Modusprobleme bei Notker: Die modalen Werte in den Nebensätzen der Consolatio-Übersetzung [Reprint 2012 ed.] 9783110816792, 9783110018080


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German Pages 220 [224] Year 1971

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Vorwort
Literaturverzeichnis
I. TEIL. Einleitende Kapitel
I.1. Unsere Aufgabe
I.2. Abkürzungen
I.3. Begriffe
I.4. Zitatbezeichnungen und Schreibung althochdeutscher Zitate
I.5. Zusammenfall von Indikativ und Konjunktiv in eine Form
I.6. Einteilung und Darlegung unseres Materials
I.7. Zahlen, Statistik
I.8. Methodischer Ansatz
I.9. Unabhängiger und abhängiger ahd. Modusgebrauch
II. TEIL. Besprechung einiger NS-Arten
II. A. Die Konditionalsätze im Indikativ
A.1. Allgemeine Einleitung
A.2. Die indikativischen ube-Sätze
A.3. Die indikativischen Konditionalsätze ohne Bindewort (BW)
A.4. Indikativische Konditionalsätze mit MV
A.5. Zusammenfassung: Der Indikativ der ahd. Konditionalsätze
II. B. Die Konditionalsätze im K 1
B.1. K 1-ube-Sätze: Übersicht
B.2. Ahd. K 1 der indirekten Rede
B.3. Ahd. K 1 im Konditionalsatz zu einem auffordernden üS
B.4. Die übrigen K 1-ube-Sätze
B.5. Zusammenfassung
II. C. Die Konditionalsätze im K 2
C.2. Sinneffekte des K 2 in Notkers nicht speziell auf die Vergangenheit bezogenen Konditionalsätzen
C.3. Moduswechsel: Ahd. K 2 für lat. K 1 Potentialis
C.4. Ahd. K 2 als Irrealis der Vergangenheit (Irrealis II)
C.5. Oratio obliqua und K 2 in ube-Sätzen
C.6. Der K 2 in Notkers freien Zusätzen
C.7. Zusammenfassung: Wichtigste Sinneffekte des K 2 im Konditionalgefüge vom Typus ube uuare – so uuare
II. D. Die Konzessivsätze
D.1. Die Verwandtschaft mit den Konditionalsätzen; ein Beitrag zum Problem der Interferenzen
D.2. Die doh-Sätze
D.3. Tabellarische Zusammenstellung der übrigen Konzessivsätze
D.4. Konjunktivische danne-Sätze mit konzessiver Nebenbedeutung
D.5. Der Konjunktiv der (konzessiven) so-uuio-Sätze
D.6. Konjunktivische Konzessivsätze mit Anfangsstellung des finiten Verbs
D.7. Konjunktivische so- und so-uueder-Sätze als konzessive Alternativen
D.8. Ansätze zu indikativischen konzessiven so-, also-, so-uueler- und so-uueder-Sätzen
D.9. Konzessives ube (ouh): Einbruch des Indikativs als Modus bei konzessiver Satzbeziehung, ausgehend von den konzessiven Konditionalsätzen
D.10. Konzessivsätze ohne BW: Anfangsstellung des finiten Verbs
D.11. Der Unterschied zwischen dem K 2 Irrealis im HS des Konzessivgefüges und dem K 2 Irrealis im HS des Konditionalgefüges
D.12. Zusammenfassung D.3. bis D.11
II.E. Konjunktionslose Konjunktivsätze
E.1. Die negierte konjunktivische Bedingung (konjunktionslose negierte Konditionalsätze mit obligatem Konjunktiv, Verb in Zweitstellung; sog. Exzeptivsätze)
E.2. Die konsekutiven negierten Konjunktivsätze ohne Bindewort (Modalsätze)
E.3. Die nube-Sätze
E.4. Konjunktionslose Attributsätze (nur mit K 1)
E.5. Die konjunktivischen Objektsätze ohne Bindewort (BW)
E.6. Konjunktionslose Subjektsätze (K 1)
E.7. Zusammenfassung E. 1. bis E. 6
Schlußwort
III. TEIL. Statistik
F. Gesamtübersicht: Der Modusgebrauch in den Nebensätzen der Consolatio-Übersetzung
G. Übersicht 1: Modusform und Konstruktion stimmen mit der lateinischen Vorlage überein
H. Übersichten 2 a und 2 b: Konstruktionswechsel
H.1. Lat. infinite Formen / ahd. NS mit finitem Verb
H.2. Übersicht 2 b: Ahd. Nebensätze aus lat. NS anderer Art oder aus lat. HS
J. Übersicht 3: Moduswechsel bei gleicher Konstruktion
J.1. Haupttendenz: lat. Konj. / ahd. Ind. – Indirekte Rede
J.2. Lat. Indikativ / ahd. Konjunktiv
J.3. Lat. Konj. / ahd. Konj. anderer Form
K. Übersicht 4: Notkers freie Zusätze
L. Belegstellen (Auswahl) und Anmerkungen zu Teil III
Bemerkungen zu Konjekturen in SEHRTS Ausgabe
Bemerkungen zu problematischen Formen der Handschrift
Register
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Modusprobleme bei Notker: Die modalen Werte in den Nebensätzen der Consolatio-Übersetzung [Reprint 2012 ed.]
 9783110816792, 9783110018080

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Das Althochdeutsche von St. Gallen Texte und Untersuchungen zur sprachlichen Überlieferung St. Gallens vom 8. bis zum 12. Jahrhundert

Herausgegeben von

Stefan Sonderegger Professor an der Universität Zürich

2

w DE

G Walter de Gruyter • Berlin • New York 1971

Dieter Furrer

Modusprobleme bei Notker Die modalen Werte in den Nebensätzen der Consolatio-Übersetzung

w _G DE

Walter de Gruyter • Berlin • New York 1971

© I S B N 3 11 0018 08 X Copyright 1971 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp. Printed in Germany — Alle Rechte, des Nadidrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Photokopien, auch auszugsweise, vorbehalten. Satz und Druck: W. Büxenstein G m b H . , Berlin 61

UXORI LIBERISQUE

Si te subiugabis. iugum feras oportet. Notker, Nb 64. 6

Vorwort Die vielfältige Realität unseres sprachlichen Materials bequemt sidi keiner der ja im Überfluß vorhandenen Modustheorien : Talis namque materia est. ut succisa una dubitatione, aliç innumerabiles. uelut capita ydrç succrescant... so getan ding ist sî. dâz éinemo zuîuele benómenemo. mânige ddra-füre chôment. Also herculi geskâh. tô ér den vuürm slâhen sólta. dér grece héizet ydra. latine excedra. Sô er imo éin hóubet âba-erslûog. sô ervuûohsen ddra-füre driu. linde dîen âba-erslâgenên. mânigiu. Nec ullus fuerit modus, nisi quis eas uiuacissimo mentis igne coerceat. Nób irò nehéin mêz neuuirt. sîe neuuérdên beduûngen mit chécchemo fiure des sinnes. Also hercules téta lernam paludem. dânnân disiu fabula errûnnen ist. Uuinda ér iz peuuêrfen tinde bestôzen nemâhta. iz nebrâche îo ûz. pediu gîeng er iz âna mit temo fiure. mit tèmo irbâr ér iz (Nb 293.25 ff.). — Diese Arbeit enthält einige Bausteine; vieles bleibt noch zu tun. Dank schulde ich der Steo-Stiftung Zürich, dem Kanton Zürich und meiner Heimatstadt Winterthur für großzügige Druckkostenbeiträge. Besonders tiefer Dank gebührt allen meinen Lehrern. Dieter Furrer

Literatur Ausgaben, Wörterbücher und Übersetzungen Unsere Angaben von Belegstellen beziehen sich auf die Ausgaben von S E H R T - S T A R C K : SEHRT, E. H., und STARCK, Taylor, Notkers des Deutschen Werke. Bd. 1, Hefte 1—3. Boethius. De consolatione philosophiae. Halle 1966 2 . S E H R T , E . H., und S T A R C K , Taylor, Notkers des Deutschen Werke. Bd. 2 . Marcianus Capella. De nuptiis philologiae et mercurii. Halle 1966 2 . S E H R T , E . H., und S T A R C K , Taylor, Notkers des Deutschen Werke. Bd. 3 , Teile 1 — 3 . Der Psalter. Halle 1952—1955. Bespr. v. I. SCHRÖBLER, Anzeiger f. dt. A. 67, 1954/55, 104—106. HATTEMER, Heinrich, Denkmahle des Mittelalters. St. Gallen's altteutsche Sprachschaetze. Bd. 3. St. Gallen 1849. Notker's des Teutschen Werke. Zweiter Band. PIPER, Paul, Die Schriften Notkers und seiner Schule. Bd. 1. Schriften philosophisdien Inhalts. Mit 19 Holzschnitten und 14 Figuren im Text. Freiburg i. B. und Tübingen 1882. SEHRT, E . H . , und LEGNER, W . , N o t k e r - W o r t s c h a t z . H a l l e 1 9 5 5 . SEHRT, E .

H., Notker-Glossar. Tübingen

1962.

Bespr. v. H.

EGGERS,

Germanistik

1963,

207.

GOTHEIN, Eberhard und Marie Luise, Boethius, Trost der Philosophie. Lateinisch und deutsch. Zürich 1949. NEITZKE, Ernst, Boethius, Trost der Philosophie (Übersetzung). Stuttgart 1959. ENDRES, H. M., Boethius, Trost der Philosophie (Ubersetzung). Mündien 1961.

Fachbücher BACH, Werner, Die althochdeutschen Boethiusglossen und Notkers Übersetzung der Consolado. Diss. Halle 1934. Vgl. I. SCHRÖBLER, 1953, 174 f. BECH, Gunnar, Das semantische System der deutschen Modalverba: Travaux du Cercle linguistique de Copenhague ( = TCLC) 4, 1949. BECH, Gunnar, Grundzüge der semantischen Entwicklungsgeschichte der hochdeutschen Modalverba, Kopenhagen 1951. BEHAGHEL, Otto, Die Modi im Heliand. Paderborn 1876. BEHAGHEL, Otto, Über die Entstehung der abhängigen Rede und die Ausbildung der Zeitfolge im Altdeutschen. Habilitationsschrift. Paderborn 1877. BEHAGHEL, Otto, Die Syntax des Heliand. Wien 1897. Neudruck Wiesbaden 1966. BEHAGHEL, Otto, Der Gebraudi der Zeitformen im konjunktivischen Nebensatz des Deutschen. Paderborn 1899. Bespr. v. O. MENSING, ZfdPh 35, 1903, 224—230. BEHAGHEL, Otto, Deutsche Syntax. Bände II und III. Heidelberg 1924/1928. BERNHARDT, Ernst, Der gotische Optativ. ZfdPh 8, 1877, 1—38. BRINKMANN, Hennig, Die deutsche Sprache. Gestalt und Leistung. (Sprache und Gemeinschaft. Hgg. von Leo Weisgerber. Grundlegung. Band 1.) Düsseldorf 1962. BURDACH, Konrad, Die humanistischen Wirkungen der Trostschrift des Boethius im Mittelalter und in der Renaissance. Dt. Vierteljahrssclirift 11, 1933, 530—558.

X

Literatur

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Literatur

XI

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HOTZENKÖCHERLE,

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TCAHL,

XII

Literatur

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WACKERNAGEL, Jacob, Vorlesungen über Syntax mit besonderer Berücksichtigung von Griechisch, Lateinisch und Deutsch. 1 1920,1926 2 und II 1924. WEINRICH, H a r a l d , Tempus. Besprochene und erzählte Welt. Stuttgart 1964. WERNER, O t m a r , Vom Formalismus zum Strukturalismus in der historischen Morphologie. Ein Versuch, dargestellt an der Geschichte deutscher Indikativ-/KonjunktivBildungen. Z f d P h 84,1965,100—127. WILMANNS, W . , Deutsche Grammatik. III. Abt., 1. H ä l f t e : Verbum. Straßburg 1906. WUNDER, Dieter, Der Nebensatz bei O t f r i d . Untersuchungen zur Syntax des deutschen Nebensatzes. Heidelberg 1965. WUNDERLI, Peter, Die Teilaktualisierung des Verbalgesdiehens (Subjonctif) im Mittelfranzösisdien. Eine syntaktisch-stilistische Studie. Z R P h , Beihefte 123. Tübingen 1970. WUNDERLICH, Hermann, Beiträge zur Syntax des Notker'schen Boethius. Diss. Berlin 1883. WUNDERLICH, Hermann, und REIS, Hans, Der deutsche Satzbau. I und II. Stuttgart und Berlin 1924»/1925».

Inhalt Vorwort Literaturverzeichnis

VII IX

I. TEIL

Einleitende Kapitel 1.1. 1.2. 1.3. 1.4. I. 5. 1.6. 1.7. 1.8.

Unsere Aufgabe Abkürzungen Begriffe Zitatbezeichnungen und Sdireibung althochdeutscher Zitate Zusammenfall von Indikativ und Konjunktiv in eine Form Einteilung und Darlegung unseres Materials Zahlen, Statistik Methodischer Ansatz

1.8.1.

BEHAGHEL

1.8.2. 1.8.3. I. 8.4. 1.8.5. 1.9. 1.9.1. I. 9. 2.

Sinneffekte Die Motivation des Konjunktivs Die Bedeutung des Konjunktivs und des Indikativs: Grundwert . . Lateinischer Einfluß Unabhängiger und abhängiger ahd. Modusgebraudi Unabhängiger Modusgebraudi in der Übersetzung Stufen der syntaktischen Unabhängigkeit in Notkers althochdeutschen Kommentar-Nebensätzen

3 3 4 5 6 6 8 9 9

10 11 12 14 15 15 16

II. TEIL

Besprechung einiger NS-Arten II. A. Die Konditionalsätze im Indikativ A. 1.

Allgemeine Einleitung

23

A. 2. A. 2 . 1 . A. 2 . 1 . 1 .

Die indikativisdien übe-Sätze Einleitende Kapitel Indikativ des Konditionalsatzes und Wirklichkeit

23 23 23

XIV A. 2.1. 2. A. 2.1. 3. A. 2. 2. A. 2.2.1. A. 2. 2. 2. A. 2. 2. 3. A. 2. 2. 3.1. A. 2. 2. 3. 2. A. 2. 2. 3. 3. A. 2. 2. 3. 4. A. 2. 2. 4. A. 2. 2. 5. A. 2. 3. A. 2. 3.1. A. 2. 3. 2. A. 2. 3. 3. A. 2. 3. 4. A. 2. 3.4.1. A. 2. 3. 4. 2. A. 2. 3. 5. A. 2. 3. 5.1. A. 2. 3.5.2. A. 2. 3. 5. 3. A. 2. 4.

A. 3. A. 3.1.1. A. 3.1.2. A. 3.2. A. 3. 2.1. A. 3.2.2. A. 3.3. A. 3. 3.1. A. 3. 3.2. A. 3.4.

A. 4. A. 4.1.

Inhalt Indikativische wte-Sätze: Ubersicht Indikativische ube-S'itze: Modus und Konstruktion wie Latein (Tabelle) Indikativische übe-Sätze / entsprechende indikativische »-Sätze . . Ahd. Indikativ Präsens / Lat. Ind. Präs. in NS und übergeordnetem Satz (üS) Ahd. Indikativ Perfekt / Lat. Indikativ Perfekt Futurum in der lateinischen Vorlage Ahd. Indikativ Präsens / Lat. Futurum im üS Ahd. Indikativ Präsens / Lat. Futurum im «'-Satz Ahd. Indikativ Präsens / Lat. NS und üS im Futurum poiin't im lat. üS Ahd. üS im Ind. Präs. (evtl. MV) / Lat. üS im Potentialis Einfachste Konstruktionswedisel: Unterdrückung eines (konjunktivischen) Nebensatzes in indikativischem Satzrahmen Vom Latein abweichende indikativische ube-Sivtt Selbständige indikativische »te-Sätze der Übersetzung (Tabelle) .. Konstruktionswedisel: von lat. infiniten oder nominalen Formen herstammende indikativische übe-Sätze Konstruktionswechsel: aus nicht-konditionalen indikativisdien lat. Sätzen entstandene übe-Sätze Konstruktionswedisel: Vorlage ist ein lat. Verb im Konjunktiv, jedoch in einem Satz anderer Art Ahd. ube-Savt / Lat. cum causale Ahd. übe-Satz / Lat. HS mit Potentialis Die Wiedergabe des lat. Potentialis in ii'-Sätzen Der lat. »-Satz steht im Potentialis, der lat. üS im Indikativ Präsens Der lat. üS steht im Futurum Das lat. Gefüge steht ganz im Potentialis Indikativische «fce-Sätze in Notkers freien Zusätzen

Die indikativisdien Konditionalsätze ohne Bindewort (BW) Indikativische Konditionalsätze ohne BW: Übersicht Indikativische Konditionalsätze ohne BW: Modus und Konstruktion wie Latein (Tabelle) Indikativische ahd. Konditionalsätze ohne BW (mit Anfangsstellung des finitiven Verbs) / entsprechende lateinische «-Sätze Ahd. Indikativ Präsens / Lat. Indikativ Präsens in NS und üS . . . . Futurum in der lateinisdien Vorlage Vom Latein abweidiende indikativische Konditionalsätze ohne BW Selbständige Indikative in Konditionalsätzen ohne BW (Tabelle) .. Die Wiedergabe des lat. Potentialis von «-Sätzen Indikativische Konditionalsätze ohne einleitendes Bindewort in den freien Zusätzen Indikativische Konditionalsätze mit MV Einleitende Kapitel

27 27 27 28 29 29 29 30 30 31 33 34 35 35 36 36 37 37 37 39 40 42 44 44

45 45 45 46 46 47 48 48 48 49 50 50

Inhalt A. 4.1.1. A. 4.1.2.

XV

A. 4. 2. A. 4. 2.1. A. 4. 2.1.1. A. 4.2.1.2. A. 4. 2. 2. A. 4. 3. A. 4.4. A. 4. 4.1. A. 4.4. 2.

Indikativische Konditionalsätze mit MV: Übersicht Die Leistung des Modalverbs im Konditionalsatz: Beispiel mit zusätzlichem mag Der Indikativ von mugen im Konditionalsatz potest (nequeunt, valent) im «'-Satz steht als Vorbild für mag mag in «¿e-Sätzen mag in Konditionalsätzen ohne BW Moduswechsel: übe mag / si queat Der Indikativ sol im Konditionalsatz Der Indikativ uuile im Konditionalsatz Distribution und modale Werte von uuile Zusätzliches ahd. uuile

50 52 54 54 54 55 56 56 57 57 58

A. 5.

Zusammenfassung: Der Indikativ der ahd. Konditionalsätze

59

II. B. Die Konditionalsätze im K 1 B. 1.

K l-«ie-Sätze: Übersicht

62

B. 2. B. 2.1. B. 2.2. B.2.3. B. 2.4.

Ahd. K 1 der indirekten Rede Wie Latein Form und/oder Funktion anders als Latein Zusätzliches ahd. MV Freier Zusatz

63 63 63 63 64

B. 3. B. 3.1. B. 3.2.

64 64

B. 3. 3.

Ahd. K 1 im Konditionalsatz zu einem auffordernden üS K l von uuellert als Kennzeichen dieses Typus Erklärung des Konjunktivs in Konditionalsätzen mit Imperativ im übergeordneten Satz (üS) Der Indikativ im einen Imperativ bedingenden Satz

B. 4. B.4.1. B. 4. 2. B. 4. 3.

Die übrigen K l-K&e-Sätze Ein Einzelfall Abhängigkeit des »¿«-Satzes von vergleichendem danne Assimilation an einen üS-Konjunktiv mit forderndem Sinneffekt ..

69 69 69 70

B. 5.

Zusammenfassung

71

66 68

II. C. Die Konditionalsätze im K 2 C. 1.1. C. 1.2.

C. 2.

K 2-»£e-Sätze: Übersicht K 2 in Konditionalsätzen ohne einleitendes BW (mit Verb in Anfangsstellung): Übersicht

73 74

Sinneffekte des K 2 in Notkers nicht speziell auf die Vergangenheit bezogenen Konditionalsätzen

74

XVI C. 2.1. C. C. C. C.

2. 2. 2. 3. 2.4. 2. 5.

C. 3. C. 3.1. C. 3. 2. C. 3. 3. C. 3. 4.

Inhalt In bezug auf die außersprachliche Wirklichkeit schlechthin ungültiges Geschehen Bezug auf gedachte oder auf nur angenommene Tatsächlichkeit . . . . Die Ungültigsetzung gilt nidit schlechthin Zeitlos-allgemeine Ungültigsetzung Zusammenfassung C. 2.1. bis C. 2. 4

74 75 76 77 77

Moduswechsel: Ahd. K 2 für lat. K 1 Potentialis Kontextsituation und Realität Andere Bezugssituation als im Latein führt zu ahd. K 2 Moduswechsel und Wortwahl Das Verhältnis von K 1 und K 2 im mit vergleichendem danne kombinierten K&e-Satz

78 78 79 83

84 84 84

C. 4. 4.

Ahd. K 2 als Irrealis der Vergangenheit (Irrealis II) Ahd. Konjunktiv Plusquamperfekt Präteritale Bedeutung des K 2 im Konditionalgefüge Die Fachliteratur über das Problem der präteritalen Bedeutung des K 2 im Konditionalgefüge Zusammenfassung C. 4.1. bis C. 4. 3

C. 5.

Oratio obliqua und K 2 in übe-Sätzen

91

C. 6. C. 6. 1. C. 6. 2.

Der K 2 in Notkers freien Zusätzen Ungültigsetzung schlechthin durch K 2 Der K 2 als Irrealis der Vergangenheit

92 92 92

C. 7.

Zusammenfassung: Wichtigste Sinneffekte des K 2 im Konditionalgefüge vom Typus übe uuare — so uuare

92

C. 4. C. 4.1. C. 4. 2. C. 4. 3.

83

86 90

II. D. Die Konzessivsätze D. 1.

D. 2. D.2.1. D. 2.2. D. 2. 3. D. 2. 4. D. D. D. D.

2. 5. 2. 5.1. 2. 5. 2. 2. 6.

D. 2. 7.

Die Verwandtschaft mit den Konditionalsätzen; ein Beitrag zum Problem der Interferenzen Die doh-Sätze Übersidit Kontextsituationen Problematik einer inhaltlidi-synchronischen Moduserklärung Durch den Kontext als tatsächlich erwiesenes Geschehen wird durch den Konjunktiv zur „eingeräumten Annahme" Die nähere Spezifikation des Konjunktivs in Notkers doh-Sätzen .. K 2 als Irrealis K l und K 2 als Wunschmodus? Der Konjunktiv des Konzessivsatzes als Zeichen eingeschränkter Gültigkeit Zusammenfassung

94 96 96 97 97 98 100 100 101 101 102

Inhalt D. D. D. D. D. D. D. D.

3. 3.1. 3.2. 3. 2.1. 3.3. 3.4. 3. 4.1. 3. 4. 2.

XVII

Tabellarische Zusammenstellung der übrigen Konzessivsätze danne-Sätze so ( - . . .)-Sätze Entsprechende verallgemeinernde so (-.. .)-Sätze Einzelbelege, Reste Konzessive Konditionalsätze Als konzessiv gekennzeichnete Sätze Nur latent konzessive Konditionalsätze

102 102 103 103 103 104 104 104 104 105 107 108 108 109 109

D. 4. 8. D. 4.9.

Konjunktivische danne-Sätze mit konzessiver Nebenbedeutung . . Die Bedeutungen von danne Der Konjunktiv kausal-instrumentaler danne-S'itze Die konzessive Bedeutung von danne Lateinische Vorbilder Äußere Kennzeichen Die Art der Satzbeziehung Unterscheidung des kausal-adversativ-konzessiven danne-Satzes vom ahd. doh-Satz, dem Haupttypus des ahd. Konzessivsatzes . . Der Konjunktiv der kausal-adversativ-konzessiven danne-Sätze . . Der K 2 in kausal-adversativ-konzessiven danne-Sätzen

D. D. D. D.

Der Konjunktiv der (konzessiven) jo-««io-Sätze Reine Modalsätze Zwischengruppe Konzessive io-«»io-Sätze

113 114 114 114

D. 4. D. 4.1. D. 4.2. D. 4. 3. D. 4.4. D. 4. 5. D. 4. 6. D. 4. 7.

5. 5.1. 5.2. 5. 3.

D. 6.

D. D. D. D. D.

7. 7. 1. 7. 2. 7. 3. 7. 4.

D. 8. D. 8.1. D. 8.2. D. 8. 3. D. 9.

D. 9. 1. D. 9. 2. D. 9. 3.

Konjunktivische Konzessivsätze mit Anfangsstellung des Verbs

finiten 115

Konjunktivische so- und so-uueder-S'itze als konzessive Alternativen Betrachtung verwandter konjunktivischer Satztypen so ... so... + K 1: konzessive Alternativen so-uueder + K 1: konzessive Alternativen Restgruppe: Bemerkung zu den beiden konjunktivischen Sätzen ohne BW und mit Schlußstellung des finiten Verbs Ansätze zu indikativischen konzessiven so-, also-, so-uuelerso-uueder-Sätzen Ansätze zu indikativischen konzessiven io-Sätzen Verallgemeinernd-konzessives also so-uueler, so-uueder + Indikativ

111 112 113

116 116 117 118 119

und

Konzessives übe (ouh): Einbruch des Indikativs als Modus bei konzessiver Satzbeziehung, ausgehend von den konzessiven Konditionalsätzen Ahd. Indikativ durch Moduswechsel Konjunktiv 1 Konjunktiv 2

119 119 120 120

121 122 122 122

XVIII D. D. D. D.

10. 10.1. 10. 2. 10. 3.

Inhalt Konzessivsätze ohne BW: Anfangsstellung des finiten Verbs Indikativische Sätze (mit ouh) Konjunktivische Sätze: K 2 Beispiele ohne ouh: mit K 2

122 122 123 123

D. 11.

Der Unterschied zwischen dem K 2 Irrealis im HS des Konzessivgefüges und dem K 2 Irrealis im HS des Konditionalgefüges 124

D. 12.

Zusammenfassung D. 3. bis D. 11

126

II. E. Konjunktionslose Konjunktivsätze E. 1.

E. 1.1. E. 1.2. E. 1.2.1. E. 1. 2.2. E. 1.2. 2.1. E. 1.2. 2. 2. E. 1. 3. E. 1. 4. E. 1. 4.1. E. 1.4.2. E. 2.

Die negierte konjunktivische Bedingung (konjunktionslose negierte Konditionalsätze mit obligatem Konjunktiv, Verb in Zweitstellung; sog. Exzeptivsätze) Tabelle Beschreibung des Satzcharakters Formale Typik Inhaltsbezogene Typik der Gültigkeitsverhältnisse (bei K l ) Die Gültigkeit des voranstehenden üS-Geschehens Die Gültigkeitsverhältnisse in der negierten konjunktivischen Bedingung Zusammenfassung: Der K 1 der negierten konjunktivischen Bedingung ohne Bindewort K 2 in der negierten konjunktivischen Bedingung Indikativischer üS K 2 im üS

129 129 129 130 131 132 132 134 135 135 136

E.2.1. E. 2. 2. E. 2. 3.

Die konsekutiven negierten Konjunktivsätze ohne Bindewort (Modalsätze) 136 Typus mit K 1 / Irrealis I 136 Typus mit K 2 / Irrealis II 137 Konsekutive negierte Konjunktivsätze ohne Bindewort: Übersicht 138

E. 3. E. 3.1. E. 3. 2.

Die ««¿e-Sätze Übersicht Der K 1 des nube-Satzes

139 139 139

E. 4. E.4.1. E. 4. 2.

Konjunktionslose Attributsätze (nur mit K l ) Übersicht Der K 1 ist Zeichen der Ungültigkeit

141 141 142

E. 5. E. 5.1. E. 5. 2. E. 5. 2.1. E. 5. 2. 2.

Die konjunktivischen Objektsätze ohne Bindewort (BW) Übersicht Objektsätze zu übergeordnetem uuanen Indikativ für voll gültige Geschehen Der Konjunktiv als Normalsmodus nach uuanen ( K l )

143 143 144 144 144

Inhalt

XIX

E. 5. 3. E. 5.4. E. 5. 4.1. E. 5. 4. 2. E. 5. 5.

Negierte konjunktivisdie Sätze Konjunktionslose Objektsätze mit K 2 Muolti got + Konjunktivsatz (K 2) uuolta + Konjunktivsatz (K 2) Zusammenfassung E. 5.1. bis E. 5. 4. 2

145 146 147 147 148

E. 6.

Konjunktionslose Subjektsätze ( K l )

149

E. 7.

Zusammenfassung E. 1. bis E. 6

150

Sdilußwort

151

III. TEIL

Statistik F. G. H. H. 1. H. 2. J. J. 1. J. 2. J. 3. K. L.

Gesamtübersicht: Der Modusgebraudi in den Nebensätzen der Consolatio-Übersetzung Übersicht 1: Modusform und Konstruktion stimmen mit der lateinischen Vorlage überein Ubersichten 2 a und 2 b: Konstruktionswechsel Lat. infinite Formen / ahd. NS mit finitem Verb Übersicht 2 b: Ahd. Nebensätze aus lat. NS anderer Art oder aus lat. HS Übersidit 3: Moduswedisel bei gleicher Konstruktion Haupttendenz: lat. Konj. / ahd. Ind. — Indirekte Rede Lat. Indikativ / ahd. Konjunktiv Lat. Konj. / ahd. Konj. anderer Form Übersicht 4: Notkers freie Zusätze Belegstellen (Auswahl) und Anmerkungen zu Teil III

171 176 176 177 177 182 185

Bemerkungen zu Konjekturen in SEHRTS Ausgabe Bemerkungen zu problematischen Formen der Handschrift Register

198 198 199

155 159 164 164

I.TEIL

Einleitende Kapitel

1.1. U n s e r e

Aufgabe

1. Wir untersuchen den Modusgebraudi, das heißt die Anwendung des Indikativs und des Konjunktivs, in Nebensätzen der ConsolatioUbersetzung Notkers III. — Nicht unser Ziel ist es also, eine Modustheorie aufzustellen und zu beweisen. 2. Besonders beachtet wird das Verhältnis der ahd. Modi zu den lateinischen: Ist lateinischer Einfluß feststellbar? Auf ganze Satzkategorien? In Einzelfällen? Und unter welchen Bedingungen? 3. Ist der Notkersche Gebrauch der Modi, besonders des Konjunktivs, im Vergleich zum lateinischen Gebrauch mehr inhaltsbezogen-frei und weniger grammatikalisiert, weniger normiert? Unsere Untersuchung geht von den Verbformen, von den flexivischen Moduszeichen aus. Das Material nach formalen Kategorien geordnet zu präsentieren ist ein Hauptzweck. Modalverben (einschließlich sin ze und haben ze im Sinne von ,müssen') werden berücksichtigt, aber nicht ausführlidi theoretisch behandelt. Zuweilen fragen wir von der Sprechsituation und der Gültigkeit des Geschehens aus darnach, ob die verwendete Form adäquat sei. Bei der Untersuchung treffen drei Sprachen, drei Denksysteme, die sich oft nicht ganz decken, aufeinander: das Latein des Boethius, das Althochdeutsche Notkers und das Neuhochdeutsche des Interpreten. Die daraus sich ergebende Problematik wird nach Möglichkeit berücksichtigt. Zuweilen werden die nhd. Ubersetzungen Gotheins, Endres' und Neitzkes herbeigezogen (vgl. Literaturverzeichnis).

4

I. Einleitende

1.2. BW C HS K Kl K 2 MV + mag N Nb Nc Nps NS R RS S. ÜS

z.

»L-S-178

Kapitel

Abkürzungen

Bindewort, Konjunktion vor Seiten- und Zeilenangaben, z.B.: C 127.10, weist darauf, daß der lat. Satz in einem Carmen steht Hauptsatz, Hauptsätze Konjunktiv Konjunktiv Präsens (Perfekt besonders vermerkt) Konjunktiv Praeteriti (Plqupf. besonders vermerkt) Modalverb zusätzliches ahd. MV mag (ohne lat. Vorbild) Notker III. Labeo (Notker der Deutsche), gest. 1022 Notkers Übertragung von De consolatione philosophiae des Boethius Notkers Capella-Übersetzung Notkers Psalmen-Übersetzung Nebensatz, Nebensätze Remigius-Kommentar Relativsatz vor Seitenzahlen verweist auf Seiten dieser Arbeit; Verweise auf die Literatur stehen ohne S. übergeordneter Satz Zeile (in SEHRTS Ausgabe) Anmerkungen zum III. Teil, S. 185—197.

1.3.

Begriffe

Wir haben keinen Anlaß, auf die alten Bezeichnungen zu verzichten; sie sind stets nur Etiketten altbekannter Erscheinungen, erklären aber nie die Sache. Unsere Arbeit besteht darin, die Bedeutung dieser Begriffe zu objektivieren. Auch nach dem heutigen Stande des Wissens geschaffene sprechende Begriffe würden dereinst veralten. K 1 und K 2 sind uns nur bequeme Abkürzungen zur Bezeichnung zweier morphologischer Gruppen. Um Mißverständnisse auszuschließen, definieren wir einige Begriffe in alphabetischer Reihenfolge: abstrakt Bedeutung Geschehen

1

betr. Konditionalsätze: spezielle die Gültigkeit betreffende Kontextgegebenheiten nicht berücksichtigend; vgl. S. 26. vgl. Anm. 10 Verbinhalt (Vorgänge, Zustände) mit den zugehörigen Inhalten, welche von der Modusaussage mitbetroffen werden und welche die Moduswahl u. U. motivieren 1 .

Die Modusaussage betrifft außer dem Verbinhalt noch andere Größen des Satzes, und oft findet sich in ihnen das Motiv der Moduswahl: In „Tränkest du dieses Wasser . . i s t der Verbinhalt (und mit ihm das ganze Geschehen) ungültig gesetzt; in „Wäre dies W a s s e r . . . " ist auch das Prädikatsnomen ungültig, und in „Wäre dies eine giftige Flüssigkeit..." ist — je nach der Betonung — „giftige Flüssigkeit" oder nur „Flüssigkeit" oder nur „giftig" ungültig gesetzt. Meistens ist spontan erfaßbar, welche Größen von der Modusaussage betroffen werden und also zum „Geschehen" gehören. So verzichten wir auf eine Systematik dieser Größen.

1.4. Zitatbezeichnungen und Schreibung althochdeutscher Zitate

5

irreal

ungültig in bezug auf eine kontrollierbare Kontext-Situation (ungültig schlechthin, momentan ungültig oder „zeitlos", d. h. zeitlich unbestimmt ungültig).

Irrealis II

in der Rückschau ungültig gesetzte Geschehen, die in bezug auf ein entgegengesetztes vergangenes Gesdiehen ungültig sind, bezeichnend.

konkret

mit Bezug auf spezielle, die Gültigkeit betreffende Kontextgegebenheiten; konkrete Konditionalsatz-Geschehen vgl. S. 26.

Kontext

Zum Kontext im weiteren Sinne gehört die ganze geistige Persönlichkeit des Autors, im besonderen auch sein Konzept der äußern Wirklichkeit (Realität).

kontextoffen

vgl. S. 10,12 u.

modal

die Gültigkeit des Geschehens betreffend; ausnahmsweise: die Art und Weise betreffend

Modus

an das Verb gebundene, flexivische Information über die Gültigkeit des Geschehens

Modusaussage

Aussage in bezug auf die Gültigkeit des Geschehens.

Nutzwert

Spezifikation des Modus-Grundwertes, besonders aber des Konjunktiv-Grundwertes durch den Kontext. Die Form uuare z. B'. ist erst zusammen mit dem Personalpronomen als Indikativ Praeteriti (du uuare) oder als Konjunktiv Praeteriti (ih/er uuare) bestimmt. Dem Konjunktiv uuare aber sehen wir nicht an, ob Irrealis I oder Irrealis II oder diesen Konjunktiven verwandte Nutzwerte, ob Wunsch oder Forderung, ob Konjunktiv der indirekten Rede, ob Vorzeitigkeit bei präsentisdier oder Gleichzeitigkeit bei präteritaler Lage des Textes gemeint sei. Der Nutzwert des Konjunktivs ergibt sich demnach in modaler und temporaler Hinsicht erst suo loco als Sinneffekt aus dem Kontext heraus. Vgl. Anm. 97.

Sinnefiekt

vgl. I.8.2., S. 10.

1.4. Z i t a t b e z e i c h n u n g e n u n d S c h r e i b u n g althochdeutscher Zitate 1. Die Seiten- und Zeilenangaben bezeichnen auch bei längeren lateinisch-althochdeutschen Zitaten immer den Beginn des Nebensatzes, der zur Diskussion steht (also ofl nicht den Zitatbeginn). 2. Fachliteratur wird unter dem Namen des Verfassers mit der Seitenzahl zitiert; der Werktitel ist dem Literaturverzeichnis zu entnehmen. Wenn mehrere Schriften eines Verfassers in Frage kommen, geben wir neben dem Verfassernamen das Erscheinungsjahr an. Wir schreiben wie die Ausgabe SEHRTS der Handschrift entsprechend: q für lat. ae, v oder f, v oder u, uu für w. 3.

6

I. Einleitende

Kapitel

Dagegen lassen wir im allgemeinen die Akut- und Längezeichen weg. Nur zuweilen setzen wir einen Akut als Lesehilfe, z. B.: uuünder. Längezeichen der Verbalendung setzen wir auch nur ausnahmsweise, z. B., wenn die Länge als Bedeutungsträger auftritt: 2. P. Sg. K 1 2 . P . PL K l 3.P.PI. K l

uf-hevest iruuellent sieuuellen

: : :

uf-hevest iruuellent sieuuellen

(Indikativ) (Indikativ) (Indikativ)

I. 5. Z u s a m m e n f a l 1 v o n I n d i k a t i v K o n j u n k t i v in e i n e F o r m

und

Homonymität besteht besonders in der 1. Pers. PI. (-en: Ind. Präs./ K l) 2 . Da aber für alle andern Personen und von einzelnen Verben selbst für die 1. PI. deutliche Formen bestehen (bim : sin; 1. PI. der Präteritopräsentien), ist das System grundsätzlich intakt und das Modusempfinden als in allen Personalformen vorhanden erwiesen. Je nach Kontext (Inhalt) und Satzart ist die homonyme Form als Konjunktiv oder als Indikativ empfunden. Dem Formenzusammenfall entspricht keine Funktionsverblassung, weil Satzart und Inhalt die Funktion determinieren. Daher brauchen wir kein Inventar der homonymen Formen aufzustellen.

1.6. E i n t e i l u n g

und D a r l e g u n g Materials

unseres

Bei der Einteilung gehen wir von den Formen aus: von den ahd. Modusformen und den ahd. Satzeinleitungen3. So erhalten wir einerseits eine Dreiergruppierung: Indikativ — Konjunktiv 1 — Konjunktiv 2, andrerseits die Reihe von gegen 50 verschiedenen Nebensätzen, die je nochmals unterteilt werden in Beispiele mit oder ohne Modalverb. Darüber hinaus bilden wir 4 (bzw. 5) Gruppen je nach der Art der Abhängigkeit vom Latein. Dies führt zur folgenden Organisation des Materials, die alle uns interessierenden Aspekte hervortreten läßt: In strukturalistischer Sicht behandelt O.WERNER, ZfdPh 84, 1965, 111/115 den Modussynkretismus, doch ist der Stand bei Notker nicht berücksichtigt. ' Bei so-, danne- und daz-S'itzen und bei Sätzen ohne BW müssen wir zur weiteren Einteilung allerdings noch Bedeutungsmäßiges, die Satzbeziehung, berücksichtigen.

1

Nach denselben Gesichtspunkten werden die konjunktivischen Sätze — gesondert nach K 1 und K 2 — erfaßt. Hier noch nicht sichtbar ist die Aufteilung in die Nebensatzkategorien, welche aber für unsere Untersuchung wesentlich ist. Wenn es auch kaum je vorkommt, daß die Art der HS-NS-Beziehung letztlich durch den Modus determiniert wird 4 , so ist die exakte Feststellung der Satzbeziehung und allfälliger Interferenzen doch oft ein wesentlicher Bestandteil der Moduserklärung (vgl. z. B. die danne-Sätze, S. 105 f.). Das Einteilen althochdeutscher Nebensätze ist freilich noch immer eine schwierige Aufgabe. Beim Anstreben einer un4

267.26. Der K bezeichnet Finalität (gegenüber Kausalität). 200.22 Indik. bezeichnet Folge (gegenüber Finalität); ähnlich 349.5. Der Infinitiv nemugen bezeichnet den Acl (gegenüber einem N S ohne BW mit nemugiri). 210.18 samo-so + K 1 = ,als o b . . (samo-so + Ind. = ,wie . . . ' : 223.9).

8

I. Einleitende

Kapitel

seren Zwecken dienlichen Lösung konnten wir uns auf die Arbeiten von D. HANDSCHUH und D. WUNDER stützen, und wir sind ihnen zu Dank verpflichtet. WUNDER hat auf breiterer Basis die Problematik der Interferenzen verschiedener Satzbeziehungen aufgegriffen: Eine solche Darstellung bedeutet, abgesehen vom nicht zu ermessenden Zeitaufwand, ein wissenschaftliches Wagnis — ein notwendiges. Für uns aber bedeutet die Aufteilung nur ein Mittel: zum Zweck der übersichtlicheren Darlegung des Materials und gelegentlich zur Erklärung der Modi. Die Aufteilung bleibt oft genug, aus verschiedensten Gründen, fragwürdig 5 . Im großen und ganzen übernehmen wir die Einteilung HANDSCHUHS; wir unterscheiden uns von ihr durch den Verzicht auf eine Trennung konditionaler und temporaler io-Sätze 6 . Weiter teilen wir durch ane und durch komparatives danne eingeleitete Nebensätze einzelnen NS-Kategorien zu; ane allein leitet keine Sätze ein (HANDSCHUH, 30), und komparatives danne ist häufig als Satzellipse aufzufassen 7 . 1.7. Z a h l e n ,

Statistik

Unsere Betrachtung des Modusgebraudis erstreckt sich auf alle Nebensätze in Notkers Consolatio-Übersetzung; jeder NS erscheint einmal in den Statistiken des III. Teiles. Die Zahlen sind nicht Selbstzweck, sondern dienen als Indikatoren. Kleinere Ungenauigkeiten, die sich etwa durch die Willkür des Interpreten ergeben mögen, sind als irrelevant hinzunehmen. Unterschiede zu Zählungen HANDSCHUHS können darauf beruhen, daß wir die Anzahl finiter NS-Verben angeben, die mit der Anzahl 5

Die Einteilung kann fragwürdig sein, wenn Zusammengehöriges auseinander gerissen wird, dann audi, wenn Interferenzen nidit berücksichtigt werden können: Die so-Sätze haben wir in einer einzigen „temporal-konditionalen" Kategorie zusammenfassen müssen, obsdion ihre Scheidung auch modale Aspekte hätte. — Audi Beispiele wie 70.12 (daz), wo bei unklarer Abhängigkeit von einem finiten Verb oder einem Partizip verschiedene Interpretationen — Objektsatz, Kausalsatz, Instrumentalsatz, Folgesatz — möglich sind, zwingen zu einem nie ganz willkürfreien Einteilungsentsdieid. • HANDSCHUH, 33, 49, bringt Notkers (nicht-komparative) JO-Sätze trotz eigenen Bedenken vor allem im Feld der temporalen Konjunktionen unter; der Zustand bei N scheint aber doch nidit so sehr von dem bei Otfrid verschieden. WUNDER rechnet alle so-Sätze mit iterativen Geschehen zu den konditionalen. Das Ausscheidungsmerkmal „iterativ" scheint auch auf Notkersdie Sätze anwendbar zu sein; so übersetzt auch N 289.5/8 ein iteratives cum mit übe. Aber 43.27 Tu getuost ze uuintere. so daz loub riset. ¿kürzeren tag. tanne diu naht si ist zwar iterativ, nidit aber bedingend gedacht. So befriedigt Wunders Einteilungsprinzip nidit ganz. 7 übe-Sätze: 197.23 dcinne übe, 93.3 übe zu ergänzen (vgl. dagegen den ausgeführten danne-S&tz. 278.23 mit lat. Vorlage quam si); RS: 256.11 tanne der; kausal-instrumentale daz-Sätze: 358.13, 154.1 ane daz usw. Vgl. die Angaben HANDSCHUHS, 29. «ne-Sätze gibt es nidit, während komparative danne-Sitze zu finden sind.

1.8. Methodischer

Ansatz

9

der NS-einleitenden Partikeln nicht identisdi ist, sondern oft größer als sie. (Die Zahl finiter NS-Verben der Ubersetzung ist auch wesentlich größer als die der lat. Vorlage; dies beruht auf der jeder Übersetzung innewohnenden Tendenz zur Amplifikation, dann auf einer Vorliebe des Ahd. für finite Formen anstelle lat. infiniter, vgl. Übersicht 2 a, S. 164 f., 168 f.). 1.8. M e t h o d i s c h e r I. 8 . 1 .

Ansatz

BEHAGHEL

Wir wollen eine synchronisch-systematische Darstellung des Modusgebrauchs in Nebensätzen geben. Dafür ist der Consolatio-Text gut geeignet, weil er aus einem Zwiegespräch (zwischen der Philosophie und Boethius) besteht, so daß wir dank einer oft lebendigen Gesprächssituation zur Intention des Sprechers und zum aufnehmenden Verständnis des Hörers im allgemeinen gut Zugang finden. Eine alleinige Orientierung an Verhältnissen, wie sie im H S gelten oder wie sie für die Vorzeit mit angeblich rein parataktischer Ausdrucksweise erschlossen worden sind, kommt für uns also nicht in Frage. Und so fällt auch der Bericht über unsere Auseinandersetzung mit BEHAGHELS Ergebnissen kurz aus. Niemand wird BEHAGHELS methodischen Ansatz 8 heute noch übernehmen wollen; dies würde nur zu einer Bestätigung seiner Modusregeln führen. Interessant daran wäre allerdings, einmal ein vollständiges Inventar der Ausnahmen zu erstellen. Ist es einerseits das große Verdienst BEHAGHELS, konkrete, praktische Schulregeln über den Konjunktivgebrauch gegeben zu haben 9 , so ist die Behandlung der zahlreichen „Ausnahmen" oft nicht annehmbar: „Analogie", „Einfluß anderer Nebensätze", „lateinischer Einfluß", „Einfluß des Hauptsatzes", „Assimilation", „Reimzwang", „Schreibfehler" sind fragwürdige Begriffe einer Moduserklärung. Sie halten vielleicht einen Tatbestand fest; sie erklären ihn aber nicht. Soll nämlich das Moduszeichen eine lebendige Bedeutung haben, so fragt man sogleich nach den Gegebenheiten, welche den „Einfluß" usw. ermöglicht haben. Auch wenn bei einem Übersetzer die lateinische Vor8

BEHAGHEL, III, § 1236: „Der Modus des Nebensatzes läßt sich entweder unmittelbar aus einem Zustand erklären, w o der Nebensatz die Gestalt des selbständigen Satzes besaß und mit dem jetzt vorliegenden Hauptsatz parataktisch verknüpft war. Oder er ist dem Modus eines aus solcher Fügung entstandenen Nebensatzes nachgebildet." — Dieser Ansatz ist fatal, weil der Angelpunkt jeder Moduserklärung in einen rekonstruierten Sprachstand verlegt wird. — Ausnahmen werden von BEHAGHEL akzeptiert: „Daß eine Regel nicht ausnahmslos wirkt, ist kein Beweis gegen ihre Gültigkeit" (665; 675 Anm. usw.).

• WUNDER, 4 9 5

f., faßt

BEHAGHELS

Darstellung des Konjunktivs zusammen.

10

I. Einleitende

Kapitel

läge einen Konjunktiv unmittelbar veranlaßt haben sollte, ist doch zu versuchen, diesen Konjunktiv aus seinem eigenen Wesen und aus der Kontextsituation als tragbar zu begründen. Druck von außen kann sich nur unter gewissen inhaltlichen Voraussetzungen durchsetzen. Mit andern Worten: Wir haben jeden Modusgebraudi, sei es der satztypisch automatisierte, sei es ein gut belegter oder ein einmaliger — sei es ein dem Latein gemäßer oder entgegengesetzter, ein übersetzter oder freier Modusgebrauch, mit demselben Maßstab zu messen. Gerade dies war mit BEHAGHELS Methode nicht möglich, da sie Hierarchien annimmt und mit primären, sekundären, tertiären . . . Modus-Faktoren rechnen mußte.

1.8.2. S i n n e f f e k t e Wörter wie z. B. „Löwe" haben je nach Kontext verschiedenartigste Bedeutungen: Löwe, Katze, Hasenfuß (ironischer Gebrauch), Held, Mensch, der in der Gesellschaft imponieren will (Salonlöwe). Doch, welche Sinneffekte durch die verschiedenen Kontexte auch herausgeholt werden, sie stehen alle mit einer Grundbedeutung in Zusammenhang. Mit dem Moduszeichen verhält es sich nicht anders: es hat nur eine Grundfunktion, doch produzieren sich vielerlei Sinneffekte (nie aber ist das Moduszeichen jeden Sinnes bar). Statt vom Sinneffekt sprechen wir auch vom Nutzwert (vgl. S. 5) des Modus. Daß der Sinneffekt nur suo loco zu ermitteln ist, ruft nach der Interpretation unzähliger Einzelsätze unter Einbezug des weiteren Textzusammenhanges. Dabei entpuppt sich der Konjunktiv als kontextoffen, weil der spezielle Inhalt und Textzusammenhang in einem auffällig ausgeprägten Maße den Sinneffekt bestimmen oder zumindest mitbestimmen kann. Beim Indikativ ist dies zwar auch, aber in einem weniger spezifizierbaren Maße der Fall. Einer der speziellen Sinneffekte des Indikativs, aber keineswegs seine Grundfunktion, ist es z. B., die äußere, kontrollierbare Wirklichkeit als tatsächlich existent („real") zu bezeichnen, wie es auch nur ein spezieller Sinneffekt des Konjunktivs — des K 2 oder K l — sein kann, die Nicht-Existenz (Irrealität) in der äußern Wirklichkeit auszudrücken. Aber wir finden auch nur vorgestellte, nur angenommene Geschehen, die mit dem Indikativ voll gültig gesetzt sind, und andrerseits stehen die realsten und in ihrer Realität keineswegs bezweifelten Geschehen zuweilen im Konjunktiv als bloß eingeschränkt gültig. Die Bezeichnung von Wunsch, Begehr und Forderung, die Bezeichnung der indirekten Rede (als „ohne Gewähr berichtetes Geschehen"), die Bezeichnung der Gleichgültigkeit bei zur Einräumung verwendeten Tat-

1.8. Methodischer

Ansatz

11

sachen oder Annahmen und die Bezeichnung objektiver Ungültigkeit sind die häufigsten Sinneffekte, die der Konjunktiv tragen, das heißt, die der Kontext im Konjunktiv ausdrücken kann. Der Proteus-Charakter dieses Modus zeigt sich auch darin, daß die SinnefTekte in verschiedenen Nuancen interferieren können. Wir werden nun nicht versuchen, eine neue oder modifizierte Systematik dieser Sinneffekte zu geben; Systematik hier ist zwar auch nützlich, gleichzeitig aber ein Widerspruch in sich selbst, weil es eben tatsächlich (beinahe) so viele Modi gibt wie Sätze. Denn der Kontext schwingt je mit und modifiziert die modale Grundbedeutung zu Graden unterschiedlicher Gültigkeit, so daß Indikativ- und Konjunktivwerte sowohl zu nächster Verwandtschaft zusammenrücken als auch in scharfe Opposition treten können. Sinneffekte sind aber für die Motivation des Modus von Wichtigkeit, weil sie zum Teil besser einsichtig sind als die unter Umständen verdeckte Grundbedeutung. So verhält es sich ja auch bei einem Teil der Metaphern („Löwe").

1.8.3. D i e M o t i v a t i o n

des

Konjunktivs

In früheren Darstellungen werden NS-Konjunktive von außen motiviert: parataktischer Urzustand, Analogie, Hauptsatz-Verhältnisse (Konjunktiv, Imperativ, Negation, Verbbedeutungen im üS), die „regierende" Konjunktion, lateinischer Einfluß usw. begründeten den Modus. Keine dieser Sehweisen entbehrt jeden Sinnes. N u r kann die Geschichte eines Nebensatzes und können zugehörige Elemente, wie die Konjunktion oder das übergeordnete Verb, einen Konjunktiv weder ganz erklären noch vor allem motivieren (etwa in dem Sinne, daß sie als Auslöser eines automatisch folgenden Konjunktivs fungieren würden). Das übergeordnete Verb z.B. und der Konjunktiv seines Nebensatzes sind beide gleichermaßen bedingt von der zugrundeliegenden, auszudrückenden Situation; das übergeordnete Verb bedingt den Konjunktiv nicht mehr, als dieser das übergeordnete Verb bedingt. Würden übergeordnete Elemente den Konjunktiv bedingen, so müßte auch der Indikativ als durch übergeordnete Elemente bedingt gedacht werden. Eine Probe solcher Indikativerklärung zeigt das Groteske solchen Vorgehens. Wo auch immer ein Konjunktiv auftritt, hat er zuerst seine eigene Bedeutung; erst dann beginnt das syntaktische Spiel des gegenseitigen Determinierens, das u. a. die Sinneffekte des Konjunktivs zustandebringt. Beim Versuch, die Motivationen des Modusgebrauchs zu ordnen, lassen wir uns von folgenden Überlegungen leiten:

12

7. Einleitende

Kapitel

1. Die Sprache erzwingt einen satztypischen Modusgebrauch und damit eine bestimmte Sicht der Gültigkeitsverhältnisse, und zwar unter Umständen auch über die Gültigkeitsverhältnisse in der äußeren, kontrollierbaren Wirklichkeit hinweg (vgl. die doh-Sätze, S. 96 f.). 2. Der Sprecher gerät in Sprechsituationen, die ihn zur Verwendung des einen oder des andern Modus zwingen. (Hier wird z.B. der Sinneffekt der Realitäts- oder Irrealitäts-Bezeichnung widitig.) 3. Der Modus (besonders der Konjunktiv) wird nach dem Willen des Sprechers zur Erzielung eines Sinneffekts gesetzt. — (Als Extremfall könnte man die Tendenz zur Modus-Übereinstimmung mit der Vorlage ansehen; doch ein allfälliger Wille, diesen Effekt zu erzielen, wäre nur die äußerlichste der Motivationen f ü r die Setzung.) Aus solchen Überlegungen heraus läßt sich im besondern der lat.ahd. Moduswechsel bei gleicher Konstruktion motivieren. 1.8.4. D i e B e d e u t u n g 1 0 des Indikativs: Grundwert

Konjunktivs

und

des

Außer BEHAGHEL nehmen neuerdings auch FLÄMIG (1959), 167, und W. R O T H E , 407—409, mehrere Bedeutungen des Konjunktivs an, während WUNDER, 492 u., zögernd den Konjunktiv als den Modus bezeichnet, „der eine Aussage als nicht-real (tatsächlich oder nur vorgestellt) angibt", 493 u. aber beifügt: „Nicht-Realität der Aussage, mit schwächerem oder stärkerem Wunschcharakter bei einigen Satzarten" und 496/497 dann noch nach diachronischen Gesichtspunkten drei Grundtypen unterscheidet: „Unter methodischen Gesichtspunkten m u ß zumindest der Versuch gemacht werden, eine einheitliche formale Erscheinung wie den Konjunktiv im Ahd. möglichst einheitlich zu erklären, d. h. auf einige Grundtypen einzuschränken." Einheit der Bedeutung sollte also sein und ist doch nicht. D a ß WUNDER sein eigenes Bekenntnis zur Bedeutungseinheit (492 u.) sogleich widerrufen muß, ist die Folge davon, daß er zwischen den verschiedenen Werten auf der Ebene der Rede („parole" oder „discours") und der einen Funktion im System der Sprache („langue") nicht unterscheidet. Auch wir haben es mit dem konkreten Material und seinen Werten auf der Ebene der Rede zu tun; auf dieser Ebene der aktualisierten Sprache, wir wiederholen es, hat der Konjunktiv genau besehen unzählige N u t z w e r t e " ; denn der Konjunktiv ist eine kontextoffene Größe: Sein 10

11

Wir braudien dieses Wort in seinem gewöhnlichsten Sinne, nicht als speziellen wissenschaftlichen Begriff. Vergleiche dazu WUNDERLI, 16 ff.

1.8. Methodischer

Ansatz

13

Wert hängt in außerordentlich starkem Maße vom jeweiligen Kontext ab („Spiegeleffekte"). Durch Abstraktion lassen sich dann Bedeutungsgruppen bilden wie „Forderung", „Irrealität", „indirekte Rede", und durch noch weitergetriebene Abstraktion kommt man zum Grundwert „eingeschränkte Gültigkeit"", welcher in dieser Arbeit dem Konjunktiv zugeschrieben wird. Als sich im Laufe der Arbeit herausgestellt hatte, daß den Zeichen „Indikativ" und „Konjunktiv" je entsprechende einheitliche Grundwerte nachweisbar sein könnten, durfte sich unser Blick von den Erscheinungen des discours auch hinwenden zur Ebene des Sprachsystems, der langue. Denn da die ahd. Sprache mit ihrem intakten Formensystem (vgl. I. 5., S. 6) in jedem finiten Verb eine Entscheidung zwischen zwei Modi, d. h. hinsichtlich der modalen Färbung des Geschehens verlangt, kann mit Recht für jedes Zeichen je eine der andern zugeordnete Grundfunktion im System der Sprache angesetzt werden. Da aber, wie gesagt, nur der Modusgebrauch, nicht eine Modustheorie unser Gegenstand sein soll, haben wir über den Systemwert, den von den konkreten Inhalten des discours ganz gelösten Wert der Moduszeichen, nidit zu handeln18. Der Gegenstand unserer Untersuchung wird also nur "

Begriff WEINRICHS, 1 4 3 .

18

Die Einsidit in die Notwendigkeit, langue und parole (discours) wie DE SAUSSURE zu scheiden, verdanke idi den Übungen und Vorlesungen meiner Zürcher Lehrer R U D O L F H O T Z E N K Ö C H E R L E und G E R O L D H I L T Y , im besonderen den Ausführungen H I L T Y S über die Modi, Vox Romanica 2 4 , 2 8 3 — 2 8 6 , sowie der Arbeit P E T E R WUNDERLIS, die mir im Manuskript zur Verfügung gestellt wurde. Wir weisen noch auf frühere Germanisten, die, ohne die Unterscheidung zwischen langue und parole zu treffen, eine einzige Grundbedeutung des Konjunktivs postuliert haben: O. ERDMANN, Untersuchungen über die Syntax der Sprache Otfrids, I, 1874, § 6 3 , spricht von der „noch gefühlten Gleichartigkeit aller Conjunctive" und §§ 5 9 / 6 0 davon, daß der Modus durdi die „verschiedene Geltung eines Ereignisses im Bewußtsein des Redenden" bestimmt werde, sei es durch die „absolute Geltung" oder durch die „relative Geltung". Der Indikativ sei Ausdruck „der einfachen Anschauung eines in einer bestimmten Zeit stattfindenden . . . Ereignisses". Diese bemerkenswerte systematische Wertung gerät dann zuweilen in Konflikt mit der historischen Sidit (§ 3 4 ) . — In den „Grundzügen der deutschen Syntax", 1886, rückt ERDMANN die Zweiheit Wunsdi/Potentialität leider wieder in den Vordergrund (p. 121, 134). Im einzelnen sind seine Ausführungen immer wieder wertvoll, vgl. auch Anm. 99. Eine einheitliche Grundbedeutung wird auch in W U N D E R L I C H - R E I S geahnt, 1924*, I, 360, Anm.: Alle Konjunktive drücken „eine Milderung" aus. Ähnliches bleibt immer nur sporadisdi, z. B. WUNDERLICH, Beitr. z. Synt. des Notker'sdien Boethius, 107, zu HATTEMER 1 2 5 b. 2 5 .

Eine klare Unterscheidung von Grundwert und Gebrauchsweisen trifft neuerdings SCHIFKO, 1 7 6 f., der den Konjunktiv im Französischen und im Spanischen als „den Modus des nicht in seiner Konkretheit Erfaßten" definiert. — Ein Einwand gegen diese brauchbare Konzeption ergibt sich vom Indikativ her, der m. E. dodi audi nur ' suo loco den Sinneffekt bekommt, ein Geschehen „in seiner Konkretheit" zu erfassen: Im Konditionalsatz wird nämlich überhaupt nur durch den kontextoffenen

I. Einleitende

14

Kapitel

sein, zu zeigen, wie sich die Konjunktive in Notkers Nebensätzen, also auf der Ebene des discours, als Zeichen eingeschränkter Gültigkeit und die Indikative als Zeichen voller Gültigkeit verstehen lassen. Diese beiden Grundwerte betreifen trotz hohem Abstraktionsgrad, da sie auf die konkreten Inhalte der Einzelsätze bezogen und an sie gebunden gedacht sind, streng genommen noch immer die Angelegenheiten der konkreten Rede, nicht der langue. In dieser Hinsicht sind sie, als die abstraktesten der Begriffe, auch die leersten. Aber sie haben den unschätzbaren Vorzug, daß sie je dem einen Zeichen einen einzigen Wert geben, mit dem durch unsern Text hindurch — und wohl auch bei Otfrid — auszukommen sein dürfte. Und zudem werden sie dem Systemwert der Modi auf der Ebene der virtuellen Sprache, der langue, nahekommen oder zumindest nicht geradezu widersprechen. 1.8.5.

Lateinischer

Einfluß

Notker hat, soweit das kontrollierbar ist, die Werte aller Konjunktive der lateinischen Vorlage — wohl vor allem aus der souveränen Erfassung des Gesamtzusammenhanges heraus — richtig verstanden. Nun hat man hinter lateinisch-althochdeutscher Formentsprechung, vor allem beim Konjunktiv, in einem Teil der Fälle fremden Einfluß zu finden geglaubt. Dazu muß vorerst grundsätzlich festgehalten werden, daß weitgehende (formale) Anlehnung als eine Ubersetzertugend eines Lehrers aufgefaßt werden muß, wird er doch zum Vorteil seiner Schüler so entsprechend wie möglich und nur so frei als nötig verfahren. Weiter ist zu bedenken, daß formale Übereinstimmung mittels eines Zeichens, dessen lebendige Funktionstüchtigkeit außer Zweifel steht, nur unter bestimmten bedeutungsmäßigen Voraussetzungen Zustandekommen kann. Bei der Beurteilung möglicherweise vorliegender lateinischer Einflüsse ist also Folgendes zu berücksichtigen: 1. Bloßer formaler Abklatsch ist schon grundsätzlich, besonders aber bei einem Ubersetzer wie Notker, ganz unwahrscheinlich. Andernfalls müßte sich nachweisen lassen, daß das sonst stets lebendige Moduszeichen unter lateinischem Einfluß plötzlich ohne jegliche Bedeutung bloß zwecks Entsprechung als totes Zeichen eingesetzt werden kann. Konjunktiv der Gegensatz „konkret — nichtkonkret" sprachlich relevant, während der Konditionalsatz-Indikativ jenseits dieser Problematik steht und als Modus der abstrahierten Aussage aufgefaßt werden muß (Anm. 18). So wird gerade mit dem Indikativ das Geschehen nicht in seiner Konkretheit erfaßt, während der K 2 immerhin Reflex des entgegengesetzten konkreten Gesdiehens ist (Anm. 19).

1.9. Unabhängiger

und abhängiger

ahd.

Modusgebrauch

15

2. Neben einer Großzahl von echten Funktionsentsprechungen auf Grund genuin althochdeutscher Modusbedeutungen könnten aber immerhin Funktionsentlehnungen zu finden sein. Nur ist es, auch wegen der auf einem vielleicht doch gemeinsamen ursprünglichen Funktions-Grundwert beruhenden Verwandtschaft der Modi beider Sprachen, schwierig, Funktionsentlehnungen (im Bereich der Sinneffekte) nachzuweisen. 3. Zuweilen sind prinzipiell beide modalen Sehweisen, die indikativische und die konjunktivische, denkbar. Es ist also zu untersuchen, ob der Ubersetzer bei direktem lateinischem Vorbild gegen seine sonst belegte Gewohnheit den dem Latein entsprechenden Modus setzt. Der Druck des lateinischen Modusgebrauchs auf den althochdeutschen ist gewiß gewaltig gewesen. Aber die lebendige Bedeutung des ahd. Moduszeichens steht ihm entgegen: Es ist nur verfügbar, wenn es seine Bedeutung verwirklichen kann. Dafür, daß lat. Einfluß nur unter dieser beschränkenden Bedingung möglich gewesen ist, wird eine Übersetzerpersönlichkeit wie Notker Gewähr bieten.

1.9. U n a b h ä n g i g e r u n d a b h ä n g i g e r ahd. M o d u s g e b r a u c h Beobachten wir das syntaktische Verhalten Notkers über einige Seiten hinweg, so müssen uns bald zwei gegenläufige Tendenzen auffallen: die Anlehnung an die Vorlage, das getreue Übersetzen einerseits, und die Unabhängigkeit, die freie Syntax andrerseits. (Bekanntlich hat Notker schon seine lateinische Vorlage in Richtung auf das Althochdeutsche hin verändert, doch betrifft dies im allgemeinen nur die Wortstellung.) 1.9.1. U n a b h ä n g i g e r M o d u s g e b r a u c h i n d e r Ubersetzung Je nach dem Ziel einer Arbeit über Syntax muß die Frage, was „syntaktisch frei" sei, neu beantwortet werden. Syntaktische Freiheit im Modusgebrauch liegt sidier dann vor, wenn in einem übersetzten Satz Anzahl und Abfolge der Satzteile, die Kasus, das Tempus usw. dem Latein entsprechen und nur gerade der Modus wechselt. Ebenso wird im allgemeinen freier Modusgebrauch ohne unmittelbaren lat. Einfluß im Einzelbeispiel anzunehmen sein, wenn einem finiten ahd. Verb kein lateinisches finites vorangeht, sondern ein Infinitiv, ein Partizip oder ein Substantiv usw. Auch andere Konstruktionswechsel, z. B. von lat. HS zu

16

1. Einleitende Kapitel

ahd. NS, führen zu einem unabhängigen ahd. Modusgebraudi. Besondere Aufmerksamkeit aber müssen wir den sogenannten „freien Zusätzen", dem Kommentar Notkers, schenken. 1.9.2. S t u f e n d e r s y n t a k t i s c h e n U n a b h ä n g i g k e i t bei N o t k e r s a l t h o c h d e u t s c h e n K o m m e n t a r Nebensätzen Trotz aller Kompilation bilden die Kommentare eine Einheit, indem sie sich — als von Notker zum Boethius-Text Hinzugesetztes — inhaltlich klar von der ahd. Boethius-Ubersetzung trennen lassen. Was aber so als Einheit erscheint, müssen wir für unsere Zwecke nach seiner syntaktischen Herkunft zergliedern: 1.9.2.1. Es ist keine lateinische Kommentarvorlage bekannt, und es drängt sich nicht auf, eine unbekannte lat. Vorlage zu berücksichtigen. Zu diesem ahd. Kommentar im engern Sinne gehören etwa zurückschauende Zusammenfassungen, wie wir sie zu Beginn des 5. Buches (330.9—331.8 und sdion 328 f.) finden, vorausschauende Sätze (357.6 f.), Persönliches, Genrehaft-St.-Gallerisdies (vgl. 15.26 f. = Notkers Kommentar zum R-Kommentar und 123.1 usw., vgl. NAUMANN, 70) und Zusammenfassungen aus der Literatur (z. B. 70.4—9, aus Orosius, vgl. NAUMANN, 64).

Damit kommen wir aber in jenen Bereidi, wo zwar keine lat. Vorlage bekannt ist, man aber dodi lat. Einfluß vermuten könnte, z. B. Nb 161 (v. a. Z. 20 f.) in der Abhandlung über die Ämterstufen im alten Rom, 233.7 im verschränkten Relativsatz, 325.3 (Name) und 325.5, während die folgenden Kommentare (7, 15, 17) in den Etymologien Isidors vorkommen (NAUMANN, 65). SCHRÖBLER, 1953, 110, denkt für 333.26 f. an einen weiteren Kommentar, der Epikur und/oder Lukrez benützte.

1.9.2.2. Der ahd. Kommentar-NS ist durch in lat. Kommentaren greifbare lat. Einzelwörter, wie Nomina, oder durch lat. Ausdrücke ohne finites Verb angeregt worden. Solche Konstruktionswedisel zählen wir zu den freien Zusätzen: 70.3 uuanda er dahta : R, Nb 69 u., reputans; der ahd. Satz ist also übersetzt. Das Kausalverhältnis ist sdion mit dem lat. Partizip gegeben; hinsichtlich des Modus besteht aber Unabhängigkeit vom Latein: .freier Zusatz".

1.9.2.3. Der ahd. Kommentar-Nebensatz geht zurück auf einen lat. Kommentar-Hauptsatz oder auf einen lat. Kommentar-Nebensatz anderer Art. Z.B. der Grenzfall 57.11, lat. (R) quia + Futurum : ahd. das + K 1, Objektsatz, indirekte Rede. — 165.23—166.5 ist inhaltlich von R abhängig, in der NS-Syntax jedoch ganz frei. Vgl. auch 69.4 f., Besprechung S. 18 f.

Die unter 1—3 fallenden ahd. Kommentar-NS gelten für uns als hinsichtlidi der Modussyntax freie althochdeutsche Zusätze.

1.9. Unabhängiger und abhängiger ahd. Modusgebrauch

17

1.9.2.4. Die lateinische Kommentar-Vorlage, ein Nebensatz oder ein ganzes Satzgefüge, hat offensichtlich den syntaktischen Rahmen für den ahd. Kommentar abgegeben, selbst wenn der Inhalt frei gestaltet ist. Ebenso können Zusätze, z. B. als zweite, verdeutlichende oder interpretierende Übersetzung, syntaktisch von einem vorangehenden lateinischen Boethius-Satz abhängig sein. Z.B. 160.4: lat. (160.1) RS + Acl führt zur Übersetzung 160.5; der vorangehende RS 160.4 ist inhaltlich frei, syntaktisch jedoch abhängig: Wir zählen ihn nicht zu den freien Zusätzen. Vgl. auch 318.31, 322.11, 22.21 usw. — 94.16, ein Konsekutivsatz mit K 1, ist inhaltlich frei, syntaktisch jedoch abhängig von 2 Konsekutivsätzen mit K 1 im R-Kommentar: kein syntaktisch freier Zusatz. — 273.3 ter ... geuobet uuard : qui... colitur (272 u.) hat innerhalb des gemeinsamen lat.-ahd. RS-Rahmens im Ahd. noch Gehalt aus einem lat. Kausalsatz aufgenommen, gehört aber noch unter 4.; 273.7 dagegen rückt schon in die Nähe der freien Zusätze: Mercurius ter alatis talariis kemalet uuirt: calciamentum .. . volatile cum quo depingitur (RS mit anderer Bezugsgröße). — 273.9 ist ein Beispiel für den folgenden Typus 5: Mercurius Ulixem praemonuit, ne Circae adpropinquaret: ter maneta vlixem. daz er fermite circq.

1.9.2.5. Lateinische Nebensätze oder ganze Satzgefüge können syntaktisch und inhaltlich vollkommen gleichartig in althochdeutscher Ubersetzung als Kommentar erscheinen. I. 9.2. 6. Völlige Gleichheit schließlich mit der gewöhnlichen Übersetzungssituation ist erreicht, wenn Notker einen lateinischen Kommentarsatz vorerst lateinisch zum Boethius-Text hinzugibt, um ihn dann, zusammen mit dem Boethius-Latein, zu übersetzen. Z.B. 330.8 danne ih uuolti : R quam ego Vellern. 32.18. 293.7 HS des Boethius in N S verwandelt.

Kommentar-Nebensätze, die unter 4—6 fallen, werden zum Material der Übersetzung gezählt. In wenigen einzelnen Fällen mag die Einteilung willkürlich sein; sie folgt jedoch einem einfachen Prinzip: Als „syntaktisch freier Zusatz" zählen alle Zusätze, zu denen kein entsprechender lateinischer Satzrahmen greifbar ist. Innerhalb des Kommentars zählen wir demnach alle Konstruktionswechsel (z.B. lat. Partizip im lat. Kommentar : ahd.NS) zu den „freien" Zusätzen. In einigen wenigen Fällen muß trotz lateinischem KommentarVerbum ein freier ahd. Zusatz angesetzt werden: 1.9.2. 7. Lateinisches, das zum Boethius-Text gesetzt ist, stammt wohl zuweilen von Notker selbst, so daß mit Einfluß des Althochdeutschen auf das „Latein" gerechnet werden muß (vgl. 1.9.). Erfaßbar ist solcher Einfluß nur ausnahmsweise: 2

Furrer

18

I. Einleitende

Kapitel

333.23, besprochen S. 115, Anm. 126. 16.23 solitus erat für bloßes Partizip, Z. 4, vgl. S. 166. Vgl. audi die Titel 274.6, 278.13; bespr. C.3.2., S. 79ff.

Ein Kommentar-Zusatz Notkers setzt sich öfters aus mehreren Schichten zusammen: 1. aus Notkers eigenem Wissen, 2. aus nur inhaltlich Abhängigem und 3. aus syntaktisch (und inhaltlich) von R oder andern lat. Vorlagen Abhängigem. Als Beispiel fügen wir 69.4—15 an.

Remigius-Kommentar,

Grundlage zu 69.4 ff.

rex Croesus aliquando a rege Persarum Cyro captus, rogo superponi iussus est. (Subito vero tanta pluvia facta est, ut... occasionem fugiendi repperiret.) Hoc cum postea sibi prospere evenisse gloriaretur, opum etiam dignitate nimium se extolleret, (dictum ei a Salomone sapientissimo, non debere quemquam in divitiis et prosperitate gloriari). Eadem nocte vidit in somnis, quod Jovis aqua perfunderet eum et sol extingueret. Quod cum filiae suae Faniae indicasset, illa, ut res sese habebat, prudenter absoluit dicens quod cruci esset affigendus et aqua perfundendus et sole siccandus, quod ita postea contigit.

,Als er sich später rühmte, daß er gesund entkommen sei (und als) er sich auch durch die Würde seiner Schätze allzu sehr herausstrich,...

. . d a ß Jupiter ihn mit Wasser übergoß... Als er dies seiner Tochter Fania gesagt hatte, deutete diese klug, wie die Sache sich verhielt, sagend, daß er ans Kreuz geschlagen und mit Wasser Übergossen und von der Sonne getrocknet werden müsse, was später so eingetroffen ist.'

Im entsprechenden ahd. Kommentar schreiben wir die 1. Schicht normal kursiv, Schicht 2 wird unterstrichen und Schicht 3 gesperrt, unter der Angabe des entsprechenden Kommentar-Lateins.

Uuanda croesus babiloniis uuider ciro ze helfo cham. dannan geskah. taz er in dannan uertreib. unde er in sar nahlfarendo

gefieng. unde in daz

1.9. Unabhängiger und abhängiger ahd. Modusgebrauch

Hoc cum postea... fiur uuarf. uzer demo in got losta. T o er aber des cote ... sibi prospere evenisse gloriaretur unde er sih ruomda sin selbes Eadem nocte vidit in somnis taz imo troumda. taz er sab e

henchen.

trucchendi.

et unde

nedancbota. (dictum) to uuara.

saligheite.

quod Jovis aqua perfunderet eum et iouem sih uuazer ana-giezen. unde

sol extingueret absoluit dicens dia sunnun daz aba-uuisken. Ten troum antfristota quod tohter. daz in cirus aber solti

19

geuahen. unde

aqua perfundendus so in der regen nazti. daz

imo so sin

cruci esset affigendus an daz ehr uze

in diu

et sole siccandus sunna

quod (RS) ita postea contigit. also iz tara-nah fuor.

Das Gesperrte aus diesem Kommentarstück gehört also nicht in jene Gruppe von Sätzen, welche wir, vom Modusgebraudi (und der Konstruktion) aus beurteilt, „(syntaktisch) freie Zusätze" nennen. Die beiden Indikative der do-Sätze zählen wir beide unter die Moduswechsel bei gleicher Konstruktion (: cum historicum + K2); wir nehmen also den ersten» inhaltlich unabhängigen Satz zum zweiten, weil der lateinische Kommentar für beide den Satzrahmen abgegeben hat. dictum (est) ... usw. ist von N weggelassen worden; die Lücke muß er jedoch ausfüllen, weil die Konstruktion sonst („Als e r . . . rühmte und . . . herausstrich, da sah er im Traume") zu eng würde: So ersetzt das unpersönliche uuard den unpersönlichen Ausdrude dictum est, indem es verbindend das Folgende, auf das es N offenbar ankommt, heraushebt. Der erste (/«¿-Subjektsatz (taz imo troumda) ist als freier Zusatz (Typus 3) zu bewerten. Für taz er sähe (K 2, Subjektsatz) ist audi ein lat. Satzrahmen greifbar: quod + K 2 (Objektsatz, statt Acl zu vidit); man wird den Satz also trotz dem ahd. Verbentausch und dem ahd. Acl in die Nähe der Sätze aus der Übersetzung rücken (gleiche Konstruktion und gleicher Modus),, und nicht (oder höchstens unter Vorbehalten) als freien Zusatz bewerten.

20

I. Einleitende

Kapitel

Die beiden letzten daz-Sätze {daz ... solti geuahen ... unde ... daz trucchendi) hängen ebenso von qtiod + esset ab; das MV solti ist Ausdruck für das Gerundiv. Wir nehmen an, daß für das lat. dicens ahd. chedendo zu ergänzen sei und teilen die 2 Sätze den Objektsätzen der Übersetzungen zu (Typus: „gleicher Modus bei gleicher Konstruktion"). Dagegen beruhen der so- und der also-Satz auf Konstruktionswechsel, sind also syntaktisch so frei, daß wir sie unter die „freien Zusätze" zählen (Typus 3). Das unter 1.9.2. 7. eben Gesagte gewährt Einblick in die Werkstatt der Vorarbeiten, welche diesem Buch zu Grunde liegen. Mit der Anwendung der Prinzipien 1—7 zur Einteilung der Kommentar-NS bestreben wir uns, den lateinischen Druck auf das Althochdeutsche auch bei den Zusätzen zu erfassen. Wir fühlten uns dazu von dem Momente an besonders verpflichtet, da uns klar wurde, daß es direkten „lateinischen Einfluß" ohne Motivierbarkeit des Modus aus dem Althochdeutschen heraus nicht gebe.

II. TEIL

Besprechung einiger NS-Arten

ILA. DIE KONDITIONALSÄTZE IM INDIKATIV A. 1. A l l g e m e i n e E i n l e i t u n g Mit Recht wird behauptet, daß Notker seinen schwierigen Text sinnentsprechend zu übertragen wußte; er hat es in freier Weise, mit eigenen Mitteln getan. Im Bereiche der syntaktischen Mittel müßte dafür gerade beim Gebrauch der Modi ein differenzierter Nachweis erbracht werden können. Innerhalb der verschiedenen Satzarten wiederum dürften sich die Konditionalsätze für eine solche Untersuchung gut eignen. Einerseits ist der Gebrauch der Modi hier durch eine Typik gebunden, andererseits aber hat der Sprecher die Freiheit, die Gültigkeit des dargelegten Gegenstandes in Frage zu stellen. Zudem sind Konditionalgefüge sehr häufig; sie bilden ein konstitutives Element der Argumentierweise. Es stellt sich sodann gerade in den Konditionalgefügen am eindrücklichsten das Problem der Sinnentsprechung althochdeutscher und lateinischer Formen: Notker muß ja das komplexere lateinische Modussystem durch das einfachere althochdeutsche wiedergeben. Mit einem komplexeren lateinischen System haben wir es im besonderen bei den Konditionalsätzen nicht nur deshalb zu tun, weil das Lateinische einen Modus, den Potentialis, mehr besitzt als das Althochdeutsche. Wir müssen bei der konditionalen, dieser engsten gedanklichen Korrelation zweier Sachverhalte, unsere Betrachtung vom isoliert untersuchten Nebensatz auf das ganze Gefüge ausdehnen und haben es nun mit der ganzen lateinischen Vielfalt von Kombinationsmöglichkeiten zu tun.

A.2. D i e i n d i k a t i v i s c h e n

übe-Sätze

A.2.1. E i n l e i t e n d e K a p i t e l A. 2.1.1. Indikativ des Konditionalsatzes und Wirklichkeit Eine Untersuchung der Modi besteht im allgemeinen in einer breiten Darlegung der Konjunktive; denn: »Der Indikativ als Modus des wirklichen oder modal indifferenten Tatbestandes in Vergangenheit, Gegen-

24

11. Besprechung einiger NS-Arten

wart und Zukunft bedarf keiner weiteren Erläuterung.. ."14. So unproblematisch ist der Indikativ aber nicht15. Vorsichtig äußert sich schon PAUL16: „Der Indikativ wird gewöhnlich als Modus der Wirklichkeit angesehen. Doch daß er schon frühzeitig auch für etwas bloß Angenommenes gebraucht worden ist, zeigen besonders hypothetische Sätze wie ,wer wagt, gewinnt.'..." Wir wollen nun ein Konditionalgefüge aus Notkers Text betrachten, das PAULS Urteil belegt und zeigt, daß der Sprecher mit dem Indikativ das Geschehen gewiß nicht immer „als Tatsache hinstellen" will, wie man in manchen Grammatiken uns glauben machen will. V 3 schickt sich die Philosophie an, das Wesen des „Zufalls" zu bestimmen: Den „Zufall" als ein aus „kühner Bewegung" ohne jede Ursache entstehendes Vorkommnis gebe es nicht. Notker erläutert dies in einem eigenen Zusatz näher: 333.5/6

Temerarius motus mag ouh cheden selbuuaga. aide selbheui (Bewegung ohne äußern Anlaß, ohne Ursache), ih memo, also daz ist. übe sih ieht fone imo selbemo erheuet, unde fone imo selbemo uuirdet. Uuelez ist aber daz? Uuir mugen iz sprechen, uuir nefinden is io nieht. In diesem Nachsatz unterscheidet Notker zwischen „SprachWirklichkeit" und „äußerer Wirklichkeit": ist, erheuet und uuirdet sind nur „gesprochene" (uuir mugen iz sprechen), d. h. nur gedachte, nur angenommene, nur vorgestellte Wirklichkeiten, welche draußen, auf Erden, nicht vorkommen; nur deren Gegenteil, die auf Ursachen beruhende Gegebenheit, hat irdische Existenz. Die konditionale Relation ist als eine gedachte Angelegenheit logisch richtig; mit ihr definiert Notker einen nur gedachten Begriff. Daß die Verwirklichung des vorausgesetzten und des daraus folgenden Geschehens nicht möglich ist, steht überhaupt nicht zur Diskussion. Unser Beispiel zeigt, daß die sprachliche Äußerung über ein durchaus „irreales" Geschehen keineswegs durch den K 2 in der Gültigkeit eingeschränkt zu werden braucht17. Denn hier kommt es dem Sprecher allein 14

15 14

17

LEUMANN-HOFMANN-SZANTYR, 3 2 6 .

Schon

ZfdPh 5 6 , 1931, p. 3 0 4 , kritisiert das Obergehen des Indikativs. Deutsche Grammatik IV, § 3 7 7 . Vgl. 349.5 Uuanet er (kot) diu ehumftigen nemugen ze leibo uuerden. diu doh ze leibo mugen uuerden. so triuget in der uuan. Taz mein ze sprechenne ist. nieht ein ze denchenne. — 3 4 9 . 2 4 Uuaz uberslahet tanne gotes uuistuom den menniskon uuan. übe er in gelicho zuiuelot. zuiueligero dingoi Vgl. auch 373.6, ein Beispiel mit fragendem üS, syntaktisch unfreier Zusatz vom LAFTMAN,

HERMANN PAUL,

A. Die Konditionalsätze

im Indikativ

25

auf die vom Konditionalgefüge geleistete Definition an, auf nichts sonst, insbesondere nicht auf die „wirklichen Tatsachen" oder auf die (Un-)Möglichkeit der Verwirklichung. Daß er sich darüber nachträglich noch äußert, ist ein (für den Linguisten glücklicher) Zufall. Aber diese nachträgliche Determination des Indikativs könnte auch unterbleiben, ohne daß im Hörer ein Mißverständnis über die Ansichten des Sprechers entstünde; die Information des Indikativs über die volle Gültigkeit des Geschehens wird gar nicht gemessen an dessen äußerer Wirklichkeit bzw. Nichtwirklichkeit, d. h., der auf die äußere Wirklichkeit bezogene Sinneffekt des Indikativs, die Feststellung der Tatsächlichkeit, unterbleibt. Deswegen ist der Indikativ aber nicht „modal indifferent". Besehen wir uns die Verhältnisse noch vom Sprecher aus, so stellen wir fest, daß er — ohne die Lesbarkeit zu stören und ohne den Sinn entscheidend zu verändern — auch den K 2 Irrealis hätte gebrauchen können. Dann aber hätte er, indem er den Bezug zu der außersprachlichen Wirklichkeit geschaffen hätte, über ihre (Un-)Gültigkeit ein Urteil abgegeben. Dieses indikativische Konditionalgefüge aber, so wie es hier vorliegt, hat seine Gültigkeit in sich selbst. Es enthält die Definition eines Begriffes: ein in sich gültiges logisches Urteil. Es ist ein kleiner in sich geschlossener Text (im Text). Der Sprecher nimmt hier nicht nur keinen Bezug auf die außersprachliche Wirklichkeit — sonst hätte er ja mit dem K 2 Irrealis reagieren müssen —, sondern mehr noch: Es sind auch nicht irgendwelche Bezüge zum Kontext, welche den Indikativ als einzigen Modus bedingt hätten. Typus 4 (S. 17), weil analog zu 372.22/30. 373.6 Übe iz (taz muot) mer neuueiz. ane gesihtigiu ding, uuannan uueiz iz tanne genera unde species. tiu gesihtig nesinti Das NS-Geschehen dieses Gefüges wird durch den Kontext eindeutig als ungültig erklärt. Notker und Boethius haben die Auffassung, daß der Geist mehr gibt als bloße Spiegelungen der äußern Wirklichkeit. Die üS-Frage hat eine ähnliche Funktion, wie sie ein Irrealis im N S hätte: Sie stellt die Beziehung zur konkreten Situation her: daz muot uueiz (genera unde species), d. h.: daz muot uueiz „mer"; neuueiz wird nicht als objektive Wirklichkeit betrachtet. Als Bedingung wird ein falsches Urteil über das Vermögen des Geistes gesetzt. An dem Platze, wo sonst die bedingte Folge zu stehen pflegt, erscheint eine rhetorische Frage, welche das im N S genannte Geschehen als falsch entlarvt. Von diesem üS aus beurteilt, liegt im ube-Sazz ironischer Gebrauch des Indikativs vor; dieser trägt mit dazu bei, die Polarität des Gefüges zu erzeugen, und ist damit auch verantwortlich für den herausfordernden, siegesgewissen Ton der Frage: Der Indikativ erweist sich somit als Träger komplexer stilistischer Werte, und nicht als Urteil des Sprechers über die außersprachlidie Wirklichkeit.

26

II. Bespredmng

einiger

NS-Arten

Solches Geschehen im Konditionalgefüge, das für sidi allgemein gültig steht, ohne daß Bezüge zum Kontext oder zur außersprachlichen Wirklichkeit die Gültigkeit der gegebenen Information bestimmt hätten, kann man mit einem gewissen Recht „abstrakt" nennen. — Konkret dagegen wollen wir ein Konditionalgefüge nennen, dessen Geschehen sich auf eine kontrollierbare Situation des Kontextes oder der (evtl. durch den Text evozierten) außersprachlichen Wirklichkeit offensichtlich bezieht, so daß ein Urteil über die Gültigkeit greifbar wird 18 . Selbstverständlich haben abstrakte Konditionalgefüge keine grundsätzliche Affinität zu Geschehen, die in der äußern Wirklichkeit nicht existent sind; aber in unserm Text steht der Indikativ abstrakter Konditionalgefüge immerhin einige Male für solche Geschehen. So sind wir erfreut, wenn Notker seine Schüler wenigstens in einem Fall darauf aufmerksam macht, daß in einem philosophischen Text manches allein zum Denken und Folgern als gültig gesetzt wird, auch wenn es in der äußern Wirklichkeit nicht gilt: Uuir mugen iz sprechen, uuir nefinden is io nieht. Der Indikativ, der trotzdem gesetzt wird, hat den Grundwert „voll gültig". Die Abstraktion im definierten Sinne kommt durch übe zustande; sie auch als Sinneffekt dieses Indikativs zu betrachten scheint etwas kühn, ist aber doch nicht abwegig, wenn man bedenkt, daß der Widerpart dieses Indikativs, der K 2 Irrealis, das Geschehen auf die äußere Wirklichkeit oder den Kontext bezieht und damit über die Bedeutung der einleitenden Konjunktion hinweg konkretisiert. Die Äußerung im Indikativ aber sollen wir nehmen, wie sie dasteht, insbesondere ohne Bezug auf „wirkliche Tatsachen", dazu auch ohne Bezug auf den weiteren Kontext, doch losgelöst davon als in ihrem (begrenzten) Bereich voll gültiges Geschehen: gültig im Bereich der konditionalen Relation, die auf einer angenommenen Voraussetzung und einer angenommenen Folge beruht. „Durch die Indikativform wird nur das streng logische Verhältnis der beiden Glieder, die Bindung des einen an das andere, zum Ausdruck gebracht" (WACKERNAGEL, 1,225, betr. Präteritum). 18

Die Begriffe „konkret" und „abstrakt" braudien wir zur Unterscheidung der Konditionalsätze hinsichtlich ihrer die Gültigkeit der verbalen Geschehen betreffenden Verflochtenheit mit oder Unabhängigkeit von „Kontext". Die Anregung zur Verwendung dieser Begriffe stammt von Paul, Sprachprinzipien, 297, 128; wir braudien die Begriffe aber in anderer, uns dienstbarer Weise. — Sporadisch ist audi bei Wilmanns, III, 229, 217, davon die Rede, daß mit dem Indikativgebraudi (von „der Einmischung jedes subjektiven Momentes", von der „Niditwirklidikeit") „abstrahiert" werde, dodi bei den Konditionalsätzen, § 134.2, fehlt der Begriff der Abstraktion. Vgl. Anm. S. 14.

A. Die Konditionalsätze im Indikativ A . 2 . 1 . 2 . Indikativische übe-Sätze: 1. Lat. Ind. Ahd. Ind.

27

Übersicht

2. 3. Konstruktionsgleiche Konstr. wedisel — anderer Modus 16

45

4. freie Zusätze

ohne MV

59

37

MV wie Latein

9

zusätzliches MV

3

2

3

8

TOTAL: 187

71

18

53

45

5

Der Aufbau der Tabellen folgt unserem S. 6 erläuterten Vorgehen. — Die Kolonnen 1—3 werden in weiteren Tabellen je einzeln noch detailliert dargeboten. A . 2 . 1 . 3 . Indikativische übe-Sätze: Modus u n d Konstruktion wie Latein (Sätze aus Kolonne 1 der voranstehenden Tabelle)

1

1

5 Typen

1. lat. Ind. Präs. ahd. Ind. Präs.

2. ahd. Perf. od. Prät.

ohne MV

35

21

MV wie Latein

6

zusätzliches MV

2

TOTAL: 71

43

3. 4. 5. lat. Fut. in lat. K 1 Pot. lat. zusätzl. NS od. üS — im üS — konjunktiviahd. Ind. Präs. ahd. Ind. Präs. scher NS — ahd. Ind. Präs. 11 1

2

9 2



1 2

1 Beispiel (96.24, Prät.) gehört audi zu den das andere: 58.10, Perfekt. Die Beispiele von Kolonne 5 könnten audi werden: in Kolonne 1, ohne MV: + 8, mit lichem MV: + 1; in Kolonne 3, ohne MV: +

12

2

12»

Beispielen in Kolonne 3 (lat. Futur); in den Kolonnen 1—4 untergebracht MV wie Lat.: + 2, mit ahd. zusätz1.

A.2.2. I n d i k a t i v i s c h e « ¿ e - S ä t z e / ind. s ¿ - S ä t z e

entsprechende

Wir betrachten zuerst jenen indikativischen übe-Satz, welcher einen lateinischen indikativischen ¿¿-Satz wiedergibt. Schon bei dieser einfachen

28

II. Besprechung einiger NS-Arten

Sachlage lassen sich, da wir das ganze Konditionalgefüge im Auge haben, je nach der lateinischen Vorlage fünf Typen unterscheiden (vgl. voranstehende Tabelle). A. 2 . 2 . 1 . Ahd. Indikativ Präsens / Lat. Ind. Präs. in NS und übergeordnetem Satz (üS) 171.10

Pediu nemacbot tih skinbaren. anderro mari. übe du dina nehabest. I Quare non efficit te splendidum. aliena claritudo. si non habes tuam.

Dieses sentenzartig-abstrakte Gefüge — auch das Tempus ist perspektivelos — kann als „allgemein-gültige" überpersönliche Aussage verstanden werden. „Du" bedeutet nicht nur „du, Boethius, im speziellen", sondern „man" 19 . Der althochdeutsche Indikativ im Konditionalsatz ist der geeignete Modus für eine kontextgelöst-abstrakte Aussage. Als bedingende Annahme wird das NS-Geschehen durch den Indikativ als voll gültig dargestellt20. Dagegen: Der in andern Sätzen häufige Indikativ-Sinneffekt des Hinweises auf die objektive, kontrollierbare Tatsächlichkeit eines bestimmten, vorliegenden Geschehens — kontrollierbar anhand des Kontextes oder gar anhand der äußern Wirklichkeit, kontrollierbar als gedachte oder gar „reale" Tatsächlichkeit — widerspricht der konditionalen Fügung, weil im echten Konditionalsatz das Geschehen schon durch die Konjunktion („falls . . . " , im Gegensatz etwa zu „weil") als nur möglicherweise eintretend, als angenommen erscheint. Ausnahmsweise mag sich dieser dem Satztypus widersprechende Sinneffekt der TatsächlichkeitsBeteuerung aus dem Textzusammenhang doch mitergeben; dann heißt aber auch übe nicht mehr nur „falls", sondern es schwingt ein kausales „da ja" mit (ahd. sid, vgl. HANDSCHUH, 48); die Bedingung erhält dadurch ein konkretes (d. h. kontext- oder realitätsverbundenes) Element:

20

Etwas anderes böte der Irrealis: „Denn fremder Glanz ließe dich nicht erstrahlen, wenn, du keinen eigenen besäßest." So springt das Gefüge aus dem ganz allgemein-philosophisch gehaltenen Kontext heraus; nun ist plötzlich von Boethius persönlich die Rede und mittelbar-indirekt auch vom Ruhm, in welchem er erstrahlt: Zusammen mit dem „du" wird das Gefüge „konkreter", und gleichzeitig verliert es den sentenzartigen, allgemeinen Charakter. So erweist sich der Indikativ (Präsens) als der Modus der abstrakten bedingenden Annahme, der Irrealis als der der konkreteren, d. h. kontextverbundenen. Daß der Sinneffekt der Abstraktheit und der Ausdruck der vollen Gültigkeit Werte des Indikativs sind, zeigt eine Ersatzprobe mit dem K 2, die zu konkreter Kontextverknüpfung und Einschränkung der Gültigkeit führt.

A. Die Konditionalsätze

344.5 87.20/21

Uuanda Übe

übe got al uueiz

allero

cho

uuerlte

unstate

fore

im

29

Indikativ

. . . (: Nam

ist iro bilde,

si...); unde

übe si sih

ebendic-

uuehselot...

Vgl. A. 2.2.3.4., A. 2.3. 2. und A. 2.4.1. A. 2. 2. 2. Ahd. Indikativ Perfekt / Lat. Indikativ Perfekt 58.10

f / ^ e ih rehto cognovi...

bechennet Tabescis

habo

. . . So suindest

tu . . . j Si

penitus

...

Auch wenn der Indikativ Perfekt verwendet wird, ist das Geschehen im übe-Satz nicht als einmalige und konkrete Tatsache aufzufassen. Zwar liegt ein tatsächliches Erkennen durch die Philosophie dem Satz zugrunde, von diesem Erkannt-Haben wird aber durch übe abstrahiert, so daß eine echte Voraussetzung-Folge-Relation entsteht (»Falls...', nicht: „Da ich ja...") 2 1 A. 2. 2. 3. Futurum in der lateinischen Vorlage Die Frage, wie sich temporale und modale Werte des Futurums berühren, muß hier nicht im einzelnen behandelt werden, da das ahd. Verbalsystem ohne Futurum auskommt. Wir werden aber sehen, daß sich die Bezeichnung eines Noch-Nicht durch das Futurum mit dem Sinneffekt des Irrealis teilweise deckt. Die Beziehungen ingressiver und resultativer Verlaufsweisen zu Futurum und zu eventuellen modalen Werten werden wir nicht näher untersuchen22. Lateinische Formen, die sowohl Futurum exactum als auch Konjunktiv Perfekt (Potentialis der Gegenwart) bezeichnen, beurteilen wir vorerst immer nach den Gesetzen der Consecutio temporum: Steht im üS ein Futurum, so gilt die Form als Futurum exactum, sonst als Konjunktivform. Uber die tatsächliche Bedeutung der Form im Einzelfall ist damit freilich wieder nicht alles gesagt. Vgl. etwa 94.16, S. 59. A. 2 . 2 . 3 . 1 . Ahd. Indikativ Präsens / Lat. Futurum im üS. Zum Ausdruck der Folge, die von einer Bedingung abhängt, wird im lat. üS zuweilen auch das Futur verwendet, das ahd. durch Indikativ Präsens er21

11

Eine weitere Ausnahme mit übe-Satz im Imperfekt finden wir 96.24 lat. scimus + Acl (Infinitiv Perfekt, der das ahd. finite Verb abgibt), üS: potent; vgl. A. 2. 2. 3. 4. und A. 2 . 4 . 1 . mit Anm. 50. Vgl. Anm. 72, 73. Vgl. LAFTMAN, ZfdPh 56, der die Aktionsart zum entscheidenden Modusmerkmal der Differenz irreal : potential des K 2 im Konditionalgefüge macht, allerdings ohne z u ü b e r z e u g e n . — V g l . a u c h MAEDER, 1 0 3 / 1 0 4 .

30

II. Besprechung einiger NS-Arten

setzt wird. Da die ahd. Sätze vollkommen kontextgemäß sind, kann von einem „Verlust" temporal-modaler Werte kaum die Rede sein: Es scheint eher ein lat. Zuviel als ein ahd. Zuwenig an syntaktischen Funktionen erklärt werden zu müssen; alle lat. und ahd. Indikative geben „abstrakte" Annahmen 83 . A. 2. 2.3. 2. Ahd. Indikativ Präsens / Lat. Futurum im «-Satz. Dieselbe Reduktion ohne Verlust kann Notker auch durchführen, wenn im lat. Gefüge nur der NS im Futurum steht 24 : 184.4 Quare plenum esse Iqtitiq. si quidem superiora manebunt. necesse est confiteri. 184.6 Tone diu ist ze iehenne. übe diu erera zala uuar ist. taz iz freuui fol si. A. 2. 2. 3.3. Ahd. Indikativ Präsens / Lat. NS und üS im Futurum. Dagegen bedeutet die ahd. Reduktion eines ganz futurischen lat. Konditionalgefüges 26 auf ein ahd. präsentisches zwar nicht eine Gefahr für das richtige Verständnis, aber doch den Verlust eines eindeutigen Hinweises darauf, daß die Voraussetzung jetzt nicht erfüllt ist: 213.13 Quanti estimabis si agnoueris quid sit ipsum bonum? Infinito inquam. Siquidem mihi pariter contingit26 agnoscere deum quoque qui bonum est. 213.15

Uuio tiure dunchet tir. übe du bedenchest. uuaz selbez taz kuot sit Unmez chad ih. Übe ih ouh tar-mite muoz bechennen got. ter guot ist. Der Perspektive-Verlust des Althochdeutschen ist offensichtlich. Boethius hat noch nicht erkannt. Der durch das lat. Tempus Futurum exactum und durch den nachfolgenden Kontext determinierte Gültigkeitswert des Geschehens hat eine gewisse Affinität zum Irrealis: „Wie teuer 23

102.9, 344.10, 394.7, 213.17; vgl. auch 224.11. (Zum lat. «'-Satz kommt ein Kl-RS 2. Grades, welcher dem ahd. übe-Satz das finite Verb liefert. Vgl. A. 2. 2. 5.1.) 24 Einziges Beispiel in De consolatione philosophiae! — Jedoch setzt N selbst einen futurischen «'-Satz (nach einem ahd. «¿e-Satz): Anm. 36. 15 Vgl. auch: 180.15 Fut. ex. aus R : ahd. +beginnet im NS. — 225.15 Fut. ex. aus R im NS : ahd. Ind. Präs. im übe-Satz; im ÜS: lat. Futurum des Boethius : ahd. Ind. Präs. + beginnet zusätzlidi. Vgl. Anm. 56. Beide Gefüge stehen in Potentialis-Situationen. Der Kontext schließt die Deutung der ube-S'itze als situationsbezogene, ein konkret vorliegendes Geschehen nennende Sätze aus; es handelt sich ahd. eindeutig um echt hypothetische, abstrakte Konditionalgefüge. — Vgl. auch 94.16, A. 4. 4. 2., S. 59. " Hier ist sdion in der lat. Vorlage auf das Präsens reduziert worden (gegenüber continget, Gothein 178u.), vgl. A. 2. 2. 3.1., Anm. 23.

A. Die Konditionalsätze

im

Indikativ

31

würdest du es sdiätzen, wenn du (schon jetzt) erkannt h ä t t e s t . . D i e Gemeinsamkeit von Fut. und K 2 Irr. liegt im Ausdruck eines „JetztNicht", d. h. in der Verneinung der Tatsächlichkeit für den gegenwärtigen Moment: In Opposition zum Indikativ hebt dieser gemeinsame Sinneffekt des Irrealis und des Futurum exactum das Geschehen ab von einer jetzt nicht bestehenden Situation; doch im Gegensatz zum Irrealis ist das Futurum exactum befähigt, das Urteil abzugeben, daß Boethius (geführt durch die Philosophie) möglicherweise erkennen wird, dereinst (möglicherweise) erkannt haben wird. Der Irrealis wäre also nur die halb, nicht die ganz adäquate ahd. Ausdrucksweise für dieses lat. Futurum exactum. Das deutlichere alleinige „Jetzt-Nicht" des K 2 würde einen Graben aufreißen zwischen dem Wissen der Philosophie und der gegenwärtigen Unwissenheit des Boethius; ein solcher massiver Hinweis allein auf den jetzigen (ja bald überwundenen) Sachverhalt ist unerwünscht und fällt negativ entscheidend gegen den Gebrauch des K 2 ins Gewicht (vgl. 86.2; 83.10, behandelt im folgenden Kapitel: A. 2.2.3.4.). Beim Übersetzen findet hier ein Wechsel von der lat. kontextbezogenen Konkretheit der Kondition27 zur allgemeinen Abstraktheit einer Annahme statt. Die im lat. Gefüge eindeutige temporale Perspektive des Vorausschauens, der temporale Wert „für später (anzunehmen)", geht auf jeden Fall verloren. Der Verlust des modalen Sinneffekts „noch nicht" aber wiegt hier offenbar darum nicht allzu schwer, weil Notker sich darauf verlassen kann, daß das Geschehen als abstrakte Annahme aufgefaßt wird (,wenn, falls du bedenkst'), und nicht fälschlicherweise gegen den Sinn der Vorlage als konkrete, vorliegende Tatsache („da du ja weißt"). Hier wird es also entscheidend, daß die Tatsächlichkeits-Beteuerung eben nur ein Sinneffekt, nicht der Grundwert des Indikativs ist, ein Sinneffekt, der sich hier nicht verwirklicht. A. 2.2.3.4. poterit im lat. üS. Eine weitere Sinngruppe ergibt sich aus 4 Beispielen mit poterit im lat. üS; es handelt sich um drei rhetorische Fragen28 und ein ihnen verwandtes Gefüge28: " Unsere Betrachtung betont den modalen Sinneffekt des Jetzt-Nicht: Mit si agnoueris drückt der Sprecher die (als in Zukunft abgeschlossen) vorausschaubare Tatsache, daß die Philosophie innert kurzem (nämlich bis zum Ende des dritten Buches) ihren Schüler realiter um den zur Diskussion stehenden Schritt weitergebracht haben wird, nur als Annahme (Hypothese) aus. Im Ausdrude des Jetzt-Nicht besteht aber ein Bezug auf die konkrete Situation, den jetzigen Geisteszustand des Boethius. 18 83.10, 96.24, 348.14. Das Latein verwendet in derselben Situation im üS auch das Präsens potest: 95.16 (mag). " 361.2: Gothein, 287, Endres, 142: Irrealis; Neitzke, 153: »wird können".

32

II. Besprechung einiger

NS-Arten

83.7

Si quis fructus mortalium rerum. ullum pondus beatitudinis habet, poteritne deleri memoria illius Iuris .. 83.10 Übe menniskon diehsemo ze deheinero saligheite zihet. mag tanne dero skinbarun ero geagezot uuerden ...? (Das korrelative Adverb danne wird in einem fragenden ahd. üS zwangsläufig eingesetzt; es steht auch in der Ubersetzung präsentischer übergeordneter Fragesätze ( 6 3 . 7 ; 1 0 3 . 4 ) und darf daher nicht als spezifischer Futurausdruck angesprochen werden. Es handelt sich um eine überpersönliche, vom sonst zur Rede stehenden einzelnen Fall (Boethius) gelöste Aussage. Im Vordergrund unserer Betrachtung steht hier die modale Komponente des lat. HS-Futurums: das „Jetzt-Nicht", die eingeschränkte Gültigkeit. Da es sich um ein Geschehen in einer rhetorischen Frage (,Wird je können?') mit der Antwort „Nein" handelt, also um ein Geschehen, das als ungültig zu beurteilen ist, besteht für den HS eine echte Irrealis-Situation. Doch im zugehörigen NS ist eine K 2-Form unbrauchbar, weil die Philosophie noch nicht jegliche Glückseligkeit irdisch-vergänglicher Dinge durch eine K 2-Form in Frage stellen, sondern im Gegenteil Boethius jetzt an das vergangene (und nicht zu vergessende) irdische Glück erinnern will. Später wird sie die irdische Glückseligkeit negieren; später im Text stünde also im selben NS der K 2. Doch die jetzige Sprechabsicht in der jetzigen Kontextsituation verunmöglicht, daß Notker auf das modale poterit mit einem K 2 reagiert, weil sie ja den K 2 im NS nicht zuläßt und Notker im Konditionalgefüge keine Modusmischung duldet. So muß er sich mit dem Indikativ Präsens behelfen. Durch den Verlust der allfälligen temporalen Perspektive sowie des festgestellten modalen Sinneffekts des „Jetzt-Nicht" wirkt das deutsche Gefüge allgemeiner und abstrakter. Die Affinität des HS-Geschehens zum Irrealis aber bleibt in der ahd. rhetorischen Frage natürlich dieselbe, ebenso die Wirkung des Modalverbs. Grundsätzlich gleich ist das Gefüge 9 6 . 2 4 (übe = ,da ja'; H A N D SCHUH, 4 8 ) zu beurteilen. Damit die Spannung zwischen der voll gültigen Voraussetzung und der negativ zu beantwortenden rhetorischen Frage möglichst groß werde, ist als Voraussetzung ein Geschehnis der Vergangenheit gewählt, das von der Gegenwart aus kontrollierbar ist. Dieses bedingende Geschehen ist im Ahd. ausnahmsweise situationsbezogen-konkret, die Bedeutung der Konjunktion also: ,wenn'/,da ja', und der Sinneffekt der Realitätsbezeidinung kann sich mitverwirklichen: 96.20 . . . si scimus multos quesisse ... quonam modo ... poterit facere..

A. Die Konditionalsätze

im

Indikativ

33

96.24

Übe manige dia saligheit kuunnen mit temo tode... (also martyres taten.) uuio mag tanne div gagenuuertiu salige tuon. diu hina uuorteniu. uuenege netuot. Noch deutlicher ist hier, daß das lat. Futurum (poterit) nicht temporale Bedeutung hat, sondern die modale der eingeschränkten Gültigkeit. Auf deren expliziten Ausdruck im Verb durch K 2 verzichtet das Althochdeutsche wiederum ohne Schaden, da die implizite negative Antwort genügend informiert 84 * 31 . In den üS dieser Gefüge wirken die Form der rhetorischen Frage und das MV als Hinweise auf die konkreten Gültigkeitsverhältnisse und erfüllen eine dem Charakter des gewöhnlichen indikativisch-abstrakten Konditionalgefüges entgegengesetzte Funktion, wie sie ähnlich, nur massiver, audi der K 2 erfüllen könnte. Der Verlust des Futurums, der Betonung des Jetzt-Nidit, ist kaum spürbar; der dezentere MV-Indikativ Notkers ist dem Stil des Originals gemäßer als der K 2 der nhd. Ubersetzer. A. 2.2.4. Ahd. üS im Ind. Präs. (evtl. MV) / Lat. üS im Potentialis In zwei ahd. indikativischen übe-Gefügen steht der ahd. üS einem lat. üS mit Potentialis gegenüber. 128.9 Sin uero mens... petit cqlum. nonne spernat omne negotium terrenum...? 128.12 Übe aber... sela... ze himele feret. uuaz sol iro danne daz irdiska ding? Der lat. Konjunktiv Präsens ist hier kein gewöhnlicher Potentialis; es handelt sich um einen ironisch-polemischen Konjunktiv mit dem Wert „dürfte, sollte etwa (nicht veschmähen)". Die Einschränkung der Gültigkeit ist ironisch fingiert wie die Verneinung, damit die Antwort auf die rhetorische Frage desto gewichtiger wirke: „Doch!" „Spernet!" Eben dies 30

31

3

Auch 348.14 wird von den konkreten Gültigkeitsverhältnissen abstrahiert. Das N S Gesdiehen besteht aus einer vom Sprecher eigentlich abgelehnten, bloß vorgestellten, einmal diskussionsweise ausprobierten falschen Meinung. Vgl. den vorangehenden Satz. — Ziel des Sprechers ist es, in Anerkennung der göttlichen Providenz, die Freiheit des Menschen zu leugnen: 350.5. Gothein verwendet (278/279) in N S und üS den K 2 Irrealis, Endres, 138, nur in der übergeordneten rhetorischen Frage; Neitzke, 148, setzt im üS das Futurum „wird können", das die Gültigkeit in derselben Weise einschränkt wie das lat. poterit. — Vgl. audi 349.2 Tiu unguis sint kote. ze uuelero uuis fore-uueiz er diuf /,Was Gott ungewiß wäre, wie wüßte er dies voraus?' — Nur die Nüchternheit des Philosophen läßt hier den theologisch gewagten Indikativ zu. Gleich wie diese Gefüge ist audi 89.3 (Perfekt; ohne einleitendes BW) zu beurteilen; vgl. Anm. 4, S. 46. Furrer

34

II. Besprechung einiger NS-Arten

leistet auch das in auffälliger Weise gebrauchte ahd. MV, das hier ein entschiedeneres „Nichts" als Antwort auf die rhetorische Frage provoziert. Im zweiten hierhergehörenden Beispiel steht lateinisch 349.21 in der übergeordneten rhetorischen Frage ein Konjunktiv Perfekt in derselben Funktion wie 128.9, doch reagiert Notker nicht darauf. Da im unmittelbar voranstehenden parallelen Gefüge derselben geistigen Lage (lat. üS 349.14, sowie auch 349.2) auch lateinisch der Indikativ Präsens steht, dürfte er es nicht für nötig befunden haben. So erscheinen auch diese Gefüge mit ihrer nur vorgestellten — innerlich sicher abgelehnten — Kritik an Gott in demselben nüchternen Indikativ wie das folgende Konditionalgefüge, das angemessen von Gott spricht: Alle Gefüge sind gleich abstrakt; kein K 2 verrät, wo der Glaube Notkers den Inhalt negiert; sie sind als Denkmöglichkeiten hingestellt, und es bleibt jedem Leser selbst überlassen, die Beziehung zur konkreten Lebenswirklichkeit herzustellen. Hier wird die Moduswahl durch den Stilwillen des Sprechers, nicht durch sein Verhältnis zur Wirklichkeit bestimmt. Ebenso: 128.3/128.12. A. 2 . 2 . 5. Einfachste Konstruktionswechsel: Unterdrückung eines (konjunktivischen) Nebensatzes in indikativischem Satzrahmen Wenn im lat. Konditionalgefüge quid est + konsekutiver RS mit K 1 oder necesse est + unverbundener Konjunktiv u. ä. stehen, sei es als HS oder als NS, so zieht Notker die zwei Sätze der Vorlage gerne in einen zusammen. So findet — jedoch bei vorgegebenem indikativischen Satzrahmen — neben dem Konstruktionswechsel insofern ein Moduswechsel statt, als das im Konjunktiv stehende lat. Verb im ahd. Konditionalgefüge als indikativisches Verb erscheint; das ihm übergeordnete Verb (est) verschwindet im ahd. Text. — Vgl. Tabelle A. 2 . 1 . 3 . , S. 27, Kolonne 5. A. 2 . 2 . 5 . 1 . Nur in zwei Fällen betrifft der Zusammenzug zweier lateinischer Sätze (wovon einer im K) den NS: in 224.11 (vgl. A. 2 . 2 . 3 . 1 . , analog 102.9) und in 73.8 mit dem zusätzlichen MV maht, welches jedoch als notwendiger Bestandteil der freien Übersetzung steht (vgl. Anm. 63, S. 54). A. 2 . 2 . 5 . 2 . Im übrigen betrifft der Zusammenzug den üS82. So in 22.19/21 mit dem zusätzlichen üS-MV nedarf, dessen zwar modale Funk"

a) N S + üS ohne MV: 276.17; 359.11; 163.23—25 ( 3 X ) . b) üS mit zusätzl. MV: 22.19/21 (Gothein und Endres: „brauchst nicht"); 155.27. c) Dem Lat. entsprechendes MV im ersten von 2 parallelen N S : 155.26; 163.22.

35

A. Die Konditionalsätze im Indikativ

tion (Wunsch, Aufforderung) aber nidit der Funktion des lat. Konjunktivs entspricht, wie dies auch beim zusätzlichen üS-MV mag in 155.26/28 nicht der Fall ist. Bei diesem Typus verschwinden die lat. Konjunktive, ohne je eine Spur zu hinterlassen. Notker brauchte sie auf der Bedeutungsebene auch gar nicht zu beachten, da es sich im Latein um bloß satztypische automatisierte Konjunktive handelt, die zumindest für ein ahd. Modusempfinden keinen spezifischen Ausdruckswert hatten. Die zusätzlich eingefügten MV (73.8 NS, 22.19 üS, 155.26 üS) könnten ein äußerlicher Reflex der lat. doppelspurigen Ausdrucksweise sein.

A.2.3.

Vom Latein «¿»e-Sätze

abweichende

indikativische

Die vom Latein sich irgendwie abhebenden indikativischen «¿e-Sätze lassen sich in zwei grundsätzlich verschiedene Gruppen aufteilen: in durch Konstruktionswechsel entstandene übe-Sätze und in Sätze gleicher Konstruktion mit anderem Modus. A. 2 . 3 . 1 . Selbständige indikativische ube-S'ixze der Ubersetzung Konstruktionswechsel

gleiche Konstruktion — anderer Modus

lat. lat. lat. Potentialis lat. nur im si-Satz konj. infinite indikaForm tivischer Satz anSatz anderer derer Art Art lat. K 1 lat. K Perf. ohne MV

7

MV wie Latein

5



zusätzliches MV

2

TOTAL: 71



4



4

27 4

4*

lat. Gefüge ganz im Konj. (Potentialis)

lat. K 1 lat. K 1

5

lat. K Perf.

8

1

1 1

5*

Pot. im «-Satz, Fut. im ÜS

36«



2 85



Lat. Partizipien: 93.18, 99.2; absolute Ablative: 140.16, 197.3, 251.23; igitur: 153.15, 154.14; Infinitiv in üS mit Potentialis: 332.7 (zusätzl. MV muoz); lat. Acl: 296.3, vgl. S. 96. * 19.11/13 (: indik. lat HS); „Wechsel" von 3 indik. iterativen c«m-Sätzen zu ahd. indik. «¿e-Sätzen: 105.10 (lat. si + cum : ahd. übe + Parallelsatz), 289.8, 348.2. 1

36

II. Besprechung einiger

NS-Arten

» cum causale: 63.27, 287.20; lat. HS: 283.19, 87.11. * Lat. Vorbild mit Potentialis nur im NS: lat. K 1: C 19.8, C 19.10 (so interpretiert gegen den objektiven Form-Befund), C 56.17, 102.16, 126.1, 126.16, C 136.26, C 139.14 (Prät.), C 172.4, 217.6, 255.16, 255.18, 255.19, 279.18, 282.25 (K 1 = Futurform), 290.10, 304.8, 314.16, 318.12, 332.20, 334.18, 335.17, 346.12, 346.13, 390.19, 393.20, 393.21; lat. K P e r f . : 95.31, 187.20, 216.12, 301.9; mit MV: 180.4, 255.19, 269.14, 269.15; zusätzl. ahd. MV: 149.26. 1

Lat. ii-Satz mit Pot., üS mit Futur: 157.11, 198.11, 230.5, 232.2, 308.9; MV: 357.4; MV zusätzl.: 59.7, 352.5.

• Lat. «-Satz mit Pot., mit lat. üS-K: K l : 50.9, 99.14, 218.14, 251.25, 86.2, 90.13, 376.27 (zusätzl. beginnen), 377.21; K P e r f . : 105.22.

A. 2 . 3 . 2 . Konstruktionswechsel: von lat. infiniten oder nominalen Formen herstammende indikativische übe-Sätze Sie leiten sich her von absoluten Ablativen, Partizipien, igitur, einem Acl und einem Infinitiv33. In all diesen Beispielen ist der Indikativ der allein mögliche, natürliche Modus abstrakter Annahmen; beispielhaft ist etwa die allgemein gültige, aus dem Kontext herausgehobene Sentenz 93.18

Tara-gagene ist salig so/uuelib loz temo man geuallet. übe er iz ebenmuote (-O; SEHRT, 4 0 2 ) uertreget.

153.15,154.14 steht für igitur: übe diz sus

ist...

Der kausale Gehalt des igitur ist in solchem übe „aufgehoben": unter der Oberfläche vorhanden als „da ja", „wenn also", wodurch denn wiederum ausnahmsweise die konkrete, situationsbezogene Auffassung „da ja" ermöglicht wird und sich der Indikativ-Sinneffekt der Tatsächlichkeitsbeteuerung mit ergeben mag. A. 2.3. 3. Konstruktionswechsel: aus nicht-konditionalen indikativischen lat. Sätzen entstandene übe-Sätze Im Carmen 1,7 setzt Notker zweimal (18.25,19.7) also iz tanne ueret ein; zuerst schließt er daran vier parallele so-Sätze34, dann vier parallele übe-Sätze; von beiden Gruppen sind je die beiden letzten durch Konstruktionswechsel entstanden, so die hier zu nennenden übe-Sätze 19.11/13 aus indikativischen HS. Die beiden parallelen Vorgänger dagegen geben lat. " Belege vgl. Tabelle A. 2. 3. 1., Anm. 1. 332.7 (: lat. Infinitiv im üS mit Potentialis) Das zusätzliche MV muoz (,darf': extrasubjektiver Modalfaktor „Erlaubnis") ist aus der allgemeinen Situation heraus zu verstehen. 34

Diese so-Sätze zeigen die Interferenz von temporaler, komparativer und konditionaler Satzbeziehung, von denen keine rein vorliegt. Die ahd. Konjunktion hat einen allgemeineren, übergreifenden Wert.

A. Die Konditionalsätze

im

Indikativ

37

«'-Sätze mit Potentialis36 wieder. Die zwei Satzreihen sind ein Beispiel für Notkers Tendenz zur Vereinfachung — die zugleich Gewinn an Klarheit und Verlust an Feinstruktur bedeutet: 18.25 üS also iz tanne ueret (abgesehen von also — Zusatz) cum + Indikativ 18.26 kondit. so (cum) + Indikativ 19.2 kondit. (so) «¿-Komparativsatz 19.3 kondit. (so) 19.5 kondit. (so) «t-Komparativsatz 19.7 üS also iz tanne ueret (Zusatz) si + Konjunktiv Pot. 19.8 kondit. übe (si) + Konjunktiv Pot." 19.10 kondit. (übe) HS Indikativ 19.11 kondit. (übe) 19.13 kondit. (übe) HS Indikativ Zu den Sätzen 19.11/13 können höchstens noch einige «¿e-Sätze gestellt werden, deren lat. Vorbild mit cum iterativum eingeleitet wird; doch ist es natürlich fraglich, ob noch von einem Konstruktionswechsel die Rede sein soll: 105.10,289.8,348.2 (vgl. HANDSCHUH, 49; vgl. Tabelle A. 2.3.1.» Anm. 2). A. 2. 3.4. Konstruktionswechsel: Vorlage ist ein lat. Verb im Konjunktiv, jedoch in einem Satz anderer Art A. 2.3.4.1. Ahd. übe-Satz / Lat. cum causale. Daß Notker beide, den Konjunktiv Perfekt und den Konjunktiv Präsens 63.27®' und 287.20, gleichermaßen nicht berücksichtigt, ist nicht nur die natürliche Folge des Konstruktionswedisels, sondern auch darauf zurückzuführen, daß nach cum causale satztypische Konjunktive stehen, deren lateinischem Moduswert kein ahd. modaler Wert entsprechen kann. Vager lat. Einfluß aus formalen Gründen läßt sich also hier (wie überall) nicht feststellen. A. 2.3.4.2. Ahd. übe-Satz / Lat. HS mit Potentialis. Die lat. Vorlage zu 283.19 besteht aus zwei Hauptsätzen, deren konditionales Verhältnis Notker explizit wiedergibt. Im lat. Konjunktiv Perfekt des ersten, 45

M

19.9 reserat ist objektiv Indikativ. Es dürfte aber ein Irrtum (vgl. serere / serat) oder Schreibfehler vorliegen, und wir nehmen an, daß für N (subjektiv) ein Konjunktiv vorgelegen hat (reseret wie verberef, e-Klang!). Gothein, 44: reseret. 63.27 cum semel summiseris colla iugo eins... / übe du einest iro (Fortunae) dinen hals undertuost... wird auch noch lateinisch gegeben: Si te subiugabis. iugum feras oportet. Dieses Futurum (Notkers?) ist natürlich interessant; Boethius braucht im ji-Satz nur einmal das Futurum (vgl. Anm. 24). Es könnte sich um ein Sprichwort handeln.

38

II. Besprechung einiger

NS-Arten

bedingenden Hauptsatzes, einem Potentialis, mögen die Sinneffekte der Gleichgültigsetzung und eines unechten, polemischen Wunsches zusätzlich mitschwingen; der lat. Konj. Perf. des zweiten ist Zeichen einer negierten Aufforderung:

283.15

Studium ad peiora deflexeris. extra ne quesieris

ultorem...

,Du kannst/magst (andrerseits) deine Bemühungen zum Schlechten wenden, dann suche keinen Rächer außerhalb.'

283.19

Übe du aber in arg tih cberest. so nedenche. uuer iz anderro reche.

Notker hat mit Recht die konditonale, und nicht die konzessive Satzbeziehung gewählt 37 . Ebenso ist es richtig, und nicht nur eine Ausnahme, daß in Notkers Version hier trotz dem übergeordneten ahd. Imperativ und selbst gegen die lat. Vorlage mit Konjunktiv ahd. der Indikativ steht. (Uber die Bedingungen des Konjunktivgebrauchs bei übergeordnetem Imperativ vgl. B. 3., S. 64 ff.) Auch C 87.11 zeigt Notkers selbständige und sinnvolle Modusgebung; nur die feine lat. Stilistik einer chiastischen Modusgebung in den beiden ersten formal und inhaltlich parallelen lateinischen Sätzen des Gedichtes über die Wechselfälle des Glücks, die wohl als sinnbildliche Spiegelung des Gehalts zu verstehen ist, vermag das Althochdeutsche Notkers nicht zu bewahren (87.4—13) 3 8 . 37

38

Vgl. die beiden voranstehenden lat. HS, wo die konzessive Beziehung ausgeschlossen ist. Eine der kond.-konz. IIUE-SIFE-Alternative ähnliche HS-Folge bildet dagegen unser 1. HS 283.15 (deflexeris) mit dem l . H S 283.13. — Gothein, 233, drückt 283.19 durch zwei Imperative aus, Neitzke, 123, wie N . 87.2: cum Konj. (Perf.) HS

so

Ind. (Präs.)

beginnet+Inf.

Ind.

(Präs.)

HS

Ind. (Präs.)

timberent

cum Ind.

(Perf.)

so

Ind. (Präs.)

uuerdent

ube+danne

Ind. (Präs.)

chumet

HS

I n d . + M V (Präs.) muozen + Inf.

87.7: HS

Konj. (Präs.)

H S Konj. (Präs.)

N madit also aus dem zweiten von zwei innerlich konditional zueinandergeordneten lat. Haupsätzen mit Potentialis einen indikativisdien «¿e-Satz. Von der futurischen Komponente des HS-Potentialis 87.8 zeugt noch ein dem übe-Satz beigegebenes danne. Der ahd. üS enthält ein zusätzliches muozen (vgl. BECH, 1961, 17), dessen Nebenbedeutung ,können' und dessen allenfalls vorhandene futurisdie Nebenfunktion sich mit den Funktionen des lat. Potentialis treffen könnte. Doch deckungsgleidi sind der lat. Potentialis und muozen nicht. Dennoch haben die verlorengegangenen lat. Konjunktive darin eine Spur hinterlassen.

A. Die Konditionalsätze

im Indikativ

39

A. 2. 3. 5. Die Wiedergabe des lateinischen Potentialis in si-Sätzen Ein in Notkers Vorlage zu beobachtender Sinneffekt des lateinischen Potentialis besteht darin, daß das mit dem Potentialis bezeichnete Geschehen als bloße Möglichkeit neben andern erscheint. Im Extremfall ist dies die andere Möglichkeit, daß der Verbinhalt sich vermutlich gar nicht verwirklicht. Betrifft die Einschränkung ein umfassenderes Gesamtgeschehen, so werden andere Möglichkeiten sichtbar, die zur selben im H S genannten Folge führen würden, si + Potentialis entspricht damit oft der neuhochdeutschen Formel „wenn zum Beispiel". Die Funktion, neben der ausgedrückten Möglichkeit auf das Vorhandensein anderer, evtl. entgegengesetzter Möglichkeiten aufmerksam zu machen, bedeutet eine Ausweitung des Gesichtskreises und damit eine Relativierung der gemachten Aussage, was einer Einschränkung ihrer Gültigkeit gleichkommt. Im Gegensatz zum Indikativ wird durch den Gebrauch des Potentialis im si-Satz noch anderes Geschehen als das genannte sichtbar oder als Hintergrund spürbar. — Im indikativischen «'-Satz ist demgegenüber ein Geschehen schlicht als Möglichkeit gesetzt, wogegen man mit dem Irrealis einen entscheidenden Schritt weiterginge, indem der Irrealis die dem genannten Geschehen entgegengesetzte Möglichkeit als das vollgültige Geschehen erscheinen läßt. Für den Wechsel zwischen lat. Konj. Präs. und Konj. Perf. als Potentialis der Gegenwart sehen wir keine inhaltsbezogene Erklärungsmöglichkeit. D a ß beide ganz parallel gebraucht werden, sieht man 250.27/251.2 (je kombiniert mit Ind. Präs. im üS). Der Potentialis von über 50 si-Sätzen, die zu einem ahd. ube-Sztz führen, hinterläßt in keinem einzigen übe-Satz auch nur eine einzige Spur, die auf den bewußten Willen Notkers, den lat. Potentialis zu berücksichtigen, hinwiese: In den ahd. Entsprechungen zählen wir nur wenige K 2 (5 x; vgl. S. 73 f., vgl. C. 3., S. 78 ff.), sonst steht Indikativ; dreimal gibt N ein MV hinzu, doch veranlaßt primär die Gesamtsituation die Setzung des MV, so daß es nicht unbedingt eindeutig den Potentialis ausdrückt 89 , der vielleicht von andern Aspekten derselben Situation her zu verstehen ist. Je nach den Verhältnissen im üS der lateinischen Vorlage lassen sich drei Gruppen unterscheiden. (Wir machen es uns zur Aufgabe, gedanklich nachzuvollziehen, wie der Ubersetzer angesichts der drei — auch innerlich — verschiedenen Vorlagetypen seine starre Einförmigkeit beibehält und was dies für den Stil der ahd. Version bedeutet.) s

» A. 2. 3. 5. 1. : C 149.26 +mHoz, vgl. Anm.69; A. 2. 3. 5. 2. : 59.7 +uuile, vgl. A . 4 . 4 . 2., S. 58; 352.5 +sol, vgl. A. 4. 3., S. 56; 376.27 +beginnent, vgl. auch Anm. 25.

40

II. Besprechung einiger

NS-Arten

A. 2. 3. 5. 1. lat. N S Potentialis, lat. üS Indikativ Präsens 40 A. 2. 3. 5. 2. lat. N S Potentialis, lat. üS Futurum A. 2. 3. 5. 3. lat. N S Potentialis, lat. üS Potentialis Vgl. Tabelle A. 2. 3.1., Anm. 4—6, S. 36.

A. 2. 3.5.1. Der lat. sz-Satz steht im Potentialis, der lat. üS im Indikativ Präsens. Die Philosophie beginnt ihren Exkurs über das Wesen des Zufalls mit folgenden Worten: 332.18 Si quidem inquit aliquis diffiniat casum esse productum eventum temerario motu, et nulla conexione causarum. Nihil omnino casum esse confirmo. 332.20 übe ioman heizet casum, eina stuzzelingun uuortena geskiht. unde ane allero dingo machunga. So chido ih paldo. daz casus nieht nesi. Beide, das lateinische und das ahd. Gefüge, geben eine vorgestellte Voraussetzung mit einer zwangsläufigen Folge. In beiden Gefügen wird die abstrakte Relation an sich als allgemein gültig dargestellt. Beide Gefüge drücken aus, daß eine Art von Zufall nicht existiere. Im wesentlichen stimmen sie also trotz der Modusdifferenz überein. Was ist durch die Übersetzung in den Indikativ verlorengegangen, was dazugekommen? Der Potentialis läßt das Geschehen Farbe annehmen: Er räumt explizit die Möglichkeit ein, daß das Geschehen unterbleiben könnte, und mildert so die ganze Aussage, indem er sie als einem zusätzlichen Urteil unterworfen ersdieinen läßt. Zwar intensiviert er zuerst nur die Grundfarbe („angenommen"), die schon durch den Satztypus gegeben ist, aber er zieht zudem die zahlreichen Nuancen des Kontextes an sich. Was er grundiert, wird durch den Kontext ausgeführt. In unserem Beispiel ist vor allem der üS die Grundlage dafür, daß im Potentialis der Abstand der Philosophie 40

Zwei Gefüge enthalten ein ahd. Präteritum; dennoch handelt.es sich um abstrakte Annahmen: C 139.14 Labor apium mage dulcior est. si malus sapor prius ora edat. / Taz honang ist ouh tes-te suozera. übe der munt pefore ieht pitteres kechorota. Im lat. Satz kann hier selbst neben prius der Konjunktiv Präsens stehen. N setzt das dem Adverb entsprechende Tempus der Vorzeitigkeit; er überträgt demnach Tempus und Modus nicht medianisch. Nicht bloß selbständig, sondern kühn ist Notkers freie Tempusgebung in 187.20, wo er eine mit Gewalt durchbrechende ahd. Redewendung im Präteritum als H S mit einem präsentisdien übe-Satz verbindet (lat. üS ohne Verb, N S mit Potentialis/Futurum exaetum): 187.20 Kesah tih kot trut min disses uuanes ... übe du daz tara-zuo folle-legest. Das Urteil „Gott hat dir diese Meinung e i n g e g e b e n , . . w i r d zwar spontan auf Grund schon erfüllter Voraussetzungen gefällt, doch wird davon wieder abstrahiert, indem es nachträglich von einer weitem Bedingung abhängig gemacht ist: „ . . . , falls du noch dies zur Vervollständigung hinzulegst.*

A. Die Konditionalsätze im Indikativ

41

gegenüber dem Inhalt des NS-Gesdiehens zur Wirkung kommen muß und kann: „Es wird ja keiner so töricht sein und — in dieser Art — definieren; aber nehmen wir es einmal an." Damit erscheint vor allem auch die Person des aliquis geformt: „Ist es möglidi, daß sich einer findet, der dies tut?" Wir haben festgestellt, daß der Potentialis eine zusätzliche Tingierung des Geschehens durch die vielfältige, lebendige Kontext-Wirklichkeit explizit nahelegt. Die Potentialisform ist ein sparsames Mittel geschmeidig-eleganter Kontext-Verknüpfung. Dieser geschmeidigen Ausdrucksweise ist das Althochdeutsche offenbar nicht gewachsen. Notker hat mit einer auffälligen Ausnahmslosigkeit auf eine Wiedergabe verzichtet. Sie wäre wohl nur mit größeren Zusätzen zu leisten gewesen, welche den Text allzusehr belastet hätten 41 . Notkers Indikativ gibt allein den Medianismus „Annahme (Vorstellung) einer Voraussetzung — Eintreten einer Folge". Natürlich stehen die ahd. Sätze im selben Kontext. Durch den Gebrauch des Indikativs fällt aber die explizite Verknüpfung weg, d. h., jene Kontextgegebenheiten, welche durch den Potentialis ins Bewußtsein gehoben werden, bleiben ganz im Hintergrund. Der Indikativ bringt dagegen einen Gewinn an Abstraktheit und Prägnanz, welcher der strengen Schulstube Notkers wohl ansteht. Nihil ex nihilo (333.19) heißt das fundamentale Prinzip aller Beweisführungen (welche die Materie betreffen). Darum kann es keinen soldien Zufall geben, wie er im eben besprochenen Beispiel (332.20) angenommen worden ist. Der folgende Satz will das beweisen; er spricht von Dingen, die es unter Menschen nicht gibt: 334.18

At si oriatur aliquid de nullis causis. id videtur42 ortum esse de nihilo. I Übe aber ieht uuirdet ane Urspring, taz ist uuorten niehte.

fone

Wieder wird ahd. eine konditionale Relation rein theoretisch ausprobiert; wieder bezöge der Irrealis die objektiven Verhältnisse mit ein43. Boethius braucht den Potentialis — hier Ironie spiegelnd — und videtur, ein nichtflexivisches Moduszeichen. Wenn er alsdann definieren will, was man „Zufall" nennen kann, setzt er wieder den Potentialis: 335.15

. . . casus uocatur. Ut si quis fodiens humum causa colendi agri. inueniat pondus defossi auri. Hoc creditur... jortuito accidisse.

" Vgl. 333.3 ff., A. 2.1.1, S. 24, 26; S. 43. 41 Gothein: videbitur. 44 Endres, 133: Irrealis; Gothein, 269: üS Irrealis, NS + MV „kann"; Neitzke, 143: ÜS „muß", NS +MV „soll".

42

II. Besprechung einiger

NS-Arten

Eine echte Potentialis-Situation! Althochdeutsch heißt es dann nur: 335.17 . . . übe ioman durh acher-gang an d'ta erda brechende, ein funt coldes findet, in dar begrabenes. Taz chit man ungeuuando geskehen uuesen. Der explizite, einschränkende Hinweis darauf, daß es sich bei der Voraussetzung nur um eine Möglichkeit, ein Beispiel unter andern, handle, ist weggefallen und damit fällt die explizite Bezugnahme auf andere Gegebenheiten weg, die zur selben Folge führen: Das ahd. hypothetische Gefüge erscheint dadurch im Vergleich zum lateinischen wiederum abstrakter. So bedeutet Notkers Einförmigkeit bei diesem Typus, gemessen an der Absicht des Urtextes, nie einen Verlust, der das Verständnis gefährdete; denn der Kern der Bedeutung wird nicht betroffen, wenn wir zwischen Indikativ und Potentialis (ja sogar Irrealis) wechseln! Falls wir den Modusverlust empfinden, dann vor allem — wohl nicht zufällig — in den Carmina 44 . Der das zweite Buch beschließende Carmen-Satz spricht von der den Ordo verbürgenden Liebe, die aber zuweilen ihre Zügel lockert: C 136.24 O felix genus hominum. si amor quo cqlum regitur. regat uestros animos. Im Kosmos die Liebe als feste, gültige Kraft: amore regiturl Aber den Menschen betreffend leider weniger gewiß, doch sehnlich gewünscht: si amor regat... — Im althochdeutschen Text bleibt allein übe als Zeichen der unterschiedlichen Gültigkeit: C 136.26 Uuola grehto du menniskina slahta. uuio salig tu bist, übe din muot rihtet. tiu minna. diu den himel rihtet. Hier stellen wir nicht bloß den Wegfall der K 1-Form fest, sondern wir beklagen den Verlust ihrer mehrschichtigen Funktion. A. 2. 3.5.2. Der lat. üS steht im Futurum. Von der Situation her scheinen die meisten Sätze dieses Typus 45 auch für eine Übertragung im Irrealis geeignet zu sein. Die modale Ambivalenz der zugrundeliegenden Situation zeigt sich mit aller gewünschten Deutlichkeit, wo auf eine rhetorische Frage im Futurum (proficiet), welche durch einen Konditionalsatz mit Potentialis bedingt ist, die negative Antwort im Irrealis gegeben wird 46 : Im folgenden Text ist davon die Rede, daß es nichts gibt, was, wenn es seine Natur bewahrt, Gott entgegen zu sein suchte. 44 45

46

Vgl. 87.11, A. 2. 3. 4. 2. 157.11, 198.11, 230.5, 232.2, 308.9; mit MV im NS: 59.7, vermutl. 94.16 vgl. A. 4. 4. 2.), 352.5 ( + s o l ) , 357.4 (wie queat). — Vgl. Anm. 43. Ein analoges lat. Beispiel vgl. Anm. 48.

(+uuile,

A. Die Konditionalsätze

im

Indikativ

43

232.2—9 Quid si conetur ait. Num tandem proficiet quicquam adversus eum. quem iure beatitudinis potentissimum esse concessimus? Prorsus inquam nihil ualeret. Gothein, 195, und Endres, 96, übersetzen alle drei lat. Modi — K l (Pot.), Futurum und K 2 (Irr.) — einheitlich dreimal mit K 2 (Irr.); Neitzke, 104, und Notker einheitlich mit Indikativ Präsens: 232.2

Uuaz cbad si. übe sih is tehein creatura beitet. so gigantes taten*1. unde alle iniqui tuont? Kemag si danne ieht uuider demo geuualtigosten ..Nieht über al cbad ih.

Der Gebrauch des Potentialis im Latein ist kontextgemäß: der Versuch, gegen Gott zu handeln, ist stets eine Möglichkeit (neben andern). (Nur hat er zur Folge, daß das versuchende Subjekt von seiner eigenen Natur abfällt.) Der Irrealis in der nhd. Übersetzung kann ebenfalls als kontextgemäß bezeichnet werden, da er die Verwirklichung des verbalen Geschehens nicht ausschließt. Doch in dem Maße, als er, zumindest für den Moment, die Nicht-Verwirklichung nahelegt, wird er für den NS inadäquat. Offensichtlich paßt er ganz nur in die beiden Hauptsätze und hat von ihnen aus in den NS übergegriffen. Der Indikativ, den Notker im ahd. Text verwendet, paßt demgegenüber besser in den NS, umso mehr, als Notker gleich mit Beispielen aus Vergangenheit und Gegenwart aufwarten kann: so gigantes taten, unde alle iniqui tuont. Einen solchen durch so ( = ,wie zum Beispiel') eingeleiteten Satz muß man auch als Reflex des lat. Potentialis auffassen. Denn der Potentialis suggeriert das genannte Geschehen (conari) als Möglichkeit neben andern. Er fordert also geradezu dazu auf, Beispiele zu denken und zu nennen. Gerade ein derartiges Verfahren, den Potentialis in längern Zusätzen zu berücksichtigen, entspricht den Möglichkeiten des Althochdeutschen — doch widerspricht die Umständlichkeit dieses Verfahrens häufigerer Anwendung. Trotz den ahd. hinzugegebenen Beispielen bleibt das ahd. Gefüge selbst abstrakt; die Parenthese so... hält aber ergänzend fest, daß das Geschehen nicht allein zu denken (vgl. 333.3 ff.) sei, sondern eines realen Hintergrundes nicht entbehre. So wählt Notker im zu der einen Situation gehörigen Satzkomplex vom NS aus einheitlich den Indikativ 48 . Eine Modusmischung widerstrebt 47

48

Vgl. das spätere gigantes 232.26 und 233.1 ff.: für N typische Vorwegnahme, die von seinem Oberblick zeugt. Anders nur 376.26 f./377.21/378.8 in weiter voneinander entfernten Sätzen. Vgl. Anm. 49.

44

II. Besprechung einiger

NS-Arten

ihm. Die drei Indikative zeigen Notkers durch lateinische Variabilität unbeirrbares eigenes althochdeutsches Sprachempfinden. Wir finden drei Beispiele mit MV im NS: 59.7 + uuelen, 352.5 + sulen und 357.4 (mag : queat). Mit dem Futurum des üS haben die MV jedoch nichts zu tun; wir besprechen sie Kap. A. 4.4. 2., S. 58; A. 4.3., S. 56; A. 4.2.2., S.56. A. 2.3. 5. 3. Das lateinische Gefüge steht ganz im Potentialis. Gegenüber den bisher beschriebenen Typen ergibt sich nidits grundsätzlich Neues: Ein (zusätzliches) MV wählt Notker nie. In mindestens drei Fällen ist der Irrealis Notker von der Situation her ganz verwehrt; in fünf andern wählt Notker — aus Gründen unterschiedlichen Gewichts — den Indikativ 49 . A.2.4. I n d i k a t i v i s c h e ü b e - S ä t z e in freien Zusätzen

Notkers

A. 2. 4.1.

Die indikativischen übe-Sätze des Kommentars drücken allgemein gültige, kontextgelöste („abstrakte") Konditionalrelationen aus50; ihre Kontextgrundlage unterscheidet sich nicht von der Masse der übersetzten «¿e-Sätze: 144.6 Sillogismus netriuget. übe er legitime getan ist. Gegenüber diesem häufigen Typus des Konditionalsatzes mit einer abstrakten Annahme kann sich der Indikativ-Sinneffekt des Hinweises auf konkrete Tatsächlichkeit auch in den übe-Sätzen des freien Kommentars höchstens ganz ausnahmsweise verwirklichen. Nicht der Fall ist dies in den als echte, abstrakte Annahmen zu wertenden Konditionalsätzen 144.23/25 Übe iacob uuas filius filii abrahq. so uuas er nepos abrahq ... Nur 183.20 spielt ins Kausale: Übe diz sus ist... / ,Da dies also so ist'; allerdings kann man diesen Satz als (erste) freie Übersetzung von Consequens igitur est auffassen. A. 2. 4. 2.

Zudem finden sich Ubergangs-Situationen, die schon beinahe einen Irrealis auslösen könnten (z.B. 74.25); inwiefern die

» 86.2 (2. Pers. Sg., vgl. 213.15, A . 2 . 2 . 3. 3.); ähnlich: 90.13. — 376.27 und 377.21 stehen parallel und leiten zwei nur vorgestellte indirekte Reden ein. Ein elliptisdier üS (376.26: quid, si... = uuaz, übe...) wird nachträglich mit einem Irrealis gefüllt. Doch bewahren die weit voneinander entfernten Sätze, welche das ganze Kapitel (V, 30) umrahmen, große Selbständigkeit, so daß man nicht von echter „Modusmischung in einem Satzgefüge" sprechen kann. — Neitzke und Endres übersetzen — Boethius entsprechend — gleich wie N ; Gothein, 297: alles im Irrealis. — Der Irrealis kommt nicht in Betracht: 50.9 (Imperativ im üS!), 105.22 (üS Konj. des Konsekutivsatzes), 218.14 (Wegfall von conari), 251.25 (schön die Abstraktion durdi den Indikativ). 50 Nur ausnahmsweise präterital: 15.9, 80.8,144.23/25.

A. Die Konditionalsätze

im

45

Indikativ

Indikative 333.5 und 333.6 in einer Irrealis-Situation stehen, haben wir S. 24 ff. erläutert. A.3. D i e

indikativischen Konditionalsätze ohne B i n d e w o r t ( B W )

A. 3 . 1 . 1 . Indikativische Konditionalsätze ohne B W : Übersicht Lat. Ind. Ahd. Ind. im NS

Konstruktionswechsel

gleiche Konstr. — anderer Modus

freie Zusätze

ohne MV

18

1

15

25

MV wie Latein

4

zusätzliches MV

1

1

4

7

23

2

24

32

TOTAL: 81

5





Entsprechende «¿e-Sätze vgl. Tabelle A. 2 . 1 . 2., S. 27. — Die Kolonnen 1 + 3 werden in 2 weiteren Tabellen je nodi detailliert dargeboten.

A . 3 . 1 . 2 . Indikativische Konditionalsätze ohne B W : Modus und Konstruktion wie Latein (Sätze aus Kolonne 1 der voranstellenden Tabelle, differenziert nach den lateinisdien (und ahd.) finiten Verbformen des NS und v. a. auch des üS) lat. Ind. Präs. ahd. Ind. Präs.

lat. Ind. ahd. Ind. Perf.

ohne MV

10»



MV wie Latein



zusätzliches MV TOTAL: 23«

lat. Fut. in lat. K 1 Pot. lat. zusätzl. NS oder üS — im üS — konjunktiviahd. Ind. Präs. ahd. Ind. Präs. scher NS — ahd. Ind. Präs. 5

2

1

1







1 12

1

7*

(Vgl. A. 2.1. 3.: entsprechende übe-Sätze) 1 64.4, 65.5, 86.8, 95.19, 128.3, C 150.8, 152.13, C 288.1, 349.5, C 354.10. 1 mugen: 152.12 (vgl. 152.6, Anm. 5); 173.2.

46 s

4

5

6

II. Besprechung einiger

NS-Arten

89.3, Ind. Perf., müßte audi in der 3. Kolonne (lat. Futurum) gezählt werden. — Präteritale Sätze fehlen. Futur nur im lat. üS.: 246.28; 344.20 (MV: mag), poterit im lat. iiS: 89.3, vgl. Anm. 3. Futur nur im lat. N S : — Futurum (exactum) in lat. N S und üS: 66.16, 123.15, C 136.12, 159.19, 94.16 (MV: + uuile). 202.12 ( 2 X ) , 152.6 (MV: mugen : valent, Z.10, vgl. Anm. 2). Der Anteil (11 von 23 Sätzen) der Konditionalsätze ohne BW an der Wiedergabe lateinischer Gefüge mit futurischem oder konjunktivischem Element ist prozentual größer als derselbe Anteil der «¿e-Sätze (50 % : 30 °/o). Vgl. A. 3. 2. 2. Gesamtzahl 23 = Vs der entsprechenden «¿e-Sätze (71).

A.3.2. I n d i k a t i v i s c h e a h d . K o n d i t i o n a l s ä t z e o h n e BW ( m i t A n f a n g s s t e l l u n g des f i n i t e n V e r b s ) / entsprechende lateinische ii-Sätze W U N D E R , 135/142, stellt zwischen den oba-Sätzen und den Konditionalsätzen ohne BW bei Otfrid einen Unterschied fest, der auch modale Aspekte hat, indem er nur das Geschehen der oba-Sätze für „rein hypothetisch" hält, das Geschehen der Konditionalsätze ohne BW aber für „als angenommen betrachtet", d. h. die Verwirklichung für „möglich", für weniger hypothetisch . . . WUNDERS modale Differenzierung können wir, zumindest für unsern Schriftsteller, nicht bestätigen. A. 3. 2.1. Ahd. Indikativ Präsens / Lat. Indikativ Präs. in NS und üS Im Text des Boethius treffen zuweilen zwei je durch si eingeleitete indikativische Konditionalgefüge aufeinander, die als Alternativen zu verstehen sind. Den aufeinanderfolgenden «'-Sätzen entsprechen dann zuweilen zwei übe-Sätze51, zuweilen zwei Konditionalsätze ohne BW62. Notker macht aber auch abwechselnd von beiden ahd. Möglichkeiten Gebrauch53: 128.3 (: si moriuntur) / 128.12 (: sin vero petit cqlum) 128.3 Irstirbet ter mennisko mitallo. in selo. unde in lichamen. taz mine rationes fersagent. uuar ist tanne sin guollichi...? 128.12 Übe aber sichuritt sela. uzer demo charchare des lichamen. ferlazeniu ze himele feret. uuaz sol iro danne daz irdiska ding...? Dieses und alle anderen Beispiele zeigen, daß der indikativische Konditionalsatz ohne BW bei Notker dieselben Funktionen erfüllt wie der 51

103.4/8 und öfters; 251.23/25: Alternativen. 152.6/12; 159.19/23 (irreal), 202.3/11,12; mit Moduswechsel: 250.28/251.3, 101.25/ 102.2 (uuile). " 95.16/19, 349.5/11; mit Moduswechsel: 102.20/16. (Variatio vgl. audi: 86.2/8; 150.8/ 149.26; 246.22 irr./28). 52

A. Die Konditionalsätze

im

Indikativ

47

«¿>e-Satz54: Er enthält abstrakte Annahmen. Deren Modus ist der Indikativ, und zwar, wie bei den übe-Sätzen, auch dann, wenn ein bewußtes (hier aber gar nicht erwünschtes) auf die sog. Realität bezogenes Urteil das Geschehen als irreal bezeichnen müßte 85 . Als Unterschied zu den «¿e-Sätzen ist aber doch festzuhalten: Situationsbezogene indikativische Gefüge, in denen der hypothetische Charakter zurücktritt zugunsten eines kausalen Verhältnisses und in denen folglich der Indikativ mit Recht „Realis" genannt werden kann, finden sich unter den indikativischen Konditionalsätzen ohne BW bei Notker keine. Dieser Befund ist der Theorie WUNDERS genau entgegengesetzt. A. 3.2.2. Futurum in der lateinischen Vorlage Vgl. Tabelle A. 3.1.2., Anm. 4, S. 45. Für ganz futurische lat. Konditionalgefüge (insgesamt 8 im BoethiusText) 59 , in denen die Futurformen ja explizit ausdrücken, daß die Geschehen jetzt (noch) nicht verwirklicht sind, und die damit stets mehr oder weniger irrealen Gefügen nahestehen, steht das Konditionalgefüge ohne einleitendes Bindewort häufiger (5 x) als ein Gefüge mit übe (1 x, vgl. A . 2 . 2 . 3 . 3 . , S. 30). Auch dieser Befund setzt den rein hypothetischen, abstrakten Charakter der indikativischen Konditionalsätze ohne BW voraus und widerspricht WUNDERS Theorie. Abgesehen davon, daß die Geschehen „jetzt nicht konkret vorliegend" sind, wird die Verwirklichung der Geschehen in 66.16, 136.12 und vermutlich auch 159.19 durch den Kontext sogar als überhaupt unmöglich erwiesen57; nur das Geschehen in 123.15 ( + danne) wird sich sogleich verwirklichen. M

55

Freilich sind die beiden Satzarten außer durch ihre Herkunft auch durch stilistische Werte voneinander verschieden. Vgl. das zitierte Gefüge 128.3 mit dem erklärenden NS. Vgl. auch: 136.12, 349.5; 202.12 sind zwei Bedingungen einander parallel gesetzt; das erste Geschehen ist (wie 202.11) an sich verwirklicht, das zweite nicht. Der Übersetzer Endres, 85, reagiert darauf und setzt den letzten N S in den Irrealis; N aber, wie Boethius abstrahierend und auf ein Urteil verzichtend, gibt alle Sätze im Indikativ.

M

66.14, 94.14, 123.11, C 136.11, 159.16, 213.13. — Vgl. auch 344.14 und 357.16. — Nicht gezählt die durch Kombination mit dem R-Kommentar entstandenen 180.15 und 225.15, vgl. Anm. 25. Es ist daran zu erinnern, daß die lat. Form, die wir auf Grund der Consecutio-Regeln als „Futurum exactum" bezeichnen, gleich lautet wie der Konj. Perf. und daß auch eine Funktionsüberschneidung vorliegt.

57

Die Affinität zum Irrealis zeigt sich wieder bei den nhd. Übersetzern: 136.12: Gothein, 125: —; Endres, 61: Irrealis; Neitzke, 67: Irrealis. — 159.19: Gothein, 143: Irr.; Endres, 70: Irr.; Neitzke, 77: Irrealis. — 66.16: Gothein, 81: üS + w i l l ; Endres, 40: üS Fut.; Neitzke, 45, üS Fut.

48

IL Besprediurtg einiger NS-Arten

A.3.3. V o m L a t e i n a b w e i c h e n d e K o n d i t i o n a l s ä t z e ohne BW

indikativische

A. 3. 3.1. Selbständige Indikative in Konditionalsätzen ohne BW

Konstruk tionswechsel lat. infinite Formen

•r» ohne MV MV wie Latein

1



gleiche Konstruktion — anderer Modus lat. Potentialis nur im «'-Satz

lat. Pot. im ii-Satz, Fut. im üS

lat. Gefüge ganz im K (Pot.)

lat. K 1

lat. K Perf.

lat. K 1

lat. K 1

9

2

1

3

3

1

1

zusätzliches MV

1

1

TOTAL: 26



11*



3 2»

74





Vgl. entsprechende Tabelle mit «¿e-Sätzen A. 2. 3. 1., S. 35. 1

259.10 (: hoc modo, das sich auf eine Frage bezieht); mit MV: 350.12 +sol.

» l a t . K L : 102.20 (vgl. T e x t k r i t i k SEHRTS), 106.3, 125.24/25, 251.3, 251.20, C 337. 19/20, 348.8; m i t M V : 101.25 (uuile), 46.23 ( + uuile). s

lat. K Perf.: C 149.7, 250.28.

4

250.1 — Mit MV: 102.2 (uuile), 250.8 (uuile), 386.20 (uuile), 227.5 (+ uuile), 389. 12/17 ( + uuile). Auffälliger Gebrauch des Modalverbs uuile bei diesem Typus, vgl. A. 4. 4., S. 57 ff.

* 114.26, 202.3, C 293.8; mit MV: 64.9 uuile.

A. 3. 3. 2. Die Wiedergabe des lat. Potentialis von «-Sätzen Wie bei den «¿e-Sätzen fallen drei lat. Typen in einen einzigen ahd. zusammen; Notkers Indikative lassen das ahd. Gefüge gegenüber dem lat. wieder abstrakter erscheinen. Als ahd. Entsprechungen zählen wir 24 Indikati ve und nur einen K 2 Irrealis (274.21, vgl. C. 3. 2., S. 79). Die Sät?e mit MV werden A. 4.1 ff., S. 50 ff., besprochen.

A. Die Konditionalsätze

im

Indikativ

49

A.3.4. I n d i k a t i v i s c h e K o n d i t i o n a l s ä t z e o h n e e i n l e i t e n d e s B i n d e w o r t in d e n f r e i e n Z u s ä t z e n In den freien Zusätzen 58 tritt das Wesen der Konditionalsätze ohne BW besonders zu Tage: 39.19

Tu lertost mih tagelichen. taz phitagoras phylosophus sprah. de non sacris. aide de non d'tis. Sint sie non sacri. so sint sie sacrilegi. sint sie non dii. so sint sie demones. 74.26 Stritet man timbe reht. unde urnbe unreht. so man in dinge tuot. tiu slahta strites. heizet latine fone iudicio iudicalis. Stritet man umbe ambaht-sezzi. also daz ist uuer ze chuninge tuge. aide ze biscofe. uuanda man sina virtutem soll demonstrare. pediu heizet tiu slahta strites demonstratio. Stritet man dar-umbe. uuaz nuzze si ze tuonne. aide ze lazenne ... uuanda man des sol tuon deliberationem ... pediu heizet tiu slahta strites deliberatiua. 236.26 Slahet in ensis. so slahet in gladius. slahet in locuples. so slahet in diues. tuot iz scipio. so tuot iz afjricanus. 355.23 Chit ioman ze uns .. . Chit er aber . .. Chit er ouh .. . Notker wählt die indikativischen Konditionalsätze ohne BW in den freien Zusätzen gerade dann gerne, wenn von Realitäten, die sich zwar stets verwirklichen können, abstrahiert wird und diese Realitäten als bloß angenommene bedingende Geschehen gesetzt werden sollen. Oft werden mehrere Möglichkeiten als Bedingungen aufgereiht: In den zitierten Sätzen 74.26—75.5 werden durch 3 Konditionalgefüge ohne BW drei Definitionen von möglichen Arten des Rechtsstreits gegeben. Die Unterarten werden mit konditionalen so-Sätzen definiert (75.13/14/16), die sich nur formal von den vorangehenden Konditionalsätzen ohne BW unterscheiden, jedoch in derselben Situation dasselbe leisten. Auch den Wechsel mit übe findet man 268.1/9 (in präteritalen Gefügen). Der Indikativ in diesen Konditionalsätzen ohne BW stellt das Geschehen nie als Tatsache hin. Im Gegenteil, das Wesentliche ist, daß er sich in Gefügen als brauchbar erweist, in denen das Geschehen abstrahiert von seiner außersprachlichen Wirklidikeit als gedachte Möglichkeit, als Annahme aufgefaßt wird. Dies gilt gleichermaßen für den Indikativ Präsens wie für einen Indikativ Praeteriti (vgl. 268.1 ff.). 58

4

Konditionalsätze ohne BW, freie Zusätze ohne MV; Indikativ Präsens: 39.19, 39.20, 60.20, 74.10 (2 X), 74.26, 75.2, 75.5, 80.1, 144.31, 172.7, 200.4, 236.26 (2 X), 236.27, 329.2, 334.13, 355.23, 355.24, 355.26, 366.25, 385.14; Indikativ Präteritum: 268.1, 268.2. Furrer

50

II. Besprechung einiger

A.4. A.4.1.

Indikativische Einleitende

NS-Arten

Konditionalsätze

mit

MV

Kapitel

A. 4 . 1 . 1 . Indikativische Konditionalsätze mit Modalverb: Übersicht Modus + Konstruktion wie Latein

uuile1

MV wie Latein

zusätzliches MV

Konstruktionswechsel

397.11

TOTAL: 16 sol»

MV wie Latein

zusätzliches MV

* 94.16

59.7 » 46.23 »227.5 »389.12/17

63.3 99.9 155.26 163.22 334.21 344.6 »152.12/6 »173.2 »344.20

9 268.9 382.15 »140.29 »215.8 »268.6/7 »367.27

13

255.19 357.4

12

73.8 372.29 ? 387.17

353.24 4

MV wie Latein zusätzliches MV

TOTAL: 7

freie Zusätze

180.4 269.14 + 15 » 64.9 »101.25 »102.2 »250.8 »386.20

TOTAL: 22 mag1

gleiche Konstruktion — anderer Modus

0 »350.12

352.5

160.19 302.8 382.18 »351.21 »364.28

7

51

A. Die Konditionalsätze im Indikativ Modus + Konstruktion wie Latein

muoz*

MV wie Latein

TOTAL: 52

freie Zusätze

1

zusätzl. MV zusätzl. MV

gleiche Konstruktion — anderer Modus

213.18 296.3 332.7

TOTAL: 5 chan' TOTAL: 2

Konstruktionswechsel

C 149.26

380.21 17

3

17

35.14

4

151.1

2

15

52

Bei den mit * bezeichneten Nummern handelt es sich um Konditionalsätze ohne BW, bei den übrigen um ube-S'itze. übe-Sätze mit MV Wir zählen 30 indikativische «¿e-Sätze mit MV, nämlich 8 freie Zusätze, 13 Sätze in Übereinstimmung mit einem lat. MV als Vorbild; 9mal hat N ein zusätzliches ahd. MV gebraucht, davon stehen nur 4 MV, also ca. die Hälfte, »an der Stelle" eines lat. Potentialis im «-Satz. Einige Male hat er ein lat. MV einfach weggelassen, so in den übe-Sätzen 96.17 (potest) und 349.27 (potest). (Häufiger fällt das MV posse im üS weg: 99.19, 140.21, 197.17, 198.11, 253.11.) Konditionalsätze ohne BW mit MV Wir zählen 22 indikativische Konditionalsätze ohne BW mit MV, nämlich 7 freie Zusätze, 9 Sätze in Ubereinstimmung mit einem lat. MV als Vorbild; 6mal hat N ein zusätzliches ahd. MV gebraucht, davon stehen 4 MV „an der Stelle" eines lat. Potentialis im ii-Satz. Nicht berücksichtigt hat N das lat. queas 114.26 im üS. Diese Übersichten zeigen, daß zwischen den beiden Arten ahd. Konditionalsätze kein grundsätzlicher Unterschied im Gebrauch indikativischer MV besteht. Auf eine systematische Gliederung nach den Herkunftstypen, wie wir sie unter A. 2. 2.—A. 2. 4. behandelt haben, verzichten wir hier. Wie der MV-Gebraudi und die lat. Vorlage hinsichtlich modaler Werte zusammenhängen können, wird bei den einzelnen MV anhand einzelner Beispiele zu zeigen sein. 1

2

9

Auffällig häufig ist der Gebraudi von uuellen (total 31 X). Modale Werte dieses Verbs sind gut nachzuweisen, für uuile v. a. in den konjunktionslosen Sätzen (A. 4. 4., S. 57 ff.), für uuellest (K 1) in den K l-K&e-Sätzen. Etwas weniger häufig (total 20 X), fast völlig vom Latein abhängig und in seiner vielfältigeren modalen Funktion weniger geschlossen erfaßbar ist mugen. mag und chan stehen nie zusätzlich, wenn ein lat. K 1 wiederzugeben war. SEHRTS Angabe, Glossar, 136: mugen / »öfters vertritt es den Konjunktiv" trifft für die Konditionalsätze gerade nicht zu. Allerdings finden wir mag J valent in Konditionalsätzen ohne BW in Irrealis-Situation. Vgl. auch üS 182.6. sulen (total 8 X) steht in Konditionalsätzen immer unabhängig vom Latein.

52

IL Besprechung einiger NS-Arten

* muoz entspricht einmal lat. contingit, sonst steht es unabhängig vom Latein. Modale Werte sind gut nachweisbar; vgl. Anm. 69a und 38 (muozen in üS). — muoz und chan fehlen in Konditionalsätzen ohne BW. — Zu 296.3 vgl. S. 96. 4 chan(st), nur unabhängig vom Latein, vgl. Anm. 69 b. sin ze und haben ze sind in Konditionalsätzen nicht vertreten. — Präteritale Konditionalsätze mit MV stehen nur im Kommentar: *268.6/7, 268.9 uuolta; 160.19 solton.

A. 4 . 1 . 2 . Die Leistung des Modalverbs im Konditionalsatz: Beispiel mit zusätzlichem mag Wenn die Leistung der Modalverben im Konditionalsatz erhellt werden soll, wird man mit der Untersuchung dort beginnen, wo N ein zusätzliches ahd. MV setzt. Auch Gefüge mit mehreren parallelen Konditionalsätzen, die teils mit, teils ohne MV gebaut sind (63.3/4, 155.26/27, 163.22/23/24/25, 255.16/19, 344.5), eignen sich für den Vergleich zwischen dem gewöhnlichen Konditionalsatz und jenem mit MV. setzt Notker übe sin mag für lat. si est59: Atqui. si est digna collatio diuini presentis et htimani... / Gothein, 305 (Endres, 152, Neitzke, 163): ,Wenn es einen Vergleich, würdig göttlicher und menschlicher Gegenwart g i b t , . . / Ze uuare. übe dehein geristig uuidermezunga sin mag. mannes unde gotes kagenuuerti.. .so... Dieser Konditionalsatz schränkt ein ihm folgendes ganzes Satzgefüge, das eine Analogie zwischen Irdischem und Himmlischem beschreibt, in seiner Gültigkeit ein: Die Analogie gelte nur, falls es zwischen Erde und Himmel überhaupt einen angemessenen Vergleich gebe, bzw. geben könne. mag ist nicht notwendiger Bestandteil der Übersetzung, sondern drückt zusätzlich die inhaltliche Dimension des Vermögens und Möglichkeit-Habens oder des Dürfens 40 aus. Spontan wird man das hinzugesetzte mag als Ausdruck von Notkers erhöhter Vorsicht, ja Skepsis auffassen, ob der folgende Vergleich zwischen Gottes intelligentia und der beschränkten menschlichen ratio statthaft sei. Einerseits erscheint das NS-Geschehen durch das MV in seiner Gültigkeit zusätzlich eingeschränkt, andrerseits bekommt der NS dadurch mehr bedingendes Gewicht, so daß er die Gültigkeit des üS mit mehr Nachdruck einschränkt als der lat. NS. 387.17

M 80

Vergleichbar ist 353.24, freier Zusatz. „dürfen", eine allfällige Nebenbedeutung von mugen, wird von SEHRT, Glossar, 136, nicht angenommen.

A. Die Konditionalsätze

im Indikativ

53

Modalverben lassen Faktoren bewußt werden, von denen die Gültigkeit des ihnen zugeordneten Infinitivs abhängt. In „Er kann kommen" z. B. wird eine Bedingung des Kommens, das Können, als erfüllt genannt 81 ; der Infinitiv-Gehalt bleibt virtuell. Im Konditionalsatz aber steht der MV-Gehalt unter der Konjunktion „falls" und wird wie ein gewöhnlicher Verbinhalt als bloße abstrakte Annahme gegeben. (Doch besteht, weil das MV Repräsentant des MV-Systems ist, doch ein Unterschied zur Setzung eines gewöhnlichen Verbs. Davon S. 54.) Während aber in unserm Beispiel das lat. est nur durch si von konkreter Tatsädilichkeit abstrahiert ist, wird das ahd. sin noch durch ein (bloß angenommenes) MV-Geschehen bedingt. Als Bedingung wird das Können, das Vermögen, genannt. So kann man einen Konditionalsatz mit MV in zwei Konditionalsätze auseinanderlegen: ,Falls ein würdiger Vergleich sein kann' = „Falls er ist (und er ist), falls er k a n n . . . " Im MV steckt eine zweite Bedingung, ein Konditionalsatz 2. Grades, von dem das dem MV bei- oder genauer: übergeordnete Infinitiv-Geschehen seinerseits abhängt. Eine Bedingung aber kommt hinsichtlich der Größe, die von ihr abhängt — und das ist hier der Infinitiv, d. h. ein Bestandteil desselben NSGeschehens — einer Beschränkung der Gültigkeit gleich. Wir müssen nun wieder klar abgrenzen, daß das MV im Konditionalsatz wie der Modus nicht selbst schon als eine Angabe über die kleinere (oder größere) Wahrscheinlichkeit der (späteren) Verwirklichung des Geschehens aufgefaßt werden darf. Die Verwirklichung eines „wenn er sein kann" ist nicht immer und von vornherein weniger wahrscheinlich als die eines „wenn er ist", wie die Verwirklichung eines „wenn er ist" nicht in jedem Fall wahrscheinlicher ist als die Verwirklichung eines „wenn er wäre". Uber die Wahrscheinlichkeit oder Gewißheit einer Verwirklichung gibt erst der Kontext Auskunft, In unserm Satz z.B. (387.17) bleibt der Entscheid über die Statthaftigkeit der Analogie offen. So wirkt das MV bedingend-einschränkend. Wir finden aber auch das Umgekehrte: In einigen übe-Sätzen mit mag, die von lat. potest im si-Satz herstammen, erscheint die Verwirklichung derart sicher, daß der übe-Satz in unmittelbare Nähe des Kausalsatzes rückt (vgl. A. 4.2.1.). Es ist also auch beim Modalverb mit modalen Sinneffekten zu rechnen, die nur an ihrem Ort aus dem Kontext abzulesen sind. Ein MV verankert den Bedingungssatz gegenüber einem gewöhnlichen Indikativ zusätzlich im Kontext: M

Vgl. dazu BRINKMANN, 359 f.

54

II. Besprechung einiger NS-Arten

Notker, der 387.17 das zusätzliche mag setzt, evoziert nicht nur zusätzlich die Frage nach dem Können und die nach dem Dürfen („Darf es sein?"), sondern schließt durch das Nennen des Könnens zugleich das entgegengesetzte Müssen aus. Durch ein MV (hier z. B. ,kann') wird das ganze System der MV 62 evoziert; zugehörige Werte werden mitgesetzt, entgegengesetzte ausgeschlossen. Die modalen Funktionen des Modalverbs (im Konditionalsatz) erblicken wir: 1. in der Zurückversetzung des Infinitivgeschehens in einen virtuellen Hintergrund und in der gleichzeitigen Bedingung des Infinitivgeschehens sowie 2. in der zusätzlichen Verbindung mit dem Kontext, die sich — als konkretisierendes Element — mit Moduswerten (modalen Sinneffekten) treffen kann. Die unter 1. genannten Modifizierungen der Gültigkeit finden wir zwar in jedem Konditionalsatz mit MV, doch wie schwer die Bedingung mit MV in concreto wiegt, hängt vom Zusammenhang ab. In 387.17 stellt das MV den Bezug zu Notkers Glauben und Ehrfurcht her und ist so ein Mittel zur Einschränkung der Gültigkeit. Bezeichnend für den Gebrauch ist, daß das MV aus dem Gesamtzusammenhang heraus gesetzt worden ist, nidit veranlaßt durch ein besonderes, entsprechendes lat. Zeichen83.

A.4.2. D e r I n d i k a t i v v o n m u g e n im Konditionalsatz A. 4 . 2 . 1 . potest (nequeunt, valent) im si-Satz steht als Vorbild für mag A. 4 . 2 . 1 . 1 . mag in übe-Sätzen. In der lateinischen Vorlage Notkers treten die negierten Indikative non potest und nequeunt mit Vorliebe in «'-Sätzen auf, die kausalen Nebensinn haben" 4 , so daß dann das von einer lateinischen Vorlage abhängige ahd. mag in übe-Sätzen erscheint, die man 62 M

64

Wir beziehen uns auf das MV-System, das B E C H aufgestellt hat. Wie verschiedenartig die Motive für die Setzung eines ahd. Modalverbs sein können, mag ein Blick auf 73.8 zeigen. Der ahd. NS ist aus lat. si quid est + RS zusammengezogen (Übersetzung nach Typus A. 2. 2. 5. 1., S. 34). Das MV ist notwendiger Bestandteil der Übersetzung: übe du maht entspricht si quid est. Das MV muß stehen, weil der Inhalt des Infinitivs (geskeinen) gar nicht Voraussetzung des üS sein kann. Als zusätzliche Bedingung und Zeichen eingeschränkter Gültigkeit erfüllt das MV hier eine unentbehrlidie Funktion. Sie werden eingeleitet durdi nam si, quare si, si igitur, quodsi, doch sind diese Einleitungen nicht schon an sich ein Beweis für kausale Auffassung des Nebensatzes; diese ergibt sich nur bei entsprechendem Kontext und nur als Nebensinn.

A. Die Konditionalsätze im Indikativ

55

ebenso adäquat mit „da ja" statt mit ironischem „falls" einleiten könnte und die wir als situationsbezogene, konkrete Sätze bezeichnet haben (63.3, 99.9, 155.26, 163.22, 344.6). So steht dieses mag in »£e-Sätzen, die von potentialer und irrealer Bedeutung denkbar weit entfernt sind: 155.26 Tone diu sage du mir chad si. übe rihtuom durfte fertiligon nemag. unde er ioh turfte machot. uuelicba gnuht mag er danne geben, uuanent ir? Der Kontext erweist die negierte Bedingung nemag als gegeben, so daß sich der Sinneffekt der Tatsächlichkeits-Feststellung ergeben kann und das konditionale Verhältnis ins Kausale hinüberspielt. Der kontextabhängige modale Wert (Sinneffekt) ist also hier dem vorhin besprochenen von 387.17 gerade entgegengesetzt. Man sieht, daß der MV-Gebrauch nicht einfach zu Gültigkeits-Zwischenwerten zwischen Indikativ und Konjunktiv führt. In den beiden Sätzen mit Moduswechsel verhält es sich wiederum ähnlich wie in 387.17, und ebenso ist es in den Konditionalsätzen ohne BW: A. 4.2.1.2. mag in Konditionalsätzen ohne BW. Keiner dieser Sätze steht einem Kausalsatz nahe (vgl. A. 3.2., S. 46 f.); deren drei stehen in einer Irrealis-Situation85 (173.2 mugen : possunt; 344.20 mag : valent; 152.6 mugen: valent, Z. 10): 173.2 Mugen sie (voluptates) mennisken salige tuon. so nemenget ouh nieht temo uehe. nube iz salig si.Tes sin aller ist ten budeming ze erfullene. Es wäre kühn, zu behaupten, durch das Nennen des Könnens als zweite Bedingung werde das Niditkönnen und damit die Irrealität der Bedingung bewußt. Die Funktion des Modalverbs geht aber in dieser Richtung, und es handelt sich hier gegenüber einem ganz abstrakten indikativischen Bedingungssatz ohne MV und gegenüber einem Irrealis-Satz um eine Zwischenstufe der Gültigkeits-Einschränkung, die der zugrundeliegenden Situation, die auszudrücken es hier gilt, entspricht: Die Abstraktheit der reinen indikativischen Hypothese (ohne MV) wäre an dieser Stelle kaum möglich, denn sie wirkte schal, und gleicherweise bräche der Irrealis die Prägnanz v. a. des Hauptsatzes. Das indikativische MV dieser Sätze wirkt als zweite Bedingung, schränkt also die Gültigkeit des NS-Geschehens ein (und erhöht damit die das HS-Geschehen einschränkende Wirkung des Nebensatzes). Da** Die nhd. Ubersetzer reagieren mehrheitlich mit K 2.

56

II. Besprechung

einiger

NS-Arten

durch wird die bei der indikativischen Hypothese ohne MV sonst satztypische Abstraktion von den tatsächlichen Verhältnissen gemildert. Das MV wird gerne in Konditionalrelationen gebraudit, wo konkretere Kontextbezüge, die über die Gültigkeit informieren, nicht unerwünscht sind. A. 4.2.2. Moduswechsel: übe mag j si queat 357.4 wählt Notker zur Wiedergabe eines lat. Potentialis den Indikativ, wo alle 3 nhd. Ubersetzer mit Irrealis reagieren89. Die Wahl des Indikativs ist veranlaßt durch die vorwegnehmenden Erklärungen Notkers, die angeben, daß die Tatsächlichkeit der Geschehen angenommen werden kann; dies schließt den Irrealis aus. Das MV, als zusätzliche Bedingung, ist ein relativ schwaches Zeichen der eingeschränkten Gültigkeit. A. 4.3. D e r I n d i k a t i v sol i m K o n d i t i o n a l s a t z sol steht in Konditionalsätzen unabhängig vom Latein (während mag vorwiegend nach lat. Vorbild auftritt). Im aus dem Latein (NS Potentialis, üS Futurum, vgl. A. 2.3.5.2., S. 44) übersetzten Satz 352.5 und in zwei weitern, freien Konditionalsätzen desselben Kapitels hat Notker selbständig je sol gesetzt, dessen die Gültigkeit des Geschehens betreffenden Werte nun untersucht werden sollen. Kontext: Der Gefangene (Boethius) entwickelt hier die durch die Vernunft gegebene Lehre von der absoluten Determination eines allen und jeden, die alles Hoffen und jedes Gebet zunichte macht. Aber ein absoluter Ablativ und ein Potentialis deuten schon den Abstand des Schriftstellers an: 352.3

Quq si / recepta necessitate futurorum / . nihil uirium habere credantur. Quid erit. quo possimus conecti. atque adherere Uli summo principi rerum? 352.5 übe man nu / geiegenero note dero chumftigon / die (flehd) uuanen sol nieht negemugen. An uuelemo dinge mugen uuir unsih tanne haben ze gote. allero dingo herren? sol entspricht dem lat. Potentialis; es nennt eine zweite Bedingung und schränkt so die Gültigkeit des NS-Geschehens auch ein: „Falls man glaubt (und man glaubt), falls man soll/muß" 97 . Ob dieses MV einem ** Gothein, 285, Endres, 141, Neitzke, 151. — Vgl. dieselbe Ersdieinung unter A. 2. 3. 5. 2., S. 43. ®7 Das Nichtvorhandensein der Bedeutung „muß" läßt sich kaum je „eindeutig beweisen", jedoch mit mandi evidentem Beispiel belegen; in HS: 128.12, bespr. unter A . 2. 2. 4 . , S. 33; 287.7, 351.14, 266.25, 233.24, 252.7, 3 6 8 . 2 1 . . . Vgl. MAEDER, 86 f.

A. Die Konditionalsätze

im Indikativ

57

nhd. ,soll' oder einem ,muß' eher entspreche, ist hier nicht entscheidend®8. Das Wollen wird, was auch als die Gültigkeit des Wähnens einschränkend interpretiert werden kann, als entgegengesetzter System wert durch „soll" (oder „muß") ausgeschlossen. Daß das MV sol also auf dem Wege ist, einen Potentialis ausdrücken zu können, auch wenn es dazu nicht systematisch gebraucht wird, soll noch am freien Zusatz 364.28 gezeigt werden: 364.28 Solt tu chiesen (untersuchen, beurteilen) ein sinuuelbe corpus ... Es wird willkürlich aus andern möglichen ein Beispiel, das Prüfen eines runden Körpers, herausgegriffen; lat. stünde daher der Potentialis. Ahd. könnte ebensogut uuile du gebraucht sein, so vage ist der Inhaltswert von solt**. A. 4.4. D e r I n d i k a t i v uuile im Konditionalsatz A. 4.4.1. Distribution und modale Werte von uuile uuile hat offensichtlich in den konjunktionslosen Konditionalsätzen eine besondere Bedeutung: Es tritt in ihnen gehäuft und auch unabhängig vom Latein auf. Wir finden es in Situationen, in denen das Latein mit Potentialis oder Futurum exactum und häufig noch zusätzlich mit dem Gebrauch von velle reagiert hat. Man darf feststellen, daß auch das ahd. indikativische uuile die Gültigkeit des Geschehens in einer diesen Situationen gerechtwerdenden Weise modifiziert, wie andrerseits dem Latein zuweilen der bloße Potentialis genügt und das MV, ihn zu ersetzen, erst ahd. hinzukommt. 350.12 und 351.21 schließen sich an; 350.12 hat N die Gültigkeit gegenüber dem lat. Vorbild, einem absoluten Ablativ, durch zwei Mittel explizit eingeschränkt: durch die Satzform und durch das hinzugegebene MV. — Vgl. auch 378.26 (K 1) und die HS 351.14, 62.26. •* a) Dem lat. Potentialis ähnliche Werte stellen wir audi C 149.26 bei + muoz /,kann', ,darf' (BECH, 1961, 16) fest (: lat. si-Satz mit Potentialis als Satzrahmen und : Partizip saltens); Herkunftstypus wie A. 2. 3. 5.1., S. 40; vgl. auch Anm. 33, 38, 39. — Boethius spricht vom Vogel, der die Freiheit sucht: C 149.26 Übe er io doh uzer dero cbeuio ze holz indrinnen muoz. tar er sinen lieben scato sihet... muoz erfüllt gerade durch seinen Inhalt eine dem lat. Potentialis ähnliche Funktion; denn mit dem Entrinnen-Können spricht es auch vom Nicht-Können; das Dürfen und Nicht-Dürfen und das Wollen schwingen mit. Das MV ist der besondern Situation also auf natürliche Weise so gemäß wie der Potentialis. Es wäre falsch, zu behaupten, N wolle den lat. Potentialis durch das MV ausdrücken. Dazu hätte er hier ja gar keinen besonderen Grund gehabt (vgl. 149.7). Ein anderes ist es, zu sagen, daß zuweilen ein kontextgemäßes ahd. MV dasselbe wie der lat. Potentialis (vgl. S. 39) ausdrücke: Die Sprache ist daran, von selbst auf eine ihr gegebene Möglichkeit zu stoßen, lange bevor sich dann ein systematischer Gebrauch ergibt, b) Ebenso hat + chanst, C 380.21, modale Werte.

58

II. Besprechung einiger

NS-Arten

Nicht zuletzt muß auffallen, daß das MV in den Konditionalsätzen ohne BW ausschließlich in der 2.Pers. Sg. Uuile du... gebraucht wird (: lat. velis). Wenn mit einem Bedingungssatz ein Partner angesprochen wird, hängt die Erfüllung oder Nichterfüllung natürlicherweise oft allein vom Wollen und Nichtwollen des Angesprochenen ab. Daß sich die 2. Pers. Sg. von uuellen gerade im Konditionalsatz-Typus ohne einleitendes BW zeigt, ist ebenso naturgemäß, setzt doch auch die Frage, auf welche dieser Typus zurückzuführen ist, einen Partner voraus. Da unser Text aus Zwiegesprächen zwischen der Philosophie und Boethius besteht, haben sich solche Sätze verhältnismäßig häufig ergeben. Aber auch die Einleitung durch übe ist, obschon seltener, möglich: Dasselbe si reminiscare führt z. B. 46.23 zu Uuile du uuizen und 59.7 zu übe du dih pehugen uuile. In diesen Konditionalsätzen werden die bedingenden Geschehen (cheden, [be-]denchen, iehen, uuizen, sehen...) ihrerseits auch bedingt, indem ihre Verwirklichung noch dem Wollen des Subjekts (eines z.T. freilich nur fingierten Partners) anheimgestellt wird. Das bedeutet eine Modifizierung der Gültigkeit und eine Konkretisierung gegenüber einem MV-losen Konditionalsatz; denn es liegt eine weitere Bedingung vor, die uns, wenn die Möglichkeiten einer Verwirklichung abgeschätzt werden sollen, weitern Kontext zu Rate ziehen heißt. Es ergeben sich verschiedene Sinneffekte. Meistens erhalten wir eine klare, auf derHand liegende Antwort: Der angesprochene Partner will, oder er will nicht. (Dies letztere ist seltener: 64.9, vgl. auch 269.14, übe.) öfters wird deutlich, daß es nur noch auf das Wollen ankommt und das Nicht-Können ausgeschlossen ist. Die Erfüllung der Bedingung rückt so in den Bereich des leicht zu Verwirklichenden. Es besteht nur die (fiktive) Einschränkung, ob das, was ganz im Bereich des Möglichen liegt, auch gewollt werde. In solchen Sätzen kann sich der Sinneffekt einer leicht polemischen Aufforderung verwirklichen. A. 4.4.2. Zusätzliches ahd. uuile 59.7 + uuile übe-Satz, vgl. aber denselben Satz ohne BW: 46.23, dann 227.5 und den ebenfalls entsprechenden freien Zusatz 382.15. — In der lat. Vorlage steht im NS Potentialis, im üS Futurum (vgl. A. 2.3.5.2., S. 42 ff.). 59.5

Cuius si naturam... reminiscare... cognosces... Da die Möglichkeit des (platonischen) Erinnerns Boethius gegeben ist, appelliert die Philosophie mit diesem Potentialis nur noch an das

A. Die Konditionalsätze

im

Indikativ

59

echte Wollen, dem sich eine Persönlichkeit wie Boethius nicht entziehen wird. Deshalb ist der Irrealis hier nicht angebracht: 59.7

Unde übe du dih pehugen uuile iro natura . . . so gesihest tu ... Ahd. liegt eine Doppelbedingung vor: Wenn du dich erinnerst (und du erinnerst dich), wenn du (nur) willst... In uuile drückt sich eine feine Aufforderung so aus, wie sie der Kontext auch im lat. Potentialis meint70. 94.16 + uuile (vgl. A. 2.2.3.3., S. 30 und v. a. A. 2.3.5.2., S. 42 ff.) Uuile du uualten din selbes... so guünnest tu. daz tu niomer gerno neuerliusest.../Igitursi tui compos fueris. possidebis... Die Übersicht, S. 50, zeigt diesen ahd. Satz als Einzelgänger in Kolonne 1. Er gehört indessen mit seinem fueris, das schon auf Grund des statistischen Befundes statt als Futurum exactum auch als Potentialis beurteilt werden kann, zu den übrigen Sätzen in Kolonne 3 (zur Problematik der Einteilung vgl. A. 2.2.3., S. 29). Die nhd. Übersetzer wählen alle den Irrealis71 und drücken damit aus: „Du bist deiner selbst jetzt nicht mächtig." Dasselbe (hinsichtlich uualten) leistet Notkers uuile, jedoch in dezenterer, dem lateinischen Vorbild und dem Zusammenhang angemessenerer Weise. A.5. Z u s a m m e n f a s s u n g : D e r I n d i k a t i v d e r a h d . Konditionalsätze Notker braucht den ahd. Indikativ Präsens des Konditionalsatzes in verschiedenen Situationen selbständig und unbeirrt durch die lateinische Vielfalt (vgl. S. 3, Abs. 2). Zwar wird die Ersetzung des lat. Potentialis und des Futurums von der ahd. Sprache erzwungen (vgl. S. 12, Wechsel nadi Typus 1); aber durch die Zurückhaltung in der Anwendung des Irrealis erweist sich Notker doch auch als selbständiger, von bloßem Formeinfluß unabhängiger, ja als besonders sorgfältiger Ubersetzer. Denn wo er den Indikativ Präsens (z. T. eines Modalsverbs) gegen andere lat. Formen in Situationen mit Affinität zum Irrealis setzt, ist der Indikativ der Situation und dem Stil des Originals meistens gemäßer als der von nhd. Übersetzern häufiger verwendete K 2 Irrealis. 70

n

Auch Gothein, 77, erliegt dem Zwang, sich mit „wollen" zu behelfen, und ähnlich Endres, 37. Gothein, 95, Endres, 47, Neitzke, 52. — Vgl. audi 389.12/17; alle nhd. Übersetzer wählen ebenfalls den K 2 , jedodi audi ein zusätzliches MV: Gothein, 307, Endres, 152 (wolltest, könntest); Neitzke, 163 (möditest). — Die lat. Vorlage wird urspr. astringas, nicht astringere (Inf. des Acl) geheißen haben (Gothein, 307: adstringas).

60

II. Besprechung einiger

NS-Arten

Der Wechsel von lat. K (und Futurum) zu ahd. Indikativ Präsens bedeutet zwar einen Verlust geschmeidiger Kontextverknüpfung (S. 41) und in Einzelfällen einen Verlust feinerer Modusstilistik (C 87.11, A. 2 . 3 . 4 . 2 . , S. 38 und C 136.24, A. 2. 3 . 5 . 1 . , S. 42), gefährdet aber nie das Verständnis. Hingegen bedeutet der Moduswechsel einen Wechsel von kontextverbunden-konkreten und dadurch relativierten, nur eingeschränkt gültigen Konditionalsätzen zu von Gegebenheiten des Kontextes und der Wirklichkeit gelösten, voll gültigen abstrakten Konditionalsätzen. Denn während der lat. K 1 Potentialis das Gefüge in dem Maße konkretisiert, als er die durch den Textzusammenhang (und evtl. die äußere Wirklichkeit) gegebenen Angaben über die Beschränkung der Gültigkeit signalisiert und, sie an sich ziehend, zum Ausdruck bringt, wird in den ahd. indikativischen Konditionalsätzen (ohne MV) von den konkreten Gültigkeitsverhältnissen abstrahiert. Diese Abstraktion ist satztypisch f ü r den indikativischen Konditionalsatz; sie kommt also zuerst durch übe oder die Konditionalsatzform ohne BW zustande. Sie ist aber auch eine Angelegenheit des Indikativs, indem ja der K 2 Irrealis die Abstraktion f ü r seinen Teil konterdeterminiert, da er einen Bezug zu den (entgegengesetzten) tatsächlichen Gültigkeitsverhältnissen schafft. Die Abstraktion von (äußerer oder gedachter) Tatsädilichkeit ist also auch als ein Sinneffekt des (ahd.) Konditionalsatz-Indikativs zu verstehen: Das Konditionalsatz-Geschehen im Indikativ ist ein von der Tatsächlichkeit oder Nicht-Tatsächlichkeit abstrahiertes, nur angenommenes Geschehen. Davon lassen sich — relativ seltene — Abweichungen in zwei einander entgegengesetzten Richtungen feststellen: Abweichungen in Situationen eingeschränkter Gültigkeit, ja sogar mit Irrealis-Affinität, und Abweichungen in Situationen mit Realis-Affinität. ö f t e r s , aber nicht systematisch, werden dann, auch unabhängig vom Latein, Modalverben zur Erzielung modaler Sinneffekte benützt; die Verwendung kommentierender Sätze zur modalen Nuancierung ist selten ( A . 2 . 1 . 1 . , S. 23 f.; A . 2 . 3 . 5 . 2 . , S.43; S.41); die rhetorische Frage ist ein schon vom Latein verwendetes Ausdrucksmittel mit auch modalem Wert (S. 32 ff.). Diese Abweichungen vom abstrakten H a u p t t y p u s sind im Grad verschieden; sie bedeuten eine Konkretisierung in dem Maße, als sie Gültigkeit modifizierende Kontext-Elemente bewußt machen. Meistens handelt es sidi um die Gültigkeit einschränkende Sinneffekte, die sich so ergeben (Ausn. vgl. A. 4 . 2 . 1 . 1 . , S. 54).

A. Die Konditionalsätze

im

Indikativ

61

Nur der Indikativ-Sinneffekt der Tatsächliclikeits-Beteuerung ergibt sich auch allein aus dem Zusammenhang. Mit ihm geht aber immer eine Interferenz des Konditionalsatzes mit dem Kausalsatz parallel („falls"/ „da ja"), und die Abstraktion („falls") wirkt ironisch. Der Sinneffekt der Tatsächlichkeits-Feststellung widerspricht dem Wesen des Konditionalsatzes. In diesem Zusammenhang muß die Seltenheit präteritaler Konditionalgefüge 72 erwähnt werden: Über die Tatsächlidhkeit vergangener Ereignisse weiß man im allgemeinen Bescheid, so daß man, liegt sie nicht vor, den Irrealis II anwendet; wenn die Tatsächlichkeit aber bekannt ist, wird man nur selten Anlaß haben, von ihr zu abstrahieren und, zurückblickend in die Vergangenheit, eine Annahme zu machen. Dennoch finden wir präteritale Konditionalgefüge: Der Satztypus setzt die Abstraktion gegen die objektive Tatsächlichkeit ganz oder teilweise durch73. Der Indikativ pflegt zur Bezeichnung voll gültiger Geschehen zu stehen, der Konditionalsatz-Indikativ zur Bezeichnung des in seinem Bereich, dem Bereich der Konditionalrelation, voll gültigen hypothetischen Geschehens. Als satztypischer Sinneffekt ergibt sich der Ausdruck der reinen Hypothese ohne Rücksicht auf konkrete Gültigkeitsverhältnisse: die Abstraktion vom Kontext. Modalverben aber können, wie der Konjunktiv, die Gültigkeit modifizierende Kontextelemente bewußt machen.

7!

behauptet zu Unrecht, es fänden sich keine (!) präteritalen Konditionalsätze in der Consolatio-Übersetzung. Eine Abneigung gegen das Präteritum mag sich 276.29 zeigen, wo N zu einem Präsens ( + prät. RS) ausweicht. Vgl. "> 40.

'WUNDERLICH, 1 1 2 ,

SO, 58, 7S_ n

Der Sinneffekt der Tatsächlidikeits-Feststellung ergibt sidi trotz Präteritum nur 96.24 (nur N S prät.; S. 32); 160.19 (S. 52, Tabellen-Anm. 5) ist iterativ. In den andern Fällen setzt der Satztypus die Abstraktion gegen die objektive Tatsächlichkeit ganz durch; besonders schön erfaßbar 15.9 (nur N S prät.); dann audi: 80.8 (Anm.50), 139.14 (nur N S prät.; Anm. 40), 144.23/25 (S. 44), 268.1/2/6/7/9 (S.49; S. 52, Anm. 5) und 58.10 (nur N S im Perfekt, S. 29), 89.3 (NS im Perfekt).

62

II.

Besprechung

einiger N S-Art

en

II.B. DIE KONDITIONALSÄTZE IM K l B. 1. K l - « & e - S ä t z e : Ü b e r s i c h t Modus Konstruk- gleiche + Kontions- Konstruktion — struktion wechsel anderer wie Modus Latein

3 versch. Typen von K 1-K^e-Sätzen

I. indirekte Rede

ohne MV

363.18 363.201 396.2

311.13

363.251

freie Zusätze

109.14 182.8

MV wie Latein TOTAL: 8

zusätzliches MV

II. üS: Imperativ

ohne MV

MV wie Latein

TOTAL: 11 + 2* III. Weitere Konjunktive

378.26 »62.11 62.14* 68.21 318.19 »296.7 385.21s

zusätzliches MV ohne MV

56.27 183.13 C315.5 379.8 97.17

196.31 5. 6

99.3»

6

3

25.24« 26.14 181.9"

197.23»

11 + 2*

3

1

TOTAL: 4 TOTAL: 23 + 2* * Konditionalsätze ohne BW 1

N macht die lat. Modusmischung nicht mit, sondern bleibt bei der indirekten Darstellungsweise.

* 62.14 ( = PIPER 54.28) ist nicht, w i e HANDSCHUH, 122, a n g i b t , I n d i k a t i v . S 183.1 ( = PIPER 170.15) i m g r o ß e n SEHRT als I n d i k a t i v n o t i e r t , 385.21 ( = PIPER

352.11) aber als Konjunktiv; Einteilung offenbar nach der lat. Vorlage, was auf Grund der Belege mit Moduswechsel (Kolonne 3) abzulehnen ist. Wir schlagen beide

63

C. Die Konditionalsätze im K 2

Beispiele nach den andern Sätzen mit eindeutigem uuellest, d. h. aus Analogiegründen, zu den konjunktivischen. 4 Das ahd. uuellen liegt bedeutungsmäßig sdion im lat. exspectare. 4 314.16 dagegen ist von HANDSCHUH, 123, falsch aufgefaßt worden: Haartest gehört zu uuarten und ist nicht als K-Form zu interpretieren. • 269.14/15 ist nicht, wie HANDSCHUH angibt, ein K-Satz: sie uuellen = Indikativ! 7 313.2 kann zu den konzessiven «¿e-Sätzen gezählt werden; denn das Vorbild ist ein RS mit KPerf., der konzessiv aufgefaßt werden kann. HANDSCHUH, 123, zählt den Satz zu den konditionalen. 8 HANDSCHUH, 123, spricht von lat. K in der Vorlage; intueris ist aber Indikativ. • Ungleichsetzung zweier Bedingungen. Bei HANDSCHUH fehlt 99.3. So ergeben sidi nicht nur in der Gesamtzahl, sondern v. a. im einzelnen Verschiebungen gegenüber HANDSCHUH. Bei HANDSCHUH fehlen: 26.1 und 363.20 ( = je der zweite Parallelsatz ohne übe); der fälschlicherweise zu den Indikativen gestellte Satz 62.14; die freie Übertragung 97.17 und die freien Zusätze 109.14 und 182.8. Dafür ist 396.2 doppelt gezählt. MV: Nur 378.26 (sulin) und 379.8 (mugin) handelt es sich nicht um das MV uuellen.

B. 2. A h d . K l

der i n d i r e k t e n

Rede

B.2.1. W i e L a t e i n : 396.2 Nur in einem Beispiel herrscht nicht nur formale, sondern auch funktionale Gleichheit zwischen dem lat. und dem ahd. Konditionalgefüge: 396.2 hängt der Konditionalsatz der indirekten Rede althochdeutsch und lateinisch von einem Acl (Inf. Präs.) ab, welcher einen K 2 der Consecutio temporum zum üS tu chade / posuisti verhindert. B.2.2. F o r m u n d / o d e r F u n k t i o n a n d e r s a l s L a t e i n 363.18/20 stehen Nebensätze 2. Grades zu einem übergeordneten (von uuanest abhängigen) daz-Satz mit K 1 der indirekten Rede; der lat. K 1 wird aber — wegen des parallelen Indikativs 363.24 — als Potentialis zu interpretieren sein, so daß der Formgleichheit keine eindeutige Funktionsgleichheit entspricht. — Im parallelen ahd. übe-Satz 363.25 setzt Notker dann wie 363.18/20 ein drittes Mal den K 1 der oratio obliqua, während das Latein zum Indikativ wechselt. Solches Festhalten am einmal gewählten Modus und damit Vereinheitlichen von parallelen Sätzen ist bei Notker öfters zu beobaditen; das Latein ist demgegenüber nuancenreicher. B.2.3. Z u s ä t z l i c h e s a h d . M V : 378.26 sulin Audi 378.17 fF. schwankt das Latein zwischen oratio recta (378.18, 378.25 + 24) und oratio obliqua (Acl: 378.22). Notker bleibt nach diesem Acl auch im ganzen folgenden Konditionalgefüge bei indirekter Wie-

64

II. Besprechung einiger NS-Arten

dergabe, so daß im übe-Satz ein ahd. K 1 der oratio obliqua einem lat. Potentialis-K 1 (378.24) gegenübersteht: in ihrem modalen Wert entsprechen sich die ahd. und die lat. K 1-Form also wiederum (wie 363.18/20) nicht. Das zusätzliche MV muß im Zusammenhang mit den drei sol 350.12, 351.21 und 352.6, deren Inhalt die Philosophie hier in indirekter Rede wiedergibt74, gesehen werden, obwohl die Kontextlage nicht gleich ist wie beim S. 56 besprochenen Satz 352.5. B.2.4. F r e i e r Z u s a t z 109.14 Notker faßt 109.11—26 in freier Weise Reden zusammen, welche die Philosophie 66 f. in der Rolle der Fortuna geführt hat. Der Ankündigungssatz (109.10) ist präterital, die indirekte Rede steht im K 1 ; Notker braucht den K2, um innerhalb der indirekten Rede Vorzeitiges oder Irreales auszudrücken (109.15/1675; 109.21—23). Vgl. auch B. 2.1., S. 63.

B. 3. A h d . K l i m K o n d i t i o n a l s a t z z u e i n e m a u f f o r d e r n d e n üS Indikativische übe-Sätze, die ein üS-Geschehen in der Befehlsform bedingen, sind in Notkers Consolatio-Ubersetzung äußerst selten78; fast scheint es, der Konjunktiv trete in diesen Sätzen automatisiert auf. In Wahrheit liegen die Verhältnisse aber ganz anders. Schon ein Blick auf die viel häufigeren Indikative bei Otfrid 77 könnte darauf aufmerksam machen. B.3.1. K l v o n uuellen als K e n n z e i c h e n dieses Typus In 7 von 11 Beispielen steht im übe-Satz, der von einem Imperativ abhängig ist, uuellen im K 1,4mal geht schon das Latein mit velle voran78. 74 75

78

Bocthius, der Gefangene, spricht Nb 344—352. K 2 und Konj. Perf. zum Ausdruck vorzeitiger Geschehen in indirekter Rede: Die K2-Formen in den indir. Fragesätzen 109.15/16 sind kaum als Irrealis I aufzufassen: N bezieht sich hier doch wohl, zusammenfassend, auf 68.25—70.27, auf altbekannte Beispiele rasch dahingeschwundenen Glücks, wie das des Krösus (70.1), und braucht deshalb den K 2 zum Ausdruck der Vorzeitigkeit. — In den folgenden Sätzen berichtet N vorzeitiges Geschehen allerdings im Konj. Perf. — 109.21—23 wechselt er wieder: Es steht der K 2 dreier MV; der Konj. Perf. hätte hier wohl (wie vielleicht auch 109.16: *gehabet habe) zu schwer gewirkt (Hilfsverb + MV + Inf.). 283.19 und 50.9.

77

V g l . WUNDER, 1 3 2 , A . 3 1 .

78

25.23 exspectas operam ist hier nicht gezählt, hat aber ähnlichen Sinn wie vis operam...

B. Die Konditionalsätze

im

Kl

65

Gewählt werden der Imperativ im üS und ein übe-Satz mit uuellen offenbar, wenn das Bedingungsgefüge doppelt hypothetisch sein soll: 25.24 Übe du genesen uuellest... so ouge dia uuündun! Das Wollen ist Bedingung des Zeigens; das Zeigen Bedingung des Genesens. — Alle Beispiel mit üS-Imperativ und mit uuellen79 im ubeSatz zeigen diese Struktur: Das Wollen bedingt das üS-Gesdiehen; dieses üS-Gesdiehen bedingt80 den NS-Infinitiv. — Zur Typik der Sätze vgl. auch B. 5., S. 71. Daß die Doppelrelation nicht durch uuellen allein, sondern vielmehr durch den Imperativ ausgedrückt wird, zeigen die Beispiele mit uuellen, aber ohne Imperativ, die lauter gewöhnliche Konditionalgefüge darstellen: 59.7,180.4, 269.14 und 397.13. Hingegen entsteht auch eine Doppelrelation, wenn der üS statt durch einen Imperativ durch ein Temporaladverb der Vorzeitigkeit charakterisiert ist, so im üS des konditionalen Relativsatzes 139.7 Ter guoten acher sahen uuile. der errumet in er des unchrutes. Wir beachten die temporale Ambivalenz des üS-Geschehens, das zugleich nachzeitig ist (in bezug auf das Wollen) und vorzeitig (in bezug auf das Säen). Eben dieselbe Dreistufigkeit haftet den hier zu besprechenden Konditionalgefügen mit uuellen und Imperativ-üS an: 1. Wollen — 2. üS-Gesdiehen (Imperativ) — 3. Infinitiv-Geschehen des NS. Die üS-Imperative, zugleich nachzeitig und vorzeitig in bezug auf das zweigliedrige Prädikat des untergeordneten Satzes und ebenso zugleich Folge und Voraussetzung, sind temporal und konditional ambivalent: C 315.5 Übe du gnoto bechennen uuellest. uuio feste diu gotes ea si. so uuarte in himel. dar haltent tie Sternen io noh fasto... 97.17 Übe du flihen uuellest. freisiga stat... so suoche nideren stein, ufen demo zimbero baldo. Die Gefüge ohne uuellen müssen nun nicht als besonderer Typus erklärt werden; sie schließen sich leicht hier an81: » 385.21; 97.17; 56.27, 183.1, C 315.5, 25.24/26.1.

7

80

81

5

Daß der Imperativ einen Konditionalsatz vertreten kann, ist bekannt: vgl. z. B. Nps 37.17. Bei O dürften die Verhältnisse grundsätzlidi gleich, wenn auch komplexer sein: a) mit wellen im Ind.: III 2/19 Druhtin, .. . zilo thin (,bemühe dich'), oba thu ginadon wili min. b) mit wellen im Konj.: II 20/2,4; IV 30/32; mit einem wellen entsprechenden Ausdruck im Konj.: 118/31; II 21/2; mit beginnen im Konj. + thaz: II 21/1; IV 4/11 (Modusmischung: II 18/19, 21); Furrer

66

II. Besprechung einiger

NS-Arten

68.21

Ascende si placet. / Sizze dar-uf. übe dih is luste. (= * übe du dar-uf sizzen uuellest.) Ähnlich: 296.7 luste / delectant. 318.19 Sed si placet. numeremus... / Nu stozen sia doh. übe dir iz tünche ...(=* übe du sia stozen uuellest). Und mit der placet entgegengesetzten Bedeutung: 62.14 Si perfidiam perhorrescis. sperne atque abice... \ Übe du iro undriuua leidezest (= * haben neuuellest). so uersih sia. unde auuerfo sia ... 62.11

(ohne BW) Si probas...

j Sisi dir geloub. trag iro site.

Alle diese konjunktivischen Konditionalgefüge mit Imperativ sind in zweifacher Richtung hypothetisch. Es liegt auf der Hand, die Erklärung des Konjunktivs damit in Zusammenhang zu bringen. B.3.2. E r k l ä r u n g d e s K o n j u n k t i v s i n K o n d i t i o n a l s ä t z e n m i t I m p e r a t i v im ü b e r g e o r d n e t e n Satz (üS) In einem Konditionalgefüge mit Imperativ ist die Gültigkeit in sehr erhöhtem Maße eingeschränkt; denn das im Imperativ ausgedrückte Geschehen ist (gegenüber einem Folge-Geschehen im gewöhnlichen Konditionalgefüge) betont nachzeitig-zukünftig-erwünscht, und das heißt in erhöhtem Maße unsicher. Entscheidend kommt nun aber dazu, daß dieses nicht voll gültige üS-Geschehen seinerseits einen Teil des NS-Geschehens bedingt. Gerade dieser zweite gedankliche Impuls vom Imperativ zurück zum Infinitiv-Geschehen im NS ist ja das besondere Element der konditionalen Doppelrelation, so daß nun eine der Einheit der Situation gemäße formale Einheitlichkeit des gesamten Gefüges nicht überrascht: Der Konjunktiv ist der natürliche Modus des NS-Geschehens. Die K-Form läßt das NS-Geschehen empfänglich sein für Werte des Kontextes, d. h. hier für die eingeschränkte Gültigkeit des üS-Geschehens, das durch die Form des c) mit bloßem Konj., der aber geradezu die Bedeutung „wollen" hat: II 20/9 (vgl. 20/2,4); IV 30/17,27 oba du sis gotes sun, stig nu nidar herasun (vgl. 32); II 4/49, 55, 73. Die Modusregel hieße demnach: Zum Ausdrude einer konditionalen Doppelrelation wählt O wellen und/oder den Konj. Schön zeigt sich der Unterschied zwischen indikativischem und unserem konjunktivischen Typus II 4/29 und II 4/39: Zuerst erwägt Satan bei sich: Oba tbiz ist (gotes) sun . . . Nu seephe er imo hiar brot . . . Hier bedeutet oba fast schon ,da ja', ,da denn'; die (ironische) gedankliche Relation ist kausal. Um ein echtes Erwägen der Möglichkeit in einer konditionalen Doppel-Relation handelt es sich erst in der direkten Anrede: Tho sprah er zi imo in thesa wis: „oba thu gotes sun sis, quid, these Steina thanne zi brote werden alle!" sis bedeutet ,sein willst'.

B. Die Konditionalsätze

67

im K 1

Imperativs gekennzeichnet ist 8 2 ; das L e x e m uuell- a n t w o r t e t zudem d e r wünschenden K o m p o n e n t e des Imperativs. H a u p t - und N e b e n s a t z - G e schehen verbleiben in einer Z o n e bloßer V i r t u a l i t ä t . U n d wie a u f

der

Ebene des Modus der N S - K 1 Zeichen der Verbundenheit des Nebensatzes mit dem übergeordneten I m p e r a t i v ist, so gleicht a u f der Ebene der P e r sonen die 2 . Pers. Singular, die, dem übergeordneten I m p e r a t i v entsprechend, auch in jedem dieser Nebensätze als du, dih oder dir — und z. T . auch zusätzlich z u m lateinischen Vorbild —

erscheint, die Gesprächs-

situation des Nebensatzes der durch den übergeordneten I m p e r a t i v g e gebenen Gesprächssituation an. M a n kann diesen K des N S als Assimiliationsmodus bezeichnen, a b e r m a n d a r f darunter nicht bloß f o r m a l e Assimiliation verstehen und v o r allem nicht etwas, was jenseits alles inhaltlich Begründbaren v o m üS a u f den N S übertragen wird. Gerade

bei diesen

in

doppelter

Richtung

hypothetischen Gefügen ist es verfehlt, nur die eine Richtung zu sehen. Die in doppelter Richtung hypothetischen Konditionalgefüge mit

dem

I m p e r a t i v verlangen den Ausdruck der eingeschränkten Gültigkeit auch 84

BEHAGHEL, Syntax III, § 1289, kann zwischen Indik. und K 1 keinen inhaltlichen Unterschied sehen: „In den nicht exzipierenden Sätzen besagen Ind. und Konj. Präs., daß beim Sprechenden kein Zweifel darüber besteht, es liege die Erfüllung der Bedingung im Bereich der Möglichkeit." Es ist aber erwiesen, daß der Modus über die Verwirklichung überhaupt nichts Zuverlässiges auszusagen hat. Vgl. S. 24 f. BEHAGHEL macht für den hier zur Diskussion stehenden Konjunktiv die Aufforderung im üS voll und allein verantwortlich — er wäre also sinnleer-mechanistisch gesetzt —, obwohl er natürlich sehen muß, daß die üS-Verhältnisse den NS-K nicht immer mechanisch hervorrufen: § 1307: „Sätze, die, wenn der Hauptsatz ein Aussagesatz ist, den Indikativ aufweisen, können — sie müssen nicht — den Konjunktiv enthalten, falls der üS eine Aufforderung darstellt. . . " § 1308: „Die Erscheinung i s t . . . gemeingermanisch. Sie ist niemals streng durchgeführt . . . " MOUREK (Abhandlungen d. böhm. Akad., 1893, 1895, 1911 und Festschrift Kelle, 1908) und WUNDERLICH-REIS I, 349 ff., sind Behaghel schon frühzeitig entgegengetreten; I, 350: „Der Glaube, daß der K. in solchen Nebensätzen auf eine Beeinflussung durch den Hauptsatzmodus zurückzuführen sei, ist irrig. Sdion die diesem Glauben zugrunde liegende Voraussetzung, daß man hier nach der allgemeinen Regel einen Indikativ hätte erwarten sollen, ist u n r i c h t i g . . D e r Konjunktiv erklärt sich „aus den allgemeinen Anlässen, durch die der Konjunktiv herbeigeführt wird (Aufforderung, Wunsch, Vermutung, milde Behauptung), einerlei ob jene vermeintlichen Voraussetzungen im Hauptsatz vorhanden sind oder nicht." Der Konjunktiv ist grundsätzlich die Form der „gemilderten Aussage", und nach Imperativ, Verneinungen, Fragen u. ä. drängt sich eben eine gemilderte Aussage von innen heraus „aus den allgemeinen Anlässen" häufig auf. — Ebenso DELBRÜCK, 1904, 261, 258,2. — Grundsätzlich erklären auch wir diese K aus den allgemeinen Bedingungen, d. h. aus der zugrundeliegenden, auszudrückenden Situation heraus, und geben ihnen wohl einen ähnlichen Grundwert, wenn wir von „eingeschränkter Gültigkeit" sprechen. — Vgl. noch: Konjunktivische Objektsätze ohne BW, E. 5. 2. 2., S. 145;. Anm. 162 u. 163. — Vgl. auch das schwierige Beispiel Nps 12.7.

68

II. Besprechung einiger

NS-Arten

im NS, sei es durch den Konjunktiv, durch ein MV samt Konjunktiv oder auch nur durch das MV (in ambivalenter Form; bei 0 auch nur durch das MV im Ind., vgl. Anm. 81): 385.21 Cuuir uuellen : velimtts) Übe uuir grehto nu uuellen skaffon dien dingen nah piatone geristige namen. So cheden got uuesen euuigen. dia uuerlt uueriga. B.3.3. D e r I n d i k a t i v bedingenden Satz

im e i n e n

Imperativ

Von Otfrid wird der Indikativ trotz Imperativ im üS gewählt, wenn der Zweck der Aussage in einer einfachen konditionalen Relation besteht, d. h., wenn die Doppelrelation nicht spielen kann oder nicht spielen soll: O I 2/19 Ob iz zi thiu thoh gigeit thmruh mina dumpheit: thia sunta, druhtin, mino ginadlicho dilol O IV 11/33 Druhtin, quad er, wasgmih al, ob iz sulih wesan scal (,wenn es so [ = wie du gesagt hast] sein muß/ist'). Oder noch deutlicher bei präteritalem oba-Satz: O IV 19/19 Ob ihhiar ubilo gisprah, zeit thu thaz ungimah! O V 16/31 Oba sie thes gigahent, zigiloubusih gifahent: gidoufit werden alle! All diesen Beispielen Otfrids ist gemeinsam, daß das Wenn-SatzGeschehen auch in zeitlicher Hinsicht eine echte Voraus-Setzung zum gesamten üS-Geschehen darstellt; in den Beispielen mit uuellest ist das zeitliche Verhältnis dagegen ambivalent. Aus Nb sind nur zwei83 indikativische Beispiele zu vermerken: 283.19 Übe du aber in arg tih cherest. so nedenche. uuer iz anderro reche. Die Meinung ist: Wenn du dem Bösen anheimfällst (lat.: anheimgefallen bist), dann suche die Strafe nicht außer dir. — Dieses Nichtsuchen kann in keiner Weise das (zeitlich vorangehende) Anheimfallen bedingen. Beide indikativischen Beispiele unterscheiden sich von den konjunktivischen durch eingeschobenes nedenche; auch dies ist ein Indiz, daß keine konditionale Doppel-Relation gemeint ist. 50.9 übe dih umnebero langet, turh taz negedenche in lenzen handelon die drüben. 83

Fälle wie 2 8 7 . 2 0 mit ist ze im üS oder 6 3 . 2 7 mit muost im üS müssen hier nicht behandelt werden. — Ebenso wird 87.20/21 (PIPER 78.10/BEHAGHEL III, 669) nicht berücksichtigt, da der eingeschobene Imperativ-üS von anderer Hand nachgetragen ist (von BEHAGHEL, 669, nicht beachtete Sonderheit). — Indikativische e/-Sätze mit übergeordnetem Imp. sind im Heliand häufiger, vgl. BEHAGHEL, 1897, § 521.

B. Die Konditionalsätze

im K1

69

Die Modusgebung in diesem latent konzessiven Gefüge widerspricht freilich dem uuellest des vorangehenden parallelen ube-ouh-Satzes (vgl. Anm. 137, Konzessivsätze). Schon WUNDERLICH, 102, glaubt den Indikativ als Schreibfehler tilgen zu müssen. Da ein t folgt und in der Handschrift das Längezeichen * fehlt, könnte mit einem ursprünglichen Hangee (i. S. von *haben uuellest) gerechnet werden. Wir halten den Indikativ indessen für den ursprünglichen Modus. Das eingeschobene nedenche, das zumindest nicht als einzige, zwingende Voraussetzung (eines WeinbeerenHabens) auffaßbar ist, und das kausale turh taz weisen doch wohl darauf, daß hier keine konditionale Doppelrelation, sondern bloß eine abstrakte Annahme als Bedingung einer Aufforderung ausgedrückt werden sollte. 50.3 dagegen kippt v. a. durch das MV hinüber zum Typus der konditionalen Doppelrelation und steht deshalb im Konjunktiv.

B.4. D i e ü b r i g e n

Kl-«&e-Sätze

B.4.1. E i n E i n z e l f a l l 181.9 steht im übe-Satz eine kaum zu erklärende K-Form gegen den lateinischen Indikativ und gegen einen Indikativ im üS; es handelt sich also um ein einmaliges Beispiel für Modusmischung84. Aber eine echte K-Funktion wäre nur dann zu erweisen, wenn man den Satz von seinem jetzigen üS trennen und mit dem vorangehenden Imperativ in Zusammenhang bringen könnte. Und in der Tat läßt er sich als Apokoinu auffassen. Nun ist die Erklärung auf Grund einer Situation vom Typus übe du genesen uuellest ... so ouge dia uuündun zwar möglich, aber, weil uuellest fehlt, wenig befriedigend, und es liegt nahe, die Richtigkeit des Längezeichens in Zweifel zu ziehen. B.4.2. A b h ä n g i g k e i t d e s ü b e - S a t z e s v o n v e r g l e i c h e n d e m dann e8® Wie ungleichsetzendes danne und Konjunktiv im übe-Satz zusammenhangen, zeigen 99.1 ff. zwei gleichermaßen von einem lat. Partizip abhängende übe-Sätze: 44

Vgl.

u

1 2 3 ; siehe S. 6 3 , Anm. 8 (Tabelle der sieht „keinen Grund für den Conj.".

HANDSCHUH,

LICH, 1 0 3 ,

K

L-«£e-Sätze);

WUNDER-

Vergleichendes danne ist hier als Satzellipse aufzufassen; in einem analogen Beispiel mit K 2, 278.23, ist der danne-Satz ausgeführt: . . . tanne sie uuarin, übe sie iz nelitin. Vgl. Anm. 95 u. 7. — Vgl. audi 283.27 mit dem K l (Irrealis) der samo-so-S'itze.

70

II. Besprechung einiger NS-Arten

99.3

Triuuo. sie glizent so baz. übe man sie mer uz-kibet. danne man sie samenoe (übe nach danne erspart). Wäre der danne-Satz ausgeführt, so stünde er im Konjunktiv. — Da die erste Voraussetzung voll gültig gesetzt wird, steht die entgegengesetzte zweite, durch danne auf die erste bezogene (und nicht als andere Möglichkeit abstrahiert von Kontext frei für sich stehende) im Konjunktiv; 278.23 steht im analogen Fall allerdings der K 2 . Offenbar leisten da beide Konjunktive denselben Dienst: sie schränken die Gültigkeit des Geschehens ein, sie negieren es. Vgl. C. 3.4., S. 83. Der Konjunktiv steht aber auch im folgenden nicht wie 99.3 erklärbaren danne-ube-Szxz'. 197.23 Tu habest iz chad ih. filo uasto. unde filo uuarhajto gefestenot. Uuaz mag festera sin. aide uuarera. danne übe man totum mit parte, aide partem sterche (,beweise') mit toto. Die Irrealis-Affinität der rhetorischen Frage mit dem MV mag wird hier ausnahmsweise die Konjunktiv-Setzung veranlaßt haben; das ubeSatz-Geschehen wird durch den K 1 dem Sinnbereich dieses üS zugeordnet 88 . B.4.3. A s s i m i l a t i o n a n e i n e n ü S - K o n j u n k t i v m i t forderndem Sinneffekt 196.31 Tannan ist not. übe uuanez si. daz tero selbun slahto ouh follez si. I Quo fit. ut si in quolibet genere inperfectum quid esse videatur. in eo perjectum quoque aliquid esse necesse sit. videri ist für den ahd. K nicht verantwortlich und bleibt unübersetzt. Der ahd. «¿e-Satz-Konjunktiv ist vom üS her, der als von ist not abhängiger daß-Satz (vgl. Teil III, Subjektsätze) einen regelmäßigen fordernden K aufweist, zu verstehen: Seine Funktion besteht in der Zuordnung zum Sinnbereich des üS; so läßt sich auch dieser NS-K als kontextoffene Form verstehen 87 . M

87

Nach der Schulregel wäre hier im ausgeführten danne-Szrz. und folglich auch im übe-Satz der Indikativ zu erwarten gewesen; vgl. etwa 135.1 Uuaz mag starcheren sin ad persuadendum. danne daz lob istf Dieser Indikativ hat den Sinneffekt der Tatsädilichkeits-Beteuerung (nach „negativ gemeintem HS", BEHAGHEL, § 1274). Das als notwendig geforderte Geschehen des üS steht im K (nhd. „sei!" oder „muß"/„soll"): Die Gültigkeit des geforderten Gesdiehens muß eingeschränkt werden, weil das Fordern eines schon voll gültigen Geschehens nidit sinnvoll wäre (vgl. HILTY, VRom. 24, 285, Anm. 26). (.Daher ist es notwendig, daß von derselben Gattung auch Vollkommenes sein muß, wenn von ihr Unvollkommenes zu sein [erscheinen] hat.'). Die modale Lage des üS greift auf den NS über; dies geschieht häufig; vgl. z. B.: „Wän ich wüsst, wo s weer, teet ich der s säge." Der Sinneffekt der Irrealitäts-Bezeidinung verwirklicht sich nur in „wüsst" und „teet" (würde).

B. Die Konditionalsätze im K1

71

B.5. Z u s a m m e n f a s s u n g Notker braucht audi den ahd. K 1 des Konditionalsatzes selbständig und unabhängig von der lateinischen Modusgebung; das zeigt schon die Übersicht (B. 1., S. 62, v. a. Kolonne 3). Dieser unabhängige ahd. K 1 ist aber nicht Ausdruck individueller Interpretation, sondern Zeichen althochdeutscher Tendenzen oder Gesetze des Modusgebrauchs. Die Beispiele mit indirekter Rede lassen die Abneigung des Ahd. deutlich werden, den Modus innerhalb ein und desselben Zusammenhanges (B. 2.2., B. 2.3.) zu wechseln, d. h., es besteht eine Tendenz zur (sinnvollen) Assimilation. K1-Konditionalsätze vom Typus mit uuellest, die einem übergeordneten Imperativ zugehören, sind Beispiele für ebendiese Tendenz. Zu denselben wiederkehrenden Bedeutungsträgern (K 1 von uuellen im NS, Imperativ im üS usw.) gehört stets dieselbe auszudrückende Grundsituation (Inhaltsfigur): Wenn angegeben werden soll, wie eine Bedingung erfüllt werden kann, deren Geschehen der Sprecher als vom Gesprächspartner erwünscht (gewollt) darstellt, so erscheinen im NS der Konjunktiv Präsens und, wenn das NS-Verb nicht selbst schon ein Wollen mit-ausdrückt, das MV uuellen mit einem virtuellen Infinitiv-Geschehen; im üS steht der Imperativ. Da dieses Imperativ-Geschehen, wie beim Typus mit uuellen gezeigt werden kann, das gewünschte NS-Geschehen seinerseits bedingt, ist dieses in besonderem Maße nur eingeschränkt gültig. Und dafür ist der K l — kontextverbindend — das Zeichen. Haupt- und NebensatzGeschehen bleiben virtuell. Soll ein Konditionalgefüge mit übergeordnetem Imperativ aber als gewöhnliche konditionale Relation aufgefaßt werden, so steht im NS der Indikativ; doch finden wir nur ein eindeutiges solches Beispiel. Von den 4 übrigen K l-«£e-Sätzen bereitet 181.9 einer inhaltlichen Erklärung Schwierigkeiten (vgl. S. 69), doch könnte es sich auch hier um innere Assimilation handeln. Ein Sonderfall wieder anderer innerer Assimilation ist 197.23 (S. 70), während 196.31 (S. 70) vielleicht nicht nur für nhd. Empfinden in die Nähe bloß formaler Assimilation rückt. — 99.3 (S. 70 f.) aber handelt es sich im Gegenteil um sinnbedingte Dissimilation. Die stets konjunktivische negative Bedingung mit Zweitstellung des finiten Verbs wird später behandelt, vgl. E. 1., S. 129 ff. Der Konjunktiv 1 der Konditionalsätze läßt sich als Zeichen eingeschränkter Gültigkeit verstehen, welches das Konditionalgeschehen mit den die Gültigkeit betreffenden Kontext-Elementen in Verbindung treten

72

II. Besprechung einiger

NS-Arten

läßt. Eine besonders ausgeprägte Funktion hat wiederum das MV uuellen, während die andern MV kaum benützt werden. Mit dem lat. K 1 Potentialis hat der ahd. K 1 des Konditionalsatzes nidits zu tun.

II. C. DIE KONDITIONALSÄTZE IM K 2 C.l.l. K2-«&e-Sätze : Ubersicht Modus + Konstruktion wie Latein ohne MV

TOTAL: 56

5.21 28.4 64.23 67.20 98.16 114.22 138.13 154.11 177.31 209.2 227.29 228.4 228.28 246.22 246.23 276.23 282.11 282.12 284.7 284.8 285.3 289.25 336.3 362.21

MV wie Latein TOTAL: 5

286.18 1 378.28*

zusätzliches MV TOTAL: 3

73.5 1

TOTAL: 64

27

Konstruktionswechsel 98.18

gleiche Konstruktion — anderer Modus lat. K 1 93.11 278.23 279.26 317.2

freie Zusätze

lat. K Plqupf. 17.20 28.5 35.26 46.13 127.15 127.21 336.4

8.25 33.20 34.4 44.20 58.17 113.26 123.9 158.13 186.29 214.10 228.10 307.14 307.15 307.16 338.9 338.9 372.3 372.4 376.14* 386.8 *1 X K Plqupf.

275.3*

35.11» 260.23* 108.26* 281.3»

1

5

9

22

a) Es findet nie ein Wechsel von lat. Indikativ zu ahd. K 2 Irrealis statt. b) 98.16 ist von HANDSCHUH, 70 o., konzessiv interpretiert worden. Lat. liegt gewiß konzessiver Sinn vor, und alle drei nhd. Übersetzer haben »wenn schon". N macht

74

II. Besprechung einiger

NS-Arten

das nidit besonders übersichtliche lat. Gefüge im ganzen klarer, indem er, etwas großzügig, wenn auch sinnentsprediend verfährt. Der einleitende übe-Satz kann aber auf keinen Fall mehr konzessiv aufgefaßt werden, weil die Adjektive nidit prädikativ gebraucht sind. Modalverben: 1 = uuolti(n) 1 = mahtin * = muo$i(n)

C. 1.2. K 2 i n K o n d i t i o n a l s ä t z e n o h n e e i n l e i t e n d e s B W ( m i t V e r b i n A n f a n g s s t e 11 u n g ): U b e r s i c h t Modus + Konstruktion wie Latein ohne MV

Konstruktionswedisel

13.18 64.19 116.11 140.21 159.23 253.11 257.18 266.14 286.24 286.26

gleiche Konstruktion — anderer Modus lat. K 1

lat. K Plqupf.

274.21

106.21

155.12 191.1

(71.25 und 72.11: vgl. Konzessivsätze, S. 104 und 124)

MV wie Latein TOTAL: 15

freie Zusätze

35.20

10



1

2

2

C.2. S i n n e f f e k t e d e s K 2 i n N o t k e r s n i c h t s p e z i e l l auf die V e r g a n g e n h e i t b e z o g e n e n Konditionalsätzen C.2.1. In b e z u g auf d i e a u ß e r s p r a c h l i c h e W i r k lichkeit schlechthin ungültiges Geschehen Belege dieses Typus finden sich sowohl in der Ubersetzung als auch in den freien Zusätzen viele: 338.9

(freier Zusatz) Taz sint ordena. daz io uuazer nah uuazere rinnet... Übe tal neuuare. unde uuazer dara nesunne (»trachtete'). JO nechamin siu nieht zesamine. (neuuare: „sein" als schlechthin ungültig vorgestellt; Bezug zur äußern Wirklichkeit).

C. Die Konditionalsätze im K2

276.23

75

(wie Latein) Tie chade ih uuesen die uuenegosten. übe iro ubeli doh tod in ende nesazti.

Hier bezeichnet der K 2 das verneinte NS-Geschehen ne-sezzen: als durch Entgegensetzung abgehoben von der Wirklichkeit des Todes (der ein Ende „setzt"). Da die Bezugs-Wirklichkeit allgemein und endlos gültig ist, erscheint auch die Ungültigsetzung durch den K 2 als schlechthin dauernd. Dieser häufige Sinneffekt, daß die Bedingung als schlechthin unerfüllbar gedacht erscheint, verwirklicht sich jedoch nicht in jedem durch K 2 gekennzeichneten Konditionalsatz. Schon der Bezugshintergrund, von dessen Tatsächlichkeit der K 2 das Geschehen als ungültig abhebt, ist oft kein feststehendes Faktum der sogenannten „äußern Wirklichkeit". Dieser Begriff ist, wie das folgende Beispiel zeigt, ohnehin problematisch; denn die „Wirklichkeit" ist eine variable Größe. Wie der Sinneffekt der schlechthin dauernden Ungültigsetzung letztlich auch auf dem gesamten geistigen Zusammenhang des Textes beruht, mag folgendes Beispiel zeigen: 114.22

(wie Latein) Inno? übe du under musen. eina sahist sih anazocchon geuualt. unde mahtigi. ze uuelemo hübe neuuare dir daz? Notker setzt sahist als schlechthin ungültiges Geschehen, indem er es von einer Wirklichkeit abhebt, in der alle Mäuse stets gleichen Rang haben. Wollte ein heutiger Philosoph die Kenntnisse der Biologen über das Verhalten von a-Mäusen und a-Ratten einbeziehen, so würde der Irrealis wie auch das Wort huoh (,Hohn',,Spott'), ja überhaupt das ganze Bild in der vorliegenden Form unpassend. C.2.2. B e z u g a u f g e d a c h t e o d e r a u f n u r a n g e n o m mene T a t s ä c h l i c h k e i t In 209.2 hebt der K 2 das Geschehen ab von der Wirklichkeit eines Beweises, der aus abstrakten Gedanken besteht (209.7—23). Außer einem solchen gedachten kann auch ein an sich nur vorgestellter Inhalt des Kontextes (daß jemand auf seinem Acker Gold finde) wie eine kontrollierbare objektive Wirklichkeit als Situation wirken, von der aus ein Geschehen durch K 2 als ungültig abgehoben wird. 335.15 336.3

(wie Latein) Taz heizet casus. So daz ist. übe ioman durh acher-gang an dia erda brechende, ein funt coldes findet, iu dar begrabenes... übe der acher-man dar ze achere negienge. Noh ter bergare sinen scaz tar nebegruobe. So neuuürte er dar funden.

76

II. Besprechung

einiger

NS-Arten

Das nur vorgestellte Geschehen des ersten übe-Satzes (findet) ist von aller Tatsädilichkeit abstrahiert gegeben; das ebenso nur vorgestellte des zweiten (negienge) ist bezogen auf die entgegengesetzte, durch den ersten Satz gegebene „vorgestellte Tatsächlichkeit"; dadurch erscheint es als ungültig. Von einer „unerfüllbaren Bedingung" zu sprechen ist jedodi unter diesen Umständen kaum sinnvoll. C.2.3. D i e U n g ü l t i g s e t z u n g g i l t n i c h t s c h l e c h t h i n Zuweilen steht die Möglichkeit der Verwirklichung des Geschehens offen88: Das folgende Beispiel zeigt den Übergang, indem — auf Grund des Inhalts — zeitlose, allgemein gültige Irrealität und die Möglichkeit der Verwirklichung in einer Coincidentia oppositorum zusammenfallen: 289.25 (wie Latein) Ih neuuvnderoti mih is nieht. übe ih alliu ding keloubti tuaron in unguissen geskihten (,daß alles in ungewissen Zufällen herum wirble'). keloubti ist als gegenwärtig ungültiges Geschehen dargestellt; eine mögliche Verwirklichung jedoch wird vom Text ausdrücklich suggeriert, so daß von einer „unerfüllbaren" Bedingung kaum gesprochen werden kann. Wenn die Irrealität nicht schlechthin gültig, d. h. die Verwirklichung der Bedingung und damit der Folge grundsätzlich möglich ist, kann alles Gewicht auf der momentanen Ungültigkeit beruhen: 138.13 ... uuio du brunnist. übe du uuissist... Die Ungültigkeit fällt schon im übernächsten Satz durch die Vermittlung des im Moment noch ausstehenden Wissens dahin: Die der K2-Setzung zugrundeliegende kontrollierbare objektive Bezugs-Wirklichkeit ist veränderlich. Die Setzung des K 2 (als Irrealis I) bedeutet hier also bloß ein Bezugnehmen auf eine momentan entgegengesetzte Situation des Kontextes. Solche Beispiele sind selten; in den freien Zusätzen fehlen sie; unter den Konditionalsätzen ohne BW findet sich nur ein einziges: 257.18 (wie Latein) Et quid si desererentur hoc tarn magno ac pene inuicto auxilio preeuntis naturq? / Uuaz uuurte is. kebraste in so micbelero unde ioh nah ungesuichenero (,kaum ausbleibenden') helfo. dero leitentun naturq? 88

In vom Latein abweichenden Sätzen: 28.5 (lat. Konj. Plqupf.), 279.26 (lat. K l ) , vgl. Anm. 96 und vgl. C. 3. 2., S. 80 £. — Wie Latein: 138.13, 154.11, 282.11 (jedodi 12 nicht), 285.3, 289.25, 336.3. Dazu unsichere Fälle wie z. B. 8.25, 28.4, 64.23. — Der K 2 in freien Zusätzen bedeutet jeweilen eine Ungültigsetzung schlechthin; problematisch ist höchstens 186.29.

C. Die Konditionalsätze

im K 2

77

Dieser Hilfe, ja der Natur und damit des Seins (260.9 f.) überhaupt entbehren die Bösen; sie erreichen ihr Ziel (das Gute, die Glückseligkeit) nicht (258.3) und sind so von aller Kraft verlassen (258.22 f.). Der K 2 ist gewählt, weil ein dem unmittelbar vorangehenden Satz (257.15) entgegengesetzter, überraschender Inhalt vorliegt, der in provokanter Frageform ausgedrückt wird. So ist dieser interessante K 2 zwar auch als Zeichen der eingeschränkten Gültigkeit, dazu aber als ein Stilmittel ironisch-polemischer Rhetorik eingesetzt. Wie weit dem Althochdeutschen in einem solchen Fall formaler und funktionaler Gleichheit mit dem Latein neue Möglichkeiten des Modusgebrauchs zufallen, kann am Einzelbeispiel nicht abgelesen werden. Und auch ein Vergleich mit Notkers freien Zusätzen, in denen keine ähnlichen Sinneffekte faßbar sind, erlaubt keine sichern Schlüsse. Vielleicht könnte ein grundsätzlicher Vergleich zwischen den Gebrauchsweisen der Modi eines lebenden „einfachen" Dialektes und dem vielleicht andersartigen Bedeutungsreichtum einer hochentwickelten Schriftsprache (des Lateins) Grundlagen für die Erfassung modaler Lehnbedeutungen abgeben. C. 2.4. Z e i t l o s - a l l g e m e i n e

Ungültigsetzung

Zuweilen verlangt eine inhaltlich entgegengesetzte Kontext-Situation die Ungültigsetzung, ohne daß die Alternative der jedoch möglichen Verwirklichung überhaupt je zur Diskussion stünde (vgl. 154.11; 282.11, im Gegensatz zu 282.12, wo eine Verwirklichung unmöglich ist [dieselben Inhalte sind 276.18/23 modal geschieden]; 285.3; 336.3, zit. S. 75). Hier kommt es stets nur auf die Ungültigsetzung an sich an; wie lange sie gilt, spielt keine Rolle; es handelt sich um im wahrsten Sinne des Wortes „zeitlose", allgemeine Ungültigsetzung 89 . C. 2. 5. Z u s a m m e n f a s s u n g C. 2.1. — C. 2.4. Der K 2 (Irrealis I) des Konditionalsatzes ist Zeichen eingeschränkter Gültigkeit: Er erweist sich als kontextoffen, indem er ein Konditional*• Die Erschließung der temporalen Qualitäten der Ungültigsetzung (schlechthin/ momentan/zeitlos) ist oft nur durch genaueste Textanalyse möglich, was zeigt, daß an diesen Sinneffekten nicht immer gleich viel liegt. So ist 266.14 (ohne BW, N S wie Latein, üS lat. poterat für Konj. Plqupf. / ahd. mahti) in der lat. Vorlage wie in Notkers adäquater Version (vgl. iro) die Verwirklichung ausgeschlossen, während in Gotheins (219: .jemand') und Endres' (108: .einer') Versionen die Verwirklichung als gewiß erscheint. — Auch 13.18 Aber infuortint ir mir einen Kreiden (.Fremden'). mit iuuermo zarte, so ir diccho tuont... ist die Verwirklichung trotz dem io-Satz nicht als möglich gedacht, denn der Satz bezieht sich auf Boethius, und Boethius ist kein Fremder.

78

II. Besprechung einiger

NS-Arten

satz-Geschehen stets als ungültig von einer entgegengesetzten Situation des Kontextes (zu dem im weitesten Sinne auch die äußere Wirklichkeit gehören kann) abhebt 90 . Der Sinneffekt der Ungültigsetzung (Entgegensetzung) ergibt sich als satztypisch in jedem Konditionalsatz, außer unter Umständen dann, wenn indirekte Rede vorliegt (vgl. C. 5., S. 91). Speziellere Sinneffekte verwirklichen sich von Fall zu Fall: Ob die Entgegensetzung schlechthin oder zeitlich begrenzt dauere oder ob sie zeitlos-allgemein gemeint ist, hängt vom Kontext ab. So wird also weder allein durch die Setzung des Indikativs (wie wir früher gesehen haben) noch allein durch die Setzung des K 2 Irrealis über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Verwirklichung entschieden. Doch ergibt sich der Sinneffekt der Ungültigsetzung schlechthin beim Gebrauch des K 2 im Konditionalsatz sehr häufig, während er sich beim Indikativ, der das Geschehen abstrahiert von konkreten Gültigkeitsangaben des Kontextes als Annahme hinstellt, nicht ergeben kann.

C.3. M o d u s w e c h s e l : A h d . K 2 f ü r l a t . Potentialis

Kl

Wie wir gesehen haben (vgl. A. 2.3. 5., S. 39 f.), pflegt N den lat. K 1 Potentialis des «-Satzes mit Indikativ wiederzugeben; nur in 5 konditionalen H&e-Sätzen, in einem Konditionalsatz ohne BW und in 3 Konzessivsätzen ohne BW (vgl. S. 123 f.) steht ahd. K 2 gegen lat. Potentalis. Bei diesen wenigen Ausnahmen muß im Kontext eine Bezugssituation gefunden werden, welche die Ungültigsetzung des Geschehens ausgelöst und die Anwendung des sonst üblichen kontextgelöst-abstrakten Indikativs verhindert hat.

C.3.1. K o n t e x t s i t u a t i o n

und

Realität

Im 317.2 vorausgehenden Satz steht voll gültig: . . . unde (goi) uuendet iro fart — immer, zu jeder Zeit. Auf diese Feststellung der unverbrüchlichen Tatsache paßt keine abstrakt-kontextgelöste indikativische Annahme *ube er... neuuendet, sondern bloß die durch den K 2 negierte: M

So kann, was den Inhalt betrifft, ein positiver irrealer Konditionalsatz einem negativen realen Kausalsatz entsprechen: Wenn ich ginge, wäre er unzufrieden ~ Er ist zufrieden, weil ich nicht gehe (Negationsverschiebung in N S u. HS).

79

C. Die Konditionalsätze im K 2

317.2

übe er daz netate. unde er hina-rihtige ferte. aber umbe-bougendo neuuanti. so zeflugin unde vuürtin askeriu (.getrennt') iro urspringe. diu nu festenot kuisser ordo.

Der Kontext also schließt den Indikativ aus, der sonst bei Notker für lat. K 1 eintritt. Zudem ergibt sich hier der Sinneffekt eines Urteils über die Glaubens-Wirklichkeit: Notker betrachtet das Nicht-Eingreifen Gottes, das Zerfliegen und Vom-Ursprung-Getrennt-Werden der Welt als unwirklich.

C.3.2. A n d e r e B e z u g s s i t u a t i o n f ü h r t zu ahd. K 2

a l s im

Latein

Nicht immer liegen die Dinge so einfach wie im vorangehenden Beispiel. 274.21 (und im entsprechenden mlat. Titel 274.6) bedeutet der Wechsel von lat. Potentialis zu K 2 einen Wechsel der Bezugssituation: Notker bleibt mit dem K 2 ganz innerhalb des Sinnbezirks des betreffenden Kapitels, das von der Macht der Übeltäter spricht, das Böse zu vollbringen. Dieser Bezugssituation (274.16: muozen ahten / »dürfen quälen, verderben') ist der Inhalt von 274.21 und 274.6 entgegengesetzt, was Notker veranlaßt hat, den K 2 Irrealis zu wählen. Boethius dagegen weist mit dem lat. Potentialis über den engern Zusammenhang hinaus und bezieht ein, daß einem Übeltäter die Macht, Böses zu vollbringen, genommen werden kann (276.2/12). Mit dem abstrahierenden Indikativ wäre Notker näher am lat. Text geblieben. Sein Irrealis klammert den Gedanken aus, daß die Macht zum Bösen im Einzelfall auch genommen werden kann: 274.21

275.3

(ohne BW); 275.3 (MV) Si auferatur id ipsum ... I Uuürte in aber daz selba benomen. daz tu uuanest taz sie muozin. dar-ana uuürte in iro uuize geliehterot ... tie ubelen sint tes-te unsaligoren, daz sie iro uuillen getuont. tanne übe sie in getuon nemahtin / quam si non possint ea implere.

275.3 ist der K 2 aus denselben inhaltlichen Zusammenhängen zu erklären, nur ist zu beachten, daß in diesem mit der Ellipse eines K l danne-Satzes kombinierten ube-Szxz ohnehin ein ahd. Konjunktiv, wenn auch nur der K 1 , hätte stehen müssen. Vgl. S. 82, Anm. 95. Daß das Nicht-Können mit K 2 Irrealis ungültig gesetzt wird, ist hier u. a. deshalb auch kontextgemäß, weil die Verleumder des Boethius, die ja den konkreten Hintergrund dieser allgemeinen Erörterung abgeben, bisher ihre Freveltaten haben vollbringen können.

80

II. Besprechung einiger

NS-Arten

Die Analyse von 274.21/275.3 zeigt die entscheidende Wichtigkeit des Kontextes für die Moduswahl: Der Wechsel zum ahd. K 2 Irrealis kommt einem Wechsel der Bezugssituation gleich. Dieser Wechsel ergibt sidi hier aus dem Zusammenhang heraus mühelos, so daß bloß eine andere Betonung vorliegt 91 . Diese wird aber nicht zufällig zustandegekommen sein: ihre Wurzel könnte tiefer reichen und in einer mehr statischen Auffassung — der Übeltäter bleibt ein Übeltäter — zu suchen sein. Zwei weitere von den insgesamt 6 den lat. Potentialis ersetzenden ahd. K2-Formen, nämlich 278.23 und 279.26, sowie der K 2 des mlat. Titels 278.13 (vgl. damit 275.20) stehen noch im selben weitern Zusammenhang wie die eben besprochenen Sätze, doch bedeutet der K 2 Irrealis hier eine schon schwerer wiegende Verwischung der Meinung des Boethius: 278.23 . . . unde ist is io doh not... Saligoren sin die ubelen82. die rehtez uuize lident. tanne sie uuarin. übe sie iz nelitin / quam si eos nulla iustitiq poena coerceat. Der Zweck der Ausführungen von 278.12—281 (Kapitel 29), in deren Rahmen das eben zitierte Gefüge gehört, besteht darin, Boethius zu zeigen, daß die mögliche Nichtbestrafung durch irdische Richter für den Verbrecher nicht von Vorteil sei. Während der lateinische Autor durch den Potentialis auf die Möglichkeit der Nicht-Bestrafung Bezug nimmt (vgl. 280.17, 282.15), verweist Notkers K 2 Irrealis nelitin auf die gewisse Bestrafung aller Übeltäter und schafft damit im Rahmen dieses Kapitels Unklarheit. Auf den Seiten N b 265.4—281.18 (Kap. 19—32) werden nämlich drei Arten von Strafen genannt 98 :1. die als gewisse Strafe jedem Bösen als Elend immanente Strafe, 2. die durch irdische Richter verhängte Strafe, die zuweilen unterbleibt, 3. die gewisse jenseitige Strafe nach dem Tode. So ist also jedem Übeltäter, auch wenn ihn kein irdischer Richter verurteilen sollte, eine Strafe sicher (vgl. 265.11 und Zusammenfassung 282.5), und es scheint, als ob Notkers Ungültigsetzung des NichtErleidens einer Strafe (nelitin) auch als Reflex dieses Hauptgedankens aufzufassen sein könnte. Indessen hat Notker Kapitel 29 sicherlich auch GL

HANDSCHUHS Behauptung, 124, Notkers Irrealis sei „genauer" als der Potentialis des lat. Autors, ist unadäquat. Zudem zeigt sich, daß der Begriff „unerfüllbare Bedingung" gefährlidi ist: Der Sprecher hat hier nicht überlegt, ob und in welchem Rahmen die Bedingung unerfüllbar oder erfüllbar sei. Sie ist beides zugleich: unerfüllbar, solange Übeltäter Übeltäter bleiben (Notkers Bezugssituation); erfüllbar, wenn sie Übeltäter zu sein aufhören (vgl. 276.12; Bezugssituation des Boethius). Audi der lat. Acl hängt von necesse est ab: keine oratio obliqua.

93

Z u 1. v g l . 2 6 5 . 2 0 — 2 7 7 . 3 ; 2 7 9 . 1 4 / 1 5 ; v . a. 2 6 5 . 1 0 , 268.21, 2 7 4 . 2 1 , 282.5, 282.18.

Durch die immanente Strafe sind die Schlechten entgegen der Meinung des eingekerkerten Boethius elender als die ungerecht Verfolgten. — Zu 2. vgl. 278.15—281.1 (ausg. 2 7 9 . 1 1 / 1 5 ) . — Z u 3. v g l . 2 8 1 . 9 — 1 8 .

C. Die Konditionalsätze

im K 2

81

verstanden und gewußt, daß Boethius darin bloß von der möglichen Bestrafung spricht94. Aber das Ausweichen zum Indikativ war ihm 278.23 verwehrt: In diesem danne- und im zugehörigen übe-Satz muß auf jeden Fall der Konjunktiv stehen (vgl. B. 4.2., S. 69 f., und Anm. 85), und wir rechnen damit, daß sich da der normale K 2 des Konditionalgefüges hat einnisten können, wo sonst der K 1 zur Ungültigsetzung verwendet wird. Es besteht also schon innerhalb unseres Gefüges eine primäre konjunktivauslösende Bezugssituation, von der aus das entgegengesetzte Geschehen als ungültig abzuheben war: Das nichtnegierte lidertt (mit der „Folge" saligor sin) verlangt den Konjunktiv des durch danne darauf bezogenen neliden. Es ist also primär nur die zufällige Sukzession der Redeteile, die den

M

Daß trotz den problematischen (theologisch interessanten) K 2-Sätzen 278.23/13 und 279.26 kein totales Mißverständnis Notkers vorliegen kann, geht aus mindestens zwei Textstellen hervor: 278.12 in morte traditos und 280.10 dia uuila sie ane uuize sint. Das (in der Consolatio-Übersetzung nur 2 X gebrauchte) dia uuila . . . betont die Möglichkeit eines Lebensabschnittes ohne Strafe; hier kann auch Notker nidit an die dem Bösen immanente unausweichliche Strafe gedacht haben, selbst wenn in morte traditos nidit eine Hinrichtung, sondern den gewissen Tod als Strafe für die Sünde meinen sollte. — Interessant ist der Zusatz 281.2 am Ende des Kapitels: Tiz capitulum iihet enemo / ,Dieses Kapitel (Kap. 29) entspricht dem vorangehenden' (Kapitel 28). In Kapitel 28 ist von der unausweichlichen Schranke des Todes die Rede, die dem Elend der Bösen ein Ende setzt, in Kapitel 29 von der möglichen Todesstrafe. Will Notker im Bewußtsein des Unterschiedes — zwischen gewissem Tod und möglicher Todesstrafe — auf die Analogie hinweisen, die in der Wirkung (Ende des immanenten Elends) besteht, oder überspringt er den Unterschied? Als Indiz für das Letztere müßte außer unsern K 2-Formen weiter die Übersetzung von supplicii terrore (278.25 ,mit dem Schrecken der Hinrichtung') durch das unscharfe mit puozo angeführt werden. Daß der lateinische Text Notkers 279.6 punitos improbos feliciores nennt, und nicht, wie GOTHEINS Ausgabe, 228, i n feliciores improbos i m punitos, womit also (durch Notker) schon in der lat. Vorlage die Möglichkeit der Straflosigkeit ausgestrichen wurde, ist ein ebensolches Indiz. Und so auch das 279.9 hinzugegebene iro sundon, das doch wohl einen Bezug zur jenseitigen gewissen Strafe in sich sdiließen könnte. Irdisdies und Jenseitiges spielen in dieser neuplatonischen Darlegung ineinander, so wenn in Kapitel 29 (in dem die hier zu besprechenden Sätze stehen) erläutert wird, welchen Unwert oder Wert je das Fehlen oder Auferlegtwerden einer irdischen Strafe habe. Deren Wert besteht in der Teilhabe am Ewig-Guten, in dessen Namen sie ja gefällt wird und kraft dessen sie die dem Bösen grundsätzlich als Elend innewohnende Strafe zu tilgen imstande ist. Ihr gelegentliches Fehlen aber ist ein malum adnexum (279.23). Und gerade dann, wenn sie fehlt und man die Bösen ungestraft glaubt, werden sie von desto schwereren Strafen (immanenten und jenseitigen) bedrängt sein (vgl. 282.18, Schluß der durdi Kap. 32 gegebenen Zusammenfassung). So ist die (mögliche, irdische) Straflosigkeit zugleich eine (unausweichliche) Strafe, und es verwundert nicht, daß N die Straflosigkeit durch K 2 negiert.

6

Furrer

82

II. Besprechung einiger

NS-Arten

Konjunktiv ausgelöst hat 95 . Der zwar nahestehende, aber vom lateinischen Autor gerade nicht anvisierte Hauptgedanke des übergreifenden weitern Zusammenhanges (daß alle Übeltäter eine gewisse Strafe erleiden) mag dann sekundär zur Wahl des K 2 beigetragen haben. Doch kann der K 2 von Notker nur deshalb nidit als störend empfunden werden, weil der sonst häufige K 2-Irrealis-Sinneffekt, daß eine Verwirklichung des genannten Geschehens schlechthin unmöglich sei (sog. „unerfüllbare Bedingung"), sich hier nicht aufdrängt. Ebenso schließt die Setzung des K 2 Irrealis in 279.26 die Verwirklichung des Geschehens nicht aus96. — Mit den K2-Setzungen 278.23/13 und 279.26, die primär aus der Kombination von danne + K und übe + Normalkonjunktiv K2 zu verstehen ist, entfernt sich Notker vom Hauptgedanken des Kapitels, ohne daß ihm ein eindeutiger Fehler nachgewiesen werden kann. 9S

Durch die Redeabsicht kommt folgende determinierende Sukzession zustande: Der Sprecher hat sich zuerst liden mit der Folge saligor sin vorgestellt. Wenn nun zweitens zum Vergleich negiertes liden (mit entgegengesetzter Folge) herbeigezogen wird, so kann das Ahd. diese zum Vergleich herbeigezogene Möglichkeit nicht wieder einzeln voll gültig für sich sehen, sondern durch danne auf die primäre, im Vordergrund stehende Möglichkeit bezogen und durch diese ausgeschlossen. Daraus folgt: Hier mußte im Ahd. negiertes liden durch K in der Gültigkeit eingeschränkt werden, doch geschieht dies hier nicht wie üblich durch den K 1, sondern durch den im Konditionalgefüge üblichen K 2 nelitin. — Bei umgekehrter Abfolge der Redeteile wäre auch die Modusverteilung (vermutlich aber K l ) umgekehrt, ohne daß dadurch eine andere Beurteilung der Realität zum Ausdruck käme. — Zur Moduserklärung v g l . MANTHEY, 7 6 ; WUNDER, 1 9 3 ; BEHAGHEL, 6 2 6 , h i s t o r . : 6 2 8 . — V g l . A n m . 8 5 f . ,

vgl. C. 3. 4., S. 83. In Analogie zu 278.23 wird derselbe, jedoch in andern Worten ausgedrückte Inhalt 279.26 auch mit K 2 ungültig gesetzt: Nachdem N im ersten von zwei lat. formal gleichartigen Konditionalgefügen (mit je K 1 Potentialis im NS) den gewohnten ahd. Indikativ verwendet hatte, setzte er im zweiten, 279.26, gegen denselben lat. Potentialis den ahd. K 2 Irrealis: 279.18 Übe danne guot keleget uu'trt ze iro deheines uuenegheite. neist tanne der saligoro. danne der. ze des uunenegheite. nehein guot neist kemiskelot? 279.26 Übe ouh temo uuenegen ... tehein ander uuenegheit zuo-gestozen uuürte ... neuuare er danne na enes unsaligoro. des ... Im ersten Satz wird als abstrakte Annahme gegeben, daß den Übeltätern, die auf jeden Fall im Elend stecken, das guot der Bestrafung zukommt, dagegen wird im zweiten durch K 2 ungültig gesetzt, daß ihnen ein weiteres Elend, die Nichtbestrafung, zufallen kann. Dadurch wird das Geschehen als ungültig gekennzeichnet, obschon es der (richtig verstandene) Kontext als existente Möglichkeit erweist und obschon es, wir wiederholen, der Zweck des Kapitels 29 ist, dem Gefangenen Boethius zu zeigen, daß er sich zu Unrecht über die Straffreiheit seiner Peiniger beklagt, indem gerade die Tatsache der Straflosigkeit ein weiteres malum adnexum bedeutet (280.16). Da Notker trotzdem kein „Fehler", kein Unverständnis, nachgewiesen werden kann, ergibt sich der Schluß, daß dieser K 2 Irrealis die Verwirklichung des Geschehens nicht ausschließt. Er ist in Analogie zu 278.23 verwendet worden.

C. Die Konditionalsätze

im K 2

83

C.3.3. M o d u s w e c h s e l u n d W o r t w a h l 93.11 würde sich ein Indikativ (vor allem im üS) nur schlecht mit der unmittelbar vorangehenden Erörterung der Unvollkommenheit des Glücks vertragen; mit dem K 2 wird auf sie Bezug genommen. Sekundär ermöglicht der Gebrauch des ahd. K 2 Irrealis eine freiere Wortwahl: Der Modus ist einbezogen ins vielfältige Geflecht syntaktischer Determination und Konterdetermination. 93.11 Uuio manige uuanest tu. neahtotin sih kuolliche. übe sie doh einen luzzelen teil habetin dinero saligheite? / Quam multos esse coniectas. qui arbitrarentur sese proximos cqlo. si contingat eis pars minima de reliquiis fortunq tuq? Da der ahd. K 2 die Gültigkeit der Aussagen eindeutiger als der lat. K 1 einschränkt, kann Notker in der Wortwahl freier verfahren. Der ahd. K 2 konterdeterminiert das einen Zustand nennende habetin im Sinne des eine Veränderung nennenden contingat; denn die Einschränkung der Gültigkeit durch den ahd. K 2 bedeutet konkret, daß die Betroffenen, auf deren Urteil (glücklich zu sein) es ankommt, im Augenblick als nichts habend gedacht sind. So wie das Geschehen contingat den Zustand des Nicht-Habens voraussetzt, so setzt der K 2 von haben kraft seiner Grundbedeutung denselben Zustand des Nicht-Habens. C.3.4. D a s V e r h ä l t n i s v e r g l e i c h e n d e m danne

v o n K l u n d K 2 im m i t kombinierten übe-Satz

Die besprochenen Sätze 278.23 und 275.3 (vgl. C. 3.2., S. 79 f.) sind nach dem normalen K 2-Typus konditionaler Gefüge geformt. Der K 1 in 99.3 und 197.23 entspricht dagegen dem Modusgebrauch in gewöhnlichen Vergleichssätzen mit danne. Nun mögen unterschiedliche Kontextsituationen für die formale Differenz und für entsprechende speziellere Sinneffekte verantwortlich sein, ein grundlegender Bedeutungsunterschied ist nicht nachweisbar: K 1 und K 2 sind gleicherweise Zeichen für eine Ungültigsetzung in bezug auf einen begrenzten Sinnbezirk (nicht schlechthin). Zu bedenken ist demnach die Frage, ob nicht der K 1 einst auch Irrealis des Konditionalsatzes war und der Gebrauch des K 2 als Irrealis I auf einer sekundären Entwicklung (wie sie sich analog vom Altlatein zum klassischen Latein abgespielt hat) beruhe. Darauf wiese ja auch der ahd. Gebrauch des K 1 in allen hypothetischen Vergleichen, den samo-so-Sätzen, in allen konjunktivisch-negativen Bedingungen (vgl. E. 1.2.2., S. 131 ff.) und in er-Sätzen. Es erhöbe sich dann natürlich sofort auch die Frage, ob der K 2 einst allein als Irrealis II gebraucht worden sei und ob

84

II. Besprechung einiger

NS-Arten

dann seine Entwicklung zum Irrealis I autodithon oder mehr oder weniger unter fremdem Einfluß vor sich gegangen sei. Auf Grund solcher Überlegungen könnte der Gebrauch des K 1 in 99.3 und 197.23 als der ältere, der des K 2 in 275.3 und 278.23 als der neuere verstanden werden.

C.4. A h d . K 2 a l s I r r e a l i s d e r V e r g a n g e n h e i t (Irrealis II) Konditionalgefüge, deren Geschehen sidi gesamthaft in der Vergangenheit abspielen, sind allgemein selten; wir haben nur ein Dutzend indikativische gefunden (Anm. 73), und in nicht einmal einem halben Dutzend hat der K 2 eindeutige Vergangenheitsbedeutung. Kein einziges ahd. Konditionalgefüge unseres Textes aber ist gesamthaft durch KonjunktivPlusquamperfekt-Formen gekennzeichnet. Jedoch steht der Konj. Plqupf. einmal allein im HS (67.20) und einmal allein im NS (376.14) eines Konditionalgefüges. C.4.1. A h d . K o n j u n k t i v P l u s q u a m p e r f e k t Einen ahd. Konj. Plqupf. in einem übe-Satz finden wir im freien Zusatz 376.14 Übe er (der affo) iz in demo muote er gebildot nehabeti. so nemahti er iz nieht keanteron. Die Einbruchstelle des Konj. Plqupf. scheint sich dort zu befinden, wo es gilt, innerhalb des Konditionalgefüges temporal zu stufen (er). Besonders schön zeigt sich dies auch 67.20, wo der übersetzte üS wie lateinisch im Konj. Plqupf., ein erläuternder Zusatz-üS aber seinem Sinn entsprechend im K 2 ohne Vergangenheits-Bedeutung steht: 67.20 Übe din uuare daz tu dih chist ferloren haben, so nehabetist tu iz ferloren. so neuuare iz tir alienum. Notker kann also temporal strukturieren, wenn ihm daran liegt. C.4.2. P r ä t e r i t a l e B e d e u t u n g d e s K 2 im K o n d i t i o n a l g e f ü g e Die Vergangenheitsbedeutung eines K 2 des Konditionalgefüges ergibt sich allein aus dem Zusammenhang. Nur wenige Kontexte definieren ihn jedoch eindeutig; denn da die meisten K2-Gefüge (unseres Textes) eine schlechthin geltende konditionale Relation ausdrücken sollen (wie die

C. Die Konditionalsätze

im K 2

85

meisten indikativischen Konditionalgefüge auch), kommt es auf die Tempusstufe meistens nicht an. Einige Male aber ist die Präsensbedeutung des K 2 ausgeschlossen; so im freien Zusatz 33.20

(wir geben noch drei vorausgehende Sätze der Übersetzung): Kuisso uuolta ih so. loh to uuolta. ioh nu uuile. unde iomer. Des iiho ih. Ih neirta doh ten meldare nieht. Ih täte uuola übe ih in irti. doh neirta ih in is nieht.

Die K 2-Formen sind eingerahmt durch die beiden Präteritalformen neirta, die sie ganz in der Vergangenheit lokalisieren. Der NS-Inhalt kann nur in rückschauender Perspektive gedacht sein, und nicht für die Gegenwart". Die präteritale Lage des Textes mag auch in einigen weiteren Fällen auf präteritale Bedeutung des K 2 hinweisen: 307.14/15/16; 35.26; 8.25; 113.26 (nur üS), 46.20 (nur HS; mahti+perfektiver Inf. getuon). Je eindeutiger sich die K2-Form allein auf ein einzelnes (nicht zu wiederholendes, vergangenes) Ereignis bezieht, desto sicherer kann ihr alleinige präteritale Bedeutung zugeschrieben werden (33.20). Der Form wohnt jedoch eine grundsätzliche Ambivalenz inne: 35.11 Tin einunga hiez senatvsconsultum. Uuanda in dioterih tia genomen habeta... pediu uuaren sie in unhuldi. Tero brieuo undriuua chame uuola uüre (patuisset) ... Übe ih chomen muosi (si licuisset uti) ze iro ana-sagun. die mih is zihent... Taz in allen dingen starchesta ist. ih meino übe man ze gagen-uuerti chomen muoz... Sid uuir noh ze gagen/uuerti dingen nemuozen. uuelero libertatis mugen uuir danne dar-furder gedingen?'8 ,r

Auch in nicht konditionalen Satzgefügen erweist sich der K 2 als Irrealis der Vergangenheit: 134.2 Uuio tiure neuuare ( K 2 ) dir daz. to du in gerechen uuare (Ind. Prät.). unde salig. so dir duobtaf / ,Wie kostbar wäre dir dies gewesen, als du noch im Glücke w a r s t . . . , wie dich dünkte?' Ein Konditionalsatz („wenn du vom Unglück verschont geblieben wärest") ist erspart. Die Präsensbedeutung von 3. P. Sg. K 2 neuuare ist vollkommen ausgeschlossen. — Vgl. auch 228.2 mit Adverb + perfektivem Verb. Einmal begegnen wir einer Ersatzform: 358.29 er mahti iz fermiten haben (K 2 + Inf. Perf. = Irr. II). Vgl. auch E. 1. 4.1., S. 135 f., und E. 2. 2., S. 137 f. • 8 Genau gleich im konjunktionslosen Satz 35.20 (lat. Konj. Plqupf. bei R). — Vgl. noch den freien Zusatz 34.4 . . . daz mir daz unmuoza uuare. übe ih sie gerno nesahe gehaltene, dessen Übersetzung aus dem Zusammenhange — wie N ihn sieht — lautet: ,Der Senat hat mich mit seiner Anordnung (d.h. der Verleihung des Konsulats) verpflichtet (in die Schuld gebracht), so daß es mein Unrecht wäre (gewesen wäre), wenn ich ihn nicht gerne erhalten sähe (gesehen hätte).' SEHRT, 186, übersetzt kesculdet mit ,besdiuldigen, daß . . . ' ; dies ist jedoch im Sinne des Boethius übersetzt: Boethius meint mit decretis suis freilich die Teilhabe des Senats an seiner Verurteilung (vgl. GOTHEINS Einleitung, 23), und er bemerkt sarkastisch, daß er nun durch diese Autorität (welche er verteidigt hatte und welche

86

IL Besprechung einiger NS-Arten

Das vorgestellte Geschehen ( c b a m e / chomen muosi) gilt sidier wie das entsprechende lateinische für den früheren (entscheidenden) Moment; es gilt aber noch immer. Das zeigt der Zusatz 3 5 . 1 5 / 1 6 Sid

uuir

noh

ze gagen/uuerti

dingen

nemuozen...

/ , D a wir

noch immer nicht auf persönliches Erscheinen vor Gericht (und persönliche Konfrontation mit den Angebern) hoffen d ü r f e n ' . . . So kann auch bei zugrundeliegender präteritaler Bedeutung die präsentische von uns auf Grund dieses Textes nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, und wir haben die Form als zeitlosen Irrealis aufzufassen. Wenn uns ein Kontext ohne eindeutige temporale Information im Stiche läßt, ist die Frage nach dem Empfinden des ahd. Sprechers nicht ganz sicher zu beantworten. Solche unentschiedenen Kontextsituationen dürften, falls der K 2 ursprünglich nur präteritale Bedeutung gehabt hat, bei der Herausbildung der präsentisch-zeitlosen Irrealisbedeutung des K 2 wichtig gewesen sein. C.4.3. Die F a c h l i t e r a t u r über das P r o b l e m der p r ä t e r i t a l e n B e d e u t u n g des K 2 im K o n d i t i o n a l g e f ü g e Die Angaben der Fachliteratur" über die temporale Bedeutung des ahd. K 2 in Bedingungssätzen sind im allgemeinen sehr summarisch, öfters wird aber immerhin festgehalten, daß der K 2 Vergangenheitsbedeutung das durch ihr feiges Todesurteil gegen ihn so schlecht vergalt) ins Unrecht versetzt sei. N ist durch R zu einer falschen Interpretation verleitet worden; so verstehen R und N unter decretis suis / beneimedo irrtümlicherweise die Wahl des Boethius zum Konsul, und sie folgern daraus offenbar eine Verpflichtung dem Senat gegenüber, die begründen soll, warum Boethius den Senat gegenüber Theoderich hat stützen wollen (vgl. 33.15; Einleitung GOTHEINS, 21 u. 19). Diese Verpflichtung hat natürlich allgemeine zeitliche Geltung, so daß im ahd. K 2 kein eindeutiger Irrealis der Vergangenheit, sondern Irrealis schlechthin vorliegt (vgl. die obige Übersetzung von 34.4). •• In der Fachliteratur finden wir zwar den Hinweis auf eine „Vergangenheitsbedeutung" des K 2, doch vermissen wir eine ausführliche Sonderbehandlung des Konditionalsatzes, d. h. der Ungültigsetzung im Bereiche der Vergangenheit, die verlangt werden muß, weil es sich, anders als beim K 2, der zum Ausdruck der Vorzeitigkeit gegenüber einem übergeordneten Präsens dient, und anders als beim K 2, der durch die Consecutio temporum verlangt wird, um präteritales Erzählen (irrealer Geschehen) handelt, für welches keine eigene Form besteht. 1. GRIMM IV, 176 (1. Aufl.: 149) schreibt: „Also quad bedeutet dreierlei: dicebat, dixit, dixerat; quädi zweierlei: diceret und dixisset, denn dixerit ist quidit oder quedS." 2. ERDMANN (Untersuchungen, 1874) unterscheidet klar temporale Unterschiede zwischen K 1 und K 2 (§ 50, § 2, § 46). Auch zwischen K 2 Irrealis II und K 2 Irrealis I wird unterschieden (§§ 183, 186/187).

C. Die Konditionalsätze

im K 2

87

Wir zitieren ERDMANNS Gedanken nach der Syntax I von 1 8 8 6 : Der Conj. Prät. „kann im Ahd., teilweise auch noch im Mhd., mit und ohne Vergangenheitsbedeutung stehn", und zwar „mit und ohne Betonung der Unwirklichkeit" (§ 186, vgl. auchp. 1 2 1 , 1 3 1 ) . Über den Konjunktiv Praeteriti der Bedingungssätze heißt es: „Wenn durch die Erfahrung bereits sich ergeben hat, daß tatsächlich das Gegenteil eingetreten ist, so tritt lebhaft die Vorstellung der Unwirklidikeit hervor, und der Conj. Prät. kann als Modus irrealis zunächst für die Stufe der Vergangenheit bezeichnet werden; er wiri heißt dann: er sollte, konnte sein ( = hätte sein können), aber er war nicht" (p. 121). Einen solchen K 2 nennt ERDMANN § 168 „Potentialis der Vergangenheit". Gegenüber einem K 1 gilt als Unterschied, daß der K 2 den Gegensatz zur Wirklichkeit ausdrücklich betont (§ 172). Deutlicher als bei ERDMANN selbst kommt bei seinem Schüler FÖRSTER die Tendenz zum Ausdruck, audi dem K 1 Irrealisfunktion zuzugestehen (p. 54, 57 f.). Nach ERDMANNS Sprachgebrauch können sowohl der K 1 als auch der K 2 „bloß angenommene" Fälle bezeichnen, so in hypothetischen Vergleichen (§ 189) und in Exzeptivsätzen: „In ihnen steht, obwohl sie einen rein angenommenen Fall ausdrücken, meist Conj. Präs., seltener Conj. Prät." (§ 188). Hier heißt „rein angenommen" nichts anderes als „ungültig gesetzt" oder „irreal". ERDMANN legt Gewicht auf die einheitliche modale Bedeutung von K 1 und K 2 und sieht den Grund für die Zweiformigkeit in der temporalen Differenzierung: „Ursprünglich ist anzunehmen, daß der Conj. Präs. beides (Wunsch und Potentialität) für die Zeitstufe der Gegenwart, der Conj. Prät. beides für die Stufe der Vergangenheit ausdrücken konnte" (p. 121). Diese vielleicht allzu spontane Konzeption, der man immer wieder begegnet (vgl. etwa LINDGREN, 1 9 6 3 , 2 7 6 , 2 6 8 ) , hat BEHAGHEL (und in seiner Nachfolge HIRT, Urgerm. 3, 122) bekämpft; für ihn ist der K 2 in jeder Beziehung ursprünglich dem K 1 gleich, so zumindest 1899, 190, 196. Weshalb der K 2 zum Irrealis wurde, hat BEHAGHEL nur 1 8 7 7 , 2 0 , 3 0 , erörtert. Ähnlich wie ERDMANN leitet SCHIRMER ( 1 8 7 4 ) den „Unterschied modaler Art" zwischen gotischem K 1 und K 2 (p. 13 f.) aus der ursprünglich temporalen Differenz ab (nach LIDFORSS, 1 8 6 2 ) ; „irreal" und „nicht mehr gegenwärtig" bedeuten dabei fast dasselbe (p. 4 4 ) . Ähnlich BERNHARDT, 1 8 7 7 , 2 8 , der präteritale got. Beispiele gesondert angibt. Als wissenschaftsgeschichtlich interessant halten wir fest, daß SCHIRMER die historische Betrachtung der Syntax gegenüber der philosophischen noch verteidigen muß (p. 2 f.), und auch, daß er sich scharf gegen das „Dogma der altern Grammatik" wendet, „daß der Conjunktiv nicht in Hauptsätze gehöre" (p. 13), es sei im Gegenteil vom Hauptsatzmodus auszugehen (p. 9). An diesem methodischen Grundsatz wird fortan bis zu BEHAGHELS Syntax ( 1 9 2 4 / 2 8 ) mit Entschiedenheit festgehalten, und er wirkt bis in die neueste Literatur hinein ( D A L , W U N D E R , HOLMBERG) stark nach. 3.

Wichtig für unsere Fragestellung ist BEHAGHELS noch diskussionsfreudige Habilitationsschrift, 1877, 31: „Der Conjunctiv des Präsens bedeutet: es ist wohl so; der Conjunctiv Praeteriti drückt lediglich die abstracte Irrealität aus und kann sich deshalb auf Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit beziehen" (vgl. auch p. 20, 22, 30 f.). Dem müssen wir entgegenhalten, daß die Irrealität nicht „abstract" ist; die Ungültigsetzung besteht vielmehr in einem „konkreten" Bezug auf ein „konkretes" entgegengesetztes Geschehen, so daß sich eine temporale Einstufung (Gegenwart/Vergangenheit) sehr oft doch unmittelbar ergibt. Vgl. Anm. 18. Da BEHAGHEL in historischer Zeit in unabhängigen, einfachen Sätzen nur den K 1 als Potentialis I („Potentialis" im engern Sinne: „Das ist wohl so."), aber keinen K 2 Potentialis II („Das war wohl so.") findet und da er bei DELBRÜCK liest, auch die gr. und ai. Modi des Aoriststammes seien von denen des Präsens nicht temporal

4.

88

II. Besprechung einiger

NS-Arten

geschieden, so hält er eine solche temporale Scheidung im Germanischen f ü r „a priori" ausgeschlossen (p. 22, 16 f.). Die Beispiele mit Irrealis (II) schlägt er in den Wind, da der Irrealis weder spezifisch präterital ist noch überhaupt etwas anderes als eben Irrealis. So besteht keine „ursprüngliche 0 temporale Opposition zwischen K l und K 2 . In der 1899 erschienenen erweiterten Fassung von 1877 behält BEHAGHEL diese Konzeption bei (p. 181/190) und sichert sie noch besser ab (z. B. p. 187 f.). Mit dem Optativ Praet. wird „niemals eine positive Möglichkeit der Vergangenheit, sondern stets nur Irreales bezeichnet" (p. 188/189). Das gilt f ü r unabhängige Sätze, und weil BEHAGHEL in unabhängigen Sätzen keinen K 2 als Potentialis der Vergangenheit findet, eignet dem K 2 ursprünglich, und das hieß damals grundsätzlich, wesensmäßig, keine Vergangenheitsbedeutung. Die Consecutio temporum und der Vergangenheitsbezug des K 2 entstehen erst sekundär im N S (p. 195). Das System BEHAGHELS hat Mängel. Es erklärt nicht, weshalb es zwei K-Formenreihen gegeben hat, da doch eine genügt hätte. Und BEHAGHEL erklärt nicht, weshalb, da doch einmal zwei Formen zur Verfügung gestanden haben, gerade der K 2 (und nicht der K 1) sich zum Irrealis schlechthin geeignet hatte (vgl. 1877, 32). Schließlich mißachtet BEHAGHEL, daß das Bedürfnis, Irrealität v. a. der Vergangenheit auszudrücken, ganz elementar ist und daher uralt sein dürfte, vgl. dazu BRINKMANN, 1962, 356 f. Seiner Uberzeugung bleibt BEHAGHEL auch späterhin treu: „Aber es scheint, daß weder im Indogermanischen noch im Germanischen ein solcher zeitlicher Unterschied zwischen Konjunktiv beziehungsweise Optativ des Präsens und den entsprechenden Vergangenheitsformen bestanden hat" (Die dt. Sprache, 1923', 322). Auch in der großen Syntax ist das einmal richtig Befundene bewahrt: „Zeitliche Bedeutung ist den K-Formen f r e m d " (II,. § 714). „ . . . dem Ind. Praet. stand kein Konj. Praet. mit gleichfalls praeteritaler Bedeutung zur Seite" (III, p. 682; II, § 703). Bei der Besprechung des K 2 in Konditionalsätzen (§ 1289) übergeht BEHAGHEL unser Thema. Auch in der Heliandsyntax, 1897, ist er an einer temporalen Differenzierung des Konditionalsatz-K 2 nicht interessiert. Aber anderswo spricht er nebenbei davon, d a ß der Irrealis einen „Anschein der Vergangenheitsbedeutung" (Syntax II, § 714) bekommen könne und daß man „auf die Vergangenheit bezügliche Belege" finde (II, § 674). 5. WUNDERLICH, 1883,setzt f ü r den Konditionalsatz-K 2 wohl beide Bedeutungen an: „Der Conj. Praet. . . . tritt f ü r lat. Conj. Imp. und Plqupf. in gleicher Weise ein" (p. 114). Es wird allerdings nicht erörtert, ob die ahd. Einförmigkeit Einebnung auf auch nur einen Inhalt bedeute oder ob Homonymität vorliege. 6. Etwas ausführlicher äußert sich FÖRSTER, Modi im Tatian, 1895, § 15: „Das Deutsche hat f ü r beide Fälle nur eine Verbform . . . In andern Fällen hat der Conj. Praet. die Vergangenheitsbedeutung verloren." § 57: „Der Conj. Praet. steht da mit und ohne Vergangenheitsbedeutung." FÖRSTER erweist sich als Schüler EROMANNS und spricht von echter Doppeldeutigkeit der ahd. K 2 - F o r m ; ihre Geschichte aber erläutert er nicht näher. f., belegt aus dem Gotischen u. a. K 2 , der „den Nebensinn der Vergangenheit h a t " ; diese auch f ü r das Urgermanische angesetzte Vergangenheitsbedeutung sei gegenüber dem idg. Stand sekundär (881, § 795), sie sei aber die Voraussetzung f ü r die Irrealisbedeutung (408; umgekehrter Vorgang im Latein).

7 . DELBRÜCK 4 , 1 8 9 7 , 4 0 5

DELBRÜCK, PBB 29, 1904, 262, weist u. a. auch bei den Konditionalsätzen auf die temporale Ambivalenz des K 2 : „Die zeitlage der ganzen periode fällt entweder mit der gegenwart des sprechenden zusammen oder hinter diese in die Vergangenheit."

C. Die Konditionalsätze

im K 2

89

DELBRÜCK betont die Affinität von Vergangenheit und Irrealität und gibt den Abriß einer Theorie der Entstehung des germ. Irrealis (p. 264); nach D E L B R Ü C K beruhen die Anwendungstypen des germ. K 2 auf Nachahmungen des präsentischen Optativs (p. 2 0 3 ; dagegen H I R T , Urgerm. 3 , 1 5 0 ) . D E L B R Ü C K , 1 9 1 9 , 4 0 — 4 3 , sdiließt aus verschiedenen Belegen auf einen germanischen Konditionalsatztypus mit K 1; dessen Verhältnis zum K 2-Typus wird nicht erörtert (vgl. auch PBB 29, 261).

8. MANTHEY, Syntaktische Beobachtungen an Notkers Obersetzung des Martianus Capeila, 1903, anerkennt die Vergangenheitsbedeutung des K 2 bei den sog. unerfüllbaren Wünschen (p. 72) und als „Potentialis der Vergangenheit" (p. 69); die Konditionalsätze behandelt er nicht eingehend (vgl. aber p. 70). 9. Ausführlich beschäftigt sich WILMANNS III, 1906, § 102 (auch § 94, § 114), mit dem „Tempus des irrealen Optativ Praet.": »Der Optativ Praeteriti konnte im Germanischen als Modus irrealis von jeher sowohl auf die Vergangenheit als auf die Gegenwart oder Zukunft bezogen werden. Daß der Opt. Praet. zum Modus der Irrealität wurde, erklärt Delbrück 4, 403 f., 408, daraus, daß die Vergangenheit selbst schon eine Entfernung von der Wirklichkeit ist." Vorausgesetzt wird also, nach D E L B R Ü C K , eine einstige präteritale Bedeutung des K 2 . — § 1 3 6 erwähnt WILMANNS auf die Vergangenheit bezügliche Belege; den Modus nennt er „Potentialis der Vergangenheit*. In den als-ob-Sätzen ist die Vergangenheitsbedeutung des K 2 offenbar (§ 139), nur wird der Name Irrealis sowohl für den alten K 1 als auch für den K 2 mit Vergangenheitsbedeutung vermieden; dieselbe Scheu stellen wir § 140 fest. Ebenso läßt § 113.2 nur die Obersetzung der Beispielsätze darauf schließen, daß auch der potentiale K 1 eine Ungültigsetzung bedeuten könnte. 10. WACKERNAGEL, 1920, 255, findet got. K 2 u. a. angewendet als „eine Art Potentialis der Vergangenheit" (Mc 14,5: ,es war vielleicht möglich' und Mth. 25, 44, wo wir heute nur sagen könnten: , . . . und hätten dir nicht gedienet'). — Dann folgt eine für uns entscheidende Stelle: „Auch für den Ausdruck des Irrealen bietet der germanische Optativ merkwürdige Parallelen zu Griechisch und Latein. Im Latein ist bei gegenwärtiger Irrealität der Konjunktiv Präs. allmählich durch den des Imperfekts, bei vergangener der Konjunktiv Imperfekt allmählich durch den Konjunktiv Plqupf. verdrängt worden; man vergleiche auch das Vorrücken des präteritalen Ausdrucks beim griechischen Irrealis. Wie im klassischen Latein ist für den Irrealis der Gegenwart bereits im Gotischen der präteritale Optativ zur Alleinherrschaft gelangt, z. B. Joh. V, 4 6 . . . Aber für die Vergangenheit steht das Gotische dem Neuhochdeutschen ähnlich gegenüber wie das Altlatein dem klassischen, z. B. im Gotischen Mth. X I , 23." In unserer Arbeit wird vermutet, der Modusgebrauch in der konjunktivischen negierten Bedingung ohne BW (E. 1.—E. 7., S. 129 ff.) sei ein später Zeuge dafür, daß im (West-)Germanischen die Verteilung von K 1 und K 2 des Konditionalsatzes einst ähnlich gewesen sein könnte wie im Altlatein. 1 1 . W U N D E R L I C H - R E I S I , 1924', kennt die „Vergangenheitsbedeutung" des K 2 , weiß aber nicht, woher sie kommt (p. 368), sondern nur, daß sie vorhanden gewesen (p. 412). Außerdem wird bei den als-ob-Sätzen klar gesagt, daß der K 1 als Irrealis I, der K 2 als Irrealis II dienen konnte (p. 382 f.). Der K 1 im Bedingungssatz ohne Bindewort aber habe keinen irrealen Sinn (p. 383; 346*).

Unsere Ansicht ist die: Konjunktivformen sind zur Signalisierung der eingeschränkten Gültigkeit gebildet worden. Der Ausdruck des Tempus tritt hinter dieser Funktion zurück. BEHAGHEL hat nicht falsch beobachtet, wenn er sagt, daß zeitliche Be-

90

II. Besprechung

einiger

NS-Arten

gehabt habe. Demgegenüber erscheint W U N D E R S Äußerung unklar (p. 132 f.): „Ebensowenig wie ahd. zwischen Vergangenheit und Vorvergangenheit unterschieden wird, ebensowenig werden die entsprechenden Irrealsätze unterschieden. . . . letztere unterscheiden sich dabei nidit in ihrem zeitlichen Verhältnis zum Sprecher (Gegenwart/Vergangenheit)." Formal wird in der Tat nicht unterschieden, und gegenüber dem Latein kann oft temporale Einebnung festgestellt werden, so etwa 28.4/5, 336.3/4, 260.23. Das Fehlen einer Form bedeutet aber nicht unbedingt das Fehlen einer Funktion.

C.4.4. Z u s a m m e n f a s s u n g C.4.1. — C.4.3. Konditionalgefüge vom nhd. Form-Typ „wenn gewesen wäre, wäre gewesen" finden wir in Nb nicht. Das seltene Plusquamperfekt des Konjunktivs ist nur als relatives Tempus zum Ausdruck der Vorzeitigkeit gegenüber Irrealis I unentbehrlich. Soll jedoch ein irreales Gefüge aus der Sicht des Sprechers als Ganzes in der Vergangenheit lokalisiert werden (Irrealis II), so genügt der K 2 im Verband mit präteritalem Kontext. Die ahd. K 2-Form in Notkers Konditionalsätzen ist homonym: sie kann präteritalen oder präsentischen Tempuswert annehmen. deutung den K-Formen immer fremd gewesen sei; das Germanische hat aber offensichtlich dennoch in Analogie zum Indikativ Praeteriti eine besondere präteritale K Form (mit präteritalem Tempuswert) als Gegenstück zur präsentisdien gebildet, so daß vorgeschichtlich wohl gegolten hat: „er ist : er uuas = er si: er uuare". Die Entwidmung des präteritalen Konjunktivs zum Irrealis schledithin ist — vgl. dazu auch WEINRICH, 142—149, wo allerdings „Tempus" mit Zeit nichts zu tun haben will — auf Grund des einstigen präteritalen Wertes und des darauf beruhenden Nutzwertes der Bezeichnung eindeutiger Irrealität besser verständlidi als durch irgendeine andere Erklärung. (Denn da Irrealität der Vergangenheit eindeutige, kontrollierbare Irrealität zu sein pflegt, ist ihr Zeichen, der K 2, als das modal deutlichere empfunden worden und hat es seine Funktion erweitern können.) So behalten wohl also auch ERDMANN, D E L B R Ü C K , WILMANNS und WUNDERLICH mit ihrer temporalen Scheidung der Konjunktive gegenüber BEHAGHEL recht. Andrerseits ist aber eben die Tatsache, daß diese frühe Umwertung des K 2 möglich gewesen ist, ein Beweis dafür, daß beim Konjunktiv das Tempus in den Hintergrund tritt („Teilaktualisierung": vgl. W U N D E R L I , H I L T Y ) . Und doch ist die Herausbildung von temporal geschiedenen germ. K-Formen wiederum kein unnötiger Luxus gewesen; denn an einer Stelle kommt die Sprache ohne eindeutig präteritale Form schwerlich aus: beim Irrealis. Nur mit einer eindeutig präteritalen Irrealisform ist dem Bedürfnis Genüge getan, sich auch über eine vergangene, unwiderrufliche Gegebenheit mit freiem Geist hinwegzusetzen: „Wenn ich das gewußt hätte . . . , si j'avais su . . . " Auch ein Mensch aus der Umgebung Wulfilas, Otfrids, Notkers hatte doch wohl die Möglichkeit, sich so zu äußern. Es ist kaum denkbar, daß der K 2 Irrealis Notkers die präteritale Bedeutung nicht (mehr) hat annehmen können.

C. Die Konditionalsätze

im K 2

91

Der richtige temporale Bezug wird dem Hörer überlassen100. Der Konjunktiv erweist sich einmal mehr als kontextoffen. Dies auch in dem Sinne, daß (in unserem Text) Vergangenheitsbezug unmittelbar den Sinneffekt eindeutiger Irrealität erzeugt.

C.5. O r a t i o o b l i q u a u n d K 2 i n « ¿ e - S ä t z e n (Beispiele in Konditionalsätzen ohne BW fehlen.) Im Prolog 5.21 steht nach präteritalem üS der K 2 der indirekten Rede in einem übe-Satz; freilich kann die Irrealis-Bedeutung in solchen Fällen nicht mit völliger Sicherheit ausgeschlossen werden. Es ist in diesem Beispiel aber nicht wahrscheinlich — wenn auch grundsätzlich möglich —, daß in der direkten Rede der Irrealis gebraucht worden wäre. Näher liegt die Irrealis-Bedeutung im ahd. Gefüge 28.4 (dessen lat. Vorlage schon einen K 2 hat, der nach nicht irrealem fore im Acl eher bloß ein Obliquus ist): 28.4/5

100

(wie Latein) Triuuo. du funde dia reda. unde lertost sia mit platonis munde. Alliu riebe, unde alle andere geuualta danne uuesen salige. übe iro flagin uuise. aide die sih pegondin heften ze uuistuome. Solomon uuas uuise. aber darius hafta sih ze danihele demo uuisen. unde pharao ze ioseph.

WACKERNAGEL, Syntax I, 1920, 226, weist auf Analoges im Griechischen. — D e r altfrz. Typus se venist, lo fesist, der formal v o n si venisset, fecisset herstammt, ist ebenso doppeldeutig. Vgl. ROTHE, 3 8 6 , 3 9 0 A . 78; WEINRICH, 147. D a s afrz. System sieht freilich anders aus. — Schön sichtbar ist jedoch, wie immer wieder die präteritale Form herangezogen wird zur Ungültigsetzung von Gegenwärtigem: der K 2 auf dem Wege v o m Altlatein zum Latein, der K Plqupf. auf dem Wege v o m Latein zur romanischen Volkssprache und immer wieder spontan in der Kindersprache: „Ich weer jetz en Röiber gsii." D a s Kind verwendet den Irrealis II, meint aber: „Ich wäre nun ein Räuber, ich will jetzt einen Räuber spielen."

92

II. Besprechung einiger

NS-Arten

Notker gibt also am Schluß einige Beispiele dafür, daß die Bedingungen Piatos zu Zeiten schon erfüllt worden waren; trotzdem ist der K2 als der für das Konditionalgefüge typische Modus der Ungültigsetzung (ohne spezifischen Tempuswert / Verwirklichung möglich) zu betrachten; denn er wirkt als Reflex auf alliu (riebe), auf einen Bedeutungsträger also, der in der lat. Vorlage fehlt, auf den es aber Notker offenbar angekommen ist (vgl. den Zusatz unde alle andere geuualta). Der Acl genügte an sich als Zeichen dafür, daß im gesamten (28.3/5) eine oratio obliqua vorliegt. Darüber, wie die infolge der Consecutio temporum gesetzten präteritalen K-Formen im Ahd. empfunden worden sind, wissen wir noch nicht genügend und nicht endgültig Bescheid. Die Kontextoffenheit des Konjunktivs ist bisher zu wenig berücksichtigt worden. Interessant sind die beiden uuissi 35.25/26 nach präteritalem zeh'. Das erste hat annäherungsweise den Sinn von nhd. »gewußt habe', das zweite von .gewußt hätte' (direkte Rede): 35.25

To in gaius zeh. daz er dia einunga uuissi. diu uuider imo getan uuas. übe ih sia uuissi chad er. so uuare si dih f erholen.

C.6. D e r K 2 i n N o t k e r s C.6.1. U n g ü l t i g s e t z u n g

freien

schlechthin

Zusätzen durch

K2

Nie geht aus dem Inhalt und dem Kontext freier Zusätze hervor, ein Geschehen sei nur für den Moment ungültig gesetzt und eine spätere Verwirklichung möglich. — Vgl. Anm. 88; vgl. aber auch C. 3.2., C. 3.3. C.6.2. D e r K 2 a l s I r r e a l i s

der

Vergangenheit

K 2 mit der Bedeutung eines Irrealis der Vergangenheit tritt an sich selten, jedoch auch als freier Zusatz auf: 33.20; evtl. 307.14/15/16; 8.25; 113.26 nur üS.

C.7. Z u s a m m e n f a s s u n g : W i c h t i g s t e S i n n e f f e k t e des K2 im K o n d i t i o n a l g e f ü g e v o m T y p u s übe uuare — so uuare la. Ungültigsetzung schlechthin: Inhalt und Kontext drücken aus, daß Bedingung und Folge als nie eintretend gedacht sind; dieser Sinneffekt ist sehr häufig. Die Bezugs-Situation besteht aus einem kontrollierbaren Geschehen, das als nie zu ändernder Tatbestand aufgefaßt ist. Der

K 2 bezieht das genannte Geschehen darauf und hebt es als entgegengesetzt und damit eben als schlechthin ungültig davon ab. Ib. Ungültigsetzung für den Moment: Auf Grund ihres Inhaltes könnten Bedingung und Folge an sich durchaus eintreten. Der individuelle Kontext verlangt (oder ermöglicht) aber die Ungültigsetzung zumindest für den Moment. Das entgegengesetzte Gesdiehen der Bezugs-Situation ist ein an sich veränderlicher Tatbestand, doch wirkt er im betreffenden Zusammenhang als die gültige Tatsache. Es ergeben sich spezielle rhetorische Sinneffekte. Falls der K 2 ursprünglich allein ein Irrealis II gewesen sein sollte (vgl. Anm. 99), wäre diese unter lb geschilderte Verwendungsweise sekundär. Das würde ihre relative Seltenheit miterklären. — Vgl. C. 2. 3., C. 3.2., C. 3. 3., Anm. 96. lc. Ein weiterer Funktionstyp ergibt sich im HS des irrealen Konzessivgefüges, vgl. D. 11., S. 124. 2. Inhalt und Kontext legen fest, daß die beiden Geschehen, welche die konditionale Relation bilden, auf die Vergangenheit bezogen sind: Bedingung und Folge sind nicht eingetreten. Das entgegengesetzte Gesdiehen ist ein nicht mehr zu ändernder, in der Vergangenheit abgeschlossener Tatbestand kontrollierbarer, vergangener Wirklichkeit. Es handelt sich folglich um eindeutige, auf die Vergangenheit bezogene Irrealität. In diesem Sinne eindeutige Kontexte sind selten. Nie könnte in einer solchen Situation ein Indikativ stehen.

I I . D . DIE

KONZESSIVSÄTZE

D.I. Die V e r w a n d t s c h a f t m i t den K o n d i t i o n a l s ä t z e n ; ein B e i t r a g zum P r o b l e m der I n t e r f e r e n z e n Die nhd. Konjunktionen „ob-schon" und „wenn auch" u. ä., welche Konzessivsätze einleiten, weisen schon durch ihre Bildungselemente, mehr aber noch durch die Tatsache, daß gerade sie sich gegen ältere Satzeinleitungen von anderer Bedeutung durchgesetzt haben, auf eine innere Verwandtschaft von Konditional- und Konzessivsatz. Allerdings: noch bei Notker sind die beiden Satzarten in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle deutlich voneinander unterschieden: erstens durch die herrschende konzessive Satzeinleitung doh, die das konditionale Verhältnis nicht bewußt macht, und zweitens hinsichtlich des Modusgebraudis (Konj. in allen doh-Sätzen). Anderseits kann es auf Grund der innern Verwandtschaft gar nicht ausbleiben, daß zuweilen Notkersche Konditionalsätze selbst ohne besonderes Zeichen in konzessivem Verhältnis zum üS stehen — sei es im Indikativ oder sei es im Konjunktiv 101 . Auch in der Entwicklung der Kindersprache läßt sich beobachten, wie Konditionalbildungen vorerst anstelle des konzessiven Verhältnisses stehen, so in der Antwort des dreieinhalbjährigen Stephan auf eine Ermahnung des Vaters: „Du darfst morgen nicht mit uns in der ,Krone' essen, wenn du jetzt nicht stillsitzen kannst." — „Mol, wän ich fägnäschte und brüele, töörf ich i d ,ChrooneM" Müßten wir diese Kinderantwort nhd. wiedergeben, so wären wir unschlüssig, ob wir „auch wenn" oder „obschon" braudien müßten; mit „auch wenn" blieben wir näher bei der konditionalen Ausdrucksweise, indem das NS-Geschehen als bloß angenommen (und hier auch auf die Zukunft bezogen) erschiene, wogegen „obschon" gebraucht wird, wenn ein tatsächliches (meist vorliegendes) Geschehen nicht nur als unzureichender Hinderungsgrund zugestanden, d. h. nicht nur als gleichgültiges Geschehen eingeräumt, sondern zugleich als voll gültige Tatsache gesetzt wird (in unserem Beispiel nicht auf die Zukunft, sondern auf die jetzt vorliegende Unart bezogen)102. 101 102

Vgl. Tabellen D. 3. 4., S. 104; vgl. auch 228.2 (so + K 2 : lat. Partizip). Vgl. dazu schon LAFTMAN, ZfdPh 56, 1931, 297, sowie Anm. 112. — Formal nidit geschieden sind konzessive und konditionale Satzbeziehung auch im Kinderlied:

D. Die Konzessivsätze

95

Das Nhd. erlaubt uns also, durch verschiedene Konjunktionen ein Geschehen als tatsächlich oder als angenommen einzuräumen. Diese Unterscheidung haben wir als modal zu betrachten, weil sie die Gültigkeit des Geschehens betrifft, doch macht Notkers Sprache diesen modalen Unterschied nicht — wir richten unsern Blick vorerst allein auf die ja vorherrschenden doh-S'ixze —; sie unterscheidet die beiden Arten eingeräumter Geschehen nicht, sondern kennzeichnet konzessiv untergeordnete Inhalte, erweise sie uns der Kontext (der weitere Zusammenhang) nun als Tatsachen oder als Annahmen, einheitlich mit doh und Konjunktiv. Was das Ergebnis unserer Untersuchung sein wird, ist schon jetzt zu vermuten: daß mit dem konjunktivischen doh-Sztz ein Geschehen nicht als voll gültige und vorliegende Tatsache eingeräumt werden kann. Sodann muß darauf hingewiesen werden, daß das HS-Geschehen des konzessiven Gefüges — im Unterschied zu dem im konditionalen Gefüge — modal unabhängig vom Nebensatz stets voll gültig ist (bei K 2 vgl. S. 124). Trotz innerer Nähe 103 unterscheidet sich das Notkersche konzessive Normalgefüge ( d o h . . . ) vom konditionalen also wesentlich: 1. durch den Modusgebrauch im NS (stets Konjunktiv), 2. durch die modale Unabhängigkeit des Hauptsatzes und 3. durch die andere Konjunktion, welche wegen ihrer andern Grundbedeutung (auch als Adverb) nicht schon an sich (wie ubei0i und die invertierte Form des Konditionalsatzes ohne BW106) imstande gewesen sein kann, ein Geschehen als bloße Annahme zu kennzeichnen108. „Und wän s rägnet und wän s schneyt, und wän $ Chätzli s Gschiir verheyt, bi so glückli, trala lala la, wän i es Tässeli Kafi ha." — Andrerseits findet die dreieinhalbjährige Sabine spontan ein Mittel zu konzessiver Unterordnung: „D Ovi isch no heiss, gliich wän du dialti Milch drii taa hasch." 108 1M

105 106

V g l . HANDSCHUH, 6 7 ; MENSING, § 1 0 2 , § 1 0 3 . V g l . S. 2 6 , S. 2 8 ( A . 2 . 2 . 1 . ) ; S. 6 0 .

Vgl. S. 46 (A. 3. 2., A. 3. 2.1.); S. 60. Nähe und Unterschiedlichkeit der beiden Satztypen vermag das folgende Gefüge zu zeigen: 74.10 (fr. Zus.) Ist er aber ungeleret. unde ist er doh kesprache. so mag er uoben officium oratoris. selbo nemag er orator sin. uuanda daz ex natura ist. taz neist nieht ex arte. Hier liegen zwei ineinandergeschachtelte Konditionalgefüge vor: 1. Ist er ungeleret. (so) nemag er orator sin. 2. Ist er doh kesprache. so mag er uoben officium oratoris. doh bezeichnet hier den Gegensatz zur Aussage des ersten Nebensatzes. — Die Aussagen des zweiten Gefüges bilden aber auch einen Gegensatz zum HS selbo nemag er orator sin. Daher wäre eine kleine Veränderung möglich: die Vertausdiung von doh und er — und schon müßte der Konjunktiv stehen. Dadurch würde aber auch

96

II. Besprechung einiger

D.2. D i e D.2.1.

NS-Arten

doh-Sätze

Ubersicht

Im K l : 60 (eingeräumte Annahmen und als Annahmen eingeräumte Tatsachen) Im K 2 : 10 (7 bei präteritaler Lage des Textes als Annahmen eingeräumte Tatsachen der Vergangenheit; 3 irreale Geschehen) 71 dohSätze

Modus + Konstruktion wie Latein

Konstruktionswechsel

gleiche Konstruktion — anderer Modus

freie Zusätze

Kl

K 2

Kl

K 2

K 1

K 2

Kl

ohne MV

30

3

8

4

1

1

18

MV wie Latein

1



zusätzliches MV TOTAL: 71





1 34

Modalverben: Von den 71 doh-Sätzen uuolti, mahti.





1 13

K 2

2

1 3

21

nur 6 mit MV: 2 X muge, geturre,

uuelle;

Moduswechsel: Sehr selten; über einen Aspekt dieser Seltenheit vgl. H A N D S C H U H , 126 f. Wir haben noch ein weiteres Gefüge zu verzeichnen: 72.17 -wechselt N quamvis accipiat zu toh ouh kot vertíame; derselbe Wechsel von lat. K 1 zum Irrealis findet schon in den vorangehenden konjunktionslosen konzessiven Konditionalsätzen 71.25/72.11 statt; ebenso 72.18 (: lat. Adj.). — Über den inhaltlich widersinnigen Modus des (neg.) Hauptsatzes vgl. S. 124 f. Handschrift: In der Umgebung von 296.3 herrscht in der Handschrift Konfusion. Es ist anzunehmen, daß anstelle des (falschen) taz ursprünglich die Konzessivkonjunktion toh (: quamquam ... septi) stand. N u r so erhält man eine dem Boethiustext wirklich entsprechende, Notkers würdige, genaue ahd. Version. Vermutlich ist der Schreiber — ohne Kontakt mit der lat. Vorlage — der gängigen Folge . . . fernemen. daz + K 1 der oratio obliqua verfallen, ohne daß ihn das iz im übe-Satz und der K 1, der nicht in diesen daz-Satz paßt, gestört hätte. — HANDSCHUH, 70, deutet den übe-Satz konzessiv: „Wenn du es audi vernehmen mußt, daß . . Ich fasse den »¿e-Satz als dem uuanda-Satz untergeordneten Konditionalsatz auf, der dann dem lat. Acl entspricht ( + muost = ,darfst'), und setze an der dem lat. quamquam entsprechenden Stelle toh (statt taz) an. die syntaktische Beziehung zum andern HS hergestellt (und der erste HS müßte auch zum doh-Saxz. gemacht werden). Was jedoch gleich bliebe, ist dies, daß das Geschehen sowohl in ist er doh kesprache als auch in *doh er si gesprache den Charakter einer Annahme hat. Die 74.10 vorliegende Annahme aber ist als voll gültige Kondition gesetzt, die andere (konstruierte) als gleichgültige, nicht hindernde.

D. Die Konzessivsätze

97

S t e l l e n Verzeichnis: MENSING, 2 8 — 3 1 ; HANDSCHUH, 68, 113. — SEHRT, N o t k e r - W o r t -

schatz, 595 b, ist 130.17 doh ir sint fälschlicherweise unter 3. PI. Ind. verzeichnet. — Nc 6.18 steht allerdings doh tu iz singest = Ind. Für voll gültiges, tatsächlich vorliegendes Geschehen? Oder Verschreib? Fehlt MENSING, 31.

D.2.2. K o n t e x t s i t u a t i o n e n Unabhängig vom Konjunktiv (1 oder 2) wird das Geschehen der doh-Sätze durch den weiteren Zusammenhang zuweilen als Tatsache, zuweilen als Annahme erwiesen, öfters kann aber auch durch eine Analyse des Textes nicht entschieden werden, ob eine konkrete Tatsache zugrunde liege oder ob bloß eine angenommene107. D.2.3. P r o b l e m a t i k e i n e r i n h a l t l i c h - s y n c h r o n i s c h e n Moduserklärung Ist der Konjunktivgebraudi angesichts der Komplexheit der geschilderten Kontextsituationen, in denen doch immer nur ein Typus, der dohSatz mit seinem obligaten Konjunktiv, vorkommt, vom Inhalt her synchronisch als sinnvoll erklärbar? Indem wir diesen Konjunktiv nicht als infolge der Automatisierung gänzlich verblaßt, nidit als bloßes („durch die Konjunktion regiertes") redundantes Merkmal auffassen, das höchstens genetisch sinnvoll ist108, sondern ihn ernst nehmen als lebendiges Zeichen für eingeschränkte Gültigkeit, behaupten wir, daß der weitere Zusammenhang in bezug auf die Gültigkeit des konzessiven NS-Geschehens nichts zu sagen hat, der Konjunktiv selbst: alles. So stellen wir in Abrede, daß die Spradie Notkers es ihm erlaubt, mit einem doh-Satz ein Geschehen „als voll gültige Tatsache" einzuräumen. 107

108

7

1. Vorliegende Tatsache: 88.23 ( K l ; ,obschon es keine [Glücksgüter] sind'); 9.17 (K 2; .obsdion sie so alt war, daß . . . ' ) ; 157.22 (K 2; ,obsdion wollte'). 2. Annahmen: 279.9; (K 1); 129.8 (K 1); 97.20 (K 1) usw.; 60.20 ( K l ; ,audi wenn er [einer] ein geübter Sprecher ist / sein sollte'); 358.28 (K 2, aber bei präsentischem üS irreal: ,obschon nidit[s] sein könnte', bzw. präterital: .obschon hätte unterbleiben können*). 3. Unentschieden, ob 1. vorliegende Tatsache oder 2. Annahme, jedoch nur auf Grund des Kontextes unentsdiieden, abgesehen von einer allfälligen lebendigen Bedeutung des Konjunktivs: 151.10 (K 1); 164.4 (K2; ,obschon sich schmückte' / ,auch wenn sich schmücken mochte'); 178.7 (K 1, ratiscoen = an sich Tatsache; gnuoge ratiscoen = Annahme, affektbetont); 359.6 (K 1). Grundsätzlich dieselben Gruppen 1—3 bei Otfrid, vgl. WUNDER, 151, A. 9. HANDSCHUH, 126, schließt sich dem historischen Erklärungsversuch BEHAGHELS, III, 648, an, während WUNDER, 155, A. 23, ihn in Frage stellt. Die Annahme eines „modus concessivus" (SOMMER, 85) schon für den HS im konzessiven Verhältnis vor der Zeit der Entstehung der Nebensätze (WUNDER, 490) vermag auch nicht der Aufgabe zu entheben, eine inhaltlich-syndironische Interpretation unseres Materials zu versuchen. Furrer

98

II. Besprechung

einiger

NS-Arten

D.2.4. D u r c h d e n K o n t e x t a l s t a t s ä c h l i c h e r w i e s e n e s Geschehen wird durch den K o n j u n k t i v zur „eingeräumten Annahme" Wenn andrerseits ein neuhochdeutsch Sprechender etwa die dohSätze des Kommentars aus ihrem Kontext heraus zu verstehen sucht, so wird er dies bei mindestens zwei Dritteln spontan unter der Form „obschon + Indikativ« tun: 88.23, 90.21, 220.17, 223.26, 277.23, 303.12, 319.14, 325.20, 340.18, 366.11, 368.19, 372.11. N u r selten wird er „mögen a u c h . . . " I „wenn a u c h . . . sollte" anwenden: 60.20,341.5 (uuelle). Das ist so, weil der Kontext vieler Kommentarsätze — anders ist es bei den übersetzten — zuläßt, ja nahelegt, das eingeräumte Geschehen als Tatsache aufzufassen und es sich dementsprechend unter „obschon + Indikativ" vorzustellen. Dasselbe ist bei manchen aus freier Ubersetzung entstandenen dobSätzen der Fall, so 126.3, 146.7, 158.27 und 221.2 doh uuir... slafendo atemoen (als K 1 interpretiert) und ebenso, wenn bei präteritaler Lage K 2 vorliegt: 157.2, 230.33, 245.21 Konj. Plqupf.: ,obschon ich es dann (vor kurzem) aus Leid vergessen hatte'. Wir haben auch (siehe Anmerkung 109) jedes der 34 Beispiele der ersten Tabellen-Kolonne, d. h. die in Modus und Konstruktion mit dem Latein übereinstimmenden doh-Sätze, mit je der nhd. Version (eines jeden io« Vergleich Ahd. — Nhd. 1. Ahd. und lat. Nhd. Bei drei Übersetzern 3 X 34 = 102 Sätze: stets 34 Konjunktive Indikativ (auch wo ahd. K 2 steht. Nur 2 X K 1 der oratio obliqua). 2. Ahd. ohne Nhd. häufiger Gebrauch von zusätzlichem „mag" (33 X + Modalverben 2 X „lass" + 1 X „kannst"). In mehr als einem Drittel der (1 Ausnahme) Fälle (36 von 102) steht also ein MV; überdies 4 zusätzliche „wohl" (für 8 Sätze); „mag" steht v. a. als Satzeinleitung konjunktionsloser Konzessivsätze, aber auch in HS. 3. Ahd. stereotype Satzeinleitung doh

Nhd.: 24 konj.lose Konzessivsätze (nur 2 X ohne „mag", davon 1 X wegen Perfekts, weldies die Anwendung von „mögen" als Konzessivzeichen verunmöglicht) 17 X „wenn auch" u. ä. (Varianten von „wenn auch" sind selten: „wenngleich" 2X bei Neitzke; „auch wenn": stereotyp bei allen Übersetzern für 279.9, hat denselben Sinn wie „selbst wenn" — eine vergessene konzessive Konjunktion, die 2 X für 346.3 steht, wofür Neitzke „audi wenn" hat) 3 X „wie auch", „so sehr", „wie sehr" für 380.12. 17 X „obwohl", „obgleich" 388.18, 375.9/13, 321.1 und 9.17 (K2) haben alle nhd. Übersetzer je diese Konjunktion. Vereinzelt tritt sie nur 2 X auf. 391.13: Gothein, 307, „obwohl"; Endres,

D. Die

Konzessivsätze

99

der drei herbeigezogenen Übersetzer) verglichen. Diese Gegenüberstellung demonstriert uns zuerst die Auffächerung des einen ahd. doh-Typus in „obschon"-Typen (eingeräumte Tatsachen) und „wenn auch"-Typen (eingeräumte Annahmen). Sodann verdient festgehalten zu werden, daß dem alten Konjunktiv im Nhd. in der Mehrzahl der Fälle das zusätzliche Modalverb „mag" 110 (oder ein anderes MV im Indikativ), ein zusätzliches „wohl" oder die Konjunktion „wenn auch" (oder ähnlich) gegenübersteht und daß nur relativ selten „obschon" gesetzt wird. Die meisten nhd. Einräumungen sind also auch als Annahmen gekennzeichnet. (Annahmen mit der Form des „Forderns" ( „ m ö g e . . . nur") haben wir keine gefunden.) Wir haben nun zu zeigen, wie der eine ahd. Konjunktiv der dohSätze über all die einzelnen Kontextsituationen hinweg lebendiges Zeichen eingeschränkter Gültigkeit ist. Die Grundlage dafür ist die Tatsache, daß jedes Geschehen ganz unabhängig vom weiteren Kontext und einer allfälligen objektiven Tatsächlichkeit — und meist für unser Sprachgefühl ganz zwanglos — als Annahme eingeräumt werden kann: 372.11

Sin ( = corpora) gebent uns kesiht. unde geboreda. doh man chede. daz uuir siti gesehen. Die folgenden Ubersetzungen, welche Nuancen sie auch ausdrücken mögen, passen in den einen Kontext: Als Tatsache eingeräumt: ,obschon man sagt' Als Annahme eingeräumt 111 : ,Sagt man auch' / ,wenn man auch sagt' (.Dürfte man auch sagen') / ,wenn/obschon man audi sagen dürfte' ,Sage man auch' / ,Mag man auch sagen' / ,wenn/obsdion man auch sagen mag' ,Möge man auch sagen' / »Sollte man auch sagen' / ,wenn man auch sagen sollte'

110 111

153, „mag auch"; Neitzke, 164, „wenn auch". Dem lat. tametsi + K 1 stehen nhd. verschiedene Wiedergabe-Möglichkeiten gegenüber, die eine Stufenleiter der Gültigkeit bilden. Ein nhd. Schreibender hat also Wahlfreiheit, ein und dasselbe Geschehen in ein und demselben Kontext in verschiedenen modalen Nuancen einzuräumen. — Ähnlich 394.23: Gothein, 309u., „obwohl kannst"; Enders, 154, „magst du auch"; Neitzke, 165, „wenngleich". 20 X HS (9 mit zusätzlichem MV „mag"/„mochte"/„laß" ; 6 mit zusätzl. „wohl"; übrige mit gewöhnl. Indikativ) Restgruppe: 16 (verschiedene NS: kondit., RS, so daß, daß, z. T. mit „doch" oder „trotzdem" im HS) 5 finite Verben konzessiver lat. Sätze sind — als solche — untergegangen. Konzessives Verhältnis zweier ahd. HS mit mugen: 53.17. Zum Teil andere Auffassung bei FLÄMIG, 162,163, über den Indikativ.

100

II. Besprechung einiger NS-Arten

Wenn wir uns nun fragen, welche dieser Übersetzungen dem Satze Notkers entsprechen, so glauben wir, annehmen zu dürfen, daß der konjunktivische doh-Satz Notkers die Tatsache „man sagt, daß . . e b e n nicht als tatsächlich vorliegendes Geschehen setzt, sondern allenfalls als „Annahme", genauer aber als ein Geschehen von einer Gültigkeit jenseits dieser zwei Kategorien: ein gleichgültiges Geschehen112. Die Ubersetzung eines doh-Satzes mit „obschon + Indikativ" ist also nie ganz korrekt, weil der ahd. Konjunktiv diese nhd. Art der Einräumung (die ein Geschehen zugleich als voll gültige Tatsache setzt und als gleichgültig in bezug auf ein übergeordnetes Geschehen darstellt) ausschließt. D.2.5. Die n ä h e r e S p e z i f i k a t i o n in N o t k e r s doh-Sätzen

des

Konjunktivs

D . 2 . 5 . 1 . K 2 als Irrealis Der K 2 verwirklicht sich in den doh-Sätzen nur ausnahmsweise als Irrealis (3 X von insgesamt 10 X K 2 118 ; nie nach lat. Vorbild), und zwar auf Grund des Inhaltes und Kontextes, nicht etwa allein des Präsens der 1. Die beiden extremen Zeichen dieser Nuancen-Reihe, „obschon" und potentiales „sollte", schließen einander aus. Doch verträgt sich „obschon" gut mit aufforderndem „sollte" und mit „dürfte", welches die Zustimmung des Hörers, daß volle Gültigkeit vorliegt, sozusagen im voraus einholt (vgl. BRINKMANN, 3 5 9 ) ; und zuweilen verbindet sich „obschon" auch mit „mag", „wohl" u. ä., wodurch es konterdeterminiert wird (in Richtung eingeräumte Annahme), „obschon" verträgt sich audi mit dem Irrealis, jedoch nicht in allen Fällen! — Die Konzessivsätze ohne Bindewort räumen, so urteilen wir gegen FLÄMIG, 162, ein Geschehen wie die Konditionalsätze, von denen sie herstammen, schon auf Grund der Satzform stets als Annahme ein. Die klare Unterscheidung in „obschon"- und „wenn-auch"-Typen besteht also streng genommen auch nhd. nur idealiter, indem „obschon" sich mit Modalverben, dem K 2 und dem Futurum sowie Adverbien verbinden kann, die seiner Grundfunktion entgegenwirken. 2. 88.23 Tai tu salda heizest, toh sie so nesin. tie sint tir noh uninfaren. ,Was du Glücksgüter nennst, / obschon es keine sind / auch wenn es keine sind / seien es auch keine / auch wenn es keine sein dürften / usw. /, die sind dir noch nicht verloren gegangen.' Daß es sich da um unechte Glücksgüter handelt, wird die Philosophie später zeigen. Es liegt eine der typischen vorausnehmenden Zureditrückungen durch einen Schulkommentar Notkers vor. Aus dieser Situation heraus faßt das nhd. Empfinden das Geschehen wohl primär als eingeräumte Tatsache auf. Der ahd. Konjunktiv läßt sich aber selbst in diesem Beispiel als Zeichen dafür nehmen, daß eingeschränkte Gültigkeit gemeint ist, indem eine Tatsache als gleichgültiges Geschehen eingeräumt wird. Eine adäquate nhd. Übersetzung kann verschieden (z. B. .seien es jedoch auch ...',,mögen es jedoch auch . . . ' , evtl. ,auch falls es keine sind') lauten. u ' Ohne Irrealisbedeutung, je bei präteritaler Lage: 9.17, 164.4, 273.2 (wie Latein); 157.2, 230.33, 245.21 (K Plqupf., lat. Vorlage ohne finites Verb); 157.22 (fr. Zus.).— Nps 31.7 (lat. anderer Modus); Nc 1.11; 10.20 (beides fr. Zus.); Nc 23.15; Hei. 739, dagegen Hei. 747 K 2 als Irrealis der Vergangenheit! 111

D. Die Konzessivsätze

101

übergeordneten Verben114. Über die unterschiedliche Funktion der K 2 Form in Haupt- und Nebensatz vgl. S. 124 f. D. 2. 5.2. K l und K 2 als Wunsdimodus? Ob sich der Konjunktiv, abgesehen vom Irrealis, aus den Texten heraus als potential oder optativisch spezifizieren lasse, ist fraglich. An einen Optativ denkt man etwa: 223.26 Tob taz uuar si. noh tanne ist uns animal ... geouget. ,Möge dies wahr sein!...' Potentiale Auffassung ist ausgeschlossen (»Sollte dies wahr sein'). Ein voluntatives Element liegt zwar immer nah, und gerade 88.23 (Anm. 112) ist es sicher der Wunsch der Philosophie, daß Boethius die Nichtigkeit dessen, was er saldä nennt, einsehen möge. Das Geschehen sie so nesin, das Nicht-Sein, kann aber trotzdem keineswegs als Wunsch aufgefaßt werden; denn da diese Güter eben keine Glücksgüter sind, bleibt kein Raum mehr für einen sinnvollen Wunsch: Was sie nicht sind, das sind sie nicht. Soll es da von irgend jemandem noch irgend etwas zu wünschen geben? (Vgl. 220.17, 366.11: sin.) Die Ubersetzung mit,mögen' ist freilich anwendbar; doch auch in einem solchen Satz verwirklicht sich hic et nunc kein sinnvolles voluntatives Element. Eine synchronische116 Darstellung kann den Konjunktiv des Konzessivsatzes nicht im Ernst als Wunschmodus auffassen. Ebenso ist zu bedenken, daß es sich, wenn überhaupt, zumeist nur um polemisch-ironische Wünsche handeln könnte, da ja im konzessiven Gefüge die Verwirklichung der „gewünschten" NS-Handlung gerade nie von Belang sein soll. Die meisten Kontexte schließen aber Polemik und Ironie aus (vgl. D. 6.). D.2.6. D e r K o n j u n k t i v d e s K o n z e s s i v s a t z e s als Z e i c h e n e i n g e s c h r ä n k t e r G ü l t i g k e i t Es liegt aber jeweilen immerhin eine besondere Affektsituation vor, weil ein gegensätzliches Geschehen, das an sich von Belang sein und die Gültigkeit des Hauptgedankens hindern könnte, als nicht hindernd erklärt wird, als belanglos und gleichgültig. Wenn aber das zugestandene Ge114

115

72.17/18 (lat. Annahme; K 1 nach quamvis). Vom Inhalt und größern Zusammenhang her ließe sidi das Geschehen des ahd. Satzes auch als Annahme der Vergangenheit auffassen; nur der vorangehende Satz (71.25, konz.-kond. ohne BW : si + K 2 Irr., vgl. S. 124) determinieren es als irreal. — 358.28 klare Irrealität, da der präsentische üS das Gegenteil als voll gültig nennt. BEHAGHEL, III, 648, leitet den Konjunktiv von Aufforderungssätzen her: „Er soll nur etwas sagen, idi tue es dodi." Vgl. dazu zwei ahd. HS wie Nb 34.2/34.6. — Vgl. auch D. 6., S.115f.

102

II. Besprechung einiger

NS-Arten

schelien (sei es objektiv gesehen eine wirkliche Tatsache oder eine bloße Annahme) „gleichgültig" ist in bezug auf die voll gültige übergeordnete Aussage, so ist dieses Geschehen (im betreifenden Zusammenhang) „nicht voll gültig". D.2.7. Z u s a m m e n f a s s u n g Der Konjunktiv des Notkerschen doh-Satzes erweist sich (abgesehen vom Irrealis) als nur beschränkt kontextoffener Modus: er ist Reflex der Gültigkeitsverhältnisse allein innerhalb des Satzgefüges; die aus dem weitern Zusammenhang ablesbaren objektiven Gültigkeitsverhältnisse des NS-Geschehens bleiben unberücksichtigt. Der Inhalt des Notkersdien Konzessivsatzes besteht in der Annahme eines Geschehens, dessen Gültigkeit oder Ungültigkeit für die volle Gültigkeit der übergeordneten Aussage belanglos ist. Daß es sich um eine Annahme, d. h. eventuell ein ungültiges, jedenfalls aber um ein gleichgültiges Geschehen handelt, rechtfertigt die Setzung des Konjunktivs 1 als Zeichen eingeschränkter Gültigkeit. Konjunktion (Satzform) und Konjunktiv bilden bei den doh-Sätzen eine Bedeutungseinheit, die den Satzcharakter ausmacht; der Konjunktiv ist aber nicht bedeutungslos, vielmehr darf man ihm auch eine die Gültigkeit des Geschehens betreffende Funktion, den Ausdruck der Gleichgültigkeit, zuerkennen, obwohl er automatisiert ist. Der Notkersche doh-Satz hat, genau besehen und streng beurteilt, nie die Bedeutung eines nhd. „obschon"-Satzes.

D. 3. T a b e l l a r i s c h e Z u s a m m e n s t e l l u n g der übrigen K o n z e s s i v s ä t z e D.3.1.

danne-S'itze Konstruktionswechsel

Modus + Konstruktion wie Latein Ind. danne + toh + doh + noh + Kontext TOTAL

Kl

K 2

Ind.

Kl

K 2

gleiche Konstruktion — anderer Modus Ind.

86.21 108.14 178.16 387.12 153.28

Kl

K 2

freie Zusätze Ind.

Kl

K 2

286.5 351.14 (77.18)



4

1









1

1







103

D. Die Konzessivsätze

D. 3.2. so( - ... )-S

ätze

Modus + Konstruktion wie Latein Ind. so-uuio

Kl

K2

Konstruktionswedisel Ind.

227.15 333.23 304.18 334.4 391.5 334.4 392.11

Kl

K2

gleiche Konstruktion — anderer Modus Ind.

151.14

K 2

Ind.

K2

225.22 325.4 206.27 206.27

so ouh also (nû)

Kl

370.15

so ... so

131.26 131.27

354.17 95.25

so-uueder

299.6 299.11

souueler TOTAL

Kl

freie Zusätze

95.29

165.12 4



3

2

1



4



1

1

1

4

Ergänzung zur voranstehenden Tabelle: D . 3 . 2 . 1 . E n t s p r e c h e n d e v e r a 11 g em e i n e r n d e so ( - . . . ) - S ä t z e so-uuio

34.16 91.8 173.15

345.27 125.14

178.15

93.22 307.25

so-uueder

so-uueler -ez, -iu

27.14 339.15 366.22 366.24 24.1/3 313.5 322.13

66.13

D. 3.3. E i n z e l b e l e g e , ohne BW; Sdilußstellg. des fin. Verbs

Reste 253.3 151.7

niunt

78.3 Zweitstellg.

86.26

sid TOTAL

57.10 109.25

256.4 378.20

245.26 —







2

1

1







1



104

II. Besprechung einiger

NS-Arten

D.3.4. K o n z e s s i v e K o n d i t i o n a l s ä t z e D.3.4.1. A l s k o n z e s s i v g e k e n n z e i c h n e t e Modus + Konstruktion wie Latein Ind. übe+ouh

K1

K2

86.23 100.18

Konstruktionswechsel Ind.

K1

6

2

1

Ind.

114.8

2

1

3



D.3.4.2. N u r l a t e n t k o n z e s s i v e ube+ Kontext

21.20 22.3 32.18 71.4 71.7 71.10

313.2

ohne BW, konditional + Kontext TOTAL

38.12

6



1

Kl

1

Ind.

Kl

K2

2

1



1



Konditionalsätze

50.9 167.28 167.28

1

301.13

331.29 360.17 360.11

7.15 92.5 71.5

103.10



K2

freie Zusätze

23.10 169.18

ohne BW, 130.20 165.10 253.11 kondi170.2 308.4 tional 46.17 + ouh 239.8 TOTAL

gleiche Konstruktion — anderer Modus

K2

23.9 50.3 115.23

Sätze

71.25 72.11 72.11 3



3

3



Der Gebrauch von Modalverben In den Konzessivsätzen aller Gattungen ist das MV selten: Wir finden es in 10 von insgesamt über 130 Konzessivsätzen (in 8 °/o aller Sätze gegenüber 17*/» bei den Konditionalsätzen). 6 X steht es nadi doh (davon nur 1 X nadi lat. Vorbild), 1 X nach übe ouh (50.3), 1 X nadi konjunktionslosem Satz mit ouh (46.17); 2 X uuellen nadi verallgemeinerndem so-uuio(-so) (178.15, 307.25). — In latent konzessiven «¿e-Sätzen steht es 3 X : 167.28: 2 X uuile, 71.5: mahta.

D . 4 . K o n j u n k t i v i s c h e danne-Sätze mit konzessiver Nebenbedeutung Wir zählen nur 5 danne-Sätze, deren K 1 als konzessiver K 1 gedeutet werden könnte; diese Deutung wäre aber eine Fehlinterpretation. Ebenso wäre es bedenklich, den K 1 dieser Sätze als Abklatsch des Lateins, als totes Zeichen zu erklären. Das folgende Kapitel dient dazu, diese



D. Die

Konzessivsätze

105

naheliegenden Fehlinterpretationen auszuschließen, um dann — auf Grund eines freilich nur kleinen Materials — eine andere Lösung vorzuschlagen. Da die Moduserklärung immer auch mit der Art der Satzbeziehung (hier der vermeintlich konzessiven) zusammenhängt, diese aber im Ahd. oft noch nicht durch eine spezielle Konjunktion zum Ausdruck kommt, stellt sich schon in der Ermittlung der Satzbeziehungs -Typen eine komplexe Aufgabe.

D.4.1. D i e B e d e u t u n g e n v o n

danne

Die Konjunktion danne — von ihrem komparativen Gebrauch ist hier nicht die Rede — hat in ihren etwa 45 Belegen (15 X Ind., 30 X Konj.) eine ähnliche Variationsbreite wie lat. cum; und ähnlich wie bei cum zeigt der Modus kaum im Groben die Bedeutung an — nämlich höchstens insofern, als einerseits K 1 und andrerseits die temporale, die modal-explikative („indem", „dadurch daß") sowie iterative Bedeutung einander ausschließen (abgesehen natürlich vom theoretisch denkbaren K 1 der oratio obliqua, die aber zufällig nur mit K 2 vorkommt). Eine exakte Prüfung der Bedeutungen von danne zeigt, daß sich diese Konjunktion keiner nhd. Kategorie ganz bequemt; ein nhd. gedachter Raster wird dem Ahd. nur mit Mühe und nur annäherungsweise gerecht119. Die Modi im 114

verzeichnet (neben komparativem) temporales (p. 3 6 , 4 0 ) , kausales (p. 63) und konzessives (p. 72) danne. Es fehlt die Diskussion eines konditionalen und eines kausal-adversativen danne. Indem (p. 125) die kausale Bedeutung als vom Konjunktiv abhängig gesehen ist, wird grundsätzlich gezeigt, daß die Modusproblematik und die Art der Unterordnung miteinander zu tun haben. — M A N T H E Y , 75, verzeichnet für N c nur „temporales" danne, „immer" mit Konjunktiv, und setzt dem die Verhältnisse im Tatian u. a. entgegen. — W U N D E R L I C H gibt einige Einzelbelege: kausales danne (p. 95). — W U N D E R , 8 4 , hat bei Otfrid „konditionales" danne gefunden. Wie weit in den Befunden jeweilen ein objektiver Tatbestand, wie weit bloß die Methode der Betrachtung belegt ist, kann hier nicht untersucht werden. (Uber die bisherige Forschung: WUNDER, 90, A. 24.) S E H R T hat in seinem Glossar (p. 2 5 ) die Bedeutungen „da", „da doch" (kausaladversativ) und das grundlegende „dadurch daß", „indem" (explikativ-instrumental) nicht verzeichnet. In der „Consolatio" können die verschiedensten Bedeutungen samt ihren Interferenzen schon bei der Gruppe der indikativischen danne-S'ixzt als durch verschiedene Kontexte verwirklicht gelten; freilich scheint die unspezifizierte Funktion einer allgemeinen Umstandsangabe im Sinne der Bedeutung des Adverbs (vgl. etwa 168.9 .unter diesen Umständen') grundlegend zu sein, und öfters dürfte die spezifiziertere Einteilung auf philologischer Überinterpretation beruhen und nicht dem ahd. Sprachbewußtsein entsprechen. Indikativische danne-S'itze HANDSCHUH

Konditionales danne: in freien Zusätzen, alle mit Indikativ Präsens; das Kriterium der Ausscheidung ist die Probe, ob die Obersetzung mit „falls" möglich und am

106

II. Besprechung einiger

NS-Arten

danne-Saxz sind zu einer exakten Bestimmung der Satzbeziehung, d.h. der Bedeutung der Konjunktion, noch weniger geeignet als die Modi im c«w-Satz: Wir können nur festhalten, daß der Konjunktiv kausale Auffassung im weitesten Sinne bedeutet und daß der Indikativ in speziellerem Sinne eindeutiges Zeichen für nichtadversativ-kausal-konzessive Auffassung ist. Die Bedeutungen werden mittels der beiden Modi nicht durch eine klare Grenze in Opposition gesetzt, weil bei bloß kausaler Satzbeziehung Indikativ und Konjunktiv vorkommen. sinnvollsten sei: 79.27, 200.23 (fehlt H . ) .

131.13/17, 2 9 2 . 1 0

(bei HANDSCHUH, 3 6 ,

alle „ t e m p o r a l " ) ,

Temporales danne: 394.9 (besprochen im letzten Abschnitt dieser Anmerkung); 280.6 steht danne parallel zu dia uuila und ist daher eher temporal „wenn"/,,während" als konditional aufzufassen. 77.18 (fr. Zus.) steht der K 2 der oratio obliqua: (er) zeh (in), daz er pallium truoge. danne er nesolti. Hieße es ohne Verneinung nur solti, so wäre allein die Obersetzung mit temporalem ,als' möglich; durch die Verneinung entsteht aber ein Gegensatz, der die Übersetzung ,obschon' ermöglicht, die uns auf eine grundsätzlich mögliche Interferenz von temporalem und konzessivem danne aufmerksam macht; sie wird hier aber durch den weitern Kontext ausgeschlossen, indem ein Beispiel für „uuehsal temporis" vorliegt; Konjunktiv des Konzessivsatzes ist hier also sicher nicht zu finden; der Obliquus interferiert nicht mit einem Konj., der bei einer Umwandlung in direkte Rede bestehen bliebe. — 389.6, ein freier Zusatz, ist temporal aufzufassen. Kausal-instrumentales danne: 389.5, ein unechter „Parallel"-Satz zum vorangehenden danne-Sztz: Tannan neist imo daz nehein uuan. nube uuarhaftiu bechenneda. Tanne er daz uueiz. uuesen hina-fure. daz ane not tanne uuesen chan. s. danne iz chumet hina-fure. ,Daher ist das seine . . . wahre Erkenntnis, indem er ja / dadurch, daß er j a . . D i e vorliegende Korrelation dannan... danne läßt zuerst an einen Kausalsatz denken (so WUNDERLICH, 95 u.); doch obwohl HANDSCHUH, 63, mit derselben Korrelation auch in diesem Sinne argumentiert, wird dieser Satz (p. 36) als temporal bezeichnet. Da dannan quo fit entspricht, könnte es allerdings mehr auf das Voranstehende zurück-, als auf das Nachfolgende hinweisen, und in diesem Falle kommen Übersetzungen in Frage wie .indem', ,wenn' (prinzipiell sogar ,daß'; ganz in diesem Sinne haben die nhd. Übersetzer „wenn", das gewiß weder temporal noch konditional im engern Sinne ist; Gothein, 307, Endres, 152, Neitzke, 163); echt konditional „falls" ist unmöglich. Der hier entstehende Eindruck, daß ein danne sich eben keiner nhd. Kategorie ganz bequemt, daß ein nhd. gedachter Raster dem Ahd. nur mit Mühe annäherungsweise gerecht wird, bestätigt sich noch öfters, so auch 394.9 (HANDSCHUH: „temporal", WUNDERLICH: „kausal"), dessen danne modal (,indem', .dadurch daß': ins Kausale hinüberspielend), temporal (.wenn'), temporal-iterativ (,sooft') oder konditional (,falls') aufgefaßt werden kann, wobei aber WUNDERLICHS eindeutiges „kausal" doch wohl die Sache nicht trifft. 83.21 ist danne nicht einteilbar; es liegen drei parallele lat. cum-S'ixzc ohne HS vor; aus dem ersten wird ein attributiver dazSatz (so MÜLLER-FRINGS; zugleich Objekt zu eingeschobenem ih meino), aus dem dritten ein temporaler do-Satz, zwischendrin steht unser danne, welches 1. Adverb sein kann (ausgefallenes paralleles daz), 2. auf übergeordnetes geagezot uuerden bezogen sein kann und so die kausal(-adversative) Bedeutung „da (doch)" hätte oder 3. auf den Zusatz infiengen zu beziehen ist und dann „als" (temporal) zu bedeuten hätte (HANDSCHUH: 3 . ; w i r : 1.).

D. Die

D.4.2. D e r

Konjunktiv

107

Konzessivsätze

kausal-instrumentaler

danne-Sätze

Gewöhnliche nur kausal-instrumentale danne-Sütze bilden eine Gruppe (A; vgl. S. 108), welche die Modusgrenze überspielt; sie besteht aus 4 indikativischen117 und 9 konjunktivischen danne-Sätzen. Den Indikativ erklären wir uns aus dem Inhalt spontan als sinnvoll. Der häufigere Konjunktiv scheint — als Zeichen eingeschränkter Gültigkeit — weder zum Inhalt dieser Sätze nodi zu dem Modusgebrauch in den übrigen kausal verbundenen Sätzen zu passen. Zum selben übergeordneten Satz wird z. B. 9 6 . 9 mit uuanda + Ind. und 9 6 . 1 3 mit danne + K1 je eine Begründung gegeben, wobei ja nicht nur äußerer Abklatsch von lat. quoniam + Ind. und cum + Kl, sondern auch eine analoge innere Differenzierung (LEUMANN-HOFMANN-SZANTYR 6 2 8 1 ; 6 2 4 4 ) angenommen werden könnte. MANTHEY, 7 5 , und HANDSCHUH, 1 2 5 , erklären den Konjunktiv denn auch zusammen mit der Bedeutung der Konjunktion als vom Latein abhängig. Der Konjunktiv wäre also ein akademisch gesetztes, bedeutungsloses oder zumindest amodales Zeichen118? Wir leugnen den Druck, der vom Latein ausgeht, nicht. Es ist aber ausgeschlossen, daß das Latein einem ahd. Zeichen mit lebendiger Bedeutung, dem Moduszeichen, diese Lebendigkeit nehmen, es zum toten Zeichen madien kann. Nicht nur die Tatsache, daß Notker zweimal gegen lat. Konjunktiv den Indikativ setzt11*, hat ihren Sinn; es muß auch zu erkennen sein, unter welchen Bedingungen er mit dem Konjunktiv die formale Nähe zum Latein wahren kann. Unser allerdings sehr kleines Material weist daraufhin, daß Notker den Konjunktiv dann in diese Kausalsätze setzt, wenn das Geschehen nicht nur in seinem Sein, sondern in seinem Sein-Müssen oder Sein-Sollen in den Blickwinkel kommen soll, bzw. kann: 96.13 (im Unterschied zum parallelen indikativischen uuanda-Satz), 332.10 (Konj. Perf. für eine vorgestellte, erst in Zukunft zu erfüllende Voraussetzung eines übergeordneten auffordernden Geschehens; der Gruppe AB nahestehender Satz, vgl. S. 109); in Verbindung mit nöti 318.3, 170.8, beide, wie auch 351.3, indirekter 117

Indikativische kausal-instrumental auffaßbare danne-S'itze:

gegen lat. cum caú-

sale + K 1: 207.19, 290.3; wie Lat.: 148.23 (mit adversativer Nebenbedeutung: 118

118

,da dodi') und 389.5 Indikativ wie lat. cum iterativum oder explicativum. Schon den lat. Konjunktiv der kausalen c«ra-Sätze zu erklären sei, nach SOMMER, 116 f. und LEUMANN-HOFMANN-SZANTYR, 620, „nahezu aussichtslos"; man könne ihn allenfalls als „deliberativ" oder „polemisch" auffassen; das Eindringen von konzessiven c«m-Sätzen her müsse abgelehnt werden (p. 621). Notker hat einmal auch Konjunktiv gegen lat. Indikativ gesetzt: 351.14, Gruppe AB, vgl. S. 108 ff. Solche Belege — gerade die gewichtigsten — dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Vgl. Anm. 117.

108

II. Besprechung einiger

NS-Arten

Rede nahestehend. Im Nhd. ist diesem Konjunktivgebrauch am ehesten die Anwendung von Modalverben vergleichbar — wie „müssen", „haben zu", „sollen" und — in jeden dieser Sätze passend! — das die Zustimmung einholende, u.U. polemische „dürfte" (nicht potential). „Sollen" kann ähnlich doppeldeutig, fordernd und indirekte Wiedergabe bezeichnend, gebraucht werden. Der ahd. Konjunktiv eröffnet als Zeichen eingeschränkter Gültigkeit jenen Spielraum, in welchem das Fordern einer Tatsache — oder allenfalls: das Fordern der Bejahung einer Tatsache, nhd. „dürfte" — allein sinnvoll sein kann (vgl. dieselbe Funktion bei itaz-Sätzen!). Schwierigkeiten bereitet diese Interpretation bei den (nicht irrealen) präteritalen Sätzen (240.13, v. a. aber 21.1/5). D.4.3. D i e k o n z e s s i v e B e d e u t u n g v o n

danne

Wenn eine ahd. Konjunktion zwei (oder mehrere) vom Kontext abhängige Bedeutungen hat, so lassen sich, idealiter, nach dem folgenden Schema Gruppen ausscheiden (vgl. so-««io-Sätze): 1. Gruppe: Bedeutung A; B unmöglich 2. Gruppe: Bedeutung B; A unmöglich 3. Gruppe: Interferenzgruppe AB: ungeschieden sowohl Bedeutung A wieB Wenn wir nun die konjunktivischen (nicht komparativen) danneSätze der „Consolatio" sichten, so erhalten wir: Gruppe A: kausal-instrumentale danne-S'ixze (Konj. und Ind.) Gruppe AB: kausal-adversativ-konzessive Sätze (nurKonj.) Dagegen fehlen eindeutig nur konzessive danne-Sätze, indem alle Sätze, die man konzessiv interpretieren kann, ebenso oder besser kausaladversativ aufzufassen sind. Mit diesen Sätzen (Gruppe AB) haben wir uns jetzt zu beschäftigen. D.4.4. L a t e i n i s c h e

Vorbilder

Das lat. Vorbild für die 7 konjunktivischen danne-S'itze der Gruppe AB ist 5 X cum+K 1, das zum Teil nicht nur als konzessiv, sondern auch als kausal oder adversativ interpretiert werden kann. Zwei Ausnahmen sind zu verzeichnen: 351.14 steht lat. quando + Indikativ; 178.16 lat. dum + K1 (kondit. Begehrssatz)120. 124

MENSINGS ( § 1 0 9 )

haltbar.

und

HANDSCHUHS

(p. 7 2 ) Auffassung: „konzessives dum" sind nicbt

D. Die

Konzessivsätze

109

D.4. 5. Ä u ß e r e K e n n z e i c h e n Die Trennung der nur kausalen konjunktivischen danne-Sätze von denen mit einer adversativ-konzessiven Sonderbedeutung ist in gewissem Grade künstlich, weil die unmittelbar wirksamsten Zeichen, die gemeinsame Konjunktion, die gemeinsame Modusform und — wie wir sehen werden — auch die gemeinsame Modusfunktion gegen eine solche Trennung sprechen. Die Ausscheidung sdieint denn auch nicht immer zu denselben Resultaten zu führen: 240.13/14 fassen wir kausal auf (HANDSCHUH, verleitet durch das hinzugesetzte ouh: konzessiv); dagegen hat HANDSCHUH 108.14, 153.28, 332.10 (alle drei ohne bes. Zusatzpartikel im NS selbst) und 387.12 zu den Kausalsätzen gerechnet, während sie nach innern Kriterien in die sogenannte „konzessive" Gruppe AB gehören. 332.10 ist Beleg für den Ubergang von A zu AB ( = nhd. ,weill, ,da', ,da ja', ,da doch'). Das Recht, eine Gruppe (AB) von 7 kausal-adversativ-konzessiven Sätzen zu bilden, ist wohlbegründet in der Tatsache, daß diese Sätze sich sogar durch eine bestimmte Kombination äußerlicher Kennzeichen von verwandten Sätzen abheben: 1. Konjunktions-Zusatz (danne) + doh / + ioh / + noh (2mal ohne Zusatz) 2. Ubergeordnete Sätze: rhetorische Fragen und Imperativ (1 Ausnahme) 3. Stellung: dem übergeordneten Satz nachgestellt (ausnahmslos) 4. Modus: Konjunktiv (ausnahmslos) Mehr noch wird ihre Einheit durch die besondere Art der Satzbeziehung konstituiert. D.4.6. D i e A r t d e r S a t z b e z i e h u n g 86.21 (: cum concessivum) Uuanest tu deheina statigi uuesen. an dero menniskon dinge? Tanne ioh selben den mennisken ein churz-uüila ofto zeerlekke* Der danne-Satz enthält den Gegengrund der Sprechenden gegen das (untergeschobene) falsche Meinen des Angesprochenen. Vgl. „da doch". Er kann aber auch als untergeschobene Rede mit Konjunktiv der indirekten Wiedergabe aufgefaßt werden. Vgl. „obschon". Nhd. „da doch" Die nhd. Übersetzer haben: „Meinst du, da dodi/wo doch...?" und argumentieren im Sinne der Sprechenden kausal-adversativ mit einer als

110

II. Besprechung einiger NS- Arten

eigentlich bekannt vorauszusetzenden Tatsache (Indikativ). Der Unterschied zu einem Konzessivverhältnis besteht darin, daß das NS-Geschehen für die übergeordnete Aussage gerade nicht gleichgültig ist (bzw. sein sollte). Geht man also vom Zweck aus, den die Sprechende mit ihren Aussagen in den danne-Sätzen anstrebt, so liegt das pure Gegenteil eines konzessiven Verhältnisses vor: Steril ist nicht das NS-, sondern das HS-Geschehen121. Die intendierte Wirksamkeit (Wirk-lichkeit) der Gegengründe ruft nach Übersetzungen mit „da doch": . . da doch den Menschen selbst oft ein Augenblick vernichtet' (86.21); ,da doch täglich, immer wer es besser vermag, es (das Geld) dem andern gegen dessen Willen nimmt' (153.28); ,da ihr doch wißt' (178.16); ,da doch die Menschen das nicht der Notwendigkeit unterwerfen, was sie sehen' (387.12); ,da sie (ja) Wunden sähen' (108.14); ,da doch Erbarmen für die Täter nötiger wäre' (286.5). Nhd. „obschon" in indirekter Rede Die Formulierung desselben NS-Sachverhalts unter dem nhd. Zeichen „obschon" schlösse zusätzlich mit ein, daß dem Angesprochenen nicht nur die bedenkliche Meinung, sondern dazu noch die Bekanntheit und möglicherweise bewußte Gleichgültigsetzung, d.h. Mißachtung und bedenkliche Einräumung des Gegengrundes zugeschoben wird: ,obschon den Menschen oft ein kleiner Augenblick vernichte(t)'. Diese Deutung ist aber nur möglich, wo eine indirekte Rede vorliegt. Denkt man sich so eine unterschobene (im Grunde nicht statthafte) Einräumung (nhd. „obschon"), so ist zu beachten, daß der Kontext den Inhalt eines solchen Satzes doch als nicht-gleichgültig setzt, so daß die Einräumung auch als Gegengrund wirkt. Besonders klar ist dies dann, wenn der üS die Form einer rhetorischen Frage hat, welche ohnehin die Antwort „Nein!" hervorruft: 86.21, 153.28, 108.11, 351.14; 178.15 liegt ein gleich wirkender rhetorischer Imperativ vor. 121

U m unsere Behauptung, daß die einschlägigen Sätze nidit konzessiv aufgefaßt werden müssen, zu stützen, geben wir deren Version durdi die nhd. Übersetzer, die nie eine konzessive Konjunktion anwenden: 86.21 (cum concessivum / danne ioh: da doch (2 X ) , w o doch) 153.28 (cum causale / danne — : da; wo doch, 2 X ) 178.16 (dum, kond. Begehrssatz / danne doh: wenn nur) 387.12 (cum conc.-caus.-adv. / danne noh: wenn, w o doch, da) 351.14 (quando, caus. / danne —: wenn, 3 X ) Mit K 2: 108.14 (cum + K2/ danne + K 2: wenn, wenn nur, HS) 286.5 (cum concess.-adv., K l / danne + K 2: während + Ind. (2 X), während (doch + sollte). Spontan ist es also durch die nhd. Übersetzer zu konditionaler, kausaler, kausaladversativer und adversativer Interpretation gekommen, nicht aber zu konzessiver.

D. Die

Konzessivsätze

111

Ahd. kausal-adversativ-konzessives danne Der ahd. danne-SzVL gibt nun nicht die eine oder andere dieser nhd. Sehweisen rein, sondern eine eigene, dritte, die man als Kombination der beiden nhd. geschiedenen Sehweisen auffassen mag; das ernsthaft-kämpferische Vorbringen des eigenen Gegengrundes (nhd. „da ja") und das ironisch-polemische Zuschieben einer falschen Einräumung (nhd. „obschon") sind im ahd. danne-Satz wie im lat. cum-Satz nicht geschieden. D.4.7. U n t e r s c h e i d u n g d e s k o n z e s s i v e n danne-Satzes dem H a u p t t y p u s des ahd.

kausal-adversativvom ahd. doh-Satz, Konzessivsatzes

Da wir uns diese danne-S'itze nhd. unter der konzessiven Form „obschon + Ind." vorstellen können, meinen wir spontan, sie seien auch durch den ahd. Konzessivsatz mit doh + K1 ersetzbar. Aber abgesehen davon, daß der doh-Satz nicht mit „obschon" zu übersetzen ist, steht nie ein doh-Satz in derselben Situation, wie wir sie als für diese danne-Sätze typisch beschrieben haben; denn der doh-Sztz enthält immer ein nicht hinderndes, d. h. gleichgültiges Geschehen, das in Beziehung zu einem voll gültigen übergeordneten gesetzt wird. Als Typus kann etwa gelten: 321.1

Taz ist uuar...

toh is nioman...

negeturre iehen.

Nie steht ein doh-Satz mit einem gewichtigen Gegengrund gegen ein bezweifeltes übergeordnetes Geschehen. Daher hat doh nie die Bedeutung von „da doch", die wir aber bei danne finden. Fazit: Die konjunktivischen doh-Sätze und die konjunktivischen danne-S'itze sind nicht bloße Varianten desselben Typus; sie sind vielmehr ahd. getrennt und können nicht für einander eintreten, auch wenn wir meinen sollten, beide mit dem einen nhd. „obschon" wiedergeben zu können. Im Sinne des Ahd. ist der konjunktivische danne-Satz der Gruppe AB also kein „Konzessivsatz"! Sein Konjunktiv ist deshalb auch nidit Zeichen derselben Situation, wie sie für den Konjunktiv des doh-Satzes beschrieben werden kann; der Konjunktiv muß anders erklärt werden. Außer diesem Ergebnis hat die ausgiebig erfolgte Beschreibung des Gefügecharakters klargemacht, daß eine Konjunktion wie lat. cum + Kon)., in der kausale, adversative und konzessive Funktion nicht geschieden sind, gerade auf Grund dieser Mehrdeutigkeit dem mehrdeutigen Verhältnis von HS und N S bestens entspricht. So verwundert es nicht, daß Notker sich eine cum entsprechende ahd. Konjunktion geschaffen hat.

112

II. Besprechung einiger NS-Arten

danne war dafür geeignet; denn die konditionale, kausale, kausal-adversative und konzessive Bedeutung der Konjunktion läßt sich als aus den Bedeutungen des Adverbs heraus organisch entwickelt denken. D.4.8. D e r K o n j u n k t i v d e r konzessiven danne-Sätze

kausal-adversativ-

Nicht so leicht einzusehen sind die Grundlagen, auf denen die Übernahme des lat. Konjunktivs erfolgen konnte. Um den Konjunktiv der doh-Sätze handelt es sich wie gesagt nicht. Der indirekten Rede stehen 86.21 und 387.12 nahe, doch taugt diese Feststellung zur Erklärung des Konjunktivs der andern Belege nicht. In diesen Gefügen steht der Konjunktiv als Zeichen der Notwendigkeit und des Forderns. Darum kann 178.16 der lat. konditionale Begehrssatz mit danne doh + K1 wiedergegeben werden 182 . Im Nhd. entspräche diesem Konjunktivgebrauch am ehesten ein polemisch die Zustimmung zur Notwendigkeit einforderndes „dürfte": „da d o c h . . . dürfte". Wie wir gesehen haben, liegt diese Erklärung auch bei den gewöhnlichen kausalen danne-Sätzen der Gruppe A nahe, nur paßt der polemische Konjunktiv in die Gefüge der Gruppe AB mit ihrem affektvoll-kämpferischen Charakter, mit ihren rhetorischen übergeordneten Fragen und ihren adversativen untergeordneten Sätzen noch besser. Als Zeichen eingeschränkter Gültigkeit eröffnet er jenen Spielraum der Nicht-Determiniertheit, der das Einholen der Zustimmung zum genannten Gegengrund erst ermöglicht und sinnvoll macht. Diese Bestimmung macht nun auch verständlich, daß die Setzung des Konjunktivs nur in der Gruppe AB obligatorisch ist, in der Gruppe A (gewöhnliche üS; kein adversatives Satzverhältnis) dagegen auch der Indikativ stehen kann. Wir betonen aber nochmals, daß die obligatorische Setzung in der Gruppe AB nicht als Zeidien des konzessiven Satzverhältnisses aufgefaßt werden kann. Ein schöner Beleg dafür findet sich im Notkerschen Psalmenkommentar: Nps 51.10 111

(freier Zusatz) . . . er habet io indaniu ougen an die sine, danne er ouh tuot also er slafe. so besuochet er...

178.16 Nu tiurent ten lichamen so-uuio-so ir uuellent. tanne ir doh uuizint... taz ... : dum sciatis, konditionaler Begehrssatz; ,wenn ihr nur wißt' / ,falls ihr doch wißt* (vgl. Anm. 120). Auch der ahd. Satz ist trotz doh kein echter Konzessivsatz. Eine ironische Einräumung steht hier im übergeordneten Imperativ und im so-uuiojo-Satz; der danne-Sztz enthält kein gleidigültiges, sondern ein gefordertes Geschehen. Während der Ton des lat. Textes immerhin im Sinne der Konzessionen versöhnlich ist, hat Notker eben nodh eingeschoben uuanda du mist innenan bist und damit sarkastisch Demut gefordert.

D. Die Konzessivsätze

113

Dies ist ein echt konzessiver danne-ouh-Satz (danne ouh = übe ouh), der einem voll gültigen übergeordneten Geschehen zugeordnet ist: er steht im Indikativ. (Ein konzessiv auffaßbarer, durch avo noch thanne eingeleiteter indikativischer Satz (lat. Et, si.. . + Pot.) findet sich auch: Trierer Capitulare, Kürschners Nat. lit. 1 , 1 2 9 . 5 , Z . 2 9 . ) D. 4 . 9 . D e r danne-Sätzen

K2

in

kausal-adversativ-konzessiven

Es handelt sidi sowohl 286.5 als auch 108.14 um einen ahd. Irrealis, der aus den Möglichkeiten des Textes hervorgegangen ist. 286.5 steht lat. K 1 nach cum concessivum, 108.14 lat. K 2 , den Notker wohl (wie auch im H S ) als Irrealis, und nicht als K mit Vergangenheitsbedeutung auffaßte. (Der Vollständigkeit halber sei nochmals angemerkt, daß nach nurkausalem danne nur K 2 - F o r m e n stehen, die Vergangenheitsbedeutung haben und die der Zusammenhang eindeutig als nicht-irreal erweist: 21.1/5; 240.13/14.) Andrerseits macht Notker aus einem lat. Satz mit cum concessivum + K 2 der präteritalen Lage einen Relativsatz mit Ind. Präteritum für eine Tatsache der Vergangenheit. Die Situation wäre an sich für einen kausal-adversativ-konzessiven danne-Satz geeignet gewesen, doch scheint es, daß Notker einen danne-Satz hier deshalb vermieden hat, weil der anzuwendende K 2 zweideutig geblieben wäre: Der Kontext hätte nicht ohne weiteres angezeigt, daß die Irrealis-Auffassung falsch gewesen wäre. Falls Notker, um der Zweideutigkeit auszuweichen, zum Relativsatz mit Ind. Prät. ausgewichen ist, so müssen wir annehmen, daß er auf den Konjunktiv im danne-Satz der Gruppe AB nicht verzichten wollte (bzw. konnte), daß, mit andern Worten, nach seinem Dafürhalten der Indikativ nach diesem danne nicht anzuwenden war.

D. 5. D e r

K o n j u n k t i v der ( k o n z e s s i v e n ) so-uuio-Sätze Notkers 19 so-uuio-Sätze haben allgemein — unabhängig von der speziellen Art der Satzverknüpfung — den Konjunktiv: 1 4 X K l ; 4 X (in zwei Gefügen) den K 2 (zum Ausdruck der Vorzeitigkeit). Eine Ausnahme: Indikativ im (verallgemeinernd-modalen) freien Zusatz 93.22. Wir unterscheiden drei Arten von jo-««io-Sätzen 1 2 3 ; gemeinsam ist ihnen, daß das in ihnen ausgedrückte Geschehen in bezug auf das über12S

8

MENSING, § 70, gibt eine andere Dreier-Einteilung. Furrer

114

IL Besprechung einiger

NS-Arten

geordnete Geschehen irgendwie gleichgültig ist: gleichgültig überhaupt; gleichgültig hinsichtlich der Art und Weise des Geschehensverlaufs; gleichgültig hinsichtlich einer Beschaffenheit (34.16).

D.5.1. R e i n e M o d a l s ä t z e (Verallgemeinernd, nhd. „wie auch immer". Zur Verwirklichung einer echten konzessiven Nebenbedeutung fehlt das adversative Element.) 34.16 (: quoquomodo = verallg. relativ; paralleler uuio-Satz), 91.8 (: utcumque, indir. Fr.), 93.22 (fr. Zus.), 173.15 (: quam; Adverb; mit parallelem ««i'o-Satz), 178.15 (: quam; vom Typus also ir uuellent, vgl. S. 116 u. Anm. 122), 345.27 (: quoquo modo, RS verallg.).

D.5.2. Z w i s c h e n g r u p p e (Sowohl verallgemeinernd-modal „wie auch immer" als auch konzessiv im Sinne von nhd. „wenn auch".) 125.14 (: quamquam, isoliert), 307.25 (fr. Zus., Typus mit uuelleri). (392.11 : lat. konz.124; 151.14 : qualicumque cogitatione, auf Grund der eigenen bestimmten Adverbialangabe kaum mehr als verallgemeinernd aufzufassen; ebenfalls kaum noch hierher: 304.18,370.15.) D.5.3. K o n z e s s i v e s o - « « j o - S ä t z e Bei einem großen Teil der so-««io-Sätze kann keine verallgemeinernde Bedeutung festgestellt werden, doch handelt es sich dann auch nicht um indirekte Fragen vom Typus mit gewöhnlichem uuiom, sondern um Konzessivsätze (vgl. Tabelle D. 3.2., S. 103). Der Konjunktiv der konzessiven so-uuio-S'itze ist gleich zu erklären wie der Konjunktiv der doh-Sätze; vgl. S. 101. Der K 2, der nur in zwei konzessiven so-uuio-Gefügen vorkommt, steht als satztypischer Konjunktiv und Ausdruck der Vorzeitigkeit, und 124

lls

D i e Aussage 392.11 wird verwirklicht mit lat. quamvis + K 1, ahd. so-uuio + K 1, nhd. „obwohl" + Ind. (Gothein, 309), „mag auch" (Endres, 153), „auch wenn" + Ind. (Neitzke, 164); Notker trennt hier allerdings anders als Boethius (SCHRÖBLER, 1953, p. 174), und die modal-verallgemeinernde Bedeutung „wie auch immer", die etwas mehr besagte, als es in der Absicht der Vorlage liegt, kann allein vom Ahd. her nicht ausgeschlossen werden; doch darf sie als durch die lat. Vorlage ausgeschlossen gelten. Es besteht eine innere N ä h e zu Fragesätzen: „Wir brauchen nicht zu wissen, wie . . ., es ist ganz gleichgültig . . . " / „wie auch immer . . . " Vgl. so-uueder-Sätze, S. 117 f.

D. Die

Konzessivsätze

115

zwar für quamquam + Kon). Perf.Ui und einmal für tametsi+Ind. Perf . Er ist nicht als Irrealis aufzufassen, obwohl 333.23 der Irrealis nicht mit ganzer Sicherheit ausgeschlossen werden kann. D.6. K o n j u n k t i v i s c h e K o n z e s s i v s ä t z e m i t A n f a n g s s t e l l u n g des f i n i t e n V e r b s In der Tabelle D. 3.4.1., S. 104, sind bei den konzessiven Konditionalsätzen ohne Bindewort mit der Partikel ouh 5 Sätze mit K 1 aufgeführt; sie bilden eine besondere Gruppe127. Dazu gehört etwa der Satz: 331.29 Sin ouh tise questiones nuzze. ze uuizenne. Sie brechent toh eteuuaz aba demo uuege den ih faro. Für diese Sätze kommt kaum je ein direktes lat. Vorbild in Frage. Eine zufällige Übereinstimmung finden wir in 308.4 Sed sit aliquis...[ Nu si ouh etelicher... Die beiden in der Tabelle verzeichneten Moduswechsel von lat. Ind. zu ahd. K 1 beruhen auf einem (bei der Einteilung nicht erfaßten) Konstruktionswechsel; lat. liegen etsi und tametsi vor. Im Gegensatz zu den indikativischen Beispielen (ohne BW, + ouh) stehen diese eindeutig konzessiven Sätze in ausgeprägt adversativem Verhältnis zum üS, der stets selbst eine dieses Verhältnis betonende Partikel enthält (165.10 noh... io, 301.13—15 io doh, 308.4 mag keskehen, 331.29 doh, 360.11 doh). Ihr Konjunktiv hat aber mit dem Konjunktiv in den danne-Sätzen der Gruppe AB nichts zu tun; denn das Geschehen ist als Annahme gesetzt, deren Wirklichkeit oder Nicht-Wirklichkeit gleichgültig ist in bezug auf die volle Gültigkeit des in einem eindeutigen Gegensatzverhältnis stehenden übergeordneten Geschehens: Es handelt sich also um denselben Konjunktiv wie in den doh-Sätzen. Die Sätze haben allerdings die Form von Aufforderungssätzen (BEHAGHEL, 650), und noch FLÄMIG, 157, bezeichnet solche Konjunktive des Neuhochdeutschen als „voluntativ". Unsere Bedenken gegen diese Auffassung haben wir schon im Kapitel der doh-Sätze vorgebracht (S. 101). Das Geschehen im zitierli9

In der „Consolatio" haben beide quamquam mit finitem Verb (entgegen H A N D SCHUH, 125) Konjunktiv (388.17 sit; 334.2). 333.23/334.3 steht der ahd. K 2 als satztypischer Konjunktiv und zum Ausdruck der Vorzeitigkeit; der lat. Zusatz dicerent ist — vom Ahd. her! — ebenso zu verstehen: dicerent drückt wie iecerint die Vorzeitigkeit aus; es ist nicht wahrscheinlich, daß Notker dessen iterative Ausdruckskraft (als einen Unterschied zu iecerinty empfunden hat. In dicerent haben wir also einen Beleg für althochdeutschen Einfluß auf das Latein. Der K 2 pedige 370.15 ist ebenso als Entsprechung von tametsi+Ind. Perf. Ausdruck der Vorzeitigkeit, und nicht Irrealis.

liJ

V g l . WUNDER, 1 4 0 f .

116

II. Besprechung einiger

NS-Arten

ten Satz 331.29 ist wieder an sich eine Tatsache; sie wird eingeräumt (gleichgültig gesetzt); für einen sinnvollen Wunsch jedoch ist kein Platz. Es mag sein, daß es sich historisch gesehen um einen Satztypus mit voluntativem Konjunktiv handelt. In all unsern Sätzen steht aber ein ouk, das den Typus kennzeichnet und von gewöhnlichen Forderungen doch trennt. Nur bei speziellen Inhalten mag sich in einer ironisch-polemischen Forderung zugleich mit der Einräumung ein voluntatives Element verwirklichen. Aber prinzipiell scheint uns der Sinneffekt des Forderns in diesen Konzessivsätzen nicht verwirklicht zu sein; es ist nicht nachweisbar, daß der Sprecher diese Geschehen je fordert, die er doch als gleichgültig hinstellen will. Die Formgleichheit mit Aufforderungen darf einen in der Deutung nicht (ver-)leiten. Ausnahmsweise möge es gestattet sein, an konstruierten Sätzen zu zeigen, wie der eine Grundwert des Konjunktivs, die eingeschränkte Gültigkeit ausdrücken zu können, sich auch in historisch verwandten Sätzen mit verschiedenen Sinneffekten verwirklicht: A. Mögest du genesen! AB. Mögest du genesen (!); aber reisen darfst du noch nicht. B. Mögest du auch genesen, reisen darfst du doch nicht. Es ergeben sich idealiter folgende Nutzwert-Abstufungen: A: reiner Wunsch, AB: abgeschwächter Wunsch, B: Gleichgültigsetzung, kein Wunsch. D. 7. K o n j u n k t i v i s c h e so- u n d so-uueder-Sätze als k o n z e s s i v e A l t e r n a t i v e n D. 7.1. B e t r a c h t u n g v e r w a n d t e r k o n j u n k t i v i s c h e r Satztypen Wir betrachten zuerst eine nahestehende Gruppe von sog. Komparativ-Sätzen: Unter den wenig zahlreichen „vergleichenden" (al-)so-S'itzen mit Konjunktiv stellen wir eine geschlossene Gruppe vom Typus also 128 du uuellest = ut übet u. ä. fest: 319.1, 296.10, 266.7, 233.17 . Schon in diesen Sätzen wird freies Wollen eingeräumt: ,wie du willst' ~ ,ob du willst oder nicht willst'. Aus dem Kontext geht folgender Sinn hervor: Ich stelle das Wie, ja sogar das Ob-Überhaupt deinem Belieben anheim, für mich ist es gleichgültig. Noch deutlicher einräumend sind die entsprechenden so-umo(-so)Sätze, so der verallgemeinernd-modale 178.15 (: quam uultis) und der verallgemeinernd-modal-konzessive 307.25 (freier Zusatz; zur Zwischengruppe, S. 114, gehörig). 129

Dazu gehört auch 263.25 mit Indikativ.

D. Die

Konzessivsätze

117

Sodann erinnern wir uns des übe-Satzes mit demselben konjunktivischen uuellen nach Imperativ: „Tu, wenn du (es tun) willst" (vergleichbar: „ . . . wie du willst/wollen wirst"). Diese beiden verwandten Typen mit dem MV uuellen im Konjunktiv, den übe-Satz nach Imperativ und den Komparativsatz, finden wir in einem Gefüge beieinander: De musica, 5, Piper I, 857.20. Macha dia eristun (suegela) so langa. so darfore gesaget ist. übe du uuellest. / unde so uuita du uuellest. tero uuiti sulen sio alle sin. Der Inhalt des übe-Satzes gesteht dem Angesprochenen die Freiheit, zu wollen oder nicht zu wollen, zu, der des so-uuita-Satzes die Freiheit der Art und Weise des Vorgehens. Das sind an sich Einräumungen; es liegt am Inhalt der übergeordneten Sätze, daß nicht eine im engern Sinne konzessive Beziehung zwischen NS und HS entstehen konnte. Vielmehr sind die verschiedenartigen Satzbeziehungen durch die verschiedenen Konjunktionen klar differenziert; der eine Konjunktiv des einen Modalverbs uuellen aber ist uns demgegenüber Zeichen der gemeinsamen geistigen Lage der Sätze. Zur Begründung, weshalb in den io-Sätzen mit uuellen der Konjunktiv als Zeichen der eingeschränkten Gültigkeit steht, kann im einzelnen Verschiedenes angeführt werden: Gleichgültigkeit (d. h. Einräumung, vom Sprecher aus gesehen), Zukunftsbezogenheit (d. h. Virtualität, eventuelle Irrealität), höfliche Zurückhaltung (des Sprechers) und eventuelle Anlehnung an verwandte Typen. Was sie von den im folgenden zu besprechenden Konzessivsätzen unterscheidet, ist das fehlende adversative Element; kommt ein solches von genügender Intensität dazu, so liegen jenseits eines Grenzbereichs anstelle von Vergleichssätzen irrelevante Bedingungen vor, deren Konjunktiv nicht mehr überrascht. Notker braucht solche Sätze, indem er sie zu irrelevanten Einzelteilen von Alternativen zusammenstellt. D . 7 . 2 . so...so... + Kl: k o n z e s s i v e A l t e r n a t i v e n 1 2 9 206.27 (: siue.. .siue mauis; Moduswechsel; MV-Verlust) Nu ist iz ouh filo scone chad ib. so du iz porisma heizest, so du iz corollarium heizest. 131.26/27 (freier Zusatz) So man dingoe. so man in rate sizze. so man in (hure sizze. daz kat io subpositas personas ana. i. certas. 110, gibt für diesen Typus erst mhd. Beispiele. — Einen temporalen so-Satz (K 2), der ins Konzessive hinüberspielen könnte, finden wir 228.2. MENSING, §

118

II. Besprechung einiger

NS-Arten

Die adäquate Übersetzung dieser konzessiven Alternativen heißt nicht mehr „wie man a u c h . . s o n d e r n : ,ob m a n . . . oder ob man...'/ ,Halte man Gericht, sitze m a n . . . ' / ,Man m ö g e . . m a n m ö g e . . o d e r , nhd. kaum möglich, aber dem Ahd. in der Unbestimmtheit entsprechend: ,Indem man n u n . . . oder.. / Zu beachten ist, daß hier — wie so oft — die Unscharfe der ahd. Konjunktion (so) teilweise wettgemacht wird durch weitere Partikeln im übergeordneten Satz: io, nu ouh. Vgl. auch Nc 5.3: So iz tannan si daz... aide... (: seu... seu; MANTHEY, 7 1 ) .

D.7.3. so-uueder+Kl: 299.6/11

konzessive

Alternativen130

(: siue.. .seu + Ind.) Souueder fatum gefrumet uuerde fone ... aide... geleitet uuerde. so ist io daz kuis...

In diesem Gefüge müssen die NS als Konzessivsätze aufgefaßt werden: ,Ob das Schicksal nun von... befördert werde... oder ob es v o n . . . geleitet werde, so ist doch das gewiß, d a ß . . D i e innere Nähe zur indirekten Frage ist noch gut erfaßbar, besteht hier doch nicht nur Irrelevanz (zweier Bedingungen), sondern auch Unsicherheit. Es handelt sich um dieselbe Beziehung zur Frage, wie wir sie schon bei den so-uuio-Sätzen festgestellt haben (vgl. Anm. 125). 95.29

(unentschieden: verallgemeinernd und konzessiv) Also daz ist in euangelio. Baptismum iohannis de c%lo erat, an ex hominibus? So-uueder sie chadin de cqlo. an ex hominibus. so uuurtin sie geuangen.

Ob sich die temporal ambivalente K2-Form als Irrealis II (Bezug auf die damalige Situation, in welcher die Hohepriester die Frage Jesu nicht beantworten wollten) oder als Irrealis I (Bezug auf den gegenwärtigen Bibeltext, Mt. 21.25, Mc. 11.30) verwirklicht, kann nicht entschieden werden; in den vorangehenden Sätzen steht sowohl das Präsens ist wie das Imperfekt erat. (ZfdA 82, 41) übersetzt mit ,ob sie nun antworteten . . . oder o b . . m i t demselben „ o b . . . oder o b . . w i r d auch der voranstehende verallgemeinernd-konzessive also-Satz 95.25 übersetzt.

SCHRÖBLER

LAO

GRIMM, 13, 2838, verzeichnet „weder 11,5" als konzessive Partikel in der mhd. Formel weder geste oder burgare (ohne Verb) / ,seien es . . . oder . .

D. Die

Konzessivsätze

119

D.7.4. R e s t g r u p p e : B e m e r k u n g z u d e n b e i d e n k o n j u n k t i v i s c h e n S ä t z e n o h n e BW u n d m i t S c h l u ß s t e l l u n g des f i n i t e n V e r b s Der Konjunktiv der Sätze ohne BW ist aus denselben inhaltlichen Gründen berechtigt wie der in den durch so eingeleiteten Alternativsätzen oder der in den doh-S'itzen. Schon MENSING ( § 2 9 ) verzeichnet: 253.3 (konzessive Alternativen) Fone diu chad si. ilent alle mennisken. gelicho ramende ze guote. sie guot sin. aide ubel (: indiscreta intentione). Vgl. die entsprechenden, von MANTHEY, 70, als „Hauptsätze" aufgeführten Nc 62.17/19 ( : sine... siue; mit Moduswechsel) und Nc 137.14/5 mit K 2 (: utrum... an + Partizip). Wir erwähnen hier auch noch jenen Satz, in welchem so-uuio (wie 1 7 3 . 1 5 ) Adverb ist (vgl. aber HANDSCHUH, 7 1 u.): 151.7 (licet tenui imagine) So tuont ouh ir mennisken. an so-uuio eccherodemo bilde iz si doh kesehent ir... , . . . an einem wie schwachen Abbild auch immer es sei, so seht ihr trotzdem...' Dieser konjunktionslose Typus mit Endstellung des Verbs ist noch nhd. möglich. D.8. A n s ä t z e z u i n d i k a t i v i s c h e n k o n z e s s i v e n so-, also-, so-uueleru n d so-uue der-S'i.tzcn D. 8.1. A n s ä t z e z u i n d i k a t i v i s c h e n k o n z e s s i v e n so-Sätzen Wir wenden uns einem Randbezirk des Feldes konzessiver Funktionen zu und stellen Interferenzen fest, die auch modale Aspekte haben. Die ja vom Kontext abhängige Bedeutung131 von so verwirklicht sich wenigstens ausnahmsweise einmal ebenso als konzessive wie als modalverallgemeinernde Bedeutung: 354.17 so ouh (: lat. Part, repertam formam) Uuer mag ouh pechennen. daz imo unchunt ist. so er iz ouh findet? Die Bedeutungen ,wie auch' (: formam) und ,wenn audi' liegen ganz ineinander. Es steht der Indikativ des konditionalen Jo-Satzes, d. h., das Geschehen ist als abstrakte Annahme gegeben. Ein weiteres Beispiel verzeichnet SEHRT, Notker-Glossar, 194. 1S1

Ursprünglich war so rüdeweisendes Adverb mit der Bedeutung .unter diesen Umständen': vgl. WUNDER, 186; anders BEHAGHEL, III, 250.

120

II. Besprechung einiger

NS-Arten

Mehr vergleichende Funktion, die aber mit der konzessiven interferiert, zeigt sich in: 70.19

(freier Zusatz) Uns ist aber unchunt. übe deheine latini tragici fundene uuerden. so uuir gnuoge finden latinos comicos. Die vergleichende Funktion von so (HANDSCHUH, 15) geht leicht in die konzessive über (wie : wiewohl), weil Entgegengesetztes verglichen wird (gnuoge : deheine-, finden als Indikativ aufzufassen). Ebenso nidit explizit konzessiv gemeint, aber eindeutig latent konzessiv ist der so-Satz: 106.26 Sie (die salda dero otuualon) sint crehto so tiure. so du sie guünnest. taz tu furder sichure neuuirdest (: cum concessivum, evtl. iterativum; so = ,wenn', .falls', ,auch wenn'). D. 8.2. V e r a l l g e m e i n e r n d - k o n z e s s i v e s also 95.25 (parallel zu konz. so-uueder: 95.29) . . . also er nu cbit. er uuize. aide neuuize... heißt wörtlich: ,ganz wie er nun s a g t . . u n d kommt verallgemeinernd-konzessivem „wie auch immer e r . . . " nahe, und damit auch konzessiv-alternativem „ob er nun sagt.. Solche mehr oder weniger konzessiven ...so ... -Sätze sind mit den konzessiven übe . . . - Sätzen und den konzessiven Sätzen ohne BW zusammen Wegbereiter des Indikativs im deutschen Konzessivsatz. D. 8.3. so-uueler, so-uueder -IIndikativ Einen ähnlich kontextoffenen Typus haben wir vor uns, wenn konditionales so sich mit dem Fragewort 138 oder Indefinitpronomen verbunden hat. Die mit so-uueler eingeleiteten Sätze stehen im Indikativ (57.10, freier Zusatz: K l der oratio obliqua); es handelt sich um verallgemeinernde Sätze. Auf Grund eines adversativen Verhältnisses der HS- und NS-Inhalte kippt 313.5 (uuile; MENSING, §63) halbwegs, 165.12 eindeutig hinüber 182

339.10 f. stehen beieinander das Fragewort utteder mit seinem obligaten Konjunktiv und die verallgemeinernde Konjunktion so-uueder mit Indikativ, die ein Geschehen einleitet, das in bestimmten Aspekten zwar gleichgültig ist, aber nicht in adversativem Verhältnis steht und sich so von einem konzessiv verbundenen Geschehen unterscheidet: Temo uuizze unde sin gelazen sint. temo ist ouh kelazen chiesunga. Mit tero er dingolih skeide. uueder iz ze tuotine si. aide nese ... libertas lazet in tuon. so-uueder er uuile. — Es müßten nur geeignete gegensätzliche Inhalte vorliegen, damit die Konjunktion als konzessiv determiniert werde. Dieselben Verhältnisse finden wir für uuiof / so-uuio.

D. Die

Konzessivsätze

121

von der verallgemeinernden Bedeutung zur konzessiven, ohne daß dies zu einem Konjunktiv führen würde: 165.12 souueler geuualtigosto ist / ,audi wenn einer am gewaltigsten ist' /,welcher Gewaltigste es auch sei'. Die so-uueder-Sätze mit Indikativ sind nur verallgemeinernd und gleichgültig gesetzt, stehen aber nicht in adversativem Verhältnis zum HS (vgl. Anm. 132); sie sind also nicht „konzessiv". 27.14 und 366.22/24 setzen Alternativen gleicher Gültigkeit. D . 9 . K o n z e s s i v e s übe {ouh): E i n b r u c h des I n d i k a t i v s als M o d u s bei k o n z e s s i v e r S a t z beziehung, ausgehend von den k o n z e s s i v e n Konditionalsätzen Von einer gewichtigen Häufigkeit ist der Indikativ bei den konditionalen Konzessivsätzen (übe ouh; ohne BW + ouh)-, in ihnen wird das Geschehen als Annahme eingeräumt; der Konjunktiv wird als Zeichen der Gleichgültigsetzung nicht benötigt. Wenn er auftritt, so ist er nicht zur Kennzeichnung der konzessiven Satzbeziehung gesetzt worden. In allen hier zu besprechenden Satzgefügen könnte aber auch der doh-Satz mit seinem Konjunktiv stehen. Eindeutig konzessives übe ouh (Tabelle D. 3.4.1., S. 104) kommt in freien Zusätzen nicht vor; die Setzung von übe ouh und latent konzessivem übe entspricht in 12 von 18 übersetzten Sätzen der lateinischen Partikel si133; dies ist nur 115.23 (: lat. HS) und 167.28 (: cum concessivum) und bei den konjunktivischen 313.2 (: konzess. RS), 50.3 (: Partizip) und 296.3 (bes. Umstände) nicht der Fall. Obschon nun die Verwendung sowohl einer konditionalen Partikel als auch des Indikativs zum Ausdruck konzessiv verbundener Inhalte aus dem Wesen der konzessiven Verbindung selbst verstanden werden kann 184 und obgleich also übe ouh nicht geradewegs eine Lehnübersetzung von si etiam zu sein braucht, übt das Latein mit seinen indikativischen konditional-konzessiven Annahmen offenbar doch einen Druck aus gegen den in Notkers Sprache herrschenden Konjunktiv (nach doh, so-uuio, danne usw.) und wirkt so in Richtung Indikativ, der ja schließlich im Deutschen zum herrschenden Modus konzessiver Satzbeziehungen wird 136 . lss 134

lss

Vgl. auch KÖHLER, Tatian-Glossar, 3 2 , V g l . HANDSCHUH, 7 3 .

etsi, und FÖRSTER, 3 6 f.

Wir finden audi indikativische Hauptsätze in latent konzessivem Verhältnis: 288.22, 263.25.

122

II. Besprechung einiger

NS-Arten

D.9.1. A h d . I n d i k a t i v d u r c h M o d u s w e c h s e l 23.10 und 169.18 steht der ahd. Konditionalsatz-Indikativ dem lat. Potentialis gegenüber; es handelt sich um Geschehen, die der Kontext als Annahmen erweist, und so hat audi kein nhd. Übersetzer „obschon". Dasselbe gilt für die bloß latent konzessiven Sätze 50.9 (: lat. si + K l ; vgl. die konzessive Satzbeziehung im vorangehenden Gefüge: 50.3 übe ouh + K1) und 167.28 (: cum concessivum), die Notker konditional aufgefaßt haben wird184. (Bei den nhd. Übersetzern kommen konditionale, konzessive und adversative Auffassung vor.) D.9.2. K o n j u n k t i v 1 Die nur ausnahmsweise auftretenden Konjunktive sind nie als Kennzeichen konzessiver Satzbeziehung aufzufassen137. D.9.3. K o n j u n k t i v 2 In den konzessiven «¿e-Sätzen kommt weder ein K 2 der präteritalen Lage noch ein Irrealis vor (zufälligerweise und weil allgemein Konzessivsätze nur selten in Irrealis-Situationen auftreten)138. Wie der K 2 aber aus der Situation heraus naheliegen kann, mag ein Hinweis auf nhd. Ubersetzungen mit Irrealis zeigen (zu 21.20: Endres, 22; zu 71.4 ff.: Gothein, 85, Endres, 41), wo Notker Indikativ braucht. D. 10. K o n z e s s i v s ä t z e o h n e B W : A n f a n g s s t e l l u n g des f i n i t e n V e r b s D. 10.1. I n d i k a t i v i s c h e S ä t z e ( m i t ouh) Wie bei den ube-oub-Sätzen kennzeichnet die konditionale Satzform das Geschehen der Konzessivsätze ohne BW als Annahme, auch wenn 136

M

1,8

MENSING, § 104 (Sdiluß), glaubt, weil ja nie der Konjunktiv stehe, daß Notker sich weder in diesen übe- noch in den ube-ouh-Sätzen je dessen bewußt sei, daß er „eine Concession" mache. 50.3: Typus mit uuellest; der übergeordnete HS, ein Imperativ, ist als Bedingung des im N S ersparten Infinitivgesdiehens „haben" aufzufassen. Vgl. B. 3. 3., S. 68 f. 313.2 ist in Verbindung mit dem übergeordneten Finalsatz als futurisdies, nur eingeschränkt gültiges Geschehen aufzufassen. HANDSCHUH, 123: „konditional", „lat. Einfluß". Der Konjunktiv ist aber aus dem Ahd. begründbar. 98.16 (HANDSCHUH, 70: „konzessiv") kann ahd. nicht konzessiv aufgefaßt sein, weil der durch die attributive Stellung der Adjektive veränderte Sinn dies nicht zuläßt. Die nhd. Übersetzer haben demgegenüber alle dem Latein entsprechend konzessives „wenn schon". — Auch anderswo, z. B. 155.8, ist nur der lat. «-Satz konzessiv auffaßbar. — Andrerseits könnte man 93.11 Uuio manige ... neahtotin sih kuolliche.

D. Die

Konzessivsätze

123

objektiv eine Tatsache vorliegt; diese Wirkung ist selbst beim (seltenen) Präteritum zu verspüren: 239.8 Treib ih ouh tia reda... des nesi dih vuünder™. Alle 5 ahd. Sätze hängen von nicht eindeutig konzessiven lat. Sätzen mit si ab (2 X quodsi, 1 X si quoque, 1 X si, 1 X si + Potentialis); sie fehlen aber in den Kolonnen II und IV der Tabelle D. 3.4.1., S. 104, welche Sätze Notkerscher Eigenkonstruktion verzeichnen. So muß die Herausbildung indikativischer konzessiver Sätze im Gewände von konjunktionslosen Konditionalsätzen — wie die der konzessiven ube-(ouh-)Sätze — wohl auch aus der Situation des Ubersetzens heraus, also in engem Zusammenhang mit dem Latein gesehen werden. Im Gegensatz zu den S. 115 f. besprochenen konjunktivischen Sätzen finden wir bei den indikativischen kein das konzessive Verhältnis verdeutlichendes adversatives Element im übergeordneten Satz. Ausnahme: 46.17 io im übergeordneten Satz; MV uuile im NS. D. 10.2. K o n j u n k t i v i s c h e S ä t z e : K 2 ( K l : vgl.S. 115 f.) Die vorkommenden K 2-Formen verwirklichen sich alle als Irrealis (was bei den doh-Sätzen nur ausnahmsweise der Fall ist). Freie Zusätze fehlen. Beispiele mit ouh sind wieder wie die indikativischen von lat. Bildungen mit si abhängig140. D. 10.3. B e i s p i e l e o h n e ouh: m i t K 2 Es finden sich äußerlich nicht gekennzeichnete irreale Konditionalgefüge (ohne BW), die durch reflektierende Bewußtmachung des Gegen-

1M

140

ube sie doh einen luzzelen teil habetin dinero saligheitef mit übe ... doh (gegenüber lat. gewöhnlichem Konditionalsatz) konzessiv auffassen, doh kann aber audi einfach .wenigstens' heißen. MENSING stellt ganz anders dar; bei Notker rechnet er nur die konjunktivischen Sätze zu den konzessiven (§ 20). Indikativische verzeichnet er fürs Mhd. (§ 16): „zur Einräumung wirklich bestehender Tatsachen", „niemals Präteritum". § 14: „ . . . bloß als möglich gedachte Ereignisse verlangen natürlich den Conjunctiv." Diese Auffassungen von Ind. und Konj. sind falsch. Kein konzessives Satzverhältnis, sondern ein Konditionalgefüge finden wir trotz ouh 253.11 (Kuünnin ouh tie ubelen ...: si+uero. Aus dem Gesamtzusammenhang heraus könnte allenfalls ein vages konzessives Verhältnis abgeleitet werden, auch indem man an einen ausgefallenen H S „so müßte man doch sagen" dächte). Echt konzessives Verhältnis: 360.17 (: etiamsi + Konj. Plqupf. = Irrealis II, vorzeitig zum Irrealis I des üS), Verwirklichung unmöglich. Notker vernachlässigt (wie nhd. audi Gothein und Endres) die Tempustiefe; dies bedeutet einen Verlust an Konkretheit; die Aussage erscheint mehr als allgemeingültiges Resultat des Nachdenkens über 360.10 f., was gut in die allgemeine Erörterung hineinpaßt.

124

II. Besprechung

einiger

NS-Arten

satzverhältnisses von Haupt- und Nebensatz als konzessiv entlarvt werden können. Dabei ist ein Kriterium bisher nicht benützt worden: die Bedeutung des K 2 im HS. Wir untersuchen ein Beispiel mit Moduswechsel: 71.25 (Moduswechsel: lat. K l Pot. / ahd. K 2 Irrealis. HS: 72.13; parallele NS: 72.11. — Die Modusgebung beeinflußt auch 72„17/18, vgl. S. 96.) Es ist die Rede von der unersättlichen Gier der Menschen: Si confundat copia pleno cornu tantas opes. quantas pontus incitus flatibus uersat harenas... Haud ideo cesset humanum genus. flere miseras querelas. / 71.25 Scutti copia... dien menniskon uzer iro hörne samo-uilo rates (Reichtums), so mere tuiret kriezes... Turh taz netate niomer mennisko laba sinero armelichun chlago. Nebensatz: Hier ist das Ausweichen in den Indikativ wegen des konkreten Vergleiches nicht gut möglich; jedenfalls haben Notker und alle drei nhd. Übersetzer eine derartige Fülle des Glücks durch den K 2 ungültig gesetzt. Der K 2 setzt aber nicht die nackte Verbbedeutung, sondern ein spezifizierteres Gesamt-Geschehen ungültig: Nur das unreal große Ausmaß gibt den Anlaß, den K 2 zu setzen. Hauptsatz: Der K 2 des Hauptsatzes ist überhaupt nur aus dem Redezusammenhang, d. h. hier vom Modus des Nebensatzes aus, zu verstehen. Denn der Inhalt laba netuon (= ,nicht Abhilfe schaffen', die Klagerei nicht verstummen lassen, weil die Gier unersättlich ist) kann nicht als „auf Grund des Inhaltes ungültig gesetzt" aufgefaßt werden, d.h., es kann sich gar kein Bezug auf die entgegengesetzte außersprachliche Wirklichkeit im Sinne von „aber er schafft Abhilfe" ergeben. Mit andern Worten: Das Geschehen (laba netuon) ist an sich real, trotz dem K 2. Die Funktion eines solchen HS-K 2 besteht darin, die Einheitlichkeit des Gefüges zu gewährleisten, indem er die Beziehung zum inhaltlich sinnvollen K 2 des NS herstellt.

D.ll. Der U n t e r s c h i e d z w i s c h e n dem K2 I r r e a l i s im H S des K o n z e s s i v g e f ü g e s u n d d e m K 2 I r r e a l i s im H S des K o n d i t i o n a l g e f ü g e s Im eben besprochenen Satz 71.25 setzt der HS-K 2 das HS-Geschehen zwar als nur vorgestellt, jedoch nur in dem Sinne, daß es unter der genannten irrealen Bedingung audi nicht anders verliefe, als es sonst eh und je verläuft. In diesem Befund teilt sidi im Grunde bloß mit, daß

D. Die

Konzessivsätze

125

Haupt- und Nebensatz zueinander in konzessivem Verhältnis stehen: Welche Bedingungen auch gesetzt werden, mögliche oder momentan oder schlechthin ungültige, das HS-Geschehen bleibt eben doch gültig, stehe es nun im K 2 oder, den Ansprüchen der Logik gemäß, im Indikativ (so im freien Zusatz 358.28 mit irrealem doh-Satz und 157.22). Die außersprachliche Gültigkeit wird durch den K 2 nicht aufgehoben, auch wenn der K 2 das Geschehen als (im betreifenden Redezusammenhang) „bloß vorgestellt" charakterisiert. Der im irrealen Konditionalgefüge für NS- und HS-Geschehen, im Konzessivgefüge für den NS feststellbare, durch den K 2 Irrealis entstehende Bezug zur dem genannten Geschehen entgegengesetzten Wirklichkeit kann sich im HS des Konzessivgefüges nicht verwirklichen. Also gerade die Funktion, derenthalber Notker den K 2 in den NS gesetzt hat, verwirklicht sich im HS nicht; der K 2 hat auf ihn nach dem Vorbild der Konditionalgefüge, jedoch entgegen den Gepflogenheiten im Konzessivgefüge mit doh, übergegriffen. Der Irrealisgebrauch im HS des Konzessivgefüges hat sich bis heute gehalten. In einem Gefüge zeigen sich zwei Funktionen (Nutzwerte) derselben Konjunktivform; diese ist 1. (im NS) Zeichen eingeschränkter Gültigkeit im Sinne klarer Ungültigkeit (Nicht-Realität), welches das Geschehen abhebt von der entgegengesetzten kontrollierbaren objektiven Situation und es als „nur vorgestellt" bezeichnet — und 2. (im HS) Zeichen der Zuordnung eines an sich voll gültigen („realen") Geschehens zu diesem bloß vorgestellten Bereich, also „Zeichen eingeschränkter Gültigkeit" in einem ganz speziellen Sinne141. Wir beleuchten die Theorie vom speziellen Nutzwert des K 2 im HS des konzessiven Gefüges noch an einem nhd. Beispiel, das so konstruiert ist, daß es sowohl konditional als auch konzessiv aufgefaßt werden kann: „Ich ginge hin, wenn ich du wäre." 1. Das Satzverhältnis ist konditional, wenn die Situation (der Kontext) zuläßt, daß sich nicht nur im Nebensatz, sondern auch im HS der normale Nutzwert des K 2 (Negierung und Absetzung von der entgegengesetzten Realität) verwirklicht: Ich ginge hin, falls ich du wäre; da ich aber ich bin, gehe ich nicht hin. 141

Diese zweite Funktion liegt vor in den Hauptsätzen 38.15 (uuare reht — es ist aber recht, unter allen Umständen), 103.11 (uuarin scone — sie sind aber schön), 360.16 (uuare guis — es ist gewiß), 72.13 und 72.19 (doh neduohti — es dünkt aber tatsächlich nie genug); zwei irreale doh-Sätze haben einen indikativischen üS (358.28, 157.22), was unsere Theorie vom K 2 im irrealen Konzessivgefüge stützt. Vgl. auch die indikativischen H S anderer irrealer Konzessivsätze: 333.23/334.4, 370.15, 86.26, 286.5. — K 2 im H S : 108.11.

126

II. Besprechung einiger

NS-Arten

2. Das Satzverhältnis ist konzessiv, wenn der Kontext (die Situation) die Verwirklichung der im NS vertretenen Normalfunktion des K 2 im HS nicht zuläßt (weil ich auf jeden Fall hingehe): Auch wenn ich du wäre, ginge ich hin.

D. 12. Z u s a m m e n f a s s u n g

D3. — D.II.

Der K 1-Nutzwert in den echt konzessiven, nicht mehr verallgemeinernden io-««io-Sätzen, in den Konzessivsätzen mit Anfangsstellung des finiten Verbs, der Konjunktivwert der konzessiven Alternativen und jener der Einzelbelege (Tabellen: D. 3.3. und D. 3.2., jedoch ohne D. 3 . 2 . 1 . ) entspricht je dem Konjunktivwert in den doh-Sätzen (D. 2.6.). Der K 2, der im Konzessivsatz selten ist, verwirklicht sich zum Teil als auf Vergangenes angewendeter satztypischer Konjunktiv (D. 2.5.1., Anm. 113, 114; D. 5.3.), einige Male aber als Irrealis. Dabei ist es bemerkenswert, daß der K 2 im Hauptsatz eines Konzessivgefüges eine andere Funktion hat als im NS und als im HS eines Konditionalgefüges (vgl. D. 11., D. 10.3.). Die Funktionsdifferenz kann als unterscheidendes Merkmal zwischen einem konzessiven und einem konditionalen K 2-Gefüge benützt werden. Bei der Ermittlung des K1-Werts in den Konzessivsätzen mit Anfangsstellung des finiten Verbs (D. 6.) und wieder des ganz andern K1-Werts in den danne-S'itzen, die nicht zu den ahd. Konzessivsätzen im engern Sinne gezählt werden dürfen, zeigt sich die Notwendigkeit, zwischen der Herkunft des Konjunktivs und seinem aktuellen Nutzwert zu unterscheiden: So ist zwar die Abhängigkeit der konjunktivischen kausal-instrumentalen und der kausal-adversativ-konzessiven danne-Sätze vom ebenso vielschichtigen lat. cum mit Konjunktiv nicht bestreitbar, doch ist zu beachten, daß der ahd. Kl, der selbst gegen lat. Indikativ steht, auch seinen eigenen mehr oder weniger ausgeprägten Nutzwert hat. Die Analyse der Inhalte und der mehrschichtigen Satzbeziehung zeigt vorerst, daß sich zwar eine Gruppe (AB) von Sätzen mit möglicher konzessiver Nebenbedeutung ausscheiden läßt, daß aber selbst in diesen Sätzen nicht der Konjunktiv der doh-Sätze steht; ihr Geschehen ist nicht gleichgültig gesetzt. Dagegen kann sich wohl der Sinneffekt eines je unterschiedlich gefärbten, z. T. rhetorisch-polemischen Forderns, im Sinne etwa von nhd. „dürfte", verwirklichen („da doch... dürfte"). Auf Grund dieses Sinneffekts wird die Gültigkeit des Geschehens letztlich aber betont, statt eingeschränkt. In Einzelfällen ist eine Verwischung dieses Nutzwerts durch

D. Die Konzessivsätze

127

die Interferenz mit einer indirekten Rede möglich. Dann liegt für den nhd. sprechenden Interpreten die Möglichkeit, als Ubersetzung ein „obschon" zu braudien, am nächsten. Notker selbst hat aber offenbar anders empfunden: Nie braucht er unter den Umständen ,(vgl- D.4.5., S. 109), die zum danne-Satz führen, einen doh-Satz. Unsere Interpretation vermag denn auch zu zeigen, daß eine Gleichgültigsetzung meistens nicht, eine Forderung aber wohl kontextgemäß ist: Der Konjunktiv beschränkt die Gültigkeit ironisch und eröffnet so den Spielraum für rhetorischpolemische Angriffigkeit, wie sie im Gefügecharakter liegt („da doch"). Auf diesen Grundlagen also, die einem Sprecher keineswegs bewußt zu sein brauchen, ist die Übernahme des lateinischen Konjunktivs möglich. Der danne-Satz ist nie reiner Konzessivsatz; dagegen kommt er gerade durch den Konjunktiv wie kein anderer Satz Notkers einem Adversativsatz nahe. Ein anderes mit der Herkunft zusammenhängendes Problem stellt sich der synchronischen Betrachtung beim Konjunktiv der Konzessivsätze mit Anfangsstellung des finiten Verbs (D. 6., S. 115). Die Form dieser Sätze erinnert zwar an die Form selbständiger Aufforderungs- oder Wunschsätze, doch weist schon das hinzugesetzte ouh auf den Unterschied hin. Dafür rücken diese Sätze in die Nähe jener mit dem KonditionalsatzIndikativ (bei je gleicher NS-Form, je 5 Beispiele, vgl. Tabelle D. 3.4.1., S. 104): 114.8

(gegen lat. K l ) Choment sie (herscaft unde geuualt) ouh ze banden guoten. daz filo selten ist. uuaz mag an in danne liehen, ane dero geuualtigon guoti? Zum Vergleich mit diesem Konditionalsatz-Typus geben wir nochmals ein Beispiel mit Konjunktiv (Aufforderungssatz-Typus): 301.13 (freier Zusatz) Faren ouh Celestes nuntii de loco ad locum... sie sint inuuert io doh

unueruuehselot...

Mit dem Konditionalsatz-Indikativ wird das NS-Geschehen vorerst als eine „abstrakte Annahme" voll gültig gesetzt. Daß sie hinsichtlich des übergeordneten Geschehens gleichgültig ist, geht dann nur aus dem Zusammenhang hervor und wird nur durch ouh signalisiert. Demgegenüber reagiert die Sprache mit dem Konjunktiv auf Gültigkeitsfaktoren des Kontextes: Steht im lat. üS z.B. tarnen oder ähnlich, im ahd. üS z.B. io doh oder ähnlich, so tritt bei Notker der konjunktionslose Satz mit Konjunktiv auf; fehlt das verdeutlichende adversative Element, so steht der Indikativ. Es herrscht also eine gewisse Ökonomie: Ist die Gültigkeit des üS-Geschehens betont, so wird die Gültigkeit des NS-Ge-

128

II. Besprechung einiger

NS-Arten

schehens eingeschränkt. Seine Gleichgültigkeit erscheint dadurch betont, das konzessive Verhältnis besonders deutlich. Es ist also nicht richtig, wenn behauptet wird, der Konjunktiv habe mit der Gleichgültigkeit, mit dem konzessiven Satzverhältnis an sich, prinzipiell nichts zu tun, weil konzessiv untergeordnete Geschehen ja auch im Indikativ stehen könnten. Demgegenüber gilt bloß die Feststellung, daß die Sehweise durch den Konjunktiv zum Ausdruck des Konzessivverhältnisses nicht unbedingt nötig ist. Aber noch bei Notker ist der Konjunktiv herrschend. Er ist das Mittel, mit dem die Sprache — der Sprecher hat noch kaum die Wahl — die Unwirksamkeit selbst objektiv voll gültiger Tatsachen explizit signalisiert. Daher ist die Satzbeziehung in 301.13 mit dem konjunktivischen konjunktionslosen NS denn auch deutlicher konzessiv als 114.8. Indikativische Konzessivsätze braucht Notker nicht häufig, doch sind sie besonders in der Form von Konditionalsätzen gut möglich; denn daß das Konditionalsatz-Geschehen als bloße Annahme gedacht ist, bedeutet schon eine Annäherung an die Gleichgültigsetzung, die dann mit einfachen Mitteln (ouh) bewußt gemacht werden kann. Nach dem Ausweis der Consolatio-Belege wird diese Ausdrucksweise durch das Latein angeregt. Sie wird sich schließlich gegen die konjunktivischen Ausdrucksweisen (dohswie . . . ) durchsetzen.

II. E. KONJUNKTIONSLOSE KONJUNKTIVSÄTZE Im Zusammenhang mit einer Gruppe konjunktionsloser negierter Konditionalsätze behandeln wir noch die andern Nebensatzgruppen ohne einleitendes Bindewort und die nube-S'ixze. Außer einigen Relativsätzen ohne einleitendes Pronomen (z.B. 194.10, 378.9, 380.24) und ganz wenigen Objekt- oder Subjektsätzen finden sich bei Notker, abgesehen natürlich auch von der großen Gruppe der Konditionalsätze mit Anfangsstellung des Verbs, keine indikativischen Nebensätze ohne Einleitewort. Dieser Tatbestand — ein anderer als z. B. bei Otfrid — weist darauf, daß der Konjunktiv wesenhaft zu den Notkerschen konjunktionslosen Sätzen gehört und weitgehend automatisch auftritt. Dennoch bleibt seine Grundfunktion, die Gültigkeit einzuschränken, lebendig: konjunktionslose Konjunktivsätze werden nur in Situationen angewendet, in denen sich der Grundwert des Konjunktivs verwirklichen kann.

E.l. D i e n e g i e r t e k o n j u n k t i v i s c h e B e d i n g u n g (konjunktionslose negierte Konditionalsätze mit o b l i g a t e m K o n j u n k t i v , V e r b in Z w e i t s t e l l u n g ; sog. E x z e p t i v s ä t z e ) E. 1.1. T a b e l l e (siehe nächste Seite) E. 1.2. B e s c h r e i b u n g d e s S a t z c h a r a k t e r s Wir wollen von folgenden Beispielen ausgehen: 344.16 Uuanda nieht nemag keskehen in täte, nob in uuillen. gotes ouga nesehe iz. / Neque enim poterit... existere... nisi quam presenserit diuina prouidentia. 341.5 Tar-mite nespuot imo ouh nieht sines uuillen ... iz netue gratia dei. 98.21 Ter man nehabet neheinen geuualt riebe ze sinne, imo neunne is tiu fortuna1*2. 141

9

Möglichkeiten der Übertragung ins Nhd.: 1. konditional, 2. exzeptiv, 3. modal: 1. falls Fortuna es ihm nicht gönnt / gönnte; vorausgesetzt, Fortuna gönne / gönnte es ihm nicht; 2. außer wenn es ihm Fortuna gönnt; außer Fortuna gönne es ihm; Furier

130

E.1.1.

II. Besprechung

einiger

NS-Arten

Tabelle

TOTAL: 28

ohne M V

Modus 4- Konstruktion wie Latein Kl

K 2

Kl

41.8 93.2 93.16 214.15 261.19 294.10

32.3 C 226.4

99.21 99.29

K 2

gleiche Konstr. — anderer Modus

freie Zusätze

Kl (: Ind.)

K 2 OKI)

Kl

K 2

187.9 290.6 344.16

317.15

70.27 71.1 74.13 98.21 200.18 341.5

148.12 148.13 148.14 148.16 267.30

93.21 115.24

M V wie Latein zusätzliches M V

Konstruktionswechsel

172.6

E. 1 . 2 . 1 . Formale Typik Gegenüber dem gewöhnlichen konjunktionslosen Konditionalsatz ist die Notkersche negierte konjunktivische Bedingung dreifach (wenn wir auch den üS einbeziehen: fünffach) gekennzeichnet: 1. durch die Zweitstellung des Verbs143 (Der Satz wird meistens durch das Subjekt, seltener, 98.21, 187.9, 341.5, durch das Objekt eingeleitet.), 2. durch die obligate Negation im NS, 3. durch den obligaten Konjunktiv.

14S

es sei denn, Fortuna gönne es ihm; „es verhülfe ihm denn Fortuna dazu"; 3. so, daß (indem) es ihm Fortuna nicht gönnte (gönnt); ohne daß es ihm Fortuna gönnt. — Über die adäquate nhd. Version vgl. E. 1 . 2 . 2 . 2 . , S. 134. MANTHEY, 71, spricht von H S mit coniunctivus concessivus: Nc 7.19, 32.8, 65.17, 123.12, WUNDER von „konjunktivischen Annahmesätzen", vgl. ERDMANN, 1886, § 188. — Verschiedene Forscher: SCHULZE, ZfdA 39,1895, 327 f., BEHAGHEL, 1928, I I I , 639, undHoLMBERG, 1967,18,12, sprechen vom „Exzeptivsatz". Vgl. auch HANDSCHUH, 30. Tatsächlich kann man sich mittels ane als Ausnahme hingestellte Satzinhalte durch die negierte konjunktivische Bedingung ersetzt denken (ane-daz-Sätze: 150.21, 78.10, 78.16, 154.1, 219.25, 173.11; ane + R S : 389.25, 109.13, 223.12, 235.16; ane mit Vergleichssatz — das bloße Wort ane ist zu ersetzen, der Vergleichssatz bleibt — : 183.18, 329.18/19, 378.17). Der Ersatz durch die bei N vorliegende konjunktivische negierte Bedingung ist aber nicht möglich, wenn der durch ane als Ausnahme hingestellte Satzinhalt schon negiert ist (163.6, 358.13). Da es aber keineswegs der Zweck dieser Sätze ist, eine „Ausnahme" festzuhalten, brauchen wir hier eine Umschreibung („negierte konjunktivische Bedingung ohne BW")-statt der gängigen Bezeichnung „Exzeptivsatz".

E. Konjunktionslose

Konjunktivsätze

131

Zudem folgt sie (4.) bei typischem Gebrauch ihrem üS nach144, während der gewöhnliche konjunktionslose Konditionalsatz vorangestellt ist. Und zuletzt (5.) ist für die negierte konjunktivische Bedingung ohne einleitendes Bindewort kennzeichnend, daß sie mit einem indikativischen, zumeist negativen üS kombiniert ist145. Durch diese beiden letzten Merkmale146 und durch das erste, die Zweitstellung des Verbs, unterscheidet sich die konjunktivische negierte Bedingung immer vom gewöhnlichen negativen konjunktionslosen Konditionalsatz (auch wenn K 2 vorliegt). Hingegen unterscheidet sich Notkers konjunktivische negative Bedingung formal nicht immer von negierten Objektsätzen ohne Bindewort und nie von den (auch ausnahmslos negierten) Konsekutivsätzen ohne Bindewort (vgl. E. 2.). E. 1.2.2. Inhaltsbezogene Typik der Gültigkeitsverhältnisse (bei K l ) Ein negiertes NS-Geschehen von der Art wie ,vorausgesetzt, Gottes Auge sehe es nicht' (344.16, zitiert S. 129) erweist sich auf Grund der allgemein bekannten entgegengesetzten Tatsache, daß Gottes Auge alles sieht, sofort als schlechthin ungültig, und es stellt sich die Frage, ob auch 144

145

146

Wir müssen wie bei allen Konditionalgefügen damit redinen, daß ein Gedanke ausgefallen ist. So fehlt der eigentliche üS 187.9, wo also auch nicht von einer ausnahmsweise vorgestellten negierten konjunktivischen Bedingung gesprochen werden darf. Wenn sich ausnahmsweise dem übergeordneten Satz vorangestellte konjunktivischnegative Bedingungen finden, entsprechen sie einem in der Vorlage auch vorgestellten msi-Satz (lat. Einfluß): 93.2 (üS ist der nachfolgende daz-Satz); 214.15 (bezeichnenderweise hat N einen negativen HS als Zusatz vorangestellt; übersetzter üS = nachfolgender daz-Satz); 290.6. — Nc 166.19/21 kann im üS der Indikativ der Handschrift stehen: Nc 165.21 nechümest. Nicht ganz alle übergeordneten Sätze sind durch ne- negiert, ö f t e r s darf die Frageform als Negation gelten, 32.3 ein K 2. 93.4 liegt nur eine negative Vorsilbe {misse-) vor; andere Verben mit negativen Vorsilben sind aber 112.15 und 172.6 doch durch ne- negiert. — Eigentliche Ausnahmen fehlen N b ; vgl. dagegen Nc 7.19, Nps. 968.11 (CXXVI). Notker übersetzt lat. nisi in folgenden Belegen nicht mit einer konjunktivischnegativen Bedingung ohne Bindewort: 17.20 (K2), 46.13 (K2), 198.11, 228.4 (K2), 317.2 (K 2), 380.21. Von diesen Gefügen hat nur ein einziges einen indikativischen negativen ÜS (198.11), doch ist dieser nachgestellt. Nie also herrschen Bedingungen, wie wir sie für die negierte konjunktivische Bedingung als typisch beschrieben haben. Notkers Ausweichen zum »¿e-Satz verwundert uns also nicht. So macht N 317.2 aus lat. nisi + Partizip einen übe-Satz mit ne- im K 2 , da der üS positiv und nachgestellt ist. 317.15 bei negativem, vorangestelltem üS entsteht aus nisi... jedoch eine neg. konj. Bedingung. — Weiter beachten wir, daß N mit der negierten konjunktivischen Bedingung nur durch nisi allein eingeleitete, also wirklich negierte lat. Konditionalsätze wiedergibt. Heißt die lat. Vorlage aber z. B. nisi quod + positiver Satz, so wird ane daz + positiver Satz gewählt. Das Verhalten des Übersetzers ist hier vom Prinzip größtmöglicher Treue dem Original gegenüber bestimmt.

132

II. Besprechung einiger

NS-Arten

für an sich mögliche Geschehen, wie in .vorausgesetzt, Gottes Gnade tue es nicht' (341.5) aus dem engern Sinnzusammenhang heraus eine Ungültigsetzung anzunehmen ist. Bei der Moduserklärung in diesen Gefügen ist aber zweierlei im voraus zu bedenken: Erstens weist die Modusmischung (üS: Indikativ / NS: Konjunktiv) darauf, daß eine syntaktische Kontamination mit vermutlich komplexer Entstehungsgeschichte vorliegt. (Die Problematik der Genese hat bisher nur zu unbefriedigenden Spekulationen Anlaß gegeben, vgl. HOLMBERG, 29. Ich möchte vermuten, daß ein irrealer H S ausgefallen ist, z. B . : . . . „Dies müßte man sagen, w e n n . . . " . ) Zweitens haben wir es mit einem starren, automatisierten Modusgebrauch zu tun, so daß also kein von Fall zu Fall neues, lebendiges Urteil des Sprechers vorliegt: Wir müssen bei der Erklärung des Konjunktivs ganz vom Satztypus (wie er in Notkers Consolatio-Ubersetzung gebraucht wird) ausgehen. E. 1. 2. 2.1. Die Gültigkeit des voranstehenden üS-Geschehens. Wir beschreiben zuerst die Gültigkeitsverhältnisse im üS, wie sie für fast alle Gefüge auf der Hand liegen, so daß wir sie für satztypisch halten: Im üS setzt der Sprecher ein negiertes Geschehen durch den Indikativ voll gültig, obschon dieses negierte Geschehen nicht schlechthin gültig ist, so daß die Setzung hinsichtlich ihrer Absolutheit der Korrektur bedarf: ,Denn nichts kann geschehen, weder als Tat noch als V o r s a t z . . ( 3 4 4 . 1 6 ) und: ,Der Mensch vermag nicht reich zu sein' (98.21, zitiert S. 129). Diesen übergeordneten negierten Inhalten ist gemeinsam, daß auch — bzw. sogar nur — das dem genannten entgegengesetzte Geschehen gültig ist: Es geschieht etwas in Tat und Willen (344.16); der rechte menschliche Wille kann (durch die Gnade) Erfolg haben (341.5); der Mensch vermag reich zu sein (98.21); Reichtum kann einem andern zufallen (99.29); es gibt Elend (93.16); es ist, existiert jemand (70.27); es dünkt die Peiniger des Boethius nur gut genug, wenn sie mit ihm auch die Philosophie entehren (41.7) usw. Offenbar gehört es — zumindest im Kern — zum gewollten stilistischen Reiz dieses Typus, zuerst mit einer in ihrer Absolutheit unhaltbaren Aussage vorzuprellen und sie nachträglich zu korrigieren. E. 1.2. 2. 2. Die Gültigkeitsverhältnisse in der negierten konjunktivischen Bedingung. Die Aufgabe nun, den mit mehr oder weniger rhetorischer Ironie gesetzten „Fehler" zu korrigieren, übernimmt die negierte konjunktivische Bedingung. Das als Bedingung genannte, stets negierte

E. Konjunktionslose

133

Konjunktivsätze

Geschehen gibt ja an, welche Umstände fehlen müßten, damit die (teilweise — in gewisser Sicht — oder völlig unhaltbare) übergeordnete Setzung bestätigt würde: „Nichts kann geschehen, weder als Tat noch als Vorsatz, vorausgesetzt, Gott sehe es nicht" (344.16). — „Unter den Umständen vermag der Mensch nicht reich zu sein, daß Fortuna ihm den Reichtum nicht verliehe / vorausgesetzt, Fortuna gewähre es ihm nicht" (98.21). — „Es ist kein Elend, vorausgesetzt, man halte es nicht dafür" (93.16). — „Niemand ist (existiert), vorausgesetzt, er trinke nicht aus beiden (Fässern des Jupiter)" (70.27). Nun ist sogleich zu bemerken, daß auch die Negierung der NS-Geschehen unangemessen ist; denn: Gott sieht alles (344.16). — Fortuna gewährt (zuweilen) Reichtum (98.21). — Jeder trinkt aus beiden Fässern des Jupiter (70.27) usw. Die im NS angegebenen Umstände fehlen also nie gänzlich; deshalb liegt der Konjunktiv schon von den objektiven Verhältnissen aus nahe147. Die Ungültigsetzung des NS-Geschehens wird aber automatisch aus dem Gefüge heraus verlangt: Wäre das negierte NS-Geschehen nämlich nicht als ungültig hingestellt, so würde es die „falsche" üS-Setzung bestätigen, statt sie zu korrigieren. Erst ein K 1 Irrealis (vgl. C. 3.4., S. 83 und Anm. 99, 10., 11.) stellt also die Polarität zwischen üS und NS her und ermöglicht die relativierende Wirkung des NS-Geschehens. Auch die Bezugssituation, von der aus das negierte NS-Geschehen als ungültig abgehoben ist, kann innerhalb des Gefüges gefunden werden: im nicht negierten, der ja fragwürdigen Negation entledigten üS-Geschehen. Weil der positive Kern des üS-Geschehens noch zu berücksichtigen ist, muß die Negation des NS-Geschehens durch den K 1 rückgängig gemacht werden. Deutlich machen können wir dies etwa 99.21

Aber inner rihtuom. netmerde zeteilot.

neist anderes-uuioliS

nieht kemeine.

er

147

Einzige (scheinbare) Ausnahme dürfte 187.9 sein (vgl. Anm. 144), doch ist die Verwendung des Typus mit K gut verständlich: Die Einschränkung der Gültigkeit ist eine captatio benevolentiae; es wird zumindest nodi ironisch eingeräumt, daß die Angabe ungültig sein könnte.

148

Nur ganz ausnahmsweise steht schon im üS ein Zeidien dafür, daß das negierte üS-Geschehen nur unter gewissen Bedingungen gültig ist; ein solches Zeichen ist dieses anderes-uuio und 200.18 anderes. Vgl. audi 172.6, w o ein «ie-Satz den üS einschränkt. Die Stelle zeigt schön die grundsätzlichen und stilistischen Unterschiede zwischen übe-Satz (172.4), negierter konjunktivischer Bedingung (172.6) und gewöhnlichem konjunktionslosem Konditionalsatz (172.7).

134

II. Besprechung

einiger

NS-Arten

Die Vorstellung eines gemeinsamen Reichtums kann als Bezugssituation aufgefaßt werden, von der aus das Nicht-Verteilt-Werden ungültig gesetzt werden muß. Der K 1 der negativen konjunktivischen Bedingung ist das Zeichen dafür, daß das negierte NS-Geschehen als momentan oder schlechthin ungültig, als irreal 148 , aufzufassen ist. Er ist als Widerpart der NS-Negation nötig, damit der NS seine Korrektur- oder Relativierungsfunktion im Hinblick auf den üS erfüllt. Der K 1 ist also ein Irrealis, und man mag ihn als Zeugen dafür auffassen, daß auch im gewöhnlichen Konditionalsatz ursprünglich der K 1 als Irrealis I verwendet worden sein könnte. Die ahd. Sehweise läßt sich nhd. nachahmen: ,Denn nichts kann geschehen, weder als Tat noch als Vorsatz, vorausgesetzt, Gott sähe es nicht' (344.16). — ,Der Mensch vermag nicht reich zu sein, vorausgesetzt, Fortuna gewährte es ihm nicht' (98.21). — ,Es ist kein Elend, vorausgesetzt, man hielte es nicht dafür' (93.16). — ,Niemand ist, vorausgesetzt, er tränke nicht aus beiden (Fässern des Jupiter)' (70.27).

E.1.3. Z u s a m m e n f a s s u n g : Der konjunktivischen Bedingung

K l der negierten ohne Bindewort

Das Gefüge mit negiertem indikativischem üS und negierter konjunktivischer Bedingung wird gebraucht, wenn ein negierter Inhalt, der an sich in seiner Einseitigkeit unhaltbar ist, als übergeordneter Satz zwar gesetzt, nachträglich jedoch durch einen NS relativiert oder aufgehoben werden soll, und zwar so, daß die rhetorische üS-NS-Polarität, die das 148

Die Irrealität des (negierten) bedingenden Geschehens liegt z. T. auf der Hand (344.16: gotes ouga nesehe iz), z . T . ist das Gesdiehen an sidi potential (341.5 iz netue gratia dei) und nur aus dem engern Zusammenhang heraus ungültig gesetzt. — Wie 344.16 sind an sidi irreal: 70.27, 41.8, 214.15. — Aus dem Zusammenhang spontan als irreal aufzufassen: 74.13, 93.21, 115.24, 200.18 (bes. eindeutig: ,als wenn sie nidit 'wären' = „als wenn sie sind"). — Wie 341.5 an sidi potential: der anfangs zitierte Satz 98.21, 93.2, 261.19, 294.10, 99.21/29, 2 9 0 . 6 ; vgl. audi K 2 : 148.12 f., 267.30, 32.3. Auf eine (scharfe) Grenzziehung zwisdien den beiden Gruppen kommt es aber nidit an. Die temporalen Qualitäten der Ungültigsetzung, d. h., ob sie schlechthin andaure, so daß die Verwirklichung unmöglich ist, oder ob sie nur momentane Geltung habe, können zwar von Fall zu Fall an Inhalt und Kontext abgelesen werden, doch sind sie nebensächlich, da es bei diesem satztypisdien Konjunktiv auf die Ungültigsetzung an sich ankommt, nicht auf Nuancen der objektiven Gültigkeit der für die Füllung des ja vorgegebenen Satzplanes als geeignet befundenen Inhalte. J e nadi dem Text mag also diese oder jene Sinneifekt-Variante ablesbar sein; wir haben den Sonderfall 187.9 in Anm. 147 behandelt. Fälle mit positivem üS wie N c 7.19 behandeln wir nidit, da sie in der Consolatio-Übersetzung fehlen, dodi glauben wir, daß sie sidi analog unserm Typus erklären lassen.

E. Konjunktionslose

Konjunktivsätze

135

Gefüge kennzeichnet, sich innerhalb des N S als Polarität zwischen Negation und K 1 wiederholt: Während die üS-Aussage durch die negierte konjunktivische Bedingung korrigiert wird, besorgt in deren eigenem Bereidi der K 1 dieselbe Konterdetermination: Er hat das negierte NS-Geschehen ungültig zu setzen. So enthält der N S eine durdi einen K 1 Irrealis als nicht gültig bezeichnete Angabe über fehlende Umstände, welche allein, wenn sie schlechthin gültig wäre, d. h., wenn die Umstände wirklich fehlten, die allzu kategorische übergeordnete Aussage zu bestätigen vermöchte. Diese synchronische Beschreibung der Gültigkeitsverhältnisse f ü h r t natürlich mitten in die diachronische Problematik hinein. Als lebendiges Zeichen mit dem lebendigen Sinneffekt der Ungültigsetzung im Sinne des längst als Irrealis I zur Herrschaft gelangten K 2 darf dieser satztypische K 1 kaum mehr betrachtet werden. Auch falls wir annehmen dürfen, daß der K 1 einst in allen Konditionalsätzen als Irrealis lebendig gewesen ist, finden wir in diesen besondern negierten Gefügen doch nicht die normalen alten Verhältnisse. Da die Wirkungen der Negation und des K 1 einander weitgehend aufheben, herrscht ein satztypischer Schwebezustand, der die ursprüngliche Irrealisbedeutung des K l gerade so weit verwischt, daß kein Bedürfnis entstand, den deutlicheren K2 heranzuziehen (Anm. 100). Da andrerseits die Negation ne- nach Notker noch gut zweihundert Jahre lang fest bleibt, ist die ursprüngliche Irrealisfunktion des K 1 zu Notkers Zeiten vielleicht doch noch nidit ganz verblaßt. Ihr völliges Verblassen wird erst durch den Wegfall der Negation ne- belegt: Er war die Folge davon, daß der K 1 seinen ursprünglichen Irrealis-Nutzwert im Laufe der Zeit verloren hatte. E. 1.4. K 2 i n d e r Bedingung

negierten

konjunktivischen

Wenn der K 1 der negierten konjunktivischen Bedingung ein alter Irrealis I sein soll, erhebt sich sogleich die Frage nach der Funktion des K 2, der in diesem Satztypus auch vorkommt 150 . E. 1.4.1. Indikativischer üS 267.30

150

(freier Zusatz) Unde neuuas nioman in tota grecia... er neskeindi iz tar. ( , . . . vorausgesetzt, er hätte es nicht dort gezeigt / . . . so, daß er es nicht dort gezeigt hätte.')

Bei K 2 besteht allerdings eine Tendenz zu negiertem übe-Satz; vgl. die Angaben in Anm. 146.

136

II. Besprechung einiger

NS-Arten

Dieser K 2 ist offensichtlich ein Irrealis der Vergangenheit. Das Geschehen des präteritalen üS ist, für sich genommen, auch ungültig. Dieses Gefüge ist den eben besprochenen präsentischen mit K 1 in jeder Beziehung gleidi, ausgenommen die Tempusstufe (mit ihrem modalen Sinneffekt)161. Der Beleg bestärkt uns in der Vermutung, daß es eine germanische Sprachstufe gegeben haben kann, auf welcher der K 1 als Irrealis I, der K 2 als Irrealis II fungierte. Vgl. auch 112.15. C 226.4 steht K 2 als Irrealis I (nach dem lat. Vorbild und in Analogie zum Modusgebraudi in gewöhnlichen irrealen Konditionalgefügen). E. 1 . 4 . 2 .

K 2 imüS

In 32.3 liegt Interferenz mit dem K 2 der indirekten Rede nach präteritalem üS vor (vgl. 214.15 / K l ) ; die Bedeutung ist präterital (Irrealis II). Um Irrealis I handelt es sich dagegen 317.15 (gegen lat. K l Potentialis); 148.12 f. Da der K 2 schon im üS steht, ist die rhetorische Polarität, die wir sonst im Normalgefüge finden, gebrochen; der Hörer wird über die Einschränkung der Gültigkeit des negierten üS-Geschehens sogleich orientiert. Es liegt eine Kontamination mit dem gewöhnlichen irrealen K 2-Konditionalgefüge vor; der K 2 aber hat keine andere Funktion als der sonst übliche K 1.

E.2. D i e k o n s e k u t i v e n n e g i e r t e n K o n j u n k t i v sätze ohne B i n d e w o r t (Modalsätze) E . 2 . 1 .

Typus

mit

Kl/Irrealis

I

Mit einem Gefügetypus, der sich von dem mit negierter konjunktivischer Bedingung äußerlich nicht unterscheidet (vgl. E . 1 . 2 . 1 . , S. 1 3 0 ) , gibt N auch lat. Konsekutivsätze wieder: Ob ein konsekutiver Modalsatz vorliege oder eine Bedingung (so 9 9 ) , können wir 5 3 . 1 0 nicht entscheiden:

WUNDERLICH, 151

HOLMBERGS Behauptung (p. 19, 9 6 ; Belege: p. 104), der Irrealis II bewirke, daß der „Exzeptivsatz" vermieden werde, wird durch dieses Beispiel widerlegt. HOLMBERG hätte nicht übersehen dürfen, daß die betreffenden nisi-Sätze (p. 19) vorangestellt sind, was sich qieistens gegen den Gebrauch des „Exzeptivsatzes" auswirkt; vgl. Anm. 144.

E. Konjunktionslose

Konjunktivsätze

137

53.10

Unde uuio maht tu uuizen daz ana-genne (Gott), du neuuizist taz ende (Gott) (: ut ignores)? Das Wissen des einen hat das andere zur Folge und setzt es voraus: beides wird zugleich gewußt. Dagegen ist das Satzverhältnis 91.25 nicht ambivalent, sondern eindeutig konsekutiv: 91.25

Uuer ist so uollun salig. er neringe eteuuar umbe sin ding? / ... ut non rixetur, /, ... so..daß er nicht aus irgendeinem Grunde zu seinen Verhältnissen in Widerspruch stünde?'

Der iiS enthält hier einen gültigen — durch so abgestuften — Inhalt, der nicht noch durch einen NS relativiert werden muß. Die durch den NS gegebene Folge, das Nidit-Hadern, ist jedoch audi irreal gedadit: Es wird der Grad von Glückseligkeit angegeben, der von niemandem erreicht wird. Der K 1 stellt als Irrealis I den Bezug zur entgegengesetzten realen Situation her: Jeder ringt mit seinen Verhältnissen. Jeder K 1 dieser Sätze ist Zeichen der Ungültigsetzung des negativen Geschehens. Zweck dieser Ausdrucksweise ist es, die Gültigkeit des positiven Geschehens zu betonen. Wir zählen insgesamt 10 Beispiele mit K l 152 und 4 mit K 2. E.2.2. T y p u s m i t K 2 / I r r e a l i s I I Jedesmal bezeichnet die K 2-Form dieser seltenen Reliktsätze einer früheren, der Parataxe noch näher stehenden Ausdrucksweise ein Geschehen als in der Vergangenheit ungültig; der K 2 ist also ein „Irrealis der Vergangenheit". 38.7

18!

(wie Lat.; präteritale Lage) Unde uuer gesah noh so geeinote ding)man... iro etelichen neuuanti / ,so geeinte Richter, daß keiner sich vorgestellt hätte.. 91.25: 23.3; 153.24 (ahd. Interferenz mit Attributsatz); 93.28 (Interferenz,

bes. wenn man den vorangehenden Konsekutivsatz als üS auffaßt, mit finalem Objektsatz, vgl. Analoges bei den Objektsätzen, z. B. 7.14); 95.25 (fr. Zusatz, zeigt den Ubergang zur neg. konj. Bedingung); 353.8 (fr. Zusatz, schon bei WUNDERLICH, 100, als Konsekutivsatz ohne Bindewort erwähnt. Konditionale Auffassung dieses Modalsatzes auf Grund des Inhaltes unmöglich); 320.20 (fr. Zusatz, ist nach nhd. Kategorien bloß Objektsatz; die Interferenz ist auch WUNDERLICH aufgefallen, er bringt den Satz zweimal, sowohl bei den Objekt- als audi bei den Konsekutivsätzen. ,Sieh zu, ob ich wegen der Leute Wahn zulasse, [so] daß ich nicht sagen würde, was ihnen...'); 137.17 (fr. Zusatz. Falsche Konjektur inthabe für hs. enthabe, das vielleicht als eine Verstümmelung von ne-inthabe aufzufassen ist. Die Verneinung dürfte nicht fehlen!). — Vgl. auch HOLMBERG, 35.

138

II. Besprechung einiger

NS-Arten

(lat. k o n s e k u t i v e r R e l a t i v s a t z , auch m i t K 2 ) . . . ih neuuart

152.26

. . . so inbunden

mines

muotes.

ih neangesti

umbe

nio

eteuuaz

/

, . . . d a ß ich mich nicht g e ä n g s t i g t h ä t t e / ( f r e i e r Z u s a t z ) Uuanda

294.13

( , v e r s t o p f e n ' ) ne/mabta. ana mit temo fiure.

er (bereutes) iz nebrache

iz peuuerfen

unde

io uz. pediu

bestozen

gieng

er iz

/ , . . . so d a ß es nicht w i e d e r überflössen

wäre...' ( f r e i e r Z u s a t z , O b j e k t s a t z ) Tara-nah

112.15

nieht. er nescribe

de offieiis.

neuerliez

ouh

ambrosius

/ , . . . (so) d a ß er n i c h t . . . geschrie-

ben hätte.'

E.2.3. K o n s e k u t i v e ohne

Bindewort:

Seite, Zeile

negierte

Konjunktivsätze

Übersicht

lat. Vorlage

ahd. üS negiert (fragend)

NS-Verb: Zweitstellung negiert

K 1: vgl. Anm . 152 53.10 91.25 93.28 153.24 23.3 95.25 137.17 168.3 320.20 353.8 K 2 38.7

ut ignores ut rixetur quominus abeat ut nequeat H S (Rel. Anschluß) freier Zusatz »

»

n

n

n

»

M

»

ut non

summitteret

152.26

quin angerer

112.15 294.13

freier Zusatz

TOTAL: 14

»

»

uuio maht tu uuizen ...? Uuer ist so salig? nio so suoze neist tero tugede nehabet so michel neist nieht indrinnen nemag neuuelle intuuichen uuerdent ze guotef sih, übe ih ... laze Uuelih mag geskeiden?

du neuuizist er neringe si nerume in nemuge iz nesi er negefahe in ih enthabe du nesist ih nesagee siu nesin

uuer gesah so geeinotei

iro etelichen neuuanti ih neangesti

ih neuuart nio so inbunden neuerliez er nemahta

er nescribe iz nebrache

E. Konjunktionslose

139

Konjunktivsätze

E.3. D i e

nube-Sätze

E. 3.1. Ü b er s i c h t ahd. üS negiert (fragend)

Seite, Zeile

lat. Vorlage

1.

173.3

so nemenget

nube salig si

2.

256.10

nezuiuelot

nube ... si

3.

285.8

nihil causq est. quin dicantur quin sit... nullus ambigit nec ambigo quin satisfacerem (K 2)

ih nezuiueloti (K 2 gegen Lat.)

nube ih solti geuuillon (K 2, + MV)

4. 5. 6.

95.13 95.13 197.19

Taz nemag nio ze leibo uuerden so neist zuiuel nehein

nube er sia uuize aide neuuize nube .. . si

7.

280.25 290.17 95.4

Uuer mag tes kelougenen? nezuiuelo des So neist nebein zuiuel

nube guot si

8. 9. 10.

351.8

uel seit earn. uel nescit non potest dubitari + Acl ( + ) quisquam negabit + Acl ( + ) ne dubites + Acl ( + ) manifestum est quin non posset (K 2) fit ut

11.

362.3

12.

182.26

1.— 3.: 3.: 4.—11.: 5. u. 9.: (+): (—):

NS

So neist nehein rat

nube . . . uuerde nube nieht kehelfen nemugin ( K l ) nube gesmizen uuerden

quasi nos credamus + Acl (—) (non esse euentura ea)

Samoso ih zuiueloe

nube geskehen sulin

freier Zusatz

nemag zuiuel

nube enen zuein daz tritta folgee

nehein sin

wie Latein ausnahmsweise K 2 : Bezug zum vorangehenden irrealen Konditionalgefüge, ahd. audi im iiS. abweichend vom Latein ausnahmsweise verneintes NS-Gesdiehen (vgl. Latein) affirmative Aussage negierte Aussage

E. 3.2. D e r K l d e s nubeSatzes Notkers nube-S'itze haben die Funktion von Objekten, Attributen und Subjekten. Sie stehen nach negativem üS und sind durch Konjunktiv gekennzeichnet. Dem Sinne nach enthalten sie aber, so meinen wir auf den ersten Blick, stets eine Tatsache, ausnahmsweise auch eine negierte154. 1SJ

95.4, 95.13. Bei O kommt weitere Negierung nicht vor (WUNDER, 270, 274), ebenso fehlen nach WUNDER, 270, bei O durch nube eingeleitete Subjektsätze. Hingegen findet sidi bei O eine starke Gruppe konsekutiver ««¿-Sätze, die bei N fehlen

140

II. Besprechung einiger

NS-Arten

Vermutlich liegt aber ursprünglich doch derselbe Konjunktiv vor wie in der konjunktivischen negativen Bedingung 154 . Das n- aus nube weist als verneinendes Element auf die Verwandtschaft des »«¿e-Satzes mit den andern verneinten Konjunktivsätzen (ohne BW). Dessen anderes Element, übe, weist auf Beziehungen zur indirekten Frage und zum Konditionalsatz. Zudem diente die Partikel nube ( = lat. nisi) einst zur Exzeption (HOLMBERG, 58 f.; WUNDER, 279). WUNDERLICH, 110, überdies meint, einen nube-Satz wie 280.25 (HATTEMER, 184a.23) zu den Folgesätzen zählen zu müssen. Gut belegt ist der konsekutive nube-Satz bei Otfrid (WUNDER, 273). So kommt bei diesen Sätzen, diachronisch gesehen, wieder alles zusammen: Es interferieren die Funktionen der Bedingung, der Folge und der Exzeption sowie die Funktionen eines Objekts und einer Frage. Der Konjunktiv der nube-Sätze wird dann erklärlich, wenn wir ihn als Korrelat der Negation n- in nube auffassen. So finden wir im üS doppelte Negierung durch eine Negation und ein an sich negatives Wort, im N S doppelte Negierung durch eine Negation in der Konjunktion und durch den K 1 ; der Zweck eines solchen Überflusses an Negationen, die einander aufheben, kann nur der sein, eine Wahrheit herauszustreichen, eine positive Behauptung zu verstärken: 182.26

(Tabelle: 12.) 'Es kann kein Zweifel sein, ob jenen zweien das dritte nicht folgen würde.' = Es ist so, daß folgt. 362.3 (Tabelle: 11.) 'Als ob ich zweifelte, ob die nicht geschehen würden.' = Ida weiß, daß geschehen. In diesem letzten Gefüge zeigt sich ein schöner Parallelismus der Ausdrucksweise in über- und untergeordnetem Satz, indem je eine Negation durch K 1 Irrealis und je eine innere, im Wort versteckte Negation {zuiu-; n-ube) zum Zuge kommen. Doch stellt sich hier die Frage nach der Lebendigkeit der Konjunktivbedeutung: Der K 1 nach samoso ist ein lebendiger Irrealis 155 ; der Bezug zur entgegengesetzten Situation ist offen(WUNDERLICH, 109, 110, faßt 256.10, 280.25, 290.17 als Konsekutivsätze auf). Die bei Notker feststellbare Konzentration der nube-Sätze auf das negierte Verb „zweifeln" im üS ist bei O nicht festzustellen (WUNDER, 268). 154 Vgl. HOLMBERG, 28, A. 2. — Vgl. ERDMANN, 1874, 28/29 (K2), doch versucht ERDMANN, 153/155, die Aufhebung der Negation in den K 1-Sätzen anders zu erklären. — Den K des entsprechenden lat. quin führt LEUMANN-HOFMANN-SZANTYR, 576 f., auf die dubitative Frage zurück. »5» Vgl. HANDSCHUH, 120. — Vgl. Schluß des 2. Merseburgers; ERBEN, Festschrift Baetke, 119, hätte den Modus nidit als Stütze für seine Interpretation in Anspruch nehmen dürfen.

E. Konjunktionslose

141

Konjunktivsätze

sichtlich. Im nu.be-Satz aber kommt es auf die Beteuerung der Gültigkeit an, und es könnte sein, daß die Negation nicht mehr empfunden und nube schon ähnlich wie daz gebraucht worden ist. Mit einem solchen Bedeutungswandel, auf den die Negationen in Nr. 5 und Nr. 9 hinweisen, wäre das Verblassen der ursprünglichen Irrealisfunktion des K 1 verbunden (zugleich als Ursadie und als Folge). Unsere Analyse hat also vielleicht zu einer historischen Moduserklärung geführt, und der aktuelle Nutzwert des Konjunktivs wäre nicht von n-, sondern von andern Kontextelementen her zu verstehen, z.B. vom üS her, analog dem fordernden Konjunktiv in daz-S'ixzen nach ist not (vgl. S. 162; S. 196 *158, S. 197 *187).

E.4. K o n j u n k t i o n s l o s e A t t r i b u t s ä t z e (nur mit K l ) E.4.1. U b e r s i c h t Seite, Zeile

lat. Vorlage

ahd. üS negiert (fragend)

1.

174.13

neist nehein zuiuel

2.

174.16

nihil dubium est. quin sint ... nec valeant

3.

196.251

Tes nemag nehein laugen uuesen

4.

231.14

ist tanne zuiuel?

siu nesin uuillig

5.

231.17

Sed quin exist at. sitque ... negari nequit num dubitari potest. quin regantur Seque conuertant

dise finf uuega nesin auuekke ... noh sie niomannen nemugin dara folieleiten (Drittstellung) iz nesi. unde iz nesi Urspring alles kuotes.

NS-Verb: Zweitstellung negiert

Unde siu neuuerben Endstellung affirmativ

6.

1

96.17

7.

305.9

8.

37.4

dubitari nequit. quin labatur Quae potest iniquior esse, quam ut... contingant fas fuerit... nos quoque perditum ire uoluisse

neist nehein zuiuel uuelih ununderskeit mag unrehtera sin? si ouh muoza dien argen

alle mennisken . . . uaren tanne ... pegagene

ouh mih kerno uerliesen!

Lat. quin geht 196.23 ausnahmsweise voraus; Notker stellt seinen konjunktionslosen Negationssatz aber nadi.

142 1

II. Besprechung einiger

NS-Arten

DIELS, 196, zählt auch 37.4 zu den konjunktionslosen Konjunktivsätzen. Tatsächlich steht in der Handschrift Konj. -en. SEHRT und LINDAHL fassen die Verbform als Infinitiv auf, wobei die ahd. Konstruktion durch die Konjektur allerdings noch nicht dem lat. A c l entspricht. D a das Geschehen noch nicht verwirklicht ist, muß mit Konjunktiv gerechnet werden: ,Es sei den Bösen, die . . . , gestattet, daß sie auch mich gerne verdürben.'

E.4.2. D e r

Kl

ist Z e i c h e n

der

Ungültigkeit

Die Gefüge 1—5 entsprechen ganz den Gefügen mit einem nubeSatz, nur daß das einleitende tiube fehlt 158 . Wiederum soll durch die negative Ausdrucksweise gerade das positive NS-Geschehen als gültig herausgestellt werden. So ist auch der K 1 dieser Sätze Zeichen für die Irrealität des negativen NS-Geschehens: Die fünf Wege sind Irrwege (174.13), sie können niemanden ans Ziel bringen 157 ; das Gut existiert, und es ist der Ursprung, es ist die Quelle aller Güter (196.25) usw. 96.17 und 305.9 158 heben sich durch nicht negiertes NS-Geschehen und durch Endstellung des finiten Verbs ab; bei beiden ist ein weiterer N S (übe ...; tanne...) im Spiel, beide finiten Verben nennen ein positives Geschehen, das, vom N h d . her gedacht, nicht eindeutig ungültig ist. Der Konjunktiv 96.17 uaren bezeichnet aber ein Geschehen, das nur unter einer falschen Voraussetzung gültig ist, bzw. eben „wäre". 305.9 zitiert die Philosophie einen Inhalt, den Boethius zwar als Tatsache vorgebracht hat, der aber von der höhern Warte der Philosophie aus auch ungültig ist. Wir haben somit genügend Anlaß anzunehmen, daß Notker auch hier, wo im N h d . der Indikativ oder der K 2 Irrealis gebraucht werden müßte, den K 1-Satz zum Ausdruck der als ungültig empfundenen Geschehen verwendet habe, so daß der ahd. K 1 in der Bedeutung einem nhd. K 2 entspricht.

156

WUNDERLICH, 101, zählt 174.13 usw. z u d e n K o n s e k u t i v s ä t z e n , 196.25 fehlerhaft

als Objektsatz von lougenen. 157

Einzig 174.16 kommt dem negierten Geschehen Realität zu, doch ist zu beachten, daß es sich bei dieser Ausnahme nicht nur um den zweiten Satz nach einem Parallelsatz, der dem Haupttypus entspricht, handelt, sondern daß in nemugin die normale Einheit Negation-Irrealis gesehen werden kann, zu der dann die Verneinung nioman tritt.

158

Ein danne-Satz (vgl. HANDSCHUH, 24) liegt nicht vor; dieser ist erspart. Er stünde übrigens, nach BEHAGHELS Regel (III, 626), im Indikativ.

E. Konjunktionslose

143

Konjunktivsätze

E.5. D i e k o n j u n k t i v i s c h e n O b j e k t s ä t z e ohne Bindewort (BW) E. 5.1. Ü b e r s i c h t Seite, Zeile

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Kl 61.15 98.28 115.6 115.7 182.5 34.13 59.12

8. 9. 10. 11.

K2 52.26 54.5 187.26 330.9

12. 13. 14.

35.18 108.17 261.22

lat. Vorlage

ahd. üS

Acl HS (Frage) HS (ammouebis) j» » Acl Acl HS (Konj. Perf.)

tu uuanest uuanest tu? uuanest (tu)?

freier Zusatz

si uuolta si uuolta Taz uuolta ih Ih uuolta

n

n

»

9)

n

n

utinam esset utinam redirent utinam non possent

-

(.)?

uuanest tu? ih neuuano ih neuuano

uuolti got uuolti got uuolti got

affirmatives NS-Verb: Endstellung Drittstellung

habe geuuehselot tiurera si1 eruuekkest pringest dürftig si mir muoza si turfe2 er chade er chade tu dar-mite chadist si rahti Anfangsstellung: habetin uuir deheina eruuündin nemahtin

Negierte Konjunktivsätze Kl

15.

88.22

16.

116.8

17. 18. 19.

166.8 166.9 250.17

20.

K2 7.14

21.

51.27

lat. Vorlage

ahd. üS negiert

choro mih uberuuinlicet reputes quam pluribus abund.es den (affirmativer (positive Wortfrage) Imperativ) ter daz ketuon ejficere ne ( + Begehrssatz) nemag positive Infinitive in diu manne nieht penemen nemag neg. RS Ih nezuiuelon ouh nec dubito quin p ossis nullus potuit peruin- nemahta eruuenden cere ne prosequerentur quin regerentur nezornotost

NS-Verb: Zweitstellung negiert tu neeigist imo nemuge begagenen. daz selba in nebizen sorgun unde in negerten tu nemugist

sie nefuorin siu neuuürtin

Nicht aufgeführt sind die wenigen gewöhnlichen indirekten Reden nach chit-, 1 X K L : 95.26 ( f r e i e r Z u s a t z ) ; K 2 : 66.24, 76.2, 138.12, 173.10. V g l . DIELS, 195. Bei

144

II. Besprechung einiger NS-Arten

Otfrid ist der Konjunktivsatz nach quedan noch viel häufiger: 68 X gegenüber 26 dazSätzen. Vgl. W U N D E R , 239, 194. 1 Von D I E L S , 1907, 196, als konjunktionsloser Satz bezeichnet; Interferenz mit entsprechendem daz-Satz. 1 59.12: türfe der Hs. ist der Konjektur S E H R T S , türfen, vorzuziehen {ih nach ouh ausgefallen?). Einige Male treten konjunktionslose Konjunktivsätze in größerer Konzentration auf; die ungleichmäßige Verteilung über den Gesamttext ist vielleicht Zeichen der Relikthaftigkeit: Nb 88—99: Bedingungen: 93.2/16/21; 99.21/29; Folgen: 91.25, 93.28, 95.25; Attribut: 96.17; »»¿e-Sätze: 95.4, 95.13 (2 X ) ; Objekt: 88.22. Nb51—61: Objekte: 51.27, 52.26, 54.5, 59.12, 61.15; Bedingung/Folge: 53.10. Vgl. auch Nb 250—290 und Nb 160—200. E.5.2. O b j e k t s ä t z e

zu

übergeordnetem

uuanen

E . 5 . 2 . 1 . Indikativ für voll gültige Geschehen 85.19

Ih uuano du betrüge

3 7.8

Ih uuano du gehugest

dia fortunam

...

uuola . iM

Subjekt des Wähnens (der A n n a h m e ) ist der Sprecher selbst; Subjekt des angenommenen untergeordneten Geschehens der Angesprochene. Gerade in dieser Situation w i r d der Indikativ als Mittel, die volle Gültigkeit auszudrücken, wichtig: D e r Sprecher gibt kund, d a ß er weiß (nicht bloß w ä h n t ) , w a s der andere getan hat oder tut 1 6 0 . E . 5 . 2 . 2 . D e r Konjunktiv als N o r m a l m o d u s nach uuanen ( K 1) Ist nun aber der Angesprochene Subjekt des Wähnens (vgl. E . 5 . 1 . Übersicht, N r . 1 — 5 ) , so wird der Konjunktiv wichtig, wenn der Sprecher 159

160

Indikativ in konjunktionslosen eindeutig untergeordneten Nebensätzen fehlt bei N beinahe ganz: 18.1 vgl. Anm. 166; evtl. 90.13 tu noh habest, abhängig von uueistl — Mhd. Beispiele für Indikativ nach dünken und wähnen gibt WILMANNS III, 243. Über den Zustand bei Otfrid vgl. W U N D E R , 254 {uuanen mit K : p. 259, 240, 244; daz-. 199 f.). Als Sonderfälle betrachten wir Sätze mit parenthetischen uuanen, die nicht von diesem Verb abhängig sind: 98.1 ... so ist nu ze uahenne uuano ih ze starcheren redon (puto utendum esse). 113.10 ... also du uuano ih kehugest... 146.26 Irront tie uuanest. tie daz pezesta ahtont eruuirdigosta? (uuanest = ahd. fr. Zusatz!) 255.21 . . . uuederer dero uuanest tu gemag merf Hier liegen ironisch-polemische Parenthesen vor, welche die volle Gültigkeit eines Inhaltes herausstreichen sollen. Eingebaut in die rhetorischen Fragen 146.26 und 255.21 verstärken sie die Forderung nach der allein gültigen Antwort.

E. Konjunktionslose

Konjunktivsätze

145

kundtun will, daß dem Objektsgeschehen dieses Wähnens keine volle Gültigkeit zukommt: 182.5 Uuanest tu daz niehtes turftig neist. mähte dürftig si? Nein cbadih1«1. Dieselbe Funktion, die eingeschränkte Gültigkeit einer falschen, ja objektiv ungültigen Meinung zu bezeichnen, hat der K l — präteritale Belege fehlen — auffälligerweise in allen konjunktionslosen Objektsätzen nach uuanen. Nach ih neuuano betont der Sprecher, er selbst sei frei von einer ungültigen Meinung. Dieselbe grundlegende Situation des Textes führt also wiederholt zum selben übergeordneten Verb in typischer Form (2. Sg. fragend, 1. Sg. verneint) und zum selben Konjunktiv im Objektsatz; beide, das übergeordnete Verb samt seiner Form und der Konjunktiv, sind gleicherweise Zeichen der zugrunde liegenden Situation, sind beide gleichermaßen bedingt192. Mit uuanen und dem Konjunktivsatz drückt Notker immer das Glauben, bzw. Nichtglauben eines objektiv ungültigen Inhalts aus. Es liegt also wohl nicht einfach ein Konjunktiv der indirekten Rede vor, der im Wert einem entsprechenden nhd. K 1 gleichkäme, und es genügt auch nicht, zur Erklärung des Konjunktivs auf die „Subjektivität" (des Wähnens) zu weisen. E. 5.3. N e g i e r t e k o n j u n k t i v i s c h e S ä t z e (15.—19. d e r Ü b e r s i c h t E. 5 . 1 . ) Eine Anzahl Gefüge mit konjunktivischen Objektsätzen stimmen zumindest äußerlich mit jenen überein, die wir in Gruppen von konseku181

DIELS, 194, WUNDERLICH, 106, u n d BEHAGHEL zitieren 182.5 als o r a t i o o b l i q u a . —

WUNDER, 259 (p. 240, 257), sieht ein ursprünglich futurisches Verhältnis zwischen N S und üS als Grundlage für die K-Setzung an. Vgl. WILMANNS III, § 120. i«2 Vgl. I. 8. 3., S. 11. Der für uns grundlegende Gedanke, daß nicht das übergeordnete Verb den K des N S auslöst, findet sich sporadisch bei WILMANNS (III, 242, 245, 2) und einmal auch bei BEHAGHEL, 1877, 21. — K in anderer Situation bei O: I, 25, 20; I, 27, 11. — N braucht bei derselben Grundsituation aber nicht etwa bloß Konjunktivsätze ohne BW, sondern auch A c l oder ¿«z-Sätze. 1. A c l nach uuanen-. a. Meistens auch nach fragendem uuanest tu?; z . B . : 51.9/10, 187.24,201.27/28, 269.13, 283.11, 86.19,116.7,146.15,183.6, 363.23, 311.2. b. Seltener nach uuanen in N S ; z. B.: 105.32, 141.22, 314.18, 345.2/10. c. Ganz ausnahmsweise unabhängig vom Latein; z. B.: 248.12, 349.5. d. Ganz ausnahmsweise für objektiv gültiges Geschehen, dann aber nach neg. neuuanest tu?; z. B.: 319.5, 357.25, 345.14 (?). 2. daz-Sätze nadi uuanen (auch in der 3. Sg.). Freie Zusätze: 16.7 (K 2), 345.16/17, 145.17 (K 2). In der Obersetzung fast immer für A c l : 132.13, 226.11/13, 274.22 10

Furrer

146

II. Besprechung einiger

NS-Arten

tiven Modalsätzen und negierten konjunktivischen Bedingungen zusammengestellt haben. (Auf eine besondere Gruppe mit Finalsätzen haben wir verzichtet.) Hinsichtlich der Funktion sind Übergänge festzustellen. 8 8 . 2 2 steht die Negation gegen das lat. Vorbild; der Satz hängt von einem ahd. Zusatz mit Imperativ ab 1 9 3 ; er erinnert an eine negierte konjunktivische Bedingung und darf nicht als indirekte Rede abgetan werden. Jedenfalls ist das negierte Geschehen (neeigist) objektiv ungültig (»vorausgesetzt, du hättest nicht noch genug von manchen Glücksgütern'). 116.8 ist abhängig von einem übergeordneten Verb des Bewirkens; es zeigt sich eine Interferenz mit dem konsekutiven Satzverhältnis (WUNDERLICH, 100, HATTEMER, 81 b. 2/3), das negierte Geschehen ist ungültig. Ebenso verhält es sich 166.8/9 und 250.17. Wiederum ist die Tatsache festzuhalten, daß Notker diese Konjunktivsätze nur braucht, wo die negierten Geschehen objektiv nicht gültig sind. E.5.4. K o n j u n k t i o n s l o s e

Objektsätze

mit

K2

Außer den indirekten Reden (vgl. Anm. zur Übersicht E. 5 . 1 . , S. 143) sind zwei Gruppen zu unterscheiden: Die Negationssätze Nr. 20 und 21 nach präteritalen übergeordneten Verben enthalten ungültige negierte Geschehen. In der Gruppe N r . 8 — 1 4 steht als übergeordnetes Verb uuellen (uuolta oder uuolti)Ui; diesen Sätzen wenden wir uns jetzt zu.

1.3

1.4

(: Ncl), 347.23, 363.19/21, 383.19 ( K 2 ) ; 95.31 (: Gerundiv), evtl. 98.28 (: HS, vgl. S. 144, Anm. 1); 141.17 (: RS), 186,16 (: HS). 3. Bloßer Infinitiv: z. B. 115.14. — M A N T H E Y , 7 2 , verzeichnet für Nc „ausnahmslos" K nach uuanen. Diesem vereinzelten konjunktionslosen Satz entsprechende konjunktivische dazSätze nach Imperativ sind auch selten: 359.20 nu cbeden. daz... nesi (objektiv ungültiges Geschehen); 194.11/12 kib . .. taz muge (noch nidit gültiges, erwünschtes Geschehen). Im allgemeinen steht der daz-Satz nach Imperativ im Indikativ: 74.20, 88.17, 93.1, 110.14/16, 123.29, 183.13, 202.7, 220.24, 267.10, 320.17 (1. PL); 75.11. Relativsätze nach Imperativ, die den daz-Sätzen unter Umständen (88.15) zum Verwechseln ähnlich sehen, haben Konjunktiv, wenn das Geschehen noch nicht gültig (futurisch) ist: 314. 25,98.12,128.23/24,152.9, 66.13; wenn es sich um voll gültiges Geschehen (Tatsachen), zumeist der Vergangenheit, handelt, aber Indikativ: 49.23, 152.18, 183.11 (Präsens), 229.11, 267.6. Der Konjunktiv ist bei all diesen Sätzen Zeidien eingeschränkter Gültigkeit, und nicht bloß Reflex auf den übergeordneten Imperativ. Etwa 314.25 zeigt, wie beide, Imperativ und Konjunktiv, gleichermaßen durch die Situation bedingte Zeichen für noch nicht gültiges, futurisdies Geschehen sind. daz-Sätze nadi prät. oder irr. uuellen sind selten: uuolton mit daz-Satz + K 2 von sin ze als Zeidien der indirekten Rede: 367.14 (freier Zusatz); uuolti mit daz-Satz + K 2 sogar für lat. „un verbundenen Konjunktiv": 53.20; in freiem Zusatz: 76.2.

E. Konjunktionslose

Konjunktivsätze

147

E. 5.4.1. Uuolti got + Konjunktivsatz (K 2) Wie im irrealen Konditionalsatz bezieht der K 2 das der Formel uuolti got untergeordnete Geschehen auf die entgegengesetzte Situation: 35.18 Uuolti got habetin uuir deheina (libertas). Nu neist tes nieht. Es ergibt sich der Sinneffekt der Ungültigsetzung für die Gegenwart und, vom übergeordneten uuolti got her, der Sinneffekt des Wunsches185. Die ungewöhnliche Anfangsstellung des NS-Verbs (Inversion) ist am ehesten so zu erklären, daß der Bildung ein irreales Konditionalgefüge zugrunde liegt, in welchem uuolti got ursprünglich der konjunktionslose NS gewesen ist, der die Inversion ausgelöst hat (vgl. WILMANNS III, § 115, 4., BEHAGHEL II, § 673, § 672, D A L , 148). Dieses erste Auftreten des K 2 als Wunschmodus im deutschen H S zeigt, daß bei der Rückführung der NS-Modi auf HS-Modi Vorsicht am Platze ist; hier liegen die Dinge wohl umgekehrt. Durch das Latein vielleicht angeregt (uuolti got vertritt utinam), ist es, ausgehend von einem echt ahd. NS-Konjunktivtypus, zur Bildung eines neuen HS-Konjunktivtypus gekommen. E. 5.4.2. uuolta + Konjunktivsatz (K 2) uuolta (affirmativ) mit einem konjunktionslosen Objektsatz im K 2 steht immer ohne lat. Vorbild in freien Zusätzen. WUNDERLICH, 116, verzeichnet solche Sätze als indirekte Reden. Vermutlich ist aber mit dem Hinweis auf die indirekte Rede und die Consecutio temporum nicht alles gesagt. Schon nach chit u. ä. stehen 4 der 5 belegten konjunktionslosen Sätze im K 2, und zwar dient der K 2 außer als Obliquus zum Ausdruck der Vorzeitigkeit (66.24 chit. muosi / ,habe tun dürfen'; 76.2 chit. uuolti / ,habe gewollt') oder zum Ausdruck der Ungültigkeit (137.21 wird zitiert 138.12: chist. kerno gehortist / ,du hörtest gerne', gegenwärtig irreal; 173.10 chade. uuarin / ,wären', gegenwärtig irreal). Auch in den daz-Sätzen nach übergeordnetem uuolti, bzw. uuolton hängt der Nutzwert des K 2 vom Kontext ab: 53.20 Toh uuolti (,möchte') ih taz tu mir sagetist (.sagtest' / ,sagen würdest'). (Lat. 2 X K l Pot.; ahd. „Irrealis I" der höflichen Häufiger sind daz-Sätze + K l nach uuile/uuelle-. 318.29/31, 275.24, 314.13; für lat. „unverbundenen Konj.": 233.14. — Interessant ist, daß N lat. „unverbundenen Konj." nicht nachahmt, sondern hier und auch sonst (nach necesse est: 99.23, 155.9, 171.6, 2 7 5 . 1 3 u s w . ; nach oportet: 6 4 . 2 8 , 2 1 5 . 5 , 2 2 4 . 2 7 , 2 9 8 . 8 u s w . ; nach licet-. 223.2, 250.21, 277.21/23 usw.) vermeidet. 1,5

215,5,

Wir finden auch Wünsche mit K l : 181.1, 281.9 Nu uuere got. / .Behüte Gott!' Anders GRIMM III, 1890, 235 (243); 275.24 got uuelle. daz ... darbeen; hier fehlt der Sinneffekt der aktuellen Ungültigsetzung (Wunsdi = zukunftsgeriditet). Vgl. dazu auch PORZIG, Die syntaktische Funktion des Conjunctivus Imperfecti im Altlatein, Diss. Jena 1921,11. Dagegen LEUMANN-HOFMANN-SZANTYR, 333.

148

II. Besprechung

einiger

NS-Arten

Verhaltenheit; ein Konditionalsatz kann hinzugedacht werden. W U N D E R LICH, 117, sieht auch in diesem K 2 nichts als das Zeichen indirekter Rede.) 76.2 Er chit ter scriptor uuolti (,habe gewollt'), daz man dar-ana underskeit habeti (»Unterschied mache' / ,machen solle'; indirekte Rede). 367.14

Gentiles philosophi nechondon nieht für der fernemen. ane unz tara sie dm ratio leita. Forte diu uuolton (,wollten') sie. daz tiu einen ding uuarin (.seien') ze geloubenne. diu mit ratione gesterchet uuvrtin. Steht nun nach präteritalem uuolta ein K 2-Satz ohne BW, so finden wir immer dieselbe zugrunde liegende Kontextsituation: Der Kommentator Notker blickt zurück auf ein Geschehen, dessen Verwirklichung bereits endgültig verpaßt worden ist, stellt es aber als Inhalt einstigen Wollens dar: 54.5

Neuueist tu danne dih ieht anderes sin. Nein ih. Si uuolta er chade. se hominem in deo deum esse. Ebenso 330.9 Ih uuolta si rahti (,hätte ausgelegt') incidentes questiones. si uuolta aber folle-recchen propositas questiones. Vom Standpunkt des Kommentators, Notkers, aus ist das NS-Geschehen vergangen und irreal; vom Standpunkt des üS-Subjekts aus ist es futurisch und erwünscht, indirekte Rede Personenverschiebung ^ präteritale Lage irreales Geschehen , erwünschtes Geschehen der Vergangenheit |

Si uuolta

|

Zeitachse

^

er chade Notker Kommentator

Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich in Notkers Formel uuolta + K2 (ohne BW) der Sinneffekt der Ungültigsetzung (Irrealität) mit ergab, wenn auch nicht so deutlich, wie in einem situationsentspredienden HS: »Nach ihrem Willen hätte er sagen sollen." E. 5.5. Z u s a m m e n f a s s u n g E. 5.1. — E. 5 . 4 . 2 . Die relativ seltenen konjunktionslosen konjunktivischen Objektsätze Notkers sind, abgesehen von den negierten Gefügen, von nur drei verschiedenen übergeordneten Verben abhängig: cheden, uuanen, uuellen.

F.. Konjunktionslose

149

Konjunktivsätze

Nach cheden finden wir den K 2 als Zeichen vorzeitiger indirekter Rede oder als Irrealis I. Nach uuanen finden wir nur K 1 für ausnahmslos ungültige Geschehen, nach den Formeln mit uuellen nur K 2. Nach uuolti got steht für aktuell ungültige Geschehen ein K 2 als Irrealis I, der aus dem irrealen Konditionalgefüge stammt. Der K 2 nach uuolta gilt als Zeichen indirekter Wiedergabe, doch ist festzustellen, daß Notker die Formel uuolta+ K2-NS ohne BW nur anwendet, wenn das NS-Geschehen irreal ist (bezogen auf ein entgegengesetztes vergangenes Geschehen).

E. 6. K o n j u n k t i o n s l o s e S u b j e k t s ä t z e

(Kl)

Von einem konjunktionslosen Subjektsatz finden sich bei Notker nur ganz dürftige Spuren1**: 42.17

Mir dunchet ih nu sehe /: videor videre

181.20 Mir dunchet ih iz sehe /: videor mihi intueri Das Geschehen dieser Konjunktivsätze ist — anders als jenes nach uuanen — nicht in dem Sinne ungültig, daß es von der entgegengesetzten Tatsächlichkeit abzuheben wäre. Der Konjunktiv ist in anderem Sinne Zeichen der eingeschränkten Gültigkeit: 181.20 drückt Boethius aus, daß er, subjektiv, das Sehen (die Einsicht) für möglich, ja für gegeben halte: Die Potentialität des Geschehens nähert sich, objektiv gesehen, der Tatsächlichkeit. 42.17 stellt sich Boethius im Kerker vor, zu sehen, daß die Häuser seiner Widersacher von zynischer Freude überquellen: Die Potentialität des Geschehens nähert sich, objektiv gesehen, der Irrealität (Boethius sieht nicht wirklich). Indikativ: 18.1 Mih tünchet aber, forhta tuot tir uue. Zit. B E H A G H E L III, 609. Zur Erklärung vgl. E. 5. 2. 1., S. 144. — Wenn daz offensichtlich ausgefallen ist, sowie in einigen weiteren Fällen, kann nicht mehr von kunjunktionslosem N S gesprochen werden (z. B. daz zu ergänzen nach danne: 307.18; 119.5, eingeleitet mit adj. Fragewort: uuelen sttid; 119.9: HS mit spontaner Tendenz zur Unterordnung unter 119.4 usw.). In der sich einem Indefinitpronomen nähernden Formel neuueiz uuaz u. ä. zeigt sidi noch die Spur eines einstigen konjunktionslosen (indikativischen) Subjektsatzes: 61.13 Tir ist pegagenet neuueiz uuaz niuues. unde seltsanes. 52.2 entspricht neuueiz uuaz lat. nescio quid; beide vertreten den Akkusativ des Acl. Im folgenden Beispiel wirkt der erste Kurzsatz als Subjekt des zweiten formelhaften „Satzes", der zweite als Adverbiale des ersten: 132.20 Tu neuueist noh mag keskehen. uuaz ih sagen uuile.

150

II. Besprechung einiger NS-Arten

Zum Ausdruck der subjektiven Sehweise, um die es hier geht, bedient sich die Sprache also zweier Mittel: des Konjunktivs und des übergeordneten Verbs dunchet. Neben dem Sinneffekt der Subjektivität, der beide Male vorliegt, ergibt sich 42.17 noch der Sinneffekt „bloß vorgestellt", jedoch, da es mehr darauf ankommt, daß in der Vorstellung etwas gesehen wird, als darauf, daß es nicht in Wirklichkeit gesehen wird, ist dieser Sinneffekt nicht so deutlich, wie das in einem samoso-Satz (dem 42.17 nahesteht) der Fall wäre. Die beiden Beispiele mögen nochmals veranschaulichen, in welchem Maße der konkrete Nutzwert des Konjunktivs vom gesamten Zusammenhang und sogar von der individuellen Auffassung des Sprechers oder Hörers abhängt.

E. 7. Z u s a m m e n f a s s u n g E. 1. — E. 6. Wir haben in der Consolatio-Ubersetzung nur 2 echte indikativische Nebensätze ohne BW, dagegen 90 konjunktionslose Konjunktivsätze verschiedenster Art gefunden. Notker verwendet sie alle nur, wenn das Geschehen mindestens als nicht voll gültig aufzufassen ist; meistens ist es objektiv ungültig. Der Konjunktiv dieser Sätze ist also nicht bloßes Zeichen der Unterordnung. Im besonderen sind alle negierten Geschehen der Konjunktivsätze mit obligater Negation als ungültig gesetzt auffaßbar. Unsere synchronisch-systematische Erklärung des K 1 vor allem der stereotyp negierten, konjunktivischen Bedingung mit Zweitstellung des Verbs (des sog. Exzeptivsatzes) als eines mehr oder weniger lebendigen Irrealis der Gegenwart (vgl.E. 1 . 2 . 2 . 2 . , E . I . 3 . , E . 2 . I . , C . 3 . 4 . , S. 83 f.) führt zur Vermutung, daß der K 1 einst im konditionalen Bereich als Modus der Ungültigsetzung ein weiteres Anwendungsgebiet behauptet haben könnte. Forschungsresultate DELBRÜCKS, WACKERNAGELS und WEIN-

RICHS haben uns zu dieser Folgerung ermutigt. Der K 2 hätte sich vom K 1 dann einst (in einer Zwischenepoche) doch nur temporal unterschieden. In Spuren, scheint uns, ist denn auch eine derartige ältere Funktionsteilung zwischen K l und K 2 noch festzustellen: Der K 2 dient gegenüber dem K 1 noch als Irrealis II (E. 1 . 4 . 1 . und E . 2 . 2 . , vgl. auch E. 5 . 4 . 2 . und C. 4 . 2 . bis C. 4 . 4 . ) . Eine einstige Vergangenheitsbedeutung des K 2 muß ohnehin immer noch als die beste Erklärung dafür angesehen werden, daß der K 2 in Konditionalsätzen zum Zeichen der Ungültigkeit schlechthin geworden ist (vgl. Anm. 100, Anm. 99).

SCHLUSSWORT Bei der Betrachtung des Modusgebrauchs in Notkers ConsolatioÜbersetzung haben sich die folgenden theoretischen Grundlagen bewährt: Jede Konjunktivform ist als Zeichen eingeschränkter Gültigkeit des Gesdiehens aufzufassen. Es tritt kein Konjunktiv ohne diese modale Bedeutung auf, und deren Nachweis macht nur ausnahmsweise Schwierigkeiten. Aus den Kontextgegebenheiten, d.h. aus dem Zusammenhang, dem Satzinhalt und dem Satztypus ergeben sich spezielle Sinneffekte, die man als Nutzwerte des Konjunktivs verstehen kann. Sie sind vom Neuhochdeutschen her oft nicht spontan erfahrbar (vgl. D. 2.4., S. 98; D. 2.6./ 7., S. 101 f.; D. 4. 7., S. 111 f.; E. 1. 2. 2. 2., S. 132 f. usw.). Zu einer neuen Auffassung von Konjunktiv-Nutzwerten sind wir im besondern beim Konditionalsatz, der einem Imperativ untergeordnet ist (B. 3., S. 64 ff.), beim K 1 der negierten konjunktivischen Bedingung (E. 1.2.2.2., S. 132 ff.) und beim K 2 im Hauptsatz des irrealen Konzessivsatzes (D. 11., S. 124 f.) gelangt. Der Indikativ kennzeichnet ein Geschehen, welches innerhalb des Rahmens, in den es gestellt ist, als voll gültig aufgefaßt ist, z. B. auch als Annahme (falls er kommt), als Eventualität (er kommt vielleicht) usw. Der Modusgebrauch wird im Latein und im Althochdeutschen grundsätzlich durch dieselben Faktoren bestimmt: 1. durch die grammatische Norm, 2. durch den Zwang der Situation oder 3. durch den Entscheid des Sprechers (vgl. S. 12). Da der Modusgebrauch sich im Laufe der Geschichte verändert hat — die Unterschiede zwischen dem Ahd. und dem Latein sind schließlich auch ein Beleg dafür —, muß ein beachtlicher Bereich der Freiheit, die konjunktivische oder die indikativische Sehweise im Rahmen eines gegebenen Zusammenhanges zu wählen, immer bestanden haben. Konzessiv untergeordnete Inhalte, zum Beispiel, können sowohl voll gültig als auch eingeschränkt gültig gegeben werden (S. 94 ff.; Anm. 109). Bei synchronischer Betrachtung erweist sich jedoch der Bereich der Wahlfreiheit in allen von uns ausführlich behandelten Nebensätzen als sehr klein; bei den daz-Sätzen dürfte er größer sein. Wenn lat. satztypisdiem, normiertem Konjunktiv ahd. Indikativ oder Konjunktiv gegenübersteht (vgl. S. 155), so scheint der ahd. Modus-

II. Besprechung einiger

NS-Arten

gebrauch zwar „frei"; in Wahrheit wird er gerade auf Grund der Inhaltsbezogenheit in großem Maße gesteuert oder sogar festgelegt. Althochdeutsch normiertem Konjunktivgebraudi entspricht nur ganz ausnahmsweise lateinische Varietät, z. B. bei der negierten konjunktivischen Bedingung. Auch bei den indikativischen ahd. Konditionalsätzen finden wir eine engere ahd. Typik gegenüber lateinischer Vielfalt. Der Bereich des freien ahd. Modusgebrauchs wird (z. B. bei den konsekutiven i/ aller übersetzten NS): J. 1. lat. Konjunktiv ahd. Indikativ 319 X J. 2. lat. Indikativ -> ahd. Konjunktiv 49 X J. 3. lat. Konjunktiv ->- ahd. Konjunktiv anderer Form 41 X

J. 1. H a u p t t e n d e n z : l a t . K o n j . / a h d . I n d . Das Althochdeutsche braucht den Indikativ häufiger als das Latein: Es braucht ihn meistens in Relativ-, Konditional- und Kausalsätzen, wo im Latein häufig Konjunktive stehen. Vor allem lat. Konjunktiv Präsens und Konjunktiv Perfekt (Potentialis der Gegenwart), seltener aber auch Konj. Imperfekt und Plusquamperfekt — jedoch nie mit Irrealisbedeutung — führen zu ahd. Indikativen. Meistens zwingt der ahd. Sprachgebrauch N, satztypische lat. Konjunktive unberücksichtigt zu lassen, so die Konjunktive lateinischer Relativsätze oder der cum-Sätze. Auch die Aufgabe des Konditionalsatz-Potentialis geschieht zwangsweise, und der Kontext gewährt nur gelegentlich die Freiheit, als Ersatz für den Potentialis den Indikativ o d e r den Irrealis zu w ä h l e n .

Indirekte Rede In voller Unabhängigkeit aber unterschlägt N lat. Konjunktive indirekter Reden; hier zeigt sich eine Tendenz des Lehrers, überliefertes Wissen nicht mit dem Zeichen „ohne Gewähr" zu versehen, sondern als voll gültig hinzustellen: So unterdrückt N lat. Konjunktiv der oratio obliqua gegen 20mal, und zwar vorwiegend in Relativ- und Kausalsätzen. — Zudem muß hier auch berücksichtigt werden, daß N den lat. Acl der oratio obliqua teilweise mit Indikativ wiedergibt (etwa 389.10/12). — Mit dieser Tendenz unterscheidet sich Notker zuweilen auch von den benützten mlat. Kommentatoren; so läßt er auch nichtflexivische Zeichen

]. Übersicht 3

177

wie ut quidam volunt (227.29) oder dicitur (325 [R], 326.3) und fertur

(326.4) weg. Ein Gegenbeispiel zu dieser Tendenz finden wir 325.10 daz ist ersprenget mit K l gegen den lat. Kommentar und gegen Isidors Etymologien XIV, 6,10. Vgl. *58" *,8> *1S1'

J.2. L a t . I n d i k a t i v / a h d . K o n j u n k t i v Die relativ seltenen ahd. Konjunktive — meistens handelt es sich um K l —, denen ein lat. Indikativ gegenübersteht, lassen sich als Zeichen eingeschränkter Gültigkeit auffassen; vgl. dazu die einzelnen Anmerkungen. l a t . I n d . / a h d . K l (46 X) 1. eingeschränkt gültiges, einem auffordernden üS untergeordnetes Geschehen1 2. eingeschränkt gültiges Geschehen mit satztypischem K l 1 3. K 1 der indirekten Rede4 4. K 1 als Zeichen eingeschränkter Gültigkeit in also-S'itzen konzessiver Färbung8 l a t . I n d . / a h d . K 2 (3 X) 5. ahd. Irrealis8 6. K 2, satztypisch und Ausdruck der Vorzeitigkeit2

28 X 13 X 3X 2X 2X 1X

1

Vgl. auch B. 3. 2., S. 66. Die satztypischen ahd. Konjunktive, welche lat. Indikativen gegenüberstehen, stammen (ausgen. 1 nube-Satz) aus konzessiven N S : A u d i hier zwingt das Ahd. den Übersetzer zu anderer modaler Sehweise (soweit er nicht in weniger übliche K o n struktionen ausweidien will). Zu 6.: 370.15, vgl. S. 115, Anm. 126. 3 Audi zwei R S mit ahd. Irrealis gegenüber lat. Ind. (* 50, * M ) zeigen, wie Notkers Modusgebraudi zugleich zwar unabhängig ist v o m Latein, doch bedingt durdi Gegebenheiten des ahd. Textes oder durch die ahd. Sehweise. * Auf „freiem" (doch kontextgemäßem) Entscheid beruht nur die Setzung v o n K l der indirekten Rede (vgl. *10»- * m und «¿«-Satz 363.25).

1

J.3. L a t . K o n j . / a h d . lat. K 1 (v. a. Pot.) lat. K. Plqupf. Irr. lat. K 2 lat.K2 «

Konj. anderer Form ahd. K 2 Irrealis ahd. K 2 Irrealis ahd. K1, indirekte Rede ahd. K 1 , satztypisch

16 X 17 X 3X 5X 41 X

12 Furrer

178

III. Statistik

Wir sehen, daß der Wechsel von einer lat. Konjunktivform zu einer andern ahd. Konjunktivform in der Mehrzahl der Fälle ( 1 7 X + 3 X + 5 X = 25 X ) eine Angelegenheit des Tempus ist, und nicht, zumindest nicht primär, eine modale. Dagegen wechselt Notker in einigen wenigen Konditional- und Konzessivsätzen und in je einem indirekten Fragesatz, RS, Kausalsatz und konsekutiven daz-Satz (ausgehend meistens von lat. Potentialis) zu einem ahd. K 2 Irrealis. Die folgende Übersicht zeigt die Verteilung der Moduswechsel auf die verschiedenen Satzarten; in den beiden Kolonnen rechts sind K 1 und K 2 n i c h t g e t r e n n t angegeben.

Ubersicht 3 Moduswechsel bei gleicher Konstruktion K

1. indirekte Satzfrage

2. indirekte Wortfrage

3. Relativsätze

4. Lokalsätze: dar, dannan

ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl.

MV Lat. MV MV Lat. MV MV Lat. MV MV Lat. MV

Ind.

Ind. -*• K 1 K 2 K l / K 2 K Plqupf. -»- K 2 K2 - » K l



















II*10



l »13 1 »IS



1»18 —

J*27



81»29

3 »88. »SO

4»5l

14»S4

3 »45. »55

2*5«

5 »94

J»45

1 »58

1 »es

1 »SS 1 »5»

— —



Vergleichssätze 5. so, also, samo

6.

samo-so

7. danne

,als ob'

ungleidisetzend

8. so vilo ... so vilo

9. einschränkende Sätze so filo, gagen des

ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV

2 »08



l »«8

2»TI — — —











— —





_ !»77



l »77





179

/ . Übersicht 3

Ubersicht 3 Moduswechsel bei gleidier Konstruktion K -*• Ind.

Temporalsätze 10. do 11.

um

12. er 13. Restgruppe 14. dartrte 15. so

temporal/konditional

Konditionalsätze 16. übe 17. ohne BW 18. neg. konj. Bedingung ohne BW 19. Restgruppe

ediert

Ind. -*• K 1 - » K 2 K l / K 2 KPlqupf. ->- K 2 K2-»K1

ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV

10 »8» 1 *B1

ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne

MV Lat. MV MV Lat. MV MV Lat. MV MV

45 5 3 15 5 4

ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl.

MV Lat. MV MV Lat. MV MV Lat. MV

10* 11 » 1 »110







5*84



1 »M 2 »86

— — —

1 »»4

— .

_

19 *ios 2 »104



3 »109





5 4 2 2

1 »110

11 3 2 1



3











1



1



Kausalsätze 20.

uuanda

21. sid 22.

danne

19 * m 3 »122 2

— —

1 »117 —



_















180

III.

Statistik

Übersicht 3 Moduswedisel bei gleicher Konstruktion K -*- Ind.

23. Restgruppe so : cum cattsale, 1 X nah tiu 24. nio final

Konzessivsätze 25. doh 26. danne (kaus.-adv.-konz.) 27. so-uuio 28. so-..so

. . . JO

29. übe (ouh) 30. ohne BW 31. Restgruppe

sid

¿nz-Sätze 32. daz kausal/instrumental 33. daz

konsekutiv

34. daz

final

35. daz

Objektsätze

ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl.

MV Lat. MV MV Lat. MV

ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV

ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl.

MV Lat. MV MV Lat. MV MV Lat. MV MV Lat. MV

7 »IM 5 »IM

Ind.-* K 1 K 2 K l / K 2 KPlqupf. ->K2 K2 - » K l



























1

1

— —



1 1

— — — —



1









1(K2)



1 —



— —







4

















3 2 —













1 —





1

4

2 —





















1 »IM

3 »IM

— —

1 »144

8*1S7

3 »14«











181

]. Übersicht 3

Übersicht 3 Moduswechsel bei gleicher Konstruktion K -*• Ind.

36. daz

Subjektsätze

37. daz

Attributsätze

ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV

38. nube

Ind. -*• K 1 - > K 2 K l / K 2 KPlqupf. K2 K2-»-Kl

10* 1 " J »IM J »IM 2

N e b e n s ä t z e o h n e BW 39. Konsekutivsätze ohne BW 40. Objektsätze ohne BW 41. Subjektsätze ohne BW 42. Attributsätze ohne BW

Verallgemeinernde 43. so-uuer, so-uuaz usw. 44. so-uuar 45. so-uuio

Total

ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV ohne MV mit MV wie Lat. ahd. zusätzl. MV

Sätze ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl. ohne mit MV wie ahd. zusätzl.

1 »17« 2*17«

MV Lat. MV MV Lat. MV MV Lat. MV 319 (78%)

491 41 1 s K 1:46 X K l : 8X* K 2 : 3X» K2:33X»

Total 409 = 9,5% von 4272 Total 90 ahd. Konjunktive gegenüber lat. Ind. oder lat. K anderer Form (Zeitstufe). — Davon: 1 54X ahd. K l (13•/•) » 36X ahd. K 2 ( 9«/») 1

K. ÜBERSICHT 4: NOTKERS FREIE ZUSÄTZE 1691 NS, d.h. zwei Fünftel aller NS der Consolatio-Ubersetzung, stehen in Kommentaren Notkers; davon stehen 78,5 % im Indikativ, 13°/o im K 1 und 8,5 % im K 2. Vergleidit man diese Prozentzahlen mit jenen, die aus Übersicht 1 (Modusform und Konstruktion wie Latein) hervorgehen, so zeigt sich erstens erneut die auf Grund von Übersicht 3 festgestellte Tendenz des Althochdeutschen zum Indikativ, und zweitens zeigt sich, daß dieses Weniger an Konjunktivformen ganz durch den selteneren Gebraudi des K l , nicht des K 2 , bedingt ist: Beide, die Tendenz zum Indikativ und die rückläufige Tendenz im K1-Gebrauch, sind auch bekannt als Haupttendenzen des Modusgebrauchs innerhalb der deutschen Sprachgeschichte. Die Einzelheiten gehen aus folgender Übersicht hervor. Übersicht 4 Ahd. Kommentar Notkers: Freie Zusätze Indikativ 1. indirekte Satzfrage 2. indirekte Wortfrage 3. Relativsätze 4. Lokalsätze: dar, dannan

Vergleichssätze 5. so, also, samo 6. samo-so ,als ob' samo, also 7. darme ungleichsetzend 8. also vilo...

also vilo

9. einschränkende Sätze so filo, gagen des

ohne mit ohne mit ohne mit ohne mit

MV MV MV MV MV MV MV MV

ohne mit ohne mit ohne mit ohne mit ohne mit

MV MV MV MV MV MV MV MV MV MV



28 * u 4*H 418 41 45 4»eo

Kl

K2

7*« 8*« 57*" 7»ss 6»s» 6*« 1 »84

5». 2*i 6* , s 1 »88 10*" 3 »57 2 »»7

2 »7»

200 11 *M



g*74 1*«

4 »74

— —

2

2













2*78 1 »7«

J »75

— —



183

K. Übersicht 4

Ubersicht 4 Ahd. Kommentar Notkers: Freie Zusätze Indikativ Temporalsätze 10. do 11. unz 12. er 13. Restgruppe dia uuila, nah tiu, so lango 14. danne 15. so

temporal/konditional

Konditionalsätze 16. übe 17. ohne BW 18. neg. konj. Bedingung ohne BW 19. Restgruppe danne, ediert Kausalsätze 20. uuanda 21. sid 22. danne 23. Restgruppe 24. nio

final

Konzessivsätze 25. doh 26. danne (kaus.-adv.-konz.) 27. so-uuio 28. s o - s o ... so 29.

ube(oub)

ohne mit ohne mit ohne mit ohne mit ohne mit ohne mit

MV MV MV MV MV MV MV MV MV MV MV MV

ohne mit ohne mit ohne mit ohne

MV MV MV MV MV MV MV

ohne mit ohne mit ohne mit ohne mit ohne mit

MV MV MV MV MV MV MV MV MV MV

ohne mit ohne mit ohne mit ohne mit ohne mit

MV MV MV MV MV MV MV MV MV MV

Kl

31 4 15

K2

1 »83 1 »8T

,

4*01

3 *M

4 MS

2

1 *ieo



__

3 76 2*105

1 »i»i 1 nu







37 8 25 7

3



6

20 2 2 —

5



5

1



3 ms

138 19 16

1 »114 1 »lt4



.



— —







1 *in —

— —



18 1

2



2 1

2

1 ,



2 1





184

III.

Statistik

Übersicht 4 Ahd. Kommentar Notkers: Freie Zusätze Indikativ 30. ohne BW 31. Restgruppe

ohne MV mit MV ohne MV mit MV

Kl

K2

1 1 —





daz-S'itze

32. daz

kausal/instrumental

33. daz

konsekutiv

34. daz

final

35. daz

Objektsätze

36. daz

Subjektsätze

37. daz

Attributsätze

38.

nube

N e b e n s ä t z e o h n e BW 39. Konsekutivsätze ohne BW 40. Objektsätze ohne BW 41. Subjektsätze ohne BW 42. Attributsätze ohne BW

ohne MV mit MV ohne MV mit MV ohne MV mit MV ohne MV mit MV ohne MV mit MV ohne MV mit MV ohne MV mit MV

ohne MV mit MV ohne MV mit MV ohne MV mit MV ohne MV mit MV

8*1«

1 24 2

_ 14 2 4 _

36 13 61 _ 13 3 _

23*isi





6*151

5*145

_ 7*147 2*M7 1M

26 *

6»15«

9 »HO

2*1»4

10 4 »17»

2 »IM

1 —

5

2

1

4 2

_











— —

Verallgemeinernde Sätze 43. so-uuer, so-uuaz, so-uueliu, -es, so-uueder 44. so-uuar 45.

Total

so-uuio

ohne MV mit MV ohne MV mit MV ohne MV mit MV

6»1TS

1 »177

3 »IT»

1»177

— -

1



1 »178

3 —

1 —

1327 219 145 (78,5%) (13 «/.) (8,5«/.) Total 1691 = 40°/o von 4272

L. BELEGSTELLEN (AUSWAHL) U N D ANMERKUNGEN ZU TEIL III (Vgl. Übersichtstabellen 1—4, S. 159—184) 1. I n d i r e k t e S a t z f r a g e n Indikativ: keine Belege K l , ohne MV * 1 Übersicht 1. Nidit durdi übe eingeleitet: 207.20/22/23 (uueder), 394.18 (uueder); 86.29 (ohne Einleitung, wie konzessive Alternativen, vgl. audi 88.22, Obj.). * l Freie Zusätze, Übersicht 4. Ausnahmen mit uueder: 111.26, 295.18. Das Verbum finitum steht allerdings nicht am Schluß, und es hat 2 Subjekte; daher könnte sidi hier die ursprüngliche Bedeutung .welches von beiden* noch verwirklichen. Ebenso mit MV: 77.5, 80.10. K l , mit MV ** Übersicht 1. 363.14,196.14,152.1; 331.20. Übersicht 4. übe: 79.1/1,110.15, 328.20; uueder•. 339.12/13, 80.10,77.5. K 2, ohne MV * 5 Übersicht 1. 127.14/15. Prät. Lage und objektiv ungültig. *• Übersicht 4. übe: 76.14, prät. Lage; uueder: 75.7/8, 110.22/23. K 2, mit MV: »7 Übersicht 4. uueder: 110.19/21.

2. I n d i r e k t e W o r t f r a g e n Indikativ, ohne MV *» Übersicht 2 a. Aus lat. Substantiv: 21.21/23/28, 38.9, 52.10, 58.20, 82.9, 94.11/11, 139.4, 146.6, 247.10, 311.12; aus lat. Infinitiv: 187.6; aus lat. Adjektiv: 133.3; aus Pron.: 149.9. 7X uuio, 1X an uuiu, 3X uuaz, 2X uues, je I X uueliu, uuar, uuannan. " Übersicht 2 b. Lat. RS oder HS, ahd. 5X uuio: 47.5, 114.19, 123.15, 177.27, 219.7; uuaz: 343.22. — Zu den Zahlen nach Schrägstrich vgl. S. 171. Übersicht 3. Ahd. Ind. Präs. ersetzt lat. Konj. Präs. (5X): 104.24, 185.23, 247.10 (2. Satz: uuar...; der 1. steht für lat. Subst.), 257.13/21. Ahd. Ind. Perf. ersetzt lat. Konj. Präs. (!) ( I X ) : 138.13: uuio du brunnist. übe du uuissist. uuara ib tih pegunnen habo ze leitenne. Im Gegensatz zum Latein als vollzogenes, voll gültiges Geschehen gegeben. Ahd. Ind. Perf. ersetzt lat. Konj. Perf. (1X) : 37.29. Ahd. Ind. Prät. ersetzt lat. Konj. Perf. (4X): 53.6 (Das Prät. betont die diristl. Auffassung von einem einmaligen Schöpfungsakt in der Vergangenheit; alle nhd. Übersetzer haben demgegenüber das Präs.); 119.5,126.30,164.26.

186

III.

Statistik

* 11 Obersicht 4. 22 X uuio, 6X übrige einleitende Fragewörter, davon 4X uuaz. Die ««io-Sätze stehen wie bei Otfrid als einzige indirekte Fragesätze mehrheitlich im Indikativ; die Gründe dafür erläutert WUNDER, p. 297 f., 294: Nähe zum daz-Satz. Anzumerken ist, daß in der Tat der daz-Satz bei Notker Antwort auf die Frage uuio? sein kann: 204.16 Uuio sint tiu uuan (,unvollkommen')? Taz iouuedermo iro menget... /,indem jedem mangelt*. Als typisch können Zusammenfassungen wie 70.5 f., 113.14 f., 323.2 f . g e l t e n .

*ia *u

Indikativ, mit MV Übersicht 2 a. Aus Gerundiv: 339.17, sol. Übersicht 3. 310.25; 132.20 Tu neuueist noh mag keskehen. uuaz ih sagen uuile. / quid loquar. MV als Konjunktiversatz. Übersicht4. 3X uuio mit sol: 134.9, 257.2, 329.7 mit Parallelsatz im K. — I X uuaz mit soll 339.14.

K 1 , ohne MV * 11 Übersicht 1. uuio 18 X mit Konj., der immer aus dem Inhalt erklärbar ist. Übersicht 2 a. Aus. lat. Substantiv: 42.21, 48.2, 51.2, 54.13, 58.10/11/11, 177.12, 186.28, 253.26, 258.25, 283.20, 290.15, 291.7, 305.22, 315.6, 363.26; aus lat. A d : 172.25,246.11; aus lat. Gerundium: 64.10/11; aus lat. Infinitiv: 293.17. Übersicht 2 b. 16.21 braucht N konsequent wie Zeilen 6, 10, 13, 16 den K 1 der indirekten Frage zu er uuolta uuizen, während das Latein, die Abhängigkeit vergessend, in eine indikativische direkte Frage gefallen ist. Weitere K 1: 42.1, 65.28, 125.14,163.27,210.28, 291.6, 370.23, 379.17. — Keine K 2. *18 Übersicht 3. Lat. K 2 / ahd. K l : 224.22. Urspr. lat. Vorlage: ignorare te paulo ante dicebas. Quis esset omnium rerum finis. Davon ausgehend setzt N als lat. Kapitelüberschrift: Quis sit rerum finis. Die ahd. Übersetzung ist wie die lat. Vorlage abhängig von einem Acl zu präteritalem übergeordnetem Verb; lat. steht entsprechend strenger Zeitenfolge der K 2. Im Text Notkers trennen der Acl und v. a. ein präsentischer Satz die indirekte Frage vom präteritalen tu chade, so daß N gegen das Latein die Consecutio temporum nicht beachtet: ... tu dih fore chade neuuizen. Quid inquam? Uuelez ist taz chad ih? Quis esset... Uuaz taz ende si allero dingo chad si. *** Übersicht 4 . 1 7 X uuio, 40 X übrige einleitende Fragewörter. K l , mit MV **> Übersicht 1.188.8 (sulist: possis), 245.29, 255.24, 322.10/11. 3X sule: 51.3,146.10,217.19; 227.14. * ! ! Übersicht 2 a. Aus Gerundiv: 54.14 sule; aus Substantiv: 65.25; aus Infinitiv: 45.9. Übersicht 4. uuio mit sulin: 131.20; sule, si ze: 110.28, 188.8, 351.11; uuiolih: 80.18, 112.6/11 trotz prät. üS. — Die auffordernden MV sulen und sin ze dominieren in den indirekten Wortfragen.

*u

K 2, ohne MV Übersicht 1. 9.21, 14.11, 38.18, 46.12, 37.18, 202.14. Übersicht 4. 1 X uuio: 132.7. Übrige einleitende Fragewörter: 35.9, 109.15/16 (Fußnote 75); 244.11 (prät. Lage, dagegen 244.13: K 1); 78.22. Nie Irrealis.

K 2, mit MV *** Übersicht 1.14.16. *** Übersicht 3. Lat. K l / ahd. K 2 : 184.3. — Lat. unentsdieidbar, ob indirekte oder direkte Frage (mit Potentialis): . . . unde obrepat? ne cogitare quidem possum. / Ih nemahti sar nio erdenchen chad ih. uuannan demo solichen truregheit chomen solti. Im Gegensatz zu den in sich ruhenden lat. Sätzen muß für das Ahd. ein ersparter irrealer Konzessivsatz (»auch wenn idi es versuchte") angesetzt werden;

L. Belegstellen und Anmerkungen zu Teil III

187

so hat der HS-K 2 nemahti jenen besonderen Nutzwert, der ihm in jedem HS eines irrealen Konzessivgefüges zukommt (vgl. D. 11., S. 124). Der NS-K 2 dagegen ist ein Irrealis; das MV wirkt wie im Nhd. (Gothein, 161) als zusätzliche Bedingung: „ . . . woher käme, falls es (nadi jds. Meinung) sollte/müßte", oder mit Bezug auf den ügeo. Satz: „falls man sich dies vorstellen sollte/müßte." ( W U N D E R L I C H , 114, spezifiziert den HS-K 2 als „konzessiven Optativ".) *» Übersicht 4.268.8.

3. R e l a t i v s ä t z e Ohne einleitendes Pronomen: 152.18, 380.24, evtl. 106.20; 378.9 (MV); 194.10 (: lat. Subst.). Indikativ, ohne MV **» Übersicht 3. Aus lat. „kausalen" RS (43X): 30.18 (Plqupf. : lat. K. Plqupf.), 33.6 (ahd. Ind. Präs. : R, K. Plqupf.), 59.1, 94.17, 96.2, 103.29, 104.2, 106.8, 177.1, 147.25, 150.21/22, 156.16, 158.7, 160.30 (ahd. Ind. Prät. : R, K. Plqupf.), 165.12, 182.23, 183.27/29, 187.10, 202.5, 203.6, 204.11, 205.4, 233.21, 243.13, 252.6, 256.5, 267.11, 269.26/28, 270.23, 271.20, 275.15, 284.17/18, 284.25, 293.24, 305.14, 344.7, 350.2, 385.10,387.10. Aus lat. „konzessiven" RS (5X): 13.8/9 (ahd. Ind. Präs. : lat. K 2 bei prät. Lage), 118.14, 353.6, 387.12. Aus lat. „konsekutiven" RS (13X): 46.29, 90.25, 92.27/28, 125.27, 141.22, 142.12, 167.27,247.4, 247.30, 362.28, 380.6/7. Aus lat. „finalen" RS (2X): 82.3, 247.12. Gegenüber lat. potentialem Konjunktiv in Relativsätzen (10X): 218.13, 252.6, 255.17,1256.11, 267.16/16/17, 275.1,279.27; 154.12 (lat. K 2 Irr.). Gegenüber lat. Konjunktiv der indirekten Rede (8X): 182.4, 223.4, 235.17/25, 377.3 (interessant), 377.19/19/24. Indikativ, mit MV (solta, nicht solti) Übersicht 1. 286.9 steht, lat. oportebat entsprechend, aber einem irrealen üS untergeordnet, ahd. solton I ,mußten*, bzw. nhd. ,hätten müssen' (vgl. HS 31.3 solta : debut). Das Ahd. drückt wie das Latein das Müssen als voll gültiges vergangenes Geschehen aus, wogegen die Irrealität des zugehörigen Infinitiv-Geschehens unausgedrückt bleibt, während deren Ausdruck im Nhd. auf das Modalverb übertragen wird. Es stellt sich die Frage, ob die durch solton belegte, dem Nhd. widersprechende Sehweise nur einen Abklatsch des Lateins oder ob sie eine eigene ahd. Möglichkeit darstelle. Da die Belege auf den ersten Blick widersprechend sind, könnte höchstens eine Feinanalyse zu einer Antwort auf diese Frage führen. Ebenso dem Latein entsprechend steht 154.18 für quq putabantur facere: der tuon solta / = ,der hätte machen sollen* / ,der zu machen bestimmt war' /,der machen sollte*. Hier (wie im HS 100.21 solton : merebantur) zeigen die verschiedenen, alle gleich kontextgemäßen nhd. Übersetzungen, wie grundsätzlich modal und temporal verschiedene Sehweisen möglich sind. Wir dürfen daher auch von den ahd. Belegen keine Einheitlichkeit verlangen und können auch Notkers Sprache eine gewisse Freiheit zubilligen, ohne gleich ein nur fremdes Element vermuten zu müssen: solta / .mußte', bzw. nhd. eben ,hätte müssen* steht mehrheitlich ohne lat. Vorlage: 44.23, 81.14, 184.26, 367.26 (* 1 6 2 ; * 1 8 adversativ S. 112, 115, 123, 127 Aktionsart S. 29, 85; Anm. 2 2 ' 9 7 âne S . 8 ; A n m . 7 ' 1 4 3 Annahme S. 97 ff. Apokoinu S. 69 Assimilation S. 9, 71 ; Anm. * 1 0 0 bechénnen Anm. * 1 4 6 beginnen S. 36 (6.); Anm. 2 5 ' BEHAGHEL

38

- 39• 8 1

S. 9 f., 87 f.

Bezugssituation S. 25 f., 80 f., 92f., 133 f.; Anm. 8 1 ; vgl. Inhaltsfiguren, vgl. Kontext Consecutio temporum S. 29, 63, 92; ^jjjjj 56: »18, «94, »146, »131 dânne, Adverb S. 32, 47; Anm. 3 8 — vergl. Konjunktion (Satzellipse) S. 69 ff., 81, 83 ff.; Anm. 7 ' 8 5 ' 83 - I 5 8 ' 166

— mehrdeutige Konjunktion S. 7, 102, 104 ff., 108, 111 ff., 127; Anm. 3 ' 1 1 6 däz-Sätze S. 6, 19 f., 151 f., 155, 166 f., 178, 194 ff.; Anm. 3 ' 5 ' 1 6 2 ' 1 6 3 ' 1 6 6 : •11, »78 diachronisch S. 135,140 diccho, 6}to Anm.* 1 5 8 Dissimilation S. 71 déh S. 94 ff., 102, 155 dürfte S. 108, 112,126 ; Anm. 1 1 2 Einteilung unseres Materials S. 6 f. Exzeptivsatz S. 129 ff., 155; Anm. 1 4 3 Forderung vgl. Konjunktiv, vgl. Imperativ Form und Funktion S. 6, 63 f., 90; Anm. , 1 3 4 freie Zusätze S. 16 ff., 182 ff. Futurum S. 29, 47; Anm. 2 5 (vgl. begin198 nen),

Geschehen S. 4,124; Anm. 1 G ü l t i g k e i t S. 10 f., 23 ff., 41, 43, 54, 60,165; Anm. 3 0 — eingeschränkte S. 13 f., 66, 102, 145; Anm. 6 8 — gleichgültig S. 94, 100 ff., 110 ff., 127; Anm. 1 0 0 (S. 96) — noch nicht gültig vgl. Futurum — Ungültigsetzung S. 11, 74 ff., 92, 135, 147,150; Anm. 8 9 ' 1 4 9 : vgl. Irrealis — volle S. 26, 28, 61, 144; Anm. 1 1 2 (1-> Homonymität Anm. 8 9 ( 5 '> — uuissi S. 92

S. 6, 90 ff., 113, 118;

Imperativ, übergeordnet S. 38, 64 ff.; Anm 8 0 , 1 6 3 : * 8 0 I n d i k a t i v S. 10, 23 ff., 26, 36, 61, 79, 20 - 3 0 ' 15 5 , 159, 1 7 6 ; Anm. 1 3 86, 111 — im nio-Satz S. 155; Anm. * 1 2 7 indirekte Frage S.114, 118, 155, 165, 178, 185 f. indirekte Rede S. 10, 13, 63 f., 91, 106 (Anm.), 127, 136,143,145 ff., 148, 166, 161i 1 7 6 , 177 (Anm. 4); Anm. 48> •29, *34, *33, «39, »46, «32, »58, >68, *73, •83, «88, »94, »96, »08, »100, «109, •HO, •114, *119 «121, *124, »130, »131, * 134, •133, »138, * 147, •148, »150—»136, »138— •160, »194, »168, «169, «174, »177 Inhaltsfiguren (zugrunde liegende Kontextsituationen) S. 3, 11, 24 f., 42, 44, 55 f., 60, 65 f., 7 1 , 109, 111, 131 f., 134 f., 144 f., 1 4 5 , 148; Anm. 8 2 ' 1 4 8 ' 162

Interferenzen S. 7 f., 61, 94, 105, 106 (Anm.), 1 0 8 f., 111, 114, 116 ff., 120, 127,140,144 (Anm. 1), 145 f.; Anm. 34 36, 106, 118, 132, 163; »131, «147 irreal, Irrealis

S. 5, 13, 30 ff., 42 f., 55 f.,

200

Register

59 ff., 79, 86, 93, 100, 115, 118, 124 ff., 150, 151, 176 ff. usw.; vgl. unter Konjunktiv kausal, Kausalsatz S. 54, 61, 106 ff., 178; Anm. 8 0 Kinderspradie S. 94; Anm. 1 0 0 ' 1 0 2 K o n d i t i o n a l s a t z S. 23 ff. — abstrakte Relation S. 4, 26, 31, 34, 36, 42, 60, 70, 119, 127; Anm. 13 - 1 8 ' 1 9 ' 49, 55,

09(4.)

— Doppelrelation S. 65 ff. — Indikativ S. 23 ff., 59 ff. — Kl S. 64 ff., 71 f., 89(7.) — K 2 S. 73 ff., 77 ff., 92 f. — ohne Bindewort (BW) S. 45 ff., 58 — präterital Anm. 7 2 Konjekturen S. 198 konjunktionslose Sätze S. 129 ff., 155 K o n j u n k t i v S. 10 ff., 70, 108, 155, 177 f.; Anm. 1 3 ' 8 7 — K l S. 126 ff., 150, 151, 159, 177 — K 1 als Irrealis I S. 83 f., 133 ff., 140 ff. — K 2 als Irrealis II S. 83 ff., 90 ff., 136 ff, 150; Anm. 9 7 ' 9 9 : * 7 4 — K 2 im HS des konzessiven Gefüges S. 124 ff. — K 2 als Stilmittel S. 77 — K 2 mit Vergangenheitsbedeutung S. 113; Vergangenheitsbedeutung als Voraussetzung der Irrealisbedeutung: S. 86, 88 (7.), 89 (9., 10.), 90; Anm. 1 0 0 — K 2 zum Ausdruck der Vorzeitigkeit S. 114 f , 177; Anm. 7 5 — Perfekt S. 107; Anm. 7 5 — Plusquamperfekt S. 73, 84, 90; Anm. 1 1 3 ' " o ; * 1 " — Forderung S. 10, 13, 59, 112, 115 f , 126 f , 177; Anm. 8 7 : * 4 5 ' , 1 4 8 ' * 1 5 0 ' •151, »154, »158,

»189

Anm. 1 3

— Grundbedeutung S. 12 ff.; — kontextoffen vgl. Kontext — Motivation S. 11 ff.; vgl. Inhaltsfiguren; vgl. Anm. 9 5 — des N S : Rüdeführung auf HS-Konjunktiv S. 9, 101, 115 f.; A n m . 8 ' 1 1 5 — polemischer S. 112; Anm. 1 1 8 — Satzverhältnis bestimmend Anm. 41 * 1 4 7 ! vgl. Modus — Spielraum S. 112, vgl. auch 39 ff. und Anm. 8 7 i * 1 5 8 — Werte vgl. Nutzwert, vgl. Sinneffekte — Wunsch S. 10,101,147 f.

konkret Anm. 2 7 ' 9 9 (4 ->; vgl. Konditionalsatz, abstrakt Konstruktionswedisel S. 7 ff, 15 f , 36 f f , 164 ff, 171 Kontamination S. 132,136 Kontext S. 5, 11, 12 f , 25 f , 32, 41, 43 f , 53 f , 58, 60 f , 66, 78, 80, 86, 92 f , 97 f , 99, 113, 125 f , 127, 147, 176; Anm. 1 0 9 : * 8 2 K o n z e s s i v s ä t z e S. 94 ff, 124 ff, 177 (Anm. 2); Anm. 3 7 ' 1 0 9 — mit Indikativ S. 119 ff, 127 f. langue S. 12 ff.; Anm. 1 3 lateinische Verbalsubstantive S. 167 lateinischer Einfluß auf das Ahd. S. 9, 14 f , 20, 37, 104, 107, 115, 121, 123, 126 f , 127, 159, 177 (Anm. 3); Anm. 137, 144, 149; » 1 3 8 , «141, «148,

>158

— ahd. Einfluß auf das Latein S. 166; Anm. 2 8 ' 1 3 6 lateinischer unverbundener Konjunktiv S. 146 f.: Anm. 1 8 4 Merseburger Zauberspruch Anm. 1 5 5 M o d a l v e r b e n S. 3, 50 ff, 58, 61, 104, 108, 155, 167; Anm. 4 3 ' 6 2 ' 1 0 9 ' 110, 112: >27, «30

— — — — —

cbánst S. 51 f.; A n m . 6 0 " " darf S. 34 (A. 2.2.5.2.) getúrre S. 96 haben ze — mugen S. 34 f , 46, 50 f , 52 ff, 70, 85, 96, 104, 167; Anm. 6 0 ' 6 3 ' 8 9 ' 9T> 110; *34,

>88

— müozen

39, 69 (a),

S. 52, 85 f , 96; Anm. 3 3 '

83

38'

— sin ze S. 52, 167; Anm. 8 3 i * 2 3 ' * 3 1 — súlen S. 20, 33 f , 44, 48, 51, 56 f , 63, 167; Anm. 3 9 ' 1 1 8 (s - 1 0 6 ) i * 1 2 ' * 1 4 ' •20

•132,

«23,

»27,

»30,

«33,

«SO,

»74,

»102,

»153

— uttéllen S. 46, 48, 51, 57 f , 63, 64 ff, 96, 98, 104, 114, 116 f , 123, 147 ff, 167* Anm 3 9 , 1 3 7 , l e 4 : * 1 3 , * 3 4 , * 4 S ' * 6 9 , •80—»82, »102 — im Konditionalsatz (häufig) S. 50 ff.; Anm. 5 8 — im Konzessivsatz (selten) S. 96, 104; nhd.: Anm. 1 0 9 ( 2 ) — Verlust S. 51,117; Anm. * 1 4 4 M o d u s S. 5, 83, 165; Anm. 1 — chiastisdi S. 38

Register — Erklärung S. 9, 11 ff.; A n m . 9 5 ; vgl. Inhaltsfiguren 81 — Mischung S. 43 f., 69; Anm. 4S — Lehnbedeutungen S. 15, 77 — Satzbeziehung; Bedeutung der Konjunktion S. 7,105 f.; Anm. 4 — und Wortwahl S. 83; Anm. u * 3 3 ' * 50> * 148

— Moduswahl S. 34, 71, 151 f., 177 (Anm. 2—4); Anm. 1 - 9 1 • 9 6 i * 3 0 ' * 8 2 ' «110,

»146

— Moduswedisel Ncl

S. 167

nót: ist nót. táz

40,

47,

91,

94,

S. 70, 107, 141, 166;

98,

99

(S. 9 0 ) ,

Präteritum

S. 123; Anm. 7 2 '

139

Relativsätze S. 129,178, 187 ff. rhetorische Frage S. 31 f., 33 f., 42, 60, 110, 112; Anm. 3 0 ' 1 6 0 samo-jo-Satz 155; «74,

S. 140, 150, 155; A n m . 4 ,

«139

Anm.

08



116

so-Sätze

S. 8, 43, 49, 118, 119 f., 192 f.;

3, 8, 34, 101, 129,

131

jo-««io-Sätze S. 103, 113 ff. synchronisch S. 9, 97, 127, 135, 151

112(2.),

»74

Notkers Kommentare vgl. freie Zusätze Notkers Tendenz zur einförmigen Modusgebung S. 37, 39, 42 ff., 62 (Anm. 1), 63, 71, 73 (Anm. b); vgl. 176 f.; Anm. 55; «17, «80,

S. 31 ff.; Anm. 30

poterit

— Notker-Wortschatz S. 97 Sinneffekte S. 10 f., 92 f.

N o t k e r S. VII, 14 f., 18, 23, 26, 33 f., 41, 54, 59, 79 f., 166, 171, 176; Anm. 122, 12«, 148; «10,

Potentialis (lat.) S. 33 f., 39 f., 43, 56 f., 59, 72, 78 f., 176, 178; Anm. 8 9 ' 9 8

SEHRT, N o t k e r - G l o s s a r

S. 7, 15, 176 ff.

»150, «151, «158, »167

38,

201

«110

núbe S. 139, 155,171 Nutzwert S. 5, 10, 12, 116, 125 f., 147, 150 f.; A n m . 1 1 ' 8 7 1 , 1 5 8

Tatsache S. 26 ff., 60 f., 97 ff. Teilaktualisierung S. 90 (Anm.) übe S. 26, 42; vgl. Konditionalsatz Übersetzung S. 3, 9 , 1 4 Verb, übergeordnetes S. 11, 145, 150; Anm. 1 8 2 Verwirklichung S. 24 f., 53, 76 f., 78, 92; A

obschon S. 94, 98, 100, 102, 110 f., 122, 127; Anm. 1 1 2 oratio obliqua vgl. indirekte Rede Partizipien S. 165 ff., 16 (1.9.2.2.) parole, discours S. 12, 14; A n m . 1 3 73; *10' ' 3 ä Perfekt (Ind.) S. 29; Anm.

n

m

uuanen

82, 89, 91, 96,

14B

S. 144 ff.

wenn S. 106 (Anm.) Wirklichkeit S. 12, 24 ff., 34, 60, 75, 124 f.; Anm. * l a l wissenschaftsgeschichtlich Anm. 9 9 Wunsch vgl. Konjunktiv

Das Althochdeutsche von St. Gallen Texte und Untersuchungen zur sprachlichen Überlieferung St. Gallens vom 8. bis zum 12. Jahrhundert Herausgegeben von S T E F A N S O N D E R E G G E R

Band 1

Studien zu Notkers Übersetzungskunst V o n EMIL LUGINBÜHL

Mit einem Anhang: Die Altdeutsche Kirchensprache E i n l e i t u n g v o n STEFAN SONDEREGGER

Groß-Oktav. IV, 6*, 171 Seiten. 1970. Ganzleinen DM 42 —

Photomechanischer Nachdruck der Ausgaben „Studien zu Notkers Ubersetzungskunst", Abhandlung zur Erlangung der Doktorwürde der philosophischen Fakultät I der Universität Zürich, Weida i. Thür. 1933, sowie „Die Altdeutsche Kirchensprache", Wissenschaftliche Beilage zum 80. Programm der St. Gallischen Kantonsschule und der Sekundarlehramtssdiule des Kantons St. Gallen für das Schuljahr 1936/37, St. Gallen 1936.

Die Entstehung eines Begriffswortschatzes im Bereich von Glauben, Kirche und Wehordnung ist in der Frühzeit deutscher Sprachgeschichte ein übersetzungsbedingter Vorgang, der am Werk Notkers des Deutschen von St. Gallen um 1000 und an der Ausbildung der altdeutschen Kirchensprache gezeigt wird. Eine forschungsgeschichtliche Einleitung führt in den Problemkreis ein.

Walter de Gruyter

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Quellen und Forschungen zur Sprachund Kulturgeschichte der Germanischen Völker Neue Folge • Groß-Oktav • Ganzleinen

Untersuchungen zur Wechselbeziehung zwischen Grammatik und Lexik im Englischen V o n ALFRED SCHOPF

XIV, 412 Seiten. 1969. DM 56,— (Band 32)

Jakob Gretsers „Udo von Magdeburg" 1598 Edition und Monographie V o n U R S HERZOG

XIV, 283 Seiten. 1 Frontispiz. 1970. DM 54,— (Band 33)

Die Goten und Skandinavien V o n ROLF WACHMANN

XIV, 584 Seiten. 82 Abbildungen und 1 Tafel. 1970. DM 86,— (Band 34)

Goethes Tag- und Jahreshefte V o n GEORG W A C K E R L

VIII, 176 Seiten. 1970. DM 34,— (Band 35)

Mimesis als Problem Studien zu einem ästhetischen Begriff der Dichtung aus Anlaß Robert Musils V o n H A N S - W O L F G A N G SCHAFFNIT

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Studia Linguistica Germanica Herausgegeben von

LUDWIG ERICH SCHMITT

und

STEFAN SONDEREGGER

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Groß-Oktav. Etwa 300 Seiten. Mit etwa 60 Karten. Ganzleinen etwa DM 80,— (Band 6)

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