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German Pages 122 [130] Year 1902
Nachgelassene Schriften des Grafen Gobineau herausgegeben von
Ludwig
Schemann.
Dichterische
VVerke :
Alexandre le Macédonien.
Tragédie
en cinq
actes.
Zweite Auflage.
Strassburg. V e r l ag v o n K a r l J. T r ü b n e r . 1902.
Nachgelassene Schriften des Grafen Gobineau h e r a u s g e g e b e n von
Ludwig
Schemann.
Dichterische
Werke:
i. Alexandre le Macédonien.
Zweite Auflage,
Strassburg. Verlag
v o n K a r l J. T r ü b n e r .
1902.
Alexandre le Macédonien Tragédie en cinq actes par
le C o m t e de G o b i n e a u (Oeuvre posthume).
Deuxième Edition.
Strassburg. V e r l a g v o n K a r l J. T r i i b n e r . 1902.
M. DuMcnt-Scliauherjí, S t r a s s b u r g .
Aus der Vorrede des Herausgebers zur ersten Auflage. Ich will meine Klage darüber, wie wenige im Grunde bei uns Kunstwerke fremder Sprachen so, wie es für das rechte Verständnis nötig wäre, zu lesen wissen, an dieser Stelle nicht wiederholen, vielmehr der kühnen Hoffnung Raum gönnen, dass gerade unser Gobineau, den eine Fülle der besten Deutschen so schnell und so temperamentvoll ihren Lieblingen eingereiht hat, mit ein Anlass zur Besserung in diesen Dingen werden könnte. Wäre dem so, dann dürfte ganz besonders sein „Alexandre" berufen sein, hierfür mitzuwirken. Freilich ist's auf den ersten Blick auch nur ein Werk im alten klassischen Gewände, mit Einheiten,') Alexandriner und was sonst, wie wir es nun einmal, mit welcher Berechtigung, bleibe dahin gestellt, nach guter deutscher Sitte perhorrescieren. Aber innerlich trennt eine Welt diese Tragödie Gobineaus von denen der alten klassischen Meister. Diesen schrieb das Fühlen ihres Publikums, gleich einem undurchbrechlichen Gesetze, es vor, welche Beimischung von Rhetorik die Leidenschaft, von höfischer Sitte das Heldentum, von Galanterie die Liebe zu führen habe, um als Motiv des Kunstwerkes möglich zu sein — eine Beimischung, die weit kleiner sein dürfte, als sie tatsächlich ist, um uns 1
Die indessen G o b i n e a u n i c h t .streng g e h a n d h a b l hat.
VI
Aus der Vorrede des Herausgebers zur ersten Auflage.
Deutschen noch immer jene ganze Kunst mehr oder minder zu entrücken.1) Der französische Tragiker wirkt immer con sordini, während wir Deutschen gerade die tragische Leidenschaft ungedämpft, in volltönenden Harmonieen und Disharmonieen, durch unsere Seelen dahinfluten hören wollen, ob rein und gross, ob auch herb und wild : das bändigende Mass liegt hier nicht in der äusseren Form, in dem konventionellen Zuschnitt der Empfindungen und Wendungen, sondern ist in der eigenen Seele des Dichters und seiner künstlerischen Gemeinde vorgebildet, welche beide — Künstler und künstlerische Menschen — zum voraus allerinnigst darüber eins sind, dass, je höher die Flamme der tragischen Leidenschaft emporlodert, desto sicherer sie ihre läuternde Kraft bewähren werde. Das ist so germanische Art, wie sie uns Shakspeare und unsere grossen deutschen Meister gelehrt haben, und wie sie uns, als Verbindung tragischer Wucht mit innerlichem Masshalten, hier einmal auch aus dem dramatischen Kunstwerke eines Franzosen entgegentritt. Insofern bildet Gobineaus Alexandre eine vielleicht einzige Erscheinung in der Litteratur, indem sich hier der Dichter in den strengen äusseren Formen der klassischen französischen Tragödie mit der vollen inneren Freiheit der germanischen Dramatiker bewegt, so dass wir am Ende in jener Form gar nichts Fremdes mehr gewahren, überwunden wie sie ist von einem uns so innig nahen, urverwandten Geiste, einem echten germanischen Heldengeiste, dabei durchleuchtet von einer wahrhaft heiligen Glut für das Grosse und Grösste, *) Dies gilt auch noch, wiewohl in minderem Grade, für die Voltaire'sche Tragödie. Die Neueren haben andere Töne angeschlagen. Indessen scheinen mir die Romantiker (V. Hugo) nach Wahl und Behandlung ihrer Stoffe überhaupt nur mit Vorbehalt unter diese ganze Betrachtung zu entfallen.
Aus der Vorrede des Herausgebers zur ersten Auflage.
VII
und erst so wiederum als eine eigene künstlerische Macht auf das Ganze zurückstrahlend. Ein solches Werk — glorreichstes geschichtliches Wollen von edelstem künstlerischem Können zum tragischen Kunstwerke gefasst — m u s s am Ende, so oder so, hier oder dort, in Deutschland seine Heimat finden. A m nächsten liegt es, an die d e u t s c h e J u g e n d zu denken; und so will ich es einmal kühnlich wagen, unserer Jugend diesen T e i l des G o b i n e a u ' s c h e n V e r m ä c h t n i s s e s zu w e i h e n . Auf unseren höheren Lehranstalten führen neben so vielem anderen auch Racine und Corneille — leidig „im Nebenamte"! — ein schemenhaftes Dasein; sollten da nicht Gobineau und sein Held in ganz anderer Weise den W e g zu jungen deutschen Herzen finden ? F r e i b u r g , im September 1900.
Vorrede zur zweiten Auflage. Schon nach wenig mehr als Jahresfrist ist es mir vergönnt, den „Alexandre" zum zweiten Male hinausgehen zu lassen. Die mancherlei Beurteilungen und Kundgebungen, die mir teils auf öffentlichem, teils auf privatem Wege zugegangen sind, beweisen zur Genüge, dass das Werk in der Hauptsache durchaus auf die richtige Würdigung bei den Deutschen getroffen ist, und dass sehr schnell immer mehrere die an sich für unsere Landsleutc so wundersam abschreckende Schale des Alexandriners durchbrochen haben, um mit Freuden hier Blut von unserem Blute, Geist von unserem Geiste zu erkennen. Nur vereinzelt ist mir eine Überschätzung des «Alexandre» vorgeworfen worden. Je nun, jenen «parteiischen Enthusiasmus», ohne den man nun einmal nach Goethes Ausspruch dem Grossen gegenüber nicht auskommt, bin ich am allerwenigsten gesonnen, in Abrede zu stellen, kann aber um so mehr davon nachlassen, je mehr ich auf ernstliche Schätzung des mir am Herzen liegenden Werkes treffe. Wie mir scheint, kommt eben hier alles auf die doppelte Erkenntnis an, erstlich, dass Gobineau mit dem schönsten Teile seines eigenen menschlichen Wesens sich in diesem seinem Werke verkörpert hat, und, was alsdann dem entspricht, dass im «Alexandre» jene natürliche Herzenssprache gesprochen wird, die wir sonst in den meisten französischen Dramen nicht gewohnt
Vorrede zur zweiten Auflage.
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sind. Das genügt mir. Dann kann man gewisse technische und dramatische Mängel des Stückes ruhig zugeben. Nicht getäuscht scheine ich mich zum Glück vor allem in meinen Hoffnungen auf die Schule zu haben. Mehrere Referenten haben sich meine Empfehlung des Stückes für die Schullektüre ausdrücklich und eindringlich zu eigen gemacht, auch aus den Lehrerkreisen selbst sind mir warme Zustimmungen in diesem Sinne zugegangen, ja, ich habe die Freude gehabt, dass einzelne Gymnasien sogleich mit der Einführung vorangegangen sind, andere sie für demnächst in Aussicht gestellt haben. S o darf ich wohl den in meiner ersten Vorrede geäusserten Wunsch, dass dieses Heldenbild auf unseren höheren Schulen ein bleibendes Heim finden möge, jetzt bereits zur Hoffnung gesteigert wiederholen. Verschiedene, teils brieflich, teils in öffentlichen Besprechungen mir unterbreitete Vorschläge zu Änderungen und Verbesserungen — ich nenne hier vor allem die Namen der Herren Professor H. M ü l l e r in H e i d e l b e r g und Professor J. S c h e i d t in H i l d e s h e i m , denen ich mich für solche verbunden fühle — habe ich mit Dank benutzt, insbesondere auch der Aufforderung, im Interesse der Schule meiner Einleitung eine kurze biographische Skizze voranzuschicken, gern Folge gegeben. F r e i b ü r g , Anfang Januar 1902.
Ludwig Schemann.
Inhaltsverzeichnis. Seite
Aus der Vorrede des Herausgebers zur ersten Auflage
V
Vorrede zur zweiten Auflage
VIII
Einleitung (nebst kurzer biographischer S k i z z e ) . . . .
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Alexandre le Macédonien. Tragédie en cinq actes. . Bemerkungen zur Gestalt des Textes etc
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Einleitung. Joseph Arthur von Gobineau, einer der reichsten und edelsten Geister Frankreichs im 19. Jahrhundert, als Diplomat, Gelehrter, Denker und Künstler gleich tätig und hervorragend, wurde als Spross eines altadeligen französischen Geschlechtes, als Sohn eines treu royalistisch gesinnten Gardeoffiziers Ludwigs XVIII., am 14. Juli 1816 zu Ville d ' A v r a y bei Paris geboren. Sehr früh schon traten wissenschaftliche und Htterarische Neigungen so entscheidend bei ihm hervor, dass es Idar war, dass sie sein eigentliches Wesen ausfüllten, was auch dann nie ganz aufgehört hat, als er später (1849—1877) als Diplomat im Staatsdienste wirkte. Vielmehr hat er gerade seinen vieljährigen Aufenthalt in fremden, zum Teil fernen Ländern — er war 1850—1858 als Gesandtschaftssekretär in Bern, Frankfurt und Teheran, 1851 als Geschäftsträger und stellvertretender Gesandter in Hannover, 1859 als Kommissar der französischen Regierung in Sachen der französisch-englischen Fischereistreitigkeiten in Neufundland, 1862—1877 als Gesandter abermals in Teheran, in Athen, Rio de Janeiro und Stockholm — benutzt, um seine ungemein reiche Belesenheit, seine grossen Kenntnisse auf den verschiedensten Gebieten des Geistes, seine Beherrschung zahlreicher Sprachen auszubilden und zu vervollkommnen. Früh schon trat er auch als Dichter auf, und wissenschaftliche und dichterische Tätigkeit
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Einleitung.
sind, beide gleich fruchtbar, sein Leben lang ebenbürtig nebeneinander hergegangen. 1 ) Insbesondere in seinen letzten Lebensjahren nach seiner Verabschiedung entwickelte er eine geradezu staunenswürdige Tätigkeit, der leider sein am 13. Oktober 1882 zu Turin erfolgter T o d vorzeitig ein Ziel setzte. In den fünfziger Jahren erschien sein wissenschaftliches Hauptwerk, der „Essai sur l'inégalité des races humaines" (in 4 Bänden; neue Ausgabe in 2 Bänden, Paris 1884), in welchem die Forderung gestellt und eingehend begründet wird, dass die Rasse, das Blut der Völker ungleich mehr als bisher bei aller geschichtlichen Betrachtung in den Vordergrund zu treten habe — ein Gesichtspunkt, der heute in immer weiteren Kreisen geteilt wird. Von sonstigen Werken nenne ich hier vor allem noch seine „Religions et philosophies dans l'Asie centrale" (3m» édition, Paris 1900), in welcher namentlich seine Darstellung der Sekte der Bâbys und die Kapitel über das persische Theater bahnbrechend neues brachten, und seine „Histoire des Perses" (2 Bände, Paris 1869). V o n Gobineaus Dichtungen, die ganz besonders die grossen, begeisternden Seiten seiner Persönlichkeit zur Geltung bringen, seien an dieser Stelle (eingehender habe ich in meinem Lebensbilde vor der Übersetzung der asiatischen Novellen, Reclams Universalbibliothek 3104—5, davon gesprochen) nur sein Hauptwerk, „Die Renaissance", eine grossartige dichterische ZusammenAuch der Bildhauerkunst hat Gobineau seit seiner Athener Periode mit grenzenlosem Eifer obgelegen, und wenn er hier auch die Schwierigkeiten der Technik bei seinem vorgerückten Alter nie mehr ganz zu bewältigen vermochte, doch durch die Kühnheit seiner Ideen, den Reichtum seiner Phantasie und die Grösse seiner Auffassung selbst bei Kennern und Kunstgenossen Anerkennung gefunden.
Einleitung.
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fassung jener ganzen Geschichtsepoche, die man mit Recht ein „Epos in dramatischer Form" genannt hat, seine „asiatischen Novellen" und sein nicht völlig zum Abschlüsse gebrachtes grosses Heldengedicht „Amadis" erwähnt. Mancherlei innere und äussere Umstände haben es bewirkt, dass man Gobineau in Frankreich, wo er kurze Zeit hochgeschätzt dastand, neuerdings mehr und mehr hat in Vergessenheit geraten lassen, wogegen er in Deutschland verhältnismässig schnell eine zweite Heimat gefunden hat. Es erklärt sich dies sehr leicht aus der Grundtendenz seiner ganzen geschichtlichen Auffassung, aus seiner hohen Begeisterung für die germanische Rasse, welcher er den Vorrang vor allen anderen anwies — eine Gesinnung, welche ihn von Jugend an in innige Beziehung zu deutschem Wesen und deutschem Geiste brachte, wie denn auch seine hervorragendsten Freunde, der österreichische General, Staatsmann und Schriftsteller Graf Prokesch-Osten und in späteren Jahren Richard Wagner, kerndeutsche Männer gewesen sind. Die deutsche Ausgabe seines grossen Werkes über die Menschenrassen, die in 4 Bänden in Stuttgart 1898—1901 veröffentlicht worden ist, erscheint soeben bereits in zweiter Auflage. Vor allem aber haben die Renaissance und die asiatischen Novellen eine ungeahnte Popularität bei uns gewonnen. In tausenden von Exemplaren ist namentlich ersteres Werk (in Reclams Universalbibliothek) in Deutschland verbreitet, einhellig überall mit grösster Begeisterung aufgenommen, sehr vielfach in privaten und mehrfach auch von Rezitatoren in öffentlichen Kreisen zum Vortrag gebracht worden. So hat sich denn auch bereits vor acht Jahren, auf Anregung des *
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Einleitung.
Verfassers dieser Lebensskizze, eine deutsche GobineauVereinigung gebildet, die sich die möglichste Verbreitung der Werke Gobineaus zum Ziele gesetzt und sich diesem in stetigem Wachstum heute schon soweit genähert hat, dass sie ausser anderen Aufgaben, die sie bereits gelöst, auch die Veröffentlichung der hinterlassenen Schriften Gobineaus hat in Angriff nehmen können.
Von den Nachlasswerken Gobineaus erscheint die Tragödie: « A l e x a n d r e le M a c é d o n i e n » , abgesehen von ihrem eigenen hohen Werte, vor allem dadurch unserer Pietät an erster Stelle empfohlen, dass ihr Held für Gobineau unter allen geschichtlichen Persönlichkeiten gleichsam der Held aller Helden war, auf den er immer wieder zurückkam, 1 ) und den er in der dreifachen Form des vorliegenden Dichtwerkes, der prächtigen Charakteristik im zweiten Bande seiner «Histoire des Perses» und endlich einer seiner Skulpturen (der tête d'Alexandre divinisé) verherrlicht hat. Unsere Tragödie ist spätestens im Jahre 1847 e n t ~ standen, also ein Jugendwerk. Am 2. Juli 1847 schreibt Gobineau an seine Schwester : «Maintenant, je vais m'occuper de ma tragédie d'Alexandre, qui est finie ') Vgl. seine W o r t e an Prokesch-Osten, Athen, l». Juni 1868 : «Je viens de m'occuper à fond de l'histoire, de la personne et du caractère de cet h o m m e d i v i n , à qui on a été comparer cet intrigant de César!»
Einleitung.
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mais qui a besoin de correction. Elle plaît à M. de Rémusat. Je la crois bonne». Kurze Zeit darauf scheint er sie beim Théâtre français eingereicht zu haben, ja sie war dort, wie es heisst, bereits zur Aufführung angenommen worden, als die Ereignisse der Revolution dieser entgegentraten und die Hoffnungen des jungen Dichters über den Haufen warfen. Die damalige republikanische Regierung glaubte sich verpflichtet, alle Dinge von ihrer politischen Seite zu betrachten, und so nahm sie den grossartigen Heroismus des Alexandre für Imperialismus und sprach demzufolge ein Veto über das Stück aus, das ihm, wenigstens als lebendigem Bühnenwerke, für immer zum Grabspruche werden sollte, bis wir es denn nach mehr als einem halben Jahrhundert wagen durften, es zunächst wenigstens als littcrarische Erscheinung wieder auferstehen zu lassen. Gobineau selbst, der an alle seine Arbeiten immer einen sehr strengen Massstab angelegt, hat sich in späteren Jahren auch über seinen Alexandre brieflich mit wenig nachsichtiger Selbstkritik geäussert. «Il y a trop de conspiration», sagt er unter anderem, und vom Helden selbst: «Alexandre est un peu plus larmoyant que de raison et se laisse empoisonner trop aisément». Vielleicht hat er in einzelnem Recht. Auch mag es nicht unberechtigt sein, wenn von anderer Seite bemerkt worden ist, dass das Ganze zu einfach, zu sehr auf einen Ton gestimmt, dass die Nebenfiguren zu typisch seien und was dergleichen mehr. Darum bleibt doch bestehen, was eine Gobineau nächststehende Persönlichkeit alshald nach Vollendung des Stückes schrieb : «c'est très bien, beaucoup de grandeur, de vérité, du drame, de l'intérêt, de beaux vers». Übrigens aber werden
XVIII
Einleitung.
wir gut tun auch Gobineaus Selbstvorwürfe nicht allzu wörtlich zu nehmen. So hat z. B. das «trop de conspiration» dem Dichter Gelegenheit gegeben, in der Schaffung der Gestalten der Heerführer Alexanders, insbesondere des Perdiccas, sowie der Roxane, vielfach eine hohe psychologische Meisterschaft zu bewähren. «Larmoyant» ferner konnte nur der rauhe Urnormanne, der gelegentlich aus Gobineau spricht, gewisse unendlich rührende Herzenstöne in der so echt antik-naiven Figur Alexanders nennen. Dessen momentaner Schauder vor dem Tode im dritten Akte aber ist eine auf tiefster Wahrheit beruhende dichterische Kühnheit, die unser Meister mit dem Dichter des «Prinzen von Homburg» gemein hat. Die Grundidee des Stückes ist recht eigentlich eine von Gobineaus leitenden Lebensideen: wie sehr das Grosse hier auf Erden einsam steht. Der Genius, der G o t t im M e n s c h e n , kaum von Einem begriffen: die einzig die Grösse erfassende Freundestreue durch Neid und Tücke gemeuchelt, Frauenliebe durch Eifersucht vergiftet und selbst zur Giftmischerin geworden — wie ein schriller Schrei des fürchterlichsten Hohnes tönt in eine solche Welt das Schlusswort der Tragödie, das letzte Wort des sterbenden Helden hinein: dass er seine Kronen «dem Würdigsten» unter diesen Kreaturen hinterlasse! Aus dem hier Gesagten geht bereits hervor, was, wenn man will, ebenfalls ein Mangel der Tragödie ist, was aber zugleich ihre herrlichsten Vorzüge bedingt: dass Licht und Schatten darin, nicht ganz im Einklang mit den Tatsachen der Geschichte, in der Weise verteilt ist, dass ersteres fast ausschliesslich auf Alexander fällt, dessen Heldengestalt, überaus gross und schön
Alexandre le Macédonien.
Personnages. Alexandre, Roi des Macédoniens. La Reine Roxane, sa femme. Héphestion, Perdiccas, Philotas, Clitus, Généraux macédoniens. Antigone, Léonnatus, Mcnidas, Néarque, Amiral. Eumène, secrétaire d'Alexandre. Oxyarte, Ì _ Phratapherne, / S a t r a p e s P e r s a n s ' Anaxarque, devin. Soldats, macédoniens, grecs, persans, indiens, etc. Satrapes, généraux, officiers, femmes, serviteurs, esclaves, eunuques, pages, etc.
La scène se passe dans le camp d'Alexandre et à Babylone.
Einleitung.
XIX
herausgemeisselt, erschütternd und ergreifend vor uns steht, und dessen geschichtliche Rolle in ihrer ganzen weltumspannenden Bedeutung (in seinen eigenen und in Oxyartes' Worten) nicht minder meisterlich entwickelt wird. Keine menschliche Schwäche vermag die Erhabenheit einer Apotheose zu schmälern, die es auch dem blödesten Auge klar aufgehen lassen muss, dass, w a s hier «vergöttert» wird, nicht das Individuum ist, sondern die Idee, als deren Träger dieses erscheint 1 ): wie ja denn auch der Held selbst zwar immer ein Kind des Augenblicks in seinen Stimmungen bleibt, und doch in jedem dieser Augenblicke die ganze Ewigkeit in Kopf und Herzen trägt. Das Äussere des Gedichtes ist seines geistigen Gehaltes würdig. In einer bald bilder-, bald gedankenreichen, stets edel und gross über die tragischen Höhen dahinschreitenden Sprache, in welcher Kraft und Mass einander die Wage halten, hat Gobineau sein mächtiges Thema in einer Weise bewältigt, dass die strengen Formen der französischen klassischen Tragödie, durch welche sein Geist immer aufs neue siegreich durchbricht, ihm am Ende gar nicht als Fesseln, sondern fast als Schwingen erscheinen, die ihn befeuern, mit dem Fluge seines Genius noch wie im Vorbeieilen auch manche jener kleineren Vorzüge zu erhaschen, auf welche man im modern-klassischen Lande d e r F o r m einen so hohen Wert legt. 2 ) i) E b e n d i e s g i l t b e z ü g l i c h der dem H e p h ä s t i o n (d. h. der F r e u n d s c h a f t ) v o n A l e x a n d e r z u g e w i e s e n e n g ö t t l i c h e n Ehren : eine B e m e r k u n g , d u r c h w e l c h e der m e n s c h l i c h s c h ö n e n I n d i v i d u a l i t ä t der G o b i n e a u ' s c h e n H e p h ä s t i o n in N i c h t s zu nahe g e t r e t e n w e r d e n soll. 8) E i n z e l n e V e r s t ö s s e n a c h dieser R i c h t u n g , H a r t e n wie z. B . S. 28 P e r d i c c a s : «cours tenir c e discours» it. a. können wir wohl g e t r o s t den T a d l e r n zum Aufsp&ren ü b e r l a s s e n . *
XX
Einleitung.
Es ist eine litteraturgeschichtlich überaus merkwürdige, ja fast unbegreifliche Tatsache, dass sich, im grellen Gegensatze zur epischen Sagenpoesie, in welcher Alexander Jahrhunderte lang eine Hauptrolle gespielt hat, die grossen D r a m a t i k e r aller Litteraturen diese allerköniglichste Gestalt ganz haben entgehen lassen. So viel ich habe ermitteln können, macht einzig Racine mit seinem «Alexandre» (ebenfalls einem Jugendwerke) eine Ausnahme.1) Aber dieses vollendet langweilige, öde und seelenlose Pseudodrama gibt so wenig von dem späteren echten und grossen Racine wie von der wahren Gestalt und Grösse Alexanders eine entfernte Ahnung. Aus dem Weihrauch der Widmungsworte an Ludwig XIV. tönt es recht unverblümt hervor, dass ihm eigentlich dieser als ein ganz anderer Mann erschienen sei, als Alexander. Also nicht das leiseste wirkliche Verhältnis des Dichters zu seinem Helden, das dagegen dort bei Gobineau, wie wir sahen, das allerinnerlichste war, wie die Fülle nicht nur des Grossen, sondern selbst des Zarten und Rührenden beweist, das er im Bilde Alexanders zu Häuf getragen hat. So erscheint Racines unerklärlich dürftiges Machwerk wie geschrieben, um Gobineaus Schöpfung, in welcher das Farblosere und Konventionelle vor dem ewig Lebensvollen durchaus zurücktritt, kontrastierend zu heben. Wirklich konnte nur ein selbst so königlicher Geist wie er die Aufgabe einer dramatischen Behandlung des Macedonierkönigs In Deutschland hat neuerdings Hans Herrig den Stoff zu einer Tragödie verarbeitet. Kuriositäten wie Lope de Vegas «las grandezas de Alejandro», über welche Schack. Geschichte der dramatischen Literatur und Kunst in Spanien, 2. Ausg. Bd. H S. 320 nachzulesen ist, rechne ich hier nicht. Auch zu unzähligen Opern hat Alexander den Stoff geliefert: vgl. Riemanns Opernhandbuch. S. 11 ff. 632 ff.
Einleitung.
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zugleich stellen und so lösen, wie er es getan hat. Er,