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German Pages 30 [31] Year 1919
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NACH DEM
POGROM •
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. CHAIM NACHMANBIALIK '
AUS DEM HEBRÄISCHEN VON
ABRAHAM SCHWADRON
1919
R. LÖWIT VERLAG □ WIEN-BERLIN
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Diese Gedichte hat ßjaJjk unter dem unmittelbaren Eindrucke der Pogrome in Kischenew und Homel (1903) geschrieben. Ich habe mich bei der Übersetzung bemüht, dem Original n a eh S i n n u n d W o r t b i s n n d i e G r e n z e d e r M ö g Ji eh k e i t ge• treu zu sein. Ihm in Technik und dichteri&chen:a Gehalt nahezukommen, vermag ich nicht und habe darum auch nicht versucht, eine der Form nach poetische Übersetzung zu geben. Als Leser nur will ich die Gedichte so vermitteln, als wollte ich bei iedem Satze sagen: Man müßte ihn in der Ursprache lesen! Zum lnhaJt möge bemerkt sein: Die völlige Passivität der Opfer, über die der Dichter wiederholt seiner Verbitterung Ausdruck ver· leiht, bestand bei den späteren Pogromen in diesem Maße nicht mehr. Schon im Jahre 1905 organisierten die Juden beim zweiten Kischeoewer Pogrom eine Selbstwehr, ebenso bei den jetzigen Pogromen in Polen- Galizien W ehren. die allerdings in den meisten Orten von den Behörden vor den Überfällen entwaffnet worden sind. A. Sch. Wien, im Jänner 1919.
Ich habe wiederholt ganze Verse und Versteile aus der Übertragung
voo Ernst Müller ( 11Ch. N. Bialik: Gedichte", Jüdischer Verlag, 1911) herübcrgcnommcn.
* . ·* *
Ihr Himmel, erflehet Erbarmen für michf Gibt es in ' euch einen Gott und zu Gott. '
einen Pfad j ch
hab' ihn nicht gefunden so betet ihr für mich ! Ieh - mein . Herz ist tot und kein G~bet mehr trägt meine Lippe. Alle Kraft ist versiegt, alle Hoffnung ge-
scliwunden. Wie lani noch, bis wann noch ? ·
Du H~nker 1
Hier · der ;Hals!
Auf,
schlachte1 Wie einen Hund, so köpfe mich! Dir ist Arm und Beil gegeben und · mir die ,· ganze Erde zum
block Und wir -
Rirht-
-· .
unser sind wenig 1 5
Mein Blut ist frei - nun wucht' auf den Schädel los, daß Blut des Mordes, Blut des Säuglings und Greises, aufspritz' auf dein Kleid hin - ' daß es in Ewigkeit nicht verwischt werde, in Ewigkeit nicht 1
• Und gibt es ein Recht- erschein~es sogleich! Doch, bin ich erst von der Erde vertilgt, , da ein Recht erscheinet, so stürze sein Thron für immer dann hin und im ewigen Bösen der Himmel vergehe 1 Dann aber, Frevelmörder, lebet auch ihr mit diesem Rauhe und diesem Blute fort und seid entsühnt !
*
f Jurh aber dem, ·der
.
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"Rache I" sagt J Diese Rache, Rache für eines Säuglings Blut, hat auch noch I der Satan nicht gezeugt. Nein I Daß bis zum Orkus, tief und düster, das Blut- sich bohre, , 6
daß in der Finsternis wühlend es fresse all .des Erdengrundes morsche Feste. ljar 5663 (1903).
IN DER STADT DES MORDENS. . ; . . · Auf! Geh' in die Stadt des Mordens und komm' in die Höfe 1.- . Und d~ine Augen werden sehen und tasten die Hände auf Zäunen, auf Hölzernund Steinen und Mörtel der Wände verdichtetes Blut und vertrocknetes Hirn Erschlag' ner. Kommst zu Ruinen_und steigst über Breschen, gehst an durchstoßenen Wänden vorbei und zertrümmerten Herden, wo tiefgewühlt die Axt und breite, große Löcher geschlagen, bloßgelegt den rauchschwarzen Stein und ,die Ziegel, zerbrannte, daß sie . da ·gleichen geöffneten, brandigen Wunden, die nie werden heilen. 7
Dir versinken die Füße in Fe~ern und stoßen an . vielerlei Haufen . . . zermalmterScherben, zersplitterter Splitter, Pergamente und Bücher, zerwühlt und zertreten Trümmerunendliche~Müh' und der Früchte tiefschwerer Arbeit. - Doch bleibst du nicht stehen am Ort der Verwüstungund kehrst dich zur Straße achf da blühenAkazien, es strömt ihr Duft dir entgegen, die Hälfte der Blüten geöffnet - doch riechen wie ,Blut sie 1 Und magst du wüten und magst du dich sträuben:esträgt ihr buhlender Duft des Frühlings Wollust in deine Brust und dich überfällt kein Abscheu. Mit tausend goldenen Pfeilen durchbohrt die Sonne dein Herz und vervielfacht frohlocken die Strahlen aus jedemGlassplitterüber dein Elend. Denn der HERR entbot sie in einem beide: Frühling· und Morden; . · 8
die Sonne leuchtete - die Akazieb]ühte_ und der Würger würgte . . . *
Und ,du fliehst .-
und kommstin den Hof, darin ist ein Haufen. Auf dem Haufen sind zwei Geköpfte: ein Jud und sein . Hund. E j n e Axt hat sie niedergestreclctund auf e i n e m Misthaufen und im Gemeng' ihrer beider Blut,da wühlen u~d wälzen sich Schweine . . . Aber _morgen kommt Regen. spült alles in' s Bächlein daneben und nicht mehr wird schrei'n das Blut aus Gosse und Kehricht, denn im unendlichen Abgrund wird sidt's ver1ieren oder ein Dornengebüsch bis zur Sättigung tränken und aus alldem wird nichts, alles bleibt wie ungeschehen • • • -
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Aufdie Dachböden
kletterst du dann und . stellst . dich ,in's Dunkel.
Noch schwebt des bitteren Todes Entsetzen im schweigenden Düster und .aus allen verdämmerten Löchern und Schatten der Winkel · Augen, schau Augen I stumm auf dich starren .•. Der MärtyrerGeister sind's, trauernd -verstörte. Im Winkel unter der De.cke des Daches kauern sie - schweigend . . . Hier fand sie die Axt, · hierher sind sie gekommen, mit dem letzten Blicke des Auges ihres nichtigen Todes Qual zu besiegeln ,. · und den Fluch ihres Lebens. • I
Da lehnend in zitternder Sclteu, erheben · sie aus den Verstecken lautlosen Ruf nach Sühne, die Augen nur fragen: ,,Warum?" ;
!•
•
Und wer, der kein Gott ist, kann diese Stille ertragen 1 10
ZumI;)acheerhebst du den Blick- es dunkeln die Ziegel und schweigen. Doch frage die Spinnen allda, die ~ind lebendige Zeugen, Augenzeugen, .. und . geben dir Kunde : V~m. aufgeschlitzten Bauch, mit Federn gefüllt;
von Nasenlöchern und Nägeln, von Schädeln und Hämmern ; von Menschen, geschlachtet, kopf-erdwärts ·· , · .an Balken gehängt ; v(?mSäugling zur Seit' der erstochenen Mutter, der s'chlief,die kalte Brustwarz' imMündchen; vom Kinde, zerrissen mitten im letzten „ Mama I" - ein halbes "Ma .. I" Schau, es blicken auch s ein e Augen und heischen Rechnung von MIR . . . Und noch vteles wie dieses erzählt dir die
Spinne, was das Hirn dir 'bohrt und für ewig Seele und Geist dir will morderi ... Du aber krampfst dich zusammen, erwürgst in der Kehle den Aufschrei, 11
begräbst
ihn tief in der Brust, daß er nie · sich entwinde -·
und springst
von · dorten
hinaus
SchauI Es ist alles wie früher und wie vorgestern - gestern · verschlemmt die Sonne ihr Licht an die Erde . ....
. ,
Unddu steigst
.,
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* hinab, betrittst die finsteren
Keller, deines Volkes züchtig~ Töchte; sie . ~wis_chen Hausrat geschändet*, vor de~ Augen der Mutter die Tochte!~ ~in1 AngesichtederTochterdieMutt~r, . . vor dem Schlachten, beim Schlachten, nach dem Schlachten. Und du betastest mit eigener Hand den be, sudelten Pfühl, ~as blutige Kissen, . . ' wo sie sich wälzten, die wilden Schweine, wo
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die Menschentiere das Beil in der Hand, triefend von heißrotem Blute . . . • Hier ist ein Vers nicht übersetzt.
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Und schau doch dorthin: ~m Dunkel des
Winkels, hinter der , Stampf~ _und hint~r dem Fasse, da . l~gen. die Männer, Bräutigam, Bruder, und ,schauten aus Löchern, wie zart-heilige fraul~che Leiber unter der brünstigen Last derBestienzuckten, wie in der Schmach sie erstickten, ein Blutstrom dem Halse entstürzte, und wie ein Brotstück einer zerschneidet, so schnitt das Scheusal ihr Fleisch. Schanden und Doch jene Männer lagen ' . . · :: sahen „dem zu und rührten sich nicht und sprangen nicht auf, stachen die eigenen Augen nicht aus und verloren nicht den Verstand 1 • . . . . ' Es flehte vielleicht noch ein jeder im Herzen : .Herr der Welt, erweise' ein Wunder, -· daß mich nur das Unheil riicht treffe I" ' . Doch ; überlebten etwelche die Schändung, erwachten vom Blutsturz, und iward das L·eben zum Greuel, das Licht der.· Welt ihnen unrein, 1
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ein Abscheu · für · ewig, · Entweihung von Körper und Seele ---.:.· da krochen die Männer aus den Verstecken· hervor ·und eilten ins Bethaus, Gott, ihre rettende · Hochburg, für die · ,. Wunder zu' preisen - ~ * und alles kehrt wieder zum täglichen Trott, und alles· kreist · weiter in · alter Weise • • • 1
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1
Jetzt komm,_ICH ~üh~dich in aÜ~Verstecke: in Abtritte, Ställe von Schweinen und andere Orte voll Unrat, auf daß dein~ Augen er~ch~uen, wo sie sich bargen, deine Brüder und deines Volkes Söhne, Die Enkel der Makkabäer und. Märtyrer~ Löwen, 1 .
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1
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zwanzig in einem _Loch . und je dr~ißig, dreißig -:-:-;- , . ..
haben so MEINE Ehre ~uf Erden erhQh~, • Hier sind zwei Verse nicht ,übersetzt.
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so in der Welt MEINEN Namen geheiligt .. ,. Wie die Mäuse sind sie geflohen, den Wanzen gleich haben sie sich verkrochen; und starben den Hundetod, dort wo man sie fand. Zu Morgen, da kroch nun der Sohn· hervor und fand seines .Vaters Leiche beschmutzt und geschändet - Du weinst, Menschensohn ? Vergräbst dein 11
Gesicht in den Händen? . - . Knirsche die Zähne - und vergehe ! - ' -
.
*
N~n steigs~ di~ Stadt
du hinab . und be~ · trittst einen grünenden Garten. Dort, die geräumige Hürde - das ist die Hürde des Würgens ! . · j
Wie ein Heer gigantischer Fledermäu~e und . grauser Vampyre, auf ihren Opfe~n hingelagert, müde und
trunken vom Blute so liegen gebreitet am Boden der Hürde J
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Räder mit Zacken besteckt, gleich Fingern,
· ·
. zum Morde bereit,
die Spitzen beschmutzt
.
noch mit mensch- ·
lichem Blut und •Gehirn ...
1 ·•
Wenn nun der Tag verdämmert, die Sonne im Westen sich senket, gehüllt ·in blutigen Wolken, umgürtet von lohenden Flammen, öffnest du leise das Torundtrittst in die Hürde. Dunkle Angst verschlingt dich, ein Abgrund dumpfen Entsetzens. Schrecken! Schrecken! Schrecken! . . . Er schwebt in den Lüften, ruht auf den Wänden, im Schweigen gepreßt. Unter dem Haufen der Räder, ·zwischen den Ritzen und Spalten fühlst du ein Zucken zerschmetterter Glieder noch die darüber geschichteten Räder bef
· ·· . w·egen*.
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Und ein letztes, verhaltenes Stöhnen, die · Stimme schwachen Gewinsels, ·
1
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• Hier ist ein Vers unübersetzt.
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hängt dir noch über d~m Haupte, · als sei sie erstarret, als 'gärte dort zitternd ein tr~ber Schmerz, ein Schmerz von Ewigkeiten . . . . Traun 1, Ein Geist des · Elends, voll Pein und Schn1erz, · sperrte sich selber hier in den Kerker, preßt' sich allda in ewiges Weh und will sich nicht trennen . . . Schmerzensmatt und müde - kraftlos flattert umher 'eine schwarze Schechinah * in allen Winkeln dahier und findet die Ruh nicht. Weinen will sie und kann nicht, aufbrüllen ·will sie - und schw~igt. Stumm in Trauer vergehend und leis in sich würgend, breitet sie weit ihre · Schwingen über der Heiligen Schatten - das · Haupt ~~ den Flügeln vergrabend, . ,,. thva die Herrlichkeit Gotte.s auf Erden, manchmal mit Beziehung auf die Vorstellung von der göttlichec Vor• sorre fiir das jüdische Volk.
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birgt
im · Dunkel
die Träne
ohne Worte ...
.-
und
weint
-
Auch du nun, Menschensohn, verschließ' · dir · .die Pforte, ~perr ~ich hi~r-_ein in' s Düster und s~nke den Blick zu Boden,
steh' ohne _Ende also, du allein mit dem Schmerze, . und fülle mit ihm dein Herz für all deine Tage. Und zerschellt dir einst die Seele, verliert sie all ihre Kraft _dann bleibe · der Schmerz dir geborgen, eine Quelle von Gift. Gleich einem Fluche, so lag're . er . sich über dich ; wie ein Wahn, so bringe er dir Entsetzen 1 Er halte dich fest und drücke dich tief, wie ein ·Alpdruck schaurigen Traumes f Qu trägst ihn im Schoße nach allen ·Enden
der Erde und suchst ihm das lösende Wort du findest es nicht !
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aber
Nungeh'
aus der Staät hinaus zur Stätte
des ewigen Friedens„ Aber daß niemand dich sieht und keiner darf dich geleiten zu der Märtyrer Gräber, der Großen und Kleinen ... Und stehst du an den frischgeschaufelt4!n Hügeln, so laß ICH Erstarre~ dich übermannen: wie auch dein Herz zergeht vor Drangsal der Scham und des Schmerzes, dein Auge will ICH verschließen, daß es keine Träne gebäre. Du fühlst, es gilt nun zu brüllen, wie der gefesselte Stier auf dem Brandstoß, doch ICH verhärte dein Herz, daß ihm · jetzt kein Seufzer entsteige ... Da, da das geschlachtete Vieh, siehe, da liegen sie alle und gibt es Vergeltung für fhrenTod sprich, wie wird er vergolten?0, vergebt MIR, ihr ewig Geschmähten, eu'r Gott ist so arm wie ihr ; 19
arm wa~er, . da ihr lebtet - ist ärmer noch, '
da ihr nun tot seid.
Nahet ihr, morgen, den Lohri zu fordern, und pochet an MEINE Türe, so , öffn' ICH euch, kommt und schaut: MEINE Habe ist vertan 1 . . . '
1
•
MIR tut' ihr so leid, MEINEKinder, ihr ' tut MEINEMHerzen so leid: euer Tod, er war müssig; ICH und ihr, nicht wissen wir, warum_ihr gefallen, für wen und wofür. Sinnlos ist euer Tod, wie eu' r Leben sinnlos war ... Und die •Schechinah . - die birgt in der ' Wolke ihr .. Haupt, überwältigt von pein~ollem Schmerz, und . .,. . , stellt sich zur Seite voll Scham ... Auch ICH fahr' allnächtlich zu den Gräbern . . : hinunter, stelle MICH hin, den Blick zu den Opfern · gewendet und • heimlich MICH schämend • - -20
oo ·di, 1bei ,MEINEMewigen Leben f ICH
werde 'nicht· tränen l · · übergroß ist der Schmerz und übergroß _ :· ist . die Schmach J · · Welches ist aber das Größ're von beiden?-·sprich du, Menschensohn.f Oder, besser noch, schweige f Und sei nun . , · : : stumm MEIN Zeuge, · daß du MICH im Schimpfe gefunden, am . · Tag MEINES Elends · gesehen. Und kehrst du zu· · deinem Volke zurück, • nicht •mit leeren Händen darfst du es tun f MEINER·SchmachZuchtgeißel nimm' und ·• ·· · schwing''·sie über sein Haupt; Führ' mit von MEINERPein, ihrem Schoße sie zu vergelten f 1
*
Und wendest du dich zum Geheri von den Gräbern der Toten, so zieht des Grases Decke ringsum deine~ Blick eine Weile an sich. _ 1
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Urid das Gras ist so weich und so saftig wie zu F rühlingsbeginnen : Blüten des Todes, Moos der Gräber - . Reiß' davon eine Handvoll,wirf's hinter dich und sprich : Gerupftes Gras ist das Volk - hat .Hoffnung, was ausgerissen
. ward? ... - Dann aber schließe die Augen, ICH nehme und führ' dich :.· vom Friedhof zurück zu den Brüdern, die dem Morden entronnen. Da trittst du , mit ihnen ins Bethaus am Tage des Fastens, hörst des Zusammenbruchs Schrei, .wirst fortgeschwemmt von ~en Tränen. Voll ist . das Haus von ·Wehklagen, · von Weinen und wildem Gestöhn, daß die Haare dir starren, Beben und Angst dich ergreifen:
. so stöhnt nur ein Volk, das schon ganz
ist verloren . . . Blick' in ihr Herz . Wüste. .
22
es ist Steppe •·
und
Mag äarin auch ·Rachegrimm keimen ·_ : ~r kann keinen Samen ·beleben, -. · kann nicht auch einen
mächtigen Fluch auf ihren Lippen - erzeugen f Sind ihre Wunden nicht echt? - Warum . lügt denn ihr Beten? Was ·gilt das Verst~llen am Tage des Niederbrudis? Nützt denn ihr Lügen? Schau: noch vergeh'n sie in Trübnis, lösen sich auf in Tränen, erheben wehes Klagegeschrei, _ schlagen sich an die Brus ·t I bekennen die
Sünden und rufen: ,,Wir haben Schuld, wir waren treulos." - - · - ••• es glaubt ihr Herz niclit dem Munde l
KanndiegeborsteneWackelpuppesünd'gen? Irdene Scherben, können die schuld sein -? Wahrlich, ·Was beten sie denn i noch zu MIR? - ·0, sprich doch zu ihnen, ·. daß ':
' · sie aufdröhnen 1
·, '
Daß sie die Fäuste ·gegen MICH·. ballen· und fordern Sühne ··der Unbill
J
23·
aller Gesdtle~ter Unbill von Urzeiten her, daß sie die Himmel zusamt MEINEM Thron mit ·den Fäusten zerscltmettern f
Doch, nidit s~eide noch, M~nschensohn, von. der Gemeinde ! , den Wunden der Herzen, .nich_t aber ihren Gebeten 1 Und so denn der Vorbeter anruft: ,,Hilf um der Gemordeten willen t Hilf um der Kinder, der Säuglinge willen" ; wenn die Säulen des Hauses vor schreien· dem Jammer erbeben, die Haare dir starren, Entsetzen und Angst dich ergreifen dann werde ICH grausam zu dir: du kannst mit ihnen nicht weinen 1 Und brichthervordeinSchrei- zwischenden Zähnenwerd' ICH ihn ersticken f .•• Laß jene allein entweihen .ihr Leid, doch du nicht mit ihnen. Glaube
24
1
•
Es bleibe das Leid den Geschlechtern, das Leid ohne Klage. Und deine Träne, die spare dir a_uf eine Träne unvergossen. Baue darob einen eisernen Turm, die Mauer aus Erz„ tötlichem Grimme geweiht, verhaltener Feindschaft und höllischem Haß. Und sie beiße sich ·ein in dein Herz und sie wachse - - eine Natter im Nest, daß ihr an einander sauget, ohn' Ruh' und ohn' Aufhör. - Dann aber hung're sie aus, laß auch dürstend sie schmachten und nachher zerstör' ihre Mauer, laß den · grausamen Natterkopf frei, laß ihn los am Tag' des Gewitters auf's . Volk deines Zornes und deines Erbarmens.
.
*
Jetzt aber gehe von hier und kehre zur Dämmerzeit wieder, 25
daß du das ,En·de · der Volkstrauer: siehst : wie alle die Seelen, die morgens bebend erwachten. zu Aben·d .nun wieder einschliefen. · Müde, des Weinens, ·am .Geiste gebrochen, stehen sie jetzt hier im Dunkel; noch bewegt sich die Lippe und betet doch ausgedörrt ist das Herz. Ohn' einen ·Funken Hoffnung im. Herzen, ohn' Lichtglanz im Auge tappt im Finstern die Hand und tastet vergebens nach Stütze . . . So qualmt noch weiter der Pocht, wenn das Öl schon verzehrt ist, so scllleppt. noch qasalternde Pferd, wenn schondieKraftih~geschwunden ... Ach, hätte ihr Leid ei~ Mär:chenyon Trost, ein einziges, ihnen g~]assen, das sie erqui~t' , . und ·.die Greisenhei t stützte f • • • - Nun ist der Fasttag zu Ende - ,,Waicltal"~ ist .gelesen, ;,Anenu~ ~ gebetet .~ ••
I • •
• Ein Bibelabschnitt · und ·ein' Geb·et für Fasttage. 1
26
was wartet denn noch die · Gemeinde ? Werden sie „Echa" • auch lesen ? Nein, es steigt ein Prediger auf den · · Almemor .- .. Jetzt öffnet den Mund er, stammelt windige
Reden, faselt geschwätzig, will heilen mit Sprüchen die eiternden Wunden · und nicht einen Laut Gottes entringt er dem Munde, nicht ein einziges Fünkchen entzündet er ihnen im Herzen! Und ~Gottes Herde" ·steht da, die Alten und Jungen; es hören die einen und gähnen, die anderen nicken auf der Stirn das Zeichen des Todes, das ,Herz in öder Verwüstung~
Ihr Geist ist tot, ihre Frische entschwunden , verlassen hat sie ihr Gott . . .
• Die Klagelieder des Jercmias.
27
Auch du bemitleid• sie nicht, rühr zwecklos nicht an die Wunden, häufe nicht ohne Grund das Maß ihres Leides, das ohnehin volle ; WQ nur dein Finger berührt unheilbare Wunden berührt er. Ihr Körper ein einziger Schmerz - . doch wurden in ihm sie schon alt, sie sind versöhnt mit dem Schimpf ihres Lebens - ist es Gewinn, sie zu . -. ~ trösten ? Die zu hilflos, um ihnen zu zürnen ; zu verloren für das Erbarmen ! .',.. . Laß sie gehen f - Schau, es erschienen die Sterne und verhüllten Hauptes, leidtragend, Wie• Diebe beschämt, wandert jedweder mit den Wunden des Herzens nach Hause, , den Leib noch tiefer gebückt, die Seele noch· leerer als früher. So steigt nun jeder mit den Wunden des Herzens aufs Lager 28
Auf den Knochen der Rost ·und .die Fäulnis im Herzen .. · . • Und kommst du morgen recht früh zu den Ecken der Straßen, · · so siehst du Haufen von Menschen-Scherben, ächzend und seufzend, der Reichen Türen belagern, sich anstellen vor ihren Fenstern, Sie ~ufen die Wunden öffentlich aus, wie Hausierer die Waren: den zerschlagenen Kopf der eine, der and're die Wunde der Hand und die J
Strieme .matte Hände strecken sie aus, entblößen gebrochene Arme, die Augen, die Augen geschlagener Sklaven, zu den Reichen gerichtet : ,,Mir . ist der Schäde] zerschlagen". , ,Mein Vater ein Märtyrer war".,,Das sollt ihr bezahlen!" Und die Reichen, in angestammtem Erbarmen ein tief es Mitleid empfin-
dend, 29
reichen jedwedem hinaus einen Stab und
ein Bündel, sich sagend: ,,Gottlob, wir sind ihrer los It' -- Die Bettler, sie sind nun getröstet . , ..
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Jetzt aber, Menschensohn, was hast du noch hier? Fleuch in die Wüste und trag den Kelch deines Schmerzes dorthin mit dir! Zerreiß deine Seele in Stücke zehn, wirf hin dein Herz ohnmächtigem Grimme zum Fraß, und dort auf den -Scheitel der Feisen·· die große Träne vergießend, laß los den bittem Aufschrei - daß er im Sturme vergehe f • • • Thamus-Tisc:hri 5664 (1904).
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DRUCK: ÖZUDAO. WJEN, 111.RODENGASSE 11.