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German Pages 303 Year 1994
SIEGFRIED GELB HAAR
Monetäre Sanktionen als Instrumente staatlichen HandeIns
Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von Heinz Grossekettler, Münster· Bernhard Großfeld, Münster Klaus J. Hopt, München· Christian Kirchner, Hannover Dieter Rückle, Trier· Reinhard H. Schmidt, Frankfurt/Main
Band 20
Monetäre Sanktionen als Instrumente staatlichen Handeins Ökonomik der Geldstrafen und ihre Funktion im umweltpolitisch motivierten Staatshaushalt
Von
Siegfried Gelbhaar
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Gelbhaar, Siegfried: Monetäre Sanktionen als Instrumente staatlichen Handeins : Ökonomik der Geldstrafen und ihre Funktion im umweltpolitisch motivierten Staatshaushalt / von Siegfried Gelbhaar. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts; Bd.20) Zug!.: Trier, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-082\3-3 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten
© 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5065 ISBN 3-428-082\3-3
Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANS I-Norm für Bibliotheken
Meinem Bruder Reinhard
Geleitwort Dem Deutschen Bundestag liegen gegenwärtig zwei noch unerledigte Entwürfe eines Strafrechtsänderungsgeserzes vor, welche zugleich jeweils als "Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität" tituliert sind (der Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTag-Drucksache 12/192 vom 5. März 1991, und der Gesetzentwurf der SPD-Bundestags-Fraktion, BTag-Drucksache 12/376 vom 17. April 1991). Die darin vorgesehenen Gesetzesänderungen beruhen auf der Erkenntnis einer offenkundig wachsenden Umweltkriminalität: Jedenfalls berichtete das Umweltbundesamt zur Jahresmitte 1992, daß die Zahl der Umweltdelikte deutlich steigt. Allein in den alten Bundesländern und in Berlin wurden danach im Jahr 1991 über 23.300 Fälle von Umweltkriminalität registriert. Vor diesem realen Hintergrund ist festzustellen, daß die umweltökonomische Literatur sich mit der Frage eines illoyalen Verhaltens der Wirtschaftssubjekte gegenüber bestehenden Umweltnormen bisher kaum beschäftigt hat. Diesbezügliche Analysen beruhen regelmäßig auf der impliziten Vorstellung, daß die staatlichen Regulierungen von den betroffenen Normadressaten gesetzestreu befolgt werden. Mit diesen wenigen Anmerkungen kann der Analyserahmen der vorliegenden Untersuchung von S. Gelbhaar umrissen werden, welche im Wintersemester 1992/93 vom Fachbereich IV (Wirtschafts- und Sozialwissenschaften / Mathematik) der Universität Trier als Dissertation angenommen worden ist. Ziel der Arbeit ist es, "die zentralen Ergebnisse der ökonomischen Analyse des Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechts zusammenzuführen und sie im Anschluß auf den Wirkungsbereich der Umweltpolitik anzuwenden." Damit soll "eine modifizierte und differenzierte Einschätzung der realpolitischen Anwendbarkeit von Strafregelungen im Instrumentarium der Umweltpolitik begründet werden". Zur Erfüllung dieser Aufgabe trägt der Verfasser seine Analyse in drei Kapiteln vor: Das erste Kapitel ist der theoretischen Aufarbeitung der "monetären Sanktion" als Eingriffsinstrument zum Zwecke der Standortbestimmung staatlicher Lenkungsmechanismen gewidmet. Da sich die ökonomische Literatur - wie erwähnt der Sanktion bisher kaum genähert hat, versucht Herr Gelbhaar, den Sanktionsbegriff vom Normenbegriff abzugrenzen, um danach die funktionalen Zusammenhänge von Norm und Sanktion zu verdeutlichen sowie in die Sprache der Ökonomie zu transferieren. Daran anschließend expliziert er, wie sich der Ökonom diesem stark juristisch vorgeprägten Gegenstand der - monetären - Sanktion nähern kann: Unter Hinzuziehung der Theorie der öffentlichen Güter und der externen Effekte, der ökonomischen Theorie der Politik sowie institutionenökonomischer
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Geleitwort
Argumente gelangt er zu einem in sich konsistenten Strukturmodell. Dazu rechnet zwangsläufig die Frage, welche im Mittelpunkt seiner modelltheoretischen Ableitungen in Anlehnung an G. S. Becker steht, ob und unter welchen Bedingungen die monetäre Sanktion als Eingriffsinstrument staatlicherseits lenkend wirksam werden kann. Die maßgeblichen Komponenten der Abschreckung (Strafhöhe, Sanktionswahrscheinlichkeit und Reaktionselastizität) werden entwickelt, beschrieben und bewertet. Dazu rechnet auch die Prüfung der Effektivitäts- und Effizienzvoraussetzungen, die bei der Implementierung dieses in der "zweiten Verteidigungslinie" stehenden Instruments staatlicher Regulierung zu beachten sind und welche in den theoretisch vorgedachten Wirkungsverbund von Kriminal- und Finanzpolitik eingebracht werden. Im zweiten Kapitel ist der Verfasser darum bemüht, dem Leser die tatsächliche Bedeutung "monetärer Sanktionen" im Sinne einer empirischen Bestandsaufnahme nahezubringen. Zu diesem Zweck werden die geltenden monetären Bußgeld- und Strafbestimmungen beschreibend erfaßt, abgrenzend strukturiert und ökonomisch systematisiert. Ein Kennzeichen der monetären Sanktion als Lenkungsinstrument ist es - wie im ersten Kapitel schon umrissen - auch, daß bei ihrem Einsatz nahezu zwangsläufig Einnahmen entstehen (Finanzierungswirkung). Von daher ist es nur konsequent, wenn Herr Gelbhaar - zugleich eine Lücke in der finanzwissenschaftlichen Literatur schließend - nachfolgend erstmalig prüft, um was für eine Einnahmeart es sich bei der monetären Sanktion unter Zuhilfenahme des staatlichen Einnahmenrasters handelt. Zudem macht er deutlich, in welcher Weise die daraus resultierenden Einnahmen dann auch im Berichtswesen über das öffentliche Finanzgebaren auf der Einnahmenseite wie auch auf der Ausgabenseite (bei einer eventuellen Zweckbindung des Mittelaufkommens) zu lokalisieren sind. Dabei werden nicht zuletzt auch Querbezüge zum Finanzausgleich aufgezeigt und begründet. Erkennbar wird schließlich, daß die Exekurive weitergehende Informationspflichten über diesen Bereich ihrer Interventionspolitik zu erfüllen hat als das bisher der Fall ist. Im dritten Kapitel prüft Herr Gelbhaar dann das Instrument der monetären Sanktion hinsichtlich seiner Einsetzbarkeit und Tauglichkeit im Bereich der Umweltschutzpolitik. Zu diesem Zweck stationiert er die monetäre Sanktion im Gefüge des gegebenen Instrumentensets der Umweltpolitik. Dabei wird die übergreifende Bedeutung der monetären Sanktion aufgrund seiner instrumentellen Ubiquität herausgearbeitet und betont. Insoweit wird die wissenschaftiiche und die politische Diskussion über den Einsatz umweltpolitischer Instrumente zweifellos um eine zentrale Komponente erweitert. Damit wird zugleich erkennbar, welche Wirkung von diesem Instrument ausgehen kann, wenn es denn auf der Grundlage ökonomischer Kriterien und Maßstäbe zielbezogen ausgestaltet und demzufolge lenkend eingesetzt wird.
Geleitwort
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Der Verfasser weist zugleich nach, warum dieses Instrument bisher eine derartige Wirksamkeit nicht entfalten konnte: Zum einen ist dem Verhalten der Exekutive bei der Normsetzung und beim Normenvollzug eine kritische Aufmerksamkeit zu widmen. Zum anderen ist ein normverletzendes Verhalten der Normadressaten nicht verwunderlich, wenn die vorgetragene Bestandsaufnahme zugehöriger Sanktionsvorgaben und Verfahrensregelungen seitens der Legislative, der Exekutive und der Judikatur mit in die Bewertung einbewgen wird. Von daher ist es überaus verdienstvoll, wie der Verfasser abschließend - den theoretischen Faden des ersten Kapitels wieder aufgreifend - konkrete Handlungsempfehlungen für den Politiker auf der Grundlage einer rechnerisch ermittelten Sanktionshöhe mit ökonomischem Wirkungsgehalt erarbeitet, welche bei einer zukünftigen Sanktions politik einschließlich einer zweckgebundenen Mittelverwendung im Sinn einer Zangenwirkung beachtet werden sollten. Dabei mag der Vorschlag an den Gesetzgeber, eher die Kooperation mit den Wirtschaftssubjekten zu suchen, als die Regeln des Zwanges zu verschärfen, den Leser unter Umständen überraschen. Auf längere Sicht dürfte eine solche - marktkonforme - Strategie aber durchaus Erfolg versprechen. Allerdings sind dazu noch beträchtliche Vorarbeiten der Aufklärung zu leisten. So ist dem Verfasser - die Voraussetzungen und Grenzen seiner Vorschläge aufzeigend - auch durchaus bewußt, daß derartige Vorgaben im politischen Prozeß "abgeschliffen" werden. Für die eingangs zitierten Vorschläge eines Strafrechtsänderungsgesetzes kommen die in dieser Untersuchung dargelegten Vorstellungen wohl zu spät; für weitere Diskussionen zu dieser Thematik sind damit aber hilfreiche Grundlagen erarbeitet. Deswegen hat sich der "Freundeskreis Trierer Universität e.V." auch dazu entschlossen, die vorliegende Dissertation von Herrn Gelbhaar mit dem Förderpreis für Nachwuchswissenschaftler, dem Dr. Emil Zenz-Preis, auszuzeichnen. Trier, im Juli 1993
Prof Dr. Dietrich Dickertmann
Vorbemerkungen des Verfassers Die vorliegende Arbeit entstand während der ersten Jahre der Zeit meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Trier im Fach Volkswirtschaftslehre am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft; sie wurde vom Fachbereich für Winschafts- und Sozialwissenschaften/Mathematik mit der mündlichen Prüfung am 27. November 1992 als Dissertation angenommen. Dem Inhaber des Lehrstuhls, meinem verehrten Doktorvater Herrn Professor Dr. Dietrich Dickertmann, gilt mein besonderer Dank für Inspiration und wissenschaftliche Anleitung. Sein wohlwollendes Interesse und die stete Bereitschaft zu konstruktiver Kritik waren mir Motivation und bedeurende Unterstützung; der Arbeit gaben sie inhaltliches Fundament und prägende Kontur. Herrn Professor Dr. Dieter Rückle danke ich für die freundliche Übernahme des Koreferates sowie für seine hilfreichen Anregungen und die Befürwortung einer Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe. Herzlich danke ich meinen lieben Eltern dafür, daß sie es mir ermöglicht haben, ein solches Vorhaben erst in Angriff zu nehmen; die Frau an meiner Seite, Frau Dipl.-Kauffrau Claudia Thomalla, gab mir als mein Zuhause und mit Geduld die Kraft, es durchzuführen. Meinem Freund und langjährigen Weggefährten, Herrn Dr. Martin Walger, danke ich an dieser Stelle mit Freude und mit meiner höchsten Wertschätzung für unersetzliche Gespräche und Diskussionen, die wir während unseres gemeinsamen Studiums und der Doktorandenzeit geführt haben. In Freundschaft gilt auch mein besonderer Dank Herrn Dipl.-Volkswirt Viktor Wilpert Pie!; seine gestalterische Sicherheit und das unermüdliche Engagement, mit dem er am Entstehen der vorliegenden Arbeit mitwirkte, waren mir mehr als maßgebliche Hilfe. Nicht zuletzt gilt mein Dank für freundschaftlich-konstruktive Kritik und sachkundigen Rat in rechtswissenschaftlichen Fragen Herrn Klaus Bonikowski, Richter beim Verwaltungsgericht Koblenz. Meinen Kollegen, Frau Dipl.-Volkswirtin Gabrie!e Kulenkampff und Herrn Dipl.-Volkswirt Ralf Feucht, danke ich für eine kritische Durchsicht des Manuskripts und hilfreiche Anregungen. Der Hinweis, daß verbliebene Fehler und Unzulänglichkeiten allein und generell dem Verfasser anzulasten sind, bedarf gleichwohl nicht einer besonderen Betonung. Trier, im Sommer 1993
Dr. Siegfried Gelbhaar
Inhalt Einführung und Vorgehensweise
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Erstes Kapitel Sanktion und Norm im sozialwissenschaftlichen Kontext I. I. Begriffsbestimmungen und funkrionale Zusammenhänge ... ... ........ ... ........ ......... ..... ...... ........
3I 3I
1.1.1. Sanktions begriff.......... ...................... .......... .............. ..................... ........... ......... ..........
31
1.1.2. Normbegriff................................................................................................................
35
1.1.3. Funktionale Zusammenhänge von Norm und Sanktion..............................................
37
1.2. Ansätze zur ökonomischen Ziel bestimmung und Mittelbewerrung .......................................
39
1.2. I. Grundsätzliche Berührungspunkte von Ökonomie und Jurisprudenz..........................
39
1.2.2. Ökonomische Zielbestimmung ........................... ......... ............................. ..................
43
1.2.2. I. Gesamtwirtschaftliche A1lokarionsprobleme und gesellschaftliche Normierung: Die traditionellen Argumente......................................................................... 44 1.2.2.1.1. Externe Effekte und Koordinarionskosten ökonomischer Interaktion..
44
1.2.2.1.2. Die optimale Intensität normativer Eingriffe: Eine Vorüberlegung..
50
1.2.2.1.3. Öffentliche Güter und soziale Dilemmata .......................................
5I
1.2.2.2. Transakrionskosten und unvollständige Information......................................
60
1.2.2.3. Normative Arrangements aus polirikökonomischer Sicht ...............................
66
Exkurs: Zur Frage einer Zweckbindung öffentlicher Einnahmen ................................
72
1.2.3. Kriterien zur ökonomischen Mittelbewertung ............................................ .................
76
1.3. Die ökonomische Bewertung monetärer Sanktionen nach G. S. BECKER ...................... ........
80
1.3.1. Effektivität monetärer Sanktionen ...............................................................................
80
1.3.2. Effizienz monetärer Sanktionen... ..... .......... ..... ..................... ......... ..... ................. ........
88
1.3.3. Modellkritik................................................................................................................
98
1.4. Systematischer Wirkungsverbund von Kriminal- und Finanzpolitik...................................... 106 1.5. Ein erstes Zwischenergebnis .................................................. .... ........................................ .... I 15
14
Inhalt
Zweite> Kapitel Monetäre Sanktionen: Bestandsaufnahme und finanzwissenschaftliche Bewertung
119
2.1. Materiell-technische Bestandsaufnahme .. .................... ......................... ... ........ ....... .... ..... ...... 121 2.1.1. Formen der monetären Sanktionierung im deutschen Recht ....................................... 121 2.1.2. Eine vorläufige Bewertung aus ökonomischer Sich!.................... ....... .......................... 130 2.2. Monetäre Sanktionen im System der öffentlichen Einnahmen .............................................. 134 2.2.1. Die monetäre Sanktion - ein Preis? ............................................................................. 135 2.2.1.1. Grundsätzliche Einschätzung und Vorüberlegung .......................................... 135 2.2.1.2. Die monetäre Sanktion: Wahlverwandte einer effizienten Haftungsregel? ...... 140 2.2.1.3. Schlußfolgerungen und Ergänzungen............................................................. 151 2.2.2. Die monetäre Sanktion - eine Abgabe? .......................................... ........ ... ...... ........ .... 156 2.2.2.1. Monetäre Sanktionen als Steuern ................................................................... 158 2.2.2.2. Monetäre Sanktionen als Kausalabgaben ........................................................ 163 2.2.2.2.1. Monetäre Sanktionen als "Entgeltabgaben" ............ ......... ...... ......... 164 2.2.2.2.2. Monetäre Sanktionen als "Besondere Geldleistungspflichten " ........ 174 2.2.2.3. Die monetäre Sanktion im Abgabensystem - ein Rückblick ........................... 180 2.3. Finanzwinschaftlicher Nachweis von Mitte/aufkommen und Mitte/verwendung .................. 182 2.3.1. Monetäre Sanktionen in der amtlichen Statistik .......................................................... 183 2.3.1.1. Finanzwirtschaftliche Statistiken .................................................................... 183 2.3.1.2. Erhebungen des Statistischen Bundesamtes .................................................... 190 2.3.1.3. Andere statistische Berichtssysteme ................................................................ 192 2.3.2. Gemeinnützige Organisationen als Empfanger monetärer Sanktionszahlungen ........... 196 2.3.3. Zur Berücksichtigung monetärer Sanktionen im Finanzausgleich .............................. 200 2.3.3.1. Mittelbare Bezüge zum Finanzausgleich ..... ....•..................................... .... ...... 20 I 2.3.3.2. Unmittelbare Bezüge zum Finanzausgleich .................................................... 207 2.4. Ein zweites Zwischenergebnis ................................................................................................ 210
Inhalt
15
Drittes Kapitel Umweltnormen mit monetärer Sanktionsdrohung: Element rationaler Umweltpolitik?
213
3.1. Die Ubiquität monetärer Sanktionen im umweltpolitischen Instrumentarium ...................... 214 3.1.1. Marktanaloge Instrumente der Umweltpolitik ............................................................. 214 3.1.2. Umweltpolirisches Instrumentarium und monetäre Sanktionen .................................. 218 3.2. Gesellschaftliche Willensbildung und politische Realisierung von Umweltnormen ................ 225 3.2.1. Entstehung und bürokratischer Vollzug umweltpolitischer Normen............................ 227 3.2.1.1. Kritische Aspekte der Normentstehung.......................................................... 227 3.2.1.2. Kritische Aspekte des Normenvollzugs ........................................................... 232 3.2.2. Verhaltenswirksamkeit umweltpolitischer Normen ..................................................... 239 3.2.2.1. Illoyales Verhalten rational handelnder Normadressaten ................................ 240 3.2.2.2. Umweltpolitik und freiwillige Kooperation .................................................... 245 3.3. Monetäre Sanktionen als Instrumente der Umweltpolitik ..................................................... 249 3.3.1. Ausgangslage und Fragestellung................................................................................... 249 3.3.2. Handlungsempfehlungen - Eine pragmatische Skizze ................................................. 251 3.3.3. Voraussetzungen für eine Umsetzung .......................................................................... 258 3.4. Ein drittes Zwischenergebnis .....................•............................................................................ 260
Viertes Kapitel Schlußbetrachtung und Ausblick
265
Quellenverzeichnis
271
Personenregister
293
Sachregister
299
Verzeichnis der Abkürzungen a.a.O. ............................... am angegebenen Ort AbfG ........... ....... ............. Abfallgesetz Abs .................................. Absatz AbwAG ........................... Abwasserabgabengesetz a.F. .................................. alte Fassung Anm. ....................... ........ Anmerkung AO ........... ....... ...... ..... ..... Abgabenordnung An ................................... Artikel Aufl.. .................. ............. Auflage AI. .......... ....... ..... ...... ... .... Aktenzeichen Bd.................................... Band BG B ...... ................. ......... Bürgerliches Gesetzbuch BGBI. .............................. Bundesgesetzblatt BGH (St) ......................... Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BGHZ .............................. Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BHO ............................... Bundeshaushaltsordnung BlmSchG ........................ Bundesimmissionsschutzgesetz BKA ................................ Bundeskriminalamt BNatSchG ....................... Bundesnaturschutzgesetz BtDs. ............................... Bundestagsdrucksache BVerfGE . ............. ........ ... Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ChemG .......... ... ......... ..... Chemikaliengesetz c.p. .................................. ceteris paribus DDR ............................... Deutsche Demokratische Republik d.h. ... ................ ........... .... das heißt DM ................................. Deutsche Mark d.v. ............... .. ................ der Verfasser ErbSrG ...... ..... ... ........ ... ... Erbschaftsreuergeserz EStG ................. .............. Einkommensteuergesetz EVS ................................. Einkommens- und Verbrauchsstichprobe f....................................... folgende
ff. ..... ....... ..... ....... .... ..... .... fortfolgende GeschmG ........................ Geschmacksmustergesetz GewO .............................. Gewerbeordnung GG .................................. Grundgesetz GO .................................. Gemeindeordnung GrStG .............................. Grundsteuergeserz GVBI. .............................. Gesetzes- und Verordnungsblatt GWB ............................... Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GZR ................................ Gewerbezentralregister 2 Monetäre Sank[ionen
Verzeichnis der Abkürzungen
18
H ..................................... Heft HdSW .................... ......... Handwärterbuch der Sozialwissenschaften HdWW .... ................ ....... Handwärterbuch der Wirtschaftswissenschaft HGrG ............................. Haushaltsgrundsätzegesetz Hrsg. .................. ............. Herausgeber H.v.V. ............................. Hervorhebung vom Verfasser i.d.F. .... .............. ..... ......... in der Fassung i.d.F.d.B. ................ ......... in der Fassung der Bekanntmachung i.e. ................................... id est i.e.S. .......... .............. ........ im engeren Sinne insb. ....................... ......... insbesondere i.V.m ............................... in Verbindung mit i.w.S. ............................... im weiteren Sinne Jg. .................................... Jahrgang JGG ................................ Jugendgerichtsgesetz Kap. .... .......... ................... Kapitel KraftS tG .......................... Kraffahrzeugsteuergesetz KultStiFG ........................ Kulcur- und Stiftungsfärderungsgesetz m.a.W. ............................ mit anderen Worten Mill./Mio. ....................... Millionen MinäStG ......................... Mineralälsteuergesetz Mrd. ................................ Milliarden m.w.N. ............................ mit weiteren Nennungen No ................................... number Nr. .................................. Nummer OLG ............................... Oberlandesgericht OWiG ............................. Ordnungswidrigkeitengesetz PflSchG ........................... Pflanzenschutzgesetz RAO ................................ Reichsabgabenordnung RGBI. .............................. Reichsgesetzblatt sog. ................ .. ...... .......... sogenannte(s) StGB ............................... Strafgesetzbuch StPO ............................... Strafprozeßordnung TDM .............................. tausend Deutsche Mark u.a. .............. ...... .............. und andere u.a.m. .............................. und andere(s) mehr u. U. .......... ....................... unter Umständen UWG .............................. Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb V ......................................
vOln
vgl. .................................. vergleiche VGR ....... ......................... Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Vol. ................................. Volume vs. .................................... versus
VwGO ............................ Verwaltungsgerichtsordnung WiStG .............................. Wirtschaftsstrafgesetz z.g.d. ................................ zuletzt geändert durch z.g.d.G. ............ .......... .. .... zuletzt geändert durch Gesetz
Verzeichnis der Übersichten, Abbildungen und Tabellen
Übs.1:
Sekrorale Zuordnung von Sanktionsvorgängen.................... .. .......................... ............
31
Übs.2:
Normen als Verhalrensregelmäßigkeiten......................................................................
36
Übs.3:
Koordinationskosten ökonomischer Interaktion ..........................................................
47
Übs.4:
Die ökonomische Rationalität normativer Arrangements ............................................
78
Übs.5:
Monetäre Sanktionen im deutschen Recht ... ...... ....... ............ ............................ .......... 121
Übs.6:
Unterscheidungsmerkmale von Preis und monetärer Sanktion.. ............... ............ ....... 136
Übs.7:
Eine Systematik öffentlicher Einnahmen ..................................................................... 157
Übs.8:
Kausalabgaben im Überblick ....................................................................................... 173
Übs.9:
Besondere Gddleisrungspflichten im Überblick .......................................................... 175
Übs. 10:
Öffentlich-rechtliche Abgaben und monetäre Sanktionen im Überblick...................... 181
Übs.11:
Wirkungskerre einer Emissionssteuer................ ............. ......... ..................................... 220
Übs.12:
Auswahl von monetären Sanktionen als Instrumenre der Umweltpolitik ..................... 224
Übs. 13:
Das umweltpolitische Enrscheidungssystem ................................................................ 238
Abb.1:
Sanktions formen .........................................................................................................
33
Abb.2:
Normarten ..................................................................................................................
37
Abb.3:
Das normative Arrangement........................................................................................
38
Abb.4:
Die optimale Intensität normativer Eingriffe ...............................................................
51
Abb.5:
Gesellschaftliche Grenzkosten in Abhängigkeit von der Zahl der Normverletzungen...
94
Abb.6:
Gesellschaftliche Grenzminderausgaben in Abhängigkeit von der Zahl der Normverlerzungen.....................................................................................................................
95
Abb.7:
Das gesamrwirrschaftlich optimale Ausmaß an Normverletzungen ..............................
95
Abb.8:
Idealtypische Kostenverläufe des privaten Pkw-Verkehrs (Preislösung in statischer Einzelbetrachrung) ............................................................... 141
Abb.9:
Idealtypische Kostenverläufe des privaten Pkw-Verkehrs (Preislösung in statischer Gruppenberrachrung) .......................................................... 142
Abb.10:
Idealtypisclfe Kostenverläufe des privaten Pkw-Verkehrs (Preislösung in komparativ-statischer Gruppenbetrachrung) ........................................ 143
Abb. 11:
Idealtypische Kostenverläufe des privaten Pkw-Verkehrs (Mengenlösung in komparativ-statischer Einzelbetrachtung) ....................................... 146
Abb. 12:
Konrrollaktivitäten eines Umwdtbürokraten ............................................................... 236
20
Verzeichnis der Übersichten, Abbildungen und Tabellen
Tab. 1:
Einnahmen der Gebietskörperschaften aus Geldstrafen und Geldbußen 1980 bis 1988 (in Millionen DM) ...................................................................................................... 188
Tab. 2:
Sonstige empfangene laufende Übenragungen des Staates von Inländern 1985 bis 1990 (in Millionen DM) ...................................................................................................... 190
Tab. 3:
Monatliche Ausgaben privater Haushalte für Sanktionszahlungen 1986 bis 1990 (in DM) ...................................................................................................................... 192
Tab. 4:
Veneilung der Zuwendungen aus Geldauflagen in Ermittlungs-, Straf- und Gnadenverfahren ..................................................................................................................... 198
Tab. 5:
Geldzuweisungen aus monetären Sanktionen an gemeinnützige Einrichtungen in Rheinland-Pfalz 1990.................................................................................................. 199
Einführung und Vorgehensweise Geldstrafen und Geldbußen sind häufig Gegenstand von Meldungen der Medien. Einen Eindruck vom Facettenreichtum ihrer Einsatzmöglichkeiten geben die folgenden - wenn auch eher willkürlich zusammengestellten - Fragmente: - Im Zuständigkeitsbereich des Bundes erließ das Bundeskartellamt im Sommer 1989 gegen einige Zementhersteller Bußgeldbescheide, welche mit einem Betrag von insgesamt 224 Millionen DM Rekordhöhe erreichten.! - Im gleichen Jahr wurden auf Landesebene in Rheinland-Pfalz sechs Führungskräfte eines Chemiekonzerns wegen fahrlässiger und gefährlicher Körperverletzung unter anderem zu erheblichen Geldstrafen verurteilt. 2 - Für die kommunalen Gebietskörperschaften plädierte im Jahre 1989 beispielsweise der Präsident des Gemeindetags Baden-Wümemberg, Karl-Heinz Lehmann, für eine Ausweitung der kommunalen Zuständigkeit auf die Kontrolle des fließenden Verkehrs, welche bis dato ausschließlich in den Kompetenzbereich der Polizei fiel und setzte sich damit dem Vorwurf der "Profitgier" aus. 3 Solche Meldungen mögen im Einzelfall von vergleichsweise geringer Bedeutung sein. In der Summe und im Zeirverlaufbegründen sie allerdings die Frage nach den charakteristischen Eigenarten und Zielsetzungen derartiger Handlungsinstrumente des Staates und nach ihrer Bewertung aus ökonomischer Sicht. Dem weit gefächerten Kreis der Trägerinstanzen, welche monetäre Strafbestimmungen einsetzen, entspricht dann auch ihr Erscheinen in den unterschiedlichsten staatlichen Regelungsfeldern: So wurde beispielsweise im Umweltschutzbereich unlängst ein Urteil des Landgerichtes Hof / Saale gegen die ehemaligen Inhaber einer mit Quecksilber verseuchten chemischen Fabrik als zu milde kritisiert: ,,Angesichts des verursachten Umweltschadens in Höhe von 60 bis 80 Mill. DM sind geringe Geldstrafen in Höhe von 80.000 bis 110.000 DM ein Schlag gegen alle Unternehmen, die in den letzten Jahren mit großem finanziellem Aufwand ihre Produktionsstrukturen um-
! Siehe Meldung: "Alle Zement-Bußgelder sind jetzt rechtskräftig", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 7 v. 17.1.1989, S. 16.
2 Siehe Meldung: "Geld- und Freiheitsstrafen im Mainzer ,Erdal-Prozeß''', in: Trierischer Volksfreund, Nr. 14 v. 17.1.1989, S. 11.
3
Siehe Meldung: "Sprudelnde Quelle", in: Der Spiegel, Nr. 13 v. 27.3.1989, S. 98.
22
Einführung und Vorgehensweise
weltverträglich gestaltet haben. "4 Damit wird erkennbar, daß die staatliche Androhung von Geldstrafen bei den davon betroffenen Wirtschaftssubjekten offenbar bestimmte ökonomische Anreizwirkungen entfaltet, welche zum einen die Verhaltenswirksamkeit der entsprechenden Regelungen determinieren. Zum anderen deutet sich ein spezifischer Zusammenhang zwischen dem Schaden, welcher mit einem Normübertritt verbunden ist und der Höhe der dann jeweils als gerecht(fertigt) empfundenen Strafe an - ein Sachverhalt, dem nachfolgend noch ausführlich nachzugehen ist. Insbesondere für den Bereich der Umweltpolitik erscheint dabei die nähere Untersuchung von Geldstrafen und ähnlichen Sanktionen sinnvoll: Wachsender staatlicher Handlungsbedarf angesichts zunehmender ökologischer Fehlenrwicklungen und die sich hieraus ergebende Regelungsvielfalt und Komplexität hoheitlicher Intetvention prägen hier ein Erscheinungsbild ordnungspolitischer Lenkung, welches auf der einen Seite mitunter als dirigistisch, auf der anderen Seite jedoch zumeist auch als wenig wirkungsvoll empfunden wird. 5 So erwecken die staatlichen Bemühungen zum Schutze der natürlichen Umwelt bei allem Regulierungseifer in ihrem gegenwärtigen Erscheinungsbild einen nicht immer befriedigenden, mitunter sogar mißmutig stimmenden Eindruck. Dies beruht beispielsweise auf unverändert dramatischen Meldungen über gravierende Störungen der Erdatmosphäre, welche dann meist von eher zurückhaltenden Erwartungen begleitet werden, was den in Aussicht stehenden Erfolg internationaler Konferenzen zum Zweck der umweltpolitischen Willensbildung angeht. 6 Die dann auch in der Umweltökonomik mittlerweile erkennbar werdende Ernüchterung ist wohl aus dem Sachverhalt abzuleiten, daß die Wirtschaftswissenschaften ihren grundsätzlichen Beitrag zur Lösung des Umweltproblems in bereits weitreichender Hinsicht formuliert haben: Eine Diagnose der Ursachen für ein unerwünschtes Ausmaß an Umweltverschmutzung liegt einschließlich politikberatender Therapieempfehlungen seit geraumer Zeit vor,' 4 Stellungnahme von Cristoph Dimer, Vorsitzender der Umweltkommission des Bundesverbandes Junger Unternehmer, zitiert nach Meldung: »BJU fordert höhere Umweltstrafe", in: Trierischer Volksfreund, Nr. 32 v. 14.2.1989, S. 11.
5 Zum Vollzugsdefizit der ordnungsrechdich geprägten Umweltpolitik in Deutschland siehe jüngst erneut Rometsch, L.: Ökonomische Analyse von Umweltdelikten, Bochum 1992, S. 60 ff. sowie derulbe: Umweltdelikte in der Bundesrepublik Deutschland - eine Bestandsaufnahme, in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, H. 211992, S. 247 ff. 6 Vgl. Meldung: »Der Gipfel in Rio birgt nur wenig Hoffnung für den Regenwald", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 108 v. 9.5.1992, S. 12. Zu den Einwänden, welche anläßlich der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (Unced) im Sommer 1992 von den Entwicklungsländern vorgetragen wurden, siehe Meldung: »Keine Entwicklung ohne Ausbeurung natürlicher Reichtümer", in: Frankfurter Allgemeine Zeirung, Nr. 99 v. 28.4.1992, S. 7. 7 Siehe - statt vieler - Nowotny, E.: Wirtschaftspolitik und Umweltschutz, Freiburg 1974 und die Beitäge in Wegehenkel, L. (Hrsg.): Marktwirtschaft und Umwelt, Tübingen 1981 sowie auch Endw, A.: Umwelt und Ressourcenökonomie, Darmstadt 1985.
Einführung und Vorgehensweise
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weshalb aktuelle Beiträge sich vornehmlich der Lösung vergleichsweise konkreter, praxisbezogener Detailprobleme zuwenden. Angesichts einer derart weit gediehenen Entwicklung umweltökonomischer Grundsatzargumente und nunmehr der Hinwendung zu pragmatisch orientierten Einzelfragen trifft die realpolitische Umsetzung ökonomischer Konzepte zunehmend auf anfangs wohl unterschätzte Widerstände. Zur Verdeurlichung dieser Probleme eignet sich dabei vielleicht ein Bonmot, das von politischer Seite im Zusammenhang mit der Wiedergewinnung der deutschen Einheit aufgegriffen worden war: Hiernach hätten die Bürger der ehemaligen DDR von ihrem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland vor allem die Gewährleistung und das Walren staarlicher Gerechtigkeit erhofft - erhalren hätten sie indessen den Rechtsstaat, der dann freilich nicht immer und in jedem Einzelfall mit den individuellen Gerechtigkeitsvorstellungen der Betroffenen identisch sein mußte. In vergleichbarer Weise könnten sich auch engagierte Ökonomen und Umweltschützer gelegentlich desillusioniert fühlen: Sie erstreben die Realisierung einer wirksamen und zugleich wirtschaftlichen Umweltpolitik - was sie erhalten, ist wiederum zunächst der Rechtsstaat, der sich für dieses Mal von seiner ökologisch motivierten Seite zeigt. Mit - freilich scheinbarer - Zwangsläufigkeit begünstigte dann der Sachverhalr, daß das Rechtsstaatsprinzip alle Umweltpolitik notwendig unter die Regie und Voraussetzung von Recht und Gesetz stellt,' eine allfällige Dominanz dirigistischer Instrumente (Geund Verbote) in der Umweltpolitik. 9 Diese sich früh abzeichnende Entwicklung wurde von seiten der Ökonomie stets beklagt, zumal der Nachweis, daß es sich bei den Auflagen um das ökonomisch am wenigsten leistungsfähige Eingriffsinstrument handelt, bereits zu ihren ersten und bis heure kaum umstrittenen Forschungsergebnissen zählt. IO Eine de facto gleichwohl zunehmend dirigistische Prägung realer Umwelrpolitik bewirkte dann - zumindest bei manchen Autoren aus diesem Bereich der Ökonomie - ihre weitgehende Abwendung vom ordnungsrechtlichen Umweltschutz, was zugleich auch einen gewissen Verlust an Möglichkeiten ökonomischer Einflußnahme auf die reale Umweltpolitik bedeutet - eine Tendenz, der erst in jüngster Zeit durch die forcierte wirtschaftswissenschaftliche Diskussion der Effizienz umweltrechtlicher Haftungsregeln entgegengewirkt wird. Unverändert konzentriert sich aber die umweltökonomische Literatur in der Regel auf die im Nachhinein kommentierende und bewertende Stellungnahme zu bereits praktizierten umwelrpolitischen Eingriffen, zumeist mit dem Ergebnis nachgewie-
c.:
• Siehe beispielsweise Storm, P. Umweltrecht. Einführung in ein neues Rechtsgebiet, 2. Aufl., Berlin 1987, S. 17: "Umweltpolitik bedarf des Rechts zu ihrer Verwirklichung." 9 Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes präjudizieren jedoch keineswegs den Einsatz einer bestimmten Art von Eingriffsinstrumenten; vielmehr bezeichnen sie lediglich das allgemein rechtsstaatliehe Willkürverbot im Hinblick auf staatliche Eingriffe. Siehe hierzu auch unten, S. 214 ff. 10
Vgl. hierzu die Ausführungen unten, S. 221 ff. sowie die dort angegebene Literatur.
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sener Inkonsistenzen und mangelnder ökonomischer Rationalität der jeweils getroffenen Maßnahmen. Belebt wurde die umweltökonomische Diskussion jedoch unlängst durch einen Impuls, der von jüngeren Untersuchungen zum Gesetzesvollzug im Umweltschutz ausging: So gelangten rechtswissenschaftliche Studien erneut zu dem Ergebnis, daß der Vollzug des Umweltrechts durchweg mangelhaft sei: Gesetzlichen Vorschriften im Umweltbereich wird in unzureichendem Maße entsprochen, die verwaltungs-, ordnungswidrigkeiten- und strafrechtliche Kontrolle durch Verwaltungsbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaft ist defizitär, was insbesondere auf technische, strukturelle und politische Ursachen zurückgeführt wird." Damit wird zum wiederholten Mal Aufmerksamkeit auf den Sachverhalt gelenkt, daß Umweltauflagen - von ihrer konzeptionellen Ineffizienz im Befolgensfall abgesehen - besonders dort versagen, wo deren ökologisch engagierte Befürworter ihre besondere Stärke vermutet hatten: Nämlich bei der Frage nach einer raschen ökologischen Wirksamkeit derartiger Instrumente." Die in der Realität vielmehr evident werdende Unwirksamkeit von Umweltauflagen hat dabei unterschiedliche Ursachen, die sich auf pragmatischer und auf theoretischer Ebene lokalisieren lassen. In realpolitischer Hinsicht handelt es sich insbesondere um administrative Zielkonflikte, scheinbare oder faktische Zwangslagen bei der politischen Durchsetzbarkeit einzelner Maßnahmen, strukturelle und organisatorische Brüche sowie auch um Folgen von Ausstattungsmängeln bei den staatlichen Vollzugsorganen. Die genannten Ursachen ergänzend ist jedoch auch der betriebswinschaftlichen Entscheidungstheorie ein diesbezüglich bemerkenswerter Beitrag zu entnehmen, durch welchen ein Erklärungsmuster für die fehlende Verhaltenswirksamkeit von Auflagen aufgedeckt und strukturiert wird. Demnach werden Umweltauflagen in einer Vielzahl von Fällen aus einem einfachen und plausiblen Grunde nicht befolgt: Unter der Voraussetzung bestimmter Zielsetzungen der von Auflagen betroffenen Individuen sowie unter der Annahme, diese seien grundsätzlich zu illoyalem (d.h. gesetzeswidrigem) Verhalten bereit, ge-
" Siehe die Ergebnisse der Studie von Kühne, H.-H. / T Gärgen: Die polizeiliche Bearbeirung von Umweltdelikten, Forschungsreihe des Bundeskriminalamtes, Bd. 23, Wiesbaden 1991 sowie ergänzend Meldung: "Umweltgesetze werden nicht beachtet", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nt. 31 v. 6.2.1992, S. 5. 12 So wird geläufigeIWeise postuliert, ordnungsrechtliche Auflagen seien in der Lage, einen akuten ökologischen Notstand, wenn auch nicht immer wirtschaftlich, so doch aber zuverlässig wirksam zu beheben: "Bei Auflagen ist eine größere Reaktionssicherheit gegeben, während bei Anreizinstrumenten [... ] nicht klar vorhersagbar ist, wie die Eminenten auf die Abgabenanreize reagieren [... ]. Wenn und soweit Ge- und Verbote intensiv überwacht und durchgesetzt werden, haben sie den Vorteil der schnellen Wirksamkeit." Wicke, L.: Umweltökonomie, 3. Aufl., München 1991, S. 173 (H.v.V.); die zentrale Bedeutung der hier hervorgehobenen Passage dürfte mit Blick auf die Realität zunächst weit unterschätzt worden sein: Warum auch sollten private Wirtschaftssubjekte auf Ge- und VerbOIe grundsätzlich anders oder leichter vorhersehbar reagieren als auf andere Anreizinstrumente? Siehe ergänzend Meldung: "Umwelt-Strafrecht gescheitert", in: Frankfurter Rundschau, Nt. 150 v. 2.7.1991, S. 4.
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langen sie bei einer Anwendung betriebswinschaftlich-normativer Entscheidungsregeln unter den gegenwärtig zu erwartenden Strafhöhen zu dem Ergebnis, daß ein Verstoß gegen Umweltschutzbestimmungen selbst bei einkalkuliertem Ertappungsrisiko gegenüber der Alternative einer Auflagenbefolgung in der Regel vorteilhaft ist. Gesetzeskonformes Verhalten der Unternehmen ist für die dort untersuchten Anwendungsbereiche folglich kaum zu erwarten. 13 Gesetzliche Weisungen lösen demnach also keineswegs ein apriori und eindeutig vorhersehbares ("reaktionssicheres") Verhalten aus; vielmehr lassen sie - den ökonomischen Anreizinstrumenten insofern nächst verwandt - eine Entscheidungssituation unter Risiko entstehen, welche ihrerseits Gegenstand eines einzelwirtschaftlich-ökonomischen Kalküls ist. Von diesem Sachverhalt zeigt sich die volkswinschaftliche Diskussion der instrumentellen Alternativen in der Umweltpolitik bislang jedoch weitgehend unbeeindruckt: So werden Umweltauflagen üblicherweise unter der Prämisse mit Abgaben verglichen, daß erstgenannte stets befolgt und Abgaben auch tatsächlich entrichtet werden. Eine solche Beschränkung der Betrachtungsweise war für die Umweltökonomik über lange Zeit kennzeichnend; verwundern mußte sie gleichwohl, zumal Erweiterungen der Perspektive auf illoyales Verhalten für benachbarte Analysefelder durchaus bereits vorlagen." Einschlägige Studien über die ökonomischen Aspekte von Verbrechen und Strafe werden in der Literatur im übrigen seit Jahren diskutiert und sind im angelsächsischen Schrifttum als Teilgebiet des Forschungsbereichs "Lawand Economics" längst etabliert. Im deutschsprachigen Raum sind entsprechende Schwerpunkte unter der Bezeichnung "ökonomische Analyse des Rechts" ebenfalls seit geraumer Zeit in der Enrwicklung begriffen. 15 Im Eindruck eines der13 Vgl. T~rhart, K: Die Befolgung von Umweltschutzauflagen als betriebswirts~hafdiches Entscheidungsproblern, Berlin 1986, S. 221 u. S. 227, sowie (als zusammenfassende Darstellung der dort erzielten Ergebnisse) Rückk, D. / K T~rhart: Die Befolgung von Umweltschutzauflagen als betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschafdiche Forschung, H. 5/1986, S. 393 ff. Das dort angeführte Untersuchungsziel ist explizit politikberatender Natur: Überprüft werden Voraussetzungen für die Effektivität umweltpolitischer Srrafbestimmungen unter den genannten - ungünstigen - Bedingungen. 14 So insbesondere für den Bereich der Steuerhinterziehung; siehe beispielsweise Cowell, F. A.: Cheating the State: The Economics of Evasion, Cambridge u.a. 1990, und Hagedorn, R.: Steuerhinterziehung und Finanzpolitik, Frankfurt a.M. u.a. 1991. Für einen Überblick neuerer Ansätze der ökonomischen Rezeption ordnungsrechdicher Regulierung im Bereich der Umweltpolitik siehe Gaw~4 E.: Ökonomische Analyse des Umwelrverwalrungsrechts, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis, H. 4/1993, S. 553 ff. 15 Für einen Überblick siehe bereits Mc Pheters, L. R. / W. B. Stronge (Hrsg.): The Economics of Crime and Law Enforcement, Springfield 1976 und Cooter, R. / T. Ukn: Law and Economics, Glenview / London 1988. Für den zivilrechdichen Bereich siehe in Deutschland Schäftr, H B. / G. Ott: Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilsrechts, Berlin u.a. 1986, sowie für einen Überblick Frey, B. S. / A. S~rna: Recht und Wirtschaft: Bemerkungen zu einem interdisziplinären Forschungsprogramm, in: Staarswissenschaften und Staatspraxis, H. 4/1991, S. 534 ff., und Koboldt, G.: Ökonomische Analyse des Rechts, in: Wirtschaftswissenschaftliches Srudium, H. 7/1992, S. 334 ff.
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art fortgeschrittenen Reifestadiums zum einen der Umweltökonomik sowie zum anderen der ökonomischen Theorie von Verbrechen und Strafe wird im Verlaufe der vorliegenden Arbeit auf Grundlage der spezifischen Argumente aus beiden Forschungsrichtungen nun stets auch das Ziel einer daraus gemeinsam abzuleitenden, wissenschaftlichen Politikberatung für unterschiedliche staatliche Handlungsfelder verfolgt: Dabei handelt es sich um die Kriminalpolitik im allgemeinen sowie im besonderen um die Umweltschutzpolitik. Es ist daher Zielsetzung der vorliegenden Arbeit, die zentralen Ergebnisse der ökonomischen Analyse des Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechts zusammenzuführen und sie im Anschluß auf den Wirkungsbereich der Umweltpolitik anzuwenden. In dieser Weise soll eine modifizierte und differenzierte Einschätzung der realpolitischen Anwendbarkeit von Strafregelungen im Instrumentarium der Umweltpolitik begründet werden. Sanktionsdrohungen der einen oder anderen Art16 müssen nämlich in jedem Fall - zumindest als zweite Verteidigungslinie ordnungspolitischer Intervention - die Verhaltenswirksamkeit ökologisch motivierter Eingriffe erst verläßlich absichern, um so die Effektivität der jeweils getroffenen Maßnahmen gewährleisten zu können. Die vorliegende Studie unternimmt insofern auch den Versuch eines Beitrags zur Reintegration der ökonomischen Sichtweise in bereits ordnungsrechtlich und dirigistisch vorgeprägte Bereiche der realen Umweltpolitik. Insbesondere seitens der Rechtswissenschaft dürfte ein solches Vorhaben nun allerdings nicht ungeteilten Beifall finden: So waren bislang alle ökonomischen Meinungsäußerungen zu diesem Thema - sofern sie ethisch und moralisch sensible Bereiche betrafen zumal- stets Gegenstand von bisweilen unerwartet polemischer Kritik, die einer derart weit gefächerten Anwendung ökonomischer Denkweisen bestenfalls imperialistische Ambitionen, schlimmstenfalls Obskutität vorwarf. 17 So haben denn bisher auch ,,[ ... ] Rechtswissenschaft und Nationalökonomie [... ] selten zueinander gefunden. Taten sie es, so versuchte nicht selten die eine Disziplin die andere zur Hilfswissenschaft zu instrumentalisieren. Aber auch die andere Variante einer Annäherung ohne Zusammenarbeit ist anzutreffen; eine Disziplin stellt Untersuchungen im Feld der anderen an, ohne zur Kenntnis zu nehmen, was diese bereits erarbeitet hat. Der expandierenden Disziplin wird dann der Vorwurf des Imperialismus gemacht. Die angegriffene Disziplin suchte dann ihre Rettung zumeist in der Betonung ihrer Autonomie und ihrer Abschottung gegenüber der imperia-
16
Für eine Präzisierung siehe unten, S. 45 f.
Vgl. Liebhafiky. H. H.: Price Theory as Jurisprudence: Law and Economics. Chicago Sryle. in: Journal ofEconomic Issues. Vol. 10/1976. S. 23 ff. (hier: S. 40). zitiert nach Tietul. M.: Wirtschaftstheorie als Allgemeine Theorie menschlichen Verhaltens. in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik. H. 32/1983. S. 225 ff. (hier: S. 227. m.w.N.). 17
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listischen Disziplin. "I' Ein durch mangelnde Kooperationsbereitschaft derart gestörtes Miteinander der an der Lösung von Umweltproblemen thematisch beteiligten Disziplinen ist jedoch gerade im Bereich umweltbezogener Politikberatung schädlich und deshalb zu beklagen: Der Verantwortung des Menschen für die Schöpfung und sein in diesem Sinne verantwortliches Handeln für die Umwelt als Erfüllung eines ökologischen Generationenvertrages l9 kann nämlich unter Beachtung der in diesem Bereich charakteristischen Komplexität der Zusammenhänge offenkundig nur durch eine hinreichende Interdisziplinarität aller Bemühungen entsprochen werden. 20 Neben der umweltökonomischen Zielsetzung eröffnet die wirtschaftswissenschaftliche Behandlung von monetär sanktionsbewehrten gesetzlichen Vorschriften auch eine beachtenswerte finanzwirtschaftliche Perspektive: Monetäre Sanktionen sind als staatliche Einnahmen nicht zuletzt auch Gegenstand finanzwirtschaftlicher Planung und Rechnungslegung. Sie führen allein bei den Gebietskörperschaften gegenwärtig zu jährlichen Einnahmen in Milliardenhöhe. 21 Dem Mittelaufkommen strafbewehrter (Umwelt)Auflagen kommt dabei gleichsam eine Schlüsselrolle zu, indem aus derartigen Geldern für die jeweilige Vollzugsbehörde ein potentieller Konflikt zwischen der Lenkungsabsicht einerseits und der sich einstellenden Finanzierungswirkung andererseits entstehen kann: Zunächst verfolgt die zugrundeliegende Lenkungsabsicht zwangsweise eine vollständige Durchsetzung der jeweiligen Norm. Demgegenüber ergibt sich aus der Finanzierungswirkung unter Umständen eine Antinomie, da bei vollständiger Realisierung des Lenkungsziels der Vollzugsbehörde eben gerade keine Einnahmen entstehen, da das Aufkommen in diesem Fall wirkungsgerecht gegen Null tendiert. Sofern die Vollzugsbehörde jedoch fiskalische Interessen verfolgt, wird die ursprünglich intendierte Lenkungsfunktion dem Grunde nach konterkariert - eine mögliche Scherenwirkung, der
18 Kjrchn~r, G.: Ober das Verhältnis der Rechtswissenschaft zur Nationalökonomie: Die Neue Institutionenökonomie und die Rechtswissenschaft, in: Jahrbuch fur Neue Politische Ökonomie, Bd. 7/1988, S. 192 ff. (hier: S. 192 ff., m.w.N.).
19 Vgl. Umweltbericht 1990 des Bund~smjnjsters for Umw~lt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BtDs. 11/7168 v. 3.5.1990, S. 1. 20 "Nur in Zusammenarbeit mit Ingenieuren, Naturwissenschaftlern und Juristen werden die Umweltökonomen [... ] Lösungen entwickeln und im politischen Prozeß durchsetzen können." L. Wick~, a.a.O .• S. 423 - eine Feststellung, die freilich in entsprechender Weise fur alle genannten Disziplinen gilt. In diesem Sinne wird mitunter auch die Rechtswissenschaft kritisiert: "Bevor die Rechtswissenschaft sich den Bemühungen um eine ökonomische Rechrstheorie verschließt, sollte sie versuchen, die neuen Ansätze zu verstehen und ihr theoretisches Potential auszuleuchten." Behrens, P.: Über das Verhältnis der Rechtswissenschaft zur Nationalökonomie: Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, in: Jahrbuch fur Neue Politische Ökonomie, Bd.7/1988, S. 209 ff. (hier:
S.226). 21
Siehe dazu im einzelnen die Ausfiihrungen im zweiten Kapitel. S. 183 ff.
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nicht zuletzt auch mit Blick auf die Transparenz staatlicher Planung ausführlich nachzugehen ist. In dem so skizzierten Kontext kommt den Fragen von Ethik und Gerechtigkeit naturgemäß eine zentrale Bedeutung zu; sie werden vorliegend gleichwohl kaum, allenfalls jedoch ansatzweise diskutiert. 22 Dies geschieht nicht aus Ignoranz; auch soll nachfolgend nicht einer ökonomischen "Grenzmoral" das Wort geredet werden,23 wenn beispielsweise Betrachtungen über ein ökonomisch effizientes Ausmaß an Verbrechen angestellt werden. Es handelt sich vielmehr um eine bewußt vorgenommene Beschränkung der Betrachtungsweise, um auf der Grundlage des methodologischen Individualismus die ökonomischen und dabei insbesondere die allokativen Aspekte von Verbrechen und monetärer Bestrafung auf den Bereich einer rationalen Umweltpolitik anwenden zu können. Dabei sollen Aspekte der effizienten Ressourcenallokation einen Erklärungsbeitrag zu der Frage leisten, ob und gegebenenfalls inwiefern die Drohung mit Strafe unter ökonomischen Kriterien ein rationaler Bestandteil staatlicher Umweltpolitik sein kann. Aussagen im Zusammenhang mit einer als gerecht empfundenen oder gar als optimal zu bezeichnenden Verteilung von Ressourcen finden hingegen nur insofern Beachtung, als hinsichtlich bestimmter rechtlicher Arrangements geprüft wird, inwiefern einzelne Vorgänge eine gegebene Verteilungslage verändern (können). Im ersten Kapitel der Arbeit werden die Begriffe Norm und Sanktion in einen gemeinsamen begrifflichen und funktionalen Zusammenhang eingeordnet. Dabei 22 Siehe jedoch die Diskussion unten, S. 99 f. Zu ethischen Grundfragen der ökonomischen Theorie siehe einführend die Beiträge in Biervert, B. / M. Held (Hrsg.): Ethische Grundlagen der ökonomischen Theorie, Frankfurt a.M. 1989. Siehe darüber hinaus für eine Standortbestimmung und Wirkungsanalyse ökonomischer Orientierungen in den Bereichen von Ökologie und Kultur die Ausfiihrungen bei Bendixen, P.: Fundamente der Ökonomie: Ökologie und Kultur, Wiesbaden 1991; siehe ferner zu Fragen der Gerechtigkeit aus ökonomischer Perspektive Hauer, P.: Leitbilder der Gerechtigkeit in den marktwircschafilichen Konzeptionen von Adam Smith, John Stuart Mill und Alfred MüllerArmack, Frankfurt a.M. u.a 1991.
23 Diesen Begriff prägte der Wirtschaftstheoretiker Brieft, G.: Grenzmoral in der pluralistischen Gesellschaft, in: Beckerath, E. v. u.a. (Hrsg.): Wirtschaftsfragen der freien Welt, Frankfurt 1957, S. 97 ff., der glaubte, ,,[ ... ) in jeder Wettbewerbswirtschaft eine ,Tendenz zur Grenzmoral' diagnostizieren zu müssen. Erfolgreich [... ) seien nämlich jene, die das ,jeweils mögliche Geringstmaß an Verkehrsmoral besitzen'; das aber nötige die übrigen, ,bei Strafe von Verlusten oder geschäftlichem Untergang, ihre Verkehrsmoral dem Spiegel der jeweils möglichen, [... ] hemmungslosesten Verkehrsmoral anzupassen': eine Art verallgemeinertes ,Greshamsches Gesetz', wonach stets die miesesten Sitten überhand gewinnen." (Tietze/' M.: Zur ökonomischen Theorie des Betrügens und des Fälschens, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 204-1/1988, S. 17 ff. (hier: S. 17). Jedoch betont Willgerodt, H.: Wirtschaftsfreiheit als moralisches Problem, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, H. 1/1983, S. 97 ff. (hier: S. 103 f.), ,,[ ... ] daß der marktwirtschaftliehe Wettbewerb (keineswegs immer) denjenigen prämiert, der sich an der moralischen Untergrenze des Verhaltens bewegt, das noch gerade in den Rahmen des Gesetzes fällt. Die mögliche Gravitation in Richtung auf eine sozialethische Grenzmoral besteht eher bei nicht voll entwickelter Marktwirtschaft und mangelhafter staatlicher Gesetzgebung [... )".
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sind zunächst die prinzipiellen Ansätze einer ökonomischen Zielbestimmung und Mittelbewenung im Kontext der Entstehung und Durchsetzung sozialer Normen aufzuzeigen. Im Anschluß daran sollen monetär sanktions bewehrte Strafbestimmungen einer Bewertung unterzogen werden, wobei insbesondere der Frage nachgegangen wird, welches einzelwirtschaftliche Kalkül für ein Befolgen oder Übertreten gesetzlicher Normen maßgeblich und insofern verhaltensbestimmend ist. Darüber hinaus ist unter Berücksichtigung der Kosten staatlicher Normdurchsetzung zu fragen, welches Ausmaß an Normverletzung in einem bestimmten Regelungsbereich aufgrund ökonomischer Erwägungen unter Umständen zu tolerieren ist. Ein zu skizzierender systematischer Wirkungsverbund von Kriminal- und Finanzpolitik wird die Darlegungen des ersten Kapitels abschließen. Das zweite Kapitel gibt eine Bestandsaufnahme monetärer Strafbestimmungen im deutschen Recht. Zunächst werden die unterschiedlichen Formen der monetären Sanktionierung vorgestellt, um im Anschluß eine (erneute) Betrachtung monetärer Sanktionen als Instrumente staatlichen Handelns im Spiegel ökonomischer und finanzwirtschaftlicher Termini vorzunehmen. Eine Darstellung und Bewertung des Informationsangebotes über Aufkommen und Verwendung der aus monetären Sanktionen erzielten Einnahmen schließt sich an, wobei die oben erwähnte fiskalische Dimension des Untersuchungsgegenstandes - auch unter föderalen Fragestellungen im Rahmen des Finanzausgleichs - vertieft wird. Das dritte Kapitel wendet die bis dahin erzielten Untersuchungsergebnisse auf den Bereich der Umweltpolitik an. Nach einer Benennung und Standortbestimmung monetärer Sanktionen im umweltpolitischen Instrumentarium soll der realpolitische Einsatz strafbewehrter Auflagen unter Berücksichtigung ökonomischer, rechtlicher und verwaltungstechnischer Aspekte bewertet werden. In diesem Sinne ist es Anliegen des dritten Kapitels, die ökonomischen Aspekte von Verbrechen und Strafe sowie von den Vorgängen gesellschaftlicher Normentstehung und Normdurchsetzung auf den Bereich des Umweltschutzes zu übertragen. Die Ausführungen lösen sich schließlich von den konkreten Tatbestandsregelungen des in Deutschland geltenden Umweltrechts und sind bestrebt, ein allgemein ökonomisch rationales Konzept für den umweltpolitischen Einsatz monetärer Strafbestimmungen zu entwickeln. Die explizite Berücksichtigung einzelwirtschaftlich rationaler Auflagenverstöße führt dmn im letzten Untersuchungsschritt zu einer differenzierten Beurteilung monetärer Sanktionen als instrumentell notwendiger Bestandteil staatlicher Umweltpolitik.
Erstes Kapitel
Sanktion und Norm im sozialwissenschaftlichen Kontext 1.1. Begriffsbestimmungen und funktionale Zusammenhänge 1.1.1. Sanktions begriff
Während der Sanktionsbegriff in seiner ursprünglichen Bedeutung das Bestätigen oder Anerkennen eines Sachverhaltes sowie dessen unverbrüchliche ("geheiligte") Festsetzung umschließt, meint eine Sanktion im juristischen Zusammenhang diejenige Rechtsfolge, welche einer rechtlichen Regelung zur effektiven Durchsetzung verhelfen soll.24 Eine Sanktion verfolgt also das Ziel, gesellschaftlichen Zwang auszuüben und wird insofern auch zum Gegenstand soziologischer Betrachtungen, wo sie ,,[ ... ] gesellschaftliche Reaktionen auf Verhalten, also Zeichen und Aktionen der Bestrafung (negative S.) oder Belohnung (positive S.) bezeichnet. Personen werden wegen ihres Verhaltens und/oder ihrer Eigenschaften von anderen sanktioniert, um gewünschtes, normkonformes Verhalten zu erzielen und Abweichung zu unterbinden. "2\ Wie Übersicht 1 verdeutlicht, kann der Sanktionierungsvorgang dabei zwischen Wirtschaftssubjekten innerhalb eines Sektors und/oder zwischen unterschiedlichen Sektoren stattfinden: Übersicht 1: Sektorale Zuordnung von Sanktionsvorgängen
r-
inrcrstktorale Sanktionen (staatlich-privat)
I
I
~
Trägersubjckt~
Zidsubjckt
Trägersubjekt ~ Zielsub;ckt
Sanktionen
inuasektoralc Sanktionen
Privater Sektor
inu~ktoralc
Sanktionen
Swdichcr Sektor
Intersektorale Sanktionen (prlVaHraatllch)
Während bei intrasektoralen Sanktionsvorgängen Trägersubjekt (d.h. die sanktionierende Instanz) und Zielsubjekt (d.h. die sanktionierte Instanz) einem gemeinsamen Bereich angehören, bezeichnet der intersektorale Sanktionsvorgang eine entsprechende Beziehung zwischen staatlichem (privatem) Sanktionsträger und priva-
c.: Rechtswörterbuch, 11. Aufl., München 1992, S. 991.
24
Vgl. Creifolds,
25
Lamnek, S.: Beitrag "Sanktion", in: Endruweit, G. I G. Trommsdorff(Hrsg.}: Wörterbuch der
Soziologie, Bd. 3, Stuttgart 1989, S. 555.
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1. Sanktion und Norm im sozialwissenschaftlichen Kontext
tem (staatlichem) Sanktionsziel. Die nachfolgende Betrachtung beschränkt sich auf Regelungsbereiche, in denen der Staat Träger der angedrohten Sanktion ist und ferner insbesondere auf Strafdrohungen, welche von staatlichen Organen gegenüber privaten Wirtschaftssubjekten eingesetzt werden. Damit bleiben im folgenden vor allem jene Sanktionsvorgänge unbeachtet, bei denen das Trägersubjekt dem privaten Sektor zuzurechnen ist. 26 Darüber hinaus sind Vorgänge der innerstaatlichen monetären Sanktionierung nur in Ausnahmefällen anzutreffen, da hier - beispielsweise im Bereich der Zwangsmaßnahmen des Verwaltungsvollzuges - der Grundsatz gilt, daß der Staat nicht gegen einen anderen Träger öffentlicher Gewalt Vollstreckungsmaßnahmen durchführen darf. 27 Abbildung 1 unterscheidet die zu beachtenden Sanktionsformen nach Typ, Wirkung, und Art. Im Hinblick auf die dort verwendeten Kriterien zur Kennzeichnung unterschiedlicher Sanktionsformen (siehe unten) werden sich die Ausführungen im weiteren auf formelle Sanktionen beschränken, d.h. es handelt sich ausschließlich um Maßnahmen, welche durch rechtlich legitimierte Sanktionsapparate angewendet und kontrolliert werden. 28 Informelle Sanktionen, wie z.B. Spott, persönliche Mißachtung oder moralische Verurteilung sind demgegenüber in lediglich ergänzender Hinsicht Gegenstand der Untersuchung; sie sind im allgemeinen auf den
26 Für den insofern nicht weiter behandelten Bereich privater Sanktionsrräger ist beispielsweise die Androhung bzw. Verhängung von Konventionalstrafen anzufuhren. welche sich aus zivilrechtlichen Schuldverhältnissen ergeben können (vgl. §§ 336 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Im Fortgang der Untersuchung werden Gesetzestexte in verkürzter Form zitiert; die jeweils vollständigen FundsteIlen sind im Literaturverzeichnis 11 (Zitierte Gesetzestexte. S. 288 ff.) dokumentiert; die in diesem Zusammenhang verwendeten Abkürzungen sind im Abkürzungsverzeichnis nachgewiesen. 27 Zu dem genannten Grundsatz bestehen jedoch - vor allem im Rahmen der Staatsaufsicht der Länder über die Gemeinden - bestimmte Ausnahmeregelungen; diese sind dann beispielsweise in den Gemeindeordnungen (GO) der Länder enthalten; siehe beispielsweise § 128 GO Rheinland-Pfalz oder § 114 GO Nordrhein-Westfalen. Bundesrechtlich ist hinzuweisen auf§§ 170. 172 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). wonach durch den Bund gegenüber einer nachgeordneten Körperschaft beispielsweise Zwangsgelder festgesetzt und beigetrieben werden können. Zum Begriff des Zwangsgeldes siehe unten. S. 128. Intrasektorale staatliche Sanktionen sind auch beispielsweise auf supranationaler Ebene anzutreffen: So sieht z.B. der Vertrag über die europäische Wirtschafts- und Währungsunion in Art. 104 c. Abs. 11 derartige Maßnahmen vor: "Leistet ein Mitgliedsstaat besonders den EG-Vorgaben. übermässige öffentliche Defizite zu vermeiden. nicht Folge. dann soll der Ministerrat eine Reihe von abgestuften Strafmaßnahmen verhängen können [... ]. Dazu zählen .Geldbußen in angemessener Höhe' ". Meldung: "Die Grundsätze. die Ausnahmen und die drei Stufen". in: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 282 v. 3.12.1991. S. 17. Siehe ergänzend Meldung: "Umweltrecht der EG notfalls mit Geldstrafen erzwingen". in: Die Woche im Bundestag. Nt. 1/1992 - 1/84 v. 22.1.1992. S. 6. 28 Dies ergibt sich überwiegend bereits aus der Beschränkung auf staatlicherseits verhängte Sanktionen in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG). wonach vollziehende Gewalt und Rechtsprechung unter Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes stehen; vgl. Kwepjer, M.I M. Malorny: Öffentliches Recht, 3. Aufl .• Düsseldorfl984. S. 31 ff.
1.1. Begriffsbestimmungen und funktionale Zusammenhänge
33
privaten Bereich beschränkt und treten in der Regel spontan und ohne eigens zu diesem Zweck eingerichtete Sanktionsapparate auf. 29 Abbildung 1: Sanktionsformen
..
formell·
negative Sanktionen monetärer Art
Darüber hinaus können Sanktionen einer im weitesten Sinne belohnenden, d.h. ein zugrundeliegendes Verhalten fördernden (positive Sanktionen) oder aber bestrafenden Zielsetzung verpflichtet sein (negative Sanktionen);30 der hier gewählte Untersuchungsgegenstand entspricht insofern der letztgenannten Sanktionsform. Die Ausführungen beschränken sich schließlich auf Sanktionen monetärer Art. Dies bedeutet, daß im folgenden ausschließlich auf solche Sanktionen Bezug genommen wird, die beim Zielsubjekt dessen Möglichkeiten zur Verwendung von Einkommen und/oder Vermögen unmittelbar und insofern einschränken sollen, als aufgrund normverletzenden Verhaltens die zwangsweise Zahlung eines zuvor festgelegten Geldbetrages an eine öffentliche Einrichtung verlangt wird. 31 Damit bildet die 29 Vgl. hierzu auch Pähler, K H.: Beitrag "Sanktion", in: Bernsdorf, W (Hrsg.): Wörterbuch der Soziologie, 2. Aufl., Srucrgan 1969, S. 906. Auch informelle Sanktionen können freilich monetäre Nebenfolgen - beispielsweise in Form einer Leumundschädigung - nach sich ziehen. Für ökonomische Aspekte im Zusammenhang mit rechtlich nicht kodifizierten N ormierungs- und Sanktionierungsvorgängen siehe Elster, ].: Social Norms and Economic Theory. in: Journal of Economic Perspectives. Vol. 3. No.4/ 1989. S. 99 ff.
30 So könnten beispielsweise Steuervergünstigungen mit umweltschützender Zielsetzung als eine positive Form der monetären Sanktionierung umweltfreundlichen Verhaltens angesehen werden. Eine Auswahl geeigneter Beispiele findet sich bei Dickmmann. D.: Maßnahmen rur den Umweltschutz im Rahmen des bestehenden Steuersystems. Eine Bestandsaufnahme. in: Schmidt. K (Hrsg.): Öffentliche Finanzen und Umweltpolitik I. Schriften des Vereins rur Socialpolitik. N.F .• Bd. 176 I I. Berlin 1988. S. 91 ff. Eine nähere Betrachtung derartig subventionspolitisch angelegter Instrumente (z.B. im Rahmen der Umweltpolitik) ist nicht unmittelbarer Gegenstand der vorliegenden Untersuchung; dennoch wird an späterer Stelle - im Zusammenhang mit Fragen der Mittelverwendung aus monetären Sanktionen - hierauf zurückzukommen sein; siehe unten S. 244. 31 Das Adjektiv "monetär" wird hier im eigentlich pekuniären Sinne gebraucht: Gemeint ist - wie oben dargelegt - die strafweise Schmälerung von Einkommen oder Vermögen. Der U ntersuchungsgegenstand steht hingegen in keiner Beziehung zum Geldwesen einer Volkswirtschaft. noch handelt
3 Monetäre Sanktionen
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1. Sanktion und Norm im sozialwissenschafdichen Kontext
Gruppe der nicht-monetären zu den monetären Sanktionen insofern ein Gegenstück, als durch erstere ein Eingriff in andere Rechtsgüter - etwa in die persönliche Freiheit - vorgenommen wird. Einzuräumen ist, daß auch nicht-monetäre Sanktionen - gleichsam beiläufig - Auswirkungen monetärer Art haben können: Beispielgebend ist auf entgangenes Einkommen während des Verbüßens einer Freiheitsstrafe oder auf eine Schädigung von Leumund oder Bonität hinzuweisen. 32 Derartige geldwerte Begleiterscheinungen nichtmonetärer Sanktionen, welche bei den davon betroffenen Personen als Opportunitätskosten wirksam werden, sind jedoch als monetäre Nebenfolge bei der Sanktionsverhängung von sekundärer Bedeutung: Zum einen schränken sie das Einkommen der sanktionierten Person lediglich in mittelbarer Weise ein; zum anderen wird der in diesem Sinne zu berücksichtigende Geldbetrag mit der StrafZumessung nicht uno actu explizit und hoheitlich festgelegt, sondern kann - je nach persönlicher Lage der sanktionierten Person - eine individuell unterschiedliche und in empirischer Hinsicht nur schwer operationalisierbare Höhe annehmen. Dieser Aspekt soll daher im folgenden weitgehend unbeachtet bleiben, wenngleich die vorgestellten Kategorien damit auch von idealtypischem Charakter sind.
Ergänzend zu den in Abbildung 1 dargestellten Kriterien können monetäre Sanktionen neben einer repressiven, d.h. abwehrend-strafenden auch eine restitutive, d.h. eine auf die Wiederherstellung des Status quo ante abzielende Funktion erfüllen. 33 Beide Funktionen können beispielsweise beim Verhängen einer Geldbuße berücksichtigt werden: Während das Bußgeld von eher repressivem oder erzieherischem (präventivem) Charakter ist, kann - beispielsweise im Fall einer kartellrechtlichen Sanktion - ergänzend hierzu die Abschöpfung unrechtmäßig erzielter Gewinne an der Restituierung des Status quo ante ausgerichtet sein. Eine derartige Restitutionsfunktion dürfte demgegenüber im nichtmonetären Bereich kaum anzutreffen sein. 3'
es sich um "finanzielle" Sanktionen: Wie später noch ausführlich zu zeigen ist, steht die Lenkungs-, nicht hingegen die Finanzierungswirkung im Vordergrund. 32 So führte beispielsweise die Degradierung eines Majors der Bundeswehr wegen Verletzung der Dienstpflichten zu erheblichen monetären Nebenfolgen: "Der Major wird um zwei Dienstränge zum Oberleutnant zurückgestutzt - hochgerechnet auf die nächsten zwanzig Dienst- und Pensionsjahre muß [.. ) (er) einen Einkommensverlust von mehr als 400.000 Mark hinnehmen" Meldung: "Dienen ohne Sauerstoff", in: Der Spiegel, H. 111992, S. 63 f. (hier S. 64). 33 Zum Begriff der restitutiven Sanktionsfunktion vgl. K H. Pähkr, a.a.O., S. 907. Entsprechende Regelungen finden sich im Strafrecht (§§ 73 ff. Strafgesetzbuch (StGB)) und vor allem auch im Kartellrecht; vgl. §§ 19, 35 und 37 b Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Siehe im übrigen § 37 Urhebergesetz (UrHG) und § 14 a Geschmacksmustergesetz (GeschmG). Derartige Regelungen sind häüfig Ansatzpunkt für Forderungen nach einer entsprechend weitergehenden "Verfeinerung des strafrechtlichen Sanktionssystems"; siehe beispielsweise zu der so lautenden Gtoßen Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion vom 11.12.1990 (BtDs. 12/1768) Meldung: "Verfeinerung der gerichtlichen Strafen verlangt" in: Die Woche im Bundestag, Nr. 24/1991 - 1/78 v. 18.12.1991, S. 4, sowie die Antwort der Bundesregierung vom 12.11.1992 (BtDs. 12/3718).
3' Eine Ausnahme stellt die sogenannte Weisung im Jugendstrafrecht dar. Da hier - mit Rücksichtnahme auf die geringe finanzielle Leistungsfähigkeit von Jugendlichen - keine Geldstrafen verhängt werden, können Arbeitsleistungen als Naturalstrafen angeordnet werden (§ 10, Abs. I Nt. 4 Jugendgerichtsgesetz GGG»; siehe ergänzend auch § 15, Abs. I Nt. 3 JGG.
1.1. Begriffsbestimmungen und funktionale Zusammenhänge
35
Da die Zielsetzung einer Sanktion - wie erwähnt - in der Durchsetzung sozialer Normen besteht, ist im folgenden zunächst eine Definition des hier verwendeten Normbegriffs vorzunehmen; der funktionale Zusammenhang zwischen Norm und Sanktion soll anschließend präzisiert werden. 1.1.2. Normbegriff Zur Definition des Normbegriffs findet sich im Schrifttum eine Vielzahl von Ansätzen. 35 Dabei ist dem überwiegenden Teil gängiger terminologischer Abgrenzungen eine Reihe von Merkmalen gemeinsam, welche nachfolgend in knapper Form vorgestellt werden sollen. 36 Wie Übersicht 2 verdeutlicht, meint der Normbegriff einen spezifischen Bereich von erwarteten (bzw. erwartbaren) Verhaltensregelmäßigkeiten: Während individuelle Verhaltensregelmäßigkeiten (wie z.B. persönliche Gewohnheiten) wiederkehrende Muster im Verhalten einzelner Wirtschaftssubjekte bezeichnen, bezieht sich der Begriff sozialer Verhaltensregelmäßigkeiten auf ein Verhalten, welches einer bestimmten Gruppe von Personen - d.h. einem Kollektiv - zuzuordnen ist. Dabei unterscheiden sich die nicht-normierten von den normierten Verhaltensregelmäßigkeiten (Normen) durch die Ausgestaltung der in ihrem Zusammenhang eingesetzten Sanktionsvorgänge: Während eine Abweichung von nicht normierten sozialen Gewohnheiten (Gebräuchen, Traditionen) keine standardisierte, d.h. regelgebundene Konsequenz nach sich zieht, wird auf das Übertreten von Normen in einer für den Betroffenen konkret antizipierbaren Weise strafend reagiert. Dabei bezieht sich der Sanktionierungsakt eindeutig auf ein bestimmtes Verhalten und dient insofern der Bekräftigung der jeweils zugeordneten Norm, als die jeweilige Abweichung ausdrücklich mißbilligt wird. 37 An den Tatbestand bzw. die Art und Weise der Sanktionierung knüpft ein weiteres Kriterium an, welches zur Unterscheidung von Sittennormen gegenüber Rechtsnormen heranzuziehen ist: Während für die Sanktionierung einer Verletzung von Sittennormen rechtlich weniger eng festgelegte und im Zeitverlauf weniger dauerhafte Verfahrensabläufe kennzeichnend sind, 35 Vergleichsweise ausführliche und allgemein angelegte Definitionen finden sich insbesondere im (rechts)soziologischen Schrifttum; für einen systematischen Überblick siehe Lautmann, R.: Wert und Norm. Begriffsanalysen für die Soziologie, Köln I Opladen 1971, S. 54 ff., sowie zum folgenden auch die Übersicht bei Spittler, G.: Norm und Sanktion - Untersuchungen zum Sanktionsmechanismus, Olten I Freiburg 1967, S. 9 ff. Entsprechende Ausführungen der juristischen Literatur beschränken sich in der Regel auf eine Abgrenzung des Begriffs der Rechtsnorm; siehe beispielsweise C Creifllds, a.a.O., S. 493 f., sowie Mayer-Maly, T.: Rechtswissenschaft, 4. Aufl., München I Wien 1988, S. 30 ff. Für eine demgegenüber juristisch orientierte und zugleich eher allgemein angelegte Darstellung siehe Krings, H. I A. Holkrbach: Beitrag "Norm", in: Staatslexikon, 4. Bd., 7. Aufl., Freiburg u.a. 1988, S. 30. 36 Vgl. zum folgenden auch die Darstellung bei Popitz, H.: Die normative Konstruktion von Gesellschaft, Tübingen 1980, S. 1 ff. 37
Vgl. ebenda, S. 28.
36
I. Sanktion und Norm im sozialwissenschafdichen Kontext
Übersicht 2: Normen als Verhaltensregelmäßigkeiten Verhaltensttgelmäßigkeiten
I
I
Individuelle
Soziale
rcgelmäßigkeiten
regelmäßigkeiten I
Verhaltens-
Verhalrcns-
I
Nicht nocmiene soziale Verhaltens-
regdmäßigUiten
Normiene soz.iale Vechaltensregdmäßigkeitcn Normen
I
Sinennormen
I
Rechunormen
Quelle: H. Popitz, a.a.O., S. 34
ergibt sich das Charakteristische der Rechtsnorm aus der expliziten und rechtsgültigen Kodifizierung der Inhalte von Norm und zugehöriger Sanktion, wobei die Sanktionsgewalt ausschließlich in der Kompetenz einer hierzu legitimierten Sanktionsinstanz liegt.38 Abbildung 2 verdeutlicht die Charakteristika, durch welche sich die im folgenden zu betrachtenden Normarten auszeichnen. Hinsichtlich der zur Normdurchsetzung verwendeten Sanktion beschränkt sich die vorliegende Untersuchung erstens auf monetär sanktionsbewehrte Normen, d.h. Verhaltensforderungen oder Regeln, wonach von staatlicher Seite die Erwartung geäußert wird, daß der Normadressat sich in einer konkreten Situation auf bestimmte Weise verhalten muß, soll oder darf (bzw. nicht soll oder darf), wobei ihm für den Fall abweichenden Verhaltens mit der Verhängung von negativen (monetären) Sanktionen im oben definierten Sinne gedroht wird. 39 Zweitens entspricht der ausgewählte Normryp staatlich gesetzter Rechtsnormen der oben getroffenen Einschränkung auf formelle, d.h. staatlicherseits verhängte Sanktionen.
38 Eine vergleichbare Abgrenzung rechtlicher Normen findet sich auch bei T. Mayer-Maly, a.a.O., S. 30; dort werden Normen als Sätze beschrieben, die ,,[ ... ] Aussagen über ein Sollen sind, wobei sich der Rechtssarz dadurch auszeichnet, daß er auf einen Tatbestand eine Rechtsfolge als Sanktion ankündigt." Andere Aspekte bei der Bildung unterschiedlicher Normkategorien diskutiert bereits Menger, c.: Gesammelte Werke, Bd. 2: Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften und der politischen Ökonomie, Tübingen 1969 (zuerst 1883), S. 164. 39 Vgl. auch G. Spiftler, a.a.O., S. 19 ff.; er stellt in diesem Zusammenhang fest, daß die Androhung von Sanktionen als konstituierendes Charakteristikum sozialer Normen anzusehen ist, im Gegensarz beispielsweise zu Brauch oder Sitte, bei denen entsprechend institutionalisierte Kontrollmechanismen ganz oder teilweise fehlen. Neben anderen verwendet bereits MAX WEBER den Grad der sozialen Mißbilligung und das Ausmaß der Institutionalisierung der Sanktionsapparate zur Unterscheidung der Begriffe Brauch. Konvention und Rechtsordnung bzw. rechtliche Norm; vgl. Wtber. M.: Wirtschaft und Gesellschaft, Bd.!. Köln I Berlin 1964. S. 21 u. 24 ff.
1.1. Begriffsbesrimmungen und funktionale Zusammenhänge
37
Abbildung 2: Normarten Normtyp
monetär
sanktionsbewehnc Ro:htSßormen
mitnarional
beschränktem
Gdtungsbcrcich
Damit ergibt sich eine die Unterscheidungskriterien der Abbildung 2 ergänzende Präzisierung der Rechtsnatur der hier zu betrachtenden Normen: Im Gegensatz zu den zivilrechtlichen Normen, bei denen es sich um Vereinbarungen bzw. Willenserklärungen zwischen privaten Wirtschaftssubjekten handelt, wird an dieser Stelle auf öffentlich-rechtliche Regelungen abgestellt, bei denen staatliche Verhaltensregulierungen den Privaten gegenüber auf dem Befehlswege durchgesetzt werden. Es wird insofern der Subjektions- oder Subordinationstheorie zur Abgrenzung der Bereiche von öffentlichem und zivilem Recht gefolgt; diese Theorie ,,[ ... ] sieht das Kriterium des öffentlichen Rechts in der Unterordnung eines Rechtssubjekts unter die Staatsgewalt, das Kriterium des Privatrechts in der Gleichordnung der Rechtssubjekte."40 Darüber hinaus (siehe Abbildung 2) handelt es sich drittens um Rechtsnormen, deren Geltungsbereich räumlich beschränkt und insofern abgrenzbar ist, als diese allein dem deutschen Recht angehören. Eine damit gegebene Vernachlässigung international gültiger Rechtsnormen erscheint hier vertretbar, da auf das Individuum bezogene Strafakte einen Kernbereich der (national)staatlichen Gewalt darstellen: Sanktionsmaßnahmen bedürfen dann auch im internationalen Bereich stets der Umsetzung durch nationale Behörden.
1.1.3. Funktionale Zusammenhänge von Norm und Sanktion Zwischen Norm und Sanktion ist abgesehen von der begrifflichen Verknüpfung vor allem ein enger Sinn- und Funktionszusammenhang gegeben: Eine Sanktion hat - wie dargelegt - die Aufgabe, einer Norm zur Durchsetzung zu verhelfen. Die 40 Grimm. D.: Beitrag .. Öffentliches Recht", in: Staatslexikon. 4. Bd.• 7. Aufl .• Freiburg u.a. 1988, S. 119 ff. (hier: S. 123). Beide Rechtsgebiete lassen sich allerdings nicht immer zweifelsfrei voneinander trennen; zu alternativen theoretischen Zuordnungskonzepten vgl. ebenda. sowie Baumann. f.: Einführung in die Rechtswissenschaft. München 1989, S. 29 ff., der die gelegentliche Verzahnung beider Rechtsgebiete betont. Die Unterscheidung öffentlich-rechtlich vs. privatrechtlich soll hier lediglich die bereits oben getroffene Einschränkung ergänzen, wonach von einer Betrachtung jener Fälle abgesehen wird, in denen staatliche Instanzen nicht als Hoheitsträger in Erscheinung treten.
1. Sanktion und Norm im sozialwissenschaftlichen Kontext
38
Erfüllung jener Norm kann jedoch in aller Regel nicht als eigenständiges gesellschaftliches Ziel in dem Sinne verstanden werden, daß die Norm um ihrer selbst willen als durchsetzenswert anzusehen ist. Vielmehr ist die Norm dazu bestimmt, eine oder mehrere ihr übergeordnete Zielvorgaben und damit eine Reihe gesellschaftlicher Aufgaben zweckdienlich zu erfüllen; die Normdurchsetzung ist folglich Instrumentalziel. In diesem Sinne gelten soziale Normen als sichtbare Konkretisierungen bzw. als situationsbezogene Spezifizierungen von übergeordneten gesellschaftlichen Werten, gleichsam auf der unteren Ebene!l Für die hier zu behandelnden Normen ist demnach davon auszugehen, daß sie ,,[ ... ] ausnahmslos nicht Gebote oder Verbote [... ] um ihrer selbst willen, sondern Normen zum Schutze bestimmter Güter, das heißt gesellschaftlich anerkannter Zwecke und Werte darstellen. Dem Schutz dieser materiellen und immateriellen Interessen des Einzelnen, der Gesellschaft, des Staates oder der Menschheit dient das Recht."" Den funktionalen Zusammenhang der Begriffe Sanktion, Norm und Wert, für deren Ausgestaltung und Zusammenwirken im folgenden der Begriff des normativen, bzw. - soweit es sich um rechtlich kodifizierte Normsysteme handelt - des rechtlichen Arrangements verwendet wird, verdeutlicht Abbildung 3: Abbildung 3: Das normative Arrangement
Sanktion
Norm
w'"
Während das Wertsystem als Abbild dessen anzusehen ist, was in einer Gesellschaft als sozial wünschenswert gilt, dienen die jeweiligen Normen demgegenüber dem Zweck, die übergeordneten Wertsysteme im jeweils konkreten Fall zu implementieren. In diesem Sinne bezeichnet der Wertbegriff ,,[ ... ] solche Verhaltensvorschriften, mit denen andere Verhaltensvorschriften gerechtfertigt werden. Die gerechtfertigten Vorschriften heißen Normen. [... ] man (könnte) ,Werte' auch als [.. ] generelle Erwartungsäußerungen, ,Normen' als [.. ] spezielle Erwartungsäußerungen [... ] bezeichnen [... ]. Die Beziehung zwischen Werten und Normen ist also eine kognitive Implikation."43 Aus einer solchen Konstruktion kann folglich bereits an dieser Stelle abgeleitet werden, daß das Arrangement von Wert, Norm und Sankti-
41
Vgl. S. Lamnek. a.a.O .• S. 470.
w.:
Maihoftr. Die gesellschaftliche Funktion des Rechts. in: Lautmann. R. u.a. (Hrsg.): Die Funktion des Rechts in der modernen Gesellschaft, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie. Bd. 1, Bielefeld 1970, S. 29. 42
43
Opp. K D.: Die Entstehung sozialer Normen. Tübingen 1983. S. 119 f.
1.2. Ansätze zur ökonomischen Zielbestimmung und Mittelbewertung
39
on nur unter der Voraussetzung und insofern als konsistent gelten kann, wie sich die Ziele von Norm und Sanktion zueinander harmonisch verhalten." Die Zielsetzungen und technischen Wirkungsabläufe derartiger normativer Arrangements lassen sich nunmehr unter ökonomischen Aspekten bewerten. Dabei erscheinen sowohl gesamtwirtschaftliche als auch einzelwirtschaftliche Kriterien zur ökonomischen Beurteilung der Sachverhalte geeignet. Eine solche Bewertung vorbereitend sind zunächst die grundsätzlichen Ansatzstellen zur ökonomischen Zielbestimmung und Mittelbewertung zu konkretisieren; dem vorangestellt werden die Berührungspunkte von Ökonomie und Jurisprudenz aufgezeigt.
1.2. Ansätze zur ökonomischen Ziclbcstimmung und Mittclbewertung Die Darstellung ökonomischer Perspektiven im Zusammenhang sozialer Normierungsvorgänge verlangt zunächst nach einer Betrachtung der grundsätzlichen Berührungspunkte von Ökonomie und Jurisprudenz. Das in bestimmter Hinsicht gemeinsame Erkenntnisinteresse beider Forschungsgebiete läßt sich dabei anhand der Lösungsansätze verdeutlichen, die zur Behandlung bestimmter Problemlagen in den jeweiligen Disziplinen verwendet werden (siehe unten). Die Ausführungen beschränken sich hierbei auf die Untersuchung ökonomischer Fragestellungen im Zusammenhang mit der Entstehung und Durchsetzung sozialer Normen, wobei an dieser Stelle noch von der Annahme ausgegangen wird, daß der Staat eine unabhängig und souverän entscheidende Instanz darstellt und seine Aktivitäten stets am wohlverstandenen Interesse der Allgemeinheit ausrichtet. Darüber hinaus basieren die nachfolgenden Ausfuhrungen in einem ersten Schritt auf den Annahmen vollkommener Konkurrenz: Insbesondere wird zunächst von dem Einbezug gegebenenfalls auftretender Informationsunvollkommenheiten abgesehen. Im Anschluß werden dann einige ergänzende Aspekte zu berücksichtigen sein, welche beispielsweise in Verbindung mit Argumenten aus der ökonomischen Theorie der Politik eine weitergehende ökonomische Bewertung normativer Arrangements vorbereiten bzw. ermöglichen. 1.2.1. Grundsätzliche Berührungspunkte von Ökonomie und Jurisprudenz Ansatzstellen für eine-ökonomische Diskussion der Fragen, welche im Zusammenhang mit der Entstehung und Anwendung sozialer Normen auftreten, ergeben sich unmittelbar aus dem Erkenntnisinteresse von Ökonomie und Jurisprudenz: Die Wirtschaftswissenschaften problematisieren menschliche Wahlhandlungen in einer Umwelt, in der die verfügbaren Ressourcen (Produktionsfaktoren und Güter) 44 Diese Überlegung wird an späterer Stelle für die Unterscheidung fiskalischer und nichtfiskalisch .. Sanktionsziele von Bedeutung sein; siehe unten, S. 108 ff.
40
1. Sanktion und Norm im sozialwissenschaftlichen Kontext
in Relation zu den menschlichen Bedürfnissen und somit auch in Relation zu ihren möglichen Verwendungsalternativen knapp sind. Die Frage nach einer Zuweisung knapper Ressourcen auf konkurrierende Verwendungsalternativen (Allokation) wird somit zu einem zentralen Forschungsgegenstand der Ökonomie. Entscheidungen über Organisation und Ablauf diesbezüglicher Wahlhandlungen werden dabei - neben anderen Prämissen - unter der Annahme eines an der Maximierung des eigenen Nutzens ausgerichteten und individuell-rationalen Verhaltens der beteiligten Wirtschaftssubjekte zum Gegenstand modelltheoretischer Untersuchungen. Diese beschäftigen sich dann vornehmlich mit der Frage, auf welche Weise sich entsprechende Wahlhandlungen optimal gestalten, koordinieren und institutionalisieren lassen, wobei verschiedene Alternativen sozialer Steuerung zu analysieren und zu bewerten sind. 45 Auch die Rechtswissenschaft befaßt sich neben der dogmatischen Identifikation und Interpretation rechtlicher Normen vornehmlich im Rahmen der Jurisprudenz mit Aussagen über die Sinnhaftigkeit und Zieladäquanz alternativer Vorschläge zur Ausgestaltung rechtlicher Normen." Das in einer Gesellschaft rechtlich institutionalisierte Normgefüge stellt dabei sowohl den Rahmen als auch das Ergebnis sozialer Selbststeuerung dar, indem durch Normierungsakte individuelle Wahlmöglichkeiten geschaffen, eingeschränkt oder erweitert werden können. Im Zusammenhang mit der insofern skizzierten "sozialorganisatorischen Funktion des
0 ; H" > 0
dO
Der Tätergewinn ist gleichfalls abhängig von (0); er soll annahmegemäß mit (0) ansteigen, wobei die Grenzerträge des Täters als fallend angenommen werden: G
=G
(0)
G'
= dG
dO
>0
G < 0 U
Der für die Gesellschaft entstehende Netto-Grenzschaden sei größer als Null; er steigt mit der Zahl der Normübertretungen: D(O)
= H(O)
- G(O)
D'
dD > 0; 191
dO
Die für die Gesellschaft in Zusammenhang mit Maßnahmen der Kriminalitätsbekämpfung entstehenden Kosten sind abhängig von der jeweils realisierten Intensität und Qualität der vorgenommenen staatlichen Eingriffe; das diesbezügliche Aktivitätsniveau bei der Produktion innerer Sicherheit (A) soll näherungsweise durch die Aufklärungsquote (po) abgebildet werden. Die gesellschaftlich relevanten Grenzkosten der Kriminalitätsbekämpfung sind folglich zum einen von der Zahl der Normübertretungen sowie zum anderen von der Höhe der Aufklärungswahrscheinlichkeit abhängig (Co bzw. Cp). der Straftäter hat, da andere Gesellschaftsmitglieder ebenfalls beeinträchtigt werden [... ]. Die Höhe von (b) variiert stark mit den verschiedenen Strafarten: Für Geldstrafen gilt b ~ 0, während für [... ] Inhaftierung und die meisten anderen Strafen b > 1 gilt." (G. S. Becker (1982), a.a.O., S. 52). Der Grund für ein b > I liegt bei den Haftstrafen beispielsweise in Ausgaben für Wachpersonal, (Gefängnis-) Gebäude, Nahrungsmittel für Gefangene etc. 190
Gleichung (1) lautet ausführlich: L = D (0 (f, p)) +
c (p,0 (f, p)) + bfPO (f, p).
Anderenfalls würde es sich - wie oben bereits angeführt - nicht um sozialschädliche Normübertretungen handeln; siehe zu dieser Argumentation auch Stigler, G. J.: The Optimum Enforcement ofLaws, in: Journal ofPolitical Economy, Vol. 78(3)/1970, S. 526 Ir. 191
I. Sanktion und Norm im sozialwissenschaftlichen Kontext
92
Unter der Annahme, daß (po) von Null verschieden ist, sind diese sozialen Grenzkosten größer als Null: C
= C(A)
Cp
=
dC
dp
C'
=
>
0;
dC > 0 ; A :; po dA
dC dO
Co
>
0
Die angegebene Funktion zur Beschreibung der gesellschaftlichen Kosten, welche im Zusammenhang mit der Ergreifung und Verurteilung der Normbrecher auftreten (C = C(p,O)) stellt einen Teilzusammenhang dar: Zwar ist für diese Kostenkategorie neben der Zahl der Normübertretungen und der jeweils realisierten Aufklärungswahrscheinlichkeit beispielsweise die Höhe der Faktorkosten im öffentlichen (Polizei)Dienst, die Art der vorliegenden Produktionsfunktion sowie die jeweilige Effizienz bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben maßgeblich; derartige Größen sollen im folgenden jedoch als exogen angenommen werden - von ihrer näheren Betrachtung wird hier abgesehen. Der Ausdruck (pO) im letzten Term der Gleichung (1) bezeichnet die Anzahl der aufgedeckten und sanktionierten Normverletzungen; diese sind mit dem Ausdruck (bi) zu multiplizieren, um die gesellschaftlichen Kosten des Sanktionsvollzugs abzubilden. Die norwendigen Bedingungen zur Minimierung der sozialen Kostenfunktion (Gleichung (1» führen zu folgenden Ausdrücken: 192
dL
o
dl
dL dp
(D ' + Co) 0 p
+
CP +
biO
+
bIp 0 p
Dabei bezeichnet: die partielle Ableitung der Funktion der Normübemetungen nach der Strafhöhe: die partielle Ableitung der Funktion der Normübemetungen nach der Aufklärungswahrscheinlichkeit: die partielle Ableitung der gesellschaftlichen Kostenfunktion nach der Zahl der Normübemetungen: die partielle Ableitung der gesellschaftlichen Kostenfunktion nach der Höhe der Aufklärungswahrscheinlichkeit: die Ableitung der Funktion der gesellschaftlichen Nettoschäden nach der Zahl der Normverletzungen:
D'
192
Vgl. D.j. Py/e, a.a.O., S. 91.
(2)
o
(3)
1.3. Die ökonomische Bewertung monetärer Sanktionen nach G. S. Becker
93
Gleichung (2) beschreibt demnach die marginale Reagibilität der gesellschaftlichen Verlustfunktion auf Veränderungen der Strafhöhe, Gleichung (3) dementsprechend auf eine Veränderung der Aufklärungswahrscheinlichkeit. Da die Variable (b) aufgrund von zurechenbarem Verwaltungsaufwand (z.B. Herstellung von Formularen sowie Beitreibungskosten) auch im Fall der Geldstrafen - wenn auch nur geringfügig - größer als Null sein dürfte, lassen sich die Gleichungen (2) und (3) mit Hilfe einer Division durch Ofbzw. Op umformen ZU: 193 D' + Co
=
-
bJp -
bpO
~f
(2. 1 )
und D' + Co + CP _1_
Op
=
-
bJO _1_ Op
bJp
(3.1)
Diese Gleichungen lassen sich weiter vereinfachen, indem die Elastizität des Of Normverletzungsverhaltens in bezug auf die Strafhöhe definiert wird als Ef= und entsprechend in bezug auf die Aufklärungswahrscheinlichkeit als Ep = - -&- 0r
i
Die Gleichungen (2.1) und (3.1) lassen sich nunmehr formulieren als 194 (2.2)
und D'+Co+Cp - 1 Op
(3.2)
Da Op < 0 gilt, ist die linke Seite von Gleichung (3.2) kleiner als die linke Seite von Gleichung (2.2), weshalb weiterhin festgestellt werden kann, daß
Infolgedessen ist 1 -
Ef
Ef·
Somit ist also gezeigt, daß Sanktionshöhe und Aufklärungswahrscheinlichkeit optimumkonform in der Weise festgelegt werden müssen, daß die Reagibilität der Normadressaten auf eine Veränderung der Aufklärungswahrscheinlichkeit (E p ) grö193 Definitionsgemäß sind - der Abschreckungshypothese entsprechend - sowohl 0, als auch O[ von Null verschieden. 194
Vgl. wiederum D. j. Pyle, a.a.O., S. 92.
94
I. Sanktion und Notm im sozialwissenschafdichen Kontext
ßer sein muß als deren Reagibilität auf eine Veränderung der Strafhöhe (Ef)' Darüber hinaus bezeichnet die jeweils linke Seite der Gleichungen (2.2)/(3.2) die Grenzkosten einer Erhöhung der Kriminalität: In Gleichung (2.2) bedingt durch eine Senkung von (f), in Gleichung (3.2) verursacht durch eine Senkung von (p). Da sowohl (D') als auch (co) größer als Null sind, müssen die in Gleichung (2.2) ausgewiesenen Grenzkosten auch in der Summe größer als Null sein. Hinsichtlich der in Gleichung (3.2) ausgewiesenen Grenzkosten ist ergänzend festzustellen, daß eine Senkung von (p) zwar einerseits die kriminalitätsbedingten Kosten durch Erhöhung von (0) steigert, daß andererseits jedoch durch diese Maßnahme die Kosten der Kriminalitätsbekämpfung gesenkt werden, da das Aktivitätsniveau bei der Produktion innerer Sicherheit sinkt - folglich müssen die in Gleichung (3.2) ausgewiesenen Grenzkosten in Abhängigkeit von der Zahl der Normverletzungen auf niedrigerem Niveau verlaufen als die Grenzkostenfunktion nach Gleichung (2.2). Den geschilderten Sachverhalt verdeutlicht Abbildung 5: Abbildung 5: Gesellschaftliche Grenzkosten in Abhängigkeit von der Zahl der Normverletzungen K'r=D'+C.
K'
K~ "D' + C, + c,~
o Quelle: G. S. Becker (1982), a.a.O., S. 55 (in Abänderung)
Die jeweils rechten Seiten der Gleichungen (2.2) und (3.2) bezeichnen demgegenüber die vermiedenen Vollzugskosten einer Sanktionierung begangener Normverletzungen. Diese "Grenzminderausgaben" sind - unter anderem auch wegen sinkender Durchschnittskosten beim Sanktionsvollzug - umso höher zu veranschlagen, je niedriger die Anzahl begangener bzw. aufgedeckter Normverstöße ist. Wenn nun - wie oben dargelegt - gilt: D' + Co > D' + Co + C p
so muß auch gelten:
0,
195 Siehe oben, Gleichung (2.2,)/(3,2,); dies ist nur zutreffend, wenn gilt: Ep > EI, d,h. wenn die Reaktionselastizität bezogen auf die Aufklärungswahrscheinlichkeit größer ist als auf die Strafhöhe; dies entspricht der oben bereits formulierten Eigenschaft des gesamtwirtschaftlichen Optimums, Für
1.3. Die ökonomische Bewertung monetärer Sanktionen nach G. S. Becker
95
Den sich somit ergebenden Verlauf der Ertragsfunktion realisierbarer Grenzminderausgaben verdeutlicht Abbildung 6: Abbildung 6: Gesellschaftliche Grenzminderausgaben in Abhängigkeit von der Zahl der Normverletzungen E'
E; - - bip (1- E-7) -+
L -_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
E; " - bip (1- E-7)
o
Quelle: siehe Abbildung 5.
Das gesamtwirtschaftliche Optimum, welches die in den Gleichungen (2.2) und (3.2) beschriebenen Bedingungen erfüllt, stellt sich - die Darstellung auf S. 50 f. präzisierend - dementsprechend wie folgt dar: Abbildung 7: Das gesamtwirtschaftlich optimale Ausmaß an Normverletzungen K'
r
K'
E'
K'p
Ei
L---------~o~·--------~o
E;
Quelle: siehe Abbildung 5,
Normverletzungen im Ausmaß von lO') sind gesamtwirtschaftlich effizient (und insofern auch zu tolerieren), da bis zu diesem Punkt die Summe der durch weitere kriminelle Aktivitäten verursachten Grenzschäden geringer ist als die durch unterlassene Kriminalitätsbekämpfung realisierten Grenzminderausgaben: lO') bezeichnet folglich das oben dargelegte Minimum der Gesamtkosten.
hieran sich anschließende und weiterführende Schlußfolgerungen hinsichtlich der Risikopräferenz der Normadressaten siehe G, S, Recker (1982), a,a,O" S. 55 sowie D. j. Pyle. a.a.O,. S. 93 ff. Den dort eingehend diskutierten Überlegungen soll an dieser Stelle nicht weiter gefolgt werden. da an den getroffenen Schlußfolgerungen im Rahmen nachfolgender Untersuchungen begründete Zweifel aufkamen; siehe beispielsweise die Ausführungen bei Brown. W W / M. 0. Rrynolds. a.a.O .• S. 508 ff.
96
I. Sanktion und Norm im sozialwissenschafdichen Kontext
Im folgenden sind nunmehr die Auswirkungen von Parameteränderungen auf das Optimum und die sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen für eine optimale Gestaltung der kriminalpolitischen Aktionsparameter (p) und (J) zu verdeutlichen. l96 Die Auswirkungen einer Veränderung der Argumente der Grenzkostenfunktionen (Co bzw. Cp sowie D) auf die Höhe von (0') lassen sich unmittelbar aus Abbildung 7 ableiten: Eine Erhöhung (Vermind~rung) der je Normverletzung verursachten Nettoschäden (D') und/oder eine Erhöhung (Verminderung) der von der Delikthäufigkeit abhängigen Kontroll-, Ergreifungs- und Verurteilungskosten (co) bewirkt einen Links-Shift (Rechts-Shift) der Grenzkostenfunktionen und infolgedessen eine Senkung (Erhöhung) der optimalen Anzahl der Normverletzungen. Eine Veränderung der kontrollintensitätsabhängigen Grenzkosten (Cp ) zeigt eine entgegengesetzte Wirkung, da deren Erhöhung (Senkung) den optimalen Wert von (0) - der vorstehenden Argumentation folgend - in entsprechender Weise erhöht (senkt). Eine Veränderung der Reaktionselastizitäten ist demgegenüber mit einer Verschiebung der Funktion der Grenzminderausgaben verbunden: Je elastischer die Normadressaten auf eine Veränderung von (J) bzw. (p) reagieren, desto geringer ist die optimale Zahl der Normverletzungen (et vice versa). Für eine Beurteilung der Auswirkungen derartiger Parameteränderungen auf die optimale Ausgestaltung von (p) und (J) müssen zunächst die Optimalitätsbedingungen (2.2) und (3.2) nach (J) bzw. nach (p) aufgelöst werden; eine entsprechende Umformung ergibt:
f
(2.3)
p
(3.3)
Unter Berücksichtigung der Definitionsgleichungen für (E p ) und (E f) - siehe S. 93 - und der durch die Ausgangsgleichungen (2) und (3) beschriebenen Sachverhalte folgt zunächst, daß beide Reaktionselastizitäten Werte zwischen Null und Eins annehmen, wobei - wie bereits dargelegt - im Optimum gelten muß: Ep > Er Insofern gilt für das Größenverhältnis der Elastizitäten:
o
\96