter über alle Angelegenheit ist. Gut zu bebauen ist notwendig, sehr gut schädlich.“
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NACHHALTIGKEITSDENKEN IN DER ROMANTIK UND IN DER ANTIKE Jens Soentgen Zusammenfassung: Obwohl der Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ noch nicht sehr alt ist, reicht das Konzept etwas zu gebrauchen, ohne es aufzubrauchen, bis in die Antike zurück. Dieser Beitrag verfolgt die Geschichte des Nachhaltigkeitsdenkens im römischen Recht und im politischen Denken der Romantik. Er zeigt, dass Nachhaltigkeit eng mit dem Konzept des ususfructus (Nießbrauch) im römischen Recht verwandt ist. Die Tradition des ususfructus wurde vom Mittelalter ausgehend auf die Frühe Neuzeit und die Moderne übertragen. Im Zeitalter der Aufklärung und der Romantik wurde es explizit als grundlegendes Prinzip der menschlichen Interaktion mit der externen, nicht-sozialen Welt aufgefasst. Obgleich die gesamte Geschichte des ususfructus-Denkens nicht in diesem Beitrag nachvollzogen werden kann, wird ein Blick auf das Werk des Romantikers Adam Müller die Kontinuität dieses Denkens aufzeigen. Müller fügte dem Konzept einige bedeutende Merkmale hinzu und machte es zu einem zentralen Bestandteil seiner Staatsphilosophie. Abstract: Although the word sustainability (or German: Nachhaltigkeit) has a rather short history, the concept itself – to use something without using it up – is of ancient origin. This paper traces the history of sustainability-thinking in Roman law and in Romantic political thought. It will be shown that sustainability is closely related to the concept of ususfructus in Roman law. This concept of ususfructus was then handed down from the Middle-Ages to the Early Modern and Modern Period. It has been explicitly mentioned as a basic principle of human interaction with the external, non-social world in the period of Enlightenment as well as in Early Romantic thought. Although the whole history of ususfructus thinking cannot be dealt with in this short contribution, a short glance at the work of the Romantic thinker Adam Müller will exemplify its continuity. Müller added some very interesting features to the concept and gave it a central position in his philosophy of the state.
1. ZUR EINFÜHRUNG Häufig wird Nachhaltigkeit als sogenanntes Drei-Säulen-Modell definiert, das gleichberechtigt die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales umfasst. Doch das schöne Bild von den drei Säulen suggeriert eine trügerische Stimmigkeit. Denn was soll mit der ‚Säule‘ Ökonomie gemeint sein? Die Ökonomie als soziales System? Oder eine bestimmte Handlungsmaxime, etwa die Profitorientierung? Das Bild mag eine erste Idee davon geben, worum es bei Nachhaltigkeit geht, wenn man sich jedoch näher damit beschäftigt, zeigt sich, dass es relativ wenig handlungsleitende Relevanz hat. Es ist eine Nachhaltigkeit, der der kriti-
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sche Zahn gezogen worden ist, eine aufgeweichte Nachhaltigkeit, die der gegenwärtigen Praxis sicher nicht gefährlich wird. Denn was auch immer ein Unternehmer z. B. entscheidet, immer wird sich das Modell zur Rechtfertigung heranziehen lassen. Noch rätselhafter als in diesem Modell bleibt, was sich die Vereinten Nationen unter Nachhaltigkeit vorstellen. Bei der UN-Generalversammlung 2015 haben sich 193 Staaten auf 17 Ziele geeinigt, die 169 Unterziele beinhalten. Sie heißen „Nachhaltige Entwicklungsziele“ oder „Sustainable Development Goals“.1 Alle diese Ziele sind in jeder Hinsicht unterstützungswürdig und dringend. Es soll Armut bekämpft, Gleichheit von Mann und Frau gefördert, Korruption bekämpft, aber auch die industrielle Produktion angekurbelt werden. Niemand kann diesen Zielen ernsthaft seine Unterstützung versagen, doch wenn durch diese Ziele Nachhaltigkeit definiert werden soll, dann wird Nachhaltigkeit so weit ausgedehnt, dass sie alles Wünschenswerte umfasst. Diese Aufweitung des Nachhaltigkeitsbegriffs kann nur zu seiner Inflation, das heißt zu seiner völligen Entwertung führen. Denn wenn Nachhaltigkeit nahezu alles Erstrebenswerte umfasst, dann kann der Begriff eingespart werden. Normative Konzepte müssen klar begrenzt sein, wenn sie praktisch wirksam werden sollen; ansonsten taugen sie nur für Rhetorik. Ich möchte daher eine eingeschränktere Begriffsverwendung empfehlen, sozusagen für eine Deflation eintreten. Zunächst möchte ich versuchen, ein Vorverständnis des Begriffs zu geben, das mit Beispielen illustriert wird. Anschließen möchte ich einige geschichtliche Betrachtungen anstellen. Diese widmen sich zunächst dem deutschen Nachhaltigkeitsmythos, anschließend gehe ich auf das Nachhaltigkeitsdenken in der Romantik und in der Antike ein. Die Überlegungen sind nicht nur in antiquarischer Absicht formuliert, vielmehr glaube ich, dass wir dabei Gedanken und Konzepten begegnen, die für eine Weiterentwicklung des Nachhaltigkeitsdenkens von Bedeutung sind.2 2. NACHHALTIGKEIT: EINE DEUTSCHE ERFINDUNG? Wir alle haben ein intuitives Verständnis für den Begriff, das sich besonders bewährt, wenn wir nicht-nachhaltiges Verhalten, Raubbau etwa, beurteilen. Nachhaltigkeit ist nicht einfach etwas, das irgendwo vorliegt, sondern etwas, das wir wollen. Sie ist ein Ziel. Oder sagen wir genauer: Sie ist ein umweltpolitisches Ideal. Es geht in erster Linie um Natur und Umwelt bei der Nachhaltigkeit. Anders als etwa bei Solidarität geht es nicht darum, wie wir andere behandeln sollen. Es geht nicht in erster Linie um Menschen, sondern um Sachen. Wir können zum Beispiel einen Wald oder das Grundwasser oder auch einen Fluss nachhaltig bewirtschaften. Dann wahren wir seine Substanz. Nachhaltigkeit ist nicht das einzige umweltpolitische Ideal. Es gibt auch andere, z. B. saubere Luft. Obwohl es bei 1 2
Abkürzung wie folgt: SDGs. Dazu auch, mit einigen Erweiterungen, SOENTGEN 2016.
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der Nachhaltigkeit um den Umgang mit Natur oder Sachen geht, steckt mehr dahinter. Denn indem ich Sachen nachhaltig behandele, behandele ich auch andere. Diejenigen nämlich, die sich später einmal an denselben Sachen erfreuen möchten. Nachhaltigkeit hängt also mit Solidarität zusammen. Worum geht es bei der Nachhaltigkeit? Man will etwas so tun, dass dabei etwas bewahrt bleibt. Und das tut man, damit andere auch noch etwas davon haben. Die wenigen begriffsgeschichtlichen Untersuchungen, die dem Konzept der Nachhaltigkeit bislang zuteilwurden, setzten nahezu ausschließlich in der Neuzeit ein, waren oft auf bestimmte geographische Regionen, meist den deutschsprachigen Raum beschränkt, zudem wurde behauptet, Nachhaltigkeitsdenken sei vornehmlich im Bereich der Forstwirtschaft zu finden. In manchen öffentlichen Verlautbarungen wird der Begriff der Nachhaltigkeit aufgrund solcher Studien gar für Deutschland reklamiert, als sei es dem Montanbeamten und Forstwirt HANS CARL VON CARLOWITZ (1645–1714) zu verdanken, dass heute weltweit von Nachhaltigkeit gesprochen wird. VON CARLOWITZ’ oft zitierte Formulierung3 lautet: Wird derhalben die größte Kunst/Wissenschaft/Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen/wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen/daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe/weiln es eine unentberliche Sache ist/ohne welche das Land in seinem Esse nicht bleiben mag.4
VON CARLOWITZ hat mit diesem schwierigen Satz, bei dem man nicht einmal so richtig weiß, wo er anfängt, eine Norm zunächst für forstliches Handeln formuliert, die, oft in Umformulierungen und Aufweitungen, seit den 1990er Jahren auch für Umwelt-Handeln allgemein maßgebend sein soll. So findet sich im berühmten Brundtland-Bericht, der 1987 von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen veröffentlicht wurde, die Formulierung: „Humanity has the ability to make development sustainable – to ensure, that it meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“5 Diese Formulierung ist nicht identisch mit der des VON CARLOWITZ, ist auch historisch nicht von dem barocken Autor inspiriert,6 lässt sich aber mit VON CARLOWITZ sinnvoll in Beziehung setzen. Aus dem Kontext wird deutlich, dass es VON CARLOWITZ vor allem darum ging, den dauerhaften Holznachschub aus den Wäldern zu sichern, um so den Bergbau dauerhaft erhalten zu können. Auch Torf und Steinkohlenutzung empfiehlt er übrigens zur Entlastung der Wälder. Das Gebot, Bäume zu pflanzen, leitet er aus der Bibel ab. Ich verstehe ihn so: Durch Erhaltung und Pflanzen von Wald muss gewährleistet werden, dass eine kontinuierliche, dauerhafte und nachhaltende Holznutzung möglich ist. Nur so kann das Land in seiner Substanz erhalten bleiben. Hierauf ist die größte Anstrengung der Fachleute, der Wissenschaftler und Behörden zu richten, weil es sich um eine sehr wichtige Sache handelt.
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Welche GROBER (2010: 115) als Frage interpretiert. VON CARLOWITZ 1713: 105f. World Commission on Environment and Development 1987: 8 (ein Bezug auf Quellen fehlt). GOTTSCHLICH/FRIEDRICH 2014: 25.
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VON CARLOWITZ verwendet nur die Verlaufsform „nachhaltend“. Das davon abgeleitete Substantiv „Nachhaltigkeit“ findet sich bei ihm nicht. Doch es ist eben auch die Verlaufsform, auf die es ankommt: Nachhaltigkeit bezieht sich auf Prozesse. Das bei VON CARLOWITZ zu findende Konzept wird später oft so paraphrasiert, dass nur in dem Maße Holz entnommen werden soll, wie auch aktiv nachgepflanzt wird beziehungsweise nachwächst. Über das statische Erhalten geht VON CARLOWITZ, dessen Werk der ökonomischen Aufklärung zugerechnet werden kann, hinaus, indem Nutzung und ein aktives, planendes Sorgen für künftige Bedarfe zusammengedacht werden. Vom bloßen Vorhalten, dem Anlegen eines Vorrates also, unterscheidet sich sein Nachhalten dadurch, dass Entnehmen und Nachpflanzen zusammengedacht werden. VON CARLOWITZ zieht in Betracht, dass das „Esse“ eines Landes durch Holzpflanzung auch gehoben werden könne.7 Auch im aktuellen Waldgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird an prominenter Stelle8 die nachhaltige und ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Waldes gefordert. Oft wird in der deutschen Diskussion um Nachhaltigkeit als erwiesen betrachtet, dass VON CARLOWITZ den modernen Nachhaltigkeitsbegriff erfunden oder jedenfalls erstmals schriftlich dargelegt hat.9 Ausgangspunkt der Zuschreibung scheint die Dissertation von ZÜRCHER zu sein, der selbst noch äußerst zurückhaltend formuliert.10 Insbesondere von vielen deutschen Historikern und Forstwissenschaftlern wird VON CARLOWITZ seither als Erfinder der Nachhaltigkeit gepriesen. Die Bundesregierung feierte 2013 „300 Jahre Nachhaltigkeit ‚made in Germany‘“. Doch die Erfindung der Nachhaltigkeit durch VON CARLOWITZ ist selbst eine Erfindung. VON CARLOWITZ sah sich nicht als radikalen Neuerer, sondern als Fortsetzer vergessener Traditionen. So widmet er ein ganzes Kapitel dem Nachweis, dass die von ihm empfohlene „Sylvicultur“, der menschgemachte Ersatz für geschlagenes Holz, keine neue, sondern eine uralte Einrichtung sei.11 Dabei bezieht er sich u.a. ausdrücklich auf die Forstordnungen COLBERTS.12 Auch Historikern der Forstwissenschaft im 19. und 20. Jahrhundert ist die angebliche Leistung einer innovativen „Wortschöpfung“ durch VON CARLOWITZ13 unbekannt, vielmehr loben sie zwar die klassische Bildung des Mannes, bemängeln aber seine fehlende Vertrautheit unter anderem mit der vorhandenen Fachliteratur.14 Es wäre seltsam, wenn eine sich bei jeder forstwirtschaftlichen und erst recht auch landwirtschaftlichen Nutzung aufdrängende Norm erst einem sächsischen Forstmann Anfang des 18. Jahrhunderts in den Sinn gekommen wäre, und auch 7 8 9 10 11 12 13 14
VON CARLOWITZ 2000: 106–111. BUNDESWALDGESETZ §11,1. So GROBER 2000, ähnlich GROBER 2010: 116, zurückhaltender VOGT 2009: 114–117, kritisch GOTTSCHLICH/FRIEDRICH 2014. Vgl. ZÜRCHER 1965, vgl. verstärkend PETERS 1984: 1. VON CARLOWITZ 2000: 126. VON CARLOWITZ 2000: 122f. GROBER 2010: 105. FRAAS 1865: 514.
Nachhaltigkeitsdenken in der Romantik und in der Antike
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der Text lässt nicht erkennen, dass VON CARLOWITZ irgendeinen Originalitätsanspruch erheben wollte, zumal er das berühmte Wort, von einer Ausnahme abgesehen, später in seinem Buch nicht mehr verwendet. Auch die Beiläufigkeit seiner Formulierung spricht dafür, dass er eine allseits bekannte Selbstverständlichkeit zu Papier brachte. Zu Recht verweisen französische Forstleute, wenn von Nachhaltigkeit (‚soutenabilité‘ oder auch ‚durabilité‘) gesprochen wird, nicht auf VON CARLOWITZ, sondern auf die Ordonnanz des französischen Königs Philippe VI., der am 29. Mai 1346 seinen zehn Forst- und Wassermeistern folgendes befahl: Les Mestres des Forez dessusdiz, selon ce qu’il sont ordenez, enquerront & visiteront toutes les Forez & Bois qui y sont, & seront (sic!; zu lesen wäre feront) les ventes, qui y sont à faire, eû regart à ce que lesdittes Forez & Bois se puissent perpetuellement soustenir en bon estat. 15
Wenn wir historisch ansetzen, um Nachhaltigkeit zu verstehen, sollten wir uns andere Adressen geben lassen. Methodisch scheint es wichtig, sich nicht an die Wortgestalt ‚Nachhaltigkeit‘ zu klammern, sondern auf den Begriff zu achten, den gedanklichen Gehalt, und diesen zum Ausgangspunkt historischer Studien zu machen. Daher spreche ich auch in der Überschrift vom Nachhaltigkeitsdenken – so möchte ich anzeigen, dass es mir um die Geschichte von Ideen geht, die heute unter dem Titel ‚Nachhaltigkeit‘ diskutiert werden, früher aber möglicherweise andere Bezeichnungen trugen. Solche historischen Untersuchungen können auch für die Gegenwart fruchtbar sein, nicht in erster Linie als Legitimationsgeschichten oder gar regionale oder nationale Mythen, die der Selbstaufwertung dienen, indem sie nachzuweisen scheinen, dass in dieser oder jener Gegend zu allererst das Wort ‚nachhaltig‘ (oder ‚soutenabilité‘ beziehungsweise ‚durabilité‘) ausgesprochen wurde, sondern um den Begriff zu klären und auch weiter zu entwickeln. Dabei ist gerade auch die Antike von Interesse, wie ich im Folgenden zu zeigen versuche. Zuvor jedoch gehe ich auf das Nachhaltigkeitsdenken in der Romantik, speziell bei ADAM MÜLLER, ein, nicht nur, weil seine Überlegungen in sich selbst spannend sind, sondern vor allem auch, weil er sich direkt, wenn auch meiner Meinung nach nicht ganz treffend, auf die römische Antike bezieht.
15 LAURIERE 1729: 246: „Die obengenannten Forstmeister, gemäß dem, was ihnen befohlen ist, untersuchen und besuchen die Forste und Wälder, und nehmen die Verkäufe vor, die anstehen, und tragen [dabei] Verantwortung, dass die genannten Forste und Wälder sich immerwährend in gutem Zustand erhalten können“.
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3. NACHHALTIGKEITSDENKEN IN DER ROMANTIK: DAS BEISPIEL ADAM MÜLLER Es ist nicht weiter verwunderlich, dass sich gerade im Bereich des romantischen Denkens vielfach Formulierungen finden, die das kritische Potential des aktuellen Nachhaltigkeitskonzeptes klar vorwegnehmen, war doch die Romantik eine Bewegung, die die Einseitigkeit der Moderne kritisierte,16 und welche die spätere Umweltbewegung zweifellos intensiv beeinflusst hat und weiter beeinflusst. Ideen, die in unmittelbarem Bezug zum modernen Nachhaltigkeitsdenken stehen, werden innerhalb der romantischen Bewegung am klarsten bei ADAM MÜLLER (1779–1829) konzipiert.17 MÜLLER war Philosoph, Ökonom und Staatstheoretiker. Zudem wirkte er als Diplomat und als Publizist. In Dresden und Wien gehörte er den dortigen Romantikerkreisen an. Er gilt als Hauptvertreter der politischen Romantik. Politisch engagierte er sich für eine Erneuerung des Feudalismus und bekämpfte sowohl die Grundsätze der Französischen Revolution wie auch den wirtschaftspolitischen Liberalismus, der ihm besonders im Werk von ADAM SMITH gegenwärtig war, das er zugleich schätzte und schmähte. Sein Eintreten für eine rückwärtsgewandte Gesellschaftsordnung macht es nicht sonderlich attraktiv, sich auf ihn zu beziehen. Und doch lohnt sein Hauptwerk, die Elemente der Staatskunst, auch heute noch die Lektüre, weil MÜLLER darin eben nicht nur dumpf die alte Herrschaftsordnung verteidigt, sondern vielmehr zahlreiche innovative Gedanken formuliert. Oft gilt seine Kritik den liberalen Staats- und Wirtschaftslehren der Aufklärung. Er entwirft kritische Gegenmodelle, die Substanz haben, und die ein helles Licht auf die Verkürzungen der aufgeklärten Staats- und Wirtschaftsphilosophie werfen. So betont er gegen die Staatslehren der Aufklärung, dass der Staat nicht nur das gegenwärtige Staatsvolk umfasse, sondern auch die noch Ungeborenen, zudem auch die bereits Verstorbenen. Darüber hinaus ist er ein früher Kritiker des Privateigentums. Anders als sozialistische oder marxistische Denker betont er aber nicht die Ungerechtigkeit, die durch das Privateigentum in die Welt kommt und sich perpetuiert. Es geht ihm weniger um die Verteilung und Verteilungsfragen. Vielmehr geht es ihm um die Nutzung des Eigentums, und hier entwickelt er Kritikfiguren, die auch im Kontext des Nachhaltigkeitsbegriffs an zentraler Stelle auftauchen. Aber ein Hinweis auf MÜLLER hat nicht nur den Sinn, zu zeigen, dass wichtige Überlegungen des modernen Nachhaltigkeitsdiskurses schon im 19. Jahrhundert präsent waren. Vielmehr geht es mir darum, durch den fremden Kontext, in dem vertraute Gedanken auftauchen, Denkanstöße zu gewinnen, die uns helfen, den Nachhaltigkeitsbegriff weiterzuentwickeln. Weil sich MÜLLER selbst auch auf das römische Recht bezieht, bietet er zudem einen guten Übergang zu einer weiteren Vertiefung. Wie gesagt, der Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ selbst taucht bei MÜLLER nicht auf. Es ist aber unverkennbar, dass es ihm um Ideen und Themen geht, die heute unter diesem Titel diskutiert werden. 16 SIEFERLE 1984: 42–56. 17 Was SIEFERLE 1984: 48–56 übersieht.
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Anders als etwa Solidarität hat Nachhaltigkeit auf den ersten Blick nichts mit dem Verhältnis der Menschen untereinander zu tun. Vielmehr geht es zunächst und zumeist um das Verhältnis der Menschen zu den ‚Sachen‘. Nachhaltigkeit hat ganz allgemein etwas damit zu tun, dass ein Mensch oder Menschen Sachen behandeln, und zwar so, dass sie einerseits einen Nutzen davon haben, andererseits aber dieser Nutzen nicht einmalig, sondern wiederholbar ist. Und an dieser Stelle setzt nun MÜLLER ein. Ihm geht es um das wechselseitige Verhältnis zwischen Menschen und Dingen. Er schreibt in seinen Elementen der Staatskunst: Je mehr wirkliche Merkmale des Lebens die Sachen an sich tragen, umso wichtiger sind sie für die bürgerliche Gesellschaft. Eins der ersten unter diesen Merkmalen ist die Produktivität. Ein fruchtbarer Acker ist unter allen Gegenständen des Eigentums einer der bedeutendsten, weil seine Produktivität unter leichter menschlicher Beihilfe mit der menschlichen Produktivität Schritt hält … Jedes einzelne Besitzstück des Lebens läßt sich als ein solches Kapital betrachten und der für den Menschen aus solchem Besitzstück im Gebrauch erwachsene Nutzen als die Zinsen dieses Kapitals. Dieser lebendige, Zinsen erzeugende Umgang des Menschen mit den Sachen oder mit den Kapitalien ist das wahre Verhältnis des Menschen zu den Sachen; und so erscheint das Eigentum, wenn es in der Bewegung betrachtet wird.18
Hier wird deutlich gemacht, dass Dinge nicht für den einseitigen Verbrauch bestimmt, sondern im Gegenteil langfristig zu nutzen sind, und zwar so, dass nicht nur eine einmalige, sondern eine immer wiederholte Nutzung möglich ist. Und hier zeigt sich, dass Nachhaltigkeit eben doch eine soziale Norm ist, weil man die Sachen erhalten möchte, damit auch andere sie nutzen können. Das betont implizit auch MÜLLER immer wieder. Er bietet für eine solche Nutzung auch eine schlüssige Analogie an: So nun entsteht, wenn man die wahre Natur des Eigentums betrachtet, ein durchaus persönliches Verhältnis zwischen dem Grundbesitzer und seinem Grundstück, zwischen dem Kapitalisten und seinem Kapital, zwischen dem Eigentümer und seinem Eigentum. Jedes Eigentum wächst und entwickelt sich unter unsern Augen wie ein lebendiger Mensch; es ist keineswegs unsrer unbedingten und unbeschränkten Willkür unterworfen, es hat seine eigene Natur, seine Freiheit, sein Recht – welches wir respektieren müssen …19
Es ist interessant, dass MÜLLER das Beispiel des Kapitalisten wählt, der sein Kapital erhalten will, wenn nicht gar mehren. Sein wichtigstes Modell für die von ihm für richtig gehaltene Beziehung zwischen Mensch und Sache ist aber das (adelige) Familiengut. Über dieses schreibt er: Die Unveräußerlichkeit aller Familiengüter – ein Gesetz, worüber heutzutage jeder Modejünger der Nationalökonomie spottet … – ist ein herrliches Muster, wonach alles Eigentum im Staate sich richten und formen sollte: – während wir im Wahn eines allgemeinen, unbeschränkten Besitzes aller auf der Erde vorhandenen, sogenannten toten Sachen, worin unser so bestimmtes und absolutes Privatrecht uns noch bestärkt, nie einsehen wollen, daß alles das, dessen Eigentümer wir uns nennen, ebenso wohl und noch viel mehr jener unsterblichen Familie gehört, deren vergängliche Glieder wir sind.20
18 MÜLLER 1936: 100f. 19 MÜLLER 1936: 100f. 20 MÜLLER 1936: 102.
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Diese Bemerkung ist zweifellos auf dem Hintergrund der im Gefolge der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege in ganz Europa virulenten Diskussion über die Aufhebung der Familiengüter zu lesen.21 Sie bezieht sich aber nicht nur auf diese aktuelle Debatte, sondern geht weiter, wird doch das Familiengut explizit als Muster für jegliches Eigentum im Staate benannt. Auch das Motiv der generationenübergreifenden und auch raumübergreifenden Solidarität findet sich bei MÜLLER schon: „Der Staat ist nicht bloß die Verbindung vieler nebeneinander lebender, sondern auch vieler aufeinanderfolgender Familien; sie soll nicht nur unendlich groß und innig im Raum sein, sondern auch unsterblich in der Zeit.“22 Ausdrücklich verweist MÜLLER auf das Innovative dieser Kennzeichnung, indem er schreibt: „Die Lehre von der Verbindung aufeinanderfolgender Generationen ist ein leeres Blatt in allen unsern Staatstheorien; und darin liegt ihr großes Gebrechen, darin liegt es, daß sie ihre Staaten wie für einen Moment zu erbauen scheinen.“23 Zwar nutzt MÜLLER dieses Argument für die Verteidigung der Adelsvorrechte – gegen die Französische Revolution –, jedoch ist es unabhängig davon lesbar. Und MÜLLER geht über moderne Lehren von der Verantwortung für nachgeborene Generationen sogar hinaus, indem er auch „Ehrfurcht“ vor den Vorfahren und ihren Werken fordert, wofür er sich auf das Mittelalter beruft: Diese Barbaren des Mittelalters fühlten sehr wohl, daß die Verpflichtung des Bürgers eine doppelte und gleich ehrwürdige sei; während wir unsre Sozialkontrakte bloß von den Zeitgenossen schließen lassen, die Sozialkontrakte zwischen den vorangegangenen und nachfolgenden Geschlechtern hingegen nicht begreifen, nicht anerkennen, wohl gar zerreißen. 24
Man darf übrigens MÜLLER nicht unbesehen als grünen Apostel ausgeben, sein Werk ist komplex und enthält auch Abschnitte, die sich zumindest auf den ersten Blick als anti-ökologisch interpretieren ließen.25 Als echter Romantiker bezieht sich MÜLLER auf das Mittelalter und behauptet, seine Vorstellung von Eigentum sei nach dem Muster des seiner Ansicht nach weiblichen Lehnseigentum gebildet.26 Seine Betonung der „weiblichen“ Natur jener seiner Ansicht nach richtigen Umgangsform mit Sachen beruht auf seiner Einschätzung, dass „der Einfluss der Frau“, wie er schreibt, „auf die Dauer berechnet ist, wie das ganze weibliche Geschlecht ja auch um der Fortdauer willen existiert.“27 Der Mann hingegen und
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Hierzu umfassend ECKERT 1992. MÜLLER 1936: 40. MÜLLER 1936: 40. MÜLLER 1936: 41. Vgl. etwa MÜLLER 1936: 40, der „den Staat oder die Gesellschaft“ bestimmt als „Eine Allianz der dieselbe Zeit genießenden Menschen auf der Erde. Alle Zeitgenossen sollen sich gegen ihren gemeinschaftlichen Feind, die Erde verbinden, um ihrer einen furchtbaren Eigenschaft, der Einheit ihrer Kräfte, zu begegnen.“ Zu beachten ist hier aber, dass bei MÜLLER Feindschaft und Krieg durchaus positive, produktive Verhältnisse, ohne die Entwicklung nicht möglich ist, bezeichnen. 26 MÜLLER 1936: 105. 27 MÜLLER 1936: 67.
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seine Kraft wirken eher im Augenblick.28 Kritisch wendet er sich dann gegen das römische Recht, das einen Eigentumsbegriff propagiert habe, der die unbeschränkte Herrschaft über eine Sache beinhalte.29 Dies ist jedoch, wie eine nähere Nachprüfung ergibt, reine Polemik. Tatsächlich hätte MÜLLER gerade im alten Römischen Recht wesentliche Stützen für seine Lehre finden können. Denn sehr frühzeitig hat das Römische Recht eine Form der Sachbeziehung definiert und normiert, die dem, was wir heute Nachhaltigkeit nennen, und auch dem, was sich Müller unter einer tragfähigen Beziehung zu Sachen vorstellte, sehr nahekommt; es ist das Konzept des usus fructus beziehungsweise des Nießbrauchs. 4. NIESSBRAUCH UND NACHHALTIGKEIT Der locus classicus der Definition von usus fructus sind die sogenannten Institutionen des Kaisers Justinian (ca. 482–565). Die Institutionen sind ein Gesetzeswerk, das zugleich eine systematische Einführung in das damalige römische Recht darstellt und zahlreiche Normen und Definitionen enthält. Auch der Nießbrauch wird definiert. In Buch 2,4 lesen wir: „Usus fructus est ius alienis rebus utendi fruendi salva rerum substantia.“30 Es handelt sich also um das Recht, eine Sache, die einem anderen gehört, zu gebrauchen und ihre Früchte zu genießen, wobei allerdings die Substanz der Sache gewahrt bleiben soll. Auf den Substanzbegriff gehe ich später noch ausführlicher ein. Gemeint ist das Wesen der Sache – im Unterschied zu den Akzidentien, demjenigen also, was ihr nicht notwendig ist. Der usus fructus ist dem Eigentum entgegengesetzt; es handelt sich um das Recht, eine Sache, die einem anderen gehört, umfassend zu gebrauchen. Dem ‚eigentlichen‘ Eigentümer seinerseits bleibt nur das sogenannte ‚nackte Eigentum‘. Im deutschen Recht wird usus fructus in der Regel mit ‚Nießbrauch‘ übersetzt, es handelt sich um ein heute noch bestehendes, hochgradig ausdifferenziertes Rechtsinstitut, das etwa bei der Übertragung von Wohnungen oder Häusern an Erben zu Lebzeiten der Eigentümer Anwendung findet. Die moderne Entwicklung des Nießbrauches in der deutschen Rechtsdogmatik kann hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden.31 Entstanden ist das Institut des Nießbrauches nach heutiger Auffassung in vorchristlicher Zeit; es bezog sich zunächst auf fruchttragende Landstücke (etwa Wälder oder Olivenhaine), war also eine Gestaltung eines, wie wir heute sagen würden, menschlichen Naturverhältnisses.32 Die typischen Nießbrauchobjekte waren zunächst Gebäude, Liegenschaften, etwa Äcker oder Wälder. Der Nießbraucher war nicht der Eigentümer; die Frage nach Rechten und Pflichten des Nießbrauchers gegenüber dem Eigentümer war ein wesentlicher Teil des alten Insti28 MÜLLER 1936: 67. 29 MÜLLER 1936: 105f. 30 KRÜGER/MOMMSEN 1889: 13: „Nießbrauch ist das Recht, die Sache eines anderen zu nutzen und zu gebrauchen, unter Wahrung der Substanz der Sache“. 31 Siehe zur Entwicklung im deutschen und französischen Recht REINHARDT 2004. 32 WESER 1961: 1138.
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tuts. Es gab einen Nießbrauch an Tierherden, etwa Schafen, an Häusern, an Wäldern, aber auch an Sklaven, die bekanntlich im Römischen Recht als Sachen betrachtet wurden. An Sachen hingegen, die durch Gebrauch gemindert oder verbraucht werden, ist nach klassischer römischer Auffassung kein eigentlicher Nießbrauch möglich.33 Auch dies entspricht heutigem Nachhaltigkeitsverständnis, denn es besteht Konsens, dass Wirtschaftszweige wie der Bergbau in ihrer herkömmlichen Form nicht nachhaltig sein können, weil ihr Wirtschaften (soweit es auf Stoffe wie Kohle oder Metalle oder Industriemineralien geht) auf Abbau und Verbrauch angelegt ist. Zwar ist in den römischen Texten anders als in modernen Reflexionen des Nachhaltigkeitsbegriffs nicht von künftigen Generationen die Rede. Dennoch ist implizit immer vorausgesetzt, dass es sich beim Nießbrauch um längerfristige Nutzungsrechte handelt, die durchaus auch vererbbar waren. Der Gedanke an Rechte künftiger Generationen taucht in den mir bekannten römischen Quellentexten nicht explizit auf, er ist aber dem römischen Denken nicht fremd, wie eine Stelle in Ciceros De finibus zeigt. Cicero schreibt, es sei unmenschlich und verbrecherisch, wenn einer sagt, es liege ihm nichts daran, wenn nach dem eigenen Tode die ganze Erde in Flammen aufgehe. Daher sei es evident, dass auch für die, welche einst sein werden, um ihrer selbst willen zu sorgen und zu beraten sei: „certe verum est etiam iis, qui aliquando futuri sint, esse propter ipsos consulendum“ (Cic. fin. 3,64). Der Nießbraucher nutze, so wird verlangt, ein Ding so, dass seine Substanz dabei erhalten bleibt. In der Substanz – dies ist eine notwendige Einschränkung, denn dass die Sache oder Sachgesamtheit integral erhalten bleibe, geht zu weit; bei solcher Bedingung wäre keinerlei Nutzung, allenfalls vielleicht ein Anschauen möglich. Anders als der Eigentümer kann der Nießbraucher also mit der Sache nicht machen, was er will. Er steht unter Beobachtung und muss sich verantworten – gegenüber dem eigentlichen Eigentümer nämlich. Die alte Definition entspricht auch in dieser Einschränkung unserer Vorstellung von nachhaltiger Nutzung, wie ein Blick zurück zu VON CARLOWITZ zeigt. Auch dieser mahnt, dass ohne den Anbau neuen Holzes eine kontinuierliche Nutzungg nicht möglich sei, und dann „das Land in seinem Esse nicht bleiben mag“. „Esse“ bedeutet so viel wie Wesen, kann aber auch Zustand heißen, wie man KIRSCHs Lexikon, das auch den Lateingebrauch des 18. Jahrhunderts einbezieht, entnehmen kann.34 Ganz abstrakt könnte man auch von einem methodisch festgelegten Referenzzustand einer Gegend sprechen. Sofern sich „Land“ auf das Land bezieht, auf dem der Wald steht, von dem VON CARLOWITZ spricht, ist auch dieser Teil seines berühmten Satzes analog zu der Formulierung im römischen Zivilrecht, dass der Usufructuar, also der zum Nießbrauch Befugte, eine Sache auf solche Art und Weise nutzen solle, dass die Substanz erhalten bleibt. Die Verbindung des Nießbrauches und Nachhaltigkeit ist besonders auch bei den englischen
33 Zum Streit um den Nießbrauch oder Quasi-Nießbrauch an Kleidern vergleiche HELD 1848: 41–46. 34 KIRSCH 1762: 446.
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und französischen Worten sustainability beziehungsweise soutenabilité spürbar, denn diese verweisen etymologisch auf das lateinische substantia. Die Aufdeckung der Strukturanalogie zwischen dem von CARLOWITZ’schen Konzept der nachhaltenden Nutzung und dem usus fructus des römischen Rechts ist wichtig, weil die römischen Formulierungen es gestatten, den Begriff der Nachhaltigkeit historisch neu zu verankern und zugleich begrifflich weiterzuentwickeln. Mit substantia ist nicht der Stoff gemeint, sondern die ousía, das Wesen.35 Wie aber definiert man die Substanz der Sache, ihr Wesen, das in der Nutzung erhalten bleiben soll? Der Nießbraucher ist ja befugt, umfassenden Gebrauch von der Sache oder der Sachgesamtheit zu machen. Er darf im Wald Früchte (Eicheln zum Beispiel) ernten, aber auch Holz schlagen, er darf also das unumschränkte Herrschaftsrecht über die Sache ausüben, die nach römischem (und, mit Einschränkungen, auch nach modernem Recht) dem Eigentümer zusteht,36 jedoch nur insoweit, als die Sache nicht in ihrer Substanz verändert wird. An dieser Stelle wird ein Problem deutlich, das auch für moderne Nachhaltigkeitskonzepte erheblich ist. Wann ändert eine Nutzung die Substanz, wann ist sie so genutzt, dass die Substanz erhalten bleibt? Dies ist nicht trivial, wie sich daran zeigt, dass schon in der römischen Antike eine Diskussion über die rei mutatio (Umwandlung der Sache) geführt wurde.37 Eine Lösung gab das Stichwort der nova species.38 Danach lag eine rei mutatio vor, wenn die Sache unter eine neue Gattung fiel. Man spürt bereits bei der Lektüre der Erörterungen der überlieferten römischen Quellen, dass schon in der Antike jene substantia, das „Esse“, das erhalten bleiben soll, als oftmals schwer definierbar angesehen wurde. Jeder Gebrauch ändert ja die gebrauchte Sache. Zudem verändert sich diese auch unabhängig vom Gebrauch, ohne Einwirkung des Nießbrauchers. Heute, da der Nachhaltigkeitsgedanke als eine verallgemeinerte Version des substanzerhaltenden Nießbrauches den Gedanken dieses zivilrechtlichen Instituts fortsetzt, sind die Probleme ebenso aktuell wie damals. Die Substanz, das Wesen eines Dings, ist nach antikem Verständnis das, was in der Definition (horismos) über es ausgesagt wird. Da man nicht alle Eigenschaften einer Sache aufzählen kann – dies führt ins Unendliche –, unterscheidet man zwischen wesentlichen und unwesentlichen Eigenschaften. Viele Gebildete der antiken Welt dürften die Ansicht der akademischen (platonischen) Philosophie geteilt haben, dass Wesen objektiv vorliegen und intuitiv erkannt werden können.39 In der modernen Forschung überwiegen dagegen eher konstruktivistische Ansätze. Es gab schon in der Antike philosophische Strömungen, welche den konventionellen Charakter von Wesensbestimmungen betonten, etwa bei den Sophisten. In Platons Kratylos wird diese Position ausführlicher dargelegt. Auch in 35 36 37 38 39
BURCKHARDT 1904: 75. Siehe zum Nießbrauch an Wäldern CHANCEREL 1893, zum römischen Recht ebenda: 17–71. Hierzu mit vielen Belegen BURCKHARDT 1904, ebenso WESER 1961: 1170. WESER 1961: 1170. Zur Relevanz der akademischen Philosophie für das Römische Recht SOKOLOWSKI 1902: 28– 68.
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den sophistischen Dissoi logoi wird darauf hingewiesen, dass Definitionen immer konventionelle Aspekte enthalten. In der Praxis gingen ohnehin, wie die vielen Dissertationen, die dem römischen usus fructus im 19. und frühen 20. Jahrhundert gewidmet wurden, herausgearbeitet haben, die römischen Juristen bei der Definition des Wesens und der wesentlichen Bestandteile einer Sache oder Sachgesamtheit außerordentlich pragmatisch, bisweilen sogar dezisionistisch vor. Meist scheint der ökonomische Aspekt leitend zu sein: die Substanz bleibt dann erhalten, wenn eine Sache oder Sachgesamtheit weiterhin in gleicher Weise und mit gleichem Ertrag genutzt werden kann. Dies ist übrigens im modernen deutschen Zivilrecht zur expliziten Vorgabe erhoben worden, denn das Bürgerliche Gesetzbuch erklärt ausdrücklich „Der Nießbraucher hat für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen.“40 Die im Römischen Reich geübte Pragmatik in der Definition des Wesens kommt modernen Strömungen in der Ontologie und der damit verbundenen Definitionslehre erstaunlich nahe. Auch in dieser werden essentialistische Positionen überwiegend kritisiert; stattdessen wird betont, dass Substanzen Relate von Perspektiven oder von Konstruktionsprozessen sind. Als erster hat der Neukantianer HEINRICH RICKERT in seiner zu Unrecht vergessenen Dissertation versucht, eine explizit nichtmetaphysische (heute würde man sagen: nachmetaphysische) Rekonstruktion der Unterscheidung wesentlicher und unwesentlicher Eigenschaften vorzulegen.41 Was man an einer Sache wesentlich findet, hängt, wie er behauptet und mit Beispielen belegt, von dem Zweck ab, den man verfolgt: „Ohne ein Prinzip der Auswahl verliert die Trennung des Wesentlichen vom Unwesentlichen ihren Sinn, und ohne diese Trennung gibt es keine Wissenschaft.“42 Auch innerhalb der Naturwissenschaften gebe es unterschiedliche Definitionen derselben Sache, entsprechend den unterschiedlichen Erkenntniszielen der jeweiligen Disziplinen. RICKERT zeigt dies am Beispiel der Definition des Wassers in der Physik und der Chemie.43 Die Eigenschaften der Dinge sind nicht von sich aus unterschieden in wesentliche und unwesentliche Eigenschaften. Die Grenze wird vielmehr von einer Gruppe von Menschen gezogen, entsprechend deren Absichten. Deshalb gibt es in der Regel zu ein- und derselben Sache mehr als nur ein Wesen: Es folgt aus dieser Einsicht für die Naturwissenschaften allerdings eine gewisse Relativität der Begriffsbildung, nicht nur insofern, als das Hinzukommen von neuem empirischem Material die Begriffe ändern kann, denn das versteht sich bei allen Wissenschaften von selbst, sondern auch insofern, als die leitenden Gesichtspunkte in den Einzelwissenschaften wechseln.44
Und die wissenschaftlichen Definitionen wiederum unterscheiden sich von denen des Alltags, der seine eigenen Absichten hat. Für diesen ist es etwa wesentlich, 40 41 42 43 44
BGB, § 1041. RICKERT 1929: 28–45. RICKERT 1929: 40. RICKERT 1929: 38. RICKERT 1929: 42.
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dass Wasser den Durst stillt, ein Faktum, das aus den naturwissenschaftlichen Wasserdefinitionen nicht abgeleitet werden kann, wenn es auch mit ihnen irgendwie zusammenhängt. Die damit skizzierten Probleme einer Wesensdefinition sind nicht veraltet. Ganz ähnlich wie RICKERT, wenn auch ohne Bezug auf ihn, hat kürzlich der britische Wissenschaftsphilosoph HASOK CHANG in einer historischen Analyse am Beispiel der Definition des Wassers gezeigt, dass es nie nur eine Möglichkeit der Definition gibt. Ein Forstwirt – um in den Wald zurückzukehren – kann ebenfalls eine durchaus unterschiedliche Auffassung von der zu erhaltenden Substanz eines Waldes haben als ein Waldökologe. Dies liegt daran, dass er eine spezifische beruflich und historisch geprägte Art und Weise hat, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Und daraus folgend kann er zu der Meinung gelangen, er wirtschafte nachhaltig, weil er ‚seine‘ Substanz erhält, während der Ökologe dieses Wirken im Wald vielleicht als Substanzzerstörung ansieht.45 Für den Blick des Forstwirts ist der Wald ein Lieferant von Holz, und zwar Holz bestimmter Qualität und Quantität. Solange und sofern der Wald so bewirtschaftet wird, dass dieses Holz kontinuierlich nachwächst, handelt der Forstwirt nach Meinung seiner Kollegen „nachhaltend“, um es mit VON CARLOWITZ zu sagen. Er erhält das „Land in seinem Esse“, in seinem Wesen oder Zustand, jedenfalls gemäß seiner Definition dieses Zustandes. Ob er fremdländische Baumarten anpflanzt, die robuster sind, ob er den Wald mit Pestiziden besprüht, um Insektenbefall zu bekämpfen, ob er ihn düngt – das alles ist, soweit es diese ökonomische Form der Nachhaltigkeit angeht, gleichgültig. Er kann sich für raschumtriebigen Wald aus schnellwachsenden Bäumen (zum Beispiel Eukalyptus) entscheiden oder für langsamumtriebige Baumsorten. Er könnte sogar behaupten, die eigentliche Substanz sei der Boden und dessen Produktivität,46 und solange der erhalten bleibe, sei es egal, was darauf angepflanzt werde. Ein Waldökologe definiert die Substanz eines Waldes anders als ein Forstwirt. Zwar besteht auch für ihn der Wald aus Bäumen. Er wird aber darauf hinweisen, dass ein Wald, sobald er forstlich genutzt wird, in seinem ökologischen Wesen, wenn nicht völlig zerstört, so doch erheblich, nicht nur unwesentlich gemindert wird. Dieses Wesen kann er mit den Methoden der Ökologie, etwa durch die in Deutschland vor allem von WOLFGANG HABER entwickelte und eingeführte Biotopkartierung erfassen und festlegen. Dabei werden in einem abgegrenzten Gebiet Flora und Fauna sowie auch bestimmte abiotische Elemente wie Bäche, Flüsse, Felsen und so weiter erfasst. Auch eine Kombination aus ästhetischen und ökologischen Methoden ist denkbar.47 Der Wald bleibt für den Waldökologen dann in seinem „Esse“, um VON CARLOWITZ zu zitieren, wenn er den in ihm beheimateten Arten weiterhin einen Lebensraum bieten kann. Der Waldökologe und der Forstwirt legen unterschiedliche Definitionen der Substanz zugrunde, die durch nachhaltende Nutzung erhalten bleiben soll. Deshalb können auch ihre Urteile über die 45 CHANG 2012: 213. 46 RADKAU 2007: 165. 47 Vergleiche für eine ähnliche Diskussion JAX 2002: 209.
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Nutzung ein und derselben Fläche voneinander abweichen, selbst, wenn sie ein und denselben Nachhaltigkeitsbegriff zugrunde legen. Dass es sich hier nicht um eine bloß theoretische Diskussion handelt, zeigen die Auseinandersetzungen zwischen Waldökologen und Förstern.48 Dabei geht es nicht um Unterschiede in der Definition der Nachhaltigkeit, sondern um Unterschiede in der Definition des Wesens des fraglichen Waldes. Die Definition der Förster ist dabei als ökonomische wesentlich abstrakter als die der Ökologen, die viel mehr Bestimmungsstücke enthält. Forstleute neigen gerade aufgrund der langen Tradition, die der Nachhaltigkeitsbegriff in der Forstliteratur und in der forstlichen Praxis hat, dazu, ihr Handeln als nachhaltiges Handeln schlechthin zu betrachten. Heute, da man Forstwirte als Pioniere der Nachhaltigkeit anzusehen pflegt, ist diese Überzeugung besonders tief verwurzelt. Verbreitet ist daher die „Kielwasser-Theorie“49, wonach „Forstbetrieb und Waldpflege mit den Zielen des Naturschutzes im Wald ohnehin weitgehend übereinstimmen“.50 Wenn man also einen Wald ordnungsgemäß bewirtschaftet, dann ergibt sich der Naturschutz von selbst, so wie das Kielwasser dem Schiff automatisch folgt, wenn es in Bewegung ist. Dagegen weisen Waldökologen darauf hin, dass ein forstlich genutzter Wald immer ein erheblich veränderter Wald ist. Ihm wird erstens Holz entnommen: „im Vergleich zum Naturwald ist der Holzvorrat im Wirtschaftswald um rund 50% abgesenkt“.51 Das klingt banal, doch hat es gravierende ökologische Konsequenzen, denn durch den wesentlich geringeren Anteil auch an Totholz sind diejenigen Organismen, die im Wald von diesem leben, viel seltener. Der Hirschkäfer (Lucanus cervus), dessen Larven in Totholz leben, ist aus diesem Grund in den intensiv genutzten deutschen Wäldern sehr selten geworden, und ähnlich geht es vielen Lebewesen, die, und sei es auch nur in einem bestimmten Stadium ihrer Entwicklung, auf altes oder totes Holz angewiesen sind. Zudem verändert sich durch die Holzentnahme insgesamt die Altersklassenstruktur des Waldes, der Wald wird deutlich jünger. Aus forstlicher Sicht macht es keinen Sinn, sehr alte und halb abgestorbene Bäume stehenzulassen. Sinnvoll ist vielmehr, wenn die Bäume eines Areals ein ungefähr ähnliches Alter haben. Dies ändert auch den Anblick des Waldes, denn wo immer man in Deutschland durch Wälder wandert, fast immer sieht man annähernd gleichhohe, geradewachsende, dünne bis mitteldicke Bäume. Es findet zweitens eine Selektion statt, denn nachgepflanzt werden nicht beliebige Arten, sondern nur forstlich besonders geeignete und entsprechend ausgelesene (wenn auch bislang noch nicht gentechnisch veränderte) im Sinne der wirtschaftlichen Zielsetzung.52 Dabei gibt es, wie man weiß, zunächst keine Priorität für standortheimische Arten, vielmehr können auch aus wirtschaftlicher Sicht bewährte Importe wie etwa die Douglasie angepflanzt werden.53 Der naturbelassene 48 49 50 51 52 53
Vergleiche die hervorragende Darstellung bei SCHERZINGER 1995: 236–251. So die Bezeichnung von SCHERZINGER 1995: 236, der diese „Theorie“ kritisiert. SCHERZINGER 1995: 236–239. SCHERZINGER 1995: 241. SCHERZINGER 1995: 242. SCHERZINGER 1995: 248f.
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Wald dagegen weist meist eine breitere Vielfalt an Baumarten auf. Der Forstbetrieb erfordert zudem drittens Holzwege und Schneisen, um den Wald für die Nutzung zu erschließen,54 was ebenfalls den Wald ändert. Es ist damit klar, dass die forstliche Nutzung sehr wohl aus ökologischer Sicht die Substanz des Waldes mindern und sogar zerstören kann, dann etwa, wenn im Zeichen der Ertragsoptimierung Mischwälder reinen Monokulturen in Reih und Glied weichen, die forstlich und klimapolitisch, aber nicht ökologisch nachhaltig sind. Deshalb ist das reine Prinzip der Nachhaltigkeit, so wie es VON CARLOWITZ formuliert hat, und wie es auch in den Forstgesetzen niedergelegt ist,55 für sich allein noch kein Garant für ökologischen Umweltschutz im Wald. Es ist zunächst vor allem ein kritisches Korrektiv gegen kurzsichtigen Raubbau. Ökologisch orientierend kann das Nachhaltigkeitsgebot nur werden, wenn eine ökologische, nicht nur forstwirtschaftliche Ontologie hinzukommt, wenn also die Substanz, die erhalten oder auch restauriert werden soll, ökologisch, nicht nur forstwirtschaftlich, definiert wird. Das gilt es festzuhalten, weil im Zeichen der Dominanz klimapolitischer Zielsetzungen im Umweltschutz die rein ökonomische Waldnutzung von der Umweltseite unverhoffte Unterstützung erfährt: je mehr schnellwachsendes Holz, desto mehr gebundenes CO2. Ökologische Definitionen der Waldsubstanz haben eine unentbehrliche kritische Funktion. Sie sind mit forstlichen Definitionen zwar nicht deckungsgleich, jedoch gibt es wichtige Überschneidungsbereiche und damit auch Möglichkeiten für Forstleute und Naturschützer, konstruktiv zusammenzuarbeiten, Kompromisse und innovative Lösungen zu finden, was in Deutschland vielerorts auch gut gelingt. Deshalb ist auch die Waldnutzung zu Recht das Paradigma nachhaltender Nutzung – nicht nur, weil sie die Bedeutung langfristigen Wirtschaftens ebenso wie die Probleme kurzsichtiger Nutzung sinnfällig aufzeigt. Sie zeigt auch in vielen Fällen, dass Nachhaltigkeit keine ethische Phantasie, sondern umsetzbar ist. Der skizzierte Konflikt zwischen ökonomischen und ökologischen Substanzdefinitionen findet sich natürlich auch anderswo, etwa bei Flüssen. Diese können ökonomisch oder ökologisch betrachtet werden. Entsprechend gibt es auch in Bezug auf Flüsse ökologische oder ökonomische Nachhaltigkeit. Wasserkraftwerke sind aus ökonomischer Sicht dann nachhaltig, wenn sie so betrieben werden, dass es prinzipiell ‚immer so weitergehen kann‘. Dazu reicht es, sicherzustellen, dass die Anlagen solide finanziert sind, regelmäßig gewartet werden und dass durch geeignete Maßnahmen (Ausbaggern hier und Aufschütten von Kies dort, Anlegen von Sohlschwellen etc.) sichergestellt wird, dass der Fluss sich nicht etwa unkontrolliert eintieft, sondern trotz der Wasserkraftwerke weiterfließt. Doch auch wenn alles dies stattfindet, ist damit über die ökologische Nachhaltigkeit noch gar nichts gesagt, weil der Ökologe das Wesen eines Flusses völlig anders definiert als ein Wasserbauingenieur. Für diesen ist der Fluss im Grunde eine Art fallenden Wassers, dessen Energie umgewandelt und abgeschöpft werden kann. Für den Ökologen ist der Fluss ein Komplex miteinander vernetzter Ökosysteme. Ökologische 54 SCHERZINGER 1995: 245–248. 55 SCHERZINGER 1995: 239.
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Nachhaltigkeit eines Wasserkraftwerkes würde daher aus Sicht des Limnologen beziehungsweise Gewässerökologen bedeuten, dass gewährleistet ist, dass dieses Netz von Ökosystemen erhalten bleibt, das heißt, dass zum Beispiel die Flussfischpopulationen weiter wandern können und dass durch geeignete Maßnahmen die Dynamik des ursprünglichen Flusses erhalten bleibt und so weiter.56 Das Gebot der nachhaltigen Nutzung ist zweifellos ein Fortschritt. Es hat gegenüber älteren normativen Ansätzen wie etwa dem ‚Prinzip Verantwortung‘ Vorzüge, weil es sich direkter auf den Umgang mit der Natur beziehen lässt und deshalb konkreter ist. Diesen Vorzug gilt es zu erhalten und auszubauen. Damit das Nachhaltigkeitsgebot dazu beitragen kann, ökologische Umweltziele zu erreichen, muss die Substanz, die erhalten werden soll, unter Hinzuziehung von ökologischen Kriterien definiert werden. Der Prozessbegriff der Nachhaltigkeit, so könnte man sagen, muss durch eine ökologische Ontologie ergänzt werden. 5. FAZIT Die oben vorgestellten Überlegungen stehen im Zeichen einer historischen Rückbesinnung, die über die Frühe Neuzeit hinaus in die Antike blickt. Das leitende Interesse ist dabei systematisch. Die hier vorgelegte begriffsgeschichtliche Studie zeigt, dass das moderne Nachhaltigkeitsdenken eng mit dem Konzept des Nießbrauchs verwandt ist. Dies ist ein alternatives Konzept der Nutzung und Pflege von Sachen (etwa von Wäldern oder Gebäuden), das als solches dem klassischen Eigentumsrecht entgegengesetzt ist. Der Brückenschlag zu rechtlichen beziehungsweise rechtsphilosophischen Konzepten der Antike und der frühen Neuzeit ist nicht nur für die Kritik gewisser aktueller Zuschreibungen wichtig – er dient nicht nur dazu zu wiederlegen, dass ein sächsischer Forstmann namens VON CARLOWITZ die Nachhaltigkeit ‚erfunden‘ habe. Vielmehr wird hierdurch das moderne Nachhaltigkeitsdenken mit Konzepten und Diskussionen in Verbindung gebracht, die für die inhaltliche Weiterentwicklung unseres modernen Nachhaltigkeitsdenkens von erheblicher Bedeutung sind. So erleichtern die klaren Definitionen der römischen Juristen, systematische Fragen neu zu stellen. Nachhaltigkeit – ja! Aber was genau soll nachgehalten werden? Wie definiert man jenes ‚Esse‘, das trotz mehr oder weniger intensiver Nutzung erhalten werden soll? Eine rein ökonomische Definition dessen, was erhalten werden soll, führt zu einer rein ökonomischen Nachhaltigkeit, die als erster Schritt wichtig sein kann, um Raubbau zu vermindern, aber weiterentwickelt werden muss, indem in die Substanzdefinition auch hinreichend viele ökologische Aspekte aufgenommen werden. Und wie diese zu erhalten sind, kann in Wirtschaftsplänen einerseits und ökologischen Managementplänen andererseits konkretisiert werden. Welches die jeweils wesentlichen ökologischen Merkmale sind, ist von Fall zu Fall verschieden und muss durch ökologische Studien ermittelt und durch politische Auseinandersetzung erstritten 56 Zum Konflikt zwischen ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit mit Bezug auf den Lech siehe etwa die Beiträge in KRAUSS/LINDL/SOENTGEN 2014.
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werden. Eine rein ökonomische Nachhaltigkeit jedenfalls greift entschieden zu kurz. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt bekanntlich auch OTT mit seiner Unterscheidung starker und schwacher Nachhaltigkeit.57 Von einer systematischen Auswertung der hier skizzierten Begriffsgeschichte dürften noch manch produktive Impulse für das moderne Nachhaltigkeitsdenken ausgehen. Nicht nur kann man sich von einer eingehenderen Studie der Entwicklung des antiken Nießbrauchsrechts Anstöße für unsere moderne Diskussion über die Nachhaltigkeit erwarten. Auch das oben kurz vorgestellte rechtsphilosophische Denken des Romantikers ADAM MÜLLER, der sich vielfach indirekt auf den Nießbrauch bezieht, dürfte bedeutende Anregungen enthalten. So scheint mir etwa MÜLLERs Lehre von der Persönlichkeit der Sachen bedenkenswert, weil sie den starren Gegensatz zwischen Personen und Sachen unterläuft und zu einer Art Recht der Gegenstände führt; ein Konzept, das für den nachhaltigen Umgang mit Ökosystemen, mit Landschaften, mit Gewässern und Luft von Bedeutung sein dürfte. BIBLIOGRAPHIE Quellen BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). 2002. Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002. BWaldG (Bundeswaldgesetz). 2015. Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft vom 2. Mai 1975 (BGBl. I S. 1037), zuletzt geändert durch Artikel 413 der Verordnung vom 31. August 2015. BGBl. I, 1474. KRÜGER, P. und MOMMSEN, TH. 1889. Corpus iuris civilis: Volumen Primum: Institutiones. Berlin. LAURIERE, M. DE (Hg.) 1729. Ordonnances des roys de France de la troisieme race etc., Deuxième volume: Contenant les ordonnances du roy Philippe de Valois, & celles du roy Jean, jusqu’au commencement de l’année 1355. Paris. LOCKE, J. 1821. Two Treatises of Government. London. MÜLLER, A. 1936 (orig. 1808–1809). Die Elemente der Staatskunst: Sechsunddreißig Vorlesungen. Ungekürzte Ausgabe. Berlin. SCHICHE, TH. (Hg.) 1993. Cicero: De finibus bonorum et malorum. Stuttgart. VON CARLOWITZ, H. C. 2000 (orig. 1713). Sylvicultura oeconomica: Anweisung zur Wilden Baum-Zucht. Reprint der 1. Auflage (Veröffentlichungen der Bibliothek „Georgius Agricola“ an der Bergakademie Freiberg 135). Freiberg. WORLD COMMISSION ON ENVIRONMENT AND DEVELOPMENT. 1987. Our Common Future. Oxford.
57 Vergleiche insbesondere OTT 2010: 163–192, siehe auch OTT/DÖRING 2011.
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Jens Soentgen
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REGISTER QUELLENREGISTER Ager 1996 3 ........................................... 193/78 63 ........................................... 195/88 Ailianos Nat. 6,42 .................................... 188/51 Nat. 16,30 .................................. 186/35 Ambrosius von Mailand Hex. 1,13............................................30 Hex. 1,28............................................30 Hex. 2,12............................................33 Hex. 3,26........................................... 30 Hex. 3,28............................................34 Hex. 3,33............................................30 Hex. 3,35............................................30 Hex. 3,53............................................30 Hex. 3,65............................................30 Hex. 3,70............................................30 Hex. 4,6..............................................30 Hex. 4,31............................................30 Hex. 5,2..............................................33 Hex. 5,27............................................33 Hex. 6,4..............................................34 Hex. 6,36............................................34 Ammianus Marcellinus 22,15,24 .............................................34 Anaximandros von Milet 12 A 11 D/K.......................................35 12 A 30 D/K.......................................35 Anthologia Graeca 6,99 ........................................... 185/25 6,221 .......................................... 187/42 9,99 ........................................... 190/61 Apollodoros 3,14,1 ......................................... 150/33 Apollonios Rhodios 3,1203 .......................................... 60/13
Aristoteles Ath. pol. 11,4 ............................. 151/38 Ath. pol. 50,2 ............................. 156/65 Ath. pol. 60,1 ............................. 154/53 Gen. an. 2,4,738b 34f. .................. 36/38 Hist. an. 5,12,543b 23–31 ...... 35, 36/38 Hist. an. 6,16,570a ............................ 35 Hist. an. 6,19,573b 30–32 ............... 185 Hist. an. 6,19,574a 10–12 .......... 187/40 Hist. an. 8,28,606a 16–18 .......... 186/35 Hist. an. 8,28,608b 19–609a 3 .......... 35 Hist. an. 9,3,610b 31–33 ............ 186/39 Metaph. 1,3,983b 6 ...................... 60/12 Metaph. 1,3,983b 8 –11 ............... 60/12 Metaph. 1,3,983b 17 –21 ............. 60/12 Meteor. 4,1,378a 19–26 .................... 35 Meteor. 4,1,378a 19–378b 4 ............. 27 Pol. 1,5,1254b 10–14 ........................ 34 Pol. 1,8,1256b 16–23 ........................ 34 Pol. 6,8,1321b 27–30 ........................ 31 Pol. 6,8,1321b 30 ..................... 201/113 Pol. 7,2,1331b 15 ..................... 201/113 Pol. 7,11,1330b 5–8 .......................... 32 Pol. 7,12,1331b 14–16 ...................... 31 Rhet. 1,9,16 ................................ 216/46 Rhet. 1,9,28f............................... 225/91 Artemidor von Daldis 1,3,11,7–12 ................................ 169/19 1,4 ................................................ 169 1,10,19,21 .................................. 169/23 1,31 ........................................... 173/38 1,42,49,15 .................................. 169/23 1,47,53,5–8 ................................ 169/20 1,64 ................................................ 173 1,70,76,10f. ................................ 186/32 1,77,84,17f. ................................ 169/23 1,77,85,13–15 ............................ 169/23 1,79,92,27–93,2 ......................... 169/23 1,50 ........................................... 169/19 1,51,58,10–20 ............................ 170/24 1,64 ........................................ 172–173 1,64,69,6–14 .............................. 172/31
250
Quellenregister 1,66,72,3f. .................................. 173/35 1,70 ........................................... 169/19 1,70,76,8–10 .............................. 187/41 1,73,80,2f. .................................. 169/23 1,74 .................................................172 1,77,84,17f. ................................ 169/23 1,77,85,13–15 ............................ 169/23 1,79,92,21–26 ............................ 170/25 1,79,92,27–93,2 ......................... 169/23 2,3 ........................................... 173/35 2,3f. .................................................174 2,3,102,11–13 ............................ 174/40 2,8 ........................................... 169/23 2,8,112,16f. ................................ 174/39 2,12 ...................................... 169/21/23 2,12,119,21–120,4 ..................... 187/41 2,12,120,5–9 .............................. 190/57 2,12,120,8f. ................................ 187/44 2,12,125,9 .................................. 170/23 2,22,139,3–4 .............................. 170/26 2,22,139,16–18 .......................... 170/26 2,24 .................................................172 2,24,142,6 .................................. 169/23 2,25 .................................................173 2,25,143,20–22 .......................... 171/28 2,25,144,1–6 .............................. 171/28 2,25,144,8f. ................................ 171/28 2,25,144,18f. .............................. 171/28 2,25,145,2f. ................................ 171/28 2,25,145,12–18 .......................... 171/28 2,26,145,21–24 .......................... 171/29 2,27 .................................................172 2,27,149,16–19 .......................... 173/34 2,28,150,10–14 .......................... 173/37 2,34,158,16–18 .......................... 169/23 2,35,160,17 ................................ 169/23 2,37 ........................................... 173/35 2,37,169,19f. .............................. 169/23 2,37,171,22 ................................ 169/23 2,39,174,25 ................................ 169/23 2,39,175,24 ................................ 169/23 2,42,177,16–18 .......................... 169/21 2,53,183,17 ................................ 170/23 3,6,206,21f. ................................ 170/23 3,46 ........................................... 169/21 3,50,225,10f. .............................. 170/23 3,52,226,11–14 .......................... 172/30 3,59 ........................................... 173/35 4,2 ...................................... 169/19/21 4,2,242,19 .................................. 169/19 4,2,244,11–13 ............................ 170/27 4,11 .................................................169
4,11,250,19 ................................ 169/23 4,28 ........................................... 169/21 4,34 ........................................... 173/38 4,54 .............................. 169/20, 173/38 4,57 ................................... 169/22, 173 4,82 ................................................ 173 5,63 ........................................... 169/20 5,74 ........................................... 169/23 5,84 ........................................... 169/20 Athenaios 2,42a................................................. .32 Augustinus Civ. 18,9..................................... 150/34 Gen. ad litt. 9,25................................ 34 Gen. c. Manich. 1,28f........................ 34 Basilios Hex. 1,3 ............................................. 29 Caesar Gall. 5,12,5........................................ 27 Cassius Dio 39,38,2f. ............................................ 34 60,6,7 ........................................... 68/52 Cato Agr. pr. ....................................... 219/64 Orig. 93P .......................................... 27 Celsus De medicina 2,18,12 .................... 60/13 Cicero Att. 8,13,2 .................................... 207/5 Cato 15 ....................................... 218/60 Cato 43 ....................................... 218/60 Cato 51–60 ................................... 207/5 Cato 55f...................................... 218/60 Cato 58 ....................................... 219/64 De orat. 2,334–336 ..................... 216/46 De orat. 3,55.................................... 223 Div. 1,19,38 ................................. 60/16 Fam. 7,1,3 ......................................... 34 Fin. 1,29 ..................................... 215/44 Fin. 3,64 .......................................... 238 Inv. 1,51–77 ............................... 209/19 Inv. 1,97 ..................................... 209/21 Inv. 2,158 ................................... 216/46 Inv. 2,174f. ................................. 216/46
Quellenregister Lael. 18 ...................................... 218/60 Lael. 28 ...................................... 218/60 Lael. 39 ...................................... 218/60 Leg. 3,3 ..............................................35 Leg. agr. 2,95 ............................. 214/41 Mur. 44 ...................................... 213/36 Nat. deor. 2,152 .................................35 Off. 1,150f. ..................... 207/5, 219/64 Off. 2,89 ..................................... 219/64 Parad. 50 .................................... 218/60 S. Rosc. 39 ................................... 207/5 S. Rosc. 75 ................................... 207/5 Tusc. 4,77 .................................. 222/77 Verr. 2,2,67 ................................ 213/36 Verr. 2,2,114 .............................. 213/36 Verr. 2,5,68 ................................ 213/38 Codex Theodosianus 13,5,10 ......................................... 89/56 Columella 1.pr.1–3 ................................ 30, 221/73 1.pr.1–20 .................................... 214/38 1.pr.2,1 ...............................................30 1.pr.3 .......................................... 220/67 1.pr.3–10 .................................... 219/64 1.pr.12 ........................................ 220/67 1.pr.13 ........................................ 216/49 1.pr.13f....................................... 212/34 1.pr.14 ..............................................213 1.pr.17 ........................................ 212/34 1.pr.19 ........................................ 212/34 1.pr.19f.......................... 211/24, 213/35 1,1,1f. ...............................................215 1,1,3 .................................................215 1,1,14 ......................................... 223/82 1,1,18–1,4,3 .....................................208 1,1,20 ............................ 214/38, 220/67 1,3,8 ......210–211, 212/26, 216, 221/75, 222/76 1,3,8f. ...............................................213 1,3,8–13 ...................................205–226 1,3,9 .................... 210–212, 214, 221/72 1,3,10 ............................... 210–213, 216 1,3,11 ....210, 211/23, 212/26, 213, 216, 217/56, 222/77 1,3,11f. ....................................... 218/45 1,3,12 ............210, 211/23/25, 212–213, 214/37, 219, 222/77 1,3,13 .....................210, 215/43, 222/77 1,4,1–5 ....................................... 221/73 1,4,2 ........................................... 212/34
251 1,6,3 ................................................ 220 1,7,4 ........................................... 220/69 1,8,12f. .......................... 214/38, 220/67 1,8,16 .............................................. 220 1,9,8 ........................................... 218/57 2,1 ........................................... 221/73 2,1,7 ........................................... 214/38 2,2,15 ......................................... 223/82 2,2,24f. ....................................... 221/73 2,17,3 ......................................... 214/38 2,20,5 ......................................... 214/38 3,3 .............................. 214/38, 221/73 3,3,2 ........................................... 211/24 3,3,3 ................................... 218/57, 219 3,7,3 ........................................... 214/38 3,9,2 ................................................ 219 3,9,3 ........................................... 211/24 3,10,6f. .......................... 214/38, 220/67 3,17,4 ......................................... 223/82 3,18,1 ......................................... 214/38 3,20,6 ............................ 214/38, 220/67 4,3 ........................................... 221/73 4,3,3 ........................................... 221/71 4,3,3–5 ....................................... 214/38 4,3,6 ........................................... 216/50 4,8,1 ........................................... 223/82 4,22,1 ......................................... 214/38 4,23,2 ......................................... 218/57 4,24,22 ....................................... 214/38 5,1,3 ........................................... 217/51 5,3,9 ........................................... 218/57 6.pr.5 .......................................... 221/73 7,3,9 ........................................... 221/71 7,6 ................................................ 190 7,6,5 ........................................... 187/45 7,6,7 ...................................... 185/23/26 7,6,9 ........................................... 187/42 7,8,1 ........................................... 188/49 8,8,9f. ......................................... 214/38 8,10,6 ......................................... 214/38 8,16,1–6 ..................................... 214/38 9.pr.1 .......................................... 218/57 9,1,1 ........................................... 218/57 9,1,2–5 ....................................... 218/57 9,1,4 ........................................... 218/57 9,2,1 ........................................... 223/82 9,6,4 ........................................... 223/82 9,13,13 ....................................... 214/38 10.pr.1–3 ....................... 214/38, 216/50 11,1,6 ......................................... 214/38 11,1,10–12 ................................. 214/38 11,1,22 ............................................ 220
252
Quellenregister 11,2,46 ....................................... 212/33 11,2,47 ....................................... 218/57 11,3,2 ......................................... 218/57 11,3,52 ........................................ 80/17 12.pr.9f.......................... 214/38, 220/67 12,4,2 ......................................... 212/34 12,52,2 ....................................... 218/57
Frontinus Aqu. 1 .......................................... 67/50 Aqu. 15 ........................................ 60/14 Aqu. 97 ............................................. 32 Aqu. 98–101...................................... 32 Aqu. 116–119............................... 64/34 Aqu. 127............................................ 32
Corpus Inscriptionum Latinarum III 180 ................................................31
Gellius Gell. 2,22,29...................................... 27
Corpus Iuris Civilis, Digesta 8,3 ...................................................32 39,3,8 .................................................32 43,13 ..................................................32 43,20 ..................................................32
Geoponica 2,2,6 ........................................... 187/42 2,21,8 ......................................... 186/38 2,28,3 ......................................... 187/42 3,15,6 ............................ 186/38, 192/71 4,2,1 ........................................... 192/71 5,30,3 ......................................... 192/71 5,48,2 ......................................... 192/71 17,18 .......................................... 187/43 18,9 ................................................ 190 18,9,2, ............................................ 185 18,9,3 ......................................... 186/34
Curtius Rufus 8,7,12 ......................................... 213/36 Cyprianus Ad Demetr. 3 .....................................29 Demosthenes 43,71 ......................................... 158/72 [55],11........................................ 196/91 Diodorus Siculus 2,36,2 .................................................27 5,13,1 .................................................27 5,27,1 .................................................27 5,38,2 .................................................27 16,26,2–5 .................................. 190/58
Herodotos 2,10 .................................................. 40 6,76–80 ...................................... 147/16 8,55 ........................................... 152/42 Hesiodos Erg. 464............................................. 29 Erg. 643...................................... 217/54 Erg. 757–759 .............................. 156/64 Theog. 445 ................................. 187/44
Dion Chrysostomos 7,39 ........................................... 213/36 7,44–47 ............................................200 8,15 ........................................... 189/54 66,5 ........................................... 189/54
Hippokrates Aer. 7f. ......................................... 69/58 Reg. 2,46 .................................... 186/32
Empedokles 31 B 57–62 D/K .................................35
Historische Griechische Inschriften in Übersetzung 86 ........................................... 157/66 87 ........................................... 156/64
Eupolis Fr. 12 K–A, S.308 ............................188 Fr. 13 K–A, S.308f...........................199 Euripides Ion 1433–1436 ........................... 150/32 Tro. 788–803.............................. 150/32
Homeros Il. 2,474 ...................................... 187/44 Il. 2,857 ....................................... 26–27 Il. 11,679 .................................... 187/44 Od. 4,605f. ................................. 195/85 Od. 9,183f. ................................. 186/30 Od. 9,196.................................... 186/36 Od. 9,219f. ................................. 186/30
Quellenregister Od. 9,226 ................................... 186/30 Od. 9,244 ................................... 186/30 Od. 13,246 ................................. 195/85 Od. 14,101 ................................. 187/44 Od. 14,103 ................................. 187/44 Od. 20,172–177 ...............................195 Od. 21,265f. .....................................195 Od. 24,231 ................................. 186/37 Od. 24,341 ................................. 186/30 Horatius Ars 14–31 .................................. 225/91 Epist. 1,7,85 ................................. 207/5 Epist. 2,1,156f. ........................... 214/41 Epod. 2 ....................................... 219/64 Od. 2,15,13f. .............................. 216/47 Od. 2,18,23–26 ............................ 207/5 Hyginus Fab. 164 ..................................... 150/32 Inscriptiones Graecae I³ 256 .......................................... 157/66 I³ 257 .......................................... 156/64 II² 5895 ...................................... 189/55 Inscriptions de Délos 1416B, I,45f. .............................. 192/74 Isaios 6,33 .................................................187 11,41 ................................................187 Isidorus Etym. 17,1,1.....................................208 Isokrates 12,193 ................................... 150/32/34 Iosephos Bell. Iud. 4,8,3 ............................. 69/58 Justinianus Inst. 2,4 ............................................237 Kallimachos Iamb. 4,67–69 ............................ 150/32 Livius 7,16,9 ......................................... 218/60 45,29,14 .............................................31
253
Leonidas von Tarent Anth. Gr. 6,99 ............................ 185/25 Anth. Gr. 6,221 .......................... 187/42 Anth. Gr. 9,99 ............................ 190/61 Lois sacrées des cités grecques 178 ........................................... 157/66 Suppl. 4 ...................................... 156/64 Longos 1,21,1 ......................................... 188/53 2,16,1 ......................................... 196/93 2,20,2 ......................................... 188/53 3,3,3 ........................................... 186/34 3,3,4 ........................................... 188/53 Lucanus 1,39 ........................................... 214/41 4,788–790 .................................. 214/41 6,310f. ........................................ 214/41 Lucretius 2,1150 ............................................... 30 2,1150–1174 .............................. 211/24 Lysias 7,25 ........................................... 158/71 7,41 ........................................... 158/71 Martialis Ep. 14,105 .................................... 68/52 Spect. 2,1–10.............................. 225/88 Spect. 8,68.................................... 80/17 Meiggs/Lewis 1988 79B ........................................... 187/46 Migeotte 1984 12,37–40 .................................. 199/103 Monumenta Asiae Minoris Antiqua IV 297,15–17 .................................. 193 Cornelius Nepos Att. 14,3 ..................................... 221/71 Orientis Graeci Inscriptiones Selectae 483 .................................................. 32 Ovidius Am. 3,8 ...................................... 219/64 Fast. 1,677 .................................... 207/5
254
Quellenregister Met. 6,70–82 .............................. 150/32 Met. 6,313–381 ............................ 207/5 Met. 15,463–469 ................................34 Met. 114f. ........................................191
Palladius 1,6,8 ........................................... 211/23 1,6,12 ......................................... 211/23 Papyri Demoticae magicae XIV 93–114 ............................... 167/14 XIV 395–427 ............................. 167/14 XV 283 ........................................ 165/7 Papyri Gracae magicae I 26–32 .....................................165–166 I 262 ........................................... 168/18 II 146–148........................................166 II 170–176........................................166 III 35 .......................................... 168/18 III 85 .......................................... 168/18 III 123f. ...................................... 168/18 III 216f. ........................................ 165/5 III 502–530 .................................. 165/5 IV 28 ............................................ 165/7 IV 287–295 ................................ 168/16 IV 973 ........................................ 168/18 IV 1275–1322 ............................ 167/14 IV 1391–1396 ............................ 166/10 IV 1437–1441 ............................ 166/10 IV 1599–1615 .............................. 165/5 IV 2345–2355 .............................. 165/5 IV 2441–2621 ............................ 167/14 IV 2622–2707 ............................ 167/14 IV 2891–2942 ....................... 167/14/15 IV 2967–3006 ............................ 168/16 V 150f. ......................................... 165/5 VII 187–191 ............................... 166/11 XII 193–201 .....................................167 Pausanias 7,2,10f. ...............................................40 8,24,11 ...............................................40 Persius 4,25f. ................................................219 4,25–32 ............................................219 5,110 ............................................ 207/5 Petronius 1–6 ........................................... 219/64 31,8 ........................................... 213/36
37,8 ........................................... 219/62 48,2f. .......................................... 219/61 53,1–10 ...................................... 219/61 55,5 ........................................... 223/81 77,1 ........................................... 222/77 83,10 .......................................... 219/64 84,4 ........................................... 216/49 88 ........................................... 219/64 117,8 .......................................... 219/61 119,1–55 .................................... 219/64 Philon von Alexandria Opif. Mund. 84f. ............................... 34 Philostratos Ap. 1,6 ......................................... 69/58 Platon Kritias 110e ....................................... 30 Kritias 110e–111a ...................... 151/38 Kritias 110e–111e ................... 180–181 Kritias 111c–d ................................... 30 Kritias 118b.................................. 181/4 Leg. 1,639a ..................................... 196 Phaidr. 262d–265d ..................... 215/44 Pol. 2,373bf. ............................... 219/64 Plinius maior Nat. 2,158.................................... 28–29 Nat. 2,175................................... 219/61 Nat. 3,138.......................................... 28 Nat. 8,20f. ......................................... 34 Nat. 8,200................................... 191/65 Nat. 8,203................................... 186/35 Nat. 8,204.............................. 191/66/70 Nat. 14,10..................................... 68/54 Nat. 16,225 ................................... 81/26 Nat. 17,9f. ......................................... 39 Nat. 17,30.......................................... 39 Nat. 18,1–21 ............................... 219/64 Nat. 18,3............................................ 33 Nat. 18,7..................................... 219/61 Nat. 18,8..................................... 212/28 Nat. 18,17................................... 218/60 Nat. 18,17–21 ............................. 211/24 Nat. 18,21..... 29–30, 219/61/64, 220/67 Nat. 18,27................................... 212/33 Nat. 18,35.......... 219/61, 206/1, 212/31, 219/61/64, 222/77, 225/91 Nat. 18,36........................................ 220 Nat. 18,36–43 .................................. 221 Nat. 18,37f. ............................. 225–226
Quellenregister Nat. 18,274................................... 207/5 Nat. 19,23 .................................... 80/17 Nat. 31,21 .................................... 60/13 Nat. 31,53 ..........................................31 Nat. 33,1–6.........................................29 Nat. 33,2f. ..........................................28 Nat. 33,70–76.....................................28 Nat. 33,78 ..........................................28 Nat. 33,98 ..........................................28 Nat. 34,142.........................................28 Nat. 34,164.........................................28 Nat. 34,165.........................................28 Nat. 36,45 .................................... 81/22 Nat. 36,125.........................................28 Nat. 36,134.........................................27 Nat. 37,72 ..........................................28 Nat. 37,105.........................................28 Plinius minor Epist. 2,17,4f. ............................... 80/19 Epist. 3,14 .................................... 79/12 Epist. 3,19,7 .....................................220 Epist. 10,98f. ......................................33 Paneg. 50,1–3............................. 219/61 Plutarchos De Def. Or. 434a ................................29 Qu. conv. 741a ............................. 144/2 Qu. conv. 741a–b ......................... 144/1 Sol. 23,5 ..................................... 151/36 Sol. 24 ........................................ 155/61 Symp. 4,1,3,662d–e ................... 188/50 Them. 19,2f. ............................... 153/46 Them. 31 ............................................32 Them. 31,1 ................................. 157/67 Porphyrios Abst. 2,10,1 ......................................191 Abst. 2,5–53 .......................................34 Mir. 93,837b ......................................27 Quintilianus 1.pr.16 ........................................ 219/63 2,12,4 ......................................... 225/91 2,15,32 .............................................223 2,4,24 ......................................... 219/64 3,7,25 ......................................... 225/91 3,8,1 ........................................... 216/46 3,8,44 ......................................... 219/63 3,8,44–47 ................................... 216/46 4,1,73–75 ............................209/21, 210 4,3,9–11 ..............................209/21, 210
255 4,3,11 .............................................. 210 4,3,17 ................................. 209/21, 210 4,4,1 ................................................ 210 5,11 ........................................... 212/26 5,14 ........................................... 209/19 5,14,6 .............................................. 210 5,14,27–35 ................................. 209/21 5,14,29 ............................................ 216 8,3,4f. .............................................. 216 8,3,7 ........................................... 225/91 9,1,8–13 ..................................... 223/81 9,3,65 ......................................... 225/91 12,11,24 .......................................... 223
Pseudo-Quintilianus 13,3 ........................................... 219/61 13,11 .......................................... 219/61 Rhetorica ad C. Herennium 2,28 ................................................ 220 2,28–30 ................................... 209, 210 3,6 ........................................... 225/91 3,17f. .......................................... 209/21 Rutilius Claudius Namatianus 1,355 ................................................. 29 Sallustius Catil. 13 ............................................. 33 Scriptores historiae Augustae Alex. Sev. 24,5 ............................. 89/56 Seneca maior Contr. 1.pr.6–10 ......................... 219/64 Contr. 2,1,26 ................................... 220 Contr. 5,5 ................ 33, 219/61, 222/77 Contr. 5,5,1 ........................ 220, 222/77 Contr. 8,6,2 ................................ 219/61 Contr. 10,4,1 .............................. 213/36 Suas. 1,2f.................................... 219/61 Seneca minor Benef. 7,10,5 .............................. 219/61 Brev. vit. 2,1 .............................. 219/64 Brev. vit. 13,6 ............................ 213/36 Clem. 1,3,1 ................................. 215/44 Clem. 1,11,1f. ............................ 225/88 Epist. 1,6 ...................................... 207/5 Epist. 51,6 .................................. 214/41 Epist. 86 ....................................... 80/20 Epist. 88 ..................................... 219/64
256
Quellenregister Epist. 88,10 ................... 219/61, 222/77 Epist. 89,20 ............217, 219/61, 222/77 Epist. 89,21 ........................................33 Epist. 90,25 ........................................76 Epist. 114,26 ................................ 207/5 Epist. 120,8f. .............................. 225/91 Ira 3,33 ....................................... 219/64 Nat. 4a.pr.7 ................................ 219/64
Servius Aen. 10,174........................................29 Georg 2,412 .................. 212/31, 217/55 Sidonius Apollinaris Epist. 2,2,4 .........................................90 Solinus 52,17 ..................................................29 Sophokles Ant. 337–341 .....................................30 Statius Silv. 1,1,42 .........................................28 Silv. 4,2,26–29 ............................... 96/2 Strabon 2,5,33 .................................................34 3,2,3 ...................................................27 3,2,8 ...................................................28 3,2,10 .................................................28 5,2,6 ...................................................28 9,1,19 .................................................32 9,1,23 .................................................28 11,8,6 .................................................27 13,1,23 ...............................................28 14,6,5 .................................................28 15,2,10 ...............................................27 16,4,20 ...............................................27 Suetonius Nero 31,1–3 ............................... 225/88 Nero 39 ...................................... 225/88 Supplementum Epigraphicum Graecum 3,18 ........................................... 156/64 11,470 ........................................ 195/87 13,521 ................................................32 23,76 .......................................... 157/66 26,451 ........................................ 196/90
Supplementum Magicum I 45,53 ........................................ 168/18 Sylloge Inscriptionum Graecarum 543 ........................................... 213/36 623 ........................................... 195/87 1157,82f. .................................... 192/73 Tacitus Ann. 1,79...................................... 33/28 Ann. 3,53.................................... 219/61 Ann. 12,65,1............................... 220/69 Tertullianus Anim. 30,3 .................................. 31, 33 Spect. 1,1–4....................................... 34 Spect. 2,1–6....................................... 34 Spect. 12,7......................................... 34 Spect. 14,1–3..................................... 34 Spect. 19,5......................................... 34 Testamentum novum 1 Kor 7,31 .................................... 29/13 Mt 24,34 ....................................... 29/13 Testamentum vetus Gen 1,28 ............................................ 29 Ps 8,7................................................. 29 Themistios Or. 10,140a ....................................... 34 Theokritos 1,6 ........................................... 186/33 1,25 ................................................ 185 3,1f. ........................................... 190/56 3,34 ................................................ 185 5,84 ................................................ 185 Theophrastos Caus. Plant. 1,9,3 .............................. 37 Caus. Plant. 1,16,3 ............................ 38 Caus. Plant. 1,16,11 .......................... 37 Caus. Plant. 2,3,7 .............................. 37 Caus. Plant. 2,7,1 .............................. 37 Caus. Plant. 2,13,1–3 ........................ 37 Caus. Plant. 2,16,2–8 ........................ 37 Caus. Plant. 2,17,1–18,4 ................... 37 Caus. Plant. 2,18,1f. .......................... 37 Caus. Plant. 3,1,1 .............................. 39 Caus. Plant. 3,2,5 .............................. 39 Caus. Plant. 3,6,6f. ............................ 37
Quellenregister Caus. Plant. 3,10,3–8 .........................37 Caus. Plant. 3,10,5 .............................37 Caus. Plant. 3,10,6–8 .........................39 Caus. Plant. 3,20,3 .............................30 Caus. Plant. 4,11,7 .............................37 Caus. Plant. 5,14,2f. .....................31, 38 Caus. Plant. 5,14,2–6 .........................39 Caus. Plant. 5,14,3 .............................39 Caus. Plant. 5,14,5f. .....................31, 38 Caus. Plant. 5,15,4f. ...........................37 Hist. Plant. 1,3,6 ................................39 Hist. Plant. 2,2,2–12...........................31 Hist. Plant. 2,2,8 ..........................37, 39 Hist. Plant. 2,4,1 ................................37 Hist. Plant. 2,5,7 ................................37 Hist. Plant. 2,7,1 ................................39 Hist. Plant. 3,2,1 ................................39 Hist. Plant. 3,3,5 ................................37 Hist. Plant. 3,18,9 ..............................37 Hist. Plant. 4,1,1 ................................37 Hist. Plant. 4,8,8 ................................37 Hist. Plant, 4,13,1 ..............................39 Hist. Plant. 4,16,5 ..............................37 Hist. Plant. 4,16,6 ..............................37 Hist. Plant. 5,8,1 ................................31 Hist. Plant. 7,5,2 ................................38 Lap. 1,5 ..............................................27 Lap. 2,9f. ........................................ 27/5 Vent. 13 .......................................31, 38 Thukydides 1,2,5f. ......................................... 152/41 2,102 ..................................................40 2,15,3–5 ..................................... 157/68 Thür/Taeuber 1994 2,1–3 ........................................ 199/106 36 ........................................... 195/87 Tzetzes Chil. 12,322 .......................................26 Valerius Maximus 4,3,5 ........................................... 218/60 4,4,7 ........................................... 222/77 8,6,3 ........................................... 218/60 Varro Frg. 11 ................................... 150/32/34 Rust. 1,17,2 ................................ 220/69 Rust. 1,2,17 ......................................190 Rust. 1,2,18 ................................ 191/64
257 Rust. 1,2,19 ..................................... 191 Rust. 1,2,20 ..................................... 192 Rust. 1,6,5 .................................... 31/20 Rust. 1,7,2 .................................. 211/24 Rust. 2pr.1–4 ... 211/24, 212/28, 213/36, 219/64 Rust. 2,1,9 .................................. 212/28 Rust. 2,3,6 ....................................... 190 Rust. 2,3,7 ....................................... 190 Rust. 2,3,9 ............................. 187/45/49 Rust. 2,10,1 ..................................... 191 Rust. 2,10,11 .............................. 187/45 Rust. 3,1,1–7 ................. 212/28, 219/64 Rust. 3,3,10 ....................................... 33
Vergil Aen. 4,607–629 .......................... 214/41 Aen. 6,851–853 ............................... 213 Aen. 10,174 ....................................... 27 Georg. 2,397–419....................... 221/72 Georg. 2,412f. ......................... 210, 212 Georg. 2,495–513....................... 219/64 Georg. 3,311–313 ...................... 186/34 Georg. 3,314f. ............................ 190/59 Georg. 3,608 .............................. 186/28 Pseudo-Vergil Aen. pr. 3f. ................................... 207/5 Vitruvius 3,3,11 ......................................... 101/20 5,10 ............................................... 77/6 6.pr.5–7 ...................................... 219/64 7.pr.3 .......................................... 219/64 7.pr.10 ........................................ 219/64 7,6,1 .................................................. 27 7,12,2 ............................................... .27 8,1 ............................................. 60/12 8,2,3f. ............................................. 78/9 9.pr. ........................................... 219/64 10.pr.2f. ...................................... 219/64 Xenophanes 21 A 33 D/K ...................................... 35 Xenophon Mem. 3,5,10 ............................... 150/32 Oik. 4,4–6,11 ............................. 219/64 Oik. 15,4–13 .............................. 219/64 Oik. 20,14f. ................................ 219/64 Oik. 20,12 ......................................... 29 Oik. 20,22–26 ................................... 30
258
Quellenregister Vect. 1,4 .............................................27 Vect. 4,2–11 .......................................27 Vect. 4,29–32 .....................................27
Pseudo-Xenophon Ath. Pol. 3,1f. ............................. 148/23
SACHEN, ORTE, PERSONEN Abfall ... 11, 15, 19, 59, 67, 69–70, 117–138, 171–175 Abforstung .... 77, 85, 88–89, s. auch Rodung Abgabe.....................................................196 Abwasser ............. 33, 67, 69, s. auch Wasser Ackerbau............. 34, 49, 145, s. auch Bauer, Landwirtschaft Adonia .....................................................130 Afrika..................................... 34, 49–50, 206 Ägäis ........................................................199 Agency-Ansatz ................................124–125 Agios Petros.............................................194 Agrarschriftsteller ............ 207–208, 213, 223 Agrigent ............................... 19, 35, 118–138 S. Anna ............................. 19, 118–138 Ägypten . 31–32, 52, 68, 90, 96–97, 102, 166 Akragas ......................................19, 118, 127 Akropolis ... 20, 143, 147, 150–151, 153–157 Albanien ....................................................81 Alberti, Alberto ........................................112 Alchemie..........................................167, 174 Alexandria ...........................................34, 89 Altkleider .........................................166, 174 Ambrosius von Mailand ................30, 33–34 Anaximander von Milet .............................35 Anthropozän ..............................................10 Apollodor .................................................150 Aquädukt ..................... 58, 60, 64–65, 67–70 Arborikultur ....................... 31, s. auch Baum Archäobotanik ........................... 88, 130, 136 Archäohydrologie .................... 18, 43–54, 69 Archäologie .......... 10–11, 14–15, 18–20, 44, 47–49, 53, 58, 61, 67–68, 71, 82, 90, 97, 118–126, 133, 138, 181 Architektur .... 19, 60–61, 65, 80, 96–98, 103, 106–112, 126–127, 182 Arenaspiel ..................................................34 Areopag ...................................................157 Argolis ................................. 51, 53, 195–196 Aristoteles .................... 26–27, 31, 34–36, 40 Arkadien ..................................................147 Armut...............................................171, 230 Artemidor von Daldis ....... 20, 164, 168–175, 186–190 Ästhetik............. 97, 106, 110, 206, 210, 212, 214–215, 241 Athen . 32, 130, 143–159, 182, 187, 189, 192
Athena .............. 20, 143, 148, 150–154, 157, 191–193 Athos ....................................................... 194 Atlantis............................................ 180–181 Attika .... 27, 29–30, 133, 135, 148, 150–157, 180–182, 191 Aufklärung ...................................... 232, 234 Bad . 11, 18–19, 64–65, 69, 75–90, 172–173 Basilica Ulpia.................................... 99, 102 Basilius von Caesarea ............................... 29 Bauer ............... 169–172, 175, 188, 194–195, 198–200, 206–207, 210, 212, 216–217, s. auch Landwirtschaft Baum ............. 30–31, 39, 169, 171, 173–174, 179–202 Obstbaum .................181, 186, 190, 192 Olivenbaum .....20, 37–38, 52, 143–159, 169, 188–192, 194, 200 Bauteil-Magazin ..................................... 110 Berg ............... 29, 38, 53, 122, 173, 180–197 Bergbau ................ 27–28, 172, 231, 238 Bergwerk ..................................... 28–29 Bewässerung ......................32, 44, 46, 49, 51 Biene ................................................. 30, 170 Biodiversität .............................................. 12 Biologie .............................................. 36, 40 Blyth, P. H. ......................................... 87–88 Boden .................................17, 29–30, 36, 39 Bodennutzung ................................. 224 Bond-Event ............................................... 52 Botanik........................................ 26, 36, 129 Braidotti, Rosi ........................................... 14 Braudel, Fernand..................................... 184 Brennstoff .................... 15, 77, 79, 82, 84–90 Brennstofflieferung ........................... 87 Brennstoffverbrauch ............. 77, 85–87 Bronzezeit ................................................. 50 Spätbronzezeit ............................. 18, 50 Brundtland, Gro H. ................................. 200 Brunnen ..............32, 63–64, 66–68, 70, 122, 172–173 Buffon, G. L. Leclerc Comte de ............. 185 Caesar, Caius Iulius .................................. 27 Calciumcarbonat ........................... 61, 64–65 Caldarium .................... 77, 79, 81–82, 84–88 Caracallathermen ............82, 84, 88–89, 105, s. auch Kaiserthermen Campania .................................................. 78
260
Sachen, Orte, Personen
Carlowitz, Hans C. von ..... 13, 231–233, 238, 241, 243–244 Cato, Porcius Marcus .........................27, 221 chaîne opératoire-Ansatz ........................121 Chichen Itza .........................................45–46 Christentum ....................... 29–30, 32–34, 40 Ciudad Perdida ....................................48–49 Club of Rome.......................................12, 40 „Die Grenzen des Wachstums“ ....12, 40 Colbert, Jean-Baptiste ..............................232 Columella ............................ 21, 80, 205–226 Cornelius Celsus ..............................221, 223 Cossarini, Alberto ....................................218 Crouch, Tristan ..........................................86 Crutzen, Paul .............................................10 Curius Dentatus, Manus........... 210, 213, 216 Cyprian von Karthago................................29 „Dark Ages“ ..............................................51 Darwin, Charles .........................................35 Davies, Paul ...............................................97 De Fine Licht, Kjeld ..................................98 Delos ........................................................192 Delphi ..............................................190, 199 Deponierung .............................. 19, 117–138 Diodor ........................................................27 Diokletiansthermen ............. 19, 89, 106–112, s. auch Kaiserthermen Dionysos ..........................................191–192 Domitia Lepida ........................................220 Doppelverglasung ............. 19, 82, 84–86, 89, s. auch Fensterglas Douglas, Mary .........................................123 Dünger ................... 30, 37–38, 171, 175, 186 Eidechse ................................... 166–167, 174 Eidinow, Esther .......................................148 Eigentum.................... 31, 122, 234–239, 244 Einsparung .................................86, 106, 112 Eisen ..........................................................28 Eisenzeit.............................................51 Elba .....................................................27–28 Elis ...........................................................51 Eliten.................................. 76, 180, 201–202 lokale .......................................197–200 Empedokles von Agrigent .........................35 Energie... 11, 13, 15, 36, 79, 84, 86, 119, 244 Energieverbrauch .........................19, 79 Entsorgung ... 11, 19, 119–121, 123, 129, 166 Entsorgungsverhalten.......................121 Entwaldung ....... 21, 77, 85, 88–89, 180–197, s. auch Rodung, Wald Environmental Humanities .............9–10, 16, 119–120, 159
Erde .......................................... 20, 150–153 Erechtheion ..................................... 143, 152 Erechtheus............................................... 152 Erinnerung ........................................ 16, 109 Erinnerungskultur ........................... 124 Ernährung ....................................... 155, 206 Erosion ...................................... 27, 182–183 Euboia ..................................................... 199 Evolution ...........................26, 33–35, 37, 40 exemplum .................................212–213, 216 Fayum ..................................................... 166 Fensterglas .........................77, 80–85, 89–90 Feudalismus ............................................ 234 Feuer ..................................35, 171, 197–199 Fleisch ............. 118, 129, 185–186, 188, 191, 198–199 Fluss .......... 32–33, 38, 48, 51, 60–62, 67, 70, 156, 230, 241, 243–244, s. auch Wasser Fögen, Thorsten ...................................... 223 Foote, Stephanie ....................................... 16 Forstwirtschaft ................231–233, 241–243, s. auch Wald Fossil ................................................. 35, 181 Foxhall, Lin............................................. 155 Französische Revolution ................. 234, 236 Frontinus ............................................. 60, 69 Fußboden .........................130–131, 133–134 Galenus, Aellius ........................................ 36 Gallien ...................................................... 90 Geoarchäologie ................................... 47–48 Gerechtigkeit................ 12, 43, 210, 215, 224 Geschlecht............................................... 236 Gesteinsabbau ........ 26, 29, 105–106, s. auch Bergbau Getreide ..................... 37, 133, 170, 172, 199 Glacken, Clarence J. ............................... 145 Gleichheit................................................ 230 Gold .....................................28–29, 167, 175 Graßl, Herbert ..........................26, 28–29, 40 greenwashing .......................................... 224 Grenzgebiet ..................................... 195–196 Griechenland ................ 32, 34, 39–40, 50, 52 Grube .... 17, 26–28, 118, 122, 127–130, 137, 172 Grundwasser ... 27, 38, 48, 58, 61, 63–68, 70, 230 Hadrian, röm. Kaiser (117–138 n. Chr.) .. 31, 102 Hadriansvilla ..................... 19, 103–105 Håland, Evy J. ......................................... 154 Halleux, Robert ......................................... 26 Halykos ................................................... 156
Sachen, Orte, Personen Hannibal ..................................................214 Haselberger, Lothar .................................100 Hawes, Greta ...........................................148 Heiligtumsschutt ...................... 118, 123, 138 Heizen .......... 68, 77–80, 82, 84–90, 173–174 Hemsoll, David ..........................................97 Herakles .............................................51, 193 Herakleia, Insel bei Naxos ...............192–194 Herculaneum............................ 77–78, 80–82 Herodot ............................................147, 152 Herrmann, Bernd .......................................12 Hesiod .................................. 15, 29, 145, 217 Hierapolis am Mäander............................193 Hippokrates................................................36 Hoffmann, Volker ......................................99 Holz .. 11, 13, 27, 30–31, 81–82, 85–90, 147, 151–152, 159, 173–175, 231–232, 238–239, 241–243 Homer .................................. 26–27, 187, 199 Horden, Peregrine ............................155, 194 Hughes, J. Donald ......... 26, 36, 39, 146–147, 154, 182–183 Humboldt, Alexander von .......................145 Hydro-Soziale Beziehung ....................59, 69 Hygiene............................................124, 138 Hypokaustum .................................76, 78–79 Identität ..... 20, 144, 147–149, 151, 153–154, 158 Ilissos .......................................................156 Innertropische Konvergenzzone ................46 Innovation, technische ..... 17, 19, 76, 80, 156 Insel ..... 27, 33, 40, 46–47, 96, 180, 192–195 insula .........................................................62 Italien ................................. 28, 122, 190, 197 Ithaka .......................................................195 Justinian, röm. Kaiser (527–565 n. Chr.) .237 Kaiserthermen .......... 82, 84, 88–89, 105–112 Kalaureia..................................................123 Kapital .............................................218, 235 Karst ....................................................53–54 Karthago ................................ 29, 31, 89, 214 Käse ................................. 185–187, 188, 194 Kekrops............................................150, 152 Kennett, Douglas J. ....................................45 Keramikrohr............... 66–67, s. auch tubulus Kistler, Erich ............................................125 Kleidung .................................. 166, 174–175 Kleinasien ................................................186 Klima ..................... 12, 18, 37–39, 44–45, 49 Klimaereignis .....................................52 Klimaverhältnisse ..............................85 Klimawandel ........ 44–46, 48–50, 52–53
261
Konflikt .................... 194–195, 197–198, 200 Kopaïs-See ................................................ 51 Korruption............................................... 230 Korsika.....................................186, 198–199 Kuh .................... 187, 199–200, s. auch Tier Kult ............ 20, 68, 123–124, 144, 146–148, 153–154, 156–159 Kultgesetz ..................20, 153, 156–159 Kultort ............................................. 123 Kultur . 16–19, 32, 44–49, 59–61, 69, 71, 85, 106, 120–124, 145, 149, 155, 158–159 Kulturerbe ......................................... 15 Kultur, Mykenische............... 18, 50–53 Kykladen ................................................. 192 Kyra Panaghia................................. 194–195 Lagerung ............................11, 110, 123, 172 Landbesitz .................. 21, 207–208, 218, 225 landgrabbing................................... 205–226 Landschaft....... 18, 30–31, 33, 37–39, 48, 51, 148, 154, 245 Landverteilung ........................................ 212 Landwirtschaft ....20–21, 30, 32, 38, 52, 121, 153, 169–170, 175, 180–202, 205–226 Languedoc....................................... 198, 200 lapis specularis ......................................... 81 Las Médulas .............................................. 28 Latium ............................................. 105, 197 Laureion .............................................. 27–28 LeMenager, Stephanie .............................. 16 Lentz, David L. ......................................... 46 León, Stadt in Kastilien ............................ 28 Lerna ................................................... 51, 53 Liberalismus ........................................... 234 Licinius, Gaius .................210, 213–214, 216 Löss .......................................................... 48 Löwe, s. auch Tier..................................... 34 Lucifer Aquatarius .................................... 68 Luft ....... 27, 35–36, 38, 48, 79, 84–85, 156, 230, 245 Luxuskritik...................................... 172–173 Lykien ............................................. 186, 207 Lysias .............................................. 157–158 Magie .. 165–168, 174–175, s. auch Zauberei Mago ....................................................... 214 Malanima, Paolo ....................................... 88 Marmor ............. 19, 28–29, 96–97, 102–105, 109–112 Martial ...................................................... 80 Martin, René ................................... 207–209 Marx, Patricia A...................................... 152 Materialkreislauf ............................. 120, 138 material turn ............................................. 14
262
Sachen, Orte, Personen
Maya ..............................................18, 44–47 Meiggs, Russell .......................................197 Mensch-Umwelt-Beziehung ............121, 174 Merchant, Carolyn ...................................146 Metall ....... 17, 26–29, 77, 122, 136, 167, 238 Milch................ 185–187, 192, 194, 198–199 Milet ...................................... 35, 40, 81, 195 Miliaresis, Ismini .................................84–88 milieu .......................................................184 Misenum ..............................................87–90 Mist ...... 29, 166–167, 171, 174–175, 186, s. auch Abfall Mittelamerika.......................................44, 47 Mohr, Martin ...........................................125 Mons Claudianus .....................................102 Monsun ................................................46, 48 Monte Iato .......................................125–126 mos maiorum ...................................212, 223 Müll ............... 11, 15, 19, 119–121, 156, 172 Atommüll .........................................120 Restmüll ........................... 119–120, 126 Müller, Adam........................... 233–237, 245 Mythologie .............................. 144–145, 148 Mythos ................................. 20, 51, 143–159 Nachhaltigkeit......... 9–22, 26, 40, 45–47, 53, 58–59, 69–71, 85, 90, 97, 112, 119–120, 122, 138, 143–159, 164–176, 205–226, 229–245 „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ ..........................................43 Dimensionen der Nachhaltigkeit...... 12, 16, 43, 229-230 Napoleonische Kriege..............................236 Natur ... 10–12, 14, 18, 20, 25–41, 59, 69, 71, 76–77, 88, 119, 145–146, 148, 151, 155–156, 158, 168–176, 230–231, 235–236, 242–244 Naturphilosophie................................35 Nazca ....................................... 18, 47–50, 53 Nero, röm. Kaiser (54–68 n. Chr.) ......76, 89, 206, 225 Nießbrauch ................ 22, 237–240, 244–245 Nilschwemme ..........................................165 Nizza ........................................................198 Nymphe ................................... 146, 148, 156 Objektbiographie ...... 20, 120–121, 125, 130, 134, 138 Oetelaar, Taylor A. ....................................79 Ökologie ... 12, 16–17, 19–22, 26, 33, 36–37, 39–40, 47, 59, 97, 144–146, 148–153, 155, 159, 229, 241–244
Ökonomie .............12, 19–22, 30–31, 47, 59, 75–90, 97, 102–103, 105, 151, 155, 165, 167, 174, 211, 229–230 Ökosystem .....................14, 36, 39, 243–245 Opfer .......... 34, 118, 122,125, 129–130, 147, 154, 190–192, 219 Opfergabe.................................. 33, 167 Orakel ..................................................... 147 Orchomenos ...................................... 51, 199 Ostia ............................. 18, 57–71, 80, 82–89 ouk ekphora-Gebot ......................... 122, 125 Pakkanen, Petra................123–125, 129, 137 Paläoklimatologie ......................... 44, 46, 52 Pan ................................................ 146–148 Panathenäen .................................... 148, 154 Pantheon ...................... 19, 97–103, 105, 107 Parthenon ................................................ 143 Pausanias .................................................. 39 Peloponnes .................................. 50–53, 148 Peru .........................................18, 47, 49–50 Pflanze ............ 18–19, 21, 26, 29–30, 33–34, 36–40, 48, 136, 167–171, 173, 175, 231–232 Pflanzenkunde ................................... 36 Wildpflanze ..................................... 188 Philipp VI., frz. König (1328–1350) ....... 233 Piräus ...................................................... 157 Platon ................. 30, 180–182, 196, 223, 239 Plinius maior ... 28–29, 31, 33, 36, 39, 80–81, 220–221, 225 Plinius minor ..................................... 80, 220 Plutarch ..................................... 29, 143, 153 Polis ..... 19–20, 118, 143, 151, 153, 157–158 Pompeji ..............................67, 77–78, 80–81 Poros ....................................................... 123 Poseidon............. 20, 123, 143–144, 150–153 Poseidonios ............................................... 28 Posthumanismus ......................... 14–15, 122 Provence ................................... 81, 197–198 Purcell, Nicholas. ............................ 155, 194 Pythagoreer ............................................... 33 Rackham, Oliver ..................................... 188 Radkau, Joachim ....................... 13, 183, 224 Recht, römisch .................234, 237–239, 244 Rechtsgeschichte ............................... 21 Recycling ......59, 119, 121–122, 137, s. auch Wiederverwendung Reichsidee ............................................... 215 Reichtum ..................................165, 167, 219 Reinigung..................... 20, 46, 125, 129, 137 Reinigungsritual ...................... 123–125
Sachen, Orte, Personen Religion .............. 20, 34, 118, 122–125, 138, 144–149, 151, 156–159 Religionswissenschaft ......................122 Rentabilität .............................. 185, 218, 223 Reparatur .........................................103–106 Resilienz ................ 14–15, 18, 45, 47, 69–70 Ressource .... 9–13, 15–20, 22, 26–41, 44–45, 48, 50, 58–60, 69–71, 89–90, 96–98, 103–105, 112, 119, 121, 149, 151, 155, 157–159 Ressourcenschonung ................163–176 Rezeptionsgeschichte .................................21 Rhetorik .....................................21, 205–226 Rieger, Anna-Katharina ...................123–125 Rio de Janeiro ............................................12 Rind ........... 187, 195, 199, s. auch Kuh, Tier Ring, James W. ..........................................84 Ritual .......... 20, 118, 123, 134, 137,166–168 Ritualabfall ..............................123–126 Ritualobjekt..............................126, 137 Robert, Louis ...................................193–194 Rodung .................................. 30–31, 38, 157 Rohrleitung .... 58, 65–67, 79, s. auch tubulus Rohstoff ........ 9, 11, 19, 28, 33, 97, 105–106, 112, 158 Rom .... 19, 32–33, 39, 58, 60–62, 65, 67, 82, 88–90, 95–113 Romantik ................... 21, 230, 233–235, 245 Sardis ....................................... 79, 82, 85–87 Satire ........................................................219 Scarborough, Vernon L. ......................45–46 Schaden..... 21, 27–28, 40, 43, 103–104, 171, 212 Schaf ... 182–187, 189, 197–199, s. auch Tier Schafherde .......................................187 Scheer, Tanja ...........................................145 Schriftquelle............................. 10, 13, 27, 51 Seneca ................ 19, 76–77, 80–81, 217, 220 Septizodium .....................................111–112 Sidonius Apollinaris ..................................90 Sieben Weisen, die ..........................210–211 Silvae .........................................................96 Sklave ...... 155, 173–174, 214, 219–220, 238 Smith, Adam ............................................234 Sokrates ...................................................215 Solidarität ................ 216, 230–231, 235–236 Solon ........................................................155 Sonnenenergie ...........................................84 Sonnenwärme ....................................82 Sophokles ..................................................30 Soziales Gewissen ...........................210, 216 Spanien ........................................27–28, 122
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Sparsamkeit.. 19, 59, 77, 86, 90, 95–113, 173 Sparta ...................................................... 148 Spätantike 19, 30, 34, 62, 64–65, 70, 89–90, 110, 112 Spolie ...................................................... 109 Sporaden ................................................. 194 Stalagmiten ................................... 45–46, 52 Statius ....................................................... 96 Steinmagazin................................... 110–112 Stoermer, Eugene F................................... 10 Stoff ...................................36, 117–138, 238 Stoffkreislauf . 13–14, 20, 137–138, 144 Stoiker ..................................................... 223 Strabon .......................................... 27–28, 34 Stymphalos ................................... 51, 53–54 Subsistenzwirtschaft ........212–213, 217–218 Substanz .... 12, 128, 136–137, 167, 230–232, 234, 237–241, 243–244 sustainable development ................... 12, 231 “Sustainable Development Goals” .... 43, 230 Tegea ...................................................... 199 tegulae mammatae .............................. 78–79 Teichos Dymaion ...................................... 51 Tepidarium...............................77–79, 85, 88 Thatcher, Edwin D. ................................... 84 Themistokles ..................................... 32, 153 Theophrast von Eresos .26–27, 30–31, 34–40 Tiber...................................33, 61–62, 67, 70 Tier ........ 18, 20, 26, 31, 33–36, 69–70, 136, 146, 159, 166–167, 169–171, 174–175, 182, 184, 196, 198, 291, 214, 238 Tikal .................................................... 45–46 Tiryns ........................................................ 51 Tivoli ........................................ 19, 103–106 Topos ............... 144, 207, 219, 222, 224–225 Trajan, röm. Kaiser (98–117 n. Chr.)...... 102 Transformationsprozess ...124–125, 129, 134 Traum.......................................164, 168–175 Traumdeutung ................... 20, 166–172 Traumzwang ........................... 165–166 Tremelius Scorfa ..................................... 221 tubulus ............78–79, 84–85, 89–90, s. auch Rohrleitung Tugend ...................... 210, 212, 220 223, 225 Tugendethik .................................... 215 Türkei........................................................ 79 Tzetzes, Johannes ..................................... 26 Überschwemmung ............................ 31, 150 Überweidung........................................... 182 Ueblacker, Mathias ................................. 105 Umwelt ..... 10–11, 16, 27, 29–30, 36–37, 59, 76–77, 79, 121–122, 230–231, 243–244
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Sachen, Orte, Personen
Umweltethik ............................207, 210 Umweltschutz ... 11, 18, 31, 33, 40, 146, 156–157, 159, 243 Umweltverschmutzung ....................156 usus fructus ........................ 22, 237, 239–240 Vegetation.................. 48, 188–190, 192, 194 Verantwortung ...... 21, 31, 38, 206, 213, 224, 236, 244 Vereinte Nationen (UNO).... 12, 43, 230–231 Vergil ................. 27, 210, 212–213, 216–217 Verglasung ................... 77, 80–85, 89 s. auch Fensterglas Vernant, Jean-Pierre ................................145 Verschmutzung ............................ 32–33, 123 Verschwendung .................................69, 105 Verstaatlichung ........................................201 Viehzüchter.............................. 185, 194, 201 Vitruv ..................................... 27, 77–78, 101 Voigts, Clemens.......................................125 Votiv ................................................118, 122 Wachstum ............. 32, 36–37, 151–152, 165, 168–169, 173, 175 Wald ... 13, 17, 19, 21–22, 26, 28, 30–31, 38, 88, 179–201, 230–232, 237–239, 241–244, s. auch Entwaldung Wandheizung .............................................77 Wärme .................................................78–86 Wärmeeffizienz..................................84 Wärmehaushalt ............................78–90 Wasser ..... 11, 15, 17–18, 20, 26–27, 32–33, 35–36, 38, 43–54, 57–71, 77–79, 86, 143, 146, 151–153, 156–159, 172–173, 175, 240–242, s. auch Fluss Meerwasser ................................68, 150 Regenwasser ..........................58, 65–67 Wasserfußabdruck .............................59 Wassermanagement ...............45–46, 59
Wasserressource ....................48, 57–71 Wasserspeicher ..................................65 Wasserverkauf ...................................68 Wasserverschwendung.......................69 Wasserversorgung............ 32, 44, 57–71 Wasservielfalt ....................................71 water harvesting ................................49 Weide .......................................................182 Weinstock ................ 190–192, 196, 199–200 Wertschöpfung.........................................119 Wiederaufforstung ...................................182 Wiederverwendung ..... 11, 19, 106–112, 121, s. auch Recycling wilderness ................................................184 Wilson Jones, Mark .............................97–98 Wirtschaft ................................205–226, 238 Privatwirtschaft ................215–220, 223 Wirtschaftsethik .............................. 208 Wissen ........ 16, 20, 102, 134, 145, 148–151, 157, 183, 223 Wüste .................................................. 48–50 Xenophanes von Kolophon ....................... 35 Xenophon.................................... 27, 30, 207 Yegül, Fikret ............................................. 86 Yok Balum Höhle ............................... 45–46 Zauberei ................... 164, 175 s. auch Magie Zauberpapyrus ....10, 20, 164–165, 168, 174 Liebeszauber ................................... 166 Schadenszauber ............................... 165 Ziege ......................................... 21, 179–202 Ziegenhaar ...................................... 185 Ziegenherde .............186–187, 195, 198 Ziegenhirte ...............187, 193, 195–196 Zisterne ..............................32, 49, 63, 65–66 Zwillingsgeburt ....................................... 185
DIE AUTORINNEN UND AUTOREN Christophe Chandezon, Histoire grecque, Université Paul-Valéry Montpellier (EA 4424 – CRISES) Janet DeLaine, Emeritus Fellow, Wolfson College, Oxford Mark A. Locicero, Classical, Near Eastern and Religious Studies, University of British Columbia Lars Mielke, Klassische Philologie, Universität Rostock Christopher Schliephake, Alte Geschichte, Universität Augsburg Jens Soentgen, Wissenschaftszentrum Umwelt, Universität Augsburg Natascha Sojc, Klassische Archäologie, Universität Augsburg Lukas Thommen, Alte Geschichte, Universitäten Basel und Zürich Ingmar Unkel, Umweltgeschichte und Institut für Ökosystemforschung, ChristianAlbrechts-Universität Kiel Clemens Voigts, Bauforschung und Konstruktionsgeschichte, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Gregor Weber, Alte Geschichte, Universität Augsburg
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Begründet von Ernst Kirsten, herausgegeben von Eckart Olshausen und Vera Sauer. Die Bände 1–8 sind in den Verlagen Dr. Rudolf Habelt (Bonn) und Adolf M. Hakkert (Amsterdam) erschienen.
Franz Steiner Verlag
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ISSN 1381–0472
Otar Lordkipanidze Phasis The River and City in Colchis 2000. 147 S. und 8 Taf., kt. ISBN 978-3-515-07271-7 Marcus Nenninger Die Römer und der Wald 2001. 268 S. mit 3 Abb., kt. ISBN 978-3-515-07398-1 Eckart Olshausen / Holger Sonnabend (Hg.) Zu Wasser und zu Land – Verkehrswege in der antiken Welt Stuttgarter Kolloquium zur historischen Geographie des Altertums 7, 1999 2002. 492 S. mit zahlr. Abb., kt. ISBN 978-3-515-08053-8 Maria Francesio L’idea di città in Libanio 2004. 157 S., kt. ISBN 978-3-515-08646-2 Frauke Lätsch Insularität und Gesellschaft Untersuchungen zur Auswirkung der Insellage auf die Gesellschaftsentwicklung 2005. 298 S., kt. ISBN 978-3-515-08431-4 Jochen Werner Mayer Imus ad villam Studien zur Villeggiatur im stadtrömischen Suburbium in der späten Republik und frühen Kaiserzeit 2005. 266 S., kt. ISBN 978-3-515-08787-2 Eckart Olshausen / Holger Sonnabend (Hg.) „Troianer sind wir gewesen“ – Migrationen in der antiken Welt Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 8, 2002 2006. 431 S. mit 58 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08750-6
22. Jochen Haas Die Umweltkrise des 3. Jahrhundert n. Chr. im Nordwesten des Imperium Romanum Interdisziplinäre Studien zu einem Aspekt der allgemeinen Reichskrise im Bereich der beiden Germaniae sowie der Belgica und der Raetia 2006. 322 S., kt. ISBN 978-3-515-08880-0 23. Klaus Tausend Verkehrswege der Argolis Rekonstruktion und historische Bedeutung 2006. 226 S. mit 6 Abb., 22 Ktn. und CD-ROM, kt. ISBN 978-3-515-08943-2 24. Gerhard H. Waldherr / Anselm Smolka (Hg.) Antike Erdbeben im alpinen und zirkumalpinen Raum / Earthquakes in Antiquity in the Alpine and Circum-alpine Region Befunde und Probleme in archäologischer, historischer und seismologischer Sicht / Findings and Problems from an Archaeological, Historical and Seismological Viewpoint. Beiträge des Interdisziplinären Workshops Schloss Hohenkammer vom 14.–15. Mai 2004 2007. 189 S. mit 125 s/w-, 3 Farbabb. und 5 Tab., kt. ISBN 978-3-515-09030-8 25. Klaus Tausend Im Inneren Germaniens Beziehungen zwischen den germanischen Stämmen vom 1. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr. Mit Beiträgen von Günter Stangl und Sabine Tausend 2009. 282 S. mit 14 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-09416-0 26. Eckart Olshausen / Vera Sauer (Hg.) Die Landschaft und die Religion Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 9, 2005 2009. 422 S. mit 94 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09422-1
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Frank Stini Plenum exiliis mare Untersuchungen zum Exil in der römischen Kaiserzeit 2011. 378 S., kt. ISBN 978-3-515-09894-3 Eckart Olshausen / Vera Sauer (Hg.) Die Schätze der Erde – Natürliche Ressourcen in der antiken Welt Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 10, 2008 2012. 425 S. mit 55 Abb., 1o Tab. und CD-ROM, kt. ISBN 978-3-515-10143-1 Tonnes Bekker-Nielsen (ed.) Space, Place and Identity in Northern Anatolia 2014. 271 S. mit 120 s/w-, und 27 Farbabbildungen, kt. ISBN 978-3-515-10748-8 Ekaterina Nechaeva Embassies – Negotiations – Gifts Systems of East Roman Diplomacy in Late Antiquity 2014. 306 S., kt. ISBN 978-3-515-10632-0 Eckart Olshausen / Vera Sauer (Hg.) Mobilität in den Kulturen der antiken Mittelmeerwelt Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 11, 2011 2014. 565 S. mit 26 Abb. und 22 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-10883-6 Kristina Winther-Jacobsen / Latife Summerer (Hg.) Landscape Dynamics and Settlement Patterns in Northern Anatolia during the Roman and Byzantine Period 2015. 354 S., 40 s/w-Abbildungen, 9 Farbabbildungen, 8 Tabellen, 79 s/w-Fotos und 61 Farbfotos, kt. ISBN 978-3-515-11214-7 SØren Lund SØrensen Between kingdom and koinon Neapolis/Neoklaudiopolis and the Pontic cities 2016. 224 S. mit 20 Abb. und 3 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11312-0
34. Florin-Gheorghe Fodorean Pannonia, Dacia and Moesia in the Ancient Geographical Sources 2016. 208 S. mit 18 Abb. und 19 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11262-8 35. Tonnes Bekker-Nielsen / Ruthy Gertwagen (Hg.) The Inland Seas Towards an Ecohistory of the Mediterranean and the Black Sea 2016. 419 S. mit 59 s/w-, 17 Farbabbildungen und 17 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11439-4 36. Orietta Dora Cordovana / Gian Franco Chiai (Hg.) Pollution and the Environment in Ancient Life and Thought 2017. 296 S. mit 10 s/w-, 1 Farbabb. und 2 Tab., kt. ISBN 978-3-515-11667-1 37. in Vorbereitung 38. Iris von Bredow Kontaktzone Vorderer Orient und Ägypten Orte, Situationen und Bedingungen für primäre griechisch-orientalische Kontakte vom 10. bis zum 6. Jahrhundert v. Chr. 2017. 394 S. mit 7 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-11860-6 39. Klaus Tausend Pylos und sein Heer Untersuchungen zum spätmykenischen Militärwesen Mit Beiträgen von Fritz Blakolmer, Andreas Konecny und Michaela Zinko 2018. 361 S. mit 31 Abb. und 6 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-12120-0 40. Athena Trakadas In Mauretaniae maritimis Marine Resource Exploitation in a Roman North African Province 2018. 667 S. mit 99 Abb. und 62 Tab., kt. ISBN 978-3-515-10417-3 41. Philipp Deeg Der Kaiser und die Katastrophe Untersuchungen zum politischen Umgang mit Umweltkatastrophen im Prinzipat (31 v. Chr. bis 192 n. Chr.) 2019. 317 S., kt. ISBN 978-3-515-12374-7
Nachhaltigkeit ist ein Schlagwort, das in den letzten Jahren verstärkt in aller Munde ist. Aber kannten eigentlich antike Gesellschaften Formen von ‚Nachhaltigkeit‘? Wie gingen Griechen und Römer mit erschöpfbaren Ressourcen wie Wasser und Holz um? Wurde Abfall wiederverwendet, und gab es überhaupt ein Bewusstsein für menschengemachte Umweltzerstörung? Die Autorinnen und Autoren zeigen, dass die Diskussionen um ‚Nachhaltigkeit‘ eine Ideengeschichte haben, die bis in die Vormoderne zurückreicht, und
ISBN 978-3-515-12733-2
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7835 1 5 1 2 7 332
dass eine Anwendung moderner Begrifflichkeiten auf antike Gesellschaften Probleme, v. a. aber Perspektiven mit sich bringt, die dieser Band grundlegend aufarbeitet. Die antiken Gesellschaften mögen keinen Begriff für ‚Nachhaltigkeit‘ gekannt haben – in den Praktiken ihres Umweltverhaltens bieten sie dennoch reichlich Anschauungsmaterial, das sowohl Parallelen, aber auch wichtige Unterschiede zur Gegenwart erkennen lässt. Und das unser Verständnis der antiken Umweltgeschichte auf eine neue Grundlage stellt.
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