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German Pages 207 [208] Year 2003
MICHAEL R GUTHKE
Ökonomische Gesichtspunkte im Rahmen der Herstellung der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns i m multipolaren Verhältnis
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 924
Ökonomische Gesichtspunkte im Rahmen der Herstellung der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns im multipolaren Verhältnis
Von Michael P. Guthke
Duncker & Humblot • Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11154-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©
Meinen Eltern
Vorwort Mein Dank gilt in allererster Linie meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann. Von Beginn meiner Ausarbeitungen an hat er mich durch anregende und auch klärende Hinweise zu jeder Zeit besonders kompetent und hilfsbereit unterstützt, ohne mir dabei auch nur ansatzweise eine fremde Leitlinie aufoktroyieren zu wollen. Insbesondere diese sehr weitgehende Einräumung wissenschaftlicher Freiheit eröffnete mir die Möglichkeit, bei der Bearbeitung auch solche Gedanken zu verfolgen, die zumindest auf den ersten Blick keinen direkten Bezug zur erörterten Thematik aufweisen. Im Ergebnis war jedoch vor allem hierdurch bedingt ein - der bereits dem Grunde nach interdisziplinär angelegten Problematik gegenüber - adäquates Herangehen an die einzelnen, auch bereits perspektivisch sehr unterschiedlich aufgezogenen und diskutierten Bereiche möglich. Zu danken habe ich ferner Herrn Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig für die rasche und sehr wohlwollende Erstellung des Zweitgutachtens. Besonderen Dank schulde ich darüber hinaus Herrn Prof. Dr. Christian Tietje für die ursprüngliche Idee zur Bearbeitung der Thematik. Ohne die außerordentlich wertvollen Gespräche im Rahmen der ersten Recherche und Einarbeitung in die Materie wäre die Dissertation nicht in dieser Form entstanden und mit Sicherheit auch nicht in dem von mir anvisierten zeitlichen Rahmen erstellbar gewesen. Zu bedanken habe ich mich ferner beim Bundesministerium des Inneren, welches die Veröffentlichung der Arbeit durch einen Druckkostenzuschuß gefördert hat. Letztlich gebührt ein ganz besonderer Dank insbesondere auch meinen Eltern, die durch ihr beständiges Interesse nicht nur den Fortschritt der Arbeit gefördert haben, sondern auch durch inhaltliche Hinweise mich oftmals haben bereits Gedachtes aus einem anderen Blickwinkel sehen, erneut überdenken und differenzierter beurteilen lassen. Dr. Michael P. Guthke
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einführung
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A. Problemstellung I. Ziel und Gegenstand der Untersuchung II. Gang der Untersuchung III. Herstellung der Verhältnismäßigkeit als Problemindikator 1. Zum Rechtsbegriff der Verhältnismäßigkeit a) Dogmatische Verortung b) Deflatorische Klarstellungen und Voraussetzungen c) Die Verhältnismäßigkeits-Rechtsprechung aa) Bundesverfassungsgericht bb) Verwaltungsgerichtliche Judikatur d) Historische Entwicklung des Verhältnismäßigkeitsgedankens e) Sinn und Zweck/Funktion des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes f) Das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Kontext der Eigentumsgarantie 2. Zum Begriff der Ökonomie a) Definition und rechtlich-normativer Bezug b) Arten ökonomischer Kriterien aa) Rein ökonomische Kriterien (1) Maximumprinzip (ökonomische Effektivität) (2) Minimumprinzip (ökonomische Effizienz) bb) Wirtschaftliche Gesichtspunkte innerhalb rechtlicher Regelungen .. (1) Finanzielle Ausgleichszahlungen (2) Materielle Entschädigungsformen 3. SpannungsVerhältnis zwischen Recht und Ökonomie 4. Definition der Multipolarität und die daraus entstehende Problematik
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B. Zusammenfassung
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Teil 2 Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle I. Art. 14 III GG 1. Enteignung zugunsten Privater als mehrpoliges Modell a) Problematik der Allgemeinwohlbezogenheit b) Boxberg-Urteil des Bundesverfassungsgerichts
53 53 53 55 55 57
Inhaltsverzeichnis
10 aa) Sachverhalt
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bb) Entscheidung des Gerichts cc) Besonderheiten des Falles c) Airbus-Landebahn Hamburg aa) Sachverhalt und voraufgehende Entscheidung bb) Entscheidung des OVG Hamburg cc) Besonderheiten des Falles 2. Zusammenfassung II. Art. 14Abs.IS.2GG 1. Gesetzliche Regelung im Vergleich zu Art. 14 Abs. III GG 2. Spannungsverhältnis/Abgrenzung zu Art. 14 Abs. III GG a) Schwellentheorien früher (sogenannter „weiter Enteignungsbegriff") ... aa) Bundesgerichtshof: Sonderopferkriterium bb) Bundesverwaltungsgericht: Schwere und Tragweite b) Naßauskiesungsurteil des Bundesverfassungsgerichts aa) Sachverhalt bb) Entscheidung des Gerichts cc) Besonderheiten des Falles c) Konsequenzen des Naßauskiesungsbeschlusses 3. Herstellung der Verhältnismäßigkeit a) Normalfall: Entschädigungsfreie Inhaltsbestimmungen b) Ausnahmen in der Entwicklung der Rechtsprechung aa) Ausgleichpflichtige Inhaltsbestimmung/Sozialbindung bb) Weiterverwendung der Schwellentheorien cc) Kompensatorische Entschädigungsregeln c) Kritikpunkte der Literatur III. Zusammenfassung und Ergebnis B. Verwaltungsrechtliche Kompensationsmodelle I. Einleitung II. Bau-, Flurbereinigungs- und Immissionsschutzrecht III. Natur-, Landschafts-, Umwelt- und Denkmalschutzrecht
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Teil 3 Die Herkunft des Kompensationsgedankens
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A. Entwicklung in der verfassungsrechtlichen Literatur I. Ursprung und Inhalt II. Besondere Akzentuierung bestimmter Gedanken
90 90 93
B. Entwicklung in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung
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C. Zusammenfassung
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Inhaltsverzeichnis
Teil 4 Der Kurzberichterstattungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts
100
A. Darstellung des Urteils 100 I. Sachverhalt 100 II. Entscheidung des Gerichts 101 III. Besonderheit des Falles mit Blick auf Herstellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne 103 B. Analyse und Auswertung des Urteils I. Problemaufriß II. Zulässigkeit einer Eingriffsrechtfertigung durch finanzielle Kompensation 1. Normalfall der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bei Art. 12 Abs. I G G 2. Der neue Ansatz des BVerfG a) Unzulässigkeit des Kompensationsmodells bei Art. 12 GG b) Zulässigkeit des Kompensationsmodells bei Art. 12 GG 3. Stellungnahme III. Ergebnis
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Teil 5 Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation A. Verfassungsrechtliche Grenzen I. Kritik am Kompensationsmodell II. Widerspruch zur Grundkonzeption der Freiheitsrechte 1. Konzeption der Freiheitsrechte a) Grundrechte als subjektive Rechte b) Grundrechte als objektive Rechte c) Die Bedeutung der Einteilung der Grundrechte d) Ergebnis und Zusammenfassung 2. Widerspruch zur dargestellten Konzeption der Freiheitsrechte a) Kollisionsverhältnis b) Rechtfertigung des Kollisionsverhältnisses aa) Vergleich zu strafrechtlichen Sanktionen (1) Straftheorien (a) Absolute Straftheorien (b) Relative Straftheorien (c) Möglichkeit des vorgelagerten „Freikaufs" von der strafrechtlichen Sanktion (2) Zulässigkeit des Vergleichs mit dem „Täter-Opfer-Ausgleich" .. (3) Ergebnis und Zusammenfassung bb) Vergleich zu Ökonomisierungsaspekten bei der Aufgaben-Privatisierung
113 113 113 114 114 115 118 121 124 124 125 126 126 127 127 130 133 134 137 137
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Inhaltsverzeichnis (1) Verifizierung von Gefahren und Risiken im Rahmen der Aufgaben-Privatisierung (2) Zulässigkeit des Vergleichs (3) Ergebnis cc) Vergleich zur Kommerzialisierung von Umweltrechten dd) Vergleich zu den Kompensationsmodellen des Art. 14 GG (1) Einleitung: Beurteilung der Rechtfertigung über Einzelgesichtspunkte (a) Angemessenheit der Zweck-Mittel-Relation (b) Mittelbarer Eingriffsbegriff (c) Parallelität zur Enteignung zugunsten Privater (2) Ergebnis hinsichtlich der Rechtfertigung 3. Zusammenfassung und Lösungsvorschlag III. Widerspruch zu den Strukturprinzipien der Artt. 20 und 28 GG 1. Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip a) Ausprägung: Kalkulierbarkeit/Vöraussehbarkeit staatlichen Handelns ... b) Widerspruch c) Ergebnis 2. Widerspruch zum Sozialstaatsprinzip a) Ausprägung b) Widerspruch c) Ergebnis 3. Widerspruch zum Demokratieprinzip IV. Zusammenfassung und Ergebnis
138 144 145 146 151 151 151 156 162 165 166 167 167 167 170 172 173 173 175 178 178 181
Literaturverzeichnis
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Sachwortverzeichnis
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Teil 1
Einführung Die Thematisierung von Fragen der Herstellung der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns durch kompensatorische Ausgleichsleistungen war in verfassungsrechtlicher Hinsicht bislang maßgeblich durch Art. 14 GG geprägt. 1 Beschränkungen des Eigentums können danach - jedenfalls i m bipolaren Bürger-Staat-Verhältnis - dem Bürger gegenüber nur dann rechtmäßig sein, wenn sie, so der „kleinste gemeinsame Nenner" der beiden Erscheinungsformen von Eigentumsbeeinträchtigungen i m Rahmen des Art. 14 GG, verhältnismäßig sind. 2 Die Verhältnismäßigkeit wird dort allerdings je nach der Qualität des Eingriffs in das Eigentum auf unterschiedliche Art und Weise hergestellt. 3 I m Falle einer Enteignung statuiert Art. 14 Abs. I I I S. 2 GG über das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit 4 hinaus die stets zwingende Notwendigkeit einer (nicht notwendig finanziellen) Entschädigung. 5 Die Zahlung einer solchen führt zumeist jedoch auch gleichzeitig zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit i m engeren Sinne, 1 Siehe auch Sass mit dem Hinweis auf die verfassungsrechtliche Einzigartigkeit des Entschädigungserfordernisses in Art. 14 Abs. III und Art. 15 GG, Sass, Art. 14 GG und das Entschädigungserfordernis, S. 8. 2 Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 118. 3 Die Abgrenzung der einzelnen Garantiebereiche des Art. 14 GG erfolgt seit dem Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts anhand formaler Kriterien, dennoch sind auch heute immer wieder Bemühungen anzutreffen, zumindest auch das überkommene materielle Kriterium der Eingriffsintensität mit zu berücksichtigen, so etwa Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn. 352; mit Blick auf Nutzungsbeschränkungen zuletzt Axer, der zur Beurteilung der Eingriffsschwere lediglich an einzelnen verselbständigten Rechten und nicht an dem Eigentumsobjekt in seiner Gesamtheit anknüpfen will, vgl. DVB1. 1999, 1533 (1541), siehe zum Ganzen auch Teil 2. A. II. 2. 4 Vgl. zum Standort der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der Enteignung Schmidbauer, Enteignung zugunsten Privater, S. 148, der sich für eine Prüfung im Rahmen des Wohls der Allgemeinheit ausspricht; ebenso Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 85; v. Brünneck, NVwZ 1986, 425 (429); Kimminich, in: BK, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.399; a. A. BVerfGE 24, 367 (404); Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn. 596 - „Gemeinwohlbezug (...) wird ergänzt". 5 Die in Art. 14 Abs. III S. 1 GG umschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Enteignung wird daher oft dergestalt mißinterpretiert, als daß sie als bloße Wertgarantie erachtet wird. Vgl. generell zum Verhältnis von Eigentumsbestands- und Wertgarantie Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 143, 194. Hierzu eingehend SchulzeOsterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung im Zivilrecht und im öffentlichen Recht, S. 233 ff., 255 ff.
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Teil 1: Einführung
zumal der Eigentumsentzug durch die Entschädigung erheblich gemildert wird. 6 Damit sind ökonomische Aspekte bereits hier im Rahmen der Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zu beurteilen. Deutlicher hingegen stellt sich die Situation im Falle einer Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 dar. Eine der Junktim-Klausel vergleichbare Regelung existiert nicht, so daß die in Einzelfällen für notwendig7 erachtete Zahlung eines finanziellen Ausgleichs hier zwangsläufig im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen ist.8 Diese Beispiele verdeutlichen die generelle Möglichkeit, die Beurteilung der Zulässigkeit grundrechtlicher Beschränkungen von ökonomischen Gesichtspunkten abhängig zu machen. Von diesem Ursprung ausgehend hat das Verwaltungsrecht vielfach einfachgesetzliche Konkretisierungen erfahren, die solche Nachteile am Eigentum kompensieren sollen, welche durch eine staatliche Eingriffshandlung bewirkt worden sind.9 Dieser Gedanke kommt jedenfalls im Rahmen von Art. 14 GG - mit einer entsprechenden Verpflichtung zum internen finanziellen Ausgleich zwischen Privaten - auch im sogenannten multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis 10 und im Zivilrecht 11 zum Tragen, das heißt dann, wenn der Staat nicht selbst eingreift, dennoch aber einem Privaten eigentumsrelevante Tätigkeit mit Drittbezug erlaubt, sogenannte bürgerlich-rechtliche Aufopferung. 12 6
Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn.72. Zum Streit um die verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Ausgleichszahlungen im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. I S. 2 GG vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn. 334ff.; eingehende Darstellung bei Schmid, Zur Verfassungsgemäßheit salvatorischer Entschädigungsklauseln, S. 108 ff.; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S.411 ff., 428 ff.; Külpmann, Enteignende Eingriffe?, S. 119ff. und insbesondere S. 128 ff. 8 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn.42. 9 Vgl. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.217. 10 Zum Begriff siehe Teil 1. A. III. 4. 11 Der Ausgleichsgedanke wird dort auch zum Teil unter den Schlagwörtern der „Haftung für erlaubte Eingriffe", der „Ausgleichshaftung" oder der „Eingriffshaftung" behandelt, vgl. Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S.6. m.w.N. 12 Siehe hierzu Sieckmann, Eigentumsschutz, S.428,454 mit der Frage nach der Alternativität des Entschädigungspflichtigen - „Wenn solche alternativen Ansprüche (gegen den privaten Schädiger, Anm. des Verfassers) allerdings unzureichend sind, bleibt es bei dem Entschädigungsanspruch gegen den Staat." (S.454). Eine Zusammenstellung von Fällen der privatrechtlichen Aufopferung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Vorläufer und dogmatischer Grundlage der Pflichtexemplarentscheidung findet sich bei Schwabe, JZ 1983, 273 (276). Gesetzlich geregelt sind beispielsweise die Fälle der §§ 904, 906 II BGB, vgl. insoweit Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 84. Eingehende Darstellung (auch der Wirkungsweise) zivilrechtlicher Normen zur Eigentumsaufopferung bei Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 6ff. Siehe hierzu insbesondere Teil 3. B. 7
A. Problemstellung
15
Anlaß der vorliegenden Untersuchung ist die im Kurzberichterstattungsbeschluß13 des Bundesverfassungsgerichts erkennbare Tendenz eines extensiven Verständnisses von der Möglichkeit derartiger Kompensationszahlungen im Rahmen anderer Grundrechte wie zum Beispiel Art. 12 GG. 14 Diese Entwicklung bietet Anlaß zur Diskussion um die grundlegende verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines derartigen, ökonomische Gesichtspunkte berücksichtigenden Vorgehens, zumal eine maßgeblich durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägte Gestattung bzw. Verpflichtung hierzu bislang weitestgehend auf den Zusammenhang zu Art. 14 GG beschränkt war. 15
A. Problemstellung Der rechtswissenschaftliche Teil der vorliegenden Problematik ist die Frage nach der Zulässigkeit der Berücksichtigung ökonomischer Faktoren im Rahmen der Herstellung der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns. Diese Frage soll vor dem Hintergrund des der Arbeit zugrundeliegenden Kurzberichterstattungsbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts mit Blick auf die Betroffenheit des Art. 12 GG angegangen und sodann auf der Grundlage des gesamten Verfassungsrechts für den grundrechtlichen Bereich geklärt werden. Die schwierige Ausgangslage ist dadurch gekennzeichnet, daß sich die Arbeit aus Gründen der Eingrenzung der Thematik auf die Erörterung mehrpoliger Beziehungen beschränkt, so daß die bereits im zweipoligen Verhältnis streitige und nicht annähernd ausdiskutierte Frage vorliegend durch Zurechnungs- und Delegationsgesichtspunkte angereichert wird. 16 Es entsteht damit eine Drittwirkungsproblematik Eine insoweit mit dem Kurzberichterstattungsbeschluß vergleichbare Problematik im „Dreiecksverhältnis" zeigt sich in der aktuell durch das OVG Hamburg angenommenen Streitfrage um die Genehmigung der Airbus-Landebahn in Hamburg, vgl. hierzu den Teilbeschluß vom 19. Februar 2001, in: NordÖR 2001, 135ff.; eingehende Darstellung in Teil 2. A.I. l.c). 13 BVerfGE 97, 228. 14 Siehe hierzu jedoch bereits BVerfGE 54, 251 (271). 15 Die zunehmende Annahme von allgemeinen verfassungsrechtlichen Wertschutzpflichten des Staates für vermögensschmälernde staatliche Eingriffe in die Rechtssphäre Privater führt Sass zutreffend auf die Heranziehung von Gleichheitssatz und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Basis der Wertausgleichspflicht zurück, zumal selbige Prinzipien bei vermögensrelevanten Eingriffen stets tangiert sind, vgl. Sass, Entschädigungserfordernis, S. 105. 16 Zur Problematik der Zurechnung von staatlich genehmigten Schutzgutsbeeinträchtigungen im multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis siehe Huber, der unter Bezugnahme auf die Terminologie von Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht - Das subjektive öffentliche Recht im multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 31 ff., eine Unterscheidung zwischen wechselbezüglichen und kehrseitigen Verwaltungsrechtsverhältnissen vornimmt, im Rahmen derer die Zurechnungen auf unterschiedliche Art und Weise vorgenommen werden, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 19 Abs. IV, Rn.415ff.
16
Teil 1: Einführung
auf verfassungsrechtlicher Ebene.17 Die Schwierigkeit der bei der rechtlichen Bewertung ökonomischer Faktoren liegt dabei nicht zuletzt einem grundsätzlichen Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Recht.18 Anders ausgedrückt besteht die Problematik vorrangig darin, die Möglichkeiten einer Verzahnung ökonomischer und rechtlicher Aspekte auf die grundsätzliche Frage hin zu untersuchen, inwieweit Berührungspunkte in verfassungsrechtlicher Hinsicht gestattet sein müssen, bzw. wo die Grenzen einer solchen Entwicklung verlaufen sollten. Im Ergebnis wird sich die Diskussion in der grundsätzlichen Frage fokussieren, ob und in welchem Umfang sich der Staat von seinen grundgesetzlichen Verpflichtungen zur Freiheitsgewährung „freikaufen" darf, bzw. ob er dies im mehrpoligen Verhältnis einem Dritten gestatten darf. 19 Die Brisanz der Thematik im mehrpoligen Verhältnis ergibt sich letztlich aus dem Umstand, daß mit einer staatlichen Gestattung zugunsten der einen Seite zwangsläufig eine Duldungsverpflichtung auf der anderen Seite korrespondiert, wodurch der betroffene Grundrechtsinhaber seiner privatrechtlichen Abwehrrechte beraubt wird. 20 Die Zulässigkeit dessen - beurteilt im gesamtverfassungsrechtlichen Kontext - ist bislang weitgehend ungeklärt. Überspitzt kann daher formuliert werden, das Problem bestehe im Entdecken und Auflösen von Wertungswidersprüchen finanzieller Kompensationsmodelle im Rahmen des Verfassungsrechts zur Grundkonzeption der Freiheitsrechte und verfassungsrechtlichen Strukturvorgaben.
I. Ziel und Gegenstand der Untersuchung Ziel der Arbeit mit dem Titel „Ökonomische Gesichtspunkte im Rahmen der Herstellung der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns im multipolaren Verhältnis" soll es sein, die Zulässigkeit von finanziellen Kompensationsmodellen im grundrechtsrelevanten Bereich zu erörtern. 21 17 Darstellung der herrschenden Meinung zur Abgrenzung der privatrechtlichen zur öffentlichrechtlichen Eigentumsaufopferung bei Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S.42ff. Durch die maßgebliche Berücksichtigung der Rechtsnatur der eigentumsbeeinträchtigenden Maßnahme erfolgt damit zugleich eine Zuordnung zu den beiden Geltungsbereichen des Art. 14 GG. 18 Siehe hierzu zunächst Teil I.A. III. 3. 19 In diesem Zusammenhang wird - speziell im Rahmen des Immissionsschutzrechts - oftmals auch von der Gefahr der „Kommerzialisierung der Grundrechte" gesprochen, vgl. insoweit Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S.58 f.; bzgl. Art. 14 GG vgl. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.260. 20 Vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.343. 21 Haftungsrechtliche Fragen für die Beeinträchtigung nichtvermögenswerter Rechte werden dabei ebenso Berücksichtigung finden müssen, dies folgt bereits aus einer nicht ausschließlichen Zuordnung zum Geltungsbereich des Art. 14 GG, der zwar Ausgangspunkt der
A. Problemstellung
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Zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen wird schwerpunktmäßig die These untersucht, ob ein fortschreitend zu beobachtender Prozeß der Kommerzialisierung bzw. der Kommerzialisierbarkeit von Lebenssachverhalten auch die nähere Ausgestaltung bei der Rechtsausübung determinieren kann und muß.22 Dies wird vor dem Hintergrund bereits bestehender und vergleichbarer Regelungen zu entscheiden sein. Ausgangspunkt für die Untersuchungen sind daher aktuell im Verfassungs-, Verwaltungs- urfd Zivilrecht existierende Kompensationsmodelle. Hier können vergleichend sowohl zwei- als auch mehrpolige Beziehungen herangezogen werden, zumal hinsichtlich der dort zugrundeliegenden Funktion des finanziellen Ausgleichs für den Betroffenen kein dogmatischer Unterschied besteht.23 Die bereits angedeutete zusätzliche Problematik, die sich im Rahmen mehrpoliger Beziehungen aus etwaigen Mißbrauchsrisiken der Delegation von Eingriffsbefugnissen ergeben, sind folglich einer getrennten Diskussion zugänglich. Insoweit drängt sich aufgrund der Vergleichbarkeit der mehrpoligen Konstellation eine Gegenüberstellung mit der Problematik der Privatisierung hoheitlicher Aufgaben 24 und der zwangsweisen Inpflichtnahme Privater zur Erledigung öffentlicher Aufgaben 25 auf, um so zu überprüfen, inwieweit dortige Lösungsansätze auch vorliegend zum Tragen kommen könnten. Als Untersuchungsgegenstand soll daher zunächst das im Rahmen des Kurzberichterstattungsbeschlusses für Art. 12 GG entwickelte Ausgleichsmodell mit bereits existierenden verglichen werden. Dabei soll der Schwerpunkt auf der Frage liegen, inwieweit vorhandene Argumentationsstrukturen auf die Diskussion um Art. 12 übertragen werden können bzw. inwieweit dies mangels Vergleichbarkeit der tangierten Interessenlagen abzulehnen ist. In diesem Zusammenhang soll vorrangig der Frage nachgegangen werden, durch welche Faktoren und entscheidungslenkende Topoi die Streitfrage um die ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung dominiert wird 26 und ob hierdurch eine auf verfassungsrechtlichen Problematik ist, vor dem Hintergrund der Kommerzialisierbarkeit nichtvermögenswerter Positionen jedoch zunehmend an seiner alleinigen Bedeutung verliert. 22 So Tietje, JUS 1999, 644 (649). 23 Grundrechtsdogmatische Unterschiede ergeben sich insoweit lediglich hinsichtlich der entweder zwingend verfassungsrechtlich oder nur rechtspolitisch gebotenen, das heißt freiwilligen, Ausgleichszahlungen im Rahmen von Art. 14 Abs. I S. 2 GG. 24 Vgl. hierzu Teil 5. A. II. 2. b) aa). Siehe speziell zur Aufgabenprivatisierung ferner Janker, DAR 1989, 172ff.; Kreissl, NVwZ 1994, 349ff.; Krölls, GewArch 1997, 445ff.; Kutscha NJ 1997, 393 ff.; Peine, DÖV 1997, 353 ff.; Schuster, Die Polizei 1989, 5 ff.; Stober, NJW 1997, 889 ff. 25 Siehe hierzu bereits die Berücksichtigungsfähigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen im Rahmen von Art. 12 Abs. I GG in BVerfGE 54, 251 (271). 26 Eingehend Schmid, Verfassungsgemäßheit, S. 108 ff.; vgl. auch Depenheuer, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 279 ff. 2 Guthke
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Teil 1: Einführung
Art. 14 GG spezifizierte oder allgemeingültige Diskussion entstanden ist. Zur Beantwortung dieser Frage wird maßgeblich zu untersuchen sein, ob neben Art. 14 GG auch andere Grundrechte eine (bloße) „Freiheitsverwirklichung in vermögensrechtlicher Hinsicht" gewähren. Sollte dies der Fall sein, so liegt die Bejahung der Zulässigkeit weitreichender Kompensationszahlungen für Freiheitseingriffe nahe, zumal unter diesen Umständen jedenfalls die geschützte vermögensrechtliche Lage aufrechterhalten bzw. wiederhergestellt würde. 27 In diesem Kontext sollen für die Zulässigkeit und Rechtfertigung von verfassungsrechtlich gebotenen Kompensationsmodellen insbesondere deren bereits seit den frühen sechziger Jahren rechtsdogmatisch entwickelten28, historischen Hintergründe und Grundgedanken aufgezeigt und auf ihre Aktualität hin untersucht werden, um so deutlich zu machen, ob und inwieweit auch heute im Rahmen von Art. 12 GG ähnliche Ansätze zum Tragen kommen können. Sodann soll - losgelöst von einer vorangegangenen Analyse und Auswertung des in Rede stehenden Urteils - die im Rahmen von Art. 12 GG begonnene Diskussion vor dem Hintergrund einer gesamtverfassungsrechtlichen Wertung auf eine generelle Diskussion ausgedehnt und vertieft werden. Dieser abstrakte Teil der Arbeit wird neben der Erörterung der in Art. 12 GG eingebetteten Frage den eigentlichen Schwerpunkt der Arbeit bilden. Auch an dieser Stelle ist letztlich die Frage zu beantworten, in welchem Umfang der Staat kollidierende Privatinteressen ausgleichen muß, wenn er durch eine einseitige Gestattung von grundrechtsrelevantem Verhalten eine Interessenkollision verursacht hat.
II. Gang der Untersuchung Der Gang der Untersuchung soll nicht nur aus Sicht der Rechtswissenschaft und damit aus einer bloß systematischen Abarbeitung der Regelungen erfolgen, in denen das Problem des Ausgleichs kollidierender Privatinteressen vorgekommen ist bzw. vorkommt. Die Untersuchung soll vielmehr auch den Anforderungen Rechnung tragen, die sich aus der Sicht des Rechtsanwenders ergeben. Diesen interessiert nicht, wo die Behandlung von Kollisions-Sachverhalten überall problematisch ist, sondern er 27 Im Rahmen von Art. 14 GG wird einer solchen Argumentation entgegengehalten, es verfalle bei der prinzipiellen Anerkennung einer solchen Ausgleichsmöglichkeit die Bestandsgarantie zur bloßen Wertgarantie, vgl. hierzu Nguyen, Kriterien für eine entschädigungspflichtige Inhaltsbestimmung, S.20ff.; zum allgemeinen Verhältnis von Bestands- und Wertgarantie siehe Rozek, Unterscheidung, S.72, 79, 143, 194, 251 f.; Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 233 ff. 28 Zur historischen Entwicklung und der von der Rechtsprechung zu Art. 12 GG ursprünglich ausgehenden Entwicklung des Kompensationsgedankens im Rahmen der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmungen vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 123.
A. Problemstellung
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braucht Lösungsvorschläge für Regelungen, mit welchen er heute dem Problem begegnen kann. Unter diesem Gesichtspunkt beginnt die Untersuchung mit einer einleitenden Darstellung der Problematik und einer Klärung der verwendeten Rechtsbegriffe, ihrer dogmatischen Verortung und Funktionen (Teil 1). Dieser erste Abschnitt verfolgt das Ziel, beim Leser ein grundlegendes Gespür für das Spannungsverhältnis zwischen Recht und Ökonomie zu entwickeln. Sodann wird die Untersuchung mit einer Bestandsaufnahme aktueller verfassungsrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Kompensationsmodelle fortgesetzt (Teil 2), deren Verständnis für einen späteren Vergleich der ihnen zugrundeliegenden Argumentationsstrukturen mit der vorliegenden Konstellation notwendig ist. In diesem Zusammenhang wird maßgeblich die Diskussion um die streitige Frage der Notwendigkeit einer Entschädigungszahlung im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG aufgearbeitet. Die Entwicklung der Rechtsprechung29 zu dieser Thematik hat in diesem Zusammenhang für das Verständnis des Kompensationsgedankens eine herausragende Bedeutung. Diese Darstellung erfolgt wiederum mit der Zielsetzung, später eine vergleichende Argumentation aufzubauen. Weiter soll auf den historischen Hintergrund und die Entwicklung des Kompensationsgedankens eingegangen werden (Teil 3), um auch hieraus Rückschlüsse für eine etwaige Übertragbarkeit auf neue Modelle bzw. andere Grundrechte ziehen zu können und die dogmatischen Ursprünge von Ausgleichszahlungen auf ihre Aktualität hin zu überprüfen. Die durch die mehrpolige Beziehung bedingte Neuartigkeit des vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Kurzberichterstattungsbeschlusses bei Art. 12 GG verwendeten Kompensationsmodells wird im Anschluß daran im Zusammenhang einer Analyse und Auswertung des Urteils dargestellt (Teil 4). Sodann wird diese Diskussion unter „gesamtverfassungsrechtlichem Vorzeichen" erneut und vertieft mit Blick auf eine generelle Zulässigkeit von Kompensationszahlungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns geführt (Teil 5), um letztlich zu einem in einen Lösungsvorschlag gefaßten Ergebnis zu gelangen. In diesem Zusammenhang ist daher maßgeblich zu untersuchen, inwieweit angesprochene und fiktive Kompensationsmodelle im Widerspruch zur Konzeption der Freiheitsrechte und den Strukturvorgaben des Art. 20 GG stehen und unter welchen Umständen solche als sinnvoll bzw. interessengerecht und damit gerechtfertigt angesehen werden müssen.
29
2*
Vgl. hierzu Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 236 ff.
Teil 1: Einführung
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I I I . Herstellung der Verhältnismäßigkeit als Problemindikator 1. Z u m Rechtsbegriff der Verhältnismäßigkeit 30 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns ein fundamentaler Grundsatz des öffentlichen Rechts. 31 Auch i m Schrifttum ist die überragende Bedeutung des für alle drei Staatsgewalten 32 maßgeblichen Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. Übermaßverbotes durchweg anerkannt. 33 Hinsichtlich seiner (verfassungsrechtlichen) Herleitung herrscht jedoch Streit. 34 Während das Bundesverfassungsgericht das Verhältnismäßigkeitsprinzip als zwingende Folge des Rechtsstaatsprinzips erachtet 35 und damit implizit das „Wesen der Grundrechte" 36 selbst bemüht, unterstellte das verfassungsrechtliche Schrifttum sel30
Die neuere verfassungsrechtliche Literatur differenziert den Rechtsbegriff der Verhältnismäßigkeit zunächst nach drei grundlegenden Argumentationsstrukturen: Das Übermaßverbot als Schranke gegenüber Eingriffen in Freiheiten, das Untermaßverbot als Regulativ grundrechtlicher Schutzpflichten und die Schranke der Gleichheitssätze, vgl. insoweit Michael, JUS 2001,148. Vorliegend ist das erstgenannte Grundmodell der Verhältnismäßigkeit als Schranke gegenüber Eingriffen in Freiheiten von vorrangiger Bedeutung. 31 BVerfGE 23, 127 (133)-das Übermaßverbot als „übergreifende Leitregel allen staatlichen Handelns". 32 In diesem Sinne Starck bei der Ableitung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus den Grundrechten und aus dem Rechtsstaatsprinzip, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 1 Abs. 3, Rn. 249; vgl. auch zur Geltung Kluth, JA 1999, 606 (608); zur Ableitung siehe femer Bleckmann, JUS 1994, 177ff.; v. Arnauld, JZ2000, 276ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 146; Yi, Das Gebot der Verhältnismäßigkeit in der grundrechtlichen Argumentation, S. 23 ff. 33 Vgl. statt vieler Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb., Rn. 91. Exemplarisch Jakobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 1 - „grundlegendes Bauelement des deutschen Rechts"; siehe ferner Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 1; Remmert, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des Übermaß Verbotes, S. 1. 34 Umfassend hierzu Stern, Zur Entstehung und Ableitung des Übermaßverbotes, in: FS Lerche, S. 165 ff.; ders., Staatsrecht, Bd. III/2, S. 762ff.; Merten, Zur verfassungsrechtlichen Herleitung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, in: FS Schambeck, S. 357 ff. (m.w.N. hinsichtlich der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts); Bleckmann, JUS 1994, 177 ff.; v. Arnauld, JZ 2000, 276ff.; vgl. zum Ganzen auch Clerico, Die Struktur der Verhältnismäßigkeit, S. 19f. 35 BVerfGE 6,389 (439); 23,127 (133); 30,1 (20); 69,1 (35); 76,1 (50f.); 76,256 (359); 78, 249 (285 f.); 86,288 (347 f.); 90,145 (173) - „(...) aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der aus dem Rechtsstaatsprinzip (...) abzuleiten ist." Ebenso zum Teil in der Literatur, vgl. insoweit Zippelius, Allgemeine Staatslehre, §301.2.; Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 114 mit Fn. 147 (im Anschluß an Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 32ff.); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 20, Rn.71f.; Stern, Staatsrecht, Bd.III/2, S.771f.; kritisch Schnapp, JUS 1983, 850 (852f.). 36 Vgl. BVerfGE 65, 1 (44); vgl. auch E19, 342 (348f.); 61, 126 (134); 76, 1 (50f.); in diesem Sinne auch E90,145 (173); dies greift auf Schnapp, JUS 1983,850 (852f.); siehe auch Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S.354ff.; eingehend Wittig, DÖV 1968,817 (821); Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 100; vgl. auch Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S.42ff., der zu dem Wesen der Grundrechte zusätzlich das Rechtsstaatsprinzip bemühen möchte.
A. Problemstellung
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37
bigen zunächst dem Gleichheitsgrundsatz oder verankerte es in Art. 19 Abs. II GG 38 . Darüber hinaus ist heute eine Qualifizierung als allgemeiner Verfassungsgrundsatz 39 bzw. als Prinzip der Gerechtigkeit 40 und eine Verortung bei Art. 1 Abs. III GG 41 geläufig. Diesbezüglichen Disparitäten kann hier jedoch nicht nachgegangen werden 42, zumal Geltung und Rang der Verhältnismäßigkeitsprüfung bereits mit zahlreichen Argumenten nachgewiesen worden sind. Zu Recht führt Clérico vor diesem Hintergrund aus, die Argumentationskraft dieser Argumente sei aufgrund der „Kohärenz der Begründung" kaum angreifbar. 43 Unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Arbeit ist vielmehr eine dogmatische Verortung notwendig, um auf diese Weise aus dem daraus erkenntlich werdenden Sinn und Zweck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dessen inhaltliche Grenzen im Rahmen von Kompensationszahlungen bestimmen zu können. a) Dogmatische Verortung Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen hängt maßgeblich von der individuell für jedes Grundrecht zu bestimmenden Möglichkeit ab, diese staatlich gewährte Freiheitssphäre des Grundrechtsschutzes wieder begrenzen zu dürfen. Zur näheren Konkretisierung dessen bedienen sich die allgemeinen Grundrechtslehren sogenannter Grundrechtsschranken 44, welche im wesentlichen durch explizite45 Schrankenklauseln die generelle Einschränkbarkeit von Grundrechten deutlich machen. Abhängig von der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung wird innerhalb der expliziten Schrankenklauseln grundlegend nach soge37
Vgl. hierzu Wittig, DÖV 1968, 817 (821); zum Verhältnis von Übermaßverbot und Gleichheitssatz siehe Kirchhof, Gleichmaß und Übermaß, in: FS Lerche, S. 133 ff.; Huster, Rechte und Ziele, Zur Dogmatik des allgemeinen Gleichheitssatzes, S. 164 ff. 38 Vgl. Erichsen, Jura 1988, 387 f.; Dürig, AöR 81 (1956) 117 (146). 39 Vgl. Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 85 ff. m. w. N. 40 Siehe hierzu nur Wendt, AöR 104 (1979) 404 (416). 41 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 1 Abs. 3, Rn.242ff. 42 Eingehende Darstellung mit umfangreichen Nachweisen bei Yi, Grundrechtliche Argumentation, S.23ff. 43 Clerico, Die Struktur der Verhältnismäßigkeit, S. 19 mit Verweis auf die Kriterien der Kohärenz bei Alexy, Juristische Begründung, System und Kohärenz, in: Behrends/Dießelhorst/ Dreier, Rechtsdogmatik und praktische Vernunft, S. 97 ff. 44 Zur terminologischen Vielfalt vgl. Pieroth/Schlink, StR II, Rn.206ff.; zum Begriff der Grundrechtsschranke siehe femer Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 253 ff. 45 Normtextlich vorbehaltlos garantierte Grundrechte hingegen unterliegen aus Gründen des Sozialbezuges der Grundrechtsausübung und der Einheit der Verfassung sogenannten verfassungsimmanenten Schrankenbestimmungen, zu welchen kollidierende Grundrechte Dritter und sonstige mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter gezählt werden, in diesem Sinne BVerfGE 28, 243 (261). Darin sieht Alexy eine Bezugnahme auf Grundrechtsschranken mit Prinzipiencharakter, vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S.256, 262.
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Teil 1: Einführung
nannten einfachen und qualifizierten 46 Gesetzes vorbehalten unterschieden.47 Demgemäß wird eine grundrechtliche Beschränkung durch oder aufgrund eines Gesetzes entweder mit oder ohne eine nähere Qualifizierung gestattet. Diese Möglichkeit des Gesetzgebers, dem Grundrechtsgebrauch Schranken aufzuerlegen, kann jedoch nach Sinn und Zweck 48 der formellen und materiellen Schutzfunktion der Grundrechte nicht grenzenlos bestehen.49 Sie findet ihrerseits ihre Grenzen im Begriff der sogenannten „Schranken-Schranken" 50. Zu diesen „Beschränkungen, die für den Gesetzgeber gelten, wenn er dem Grundrechtsgebrauch Schranken zieht" 51 , gehören neben dem in Art. 19 Abs. I S. 1 GG zum Ausdruck kommenden Einzelfallgesetz verbot, dem Zitiergebot (Art. 19 Abs. I S. 2 GG) und der Wesensgehaltsgarantie52 (Art. 19 Abs. II GG) auch das ungeschriebene rechtsstaatliche Gebot der in Tatbestand und Rechtsfolge klar und bestimmt gefaßten Gesetze (Bestimmtheitsgrundsatz) und der in Rede stehende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.53 Damit statuiert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine „zentrale materielle Hürde" 54 für grundrechtsrelevantes staatliches Handeln.55 Im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung des einfachen Rechts erlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seine maßgebliche Bedeutung unter dem Terminus der sogenannten „Wechselwirkung" 56, der heute zum Teil als Synonym für eine verhältnismäßige Auslegung des einfachen Rechts verwendet wird. 57 46
Vgl. z. B. Artt. 5 Abs. II; 10 Abs. II, S. 2; 11 Abs. II; 13 Abs. III GG. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb., Rn. 86; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. Vor Art. 1, Rn. 40. - Zum Teil wird auch eine Systematisierung nach fomaler und materieller Schrankenkompetenz vorgenommen, der Sache nach besteht insoweit jedoch kein Unterschied, vgl. dazu Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 1 Abs. 3, Rn.233ff. 48 Dazu näher in Teil 5. B. II. 1. a)-c). 49 Dreier, in: Dreier, GG, Bd.I, Vorb., Rn.91. 50 Zum Begriff der Schranken-Schranken vgl. nur Pieroth/Schlink, StR II, Rn. 274ff.; Schnapp, JUS 1982,850 (851); Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 172ff.; ders. Jura 1994,169 (171 f.); Stern, Hdb.d. StR., Bd. V, § 109, Rn. 81; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 44; Zur grundrechtlichen Begründbarkeit der Beeinträchtigung von Grundrechten siehe insbes. Clerico, Struktur, S. 17 f. 51 Pieroth/Schlink, StR II, Rn.274. 52 Eingehende Darstellung bei der (im wesentlichen nur formal) unterschiedlichen Betrachtungsweisen zur Wesensgehaltsgarantie bei Lerche, Hdb. d. StR., Bd. V, § 122, Rn. 26ff.; vgl. insoweit auch Herbert, EuzGRZ 1985, 321 (323 ff.). 53 Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1, Rn. 134 f. 54 Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1, Rn. 135; in diesem Sinne auch Jakobs, Verhältnismäßigk e i t ^ . 7 f. 55 In diesem Sinne auch Lerche, Hdb. d. StR., Bd. V, § 122, Rn. 16. 56 Zur Kritik Forsthoffs an der „Schaukeltheorie" vgl. Kriele, Hdb. d. StR., Bd. V, § 110, Rn. 20. 57 Siehe dazu insbesondere Teil I.A.III. l.c); vgl. insoweit auch BVerfG (2. Kammer des Zweiten Senats), NJW 1994, 244 u. 1149 (Die Wechselwirkungslehre wurde durch das Bundesverfassungsgericht grundrechtsdogmatisch erstmalig im Lüth-Urteil ausgebreitet, vgl. hier47
A. Problemstellung
b) Deflatorische
Klarstellungen
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und Voraussetzungen
In der verfassungsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt der juristische Begriff 58 der Verhältnismäßigkeit in terminologischer Hinsicht und der jeweils zugrundegelegten Bedeutung starken Differenzen.59 Zur Klärung der oben aufgeworfenen Problematik bedarf es daher vorab einer einheitlichen und eindeutigen Verwendung des genannten Ausdrucks. Eine umfassende Aufarbeitung und Systematisierung der im Zusammenhang mit dem Gedanken der Verhältnismäßigkeit in Verbindung stehenden Aussagen hat Jakobs vorgenommen. Er kommt insoweit zu dem Ergebnis, daß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Doppelbedeutung zugrunde liege.60 Man müsse ihn sowohl als Anwendungsfall der Güterabwägung als auch als allgemeines Strukturprinzip 61 begreifen. 62 Die Qualifizierung als Strukturprinzip wird an dieser Stelle zunächst unberücksichtigt bleiben. Ein derart inhaltlich qualifizierender Ansatz kann insoweit nur im Zusammenhang mit einer im Rahmen des Lösungsansatzes zu erhebenden Wertungsfrage zum Tragen kommen. Für die hier anzustellenden Überlegungen hat erstgenanntes Merkmal der güterabwägenden Funktion entscheidende Bedeutung. Für den Anwendungsbereich der Güterabwägung legt Jakobs folgende Definition zugrunde: „Der Verhältnismäßigkeitsgedanke beurteilt die Relation zwischen allen eingriffsweise durch ein staatliches Verhalten tangierten Rechtsgütern und allen förderungsweise durch dieses Handeln tangierten Rechtsgütern unter Beachtung von Grad und u. U. Dauer der jeweiligen Tangierung anhand der grundgesetzlich vorgegebenen Ordnungs- und Wertstruktur und erklärt dies nach Maßgabe des so gefundenen Ergebnisses entweder als rechtlich bedenklich (unverhältnismäßig) oder rechtlich unbedenklich (verhältnismäßig)" 63. zu insbes. Schneider, Die Güterabwägung des Bundesverfassungsgerichts bei Grundrechtskonflikten, S. 25 ff.). 58 Zur begrifflichen Abgrenzung zum sogenannten logischen Begriff der Verhältnismäßigkeit vgl. Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S. 12f.; vgl. ferner ders. DVB1 1985, 97 mit Fn.6 unter Verweis auf Lücke, Die (Un-)Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher Pflichten des Bürgers, S. 58; v. Krauss, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 14; Hotz, Zur Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen, S. 11; Oberle, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des polizeilichen Eingriffs, S. 24. 59 Remmert, Grundlagen, S. 1; vgl. insoweit die Darstellung bei Grabitz, AöR 98 (1973) 568 (570); einen Überblick über die Vielfalt der verwendeten Terminologie gibt zudem Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S. 8 ff.; eingehende Darstellung ebenso bei Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 19ff. 60 Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S. 125. 61 Vgl. hinsichtlich Art. 14 GG auch Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 119. 62 Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S. 125. 63 Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S.25, vgl. auch S.58; ders. DVB1 1985, 97 (98).
Teil 1: Einführung
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Zwar muß sich ein solcher Ansatz dem Vorwurf aussetzen, den Inhalt des Verhältnismäßigkeitsgedankens nur auf abstrakter Ebene zu erfassen und die einzelnen Teilelemente zur konkreten Bestimmung der Verhältnismäßigkeit unbenannt zu lassen. Dennoch bietet er den maßgebenden Vorteil, deutlich zu machen, daß - ungeachtet terminologischer Differenzen - letztlich stets die Zulässigkeit einer Handlung unter Berücksichtigung der (Zweck-Mittel-)Relation von eingreifender und fördernder Wirkung eben dieser Handlung beurteilt werden soll. 64 Daher wird auf diese Art und Weise - trotz des unterschiedlichen terminologischen Gebrauchs - auch die vom Bundesverfassungsgericht zugrundegelegte Intention der Verwendung des Verhältnismäßigkeitsgedankens als solchem in ihren wesentlichen Zügen nachgezeichnet 65 , so daß diese nachfolgend auf der abstrakten Basis von Jakobs Ergebnis aufgearbeitet werden kann. Aufgrund dessen soll im folgenden von genannter Definition ausgegangen werden. Hinsichtlich der einzelnen Teilelemente zur konkreten Bestimmung der Verhältnismäßigkeit kann an dieser Stelle nur auf die in der verfassungsrechtlichen Literatur gängigen Inhalte eingegangen werden. 66 Hier wird die Bestimmung der sogenannten Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne im wesentlichen zweistufig 67 vorgenommen: Zunächst wird der mit dem staatlichen Handeln verfolgte Zweck herausgestellt, um sodann die in Rede stehende Maßnahme daraufhin beurteilen zu können, ob sie zur Erreichung dieses angestrebten Zweckes geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist (Zweck-Mittel-Relation 68 ). 69 Bereits die erste Stufe der Zweckbestimmung unterliegt insoweit einer ersten Wertung, als daß die Zulässigkeit des verfolgten Zweckes als solche mit Blick auf ihre Gemeinwohltauglichkeit überprüft wird. 70 In diesem Zusammenhang ist weiter 64
Zur grundlegend bestehenden Einigkeit über dogmatische Struktur und rationalitätsverbürgenden Sinn der Verhältnismäßigkeitsprüfung vgl. insoweit Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb.,Rn.91. 65 Zur terminologischen Abweichungen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. Teil 1. A.III, l.c). 66 Zu allen weiteren Bedeutungen, die der Bezeichnung „Verhältnismäßigkeit" im Rahmen von Entscheidungen oder literarischen Beiträgen sonst - ohne Erläuterung - zugedacht werden vgl. Hirschberg, Grundsatz, S.22. 67 Zur insoweit zwingenden Prüfungsreihenfolge vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb., Rn. 91 - „(...) denn nur unter Bezugnahme auf einen konkreten Zweck läßt sich die Einhaltung dieser Anforderungen bestimmen". 68 Haverkate, Leistungsstaat, S. 1; Michael, JUS 2001,148; vgl. auch Ossenbühl, Jura 1997, 617. 69 Zum Oberbegriff der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne bzw. dem zum Teil auch synonym verwendeten Ausdruck des Obermaßverbotes als zusammenfassende Bezeichnung für die Teilgrundsätze der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne vgl. Hirschberg, Grundsatz, S. 19 f. 70 v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Vorb. Art. 1-19, Rn. 55; vgl. auch Hirschberg, Grundsatz, S.50ff.; Albrecht, Zumutbarkeit als Verfassungsmaßstab, Der eigenständige Gehalt des Zumutbarkeitsgedankens in Abgrenzung zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 67.
A. Problemstellung
25 71
zu beachten, daß Grundrechte mit speziellen Gesetzesvorbehalten , solche ohne Gesetzesvorbehalt und das Verwaltungsrecht 72 zum Teil weitere Zweckbeschränkungen aufweisen. Die sodann zu erörternde Frage der Geeignetheit73 verfolgt in erster Linie den Zweck, Fälle evidenter Mittelverfehlung bereits als unverhältnismäßig qualifizieren zu können.74 Vor diesem Hintergrund wird eine Maßnahme schon dann als geeignet erachtet, sofern das vom Staat gewählte Mittel zur Erreichung des konkreten Zwecks tauglich ist. 75 Auch eine Teileignung wird daher als ausreichend angesehen.76 Durch den zusätzlichen Einbezug der Frage nach der Erforderlichkeit 77 kommt daraufhin der Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs 78 zum Ausdruck. In diesem Zusammenhang ist zu untersuchen, ob unter allen gleich geeigneten Mitteln das für die grundrechtlich tangierte Person mildeste Mittel eingesetzt worden ist. 79 In einem letzten Schritt wird darüber hinaus auf die Relation zwischen belastender Wirkung im Einzelfall und den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen dergestalt eingegangen, daß im Wege eines „negativen Prüfungsansatzes" 80 untersucht wird, ob die bewirkte Eingriffsintensität nicht vollkommen außer Verhältnis zum angestrebten Zweck steht.81 Diese abschließende Kontrolle wird als „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne" 82 , „Angemessenheit"83, „Proportionalität" 84 oder auch 71
Siehe zum Beispiel Artt. 5 Abs. II, 6 Abs. III, 9 Abs. II, 10 Abs. II S. 2 GG. Oftmals geben so genannte Zweckkataloge, die den neueren Verwaltungsgesetzen vorangestellt werden, diesbezügliche Vorgaben. 73 Synonym zum Teilgrundsatz der Geeignetheit werden die Ausdrücke Tauglichkeit oder Zwecktauglichkeit verwandt, vgl. Schmidt, JZ 1976, 32; Seetzen, NJW 1975, 429. 74 Ausführliche Beispiele aus der Rechtsprechung bei Hirschbeig, Grundsatz, S.50ff. 75 Albrecht, Zumutbarkeit, S. 67 und insbesondere S.69f.; Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb. Rn. 92; Pieroth/Schlink, StR II, Rn.283; vgl. auch Clerico, Struktur, S.26ff. 76 Hirschberg, Grundsatz, S.51; mit Beispielen bei Clerico, Struktur, S.43f. 77 Zum Teil wird dieser Grundsatz auch als „Gebot des Interventionsminimismus" bezeichnet, vgl. Schnapp, JUS 1983, 850 (852). 78 StGH Baden-Württemberg, NJW 1975,1205 (1212); siehe ferner Ossenbühl, DÖV 1976, 463 (469). 79 Vgl. statt vieler Gentz, NJW 1968,1600 (1603 f.) m. w.N.; Albrecht, Zumutbarkeit, S.67 und insbesondere S. 71 f.; siehe auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 1 Abs. 3, Rn. 243; eine Analyse der verfassungsrechtlichen Struktur des Gebots der Erforderlichkeit findet sich bei Clerico, Struktur, S.74ff. 80 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 1 Abs. 3, Rn. 243 führt diese Art der Prüfung auf den Umstand zurück, daß es bei der Abwägung der tangierten Rechtsgüter nicht um eine „Optimierung beider Rechtswerte" gehe, die nur eine angemessene Lösung zuließe; auf diese Restriktion gegenüber dem auf eine solche Optimierung ausgerichteten Abwägungsvorgang der sogenannten praktischen Konkordanz kritisch eingehend Grabitz, AöR 98 (1973) 568 (576). 81 Albrecht, Zumutbarkeit, S.67 und insbesondere S.72ff.; zur dogmatischen Struktur und Grundlage der Abwägung im Verfassungsrecht als dritte Stufe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes siehe Ossenbühl, DVB1 1995, 904 (906). 82 Pieroth/Schlink, StR II, Rn. 289. 72
Teil 1: Einführung
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„Zumutbarkeit" bezeichnet. Bedingt durch diese, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entstammende86, negative Art der Abwägung der kollidierenden Interessen hat der Oberbegriff des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch im Rahmen der verfassungsrechtlichen Literatur zum Teil die Bezeichnung „Übermaßverbot" erfahren. 87 Die so erläuterte Abwägung wird unter Zugrundelegung sowohl der abstrakten als auch konkreten Betroffenheit der tangierten Rechtsgüter und Interessen vorgenommen.88 Unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausführungen wird die Wertneutralität des Verhältnismäßigkeitsgedankens im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne deutlich erkennbar. 89 Hirschberg geht indes so weit, den unterschiedlichen Nuancierungen in Form negativer und auch positiver Formulierungen, die innerhalb des letzten Abwägungsschrittes anzutreffen sind, den Charakter einer „äußerst vagen Generalklausel" 90 zuschreiben zu wollen; die Bezeichnung als „Leerformel" hingegen, so wie sie von Ossenbühl verwendet wird 91 , müsse vermieden werden, da eine solche bereits per se mit pejorativem Unterton besetzt sei.92 In diesem Zusammenhang weist Böckenförde zudem auf die Möglichkeit hin, daß die einfache Rechtsordnung durch die unsicheren Maßstäbe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes konstitutionalisiert werden könne.93 Durch diese verfassungsrechtliche Zementierung des einfachen Rechts laufe selbiges nach Ansicht Osssenbühls daher Gefahr, der dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz innewohnenden Abwägung zum Opfer zu fallen und damit „deformiert und demontiert" 83
Lerche, Übermaß, S.21; Schwan, DÖV 1975, 661 (663 mit Fn.8). Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 1 Abs. 3, Rn.243; Ossenbühl, Jura 1997, 617 (619); Grabitz, AöR 98 (1973) 568 (575). 85 v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Vorb. Art. 1-19, Rn. 55. Zum Rechtsbegriff der Zumutbarkeit siehe Albrecht, Zumutbarkeit, S.26ff. 86 Grabitz, AöR 98 (1973) 568 (576). 87 So aber insbesondere auch die Terminologie des Bundesverfassungsgerichts, vgl. dazu Teil 1. A.III, l.c). 88 Michael, JUS 2001,148 (150); anders Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S.26, der davon ausgeht, es stünden die „Feststellung nicht des absoluten, sondern nur des relativen Gewichts der tangierten Rechtspositionen in Frage"; ebenso Kluth, JA 1999, 606 (610); Ossenbühl, DVB1 1995, 904 (907). 89 So auch Hirschberg, Grundsatz, S. 77, der die Verhältnismäßigkeit i. e. S. als formales Prinzip in dem Sinne charakterisiert, daß es selbst keine inhaltlichen Maßstäbe vorgebe, nach denen sich eine Abwägung zu richten habe. Durch mehrere Beispiele, wie die Wiedereinführung einer Leibes- bzw. Todesstrafe, macht er sodann plausibel deutlich, daß hierdurch nur der formale Einstieg und äußere Rahmen zur eigentlichen Argumentation eröffnet wird, vgl. insoweit S.78f.; ebenso Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 155. 90 Hirschberg, Grundsatz, S.76. 91 Ossenbühl, Jura 1997, 617 (620). 92 Hirschberg, Grundsatz, S.76. 93 Böckenförde, Zur Lage der Grundrechtsdogmatik nach 40 Jahren Grundgesetz, S. 70. 84
A. Problemstellung
27
zu werden, sofern sich nicht ein jeder Rechtsanwender hinsichtlich seiner Abwägungstätigkeit auf seinen eigenen Fachbereich beschränke.94 Vor dem Hintergrund dieser Aussagen kann daher festgestellt werden, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als solcher keine Wertung hinsichtlich der Zulässigkeit etwaiger Kompensationsmodelle erlaubt. Derartige, abstrakt vorzunehmende Grundüberlegungen müssen demnach viel eher aus dessen Wesen, das heißt primär aus dessen Sinn und Zweck heraus, beurteilt werden. 95 Konkret heranzuziehende Abwägungskriterien und Vergleichsgrößen sind demgegenüber stets der grundgesetzlich vorgegebenen Ordnungs- und Wertstruktur zu entnehmen.96 Dies muß Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen sein. c) Die Verhältnismäßigkeits-Rechtsprechung aa) Bundesverfassungsgericht 97 Die Terminologie des Bundesverfassungsgerichts weicht mit weiten Teilen der Literatur 98, die sich jedoch zumeist auf den Gebrauch bloß eines Begriffes beschränkt, von den soeben dargestellten Begrifflichkeiten dergestalt ab, als daß sie als Oberprinzip für die anzustellende Zweck-Mittel-Relation neben der Bezeichnung Verhältnismäßigkeit 99 (im weiteren Sinne) zusätzlich, das heißt synonym, den Ausdruck des „Übermaßverbotes" 100 verwendet. 101 94
Hierzu und zu weiteren Kritikpunkten, die gegenüber dem Element der Abwägung als Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung seit der „Beförderung der Verhältnismäßigkeit zur Obernorm" mit Blick auf eine daraus resultierende mangelnde Rechtssicherheit erhoben werden Ossenbühl, DVB1 1995, 904 (908f.). 95 Siehe dazu Teil I.A. III. I.e. 96 So zutreffend Jakobs, DVB1 1985,97 (98); in diesem Sinne auch Ossenbühl, DVB1 1995, 904 (909); auf die gesamte Rechtsordnung erweiternd Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 155. 97 Schulmäßige Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes etwa in BVerfGE 81, 156 (188 ff.); 91, 207 (222 ff.); Umfassendes Prüfungsschema zu Art. 14 GG bei Rozek, Unterscheidung, S. 291 ff. (Anhang). 98 Vgl. immer noch grundlegend Lerche, Übermaß, S. 21, der unter den Oberbegriff des Übermaßverbotes allerdings nur den Grundsatz des geringsten Eingriffs (Erforderlichkeit) und das Verhältnismäßigkeitsprinzip im engeren Sinne fassen will (im Ergebnis entstehen jedoch keine Differenzen zum herkömmlichen Verständnis, zumal Lerche die Geeignetheit als Teil der Erforderlichkeit begreift, vgl. S. 19); anders Erichsen, der die Bezeichnung Übermaß für alle Teilgrundsätze einschließlich der Geeignetheit verwendet, siehe Erichsen, Jura 1988, 387; ebenso Remmert, Grundlagen, S.2; Schwan, DÖV 1975,661 (662f.); Wendt, AöR 104 (1979) 414 (415); Stern, in: FS Lerche, S. 166. 99 So wird die Verwendung des Begriffes der Verhältnismäßigkeit (im weiteren Sinne) als Oberbegriff für die Grundsätze der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne besonders offensichtlich praktiziert in BVerfGE 19, 330 (337); 21, 150 (155); 26, 215 (228); 27, 211 (219); 28, 264 (280); 30, 292 (316). 100 Siehe nur BVerfGE 16, 194 (202); 30, 292 (316).
Teil 1: Einführung
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Der Ausdruck der Verhältnismäßigkeit kommt dann allerdings im Rahmen der hier anzustellenden Erwägungen als dritter Teilgrundsatz zum Tragen, so daß er der dortigen Verwendung des Begriffes der „Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne", der eigentlichen Güterabwägung, entspricht. Folglich entspricht die vom Bundesverfassungsgericht heute als „Übermaßverbot" durchgeführte Prüfung der „Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne", so wie sie von der Literatur weitgehend verstanden wird, während in früheren Entscheidungen102 die Ausdrücke „Übermaß" oder „übermäßig" zum Teil auch nur zur Bezeichnung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verwendet worden ist. 103 Wie gesehen, hat das Übermaßverbot seine Namensgebung der zum Teil negativen Prüfungsfolge im Rahmen des dritten Teilgrundsatzes zu verdanken, wonach das Mittel nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen dürfe. 104 Diese Formulierung wird allerdings nicht konsequent beibehalten; vielmehr findet sich oftmals auch die Forderung, das Mittel müsse zu dem mit ihm verfolgten Zweck in einem angemessenen Verhältnis stehen.105 Daß oftmals auch eine schulmäßige Prüfung im Sinne einer dargestellten „Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne" durch das Bundesverfassungsgericht geleistet wird, zeigt sich exemplarisch an folgenden Ausführungen: „Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muß die hier in Frage stehende Grundrechtsbegrenzung geeignet sein, den Schutz des Rechtsguts zu bewirken. Sie muß dazu erforderlich sein, was nicht der Fall ist, wenn ein milderes Mittel ausreicht. Schließlich muß sie im engeren Sinne verhältnismäßig sein, das heißt im angemessenen Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des Grundrechts stehen."106
Hinsichtlich einiger Grundrechte bedient sich das Bundesverfassungsgericht daneben abweichender Begrifflichkeiten, die kurz dargestellt werden sollen: Von besonderer Bedeutung ist zunächst die zu Art. 12 Abs. I G G entwickelte und in der Literatur häufig als zu starr kritisierte 107 sogenannte „Drei-Stufen-Lehre" 108, welche bereits 1958 im Apothekenurteil maßgeblich entwickelt worden ist und vom 101
Die oftmals beabsichtigt synonyme Verwendung zeigt sich besonders deutlich in BVerfGE 23, 127 (133); 38, 348 (368). 102 Siehe etwa BVerfGE 14,19(22); 15,226 (234); 17,306 (314); unklar in E l 8,353 (362). 103 Zu allen weiteren Bedeutungen, die der Bezeichnung „Übermaßverbot" im Rahmen von Entscheidungen oder literarischen Beiträgen sonst - ohne Erläuterung - zugedacht werden vgl. Hirschberg, Grundsatz, S.21. 104 Negativ formuliert in BVerfGE 7, 377 (407); 13, 97 (118); 28, 364 (374). 105 Positiv formuliert in BVerfGE 10, 89 (117); 18, 353 (362); 38, 281 (302); 67,157 (173). 106 BVerfGE 67, 157 (173); vgl. auch E30, 292 (316ff.); 63, 88 (115); 70, 1 (26); 76, 1 (50f.); 78, 232 (245); 80, 137 (159ff.); 81, 156 (188 ff.); 91, 207 (222ff.). 107 Siehe dazu Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, S. 58 f.; kritisch ebenso Leisner, DVB1 1989,1025 (1029); Rittstieg, in: AK-GG, Bd.I, Art. 12, Rn.58 m.w.N. (Rn.54ff.); vgl. auch Gubelt, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd.I, Art. 12, Rn.46. 108 Grundlegend BVerfGE 7, 377 (405 ff.).
A. Problemstellung
29
Bundesverfassungsgericht selbst als Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips angesehen wird 109 . Die Möglichkeit einer grundrechtlichen Eingriffsrechtfertigung wird für die mit Blick auf die Differenzierung zwischen Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit dennoch als einheitliches Grundrecht 110 erachtete Berufsfreiheit davon abhängig gemacht, auf welcher „Stufe" die zu beurteilende Maßnahme selbiges tangiert, das heißt, mit welcher Eingriffsintensität sie auftritt. 111 Vor diesem Hintergrund werden die Anforderungen konsequent mit zunehmender Eingriffsintensität erhöht. Anders als im Rahmen der sonst üblichen, dargestellten Überprüfung des Zweckes auf seine bloße Gemeinwohltauglichkeit hin können hier lediglich Eingriffe auf Ebene der Berufsausübung durch „vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls" 112 gerechtfertigt werden. 113 Durch diese Zuordnung von Zweck zu einer bestimmten „Stufe" sieht Tettinger die „Plastizität der Judikatur erhöht" 114 , macht jedoch zugleich auf eine zunehmende Aufweichung der Stufenlehre aufmerksam, die zu einem Angleich an die übliche Verhältnismäßigkeitsprüfung geführt hat. 115 Dies zeige sich daran, daß das Übermaßverbot zum Teil neben der Stufenlehre kumulativ bemüht 116 und die Stufenlehre mit einer eingehenden Verhältnismäßigkeitsprüfung verquickt werde 117 . 109
BVerfGE 13, 97 (104). Tettinger, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 8. 111 In diesem Zusammenhang wird unterschieden nach Eingriffen in die Freiheit der Berufsausübung, Eingriffen in die Freiheit der Berufswahl durch sogenannte subjektive Zulassungsbeschränkungen (solche Voraussetzungen, die eine Berufsaufnahme an das Vorliegen persönlicher Eigenschaften, Fähigkeiten oder Leistungsnachweise knüpfen) und Eingriffen in die Freiheit der Berufswahl durch sogenannte objektive Zulassungsbeschränkungen (nicht an persönlichen Kriterien, sondern an allgemeinen Kriterien orientiert), zum Ganzen vgl. statt vieler Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd.I, Art. 12, Rn.44ff. 112 BVerfGE 7,377 (405); vgl. auch E16,286 (297); 65,116 (125); 70,1 (28); 77,308 (332); 78, 155 (162); 81, 70 (84); 85, 248 (259); 93, 362 (369). 113 Demgegenüber sind subjektive Regelungen zur Beschränkung der Berufswahl nur zugunsten wichtiger Gemeinschaftsgüter einschränkbar, objektive Berufswahlregelungen letztlich dürfen nur zugunsten überragend wichtiger Rechtsgüter bzw. zugunsten solcher mit Verfassungsrang eingeschränkt werden, vgl. BVerfGE 7,377 (408 f.). Hinsichtlich subjektiver Zulassungsvoraussetzungen siehe auch E 13, 97 (107); 19, 330 (337); 25, 236 (247); 59, 302 (316); 69, 209 (218); 73, 301 (316ff.); 93, 213 (235); bzgl. objektiver Berufszugangsvoraussetzungen vgl. E l l , 168 (183); 25,1 (11); 40,196 (218); 75,284 (296); 84,133 (151); 85,360 (374). 114 Tettinger, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 100. 115 Siehe bereits Tettinger, AöR 108 (1983), 92 (117ff.); ders., in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 109 ff. mit dem Hinweis auf das zeitlich erst nach dem Apothekenurteil als Verfassungsprinzip herausgestellte Übermaßverbot, vgl. insoweit BVerfGE 28, 243 (260f.). 116 Tettinger, in: Sachs, GG, Art. 12, Rn. 114 mit Verweis auf BVerfGE 28, 364 (375); 46, 120 (145); 54, 237 (249); 58, 283 (290); 82, 18 (28); 84, 133 (151 f.); 93, 362 (369); 95, 173 (183); BVerfG NJW 1995, 1537 (1538); BVerwG GewArch 1995, 195 (197). 117 Vgl. insoweit BVerfGE 51,193 (208); 68,155 (171); 76,196 (207f.); 77, 308 (332); 86, 28 (40ff.); 87, 287 (321 f.). 110
Teil 1: Einführung
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Eine weitere, besondere Ausgestaltung des Übermaßverbotes unter Verwendung differenzierterer Begrifflichkeiten hat die zu Art. 5 Abs. I I GG entwickelte „Wechselwirkungslehre" erfahren. 118 Im Rahmen dieser verlangt das Bundesverfassungsgericht eine verfassungsmäßige Einordnung einerseits der durch das einschränkende Gesetz gesicherten Rechtsgüter, andererseits der durch die Meinungsfreiheit geschützten Freiheiten: „Die aus allgemeinen Gesetzen sich ergebenden Grenzen der Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 müssen ihrerseits im Lichte dieser Grundrechte gesehen werden; die allgemeinen Gesetze sind aus der Erkenntnis der Bedeutung der Freiheit der Meinungsäußerung, der Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit im freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen und so in ihrer die Grundrechte beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken." 119
Die Nähe zum Übermaßverbot zeigt sich an der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, die soeben skizzierte Beschränkung der Freiheit müsse geeignet und erforderlich sein, den Schutz zu bewirken, den die Norm gewährleisten solle; das mit ihr erlangte Ziel müsse im angemessenen Verhältnis zu den Einbußen stehen, welche die Beschränkung für die Freiheit des Art. 5 Abs. I GG bedeutet.120 Letztlich hat das Übermaßverbot auch im Anwendungsbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. I GG eine besondere Ausprägung erfahren. Unter einer seit 1980 zu beobachtenden partiellen Abkehr von der sogenannten „Willkür-Rechtsprechung 121 verwendet das Bundesverfassungsgericht heute die „neue Formel" 122 , nach welcher der Gewährleistungsgehalt des Art. 3 Abs. I GG dann in unzulässiger Weise tangiert ist, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten" 123 . Mit Blick auf die Auswirkungen zur Nähe der neuen Formel als besondere Ausgestaltung des Übermaßverbotes wird gegenüber der überkommenen WillkürRechtsprechung maßgeblich der Umstand erachtet, daß durch einen inhaltlich klareren Maßstab eine erhöhte Kontrolldichte erreicht werde. 124 Während nach der Willkür-Rechtsprechung bereits ein beliebiger sachlich einleuchtender Grund für eine Ungleichbehandlung als ausreichend angesehen wurde, hat nunmehr eine Abwägung dergestalt zu erfolgen, daß eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung 118
Vgl. hierzu BVerfGE 42, 163 (169ff.). St. Rspr., vgl. nur BVerfGE 7, 198 (208 f.). 120 BVerfGE 59, 231 (265). 121 Beispielhaft BVerfGE 4,144 (155); 27, 364 (371 f.); 78, 104 (121), wonach „weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches wesentlich gleich" behandelt werden dürfe. 122 Vgl. hierzu statt vieler Huster, JZ 1994, 541 (547). 123 BVerfGE 55,72 (88); vgl. auch 82,60 (86); 95,39 (45) st. Rspr., vgl. zum Zweiten Senat auch BVerfGE 65, 377 (384); 92, 277 (318). 124 In diesem Sinne Hesse, AöR 109 (1984) 174 (188); Wendt, NVwZ 1988, 778 (781). 119
A. Problemstellung
31 125
nur noch aufgrund tatsächlicher Unterschiede angenommen werden kann. Bedingt durch diesen Umstand wird die Frage nach der Verhältnismäßigkeit in die dargestellte Prüfung nun integriert. 126 Vor diesem Hintergrund führt Herzog aus, die „Behauptung, es sei das Verhältnismäßigkeitsprinzip in die Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. I GG eingebaut worden, liegt nicht völlig neben der Sache"127. bb) Verwaltungsgerichtliche Judikatur Günther Heinrich von Berg hat den Ausdruck „verhältnismäßig" bereits im Jahre 1802 in seinem „Handbuch des Teutschen Policeyrechts" verwendet. 128 Hierdurch wurde zum ersten Mal das Gebot der Verhältnismäßigkeit polizeilichen Handelns formuliert. 129 Mithin ist festzustellen, daß das Übermaß verbot in seiner explizit als „verhältnismäßig" bezeichneten Ausprägung, welches in dieser Form erst wesentlich später Einzug in das Verfassungsrecht gefunden hat 130 , seine Heimat im Recht der Gefahrenabwehr und des Verwaltungszwanges hat. 131 In diesem Zusammenhang ist es heute zumeist auf Landesebene durchgehend einfachgesetzlich in den Normenbestand aufgenommen worden. 132 Hinsichtlich der einfachgesetzlichen Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes macht Hirschberg anhand der Beispiele des Ausländerrechts, des Nebenverdienstrechts für Beamte, des Disziplinarrechts, des Steuerrechts und des Wehrrechts die allumfassende Verbindlichkeit im Rahmen des Verwaltungsrechts deutlich. 133 Im Rahmen dieser einfachgesetzlichen Konkretisierungen (zumeist der Erforderlichkeit und des Abwägungsvorganges) verbleibt dem bislang dargestellten, verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kein Anwendungsbereich. 134 Er kommt nur dort zum Tragen, wo eine solche nicht existiert. 135 125
Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 3, Rn. 14. Sondervotum Katzenstein, BVerfGE 74,28 (30); Hesse, AöR 109 (1984) 174 (189); Robbers, DÖV 1988,749 (751 f.). 127 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd.I, Art. 3 Anh., Rn.6. 128 v. Berg, Handbuch des Teutschen Policeyrechts, S. 89-91. 129 Zur einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Maßstab polizeilichen Handelns vgl. nur Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, Abschn. F, Rn. 83 ff. 130 Zur Entwicklung siehe Stern, in: FS Lerche, S. 165 ff.; siehe ferner Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S. 2 ff. 131 Hirschberg, Grundsatz, S.26; Haverkate, Leistungsstaat, S. 12; Albrecht, Zumutbarkeit, S. 65 f.; vgl. auch den Hinweis auf die polizeirechtliche Tradition bei Kirchhof, in: FS Lerche, S. 143; Lerche, Übermaß, S.24; Ossenbühl, Jura 1997, 617. 132 Siehe § 15 BGSG, Art. 4 bayPAG, 8 bayLStVG, §§5 bwPolG, 11 ASOG Bin, 14 brbgOBG, 3 brPolG, 4 hmbSOG, 4 HSOG, 15 SOG MV, 4 NGefAG, 2 nwPolG, 15 nwOBG, 2 rhpfPOG, 2 saarlPolG, 3 sächsPolG, 5 SOG LSA, 73 schlhLVwG, 4 thürPAG, 6 thürOBG, 29 WStrG. 133 Vgl. Hirschberg, Grundsatz, S.26. 134 Ossenbühl, Jura 1997, 617 (618). 135 Ossenbühl, a. a. O. 126
Teil 1: Einführung
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Die wohl ausschlaggebendste Bedeutung kommt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gerade im Zusammenhang mit den dargestellten Bereichen des Verwaltungsrechts bei der Kontrolle des durch die Verwaltung ausgeübten Ermessens zu. Problematisch erscheint dabei insbesondere, daß das Übermaßverbot dem Richter hier „normativ kaum vorgeprägte Korrekturmöglichkeiten" einräumt, welche in der verwaltungsgerichtlichen Praxis sehr großzügig genutzt werden. 136 Ossenbühl konstatiert vor diesem Hintergrund, die überzogene Verwendung des Übermaßverbotes in der Rechtsprechung sei auf seine Eignung zur Erzeugung von billigen Einzelfallergebnissen zurückzuführen. 137 Er charakterisiert das Übermaß verbot in diesem Zusammenhang als den großen Gleich- und Weichmacher 138 und appelliert scherzhaft zum „Maßhalten mit dem Übermaß verbot". 139 Die insoweit berechtigte Kritik an der nahezu beliebigen „Dehnbarkeit" des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zeigt sich beispielhaft an der verwaltungs-(vollstrekkungs-)rechtlichen Rechtsprechung zu den sogenannten „Abschleppfällen". Zur Verdeutlichung der flexiblen Handhabungsmöglichkeiten, die der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bietet, sei folgender Fall dargestellt: Nachdem ein PKW-Fahrer seinen Wagen zunächst erlaubtermaßen geparkt hatte, sodann aber in dessen Abwesenheit das Aufstellen ein Halteverbotsschildes dazu führte, daß er in einer Verbotszone stand und darauf hin vier Tage später auf Kosten des Halters abgeschleppt wurde, entschied der VGH Kassel zunächst noch zugunsten des Halters. 140 Das Verlangen nach Kostenerstattung sei unverhältnismäßig, zumal die Möglichkeit einer Störung durch ein ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug durch den Halter nicht vorhersehbar gewesen sei. Dieser Argumentation ist durch das Bundesverwaltungsgericht entgegnet worden, das Abschlepp- und Kostenrisiko längerfristigen Parkens liege bei demjenigen, der die Sachherrschaft über das geparkte Fahrzeug habe.141 Daher müsse der Halter vorliegend die entstandenen Kosten tragen. d) Historische Entwicklung des Verhältnismäßigkeitsgedankens Der bereits kurz im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung skizzierte Einzug des dort erstmalig durch von Berg als solchem explizit bezeichneten Verhältnismäßigkeitsgebotes in das Polizeirecht zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellt ideengeschichtlich bei weitem nicht den Ursprung des Verhältnismäßigkeits136 137 138 139 140 141
Kluth, JA 1999, 606 (612). Ossenbühl, Maßhalten mit dem Übermaßverbot, in: FS Lerche, S. 156ff. Ebenso Schnapp, JUS 1983, 850 unter Bezugnahme auf Isensee. Ossenbühl, in: FS Lerche, S. 151. VGH Kassel, NJW 1997, 1023. BVerwGE, NJW 1997, 1021.
A. Problemstellung 142
33 143
gedankens dar. Schon in der Magna Charta Libertatum läßt im Jahre 1215 folgende Formulierung auf die hinter dem heutigen Grundgedanken des Übermaßverbotes stehenden Ideen schließen: „Der freie Mann soll für ein geringes Vergehen nicht anders bestraft werden, als nach dem Maßstab des Vergehens, und für ein großes Vergehen soll er nach der Größe des Vergehens bestraft werden." 144 Hierin kommt sehr deutlich ein bereits zur Zeit des römischen Rechts existierender und von Kant und Hegel im Rahmen von Strafzwecktheorien 145 weiterentwickelter Grundgedanke zur vergeltenden Gerechtigkeit im Sinne proportionaler Tatvergeltung zum Ausdruck. 146 Diesen Aspekt begreift Wieacker im Rahmen einer umfassenden Systematisierung historischer Quellen des Verhältnismäßigkeitsgedankens neben dem Gedanken der zuteilenden Gerechtigkeit und der Notwendigkeit einer proportionalen ZweckMittel-Relation im Zusammenhang mit dem Einsatz rechtlicher Mittel der Gesellschaft gegenüber dem einzelnen als seinen maßgeblichen antiken Ursprung. 147 Die hier zur Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns entwickelten theoretischen Ansätze sind sodann im Rahmen der vernunftrechtlichen Staatszwecklehren weiterentwickelt worden. 148 Die an dieser Stelle bereits im Entstehen befindliche Fortentwicklung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von der Annahme der Notwendigkeit abstrakter Legitimation des Staates auf der Basis eines Staatszweckes hin zu einem Kontrollmechanismus staatlichen Handelns zeigt sich heute in der Äußerung Haverkates, das Handeln des Staates müsse seinen Zielen angemessen sein.149 Positivrechtliche Ausprägung erfuhr dieser Gedanke unter Berücksichtigung voranstehender Ausführungen zur verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung erstmalig im Polizeirecht. Als besonders prägend erwies sich hier die Rolle des Karl Gottlieb Svarez, der im Jahre 1791 im Rahmen eines Vortrages vor dem Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen ausführt, es fließe (aus dem nachstehenden ersten Grundsatz des öffentlichen Staatsrechts) ebenso der erste Grundsatz des Polizeirechts, „daß der 142
Eingehende Darstellung früher Entwicklungstendenzen bei Remmert, Grundlagen,
S. 8ff. 143 Ein Abdruck der Magna Charta Libertatum findet sich bei Dennewitz, Die Verfassungen der modernen Staaten, Bd. I, S. 37. 144 Vgl. Dennewitz, Verfassungen, Bd.I, S.37. 145 Zur Vergleichbarkeit der Schutzrichtung von Grundrechten und strafrechtlichen Sanktionsnormen vgl. Teil 5. B. II. 2. b)cc) (3). 146 Vgl. Wieacker, Geschichtliche Wurzeln des Prinzips der verhältnismäßigen Rechtsanwendung, in: FS Fischer, S. 867 ff.; vgl. demgegenüber zu den unmittelbaren Vorläufern des heutigen Verhältnismäßigkeitsprinzips Hirschberg, Grundsatz, S.2ff., der solche erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ausmachen will. 147 Vgl. Wieacker, in: FS Fischer, 867 ff.; siehe insoweit auch Bleckmann, JUS 1994, 177 (177, mit Fn.5). 148 Eingehend Remmert, Grundlagen, S. 17. 149 Haverkate, Leistungsstaat, S. 13.
3 Guthke
Teil 1: Einführung
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Staat die Freiheit der Einzelnen nur soweit einzuschränken berechtigt sei, als es nothwendig ist, damit die Freiheit und Sicherheit aller bestehen könne." 150 Diese maßgeblichen Grundgedanken sind darauf hin noch im Jahre 1791 in das Allgemeine Preußische Landrecht integriert worden. Die in § 10 Abs. I I 17 PrALR genannte polizeiliche Generalklausel mäßigte den Staat auf das Treffen der „nöthigen Anstalten" 151 . Diese Formulierung faßte Fleiner treffend dergestalt auf, daß man nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen dürfe. 152 Eine den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darüber hinaus stark prägende Rolle ist daneben dem von Hirschberg als den „Vater des heutigen Grundsatzes der Erforderlichkeit" 153 bezeichneten Otto Mayer zuzuschreiben, der im Jahre 1895 ausführt: „Die Polizeigewalt erfaßt den Pflichtigen auch nur soweit, als Störung von ihm ausgeht. Die naturrechtliche Grundlage erfordert die Verhältnismäßigkeit der Abwehr und bestimmt damit das Maß der polizeilichen Kraftentwicklung." 154
Im Zuge dieses dogmatischen Ausbaus des heutigen Grundsatzes der Erforderlichkeit fand er zunehmend Einzug in die Lehrbücher des Verwaltungsrechts, insbesondere des Polizeirechts 155, bis er sich letztlich auch auf den Bereich der Leistungsverwaltung erstreckte. In der weiteren Entwicklung sorgten der Denkanstoß Krügers 156 1950 und sodann die Dissertation von Krauss' 157 1953 erstmalig für eine heute längst anerkannte Überlegung: Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf der Ebene des Verfassungsrechts. Dieser heute als selbstverständlich erscheinende Umstand wird bereits im Jahre 1961 von Lerche in seiner nach wie vor grundlegenden Habilitationsschrift „Übermaß und Verfassungsrecht" nicht mehr problematisiert. 158
150
Vgl. Rosin, Zeitschrift für Literatur und Geschichte der Staatswissenschaften, 363 (374). So auch Biermann, Privatrecht und Polizei in Preußen, S. 19 f.; eingehend Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S. 5. 152 Fleiner, Institutionen, S.404. 153 Hirschberg, Grundsatz, S.4. 154 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, S. 267 - zur Anwendung des unmittelbaren Zwanges siehe ferner S. 351 („Was mit geringerer Schädigung erreicht werden kann, darf (...) nicht sofort mit härteren Schlägen gefaßt werden."). 155 Hirschberg, Grundsatz, S.5 m. w.N. in Fn.21, 22. 156 Krüger, DVB1 1950, 625 (628). 157 v.Krauss, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, S. 19, 25 ff. 158 Siehe in diesem Sinne selbst Lerche, Hdb. d. StR., Bd. V, § 122, Rn. 16 - „Mit verschiedenen Flügelschlägen hat sich das - ursprünglich verwaltungsrechtliche - Übermaßverbot inzwischen nahezu alle grundrechtlichen Dimensionen und sogar noch weitere Verfassungsbereiche erobert." 151
A. Problemstellung
35
e) Sinn und Zweck!Funktion des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Im Wege der Verhältnismäßigkeitsprüfung wird die grundrechtliche Einschränkbarkeit durch materielle Anforderungen an die einschränkende Handlung selbst relativiert. 1 5 9 Unter Berücksichtigung dieser Zielrichtung und der weiter aus den vorgenannten Ausführungen ersichtlich werdenden Koordinierungs- und Kompatibilisierungsfunktion, die den Grundrechtsschranken zugeschrieben wird 160 , kann der Sinn und Zweck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Schranken-Schranke nur in der Sicherstellung der materiellen Schutzfunktion der Grundrechte gesehen werden. 161 Diese Schutzfunktion soll im Bereich der Grundrechte daher - anders ausgedrückt - in erster Linie der „Aktualisierung und Effektuierung" des grundrechtlichen Freiheitsschutzes dienen.162 Vor diesem Hintergrund führt von Krauss diesen Anwendungsbereich auf eine positive Funktion erweiternd aus, es werde die Verwaltung an „unnötiger staatlicher Machtentfaltung gehindert" 163. Damit wird deutlich, daß neben der positiven Zielrichtung, der staatlichen Allmacht in bestimmter Weise Grenzen zu setzen164, die Garantie von Einzelfallgerechtigkeit (durch die Gewährleistung der möglichst uneingeschränkten Geltung der Grundrechte 165) im Vordergrund steht.166 Zusammenfassend läßt sich daher mit den Worten von Langheineken sagen, der hinter dem Verhältnismäßigkeitsprinzip stehende Gedanke diene „der Verwirklichung einer gerechten Ausgleichung" 167 und damit dem Gerechtigkeitsprinzip 168. Jakobs sieht in diesem Aspekt zu Recht die Gefahr, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch diese Möglichkeit der Relativierung einer jeden Rechtsnorm „zum Einfallstor eines unkontrollierbaren und unkon159
Zur umfassenden Geltung im Rahmen des Verfassungsrechts siehe nur Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1, Rn. 135. 160 Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb., Rn. 84. 161 v g l generalisierend zum Sinn und Zweck von Schranken-Schranken Dreier, in: Dreier, GG, Bd. I, Vorb., Rn. 91; speziell zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S.7f. 162
Grabitz, AöR 98 (1973) 568 (570); Wendt, AöR 104 (1979) 414 (417). v. Krauss, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, S.25. 164 So Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S.7. 165 Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S.7. 166 So Kluth, JA 1999, 606 (613); in diesem Sinne auch Haverkate, Leistungsstaat, S. 13f.; vgl. auch Albrecht, Zumutbarkeit, S.65; Remmert, Grundlagen, S.3; hinsichtlich der zu Art. 5 Abs. II GG entwickelten Wechselwirkungslehre als eine Variante des Übermaßverbotes ebenso Bethge in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 145 ff. 167 Langheineken, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter besonderer Berücksichtigung der Judikatur zu Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, S.44. 168 So auch Albrecht, Zumutbarkeit, S.66. 163
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Teil 1: Einführung
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trollierten Gerechtigkeitsgefühls werden kann, das die objektiven Wertungen von Verfassung und Gesetz durch die subjektiven des jeweiligen Anwenders ersetzt" 169. Die Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen170 im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muß aufgrund dieser Überlegungen bereits im Ansatz mit Blick auf die jeweils tangierten Individualinteressen beurteilt werden. 171 Dieses Erfordernis steht zuweilen im Zielkonflikt mit gleichzeitig bestehenden Typisierungsnotwendigkeiten 172 des Gesetzgebers, die dann entstehen, wenn die Sachnatur eines bestimmten Regelungsbereiches einer generellen Regelung bedarf. Hier findet auch das Prinzip des angemessenen Ausgleichs seine Grenzen.
f) Das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Kontext der Eigentumsgarantie Bedingt durch die zentrale Rolle des Art. 14 GG für die Beurteilung der Zulässigkeit auch anderweitiger finanzieller Ausgleichszahlungen im Rahmen der Herstellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne bedarf es zunächst einer genaueren Darstellung der dortigen Struktur und des Gehalts des Übermaßverbotes im spezifischen Kontext der Eigentumsgarantie, um anhand der hierzu gefundenen Ergebnisse Rückschlüsse auf eine entsprechende Möglichkeit von Ausgleichszahlungen bei anderen Grundrechten ziehen zu können. In diesem Zusammenhang ist umstritten, inwieweit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Anwendungsbereich des Art. 14 GG eine besondere Struktur oder einen spezifisch eigentumsrechtlichen Gehalt aufweist. 173 Bryde verneint dies unter Ablehnung der Ansicht Papiers 114, die Grenzen des Gleichheitssatzes, des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Vertrauensschutzes seien nicht eigentumsrechtlich. 175 Jedenfalls gelte für Art. 14 GG, daß Verhältnismäßigkeitsprüfung und Vertrauensschutz einen spezifischen eigentumsrechtlichen Gehalt hätten.176 Argumentativ baut diese These auf der auch durch das Bundesverfas169
Jakobs, Verhältnismäßigkeit, S. 7f. unter Bezugnahme auf Gentz, NJW 1968, 1600 (1601). 170 Grundlegend zu Sinn und Grenzen eines angemessenen Ausgleichs als Leitbild und Legitimation vgl. Lerche, Hdb. d. StR., Bd. V, § 122, Rn. 3ff. und insbesondere Rn. 16ff. 171 Zur Individualisierungstendenz des Erforderlichkeitsprinzips siehe Lerche, Hdb. d. StR., Bd. V, §122, Rn. 18, 21. 172 Beispielhaft etwa in BVerfGE 60, 16 (39); 70, 1 (34). 173 Zur nivellierenden Wirkung des Übermaß Verbotes im Rahmen neuer Abwägungskonzeptionen vgl. Wendt, AöR 104 (1979) 414ff. 174 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.38. 175 Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.62f.; ebenso Rozek, Unterscheidung, S.33ff. 176 Bryde, a. a. O.
A. Problemstellung
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177
sungsgericht vertretenen Annahme auf, daß erst der Gesetzgeber den Inhalt des Eigentums durch die jeweilige Inhalts- und Schrankenbestimmung bereichsspezifisch bestimmt und gerade kein absoluter, das heißt universeller, an den Vorgaben des § 903 BGB orientierter Eigentumsbegriff existiert. 178 Daher müsse bei der Änderung bestehender Eigentumsrechte das jeweils (neu) geltende Recht Ausgangspunkt der (Verhältnismäßigkeits-)Prüfung sein. 179 Die vorstehend skizzierte Ansicht ist abzulehnen. Sie geht bereits grundlegend falsch von der Annahme aus, der Gesetzgeber schaffe im Rahmen konstitutiver Normsetzung die verfassungsrechtliche Grundlage der Eigentumsgarantie erst durch Inhaltsbestimmungen.180 Unter dieser Voraussetzung wären Inhalts- und Schrankenbestimmungen gänzlich ununterscheidbar. 181 In Konsequenz dessen würde man jedoch unzulässigerweise eine eigentumsrelevante Reglung mit dem Zweck der Beschränkung der durch sie hervorgebrachten Position einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterziehen. 182 Dies hätte eine diffuse Generalabwägung zwischen Individualund Gemeinwohlinteressen dergestalt zur Folge, daß auf diesem Wege die dargestellte Zielrichtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht mehr erreicht würde. 183 Aufgrund dieser Bedenken kann ein spezifisch eigentumsrechtlicher Gehalt des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Zusammenhang mit der Eigentumsgarantie nicht angenommen werden. Vielmehr ist unter Berücksichtigung des sozialen Bezuges, der sozialen Bedeutung des tangierten Eigentumsobjekts und des Regelungszweckes eine angemessene Regelung dann anzunehmen, wenn die Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht zu einer übermäßigen Belastung des Eigentümers führt und diesen in vermögensrechtlicher Hinsicht nicht unzumutbar trifft 184 ; sie dürfen den von der Regelung beabsichtigten Schutzzweck nicht überschreiten. 185 Von der Eignung einer Sozialbindung ist unter den üblichen Voraussetzungen auszugehen, ihre Erforderlichkeit ist gegeben, 177 Besonders deutlich in BVerfGE 53, 257 (292). Vgl. ferner BVerfGE 24, 367 (396); 31, 229 (240f.); 37,132 (141); 58, 81 (109f.); 58, 300 (335f.). 178 Bryde, a.a.O. 179 Bryde, a.a.O., Rn.63a. 180 Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.231. Selbst eine Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt insoweit, daß eine Prüfung der neuen Regelung anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stillschweigend der vorherigen Bestand des Eigentumsrechts unterstellt, vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 119. 181 Siehe hierzu Rozek, Unterscheidung, S.55ff. m. w. N.; eingehende Darstellung ebenso bei Sieckmann, Eigentumsschutz, S. 281 ff. 182 So zu Recht Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 118. 183 So auch Depenheuer, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.231. 184 Vgl. hierzu BVerfGE 58, 81 (114); 58,137(148); 72,66 (77f.); 74,203 (214f.); 87,114 (138); siehe ferner Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 119. 185 BVerfGE 21, 73, (86); in diesem Sinne auch E21, 150 (155); 25, 112 (118); 50, 290 (341); 52, 1 (30); 79, 179(198).
Teil 1: Einführung
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„wenn der Gesetzgeber kein anderes, das betreffende Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können" 186 . 2. Zum Begriff der Ökonomie Vor dem Hintergrund der durch das Bundesverfassungsgericht im Kurzberichterstattungsbeschluß187 vorgenommenen Berücksichtigung wirtschaftlicher Begünstigungen zur Beurteilung der Notwendigkeit finanzieller Ausgleichsleistungen im Rahmen von Art. 12 GG bedarf es, um die Zulässigkeit dessen im gesamtverfassungsrechtlichen Kontext beurteilen und ein Spannungsverhältnis zu einer rein rechtlichen Betrachtungsweise angemessen lösen zu können, einer genaueren Bestimmung des Begriffes der Ökonomie und der sie beeinflussenden Faktoren bzw. Kriterien und Prämissen. a) Definition und rechtlich-normativer
Bezug
Unter Berücksichtigung des sogenannten ökonomischen Prinzips 188 definiert Samuelson den wirtschaftswissenschaftlichen Begriff der Ökonomie wie folgt: „Volkswirtschaft ist die Analyse der Entscheidungen der Gesellschaft und ihrer Mitglieder, wie knappe Produktionsmittel mit alternativer Verwendbarkeit - sei es mit oder ohne die Hilfe von Geld - für die Produktion verschiedener Güter verwendet werden und wie diese Güter für den gegenwärtigen und künftigen Konsum der einzelnen Individuen und Gesellschaftsgruppen verteilt werden. Sie analysiert den Nutzen und die Kosten, die mit einer Verbesserung des Systems der Verwendung der Produktionsmittel verbunden sind." 189
Das „fundamentale Axiom" der klassischen ökonomischen Theorie ist daher das Gebot der individuellen Nutzenmaximierung. 190 Diesem kann im Rahmen der dargestellten Definition auf verschiedene Arten nachgekommen werden. Zur Verdeutlichung dieser Möglichkeiten bietet sich eine weitere Untergliederung der skizzierten Definition der Ökonomie an, die wiederum auf der Basis des ökonomischen Prinzips vorzunehmen ist. 191 Im Rahmen dessen wird gefordert, so zu handeln, daß 186
BVerfGE 70, 278 (286). Vgl. BVerfGE 97, 228 (262f.). iss Vgl hierzu Herdzina, Einführung in die MikroÖkonomik, S. 14. 187
189
Samuelson, Volkswirtschaftslehre, Bd. I (aus dem Amerikanischen übertragen von Schliesser/Lidy/Frenzel) S. 17. 190 So Klodt, Volkswirtschaftslehre für Juristen, S. 15; Wied-Nebbelling/Schott, Grundlagen der MikroÖkonomik, S. 14. Zur Bedeutung der Maxime der Nutzenmaximierung im Rahmen der ökonomischen Analyse des Rechts vgl. Behrens, Ökonomische Grundlagen des Rechts, S. 33. 191 Zu weiteren Prämissen der klassischen Ökonomie siehe Behrens, Ökonomische Grundlagen, S.30ff.; speziell zum Kriterium der Pareto-Optimalität vgl. Clerico, Struktur, S. 112f.
A. Problemstellung
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- mit gegebenen Mitteln (Aufwand/Ressourceneinsatz) ein Maximum an Erfolg (Ertrag/Output) erzielt wird: Maximumprinzip bzw. Grundsatz der Effektivität, oder - ein gewünschter Erfolg mit einem Minimum an Mitteleinsatz erreicht wird: Minimumprinzip oder auch Grundsatz der (Pareto-)Effizienz oder -Optimalität, oder allgemein - die Erfolg-Einsatz-Relation maximiert wird: Allgemeines Extremumprinzip. Insbesondere die zweitgenannte „Spielart" des ökonomischen Prinzips, der Grundsatz der „Sparsamkeit" gebietenden Effizienz, hat heute im Zusammenhang mit rechtlichen Normen unter der Bezeichnung des „Wirtschaftlichkeitsgebotes" den Stellenwert eines Rechtsprinzips erfahren. 192 Dieses fordert bereits ihrem Wörtlaut nach Exekutive und Legislative dazu auf, in ihrem Handeln die Zweck-MittelRelation zu optimieren. 193 Dabei sind unter den Zwecken Sachwecke zu verstehen und unter den Mitteln die Gelder. 194 Bei dem Bestreben, diesen beiden Maßgaben in möglichst optimaler Form nachzukommen, entstehen im Rahmen der Ausfüllung von Spielräumen (Ermessen, unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungs- oder Prognosespielraum, planerische Abwägung) oftmals schwierige Abwägungsfragen. 195 Deren Struktur ist mit den hier zu behandelnden Problemen vergleichbar, so daß entsprechende Lösungsansätze ergänzend herangezogen werden können.196 192 Zur Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip vgl. v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip; Walther, BayVBl. 1990, 231 ff.; zum nomativen Charakter der Effizienz (im Rahmen des Umweltrechts) siehe Britz, Die Verwaltung 30 (1997) 185 (186 mit Fn. 10 und 187 m. w.N. in Fn. 13); siehe ferner Clerico, Struktur, S. 122. 193 Positivrechtlich kodifiziert findet sich das Wirtschaftlichkeitsgebot zum Beispiel im Haushaltsrecht des Bundes, der Länder und der Kommunen, die zur Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit anhalten, vgl. etwa § 7 Abs. IBHO; § 6 Abs. I HGrG; aus dem Landesrecht siehe §7 Abs. I LHO SH; §75 GO SH; vgl. auch ferner Art. 114 GG. Beispielhaft für die zu erhebenden Kosten-Nutzen-Untersuchungen ist § 7 Abs. II BHO, wonach solche „für geeignete Maßnahmen von erheblicher finanzieller Bedeutung" durchgeführt werden sollen. Diese sind entweder Kosten-Nutzen-Analysen bzw. Kosten-Nutzen-Untersuchungen i. e. S. (Kosten und Nutzen werden unter Einschluß immaterieller Elemente geldlich bewertet) oder sogenannte Kostenwirksamkeitsanalysen bzw. Nutzwertanalysen (eine Quantifizierung in Geld ist hier nicht angezeigt). Im Ergebnis werden also einzelne qualitative Werturteile gegeneinander abgewogen, vgl. hierzu Schäfer, DVB1. 1972, 405 (407). 194 Peters, DÖV 2001, 749 (752). 195 Peters entwickelt Beispiele im Spannungsverhältnis zwischen Effektivität und Effizienz, vgl. DÖV 2001,749 (749 f.); zur Notwendigkeit der Vermeidung finanzieller Kosten (Verwaltungsaufwand) in der Prüfung des milderen Mittels vgl. auch die eingehende Darstellung bei Clerico, Struktur, S.119ff. 196 Zur Berücksichtigung der ökonomischen Effizienz im Umweltrecht vgl. insoweit Britz, Die Verwaltung 30 (1997) 185 (209). Peters kommt unter Beschränkung der Thematik auf die Ausgabenseite für das bipolare Staat-Bürger-Verhältnis zum Ergebnis, daß jedenfalls sekundäre Effizienzen, also das Streben nach möglichst billiger Realisierung eines (ökonomisch und
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Teil 1: Einführung
Zur Beurteilung der zwischen juristischer und wirtschaftswissenschaftlicher Betrachtungsweise bestehenden Diskrepanzen sollen im folgenden die rein ökonomischen Kriterien, welche im Rahmen einer dargestellten Kosten-Nutzen-Rechnung197 zu berücksichtigen sind, kurz im Verhältnis zu solchen wirtschaftlichen Gesichtspunkten dargestellt werden, die in Form von Entschädigungsleistungen bereits in rechtliche Regelungen Einzug gefunden haben: b) Arten ökonomischer Kriterien aa) Rein ökonomische Kriterien (I) Maximumprinzip (ökonomische Effektivität) Das ökonomische Prinzip verlangt in Gestalt des Maximumprinzips, bei gegebenem Ressourcenaufwand ein maximales Produktionsergebnis zu erzielen. 198 Mithin ist eine Güterverteilung dann als ökonomisch effektiv anzusehen, wenn die mit ihr verfolgte Zielrichtung bzw. -erreichung unabhängig von den eingesetzten Ressourcen verfolgt wird. Das Ziel ist der maßgebliche Fixpunkt, es darf nicht relativiert werden. Im öffentlichen Recht hat der so dargestellte Grundsatz der Effektivität heute maßgebliche Bedeutung erlangt. 199 Im Rahmen des Polizeirechts beispielsweise lautet die oberste Devise der Rechtsprechung 200, Gefahrenabwehr habe (beispielsweise im Zusammenhang mit der Ausübung des Auswahlermessens bei mehreren Störern) effektiv zu sein. 201 Denninger macht in diesem Zusammenhang zutreffend darauf aufmerksam, daß die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zum Gedanken der Effektivität in einem Spannungsverhältnis stehen.202 Dies führt er unter Hinweis auf Papier zum Teil auf einen Zielkonflikt zurück, der aus der unterpolitisch) begründeten Ziels, als indirekt gemeinwohlfördemd und verwaltungssystemkonform anzusehen sind, daher seien derartige Wirtschaftlichkeitserwägungen im Rahmen behördlicher Abwägungsentscheidungen voll berücksichtigungsfähig, vgl. Peters, DÖV 2001, 749 (762). 197 Zur Kosten-Nutzen-Rechnung als Teil der ökonomischen Analyse des Rechts vgl. Burow, JUS 1993, 8 (9). 198 Hanusch/Kuhn, Einführung in die Volkswirtschaftslehre, S. 13; Wied-Nebbelling/Schott, Grundlagen, S. 8. 199 Eingehende Darstellung von Möglichkeiten der Berücksichtigung der Effektivität des Vollzuges bei der Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Regelungen bei Jost, Zur Effektivität von Recht aus ökonomischer Sicht, S. 196 ff. 200 OVG Münster, DVB1. 1971, 828 (829); VGH München, NJW 1984, 1196; VGH München, BayVBl. 1986, 625 (626); VGH München, NVwZ-RR 1989, 289. 201 Das Polizeirecht definiert Effektivität in diesem Sinne als die Auswahl desjenigen, der unter mehreren polizeilich Verantwortlichen in der Lage ist, die Gefahr am schnellsten und wirksamsten zu bekämpfen, vgl. Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch, Abschn. E, Rn. 107. 202 Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch, Abschn. E, Rn. 107.
A. Problemstellung
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schiedlichen Sichtweise von Vollzugspolizei einerseits und Ordnungsbehörde andererseits resultiert. 203 Bezogen auf die Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitserwägungen bedeutet dies konkret, daß diese jedenfalls nicht in dem Sinne in Ansatz gebracht werden dürfen, als daß hierdurch die Reichweite der Gefahrenabwehr durch ein bestimmtes, feststehendes Maß an Ressourcen beschränkt wird. Folglich kann die Abwehr der Gefahr nicht mit dem Hinweis auf beschränkte Mittel unterbleiben. An dieser Stelle zeigt sich bereits das enge Zusammenspiel von effektiver und effizienter Betrachtungsweise. In Konsequenz der so dargelegten Grundsätze der effektiven Gefahrenabwehr liegt es, daß - sofern eine Beeinträchtigung der festgelegten Zielerreichung nicht zu befürchten ist - finanzielle Aspekte nach Maßgabe des Wirtschaftlichkeitsgebotes berücksichtigt werden müssen.204 Das Minimumprinzip findet folglich auch im äußeren Rahmen der Zielvorgaben des Maximumprinzips einen Anwendungsbereich. (2) Minimumprinzip
(ökonomische Effizienz)
In Ausformung des Minimumprinzips fordert das ökonomische Prinzip hingegen, ein bestimmtes Produktionsergebnis mit dem geringstmöglichen, das heißt minimalen, Einsatz an Ressourcen hervorzubringen. 205 Daraus folgt, daß eine Verteilung von Gütern dann ökonomisch effizient ist, wenn es keine andere Möglichkeit der Verteilung dergestalt gibt, daß mindestens ein Wirtschaftssubjekt besser und keines schlechter steht.206 Vor dem Hintergrund der Anerkennung der Wohlstandsmaximierung 207 als gesellschaftliches Ziel von sozialstaatlich-verfassungsrechtlicher Relevanz208 wird schnell deutlich, daß die Frage nach dem Einbezug von Effizienzgesichtspunkten im Gegensatz zur Berücksichtigung von Effektivitätskriterien, so wie sie im Polizeirecht gehandhabt wird, weit umfassendere Bereiche des öffentlichen Rechts betrifft. Dies zeigt sich nicht zuletzt an einer Flut literarischer Stellungnahmen.209 203
Denninger, a. a. O. unter Verweis auf Papier, NVwZ 1986, 256 (263). Peters, DÖV 2001, 749 (759 ff.). 205 Hanusch/Kuhn, a. a. O.; Wied-Nebbeling/Schott a. a. O.; eingehend zum Effizienzkriterium Posner, Recht und Ökonomie: Eine Einführung, in: Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts, S. 86ff. 206 Stobbe, MikroÖkonomik, S.550f.; siehe auch Hanusch/Kuhn, Einführung, S.89; WiedNebbelling/Schott, Grundlagen, S.262; Britz, Die Verwaltung 30 (1997) 185 (190); vgl. auch Burow, JUS 1993, 8 (9); Clèrico, Struktur, S. 112 i.V.m. Fn.403. 207 Vgl. hierzu Britz, Die Verwaltung 30 (1997) 185 (194). 208 Zur Herleitung vgl. Zacher, Hdb. d. StR., Bd. I, § 25, Rn. 48 ff. 209 Vgl. nur Kübler, Effizienz als Rechtsprinzip - Überlegungen zum rechtspraktischen Gebrauch ökonomischer Argumente im Recht, in: FS Steindorff, S. 687 ff.; Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. lOff. m. w.N.; Häberle, AöR 98 (1973) 625 (631); Britz, Die Verwaltung 30 (1997) 185 (194ff.). Zu Effizienzgesichtspunkten im Rahmen kultureller Evolution vgl. Hoppmann, Kulturelle Evolution und ökonomische Effizienz, in: FS Mestmäcker, S. 184f. 204
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Teil 1: Einführung
Während Leisner davon ausgeht, die Verfassung als solche sei effizienzneutral 210, macht Häberle plausibel deutlich, daß erst der Grundsatz der Effizienz die einzelnen Institutionen, Verfahren und Funktionen der Verfassung zur Gesamtverfassung verbindet 211 , der Effizienz daher verfassungsakzessorische Natur zuzuschreiben sei 212 . Der Rang eines selbstständigen Grundsatzes sei der Effizienz nicht einzuräumen, vielmehr wirke sie nur in Normen, das heißt sie stehe „im Dienste der Normverwirklichung". 213 Unter besonderer Berücksichtigung der Einzelfaktoren der Teilhabe an der Wohlstandsmaximierung 214, der allgemeinen Handlungsfreiheit 215, des Demokratieprinzips 216 , des Umweltschutzes217 und der staatlichen Schutzpflicht hinsichtlich der körperlichen Unversehrtheit 218 (Art. 2 Abs. I I S. 1 GG) kommt Britz heute im Rahmen des Umweltrechts zu dem Ergebnis, die Flankierung durch verteilungspolitische Maßnahmen verhelfe dem Effizienzprinzip mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip zu verfassungsrechtlicher Relevanz, wodurch seine Beachtung geboten werde. 219 Diese Faktoren werden nachhaltig daraufhin zu untersuchen sein, inwieweit sie auch Aufschlüsse über die Zulässigkeit des Effizienzkriteriums in anderen Teilbereichen des öffentlichen Rechts erlauben. bb) Wirtschaftliche Gesichtspunkte innerhalb rechtlicher Regelungen (1) Finanzielle Ausgleichszahlungen Im Rahmen eigentumsrechtlicher Regelungen kommen wirtschaftliche Gesichtspunkte heute in erster Linie in Form von finanziellen Ausgleichszahlungen zum Tragen 220 , sofern deren Notwendigkeit (im Falle einer Inhalts- und Schrankenbestimmung) nicht bereits durch die Einführung anderweitiger Überleitungsbestimmungen in Form von zeitlich befristeten Übergangsregelungen 221, Härteklauseln, Anpassungshilfen oder auch Dispensen hinfällig geworden ist. 222 210 Leisner, Effizienz, S. 15 - „Effizienz wird also durch Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtlichkeit nicht von vornherein ausgeschlossen." 211 Häberle, AöR 98 (1973) 625 (631). 212 Häberle, a.a.O. 213 Häberle, a.a.O., S.634. 214 Britz, Die Verwaltung 30 (1997) 185 (194ff.). 215 Britz, a.a.O., S.200ff. 216 Britz, a.a.O., S.202f. 217 Britz, a.a.0.,s.204f. 218 Britz, a. a.O., S. 206ff. 219 Britz, a.a.O., S.209. 220 Sieckmann, Eigentumsschutz, S.414. 221 BVerfGE 70, 191 (201 f.); 83, 201 (212f.). 222 Zum Vorrang anderweitiger Ausgleichsleistungen vor der Form des finanziellen Ausgleichs siehe insbesondere BVerfGE 100, 226 (241 ff.); siehe ferner Rozek, Unterscheidung, S.76ff.; Schoch, JZ 1995,768 (770); vgl. Külpmann, Enteignende Eingriffe?, S. 124.
A. Problemstellung
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Pauschalierend läßt sich zunächst feststellen, daß solche Ausgleichszahlungen - abgesehen von der Enteignungsentschädigung - vor dem Hintergrund des Gleichheitsgebotes223 und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes immer dann gewährt werden, wenn eine generell unbedenkliche gesetzliche Regelung zu individuellen, gravierenden Härten führt. 224 Sie bedürfen zwingend einer einfachgesetzlichen Grundlage. 225 Art und Ausmaß 226 der Entschädigung sind vom Gesetzgeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes staatsbürgerlicher Lastengleichheit227 und des Abwägungsgebotes festzulegen. 228 Eine bloß nominelle Entschädigung ist insoweit nicht gestattet229; dennoch besteht weder eine Verpflichtung zum Ersatz des vollen Schadensersatzes230 noch zur Berücksichtigung des vollen Verkehrs wertes 231. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Enteignungsentschädigung, im Rahmen welcher das Verkehrswerts- und Äquivalenzprinzip in Ansatz gebracht wird, ist jedoch eine Annäherung an den Schadensersatz zu verzeichnen 232 , der in voller Form zumeist dann gewährt wird, sofern der Gesetzgeber keine unter dem entsprechenden Wert liegende Entschädigung vorschreibt 233. Zur genaueren Absehbarkeit dieses Abwägungsvorganges wird heute vielfach vorgeschlagen, den „Gedanken eigener Leistung" vermehrt zu berücksichtigen, nach welchem eine Eigentumsposition um so voller zu entschädigen ist, als sie auf einer eigenen Leistung beruht; je mehr ihr Wert hingegen staatsverursacht oder auch der Allgemeinheit zuzurechnen ist, können hiervon Abzüge gemacht werden. 234 223
Vgl. BVerfGE 58, 137 (150f.); kritisch Wieland, in: Dreier, GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 105. Vgl. Sieckmann, Eigentumsschutz, S.412f.; Wieland, in: Dreier, GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 124; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn.42; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.242; anders Manssen, Staatsrecht I, Rn.650ff. 225 Külpmann, Enteignende Eingriffe?, S. 123 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 248; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 111. 226 Zu den einzelnen Voraussetzungen hinsichtlich verfassungsrechtlich durch Art. 14 GG gebotener Ausgleichsleistungen siehe Teil 2. A. I. und II. 3. b). 227 In diesem Sinne BGHZ 6, 270 (295); zu den generellen Kriterien der Enteignungsentschädigung vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.599ff.; kritisch Wieland, in: Dreier, GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 105, 107. 228 BVerfGE 24, 367 (420f.); Wieland, in: Dreier, GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 104ff.; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 169; Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 81 ff. m. w. N. 229 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.600; Kimminich, in: BK, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.437ff.; Depenheuer, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.451. 230 BGHZ 57,359 (368); 59,250 (258); Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.601. 231 BVerfGE 24, 367 (421), vgl. auch E46, 268 (285); Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.602; Wieland, in: Dreier, GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 107; Rittstieg, in: AK-GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 221; Breuer, Bodennutzung, S. 81 ff. 232 Rittstieg, in: AK-GG, Bd.I, Art. 14, Rn.222. 233 BGHZ 67, 190 (192 f.). 234 Siehe zum Ganzen Opfermann, Die Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz, Grundprobleme der Entschädigungsflexibilität des Grundgesetzes bei Eingriffen in das Eigen224
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Teil 1: Einführung
In Ansehung der Vorteile eines solchen Ansatzes, der es beispielsweise im Bauund Bodenrecht ermöglicht, Planungs- und Spekulationsgewinne, die als Folge staatlicher Bauplanung eingetreten sind, unberücksichtigt zu lassen235, erscheint es möglicherweise sachgerecht, den Gedanken eigener Leistung auch bei der generellen Beurteilung der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen im Rahmen anderer Grundrechte heranzuziehen. Allerdings muß einer vorschnellen Anwendung des Gedankens eigener Leistung zu diesem Zwecke im grundrechtlichen Bereich kritisch entgegnet werden, daß hierdurch eine Wertigkeit des grundrechtlichen Schutzes erzeugt würde, auf die der Betroffene keinen Einfluß auszuüben vermag. Für ihn kann die Herkunft seines „Bestandes an Grundrechtsgehalt" nicht entscheidend für dessen durch den Staat zugedachte Schutzintensität sein, zumal sein Schutzbedürfnis - beispielsweise gemessen am objektiven Wert des Eigentums - insoweit als gleichwertig zu erachten ist. Aufgrund dieser Bedenken erscheint das Kriterium der eigenen Leistung in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigungsfähig. 236 (2) Materielle Entschädigungsformen Die so dargestellte Form der finanziellen Ausgleichszahlung ist von Verfassungs wegen ihrer Art nach nicht geboten. Vor diesem Hintergrund haben sich heute auf der Grundlage des Prinzipienmodells drei Ansätze zur Begründung von Entschädigungsgeboten237 herausgebildet 238: Eine Wertgarantie aufgrund der Selbständigkeit und Exklusivität von Eigentumsrechten 239, das Gebot der Erforderlichkeit von Eigentumseingriffen in Verbindung mit dem der negativen Lastengleichheit240 und das prinzipielle Gebot des Ausgleichs vermögenswerter Beeinträchtigungen von Eigentumsrechten 241. tum mit besonderer Berücksichtigung der Baulandbeschaffungsfrage, S. 102 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd.II, Art. 14, Rn.615ff.; Wieland, in: Dreier, GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 108. 235 Breuer, Bodennutzung, S.84; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.617. 236 Zu weiteren Gesichtspunkten, die für die gesetzliche Entschädigungsregelung in verfassungsrechtlicher Hinsicht herangezogen werden vgl. Rittstieg, in: AK-GG, Bd. I, Rn. 223 a. 237 Entschädigungsgebote sind prinzipielle „Gebote, für bestimmte Arten von Eingriffen eine Entschädigung zu gewähren", demgegenüber wird von Entschädigungsansprüchen erst dann gesprochen, wenn dem Entschädigungsgebot ein subjektives Recht auf die gerichtliche Durchsetzbarkeit der Entschädigung hinzutritt, vgl. insoweit Sieckmann, Eigentumsschutz, S.414. 238 Eingehend Sieckmann, Eigentumsschutz, S.415. 239 Im Gegensatz zu den beiden anderen dogmatischen Begründungsversuchen, die gleichermaßen im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen sowie Enteignungen zum Tragen kommen können, steht der Ansatz einer selbständigen Wertgarantie im prinzipiellen Gegensatz zur Eigentumsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts, vgl. Sieckmann, Eigentumsschutz, S.416. 240 Vgl. hierzu Sieckmann, Eigentumsschutz, S. 415 ff. mit Verweis auf Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971) 137 (181); Sass, Entschädigungserfordernis, S.210. 241 Siehe Schulze-Osterloh, NJW 1981,2541 f.; vgl. auch Sass, Entschädigungserfordernis, S. 104.
A. Problemstellung
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Auf dieser Grundlage haben sich daher heute neben einer finanziellen Ausgleichszahlung verschiedene Formen materieller Entschädigungsleistungen durchgesetzt. Dies zeigt sich beispielhaft an der Ordnungsnorm des § 100 BauGB, der eine Enteignungsentschädigung in Land gestattet. Diese bildet eine Ausnahme zu § 99 BauGB, der gebietet, daß die Enteignungsentschädigung grundsätzlich in Geld zu leisten ist. Sinn und Zweck der gegenüber der finanziellen Entschädigung historisch jüngeren Ersatzlandentschädigung242 ist es, auch solchen Fallkonstellationen hinreichend Rechnung zu tragen, „in denen sich die Enteignung derart auf die Lebensverhältnisse des Betroffenen auswirkt, daß eine Geldentschädigung keinen angemessenen Ausgleich bieten kann" 243 . Nur auf diese Weise kann gewährleistet werden, daß zu der in Art. 14 Abs. III S. 3 GG formulierten „gerechten Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten" kommt. Bestehen allerdings - im positiven wie im negativen - Wertunterschiede zwischen dem enteigneten Grundstück und dem Ersatzland, so ist der Wertunterschied anhand des Verkehrs wertes auszugleichen.244 Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Gebotenheit der Ausgleichsleistung ist im Rahmen des § 100 BauGB nach obligatorischer Enteignungsentschädigung in §100 Abs. I und III BauGB und fakultativer Billigkeitsentschädigung in § 100 Abs. IV BauGB, die nach pflichtgemäßem Ermessen der Enteignungsbehörde gewährt wird, zu differenzieren. Eine weitere Durchbrechung des Grundsatzes der Geldentschädigung ist in § 101 BauGB zu sehen, der eine Billigkeitsentschädigung durch Gewährung anderer Rechte, wie zum Beispiel durch die Bestellung oder Übertragung von Miteigentum (Abs. I Nr. 1), gestattet. Mangels der ausdrücklichen Nennung der Interessen der Allgemeinheit in § 101 Abs. I Nr. 1 BauGB müssen diese „im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Direktiven des Art. 14 Abs. 3 Satz 3" berücksichtigt werden. 245
3. Spannungsverhältnis zwischen Recht und Ökonomie Ein Spannungsverhältnis zwischen rechtlichen und wirtschaftswissenschaftlichen Faktoren zur Beurteilung der angeschnittenen Problematik muß primär vor dem Hintergrund der Zielrichtung der Rechtswissenschaft beurteilt werden. Die Ansichten hierüber unterliegen enormen Wandlungen. 242 Zur historischen Entwicklung vgl. Fischer, Der Rechtsanspruch auf Naturalentschädigung bei der Enteignung von Grundstücken. 243 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 100, Rn. 1; vgl. insoweit auch Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 100, Rn. 1 f.. 244 Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 100, Rn.9. 245 Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 100, Rn.5.
Teil 1: Einführung
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Auf weitgehende Zustimmung dürfe jedoch nachfolgendes Selbstverständnis treffen: „Die Rechtswissenschaft hat zur ursprünglichen Aufgabe die Interpretation von Normen zur Vorbereitung der Rechtsanwendung. Sie ist also eine praktischen Zwecken dienende Interpretationswissenschaft, und man könnte sie als eine angewandte Geisteswissenschaft bezeichnen. Die Rechtswissenschaft orientiert sich zunächst an einzelnen Normen, muß aber wegen der Bedeutung des Gesamtzusammenhangs einer bestimmten gesetzlichen Regelung und Aufgabe, die Gleichheit der Rechtsanwendung zu sichern, stets die Tendenz haben, das Verständnis der einzelnen Normen auf den Entwurf eines Systems zu stützen."246
Berücksichtigt man die oben zugrunde gelegte Zielsetzung der Ökonomie, so erscheinen vielfache Berührpunkte zwischen beiden Disziplinen denkbar. Die hier entstehenden Möglichkeiten systematisiert Behrens nach den Kriterien der Art und Häufigkeit des Bezuges.247 In diesem Zusammenhang nimmt er eine grundlegende Kategorisierung danach vor, wie Ökonomie und Recht dergestalt aufeinander bezogen werden, als daß ein gemeinsamer Gegenstand herausgestellt wird; dabei kommt er zu drei verschiedenen Betrachtungsweisen, die er als den „Austausch von Informationen" 248, die „Interdependenz von Ordnungen" 249 und das „Denken in Handlungsalternativen" 250 benennt. Den über den „Austausch von Informationen" hergestellten Bezug lehnt Behrens plausibel ab. 251 Ein nur gelegentlicher, gar zufälliger Bezug wird im Rahmen dieser Kategorie nach seiner Ansicht dadurch hergestellt, daß die Aufgabe der Wirtschaftswissenschaften zu eng darin erblickt werde, „einen Teil der sozialen Wirklichkeit zu erfassen, insbesondere den Gesamtprozeß zu verstehen, der sich im Bereich des ökonomischen Lebens abspielt" 252 . Die hieraus folgenden Konsequenzen, Rechtsund Wirtschaftswissenschaften seien nach Gegenstand und Methode verschieden und man könne die Rechtswissenschaft nicht als Sozialwissenschaft ansehen253, seien zur Thematisierung des Beziehungsverhältnisses nicht angemessen, „weil der Erkenntnisgegenstand der einen Wissenschaft von vornherein aus dem Erkenntnisbereich der jeweils anderen herausdefiniert" 254 werde. 246
Coing, in: Raiser/Sauermann/Schneider, Das Verhältnis der Wirtschaftswissenschaft zur Rechtswissenschaft, Soziologie und Statistik, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F. Bd. 33 (1964), S.lf. 247 Vgl. Behrens, Ökonomische Grundlagen, S.6. 248 Behrens, a. a.O., S.6ff. 249 Behrens, a. a. O., S. 8 ff.; vgl. hierzu weiter Assmann, Die Transformationsprobleme des Privatrechts und die Ökonomische Analyse des Rechts, in: Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse, S.33. 250 Behrens, a.a.O., S.21ff. 251 Behrens, a.a.O., S.8. 252 So aber Coing, Verhältnis, S. 1 f. 253 Coing, a.a.O. 254 Behrens, Ökonomische Grundlagen, S.8.
A. Problemstellung
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Demgegenüber wird nach der als „Interdependenz der Ordnungen" benannten Sichtweise der Bezugspunkt unter dem gemeinsamen Aspekt der gesellschaftlichen Ordnung angenommen, im Rahmen welcher Wirtschafts- und Rechtsordnung füreinander relevant werden. 255 Wirtschaft und Recht orientieren sich danach gleichermaßen an den Leitbildern für die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse und beurteilen Steuerungsmechanismen primär vor dem Hintergrund ihrer Eignung zur Verwirklichung der entsprechenden Wertvorstellungen. 256 Einen weiteren Brückenschlag stellt Behrens letztlich unter der Bezeichnung „Denken in Alternativen" vor, welche er erkennbar als die zutreffende Interpretation der heute vielfach unter dem Schlagwort der „ökonomischen Analyse des Rechts" bekannt gewordenen Verbindung zwischen den beiden Disziplinen erachtet. Durch den Bezug über die Kategorie der menschlichen Handlung könne (nur) auf diese Weise ein einheitlicher und dennoch gleichermaßen maßgeblicher Handlungsbegriff zugrundegelegt werden. 257 Grundlegend sei insoweit, die menschliche Handlung als Entscheidung zwischen Alternativen zu begreifen. Im Ergebnis ziele dieser Ansatz nicht darauf ab, das Recht ökonomisch zu instrumentalisieren; er verfolge vielmehr die Absicht, „die spezifisch rechtlichen Wertgesichtspunkte auszumachen, die sich nicht auf Wertgesichtspunkte anderer Disziplinen reduzieren lassen", um so die juristische Argumentation einer größeren Rationalität zuzuführen. 258 Die dergestalt durch Behrens konkretisierte „ökonomische Analyse des Rechts" findet ihren Ursprung in den USA. Dieser Ansatz ist dort bereits in den frühen siebziger Jahren unter dem Schlagwort „property-rights Theorie" 259 entwickelt worden. 260 Wie gesehen, qualifiziert er rechtliche Regelungen mit dem Ziel, die länger255
Behrens, a.a.O., S.8f. Behrens, a. a. O., S. 9 mit der eingehenden Nachzeichnung einer entweder ordoliberalen oder marxistischen Ausprägung innerhalb dieser Strömung. 257 Behrens, a.a.O., S.21. 258 Behrens, a. a.O., S.27. 259 Property Rights werden als Handlungsrechte übersetzt. Darunter versteht man akzeptierte Verhaltensweisen von Menschen, die aus der Existenz von Gütern erwachsen und sich auf ihren Gebrauch beziehen und die jedermann in seinen Beziehungen zu anderen Personen beachten muß, wenn er nicht die Kosten der Nichtbeachtung tragen will, vgl. Schäfer-Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.78. Zur juristischen Definition der Handlungsrechte als Anspruchsbündel, von Dritten ein Tun oder Unterlassen im Sinne von § 194 BGB verlangen zu können siehe Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht - Eine juristische und ökonomische Analyse ausgewählter Probleme für Wirtschaftswissenschaftler und interdisziplinär interessierte Juristen unter besonderer Berücksichtigung der „ökonomischen Analyse des Rechts" und der „Theorie der Property Rights", S.32. Kritisch zur „Property-Rights-Theorie" siehe Hösch, Eigentum und Freiheit, S.94ff., der unter Verweis auf Tomuschat (S. 96, Fn. 125) vor den Gefahren einer Überbetonung der Effizienzkriteriums als Maxime staatlicher Wirtschaftspolitik warnt. 260 Grundlegend Posner, Economic Analysis of Law; Coase, The Problem of Social Cost, 3 Journal of Law & Economics; Calabresi, The Costs of Accidents - A Legal and Economic Analysis. 256
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Teil 1: Einführung
fristigen Folgen ihrer selbst herauszustellen, in erster Linie unter Berücksichtigung des Menschenbildes vom rationalen, egoistischen Menschen 2 6 1 , ihrer allokativen Effizienz und der aus ihr resultierenden Kosten-Nutzen-Effizienz 262 : „Das ökonomische Verhaltensmodell und das wohlfahrtsökonomische Effizienzziel sind die beiden wichtigsten konzeptionellen Bausteine der ökonomischen Analyse des Rechts"263. Seine Intention geht letztlich dahin, Gesetzgeber und Praktiker in die Lage zu versetzen, die soeben dargestellten ökonomischen Kriterien und Konsequenzen bei ihrer Entscheidungsfindung mit einzubeziehen, um so - und dies ist der Kernpunkt - die Konsequenzen einer rechtlichen Regelung in der Rechtswirklichkeit (adäquater) ermitteln und beurteilen zu können. 2 6 4 Kurz gesagt ist es damit Ziel des Ansatzes von „law & economics", sämtliche juristischen Entscheidungen, einschließlich der Gesetzgebung, auf der Basis von Kosten-Nutzen-Erwägungen zu treffen. 2 6 5 Die praktische Umsetzung der ökonomischen Analyse des Rechts hat mittlerweile auch in Deutschland deutlich Fuß gefaßt, was sich an ihrem Vordringen in nahezu jeden rechtlichen Bereich deutlich zeigt. 2 6 6 Die Nutzen bzw. die Nutzungsarten eines solchen Verfahrens sind in der Literatur heute vielfach aufgearbeitet worden. Morlok stellt in diesem Zusammenhang eine Aufzählung von sechs Gruppen rechtswissenschaftlicher Nützlichkeiten bzw. Vorteile der ökonomischen Theorie zusammen, die mit der Akzentuierung wirtschaftlicher Fragen beginnt. 2 6 7 Ob dieser Umstand bereits als Vorteil erachtet werden kann, 261 Sog. Homo oeconomicus in der MikroÖkonomik, vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S.29ff.; siehe auch die eingehende Darstellung des Menschenbildes des alten und des neuen homo oeconomicus bei Gröschner, Der homo oeconomicus und das Menschenbild des Grundgesetzes, in: Engel/Morlok, Öffentliches Recht als ein Gegenstand ökonomischer Forschung, S. 31 ff.; hierzu ebenfalls Kirchgässner, Es gibt keinen Gegensatz zwischen dem Menschenbild des Grundgesetzes und dem homo oeconomicus!, in: Engel/Morlok, Ökonomische Forschung, S.49ff. und insbesondere S.56f.; vgl. fernerden Überblick bei Burow, JUS 1993,8 (9). 262 Zur durch die Wohlfahrtsökonomik beeinflußten Verwendung des Kaldor-Hicks-Kriteriums anstelle des Pareto-Kriteriums im Rahmen des dort zugrundegelegten Effizienzverständnisses eingehend Eidenmüller, Rechtsprinzip, S. 17 ff. und insbes. S.56; zur Modifikation des Kaldor-Hicks-Kriteriums durch Dechsling vgl. Clerico, Struktur, S. 114; vgl. ferner Burow, JUS 1993, 8 ff. mit der überblicksartigen Darstellung der weiteren - vorliegend unbedeutsamen - Grundannahmen der ökonomischen Analyse des Rechts; siehe auch die „Steuerungsziele" bei Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 104. 263 Eidenmüller, a. a. O., S. 57. 264 Eidenmüller, a. a. O., S. 57; ähnlich Morlok, Vom Reiz und vom Nutzen, von den Schwierigkeiten und den Gefahren der Ökonomischen Theorie für das Öffentliche Recht, in: Engel/ Morlok, Ökonomische Forschung, S. 1. 265 Peters, DÖV 2001, 749 (753). 266 Mit amerikanischen Texten in deutscher Übersetzung vgl. Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse; siehe weiter Lehmann, Bürgerliches Recht und Handelsrecht; Walz, Sozialwissenschaften im Zivilrecht; Horn, AcP 176 (1976) 307ff.; Gotthold, ZHR 144 (1980) 545 ff.; Kirchner, ZHR 144 (1980) 563 ff.; eingehend ferner Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 3 mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 11. 267 Vgl. Morlok, Reiz und Nutzen, in: Engel/Morlok, Ökonomische Forschung, S.5.
A. Problemstellung
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erscheint zweifelhaft. Vielmehr ist er Grundvoraussetzung der ökonomischen Analyse des Rechts zu begreifen, die hieraus resultierende Verminderung der „wirtschaftlichen Naivität des Rechts" als zwangsläufiger Begleitumstand, der jedoch keine weitergehende Wertung zuläßt. Ebenso verhält es sich mit den Gesichtspunkten der Entscheidungsorientierung und der wirklichkeitswissenschaftlichen Ausrichtung. Sowohl Jurisprudenz als auch Ökonomie seien auf Entscheidungsfindung angelegt, daher eigne sich eine Verquickung beider Disziplinen zu einer einheitlichen, durch die andere Wissenschaft angereicherten oder besser bereicherten Entscheidungsfindung. 268 Durch die wirklichkeitswissenschaftliche Ausrichtung könne der voraussichtliche Erfolg rechtlicher Regelungen besser abgesehen werden, wodurch die Rechtspolitik wichtige Informationen erhalte. 269 Diese Erkenntnisse mögen die grundlegende Möglichkeit der Zusammenarbeit von Ökonomie und Recht bekunden, sie sagen jedoch gleichfalls nichts über eine etwaige Qualität selbiger aus. Weiter wird der Aspekt der methodischen Klarheit genannt, durch welchen die „bunte Methodenvielfalt" und das mangelnde Methodenbewußtsein der Rechtswissenschaft aufgefangen werden könne. 270 Auch diesem muß kritisch entgegengetreten werden, zumal die ökonomische Analyse ihren Anwendungsbereich nur jeweils im Rahmen oder in Verbindung mit der so kritisierten Methodenvielfalt erfahren wird. Eine Reduktion ihrer selbst dürfte dagegen nicht zu erwarten sein. Weiter nennt Morlok einzelne Konzepte der konstitutionellen politischen Ökonomie und benachbarter Forschungszusammenhänge.271 Auch hierdurch werden lediglich weitergehende Anwendungsbereiche der ökonomischen Theorie erläutert, nicht jedoch ihre konkreten Verdienste für einzelne Rechtsgebiete hinterfragt. Die bislang genannten Aspekte eignen sich daher vielmehr zur Begründung eines wissenschaftlichen Fundaments der ökonomischen Analyse des Rechts. Morlok 212 selbst scheint diesen Umstand erkannt zu haben, spricht er denn von dem „virtuellen Nutzen" der ökonomischen Ansätze für das Recht (im Gegensatz zu den spezifischeren Nützlichkeitsbedingungen, die er allerdings unbenannt läßt). Einen tatsächlichen, das heißt faßbaren Vorteil stellt Morlok jedoch letztlich unter dem Schlagwort der „Beförderung der Rationalität" vor. 273 Durch die oben bereits aufgezeigte ökonomisch ausgerichtete (Verhaltens-)Folgenbetrachtung von Normen werde ein vermehrt instrumentalistisches Verständnis des Rechts gefördert. 268
Morlok, a.a.O., S.7. Morlok, a.a.O., S.9. 270 Morlok, a. a.O.,S.5. 271 Vgl. Morlok, a.a.O., S.7f. 272 Morlok, a.a.O., S. 10. 273 Morlok, a. a. O., S. 10; eingehend zum Aspekt des Realitätsgehalts der ökonomischen Annahmen Posner, Recht und Ökonomie: Eine Einführung, in: Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse, S. 88 ff. 269
4 Guthke
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Teil 1: Einführung
Die Norm werde hierdurch viel eher als Mittel zum Zweck erachtet, wodurch sie ihre normtheoretische Rechtfertigung erlange. Zudem wird durch den methodischen Ansatz der konstitutionellen politischen Ökonomie der soziale Austausch in einer den Wohlstand fördernden und die Humanität entwickelnden Weise erleichtert und verbessert. Trotz der dargestellten Vorteile, die aus dem hinter der ökonomischen Analyse des Rechts stehenden Grundgedanken erwachsen können, ist selbige in der Vergangenheit - maßgeblich anhand dreier Punkte - stets scharf kritisiert worden 274 : die Realitätsferne der ökonomischen Modelle, der Universalitätsanspruch der ökonomischen Analyse und die Bezeichnung derselben als Gerechtigkeitstheorie. 275 Darüber hinaus wird dem besagten Ansatz die mangelnde vollständige Meßbarkeit, Berechenbarkeit und interpersonale Aufrechenbarkeit der notwendigerweise zu berücksichtigenden, wertgebundenen gesellschaftlichen und politischen Nutzen und Kosten vorgeworfen, die dazu führe, daß jedenfalls der Gesichtspunkt der Effizienz nicht als exklusive Leitlinie von Gesetzgebung und Rechtsprechung herangezogen werden könne. 276 Diese Ansätze zur Kritik werden im Rahmen des Lösungsansatzes maßgeblich auf ihre Haltbarkeit hin zu untersuchen sein. 4. Definition der Multipolarität und die daraus entstehende Problematik Bedingt durch die Notwendigkeit einer thematischen Eingrenzung konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die Erörterung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Kompensationsmodellen im sogenannten multipolaren Verhältnis. 277 Der Begriff der Multipolarität kennzeichnet ein Dreiecksverhältnis dergestalt, daß es sich dabei um den durch eine verwaltungsrechtliche Ordnungsnorm geregelten Konflikt zwischen Privatrechtssubjekten handelt.278 274 Mit viel Polemik zum Wert der ökonomischen Analyse des Rechts bei Fezer, JZ 1986, 817 ff.; ders. JZ 1988,223 ff.; vgl. auch die eingehende Darstellung bei Morlok, Reiz und Nutzen, in: Engel/Morlok, Ökonomische Forschung, S. 10ff. 275 Burow, JUS 1993,8 (11) m. w.N. in Fn.34; kritisch auch Britz, Die Verwaltung 30 (1997) 185 (187 f.) mit dem Hinweis auf die oftmals mangelnde Deckungsgleichheit zwischen ökonomischen und rechtlichen Sichtweisen und Wertungssystemen. 276 Eingehend Eidenmüller, Rechtsprinzip; Peters, DÖV 2001, 749 (753). 277 Zur Problematik der Zurechnung von staatlich genehmigten Schutzgutsbeeinträchtigungen im multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis siehe Huber, der unter Bezugnahme auf die Terminologie von Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 31 ff., eine Unterscheidung wechselbezüglichen und kehrseitigen Verwaltungsrechtsverhältnissen vornimmt, im Rahmen derer die Zurechnungen auf unterschiedliche Art und Weise vorgenommen werden, vgl. Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 19 Abs. IV, Rn.415ff. 278 Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 1 mit dem Hinweis auf starke terminologische Differenzen im Rahmen der Literatur in Fn. 1.
B Zusammenfassung
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Dem Staat fällt als „Drittem" insoweit die Aufgabe der Konfliktschlichtung zu, wodurch das „Horizontalverhältnis der Bürger-Bürger-Relation" den Schwerpunkt der Betrachtung ausmacht.279 Die Schwierigkeit der hier entstehenden Problematiken resultiert in erster Linie aus der bloß bipolaren Prägung der verwaltungsrechtlichen Dogmatik und dem Umstand, daß - entsprechend dieser Ausrichtung - auch das subjektiv öffentliche Recht auf das Verhältnis zwischen Staat und Bürger zugeschnitten ist. 280 Daher bedarf es im folgenden einer Übertragungsleistung, die vorrangig in den Blickwinkel zu nehmen hat, inwieweit konzeptionell für die bipolare Streitschlichtung geschaffene Überlegungen auch eine angemessene Konfliktlösung im Dreiecksverhältnis bewirken können und an welcher Stelle demgegenüber insoweit gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. In diesem Bereich hat das Verwaltungsrecht heute vielfach einfachgesetzliche Konkretisierungen erfahren, die solche Nachteile am Eigentum kompensieren sollen, welche durch eine staatliche Eingriffshandlung bewirkt werden. 281 Dieser Gedanke kommt - mit einer entsprechenden Verpflichtung zum internen finanziellen Ausgleich zwischen Privaten - auch im multipolaren Verhältnis zum Tragen, das heißt dann, wenn der Staat nicht selbst eingreift, dennoch aber einem Privaten eigentumsrelevante Tätigkeit mit Drittbezug erlaubt, sogenannte bürgerlich-rechtliche Aufopferung. 282 Die so dargestellte, gedankliche Übertragung auf die Ebene des Verfassungsrechts wird im folgenden daher primär anhand der Analyse der tatbestandlichen Voraussetzungen solcher Normen erfolgen, die bereits von der Gegebenheit privater Konfliktgegner ausgehen.
B. Zusammenfassung Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Rechtsprinzip beurteilt die Relation zwischen den eingriffsweise durch ein staatliches Handeln tangierten Rechtsgütern und den förderungsweise durch dieses Handeln tangierten Rechtsgütern unter Beachtung von Grad und u. U. Dauer der jeweiligen Tangierung anhand der grundgesetzlich vorgegebenen Ordnungs- und Wertstruktur und erklärt diese Relation nach Maßgabe des so gefundenen Ergebnisses für rechtlich bedenklich oder unbedenklich. 279
Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 1 f. Schmidt-Preuß, a.a.O., S.3. 281 Vgl. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14, Rn.217. 282 Vgl. hierzu Külpmann, Enteignende Eingriffe?, S.43, 46, 73 ff. Eine insoweit mit dem Kurzberichterstattungsbeschluß vergleichbare Problematik im „Dreiecksverhältnis" zeigt sich in der aktuell durch das OVG Hamburg angenommenen Streitfrage um die Genehmigung der Airbus-Landebahn in Hamburg, vgl. hierzu den Teilbeschluß vom 19. Februar 2001 in: NordÖR 2001, 135 ff.; eingehende Darstellung in Teil 2. A. 1.1. c). 280
4*
Teil 1: Einführung
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Die so vorzunehmende Güterabwägung dient der Ermittlung des Rangs eines Gutes oder Wertes, zu dessen Wahrung ein staatlicher Eingriff vorgenommen wird, im Verhältnis zum Rang des vom Eingriff betroffenen Gutes oder Wertes. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist demnach ein Anwendungsfall der Güterabwägung. Er konkretisiert diese dergestalt, als daß er einen bestimmten Abwägungsmaßstab festlegt. Ein spezifisch eigentumsrechtlicher Gehalt des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Zusammenhang mit der Eigentumsgarantie kann nicht angenommen werden. Das den Wirtschaftswissenschaften entstammende ökonomische Prinzip dient der individuellen Nutzenmaximierung durch Herstellung der optimalen Relation zwischen Kosten und Nutzen beim Vorgang der Güterherstellung. Unter Berücksichtigung des allgemeinen Extremumprinzips kann diesen Vorgaben in zweierlei Hinsicht nachgekommen werden: Durch die entweder vorrangige Beachtung des Grundsatzes der Effektivität oder der Effizienz. Die Möglichkeit der Heranziehung selbiger Grundsätze zur Beurteilung der Eignung und der Rechtswirksamkeit von Normen ist heute stark umstritten und bildet den Kernbereich der „ökonomischen Analyse des Rechts". Die in diesem Zusammenhang entstehenden Probleme sind vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Handlungsrationalitäten ökonomischen und rechtlichen Handelns zu lösen.283 Im Ergebnis besteht das Problem damit in der Suche nach der angemessenen Vereinbarkeit beider Orientierungen. 284
283 284
Morlok, Reiz und Nutzen, in: Engel/Morlok, Ökonomische Forschung, S. 19. Morlok, a.a.O.
Teil 2
Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle I. Art. 14 I I I GG Im Anwendungsbereich des Art. 14 GG sind grundlegend zwei Garantiebereiche enthalten.1 Während die Absätze 1 und 2 die „Inhalts- und Schrankenbestimmungen" durch den Gesetzgeber betreffen und auch als „sonstige Eigentumsbeeinträchtigungen"2 benannte eigentumsbelastende Realakte oder auch Einzelfallregelungen, wie zum Beispiel Verwaltungsakte, sich an diesem Maßstab messen lassen müssen3, betrifft Absatz 3 demgegenüber ausschließlich den dort geregelten Sonderfall der Enteignung. Diese kann „durch Gesetz" oder „aufgrund eines Gesetzes" erfolgen; sie ist entweder Legal- oder Administrativenteignung: „Die Legalenteignung ist dadurch gekennzeichnet, daß das Gesetz selbst und unmittelbar mit seinem Inkrafttreten ohne weiteren Vollzugsakt individuelle Rechte entzieht oder beschneidet, die einem bestimmbaren Kreis von Personen oder Personengruppen nach dem bis dahin geltenden Recht zustehen."4 Demgegenüber ist die sogenannte Administrativenteignung als Regelfall anzusehen5, die „nach dem System des Grundgesetzes nur in eng begrenzten Fällen als zulässig angesehen werden kann."6 Als eine solche wird die „Enteignung durch Verwaltungsakt auf Grund eines Gesetzes"7 oder durch eine un1 Schulze-Osterloh zeigt auf, daß die von der herrschenden Meinung im Rahmen der Abgrenzung von privatrechtlicher zu öffentlichrechtlicher Eigentumsaufopferung vorgenommene Orientierung an der Rechtsnatur der eigentumsbeeinträchtigenden Maßnahme zugleich eine Zuordnung zu diesen beiden Geltungsbereichen des Art. 14 GG mit sich bringe. Die hierdurch bedingte Drittwirkungsthese beinhalte, daß für Art. 14 Abs. III GG jede Privatrechtswirkung geleugnet werde, diese für Art. 14 Abs. I GG hingegen bejaht werde, Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S.43f. 2 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn.43; Pieroth/Schlink, StR II, Rn.925ff. 3 Jarass, NJW 2000, 2841. 4 BVerfGE 52, 1 (27); vgl. auch bereits E45, 297 (325 f.). 5 Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.73. 6 BVerfGE 24, 367 (402f.); 45, 297 (331). Mischformen zwischen Legal- und Administrativenteignung sind nicht zulässig, vgl. BVerfGE 45, 297 (330ff.). 7 BVerfGE 52, 1 (27).
Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
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tergesetzliche Norm, wie eine Rechtsverordnung oder Satzung8, aufgrund einer formell-gesetzlichen Grundlage bezeichnet. Die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Entschädigungsleistung für jedwede Art der Eigentumsbeeinträchtigung besteht anders als bei einer Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nur im Falle der Enteignung, wodurch sich die Bedeutung der Abgrenzung 9 beider Anwendungsbereiche voneinander erklären läßt. Vor der Darstellung der spezifischen Ausgleichsfunktion im Rahmen des Art. 14 Abs. III GG bedarf es daher einer Erläuterung des Enteignungsbegriffes. In der Kleingartenentscheidung10 hat das Bundesverfassungsgericht die Enteignung als „... staatliche(n) Zugriff auf das Eigentum des einzelnen, der seinem Zweck nach auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen gerichtet ist, die durch Art. 1411 gewährleistet sind" 11 definiert. Damit legte das Bundesverfassungsgericht einen weit engeren Enteignungsbegriff als der Bundesgerichtshof 12 zugrunde, der bis zum Naßauskiesungsbeschluß13 des Bundesverfassungsgerichts mehr oder minder jede unzulässige Eigentumsbeschränkung erfaßte. 14 Nach vorgezeichnetem Verständnis ist die Enteignung daher auf Bestandsdurchbrechung gerichtet. 15 Sie dient im klassischen Fall der staatlichen Güterbeschaffung. Ihr Zugriff erstreckt sich auf solche Rechtspositionen, die auf der Grundlage der geltenden Eigentumsordnung geschaffen oder erlangt wurden. 16 Der Schutz dieser Eigentumspositionen durch Art. 14 Abs. IS. 1 GG bedingt die Notwendigkeit, jeden Grundrechtseingriff insoweit an dem in Art. 14 Abs. III S. 2 zum Ausdruck kommenden Gesetzesvorbehalt zu messen. 8
Zur Zulässigkeit der Administrativenteignung durch Rechtsverordnung oder Satzung vgl. bejahend Hendler, DVB1 1983, 873 (876f.); Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.557ff.; Schmidt-Aßmann, JUS 1986, 833 (836); Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 112ff.; Ossenbühl, JUS 1993, 200 (202); Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn.325; a. A. Schwabe, JZ 1983, 273 (276f.). 9 Siehe hierzu Teil 2. A. II. 2. 10 BVerfGE 52, 1. 11 BVerfGE 52, 1 (27); vgl. auch BVerfGE 56, 249 (260); ähnlich bereits E45, 297 (325 f.). 12 Grundlegend zur Verschiedenartigkeit der durch das Bundesverfassungsgericht und den Bundesgerichtshof herangezogenen Enteignungsbegriffe siehe noch BGHZ 99, 24 (26f.). Eingehend zu den von der Rechtsprechung unter der Herrschaft des weiten Enteignungsbegriffes vertretenen Ansätzen siehe Teil 2. A. II. 2. a) aa) und bb). Zu den auch als „Umschlagtheorien" bezeichneten, diesbezüglichen Ansätzen der Literatur vgl. ferner Ekey, Die Verminderung von Eigentümerrechten im Spannungsfeld zwischen Art. 141 S. 1 GG und Art. 141S. 2 GG, S.209ff.; Nguyen, Kriterien, S.40ff. und S.64ff. 13 BVerfGE 58, 300. 14 Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rn.341 ff.; Nguyen, Kriterien, S.5. 15 In diesem Sinne Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 325; Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht: Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 148 f.; SchulzeOsterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 233 ff. 16 In diesem Sinne Schmitt-Kammler, NJW 1990, 2515 (2517).
A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle
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Die spezifische Ausgleichsfunktion der Enteignung verfolgt demnach die Zielsetzung, die personalen17 und sozialen Funktionen18 des grundsätzlich im Wege des Bestandsschutz gesicherten Eigentumsobjekts im Fall der Enteignung durch dessen Wertausgleich zu kompensieren und damit fortwirken zu lassen.19 Sie kann daher - wie auch die „Junktim-Klausel"20 - als grundrechtssichernd bezeichnet werden. Mithin ist das Merkmal der vollständigen oder teilweisen „Entziehung" und der dadurch bewirkte Rechts- oder Vermögensverlust als das entscheidende Kriterium der Enteignung anzusehen.21 Es soll daher im (dreipoligen) Kontext der Enteignung zugunsten Privater näher beleuchtet werden. 1. Enteignung zugunsten Privater als mehrpoliges Modell a) Problematik der Allgemeinwohlbezogenheit Der Erfordernis der Allgemeinwohltauglichkeit, welches als ein im öffentlichen Interesse stehender, gesetzlich vorgegebener und konkreter Enteignungszweck definiert wird 22 , scheint im Falle einer Entziehung von privatrechtlichem Eigentum durch den Staat zugunsten eines anderen Privaten auf den ersten Blick nur schwerlich erfüllbar zu sein. Dennoch kann unter Umständen auch eine solche „Enteignung zugunsten Privater" 23 der verfassungsrechtlich geforderten Zweckbindung genügen. 17 Unter den personalen Funktionen des Eigentums versteht man solche, die das Eigentum als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des einzelnen kennzeichnen, vgl. hierzu insbesondere BVerfGE 53, 257 (292): „Für dessen Gestaltungsfreiheit (des Gesetzgebers, Anm. des Verfassers) sind Eigenart und Funktion des Eigentumsobjekts von maßgeblicher Bedeutung, die zu einer gewissen Stufung des Schutzes führen: Dem Gesetzgeber sind enge Grenzen gezogen, soweit es um die Funktion des Eigentums als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen geht. Dagegen ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung um so weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht." Neben den individuell-ökonomischen Funktionen im Zusammenhang mit der Existenzsicherung wird hierzu eine allgemeine Entfaltungs- und die Prestigefunktion gezählt, eingehend hierzu Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 170ff. und S. 190ff. 18 Vgl. insoweit BVerfGE 42,263 (294); 50,290 (340); 53,257 (292); 70,191 (201); 84,382 (385). 19 Die in Art. 14 Abs. III S. 1 umschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Enteignung wird daher oft dergestalt mißinterpretiert, als daß sie als bloße Wertgarantie erachtet wird. Vgl. generell zum Verhältnis von Eigentumsbestands- und Wertgarantie Rozek, Unterscheidung, S. 143, 194. Hierzu eingehend Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 233 ff., 255 ff. 20 So etwa Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 88. 21 So auch BVerfGE 83, 201 (211). 22 Umfassende Darstellung der Definitionsproblematik bei Schmidbauer, Enteignung, S.91 ff. 23 Zum Begriff Schmidbauer, Enteignung, S.29.
Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
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Den Schwerpunkt der hier entstehenden Problemkreise bildet letztlich die Frage, ob und in welcher Weise ein staatlich durch eine Enteignung begünstigter Privater den mit der Enteignung verfolgten Zweck verwirklichen darf. 24 Einigkeit besteht zunächst noch insoweit, als daß eine Enteignung zugunsten Privater dann als unzulässig angesehen wird, wenn der mit ihr verfolgte Zweck ausschließlich in der Förderung der privaten Interessen des Enteignungsbegünstigten besteht, zumal auf diesem Wege andernfalls eine grundgesetzlich nicht vorhergesehene Wertigkeit von Eigentumsbeständen bewirkt würde. 25 Zur Qualifikation anderer Sachlagen ist nachfolgend von der Dreiecks-Konstellation des Kurzberichterstattungsbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts auszugehen, in dessen Rahmen die Zielvorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Form der Verfolgung eines legitimen, gemeinwohlorientierten Zweckes (Ermöglichung bzw. Verwirklichung der objektivrechtlichen Dimension der Rundfunkfreiheit) erst durch die grundrechtliche Einschränkung, das heißt durch die Gestattung der Kurzberichterstattung, erreicht werden konnten. Daher erscheint es notwendig, um die abstrakte Zulässigkeit einer solchen Konstruktion für andere Grundrechte beurteilen zu können, im Rahmen der Enteignung jene Konstellationen näher zu beleuchten, in denen ein Privater aus Gründen des öffentlichen Interesses begünstigt wird und über oder durch diese Begünstigung in die Lage versetzt wird, (auch) private, insbesondere wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. 26 Die insoweit zu begutachtenden Aspekte fokussieren sich - hier wie dort - letztlich in einer Frage: Unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang darf die Verfolgung welcher öffentlichen Interessen durch einen Privaten wahrgenommen werden? 27 Zu ihrer Beantwortung soll näher auf nachfolgende Fallkonstellationen eingegangen werden.
24
Jackisch, Die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater, S. 19. Jackisch, a.a.O., S. 108f. m. w.N. in Fn.99; so auch Schmidbauer, Enteignung, S. 151; vgl. insoweit noch VG Hamburg, NordÖR 2001, 34 (35). 26 Vgl. hierzu Jackisch, Zulässigkeit, S. 149. 27 Im Zusammenhang mit der Enteignung zugunsten Privater stellt Jackisch den Kernpunkt der Problematik deutlich heraus, indem er darauf hinweist, daß es schwer vorstellbar sei, daß der Enteignungsbegünstigte lediglich aus altruistischen Motiven handelt; vielmehr sei in der Regel von einer Inkongruenz eigener und öffentlicher Interessen auszugehen, wodurch die Beurteilung der Zulässigkeit einer solchen Enteignung erschwert werde, vgl. Jackisch, Zulässigkeit, S. 150. 25
A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle
b) Boxberg-Urteil
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des Bundesverfassungsgerichts
aa) Sachverhalt Die Firma Daimler-Benz plante, im Raum Boxberg-Assamstadt auf einem etwa 614 Hektar großen Gebiet eine Teststrecke für Kraftfahrzeuge zu errichten. Anläßlich dieser Ausrichtung wurden durch die Gemeinden Boxberg und Assamstadt spezielle Bebauungspläne („Sondergebiet Prüfgelände") aufgestellt, im Rahmen derer das Allgemeinwohlerfordernis dergestalt konkretisiert wurde, als daß ausdrücklich auf die mit der geplanten Teststrecke einhergehenden wirtschaftlichen Vorteile für die entsprechenden Regionen hingewiesen wurde. Diese sollten in erster Linie in der Überwindung der Strukturschwäche des Raums von Boxberg und Assamstadt und darüber hinaus in der Schaffung von Arbeitsplätzen liegen. Vor diesem Hintergrund wurde durch die Gemeinden ein sogenanntes städtebauliches Unternehmensflurbereinigungsverfahren gemäß § 144 f. BauGB in Verbindung mit § 87 Abs. I FlurbG 28 eingeleitet, durch welches die Landbeschaffung gewährleistet werden sollte. Gegen die Anordnung der Flurbereinigung sind Rechtsbehelfe in allen Instanzen eingelegt worden.
bb) Entscheidung des Gerichts Während die vor dem VGH Mannheim und dem Bundesverwaltungsgericht erhobenen Klagen der durch das Projekt betroffenen Landwirte ohne Erfolg blieben29, gab das Bundesverfassungsgericht der daraufhin eingelegten Verfassungsbeschwerde statt. Das Urteil, welches insoweit die enteignungsdogmatischen Grundlinien der Entscheidungen „Hamburger Deichordnung" 30, „Kleingärten" 31 , „Dürkheimer Gondelbahn" 32 und „Naßauskiesung"33 fortentwickelt, steht im Spannungsverhältnis zwischen verfassungsrechtlicher Dogmatik und einfachgesetzlichem Enteignungsverfahren. 34 28 Anders als das städtebauliche Flurbereinigungsverfahren (BVerfGE 74, 264 [280]) wird die normale (Regel-)Flurbereinigung gemäß §§1, 37 FlurbG, ebenso wie die städtebauliche Umlegung, als eine Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. IS. 2 GG und gerade nicht als Enteignung angesehen, vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, DVB1 1982,152 ff. 29 Voraufgehende Entscheidungen: VGH Mannheim ES VGH 33, 21 (Normenkontrolle); VGH Mannheim ES VGH 34,24 und BVerwGE 71,108 = NVwZ 1985,739 (Flurbereinigung); VGH Mannheim NVwZ 1986,490 (einstweiliger Rechtsschutz). 30 BVerfGE 24, 367. 31 BVerfGE 52, 1. 32 BVerfGE 56, 249. 33 BVerfGE 58, 300. 34 Schmidt-Aßmann, NJW 1987, 1587.
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Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
Dies zeigt sich primär daran, daß die Verneinung der Zulässigkeit der Enteignung maßgeblich auf den Umstand gestützt wurde, daß der oben skizzierte Enteignungszweck nicht gesetzlich in § 85 Abs. I Nr. 1 BauGB normiert sei.35 Die für die Region angeführten Vorteile in Form von Verbesserung der Wirtschaftsstruktur und Schaffung von Arbeitsplätzen seien nicht als städtebauliche Belange zu qualifizieren und daher im Rahmen der Enteignung nicht als dem Allgemeinwohl dienend berücksichtigungsfähig. Auch die Bebauungspläne könnten mangels Gesetzesqualität nicht als geeignet angesehen werden, eine solche Entscheidung zu ersetzen.36 cc) Besonderheiten des Falles Die so dargestellte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist in der verfassungsrechtlichen Literatur vielfach auf Kritik gestoßen. In diesem Zusammenhang wurde maßgeblich die Frage erörtert, inwieweit es - bei Zugrundelegung eines weiteren Verständnisses der planakzessorischen Enteignung - nur auf die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplanes als Voraussetzung für die Durchführung der Enteignung ankommen könne.37 Vor diesem Hintergrund will Schmidt-Aßmann mit einer insoweit dem Bundesverwaltungsgericht 38 vergleichbaren Argumentation bereits die Planaufstellung als hinreichende Voraussetzung für eine Konkretisierung des Enteignungszwecks begreifen. 39 Für die Behandlung der hier zu lösenden Problematik sind diese Fragen allerdings ohne Belang. Daher soll ihnen an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. 40 Festzuhalten bleibt insoweit lediglich, daß die für die Enteignung herangezogenen öffentlichen Interessen im Einzelfall gesetzlich normiert sein müssen, um so die Enteignung rechtfertigen zu können. Entscheidend sind vielmehr folgende Ausführungen: Die Person des Enteignungsbegünstigten wird nahezu vollständig in den Hintergrund gerückt. 41 Der qualifizierte Enteignungszweck bildet den Schwerpunkt der Betrachtung. 42 Damit wird jedenfalls deutlich, daß Allgemeinwohlinteressen zulässigerweise durch Privatpersonen verfolgt werden dürfen 43; daneben verfolgte Pri35
BVerfGE 74, 264 (287). BVerfGE 74, 264 (288). 37 Papier, JZ 1987, 619 (620f.). 38 Vgl. BVerwGE 71, 108 (124). 39 Schmidt-Aßmann, JZ 1987, 1587 (1589). 40 Eingehend hierzu Brugger, ZfBR 1987, 63 ff. 41 BVerfGE 74, 264 (284f.). 42 BVerfGE 74, 264 (285). 43 Diese auch in der Literatur weit verbreitete Erkenntnis war von Böhmer im Sondervotum zum Urteil vom 10.03.1981 (vgl. BVerfGE 56, 266) in Frage gestellt worden. 36
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vatinteressen haben daher mit Blick auf die verfassungsmäßige Zulässigkeit der Enteignung keine Bedeutung. Darüber hinaus wird (erstmalig) eine Enteignung zugunsten Privater selbst dann als zulässig angesehen, wenn der Unternehmensgegenstand selbst nicht in der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, wie beispielsweise der Daseinsvorsorge, besteht, sondern statt dessen ein normaler privat- bzw. erwerbswirtschaftlicher ist. 44 Ein solch bloß mittelbares Erwachsen der Vorteile für das Allgemeinwohl wird dann als hinreichend für die Zulässigkeit einer Enteignung erachtet, wenn den besonderen Anforderungen an die gesetzliche Konkretisierung (...) des Enteignungszwecks hinreichend Rechnung getragen wird. 45 In einem solchen Fall allerdings habe der Gesetzgeber zudem für die dauerhafte Sicherung des Enteignungszweckes Sorge zu tragen. 46 Diese sichernden Vorbehalte werden - soweit nicht bereits geschehen - nachfolgend zu beachten sein. c) Airbus-Landebahn Hamburg aa) Sachverhalt und voraufgehende Entscheidung Ausgangspunkt des aktuell in Hamburg vorherrschenden juristischen Streits sind mehrere Klagen vor dem Verwaltungsgericht, mit denen unter anderem Anwohner die Erweiterung der EADS-Flugzeugwerft in Finkenwerder auf Kosten des Landschaftsschutzgebietes Mühlenberger Loch verhindern wollten. 47 Das Verwaltungsgericht hatte im Beschluß vom 18. Dezember 2000 48 und vom 09. Januar 2001 den Anträgen der Kläger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes stattgegeben und einen Stop der Bauarbeiten verfügt, die eigentlich schon im Dezember 2000 hätten beginnen sollen. Zur Begründung führten die Verwaltungsrichter aus, daß es sich bei der Erweiterung der Flugzeugwerft um ein privatnütziges und kein gemeinnütziges Vorhaben handele.49 Damit seien zu erwartende Lärmbelastungen von den Anwohnern nicht hinzunehmen.50
44
BVerfGE 74, 264 (286). BVerfGE 74, 264 (285 f.). 46 BVerfGE 74, 264 (286). Eingehend zur Dauerhaftigkeit der Allgemeinwohl Verfolgung Jackisch, Zulässigkeit, S. 162ff.; vgl. hierzu auch die Darstellung bei Schmidbauer, Enteignung, S. 227 ff. 47 Vgl. VG Hamburg, Az 15 VG 3918/2000 und 15 VG 3923/2000, in: NordÖR 2001,34ff. 48 VG Hamburg, NordÖR 2001, 34 ff. 49 VG Hamburg, NordÖR 2001, 34 (35). 50 VG Hamburg, NordÖR 2001, 34 (40). 45
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Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
bb) Entscheidung des OVG Hamburg Das Oberverwaltungsgericht der Hansestadt hob mit Beschluß vom 19.02.2001 den vom Verwaltungsgericht verfügten Baustop auf und wies die Gegenanträge der vier Anwohner ab.51 Nach Ansicht des OVG wiegen die Nachteile, die mit einem weiteren Baustop verbunden wären, für die Wirtschaftsbehörde und die EADS schwerer als die Nachteile der Antragsteller. Die entscheidende Frage danach, ob das Planvorhaben rechtlich als privatnützig oder gemeinnützig einzuordnen sei, ließ das OVG offen. 52 Statt dessen sind die Erfolgsaussichten der Klagen in beiden Alternativen betrachtet worden. Im Falle einer Gemeinnützigkeit hätten die Kläger „die verbleibenden Beeinträchtigungen durch den Fluglärm hinzunehmen". So seien ein Schutz durch passive Lärmschutzmaßnahmen auf Kosten des Unternehmens - zum Beispiel ein Einbau von Lärmschutzfenstern - oder eine Geldentschädigung möglich. Im Falle der Privatnützigkeit hält es das OVG für möglich, daß privatnützige Vorhaben gestattet werden können, wenn die für Nachbarn entstehenden Nachteile durch Auflagen ausgeglichen werden. 53 Offengelassen wurde die Frage, inwieweit bei einer Privatnützigkeit die Rechte der Kläger dem Projekt entgegenstehen, wenn die Lärmbelästigung zum Beispiel auf der Terrasse unzumutbar ist. Dies sei höchstrichterlich nicht geklärt und könne „in diesem Verfahren (...) nicht sicher beantwortet werden". Weiterhin sei nicht völlig klar, ob überhaupt mit derart schwerwiegenden Lärmbeeinträchtigungen zu rechnen sei. „Das Ausmaß des Fluglärms kann abschließend erst nach weiterer Sachaufklärung in den Klageverfahren beurteilt werden", erklärte das OVG. cc) Besonderheiten des Falles Eine - wenn auch nur mittelbar dem Gemeinwohl dienende - Enteignung zugunsten eines privaten Unternehmens stellt die durch das OVG erteilte Genehmigung nicht dar. Im vorliegenden Bereich des Fachplanungsrecht kommt der Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 14 Abs. III GG nicht zum Tragen; vielmehr konkretisieren und begrenzen bereits die Fachplanungsgesetze den Kreis der planfeststellungsfähigen Vorgaben. Die thematische Nähe des Sachverhalts zu Fragen des Allgemeinwohlbezuges wird jedoch durch nachfolgende Ausführungen und inhaltliche Bezugnahmen auf das zuvor dargestellte Boxberg-Urteil augenscheinlich: „Das Bundesverfassungsgericht hält (sogar) eine (...) Enteignung zu Gunsten eines privaten Unternehmens für möglich, dessen Vorhaben nur mittelbar dem Gemeinwohl dient (vgl. Ur51
Vgl. den Beschluß des 2. Senats vom 19.02.2001 (2 Bs 370/00) - OVG Hamburg, NordÖR 2001,135 ff. 52 OVG Hamburg, NordÖR 2001, 135 (136f.). 53 OVG Hamburg, NordÖR 2001, 135 (137 f.).
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teil v. 24.3.1987, BVerfGE Bd. 74, S. 274, 285), fordert indessen im Hinblick auf die damit verbundenen Gefahren eines Mißbrauchs besondere Voraussetzungen, insbesondere was die Bestimmung und die Sicherung des Gemeinwohlbezuges betrifft (...). Dies legt es nahe, daß im Fachplanungsrecht auch unterhalb der Ebene der Enteignung mittelbar dem Gemeinwohl dienende Ziele und Wirkungen einem in erster Linie privatnützigen Vorhaben besonderes Gewicht verleihen und die Duldungspflicht Dritter über die Grenze hinaus erhöhen können, die bei der Verwirklichung rein privater Vorhaben besteht. Es wäre schwer nachvollziehbar, daß ein Vorhaben, das geringere, gleichwohl aber nicht lediglich unerhebliche Nachteile für Dritte zur Folge hat, strengeren inhaltlichen Zulassungsvoraussetzungen als eine Enteignung unterliegen soll." 54
Vor diesem Hintergrund wird das in Rede stehende Projekt sodann schulmäßig auf die auch bereits im Boxberg-Urteil zur Begründung des (mittelbaren) Allgemeinwohlbezuges herangezogenen Kriterien der wirtschaftlichen Strukturförderung und der Schaffung neuer Arbeitsplätze hin überprüft. 55 Eine Entscheidung dieser Frage erfolgt allerdings nicht. 56 Die durch das Bundesverfassungsgericht als grundsätzlich für möglich gehaltenen Faktoren, die zur Begründung des Allgemeinwohls - sofern sie nur gesetzlich vorgesehen sind - bemüht werden können bzw. müssen, werden mit Blick auf die darüber hinaus explizit geforderte Voraussetzung der Dauerhaftigkeit der Sicherung selbiger sodann dergestalt in Frage gestellt, als daß die Frage aufgeworfen wird, ob es hierauf jedenfalls nicht mehr in dem Maße ankommen könne, sofern „es nicht um eine auf Dauer angelegte Eigentumsentziehung, sondern nur um eine tatsächliche Beeinträchtigung geht" 57 . Zwar sei diese Fragestellung in der Rechtsprechung bisher nicht entschieden. Dennoch könne eine Klärung dieser „bundesrechtliche(n) Frage von grundsätzlicher Bedeutung" im Eilverfahren nicht erfolgen. Aufgrund dessen erscheint es an dieser Stelle sachgerecht, zunächst der insoweit relevanten (Vor-)Frage nachzugehen, in welchem Umfang tatsächliche Beeinträchtigungen die Schwelle der Enteignung erreichen können. Das oben aufgezeigte, klassische Element der Güterbeschaffung wird durch das Bundesverfassungsgericht nicht als zwingend erforderlich angesehen; es sei ausreichend, wenn eine Maßnahme beabsichtigt, „zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben konkrete subjektive Eigentumspositionen (...) ganz oder teilweise zu entziehen (Enteignung im verfassungsrechtlichen Sinn)" 58 . 54
OVG Hamburg, NordÖR 2001, 135 (136). Ob diese Kriterien im Wege einer gesetzlichen Normierung überhaupt einen für Art. 14 Abs. III S. 1 GG hinreichenden Allgemeinwohlbezug begründen könnten, entscheidet das Bundesverfassungsgericht im Boxberg-Urteil nicht. 56 Vgl. OVG Hamburg, NordÖR 2001, 135 (137). 57 OVG Hamburg, NordÖR 2001, 135 (137). 58 BVerfGE 71, 137 (143); 72, 66 (76); 79, 174 (191). 55
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Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
Depenheuer will demgegenüber Fälle der bloßen Beschränkung des Eigentums ohne Überleitung in eine fremde Rechtsinhaberschaft nicht mehr als Enteignung werten. 59 Wen dt schlägt zur Lösung derartiger Problemlagen vor, eine Orientierung anhand materieller Gesichtspunkte vorzunehmen, wonach eine Enteignung im Falle einer besonders intensiven Beeinträchtigung anzunehmen sein soll. 60 Eine solche Sichtweise muß vor dem Hintergrund der durch das Naßauskiesungsurteil des Bundesverfassungsgerichts völlig umstrukturierten Trennungssystematik61 als dogmatisch verfehlt abgelehnt werden. Maurer erörtert in diesem Zusammenhang weiter, ob die Bejahung einer Enteignung dann sachgerecht sei, wenn die Nutzung der Eigentumsposition durch ihre vollständige Entwertung gänzlich unmöglich gemacht werde. 62 Auch solche Überlegungen dürften trotz ihrer (vermeintlich 63) interessengerechten Zielrichtung vor dem Hintergrund der jüngst durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Denkmalschutzurteils gemachten Ausführungen kaum haltbar sein. Hier weist es deutlich darauf hin, daß eine Inhalts- und Schrankenbestimmung selbst dann noch als eine solche zu qualifizieren sei, wenn der Eingriff „in seinen Auswirkungen für den Betroffenen einer Enteignung nahe- oder gleichkommt"64. Wieland fordert demgegenüber die Notwendigkeit einer rechtlichen Abtrennbarkeit des entzogenen Eigentumsteils für die Annahme einer Enteignung.65 Auch dieser Ansatz ist jedoch erheblichen Bedenken ausgesetzt: Die von der Enteignung betroffenen Rechtspositionen sind regelmäßig in einzelne Nutzungen teilbar, so daß ein durch Enteignung entzogener Teil des Eigentums stets gegeben wäre. 66 Dennoch ist der so angesprochene Gesichtspunkt der Trennbarkeit unter einem anderen Aspekt für die in Rede stehende Beurteilung einer Enteignung nutzbar: Berücksichtigt man primär, daß die Enteignung in der Regel einen Enteignungsbegün59 Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.215; ebenso Rittstieg, in: AK-GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 187. 60 Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 150. 61 Siehe hierzu Teil 2. A. II. 2. b) und c). 62 Maurer, Allg. VwR, § 26, Rn. 48. Zur analogen Anwendung der Junktim-Klausel auf rechtsaufhebende Inhalts- und Schrankenbestimmungen vgl. ferner Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen des Grundeigentums - ungelöste Fragen in der Dogmatik von Art. 14 GG, S. 56ff. 63 Unter Berücksichtigung des vom Bundesverfassungsgericht heute in ständiger Rechtsprechung anerkannten Instituts der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung würde ein interessengerechtes Ergebnis ebenso im Falle der Qualifizierung als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Wege einer finanziellen Ausgleichszahlung oder einer entsprechenden Übeigangsregelung herbeigeführt werden, so daß eine rein ergebnisorientierte Argumentation zur Begründung einer Enteignung allenfalls mit Blick auf die Höhe der Entschädigungsleistung durchgreifen kann; vgl. BVerfGE 83, 201 (212 f.); BVerwGE 88, 191 (197). 64 BVerfGE 100, 226 (240). 65 Wieland, in: Dreier, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.71; ebenso Maurer, Allg. VwR, §26, Rn.47. 66 Ähnlich Rozek, Unterscheidung, S. 202 ff.
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stigten kennt, so erscheint die Annahme einer Enteignung immer dann sachgerecht, wenn über die (durch Trennung) entzogene Rechtsposition mit Blick auf die mit ihr verbundenen Nutzungs- und Gestaltungsrechte durch die enteignungsbegünstigte Person in gleicher Weise disponiert werden kann, wie durch den Eigentümer selbst.67 Schlägt sich eine durch den Entzug bewirkte, bloße Beschränkung hingegen nur zu Gunsten der Allgemeinheit und nicht zu Gunsten eines konkret Enteignungsbegünstigten - sei es die öffentliche Hand oder eine Privatperson - nieder, so muß eine Enteignung abgelehnt werden. Vor diesem Hintergrund muß die oben aufgeworfene Frage, inwieweit tatsächliche Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel Lärm- 68 oder Verkehrs(lärm)immissionen 69 , die Schwelle der Enteignung erreichen können, wie folgt beantwortet werden: Dem Inhaber der Emissionsgenehmigung erwachsen durch selbige keine Nutzungs- oder Gestaltungsrechte am Eigentum des durch die Emission Beeinträchtigten; tatsächliche Beeinträchtigungen sind daher in aller Regel als Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu qualifizieren.
2. Zusammenfassung Eine Enteignung zugunsten Privater liegt begrifflich vor bei einer Enteignung, die einen anderen Privaten gewollt und gezielt begünstigt und diesem Privaten die Verwirklichung des Gemeinwohlzwecks überläßt. 70 Eine anderweitig geartete Rechtfertigung für die Enteignung als das Allgemeinwohl ist unter dem Grundgesetz nicht möglich. Mithin ist der unbestimmte und gerichtlich voll nachprüfbare Rechtsbegriff des „Wohls der Allgemeinheit" der entscheidende Begriff des Enteignungsrechts, also auch der Enteignung zugunsten Privater. Die hier bestehenden Anforderungen können durch fiskalische oder rein private Interessen nicht erfüllt werden, vielmehr ist eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem mit der Enteignung verfolgten öffentlichen Interesse und den widerstreitenden öffentlichen und privaten Erhaltungsinteressen vorzunehmen.71 Folglich kann der Begriff des Allgemeinwohls nicht abschließend und allgemeinverbindlich definiert werden.72 Jedenfalls muß die Allgemeinwohlverfolgung mit Blick auf ihre Dauerhaftigkeit garantiert und abgesichert sein und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.
67
Vgl. insoweit Manssen, Staatsrecht I, Rn. 594. Siehe nur BVerfGE 72, 66 (76f.). 69 Siehe dazu BVerfGE 79, 174 (191 f.). 70 Vgl. Schmidbauer, Enteignung, S.29. 71 So auch Schmidbauer, Enteignung, S. 138 und insbesondere S. 147 ff. 72 Zur These der Undefinierbarkeit des Allgemeinwohls vgl. Schmidbauer, Enteignung, S. 115. 68
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Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
II. Art. 14 Abs. I S . 2 GG 1. Gesetzliche Regelung im Vergleich zu Art. 14 Abs. I I I GG In Abgrenzung zur Enteignung ist die Inhaltsbestimmung nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts geprägt durch die „generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind"; sie zielt - anders als der konkret-individuelle Charakter der Enteignung - auf die „Normierung objektivrechtlicher Vorschriften", welche „den Inhalt des Eigentums (...) in allgemeiner Form bestimmen", ab.73 Inwieweit die Normen dabei einen privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen Charakter aufweisen, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Im Rahmen der Qualifizierung der verfassungsrechtlichen Rechtsstellung des Eigentümers wirken bürgerliches Recht und öffentlichrechtliche Gesetze gleichrangig zusammen.74 Zusammenfassend lassen sich Inhaltsbestimmungen75 daher in Abgrenzung zur Enteignung als abstrakt-generelle Regelungen beschreiben. Sie bestimmen den Inhalt des Eigentums vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft und sind auch auf eine solche Neubestimmung des Eigentumsinhalts hin gerichtet. 76 2. Spannungsverhältnis/Abgrenzung zu Art. 14 Abs. I I I GG Die langjährige Fortentwicklung der zwischen Enteignung einerseits und Inhaltsund Schrankenbestimmung andererseits bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten hat ihren Ursprung im verfassungsrechtlichen Verständnis des Eigentumsbegriffes. Während das Bundesverfassungsgericht früher von einem einheitlichen, verfassungsrechtlich unmittelbar gewährten Eigentumsbegriff ausgegangen ist 77 , lag es in der Konsequenz dieser Sichtweise Art. 14 Abs. IS. 2 GG als bloßen Gesetzesvorbehalt zu begreifen. Vor diesem Hintergrund mußte jedes Gesetz, welches der Sozialbindung des Art. 14 Abs. II GG Rechnung trug, mitsamt seinem Vollzug als Grund73
BVerfGE 72, 66 (76); vgl. auch BVerfGE 52, 1 (27); 58, 137 (144f.). BVerfGE 58, 300 (336); ebenso in E72, 66 (77); 74, 129 (148). 75 Zum Verhältnis der Inhaltsbestimmung zur Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. IS. 2 GG eingehend Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nach Art. 141S. 1,2 GG, S. 105 ff.; vgl. zur Unterscheidung auch Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz in der Europäischen Union, S. 112 ff. 76 BVerfGE 58, 300 (330f.); siehe ferner Thormann, Abstufungen, S.82 und S.92ff. (vgl. insbesondere S. 97ff.). 77 Dies wird deutlich, wenn es ausführt, das Eigentum werde so geschützt, „wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben"; vgl. nur BVerfGE 1, 264 (278); 2, 380 (402); 4, 219 (240); 11, 64 (70); 19, 354 (370); eingehend zur Entwicklung Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S.6ff.; siehe auch Jackisch, Zulässigkeit, S.64. 74
A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle
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rechtseingriff erachtet werden. Mithin wurde ein Abgrenzungskriterium zwischen sozialbindenden Maßnahmen und Enteignungen erforderlich. 79 Als maßgebliches Merkmal wurde von allen Theorien eine die Eingriffsintensität der Maßnahme, das heißt das Ausmaß der Belastung, berücksichtigender Ansatz verfolgt. 80 Der gemeinsame Grundgedanke liegt jeweils in der Annahme, „die Enteignung lasse sich von der Entschädigungsbedürftigkeit einer Maßnahme her bestimmen"81. Neben der durch das Reichsgericht favorisierten, formal orientierten Einzelaktstheorie 82 und der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Schweretheorie hat das Sonderopferkriterium des Bundesgerichtshofes maßgebliche Bedeutung erlangt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht das zuvor skizzierte, einheitlich-verfassungsrechtliche Verständnis vom Inhalt des Eigentums bereits mit der Entscheidung BVerfGE 21, 73 ff. aufgegeben 83, wodurch - letztlich erst im Anschluß an die Naßauskiesungsentscheidung84 des Bundesverfassungsgerichts - die aufgezeigten Ansätze für die besagte Abgrenzung obsolet wurden. Dennoch sollen die hier entwikkelten Theorien kurz nachgezeichnet werden, zumal sie heute im Zusammenhang mit der Frage nach der Notwendigkeit einer durch im Einzelfall übermäßig belastenden Inhalts- und Schrankenbestimmungen erforderlich gewordenen, finanziellen Ausgleichszahlung nach weit verbreiteter Ansicht neu zum Tragen kommen85 bzw. die sie maßgeblich ausfüllenden Kriterien heute wichtige Teilaspekte86 der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne darstellen.
78
Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S.6. Jackisch, Zulässigkeit, S.64. 80 Nguyen, Kriterien, S. 3. 81 Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 7. Demgegenüber wird nach heutiger Entschädigungsdogmatik über die Entschädigungsbedürftigkeit (in erster Linie) von der Art der formal zu qualifizierenden Maßnahme ausgehend entschieden. 82 Eingehende Darstellung der „Geburtsstunde" der Enteignungstheorien bei Jackisch, Zulässigkeit, S. 30ff.; zu den dogmatischen Grundlagen der Einzelaktstheorie vgl. auch Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 10 ff. 83 Wahl, NVwZ 1984,401 (405 mit Fn.33); vgl. auch Böhmer, NJW 1988, 2561 (2567 mit Fn. 46). 84 BVerfGE 58, 300. 85 Zur Renaissance der Abgrenzungstheorien in diesem Zusammenhang siehe Thormann, Abstufungen, S. 119 ff.; kritisch Schmid, Verfassungsmäßigkeit, S.49f.; siehe ferner Pietzcker, JUS 1991,369 (371). 86 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn. 35. 79
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Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
a) Schwellentheorien früher* 1 (sogenannter „weiter Enteignungsbegriff") aa) Bundesgerichtshof: Sonderopferkriterium Wie dargestellt, existierte bei Zugrundelegung eines dem § 903 BGB verwandten Eigentumsbegriffes im Rahmen des Verfassungsrechts nach allen Abgrenzungstheorien eine jeweilige „Schwelle", bei deren Überschreitung eine Maßnahme entschädigungsbedürftig und somit zur Enteignung wurde. 88 Der Bundesgerichtshof übernahm bereits 1952 in der Entscheidung BGHZ 6,270 (280) den durch das Reichsgericht verwendeten Ansatz des „Einzelakts" 89 , welcher sodann unter der zusätzlichen Berücksichtigung materieller 90 Kriterien dahingehend ausgebildet wurde, daß eine Enteignung hiernach immer dann anzunehmen war, wenn dem von der Maßnahme Betroffenen, ein besonderes, die Allgemeinheit nicht treffendes Opfer an Vermögenswerten Rechten zugemutet wurde. 91 Demnach unterschied sich die Enteignung von der entschädigungsfreien Sozialbindung durch ihren Charakter als Einzelakt, der dem Betroffenen ein sogenanntes „Sonderopfer" aufbürde: „Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz kennzeichnet die Enteignung."92 Dieses Sonderopfer könne durch die Zahlung einer Entschädigung kompensiert werden. Die so skizzierte, maßgeblich an materiellen Kriterien orientierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hatte bei Zugrundelegung eines derart „weiten Enteignungsbegriffes" zur Folge, daß eigentumsbeeinträchtigende Maßnahmen lediglich auf ihre enteignende Wirkung hin überprüft wurden. In Konsequenz dessen bestand nicht nur im Falle der klassisch förmlichen, das heißt rechtmäßigen, Enteignung nach Art. 14 Abs. III S. 1 GG die Möglichkeit einer Enteignungsentschädigung; ne87 Eine Übersicht über die darüber hinaus in der Literatur vertretenen Abgrenzungstheorien findet sich bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 174f.; Kimminich, in: BK, GG, Art. 14, Rn. 196ff.; Breuer, Bodennutzung, S.50ff. Eingehend zu diesen in der Literatur auch als „Umschlagtheorien" bezeichneten Ansätzen Ekey, Eigentümerrechte, S. 209ff.; vgl. zum Teil auch Nguyen, Kriterien, S.40ff. (Schutzwürdigkeitstheorie und Zumutbarkeitslehre) und S.64ff. (Privatnützigkeitstheorie). 88 Vgl. Schmidt-Aßmann, DVB11987,216 (219) - „In ihrer Wirkung markieren sie (inhaltsbestimmender und enteignender Eingriff, Anm. des Verfassers) zwei Bereiche auf einer gleitenden Skala der Beeinträchtigungsintensität."; zur Fortwirkung der überkommenen Vorstellungen vgl. insbes. Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S.9ff.; Schwabe, Die Misere des Eigentumsbegriffs, in: FS Thieme, S. 251 ff. 89 Kritische Darstellung der Einzelaktstheorie bei Nguyen, Kriterien, S.27ff. 90 Zur Sonderopfertheorie als materiellem Ansatz vgl. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 132ff.; Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 197ff., 204. 91 Siehe ferner BGHZ 54, 293 (296); 60, 126 (131 f.); 60, 145 (147). 92 In diesem Sinne BGHZ 6, 270 (277 ff.); vgl. hierzu auch Sass, Entschädigungserfordernis, S. 14 m. w. N. in Fn. 31.
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ben dieser Form des Ausgleichs wurden zudem die Institute des für die Folgen von rechtswidrigen Eingriffen vorgesehenen „enteignungsgleichen Eingriffs" 93 und des „enteignenden Eingriffs" 94 geschaffen, nach welchem meist auch unzumutbare atypische und unvorhergesehene Nebenfolgen eines an sich rechtmäßigen Eingriffs ausgeglichen werden konnten.95 Gerade der Umstand, daß auf diesem Wege nicht nur der unmittelbar demokratisch legitimierte Gesetzgeber, sondern auch allein die Gerichte eine Entschädigung selbst dann gewähren konnten, wenn das den Eingriff gestattende Gesetz keinen Ausgleich vorsah, wird heute vor dem Hintergrund der aktuellen, durch das Naßauskiesungsurteil geprägten Eigentumsdogmatik als besonders bedeutsam angesehen.96 Insbesondere der hieraus resultierende Aspekt der großen Flexibilität einer derart angelegten und dem Grundsatz „Dulde und Liquidiere" 97 folgenden Rechtsprechung muß als vorteilhaft bewertet werden. 98 Demgegenüber werden die durch eine solchen Praxis bedingte mangelnde Voraussehbarkeit staatlichen Handelns und die sich hieraus ergebende mangelnde Rechtsklarheit als maßgeblich negative Gesichtspunkte erachtet.99 bb) Bundesverwaltungsgericht: Schwere und Tragweite Wie der Bundesgerichtshof sah auch das Bundesverwaltungsgericht die entschädigungslose Inhaltsbestimmung des Eigentums und die entschädigungspflichtige Enteignung als zwei unmittelbar aneinandergrenzende Bereiche der Eigentumsbeeinträchtigung an, die sich qualitativ nur mit Blick auf ihre unterschiedliche Eingriffsintensität voneinander unterscheiden ließen.100 93
Eingehende Nachzeichnung der Entwicklung bei Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S.8ff.; Sass, Entschädigungserfordernis, S. 14ff. 94 Umfangreiche Beispiele aus der Rechtsprechung bei Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 27 ff.; vgl. ferner Külpmann, Enteignende Eingriffe?, S. 16ff. 95 Schmid, Verfassungsmäßigkeit, S. 39; die so dargestellten Institute finden heute ihre Grundlage im einfachen Recht, vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn. 50. 96 Schmid, Verfassungsmäßigkeit, S.40. 97 Nach diesem Grundsatz war der Bürger nicht zwangsläufig darauf angewiesen, die eigentumsbeeinträchtigende Maßnahme im Wege des Primärrechtsschutzes anzugreifen. Vielmehr konnte er sie dulden und sodann nachträglich auf Entschädigung klagen, vgl. hierzu Sass, Entschädigungserfordernis, S.9f.; Ossenbühl, NJW 1983,1 (4); Bender, JZ 1986,888 (889); Melchinger, NJW 1991,2524 (2526 m. w. N.). Im Ergebnis standen sich Eigentumsbestandsgarantie und Eigentumswertgarantie nach dieser Rechtsprechung auf gleicher Stufe ergänzend gegenüber, siehe dazu Jackisch, Zulässigkeit, S. 66. 98 Siehe insofern Pietzcker, JUS 1991, 369 (370). 99 Schmid, Verfassungsmäßigkeit, S.40 mit Fn.56; eingehend zu allen weiteren Kritikpunkten die gegen den weiten Enteignungsbegriff vorgebracht werden Sass, Entschädigungserfordernis, S. 28 ff. 100 Vgl. Nguyen, Kriterien, S.47f. *
Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
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Die insoweit maßgebliche „Schwelle", ab welcher die Maßnahme bedingt durch ihre besonders hohe Eingriffschwere als Enteignung zu qualifizieren war, wurde hier durch einen heute als „Schweretheorie" bezeichneten Ansatz gekennzeichnet.101 Nach diesem liegt „das Merkmal der entschädigungspflichtigen Enteignung in seiner Abgrenzung zur entschädigungslosen Inhaltsbestimmung des Eigentums nicht in dem erwähnten Merkmal des besonderen Opfers, sondern in dem materiellen Moment der Schwere und Tragweite des Eingriffs." 102 Die parallele Entwicklung zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zeigt sich bereits an dem Umstand, daß - abgesehen von Fällen förmlicher Enteignung - ebenso das Augenmerk auf die „enteignende Wirkung" der Maßnahme gerichtet wurde. 103 Selbst die Tatsache, daß sich das Bundesverwaltungsgericht - anders als der Bundesgerichtshof - maßgeblich auf den Zumutbarkeitsfaktor und gerade nicht auf eine mögliche Verletzung des Gleichheitssatzes konzentrierte 104, ließ beide Ansätze gerade im Bereich besonders intensiver und rechtswidriger Handlungen zum selben Ergebnis führen, zumal selbige sowohl dem Gleichheitssatz entgegenstehen, als auch unzumutbar sind. 105 Die Herausbildung und Beachtung unterschiedlicher Definitionen wie Gesichtspunkte in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Bereich von Abwehr-, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen führt Sass in erster Linie auf die gegenüber der ordentlichen Gerichtsbarkeit veränderte Aufgabenstellung und Zielsetzung zurück, die primär auf die rechtmäßige Gestaltung von korrekten Hoheitsmaßnahmen ausgerichtet ist. 106 Hieraus resultierende Differenzen sind jedoch für die vorliegend anzustellenden Überlegungen ohne Belang und müssen daher unberücksichtigt bleiben.
b) Naßauskiesungsurteil
des Bundesverfassungsgerichts
aa) Sachverhalt Das entscheidende Problem des Naßauskiesungsbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts bestand in der Lösung der Frage, inwieweit der gesetzliche Ausschluß 101
Vgl. hierzu Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Rn. 271 f. BVerwGE 5,143 (145); siehe auch E7,297 (299); 11,68 (75); vgl. E19,94 (98 f.); 32,173 (179); 50,282 (287 f.); 61,295 (303); BVerwG NJW1962,2171; BVerwG DÖV1974,390 (391). 103 Vgl. BVerwGE 5,143 (145f. m. w.N.); 15, 1 (2f.); 32,173 (178f.); 47,144 (154f.); 49, 365 (367); 51, 121 (138); 55, 272 (278f.); 61, 295 (303). 104 Dennoch finden sich auch in der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts zum Teil ergänzende Prüfungen des Gleichheitssatzes, vgl. nur BVerwGE 3, 335 (338); BVerwG MDR 1962, 1013 (1015). 105 Krumbiegel, Der Sonderopferbegriff in der Rechtsprechung des BGH, S. 136 f., 146. 106 Sass, Entschädigungserfordernis, S.26f. 102
A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle
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von der Nutzung des Grundwassers einen Eingriff in das durch § 905 BGB gewährleistete Recht des Grundeigentümers, auf den Erdkörper unter der Oberfläche zugreifen zu dürfen, darstellen kann. Das Problem wurde deshalb akut, weil der Kläger beabsichtigte, ein Kiesvorkommen auszubeuten, was zur Konsequenz hatte, daß Grundwasser zutage trat. Hierfür ist allerdings nach § 3 Abs. I Nr. 6 WHG eine Nutzungserlaubnis selbst dann erforderlich, wenn der so bewirkte Zugriff auf das Grundwasser überhaupt nicht beabsichtigt ist. 107 Diesem Aspekt hatte der Bundesgerichtshof in seinem Vorlagebeschluß besondere Aufmerksamkeit geschenkt: Es sei zu berücksichtigen, daß der Eigentümer die Nutzung des Grundwassers gar nicht beabsichtige, sondern sich statt dessen des Grundwassers erwehren 108 müsse. Unter diesen Umständen sei die Unterstellung des Grundwassers unter eine öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung als eine „tote Sozialbindung" zu erachten. 109 Damit mußte im Ergebnis der Frage nachgegangen werden, inwieweit es - vor dem Hintergrund der Gewährleistung des § 905 BGB - mit der Verfassung vereinbar sein kann, daß das Grundeigentum nicht zu einer das Grundwasser berührenden Grundstücksnutzung berechtigt, die nach dem WHG eine behördliche Genehmigung erforderte, welche ohne eine Entschädigung versagt wurde.
bb) Entscheidung des Gerichts Das WHG wurde durch das Bundesverfassungsgericht für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Wenn das Verhältnis zwischen Grundeigentum und Grundwasser dergestalt neu geschaffen werde, daß dem Eigentümer die Grundwassernutzung entschädigungslos versagt bliebe, so sei dies eine Regelung im Sinne von Art. 14 Abs. I S.2GG. 1 1 0 Die Nichterteilung der Erlaubnis stelle keinen Rechtsentzug dar, zumal das WHG es im Wege der wasserrechtlichen Genehmigung lediglich gestatte, den im Grundwasser befindlichen Kies abzubauen.111 Eine Legalenteignung im Verhältnis zum früheren Recht, welches dem Grundeigentümer die Wasserbenutzung gestattete, könne nicht angenommen werden, da die 107
Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, §3, Rn.57; Siedler/Zeitler/Dahme, WHG, §3, Rn. 22. 108 Vgl. hierzu die parallelen Ausführungen in BVerfGE 58, 300 (312). 109 BGH, NJW 1978, 2290 (2293). - Ablehnend BVerfGE 58, 300 (345). 110 Vgl. BVerfGE 58, 300 (338). 1,1 BVerfGE 58, 300 (336f.).
Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
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öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung zeitlich nur für solche Fälle gelte, die nach dem Inkrafttreten des WHG verwirklicht würden. 112 Es liege allenfalls eine gesetzliche Neubestimmung des objektives Rechts vor, welches das Verhältnis des Inhalts des Grundeigentums zum Grundwasser regele. Eine der Bestandsgarantie unterfallende Rechtsposition werde durch eine derartige Regelung nicht entzogen, weshalb eine (Legal-)Enteignung nicht anzunehmen sei. 113 Eine solche Problematik sei nur dann zu erörtern, wenn von einer nach früherem Recht möglichen Nutzungsbefugnis bereits Gebrauch gemacht worden sei und diese entzogen werde. 114 cc) Besonderheiten des Falles Die Flut von literarischen Stellungnahmen, welche durch den am 15.07.1981 erlassenen Naßauskiesungsbeschluß ausgelöst wurde 115 , verwundert insbesondere vor dem Hintergrund, daß die bisher in Literatur und Rechtsprechung unter dem Schlagwort der „Umschlagtheorien" 116 entwickelte Trennungsdogmatik zwischen Art. 14 Abs. IS. 2 GG und Art. 14 Abs. III GG in ihren Grundfesten erschütternden und vollständig umwälzenden Entscheidungen bereits kurz vor der Naßauskiesungsentscheidung ergangen sind. 117 Bereits in der Entscheidung zur Kleingartenpacht und der Gondelbahnentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die beiden Institute randscharf voneinander abzugrenzen versucht, indem es darauf hingewiesen hat 118 , eine generell-abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch objektivrechtliche Vorschriften mit Wirkung für die Zukunft sei ausschließlich als Inhaltsbestimmung anzusehen und könne selbst dann nicht eine Enteignung sein, wenn sie die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit von dem Art. 14 Abs. I S. 2 unterfallenden Normen überschreite. Eine verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung sei nicht in eine entschädigungspflichtige Enteignung umdeutbar. Auch bestehe nicht die Möglichkeit, eine solche durch die Zubilligung einer gesetzlich nicht vorgesehenen Entschädigung zu heilen. 119 112
BVerfGE 58, 300 (337). BVerfGE 58, 300 (337 f.). 114 BVerfGE 58, 300 (337 f.). 115 Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 12ff.; ders., JUS 1983, 104ff.; Leisner, DVB1 1983, 61 ff.; Kimminich, NuR 1985, lff.; Ossenbühl, NJW 1983, lff.; Papier, NVwZ 1983, 258 ff.; Bender, BauR, 1 ff.; Schwabe, JZ 1983,273 ff.; Battis, NVwZ 1982,585 ff.; Baur, NJW 1982, 1734ff.; Rittstieg, NJW 1982, 721 ff.; ders. JZ 1983, 161 ff.; siehe aber auch bereits Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 ff.; vgl. ferner Hendler, DVB1 1983, 873 ff. 116 Eingehend hierzu Ekey, Eigentümerrechte, S. 209ff. 117 Schönfeld, Eigentumsgarantie, S. 32 - „der (...) inhaltlich allerdings gar nicht so neuen Naßauskiesungsentscheidung". 118 BVerfGE 52, 1 (27 f.); 56, 249 (260 ff.). 119 BVerfGE 46, 268 (286); vgl. auch wieder in E58, 300 (323f.). 113
A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle
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Diese Ausführungen werden nun im Naßauskiesungsbeschluß verfestigt, indem betont wird, der Gesetzgeber könne im Zusammenhang mit Art. 14 GG in folgenden Formen eigentumsrelevante Vorschriften normieren: 120 - Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. I S. 2 GG, mit denen die Rechte und Pflichten des Eigentümers generell und abstrakt festgelegt werden. - Legalenteignungen nach Art. 14 Abs. III S. 2 GG, mit welchen einem bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis konkrete Eigentumsrechte entzogen (das heißt, auf diese „zugegriffen" 121) werden, die auf Grund der allgemein geltenden Gesetze im Sinne des Art. 14 Abs. I S. 2 GG rechtmäßig erworben wurden. - Administrativenteignungen ebenfalls nach Art. 14 Abs. III S. 2 GG, bei denen der Gesetzgeber der Exekutive die Ermächtigung erteilt, konkretes Eigentum einzelner zu entziehen. Auf eine kurze Formel gebracht, läßt sich die Differenzierung daher wie folgt darstellen: Die Inhaltsbestimmung ist eine abstrakt-generelle Regelung, die Enteignung konkret-individueller Entzug. 122 Neben dieser auch im Rahmen des Urteils nahezu lehrbuchartig präsentierten Darstellung der bereits in den vorangegangenen Entscheidung vorgenommenen Umstrukturierung der Entschädigungsdogmatik nimmt das Bundesverfassungsgericht erstmalig ausdrücklich zur Zulässigkeit des enteignungsgleichen Eingriffs Stellung. Es führt aus, daß die durch den Bundesgerichtshof bisher ausgeübte Praxis, im Falle einer als verfassungswidrig qualifizierten Inhalts- und Schrankenbestimmung dem beeinträchtigten Eigentümer eine Enteignungsentschädigung nach Art. 14 Abs. III GG zukommen zu lassen, unzulässig sei. 123 Art. 14 Abs. III S. 2 GG normiere den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Entschädigung, daher müßten Inhalt und Umfang des von Enteigneten geltend gemachten Ausgleichsanspruches explizit gesetzlich vorgesehen sein. Hierdurch werde eine Zuständigkeitsbeschränkung gegenüber den ordentlichen Gerichten zum Ausdruck gebracht, die nicht nur
120 So zusammengestellt bei Schönfeld, Eigentumsgarantie, S. 32; vgl. auch Albrod, Inhaltsund Schrankenbestimmungen, S.58f. 121 Die Betonung des Merkmals des Zugriffs im Naßauskiesungsbeschluß macht in Abweichung zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes deutlich, daß nur finale, nicht aber unbeabsichtigte oder zufällige Nebenfolgen dem Merkmal der Enteignung unterfallen sollen, vgl. hierzu Schmid, Verfassungsmäßigkeit, S. 47; siehe zum Merkmal der Finalität auch Thormann, Abstufungen, S.93. 122 Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 54, 58; Ossenbühl, JUS 1993, 200 (203); vgl. auch ders., Staatshaftungsrecht, S. 178; Pieroth/Schlink, StR II, Rn.920ff.; besonders kritisch Thormann, Abstufungen, S.98f. 123 BVerfGE 58, 300 (320); vgl. bereits die vorangegangenen Zweifel im Rahmen der Siedlungslandentscheidung in BVerfGE 46, 268 (285 f.).
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im Falle der Enteignung gelte. 124 Mangels einfachgesetzlicher Anspruchsgrundlage könne daher kein Entschädigungsanspruch zugebilligt werden. 125 Darüber hinaus wird die bisher für möglich erachtete Entschädigungsvorgehensweise des „Dulde und Liquidiere" auf die alleinige Möglichkeit des Primärrechtsschutzes zurückgedrängt: „Er (der Betroffene, Anm. des Verfassers) kann aber nicht unter Verzicht auf die Anfechtung eine ihm vom Gesetz nicht zugebilligte Entschädigung beanspruchen; mangels gesetzlicher Grundlage können die Gerichte auch keine Entschädigung zusprechen. Der Betroffene hat hiernach kein Wahlrecht, ob er sich gegen eine wegen Fehlens der gesetzlichen Entschädigungsregelung rechtswidrige „Enteignung" zur Wehr setzen oder unmittelbar eine Entschädigung verlangen will. Läßt er den Eingriffsakt unanfechtbar werden, so verfällt seine Entschädigungsklage der Abweisung." 126
Hier werden vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Beachtung des dem Gesetzgeber grundgesetzlich zugewiesenen Kompetenzbereiches im Einklang mit der nahezu zeitgleich ergangenen Pflichtexemplarentscheidung die ersten Ansätze127 zementiert, in Art. 14 Abs. IS. 1 mehr zu sehen, als eine bloße Eigentumswertgarantie 128 : Eine Eigentumsbestandsgarantie.129 Ziel einer solchen Interpretation des Bundesverfassungsgerichts soll es sein, primär den Bestand des Eigentums in der Hand des jeweiligen Eigentümers zu sichern. 130 Als Konsequenz hieraus kann gezogen werden, daß - jedenfalls im Grundsatz - nur im Falle der Enteignung die Bestandsgarantie zur Wertgarantie „verfällt". 131 Die Kontinuität in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Beibehaltung der so dargestellten Prämissen des Naßauskiesungsbeschlusses zeigt sich nicht zuletzt am Enteignungsbegriff der bereits aufgezeigten BoxbergEntscheidung.132 Unbeantwortet bleibt zuletzt die Frage, wie die Verfassungsmäßigkeit des WHG zu beurteilen gewesen wäre, wenn sich im Einzelfall eine UnVerhältnismäßigkeit herausgestellt hätte, das heißt wenn sich der lediglich auf generell-abstrakter Ebene erhobene Befund auf individuell-konkreter Ebene nicht hätte fortführen und bestätigen lassen.133 124
BVerfGE 58, 300(319). BVerfGE 58, 300 (319). 126 BVerfGE 58, 300 (324). 127 In diesem Sinne bereits BVerfGE 24, 367 (400); 38, 175 (181); 42, 263 (294). 128 Siehe Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S.60. 129 Vgl. Schmid, Verfassungsmäßigkeit, S.48. 130 Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rn. 6 unter Hinweis auf BVerfGE 50, 290 (341). 131 Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S.61. 132 Vgl. nur BVerfGE 74, 264 (280, 284). 133 Die Relevanz dieser Frage vor dem Hintergrund der Nutzungstatbestände des WHG aufzeigend: Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 185 ff. 125
A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle
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c) Konsequenzen des Naßauskiesungsbeschlusses Zusammenfassend lassen sich die Konsequenzen des Naßauskiesungsbeschlusses daher wie folgt darstellen: 134 - Unter enteignungsrechtlichen Gesichtspunkten ist es sowohl der ordentlichen als auch der Verwaltungsgerichtsbarkeit verwehrt, bei rechtswidrigen oder bei entschädigungsrechtlich als unzumutbar angesehenen Rechtsbeschränkungen Entschädigungserfordernisse zu statuieren. - Der die Gesamtregelung des Art. 14 GG beherrschende Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Eigentümerentschädigung erfordert für jegliche Ausgleichszahlungen im Zusammenhang mit einer Auslegung der Eigentumsgarantie eine einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage. 135 - Nachträgliche, reaktive Entschädigungsansprüche auf der Grundlage der Rechtswidrigkeit oder der wertungsmäßigen Entschädigungsbedürftigkeit einer Maßnahme können nicht mehr zugesprochen werden. 136 - Mit der Versagung nachträglicher, eingriffsreaktiver Wertausgleichspflichten des Staates ausgehend von Art. 14 GG wird die Möglichkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit, Entscheidungen über den Umfang des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes und der Verfassungskonformität des Eingriffaktes zu treffen, nahezu auf Null reduziert. 3. Herstellung der Verhältnismäßigkeit a) Normalfall:
Entschädigungsfreie
Inhaltsbestimmungen
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist durch jede Inhalts- und Schrankenbestimmung zu beachten.137 Anders als im Falle einer Enteignung (Art. 14 Abs. III S. 2 GG) wird es dem Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. I S. 2 GG jedoch ohne die ausdrückliche Anordnung einer Entschädigungszahlung gestattet, Inhalt und Schranken des Eigentums festzulegen. Die Entschädigungsfreiheit einer solchen Ermächtigung wird vor dem Hintergrund der in Art. 14 Abs. II GG normierten Sozialpflichtigkeit des Eigentumsgebrauchs gesehen und zugleich mit dieser begründet. 138 In 134
So die systematisierende Darstellung bei Sass, Entschädigungserfordernis, S.97f. In Konsequenz dessen können die Institute des enteignungsgleichen und des enteignenden Eingriffs nicht mehr anhand einer Analogie zu Art. 14 Abs. III GG begründet werden, sondern müssen ihre Grundlage im einfachen Recht finden, vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn. 50; zum Ganzen vgl. Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 64 ff. 136 Zum Verhältnis der Entschädigung zum Primärrechtsschutz vgl. Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 218ff.; vgl. auch Nguyen, Kriterien, S.9ff. 137 BVerfGE 75, 78 (97 f.); 76, 220 (238); 92, 262 (273). 138 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn. 339. 135
Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
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Konsequenz dessen wird in Art. 14 Abs. I S. 2 GG gerade keine allgemeine Vermögensgarantie gesehen; die Sozialbindung erstrecke sich daher nicht nur auf die Eigentumsnutzungs-, sondern auch auf die Eigentums Wertbeschränkungen. 139 Gleichwohl sind heute in Rechtsprechung und Literatur sehr weitgehend Fallkonstellationen anerkannt, in welchen die Verhältnismäßigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung erst durch eine finanzielle Entschädigungszahlung oder sonstige 140 Ausgleichsleistung hergestellt wird. Die Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise soll daher näher beleuchtet werden. b) Ausnahmen in der Entwicklung der Rechtsprechung aa) Ausgleichpflichtige Inhaltsbestimmung/Sozialbindung141 Als unmittelbare Folge der durch das Bundesverfassungsgericht nunmehr nach rein formalen Kriterien vorgenommenen und nicht mehr das Merkmal der Eingriffsschwere berücksichtigenden Abgrenzung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung von der Enteignung mußte der einzelne auch besonders intensiv belastende Inhaltsbestimmungen hinnehmen. Vor dem Hintergrund der den Gesetzgeber bindenden Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Gleichheitssatzes erachtet das Bundesverfassungsgericht solche jedoch bereits seit der Feldmühle-Entscheidung nur gegen eine wirtschaftliche Entschädigung für zulässig.142 Eine solche Ausnahmelösung wird jedoch nur dann für gangbar erachtet, wenn die in Rede stehende Inhaltsbestimmung „im öffentlichen Interesse geboten ist und nicht in den Wesensgehalt des Eigentumsgrundrechts (...) eingreift." 143 Selbst in dem vielfach fälschlicherweise als dogmatischen „Ausgangspunkt für die (...) ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung"144 bezeichneten Pflichtexemplarbeschluß145 des Bundesverfassungsgerichts vom 14.07.1981 werden derartige Maßnahmen jedoch nicht einer eigenständigen eigentumsbeeinträchtigenden Kategorie 139
Papier, a. a. O. Vgl. hierzu Thormann, Abstufungen, S. 110 unter Verweis auf BVerfGE 58, 137 (152); siehe zum breiten Spektrum der Möglichkeiten auch Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Rn. 242. 141 Zur abweichenden Terminologie vgl. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Rn. 244. 142 BVerfGE 14, 263 (283). Nachfolgend E31, 229 (243); 57, 107 (117); 58, 137 (148); 70, 191 (201 f.); vgl. auch E74, 203 (217); 79,174 (192); 83, 201 (212). 143 Schmid, Verfassungsmäßigkeit, S. 103. 144 Schönfeld, Eigentumsgarantie, S. 34; ebenso Thormann, Abstufungen, S. 106; Kleinlein, DVB1. 1991, 365 (366) - „Geburtsstunde der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung"; Depenheuer, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.241. 145 BVerfGE 58, 137. 140
A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle
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zugeordnet. 146 Dieser Rechtsprechung nachfolgend haben auch das Bundesverwaltungsgericht 147 und der Bundesgerichtshof die Möglichkeit einer Ausgleichsleistung für i m Einzelfall übermäßig belastende Inhalts- und Schrankenbestimmungen anerkannt. 148 Unter Berücksichtigung der so nachgezeichneten Entwicklung der Rechtsprechung wird das Institut der ausgleichspflichtigen 149 Inhaltsbestimmung oder Sozialbindung heute wie folgt definiert: „Als ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung wird ein Institut bezeichnet, bei dem der Gesetzgeber zwar eine generelle Bestimmung des Eigentumsinhalts vornimmt, diese Eigentumsinhaltsbestimmung aber derart belastend für einzelne Eigentümer wirkt, daß die Regelung an sich gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstieße. Nur durch die Einräumung eines Ausgleichs, der nicht notwendigerweise ein finanzieller sein muß, wird die Belastung derart gemildert, daß die Belastung insgesamt als verhältnismäßig angesehen werden kann." 150 Bedingt durch diese dogmatische Erweiterung der eigentumsbeeinträchtigenden Maßnahmen ist - anstelle einer Differenzierung zwischen entschädigungsloser Inhaltsbestimmung und entschädigungspflichtiger Enteignung - nunmehr von einer Dreiteilung zwischen entschädigungsloser Inhaltsbestimmung, ausgleichspflichtiger Inhaltsbestimmung und entschädigungspflichtiger Enteignung auszugehen. 151 Daher drängt sich die Frage auf, inwieweit die ursprünglich zur Abgrenzung i m 146 Thormann, Abstufungen, S. 107; Schmid, Verfassungsgemäßheit, S. 104. Der maßgebende Unterschied der vorangegangenen Entscheidungen zur Pflichtexemplarentscheidung besteht allerdings darin, daß das Bundesverfassungsgericht in der Pflichtexemplarentscheidung erstmals (positiv) über einen öffentlich-rechtlichen Ausgleichsanspruch im Rahmen des Art. 14 Abs. IS. 2 GG befindet; die zuvor zitierten Entscheidungen hingegen hatten privatrechtliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen und dem entsprechende Ausgleichsansprüche zum Gegenstand, vgl. hierzu Schwabe, JZ 1983, 273 (276); Hendler, DVB1. 1983, 873 (880). 147 Siehe hierzu auch Schmid, Verfassungsmäßigkeit, S. 102 f. und insbesondere S. 107 f. 148 Vgl. BVerwGE 77,295 (298); 80,184(191f.); 84,361 (367 ff.); 94,1 (3 ff.); zunächst offen gelassen in BGHZ 100,136 (144); anerkannt in BGHZ 102,350 (359f.); 110,12 (16); 121, 328 (332ff.); 123, 242 (244ff.), 126, 379 (381 ff.); 128, 204 (205 f.); BGH NJW 1993, 1255 (1256); NJW 1993, 2095 (2096). 149 Die nachfolgend synonyme Verwendung der Begriffe der ausgleichspflichtigen und entschädigungspflichtigen Inhaltsbestimmung wird in der Literatur zum Teil mit dem gekünstelt wirkenden Hinweis darauf abgelehnt, selbiger Ausgleichsanspruch entstamme dem Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. IS. 2 GG und habe mit der Enteignungsentschädigung nichts zu tun. Daher sei es angezeigt - auch unter Berücksichtigung der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfGE 79,174 (192) - eine Beschränkung auf den Ausdruck der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung vorzunehmen, so Schmitt-Kammler, Ungelöste Probleme der Eigentumsdogmatik, in: FS Universität Heidelberg, S. 838; Thormann, Abstufungen, S. 111 f. - Richtigerweise kann allerdings jede Form eines Ausgleichs für einen Eingriff als Entschädigung bezeichnet werden, vgl. nur Sieckmann, Eigentumsschutz, S.414. 150 Roller, NJW 2001,1003 (1005); vgl. auch Schmid, Verfassungsmäßigkeit, S. 102; grundsätzliche Einwände bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 186; siehe ferner Nguyen, Kriterien, S. 13 f. 151 Pietzcker, JUS 1991, 369 (371); vgl. insoweit auch Thormann, Abstufungen, S. 105 ff.
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Rahmen der erstgenannten Differenzierung entwickelten Schwellen- oder auch Umschlagtheorien heute zur Bestimmung der Entschädigungsbedürftigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung neu zum Tragen kommen können. Unter besonderer Berücksichtigung der auf dreipolige Problemlagen ausgerichteten Thematik sei in diesem Zusammenhang kurz die „bürgerlich-rechtliche Ausopferung" genannt. Eine sich hieraus ergebende Ausgleichpflicht unter Privaten kommt dann zur Geltung, „wenn Privaten besondere (rechtliche oder faktische) Einwirkungen in die Eigentumsrechte Dritter gestattet werden, dem Eigentümer also die allgemeinen privatrechtlichen Abwehrrechte in besonderen Fällen genommen sind." 152 Auch in einem solchen Fall basiert die privatrechtliche Ausgleichspflicht maßgeblich auf dem Gebot des Gleichheitssatzes. bb) Weiterverwendung der Schwellentheorien Die oben skizzierten Schwellentheorien zur Abgrenzung von ausgleichsfreien Inhaltsbestimmungen und entschädigungspflichtigen Enteignungen bestimmten die Enteignung von der Entschädigungsbedürftigkeit der Maßnahme her. 153 Das insoweit maßgebliche Kriterium war die Intensität der Belastung im Einzelfall. Mit der Naßauskiesungsentscheidung vollzog das Bundesverfassungsgericht einen radikalen Bruch mit der bis zu diesem Zeitpunkt ganz herrschenden Lehre und Rechtsprechung, wodurch die Verwendung besagter Theorien obsolet wurde. In Ansehung des Instituts der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung wird heute vielfach die Auffassung vertreten, die überholten Schwellentheorien kämen nun erneut zum Zwecke der Abgrenzung zwischen ausgleichsfreier und ausgleichspflichtiger Inhaltsbestimmung zur Anwendung.154 Einer solchen Sichtweise muß kritisch entgegengetreten werden. Berücksichtigt man den Sinn und Zweck der ausgleichpflichtigen Inhaltsbestimmung, der unverhältnismäßige Härten im Einzelfall kompensieren soll, so erscheint es viel eher sachgerecht, die Frage nach der Ausgleichspflichtigkeit der Inhaltsbestimmung - wie auch das Bundesverwaltungsgericht 155 und Teile der Literatur 156 dies 152
Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn. 343; vgl. weiter Schwabe, JZ 1983,273 (276) mit Beispielen aus der Rechtsprechung. 153 Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 7. 154 Steinberg/Lubberger, Aufopferung, S.227f.; 234; Lege, JZ 1994, 431 (433f.); Krohn ZfBR 1994, 5 (6); siehe auch Pietzcker, JUS 1991, 369 (371); Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn. 353; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 259; Leisner, Hdb. d. StR., Bd. VI, § 149, Rn. 148 ff.; wohl auch Thormann, Abstufungen, S. 121; siehe ferner auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 181 ff.; a. A. Rozek, Unterscheidung, S.289. 155 BVerwG NJW 1990, 2572 (2573); vgl. insofern auch Melchinger, NJW 1991, 2524ff. 156 Hermes, NVwZ 1990,733 (734); Leisner, DÖV 1991,781 (786); Heinz/Schmitt, NVwZ 1992,513 (518 m. w.N.); vgl. auch Schmitt-Kammler, NJW 1990,2515 (2517), der bei der Frage nach der Verfassungsgemäßheit einer Inhaltsbestimmung keinen Bezug zu den alten Schwellentheorien herstellen will.
A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle
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tun - anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gleichheitssatzes vorzunehmen, durch welche hinreichende Kriterien zur Beurteilung einer Unverhältnismäßigkeit geboten werden. 157 Jede andere Vorgehensweise stünde im Widerspruch zum dogmatischen Ansatz des Bundesverfassungsgerichts, so wie er in der Pflichtexemplarentscheidung entwickelt worden ist. Albrod macht zudem plausibel deutlich, daß jeder aufgrund einer Inhalts- und Schrankenbestimmung vorgenommene Individualakt nur eine einfachgesetzliche, nicht aber eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit konkretisiert; die aus ihnen erwachsenden Pflichten legten daher allen Eigentümern die gleichen Rechte und Pflichten auf, weshalb eine solche Regelung bereits ihrem Wesen nach kein Sonderopfer für den einzelnen bedingen kann. 158 Weiter weist Albrod zutreffend darauf hin, daß der Satz, daß „das Ausmaß von Bindungen mit dem Grade des Sozialbezuges eines Eigentumsobjekts korreliert", auch auf der Ebene der konkreten Gesetzesanwendung gilt, so daß die Entschädigungsbedürftigkeit dort vor dem Hintergrund der jeweiligen Sozialbindung richtigerweise nur unter Berücksichtigung des Verhältnisses des Ausmaßes der öffentlichen Belastungen zu den damit verfolgten öffentlichen Belangen bestimmt werden kann. 159 Letztlich ist mit Heinz/Schmitt zu berücksichtigen, daß Enteignungsentschädigung und Ausgleichsleistung nicht miteinander vergleichbar sind. Durch die Übertragung der Schwellentheorien auf die ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung würden die damaligen Probleme, die im Bereich der Abgrenzung zwischen Art. 14 Abs. III GG und Art. 14 Abs. I S. 2 GG bestanden, nur verschoben. 160 Aufgrund dieser Überlegungen muß die Abgrenzung zwischen ausgleichsfreier und ausgleichspflichtiger Inhaltsbestimmung heute anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gleichheitssatzes vorgenommen werden. cc) Kompensatorische Entschädigungsregeln In konsequenter Fortsetzung seiner Rechtsprechung zur Ausgleichspflichtigkeit im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen hält das Bundesverfassungsgericht im Denkmalschutzurteil 161 vom 02.03.1999 zunächst an der bisherigen Entwicklung, die nahezu alle Ausgleichsansprüche im Zusammenhang mit dem Natur157 So zu Recht Schmid, Verfassungsmäßigkeit, S. 50; ebenso Rozek, Unterscheidung, S. 289; vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14, Rn. 42. 158 Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 183. 159 Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 183. 160 In diesem Sinne Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (517). 161 BVerfGE 100,226. Die Entscheidung problematisiert die auf der Grundlage einer gesetzlichen Vorschrift ausgesprochene Versagung einer Abrißgenehmigung für denkmalgeschützte Gebäude, die von dem Eigentümer in keiner Weise wirtschaftlich genutzt werden können.
Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
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schutzrecht als Regelungen im Rahmen von Art. 14 Abs. I S. 2 GG qualifiziert hat, fest. Dennoch wird der Anwendungsbereich insbesondere finanzieller Ausgleichsregelungen in vielfacher Hinsicht konkretisiert und beschränkt 162, so daß es - nicht nur bedingt durch „terminologisches Neuland" - einer separaten Darstellung bedarf. Zunächst nimmt das Bundesverfassungsgericht unter Heranziehung des formalen Enteignungsbegriffs 163 eine schulmäßige Abgrenzung von der Enteignung zur Inhalts- und Schrankenbestimmung vor und kommt mangels der Feststellbarkeit des Entzuges einer konkreten Eigentumsposition durch die Regelung zu dem Ergebnis, die in Frage stehende denkmalschutzrechtliche Regelung unterfalle als Inhalts- und Schrankenbestimmung dem Prüfungsmaßstab des Art. 14 Abs. I i.V. m. Abs. I I GG. 164 Sodann stellt es die grundsätzliche Entschädigungsfreiheit inhaltsbestimmender Regelungen fest und stellt so erneut den Ausnahmecharakter von Ausgleichsmaßnahmen im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. I, II GG heraus. 165 Nur im Falle einer unzumutbaren Belastung des Eigentümers im Einzelfall könne durch eine Kxisg\t\cYismaßnahme eine ansonsten drohende UnVerhältnismäßigkeit der Norm vermieden werden. 166 Hier wird zunächst wiederum das Bestreben deutlich, die Bestandsgarantie vor der Wertgarantie zu sichern. 167 Die Unverhältnismäßigkeit der Norm wird sodann für solche Fälle bejaht, in denen für das geschützte Baudenkmal keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr besteht. In einem solchen Fall nähere sich die Rechtsposition des Betroffenen einer Lage, in welcher sie den Namen „Eigentum" nicht mehr verdiene. 168 162
So Roller, NJW 2001, 1003 (1006). Dies ist zugleich als Absage an jene jüngeren Tendenzen zu erachten, die selbige Unterscheidung zumindest auch wieder nach den überkommenen materiellen Kriterien vornehmen wollen, so beispielsweise Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.352; zuletzt Axer, DVB1.1999,1533 (1540 f.). Dieses Bemühen wird jedenfalls auf den ersten Blick ebenso deutlich, wenn das Bundesverfassungsgericht ausführt, auch im Falle der „Totalentleerung" der Eigentumsposition - vgl. BVerfGE 100, 226 (243): „(...) wird dessen Privatnützigkeit nahezu vollständig beseitigt" - bliebe das Ergebnis der formalen Abgrenzung erhalten. Hierdurch kommt die bisherige Rechtsprechung zum Ausdruck, nach der eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht aufgrund ihrer Eingriffsintensität in eine Enteignung umschlagen kann. Erstaunlicherweise erfolgt im direkten Anschluß hieran scheinbar ein Bruch mit der bloßen Verwendung formaler Kriterien, indem das Bundesverfassungsgericht die Formen wähl des Gesetzgebers durch eben diese materiellen Kriterien einzuschränken versucht: „Erfordert das Allgemeinwohl nach Auffassung des Gesetzgebers dennoch (trotz der Totalentleerung, Anm. des Verfassers) die Erhaltung des geschützten Kulturdenkmals, (...) kann dies nur auf dem Wege der Enteignung (...) erreicht werden". Vgl. hierzu Ossenbühl, JZ 1999, 899 (900), der hieraus die Konsequenz ziehen will, daß der totale Nutzungsentzug nicht mehr als Inhalts- und Schrankenbestimmung angesehen werden könne. 164 BVerfGE 100, 226 (239 ff.). 165 BVerfGE 100, 226 (241). 166 BVerfGE 100, 226 (244). 167 Vgl. hierzu Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.217. 168 BVerfGE 100, 226 (243). 163
A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle
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Mithin erfordert die vorliegende Situation eine Entschädigung. An dieser Stelle setzt die Neuartigkeit der Entscheidung an, die die Form derfinanziellen Entschädigung für gewisse Konstellationen als „ultima ratio" anordnet: „Ausgleichsregelungen, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderen Härtefällen wahren sollen, sind unzulänglich, wenn sie sich darauf beschränken, dem Betroffenen einen Entschädigungsanspruch in Geld zuzubilligen. Die Bestandsgarantie des Art. 1411 GG verlangt, daß in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten. Als Instrumente stehen dem Gesetzgeber hierfür Übeigangsregelungen169, Ausnahme- und Befreiungsvorschriften sowie der Einsatz sonstiger administrativer und technischer Vorkehrungen zur Verfügung. Ist ein solcher Ausgleich im Einzelfall nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, kann für diesen Fall ein finanzieller Ausgleich in Betracht kommen (...)". 170
Aus diesen Ausführungen könnte man auf den ersten Blick ein Stufenverhältnis dergestalt ableiten, daß anderweitige Maßnahmen stets Vorrang vor finanziellen Ausgleichsmaßnahmen haben. Im Wege dieser pauschalisierenden Interpretation scheint das Urteil des Bundesverfassungsgerichts jedoch mißverstanden. Die Alternativität ist vielmehr vor dem Hintergrund des gesetzlichen Ziels zu entscheiden, um so nicht Gefahr zu laufen, selbiges durch Ausnahme- und Befreiungstatbestände zu durchlöchern. 171 Zwar besteht nach zutreffender Ansicht Rollers im Falle der Form der finanziellen Ausgleichszahlung - anders als bei Ausnahmetatbeständen etc. - die Gefahr eines allzu leichten „Abkaufens" des Grundrechtsschutzes, dennoch wird ebenso erkannt, daß nur auf diese Weise den Maßgaben der gesetzlichen Schutzrichtung vollumfänglich Rechnung getragen werde. 172 Dem Dilemma zwischen Eigentumsbeeinträchtigung und gesetzgeberischer Zielvorgabe ist daher im Wege folgender Abwägung zu begegnen: „Soweit die gesetzlichen Schutzziele unter Verwirklichung realer Eigentumsbeeinträchtigungen verwirklicht werden können, so sind solche Maßnahmen von Verfassungs wegen einer finanziellen Ausgleichspflicht vorrangig. Sind die Schutzziele des Gesetzes, unter Berücksichtigung der Eigentümerinteressen, jedoch nicht anders zu erreichen, kann der Eigentümer auf einen finanziellen Ausgleich verwiesen werden" 173 .
c) Kritikpunkte
der Literatur
Die so dargestellte ausgleichpflichtige Inhaltsbestimmung bzw. kompensatorische Entschädigungsregel hat sich heute als fester Bestandteil der neuen formalen 169
Zur Technik und Funktion gesetzlicher Übergangsregelungen siehe Aschke, Übergangsregelungen als verfassungsrechtliches Problem, S.20ff. 170 BVerfGE 100, 226 (245). 171 So zu Recht Roller, NJW 2001, 1003 (1008). 172 Roller, a.a.O. 173 Roller, a. a. O. unter Verweis auf Soell.
Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
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Eigentumsdogmatik etabliert. 1 7 4 Auch in der Literatur ist sie heute weitestgehend anerkannt. 175 Dennoch finden sich in der Literatur sowohl gegenüber der Idee eines prinzipiellen und allgemeinen Ansatzes des Verhältnismäßigkeitsausgleichs 176 , so wie er i m Pflichtexemplarfall vorgenommen worden ist, als auch gegenüber dem Institut der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung als solchem auch kritische und ablehnende Stimmen. 1 7 7 Die maßgebenden Kritikpunkte betreffen die mangelnde Herleitung bzw. Herleitbarkeit der (generellen Kategorie der) ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung aus der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts 178 , die mangelnde systematische Regelungslücke i m Rahmen des Art. 14 GG, die die Erforderlichkeit eines solchen Instituts begründen könnte 1 7 9 , die aus ihrer Einführung resultierenden Abgrenzungsschwierigkeiten i m Rahmen des Art. 14 G G 1 8 0 und die eventuell hierdurch förderungsweise bedingte Rechtfertigung rechtswidrigen Staatshandelns 181 . Eine solche Zusammenschau der Kritikpunkte macht deutlich, daß die meisten der so gegen das Institut der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung vorgebrach174
So Schmid, Verfassungsgemäßheit, S. 107. Steinberg/Lubberger, Aufopferung, S. 213 mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 16; Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 ff.; Battis, NVwZ 1982, 585 ff.; Bryde, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 14, Rn.65; Hendler, DVB1 1983, 873ff.; Maurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Dürig, S. 293 ff.; Paetow, VwBlBW 1985, 3 ff.; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rn.339ff.; Pieroth/Schlink, StR II, Rn. 1029; Schmidt-Aßmann, Öffentlich-rechtlicher Grundeigentumsschutz und Richterrecht, in: FS Universität Heidelberg, S. 107ff.; kritisch Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Rn.322ff.; Leisner, DÖV 1991, 781 ff.; Schink, DVB1. 1990,1375 ff.; kritische Darstellung der Bedenken, die gegen die Figur der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung bestehen bei Külpmann, Enteignende Eingriffe?, S. 128 ff.; siehe auch Nguyen, Kriterien, S. 19 mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 138. 176 Thormann, Abstufungen, S. 112 ff. führt zunächst Bedenken mit Blick auf die Umwandlung der Bestandsgarantie zur bloßen Wertgarantie an, die grundgesetzlich nur im Falle der Enteignung vorgesehen sei und macht darüber hinaus gegen ein solches Verständnis geltend, daß staatliche Geldzahlungen auf diese Weise provoziert würden, die Sozialbindung aber grundsätzlich entschädigungsfrei bleiben müsse. Zum Problem der Verallgemeinerung der Aussagen der Pflichtexemplarentscheidung siehe auch Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 252. 177 Systematisierende und eingehende Darstellung der einzelnen gegen die Anerkennung der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung vorgetragenen Kritikpunkte bei Schmid, Verfassungsgemäßheit, S. 108 ff. 178 Kempen, Eingriff, Rn. 251 f. 179 Maiwald, BayVBl. 1991, 101 (104). 180 Seilmann, DVB1. 1992, 235 ff.; Pietzcker, JUS 1991, 369 (371). 181 Siehe hierzu Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2542); vgl. auch Kempen, Eingriff, Rn. 252, der zutreffend daraufhinweist, daß ein durch die Verallgemeinerung der Aussagen des Pflichtexemplarbeschlusses bedingtes „Abkaufen des Grundrechtsschutzes" unter der Geltung des Grundrechtsschutzes als unzulässig zu erachten ist; ebenso Depenheuer, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 260; in diesem Sinne Bezug nehmend auf den Vorrang der Bestandsgarantie vor der Wertgarantie auch Maurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Dürig, S.313. 175
A. Verfassungsrechtliche Kompensationsmodelle
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ten Argumente solche sind, die nur ganz spezifisch im Anwendungsbereich des Art. 14 GG Platz greifen können. Sie sind in diesem Zusammenhang bereits eingehend und hinreichend diskutiert worden und sollen daher an dieser Stelle nicht erneut erörtert werden. Eine Übertragung ihrer selbst auf eine generalisierende Ebene, auf welcher die Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen auch für andere Grundrechte geklärt werden kann, erscheint - abgesehen von den Vorwürfen der mangelnden verfassungsrechtlichen Herleitbarkeit der Möglichkeit derartiger Ausgleichsleistungen aus der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts und insbesondere der Rechtfertigung rechtswidrigen Staatshandelns - nicht denkbar. Die im Rahmen des Lösungsansatzes anzustellenden Überlegungen werden daher speziell nur zu diesen beiden Vorhaltungen Stellung nehmen.
I I I . Zusammenfassung und Ergebnis Neben die in Art. 14 Abs. III positivrechtlich normierte Enteignungsentschädigung tritt das ungeschriebene Entschädigungserfordernis der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung. Wie auch die Enteignungsentschädigung führt das Institut der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung nur im Falle einer einfachgesetzlichen Anspruchsgrundlage zu einem subjektiv-öffentlichen Recht auf eine finanzielle oder auch materielle Entschädigung. Es ist heute in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und weiten Teilen der Literatur als Ausgleich für eine im Einzelfall unverhältnismäßige bzw. gleichheitswidrige Eigentumsbeschränkung im Sinne des Art. 14 Abs. IS. 2 GG anerkannt. 182 Insoweit entspricht die Konzeption der Wertschutzpflichten des Bundesverfassungsgerichts in weiten Teilen dem von Dürig bereits in den frühen fünfziger Jahren propagierten Ansatz des Opferausgleichs. Die hieraus resultierende Verpflichtung zum kompensierenden Wertausgleich hält daher den Gesetzgeber auch im multipolaren Verwaltungsrechtsverhältnis zur Einführung geeigneter Entschädigungsnormen für den internen Ausgleich zwischen dem begünstigten und dem beeinträchtigten Privaten an. Anhand der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist weiter zu konstatieren, daß das Verständnis des weiten Enteignungsbegriffs, nach welchem sozialbindende Maßnahmen von der Enteignung anhand der Eingriffsintensität der Maßnahme zu differenzieren waren, nicht aufrecht zu erhalten ist. Die Abgrenzung der Inhalts- und Schrankenbestimmung von Administrativenteignung und Legalenteignung hat heute vielmehr nach formalen Kriterien zu erfolgen. 183 Eine übermäßig belastende Inhalts- und Schrankenbestimmung kann nicht in eine Enteignung umschlagen und daher auch nicht durch die Zahlung einer Enteignungsentschädigung geheilt werden. 184 182 Nguyen, Kriterien, S. 19 mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 138. 183 Ng U yen, Kriterien, S.5. 184
Vgl. BVerfGE 52, 1 (27); 58, 137 (145); 58, 300 (320); 79, 174 (192).
6 Guthke
Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
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B. Verwaltungsrechtliche Kompensationsmodelle I. Einleitung Die eigentliche Bedeutung der so skizzierten ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung wird erst vor dem Hintergrund einer Vielzahl von einfachgesetzlich ausformulierten Entschädigungsklauseln deutlich, die heute in nahezu jeden Bereich des Verwaltungsrechts Einzug gefunden haben, zumal sie heute als deren „verfassungsrechtliche Fundierung" angesehen wird. 185 Zur Bestimmung einer generell für die Ausgleichspflichtigkeit relevanten „Belastungsgrenze", von deren Überschreitung an ein Eingriff nur bei Kompensationsleistungen und insbesondere -Zahlungen als zulässig angesehen werden kann, müssen diese näher betrachtet werden. Staatliche Ausgleichsleistungen im Zusammenhang mit eigentumsrelevanten Regelungen dürften sich unter Berücksichtigung der sich aus dem Naßauskiesungsbeschluß ergebenden Dreiteilung in entschädigungsfreie Inhaltsbestimmung, ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung und Enteignung daher nur in den beiden letztgenannten Kategorien zugunsten des Bürgers auswirken. Die verwaltungsrechtliche Praxis kennt neben diesen verfassungsrechtlich gebotenen Entschädigungen und Ausgleichszahlungen jedoch zahlreiche weitergehende Leistungsansprüche, die lediglich freiwillig und von rechtspolitischen Erwägungen ausgehend gewährt werden und sich daher einer Zuordnung in den Zusammenhang von Art. 14 GG entziehen.186 Darüber hinaus existieren vereinzelt auch solche Normen, die finanzielle Zuwendungen zur Förderung und Lenkung eines im öffentlichen Interesses liegenden Zweckes regeln. 187 Zur Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von gebotenen Ausgleichszahlungen im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind solche zusätzlichen Regelungen bei der Betrachtung ihrer Ausgleichsfunktion und Zielrichtung streng von solchen zu differenzieren, deren Fehlen eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Sozialbindung zur Konsequenz hätte bzw. von solchen, die eine Enteignungsentschädigung vermitteln. Zusätzlich wird sich die nachfolgende Betrachtung auf solche Konstellationen und Normen beschränken, die bereits ihrem Wesen nach auf eine multipolare Konfliktschlichtung, das heißt auf eine einfachgesetzliche Schlichtung von Grundrechtskollisionen zwischen Privaten, ausgerichtet sind. Die Lösung dieser Probleme ist heute von der Rechtsprechung weitestgehend als Aufgabe des Verwaltungsrechts anerkannt 188: „Treffen (...) zwei grundrechtlich geschützte Rechtspositionen aufein185
Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.217. Zu den streitigen verfassungsrechtlichen Grundlagen des §42 BauGB siehe Breuer, in: Schrödter, BauGB, §42, Rn. 7 ff. 186 Vgl. BVerwGE 84, 361 (368). 187 So zum Beispiel Fördermittel nach Art. 20 ff. BayWaldG. 188 Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S.8.
B. Verwaltungsrechtliche Kompensationsmodelle
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ander, so ist es in erster Linie Aufgabe des einfachen Gesetzgebers, eine sachgerechte, ausgleichende Lösung des Konflikts zu finden." 189 Insofern kann auch davon gesprochen werden, daß der Verwaltung eine Art Garantenstellung für die Einhaltung der normativen Ausgleichsordnung zukommt. 190 Huber schlägt daher vor, den Grad der Verantwortlichkeit der Behörde für einen normenkonformen Interessenausgleich und die effektive Gewährleistung der grundrechtlichen Interessen Dritter davon abhängig machen, inwieweit die Tätigkeit des Störers mit dem öffentlichen Interesse gekoppelt ist. Mit einer intensiveren Störertätigkeit im öffentlichen Interesse korrespondiere auch eine erhöhte Verantwortlichkeit der Behörde. 191 Einer solchen Sichtweise kann nicht gefolgt werden, da sie letztlich das Schutzinteresse des Betroffenen gegenüber staatlichen Beeinträchtigungen privilegiert; es erscheint jedoch kein einleuchtender Grund, weshalb eine staatlich durch Genehmigung veranlaßte und daher zurechenbare Störung überwiegend privaten Interesses als weniger abwehrbedürftig zu qualifizieren sein sollte. Die von Huber aufgeworfene Problematik muß vielmehr anhand einer Analyse des individuellen Grades der verfassungsrechtlichen Gebotenheit des zu gewährenden Schutzes bzw. anderweitigen Ausgleichs erfolgen. Der Übersicht halber wird diese Analyse anhand von verwaltungsrechtlichen Normen im Rahmen einer groben Systematisierung nach einzelnen Sach- und Rechtsgebieten vorzunehmen sein, um so im Ergebnis die verschiedenen Grundgedanken hinsichtlich der Notwendigkeit von Ausgleichsleistungen miteinander vergleichen zu können.
II. Bau-, Flurbereinigungs- und Immissionsschutzrecht Im Rahmen des öffentlichen Baurechts und des Immissionsschutzrechts entstehen multipolare Konfliktschlichtungsproblematiken zunächst im Zusammenhang mit der Zulassung emissionsträchtiger Nutzungen in der Nachbarschaft. Hierdurch können aktuelle Nutzungsmöglichkeiten und -befugnisse in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht empfindlich gestört werden, was eine Kompensationsleistung erforderlich machen kann. Sofern die Nutzungsänderung für das emittierende Nachbargrundstück allerdings planungsrechtlich gestattet ist, wird die entsprechende Genehmigung regelmäßig als eine ausgleichsfreie Inhaltsbestimmung des Grundeigentums anzusehen sein. 192 Eine Ausgleichspflichtigkeit ist demgegenüber dann anzunehmen, wenn die aus der 189
BVerwGE 81, 329 (343). Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 19 Abs. IV, Rn. 416 unter Verweis auf BVerfGE 53, 30 (57, 65ff.); 61, 82 (114ff.); BVerwGE 81, 329 (381). 191 Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 19 Abs. IV, Rn.416. 192 Depenheuer, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.314. 190
6*
Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
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erlaubten Gestattung resultierenden Beeinträchtigungen jedes zumutbare 193 Maß überschreiten und die Aufrechterhaltung der bisherigen Nutzung der nachteilig betroffenen Grundstücke unmöglich machen.194 Der planende Akt wirkt sich andernfalls - vor dem Hintergrund der zukünftig mangelnden Beplanbarkeit des beeinträchtigten Grundstücks - als eine ohne kompensierende Ausgleichsleistung unzulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung aus.195 Der in diesem Zusammenhang erforderlich werdende Ausgleich der Eigentümerinteressen ist anhand des Rücksichtnahmegebots unter Berücksichtigung des durch den Bebauungsplan konstituierten Gebietscharakters durchzuführen. Ziel dieses Ansatzes ist es, anhand einer flexiblen Bestimmung des Schutznormcharakters den Bedingungen des Einzelfalls im Sinne einer verbindlichen Abgrenzung grundrechtlich geschützter Interessen Rechnung zu tragen. 196 Vermieden werden soll hierbei einerseits die übersteigerte Anerkennung subjektiv öffentlicher Rechte gegenüber allen nur denkbaren Betroffenen aufgrund der den grundrechtlichen Ausgleich steuernden Normen; andererseits soll der vollständige Vollzug eines Normprogramms auch nicht an den unvermeidbaren Prognoseschwierigkeiten des Gesetzgebers scheitern. Grundsätzlich müssen im Rahmen dieser Abwägung hinsichtlich des künftig störenden bzw. gestörten Eigentums die Grenzen der entschädigungsfreien Sozialbindung gewahrt werden. Aus Gründen des Bestandsschutzes kann bei Überschreitung selbiger allerdings auch ein Ausgleichsanspruch nach § 42 BauGB entstehen. Zwar statuieren die §§ 39 ff. BauGB weder eine Entschädigungspflicht in Fällen einer nur mittelbaren Betroffenheit der Grundstücksnutzung durch Umplanung der Umgebung 197 , noch beziehen sie sich auf nachbarrechtliche Auswirkungen von Bebauungsplänen198; dennoch kann die Nutzbarkeit des Grundeigentums ab der Überschreitung der oben dargestellten Grenze derart intensiv tangiert bzw. beeinträchtigt sein, daß nur ein finanzieller Ausgleich dies kompensieren kann. 199 Ein solcher wird 193
Zur Zumutbarkeitsgrenze im Vorfeld des verfassungsrechtlich Gebotenen siehe Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.466. 194 Vgl. BVerwGE 28,29 (31). 195 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.456. 196 Vgl. BVerwGE 52, 122 (131). 197 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.455; eingehende Darstellung der in der Rechtsprechung umstrittenen Frage, inwieweit ein Bebauungsplan die Nutzbarkeit nicht oder unverändert beplanter Grundstücke im Sinne des § 42 BauGB aufheben oder ändern kann, indem er die Umgebung dieser Grundstücke einer emissionsintensiven oder immissionsempfindlichen Nutzung zuführt bei Breuer, in: Schrödter, BauGB, §42, Rn.76ff. Grundlegend vgl. einerseits BGHZ 48,46 (50) und andererseits BGHZ 92, 34 (42f.). In der Literatur wird die Frage einer analogen Anwendung des § 42 BauGB auf von der Planung bloß mittelbar betroffene, das heißt, nicht vom Geltungsbereich des Bebauungsplans erfaßte, Nachbargrundstücke unter Berücksichtigung von Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm zu Recht weitgehend abgelehnt, vgl. statt vieler Breuer, Bodennutzung, S.296f. 198 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd.II, Art. 14, Rn.455. 199 Zur Höhe der Entschädigung siehe Battis, in: Battis/Krautzbeiger/Löhr, BauGB, § 42, Rn. 8. Zum Inhalt vgl. Breuer, in: Schrödter, BauGB, §42, Rn. 119.
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nach § 42 BauGB allerdings als ultima ratio immer nur dann möglich sein, wenn die grundsätzlich nur zu Abwehrrechten Dritter führende Spannungslage nicht von vornherein vermieden werden konnte und die Ausgleichsmöglichkeiten, das heißt insbesondere auch die in der Nachbarschaft beeinträchtigten Gebiete, in den Geltungsbereich des Bebauungsplanes mit einbezogen worden sind. 200 Im Rahmen des so vorzunehmenden Abwägungsprozesses besteht daher - verlagert auf die einfachgesetzliche Ebene - in erster Linie wiederum die Schwierigkeit, der Bestandsgarantie zum Vorrang gegenüber der Wertgarantie zu verhelfen und diese Wertung nicht durch die Möglichkeit der (finanziellen) Kompensation zu „verwässern". Im Zusammenhang mit vergleichbaren Konstellationen des Immissionsschutzrechts ist dieser der Sache nach vergleichbar mit der Sonderregelung des § 21 Abs. IV BImSchG, der für einen beeinträchtigenden Anlagenbestand einen weitergehenden Ausgleich gewährt. Dieser ist allerdings verfassungsrechtlich nicht geboten. 201 Die Vielzahl derartiger Normen, die auch solche Nachteile ausgleichen sollen, welche unterhalb der fachplanungsrechtlichen Erheblichkeitsgrenze liegen, zeigt ein Blick auf insofern vergleichbare gesetzlich normierte Konfliktschlichtungsprogramme. So werden im Falle erheblicher nachteiliger Auswirkungen etwa auch nach den §§74 Abs. II S. 3 VwVfG 2 0 2 ; 42 Abs. I I BImSchG 203 ; 32 KrW-/AbfG; 19 Abs. IV, 31 Abs. II WHG; 9 Abs. I I LuftVG; 8 Abs. III, IV AbfG; 19 Abs. III WaStrG Ausgleichsansprüche außerhalb der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit gewährt. Unabhängig vom bi- oder multipolaren Charakter der besagten Normen kann jedoch für die abstrakte Bestimmung der Zulässigkeit von Kompensationsleistungen jedenfalls die Festlegung der fachplanungsrechtlichen Grenze der Erheblichkeit herangezogen werden: Diese richtet sich individuell nach der durch die Art des Gebietes und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse determinierten Schutzwürdigkeit der Umgebung der Anlage. 204 Damit weisen die genannten Kriterien eine besondere Nähe zum bereits oben dargestellten Abwägungsvorgang im Rahmen des Rücksichtnahmegebotes auf, so daß sie auch im multipolaren Bereich berücksichtigt werden können. Neben der so dargestellten, bislang auf Art. 14 GG und seine einfachgesetzlichen Konkretisierungen spezifizierten Problematik des Vorranges der Bestandsgarantie 200 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.457; vgl. auch Depenheuer, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.315. 201 Dies bleibt unklar bei Lutz, Eigentumsschutz bei „störender" Nutzung gewerblicher Anlagen, S. 206ff., 210ff. 202 Siehe hierzu Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.465ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 185; Kleinlein, DVB1. 1991, 365 (368, 371). 203 Zu den Konsequenzen einer Qualifizierung als Enteignungsentschädigung oder als entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmung siehe Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S.234f.; vgl. auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 185. 204 BVerwGE 51, 6 (11 ff.); BGHZ 97, 114 (117 ff.).
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Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
vor der Wertgarantie wird dort vor allem der Vorwurf der Entwertung der Grundrechte durch einen Abkauf bzw. Verkauf ihrer Schutzfunktion laut. Unter Berücksichtigung der in diesem Zusammenhang bereits vielfach angeführten und gerade im multipolaren Verhältnis akut werdenden Gefahr des „Verkaufs von Hoheitsakten" 205 wird daher heute im Immissionsschutzrecht ein als „Kommerzialisierungsdebatte"206 bezeichneter Streit geführt. Er hat die der vorliegenden Arbeit auf verwaltungsrechtlicher Ebene parallel gelagerte Frage der Zulässigkeit von sogenannten Verleihungsgebühren und „Ressourcennutzungsgebühren" 207 zum Gegenstand. Dabei handelt es sich um von öffentlicher Hand gegen die Zahlung eines Entgelts gewährte Genehmigungen, durch welche dem Genehmigungsempfänger die Möglichkeit zur Nutzung und zum Verbrauch öffentlicher Umweltgüter 208 oder Umweltmedien 209 eingeräumt wird. Der zentrale Kritikpunkt betrifft den Umstand der Entgeltlichkeit der Vergabe von Rechten. Die auf diesem Wege durch die öffentliche Verwaltung kommerzialisierten Rechte seien bereits von Verfassungs wegen durch Grund- und Freiheitsrechte gewährleistet und daher nach dem Rechtsstaatsprinzip weder entgeltbedürftig noch entgeltfähig. 210 Die Grund- und Freiheitsrechte zwängen insoweit zur Rechtsgewährung „umsonst" und „ohne Fiskal vorbehält". 211 Nach der Ansicht Kirchhofs könne die Gewährung von derartigen Rechten im Rahmen fachbereichsspezifischer Erlaubnisvorbehalte lediglich von Kriterien wie der subjektiven Berechtigung, der Eignung oder auch der Bedürftigkeit des Antragstellers abhängig gemacht werden, nicht aber von der individuellen Zahlungsfähigkeit. 212 Im Gegensatz dazu spiele bei der Vergabe der benannten Genehmigungen vielmehr allein die Zahlungsbereitschaft der „Käufer" der Genehmigungen eine Rolle 213 , wodurch jedenfalls ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz bewirkt werde. Zudem könne bei einer derartigen Berücksichtigung von fiskalischen Interessen im Rahmen hoheitlicher Interessen die Unbefangenheit der Verwaltungsentscheidung nicht sichergestellt werden. 214 205 Siehe hierzu Kirchhof, Verwalten durch „mittelbares Einwirken", S. 115; Pietzcker, DVB1 1987,774 (778); Donner/Fischer, Umweltschutz durch Abgaben, in: Donner/Magoulas/ Simon/Wolf, Umweltschutz zwischen Staat und Markt, S.372. 206 Eingehende Darstellung von Schrifttum und Rechtsprechung bei Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 57 ff. m. w. N. 207 Zum Begriff Murswiek, NuR 1994, 170f.; vgl. auch Kluth, NuR 1997, 105 (107). Zur Abgrenzung gegenüber der sogenannten Verleihungsgebühr siehe Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben, S.27. 208 Murswiek, NuR 1994, 170 (175). 209 Murswiek, a. a. O. 210 Kirchhof, Hdb. d. StR., Bd. IV, § 88, Rn. 204; ders., Jura 1983, 505 (511 f.). 211 Kirchhof, Hdb. d. StR., Bd. IV, § 88, Rn. 187, 204; ders. Verfassungsrechtliche Grenzen von Umweltabgaben, S. 13; siehe ferner Gösch, StuW 1990, 201 (208 mit Fn.80). 212 Kirchhof, Jura 1983, 505 (511 f.). 213 Kirchhof, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 13 f.
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Bei der Berücksichtigung vorgenannter Kritikpunkte im Rahmen des Lösungsansatzes darf jedoch weiter nicht verkannt werden, daß selbst von Kritikern der Verleihungsgebühr die Möglichkeit eines pauschalierten Entgelts für die erwartete Nutzung im Sinne einer „typisierenden Vorauszahlung" als zulässig erachtet wird, so wie es beispielsweise für den vermuteten Empfang von Rundfunksendungen oder die vom Antragsteller beantragte Sondernutzung gehandhabt wird. 215 Die Zulässigkeit der Rechtsverleihung als solcher wird daher nicht als Kern der Problematik begriffen, sondern vielmehr Art und Umfang der aus ihr erwachsenden Belastung.216
III. Natur-, Landschafts-, Umwelt- und Denkmalschutzrecht Entgegen der Auffassung Rollers, der annimmt, im Bereich des Naturschutzrechts seien jegliche Entschädigungsansprüche, insbesondere auch solche in Form von sogenannten „salvatorischen Klauseln" 217 , als Ausgleichsregelungen im Rahmen von Art. 14 Abs. I S. 2 GG anzusehen218, sieht die Praxis auch unterhalb der Grenze der verfassungsrechtlichen Gebotenheit, beispielsweise für Nutzungsverbote und -vorgaben im Rahmen des Gewässerschutzes, vielfach Ausgleichsansprüche vor. 219 Sowohl diese als auch die einfachgesetzlichen Konkretisierungen verfassungsrechtlicher Ausgleichspflichten wie zum Beispiel § 19 Abs. IV WHG sind im Rahmen des Naturschutzrechts jedoch zur Schlichtung von bipolaren Streitfällen konzipiert. 220 Auch in dem von ordnungsrechtlichen Handlungspflichten des Eigentümers durchsetzten Bereich Altlastensanierung und dem des Denkmal- und Landschaftsschutzes, in dessen Rahmen entsprechende Normierungen größtenteils als ausgleichsfreie Inhaltsbestimmung des Eigentums angesehen werden 221, ist die in den 214 Kirchhof, Jura 1983, 505 (512); ders., in: Hdb.d.StR., Bd. IV, §88, Rn. 187; ders., Verfassungsrechtliche Beurteilung der Abwasserabgabe des Bundes, S. 17; ders., ZIP 1984, 1423 (1427). 2,5 Kirchhof, Jura 1983, 505 (512); ders., in: Hdb.d.StR., Bd.IV, §88, Rn. 187. 216 Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 60. 217 Zum Begriff siehe Schmid, Verfassungsgemäßheit, S.20ff; vgl. zur Zulässigkeit auch Pietzcker, JUS 1991, 369 (372); Kleinlein, DVB1. 1991, 365 (372ff.); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 191; ders., JZ 1991, 89ff. (Anmerkung zu BVerwGE 84, 361); Rozek, Unterscheidung, S.91 ff.; Nguyen, Kriterien, S.24. 218 Roller, NJW 2001, 1003 (1006). Ähnlich, jedoch nur im Verhältnis zur Enteignung Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 337 - „regelmäßig abstraktgenerelle Inhalts- und Schrankenbestimmungen"; siehe ferner Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 184; eingehend Schönfeld, Eigentumsgarantie, S. 11 ff.; aus der Rechtsprechung vgl. nur BVerwGE 84, 361 (367ff.); 94, 1 (4f.); BGHZ 121, 73 (78ff.); 121, 328 (332); 123, 242 (244f.). 219 Umfangreiche Normenanalyse bei Nguyen, Kriterien, S.72ff. und S.94ff. 220 Vgl. die eingehende Darstellung bei Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 244 ff. 221 Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 352, vgl. generell auch Rn. 399 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.429.
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Teil 2: Bestandsaufnahme: Aktuelle Kompensationsmodelle
wenigen Fällen der auf dem Schlagwort der sogenannten „gestörten Privatnützigkeit" 2 2 2 basierende Ausgleichspflichtigkeit maßgeblich auf den im Rahmen des unmittelbaren staatlichen Kontakts eingeforderten Ausgleich zwischen Staat und Bürger beschränkt. Unabhängig von der bipolaren Ausrichtung kann zur Bestimmung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Kompensationszahlungen im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wiederum näher auf die bereichsspezifischen Besonderheiten der Abgrenzung zwischen ausgleichsfreier und entschädigungspflichtiger Inhaltsbestimmung eingegangen werden. Das generell übliche Kriterium der Eingriffstiefe 223 wird im Rahmen des Natur-, Landschafts- und Denkmalschutzes dergestalt präzisiert, daß das Ausmaß der Beschränkung der Privatnützigkeit und der funktionsgerechten Verwendung nähere Berücksichtigung findet. In diesem Zusammenhang kommt es nach Papier maßgeblich darauf an, „welche privatnützigen Verwendungsarten dem Eigentümer unter Berücksichtigung der Lage und Ortsgebundenheit des Grundstücks verbleiben und ob die (nach wie vor) möglichen Verwendungen noch als sinnvoller, ökonomisch vertretbarer privatnütziger Eigentumsgebrauch verstanden werden können. Die Grenze zulässiger, entschädigungsfreier Sozialbindung ist überschritten, wenn aufgrund der (dauerhaften) Nutzungsbeschränkungen eine solche privatnützige Verwendungsart nicht mehr festgestellt werden kann. Sie ist umgekehrt nicht überschritten, wenn von mehreren, nach Lage der Dinge möglichen privatnützigen Verwendungsarten nur eine oder nur einzelne künftig rechtlich ausgeschlossen sein werden." 224 Die so vorzunehmende Abgrenzung anhand materieller Gesichtspunkte erfährt im Rahmen der Rechtsprechung eine weitergehende Konkretisierung durch das Merkmal der „Situationsgebundenheit".225 Danach werden Nutzungsbeschränkungen für Grundstücke aufgrund von entsprechenden Normierungen des Natur- oder Landschaftsschutzes lediglich als Ausdruck ihrer Sozialbindung angesehen, wo222 Hierunter versteht man eine verfassungsrechtlich durch Art. 14 GG gebotene Begrenzung der Zustandshaftung auf den Wert des Grundstücks, vgl. VGH Mannheim NVwZ 1991, 475; Oerder, NVwZ 1992,1031 (1036f.); Sparwasser/Geißler, DVB1.1995,1317 (1319ff.); Schink, DVB1.1986,161 (169 f.), bzw. eine im Rahmen der Störerauswahl vorzunehmende, vorrangige Inanspruchnahme des Handlungsstörers. 223 Zum Streit um die erneute Verwendung der „Schwellentheorien" zur Bestimmung der Ausgleichspflichtigkeit von Inhalts- und Schrankenbestimmungen siehe bereits Teil 2. A. II. 3.b) bb). 224 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.430; vgl. auch Wendt in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 124 ff. 225 Vgl. BGHZ 23, 30 (32ff.); das Merkmal der Situationsgebundenheit wird ausdrücklich als solches genannt und erläutert in BGHZ 60,126(130f.); 72,211 (216f.); 77,351 (354); vgl. auch BGHZ 80,111 (115); 87,66 (71 f.); 90,4 (14 f.); 90,17 (24); 99,24 (31); 105,15 (18); vgl. BVerwGE 4, 57 (60). Siehe hierzu femer Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 36 ff.; Nguyen, Kriterien, S. 51 ff.; eingehende Darstellung der Entwicklung der Theorie der Situationsgebundenheit in der Rechtsprechung des BGH und des BVerwG bei Parodi, Eigentumsbindung und Enteignung im Natur- und Denkmalschutz, S. 19 ff. und S. 34 ff.
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durch selbige generell entschädigungslos als zulässig erachtet werden. Allenfalls in besonderen Konstellationen, in denen die naturschutzrechtliche Regelung eine „ausgeübte Nutzung" oder eine „vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Nutzungsmöglichkeit" ausschließt, nimmt der Bundesgerichtshof ein ausgleichspflichtiges Sonderopfer an. Demgemäß prüft er, ob „ein - als Leitbild gedachter - vernünftiger und einsichtiger Eigentümer, der auch das Gemeinwohl nicht aus dem Auge verliert, von sich aus im Blick auf die Lage und die Umweltverhältnisse seines Geländes von bestimmten Formen der Nutzung absehen würde." 227 Nach Ansicht Wendts wird hierdurch den Kriterien des Ausmaßes der Beschränkung der Privatnützigkeit 228 und der verbleibenden funktionsgerechten Verwendung nicht hinreichend Rechnung getragen. 229 Angesichts des individuelleren Maßstabes des von Papier dargestellten Ansatzes gegenüber den starren Merkmalen der Rechtsprechung ist dem zuzustimmen. Zudem ist dem Begründungswert der Figur der Situationsgebundenheit - jedenfalls in der pauschalisierenden Form, in welcher er durch den Bundesgerichtshof gehandhabt wird - zu entgegnen, daß hierdurch unausgesprochen eine weitere Kategorie zur Eigentumsausgestaltung neben den inhalts- und schrankenbildenden Gesetzen im Sinne des Art. 14 Abs. I S. 2 GG hervorgebracht würde. Dies liefe im Ergebnis jedoch auf eine nicht akzeptable Außenwirkung der Sozialbindung des Art. 14 Abs. II GG hinaus.
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Eingehend Sass, Entschädigungserfordernis, S. 351 ff. Vgl. nur BGHZ 90, 4 (15); siehe femer BGHZ 90, 17 (24f.); 99, 24 (31); 105, 15 (18); näher zu dieser Rechtsprechung Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 171 ff. 228 Zur Privatnützigkeit als Abgrenzungskriterium und Leitprinzip für die Ausgestaltung privater Eigentumsrechte siehe Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 61 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 229 Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14, Rn. 132. 227
Teil 3
Die Herkunft des Kompensationsgedankens A. Entwicklung in der verfassungsrechtlichen Literatur I. Ursprung und Inhalt Der Gedanke der Notwendigkeit einer Kompensationsleistung für eine im Einzelfall unverhältnismäßige und gleichheitswidrige Belastung findet seine ersten Ansätze in Richtung der ausgleichpflichtigen Inhaltsbestimmung. Bereits im Jahre 1952 stellt Ipsen im Rahmen eines Differenzierungsversuches zwischen gesetzlicher Eigentumsbindung ohne Entschädigung und gesetzlicher Enteignung mit Entschädigung denkbare Alternativen des Enteignungsbegriffs heraus.1 Dabei zeigt er die Möglichkeit auf, einerseits unter Weiterverwendung des (damaligen) weiten Enteignungsbegriffs und den damit verbundenen Ansätzen der Einzelakts- und Schutzwürdigkeitstheorie 2 zu einer seiner Ansicht nach dogmatisch gebotenen Abgrenzung lediglich zwischen stets entschädigungsloser gesetzlicher Inhaltsbestimmung und Enteignung gelangen zu können3, andererseits jedoch auch unter Rückführung auf den früheren engeren Begriff der Enteignung unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 75 Einl. PrALR entschädigen zu können4. Nur auf Basis des zweitgenannten Ansatzes könne man die Entschädigungsbedürftigkeit nach der Schwere des Opfers bestimmen.5 Zudem bestehe so für den Gesetzgeber die Möglichkeit, die Entschädigung zu modifizieren oder auszuschließen.6 Maßgeblich ist insofern, daß nur auf diese Weise im Einzelfall die Ausgleichspflichtigkeit auch einer Inhalts- und Schrankenbestimmung begründet werden kann. Unter Abwägung der so entstehenden Vor- und Nachteile beider Ansätze und Inkaufnahme der dogmatischen Schwachstellen einer so nicht gewährleisteten Rein1
Ipsen, VVDStRL 10 (1952) 74 (93 f.). Die Schutzwürdigkeitstheorie geht auf Walter Jellinek zurück. Eingehende Darstellung bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 174; siehe hierzu ferner Nguyen, Kriterien, S.40ff. 3 Ipsen, VVDStRL 10 (1952) 74 (94). 4 Ipsen, VVDStRL 10 (1952) 74 (93 f.). 5 Ipsen, VVDStRL 10 (1952) 74 (94). 6 Ipsen, VVDStRL 10 (1952) 74 (94). 2
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erhaltung des Begriffs der entschädigungsfreien gesetzlichen Inhaltsbestimmung des Eigentums und der fehlenden Möglichkeit, den Inhalt des Eigentums ohne Bindung an Entschädigungsgesichtspunkte bestimmen zu können, favorisiert Ipsen im Ergebnis die „Restauration des engen Begriffs der Enteignung"7: „Sozialstaatlicher Gestaltung dient es mehr, für gesetzliche Eigentumsbindungen, die besondere Opfer verlangen, notfalls die Entschädigung durch Bundesgesetz ausschließen zu können."8 Durch diese Vorarbeit legt er - soweit ersichtlich - den Grundstein für das heutige Institut der ausgleichpflichtigen Inhaltsbestimmung.9 Die so geforderte Rückkehr zum engen, formalisierten Enteignungsbegriff hat das Bundesverfassungsgericht heute längst vollzogen. Damit ist es im Ergebnis auch der Richtung gefolgt, die von Dürig 10 und Greiner 11 kurz im Anschluß an die Ausführungen Ipsens vorgeschlagen worden ist 12 : Die Berücksichtigung von Gleichheitssatz und Verhältnismäßigkeitsprinzip als eigentliche Basis der Wertausgleichspflicht. Zwar bemerkt Sass in diesem Zusammenhang zu Recht, daß es insofern heute „in Einzelpunkten" Abweichungen zum „Opferausgleichssatz" Dürigscher Prägung gibt. 13 Dennoch ist spätestens seit dem Naßauskiesungsbeschluß deutlich geworden, daß das Bundesverfassungsgericht auch in „wesentlichen Einzelpunkten" mit der Konzeption Dürigs konform geht.14 Zunächst stellt Dürig maßgeblich auf die Intention15 der Kompensationsleistung ab: „Der Gleichheitssatz verbietet die Auferlegung ungleicher Opfer ohne einen von vornherein bestehenden Staatswillen zum Opferausgleich. Der - gewollt besondere Opfer fordernde oder in Rechnung stellende - Eingriff ist nicht allein durch das überwiegende öffentliche Interesse gerechtfertigt, sondern er ist vor allem nur deshalb rechtmäßig, weil er von vornherein „geheilt" ist durch die Lastenausgleichsbereitschaft des staatlichen Eingriffs - die übrigens beim schuldlos-rechtswidrigen Eingriff fehlt, weil der Staat dort das Opfer nicht will." 1 6 In Konsequenz dessen wandele sich der Gleichheitssatz vor dem Hintergrund der §§ 74, 75 Einl. PrALR zum „Ausgleichssatz", sofern nur die Notwendigkeit besteht, ihn zu durchbrechen. Die Schwäche eines solch pauschalen Ansatzes wird an nachfolgenden Ausführungen ersichtlich, im Rahmen derer Dürig den Opferausgleichssatz völlig undiffe7
Ipsen, VVDStRL 10 (1952) 74 (94). Ipsen, VVDStRL 10 (1952) 74 (94). 9 Kritisch Scheuner, DÖV 1954, 587 (589ff.); ebenso Stödter, VVDStRL 10 (1952) 150 (168 f.). 10 Dürig, JZ 1954,4 (6 ff.). 11 Greiner, DÖV 1954, 583 ff. 12 Vgl. auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 193. 13 Sass, Entschädigungserfordernis, S. 104 f.; eingehende Analyse der Unterschiede des von Dürig konzipierten Modells gegenüber dem klassischen Enteignungsbegriff bei Rozek, Unterscheidung, S.99 i.V. m. Fn. 72. 14 Rozek, Unterscheidung, S.99. 15 Kritisch Scheuner, DÖV 1954, 587 (591). 16 Dürig, JZ 1954, 4 (5). 8
Teil 3: Die Herkunft des Kompensationsgedankens
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renziert als auf weitere Grundrechte anwendbar erklärt und diese damit unbemerkt der Kommerzialisierung preisgibt: „Dieser Opferausgleichssatz fragt nicht nach der Art des Grundrechts, in das eingegriffen wird, und ist keinesfalls nur auf das Vermögensrecht im Sinne des Art. 14 GG beschränkt. Ihm unterfallen auch die Grundrechte auf „Leben", „körperliche Unversehrtheit" usw. Das Enteignungsentschädigungsrecht beim sogen, polizeilichen Notstand (vgl. §§21, 70ff. PrPVG) sind nun nicht anderes als ausdrücklich positivierte Unterfälle des Obersatzes, daß vom Staat bewußt gewollte besondere Opfer auszugleichen sind, also Unterfälle des im Gleichheitssatz enthaltenen Opferausgleichsatzes." 17 Die entscheidende Frage - inwieweit eine (finanzielle) Kompensation dem vermögensrechtlichen Bereich vorbehalten bleiben muß, weil durch sie nur ein „Minus" an Freiheit in vermögensrechtlicher nicht aber persönlicher Hinsicht kompensiert werden kann und darf - wird vollkommen außer Acht gelassen. Sie dürfte jedenfalls mit Blick auf Grundrechte, deren Freiheitsausübung als im Kern kommerzialisierbar und damit finanziell erfaßbar einzustufen ist, im Sinne Tietjes zu beantworten sein, der davon ausgeht, daß eine Kommerzialisierung und Kommerzialisierbarkeit des Lebenssachverhaltes bzw. der „Grundversorgung" auch die „nähere Ausgestaltung bei der Rechtsausübung determinieren" muß.18 Hieraus muß aber auch die Konsequenz gezogen werden, daß eine mangelnde Kommerzialisierbarkeit auch eine mangelnde finanzielle Ausgleichsfähigkeit bedingt, so daß die entscheidende Problematik nicht zuletzt in der Gewichtung und Qualifizierung des vermögensrechtlichen und damit kommerzialisierbaren Anteils der jeweiligen Schutzrichtung des Grundrechts liegen dürfte. Aufgabe der beiden letzten Teile der Arbeit ist es, dieser Frage nachzugehen. Im Anschluß an Dürig und Greiner hat sich Lerche im Rahmen seiner heute noch viel zitierten und stets als grundlegend bezeichneten Habilitationsschrift „Übermaß und Verfassungsrecht" der sich nach den bisherigen Ausführungen aufdrängenden Frage gewidmet, inwieweit mit Hilfe des Übermaßverbotes Entschädigungspflichten begründet werden können: „Der grundsätzliche Ausschluß der finanziellen Gesichtspunkte wird daher allein im Lichte des Erforderlichkeitsprinzips erhellt, das schon bei der Enteignung selbst eine regelmäßig nicht gerade-noch-erforderliche Mehrbelastung des Enteigneten in dem Mangel einer Garantie grundsätzlich voller Entschädigung erblicken konnte. (...) Man wird sich die Frage vorlegen müssen, ob der Gleichheitsgedanke für die Enteignungsentschädigung und damit mittelbar auch für die Enteignung selbst nicht wieder teilweise verabschiedet und durch den Erforderlichkeitsgedanken ersetzt werden sollte. Gewiß geht es bei der Entschädigung um einen Ausgleich, gewiß ist es eine Frage der Lastengleichheit, aber es steht doch dabei eine ganz andere Gleichheitsvorstellung vor Augen, als sie etwa dem Art. 3 GG zugrundeliegt." 19 17 18 19
Dürig, JZ 1954,4 (6). Vgl. Tietje, JUS 1999, 644 (649). Lerche, Übermaß, S. 182f.
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Ihr wissenschaftliches Fundament zur Herleitung der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sodann im Jahre 1980 durch Schulze-Osterloh erhalten. 20 Sie hat bereits vor Ergehen des Pflichtexemplarbeschlusses die „entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums" eingefordert. 21 Dies geschah in erster Linie unter Verweis auf die Entscheidung BVerfGE 54, 251 (271), aus welcher das für den Geltungsbereich des Art. 12 Abs. I GG anerkannte entschädigungsrechtliche Abwägungsgebot in den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. I S. 2 GG übertragen werden müsse.22 In Fällen, bei denen die Inanspruchnahme des Eigentums als eine im Rahmen des Art. 14 Abs. I S. 2 GG zulässige Freiheitsbeschränkung anzusehen sei, bedürfe es der Prüfung eines zweiten Schrittes. Im Rahmen dessen sei zu untersuchen, „ob auch eine mit der Freiheitsbeeinträchtigung verbundene Wertbeeinträchtigung des Eigentums mit den vom Gesetzgeber zu beachtenden Grundsätzen des Übermaßverbotes und des Gleichheitssatzes vereinbar ist." 23 Müsse dies abgelehnt werden, so sei hieraus resultierend die Verfassungswidrigkeit der betreffenden Norm anzunehmen, die jedoch „vom Gesetzgeber durch Gewährung von Ausgleichsansprüchen beseitigt werden kann." 24
II. Besondere Akzentuierung bestimmter Gedanken Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, daß die historische Entwicklung des Kompensationsgedankens - abgesehen von Uneinigkeiten hinsichtlich der Angemessenheit der zu zahlenden Entschädigung25 - im Rahmen des Art. 14 GG maßgeblich durch zwei anhand der unterschiedlichen Garantiebereiche von einander zu trennende Grundgedanken gekennzeichnet ist. Gemeinsamer Ausgangspunkt ist zunächst noch das in Art. 14 Abs. I I S. 2 GG genannte Wohl der Allgemeinheit, welches zugleich als Grund und Grenze der Beschränkungen des Eigentums fungiert. 26 Die zu diesem Zweck dem Gesetzgeber eröffneten Einschränkungen des Eigentumsgebrauchs haben jedoch mit Blick auf einen hierdurch erforderlich werdenden Ausgleich unterschiedliche Kriterien und Maßstäbe entwickelt. 20
Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 236ff., S. 248 ff.; siehe auch dies., NJW 1981, 2537 (2541 ff.); eine Zusammenfassung der Lehre Schulze-Osterlohs findet sich femer bei Nguyen, Kriterien, S. 14f. 21 So Nguyen, Kriterien, S. 14f.; vgl. insoweit Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2541 ff.). 22 Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2543). 23 Schulze-Osterloh, a. a. O. 24 Schulze-Osterloh, a. a. O.; siehe auch bereits dies., Eigentumsopferentschädigung, S. 236 ff. 25 Vgl. nur Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 8, 12f. 26 So BVerfGE 100, 226 (241).
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Teil 3: Die Herkunft des Kompensationsgedankens
Im Falle einer Inhalts- und Schrankenbestimmung steht der soziale Bezug der betroffenen Eigentumsposition im Mittelpunkt der Betrachtung 27, wodurch die Eigenart des Vermögenswerten Rechts in den Vordergrund gerückt wird. Die Betonung dieses Aspekts erscheint vor dem Hintergrund der generellen Entschädigungslosigkeit von Inhaltsbestimmungen des Eigentums besonders wichtig, zumal erst im Zusammenspiel dieser beiden Gesichtspunkte deutlich wird, daß die auf Art. 14 Abs. II GG beruhende Sozialpflichtigkeit des Eigentumsgebrauchs generell ohne einen hierfür zu gewährenden Ausgleich verwirklicht werden muß. Von einer allgemeinen Vermögensgarantie kann in diesem Bereich daher nicht gesprochen werden, vielmehr umfaßt die Sozialbindung nicht nur Einschränkungen der Eigentumsnutzungen, sondern auch solche des Eigentumswerts.28 Dementsprechend kommt das Institut der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung erst dann zum Tragen, wenn die Grenze des im Rahmen der Sozialpflichtigkeit Hinnehmbaren dergestalt überschritten ist, daß die Inhalts- und Schrankenbestimmung bedingt durch singuläre Umstände zu einer nicht zumutbaren Härte führt. Um allerdings nicht den Vorrang der Bestandsgarantie vor der Wertgarantie zu gefährden, wird sie heute nur in entsprechenden Ausnahmekonstellationen gewährt. Zur Feststellung der Notwendigkeit einer solchen Ausnahme bedarf es einer individuellen Abwägung im Rahmen des Gleichheitssatzes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dieser Abwägungsprozeß wird maßgeblich bestimmt durch die jeweils zugrundegelegte dogmatische Begründung der Notwendigkeit der Entschädigung. Diese wird im Falle der Inhalts- und Schrankenbestimmung heute auf die Gesichtspunkte des Eigentumserwerbs durch eigene Leistung, des prinzipiellen Rechts auf Vermögen als Mittel zu eigenverantwortlicher Lebensgestaltung, des Ausgleichs für den Entzug eines Rechts und des Gebots des Vertrauensschutzes für Investitionen oder Dispositionen zurückgeführt. 29 Grundsätzlich anders stellt sich das Entschädigungserfordernis dagegen im Falle einer Enteignung dar. Das Wohl der Allgemeinheit ist hier ausdrückliches Regelungsziel der Enteignung, Art. 14 Abs. III S. 1 GG. Zwar führt auch hier die finanzielle Kompensation meist zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit der Enteignung, zumal der Entzug durch einen angemessenen Ausgleich erheblich gemildert wird. Dennoch ist die Notwendigkeit einer Entschädigung durch Art. 14 Abs. III S. 2 GG gesetzlich vorgeschrieben, was sich durch die besondere Intensität der Eigentumsbeeinträchtigung erklären läßt. 30 Das zwingende Erfordernis der Entschädigung wird 27 Zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums als Begründung für die Versagung von Entschädigungen für Eigentumseingriffe siehe insbesondere Sieckmann, Eigentumsschutz, S.449f.; vgl. femer Leisner, Hdb. d. StR., Bd. VI, § 149, Rn. 47 ff. 28 Vgl. Schmitt-Kammler, in: FS Universität Heidelberg, S. 840ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.338ff.; kritisch Kimminich, NuR 1985, 1 (2ff.). 29 Sieckmann, Eigentumsschutz, S.430. 30 Zur Geltung der Junktim-Klausel im Rahmen ausgleichspflichtiger Inhaltsbestimmungen siehe Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 190f.; eingehend hinsichtlich rechtsaufhebender Inhalts- und Schrankenbestimmungen Schönfeld, Eigentumsgarantie, S.56ff.
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heute, neben den eigentlichen dogmatischen Ansätzen zur Begründung der Notwendigkeit der Enteignungsentschädigung31, auf drei mit ihr verfolgte Zielrichtungen zurückgeführt. 32 Zunächst soll gewährleistet werden, daß der Enteignete in jedem Fall entschädigt wird (Schutzzweck33). Darüber hinaus soll auf diesem Wege dafür Sorge getragen werden, daß sich der Gesetzgeber die auf ihn zukommenden finanziellen Belastungen, die mit der Enteignung verbunden sind, bewußt macht, zumal diese aus den Haushaltsmitteln gezahlt werden müssen (Warnzweck 34). Letztlich beabsichtigt die Verknüpfung von Enteignungs- und Entschädigungsregelung, Exekutive und Judikative daran zu hindern, selbständig zu Lasten des Staatshaushalts durch die Gewährung einer Enteignungsentschädigung tätig zu werden, um so die diesbezügliche alleinige Funktion des Parlaments sicherzustellen (Kompetenzsicherungszweck35). Berücksichtigt man nun, daß es sowohl den Gerichten als auch der Verwaltung seit dem Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts verwehrt ist - ganz gleich ob man Art. 14 III GG direkt, analog bzw. „erst recht" anwenden will oder ob man sich auf „Art. 14 GG als Gesamtregelung"36 beruft - , einen auf Art. 14 GG basierenden Ausgleichsanspruch ohne eine vorexistierende einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage zuzugestehen37, so kann davon ausgegangen werden, daß eine im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung zu gewährende Entschädigung jedenfalls auch sowohl Warn- als auch Kompetenzsicherungszweck verflogt. Daher muß bei der weiteren Erörterung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Kompensationsleistungen im Rahmen anderer Grundrechte im Auge behalten werden, inwieweit diesen Zwecken dort nicht nur pro forma, sondern sicherungstechnisch adäquat nachgekommen werden kann. Trotz der so aufgezeigten Unterschiede läßt sich daher mit Ossenbühl zusammenfassend festhalten: „Die Entschädigung ist bei der Enteignung die Folge des hoheitlichen Rechtsentzuges, bei der Inhaltsbestimmung Voraussetzung und Bestandteil der gesetzlichen Regelung. Im Ergebnis führt das Unterlassen einer Entschädigungsregelung in beiden Fällen zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung. Der praktische Unterschied kann allerdings darin bestehen, daß Verstöße gegen die Junktim-Klausel stets das gesamte Enteignungsgesetz verfassungswidrig machen, während bei fehlenden Ausgleichsregelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch eine Teilnichtigkeit des Gesetzes in Betracht kommt." 38 31
Als solche werden die Aspekte der selbständigen Wertgarantie, des Erforderlichkeitskriteriums und des Ausgleichsgebotes aufgrund einer Interessenabwägung benannt, vgl. Sieckmann, Eigentumsschutz, S.423. 32 Zum Ganzen Wieland, in: Dreier, GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 100; eingehend Rozek, Unterscheidung, S. 87 ff. 33 Rozek, Unterscheidung, S. 197. 34 Rozek, Unterscheidung, S.88, 198. 35 Rozek, Unterscheidung, S.88, 131. 36 So Götz, DVB1. 1984, 395 ff. 37 Vgl. BVerfGE 58, 300 (324). 38 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 190f.
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Teil 3: Die Herkunft des Kompensationsgedankens
B. Entwicklung in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung Entgegen vielfachen Behauptungen39, erst die Pflichtexemplarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei als Geburtsstunde der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung anzusehen, ist in der Literatur 40 frühzeitig erkannt worden, daß tatsächlich weit zuvor ergangene Entscheidungen, in welchen Ansprüche auf finanzielle Ausgleichszahlungen bei Regelungen zur Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. I S. 2 GG für erforderlich gehalten worden sind, den dogmatischen Ursprung des besagten Instituts markieren. Der Unterschied selbiger Entscheidungen zum Pflichtexemplarbeschluß - und damit wohl auch der Grund für ihre mangelnde Beachtung in diesem Zusammenhang - bestand allein darin, daß sie über privatrechtliche Ausgleichsansprüche zugunsten derer befanden, die von einer privatrechtlichen und eben nicht von einer öffentlich-rechtlichen Inhalts- und Schrankenbestimmung belastet wurden. Die Neuartigkeit der Pflichtexemplarentscheidung bestand damit primär in der Übertragung des bereits im Privatrecht für notwendig erachteten Kompensationsgedankens auf das öffentliche Recht. Den Beginn der Entwicklung der ausgleichpflichtigen Inhaltsbestimmung im Rahmen dieser Fallkonstellationen der sogenannten privatrechtlichen Aufopferung kennzeichnet die Feldmühle-Entscheidung41. Diese hatte den Entzug des Aktienrechts durch § 15 des Umwandlungsgesetzes von 1956 zum Gegenstand. Die Minderheitsaktionäre schieden gegen eine Abfindung aus der Gesellschaft aus.42 Der Umstand der schon zu diesem Zeitpunkt gegebenen Akzeptanz des in Rede stehenden Instituts zeigt sich nun daran, daß das Bundesverfassungsgericht die Umwandlung trotz einer Qualifizierung der gesetzlichen Regelung als Inhalts- und Schrankenbestimmung nur für den Fall als verfassungsgemäß ansah, wenn die Minderheit „für den Verlust ihrer Rechtsposition wirtschaftlich voll entschädigt wird" 43 . Die Notwendigkeit der Kompensationsleistung wurde aus der grundrechtlichen Wertentscheidung zugunsten des Privateigentums in Art. 14 Abs. I GG 44 und aus einer Parallelwertung zu Art. 14 Abs. III S. 2 GG 45 hergeleitet. Damit erkennt das Bundesverfassungsgericht eigentumsrechtliche Wertschutzpflichten des Staates außerhalb 39 Vgl. insoweit Schönfeld, Eigentumsgarantie, S. 34; ebenso Thormann, Abstufungen, S. 106; Kleinlein, DVB1. 1991, 365 (366) - „Geburtsstunde der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung"; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn.241. 40 Siehe hierzu Schwabe, JZ 1983, 273 (276); Sass, Entschädigungserfordernis, S. 101 f.; Hendler, DVB1. 1983, 873 (880); Kleinlein, DVB1. 1991, 365 (366); vgl. auch Kreft, Die Eigentumsgarantie und verfassungsrechtliche Entschädigungspflichten, in: FS Geiger, S. 412; Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S.237ff.; dies., NJW 1981, 2537 (2543f.). 41 BVerfGE 14, 263. Siehe hierzu auch Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S.238. 42 Vgl. BVerfGE 14, 263 (276f.). 43 BVerfGE 14, 263 (283). 44 BVerfGE 14, 263 (277 f.). 45 Vgl. BVerfGE 14, 263 (284).
B. Entwicklung in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung
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der Grenzen der Enteignung offenkundig an. Dies beruht letztlich auf dem Grundgedanken, daß - völlig unabhängig von einer Trennung zwischen privatem und öffentlichem Recht - mit der Zuständigkeit für die Normierung privatrechtlicher Rechtsbeschränkungen auch eine Verantwortlichkeit zur Aufsicht hierüber korreliere, die gegebenenfalls auch die Verurteilung zu entsprechenden Ausgleichsansprüchen beinhalte.46 Den unmittelbaren gedanklichen Anschluß hierzu bilden die Fälle zum Urheberrechtsgesetz. Hier wird in BVerfGE 31, 229 der Umstand, daß das Urheberrecht bezüglich der Vervielfältigung und Verbreitung von zum Unterrichtsgebrauch bestimmten Werken zugunsten von Schulbuchverlegern und anderen ohne die Einräumung eines kompensierenden Ausgleichsanspruchs eingeschränkt wird, für mit Art. 14 Abs. I S. 1 GG unvereinbar gehalten.47 Damit bildete wiederum reines Privatrecht den Gegenstand der Entscheidung. Hintergrund der Verneinung einer Legalenteignung bereits bestehender Urheberrechte war zunächst die in ihren wesentlichen Zügen bestehende Übereinstimmung der angegriffenen Norm mit dem früheren Recht. Mithin waren Art. 14 Abs. I und I I GG maßgeblich, im Rahmen derer der Gesetzgeber eine Vergütungsregel schaffen mußte. In einer kurz darauffolgenden Entscheidung zur gleichen Thematik führt das Bundesverfassungsgericht aus, der grundsätzliche Anspruch des Urhebers auf die Zuordnung des wirtschaftlichen Nutzens seiner Arbeit 48 und der hieraus resultierende Wertersatzanspruch 49 gegen den Nutzungsberechtigten auch im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen könne allenfalls durch gesteigerte öffentliche Interessen50 ausgeschlossen werden. Diese Entwicklung wird von Sass unter Berücksichtigung weiterer Entscheidungen zum sozialen Mietrecht 51 und der als Nähe zur restriktiven Inhalts- und Schrankenbestimmungen begreifbaren Wirkungsweise von Mieterhöhungsverlangen und Kündigungsrechten zu Recht als „grundlegende Emanzipation von Wertausgleichspflichten von Art. 14 III GG" begriffen. 52 Dabei macht er ohne die Erwägung weiterer hieraus möglicher Konsequenzen, die letztlich wieder auf eine Gefahr der „Kommerzialisierung der Grundrechte" hinauslaufen, darauf aufmerksam, daß die hieraus erkennbare Tendenz, (zunächst nur durch Wertausgleich) einen angemessenen Interessenausgleich in Privatrechtsnormen herstellen zu wollen, nicht nur von Art. 14 Abs. III GG, sondern sogar von Art. 14 GG insgesamt wegführe. 53 46
In diesem Sinne BVerfGE 72, 66 (77 ff.). BVerfGE 31, 229 (243); siehe hierzu auch Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 238 ff. 48 BVerfGE 31, 229 (241, 243); vgl. insofern auch E51, 193 (216 ff.). 49 BVerfGE 31, 229 (243). 50 Vgl. BVerfGE 31, 275 (291 ff.). 51 BVerfGE 37, 132 (142); 38, 348 (371); 53, 352 (357); 71, 230 (247, 250). 52 Sass, Entschädigungserfordernis, S. 102. 53 Sass, Entschädigungserfordernis, S. 102. 47
7 Guthke
Teil 3: Die Herkunft des Kompensationsgedankens
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Die konsequente Fortsetzung der so aufgezeigten Rechtsprechung zeigt sich sodann an der Entscheidung BVerfGE 49, 382, die die Möglichkeit einer vergütungsfreien Wiedergabe von geschützten Werken in kirchlichen Veranstaltungen zum Gegenstand hatte. Auch in diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht den Ausschluß einer Vergütungspflicht als mit Art. 14 Abs. IS. 1 GG unvereinbar erachtet.54 Zur Begründung wurde wiederum ausgeführt, daß der Umstand, daß der Urheber den Gebrauch seines Werkes nicht verbieten dürfe, nicht zugleich bedeute, daß auch sein Anspruch auf eine Vergütung ausgeschlossen werden könne.55 Daran anknüpfend wurde im Rahmen der Kleingartenentscheidung, die ebenso eine privatrechtliche Ausgleichspflicht zum Gegenstand hatte, am Maßstab von Art. 14 Abs. I, II GG das Pachtentgelt für Kleingärten überprüft und im Ergebnis als unangemessen niedrig befunden. 56 In diesem Zusammenhang sind erstmalig die Unterschiede zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung eingehender dargestellt worden, was in der Literatur zum Teil überzogen zum Anlaß genommen worden ist, von „Begriffsdefinitionen" zu sprechen.57 In die gleiche Richtung argumentierend entschied das Bundesverfassungsgericht sodann (auch an dieser Stelle bereits für Art. 12 GG), daß die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Private eine übermäßige, nicht durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigte Einschränkung der freien Berufsausübung darstelle, sofern nicht eine angemessene Entschädigung gewährt werde. Der Grundsatz der Unentgeltlichkeit sei in diesem Zusammenhang nicht mit dem Gleichheitsgebot vereinbar. 58 Letztlich kann in diesem Zusammenhang noch die kurz vor dem Erlaß des Pflichtexemplarbeschlusses ergangene Entscheidung zu §49 Abs. III a BSeuchG a. F. angeführt werden, die die Frage einer Entschädigung für Tätigkeitsverbote Ansteckungsverdächtiger zum Gegenstand hatte. Im Anschluß an die bisherigen Ausführungen heißt es dort, daß „Tätigkeitsverbote im Interesse der Allgemeinheit sicherlich zulässig, aber unter Umständen nur dann verhältnismäßig (sind), wenn den Betroffenen eine Entschädigung gewährt wird, die demgemäß nicht im freien Belieben des Gesetzgebers stünde"59. Wie bereits aufgezeigt, wurden die so im Privatrecht gelegten Grundlagen der Inhalts- und Schrankenbestimmung daraufhin in der Pflichtexemplarentscheidung erstmalig auf eine öffentlich-rechtliche Konstellation übertragen, wodurch erstmalig eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung dem Entschädigungsjunktim 54
BVerfGE 49, 382 (398 ff.). Vgl. BVerfGE 49, 382 (398). 56 BVerfGE 52, 1 (39 f.). 57 So Thormann, Abstufungen, S. 75; in diesem Sinne auch Hendler, DVB1. 1983, 873 (874 f.); anders und zutreffend jedoch Osterloh, JUS 1992, Lernbogen 2/1992, 9 ( 1 1 ) - Umschreibung von „Typen". 58 BVerfGE 54, 251 (271). 59 BVerfGE 57, 107(117). 55
C. Zusammenfassung
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des Art. 14 Abs. I und II unterstellt wurde. Die hieraus erwachsenden Konsequenzen, nämlich die Zerstörung des Dogma „Entwender entschädigungslose Sozialbindung oder entschädigungspflichtige Enteignung", sind bereits eingehend dargestellt worden.
C. Zusammenfassung Die Konzeption der Wertschutzpflichten des Bundesverfassungsgerichts, so wie sie ursprünglich im Zusammenhang mit Fallkonstellationen der privatrechtlichen Aufopferung entwickelt worden ist, entspricht in weiten Teilen dem von Dürig bereits in den frühen fünfziger Jahren propagierten Ansatz des Opferausgleichs. Die hieraus resultierende Verpflichtung zum kompensierenden Wertausgleich hält den Gesetzgeber im multipolaren Bereich zur Einführung geeigneter Entschädigungsnormen für den internen Ausgleich zwischen dem begünstigten und dem beeinträchtigten Privaten an. Während die dogmatische Begründung der Wertschutzpflicht im Falle der Enteignung vornehmlich in den Ansätzen einer selbständigen Wertgarantie, dem Erforderlichkeitskriterium oder dem generellen Ausgleichsgebot aufgrund einer Interessenabwägung gesehen wird 60 , werden demgegenüber für die in Ausnahmen bestehende Ausgleichpflicht einer Inhalts- und Schrankenbestimmung neben den Kriterien der Erforderlichkeit und der Lastengleichheit61 für eine Abwägung im Rahmen des Gleichheitssatzes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes insbesondere die Aspekte des Erwerbs durch eigene Leistung, des prinzipiellen Rechts auf Vermögen, des Ausgleichs für den Entzug eines Rechts und des Gebots des Vertrauensschutzes für Investitionen oder Dispositionen angeführt 62. Durch den Rückgriff auf Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Gleichheitssatz wird die staatliche Verpflichtung zum Wertschutz aus dem alleinigen Anwendungsbereich des Art. 14 GG enthoben. Daher erscheint eine Übertragung der im dortigen Zusammenhang entwickelten Grundsätze zum Ausgleich von Eingriffen in die Rechtssphäre Privater auf alle Bereiche vermögensrelevanter staatlicher Handlungen denkbar und - sofern finanzielle Interessen als rechtlich fundierte Interessen des Staates angesehen werden können - auch zulässig. Insofern scheint aus Gründen der Rechtssicherheit die rechtlich normative Konkretisierung einer allgemeinen verfassungsrechtlichen Vermögenswertschutzpflicht des Staates dringend geboten.63
60
Sieckmann, Eigentumsschutz, S.423. Sieckmann, Eigentumsschutz, S.429. 62 Sieckmann, Eigentumsschutz, S.430. 63 Positivrechtliche Anknüpfungspunkte für den Ausschluß der Entschädigung bei Sieckmann, Eigentumsschutz, S. 443 ff. 61
7*
Teil
Der Kurzberichterstattungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts A. Darstellung des Urteils I. Sachverhalt Eine der rechtlich umstrittensten Normen des Rundfunkstaatsvertrages 1 ist die Vorschrift des § 5 über die sogenannte Kurzberichterstattung. Diese mit den Landesrundfunkgesetzen gleichlautende Regelung gewährt allen europäischen Rundfunkveranstaltern, sowohl öffentlichrechtlichen als auch privatrechtlichen, ein Recht auf kostenlose Kurzberichterstattung. Sachlich betroffen sind in erster Linie die urheberrechtsfreien Veranstaltungen wie Sport, Zirkus und Variété, darüber hinaus jedoch auch alle „Veranstaltungen und Ereignisse, die öffentlich zugänglich und von allgemeinem Informationsinteresse sind" (§ 5 Abs. I). Das Recht beinhaltet die Befugnis zum Zugang, zur kurzzeitigen Direktübertragung, zur Aufzeichnung, zur Auswertung zu einem einzigen Beitrag und zur Weitergabe unter im folgenden näher geregelten Voraussetzungen (§ 5 Abs. I). Besonders wichtig ist weiterhin die Regelung des § 5 Abs. IV RStV, durch welche die unentgeltliche Kurzberichterstattung auf eine dem Anlaß entsprechende nachrichtenmäßige Kurzberichterstattung beschränkt wird. Hiernach bemißt sich die zulässige Dauer „nach der Länge der Zeit, die notwendig ist, um den nachrichtenmäßigen Informationsgehalt der Veranstaltung oder des Ereignisses zu vermitteln". Im Hinblick auf kurzfristige oder regelmäßig wiederkehrende Veranstaltungen vergleichbarer Art wird eine Obergrenze von eineinhalb Minuten veranschlagt. Die Einführung derartiger Bestimmungen basiert auf dem sogenannten dualen Rundfunksystem, dessen Einführung zur Folge hatte, daß die privaten Fernsehveranstalter in Konkurrenz zu den öffentlichrechtlichen getreten sind.2 Durch den Erwerb exklusiver Senderechte zur Ausstrahlung von Fußballspielen der Bundesliga unternahmen die privaten Fernsehveranstalter in diesem Zusammenhang den Versuch, ihren Zuschaûeranteil zu vergrößern. 3 Bedingt durch den technischen Stand konnten die privaten Anbieter zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht von allen Zu1 2 3
Vgl. Staatsvertrag zur Rundfunkkurzberichterstattung, GVB1 NW 1990, 286. Vgl. BVerfGE 97, 228 (229). BVerfGE 97, 228 (229).
A. Darstellung des Urteils
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schauern empfangen werden. Mit dem so dargestellten Recht auf Kurzberichterstattung wollten nun auch die Rundfunkgesetzgeber der Länder die Informationsinteressen der Zuschauer sichern, weil nach ihrer Auffassung die privaten Rundfunkveranstalter zu einer flächendeckenden Ausstrahlung ihrer Sendungen nicht in der Lage seien. Nach Ansicht der Bundesregierung verstoßen diese Vorschriften, namentlich § 3 a WDR-G bzw. § 3 a LRG 4 , gegen Art. 2 Abs. I, 5 Abs. I, 12 Abs. I, 13 Abs. I und 14 Abs. I GG.5 Darüber hinaus wurden mit Blick auf Art. 71, 73 Nr. 9 GG kompetenzrechtliche Bedenken geltend gemacht.6 Von Seiten der Bundesregierung wurde deshalb bereits 1991 ein abstraktes Normenkontrollverfahren gemäß Art. 93 Abs. I Nr. 2 GG i.V. m. 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG angestrengt, in welchem sie - vertreten durch den Bundesminister des Inneren - beantragte, festzustellen, daß die besagten landesrechtlichen Normen mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig seien.
II. Entscheidung des Gerichts Zusammengefaßt hat das Bundesverfassungsgericht das Recht auf Kurzberichterstattung für „im Kern mit dem Grundgesetz vereinbar" 7 erklärt. Abweichend hiervon werden mit Blick auf Art. 12 GG die Aspekte der Unentgeltlichkeit des Rechts auch bei berufsmäßig durchgeführten Veranstaltungen8 und der fehlenden Rücksichtnahme auf die vertraglich vereinbarte Karenzzeit 9 für verfassungswidrig erklärt. 10 4
Vgl. Zweites Gesetz über den „Westdeutschen Rundfunk Köln" und des Rundfunkgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 07.03.1990, GVB1 NW 1990, 138. 5 BVerfGE 97, 228 (235). 6 BVerfGE 97, 228 (235). 7 BVerfGE 97, 228 (251). 8 Vgl. BVerfGE 97,228 (252). Diesen Gesichtspunkt hatte Rupp bereits 1977 in einem dem DFB erstatteten Rechtsgutachten moniert, allerdings hatte er diesen Einwand seinerzeit aus Art. 14 GG hergeleitet, vgl. Rupp/Kraft, Sind Fernseh- und Rundfunkveranstaltungen zur unentgeltlichen Übertragung von Fußballspielen berechtigt? 9 In diesem Zusammenhang wird das Fehlen einer Regelung darüber beanstandet, ob die Kurzberichterstattung vor der vollständigen oder teilweisen Übertragung des Ereignisses möglich ist. Eine Karenzzeit, wie sie zwischen dem Veranstalter und dem Ersterwerber der Übertragungsrechte vereinbart worden sein kann, um so eine hohe Zuschauerpräsenz zu gewährleisten, sei im Gesetz nicht berücksichtigt worden. Mithin sei in dieser Hinsicht eine verfassungskonforme Auslegung dergestalt notwendig, als daß die Kurzberichterstattung nicht vor dem vertraglich begründeten Übertragungsrecht ausgeübt werden dürfe, wenn der Inhaber der vertraglichen Rechte eine Karenzzeit einzuhalten habe, vgl. BVerfGE 97, 228 (262); siehe hierzu auch Tettinger, Sport und Recht 1998,109 (110); Lauktien, ZUM 1998,253 (254); Lenz, NJW 1999, 757 (760). 10 Hinsichtlich der - hier nicht relevanten - Frage der formellen Verfassungsgemäßheit vgl. nur die Darstellung bei Holznagel/Höppener, DVB1. 1998, 868 (871); Dörr, JUS 1998, 840; Tietje, JUS 1999, 644 (646).
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Teil 4: Der Kurzberichterstattungsbeschluß des BVerfG
Mithin bildet Art. 12 Abs. I GG den ausschlaggebenden Prüfungsmaßstab für das Bundesverfassungsgericht. 11 In diesem Zusammenhang führt es aus, die sich auf das Kurzberichterstattungsrecht beziehenden Tätigkeiten würden vorrangig berufsmäßig ausgeübt.12 Daher sei zu beachten, daß die Berufsfreiheit auch die wirtschaftliche Verwertung der beruflich erbrachten Leistung mit einbeziehe, das heißt bezogen auf den konkreten Fall, es werde auch die Veräußerung der Fernsehübertragungsrechte geschützt.13 Zwar sei den Regelungen kein unmittelbarer Berufsbezug zuzuschreiben, zumal sie auch für nicht berufsmäßig durchgeführte Veranstaltungen gelten würden, dennoch wiesen sie die erforderliche berufsregelnde Tendenz14 auf, da die betroffenen Tätigkeiten, insbesondere bei großen Sportveranstaltungen, typischerweise beruflich ausgeübt würden. 15 Zudem werde die Dispositionsfreiheit des Veranstalters durch die zur Einräumung des Kurzberichterstattungsrechts verpflichtende Regelung beeinträchtigt, wodurch der wirtschaftliche Wert der Fernsehübertragungsrechte gemindert werde. 16 Demnach war ein Eingriff in die Berufsfreiheit anzunehmen. Die so als Berufsausübungsregelung qualifizierte Erlaubnis zur Kurzberichterstattung müsse (im Hinblick auf ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung) von vernünftigen Erwägungen des Allgemeinwohls getragen und verhältnismäßig sein.17 Der Allgemeinwohlbezug des Kurzberichterstattungsrechts wird mit dem legitimen Interesse aller Fernsehveranstalter, über Geschehnisse von hohem Informationswert für die Allgemeinheit in ihrem Programm berichten zu können, begründet. 18 Als weitere Aspekte werden die Verhinderung von Informationsmonopolen und die Sicherung einer Pluralität von Sichtweisen und Darbietungen angeführt. 19 Zudem werde der Gemeinwohlbezug über die Rundfunkfreiheit hergestellt, die erfordere, daß die informationellen Voraussetzungen der Meinungsfreiheit im Leitmedium des Fernsehens gewährleistet würden. 20 Es würde der Leitvorstellung des 11 Die Frage, inwieweit die Möglichkeit, die Fernsehübertragungsrechte an einer Sportveranstaltung zu veräußern, eine von Art. 14 Abs. I GG geschützte Eigentumsposition darstellen kann, wird demgegenüber als nicht entscheidungserheblich offen gelassen. 12 BVerfGE 97, 228 (253). 13 BVerfGE 97, 228 (253). 14 Eine solche ist nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dann anzunehmen, wenn die Bestimmungen nach Entstehungsgeschichte und Inhalt im Schwerpunkt solche Tätigkeiten betreffen, die typischerweise beruflich ausgeübt werden, vgl. hierzu Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd.I, Art. 12, Rn.42f. 15 BVerfGE 97, 228 (254). 16 BVerfGE 97, 228 (254). 17 BVerfGE 97, 228 (255). 18 BVerfGE 97, 228 (255). 19 BVerfGE 97, 228 (256); besonders kritisch Schwabe, JZ 1998, 514 (515). 20 BVerfGE 97, 228 (256f.). Die Berücksichtigung der Rundfunkfreiheit zur Begründung des Gemeinwohls wird von Tietje als „bedeutende dogmatische Konstruktion aufgefaßt", deren Besonderheit daraus resultiere, daß hierdurch die Grundsätze der „dienenden Funktion" der Rundfunkfreiheit zum Tragen kämen. In diesem Zusammenhang weist er plausibel die Möglichkeit nach, die - nach wie vor staatsgerichtete Rundfunkfreiheit - im Wege einer gesamtverfassungsrechtlichen Interpretation zur Begründung des für Art. 12 Abs. I GG notwen-
A. Darstellung des Urteils
103
Art. 5 Abs. I S . 2 GG nicht gerecht, eine durchgängige Kommerzialisierung von Informationen von allgemeiner Bedeutung hinzunehmen, durch die der Erwerber der Verwertungsrechte in die Lage versetzt werde, hiermit nach Belieben zu verfahren, Dritte auszuschließen oder in der Teilnahme zu beschränken. 21 Damit werde i m Ergebnis ein ausreichender Gemeinwohlbezug hergestellt. 22 Weiterhin erfolgt eine Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die auf dem Hintergrund des Gesetzeszweckes zu beurteilende Eignung des Gesetzes wird unproblematisch angenommen. Auch gebe es ein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Zweckerreichung nicht. 2 3 Damit kam es entscheidend auf die Verhältnismäßigkeit i m engeren Sinne an. 2 4 Die - für Art. 12 Abs. I GG neuartige 25 - Herstellung selbiger ist Anlaß der vorliegenden Untersuchung, sie bedarf daher i m folgenden einer eingehenderen Darstellung.
I I I . Besonderheit des Falles mit Blick auf Herstellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne I m Grundsatz bejaht das Bundesverfassungsgericht auch die Verhältnismäßigkeit i m engeren Sinne mit dem Hinweis auf den durch das Grundgesetz sehr hoch bewerteten Regelungszweck und die demgegenüber nicht besonders gravierende Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit. 26 digen Gemeinwohls heranziehen zu können, vgl. Tietje, JUS 1999,644 (648 f.). Die gegenteilige Ansicht führt aus, die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. I S. 2 GG könne, da sie ein staatsgerichtetes subjektives Recht beinhalte, nicht zur Begründung von Ansprüchen unter Privaten instrumentalisiert werden. Mithin sei auch das Recht auf Kurzberichterstattung auf diese Weise verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, vgl. insoweit Tettiger, ZUM 1986, 497 (502f.); Horn, Jura 1989, 17 (18); Doepner/Spieth, AfP 1989,420 (423). 21 BVerfGE 97, 228 (258). 22 Kritisch Schwabe, JZ 1998, 514 (515). 23 Sowohl der von der Bundesregierung in Aussicht gestellte erweiterte § 50 UrhG, der das Zitierrecht ausdehnt, als auch die von den Sportverbänden eingeräumte Möglichkeit, ein vertragliches Nachverwertungsrecht zu erwerben, erfüllen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht den in § 3 a WDR-G/LRG enthaltenen Gesetzeszweck, vgl. insoweit BVerfGE 97, 228 (258 f.). 24 Vgl. hierzu BVerfGE 97, 228 (259 f.). 25 Trotz der Fülle an literarischen Stellungnahmen, die aufgrund des Kurzberichterstattungsbeschlusses hervorgegangen sind, wird dieser Aspekt nur von den wenigsten Autoren erkannt bzw. ausdrücklich als neuartig herausgestellt, so aber bei Lenz, NJW 1999, 757 (759); Tietje, JUS 1999, 644 (649). 26 Diese Ausführungen werden maßgeblich anhand von drei Aspekten untermauert: Der Unterscheidung zwischen den Berichterstattungen, die auf den Nachrichtenwert beschränkt sind und denen, die einen Unterhaltungswert mit einbeziehen (§ 3 a Abs. I I S. 2 und Abs. II S. 4 WDR-G/LRG), der Möglichkeit einer Ausnahme oder Abmilderung in solchen Fällen, in denen die Kurzberichterstattung die Veranstalter wirtschaftlich besonders hart treffen würde (§ 3 a Abs. III) und der Möglichkeit der in § 3 a Abs. V normierten Pool-Lösung* vgl. insofern BVerfGE 97, 228 (260f.).
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Teil 4: Der Kurzberichterstattungsbeschluß des BVerfG
Allerdings beanstandet es den Umstand der als in jedem Fall unentgeltlich erfolgenden Kurzberichterstattung. Diese Kritik wird maßgeblich auf den Unterschied des unentgeltlichen Kurzberichterstattungsrechts gegenüber „normalen" Vermögenswerten Leistungs- und Duldungspflichten aus Gemeinwohlgründen zurückgeführt, der darin begründet liege, daß das Gesetz nicht nur der Allgemeinheit zugute komme, sondern auch die Konkurrenten desjenigen Fernsehveranstalters unangemessen begünstige, dem der Veranstalter (des Ereignisses) die Erstverwertungsrechte eingeräumt habe.27 Durch die so entstehenden Einbußen würde der Veranstalter des Ereignisses unangemessen belastet. Weiter sei den anderen Fernsehveranstaltern ein angemessenes, das Recht nicht aushöhlendes Entgelt zuzumuten. In Folge dessen müsse bei berufsmäßig durchgeführten Veranstaltungen ein Entgelt für die Kurzberichterstattung vorgesehen werden.28 Die Bestimmung oder Festsetzung eines solchen Entgelts könne jedoch nicht in das freie Ermessen des Veranstalters des Ereignisses gestellt werden. Hierbei handele es sich um die Wahrung eines öffentlichen Belangs, so daß der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang tätig werden müsse.29 Dabei habe er darauf zu achten, daß grundsätzliche allen Fernsehveranstaltern der Zugang zur Kurzberichterstattung zu gewährleisten sei, daß eine nachrichtenmäßige Kurzberichterstattung den wirtschaftlich vor allem interessanten Unterhaltungswert nur begrenzt vermitteln könne und dies für die Bestimmung der Höhe des Entgelts berücksichtigt werden müsse. Im Ergebnis bleibe es allerdings dem Gesetzgeber überlassen, wie ein Ausgleich der unterschiedlichen Belange im einzelnen zu erfolgen habe. Abschließend führt das Bundesverfassungsgericht zur partiellen Unvereinbarkeit der §§ 3 a WDR-G/LRG mit Art. 12 Abs. I GG hinsichtlich der Unentgeltlichkeit der Kurzberichterstattung bei berufsmäßig durchgefühlten Veranstaltungen aus, daß dies nicht die Nichtigkeit der Bestimmungen zur Folge habe, zumal ein völliger Wegfall des Kurzberichterstattungsrechts den Leitvorstellungen des Art. 5 Abs. IS. 2 GG ferner stünde als die befristete Fortgeltung eines momentan unentgeltlichen Kurzberichterstattungsrechts. 30 Daher wird die partielle Verfassungswidrigkeit lediglich festgestellt und dem Gesetzgeber eine Korrekturpflicht auferlegt. 31 Bis zur Vornahme dieser Korrektur sei das Gesetz weiterhin anzuwenden. Insoweit setzt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist von fünf Jahren. Falls diese nicht eingehalten werde, müssten die Gerichte unter Zugrundelegung der so dargestellten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts über die Höhe des Entgelts für die Kurzberichterstattung im Einzelfall entscheiden.32
27 28 29 30 31 32
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
97, 228 97, 228 97, 228 97, 228 97, 228 97, 228
(262 f.), (263). (263). (270). (270). (270).
B. Analyse und Auswertung des Urteils
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B. Analyse u n d Auswertung des Urteils I. Problemaufriß Das zentrale Problem des Kurzberichterstattungsbeschlusses ist schnell dargestellt. Im Kern stellt sich die Frage, wie die für Art. 12 Abs. I GG dogmatisch neuartige Konstruktion der Herstellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne durch eine finanzielle Ausgleichszahlung für das multipolare Verwaltungsrechtsverhältnis zu bewerten ist. Hierzu wird nachfolgend zunächst der Normalfall der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, so wie sie im Falle des Art. 12 Abs. I GG gehandhabt wird, dargestellt. Sodann soll die Zulässigkeit der von diesem Modell abweichenden Kompensationslösung durch finanziellen Ausgleich vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit der so für Art. 12 Abs. I GG herausgestellten Grundsätze im Verhältnis zu denen erörtert werden, die zu Art. 14 GG gefunden worden sind.
II. Zulässigkeit einer Eingriffsrechtfertigung durch finanzielle Kompensation 1. Normalfall der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bei Art. 12 Abs. I GG Die Prüfungsfolge der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung im Falle des Art. 12 Abs. I GG ist anhand der sogenannten Drei-Stufen-Theorie bereits in ihren Grundzügen als besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nachgezeichnet worden. Daher soll nun speziell auf solche generellen Gewichtungen und Aspekte eingegangen werden, die bislang im Rahmen der Herstellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne als einen Eingriff rechtfertigend angesehen worden sind, um so die hinter der Stufen-Lehre stehende Wertung herausstellen zu können. Auf der Stufe der reinen Berufsausübungsregelung räumt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber noch einen sehr weitgehenden Gestaltungsspielraum ein. Der Eingriff in Art. 12 Abs. I GG kann hier noch durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden, sofern die Rechtssetzungsmacht nicht zu sachfremden Zwecken mißbraucht wird. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gilt nun abstrakt folgender Grundsatz: Je stärker die Berufsangehörigen in ihrer Berufsausübung beeinträchtigt werden, desto wichtiger müssen die Gemeinwohlinteressen sein, denen die Regelung dienen soll. 33 Demgemäß hat eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe zu erfolgen. 34 Sofern ein Gesetz im materiellen Sinne in Frage steht, durch welches regelmäßig eine Vielzahl von Personen 33 34
Vgl. auch BVerfGE 32, 1 (34) m. w.N. BVerfGE 77, 308 (332); 85, 248 (261).
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Teil 4: Der Kurzberichterstattungsbeschluß des BVerfG
betroffen sein wird, stellt das Bundesverfassungsgericht nicht auf das Interesse des einzelnen Berufsangehörigen, sondern auf das der Berufsgruppe im Verhältnis zum Gemeinwohlbezug ab.35 Aus dieser Sichtweise wird im Hinblick auf den Kurzberichterstattungsbeschluß zunächst deutlich, daß das Bundesverfassungsgericht dort im Rahmen der Gütergewichtung von einem „Additionsverhältnis" im Rahmen der dem Eingriff gegenüberstehenden, das heißt ihn rechtfertigenden, Güter ausgeht. Kann danach ein der jeweiligen Eingriffsschwere nicht entsprechendes Pendant an „GemeinwohlbezugMasse" oder „Gemeinwohlbezug-Qualität" durch den Gesetzeszweck als solchen hergestellt werden, so besteht augenscheinlich die Möglichkeit diese Unzulänglichkeit des Gemeinwohlbezuges durch eine finanzielle Ausgleichszahlung zu kompensieren, um diesen so der Eingriffsschwere ebenbürtig zu machen. Reduziert man diesen Gedanken auf die drei Stellenwerte der Eingriffsintensität, des notwendigen Gemeinwohlbezuges und des finanziellen Ausgleichs, so ließe sich daraus schließen, daß Gemeinwohlbezug in Ausnahmefällen durch Geldleistung erkauft werden kann. Umgekehrt bedeutet dies zugleich, daß Geld einen „Gemeinwohl-Wert" aufweist, (unzureichender) Gemeinwohlbezug damit im Ergebnis durch Geld ersetzbar wird oder zumindest im Einzelfall sein kann. Andere Zweckvorgaben gelten hingegen im Falle subjektiver Zulassungsvoraussetzungen, welche nicht nur die Ausübung des Berufes reglementieren, sondern auch die Freiheit der Berufswahl berühren. Der Zweckbindung der Stufen-Lehre wird dann hinreichend Rechnung getragen, wenn die Regelung dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dient. 36 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt hier in besonderem Maße. Die Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfolgt jedoch hier nach soeben dargestellten Grundsätzen. Demgegenüber erfolgt zur Überprüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer objektiven Berufswahlregelung eine weit dezidiertere Angemessenheitsprüfung. Vor dem Hintergrund einer am Zweck der Abwehr von nachweisbaren oder höchstwahrscheinlich schweren Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut orientierten Abwägung der widerstreitenden Interessen wird der Blick hier vornehmlich auf den Rang der geschützten, potentiell eingriffslegitimierenden Gemeinwohlbelange gerichtet. 37 Wollte man jedoch auch diesen, eine Wertigkeit des jeweiligen Gemeinwohlbelanges statuierenden Ansatz in das oben dargelegte (negativ zeichnende) Schema der „Addition der dem Gemeinwohl gegenüberstehenden Wertigkeiten" einfügen, so erschiene dies unproblematisch denkbar. Einer solchen Vörgehensweise würde durch eine Rangfestlegung von Gemeinwohlbelangen bzw. -Wertigkeiten geradezu Vorschub geleistet, zumal erst hierdurch die Möglichkeit bestünde, den jeweiligen Rangstufen des Gemeinwohls einen bestimmten 35
Vgl. BVerfGE 30, 292 (315 f.). Zur konkreten Sonderbetroffenheit siehe Breuer, Hdb. d. StR., Bd. VI, § 148, Rn. 36 f. 36 Vgl. BVerfGE 13, 97 (106f.); 69, 209 (218). 37 Breuer, Hdb. d. StR., Bd. VI, § 148, Rn. 53.
B. Analyse und Auswertung des Urteils
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Gegenwert zuzuschreiben, der sodann - zugespitzt gesagt - bei Nichterreichen dieses Wertes durch das Gesetz selbst im Wege finanzieller „Zuzahlung" erlangt werden könnte. Damit besteht insbesondere auf der eingriffsintensivsten Stufe der objektiven Berufswahlregelung die bereits angedeutete Gefahr der Kommerzialisierung von Gemeinwohlbezug, die im Ergebnis zu einem Freikauf von der Notwendigkeit des staatlich gebotenen Grundrechtsschutzes führen würde. Daneben sind im Rahmen dieser von Breuer als „stufeninternen Feingewichtung" bezeichneten Abwägung die Gesichtspunkte der Art und des Ausmaßes der drohenden Gefahren oder Nachteile für die geschützten Belange, der Eingriffsschwere, des dirigistischen Wirkungspotentials der jeweiligen objektiven Zulassungsschranke und der Reichweite der gerichtlichen Prognosekontrolle zu berücksichtigen. 38 Trotz dieses sehr weitgehende und individuelle Differenzierungen zulassenden „Kriterienstraußes" ließen sich auch die hier genannten Merkmale nach Maßgabe des oben dargestellten Additionsverhältnisses finanziell aufrechnen und im Falle ihres Nichtvorhandenseins durch eine Ausgleichszahlung erfüllen oder besser gesagt ersetzen. Die Möglichkeit eines solchen Vorgehens ist daher im Rahmen des Lösungsansatzes speziell unter dem Gesichtspunkt zu untersuchen, welches Ausmaß und welche Qualität fehlenden Gemeinwohlbezuges als finanziell ersetzbar angesehen werden kann.
2. Der neue Ansatz des BVerfG a) Unzulässigkeit des Kompensationsmodells bei Art. 12 GG Gegen die durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Kurzberichterstattungsbeschlusses auch im Falle des Art. 12 Abs. I GG vorgenommene Lösung der Herstellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne durch eine finanzielle Ausgleichszahlung spricht - neben der abstrakten Gefahr der Kommerzialisierung von Gemeinwohlbezug - zunächst der ganz konkrete Vergleich zu den bei Art. 14 GG dieser Konstruktion entsprechenden Modellen der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung (in Form der privatrechtlichen Aufopferung) und der Enteignung (in Form der Enteignung zugunsten Privater). Vorüberlegung eines solchen Vergleichs muß zunächst der einer jeden Kompensation zugrundeliegende Gedanke sein, daß ein Eingriff - ganz gleich welcher Art und in welches Grundrecht - nur durch ein qualitativ adäquates Gegenstück kompensiert werden kann. Daraus läßt sich der Satz ableiten, daß ein Eingriff bzw. die Gestattung eines Eingriffs dann zu unterbleiben hat, wenn die Möglichkeit der Gewährung eines kongruenten, nicht aber unbedingt identischen, Ausgleichsmittels nicht gegeben ist. Vergleichsmaßstab der insoweit zu berücksichtigenden „Saldi an Grundrechtsschutz" muß daher die Schutzrichtung beider Grundrechte sein. 38
Breuer, a. a. O.
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Teil 4: Der Kurzberichterstattungsbeschluß des BVerfG
Die plakative Abgrenzung nach der Formel, „Art. 14 GG schützt das Erworbene, Art. 12 GG demgegenüber den Erwerb" 39 , kann - obwohl sie die von Schneider vorgenommene Differenzierung nach dem jeweils stärkeren Sach- oder Personenbezug 40 bereits andeutet - insoweit nicht weiterhelfen. Hieran wird allenfalls deutlich, daß wirtschaftliche Interessen gleichermaßen den Kern des Schutzbereichs, also der Schutzrichtung beider Grundrechte ausmachen. Anders als bei Art. 12 GG beschränkt sich jedoch der Schutzumfang des Art. 14 GG weitestgehend auf diesen Bereich. So führt etwa das Bundesverfassungsgericht aus, Art. 14 GG beinhalte die Freiheitsverwirklichung in vermögensrechtlicher Hinsicht: „Der Eigentumsgarantie kommt im Gesamtgefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen" 41. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, daß ein Eingriff in diese Freiheit durch Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der vermögensrechtlichen Lage kompensiert werden kann, zumal dem Grundrechtsträger in qualitativer Hinsicht das zurückgewährt wird, was ihm an Grundrechtsschutz genommen wurde. Mit Blick auf das Institut der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung muß sich eine solche Argumentation allerdings vorhalten lassen, das Dogma des Vorranges der Bestandsgarantie vor der Wertgarantie zu unterlaufen. Daher kann sie nur mit Blick auf die Kompensationsfunktion der Enteignung aufrecht erhalten werden, die auf eine bewußte Durchbrechung selbigen Grundsatzes angelegt ist. Vergleicht man diesen Schutzumfang nun mit dem des Art. 12 GG, so wird man zunächst weitgehende Ähnlichkeiten feststellen können. Auch dort spielen wirtschaftliche Gesichtspunkte eine maßgebende Rolle bei der Ausübung der grundrechtlich verbürgten Freiheit. Die Annahme einer vollständigen Übereinstimmung in dieser Hinsicht würde jedoch völlig außer Acht lassen, daß die durch Art. 12 GG gewährleisteten Grundrechte allgemein der freien Entfaltung der Persönlichkeit dienen.42 Folglich sind sie - im Gegensatz43 zu der Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG - in erster Linie persönlichkeitsbezogen: „Der verfassungsrechtliche Schutz von Beruf und Arbeit dient nicht nur der Sicherung existenznotwendiger materieller Daseinsgrundlagen, sondern soll dem Menschen zugleich als Person eine freie, autonome Gestaltung seines Erwerbslebens ermöglichen. Damit reiht sich die Arbeitsund Berufsfreiheit ,dem Schutzversprechen ein, das dem Staat für die Würde des 39
In diesem Sinne BVerfGE 30, 292 (334f.); 31,8 (32). Schneider, VVDStRL 43 (1985) 7 (39). 41 BVerfGE 50,290 (339); 53,257 (290); neuerdings auch E97,350 (370f.); vgl. auch Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz, S. 101, 110; Wieland, in: Dreier, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 63; zu den weiteren Funktionen der Eigentumsgarantie vgl. Parodi, Eigentumsbindung, S. 57 ff. 42 Vgl. BVerfGE 30, 292 (334); 71, 183 (201); eingehend Rittstieg, in: AK-GG, Bd. I, Art. 12, Rn. 12 ff. 43 A. A. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 3. 40
B. Analyse und Auswertung des Urteils
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Menschen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit obliegt'." Damit weisen die in Art. 12 GG verbürgten Freiheiten auch nach Ansicht von Häberle einen Bezug zur Menschenwürde auf. 45 Auch das Bundesverfassungsgericht betont immer wieder den engen Zusammenhang, der zwischen Art. 12 GG und der Freiheit der Persönlichkeit bzw. der Menschenwürde besteht.46 Die Unzulässigkeit eines finanziellen Kompensationsmodells bei Art. 12 GG könnte sich nun daraus ergeben, daß auf diesem Wege nicht nur - zulässig und adäquat - der vermögensrechtliche Bestandteil des Schutzumfanges des Art. 12 durch die Ausgleichszahlung wiederhergestellt bzw. erhalten würde, sondern auch gleichzeitig der persönlichkeitsbezogene Teil des grundrechtlichen Schutzes als auf diese Weise angemessen ausgeglichen erachtet werden würde. Dann allerdings würde nicht - wie oben gefordert - ein kongruenter und somit adäquater Ausgleich hergestellt, so daß hinsichtlich des persönlichkeitsbezogenen Teils nach wie vor ein negativer Saldo zu verbuchen wäre. Leisner bringt dies in abstrakter Form auf den Punkt, indem er vor dem Hintergrund der Monetarisierung des Rechts ausführt: „(...) diese (die Entschädigungsfähigkeit, Anm. des Verfassers) wird stets dort problematisch, wo die „Persönlichkeit" als solche von der Staatsmacht getroffen wird: Verliert sie Entfaltungs- insbesondere Berufs- und Gewinnchancen, so läßt sich dies in Geld nicht ausdrükken, nicht bewerten, daher auch nicht entschädigen47. Ein angeblich „persönlichkeitsschützendes Denken" - das aber gerade in die von ihm doch so kritisch betrachteten kapitalistisch-monetaristischen Kategorien zurückfällt - möchte hier immer wieder Bezahlung für entgangene Fortune verlangen, so etwa die Opfer von Gewaltherrschaften entschädigen48, wenn möglich noch auf Kosten derer, welche ja „nur in ihrem Eigentum" getroffen worden sind. Verkannt wird dabei, daß der besondere Wert der Persönlichkeit gerade darin liegt, daß sie als solche nicht bewertbar ist, weil sie stets ganz Chance bleibt, ganz Virtualität" 49 .
Wenn auch die Opferlage einer Gewaltherrschaft nicht mit der vorliegenden vergleichbar ist, so treffen die von Leisner angestellten Überlegungen hinsichtlich der Möglichkeit eines finanziellen Ausgleichs von entgangener persönlicher Freiheitssphäre - jedenfalls abstrakt - auch auf den Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. I GG zu. Daher könnte man der Ansicht sein, das vom Bundesverfassungsgericht auch im Falle des Art. 12 GG propagierte Kompensationsmodell sei unzulässig. 44 Schneider, VVDStRL 43 (1985) 7 (18f.) mit Zitat von Badura, Die Grundfreiheiten der Arbeit, in: FS Berber, S.23. Zum personalen Bezug des Art. 12 GG siehe ferner Häberle, JZ 1984, 345 (350f.); Pietzcker, NVwZ 1984, 550 (552f.); Bryde, NJW 1984, 2177 (2182f.). 45 Vgl. Häberle, JZ 1984, 345 (350f.). Diesen Bezug will Bryde auch für Art. 14 GG hergestellt wissen, vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 3. 46 Häberle, JZ 1984, 345 (351) mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung in Fn. 40. 47 Vgl. BVerfGE 68, 193 (222f.); 74, 129 (148f.); siehe auch BGHZ 62, 96. 48 Vgl. BVerfGE 84, 90 (126 ff.). 49 Leisner, Der Abwägungsstaat - Verhältnismäßigkeit als Gerechtigkeit?, S.74.
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Teil 4: Der Kurzberichterstattungsbeschluß des BVerfG
b) Zulässigkeit des Kompensationsmodells bei Art. 12 GG Der so gegen die Zulässigkeit des Kompensationsgedankens auch für Art. 12 GG geführten Argumentation stehen jedoch erhebliche Bedenken entgegen. Maßgeblicher Ansatzpunkt einer gegenläufigen Position ist die Annahme der im Einzelfall zu untersuchenden und auch untersuchbaren Möglichkeit der vollständigen Kommerzialisierung des mit der grundrechtlichen Freiheitsausübung des Art. 12 GG im Zusammenhang stehenden Lebenssachverhaltes. Wenn dieser Umstand nun zweifelsfrei nachweisbar gegeben ist, so reduziert sich zwangsläufig auch die Freiheitsausübung, das heißt die Rechtsausübung, des Art. 12 GG auf eine solche in vermögensrechtlicher Hinsicht. Ein von der Gegenansicht ins Feld geführter persönlichkeitsbezogener Part mit Bezug zur Menschenwürde wäre dann nicht existent. Vor diesem Hintergrund erschiene es in einer solchen Konstellation - ebenso wie im Falle des Art. 14 GG - denkbar und zulässig ein Minus an Möglichkeit diesbezüglicher, das heißt rein vermögensrechtlicher, grundrechtlicher Freiheit vollständig und angemessen durch eine finanzielle Ausgleichszahlung zu kompensieren. Hinter dieser Form der Argumentation steht folgender für alle Grundrechte abstrahierbarer Gedanke, der als maßgeblich zu untersuchender Grundzug im Rahmen des Lösungsansatzes ausführlich anhand verschiedener Vergleichspaare verifiziert werden soll: Wenn ein bestimmter Lebenssachverhalt bereichsspezifisch ökonomisiert wird, dann muß dies auch auf die nähere Ausgestaltung der Rechtsausübung, das heißt insbesondere die Herstellung der Verhältnismäßigkeit, zutreffen. 50 Dann nämlich ist die grundrechtliche Freiheit („nur noch") eine solche in vermögensrechtlicher Hinsicht und kann dementsprechend durch eine Ausgleichszahlung angemessen wiederhergestellt werden. Aufgrund dieser Überlegungen könnte man - zunächst nur hinsichtlich Art. 12 Abs. I GG - der Ansicht sein, das ein entsprechendes Kompensationsmodell zulässig sei. 3. Stellungnahme Die Entscheidung hinsichtlich der Zulässigkeit des Kompensationsgedankens im Falle des Art. 12 Abs. I GG ist vor dem Hintergrund der Praktikabilität und Durchsetzbarkeit der ein solches Modell befürwortenden Argumentation zu fällen. Diese basiert erkennbar auf der Prämisse, die Art der Ausübung der grundrechtlichen Freiheit des Art. 12 Abs. I GG sei im Einzelfall stets insoweit bestimmbar, als daß festgestellt werden könne, ob und inwieweit neben den „Grundbestandteil" der Freiheitsausübung in vermögensrechtlicher Hinsicht ein solcher von persönlichkeitsbezogener Prägung mit einem Bezug zur Menschenwürde tritt. Zwar ist eine grundsätzliche Klassifizierung oder Meßbarkeit des jeweiligen personalen Bezuges 50
So Tietje, JUS 1998, 644 (649).
B. Analyse und Auswertung des Urteils
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der Freiheitsausübung und auch der -beschränkung in der Literatur nicht unbekannt: , Je mehr ein Gesetz die personale Entfaltung beeinträchtigt, umso strengere Prüfung von Eignung, Erforderlichkeit und Proportionalität" 51. Auch werden denkbare Konsequenzen geringfügiger personaler Freiheitsausübung erkannt: „Und umgekehrt: Je weiter die Regelung von dem Bereich persönlicher Entfaltung entfernt ist, um so größer die wirtschaftspolitische Freiheit des Gesetzgebers"52. Die Unterstellung der Möglichkeit einer Trennung zum Zwecke der Beurteilung des Grades an Kommerzialisierung erscheint jedoch überaus bedenklich. Während die vollständige Kommerzialisierung des Lebenssachverhaltes im Falle der Berichterstattung über Sportereignisse besonders deutlich zutage tritt, sind demgegenüber auch Fallkonstellationen denkbar, in denen sich eine Trennbarkeit zwischen den vermögensrechtlichen und den persönlichkeitsbezogenen Bestandteilen der Freiheitsausübung des Art. 12 Abs. I GG als weit schwieriger erweisen wird. Dies wird zunächst auf abstrakter Ebene um so deutlicher vor den Ausführungen Schneiders, der mit Blick auf den personalen Charakter des Art. 12 GG konstatiert, dieser weise „im Hinblick auf seine existenziellen und organisatorischen Elemente" eine mit jener personalen Grundtendenz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit „analoge Normstruktur" auf. 53 Richtet man nun das Augenmerk auf den diffusen, transzendenten und daher materiell kaum faßbaren Charakter der als Vergleichspaar herangezogenen Glaubensund Bekenntnisfreiheit, so wird an diesem Hinweis deutlich, daß der personale Bezug des Art. 12 GG nicht immer lokalisierbar und konkret feststellbar sein muß. Vielmehr zeigt er sich auf einer übergeordneten Ebene, sozusagen als (zum Teil) beständige Begleiterscheinung der vermögensrechtlichen Komponente. Dieser Befund wird unterstützt durch die weiteren Ausführungen Schneiders über die Arbeits- und Berufsfreiheit: „Als Ausdruck der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit gewährleistet sie vor allem die individuelle Selbstbestimmung durch Arbeit, Beruf und Ausbildung (personaler Kern)." 54
Mithin kommt die personale Komponente der Freiheit zum Teil erst im Zuge der Verwirklichung des vermögensrechtlichen Bestandteils zur Geltung. Mit anderen Worten kann der personelle Kern teilweise nicht eigenständig ausgeübt oder vollzogen werden. Er wird dann als Annex der vermögensrechtlichen Freiheitsausübung begriffen und kann daher in diese integriert sein. Hierdurch bedingt erscheint die Möglichkeit der Abspaltbarkeit beider Bestandteile voneinander sehr gering. 51 52 53 54
Pietzcker, NVwZ 1984, 550 (552). Pietzcker, a. a. O. Schneider, VVDStRL 43 (1985) 7 (19). Schneider, VVDStRL 43 (1985) 7 (40).
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Teil 4: Der Kurzberichterstattungsbeschluß des BVerfG
Dieser Aspekt spricht zunächst maßgeblich gegen die Praktikabilität eines für die Feststellung der Kommerzialisierung notwendigen Aufspaltens in vermögensrechtliche und personelle Freiheitsbestandteile des Art. 12 Abs. I GG. Er schließt jedoch den generellen Gedanken der finanziellen Ausgleichszahlung im Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. I GG nicht gänzlich aus. In Konsequenz der vorangegangenen Überlegungen muß die Möglichkeit entsprechender Kompensationsleistungen vielmehr auf solche Fälle beschränkt werden, in denen die personelle Komponente der Freiheitsausübung des Art. 12 Abs. I GG hinter die vermögensrechtliche erkennbar und eindeutig vollständig in den Hintergrund tritt, so daß von eigenständiger und alleiniger vermögensrechtlicher Freiheitsausübung ohne individuelle Selbstverwirklichung im Sinne der Persönlichkeitsentfaltung gesprochen werden kann. Als Indikator für dieses Maß an Kommerzialisierbarkeit von Lebenssachverhalt kann hier kein fester Maßstab genannt werden, da jeder Beruf zumindest rein formell auf einen wirtschaftlichen Ertrag ausgerichtet ist. 55 Folglich ist vielmehr stets eine individuelle Beurteilung der tangierten Interessenlagen geboten, die das Ausmaß der hierdurch gleichzeitig verwirklichten personalen Belange qualifiziert und vor diesem Hintergrund ein Urteil über die Möglichkeit einer finanziellen Ausgleichszahlung fällt.
I I I . Ergebnis Unter Berücksichtigung der vorgenannten Einschränkungen mit Blick auf den personellen Bezug der Freiheitsverwirklichung des Art. 12 Abs. I GG ist die Möglichkeit einer finanziellen Kompensationszahlung für eine unverhältnismäßige Belastung im Einzelfall auch im Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. I GG als zulässig zu erachten.
55 Bryde macht das Maß des Persönlichkeitsbezuges von einer Einteilung in freie Berufe und Arbeitnehmer abhängig, wobei er den freien Berufen eine plastische Verbindung zur Persönlichkeitsentfaltung zuschreibt, den Arbeitnehmer hingegen als durch den Arbeitgeber mediatisiert ansieht, vgl. Bryde, NJW 1984, 2177 (2182).
Teil
Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation Aufgabe des nachfolgenden Lösungsansatzes soll es sein, die im vorangegangenen Teil zu Art. 12 GG angestellten Überlegungen zu abstrahieren und damit auf den gesamten grundrechtlichen Anwendungsbereich zu übertragen. Bei dieser beabsichtigten Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Grenzen ist maßgeblich zu untersuchen, inwieweit von staatlicher Seite gegenüber Privaten angeordnete Kompensationsverpflichtungen zugunsten Privater der Grundkonzeption der Freiheitsrechte widersprechen. Insoweit kommt es entscheidend auf die Frage an, welches Ausmaß und welche Qualität fehlenden Gemeinwohlbezuges als finanziell ersetzbar angesehen werden kann.1 Zur Beantwortung dieser Frage sollen zunächst außerhalb des Verfassungsrechts liegende, aber dennoch der dreipoligen Ausrichtung der Arbeit parallel gelagerte Problematiken, wie zum Beispiel die Konzeption des strafrechtlichen Täter-OpferAusgleichs, vergleichend herangezogen werden. Fraglich ist hier in erster Linie die Zulässigkeit der Vergleichbarkeit scheinbar entsprechender Modelle. Sodann werden zusätzlich verfassungsrechtliche Figuren, wie beispielsweise die des mittelbaren Eingriffsbegriffes, darauf hin zu überprüfen sein, in welchem Umfang ihre dogmatischen Grundlagen hinsichtlich Schutzinteresse und -bedürfnis des Bürgers auf die vorliegende Thematik übertragbar sind. Der sich hieran anschließende Lösungsvorschlag wird vor dem Hintergrund der so gefundenen Ergebnisse zu formulieren sein.
A. Verfassungsrechtliche Grenzen I. Kritik am Kompensationsmodell Das aus der Entwicklung der Ökonomisierung des Rechts resultierende Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Recht sieht sich im Zusammenhang mit finanziellen Kompensationsmodellen dem Vorwurf ausgesetzt, Verstöße gegen Freiheitsrechte qualitativ nicht hinreichend und daher in unzulässiger Art und Weise legitimieren zu wollen, wodurch im Ergebnis ein „Freikaufen" (bzw. eine Gestattung 1
Vgl. insoweit bereits Teil 4.B.II. 1.
8 Guthke
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
zum Freikauf) von entsprechenden Eingriffen bewirkt werde. 2 Durch die Möglichkeit der Vermarktung von Gemeinwohlbezug, die hierdurch bedingte „Kommerzialisierung grundrechtlicher Schutzpositionen"3 und die nicht adäquate Kompensation persönlicher Freiheitssphäre durch bloße Geldzahlungen werde dem Staat die Möglichkeit eingeräumt, den grundrechtlichen Schutzumfang nach freiem Ermessen auszugestalten. Dies könne nach Scherzberg der Regelungsintention der Grundrechte widersprechen, zumal hierdurch dem Anliegen der Grundrechte, „rechtliche Freiheit in tatsächliche Freiheitschancen umzusetzen und sich als „gelebte Ordnung" in der sozialen Wirklichkeit umfänglich abzubilden", nicht entsprochen werde.4 Die so zusammengefaßten Kritikpunkte legen die Notwendigkeit einer zunächst groben Klassifizierung der Grundrechte in solche mit kommerzialisierbarem und nicht kommerzialisierbarem Grundgehalt nahe5, anhand derer grundsätzlich festgestellt werden kann, welche Grundrechte im Falle eines durch Private bewirkten Eingriffs einer „Heilung" durch finanzielle Ausgleichszahlung zugängig sind. Hierzu bedarf es einer näheren Darstellung der Grundkonzeption der Freiheitsrechte.
II. Widerspruch zur Grundkonzeption der Freiheitsrechte 1. Konzeption der Freiheitsrechte Grundrecht bedeutet grundsätzliches Recht.6 Mit der ihnen eigenen unmittelbaren Geltungskraft stellen die Grundrechte die Grundlage bzw. die Basis für die übrige Rechtsordnung dar.7 Grundrechtsadressat ist in erster Linie der Gesetzgeber, dessen Tätigkeit durch die materiellen Rechtsschutzvorgaben des Grundgesetzes begrenzt werden soll.8 Damit wird deutlich, daß die Grundrechte in erster Linie Freiräume des einzelnen sichern sollen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind selbige daher grundsätzlich als Abwehrrechte 9 des Bürgers gegen den Staat konzipiert. 10 Dar2 Vgl. hierzu in Bezug auf den Vorrang des Primärrechtsschutzes Scherzberg, DVB1. 1991, 84 (90). 3 Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (519). 4 Scherzberg, DVB1. 1991, 84 (90). 5 Siehe hierzu insbesondere Teil 5. A.II.2.b)dd)(l). (a). 6 Leschke, Ökonomische Verfassungstheorie, S. 176. 7 Leschke, a. a. O. 8 Leschke, a. a. O.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 1, Rn. 19. 9 Nachweise über die Renaissance bzw. die „Rekonstruktion der klassischen Grundrechtsfunktion" bei Stem, Hdb.d. StR., Bd. V, § 109, Rn.41 i.V.m. Fn. 139; vgl. femer auch Schlink, EuzGRZ 1984, 457 ff. 10 Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S.21 mit Verweis auf BVerfGE 7, 198 (204); 21, 362 (371 f.); 39, 68 (70ff.); 50, 290 (327); 68, 193 (205).
A. Verfassungsrechtliche Grenzen
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über hinaus ist heute auch eine objektivrechtliche Funktion der Grundrechte anerkannt 11 , der die Aufgabe zukommt, die Geltungskraft der erstgenannten Funktion durch die sie erzeugende Bindung an alle drei Gewalten zu verstärken. 12 Die Anreicherung mit derartigen sekundären Funktionen betrifft vor allem die Freiheitsgrundrechte, gilt aber auch für die anderen Grundrechtsarten. 13 Demnach ist die heutige Grundrechtsdogmatik durch eine Doppelqualifikation der Grundrechte gekennzeichnet.14 In diesem Umstand wird von Böckenförde zu Recht ein „zentrales und noch nicht gelöstes Problem" des heutigen Grundrechtsverständnisses gesehen.15 Bedingt durch den Umstand, daß sich die Wirkungsweise der Grundrechte nicht lediglich auf den staatsgerichteten subjektiven Freiheitsaspekt beschränkt, sondern als „oberste Prinzipien der Rechtsordnung insgesamt" Geltung beanspruchen, werde auch das Verhältnis Privater untereinander tangiert und mitbestimmt.16 Dies sei als Eingriff in die Privatautonomie zu erachten. Durch die Erfüllung entsprechender Handlungsaufträge und Schutzpflichten sei eine Veränderung im Verfassungsgefüge zu verzeichnen, die einen unmittelbaren Einfluß auf die Stellung und die Funktion des Bundesverfassungsgerichts dergestalt ausübe, daß im Bereich der Grundrechtsprechung über die bloße Anwendung vorgegebener Inhalte hinaus rechtschöpferische Konkretisierungsarbeit geleistet werde. 17 Rechtssetzung und Rechtsanwendung würden hierdurch streckenweise vereint. 18 Vor diesem Hintergrund erscheint es angezeigt, eingehend auf die unterschiedlichen Wirkungsweisen der Grundrechte einzugehen, um so etwaige Widersprüche zu finanziellen Kompensationsmodellen aufdecken zu können.
a) Grundrechte als subjektive Rechte Der überkommene normative Gehalt der Grundrechte, so wie er sich vor und während der Weimarer Zeit verfestigt hatte19, bestand in der Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte 20 des einzelnen gegenüber der hoheitlich handelnden Staatsge11
Siehe statt vieler nur Eidenmüller, Effizienz, S.443. Vgl. BVerfGE 7, 198 (205); siehe hierzu ferner BVerfGE 21, 362 (371 f.); 73, 261 (269); Eidenmüller, Effizienz, S.444. 13 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn.3f.; ders., AöR 120 (1995) 345ff. 14 Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S. 9. 15 Böckenförde, a. a. O. 16 Böckenförde, a. a. O. 17 Böckenförde, a.a.O., S.9f. 18 Böckenförde, a.a.O., S. 10. 19 Eingehende Darstellung bei Kröger, Grundrechtsentwicklung in Deutschland - von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, S.46ff.; vgl. zur historischen Entwicklung auch Leschke, Verfassungstheorie, S. 176 f. 20 Vgl. insoweit nur Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S.66ff. und insbesondere S. 78 ff. 12
8*
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
walt. Auf diese originäre Funktion weist das Bundesverfassungsgericht (bereits neben dem Hinweis auf eine objektive Wertordnung des Grundrechtsabschnitts) im Lüth-Urteil hin: „Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Das ergibt sich aus der geistesgeschichtlichen Entwicklung der Grundrechtsidee wie aus den geschichtlichen Vorgängen, die zur Aufnahme von Grundrechten in die Verfassungen der einzelnen Staaten geführt haben. Diesen Sinn haben auch die Grundrechte des Grundgesetzes (,..)" 21 . Auch der Bundesgerichtshof führt aus, die Grundrechte „sollen in erster Reihe die Freiheitssphäre des einzelnen gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen und ihm insoweit zugleich die Voraussetzungen für eine freie aktive Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen sichern" 22. In dieser sogenannten negatorischen, das heißt auf Unterlassen staatlicher Eingriffe gerichteten Funktion (status negativus 23 ), wird daher das gemeinsame Element aller Grundrechte gesehen.24 Allerdings hat diese nur bei den Freiheitsrechten im Vordergrund stehende Funktion25 - zum Teil nur grundrechtsspezifisch - durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine sehr weitreichende Ausweitung und Intensivierung erfahren. Als Beispiel für eine solche Entwicklung ist die Ausweitung der Grundrechtsgeltung in die sogenannten besonderen Gewaltverhältnisse26 zu benennen.27 Demnach ist ein auf die Abwehrfunktion beschränktes Grundrechtsverständnis unlängst in einem Wandel begriffen. 28 Neben der bereits angesprochenen Ausweitung auf den objektiven Gewährleistungsgehalt wird im Rahmen der heutigen Grundrechtsdogmatik innerhalb der primären, das heißt subjektiv-rechtlichen Funktion, regelmäßig eine grundlegende Systematisierung nach ihrem rechtstechnischen Inhalt in verschiedene Teilbereiche vorgenommen.29 Neben der klassischen Abwehrfunktion werden die Kategorien der 21
BVerfGE 7, 198 (204 f.); siehe auch BVerfGE 50, 290 (337). BGHZ 63, 196(198). 23 Jellinek, System der Subjektiven Öffentlichen Rechte, S. 84ff.; 94ff. - „Dem Staatsmitgliede kommt daher ein Status zu, in dem er Herr ist, eine staatsfreie, das Imperium verneinende Sphäre. Es ist die individuelle Freiheitssphäre, des negativen Status, des status libertatis, in welcher die streng individuellen Zwecke durch die freie Tat des Individuums ihre Befriedigung finden." (S. 87), vgl. hierzu insbes. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 229ff.; Stem, Staatsrecht, Bd.III/1, S. 426ff. 24 Vgl. hierzu Gellermann, Grundrechte im einfachgesetzlichen Gewände, S.34ff.; siehe femer Böckenförde, NJW 1974, 1529ff.; Ossenbühl, NJW 1976, 2100ff. 25 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 6. 26 Siehe nur BVerfGE 33,1 (9 ff.); 45,400 (417); 58,275 (268 ff.); 58,358 (366f.); vgl. hierzu auch Stem, Staatsrecht, Bd.III/1, S.413f. 27 Eine Zusammenfassung dieser Entwicklung findet sich bei Böckenforde, Grundrechtsdogmatik, S. 16 ff. 28 So v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Vorb. Art. 1-19, Rn. 17. 29 Vgl. statt vieler Sachs, in: Sachs, GG, Vor Art. 1, Rn.42ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. Vor Art.l,Rn.2. 22
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(originären) Leistungs- und (derivativen) Teilhaberechte und die der Gleichheitsgrundrechte genannt. 30 Darüber hinaus wird aus den Grundrechten oftmals eine Schutzpflicht des Staates gegenüber Eingriffen Dritter hergeleitet. 31 Diese wird von Jarass jedoch zu Recht nicht den primären, sondern bloß den sekundären Grundrechtsfunktionen zugeordnet und damit als objektivrechtliche Erweiterung der Leistungsgrundrechte erachtet. 32 Als besonders prägend für die Bezeichnung der einzelnen, so dargestellten Wirkungsweisen hat sich die heute vielfach in begrifflichen Anlehnungen 3 3 nach wie vor verwendete Jellineksche Statuslehre erwiesen, welche trotz zahlreicher K r i t i k 3 4 als „das großartigste Beispiel analytischer Theoriebildung i m Bereich der Grundrechte" 3 5 angesehen wird. Sie läßt sich durch Jellinek zusammengefaßt dergestalt skizzieren: „Freiheit vom Staat 36 , Forderungen an den Staat 37 , Leistungen 3 8 für den Staat". 3 9 Sie basiert auf der Annahme mehrerer rechtlich relevanter Zustände, die Jellinek als Statuus benennt. 40 Dabei ergeben sich die Ansprüche aus den jeweiligen Zuständen bzw. gründen sich unmittelbar auf diese. Demgemäß wird das sich so ergebende Anspruchssystem durch die Bestimmung der einzelnen Statuus gekennzeichnet. 41 Ausdrücklich werden affirmative Ansprüche nur aus dem positiven Sta30 Zu anderen, zum Teil historisch bedingten bzw. gewachsenen Kriterien zur Einteilung der Grundrechte, wie etwa 1. nach dem Grundrechtsinhaber bzw. dem Rechtsträger (Kreis der Begünstigten), 2. nach den sachlichen Gegenständen der Regelungen (bürgerliche und politische Rechte; politische Rechte und Schutzrechte), 3. nach der Art der geschützten Interessen (ideale und Vermögensinteressen), 4. nach formellen und materiellen Rechten, 5. nach der betroffenen Körperschaft oder Staatsfunktion, 6. nach dem Verhältnis der Rechte zueinander, 7. nach ihrem rechtstechnischen Inhalt, 8. nach der Status-Zugehörigkeit, 9. nach den Verpflichteten, 10. nach ihrer Rechtsquelle, 11. nach ihrer Aktualität, 12. nach den Begrenzungen der Grundrechte, 13. nach ihrer ideologischen Zugehörigkeit, 14. nach ihrem objektiven Norminhalt, 15. nach der Geltungskraft oder auch 16. nach dem systematischen Verhältnis der Grundrechtsbestimmungen zueinander vgl. Stern, Staatsrecht, Bd.III/1, S. 388 ff. 31 Die Schutzrechte werden oftmals auch als Unterfall der Leistungsrechte erachtet. Zur Typologie der Grundrechte vgl. insoweit Roth, Faktische Eingriffe, S.74ff. Generell zu grundrechtlichen Schutzpflichten vgl. Gellermann, Grundrechte, S. 232ff.; 298 ff. 32 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 2, 10; ebenso v. Münch, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. I, Vorb. Art. 1-19, Rn.22; ähnlich Sachs, in: Sachs, GG, Vor. Art. 1, Rn.48. 33 Vgl. hierzu Stern, Staatsrecht, Bd.III/1, S.426 mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 180. 34 Zur Kritik gegenüber dem formalen Charakter der Statuslehre siehe nur Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn.280f.; Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 18 f.; siehe auch Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 64 m. w. N. 35 Alexy, Theorie der Grundrechte, S.243. 36 Resultiert aus dem negativen Status. 37 Resultiert aus dem positiven Status. 38 Resultiert aus dem aktiven Status. 39 Jellinek, System, S.84ff. 40 Vgl. Jellinek, System, S.81 ff., 86ff.; ders., Allgemeine Staatslehre, S.419ff. 41 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 1 Abs. 3, Rn. 147.
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tus hergeleitet, der demnach terminologisch der heutigen Kennzeichnung als Leistungsrecht entspricht: „Nicht negative Freiheit vom Staate 42 , sondern positive Staatsleistungen sind ihr Inhalt" 4 3 . Das Recht auf Teilhabe, also auf eine Organstellung i m Staat, stellt Jellinek als den aktiven Status wie folgt dar: „Diese Ansprüche gehen weder auf ein Unterlassen, noch auf ein Leisten von Seiten des Staates, sondern auf ein Anerkenntnis des Staates, für ihn wirksam werden zu können"44.
b) Grundrechte als objektive Rechte Neben der traditionellen Auffassung der Grundrechte als subjektive Rechte sind selbige heute zugleich als Bestandteil der objektiven Weitordnung durchgängig anerkannt 45 : „Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthalten die Grundrechtsnormen nicht nur subjektive Abwehrrechte des einzelnen gegen den Staat, sondern sie verkörpern zugleich eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und Richtlinien und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung gibt" 46 . Diese vom Bundesverfassungsgericht erstmalig im SRP-Urteil 47 unter dem Schlagwort der „wertgebundenen Ordnung" des Grundgesetzes vertretene und sodann im Lüth-Urteil 48 weitergeführte Sichtweise ist auf der Grundlage der französischen Rechtslehre49 bereits zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung durch namhafte Staatsrechtler wie Smend 50, Gerber 51, Hensel 52, Holstein 53 und Kaufmann 54 entwickelt worden 55, ohne allerdings anerkannt zu sein56. 42 Die Anspruchsqualität des status negativus kommt jedoch deutlich zum Ausdruck, wenn Jellinek ausführt, dieser beinhalte jedenfalls „die Möglichkeit, rechtliche, im Individuum lokalisierte Ansprüche zu erzeugen", vgl. Jellinek, System, S. 105 f., 122. 43 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S.421 ff. 44 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S.421 ff. 45 Alexy, Der Staat 29 (1990) 49ff.; Gellermann, Grundrechte, S.36ff.; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 58,63 ff.; Böckenförde, Der Staat 29 (1990) 1 ff.; Dreier, Jura 1994,505 (509); Jarass, AöR 110 (1985) 363ff.; Jean d'Heur, JZ 1995, 161 (162ff.); Müller, Der Staat 29 (1990) 33 ff.; kritisch Schlink, EuzGRZ 1984,457 (462ff.). 46 BVerfGE 39, 1 (41); vgl. BVerfGE 7, 198 (205); 35,79 (114). 47 BVerfGE 2, 1 (12). 48 BVerfGE 7, 198 (205); vgl. hierzu insbes. Schneider, Güterabwägung, S.25ff. 49 Vgl. hierzu Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 194. 50 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen, S.264. 51 Gerber, Die weltanschaulichen Grundlagen des Staates, S. 13 ff. 52 Hensel, Grundrechte und politische Weltanschauung, S. 10. 53 Holstein, AöR 50 (1926) 1 (29ff.). 54 Kaufmann, VVDStRL 3 (1927) 2 (3 ff.). 55 Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S.21 m. w.N. in Fn.2. 56 Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S.22.
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Die neuere Grundrechtsdogmatik hat dabei nicht etwa im Auge, die klassische Abwehrfunktion abzulehnen oder zurückzudrängen, sondern es geht ihr vielmehr um eine Ergänzung durch weitere Funktionen.57 Insoweit kommt den Grundrechten der Charakter weitentscheidender Grundsatznormen zu. 58 Diese halten den Staat bei der näheren Ausgestaltung der Rechtsordnung auch außerhalb des Bereichs imperativer Einwirkungen zur Wahrung des Verfassungsprinzips Freiheit an.59 Sie verpflichten staatliches Handeln durch ihre Zielvorgaben zur Schaffung und Erhaltung aller für die individuelle Grundrechtsausübung notwendigen Bedingungen. Inwieweit die objektivrechtlichen Grundrechtswirkungen vom Bürger eingeklagt werden können, ist trotz ihrer durchgehenden Akzeptanz umstritten. 60 Die weitestgehende Anerkennung einer solchen Funktion basiert auf der Erkenntnis, daß verfassungsrechtliche Gewährleistungsgehalte sich nicht in der bloßen Einräumung der Freiheitsrechte erschöpfen können, sondern darüber hinaus auch tatsächliche Freiheitschancen eröffnen müssen. Insoweit wird vielfach 61 vertreten, der Staat sei verantwortlich für die Herstellung und Erhaltung der „Voraussetzungen für eine freie aktive Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen"62. Dennoch sind Inhalt, Struktur und Reichweite dieser objektivrechtlichen Grundrechtswirkungen bis heute ungeklärt. 63 Wie bereits dargestellt, sollen von ihnen jedenfalls die grundrechtlichen Schutzrechte umfaßt sein.64 Darüber hinaus werden 57 Jarass, AöR 120 (1995) 345 (347); ähnlich Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S.41; kritisch v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Vorb. Art. 1-19, Rn. 17. 58 Die Terminologie ist uneinheitlich, zum Teil wird auch von objektiven Wertentscheidungen, Elementen objektiver Ordnung, objektiven Wert- und Steuerungsvorgaben oder objektiven Grundsatznormen gesprochen. 59 Vgl. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 235 ff.; Scherzberg, DVB1. 1989, 1128 (1131 f. m.w.N.). 60 Vgl. zum Ganzen Stern, Staatsrecht, Bd.III/1, S. 989 ff. 61 In diesem Sinne Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, S.75ff.; vgl. auch S. 46f.; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität", S. 139ff.; S. 153ff. m. w.N.; kritisch Böckenförde, Der Staat 29 (1990) 1 ff.; zur objektiv-rechtlichen Dimension siehe auch Wahl/Masig, JZ 1990, 553 (556f.). 62 BVerfGE 21, 362 (369); 68,193 (205). 63 Bereits hinsichtlich des Begriffs der objektiven Dimension der Grundrechte spricht Alexy zu Recht von einem terminologischen „Wirrwarr", siehe Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs, S. 264. 64 Zu den grundrechtlichen Schutzrechten Isensee, Hdb. d. StR., Bd. V, § 111, Rn. 86ff.; vgl. Hermes, Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 76; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 122ff.; Stern, Hdb. d. StR., Bd. V, § 109, Rn.60; Klein, NJW 1989,1633ff.; Klein, DVB1. 1994, 489ff.; Preu, JZ 1991, 265ff.; Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S. 37 ff.; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten; speziell zur Frage, ob zur Begründung der Schutzpflichten der objektivrechtliche Gehalt der Grundrechte herangezogen werden muß oder ob selbige bereits aus dem individuellen Abwehranspruch herzuleiten sind, siehe Scherzbeig, DVB1. 1989, 1128 ff.; zur verwaltungsprozessualen Geltendmachung Möstl, DÖV 1998, 1029 ff.
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vor dem Hintergrund der „Ausstrahlungswirkung" 65 der Grundrechte auf die gesamte Rechtsordnung regelmäßig die Gruppen der sozialen Grundrechte 66 und der grundrechtlichen Rechte auf Organisation und Verfahren 67 als Bestandteile der objektivrechtlichen Funktionen genannt.68 Unabhängig von der Notwendigkeit der Anerkennung selbiger Kategorien objektiver Grundrechtswirkungen als solcher besteht jedoch auch Unklarheit darüber, inwieweit die Doppelqualifizierung bzw. Doppelgestalt der Grundrechte auf eine notwendige Zusammengehörigkeit objektiver und subjektiver Grundsatznormen zurückzuführen ist. Stern führt insoweit aus, ein Grundrecht müsse als subjektives Recht seine Grundlage in einer objektiven Norm haben.69 Daher könnten objektive Grundrechtsnormen als Grundlage subjektiver Grundrechte nicht bestritten werden.70 Ein solcher Versuch der Herleitung des objektiven Gewährleistungsgehalts muß als zu kurzschlüssig abgelehnt werden. Hierdurch würde die objektive Rechtsnorm mit ihrem Inhalt gleichgestellt bzw. verwechselt. 71 Zwar kann jedes subjektive Recht bereits logisch nur aus einer Norm des objektiven Rechts hergeleitet werden, welche das entsprechende subjektive Recht begründet. Damit macht die Schlußfolgerung von subjektivem Recht auf die objektive Norm hin Sinn. Allerdings erscheint es gänzlich unzulässig, bereits aufgrund des Bestehens einer Norm des objektiven Rechts zwangsläufig auf den objektiv-rechtlichen Gehalt einer Norm schließen zu wollen. Vielmehr kommt es allein darauf an, welchen konkreten normativen Inhalt eine Norm des objektiven Rechts zu setzen beabsichtigt - entweder begründet sie ein subjektives Recht, stellt eine objektive Grundsatznorm dar oder verfolgt beide Absichten zugleich. Ein so von Stern gezogener Schluß erschiene in Anlehnung an Borowskis Analyse der einzelnen Grundrechtsfunktionen allenfalls in die entgegengesetzte Richtung 65 Böckenförde sieht die Eigenart der Ausstrahlungswirkung in dem Umstand, daß „sie nicht einen neuen Gegenstandsbereich des Verfassungsrechts konstituiert; sie läßt die einzelnen Rechtsbereiche - Zivilrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht, Sozialrecht - als solche bestehen, aber sie verschafft sich in sie hinein prägend und beeinflussend Geltung". Daher würden diese Rechtsbereiche „gewissermaßen verfassungsrechtlich durchbohrt", vgl. Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S. 31 f. 66 Vgl. hierzu Bethge, Der Staat 24 (1985) 351 (378); Böckenförde, Die sozialen Grundrechte im Verfassungsgefüge, in: Staat, Verfassung, Demokratie, S. 146ff. 67 Vgl. hierzu Hain, Rundfunkfreiheit und Rundfunkordnung, S.71 ff.; Bethge, NJW 1982, 1 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd.III/1, S. 970ff.; Ossenbühl, Grundrechtsschutz im und durch Verfahrensrecht, in: FS Eichenberger, S. 183ff.; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983) 193 (207 ff.); Wahl, VVDStRL 41 (1983) 151 (166 ff.); Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens. Eingehende Darstellung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Goerlich, Verfahrensgarantien, S.57ff. 68 Siehe zum Ganzen auch Stem, Hdb. d. StR., Bd. V, § 109, Rn. 50ff. 69 So Stem, Staatsrecht, Bd.III/1, S.908f. 70 In diesem Sinne Stem, a. a. O. 71 So zu Recht Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S.27 i.V.m. Fn.42.
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dergestalt denkbar, als daß man beim Bestehen objektiver Grundrechtsnormen zwangsläufig von deren Subjektivierung ausgehen könnte.72 c) Die Bedeutung der Einteilung der Grundrechte Die Einteilung der Grundrechte hat heute weitgehend ihre frühere Bedeutung, die von Ermacora in einem wissenschaftlich systematisierenden und politischen Ordnungsvorgang gesehen wird 73 , verloren. Dieser allgemeine Befund wird von Stern maßgeblich auf den Umstand zurückgeführt, „daß die Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts von Anfang an die praktische Bedeutung der Grundrechte und ihrer Durchsetzung in den Vordergrund treten ließ" 74 . Sofern in diesem Zusammenhang eine Kategorisierung vorgenommen wurde, diene eine solche allenfalls einer Auslegung und Anwendung der einzelnen Grundrechte. 75 Derartige scheinbar dogmatische Bemühungen sind jedoch richtigerweise vielmehr ergebnisorientiert-instrumentalisiert als wissenschaftlich aufzufassen. 76 Darüber hinaus scheint der Bedeutungsverlust selbiger Einteilungsversuche auf die bereits frühzeitig gewonnene Erkenntnis der sogenannten „Multifunktionalität" 77 der Grundrechte zurückzuführen zu sein. Dieser von Luhmann78 geprägte Begriff verdeutlicht heute plakativ die bereits in den frühen fünfziger Jahren durch Scheuner bei dem Versuch einer nach grundrechtlichen Inhalten vorgenommenen Einteilung erkannte Gegebenheit, daß durch die dabei zugrundegelegten79 Inhalte der Grundrechte „nicht das Ganze ihrer verfassungsrechtlichen Bedeutung" zu erfassen war. Auch das Bundesverfassungsgericht führt bereits in frühen Jahren aus, Grundrechte erfüllten mehrere Funktionen, die miteinander verbunden sind und ineinander übergehen.80 Bereits zehn Jahre später verkündet wiederum Scheuner, die Erkenntnis, daß sich in „jeder Grundrechtsnorm (...) verschiedene verfassungsrechtliche Elemente verbinden" 81 können, sei heute weitgehend gesichert. Dies ist heute 72 Vgl. insoweit Borowski, Prinzipien, S. 123 ff., auf denen er anhand der Analyse der Grundrechtsfunktionen den Nachweis erbringt, daß alle Grundrechtsnormen grundsätzlich umfassend subjektiviert sind. 73 Ermacora, Allgemeine Staatslehre, S.741; vgl. insoweit bereits Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Vorbem. 7 zum 2. Hauptteil, S.518. 74 Stern, Staatsrecht, Bd.III/1, S.452. 75 Stern, a.a.O. 76 So zu Recht Stern, Staatsrecht, Bd. III/l, S. 452 - Einteilungsfrage als „Reservat der Wissenschaft". 77 Vgl. hierzu Willke, Stand und Kritik der neueren Grundrechtstheorie, S. 204 ff. 78 Vgl. Luhmann, Grundrechte als Institutionen, S. 80 - zum Gedanken der Multifunktionalität aller konkreten Strukturen und Zweckleistungen siehe ders., a. a. O., S. 129 i.V. m. Fn. 53. 79 Die damals von Scheuner vorgenommene Einteilung beinhaltete die Gruppen der Freiheitsrechte, der institutionellen Garantien, den Schutz der Ordnungen des Gemeinschaftslebens, die verfassungsrechtlichen Leitprinzipien und die sozialen Grundrechte. 80 Vgl. BVerfGE 6, 55 (72). 81 Scheuner, VVDStRL 22 (1965) 1 (55).
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durchweg anerkannt.82 Vor diesem Hintergrund erscheint es denkbar, daß eine starre Einteilung der Grundrechte in eine jeweilige Gruppe mit Blick auf die Erhaltung und Förderung der multifunktionalen Wirkungsweise der Grundrechte zunehmend vermieden wird, zumal die aus Gründen der Abgrenzungsschärfe erforderliche Einteilung zu nur einer Gruppe 83 zur Folge haben könnte, daß selbige Gruppenzuweisung als für das Hauptcharakteristikum des betreffenden Grundrechts maßgebend und damit überwiegend herangezogen werden könnte. Hierdurch bestünde die Gefahr der Vernachlässigung oder Zurückdrängung anderweitiger Wirkungsweisen, was eine generelle Reduktion der grundrechtlichen Schutzintensität bedingen könnte. In diesem Zusammenhang erscheint eine feste und exklusive Zuweisung in einzelne „Schubfächer" für ein dynamisches und zeitlich adäquates Grundrechtsverständnis eher hinderlich als fördernd. 84 Fraglich ist allerdings, ob sich auch die vorliegend vorgenommene Einteilung in objektive und subjektive Grundrechts Wirkungen diesem Vorwurf aussetzen muß. Mit Blick auf die durch sie gewonnenen Gesichtspunkte für die systematische Verfassungsauslegung ist dies nicht anzunehmen. Zum einen wird das aus Grundrechten entstandene, objektivierte Verfassungsrecht heute dazu benutzt, verfassungsimmanente Schranken für Grundrechte zu begründen, welche keine ausdrücklichen Schranken nennen.85 Zum anderen kommt diesem die Funktion zu, inhaltlich offen formulierte Grundrechtsschranken näher auszugestalten und damit auch zu begrenzen.86 Mithin läßt sich auf diese Art und Weise plausibel begründen, daß schlechthin schrankenlose Rechte in einer wertgebundenen Ordnung nicht existieren 87 und vermeidet durch diese - dogmatisch saubere - Konstruktion die nur schwer begründbare Annahme etwaiger Analogien zu anderen Grundrechtsschranken, wie zum Beispiel zur Schrankentrias des Art. 2 Abs. I GG. Im Ergebnis kann damit die Notwendigkeit der Unterscheidung in objektive und subjektive Grundrechtswirkungen nicht geleugnet werden, zumal sie keine Unterscheidung um ihrer selbst willen darstellt, sondern vielmehr die voranstehend aufgezeigten Eckpfeiler heutiger Grundrechtsdogmatik ausmacht. An dieser Stelle knüpft die Notwendigkeit der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an, die in der Anwendung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte 82
Vgl. Kloepfer, Grundrechte als Entstehungssicherung und Bestandsschutz, S. 1 ff.; Willke, Grundrechtstheorie, S. 204ff.; Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, S.218f.; Rhinow spricht von „Plurifunktionalität", vgl. Rhinow, Grundrechtstheorie, Grundrechtspolitik und Freiheitspolitik, in: FS Huber, S.432; Steinbeiß-Winkelmann, Grundrechtliche Freiheit und staatliche Freiheitsordnung, S.2f.; vgl. auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S.227f. 83 Vgl. hierzu Stem, Staatsrecht, Bd.III/1, S.457. 84 Zur Notwendigkeit der Kategorisierung der Grundrechte nach Möglichkeit und Umfang der Kommerzialisierbarkeit ihrer jeweiligen Gewährleistungsgehalte siehe insbesondere Teil 5. A.II.2.b)dd)(l). (a). 85 Vgl. hierzu BVerfGE 28, 243 (261); 30, 173 (193). 86 Vgl. BVerfGE 35, 202 (225 f.). 87 So BVerfGE 49, 24 (56) unter Hinweis auf BVerwGE 49, 202 (209).
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zu sehen ist. Dies läßt sich wie folgt erklären: Durch die allumfassende, das heißt insbesondere auch horizontale Wirkungsweise 88 objektiver Grundsatznormen sind selbige in ihrer Ausdehnung und Intensität zunächst gänzlich unbestimmt.89 Dies resultiert maßgeblich aus den inhaltlich unterschiedlichen Freiheits- und Schutzrichtungen und der Intention, für verschiedene Inhaber grundrechtlichen Schutzes wirken zu wollen. 90 Aufgrund dieser Überlegungen schreibt Böckenförde den Grundrechten als objektiven Grundsatznormen eine „Tendenz zur Asymmetrie" zu. 91 Ohne einen Abwägungsvorgang im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besteht mithin die Gefahr, daß „sich bestimmte Grundrechtsgehalte auf Kosten anderer Grundrechtsgehalte oder gegenüber anderen Grundrechtsträgern einseitig"92 ausdehnen. Mithin ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht als Ausfluß subjektiven Grundrechtsschutzes in Form einer objektiven Grundnormierung oder -haltung zu begreifen, sondern vielmehr als notwendigerweise zwischengeschaltetes „Korrektiv" aus der Gruppe objektiver Grundsatznormen heraus anzusehen. Dies macht unter zusätzlicher Berücksichtigung der oben herausgearbeiteten Funktion des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Maßstab für die Garantie von Einzelfallgerechtigkeit nunmehr um so deutlicher, weshalb der durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip beabsichtigte Ausgleich mehrerer, auch gegenläufiger normativer Prinzipien heute vielfach als mäßigender Gerechtigkeitsausgleich bezeichnet wird. 93 Vor diesem Hintergrund ließe sich daher bereits an dieser Stelle mit Blick auf die Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (abstrakt) behaupten, selbige könnten nur dann als adäquates Mittel erachtet werden, sofern hierdurch im dreipoligen Verhältnis die Kompatibilität an sich nicht parallel laufender Freiheits- und Schutzrichtungen wiederhergestellt würde. Unter Berücksichtigung der bereits im Rahmen der Analyse des Kurzberichterstattungsbeschlusses vorgenommenen Kategorisierung der Grundrechte drängt sich daher nun um so gewichtiger die Notwendigkeit einer solchen auf, zumal augenscheinlich nur auf diese Weise allgemeinverbindlich festzustellen ist, unter welchen Umständen ein Minus an grundrechtlicher Schutzintensität als durch eine Geldzahlung als hinreichend kompensiert angesehen werden kann.94 Nur in einem solchen Fall erlaubt es sich schließlich, von (wiederhergestellter) Kompatibilität im Rahmen der grundgesetzlich vorgegebenen Ordnungs- und Wertstruktur zu sprechen. 88 Zur Wirkung der Grundrechte im Privatrecht, also insbesondere zur Lehre von der sogenannten „Drittwirkung" der Grundrechte siehe Rüfner, Hdb. d. StR., Bd. V, § 117, Rn. 54 ff. und 65ff.; vgl. ferner Starck, Hdb.d. StR., Bd. VII, § 164, Rn.49ff. 89 Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S.52. 90 Böckenförde, a. a. O. 91 Böckenförde, a. a. O. 92 Böckenförde, a. a. O. 93 Vgl. insoweit Kirchhof, Hdb. d. StR., Bd. V, § 124, Rn. 250. 94 Siehe hierzu insbesondere Teil 5. A.II.2.b)dd)(l). (a).
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d) Ergebnis und Zusammenfassung Neben die klassische Funktion der Grundrechte als subjektive Abwehrrechte gegen den Staat tritt heute anerkanntermaßen eine objektiv-rechtliche Dimension, durch welche verfassungsrechtliche Grundentscheidungen zum Ausdruck gebracht werden sollen. Der Grundgedanke bei der Anerkennung einer solchen Funktion basiert auf der Erkenntnis der Notwendigkeit, dem Bürger von staatlicher Seite aus bei der Ausübung und Verwirklichung der ihm durch die subjektiven Rechte eingeräumten Positionen behilflich sein zu müssen. Bereits dieser abstrakte Befund macht deutlich, daß der objektiv-rechtliche Gewährleistungsgehalt die subjektivrechtliche Komponente inhaltlich erweitert und verstärkt. Aus der universellen Wirkungsweise der objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalte resultiert insbesondere im dreipoligen Verhältnis das Bedürfnis nach dem angemessenen Ausgleich gegenläufiger Grundrechtsgehalte. Diesen Abwägungsvorgang übernimmt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bzw. die sogenannte praktische Konkordanz 95. Im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulässigkeit finanzieller Kompensationsleistungen erfordert die kompatible Angleichung nicht parallel gelagerter Freiheits- und Schutzrichtungen eine Kategorisierung der Grundrechte, im Rahmen derer es sich vorliegend anbietet, die insoweit in Frage kommenden Grundrechte zunächst nach der Möglichkeit und sodann nach dem Ausmaß der Kommerzialisierbarkeit ihres freiheitsrechtlichen Grundgehaltes zu sortieren. 2. Widerspruch zur dargestellten Konzeption der Freiheitsrechte Der nachfolgende Teil der Arbeit hat die Aufgabe, darzustellen, in welchen Konstellationen, das heißt insbesondere bei welchen Grundrechten, die Möglichkeit finanzieller Ausgleichszahlungen im (unzulässigen) Widerspruch zur soeben dargestellten Konzeption der Freiheitsrechte stehen kann. Dabei soll in einem ersten Schritt kurz das Kollisionsverhältnis zwischen den beiden gegenläufigen Positionen dargestellt werden. Im Anschluß daran ist anhand verschiedener, der Grundidee einer finanziellen Kompensationsleistung für freiheitliche Einbußen vergleichbarer Modelle zu untersuchen, inwieweit eine rechtfertigende Argumentation zugunsten solcher Ausgleichsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aufgebaut werden kann. Sollte dies streckenweise möglich sein, so muß die Möglichkeit finanzieller Ausgleichszahlungen (insoweit) trotz des zu bejahenden Kollisionsverhältnisses als zulässig beurteilt werden. 95 Gemäß dem Gesichtspunkt der praktischen Konkordanz „müssen verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter in der Problemlösung einander so zugeordnet werden, daß jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt", so Lerche, Hdb. d. StR., Bd. V, § 122, Rn. 6; Hesse führt aus, das Prinzip der Einheit der Verfassung erfordere die Aufgabe einer „Optimierung", dazu müsse den kollidierenden Gütern Grenzen gezogen werden, um auf diesem Wege beide zu optimaler Wirksamkeit zu verhelfen, vgl. Hesse, Grundzüge, Rn.72; vgl. auch BVerfGE 78, 38 (56 f.).
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a) Kollisionsverhältnis Das maßgebende Motiv für die verfassungsrechtliche Verankerung von Grundrechten ist der Grundgedanke der Freiheitssicherung: „Bestimmte Präferenzen bedrohen individuelle Freiräume, und diese individuellen Freiräume sollen durch die verfassungsrechtliche Verankerung von Grundrechten geschützt werden" 96. Darüber hinaus schreibt Eidenmüller den verfassungsmäßig garantierten Individualrechten jedoch auch eine Appellfunktion zu, die für das vorliegend zu behandelnde, dreipolige Rechtsverhältnis von ausschlaggebender Bedeutung ist, zumal sie - quasi von sich selbst ausgehend - das Fundament für die Legitimation weitergehender staatlicher Eingriffe zugunsten anderer Bürger schafft. 97 Hierdurch wird gewissermaßen der „Kreis im dreipoligen Rechtsverhältnis" geschlossen, indem die Funktion des Staates als ein für die Gesellschaft geschaffener Ordnungsverbund deutlich zu Tage tritt. 98 Inhalt der besagten Appellfunktion ist zunächst die Aufforderung an den Bürger, nur solche Präferenzen zu entwickeln, „die die Privatsphäre anderer und ihre persönlichen Entscheidungen respektieren" 99. Von diesem Ursprung ausgehend leitet Eidenmüller das Gebot ab, daß der Bürger bestimmte private Autonomiesphären anderer Bürger zu akzeptieren hat, in dessen Rahmen ihm eine Einmischung nicht zusteht.100 Die verfassungsrechtliche Wertung soll damit auch im horizontalen Verhältnis internalisiert werden. Der entscheidende Punkt ist nun die Herausstellung der zwangsläufigen Begleiterscheinung dieser horizontalen Absicherung subjektiver Rechte, die in der „gezielten Einflußnahme auf freiheitsbedrohende Präferenzen" 101 besteht. Mithin wird der Eingriff in die Freiheitsräume eines Bürgers durch die damit einhergehende Verwirklichung der verfassungsrechtlich garantierten Autonomiesphäre eines anderen Bürgers gerechtfertigt: „Soweit diese Wertordnung zum Ziel hat, unantastbare Autonomiesphären und Freiheitsräume des einzelnen durch eine „Korrektur" freiheitsgefährdender Präferenzen anderer zu sichern, handelt es sich um Präferenzbeeinflussung mit dem Ziel der Freiheitssicherung. Die Rechtfertigung für diese Form der gezielten Präferenzbeeinflussung liegt in der freiheits- und autonomiegefährdenden Wirkung der Präferenzen, gegen die sich die Intervention richtet"102.
Konkret zeigt sich dieses Dreiecksverhältnis am Beispiel des Kurzberichterstattungsbeschlusses. Hier erfolgt der in Art. 12 Abs. I G G bewirkte Eingriff in die Freiheitssphäre der Veranstalter von sportlichen und anderen Großveranstaltungen im Ergebnis zugunsten der Verwirklichung der (objektivrechtlichen Dimension der) Rundfunkfreiheit auf Seiten der durch das Recht der Kurzberichterstattung begünstigten Personen, zumal die (objektivrechtliche) Verwirklichung der Rundfunkfrei96
Eidenmüller, Effizienz, S.356. Vgl. Eidenmüller, a. a. O. 98 Eidenmüller, a. a. O. 99 Eidenmüller, a. a. O. 100 Eidenmüller, a. a. O. 101 Eidenmüller, a. a. O. 102 Eidenmüller, Effizienz, S.356 f. 97
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heit durch das Bundesverfassungsgericht als vernünftiges Gemeinwohlanliegen im Rahmen des Art. 12 Abs. I GG eingeordnet wird. 103 Kurzum wird Art. 5 Abs. I S. 2 GG auf Kosten des Art. 12 Abs. I GG verwirklicht. Daher wird im Zusammenhang mit der Rechtfertigung einer solchen dogmatischen Konstruktion auch von der „dienenden Funktion" der Rundfunkfreiheit und ihrer spezifischen Ausprägung in der Rechtsprechung zur Grundversorgung gesprochen.104 So zeigt sich deutlich, daß der im dreipoligen Verhältnis durch finanzielle Ausgleichszahlungen unter Umständen gerechtfertigte Eingriff zunächst zwar sicher eine Kollision zur Konzeption der jeweils tangierten Freiheitsrechte bedingt, diese jedoch nicht zwangsläufig im unzulässigen Widerspruch zu selbiger Konzeption stehen muß. Vorliegend ist ein Kollisionsverhältnis damit jedenfalls zu bejahen, dessen Rechtfertigung nachfolgend zu hinterfragen ist. b) Rechtfertigung
des Kollisionsverhältnisses
Dem nachfolgenden Teil der Arbeit fällt die Aufgabe zu, auf abstrakter Ebene Rechtfertigungsmöglichkeiten für finanzielle Kompensationsmodelle zu untersuchen. Dabei sollen aus dem Bereich des öffentlichen Rechts sowohl verfassungsrechtliche, als auch außerhalb des Verfassungsrechts liegende Modelle und Problematiken mit einer ähnlich gelagerten dreipoligen Struktur vergleichend herangezogen werden, um so herausstellen zu können, inwieweit dortige Denkansätze auch vorliegend zum Tragen kommen können bzw. inwieweit aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit - etwa der in Rede stehenden Risiken für Bürger oder Staat - eine Übertragbarkeit abgelehnt werden muß. Darüber hinaus richtet sich der Blick zudem auf Teilbereiche des Strafrechts, um so vor dem historischen Hintergrund der Straftheorien auch dreipolige Konfliktschichtungsmodelle im Bereichs des Täter-Opfer-Ausgleichs auf ihre Vergleichbarkeit mit der vorliegenden Problematik hin zu überprüfen. Dieser interdisziplinäre Ansatz wird den Beginn der Untersuchung bilden. aa) Vergleich zu strafrechtlichen Sanktionen Die Garantie eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens, die Unschuldsvermutung und eine ausgefeilte Dogmatik prozessualer Rechte des Beschuldigten, des Angeklagten und des Verurteilten ist im Rahmen moderner Verfassungen als eine der wesentlichsten Errungenschaften anzusehen. Darüber hinaus existieren vereinzelt auch sozialstaatlich legitimierte Rechte derjenigen Personen, die Opfer eines Verbrechens geworden sind. Diese gehen jedoch nicht einher mit einem entsprechenden „Anspruchssystem" der Opfer. Betrachtet man die jüngsten Reformen zum Ausbau 103 104
Vgl. hierzu insbes. BVerfGE 97, 228 (256 f.). So bei Tietje, JUS 1999, 644 (648).
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einer stärker opferorientierten Strafverfolgung, ist eine einheitliche Linie dennoch nicht erkennbar. Die Rede vom Opfer übernimmt zum Teil den Zweck einer Informalisierung, wie etwa die Konfliktschlichtungsmodelle im Bereich des sogenannten Täter-Opfer-Ausgleichs. Darüber hinaus dient sie in erster Linie den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit (etwa die 1998 erfolgten Regelungen im Bereich der Sicherung der Sexual- und Gewaltstraftäter) oder der vorsichtigen Ausbalancierung von Opferschutz und Rechten des Beschuldigten. Der interdisziplinäre Vergleich der Wirkungsweise strafrechtlicher Sanktionsnormen mit der Schutzrichtung von Grundrechten verfolgt vorliegend demnach das Ziel, das dem strafrechtlichen Vergehen nachgelagerte Konfliktschlichtungsmodell des Täter-Opfer-Ausgleichs darauf hin zu untersuchen, inwieweit diese Konzeption der „Wiedergutmachung" im Rahmen des öffentlichen Rechts auf die demgegenüber dem staatlichen Eingriff zum Teil vorgelagerte oder doch zumindest zeitlich gleichlaufende Ausgleichsfunktion einer finanziellen Kompensationsleistung zum Zwecke der Rechtfertigung gedanklich übertragen werden kann, ohne sich dabei dem Vorwurf des „Freikaufs" von der soeben dargestellten staatlichen Verpflichtung zur Abwehr Freiheits- und Autonomieräume beeinträchtigender Präferenzen aussetzen zu müssen. Der Blick auf die dem jeweiligen (strafrechtlichen oder staatlichen bzw. staatlich legitimierten) Eingriff zeitlich in unterschiedlicher Nähe stehende Erbringung der ausgleichenden Leistung macht bereits an dieser Stelle die Problematik der Vergleichbarkeit beider Ansätze in ihrem ganzen Ausmaß deutlich. Dennoch soll vor einem vorschnellen Urteil der mangelnden Vergleichbarkeit zunächst ein Blick auf die dem Sinn und Zweck des Strafens zugrundeliegenden Straftheorien geworfen werden. (1) Straftheorien (a) Absolute Straftheorien Daß begangenes Unrecht mit einer Strafe geahndet werden muß, stößt heute auf eine weitestgehende Billigung. Allerdings sind Sinn und Zweck der Strafe und eine etwaige hieraus zu folgernde Legitimationswirkung seit Anbeginn des Strafens umstritten. Bedingt durch den Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen erfordert sie a priori eine besondere Rechtfertigung bzw. Legitimation 105 , die heute auf verschiedene Weise durch die sogenannten Straftheorien vermittelt werden soll. 106 Als Bestandteil der heute alle gängigen historischen Ansätze in sich vereinigenden sogenannten „Vereinigungstheorien" 107 richtet der maßgeblich durch Kant und Hegel 105
Schmidhäuser, Strafrecht - Allgemeiner Teil, 2/1, S. 13 ff. Vgl. Hauschild, Die positive Generalprävention und das Strafverfahren, S.27. 107 Vgl. hierzu Calliess, NJW 1989,1338 (1339); umfangreiche Nachweise hinsichtlich der verschiedenen Spielarten der Vereinigungstheorie bei Hauschild, Positive Generalprävention, S.45f. 106
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geprägte, und auch heute noch aktuelle Ansatz der absoluten Straftheorien 108 den Blick zunächst auf das Vergehen als solches und stellt sodann die Frage nach einer erforderlichen bzw. gerechten Vergeltung. 109 Die sittliche Begründung der Strafe wird demnach i m Rückblick auf das Geschehene erblickt. 1 1 0 Die Besonderheit des absoluten Ansatzes liegt nun darin, daß er - abgesehen von einigen neueren Autoren - lediglich die Frage nach dem Sinn, nicht aber nach dem Zweck des Strafens in den Vordergrund stellt. Die Grundannahme ist dabei, daß Strafe als gerechte Vergeltung für die Straftat erfolge. 1 1 1 Als Maßstab für die Vergeltung fungiert insoweit das Gerechtigkeitsdenken. Dennoch liegt nach Kant und Hegel die Funktion der Strafe nicht ausschließlich in der Bewältigung der Vergangenheit, vielmehr soll auch ein Ausgleich für die Gegenwart und Zukunft erfolgen. 1 1 2 Die absolute Straftheorie der Kantschen Prägung ist in erster Linie durch die Komponenten der Abkehr von den ulitaristischen Strafvorstellungen des 18. Jahrhunderts (Hobbes) und die scharfe Trennung von Legalität und Moralität gekennzeichnet. 113 Vor dem Hintergrund dieser Merkmale kommt eine Bestrafung von staatlicher Seite aus nur insoweit in Betracht, als daß dem Täter ein konkreter Gesetzesverstoß zur Last gelegt werden kann. Ein erzieherischer Effekt kommt der Strafe nicht zu: „Richterliche Strafe (poena forensis)... kann niemals bloß Mittel sein, ein anderes Gute zu befördern, für den Verbrecher selbst oder für die bürgerliche Gesellschaft, sondern muß jederzeit nur darum wider ihn verhängt werden, weil er verbrochen hat; denn der Mensch kann nie bloß als Mittel zu den Absichten eines anderen gehandhabt und unter die Gegenstände des Sachenrechts vermengt werden, wowider ihn seine angeborene Persönlichkeit schützt, ob er gleich die bürgerliche einzubüßen gar wohl verurteilt werden kann. Er muß vorher strafbar befunden sein, ehe noch daran gedacht wird, aus dieser Strafe eigenen Nutzen gegen ihn selbst114 oder seine Mitbürger 115 zu ziehen. Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ,... ," 1 1 6 108 Etwas unglücklich werden diese zum Teil auch als die sogenannten „Vergeltungstheorien" bezeichnet, was insofern unzutreffend ist, als daß der Aspekt der Vergeltung nur einen Teilbereich der absoluten Straftheorien beschreibt, vgl. zum Ganzen Schmidhäuser, Vom Sinn der Strafe, S. 17ff. 109 Eingehende Darstellung bei Bohnert, Zu Straftheorie und Staatsverständnis im Schulenstreit der Jahrhundertwende, S. 145 ff. 110 Vgl. statt aller Schmidhäuser, StR AT, 2/5, S. 15. 111 Bohnert, Straftheorie, S. 145. 112 Ebenso bei Welzel, in: FS Kohlrausch, S. 101 ff. - Der Zweck könne nicht primär der Schutz von Rechtsgütern sein, denn „dazu kommt es gerade dort, wo es real in Aktion tritt, regelmäßig zu spät", insofern sei es auch unangemessen, die Kantische und Hegelianische Theorie als eine sogenannte „Vergeltungstheorie" zu bezeichnen; vgl. bereits oben und ferner ders., Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 1 ff. 1,3 Hauschild, Positive Generalprävention, S.29f. 114 An dieser Stelle kommen die Einwände Kants gegen etwaige spezialpräventive Zwecke der Strafe deutlich zum Ausdruck. Hiergegen führt Kant sinngemäß aus: Würde man nun die Strafe an dem Verbrecher um eines bestimmten Zweckes wegen, wie Besserung, verhängen, so könnte konsequenterweise der Staat eine eigentlich verdiente Strafe ändern oder sogar aufheben, wenn der hierfür vorgestellte Zweck anders erreichbar sein kann. Dies wiederum ist aber
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Im Ergebnis beinhalten Strafrechtsnormen nach Kant demnach die positivrechtliche Erklärung des allgemeinen Rechtsprinzips, die Willkür soweit zu beschränken, daß sie nicht in die äußere Freiheit eines anderen eingreifen darf. Folglich besteht der ethische Sinn der Bestrafung darin, die Gerechtigkeit auf Erden zu verwirklichen: „Es ist besser, daß ein Mensch sterbe, als daß das ganze Volk verderbe; denn wenn die Gerechtigkeit untergeht, so hat es keinen Wert mehr, daß Menschen auf Erden leben" 117 .
Eine weitergehende Prägung hat die Schule der absoluten Straftheorien wie gesehen durch Hegel erfahren, der neben Kant als einer ihrer bedeutendsten Vertreter erachtet wird. Zur Legitimation staatlichen Strafens stellt Hegel in erster Linie Nützlichkeitserwägungen an, was im Ergebnis dazu führt, daß dem zu Strafenden selbst die Strafe zu legitimieren ist. 118 Dabei verfolgt Hegel zwei unterschiedliche Legitimationsstrategien: Ausgangspunkt der ersten ist, daß der Täter gegenüber dem Verletzten und der Gemeinschaft die geschuldete Anerkennung vermissen läßt. Auf der Basis der Annnahme der wechselseitigen Bedingtheit von Anerkennung - quasi der Deutung des Rechts als wechselseitiger Anerkennungsbeziehung - wird dementsprechend angenommen, der Täter entziehe sich durch die Begehung der Straftat selbst die Anerkennung. 119 In diesem Zusammenhang führt Hegel aus: „Die geschehene Verletzung des Rechts als Recht ist zwar eine positive, äußerliche Existenz, die aber in sich nichtig ist. Die Manifestation dieser ihrer Nichtigkeit ist die ebenso in die Existenz tretende Vernichtung jener Verletzung - die Wirklichkeit des Rechts, als seine mit sich durch Aufhebung seiner Verletzung vermittelnden Notwendigkeit" 120 . Der weitere Legitimationsansatz beinhaltet die Aufstellung eines „Gesetzes" des Täters in seiner Tat, unter welches er selbst subsumiert werden darf: „Die Verletzung, die dem Verbrecher widerfährt, ist nicht nur an sich gerecht, - als gerecht ist sie zugleich (...) sein Recht. (...) Daß die Strafe darin als sein eigenes Recht enthaltend angesehen wird, darin wird der Verbrecher als Vernünftiger geehrt" 121 . Mithin erfolgt durch die Benur denkbar, wenn der Staat hierüber disponieren kann. Aufgrund des ius talions ist es aber undenkbar, das nur jene der reinen und strengen Gerechtigkeit entspricht. „Hebt nun die um eines Zweckes willen zugefügte Strafe auf, so hebt sie auch die Gerechtigkeit auf;" der Staat würde sich zu seiner „eigenen Grundlage, nämlich dem a priori geltenden Rechtsgesetz in Widerspruch" setzen, siehe hierzu Naucke, Kant und die psychische Zwangstheorie Feuerbachs, S.33f. m. w. N. 115 Auch die Verfolgung generalpräventiver Zwecke lehnt Kant ab: Würde man die Strafe an dem Verbrecher um eines Zweckes willen wie z. B. Sicherheit oder Ordnung verhängen, so würde man dem Mensch als bloßes Mittel gebrauchen. Da der Mensch aber aufgrund seiner Menschenwürde Zweck an sich sei, könne er nicht Mittel zu einem anderen Zweck werden, vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 158ff. 116 Vgl. Kant, MdS, S.158f. 117 Vgl. Kant, MdS, S. 159. 118 Vgl. Hauschild, Positive Generalprävention, S. 31 ff. 119 Vgl. hierzu Seelmann, JUS 1979, 687 (688 ff.). 120 Vgl. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, §97, S.93. 121 Vgl. Hegel, Grundlinien, § 100, S.95f. 9 Guthke
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strafung des Verletzenden eine Reduktion auf das normale Maß des Anerkennenden und Anerkannten. 122 Dies hat für den Bestraften zur Konsequenz, daß dieser nach Erhalt der Strafe wieder volle Integration verlangen kann. Die Aktualität 123 dieses Vergeltungsgedankens zeigt sich heute exemplarisch an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn es diesen als möglichen Aspekt der Strafe verfassungsrechtlich als zulässig anerkennt. 124 (b) Relative Straftheorien Auch die sogenannten relativen Straftheorien sind bis heute aktuell. Anders als die absoluten Ansätze, die das Vergehen als solches als Maßstab für die zu verhängende Strafe heranziehen, berücksichtigen diese in erster Linie das vergangene und insbesondere das künftige (durch die Strafe beeinflußbare) Täterprofil bzw. den präventiven Nutzen der zugunsten des Täters und der Gesellschaft aus der Bestrafung erwachsen kann. 125 Damit steht künftiges Handeln im Mittelpunkt der Betrachtung. Anvisiert wird der Schutz der Gesellschaft. Unter zusätzlicher Beachtung der bereits im Rahmen der absoluten Theorien dargestellten Kritikpunkte, die gegen die beiden Hauptströmungen der relativen Theorien - den spezialpräventiven und den generalpräventiven Ansätzen - geltend gemacht werden, wird schnell deutlich, weshalb die relativen Denkansätze auch als Zwecktheorien bezeichnet werden: Anders als die absoluten Theorien fragen sie nicht nach dem Sinn, sondern vielmehr nach dem zugrundeliegenden Zweck der Strafe. Die maßgeblich durch v. Liszt geprägte Schule der Spezialprävention sah diesen Zweck primär in dem der Strafe erwachsenden Abschreckungseffekt gegenüber dem Täter selbst: „So bleibt denn auch bei der Strafgewalt des Staates das Strafrecht Präventionsrecht und der Zweck der Strafe Abschreckung des zu Strafenden oder Unmöglichmachen künftiger Illegalitäten desselben"126. Dementsprechend werden im Ausgangspunkt die negative Gesinnung des Täters und seine Gefährlichkeit für die Notwendigkeit der Sanktion angeführt: „Die Strafe ist ein Übel, welches dem Menschen darum zugefügt wird, weil er dasselbe Recht nicht verdient hat" 127 . Damit können die Aspekte der Gefahr und der Vermeidung zukünftiger Rechtsverletzungen als Rechtsgrund für die Zufügung des Übels gegenüber dem Täter benannt werden. Die psychologische Komponente spielt dabei eine übergeordnete Rolle: „... und ein gewisses ihnen bevorstehendes Uebel, falls sie dieselben (Schranken, 122
Seelmann, JUS 1979, 687 (690f.). Zur neueren Entwicklung der absoluten Straftheorie vgl. Hauschild, Positive Generalprävention, S.33f. 124 Vgl. nur BVerfGE 28,243 (278); vgl. hierzu auch E32, 98 (109); 45,187 (254); 64,261 (271). 125 Vgl. Hauschild, Positive Generalprävention, S.35ff. 126 Grolman, Grundsätze der Criminalwissenschaft, S. 17. 127 Grolman, Über die Begründung des Strafrechts und der Strafgesetzgebung, S. 50. 123
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Anm. des Verfassers) überschreiten, muß ihren Willen von der Entschließung der Uebertretung abschrecken. Es ist klar, daß ihnen dieses Uebel, das durch das Strafgesetz bestimmt wird, bekannt seyn müsse, wenn es auf ihren Willen wirken soll..." 128 . Folglich ist die Strafe kein absoluter Zweck. Sie ist vielmehr ein „Mittel für den Endzweck des Staates, die öffentliche Sicherheit, und die einzige Absicht dabei ist die, daß durch die Androhung derselben das Vergehen verhütet werde" 129 . Mit Blick auf den durch die Strafe beabsichtigten Abschreckungseffekt wird auch von den Verfechtern spezialpräventiver Gesichtspunkte eine öffentliche Bestrafung propagiert, woran sich das oftmalige Ineinandergreifen spezial- und generalpräventiver Aspekte deutlich zeigt. Das Verbrechen als solches wurde durch v.Liszt nicht als unmoralische Handlung, sondern als ein durch Umwelt und natürliche Anlage - wie zum Beispiel das soziale Umfeld des Täters 130 - bedingter und somit notwendiger Krankheitsprozeß begriffen. Strafe sollte demnach in erster Linie die Heilung des kranken „Organismus Gesellschaft" bezwecken: „Die Strafe ist Zwang. Sie wendet sich gegen den Willen des Verbrechers, indem sie die Rechtsgüter verletzt oder vernichtet, in welchen der Wille Verkörperung gefunden hat. Als Zwang kann die Strafe doppelter Natur sein" 131 . Im Anschluß hieran führt v.Liszt eine Einteilung in indirekten, mittelbaren, psychologischen und direkten, unmittelbaren und mechanischen Zwang aus. Strafe wirke hier gleichermaßen auf beiden Ebenen des Zwanges. Ausgeübt und vollzogen werde sie durch direkten Zwang, das heißt durch die Sequestierung des Verbrechers, ihre spezialpräventiven Wirkungen hingegen entfalte sie durch den indirekten, psychologischen Zwang. Die denkmöglichen, wesentlichen Wirkungen der Strafe sind daher Besserung, Abschreckung und Unschädlichmachung. Auf diese Punkte beschränke sich der Rechtsgüterschutz zwangsläufig. 132 Entsprechend diesen Formen von Strafe ordnet v. Liszt auch die Arten von Verbrechern nach einzelnen Kategorien, deren maßgeblicher Unterscheidungspunkt in der Besserungsfähigkeit bzw. -bedürftigkeit des jeweiligen Täters gesehen wird. 133 Daran wird wiederum deutlich, daß stets die Zweckmäßigkeit der Strafe Ausgangspunkt der spezialpräventiven Überlegungen gewesen ist: „Gerechtigkeit im Strafrecht ist die Einhaltung des durch den Zweckgedanken erforderten Strafmaßes. Das völlige Gebundensein der Strafgewalt durch den Zweckgedanken ist das 128
Vgl. Fichte, in: Lauth/Jacob, Werke, Bd. 1/3, S.327. Vgl. Fichte, in: Lauth/Jacob, Werke, Bd. 1/4, S.59f. 130 Dies hatte zur Folge, daß v. Liszt als Gründer der sogenannten soziologischen Schule bezeichnet wurde, vgl. insofern Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S.24f.; Dahm, Deutsches Recht, S.505. 131 v.Liszt, ZStW 3 (1883) 1 (33f.). 132 v.Liszt, a.a.O. 133 Siehe hierzu auch Hauschild, Positive Generalprävention, S.36. 129
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Ideal der strafenden Gerechtigkeit. Nur die notwendige Strafe ist gerecht. Die Strafe ist uns Mittel zum Zweck. Der Zweckgedanke aber verlangt Anpassung des Mittels an den Zweck und mögliche Sparsamkeit in seiner Verwendung" 134.
Eine weitere Ausprägung des Abschreckungsgedankens stellt der Ansatz der (negativen) Generalprävention dar, welcher weitgehend durch v. Feuerbach geprägt worden ist. Dieser sah - im Ausgangspunkt somit der spezialpräventiven Ausrichtung durchaus ähnlich - den Grund der Strafe in dem Schutz des Bürgers durch den Staat, dem als „Schutzanstalt" die Sicherung und Gewährleistung zur Möglichkeit der Entfaltung der Rechte des Bürgers obliege: „Der Zwang, der den Inhalt meiner Strafrechtstheorie ausmacht, geschieht um der Freiheit willen; er ist begründet durch das Sicherungsrecht. Er geschieht, damit die Freiheit aufrecht erhalten werde: darum allein wird die Strafe angedroht, und darum wird sie vollzogen. Denn die Vollziehung derselben geschieht, um die Androhung wirksam zu machen, und die Androhung geschieht, um von Rechtsverletzungen abzuschrecken" 135.
Der maßgebende Unterschied der (positiven136 und negativen) generalpräventiven Ansätze beruht gegenüber dem spezialpräventiven Verständnis auf der anvisierten Adressaten-Ausrichtung der Sanktion: Während der spezialpräventive Gedanke in erster Linie die Wirkung gegenüber dem Täter im Auge hat, beabsichtigt der generalpräventive Ansatz, die Wirkung der Strafe bei allen Mitgliedern der Gesellschaft als potentiellen Normbrechern eintreten zu lassen.137 Die Komponente der Abschreckung potentieller Straftäter steht allerdings lediglich im Rahmen der negativen Generalprävention im Vordergrund, während die positive Generalprävention zum Inhalt hat, die Rechtstreue der Bevölkerung bzw. die Einübung in Normanerkennung durch die Strafe zu stärken. 138 Im Ergebnis kommt sowohl den spezialpräventiven als auch insbesondere den generalpräventiven Ausrichtungen der relativen Straftheorien gegenüber den absoluten Ansätzen daher erkennbar eine verstärkt moralisierende Funktion zu, was bereits in ihrem grundlegenden Wesenszug begründet liegt: Bestraft werden soll der Täter, nicht die Tat, gefördert werden soll der Schutz der Gesellschaft, nicht die Gerechtigkeit auf Erden.
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v.Liszt, ZStW 3 (1883) 1 (31). v. Feuerbach, Über die Strafe als Sicherungsmittel vor künftigen Beleidigungen des Verbrechers nebst einer näheren Prüfung der Kleinschrodschen Strafrechtstheorie, S. 111. 136 Eingehende Darstellung bei Hassemer, Variationen der positiven Generalprävention, in: Schünemann/v. Hirsch/Jareborg, Positive Generalprävention, S.29ff. 137 Hauschild, Positive Generalprävention, S.37; vgl. ferner Müller-Dietz, Grundfragen des strafrechtlichen Sanktionssystems, S.34ff. 138 Eingehende Darstellung beider Ansätze bei Hauschild, Positive Generalprävention, S.37 ff. 135
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(c) Möglichkeit des vorgelagerten „Freikaufs" von der strafrechtlichen Sanktion Die Möglichkeit eines „Sich-Freikaufens" von der strafrechtlichen Sanktion im Vorfeld der Straftat erscheint evident und unter allen nur erdenklichen Gesichtspunkten, die im Rahmen der Straftheorien angeführt worden sind, nicht gangbar. Die von den Vertretern der absoluten Theorien vor dem Hintergrund der Gerechtigkeit anvisierte Vergeltung der Tat als angemessene Bewältigung von Vergangenheit, Gegenwart und auch der Zukunft würde auf diesem Wege erkennbar nicht erreicht, die Wiederherstellung der wechselseitigen Anerkennungsbeziehung zwischen Täter, Staat und Gesellschaft verkäme zu einer bloßen Farce. Den Anspruch des Täters auf erneute gesellschaftliche Integration durch eine vor der Tat zu leistende Geldzahlung ableiten zu wollen, ist daher augenfällig indiskutabel. Ebenso offensichtlich verneint sich eine solche - wohlgemerkt der Straftat zeitlich vorgelagerte - Ausgleichszahlung unter Berücksichtigung der Zwecksetzung der relativen Straftheorien. Der Schutz der Gesellschaft durch die Vermeidung künftiger Rechtsverletzungen im Wege präventiv intendierter Strafe würde in das Gegenteil verkehrt, anstelle der von der Strömung der positiven Generalprävention beabsichtigten Stärkung des allgemeinen Rechtsbewußtseins würde selbiges gänzlich erodiert. Die so im Ergebnis angestrebte Anerkennung strafrechtlicher Normen ist folglich ebensowenig erreichbar. Trotz dieser Bedenken existieren heute im Rahmen des Strafrechts vielfach solche Ausgleichsmodelle, die dem Täter zwar keine Zugeständnisse mit Blick auf den Umfang der ihn erwartenden Bestrafung durch einen Ausgleich vor der Straftat ermöglichen, ihm derartige Möglichkeiten jedoch sehr wohl nach der Tat einräumen. Zu diesen Formen des heute in den §§10 Abs. IS. 3 Nr. 7 und 45 Abs. II S. 2 JGG und in §46 a StGB positivrechtlich normierten „konstruktiven Tatfolgenausgleichs" 139 läßt sich heute insbesondere der Täter-Opfer-Ausgleich zählen, der im Einzelfall zu Sanktionsmilderungen oder auch zu einem gänzlichen Strafverzicht führen kann. 140 Bedingt durch den nach der Straftat angesetzten Zeitpunkt selbigen Modells wird diesem heute viel eher der Charakter einer zumeist materiellen oder auch symbolischen141 (nachträglichen) „Wiedergutmachung" 142 der Unrechtstat, als der eines (vorgelagerten) „Freikaufens" zugesprochen. Seit den achtziger Jahren sollen durch eine solche Vorgehensweise - abweichend von den herkömmlichen Zwangssanktionen - alternative Reaktionsmöglichkeiten mit dem Ziel verfolgt werden, die „so139
Lee, Symbolische Wiedergutmachung im strafrechtlichen Sanktionssystem, S. 1. Eingehende Darstellung aller anderweitigen de lege lata existierenden Möglichkeiten eines Strafverzichts oder einer Sanktionsabmilderung im Fall der Wiedergutmachung bei Brauns, Die Wiedergutmachung der Folgen der Straftat durch den Täter, S. 73 ff. 141 Speziell zum Begriff der symbolischen Wiedergutmachung vgl. Lee, Wiedergutmachung, S.4f. 142 Zur Problematik und Notwendigkeit von diesbezüglichen Begriffsbestimmungen siehe Müller-Dietz, Was bedeutet der Täter-Opfer-Ausgleich im Strafrecht - notwendige Begriffsbestimmungen, in: Hering/Rössner, Täter-Opfer-Ausgleich im allgemeinen Strafrecht, S.8ff.; vgl. femer Keudel, Die Effizienz des Täter-Opfer-Ausgleichs, S. 18. 140
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zialkonstruktive und opferbezogene Tatverarbeitung in das Zentrum des strafrechtlichen Sanktionensystems zu rücken" 143 . Hierdurch sollen in erster Linie präventive Effekte hervorgerufen werden, darüber hinaus soll der besonderen Situation des Opfers Rechnung getragen und der durch die Straftat entstandene Konflikt zwischen Täter und Opfer angemessener bzw. erfolgreicher bereinigt werden, als diese traditionelle Sanktionen zu leisten vermögen. 144 Trotz dieses auf den ersten Blick als pädagogisch sinnvoll erscheinenden Ansatzes ist das Modell des Täter-Opfer-Ausgleichs in der Vergangenheit stark kritisiert worden. 145 Zu den einzelnen Kritikpunkten zählen insbesondere die Vorwürfe der Abschaffung des Strafrechts, auch sei die Wiedergutmachung schon kein Element des Strafrechts; darüber hinaus verstoße selbige Konzeption in mehrfacher Hinsicht gegen das Rechtsstaatsprinzip und beinhalte keinen hinreichenden kriminalpräventiven Effekt; letztlich werde auch die Opferrechtsstellung unzulässig geschmälert und die generalpräventive Wirkung des Strafrechts in Frage gestellt. Die Begründetheit der einzelnen Gesichtspunkte soll hier unter strafrechtlichen Gesichtspunkten vorerst nicht untersucht werden. Vielmehr ist zunächst der Frage nachzugehen, ob die Struktur der Wiedergutmachung im öffentlichen Recht mit der strafrechtlichen Wiedergutmachung vergleichbar ist, um bei etwaiger Bejahung gemeinsame Vor- und Nachteile herausstellen und diese sodann auf ihre Plausibilität hin überprüfen zu können. Nur so kann im Anschluß auch eine Argumentation hinsichtlich der Zulässigkeit materieller Kompensationsmodelle im Rahmen des öffentlichen Rechts entwickelt werden.
(2) Zulässigkeit des Vergleichs mit dem „Täter-Opfer-Aus gleich" Gemeinsames Element einer öffentlichrechtlichen mit einer strafrechtlichen Ausgleichsleistung ist die beabsichtigte Schadlosstellung bzw. Schadensverringerung auf Seiten des Opfers. Darüber hinaus können plakativ die Schlagworte der Versöhnung, Befriedung und der Konfliktbewältigung als kollektive Bestandteile einer jeglichen Wiedergutmachung genannt werde. Dennoch muß mit Blick auf etwaige Differenzen beider Disziplinen die zentrale Frage aufgeworfen werden, ob die Kompensation im Rahmen des öffentlichen Rechts überhaupt den Charakter einer Wiedergutmachung hat, oder besser gesagt haben darf. Umgekehrt ist demnach auch der Frage nachzugehen, inwieweit der zumeist materiell ausgerichtete Täter-OpferAusgleich, beispielsweise im Fall von körperlich zugefügten Schäden, als adäquater Ausgleich erachtet werden kann, zumal gerade die Diskussion um die Zulässigkeit von Kompensationsleistungen im Zusammenhang mit Art. 12 Abs. I G G die Proble143
Lee, Wiedergutmachung, S. 1. Keudel, Effizienz, S. 17; siehe auch Bauer, Täter-Opfer-Ausgleich in der Kritik, S.20f., mit der überblicksartigen Darstellung möglicher Ausgleichsleistungen auf S.25. 145 Eingehende Darstellung mit umfangreichen Nachweisen bei Keudel, Effizienz, S.23ff. 144
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matik der Adäquanz der sich gegenüberstehenden Leistungen verdeutlicht haben sollte. Zwar soll hier wie dort ein Ausgleich für einen entstandenen Schaden erfolgen, der maßgebende Unterschied besteht jedoch in der Möglichkeit der von staatlicher Seite aus vor Schadenseintritt ausübbaren Freigabe oder der Gestattung des Schadens. Während er diese Option im Rahmen des öffentlichen Rechts - teils durchaus zulässigerweise - in der Hand hat, erfolgt der Schadensausgleich auf strafrechtlicher Ebene im Gegensatz dazu rein reaktionär - auf eine nicht erlaubte Straftat hin. Andernfalls würde dies im Bereich des Strafrechts zu einem Freikauf von der Sanktion mit den oben angedeuteten Gefahren führen. Mithin ist zu beurteilen, ob der so herausgestellte, zeitliche Faktor der Zulässigkeit eines Vergleichs unüberwindbar entgegensteht. Für eine systematische Vergleichbarkeit ließe sich zunächst anführen, die strafrechtliche Sanktion erfolge generell reaktionär, daher könne man dem reaktionären Charakteristikum des Täter-Opfer-Ausgleichs auch nicht entgegenhalten, konzeptionell von Grund auf andersartig als die öffentlich-rechtliche Konstruktion zu sein, welche durch eine im Vorfeld festgelegte Ausgleichsleistung gekennzeichnet ist. Dem läßt sich jedoch gerade unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Junktimklausel der Ausnahmecharakter öffentlich-rechtlicher Entschädigungen entgegenhalten, welcher im Rahmen des Denkmalschutzurteils jüngst durch das Bundesverfassungsgericht betont worden ist. 146 Das hieraus resultierende zwingende Erfordernis der Entschädigung wird heute, neben den eigentlichen dogmatischen Ansätzen zur Begründung der Notwendigkeit der Enteignungsentschädigung147, auf drei mit ihr verfolgte Zielrichtungen zurückgeführt. 148 Zunächst soll gewährleistet werden, daß der Enteignete in jedem Fall entschädigt wird (Schutzzweck149). Darüber hinaus soll auf diesem Wege dafür Sorge getragen werden, daß sich der Gesetzgeber die auf ihn zukommenden, finanziellen Belastungen, die mit der Enteignung verbunden sind, bewußt macht, zumal diese aus den Haushaltsmitteln gezahlt werden müssen (Warnzweck 150). Letztlich beabsichtigt die Verknüpfung von Enteignungs- und Entschädigungsregelung, Exekutive und Judikative daran zu hindern, selbständig zu Lasten des Staatshaushalts durch die Gewährung einer Enteignungsentschädigung tätig zu werden, um so die diesbezügliche alleinige Funktion des Parlaments sicherzustellen (Kompetenzsicherungszweck151). 146
Vgl. BVerfGE 100, 226 (244f.). Als solche werden die Aspekte der selbständigen Wertgarantie, des Erforderlichkeitskriteriums und des Ausgleichsgebotes aufgrund einer Interessenabwägung benannt, vgl. Sieckmann, Eigentumsschutz, S.423. 148 Zum Ganzen Wieland, in: Dreier, GG, Bd.I, Art. 14, Rn. 100; eingehend Rozek, Unterscheidung, S.87ff. 149 Rozek, Unterscheidung, S. 197. 150 Rozek, Unterscheidung, S.88, 198. 151 Rozek, Unterscheidung, S.88, 131. 147
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
Die spezifischen Ausgleichsfunktionen der Enteignung verfolgen demnach die Zielsetzung, die personalen 152 und sozialen Funktionen153 des grundsätzlich im Wege des Bestandsschutzes gesicherten Eigentumsobjekts im Fall der Enteignung durch dessen Wertausgleich zu kompensieren und damit fortwirken zu lassen.154 Sie kann daher als grundrechtssichernd bezeichnet werden. 155 Eine adäquate Sicherung des grundrechtlichen Schutzbedürfnisses kann jedoch nur dann erfolgen, wenn der Bestandsschutz im Regelfall unbedingten Vorrang vor der bloßen Wertgarantie genießt. 156 Eben an dieser Stelle zeigt sich das maßgebende Argument gegen die in Rede stehende Vergleichbarkeit beider Disziplinen: Zwar könnte man die Aufrechterhaltung wenigstens der Wertgarantie mit der im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs gewählten Leistung für das Opfer unter dem Ausnahmegesichtspunkt der zu erbringenden Leistungen noch vergleichen, dennoch führt der öffentlich-rechtliche Ausgleich der Sache nach viel eher dazu, daß - untechnisch gesprochen - ein „Schaden" durch den im dreipoligen Verhältnis von staatlicher Seite gestatteten Eingriff gar nicht erst entsteht. Auf der strafrechtlichen Ebene entsteht zunächst ein eingriffsbedingter Schaden, dieser wird erst im Anschluß „geheilt". Zudem kann, wie gesehen, gerade im Fall des Personenschadens, im Rahmen des Strafrechts kaum ernsthaft von einem gänzlich und buchstäblich „heilenden" Schadensausgleich gesprochen werden, wodurch der Eindruck der mangelnden Vergleichbarkeit verstärkt wird. Dieser Aspekt unterstreicht allerdings wiederum die unbedingte Notwendigkeit einer qualitativ nach vermögensrechtlichen und persönlichen Grundrechtsgehalten vorzunehmenden Kategorisierung der Grundrechte 157, um so das Dilemma 152 Unter den personalen Funktionen des Eigentums versteht man solche, die das Eigentum als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des einzelnen kennzeichnen, vgl. hierzu insbesondere BVerfGE 53, 257 (292): „Für dessen Gestaltungsfreiheit (des Gesetzgebers, Anm. des Verfassers) sind Eigenart und Funktion des Eigentumsobjekts von maßgeblicher Bedeutung, die zu einer gewissen Stufung des Schutzes führen: Dem Gesetzgeber sind enge Grenzen gezogen, soweit es um die Funktion des Eigentums als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen geht. Dagegen ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung um so weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht." Neben den individuell-ökonomischen Funktionen im Zusammenhang mit der Existenzsicherung wird hierzu eine allgemeine Entfaltungs- und die Prestigefunktion gezählt, eingehend hierzu Thormann, Abstufungen, S. 170ff. und S. 190ff. 153 Vgl. insoweit BVerfGE 42, 263 (294); 50, 290 (340); 53, 257 (292); 70, 191 (201); 84, 382 (385). 154 Die in Art. 14 Abs. III S. 1 umschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Enteignung wird daher oft dergestalt mißinterpretiert, als das sie als bloße Wertgarantie erachtet wird. Vgl. generell zum Verhältnis von Eigentumsbestands- und Wertgarantie Rozek, Unterscheidung, S. 143, 194. Hierzu eingehend Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 233 ff., 255 ff. 155 So etwa Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 88. 156 Siehe zur diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 14, Rn. 11 a. 157 Siehe hierzu insbesondere Teil 5. A.II.2.b)dd)(l). (a).
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der Adäquanz der Ausgleichsleistung im Rahmen des öffentlichen Rechts angemessener als im Strafrecht 158) lösen zu können. (3) Ergebnis und Zusammenfassung Somit ist nachgewiesen, daß der Ausnahmecharakter der öffentlich-rechtlichen Entschädigungen als Kompensation für einen (dann) rechtmäßigen Eingriff in die grundrechtliche Schutzsphäre des Bürgers und die hieraus folgenden Argumentation einer Vergleichbarkeit mit der für unrechtmäßige Straftaten geschaffenen Wiedergutmachungskonzeption des Täter-Opfer-Ausgleichs absolut entgegensteht. Daher verbietet es sich, aus diesem Zusammenhang heraus eine rechtfertigende Konstruktion zugunsten öffentlich-rechtlicher Ausgleichsmodelle herzuleiten.
bb) Vergleich zu Ökonomisierungsaspekten bei der Aufgaben-Privatisierung In einem nächsten Schritt ist zu überprüfen, inwieweit Gefahrenlagen aus dem Bereich der Aufgaben-Privatisierung 159 hoheitlicher Aufgaben 160 mit denen aus dem Zusammenhang kompensatorischer Leistungen im grundrechtlichen Bereich vergleichbar sind, um so die etwaige Übertragbarkeit bereits existierender Argumentationsstrukturen für oder gegen eine solche Konstruktion herausstellen zu können. Ein solcher Vergleich bietet sich von daher an, als daß hier wie dort die staatliche Gestattung grundrechtlich relevanten Verhaltens gegenüber einer privaten Institution die Gefahr eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die grundrechtliche Sphäre Dritter in sich birgt. Daher ist nachfolgend zunächst zu untersuchen, welches Gefahrenpotential die Aufgaben-Privatisierung grundsätzlich von hoheitlicher Seite durchzuführender Tätigkeiten mit sich bringt, um sodann zu beurteilen, ob diesbezüglich - möglicherweise auch nur annäherungsweise - Übereinstimmungen zu den bereits herausgestellten Problematiken der ökonomischen Analyse des Rechts und dem Institut der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung bestehen können.
158 Zu Recht wird der Täter-Opfer-Ausgleich daher auch und gerade vor dem Hintergrund scharf kritisiert, daß materiellen oder auch symbolischen Ausgleichsleistungen auch im Falle personeller Schäden mit Blick auf den Umfang der staatlichen Sanktion eine kompensatorische, das heißt sanktionsmildemde oder gar strafausschließende, Wirkung zukommen soll. 159 Siehe speziell zur Aufgabenprivatisierung Janker, DAR 1989, 172ff.; Kreissl, NVwZ 1994, 349ff.; Krölls, GewArch 1997, 445 ff.; Kutscha NJ 1997, 393 ff.; Peine, DÖV 1997, 353 ff.; Schuster, Die Polizei 1989, 5 ff.; Stober, NJW 1997, 889ff. 160 Der Begriff der öffentlichen Aufgaben ist bis heute ungeklärt, vgl. hierzu nur v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S.6ff.
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
(1) Verifizierung von Gefahren und Risiken im Rahmen der Aufgaben-Privatisierung Durch jüngste Anregungen, bisher von der Polizei wahrgenommene Tätigkeiten im Bereich der Datenerhebung und Datenverarbeitung in der Form des öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Vertrages an private Institutionen, wie beispielsweise eine Film- und Nachrichtenagentur, zu delegieren, zeigt sich das Problem der hoheitlichen Aufgabenprivatisierung erneut in seiner ganzen Schärfe. Die Beurteilung der Zulässigkeit einer derartigen Vorgehensweise anhand der entstehenden Risiken hängt angesichts der besonderen Sensibilität des grundrechtlichen Bereichs von mehreren Faktoren ab. Insofern besteht zwischen den primär angestrebten Zielen der Entlastung der Verwaltung 161 und der effektiveren Erfüllung 162 hoheitlicher Aufgaben auf der einen Seite und der Gewährleistung konstitutiver subjektiver Rechte, wie zum Beispiel Artt. 8 Abs. 1,2 Abs. I i.V. m. 1 Abs. I und Art. 5 Abs. IS. 2, 1. Var. GG, auf der anderen Seite, ein stetiges Spannungsfeld. Dieser Konflikt ist nur dadurch angemessen zu lösen, daß der Umfang entsprechender Delegationen seine Grenzen in den Aussagen und den Zielsetzungen des einfachen Gesetzes und den Prinzipien der Verfassung findet. Im Falle der bereits angesprochenen datenschutzrechtlichen Problemgelagen werden maßgeblich zwei Themenbereiche relevant. Durch den hierdurch regelmäßig einhergehenden weittestgehenden Verzicht auf eigene Handlungs- und Kontrollbefugnisse auf Seiten der Polizei eröffnet sich zum einen die Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung der dem „Delegationsbegünstigten" eingeräumten Rechte. Zum anderen besteht die Möglichkeit, daß durch die Abgabe dem Staat obliegender Pflichten die subjektiven Rechte und diesbezüglichen Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers unzulässig geschmälert werden. Verfassungsrechtlich schwerwiegende Bedenken können sich in diesem Zusammenhang daher insbesondere aus einer möglichen Verletzung der inhaltlichen Vorgaben der Artt. 20 Abs. III, 33 Abs. IV GG und der Grundrechte ergeben. Untersuchungsgegenstand müssen im Falle der Aufgabenprivatisierung daher jeweils im Einzelfall das Ausmaß der beabsichtigten (vertraglichen) Regelung und die sich daraus für die rechtliche Form der Delegation ergebenden Konsequenzen sein. Zur Konkretisierung und Einengung der Problematik der Aufgabenprivatisierung und ihrer mit Blick auf das Gefahrenpotential zu untersuchenden Vergleichbarkeit soll nachfolgend ganz speziell der Bereich hoheitlich initiierter Versammlungsüberwachung näher beleuchtet werden, zumal die sich in diesem Bereich für Art. 8 Abs. I GG ergebenden Gefahren in ihrer Entstehung den herausgearbeiteten Gefahren von finanziellen Kompensationsmodellen strukturell sehr ähnlich zu sein scheinen. Mithin ist zunächst anhand einer teleologischen Normanalyse zu überprüfen, inwieweit dortige Vorwürfe begründet sind bzw. Be161 Eine Darstellung finanzpolitischer Argumente findet sich bei v. Hagemeister, Privatisierung, S. 81 ff. 162 Zum Aspekt der Effizienzsteigerung v. Hagemeister, Privatisierung, S. 86f.
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stand haben, um sodann die strukturelle Vergleichbarkeit der Gefahrentstehung für eine Übertragbarkeit der Argumentationsmuster heranziehen zu können. In diesem Zusammenhang wird oftmals der nicht näher konkretisierte Vorwurf laut, die Polizei betreibe eine sogenannte antizipierte Gefahrenabwehr. 163 Fraglich ist daher zunächst, wie dieser inhaltlich aufzufassen ist. Unter einem antizipierten Vorgehen versteht man nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Vorwegnahme von etwas, was erst später kommt. 164 Mithin ist der so bezeichnete Vorwurf so zu verstehen, als betätige sich die Polizei unzulässigerweise schon im Bereich der Gefahrenabwehr im Rahmen von entsprechenden Ermächtigungsgrundlagen, ohne daß jedoch ein Einschreiten mangels tatbestandlich erforderlicher Gefahr gerechtfertigt wäre bzw. als daß durch die polizeiliche Tätigkeit solche Gefahren abgewehrt werden sollen, welche noch nicht einmal in absehbarer Nähe liegen und von daher nicht das Vorliegen einer insoweit notwendigen Gefahrenlage zu begründen vermögen. 165 Fraglich ist allerdings, ob ein solcher Vorwurf im besagten Zusammenhang durchgreifen kann. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, daß - bedingt durch die regelmäßig auf Demonstrationsveranstaltungen gegebene Gefahr von Ausschreitungen durch Randgruppen - zumeist eine Schadenswahrscheinlichkeit für Individualrechtsgüter gegeben ist und damit eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu bejahen sein wird. Darüber hinaus muß weiter beachtet werden, daß die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr zulässigerweise auch im Bereich der Gefahrenvorsorge 166 und Verbrechensverhütung bzw. Verhütung von Straftaten 167 tätig werden darf. Dies macht deutlich, daß entsprechende polizeiliche Tätigkeit, beispielsweise in Form der Aufnahme von Bildmaterial auf Demonstrationsveranstaltungen, durchaus rechtmäßig im besagten Bereich stattfinden kann. Gleiches muß somit auch für etwaige Privatgruppen gelten, denen im Wege der Aufgaben-Delegation hoheitliche Handlungsbefugnisse verliehen werden. Mithin erweist sich ein so aufgefaßter Vorwurf jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang nicht als stichhaltig. Folglich muß für weitere Rückschlüsse hinsichtlich der Zulässigkeit einer Aufgabenprivatisierung im Bereich der Versammlungsüberwachung insbesondere die Schutzrichtung der in diesem Zusammenhang relevanten, gefahrenabwehrrechtlichen Normen untersucht werden. Zu Beginn soll § 12 a VersG ins Blickfeld genommen werden. Dieser begründet auf den ersten Blick lediglich eine Eingriffsbefugnis zugunsten der Polizei und stellt sich damit als zulässige Schranke des Art. 8 Abs. IGG dar. Wollte man die Schutzrichtung des § 12 a VersG allerdings auf diesen Bereich be163
Vgl. hierzu generell Schwan, VerwArch 1979,122 (126); siehe ferner Braun, Die Polizei 1989,213 (217). 164 Duden, Fremdwörterbuch, S.69. 165 Ygi insoweit auch Braun, a. a. O. 166 167
Eingehende Darstellung bei Bracher, Gefahrenabwehr durch Private, S.45. Vgl. hierzu Ahlers, Grenzbereich zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, S. 140.
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
schränken, so würde man die konstitutive Bedeutung des Art. 8 Abs. I GG gänzlich verkennen. Dieser wird als einer der elementarsten vorstaatlichen Menschenrechte aufgefaßt. 168 Die Bedeutung des Art. 8 Abs. I GG sei schlichtweg konstituierend für den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung; dementsprechend wird sie als „ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie" aufgefaßt. 1 6 9 Seine Ausstrahlungswirkung, die allen Grundrechten immanent ist, hat mit Blick auf die Schranken des Versammlungsgesetzes daher einen besonders hohen Stellenwert. Das einfache Gesetz wird insoweit durch die Wertungen der Grundrechte konkretisiert. Vor diesem Hintergrund wird ausgeführt, eine Auslegung des Versammlungsgesetzes habe stets grundrechtsfreundlich im Lichte des Art. 8 Abs. I GG zu erfolgen. 1 7 0 Aufgrund dieser Überlegungen wird auch die Auffassung vertreten, das Versammlungsgesetz sei primär vom Grundgesetz her zu interpretieren. 171 Diesem Ansatz Rechnung tragend und die herausragende Bedeutung des Art. 8 Abs. I GG für die freiheitlich-demokratische Grundordnung berücksichtigend könnte man die maßgebliche Zielrichtung des § 12 a S. 1 VersG vielmehr im Schutz des Bürgers sehen. Als Indiz für eine solche Sichtweise könnte zunächst die sogenannte „Polizeifestigkeit" der Versammlung herangezogen werden. Darunter versteht man die im Grundsatz bestehende Sperrwirkung, die das Versammlungsgesetz gegenüber dem allgemeinen Polizeirecht für den Zeitraum der Versammlung entfaltet. 172 Sinn und Zweck eines solchen Rückgriffsverbotes könnte es sein, die Versammlungsteilnehmer vor den weitergehenden Eingriffsbefugnissen des allgemeinen Ordnungsrechts zu schützen. Für einen solchen Ansatz könnte insbesondere ein Vergleich der tatbestandlichen Eingriffsvoraussetzungen des § 12 a S. 1 VersG mit den landesrechtlichen Normen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts sprechen. Daher soll an dieser Stelle ein die Tatbestandsvoraussetzungen gegenüberstellender Blick auf die schleswig-holsteinische ordnungsrechtliche Generalklausel der §§174, 176 LVwG SH geworfen werden. Während der § 176 Abs. I Nr. 2 LVwG SH eine sogenannte einfache Gefahr ausreichen läßt, verschärft § 12a S. 1 VersG die Anforderungen an das Vorliegen einer zum Handeln berechtigenden Gefahr in zweifacher Hinsicht. Zum einen läßt § 12 a VersG nur eine erhebliche Gefahr genügen. Hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, daß ein erheblicher Schaden für ein bedeutsames Schutzgut, wie zum Beispiel Leib, Leben und Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, drohen muß. 173 Zum anderen macht § 12 a VersG das Tätigwerden 168 169 170
So bei Ott/Wächtler, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, S.26. Hesse, Grundzüge, Rn.404. Vgl. BVerfGE 69, 315 (349); Ott/Wächtler, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge,
S.25.
171 172 173
Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, S. 1. Hase in: Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, Versammlungsrecht, § 12 a, Rn.25. Götz, Allgemeines Polizeirecht und Ordnungsrecht, Rn. 148, 266.
A. Verfassungsrechtliche Grenzen
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ausdrücklich vom Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte abhängig, wodurch zudem die Gefahrenwahrscheinlichkeit enger gezogen wird. Hieraus könnte geschlossen werden, daß diese besonders engen Eingriffsvoraussetzungen einen durch Art. 8 Abs. I GG gebotenen Schutz des Versammlungsteilnehmers bezwecken sollen. Für eine derartige Betrachtungsweise, die den Schutz des Versammlungsteilnehmers in den Vordergrund stellt, könnte zudem ein Vergleich der Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 a S. 1 VersG mit denen der in den §§ 199-216 LVwG SH aufgeführten Standardmaßnahmen sprechen. Vor dem historischen Hintergrund des Mißbrauchs generalklauselartiger Formulierungen im Rahmen der nationalsozialistischen Herrschaft sind hier für solche Befugnisse, die wegen ihrer oftmals enthaltenen Vollzugselemente besonders intensiv in Grundrechte eingreifen, bestimmte Maßnahmen herausgestellt worden. Diese sollen gerade aufgrund ihrer erhöhten Eingriffsintensität nicht mehr dem Einzugsbereich der ordnungsrechtlichen Generalklausel unterfallen, sondern vielmehr angemessene Gefahrenanforderungen für spezielle Eingriffe aufstellen. 174 Auch diese stellen im Tatbestand, zum Beispiel an die Nähe oder Wahrscheinlichkeit der Gefahr, höhere Anforderungen an ein ordnungsrechtliches Einschreiten als die Generalklausel. Diese richten sich im Einzelfall nach der jeweiligen Wertigkeit des von der Maßnahme betroffenen Grundrechts. Daher bezwecken sie durch ihre unmittelbare Abhängigkeit von den betroffenen Grundrechten in erster Linie den Schutz des Bürgers. Der gleiche Gedanke muß daher auch bei § 12 a VersG zum Tragen kommen, zumal er ebenso der Gefahrenabwehr dient. Entsprechend der konstitutiven Bedeutung des Art. 8 Abs. I GG stellt § 12 a Abs. IS. 1 VersG folglich besonders hohe Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Bildaufnahmen. Demnach läßt sich auch dieser Aspekt für die Annahme einer bürgerorientierten Schutzrichtung heranziehen. Daneben könnte für eine solche Sichtweise auch der Leitgedanke zu bemühen sein, der der Entstehung des § 12 a VersG zugrunde lag. Dieser bestand zwar in erster Linie darin, mit Blick auf § 163 Abs. I StPO, dessen Charakter als Rechtsgrundlage zur Erhebung von Daten umstritten war, Rechtsklarheit zu schaffen. 175 Daneben bestand jedoch bei der Einführung des § 12 a VersG insbesondere das aus dem Verrechtlichungsgebot des Volkszählungsurteils 176 des Bundesverfassungsgerichts resultierende Bedürfnis, der Bedeutung des Art. 8 Abs. I GG durch die hinreichende Konkretisierung seiner Schranken gerecht zu werden, um Eingriffe für den Bürger vor dem Hintergrund rechtsstaatlicher Anforderungen auf diese Weise kalkulierbarer zu machen.177 Endlich spricht für eine solche Betrachtungsweise auch die Existenz des Vernichtungsgebotes in § 12 a Abs. II VersG, für welches in nur sehr begrenztem Umfang 174 175 176 177
Rn.3.
Kobza/Kripgans in: Schipper, Polizei- und Ordnungsrecht in Schleswig-Holstein, S. 115. Vgl. insoweit Götz, NVwZ 1990, 112 (113). BVerfGE 65, 1. Siehe hierzu Hase in: Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, Versammlungsrecht, § 12 a,
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
Ausnahmetatbestände vorgesehen sind. Auch hierdurch kommt eine Privilegierung des Maßnahmeadressaten zum Ausdruck. Mithin liegt der Sinn und Zweck des § 12 a VersG auch darin, die durch Art. 8 Abs. I GG gewährleistete Versammlungsfreiheit des Bürgers vor unzulässigen Eingriffen schützen zu wollen. Aufgrund dieser Überlegungen muß ein Delegationsverbot im Bereich der hoheitlichen Aufgabenprivatisierung in diesem Zusammenhang immer dann angenommen werden, wenn dieses Schutzbedürfnis nicht in hinreichender Weise gedeckt wird, indem die staatliche Aufgabe an eine private Institution zur Erfüllung übertragen wird. Ein entsprechender Schutz könnte möglicherweise nur dann erreicht werden, wenn sich die Polizei selbst der gefahrenabwehrrechtlichen Aufgabenstellung widmet. Als maßgebliches Argument gegen eine Delegation hoheitlicher Aufgaben auf Private wird zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Tätigkeit im Bereich des Strafvollzuges das Mißbrauchsrisiko angeführt. 178 Dieser Umstand könnte auch im Bereich der Gefahrenabwehr einer Delegation entgegenstehen und wäre demnach (im Falle der Bejahung der Vergleichbarkeit bzw. der strukturellen Ähnlichkeit der Entstehung der jeweiligen Gefahren) als entscheidendes „Transferkriterium" auch auf die Frage der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen anwendbar. Daher ist nun zunächst auf abstrakter Ebene zu untersuchen, inwieweit die Frage des Mißbrauchsrisikos im Zusammenhang mit der Delegation hoheitlicher Aufgaben aus dem Bereich der Versammlungsüberwachung als geeigneter Indikator hinsichtlich der Zulässigkeit von Privatisierungsvorhaben fungieren kann. Hierzu erscheint es angezeigt, festzustellen, ob etwaige Mißbrauchsmöglichkeiten und -risiken in diesem Bereich lokalisierbar sind und von wem diese ausgehen. Dabei wird stets die Frage nach einem angemessenen Verhältnis zu dem im Entlastungsfaktor zu sehenden Nutzen der jeweiligen Delegation zu berücksichtigen sein. Sollte dies im Einzelfall nicht gegeben sein, so wäre zwangsläufig auch das in Rede stehende Schutzbedürfnis in nicht hinreichender Weise gewährleistet. Ein solches Mißbrauchsrisiko könnte zunächst daraus resultieren, daß dem Delegationsbegünstigten sehr weitgehende, eigenständige Entscheidungsspielräume überlassen werden. Mangelnde Kontrollmaßnahmen und -befugnisse von Seiten der Polizei vermögen die Problematik dieses Aspekts zu verdeutlichen. In parallel gelagerten Konstellationen der Wahrnehmung von Wach- und Sicherheitstätigkeit durch Private wird in diesem Zusammenhang angeführt, es könne dabei durch eine fehlerhafte Rechtsanwendung zu möglicherweise gravierenden Folgen kommen. 179 Vor dem Hintergrund der Bewaffnung solcher Wachdienste sei ein unverhältnismäßig hohes Gefährdungspotential gegeben. Daher sei eine solche Delegation unzulässig. Gegen die Annahme der bloßen Feststellbarkeit eines solchen Risikos im 178 179
Vgl. Krölls, GewArch 1997, 445 (453). Krölls, GewArch 1997, 445 (453).
A. Verfassungsrechtliche Grenzen
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Bereich der Versammlungsüberwachung spricht jedoch, daß in diesem Zusammenhang regelmäßig kein enger räumlicher Kontakt zu den Demonstrationsteilnehmern bestehen wird. Eine etwaige Ausübung von körperlicher Gewalt oder sonstiger physischer Zwangseinwirkungen, welche im Falle des Mißbrauchs zu erheblichen Folgen führen könnten, wird in aller Regel nicht in Frage stehen bzw. zu erwarten sein. Mithin lassen sich die ablehnenden Argumente auch dem Bereich der Wachund Sicherheitstätigkeit nicht entsprechend auf den Bereich der Versammlungsüberwachung übertragen. Daher kann unter diesem Aspekt die Feststellbarkeit eines besonderen Mißbrauchsrisikos nicht bejaht werden, aus welchem - bedingt durch eine daraus resultierende unzureichende Schutzgewährleistung - ein Delegationsverbot folgen könnte. Demnach könnte man der Ansicht sein, es sei im Zusammenhang mit der Versammlungsüberwachung kein Mißbrauchsrisiko auch nur abstrakt feststellbar. Damit würde sich der Mißbrauchsaspekt (im Falle etwaiger struktureller Vergleichbarkeit der Gefahrenentstehung) auch für die Beurteilung der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen als nicht geeignet erweisen. Eine solche Sichtweise müßte sich jedoch dem Vorwurf aussetzen, die politische Bedeutung des Art. 8 Abs. I GG, dessen Wertungen im Rahmen der Auslegung des Versammlungsgesetzes stets zu beachten sind, zu verkennen. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu berücksichtigen, daß Art. 8 Abs. I GG seine herausragende Bedeutung dadurch erlangt, daß er als vorwiegend politisches Grundrecht qualifiziert wird. 180 Daher bietet es sich an, zu überprüfen, ob in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eines Mißbrauchsrisikos gesehen werden kann. Insbesondere im Fall der jüngst in der Presse bekannt gewordenen Absicht, etwaige Überwachungstätigkeit im Wege von Videoaufzeichnungen an eine private Nachrichten- und Presseagentur zu delegieren, zeigt sich die Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung in ihrer ganzen Breite. Im Mittelpunkt der gegen ein solches Vorhaben entgegengebrachten Einwände stand der Vorwurf, daß es sich bei einer privaten Film- und Nachrichtenagentur regelmäßig um eine politisch orientierte handelt und diese zumeist auch selbst eine erkennbare politische Meinung verfolgt, die insbesondere in der Art und Weise der Berichterstattung zum Ausdruck kommt. Vor diesem Hintergrund könne daher die Gefahr bestehen, daß eine vertraglich beauftragte Nachrichtenagentur bei der Wahrnehmung der übertragenen Tätigkeiten in unzulässiger Weise durch ihre eigene politische Ausrichtung beeinflußt werden könnte. Es erscheine beispielsweise denkbar, daß nur oder sehr einseitig politisch „unliebsame" Demonstrationsteilnehmer aufgenommen würden, hingegen die selbst propagierte politische Ausrichtung dadurch gefördert oder auch nur geschützt würde, daß in diesem Bereich weniger Aufnahmen erstellt werden. Gerade eine solche Tätigkeit erfordert jedoch ein absolutes Höchstmaß an Seriosität und politischer Neutralität. Besonders die Presse in ihrer Funktion als politisches Forum des Volkes scheint daher schon bedingt durch ihr grundlegend politisches Wesen nicht geeignet zu sein, diesen Anforderungen genügen zu können. 180
Ott/Wächtler, Versammlungen und Aufzüge, S.28.
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
Würde es demnach unter Umständen zu dem angedeuteten Mißbrauchsverhalten kommen, so würde ein Kernbereich der staatlichen Gefahrenabwehr - zugespitzt formuliert - auf den Grundlagen parteipolitischer Ansichten ausgeübt bzw. durch selbige beeinflußt. Dies hätte zur Folge, daß das Vertrauen des Bürgers in den Staat verloren ginge. Zudem würde der Staat bei der Erledigung der ihm obliegenden Aufgaben dem Gebot politischer Neutralität nicht gerecht. Angesichts der besonderen Sensibilität des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. I GG können derartige Risiken, welche die Substanz des Grundrechts angreifen und damit seine Wertungen gefährden, nicht hingenommen werden. Mithin besteht in diesem Zusammenhang (neben der mit einem jeden Delegationsvorhaben verbundenen, offensichtlichen Gefahr der Umgehung der tatbestandsmäßig ausformulierten Grenzen hoheitlicher Eingriffsbefugnisse) ein erhebliches Mißbrauchsrisiko, so daß aus diesem Blickwinkel das durch § 12 a VersG vermittelte Schutzbedürfnis nicht hinreichend gewährleistet würde. Demnach könnte unter Zugrundelegung der bisherigen Ausführungen und nach Sinn und Zweck des primär zugrundegelegten § 12 a VersG ein Delegationsverbot für die besagte Polizeitätigkeit im Bereich der Gefahrenabwehr angenommen werden. Damit steht fest, daß der dem Beispiel des Strafvollzuges entlehnte Aspekt des Mißbrauchs ein geeignetes und zentrales Kriterium auch zur Beurteilung der Zulässigkeit von Delegationsvorhaben sein kann. Folglich muß nun der Frage nach der Transfertauglichkeit des Mißbrauchskriteriums zur Beurteilung finanzieller Ausgleichsleistungen im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nachgegangen werden. Dies richtet sich in erster Linie danach, inwieweit die Gzfdfoxentstehung in den genannten Bereichen als strukturell miteinander vergleichbar erachtet werden kann. (2) Zulässigkeit des Vergleichs Die Zulässigkeit des Vergleichs - und damit gleichzeitig die Bejahung der Transfertauglichkeit des Mißbrauchskriteriums zur Beurteilung der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichsleistungen im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - hängt vorrangig davon ab, ob die Mißbrauchsrisiken im Kern als gleichartig anzusehen sind. Sollte dies der Fall sein, so erscheint auch im Bereich der Problematik der finanziellen Ausgleichsleistungen eine den Argumenten der Delegationsproblematik entsprechende Verfahrensweise denkbar. Während die ökonomische Analyse des Rechts noch anhand der Realitätsferne der ökonomischen Modelle, des Universalitätsanspruches der ökonomischen Analyse, ihrer Bezeichnung als Gerechtigkeitstheorie, ihrer mangelnden vollständigen Meßbarkeit, Berechenbarkeit und interpersonaler Aufrechenbarkeit der notwendigerweise zu berücksichtigenden, wertgebundenen gesellschaftlichen und politischen Nutzen und Kosten abstrakt kritisiert wird 1 8 1 und sich anhand dieser Gesichts-
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punkte keine etwaige Vergleichbarkeit feststellen lassen mag, so kann doch das als konkrete und „prototypenhafte" Ausformung oder besser Produkt der ökonomischen Analyse bezeichenbare Institut der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung mit weitaus mehr Analogie aufwarten. Dies resultiert aus folgender Überlegung: Selbiges Institut der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung ist in der Vergangenheit stets vor dem Hintergrund der Rechtfertigung rechtswidrigen Staatshandelns scharf kritisiert worden. 182 Wie gesehen steht im Rahmen der Delegationsproblematiken unter anderem auch die Gefahr der Umgehung der tatbestandsmäßig ausformulierten Grenzen hoheitlicher Eingriffsbefugnisse im Vordergrund. Abstrahiert man diesen Vorwurf nun auf die nächst höhere Ebene, so wird deutlich, daß beiden Ansätzen zur Kritik derselbe Grundgedanke zugrunde liegt - der Vorwurf der Umgehung hoheitlicher Eingriffsbefugnisse erscheint, auf diese Weise reduziert, nur noch als Einzelfall oder konkrete Erscheinungsform der hinter diesem Vorwurf stehenden Befürchtung der Rechtfertigung rechtswidrigen Staatshandelns. Diese sorgt folglich gleichermaßen für das dem Mißbrauchsaspekt vorgelagerte Spannungspotential. Mithin kann die strukturelle Vergleichbarkeit der (Mißbrauchs-)Gefahrenentstehung bejaht werden. (3) Ergebnis Bedingt durch die Zulässigkeit der Vergleichbarkeit muß auch im Zusammenhang mit der Erörterung der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichsleistungen im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das Mißbrauchskriterium als berücksichtigungsfähiger Indikator angesehen werden. Diese Annahme hat zur Folge, daß finanzielle Ausgleichsleistungen im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Falle evidenter Mißbrauchsgefahr nicht als ein die Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns herstellendes Mittel angesehen werden können. Der Zweck des Mißbrauchs muß sich dabei im Einzelfall in einer konkreten Erscheinungsform der Rechtfertigung rechtswidrigen Staatshandelns konkretisieren bzw. niederschlagen. Zur Feststellung selbiger bietet sich in diesem Zusammenhang eine voll intensivierte inhaltliche Kontrolle an, so wie es durch das Bundesverfassungsgericht bei der materiellrechtlich ausgerichteten183 Beurteilung von Prognosen des Gesetzgebers immer dann gehandhabt wird, wenn besonders hochwer181
Vgl. insoweit Fezer, JZ 1986, 817 ff.; ders. JZ 1988, 223 ff.; vgl. auch die eingehende Darstellung bei Morlok, Reiz und Nutzen, in: Engel/Morlok, Ökonomische Forschung, S. 10 ff. Einen zusammenfassenden Überblick gibt Burow, JUS 1993, 8 (11) m. w. N. in Fn. 34; kritisch auch Britz, Die Verwaltung 30 (1997) 185 (187 f.). 182 In diesem Sinne bereits Schulze-Osterloh, NJW 1981, 2537 (2542); vgl. auch Kempen, Eingriff, Rn. 252, der zutreffend darauf hinweist, daß ein durch die Verallgemeinerung der Aussagen des Pflichtexemplarbeschlusses bedingtes „Abkaufen des Grundrechtsschutzes" unter der Geltung des Grundrechtsschutzes als unzulässig zu erachten ist; ebenso Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 260; in diesem Sinne Bezug nehmend auf den Vorrang der Bestandsgarantie vor der Wertgarantie auch Maurer, in: FS Dürig, S. 313. 183 So Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 37. 10 Guthke
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
tige Rechtsgüter auf dem Spiele stehen.184 Dabei darf die Frage nach der Zweckmäßigkeit nicht mit der Geeignetheit verwechselt werden. 185 Erstere ist eine Weitungsfrage, letztere dagegen eine gerichtlich kontrollierbare Rechtsfrage. 186 Die Überlegung der Zweckmäßigkeit ist von daher wichtig, als daß im Rahmen der Prüfung der Geeignetheit auch herauszustellen ist, ob Maßnahme und Ziel als solche verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Ist entweder das eine oder das andere verfassungsrechtlich unzulässig, dann bedarf es der Prüfung der Geeignetheit nicht mehr. 187 Dies bedeutet, daß Maßnahmen oder Ziele, die verfassungswidrig sind, schon per se als ungeeignet ausscheiden.188 Demnach übernimmt die Kontrolle der Zweckmäßigkeit eine „Filterfunktion" für die Geeignetheitskontrolle. 189 Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Überlegungen scheint dieser Standort daher passend für die Überprüfung etwaiger Mißbrauchsgefahren zu sein. cc) Vergleich zur Kommerzialisierung von Umweltrechten Dem nachfolgenden Teil der Arbeit soll die Aufgabe zufallen, das nun bereits zweifach demonstrierte Schema der Untersuchung der Übertragbarkeit thematisch verwandter Problematiken und Argumentationsstrukturen auch auf den Bereich der Kommerzialisierung von Umweltrechten (i. w. S.) 190 auszudehnen. Von der allgemeinen Problemstellung der Kommerzialisierung grundrechtlicher Schutzsphären ausgehend sollen in diesem Zusammenhang zunächst die speziell im Bereich der Umweltrechte vorgetragenen Kritikpunkte 191 verifiziert und auf ihre Haltbarkeit hin überprüft werden. Sodann stellt sich die Frage, inwieweit begründete Kritikpunkte auch im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 184
Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers hängt in diesem Zusammenhang „von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter" ab, so BVerfGE 50, 290 (332f.); siehe ferner BVerfGE 57, 139 (159 f.); 62, 1 (50). - Im Bereich der wirtschaftlichen Grundrechte findet üblicherweise nur eine reine Evidenzkontrolle (vgl. BVerfGE 37,1 [20]; 40,196 [222 ff.]) oder-bei der Möglichkeit einer sicheren Prognose-eine Vertretbarkeitskontrolle (vgl. BVerfGE 25, 1 [12f.]; 30, 250 [263f.]; 39, 210 [225f.]) statt. iss Vgl hierzu bereits Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S.78f.; Jakobs, Grundsatz, S.60f. 186 So und im folgenden ähnlich bei Stern, Staatsrecht, Bd.III/2, S.777; eingehende Darstellung bei Bettermann, Hdb. d. StR., Bd. III, § 73, Rn. 51 f. 187 Als Erscheinungsformen der Unzweckmäßigkeit werden heute die Zweckuntauglichkeit, die Zwecklosigkeit, die Zweckverfehlung und die Unmöglichkeit der Zweckerreichung benannt, vgl. Bettermann, Hdb. d. StR., Bd. III, § 73, Rn. 51. 188 Jakobs, Grundsatz, S.60. 189 Dies bleibt unklar in BayVGH, NJW 1984, 2116f.; Bad.-Württ. VGH, DVB1. 1987,153 (154). 190 Zum Begriff der Umweltabgaben siehe Rusch, Ordnungspolitik versus Abgabenpolitik im Umweltrecht, in: Jakob/Zugmaier, Rechtliche Probleme von Umweltabgaben, S.41 f. 191 Eine diesbezügliche Zusammenschau findet sich bei Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben, S.57ff.
A. Verfassungsrechtliche Grenzen
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zum Tragen kommen oder ob selbige nur speziell im Rahmen des Umweltrechts Platz greifen können. Die somit erneut angeschnittene Frage der Kommerzialisierung grundrechtlicher Schutzpositionen, die von Böhmer im Zusammenhang mit Art. 14 GG auf ein Festhalten an den Rechtsmodellen der reichsgerichtlichen Judikatur zurückgeführt wird 192 , wird (auf allgemeiner Ebene) heute in erster Linie im Zusammenhang mit der Frage nach dem sogenannten „Vorrang des Primärrechtsschutzes" diskutiert. 193 Hierunter versteht man die Verpflichtung des Bürgers, zunächst gegen die rechtswidrig beeinträchtigende Maßnahme als solche im Wege der Klage anzugehen, bevor eine Entschädigung verlangt werden kann. Dies liegt im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. I S. 1 GG darin begründet, daß die Individualgarantie des Art. 14 Abs. I S. 1 GG vorrangig Bestandsschutz vermittelt. 194 Die Entschädigungsleistung nach Art. 14 Abs. IS. 1,2 GG wird daher als Ausnahme begriffen, die nur dann zum Tragen kommt, wenn die Vermittlung des Primärrechtsschutzes nicht möglich oder geboten ist. 195 Ganz unabhängig davon, ob man das Gebot des Vorranges des Primärrechtsschutzes nun tatsächlich für den Bereich der zulässigen Inhaltsbestimmung des Eigentums eingreifen lassen will 1 9 6 oder ihn mit dem Hinweis darauf, daß dann, wenn das Gesetz dem Grunde nach Entschädigung vorsieht, es dem Bürger nicht zugemutet werden könne, den staatlichen Hoheitsakt wegen Nichtentscheidung über eine Entschädigung in seinem konkreten Fall anzufechten 197, es hierfür ablehnt198, so muß doch jedenfalls Einigkeit darüber bestehen, daß seine mangelnde Beachtung die in Rede stehende Gefahr in sich birgt: „Darüber hinaus würde ohne Betonung des Primärrechtsschutzes auch im Bereich der Inhaltsbestimmung des Eigentums die Gefahr drohen, daß es zu einer „Kommerzialisierung grundrechtlicher Schutzpositionen" kommt, da sich der Staat die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes durch die Möglichkeit nachträglichen finanziellen Ausgleiches außerhalb des durch den Grundverwaltungsakt begründeten Rechtsverhältnisses „erkaufen" kann" 199 . Auch bestehe die Gefahr, den Bürger durch das Inaussichtstellen einer schnellen Entschädigung im Wege finanzieller Kompensation dazu zu animieren, „auf eine im Streitfalle aufwendige und langwierige Durchsetzung seines Abwehr192
Vgl. Böhmer, Der Staat 24 (1985) 157 (192f.). Vgl. statt vieler Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (518 f.). 194 Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S.218. 195 In diesem Sinne Kleinlein, DVB1. 1991, 365 (374); Pietzcker, NVwZ 1991, 418 (426); Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S.218; für den enteignungsgleichen Eingriff vgl. Hermes, NVwZ 1990, 733 (734); vgl. aber auch Scherzberg, DVB1. 1991, 84 (90). 196 So aus der Rspr.: BVerwGE 77, 295 (296); vgl. auch E80, 185 (190ff.). 197 Pietzcker, NVwZ 1991,418 (426). 198 So Scherzberg, DVB1. 1991, 87 (89); in diesem Sinne eine vorsichtige Anwendung propagierend Ossenbühl, Der Anspruch wegen rechtswidriger Eigentumsverletzung (enteignungsgleichen Eingriffs) - eine Zwischenbilanz, in: FS Geiger, S.492. 199 Heinz/Schmitt, NVwZ 1992, 513 (519). 193
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
rechts zu verzichten" 200. Zu Recht machen Heinz/Schmitt daher darauf aufmerksam, daß eine solche Vorgehensweise, quasi die Einräumung eines Wahlrechts, der „Regelungs- und Steuerungsintention der Grundrechte" widerspräche. 201 Diese seien primär als Abwehrrechte konzipiert, deren Intention es sei, die durch die Grundrechte gewährleisteten Individualverbürgungen aufrecht zu erhalten und „im Falle ihrer Verletzung zumindest für eine Wiederherstellung der grundrechtlichen Integrität zu sorgen, was nur dann möglich ist, wenn der Bürger im Sinne einer eigenverantwortlich handelnden Person zur vorrangigen Rechtswahrung und Rechtsausübung auch im Bereich des Staatshaftungsrechts angehalten wird" 202 . Vor diesem Hintergrund muß die Äußerung Albrods 203, eine „Kommerzialisierung" der Grundrechte sei in diesem Zusammenhang nicht zu befürchten, zumal die Entschädigung kein Ausgleich für einen Rechtsentzug sei, sondern die Eigentümerstellung im Gegenteil bewahren solle, sehr verwundern. Neben einer wohl unzutreffenden Prognose mit Blick auf etwaige aktuelle Kommerzialisierungstendenzen beweist sie jedenfalls ein grundlegendes und dennoch weit verbreitetes Mißverständnis hinsichtlich des dogmatischen Verhältnisses von Eigentumsbestands- und Eigentumswertgarantie. Unter Berücksichtigung der voranstehenden Ausführungen kann an dieser Stelle kann zunächst festgehalten werden, daß die Kommerzialisierungsproblematik letztlich zum Gegenstand hat, in welchem Umfang eine Begünstigung der Aufrechterhaltung der grundrechtlichen Störungslage toleriert werden kann. Scherzberg faßt dies unter einem anderen Vorzeichen ebenso treffend zusammen, indem er ausführt, es gehe im Ergebnis um das Anliegen der Grundrechte, rechtliche Freiheit in tatsächliche Freiheitschancen umzusetzen und sich als „gelebte Ordnung" in der sozialen Wirklichkeit umfänglich abzubilden. Vor dem Hintergrund dieser Aussage scheint es nachfolgend besonders wichtig zu sein, bei der Beurteilung der Zulässigkeit finanzieller Kompensationsmodelle im Auge zu behalten, inwieweit die einzelnen grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte überhaupt derart theoretisch nach rechtlichen Freiheitsinhalten und tatsächlichen Freiheitschancen differenzierbar sein können, um im Falle der Feststellung eines solchen Befundes gesondert darauf zu achten, wie der Übergang von theoretischer zu praktischer grundrechtlicher Freiheit optimal zu gestalten ist. Auch an dieser Stelle drängt sich daher wiederum sehr deutlich die Notwendigkeit einer nach Gewährleistungsgehalten vorzunehmenden Kategorisierung der Grundrechte auf, zumal auf der Hand liegt, daß unterschiedliche theoretische Freiheitsverbürgungen einer differenzierten Art und Weise der Umsetzung in die Praxis bedürfen und daher auch nicht nach bloß einem einzigen Schema als der finanziellen Kompensation zugängig erklärt werden können, da hier200 201 202 203
Scherzberg, DVB1. 1991, 84 (90). Heinz/Schmitt, a.a.O. Heinz/Schmitt, a.a.O.; ebenso Scherzberg, DVB1. 1991, 84 (90). Albrod, Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S.218.
A. Verfassungsrechtliche Grenzen
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durch letztlich die grundrechtliche Freiheit ja nur auf einem anderen, jedoch ebenso adäquaten Wege gewährleistet werden soll. Die so skizzierten, allgemeinen Kritikpunkte konkretisieren sich im Bereich des Umweltrechts auf den Bereich der verfassungs- und abgabenrechtlichen Rahmenbedingungen der Ressourcenbewirtschaftung. Der zentrale Kritikpunkt im Zusammenhang mit den bereits angesprochenen „Ressourcennutzungsgebühren" 204 betrifft den Umstand der Entgeltlichkeit der Vergabe von Rechten: „Die so propagierte künstliche Belastung der Inanspruchnahme von Umweltgütern mit öffentlichen Preisen wirft verfassungsrechtlich vor allem unter zwei Gesichtspunkten Probleme auf."
Zunächst ist problematisch, daß die mit einem solchen Vorgehen verbundene Einschränkung der freien Nutzung von Umweltgütern sich auf die grundrechtlich geschützte Verhaltensfreiheit Privater auswirkt; gehört doch die Inanspruchnahme vor allem von Luft und Wasser zu den selbstverständlichen Voraussetzungen natürlichpersonaler und wirtschaftlicher Entfaltungs- und Betätigungsfreiheit, wie sie vor allem durch Art. 2 und 12 GG geschützt ist. Auf einer zweiten Ebene stellt sich die Frage, ob und in welcher Art und Weise die Nutzung von Umweltgütern mit öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten befrachtet werden darf. Dabei geht es sowohl um die grundsätzliche Frage, ob der Staat überhaupt einen Preis für die Freiheitsausübung einführen darf 205 als auch um spezifisch finanzrechtliche Aspekte, wie die Wahl der richtigen Abgabenart. 206 An anderer Stelle wird in diesem Zusammenhang geltend gemacht, die auf diesem Wege durch die öffentliche Verwaltung kommerzialisierten Rechte seien bereits von Verfassungs wegen durch Grund- und Freiheitsrechte gewährleistet und daher nach dem Rechtsstaatsprinzip weder entgeltbedürftig noch entgeltfähig. 207 Die Grund- und Freiheitsrechte zwängen insoweit prinzipiell zur Rechtsgewährung „umsonst" und „ohne Fiskalvorbehalt" 208, zumal die Nutzung von Umweltgütern als faktische Bedingung der Grundrechtsausübung anzusehen sei 209 . Dennoch ist die grundsätzliche Möglichkeit der Bewirtschaftung der Umweltgüter heute auf der Rechtfertigungsgrundlage des Art. 20 a Abs. I GG anerkannt, sofern dabei grundrechtliche undfinanzverfassungsrechtliche Bindungen beachtet werden. 210 204 Zum Begriff Murswiek, NuR 1994, 170f.; vgl. auch Kluth, NuR 1997, 105 (107). Zur Abgrenzung gegenüber der sogenannten Verleihungsgebühr siehe Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben, S.27. 205 Meyer, Gebühren für die Nutzung von Umweltressourcen, S. 142ff. 206 Kluth, NuR 1997, 105 (106). 207 Kirchhof, Hdb. d. StR., Bd. IV, § 88, Rn. 204; ders., Jura 1983, 505 (511 f.). 208 Kirchhof, Hdb. d. StR., Bd. IV, § 88, Rn. 187 und Rn. 204; ders. Verfassungsrechtliche Grenzen von Umweltabgaben, S. 13; siehe ferner Gösch, StuW 1990, 201 (208 mit Fn. 80). 209 Kluth, NuR 1997, 105 (106 f.). 210 So im Ergebnis Kluth, NuR 1997, 105 (112).
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
Nach der Ansicht Kirchhofs könne die Gewährung von derartigen Rechten im Rahmen fachbereichsspezifischer Erlaubnisvorbehalte allerdings lediglich von Kriterien wie der subjektiven Berechtigung, der Eignung oder auch der Bedürftigkeit des Antragstellers abhängig gemacht werden, nicht aber von der individuellen Zahlungsfähigkeit. 211 Im Gegensatz dazu spiele bei der Vergabe der benannten Genehmigungen vielmehr allein die Zahlungsbereitschaft der „Käufer" der Genehmigungen eine Rolle 212 , wodurch jedenfalls ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz213 bewirkt werde. Zudem könne bei einer derartigen Berücksichtigung von fiskalischen Interessen im Rahmen hoheitlicher Interessen die Unbefangenheit der Verwaltungsentscheidung nicht sichergestellt werden. 214 Allerdings darf jedoch nicht verkannt werden, daß selbst von Kritikern der Verleihungsgebühr die Möglichkeit eines pauschalierten Entgelts für die erwartete Nutzung im Sinne einer „typisierenden Vorauszahlung" als zulässig erachtet wird, so wie es beispielsweise für den vermuteten Empfang von Rundfunksendungen oder die vom Antragsteller beantragte Sondernutzung gehandhabt wird. 215 Die Zulässigkeit der Rechtsverleihung als solcher wird daher nicht als Kern der Problematik begriffen 216 , sondern vielmehr Art und Umfang der aus ihr erwachsenden Belastung.217 Damit wird deutlich, daß die im Rahmen des Umweltrechts geführte Diskussion zwar aus demselben Anlaß, letztlich aber nicht unter demselben Vorzeichen wie die Frage nach der Zulässigkeit von finanziellen Ausgleichszahlungen im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geführt wird: „Der Staat verkauft nicht individuelle Freiheit 218 sondern bedient sich ökonomischer Mechanismen zum Zwecke der Verhaltenssteuerung. (...) Die grundsätzliche Zulässigkeit der Ressourcenbewirtschaftung durch Abgaben und Preise wird durch die unterschiedliche finanzielle Leistungsfähigkeit der Adressaten nicht grundsätzlich in Frage gestellt" 219 .
Mithin greifen die dort vorgebrachten Kritikpunkte und Rechtfertigungsstrategien 220 im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht ein, so 211
Kirchhof, Jura 1983, 505 (511 f.). Kirchhof, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 13 f. 213 Vgl. hierzu auch Kluth, NuR 1997, 105 (112). 214 Kirchhof, Jura 1983, 505 (512); ders., in: Hdb.d.StR., Bd. IV, §88, Rn. 187; ders., Verfassungsrechtliche Beurteilung der Abwasserabgabe des Bundes, S. 17; ders., ZIP 1984, 1423 (1427). 2,5 Kirchhof, Jura 1983, 505 (512); ders., in: Hdb.d.StR., Bd.IV, §88, Rn. 187. 216 So im Ergebnis auch Kluth, NuR 1997, 105 (112). 217 Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben, S.60. 218 Nach Ansicht Meyers stellt die Gebühr für die Verleihung eines Rechts zur Wassernutzung bereits deshalb keinen Preis für die Ausübung grundrechtlicher Freiheit dar, weil die wasserrechtliche Zulassung bzw. ihre Versagung die Freiheit des einzelnen nicht berühre, vgl. Meyer, Umweltressourcen, S. 142 ff. und insbes. S. 151. 219 Kluth, NuR 1997, 105(112). 220 Siehe hierzu insbes. auch Murswiek, NuR 1994, 170 (175 f.). 212
A. Verfassungsrechtliche Grenzen
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daß eine vergleichende Argumentation bzw. einer Übertragbarkeit der im Umweltrecht existierenden Argumentationsmuster im Ergebnis nicht möglich ist. Damit muß im weiteren auf die Eingangs hingewiesenen, allgemeinen Kritikpunkte zurückgegriffen werden, deren Haltbarkeit nachfolgend anhand abstrakter Figuren und Wertungsmodelle des Verfassungsrechts zu überprüfen ist. dd) Vergleich zu den Kompensationsmodellen des Art. 14 GG (1) Einleitung: Beurteilung der Rechtfertigung über Einzelgesichtspunkte Nachfolgend soll unter Berücksichtigung der zu den Kompensationsmodellen des Art. 14 GG gefundenen Ergebnisse die Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen anhand mehrerer, dem Verfassungsrecht entlehnter Einzelgesichtspunkte beurteilt werden. Dabei soll zunächst der Stellenwert einer angemessenen ZweckMittel-Relation näher beleuchtet werden. Sodann wird die Figur des mittelbaren Eingriffsbegriffes daraufhin untersucht, inwieweit seine Konstruktion und insbesondere die seiner Einführung zugrundeliegenden Überlegungen auch vorliegend zum Tragen kommen können. Letztlich steht die Dreiecks-Konstellation der Enteignung zugunsten Privater erneut zur Diskussion, um die in diesem Zusammenhang bereits gewonnenen Erkenntnisse zum Zwecke einer vergleichenden Argumentation heranziehen und verwerten zu können. (a) Angemessenheit der Zweck-Mittel-Relation Die Frage danach, ob ökonomische Gesichtspunkte im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässigerweise Berücksichtigung finden dürfen, läßt sich zudem von der Angemessenheit der Zweck-Mittel-Relation221 ausgehend beurteilen. Darunter versteht man die unter Berücksichtigung des angestrebten Ziels und der hierfür eingesetzten Mittel zu beurteilende Proportionalität 222 zwischen Nutzen für den Begünstigten und Schaden für den Betroffenen eines staatlichen bzw. staatlich 221 Zu den Bedenken gegenüber dieser herkömmlichen Definition des Angemessenheitsmaßstabes siehe insbes. Kirchhof, Gleichmaß und Übermaß, in: FS Lerche, S. 143 - (...) so wird der jeweilige Zweck auch zum Mittel; die Bezugsgröße des Verhältnismäßigkeitsprinzips wird austauschbar, die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit gerät in Abhängigkeit zu den jeweils zur Entscheidung stehenden Zielen." Vgl. ferner Hirschberg, Grundsatz, S.45ff.; Jakobs, DVB1. 1985, 97f.; ders., Verhältnismäßigkeit, S. 16ff.; Haverkate, Leistungsstaat, S. 18 ff. 222 Vgl. hierzu Hirschberg, Grundsatz, S.21; Grabitz, AöR 98 (1973) 568 (575); Gentz, NJW 1968, 1600 (1604); Wellhöfer, Das Übermaßverbot im Verwaltungsrecht, S.27 i.V.m. Fn. 2; Pernice, Billigkeit und Härteklauseln im Öffentlichen Recht, S.485 (Zumutbarkeit); vgl. auch Schnapp, JUS 1983, 850 (852); siehe ferner Langheineken, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 20 m. w. N. in Fn. 145 und Fn. 146.
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
initiierten oder gestatteten Eingriffs in Grundrechte. 223 Während bei der Überprüfung von Fragen der Geeignetheit und der Erforderlichkeit der Zweck noch als ein festes „Fixum" 2 2 4 betrachtet wird, wird der verfolgte Zweck im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit einer Wertung unterzogen. Sodann werden beide Stellenwerte miteinander abgewogen. Das Bundesverfassungsgericht „prüft also funktional die Gewichtung einer staatlichen Maßnahme in Bezug auf die mit ihr zu verwirklichende Intention" 225 . Selbst führt es aus, daß bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenzen des Zumutbaren gewahrt werden müssen.226 Daher wird in diesem Zusammenhang auch oftmals davon gesprochen, es gehe um die „Zuordnung zweier Variabler" 227. Dies ist bereits im Rahmen der Darstellung der abstrakten Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aufgezeigt worden. Zur Beurteilung der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 14 GG lassen sich vor diesem Hintergrund die Überlegungen Rollers fruchtbar machen, der im Zusammenhang mit dem jüngst ergangenen Denkmalschutzurteil 228 des Bundesverfassungsgerichts ausführt, die Frage, ob andere als finanzielle Ausgleichsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, sei vor dem Hintergrund des gesetzlichen Ziels zu beantworten. 229 Ein allzu leichtes „Abkaufen" des Grundrechtsschutzes sei (im Bereich des Art. 14 GG) zwar einzudämmen; demgegenüber sei jedoch auch zu berücksichtigen, daß dem Gesetzgeber vielfach gar keine andere Möglichkeit verbleibe, als Ausgleichszahlungen einzusetzen, sofern er das gesetzgeberische Ziel nicht von vornherein zur Disposition stellen wolle. 230 Das Vörrangverhältnis anderweitiger Ausgleichsleistungen gegenüber finanziellen Zahlungen ergibt sich demnach letztlich aus der vermehrten, nahezu alleinigen Berücksichtigung der optimalen Durchsetzbarkeit des Zweckes: „(...) Soweit die gesetzlichen Schutzziele unter Vermeidung realer Eigentumsbeeinträchtigungen verwirklicht werden können, sind solche Maßnahmen von Verfassungs wegen einer finanziellen Ausgleichspflicht vorrangig. Sind die Schutzziele des Gesetzes, unter Berücksichtigung der Eigentümerinteressen 231, jedoch nicht anders zu erreichen, kann der Eigentümer auf einen finanziellen Ausgleich verwiesen werden" 232 . 223
Vgl. die Ausführungen zur Zweckmäßigkeit bei Bettermann, Hdb. d. StR., Bd. III, § 73, Rn. 51. 224 Albrecht, Zumutbarkeit, S.72. 225 Albrecht, a.a.O.,S.73. 226 Vgl. hierzu nur BVerfGE 39,210 (234); 77, 84 (111); 77,308 (332) m.w. N.; 81,70 (92); 85, 248 (261); 85, 360 (377). 227 Grabitz, AöR 98 (1973) 568 (575 m. w. N.); ähnlich Ress, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im deutschen Recht, in: Kutscher, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordnungen, S.22. 228 BVerfGE 100, 226. 229 Roller, NJW 2001, 1003 (1008). 230 Roller, a.a.O. 231 Es stellt sich hier nachhaltig die Frage, an welcher Stelle diese Berücksichtigung der Eigentümerinteressen tatsächlich zum Tragen kommt, wenn Roller im unmittelbaren Anschluß
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In Konsequenz der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit scheint es - will man einen für alle Grundrechte allgemein gültigen Satz aufstellen - jedoch nur angemessen, die Wertigkeit der betroffenen Interessen bereits im Vorfeld dieser Abwägung 233 darauf hin zu untersuchen, ob selbige Abwägung als solche überhaupt vorgenommen werden darf bzw. ob die Qualität des Grundrechtseingriffes einer solchen zugängig ist, um auf diese Weise auch den betroffenen grundrechtlichen Interessen hinreichend Rechnung zu tragen. Dabei erscheint es jedoch - insbesondere unter Berücksichtigung der zum Kurzberichterstattungsbeschluß angestellten Überlegungen 234 - logisch-undenkbar, die maßgeblich anhand des Persönlichkeitsbezuges festzustellende Wertigkeit des betroffenen Grundrechts außerhalb der Betrachtung zu lassen. Diese Notwendigkeit verkennt Roller (in Form der Notwendigkeit der Berücksichtigung der tangierten Eigentümerinteressen) zwar nicht, dennoch negiert er sie. - Allerdings zeigt sich an dieser Stelle der Arbeit erneut der Umstand, daß andere Grundrechte mit Blick auf die Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen nicht entsprechend Art. 14 GG gehandhabt werden können. Während eine solche Auffassung Rollers mit Blick auf die Adäquanz der Ausgleichsleistung im Falle des Art. 14 GG durchaus gangbar erscheint 235, muß zur abstrakten Beurteilung einer solchen Vorgehensweise auch für andere Grundrechte aus Gründen der angemessenen Sicherstellung anderer als finanzieller Gewährleistungsgehalte jedenfalls eine soeben vorgeschlagene „Vorprüfung" darauf hin vorgenommen werden, ob das gesetzgeberische Schutzziel die nach Rollers Interpretation des Denkmalschutzurteils 236 maßgebende Dominanz zur Feststellung der Art der Ausgleichsleistung haben darf bzw. haben muß. Sollte dies nicht der Fall sein, so wäre die Zulässigkeit einer finanziellen Ausgleichsleistung zu verneinen. Im Ergebnis erweist sich damit die von Roller propagierte, alleinige Zweckbetrachtung, welche die Schwere und damit die Qualität der Belastung als irrelevant erklärt 237 , auf der abstrakten, aus Art. 14 GG enthobenen Ebene als zu kurzschlüssig 238, fortfährt: „In diesem Fall kommt es auf die Schwere der Belastung nicht an", vgl. Roller, NJW 2001, 1003 (1009). 232 Roller, NJW 2001, 1003 (1008 f.). 233 Dieser von Roller als Abwägung bezeichnete Vorgang (vgl. Roller, NJW 2001, 1003 [1008]) stellt tatsächlich vielmehr ein bloßes Alternativitätsverhältnis dar, welches - auf die wesentliche Aussage reduziert - den Ansatz beinhaltet, eine finanzielle Ausgleichsleistung stets als zulässig zu erklären, sofern die Durchsetzung des gesetzgeberischen Ziels dies erfordert. Daß diese alleinige Berücksichtigung des gesetzgeberischen Anliegens auch im Anwendungsbereich des Art. 14 GG enorme Mißbrauchsgefahren in sich birgt, wird von Roller offensichtlich verkannt. 234 Siehe insbesondere Teil 4. B. II. 2. und 3. 235 Vgl. jedoch insoweit auch die auf Art. 12 Abs. I GG spezifizierten Ausführungen zum Kurzberichterstattungsbeschluß in Teil 4.B.II. 236 BVerfGE 100, 226. 237 So ausdrücklich Roller, NJW 2001, 1003 (1009, linke Spalte); zu Recht a. A. Hendler, DVB1. 1999, 1501 (1502). 238 Dennoch erscheint es durchaus denkbar, die Beurteilung der Wertigkeit des betroffenen Grundrechts durch die Berücksichtigung der (abstrakten) Wertigkeit des Zweckes bzw. des ge-
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
da die Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise (welche ihrerseits die finanzielle Ausgleichsleistung vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Schutzziels für gangbar erklärt) im Falle anderer Grundrechte nur anhand der Qualität der grundrechtlichen Interessen beurteilt werden kann. Entsprechend der von Roller vorgeschlagenen „Abwägung", in welcher allein die Frage nach der Art der Ausgleichsleistung entschieden werden soll, muß auch die Vorfrage unter demselben Vorzeichen entschieden werden: Einer nach ökonomischen Gesichtspunkten orientierten Kategorisierung der Gewährleistungsgehalte der einzelnen Grundrechte. Nur auf diese Weise kann einerseits die finanzielle Ausgleichszahlung als Ausnahmesituation beibehalten werden und andererseits auch die Qualität der einzelnen Grundrechte gesondert gewürdigt werden, nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß der Rechtsentzug auf Seiten des Bürgers durch eine adäquate Gegenleistung kompensiert wird, so daß letztendlich auch von „Angemessenheit" gesprochen werden kann. Im Rahmen einer solchen Systematisierung der grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte bietet es sich an, zunächst eine grobe Unterscheidung nach drei Gruppen vorzunehmen. Die beiden Randpositionen bilden dabei einerseits solche Grundrechte, deren Freiheitsausübung sich in rein finanzieller Hinsicht erschöpft, wozu neben Art. 14 GG insbesondere die Grundrechte des freien Wirtschaftens 239 zu zählen sein dürften, und andererseits solche Grundrechte, deren Gewährleistungsgehalt durch rein persönlichkeitsbezogene Inhalte bestimmt ist. 240 Mit Blick auf die Zulässigkeit etwaiger finanzieller Ausgleichsleistungen dürfte auf der Hand liegen, daß die erstgenannte Gruppe einer solchen Zahlung zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit - gegebenenfalls unter Berücksichtigung eines das gesetzgeberische Schutzziel in den Vordergrund der Betrachtung stellenden Abwägungsvorganges im Sinne Rollers - im Ergebnis zugängig sein muß, letztere hingegen kaum denkbar einer entsprechenden Handhabung unterzogen werden kann. 241 Zur Begründung dieser Thesetzgeberischen Schutzziels flankieren zu lassen. Auch hier bietet sich eine Kategorisierung der Zwecke an. 239 Hierunter fallen die allgemeine Wirtschaftsfreiheit, die allgemeine Vertragsfreiheit und die Wettbewerbsfreiheit, sofern sich die entsprechende Tätigkeit als Wahrnehmung rein finanzieller Interessen qualifizieren läßt. Dies muß jeweils im Einzelfall bestimmt werden, da sich beispielsweise die allgemeine Vertragsfreiheit auch als Ausfluß der Berufsfreiheit auffassen läßt und damit bereits persönlichkeitsbezogene Elemente aufweisen könnte, vgl. insoweit Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd.I, Art. 14, Rn. lOOff. Zur Frage nach der Notwendigkeit der Aufnahme wirtschaftlich-sozialer Grundrechte in das Grundgesetz siehe Hesse, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 5, Rn. 31 f. 240 Durch ausschließlich persönlichkeitsbezogene Inhalte sind insbesondere Artt. 1 Abs. 1,2 Abs. I, 2 Abs. I I S. 1, 2 Abs. II S. 2 i.V. m. 104, 3, 6 Abs. V, 33 Abs. I—III, 38 Abs. I S. 1,4, 12a Abs.II, 140 (i.V.m. 136 Abs.I, III, IV, 137 Abs.II, III, VIIWRV), 8,10,11,13,16,16a, 19IV, 20 IV, 38, 101 Abs.I S.2, 103 Abs.I-III GG geprägt. 241 Zum personalen Bezug der Eigentumsgarantie siehe dennoch Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, Art. 14, Rn. 12 ff. - Die Verzeichnung eines personalen Bezuges erscheint in diesem Zusammenhang allerdings irreführend, zumal die Korrelation von Freiheit
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se soll auf die Ausführungen zur Adäquanz der Ausgleichsleistung verwiesen werden, deren Notwendigkeit im Rahmen des 4. Teils der Arbeit eingehend dargestellt worden ist. 242 Kernpunkt dieser Überlegungen war es, daß eine finanzielle Ausgleichsleistung zulässigerweise nur dort zum Tragen kommen kann, wo sie als Kompensation für ein „Minus" an Freiheitsverwirklichung in vermögensrechtlicher Hinsicht fungieren soll, zumal nur in einem solchen Fall von einer adäquaten Wiederherstellung bzw. Aufrechterhaltung des grundrechtlichen Gewährleistungsgehaltes gesprochen werden kann. Problematischer hingegen stellt sich die Behandlung der dritten Gruppe dar, der solche Grundrechte zugerechnet werden sollen, welche - wie beispielsweise Art. 12 Abs. I GG - beide vorgenannten Verbürgungen in sich aufweisen (können).243 Eine einheitliche Beurteilung selbiger erscheint nicht denkbar, zumal die Anteile der entsprechenden Freiheitsinhalte stark variieren dürften, und zwar sowohl zwischen den dieser Gruppe zugehörigen Grundrechten, als auch innerhalb der einzelnen Grundrechte selbst. Folglich scheint eine weitere Differenzierung innerhalb dieser dritten Gruppe erforderlich. Diese ist sinnvollerweise danach vorzunehmen, inwieweit die unterschiedlichen Freiheitsgehalte - zumindest theoretisch - inhaltlich voneinander abtrennbar sind. Sollte diese Frage zu bejahen sein und demgemäß die Möglichkeit bestehen, daß es theoretisch zur alleinigen finanziellen oder auch persönlichen Freiheitsausübung kommen kann, so bietet sich an dieser Stelle eine weitere Einteilung dieser Untergruppe an. Diese muß entsprechend den zu Art. 12 Abs. I GG angestellten Überlegungen danach unternommen werden, ob die besagte Möglichkeit des vollständigen Rücktritts des Bestandteils der persönlichen Freiheitsausübung in den Hintergrund tatsächlich auch in der Praxis besteht, so daß aus einem an sich mehrspurigen Gewährleistungsgehalt ein einfacher, bloß finanzieller, entsteht. In diesem Fall dürfte, entsprechend der erstgenannten Obergruppe, die Zulässigkeit einer finanziellen Ausgleichszahlung zu bejahen sein, andernfalls nicht. Sollte eine solche Möglichkeit der theoretischen Trennbarkeit zwar gegeben, in der Praxis regelmäßig nicht feststellbar oder nachweisbar sein, ist die Möglichkeit einer finanziellen Kompensation ebenfalls nicht anzunehmen. Damit verbleibt letztlich die (zweite Unter-)Gruppe der Grundrechte, die beide Gewährleistungsgehalte enthalten, diese jedoch stets, also zwangsläufig, miteinander verbunden sind, beispielsweise deshalb, weil sie sich gegenseitig bedingen und bereits daher voneinander untrennbar sind. Die Behandlung dieser Gruppe erscheint denkbar kompliziert. In diesen Fallkonstellationen scheint es angezeigt, eine Abwäund Eigentum lediglich darin erblickt wird, daß Eigentum aus der Freiheit erwächst und selbige ermöglicht (Rn. 12). Da diese Art der Freiheit aber letztlich rein finanzieller Natur ist, kann von einem personalen Bezug kaum die Rede sein. Zur Beziehung zwischen Eigentum und Freiheit siehe ferner Leisner, Demokratie, S. 51 ff. 242 Vgl. insoweit Teil 4. B. II. 3. 243 Dieser Gruppe unterfallen die Artt. 5 Abs. IS. 2, 5 Abs. III, 6,7 Abs. IV, 9, 12, 33 V GG.
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gung der Bedeutung der persönlichen Freiheitsbestandteile und der daraus resultierenden Belastungsintensität für den vom Grundrechtseingriff betroffenen Personenkreis mit der gleichzeitig einhergehenden Verwirklichung von Grundrechtsgehalten Dritter vorzunehmen, einem Kriterium, welches mit Blick auf die mit dem Eingriff in Art. 12 GG einhergehende Verwirklichung der Rundfunkfreiheit durch das Bundesverfassungsgericht auch im Rahmen des Kurzberichterstattungsbeschlusses unter dem Schlagwort der „dienenden Funktion der Grundrechte" 244 zu berücksichtigen war. Im Zusammenhang mit dieser Abwägung wird die Zulässigkeit finanzieller Ausgleichzahlungen davon abhängen, in welchem Umfang die Komponente der persönlichen Freiheitsausübung und -Verwirklichung auf Seiten Dritter zum Tragen kommt. Sollte es sich dabei um einen vergleichsweise geringen oder weitgehend bedeutungslosen Bestandteil handeln, so erschiene auch hier die Möglichkeit einer finanziellen Kompensation zumindest denkbar. (b) Mittelbarer Eingriffsbegriff Im nun folgenden Abschnitt soll die Figur des mittelbaren Eingriffsbegriffes daraufhin untersucht werden, inwieweit seine Konstruktion und insbesondere die seiner Einführung zugrundeliegenden Überlegungen im Wege einer vergleichenden Argumentation zur Beurteilung der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zum Tragen kommen können. Ausgehend vom Grundverständnis des klassischen Eingriffsbegriffes, nach welchem das Vorliegen eines Grundrechtseingriffes lediglich im Falle eines final-intendiert und unmittelbar eingreifenden, hoheitlichen Rechtsaktes, der mit Befehl und Zwang durchgesetzt wird 245 , anzunehmen ist, wird dieses enge Eingriffsverständnis heute zunehmend durch ein modernes dahingehend modifiziert, daß auch ungewollte, mittelbare 246 und fiskalische Realakte erfaßt sein sollen 247 , so daß beispielsweise auch Nebenfolgen von einem solchen Ansatz als Eingriff beurteilt werden 248. In diesem Zusammenhang ist nun zu berücksichtigen, daß durch eine solche Ausdehnung im Sinne des modernen Eingriffsbegriffes der Grundrechtsschutz des Bürgers zwar erheblich erweitert und gestärkt wird, demgegenüber aber notwendigerweise auch gleichzeitig die staatliche Sphäre eine Einengung erfahren muß. Demnach ist fraglich, in welchem Umfang ein modernes Eingriffsverständnis heute tragbar ist. Hierbei muß zunächst bedacht werden, daß das Gesetz förmlich auf das klassische Eingriffsverständnis zugeschnitten ist und diese Art von Eingriffen leicht gehandhabt 244 Vgl. zu dieser Konstruktion im Rahmen des Kurzberichterstattungsbeschlusses Tietje, JUS 1999, 644 (648). 245 Vgl. statt vieler Isensee, Hdb. d. StR, Bd. V, § 111, Rn. 61. 246 Siehe hierzu Stem, Staatsrecht, Bd.III/2, S. 161. 247 Pieroth/Schlink, StR II, Rn.240. 248 Isensee, Hdb. d. StR, Bd. V, § 111, Rn. 63.
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werden kann. Bedingt durch den mit einer Aufweichung des klassischen Begriffes verbundenen Konturverlust könnte man daher der Ansicht sein, daß eine Erweiterung in der dargestellten Art nicht zulässig sei. Eine solche Sichtweise würde jedoch den historischen Hintergrund verkennen, dem die Ergänzung des klassischen Verständnisses zugrunde liegt. Im Kern soll hierdurch die Effektivität des grundrechtlichen Schutzes gewährleistet bleiben. 250 Bei historischer Betrachtung zeigt sich, daß es - bedingt durch die Wandlung vom liberalen zum sozialen Rechtsstaat251 - auch zu einer Erweiterung des Schutzumfanges vom subjektiv-rechtlichen zum objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt der Grundrechte gekommen ist. 252 Im Zuge dieser dogmatischen Entwicklung sind gleichfalls die Berührungspunkte des Staates zum Bürger gestiegen, wodurch auch die Konfliktmöglichkeiten ein größeres Ausmaß annehmen.253 Dies zeigt sich zum Beispiel an den Bereichen staatlicher Subventionierung, der Teilnahme des Staates am freien Wettbewerb und auch an immissionsrechtlichen Problematiken, die allesamt diesen neuen Gefahren für die Grundrechte des Bürgers zuzurechnen sind, ohne daß sie sich als klassische Eingriffe darstellen würden und so durch den Bürger abwehren ließen. Diesem neuen Gefährdungspotential will der moderne Eingriffsbegriff Rechnung tragen. Daher scheint es nur sachgerecht, auf diesem Wege mit einer wachsenden Gefährdung der Grundrechte auch den grundrechtlichen Schutz auf ein angemessenes Niveau mit anzuheben. Zu Recht führt Roth in diesem Zusammenhang daher aus, daß sich Effizienzaspekte angesichts der großen Bedeutung der Abwehrrechte nur dann als Argument gegen den weiten Eingriffsbegriff anführen ließen, wenn dieser zu einer untragbaren Behinderung der staatlichen Tätigkeit führte. 254 Richtet man den Blick zudem auf die wachsende Bedeutung der Grundrechte auch im Bereich der Leistungs-, Teilhabe- und Schutzrechte 255, so wird deutlich, daß eine Erweiterung des Schutzumfanges der Grundrechte in diesem Zusammenhang zwingend erforder249
Isensee, Hdb. d. StR, Bd. V, § 111, Rn. 64. Isensee, Hdb. d. StR, Bd. V, § 111, Rn. 62. 251 Zu dieser Entwicklung siehe insbes. Karpen, Der Rechtsstaat und seine Gefährdung, in: Rüther, Die geschichtliche Entwicklung des liberalen Rechtsstaates, S.20ff.; allgemein zur Geschichte des Rechtsstaates Low, Rechtsstaat, Demokratie, Sozialstaat, S. 18 ff.; siehe ferner Sarcevic, Der Rechtsstaat, S.6ff. und insbes. S. 101 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd.I, S.764ff.; Merten, DVB1. 1981, 701 ff.; Schmidt-Aßmann, Hdb.d.StR., Bd.I, §24, Rn. lOff. 252 Eingehende Darstellung der Entwicklung in Teil 5. A. II. 1. a) und b. 253 Pieroth/Schlink, StR II, Rn.239. 254 Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, S.454. 255 Zu den staatstheoretischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen des staatlichen Schutzauftrages siehe insbesondere die eingehende Darstellung bei Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S.26ff. 250
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lieh ist, wenn diese nicht ihre Bedeutung als elementare Bestandteile und Auslegungshilfen subjektiv-öffentlicher Rechte verlieren sollen. Eben an dieser Stelle liegt der Ansatzpunkt für den Gedanken einer vergleichenden Argumentation, zumal ein extensives Verständnis von der Möglichkeit der Herstellung der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns auch außerhalb des Art. 14 GG, so wie es im Kurzbericherstattungsbeschluß zum Ausdruck kommt, ebenso ein neues Gefährdungspotential für den vollumfänglichen Gewährleistungsgehalt der Grundrechte bzw. den Grundrechtsschutz des Bürgers in sich birgt. Der Unterschied zur Konstruktion des mittelbaren Eingriffsbegriffes liegt demnach lediglich darin, daß die Form der finanziellen Ausgleichszahlung auch im Bereich anderer Grundrechte zwar keine mit den genannten Beispielen vergleichbare, neue Eingriffsqualität darstellt, sich demgegenüber jedoch als neue, den Grundrechtsschutz des Bürgers ebenso gefährdende Form der Rechtfertigung staatlicher bzw. staatlich initiierter 256 Eingriffe zu etablieren droht. Wenn nun also als Folge einer aus der steigenden Anzahl an Eingriffsmöglichkeiten resultierenden, erweiterten Eingriffsdogmatik das Eingriffsverständnis ausgedehnt wird, so muß auf der Rechtfertigungsebene konsequenterweise ebenso das Verständnis der Art und Weise der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung modifiziert werden, sofern neue Formen - wie die finanzielle Ausgleichszahlung auch im Bereich anderer Grundrechte - in diesem Zusammenhang entstehen. Hierzu bieten sich mehrere Ansatzpunkte an. Berücksichtigt man primär, daß die Rechtfertigungsschranken den effektiv geschützten Freiheitsbereich von demjenigen abgrenzen, der zwar in den Schutzbereich des Abwehrrechts fällt und damit eingriffsfähig ist, in den jedoch bei Erfüllen der Rechtfertigungsvoraussetzungen eingegriffen werden darf, weil „das an sich schützenswerte Grundrechtsgut nach Sinn und Zweck des Rechtfertigungsgrundes zurückzustehen hat" 257 , so müssen die den Eingriff rechtfertigenden Gründe näher beleuchtet und in den Zusammenhang des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes integriert werden. Mithin ist zunächst zu erörtern, ob eine mit dem im dreipoligen Verwaltungsrechtsverhältnis anvisierte Verwirklichung von Grundrechten Dritter überhaupt auf der Rechtfertigungsebene Beachtung finden darf. An dieser Stelle stellt sich daher in erster Linie die Frage nach der Wesensnatur von verfassungsimmanenten Abwehrrechtsschranken, welche - anders als ihre dogmatische Begründung als Folge von Grundrechts- 258 und Verfassungskollisio256 Zur Frage der Zurechnung im drei- oder mehrpoligen Verhältnis siehe Stem, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 174; vgl. femer Roth, Faktische Eingriffe, S. 298 ff. 257 So Roth, Faktische Eingriffe, S.482. 258 Der Begriff der Grundrechtskollision beschreibt den materiellen Konflikt zwischen unterschiedlichen Grundrechtsträgem, vgl. zur Schlichtungsproblematik beispielsweise Bethge, Grundrechtskollisionen, S.256ff.; Di Fabio, JZ 1993, 689 (691); Fohmann, EuzGRZ 1985,49 (59 ff.); Hermes, NJW 1990,1764 (1766); Rose, DVB1. 1990, 279 (280); Schuppert, EuzGRZ
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nen - nicht unumstritten ist. Während einige der Ansicht sind, die Schranken von Abwehrrechten schränkten den Schutzbereich des Abwehrrechts ein und stellten demgemäß Schutzbereichsschranken dar, vertreten andere 262 die Auffassung, daß diese impliziten Abwehrrechtsschranken lediglich über die expliziten hinaus weitere Rechtfertigungsmöglichkeiten eröffneten und daher als Rechtfertigungsschranken zu behandeln seien. Vor dem Hintergrund der dreipoligen Ausrichtung der vorliegenden Arbeit ist die Frage lediglich für Grundrechtskollisionen zu entscheiden. Im Falle von Verfassungskollisionen wird von Roth plausibel ausgeführt, nicht der Gebrauch der grundrechtlichen Freiheit gegenüber dem Staat sei zu rechtfertigen, sondern der Staat habe sich seinerseits für die als notwendig erachteten Eingriffe zu rechtfertigen. 263 Auf eben diese Konstellation seien die Schrankenklauseln zugeschnitten, daher bestätige die Postulierung eines Gesetzesvorbehalts die Annahme, daß Abwehrschranken im Falle von Verfassungskollisionen als Rechtfertigungsschranken zu erachten sind. 264 Gleiches muß auch für Grundrechtskollisionen gelten. Der Einwand Roths, der grundrechtliche Anspruch im dreipoligen Verhältnis diene - anders als im Falle des abwehrrechtlichen Unterlassungsanspruches des Bürgers gegen den Staat - zuvörderst dem individuellen Interesse des Grundrechtsträgers 265, weshalb im Falle der Grundrechtskollision die Abwehrrechtsschranke als Schutzbereichsschranke aufgefaßt werden müsse, kann nicht überzeugen. Zum einen ist zu berücksichtigen, daß die betroffenen Grundrechte Dritter in allererster Linie Verfassungswerte sind. 266 Die Verwirklichung dieser zu fördern, liegt im Allgemeininteresse. Der Staat hat sich demnach ebenso zu rechtfertigen, da er 1985, 525 (530f.); Wegmann, BayVBl. 1990, 673 (674ff.); vgl. auch Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (562 i.V. m. Fn. 99); siehe auch die eingehende Darstellung bei Stern, Staatsrecht, Bd.III/2, S. 603 ff. 259 Verfassungskollisionen kommen demgegenüber immer dann zustande, „wenn der Staat in Verfolgung hochrangiger Gemeinschaftsinteressen die Grundrechtsgüter des betroffenen Privaten beeinträchtigen will und dieser sich hiergegen auf seine Abwehrrechte beruft", Roth, Faktische Eingriffe, S.484. 260 Vgl. zum Ganzen Pieroth/Schlink, StR II, Rn.321 ff.; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 113 ff. 261 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S.56f.; Hesse, Grundzüge, Rn. 308 ff.; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, S. 149 ff. 262 BVerfGE 33, 1 (16f.); Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S.271; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 262f.; vgl. auch Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte, S.98; Rottmann, EuzGRZ 1985, 277 (289f); Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 33 ff.; Bleckmann, Staatsrecht II - Die Grundrechte, S. 333. 263 So Roth, Faktische Eingriffe, S.484 f.; siehe in diesem Sinne auch Schlink, EuzGRZ 1984,457 (467). 264 Roth, a.a.O. 265 Vgl. hierzu Stern, Staatsrecht, Bd.III/2, S.304f. 266 Vgl. insoweit BVerfGE 81, 278 (289).
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den Eingriff zugunsten des Privaten im Interesse der Allgemeinheit für notwendig erachtet. Roth selbst räumt an dieser Stelle ein, daß es im allgemeinen Interesse liegt, „daß jedem Gefährdeten der erforderliche Schutz oder Beistand zuteil werde oder daß er die essentielle Förderung erhalte" 267 . Mithin ist der Staat tatsächlich ebenso im Interesse der Allgemeinheit involviert. Zum anderen kann es für den betroffenen Bürger keinen Unterschied machen, von wem der Eingriff ausgeht, zumal er - unabhängig von der ihn beeinträchtigenden Quelle - ein primäres Interesse an einer adäquaten Abwehr des Eingriffs, für welche(n) der Staat im Falle der Grundrechtskollision verantwortlich ist, zu haben scheint. Davon, daß der Staat von Seiten eines Bürgers zu dessen privaten Interessen instrumentalisiert werde 268 , kann nicht die Rede sein. Eine solche Argumentation ist allenfalls geeignet, die Unabhängigkeit des Staates als neutralem Mittler zwischen den kollidierenden grundrechtlichen Interessen in Frage zu stellen. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Arbeit ist darüber hinaus zu konstatieren, daß sich nur auf diese Weise ein zusätzlicher Wertungsaspekt in die Rechtfertigungsebene einfügen läßt. Mithin müssen Abwehrrechtsschranken auch im Falle von Grundrechtskollisionen als Rechtfertigungsschranken angesehen werden. Im dreipoligen Verwaltungsrechtsverhältnis bestehen die rechtfertigenden Gründe folglich insbesondere in der Verwirklichung von Grundrechten Dritter im Interesse der Allgemeinheit, die im Wege einer praktischen Konkordanz 269 gegen die widerstreitenden grundrechtlichen Interessen abgewogen werden müssen.270 Die Frage nach einer etwaigen Gewichtung von grundrechtlichen Interessen ist dabei umstritten. Im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird insbesondere eine gewisse Präferenz für den grundrechtlichen Freiheitsanspruch der Kommunikationsgrundrechte und die weiteren öffentlichkeitsbezogenen Grundrechten (Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit) deutlich. 271 Dennoch warnt es vor dem Mißverständnis, „bestimmte Grundfreiheiten genössen von vorneherein einen höheren Rang als andere subjektive Verfassungsrechte. Entscheidend für die (bei 267
Roth, Faktische Eingriffe, S.485. Roth, Faktische Eingriffe, S.485. 269 Gemäß dem Gesichtspunkt der praktischen Konkordanz „müssen verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter in der Problemlösung einander so zugeordnet werden, daß jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt", so Lerche, Hdb. d. StR., Bd. V, § 122, Rn. 6; Hesse führt aus, das Prinzip der Einheit der Verfassung erfordere die Aufgabe einer „Optimierung", dazu müsse den kollidierenden Gütern Grenzen gezogen werden, um auf diesem Wege beide zu optimaler Wirksamkeit zu verhelfen, vgl. Hesse, Grundzüge, Rn.72; vgl. auch BVerfGE 78, 38 (56 f.). 270 Zur Gemeinwohlbindung als Begrenzung der Staatsgewalt zugunsten der Interessen des einzelnen siehe Stern, Staatsrecht, Bd.III/2, S.342f. 271 In der Literatur hingegen ist selbige Frage (eines Wertesystems bzw. einer Wertrangordnung der Grundrechte) stark umstritten, vgl. hierzu die umfangreichen Nachweise bei Schneider, Güterabwägung, S. 222 i.V. m. Fn. 7. 268
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diesen Grundrechten) gesteigerte Prüfungsintensität ist vielmehr die Eigenart der in Rede stehenden Grundrechte" 272. Eine weitergehende, pauschale Gewichtung grundrechtlicher Gewährleistungsgehalte müßte sich zudem dem Vorwurf aussetzen, die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles zu sehr in den Hintergrund zu drängen. 273 Unter Berücksichtigung der voranstehenden Ausführungen bietet sich im Rahmen der praktischen Konkordanz - als Ausformung der Verhältnismäßigkeit im Falle von Grundrechtskollisionen 274 - beispielsweise eine unter Berücksichtigung der genauen Bestimmung des Schutzgegenstandes und der Begrenzungsmöglichkeiten der betroffenen Grundrechte vorzunehmende, qualitative Bewertung 275 des mit dem Eingriff gleichzeitig verwirklichten Grundrechts dergestalt an, als daß eine Kategorisierung danach zu erfolgen hat, welchen Stellenwert die Verwirklichung des grundrechtlichen Drittinteresses für die Allgemeinheit haben kann. 276 Als in diesem Zusammenhang entscheidungsrelevante Kriterien bzw. geförderte Schutzgüter der Allgemeinheit kommen insbesondere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte, wie zum Beispiel die verfassungsmäßige Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung, die öffentliche Sicherheit und Ordnung und Aspekte der inneren und äußeren Sicherheit und des Jugendschutzes, in Frage. 277 Auf abstrakter Ebene liegt es in diesem Zusammenhang daher nahe, die Gewichtung der Interessen der Allgemeinheit im Einzelfall von „Art und Intensität der grundrechtlichen Belastung" abhängig zu machen.278 Zusammenfassend läßt sich mit den Worten Schneiders die Möglichkeit eines Einbezuges selbiger Wertungsfaktoren in den Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes daher wie folgt kennzeichnen: „Vorrang heißt dann Ausschlagen des Pendels nach Erwägung aller Faktoren, von Bedeutung, Tragweite und 272
BVerfGE 81, 278 (289); siehe auch E43, 130 (136). In diesem Sinne auch Clerico, Struktur, S. 126; vgl. hierzu ferner Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S.680. 274 Vgl. insoweit nur BVerfGE 63, 131 (144); Stern, Ehrenschutz und allgemeine Gesetze, in: FS Hübner, S. 827f.; in diesem Sinne auch Rüfner, Hdb. d. StR., Bd. V, § 117, Rn. 70. 275 Besonders kritisch gegenüber der Anerkennung einer solchen „Rangordnung der Grundrechte" Stern, Staatsrecht, Bd.III/2, S.614f. 276 Vgl. hierzu Stern, Staatsrecht, Bd.III/2, S.359ff. 277 Weitere denkbare Beispiele in Form von kollektiven Gütern finden mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sich bei Clerico, Struktur, S.51 - Schutz der Allgemeinheit vor gesundheitlichen Schädigungen durch unhygienisch oder sonst unsachgemäß behandelte Lebensmittel, Volksgesundheit, funktionierende Rechtspflege, Finanzierung von Staatsaufgaben, speziell zur Problematik der Vermeidung von Verwaltungskosten als ein im Interesse der Allgemeinheit liegendes Anliegen vgl. dies., a.a. O., S. 119ff. und insbes. S. 123 f. - bei der Begründung, also bei der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen, wird dieser Aspekt unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. insbes. BVerfGE 86, 28 [44]) lediglich als unselbständiges (Neben-)Argument interpretiert, vgl. insoweit S. 133 f., 139. 278 So zu Recht Clerico, Struktur, S. 126. 273
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Gewicht der Güter und Interessen bis hin zu Eignungs-, Erforderlichkeits- und Zumutbarkeitsaspekten, zugunsten einer Konfliktseite" 279 . (c) Parallelität zur Enteignung zugunsten Privater In einem letzten Abschnitt steht nun erneut die Dreiecks-Konstellation der Enteignung zugunsten Privater zur Diskussion, um die in diesem Zusammenhang bereits gewonnenen Erkenntnisse zum Zwecke einer vergleichenden Argumentation heranziehen und verwerten zu können. Die besonderen Eigenarten der Enteignung zugunsten Privater bringen wie gesehen keine generellen verfassungsrechtlichen Probleme mit sich, welche die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme bestimmten Sondervoraussetzungen unterwerfen würde. Mithin ist die privatbegünstigende Enteignung nicht als eigenständiges Rechtsinstitut aufzufassen. Folglich müssen die entstehenden Probleme, wie insbesondere die Frage nach der Dauerhaftigkeit der Allgemeinwohlverfolgung, im Rahmen einer einzelfallbezogenen Prüfung gelöst werden. Hinsichtlich der Prüfungsanforderungen unterliegt die Enteignung zugunsten Privater den selben Anforderungen wie jede andere Enteignung, zumal auch durch sie ein Eingriff in die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. I S. 1 GG bewirkt wird. Wie auch im vorangegangenen Abschnitt steht im Rahmen der privatbegünstigenden Enteignung das Interesse bzw. das in Art. 14 Abs. III S. 1 GG angeführte „Wohl der Allgemeinheit" im Mittelpunkt der Betrachtung. Anders als im Zusammenhang mit den aufgezeigten Problemgelagen der Grundrechtskollision werden jedoch fiskalische oder rein private Interessen niemals vom Allgemeinwohlbegriff des Art. 14 Abs. III S. 1 erfaßt, so daß selbige nicht als Enteignungszwecke in Frage kommen. Demgemäß erfordert eine Enteignung zum Wohl der Allgemeinheit die Verfolgung eines öffentlichen Interesses, welches sich im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung gegen widerstreitende öffentliche und private Eigentumserhaltungsinteressen durchsetzt. Durch diese Bindung der Enteignung an den Zweck des Allgemeinwohls wird selbiger zum entscheidenden Aspekt der Zulässigkeit. Durch wen dieser Zweck verfolgt wird, ist generell von nachrangiger Bedeutung, zumal die Frage nach der Begünstigung durch die der Zweckorientierung in den Hintergrund gedrängt wird. Dies hat zur Folge, daß auch ein Privater als Enteignungsbegünstigter in Frage kommt. So wird im Boxberg-Urteil 280 des Bundesverfassungsgerichts erstmalig eine privatbegünstigende Enteignung auch in einem solchen Fall für zulässig erklärt, in welchem der Unternehmensgegenstand selbst nicht in der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, wie zum Beispiel der Daseinsvorsorge, besteht, sondern statt dessen ein normaler privat- bzw. erwerbswirtschaftlicher ist: „(...) Ist bereits der Geschäftsgegenstand des privaten Unternehmens dem allgemein aner279 280
Schneider, Güterabwägung, S. 192. BVerfGE 74, 264.
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kannten Bereich der Daseinsvorsorge zuzuordnen, wie es bei Verkehrs- oder Versorgungsbetrieben der Fall sein kann, genügt es, wenn hinreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, daß die selbstgestellte „öffentliche" Aufgabe ordnungsgemäß erfüllt wird (BVerfGE 66, 248 [258])." 281 Ein solch bloß mittelbares Erwachsen der Vorteile für das Allgemeinwohl wird vor dem Hintergrund des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebotes dann als hinreichend angesehen, wenn den besonderen Anforderungen an die gesetzliche Konkretisierung des Enteignungszweckes hinreichend Rechnung getragen wird. In einem solchen Fall allerdings habe der Gesetzgeber zudem für die dauerhafte Sicherung des Enteignungszweckes Sorge zu tragen: „Kann sich der Nutzen für das allgemeine Wohl demgegenüber nicht aus dem Unternehmensgegenstand selbst, sondern - wie hier - nur als mittelbare Folge der Unternehmenstätigkeit ergeben, reichen solche Vorkehrungen nicht aus. Dann müssen besondere Anforderungen an die gesetzliche Konkretisierung des nur mittelbar erfüllten und daher nicht von vornherein handgreiflichen Enteignungszwecks gestellt werden." 282 Darüber hinaus sei es „unabdingbar, daß der Gemeinwohlbezug der werbenden Tätigkeit des Unternehmens kein bloßer tatsächlicher Reflex" 283 bleibe, sondern auf Dauer garantiert sei. 284 Mithin ergibt sich die Problematik der Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater vorrangig aus dem Umstand, daß der private Begünstigte neben der Verfolgung der Allgemeinwohlinteressen auch eigene Interessen anvisiert, die regelmäßig gewinnorientiert ausgerichtet sein dürften. Durch diese Koinzidenz von öffentlichen und privaten Interessen wird in diesem Zusammenhang oftmals die Gefahr der Zweckentfremdung gesehen, die darin bestehe, daß der Private die Interessen des Allgemeinwohls zugunsten seiner eigenen Interessen vernachlässigt. 285 Unter Berücksichtigung des vorangegangenen Abschnitts erscheint es daher angezeigt, speziell solche Umstände herauszustellen, die ein Allgemeinwohlinteresse zugunsten von Privaten begründen können, um diese daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie im Zusammenhang von Grundrechtskollisionen auch als im Interesse des Allgemeinwohls mitverwirklichte Faktoren angesehen werden können. Im Anschluß hieran scheint es denkbar, die Frage nach der Zulässigkeit einer finanziellen Ausgleichszahlung auch von diesem Umstand abhängig zu machen. Zu Recht ist mit Schmidbauer in diesem Zusammenhang zunächst festzustellen, daß die bisher verfolgten Ansätze zu einer positiven Begriffsbestimmung ein reich281
BVerfGE 74, 264 (286). BVerfGE 74, 264 (286). 283 BVerfGE 74, 264 (286). 284 Vgl. insoweit auch schon BVerfGE 38, 175 (180) mit Verweis auf E 24, 367 (407). 285 Reine Privatinteressen als Zweck der Enteignung werden hierbei mit dem Hinweis darauf abgelehnt, auf diese Weise verkäme die Enteignung zu einem „Instrument für Eigentumsumschichtungen" zwischen Privatleuten, vgl. insoweit Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn.584. 282
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
lieh diffuses Bild abgeben.286 Zum Teil ist die Rede davon, der Enteignungszweck müsse „qualifiziert" 287 oder „substanziell qualifiziert" 288 sein, andere wollen das Wohl der Allgemeinheit dann als verwirklicht ansehen, wenn sich „im Träger der Enteignung eine dem Gemeinwohl dienende Aufgabe verwirklicht" 289 . An anderer Stelle wird gefordert, es müsse mit Blick auf die Zweckbindung „eine bestimmte öffentliche Aufgabe", „nicht aber jedes öffentliche Interesse", eine „unmittelbare öffentliche Aufgabe", „ein spezielles öffentliches Interesse", „ein gesteigertes, sachlich objektiv-öffentliches Interesse", „eine dringende öffentliche Ausgabe", oder ein „gewichtiges öffentliches Interesse", eine „gewichtige öffentliche Aufgabe" bzw. ein „konkretes Unternehmen, das dem gemeinsamen Besten dient" oder ein „bestimmter, im öffentlichen Nutzen liegender Zweck" gegeben sein. 290 - Die all diesen Ansätzen zur Definition enthaltene Problematik wird von Jackisch zutreffend auf den Punkt gebracht, indem er darauf hinweist, daß der unbestimmte Rechtsbegriff des Wohl der Allgemeinheit „jeweils unter Zuhilfenahme weiterer unbestimmter Rechtsbegriffe ausgelegt und gedeutet"291 wird. Gemeinsames Kennzeichen ist lediglich das Anknüpfen an staatliche Aufgaben und Staatszwecke.292 Vor diesem Hintergrund und dem der Notwendigkeit einer Abwägung der konkret widerstreitenden Interessen im Einzelfall wird oftmals behauptet, es sei unmöglich, das Wohl der Allgemeinheit zu definieren. 293 Daher gilt es nachfolgend kurz aufzuzeigen, welche Interessen, Kriterien und Prinzipien im Rahmen einer solchen Abwägung - neben einer ersten Konturierung durch die Bezugnahme auf öffentliche Interessen - zur Ermittlung des Wohls der Allgemeinheit von Belang sind. Als besonders interessant stellt sich dabei ein durch von Brünnek favorisierter Ansatz heraus, der hinsichtlich der abzuwägenden Privatinteressen in erster Linie den durch die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. I S. 1 GG gewährleisteten personalen Freiheitsbereich berücksichtigen will. 2 9 4 Je stärker die Verwirklichung der individuellen Freiheit im Eigentum von der enteignenden Maßnahme tangiert wäre, um so 286 Ygi Schmidbauer, Enteignung, S. 113. 287 OLG Stuttgart, NVwZ 1987, 1117. 288 So bei Schmidt-Aßmann, NJW 1987, 1587 (1588). 289 Stummer, Die öffentliche Zweckbindung der enteigneten Sache, S. 14. 290 Vgl. in der genannten Reihenfolge Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rn. 583; ebenso Bullinger, Der Staat 1 (1962) 449 (452); Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 355; Stengel, Enteignungen zugunsten privater Unternehmen, S. 23; Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S.91, 94; Chen, Die Enteignungsgrundsätze nach dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Republik China, S.46; BVerwGE 71, 108 (124); Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 14, Rn. 13; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S.204; Krohn/Löwisch, Eigentumsgarantie, Enteignung, Entschädigung, Rn. 42; Weber, Eigentum und Enteignung, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. II, Die Freiheitsrechte in Deutschland, S.381; BVerfGE 66, 248 (257). 291 Jackisch, Zulässigkeit, S. 106. 292 Vgl. Schmidbauer, Enteignung, S. 113-124. 293 Schmidbauer, a. a. O., S. 115 mit zahlreichen Nachweisen. 294 v. Brünneck, NVwZ 1986,425 (428).
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höher sei das private Interesse im Rahmen der Abwägung zu bewerten. In diesem Zusammenhang kann auch daraufhingewiesen werden, daß das Bundesverfassungsgericht im Urteil zum Mitbestimmungsgesetz für das Merkmal der Sozialbindung auf die Möglichkeit hinweist, das Privateigentum unterschiedlich zu gewichten.296 Dies unterstreicht nur die Richtigkeit der nach finanziellen und persönlichen Gewährleistungsgehalten vorgenommenen Kategorisierung der Grundrechte, so wie sie im Rahmen der Frage nach der Angemessenheit der Zweck-Mittel-Relation vorgenommen worden ist. Als weiteres, nicht völlig inhaltsleeres Kriterium wird demgegenüber auf Seiten des Staates das Merkmal der Dringlichkeit der staatlichen Aufgabe angeführt. 297 Darüber hinaus existieren einige Sondermodelle mit Vorschlägen zur Allgemeinwohlabwägung.298 All diese Kriterien führen auf der Suche nach einem legitimen Enteignungszweck jedoch nicht zu einem abschließenden, greifbaren Ergebnis, welches mit Blick auf die Frage nach einem - im Falle einer Grundrechtskollision mitverwirklichten - Allgemeininteresse verwertet werden könnte. Festzuhalten bleibt mit Blick auf die Frage der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen allerdings das auch bereits durch das Wesen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geforderte 299 Postulat der Notwendigkeit einer Abwägung der konkreten Interessen im Einzelfall. 300 Berücksichtigungsfähig sind insoweit die im Zuge der Grundrechtsausübung zugleich mitverwirklichten Allgemeininteressen. Hinsichtlich dieser bietet es sich an, auf mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte und Zielvorgaben zurückzugreifen. (2) Ergebnis hinsichtlich der Rechtfertigung Unter gleichzeitiger Berücksichtigung der zu den Kompensationsmodellen des Art. 14 GG gefundenen Ergebnisse und den aufgezeigten Möglichkeiten einer entsprechenden Argumentation erscheint es denkbar, die Faktoren des Persönlichkeitsbezuges des betroffenen Grundrechts, der Adäquanz der Ausgleichsleistung und des im Rahmen von Grundrechtskollisionen mitverwirklichten Allgemeinwohlinteresses zugunsten einer Rechtfertigung finanzieller Ausgleichszahlungen im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus dem konkreten Anwendungsbereich des Art. 14 GG zu entheben und auf der abstrakten Ebene in der dargestellten Weise entsprechend heranzuziehen.
295 296 297 298 299 300
v. Brünnek, a. a. O. BVerfGE 50, 290 (339 f.). In diesem Sinne BVerfGE 56, 264 (278 f.). Siehe beispielsweise Schmidbauer, Enteignung, S. 132 ff. Jakobs, Grundsatz, S. 53 f. Vgl. Clerico, Struktur, S. 126, 131.
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3. Zusammenfassung und Lösungsvorschlag Die im fünften Teil der Arbeit verfolgten Rechtfertigungsstrategien lassen sich zusammengefaßt wie folgt darstellen: Im dreipoligen Verwaltungsrechtsverhältnis dürfen ökonomische Gesichtspunkte, wie beispielsweise finanzielle Ausgleichszahlungen, im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann sowohl zur Beurteilung und Eignung der Rechtswirksamkeit von Normen als auch insbesondere zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne herangezogen werden, wenn - der Indikator der evidenten Mißbrauchsgefahr nicht entgegensteht. Der Zweck des Mißbrauchs muß sich dabei im Einzelfall in einer konkreten Erscheinungsform der Rechtfertigung rechtswidrigen Staatshandelns konkretisieren. Zur Feststellung selbiger bietet sich in diesem Zusammenhang eine voll intensivierte Zweckkontrolle an. - die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen rechtlichen Freiheitsinhalten und tatsächlichen Freiheitschancen hinreichende Beachtung gefunden hat, zumal nur auf diese Weise der Übergang von theoretischer zu praktischer grundrechtlicher Freiheit optimal zu gestalten ist. - die Adäquanz der Ausgleichsleistung gewährleistet ist. Dies ist vor dem Hintergrund der maßgeblich anhand des Persönlichkeitsbezuges festzustellenden Wertigkeit des betroffenen Grundrechts zu beurteilen. Die finanzielle Ausgleichsleistung steht nur der Freiheitsausübung in vermögensrechtlicher Hinsicht als angemessenes Pendant gegenüber. Im Falle gewährleistungsrechtlicher Gemengelagen hat eine einzelfallbezogene Abwägung zu erfolgen, die eine Gewichtung, das heißt, eine Qualifizierung der Bedeutung, der verschiedenen Freiheitsbestandteile vornehmen muß. - die im Rahmen von Grundrechtskollisionen durch den Eingriff mitverwirklichten Allgemeinwohlinteressen ausreichend berücksichtigt worden sind. In diesem Zusammenhang scheint es angezeigt, auf mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte und Zielvorgaben zurückzugreifen. Unter Berücksichtigung der voranstehenden Entscheidungsgesichtspunkte besteht - so wie es die ökonomische Analyse des Rechts fordert 301 - eine angemessene Vereinbarkeit rechtlicher und wirtschaftswissenschaftlicher Orientierungen, zumal sich die in einem solchen Fall gegebene Kollision des Gedankens einer finanziellen Ausgleichszahlung mit der Grundkonzeption der Freiheitsrechte letztlich nicht als Widerspruch zu selbiger darstellt. 301 Zu den konzeptionellen Grundlagen der ökonomischen Analyse des Rechts siehe Eidenmüller, Effizienz, S. 21 ff.; vgl. femer Kirchner, Folgenberücksichtigung bei judikativer Rechtsfortbildung und Ökonomische Theorie des Rechts, in: Hof/Schulte, Wirkungsforschung zum Recht III - Folgen von Gerichtsentscheidungen, S. 37 ff.
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I I I . Widerspruch zu den Strukturprinzipien der Artt. 20 und 28 GG Im folgenden soll die Frage nach der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zusätzlich darauf hin untersucht werden, ob und inwieweit die soeben im Rahmen des Lösungsansatzes dargestellten Rahmenbedingungen einer Modifikation bedürfen, um so auch etwaige Widersprüche zu den Strukturprinzipien der Artt. 20 und 28 GG ausschließen zu können. Als insoweit tangierte Grundsätze kommen einzelne Ausgestaltungen des Rechtsstaats-, des Sozialstaats- und des Demokratieprinzips in Betracht. Zur Erörterung der Vereinbarkeit finanzieller Kompensationsleistungen mit den Vorgaben der vorgenannten Strukturprinzipien wird jeweils in einem ersten Schritt die unter Umständen kollidierende Ausprägung des in Rede stehenden Prinzips näher aufgezeigt. Im Anschluß daran soll dann die Frage nach der Vereinbarkeit des Lösungsansatzes zu dieser Maxime erwogen werden. 1. Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip a) Ausprägung: KalkulierbarkeitIVoraussehbarkeit staatlichen Handelns Die Rechtsstaatlichkeit ist eine elementare Strukturentscheidung des Grundgesetzes.302 Eine ausdrückliche Erwähnung findet sich allerdings lediglich in Art. 28 Abs. I S. 1 GG. 303 Dennoch haben die inhaltlichen Ausprägungen der Rechtsstaatlichkeit durch Rechtsprechung und Lehre im Laufe der Zeit klare Konturen erfahren, so daß insoweit - abgesehen von der Verwendung unterschiedlicher Begrifflichkeiten - jedenfalls um die Kernelemente weitgehend Einigkeit 304 besteht. Neben den allgemeinen Beispielen selbiger Elemente305 in Form der Gewährleistung der 302
Vgl. nur BVerfGE 20, 323 (331); vgl. auch Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 28. Schmidt-Aßmann, Hdb. d. StR., Bd. I, § 24, Rn. 3; v. Heinegg, Rechtsstaatlichkeit in Deutschland, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, Rechtsstaatlichkeit in Europa, S. 108; Stern sieht das Rechtsstaatsprinzip in Artt. 20 Abs. II S. 2, Abs. III, 1 Abs. III GG normiert und führt seine Anerkennung zudem auf die Überschriften der Abschnitte VII, VIII, IX des Grundgesetzes zurück, vgl. Stern, Staatsrecht, Bd.I, S. 776ff. 304 Auf die einheitliche Anerkennung einer Definition des Rechtsstaatsbegriffes verweist Stern, Staatsrecht, Bd.I, S.781. 305 Gängig ist insoweit eine Einteilung in formelle und materielle Ausprägungen des Rechtsstaates, wobei zu der formellen Seite die Anerkennung der rechtsstaatlichen Elemente als unverzichtbare Institute gezählt wird, die materielle Seite hingegen im Wege der Abkehr von der Wertneutralität der Verfassung dadurch gekennzeichnet ist, daß der Staat „auch diese inhaltlichen Ausrichtungen gewährleistet und sie insbesondere durch die Verfassungsbindung der Gesetzgebung und durch die Normierung von Grundrechten sichert", vgl. Schmidt-Aßmann, Hdb.d.StR., Bd.I, §24, Rn. 18f.; in diesem Sinne auch Hofmann, Die Bindung staatlicher Macht, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, Rechtsstaatlichkeit, S.3f. - „Die Verfassung des materiellen Rechtsstaats kann nicht mehr eine bloße Sammlung formeller, insbesondere kom303
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
Grundrechte 306 , der Gewaltenteilung 3 0 7 , der Forderung nach dem Gewaltmonopol des Staates 308 , der Notwendigkeit effektiven Rechtsschutzes 309 , des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des ausdrücklich in Art. 20 Abs. I I I GG normierten Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 3 1 0 ist vorliegend maßgeblich das Gebot der Kalkulierbarkeit staatlichen Handelns daraufhin zu überprüfen, ob dieses durch die i m Rahmen des Lösungsvorschlages gestellten Forderungen hinreichende Berücksichtigung findet, zumal insbesondere der dem Vertrauensschutz zuzuordnende Aspekt des Umgangs mit den „wohlerworbenen Rechten" der dem Staat unterworfenen Personen als eine der maßgebendsten Kriterien für die Rechtsstaatlichkeit einer Rechtsordnung angesehen w i r d . 3 1 1 Nach Ansicht Herzogs handele es sich bei der Forderung nach der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns um einen Unterfall des Postulats der Meßbarkeit staatlichen Handelns. 3 1 2 In diesem Zusammenhang sei der Aspekt der Vorhersehbarkeit als Ausfluß der Normklarheit und der Justziabilität von Gesetzen zu erachten. Diese Positionen würden flankiert durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes, durch welchen die Problematik der genauen Feststellung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Bürgers hervorgerufen werde. 3 1 3 Infolgedessen sei in aller Regel eine Güterabwägung mit Grundrechten notwendig, wodurch zusätzlich die Frage nach petentieller und prozeduraler Normen sein. Sie ist vielmehr einer bestimmten Vorstellung von „Gerechtigkeit" verpflichtet; entscheidend ist aber, daß die Verfassung diese Verpflichtung, diese Vorstellung von Gerechtigkeit zu verwirklichen und zu erhalten, auf die von ihr geschaffenen und ihr unterworfenen Organe erstreckt." (S.4). 306 Zu den Grundrechten als Bestandteil des bürgerlich-liberalen, repräsentativ-demokratischen Verfassungsstaates siehe Karpen, Elemente, in: Rüther, Geschichtliche Entwicklung, S. 35 ff. 307 Siehe nur Low, Rechtsstaat, Demokratie, Sozialstaat, S. 29 ff.; vgl. ferner Sarcevic, Rechtsstaat, S. 314ff.; Stern, Staatsrecht, Bd.I, S. 792ff.; v. Heinegg, Deutschland, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, Rechtsstaatlichkeit, S. 112ff.; Leschke, Ökonomische Verfassungstheorie, S. 166ff.; vgl. femer Enderlein, Abwägung in Recht und Moral, S. 339f.; zur historischen Entwicklung der Idee der Gewaltenteilung siehe Hessdörfer, Der Rechtsstaat, S. 1 ff. 308 Hierzu eingehend Scholz, Rechtsfrieden und Gewaltmonopol - Grundlagen des Rechtsstaates, in: Rill/Scholz, Der Rechtsstaat und seine Feinde, S.71 ff. 309 Vgl. Bettermann, Der Zustand des Rechtsstaates, in: Badura/Roellecke, Cappenberger Gespräch, S . I I . 310 Kurze Darstellung bei Wassermann, Wen und wovor schützt der Rechtsstaat?, in: Noske, Der Rechtsstaat am Ende?, S. 11; siehe femer Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 805 ff.; Schmidt-Aßmann, Hdb.d.StR., Bd.I, §24, Rn.61 ff.; Leschke, Ökonomische Verfassungstheorie, S. 169f.; Beispiele aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei v. Heinegg, Deutschland, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, Rechtsstaatlichkeit, S. 115 ff. 311 Siehe insoweit insbes. Hofmann, Staatliche Macht, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, Rechtsstaatlichkeit, S. 16 f., der die Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots über den deutschen Rechtskreis hinaus gehend als „unabdingbare Bestandteile des kontinentaleuropäischen RechtsstaatsbegrifTs" (S. 17) beschreibt. 312 Als weitere Facette benennt Herzog die Kontrollierbarkeit staatlichen Handelns, vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 20, Rn.57ff. 313 Zur Qualifizierung des schutzwürdigen Vertrauens im Rahmen von Rückwirkungsproblematiken siehe Stem, Staatsrecht, Bd.I, S.833ff.
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der Begrenzung der Rückwirkung von Gesetzen angeschnitten werde. 3 1 4 Darüber hinaus werde die Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns in Form der Verläßlichkeit staatlichen Handelns konkretisiert. Dieser Gesichtspunkt wiederum zeige sich beispielsweise an der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen und zudem am Faktor der Rechtssicherheit 315 , welche i m Rahmen einer Einzelfallabwägung dem Gebot der Einzelfallgerechtigkeit gegenüber stehe. 316 Vor diesem Hintergrund sei auch aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgend eine allgemeine Begründungspflicht des Staates als Bedingung der Meß- und Kontrollierbarkeit seines Handelns anzunehmen. 3 1 7 Z u vergleichbaren Ergebnissen gelangt Stern m, wenn er ausführt, der Aspekt der Rechtssicherheit verlange die „Verläßlichkeit" 3 1 9 oder die „Unverbrüchlichkeit" 3 2 0 des Gesetzes „und der von ihm ausgehenden rechtlichen W i r k u n g " . 3 2 1 Diese Notwendigkeit der Voraussehbarkeit staatlichen Handelns wird i m Zusammenhang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von Jakobs bereits mit Blick auf die Problematik kollidierender Grundrechtspositionen zutreffend dargestellt, wenn er formuliert: „Rechtsstaatlichkeit erfordert Berechenbarkeit staatlichen Handelns. Daher muß auch dann, wenn das Handeln zu einem Konflikt von Grundrechten führt, die Konfliktlösung regelhaft erfolgen. Derartige Regeln normiert das Grundgesetz positiv jedoch nur unvollständig. Könnten aber staatliche Handlungen selbst dann vorgenommen werden, wenn ihre Nachteile (beeinträchtigende Rechtsgüter) die Vorteile (begünstigte Rechtsgüter) übersteigen, könnten ohne den Verhältnismäßigkeitsgedanken - bei Einhaltung gewisser Minimalforderungen (keine Willkür, keine Verletzung des Wesensgehalts etc.) - die Grundrechte durch gegenseitiges „Ausspielen" sehr weitgehend ausgehöhlt werden, ohne daß ein Grundgesetzverstoß vorliegen würde" 322 . 314 Siehe hierzu auch Götz, Bundesverfassungsgericht und Vertrauensschutz, in: Starck, Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. II, Verfassungsauslegung, S.421 ff. 315 Zu den verschiedenen Aspekten der Rechtssicherheit siehe Nissen, Die verrechtlichte Gesellschaft: Normendichte kontra Rechtssicherheit, in: Noske, Der Rechtsstaat am Ende?, S. 16; vgl. ferner v. Heinegg, Deutschland, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, Rechtsstaatlichkeit, S. 125 ff. 316 Herzog, a.a.O., Rn.57ff.; siehe hierzu auch Schnapp, in: v.Münch/Kunig, GG, Bd.II, Art. 20, Rn. 30. 317 Herzog, a. a. O. 318 Stern, Staatsrecht, Bd.I, S.831. 319 Vgl. hierzu BVerfGE 24, 75 (98). Herzog verwendet den Begriff der Verläßlichkeit zudem als Oberbegriff für Sicherheit, Bestandskraft, Rechtssicherheit, Vertrauensschutz u. ä., vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 20, Rn.57. 320 Siehe hierzu auch Klein/Barbey, Bundesverfassungsgericht und Rückwirkungen von Gesetzen, S. 65 ff. 321 Zur Problematik der Verpflichtung des Gesetzgebers zur Kontinuität vgl. BVerfGE 58,81 (132) m.w.N. 322 Jakobs, DVB1. 1985, 97 (98).
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Wie hoch in diesem Zusammenhang der Stellenwert solcher Grundrechte eingeschätzt wird, deren Gewährleistungsgehalt eine Freiheitsausübung in vermögensrechtlicher Hinsicht beinhaltet, zeigt sich bereits an dem Umstand, daß „nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG Art. 14 GG gegenüber dem Grundsatz des Vertrauensschutzes lex specialis ist" 323 . Selbst führt das Bundesverfassungsgericht insoweit aus, die Funktion der Eigentumsgarantie bestehe „gerade darin, dem Bürger Rechtssicherheit hinsichtlich der durch Art. 14 Abs. I S. 1 GG geschützten Güter zu gewährleisten und das Vertrauen auf das durch die verfassungsmäßigen Gesetze ausgeformte Eigentum zu schützen. Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes hat für die Vermögenswerten Güter im Eigentumsgrundrecht eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren" 324. b) Widerspruch Stern weist im Zusammenhang mit der Problematik der echten (retroaktiven) oder unechten (retrospektiven) Rückwirkung belastender Gesetze325 zutreffend darauf hin, daß Rechtssicherheit in diesem Zusammenhang in erster Linie Vertrauensschutz bedeute.326 Berücksichtigt man, daß diese Faktoren dort wie hier eine zentrale Rolle spielen, so bietet es sich möglicherweise an, die Art und Weise der Qualifikation bzw. der abschließenden Gewichtung des schutzwürdigen Vertrauens des betroffenen Bürgers auch bei der Frage nach der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen (im Falle anderer Grundrechte als Art. 14 GG) nach ähnlichen Gesichtspunkten vorzunehmen oder diese zumindest für die Herausstellung eines gegeneinander abzuwägenden Vergleichspaares heranzuziehen. Die Richtigkeit dieser These bestätigt sich durch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz: „Unterstellt man - ( . . . ) - daß die Aussicht auf die Anpassung von Bestandsrenten den Schutz der Eigentumsgarantie genießt, ist daher anhand des Art. 14 Abs. IS. 1 GG zu prüfen, ob das Vertrauen der von dem Beschwerdeführer repräsentierten Personengruppe verletzt ist. An323
v. Heinegg, Deutschland, in: Hofmann/Marko/Merli/Wiederin, Rechtsstaatlichkeit, S. 126 i.V. m. Fn.97 (mit Verweis auf BVerfGE 36, 281 [293]; 42, 263 [300f.]; 45, 142 [168]; 53,257 [309]; 81, 120f.). 324 BVerfGE 64, 87 (104). An anderer Stelle findet sich die Formulierung, die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs.I S. 1 GG gehe über den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz hinaus, vgl. BVerfGE 31, 275 (293). 325 Vgl. zum Ganzen statt vieler Benda, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 17, Rn.51 f.; siehe femer v. Heinegg, Deutschland, in: Hofmann/Marko/Merli/ Wiederin, Rechtsstaatlichkeit, S. 129 ff. 326 Stern, Staatsrecht, Bd.I, S.833 mit Verweis auf BVerfGE 13, 261 (271); 15, 313 (324); 18,429 (439); 23,12 (32); 27,231 (238); 30,250 (267); 30, 367 (386); 31,222 (225); 32,111 (123); 43, 291 (391); 45, 142 (168); 48, 403 (413ff.); 49, 168 (185); 50, 244 (250); 50, 386 (394); 51,356 (362); 53,115 (128,139); 55,185 (203 f.); 55,372 (396); 57,361 (392f.); 58,81 (120 f.); 59,1 (25 ff.); 59,128 (164) und weiteren umfangreichen Nachweisen aus der Literatur.
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dernfalls kämen für die Prüfung die verfassungsrechtlichen Maßstäbe in Betracht, welche die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur unechten Rückwirkung entwickelt hat, also für Fälle, in denen eine Norm auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet" 327. Unter Beachtung der vorangegangenen Ausführungen muß die Möglichkeit einer finanziellen Kompensationsleistung i m Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes folglich jedenfalls dann versagt bleiben, wenn dem mit dem Eingriff verfolgten Ziel ein weit überwiegendes Vertrauensinteresse entgegensteht. Zur Vornahme einer in komplizierteren Konstellationen angezeigten Feingewichtung der Interessen (außerhalb von Art. 14 GG) sind nach obigen Ausführungen die Rahmenbedingungen der sogenannten unechten Rückwirkung zu beachten. 328 Bei der Frage nach der Zulässigkeit der Rückwirkung von Gesetzen stellt man heute maßgeblich darauf ab, ob das belastende Gesetz „nachträglich ändernd in abgewikkelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift" 3 2 9 (im Regelfall als echte Rückwirkung unzulässig 330 ) oder „nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft e i n w i r k t " 3 3 1 (im Regelfall als unechte Rückwirkung zulässig). 332 Insbesondere in Fallkonstellationen unechter Rückwirkung wird jedoch durch das Bundesverfassungsgericht vielfach eine Abwägung zwischen dem Wohl der Allgemeinheit und dem Vertrauen des ein327
BVerfGE 64, 87 (104) mit Verweis auf E51, 356 (362) m. w.N. Vgl. BVerfGE a.a.O. 329 Stern, a.a.O., S.833f. 330 Der Aspekt des Vertrauensschutzes wird durch das Bundesverfassungsgericht allerdings auch in Fällen echter Rückwirkung nicht als ein die gesetzliche Regelung unzulässig erscheinender Umstand herangezogen, sofern das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig erscheint. Hier haben sich im Rahmen einer zuweilen sehr kasuistischen Rechtsprechung folgende Kategorien herausgebildet: (1) der Bürger mußte mit der Regelung rechnen, (2) es bestand von vornherein eine erkennbar unklare und verworrene Gesetzeslage, (3) eine neue Rechtsnorm erweist sich im nachhinein als ungültig, (4) zwingende Gründe des gemeinen Wohls stehen dem Vertrauensschutz des Bürgers entgegen. Eine eingehende Analyse entsprechender Fallkonstellationen findet sich bei Arndt, Probleme rückwirkender Rechtsprechungsänderung, dargestellt anhand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, des Bundesfinanzhofs, des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts; Viets, Rechtsprechungsänderung und Vertrauensschutz, dargestellt anhand der Judikatur des Bundesarbeitsgerichts; Rüberg, Vertrauensschutz gegenüber rückwirkender Rechtsprechungsänderung; Burmeister, Vertrauensschutz im Prozeßrecht. Ein Beitrag zur Theorie vom Dispositionsschutz des Bürgers bei Änderung des Staatshandelns; Lübbe, Grenzen der Rückwirkung bei Rechtsprechungsänderungen: dargestellt anhand der Judikatur des Bundesgerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichtes unter besonderer Berücksichtigung langfristiger Verträge. 331 Stern, a.a.O. 332 Terminologisch anders seit BVerfGE 72, 200 (241 f.); 76,263 (345 ff.) - die echte Rückwirkung wird nun als „Rückbewirkung von Rechtsfolgen" und „Rückerstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs" beschrieben. Demgegenüber wird die unechte Rückwirkung in BVerfGE 72,200 (241 f.) als „tatbestandliche Rückanknüpfung" gekennzeichnet, vgl. insoweit auch Fischer, JUS 2001, 861 (864f.). 328
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zelnen auf den Fortbestand der Regelung vorgenommen 333, um so zu vermeiden, daß es trotz des ersten Befundes anhand der zeitlichen Komponente dennoch zu einer Verletzung des Vertrauensschutzes kommt, wenn etwa das Gesetz einen Eingriff bedingt, mit dem der Bürger nicht rechnen mußte bzw. konnte 334 : „Nach beiden in Betracht kommenden Maßstäben (Art. 14 Abs. I S. 1 GG bzw. die unechte Rückwirkung, Anm. des Verf.) führt die verfassungsrechtliche Beurteilung der angegriffenen Regelung zu einer Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des einzelnen und die Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit"335. Demgemäß wird die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens mit dem (Vertrauens-)Interesse des einzelnen am Fortbestand des bisherigen Zustandes abgewogen. Im Rahmen einer solchen Abwägung sind zudem die flankierenden Wertungen des Sozialstaatsprinzips zu berücksichtigen. 336 Erkennbare Risiken gehen insoweit zu Lasten des Bürgers. 337 Vollzieht man nun - ausgehend von diesen inhaltlichen und zeitlichen Momenten - zudem den Brückenschlag zu der Frage nach der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen, so erscheint es in diesem Zusammenhang sachgerecht, vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Beschränkung finanzieller Ausgleichszahlungen für nachträgliche Eingriffe in grundrechtlich geschützte Sphären des einzelnen auf begründete Ausnahmesituationen gleichermaßen auf die konkreten Umstände des Einzelfalles und jeweils persönlich tangierten Interessen abzustellen, um sowohl einem (formell) der Vorhersehbarkeit verpflichteten Rechtsstaatsbegriff als auch dem (materiellen) Postulat der Einzelfallgerechtigkeit gerecht zu werden. Zur Qualifikation des Vertrauensinteresses des Bürgers muß in diesem Zusammenhang das Augenmerk insbesondere darauf gerichtet werden, ob und inwieweit der Eingriff für diesen vorhersehbar war. Nur auf diese Weise kann der Anspruch des Bürgers auf (grundsätzlichen) Bestandsschutz seiner grundrechtlichen Positionen mit solchen des Allgemeinwohls angemessen abgewogen und gewichtet werden.
c) Ergebnis Eine Modifikation der im Rahmen des Lösungsvorschlages aufgezeigten Zulässigkeitsvoraussetzungen für finanzielle Ausgleichszahlungen im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist vor dem Hintergrund der Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips insoweit notwendig, als daß zur Qualifikation des An333 Vgl. insoweit BVerfGE 25,142 (154); 30, 250 (268); 30, 367 (391); 30, 392 (404); 31,8 (29); 31, 222 (226f.); 43, 291 (391); 48, 403 (416); 50, 386 (395f.); 51, 356 (363); 57, 361 (391 f.); 58,81 (121); 59, 1 (28). 334 Siehe hierzu bereits BVerfGE 14,288 (297f.); vgl. auch E24, 33 (55); 24,260 (266); 30, 392 (402f.); 39, 128 (144); 39, 156 (166f.); 43, 242 (286); 51, 356 (363); 57, 361 (391 f.). 335 BVerfGE 64, 87 (104). 336 So BVerfGE 36, 73 (82ff.). 337 In diesem Sinne BVerfGE 43, 291 (391 f.); 48, 403 (416); 50, 386 (396) m. w.N.
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spruchs des Bürgers auf uneingeschränkten grundrechtlichen Bestandsschutz zusätzlich auf den dem Postulat der Meßbarkeit staatlichen Handelns entstammenden Faktor des Vertrauensinteresses des Bürgers abzustellen ist. Dieses Vertrauensinteresse ist maßgeblich anhand der zur tatbestandlichen Rückanknüpfung (unechten Rückwirkung) entwickelten Kriterien zu bestimmen, die in erster Linie danach fragen, inwieweit der Bürger mit dem Eingriff rechnen mußte oder konnte. Diese Wertung wird zusätzlich flankiert durch die Aspekte der für den Bürger erkennbaren Risiken und des Sozialstaatsprinzips. Die darüber hinaus herausgearbeitete zwingende Notwendigkeit der im Rahmen einer Einzelfallabwägung vorzunehmenden, qualitativen Bewertung des gesetzgeberischen Ziels bzw. der Berücksichtigung der durch den Eingriff verwirklichten Allgemein- und Individualinteressen ist bereits Bestandteil der im Rahmen des Lösungsansatzes für erforderlich gehaltenen Maßgaben.
2. Widerspruch zum Sozialstaatsprinzip a) Ausprägung In der gesellschaftlichen Auseinandersetzung sei der Staat weder als Partei noch als Wahrer einseitiger Interessen, sondern vielmehr als „unparteiischer Hüter des Gemeinwohls" positioniert. 338 Mit diesem Zitat Scheuners 339 beschreibt Benda die in Artt. 20 Abs. I und 28 Abs. I GG ausdrücklich normierte Verpflichtung zur Sozialstaatlichkeit sehr knapp und dennoch zutreffend. 340 Zugleich charakterisiert er das Attribut „sozial" in seiner Gesamtheit als Verpflichtung des Staates „zu einer Sicherung der in der Verfassung verankerten Grundwertentscheidungen, zu einer rationalen Bewältigung sozialer Konflikte, zum Ausgleich der Einzel- und Gruppeninteressen, zum Schutz des hilfsbedürftigen Einzelnen und schließlich zu einer Vorsorge für zukünftige Probleme beizutragen" 341. Damit werden gleichsam die im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen entstehenden Problemkreise angesprochen: Einerseits das Verhältnis des Sozialstaates zum einzelnen, andererseits die Aspekte der Chancengleichheit342 und der sozialen Umverteilung. 343 338
Benda, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, § 17, Rn.203. Scheuner, Die neuere Entwicklung des Rechtsstaats in Deutschland, in: Cämmerer/Friesenhahn/Lange, Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Bd. II, S. 232. 340 Zur Frage, ob und inwieweit dem Sozialstaatsprinzip Rechtscharakter zukommt vgl. die eingehende Darstellung bei Haverkate, Leistungsstaat, S.45ff. 341 Benda, a.a.O., Rn.200. 342 Vgl. hierzu auch Zacher, Hdb. d. StR., Bd. I, § 25, Rn. 39. 343 Umfangreiche Beispiele aus der Rechtsprechung bei Zacher, Hdb. d. StR., Bd. I, § 25, Rn. 34. 339
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Teil 5: Lösungsansatz: Grenzen finanzieller Kompensation
Mit Blick auf den erstgenannten Aspekt geht die Verantwortlichkeit des Staates dahin, die Freiheit des einzelnen gegenüber staatlichen Eingriffen, insbesondere vor staatlicher Willkür, zu schützen.344 Diese Aufgabe fällt üblicherweise bereits den Grundrechten zu, die, wie bereits dargetan, in erster Linie als Abwehrrechte des Bürgers konzipiert sind. 345 Deren Wirkung soll nun im Wege sozialstaatlicher Gewährungen verstärkt werden 346, um so sicherzustellen, daß der Bürger auch vor weitergehenden „Sachzwängen" und solchen Lebensumständen, die nicht primär durch rechtliche Mittel zu beeinflussen sind, geschützt bleibt 347 . Zu diesen Sachzwängen zählt Benda die Strukturen einer industriellen Massengesellschaft, die Wirkungen der Technik und die Größe und Undurchschaubarkeit von Institutionen.348 Insoweit komme dem Sozialstaatsprinzip gleichermaßen eine die Freiheitssphäre erweiternde wie eine begrenzende Funktion zu, zumal der freien Entfaltung der Persönlichkeit durch die Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit des einzelnen und die gegenseitige Abhängigkeit voneinander natürliche Grenzen gesetzt würden. Damit fällt diesem Gesichtspunkt des Sozialstaatsprinzips im Ergebnis die Aufgabe zu, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Einzel- und Gruppeninteressen herzustellen, um so jedem einzelnen seinen „gerechten Freiheitsraum" gewährleisten zu können. In Konsequenz dessen macht Benda zu Recht darauf aufmerksam, daß die Verwirklichung der Anforderungen des Sozialstaates aus der Sicht des Betroffenen eine Minderung der individuellen Freiheit bedeute, welche allerdings hinzunehmen sei, da die Überlassung unbegrenzter Freiheit andernfalls das Wesen der modernen Klassengesellschaft durch die Übermacht der wirtschaftlich und sozial Stärkeren kennzeichnen würde. 349 Daß auch bereits den Grundrechten die Aufgabe zukomme, entgegenstehende Interessen durch den ihn immanenten sozialen Bezug zu regulieren, zeige sich exemplarisch an der Forderung des Art. 14 Abs. II GG nach dem Gebrauch des Eigentums zum Wohle der Allgemeinheit. Letztendlich beinhaltet das Sozialstaatsprinzip in der genannten Ausprägung daher eine weitere Orientierungshilfe (auch politischer Prioritätsentscheidungen) zu Auflösung von Grundrechtskollisionen. An eben dieser Stelle wird der Ansatzpunkt deutlich, der die weitgehende staatliche Gestattung einer finanziellen Ausgleichszahlung für Grundrechtseingriffe zwischen Privaten als bedenklich erscheinen läßt, zumal in diesem Zusammenhang die Gefahr besteht, daß individueller Freiheitsraum wirtschaftlich vermögenden gesellschaftlichen Gruppen oder Mitgliedern nur deshalb vermehrt zukommt, weil sie in der Lage sind, sich diesen durch eine Ausgleichszahlung gegenüber dem in der Frei344
Benda, a.a.O., Rn. 154. Haverkate, Leistungsstaat, S.63; siehe femer Leschke, Ökonomische Verfassungstheorie, S.177. 346 Leschke, Ökonomische Verfassungstheorie, S. 173. 347 Benda, a.a.O., Rn. 155. 348 Benda, a.a.O., Rn. 156. 349 Benda, a.a.O., Rn.l56f. 345
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heit Begrenzten zu „erkaufen". Dies widerspräche allerdings - in dieser pauschalen Form - erkennbar dem Postulat sozialer Gerechtigkeit. Der zweitgenannte Aspekt der Chancengleichheit und sozialen Umverteilung schlägt eine vergleichbare Richtung ein, geht aber offenkundig weiter als der theoretische „Überbau", der soeben im Rahmen des Verhältnisses von Sozialstaat und Individuum erläutert worden ist. Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit (sozialer) Gleichheit 350 erfordere der Sozialstaat als Basis insbesondere die Gleichheit an freiheitsrechtlichen Chancen.351 Unterprivilegierte seien daher gezielt zu fördern, um in freiheitsrechtlicher Hinsicht zumindest gleiche Startchancen vermitteln zu können. In diesem Sinne müsse der Gesichtspunkt der Gleichheit unter einem anderen Blickwinkel - gewissermaßen zugunsten der sozial Schwächeren modifiziert - dergestalt aufgefaßt werden, daß die begrenzten Mittel besonders an diejenigen vergeben werden, die tatsächlich hilfsbedürftig sind. In diesem Sinne sei „nicht schematische Gleichmacherei, sondern im Gegenteil differenzierende Gerechtigkeit im Sinne sachgemäßer und sozialadäquater Unterscheidung" zu befördern. 352 In diesem Zusammenhang sieht das Bundesverfassungsgericht die Gefahr einer rücksichtslosegalitären Interpretation des Sozialstaatsprinzips und führt daher aus: „(...) auch das Sozialstaatsprinzip ermächtigt nicht zu beliebiger Sozialgestaltung, die das Gebot der Gleichheit auflösen würde" 353 . Vor dem Hintergrund dieser Aussage behauptet Benda, daß es der Gesellschaftspolitik jedenfalls nicht verwehrt sei, Umverteilung zu betreiben. An dieser Stelle bietet sich erneut die Möglichkeit, die Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anhand der Anforderungen des Sozialstaatsprinzips zu beurteilen, zumal der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach einer gedanklichen Weiterführung dieser Interpretation Bendas - zugespitzt formuliert - quasi als ein formelles Werkzeug des materiell dem Gedanken der Umverteilung nicht entgegenstehenden Sozialstaatsprinzips anzusehen wäre, sofern man das Effizienzkriterium in diesem Zusammenhang als zulässig erachten wollte. Eine solche Sicht der Dinge erscheint jedoch unter Berücksichtigung der zu Art. 14 GG herausgearbeiteten Wertungen überaus bedenklich. b) Widerspruch Auf den ersten Blick weist das Verhältnis des Sozialstaates zum einzelnen keinen Bezugspunkt zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf. Vergegenwärtigt man sich jedoch die insoweit relevante Funktion des Sozialstaatsprinzips, die darin besteht, den Schutz der grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte durch inhaltliche Wertungsvorgaben auch dort umfassend sicherzustellen, wo die Grundrechte diesen Schutz 350 351 352 353
Vgl. hierzu insbes. die abweichende Meinung in BVerfGE 36, 237 (250). Benda, a. a. O., Rn. 169; vgl. ferner Zacher, Hdb. d. StR., Bd. I, § 25, Rn. 39. Benda, a. a.O., Rn. 169. BVerfGE 12, 354 (367); vgl. insoweit auch E26, 44 (62).
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selbst nicht hinreichend vermitteln können 354 , so wird die thematische Nähe zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz deutlich, zumal dieser ebenso ein - allerdings abstraktes - Instrument mit vergleichbarer Zweckausrichtung darstellt. Inwieweit sich hieraus jedoch eine eigenständige Wertung hinsichtlich der Zulässigkeit finanzieller Ausgleichszahlungen schlußfolgern läßt, erscheint fraglich, da die Frage derartig geprägter Grundrechtskollisionen bereits durch eine sehr detaillierte Dogmatik gekennzeichnet ist. Um die verstärkende Funktion des Sozialstaatsprinzips dennoch in den Gedanken eines verhältnismäßigen Ausgleichs zu integrieren, bietet es sich an, die Lösung derartiger Gemengelagen in erster Linie mit rechtlichen Mitteln anzugehen.355 So wird beispielsweise eine Abwägung zwischen dem Recht der Meinungsfreiheit und dem Recht der persönlichen Ehre durch das Bundesverfassungsgericht unter Zugrundelegung der „Wechselwirkungslehre" vorgenommen: „Die Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit finden zwar nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken u. a. in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in dem Recht der persönlichen Ehre. Doch müssen diese Schranken im Lichte der Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit gesehen werden; sie sind ihrerseits aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen und so in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken" 356. Im übrigen soll insoweit primär auf die im Rahmen des Lösungsvorschlages umrissenen Rahmenbedingung und die Strategien zur Schlichtung von Grundrechtskollisionen verwiesen werden. 357 Erst wenn anhand dieser rechtlichen Kriterien eine Frage erkennbar nicht sachgerecht gelöst werden kann bzw. sich die Notwendigkeit einer wertenden Korrektur aufdrängt, erscheint es angezeigt, sozialstaatliche Bindungen und Vorgaben ergänzend zu berücksichtigen. Eine genauere Vorgehensweise kann an dieser Stelle nicht nachgezeichnet werden, zumal diese durch die konkreten Bedingungen des Einzelfalles gekennzeichnet sein wird, also insbesondere von den „verfügbaren Mitteln und den politisch zu treffenden Prioritätsentscheidungen" 358 abhängig ist. Durch dieses Vorrangverhältnis soll einerseits vermieden werden, daß rechtlich einwandfreie Konzeptionen durch juristisch schwer greifbare Termini wie die der sozialen Gerechtigkeit „verwässert" werden. Andererseits besteht dergestalt die Möglichkeit, die - wenn überhaupt - dem Staat zufallende Aufgabe der Umvertei354
Demgegenüber weist Zacher ebenso zutreffend darauf hin, daß „der Sozialstaat a priori keine Einbahnstraße der Mehrung des Grundrechtsnutzens sein" kann. Daher sei der sozial gebende Staat ebenso auf den „sozial gebenden, gebundenen und verpflichteten Bürger" angewiesen, so Zacher, Hdb. d. StR., Bd. I, § 25, Rn. 99. 355 Vgl. insoweit beispielsweise BVerfGE7, 230 (234ff.); 24, 278 (282f., 286); 42, 163 (170 ff.). 356 BVerfGE 42, 163(169). 357 Siehe hierzu auch Lerche, Hdb. d. StR., Bd. V, § 122, Rn. 23 f. 358 Benda, a.a.O., Rn.164.
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lung vor dem Hintergrund der sozialen Bedürftigkeit und nicht vor dem der finanziellen Leistungsfähigkeit zu sehen. Inwieweit die Gesichtspunkte der Chancengleichheit und der sozialen Umverteilung der Möglichkeit der in Rede stehenden Ausgleichszahlungen entgegensteht, ist darüber hinaus anhand des Effizienzkriteriums zu entscheiden. Vor dem Hintergrund der Bindung des Gesetzgebers, die „Lebensverhältnisse - insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaft - gestaltend zu ordnen" 359 , ließe sich eine Verpflichtung zur Vermögensverteilung auch nach sozialen Aspekten folgern. Auf den ersten Blick stünde zwar Art. 14 Abs. III GG einer solchen Annahme entgegen, zumal zwar insbesondere die Enteignung dem Wohle der Allgemeinheit dienen muß, dennoch aber die Junktimklausel im Falle von enteignenden Maßnahmen zwingend eine Entschädigung erfordert, so daß die Enteignung nicht als echtes Mittel der Umverteilung angesehen werden kann. Berücksichtigt man jedoch einerseits, daß alle weiteren Eingriffe im Anwendungsbereich des Art. 14 GG - jedenfalls grundsätzlich - entschädigungslos hinzunehmen sind, und andererseits, daß auch der Gebrauch des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. I I S. 2 GG dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, so erscheint die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums als denkbares und zulässiges Mittel der sozial motivierten Vermögensumverteilung. Wenn dem allerdings so ist und den Gesetzgeber weiterhin, aus dem Sozialstaatsprinzip folgend, eine solche Pflicht zur korrigierenden sozialen Umverteilung trifft, ließe sich mit Kühler die Konsequenz daraus ziehen, daß daher eine vorrangig anhand von Aspekten der Effizienz ausgerichtete Entscheidung wohlstandsrelevanter Fragen diesen Anforderungen nicht gerecht würde und daher unzulässig sei. 360 Ungeachtet des weiten Spielraumes, der den politischen Entscheidungsträgern im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Frage der sozialen Umverteilung verbleibt, erweist sich jedoch der Gedanke der Effizienz denkbar ungeeignet zur Steuerung der angestrebten sozialen Verteilung, da beispielsweise der Aspekt der Sicherung des Existenzminimums auf diese Weise nicht hinreichend gewährleistet würde. 361 Auf dem Gebiet des Umweltrechts weist Britz in diesem Zusammenhang anhand des Beispiels einer drastischen Erhebung der Mineralölsteuer plausibel nach, „daß die Durchsetzung einer effektiven Umweltpolitik zu Anpassungsproblemen führen kann, von denen häufig die am wenigsten flexibel und am wenigsten qualifizierten Arbeitskräfte am stärksten betroffen werden" 362 . Daher sei der Staat aufgrund des Sozialstaatsgebots verpflichtet, im Wege einer gerechten Güterverteilung auf die einzelnen Gesellschaftsmitglieder Abhilfe zu schaffen. 363 Dies kann das Effizienzkriterium allein nicht leisten.364 359 360 361 362 363 364
BVerfGE 13, 230 (233). Vgl. insoweit Kübler, in: FS Steindorff, S. 698 ff. Britz, Die Verwaltung 30 (1997) 185 (196). Britz, a.a.O. Britz, a.a.O. So zu Recht auch Britz, a. a. O.
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c) Ergebnis Vor dem Hintergrund der Anforderungen des Sozialstaatsprinzips verbietet es sich, den Faktor der Effizienz als vorrangigen Maßstab im Rahmen von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten heranzuziehen. Dem sozialstaatlichen Doppelziel von Wohlstand und Teilhabe kann daher nur eine solche Sichtweise gerecht werden, die das Prinzip sozialer Gerechtigkeit und sozialer Gleichheit auf übergeordneter Ebene dergestalt berücksichtigt, daß die anhand von ökonomischen Gesichtspunkten gefundenen Ergebnisse im Wege einer wertenden Korrektur darauf hin überprüft werden, ob und inwieweit diese den genannten sozialstaatlichen Erfordernissen genügen. Nur auf diese Weise besteht im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Möglichkeit, den Bürger auch vor weitergehenden „Sachzwängen" und solchen Lebensumstände zu schützen, die nicht primär durch rechtliche Mittel zu beeinflussen sind. 365 3. Widerspruch zum Demokratieprinzip Letztlich ist zu untersuchen, inwieweit auch aus dem Demokratieprinzip folgend solche Anforderungen zu beachten sind, welche den Anwendungsbereich finanzieller Ausgleichszahlungen einzuschränken vermögen. Die Überprüfung selbiger Maßgaben liegt bereits von daher nahe, als daß auch das Demokratieprinzip maßgeblich von der Leitvorstellung geprägt ist, einen Schutz für die unteren, (nicht nur finanziell) weniger privilegierten Gesellschaftsschichten bewirken zu wollen, um diesen auch die Rolle von Mitentscheidern und Gestaltern der Staatsgewalt zukommen zu lassen.366 Insoweit findet die in Art. 20 Abs. I GG anzutreffende Bezeichnung der Bundesrepublik als demokratischer Staat eine genauere Ausgestaltung in Art. 20 Abs. II GG, der das Gebot der Volkssouveränität mit der Formulierung wählt, alle Staatsgewalt gehe vom Volke aus. Das Bundesverfassungsgericht führt in diesem Zusammenhang aus, das Demokratieprinzip beinhalte den Grundsatz der Selbstbestimmung des Volkes (Volkssouveränität), deren Erhalt dadurch sichergestellt werde, daß die personellen Träger der wichtigsten Staatsorgane durch in regelmäßigen zeitlichen Abständen stattfindenden Wahlen des Volkes ihre Legitimation erhalten. 367 Die durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellte, klassische Theorie der ununterbrochenen Legitimationskette stellt sich nun insofern als besondere Ausprägung des Demokratieprinzips und als gedanklich notwendige Schlußfolgerung der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung dar, als daß sie die Notwendigkeit strikter demokratischer und verfassungsrechtlicher Legitimation auch hinsichtlich aller weiteren staatlichen Entscheidungsträger statuiert. 368 Zentrale Überlegung dieses 365
Vgl. Benda, a.a.O., Rn. 155. 366 Ygi Leschke, Ökonomische Verfassungstheorie, S. 162. 367
Vgl. BVerfGE 44, 125 (139). Siehe BVerfGE 38, 258 (271); 47, 253 (272); 77, 1 (40); vgl. femer Böckenförde, Hdb. d. StR., Bd. I, §22, Rn.16. 368
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Ansatzes ist die Notwendigkeit von Homogenität zwischen Staat und Volk im Wege einer personalen Dauerbeziehung zwischen Bürger und Staat, um so gewährleisten zu können, daß sich vom Parlament (dem einzig unmittelbar demokratisch legitimierten Organ zur politischen Leitentscheidung) ausgehend eine sogenannte „ununterbrochene Legitimationskette" zu jeglichem staatlichen Handeln nachvollziehen bzw. zurückverfolgen läßt. 369 Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen wird deutlich, daß der Aspekt des Minderheitenschutzes im Rahmen des Demokratieprinzips einen besonders hohen Stellenwert genießt. Dieser hat heute verschiedene Ausformungen erfahren, die jedoch ihre tragenden Grundgedanken im Mehrheitsprinzip vereinen. 370 Im Rahmen einer Mehrheitsentscheidung haben regelmäßig alle Stimmen (= Präferenzen der Abstimmenden) den gleichen Erfolgs wert. 371 Argumentativ wird hierfür in erster Linie das Freiheitsargument ins Feld geführt: „Bei der Mehrheitsentscheidung können mehr Menschen in Übereinstimmung mit ihrem eigenen Willen leben als bei einer Minderheitsentscheidung" 372.
Auf diesem Hintergrund ließe sich gegen die Zulässigkeit der alleinigen oder maßgeblichen Berücksichtigung des Effizienzkriteriums bzw. anderer ökonomischer Gesichtspunkte im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einwenden, daß der im Rahmen des Effizienzoptimums ausschlaggebende Faktor der Zahlungsbereitschaft 373 den individuellen Präferenzen einzelner Bürger - abhängig von deren finanzieller Ausstattung - eine vollkommen unterschiedliche Bedeutung beimessen kann. In Folge dessen wäre zum einen eine dem Mehrheitsprinzip und dem Prinzip des gleichen Erfolgswertes zuwiderlaufende, unterschiedliche qualitative Gewichtung der Bedeutung der jeweiligen Präferenzen denkbar, zum anderen bestünde die Möglichkeit, daß derjenige mit der besseren finanziellen Ausstattung seinen eigenen Präferenzen ein weit höheres Gewicht verleihen kann. Dem kann zwar entgegengehalten werden, daß Effizienz auch für das Maximum an politischer und sozialer Mitbestimmung durch den Bürger steht, woraus sich folgern ließe, daß hierin auch ein Demokratieoptimum liegen könnte 374 . - Britz führt in diesem Zusammenhang für den Bereich des Umweltrechts zunächst ein an den Ergebnissen der Präferenzen orientiertes Argument an, wonach sich erst „im (positi369 Böckenförde bezeichnet das Parlament daher als notwendigen „Legitimationsmittler", vgl. Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, S.74. 370 Vgl. BVerfGE 29,154 (165) - „fundamentales Prinzip der Demokratie". Zur historischen Entwicklung des Mehrheitsprinzips siehe Hattenhauer, Zur Geschichte von Konsens- und Mehrheitsprinzip, in: Hattenhauer/Kaltefleiter, Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, S. 1 ff. 371 Zum Anspruch des Wählers auf gleiche Behandlung seiner Stimme bei der Umsetzung in Mandate siehe Meyer, Hdb. d. StR., Bd. II, § 38, Rn. 25. 372 Dreier, in: Dreier, GG, Bd. II, Art. 20 (D), Rn. 65 mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 177. 373 Im Effizienzoptimum sind die anhand der Zahlungsbereitschaft gemessenen politischen, sozialen und privaten Präferenzen optimiert, so Britz, Die Verwaltung 30 (1997) 185 (203). 374 So zunächst Britz, a. a. O.
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ven, Anm. des Verf.) Ergebnis die Präferenzen der Bürger widerspiegeln und dieses somit in maximaler Weise die (gegenläufigen) Interessen der einzelnen berücksichtigen könnte. Eine effiziente Ressourcenallokation im Umweltrecht müßte demnach in Ansehung des gesellschaftlichen Willens das optimale Verhältnis zwischen Umweltschonung und umweltschädlicher anderweitiger Ressourcenverwendung hervorbringen" 375. Auf den ersten Blick ließe sich diese Form der Argumentation zugunsten der Zulässigkeit der Berücksichtigung des Effizienzkriteriums auch im Verfassungsrecht vorbringen. Bei genauerer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, daß die dortigen Präferenzen nicht deckungsgleich gelagert sind. Anders als im Umweltrecht, welches letztendlich die Faktoren einerseits der Schonung andererseits der Notwendigkeit der Nutzung der Umweltressourcen in einen optimalen Ausgleich zueinander zu bringen und dabei die Interessen und Bedürfnisse des Bürgers zu berücksichtigen hat, stellt sich im Verfassungsrecht (lediglich) die Frage nach Notwendigkeit und Umfang von Freiheitsgewährung. Damit stellt sich diese Konstellation - auch im dreipoligen Verhältnis - als eine reine Geber-Nehmer-Beziehung dar, die gerade nicht durch die Problematik der begrenzten Ressourcenverfügbarkeit gekennzeichnet ist, zumal die „Ressource Freiheit" gegenüber dem Staat stets der möglichst maximalen Gewährung gegenüber dem Bürger bedarf. 376 Im Gegensatz zur Materie des Umweltrechts beschränkt sich das Verfassungsrecht damit auf die Problematik der angemessenen Verteilung unterhalb der Bürger, ohne dabei auf Sparsamkeit angewiesen sein zu müssen. In Konsequenz dessen können weder die Ressourcenbedürftigkeit noch das Verlangen nach ihr als vergleichbar bewertet werden, da die individuellen Präferenzen im Rahmen des Verfassungsrechts hinsichtlich (grundrechtlicher) Freiheitsgewährung gegenüber dem Staat bzw. gegenüber Dritten viel eher als egoistisch und auf die Gewährung von möglichst maximalem Freiheitsraum ausgerichtet sein dürften. Während also eine Ressourcenverteilung im Verfassungsrecht maßgeblich durch das Gleichheitsgebot bestimmt wird, orientiert sich diese im Umweltrecht eher am Kriterium der individuellen Bedürftigkeit und der Notwendigkeit der Schonung der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Bereits hieran scheitert eine Übertragbarkeit der von Britz zugrundegelegten Argumentation auf den Bereich des Verfassungsrechts. Darüber hinaus stellt Britz heraus, daß „das anhand von Zahlungsbereitschaften ermittelte Effizienzoptimum den politischen Willen der Gesellschaft verzerrt wiedergibt, weil sich die Präferenzen der Gesellschaftsmitglieder nicht in gleichem Maße durchsetzen können" 377 . Da die Zahlungsbereitschaft von der Zahlungsfähigkeit abhänge, führe die Abhängigkeit der Ressourcenallokation von der Zahlungsbereitschaft zwangsläufig zur Bevorzugung derjenigen, die größere Mengen an Zah375
Britz, Die Verwaltung 30 (1997) 185 (203). Zum Auslegungsgrundsatz der Grundrechtseffektivität vgl. Starck, Hdb. d. StR., Bd. VII, §164, Rn. 35, 42. 377 Britz, a.a.O. 376
A. Verfassungsrechtliche Grenzen
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lungsmitteln aufweisen und damit ein weit größeres Maß an Zahlungsbereitschaft demonstrieren können.378 Bedingt durch die Gleichbehandlung der Zahlungsbereitschaften würden die Präferenzen des Reicheren stärker berücksichtigt. 379 Damit kommt im Ergebnis der bereits oben erhobene Einwand der qualitativ unterschiedlichen Gewichtung der Bedeutung der jeweiligen Präferenzen erneut zum Tragen, so daß sich das Effizienzkriterium auch in diesem Zusammenhang als ungeeignet erweist. Im Ergebnis steht damit fest, daß die aus dem Blickwinkel der Anforderungen des Demokratieprinzips notwendigen gleichmäßigen Mitwirkungsmöglichkeiten des einzelnen Bürgers am gesellschaftspolitischen Prozeß nicht hinreichend gewährleistet werden, sofern das Effizienzkriterium uneingeschränkte Berücksichtigung im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes findet.
IV. Zusammenfassung und Ergebnis Der vor dem Hintergrund der Anforderungen und Zielvorgaben der Freiheitsrechte formulierte Lösungsvorschlag bedarf weitreichender Modifikationen und Ergänzungen, um so auch den Prämissen der Strukturprinzipien der Artt. 20 und 28 GG gerecht zu werden. Im Ergebnis verbleibt dem Staat daher nur ein sehr eingeschränkter Bereich, in welchem er zulässigerweise von der (eigenen) Möglichkeit oder auch der Anordnung finanzieller Ausgleichszahlungen zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Gebrauch machen darf. Jedes andere Ergebnis liefe Gefahr, insbesondere die Gewährleistungsgehalte solcher Grundrechte mit (auch nur zum Teil) persönlichkeitsbezogenen Inhalten unangemessen zurückzudrängen und hierdurch die Grundrechte insgesamt zu inhaltsleeren Programmsätzen zu reduzieren. Der im Kurzberichterstattungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts erkennbaren Tendenz eines extensiven Verständnisses von der Möglichkeit derartiger Kompensationszahlungen im Rahmen anderer Grundrechte als Art. 14 GG muß daher besonders kritisch gegenüber gestanden werden, um so gleichermaßen das gesetzgeberische Anliegen so vollumfänglich als möglich durchsetzen, insbesondere aber auch die im Einzelfall tangierten Interessen des Bürgers einbeziehen und zu einem gerechten Ausgleich bringen zu können. Unter primärer Berücksichtigung dieser und den voranstehend genannten Rahmenbedingungen steht dem Staat die ergänzende Bezugnahme auf ökonomische Gesichtspunkte im Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes frei.
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Britz, a.a.O. Britz, a.a.O.
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arverzeichnis Abschleppfälle 32 Adäquanz der Ausgleichleistung 135,137 Altlasten 87 Angemessenheit 93, 106 Anpassungshilfen 42 Art der Freiheitsverwirklichung 108 Arten von Ausgleichsleistungen 134 Ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung 137, 145 - im Baurecht 83 ff. - Kritik 77 ff. - und Opferausgleich 81 - Rechtfertigung rechtswidrigen Staatshandelns 145 Berufsfreiheit 29, 154 - Allgemeinwohl 29,55,98 - Entschädigung in Geld 105 ff. - Finanzieller Gewährleistungsgehalt 123 Bestandsdurchbrechung 54 Bestimmtheitsgrundsatz 22 Bürgerlich-rechtliche Aufopferung 51 Delegation 138, 143 Demokratieprinzip - Effizienzkriterium 179ff., 39 - Herleitung 178 - Inhalt 178 ff. - Mehrheitsprinzip 179 - Ununterbrochene Legitimationskette 178 f. Dispens 42 Drei-Stufen-Lehre 105 Drittwirkungsproblematik 123, 188 Duales Rundfunksystem 100 Dulde und Liquidiere 67, 72 Effektivität 39 f., 157 - der Gefahrenabwehr 40
Effizienz 41 f., 48 - als Gesichtspunkt der ökonomischen Analyse des Rechts 39 - im Umweltrecht 177 - Verfassungsakzessorietät 174 Eigentumsbeeinträchtigung 1 ff. Eigentumsfreiheit 108 - Aufgabe der Eigentumsgarantie 108 - Eigentumsbegriff 37 - Entschädigungsgebote 44 - Garantiebereiche 13 - Intensität des Eingriffs 65 f. - Persönlichkeitsbezogener Gewährleistungsgehalt 108 f. - Schutzrichtung 109 - Situationsgebundenheit 88 - Sozialbindung 37, 54f., 64 - spezielle Struktur des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 36 - und Vertrauensschutz 94 - Wertgarantie 67,72,78 Einzelfallergebnisse 32 Einzelfallgesetzverbot 22 Enteignung - Administrativenteignung 53, 69 - Allgemeinwohl 162f., 165 - Ausgleichsfunktion 127, 136 - einfachgesetzliche Grundlage der Entschädigung 57, 72 f. - und Entschädigung 40, 43 - im Immissionsschutzrecht 63, 83 ff. - Legalenteignung 53,69,71 - materielle Entschädigung in Land 44 - Personale und soziale Funktionen - zugunsten Privater 55 f., 63, 89 - Privatnützigkeit 60136durch Verwaltungsakt 53 Enteignender Eingriff 66 Enteignungsgleicher Eingriff 66
Sachwortverzeichnis Erforderlich 69,80 Extremumprinzip 39 Finanzielle Entschädigung 74 - Adäquanz des Ausgleichs 135,137 - als ultima ratio 79 Freiheitsausübung - Finanziell 158 - Gemischte Inhalte 159 - Persönlich 158 Freikauf von Grundrechten 16,107 Gedanke eigener Leistung 43 Geeignetheit 24, 139, 146 Gefahrenabwehr 31 - Antizipierte Gefahrenabwehr 139 - Auswahlermessen 40 - Charakter von Grundrechtsschranken 122 - Freiheitsgefährdende Präferenzen 125 f. - Gefahrenvorsorge 139 - Generalklausel 140 - Herleitung objektiver Gewährleistungsgehalte 148 - Horizontale Wirkungsweise 123 - Kembereich 144 - Kommunikationsgrundrechte 160 - Mittelbarer Eingriffsbegriff 156 - Multifunktionalität 121 - Polizeifestigkeit 140 f. - Ressourcenbeschränkung 41 - Schutzrichtung gefahrenabwehrrechtlicher Normen 140 - Standardmaßnahmen 140 - Störer 40,83 - Verbrechensverhütung 139 - Verfassungsimmanente Schranken 122 Gemeinwohlinteressen 37, 163, 166 Gesetzesvorbehalt 22,25,159 Gleichheitsgrundsatz 21 Grundrechte - als Abwehrrechte 114 - Ausstrahlungswirkung 120 - dienende Funktion der Grundrechte
102, 126
205
- Geistesgeschichtliche Entwicklung
116 - Grundkonzeption der Freiheitsrechte 16, 113 - als Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lf. - Grundrechtliche Schutzpflichten 117, 119,157 - Grundrechtslehren 21 - Gütergewichtung 106 - Die jellineckschen Statuus 117 ff. - Klassifizierung nach Gewährleistungsgehalten 161,165,175 - Klassifizierung nach ökonomischen Kriterien 178 - Kommerzialisierung 86, 92 - Kongruenz des Ausgleichs 56 - Konkrete Feststellbarkeit des Gewährleistungsgehalts 78 - Leistungs-und Teilhaberechte 117, 174 - Lüth-Urteil 22,116 - Objektivrechtliche Funktion 114ff., 118ff. - Rechte auf Organisation und Verfahren 120 - Schranken 122, 130, 140 - Schutzfunktion 22 - Soziale Grundrechte 120 - Stufeninteme Feingewichtung 107 Härteklauseln 151 Individualinteressen 173 Inhalts- und Schrankenbestimmung 177 - Abgrenzung zur Enteignung 54 ff. - Definition 54 - im Rahmen der Eigentumsfreiheit 19 - Salvatorische Klauseln 87 - Umschalgen in eine Enteignung 61 ff. Inpflichtnahme Privater 17 Junktimklausel 135, 177 Kommerzialisierung 16, 86 - von Gemeinwohlbezug 107 - grundrechtlicher Schutzpositionen 114 ff.
206
arverzeichnis
- von Informationen 103 - von Lebenssachverhalten 92,110 - der Rechtsausübung 148 - von Umweltrechten 146 Kompensationmodelle 148, 151 - historische Entwicklung 32 - im Verfassungsrecht 16 - im Verwaltungsrecht 17 Kosten-Nutzen-Rechnung 38 - als Bestandteil der ökonomischen Analyse des Rechts 39 f. - als ökonomisches Kriterium 40 Kurzberichterstattungsbeschluß 51, 100 ff. - und Allgemeinwohl 106 - und Ausgleichsmodell 106 - Eingriff in die Berufsfreiheit 102 - Inhalt 100 - Korrekturpflicht des Gesetzgebers 104 - Unentgeldlichkeit des Rechts 103 ff. Lastengleichheit 43 Magna Charta Libertatum 33 Maximumprinzip 39 ff. Meinungsfreiheit 102 Methodenbewußtsein 49 Minimumprinzip 39,41 Mißbrauchrisiken 144 Multipolares Verwaltungsrechtsverhältnis 14 ff. Naßauskiesungsbeschluß 54, 57, 62, 65 Norminterpretation 72 Ökonomie 113 - Begriff 38 - Kriterien und Prämissen 38 f. - rechtlicher Bezug 38 - Spannungsverhältnis zum Recht 16ff., 120 f. Ökonomische Analyse des Rechts 38 - Kritik 50 - Realitätsferne 50, 144 - Universalitätsanspruch 50 Ökonomische Aspekte 1
Praktische Konkordanz 160 Prinzip der Gerechtigkeit 168 f., 172 Prinzipienmodell 44 Privatisierung hoheitlicher Aufgaben - Delegationsverbot 142 - Entlastungsfaktor 138 - Gefahrentstehung 137 f. - Gefahren und Risiken 137 f. - Kontrollmaßnahmen 138 - Kritik 139 - Neutralitätserfordernis 143 - Politische Bedeutung von Grundrechten 143 - Prognose 145 - Tätigkeitsfelder 138 - Übertragbarkeit der Argumentationsmuster 137 ff. Prognosespielraum 148 Proportionalität 25,111,151 Rechtssicherheit 169 Rechtsstaatsprinzip 172 - Effektiver Rechtsschutz 138 - Einzelfallgerechtigkeit 169 - Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 168 - Gewaltenteilung 168, 178 - Gewaltmonopol 168 - Kalkulierbarkeit staatlichen Handelns 167 - Normklarheit 167 f. - Rechtssicherheit 167 f. - Rückwirkung 169 ff. - und Strafverfahren 134 - Vertrauensschutz 168 ff. - Wandel der Vorstellungen 172 ff. Ressourcennutzungsgebühr 149 - Kritik 149 ff. - Als Mittel der Verhaltensteuerung 150 Rücksichtnahmegebot 84 f. Rundfunkstaatsvertrag 100 Schranken-Schranken 22, 35 Schwellentheorien 66 ff. - Auffassung des BGH 66 - Auffassung des BVerwG 67 Sonderopfer 68,67,89 Sozialstaatsprinzip 172 ff. - Chancengleichheit 176 f.
Sachwortverzeichnis - Effizienzkriterium 177 - Als Gerechtigkeitskorrektiv 178 - soziale Umverteilung 175 Spannungsverhältnis 16, 19, 38 f., 45 Staatliche Machtentfaltung 35 Strafzwecktheorien 33 - absolute 127 - Freikauf von der Sanktion 133 - Generalprävention 132 - relative 130 - Spezialprävention 130 - Vereinigungstheorien 127 f. - Wiedergutmachung 134 f. Täter-Opfer-Ausgleich 134 f. - Kritik 134 - Opferstellung 134 - Reaktionärer Charakter 134 f. - Sinn und Zweck 133 Trennungsdogmatik 70 Übergangsregelungen 79 Übermaßverbot 20f., 26ff. Umschlagtheorien 54 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 56, 77 - Definition 23 f. - dogmatische Verortung 21 - Einzug in das Verfassungsrecht 34
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- als Generalklausel, Leerformel 26 - historische Entwicklung 32 ff. - Koordinierungsfunktion 35 - im Landesrecht 32 - als materielle Hürde 22 - als Rechtsbegriff 20f.,27ff. - Rechtsprechung 20 ff. - als Relation 23 f. - Sinn und Zweck 35 f. - Teilelemente 24 - Verfassungsrechtliche Herleitung 20 f. Verkehrswert 43 Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns 168 f., 172 Wechselwirkungslehre 22, 30, 35, 176 Wertgarantie 44, 55, 67 Wertigkeit grundrechtlichen Schutzes 44 Wesensgehaltsgarantie 74 Willkürrechtsprechung 129, 169, 174 Wirtschaftlichkeitsgebot 39 Wohlstandsmaximierung 41 Zitiergebot 22 Zumutbarkeit 23 Zweck-Mittel-Relation 24, 27, 33 - Abgrenzung 151 f. - Inhalt 151 f.