Mobbing am Arbeitsplatz - Strafbarkeitsrisiko oder Strafrechtslücke?: Eine Betrachtung aus gegenwärtiger und zukunftsorientierter Perspektive [1 ed.] 9783428522088, 9783428122080

Christiane Mühe setzt sich mit der strafrechtlichen Einordnung von Mobbing auseinander, wobei der Schwerpunkt auf den Kö

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German Pages 402 Year 2006

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Mobbing am Arbeitsplatz - Strafbarkeitsrisiko oder Strafrechtslücke?: Eine Betrachtung aus gegenwärtiger und zukunftsorientierter Perspektive [1 ed.]
 9783428522088, 9783428122080

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 179

Mobbing am Arbeitsplatz – Strafbarkeitsrisiko oder Strafrechtslücke? Eine Betrachtung aus gegenwärtiger und zukunftsorientierter Perspektive

Von

Christiane Mühe

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIANE MÜHE

Mobbing am Arbeitsplatz – Strafbarkeitsrisiko oder Strafrechtslücke?

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 179

Mobbing am Arbeitsplatz – Strafbarkeitsrisiko oder Strafrechtslücke? Eine Betrachtung aus gegenwärtiger und zukunftsorientierter Perspektive

Von

Christiane Mühe

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Dr. h. c. Thomas Hillenkamp, Heidelberg Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2005 / 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 16 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-12208-9 978-3-428-12208-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Universität Heidelberg im Wintersemester 2005/2006 als Dissertation angenommen. Dem Thema Mobbing am Arbeitsplatz und seiner strafrechtlichen Einordnung hat sich bis heute noch keine ausführliche Arbeit gewidmet. Lediglich die arbeits-, zivil-, beamten- und sozialrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Mobbing wurden bisher vertiefend erörtert. Das Bedürfnis, diese in der Rechtswissenschaft bestehende Lücke auszufüllen, veranlasste und motivierte mich zu der vorliegenden Arbeit. Dabei ergab sich die Notwendigkeit, auf materiellrechtlicher Ebene der Frage nachzugehen, ob, und wenn ja, nach welchen Straftatbeständen Mobbing strafbar und ob ein möglicher Strafanspruch auch tatsächlich verfahrensrechtlich durchsetzbar ist. Vor diesem erörterten Hintergrund drängte sich anschließend die rechtspolitische Frage auf, ob die derzeitigen rechtlichen Möglichkeiten genügen, um Mobbing am Arbeitsplatz entgegenzutreten oder ob nach dem Vorbild Frankreichs die Einführung eines auf Mobbing ausgerichteten Straftatbestandes im Sinne des Opferschutzes notwendig und ratsam ist, und wenn ja, wie ein derartiger Straftatbestand ausgestaltet werden könnte. Mein besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Hillenkamp und meiner Zweitgutachterin Frau Prof. Dr. iur. utr. Brigitte Tag für die konstruktiven Anregungen, die Erstellung der Gutachten in bemerkenswert kurzer Zeit und der schönen und lehrreichen Zeit an ihren Lehrstühlen in Heidelberg und Zürich. Ebenfalls möchte ich mich herzlich bei Frank Hense, Karsten Gaede, Klaus van Eck und allen, die in vielfältiger Weise zum Erfolg meiner Arbeit beigetragen haben, bedanken. Heidelberg, im Mai 2006

Christiane Mühe

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erstes Kapitel Grundlagen zur Mobbingproblematik A. Der Begriff Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ursprung, Entwicklung und Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhaltliche Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Sparkassenfall“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Münchner Polizistinnenfall“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mobbing im allgemeinen Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wissenschaftliche Mobbingdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Heterogenität der Mobbingdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mobbingdefinitionen außerhalb der Rechtswissenschaft . . . . . . . . . c) Mobbingdefinitionen innerhalb der Rechtswissenschaften . . . . . . . aa) Mobbingdefinitionen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mobbingdefinitionen des rechtswissenschaftlichen Schrifttums 4. Vergleich der Mobbingdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsamkeiten der Mobbingdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten rechtswissenschaftlicher Mobbingdefinitionen . . . aa) Vorsätzliches Handeln und besondere Absicht des Mobbenden bb) Notwendiger Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtswidrigkeit der einzelnen Mobbinghandlungen . . . . . . . . dd) Unterlegene Stellung des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die einzelnen Mobbinghandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vielfalt und Unüberschaubarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die häufigsten Mobbinghandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Mobbingverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abgrenzung zu ähnlichen Verhaltensformen am Arbeitsplatz . . . . . . . a) Stalking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 26 30 30 30 31 33 34 34 35 36 37 39 40 40 42 42 43 43 44 45 45 45 51 52 55 55

8

Inhaltsverzeichnis b) Sexuelle Belästigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Diskriminierung von Minderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Ursachen für Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vielfältigkeit der möglichen Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übergeordnete Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Lage und Arbeitsmarktsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unmittelbar das Mobbinggeschehen auslösende Ursachen . . . . . . . . . . . . . 1. Persönlichkeitsbezogene Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unternehmenspolitik im Zwiespalt mit dem Kündigungsschutz . . . . . 3. Mobbing fördernde betriebliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 4. Persönlichkeit des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Persönlichkeit des Mobbenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Folgen von Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Folgen für die Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönlichkeitsrecht, Gesundheit und allgemeines Wohlbefinden . . . . a) Psychische Gesundheit und Wohlbefinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Physische Gesundheit und Wohlbefinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf den Arbeitsplatz und die Arbeitsleistung . . . . . . . . 3. Auswirkungen auf die Persönlichkeit und das soziale Umfeld . . . . . . 4. Suizid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Folgen für das Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgen für die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweites Kapitel Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden nach geltendem Recht

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A. Einführung und Eingrenzung des Untersuchungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . .

74

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände des Strafgesetzbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführende Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Körperverletzung §§ 223 ff., 229 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beeinträchtigung der physischen Integrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beeinträchtigung der seelisch-psychischen Integrität . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführende Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Körperliche Misshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis c) Gesundheitsschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einführende Erläuterung und Begrenzung des möglichen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum . . . . . . . . . . cc) Vorüberlegung zur Praktikabilität der Einbeziehung der Psyche in den Gesundheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Auslegung des Gesundheitsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) „Körperverletzung“ als amtliche Überschrift der §§ 223, 229 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Stellung unter dem 17. Abschnitt des Strafgesetzbuches (c) Vergleich mit anderen Normen des Strafgesetzbuches (d) Verfassungsrechtliche Implikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Das Gesundheitsverständnis in gleichrangigen Normen (3) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Teleologische Auslegung und Wandel des Gesundheitsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Tatbestandsmäßiges Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mobbing – ein Komplex von mehreren psychisch wirkenden Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Üble unangemessene Behandlung“ – als notwendiges Kriterium für die körperliche Misshandlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kumulative Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit anhand normativer Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lehre von der Sozialadäquanz als normatives Tatbestandskorrektiv? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einführende Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mobbing – Sozialadäquates Verhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Soziale Adäquanz versus objektive Zurechnung . . . . . . . . . (4) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Lehre von der objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schaffen einer rechtlich relevanten Gefahr mittels Mobbing (a) Unproblematische Mobbingfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Entzug gesellschaftlichen Miteinanders am Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Problemdarstellung: Beurteilung der Einzelhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (bb) Begründung der rechtlich relevanten Gefahr mittels subjektiver Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Begründung der rechtlich relevanten Gefahr durch Einbeziehung des Gesamtkontexts in die rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Kriterien der Konkretisierung des unrechtsbegründenten Gesamtkontexts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Sachlich gerechtfertigte Kritik durch den Arbeitgeber oder Vorgesetzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Beteiligung Mehrerer am Mobbingprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mobbing begangen in Mittäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mobbing begangen in Nebentäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abgrenzung vorsätzliche – fahrlässige Körperverletzung . . . . . . . . . . . 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Körperverletzung im Amt § 340 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begehen einer Körperverletzung während der Ausübung des Dienstes 3. Körperverletzung in Beziehung auf den Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Begehenlassen einer Körperverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung §§ 185 ff. StGB . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ehre als Schutzgut der Beleidigungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beleidigung § 185 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführung anhand statistischer Erhebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Relevante Beleidigungshandlungen im Zusammenhang mit Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schimpfworte und entwürdigende Äußerungen . . . . . . . . . . . . . bb) Vertragswidrige und verwehrte Aufgabenzuteilung . . . . . . . . . . cc) Äußerung von Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Scherze und Sticheleien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Unterlassen von Höflichkeitsformen und das Meiden von sozialem Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Sexuelle Belästigungen und sexualbezogene Handlungen . . . . d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Üble Nachrede und Verleumdung §§ 186, 187 StGB . . . . . . . . . . . . . . a) Relevanz für die strafrechtliche Beurteilung von Mobbing . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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b) Tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beleidigungsfreie Sphäre am Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Üble Nachrede und Verleumdung durch eine Mehrzahl an Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Subjektiver Tatbestand –Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtfertigungsgrund § 193 StGB – „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Nötigung § 240 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nötigungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Drohung mit einem empfindlichen Übel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einzelne Mobbinghandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesamtgeschehen Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nötigungserfolg und nötigungsspezifischer Kausalzusammenhang . . . 4. Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verwerflichkeit (§ 240 Abs. 2 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Totschlag und fahrlässige Tötung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ursächlichkeit von Mobbing für den Suizid des Betroffenen . . . . . . . . 3. Mittelbare Täterschaft oder straflose Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anstiftung und Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mittelbare Täterschaft – Freiverantwortlichkeit der Suizidentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einführende Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abwägung „Exkulpationstheorie“ – „Einwilligungstheorie“ . . cc) Einwilligungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abgrenzung vorsätzliche Tötung bzw. Mord und fahrlässige Tötung a) Vorsatz – Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fahrlässigkeitsvorwurf – Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht aa) Objektive Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sorgfaltspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Nichtverhinderung und Duldung von Mobbing § 13 StGB . . . . . . . . . . . . .

174 176 177 178 178 179 179 183 184 184 184 184 185 189 190 191 195 195 196 197 200 201 201 202 203 203 203 203 204 209 212 212 212 214 215 217 218 219

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Inhaltsverzeichnis 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Täterschaft oder Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Garantenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Garantenstellung des Betriebsinhabers bzw. Arbeitgebers . . . . . . . . aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschützergarantenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gefahrengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Freiwillige Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Überwachergarantenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Innehabung eines rechtlich geschützten Bereichs . . . . . . . . (2) Kraft Autoritätsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Einschränkung der Garantenpflicht in ihrem Umfang (3) Ingerenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Garantenstellung des Vorgesetzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Garantenstellung der Kollegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Garantenstellung der Betriebsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschützergarantenstellung kraft Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beschützergarantenstellung aufgrund einer Gefahrengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Überwachergarantenstellung kraft Autoritätsstellung . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Handlungsmöglichkeit (Tatmacht) des untätig bleibenden Garanten . . 5. Hypothetische Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zumutbarkeit des Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Entsprechungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

255 255 257 257 258 259 260 261 262 265 268

C. Verfahrensrechtliche Besonderheiten der strafrechtlichen Einordnung von Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Privatklageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafantragsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beweisschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

268 268 271 273 273 274

219 220 220 224 224 225 225 226 226 232 232 233 233 234 238 244 245 246 248 248 248

Inhaltsverzeichnis D. Besonderheiten der Strafzumessung bei Verurteilung des Mobbenden . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beweggründe des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Außertatbestandliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Berufliche Folgen für den Mobbenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 275 275 276 277 278 279

E. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

Drittes Kapitel Mobbing de lege ferenda

283

A. Einleitung und Überlegungen zu einem mobbingspezifischen Straftatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Gesetzeslage in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeits- und Beamtenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reaktionen auf die neue Gesetzeslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284 284 285 285 286 287 288 289

C. Mobbing de lege ferenda in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meinungsstand über die Einführung eines deutschen Anti-MobbingGesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stellungnahmen innerhalb der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auffassung der Gesetzgebungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der heutige Schutz vor Mobbing durch außerstrafrechtliche Vorschriften 1. Außerstrafrechtlicher Schutz als Leitgesichtspunkt für die Frage nach strafrechtlichem Handlungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arbeits-, zivil- und beamtenrechtliche Folgen von Mobbing . . . . . . . . a) Schadensersatz und Schmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterlassungs- und Widerrufsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mobbing als Kündigungs-, Abmahnungs- und Versetzungsgrund . d) Mobbingspezifische Schutzpflicht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . e) Dienstrechtliche Folgen von Mobbing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gegenwärtiger tatsächlicher Rechtsschutz des Betroffenen . . . . . . aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gegenwärtige Zurückhaltung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289

B. Die I. II. III.

289 289 290 293 293 293 295 297 297 298 300 302 302 302 309

14

Inhaltsverzeichnis III. Pflicht des Staates, den Bürger vor Mobbing zu schützen? . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzpflicht in Form einer Strafsetzungspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Mobbingspezifische Gesetzesregelungen als Ausprägungen des gesetzgeberischen Ermessensspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der gesetzgeberische Ermessensspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufklärungspolitik und Motivierung zu Prävention auf innerbetrieblicher Ebene als Minimum staatlichen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mobbingspezifische Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Außerstrafrechtliche mobbingspezifische Regelungen im Rahmen eines Anti-Mobbing-Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ein mobbingspezifischer Straftatbestand im Rahmen eines AntiMobbing-Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsgüterschutz und verfassungsrechtliche Implikationen . . (1) Rechtsgüterschutz als Ausgangsbedingung eines Strafgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Reichweite staatlicher Strafgewalt und Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtspolitische Überlegungen zur Notwendigkeit eines mobbingspezifischen Straftatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überlegungen für einen mobbingspezifischen Straftatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Überlegungen gegen einen mobbingspezifischen Straftatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Wirkungslosigkeit im Hinblick auf § 154d StPO . . . . . (b) Ultima ratio des Strafrechts und Bestimmtheitsgrundsatz gemäß § 103 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

310 310 312 315 315 317 319 319 320 324 324 324 326 327 328 333 333 335

D. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

Viertes Kapitel Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

341

A. Einführende Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 B. Das Strafrecht Frankreichs und Änderungsvorschläge zum deutschen StGB als Orientierungshilfen bei den Überlegungen zu einem auf Mobbing ausgerichteten Straftatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. 222-33-2 code pénal „Harcèlement moral“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorschläge zur Änderung des Strafgesetzbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Würdigung der Vorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

343 343 344 345

Inhaltsverzeichnis

15

C. Eigener Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes . . . . . . . . . . 346 D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die objektiven Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schikanierende, demütigende, diskriminierende, sexuell belästigende, die Ehre verletzende oder die Arbeitsleistung behindernde Handlungen a) Allgemeine Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltliche Konkretisierung der Tatbestandsalternativen . . . . . . . . . 3. Beschränkung auf kommunikative Handlungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beharrlichkeit des Vorgehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . 6. Mobbingopfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Mobbingtäter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Gesundheitsgefahr und Gefahr erheblicher beruflicher Nachteile . . . . a) Konkrete Gefährdung des Handlungsobjektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesundheit und berufliche Zukunft als Gefährdungsgüter . . . . . . . c) Weitere Interessen als Gefährdungsgüter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Überlegungen zur Ausgestaltung des Delikts als abstraktes Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Absicht hinsichtlich der Aufgabe des Arbeitsplatzes durch den Betroffenen IV. Anknüpfung der Strafe an Vorsatz- und Fahrlässigkeitsschuld . . . . . . . . . . V. Ausgestaltung als Antragsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Strafrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Systematische Eingliederung im Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Keine Ausgestaltung als Privatklagedelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Ausgestaltung als Nebenklagedelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

346 346 349 349 350 350 353 355 356 358 359 359 360 365 365 367 368 370 372 373 374 376 377 379 379

E. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 Anhang 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Anhang 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. a. F. Abs. ADS AG AiB Alt. AöR AP AR-Blattei ES ArbG ArbGG Art. ArztR AT AuA BAG BayOLG BB BBG BBl. BDH BGB BGBl BGH BGHR BGHSt BGHZ BR-Drs. BSG BSGE BT BT-Drs. BT-Prot. BVerfG

anderer Ansicht am Ende alte Fassung Absatz Archiv Demokratischer Sozialismus Amtsgericht Arbeitsrecht im Betrieb Alternative Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis (Entscheidungssammlung) Arbeitsrecht – Blattei-Entscheidungssammlung Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Artikel Arztrecht Allgemeiner Teil Arbeit und Arbeitsrecht Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebsberater Bundesbeamtengesetz Bundesblatt Bundesdisziplinarhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (Teil, Seite) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshof in Zivilsachen Drucksache des Deutschen Bundesrats Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Besonderer Teil Drucksache des Deutschen Bundestages Bundestags-Protokolle Bundesverfassungsgericht

Abkürzungsverzeichnis BVerfGE BVerwG bzw. ca. DB ders. dies. EMRK EU FA ff. Fn. FPR FS GA GewO GG GK GS GVBl h. L. h. M. HRRS Hrsg. JA JArbSchG JGG JöR JR Jura JuS JW JZ KG KK-SozR KMR krit. LAG LG LKLK-StPO

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Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise circa Der Betrieb derselbe dieselbe Europäische Menschenrechtskonvention Europäische Union Fachanwalt Arbeitsrecht folgende Fußnote Familie Partnerschaft Recht Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz Der Gerichtssaal Gesetz- und Verordnungsblatt herrschende Lehre herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Strafrechts Herausgeber Juristische Arbeitsblätter Jugendarbeitsschutzgesetz Jugendgerichtsgesetz Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Kleinknecht/Müller/Reitberger, Loseblattkommentar zur Strafprozessordnung kritisch Landesarbeitsgericht Landgericht Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Leipziger Kommentar zur Strafprozessordnung

18 LR LSG LTBW-Drs LZ MDR MedR MK MüKo MüHa MuschG m. w. N. NdsRpfl NJW NJW-RR NK Nr. NStZ NStZ-RR NVwZ NZA NZA-RR NZV OLG OVG PRStGB RdA RG RGBl RGSt RJS Rn. S. SAE Sch/SchSG SK SK/StPO StGB StPO Strafo StV

Abkürzungsverzeichnis Löwe/Rosenberg, Strafprozessordnung Landessozialgericht Drucksache des Landtags Baden-Württemberg Leipziger Zeitschrift Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht Münchner Kommentar zum Strafgesetzbuch Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht Mutterschutzgesetz mit weiteren Nachweisen Niedersächsische Rechtspflege Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Verkehr Oberlandesgericht Oberstes Verwaltungsgericht Preußisches Strafgesetzbuch Recht der Arbeit, Zeitschrift für die Wissenschaft und Praxis des gesamten Arbeitsrechts Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgericht in Strafsachen Revue de Jurisprudence Sociale Randnummer Seite Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) Schönke-Schröder, Strafgesetzbuch Sozialgericht Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidigerforum Strafverteidiger

Abkürzungsverzeichnis VDR VersR VG vgl. ViZ vor wistra WP. z. B. ZBR ZfAO zit ZPO ZRP ZStW zust.

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Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts Versicherungsrecht Verwaltungsgericht vergleiche Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht Vorbemerkung Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Wahlperiode zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend

Weiter Abkürzungen sind Hildebert Kirchner/Cornelie Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtsprache, 5. Auflage, 2003 entnommen.

Einleitung Im Jahr 1999 ging unter dem Schlagwort „Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz“ ein die Öffentlichkeit stark berührendes Ereignis durch die Medien.1 Eine Polizistin aus München beging Suizid, weil sie von ihrem Vorgesetzten über einen langen Zeitraum frauenfeindlichen, entwürdigenden, beleidigenden und ihre fachliche Qualifikation herabstufenden Angriffen ausgesetzt war. Mobbing – ein Geschehen, das in den letzten Jahren immer mehr an Popularität und Aufmerksamkeit innerhalb der Gesellschaft und der Wissenschaft erfährt, steht seit den 90er Jahren grob umschrieben für eine subtile Art von Psychoterror und Schikane am Arbeitsplatz, oftmals mit dem Ziel, eine bestimmte Person zu diskreditieren oder vom Arbeitsplatz zu vertreiben.2 Dabei geht es im Wesentlichen um Angriffe auf die psychische Stabilität und die soziale Geltung des Betroffenen mittels einer die Psyche zermürbenden und die Persönlichkeit entwürdigenden Behandlung, so dass Mobbing auch als psychosoziale Misshandlung von Personen bezeichnet werden kann.3 Das Thema Mobbing erhält in der Gesellschaft vorwiegend seine Bedeutung im Zusammenhang mit der Arbeitswelt. In der Wissenschaft liegt zwar auch das Hauptaugenmerk auf Mobbing am Arbeitsplatz, doch wendet die Mobbingforschung ihren Blick auch zu anderen Lebensbereichen, wo Menschen unausweichlich aufeinander treffen, weil sich vergleichbare Verhaltensweisen auch dort wieder finden, wie beispielsweise in Schulen zwischen Schülern oder zwischen Schülern und Lehrern, zwischen Strafgefangenen in Strafvollzugsanstalten und in Vereinen zwischen Vereinsmitgliedern.4 Dass diese Arbeit sich aus dem Zweck der notwendigen Eingrenzung heraus nur auf Mobbing am Arbeitsplatz beschränkt, soll nicht heißen, dass vergleichbare Verhaltensweisen in ande-

1 Der Stern 2000, Ausgabe Nr. 39, S. 84 f.; siehe auch zu einem weiteren Mobbingfall mit der Folge des Suizids einer Polizistin: Der Stern 1997 Ausgabe Nr. 35. 2 LAG Thüringen BB 2001, S. 1358; Bochmann, ZBR 2003, S. 257; Etzel Anmerkung zu LAG Thüringen vom 14.02.2001, AuR 2002, S. 230; Kollmer, Rn. 1 ff.; Warschkow/Erdmann, AiB 1995, S. 509; Wüppersahl, „unbequem“ Dezember 2001, S. 39; Mit dem Begriff „Psychoterror“ ermahnend umgehend Rieble/Klump ZiP 2002, S. 370. 3 Wickler in Wickler, S. 1. 4 Kasper, Horst, Mobbing in der Schule, 1998; Katzenbach, Dieter: Schulangst, Prüfungsangst und Mobbing in der Schule; OLG Zweibrücken NJW 1998, S. 995 (Schüler gegenüber Lehrer); OLG Nürnberg vom 31.07.1997, Az.: Ws 653/97 (Strafgefangene); BSGE 87, S. 276 (Verein der freiwilligen Feuerwehr).

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Einleitung

ren Lebensbereichen weniger juristisch relevant wären. Vielmehr werden die meisten Erkenntnisse dieser Arbeit hinsichtlich der strafrechtlichen Beurteilung von Mobbing am Arbeitsplatz auch auf ähnliche Vorkommen in anderen Lebensbereichen übertragbar sein. Standen im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Betrachtungen vor einigen Jahren vorwiegend physische Belastungen am Arbeitsplatz, wird der Blick heute verstärkt den psychischen Beeinträchtigungen zugewendet. Die kritische Arbeitsmarktsituation, die damit verbundene Angst um den eigenen Arbeitsplatz, der Einsatz neuer Technologien und Formen der Arbeitsorganisation, welche Zeitdruck, Hektik und Leistungsverdichtung mit sich bringen, sind Risikofaktoren für ein gesundes Arbeitsklima. Themen wie das Betriebsklima, Ängste am Arbeitsplatz, Stress, Führungsstile und Mitarbeiterkommunikation nehmen daher heute eine bedeutende Rolle innerhalb der Arbeitsmedizin und -psychologie ein. In diese Entwicklung reiht sich auch das Thema Mobbing ein, welches gegenwärtig zu den am häufigsten diskutierten Problemen innerhalb der Arbeitswelt zählt und von 45 Prozent aller in Deutschland Beschäftigten als relevantes Thema am Arbeitsplatz eingeordnet wird.5 Mobbing stellt einen Eingriff in das Leben am Arbeitsplatz dar und berührt damit einen sensiblen Lebensbereich, der in unserer Gesellschaft eine immer stärker werdende Bedeutung im Leben des Menschen einnimmt. Die Integration in die Arbeitswelt bietet oftmals nicht nur die Grundlage für die finanzielle Lebensexistenz, sondern auch die Möglichkeit der Persönlichkeitsverwirklichung bzw. -entfaltung und der Verwirklichung persönlichkeitsbezogener Interessen, wie das Interesse an sozialer Integration und persönlicher Selbstbestätigung.6 Aufgrund unterschiedlicher menschlicher Charaktere und Ansichten ist das Unternehmen bzw. der Arbeitsplatz, an dem Personen mehr oder weniger freiwillig zusammenarbeiten, eine Quelle für zwischenmenschliche Spannungen. Konflikte, Auseinandersetzungen, Reibereien und Meinungsverschiedenheiten liegen in der Natur der menschlichen Beziehungen. In der Regel sind die Konflikte kurzfristig oder bringen für die Beteiligten keine erheblichen Beeinträchtigungen mit sich. Das ist bei Mobbing anders, denn dabei handelt es sich nicht nur um einen kurzen, alltäglichen und vorübergehenden Konflikt, sondern um eine über einen längeren Zeitraum andauernde Einflussnahme auf die Psyche, die oftmals mit erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen einhergeht und regelmäßig zur Beeinträchtigung des Arbeitslebens, zu physischen und psychischen Erkrankungen oder sogar zum Suizid des Betroffenen führt. 5

Wickler in Wickler, S. 2 f.; Wolmerath, 1. Auflage, S. 19. Zum heutigen Sinn der Arbeit siehe die Rechtsprechung zum Beschäftigungsanspruch: BAG AP Nr. 2 und 14 zu § 611 „Beschäftigungspflicht“; LAG Stuttgart ARBlattei ES, Nr. 1 „Beschäftigungspflicht“; Ruhl/Kassebohm, NZA 1995, S. 497. 6

Einleitung

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Welche zentrale Rolle Mobbing heute in der Arbeitswelt spielt, zeigen verschiedene Studien. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, wie z. B. Schweden und Österreich, die bereits Ende des letzten Jahrhunderts repräsentative Daten rund um das Thema Mobbing erhoben, wurde in Deutschland erst im Jahr 2002 im Rahmen eines Forschungsprojekts der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin die erste Repräsentativstudie über Mobbing erstellt. Nach den Ergebnissen der Studie handelt es sich bei Mobbing nicht um betriebliche Einzelfälle, denn aktuell sind in Deutschland 2,7 Prozent aller Erwerbstätigen von Mobbing betroffen.7 Das entspricht einer Zahl von ca. 800.000 Arbeitnehmer/innen. Rund elf Prozent der Befragten gaben sogar an, in ihrem Arbeitsleben bereits Mobbingangriffen ausgesetzt gewesen zu sein. Im Vergleich mit anderen europäischen Staaten siedelt sich Deutschland mit seinen Betroffenheitszahlen im Mittelfeld an.8 Mobbing stellt somit nicht nur ein Randphänomen der Arbeitswelt, sondern ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem dar. Zwar ist davon auszugehen, dass es sich bei Mobbing nicht um ein gänzlich neues Phänomen handelt, sondern – wenn wohl auch mit geringerer Häufigkeit – unter anderer Bezeichnung wie: „Schikane“, „Konflikte“, „Turbulenzen“, „Streitigkeiten am Arbeitsplatz“ schon lange – wahrscheinlich schon so lange seit es die Arbeitswelt gibt – vorkommt.9 Schon immer ist versucht worden eigene Ziele zu Lasten anderer mit unfairen Mitteln zu erreichen. Die Öffentlichkeit wendet sich jedoch erst in den letzten Jahren dem Thema Mobbing verstärkt zu und prangert es zunehmend an, was sich an der Vielzahl von Zeitungsund Fernsehberichten zeigt, so dass Mobbing heute einen weitaus höheren Stellenwert innerhalb der Arbeitswelt einnimmt, als noch vor einigen Jahren. Die Zahlen über die Verbreitung von Mobbing und die sich in den Anfängen zu dem Thema „Mobbing“ befindende, vor allem arbeitsrechtliche Rechtsprechung10, die anwachsenden wissenschaftlichen Diskussionen und Studien in unterschiedlichen Zweigen der Wissenschaft, die stetige Zunahme des Interesses der Medien11 und der Öffentlichkeit und die ansteigende Sensibilisierung der 7

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 26. Siehe zum Vergleich zur Mobbingrate in anderen Ländern den Überblick bei Zapf, ZfAO 1999, S. 5; Staatsekretariat Schweiz, S. 13 f. Nach einem Arbeitsdokument des Europäischen Parlaments sollen 8 Prozent aller Arbeitnehmer in der EU Einschüchterungen und Mobbing am Arbeitsplatz ausgesetzt sein (Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 11). 9 Kollmer, AR-Blattei 2002, Rn. 67 erwähnt einen mit Mobbing vergleichbaren Fall, welcher bereits 1921 Gegenstand eines zivilrechtlichen Verfahrens war: Aufgrund einer heftigen Auseinandersetzung mit dem Juniorchef erlitt ein Prokurist einen Gallensteinanfall, der zu Gelbsucht und weiteren Erkrankungen führte (RG 65, S. 602). Brinkmann, S. 9; Etzel, Bilanz & Buchhaltung 4/1994, S. 153 ff. (153); Spamer, S. 3; Zuschlag, S. 3. 10 Siehe dazu die Ausführungen im Dritten Kapitel C. II. 2. f) bb). 8

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Einleitung

Gesellschaft für dieses Thema sind Nachweise dafür, dass Mobbing nicht nur eine temporäre Modeerscheinung12 ist. In Verbindung mit den nachteiligen Folgen, welche von Persönlichkeitsrechtsverletzungen über erheblich nachteilige Beeinträchtigungen des Arbeitsplatzes bzw. des Arbeitsverhältnisses, psychische und psychosomatische Störungen reichen und bis hin zum Suizid führen können, ergibt sich daher die unumgängliche Notwendigkeit, die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen um das Thema Mobbing nicht mehr nur Arbeitsmedizinern, Arbeitspsychologen und Sozialwissenschaftlern zu überlassen, sondern auch innerhalb der Rechtswissenschaft die Diskussion um das Thema Mobbing verstärkt aufzunehmen. Die innerhalb der Jurisprudenz vertretene Auffassung13, dass Mobbing nur ein Modewort sei, sollte im Sinne einer nicht haltbaren Verharmlosung der Brisanz der dahinter stehenden Problematik dagegen auf schnellstem Wege aufgegeben werden. Die Notwendigkeit der Aufarbeitung der rechtlichen Relevanz von Mobbing wurde innerhalb der Rechtsprechung und dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum in den letzten Jahren auch bereits erkannt, doch beschränken sich die Urteile der Rechtsprechung und die wissenschaftlichen Abhandlungen oftmals allein auf die zivil-, arbeits- oder sozialrechtliche Beurteilung. Die strafrechtlichen Folgen bleiben – trotz der durch Mobbing hervorgerufenen erheblichen Rechtsgutsschäden – ungerechtfertigt im Hintergrund. Die Schließung dieser Lücke soll deshalb Aufgabe der vorliegenden Arbeit sein. Im Ersten Kapitel der Arbeit gilt es zunächst zu klären was sich hinter dem Begriff Mobbing verbirgt. Daran anschließend werden Verlauf, Ursachen und Folgen vor dem Hintergrund der neusten Ergebnisse der Mobbingforschung erörtert. Im Zweiten Kapitel wird die heutige strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden genauer betrachtet. Im Dritten Kapitel wird – aufbauend auf dem Zweiten Kapitel – gefragt, ob der heutige rechtliche Schutz für die Betroffenen genügt oder ob gesetzlicher Handlungsbedarf besteht. Insbesondere wird die Frage zu stellen sein, ob nach dem Vorbild Frankreichs die Einführung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes notwendig erscheint. Im Vierten Kapitel wird alsdann ein Vorschlag für einen möglichen mobbingspezifischen Straftatbestand erarbeitet. Die Arbeit bezieht sich auf verschiedene in- und ausländische Studien über Mobbing am Arbeitsplatz. 14 Mit Hilfe dieser Repräsentativstudien werden um11 Im Spiegel August/1997 Nr. 35 und Februar/1999 Nr. 8 wird über zwei Selbsttötungen zweier Polizistinnen berichtet, die von ihren Kollegen bzw. Vorgesetzten gemobbt und in den Tod getrieben wurden sein sollen. Erinnert sei auch an das TVDrama „Der Tod ist kein Beweis“ – ausgestrahlt am 21.10.2002, ZDF 20.15 Uhr, in dem – basierend auf einer wahren Geschichte – eine Frau den Selbstmord ihrer Tochter aufgrund von Mobbing beweisen will. 12 Graf, S. 15; Kollmer, Rn. 19. 13 Graf, S. 15; Kollmer, Rn. 19; Rieble/Klump, ZiP 2002, S. 370.

Einleitung

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fassende und empirisch gesicherte Daten über das Vorkommen von Mobbing in Deutschland und anderen Ländern bereitgestellt, welche einen wesentlichen Beitrag für eine sachliche Erörterung der Mobbingproblematik in dieser Arbeit liefern. Insbesondere wird auf die erste deutsche Repräsentativstudie aus dem Jahr 2002, die im Rahmen eines Forschungsprojekts der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erstellt wurde, zurückgegriffen.15 Die Studie setzt sich aus zwei Befragungsstufen zusammen. Die erste Befragungsstufe beruhte auf einer stichprobenartigen telefonischen Befragung mit dem Ziel, die Verbreitung von Mobbing in Deutschland festzustellen. Es wurden insgesamt 4396 Interviews ausgewertet. Die zweite Befragungsstufe basierte auf anonymen schriftlich auszufüllenden Fragebögen, auf denen Betroffene konkrete mobbingspezifische Fragen beantworten sollten. Auf der zweiten Befragungsstufe standen der Studie zur Auswertung 1317 ausgefüllte Fragebogen zur Verfügung.16 Die Arbeit greift darüber hinaus verstärkt auf eine Studie des Österreichers Niedl aus dem Jahr 1995 zurück, in der 63 Fragebögen von Angestellten in einem privaten Forschungsinstitut und 368 Fragebögen von Mitarbeitern eines öffentlichen Krankenhauses über das Thema Mobbing ausgewertet wurden.17 Eine weitere Studie über Mobbing, auf die sich die Arbeit vermehrt bezieht, stammt von dem Schweden Heinz Leymann, welcher 300 Befragungen von Betroffenen seiner Studie über Mobbing zu Grunde legte.18

14 Siehe die Übersicht über die verschiedenen Mobbingstudien und der Anzahl der jeweils befragten Personen bei Zapf, ZfAO 1999, S. 5. 15 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, Der Mobbingreport: Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland, 2002. 16 Siehe zur Art und Weise der Studie Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 13 ff. 17 Niedl, Klaus: Mobbing/Bulling am Arbeitsplatz, 1995. 18 Leymann, Heinz: Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann, 1993.

Erstes Kapitel

Grundlagen zur Mobbingproblematik A. Der Begriff Mobbing Um Mobbing einer rechtlichen Beurteilung zuführen zu können, ist zunächst zu erfassen, welches Verhalten mit diesem Begriff umschrieben wird und wie es von herkömmlichen Konflikten und anderen Formen von Belästigungen am Arbeitsplatz abzugrenzen ist.

I. Ursprung, Entwicklung und Verbreitung Mobbing ist ein Begriff, der sich in der Wissenschaft und in den Köpfen der Menschen im deutschsprachigen Raum etabliert hat und aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken ist. Er geht auf das englische Verb „to mob“ zurück, was so viel heißt wie „lärmend herfallen über“, „anpöbeln“, „angreifen“ oder „attackieren“. 1 „To mob“ wiederum findet vermutlich seinen Ursprung in der lateinischen Bezeichnung „mobile vulgus“.2 Der Begriff Mobbing hat sich erst in den letzten 40 Jahren zu dem Begriff herausgebildet wie wir ihn heute kennen. Er wurde von dem österreichischen Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz geprägt und in die deutsche Sprache eingeführt.3 Dieser umschrieb mit Mobbing – in Anlehnung an die Geschichte von Nils Holgerson4 – Angriffe einer Tiergruppe gegen einen Eindringling, um sich zu schützen und den Eindringling zu verjagen.5 Von dieser Terminologie angetan, übertrug der schwedische Chirurg Peter-Paul Heinemann in den 60/70er Jahren den Begriff auf das menschliche Sozialverhalten 1

Esser/Wolmerath, S. 20; Kollmer, Rn. 5; Zuschlag, S. 3. Was so viel heißt, wie „wankelmütige Masse, aufgewiegelte Volksmenge“; Esser/ Wolmerath, S. 20; Kollmer, Rn. 5; Schlaugat, S. 4; Wolmerath, Rn. 3; Zuschlag, S. 3. 3 Kollmer, Rn. 4; Niedl, S. 12. 4 Lagerlöf, Selma: Wunderbare Reise des Nils Holgerson mit den Wildgänsen, München 1984: Däumling Nils flüchtete sich auf einen Baum, um dem Fuchs, der unter dem Baum auf ihn wartete und ihn fressen wollte, zu entkommen. Er bekommt Hilfe von Gänsen, welche immer und immer wieder Scheinangriffe auf den Fuchs ausüben. Am Abend war der Fuchs so erschöpft, dass Nils entkommen konnte. 5 Brinkmann, S. 11 f.; Leymann (1995), S. 14. 2

A. Der Begriff Mobbing

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und verstand darunter die Gruppengewalt von Kindern gegen Mitschüler auf dem Schulhof in der Form, dass eine Gruppe von Kindern ein einzelnes Kind attackierte und dieses dadurch aus der Gemeinschaft ausgrenzte.6 Das wissenschaftliche Interesse und die Grundlagenforschung über Mobbing am Arbeitsplatz finden ihren Ursprung während der 80er Jahre in Skandinavien.7 Dies ist vor allem auf die damalige schwedische Politik zurückzuführen, die im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern frühzeitig die arbeitsmedizinische Forschung förderte und arbeitsrechtliche Gesetze zum Schutz der psychischen Gesundheit erließ.8 Insbesondere dem schwedischen Arbeitspsychologen Heinz Leymann9, der den Begriff Mobbing10 erstmals auf Vorgänge in der Arbeitswelt projizierte, ist es durch seine zahlreichen und umfangreichen Studien, die er länderübergreifend thematisierte, zu verdanken, dass das Thema Mobbing am Arbeitsplatz, wie wir es heute kennen, in die öffentliche Diskussion getreten ist.11 In Schweden und Italien werden Verhaltensweisen, welche in Deutschland, der Schweiz und Österreich als Mobbing bezeichnet werden, ebenfalls als Mobbing benannt.12 In Frankreich dagegen wird Mobbing mit „harcèlement moral“ umschrieben.13 Trotz seiner Herkunft aus dem Englischen wird in Großbritannien und den USA auf den Begriff Mobbing nur selten zurückgegriffen. Dort wird das Geschehen als (workplace) bullying14, (employee) abuse15 oder workplace terrorism16 bezeichnet. Im englischsprachigen und mittlerweile auch immer häufiger im deutschsprachigen Raum wird Mobbing abhängig von den am Mobbinggeschehen Beteiligten oftmals mit der Einteilung in Untergruppen sprachlich spezifiziert, indem Begriffe wie Bossing, Staffing und Bullying verwendet werden.17 Staffing um6

Vgl. Kollmer, Rn. 4; Niedl, S. 12; Schlaugat, S. 4; siehe auch Gockel, S. 21. Niedl, S. 16 f.; Schlaugat, S. 5; siehe m. w. N. Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 5. 8 Gockel, S. 22 f. 9 Siehe zum Leben Heinz Leymanns und zu seinen bedeutenden Arbeiten und Forschungen über Mobbing Arentewicz, in Arentewicz/Fleissner, S. 21 ff. 10 Im Schwedischen „mobbning“. 11 Schlaugat, S. 5 f.; Esser/Wolmerath, S. 20; Kollmer, Rn. 4; Leymann (1995), S. 14; Spamer, S. 13. 12 Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 6. 13 Französischer Fachausdruck, der überwiegend auf die psychische Natur von Mobbing verweisen soll. 14 Dieser Begriff wird besonders im angelsächsischen Raum als Synonym für Mobbing verwendet. Siehe dazu Brinkmann, S. 12; Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 6; Kratz; S. 10, Niedl, S. 11; Zuschlag, S. 3. 15 Übersetzt: Missbrauch von Beschäftigten. Wird vor allem in den USA gebraucht. Siehe Kratz S. 10; Neuberger, S. 3; Niedl, S. 11. 16 Übersetzt: Terror am Arbeitsplatz; Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 6. 7

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

schreibt Mobbing des Untergebenen gegen den Vorgesetzten.18 Bossing dagegen kennzeichnet Mobbing von Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, das oftmals in der Form bewusster, über einen längeren Zeitraum anhaltender Erniedrigungen von Mitarbeitern, mit dem Ziel, diese zur Kündigung zu bewegen, geführt wird.19 Bullying wiederum steht für Mobbingverhalten einer Gruppe gegenüber einer Einzelperson, wobei innerhalb der Gruppe ein Einzelner die Führung übernimmt und den Rest der Gruppe für sich gewinnt.20 Es gibt keinen Bereich in der Arbeitswelt, der von Mobbing ausgenommen wird. Mobbing zieht sich vielmehr durch alle Berufsgruppen, Branchen, Betriebsgrößen, Hierarchiestufen und Tätigkeitsniveaus. Gleichwohl wurden in verschiedenen in- und ausländischen empirischen Repräsentativstudien, worunter auch die bereits erwähnte Repräsentativstudie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zählt, insoweit Auffälligkeiten festgestellt. Danach ist die Anzahl der Mobbingfälle in der öffentlichen Verwaltung, der Ausbildung, dem Erziehungswesens, dem Gesundheitswesens und dem Kreditgewerbe höher als in anderen Bereichen.21 Auffällig hoch ist die Mobbingrate in Krankenhäusern.22 Besonders bei Personen, die soziale Berufe ausüben, wie z. B. Sozialarbeiter, Erzieher oder Altenpfleger, sind die Mobbingfälle überrepräsentiert.23 Auch scheinen Größe, Rechtsform und Organisation des Unternehmens einen Einfluss auf das Mobbingaufkommen zu haben, weil in multinationalen Konzernen, staatlichen oder kommunalen Behörden und Betrieben relativ mehr Mobbingfälle verzeichnet werden als in Kleinst-, Privat- oder Familienbetrieben.24 Ebenfalls wurde festgestellt, dass Arbeiter im Vergleich zu Angestellten und Beamten seltener Mobbingangriffen ausgesetzt sind.25 Mobbende sind fast ausschließlich die eigenen Arbeitskollegen oder der Vorgesetzte, wobei in der Mehrzahl der Fälle die Mobbingangriffe allein vom Vorgesetzten ausgehen oder dieser am Mobbing mitbeteiligt ist.26 Einige Schätzun17 Brinkmann, S. 12; Karsten, S. 88; Kollmer, Rn. 14; siehe zu weiteren Synonymen vor allem im nicht deutschsprachigen Raum Niedl, S. 11. 18 Kollmer, Rn. 14; Schaub, § 108 Rn. 57. 19 Brinkmann, S. 12; Kollmer, Rn. 14; Pirntke, S. 15; Schaub, § 108 Rn. 57; Zuschlag, S. 4; Volk, S. 19. 20 Karsten, S. 89. 21 Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 11; Leymann (1993), S. 48; ders., 1995, S. 20; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 30 f.; Niedl, S. 49; Zapf, ZfAO 1999, S. 8 f. 22 Knorz/Zapf, ZfAO 1996, S. 17; Niedl, S. 104 f.; Staatsekretariat Schweiz, S. 13 f., das für den Gesundheitsbereich allgemein erhöhte Werte feststellte. 23 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 30 f. 24 Niedl/Leymann, S. 107; Leymann (1993), S. 86; Zapf, ZfAO 1999, S. 9. 25 Wolmerath, S. 38; Zapf, ZfAO 1999, S. 9. 26 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 68; Leymann (1993), S. 47; Niedl, S. 52; Staatssekretariat Schweiz, S. 23, 50; Zapf, ZfAO 1999, S. 10.

A. Der Begriff Mobbing

29

gen beziffern den Anteil von Mobbing durch Vorgesetzte auf bis zu 80 Prozent.27 Mobbing von Untergebenen gegen ihre Vorgesetzten kommt dagegen nur selten vor.28 Männer nehmen unter den Mobbenden eine gewichtigere Rolle als Frauen ein.29 Dagegen sind Frauen öfter Mobbingangriffen ausgesetzt als Männer.30 Männer werden überwiegend von Männern und Frauen sowohl von Frauen als auch von Männern in etwa gleich oft gemobbt.31 Dieses Ergebnis wird zum einen damit begründet, dass Vorgesetzte heutzutage überwiegend Männer sind, so dass das Vorgesetztenmobbing mehr rollenbedingt als geschlechtsbedingt ist und zum anderen mit der teilweise noch vorherrschenden Abgrenzung zwischen Männern und Frauen am Arbeitsplatz.32 Hinsichtlich der Altersstruktur der Betroffenen lässt sich hinzufügen, dass unter 25jährige, vor allem Auszubildende, die trotz ihres in der Regel geringen Anteils an der Beschäftigtenzahl eines Unternehmens, mit einem Anteil von 3,7 Prozent und die 55jährigen mit einem Anteil von 2,9 Prozent an der Betroffenenquote am häufigsten gemobbt werden.33 In der Mehrzahl der Fälle richtet sich Mobbing gezielt gegen eine Person. Selten geht der Mobbende bzw. gehen die Mobbenden gegen mehrere Personen gleichzeitig oder gegen ganze Gruppen vor. Uneinigkeit herrscht dagegen darüber, ob Mobbing in der Form überwiegt, dass der Betroffene mehreren Mobbenden ausgesetzt ist oder ob sich Mobbing häufiger im Ein-Personen-Verhältnis abspielt, indem der Betroffene nur einem Mobbenden ausgesetzt ist.34 Die Antwort auf diese Frage hängt eng mit der Position bzw. der hierarchischen Stellung des Mobbenden gegenüber dem Betroffenen zusammen.35 Handelt es sich um Vorgesetztenmobbing, bei dem der Mobbende hierarchisch eine Position über dem Betroffenen einnimmt, ist der Vorgesetzte häufig alleiniger Mobbender.36 Dagegen gehen bei Untergebenenmobbing, bei dem der Mobbende am

27

Karsten, S. 89. Halama, S. 5; Leymann, S. 47; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 68; Niedl, S. 52; Staatssekretariat Schweiz, S. 23; Zapf, ZfAO 1999, S. 10. 29 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 69; Zapf, ZfAO 1999, S. 7; a. A. Halama, S. 7; Leymann (1993), S. 87, die zu einem ausgeglichenen Geschlechtsverhältnis der Mobbenden gelangen. 30 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 26; Zapf, ZfAO 1999, S. 6 f.; Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 11; a. A. Volk, S. 156. In Skandinavien dagegen stellten Wissenschaftler in ihren Studien fest, dass Frauen und Männer in etwa gleich oft gemobbt werden, wobei das Risiko bei Frauen eher etwas, aber nur gering, höher liegt (siehe dazu Leymann (1993), S. 85; Niedl, S. 47). 31 Leymann (1993), S. 87; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 69. 32 Leymann (1993), S. 87. 33 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 28, 37; Niedl, S. 105 f. 34 Wolmerath, Rn. 45; Zapf, ZfAO 1999, S. 8. 35 Wolmerath, Rn. 45. 36 Wolmerath, Rn. 45. 28

30

1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

Arbeitsplatz hierarchisch unter dem Betroffenen steht, die Mobbingangriffe eher von mehreren Personen aus.

II. Inhaltliche Konkretisierung 1. Beispielsfälle Um sich zunächst eine Vorstellung machen zu können, welches Verhalten mit dem Begriff Mobbing umschrieben wird, seien an dieser Stelle zwei Beispielsfälle aufgeführt, welche jeweils Gegenstand von zivilrechtlichen bzw. arbeitsrechtlichen Gerichtsverfahren waren. In beiden Urteilen ordneten die Gerichte diese Verhaltensweisen als rechtlich relevantes Mobbing ein und knüpften arbeits- bzw. zivilrechtliche Folgen daran. a) „Sparkassenfall“ Der erste Sachverhalt lag dem Landesarbeitsgericht Thüringen37 zur rechtlichen Beurteilung vor, welches eine einstweilige Verfügung der Vorinstanz zur Unterlassung des Mobbing in Form von Degradierungen bestätigte und bei Fortsetzung der Mobbingangriffe 50.000 DM Ordnungsgeld androhte. Das Gericht stellte fest, dass der Betroffene durch die fortwährenden Degradierungen zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes gezwungen werden sollte. In den ersten Jahren seiner Beschäftigung bei der Sparkasse Gera/Greiz war Reinhard Möller ein hoch gelobter Mitarbeiter. Für den Vorstand galt er als mustergültig und wurde den Kollegen als Vorbild präsentiert. Bei den Kunden genoss er großes Ansehen. Aufgrund seiner Erfolge wurde er zum Marktbereichsleiter, Geschäftsstellenleiter und Hauptgeschäftstellenleiter ernannt und übernahm damit die Verantwortung über 84 Mitarbeiter. Nach einem Wechsel des Vorstandes der Sparkasse im Jahr 2000 und einem aus Sicht des neuen Vorstandes nicht zufrieden stellenden Gesprächs wurde Möller vom einstigen Abteilungsleiter zum kleinen Befehlsempfänger degradiert, indem er massiven Angriffen, die insbesondere seine Tätigkeit betrafen, ausgesetzt war. Begründet mit unsubstantiierten Vorwürfen und anonymen Beschwerden, denen der Vorstand nicht näher nachging und auch Möller keine Möglichkeit gab, sich den Vorwürfen zu stellen, wurde diesem sein Arbeitsplatz entzogen, indem ihm zunächst entgegen seiner damaligen Führungsposition ein unterhalb der Führungsebene und somit mehrere Stufen unter seiner bisherigen Position liegender Tätigkeitsbereich angeboten wurde. Als er dieses Angebot ablehnte und auch dem ohne weitere Einzelheiten konkretisierten Angebot eines Aufhebungsvertrages nicht 37 LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff.; vollständig abgedruckt unter: http://landes arbeitsgericht.thueringen.de/largef/version1b/urteile/u5_40300.htm.

A. Der Begriff Mobbing

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zustimmte, wurde ihm mitgeteilt, dass er mit Führungsaufgaben nicht mehr betraut wird, dass sein Führungsverhalten und seine Aufgabenerfüllung nicht den Anforderungen, die an eine solche Position zu stellen sind, entsprächen und er daher als Marktbereichs- und Abteilungsleiter entbunden wird. Nach einmonatiger Ungewissheit und dem Fehlen konkreter Angaben bezüglich seiner weiteren Beschäftigung, wurde Möller mit einer Fülle unsinniger Aufgaben betraut. Zunächst erfolgte zur Abdeckung vorübergehenden Personalbedarfs eine Umsetzung in die Immobilienabteilung, deren Aufgabenbereich Möller nicht kannte. Dort wurde er mit einer Vergütung nach BAT II einer Kollegin unterstellt, die der Vergütungsgruppe BAT III angehörte. Er erhielt Aufgaben zugewiesen, die in ihrer Geringwertigkeit kaum noch zu übertreffen, mit Aufgaben der Vergütungsgruppe BAT VII zu vergleichen waren und die nicht seinen arbeitsvertraglichen Pflichten entsprachen. Reinhard Möller sollte zu Problemen und Strukturen Stellung nehmen, die ihm niemals erklärt wurden. Seine Schlüssel für die Sparkasse wurden ihm entzogen und Gespräche mit Kunden und Kollegen untersagt. Ohne Einarbeitung in den Geschäftsbereich erhielt er eine Kundenmappe, die er durch Anrufe bei den Kunden auf den neusten Stand bringen sollte. Möller kam sich nach eigener Aussage – nachdem er als Marktbereichsleiter 84 Mitarbeiter geleitet hatte – wie ein „dummer, kleiner Junge“ vor. Hinzukam, dass er seit Beginn der Demütigungen sieben unrechtmäßige Abmahnungen erhielt. Der Mobbingprozess gipfelte in einer weiteren Degradierung, indem ihm gekündigt wurde und eine Weiterbeschäftigung als Sachbearbeiter in der Pfändungsabteilung nach BAT VIb, sechs Stufen unter seiner derzeitigen Eingruppierung, angeboten wurde. Nach sechs Monaten wurde Möller für drei Wochen aufgrund von Depressionen, Schlafstörungen und Magenbeschwerden arbeitsunfähig und begann mit einer psychotherapeutischen Behandlung. b) „Münchner Polizistinnenfall“ Der zweite Sachverhalt38, auf den bereits in der Einleitung hingewiesen wurde, ereignete sich in einer Münchner Polizeistation und war hinsichtlich seiner Folgen einer der dramatischsten Mobbingfälle, weshalb er bei den Medien und in der Öffentlichkeit auf starke Resonanz stieß, so dass er sogar als Vorlage eines Spielfilms diente.39 Die Rechtsprechung hatte über Schmerzensgeld und Beerdigungskosten zu entscheiden. Darüber hinaus wurde der Mobbende mittels Strafbefehl wegen 15 sachlich zusammentreffenden Beleidigungen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen à 70,00 DM verurteilt.40 Die Ermittlungen

38 BGH NJW 2002, S. 3172 ff.; Vorinstanz LG München I vom 08.02.2001, Az.: 34 O 15317/00 und OLG München vom 20.09.2001, Az.: 1 U 2443/01; siehe auch den Strafbefehl vom 12.10.2000 des AG München, Az. 123 Js 10953/99. 39 „Der Tod ist kein Beweis“ am 21.10.2002 im ZDF.

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung im Amt wurden gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Eine junge Polizistin war aufgrund frauenfeindlicher Motive seit Beginn ihres Dienstantritts in einer Münchner Polizeiinspektion, über längere Zeit und in kurzen Abständen mehreren schikanierenden, demütigenden, verachtenden, die dienstlichen Leistungen herabwürdigenden und obszönen Verhaltensweisen, welche vor allem von ihrem Vorgesetzten dem Dienstgruppenleiter der A-Schicht ausgingen, ausgesetzt. Aufgrund dieser Vorfälle hat die lebensfrohe und psychisch stabile Polizistin gravierende Verletzungen der Psyche mit der Folge von Depressionen erlitten, so dass sie arbeitsunfähig wurde, sich in stationäre ärztliche Behandlung begeben musste, ferner Schlafstörungen, Gewichtsabnahme, Durchfälle, Übelkeit erlitt und aus Angst vor weiteren Missachtungen und Angriffen als einzige Lösung den Suizid sah. In ihrem Abschiedsbrief hieß es u. a. „dass sie nicht mehr nach München wolle und keine Lust mehr habe, sich von denen (der A-Schicht) quälen zu lassen“.41 Der Prozess, der die Polizistin letztendlich in den Freitod führte, begann bereits bei ihrem Dienstantritt, indem sie nicht eingearbeitet und ihr die Räumlichkeiten nicht gezeigt wurden. Er setzte sich fort durch schikanierendes Verhalten, welches vor allem von ihrem Vorgesetzten ausging. Dieser äußerte mehrmals, dass Frauen für den Polizeidienst untauglich seien und setzte diese Ansicht mehrfach um, indem er versuchte Polizistinnen durch eigenes Handeln und durch Weisung an andere Polizisten aus der Polizei zu drängen. Der Vorgesetzte erklärte seinen männlichen Kollegen gegenüber, dass die Zielvorgabe für die A-Schicht 1999 sei, wie man Frauen am besten aus der Schicht mobbt. Während ihrer Arbeitszeit ist P immer wieder schikaniert, geschnitten und beleidigt wurden. Der Vorgesetzte äußerte sich der P gegenüber wiederholt wie folgt: „Flachzange“; „Bauerntrampel“; „Wie ist Dein Alter im Bett?“; „Die Anstellungsprüfung kannst Du nur geschafft haben, indem Du mit jedem Prüfer im Bett warst, weil Du ansonsten sowieso zu dumm bist“. Die von P abgefassten Anzeigen und Protokolle wurden grundsätzlich als „Mist“ bezeichnet. Nach kurzer Zeit erhielt sie die Dienstanweisungen nicht mehr mündlich wie ihre Kollegen, sondern ausschließlich schriftlich. Darüber hinaus wurde der P für den Fall, dass Ereignisse innerhalb der Schicht nach außen gelangen würden, gedroht. Ferner wurde sie gezwungen, eine falsche Anzeige aufzunehmen, für die sie später die Konsequenzen tragen musste. Als sie krank war, wurde sie telefonisch terrorisiert und ihr der Vorwurf gemacht, dass sie nur simuliere.

40 Strafbefehl vom 12.10.2000 des AG München, Az. 123 Js 10953/99, wobei die 15 Beleidigungen sich zwar teilweise, aber nicht nur, gegen die verstorbene Polizistin richteten, sondern auch gegen deren Kolleginnen. 41 LG München I vom 08.02.2001, Az.: 34 O 15317/00.

A. Der Begriff Mobbing

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2. Mobbing im allgemeinen Sprachgebrauch Im Rundfunk, Fernsehen und in der Presse ist Mobbing gegenwärtig ein häufig anzutreffendes Diskussionsthema. Auch in der Arbeitswelt ist mittlerweile eine inflationäre Bezugnahme auf den Begriff „Mobbing“ zu verzeichnen.42 Der Duden umschreibt Mobbing als: „das ständige Schikanieren von Arbeitskollegen (mit der Absicht sie von ihrem Arbeitsplatz zu vertreiben)“.43 Mobbing ist nicht der Inbegriff für vereinzelte Konflikte oder Auseinandersetzungen, die in der Zusammenarbeit am Arbeitsplatz auftreten oder im zwischenmenschlichen Miteinander üblich und unvermeidbar sind. Vielmehr ist Mobbing ein gezieltes, gesteuertes, systematisches Verhalten, das gegen einen bestimmten Mitarbeiter gerichtet ist. Es ist jedoch schwierig, genau zu konkretisieren, welches Verhalten unter den Begriff Mobbing zu subsumieren ist. Festzuhalten ist zunächst, dass nicht jedes mit der Arbeit verbundene Leid Mobbing, und das mit Mobbing verbundene Leid nicht die natürliche Folge der Verrichtung der Arbeit ist. Ein Schalterbeamter in der Verwaltung, der täglich den Unzufriedenheiten und Unhöflichkeiten der Kunden ausgesetzt ist, ist allein deswegen nicht Betroffener eines Mobbinggeschehens. Die erhöhte Aufmerksamkeit der Medien gegenüber dem Thema Mobbing brachte zwar auf der einen Seite das notwendige vermehrte Interesse der Öffentlichkeit und der Wissenschaft gegenüber zwischenmenschlichen Defiziten im Arbeitsleben in Form von Mobbing mit sich. Auf der anderen Seite führt die Fülle an auf das Thema Mobbing ausgerichteten Berichten, Vorträgen und Ratgebern aber dazu, dass alltägliche Spannungen, kleinere Auseinandersetzungen, notwendige Kritik oder Antipathien zu einem Problem stilisiert werden, welches ohne diese Aufmerksamkeit gegenüber Mobbing nicht als ein solches wahrgenommen werden würde. Trotz der Aufnahme des Begriffs Mobbing in unser heutiges Alltagswortrepertoire bestehen daher Unsicherheiten darüber, was sich inhaltlich eigentlich dahinter verbirgt.44 Oft werden schon Verhaltensweisen wie der gelegentliche „schiefe Blick“, vereinzelte Meinungsverschiedenheiten, kleinere Hänseleien, Scherze, Neckereien, Unhöflichkeiten oder Unaufmerksamkeiten darunter vorschnell subsumiert.45 Umgekehrt werden Verhaltensweisen, die tatsächlich Mobbing zugeordnet werden könnten, häufig als unbedeutende alltägliche, hinzunehmende Konflikte abgewertet und verharmlost.

42 43 44 45

LAG Thüringen BB 2001, S. 1360. Der Duden, 23. Auflage, 2004, Stichwort „mobben“. Gockel, S. 11 f. Wittinger/Herrmann, ZBR 2002, S. 337.

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

3. Wissenschaftliche Mobbingdefinitionen a) Heterogenität der Mobbingdefinitionen Die innerhalb der Gesellschaft bestehenden Unsicherheiten machen es erforderlich, danach zu fragen, ob die Wissenschaft eine präzise Antwort auf die Frage geben kann, welches Verhalten sich hinter dem Begriff Mobbing verbirgt. Aber auch insoweit wird man nach einer tieferen Recherche enttäuscht, indem man von einer Fülle an unterschiedlichen Definitionen überrannt wird und letztlich zu dem Ergebnis kommt, dass es nach heutigem Stand der Wissenschaft eine einheitliche und allgemeingültige Mobbingdefinition nicht gibt. Vor allem Arbeitsmediziner46, Psychologen47 und seit den letzten Jahren auch verstärkt Rechtswissenschaftlicher48 haben sich um die inhaltliche Konkretisierung von Mobbing innerhalb der Arbeitswelt verdient gemacht. Die Unterschiede der Definitionen beruhen auf den unterschiedlichen Zielen und Ausgangspunkten der einzelnen Wissenschaften. Aber selbst innerhalb der einzelnen Wissenschaften, wovon auch die Rechtswissenschaft nicht ausgenommen ist49, gibt es keine einheitliche Auffassung über die inhaltliche Konkretisierung von Mobbing.50 Die Vielzahl an unterschiedlichen Mobbingdefinitionen wundert nicht, denn bei dem Versuch, den Begriff Mobbing mit Inhalt zu füllen, ergeben sich beträchtliche Schwierigkeiten, weil Mobbing in unzählig vielfältigen Fallgestaltungen auftreten kann. Insoweit ist auf den eingangs dargestellten „Sparkassenfall“51 und den „Münchner Polizistinnenfall“52 zu verweisen, an denen sich diese Vielfältigkeit zeigt. Die Mobbingangriffe reichen vom ständigen Kritisieren oder Unterbrechen über das Verbreiten von Gerüchten, systematische Überund Unterforderung bis hin zu gewaltsamen Übergriffen und sexuellen Belästigungen. Zum anderen ist aber auch die Rede von Mobbing, wenn das Verhalten durch Unterlassen gekennzeichnet ist, was beispielsweise bei Mobbingangriffen, 46 Leymann (1993), S. 21 f.; Niedl, S. 23 vor allem aus personalwirtschaftlicher Sicht. 47 Hirigoyen, Le harcèlement moral; Plitzkat, S. 7; Walter, S. 38. 48 Siehe die verschiedenen Mobbingdefinitionen von Esser/Wolmerath, AiB 2000, S. 388; Spamer, S. 34; Schaub, § 108 Rn. 57; Zuschlag, S. 6. 49 Vgl. dazu die Ausführungen in diesem Kapitel A. II. 3. c). 50 Es soll hier grundsätzlich nur auf die Definitionen eingegangen werden, die sich auf Mobbing in der Arbeitswelt beziehen. Teilweise befassen sich Arbeiten auch mit Mobbing in der Schule zwischen Schülern. Siehe dazu Gebauer, Karl: Mobbing in der Schule, 2005; Kasper, Horst: Mobbing in der Schule, 1998; Schäper, Martina: Mobbing unter Schülern, 2005. Mobbing ist auch in der Justizvollzugsanstalt anzutreffen (siehe OLG Nürnberg vom 31.07.1997, Az.: Ws 653/97). 51 Erstes Kapitel A. II. 1. a). 52 Erstes Kapitel A. II. 1. b).

A. Der Begriff Mobbing

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wie die Nichtbeachtung durch Kollegen oder die Ausgrenzung aus der sozialen, kollegialen Gemeinschaft, der Fall ist. Darüber hinaus liegt die Schwierigkeit einer Mobbingdefinition darin begründet, dass sie die notwendige Abgrenzung zwischen Mobbing und alltäglichen, hinzunehmenden unangenehmen Konflikten, Reibereien, Meinungsverschiedenheiten oder vom Betroffenen als negativ empfundene Arbeitssituationen ermöglichen muss, denn nicht jeder, der sich Mobbingangriffen ausgesetzt fühlt, ist diesen auch tatsächlich ausgesetzt.53 Eine genaue Grenze mit Hilfe einer Mobbingdefinition zu finden, scheint daher fast unmöglich. Wie sich im weiteren an den folgenden exemplarisch aufgezeigten Mobbingdefinitionen zeigen wird, führen die erwähnten Schwierigkeiten dazu, dass viele Mobbingdefinitionen sehr abstrakt formuliert und stark durch einen normativen Charakter geprägt sind, wodurch notwendigerweise Abstriche an ihrer Bestimmtheit die Folge sind. b) Mobbingdefinitionen außerhalb der Rechtswissenschaft Zu den am häufigsten verwendeten Umschreibungen von Mobbing zählt die Mobbingdefinition von Heinz Leymann, der als Pionier der Mobbingforschung gilt. Leymanns Definition wird immer wieder, auch innerhalb der Rechtwissenschaften, als Ausgangspunkt für die Umschreibung von Mobbing herangezogen. Er versteht unter Mobbing: „Negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind, (von einer oder mehreren anderen) die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen (mindestens sechs Monate und wöchentlich ein Mal) und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen; die Handlungen sollen für den Einzelnen gravierende psychische (und somit auch körperliche) Folgen mit sich zu bringen drohen.“54 Ein anderer Ansatz wird von Niedl verfolgt, der seine Definition weniger auf objektive, sondern vielmehr auf subjektive Aspekte aufbaut. Er umschreibt Mobbing am Arbeitsplatz wie folgt: „Mobbing am Arbeitsplatz sind Handlungen einer Gruppe oder eines Individuums, denen von einer Person, die diese Handlungen gegen sie gerichtet wahrnimmt, ein feindseliger, demütigender oder einschüchternder Charakter zugeschrieben wird. Die Handlungen müssen häufig auftreten und über einen längeren Zeitraum andauern. Die betroffene Person muss sich zudem aufgrund wahrgenommener sozialer, ökonomischer, physischer oder psychischer Charak53 LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002, S. 458 f.; LAG Hamm NZA-RR 2003, S. 8 ff. (9); Wittinger/Herrmann, ZBR 2002, S. 337. 54 Leymann (1993), S. 21 f.

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

teristika außerstande sehen, sich zu wehren oder dieser Situation zu entkommen.55“ Ferner finden sich außerhalb der Rechtswissenschaft im wissenschaftlichen Schrifttum unzählige weitere Umschreibungen von Mobbing.56 Diese reichen von kurzen Schlagwörtern, wie „Psychoterror am Arbeitsplatz“57, über unpräzise Umschreibungen, wie „Jemand spielt einem übel mit und man spielt wohl oder übel mit“58, kurzen Definitionen wie „Mobbing ist wiederholte psychische Gewalt gegen bestimmte Individuen in einer Arbeitsgruppe“59 bis zu detailgenauen, ausführlichen Definitionen wie „Mobbing stellt einen sozialen Konfliktprozess dar, in dessen Verlauf mit zunehmender Eskalation eine Personifizierung von Streitpunkten stattfindet. Der Ursprung der Entstehung liegt primär in strukturellen und sozialen Faktoren, die sich auf das Verhaltensmuster der am Konfliktprozess Beteiligten auswirken. Die dabei gezeigten Konfliktverhaltensweisen sind gekennzeichnet durch systematische feindselige Handlungen, die von einem Individuum oder einer Gruppe nachteilig gegen eine bestimmte Person gerichtet werden, welche dem Konflikt auf Dauer deutlich unterliegt und für diese Person wie auch für den Betrieb negative Folgen mit sich bringen“60. c) Mobbingdefinitionen innerhalb der Rechtswissenschaften Aufgrund der Thematik dieser Arbeit ist von besonderem Interesse, welches Verhalten aus rechtswissenschaftlicher Sicht als Mobbing eingeordnet wird. Der deutsche Gesetzgeber hat im Gegensatz zu dem französischen und dem schwedischen Gesetzgeber61 Mobbing nicht speziell gesetzlich geregelt.62 Es existiert demzufolge keine gesetzliche und damit verbindliche Umschreibung von Mobbing im deutschen Recht. Der Rechtsprechung und dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist es daher überlassen, ob sie Mobbing im Hinblick auf die bestehenden Gesetze als rechtlich relevant einordnen, und wenn ja, welches Verhalten sie darunter subsumieren und welche rechtlichen Folgen sie im Rahmen der bestehenden Gesetze daran anknüpfen. 55

Niedl, S. 23. Brinkmann, S. 13; siehe auch Kratz, S. 10 f.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 19; Prosch, S. 20 f.; Walter S. 38; Waniorek/Waniorek, S. 65; Warschkow/Erdmann, S. 510. 57 Schimmelpfennig/Schimmelpfennig, S. 260; Haller/Koch, NZA 1995, S. 356 „täglicher Kleinkrieg“. 58 Neuberger, S. 18; siehe auch LSG Baden-Württemberg vom 27.07.2000, Az.: L 6VG 2334/97, das von „kleinen tausend Nadelstichen“ spricht. 59 Papaioannou/Sjöblom, 1992, S. 1 f. (zit. aus Niedl, S. 18). 60 Prosch, S. 20 f. 61 Vgl. dazu die Ausführungen im Dritten Kapitel B. II., III. 62 Vgl. zur gegenwärtigen Diskussion einer gesetzlichen Regelung die Ausführungen im Dritten Kapitel C. I. 1., 2. 56

A. Der Begriff Mobbing

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Die Suche nach einer rechtswissenschaftlichen Mobbingdefinition führt trotz Fehlens einer konkreten gesetzlichen Regelung nicht ins Leere, vielmehr sind sowohl innerhalb der Rechtsprechung als auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum verschiedene Umschreibungen von Mobbing anzutreffen. Das Bedürfnis einer Konkretisierung des Begriffs Mobbing aus rechtswissenschaftlicher Sicht und somit einer Zuweisung von Verhaltensweisen als rechtlich relevantes Mobbing begründet das LAG Thüringen63 damit, dass dadurch der Rechtsanwendung Verhaltensweisen zugänglich gemacht werden, die isoliert betrachtet oftmals keine straf-, zivil-, arbeits-, sozial- oder verwaltungsrechtlichen Rechtsfolgen nach sich ziehen. Zum anderen ist eine definitorische Umschreibung im Hinblick auf die notwendige Rechtssicherheit und Rechtsklarheit unabdingbar, weil, wie oben bereits festgestellt, die Auffassungen, was unter Mobbing zu verstehen ist, sowohl in der Wissenschaft als auch im Alltagsgebrauch stark auseinander driften. aa) Mobbingdefinitionen der Rechtsprechung Bisher befassten sich vorwiegend die Arbeits- und die Sozialgerichte mit Mobbing und konkretisierten, welchen Inhalt der Begriff im Rechtssinne hat. Die Strafgerichte haben sich mit dem Thema „Mobbing“ noch nicht auseinandergesetzt, so dass eine „strafrechtliche“ Mobbingdefinition in der Rechtsprechung bisher nicht vorzufinden ist. Die erste Umschreibung von Mobbing nahm 1997 das Bundesarbeitsgericht64 vor: „Mobbing ist das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.“

Das Landesarbeitsgericht Thüringen65 hat die vom BAG vorgegebene Definition ausgebaut und praxistauglich vertieft. Dieser Definition nahmen sich viele Gerichte66 an und legten sie ihren Urteilen zu Grunde. Auch die Münchner Staatsanwaltschaft67 machte von der Definition Gebrauch, als es um die Frage ging, was unter Mobbing zu verstehen ist. Das LAG Thüringen umschreibt Mobbing als:

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LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff. BAG NZA 1997, S. 781; dieser Definition zustimmend LAG Rheinland-Pfalz vom 08.08.2001, Az.: 5 Sa 51/01. 65 NZA-RR 2001, S. 577 ff. (577) und BB 2001, S. 1358 ff. (1360). 66 LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, S. 121 ff.; LAG Hamm NZA-RR 2003, S. 8 ff.; LAG Bremen vom 17.10.2002, Az.: 3 Sa 78/02 + 3 Sa 232/02. 67 Generalstaatsanwalt des OLG München, Geschäftszeichen: IV Zs 755/2002. 64

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik „fortgesetzte, aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht und/oder die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen.“

Das LAG Schleswig-Holstein68 umschreibt Mobbing als: „Konflikt belastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während einer längeren Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.“

Das Bundessozialgericht69 versteht unter Mobbing: „einen sich über längere Zeit hinziehenden Konflikt zwischen dem Opfer und Personen seines gesellschaftlichen Umfelds, in dessen Verlauf das Opfer verbal attackiert, in seinen Möglichkeiten zur Kommunikation eingeschränkt, in seinen sozialen Beziehungen angegriffen und in seinem Ansehen herabgesetzt wird.“

Wie sich zeigt, gibt es in der Rechtsprechung heute keine einheitliche Mobbingdefinition. Die Rechtswissenschaft ist zwar in verschiedene Rechtsgebiete, die wiederum unterschiedliche Ziele verfolgen, aufgeteilt. Jedoch verfolgen alle Rechtsgebiete bei der Aufstellung von Regeln für das menschliche Zusammenleben ein übergeordnetes Ziel, nämlich die Rechtsprobleme, die in einer Gemeinschaft auftreten, gerecht zu lösen, Rechtssicherheit zu gewährleisten und eine zweckmäßige Interessensbefriedigung zu schaffen.70 Es sei daher bereits an dieser Stelle auf die Frage, welche im Dritten Kapitel noch ausführlicher erörtert wird, hingewiesen, ob es nicht sinnvoll wäre, im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsordnung und Rechtsprechung, eine für die Rechtswissenschaft allgemeingültige Mobbingdefinition durch gesetzgeberisches Handeln gesetzlich festzulegen.

68 LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002 S. 457 ff. (457); diese Definition hat das LAG von der Gesellschaft gegen psychosozialen Stress und Mobbing e. V. übernommen, zit. in Leymann (1995), S. 18; diese Definition verwendete ähnlich auch das AG Lübeck bereits am 07.09.2000, Az.: 2 ÖD 2 CA 1850 b/00. Im Gegensatz zu dem LAG Schleswig-Holstein verzichtet das LAG Lübeck aber auf „oft“ in seiner Definition und verlangt durch den Verzicht des Wortes „oder“, für das Vorliegen von Mobbing sowohl die Absicht des Mobbenden den Betroffenen aus dem Arbeitsverhältnis zu stoßen als auch, dass die Verwirklichung der Absicht, also der Ausstoß aus dem Arbeitsverhältnis, tatsächlich vorliegen muss. 69 BSG NJW 2001, S. 3213 ff. 70 Arzt, Einführung in die Rechtswissenschaft, S. 1, 3 ff.; Forstmoser, S. 1 ff.; Zippelius, S. 8 ff.

A. Der Begriff Mobbing

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bb) Mobbingdefinitionen des rechtswissenschaftlichen Schrifttums Im Vergleich zu den Gerichten, die sich 1997 erstmals mit dem Thema Mobbing auseinandersetzten, befasst sich das rechtswissenschaftliche Schrifttum bereits seit Anfang der 90er Jahre und verstärkt seit den ersten Mobbingurteilen mit der inhaltlichen Konkretisierung von Mobbing.71 Aber auch im Schrifttum weichen die Mobbingdefinitionen voneinander ab. Teilweise wird Mobbing eher kurz und knapp beschrieben und als wesentliches Mobbingmerkmal die Absicht des Mobbenden, den Betroffenen von seinem Arbeitsplatz zu verjagen, anerkannt: „Mobbing ist die systematische Benachteiligung und Ausgrenzung einzelner Beschäftigter mit dem Ziel, sie aus der Abteilung oder aus dem Betrieb hinauszuekeln.“72

Andere Auffassungen innerhalb des Schrifttums umschreiben Mobbing sehr ausführlich und detailgenau: „Mobbing stellt einen Prozess systematischer Druckausübung auf die Psyche des Betroffenen Arbeitnehmers dar. Im Verlauf dieses Prozesses wird letzterer durch eine oder mehrere Personen in nicht unerheblichem Maße mit kommunikativen und als feindselig zu bewertenden Verhaltensweisen konfrontiert. Hierbei besteht zwischen den als feindselig zu bewertenden Verhaltensweisen ein gewisser zeitlicher Zusammenhang. Der als feindselig einzuordnende Charakter des jeweiligen Einzelverhaltens ist bei objektiver Würdigung entweder diesem selbst zu entnehmen oder lässt sich in Ansehung weiterer Verhaltensweisen, die ebenfalls in den Prozess der systematischen Terrorisierung der Psyche des betroffenen Arbeitnehmers fallen, feststellen. Das systematische Einwirken impliziert das Bewusstsein der Mobbenden, den Betroffenen nachhaltig und über einen längeren Zeitraum hinweg feindseligen und quälenden Verhaltensweisen auszusetzen und hierdurch (jedenfalls) Druck auf seine Psyche auszuüben. Der Eintritt einer konkreten Rechtsgutsverletzung muss von diesem Bewusstsein jedenfalls nicht umfasst sein.73“

Oder auch: „Mobbing ist ein Geschehensprozess in der Arbeitswelt, in dem destruktive Handlungen unterschiedlicher Art wiederholt und über einen längeren Zeitraum gegen Einzelne vorgenommen werden, welche von den Betroffenen als eine Beeinträchtigung und Verletzung ihrer Person empfunden werden und dessen ungebremster Verlauf für die Betroffenen grundsätzlich dazu führt, dass ihre psychische Befindlich-

71 Siehe dazu Däubler, BB 1995, S. 1347 ff.; Dieball, BB 1996, S. 483 f.; Esser/ Wolmerath, AiB 2000, S. 388; Gralka, BB 1995, S. 2651 ff.; Grunewald, NZA 1993, 1071; Kreuzer, PersF 2000, 56 ff.; Kollmer, Rn. 6; Spamer, S. 34; Schaub, § 108 Rn. 57; Wickler, DB 2002, S. 477 ff.; Wolmerath, Rn. 13 ff.; Zuschlag, S. 6. 72 Däubler, Rn. 691; siehe auch Margrith Bigler-Eggenberger/Claudia Kaufmann: Kommentar zum Gleichstellungsgesetz, 1997, Schweiz. 73 Spamer, S. 34.

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik keit und Gesundheit zunehmend beeinträchtigt werden, ihre Isolation und Ausgrenzung am Arbeitsplatz zunehmen, dagegen die Chancen auf eine zufrieden stellende Lösung schwinden und der regelmäßig im Verlust ihres bisherigen beruflichen Wirkbereichs endet.“74

4. Vergleich der Mobbingdefinitionen a) Gemeinsamkeiten der Mobbingdefinitionen Bei Betrachtung der verschiedenen Mobbingdefinitionen der Rechtsprechung, des rechtswissenschaftlichen und des wissenschaftlichen Schrifttums außerhalb der Rechtswissenschaft kristallisiert sich trotz aller Divergenzen ein Kern heraus, der sowohl den rechtswissenschaftlichen als auch den nichtrechtswissenschaftlichen Definitionen eigen ist, der Mobbing unverkennbar beschreibt und dadurch den Grundstein für die Abgrenzung zu alltäglichen, hinzunehmenden Disharmonien am Arbeitsplatz bildet. Mobbing kennzeichnet und charakterisiert sich vor allem dadurch, dass im Mittelpunkt nicht eine einzelne Handlung steht, sondern eine Gesamtheit von zumeist isoliert betrachtet relativ unbedeutenden Einzelhandlungen, die durch ihre fortgesetzte, prozesshafte Wiederholung in ihrem Zusammenwirken eine erhebliche Beeinträchtigung des Einzelnen mit sich bringen. Esser und Wolmerath75 stellen das, was Mobbing ausmacht, sehr plastisch und anschaulich dar, indem sie Mobbing mit einer Perlenkette vergleichen: „Ist die einzelne Perle relativ unbedeutend, so wächst der Wert der Kette mit der zunehmenden Zahl weiterer Perlen, wobei der Kettenfaden die Verbindung zwischen den einzelnen Kettengliedern, den Perlen, herstellt.“ Wie bei der Perlenkette ist es im übertragenen Sinn bei Mobbing nicht die einzelne Handlung, sondern die Gesamtheit und das Zusammenspiel von mehreren für sich isoliert betrachtet meist an sich nicht erheblichen Einzelhandlungen, welche das Geschehen für den Betroffenen als unerträglich gestalten und die schädigenden Auswirkungen hervorrufen. Mobbing umschreibt demnach nicht nur eine einzelne Handlung, sondern einen Komplex von mehreren Handlungen, die gegen den Betroffenen gerichtet sind.76 Eine einmalige Verhaltensweise, auch wenn sie eine Straftat darstellt, 74

Esser/Wolmerath, AiB 2000, S. 388. Esser/Wolmerath, S. 23; Wolmerath, Rn. 6. 76 Siehe dazu die Definitionen des LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577 ff.; LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002, S. 457 ff. (457); vgl. auch die gesetzliche Umschreibung in Frankreich: Art. L 122-49 Abs. 1 code du travel und Art. 222-33-2 code du pénal; juristische Definitionen: Spamer, S. 20 f., S. 34; Wolmerath/Esser, AiB 2000, S. 388; Wolmerath, Rn. 6; Zuschlag, S. 6; zustimmend Kollmer, Rn. 8, Rn. 11; Definitionen außerhalb der Rechtswissenschaft: Brinkmann, S. 13; Einarsen/Raknes, 1991, S. 10 zit. aus Niedl, S. 20; Leymann (1995), S. 18; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 19; Niedl, S. 23; Waniorek/Waniorek, S. 65; Zapf, 2000, S. 142. 75

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kann folglich niemals ein Mobbinggeschehen begründen.77 Das setzt aber nicht voraus, dass es sich bei den unterschiedlichen Handlungen um die gleichen oder ähnlichen Handlungen handeln muss, vielmehr kann Mobbing sich auch aus mehreren ungleichartigen Handlungen zusammensetzen.78 Einigkeit besteht darüber, dass sich die einzelnen Mobbinghandlungen über einen längeren Zeitraum verteilen müssen.79 Die Dauer des Mobbingprozesses ist eines der wichtigsten Unterscheidungskriterien zu alltäglichen Reibereien. Die durchschnittliche Belastungszeit eines Betroffenen beträgt in Deutschland ca. 16 Monate.80 Etwa 24 Prozent der Betroffenen werden fast täglich, 32 Prozent mehrmals in der Woche und 26 Prozent mehrmals im Monat Mobbingangriffen ausgesetzt.81 In 17 Prozent der Fälle werden die Betroffenen seltener als einmal im Monat mit Mobbinghandlungen konfrontiert. Studien zeigen aber, dass auch bei Angriffen, die weniger als einmal im Monat vorgenommen werden, dieselben Folgen für den Betroffenen auftreten können wie bei geringeren Intervallabständen.82 Wie oft und mit welchen Wiederholungsabständen die Verhaltensweisen vorgenommen werden müssen und wie lang der Zeitraum sein muss, über den sie sich verteilen, wird – mit Ausnahme von Leymann83 – nicht mit Zahlen konkret festgelegt. Überwiegend wird darüber hinaus verlangt, dass die einzelnen Mobbinghandlungen systematisch zusammenhängen.84 Mehrere Verhaltensweisen, die keinen 77 a. A. Etzel, bilanz & buchhaltung 4/1994, S. 153 ff. (153), der Mobbing auch bei einer Handlung für möglich hält. 78 ArbG Kiel vom 27.02.1997, Az.: H 5d BV 41/96; Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 5–7; Esser/Wolmerath, AiB 1996, S. 541; Kollmer, Rn. 10b; Wickler, DB 2002, S. 481, ders., in Wickler, S. 1 m. w. N. 79 Aus juristischer Sicht: ArbG Kiel vom 27.02.1997, Az.: H 5d BV 41/96; LSG Baden-Württemberg vom 27.07.2000, Az.: L 6VG 2334/97; BSG NJW 2001, S. 3213 ff.; LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577 ff.; LAG Thüringen BB 2001, S. 1358; LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, S. 121 ff.; LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2001, S. 457 ff. (457); Spamer, S. 34; Wolmerath, Rn. 15, 18; Wolmerath/ Esser, AiB 1996, S. 540 ff. (541); Zuschlag, S. 6; Kollmer, Rn. 15 ff.; aus nicht juristischer Sicht: Brinkmann, S. 13; Leymann (1993), S. 21 f.; Niedl, S. 23; siehe auch Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 5 ff. 80 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 51. Das gleiche Ergebnis findet sich in Schweden, wo die durchschnittliche Belastungszeit 15 Monate beträgt, so Leymann (1993), S. 84. Siehe die Übersicht von verschiedenen Studien für Deutschland bei Zapf, ZfAO 1999, S. 6, wo teilweise Ergebnisse bis zu 40 Monaten Durchschnittsmobbingdauer erreicht werden. 81 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 49; Knorz/Zapf, ZfAO 1996, S. 15; Volk, S. 154 kommt sogar zu dem Ergebnis, dass in 60 Prozent der Fälle Mobbinghandlungen täglich bzw. fast täglich vorgenommen werden. 82 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 50. 83 Leymann (1993), S. 21 f. 84 BAG DB 1997, S. 1475 ff.; LAG Thüringen BB 2001, S. 1361; LAG SchleswigHolstein NZA-RR 2002 S. 457 ff. (457); Brinkmann, S. 13; Däubler, Rn. 691; Esser/ Wolmerath, S. 23 f.; Grunewald, NZA 1993, S. 1071; Kratz, S. 10 f.; Leymann

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

Zusammenhang erkennen lassen, die zeitlich weit auseinander liegen, vereinzelt geblieben sind oder aus anderem Grund keinen Bezug zueinander haben, bilden in ihrer Gesamtheit kein Mobbinggeschehen.85 Vereinzelte Konflikte und Feindseligkeiten, die überall vorkommen wo Menschen mit unterschiedlichen Charakteren, Lebenseinstellungen, Auffassungen aufeinander treffen, sind keine systematischen Angriffe gegen eine Person. Erst wenn die Verhaltensweisen eine gewisse Regelmäßigkeit erkennen lassen und nicht mehr als vorübergehende Einmaligkeit eingeordnet werden können, kann Mobbing vorliegen. Von Mobbing ist daher nicht zu sprechen, wenn ein Arbeitskollege einen anderen Arbeitskollegen einmal nicht grüßt oder nicht beachtet bzw. alle sechs Monate nicht grüßt, weil er in diesen Abständen regelmäßig schlechte Laune hat. Ebenfalls liegt kein Mobbing vor, wenn der Vorgesetzte den Untergebenen einmal ungerecht behandelt, indem er ihn unrechtmäßig abmahnt oder aus betriebsbedingten Gründen entlässt.86 Ferner grenzt sich Mobbing von schlechtem Betriebsklima und allgemein rauem Umgangston, der gegen alle Mitarbeiter gerichtet ist, ab, indem die Mobbinghandlungen zumeist gezielt gegen eine Person gerichtet sind.87 Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass es sich bei Mobbing um eine Gesamtheit von mehreren, systematisch zusammenhängenden, über einen längeren Zeitraum verteilten Angriffen handelt, die gezielt gegen eine Person vorgenommen werden. b) Besonderheiten rechtswissenschaftlicher Mobbingdefinitionen Beim Vergleich der verschiedenen, insbesondere der rechtswissenschaftlichen mit den nichtrechtswissenschaftlichen Mobbingdefinitionen, zeigen sich nicht nur Gemeinsamkeiten sondern auch wesentliche Unterschiede. aa) Vorsätzliches Handeln und besondere Absicht des Mobbenden Über den Vorsatz des Mobbenden hinaus88 wird innerhalb der Rechtswissenschaft oftmals eine besondere Absicht bzw. diese als Alternative zum nicht eingetretenen Erfolg gefordert, welche der Mobbende bei seinem Verhalten verfolgen muss. Das LAG Thüringen formuliert die Absicht sehr weit, indem es verlangt, dass die „Verhaltensweisen nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall (1995), S. 18; Neuberger, S. 17; Spamer, S. 34 f.; Warschkow/Erdmann, AiB 1995, S. 510; Wolmerath, Rn. 15, 17; Zapf, ZfAO 1999, S. 2. 85 LAG Thüringen BB 2001, S. 1361. 86 Esser/Wolmerath, S. 23. 87 Zapf, ZfAO 1999, S. 2. 88 Spamer, S. 34; Kube, Kriminalistik 1999, S. 161 ff. (162).

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einer übergeordneten von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sein müssen“. Andere Auffassungen konkretisieren die notwendige Absicht mehr, in dem sie fordern, dass der Mobbende das Ziel verfolgen muss, den Betroffenen aus dem Arbeitsverhältnis zu stoßen.89 bb) Notwendiger Erfolg Entgegen den hauptsächlich nichtrechtswissenschaftlichen Auffassungen90 verlangt die Jurisprudenz, dass die Mobbinghandlungen zu einem bestimmten Erfolg geführt haben müssen. Uneinigkeit besteht aber hinsichtlich der Konkretisierung des notwendigen Erfolges. Zum einen wird verlangt, dass der Betroffene aus dem Arbeitsverhältnis bzw. aus seinem beruflichen Wirkungsbereich verdrängt werden muss. Zum anderen soll Mobbing nur dann vorliegen, wenn der Betroffene in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, seiner Ehre oder seiner Gesundheit verletzt wird. Andere Stimmen wiederum verlangen nicht eine tatsächlich eingetretene Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes, sondern lassen es genügen, wenn eine konkrete Gefährdung bestimmter Rechtsgüter durch das Mobbingverhalten hervorgerufen wird. cc) Rechtswidrigkeit der einzelnen Mobbinghandlungen Vereinzelt91, aber nicht herrschend, so wie Kollmer92 es darstellt, wird verlangt, dass die einzelnen Mobbingverhaltensweisen rechtswidrig im zivil-, arbeits- oder strafrechtlichen Sinne sein müssen. Dieser Gedanke ist besonders für rechtswissenschaftliche Mobbingdefinitionen von größter Bedeutung. Bezieht man das Merkmal „Rechtswidrigkeit“ auf die einzelnen Mobbingverhaltensweisen, ist dieser Auffassung vehement zu widersprechen, weil es gerade die Eigenart von Mobbing ist, dass viele Verhaltensweisen isoliert betrachtet die Schwelle zur Rechtswidrigkeit nicht überschreiten, in ihrer Gesamtheit aber erheblichere Folgen für den Betroffenen mit sich bringen, als eine einzelne rechtswidrige Verhaltensweise. Gerade deshalb ist es Sinn und Zweck der inhaltlichen Umschreibung von Mobbing aus rechtlicher Sicht, dass der Rechtsanwendung Verhaltensweisen zugänglich gemacht werden, die bei isolierter Betrachtung die tatbestandlichen Voraussetzungen für Anspruchs-, Gestaltungs- und Abwehrrechte nicht oder nicht in einem der Tragweite angemessenen Umfang erfüllen können.93 89 LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002, S. 457 ff. (457) (Diese Definition wird erstmals von Leymann (1995), S. 18 verwendet.); vgl. auch Däubler, Rn. 691; Zuschlag, S. 6. 90 Niedl, S. 23 ff.; Spamer, S. 34; Zuschlag, S. 6. 91 Kratz, S. 10 f.; Kollmer, Rn. 15 f. 92 Kollmer, Rn. 15 f.

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

dd) Unterlegene Stellung des Betroffenen Als weiteres Abgrenzungskriterium zu alltäglichen und hinnehmbaren Konflikten wird als mobbingkennzeichnendes Merkmal teilweise ein bestehendes oder ein sich entwickelndes Machtgefälle zwischen Mobbenden und Betroffenen gefordert.94 Dadurch soll unter anderem verhindert werden, dass der faire Konkurrenzkampf vorschnell als Mobbing eingeordnet wird. Mobbing liegt nach dieser Auffassung nicht vor, wenn ein Gleichgewichtsverhältnis zwischen den betroffenen Parteien besteht. Das ist dann beispielsweise der Fall, wenn der eine den anderen attackiert und der andere, gleich Starke, sich mit ähnlichen Abwehrangriffen wehrt und somit keine unterlegene Stellung einnimmt.95 Die „unterlegene Stellung“ kann sowohl eine physische als auch psychische Unterlegenheit sein. In den meisten Fällen wird eine psychische Unterlegenheit vorliegen. Oftmals wird die unterlegene Stellung auch darin bestehen, dass der Betroffene in der Regel nicht, zumindest nicht ohne fremde Hilfe, fähig ist, das Mobbinggeschehen zu beenden und einen Zustand herzustellen, der dem vor dem Mobbing entspricht.96 Die unterlegene Stellung kann von Anfang an bestehen und vom Mobbenden nur ausgenutzt werden, oder sie wird durch das Verhalten des Mobbenden erst hervorgerufen, indem sie sich mit der Zeit – eventuell auch erst nach Abwehrattacken des Betroffenen – herausbildet. Einige Stimmen97 sprechen in diesem Zusammenhang von einer Täter-Opfer-Beziehung, meinen aber im Ergebnis dasselbe. Diese Terminologie ist zu allgemein gefasst, weil aus ihr nicht genau hervorgeht, was darunter zu verstehen ist, zumal im Strafrecht bei den Individualdelikten immer Voraussetzung für die Strafbarkeit eine Täter-Opfer-Beziehung ist. Deshalb ist es treffender und präziser, wenn gefordert wird, dass der Betroffene eine „unterlegene Stellung“ einnehmen muss, die noch konkretisiert werden kann.

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LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff. (1358). LAG Thüringen BB 2001, S. 1359; Einarsen/Raknes, S. 10 (übersetzt aus dem Schwedischen in Niedl, S. 20); Niedl, S. 22; siehe auch Neuberger, S. 19; Zapf, ZfAO 1999, S. 2 f.; ders., 2002, S. 142. 95 LAG Thüringen BB 2001, S. 1359; Einarsen/Raknes, S. 10 (übersetzt aus dem Schwedischen in Niedl, S. 20); Niedl, S. 22. 96 Zapf, 2002, S. 142. 97 LAG Thüringen BB 2001, S. 1359; Neuberger, S. 19; Zapf, ZfAO 1999, S. 2 f. 94

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c) Ergebnis Als Kernquintessenz der vertretenen Mobbingdefinitionen ergibt sich: Mobbing ist eine psychosoziale Beeinträchtigung am Arbeitsplatz, bei der sich über einen längeren Zeitraum fortgesetzte, prozesshaft wiederholte Angriffe gezielt gegen eine Person richten. Vor allem die rechtswissenschaftlichen Mobbingdefinitionen stellen über diese Grundelemente hinaus erhöhte Anforderungen an das Vorliegen von Mobbing, indem zum einen ein bestimmter, durch das Mobbingverhalten eingetretener Erfolg, wie der Verlust des Arbeitsplatzes, die Verletzung bzw. die Gefährdung der Gesundheit, der Ehre oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und/oder eine besondere vom Mobbenden verfolgte Absicht gefordert wird. 5. Die einzelnen Mobbinghandlungen a) Vielfalt und Unüberschaubarkeit Doch welche einzelnen Handlungen sind es, aus dem sich das Mobbinggeschehen zusammensetzt? Was verbindet die einzelnen Handlungen, um als Mobbinghandlungen eingeordnet werden zu können? Zunächst ist festzuhalten, dass es eine Handlung, die von vornherein eine Mobbinghandlung ist, nicht gibt. Erst das Gesamtgeschehen macht eine einzelne Handlung zu einer solchen. Wie anhand der beiden eingangs dargestellten Mobbingfälle erkennbar wurde, kann sich ein Mobbinggeschehen in vielfältiger Art und Weise gestalten. Eine Abgrenzungsmöglichkeit von Handlungen, die potentielle Mobbinghandlungen sind, ergibt sich lediglich insoweit, dass nach allgemeiner Auffassung Handlungen, die objektiv dem Vorteil des Betroffenen dienen oder für diesen eine vorteilhafte Wirkung haben, keine Mobbinghandlungen sein können. Die unbegrenzbare Phantasie der Mobbenden führt zu einer Vielfältigkeit und Unüberschaubarkeit der potentiellen Mobbinghandlungen, die es unmöglich machen, alle potentiellen Mobbinghandlungen abschließend in einem Katalog aufzuführen.98 Die Mobbinghandlungen werden daher auch in den Mobbingdefinitionen oftmals sehr abstrakt als „negativ“ 99, „schikanös“100 und „feindselig“, „demütigend“, „einschüchternd“101, „destruktiv“102 und „diskriminierend“103 umschrieben, um der Gefahr zu entgehen, mögliche Mobbinghandlungen außen vor zu lassen. 98

Esser/Wolmerath, S. 31; Wickler in Wickler, S. 1. Leymann (1993), S. 21 f.; Matthisen/Raknes/Rokkum und Hjelt-Bäck zitiert in Niedl, S. 19 f. 100 Zuschlag, S. 6. 101 Niedl, S. 23 ff.; Spamer, S. 28. 102 Wolmerath, 1. Auflage, S. 321. 103 LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 f. 99

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

Der von Leymann erstellte und zunächst als abschließend bezeichnete „Katalog der 45 Mobbinghandlungen“ gab anfangs einen ersten Anhaltspunkt dafür, welche Handlungen Mobbinghandlungen sein könnten.104 Er wurde aber vor allem innerhalb der Praxis hinsichtlich seiner Unvollständigkeit, überflüssigen Wiederholungen und Unsystematik kritisiert.105 Esser und Wolmerath106 haben daher zu Recht den Leymannschen Katalog aus ihrer praktischen Erfahrung heraus und mit Hilfe von Betriebs- und Personalräten weiter entwickelt und einen nicht abschließenden Katalog mit über 100 potentiellen Mobbinghandlungen erstellt und in zehn verschiedene Kategorien eingeteilt. Dieser im Folgenden abgedruckte Katalog gewährt daher lediglich einen Einblick in den Kreis häufig vorkommender Mobbinghandlungen und deren Unterschiedlichkeit hinsichtlich Art und Intensität.107 1. Angriffe gegen die Arbeitsleistung und das Leistungsvermögen – Sabotage: Beschädigung, Diebstahl, Manipulation von Arbeitsmitteln – „Unterschlagung“ von Arbeitsergebnissen – Manipulation von Arbeitsergebnissen (Bsp.: gezielte Fehler einfügen) – Erzeugen von Störungen (Bsp.: unsinnige Telefonate, Unterbrechungen) – Vorenthalten und/oder Fälschen von arbeitsrelevanten Informationen – Gezielte Unterdrückung von Informationen über Besprechungen, Termine – Anordnung von sinnlosen Tätigkeiten (Bsp.: ausgemusterte Ordner sortieren) – Anordnung, keine Tätigkeit während der Arbeitszeit auszuüben – Anordnung von systematisch überfordernden Tätigkeiten – Gezielte und dauerhafte Zuweisung von Arbeiten, die der Betroffene nicht mag oder die ihm nicht „liegen“ – Zuweisung von objektiv zu viel Arbeit – Auf liegen gebliebener Arbeit willkürlich sitzen lassen – Ungünstige Lage des Arbeitsplatzes (z. B. laut, Störungen, ungeschützt, exponiert) – Anordnung von systematisch unterfordernden Tätigkeiten 104

Leymann (1993), S. 22. Esser/Wolmerath, S. 25. 106 Esser/Wolmerath, S. 25 ff. 107 Siehe zu weiteren Katalogen mit beispielhaften Mobbinghandlungen: Knorz/ Zapf, ZfAO 1996, S. 16; Zuschlag, S. 236. Siehe auch Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 50, welche die häufigsten Mobbinghandlungen prozentual aufzeigen. 105

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– Anordnungen so gestalten, dass unvermeidlich Fehler gemacht werden – Manipulierte Arbeitszuweisung (Bsp.: nur unbeliebteste, schlechteste, schmutzigste Arbeit) – Kappen üblicher Informationskanäle (Bsp.: kein Telefon, Fax, E-Mail) – Blockade von gemeinsamer Tätigkeit („mit dem nicht!“) – Verweigerung von Hilfe, Unterstützung, Rat (obwohl es möglich wäre) – Überraschendes Zurückziehen von verbindlich zugesagter Unterstützung – Geistiger Diebstahl, Aneignung von Arbeitsergebnissen – Beschneidung der Zuständigkeit (Bsp.: fachlich unberechtigt, willkürlich) – Dienst nach Vorschrift (Bsp.: gezieltes Nicht-Mitdenken, gezielte Unflexibilität) – Entscheidungen oder Kompetenzen werden permanent angezweifelt – Anweisungen werden (offen oder verdeckt) nicht ausgeführt oder sabotiert – Anweisungen werden wortwörtlich ausgeführt (offensichtliche Fehler einbezogen) – Willkürlich erzeugter Zeitdruck – Überraschungsangriffe (Bsp.: plötzliche Änderungen der Arbeitsaufträge, Termine) 2. Angriffe gegen den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses – Behaupten von Fehlverhalten (Bsp.: Urlaubsantrag „verschwindet“) – Fehler und negative Vorfälle werden Betroffenen in die Schuhe geschoben – Willkürliche Abmahnungen – Willkürliche Umsetzungen und/oder Versetzungen – Manipulation der Arbeitszeiterfassung – Strafbare Handlungen werden unterstellt (Bsp.: Diebesgut wird untergeschoben) – Berufliche Qualifikation wird ständig in Frage gestellt – Willkürliches Zurückhalten von Entgelt (Bsp.: Urlaubsgeld, Spesen) – Absichtlich schlechte berufliche Beurteilung; Behauptungen von Schlechtleistungen – Betrieblich übliche Beförderungen, angestrebte Position wird blockiert – Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen werden gezielt behindert

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3. Destruktive Kritik – Demütigende, unsachliche, überzogene, gnadenlose Kritik – Aufbauschen einzelner Vorfälle oder Fehler – Generalisierung von Fehlern, pauschale Kritik – Kritik von Fehlern, die durch Anweisung des Mobbers provoziert wurde – Ständige (harsche) Kritik – Unterdrückung von Verbesserungsvorschlägen und -bemühungen – Ausbremsen der Motivation – Ständige Entmutigung 4. Angriffe gegen die soziale Integration am Arbeitsplatz – Räumliche Isolation (Bsp.: abgelegener Arbeitsplatz) – Unterdrückung von Meinungsäußerungen des Betroffenen (Bsp.: „Mund verbieten“) – Gespräche hinter dem Rücken (Tuscheln, Tratschen, Gerüchte verbreiten) – Anspielungen, zweideutige Bemerkungen – Engagement des Betroffenen wird als getarnter Egoismus diffamiert – Mögliche Bündnispartner, Freunde des Betroffenen werden versetzt – Mögliche Bündnispartner, Freunde des Betroffenen werden eingeschüchtert – Ausschließen aus der Alltagskommunikation („Wie Luft behandeln“) – Ausschließen aus informellen/geselligen Treffen – Ausschließen aus üblichen gegenseitigen Freundlichkeiten im Kollegenkreis – Demonstratives Schweigen im Beisein des Betroffenen – Ignorieren von Fragen, Gesprächswünschen, Hilfeersuchen, Kooperationsangeboten – Demonstrativ aus dem Weg gehen, nicht an einen Tisch setzen, nicht in einem Raum aufhalten 5. Angriffe gegen das soziale Ansehen im Beruf – Gezielte Verleumdung, Rufmord in der betrieblichen Öffentlichkeit – Gerüchte verbreiten oder gezielt weiterleiten – Dem Betroffenen wider besseren Wissens Böswilligkeit/Fahrlässigkeit unterstellen

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– Provokation, um die emotionale Reaktion des Betroffenen auszuschlachten – Beleidigung und Demütigung im Beisein Dritter – Verraten von persönlichen Informationen („Geheimnisse an Dritte“) – Lächerlich machen (Bsp.: verbal, mit Mimik, mit Gestik, durch Karikatur) – In der betrieblichen Öffentlichkeit unglaubwürdig machen, blamieren, bloßstellen – Gezielte negative Sonderbehandlung – Demonstrative scheinbar positive Sonderbehandlung (Bsp.: „Tot-Loben“) – Psychische Erkrankung wird unterstellt – Beschwerden durch Dritte werden erfunden (Bsp.: gefälschte Anrufe, Briefe) – (Fingierte) Schreiben des oder an den Betroffenen werden öffentlich gemacht 6. Angriffe gegen das Selbstwertgefühl – Demütigung, Erniedrigung, Blamage, Häme, Abwertung – Unterdrückung durch verbale Dominanz (Bsp.: Anschreien) – Ruppige Redeweise mit dem Betroffenen – Menschliche Qualifikation („Charakter“) wird bestritten – Unterstellung böser Absichten, Dummheit, Unehrenhaftigkeit – Verunsicherung, Kränkung, Beleidigung, Schmähung – Gezieltes Attackieren und Ausnutzen von persönlichen Unsicherheiten – Persönliche Schwächen werden publik gemacht – Aufbauschen von Fehlern und Unzulänglichkeiten – Dauerkontrolle, übertriebene Kontrolle, berufliche Entmündigung 7. Angst, Schreck und Ekel erzeugen – Angst und Schrecken erzeugen (Bsp.: Einsperren des Betroffenen, Spinnen in den Schreibtisch legen, tote Tiere im Büro ablegen) – Ekel erregen (Bsp.: Stinkbomben und altes Essen wird im Büro versteckt) – Einschüchtern, Bedrohen, Nötigen (Bsp.: Drohung mit Arbeitsplatzverlust oder körperlicher Gewalt) – Anordnung zum Arzt zu gehen und die psychische Gesundheit prüfen zu lassen

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8. Angriffe gegen die Privatsphäre – (Nächtlicher) Telefonterror – Anrufe oder Besuche zur Kontrolle – Bedrängende Aufforderungen, aus dem Urlaub und/oder aus der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zurück zu kommen – Schlechtmachen des Betroffenen bei Familienangehörigen, Freunden etc. – Familienangehörige angreifen, ängstigen, belästigen – Sachbeschädigung an privaten oder beruflich genutzten Gegenständen, Kleidung – Zuweisung schlechter Urlaubstermine – Kurzfristige Rücknahme zugesagten Urlaubs oder Freizeitausgleichs – Unterschlagung von Anträgen (Bsp.: wegen Urlaub, Bildung) – Ständiges Abwerten privater Vorlieben, Interessen und Tätigkeiten – Ständiges Abwerten religiöser, politischer, weltanschaulicher Überzeugungen 9. Angriffe gegen die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit – Offene körperliche Übergriffe, Gewaltanwendung – Als Zufall oder Missgeschick getarnte Verletzungen beifügen – Gezielte Anordnungen von gesundheitsschädlichen Tätigkeiten – Sabotage von Sicherheitsmaßnahmen, Verschwindenlassen von Schutzmitteln – Sexuelle Belästigung – Ungenießbarmachung oder Verunreinigung von Lebensmitteln – Herbeiführung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Bsp.: Zugluft, Kälte, Hitze, Lautstärke, Vibration, Tabakqualm, Sprays, Stinkbomben) – Ausnutzen von gesundheitlichen Handicaps und Krankheiten gegen den Betroffen – Betroffenen zum Suizid auffordern 10. Versagen von Hilfe – Ignorieren von Mobbingsituationen – Verharmlosen, Lächerlichmachen von Beschwerden – Vorwürfe, Schuldzuweisungen gegenüber dem Betroffenen

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– Dulden von Mobbingvorgängen – Unterlassene Hilfeleistung Neben diesen potenziellen Mobbinghandlungen, ist ferner darauf hinzuweisen, dass die moderne Technik immer häufiger als Schauplatz für Mobbing verwendet wird, weil Computer häufig eine gewisse Anonymität gewährleisten und dadurch der Mobbende meist schwer zu ermitteln ist, wodurch die oftmals beabsichtigte Subtilität der Vorgehensweise unterstützt wird. Zu diesen Mobbinghandlungen zählen beispielsweise das Löschen oder Hinzufügen von Daten im Computer, das Lesen und Manipulieren von E-Mails oder Veröffentlichungen von Fotos des Betroffenen im Internet. Wie der Katalog von Esser und Wolmerath zeigt, unterschieden sich die potentiellen Mobbinghandlungen erheblich nach Grad und Intensität hinsichtlich der Beeinträchtigung und Wirkung auf den Betroffenen. Sie reichen von eher harmlosen Unhöflichkeiten über grobe Unfreundlichkeiten und unfairem Verhalten bis hin zu einzelnen Straftaten. b) Die häufigsten Mobbinghandlungen Trotz der Vielfältigkeit der potentiellen Mobbinghandlungen, zeigen Studien, dass es bestimmte Handlungen gibt, auf welche die Mobbenden am häufigsten zurückgreifen. Nachfolgende Zahlenangaben sind das Ergebnis der ersten bundesweiten Repräsentativstudie, die 2002 im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erstellt wurde.108 Danach kommt Mobbing überwiegend in einer Kombination von Angriffen auf das soziale Leben und die fachliche Qualifikation des Betroffenen vor. In ca. 60 Prozent der Fälle und damit am häufigsten findet sich als Mobbinghandlung das Verbreiten von Gerüchten und Unwahrheiten, mit dem Ziel das persönliche oder fachliche Ansehen zu schädigen.109 Zahlreich – vor allem, wenn der Vorgesetzte als Mobbender auftritt – sind auch Handlungen anzutreffen, welche die fachliche Kompetenz, die Leistungsund Einsatzbereitschaft des Betroffenen in Frage stellen. Falsche Bewertungen von Arbeitsleistungen (57 Prozent), ungerechtfertigte Kritik an der Arbeit (48 Prozent) und das Abstempeln des Betroffenen zur Unfähigkeit sind in solchen Fällen beliebte Mobbinghandlungen. Mittels dieser Art von Mobbing wird dem Betroffenen oftmals jegliches Vertrauen in seine fachlichen Fähigkeiten genommen, indem er sich als Nichtsnutz und Belastung für die anderen Kollegen fühlt.

108 109

Siehe dazu die Nachweise bei Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 ff. So auch Zapf, 2000, S. 144.

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Darüber hinaus sind Sticheleien und Hänseleien (50 Prozent) bzw. Beleidigungen (36 Prozent), die sich sowohl auf die Person als auch auf die fachlichen Fähigkeiten des Betroffenen beziehen, häufig anzutreffen.110 Typisch hierfür ist, dass sich Vorgesetzte oder Kollegen über das äußere Erscheinungsbild, das fachliche Unvermögen oder persönliche Krisen des Betroffenen lustig machen und diesen damit ins Lächerliche ziehen. In auffällig vielen Fällen (26 Prozent) sind die Mobbingangriffe auch darauf ausgerichtet, die Arbeit des Betroffenen zu behindern, wie zum Beispiel durch das Vorenthalten von notwendigen Informationen, oder es erfolgt eine Unterbelastung, indem dem Betroffenen seine Arbeitsaufgaben oder bestimmte Kompetenzen entzogen werden. In ca. 39 Prozent der Fälle wird der Betroffene unmittelbar sozial ausgegrenzt und isoliert, indem er „wie Luft behandelt“, nicht mehr persönlich angesprochen, von Arbeitsbesprechungen oder sozialen Unternehmungen, wie Bürofeiern oder Ausflügen, systematisch ferngehalten bzw. nicht eingeladen wird. In einigen Fällen beruht die soziale Isolation aber auch auf vorangegangenen Mobbinghandlungen, zum Beispiel als Reaktion auf ein Gerücht, welches über den Betroffenen verbreitet wurde. Zwar führt das Gesamtgeschehen Mobbing regelmäßig zur Gefährdung bzw. Verletzung der Gesundheit oder des körperlichen Wohlbefindens, doch sind die einzelnen Mobbinghandlungen nur sehr selten auf eine solche Beeinträchtigung ausgerichtet.111 Direkte Gewalt gegen die Person des Betroffenen oder dessen Eigentum, unmittelbare Angriffe auf die Gesundheit, so wie sie in Gruppe neun des Katalogs von Wolmerath und Esser aufgezählt werden, sind daher in der Minderheit. Das liegt nicht zuletzt daran, dass diese Mobbinghandlungen schwerer vorzunehmen und auffälliger sind als andere und damit die oftmals vom Mobbenden verfolgte Subtilität seiner Vorgehensweise aufgehoben wäre.112 6. Mobbingverlauf Wie dargestellt, handelt es sich bei Mobbing nicht um ein kurzfristig und plötzlich auftretendes Ereignis, das heute kommt und morgen wieder geht, sondern um einen über einen längeren Zeitraum andauernden und sich fortentwickelnden Prozess.113 Dieser Prozess fängt mit kleinen Konflikten an und führt zu einer nicht mehr beherrschbaren Eskalation des Gesamtgeschehens. Beim Vergleich vieler Mobbingfälle, deren Entwicklung freien Lauf114 gelassen wurde, 110 111 112 113

Siehe auch Wolmerath, Rn. 34. Esser/Wolmerath, S. 29; Zapf, 2000, S. 144. Wolmerath, Rn. 34. Esser/Wolmerath, S. 23.

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ist eine immer wieder auftretende Symmetrie des Mobbingverlaufs zu erkennen.115 In der Wissenschaft116 wird daher der Mobbingprozess mittlerweile in fünf aufeinander aufbauende Phasen, welche der Betroffene im „Idealfall“ durchschreitet, eingeteilt. 1. Phase: Der alltägliche Konflikt als Auslöser Am Beginn eines Mobbingprozesses steht meistens ein zwischenmenschlicher Konflikt, oft in Form von Meinungsverschiedenheiten, Streitigkeiten um Einfluss und Macht oder empfundene Ungerechtigkeiten. Daraus erwachsen vereinzelte persönliche Schuldzuweisungen und kleinere Gemeinheiten. Anstatt eine Lösung herbeizuführen, wird der Konflikt oftmals personifiziert. 2. Phase: Beginn des Mobbingverhaltens In der zweiten Phase des Prozesses beginnt das eigentliche Mobbingverhalten. Der Betroffene ist qualitativ und quantitativ zunehmend systematischen Schikanehandlungen und Anfeindungen ausgesetzt. Es treten die ersten typischen Mobbingfolgen auf. Der Betroffene verliert sein Selbstwertgefühl, bekommt Angst, wird mürrisch, unfreundlich, die Isolierung des Betroffenen nimmt stetig zu, es kommen erste psychische und psychosomatische Störungen und mobbingbedingte Fehlzeiten vor. 3. Phase: Arbeitsrechtliche Maßnahmen/Fehlentscheidungen der Personalabteilung Die dritte Phase ist vom Eingreifen der für personalrechtliche Fragen Verantwortlichen gekennzeichnet, weil das Geschehen durch das veränderte Verhalten – abnehmender Arbeitsleistung und vermehrten Fehltagen – nachteilige Auswirkungen auf das Unternehmen hat. In dieser Phase wird der Betroffene oftmals zu Unrecht zum Auslöser für die betrieblichen Probleme erklärt und es kommt von Seiten des Arbeitgebers zu Versetzungen, Abmahnungen, Abqualifizierungen oder Kündigungsversuchen. Oftmals sind diese arbeitsrechtlichen Maßnahmen auch bewusst nicht rechtmäßig, weil mit allen Mitteln versucht wird, den Betroffenen als vermeintlichen Sündenbock aus dem Betrieb zu drängen. Nicht selten hat der Betroffene in dieser Phase bereits innerlich gekündigt, zieht sich 114 Was bedeutet, dass der Vorgesetzte nicht eingegriffen oder der Mobbende keine Einsicht erlangt hat. 115 Leymann (1993), S. 58 f.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 53; Resch, S. 107 ff. 116 Leymann (1993), S. 58 f.; siehe auch Esser/Wolmerath, S. 33 ff.

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

immer mehr zurück, befindet sich in einem Erschöpfungszustand und ist verstärkt psychischen und psychosomatischen Störungen ausgesetzt. 4. Phase: Ärztliche Fehldiagnosen und missglückte juristische Maßnahmen In Phase vier erkennen in vielen Fällen Ärzte oder Therapeuten nicht, dass die psychischen oder physischen Schädigungen Auswirkungen eines Mobbinggeschehens sind.117 Darüber hinaus enden in dieser Phase rechtliche Schritte gegen den Mobbenden oftmals für den Betroffenen enttäuschend, weil das Mobbinggeschehen nicht nachgewiesen werden kann und viele Gerichte der rechtlich schutzgewährenden Einordnung von Mobbing noch distanziert gegenüberstehen.118 In dieser Phase wird daher die Verunsicherung und das Misstrauen gegenüber der Umwelt noch mehr geschürt, was die Verzweiflung und Enttäuschung des Betroffenen immer mehr anwachsen lässt. 5. Phase: Ausschluss vom Arbeitsplatz Am Ende eines Mobbinggeschehens steht oftmals der Verlust des konkreten Arbeitsplatzes aufgrund Versetzung, (eigener) Kündigung, Frührente, Abschiebung auf einen funktionslosen Arbeitsplatz oder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit.119 In dieser Phase und der Zeit danach ist der Betroffene häufig Gesundheitsstörungen wie Depressionen, Obsessionen oder psychosomatischen Störungen, der Gefahr des Suchtmittelgebrauchs oder im schlimmsten Fall des Suizids ausgesetzt.120 Das aufgezeigte „Fünf-Phasen“ Modell erlangt aber keine Allgemeingültigkeit für jeden Mobbingprozess und bedeutet nicht, dass jeder Betroffene alle fünf Phasen durchlaufen muss. Es können Phasen übersprungen, der Mobbingprozess kann unterbrochen oder gestoppt werden. In 14 Prozent der Fälle endet der Mobbingprozess in Phase zwei, in 20 Prozent in Phase drei und in ca. 59 Prozent erst in Phase fünf.121 Es ist möglich, dass Phase zwei übersprungen wird und Phase eins direkt in Phase drei mündet.122 Des Weiteren muss nicht

117 Die Zahl der Fehldiagnosen geht aber vermutlich immer weiter zurück, weil Mobbing auch innerhalb der Medizin und Psychologie mittlerweile als ernstes medizinisches Problem akzeptiert wird. 118 Vgl. dazu die Ausführungen im Dritten Kapitel C. II. 2. f) bb). 119 Vgl. dazu die Ausführungen in diesem Kapitel C. I. 2. 120 Vgl. dazu die Ausführungen in diesem Kapitel C. I. 1. a) und b), 4. 121 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 55, 104, die ihren Beobachtungen aber die vierte Phase außen vorlassen. 122 Leymann (1993), S. 62; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 53; Wolmerath, Rn. 29.

A. Der Begriff Mobbing

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unbedingt Phase drei durchlaufen werden, was dann der Fall ist, wenn die Vorgesetzten von den Mobbingvorkommnissen keine Kenntnis erlangen und demnach auch keine Fehlentscheidungen getroffen werden.123 Es können aber auch die Phasen drei und vier übersprungen werden und das Geschehen sofort von Phase zwei in Phase fünf münden, wenn beispielsweise der Betroffene sofort kündigt ohne sich zu wehren. Andererseits kann Mobbing gerade mit einer personellen Fehlentscheidung, wie sie für Phase drei typisch ist, beginnen.124 Anhand statistischer Befragungen wurde festgestellt, dass Phase eins von ca. 73 Prozent, Phase zwei von ca. 89 Prozent, Phase drei von ca. 61 Prozent und Phase fünf von ca. 59 Prozent der Betroffenen durchlebt erden.125 Die abnehmenden Zahlen in den Phasen drei und fünf sind darauf zurückzuführen, dass in das Mobbinggeschehen erfolgreich eingegriffen wird oder sich der Konflikt auf andere Art und Weise erledigt. Immerhin ist aber hervorzuheben, dass mehr als die Hälfte der Betroffenen die fünfte und somit die letzte Phase des Mobbingprozesses durchleben. 7. Abgrenzung zu ähnlichen Verhaltensformen am Arbeitsplatz a) Stalking Stalking ist wie Mobbing erst in den letzten Jahren in das Blickfeld des öffentlichen Interesses gerückt. Unter Stalking wird das Belästigen, Verfolgen oder in sonstiger Weise Behelligen einer anderen Person meistens mit der Intention und dem Begehren des Stalkers, mit dem Opfer eine Liebesbeziehung einzugehen, verstanden.126 Das Stalkingverhalten umfasst vor allem Handlungen, die in die Privatsphäre des Opfers erheblich eingreifen. Insofern lassen sich als typische Stalkinghandlungen beispielsweise einordnen: das Verfolgen des Opfers, Telefonanrufe, Überwachung der Wohnung des Opfers, Hausfriedensbruch, Schicken von Briefen, E-Mails und anderen Dingen.127 Seit 2002 gibt es mit der Einführung des Gewaltschutzgesetzes gesetzliche Vorschriften, die das Problem Stalking unmittelbar regeln und gesetzlichen Schutz gewähren. Danach kann das Gericht auf Antrag Schutzmaßnahmen anordnen, die den Stalker vor weiteren Stalkingattacken abhalten sollen. Insofern besteht die Möglichkeit eines Annäherungsverbotes oder des Verbotes zur Aufnahme von Kontakt mittels Fernkommunikationsmitteln. 128 Verstößt der Stalker gegen diese gerichtliche Schutzanordnung, macht er sich gemäß § 4 Gewaltschutzgesetz strafbar.129 Da123

Esser/Wolmerath, S. 34. Esser/Wolmerath, S. 34. 125 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 54. 126 Siehe zu der Problematik „Stalking“ grundlegend Pechstaedt; siehe auch Kerbein/Pröbsting, ZRP 2002, S. 76 ff. 127 Pechstaedt, S. 23. 124

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

rüber hinaus ist in der Gesetzgebung derzeit ein konkreter Stalking-Straftatbestand, der in naher Zukunft in das Strafgesetzbuch Aufnahme finden soll, in der Diskussion, weil die neu geschaffenen gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Betroffenen als nicht ausreichend erachtet werden.130 Stalking und Mobbing ist gemein, dass es sich bei beiden um einen Gesamtkomplex von Einzelhandlungen handelt, die sich über einen längeren Zeitraum verteilen, und dass erst diese Gesamtheit, das Zusammenwirken der Handlungen und die lange Dauer über die sich das Verhalten hinzieht, die nachteiligen Folgen – vor allem für das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit – für die Betroffenen hervorruft. Wie Mobbing erfordert Stalking das Vorliegen von mindestens zwei einschlägigen Handlungen, die vom Stalker ausgehen.131 Des Weiteren besteht eine Parallele dahingehend, dass beide sich oftmals aus Handlungen zusammensetzen, die für sich genommen die Grenze der Strafbarkeit an sich noch nicht überschreiten. Der Unterschied zwischen Stalking und Mobbing besteht vor allem darin, dass sich ersteres in den meisten Fällen unabhängig vom Arbeitsplatz abspielt und auf das Privatleben begrenzt ist. Ferner unterscheiden sich Mobbing und Stalking dadurch, dass der Betroffene vom Mobbenden als Feind angesehen wird, dagegen der Stalker sein Opfer oftmals begehrt und mit diesem unbedingt eine Kontaktaufnahme wünscht.132 Im Gegensatz zu Mobbing, bei dem der Betroffene auch mehreren Mobbenden ausgesetzt sein kann, ist es bei Stalking vorwiegend ein Täter.133 Den Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz kann Stalking erhalten, wenn das Opfer ein Kollege des Stalkers ist. b) Sexuelle Belästigung Sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz können bei wiederholter Vornahme als Teil von Mobbing oder unter gewissen Umständen auch das gesamte Mobbinggeschehen bilden. Aber nicht jede sexuelle Belästigung ist wiederum Teil eines Mobbingprozesses. In drei bis fünf Prozent der Fälle besteht Mobbing aus sexuellen Belästigungen.134 Darunter wird gemäß § 2 Abs. 2 BeschSchG vor128 Siehe dazu Kerbein/Pröbsting, ZRP 2002, S. 78; Rinio, Kriminalistik 2002, S. 531 ff. 129 Siehe dazu Rinio, Kriminalistik 2002, S. 533 f.; Borchert, FPR 2004, S. 239 ff. 130 Siehe dazu den Gesetzesantrag von Hessen BR-Drs. 551/04 und Schleswig-Holsteins BR-Drs. 551/2/04; Gesetzesentwurf des Bundesrats BT-Drs. 15/5410; Gesetzesentwurf der Bundesregierung BR-Drs. 617/05; siehe auch Kerbein/Pröbsting, ZRP 2002, S. 78. 131 Pechstaedt, S. 29. 132 Pechstaedt, S. 30. 133 Pechstaedt, S. 30. 134 Staatsekretariat Schweiz, S. 29; Wolmerath, Rn. 27.

B. Ursachen für Mobbing

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sätzliches, sexuell bestimmtes Verhalten, das die Würde von Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt, verstanden. Als Beispiele werden nicht abschließend aufgezählt: Sexualstraftaten, sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu solchen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen, die von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden. Als sexuelle Belästigungen kommen im Zusammenhang mit einem Mobbingprozess typischerweise nicht der (erzwungene) Versuch des Beischlafs oder andere strafrechtlich relevante Handlungen gemäß § 177 StGB in Betracht. Eine vom Betroffenen abgelehnte sexuelle Annäherung und die Ablehnung des sexuellen Begehrens des Mobbenden kann aber eine Ursache für sich anschließendes Mobbingverhalten sein.135 Im Zusammenhang mit Mobbing steht vielmehr die Sexualbeleidigung im Mittelpunkt. Zu denken ist hier besonders an Behauptungen, die darauf abzielen, die sexuellen Fähigkeiten in Frage zu stellen, dem Betroffenen sexuelle Beziehungen anzudichten bzw. diesbezüglich in ein schlechtes Licht zu stellen oder ihm ein „reges und ausschweifendes“ Sexualleben zu unterstellen.136 c) Diskriminierung von Minderheiten Ebenfalls von Mobbing abzugrenzen ist die Diskriminierung von Mitarbeitern aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Hautfarbe, ihres Alters usw. Die Diskriminierung muss nicht, kann aber wie die sexuelle Belästigung, Teil des Mobbinggeschehens sein.137

B. Ursachen für Mobbing I. Vielfältigkeit der möglichen Ursachen Für eine Arbeit, die sich mit der Frage der strafrechtlichen Relevanz von Mobbing nicht nur de lege lata, sondern auch de lege ferenda beschäftigt, ist es unabdingbar, nach den Ursachen und den verstärkenden Faktoren von Mobbing zu fragen. Denn nur mit diesem Hintergrund kann die Frage beantwortet werden, ob zur Verhinderung von Mobbing gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht und wenn ja, ob dieser sich auf präventiv wirkende Maßnahmen beschrän-

135 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118, die in 0,8 Prozent der Mobbingfälle die Ablehnung privater und sexueller Annäherungsversuche als Ursache von Mobbing statistisch belegen; vgl. Niedl, S. 26. 136 Leymann (1993), S. 90 f. 137 Niedl, S. 27.

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

ken kann oder repressiven und zugleich generalpräventiv wirkenden gesetzlichen Schutz erfordert. Die möglichen Ursachen und Rahmenbedingungen von Mobbing sind vielfältig und deshalb nicht abschließend aufzählbar.138 Sie werden zum einen in der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung und in den übergreifenden Veränderungen in der Arbeitswelt und zum anderen in einzelfallspezifischen Persönlichkeitsfaktoren, Handlungsmotiven und steuerbaren Arbeitsbedingungen gesehen. Zumeist ist es nicht nur eine einzelne Ursache, sondern ein Zusammenspiel von mehreren übergeordneten und fallspezifischen Faktoren, die für Mobbing im Einzelfall ursächlich oder begünstigend sind.139 Verallgemeinerungen verbieten sich, vielmehr ist stets eine individuelle und einzelfallbezogene Betrachtung von Nöten.140

II. Übergeordnete Gründe 1. Gesellschaftliche Entwicklung Als ein übergeordneter Grund für das Vorkommen bzw. die Zunahme von Mobbing wird die gesellschaftliche Entwicklung aufgeführt.141 Die materialistisch-enthumanisierende Werteverschiebung, festzustellende Verrohungstendenzen innerhalb der Gesellschaft, die Abnahme des Rechtsbewusstseins, der charakterbildenden Erziehung, der Fairnesskultur, der Mitmenschlichkeit, des gegenseitigen Respekts und des Fehlens von Regularien zur Verhinderung fortschrittsbedingter Überforderungen fühtren dazu, dass die Hemmschwelle gegenüber persönlichkeitsverletzendem und menschenunwürdigem Verhalten herabgesetzt wird.142 Die in unserer heutigen Gesellschaft immer mehr an Bedeutung gewinnende soziale Geltung des Einzelnen, die sich zunehmend über materielle Werte definiert, hängt eng mit dem Erfolg im Berufsleben zusammen. Das Schlagwort „Karriere“ wird immer häufiger durch Medien aufgebauscht und führt dazu, dass die Leistungsbereitschaft und -orientiertheit einen sehr hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft einnehmen. Wer als Berufseinsteiger offen zugibt, keine Karriere machen zu wollen, gilt schnell als nicht leistungsbereit. Diese Programmierung auf Erfolg mag eine wichtige Ursache dafür sein, dass bei der Wahl der Mittel, die zum beruflichen Erfolg führen sollen, auch

138 Siehe die Aufzählungen bei Leymann, S. 133 ff.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 110 ff.; Resch, S. 132 ff.; Schimmelpfennig/Schimmelpfennig, PersV 1998, S. 268 ff.; Volk, S. 153 ff., S. 161; Zuschlag, S. 41 f., 45 f., 50 f. 139 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 110. 140 Wolmerath, Rn. 49. 141 Wickler in Wickler, S. 6 ff. 142 Wolmerath, Rn. 51; Wickler in Wickler, S. 8.

B. Ursachen für Mobbing

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vor solchen nicht zurückgeschreckt wird, die bei gehäufter Anwendung unter Mobbing zu subsumieren sind. 2. Wirtschaftliche Lage und Arbeitsmarktsituation Neben den gesellschaftlichen Veränderungen werden die kritische wirtschaftliche Lage und die damit verbundene Arbeitsmarktsituation als mobbingförderliche Faktoren angesehen.143 Der Wettbewerbsdruck und eine angespannte Konjunktursituation veranlassen die Unternehmen oftmals zu umfangreichen Rationalisierungsmaßnahmen und Kostenreduzierungen, die Entlassungen, ständige Umstrukturierungen und eine höhere Fluktuation in Führungspositionen zur Folge haben.144 Dadurch werden Unsicherheit und Angst um den Arbeitsplatz hervorgerufen. Da sich der Einzelne in unserer heutigen Gesellschaft stark über seinen Arbeitsplatz definiert und oftmals daran gesellschaftlich gemessen wird, ist es für ihn nicht nur finanziell, sondern auch für sein persönliches Wohlbefinden existenziell notwendig, als anerkanntes Mitglied der Arbeitswelt und somit der Gesellschaft zu gelten. Aufgrund dieser hohen Bedeutung des Arbeitsplatzes für den Einzelnen werden aus Existenzangst nicht selten die Ellenbogen und unfaires Verhalten eingesetzt, um den Arbeitsplatz zu sichern.145 Dabei gilt oftmals das Prinzip: „Lieber der andere wird gekündigt als man selbst“. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen und ein funktionierendes Arbeitsumfeld vorzutäuschen, versäumen es die unter Druck geratenen Personen häufig, sich den Angriffen ihrer Vorgesetzten und Kollegen zu entziehen oder diesen offen entgegen zu treten. Motiv dieses passiven Verhaltens ist dabei nicht selten die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes.146 Dadurch fördern sie, ohne es zu wollen, das Mobbingverhalten und ermöglichen es, dass sich die Konflikte überhaupt erst zu einem langwierigen Mobbingprozess mit erheblichen Folgen für die Gesundheit entwickeln können.

III. Unmittelbar das Mobbinggeschehen auslösende Ursachen Die gesellschaftliche Entwicklung und die Veränderung des Arbeitsmarktes bzw. der Arbeitswelt werden im konkreten Fall nie alleiniger Grund für das Auftreten von Mobbing sein, sondern stellen vielmehr Rahmenbedingungen bzw. das Mobbingaufkommen fördernde Faktoren dar. Die ausschlaggebenden 143

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 110; Wolmerath, Rn. 48. Leymann (1993), S. 133; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 110 ff., 124 ff.; Resch, S. 132 ff.; Volk, S. 153 ff., 161. 145 Wickler in Wickler, S. 6 ff. 146 Gockel, S. 255. 144

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

Faktoren, welche den Mobbingprozess letztendlich auslösen, sind meist im individuell-menschlichen Bereich und in den konkreten Bedingungen im Unternehmen bzw. am Arbeitsplatz zu finden. 1. Persönlichkeitsbezogene Faktoren Häufigste Ursache von Mobbing ist Neid und Karrierestreben.147 Neid bezieht sich oftmals auf die Qualifikation, die Kompetenz, die Anerkennung und die Leistungsfähigkeit des anderen.148 Nicht selten sind es aber auch Gründe, die im privaten Bereich liegen, wie ein größeres Auto oder Haus, ein attraktiverer Ehepartner, die das innerliche Bedürfnis hervorrufen, den anderen zu attackieren. Konkurrenzdenken ist oftmals Teil der eigenen Karrierestrategie, indem der Mobbende beispielsweise den Arbeitsplatz des Betroffenen einnehmen will oder mit diesem um eine neu zu besetzende Arbeitsstelle konkurriert. 2. Unternehmenspolitik im Zwiespalt mit dem Kündigungsschutz Als ein weiterer Risikofaktor für den Beginn eines Mobbinggeschehens wird die Diskrepanz zwischen Unternehmenspolitik und dem bestehenden gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsschutz angesehen. Fusionen und Übernahmen von Unternehmen, aber auch interne Umstrukturierungen, von denen sich die Unternehmensleitung eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit verspricht, gehen meist einher mit der Forderung nach Kostenreduzierung. Zur Sicherung und Umsetzung der neuen Unternehmenspolitik kommt daher nicht selten das Bedürfnis auf, bestimmte Mitarbeiter aus dem Unternehmen auszuschließen. Der oftmals aus finanziellen oder entwicklungstechnischen Gründen erwünschten, schnellen personellen Veränderung steht der durch Kündigungsfristen und notwendige erhebliche Kündigungsgründe starre Kündigungsschutz gegenüber, der als Ziel das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses verfolgt. Die bestehenden gesetzlichen und kollektivrechtlichen Kündigungsbedingungen und teilweise (kollektiv)vertraglich vereinbarten Abfindungen führen dazu, dass die Unternehmen nicht selten auf Mobbing zurückgreifen, um dadurch die Selbstkündigung des Betroffenen zu erreichen und damit die Kündigungsbedingungen bzw. Abfindungszahlungen zu umgehen.149 Dieser Konflikt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer soll nach der Auffassung von Wickler durch die heutige Rechtsprechung verstärkt werden, indem diese eine Art Blockadewirkung für die Umset147 Halama, S. 7; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 111, 118 f.; Schimmelpfennig/Schimmelpfennig, PersV 1998, S. 272; Zapf, 2000, S. 146. 148 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118 f. 149 Wickler in Wickler, S. 5.

B. Ursachen für Mobbing

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zung berechtigter Kündigungserfordernisse ausübe und damit die Kündigung eines Arbeitnehmers zusätzlich erschwere.150 Mobbing als Mittel zum Personalabbau und Umgehung der bestehenden Kündigungshindernisse ist folglich nicht selten anzutreffen.151 3. Mobbing fördernde betriebliche Rahmenbedingungen Ausschlaggebend für Mobbing und vor allem für dessen Entwicklung sind häufig auch die betrieblichen Rahmenbedingungen.152 Studien zeigen, dass es Betriebe gibt, in denen gehäuft Mobbing auftritt.153 Vor allem ein schlechtes Betriebsklima ist mobbingförderlich.154 In 60 Prozent der Mobbingfälle herrscht ein solches am Arbeitsplatz vor.155 Je besser das Betriebsklima, desto geringer ist daher die Auftretenswahrscheinlichkeit von Mobbing.156 Eng damit verbunden sind der Führungsstil und das Führungsverhalten des Vorgesetzten, welche das Betriebsklima und somit das Mobbingaufkommen erheblich beeinflussen.157 Umso positiver beides ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Mobbing am Arbeitsplatz vorkommt.158 Zu den wesentlichsten, den Mobbingprozess begünstigenden Faktoren gehört ferner die mangelnde Arbeitsorganisation. Diese kennzeichnet sich vor allem durch hohen Zeitdruck, Unterbesetzung der Abteilung trotz hoher Verantwortung, starre Hierarchie, schlechte äußere Bedingungen, widersprüchliche, unsinnige und unausführbare Anweisungen und unklare Zuständigkeiten.159 Folge schlechter Arbeitsorganisation kann zum einen sein, dass die Arbeitsanforderungen zu hoch sind und nicht oder nur durch einen besonders hohen Aufwand bewältigt werden können oder zum anderen, dass die Arbeitsanforderungen an den Einzelnen zu gering sind und dessen Leistungsfähigkeit durch monotone und inhaltsarme Arbeitsaufgaben unterfordern. Hinzu kommt, dass aufgrund der sich immer schneller verändernden Arbeitsbedingungen und -technologien, der Effektivierung der Arbeitsleistung, der Verdichtung der Arbeitskapazität, der Einführung von neuen technischen Systemen und der damit notwendigerweise 150

Wickler in Wickler, S. 5 m. w. N. Siehe dazu den Beispielsfall LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff.; Meschkutat/ Stackelbeck/Langenhoff, S. 118. 152 Siehe dazu ausführlich Gockel, S. 250 ff., 286 ff. 153 Meschkutat/Langenhoff/Stackelbeck, S. 122. 154 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 124; Volk, S. 156 f.; Zapf, 2000, S. 146. 155 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 124. 156 Volk, S. 156, 162. 157 Volk, S. 157 f., 161. 158 Volk, S. 162. 159 Gockel, S. 250 f.; Leymann (1993), S. 133; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 124 f.; Resch, S. 133. 151

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

verbundenen Erforderlichkeit von neuen Kenntnissen und Fähigkeiten, immer häufiger und schneller die Überholung von Wissen und Fertigkeiten tritt und von dem Einzelnen oftmals mehr und anspruchsvollere Arbeit in kürzerer Zeit abverlangt wird, als er tatsächlich schaffen kann.160 Diese Über- oder Unterforderung kann bei dem Betroffenen zu Stress führen, der zu den wichtigsten mobbingfördernden Faktoren zählt. Unter Stress wird ein vom Betroffenen als unangenehm empfundener Ungleichgewichtszustand zwischen Anforderungen der Umwelt (Arbeitsanforderungen) und den persönlichen Leistungsvoraussetzungen verstanden.161 Durch den hervorgerufenen Stress wird der Einzelne unzufrieden, sein zwischenmenschliches Verhalten verändert sich nachteilig und führt dadurch zur Zunahme von zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen und sich möglicherweise daraus entwickelndem Mobbing.162 Neben der mangelnden Arbeitsorganisation sind es im Zusammenhang mit den betrieblichen Rahmenbedingungen die mangelnden Führungsqualitäten und der ungenügende Führungsstil des Vorgesetzten, die zu Konflikten führen können, aus denen sich Mobbing entwickelt bzw. die das Mobbinggeschehen unterstützen.163 Schlechtes Führungsverhalten kennzeichnet sich dadurch, dass der Vorgesetzte nicht mit den ihm hierarchisch Untergebenen kommuniziert, dessen Ansichten, Probleme, Vorschläge und Anregungen für Verbesserungen ignoriert, nicht ernst nimmt, versäumt, wichtige Entscheidungen transparent zu machen oder nicht versucht, arbeitsbezogene Probleme mit seinen Untergebenen gemeinsam zu finden, zu diskutieren und zu lösen.164 Derartiges, oftmals autoritäres Führungsverhalten, welches dem anderen kaum Handlungs- und Entscheidungsspielräume lässt, fehlende Anerkennung für Geleistetes oder weniger Anerkennung für Leistung als für wohlgefälliges, unterwürfiges Verhalten, führen schnell zur Resignation, Unzufriedenheit der Mitarbeiter, fehlendem Selbstverantwortungsgefühl und zu sich daraus entwickelnden Konflikten.165 Ein partnerschaftlicher Führungsstil trägt dagegen dazu bei, dass Mobbing seltener auftritt.166 Ferner lässt inkonsequentes und unverantwortliches Führungsverhalten oftmals Lücken für Mobbing entstehen.167 In vielen Fällen ist es das passive Verhalten und die fehlende Unterstützung des Vorgesetzten, die zur Eskalation

160

Wolmerath, Rn. 48; siehe dazu auch Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 127. Hage/Heilmann, S. 672. 162 Gockel, S. 250, 286 ff.; Leymann (1993), S. 139 f.; Resch, S. 25 f. 163 Siehe dazu vor allem Volk, S. 156 ff.; Gockel, S. 253 ff., 288 ff.; Leymann (1993), S. 137 f.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118, 124 f.; Resch, S. 134 ff. 164 Leymann (1993), S. 137 f.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 124 f.; Noelle-Neumann/Strümpel, S. 71 ff.; Resch, S. 135 f.; Volk, S. 156 f.; Zapf, ZfAO 1999, S. 13. 165 Halama, S. 7; Volk, S. 156 f. 166 Volk, S. 157 f. 167 Resch, S. 136. 161

B. Ursachen für Mobbing

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des Konflikts beiträgt.168 Auf der anderen Seite kann aber auch ein zu autoritärer Führungsstil ursächlich sein, indem sich dieser auf die Gruppe überträgt und die Gruppenmitglieder mit autoritären Mitteln versuchen, Kollegen nach ihren Wünschen „hinzubiegen“.169 4. Persönlichkeit des Betroffenen Nicht selten kommt die Vermutung auf, dass der Betroffene aufgrund seiner Persönlichkeit, seines Aussehens, Charakters oder Verhaltens „selbst Schuld“ am Mobbing gegen sich hat. Richtig ist, dass bestimmte äußere Merkmale, Verhaltensweisen oder Persönlichkeitsmerkmale das Mobbinggeschehen begünstigen oder auch hervorrufen können, falsch dagegen, von einem typischen oder alleinigen Opferpersönlichkeitsprofil zu sprechen.170 Nahezu jeder kann sich plötzlich als Betroffener innerhalb eines Mobbinggeschehens wieder finden, wenn nicht aufgrund seiner Persönlichkeit, dann aufgrund der anderen aufgezählten Faktoren. Insbesondere die Erfahrungen am Beispiel von Vergewaltigungsopfern, für welche früher ein Opferprofil erstellt und damit die Vergewaltigung mit der bestimmten Persönlichkeit oder Ausstrahlung einer Frau „gerechtfertigt“ wurde,171 zeigt heute, wie unvernünftig derartige Opferprofile sind. Sie bringen darüber hinaus die Gefahr mit sich, jeden der gemobbt wird, aufgrund seiner Persönlichkeit schuldig zu sprechen oder Menschen voreilig als potentielle Mobbingopfer abzustempeln und andere, die nicht diesem Profil entsprechen, zu sehr in Sicherheit zu wiegen. Oftmals ist es aber nicht die Person, sondern „die Position“, welche der Betroffene zufällig innehat, die gemobbt wird. Trotz des Fehlens eines typischen oder alleinigen Mobbingopferprofils zeigen Forschungsergebnisse, wie die der bundesweiten Repräsentativstudie über Mobbing172, dass Personen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen mehr gefährdet sind, Opfer von Mobbingangriffen zu werden als andere. Unterschiede zwischen Betroffenen und denjenigen, die nicht mit Mobbingangriffen konfrontiert werden, zeigen sich insbesondere hinsichtlich abweichender Einstellungen, nonkonformen Verhaltens, Gewissenhaftigkeit, Rigidität, extremer Pünktlichkeit und Leistungsbereitschaft.173 Bei Befragungen von Betroffenen gab die Mehrheit an, dass sie ehrlicher, unbestechlicher, akkurater, leistungsbereiter, leistungsfähiger, kritischer und innovativer als andere Kolle168 169 170

Gockel, S. 254, 281 f. Ausfelder, S. 123 f. Leymann (1993), S. 141 ff.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 120; Volk,

S. 37. 171 172 173

Vgl. Leymann (1993), S. 141 f. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 111 ff., 118 f. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118; Zapf, ZfAO 1999, S. 16 f.

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

gen seien.174 Auf der anderen Seite sind Menschen, die nicht leistungsbereit sind, viele Fehler machen oder denen bestimmte Kenntnisse fehlen, in gleicher Weise mehr gefährdet, Mobbingangriffen ausgesetzt zu werden. Arroganz, Spinnen von Intrigen, Lügen, Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit, Hilflosigkeit kann gleichfalls Mobbing provozieren.175 In demselben Maße können soziale Anpassungsprobleme (Beispiel: Schüchternheit, Absonderung von Kollegen) Mobbing hervorrufen. Ebenfalls soll ein geringes Selbstwertgefühl die Gefahr erhöhen, Mobbingangriffen ausgesetzt zu werden, weil mit Kritik, Tadel oder Kränkung schlechter umgegangen werden kann und daher mit negativen und aggressiven Handlungsweisen auf diese reagiert wird. Auf der anderen Seite kommt es aber auch häufig vor, dass der Betroffene gerade ein hohes Selbstwertbewusstsein, höhere Leistungsbereitschaft und eine moralische Überlegenheit hat, dies zum Ausdruck bringt und sich dadurch unbewusst unbeliebt macht.176 Eine andere wissenschaftliche Analyse fand wiederum heraus, dass der Zusammenhang zwischen den Betroffenen und dessen Persönlichkeitsfaktoren „soziale Angst“ und „Selbstachtung“ im Vergleich zu denjenigen, die Mobbingangriffen nicht ausgesetzt sind, nur hinsichtlich des Merkmals Selbstachtung unterschiedlich ist, wenn auch nur marginal.177 Nicht verwunderlich ist es, dass auch das äußere Erscheinungsbild und der von der Norm abweichende Lebens- und Arbeitsstil als Mobbing fördernde Faktoren in Frage kommen, weil uns die Geschichte und die Gegenwart lehrt, dass Menschen allein aufgrund von äußerlich wahrnehmbaren Merkmalen als Aussätzige behandelt und schikaniert werden. Insoweit sind das äußere Erscheinungsbild, das Geschlecht, das (hohe) Alter nicht selten Mobbing fördernde Faktoren, ebenso die sexuelle Orientierung, der persönliche Lebensstil und die Nationalität des Betroffenen.178 Mobbing macht auch vor behinderten Menschen nicht halt. Sie werden sogar fünf Mal mehr gemobbt als nicht behinderte Menschen.179 Gleichfalls können Menschen mit auffälligen Verhaltensweisen (Beispiel: lautes Sprechen, Körpergeruch, Kumpeligkeit, langsamer oder auffälliger Gang) Anstoß für Mobbingtätigkeiten gegen sich bilden.180 Ferner kann aber auch das arbeitsbezogene Verhalten des Betroffenen für den Beginn eines Mobbingprozesses ausschlaggebender Grund sein. Beispielsweise, wenn sich der Betroffene nicht unterwürfig

174 175 176 177 178 179 180

Zapf, ZfAO 1999, S. 16; s. a. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 111, 118. Zuschlag, S. 41. Zapf, ZfAO 1999, S. 15; Zuschlag, S. 41. Niedl, S. 50. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 111, 118. Kratz, S. 17; Leymann (1993), S. 88, 98 f. Zuschlag, S. 42.

B. Ursachen für Mobbing

65

verhält, bestimmte Dinge abwehrt, unerwünschte Kritik äußert, sich Anweisungen widersetzt oder neuen Vorschlägen nicht offen gegenüber steht.181 Zusammenfassend kann daher als Ergebnis auf die Frage, welche Rolle die Persönlichkeit als ausschlaggebender oder mitursächlicher Faktor für Mobbing spielt, festgehalten werden, dass es kein typisches Opferprofil gibt, aber die Gefahr umso höher ist, Mobbingangriffen ausgesetzt zu werden, desto mehr sich eine Person von seinen Arbeitskollegen unterscheidet.182 5. Persönlichkeit des Mobbenden Wie für die Betroffenen gibt es auch kein typisches Profil, das den Mobbenden kennzeichnet. Aber auch insoweit werden bestimmte Persönlichkeitsfaktoren ins Feld der Betrachtung geführt, die den Einzelnen schneller zum Mobbenden werden lassen. Kindheitserlebnisse, das familiäre und sonstige Umfeld in der Kindheit prägen die Konflikt- und Mobbingbereitschaft des Menschen.183 Derjenige, der zu Intrigen und Schikanen neigt, tendiert eher zu Mobbingattacken als derjenige, der um ein friedliches Miteinander bemüht ist.184 Menschen, die psychopatische Züge aufweisen, kommen als Mobbende in Frage, sind aber nur selten anzutreffen.185 Mobbende haben oftmals ein niedriges Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen und neigen dadurch eher zu aggressivem Druck, um ihre Unsicherheit zu überspielen.186 Ebenfalls für die Mobbingbereitschaft des Einzelnen von Bedeutung ist dessen Selbstwerterhaltungsbedürfnis.187 Greift jemand mit objektiv besserer Qualifikation (höhere Leistungsfähigkeit, bessere Anerkennung im Arbeitsumfeld) in den Arbeitsbereich eines anderen ein, besteht die Gefahr, dass dessen Ansehen, Beliebtheit gegenüber Kollegen und die ihm zugesprochene Qualifikation entwertet und damit sein Selbstwertgefühl bedroht wird, so dass er sich gegen den „Eindringling“ wehrt, indem er versucht, diesen aus seinem „Herrschaftsbereich“ wieder zu vertreiben oder dessen Leistung zu negieren. Ist der Betroffene dagegen selbstkritisch, tolerant und akzeptiert er den anderen, wird sich kaum ein Konflikt entwickeln, der zu Mobbing führt. Es ist daher davon auszugehen, dass dort, wo nicht souveräne Führungskräfte auf leistungs-

181

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118 f. Zapf, 2002, S. 145. 183 Zuschlag, S. 48 f. 184 Schimmelpfennig/Schimmelpfennig, PersV 1998, S. 271. 185 Zapf, ZfAO 1999, S. 17. 186 Ketz de Vries, M. F. R./Miller, D: The neurotic organization – Diagnosing and changing counterproductive styles of management, 1984 (zitiert aus Zapf, ZfAO 1999, S. 17). 187 Zapf, ZfAO 1999, S. 18; Zuschlag, S. 50. 182

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

starke Mitarbeiter treffen, ein erhöhtes Risiko für Mobbing besteht.188 Auf der anderen Seite ist aber auch der extrem selbstbewusste oder sogar narzisstische Mensch gefährdet zum Mobbenden zu werden.189 Ein so gearteter Mensch ist oft nicht selbstkritisch, sieht die Fehler immer nur bei anderen, ignoriert eigene Fehler, delegiert Aufgaben nicht gern, ist nicht mitfühlend und strebt häufig nach Perfektion.

C. Folgen von Mobbing Die Frage nach der strafrechtlichen Relevanz von Mobbing rechtfertigt sich vorwiegend durch die erheblichen mobbingspezifischen Folgen. Die Ergebnisse empirischer Repräsentativstudien sind frappierend und erschreckend. Die Auswirkungen von Mobbing sind nicht nur auf den Betroffenen selbst begrenzt, sondern breiten sich auch erheblich auf dessen Umfeld (Familie und Freunde), auf das einzelne Unternehmen und die Gesellschaft aus.

I. Folgen für die Betroffenen 1. Persönlichkeitsrecht, Gesundheit und allgemeines Wohlbefinden Neben der Tatsache, dass Mobbing regelmäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt190, hat Mobbing vor allem weitreichende nachteilige Folgen für die Gesundheit, die berufliche Situation, die soziale Geltung und das Privatleben des Betroffenen. Indem über einen längeren Zeitraum wiederholt Angriffe auf dessen Psyche vorgenommen werden, artet Mobbing im Laufe der Zeit zu Psychoterror aus. Durch die permanente psychische Belastung wird der Körper in einen Alarmzustand versetzt, dem dieser auf Dauer nicht Stand halten kann.191 Je länger der Mobbingprozess andauert, desto schwieriger kann sich der Betroffene mit seinen Gedanken davon lösen und abschalten. Oftmals kreisen dessen Gedanken nach einer gewissen Dauer des Mobbingprozesses ausschließlich um die Mobbingangriffe. Dadurch findet er keine Ruhe und die durch die einzelnen Angriffe hervorgerufenen Stresssituationen werden immer wieder reproduziert, was die psychische Gesamtbelastung des Betroffenen zusätzlich verstärkt. In vielen Mobbingfällen führt der permanente Stress daher zu einem als kumulative Traumatisierung bezeichneten, psychodynamischen 188 189 190 191

Zapf, ZfAO 1999, S. 18. Zapf, ZfAO 1999, S. 18. LAG Thüringen BB 2001, S. 1358; LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, S. 121. Leymann, S. 109.

C. Folgen von Mobbing

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Prozess, bei dem psychische und psychosomatische Beeinträchtigungen die regelmäßige Konsequenz sind.192 Nach der von der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin und -sicherheit in Auftrag gegebenen bundesweiten Repräsentativstudie wirkt sich Mobbing bei 87 Prozent der Betroffenen auf das physische oder psychische Wohlbefinden aus.193 44 Prozent der Betroffenen erkranken und davon fast die Hälfte länger als sechs Wochen.194 Das Spektrum an Krankheitsbildern ist groß. Aus zunächst leichten, flüchtigen und unspezifischen Befindlichkeitsstörungen entwickeln sich mit Voranschreiten des Mobbingprozesses manifeste Krankheitssymptome, komplexe psychosomatische/psychiatrische Syndrome, im Sinne gravierender, chronifizierter und am Ende manchmal irreversibler Gesundheitsschäden.195 18 Prozent der Betroffenen begeben sich in eine Kur und ein Drittel in therapeutische Behandlung. Nicht selten versuchen sie ihren Zustand mit Medikamenten oder Alkohol zu verbessern und gelangen dadurch in eine Medikamenten- oder Alkoholabhängigkeit.196 Die physischen und psychischen Beschwerden sind oftmals nicht nur vorübergehend, sondern dauern in der Regel ohne Entspannungs- und Erholungsphase, bis der Mobbingprozess, welcher sich im Durchschnitt über eine Länge von 16 Monaten hinzieht, beendet ist oder sogar über den Beendigungszeitraum hinaus an. a) Psychische Gesundheit und Wohlbefinden Die psychischen Auswirkungen beginnen meist unspezifisch, zum Beispiel mit leichten Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, erhöhter Angespanntheit, Irritierbarkeit/Reizbarkeit (Nervosität), gereizter, aggressiver Stimmung und depressiven Verstimmungen.197 Es kommt zu Gedächtnis- und Merkfähigkeitsstörungen und verstärkt zu Alpträumen.198 Im weiteren Verlauf des Mobbingprozesses entstehen Wahrnehmungsveränderungen und -beeinträchtigungen. Der lange Zeitraum des Mobbingprozesses, während dessen der Betroffene immer wieder attackiert wird, führt dazu, dass die psychischen Belastun192

Brinkmann, S. 21 ff.; Fischer/Riedesser, S. 331 ff. Siehe die Nachweise bei Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 78 ff. 194 Siehe dazu auch: Staatssekretariat Schweiz, S. 27, 50 f.; Zapf, ZfAO 1999, S. 19. 195 Leymann (1993), S. 110 ff.; Fischer/Riedesser, S. 336; Meschkutat/Stackelbeck/ Langenhoff, S. 78 ff.; Zuschlag, S. 102 ff.; Wolmerath, Rn. 54 f. 196 Ausfelder, S. 137 f.: 52 Prozent aller Berufstätigen trinken gelegentlich Alkohol am Arbeitsplatz, 11 Prozent sogar (fast) täglich. 37 Prozent davon geben an, dass sie trinken, um den Stress bei der Arbeit besser bewältigen zu können. Siehe auch Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 13; Resch, S. 80 f. 197 Siehe auch Groeblinghoff, S. 163; Hirigoyen, S. 170; Leymann (1993), S. 111; Niedl/Leymann, S. 76; Resch, S. 121. 198 Ebenfalls Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 13; Fischer/Riedesser, S. 334 f.; Groeblinghoff, S. 164; Niedl, S. 203 ff.; Zapf, ZFAO 1999, S. 19. 193

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

gen aufrechterhalten werden und der Betroffene keine Erholungspause hat. Dadurch entwickelt sich aus den anfangs vereinzelten und unspezifischen Stresssymptomen oftmals ein manifestes psychisches Problem.199 Die psychischen Gesundheitsfolgen von Mobbing reichen von irreparablen und (chronischen) Depressionen oftmals in Form depressiver Erschöpfungs- und Versagenszuständen, über neurosenartig anmutende Störungen, Angststörungen, Existenzängste, paranoide Zustände (Verfolgungswahn), Phobien, Obsessionen bis hin zu bedrohlichen Selbstwert- und Identitätskrisen und im Extremfall zum posttraumatischen Stresssyndrom.200 Die als Folge von Mobbing besonders häufig vorkommenden Depressionen kennzeichnen sich durch ein Gefühl der Leere und Hoffnungslosigkeit, keine Freude an kleinen Begebenheiten des Alltags und an einem akuten Risiko für Medikamentenabhängigkeit.201 Phobien führen dagegen dazu, dass der Betroffene sich in eine Zwangssituation versteift, dadurch menschenscheu wird und sich von seinem sozialen Umfeld immer mehr abkapselt.202 Als posttraumatisches Stresssyndrom wird ein Zustand des Betroffenen verstanden, in dem die schlechten Erlebnisse, die eine Art Schockwirkung auf den Betroffenen haben, diesem immer wieder durch den Kopf gehen und er seine Gedanken mit den ihm zur Verfügung stehenden psychischen Kräften nicht mehr davon befreien kann, er dadurch psychische Überlebensängste bekommt und den Drang hat, jedem von seinem Schicksal zu erzählen.203 Die schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen bewirken beim Betroffenen sehr oft einen Vertrauensverlust in die Gesellschaft. b) Physische Gesundheit und Wohlbefinden Die dauerhaften psychisch-seelischen Belastungen führen in der Regel zu psychosomatischen Beschwerden. Diese treten bei Mobbing als Frühsymptome häufig in Form von Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit, Schwindelgefühl, Magen- und Herzschmerzen, Atemnot, Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit, und Zittern auf.204 Im späteren Verlauf können sich Atemwegs-, Herz-Kreislauf199

Leymann (1993), S. 112 ff. Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 13; Fischer/Riedesser, S. 334 f.; Groeblinghoff, S. 164; Hirigoyen, S. 176 ff.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 79; Niedl, S. 203 ff.; Resch, S. 123; Zapf, ZfAO 1999, S. 19; Zapf/Kuhl, S. 94; siehe zu weiteren psychischen und physischen Folgen die Aufzählungen bei Zuschlag, S. 106 f.; siehe zur näheren Konkretisierung der psychischen Auswirkungen, Brunnhuber/Lieb, S. 20 ff. 201 Niedl/Leymann, S. 79; siehe auch Fischer/Riedesser, S. 335. 202 Leymann (1993), S. 114. 203 Leymann (1995), S. 42 ff. 204 Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 13; Groeblinghoff, S. 163; Hirigoyen, S. 171 ff.; Kollmer, Rn. 49; Leymann (1993), S. 109 ff.; Leymann (1995), 200

C. Folgen von Mobbing

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erkrankungen, Hauterkrankungen, Asthma, Schweißausbrüche bis hin zu Erkrankungen im Magen-, Darmbereich und anderen Organen ergeben.205 Darüber hinaus kann infolge stressbedingter chronischer Unterdrückung des Immunsystems die Anfälligkeit für Infektionen und Allergien und langfristig auch die Entstehungs- und Durchsetzungswahrscheinlichkeit bösartiger Neubildungen, wie Krebs, erhöht werden.206 2. Auswirkungen auf den Arbeitsplatz und die Arbeitsleistung Für den Betroffenen oftmals genauso dramatisch wie die gesundheitlichen Folgen sind die mit Mobbing verbundenen, gravierenden Einschnitte in seinen beruflichen Lebensbereich und dadurch auch regelmäßig in seine wirtschaftliche Existenz. Nach der bundesweiten Repräsentativstudie hat das Mobbinggeschehen lediglich für 20 Prozent der Betroffenen keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis.207 In 50 Prozent aller Fälle steht am Ende der Ausschluss vom Arbeitsplatz oder sogar aus der Arbeitswelt aufgrund Berufsund Arbeitsunfähigkeit, zwangsweiser Versetzung (5,5 Prozent), freiwilligen Arbeitsplatzwechsels innerhalb des Betriebs (30 Prozent), Eigenkündigung (22,5 Prozent), Fremdkündigung (15 Prozent), des Abschlusses eines gegenseitigen Aufhebungsvertrags, Erwerbsunfähigkeit oder Frührente (7 Prozent).208 In etwa 11 Prozent der Fälle führt der Mobbingprozess sogar kurz- oder längerfristig in die Arbeitslosigkeit. Ist die Folge von Mobbing nicht der Verlust des Arbeitsplatzes, wird der Betroffene in vielen Fällen aus seiner sozialen Gemeinschaft am Arbeitsplatz ausgegrenzt und sieht sich nicht mehr als gleichwertiges Mitglied der Arbeitsgruppe bzw. wird als solches nicht mehr anerkannt,209 sei es durch Aufkündigung des normalen zwischenmenschlichen Miteinanders oder durch Ungleichbehandlungen. Unabhängig davon, ob sich das Mobbinggeschehen im weiteren Verlauf etabliert und der Prozess mit gravierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder dem Verlust des Arbeitsplatzes eskaliert, hat Mobbing auch erhebliche Auswirkungen auf das Arbeits- und Leistungsverhalten des Betroffenen. Lediglich 1,3 S. 43 ff.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 79; Niedl/Leymann, S. 74 ff.; Resch, S. 121; Zapf/Kuhl, S. 94; Zuschlag, S. 102 ff. 205 Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 13; Groeblinghoff, S. 163; Kollmer, Rn. 49; Leymann (1993), S. 109 ff.; Leymann (1995), S. 43 ff.; Niedl/Leymann, S. 74 ff.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 79; Resch, S. 121; Zapf/Kuhl, S. 94; Zuschlag, S. 102 ff. 206 Groeblinghoff, S. 163; zum Zusammenhang psychischer Belastungen und Krebs siehe Schulz-Kindermann, in Arentewicz/Fleissner, S. 145 ff. 207 Siehe zum Folgenden die Ergebnisse der bundesweiten Studie: Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 78 ff. 208 Ebenfalls Zapf, ZfAO 1999, S. 20; siehe auch Hirigoyen, S. 129. 209 Wolmerath, Rn. 20.

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

Prozent der Befragten gaben im Rahmen der bundesweiten Repräsentativstudie an, dass sich das Mobbinggeschehen nicht auf ihr persönliches Verhalten am Arbeitsplatz bzw. ihre Arbeitsleistung auswirkte.210 Mehr als zwei Drittel wurden durch das Mobbinggeschehen demotiviert und reagierten im Berufsleben mit gesteigertem Misstrauen. Bei über 50 Prozent traten Konzentrationsmängel, Verunsicherungen, Selbstzweifel, Leistungs- und Denkblockaden auf. 57 Prozent der Betroffenen kündigten innerlich. In 33 Prozent der Fälle traten bei der Arbeitsverrichtung vermehrt Fehler auf. Viele der Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit beginnen bereits in der Anfangsphase des Mobbinggeschehens und erstrecken sich anschließend über den gesamten Mobbingprozess.211 Fehlerzunahme, Unkonzentriertheit, Arbeitsblockaden und Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeitsleistung führen in etwa 41 Prozent der Fälle zu einer deutlich wahrnehmbaren Gereiztheit und Aggressivität der Betroffenen, was wiederum Kritik an deren Verhalten nach sich zieht und damit das Mobbinggeschehen noch intensivieren kann. Mit dem Austritt aus dem Arbeitsverhältnis ist zwar das Mobbinggeschehen beendet, die Betroffenen sind von den Folgen aber noch nicht befreit. Zwar stellt sich nach der Beendigung des Mobbingprozesses meist eine Verbesserung des physischen und psychischen Zustandes der Betroffenen ein, doch oftmals leiden die Betroffenen noch Jahre nach ihrem Ausstieg aus der Arbeitswelt, müssen sich in psychiatrische Behandlung begeben und ihr Selbstwertgefühl und ihre Persönlichkeit bleiben nachhaltig beeinträchtigt.212 3. Auswirkungen auf die Persönlichkeit und das soziale Umfeld Aufgrund der Dauer und der Intensität der psychischen Belastung kann Mobbing auch zur Veränderung der Persönlichkeit führen.213 Wenn die Belastungen für den Betroffenen so stark werden, dass er sich mit der Situation abfindet und sich gegen die Attacken aufgrund Kraftmangels nicht mehr wehrt, besteht die Gefahr, dass seine Persönlichkeit oder Einstellung verändert wird, indem er sich anpasst, um in der gegebenen Situation überleben zu können.214 Die nachteiligen Folgen von Mobbing gehen auch nicht am Privatleben des Betroffenen vorbei, weil es diesem nur selten möglich sein wird, seine Sorgen und Ängste allein aufgrund eines kurzzeitigen Umfeldwechsels von sich abzustreifen und unbekümmert Familie und Freunden gegenüberzutreten. Beim Zu210 211 212 213 214

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 77. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 77. Leymann (1993), S. 115; Niedl/Leymann, S. 77. Fischer/Riedesser, S. 333 ff.; Wickler in Wickler, S. 18. Niedl/Leymann, S. 77; siehe auch Hirigoyen, S. 187 ff.

C. Folgen von Mobbing

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sammentreffen mit Freunden und der Familie werden die Probleme am Arbeitsplatz daher zum Inhalt vieler Gespräche in der Hoffnung, dadurch Befreiung zu erlangen.215 In einigen Fällen befassen sich die Gespräche nur noch mit dem Mobbinggeschehen, weil der Betroffene nicht mehr abschalten kann.216 Dadurch werden zum einen seine (Existenz)-ängste auf das private Umfeld übertragen.217 Zum anderen kann es dazu führen, dass sich Freunde und das soziale Umfeld aufgrund des ständigen Erzählens und ausführlichen Schilderns des Geschehens genervt von dem Betroffenen abwenden.218 Die Zufriedenheit mit der Arbeit ist eine Schlüsselfunktion für das allgemeine Lebensglück und die allgemeine Lebensfreude.219 Durch Missgelauntheit, „Null-Bock“-Einstellung, Unlust zu Unternehmungen und Aktivitäten, Überempfindlichkeit oder Aggressivität des Betroffenen kann ferner die Beziehung zu seinem sozialem Umfeld, die Erziehung der Kinder und die Ehe negativ beeinträchtigt werden.220 Mobbing kann daher zur Entfremdung gegenüber Mitmenschen und zum sozialen Rückzug bis hin zur totalen sozialen Isolation führen.221 4. Suizid Wenn der Betroffene aus seiner Situation keinen Ausweg mehr erkennt, seine Zukunft als völlig hoffnungslos sieht, kann das Mobbinggeschehen, wie in den durch die Presse bekannt gewordenen Fälle zweier Polizistinnen, im Suizid gipfeln.222 Studien zeigen, dass die Ursache in ca. 10–20 Prozent aller Suizidfälle (auch) in den Verhältnissen am Arbeitsplatz zu finden ist.223

II. Folgen für das Unternehmen Konflikte im täglichen Arbeitsprozess, bei denen es nicht um die sachliche Diskussion von Lösungen geht, sondern in erster Linie um die emotionale Aus215

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 98 f. Ausfelder, S. 81; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 98 f.; Resch, S. 102 f., 124; Zapf, ZfAO 1999, S. 20; Zuschlag, S. 108. 217 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 89 ff.; Zuschlag, S. 108; Resch, S. 124 f. 218 Groeblinghoff, S. 164. 219 Siehe zu diesem Zusammenhang die Untersuchungen von Noelle-Neumann/ Strümpel. 220 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 90; Wickler in Wickler, S. 18 f. 221 Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 13; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 90; Niedl/Leymann, S. 79; Resch, S. 84 ff. 222 Siehe die Berichte in Der Stern 1997, Nr. 35 und 1999, Nr. 8. 223 Kollmer, AR-Blattei 2002, Rn. 22a; Leymann (1993), S. 123; Niedl/Leymann, S. 77 f. 216

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1. Kap.: Grundlagen zur Mobbingproblematik

tragung von Meinungsverschiedenheiten und privaten Konflikten zwischen Personen, können den Betriebsfrieden massiv stören und kontraproduktiv wirken. Für die Unternehmen ergeben sich durch Mobbing daher eminent hohe Kosten. Es wird geschätzt, dass ein Betroffener das ihn beschäftigende Unternehmen pro Jahr ca. 15.000 bis 50.000 Euro kostet.224 Der gesamtdeutsche Produktionsausfall soll jährlich bei ca. 13 Milliarden Euro liegen.225 Die Kosten resultieren zum einen aus den vielen Krankheitstagen.226 27 Prozent aller Betroffenen reagieren auf Mobbing mit langfristigen Fehlzeiten.227 Im ersten Mobbingjahr ist der Betroffene im Durchschnitt zehn Prozent und im dritten Jahr 50 Prozent seiner Arbeitszeit krank.228 Zum anderen gehen aufgrund von sinkender Arbeitsmotivation, mangelnder Konzentrationsfähigkeit, nachlassender Kreativität, erhöhter Nervosität und Verunsicherungen die Quantität und Qualität der Arbeitsleistung des Betroffenen zurück.229 Darüber hinaus entstehen hohe Personalkosten, wenn aufgrund von mobbingbedingten Kündigungen oder Versetzungen neue Mitarbeiter rekrutiert und eingearbeitet werden müssen.230 Die Existenz von Mobbing in einem Unternehmen kann ferner nicht nur die Arbeitsleistung des Betroffenen beeinträchtigen, sondern auch die Arbeitsleistung derjenigen vermindern, die an dem Mobbinggeschehen nicht beteiligt sind, indem Mobbing das Betriebsklima verschlechtert, die Motivation der einzelnen Mitarbeiter herabsetzt, die psychosoziale Sicherheit und das Wohlfühlgefühl im Unternehmen nachteilig beeinflusst.231 Nicht zuletzt kann durch erhöhtes Mobbingaufkommen auch das Image des Unternehmens nachteilig beeinträchtigt werden.232

224

Ausfelder, S. 139; Resch, S. 125 ff. Resch, S. 125 ff.; Wickler in Wickler, S. 22. 226 Siehe zu erschreckenden Einbußen und Auswirkungen von Krankheitsfehltagen auf das Unternehmen Eckardstein/Lueger/Niedl/Schuster, S. 245 ff.; Zuschlag, S. 109; Der Mobbende benötigt für Vorbereitung und Ausführung seiner Mobbinghandlungen ca. 5 Prozent seiner jährlichen Arbeitszeit, so Groeblinghoff, S. 163; siehe auch Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 14; Kollmer, Rn. 51 f.; Zapf, ZfAO 1999, S. 20. 227 Zapf, ZfAO 1999, S. 20; siehe auch Hirigoyen, S. 127; Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 12. 228 Groeblinghoff, S. 63. 229 Kollmer, AR-Blattei 2002, Rn. 21; Leymann (1993), S. 107; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 77 f.; Wickler in Wickler, S. 21; Zapf, ZfAO 1999, S. 20; Zuschlag, S. 109. 230 Zapf, ZfAO 1999, S. 20; Zuschlag, S. 113; Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 14; Kollmer, Rn. 51; die Fluktuationskosten für einen Lagerarbeiter betragen ca. 8.000 Euro und für eine Führungskraft ca. 200.000 Euro, so Eckardstein/Lueger/ Niedl/Schuster, S. 262 f.; siehe auch Groeblinghoff, S. 163. 231 Groeblinghoff, S. 162 f.; Kerst-Würkner, AuR 2001, S. 251; Wickler in Wickler, S. 21; Zuschlag, S. 110 ff. 232 Esser/Wolmerath, S. 45; Wickler in Wickler, S. 21 f. 225

C. Folgen von Mobbing

73

III. Folgen für die Gesellschaft Mobbing hat auch nachteilige Auswirkungen für die Gesellschaft. Der gesamtwirtschaftliche Schaden wird jährlich auf 15 bis 50 Milliarden Euro geschätzt.233 Insbesondere das Sozialversicherungssystem wird mit hohen Kosten stark belastet. Diese entstehen vor allem durch die höheren Leistungen der Krankenversicherungsträger (Krankengeld, erhöhte Behandlungskosten, Medikamente, Psychotherapien, Rehabilitationsmaßnahmen), der Rentenversicherungsträger (Frührente) und anderer Sozialversicherungsträger (Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit).234 Die geschätzten Kosten für drei bis vier Behandlungsjahre eines Betroffenen liegen bei 50.000 bis 70.000 Euro.235 Führt Mobbing zur Frühverrentung, müssen die Rentenversicherungsträger fünf bis zehn Jahre länger Rente zahlen, im Gegenzug sind Beitrags- und Steuerleistungen vom Betroffenen aber nicht mehr zu erwarten.236

IV. Fazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Mobbing für den Betroffenen, für das Unternehmen als auch für die Gesellschaft gravierende Folgen mit sich bringt. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, muss Mobbing auf betrieblicher, gesellschaftlicher, politischer und gesetzlicher Ebene wesentlich stärker thematisiert werden als bisher. Ein offensiver Umgang mit dem Thema Mobbing ist daher unumgänglich.

233 Ausfelder, S. 139; Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 14; Groeblinghoff, S. 164; Halama, S. 15; Kollmer, AR-Blattei 2002, Rn. 22a; Resch, S. 126 f. 234 Halama, S. 15; Wickler in Wickler, S. 22. 235 Groeblinghoff, S. 164; Resch, S. 126 f. 236 Resch, S. 126: bei einer Frau, die ca. 18.000 Euro im Jahr verdient, sollen 200 Euro monatlich für entgangene Lohnsteuer, Krankenkassen-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge verloren gehen.

Zweites Kapitel

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden nach geltendem Recht A. Einführung und Eingrenzung des Untersuchungsbereichs Die erheblichen mobbingspezifischen Rechtsgutsverletzungen rechtfertigen es nicht nur, sondern machen es dringend erforderlich, sich mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Mobbenden auseinanderzusetzen und danach zu fragen, welchen Schutz das heutige Strafrecht – das seinen Zweck im Rechtsgüterschutz findet1 – vor Mobbingangriffen bietet. Im Gegensatz zu der Gesetzeslage in Frankreich2 gibt es in Deutschland keinen mobbingspezifischen Straftatbestand. Damit sind aber strafrechtliche Sanktionen nicht bereits ausgeschlossen, denn, wie im Ersten Kapitel dargelegt, werden Interessen des Einzelnen, wie das Leben3, die körperliche Unversehrtheit4, die Psyche5, die Ehre6, die Willensbildungs- und Willensbetätigungsfreiheit 7, die freie sexuelle Selbstbestimmung8 und die Arbeitskraft9 gefährdet bzw. verletzt, deren Schutz sich das Strafrecht in unterschiedlichen Normen bereits angenommen hat.10 Darüber hinaus beeinträchtigt Mobbing Interessen, die nicht in den strafrechtlichen Schutzbereich fallen, obwohl sie eine erhebliche Bedeutung für das Le1 BVerfGE 45, S. 254; MK-Joecks, Einleitung Rn. 26; LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 10; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 8 f. 2 Siehe dazu die Ausführung im Dritten Kapitel B. III. 3 Siehe dazu den „Münchner Polizistinnenfall“ im Ersten Kapitel A. II. 1. b), wo eine Polizistin durch Mobbing in den Tod getrieben wurde. 4 Vor allem geschützt durch §§ 223 ff. StGB. 5 Der Schutz der Psyche für jedermann ist innerhalb der Körperverletzungsdelikte umstritten. 6 Insbesondere geschützt durch §§ 185 ff. StGB. 7 § 240 StGB. 8 § 177 ff. StGB. 9 Unmittelbarer Schutz der Arbeitskraft beispielsweise durch § 58 Abs. 5 JArbSchG; § 21 Abs. 3 MuschG. 10 Darüber hinaus können durch Mobbing auf Grund der Vielfältigkeit der Mobbinghandlungen Rechtgüter wie das Eigentum, Gewahrsam u. a. Rechtgüter verletzt werden.

A. Einführung und Eingrenzung des Untersuchungsbereichs

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ben des Einzelnen haben. Dazu zählt vor allem der Wunsch nach Beibehaltung des konkreten Arbeitsplatzes und der Nichtbeeinträchtigung der beruflichen Zukunft. Wie im Ersten Kapitel bereits dargelegt, wirkt sich Mobbing – in welcher Art auch immer – in 80 Prozent der Fälle nachteilig auf das Arbeitsverhältnis aus, in 50 Prozent führt Mobbing sogar zum Verlust des konkreten Arbeitsplatzes.11 Diese mit dem Arbeitsplatz verbundenen Interessen können heute lediglich auf Strafzumessungsebene Bedeutung erlangen und werden ansonsten im Strafrecht außen vorgelassen.12 Sie spielen aber eine Rolle im Dritten Kapitel dieser Arbeit, in dem die Frage aufgeworfen wird, ob in Deutschland nach dem Vorbild Frankreichs die Einführung eines auf Mobbing ausgerichteten Straftatbestandes notwendig ist. Bisher sind ausschließlich Gerichtsverfahren der Zivil-, Arbeits- und Sozialgerichte bekannt, die sich mit der rechtlichen Einordnung von Mobbing befassten. Die Strafgerichte hatten noch nicht die Gelegenheit, sich mit dem Thema Mobbing auseinanderzusetzen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt existieren lediglich Urteile, welche die einzelne Mobbinghandlung losgelöst vom Gesamtgeschehen Mobbing zum Gegenstand haben. Beispielsweise erging im Zusammenhang mit dem „Münchner Polizistinnenfall“13 gegen den Vorgesetzten wegen mehrerer sachlich zusammentreffender Fälle der Beleidigung im Dezember 1999 ein mittlerweile rechtskräftiger Strafbefehl.14 Hinsichtlich des von der Mutter der Polizistin erhobenen Vorwurfs der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung im Amt stellte die Staatsanwaltschaft dagegen das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein, so dass es nicht zu einem Gerichtsverfahren gekommen ist.15 Das rechtswissenschaftliche Schrifttum legt bei der rechtlichen Beurteilung von Mobbing bisher sein Augenmerk auf das Arbeits-, Zivil-, Beamten- und Sozialrecht. Trotz der mit Mobbing einhergehenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen werden die strafrechtlichen Folgen von Mobbing in den rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzungen geradezu stiefmütterlich behandelt. Die seltenen Ausführungen, die sich finden lassen, gehen nur sehr oberflächlich auf die mögliche Strafbarkeit des Mobbenden ein und thematisieren nicht, welche Bedeutung das Gesamtgeschehen – das systematische wiederholte Vorgehen über einen längeren Zeitraum – für die strafrechtliche Würdigung hat. Zumeist werden aus dem Gesamtgeschehen Mobbing einzelne Handlungen isoliert und einer strafrechtlichen Beurteilung zugeführt.16 Die für die strafrechtliche Beur11

Siehe oben Erstes Kapitel C. I. 2. Siehe die Ausführungen zur Strafzumessung im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen die Ausführungen im Zweiten Kapitel D. IV. 13 Ausführlich dargestellt im Ersten Kapitel A. II. 1. b). 14 Siehe den Hinweis des OLG München vom 20.09.2001, Az.: 1 U 2443/01, S. 4. 15 Einstellungsvermerk der Staatsanwaltschaft München vom 09.12.1999, Geschäftsnummer: 123 Js 10953/99. 12

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

teilung eines Mobbinggeschehens notwendige Frage der rechtsschutzsystematischen Einordnung von Mobbing in das bestehende Recht und der Nutzbarmachung dieses Rechts für die mobbingtypische Besonderheit, einer aus mehreren, nicht lediglich isoliert zu betrachtenden Verhaltensbestandteilen zusammengesetzten Rechtsgutsverletzung, blieb bisher unbeachtet. Zwar besteht Einigkeit darüber, dass sich der Mobbende aufgrund einzelner, isoliert betrachteter Mobbinghandlungen in Einzelfällen auch strafrechtlich zu verantworten hat. Es lässt sich aber aus den Äußerungen auch der Grundtenor und eine Resignation herauslesen, dass trotz erheblicher Rechtsgutsverletzungen eine Bestrafung des Täters nur schwer möglich sei, weil es sich bei den das Mobbing in seiner Gesamtheit ausmachenden einzelnen Handlungen für sich genommen in der Regel um Verhaltensweisen handle, die zwar menschlich missbilligenswert, sich aber unterhalb der Schwelle sozialinadäquaten Verhaltens bewegten und somit strafrechtlich irrelevant seien.17 Zur Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls welche Möglichkeiten das Strafrecht gegenwärtig bietet, um Mobbing trotz Fehlens eines mobbingspezifischen Deliktes strafrechtlich zu sanktionieren, muss der Eigenart von Mobbing, nämlich, dass Mobbing ein Verhaltenskomplex ist, der sich aus mehreren Verhaltensweisen zusammensetzt und oftmals erst die systematische und unaufhörliche Wiederholung der Angriffe das Gesamtgeschehen zu einer Art unerträglichen psychischen Folter für den Betroffenen macht, ausreichend Aufmerksamkeit gezollt werden. Ob die weitgehende Ignoranz des Gesamtgeschehens Mobbing innerhalb der Strafrechtswissenschaft berechtigt ist oder lediglich auf Unwissenheit beruht, soll unter anderem Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sein. Es sollen daher bei der strafrechtlichen Beurteilung nicht nur – wie bisher innerhalb der strafrechtlichen Abhandlungen zu diesem Thema – die einzelnen Verhaltensweisen aus dem Gesamtgeschehen Mobbing isoliert einer rechtlichen Beurteilung zugeführt werden, sondern auch das Gesamtgeschehen Mobbing in die rechtliche Beurteilung mit einfließen.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände des Strafgesetzbuches I. Einführende Erläuterungen Die Vielfältigkeit der möglichen Mobbinghandlungen18 führt zu einer unüberschaubaren Anzahl von möglichen Fallkonstellationen. Der Versuch, Mob16 17

Kollmer, Rn. 164 ff.; Wolmerath, Rn. 71 ff.; Zuschlag, S. 26 f. Däubler, BB 1995, S. 1348 ff.; Gralka, BB 1995, S. 2654; Wolmerath, Rn. 68 f.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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bing in allen möglichen Facetten auf seine strafrechtlichen Konsequenzen hin für jede denkbare Konstellation abschließend zu beurteilen, muss daher ein nicht zu verwirklichender Vorsatz sein. Der Vielfältigkeit und Unüberschaubarkeit der Mobbinghandlungen entspricht die Anzahl von in Frage kommenden Straftatbeständen, welche durch die Mobbinghandlungen verwirklicht werden können. Bei Betrachtung der nicht abschließenden Auflistungen der potentiellen Mobbinghandlungen, unter anderem von Wolmerath und Esser19, zeichnet sich die Tatsache ab, dass fast alle vom Strafgesetzbuch umfassten Delikte, die Individualrechtsgüter schützen, verwirklicht werden können.20 Es kann und soll folglich nicht Ziel dieser Arbeit sein, jede vorstellbare Mobbinghandlung unabhängig vom Gesamtgeschehen Mobbing einer strafrechtlichen Beurteilung zuzuführen. Vielmehr erscheint es sinnvoller, sich zum einen auf die häufigsten und somit typischen Mobbingkonstellationen und auf die häufigsten verwirklichten Delikte zu beschränken und zum anderen vorwiegend der strafrechtlichen Relevanz des Gesamtgeschehens „Mobbing“ näher nachzugehen. Aus diesem Grund beschränkt sich diese Arbeit hinsichtlich einer umfassenden Erörterung auf folgende Delikte: – (Fahrlässige) Körperverletzung (§§ 223 ff., 229) – Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB) – Nötigung (§ 240 StGB) Darüber hinaus wird anhand des „Münchner Polizistinnenfalls“21 auf die Frage eingegangen, ob sich die Mobbenden wegen Totschlags oder wegen Mordes gemäß §§ 212, 211 StGB bzw. fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB strafbar machen können, wenn der Betroffene den Suizid als Ausweg aus dem Mobbinggeschehen wählt. Auf andere Delikte, die bei der rechtlichen Begutachtung eines Mobbinggeschehens im Einzelfall von Bedeutung sein können, die aber seltener anzutreffen sind, bei denen die rechtliche Beurteilung keine großen Schwierigkeiten ergibt oder das Gesamtgeschehen Mobbing grundsätzlich keine wesentliche Rolle spielen dürfte, soll nicht näher eingegangen werden, weil deren Verwirklichung fallspezifisch ist. Zu diesen Delikten sind vor allem zu zählen: Sachbeschädigung (§ 303 StGB), Datenveränderung (§ 303a StGB), Betrug (§ 263 StGB), Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder (§ 119 BetrVG),

18 Siehe die Übersicht der Mobbinghandlungen bei Leymann (1993), S. 33 f.; Zuschlag, S. 236; Esser/Wolmerath, S. 26 ff.; Knorz/Zapf, ZfAO 1996, S. 16. 19 Siehe im Ersten Kapitel den abgedruckten Katalog mit möglichen Mobbinghandlungen A. II. 5. a). 20 Vgl. Kollmer, Rn. 179; Wolmerath, Rn. 70; Zuschlag, S. 26 f. 21 Erstes Kapitel A. II. 1. b).

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Urkundenfälschung (§ 267 StGB), Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202 StGB), Ausspähen von Daten (§ 202a StGB), Freiheitsberaubung (§ 239 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB), Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) und Verleitung eines Untergebenen zur Straftat (§ 357 StGB).22 Die Grundlage der strafrechtlichen Bewertung von Mobbing soll ferner das Zwei-Personen-Verhältnis bilden, bei dem ein Betroffener nur einem Mobbenden gegenüber steht, weil sich die strafrechtliche Beurteilung von Mobbing auf diese Art und Weise besser darstellen lässt und der Schwerpunkt der Untersuchung angesichts der bisherigen Abstinenz bei der strafrechtlichen Aufarbeitung von Mobbing gerade auf den Grundlagen der Beurteilung von Mobbing überhaupt liegen soll. Auf die Konstellation von Mobbing im Mehrpersonenverhältnis wird in einem gesonderten Punkt daher nur spezifisch eingegangen.23

II. Körperverletzung §§ 223 ff., 229 StGB 1. Einleitung Obwohl die einzelnen Mobbinghandlungen selten direkt auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder das körperliche Wohlbefinden des Betroffenen ausgerichtet sind, stellt Mobbing langfristig in der Regel eine Gefahr für die Gesundheit und das körperlichen Wohlbefinden dar.24 Nach der ersten deutschen Repräsentativstudie über Mobbing, die im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erstellt wurde, wird das psychische und physische Wohlbefinden der Betroffenen mehr oder weniger schwerwiegend in ca. 87 Prozent aller Mobbingfälle beeinträchtigt25. Ca. 44 Prozent aller Betroffenen erkranken und davon ca. 20 Prozent länger als sechs Wochen.26 Wie im Ersten Kapitel bereits ausführlich dargestellt, sind die körperlichen und gesundheitlichen Folgen sehr vielfältig und reichen von leichten, flüchtigen und unspezifischen Befindlichkeitsstörungen über manifeste Krankheitssymptome, komplexe psychosomatische/psychische Syndrome, im Sinne gravierender, chronifizierter und am Ende manchmal irreversibler Gesundheitsschädigungen.27 Die Körperverletzungsdelikte nehmen daher bei der rechtlichen Beurteilung von Mobbing 22 Esser/Wolmerath, S. 210; Kollmer, Rn. 164, 179; Wolmerath, Rn. 70; Zuschlag, S. 26 f. 23 Siehe dazu die Ausführungen im Zweiten Kapitel B. II. 5. 24 Esser/Wolmerath, S. 29; Zapf, 2000, S. 144; siehe dazu im Ersten Kapitel die Ausführungen zu den Folgen von Mobbing für die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden C. I. 2. a)–b). 25 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 79. 26 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 79. 27 Leymann (1993), S. 110 ff.; Fischer/Riedesser, S. 336; Meschkutat/Stackelbeck/ Langenhoff, S. 78 ff.; Wolmerath, Rn. 54 ff.; Zuschlag, S. 102 ff.

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im Hinblick auf die durch Mobbing beeinträchtigten Interessen die wichtigste Stellung ein und müssen aus diesem Grund bei der strafrechtlichen Beurteilung von Mobbing einen Schwerpunkt bilden, weil sie dem Schutz des körperlichen Wohlbefindens und der Gesundheit dienen.28 2. Beeinträchtigung der physischen Integrität Führt Mobbing zu einer erheblichen Beeinträchtigung des physischen Wohlbefindens oder zu einer Schädigung der physischen Gesundheit, sind die Körperverletzungsdelikte als strafrechtliche Verantwortungsnormen unstreitig in Betracht zu ziehen, weil sie die körperliche Unversehrtheit des Menschen unter Einbeziehung des körperlichen und gesundheitlichen Wohlbefindens schützen.29 Dabei ist es unerheblich, auf welche Art und Weise die körperlichen Folgen herbeigeführt werden, so dass sie auch durch psychische Beeinträchtigungen, wie sie typisch für Mobbing sind, hervorgerufen werden können.30 Die für ein Mobbinggeschehen typischen psychosomatischen Folgen, namentlich Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Gliederschmerzen, die sich im weiteren Verlauf entwickelnden schwerwiegenderen Erkrankungen der Atemwege, des Herz-Kreislauf-Systems und anderer Organe werden demnach regelmäßig von dem Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte umfasst, weil diese eine tatsächliche körperliche Veränderung implizieren.31 Abhängig von ihrem Ausmaß auf den Körper sind sie unter die Tatbestandsalternative „körperliche Misshandlung“ und/oder unter die Tatbestandsalternative „Gesundheitsschädigung“ zu subsumieren. 28 Vgl. zum geschützten Rechtsgut durch die §§ 223 ff.: Eser, ZStW 97 (1985) S. 1, 3 f.; Lackner/Kühl, § 223 Rn. 1; LK-Lilie11, § 223 Rn. 1; MK-Joecks, § 223 Rn. 1; NK-Paeffgen, § 223 Rn. 2; Schroeder, FS-Hirsch, S. 725, 729; Sch/Sch-Eser, § 223 Rn. 1; Tröndle/Fischer, § 223 Rn. 2; teilweise wird vertreten, dass neben der körperlichen Integrität auch die körperbezogene freie Entfaltung der Persönlichkeit geschützt wird so Tag, S. 68, 92; Arzt/Weber, BT, § 6 Rn. 27 und SK-Horn/Wolters, § 223 Rn. 35 f. erkennen das menschliche Selbstbestimmungsrecht als ein eigenständiges Schutzgut der Körperverletzungstatbestände an; noch weiter Freund/Heubel, MedR 1995, S. 194 f. (198) die als Rechtsgut der Körperverletzung den „Kernbestand des Freiheitsentfaltungspotentials“ einer Person sehen. Wolfslast, S. 4 (18 ff.) bestimmt die Psyche als Schutzgut der Körperverletzungsdelikte. 29 Vgl. BGHSt 36, S. 1 f. (6); BGH NStZ 1997, S. 123 f.; BGH StV 1998, S. 76; BGH MDR 1986, S. 272; BGH NJW 1996, S. 1069; Arzt/Weber, LH 1, Rn. 266 f.; Gössel/Dölling, § 11 Rn. 1; LK10-Hirsch, vor § 223 Rn. 2; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1, § 8 Rn. 3; NK-Paeffgen, § 223 Rn. 3; Rengier, § 13 Rn. 10; SK-Horn/ Wolters, § 223 Rn. 5. 30 BGH NJW 1996, S. 1069; Blei, BT, S. 46; Haft, BT, S. 145; LK11-Lilie, § 223 Rn. 11; NK-Paeffgen, § 223 Rn. 3; Sch/Sch-Eser, § 223 Rn. 1; a. A. noch Hälschner, S. 84 f., der die Möglichkeit der Verwirklichung der Tatbestandsalternative „körperliche Misshandlung“ durch psychisch wirkende Verhaltensweisen nicht anerkennt. 31 Siehe die Aufzählung der psychosomatischen Folgen im Ersten Kaptitel C. I. 1. b).

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

3. Beeinträchtigung der seelisch-psychischen Integrität a) Einführende Erläuterungen Umstritten ist dagegen, ob auch rein seelische Beeinträchtigungen ohne körperliche Auswirkungen von dem Schutzbereich der Körperverletzung mit umfasst sind. Diese Frage ist für die strafrechtliche Beurteilung von Mobbing von erheblicher Bedeutung, weil, wie im Ersten Kapitel bereits ausführlich dargelegt, durch Mobbing regelmäßig das psychische Wohlbefinden und in vielen Fällen auch die psychische Gesundheit beeinträchtigt werden.32 Die häufigsten gesundheitlichen Folgen von Mobbing sind psychosomatische Beschwerden, neurotische und affektive Störungen in Form von Angststörungen und Depressionen bzw. depressiven Verstimmungen.33 Für Mobbing ist es typisch, dass die Betroffenen in ihrer psychischen Konstitution, vor allem aufgrund des langen Zeitraums, währenddessen sie den Mobbingattacken wiederholt ausgesetzt sind, derart stark beeinträchtigt werden, dass sie oftmals erheblich mehr unter den psychischen Folgen leiden, als unter den (häufig damit verbundenen) physischen Beeinträchtigungen. Psychisch wirkende Beeinträchtigungen des Menschen können für dessen Leben in einigen Fällen tiefgreifendere Folgen als Beeinträchtigungen des Körpers haben: Sie können den Menschen in seiner Persönlichkeit stark nachteilig beeinflussen, sein gesamtes Wesen verändern, die Freude am Leben nehmen, die Arbeitskraft stark vermindern und durch die Veränderungen die Beziehung zu seinem sozialen Umfeld stark belasten, wenn nicht sogar zerstören.34 Sachverhalte, wie der im Ersten Kapitel dargestellte „Polizistinnenfall“, zeigen auf, dass die Betroffenen durch Mobbing ihren Lebenssinn verlieren und dadurch in den Selbstmord getrieben werden können.35 Das heutige Strafgesetzbuch bietet kein selbständiges Delikt, welches spezifisch auf den Schutz der Psyche für jedermann ausgerichtet ist.36 Die Diskussion um die Einbeziehung der Psyche in den strafrechtlichen Schutz ist trotz32

Siehe dazu die Ausführungen im Ersten Kapitel C. I. 1. a)–b). DAK Gesundheitsreport, 2002, S. 84; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 78 ff.; siehe mit weiteren Nachweisen die Ausführungen im Ersten Kapitel C. I. 1. a)–b). 34 Siehe die Erfahrungsberichte von Menschen, die unter Depressionen litten: Der Stern, Sonderausgabe „Gesund Leben“ 2/2005, S. 11 ff.; siehe die Beispiele bei Leymann (1993), S. 115 f.; zu den Folgen für psychisch erkrankte Menschen Brunnhuber/ Lieb, S. 20 f. 35 Erstes Kapitel A. II. 1. b) und BGH NJW 2002, S. 3172 ff.; Vorinstanz LG München I vom 08.02.2001, Az.: 34 O 15317/00; siehe auch den Strafbefehl vom 12.10. 2000 des AG München, Az. 123 Js 10953/99. Über einen weiteren Mobbingfall mit der Folge des Suizids einer Polizistin berichtete der Stern 1997, Ausgabe Nr. 35. 36 Die Psyche wird nur vereinzelt für bestimmte Personengruppen geschützt: § 225 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 StGB (Jugendliche, Wehrlose und Kranke); § 218a Abs. 2 StGB (Schwangere). 33

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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dem nicht versiegt, sondern wird heute innerhalb der Körperverletzungsdelikte geführt, weil diese aufgrund ihres Wortlauts die Möglichkeit offerieren, zumindest einen Teilbereich der Psyche in ihren Schutzbereich mit einzubeziehen und weil zwischen Körper und Psyche eine enge wechselseitige Beziehung besteht. b) Körperliche Misshandlung Für die Frage nach dem Schutz vor psychischen Leiden durch die Körperverletzungsdelikte erfordert der Wortlaut der §§ 223, 229 StGB zwischen den beiden Tatbestandsalternativen „körperliche Misshandlung“ und „Gesundheitsschädigung“ zu differenzieren. Unter der ersten Tatbestandsalternative des § 223 StGB „körperliche Misshandlung“ wird allgemein eine üble, unangemessene Behandlung verstanden, die zur nicht unerheblichen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens führt.37 Indem die Tatbestandsalternative „körperliche Misshandlung“ ihrem Wortlaut nach auf die Körpersphäre beschränkt ist, ist die Einbeziehung rein seelischer Beeinträchtigungen im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Analogieverbot38 (Art. 103 Abs. 2 GG) von vornherein ausgeschlossen, weil körperlich nicht psychisch bedeutet.39 Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger Auslegung. Wenn von der Tatbestandsalternative „körperliche Misshandlung“ auch Beeinträchtigungen des seelisch-psychischen Wohlbefindens einbezogen würden, könnte die Vorhersehbarkeit der Strafandrohung – wie sie in Art. 103 Abs. 2 GG postuliert ist – für den Normadressaten nicht mehr gewährleistet werden.40 Der Gesetzgeber hat mit der Beschränkung des Wohlbefindens auf die Körpersphäre ferner seinen Willen klar zum Ausdruck gebracht, dass durch diese Tatbestandsalternative nicht das psychische Wohlbefinden geschützt werden soll.41

37 BGHSt, 14, S. 269 (271); 25, S. 277; BGH NJW 1977, S. 339; BGH StV 2001, S. 680; Sch/Sch-Eser, § 223 Rn. 3; Küper, S. 219; Lackner/Kühl, § 223 Rn. 4; LK11Lilie, § 223 Rn. 6; NK-Paeffgen, § 223 Rn. 8; Wessels/Hettinger, Rn. 255. 38 BVerfGE 64, S. 389, 393 f.; 73, S. 206 f. (234 f.); BVerfG NJW 1995, S. 1141; Bonner Kommentar, Art. 103 Abs. 2 Rn. 23. 39 Siehe zur Auslegung des Begriffs „Körper“ Tag, S. 46 ff. m. w. N. 40 Kudlich, PdW BT II, Nr. 42; vgl. die Begründung zum Entwurf eines deutschen StGB 1936, abgedruckt in Regge/Schubert, Band 1, 2. Teil, S. 250; Bauer, S. 6; siehe auch Tag, S. 45 f. (47 f.); Rosenberg, GS 62 (1903), S. 62; von Olshausen, S. 858; siehe aber Wolfslast, S. 4 ff., welche die Einbeziehung rein seelischer Befindensbeeinträchtigungen in die körperliche Misshandlung zwar als unbefriedigende Lösung bezeichnet, aber nicht von vornherein ablehnt (S. 6). Siehe auch die teilweise vertretene Auslegung des Begriffs „körperliche Unversehrtheit“ in Art. 2 Abs. 2 GG, welche die Gesundheit allumfassend einbezieht. Doch steht dem Verfassungsrecht im Gegensatz zum Strafrecht der Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG nicht entgegen, so dass eine solche Auslegung des Verfassungsrechts von vornherein nicht ausgeschlossen ist. 41 So auch von Schwarze, S. 542.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Aus den voran stehenden Gesichtspunkten ergibt sich, dass die Tatbestandsalternative „körperliche Misshandlung“ stets einen Körperlichkeitsbezug voraussetzt.42 Die durch Mobbing hervorgerufenen psychischen Beeinträchtigungen werden demnach erst dann relevant, wenn sie aufgrund ihrer Intensität und Dauer körperliche Folgewirkungen hervorrufen. Anzumerken ist aber, dass die Rechtsprechung43 keine hohen Anforderungen an den notwendigen Körperlichkeitsbezug stellt, sondern es genügen lässt, wenn die Erschütterung des seelischen Gleichgewichts zu einer Beeinträchtigung der Empfindungsnerven oder das Zentralnervensystem führt, so dass die vermeintliche strafrechtliche Lücke aufgrund der engen wechselseitigen Beziehung der Psyche und des Körpers des Menschen tatsächlich geringer ist, als auf den ersten Blick vermutet werden könnte.44 c) Gesundheitsschädigung aa) Einführende Erläuterung und Begrenzung des möglichen Schutzes Im Gegensatz zu dem ausdrücklich auf die Körpersphäre abstellenden „Misshandeln“ ist die Tatbestandsalternative „Gesundheitsschädigung“ durch den Wortlaut der Norm nicht auf die Körpersphäre beschränkt, so dass dieser der Einbeziehung der psychischen Gesundheit im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Analogieverbot nicht von vornherein entgegensteht. Wird der Frage nach der Einbeziehung der psychischen Gesundheit in den Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte näher nachgegangen, ist zunächst zu klären, um welche seelischen Leiden es sich handelt, wenn innerhalb der Tatbestandsalternative „Gesundheitsschädigung“ nach dem Schutz des seelisch-psychischen Bereichs des Menschen gefragt wird, denn diese reichen von Gemütsbeeinträchtigungen, Stimmungsschwankungen über depressive Verstimmungen bis hin zu ernsthaften, psychischen Krankheiten. Bei Betrachtung der Gesundheitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation, die unter Gesundheit nicht nur das Freisein von Krankheiten und Gebrechen, sondern auch das psychische und soziale 42 Vgl. OLG Hamm MDR 1958, S. 939; BGH MDR 1986, S. 272; BGH NStZ 1986, S. 166; Blei, BT, S. 46; Gössel/Dölling, § 12 Rn. 8 ff.; Kindhäuser, LPK, § 223 Rn. 3; ders., § 7 Rn. 5 f.; Kudlich, PdW BT II, Nr. 42; Küper, S. 220; Lackner/Kühl, § 225 Rn. 5; LK11-Lilie, § 223 Rn. 8; Rengier, § 13 Rn. 10; Rosenberger, GS 1903, S. 64; Sch/Sch-Eser, § 223 Rn. 3 f.; Tag, S. 62 u. a. mit Hinweis auf § 1631 Abs. 2 BGB der 1998 durch das Misshandlungsverbotsgesetz reformiert wurde; siehe aber Wolfslast, S. 4 ff. 43 BGH NJW 1996, S. 1069; siehe auch schon RG GA 52 (1905) S. 421; RGSt 32, S. 113 ff.; BGHSt 25, S. 277, 278; OLG Hamm MDR 1958, S. 939; LK-Hirsch10, § 223 Rn. 8. 44 Siehe zu der Wechselwirkung zwischen Psyche und Körper Rüegg, Johann Caspar: Psychosomatik, Psychotherapie und Gehirn, 2. Auflage, 2003, S. 1 ff.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Wohlbefinden versteht45, liegt es nahe, dass sich die Frage nach der Einbeziehung der Psyche in den Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte nicht nur darauf beschränkt, unter den Gesundheitsbegriff der §§ 223, 229 StGB psychisch-pathologische Störungen zu zählen, sondern auch psychische Beeinträchtigungen bzw. Befindensbeeinträchtigungen, die den Krankheitsgrad noch nicht erreicht haben. Unter Gesundheitsschädigung im Sinne des § 223 StGB wird nach allgemeiner Auffassung jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand des Menschen nachteilig abweichenden, krankhaften Zustandes im weitesten Sinne verstanden, so dass anknüpfend an die physische Gesundheit auch die seelischen Leiden bei Einbeziehung der Psyche in den Gesundheitsbegriff der Körperverletzungsdelikte auf solche mit Krankheitswert beschränkt wären.46 Die Beschränkung auf psychische Störungen mit Krankheitswert wird bestätigt durch den Wortlaut des § 223 StGB. Da der Gesetzgeber nach dem Gesetzeswortlaut die „Misshandlung“ auf die Körpersphäre begrenzt, scheint er eine Eingrenzung für die strafrechtliche Relevanz der Psyche zu vollziehen, indem er von vornherein ausdrücklich bestimmt, dass Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens ohne Krankheitswert nicht durch die Körperverletzungsdelikte erfasst werden sollen. Fänden psychische Leiden ohne Krankheitswert in den Gesundheitsbegriff Aufnahme, würde der gesetzgeberische Wille daher umgangen werden. Ferner finden sich in der Geschichte des Körperverletzungstatbestandes und den Gesetzesbegründungen immer wieder eindeutige Hinweise, dass das seelische Gleichgewicht ohne Krankheitsbezug nicht von den Körperverletzungsdelikten geschützt ist.47 Darüber hinaus spiegelt sich dieses Ergebnis in § 225 StGB wieder, welcher 1912 zunächst als Qualifikationstatbestand der Körperverletzungsdelikte in das Strafgesetzbuch eingeführt und später aufgrund langjähriger Forderungen in ein selbständiges Delikt umgeformt wurde. Mit der Zubilligung der Selbständigkeit des § 225 StGB wollte der Gesetzgeber die vorher aufgrund der Einordnung des § 225 StGB als Qualifikationstatbestand der Körperverletzung nicht bestehende Möglichkeit schaffen, Jugendliche und wegen Gebrechen oder Krankheit Wehrlose vor seelischen Misshandlungen, welche den Grad der psychisch-pathologischen Störungen noch nicht erreicht haben, zu schützen.48

45 Satzung der Weltgesundheitsorganisation vom 22.07.1946 abgedruckt unter: www.admin.ch/ch/d/sr/i8/0.810.1.de.pdf. 46 BGHSt 36, S. 1 (6); 43, S. 346 f. (354 f.); BGH NJW 1983, S. 462; Küper, S. 159; Lackner/Kühl, § 223 Rn. 5; LK11-Lilie, § 223 Rn. 12; Paeffgen-NK, § 223 Rn. 12; Wessels/Hettinger, Rn. 257. 47 Begründung zum amtlichen Entwurf eines deutschen Strafgesetzbuches von 1936, S. 249 f., in: Regge/Schubert, Band 1, 2. Teil; Franz Günter, Das kommende deutsche Strafrecht, 1935; Tag, S. 62, 92; BT-Drs. VI/3434, S. 20; siehe dazu auch die Ausführungen unten B. II. 3. c) dd) (3).

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Frage nach der Einbeziehung seelischer Leiden in die Tatbestandsalternative „Gesundheitsschädigung“ von vornherein auf seelische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert beschränkt ist.49 Ein weites Gesundheitsverständnis, wie das der Weltgesundheitsorganisation, welches auch seelische Beeinträchtigungen ohne Krankheitswert in den Gesundheitsbegriff einbezieht, widerspräche sowohl dem historischen und dem teleologischen Gesundheitsverständnis des Gesetzgebers, als auch der Systematik der Körperverletzungsdelikte.50 Die durch das Mobbing regelmäßig hervorgerufenen Stimmungsschwankungen, seelischen Erschütterungen, welche zur normalen Gemütsverfassung des Menschen gehören und allein Beeinträchtigungen des seelischen Wohlbefindens oder des seelischen Gleichgewichts darstellen, ohne den Grad einer Gesundheitsschädigung zu erreichen, werden daher – unabhängig davon, ob die psychische Gesundheit durch die Tatbestandsalternative Gesundheitsschädigung umfasst wird – von den Körperverletzungsdelikte nicht erfasst. bb) Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum Die Rechtsprechung bezog zu der Frage, ob auch rein psychische Beeinträchtigungen unter den Gesundheitsbegriff fallen, zunächst keine konkrete Stellung bzw. wand sich um die Antwort, indem sie akribisch nach körperlichen Auswirkungen gesucht oder den seelischen Beeinträchtigungen den Krankheitswert eindeutig abgesprochen hat.51 In Entscheidungen der letzten Jahre wurde dagegen immer häufiger klargestellt, dass sich der Gesundheitsbegriff des § 223 StGB ausschließlich auf die physische Gesundheit beschränke.52 Für das Vorliegen einer Gesundheitsschädigung müsse der Körper im weitesten Sinne in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand versetzt werden. Den notwendigen somatischen Zusammenhang versteht die Rechtsprechung aber auch bei der Gesundheitsschädigung weit, indem sie diesen, wie bei der Tatbestandsalternative „körperliche Misshandlung“, bereits für gegeben anerkennt, wenn das 48 Siehe Bauer, Reinhard: Die Strafbarkeit körperlicher und seelischer Misshandlung Pflegebefohlener unter besondere Berücksichtigung der straflosen Züchtigung, 1934, S. 37 f.; Klimmek, S. 61; siehe zur Entwicklung des § 225 StGB Meurer, S. 1 f.; Radbruch, Arbeiterwohlfahrt 3/1928, S. 65 f.; Verhandlungen des Reichstags, Bd. 236, 8153 f. 49 Arzt/Weber, BT, § 6 Rn. 25; Hoffmann, GA 2002, S. 397; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 195; Sch/Sch-Eser, § 223 Rn. 6; Wolfslast, S. 20 f. 50 So auch NK-Paeffgen, § 223 Rn. 3. 51 LG Hamburg MDR 1954, S. 630; OLG Koblenz ZMR 18 (1965), S. 223; siehe auch Wolfslast, S. 8 f. 52 RGSt 64, S. 113 f. (119); BGH NStZ 1997, S. 123; BGH NJW 1983, S. 462; BGH NJW 1996, S. 1068 f.; OLG Hamm MDR 1958, S. 939; BGHR StGB § 223 Abs. 1 „Gesundheitsschädigung“; BGH StV 1998, S. 76; vgl. auch BGHSt 48, S. 34, 36 f.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Nervensystem nicht unerheblich beeinträchtigt ist, was bereits bei Zittern, Schlafstörungen und Angstzuständen nicht unerheblichen Ausmaßes bejaht wurde.53 Dadurch wird die durch die Rechtsprechung entstehende Lücke des Schutzes der psychischen Gesundheit zumindest verengt, weil bei vielen psychischen Krankheiten aufgrund der Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche des Menschen auch körperliche Auswirkungen auftreten.54 Nach den neusten wissenschaftlichen Ergebnissen sollen bei Depressiven im Vergleich zu gesunden Menschen wichtige Hirnfunktionen und die Struktur des Gehirns deutlich verändert sein.55 Setzen sich diese Erkenntnisse allgemein durch, wird die Einbeziehung von Depressionen in den Gesundheitsbegriff der heutigen Rechtsprechung unausweichlich sein. Dagegen gehen innerhalb des rechtswissenschaftlichen Schrifttums die Auffassungen hinsichtlich der Einbeziehung der psychischen Gesundheit in den Gesundheitsbegriff der Körperverletzungsdelikte auseinander. Auf der einen Seite wird der Rechtsprechung zugestimmt und der Körperlichkeitsbezug für das Vorliegen einer Gesundheitsschädigung für unverzichtbar erklärt.56 Horn fordert in diesem Sinne, dass der hervorgerufene Zustand somatisch objektivierbar sein, sich etwa als Nervenreizung oder psycho-vegetative Störung äußern müsse.57 Lilie verlangt den Nachweis eines organischen Prozesses, damit die Körperverletzungsdelikte tangiert werden.58 Nach Paeffgen muss eine somatische Verschlechterung des organischen Status quo nachgewiesen werden.59 Auf der anderen Seite nehmen die Stimmen zu, welche die Einbeziehung der psychischen Gesundheit in den Gesundheitsbegriff der Körperverletzungsdelikte fordern und ein einseitig, somatologisches Rechtsgutsverständnis mit teilweise unterschiedlicher Begründung ablehnen.60 53 RGSt 64, S. 113 ff. (119); BGH NJW 1983, S. 462; BGH NJW 1996, S. 1069; BGH NStZ 2000, S. 25; LG Hamburg MDR 1954, S. 630; OLG Hamm MDR 1958, S. 939; vgl. auch BGHSt 48, S. 34, 36 f. 54 Siehe dazu Lang, Hermann/Faller, Hermann: Medizinische Psychologie und Soziologie, 1998, S. 29 ff.; Machleidt/Bauer/Lamprecht/Rose/Rhode-Dachser, S. 121 f. 55 Kartte/Schweikle/Solze, Der Stern, Sonderausgabe „Gesund Leben“ 2/2005, S. 19 ff. (20). 56 Bockelmann, BT/2, S. 55; Gössel/Dölling, § 11 Rn. 3, § 12 Rn. 23; Kindhäuser, LPK, § 223 Rn. 4; ders., § 7 Rn. 8; Lackner/Kühl, § 223 Rn. 5; LK10-Hirsch, vor § 223 Rn. 2; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, § 8 Rn. 3 f.; NK-Paeffgen, § 223 Rn. 3; Rengier, § 13 Rn. 10, 11; Tröndle/Fischer, § 223 Rn. 6; Wessels/Hettinger, Rn. 245, 258; LK11-Lilie, vor § 223 Rn. 2, der am Festhalten an dem strikten somatologischen Krankheitsbegriff Bedenken gegenüber äußert; siehe auch SK-Horn/Wolters, § 223 Rn. 5, 23. 57 SK-Horn/Wolters, § 223 Rn. 23. 58 LK-Lilie, vor § 223 Rn. 2. 59 NK-Paeffgen, § 223 Rn. 3. 60 Arzt/Weber, BT, § 6 Rn. 25; Haft, BT, S. 145; Hoffmann, GA 2002, S. 397; Joecks, § 223 Rn. 5; Kohlrausch-Lange, S. 495 f.; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 195; Küper, BT, S. 165; Pribilla, Deutsches Ärzteblatt 1980, S. 2250; Sch/Sch-Eser, § 223

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

cc) Vorüberlegung zur Praktikabilität der Einbeziehung der Psyche in den Gesundheitsbegriff Ein Blick auf die derzeitige Rechtsprechung zeigt, dass das Festhalten am somatologischen Rechtsgutverständnis in der Praxis nicht unerhebliche Schwierigkeiten mit sich bringt, weil psychische und physische Verletzungen nur schwer voneinander zu trennen sind und zwischen beiden kaum abgrenzbare Wechselwirkungen bestehen.61 Die Rechtsprechung bejaht den Körperlichkeitsbezug, sobald neben der seelischen Erschütterung zugleich eine Reizung der die sinnlichen Eindrücke vermittelnden Empfindungsnerven des Zentralnervensystems eintritt.62 Sie geht oftmals auf eine akribische und zwanghafte Suche nach körperlichen Auswirkungen und bejaht das Vorliegen dieser, sobald Schlafstörungen, Zittern, Angstzustände Folge von psychischen Belastungen sind.63 Die Einbeziehung der Psyche in den Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte würde diesen Abgrenzungsschwierigkeiten, welche aus der Wechselwirkung von Körper und Psyche resultieren, entgegenwirken.64 Denkbar ist es aber auch, dass viele Stimmen sich gegen die Einbeziehung der Psyche in den Gesundheitsbegriff der Körperverletzungsdelikte aussprechen, weil sie die Psyche als Rechtsgut als zu unbestimmt ansehen und deshalb befürchten, dass der Körperverletzungstatbestand ausufert. Einer Ausuferung wird aber insoweit entgegengewirkt, als sich die Diskussion um die Einbeziehung der Psyche in den Schutzbereich auf die Tatbestandsalternative „Gesundheitsschädigung“ beschränkt und somit die rechtlich relevanten psychischen Verletzungen auf solche mit Krankheitswert einzugrenzen sind. Die Einordnung des seelischen Leidens als psychisch abnorm bzw. als Krankheit hat für den Fall, dass die Psyche in den Gesundheitsbegriff der Körperverletzung Aufnahme findet, ausschließlich aus medizinischen (medizinischpsychologischen oder medizinisch-psychiatrischen) Gründen zu erfolgen.65 Psychische Krankheiten werden innerhalb der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur von psychischen Befindensbeeinträchtigungen abgegrenzt. Unter letzterem wird das kognitiv-emotionale Erleben einer verminderten Lebensqualität als langfristige Folge von vor allem alltäglichen und andauernden Stressoren Rn. 1, 6; Schmidt/Priebe, BT I, S. 78; Wolfslast, S. 19 f.; siehe auch Küper, Fn. 452 m. w. N.; siehe zur älteren Literatur: von Olshausen, S. 860; Rosenberger, GS 1903, S. 64; von Schwarze, S. 542; Welzel, S. 288; siehe auch Blei, BT, S. 47. 61 Haft, BT, S. 145; Hoffmann, GA 2002, S. 397; MK-Joecks, § 223 Rn. 4 f.; Sch/ Sch-Eser, § 223 Rn. 1; Wolfslast, S. 6. 62 RGSt 64, S. 113 f. (119); vgl. auch BGH NStZ, 1996, S. 131 f.; Joecks, § 223 Rn. 6; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 192; LK10-Hirsch, § 223 Fn. 8; SK-Horn/Wolters, § 223 Rn. 23; Wolfslast, S. 5. 63 BGH NJW 1996, S. 1069; siehe zu weiteren Beispielen Wolfslast, S. 6. 64 Hoffmann, GA 2002, S. 397; Wolfslast, S. 6. 65 MK-Joecks, § 223 Rn. 26.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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einer Person, die noch arbeitsfähig ist, verstanden.66 Zwar ist der Betroffene noch in der Lage seinen Alltagsgeschäften nachzugehen und hat den Bezug zur Realität noch nicht verloren, doch erleidet er Einschränkungen in seiner Lebensqualität im Alltag, seiner Lebensfreude und Zufriedenheit. Zu den psychischen Befindensbeeinträchtigungen zählen beispielhaft Gereiztheit/Belastetheit, Ängstlichkeit, Depressivität (nicht Depression!) und ein niedriges Selbstwertgefühl.67 Derartige psychische Befindensbeeinträchtigungen verwirklichen daher den psychiatrisch/psychologischen Krankheitsbegriff von vornherein nicht und sind folglich strafrechtlich irrelevant. Die Abgrenzung zwischen „gesunder“, normaler menschlicher Reaktion und klinischer, krankhafter Relevanz von psychischen Beeinträchtigungen ist allerdings schwierig. Eine einheitliche medizinische (psychiatrische/psychologische) Definition zur psychischen Abnormität bzw. psychischen Krankheit gibt es nicht.68 Die Enquête Kommission des Deutschen Bundestages (1975a, 386) definiert psychische Erkrankungen sehr ungenau als: „das, womit sich Psychiater, Klinische Psychologen und andere Berufsgruppen befassen“.69 Dennoch ist es heute mit Hilfe weit verbreiteter und anerkannter Nominaldefinitionen, in denen anerkannte psychische Krankheiten und ihre Symptome erschöpfend aufgeführt werden, möglich, anhand objektiver Merkmale psychische Krankheiten zu erkennen.70 Die aktuellste und in Europa am weitesten verbreitete Klassifikation von Krankheiten, welche im ICD-10 auch psychische Krankheiten auflistet, ist die der Weltgesundheitsorganisation – „Classification of Diseases, Injuries and Causes of Death (ICD)“.71 Eine andere Nominaldefinition ist die (US)-amerikanische Systematik (DSM-IV), welche durch eine noch ausführlichere Darstellungsweise und höhere Merkmalorientiertheit geprägt ist.72 Diese beiden Klassifikationen psychischer Krankheiten werden bei der Begutachtung von Menschen hinsichtlich ihrer psychischen Konstitution in den meisten Fällen als Grundlage genommen und ermöglichen somit eine relativ objektive Einschätzung der psychischen Konstitution des Betroffenen, die es grundlegend erlaubt, die psychische Gesundheit in den Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte mit einzubeziehen.73 66

Eckardstein/Lueger/Niedl/Schuster, S. 18 f. Siehe Eckardstein/Lueger/Niedl/Schuster, S. 19 ff. zu der Umschreibung der einzelnen Begriffe. 68 Bastine, S. 151. 69 Bastine, S. 151. 70 Bastine, S. 151 f. 71 Sie dazu ausführlich Bastine, S. 208 ff.; Machleidt/Bauer/Lamprecht/Rose/ Rhode-Dachser, S. 13 ff.; Tölle/Windgassen, S. 46 ff. 72 Bastine, S. 215 ff.; Eckardstein/Lueger/Niedl/Schuster, S. 17 f.; Tölle/Windgassen, S. 46 f. 73 Im Ergebnis so ebenfalls Groeblinghoff, S. 165 ff.; Hoffmann, GA 2002, S. 397; Wolfslast, S. 20 mit Beispielen. 67

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Psychische Krankheiten sind daher heute genauso diagnostizierbar und mit klinischen Symptomatiken zu begründen, wie physische Krankheiten. Die Abgrenzung zwischen psychischen Verletzungen mit Krankheitswert und solchen ohne kann aus medizinischer Sicht heute vorwiegend eindeutig vorgenommen werden, so dass Bedenken hinsichtlich einer möglichen Rechtsunsicherheit bei der Einbeziehung der Psyche in den Gesundheitsbegriff nicht berechtigt sind.74 dd) Auslegung des Gesundheitsbegriffs (1) Grammatikalische Auslegung Ausgangspunkt einer Begriffsbestimmung ist der Wortlaut der Norm, welcher zugleich den äußersten Rahmen der möglichen Auslegung bildet.75 Bei der grammatikalischen Auslegung wird zunächst nach der Bedeutung und dem Sinn des auszulegenden Begriffs im allgemeinen Sprachgebrauch gefragt.76 Der Begriff der Gesundheit wird in vielfältiger Weise verwendet. Oftmals wird auf eine präzise Definition verzichtet und auf ein Nebeneinander unterschiedlicher expliziter und unterschiedlich bewusster Krankheitsvorstellungen zurückgegriffen.77 Trotz aller Ungenauigkeit ist aber festzustellen, dass das Gesundheitsverständnis innerhalb der Wissenschaft und der Gesellschaft zu Gunsten der psychischen Gesundheit einem stetigen Wandel unterzogen war. 1930 definierte der Brockhaus78 Gesundheit noch als Zustand voller Leistungsfähigkeit eines Organismus, welcher dann gegeben sei, wenn alle seine Teile in richtigem Wirkungsverhältnis zu einander stehen und alle Verrichtungen seinen normalen Gang gehen. Dagegen wird heute der Begriff Gesundheit sogar oftmals über den medizinischen Gesundheitsbegriff hinaus verwendet, indem darunter nicht nur das körperliche und psychische Wohlbefinden, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden, die Einheit von Körper und Geist, die Leistungsfähigkeit oder die psychische und soziale Integrität des Menschen verstanden wird.79 Dem Wortlaut der Norm nach ist daher die psychische Gesundheit von dem Gesundheitsbegriff der §§ 223, 229 StGB umfasst.

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Wolfslast, S. 20 mit Beispielen; Hoffmann, GA 2002, S. 397. BVerfGE 64, S. 389, 393 f.; 73, S. 206 f. (234 f.); BVerfG NJW 1995, S. 1141; siehe dazu ausführlich Demko, S. 174 ff.; Zippelius, S. 47. 76 Bleckmann, S. 943; Demko, S. 117; BVerfGE 19, S. 147 (251); 63, S. 148. 77 Siehe auch Haffke, MedR 1990, S. 248 ff. 78 Brockhaus, 1930, 15. Auflage, Bd. 7 GAS-GZ, Stichwort „Gesundheit“. 79 Brockhaus, 20. Auflage, Stichworte: „Gesundheit“ und „Krankheit“; Hoffmann, GA 2002, S. 397; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 195; Wolfslast, S. 10 f. 75

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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(2) Systematische Auslegung Die Einbeziehung der Psyche in den Gesundheitsbegriff der Körperverletzungsdelikte, muss auch mit der Systematik des Gesetzes und dem Rechtssystem im Einklang stehen, damit die Einheitlichkeit der Rechtsordnung gewahrt bleibt. Ausgehend von der Erkenntnis, dass kein Rechtsausdruck für sich allein existiert und geregelt, sondern vielmehr ein Glied eines Gesamtgebildes – nämlich der gesamten Rechtsordnung – ist, muss daher bei der Auslegung von Rechtsbegriffen neben der Wortlautauslegung danach gefragt werden, welcher Sinn und welche Funktion der Norm im Gesamtgefüge des Gesetzes zukommt.80 Dabei ist zunächst der syntaktische Zusammenhang mit anderen Worten, also dem „Rest-satz“ der Norm und alsdann das Gefüge an über-, gleichund unterrangigen Rechtsvorschriften, in die der betreffende Rechtsbegriff eingebunden ist, in die Betrachtung einzubeziehen.81 (a) „Körperverletzung“ als amtliche Überschrift der §§ 223, 229 StGB Gegen die Einbeziehung der Psyche in den Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte wird die amtliche Bezeichnung der §§ 223, 229 StGB als „Körperverletzung“ eingewendet.82 Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber, wenn die Bezeichnung des Delikts als Körperverletzung auf den Tatbestand ausstrahlen sollte, nicht die Tatbestandsalternative „Misshandlung“ ausdrücklich auf die Körpersphäre hätte beschränken müssen. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Überschrift des § 223 StGB die Funktion einer Auslegungshilfe zukommen lassen wollte. (b) Stellung unter dem 17. Abschnitt des Strafgesetzbuches Ferner wird im Wege der systematischen Auslegung gegen die Einbeziehung der psychischen Gesundheit in den Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte von einigen Vertretern innerhalb des Schrifttums die Einordnung der Körperverletzungsdelikte im Strafgesetzbuch unter den Abschnitt „Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit“ hervorgehoben.83 Unterstützung könnte diese Argu-

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BVerfGE 15, S. 312; Bleckmann, S. 944; Zippelius, S. 52 f. Demko, S. 121 f. 82 So argumentierend: LK10-Hirsch, § 223 Rn. 14; LK-Lilie, § 223 Rn. 15; gegen die Auffassung von Lilie und Hirsch: Hoffmann, GA 2002, S. 397 (Fn. 101); Hälschner, S. 87. 83 Küper, S. 159; LK11-Lilie, § 223 Rn. 15; Oppenhoff, Friedrich: Strafgesetzbuch für das deutsche Reich, 1891, S. 521; siehe auch Abegg, Julius Friedrich Heinrich: Untersuchungen aus dem Gebiet der Strafrechtswissenschaft, Breslau, 1830, S. 379 f., 81

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mentation darin finden, dass der Gesetzgeber die Überschrift des 17. Abschnitts des Strafgesetzbuches 1998 von „Körperverletzung“ in „Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit“ umbenannte. Dadurch soll das durch die Körperverletzungsdelikte geschützte Rechtsgut betont und klargestellt werden, dass der 17. Abschnitt sich nicht nur auf die Verletzung des Körpers beschränkt, sondern auch auf Beeinträchtigungen Anwendung findet, die nicht notwendigerweise mit einer Verletzung des Körpers einhergehen, dabei aber den Körperlichkeitsbezug in der Überschrift beließ.84 Die systematische Einordnung des § 223 StGB unter den Abschnitt „Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit“ und die Abänderung der Überschrift des 17. Abschnitts als Argumente gegen die Einbeziehung rein psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen in den Schutzbereich des § 223 StGB verlieren ihre Stärke durch die §§ 225 StGB, 225 III Nr. 2, § 226 I Nr. 3 StGB, welche ihre Stellung im selben Abschnitt wie die §§ 223, 229 StGB einnehmen, aber dennoch die menschliche Psyche in ihren Schutzbereich einbeziehen85. Dass die Psyche von Delikten innerhalb des 17. Abschnitts nach herrschender Auffassung mit geschützt wird, war auch dem Gesetzgeber 1998 bei Reformierung der Überschrift des 17. Abschnitts bereits bekannt und dennoch wählte er diese. Daraus lässt sich entnehmen, dass aus der Überschrift des 17. Abschnitts und dessen Änderung nicht zwingend geschlossen werden muss, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Körperverletzungsdelikte allein die körperliche Integrität schützen. Es kam dem Gesetzgeber bei der Änderung der Überschrift des 17. Abschnitts des StGB allein darauf an, klarzustellen, dass der Tatbestand der Körperverletzung nicht nur bei einer Verletzung des Körpers verwirklicht ist, sondern auch bei Beeinträchtigungen, die nicht notwendiger Weise mit einer Verletzung einhergehen.86 Der Ausschluss der Psyche aus dem Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte wurde mit der Änderung der Überschrift des 17. Abschnitts im Rahmen des 6. Strafrechtsänderungsgesetzes vom Gesetzgeber jedenfalls nicht als Ziel verfolgt. Vielmehr spricht die Stellung des § 225 StGB unter dem 17. Abschnitt des StGB dafür, dass es nicht der Überschrift des 17. Abschnitts widersprechen der kritisiert, dass unter den Begriff „Körperverletzung“ die geistige Gesundheit nur gezwungen zu subsumieren ist. 84 BT-Drs. 13/8587, S. 35. 85 Für die Tatbestandsalternative „quälen“ des § 225 Abs. 1 StGB herrschende Meinung: BayOLG 1960, S. 286; Klimmek, S. 45, 49; LK10-Hirsch, § 225 Rn. 12; MKHardtung, § 225 Rn. 12; Sch/Sch-Stree, § 225 Rn. 12; a. A. NK-Paeffgen, § 225 Rn. 13; teilweise wird vertreten, dass zur Verwirklichung der Tatbestandsalternative „roh misshandeln“ das Zufügen von rein seelischen Leiden ebenfalls genügt: Küper, BT, S. 226; Lackner/Kühl, § 225 Rn. 5; MK-Joecks, § 225 Rn. 17; insoweit a. A. LK10-Hirsch, § 225 Rn. 13; NK-Paeffgen, § 225 Rn. 13 f., 16; Sch/Sch-Stree, § 225 Rn. 13. 86 BT-Drs. 13/8587, S. 35.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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würde, wenn die Psyche vom Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte mit umfasst wäre. Teilweise wird aus der Stellung des § 225 StGB sogar der Rückschluss gezogen, dass die Psyche durch die Körperverletzungsdelikte mitgeschützt wird.87 Die Gegner eines psychischen Gesundheitsbegriffs halten einen solchen Rückschluss aber für falsch, weil sie § 225 StGB als Sondernorm einordnen, indem nur besondere Personengruppen vor seelischen Beeinträchtigungen geschützt werden sollen.88 Die erhöhte Schutzbedürftigkeit der Menschen, die dieser Personengruppe angehören, ergäbe sich aus der körperlichen oder geistigen Konstitution, ihrer Abhängigkeit und Hilfsbedürftigkeit und damit aus ihrer geringeren Wehr- und Widerstandsfähigkeit.89 Die Jugendlichen sollen darüber hinaus vor nachteiligen Beeinträchtigungen ihrer noch nicht abgeschlossenen Persönlichkeitsentwicklungen geschützt werden.90 Allein diese Gründe würden es rechtfertigen, auch die Psyche in den Schutzbereich des Strafrechts mit einzubeziehen und einen im Vergleich zu den Körperverletzungsdelikten ausgeweiteten Schutz anzunehmen. Aufgrund der Entstehungsgeschichte des § 225 StGB lässt sich nicht leugnen, dass der Gesetzgeber mit dessen Eingliederung in das Strafgesetzbuch die von § 225 StGB geschützte Personengruppe unter einen weitergehenden Schutz stellen wollte, als ihn die Körperverletzungsdelikte leisten. § 225 StGB91 war zunächst als Qualifikation der Körperverletzung 1912 in das Reichsstrafgesetzbuch eingebracht worden92, so dass es zur Verwirklichung des Tatbestandes einer Körperverletzung i. S. des § 223 StGB bedurfte. 1933 wurde § 225 StGB nach langjährigen Rufen93, welche den Schutz vor seelischen Misshandlungen, die keine Gesundheitsschädigung darstellten, für Jugendliche und durch Gebrechen oder Krankheit Wehrloser forderten, reformiert, indem es zur VerwirkliKüper, S. 159; Wolfslast, S. 15 f.; a. A. LK11-Lilie vor § 223 Rn. 2; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT I, § 8 Rn. 1, 2. 88 LK10-Hirsch, vor § 223 Rn. 2; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT I, S. 87 f.; SKHorn/Wolters, § 225 Rn. 11. 89 Vgl. Verhandlungen des Reichstags Bd. 234, S. 6377; Bd. 253, S. 7678 f.; 236, S. 8155 ff.; Schleich, JW 1934, S. 15; Hermann, Stutte: Probleme der körperlichen und seelischen Kindesmisshandlung, in: Jahrbuch für Jugendpsychiatrie und ihre Grenzgebiete, Band VIII, 1971, S. 122, 128 f.; zur Schutzbedürftigkeit alter Menschen siehe Schreiber/Schreiber, ZRP 1993, S. 146 f.; Meurer, S. 18; Begründung zum Entwurf eines deutschen StGB 1936, abgedruckt in: Regge/Schubert, Band 1 2. Teil, S. 250. 90 Klimmek, S. 49. 91 § 225 StGB ist § 223a Abs. 2 a. F. RStGB. 92 RGBl 1912, S. 295. 93 Siehe Bauer, Reinhard: Die Strafbarkeit körperlicher und seelischer Misshandlung Pflegebefohlener unter besondere Berücksichtigung der straflosen Züchtigung, 1934, S. 37 f.; Klimmek, S. 61; siehe zur Entwicklung des § 225 StGB Meurer, S. 1 f.; Radbruch, Arbeiterwohlfahrt 3/1928, S. 65 f.; Verhandlungen des Reichstags, Bd. 236, S. 8153 f. 87

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

chung des Tatbestandes einer Körperverletzung nicht mehr notwendigerweise bedurfte und seelische Misshandlungen ohne Auswirkung auf den Körper zur Verwirklichung des Tatbestandes seitdem genügen.94 Die Entwicklung des § 225 StGB und die damit verbundene Intention des Gesetzgebers zeigen, dass § 225 StGB hinsichtlich des Schutzes der Psyche innerhalb der Körperverletzungsdelikte tatsächlich eine besondere, auf den Schutzbereich der Psyche ausgeweitete Stellung innerhalb der Körperverletzungsdelikte einnimmt.95 Die besondere Stellung hat ihre Rechtfertigung, wie von einigen Befürwortern des einseitig somatologischen Gesundheitsverständnisses behauptet, aber nicht darin, dass § 225 StGB das einzige Delikt im 17. Abschnitt des StGB ist, welches die Psyche in seinen Schutzbereich aufnimmt, sondern sie begründet sich zum einen darauf, dass § 225 StGB im Gegensatz zu den §§ 223, 229 StGB auch psychische Beeinträchtigungen ohne Krankheitswert als tatbestandlichen Erfolg genügen lässt. § 225 StGB umfasst durch die Tatbestandsalternative „quälen“ bereits seelische Misshandlungen, die nicht zu einer krankhaften seelisch/psychischen Störung führen.96 In dem Sinne genügt als tatbestandlicher Erfolg im Gegensatz zu den §§ 223, 229 StGB beispielsweise, dass länger andauernde Angst- und Erregungszustände hervorgerufen werden, was dann der Fall sein kann, wenn ein Kind in einen Keller eingesperrt wird. Die Sonderstellung des § 225 StGB ergibt sich zum anderen daraus, dass mit seiner Einführung weniger eine vermeintliche Regelungslücke des § 223 StGB geschlossen, sondern vielmehr einer bestimmten Situation, die sich aus der Täter-Opfer-Beziehung in Form eines Abhängigkeitsverhältnisses oder einer bestimmten Wehrlosigkeit des Betroffenen ergibt, besonderer Schutz zukommen sollte.97 Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des § 225 StGB Personen, die in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis stehen, umfassender schützen und Personen, die ein solches ausnutzen, zur verstärkten strafrechtlichen Verantwortung ziehen. Der § 225 StGB kann demnach nicht als Argument zur Verneinung des Schutzes vor psychischen Beeinträchtigungen mit Krankheitswert durch die Körperverletzungsdelikte ins Feld geführt werden. Obwohl aus § 225 StGB nicht notwendig geschlossen werden kann, dass die Psyche durch die Körperverletzungsdelikte mit geschützt werden soll, entkräftet seine Stellung unter dem 17. Abschnitt des Strafgesetzbuches aber das Argument, dass aufgrund der Überschrift des 17. Abschnitts die Psyche nicht mit in den Schutzbereich der Körperverletzung Aufnahme finden kann.98 94

RGBl 1933, S. 395. a. A. Wolfslast, S. 18 f., die zum Ergebnis kommt, dass § 225 nicht eine Regelungslücke der §§ 223, 229 schließen, sondern lediglich eine bestimmte Situation besonders hervorheben will. 96 Sch/Sch-Stree, § 225 Rn. 12. 97 Wolfslast, S. 18 f. 95

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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(c) Vergleich mit anderen Normen des Strafgesetzbuches In verschiedenen anderen Delikten des Strafgesetzbuches wird der Begriff Gesundheit in Form einer Gesundheitsschädigung oder eines Gesundheitszustandes ebenfalls verwendet. Insoweit ist in verschiedenen Normen (u. a. in §§ 113 II 2 Nr. 2; 239 III Nr. 2; 250 I Nr. 1c StGB) die „schwere Gesundheitsschädigung“ als Tatbestandsmerkmal in Form einer schweren Folge oder als Qualifikationsmerkmal zu finden. Einigkeit herrscht darüber, dass diese schwere Gesundheitsschädigung auch psychische Beeinträchtigungen umfasst, indem es zu ihrer Verwirklichung bereits genügt, dass die seelischen Kräfte oder die Arbeitsfähigkeit nicht unerheblich beeinträchtigt werden.99 Zwar ist in anbetracht der Relativität der Rechtsbegriffe die Einbeziehung der psychischen Gesundheit nicht schon deshalb zwingend, weil in anderen Normen die psychische Gesundheit in den Gesundheitsbegriff mit Aufnahme findet, doch zeigt die Auslegung dieser Normen, dass die psychische Gesundheit dem Strafrecht heute nicht gänzlich unbekannt ist und als schützenswert anerkannt wird. (d) Verfassungsrechtliche Implikation Das Ergebnis strafrechtlicher Inhaltsbestimmung muss sich widerspruchsfrei in den Kontext höherrangiger Normen einfügen.100 Daher ist bei der Auslegung der Gesundheitsschädigung zu erörtern, ob der Schutz der psychischen Gesundheit auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist bzw. in dessen Sinne liegt. Das Grundgesetz schützt in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG die körperliche Unversehrtheit. Dieses Grundrecht dient nicht nur als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern aus ihm ergibt sich auch die Pflicht für den Staat und seine Organe, sich schützend und fördernd vor die durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Rechtsgüter zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer (u. a. privater Dritter) zu bewahren.101 Die „körperliche Unversehrtheit“ im Sinne des Grundgesetzes bezieht sich zunächst auf den biologisch-physiologischen Bereich des Menschen. Dabei findet einhellig nicht nur die physische Unverletztheit, sondern auch die Gesundheit Aufnahme in den Schutzbereich.102 Eine Beschränkung des verfassungsrechtlichen Schutzes auf Verletzungen des Körpers wird mit dem vom Bundesverfassungsgericht betonten Verständnis vom Menschen als Einheit von Leib, 98 Insoweit ist auch § 226 StGB zu erwähnen, indem dieser die geistige Krankheit als Qualifikationsmerkmal gesetzlich normiert. 99 BT-Drs. 13/8587, S. 27 f.; Küper, S. 160; Wessels/Hillenkamp, Rn. 347. 100 Zippelius, S. 62. 101 BVerfGE 39, S. 1 ff. (41); 46, S. 160 ff. (164); 56, S. 54 ff. (73). 102 Dreier, Art. 2 II Rn. 33 ff.; Leibholz/Rinck/Hesselberger, Art. 2 Rn. 511; Sachs, Art. 2 Rn. 148; Schmidt-Assmann, AöR 1981, S. 209.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Seele und Geist und mit der Wechselwirkung zwischen physischen und psychischen Gesundheitsstörungen als nicht vereinbar erklärt.103 Entgegen dem Wortlaut „körperliche Unversehrtheit“ umfasst Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG daher nicht nur die physische Unverletztheit, sondern im Sinne von Gesundheit als „Negation pathologischer Zustände“ auch das Freisein von psychischen Krankheiten.104 Einigkeit besteht ferner darüber, dass die verfassungsrechtlich geschützte Gesundheit nicht nur auf das „Freisein von Krankheit“ reduziert wird.105 Streitig ist dagegen, ob die Psyche auch über die Gesundheit hinaus vom verfassungsrechtlichen Schutz mit umfasst wird. Das Gesundheitsverständnis welches die Weltgesundheitsorganisation106 mit ihrem Gesundheitsbegriff zu Grunde legt, indem sie auch das soziale Wohlbefinden darunter subsumiert, wird zwar aus verfassungsrechtlicher Sicht als zu weit abgelehnt,107 doch wird die Diskussion heute darüber geführt, ob auch Beeinträchtigungen der psychischen Befindlichkeit ohne Krankheitswert dem verfassungsrechtlichen Schutz unterliegen.108 Die Notwendigkeit des verfassungsrechtlichen Schutzes vor seelisch-geistigen Beeinträchtigungen wird insbesondere im Zusammenhang mit staatlichen Eingriffen in Form von psychischer Folter und seelischen Quälereien bzw. Misshandlungen betont.109 Ein grundrechtlicher Schutz wird mit dem Gedanken an die Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) bejaht, wenn sie ihrer Wirkung nach körperlichen Eingriffen gleichzusetzen sind, indem sie das Befinden einer Person verändern, die der Zufügung von Schmerzen entspricht.110 Nicht zuletzt wird darauf hingewiesen, dass Art. 104 Abs. 1 GG die seelische Misshandlung ausdrücklich neben der körperlichen erwähnt und somit in ihrer Wertigkeit gleich stellt, was darauf schließen ließe, dass das seelische Wohlbefinden des Menschen vom verfassungsrechtlichen Schutz nicht ausgeschlossen werde.111 103

BVerfGE 56, S. 54 ff. (74 f.); Hermes, S. 225 m. w. N. Hermes, S. 223; Sachs, Art. 2 Rn. 149; Schmidt-Assmann, AöR 1981, S. 209; BVerfGE 52, S. 214 ff. (220 f.); 56, S. 54 ff. (73 f.); Dreier, Art. 2 II Rn. 33, 35; Kloepfer: Zum Grundrecht auf Umweltschutz, 1978, S. 28, der das gesamte psychische Wohlbefinden in den Schutzbereich mit einbezieht; Leibholz/Rinck/Hesselberger, Art. 2 Rn. 511 f.; Kunig in von Münch, Art. 2 Rn. 63; Sachs, Art. 2 Rn. 149; Wolfslast, S. 14 f.; den Schutz grundsätzlich nur auf den Körper beschränkend: Lorenz in Isensee/Kirchhof, § 128 Rn. 18 f. 105 Maunz/Dürig/Herzog-Di Fabio, Art. 2 II Rn. 55; Kunig in von Münch, Art. 2 Rn. 62. 106 Satzung der Weltgesundheitsorganisation vom 22.07.1946 abgedruckt unter www. admin.ch/ch/d/sr/i8/0.810.1.de.pdf. 107 Dreier, Art. 2 II Rn. 37; Kunig in von Münch, Art. 2 Rn. 62; Sachs, Art. 2 Rn. 150; Schmidt-Assmann, AöR 1981, S. 209; offen gelassen in BVerfGE 56, S. 54 ff. (75). 108 BVerfGE 56, S. 54 ff. (74). 109 BVerfGE 56, S. 54 ff. (74). 110 Hermes, S. 225. 104

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Der verfassungsrechtliche Schutz und somit auch die sich aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergebende Schutzpflicht des Staates vor Eingriffen Dritter bezieht sich demnach unstreitig auch auf die geistig-seelische Gesundheit des Menschen. Anhand der Diskussion um die Einbeziehung bloßer Beeinträchtigungen der psychischen Befindlichkeit ohne Krankheitswert in den verfassungsrechtlichen Schutz, zeigt sich, dass sich die Bedeutung des seelisch-psychischen Bereichs des Menschen für diesen nicht nur auf die psychische Gesundheit beschränkt, sondern sogar darüber hinausgeht. Die Auffassung, dass in den strafrechtlichen Gesundheitsbegriff auch die psychische Gesundheit Aufnahme zu finden hat, steht daher uneingeschränkt im Einklang mit der Verfassung. (e) Das Gesundheitsverständnis in gleichrangigen Normen In anderen Rechtsgebieten ist das Verständnis von Gesundheit schon lange nicht mehr auf den biologisch-physiologischen Bereich des Menschen beschränkt. Die Einbeziehung der Gesundheit in das Zivilrecht wird in unterschiedlichen Normen verdeutlicht. Eine Hauptfunktion nimmt dabei das Pendant zum Strafrecht – §§ 823 ff. BGB – ein, wonach derjenige zum Schadensersatz bzw. zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet ist, der vorsätzlich oder fahrlässig die Gesundheit eines anderen widerrechtlich verletzt. Das Rechtsgut Gesundheit wird sehr weit ausgelegt, indem unter Gesundheitsverletzung i. S. des § 823 BGB eine medizinisch erhebliche – also aus ärztlicher Sicht behandlungsbedürftige – Störung der körperlichen, geistigen oder seelischen Lebensvorgänge in einem Menschen verstanden wird.112 Der Schädigende kann daher zivilrechtlich auch für seelische Reaktionen des Verletzten haften, obwohl keine hirnorganischen Ursachen festgestellt werden können.113 In dem Sinne hat die Rechtsprechung der Zivilgerichte bereits das Einstehenmüssen für auftretende Depressionen und Wesensveränderungen bejaht.114 Weil die Gesundheit dem gesamten Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung zu Grunde liegt, ist ebenfalls von Interesse, was im Sozialversicherungsrecht für ein Gesundheitsverständnis vorherrscht. Der Begriff Gesundheit wird in den Sozialversicherungsgesetzen selten verwendet und nicht definiert. Vielmehr sprechen die Sozialleistungsgesetze als Grund sozialer Leistungen wiederholt von Krankheit, definieren oder erläutern diesen Begriff aber auch nicht. Die Rechtsprechung ist demnach gefordert. Sie umschreibt den Be111

Seewald, S. 44. BGHZ 124, S. 52. 54; MüKo-Wagner, § 823 Rn. 71, 75; Staudinger/Hager, § 823 Rn. B 5; Palandt, § 823 Rn. 4. 113 BGH NJW 1991, S. 747 f.; LG Frankfurt NJW 1970, S. 515; Berg, NJW 1970, S. 515; Staudinger/Hager, § 823 Rn. B 5 ff.; MüKo-Wagner, § 823 Rn. 75; Palandt, vor § 249 Rn. 69 f. 114 BGH VersR 1966, S. 931; 1960, S. 225; LG Hamm NJW-RR 2001, S. 1676. 112

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

griff Krankheit mit einer übergeordneten Definition – die aufgrund der unterschiedlichen sozialen Zweckbestimmungen durch das jeweilige sozialrechtliche Rechtsgebiet jeweils noch einer konkreten Ausformung bedarf – als einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der von der Norm abweicht, die durch das Leitbild des gesunden Menschen geprägt ist und entweder Behandlungsbedürftigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.115 Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass nicht nur die organische, sondern auch die geistige und seelische Erkrankung als Krankheit im Sinne des Sozialversicherungsrechts gilt.116 Die seelischen und geistigen Krankheiten müssen sich nicht in neurologisch fassbaren Symptomen oder Ausfallerscheinungen manifestieren, um sozialrechtlich relevant zu sein, so dass von dem sozialrechtlichen Krankheitsbegriff auch Neurosen, Depressionen, Phobien, Schockschäden und andere seelische Störungen und Fehlhaltungen umfasst sind.117 Voraussetzung ist aber stets, dass die geistigen und seelischen Störungen klinisch-funktionell manifest sind und die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen.118 Die Auslegung des Gesundheitsbegriffs der Körperverletzungsdelikte anhand der systematischen Auslegungsmethode führt zu dem Ergebnis, dass die Einbeziehung der Psyche dem Gesamtgefüge des Strafgesetzbuches nicht widerspricht. Der Vergleich mit über- und gleichrangigen Rechtsvorschriften zeigt vielmehr, dass das Gesundheitsverständnis innerhalb der Rechtsordnung nicht auf die Physis beschränkt ist. Andere strafrechtliche Normen beziehen bei der Auslegung der sie erfüllenden Tatbestandsmerkmale die psychische Gesundheit in ihren Anwendungsbereich mit ein. Das gleiche Ergebnis ergibt sich bei einem Blick in außerstrafrechtliche Normen, wo sich das Gesundheitsverständnis nicht nur auf den rein körperlich-biologischen Bereich des Menschen beschränkt, sondern sich auch auf die Psyche ausweitet. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Verfassung, die mit Art. 2 Abs. 1 GG die psychische Gesundheit in ihren Schutzbereich mit aufnimmt und damit bestätigt, dass die psychisch Konstitution des Menschen in unserem heutigen Werteverständnis ein wesentlicher Bestandteil ist. (3) Historische Auslegung Für die Auslegung eines Rechtsbegriffs wird ferner auf die Entstehungsgeschichte der Norm und deren fortlaufende Entwicklung bis zum heutige Zeitpunkt abgestellt.119 Diese Auslegungsmethode wird bei der heutigen Auslegung 115 BSGE 13, S. 134; 25, S. 10; 62, S. 83; Erlenkämper/Fichte, S. 9 ff.; KK-SozRHöfler, § 37 SGB V Rn. 9. 116 Erlenkämper/Fichte, S. 11. 117 BSGE 59, S. 116; Erlenkämper/Fichte, S. 11; KK-SozR-Höfler, § 37 SGB V Rn. 42. 118 Erlenkämper/Fichte, S. 11; KK-SozR-Höfler, § 37 SGB V Rn. 12 ff. m. w. N.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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von Normen aber immer öfter in den Hintergrund gedrängt. Insbesondere bei älteren Normen, wozu auch die Körperverletzungsdelikte zählen, wird auf den subjektiven Willen des Gesetzgebers immer weniger zurückgegriffen. Das Bundesverfassungsgericht120 hält für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung nur den in der Norm selber zum Ausdruck kommenden objektiven Willen des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, für maßgebend. Der Entstehungsgeschichte kommt nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts für die Auslegung einer Norm nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit der in den angegebenen Grundsätzen erhaltenen Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg nicht ausgeräumt werden können. Das Bewusstsein um den Schutz der Psyche war bis Ende des 18. Jahrhunderts nicht in den Köpfen der Menschen und des Gesetzgebers.121 Die Quellen des römischen und des germanischen Rechts weisen keine strafrechtlichen Vorschriften bzw. keine Fälle auf, in denen die Psyche unmittelbares Angriffsobjekt ist und rein psychische Beeinträchtigungen unter Strafe gestellt werden.122 Erst Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts kamen die Diskussion um die Einbeziehung der Psyche in den Schutzbereich des Strafrechts und erste Überlegungen zu einem selbständigen Tatbestand für das „Verbrechen am Seelenleben“123 auf. Diese stießen beim damaligen Gesetzgeber aber nicht durchgreifend auf Gehör.124 Mit Ausnahme des sächsischen Strafgesetzbuches lässt sich weder aus der Partikulargesetzgebung noch aus dem damaligen rechtwissenschaftlichen Schrifttum eine klare Linie erkennen, ob das Schutzgut „Gesundheit“ der Körperverletzungstatbestände auf die biologisch-körperliche Gesundheit beschränkt ist.125 119

Demko, S. 126 ff. BVerfGE 1, S. 299 (312). 121 Wolfslast, S. 29; siehe auch Günter: Über die Hauptstadien der geschichtlichen Entwicklung des Verbrechens der Körperverletzung, 1884; grundlegend Küper, S. 1 ff.; Tag, S. 48 f.; Wolfslast, S. 22 f. 122 Maurach/Schroeder/Maiwald, § 8 Rn. 2; Wolfslast, S. 22 f., 27, 29 m. w. N.; Wilda, Wilhelm: Das Strafrecht der Germanen, 1842, S. 730 f. 123 So die Überlegungen Feuerbachs, der von vornherein jegliche Beschränkung eines möglichen derartigen Delikts auf die Verstandsberaubung ablehnt: Feuerbach, Paul Johann Anselm: Kasper Hauser – Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen, 1832, S. 55 f.; Kleinschrod, Gallus Alois: Entwurf eines peinlichen Gesetzbuches für die kurpfalzbairischen Staaten (1802); Schmidt, Richard: Verbrechen an dem Seelenleben des Menschen, GS 1889, Bd. 42, S. 57 f. (62); Gegen die Auffassung Feuerbachs und somit gegen ein selbständiges Verbrechen am Seelenleben: Feuerbach/Mittermaier: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 13. Auflage, 1840, S. 356; siehe dazu auch Abegg, J. H. F.: Kritik der Lehre von den so genannten Verbrechen gegen die Geisteskräfte, 1830. 124 Siehe zur Diskussion um ein selbständiges Verbrechen am Seelenleben in der Strafrechtsgeschichte Küper, S. 111 ff., 157 ff., 217 ff., zur heutigen Relevanz insbesondere S. 229 f. 120

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Das allgemeine preußische Landrecht von 1794 kannte zwar im zweiten Teil mit § 801 eine gesetzliche Regelung zur Verursachung von „Wahnsinn“, doch wurde auch diese dem Grunde nach als qualifizierter Fall der Körper- und Gesundheitsschädigung begriffen.126 Das bayerische Strafgesetzbuch von 1813 qualifiziert die Körperverletzung in Art. 182, wenn der „Beschädigte durch die gewalttätige Misshandlung in Raserei, Wahnsinn, Blödsinn oder andere ähnliche Gemütskrankheiten fällt“. Das preußische Strafgesetzbuch von 1851, welches Vorläufer des Reichsstrafgesetzbuches von 1871 war, folgt der deutschrechtlichen Rechtslehre und zählt rein seelische Beeinträchtigungen, allein schon wegen des Wortlauts des § 187 PRStGB, in dem die Körperverletzung als „Misshandlung oder Verletzung des Körpers“ tatbestandlich umschrieben wird, nicht unter die Körperverletzungstatbestände. Hervorzuheben ist aber, dass Goltdammer § 193 PRStGB127 derart auslegt, dass zwischen der Körperverletzung und der Geisteskrankheit kein Kausalzusammenhang vorliegen muss und somit ein Verbrechen am Seelenleben vom Wortlaut her möglich wäre.128 Innerhalb der Partikulargesetzgebung ist hinsichtlich des Schutzes der Psyche das sächsische Strafgesetzbuch von 1838 herausragend, welches mit Art. 137 ein besonderes Delikt innerhalb des siebten Kapitels „Verbrechen wider der Gesundheit“ über „Zerrüttungen der Geisteskräfte und Verhinderung der Entwicklung der selben“ enthielt. Danach wurde mit Zuchthaus bestraft: „Wer mit Absicht einen anderen in den Zustand eines dauernden Wahnsinns versetzt . . .“. Das spätere sächsische Strafgesetzbuch von 1855 stellte mit Art. 168 die geistige Verletzung einer Körperverletzung gleich: „Als Körperverletzung ist es auch anzusehen, wenn jemand einen anderen in den Zustand der Geisteszerrüttung versetzt oder die Ausbildung der zu selbständigen bürgerlichem Bestehen erforderlichen Geisteskräfte unterdrückt“. 1871 führte der Reichsgesetzgeber aufbauend auf dem Preußischen Strafgesetzbuch und dem Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund den § 223 StGB in das Reichsstrafgesetzbuch ein. Danach wird wegen Körperverletzung bestraft, wer einen anderen körperlich misshandelt oder an der Gesundheit beschädigt. Diese gesetzliche Umschreibung des Körperverletzungstatbestandes wurde bis auf geringfügige redaktionelle Änderungen129, bis heute beibehalten. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber zwar die Misshandlung aber nicht die 125

Siehe dazu Tag, S. 50 f. Küper, S. 157 f. 127 „Hat die vorsätzliche Misshandlung oder Körperverletzung eine Krankheit von längerer Dauer zur Folge oder wurde der Verletzte in eine Geisteskrankheit versetzt, dann ist mit Zuchthaus zu bestrafen.“ 128 Goltdammer, Materialien, Teil II, S. 414; siehe dazu und gegen eine solche Auslegung skeptisch: Küper, S. 233 f. 129 Geschlechtsneutrale Formulierung und Umbenennung der Gesundheitsbeschädigung in Gesundheitsschädigung. 126

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Gesundheitsbeschädigung auf die Körpersphäre beschränkte, wird teilweise geschlossen, dass der damalige Gesetzgeber auch die psychische Gesundheit in den Schutzbereich aufnehmen wollte.130 Bei der Suche nach Gesetzesmaterialien, um zu erfahren welches Gesundheitsverständnis der Reichsgesetzgeber 1871 zu Grund legte und was er bezweckte, als er die Gesundheitsbeschädigung nicht auf die Körpersphäre beschränkte, wird man enttäuscht, weil Gesetzesbegründungen fehlen und Begründungen der Reformvorschläge zu dem Reichsgesetzbuch auf diese Frage nicht eingehen.131 Lediglich mit der Aussage von Schwarzes, welcher bei der Erstellung des Reichsstrafgesetzbuches Mitglied der Bundeskommission war, findet sich ein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber nicht nur von einem einseitig somatologischen Gesundheitsverständnis ausging. Dieser äußerte, dass die Bundeskommission, wenngleich die Bezeichnung „Körperverletzung“ nicht passe, absichtlich auf das Merkmal „körperlich“ bei der Tatbestandsalternative „Gesundheitsverletzung“ verzichtet habe, um somit auch geistige Gesundheitsbeschädigungen in die Körperverletzungsdelikte einzubeziehen132. Auch die Reformvorschläge des RStGB, die Vorentwürfe und die Reformvorschläge des Deutschen Strafgesetzbuches schweigen sich vorwiegend aus, ob rein psychische Beeinträchtigungen unter den Schutzbereich der Körperverletzungen fallen.133 Sie behielten zwar die Tatbestandsalternativen „körperliche Misshandlung“ und „Gesundheitsbeschädigung“ überwiegend134 bei, doch fand eine annähernde Konkretisierung beider Begrifflichkeiten nur in Ausnahmefällen statt. Erst die späteren Entwürfe äußerten sich vereinzelt in ihren Begründungen. Nach dem Entwurf von 1927 für ein Allgemeines Deutsches Strafgesetzbuch zählt unter die Tatbestandsalternative „Gesundheitsbeschädigung“ u. a. das Hervorrufen oder Verschlimmern einer geistigen Erkrankung.135 Ferner 130

Küper, S. 235 f. Neues StGB des Norddeutschen Bundes mit den vollständigen amtlichen Motiven, S. 158 f.; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags, I. Leg. Periode – I. Session 1871, Erster Band, 29.–32. Sitzung; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, I. Legislaturperiode – Session 1870, Zweiter Band, 34. Sitzung, S. 637–663 und 35. Sitzung, S. 664 f.; siehe dazu auch Tag, S. 53 f. mit ausführlicher Auseinandersetzung zu den Gesetzesmaterialien. 132 von Schwarze, S. 542; Oppenhoff, Friedrich: Strafgesetzbuch für das deutsche Reich, 1888, S. 514. 133 Siehe dazu ausführlich Tag, S. 53 ff., auch Rosenberg, GS 1903, S. 64. Beispiele: Entwurf der Strafrechtskommission von 1913, in: Entwürfe zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, S. 69; Entwurf von 1919, in: Entwürfe zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, 66, 239; Radbruch-Entwurf von 1922 in Radbruch: Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches; Entwürfe eines Strafgesetzbuches aus den Jahren 1960, E 1960 und 1962, E 1962. 134 Nach dem Radbruch-Entwurf von 1922 wurde anstatt der „körperlichen Misshandlung“ die „Verletzung des Körpers“ als Tatbestandsalternative aufgenommen. 131

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überlegte die Kommission zur Weiterentwicklung des Strafgesetzes, ob der Körperverletzungstatbestand nicht wie folgt lauten sollte: „Wer andere verletzt, misshandelt oder an der Gesundheit schädigt . . .“. Ausdrücklich wird nur festgelegt, dass seelische Misshandlungen grundsätzlich nicht unter den Körperverletzungstatbestand fallen.136 Seelische Gesundheitsschädigungen dagegen werden nicht ausdrücklich ausgeschieden. Der amtliche Entwurf für ein Deutsches Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1936, der als Schädigung der Gesundheit jede Herbeiführung oder Steigerung einer Krankheit ohne Rücksicht auf die Dauer des Zustandes definiert, erwähnt ebenfalls, dass lediglich rein seelische Misshandlungen aufgrund des fehlenden Körperbezugs von den Körperverletzungsdelikten nicht erfasst werden sollen.137 Nach dem darauf folgenden Alternativentwurf138, der die beiden Tatbestandsalternativen „körperliche Misshandlung“ und „Gesundheitsschädigung“ tatbestandlich trennte, sollte eine Gesundheitsschädigung die Herbeiführung krankhafter Zustände umfassen. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die historische Auslegung nur unscharfe Umrisse für die Auslegung des Gesundheitsbegriffs mit sich bringt.139 Die Entstehungsgeschichte und historische Entwicklung der Körperverletzungsdelikte lassen weder einen eindeutigen Hinweis erkennen, dass die psychische Gesundheit in den Schutzbereich Aufnahme findet, noch dass das Gesundheitsverständnis auf den physiologisch-körperlichen Bereich beschränkt ist, so dass der historische Rückblick für die Auslegung des Gesundheitsbegriffs keine Hilfestellung darstellt.140 Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich lediglich vereinzelt entnehmen, dass rein seelische Misshandlungen ohne Krankheitswert nicht durch die Körperverletzungsdelikte geschützt werden sollen. (4) Teleologische Auslegung und Wandel des Gesundheitsverständnisses Bei der Auslegung von Rechtsbegriffen ist neben der als Ausgangsbasis dienenden grammatikalischen, der systematischen und historischen, auf die objektiv-teleologische Auslegungsmethode zurückzugreifen, wonach für die inhaltliche Konkretisierung eines Rechtsbegriffs entscheidend ist, welche Auslegung

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Reichstag III. Wahlperiode 1924/27, Drs. des Reiches, Nr. 3390, S. 132. Günter, Franz: Das kommende deutsche Strafrecht, 1935. 137 Begründung zum Entwurf eines deutschen Strafgesetzbuches von 1936, S. 249 f., in: Regge/Schubert, Band 1, 2. Teil. 138 Baumann, u. a., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, BT, Straftaten gegen die Person 1. Halbband. 139 Siehe dazu Günter: Über die Hauptstadien der geschichtlichen Entwicklung des Verbrechens der Körperverletzung, 1884; grundlegend Küper; Tag, S. 48 f.; Wolfslast, S. 22 f. 140 Tag, S. 62, 92; a. A.: Küper, BT, S. 165; ders., S. 235 f. 136

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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dem Ziel des Gesetzes am besten entspricht.141 Ausschlaggebend ist danach, welche vernünftige Funktion die Gesetzesnorm im Zeitpunkt ihrer Anwendung hat bzw. welcher Sinn und Zweck dieser bei ihrer Anwendung vernünftigerweise eigen ist. Daraus, dass der Gesetzgeber zwar die Tatbestandsalternative „Misshandlung“, nicht aber die Tatbestandsalternative „Gesundheitsschädigung“ ausdrücklich auf die Körpersphäre beschränkt, lässt sich ableiten, dass die Gesundheit allumfassend in den Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte Aufnahme finden soll und nach dem Ziel der Norm nicht von vornherein auf die physische Gesundheit zu beschränken ist.142 Rechtsbegriffe sind in ihrer Bedeutung nicht für immer festgeschrieben, sondern sie können sich mit dem Wandel der Zeit ändern. Die Gesundheit ist ein normativer Begriff,143 deren sich der Gesetzgeber bedient, damit die Norm dem Wandel der Umstände gerade angepasst werden kann.144 In anbetracht der veränderten Vorstellung und der gesteigerten Bedeutung, welcher der psychischen Gesundheit heute beigemessen wird, ist es demnach legitim und erforderlich den Gesundheitsbegriff anzupassen, damit dieser und der damit verbundene Schutz nicht im Widerspruch zum heutigen Wertemaßstab der Gesellschaft steht. Wie bereits dargelegt, ist die psychische Gesundheit aus dem Verständnis der Allgemeinheit von Gesundheit heute nicht mehr wegzudenken.145 In diesen Wandel reiht sich auch der medizinische Gesundheitsbegriff, welcher bei der Konkretisierung des Gesundheitsbegriffs nicht außen vor gelassen werden kann, weil die Medizin die Wissenschaft vom gesunden und kranken Menschen ist146. Einen einzige Geltung erlangenden medizinischen Gesundheitsbegriff gibt es zwar nicht147, doch lässt sich bei näherer Recherche feststellen, dass sich dieser im Laufe der letzten Jahre ebenfalls zu Gunsten der psychischen Gesundheit einem revolutionären Wandel unterzogen hat.148 Je nachdem was mit dem jeweiligen Gesundheitsbegriff bezweckt und ob aus Perspektive des Arztes oder des Patienten Gesundheit definiert wird, unterscheiden sich die medizinischen Gesundheitsbegriffe voneinander.149 Im 19. Jahrhundert wurde Gesundheit aus 141

Bleckmann, JuS 2002, S. 944; Demko, S. 133; Zippelius, S. 50 f. Bauer, S. 5; Hoffmann, GA 2002, S. 397; Sch/Sch-Eser, § 223 Rn. 6; von Schwarze, S. 542; vgl. auch Blei, S. 47. 143 Haffke, MedR 1990, S. 243; Tag, S. 45. 144 Bleckmann, S. 934; Zippelius, S. 51. 145 Siehe dazu die Ausführungen im Ersten Kapitel B. II. 3. c) dd) (1). 146 Roche, Lexikon der Medizin, 1993, S. 1070, Stichwort: „Medizin“; § 1 Abs. 2 Bundesärzteordnung vom 25.06.2002 (BGBl I S. 1996). 147 Bastine, S. 151 ff.; Laufs/Uhlenbruck, § 1 Rn. 10 f.; Schipperges, S. 485; siehe zu den verschiedenen Gesundheitsbegriffen Seewald, S. 14 f. 148 Machleidt/Bauer/Lamprecht/Rose/Rhode-Dachser, S. 3 ff., 11 ff.; Lexikon Medizin Ethik Recht, Hrsg.: Albin Eser/Markus von Lutterotti/Paul Sporken, Stichwort „Gesundheit“; Seewald, 14 f.; Laufs, § 1 Rn. 10; Wolfslast, S. 11 ff. 142

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medizinischer Sicht noch als idealer Zustand des „Schweigens der Organe“ definiert. Vorherrschend war der naturwissenschaftliche Gesundheitsbegriff, welcher darauf abstellt, ob sich anatomische oder biochemische Veränderungen im Körper des Menschen nachweisen lassen.150 Im letzten Jahrhundert, mit Zunahme des Wissens und Interesses um psychische Beeinträchtigungen, wurde der naturwissenschaftliche Gesundheitsbegriff um den psychologischen Gesundheitsbegriff innerhalb der Medizinwissenschaft erweitert.151 Das zeigt sich auch an der Zunahme von Tätigkeitsfeldern innerhalb der Medizin, die sich mit psychischen Krankheiten beschäftigen und dem Bestehen eigener medizinischer Zweige, die sich ausschließlich bzw. im Wesentlichen mit der Psyche und dem Seelenleben des Menschen auseinandersetzen. Namentlich seien insoweit die Pathopsychologie, die psychologisch-psychotherapeutische und die psychosomatische Medizin genannt.152 Die Weltgesundheitsorganisation weitet den Begriff „Gesundheit“ sogar so weit aus, dass sie Gesundheit nicht nur als Freisein von Krankheit und Gebrechen definiert, sondern auch das physische, psychische und sogar das soziale Wohlbefinden darunter fasst.153 Seit vielen Jahren finden die psychischen Störungen zunehmend politische und wissenschaftliche Aufmerksamkeit und nehmen innerhalb der internationalen Public-Health-, epidemiologischen und der Grundlagenforschung einen hohen Stellenwert ein.154 Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die psychische Gesundheit heute ein fester Bestandteil der Medizinwissenschaft ist und aus überwiegender medizinwissenschaftlicher Sicht ein gesunder Mensch nur derjenige ist, der auch von psychischen Krankheiten frei ist. Welchen Stellenwert die psychischen Störungen heute innerhalb unserer Gesellschaft einnehmen, zeigen auch die neusten bundesweiten Statistiken über den Krankenstand der Menschen in Deutschland. Psychische Störungen, insbesondere verschiedene Formen depressiver Erkrankungen und Angsterkrankun149

Bastine, S. 152 ff.; Wolfslast, S. 11 m. w. N.; Franke, S. 23 m. w. N. Seewald, S. 15 f. 151 Machleidt/Bauer/Lamprecht/Rose/Rhode-Dachser, S. 11 f.; Sachtleben, S. 17, 54; Pschyrembel, klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, Stichwort: „Gesundheit“ (594); Roche, Lexikon der Medizin, 1993, Stichwort: „Gesundheit“ (625), Stichwort: „Krankheit“ (943); Lexikon Medizin Ethik Recht, Hrsg.: Albin Eser/Markus von Lutterotti/Paul Sporken, Stichwort „Gesundheit“, Stichwort: „Psychosomatik“ (855); Seewald, S. 16 f.; Wolfslast, S. 12. 152 Lexikon Medizin Ethik Recht, Hrsg.: a. a. O., Stichwort: „Psychosomatik“ (855); siehe zur Geschichte der Psychologie: Bastine, S. 11 ff. 153 Satzung der Weltgesundheitsorganisation vom 22.07.1946 abgedruckt unter www.admin.ch/ch/d/sr/i8/0.810.1.de.pdf. Insoweit Bedenken hinsichtlich der praktikablen Umsetzung dieses Gesundheitsbegriffs aus medizinischer Sicht: V. Becker: „Der heutige Krankheitsbegriff.“ in V. Becker/H. Schipperges: „Krankheitsbegriff. – Krankheitsforschung – Krankheitswesen, S. 4 f. 154 Wittchen/Müller/Pfister/Winter/Schmidtkunz, Gesundheitswesen 61 (1999), Sonderheft 2, S. 217. 150

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gen, gehören nach den Ergebnissen jüngster epidemiologischer Studien zu den besonders häufigen, kostenintensiven, sehr stark und oftmals dauerhaft die Lebensführung Betroffener einschränkenden Formen von Erkrankungen.155 Nach dem repräsentativen Bundesgesundheitssurvey aus dem Jahr 1999 weisen ca. 32 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren im Laufe eines Jahres zumindest zeitweise Symptome einer (oder mehrerer) psychischer Störungen auf.156 Nach dem DAK-Gesundheitsreport 2002 nimmt der Anteil an psychischen Erkrankungen am gesamten Krankenstand der DAK-Mitglieder im Jahr 2001 einen Anteil von fast acht Prozent ein.157 Psychische Störungen in Form von affektiven, somatoformen, neurotischen und Angststörungen sind dominierend.158 Nach dem bundesweiten Gesundheitssurvey waren 1998 17,2 Prozent der deutschen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren von diesen Krankheiten betroffen, was einer Anzahl von 8,35 Millionen Menschen entspricht.159 Als Einzeldiagnose spielen vor allem die depressiven Störungen, welche unter die affektiven Störungen zählen, die größte Rolle.160 Nach einer statistischen Erhebung der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz vom 14. April 2003 stiegen bei vorübergehenden depressiven Störungen die Patientenzahlen um ca. 28 Prozent und bei immer wieder auftretenden depressiven Erkrankungen um 41,5 Prozent an. Etwa 60 Prozent der Suizide im Jahre 1995 sollen auf depressive Erkrankungen zurückzuführen sein.161 Obwohl der Krankenstand in Deutschland zwar allgemein zurückgeht, nehmen die psychischen Krankheiten deutlich zu und stellen die Hauptgründe für längere Arbeitsunfähigkeitszeiten und Frühverrentung dar.162 Die Weltgesundheitsorganisation prognostiziert, dass der im Jahr 2001 geschätzte Anteil der 155 Machleidt/Bauer/Lamprecht/Rose/Rhode-Dachser, S. 19 f.; DAK Gesundheitsreport, 2002, S. 7; Wittchen/Müller/Pfister/Winter/Schmidtkunz, Gesundheitswesen 61 (1999), Sonderheft 2, S. 216 f. m. w. N.; Statistik der Betriebskrankenkassen vom 15. April 2003; Erhebung der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz vom 14. April 2003; Fehlzeitenreport 2002 der AOK; Dresdner Angststudie 1994 unter Leitung von Herrn Margraf; siehe auch über die Verbreitung von Depressionen den Bericht im Stern Magazin „Gesund Leben“ Nr. 2/2005, S. 19 ff. 156 DAK Gesundheitsreport 2002, S. 50. 157 DAK Gesundheitsreport 2002, S. 52. 158 DAK Gesundheitsreport 2002, S. 67; Wittchen/Müller/Pfister/Winter/Schmidtkunz, Gesundheitswesen 61 (1999), Sonderheft 2, S. 216, 219. 159 Wittchen/Müller/Pfister/Winter/Schmidtkunz, Gesundheitswesen 61 (1999), Sonderheft 2, S. 219. 160 DAK Gesundheitsreport 2002, S. 69, 82; Wittchen/Müller/Pfister/Winter/ Schmidtkunz, Gesundheitswesen 61 (1999), Sonderheft 2, S. 216, 222: wonach 11,5% der Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren unter Depressionen leiden sollen. 161 DAK Gesundheitsreport 2002, S. 70. 162 Siehe dazu: DAK Gesundheitsreport 2002, S. 65, 70 f.; Wittchen/Müller/Pfister/ Winter/Schmidtkunz, Gesundheitswesen 61 (1999) Sonderheft 2, S. 216; Statistik der Betriebskrankenkassen vom 15. April 2003; Erhebung der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz vom 14. April 2003; Fehlzeitenreport 2002 der AOK.

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psychischen Erkrankungen von 11 Prozent bis zum Jahr 2020 auf ca. 15 Prozent ansteigen wird und damit die Depressionen den zweiten Platz unter den am stärksten belastenden Krankheitsformen einnehmen werden.163 Wie realistisch diese Prognose ist, zeigt sich an der Zunahme der jährlich behandelten Fälle in psychiatrischen und psychosomatischen Fachabteilungen, die von 1998 bis 2000 um 11 Prozent stiegen.164 Im direkten Vergleich der Jahre 1997 und 2001 haben nach dem DAK-Gesundheitsreport aus dem Jahr 2002 die Arbeitsfehltage wegen psychischer Krankheiten oder Verhaltensstörungen um 51 Prozent zugenommen.165 Insbesondere wurde auf die starke Zunahme der Krankheitstage wegen psychischer Erkrankungen bei den jüngeren Beschäftigten hingewiesen. Bei den weiblichen Beschäftigten zwischen 20 und 24 Jahren nahm die Zahl der Krankheitsfälle von 1997 bis 2001 sogar um 90 Prozent zu.166 Die Krankheitsgruppe der psychischen Störungen gehört ferner mit einer Falldauer von durchschnittlich 29 Tagen zu den am längsten dauernden Krankheiten.167 Nach der Arbeitsunfähigkeitsstatistik des Betriebskrankenkassen-Bundesverbandes vom 15.04.2003 zählen die psychischen Krankheiten mit 7,5 Prozent zu den sechs dominierenden Gruppen, in welche die Gründe für die Arbeitsunfähigkeitstage der erwerbstätigen Mitglieder im Jahre 2002 eingeteilt sind. Nach dem Fehlzeitenreport 2002 der AOK sind 27 Prozent der Rentenzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf psychische Ursachen zurückzuführen und stehen damit an erster Stelle. Diese Zahlen verdeutlichen die Größenordnung und die gesundheitsökonomische Bedeutung psychischer Störungen in der heutigen Gesellschaft. Die psychischen Krankheiten haben mittlerweile in der Medizin und der Gesellschaft eine nicht mehr wegzudenkende bedeutende Rolle eingenommen und werden in den kommenden Jahren eines der zentralen Themen im Gesundheitswesen sein. Der hohe Stellenwert der psychischen Gesundheit wird auch innerhalb der Politik der Europäischen Union anerkannt, indem die psychische Gesundheit, deren Erhaltung, Förderung und Erforschung im Mittelpunkt der Diskussionen steht und in der Bedeutung für den Menschen der physischen Gesundheit gleichgestellt wird.168 Die Rufe, den Blick für den Wert der psychischen Gesundheit innerhalb der Europäischen Union zu fördern, nehmen zu und ihre Bedeutung für den Menschen wird immer stärker betont.169 163 World Health Organization (2001): The World health report „Mental Health: new understanding, new hope“. Wittchen/Müller/Pfister/Winter/Schmidtkunz, Gesundheitswesen 61 (1999) Sonderheft 2, S. 217. 164 DAK Gesundheitsreport 2002, S. 50. 165 DAK Gesundheitsreport 2002, S. 51 f. 166 DAK Gesundheitsreport 2002, S. 64 f. 167 Statistik der Betriebskrankenkassen vom 15.04.2003. 168 Entschließung des Europäischen Rates vom 18.11.1999 zur Förderung der psychischen Gesundheit, ABl. C 86 vom 24.03.2000.

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Die Ausführungen zeigen, dass heute innerhalb der Gesellschaft und der (Medizin-)wissenschaft ein Gesundheitsverständnis vorherrscht, welches die psychische Gesundheit einbezieht. Psychische Krankheiten können für den Menschen gleich erhebliche oder erheblichere Auswirkungen auf das menschliche Leben haben als physische Krankheiten. Sie sind häufig mit starken psychosozialen Einschränkungen, insbesondere hinsichtlich der Arbeitsproduktivität und Lebensgestaltung, als auch mit deutlich erhöhten Arbeitsunfähigkeitszahlen verbunden.170 Die derzeitigen wachsenden Zahlen von psychischen Krankheiten Betroffener machen darüber hinaus deutlich, dass ein erhöhtes Schutzbedürfnis hinsichtlich der menschlichen Psyche besteht. Das Festhalten an einem einseitig somatologischen Gesundheitsbegriff widerspricht damit dem heutigen medizinischen Verständnis von Gesundheit, den zunehmenden Zahlen psychischer Erkrankungen und der Bedeutung der psychischen Gesundheit innerhalb der Gesellschaft.171 (5) Ergebnis Als Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage, ob der Schutz der Körperverletzungsdelikte auch die Psyche des Menschen umfasst, ist zusammenfassend festzustellen, dass das Festhalten an einem somatologischen Gesundheitsbegriff für die Auslegung der Tatbestandsalternative „Gesundheitsschädigung“ im Rahmen der Körperverletzungsdelikte nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Für die Ausweitung des Gesundheitsbegriffs der §§ 223, 229 StGB auf die seelischgeistige Gesundheit sprechen vor allem das gewandelte, heutige gesellschaftliche und medizinische Verständnis von Gesundheit, die wachsende Bedeutung der psychischen Gesundheit für den Einzelnen und die zunehmenden Zahlen psychischer Erkrankungen. Wie das Bundesverfassungsgericht172 betont, ist der Mensch eine Einheit von Leib, Geist und Seele und sollte als eine solche auch Beachtung im Strafrecht finden. Weil Körper und Seele des Menschen aufgrund ihrer Wechselwirkung zueinander kaum trennbar sind und der Organismus des Menschen nicht nur ein körperlicher, sondern auch ein geistiger ist, nimmt die Psyche eine der dem Körper vergleichbare wichtige Stellung für den Menschen ein. Es ist daher unerlässlich, die Gesundheit nicht allein auf den biologischen 169 Konferenz über die Förderung der psychischen Gesundheit und der sozialen Eingliederung vom 11. bis 13.10.1999 in Tampere; Entschließung des Europäischen Rates vom 18.11.1999 zur Förderung der psychischen Gesundheit, ABl. C 86 vom 24.03.2000; Schlussfolgerung des Europäischen Rates vom 15.11.2001 zur Bekämpfung von stress- und depressionsbedingten Problemen, ABl. C 6 vom 09.01.2002. 170 Wittchen/Müller/Pfister/Winter/Schmidtkunz, Gesundheitswesen 61 (1999), Sonderheft 2, S. 217, S. 220 m. w. N. 171 So auch Hoffmann, S. 397; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 195; Kohlrausch-Lange, S. 496; Wolfslast, S. 10 ff. 172 BVerfGE 55, S. 54 ff. (74 f.).

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Organismus des Menschen zu beschränken, sondern die dem Organismus gleichwertige Psyche in den Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte aufzunehmen, wenn die Frage nach dem Schutz der Gesundheit des Menschen gestellt wird und ein gesunder Mensch aus allgemeiner und medizinwissenschaftlicher Sicht nur derjenige ist, der auch psychisch gesund ist.173 Dieses Ergebnis wird unterstützt durch das auf die Psyche bezogene Gesundheitsverständnis innerhalb der Verfassung sowie anderer Rechtsgebiete und Normen innerhalb des Strafgesetzbuches. Aufgrund der heute erkannten Bedeutung der Psyche für den Menschen darf der strafrechtliche Schutz der Psyche nicht mehr verschlossen bleiben, wenn der Schutz der Gesundheit eines Menschen – wie ausdrücklich in § 223 StGB formuliert – als Ziel erklärt wird. Andernfalls würde der Gesundheitsbegriff den heutigen herrschenden sozialethischen Vorstellungen nicht mehr gerecht werden. Der Gesundheitsbegriff bedarf folglich einer aktualisierten Auslegung. Die Körperverletzungsdelikte schützen daher über die Tatbestandsalternative „Gesundheitsschädigung“ die psychische Gesundheit des Menschen, worunter psychische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert zu verstehen sind. Rein seelische Beeinträchtigungen ohne Krankheitswert bleiben dagegen vom strafrechtlichen Schutz gemäß §§ 223, 224 StGB ausgenommen. Für die strafrechtliche Beurteilung von Mobbing hat dies zur Folge, dass die in der Regel vorzufindenden seelischen Beeinträchtigungen der Betroffenen dann strafrechtlich relevant sind, wenn sie sich zu einer pathologisch fassbaren psychischen Krankheit (zum Beispiel Depression, Phobie, Angststörung) entwickelt haben, was vor allem bei länger andauerndem Mobbing vorkommen kann. Zu berücksichtigen bleibt freilich, dass praktische Schwierigkeiten hinsichtlich der Nachweisbarkeit der Kausalität bestehen.174 Psychische Leiden sind innere Tatsachen, die der richterlichen Feststellung nur in geringem Umfang zugänglich sind. Das Gericht muss auf Gutachter zurückgreifen, welche darlegen müssen, dass die psychischen Erkrankungen auf das Verhalten des Mobbenden zurückzuführen sind. Bei Gutachten über die gesundheitlichen Folgen von Mobbing ist im Vergleich zu anderen medizinischen Gutachten zum einen ein besonders hoher und komplexer Aufwand in sowohl inhaltlicher als auch zeitlicher Hinsicht notwendig und zum anderen eine besondere fachliche Eignung erforderlich.175 Eine Erleichterung hinsichtlich der Beweisbarkeit wird aber darin bestehen, dass sich bei erheblichen seelischen Störungen mit Krankheitswert, in der Form, wie sie bei Mobbing häufig anzutreffen sind, oftmals auch körperliche Reaktionen oder Veränderungen feststellen lassen werden, weil die 173 Haft, BT, S. 145; Joecks, § 223 Rn. 9; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 195; NK-Paeffgen, § 223 Rn. 3; Rudolf, Gerd: Psychotherapeutische Medizin, 4. Auflage, 2000, S. 14 f.; Sch/Sch-Eser, § 223 Rn. 1; Wolfslast, S. 9; Pribilla, Deutsches Ärzteblatt 1980, S. 2250; Kohlrausch-Lange, S. 496; vgl. auch Blei, BT, S. 47. 174 So auch Blei, PdW, Nr. 68; Wolfslast, S. 21. 175 Groeblinghoff, S. 171.

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Psyche in unmittelbarer Wechselwirkung mit dem Körper steht. Ferner zeigt auch die Aufnahme der psychischen Gesundheit in das Gesundheitsverständnis außerstrafrechtlicher Normen, dass die Berücksichtigung zwar aufwendiger aber durchaus praktikabel ist. Bei Betrachtung der Rechtsprechung im „LedersprayUrteil“176 ist es in diesem Zusammenhang überlegenswert, den Nachweisbarkeitsproblemen hinsichtlich der Kausalität möglicherweise anhand eines wie in dieser Entscheidung angewendeten „Negativschlußverfahrens“ entgegenzukommen, indem auf die Kausalität geschlossen wird, wenn andere Erklärungsalternativen nicht in Betracht kommen.177 4. Tatbestandsmäßiges Handeln a) Mobbing – ein Komplex von mehreren psychisch wirkenden Handlungen Der Mobbende ist für die eingetretene Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens oder des Gesundheitsschadens strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn ihm diese infolge seines Verhaltens zugerechnet werden können. Mobbing stellt einen Komplex von mehreren bewusst geführten Einzelangriffen dar, deren Zusammenwirken zumeist erst die schädigende Wirkung für den Betroffenen herbeiführt. Daher nimmt der Mobbende typischerweise nicht nur eine, sondern mehrere Handlungen vor, die Anknüpfungspunkt für die strafrechtliche Beurteilung seines Verhaltens sein können. Damit diese Handlungen des Mobbenden tatbestandsmäßig sind, müssen sie die Anforderungen des gesetzlichen Tatbestandes verwirklichen. Die §§ 223, 229 StGB umschreiben mit der körperlichen Misshandlung und der Gesundheitsschädigung zwei Alternativen tatbestandlichen Handelns. Die körperliche Misshandlung wird nahezu einhellig als üble, unangemessene Behandlung definiert, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird.178 Unter Gesundheitsschädigung wird das Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen eines Menschen nachteilig abweichenden (pathologischen) Zustandes körperlicher oder seelischer Art verstanden.179 Die Abgrenzung beider Tatbestandsmodalitäten ist oftmals aufgrund wechselseitiger Überschneidun176

BGHSt 37, S. 106 (111 ff.). Siehe dazu allgemein Wohlers, JuS 1995, S. 1021. 178 BGHSt, 14, S. 269 (271); 25, S. 277; BGH NJW 1977, S. 339; BGH StV 2001, S. 680; Sch/Sch-Eser, § 223 Rn. 3; Küper, S. 219; Lackner/Kühl, § 223 Rn. 4; LK11Lilie, § 223 Rn. 6; NK-Paeffgen, § 223 Rn. 8; Wessels/Hettinger, Rn. 255. 179 BGHSt 36, S. 1 (6); 43, S. 346 ff. (354 f.); Küper, S. 159; Lackner/Kühl, § 223 Rn. 5; LK11-Lilie, § 223 Rn. 12; NK-Paeffgen, § 223 Rn. 12; Wessels/Hettinger, Rn. 257. 177

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gen nicht trennscharf möglich und im Ergebnis für die Tatbestandsverwirklichung als solche auch nicht notwendig.180 Wie im Ersten Kapitel dargestellt, kann Mobbing aufgrund der nicht abschließend aufzählbaren potentiellen Mobbinghandlungen in vielfältigen Konstellationen vorkommen. Wie unterschiedlich sich die Mobbingkonstellationen aufgrund der Vielfalt der möglichen Mobbinghandlungen gestalten und dennoch – wenn auch je nach Fallgestaltung und psychischer Konstitution des Betroffenen zeitlich versetzt – die gleichen Folgen für das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit mit sich bringen können, zeigen die folgenden Beispielsfälle, als typische Mobbingfälle eingeordnet werden können: Fall A: A hat sich in seine Kollegin B verliebt, die seine Zuneigung trotz erheblichen Bemühungen seitens B aber nicht erwidert. Als A dies nach längerer Zeit einsieht, ist er in seinem Stolz gekränkt. Er will sich daher an B rächen und sie aus der Abteilung drängen, damit er mit seiner Schmach nicht immer wieder konfrontiert wird. Daher agiert er im Kollegenkreis gegen B und gewinnt für diesen seine Kollegen mit denen er schon länger befreundet ist und die aus anderen Gründen A sowieso nicht besonders sympathisch finden. Sie beschließen, A das Leben zur Hölle zu machen. Variante A: Die Kollegen rufen X nachts ständig an, legen den Telefonhörer wieder auf ohne etwas zu sagen, drohen mit verstellter Stimme, drohen ihr üble Nachteile an, wenn sie nicht kündigen würde, schreiben Drohbriefe, verbreiten Lügengeschichten und beleidigen sie fortwährend. Variante B: Sie behandeln B wie Luft und reden nicht mit ihr, es sei denn, es ist arbeitstechnisch notwendig. Wird B von ihrem Vorgesetzten kritisiert, freuen sich die Kollegen ihr gegenüber darüber. Wenn B nachfragt, wie einzelne Arbeitsanweisungen zu verstehen sind, schütteln die Kollegen nur mit dem Kopf. Sie würdigen B keines Blickes bzw. schauen sie nur abwertend an. In beiden Fällen verschlechtern sich zunächst das körperliche Wohlbefinden und die Arbeitsleistungen der A. Obwohl die Kollegen die Auswirkungen ihres Handelns bemerken, halten sie an ihrem Plan fest, die A aus der Abteilung zu vertreiben. Im weiteren Verlauf und durch die ständigen Attacken der Kollegen wandelt sich die am Anfang stehende Angespanntheit und Nervosität in massive Schlafstörungen, Magenschmerzen, Kopfschmerzen und andere psychosomatische Beschwerden. In der ersten Variante wird A nach sechs Monaten und in der zweiten Variante nach einem Jahr wegen Depressionen krankgeschrieben und kündigt später jeweils ihr Arbeitsverhältnis. Die Kollegen haben demnach in beiden Fällen ihr Ziel erreicht. Für die strafrechtliche Beurteilung von Mobbing im Hinblick auf die Körperverletzungsdelikte, ist die Art der Mobbinghandlungen bedeutungslos.181 Die 180

NK-Paeffgen, § 223 Rn. 5.

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Handlung kann mittelbar, unmittelbar, psychisch oder physisch wirkend sein, so dass auch eine Beleidigung eine Körperverletzungshandlung sein kann. Zu beachten ist aber, dass das Rechtsgut, welches den Körperverletzungsdelikten zu Grunde liegt, nicht vollumfänglich geschützt wird. Um einer zu starken Kriminalisierung entgegen zu wirken, werden mittels Tatbestandsauslegung aus den Körperverletzungsdelikten minimale Beeinträchtigungen eliminiert. Dieses das gesamte Strafrecht durchziehende Bagatellprinzip 182 ergibt sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da das Strafrecht der stärkste und schwerwiegendste Eingriff des Staates ist183. Daher ist nicht in jeder Zufügung einer kleinen Unannehmlichkeit für das körperliche Wohlbefinden eine deliktstypische Rechtsgutsverletzung zu erblicken.184 Eine körperliche Misshandlung und eine Gesundheitsschädigung liegen erst dann vor, wenn das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt bzw. wenn die Abweichung vom körperlichen Normalzustand nicht unerheblich ist.185 Diese erhöhten Anforderungen an die tatbestandsmäßige Handlung haben zur Folge, dass in vielen Fällen die am Anfang des Mobbingprozesses stehenden Mobbinghandlungen zunächst nicht tatbestandsmäßig sind, weil sie das körperliche Wohlbefinden nicht oder nicht in der notwendigen Intensität unmittelbar verletzen bzw. keinen vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nicht nur unerheblich abweichenden Zustand hervorrufen oder steigern. Denn bei Mobbing treten, wie im Ersten Kapitel gezeigt, typischerweise erst durch die Wiederholung und die Regelmäßigkeit der Mobbingangriffe und somit mit Voranschreiten des Mobbingprozesses die psychischen Gesundheitsschäden und psychosomatischen Beschwerden auf. Bei entsprechendem Vorsatz käme in der Anfangsphase eines Mobbinggeschehens daher lediglich eine mehrfache Versuchsstrafbarkeit in Betracht oder stattdessen in vielen Fällen die Straflosigkeit, weil der Mobbende in dieser Phase noch keinen Körperverletzungsvorsatz hat bzw. dieser nicht nachweisbar ist186. Im Hinblick auf die Körperverletzungsdelikte werden die Mobbinghandlungen zumeist erst dann strafrechtlich relevant, wenn das Gesamtgeschehen nicht in der Frühphase beendet wird, sondern sich über einen längeren Zeitraum er181 BGH NJW 1996, S. 1069; BGH NJW 1976, S. 1143; Blei, BT/2, S. 46; Haft, BT, S. 145; LK11-Lilie, § 223 Rn. 11; NK-Paeffgen, § 223 Rn. 3; Sch/Sch-Eser, § 223 Rn. 1; a. A. noch Hälschner, S. 84 f., der das Merkmal „körperliche Misshandlung“ nicht durch psychisch wirkende Verhaltensweisen verwirklicht sieht. 182 Siehe dazu Krümpelmann, Justus: Die Bagatelldelikte – Untersuchung zum Verbrechen als Steigerungsbegriff, 1966 und Kunz, Karl-Ludwig, Das strafrechtliche Bagatellprinzip, 1984. 183 BVerfGE 88, S. 203 ff. (258); 90, S. 145 ff. (172). 184 RGSt 29, S. 60; BGHSt 14, S. 269 ff. (271); MK-Joecks, § 223 Rn. 20. 185 MK-Joecks, § 223 Rn. 25. 186 Siehe dazu die Ausführungen unten B. II. 6.

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streckt. Ist das der Fall, gibt es oft einen Zeitpunkt, an dem sich die durch die vorhergehenden Mobbinghandlungen hervorgerufene psychische Instabilität in ernsthafte psychische und physische Gesundheitsbeeinträchtigungen und in erhebliche Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens wandelt.187 Dieser Zeitpunkt kann mit einer bestimmten „Auslöserhandlung“, die quasi das Geschehen zum „Überlaufen“ bringt, verbunden sein. Ab dieser Phase sind auch die Handlungen in der Frühphase des Mobbings nicht mehr nur Versuchshandlungen, sondern kommen als Vollendungshandlungen in Frage, wenn sie den tatbestandlichen Erfolg mit hervorgerufen haben. b) „Üble unangemessene Behandlung“ – als notwendiges Kriterium für die körperliche Misshandlung? Die Tatbestandsalternative „körperliche Misshandlung“ stellt an die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens erhöhte Anforderungen, indem sie eine „üble unangemessene Behandlung“ fordert. Dadurch werden im Gegensatz zur Tatbestandsalternative „Gesundheitsschädigung“ – bei der jedes Tun oder garantenpflichtige Unterlassen, das den Erfolg zurechenbar verursacht, genügt – nicht nur an den Grad der Rechtsgutsverletzung, welche die Körperverletzungshandlung hervorrufen muss, erhöhte Anforderungen gestellt, sondern darüber hinaus auch an die Handlung.188 Daher stellt sich insbesondere hinsichtlich der potentiellen Mobbinghandlungen, die in der „Liste der 100 Mobbinghandlungen“ von Wolmerath/Esser aufgezählt und darauf gerichtet sind, den Betroffenen gesellschaftlich am Arbeitsplatz auszugrenzen, die Frage, ob Mobbinghandlungen wie das Nichtgrüßen, Ignorieren, allgemeine Unfreundlichkeiten, als übel und unangemessen zu charakterisieren sind. Welche Funktion die definitorische Umschreibung der Körperverletzungshandlung als „üble und unangemessene“ einnimmt, wird in der Literatur nur selten diskutiert. Teilweise werden diese Kriterien als Ausdruck des Gedankens der Lehre von der Sozialadäquanz verstanden.189 Hirsch nutzt sie, um Handlungen, die objektiv nicht gegen die Körperinteressen gerichtet sind, was insbesondere für den ärztlichen Heilangriff gelten solle, aus dem Tatbestand auszuscheiden.190 Andere wiederum verstehen das Kriterium subjektiv, indem sie eine körperliche Misshandlung nur dann annehmen, wenn das Opfer auch körperliches Missbehagen verspürt.191 Nach Horn192 erlangt die Behandlung ihren 187 188 189 190 191 192

Siehe dazu die Ausführungen zu den „Mobbingphasen“ im Ersten Kapitel A. II. 5. BGHSt 14, S. 269 ff. (271). Arzt/Weber, LH 1, Rn. 255. LK10-Hirsch, § 223 Rn. 6. Siehe den Nachweis bei MK-Joecks, § 223 Rn. 23. SK-Horn/Wolters, § 223 Rn. 8.

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üblen und unangemessenen Charakter, trotz ihrer objektiven Unerheblichkeit, wenn der Täter eine bösartige Gesinnung mit ihr verfolgt.193 Die Rechtsprechung dagegen filtert durch die Merkmale „übel und unangemessen“ solche Handlungen heraus, die nicht sozialwidrig sind.194 Aus heute vorherrschender Sicht wird der Notwendigkeit einer „üblen unangemessenen Behandlung“ mit der Lehre von der objektiven Zurechnung genüge getan. Indem diese die Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr verlangt195, beschränkt sie die Tatbestände auf das notwendige tatbestandspezifische Unrecht, wodurch auch die Handlungen ausgefiltert werden, die nach der Rechtsprechung196 und einem Teil der Literatur197 anhand des Merkmals „übel und unangemessen“ heute aus dem Tatbestand ausgegliedert werden. Der Zweck der Einschränkung auf eine üble unangemessene Behandlung dürfte daher mit der Lehre von der objektiven Zurechnung seine eigenständige Bedeutung verloren haben. Es sei deshalb an dieser Stelle hinsichtlich der oben angedeuteten Problematik bezüglich der rechtlichen Bewertung von Mobbing in Form gesellschaftlicher Ausgrenzung mittels Mobbinghandlungen wie dem Ignorieren, Nichtgrüßen und allgemeinen Unhöflichkeiten auf die Ausführungen zur Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr innerhalb der objektiven Zurechnung verwiesen.198 Sowohl die Tathandlung der Tatbestandsalternative „Gesundheitsschädigung“ als auch die der „körperlichen Misshandlung“ erfordert nach hier vertretener Ansicht – abgesehen von den Anforderungen, welche die Lehre von der objektiven Zurechnung stellt – daher keine darüber hinausgehenden besonderen Eigenschaften, vielmehr ist jedes Tun oder garantenpflichtwidriges Unterlassen, das Teil des Mobbinggeschehens ist und den Erfolg zurechenbar verursacht, tatbestandsmäßig.

193 Gegen diese Auffassung u. a. auf Grund ihres zu starken Rückgriffs auf den Ehrverletzungsgedanken, der den §§ 185 ff. vorbehalten sei LK10-Hirsch, § 223 Rn. 6; MK-Joecks, § 223 Rn. 24. 194 BGHSt 14, S. 269 ff. (271). 195 Jescheck/Weigend, S. 287; Lackner/Kühl, vor § 13 Rn. 14; Roxin, AT I, § 11 Rn. 53; ders., FS-Honig (1970), S. 135 ff.; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 Rn. 92; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 57; Wessels/Beulke, Rn. 179; siehe auch Frisch, S. 33 ff., der das Erfordernis der Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr als Element der objektiven Zurechnung für überflüssig hält, weil es bereits innerhalb des tatbestandsmäßigen Verhaltens Geltung erlangt. 196 BGHSt 14, S. 269 ff. (271). 197 Arzt/Weber, LH 1, Rn. 255. 198 Zweites Kapitel B. II. 4. e) cc) (1) (b).

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c) Kumulative Kausalität Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden setzt nach allgemeiner Auffassung zunächst voraus, dass das Mobbingverhalten für den eingetretenen Erfolg ursächlich gewesen ist. Die Rechtsprechung199 und die herrschende Meinung im Schrifttum200 bedienen sich zur Feststellung des Kausalzusammenhangs der Äquivalenztheorie (Bedingungstheorie), anhand derer der äußere – wenn auch sehr weite – Rahmen für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters gesteckt wird. Danach ist eine Handlung ursächlich für den Erfolg, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Das Mobbingverhalten kann sich aus Handlungen zusammensetzen, die unmittelbar und unabhängig von den zum Gesamtkomplex Mobbing gehörigen anderen Mobbinghandlungen zur Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und/oder der Gesundheit führen. Dazu zählen Handlungen, wie sie von Wolmerath und Esser in Gruppe neun ihrer Auflistung der über 100 Mobbinghandlungen genannt werden, wie unmittelbare körperliche Gewalt, offene körperliche Übergriffe (Ohrfeigen, Beinstellen oder Stoßen, so dass der Betroffene durch einen Sturz verletzt wird), Anordnung von gesundheitsschädlichen Arbeiten, Sabotage von Sicherheitsmaßnahmen oder Zuweisung eines Arbeitsplatzes an dem der Betroffene extremer Kälte oder Zugluft ausgesetzt ist. Diese Handlungen stellen hinsichtlich der Frage nach der Kausalität und deren Beweisbarkeit grundsätzlich keine weiteren Besonderheiten und Schwierigkeiten dar, weil sie unabhängig vom Gesamtgeschehen Mobbing und den anderen Mobbinghandlungen unmittelbar zum Erfolg führen Unmittelbare Angriffe auf den Körper des Betroffenen in Form unmittelbarer Substanzverletzungen und unmittelbarer Gewalt, welche separat betrachtet grundsätzlich ohne Zweifel als Körperverletzungshandlungen einzuordnen wären, kommen zwar vereinzelt vor, sind für ein Mobbinggeschehen aber nicht typisch.201 Vielmehr agiert der Mobbende – nicht zuletzt, weil sie für die Außenwelt unauffälliger sind – mit psychisch wirkenden, häufig verbalen Handlungen,202 die nicht unmittelbar den Körperverletzungserfolg herbeiführen, sondern erst durch ihr Zusammenwirken die psychosomatischen Störungen oder psychi199 RGSt 1, S. 373 ff.; BGHSt 1, S. 332 ff.; 7, S. 112 ff. (114); 45, S. 270 ff. (294 f.). 200 Jescheck/Weigend, S. 284; LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 54, 60; MK-Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 306; Roxin, AT I, § 11 Rn. 7 ff.; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 39; Wessels/ Beulke, Rn. 156; kritisch Puppe, S. 71, welche die Handlung als hinreichende Mindestbedingung für den Eintritt des Erfolges genügen lässt. 201 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 f.; Leymann (1993), S. 31 f.; Niedl, S. 54; Wolmerath, Rn. 34. 202 Wolmerath, Rn. 34.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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schen Gesundheitsschäden hervorrufen.203 In einigen Fällen ist es zwar eine bestimmte, dem Mobbingprozess zugehörige sog. Auslöserhandlung, die „das Fass zum Überlaufen“ bringt, doch die alleinige Vornahme dieser Handlung hätte meist nicht zu dem eingetretenen Erfolg geführt, wenn der Betroffenen nicht bereits vorher Mobbingangriffen ausgesetzt gewesen wäre. Derartige Konstellationen, in denen nicht eine einzelne Handlung zu dem eingetretenen Erfolg führt, sondern erst mehrere selbständige Handlungen durch ihr Zusammenwirken, werden unter dem Rechtsbegriff kumulativer Kausalität eingeordnet.204 Die Rechtsprechung spricht von kumulativer Kausalität sowohl in den Fällen, in denen die kumulativ wirkenden Handlungen von unterschiedlichen Personen unabhängig voneinander vorgenommen werden, als auch dann, wenn alle ursächlichen Handlungen ausschließlich durch eine Person erfolgen.205 Im Schrifttum206 werden letztere Konstellationen dagegen teilweise als fortwirkende oder mitwirkende Kausalität bezeichnet. Dass der Körperverletzungserfolg im Verlauf eines Mobbingprozesses durch kumulativ wirkende Verhaltensweisen herbeigeführt wird, erlangt auf Kausalitätsebene für die rechtliche Beurteilung der Strafbarkeit des Mobbenden keine wesentliche Bedeutung, denn nach der Äquivalenztheorie ist jede einzelne Handlung, auch wenn sie den Erfolg nur im Zusammenwirken mit anderen Handlungen herbeiführt und daher nicht alleinursächlich, sondern lediglich mitursächlich ist, als Ursache für den Erfolg zu bewerten, weil es nicht auf die Gesamtheit aller Handlungen die zum Erfolg führen ankommt, sondern immer nur auf den Zusammenhang einer Handlung mit dem Erfolg.207 Ebenso ist es für die Frage der Kausalität unerheblich, dass sich die Mobbinghandlungen hinsichtlich des Grades der Beeinträchtigung des Betroffenen und des ihnen anhaftenden Unrechts teilweise stark unterscheiden,208 weil alle ursächlichen Handlungen gleichwertig sind und eine Abgrenzung zwischen strafrechtlich irrele203 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 ff.; Wolmerath, Rn. 34; Zapf, ZfAO 1999, S. 11 f., 21; siehe auch die Übersicht im Ersten Kapitel über die häufigsten Mobbinghandlungen A. II. 5. a); ferner Leymann (1993), S. 33 f.; Zuschlag, S. 236; Esser/Wolmerath, S. 26 f.; Knorz/Zapf, S. 16. 204 Baumann/Weber/Mitsch, § 14 Rn. 37; MK-Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 315; SKRudolphi, vor § 1 Rn. 51a; Wessels/Beulke, Rn. 157. 205 BGH NJW 1989, S. 2479 ff. (2480). 206 Kühl, § 4 Rn. 34; Küpper, JuS 1990, S. 184 ff. (185); SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 51. 207 RGSt 76, S. 82 (87); Freund, § 7 Rn. 133; Jescheck/Weigend, S. 277; Köhler, AT, S. 141; LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 57; MK-Freund, vor §§ 13 Rn. 315; Sch/SchLenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 83; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 51a; Kassationshof der Schweiz Urteil 6 S.71/2003/pai vom 26.08.2003 zur Strafbarkeit eines Stalkers wegen Nötigung; a. A. Obergericht des Kantons Aargau der Schweiz 2. Strafkammer vom 21.01.2003, S. 28. 208 Siehe zu der Vielfältigkeit der potentiellen Mobbinghandlungen die Ausführungen im Ersten Kapitel A. II. 5. a).

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

vanter und relevanter Kausalität nach der Äquivalenztheorie nicht vorgenommen wird.209 Erst auf der Ebene der objektiven Zurechnung kann es für die rechtliche Beurteilung des Verhaltens des Mobbenden ausschlaggebend sein, dass der Körperverletzungserfolg erst durch den Kumulationseffekt mehrerer Handlungen hervorgerufen wird und nicht allein auf einer einzelnen Mobbinghandlung beruht und dass sich das Mobbinggeschehen aus in ihrem Unrechtsgehalt unterschiedlichen Mobbinghandlungen zusammensetzt. Auf der Ebene der Kausalität kommen in der Praxis allerdings Beweisprobleme auf, wenn danach gefragt wird, welche konkrete Handlung des Gesamthandlungskomplexes tatsächlich den Erfolg mit verursacht hat. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich das Mobbinggeschehen, wie sehr oft, aus unzähligen, sich über einen langen Zeitraum verteilenden Mobbinghandlungen zusammensetzt. Dazu folgendes Beispiel: Der Vorgesetzte des A schikaniert und beleidigt diesen ständig, gibt ihm stets die schlechtesten Arbeiten, kritisiert ihn mehrmals unbegründet und über das normale Maß hinaus, indem er ihn anschreit, stellt ihn vor den anderen Arbeitskollegen bloß und fordert diese auf, sich mit dem A nicht mehr abzugeben. Daraufhin erleidet A nach einiger Zeit heftige Depressionen, Schlafstörungen und nicht mehr aufhörende Kopfschmerzen. Fest steht, dass durch das Verhalten des Vorgesetzten der Erfolg herbeigeführt worden ist, unklar dagegen, ob alle der unzähligen Mobbinghandlungen für die Gesundheitsschäden des B kausal waren oder ob einige von ihnen, und wenn ja welche, für den eingetretenen Erfolg nicht ursächlich waren. Für die Kausalität muss jegliche vernünftige Möglichkeit eines anderen Bedingungszusammenhangs ausgeschlossen sein. Soweit das nicht gelingt, muss die Kausalität verneint und bei Zweifeln der Grundsatz in dubio pro reo Anwendung finden. Steht der Betroffene nur einem Mobbenden gegenüber, kann den Beweisschwierigkeiten über das Rechtsinstitut der Wahlfeststellung entgegengetreten werden, so dass sich die Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Feststellung der Kausalität im wesentlichen bei der Beteiligung mehrerer möglicher Täter ergeben werden.210 Ferner wird sich in vielen Mobbingprozessen eine Mobbinghandlung finden, die als „Auslöserhandlung“ in Betracht kommt, indem durch ihren Vollzug die durch das vorherige Mobbinggeschehen hervorgerufene, angespannte psychische Angeschlagenheit des Betroffenen in psychosomatische Beschwerden oder Gesundheitsschäden umschlägt, so dass zumindest der Nachweis der Kausalität einer Handlung in problematischen Fällen erbracht werden kann. Die teilweise im Zusammenhang von Mobbing erhobene Behauptung, dass die Betroffenen dazu beigetragen haben, dass gegen sie Mobbing betrieben 209 BGHSt 1, S. 332 ff. (333); Jescheck/Weigend, S. 279; MK-Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 306; Roxin, AT I, § 11 Rn. 7; Wessels/Beulke, Rn. 156. 210 Köhler, AT, S. 142.

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wird und der damit verbundene oftmals unberechtigte Vorwurf, aufgrund ihrer instabilen psychischen Konstitution und geringen Widerstandsfähigkeit den Angriffen nicht Stand halten zu können, spielen auf Kausalitätsebene ebenfalls keine Rolle, weil das Kausalitätserfordernis auch dann verwirklicht ist, wenn der Erfolg nur aufgrund der besonderen Konstitution des Opfers eintritt.211 d) Zwischenfazit Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass es für die rechtliche Beurteilung von Mobbing im Zusammenhang mit den Körperverletzungsdelikten typisch ist, dass die psychische Angeschlagenheit des Betroffenen und die sich darin begründenden erheblichen Folgen für das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit nicht unmittelbar durch eine einzelne, sondern durch mehrere kumulativ vorwiegend psychisch wirkende selbständige Mobbinghandlungen hervorgerufen werden. Hat der Täter bereits mit dem Mobbingverhalten begonnen und hört mit diesem, sei es, weil beispielsweise der Vorgesetzte erfolgreich in das Mobbinggeschehen eingreift oder der Mobbende selbst durch eigene Einsicht seine Angriffe niederlegt, bevor der tatbestandliche Körperverletzungserfolg eingetreten ist, auf, kommt lediglich eine Versuchstrafbarkeit in Betracht.212 Für die Versuchsstrafbarkeit ist aber entscheidend, dass der Mobbende mit Körperverletzungsvorsatz handelt, er also damit rechnet, dass er sein Ziel – zum Beispiel die Eigenkündigung des Betroffenen – erst nach Eintritt von körperlichen oder gesundheitlichen Schäden erreicht und sich damit abfindet. Selbst wenn ein solcher Vorsatz besteht, wird dieser aber oftmals in der Praxis schwer zu beweisen sein. e) Einschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit anhand normativer Gesichtspunkte aa) Einleitung Die Grenzen, innerhalb derer eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für einen bestimmten eingetretenen Erfolg möglich ist, werden durch die Äquivalenztheorie sehr weit gezogen. Da nach ihr alle Bedingungen kausal sind, die mit dem tatbestandsmäßigen Unrechtserfolg in einem kausalgesetzlichen Zusammenhang stehen, führt sie ins Unendliche. Aufgrund dieser Uferlosigkeit besteht heute Einigkeit darüber, dass ihre Ergebnisse einer Korrektur bedürfen. Umstritten ist dagegen, auf welchem Weg und auf welcher Ebene die Berichtigung vorzuneh211 RGSt 54, S. 349; BGHSt 14, S. 52 ff.; MK-Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 317; Wessels/Beulke, Rn. 163. 212 Vgl. dazu grundlegend LK-Hillenkamp, vor § 22 Rn. 11 ff.; § 22 Rn. 10 ff.

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men ist. Der überwiegende Teil der Literatur greift auf objektiver Tatbestandsebene auf normative, den Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens begründende Kriterien zurück. Damit stehen diese Auffassungen im Widerspruch mit der Rechtsprechung213, welche die Ausuferung der Äquivalenztheorie vorwiegend über den Weg des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit eindämmt. bb) Die Lehre von der Sozialadäquanz als normatives Tatbestandskorrektiv? (1) Einführende Erläuterungen Eine Möglichkeit, das strafrechtliche Handlungsunrecht näher zu bestimmen, wird aber vereinzelt auch in den Grundsätzen der Lehre von der Sozialadäquanz gesehen. Stimmen innerhalb des Schrifttums214, die sich mit der (straf)rechtlichen Bewertung von Mobbing auseinandersetzen, greifen auf diese Lehre zurück und begründen damit die Straflosigkeit des Mobbenden in nicht wenigen Fällen, insbesondere in denjenigen, welche die gesellschaftliche Ausgrenzung zum Gegenstand haben. Auch Wolmerath215, der zwar für die Mobbingproblematik für eine Ausnahme von der Lehre der Sozialadäquanz plädiert und dadurch zur Strafbarkeit des Mobbenden gelangen will, geht zunächst von der Sozialadäquanz des Verhaltens in einigen Mobbingkonstellationen aus. Daher soll auch in dieser Arbeit auf die Relevanz der Lehre von der Sozialadäquanz für die rechtliche Beurteilung von Mobbing näher eingegangen und danach gefragt werden, ob diese Lehre tatsächlich als Grundlage zur Beurteilung von einzelnen Fällen dienen kann. Nach der von Welzel begründeten Lehre von der Sozialadäquanz werden Handlungen, die sich innerhalb der geschichtlich gewordenen sozialethischen Ordnung des Gemeinschaftslebens bewegen und von dieser gestattet werden, von den Deliktstatbeständen nicht umfasst, selbst wenn sie mit Gefahren für strafrechtlich geschützte Güter verbunden sind.216 Umstritten ist ihre dogmati213

RGSt 61, S. 320; BGHSt 4, S. 182; 12, S. 75 (78). Dieball, BB 1996, S. 483 f.; Däubler, BB 1995, S. 1347 ff.; Esser/Wolmerath, S. 209; Gralka, BB 1995, S. 2651 ff. (2654); Spamer, 106 ff.; Wolmerath, Rn. 69; siehe dazu auch das Urteil des ArbG Köln vom 09.07.2002, Az.: 6 Ca 3274/02 wo Mobbing als generell hinzunehmendes sozialadäquates Verhalten bezeichnet wir (im Internet veröffentlicht unter: www.euro-antimobbing.org). 215 Wolmerath, Rn. 69. 216 Welzel, ZStW 58 (1939), S. 516 f.; BGHSt 23, S. 226 ff. (228); Jescheck/Weigend, S. 251; Zipf, ZStW 82 (1970), S. 639; siehe auch BGHSt 7, S. 268 ff. (271); 19, S. 152 ff. (154); 23, S. 226 ff. (228); siehe zu den verschiedenen Vorschlägen die „Welzelsche“ Formel zu konkretisieren und durch weitere Kriterien auszubauen Schaffstein, ZStW 72 (1960), S. 378; Zipf, ZStW 76 (1964), S. 633; Peters, FS-Welzel, S. 426 f. 214

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sche Einordnung. Teilweise wird die Sozialadäquanz als Tatbestandsausschließungs-/einschränkungs-217, als Rechtfertigungs-218, Entschuldigungsgrund219 oder als Leitlinie restriktiver, tatbestandsverengender Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale220 anerkannt. Innerhalb des Schrifttums, das sich der rechtlichen Aufarbeitung von Mobbing annimmt, wird – mit Ausnahme von Däubler – der Lehre von der Sozialadäquanz auf Tatbestandsebene ihre Bedeutung zuerkannt, indem in einigen Mobbingkonstellationen das davon umfasste Verhalten aufgrund seiner Sozialadäquanz für tatbestandslos erklärt wird.221 Däubler222 dagegen erkennt der Lehre von der Sozialadäquanz ihre Bedeutung innerhalb des „erlaubten Risikos“223 auf Rechtfertigungsebene zu. Er verkennt dabei aber, dass es eine Frage des Tatbestandes ist, ob das jeweilige Verhalten überhaupt einen strafrechtlich relevanten Verhaltensunwert impliziert, weil der Tatbestand das deliktstypische Unrecht umschreibt.224 Die Rechtswidrigkeit dient – abgesehen von den §§ 240, 253 StGB – der Entkräftung des bestehenden und vorher zu begründenden Verhaltensunwertes. Dieser besteht aber dann bereits nicht, wenn das Verhalten von der Allgemeinheit gebilligt und vollkommen unverdächtig eingeordnet wird, wie es die Lehre von der Sozialadäquanz bezweckt. In dem Sinne kann die Lehre von der Sozialadäquanz – vorausgesetzt, es wird ihr eine selbständige Funktion zuerkannt – einzig ihre rechtliche Bedeutung auf Tatbestandsebene erhalten.225 217 Welzel, ZStW 58 (1939), S. 514 ff.; Maurach/Zipf, AT/1, § 17 Rn. 14, 21; Stratenwerth/Kuhlen, § 8 Rn. 30 f.; Tröndle/Fischer, vor § 32, Rn. 12; Zipf, ZStW 82 (1970), S. 650; die Lehre von der Sozialadäquanz als Leitlinie restriktiver, tatbestandsverengender Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale anerkennend: Baumann/ Weber/Mitsch, § 16 Rn. 35; Jescheck/Weigend, S. 251; siehe auch Klug, der die einschlägigen Sachverhalte in sozialkongruentes und sozialadäquates Verhalten unterteilt. Wobei er ersteres als Tatbestandsausschließungsgrund und letzteres als Rechtfertigungsgrund anerkennt. 218 So vorübergehend auch Welzel: Das deutsche Strafrecht, 4. Auflage, S. 69; Schmidhäuser, S. 298 ff.; siehe die Kritik von Roxin, FS-Klug, S. 306 f. 219 Roeder, S. 77 f.; siehe dazu kritisch Roxin, FS-Klug, S. 308 f. 220 Baumann/Weber/Mitsch, § 16 Rn. 35; Jescheck/Weigend, S. 251. 221 Innerhalb der Literatur, die sich mit dem Thema Mobbing auseinandersetzt, für die Relevanz der Lehre von der sozialen Adäquanz bereits auf Tatbestandsebene ist auch Gralka, BB 1995, S. 2652 f.; Stock, S. 185; Wolmerath, Rn. 68 f. 222 Däubler, BB 1995, S. 1348; ders., S. 79 f. 223 Das erlaubte Risiko ist kein selbständiger Rechtfertigungsgrund sondern wird auf Rechtswidrigkeitsebene teilweise nur als gemeinsames Strukturprinzip verschiedener Rechtfertigungsgründe gedacht, siehe dazu Jescheck/Weigend, S. 401; LK-Hirsch, vor 32 Rn. 33; Sch/Sch-Lenckner, vor §§ 32 ff. Rn. 107b. 224 Maurach/Zipf, AT/1, § 17 Rn. 21; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 43 ff. (45); Wessels/Beulke, Rn. 118 f. 225 So auch Baumann/Weber/Mitsch, § 14 Rn. 35; Jescheck/Weigend, S. 251; Maurach/Zipf, AT/1, § 17 Rn. 21; Peters, FS-Welzel, S. 425 ff.; Roxin, AT I, § 10 Rn. 37; ders., FS-Klug, S. 306 ff.; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 70 und vor §§ 32 ff. Rn. 107a.

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(2) Mobbing – Sozialadäquates Verhalten? Das rechtswissenschaftliche Schrifttum226, welches sich mit den rechtlichen Folgen von Mobbing näher auseinandersetzt, würdigt Mobbingkonstellationen, in denen sich das Mobbinggeschehen durch gesellschaftlich ausgrenzendes und dem Aufkündigen mitmenschlichen Respekts mittels unhöflichen, unkooperativen Verhaltens auszeichnet, als sozialadäquates Verhalten und erklärt es damit für straflos. In derartigen Fällen wird der Betroffene beispielsweise ignoriert, mit ihm wird nicht mehr gesprochen, es wird auf seine Fragen nicht geantwortet oder er wird wie Luft behandelt. Ferner werden Konstellationen darunter gezählt, in denen sich der Mobbende über eine Behinderung, die Nationalität und das Privatleben des Betroffenen lächerlich macht oder dessen Gang, Stimme oder Gesten imitiert, um ihn lächerlich zu machen.227 Ebenso sollen Handlungen, wie die ungerechte Verteilung von Arbeitsaufgaben und Kopfschütteln statt klärender Worte beispielhaft als sozialadäquates Mobbingverhalten gelten. Als Veranschaulichung für derartige Mobbingfälle wird auf den Beispielsfall A Variante B hingewiesen.228 Das Selbstverständnis, mit dem Mobbing auf diese Art und Weise als sozialadäquat eingeordnet wird, ist nicht nachvollziehbar. Zwar muss den Auffassungen Recht gegeben werden, dass das in der Diskussion stehende Verhalten außerbetrieblich und isoliert betrachtet nach der Lehre von der Sozialadäquanz überwiegend als sozialadäquat bezeichnet werden kann, weil es im gesellschaftlich normalen Bereich liegt, wenn ein Mensch einem anderen gegenüber keine Sympathie empfindet und daher ihm gegenüber nicht die allgemeinen Höflichkeitsanforderungen des sozialen Lebens einhält. Bei der Entscheidung, welche Verhaltensformen aus den geschichtlich gewachsenen Ordnungen des Soziallebens schwerwiegend herausfallen, muss jedoch der Gesamtkontext, in den sich das Verhalten einreiht – zumindest bis zu den Umständen, aus deren Vorliegen auf den Eintritt des Erfolges geschlossen werden kann – Berücksichtigung finden, weil ansonsten unsachgemäße und rechtlich nicht vertretbare Ergebnisse erzielt werden.229 Ein Handschlag zur Begrüßung ist unter normalen Umständen unstrittig als sozialadäquat einzuordnen. Ist dagegen einer von den sich Grüßenden mit einer übertragbaren Krankheit infiziert, führt dieser Umstand dazu, dass der zur Begrüßung eingesetzte Handschlag nicht mehr sozialadäquates Verhalten darstellt. 226 Siehe dazu vor allem Wolmerath, Rn. 68 f.; ferner Dieball, BB 1996, S. 483 f.; Däubler, BB 1995, S. 1347 ff.; Esser/Wolmerath, S. 209; Gralka, BB 1995, S. 2651 ff. (2654); Spamer, S. 106 ff.; Wolmerath, Rn. 69. 227 Siehe dazu Wolmerath, Rn. 68. 228 Siehe dazu in diesem Kapitel Gliederungspunkt B. II. 4. a). 229 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 237; Jakobs, ZStW 89 (1977), S. 4 f.; Daxenberger, S. 81.

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Wird im Rahmen der rechtlichen Beurteilung von Mobbing der Kontext, in den sich die Mobbinghandlungen eingefügt haben, berücksichtigt, können sich hinsichtlich der Frage nach deren sozialadäquatem Charakter im Gegensatz zur isolierten Betrachtung der Mobbinghandlungen zu Ungunsten der Sozialadäquanz abweichende Ergebnisse herausstellen. Zum einen begründet sich die unterschiedliche Bewertung damit, dass sich das Verhalten am Arbeitsplatz und nicht im Privatleben abspielt. Was im außerbetrieblichen Umgang als normal bzw. als von der Gesellschaft akzeptiert und somit sozialadäquat anzusehen ist, muss am Arbeitsplatz nicht auch als sozialadäquat gelten. Am Arbeitsplatz besteht oftmals keine Fluchtmöglichkeit, um den gesellschaftlich isolierenden Angriffen zu entgehen. Die Betroffenen sind in den meisten Fällen auf das kollegiale Miteinander angewiesen und von diesem abhängig. Der Entzug des zwischenmenschlichen Miteinanders und die Aufkündigung zwischenmenschlichen Respekts trifft sie daher zumeist schlimmer. Die Erwartungen an das gegenseitige Verhalten der Einzelnen am Arbeitsplatz sind daher höher als im Privatbereich, so dass der Umstand, dass Mobbing am Arbeitsplatz stattfindet, bei der Bewertung des Verhaltens auf seine Sozialadäquanz hin, zu berücksichtigen ist. Ferner ist im Zusammenhang mit Mobbing zu beachten, dass die oben genannten Handlungen, welche isoliert betrachtet als sozialadäquat eingeordnet werden, Teil eines systematischen, wiederholten, über einen längeren Zeitraum andauernden Vorgehens sind, welches sich zumeist gegen eine Person richtet, dieser das soziale Miteinander am Arbeitsplatz entzieht und zu einem unerträglichen Arbeitsklima beiträgt. Diesem Umstand muss bei der Entscheidung über die Sozialadäquanz bestimmten Mobbingverhaltens Rechnung getragen werden, weil sich das Verhalten dadurch von „normalen“ Konflikten, die durch ihre Einmaligkeit oder kurze Dauer gekennzeichnet sind, unterscheidet.230 Systematisches soziales Ausgrenzen aus einer Zwangsgemeinschaft wie der Arbeitsgemeinschaft, in welcher der Einzelne auf das zwischenmenschliche Miteinander angewiesen ist, durch wiederholte und über einen längeren Zeitraum andauernde Unhöflichkeiten, unkooperatives Verhalten, Ignorieren und Behandeln als ein nicht gleichwertiges Mitglied der Arbeitsgemeinschaft wird von der Gesellschaft und dem sozialen Umfeld bei Berücksichtigung des Gesamtkontexts nicht als normal, sondern als gesellschaftlich anstößig und somit als sozialinadäquat eingeordnet und nicht mehr nur als „gesellschaftlich tolerierte Belästigung“, die als unvermeidbares Lebensrisiko Geltung findet.231 Dieses Ergebnis bestätigt sich auch durch die immer häufiger vorkommenden Betriebsvereinbarungen und Verordnungen gegen Mobbing, in denen auch Mobbing in Form gesellschaftlich isolierenden, unfreundlichen und unkooperativen Verhaltens als nicht 230

Siehe auch Wolmerath, Rn. 69. So auch Stock, S. 185; i. E. auch Däubler, S. 80, der aber die Sozialadäquanz vor allem aufgrund der Zielgerichtetheit des Handelns ausschließen will. Weiter Esser/ Wolmerath, S. 209 f.; Wolmerath, Rn. 68 f. 231

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akzeptiertes und nicht hinnehmbares Verhalten umschrieben wird und betriebliche Folgen bei Zuwiderhandlung für die Mobbenden angekündigt werden. 232 Mobbing in Form gesellschaftlicher Isolierung mittels unhöflichen, unfreundlichen und unkooperativen Verhaltens wird daher in den überwiegenden Fällen, wenn man es in den Kontext der bereits erfolgten Mobbinghandlungen und der Bedingungen am Arbeitsplatz stellt, nicht als sozialadäquates Verhalten einzuordnen sein. Diese Auffassung dürfte im Ergebnis auch im Sinne von Wolmerath233 liegen, der das Mobbingverhalten zwar als sozialadäquat einordnet, doch fordert, dass die Lehre von der Sozialadäquanz ausnahmsweise keine Anwendung finden dürfe, weil diese für Normalfälle konstruiert wäre und Mobbing ein Ausnahmefall sei, dem die Lehre von der Sozialadäquanz mit ihren Ergebnissen nicht gerecht werden würde. Die Wiederholung, die Systematik und das gezielte Einsetzen der sozialadäquaten Handlungen seien ein Grund dafür, dass im Fall von Mobbing eine Ausnahme von dem Gedanken der Straffreiheit sozialadäquaten Handelns gemacht werden müsse.234 Nach hier vertretener Ansicht führen diese Gründe aber neben dem Umstand, dass sich das Geschehen am Arbeitsplatz abspielt, oftmals bereits zur Verneinung des sozialadadäquaten Charakters der Mobbinghandlungen, so dass es einer Ausnahme von der Lehre von der Sozialadäquanz im Sinne einer interessengerechten Lösung nicht bedarf. (3) Soziale Adäquanz versus objektive Zurechnung Darüber hinaus hat die Lehre von der Sozialadäquanz innerhalb des Strafrechts ihre selbständige Bedeutung heute verloren235 und sollte auch nicht für eine neue rechtliche Problematik – wie Mobbing – wieder aufgegriffen werden. Es ist insoweit unverständlich, dass innerhalb der rechtswissenschaftlichen Literatur zur Mobbingproblematik auf der Lehre von der Sozialadäquanz beharrt und ihr innerhalb der strafrechtlichen Bewertung von Mobbing eine so wesentliche Bedeutung beigemessen wird. Zuzustimmen ist, dass die Lehre von der Sozialadäquanz einen wichtigen Gedanken in das Strafrecht einbringt, indem sie das Ziel verfolgt, die Tatbestände auf deliktstypisches Unrecht zu beschrän232 Senatsrichtlinie „Partnerschaftliches Verhalten an der Universität Heidelberg“ in Kraft seit 01.10.2002 veröffentlicht unter: http://www.uni-heidelberg.de/intern/partner schaftliches-verhalten.html; Betriebsvereinbarung „Partnerschaftliches Verhalten“ des VW-Konzerns in Kraft seit 01.07.1996; weitere Betriebsvereinbarungen gegen Mobbing abgedruckt bei Wolmerath, 1. Auflage, S. 323 ff. 233 Wolmerath, Rn. 69, der den Gedanken von Däubler, BB 1995, S. 1348; ders., S. 80 aufnimmt; ähnlich auch Spamer, S. 116 ff. 234 Däubler, S. 80; Spamer, S. 116 f.; Wolmerath, Rn. 69. 235 Hirsch, ZStW 74 (1962), S. 1343 f. hält die Lehre von der Sozialadäquanz für überflüssig; Baumann/Weber/Mitsch, § 14 Rn. 35 und Roxin, AT I, § 10 Rn. 41 f. begrenzen ihre Relevanz auf die Auslegung.

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ken.236 In gleicher Weise hängt ihr aber der Makel an, dass sie die Rechtssicherheit gefährdet, indem sie zu unpräzise und unbestimmt ist.237 Die Kriterien der Sozialadäquanz, die sich an der Gesellschaft orientieren, unterliegen mit der Veränderung der Gesellschaft und deren moralischen und sittlichen Werten einem stetigen Wandel, so dass die Garantiefunktion des Strafrechts gefährdet wird. Ferner vereinigt die Lehre der Sozialadäquanz in sich die Gefahr, allgemein verbreitete Bräuche für tatbestandslos zu erklären und Entscheidungen über die Strafbarkeit des Täters in nicht mehr zu billigendem Umfang vom Rechtsgefühl abhängig zu machen.238 Trotz aller Zweifel an der Lehre von der Sozialadäquanz ist der Gedanke, der sie begründet – das menschliche Miteinander durch einen strafrechtsfreien Raum zu garantieren und zu ermöglichen und nicht jegliches Verhalten lediglich aufgrund seiner Erfolgsrelevanz dem Strafrecht zu unterstellen – für das Strafrecht unabdingbar. Ohne diesen notwendig in das Strafrecht einzubringenden Grundsatz wäre das zwischenmenschliche Miteinander und das soziale Leben unter dem Damoklesschwert des Strafrechts zu stark eingeschränkt und damit die allgemeine Handlungsfreiheit in verfassungswidriger Art und Weise den Eingriffen des Staates ausgesetzt. Das Strafrecht als stärkster Eingriff in die Freiheitsrechte des Einzelnen muss aufgrund des zu beachtenden Verhältnismäßigkeitserfordernisses staatlicher Eingriffe einen Handlungsfreiraum für den Bürger gewährleisten.239 Es kann und darf daher nicht Sinn und Zweck des Strafrechts sein, allen verletzenden Einwirkungen vorzubeugen, sondern nur denjenigen, die für das Gemeinschaftsleben unerträglich sind.240 Diesem unverzichtbaren Gedanken der notwendigen Haftungsbegrenzung wird zum einen in großem Maße bereits durch allgemeine Auslegungsregeln, insbesondere durch die teleologische Reduktion der Tatbestände nachgekommen, indem Verhaltensweisen, die zwar vom Wortlaut der Norm, aber vernünftigerweise nach der rechtsgutsbezogenen ratio des Delikts nicht vom Tatbestand umfasst werden.241 Zum anderen wird Sachverhalten, welche innerhalb der Lehre von der Sozialadäquanz, wie Mobbing in oben aufgezeigter Form, diskutiert werden, heute 236

Roxin, FS-Klug, S. 304, 310; ders., AT I, § 10 Rn. 42. Baumann/Weber/Mitsch, § 16 Rn. 35; Eser, FS-Roxin, S. 205 f.; Jakobs, ZStW 89 (1977), S. 5; Roxin, FS- Klug, S. 304; ders., AT I, § 10 Rn. 38 f. 238 Hirsch, ZStW 74 (1962), S. 93; Jescheck/Weigend, S. 253; Roxin, AT I, § 10 Rn. 38 ff. 239 BVerfGE 39, S. 1 ff. (47); so auch Rath, S. 19 f. aus dem Sinn und Zweck des positiven Rechts ableitend. 240 Günther, JuS 1978, S. 12 f.; Schmidhäuser, S. 28 f.; siehe auch BVerfGE 45, S. 187 ff. (253); Jescheck/Weigend, S. 7. 241 Zur einschlägigen systemimmanenten Funktion der Rechtsgutslehre m. w. N. Gaede, in: Die Rechtsgutstheorie, S. 183 ff. 237

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durch die im Schrifttum herrschende Lehre von der objektiven Zurechnung genüge getan. Denn danach wird mit präziseren, am Rechtsgut orientierten und damit im Sinne der Rechtssicherheit vorzugswürdigen Kriterien der Weg vom Erfolgsunrechtsstrafrecht über die Bestimmung des Handlungsunrechts hin zur Gewährleistung eines strafrechtsfreien Raums geebnet, indem gefordert wird, dass der Täter durch sein Verhalten eine rechtliche erhebliche Gefahr, die sich im konkreten Erfolg verwirklicht hat, schaffen muss.242 Dadurch wird auf Tatbestandsebene das strafbare Unrecht mittels objektiven Kriterien eingeschränkt. Die Lehre von der objektiven Zurechnung hat den Gedanken der Sozialadäquanz in sich aufgenommen und weiterentwickelt.243 Sie ist heute das überwiegend anerkannte Instrument, welches das deliktstypische Handlungsunrecht bestimmt und die Kriterien vorgibt, welche aus einer kausalen eine tatbestandsmäßige Handlung machen.244 Die Lehre von der Sozialadäquanz verliert daher ihre selbständige Notwendigkeit als Tatbestandskorrektiv, weil dem von ihr verfolgten notwendigen Gedanken der Strafbarkeitsbegrenzung und der Begrenzung des Tatbestandes auf deliktstypisches Unrecht durch die teleologische Auslegung der Tatbestände und der Lehre von der objektiven Zurechnung genüge getan wird.245 (4) Zwischenfazit Der Mobbingprozess, der sich durch das systematische und wiederholte Vorgehen kennzeichnet, der „Tatort“ Arbeitsplatz und die Umstände, in welche die einzelnen Mobbingangriffe eingebettet sind, können ihnen einen sozialinadäquaten Charakter verschaffen. Mit der Einordnung von Handlungen, die Teil eines Mobbingprozesses sind, als sozialadäquat ist daher Zurückhaltung geboten. Es handelt sich bei Handlungen, die einem Mobbingprozess angehören, aufgrund des Kontexts, in den sie sich einordnen, oftmals nicht um sozialadäquates, sondern vielmehr um sozialinadäquates Verhalten. Ferner bedarf es eines Rück242 Jescheck/Weigend, S. 287; Lackner/Kühl, vor § 13 Rn. 14; Roxin, AT I, § 11 Rn. 47; ders., FS-Honig (1970), S. 135 ff.; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 92; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 57; Wessels/Beulke, Rn. 179. 243 Roxin, AT I, § 10 Rn. 38; Schünemann, GA 1999, S. 211, 227; Wolter, GA 1977, S. 262. 244 Jakobs, AT, 7. Abschnitt Rn. 35 ff.; Jescheck/Weigend, S. 277; LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 64, 66; MK-Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 163 ff.; Roxin, FS-Honig (1970), S. 133 ff.; ders., AT I, § 11 Rn. 44 ff.; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 84, 91 ff. 245 Siehe auch Hirsch, ZStW 74 (1962), S. 133 f.; Roxin, FS-Klug, S. 313; ders., AT I, § 10 Rn. 42; so auch Baumann/Weber/Mitsch, § 16 Rn. 35; teilweise wird der Lehre von der Sozialadäquanz noch eine Nebenfunktion beigemessen, indem sie vereinzelt als Auslegungsbehelf dienen soll (Baumann/Weber/Mitsch, § 14 Rn. 35; Sch/ Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 70).

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griffs auf die Lehre von der Sozialadäquanz als selbständiges Tatbestandskorrektiv und somit einer Inkaufnahme ihrer Schwachstellen nicht, weil der Gedanke der Sozialadäquanz mit der Lehre von der objektiven Zurechnung heute überholt ist und keine selbständige Bedeutung mehr einnimmt. Insofern ist im Rahmen der rechtlichen Bewertung von einzelnen Mobbingfällen auch keine Ausnahme von der Lehre der Sozialadäquanz, wie sie Wolmerath fordert, notwendig. Die Frage nach der Strafbarkeit des Mobbenden ist somit nicht anhand der Lehre von der Sozialen Adäquanz zu entscheiden, sondern ist vielmehr an den Kriterien zu messen, welche die Lehre von der objektiven Zurechnung für die Unrechtsbegründung erfordert. cc) Die Lehre von der objektive Zurechnung Die Lehre von der objektiven Zurechnung, der von der herrschenden Auffassung im Schrifttum246 Gefolgschaft geleistet wird, schränkt die strafrechtliche Verantwortlichkeit auf objektiver Ebene des Tatbestandes ein, indem sie ergänzend fordert, dass dem Täter der Erfolg auch „objektiv zurechenbar“ sein muss. Objektiv zurechenbar ist der Erfolg, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr247 geschaffen hat, die sich im eingetretenen Erfolg verwirklicht hat.248 Die Lehre von der objektiven Zurechnung zeichnet sich insbesondere durch ihren normativen Charakter aus, indem sie durch wertende Leitkriterien die Verantwortlichkeit des Täters für den Erfolg bestimmt.249 Sie gilt für Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikte und muss deshalb sowohl bei der Strafbarkeit des Täters wegen vorsätzlicher, als auch wegen fahrlässiger Körperverletzung Beachtung finden.250 246 Jakobs, AT, 7. Abschnitt Rn. 35 ff.; Jescheck/Weigend, S. 277; LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 64, 66; MK-Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 163 ff.; Roxin, FS-Honig (1970), S. 133 ff.; ders., AT I, § 11 Rn. 47 ff.; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 84, 91 ff.; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 57; Stratenwerth/Kuhlen, § 8 Rn. 25 ff.; Wessels/ Beulke, Rn. 176 ff.; a. A. Baumann/Weber/Mitsch, § 14 Rn. 100; Kaufmann, FS-Jescheck, S. 251, (259 ff.); Küpper, Grenzen der normativen Strafrechtsdogmatik, 1990, S. 83 ff., 100 ff., welche die Lehre von der objektiven Zurechnung für überflüssig halten. Ebenso Hirsch, FS-Lenckner, 1998, S. 119 ff.; S. 131 ff. (138), der aber mittlerweile einräumt, dass ohne objektive Einschränkung nicht auszukommen sei, die objektive Zurechnung aber die dafür notwendigen Kriterien nicht stelle. 247 Teilweise wird auch aus Genauigkeitsgesichtpunkten von rechtlich „missbilligter“ oder „verbotener“ Gefahr gesprochen. Siehe zu dieser Terminologie die berechtigte Kritik von Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 92. 248 Jescheck/Weigend, S. 287; Lackner/Kühl, vor § 13 Rn. 14; Roxin, AT I, § 11 Rn. 47; ders., FS-Honig (1970), S. 135 ff.; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 92; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 57; Wessels/Beulke, Rn. 179; siehe auch Frisch, S. 33 ff., der das Erfordernis der Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr als Element der objektiven Zurechnung für überflüssig hält, weil es bereits innerhalb des tatbestandsmäßigen Verhaltens Geltung erlangt. 249 Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 91; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 55.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

(1) Schaffen einer rechtlich relevanten Gefahr mittels Mobbing (a) Unproblematische Mobbingfälle Grundlage der objektiven Zurechnung ist zunächst die Erkenntnis, dass unter bestimmten Bedingungen und Umständen nahezu jedes Verhalten Folgen für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter nach sich ziehen kann.251 Die verfassungsrechtlich gewährleistete Handlungsfreiheit begründet die Notwendigkeit, zwischenmenschliches Miteinander nicht übermäßig strafrechtlichen Sanktionen zu unterstellen und macht es erforderlich, erhöhte Anforderungen an erfolgsherbeiführendes Verhalten zu stellen, damit es strafrechtlich relevant ist.252 Diesem Erfordernis kommt die Lehre von der objektiven Zurechnung nach, indem der Täter durch sein Verhalten nicht nur irgendeine Gefahr begründen, sondern diese Gefahr im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut auch rechtlich erheblich sein muss. Dadurch sollen zum einen Handlungen, die nach allgemeinem Rechtsverständnis trotz Gefahrschaffung nicht strafrechtlich relevant sein dürfen, außerhalb des strafrechtlichen Verantwortungsbereichs bleiben und die Haftung für Zufall ausgeschlossen und zum anderen ein von der verfassungsrechtlich geschützten Handlungsfreiheit gewährleisteter strafrechtsfreier Raum geschaffen werden.253 Es soll nicht verboten sein, ein allgemeines Lebensrisiko herbeizuführen.254 Entscheidend ist daher stets, ob die vom Täter begründete Möglichkeit des konkreten erfolgsverursachenden Kausalverlaufs rechtlich erheblich ist, es dem Täter also gerade zur Vermeidung des konkreten Erfolgseintritts rechtlich verboten war, seine konkrete, den Kausalverlauf auslösende Handlung vorzunehmen. Das Erfordernis einer „rechtlich erheblichen Gefahr“ weist selbst aber kein materiell-normatives Substrat auf, aus welchem sich eine Konkretisierung der Grenze, ab deren Überschreitung die Rechtserheblichkeit eintreten soll, ergibt.255 Es stellt vielmehr eine ausfüllungsbedürftige Hülse dar, deren Konkretisierung aus dem Sinn und Zweck strafrechtlicher Normen abzuleiten und unter Abwägung der gegenüberstehenden Interessen zu beurteilen ist.256 In der Praxis 250 Roxin, AT I, § 11 Rn. 49; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 92; SKRudolphi, vor § 1 Rn. 57; Schünemann, GA 1999, S. 220, der aber bei den Fahrlässigkeitsdelikten an den Zurechnungsmaßstab strengere Anforderungen knüpft. 251 Frisch, 72; ders., FS-Roxin, S. 222. 252 BVerfGE S. 1 ff. (49); Binding, Normen IV, S. 433 f.; Frisch, S. 72; ders., FSRoxin, S. 222; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 92; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 57; siehe dazu auch Welzel, ZStW 58 (1939), S. 515 f. 253 Roxin, AT I, § 11 Rn. 55; Schünemann, GA 1999, S. 213 f.; siehe auch Frisch, FS-Roxin, S. 222 ff.; Preuß, S. 213. 254 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 386 ff.; NK-Puppe, vor § 13 Rn. 236; Stratenwerth/Kuhlen, § 8 Rn. 28. 255 Rath, S. 42 f.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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haben sich zwei Gruppen herausgebildet, bei denen die Schaffung einer rechtlich erheblichen Gefahr verneint wird. Die erste Gruppe umfasst Handlungen, die sozial normal und generell ungefährlich sind und im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Handlungsfreiheit kein deliktstypisches Unrecht schaffen können, was dazu führt, dass dem mit ihnen verbundenen Risiko die rechtliche Relevanz fehlt.257 Die zweite Gruppe kennzeichnet sich durch Handlungen, welche zwar an sich deliktstypisches Unrecht schaffen, bei denen aber besondere Umstände das Handeln als nicht rechtlich relevant qualifizieren.258 Unter die letzte Gruppe fallen beispielsweise Handlungen, die unter dem Stichwort „Risikoverringerung“ Aufnahme in die wissenschaftlichen Abhandlungen gefunden haben.259 Innerhalb der strafrechtlichen Beurteilung von Mobbing im Hinblick auf die Körperverletzungsdelikte erlangt vor allem die erste Gruppe, welche eine Abwägung zwischen der allgemeinen Handlungsfreiheit und dem zu schützenden Rechtsgut impliziert, Bedeutung. Die Vielfalt und der unterschiedliche Unrechtscharakter der potentiellen Mobbinghandlungen erfordern eine Differenzierung bei der Antwort auf die Frage, ob eine rechtlich relevante Gefahr durch das Mobbingverhalten geschaffen wird. Mobbinghandlungen wie Drohungen oder direkte Gewalt bringen insoweit keine Schwierigkeiten mit sich, weil sie nicht mehr im Rahmen gesellschaftlich tolerierbarer Verhaltensweisen liegen. Das gleiche gilt für Mobbingkonstellationen, die sich aus Mobbinghandlungen zusammensetzen, die nicht einen unmittelbaren, sondern mittelbaren Angriff auf die körperliche Unversehrtheit oder Gesundheit darstellen und in sich ein erhöhtes Unrecht tragen. Beispielsweise sei an dieser Stelle wiederum auf den „Münchner Polizistinnenfall“260 verwiesen, in dem das wiederholte Beleidigen, Äußern von entwürdigenden Ausdrücken und unberechtigter und überzogener Kritik die rechtlich erhebliche Gefahr für die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden der Polizistin geschaffen haben. Diese Handlungen sind nicht vom Rahmen sozial normalen Handelns und der verfassungsrechtlichen Handlungsfreiheit umfasst und daher von vornherein nicht als strafrechtlich völlig unverdächtig einzuordnen.

256

Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 92; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 62. Frisch, FS-Roxin, S. 222 ff.; Roxin, AT I, § 11 Rn. 55; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 57, 62; siehe auch BGHSt 23, S. 228. 258 LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 65. 259 Siehe dazu LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 65; Roxin, AT I, § 11 Rn. 53. 260 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 257

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

(b) Entzug gesellschaftlichen Miteinanders am Arbeitsplatz (aa) Problemdarstellung: Beurteilung der Einzelhandlung Die Antwort auf die Frage, ob der Mobbende auch tatsächlich eine rechtlich erhebliche Gefahr für das zu schützende Rechtsgut geschaffen hat, ist in Mobbingkonstellationen, die darauf gerichtet sind, den Betroffenen gesellschaftlich und sozial am Arbeitsplatz zu isolieren, auszugrenzen, das normale und gesellschaftlich erwartete zwischenmenschliche Miteinander zu entziehen und jegliche sozialen Kontakte zu unterbinden, dagegen nicht so eindeutig zu treffen. Der Mobbende bedient sich insofern vor allem Mobbinghandlungen, wie sie vorwiegend in der vierten Gruppe „Angriffe gegen die soziale Integration am Arbeitsplatz“ der „100 Mobbinghandlungen“ von Esser/Wolmerath aufgezählt werden: gezieltes Nichtgrüßen, Ignorieren, Nichteinhalten alltäglicher zwischenmenschlicher Höflichkeiten, Isolation aus der Arbeitsgruppe, Ignorieren von Fragen, Gesprächswünschen, Hilfeersuchen, Kooperationsangeboten, Ausschluss von gemeinsamen Aktivitäten, systematisches Fernhalten von Arbeitsbesprechungen oder sozialen Unternehmungen wie Betriebsfeiern, offensichtliches Freuen über Fehler des Betroffenen, Lächerlichmachen etc. Die bundesweite Repräsentativstudie über Mobbing aus dem Jahr 2002 kam zu dem Ergebnis, dass sich Mobbing in ca. 39 Prozent der Fälle durch derartige Verhaltensweisen charakterisiert. Gralka261 ist der Auffassung, dass Mobbing begangen auf diese Art und Weise am wirkungsvollsten sei. Wolmerath262 sieht das Besondere dieses Mobbingverhaltens darin, dass es umso stärker auf den Betroffenen wirkt, desto länger es andauert und umso mehr Personen sich an ihm beteiligen. Innerhalb der Literatur, die sich mit dem Thema Mobbing näher auseinandersetzt, wird bei der Diskussion um die strafrechtliche Relevanz dieser Fälle häufig auf den Beispielsfall von Däubler263 zurückgegriffen, der auch hier der Veranschaulichung dienen soll: Fall A: Über den Sachbearbeiter X wird im Betrieb verbreitet, er sei vom Amtsgericht wegen Exhibitionismus bestraft worden. Seine Kollegen, die mit ihm denselben Raum teilen, und auch andere Kollegen behandeln ihn daraufhin wie Luft. Der Vorgesetzte weist ihm immer häufiger Problemfälle zu und schüttelt nur den Kopf, wenn X sie nicht lösen kann. Geht X in die Kantine, setzt sich niemand zu ihm; setzt er sich zu anderen an den Tisch, stehen diese auf und setzen sich an einen anderen Platz. Nach sechs Monaten wird X wegen Depressionen und psychosomatischen Störungen krankgeschrieben.

261 262 263

Gralka, BB 1995, S. 2654. Wolmerath, Rn. 68. Däubler, BB 1996, S. 483.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Ein anderes Beispiel zeigt Spamer264 auf: Fall B: In einem Großraumbüro arbeiten ausschließlich männliche Kollegen, die sich prächtig verstehen und öfter etwas zusammen unternehmen. Eines Tages wird A, die keine ernsthaften privaten Probleme hat, psychisch stabil ist und auch sonst im Leben steht, in die Abteilung der vier Männer versetzt. Diese ist den vier männlichen Kollegen sofort ein Dorn im Auge, sie fühlen sich in ihrer Männergemeinschaft gestört. Als A auch noch von ihrem Vorgesetzten Lob erhält, auf welches die vier Kollegen schon länger warten, beschließen sie, ihr das Leben am Arbeitsplatz zur Hölle zu machen, um A auf diese Weise wieder loszuwerden. Von nun an behandeln sie A wie Luft und reden kein Wort mehr mit ihr. Ausnahmen machen sie nur, wenn dies zur Bewältigung der betrieblichen Erfordernisse zwingend nötig ist. Fragt A beim Vorgesetzten nach, wie eine Arbeitsanweisung zu verstehen ist, schütteln die Vier den Kopf. Kritisiert der Vorgesetzte vereinzelt die Arbeit der A, grinsen sie die A zufrieden an. Blickkontakte werden streng vermieden. Kommt es dennoch zu Blickkontakten, sind die Blicke der Kollegen durchweg abwertender Natur. Betritt die A das Zimmer rümpfen sie die Nase. Am Anfang des Mobbingprozesses hält A dem Verhalten der Kollegen noch stand und tröstet sich damit, dass sie erst einmal mit den anderen „warm werden“ muss. Je länger das Angriffsverhalten der Kollegen sich hinzieht und dazu führt, dass A immer mehr aus der Arbeitsgemeinschaft ausgegrenzt wird, wandelt sich die am Anfang stehende Angespanntheit und Nervosität in massive Schlafstörungen, Magenschmerzen, Kopfschmerzen, andere psychosomatische Beschwerden und Depressionen. A verspürt an der Arbeit keine Freude mehr und fürchtet jeden neuen Arbeitstag. Aus Verzweiflung und Ohnmacht der Situation gegenüber kündigt sie ihr Arbeitsverhältnis, um den sie bedrückenden Angriffen zu entgehen. Die Kollegen haben damit ihr Ziel erreicht. Diese Beispiele zeigen, wie wichtig es für den Einzelnen in der Regel ist, als vollwertiges Mitglied in der ihn umgebenden sozialen Gemeinschaft anerkannt zu werden und von dem üblichen zwischenmenschlichen Miteinander nicht ausgesperrt zu sein. Sie werfen jedoch die Frage auf, ob dieses Verhalten eine rechtlich erhebliche Gefahr für das zu schützende Rechtsgut schafft. Der Mobbende geht in diesen Fällen mit Verhaltensweisen gegen den Betroffenen vor, die isoliert betrachtet lediglich der sittlichen, gesellschaftlich erwünschten Forderung nach höflichen und freundlichen Umgangsformen widersprechen und sich folglich als Risiken erweisen, die der soziale Kontakt mit sich bringen kann und daher im Sinne der Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit einer Strafbarkeit grundsätzlich entzogen bleiben müssen, selbst wenn sie im Ausnahmefall für eine Rechtsgüterverletzung ursächlich sind.265 Zwischen264 265

Spamer, S. 107 f. Roxin, § 11 Rn. 11; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 55

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

menschlicher Kontakt, dem ein Mensch, insbesondere wenn er am Arbeitsplatz mit Menschen zusammenarbeitet, nicht ausweichen kann, führt unausweichlich zu kleineren Feindseligkeiten, Unhöflichkeiten, Streitigkeiten und Disharmonien. Diese entstehen zumeist durch unterschiedliche Charaktere und Überzeugungen auf gesellschaftlicher, politischer oder religiöser Ebene. Das sich daraus ergebende Fehlen zwischenmenschlicher Kommunikation, freundlichen und höflichen Verhaltens lässt sich nicht erzwingen und kann nicht durch das Strafrecht als Verbotsrecht sanktioniert werden. Um das zwischenmenschliche Miteinander zu ermöglichen und die allgemeine Handlungsfreiheit – im Hinblick auf das Strafrecht als ultima ratio –266 nicht verfassungswidrig einzuschränken, müssen Verhaltensweisen, die lediglich der sittlichen, gesellschaftlich erwünschten Forderung nach höflichen und freundlichen Umgangsformen widersprechen und als zwischenmenschlich unumgänglich gelten, angesichts der verfassungsrechtlich gewährleisteten Handlungsfreiheit und dem Strafrecht als ultima ratio267 von der Strafe ausgeschlossen werden und können nicht Anknüpfungspunkt strafrechtlicher Folgen sein.268 Der Eintritt des tatbestandsmäßigen Körperverletzungserfolges infolge derartiger vereinzelt vorgenommener Handlungen beruht auf Verhaltensweisen, die für sich genommen nicht zur Begründung des in den Erfolgstatbeständen vorausgesetzten, objektiven (Handlungs-)Unrechts geeignet sind, weil sie Teil des sozialen Lebens sind, generell ungefährlich und das allgemeine Lebensrisiko rechtlich unerheblich erhöhen.269 Mobbinghandlungen in Form unhöflichen, unfreundlichen oder unkooperativen Verhaltens begründen daher an sich keine über das Maß des allgemeinen Lebensrisikos hinausgehende rechtlich erhebliche Gefahr und sind daher straflos. Dieses Ergebnis erscheint im Hinblick auf die gravierenden Folgen für das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit, welche durch den gezielten Entzug des gesellschaftlichen Miteinanders am Arbeitsplatz hervorgerufen werden können und bei Betrachtung der Gesamtumstände, welche die einzelne Handlung als Teil eines systematisch betriebenen Zerstörungsprozess erscheinen lassen, als nicht dem rechtsgutsschützenden Gedanken des Strafrechts entsprechend, welches den Einzelnen gerade vor Beeinträchtigungen seines körperlichen Wohlbefindens und seiner Gesundheit schützen will. Durch die systematische, wiederholte und dauerhafte Vornahme der beschriebenen Handlungen können diese in ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenwirken einen den Men266 BVerfGE 39, S. 1 ff. (47); 88, S. 203 ff. (258); 90, S. 145 ff. (172); LK-Jescheck, Einleitung Rn. 3. 267 BVerfGE 39, S. 1 ff. (47); 88, S. 203 ff. (258); 90, S. 145 ff. (172). 268 BGHSt 7, S. 268 ff. (271); 19, S. 152, 154; BGHSt 23, S. 228; Frisch, FS-Roxin, S. 222 f.; Jakobs, AT, 7. Abschnitt Rn. 42, 47; siehe auch LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 66; so auch Rath, S. 19 f., der sich auf den Sinn und Zweck des positiven Rechts bezieht. 269 Frisch, FS-Roxin, S. 223; Roxin, AT I, § 11 Rn. 55; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 57, 62; Wessels/Beulke, Rn. 184.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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schen zerstörenden Charakter einnehmen und erhebliche Folgen für die Gesundheit hervorrufen. Es stellt sich daher die Frage, ob die isoliert betrachtet als sozial normales Verhalten einzuordnenden Mobbinghandlungen unter bestimmten Umständen tatsächlich immer noch als sozial normales und generell ungefährliches Verhalten einzuordnen sind oder nicht vielmehr als Teil eines Mobbingprozesses aus dem strafrechtlich hinnehmbaren Verhaltensrahmen herausfallen. Dieser Frage soll im Folgenden näher nachgegangen werden. (bb) Begründung der rechtlich relevanten Gefahr mittels subjektiver Kriterien Bei Betrachtung jüngerer Entscheidungen des BGH270 und seiner Rechtsprechung zur Problematik „neutraler Beihilfehandlungen“271 ergibt sich für die hier vorliegende Problematik zunächst der Gedanke, dass die Strafbarkeit von Mobbinghandlungen allein durch die innere Willensrichtung des Täters begründet werden kann, wenn der Täter mit Schädigungsabsicht unter dem Deckmantel der sozialen Hinnehmbarkeit für die Rechtsgüter eines anderen erhebliche Gefährdungen oder Verletzungen herbeiführt. In Mobbingfällen, in denen die Isolation am Arbeitsplatz in Form gesellschaftlichen Ausgrenzungsverhaltens mittels unhöflichen, unfreundlichen und unkooperativen Verhaltens bewirkt wird, verfolgen die Mobbenden mit ihrem Verhalten oftmals das Ziel, den Betroffenen zu schädigen, indem sie ihn beispielsweise vom Arbeitsplatz verdrängen oder ihn in seiner beruflichen Anerkennung herabwürdigen wollen.272 Der BGH hat in drei Entscheidungen jüngster Zeit, in denen Zweifel am Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale gegeben waren, diese mit der Begründung als verwirklicht anerkannt, dass der Täter hinsichtlich der Schädigung des Opfers mit dolus directus 1. Grades handelte.273 In der ersten Entscheidung begründet der BGH die Strafbarkeit des Täters nach § 315b StGB bei an sich äußerlich verkehrsgerechtem Verhalten mit dem Willen des Täters, den Unfall absichtlich herbeigeführt zu haben.274 In der zweiten Entscheidung verurteilte der BGH den Täter wegen Betrugs, weil er an das Opfer ein Schreiben, welches zwar ausdrücklich als Angebot bezeichnet aber äußerlich wie eine Rechnung aufgemacht war, in der Hoffnung sendete, dass das Opfer das Schreiben für eine Rechnung hielte und diese begleichen werde.275 In der dritten Entschei-

270

BGHSt 46, S. 107 ff.; BGH NJW 1999, S. 3132 f.; 2001, S. 375 ff., 2187. BGH StV 1985, S. 279; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 6, 20. 272 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118 f. 273 BGH NJW 1999, S. 3132 f.; 2001, S. 375 ff.; S. 2187. 274 BGH NJW 1999, S. 3132 ff. mit Anmerkungen von Freund, JuS 2000, S. 754 ff.; Kudlich, StV 2000, S. 24. 275 BGH NJW 2001, S. 2187 mit Anmerkung Geisler in NStZ 2002, S. 86; Krack, JZ 2002, S. 613; Pawlik, StV 2003, S. 297. 271

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

dung bejahte der BGH die Strafbarkeit eines Richters wegen Rechtsbeugung, weil der Richter die zu entscheidende Rechtssache zwar objektiv in noch angemessener Zeit bearbeitete, aber sich absichtlich Zeit ließ, um den sich in Ordnungshaft befindenden Betroffenen zu schädigen.276 Diese vom BGH eingeschlagene Tendenz277 der Subjektivierung des objektiven Tatbestandes findet sich auch in Fällen neutraler Beihilfehandlungen wieder, in denen der BGH den Hilfeleistenden schuldig spricht, wenn er die Haupttat bewusst und willentlich fördert, weil durch den Förderungswillen der Alltagscharakter der Handlung verloren ginge und diese daher nicht mehr als „sozialadäquat“ anzusehen sei.278 Derartige Ansätze zur Begründung objektiven Unrechts mit absichtlichem Handeln sind auch in der älteren Literatur nicht unbekannt. Die strafbegründende Wirkung der Absicht wurde teilweise mit der Rücksichtslosigkeit des Täters gegenüber den geschützten Rechtsgütern, die einer Privilegierung des Täters entgegenstehen soll, begründet.279 Bei Übertragung des Gedankens der angedeuteten Praxis der Rechtsprechung auf die hier diskutierten Mobbingfälle würden die einzelnen Mobbinghandlungen, welche isoliert betrachtet mit den Maßstäben der Rechtsordnung übereinstimmen, strafrechtliches Handlungsunrecht darstellen, wenn sie mit entsprechender Schädigungsabsicht bewusst missbraucht werden, um den Betroffenen zu schädigen. Der Mobbende wäre demnach zur strafrechtlichen Verantwortung zu ziehen, wenn er gezielt den Betroffenen aus seinem sozialen Umfeld am Arbeitsplatz ausgrenzt, um ihn auf irgendeine Art und Weise zu schädigen, wie zum Beispiel vom Arbeitsplatz zu verdrängen oder in seiner beruflichen Existenz zu gefährden280. Gegen die Fortführung der „subjektiven Linie“ des BGH und ihre Nutzbarmachung für die Mobbingproblematik sprechen aber erhebliche Argumente. Mit dem Vorwurf der Praktizierung von Gesinnungsstrafrecht281, der sich auf den ersten Blick aufdrängt und dessen Gefahr der BGH im „Abbiegungsfall“ auch erkennt, muss mit zutreffender Begründung, die der BGH selbst gibt, aber vorsichtig umgegangen werden. Der BGH tritt dem möglichen Vorwurf des Gesinnungsstrafrechts entgegen, indem er darauf hinweist, dass der Täter seine verwerfliche Gesinnung in ein Unfall verursachendes Verhalten umgesetzt habe und folglich nicht bei dem „bösen“ Gedanken geblieben sei.282 276 BGH NJW 2001, S. 3275 ff. mit Anmerkung von Kühl/Heger, JZ 2002, S. 201; Wohlers, GA 2002, S. 482. 277 So Rath, S. 1, der von einer drohenden Tendenz spricht. 278 BGH StV 1985, S. 279; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 6, 20; siehe mit weiteren Nachweisen Hillenkamp, AT-Probleme, S. 190 f. 279 Roeder, S. 40; Zipf, ZStW 82 (1970), S. 635 f.; siehe auch mit Bezug auf die Mobbingproblematik Spamer, S. 117. 280 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 111 ff., 118 f. 281 Rath, S. 47; Frisch, Vorsatz, S. 141; MK-Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 169.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Selbst wenn dem BGH deshalb die Praktizierung von Gesinnungsstrafrecht nicht vorgeworfen werden kann, widerspricht die vorgenommene „Versubjektivierung von objektiven Tatbestandsmerkmalen“ dem derzeitigen Verständnis vom Kriminalunrecht und ist aus diesem Grund im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Mobbing abzulehnen.283 Das Kriminalunrecht setzt ein im äußeren Interaktionsverhältnis wirksames Verhalten voraus, das eine nicht mehr hinnehmbare Gefahr für ein zu schützendes Rechtsgut schafft.284 Dieses Kriminalunrechtsverständnis spiegelt sich vor allem in der heute überwiegend im Schrifttum anerkannten Lehre von der objektiven Zurechnung wieder. Es ist nicht vorstellbar, dass die Verhaltensgefährlichkeit durch die Absicht des Täters gesteigert werden kann, sondern sie ist bei vorsätzlichem als auch bei fahrlässigem Handeln gleich.285 Ein Verhalten, das rechtlich erlaubt wird, weil es die rechtlich anerkannten Gefährdungsgrenzen nicht übersteigt, kann die Erlaubnis nicht dadurch verlieren und sein relevantes Unrecht erlangen, weil es mit bösen Absichten, Wünschen oder Hoffnungen vorgenommen wird.286 Die rechtlich anerkannten Freiheitsgrenzen bleiben davon jedenfalls unberührt.287 Die Absicht ändert am Bestehen oder Nichtbestehen des Handlungsunrechts daher nichts, sondern dieses muss sich anhand objektiver Merkmale darlegen lassen. Wäre es anders, würde der Täter sich bereits strafbar machen, wenn er erhofft, dass durch sein einmaliges Nichtgrüßen der andere in Depressionen verfällt. Wo hier das Handlungsunrecht zu erblicken sein soll, ist sehr fraglich. Durch eine derartige Subjektivierung des objektiven Tatbestandes käme es zu einer nicht berechenbaren Ausweitung des Tatbestandes, die für den Rechtsbetroffenen nicht mehr vorhersehbar ist. In dem Sinne spricht sich auch Pawlik mit Bezug auf die Rechtslehre Kants für die Bestimmung des Rechtskreises ohne Rückgriff auf die mit der Handlung verfolgten Absicht aus, indem er ausführt: „Es ist eine Konsequenz der Entlastung des Rechts von genuin moralischen Anforderungen, dass derjenige, der sich innerhalb der Grenzen seines Zuständigkeitsbereiches bewegt, sich fremde Blicke in seinen Innenbereich, d.h. eine Erforschung der von ihm verfolgten Zwecke nicht gefallen zu lassen braucht.“288

282 BGH NJW 1999, S. 3133; zustimmend LK-König, § 315b Rn. 33 und Kudlich, StV 2000, S. 24. 283 Rath, S. 1, 26 ff. 284 Rath, S. 39. 285 Kühl, Die Bedeutung der Rechtsphilosophie des Strafrechts, 2001, S. 41; Rath, S. 26 f. 286 So auch BGH NJW 1999, S. 3132; Frisch, Vorsatz, S. 141 f.; ders., S. 33 ff.; 45 ff., 59; Geisler, NStZ 2002, S. 87; Krauß, ZStW 76 (1964), S. 47; Rath, S. 48. 287 Frisch, FS-Roxin, S. 223 f.; Geisler, NStZ 2002, S. 87; so auch Freund, JuS 2000, S. 755; Rath, S. 26 f. 288 Pawlik, StV 2003, S. 298 f.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Die Versubjektivierung von objektiven Tatbestandsmerkmalen bringt ferner die nicht hinnehmbare Konsequenz mit sich, dass die Trennung zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand aufgehoben und die derzeitig vorherrschende Tatbestandssystematik aufgelöst werden würde, weil die Absicht des Täters darüber entschiede, ob das Verhalten des Täters als strafrechtlich relevantes Handlungsunrecht einzuordnen ist.289 Durch diese Konstellation käme es zur Aushebelung des Gedankens der objektiven Zurechnung, da es eines Handlungsunrechtes nicht mehr bedürfte. Im Einklang mit der wohl überwiegenden Auffassung innerhalb des Schrifttums290 ist es deshalb abzulehnen, die nicht objektiv tatbestandsmäßige Handlung allein wegen der mit ihr verbundenen Schädigungsabsicht des Täters als rechtlich erheblich zu deklarieren, so dass die Einstellung des Mobbenden zu seinem Verhalten für die Frage, ob der Mobbende eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, nicht ausschlaggebend ist. Es ändert am Unrecht der Handlung nichts, wenn der Mobbende mit Schädigungsabsicht handelt. Vielmehr müssen objektive Gesichtspunkte die rechtliche Erheblichkeit der geschaffenen Gefahr begründen. Die objektive Zurechnung bietet mit ihrem stark normativen Charakter dazu die Möglichkeit, durch eine Gesamtbewertung der Umstände zu entscheiden, ob die geschaffene Gefahr rechtlich relevant ist. Die Ablehnung der Absicht als alleiniges, das Unrecht begründende Merkmal bedeutet dabei aber nicht, dass innerhalb der objektiven Zurechnung gänzlich auf subjektive Merkmale verzichtet werden sollte.291

289 Frisch, Vorsatz, S. 141 f.; so auch MK-Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 169; ders., JuS 2000, S. 754 f., der aber einen gänzlichen Ausschluss subjektiver Elemente aus dem objektiven Tatbestand ablehnt. 290 Baier, JA 2002, S. 366; Freund, Jus 2000, S. 755 f.; Frisch, S. 122 f.; 40 ff., 46; ders., Vorsatz, S. 141 ff.; ders., FS-Roxin, S. 224; Geisler, NStZ 2002, S. 87; Jakobs, AT, 7. Abschnitt Rn. 40; Jescheck/Weigend, S. 252; Krauß, S. 46 f.; Maiwald, FS-Jescheck, S. 420 ff.; MK-Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 167 ff.; NK-Puppe, vor § 13 Rn. 154; Pawlik, StV 2003, S. 298; Preuß, S. 194 ff. (213 f.); Rath, S. 26 ff., 65; Sch/SchLenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 93; a. A. Loos, JR 2002, S. 78; siehe auch Kudlich, StV 2000, S. 24 f. 291 Siehe dazu vor allem Freund, JuS 2000, S. 755 f., der betont, dass für das Missbilligungsurteil der Gefahr die subjektive Sachlage relevant ist, in Anbetracht derer gehandelt wird. Zustimmend auch Rath, Fn. 68; auch Kudlich, StV 2000, S. 24; ders.,HRRS 2004, S. 179 f.; Wessels/Beulke, Rn. 184; abstellend auf das Sonderwissen des Täters: Herzberg, Jura 1984, S. 402 (410); Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 135 ff.

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(cc) Begründung der rechtlich relevanten Gefahr durch Einbeziehung des Gesamtkontexts in die rechtliche Bewertung Es müssen demnach objektive Kriterien darüber entscheiden, ob und wann eine rechtlich relevante Gefahr durch die Aneinanderreihung von isoliert betrachtet sozial üblichen und damit rechtlich irrelevanten Unhöflichkeiten und Unfreundlichkeiten geschaffen wird und die als Strafanknüpfungspunkt dienende Einzelhandlung als Teil dieses Gesamtgeschehens eine rechtlich relevante Gefahr schafft. Entscheidend für das Urteil über die rechtliche Erheblichkeit des Verhaltens ist dabei die Sachlage, in der jemand handelt oder unterlässt, so dass abhängig von den Umständen, in welche das Verhalten eingebettet ist, „äußerlich“ identisches Verhalten rechtlich unterschiedlich bewertet werden kann.292 Insoweit ist auf eine objektiv-nachträgliche Prognose abzustellen, wobei das eventuelle Sonderwissen des Täters Berücksichtigung finden muss.293 In dem einen Fall kann es sich noch um die Schaffung eines tolerierten allgemeinen Lebensrisikos handeln und im anderen Fall aufgrund der veränderten Umstände um die Schaffung einer unerlaubten Schädigungsmöglichkeit. Als Schulbeispiel wird in diesem Zusammenhang in jeweils abgewandelter Form häufig der „Erbonkelfall“ angeführt.294 Schickt der Neffe seinen Erbonkel auf eine Flugreise in der Hoffnung das Flugzeug stürzt ab, schafft er damit kein rechtlich erhebliches Risiko, weil der Absturz eines Flugzeuges im allgemeinen Lebensrisiko liegt. Weiß der Neffe, dass das Flugzeug einen Defekt hat, wird dagegen die Schaffung einer rechtlich erheblichen Gefahr bejaht.295 Die Lehre von der objektiven Zurechnung ermöglicht es, objektive Wertungskriterien, wie den Kontext des Verhaltens, in die rechtliche Bewertung der Einzelhandlung einzubeziehen und dadurch objektiv zwischen alltäglichen und somit strafrechtlich tolerablen zwischenmenschlichen Unhöflichkeiten und nicht mehr sozial normalem und generell ungefährlichem Verhalten differenzieren zu können.296 Diese Berücksichtigung des Gesamtkontexts rechtfertigt sich dadurch, dass es im Hinblick auf den Zweck des Strafrechts – dem Rechtsgüterschutz – keinen Unterschied machen darf, ob die rechtlich erhebliche Gefahr bereits durch eine einzige Verhaltensweise oder gerade durch die Gesamtheit und Aneinanderreihung von Einzelverhaltensweisen geschaffen wird. Erst die Einbeziehung des Gesamtkontexts ermöglicht eine gerechte rechtliche Bewertung einer bestimmten Verhaltensweise. Die isolierte Betrachtung einzelner Ver292

Freund, JuS 2000, S. 3132. Freund, JuS 2000, S. 755; Roxin, AT I, § 11 Rn. 56. 294 Freund, JuS 2000, S. 755 f.; LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 66; Roxin, AT I, § 11 Rn. 56. 295 Roxin, AT I, § 11 Rn. 56. 296 Freund, JuS 2000, S. 756; Frisch, FS-Roxin, S. 223; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 91; Schünemann, GA 1999, S. 213. 293

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

haltensweisen brächte die Gefahr einer Verharmlosung rechtsgütergefährdender Angriffe mit sich. Für die rechtliche Beurteilung von Mobbingfällen, wie sie an dieser Stelle zur Diskussion stehen, kann es daher ausschlaggebend sein, dass die an sich rechtlich unerhebliche und im sozial normalen Bereich liegende Einzelhandlung Teil bzw. Fortsetzung eines Gesamtgeschehens ist, was es rechtfertigt, das Verhalten rechtlich anders zu beurteilen, als bei Beurteilung des Einzelverhaltens unabhängig vom Gesamtgeschehen, in das es eingebettet ist. Mobbing in Form gesellschaftlicher Ausgrenzung am Arbeitsplatz mittels Verhaltensweisen, die den sittlichen, gesellschaftlich erwünschten Forderungen im zwischenmenschlichen Umgang widersprechen, erhält seinen die Gesundheit gefährdenden Charakter durch die sich über einen längeren Zeitraum erstreckende systematisch wiederholte Vornahme der Handlungen gegen eine Person, die auf die Zusammenarbeit mit den Mobbenden gerade angewiesen ist.297 Von alltäglichen hinzunehmenden Disharmonien, Unfreundlichkeiten oder Unhöflichkeiten unter Kollegen, die lediglich dem Anstandsgefühl der Gesellschaft widersprechen, kann in einigen Fällen, wie dem Beispielsfall von Däubler,298 nicht mehr die Rede sein. Hinzunehmende und sozial erträgliche Disharmonien, Konflikte, Unhöflichkeiten zeichnen sich durch ihre kurze Dauer oder Einmaligkeit aus. Die systematische Wiederholung von unfreundlichen, unhöflichen und unkooperativen Handlungen macht gerade das Unrecht aus, welches Mobbing und die damit verbundene Gefährlichkeit für die Rechtsgüter begründet und dazu führt, dass sich das Geschehen ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr als unbeherrschbarer Kausalverlauf darstellt. Über die Quantität der Einzelhandlungen entsteht ein tatbestandsrelevantes Unrecht, was eine andere Bewertung hinsichtlich der rechtlichen Missbilligung des Verhaltens rechtfertigt, als bei isolierter Einzelbewertung, also unabhängig vom Gesamtgeschehen. (dd) Kriterien der Konkretisierung des unrechtsbegründenten Gesamtkontexts Die Abgrenzung, wann ein rechtlich relevantes Schikane-, Demütigungs-, Ausgrenzungs- oder Isolationsverhalten mittels an sich gesellschaftlich akzeptierter Verhaltensformen vorliegt, welches das allgemeine Lebensrisiko der Ungewissheit menschlicher Sympathien oder des fehlenden Anstands übersteigt, ist schwierig und muss für jeden Einzelfall aufgrund der unterschiedlichen Umstände eines Mobbinggeschehens einzeln und aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Handlungsfreiheit im Zweifel zu Gunsten der rechtlichen Billigung entschieden werden.299 297

Wolmerath, Rn. 68. Abgedruckt in diesem Kapitel im Gliederungspunkt B. II. 4. e) cc) (1) (b) (aa). 299 Siehe dazu auch LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002, S. 458 f.; LAG Hamm NZA-RR 2003, S. 8 ff. (9). 298

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Ein die rechtlich relevante Gefahr förderndes Element ist zunächst darin zu erblicken, dass das Schikane- und Ausgrenzungsverhalten am Arbeitsplatz stattfindet. Gesellschaftliche Ausgrenzungen aus der Gruppe am Arbeitsplatz sind im Gegensatz zu ähnlichen Verhaltensweisen im Privatleben des Betroffenen schwerwiegender, weil das Opfer „gezwungen“ wird, den Angriffen stand zu halten, indem ein Rückzug am Arbeitsplatz und ein Ausweichen der Angriffe oftmals schwerer als im Privatleben ist und zumeist gerade eine Abhängigkeit vom Miteinander am Arbeitsplatz besteht. Im Hinblick auf die allgemeine Handlungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht, durch die der private Bereich des Einzelnen grundrechtlich geschützt wird, ergibt sich die Notwendigkeit, die private Rückzugsphäre des Einzelnen zu gewährleisten, so dass vergleichbare Verhaltensweisen im Privatleben strafrechtlich irrelevant sind, weil ansonsten über das Strafrecht, die Pflicht zu freundlichem und höflichem Verhalten auferlegt werden würde. Das käme einem verfassungswidrigen Eingriff in die Handlungsfreiheit des Einzelnen gleich. Am Arbeitsplatz dagegen begibt sich der Einzelne in die Öffentlichkeit und aus seiner Privatsphäre heraus, so dass die Handlungsfreiheit nicht mehr derart schützenswert ist und daher eine unterschiedliche rechtliche Bewertung von gleichen Verhaltensweisen verfassungsgemäß erscheint. Ferner ist für die Unrechtsbegründung des Mobbingverhaltens entscheidend, in welchem Intervall die gesellschaftlich ausgrenzenden Verhaltensweisen vorgenommen werden und über welchen Zeitraum sich das Geschehen erstreckt. Ist der Betroffene dem Verhalten seiner Kollegen täglich aber nur über eine Woche ausgesetzt oder lediglich alle halben Jahre vereinzelt, begründen diese Verhaltensweisen noch keine rechtlich relevante Gefahr in Form eines nicht mehr ertragbaren Ausgrenzungs- oder Isolationsverhaltens. In dem Sinne hat auch das LAG Bremen300 das Vorliegen eines nicht mehr hinzunehmenden allgemein üblichen Verhaltens im Betrieb verneint, weil lediglich neun Vorfälle in mehr als drei Jahren geltend gemacht wurden. Starre Zeit- und Intervallgrenzen, die von vornherein festgelegt werden, um rechtlich erhebliches Schikaneverhalten näher zu kennzeichnen, bringen zwar mehr Rechtssicherheit mit sich, sind aber in diesem Zusammenhang abzulehnen, weil sie die Gefahr in sich bergen, dass die Täter darauf achten, den Zeitrahmen oder die Intervallgrenzen einzuhalten, um sich nicht strafbar zu machen. Vielmehr wird sich hinsichtlich der Länge und den Wiederholungsabständen das Gericht über das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen strafbewehrten Unrechts ein wertendes Urteil in jedem Einzelfall bilden müssen. Darüber hinaus wird sich die rechtliche Relevanz des Verhaltens insbesondere dadurch begründen, dass zwischen dem Betroffenen und dem Mobbenden zum einen eine objektive Überlegenheit besteht, die sich zumeist durch eine betrieb300

LAG Bremen MDR 2003, S. 159.

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liche hierarchische Unterordnung des Betroffenen unter den Mobbenden kennzeichnet, oder zum anderen, der Betroffene einer personellen Überlegenheit ausgesetzt ist,301 was dann der Fall ist, wenn er, wie im von Däubler gebildeten Ausgangsfall302, mehreren Mobbenden gegenübersteht. Durch ein derartiges Ungleichverhältnis wird dem Verhalten der Charakter einer fairen Auseinandersetzung genommen, weil der Betroffene sich nicht auf gleicher Ebene mit vergleichbaren Angriffen gegen den oder die Mobbenden wehren kann. Ein strafrechtlich relevantes Schikane- und Ausgrenzungsverhalten wird daher noch nicht vorliegen, wenn ein Kollege aus persönlichen Gründen den Betroffenen täglich beim Essen nicht grüßt, die anderen Kollegen ihm gegenüber aber einen „normalen“ Umgang pflegen. Hier handelt es sich lediglich um eine normale zwischenmenschliche Disharmonie, die ein Zwei-Personen-Konflikt darstellt, bei dem beide Parteien sich gleichgewichtig gegenüberstehen. Anders ist dagegen die Situation zu bewerten, wenn die gesamte Arbeitsgruppe sich ignorierend gegen den Betroffenen stellt und der Betroffene dadurch einer nicht überwindbaren personellen Übermacht gegenübersteht, wobei aber hier nicht allein durch die Mittäterschaft systemwidrig an sich straflose Handlungen zu strafbaren gemacht werden sollen303, sondern vielmehr die Ausgrenzung durch mehrere bzw. der gesamten Arbeitsgruppe und damit der Entziehung jeglichen sozialen Kontakts am Arbeitsplatz unrechtsbegründent sein soll. Überträgt man diese Kriterien auf die rechtliche Beurteilung des obigen Beispielfalls A von Däubler304, wird die Schaffung einer rechtlich erheblichen Gefahr ab einem bestimmten Zeitpunkt zu bejahen sein, weil A nahezu täglich und über einen langen Zeitraum, zwei Jahre, dem isolierenden Verhalten ausgesetzt war und insbesondere die gesamte Abteilung gegen sie offensiv vorgegangen ist, so dass objektiv ein nicht ertragbares und nicht mehr als allgemeines Lebensrisiko einzuordnendes Ausgrenzungsmanöver gegen A vorgenommen wurde. (ee) Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, dass in einem Teil der Mobbingfälle eine rechtlich relevante Gefahr für die Gesundheit oder das körperliche Wohlbefinden unproblematisch zu bejahen ist. Anders sieht es dagegen bei den Konstellationen aus, die sich vorwiegend durch gesellschaftliche Ausgrenzung und Unhöflichkeiten charakterisieren. Außerhalb des mobbingsituativen Kontexts sind diese Verhaltensweisen grundsätzlich nicht tatbestandsmäßig, weil sie zwar den ge301

So wohl auch Stock, S. 185. Zweites Kapitel B. II. 4. e) cc) (1) (b) (aa). 303 Sch/Sch-Cramer/Heine, § 25 Rn. 61. 304 Abgedruckt in diesem Kapitel unter dem Gliederungspunkt B. II. 4. e) cc) (1) (b) (aa). 302

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sellschaftlichen und sittlichen Anforderungen widersprechen, aber innerhalb der notwendig zu gewährleisteten Handlungsfreiheit liegen und daher kein rechtlich relevantes Risiko für das geschützte Rechtgut schaffen. Für die rechtliche Beurteilung von Mobbing sind diese Grundsätze übertragbar, doch kann aufgrund der mobbingspezifischen Besonderheiten im Einzelfall die systematische Ausgrenzung eines Menschen aus der Arbeitsgruppe und die Aufkündigung zwischenmenschlichen Respekts dazu führen, dass dieses Verhalten seinen durch die Gewährleistung der Handlungsfreiheit gewonnenen strafrechtlichen „Freischein“ verliert. Ein derartiges Verhalten geht über das sozial vertretbare, allgemein ungefährliche Maß hinaus und ist als rechtlich relevant einzuordnen, wenn es sich unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, des sozialen Umfelds, wie dem Arbeitsplatz als „Tatort“, der Wiederholung des Verhaltens, der Erkennbarkeit systematischen Vorgehens, der Wiederholungsabstände und einer bestehenden objektiven Überlegenheit objektiv nicht mehr nur als normales zwischenmenschliches Miteinander darstellt, sondern als Teil einer gesteuerten Ablehnung, die in ihrer dauerhaften Fortsetzung dem Betroffenen das unentbehrliche normale Miteinander im Arbeitsumfeld entzieht und den Charakter systematisch betriebener Schikane einnimmt, zu einem unerträglichen Arbeitsklima führt und daher nicht mehr als allgemeines Lebensrisiko der Ungewissheit menschlicher Sympathien oder des fehlenden Anstandes eingeordnet werden kann. In Anbetracht der notwendigen Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit, wird die rechtliche Relevanz derartigen Verhaltens aber zurückhaltend und nur in Extremfällen als rechtlich relevant und nicht mehr als sozial normal eingeordnet werden dürfen. (c) Sachlich gerechtfertigte Kritik durch den Arbeitgeber oder Vorgesetzten Die Frage, ob eine rechtlich relevante Gefahr vorliegt, stellt sich insbesondere auch bei Mobbinghandlungen in Form von Kritik an der Arbeitsleistung des Betroffenen durch den Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten. Im Rahmen der bundesweiten Repräsentativstudie gaben 48 Prozent der Mobbingbetroffenen an, dass ihre Arbeit unberechtigt, massiv oder ständig kritisiert, in Frage gestellt oder falsch bewertet wurde.305 Als Beispielsfall dient in diesem Zusammenhang der „Münchner Polizistinnenfall“306, in dem der Vorgesetzte die dienstlichen Leistungen der Polizistin ständig herabwürdigte und die von ihr aufgenommen Anzeigen als „Mist“ oder „Scheiße“ beurteilte.307 Als eine Art von Kritik ist auch die Abmahnung anzusehen, weil ihr der Vorwurf falschen Verhaltens im305 Leymann (1993), S. 33 f.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 f.; siehe dazu ArbG Lübeck vom 07.09.2000, Az.: 2 Ca1850b/00. 306 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 307 OLG München vom 20.09.2001, Az.: 1 U 2443/01 (so weit bekannt unveröffentlicht).

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

manent ist.308 Abmahnungen sind nicht selten Teil eines Mobbinggeschehens, was sich anhand des „Sparkassenfalls“309, in welchem der Betroffene drei – später gerichtlich für unwirksam erklärte Abmahnungen – an einem Tag erhielt. Kritik als Mobbinghandlung kommt in der Regel dann vor, wenn die Mobbingangriffe vom Arbeitgeber oder dem Vorgesetzten des Betroffenen ausgehen. Damit soll in der Regel erreicht werden, dass der Betroffener selbst kündigt. Eine rechtlich erhebliche Gefahr kann bei derartigen Mobbinghandlungen dann nicht vorliegen, wenn die Kritik sachlich und formell richtig, dem betrieblichen Ablauf dient und arbeitsplatztechnisch notwendig ist. Die Möglichkeit der Kritikübung an der Leistung des Arbeitnehmers sichert die Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber bzw. Vorgesetzte koordiniert und beaufsichtigt die Arbeit seiner Mitarbeiter. Er hat die Aufgabe, in seinem Zuständigkeitsbereich für Ordnung und Arbeitsqualität zu sorgen. Er muss daher auch die Möglichkeit haben, seine Mitarbeiter zu kritisieren, um im Interesse des Unternehmens das optimale Arbeitsergebnis zu erlangen. Ein rechtlich erhebliches Risiko liegt dann nicht vor, wenn die Äußerungen in Form von Rügen und Vorhaltungen eine Kritik an der Sache darstellen. Das ist dann der Fall, wenn die Kritik sich auf dienstliche, insbesondere berufliche Leistungen oder das damit verbundene persönliche Verhalten bezieht. Äußerungen, die sich gänzlich oder überwiegend auf persönliche Abwertungen beschränken, überschreiten die Schwelle des strafrechtlich relevanten Risikos. Voraussetzung für eine Kritik, die nicht die Schwelle des rechtlich erlaubten Risikos überschreitet, ist immer, dass sie angemessen, also geeignet und erforderlich gewesen ist, um den verfolgten Zweck (die Vermeidung zukünftiger Fehler, die Erhöhung der Arbeitsproduktivität, die Wiederherstellung des Betriebsfriedens) zu erreichen. Bei der Einordnung der Kritik in den strafrechtlichen Rahmen müssen daher die gesamten Umstände, in die diese eingebettet ist, berücksichtigt werden. Im Zusammenhang mit einem vom Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten betriebenen Mobbinggeschehen wird es sich in der Regel um unberechtigte, unsachliche oder unverhältnismäßige Kritik bzw. rechtswidrige Abmahnung handeln, die nicht mehr im Rahmen des allgemeinen Lebensrisikos liegen. Die gemachten Ausführungen gelten auch für die Kritik des Dienstvorgesetzten im öffentlichen Dienst gegenüber seinen Mitarbeitern.

308 309

Schaub, § 61 Rn. 28. Erstes Kapitel A. II. 1. a).

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5. Die Beteiligung Mehrerer am Mobbingprozess a) Einführungsbeispiel Die Tatsache, dass der Körperverletzungserfolg innerhalb eines Mobbingprozesses in der Regel erst aufgrund eines Kumulationseffekts mehrerer selbständiger Handlungen hervorgerufen wird, bringt vor allem hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung für die Fallkonstellationen Schwierigkeiten mit sich, in denen der eingetretene Körperverletzungserfolg nicht durch mehrere Handlungen einer, sondern mehrerer Personen hervorgerufen wird. Dazu nochmals ein Beispielsfall, der auf dem Fall von Däubler basiert, aber etwas abgeändert wurde: Über den Sachbearbeiter X wird von seinem Kollegen im Betrieb verbreitet, er sei vom Amtsgericht wegen Exhibitionismus bestraft wurden. Seine Kollegen in der Abteilung und andere Kollegen, die davon erfahren, behandeln ihn daraufhin wie Luft. Geht X in die Kantine, setzt sich niemand zu ihm, setzt er sich zu anderen an den Tisch, stehen diese auf und setzen sich an einen anderen Platz. Die Außenmitarbeiter, mit denen X nur alle zwei Monate in Kontakt kommt, beachten ihn nicht mehr, sondern wenden sich bei Problemen an seine Kollegen, obwohl X früher für sie immer der Ansprechpartner war. Die Sekretärin seines Vorgesetzten, die er nur jeden fünften Monat sieht und die von dem Verhalten der anderen ihm gegenüber nichts weiß, behandelt ihn ebenfalls wie Luft und ignoriert ihn, wenn er im Raum steht. Der eine Vorgesetzte weist ihm immer mehr Problemfälle zu und schüttelt nur den Kopf, wenn X sie nicht lösen kann. Kollege B weiß von dem isolierenden Verhalten und den Ungerechtigkeiten dem Betroffenen gegenüber im Betrieb und beleidigt ihn zusätzlich ständig mittels Kraftausdrücken, wenn er ihn sieht, wodurch die psychische Konstitution des X erheblich beeinträchtigt wird. Bis dahin hatte der X das Verhalten der Kollegen noch ertragen, seine Psyche war zwar angeschlagen, aber nicht in dem Maß einer Gesundheitsschädigung. Als eines Tages sein zweiter Vorgesetzter eine Arbeit, die er gründlicher als zuvor mit gutem Gewissen erledigt hatte, wieder einmal unberechtigt hart mit beleidigenden Ausdrücken kritisiert, bringt er das Fass aufgrund der bereits angeschlagenen psychischen Konstitution des X zum Überlaufen und X verfällt in schwere Depressionen und erleidet damit verbundene psychosomatische Beschwerden.

b) Mobbing begangen in Mittäterschaft In diesem und ähnlich gelagerten Mobbingfällen stellt sich die Frage, ob jeder, der für den eingetretenen Erfolg mitursächlich gewesen ist, auch für diesen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann oder nur der Letzthandelnde, der den Erfolg durch sein Verhalten unmittelbar herbeiführt. Unproblematisch fällt die Antwort hinsichtlich Ersterem aus, wenn die Handelnden mit-

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täterschaftlich verbunden sind, weil insofern die einzelnen Tatbeiträge als eigene gegenseitig zugerechnet werden.310 Einigkeit besteht darüber, dass für eine mittäterschaftliche Verantwortlichkeit für einen durch mehrere Personen herbeigeführten Erfolg ein verbindendes Element zwischen den Teilakten bestehen muss, welches es rechtfertigt, aus Teilbeträgen verschiedener Personen eine gemeinschaftliche Tat zu machen und dem Einzelnen die Gesamttat umfassende Verantwortung aufzubürden. Nach ganz überwiegender Auffassung311 besteht dieser Grund für die Zurechnung fremden Verhaltens im gemeinsamen Tatentschluss, indem sich die Mittäter über ihre Rollenverteilung und ihre gegenseitige Abhängigkeit im Sinne eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens einig sein müssen. Fraglich ist aber, welche Anforderungen an den gemeinsamen Tatentschluss gestellt werden. Hat der Mobbende von dem Verhalten des anderen gegenüber dem Betroffenen keine Kenntnis, liegt kein mittäterschaftliches Verhalten vor. Hat er dagegen Kenntnis, muss das mittäterschaftsbegründende Merkmal des geforderten gemeinsamen Tatentschlusses stets genauer geprüft werden, weil bereits eine stillschweigende durch schlüssiges Handeln bekundete Übereinkunft den Anforderungen genügt und der gemeinsame Tatentschluss zwischen den Mittätern auch noch während der Tatausführung hergestellt werden kann.312 Alleinige Kenntnis von dem Handeln anderer genügt aber für das Vorliegen eines gemeinsamen Tatentschlusses nicht, weil es insoweit an einer Übereinstimmung, die Tat bewusst und gewollt gemeinsam durchzuführen, fehlt, und anderenfalls § 25 Abs. 2 StGB auf die vorsätzliche Mitverursachung eines Erfolges reduziert und dadurch seiner Funktion enthoben wäre.313 Wie im obigen Beispielsfall ist davon auszugehen, dass das Verhalten der anderen gegenüber dem Betroffenen für denjenigen, der sein Verhalten in den „Mobbingkontext“ des Geschehens einfügt, oft erkennbar ist, zumal, wenn es sich dabei um den Kollegen des Betroffenen handelt. Wissen die Mobbenden, dass auch andere Kollegen oder Vorgesetzte sich beleidigend, gesellschaftlich ausgrenzend, erniedrigend und ungerecht gegenüber dem Betroffenen verhalten, ist damit den Anforderungen der Mittäterschaft aber noch nicht genüge getan. Selbst wenn der Mobbende das Verhalten der anderen billigt, begrüßt oder sogar für sich ausnutzt, muss er zumindest in dem Bewusstsein handeln, den tatbestandlichen Erfolg gemeinsam herbeizuführen, damit mittäterschaftliches Handeln vorliegt.314 Anzumerken ist aber, dass Jakobs wohl zu Recht anstatt eines gemeinsamen Tatentschlusses im Sinne einer stets gegenseitigen Abrede einen Einpas310

BGHSt 24, S. 268; 34, S. 124; 37, S. 289; Sch/Sch-Cramer/Heine, § 25 Rn. 61. LK-Roxin, § 25 Rn. 173 ff.; Sch/Sch-Cramer/Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 81. 312 BGHSt 37, S. 292; BGH NStZ 1985, S. 70; LK-Roxin, § 25 Rn. 173; Tröndle/ Fischer, § 25 Rn. 17; Wessels/Beulke, Rn. 527. 313 LK-Roxin, § 25 Rn. 174; Daxenberger, S. 132. 314 RGSt 58, S. 279; LK-Roxin, § 25 Rn. 174; SK-Samson, § 25 Rn. 127. 311

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sungsentschluss, mit dem der nicht unmittelbar ausführende, aber gestaltend mitwirkende Beteiligte seinen Beitrag mit dem Tun des Ausführenden verbindet, genügen lässt.315 Wo in gegenseitiger Kenntnis gemobbt wird und Mobbing eigentlich nur deshalb entsteht, weil viele zusammenwirken, dürfte von einem konkludenten Übereinstimmen im Sinne eines mittäterschaftlichen Entschlusses häufig zu sprechen sein. In den Fällen, in denen der Mobbende erkennt, dass der Betroffene von anderen ausgehenden Mobbingangriffen ausgesetzt ist, aber er sich – selbst wenn er das Verhalten der anderen billigt – keine Gedanken darüber macht, mit diesen zusammenwirkend den Betroffenen zu schädigen und sich die Tatbeiträge der anderen deshalb auch nicht zu eigen machen will, liegt dagegen keine Mittäterschaft vor. c) Mobbing begangen in Nebentäterschaft Hat der Mobbende, wie im obigen Beispielsfall, keine Kenntnis von den Mobbinghandlungen oder können ihm trotz Kenntnis die Tatbeiträge der anderen aufgrund des Fehlens eines gemeinsamen Tatentschlusses bzw. Einpassungsentschlusses nicht zugerechnet werden, handeln die Mobbenden als Nebentäter, weil sie unabhängig voneinander, d.h. ohne bewusstes und gewolltes Zusammenwirken den tatbestandlichen Erfolg herbeiführen.316 Im Gegensatz zur Mittäterschaft hat bei der Nebentäterschaft der Nebentäter nur für seinen eigenen Tatanteil die strafrechtliche Verantwortung zu übernehmen.317 Auf Kausalitätsebene kommt der Unterscheidung, ob der Erfolg durch mehrere Handlungen eines Täters (bzw. Mittäters) oder durch mehrere unabhängige Täter herbeigeführt wird, keine rechtliche Relevanz zu, weil die Kausalität einer Handlung für den Erfolg nach der Äquivalenztheorie davon unberührt bleibt, ob auch andere Bedingungen, wie das Handeln eines anderen, den Erfolgseintritt mit herbeigeführt haben.318 Der Nebentäter hat im Gegensatz zum Mittäter nur für sein eigenes Verhalten einzustehen, so dass allein entscheidend ist, ob der Tatanteil des Nebentäters eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen und sich diese im Erfolg verwirk315

Jakobs, AT, 21. Abschnitt Rn. 41 ff.; siehe auch Derksen, GA 1993, S. 164. BGH MDR 1957, S. 526; Daxenberger, S. 90 f.; LK-Roxin, § 25 Rn. 222; Sch/ Sch-Cramer/Heine, § 25 Rn. 100; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 51a; Wessels/Beulke, Rn. 525. 317 BGHSt 4, S. 20 ff. (21); BGH NStZ 1996, S. 227 f.; Sch/Sch-Cramer/Heine, § 25 Rn. 100; Wessels/Beulke, Rn. 525. 318 Freund, § 7 Rn. 133; Köhler, AT, S. 141; LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 58; Roxin, AT I, § 11 Rn. 2; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 83; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 51a. 316

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licht hat. Ausschlaggebend ist demnach, ob bzw. inwieweit eigenes Verhalten, das erst durch die Kumulationswirkung mit der Handlung eines anderen zu dem tatbestandlichen Erfolg führt, im Hinblick auf diesen Erfolg eine verbotene Gefahrschaffung darstellt.319 Nach der in jüngster Zeit sich im Vormarsch befindenden Lehre vom begrenzten Verantwortungsbereich320, der das Selbstverantwortlichkeitsprinzip zu Grunde liegt, hat jeder sein Verhalten grundsätzlich nur darauf einzurichten, dass er selbst Rechtsgüter nicht gefährdet, nicht aber auch darauf, dass andere das nicht tun, weil deren Handeln in ihren eigenen Zuständigkeitsbereich fällt. Schafft der Nebentäter daher mit seinem Verhalten keine rechtlich erhebliche Gefahr, kann ihm der eingetretene Erfolg auch nicht zugerechnet werden. Hat der Mobbende eine rechtlich erhebliche Gefahr geschaffen, besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass bei Dazwischentreten Dritter nicht jede mittelbare Verursachung die Erfolgszurechnung begründet.321 Diese Diskussion hat mittlerweile eine starke Ausuferung erfahren, so dass eine tiefgehende Darstellung der Meinungsstände den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Daher muss im Folgenden eine Konzentration auf die am häufigsten vertretenen Ansichten und deren wesentliche Grundsätze erfolgen.322 Nach der wohl überwiegenden Lehre323 darf jedermann grundsätzlich auf das rechtstreue Verhalten Dritter vertrauen und hat deshalb nicht die fahrlässige Tatermöglichung oder -erleichterung durch einen Vorsatztäter zu verantworten. Das gelte nur dann nicht, wenn erkennbare Anhaltspunkte für die geplante Straftat oder die Tatgeneigtheit eines Dritten vorliegen, die der Ersthandlung den einzigen denkbaren sich aufdrängenden Sinn geben, der Durchführung der Tat zu dienen. Die herkömmliche Lehre324 lehnt die Verantwortlichkeit des Ersthandelnden dagegen nur dann ab, wenn der Kausalverlauf – das Dazwischentreten des oder der Dritten – außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung lag, so dass mit ihm vernünftigerweise nicht zu rechnen war. Der Erfolg ist dem Nebentäter daher erst dann zurechenbar, wenn für einen Dritten in der sozialen Rolle des Täters der eingetretene Erfolg erkennbar gewesen ist, er also damit rechnen musste, dass ein anderer seinen Tatbeitrag komplettiert und dadurch den tatbestandlichen Erfolg herbeiführt.325 319

Freund, AT, Rn. 133 ff.; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 83. Roxin, AT I, § 24 Rn. 26 ff.; Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 101/ 101a; Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 169; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 72 f. 321 Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 101 f.; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 71 m. w. N. 322 Ein Überblick zum Stand der Diskussion gibt Hillenkamp, AT-Probleme, 32. Problem. 323 Siehe die ausführlichen Literaturhinweise bei Hillenkamp, AT-Probleme, 32. Problem III. Theorie 324 Lackner/Kühl, vor 13 Rn. 11; siehe ferner die ausführlichen Literaturhinweise bei Hillenkamp, AT-Probleme, 32. Problem I. Theorie. 320

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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In anderen Fällen dagegen wird sich der weitere Kausalverlauf des Mobbinggeschehens regelmäßig als atypischer darstellen, weil die Handlung oftmals ein kleiner Teil eines großen Gesamtkomplexes mehrerer Handlungen verschiedener Personen ist, dessen Entstehung und Zusammenwirken nicht in der allgemeinen Lebenserfahrung des Einzelnen liegt. In dem Sinne stellen sich beispielsweise für die Sekretärin im Ausgangsbeispiel die mitverursachten Depressionen und psychosomatischen Beschwerden allein aus ihrem Nichtbeachten des X aller fünf Monate, als ein außerhalb der Lebenserfahrung liegender Kausalverlauf dar, denn sie wusste nichts von dem Verhalten der anderen gegenüber dem X. Anders dagegen wird wohl das Verhalten des Kollegen B beurteilt werden müssen. Dieser wusste, dass andere Kollegen den Betroffenen im Betrieb gesellschaftlich isolieren, dieser durch die Vorgesetzten eine ungerechte Behandlung erfährt und er die Situation durch seine ständigen Beleidigungen verschlimmert, so dass es nicht außerhalb aller Lebenserfahrung lag, dass durch ein bestimmtes Verhalten des Vorgesetzten, wie im Fall B, die erneute unberechtigte Kritik, das Fass zum Überlaufen bringen und der Betroffene gesundheitliche Schäden davon tragen werde. In vielen Mobbingfällen, die in Nebentäterschaft begangen werden – vor allem, wenn sich das Mobbinggeschehen am Anfang befindet und sich für die Mobbenden keine Anhaltspunkte hinsichtlich des Verhaltens anderer oder der angeschlagenen psychischen Situation des Betroffenen ergeben – wird sich daher der Kumulationseffekt der Mobbingangriffe verschiedener Personen und der darauf beruhende Erfolg für den Mobbenden als Ergebnis eines unberechenbaren und nicht mehr beherrschbaren Zufalls darstellen. Es verwirklicht sich in diesen Fällen nicht die von dem Mobbenden geschaffene Gefahr, sondern eine, die von einem oder mehreren Dritten gesetzt wurde, auf dessen Handeln der Mobbende aber keinen Einfluss hatte. In Mobbingfällen, in denen mehrere am Mobbinggeschehen unabhängig voneinander beteiligt sind, ergibt sich daher häufig eine Situation, in welcher der Einzelne einen Teilbeitrag zu dem Gesamtgeschehen leistet, dieser aber erst durch folgende weitere Mobbinghandlungen anderer komplettiert wird und erst dadurch im Nachhinein zum Teil eines zerstörerischen Gesamtgeschehens gemacht wird. So liegt es beispielsweise dann, wenn ein Vorgesetzter den Betroffenen unberechtigt kritisiert oder beleidigt, wodurch der Betroffene in seiner psychischen Verfassung angeschlagen wird, daher auf folgende Mobbingangriffe Dritter empfindlicher reagiert und sich dadurch die psychische Konstitution des Betroffenen in Depressionen und psychosomatische Beschwerden wandelt. In derartigen Fällen ist der Mobbende grundsätzlich sowohl nach der herkömmlichen als auch nach der überwiegenden Auffassung für den eingetretenen Erfolg nicht strafrechtlich zur Verantwortung 325 Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 83; Wessels/Beulke, Rn. 192, 196; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 57.

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zu ziehen, weil er sich nicht als die Verwirklichung einer von ihm geschaffenen Gefahr darstellt. d) Zwischenfazit Sind an dem Mobbingprozess mehrere „Täter“ beteiligt und ursächlich für den eingetretenen Erfolg, ist stets – insbesondere, wenn gegenseitige Kenntnis von dem jeweiligen Mobbingverhalten besteht – danach zu fragen, ob sie mittäterschaftlich agieren. Wenn ja, sind dem Mobbenden die Mobbingangriffe der anderen und der darauf beruhende Körperverletzungserfolg zuzurechnen, obwohl er selbst nicht die unmittelbar zum Erfolg herbeiführende Handlung vorgenommen hat. Es ist davon auszugehen, dass das konkludent gemeinsame Mobben mindest genauso häufig vorkommt, wie das zufällige „Nebeneinandermobben“. Häufig hat der Mobbende von den gegen den Betroffenen bereits geführten Mobbingangriffen Kenntnis, denn in vielen Fällen ist er Kollege oder Vorgesetzter dessen und daher meist notwendigerweise am „Tatort“ – dem Arbeitsplatz – zugegen. Fügt der Einzelne sein Verhalten in einen ihm bekannten Mobbingkontext ein, kann es für ihn vorhersehbar sein, dass er einen mitkausalen Beitrag zum körperlichen oder gesundheitlichen Zusammenbruch des Betroffenen leistet. In einigen Fällen handeln die Mobbenden aber auch unabhängig bzw. ohne Kenntnis voneinander und der eingetretene Erfolg stellt sich nicht als ihr Werk, sondern vielmehr als Werk des Zufalls dar, welcher durch das allgemeine Lebensrisiko begründet wird und als Ziel der Lehre von der objektiven Zurechnung ausgefiltert werden soll. 6. Abgrenzung vorsätzliche – fahrlässige Körperverletzung Gemäß § 15 StGB geht das Gesetz davon aus, dass nur vorsätzliches Handeln strafbar ist. Fahrlässiges Verhalten ist ausnahmsweise nur dann strafrechtlich relevant, wenn der Gesetzgeber es ausdrücklich unter Strafe stellt. Die Körperverletzung stellt eine derartige Ausnahme dar, so dass sie gemäß § 229 StGB auch fahrlässig begangen werden kann. Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände.326 Dieser muss bei der Vornahme der tatbestandlichen Ausführungshandlung vorliegen.327 Unterschieden werden auf der Willensebene drei Erscheinungsformen des Vorsatzes. Absichtlich (dolus directus 1. Grades) handelt der Täter, wenn es ihm gerade darauf ankommt, den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen; mit direktem Vorsatz (dolus directus 2. Grades), wenn er weiß oder als sicher voraussieht, dass sein Handeln zur Verwirklichung des gesetzli326 327

BGHSt 19, S. 295 ff. (298); 36, S. 1 ff. (10). BGH NStZ 1983, S. 452.

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chen Tatbestandes führt und mit dolus eventualis, wenn er die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes ernstlich für möglich hält und diese in Kauf nimmt.328 Nur, wenn dem Mobbenden nachzuweisen ist, dass er neben seinen oftmals außertatbestandlichen Zielen mit gesundheitlichen Folgen oder Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens als Konsequenz seines Verhaltens zumindest gerechnet und diese billigend in Kauf genommen hat, kommt daher eine Strafbarkeit des Mobbenden wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 StGB in Betracht. Die Mobbenden verfolgen oftmals das Ziel, den Betroffenen vom Arbeitsplatz zu verdrängen, in seiner beruflichen Existenz zu schädigen, gesellschaftlich zu isolieren oder sie handeln ohne konkretes Ziel aus Neid, Missgunst oder Antipathie heraus.329 Verfolgen die Mobbenden ein bestimmtes außertatbestandliches Ziel, erkennen sie in vielen Fällen nicht, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden des Betroffenen hat. In vielen Fällen versuchen die Betroffenen, die Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes bzw. körperlichen Wohlbefindens zu verschleiern, um keine Schwächen zu zeigen.330 Es kommt nur selten vor, dass der Mobbende, um seine außertatbestandlichen Ziele zu erreichen, von vornherein bezweckt bzw. billigend in Kauf nimmt, dass der Betroffene an seiner Gesundheit geschädigt oder in seinem körperlichen Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt wird. Der Körperverletzungsvorsatz wird, und dann zumeist in Form von dolus eventualis, – wenn überhaupt – zumeist erst im Laufe des Mobbingprozesses gebildet, nämlich dann, wenn der Mobbende von den bereits eingetretenen Gesundheitsschäden durch Dritte erfährt oder diese selbst erkennt und auf sein Verhalten zurückführt.331 Setzt der Mobbende seine Mobbingangriffe dennoch fort, bedarf es einer gründlichen Prüfung, ob er vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Kommt es auf das Gesamtgeschehen bei der rechtlichen Beurteilung an, muss er zumindest auch davon Kenntnis haben. Insoweit muss sich der Vorsatz dann auf die oben zur Unrechtsbegründung entwickelten Grundsätze beziehen.332 Gestaltet der Mobbende wie im „Münchner Polizistinnenfall“333 sein Mobbinggeschehen mit fortlaufenden Beleidigungen, entwürdigenden Handlungen und unberechtigter Kritik, wird der Beleidigungsvorsatz allein aufgrund der Vornahme der Beleidigungshandlungen nahe liegen. Für das Vorliegen des Körperverletzungsvorsatzes bedarf es jedoch weiterer besonderer Umstände, die auf 328 Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 9 ff., 37 ff.; 60 ff.; Tröndle/Fischer, § 15 Rn. 5 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 211 ff. 329 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 111 ff., 118 f. 330 Siehe dazu den Einstellungsvermerk der Staatsanwaltschaft München I vom 09.12.1999, Az.: 123 Js 10953/99. 331 Wolmerath, Rn. 66. 332 Vgl. oben die Ausführungen in diesem Kapitel B. II. 4. e) cc) (1) (b) (gg). 333 Erstes Kapitel A. II. 1. b).

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

einen solchen schließen lassen. Der Mobbende wird gegen die Annahme vorsätzlichen Handelns vorbringen, dass er seine Handlungen stets spontan aus der konkreten Situation heraus vorgenommen hat und dass ihm daher zu jeder Zeit das Bewusstsein fehlte, den Betroffenen in seinem körperlichen Wohlbefinden zu beeinträchtigen oder an seiner Gesundheit zu schädigen.334 Im Vergleich mit den Tötungsdelikten335 ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Mobbende Kenntnis von der Gefährdung der Gesundheit oder des körperlichen Wohlbefindens aufgrund der von ihm vorgenommenen Mobbingattacken erlangt, aber höher, als dass er von den Suizidabsichten erfährt, weil die Gesundheitsschäden und die Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens durch die Betroffenen nicht gleichermaßen gegenüber Dritten verheimlicht werden können wie suizidale Gedanken. Selbst wenn der Mobbende von der gesundheitlichen Instabilität des Betroffenen Kenntnis erlangt, genügt diese aber noch nicht für ein vorsätzliches Handeln, er muss es vielmehr auch für möglich halten, dass die eingetretenen Gesundheitsschäden auf sein Verhalten zurückzuführen sind. Selbst wenn der Mobbende von Beginn an vorsätzlich handelt, werden in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bestehen, den Vorsatz nachzuweisen, weil sich Mobbing in der Regel nicht aus unmittelbar die Gesundheit schädigenden oder das Wohlbefinden beeinträchtigenden Verhaltensweisen, wie beispielsweise Ohrfeigen zusammensetzt, sondern aus Handlungen, die psychisch wirkend, mittelbar die Schäden für den Betroffenen herbeiführen und für sich genommen typischerweise nicht zur Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens oder der Gesundheit führen. Eine Verurteilung des Mobbenden wegen vorsätzlicher Körperverletzung wird daher sehr oft mangels Körperverletzungsvorsatzes oder dessen Beweisbarkeit nicht in Betracht kommt.336 Eine Verurteilung des Mobbenden wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 229 StGB wird daher in der Praxis näher liegen. Fahrlässig handelt der Täter, wenn er die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und im Stande ist, außer Acht lässt und deshalb die Tatbestandsverwirklichung nicht voraussieht (unbewusste Fahrlässigkeit) bzw. die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erkennt, jedoch pflichtwidrig darauf vertraut, dass es zu ihr nicht kommen wird (bewusste Fahrlässigkeit).337 Im Mittelpunkt der rechtlichen Beurteilung steht die Frage, ob der Mobbende erkannte oder vorhersehen konnte, dass sein Verhalten zur Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens oder der Gesundheit des Betroffenen führt. Objektiv vorhersehbar ist, was ein umsichtig han334

Wolmerath, Rn. 98. Siehe zum Tötungsvorsatz des Mobbenden die allgemeinen Ausführungen in diesem Kapitel B. IV. 4. a). 336 So auch Stock, S. 186; siehe auch Wolmerath, Rn. 98. 337 Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 201 f.; Wessels/Beulke, Rn. 661. 335

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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delnder Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters unter den jeweils gegebenen Umständen aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung in Rechnung stellen würde.338 Dabei ist es nicht notwendig, dass der Kausalverlauf in allen Einzelheiten vorhersehbar war, wohl aber das Zusammenwirken mehrerer Umstände zu dem Erfolg.339 Ob der eingetretene Körperverletzungserfolg voraussehbar war, hängt vom konkreten Einzelfall und von der Art und Weise der Mobbingangriffe ab. Bei diesen handelt es sich in der Regel, wie bereits festgestellt, um Handlungen, die für sich betrachtet typischerweise nicht zu einem Körperverletzungserfolg führen, sondern erst in ihrer fortgesetzten und wiederholten Begehung.340 In den überwiegenden Fällen wird der Vorwurf der Vorhersehbarkeit nicht oder zumindest nicht von Beginn des Mobbinggeschehens an gemacht werden können, weil der Mobbende im Zeitpunkt des Mobbingangriffs nicht damit rechnen musste, dass der einzelne Mobbingangriff zum einen ein Glied eines Gesamtgeschehens sein wird, das sich aus zukünftigen Angriffshandlungen zusammensetzt und/ oder zum anderen das Zusammenwirken dieser Handlungen zu einer Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens oder zu einer Gesundheitsschädigung führt. Beginnt der Mobbende sein Mobbingverhalten beispielsweise mit einer Beleidigung oder einer Kritik, die typischerweise nicht zu einer Gesundheitsschädigung führt, ist es für einen das Geschehen objektiv Beobachtenden in der Regel nicht erkennbar, welche Rolle diese Beleidigung in dem weiteren Mobbinggeschehen spielen und durch welche zukünftigen Kumulationsprozesse sie Teil eines zu dem Gesundheitsschaden führenden Gesamtgeschehens wird. Erst recht wird dies gelten, wenn die am Anfang stehenden Mobbinghandlungen in ihrem Unwertgehalt für sich betrachtet gering sind, wie beispielsweise das Ignorieren oder Nichtgrüßen. In vielen Fällen hat der Mobbende am Anfang keine Mobbingstrategie, sondern diese entwickelt sich erst später, oder er hat sein Vorgehen anfangs noch nicht geplant und die Angriffe ergeben sich vielmehr spontan aus der Situation heraus. Anders kann hinsichtlich der Vorhersehbarkeit geurteilt werden, wenn der Mobbende weiß, dass die „Anfangshandlung“ ein Teil eines zukünftigen systematischen Angriffsverhaltens sein wird, weil bei der Frage nach der Vorhersehbarkeit auch etwaiges Sonderwissen des Täters zu berücksichtigen ist.341 In einem solchen Fall muss das zukünftige Verhalten in die Beurteilungsgrundlage einfließen.

338 Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 133; Tröndle/Fischer, § 222 Rn. 26; Wessels/Beulke, Rn. 667a. 339 BGHSt 12, S. 77; 17, S. 226; Tröndle/Fischer, § 15 Rn. 12; § 222 Rn. 26; Wessels/Beulke, Rn. 667a. 340 Siehe dazu die Ausführungen in diesem Kapitel B. II. 4. c). 341 MK-Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 176 ff.; Roxin, AT I, § 11 Rn. 40, 56.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Darüber hinaus werden sich aus den weiteren Umständen auch nur selten Anhaltspunkte finden lassen, die für den Mobbenden die Gefahr für die Gesundheit oder das körperliche Wohlbefinden erkennbar machen. Solche Umstände könnten beispielsweise darin liegen, dass der Betroffene oder Dritte, wie beispielsweise Kollegen, ihn auf die kritische Situation und die psychische Angeschlagenheit des Betroffenen aufmerksam machen. Wie bereits oben festgestellt, versuchen die Betroffenen ihre psychische Instabilität aber teilweise zu verbergen, so dass diese für den Mobbenden nicht erkennbar wird. Selbst wenn der Mobbende von der gesundheitlichen Instabilität des Betroffenen Kenntnis erlangt, beispielsweise durch Krankschreibungen des Betroffenen, genügt das aber noch nicht für ein fahrlässiges Handeln, vielmehr muss für den Mobbenden auch erkennbar gewesen sein, dass diese auf sein Verhalten zurückzuführen ist. Dies wird erst dann in Betracht kommen, wenn der Mobbingprozess fortgeschritten ist und die vom Mobbenden bereits vorgenommenen Mobbingangriffe in die Bewertung der Einzelhandlung Aufnahme finden. Umso länger der Mobbingprozess andauert und desto schwerwiegender die einzelnen Mobbingangriffe sind, desto prägender ist die Situation, aus der der Mobbende heraus handelt und aus der sich ergeben kann, dass bei einem erneuten Mobbingangriff damit gerechnet werden musste, dass der Betroffenen in seinem Wohlbefinden oder seiner Gesundheit geschädigt wird. Aufgrund der in den letzten Jahren gestiegenen Kenntnisse in der Bevölkerung um das Thema Mobbing und dessen Gefährdungspotential ist davon auszugehen, dass die Vorhersehbarkeit der Gefahren für die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden eher zu bejahen sein wird, als noch vor einigen Jahren.342 Aber es kann nicht ein allgemeines selbstverständliches Wissen über das Thema vorausgesetzt werden, welche Verhaltensweisen Mobbing kennzeichnen, welches Verhalten als Mobbing tatsächlich einzuordnen ist und welches Gefährdungspotential dieses für die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden darstellt, so dass mit dieser Annahme auch zurückhaltend umgegangen werden muss. Zu berücksichtigen ist ferner, dass erhöhte Anforderungen an den Mobbenden hinsichtlich der Vorhersehbarkeit zu stellen sind, weil es sich um Gefährdungen für den Leib und die Gesundheit handelt und diese einen besonders hohen Rang innerhalb der Rechtsgüter einnehmen.343 Die Unvorhersehbarkeit kann daher mit Voranschreiten des Mobbinggeschehens aufgelöst werden, so dass ab einem bestimmten Zeitpunkt der Mobbende in bestimmten Konstellationen mit den Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens oder mit Gesundheitsschäden hätte rechnen können. Die Vorhersehbarkeit des Kumulationseffekts und des darauf beruhenden Körperverletzungserfolgs wird noch seltener zu bejahen sein, wenn mehrere Beteiligte unabhängig voneinander am Mobbinggeschehen teilnehmen. Dazu zäh342 343

So auch Wolmerath, Rn. 98, 160; zustimmend Stock, S. 186. LK-Schroeder, § 16 Rn. 154.

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len Fallkonstellationen, in denen der Betroffene bereits durch seine Kollegen bis zur seelischen Zermürbung getrieben wurde und eine bestimmte Handlung eines vorher Unbeteiligten, wie zum Beispiel eine unberechtigte Kritik oder eine Beleidigung des Vorgesetzten, das „Fass zum Überlaufen bringt“, so dass der Betroffene daraufhin in schwere Depressionen verfällt. Wusste derjenige, der die Auslöserhandlung vornahm, nichts von dem gegen den Betroffenen laufenden Mobbingprozess, war dieser und die psychische Instabilität des Betroffenen für ihn auch nicht erkennbar, ist der durch sein Verhalten ausgelöste Körperverletzungserfolg bzw. der Kumulationseffekt, für ihn nicht vorhersehbar gewesen. Das Verhalten stellt dann wohl aber auch schon kein Mobbing dar. Anders dagegen ist zu entscheiden, wenn der unmittelbar die Folgen für die Gesundheit Auslösende sein Verhalten vornimmt, obwohl er erkennen konnte, – was aufgrund der oftmals bestehenden arbeitsplatzbedingten Verbundenheit mit dem „Tatort“ nicht selten vorkommt – dass der Betroffene den Mobbingangriffen anderer ausgesetzt und psychisch sehr instabil ist. Der Eintritt des Körperverletzungserfolgs erscheint für ihn in diesen Fällen nicht mehr als unwahrscheinlich, wie es sich bei isolierter Beurteilung der einzelnen Verhaltensweisen unabhängig von den Gesamtumständen darstellt, sondern er konnte mit diesem bei Gesamtbetrachtung u. U. rechnen. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Fahrlässigkeitsvorwurf eher selten begründet werden kann, weil in vielen Fällen der Körperverletzungserfolg für den Mobbenden nicht vorhersehbar ist. Diese Erkenntnis bestätigt sich anhand des „Münchner Polizistinnenfalls“344, bei dem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellte, weil ihrer Auffassung nach die Auswirkungen für die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden für den Vorgesetzten der Polizistin nicht erkennbar waren, obwohl er diese fortwährend schikanierte und beleidigte.345 Es sind aber durchaus vereinzelt Konstellationen denkbar in denen dem Mobbenden der Vorwurf der Vorhersehbarkeit des Körperverletzungserfolges und damit der Fahrlässigkeit seines Handelns gemacht werden kann. Zwar wird die Vorhersehbarkeit des Geschehensablaufs in der Regel nicht von Beginn an vorliegen, doch kann sie sich bei Fortschreiten des Mobbingprozess ab einem bestimmten Zeitpunkt ergeben, wenn bei der rechtlichen Bewertung der Einzelhandlung – unter Berücksichtigung der gewachsenen Kenntnisse um das Thema Mobbing – das bisherige Gesamtgeschehen, in das sie eingebettet ist, besondere erkennbare Auffälligkeiten, wie die Veränderung der Person und der psychischen Konstitution des Betroffenen und die erhöhten Anforderungen, die im Rahmen der Körperverletzungsdelikte an die Vorhersehbarkeit zu stellen sind, berücksichtigt werden. Letztendlich wird die Vorhersehbarkeit aber

344 345

Erstes Kapitel A. II. 1. b). Strafbefehl vom 12.10.2000 des AG München, Az. 123 Js 10953/99.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

immer eine Tatfrage sein, die von Fall zu Fall entschieden werden muss und die Antwort in einem großen Beurteilungsspielraum des Gerichts liegt.

7. Ergebnis Die Körperverletzung nimmt bei der rechtlichen Beurteilung von Mobbing einen hohen Stellenwert ein, weil in den überwiegenden Fällen die Betroffenen in ihrem körperlichen Wohlbefinden oder ihrer Gesundheit beeinträchtigt werden. Für diese mobbingspezifischen Folgen hat der Mobbende sich in Einzelfällen strafrechtlich zu verantworten. Es hat sich gezeigt, dass Mobbing vorwiegend ein Angriff auf die Psyche des Menschen ist und zu erheblichen psychischen Störungen oder zu über die Psyche vermittelten somatischen Störungen führen kann. Entgegen der Rechtsprechung hat sich der Mobbende nach hier vertretener Auffassung nicht nur für die psychosomatischen Auswirkungen strafrechtlich zu verantworten, sondern auch für die psychischen Störungen des Betroffenen, sofern sie einen Krankheitswert aufweisen. Das Mobbinggeschehen setzt sich selten aus unmittelbar den Körperverletzungserfolg herbeiführenden Handlungen zusammen, sondern es ist vielmehr das Zusammenwirken mehrerer über einen langen Zeitraum verteilter Einzelhandlungen, wodurch die nachteiligen Folgen für den Betroffenen hervorgerufen werden. Es ist daher bei der rechtlichen Beurteilung des Mobbingverhaltens im Rahmen der Körperverletzungsdelikte vonnöten, dass die einzelne Handlung, für welche die Frage nach der strafrechtlichen Relevanz aufgeworfen wird, nicht isoliert vom Gesamtgeschehen einer rechtlichen Beurteilung zugeführt wird. Vielmehr muss sie im Gesamtkontext, in den sie sich einreiht, auf ihre rechtliche Relevanz hin beurteilt werden. Im Spiegel des Gesamtgeschehens kann ein Verhalten seinen eigentlich von der allgemeinen Handlungsfreiheit gedeckten Charakter verlieren und somit rechtliche Relevanz erlangen. Eine Handlung, die isoliert betrachtet noch keine rechtlich erhebliche Gefahr schafft, weil sie sozial normal und innerhalb der gewährleisteten Handlungsfreiheit angesiedelt ist, kann als Teil eines bereits in Gang gesetzten Mobbingverhaltens, wenn sich dieses als systematisch betriebenes Ausgrenzungs- und Schikaneverhalten am Arbeitsplatz darstellt, eine solche rechtlich erhebliche Gefahr hervorrufen. Daher kann der Mobbende, wenn auch erst in der fortgeschrittenen Phase des Mobbinggeschehens, das notwendige objektive Tatbestandsunrecht mit seinem Verhalten verwirklichen. Kritik überschreitet die Schwelle der rechtlich erheblichen Gefahr erst dann, wenn sie unberechtigt, unsachgemäß oder unverhältnismäßig ist. In der Praxis wird die fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB eine höhere Relevanz als die vorsätzliche Körperverletzung einnehmen, wenn die Frage aufgeworfen wird, ob sich der Mobbende für die durch sein Verhalten

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hervorgerufenen Gesundheitsschäden und Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens strafrechtlich zu verantworten hat. Denn in den überwiegenden Fällen handelt der Mobbende hinsichtlich des Körperverletzungserfolges nicht vorsätzlich bzw. wird ihm der Körperverletzungsvorsatz nicht nachgewiesen werden können, weil er andere Ziele mit seinem Verhalten bezweckt und er mit der Möglichkeit der Auswirkungen seines Verhaltens auf die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden nicht rechnet. Obgleich die fahrlässige Körperverletzung daher in der Praxis eine größere Relevanz als die vorsätzliche Körperverletzung einnimmt, wird sich der Mobbende auch insoweit oftmals nicht strafrechtlich zu verantworten haben, weil für ihn im Zeitpunkt seines Handelns, vor allem am Beginn des Mobbingprozesses, nicht vorhersehbar war, dass dieses zum eingetretenen Körperverletzungserfolg führen würde. Umso fortgeschrittener der Mobbingprozess aber ist, umso eher lassen sich Fälle finden, in denen die Vorhersehbarkeit des Körperverletzungserfolges bejahen werden kann. Nicht darüber hinweg getäuscht werden kann aber auch, dass sich in der Praxis hinsichtlich der Beweisbarkeit der Kausalität der konkreten Handlungen für den eingetretenen Körperverletzungserfolg Probleme ergeben, die sich zusätzlich verstärken, wenn mehrere Mobbende am Geschehen beteiligt sind. Es ist daher festzustellen, dass die Körperverletzungsdelikte im Ergebnis im Hinblick auf die Strafbarkeit des Mobbenden – entgegen des ersten Anscheins – eine zurückgedrängte Rolle einnehmen, obgleich regelmäßig die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden beeinträchtigt werden.

III. Körperverletzung im Amt § 340 StGB 1. Allgemeine Einführung Zwar beschränkt sich diese Arbeit auf Mobbing im Betrieb, doch soll in diesem Zusammenhang kurz auf die Auswirkung der rechtlichen Beurteilung von Mobbing im Hinblick auf die Körperverletzung eingegangen werden, wenn Mobbing in der öffentlichen Verwaltung bzw. im öffentlichen Dienst vorkommt. Unterschiedliche statistische Erhebungen, zu denen auch die bundesweite Repräsentativstudie zu zählen ist, kommen zu dem Ergebnis, dass Mobbing im Vergleich zu anderen Sektoren des Berufslebens innerhalb der öffentlichen Verwaltung vermehrt auftritt346 und Beamte im Vergleich zu Arbeitern einem höheren Risiko ausgesetzt sind, Opfer von Mobbingangriffen zu werden.347 Aus diesem Grund sei ausdrücklich auf § 340 StGB verwiesen, der als 346 Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 11; Leymann (1993), S. 48; ders., 1995, S. 20; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 30 f.; Niedl, S. 49; Zapf, ZfAO 1999, S. 8 f.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Qualifikationstatbestand der vorsätzlichen und fahrlässigen Körperverletzung in Betracht zu ziehen ist, wenn der Mobbende ein Amtsträger i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist, wie im „Münchner Polizistinnenfall“348, oder gemäß § 48 WStG Offizier bzw. Unteroffizier der Bundeswehr349. § 340 StGB erfordert, dass sich der Amtsträger an einer Körperverletzung beteiligt, indem er entweder die Körperverletzung durch aktives Tun in Form unmittelbarer Täterschaft oder Mittäterschaft begeht350 oder in Form mittelbarer Täterschaft oder Teilnahme begehen lässt351. Zur zweiten Tathandlungsalternative des § 340 StGB dem „Begehenlassen“ sind auch Fälle des Unterlassens zu zählen, in denen der Amtsträger es pflichtwidrig versäumt, eine durch Dritte vorgenommene Körperverletzung zu verhindern, zu dessen Verhinderung er als Amtsträger verpflichtet gewesen ist.352 2. Begehen einer Körperverletzung während der Ausübung des Dienstes Allein dass ein Amtsträger die Körperverletzung begeht oder geschehen lässt, reicht zur Verwirklichungen des § 340 StGB nicht aus, vielmehr muss die Körperverletzung während der Ausübung des Dienstes oder in Beziehung auf den Dienst begangen oder geschehen gelassen worden sein. Während der Dienstausübung begeht der Amtsträger eine Körperverletzung, wenn er diese in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit begeht, also nicht nur ein zeitlicher353 sondern auch ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Dienstausübung und der Körperverletzung besteht.354 Das Begehen oder Geschehenlassen der Körperverletzung muss sich als Missbrauch der Amtsgewalt darstellen,355 weil der Qualifikationsstatus des § 340 StGB sich dadurch rechtfertigt, dass das Interesse der 347 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 36; Wolmerath, Rn. 40; Zapf, ZfAO 1999, S. 9. 348 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 349 Siehe zu Mobbing innerhalb der Bundeswehr: BVerwG 2. Wehrdienstsenat, NVwZ-RR 2002, S. 851 350 SK-Horn/Wolters, § 340 Rn. 3a; Tröndle/Fischer, § 340 Rn. 2b. 351 Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 340 Rn. 4; Tröndle/Fischer, § 340 Rn. 2b; Hinsichtlich der mittelbaren Täterschaft zweifelnd NK-Kuhlen, § 340 Rn. 10 und einschränkend SK-Horn/Wolters, § 340 Rn. 3b, der die mittelbare Täterschaft kraft überlegenen Wissens oder Willens unter die 1. Tatbestandsalternative zählt; die Teilnahme ausnehmend LK-Hirsch, § 340 Rn. 10. 352 BGH NJW 1983, S. 462; Kindhäuser, LPK, § 340 Rn. 3; Lackner/Kühl, § 340 Rn. 2; NK-Kuhlen, § 340 Rn. 10; Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 340 Rn. 4; SK-Horn/Wolters, § 340 Rn. 3a; a. A. Maurach/Schroeder/Maiwald, § 9 Rn. 37, die das pflichtwidrige Unterlassen des Eingreifens als Begehen durch Unterlassen einordnen und somit § 13 StGB auf derartige Fälle anwenden. 353 So aber Wagner, ZRP 1975, S. 274; so noch Tröndle/Fischer, 50. Auflage, § 340 Rn. 2, die einen rein zeitlichen Zusammenhang genügen ließen.

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Öffentlichkeit an korrekter Amtausführung geschützt werden soll356. Liegt die Ursache des Mobbingverhaltens ausschließlich in privaten Gründen, ist § 340 StGB als Qualifikationstatbestand aufgrund eines fehlenden sachlichen Zusammenhangs mit der Dienstausübung nicht anwendbar.357 In dem Sinne fehlt zum Beispiel einer Prügelei unter Polizisten oder einer einzelnen Ohrfeige aufgrund privater Meinungsverschiedenheiten, welche jeweils Bestandteil eines Mobbinggeschehens sein können, der sachliche Zusammenhang mit der Dienstausübung.358 Das Gleiche wird gelten, wenn der Mobbende, wie sehr häufig, aus Karrierestreben, Neid oder aus persönlicher Antipathie gegen den Betroffenen vorgeht. Nach der bundesweiten Repräsentativstudie gaben 19 Prozent der Betroffenen Konkurrenzdenken, 13 Prozent Neid, 4 Prozent persönliche Antipathien und ca. 4 Prozent das Geschlecht, den persönlichen Lebensstil usw. als Gründe dafür an, dass sie gemobbt wurden.359 In diesen Fällen liegt grundsätzlich kein Missbrauch der Amtsgewalt vor, weil die Veranlassung zur Körperverletzung nicht in der amtlichen Tätigkeit des Mobbenden liegt, sondern vielmehr in dessen persönlichen Motiven. Anders ist dagegen zu urteilen, wenn der Mobbende, wie im „Münchner Polizistinnenfall“360, seine Stellung als Gruppenleiter gerade ausnutzt, um andere Polizisten gegen den Betroffenen aufzustacheln. Das Gleiche gilt, wenn der vorgesetzte Amtsträger den Untergebenen aus der Abteilung mobben will, um seine Abteilung leistungsfähiger und effektiver zu gestalten. Nach der bundesweiten Repräsentativstudie gaben immerhin ca. 23 Prozent der befragten Betroffenen an, dass sie wegen ihrer angeblich unzureichenden Leistungen gemobbt wurden und ca. 4 Prozent, weil Personal und Arbeitsplätze abgebaut werden sollten.361 Der sachliche Zusammenhang ist ferner öfter zu bejahen, wenn der Vorgesetzte gegen einen Untergebenen mit Mobbing vorgeht, weil aufgrund seiner vorgesetzten Stellung ein bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis besteht und

354 RGSt 6, S. 20 ff. (21); 17, S. 165 ff. (166 f.); LK-Hirsch, § 340 Rn. 5; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 9 Rn. 37; NK-Kuhlen, § 340 Rn. 8; Sch/Sch-Cramer/ Sternberg-Lieben, § 340 Rn. 3; Tröndle/Fischer, § 340 Rn. 2. 355 RGSt 6, S. 20 ff. (21); Tröndle/Fischer, § 340 Rn. 2; SK-Horn/Wolters, § 340 Rn. 5. 356 LK-Hirsch, § 340 Rn. 1. 357 RGSt 17, S. 165 ff. (166); LK-Hirsch, § 340 Rn. 5; NK-Kuhlen, § 340 Rn. 8; Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 340 Rn. 3; Tröndle/Fischer, § 340 Rn. 2. 358 Teilweise wird innerhalb der Literatur vertreten, dass der Amtsträger nur wegen Teilnahme an der fremden Begehungstat zu bestrafen ist, wenn der unmittelbar Handelnde selbst Amtsträger ist und dem Nichteingreifenden gleich oder übergeordnet ist, so LK-Hirsch, § 340 Rn. 11; SK-Horn/Wolters, § 340 Rn. 3c. 359 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118. 360 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 361 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 111.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

ein Missbrauch dieser personellen Konstellation als Mittel innerhalb eines Mobbinggeschehens eingesetzt werden kann. 3. Körperverletzung in Beziehung auf den Dienst „In Beziehung auf den Dienst“ ist die Körperverletzungshandlung begangen, wenn zwar kein zeitlicher Zusammenhang besteht, die Körperverletzungshandlung also nicht während der Dienstzeit vorgenommen wurde, aber diese im sachlichen Zusammenhang mit der Dienstausübung steht.362 Diese Tatbestandsalternative des § 340 StGB wird insbesondere dann in Betracht zu ziehen sein, wenn die Mobbingangriffe nicht nur auf die Dienstzeit beschränkt, sondern die Mobbingangriffe auch außerhalb der Dienstzeit fortgesetzt werden. Als beispielhafte Handlungen sind (nächtlicher) Telefonterror oder Drohbriefe anzuführen, die von Wolmerath und Esser in der Auflistung der 100 potentiellen Mobbinghandlungen in Gruppe acht „Angriffe gegen die Privatsphäre“ aufgezählt werden. Aber auch hier fehlt der sachliche Zusammenhang, wenn der Mobbende aus rein privaten Motiven heraus handelt und seine Dienststellung durch sein Handeln dem anderen gegenüber nicht geltend macht. Setzt der Mobbende sein Verhalten gegenüber dem Betroffenen auch außerhalb seiner Diensttätigkeit als Privatperson fort, erfasst § 340 StGB diese Mobbinghandlungen.363 4. Begehenlassen einer Körperverletzung Wie oben bereits erwähnt, kann der Amtsträger sich ferner gemäß § 340 StGB strafbar machen, wenn er es unterlässt, eine Körperverletzung eines Dritten abzuwenden, obwohl er aus seiner Amtspflicht heraus verpflichtet ist, dagegen vorzugehen. In diesen Zusammenhang fallen insbesondere die Mobbingfälle, in denen der Amtsträger erkennt, dass einer seiner Kollegen oder Untergebenen die körperliche Unversehrtheit eines Dritten verletzt, sei es durch einzelne Mobbinghandlungen, die für sich genommen eine Körperverletzung darstellen, oder in Form des Gesamtgeschehens Mobbing. Nicht jeder Amtsträger hat aber die Pflicht gegen Körperverletzungen Dritter einzuschreiten, sondern es bedarf zur Begründung des notwendigen sachlichen Zusammenhangs einer rechtlichen Einstandspflicht, die vorliegt, wenn die Verhinderung einer Körperverletzung gerade in seinem Aufgabenbereich liegt.364 Mit Ausnahme von Mobbing innerhalb der Polizei365, wo sich aus der Amtseigenschaft des Polizisten die Rechtspflicht ergibt, Straftaten zu verhindern, werden sich derartige Konstellationen nur ausnahmsweise finden. 362 LK-Hirsch, § 340 Rn. 6; NK-Kuhlen, § 340 Rn. 8; Sch/Sch-Cramer/SternbergLieben, § 340 Rn. 4; SK-Horn/Wolters, § 340 Rn. 5a; Tröndle/Fischer, § 340 Rn. 2a. 363 Vgl. RGSt 6, S. 20 ff. (21); LK-Hirsch, § 340 Rn. 6. 364 SK-Horn/Wolters, § 340 Rn. 3c; LK-Hirsch, § 340 Rn. 12.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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5. Ergebnis Aufgrund des gehäuften Vorkommens von Mobbing innerhalb der öffentlichen Verwaltung und im öffentlichen Dienst erlangt die Körperverletzung im Amt im Rahmen der rechtlichen Beurteilung von Mobbing im Hinblick auf die Körperverletzungsdelikte eine nicht unwesentliche Bedeutung. In vielen Fällen, vor allem bei Mobbing auf gleicher personaler Ebene, wird die Verwirklichung des § 340 StGB aber scheitern, weil der sachliche Zusammenhang mit der Dienstausübung fehlt oder die Amtsträgereigenschaft dem Verletzten gegenüber im Rahmen des Mobbing nicht geltend gemacht wird bzw. der Mobbende seine Stellung als Amtsträger für das Mobbingverhalten nicht missbraucht. Häufiger wird § 340 StGB dagegen verwirklicht sein, wenn der Mobbende der amtliche Vorgesetzte des Betroffenen ist, weil aufgrund seiner vorgesetzten Stellung ein bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis besteht und ein Missbrauch seiner vorgesetzten Stellung als Mittel innerhalb eines Mobbinggeschehens eingesetzt werden kann.

IV. Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung §§ 185 ff. StGB 1. Einführung Aus der Praxis sind bereits Verurteilungen bekannt, nach denen der Mobbende sich wegen Beleidigung strafrechtlich zu verantworten hatte.366 Die Beleidigungsdelikte nehmen bei der strafrechtlichen Beurteilung von Mobbing eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie die Körperverletzungsdelikte ein, weil die häufigsten Mobbinghandlungen darauf gerichtet sind, das persönliche Ehrgefühl oder das soziale und fachliche Ansehen des Betroffenen nachteilig zu beeinträchtigen.367 Dafür bedienen sich die Mobbenden zum einen des Verbreitens von Gerüchten und Unwahrheiten, Sticheleien, Hänseleien und „Beleidigungen“368 und zum anderen des in Frage stellens von Kompetenzen, Fähigkei365 Mobbing innerhalb der Polizei stellt ein gravierendes Problem dar (siehe dazu Fleissner, Zeitung kritischer Polizistinnen und Polizisten, „unbequem“ Juni 2001, S. 9 ff.). 366 OLG München I, Az.: 1 U 2443/01, S. 4; siehe im Ersten Kapitel A. II. 1. b), wo der „Polizistinnenfall“ ausführlich dargestellt wird. 367 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 f.; Leymann (1993), S. 33 f.; Wolmerath, Rn. 83; Zapf, ZfAO 1999, S. 11. 368 Es ist davon auszugehen, dass den Umfragen und statistischen Erhebungen der „Beleidigungsbegriff“, wie er im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet wird, zu Grunde gelegt wurde und nicht der strafrechtliche Beleidigungsbegriff i. S. des §§ 185 StGB. In der Regel werden wohl im allgemeinen Sprachgebrauch vorwiegend Schimpfworte und ähnliches als Beleidigungen eingeordnet.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

ten, Leistungs- und Einsatzbereitschaft des Betroffenen, indem Arbeitsleistungen falsch bewertet werden, die Arbeit massiv unberechtigt kritisiert und der Betroffene oftmals als unfähig dargestellt wird.369 Neben diese Mobbinghandlungen treten, so wie Wolmerath sie nennt, „nonverbale“ Mobbinghandlungen, die im Zusammenhang mit den Beleidigungsdelikten erörterungsbedürftig sind. Darunter zählen potentielle Mobbinghandlungen, die darauf gerichtet sind, das normale soziale zwischenmenschliche Miteinander aufzuheben, wie das Ignorieren, Nichtantworten auf Fragen des Betroffenen, demonstratives Nichtgrüßen, aus dem Weg gehen, Ausschließen aus üblichen gegenseitigen Freundlichkeiten im Kollegenkreis und das Totschweigen des Betroffenen.370 Im Gegensatz zur Körperverletzung, bei welcher der tatbestandliche Erfolg selten unmittelbar durch einzelne Mobbinghandlungen hervorgerufen wird, sondern vielmehr kumulativ wirkend mit anderen Mobbinghandlungen zusammen, ist es bei den Beleidigungsdelikten oftmals die einzelne Mobbinghandlung, die aus dem Gesamtprozess Mobbing herausgefiltert werden kann und unabhängig von diesem für sich bereits einen der Tatbestände der §§ 185 ff. StGB verwirklicht. Die Beleidigungsdelikte sind deshalb Beweisschwierigkeiten nicht in dem Ausmaß ausgesetzt wie dies bei den Körperverletzungsdelikten der Fall ist. Im Zusammenhang mit einem Mobbingprozess – abgesehen von den einer Verurteilung entgegenstehenden prozessualen Schwierigkeiten – wird es daher öfter zu einer Verurteilung des Täters wegen Beleidigung kommen als zu einer Verurteilung wegen Körperverletzung. Bei der rechtlichen Beurteilung von Mobbing im Hinblick auf die Beleidigungsdelikte könnte man aus der Bandbreite denkbarer Mobbinghandlungen ebenfalls zahllose Konstellationen herausgreifen, anhand derer sich alle möglichen Probleme der §§ 185 ff. StGB konstruieren und diskutieren ließen. Die folgenden Darstellungen können und sollen nicht alle erdenklichen Konstellationen einer Lösung zuführen. Vielmehr sollen für typische Mobbingfallgruppen die rechtlichen Koordinaten angegeben werden, innerhalb derer eine Strafbarkeit nach den §§ 185 ff. StGB in Betracht kommt. 2. Die Ehre als Schutzgut der Beleidigungsdelikte Der Ehrbegriff war und ist innerhalb der Rechtswissenschaft nicht unumstritten. Die wohl heute herrschende Meinung folgt einer normativen Ehrauffassung. Sie sieht das Schutzobjekt der §§ 185 ff. StGB in dem auf die Personenwürde gegründeten, dem Menschen berechtigterweise zustehenden sittlichen, personalen und sozialen Geltungswert bzw. dem daraus folgenden Anspruch, nicht un-

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Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 f.; Leymann (1993), S. 33 f. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 41; Leymann (1993), S. 33 f.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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verdient herabgesetzt zu werden.371 Daraus ergeben sich zwei Grundformen der Beleidigung: Der Achtungsanspruch ist zum einen dann verletzt, wenn dem Menschen der Vorwurf menschlicher Unzulänglichkeit gemacht wird und zum anderen, wenn einer Person ihren Geltungswert mindernde sozialethische Pflichtverletzungen vorgeworfen werden.372 Weil die Ehre nur einen Teil der Personenwürde darstellt und daher nicht jede Missachtung der Persönlichkeit eines anderen bereits eine Ehrverletzung beinhaltet, wird es entgegen der früheren Rechtsprechung373 heute abgelehnt, in der Missachtung des Anspruchs des Opfers auf Achtung seiner Persönlichkeit bereits eine Ehrverletzung zu erblicken.374 3. Beleidigung § 185 StGB a) Einführung anhand statistischer Erhebungen Nach der bundesweiten Repräsentativstudie geben 36 Prozent der Befragten an, während des Mobbingprozesses Beleidigungen ausgesetzt gewesen zu sein.375 Damit nimmt die Beleidigung einen Platz im oberen Mittelfeld innerhalb der häufigsten Mobbinghandlungen ein. Arbeiter und Personen mit niedrigem Tätigkeitsniveau greifen auf Beleidigungen als Mobbinghandlungen häufiger zurück als Beamte oder Personen mit einem hohen Tätigkeitsniveau.376 Ferner ergab die Studie, dass Mobbinghandlungen in Form von Beleidigungen mit zunehmendem Alter des Betroffenen abnehmen und Frauen während eines Mobbingprozesses eher Beleidigungen ausgesetzt sind als Männer.377

371 Mit jeweils im einzelnen unterschiedlichen Ausprägungen Hirsch, S. 29 ff., 45 ff. 72 ff.; Küper, BT, S. 74; Lackner/Kühl, vor § 185 f. Rn. 1; LK10-Herdegen, vor § 185 Rn. 8 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 24 Rn. 3, 5; MK-Regge, vor §§ 185 ff. Rn. 25; Sch/Sch-Lenckner, vor §§ 185 ff. Rn. 1 m. w. N. zu anderen vertretenen Ehrbegriffen; Tenckhoff, Jus 1988, S. 201 ff.; Tröndle/Fischer, vor § 185 Rn. 4; siehe auch zum Ehrbegriff Amelung, Knut: Die Ehre als Kommunikationsvoraussetzung, 2002. 372 SK-Rudolphi, vor § 185 Rn. 15. 373 BGHSt 8, S. 357; 9, S. 18; 35, S. 77; BayOLG JR 1963, S. 468; OLG Oldenburg NJW 1963, S. 920. 374 So heute auch BGHSt 36, S. 148; Hillenkamp, JR 1987, S. 126; Küper, S. 72; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 28 ff. (30 f.); MK-Regge, § 185 Rn. 11; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 4; SK-Rudolphi, vor § 185 Rn. 17 f. 375 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Befragten rein subjektiv antworteten und aus strafrechtlicher Unkenntnis heraus nicht den strafrechtlichen Beleidigungsbegriff zu Grund legten. 376 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 44 ff. 377 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 42 f. Letzteres muss aber mit Vorsicht hingenommen werden, weil die Statistik auf Befragungen der Betroffenen beruht und Frauen Äußerungen schneller als Beleidigung empfinden als Männer.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

b) Tatbestandliche Voraussetzungen Unter Beleidigung i. S. des § 185 StGB wird allgemein der Angriff auf die Ehre eines anderen durch Kundgabe von Miss-, Gering- oder Nichtachtung verstanden.378 Ein solcher liegt dann vor, wenn dem Betroffenen der sittliche, personale oder soziale Geltungswert durch das Zuschreiben von negativen Qualitäten ganz oder teilweise abgesprochen und ihm diesbezüglich eine Minderwertigkeit oder Unzulänglichkeit zugesprochen wird.379 Die äußerste Grenze tolerabler Angriffe auf den Achtungsanspruch ist mit der in Art. 1 GG niedergelegten Menschenwürde gezogen.380 Unterhalb dieser Grenze muss je nach Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände eine umfassende Begutachtung über den ehrverletzenden Charakter der Kundgabe erfolgen.381 Handlungen, die immer und unter jeden Umständen einen ehrverletzenden Charakter haben, gibt es selten.382 Bei der Gesamtbetrachtung der Umstände ist die Beziehung zwischen den Beteiligten, ihre gesellschaftliche Stellung, ihre Gebräuche und Anschauungen, ihre individuellen, sprachlichen, kulturellen und intellektuellen Voraussetzungen, die sprachliche und gesellschaftliche Ebene, auf der die Äußerung gefallen ist, sowie die Motive, Umstände und Auswirkungen der Tathandlung als Beurteilungsfaktoren einzubeziehen und in ihrem konkreten Zusammenwirken zu bewerten.383 Das Gleiche gilt für die konkrete Form der Äußerung, wie zum Beispiel der abfällige Ton mit dem eine Äußerung vorgenommen wird.384 Die Beurteilung des ehrverletzenden Charakters folgt aus Sicht eines verständigen Dritten.385 Diese Objektivität verhindert eine Ausdehnung der Beleidigungsdelikte, welche zu befürchten wäre, wenn auf den Betroffenen und seine Empfindungen abgestellt werden würde, weil das Ehrgefühl übertrieben hoch sein kann.386 Insbesondere bei möglichen Beleidigungshandlungen innerhalb eines Mobbingprozesses ist dieser objektive Maßstab unentbehrlich, weil der Be378 So die h. M.: BGHSt 1, S. 289; 11, S. 67; 16, S. 63; Küper, BT, S. 73; Sch/SchLenckner, § 185 Rn. 1; Tröndle/Fischer § 185 Rn. 2. 379 BGHSt 11, S. 68; 36, S. 148; OLG Düsseldorf NJW 1989, S. 3030; Lackner/ Kühl, vor § 185 f. Rn. 1, § 185 Rn. 4; MK-Regge, vor §§ 185 ff. Rn. 25; Sch/SchLenckner, vor §§ 185 ff. Rn. 1, § 185 Rn. 2 m. w. N.; Tenckhoff, JuS 1988, S. 201 ff.; zu anderen vertretenen Ehrbegriffen Tröndle/Fischer, vor § 185 Rn. 3; siehe auch zum Ehrbegriff Amelung, Knut: Die Ehre als Kommunikationsvoraussetzung, 2002. 380 Vgl. Tröndle/Fischer, vor § 185 Rn. 5, § 185 Rn. 3. 381 OLG Köln NStZ 1981, S. 183; OLG Düsseldorf NJW 1998, S. 3214 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 25 Rn. 5; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 9. 382 SK-Rudolphi, § 185 Rn. 10. 383 Maurach/Schroeder/Maiwald, § 25 Rn. 6; Hoyningen-Huene, BB 1991, S. 2215; Wessels/Hettinger, Rn. 510; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 7. 384 SK-Rudolphi, § 185 Rn. 7. 385 BGHSt 19, S. 237; MK-Regge, § 185 Rn. 9; SK-Rudolphi, § 185 Rn. 7; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 8.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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troffene durch den Mobbingprozess oftmals sensibilisiert wird, was dazu führen kann, dass er hinter jedem Verhalten einen Angriff vermutet und empfindet. Die Beleidigung ist beschränkt auf die Kundgabe eigener Missachtung, was voraussetzt, dass der Täter sich mit seiner Äußerung identifiziert und nicht nur eine fremde wiedergibt.387 Insofern umfasst sie drei Begehungsformen. Das sind zum einen Äußerungen von Werturteilen gegenüber dem Betroffenen selbst oder gegenüber einem Dritten und zum anderen Äußerungen von Tatsachen gegenüber dem Betroffenen.388 Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten sind dagegen den §§ 186 f. StGB zugeordnet und fallen nicht unter den Tatbestand des § 185 StGB. Die Kundgabe und somit die Tathandlung ist an keine bestimmte Form gebunden. Sie kann wörtlich, schriftlich, bildlich, symbolisch, konkludent oder auch in Form einer Tätlichkeit erfolgen.389 c) Relevante Beleidigungshandlungen im Zusammenhang mit Mobbing aa) Schimpfworte und entwürdigende Äußerungen Als ehrenrührige Werturteile kommen innerhalb eines Mobbinggeschehens häufig vor allem Schimpfworte oder andere entwürdigende Ausdrücke vor. Die Mobbenden greifen insofern auf ein großes Arsenal an animalischen oder sonstigen Schimpfwörtern zurück. Beispielhaft sei hier der im Ersten Kapitel dargestellte „Münchner Polizistinnenfall“390 aufgeführt, in dem der Vorgesetzte die Polizistin u. a. als „Flachzange“ und „Bauerntrampel“ bezeichnete und Äußerungen vornahm, wie „Die Anstellungsprüfung kannst Du nur geschafft haben, indem Du mit jedem Prüfer im Bett warst, weil Du ansonsten sowieso zu dumm bist“. In einem anderen Mobbingfall, der Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens391 war, beschimpfte der Vorgesetzte den Betroffenen ständig als „Dussel“, „faules Schwein“ und „dummes Schwein“. Das Gericht kam zu der Auffassung, dass der Vorgesetzte mit den Äußerungen den „rauen Ton unter den Kollegen“ weit überschritten und damit den Tatbestand der Beleidigung verwirklicht habe. In einem dritten Mobbingfall, der dem LAG Thüringen zur 386 So argumentierend gegen den faktischen Ehrbegriff NK-Zaczyk, vor § 185 Rn. 4; Sch/Sch-Lenckner, vor § 185 Rn. 1. 387 Lackner/Kühl, § 185 Rn. 3; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 25 Rn. 4; Sch/SchLenckner, § 185 Rn. 1. 388 So die h. M.: Küper, S. 71; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 1; NK-Zaczyk, § 185 Rn. 1; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 1; SK-Rudolphi, § 185 Rn. 2. 389 MK-Regge, § 185 Rn. 8; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 7 f. 390 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 391 LAG Sachsen-Anhalt vom 27.01.2000, Az.: 9 Sa 473/99 (so weit ersichtlich unveröffentlicht).

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

rechtlichen Beurteilung zu Grunde lag, wurde der Betroffene mit Ausdrücken wie „Sie lahmes Arschloch“, „Können sie denn überhaupt nichts richtig machen?“, „Sie Erfurter Puffbohne“ konfrontiert.392 Derartige Äußerungen in Form von Schimpfworten, wozu auch Ausdrücke wie „Idiot“, „Trottel“; „Schwachkopf“, „blöde Gans“, „Lump“, „Dieb“, „Betrüger“ zählen, sind regelmäßig als Beleidigung i. S. des § 185 StGB anzusehen, weil dadurch der Vorwurf elementarer menschlicher Unzulänglichkeit erhoben wird, indem die Intelligenz oder die Fähigkeit zum verantwortungsvollen Handeln bestritten oder sozialethische Pflichtverletzungen vorgeworfen werden.393 Neben Schimpfworten dieser Art kommen innerhalb eines Mobbingprozesses auch Äußerungen vor, welche darauf gerichtet sind, dem Betroffenen die Fähigkeit, den erlernten Beruf auszuüben, abzusprechen. Unter Vorbehalt der Problematik einer Einzelbeleidigung unter Kollektivbezeichnung394 sei insoweit an die Äußerungen des Vorgesetzten im „Münchner Polizistinnenfall“395 erinnert, der mehrmals seine Ansicht kundgab, dass Frauen für den Polizeidienst ungeeignet seien und gegenüber der Polizistin äußerte, dass sie die Anstellungsprüfung nur geschafft habe, indem sie mit jedem Prüfer im Bett war, weil sie ansonsten sowieso zu dumm wäre.396 Solche Äußerungen missachten den sozialen Geltungswert des Einzelnen und sind daher als Beleidigungen einzuordnen.397 Bei der Beurteilung von Schimpfworten auf ihren beleidigenden Charakter hin darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass insbesondere am Arbeitsplatz Schimpfworten nicht immer der objektive Erklärungswert von Miss-, Gering- oder Nichtachtung anhaftet, weil die Branche, die gesellschaftliche Schicht, die üblichen Umgangsformen und der übliche Umgangston der Äußerung den ehrverletzenden Charakter nehmen können.398 Eine Äußerung des 392 LAG Thüringen NZA-RR, S. 577 ff.; siehe auch als Beispielsfall LAG Berlin vom 07.11.2002, Az.: 16 Sa 938/02. 393 Hirsch, S. 85; SK-Rudolphi, § 185 Rn. 12 f.; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 2; so im erwähnten Mobbingfall auch als Beleidigung angesehen OLG München I, Az.: 1 U 2443/01, S. 4; Düsseldorf NJW 60, 1072; OLG Koblenz NStZ-RR 2000, S. 44 „Beschimpfung mit: zu blöd, das zu lesen“ u. U. auch das Tippen an die Stirn so BayOLG 56, S. 282. 394 Siehe dazu LG Hamburg NJW 1980, S. 56 ff. 395 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 396 OLG München vom 20.09.2001, Az.: 1 U 2443/01; Strafbefehl vom 23.12.1999 des AG München Geschäftsnummer: 123 Js 10953/99. 397 LK10-Herdegen, vor §§ 185 ff. Rn. 13 f.; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 2, vor §§ 185 ff. Rn. 7 ff. 398 OLG Düsseldorf NJW 1960, S. 1072; OLG Hamm DAR 1975, S. 214; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 25 Rn. 6; Hoyningen-Huene, BB 1991, S. 2215; Wessels/ Hettinger, Rn. 510; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 8; siehe dazu auch im Arbeitsrecht Hoyningen-Huene, BB 1991, S. 2215.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Vorgesetzten gegenüber einem Bauarbeiter auf der Baustelle, wie „Du fauler Hund“ kann unter Umständen ausnahmsweise nicht als ehrverletzend anzuerkennen sein, weil „härtere Ausdrücke“ hier oft „normal“ sind und zum Arbeitsalltag gehören. Dagegen wird in einem Dienstleistungsunternehmen, wie einer Bank, eine solche Äußerung regelmäßig ehrenrührig sein, weil derartige Umgangsformen in einer solchen Branche nicht üblich sind.399 Wird allgemeinen Schimpfwörtern der ehrverletzende Charakter aufgrund der Üblichkeiten am Arbeitsplatz und dem vorherrschendem gesellschaftlichen Niveau abgesprochen, bedarf dies aber großer Zurückhaltung, weil der Achtungs- und Ehranspruch jedes Menschen der gleiche ist und unabhängig von dessen gesellschaftlicher Schicht. In einem Schimpfwort liegt aber dann noch keine Kundgabe von Missachtung, wenn dieses als Scherz oder Fopperei einzuordnen ist, wie zum Beispiel, wenn sich zwei Kollegen aus Spaß immer mit „Ratte“ und „Kröte“ ansprechen.400 Macht der eine aber klar, dass er diese Betitelung mit Schimpfworten nicht mehr möchte und der andere handelt dennoch weiter, obwohl er weiß, dass sein Handeln nicht mehr als Scherz aufgefasst wird, verwirklicht er den Tatbestand der Beleidigung. Innerhalb eines Mobbingprozesses, der bewusst geführt wird, wird der Mobbende Schimpfworte nicht als Scherz einsetzen und nicht davon ausgehen, dass der andere das Schimpfwort als einen solchen auffasst, weil der Mobbende auf Angriff ausgerichtet ist. Schimpfworte, die Teil eines bewussten Mobbinggeschehens sind, werden daher regelmäßig eine Kundgabe von Nicht- oder Missachtung des Betroffenen darstellen. bb) Vertragswidrige und verwehrte Aufgabenzuteilung Neben beleidigenden Äußerungen wird innerhalb eines Mobbinggeschehens häufig auf Verhaltensweisen zurückgegriffen, welche darauf gerichtet sind, die berufliche Anerkennung, die Kompetenzen und Fähigkeiten des Betroffenen, seine Leistungs- und Einsatzbereitschaft und seine Stellung im Arbeitsumfeld in Frage zu stellen.401 Darunter zählen vor allem Mobbinghandlungen, die von Esser/Wolmerath in ihrem Katalog der 100 Mobbinghandlungen402 unter der ersten Gruppe „Angriffe gegen die Arbeitsleistung und das Leistungsvermögen“ aufgezählt werden. Auf diese Art von Mobbinghandlungen greifen insbesondere Vorgesetzte zurück. Unter die erste Gruppe derartiger Handlungen, die einer rechtlichen Beurteilung hinsichtlich ihres ehrverletzenden Charakters zugeführt 399

Hoyningen-Huene, BB 1991, S. 2215. BVerwG NVwZ-RR 2002, S. 851 ff. (853); RG JW 36, S. 2997; LG Celle NStZ 1998, S. 88; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 8; Wolmerath, Rn. 84. 401 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 40 f. 402 Siehe dazu im Ersten Kapitel A. II. 5. 400

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

werden sollen, fallen Mobbinghandlungen, wie das Verteilen von kränkenden, sinnlosen oder weit unterhalb der Qualifikation des Betroffenen liegenden Aufgaben und der Entzug der eigentlichen Arbeit, indem keine Aufgaben mehr zugeteilt werden.403 Letztere Mobbinghandlungen kommen nach der bundesweiten Studie in 18 Prozent der Fälle vor.404 Derartige Angriffe auf die Arbeitsleistung und das Leistungsvermögen führen oftmals dazu, dass dem Betroffenen das berufliche Selbstbewusstsein genommen wird und er sich mit der Zeit überflüssig und minderwertig vorkommt. Als Beispielsfall dient der im Ersten Kapitel ausführlich dargestellte „Sparkassenfall“405, in welchem dem erfolgreichen Bereichsleiter einer Sparkasse mit einer Vergütung nach BAT II nach einem Wechsel des Vorstandes aufgrund unsubstantiierter Vorwürfe und anonymer Beschwerden der Arbeitsplatz entzogen und eine Tätigkeit weit unter seiner bisherigen Position angeboten wurde. Als dieser ablehnte, wurde er von seiner Tätigkeit entbunden, hatte zunächst keine konkreten Arbeitsanweisungen und wurde alsdann mit einer Fülle von unsinnigen Aufgaben betraut. Ob dieses ohne Zweifel persönlichkeitsrechtsverletzende Mobbingverhalten auch einen Angriff auf die Ehre des Einzelnen darstellt, hängt von den Umständen ab, in die es eingebettet ist und kann im Gegensatz zu Mobbinghandlungen in Form von Schimpfworten grundsätzlich nicht bejaht werden. Vielmehr wird derartigen Verhaltensweisen der beleidigende Charakter in der Regel abgesprochen werden müssen, weil sich allein aus der Zuweisung von Arbeitsleistungen, die unter der Qualifikation des Betroffenen bzw. außerhalb der vertraglich vereinbarten Leistungen und somit außerhalb des Direktionsrechts406 des Arbeitgebers liegen, noch keine Äußerung von Missachtung ergibt, denn dem Betroffenen wird der Achtungsanspruch, den er aufgrund seines Daseins als Mensch verdient, nicht abgesprochen. Nicht in jeder Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt schon eine Ehrverletzung.407 In der Regel wird mit den Anweisungen zu unterqualifizierten Aufgaben oder dem Entzug von Arbeitsaufgaben objektiv zum Ausdruck gebracht, dass die (fachlichen) Leistungen des Betroffenen für das Unternehmen nicht mehr bzw. im Moment nicht benötigt werden oder dass die Leistungen des Betroffenen nicht den Erwartungen des Unternehmens entsprechen. Ein ehrverletzender Moment wird objektiv aber in der Regel nicht feststellbar sein. 403 Siehe dazu den „Sparkassenfall“ LAG Thüringen BB 2001, S. 1359 f., der ausführlich im ersten Kapitel II. 1. a) dargestellt ist. 404 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39. 405 Siehe im Ersten Kapitel A. II. 1. a), wo der „Sparkassenfall“ ausführlich dargestellt wird. 406 Siehe zum Umfang des Direktionsrechts des Arbeitgebers, welches sich durch Auslegung des Arbeitsvertrages ergibt: Schaub, § 45 Rn. 23 ff. 407 Küper, S. 72; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 28 ff. (30 f.); MK-Regge, § 185 Rn. 11; Sch/Sch-Lenckner, vor §§ 185 ff. Rn. 1; § 185 Rn. 4; SK-Rudolphi, vor § 185 Rn. 17 f.; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 10.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Aus einer Anweisung zu unterqualifizierten und sinnlosen Aufgaben oder aus dem Entzug von Arbeitsaufgaben kann sich ausnahmsweise dann ein ehrverletzender Charakter ergeben, wenn sich aus den Umständen der objektive Erklärungswert ergibt, dass dem Betroffenen die Fähigkeit, seinen erlernten Beruf auszuüben, ganz oder teilweise abgesprochen wird, weil damit dessen sozialer Geltungswert verletzt wird.408 Daher kann beispielsweise eine Nichtbeschäftigung als Teil eines Mobbingprozesses ausnahmsweise eine Ehrverletzung darstellen, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und sachlich nicht gerechtfertigt ist.409 Das Bundesarbeitsgericht, welches nach ständiger Rechtsprechung410 eine generelle Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers anerkennt, kommt zu dem Ergebnis, dass es für den Arbeitnehmer eine seine Persönlichkeit verletzende und seine Ehre kränkende Zumutung sei, wenn ihm trotz Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses für längere Zeit die Betätigung in seinem Beruf verwehrt werde. Die Achtung und Anerkennung des Arbeitnehmers als Mensch beruhe nicht nur auf dem wirtschaftlichen Wert seiner Leistung, sondern weitgehend darin, wie er die ihm obliegenden Aufgaben erfülle. Gerade das gebe ihm im Bereich des Arbeitslebens maßgeblich seine Würde als Mensch. Ein Zwang zum Nichtstun würde den betreffenden Arbeitnehmer nicht mehr als vollwertiges Glied der Berufsgemeinschaft und der Gesellschaft überhaupt erscheinen lassen, vielmehr entstünde der Eindruck, dass die bisherigen Leistungen so minderwertig seien, dass der Arbeitgeber lieber Geld aufwende als die Leistung in Empfang zu nehmen. Neben der Aberkennung der Fähigkeit, den erlernten Beruf auszuüben, kann sich aus dem Verhalten, insbesondere der Art der übertragenen Aufgaben, der objektive Erklärungswert ergeben, dass sein menschliches Dasein und seine menschliche Gleichwertigkeit angezweifelt werden, so zum Beispiel, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Betroffene als ein Mensch betrachtet wird, der es nicht wert ist, „ordentliche“ Aufgaben zugeteilt zu bekommen. Insoweit liegt eine Ehrverletzung nahe, wenn der Vorgesetzte dem Betroffenen die Aufgabe erteilt, die Toiletten mit einer Zahnbürste inklusive dem Boden zu reinigen oder, wenn die Weisung erteilt wird, dass der Betroffene dem Vorgesetzten die Schuhe küssen solle.411 Ebenso ist an eine Ehrverletzung den Umständen nach auch zu denken, wenn die Zuteilung der Säuberung der Toiletten stets an die einzige türkische Verkäuferin erfolgt, obwohl fünf andere Verkäuferinnen in Frage kommen könnten. Aus den Umständen müsste sich dann aber der objekLK10-Herdegen, vor §§ 185 ff. Rn. 13 f.; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 2, vor §§ 185 ff. Rn. 7 ff. 409 Hueck-Nipperdey, S. 383; Nikisch, S. 513 Fn. 7; siehe auch BAGE 2, S. 221 ff. (224 f.) „Beschäftigungspflicht“. 410 BAGE 2, S. 221 ff. (224 f.); 23, S. 484; 28, S. 168; BAG AP Nr. 14 zu § 611 „Beschäftigungspflicht“. 411 Wolmerath, 1. Auflage, S. 70. 408

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

tive Erklärungswert ergeben, dass der Vorgesetzte die Verkäuferin aufgrund ihrer Herkunft als menschlich „minderwertig“ einstuft und sie deshalb die „minderwertigen“ Aufgaben für die „höherwertigen“ Deutschen erledigen lässt.412 Ebenfalls kann es innerhalb eines Mobbingprozesses vorkommen, dass der Betroffene angewiesen wird, rechtswidrige oder sittenwidrige Arbeiten auszuführen, wie beispielsweise im „Münchner Polizistinnenfall“413, in dem der Vorgesetzte der Polizistin die Anweisung zur Aufnahme einer falschen Anzeige erteilte. Aus rechtlicher Sicht sind solche Anweisungen zwar arbeitsrechtlich unzulässig, doch grundsätzlich noch nicht ehrverletzend im Sinne des § 185 StGB. Eine derartige Anweisung ist erst dann ehrverletzend, wenn sich aus den Umständen der objektive Erklärungswert der Äußerung ergibt, dass der Betroffene als jemand einzuordnen ist, der zu rechtswidrigen und sittenwidrigen Handlungen fähig ist, wofür es im „Münchner Polizistinnenfall“ keine Anhaltspunkte gab. Als Zwischenergebnis ergibt sich demnach, dass Mobbinghandlungen in Form von Anweisungen zu vertragswidrigen, unüblichen, sittenwidrigen und rechtswidrigen Arbeiten und die kurzzeitige Nichtzuweisung von Arbeiten grundsätzlich keine Beleidigungshandlungen darstellen, es sei denn, aus den Umständen ergibt sich der objektive Erklärungswert, dass der Betroffene menschlich unzulänglich oder nicht fähig ist, seinen erlernten Beruf auszuüben. Die Nichtzuweisung von Arbeiten wird erst dann im Rahmen der Beleidigungsdelikte strafrechtlich relevant, wenn sie über einen längeren Zeitraum andauert und sachlich nicht gerechtfertig ist. cc) Äußerung von Kritik Die zweite Gruppe der Mobbinghandlungen, die darauf gerichtet ist, die beruflichen Kompetenzen, die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft und die Stellung des Betroffenen in der Arbeitswelt in Frage zustellen, umfasst in 48 Prozent der Fälle Mobbinghandlungen wie das unberechtigte, massive oder ständige Kritisieren der Arbeit, von Vorschlägen und Anregungen und in 57 Prozent der Fälle das Infragestellen oder falsche Bewerten von Arbeiten und Entscheidungen des Betroffenen.414 Mittels dieser Mobbingangriffe kann der Betroffene als Versager hingestellt werden, dem die fachlichen Voraussetzungen fehlen und dessen Arbeitsweise und -durchführung in letzter Konsequenz eine zusätzliche Belastung für die anderen Kollegen darstellt.415 412

Vgl. Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 2. Erstes Kapitel A. II. 1. b). 414 Leymann (1993), S. 33 f.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 f.; siehe dazu ArbG Lübeck vom 07.09.2000, Az.: 2 Ca1850b/00. 415 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 41. 413

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Beispielhaft aufgeführt sei hier wiederum der „Münchner Polizistinnenfall“416, in dem der Vorgesetzte die dienstlichen Leistungen der Polizistin ständig herabwürdigte und die von ihr aufgenommen Anzeigen als „Mist“ oder „Scheiße“ beurteilte.417 Als eine Art von Kritik ist auch die Abmahnung einzuordnen, weil sie Ausdruck der Missbilligung eines Verhaltens ist und durch sie dem Betroffenen sein vertragswidriges Verhalten vorgehalten wird.418 Dass die Abmahnung Teil eines Mobbingprozesses sein kann, zeigt sich anhand des „Sparkassenfalls“419, in welchem der Betroffene drei bis vier Abmahnungen an einem Tag erhielt, die später vom Gericht als unwirksam erklärt wurden.420 Ebenso ist als Kritik die Ausstellung eines (qualifizierten) Zeugnisses mit mangelhafter Leistungsbewertung einzuordnen, weil dieses neben der Art und Dauer der Beschäftigung auch eine Beurteilung über die Führung und Leistung des Beschäftigten beinhaltet.421 Kritik an der Arbeit, die sich im sachlich (noch) vertretbaren Raum bewegt, ist zwar unschön für den Betroffenen, stellt aber – auch wenn sie regelmäßig erfolgt – noch keine tatbestandsmäßige Beleidigung dar, weil durch sie der persönliche Achtungsanspruch des Einzelnen nicht betroffen ist, sondern lediglich das von ihm Geleistete.422 Nachteilige subjektive Einschätzungen eines Vorgesetzten – soweit sie sich auf die Arbeitsleistungen eines ihm Untergebenen beziehen – verwirklichen daher den Tatbestand der Beleidigung nicht. In dem Sinne hat das LAG Hamm423 zu Recht festgestellt, dass die negativen subjektiven Äußerungen („Sie könne nichts, sie habe keine Arbeit“, „Sie würde von einer Kaffeebar zur anderen fahren“) eines Meisters gegenüber dem Betriebsleiter über die Arbeitsleistungen und das Arbeitsverhalten einer ihm Untergebenen, lediglich dienstliche Mitteilungen darstellen und noch keine Beleidigungen. Kritik wird erst dann in den Einzugsbereich der Beleidigungsdelikte fallen, wenn durch sie der persönliche Geltungsanspruch des Betroffenen verletzt wird, was dann der Fall ist, wenn der Betroffene in seiner Person angegriffen wird, indem ihm fälschlich ein schuldhaftes Versagen gegenüber einer ethischen oder rechtlichen Pflicht oder eine elementare menschliche Unzulänglichkeit vorge416 417

Erstes Kapitel A. II. 1. b). OLG München vom 20.09.2001, Az.: 1 U 2443/01 (so weit bekannt unveröffent-

licht). 418

Schaub, § 61 Rn. 28. Erstes Kapitel A. II. 1. a). 420 LAG Thüringen vom 10.04.2001, Az.: 5 Sa 102/2000 (Sachverhalt nur teilweise abgedruckt in BB 2001, S. 1358 ff.). 421 Schaub, § 146 Rn. 19 f. 422 LK10-Herdegen, § 193 Rn. 1, 13; Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 5; SK-Rudolphi, § 193 Rn. 5; siehe dazu auch im Zusammenhang mit einem Mobbingvorwurf: AG Lübeck vom 07.09.2000, Az.: ÖD 2 Ca 1850 b/00 S. 11 (unveröffentlicht). 423 LAG Hamm NZA-RR 2001, S. 9. 419

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worfen wird.424 In dem Sinne erhält die Äußerung von Kritik beispielsweise dann einen beleidigenden Charakter, wenn sich der Untergebene die berechtigten Vorwürfe des Vorgesetzten in einer entwürdigenden Stellung, auf eine übertriebene Art und Weise oder in Verbindung mit Schimpfworten anhören muss.425 Die Reaktion des Vorgesetzten auf einen Fehler des Betroffenen mit der Äußerung „Sind sie denn zu allem zu blöd“, oder wenn der Vorgesetzte den Betroffenen in übertriebenem Maß „anschreit“, wird daher als Beleidigung in Betracht zu ziehen sein. Kritik ist ferner auch dann ehrverletzend, wenn sie zum Ausdruck bringt, dass der Betroffene zu dem von ihm erlernten Beruf nicht fähig ist.426 Die ständige Beurteilung der von der Polizistin im „Münchner Polizistinnenfall“427 aufgenommen Anzeigen mit „Mist“ oder „Scheiße“ kann daher in seiner Wiederholung durchaus einen Angriff auf die Fähigkeit, den gelernten Beruf auszuüben, darstellen und somit eine beleidigende Wirkung implizieren. dd) Scherze und Sticheleien Relevanz im Rahmen der Beleidigungsdelikte können ferner Mobbinghandlungen in Form von Sticheleien und Hänseleien erlangen, welche nach der bundesweiten Repräsentativstudie in 55 Prozent der Mobbingfälle anzutreffen sind.428 Unter diese Gruppe von Mobbinghandlungen fallen beispielsweise das Lustigmachen über eine Behinderung, das Aussehen, persönliche Krisen und Probleme oder das Nachstellen von Gang, Stimme, Mimik oder Gesten, um jemanden lächerlich zu machen. Diese Mobbinghandlungen sind grundsätzlich keine Beleidigungen.429 Scherze, Foppereien, Spott oder Namensverballhornungen sind erst dann als ehrverletzend anzuerkennen, wenn sich insbesondere aus ihrer Form oder den Umständen, in denen sie vorgenommen werden, der objektive Sinngehalt ergibt, dass mit dem Betroffenen auf derartige Art und Weise umgegangen werden kann, weil er minderwertig ist oder ihnen der Vorwurf menschlicher Unzulänglichkeit oder sozialethischer Pflichtverletzungen entnommen werden kann.430

LK10-Herdegen, § 193 Rn. 1, 13; Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 5. RGSt 54, S. 289 f.; Kindhäuser, BT I, § 25 Rn. 14. 426 LK10-Herdegen, vor §§ 185 ff. Rn. 13 f.; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 2; Wiese, ZfA 1971, S. 298. 427 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 428 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39. 429 Küpper, § 4 Rn. 17; Liepmann, VDB IV, S. 270; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 27; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 2. 430 RGSt 1, S. 390; 12, S. 140, S. 141; RG JW 1936, S. 2997; Celle NStZ 1998, S. 88; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 27; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 2; SK-Rudolphi, § 185 Rn. 11; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 8. 424 425

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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ee) Unterlassen von Höflichkeitsformen und das Meiden von sozialem Kontakt Eine weitere größere Gruppe von Mobbinghandlungen, welche im Zusammenhang mit den Beleidigungsdelikten innerhalb der rechtlichen Beurteilung von Mobbing erwähnenswert ist, ist das Nichtbeachten allgemein anerkannter Höflichkeitsformen oder das Meiden von sozialem menschlichen Kontakt, wodurch dem Betroffenen häufig vor Augen gehalten werden soll, dass er im konkreten Arbeitsbereich nicht erwünscht ist. Beispielhaft werden innerhalb der Literatur, die sich mit dem Thema Mobbing beschäftigt, unter diese Gruppe folgende potentiellen Mobbinghandlungen gezählt: das demonstrative Ignorieren (Weghören, Wegsehen, Übersehen), Nichtgrüßen, Nichterwidern eines Grußes, allgemeines Totschweigen, Nichtannahme der angebotenen Hand zum Gruß, das Weglassen des Wortes „Herr“, „Frau“ oder des Titels auf der Anschrift oder in einem Schreiben.431 Darüber hinaus zählen zu dieser Gruppe auch potentielle Mobbinghandlungen wie das Ausschließen aus der Alltagskommunikation und das Weglassen üblicher gegenseitiger Freundlichkeiten im Kollegenkreis, Ignorieren von Fragen, Gesprächswünschen und Hilfeersuchen, das demonstrative Wegsetzen von einem Tisch, wenn der Betroffene sich dazu setzt oder das Nichteinladen zu Betriebsfeiern bzw. zu außerbetrieblichen Unternehmungen. Als Beispielsfall dient ein vor dem Arbeitsgericht Dresden432 verhandelter Mobbingfall: Die Teilnahme aller Betriebsmitglieder an der allmorgendlichen Kaffeerunde, bei der die Einsatzbesprechung für den Tag erfolgte, war von der Geschäftsleitung ausdrücklich erwünscht. Gegenüber der Klägerin wurde dagegen geäußert, dass es nicht notwendig sei, dass sie käme, zumal sowieso nicht genügend Platz vorhanden sei. Ferner habe der Beklagte, welcher der Vorgesetzte der Klägerin war, die Klägerin über 11 Monate hinweg ignoriert. Zunächst stellt sich für die rechtliche Beurteilung von Verhaltensweisen, wie dem Weglassen von Höflichkeitsformeln und dem Meiden von sozialem Kontakt, die Frage, ob es sich dabei um konkludente Äußerungen handelt oder um Unterlassen i. S. des § 13 StGB, was für die Strafbarkeit eine Garantenstellung erfordern würde.433 Letzteres kann nach herrschender Ansicht in Zwei-Personen-Konstellationen nur ausnahmsweise dann vorkommen, wenn der Zugang einer eigenen zuvor ohne Kundgabewillen geäußerten Missbilligung nicht verhindert wird.434 In anderen Fällen kann die Beleidigung in Zwei-Personen-Ver431 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 41; Leymann (1993), S. 33 f.; siehe als Beispielsfälle die Mobbingurteile: LAG Baden-Württemberg vom 27.07.2001, Az.: 5 Sa 72/01; LAG Hamm vom 27.09.2000, Az.: 14 Sa 1163/00. 432 AG Dresden vom 07.07.2003, Az.: 5 Ca 5954/02. 433 SK-Rudolphi, § 185 Rn. 16; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 7; MK-Regge, § 185 Rn. 25. 434 Fuhr, S. 222; Hirsch, Ehre und Beleidigung, S. 241 f.; Kindhäuser, § 185, Rn. 8; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 25; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 25 Rn. 11; MK-

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hältnissen nicht durch Unterlassen begangen werden, weil es sich zum einen bei der Beleidigung um ein Äußerungsdelikt handelt und es daher am Erfolgseintritt aufgrund fehlender Kenntnisnahme einer Äußerung fehlen wird435 und es zum anderen keine Rechtspflicht zur Bezeugung von Ehrerweisung gibt, sondern der Ehrachtungsanspruch lediglich auf das Unterlassen von Ehrabsprechungen gerichtet ist436. Anhand der Auslegung des § 185 StGB ergibt sich aber, dass eine Beleidigung auch unabhängig von den erhöhten Voraussetzungen des § 13 StGB durch bestimmte Unterlassungen verwirklicht werden kann, wenn sie einen eigenen Erklärungswert in sich tragen.437 Bei der Beleidigung als Äußerungsdelikt ist allein die Sinnübermittlung entscheidend, so dass es auf die Art und Weise, auf welche die Miss-, Gering- oder Nichtachtung zum Ausdruck gebracht wird, nicht ankommt und der Kundgabeakt der Missachtung sich auch in einem Unterlassen manifestieren kann.438 In der Regel werden daher „Unterlassungen“439 sozial gebotener Ehrerbietungen, wie die oben aufgezählten, konkludente Äußerungen darstellen. 440 Bei den meisten oben aufgezählten Mobbinghandlungen ist daher eine Strafbarkeit nach den Beleidigungsdelikten nicht von vornherein ausgeschlossen, weil ihnen trotz des körperlichen Nichtstuns bzw. nur geringer Entfaltung von Energie eine Äußerung, nämlich in konkludenter Form, zu entnehmen sein wird. Daher sind nicht nur aktive Handlungen, wie das Aufstehen vom Tisch, das Wegdrehen des Kopfes, das Absenden eines Briefes, welcher die Anrede mit Herr oder Frau vermissen lässt, als Äußerungen einzuordnen.441 Sondern auch in Handlungen wie dem Nichterwidern eines Grußes, dem Nichtergreifen der Regge, § 185 Rn. 25; NK-Zaczyk, § 185 Rn. 4; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 12; SKRudolphi, § 185 Rn. 16; a. A. Krey/Heinrich, BT I, Rn. 421, der eine Strafbarkeit wegen Beleidigung durch Unterlassen ohne Ausnahme mit der Begründung ablehnt, dass es sich bei den Beleidigungsdelikten um Äußerungsdelikte handelt. 435 Fuhr, S. 222; siehe auch Krey/Heinrich, BT I, Rn. 421. 436 Hirsch, S. 239; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 421; Liepmann, VDB IV, S. 272; SKRudolphi, § 13 Rn. 11; differenzierend Fuhr, S. 223 ff. 437 SK-Rudolphi, § 13 Rn. 8; a. A. NK1-Seelmann, § 13 Rn. 18, der auch insoweit eine Garantenstellung verlangt. 438 Fuhr, S. 221; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 422; a. A. NK1-Seelmann, § 13 Rn. 18. 439 Zu Recht kritisch gegenüber den Begriffen „Beleidigung durch Unterlassen“; „Kundgabe durch Unterlassen“, die für derartige Konstellationen innerhalb der Rechtswissenschaft verwendet werden Fuhr, S. 220 f. 440 Baumann/Weber/Mitsch, § 16 Rn. 35; Fuhr, S. 220 f.; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 421 f.; Liepmann, VDB IV, S. 272; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 25; Maurach/ Schroeder/Maiwald, § 25 Rn. 11; MK-Regge, § 185 Rn. 25; NK-Zaczyk, § 185 Rn. 4; SK-Rudolphi, § 185 Rn. 16; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 12. 441 Hirsch, S. 239; RG LZ 1915, S. 445; SK-Rudolphi, § 15 Rn. 16; a. A. Gralka, BB 1995, S. 2652 hinsichtlich des Wegsetzens vom Tisch, der darin ein Unterlassen erblickt.

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dargebotenen Hand und dem allgemeinen Ignorieren kann eine Verlautbarung oder Erklärung in Form konkludenten Handelns liegen, weil in den meisten Fällen durch das Weglassen von allgemein anerkannten Höflichkeitsformen und dem Vermeiden von sozialem Kontakt nicht nur einem bereits in Gang gesetztem Geschehen sein Lauf gelassen wird, sondern vielmehr eine neue Situation hinsichtlich des zwischenmenschlichen Miteinanders der Betroffenen geschaffen wird, indem den „Unterlassungen“ ein eigener Erklärungswert zu entnehmen ist.442 Ist demnach festgestellt, dass das „Unterlassen“ von Höflichkeitsformeln und sozialem Kontakt eine konkludente Äußerung implizieren kann, stellt sich nunmehr die Frage, ob diese dadurch auch eine Miss-, Nicht- oder Geringachtung des anderen zum Ausdruck bringt und damit ehrverletzend ist. Eine verallgemeinernde Bejahung des beleidigenden Charakters derartiger Handlungen, so wie einige Vertreter im Schrifttum443 es anscheinend bevorzugen, ist abzulehnen, weil es nicht Aufgabe der Beleidigungsdelikte ist, vor schlechtem Benehmen und Unhöflichkeiten zu schützen oder das zwischenmenschliche „Auskommen“ bzw. Kommunizieren zu erzwingen.444 Vielmehr muss unter Berücksichtigung des situativen Kontexts und den Umständen, in die das Verhalten eingebettet ist, der objektive Sinn bzw. der objektive Erklärungswert dieser „nonverbalen“ Handlungen ermittelt werden.445 Keine Äußerung von Missachtung liegt beispielsweise unzweifelhaft vor, wenn der Vorgesetzte den Betroffenen bereits vor der Tagung gesehen und gegrüßt hat und später während der Tagung nicht nochmals grüßt, weil durch das Nichtgrüßen keinerlei Missachtung zum Ausdruck gebracht wird.446 Schwieriger dagegen sind „nonverbale“ Handlungen hinsichtlich ihres ehrverletzenden Charakters zu beurteilen, wenn sich aus den Umständen der objektive Sinn ergibt, dass der Täter mit dem anderen bewusst nichts zu tun haben und mit ihm nicht kommunizieren will. Zu diesen Beispielen zählen vor allem typische Mobbinghandlungen, wie das demonstrative Nichtantworten auf eine Begrüßung, das Nichtentgegennehmen eines Begrüßungshandschlags oder das demonstrative Ignorieren. Als Beispielsfall soll folgender Fall dienen: Der Vorgesetzte begrüßt alle seine Mitarbeiter mit Handschlag, den A dagegen demonstrativ 442 Baumann/Weber/Mitsch, § 16 Rn. 35; Dieball, BB 1996, S. 484; Kern, S. 70; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 422; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 25; Maurach/Schroeder/ Maiwald, § 25 Rn. 11; MK-Regge, § 185 Rn. 25; NK-Zaczyk, § 185 Rn. 4; SK-Rudolphi, § 185 Rn. 16; Stock, S. 184; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 12; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 7; a. A. Gralka, BB 1995, S. 2652, der das bewusste Ignorieren als Unterlassen einordnet. 443 Baumann/Weber/Mitsch, § 16 Rn. 35; Wolmerath, Rn. 83. 444 Vgl. Hirsch, S. 239; Sch/Sch-Lenckner, vor §§ 185 ff. Rn. 2. 445 Hirsch, S. 240; Kern, S. 70; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 422; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 25. 446 Baumann/Weber/Mitsch, § 16 Rn. 35.

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nicht, obwohl er auf gleicher betrieblicher Ebene wie die anderen Mitarbeiter steht. Derartiges demonstratives „Unterlassen“ wird teilweise als ehrverletzend anerkannt.447 Mit Sicht auf den heutigen wohl herrschenden „normativen Ehrbegriff“ ist einer solchen rechtlichen Verallgemeinerung jedoch nicht zu folgen. Bloße Unhöflichkeiten, Taktlosigkeiten und Nachlässigkeiten sind noch keine Kundgabe von Missachtung.448 Nicht schon alles, worüber sich der Betroffene ärgert, ist eine Beleidigung. Auch die bloße Nichtanerkennung eines anderen ist noch nicht als Ehrverletzung anzusehen.449 Erst wenn sich aus dem objektiven Sinngehalt der Äußerungen und Kundgaben die Zuschreibung einer negativen Qualität ergibt, ist diese ehrverletzend. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn lediglich die bloße emotionale Ablehnung des anderen zum Ausdruck gebracht wird.450 Das bewusste Weglassen von Höflichkeitsformeln, wie das Nichtgrüßen oder Ignorieren, enthält daher in der Regel noch keine Erklärung der Missachtung gegenüber dem anderen. Vielmehr wird sich der objektive Erklärungsgehalt darin beschränken, dass die Bereitschaft zur Einhaltung üblicher zwischenmenschlicher Konventionen nicht besteht.451 Selbst wenn der Täter innerlich dem Betroffenen die Ehre abspricht und sich in diesem Sinne auch subjektiv verhält, ist das für eine Ehrverletzung nicht ausreichend, solange er diese Einstellung nicht objektiv zum Ausdruck bringt.452 Durch ein bloßes Wegsehen oder Nichtgrüßen oder Nichtbeachten kommt eine derartige Missachtung noch nicht zum Ausdruck, weil ein solches Verhalten genauso gut auf fehlenden Umgangsformen, auf Gleichgültigkeit, schlechter Kinderstube, Borniertheit oder bloßer Feindschaft beruhen kann.453 Wie diese Ausführungen zeigen, ist das Nichtbeachten von Höflichkeitsformeln nur in sehr seltenen Fällen als ehrverletzende Äußerung anzuerkennen. Es ist bereits die gebotene teleologische, also im Strafrecht auf das tatbestandliche Rechtsgut bezogene, Auslegung, die dazu führt, dass das einfache Vermeiden von sozialem Kontakt und das Weglassen von allgemeinen Höflichkeitsformen nicht als tatbestandsmäßig einzustufen sind. Insofern ist die abzulehnende454 Lehre von der Sozialadäquanz, auf welche innerhalb der Literatur, die sich mit den rechtlichen Folgen von Mobbing auseinandersetzt455, auch in diesem Zu447

Wolmerath, Rn. 83; siehe auch Baumann/Weber/Mitsch, § 16 Rn. 35. Küpper, § 4 Rn. 17; Lackner/Kühl, § 185 Rn. 4; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 27; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 25 Rn. 12; MK-Regge, § 185 Rn. 9; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 10; SK-Rudolphi, § 185 Rn. 11. 449 Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 8. 450 Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 2; siehe auch die Rechtsprechung zu § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB: wie beispielsweise BGH NStZ 1994, S. 490 f. 451 Hirsch, S. 239. 452 Hirsch, S. 239. 453 Hirsch, S. 239; NK-Zaczyk, § 185 Rn. 4; a. A. Liepmann, VDB IV, S. 272 f. 454 Vgl. dazu die Ausführungen in diesem Kapitel B. II. 4. e) bb) (3). 455 Däubler, BB 1995, S. 1348; siehe auch Stock, S. 185. 448

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sammenhang zurückgegriffen wird, ebenfalls an dieser Stelle überflüssig. Ein Rückgriff auf diese Lehre ist unabhängig von ihren Schwachstellen schon deshalb nicht überzeugend, weil es unverständlich ist, wie demonstratives Wegsetzen vom Tisch und demonstratives Ignorieren eines Kollegen als sozialadäquates Verhalten eingeordnet werden kann. Derartiges Verhalten kann, selbst wenn der Lehre von der Sozialadäquanz entgegen hier vertretener Ansicht Gefolgschaft geleistet wird, nicht als sozialadäquates Verhalten eingeordnet werden, weil es wohl kaum von der Gesellschaft als vollkommen unverdächtig und hinnehmbar bewertet wird.456 Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass das demonstrative Ignorieren, Nichtgrüßen und ähnliche nonverbale Handlungen, welche lediglich das Nichtleidenkönnen eines anderen oder die Vermeidung von Umgang mit dem Betroffenen zum Ausdruck bringen, zweifellos unhöfliches und unsittliches Verhalten darstellt, doch ist darin grundsätzlich noch kein Vorwurf menschlicher Unzulänglichkeit oder sozialethischer Pflichtverletzung gegenüber dem anderen zu erblicken, weil das „Nicht-miteinander-können“ auch Ausdruck des zwischenmenschlichen Miteinanders ist. Ergibt sich aus der Bewertung der nonverbalen Handlungen und den Umständen, in denen sie vorgenommen wurden, dass der objektive Sinngehalt dieser Handlungen einzig darin lag, den zwischenmenschlichen Kontakt aufgrund der normalen zwischenmenschlichen Abneigung gegen den anderen nicht aufzunehmen, handelt es sich dabei noch nicht um eine ehrverletzende Äußerung. In den meisten Fällen erschöpft sich der objektive Erklärungswert derartiger nonverbaler Handlungen in der Missachtung zwischenmenschlicher Konventionen, Mangel an Bereitschaft positiver Achtungsweisen und in Indizien über Einstellungen des Täters, die in der ehrdifferenten Erklärung nicht zum Ausdruck kommen.457 Es ist demnach bei Mobbing, das sich durch Nichteinhaltung von konventionellen Höflichkeitsformeln und Meiden von sozialem Kontakt auszeichnet, nur im Ausnahmefall eine Ehrverletzung anzunehmen.458 Nämlich nur dann, wenn sich aus den Umständen der objektive Sinngehalt der Äußerung ergibt, dass dem Betroffenen der Vorwurf menschlicher Unzulänglichkeit gemacht wird. Für die strafrechtliche Relevanz derartiger Handlungen darf sich aus den Umständen nicht nur ein „Nichtleiden“ und ein „Nichtmiteinander-zu-tun-haben-wollen“ ergeben, sondern der objektive Erklärungswert muss sich darauf beziehen, dass der Betroffene menschlich unzulänglich und er es moralisch nicht wert ist, ihm gegenüber Höflichkeitsformeln einzuhalten. Als Beispiel könnte angeführt werden, wenn ein Kollege einen behinderten Kollegen stets nicht grüßt und ignoriert, und sich aus den Be456 So i. E. auch Stock, S. 185, der die Schwelle der Sozialadäquanz bei gemeinschaftlichem Handeln eher überschritten sieht. 457 Hirsch, S. 239; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 25; NK-Zaczyk, § 185 Rn. 4. 458 Hirsch, S. 239 ff.; Kern, S. 70; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 25 Rn. 11; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 25; siehe auch Tenckhoff, JuS 1988, S. 204.

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gleitumständen der objektive Erklärungswert ergibt, dass behinderte Menschen es nicht wert sind, sich mit ihnen abzugeben, weil sie keine gleichwertigen, sondern minderwertige Wesen sind. Ein weiteres Beispiel für ein ehrverletzendes Handeln ist darin zu sehen, wenn sich jemand mit Gesten des Abscheus oder Ekels von einem anderen abwendet.459 ff) Sexuelle Belästigungen und sexualbezogene Handlungen Wie im Ersten Kapitel bereits erwähnt, kann sich Mobbing auch aus sexuellen Belästigungen bzw. sexuell bestimmtem Verhalten zusammensetzen.460 Im Zusammenhang mit einem Mobbingprozess spielen aber weniger der (erzwungene) Versuch des Beischlafs oder andere strafrechtlich relevante Handlungen i. S. des § 177 StGB eine Rolle, sondern vielmehr die sexuelle Annäherung, verbale sexuelle Angebote und Äußerungen sexuellen Inhalts. Da das Schamgefühl nicht vom Ehrbegriff umfasst ist, weil dem Einzelnen durch die Verletzung des Schamgefühls nicht eine Minderwertigkeit attestiert wird, sind sexuelle oder sexualbezogene Handlungen regelmäßig keine Beleidigungen.461 Vielmehr bringen Versuche der sexuellen Annäherung zum Ausdruck, dass der Täter die Person begehrt oder ihre körperlichen bzw. menschlichen Vorzüge schätzt. Sexuelle und sexualbezogene Handlungen, wie das Ansinnen von sexuellem Kontakt, erfüllen den Tatbestand der Beleidigungsdelikte daher nur dann, wenn besondere Umstände einen neben der bloßen Schamverletzung hinaus beleidigenden oder herabsetzenden Charakter erkennen lassen.462 Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sich aus dem Verhalten des Mobbenden der objektive Sinngehalt ergibt, dass dieser den Betroffenen als „Flittchen“ oder als eine minderwertige Person einschätzt, mit der so etwas ohne weiteres möglich ist, was beispielsweise denkbar ist, wenn demonstrativ Geld für sexuelle Handlungen angeboten wird.463 Im Zusammenhang mit Mobbing wird nicht das Ansinnen von sexuellem Kontakt im Vordergrund stehen. Vielmehr werden sexualbezogene Äußerungen Teil eines Mobbinggeschehens sein, die darauf abzielen, die sexuellen Fähigkei459

Hirsch, S. 240 Fn. 85. Siehe dazu die Ausführungen im Ersten Kapitel A. II. 6. b). 461 BGHSt 36, S. 148 ff. (150) mit Anmerkung Hillenkamp, JR 1987, S. 126; BGH NStZ 1993, S. 182; Küper, S. 72; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 28 ff. (30 f.); MK-Regge, § 185 Rn. 11; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 4; SK-Rudolphi, vor § 185 Rn. 17 f.; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 11 f.; a. A. BGHSt 1, S. 289. 462 BGHSt 36, S. 145 ff. (150); BGH NStZ 1993, S. 182; BayOLG NJW 1999, S. 72 f.; Küper, S. 72; MK-Regge, § 185 Rn. 11; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 4; SKRudolphi, § 185 Rn. 14; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 11 f.; kritisch Hillenkamp, JR 1987, S. 126. 463 Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 4; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 11a. 460

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ten des Betroffenen in Frage zu stellen, jemandem sexuelle Beziehungen anzudichten bzw. ihn in ein schlechtes Licht diesbezüglich zu stellen und Behauptungen aufzustellen, dass jemand ein „reges und ausschweifendes“ Sexualleben führe.464 Als Beispiel sei an dieser Stelle wiederum auf den „Münchner Polizistinnenfall“465 verwiesen, in dem der Vorgesetzte der Polizistin gegenüber u. a. äußerte: „Die Anstellungsprüfung kannst Du nur geschafft haben, indem Du mit jedem Prüfer im Bett warst“. Derartige Äußerungen mit sexuellem Bezug sind als Beleidigung anzuerkennen, weil sie bei tatsächlichem Vorliegen den Geltungswert des Betroffenen mindern würden.466 Dagegen liegt eine Beleidigung nicht vor, wenn am Arbeitsplatz etwa eine Konfrontation mit sexualbezogenen Äußerungen, mit lästigem, distanzlosem und zotigem „Humor“ und sexualbezogenen Abbildungen stattfindet.467 Daher ist auch das Vorliegen eines beleidigenden Charakters bei Äußerungen wie denen des Vorgesetzten im „Münchner Polizistinnenfall“468 abzulehnen: „Wie ist Dein Alter im Bett?“. d) Zwischenfazit Die Angriffshandlungen des Mobbenden verletzen oftmals das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Nicht alle diese Mobbinghandlungen fallen aber unter den Schutzbereich der Beleidigungsdelikte. Innerhalb eines Mobbingprozesses kommen insbesondere Beleidigungen in Form von Schimpfwörtern, entwürdigenden Ausdrücken und der Aberkennung der Fähigkeit, einen bestimmten Beruf auszuüben, sehr häufig vor. Macht der Mobbende von derartigen Äußerungen vorsätzlich Gebrauch, hat er sich grundsätzlich strafrechtlich nach § 185 StGB zu verantworten. Kritik, welche von den Betroffenen als häufige Mobbinghandlung genannt wird, stellt erst dann eine Beleidigung dar, wenn sie sich nicht nur auf die erbrachte Leistung bezieht, sondern auch einen Angriff auf den persönlichen Geltungsanspruch darstellt. Andere persönlichkeitsrechtsverletzende Mobbinghandlungen, wie die vertragswidrige Aufgabenzuteilung, die Nichtzuweisung von Arbeitsaufgaben, sich im sachlichen Rahmen haltende Kritik an der erbrachten Leistung, Meiden von sozialem Kontakt und Mobbinghandlungen, die den allgemeinen gesellschaftlichen Höflichkeitsformen des menschlichen Miteinanders widersprechen, werden dagegen seltener einen beleidigenden Charakter implizieren. Dieser wird bei ihnen oftmals erst durch die Umstände begründet, in denen sie vorgenommen werden.

464 465 466 467 468

Leymann (1993), S. 90 f. Erstes Kapitel A. II. 1. b). BGHSt 36, S. 148; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 4. Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 11a. Erstes Kapitel A. II. 1. b).

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Ferner kann der Betroffene im Zusammenhang mit Mobbing Sexualbeleidigungen ausgesetzt sein. In Anbetracht des geringen Anteils an sexualbezogenen Mobbinghandlungen im Verhältnis zu anderen potentiellen Mobbinghandlungen nehmen diese aber eher eine untergeordnete Rolle bei der rechtlichen Beurteilung von Mobbing ein. 4. Üble Nachrede und Verleumdung §§ 186, 187 StGB a) Relevanz für die strafrechtliche Beurteilung von Mobbing Am häufigsten greifen die Mobbenden auf das Verbreiten von Gerüchten und Unwahrheiten über den Betroffenen zurück. Die im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ergangene bundesweite Repräsentativstudie über Mobbing in Deutschland führte zu dem Ergebnis, dass in ca. 69 Prozent der Fälle auf diese Mobbinghandlung zurückgegriffen wird,469 wobei Arbeiter innerhalb eines Mobbinggeschehens häufiger auf das Verbreiten von Gerüchten und Unwahrheiten zurückgreifen als Angestellte und Beamte.470 Die Unterstellungen beziehen sich auf eine weite Bandbreite an Möglichkeiten und zielen darauf ab, das persönliche und ggf. auch das fachliche Ansehen der Betroffenen zu schädigen.471 Befragte Betroffene gaben an, dass über sie verbreitet wurde, sie seien psychisch krank, alkoholabhängig, hätten im Unternehmen etwas gestohlen oder führten ein ausschweifendes Sexualleben.472 In einem vor der Arbeitsgerichtsbarkeit verhandelten Mobbingfall hat der Vorgesetzte dem Betroffenen in Gegenwart von anderen Kollegen unberechtigt vorgeworfen, dass dieser nur simuliert hätte, als er krank geschrieben war.473 b) Tatbestandliche Voraussetzungen Derartige Vorwürfe und Unterstellungen als Teil eines Mobbingprozesses führen dazu, dass sich der Mobbende wegen Verleumdung oder übler Nachrede strafrechtlich zu verantworten hat, wenn es sich, wie in den Beispielen, um Tatsachenbehauptungen handelt, die geeignet sind, den Betroffenen verächtlich zu machen oder ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Tatsachen sind konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die sinnlich wahrnehmbar in die Wirklichkeit getreten und damit dem Beweis zugäng469

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 f.; Leymann (1993), S. 33 f. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 45. 471 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 40. 472 Leymann (1993), 33 f.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 40; siehe auch die Beispielsfälle bei Wolmerath, Rn. 88. 473 LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577; ebenso in einem Mobbingfall des AG Dresden vom 07.07.2003, Az.: 5 Ca 5954/02. 470

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lich sind.474 Ein Werturteil liegt dagegen vor, wenn die Äußerung durch Elemente der subjektiven Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist und deshalb dem Wahrheitsbeweis nicht zugänglich ist, sondern je nach persönlicher Überzeugung nur falsch oder richtig sein kann.475 Beide Tatbestände unterscheiden sich insoweit, dass die Unwahrheit der Tatsache bei der üblen Nachrede nicht Tatbestandsmerkmal, sondern eine objektive Strafbarkeitsbedingung darstellt und sich somit der Vorsatz des Täters nicht auf die Unwahrheit beziehen muss, so dass der Täter sich wegen übler Nachrede auch strafbar macht, wenn er davon ausgeht, dass die Tatsache wahr ist.476 Dagegen ist bei der Verleumdung die Unwahrheit der Tatsache Tatbestandsmerkmal und der Täter muss wissen (dolus directus II. Grades), dass die Tatsache, die er verbreitet oder behauptet, unwahr ist.477 Eine Tatsache i. S. des § 186 StGB ist unwahr, wenn sich herausstellt, dass sie im wesentlichen Kern nicht richtig ist.478 Jegliche Zweifel an der Wahrheit gehen zu Lasten des Täters.479 Dagegen werden im Zusammenhang mit § 187 StGB Zweifel über die Falschheit dem Täter zu Gute gehalten.480 Behaupten einer Tatsache bedeutet, etwas als nach eigener Überzeugung geschehen, vorhanden bzw. richtig hinstellen.481 Verbreiten ist dagegen die Weitergabe einer Tatsachenbehauptung an Dritte als Gegenstand fremden Wissens oder Behauptens.482 Im Gegensatz zur Behauptung macht der Täter sich die fremde Tatsachenbehauptung nicht zu eigen und tritt für ihre Richtigkeit nicht ein. Ein Verbreiten kann deshalb auch schon in der Weitergabe eines Gerüchts

474 RGSt 55, S. 131; BGHSt 12, S. 291; Lackner/Kühl, § 186 Rn. 3; Tröndle/Fischer, § 186 Rn. 2; SK-Rudolphi, § 186 Rn. 3. 475 RGSt 22, S. 159; Lackner/Kühl, § 186 Rn. 3; Tröndle/Fischer, § 186 Rn. 2; SKRudolphi, § 186 Rn. 4. 476 So die h. M. BGHSt 11, S. 273 (274); LK10-Herdegen, § 186 Rn. 3; Lackner/ Kühl, § 186 Rn. 7a; Sch/Sch-Lenckner, § 186 Rn. 10 m. w. N.; Tenckhoff, JuS 1988, S. 622 f.; Tröndle/Fischer, § 186 Rn. 13; a. A. Hirsch, S. 168 ff.; MK-Regge, § 186 Rn. 28 f. m. w. N. in Fn. 110; NK-Zaczyk, § 186 Rn. 19; SK-Rudolphi, § 186 Rn. 15; Wessels/Hettinger, Rn. 501, die für das tatbestandliche Unrecht zusätzlich fordern, dass eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung hinsichtlich der Wahrheitsfrage notwendig ist. 477 BGHSt 19, S. 235 (236); MK-Regge, § 187 Rn. 11; Sch/Sch-Lenckner, § 187 Rn. 5; Tröndle/Fischer, § 187 Rn. 4. 478 MK-Regge, § 186 Rn. 30; Sch/Sch-Lenckner, § 187 Rn. 2; Tröndle/Fischer, § 186 Rn. 12. 479 LK10-Herdegen, § 186 Rn. 3 f.; Tröndle/Fischer, § 186 Rn. 11; Sch/Sch-Lenckner, § 186 Rn. 16. 480 MK-Regge, § 187 Rn. 9; NK-Zaczyk, § 187 Rn. 2. 481 MK-Regge, § 186 Rn. 16; Sch/Sch-Lenckner, § 186 Rn. 7; SK-Rudolphi, § 186 Rn. 9; Tröndle/Fischer, § 186 Rn. 8. 482 RGSt 31, S. 63; Lackner/Kühl, § 186 Rn. 5; MK-Regge, § 186 Rn. 17; Sch/ Sch-Lenckner, § 186 Rn. 8; SK-Rudolphi, § 186 Rn. 11.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

liegen, auch wenn das Gerücht unglaubwürdig oder nicht bestätigt und der Täter von der Richtigkeit nicht überzeugt ist.483 Die Tatsache muss geeignet sein, den anderen verächtlich zu machen oder ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Das setzt voraus, dass die behauptete oder verbreitete Tatsache einen Sachverhalt zum Inhalt hat, der nach objektiver Bewertung regelmäßig negativ beurteilt und dem Betroffenen nicht nur tatsächlich, sondern auch in Verbindung mit einem negativen Werturteil zugeschrieben wird.484 Eine Schmeichelei kann daher auf unwahren Ursachen beruhen, einen ehrverletzenden Charakter dagegen hat sie nicht. An der Eignung fehlt es, wenn die Unrichtigkeit ohne weiteres erkennbar ist.485 Eine Eingrenzung erfahren die §§ 186 f. StGB, wenn eine große Gruppe innerhalb der Bevölkerung die Tatsache zwar als ehrenrührig ansieht, dies jedoch im Widerspruch zur Rechtsordnung steht.486 Beispielsweise sind in diesem Sinne Behauptungen „Jemand sei ein Jude“, „Jemand gehöre einer bestimmten Partei an“ oder „Jemand sei homosexuell“ keine ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen, weil bestimmte Ansichten innerhalb der Gesellschaft nicht dazu führen dürfen, dass neutrale Tatsachen von der Rechtsordnung ehrverletzend behandelt und von ihr bestätigt werden.487 c) Beleidigungsfreie Sphäre am Arbeitsplatz Im Gegensatz zur Verleumdung488, auf die anschließend eingegangen wird, werden der Tatbestand der Beleidigung und der üblen Nachrede, nach überwiegender Meinung durch eine beleidigungsfreie Sphäre eingeschränkt, indem ehrverletzende Äußerungen über nicht anwesende Dritte in besonders engen Lebenskreisen unter der Bedingung, dass die Äußerung Ausdruck besonderen Vertrauens ist und als vertraulich behandelt wird, von den Beleidigungsdelikten nicht umfasst.489 Diesen Gedanken fortführend stellt sich die Frage, ob auch 483 RGSt 38, S. 368; BGHSt 18, S. 182 (183); MK-Regge, § 186 Rn. 17; Sch/SchLenckner, § 186 Rn. 8; SK-Rudolphi, § 186 Rn. 11; Tröndle/Fischer, § 186 Rn. 9. 484 Tröndle/Fischer, § 186 Rn. 4. 485 Tröndle/Fischer, § 186 Rn. 5. 486 Maurach/Schroeder/Maiwald, § 25 Rn. 27; LK10-Herdegen, § 186 Rn. 10; Tröndle/Fischer, § 186 Rn. 6. 487 Tröndle/Fischer, § 186 Rn. 6. 488 MK-Regge, § 187 Rn. 18; SK-Rudolphi, vor § 185 Rn. 19; Sch/Sch-Lenckner, vor §§ 185 ff. Rn. 9b; Wessels/Hettinger, Rn. 486; a. A. Hillenkamp, JuS 1997, S. 826; ders., FS-Hirsch, S. 572. 489 Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 12; Hillenkamp, FS-Hirsch, S. 571; ders., JuS 1997, S. 825; Lackner/Kühl, § 185 Rn. 9; SK-Rudolphi, vor § 185 Rn. 18; Wessels/Hettinger, Rn. 481 ff.; a. A. Arzt/Weber, BT, § 7 Rn. 26, die in der beleidigungsfreien Sphäre einen Anwendungsfall des § 193 StGB erblicken; Sch/Sch-Lenckner, vor §§ 185 ff. Rn. 9a, der einen Strafausschließungsgrund annimmt.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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der Arbeitsplatz einen derartigen besonders engen Lebenskreis darstellt, der das Vorliegen einer beleidigungsfreien Sphäre begründet. Die beleidigungsfreie Sphäre findet ihren Sinn und ihre Grundlage in der verfassungsrechtlich geschützten Entfaltung der Persönlichkeit, aus der sich die Lebensnotwendigkeit ergibt, dass der Einzelne innerhalb seines engsten Lebenskreises unverstellt seine Empfindungen zum Ausdruck bringen und seinem Unmut befreiend Luft machen kann, ohne dabei jedes Wort auf die „Goldwaage“ legen zu müssen.490 Zu dem engsten Lebenskreis gehören zunächst der engste Familienkreis, eheähnliche Partnerschaften und Verlobte.491 Ob darüber hinaus auch besonders enge Freundschaften zu zählen sind, wird in der Rechtsprechung und der Literatur nicht einheitlich beantwortet.492 Die Annahme eines beleidigungsfreien Raumes am Arbeitsplatz ist jedoch zu verwerfen. Die menschliche Verbundenheit durch den Arbeitsplatz bzw. durch den Arbeitsvertrag führt nicht zu einer besonderen menschlichen Beziehung, die eine beleidigungsfreie Sphäre rechtfertigen könnte.493 Derjenige, der sich an den Arbeitsplatz begibt, begibt sich gleichzeitig aus seinem engsten Vertrautenkreis heraus und muss sich daher mit Rücksicht gegenüber anderen Kollegen verhalten. In dem Sinne hat auch das LG Hannover das Vorliegen einer beleidigungsfreien Sphäre verneint, wenn der Vorgesetzte der Sekretärin einen beleidigenden Brief an einen Dritten diktiert.494 Eine beleidigungsfreie Sphäre am Arbeitsplatz ergibt sich daher ausnahmsweise nur dann, wenn Kollegen oder Vorgesetzte familiär miteinander verbunden sind oder – vorausgesetzt es wird entgegen der Rechtsprechung eine beleidigungsfreie Sphäre zwischen Freunden anerkannt – wenn über das „normale“ Kollegenverhältnis hinaus eine sehr enge Freundschaft besteht. d) Üble Nachrede und Verleumdung durch eine Mehrzahl an Handlungen In den meisten Mobbingfällen wird bereits die Behauptung einer einzelnen unwahren Tatsache geeignet sein, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Es sind aber durchaus Fälle 490 BVerfGE 90, S. 255 ff. (260 f.); Hillenkamp, FS-Hirsch, S. 564 ff.; SK-Rudolphi, vor §§ 185 ff. Rn. 18; Wessels/Hettinger, Rn. 485; siehe zu anderen vertretenen Begründungen der beleidigungsfreien Sphäre die Übersicht bei Schendzielorz, S. 52 ff. 491 BVerfGE 90, S. 255; Sch/Sch-Lenckner, vor §§ 185 ff. Rn. 9b; Schendzielorz, S. 259. 492 Siehe dazu RGSt 71, S. 159 ff. (160); OLG Stuttgart NJW 1963, S. 119 ff. (120); BayOLG MDR 1976, S. 1036 ff.; sich dafür aussprechend: Sch/Sch-Lenckner, vor §§ 185 ff. Rn. 9b; Schendzielorz, S. 259. 493 Schendzielorz, S. 260; Wolmerath, Rn. 85. 494 LG Hannover NdsRpfl. 1966, S. 23 f.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

denkbar, in denen diese Eignung erst durch die wiederholte Vornahme der Behauptung hervorgerufen wird. Dazu folgendes Beispiel: Der Arbeitskollege A erzählt wahrheitswidrig über B, dass dieser gestern eher gegangen ist als seine Arbeitszeit andauerte. Nimmt er diese Äußerung einmalig vor, ist diese grundsätzlich noch nicht geeignet, den anderen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Behauptet A aber mehrmals und bezogen auf unterschiedliche Tage, dass B jeweils früher geht, kann dadurch bei den anderen Kollegen der Eindruck erweckt werden, dass B ein fauler Mensch ist, der sich an seine vertraglichen Pflichten nicht hält. Es ist demnach nicht die einzelne Behauptung sondern erst die Gesamtheit der Behauptungen, die geeignet ist, den Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen.495 Da den Beleidigungsdelikten anhand ihrer Auslegung nicht zu entnehmen ist, dass sie ihre Berechtigung gerade darin finden, dass eine einzelne Handlung das Unrecht in sich vereinigt, ist eine Gesamtwürdigung von mehreren Handlungen und damit die Erfassung als üble Nachrede respektive Verleumdung möglich.496 Ergänzend sei aber darauf hingewiesen, dass der Täter mit Gesamtvorsatz gehandelt haben muss, damit er sich auch wegen der Gesamtwirkung des Verhaltens strafrechtlich zu verantworten hat.497 e) Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises Vereinzelt kann es auch vorkommen, dass die Mobbenden auf das Verbreiten und Behaupten wahrer und für den Betroffenen unangenehmer Tatsachen zurückgreifen. Dadurch macht sich der Mobbende nur dann strafbar, wenn sich aus der Form und den Umständen eine Ehrverletzung ergibt. Beispielsweise kann daher eine Beleidigung vorliegen, wenn leichte Verfehlungen oder für den Betroffenen unangenehme Tatsachen im Vorleben bzw. außerbetrieblichen Bereich in der Werkszeitschrift veröffentlicht oder am Schwarzen Brett ausgehängt werden und dadurch eine Prangerwirkung erzielt wird.498 f) Zwischenfazit Die Verleumdung und die üble Nachrede nehmen bei der strafrechtlichen Beurteilung von Mobbing eine hohe Relevanz ein. Der Grund, warum auf diese Handlungen besonders gern als Mobbinghandlungen zurückgegriffen wird, liegt unter anderem darin, dass das Verbreiten von Gerüchten sehr unauffällig praktiziert werden und der Betroffene dem Gerücht oftmals nur schwerlich entgegen495

Schröder, JZ 1972, S. 652. Schröder, JZ 1972, S. 652. 497 Schröder, JZ 1972, S. 652 f. 498 Vgl. Lackner/Kühl, § 192 Rn. 2; Sch/Sch-Lenckner, § 192 Rn. 1; Tröndle/Fischer, § 192 Rn. 2; Wiese, ZfA 1971, S. 298. 496

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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treten kann. Ferner lassen sich die Verursacher in einigen Fällen schwer ausfindig machen, so dass für den Mobbenden die oftmals gewünschte Anonymität gewährleistet wird. Die Verleumdung und die üble Nachrede stellen daher eines der „effektivsten“ Mobbingmittel dar. 5. Subjektiver Tatbestand – Vorsatz Die Beleidigungsdelikte sind ausschließlich vorsätzlich begehbar, wobei bedingter Vorsatz genügt.499 Bei der Beleidigung muss der Vorsatz das Bewusstsein umfassen, dass die Äußerung nach ihrem objektiven Sinn eine Missachtung darstellt und dass der Äußerungsempfänger sie wahrnimmt. Bei der üblen Nachrede und der Verleumdung muss sich der Vorsatz darauf beziehen, dass die Tatsache ehrenrührig ist, dass der Täter sie behauptet oder verbreitet und dass die Äußerung unmittelbar an eine dritte Person gelangt.500 Bei der Verleumdung kommt hinzu, dass der Täter von der Unwahrheit der Tatsache sichere Kenntnis haben bzw. von dieser überzeugt sein muss.501 Im Gegensatz zu den Tötungs- und Körperverletzungsdelikten werden sich in den meisten Fällen hinsichtlich des Vorliegens und Beweises des Vorsatzes des Mobbenden keine erheblichen Schwierigkeiten ergeben. Es ist zumeist eine einzelne Mobbinghandlung, die losgelöst vom Gesamtgeschehen eine Beleidigung darstellt und dem Mobbenden ist es regelmäßig bei Vornahme der beleidigenden Mobbinghandlung bewusst, dass sein Verhalten eine Missachtung impliziert bzw. die von ihm verbreitete Tatsache ehrenrührig und unwahr ist.502 6. Rechtfertigungsgrund § 193 StGB – „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ Für die endgültige Strafbarkeit des Mobbenden wird stets § 193 StGB ins Blickfeld der rechtlichen Betrachtung einbezogen werden müssen, der die Beleidigung und üble Nachrede dann rechtfertigt, wenn mit ihr berechtigte Interessen wahrgenommen werden. Dagegen ist § 193 StGB auf die Verleumdung grundsätzlich nicht anzuwenden, weil die Verfolgung eines berechtigten Zwecks mit der bewussten Lüge, der Verleumdung, unvereinbar ist.503 Der Äußernde nimmt ein berechtigtes Interesse wahr, wenn er einen vom Recht als schutzwürdig anerkannten öffentlichen oder privaten, ideellen oder materiellen Zweck 499 Hierzu und zum Folgenden: Lackner/Kühl, § 185 Rn. 10; Tröndle/Fischer, § 185 Rn. 17; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 17; 186 Rn. 17. 500 Sch/Sch-Lenckner, § 186 Rn. 17, 187 Rn. 4. 501 Lackner/Kühl, § 187 Rn. 1; Sch/Sch-Lenckner, § 187 Rn. 4. 502 So auch Wolmerath, Rn. 98. 503 BGHSt 14, S. 51; NK-Zaczyk, § 193 Rn. 7; Tröndle/Fischer, § 193 Rn. 3; Sch/ Sch-Lenckner, § 193 Rn. 2.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

verfolgt.504 Die Freude am Klatsch genügt als berechtigtes Interesse nicht.505 Im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz wird als privates Interesse anerkannt, wenn eine Ehrverletzung zum Zwecke der Erhaltung des Betriebsfriedens vorgenommen506 oder materielle Interessen wie die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz507 verfolgt werden. Ferner kann unter Umständen ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an freier, harter Aussprache unter Kollegen aufgrund ihrer Verbundenheit am Arbeitsplatz und wie explizit in § 193 StGB aufgezählt wird, im Vorgesetzten-Untergebenen Verhältnis innerhalb der Güterabwägung von § 193 StGB anerkannt werden und zur Rechtfertigung gemäß § 193 StGB führen. Als berechtigter Zweck ist auch der Gegenschlag auf einen ehrverletzenden Angriff oder auf eine überspitzte Kritik zu bewerten, solange der Gegenschlag eine adäquate Reaktion auf das vorangegangene Geschehen darstellt, die dem Angriffsstil entspricht.508 Ein Zweck, welcher den guten Sitten zuwiderläuft, scheidet von vornherein aus. Im Zusammenhang mit Mobbing ist ein solcher vor allem darin zu erblicken, wenn mittels Mobbing die Kündigung durch den Arbeitgeber oder die Selbstkündigung des Betroffenen erreicht werden soll.509 Erörterungswürdig erscheint hinsichtlich der rechtlichen Würdigung von Mobbing insbesondere der von § 193 StGB explizit als Unterfall der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ aufgezählte Fall „Rügen und Vorhaltungen von Vorgesetzten und Untergebenen“. Wie bereits dargestellt, wird Kritik als Mobbinghandlung sehr häufig von den Betroffenen genannt und ist tatbestandsmäßig, wenn durch sie die Fähigkeit des erlernten Berufs in Frage gestellt oder nicht sachlich und in beleidigender Weise geäußert wird.510 Mit der Rechtfertigung von Rügen und Vorhaltungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz wird die Sicherung der Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers und des vorgesetzten Beamten, auf welchen das Direktionsrecht übertragen wurde, bezweckt. Der Vorgesetzte koordiniert und beaufsichtigt die Arbeit seiner Mitarbeiter. Er hat die Aufgabe, in seinem zuständigen Bereich für Ordnung und Arbeitsqualität zu sorgen. Der Vorgesetzte muss daher auch

504

Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 9. Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 9. 506 KG Westberlin DRZ 1950, S. 418 f.: bei dem Versuch, einen Diebstahl in einem Werk aufzuklären, wurde ein Verdacht über den Täter geäußert. Die Rechtfertigung durch § 193 StGB wurde mit dem Interesse der Aufklärung des Diebstahls und damit zugleich dem Interesse an der Erhaltung des Arbeitsfriedens begründet. 507 RGSt 29, S. 147 ff. 508 BVerfGE 12, S. 113 ff. (132); LK10-Herdegen, § 193 Rn. 7; MK-Joecks, § 193 Rn. 31; NK-Zaczyk, § 193 Rn. 31 f.; Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 16. 509 Vgl. NK-Zaczyk, § 193 Rn. 18; Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 9. 510 Leymann (1993), S. 33 f.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 f.; siehe dazu ArbG Lübeck vom 07.09.2000, Az.: 2 Ca 1850b/00. 505

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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die Möglichkeit haben, seine Mitarbeiter zu kritisieren und „frei weg“ seine Meinung sagen zu dürfen, um im Interesse der Behörde, des Unternehmens bzw. des Arbeitgebers das optimale Arbeitsergebnis zu erlangen, ohne zugleich mit strafrechtlichen Repressalien rechnen zu müssen.511 Durch § 193 StGB sind aber nur Äußerungen in Form von Rügen und Vorhaltungen gedeckt, die eine Kritik an der Sache darstellen.512 Eine solche liegt dann vor, wenn die Kritik sich auf dienstliche, insbesondere berufliche Leistungen oder das damit verbundene persönliche Verhalten bezieht.513 Äußerungen, die sich gänzlich oder überwiegend auf persönliche Abwertungen beschränken, werden von § 193 StGB nicht erfasst.514 Erfasst sind auch formelle Abmahnungen, dienstliche Beurteilungen, Urteile über die Leistungsfähigkeit oder über die Eignung für Aufstiegspositionen.515 Ferner wird nicht nur die „richtige“ und „wertvolle“, sondern vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit und den Interessen des Vorgesetzten auch die „falsche“ und „wertlose“ Meinung in Form von Kritik von § 193 StGB gedeckt, weil Art. 5 GG die Meinung als solche schützt.516 Hält der Vorgesetzte eine Entscheidung des ihm Untergebenen für falsch, die objektiv gesehen aber richtig war, und kritisiert den Betroffenen daraufhin, ist auch diese falsche Kritik nicht aufgrund ihrer Verfehltheit ungerechtfertigt, sondern die Interessen des Vorgesetzten werden in diesem Zusammenhang durch § 193 StGB geschützt. Voraussetzung für eine gerechtfertigte Rüge oder Vorhaltung des Vorgesetzten ist aber, dass diese angemessen, also geeignet und erforderlich gewesen ist, um den verfolgten Zweck (die Vermeidung zukünftiger Fehler, die Erhöhung der Arbeitsproduktivität, die Wiederherstellung des Betriebsfriedens) zu erreichen.517 Erforderlich ist die beleidigende Äußerung dann nicht, wenn sie zur Wahrnehmung des verfolgten Zwecks überhaupt oder in der konkreten Art nicht notwendig war, weil dem Täter ein gleich wirksames aber milderes Mittel zur Verfügung stand. Dabei müssen die gesamten Umstände bei der Beurteilung mit berücksichtigt werden.518 Ergibt die Gesamtbetrachtung, dass aus dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen auch eine übertriebene und damit tatbestandliche Kritik zulässig war, hat sich der Mobbende mit seiner Äußerung daher nicht strafbar gemacht. Ein solcher Fall läge beispielsweise nahe, wenn eine „über511 512 513 514 515 516 517 518

Schaub, § 130 Rn. 49; § 45 Rn. 28. NK-Zaczyk, § 193 Rn. 37; Tröndle/Fischer, § 193 Rn. 40. NK-Zaczyk, § 193 Rn. 37; Tröndle/Fischer, § 193 Rn. 40. Tröndle/Fischer, § 193 Rn. 40. Tröndle/Fischer, § 193 Rn. 40. Vgl. LK10-Herdegen, § 193 Rn. 14. Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 1, 4. Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 9a.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

triebene“ Rüge eines Vorgesetzten Folge der wiederholten Vornahme eines gleichen bereits gerügten Fehlers ist, den Anweisungen des Vorgesetzten keine Beachtung geschenkt wird oder ein besonders schwerer Schaden durch das Verhalten des Mitarbeiters entstanden ist. Dagegen wird die Angemessenheit beispielsweise zu verneinen sein, wenn sich der Betroffene die berechtigten Vorwürfe, wie im obigen Beispiel, in einer entwürdigenden Stellung, auf entwürdigende Art und Weise anhören muss oder wenn der Vorgesetzte den Betroffenen wegen eines kleinen, nicht wesentlichen Fehlers, den er erstmals begangen hat, in übertriebener beleidigender Art und Weise anschreit.519 Zu beachten ist aber, dass die Tat nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Handelnde in Kenntnis der rechtfertigenden Sachlage und aufgrund der ihm dadurch verliehenen Befugnis agiert. Er muss gerade zum Zwecke der Interessenwahrung handeln.520 Dabei ist es unschädlich, wenn er aus anderen Motiven wie Rachsucht oder Verärgerung heraus handelt, solange er daneben auch beabsichtigt berechtigte Interessen wahrzunehmen.521 Der Handelnde muss daher die an sich beleidigende Äußerung gerade zum Zweck der Aufrechterhaltung der betrieblichen Ordnung und der Arbeitsqualität vornehmen. An diesem sog. Rechtfertigungswillen wird die Straflosigkeit des Mobbenden in einigen Fällen scheitern, denn es liegt im Rahmen eines Mobbinggeschehens nahe, dass der Mobbende nicht aus der Notwendigkeit die betriebliche Ordnung oder die Qualität der Arbeit zu sichern heraus handelt, sondern gerade zur Schikane den Betroffenen beleidigt ohne dass es dafür aus seiner Sicht einen tatsächlichen betrieblichen Grund gibt. Ist die übertriebene Rüge oder Vorhaltung durch § 193 StGB gerechtfertig, wäre darüber hinaus daran zu denken, ob nicht gleichwohl eine Bestrafung gemäß § 185 StGB in Betracht kommt, wenn aus der Form der Äußerung oder den Umständen, in denen sie erfolgt, eine Nicht- oder Missachtung hervorgeht.522 Zu beachten ist aber, dass eine Formalbeleidigung nicht schon dann vorliegt, wenn die Kritik oder die Äußerung unsachlich und uneinsichtig ist,523 sondern erst, wenn die Form oder die Umstände der Äußerung ein selbständig zu erfassendes Plus an Ehrkränkung enthalten. Zu denken wäre hier insbesondere an den Fall, in dem der Vorgesetzte berechtigterweise seine Rüge vorträgt, 519 RGSt 54, S. 289 f.; Kindhäuser, BT I, § 25 Rn. 14; Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 26. 520 BGH 18, S. 186; NK-Zaczyk, § 193 Rn. 46; LK-Herdegen, § 193 Rn. 30; Wessels/Hettinger, Rn. 517; a. A. Lackner/Kühl, § 193 Rn. 9; MK-Joecks, § 193 Rn. 58; Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 23; Tröndle/Fischer, § 193 Rn. 42, die die Kenntnis des Täters von den rechtfertigenden Umständen genügen lassen. 521 BGH NStZ 87, S. 554; OLG Köln NJW 1997, 1247; NK-Zaczyk, § 193 Rn. 46; Tröndle/Fischer, § 193 Rn. 42; vgl. auch BverfGE 12, S. 128. 522 Wiese, ZfA 1071, S. 298. 523 BGHSt 19, S. 311, 317; LK10-Herdegen, § 193 Rn. 14.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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aber den Untergebenen in übertriebenem Maß anschreit.524 Zurecht wird aber teilweise vertreten, dass im Rahmen des § 185 StGB eine ehrverletzende Formalbeleidigung dann nicht mehr vorliegt, wenn die Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgreich bejaht wurde, weil bereits bei der Abwägung hinsichtlich der Einhaltung des berechtigten Interesses alle Umstände der Äußerung, wie die Form und die Begleitumstände aus der sich eine Formalbeleidigung ergeben könnte, mitberücksichtigt wurden.525 Lediglich für § 186 StGB ist ein Rückgriff auf § 193 StGB denkbar, weil dort allein der Inhalt der Äußerung entscheidend ist.526 7. Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Beleidigungsdelikte bei der strafrechtlichen Beurteilung von Mobbing eine bedeutende Rolle einnehmen. Im Gegensatz zu den Körperverletzungsdelikten sind sie keinen besonderen Beweisschwierigkeiten ausgesetzt, die auf das Gesamtgeschehen Mobbing bzw. die sie umgebenden Umstände zurückzuführen sind. Die Mobbenden greifen häufig für ihre Angriffe auf Handlungen zurück, die den Tatbestand der Beleidigung, der Verleumdung oder der üblen Nachrede verwirklichen. § 185 StGB ist oftmals aufgrund der von den Mobbenden gegen den Betroffenen gerichteten Schimpfworte und entwürdigenden Ausdrücke in Betracht zu ziehen. Die Verleumdung und die üble Nachrede dagegen sind durch das Verbreiten von Gerüchten gekennzeichnet, wobei der Inhalt der Gerüchte sehr unterschiedlich sein kann. Es ist aber auch festzustellen, dass viele Mobbinghandlungen, die persönlichkeitsrechtsverletzend sind, keine Ehrverletzung implizieren und somit das mit Mobbing verbundene Unrecht, welches sich in vielen Fällen aus der wiederholten Vornahme von Persönlichkeitsrechtsverletzungen ergibt, oftmals nicht aufgefangen wird. Typische Mobbinghandlungen wie unberechtigte Kritik, unhöfliches Verhalten, Vermeiden von sozialem Kontakt, Zuweisen von nichtvertragsgemäßer, sinnloser Arbeit und die Nichtbeschäftigung stellen in diesem Sinn regelmäßig noch keine Ehrverletzung dar bzw. werden – vorausgesetzt der Handelnde handelt zur Wahrnehmung betrieblicher Interessen – durch § 193 StGB gerechtfertigt.

524

RGSt 54, S. 289 f. Dähn, JR 1990, S. 517; Graul, NStZ 1991, S. 461; LK10-Herdegen, § 193 Rn. 33; Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 26. 526 Sch/Sch-Lenckner, § 193 Rn. 26. 525

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

V. Nötigung § 240 StGB 1. Einführung Die Frage nach der Strafbarkeit des Mobbenden wegen (versuchter) Nötigung stellt sich immer dann, wenn mit Hilfe von Mobbing nicht vorwiegend eine bestimmte Schädigung bezweckt wird, sondern ein bestimmtes Verhalten des Betroffenen erreicht werden soll, was nicht selten der Fall ist.527 Mittels Mobbing wird oft ein bestimmtes Verhalten des Betroffenen wie zum Beispiel die Niederlegung eines bestimmten Amtes (Betriebsratsamt) oder ein bestimmtes Unterlassen wie die Nichtbewerbung auf eine bestimmte Stelle im Unternehmen angestrebt.528 In vielen Fällen und meistens in Form von Mobbing von oben nach unten, dem sog. Bossing seitens des Arbeitgebers bzw. Vorgesetzten, wird Mobbing als Mittel zum Personalabbau eingesetzt, um die Selbstkündigung des Betroffenen zu erreichen und dadurch beispielsweise Abfindungskosten oder Kündigungsprozesse zu vermeiden, welche mit erheblichen Kosten verbunden sein können.529 Aber nicht nur der Arbeitgeber bzw. der Vorgesetzte, sondern auch die eigenen Kollegen bezwecken aus Konkurrenzdenken heraus mit Mobbing die Selbstaufgabe des Arbeitsplatzes durch den Betroffenen, um beispielsweise zu verhindern, dass sie bei Einsparungen von Arbeitsstellen selbst gekündigt werden oder um zu erreichen, dass der Arbeitsplatz des Betroffenen frei wird, damit sie diesen einnehmen können. Dass Mobbing ein geeignetes Mittel ist, die Betroffenen zur Selbstkündigung zu zwingen, zeigt die bundesweite Repräsentativstudie über Mobbing, wonach in ca. 22 Prozent der Fälle die Belastung von den Betroffenen als so unerträglich empfunden wird, dass sie zur Selbstkündigung greifen, um den ständigen Angriffen zu entgehen.530 2. Nötigungsmittel a) Einführung Bezweckt der Mobbende ein bestimmtes Verhalten des Betroffenen, muss das von ihm ausgehende Mobbingverhalten als Gewalt oder Drohung eingeordnet 527 Siehe zu den unterschiedlichen Motiven der Mobbenden zum Beispiel Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118. 528 Esser/Wolmerath, S. 212. 529 Wickler in Wickler, S. 26; Wolmerath, Rn. 20; siehe als Beispielsfall LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff (1361); bei Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118 gaben 3,4 Prozent der Betroffenen als Grund für die gegen sie gerichtete Mobbingangriffe den Abbau von Arbeitsplätzen an und 3,2 Prozent, dass man sie „losen haben“ wollte. 530 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 78 f.

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werden können, um im Rahmen der Nötigung tatbestandliche Relevanz zu erhalten. Da Mobbing ein Komplex von mehreren einzelnen Handlungen darstellt, muss bei der Frage, ob der Mobbende ein Zwangsmittel eingesetzt hat, auf Tatbestandsebene zwischen der einzelnen Mobbinghandlung und dem Gesamtgeschehen Mobbing differenziert werden. Typischerweise ist es nicht eine einzelne Mobbinghandlung, die geeignet ist, den beispielsweise in der Selbstkündigung liegenden Nötigungserfolg herbeizuführen, sondern gerade die Gesamtheit an systematisch vorgenommenen Handlungen, die den Betroffenen oftmals aus Verzweiflung und Ohnmacht zu dem vom Mobbenden angestrebten Verhalten zwingen. Daher ist es für die strafrechtliche Beurteilung von Mobbing von besonderer Relevanz, ob Gewalt oder eine Drohung vorliegt, wenn der Mobbende nicht mit einer einzelnen Handlung, sondern gerade durch das Gesamtgeschehen Mobbing den Betroffenen zu einem bestimmten Verhalten veranlassen will, insbesondere dann, wenn er ihn psychisch und physisch derart zermürbt, dass er sich wie vom Mobbenden erhofft verhält. Als Beispielsfall sei auf den in diesem Kapitel dargestellten Fall, in dem die männlichen Arbeitskollegen ihre neue Kollegin aus der Abteilung durch isolierendes Verhalten drängen, verwiesen.531 b) Gewalt Der Gewaltbegriff war und ist bis heute einer der umstrittensten Begriffe des Strafrechts.532 Nach der sich im Vordringen befindenden vorzugswürdigen Auffassung ist Gewalt der körperlich wirkende Zwang durch eine unmittelbare oder mittelbare Einwirkung auf einen anderen, die nach der Vorstellung des Täters dazu bestimmt und geeignet ist, einen tatsächlich geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden oder unmöglich zu machen.533 Das Vorliegen von Gewalt erfordert daher im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung534 keinen unbedingten Kraftaufwand des Täters.535 Entscheidend ist vielmehr die Art der Zwangswirkung auf Opferseite.536 Der Verzicht auf die Kraftentfaltung des 531

Erstes Kapitel B. II. 4. e) cc) (1) (b) (aa), Fall B. Vgl. zum Meinungsstand etwa LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 42; MK-Gropp/ Sinn, § 240 Rn. 53 ff.; NK-Kindhäuser, vor § 249 Rn. 10 ff.; Sch/Sch-Eser, vor §§ 234 ff. Rn. 6. 533 Küper, BT, S. 161; Wessels/Hillenkamp, Rn. 319. 534 RGSt 46, S. 404; 56, S. 88; 58, S. 98; 72, S. 349. 535 BGHSt 41, S. 182 (185); Wessels/Hillenkamp, Rn. 320; Zöller, GA 2004, S. 152 (159 f.). 536 BGHSt 1, S. 145 (146); 5, S. 245 (246); 8, S. 102; 37, S. 353; 41, S. 182 ff. (185); BGH NStZ 1981, S. 218; 1995, S. 230; Wessels/Hillenkamp, Rn. 320; vgl. auch BVerfGE NJW 2002, S. 1032; siehe auch: Krey/Heinrich, BT I, Rn. 342; Küper, S. 162; vgl. aber auch BVerfGE 92, S. 1 ff., 17, wo eine körperliche Kraftentfaltung gefordert wird. 532

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Täters ist vor allem vor dem Hintergrund des § 240 StGB als Schutzdelikt der Willensentschließungs- und Willensbetätigungsfreiheit vorzugswürdig, denn diese geschützten Interessen können durch Verhaltensweisen ohne erhebliche Kraftentfaltung genauso erheblich beeinträchtigt werden als wenn der Täter Kraft aufwendet.537 Das Mobbinggeschehen kann einzelne Mobbinghandlungen umfassen, die unabhängig vom Gesamtgeschehen einen Gewaltakt darstellen. Hierbei können wiederum nicht alle denkbaren und insoweit relevanten Mobbinghandlungen aufgezählt, sondern nur geeignete Beispiele hervorgehoben werden. Unproblematisch ist die Anwendung von Gewalt zu bejahen, wenn der Mobbende direkte Körperverletzungen (Ohrfeigen, körperliche Auseinandersetzungen) oder übermächtigen Körperkontakt (Fesseln, Festhalten, Zurückstoßen bzw. aus dem Weg stoßen) anwendet, um ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen.538 Gewalt liegt auch dann vor, wenn dem Betroffenen der Weg versperrt539, er eingesperrt540 oder von seinem Arbeitsplatz ausgesperrt541 wird, um beispielsweise zu erreichen, dass er die Stechuhr oder einen wichtigen Termin nicht rechtzeitig erreicht oder seine Arbeit nicht rechtzeitig fertig stellen kann. Ebenso kann von Gewalt die Rede sein, wenn der Betroffene niedergeschrieen oder eine erhebliche Geräuschkulisse erzeugt wird, so dass es ihm aufgrund der Lärmbelästigung unmöglich ist, einen Vortrag zu halten542. Gewalt kann je nach Einzelfall auch dann bejaht werden, wenn die Umweltbedingungen, in welchen der Betroffene seine Arbeitsleistung erbringt, von den Tätern absichtlich unerträglich gestaltet werden, was beispielsweise dann der Fall ist, wenn die Heizung im Büro bei erheblicher Kälte abgestellt543 oder ein Arbeitsplatz mit extremer Lärm zugewiesen wird. Diese beispielhaften Handlungen machen deutlichen, dass einzelne Mobbinghandlungen unabhängig davon, ob sie Teil eines Mobbingprozesses sind, einen Gewaltakt darstellen können. Sie gehören aber nach der von der Bundesanstalt in Auftrag gegebenen Repräsentativstudie nicht zu den häufigsten und typischen Mobbinghandlungen.544 Erhebliche Abgrenzungsfragen stellen sich dagegen bei typischen Mobbingkonstellationen, die sich aus Handlungen, wie dem Ignorieren, Totschweigen 537

Zöller, GA 2004, S. 152 m. w. N. BGH NStZ 1993, S. 182; NK-Kindhäuser, vor § 249 Rn. 19; Sch/Sch-Eser, vor §§ 234 ff. Rn. 13; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 27. 539 RGSt 45, S. 153. 540 BGHSt 20, S. 194; Sch/Sch-Eser, vor §§ 234 ff. Rn. 13. 541 BGHSt 18, S. 134; Sch/Sch-Eser, vor §§ 234 ff. Rn. 13. 542 BGH NJW 1982, S. 189 mit Anm. Dingeldey, NStZ 1982, S. 161; LK-Träger/ Altvater, § 240 Rn. 20; Schroeder, JuS 1982, S. 493; LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 108; dagegen Köhler, NJW 1983, S. 10. 543 OLG Hamm NJW 1983, S. 1505; SK-Horn/Wolters, § 240 Rn. 11b. 544 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 ff. 538

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und gesellschaftlichem Ausgrenzen oder aus verbalen Äußerungen, wie Beleidigungen, Verleumdungen, Anweisungen zu minderwertigen Arbeiten, falschem Bewerten von Arbeitsleistungen oder verbalen Sticheleien und Hänseleien, zusammensetzen, denn dabei handelt es sich zunächst lediglich um psychisch wirkende Angriffe. Wenn man mit der noch teilweise vertretenen Ansicht545 zumindest ein Mindestmaß an körperlicher Kraftentfaltung auf Täterseite fordert, wird das Vorliegen von Gewalt bei diesen Handlungen bereits mangels Kraftentfaltung auf Seiten des Täters zu verneinen sein. Gewalt erfordert aber, wie dargestellt, nicht mehr unbedingt einen besonderen Kraftaufwand des Täters. Entscheidendes Kriterium ist vielmehr allein der körperlich wirkende Zwang auf der Seite des Opfers. Diese „körperliche Zwangswirkung“ wurde innerhalb der Rechtsprechung teilweise sehr weit verstanden, indem bereits massiver psychischer Zwang genügen soll, weil sich insoweit das Vorgehen des Täters dem Körper des Opfers in Form einer Nervenreizung mitgeteilt habe.546 Das Bundesverfassungsgericht547 stellte mit Bindungswirkung548 gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG klar, dass eine rein psychische Zwangswirkung, entgegen einigen Stimmen innerhalb des Schrifttums549 und der teilweisen Rechtsprechung im Zusammenhang mit Sitzblockaden550, für das Vorliegen von Gewalt nicht genügt. Vielmehr sei eine körperliche Zwangswirkung auf Opferseite erforderlich. Daraus folgt, dass die Zwangswirkung nicht primär seelischer Natur sein darf, sondern zumindest auch körperlich vermittelt sein muss.551 Die häufig durch das Gesamtverhalten Mobbing mittels der oben aufgezählten zunächst psychisch wirkenden Handlungen herbeigeführte psychisch-seelische Zwangslage552 genügt für das Vorliegen von Gewalt daher nicht.553 Führen die psychischen Belastungen aber aufgrund des wiederholten systematischen Vorgehens – was nicht selten der Fall ist – zu psychosomatischen Beeinträchti545 Vgl. Arzt/Weber, BT, § 9 Rn. 72 f.; siehe weitere Nachweise bei Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 19. 546 BGHSt 19, S. 263; 23, S. 126 (127); 39, S. 133 ff. (136); OLG Köln NZV 1995, S. 405. 547 BVerfGE 92, S. 1 ff. (18). 548 Siehe dazu ausführlich hinsichtlich des Urteils des BVerfG: LK-Träger/Altvater, § 140 Rn. 29. 549 Knodel, S. 25 ff, 59 ff., dessen Lehre sich verschiedene Vertreter innerhalb des Schrifttums anschlossen, so zum Beispiel SK-Horn/Wolters, § 240 Rn. 9. 550 BGHSt 23, S. 46 „Laepple-Urteil“; siehe auch BGHSt 34, S. 71 ff. (77). 551 MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 39, 60; Krey/Heinrich, BT I, Rn 342; Wessels/Hillenkamp, Rn. 319; a. A. Knodel, S. 59 ff. 552 Siehe dazu die Ausführungen im Ersten Kapitel C. I. 1. a). 553 Vgl. BGH NStZ 1981, S. 218; BGH NJW 1982, S. 189; siehe auch BGH NJW 1983, S. 1505 ff. (1506); LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 37; NK-Kindhäuser, vor § 249 Rn. 14, 16.

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gungen, wie Kopfschmerzen, Magenschmerzen oder anderen noch schwerwiegenderen Folgen für das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Gesundheit,554 dann liegt in diesen Fällen die von dem Gewaltbegriff geforderte körperliche Zwangslage vor, weil diese durch das Nervensystem vermittelten Zwangswirkungen auch körperlicher Natur sind.555 Zu beachten ist aber, dass der Mobbende gerade die körperliche Zwangswirkung in seinen Vorsatz als Mittel zur Erzwingung des beabsichtigten abgenötigten Verhaltens aufgenommen haben muss. Das wird in der Regel wohl zu verneinen bzw. nicht nachweisbar sein, weil sich der Vorsatz des Mobbenden eher auf die psychische Zwangswirkung des Betroffenen beschränkt, denn oftmals weiß er nicht bzw. rechnet er nicht damit, dass sein Verhalten zu psychosomatischen Beschwerden führt556. Teilweise wird innerhalb der Literatur als Gewalt jede gegenwärtige Zufügung eines empfindlichen Übels, insbesondere mit dem Argument anerkannt, dass dies erst recht strafbar sein müsse, wenn bereits die Ankündigung – wie bei der Drohung – des empfindlichen Übels strafbar ist.557 Nach dieser Auffassung wäre der Mobbende dem Vorwurf der Gewaltanwendung häufiger bzw. sogar regelmäßig ausgesetzt, weil Mobbing, welches sich aus den oben genannten Handlungen, wie dem Ignorieren, Beleidigen oder Verbreiten von Gerüchten zusammensetzt, in vielen Fällen von den Betroffenen als gegenwärtiges empfindliches Übel empfunden wird.558 Obwohl nach dieser Auffassung dem Gesamtgeschehen Mobbing mehr rechtliche Relevanz zukommen würde, stehen ihr sowohl der Wortlaut des § 240 StGB als auch systematische Argumente entgegen.559 Der Wortlaut differenziert gerade zwischen Drohung und Gewalt und spricht nicht von der Androhung oder Zufügung eines empfindlichen Übels. Die Drohung ist nicht ein Weniger an Gewalt, sondern sie ist vielmehr etwas grundsätzlich anderes. Deshalb greift auch nicht das für diese Auffassung vorge554

Vgl. die Ausführungen zu den Folgen für den Betroffenen Erstes Kapitel C. I. 1. BGHSt 19, S. 263; 23, S. 126 (127); 39, S. 133 ff. (136); BGH NJW 1995, S. 3133; RGSt 60, S. 157; KG NStZ-RR 1998, S. 12; LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 20, 38; Sch/Sch-Eser, vor §§ 234 ff. Rn. 10; a. A. Krey/Heinrich, BT I, Rn. 345, der psychosomatische Auswirkungen wie Nervosität, seelische Erregungen und ähnliche Auswirkungen, die sich lediglich aus der durch die Drohung erzeugten Furcht ergeben, nicht genügen lässt, weil die Nötigungsalternative „Drohung mit einem empfindlichen Übel“ ansonsten nahezu überflüssig wäre. Siehe auch Dingeldey, NStZ 1982, S. 161. 556 Vgl. dazu die Ausführungen zum Vorsatz im Rahmen der Körperverletzungdelikte: Zweites Kapitel B. II. 6. 557 Vor allem SK-Horn/Wolters, § 240 Rn. 9 ff., 11a; siehe auch Knodel, S. 33 ff., 54; Sch/Sch-Eser, vor §§ 234 ff. Rn. 6; Tröndle/Fischer, 49. Auflage, § 240 Rn. 19. 558 LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 36. 559 Vgl. hierzu und zum Folgenden LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 42; NK-Kindhäuser, vor § 249 Rn. 15; NK-Toepel, § 240 Rn. 44; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 18; Koffka, JR 1964, S. 39; Haffke, ZStW 84 (1972), S. 64; Sommer, NJW 1985, 769; Wolter, NStZ 1985, S. 195. 555

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brachte Argument „a maiore ad minus“. Auch wenn ein erweiterter Anwendungsbereich der Gewalt den strafrechtlichen Schutz gegen Mobbing optimieren könnte, ist eine Entgrenzung der Gewalt nicht das hierfür rechtlich geeignete Mittel. Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass einzelne potentielle Mobbinghandlungen unabhängig davon, ob sie Teil eines Mobbinggeschehens sind, Gewaltakte darstellen. Typischerweise setzt sich das Mobbinggeschehen aber aus Handlungen zusammen, welche aufgrund ihrer typischen seelischen Zwangswirkung an sich keine Gewaltakte sind. Aufgrund der besonderen mobbingspezifischen Situation, die durch das wiederholte und systematische Angriffsverhalten zu psychosomatischen Auswirkungen und somit zu einer körperlichen Zwangswirkung führen kann, können aber auch diese Handlungen unter Umständen Gewaltakte darstellen. Dem Täter wird aber regelmäßig der Vorsatz hinsichtlich der durch sein Verhalten hervorgerufenen körperlichen Zwangswirkung fehlen bzw. wird dieser nicht nachweisbar sein. c) Drohung mit einem empfindlichen Übel Neben der Gewalt ist als Nötigungsmittel zu erwägen, ob der Mobbende den Nötigungstatbestand verwirklicht, indem er mit einem empfindlichen Übel droht. Allgemein wird Drohung definiert als das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, dessen Verwirklichung davon abhängig sein soll, ob der Betroffene sein Handeln nach dem Willen des Täters ausrichtet.560 Die Drohung unterscheidet sich daher von der Gewalt, indem sie eine rein psychische Beeinflussung darstellt, weil das Übel erst in Aussicht gestellt wird und es bereits die Ankündigung ist, die den Betroffenen zu einem bestimmten Verhalten zwingen soll.561 Ein Übel ist jeder Nachteil oder jede Einbuße an Werten.562 Dabei muss das Übel nicht wirtschaftlicher oder körperlicher, sondern kann auch seelischer Art sein.563 Bagatellfälle wie bloße Unannehmlichkeiten und Enttäuschungen werden von § 240 StGB nicht erfasst.564 Die Empfindlichkeit des angedrohten Übels wird normativ je nach Einzelfall nicht nur nach objektiven565 Gesichts560 BGHSt 16, S. 386; 23, S. 126 ff. (127); Küper, BT, S. 99; LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 56; MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 67; NK-Kindhäuser, vor § 249 Rn. 22; NKToepel, § 240 Rn. 94; Sch/Sch-Eser, vor §§ 234 ff. Rn. 30; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 31 alle m. w. N. 561 LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 7. 562 LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 57; MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 69; Sch/SchEser, § 240 Rn. 9; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 32. 563 BGH MDR 1954, S. 530; NK-Toepel, § 240 Rn. 103. 564 BGH NJW 1976, S. 760; BGH NStZ 1982, S. 287; NK-Toepel, § 240 Rn. 103; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 9.

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punkten, sondern auch unter Berücksichtigung individueller Umstände und Verhältnisse des Betroffenen beurteilt.566 Das Übel ist empfindlich, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil von einer Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren567, es sei denn, von dem Bedrohten kann in seiner Lage erwartet werden, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält.568 aa) Einzelne Mobbinghandlungen Innerhalb der Literatur zum Thema Mobbing werden mündliche oder schriftliche Drohungen und Androhungen körperlicher Gewalt als potentielle Mobbinghandlungen aufgezählt.569 Die Androhung körperlicher Gewalt stellt stets eine Drohung mit einem empfindlichen Übel dar.570 Ob andere mündliche oder schriftliche Drohungen, wie sie allgemein als Mobbinghandlungen aufgeführt werden, ein empfindliches Übel darstellen, hängt davon ab, welches Übel angedroht wird. Eine Drohung mit der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens gegen den Betroffenen oder gegen einen seiner Angehörigen ist stets als Drohung mit einem empfindlichen Übel einzuordnen.571 Insoweit stellen potentielle Mobbinghandlungen, wie Morddrohungen, Drohungen mit Veröffentlichungen unwahrer Tatsachen oder der Beschädigung des Eigentums des Betroffenen Drohungen mit einem empfindlichen Übel dar.572 Darüber hinaus kann auch die Drohung mit der Veröffentlichung wahrer, aber für den Betroffenen unangenehmer Tatsachen ein empfindliches Übel sein. Aber auch die Drohung mit der Verletzung des gesellschaftlichen Rufs oder der beruflichen Stellung erfüllen die notwendigen Voraussetzungen.573 Das Gleiche gilt für eine Drohung mit einer Kündigung oder der Entziehung einer Dienst- oder Arbeitsstelle.574 Dagegen wird die bloße Androhung von „Schwierigkeiten“, wenn sich nicht aus den 565 So die alte Rechtsprechung: BGH NJW 1976, S. 760; BGH NStZ 1982, S. 287; OLG München NJW 1950, S. 714; OLG Bremen NJW 1957, S. 151; einschränkend Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 9. 566 So die neuere Rechtsprechung: BGHSt 31, S. 195 ff. (201); 32, S. 165 ff. (174); 44, S. 251 ff. (252); Arzt/Weber, BT, § 9 Rn. 48; Küper, BT, S. 99; LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 57; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 13 Rn. 26; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 32a f.; SK-Horn/Wolters, § 240 Rn. 10; Wessels/Hettinger, Rn. 404. 567 BGH NStZ 1987, S. 223. 568 BGHSt 31, S. 195 ff. (201); 32, S. 165 ff. (174); 44, S. 251 ff. (252); LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 57; MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 79; NK-Toepel, § 240 Rn. 104; SK-Horn/Wolters, § 240 Rn. 10; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 32a; Wessels/Hettinger, Rn. 404. 569 Leymann (1993), S. 33 f.; Esser/Wolmerath, S. 25 ff. 570 LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 58. 571 LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 58. 572 LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 58; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 33. 573 MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 69.

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Umständen eine Konkretisierung dieser Schwierigkeiten ergibt, in der Regel nicht den Tatbestand der Drohung mit einem empfindlichen Übel erfüllen.575 bb) Gesamtgeschehen Mobbing An dieses Ergebnis anknüpfend stellt sich die Frage, ob die Berücksichtigung des Gesamtgeschehens Mobbing die Relevanz der Nötigung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung von Mobbing erhöht. Eine Drohung kann sich nicht nur aus unmissverständlichen Worten oder Gesten ergeben sondern auch durch schlüssiges Handeln.576 Daher kann auch in einem zugefügten Übel eine Drohung liegen, wenn damit die Fortsetzung des Nötigungsverhaltens in Aussicht gestellt wird und gerade die Furcht vor der Fortsetzung geeignet ist und motivierend für den Betroffenen wirken soll, das vom Täter gewollte Verhalten durchzusetzen.577 Überträgt man diese Grundsätze auf die rechtliche Bewertung von Mobbing im Hinblick auf die Nötigungsdelikte, liegt es demnach nahe, dass dem Gesamtgeschehen Mobbing rechtliche Relevanz insoweit zukommen kann, als durch das bereits vollzogene Mobbinggeschehen – je nach den Umständen des Einzelfalls – konkludent angekündigt wird, die Mobbingangriffe gegen den Betroffenen fortzusetzen. Die Ankündigung, Mobbingangriffe auch in Zukunft vorzunehmen, wird sich aus dem bereits umgesetzten Mobbing aber zumeist erst dann ergeben, wenn das Geschehen bereits fortgeschritten ist und die Mobbingangriffe in gewisser Regelmäßigkeit vorgenommen werden, weil erst dann die Systematik und die Regelmäßigkeit objektiv erkennbar sind und darauf schließen lassen, dass sie sich für den Betroffenen nicht nur als Teil eines kurzen, „morgen wieder vergessenen“ Konflikts erweisen, sondern „Vorboten“ eines andauernden in Zukunft fortzusetzendem Angriffsverhaltens sind. Als Beispielsfall, bei dem das Vorliegen einer konkludenten Drohung, das Mobbingverhalten fortzusetzen, in Betracht kommt, dient wiederum der „Münchner Polizistinnenfall“578. Im Abschiedsbrief der Polizistin, die einen Suizid beging, hieß es u. a., dass sie „nicht mehr nach München wolle und keine Lust mehr 574 BGH NJW 1993, S. 1807; MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 275; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 9; siehe hinsichtlich der Beschränkung der Meinungsfreiheit durch die Drohung mit Entzug von Berufs- oder Verdienstchancen: Lüttger, JR 1977, S. 223 ff. 575 BGH NJW 1976, S. 760; MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 76. 576 BGHSt 7, S. 252 ff. (253); BGH NJW 1984, S. 1632; BGH NJW 1990, S. 1055; Küper, BT, S. 99; NK-Toepel, § 240 Rn. 95; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 31; Wessels/ Hettinger, Rn. 403. 577 BGH NJW 1984, S. 1632; 1990, S. 1055; OLG Hamm NJW 1983, S. 1505 ff. (1506); Lackner/Kühl, § 240 Rn. 12; LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 56; Maurach/ Schroeder/Maiwald, § 13 Rn. 24; MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 68; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 10; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 35; weiter Tröndle49, § 240 Rn. 19. 578 Erstes Kapitel A. II. 1. b).

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habe, sich von denen quälen zu lassen“.579 Wie dieser Fall zeigt, sind es nicht nur die gegenwärtigen Mobbingattacken, sondern oftmals ist es die Angst vor weiteren Mobbingattacken oder die durch das Mobbing geschaffene seelischpsychisch belastende Situation, welche die Angst vor jedem Arbeitstag heraufbeschwören und die Betroffenen zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes, dem Absehen von einer Bewerbung um eine bestimmte Stelle oder den Antrag zur Versetzung in eine andere Abteilung usw. bewegen können. Die konkludente Ankündigung, an dem Mobbingverhalten auch in Zukunft festzuhalten, genügt jedoch allein noch nicht, um die Voraussetzungen der Nötigungshandlung im Sinne des § 240 StGB zu verwirklichen. Vielmehr muss das Mobbinggeschehen, mit dessen Fortsetzung gedroht wird, auch ein empfindliches Übel darstellen, bei dem von dem Betroffenen nicht erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält.580 Insofern bedarf es für jeden Einzelfall einer normativen Beurteilung.581 Zu berücksichtigende Kriterien, welche für die Empfindlichkeit ausschlaggebend sein können, sind zum Beispiel die Individualität der Person, weil die Empfindlichkeit auf einer den Opferhorizont berücksichtigenden Sichtweise beruht.582 Das Korrektiv der Selbstbehauptung findet vor allem seinen Zweck in dem Ausschluss ungewöhnlicher Reaktionen eines Überempfindlichen oder Überängstlichen.583 Darüber hinaus wird in der Abwägung ausschlaggebend sein, in welchem Verhältnis die bedrohten Interessen des Betroffenen zu den Interessen stehen, die durch das abgenötigte Verhalten verletzt werden. Beispielsweise kann im Zusammenhang mit Mobbing, wenn der Betroffene zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes durch Mobbing gezwungen werden soll, auf der einen Seite der Verlust des Arbeitsplatzes durch die Selbstkündigung oder das Nichtaufsteigen auf der Karriereleiter stehen und auf der anderen Seite die durch Mobbing in vielen Fällen hervorgerufenen seelisch-psychischen, psychosomatischen und psychosozialen Belastungen, sowie die Angst vor jedem Arbeitstag und den damit verbundenen neuen Mobbingattacken. Teil der Arbeitswelt zu sein, ist für das Lebensglück und die allgemeine Lebensfreude des einzelnen Menschen oftmals eine zwar nicht hinreichende, aber 579 Siehe dazu die ausführliche Darstellung des „Münchner Polizistinnenfalls“ im Ersten Kapitel A. II. 1. b); LG München I vom 08.02.2001, Az.: 34 O 15317/00. 580 BGHSt 31, S. 195 ff. (201); BGH NStZ 1992, S. 287; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1996, S. 296; LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 57; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 32a; SKHorn/Wolters, § 240 Rn. 10; Wessels/Hettinger, Rn. 404. 581 So die neuere Rechtsprechung: BGHSt 31, S. 195 ff. (201); 32, S. 165 ff. (174); 44, S. 251 ff. (252); Arzt/Weber, BT, § 9 Rn. 48; Küper, BT, S. 99; LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 57; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 13 Rn. 26; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 32 f.; SK-Horn/Wolters, § 240 Rn. 10; Wessels/Hettinger, Rn. 404. 582 Küper, BT, S. 103; MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 75, 78; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 9. 583 Küper, BT, S. 102 f.; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 9.

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sehr wohl notwendige Bedingung.584 Darüber hinaus erhält er durch seine Arbeit seine persönliche und oftmals auch gesellschaftliche Anerkennung. Drohen durch eine Selbstkündigung die Arbeitslosigkeit oder damit wirtschaftlich verbundene Nachteile, ist die Kündigung eine Beeinträchtigung sehr wichtiger Interessen des Betroffenen. Auf der anderen Seite ist das körperliche und seelische Wohlbefinden, welches durch das fortgesetzte Mobbinggeschehen weiterhin stark beeinträchtigt werden würde, für den Betroffenen in gleicher Weise von hoher Bedeutung. Je länger das Mobbinggeschehen andauert, desto schwerwiegender und bedrückender sind die Folgen für den Betroffenen, wie sich aus den im Ersten Kapitel aufgezeigten Verlaufsphasen eines Mobbingprozesses ergibt. Erhebliche seelische Beeinträchtigungen, wie sie häufig durch einen länger andauernden Mobbingprozess hervorgerufen werden, reichen im Gegensatz zur Gewalt für das Vorliegen eines empfindlichen Übels aus.585 Ein Mobbinggeschehen, das sich aus den typischen und am häufigsten auftretenden Handlungen, wie dem Verbreiten von Gerüchten, Beleidigungen, unberechtigte massive Kritik, falsche Bewertung der Arbeitsleistung, Verweigerung wichtiger Informationen, Arbeitsbehinderung oder Arbeitsentzug etc. zusammensetzt, wird daher, zumal wenn die Handlungen wiederholt und systematisch zusammenhängend gegen eine Person vorgenommen werden, in der Regel für den Betroffenen ein empfindliches Übel darstellen. Der „Münchner Polizistinnenfall“586 stellt eine solche Mobbingkonstellation dar, die unproblematisch ein für die Polizistin empfindliches Übel bedeutete. Fraglich bleibt aber, ob ein Mobbinggeschehen dann als empfindliches Übel zu charakterisieren ist, wenn es sich typischerweise aus Ignorieren, Totschweigen, Unterlassen von allgemeinen Höflichkeitsformeln und ähnlich abweisenden zwischenmenschlichen Verhaltensformen zusammensetzt, denn bloße Unannehmlichkeiten stellen noch nicht notwendig ein Übel dar.587 Kein empfindliches Übel wird in der Regel in der Aufkündigung einer freundschaftlichen Beziehung bestehen,588 jedenfalls kann eine darauf gestützte Drohung nicht rechtswidrig sein, weil Freundschaft von Sympathie abhängt und diese an jedwede Bedingung geknüpft sein kann, kurzum im völlig freien Belieben steht.589 In der Regel wird dieser Gedanke auf die Mobbingkonstellationen übertragbar sein, in denen das Mobbingverhalten aus Ignorieren und Nichtgrüßen und gesellschaftlichem Isolieren besteht und sich somit die Drohung darauf bezieht, 584

Siehe in diesem Zusammenhang die Untersuchungen von Noelle-Neumann/Strüm-

pel. 585

BGH MDR 1954, S. 530. Erstes Kapitel A. II. 1. b). 587 BGH NStZ 1982, S. 287. 588 BGH NStZ 1982, S. 287; LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 57; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 32a. 589 LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 57. 586

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

den Betroffenen in Zukunft weiterhin nicht zu beachten.590 Ein einmaliges Nichtgrüßen, Ignorieren oder Unhöflichsein stellt für sich allein noch kein empfindliches Übel dar. Derartige geringfügige Behelligungen müssen grundsätzlich von jedermann hingenommen werden, wenn sie sich lediglich als unvermeidbare Konflikte innerhalb des zwischenmenschlichen Miteinanders darstellen.591 Fraglich ist aber, ob die rechtliche Bewertung anders ausfällt, wenn die an sich geringfügigen persönlichen Angriffe Teil eines Mobbingprozesses sind, denn ein Verhalten muss unter Berücksichtigung der gesamten Umstände gewürdigt werden, unter denen es vorgenommen wird. Aus der Wiederholung, der systematischen Vorgehensweise und den Umständen können die – für sich die Willensfreiheit noch nicht beeinträchtigenden – Handlungen mit der Zeit eine Intensität und Erheblichkeit für den Betroffenen annehmen, die geeignet sind, die Willensfreiheit des Betroffenen zu beeinträchtigen und sich für ihn auch bei einer nötigen Objektivierung als Drohung mit einem empfindlichen Übel darstellen. Das empfindliche Übel ist dann nicht allein das Nichtgrüßen oder Nichtbeachten, sondern vielmehr wird es in der systematischen Etablierung eines vom Betroffenen nicht mehr auszuhaltenden Arbeitsplatzklimas zu erblicken sein. Erschöpft sich zum Beispiel das Mobbingverhalten allein darin, dass ein Kollege aus Antipathie heraus nicht mit dem Betroffenen redet, ihn ignoriert, Höflichkeitsformeln nicht beachtet, dann ist dem Betroffenen zuzumuten, diesem Verhalten stand zu halten, weil zwischenmenschliche Antipathien zum normalen menschlichen Miteinander gehören. Je nach Sachverhalt könnte aber anders zu entscheiden sein, wenn sich die gesamte Arbeitsgruppe gegen den Betroffenen zusammenschließt und sich ignorierend, ausgrenzend und schikanierend dem Betroffenen gegenüber verhält, so dass dieser gänzlich allein und ausgegrenzt dasteht, wie im bereits dargestellten Fall592, in dem die neue Kollegin durch isolierendes Verhalten aus der Abteilung vertrieben wird. In einem solchen Fall sieht sich der Betroffene nicht einem allgemeinen Lebensrisiko der Ungewissheit menschlicher Sympathien oder des fehlenden Anstandes gegenüber. Vielmehr wird er von einer planvoll abgesprochenen und gesteuerten Ablehnung betroffen, die in ihrer konkludent erfahrbaren Fortsetzung für diesen einen erheblichen Willensdruck entfalten kann, weil ihm gerade das unentbehrliche normale Miteinander im Arbeitsumfeld auch weiterhin entzogen zu werden droht.

590 591 592

Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 32a. Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 32a. Erstes Kapitel B. II. 4. e) cc) (1) (b) (aa), Fall B.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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cc) Zwischenfazit Als Ergebnis ist festzuhalten, dass sich ein Mobbinggeschehen aus Angriffen zusammensetzen kann, die unabhängig von dem Gesamtprozess Mobbing eine Drohung mit einem empfindlichen Übel darstellen. Derartige einzelne Mobbinghandlungen kommen – wie auch die Gewaltakte – aber nur in geringem Umfang vor und zählen nicht zu den häufigsten und typischen Mobbinghandlungen.593 Darüber hinaus kann aber je nach Einzelfall auch dem bereits stattfindenden Mobbingverhalten eine konkludente Drohung zu entnehmen sein, das gegen den Betroffenen gerichtete Mobbing fortzusetzen, welches in vielen Fällen ein empfindliches Übel darstellen wird. 3. Nötigungserfolg und nötigungsspezifischer Kausalzusammenhang Neben dem Nötigungsmittel setzt der Tatbestand der Nötigung als Erfolgsdelikt einen Erfolg voraus, der Folge des angewendeten Nötigungsmittels ist. Der Erfolg kann in einem Tun, Dulden oder Unterlassen des Betroffenen bestehen.594 Dieses abgenötigte Verhalten muss die spezifische und unmittelbare Folge des angewendeten Zwangsmittels sein.595 Die möglichen denkbaren Verhaltensweisen, welche durch einzelne Mobbinghandlungen oder durch das Gesamtgeschehen Mobbing erzwungen werden, sind sehr vielfältig und nicht abschließend aufzählbar. Der kausale Nötigungserfolg liegt beim Einsperren, welches als mögliche Mobbinghandlung denkbar ist, zum Beispiel darin, dass der Betroffene es unterlässt bzw. duldet, sich an einen anderen Ort zu begeben. Im schon mehrfach erwähnten „Münchner Polizistinnenfall“596 hat der Vorgesetzte die Polizistin u. a. durch eine Drohung, welche Teil eines Mobbingprozesses gegen die Polizistin war, zur Aufnahme einer Falschanzeige gezwungen. Darüber hinaus sind auch die Aufgabe des Arbeitsplatzes, der Verzicht auf eine Bewerbung um eine bestimmte Stelle bzw. die Rücknahme einer bereits erfolgten Bewerbung, die Abgabe einer gegen die ursprüngliche Intention sprechenden Meinungsäußerung (beispielsweise eines Betriebsratsmitglieds), Nötigungserfolge, die durch einzelne Mobbinghandlungen oder das Gesamtgeschehen Mobbing erzwungen werden können. Bleibt der Nötigungserfolg aus, indem der Betroffene sich nicht durch die Mobbingangriffe in seinem Verhalten beeinflussen lässt oder verhält er sich anders, als der Mobbende es bezweckt, indem er sich beispielsweise erfolgreich an den Betriebsrat oder den Arbeitsgeber wendet und

593 594 595 596

Siehe dazu Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 ff. MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 95 ff.; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 12. BGHSt 37, S. 353 ff.; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 14; NK-Toepel, § 240 Rn. 134. Erstes Kapitel A. II. 1. b).

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

damit offensiv gegen den Mobbenden vorgeht, ist bei entsprechendem Vorsatz des Mobbenden eine Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung gemäß § 240 Abs. 3 StGB in Betracht zu ziehen.597 Eine Versuchstrafbarkeit kommt auch dann in Betracht, wenn zwar das Nötigungsmittel eingesetzt und der bezweckte Nötigungserfolg auch eingetreten ist, dieser aber nicht auf dem Nötigungsmittel beruht, sondern andere Gründe den Betroffenen zu dem bestimmten Verhalten motiviert haben.598 In vielen Fällen sind es zum einen die psychisch-seelischen Belastungen, die das Mobbinggeschehen mit sich bringt und den Betroffenen zu seinem Handeln, beispielsweise zur Kündigung, motivieren. Zum anderen ist es die Angst vor weiteren Mobbingattacken, die den Betroffenen zu seinem Verhalten veranlasst, so dass der Kausalzusammenhang zumeist bejaht werden kann, wenn sich die Drohung gerade aus dem bereits stattfindenden Mobbing ergibt. Ist Teil eines Mobbinggeschehens eine Handlung, die unabhängig vom Gesamtgeschehen eine Drohung oder Gewalt darstellt, kann diese alleinige Ursache für das sich anschließende erzwungene Verhalten des Betroffenen sein oder auch nur neben der Angst vor dem weiteren Mobbinggeschehen Mitursache, was für das Vorliegen des Kausalzusammenhangs aber genügen würde. 4. Vorsatz Der subjektive Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB erfordert vorsätzliches Handeln, wobei der Rechtsprechung zufolge auch hinsichtlich des abgenötigten Verhaltens dolus eventualis genügt.599 Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass der Mobbende hinsichtlich des Gesamtgeschehens mit Nötigungsvorsatz handeln muss, wenn er den Betroffenen nicht mit einer einzelnen Handlung zu einem bestimmten Verhalten bewegen möchte, sondern mit Hilfe des Gesamtgeschehens. Wie oben bereits erwähnt, verfolgt der Mobbende oftmals mit seinem Verhalten einen bestimmten Zweck, der sich auch in vielen Fällen in einem bestimmten Verhalten des Betroffenen niederschlägt, so dass der Vorsatz des Mobbenden im Vergleich mit den Körperverletzungsdelikten unproblematischer nachweisbar ist.

597 Maurach/Schroeder/Maiwald, § 13 Rn. 46; siehe zur Versuchsstrafbarkeit grundlegend LK-Hillenkamp vor § 22 Rn. 11 ff.; § 22 Rn. 10 ff. 598 BGH 37, S. 353 ff.; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 14; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 13 Rn. 46. 599 BGHSt 5, S. 245; BGH NJW 1984, S. 439; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 53; a. A. Maurach/Schroeder/Maiwald, § 13 Rn. 41; MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 103; Sch/SchEser, § 240 Rn. 34; SK-Horn/Wolters, § 240 Rn. 7, der hinsichtlich des abgenötigten Verhaltens generell Absicht i. S. zielgerichteten Handelns fordert bzw. einschränkend nur bei Anwendung von Gewalt Maurach/Schroeder/Maiwald, § 14 Rn. 41 bzw. Gewalt gegen Sachen: LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 115; Wessels/Hettinger, Rn. 419.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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5. Verwerflichkeit (§ 240 Abs. 2 StGB) Die Nötigung stellt hinsichtlich des Rechtswidrigkeitsurteils eine Besonderheit dar, weil der Tatbestand der Nötigung nicht ohne weiteres die Rechtswidrigkeit der Tat indiziert, sondern diese vielmehr einer positiven Feststellung bedarf.600 Gemäß § 240 Abs. 2 StGB ist die Tat rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck verwerflich ist. Das Zwangsmittel und der angestrebte Zweck sind zueinander in Beziehung zu setzen und gerade die Verknüpfung zwischen dem Nötigungsmittel und dem Nötigungszweck muss die rechtliche Verwerflichkeit implizieren.601 Rechtlich verwerflich ist, was sozial unerträglich und wegen seines grob anstößigen Charakters sozialethisch in besonders hohem Maße sittlich zu missbilligen ist.602 Das Verwerflichkeitsurteil beruht folglich auf sozialethischen Wertungen und muss, auch wenn bereits das Mittel oder der Zweck für die Verwerflichkeit indiziell sein kann, durch eine umfassende Abwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls603, einer darauf aufbauenden Gesamtwürdigung des Werteverhältnisses und des sachlichen Zusammenhangs von Zweck und Mittel abschließend beurteilt werden.604 Bei der Gesamtwürdigung sind dabei nicht nur die Rechte und Interessen, welche beeinträchtigt werden, sondern auch Umfang und Intensität der Zwangswirkung für das Verwerflichkeitsurteil mit ausschlaggebend.605 Die Verwerflichkeit innerhalb der Gesamtwürdigung der Verknüpfung von Mittel und Zweck kann sich zunächst daraus ergeben, dass sowohl das Mittel als auch der Zweck missbilligenswert sind. Verwerflich kann aber auch der Einsatz eines missbilligten Mittels zu einem erlaubten Zweck oder die Verfolgung eines missbilligten Zwecks durch ein gebilligtes Mittel sein.606 Je billigenswerter der verfolgte Zweck ist, umso eher wird die Anwendung eines Zwangsmittels zur Durchsetzung des Zwecks toleriert werden und je minderwertiger und sinnloser der Zweck ist, um so eher wird man seine Durchsetzung mit Nöti600 So die h. M., die § 240 Abs. 2 StGB als spezielle Rechtswidrigkeitsregel anerkennt BGHSt 2, S. 194 ff.; 35, S. 270 ff., 279; Lackner/Kühl, § 240 Rn. 18; LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 68; siehe auch Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 38a m. w. N.; a. A. LK-Hirsch vor § 32 Rn. 21; Jakobs, AT, 6. Abschnitt Rn. 62, welche die Verwerflichkeit als Tatbestandsmerkmal anerkennen. Gegen diese Auffassung spricht aber bereits der Wortlaut des § 240 Abs. 2 StGB; siehe auch Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 16. 601 BGHSt 2, S. 196; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 42. 602 BGHSt 17, S. 329 ff. (332); 18, S. 391; 35, S. 270, 276; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 17; Wessels/Hettinger, Rn. 426; siehe auch Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 40 ff. 603 BVerfGE NJW 91, S. 972; 92, S. 2689; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 17. 604 BVerfGE 73, S. 247, 255; BGHSt 2, S. 196; 35, S. 274; LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 69; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 13 Rn. 33 ff.; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 17. 605 BGHSt 34, S. 77; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 17. 606 Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 17.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

gungsmitteln unterbinden wollen.607 Aus dem Umkehrschluss ergibt sich, dass je belangloser das vom Täter eingesetzte Nötigungsmittel ist und je geringfügiger das dem Opfer abgenötigte Verhalten dessen Willensfreiheit tangiert, desto eher wird es an der Verwerflichkeit des Verhaltens fehlen.608 Die Verwerflichkeit liegt grundsätzlich vor, wenn das Nötigungsmittel als solches eine strafbare Handlung darstellt.609 Dies wäre dann der Fall, wenn Mobbingangriffe in Form direkter Körperverletzungen wie beispielsweise Schläge oder das Umdrehen des Arms, als Nötigungsmittel eingesetzt werden. Verwerflich ist ein Verhalten dann nicht, wenn die Zwangseinwirkung aufgrund der geringen Dauer und den geringfügigen Folgen nicht sozialschädlich ist.610 In dem Sinne kann hinsichtlich der oben als Gewalt oder Drohung eingeordneten Zwangsmittel, welche als Teil eines Mobbinggeschehens denkbar sind, die Verwerflichkeit zum Beispiel dann zu verneinen sein, wenn das Ein- oder Aussperren, welches als mögliche Mobbinghandlung in Frage kommt, nur von kurzer Dauer war und als Spaß dienen sollte.611 Anders ist aber wohl zu urteilen, wenn der Betroffene aus Schikane vor allen Kollegen bloß gestellt werden soll, was oftmals Ziel des Mobbenden ist. Die Verwerflichkeit ist auch dann zu bejahen, wenn der Mobbende den Betroffenen eine längere Zeit einsperrt, damit dieser beispielsweise einen wichtigen Geschäftstermin nicht einhalten kann. Die Drohung mit der Veröffentlichung oder Bekanntgabe wahrer, aber den Betroffenen innerhalb des Betriebes verächtlich machender Tatsachen, um zum Beispiel zu erreichen, dass dieser innerhalb einer Abstimmung des Betriebsrates eine gegen seine Überzeugung sprechende Meinung vertritt, kann trotz Erlaubtheit des Mittels aufgrund des Missverhältnisses von Mittel und Zweck verwerflich sein, weil die Erlaubtheit des Mittels nicht grundsätzlich die Verwerflichkeit ausschließt.612 Ohne Bedenken indiziert auch die Drohung mit der am häufigsten vorkommenden Mobbinghandlung – der Veröffentlichung bzw. Verbreitung unwahrer Tatsachen – grundsätzlich die Verwerflichkeit. Wie oben bereits bei der Frage, ob die Androhung das Mobbingverhalten in Form einer systematischen Ausgrenzung durch Ignorieren, Totschweigen und gesellschaftlichem Ausgrenzen ein empfindliches Übel darstellt, ist auch innerhalb des § 240 Abs. 2 StGB bei derartigen Fällen nicht unproblematisch, ob dem Verhalten des Mobbenden der Stempel des Verwerflichen i. S. des § 240 607

Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 17. OLG Stuttgart NJW 1991, S. 994; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 17 f. 609 BGHSt 44, S. 42; LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 76; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 19; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 45. 610 MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 136; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 17. 611 MK-Gropp/Sinn, § 240 Rn. 136; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 17; Schröder, JZ 1964, S. 30. 612 Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 19a. 608

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Abs. 2 StGB aufgedrückt werden kann. Wie oben bereits erwähnt, ist das Zwangsmittel in derartigen Fällen in der Drohung zu erblicken, das schlechte und unerträgliche Arbeitsplatzklima aufrecht zu erhalten oder zu verschlimmern. Die Verwerflichkeit ist, obwohl daran auch bereits das Vorliegen eines empfindlichen Übels in der Regel scheitern wird, zu verneinen, wenn das Verhalten lediglich Ausdruck zwischenmenschlicher nicht vermeidbarer Antipathien oder fehlenden Anstandes ist. In derartigen Fällen ist das eingesetzte Zwangsmittel nicht als ethisch missbilligend einzuordnen. Anders ist aber zu entscheiden, wenn eine systematische Ausgrenzung vorliegt, insbesondere, wenn sich alle Kollegen planvoll abgesprochen mit ausgrenzendem Verhalten gezielt gegen den Betroffenen wenden. In derartigen Fällen handelt es sich nicht mehr um sozial zu billigendes Verhalten, sondern um gesteuerte Ablehnung, die in ihrer dauerhaften Fortsetzung dem Betroffenen das unentbehrliche normale Miteinander im Arbeitsumfeld entzieht und den Charakter systematisch betriebener Schikane einnimmt, zu einem unerträglichen Arbeitsklima führt und daher nicht mehr als allgemeines Lebensrisiko der Ungewissheit menschlicher Sympathien oder des fehlenden Anstandes eingeordnet werden kann.613 Die Verwerflichkeit kann auch durch den erstrebten Zweck indiziert sein. Gemeint ist damit die subjektive Zielsetzung, wobei hier nicht nur die Nahziele (die vom Täter intendierte Handlung), sondern – nach einer in der Literatur zahlreich vertretenen Auffassung – auch die vom Täter verfolgten Fernziele zu berücksichtigen sind.614 Die Verwerflichkeit seines Handelns wird dem Mobbenden in der Regel dann vorzuwerfen sein, wenn er sein Verhalten einsetzt, um den Betroffenen zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes oder einer Bewerbung für eine bestimmte Stelle zu zwingen, um seine eigene Karriere zu fördern oder durch die Selbstkündigung Abfindungskosten zu sparen oder Kündigungshindernisse zu umgehen.615 Insoweit ist aber zu fragen, ob die Verwerflichkeit auch dann anzunehmen ist, wenn der Mobbende in dem Wissen, dass demnächst Arbeitsplätze abgebaut werden, aus Angst heraus, selbst gekündigt zu werden, Mobbing gegen den Betroffenen einsetzt. Die gleiche Frage stellt sich, wenn der Mobbende aus sozialer Not heraus handelt, beispielsweise, wenn er den Betroffenen zur Rücknahme einer Bewerbung zwingt, weil die mit einem erhöhten Gehalt verbundene Position, auf die sich auch der Betroffene beworben hat, der letzte Ausweg für ihn 613 Siehe dazu auch die Ausführungen innerhalb der Körperverletzung zur objektiven Zurechnung im Zweiten Kapitel B. II. 4. e) cc). 614 Rengier, § 23 Rn. 66 ff.; Sch/Sch-Eser, § 240 Rn. 17; NK-Toepel, § 240 Rn. 156; a. A. Maurach/Schroeder/Maiwald, § 13 Rn. 35; BGHSt 35, S. 270 ff.; Tröndle/Fischer, § 240 Rn. 44; Wessels/Hettinger, Rn. 423, welche die Fernziele des Täters erst auf Strafzumessungsebene berücksichtigen. 615 Wolmerath, Rn. 20; siehe zu den Gründen der Mobbenden für ihr Verhalten: Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

ist, um seine privaten finanziellen Verhältnisse zu sanieren. Ebenso gehört in diese Gruppe, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer oder einen einzelnen Arbeitnehmer mit besonderem Kündigungsschutz zur Selbstkündigung zwingen möchte, weil sich bei Weiterbeschäftigung der finanzielle Ruin des Unternehmens andeutet. Unbeschadet des Streites über die Berücksichtigung von Fernzielen bei der Bestimmung der Verwerflichkeit können derartige Fernziele die Verwerflichkeit des Verhaltens in der Regel nicht entkräften. Der Mobbende handelt in diesen Fällen gegenüber dem Betroffenen aus reinem Egoismus und Eigennutz auf Kosten des anderen, der mit dem Verlust des Arbeitsplatzes oder der Nichtannahme der höherwertigen Position bzw. dem Unterlassen der Bewerbung für die Position sowohl wirtschaftliche als auch Einbußen hinsichtlich seiner gesellschaftlichen Stellung hinnehmen muss. Dem Mobbenden stehen in der Regel die Möglichkeiten eines fairen Konkurrenzkampfes offen, welcher sich durch den Nachweis besserer Leistungen und Fähigkeiten auszeichnen sollte. Auch bei der Frage nach der Verwerflichkeit des nötigenden Verhaltens des Mobbenden konnte wiederum nicht auf jede Konstellation eingegangen werden, sondern nur auf bestimmte Fallkonstellationen. Die vorhergehenden Ausführungen haben aber gezeigt, dass das tatbestandliche Verhalten des Mobbenden in der Regel auch als verwerflich i. S. des § 240 Abs. 2 StGB zu gelten hat.

6. Ergebnis Die Frage, ob sich der Mobbende wegen (versuchter) Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 (Abs. 3) StGB strafbar machen kann, ist im Ergebnis zu bejahen. Sowohl einzelne Mobbinghandlungen des Mobbenden können unabhängig davon, ob sie Teil eines Mobbingprozesses sind, zur Verurteilung des Mobbenden wegen Nötigung führen, als auch das Gesamtgeschehen Mobbing, wenn daraus die konkludente Drohung abgeleitet werden kann, die Mobbingangriffe fortzusetzen. Da Handlungen, die für sich Gewaltakte darstellen und direkte Drohungen nicht typische und häufig vorkommende Mobbinghandlungen sind, bleibt oftmals nur die Frage, ob sich aus dem bereits vorgenommenen Mobbing als Gesamtgeschehen eine konkludente Drohung ergibt, Mobbingangriffen auch in Zukunft ausgesetzt zu sein, und der Mobbende diese Angst des Betroffenen vor dem weiteren Mobbingverhalten als Motivationsfaktor für ein bestimmtes Verhalten ausnutzen will. Diese Frage kann zwar, wie oben dargestellt, positiv beantwortet werden, wird aber je nach den Umständen des Falls teilweise zu verneinen sein bzw. an Beweisschwierigkeiten scheitern. Das gilt zum Beispiel dann, wenn sich eine Regelmäßigkeit und Systematik der Mobbingattacken, welche auf eine konkludente Drohung schließen lassen können, das Mobbing-

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verhalten fortzuführen, nicht nachweisen lässt. Gewalt als Nötigungsmittel kommt zwar immer in betracht, wenn sich die psychische Konstitution des Betroffenen in psychosomatische Beschwerden wandelt, doch wird in vielen Fällen der Mobbende hinsichtlich der dann vorliegenden körperlichen Zwangswirkung nicht vorsätzlich handeln bzw. wird der Vorsatz nur schwerlich nachweisbar sein. In Einzelfällen ist es daher möglich, dass sich der Mobbende, obwohl er beispielsweise durch seine Mobbingattacke die Selbstkündigung des Arbeitsplatzes, den Verzicht des Betroffenen auf einen bestimmten Arbeitsplatz oder ähnliche Zwecke verfolgt, nicht strafbar macht, selbst wenn er den Betroffenen psychisch derartig zermürbt, dass dieser keine andere Alternative für sich sieht, als dem Begehren des Mobbenden nachzukommen. In diesen Fällen kann der Täter das Leben des Betroffenen in schwerwiegendster Weise beeinflussen, ohne im Hinblick auf die Nötigung – die dem Schutz der Willensbildungs- und Willensbetätigungsfreiheit dient – strafrechtliche Konsequenzen erwarten zu müssen.

VI. Totschlag und fahrlässige Tötung 1. Einleitung Die Auseinandersetzung mit der Strafbarkeit des Mobbenden wegen Totschlags bzw. Mordes und fahrlässiger Tötung erst an dieser Stelle rechtfertigt sich trotz der Wichtigkeit des Rechtsguts Leben damit, dass die Tötungsdelikte eher seltener eine Bedeutung innerhalb der rechtlichen Beurteilung eines Mobbingfalls einnehmen, als die Körperverletzungs-, Beleidigungsdelikte und die Nötigung. Nach der bundesweiten Repräsentativstudie über Mobbing enden 1,6 Prozent der Mobbingfälle mit dem Suizid des Betroffenen.616 Innerhalb der Literatur617 wird vermutet, dass die alleinige oder mitverantwortliche Ursache in 10–20 Prozent der Suizidfälle auf Mobbing zurückzuführen ist. In Anbetracht der hohen Wertigkeit des Lebens ist es daher unerlässlich, danach zu fragen, ob die Mobbenden für den Suizid der Betroffenen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sind. Insoweit gelangen die vorsätzliche Tötung (§ 212 StGB) bzw. Mord (§ 211 StGB) und die fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) ins Blickfeld der strafrechtlichen Untersuchungen. Als Ausgangsgrundlage soll in diesem Zusammenhang der bereits im Ersten Kapitel geschilderte „Münchner Polizistinnenfall“618 dienen, weil er durch die Medien in der Öffentlichkeit publik gemacht wurde 616

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 104. Kollmer, AR-Blattei 2002, Rn. 22a; Leymann (1993), S. 123; Niedl/Leymann, S. 77 f. 618 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 617

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und deshalb zu den bekanntesten Mobbingfällen zu zählen ist.619 Darüber hinaus war dieser Fall Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen im Hinblick auf den Vorwurf der fahrlässiger Tötung, die aber gemäß § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung eingestellt wurden, dass sich kein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage ergäbe, weil für den Mobbenden die Suizidabsichten der Polizistin nicht erkennbar gewesen wären.620 2. Ursächlichkeit von Mobbing für den Suizid des Betroffenen Mobbing kann, wie im „Münchner Polizistinnenfall“621, alleiniger Grund für die Entscheidung zum Suizid sein, indem der Betroffene durch den lang andauernden Mobbingprozess und die immer wiederkehrenden Mobbingangriffe in eine gravierende psychische Zerrüttung versetzt wird, in welcher er Ausweglosigkeit, Hilflosigkeit und Einsamkeit verspürt und extremen Zukunftsängsten ausgesetzt ist.622 Setzt der Mobbende seine Mobbingangriffe aus irgendwelchen Gründen nicht fort, ist davon auszugehen, dass der Betroffene in der Regel von seinen Suizidgedanken Abstand nimmt, weil mit Ende des Mobbings die psychische Belastung, welcher der Betroffene ausgesetzt war und die ihn letztendlich dem Suizid nahe brachte, beendet ist und sich damit für den Betroffenen die Hoffnung auf ein unbeeinträchtigtes Leben ergibt. Mobbing kann aber auch eine Mitursache für den Suizidentschluss des Betroffenen sein. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Betroffene nicht nur den Mobbingangriffen ausgesetzt ist, sondern auch gravierende Einschnitte im Leben wie eine Scheidung oder einen Todesfall naher Verwandter bewältigen muss. Diese Kombination kann dazu führen, dass der Betroffene sowohl auf privater als auch auf beruflicher Ebene Aussichts- und Sinnlosigkeit seines Lebens empfindet und deshalb Suizid begeht. Ferner kann durch Mobbing ein bereits bestehender oder unabhängig vom Mobbinggeschehen getroffener Entschluss zum Suizid verstärkt oder gefestigt werden. Ob die Mobbingangriffe alleiniger Grund oder nur Mitursache für den Suizid sind, ist für die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Mobbenden zunächst unerheblich, weil dieser durch sein Verhalten gegenüber dem Betroffenen in beiden Fällen ursächlich ist, indem er den Suizidentschluss des Betroffenen (mit)hervorgerufen oder dessen psychische Situation, die letztendlich 619 Vgl. die ausführliche Darstellung des „Münchner Polizistinnenfalls“ im Ersten Kapitel A. II. 1. b); LG München I vom 08.02.2001, Az.: 34 O 15317/00. 620 Einstellungsvermerk der Staatsanwaltschaft München vom 09.12.1999, Geschäftsnummer: 123 Js 10953/99, Seite 2; OLG München vom 20.09.2001, Az.: 1 U 2443/01, S. 4. 621 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 622 Leymann (1993), S. 22; Wolmerath, Rn. 72.

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zum Suizid führt, zumindest mitbeherrscht hat. Von vornherein strafrechtlich irrelevant ist das Mobbinggeschehen lediglich dann, wenn der Suizidentschluss durch das Mobbing nicht hervorgerufen oder verstärkt, sondern unabhängig von dem Mobbinggeschehen, beispielsweise allein aus „privaten“ Gründen, getroffen wurde.623 3. Mittelbare Täterschaft oder straflose Teilnahme a) Anstiftung und Beihilfe Auch wenn der Mobbende mit seinem Verhalten den Tatentschluss beim Betroffenen zum Suizid hervorgerufen oder unterstützt hat, macht er sich nicht wegen Anstiftung oder Beihilfe strafbar, weil die Tötungsdelikte nur eine Tötung eines „anderen“ unter Strafe stellen und daher die aktive Teilnahme (Anstiftung und psychische bzw. physische Beihilfe) am Suizid aufgrund der fehlenden tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Haupttat (§§ 26, 27 i.V. m. 11 I Nr. 5 StGB) nicht strafbar ist.624 b) Mittelbare Täterschaft – Freiverantwortlichkeit der Suizidentscheidung aa) Einführende Erläuterungen Die offensichtliche Mitschuld am Suizid des Betroffenen in Form des Veranlassens oder Förderns ist im Rahmen der Tötungsdelikte strafrechtlich nur dann relevant, wenn der Veranlasser oder Förderer die Rolle eines mittelbaren Täters gemäß § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB einnimmt.625 Mittelbare Täterschaft liegt vor, wenn der Täter die Tat „durch einen anderen begeht“, was voraussetzt, dass der Hintermann das Gesamtgeschehen beherrscht und der Tatmittler eine ihm gegenüber unterlegene Stellung einnimmt.626 Nach ganz herrschender Meinung ist es für eine derartige Herrschaftsmacht des den Suizid Veranlassenden oder För623 RGSt 1, S. 373 ff.; BGHSt 1, S. 332 ff.; 7, S. 112 ff. (114); 45, S. 270 ff. (294 f.); Jescheck/Weigend, S. 284; LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 54, 60; MK-Freund, vor §§ 13 ff. Rn. 306; Roxin, AT I, § 11 Rn. 6 ff.; SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 39; Wessels/Beulke, Rn. 156. 624 BGHSt 2, S. 152; 24, S. 342 f.; 32, S. 367, 371; BGH NJW 2001, S. 1802 ff. (1803); Krey/Heinrich, BT I, Rn. 100; LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 22; Sch/Sch-Eser, vor §§ 211 ff. Rn. 35; Wessels/Hettinger, Rn. 43; a. A. Schmidhäuser, FS-Welzel, S. 801, der jede Teilnahme am Suizid für strafbar hält. Siehe dazu die zutreffende Kritik von Roxin, FS-Dreher, S. 335 ff. 625 Kühl, § 20 Rn. 46; Lackner/Kühl, vor § 211 Rn. 13; Sch/Sch-Cramer/Heine, § 25 Rn. 6 ff. m. w. N. 626 Wessels/Beulke, Rn. 535; Kühl, § 20 Rn. 46.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

dernden erforderlich, dass der Suizident nicht freiverantwortlich handelt, was dann der Fall ist, wenn er sich in einer Lage befand, in der er keine freie und eigenverantwortliche Willensentscheidung für oder gegen den Suizid treffen konnte.627 bb) Abwägung „Exkulpationstheorie“ – „Einwilligungstheorie“ Umstritten ist allerdings, nach welchen Maßstäben die Freiverantwortlichkeit des Selbsttötungsentschlusses zu beurteilen ist. Einig sind sich Rechtsprechung und Literatur im Grunde nur darin, dass jedenfalls als mittelbarer Täter einer Fremdtötung strafbar ist, wer einem Suizidenten den Tötungsvorgang verschleiert, auf diesen einen dem § 35 StGB gleichkommenden Nötigungsdruck ausübt oder einen nach §§ 19, 20 StGB, 3 JGG628 Schuld- oder Verantwortungsunfähigen veranlasst, sich selbst zu töten.629 Die Willensentscheidung des Betroffenen wäre daher nicht freiverantwortlich, wenn dieser ein unreifer Jugendlicher, geistig Erkrankter, seelisch schwer Gestörter ist oder aus einer unter § 35 StGB fallenden Notstandslage heraus handelt.630 Da Mobbing regelmäßig einen Angriff auf die Psyche des Betroffenen darstellt, ist § 20 StGB in diesem Rahmen vorwiegend der Maßstab, an dem sich die Freiverantwortlichkeit der Suizidentscheidung bemessen lassen muss. Diese ist demnach zu verneinen, wenn der Betroffene sich in einem in § 20 StGB aufgezählten psychisch-biologischen Zustand befand und er deshalb im Zeitpunkt der Tat die Tragweite seines Entschlusses nicht sachgerecht erfassen konnte. Die Anforderungen des § 20 StGB an die geistig-psychische Verfassung sind hoch, indem eine krankhafte seelische Störung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn oder eine andere seelische Abartigkeit gefordert wird.631 Wie im Ersten Kapitel ausführlich dargestellt, reichen die durch Mobbing hervorgerufenen psychischen Beeinträchtigungen von unspezifischen Stresssymptomen, wie leichten Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, erhöhter 627 Krey/Heinrich, BT I, Rn. 101; Lackner/Kühl, vor § 211 Rn. 13a; LK-Roxin, § 25 Rn. 66 ff., 125 ff.; Sch/Sch-Eser, vor §§ 211 ff. Rn. 37 jeweils m. w. N.; siehe auch BGHSt 32, S. 38 ff. (41). 628 § 3 JGG wird insbesondere in Betracht zu ziehen sein, wenn jugendliche Auszubildende, die grundsätzlich einem erhöhtem Mobbingrisiko ausgesetzt sind (Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 28, 37; Niedl, S. 105 f.), gemobbt werden und daraufhin einen Suizid begehen. 629 Bottke, S. 247. 630 LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 26. 631 Siehe zur genaueren Konkretisierung der einzelnen „Defektzustände“ die Ausführungen von Sch/Sch-Lenckner/Perron, § 20 Rn. 5 ff.; Tröndle/Fischer, § 20 Rn. 8 ff.

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Angespanntheit, aggressiver Stimmung und depressiven Verstimmungen über Wahrnehmungsveränderungen und -beeinträchtigungen bis hin zu manifesten psychischen Problemen, wie irreparablen und chronischen Depressionen oftmals in Form depressiver Erschöpfungs- und Versagenszustände, über neurosenartig anmutende Störungen, Angststörungen, Existenzängste, paranoide Zustände (Verfolgungswahn), Phobien, Obsessionen bis hin zu bedrohlichen Selbstwertund Identitätskrisen.632 Befand sich der Betroffene während der Umsetzung seines Suizidentschlusses in einem der letzten aufgezählten psychischen Zustände, namentlich Depressionen, Obsessionen oder Phobien und konnte er deshalb das „Unrecht“ der Tat nicht einsehen, handelte er nicht freiverantwortlich. Depressive Verstimmungen, wie sie häufig bei den Betroffenen anzutreffen sind, stellen dagegen noch keinen von § 20 StGB umfassten psychisch-biologischen Zustand dar. In vielen Fällen sind die psychischen Abweichungen des Betroffenen vom Normalzustand aber nicht so gewichtig, dass sie einen Defektzustand i. S. des § 20 StGB begründen bzw. dieser dessen Einsichts- und Urteilsfähigkeit hinsichtlich der Tragweite und der Unwiderruflichkeit des Suizids beeinträchtigt.633 Anhand des dargestellten „Münchner Polizistinnenfalls“634 bestätigt sich dieses Ergebnis. Die Polizistin wurde unzweifelhaft in ihrer psychischen und physischen Gesundheit verletzt, indem sie an Schlafstörungen, Durchfällen, Übelkeit und Depressionen litt, doch waren keine Anzeichen dafür zu erkennen, dass sie sich in einem für § 20 StGB notwendigen Defektzustand befand bzw. ihr die Einsichtsfähigkeit fehlte.635 In den meisten Mobbingfällen, die zum Suizid führen, wäre daher die Freiverantwortlichkeit der Entscheidung des Betroffenen zu bejahen und somit eine täterschaftliche Stellung des Mobbenden zu verneinen, wenn diese am Maßstab des § 20 StGB bemessen wird. Ähnlich sieht das Ergebnis aus, wenn als Maßstab der Freiverantwortlichkeit des Suizidentschlusses § 35 StGB zu Grund gelegt wird. Dass die Vernichtung des Lebens in der Regel eine unverhältnismäßige Maßnahme zur Abwendung einer bestehenden Gefahr ist, steht der Anwendung des § 35 StGB zwar grundsätzlich nicht entgegen.636 Doch befinden sich die Betroffenen oftmals nicht in 632 Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 13; Fischer/Riedesser, S. 334 f.; Groeblinghoff, S. 164; Hirigoyen, S. 170, 176 ff.; Leymann (1993), S. 111 ff.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 79; Niedl, S. 203 ff.; Resch, S. 123; Zapf, ZfAO 1999, S. 19; Zapf/Kuhl, S. 94; siehe zu weiteren psychischen und physischen Folgen die Aufzählungen bei Zuschlag, S. 106 f.; siehe zur näheren Konkretisierung der psychischen Auswirkungen, Brunnhuber/Lieb, S. 20 ff. 633 Wolmerath, Rn. 72. 634 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 635 Strafbefehl vom 23.12.1999 des AG München, Az.: 123 Js 10953/99. 636 Mitsch, JuS 1995, S. 891.

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einer für § 35 StGB notwendigen Zwangslage, weil entweder keine erhebliche Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut bestand oder die Betroffenen aus anderen Motiven handelten, als aus der eigentlich bestehenden Notstandslage heraus. Die Betroffenen wählen den Freitod, weil sie dem sie bedrückenden, belastenden und gegenwärtig andauernden Mobbinggeschehen, welches zu einem unerträglichen Arbeitsklima führt und in der Regel erhebliche Gesundheitsschäden und Beeinträchtigungen des seelisch-psychischen und physischen Wohlbefindens mit sich bringt, entrinnen wollen und keinen anderen Ausweg mehr sehen. Der Betroffene handelt aus seiner Sicht oftmals aus einer Zwangssituation heraus, in der er vor der Wahl steht, entweder sich selbst zu töten oder dem Mobbinggeschehen mit den verbundenen, teilweise quälenden Belastungen weiterhin ausgesetzt zu sein. Trotz Unerträglichkeit der durch Mobbing geschaffenen Zwangslage ist sie für die entsprechende Anwendung des § 35 StGB aber nur von Bedeutung, wenn sie sich aus einer Gefahr für den Leib, das Leben oder die Freiheit des Betroffenen heraus begründet, weil § 35 StGB abschließend die notstandsfähigen Rechtsgüter aufzählt. Darüber hinaus gehende typische Mobbingfolgen, wie die Gefährdung der Psyche, des allgemeinen Wohlbefindens, der Lebensgrundlage durch den (drohenden) Verlust des Arbeitsplatzes, die gesellschaftliche Isolation am Arbeitsplatz, sind für eine Nötigungslage im Sinne des § 35 StGB nicht ausschlaggebend. Das gleiche gilt für die typischerweise durch ein Mobbinggeschehen beeinträchtigte geistig-seelische Unversehrtheit, weil auch diese kein notstandsfähiges Gut darstellt.637 Mobbing führt, wie im Ersten Kapitel aufgezeigt, regelmäßig zu Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens oder der physischen Gesundheit. Durch die Gleichsetzung mit dem Leben und mit Blick auf den Zweck des § 35 StGB bedarf es aber einer Gefahr nicht unerheblicher Beeinträchtigungen des Leibes.638 In den meisten Mobbingfällen kommt es zu psychosomatischen Beeinträchtigungen, die von Kopfschmerzen und Übelkeit bis zu Herz-Kreislauf Problemen, Magen-Darm Beeinträchtigungen und Beeinträchtigungen verschiedener Organe reichen.639 Im Einzelfall kann Mobbing daher eine notstandsfähige Lage – in Form einer erheblichen Gefahr für den Leib – hervorrufen, doch wird dies die Ausnahme sein. In der Regel besteht im Zeitpunkt des Suizids lediglich die gegenwärtige Gefahr geringer körperlicher Beeinträchtigungen wie Kopf637

Sch/Sch-Lenckner/Perron, § 35 Rn. 6/7. RGSt 29, S. 77 f.; 66, S. 397 ff. (399); Jescheck/Weigend, S. 481; Lackner/ Kühl, § 35 Rn. 3; Sch/Sch-Lenckner/Perron, § 35 Rn. 6/7; sehr eng Bernsmann, ZStW 104 (1992), S. 290 ff. (322), der fordert, dass eine schwere Körperverletzung i. S. des § 226 StGB drohen muss. 639 Siehe zu den Folgen für den Körper die Ausführungen im Ersten Kapitel C. I. 1. b). 638

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schmerzen oder Übelkeit, die noch keine erhebliche Gefahr i. S. des § 35 StGB begründet. Darüber hinaus würde eine entsprechende Anwendung des § 35 StGB und somit die Bejahung der Nichtfreiverantwortlichkeit des Betroffenen oftmals an dem fehlenden Gefahrabwendungswillen scheitern, weil für den Betroffenen zumeist nicht die Abwehr der Gefahren für den Leib, welche durch Mobbing hervorgerufen werden, im Vordergrund steht, sondern vielmehr das Entrinnen der für ihn oftmals subjektiv empfundenen Hilflosigkeit, seelischen Zerrüttung, allgemeinen Lebensaussichtslosigkeit und der Angst, dem unerträglichen Arbeitsklima weiterhin ausgesetzt zu sein.640 Die mobbingbedingten psychosomatischen Schmerzen stellen aus Sicht des Betroffenen oftmals ein kleines und unwesentliches Übel dar und sind daher zumeist nicht ausschlaggebend für die Suizidentscheidung. Ist die durch das Mobbing drohende Leibesgefahr für die Entscheidung des Betroffenen zum Suizidentschluss nicht erheblich, so wird auch sein Entschluss nicht von dieser beeinträchtigt und der Betroffene handelt nicht unter dem Druck, eine für den Leib bestehende Gefahr abzuwenden, so dass er sich nicht in einer von § 35 StGB umfassten Notstandslage befindet und daher freiverantwortlich handelt. Zusammengefasst ist daher festzustellen, dass, wenn die Freiverantwortlichkeit des Suizidentschlusses des Betroffenen an den §§ 20 und 35 StGB bemessen wird, die Betroffenen in vielen Fällen ihre Entscheidung freiverantwortlich getroffen haben und der Mobbende sich daher für den Suizid strafrechtlich nicht zu verantworten hat. Ob der durch die §§ 20, 25 StGB, 3 JGG gesetzte Maßstab für die Freiverantwortlichkeit der Suizidentscheidung auszudehnen ist, ist Gegenstand langjähriger Diskussionen. Zum Teil wird eine Ausweitung verneint, weil die Freiheit und die Eigenverantwortlichkeit der Willensentscheidung nach den gleichen Maßstäben beurteilt werden müsse, die gelten, wenn der Suizident eine Fremdschädigung vornimmt, weil sich ausschließlich aus diesen ergebe, bis zu welcher Grenze der Mensch für sein Verhalten selbst verantwortlich sei.641 Darüber hinaus liege diese Lösung im Sinne der Rechtssicherheit, weil mit §§ 20, 25 StGB und 3 JGG auf gesetzliche und gesicherte Grundsätze zurückgegriffen wird.642 Eine im Schrifttum immer mehr Anhängerschaft findende Auffassung643 setzt den Maßstab für eine freiverantwortliche Willensentscheidung dagegen mit gu640

Leymann (1993), S. 22; Wolmerath, Rn. 72. Bottke, S. 250; LK-Roxin, § 25 Rn. 61 ff., 66 f., 125 ff.; Roxin, FS-Dreher, S. 346 f.; siehe auch Sch/Sch-Cramer/Heine, § 25 Rn. 10 m. w. N., der eine rechtfertigungsähnliche Situation entsprechend § 34 StGB genügen lässt. Siehe auch BGHSt 32, S. 38 ff. (41). 642 LK-Roxin, § 25 Rn. 67. 641

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

ten Gründen höher an, indem sie sich an den Regeln, die sonst bei der Preisgabe eigener Rechtsgüter für die Wirksamkeit einer rechtfertigenden Einwilligung644 gelten, orientiert. Für diese Auffassung spricht die Tatsache, dass die §§ 19, 20, 35 StGB für den Fall der Fremdschädigung konstruiert sind, daher eine andere Materie regeln, als sie sich bei der Selbsttötung ergibt und deshalb den besonderen Gegebenheiten bei der Selbsttötung, insbesondere bei Vorliegen eines durch den Hintermann hervorgerufenen Motivirrtums des Suizidenten, nicht gerecht werden645. Darüber hinaus ist es bedenklich, wenn an eine Verfügung über das Leben geringere Anforderungen gestellt werden dürften, als an eine Einwilligung in die Körperverletzung und an die Ernstlichkeit des Sterbewillens gemäß § 216 StGB.646 Es ist nicht einzusehen, warum im Fall eines Suizides und im Fall des § 216 StGB unterschiedliche Maßstäbe an die Freiverantwortlichkeit der Entscheidung für den Tod gestellt werden sollen. Mit § 216 StGB regelt der Gesetzgeber eben gerade den Fall, dass sich der Betroffene für den Tod entschieden hat. Ebenso ist es bei dem „alleinigen Suizid“, bei dem sich der Suizident auch für den Tod entscheidet. Der Unterschied zwischen beiden Konstellationen liegt offenbar allein in der Intensität der Mitwirkung am Suizid.647 Beiden ist es aber gemein, dass die freiverantwortliche Entscheidung des Lebensmüden für den Beteiligten die Straffreiheit begründet. Aufgrund dieser gleichen Relevanz für die strafrechtliche Beurteilung ist es nicht erklärbar, warum die Freiverantwortlichkeit des jeweils Lebensmüden mit unterschiedlichen Maßstäben beurteilt werden soll.648 Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, es fehle an der psychologisch vergleichbaren Situation,649 weil doch sehr fraglich ist, ob der Suizident, der einen Dritten zur Tötung veranlassen will, 643 Geilen, JZ 1974, S. 151 ff.; Herzberg, JuS 1974, S. 378 f.; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 86 f., 89 ff., 119; Kühl, § 20 Rn. 47, 51; Lackner/Kühl, vor § 211 Rn. 13a; LKJähnke, vor § 211 Rn. 26 ff.; Sch/Sch-Eser, vor §§ 211 ff. Rn. 36, der auf den Maßstab des § 216 StGB abstellt; Sch/Sch-Lenckner, vor §§ 32 ff. Rn. 52a; Schroeder, S. 119 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 539; Wessels/Hettinger, Rn. 48; ähnlich Maurach/ Schroeder/Maiwald9 § 1 Rn. 20; Maurach/Gössel/Zipf, § 48 Rn. 91, 93; siehe auch SK-Hoyer, § 25 Rn. 55 ff., 59 f. 644 Siehe zu den Voraussetzungen einer rechtfertigenden Einwilligung Sch/SchLenckner, vor § 32 ff. Rn. 45 ff. 645 Siehe dazu Herzberg, JA 1985, S. 340; LK-Jänke, vor § 211 Rn. 26; Mitsch, JuS 1985, S. 891. 646 Geilen, JZ 1974, S. 151 ff.; Herzberg, JuS 1974, S. 378 f.; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 86 f., 89 ff., 119; Kühl, § 20 Rn. 47, 51; Lackner/Kühl, vor § 211 Rn. 13a; LKJähnke, vor § 211 Rn. 26 ff.; Sch/Sch-Eser, vor §§ 211 ff. Rn. 36; Sch/Sch-Lenckner, vor §§ 32 ff. Rn. 52a; Schroeder, S. 119 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 539; Wessels/Hettinger, Rn. 48; ähnlich Maurach/Schroeder/Maiwald9, § 1 Rn. 20; Maurach/Gössel/Zipf, § 48 Rn. 91, 93; siehe auch SK-Hoyer, § 25 Rn. 55 ff., 59 f.; Tröndle/Fischer, vor § 211 Rn. 13. 647 Herzberg, JA 1985, S. 340. 648 Herzberg, JA 1985, S. 340; LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 26. 649 LK-Roxin, § 25 Rn. 67.

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eine andere Hemmschwelle zu überwinden hat als derjenige, der zu einer Überdosis Schlaftabletten greift oder mit einem Auto gegen einen Brückenpfeiler fährt.650 Ferner führt die Beschränkung auf die analoge Anwendung der Exkulpationsregeln bei der Frage nach der Selbstverantwortlichkeit des Suizidentschlusses zu strafrechtlicher Schutzlosigkeit, wenn der Garant nur dann eingreifen soll, falls der Suizident sich in einem Zustand des § 20 StGB befunden oder in einer Notlage des § 35 StGB gehandelt hat.651 Forschungsergebnisse zeigen, dass ein Selbstmord oftmals kurzschlüssig aus einem Konflikt heraus begangen und sehr oft als Hilferuf eingesetzt wird.652 Oftmals sind es Gründe, wie ein nicht bestandenes Examen oder die Trennung von einem Ehepartner, die zum Suizid führen. Vor diesem Hintergrund und unter dem Aspekt, dass das Leben das höchste Rechtsgut für den Einzelnen ist, sollte nicht das Risiko eingegangen werden, dass das Leben dem Schutz des Strafrechts zu frühzeitig entzogen wird, indem dieses in Suizidfällen grundsätzlich zu Gunsten des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen aufgegeben wird. Vielmehr muss der Entzug des strafrechtlichen Schutzes des Lebens die Ausnahme darstellen und nicht wie bei der Anwendung der Exkulpationstheorie die Regel.653 cc) Einwilligungstheorie Die Anforderungen an die Freiverantwortlichkeit des Suizidentschlusses sind daher am Maßstab der Einwilligungstheorie zu messen, so dass für eine freiverantwortliche Willensentscheidung die Voraussetzungen der rechtfertigenden Einwilligung sinngemäß vorliegen müssen und der Suizidentschluss Ausdruck eines ernstlichen Verlangens nach dem eigenen Tod sein muss.654 Maßgebende Kriterien für die Freiverantwortlichkeit des Suizidentschlusses sind demnach die natürliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen, sein Urteils- und Hemmungsvermögen sowie die Ernstlichkeit seiner Entscheidung und die Mangelfreiheit seiner 650

LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 26. Krey/Heinrich, BT I, Rn. 86 f. 652 Geilen, JZ 1974, S. 148; Herzberg, Jus 1974, S. 379; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 86 f.; siehe auch die ausführlichen Nachweise bei LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 27; der Berufung auf empirische Zahlen gegenüber zurückhaltend LK-Roxin, § 25 Rn. 126; BGHSt 32, S. 376. 653 Siehe dazu auch Geilen, JZ 1974, S. 148 ff. 654 Geilen, JZ 1974, S. 151 ff.; Herzberg, JuS 1974, S. 378 f.; Krey/Heinrich, BT I, Rn. 86 f., 89 ff., 119; Kühl, § 20 Rn. 47, 51; Lackner/Kühl, vor § 211 Rn. 13a; LKJähnke, vor § 211 Rn. 26 ff.; Sch/Sch-Eser, vor §§ 211 ff. Rn. 36, der auf den Maßstab des § 216 StGB abstellt; Sch/Sch-Lenckner, vor §§ 32 ff. Rn. 52a; Schroeder, S. 119 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 539; Wessels/Hettinger, Rn. 48; ähnlich Maurach/ Schroeder/Maiwald9, § 1 Rn. 20; Maurach/Gössel/Zipf, § 48 Rn. 91, 93; siehe auch SK-Hoyer, § 25 Rn. 55 ff., 59 f. 651

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Willensbildung.655 Diesen Grundsätzen folgend, liegt ein freier und selbstverantwortlicher Suizid nur dann vor, wenn die ihm zugrunde liegende Willensentscheidung des Suizidenten frei ist von Zwang, zielgerichteter Täuschung und anderen wesentlichen Willensmängeln und wenn der Suizident nach seiner geistigen Reife wie nach seinem psychischen Zustand imstande war, die Tragweite seines Entschlusses sachgerecht zu erfassen und nach dieser Einsicht zu handeln.656 Es genügt nicht, wenn das gegenwärtige oder drohende Leid, dem der Suizident entfliehen will, wegen seiner schon bedrängenden Wirkung für sich allein als freiheitsmindernd angesehen werden würde, weil nicht anzunehmen ist, dass Not und innere Erregung per se unfrei machen.657 Die Freiverantwortlichkeit der Willensentscheidung wird erst dann zu verneinen sein, wenn der Betroffene aus depressiver Verstimmung und psychischer Zermürbung unterhalb der Schwelle des § 20 StGB heraus handelt, wenn es sich um einen Kurzschlusssuizid aus tiefer Verzweiflung handelt oder der Suizidversuch lediglich als Appell dienen soll.658 Im Ergebnis ist nach dieser Auffassung die straflose Teilnahme am Suizid nur noch in den Fällen anzunehmen, in denen ein intellektuell und emotional „fehlerfreier“ „Bilanz-Selbstmord“ vorliegt.659 Eigenverantwortliches Handeln des Suizidenten stellt in Anbetracht der Erkenntnisse der jüngsten Suizidforschung aber eine Ausnahme dar, weil ein Drittel der Suizide aus einer echten Geisteskrankheit und die Übrigen aus Psychosen, Neurosen, neurotischen Reaktionen oder sonstigen abnormen Verhaltensreaktionen heraus begangen werden, wobei 60–95 Prozent der Suizidenten unter Depressionen leiden sollen.660 Forschungen ergaben, dass höchstens in fünf Prozent aller Suizidfälle von tatsächlich eigenverantwortlichem Handeln des Suizidenten ausgegangen werden kann.661 Ein „echter Bilanzselbstmord“ kommt dagegen höchst selten vor.662 Bei Anwendung der „Einwilligungstheorie“ auf die rechtliche Beurteilung von Mobbingfällen, die im Suizid des Betroffenen enden, wird die freiverantwortliche Willensbildung des Suizidenten oftmals zu verneinen sein, weil die 655

Kindhäuser, LPK, vor §§ 211 ff. Rn. 26 f.; Wessels/Hettinger, Rn. 49. LK-Jänke, vor § 211 Rn. 26; Wessels/Hettinger, Rn. 49. 657 Herzberg, JA 1985, S. 341 f. 658 Herzberg, JA 1985, S. 341 f.; Krey, AT II, Rn. 142; LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 25 f.; Sch/Sch-Eser, vor §§ 211 ff. Rn. 36; Sch/Sch-Eser, § 216 Rn. 8; Tröndle/ Fischer, § 216 Rn. 9; siehe auch Arzt/Weber, BT, § 3 Rn. 25; siehe zur psychischen Ausweglosigkeit auch den Fall „Hildegard Hoefeld“ in Lange, S. 32; siehe dazu auch die Rechtsprechung, die mittelbare Täterschaft auch bei vollverantwortlich handelndem Suizidenten annimmt: BGHSt 35, S. 347 ff. „Katzenkönigfall“. 659 Tröndle/Fischer, vor § 211 Rn. 13, 13c. 660 Geilen, JZ 1974, S. 148 ff.; LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 27 m. w. N. 661 Siehe dazu die ausführlichen Nachweise bei LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 27, Fn. 213 und Geilen JZ 1974, S. 148 ff. 662 Geilen, JZ 1974, S. 152. 656

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Betroffenen sich dem Suizid in vielen Fällen aus tiefer Verzweiflung, depressiver Verstimmung, großer Traurigkeit, Ausweglosigkeit oder aufgrund mangelndem Selbstwertgefühl hingeben.663 Der Freitod der Betroffenen im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen wird als Erlösung aus einer ausweglos empfundenen Situation angesehen. Die Betroffenen befinden sich zumeist am Endpunkt einer langen, sich Schritt für Schritt entwickelnden seelischen Zermürbung, die durch den Mobbenden hervorgerufen wurde. Sie ertragen und verkraften die tagtäglichen Mobbingangriffe nicht mehr und haben keine psychische Kraft mehr, sich – sei es aktiv oder passiv – zu wehren. Durch ihre psychische Instabilität werden die Wahrnehmungsfähigkeit und das Werterleben erheblich beeinträchtigt. Im Zeitpunkt des Suizids ist zumeist eine fortgeschrittene Phase des Mobbingprozesses erreicht, in welcher der Betroffene sich in einer derart seelischen Unstabilität befindet, dass er bereits bei geringen Konflikten aufgrund seiner instabilen psychischen Verfassung in eine depressive Stimmung verfällt. Ihn überkommt oftmals eine tiefe Verzweiflung aus dem Glauben heraus zu nichts mehr zu taugen.664 Hinzu kommt, dass er oftmals starken Existenzängsten ausgesetzt ist, wenn durch Mobbing der Verlust des Arbeitsplatzes und der damit zumeist verbundene Verlust der sozialen Anerkennung und der Lebensgrundlage drohen bzw. es zu diesen bereits gekommen ist.665 Im Vordergrund steht für die Betroffenen, dass sie der für sie oftmals subjektiv empfundenen Hilflosigkeit, seelischen Zerrüttung und allgemeinen Lebensaussichtslosigkeit und der Angst, dem unerträglichen Arbeitsklima weiterhin ausgesetzt zu sein, entrinnen.666 In der Gesamtsituation, in der sich der Betroffene befindet, ist er daher oftmals einem dem § 35 StGB gleichkommenden Nötigungsdruck ausgesetzt.667 Der Betroffene handelt aus seiner Sicht oftmals aus einer Zwangssituation heraus, in der er vor der Wahl steht, entweder sich selbst zu töten oder dem Mobbinggeschehen mit den mit ihm verbundenen, teilweise quälenden psychischen Belastungen weiterhin ausgesetzt zu sein. Er befindet sich im Zeitpunkt, in dem er sich für den Suizid entscheidet, daher oft in einer psychischen Zwangssituation668 und Verzweiflungslage, die sich aus einer als „ausweglos erlebten Lebenslage“ begründen und ihn in eine wahrnehmungsund wertverzerrte Welt versetzen.669 Diese Gesamtsituation, in der sich der Betroffene befindet, kommt einer Nötigungssituation in Form einer Zwangslage gleich. Der Betroffene steht vor der 663 664 665 666 667 668

Leymann (1993), S. 122; Groeblinghoff, S. 176; Wolmerath, Rn. 72. Leymann (1993), S. 122. Wolmerath, Rn. 72. Leymann (1993), S. 22; Wolmerath, Rn. 72. In dem Sinne auch Schroeder, S. 124 mit weiteren Beispielen. Siehe zur psychischen Zerrüttung auch den Fall „Hildegard Hoefeld“ in Lange,

S. 32. 669

Leymann (1993), S. 121 f.; Leymann/Niedl, S. 21 ff.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Wahl zwischen nicht aufhörenden Angriffen, die Stück für Stück seine Psyche zerstören und sein Leben unerträglich gestalten oder dem Suizid, durch den er seinen Belastungen und seiner ausweglos scheinenden Situation entfliehen könnte. In einer solchen Situation kann das suizidale Verhalten des Betroffenen nach der Einwilligungstheorie nicht mehr als selbstverantwortlich bezeichnet werden.670 Oftmals ist es aber auch eine Kurzschlusssituation oder eine Augenblicksstimmung, die auf einer vorübergehenden Krise beruht, welche die Betroffenen zum Suizid bewegt. Davon kann zum Beispiel im „Münchner Polizistinnenfall“671 ausgegangen werden, in dem die Polizistin bereits fünf Wochen nach Beginn des Mobbinggeschehens Suizid beging. Auch in diesen Fällen ist die Freiverantwortlichkeit des Suizidentschlusses ausgeschlossen.672 dd) Zwischenfazit Die Freiverantwortlichkeit des Suizidwillens des Betroffenen ist nach der vorzugswürdigen Einwilligungstheorie in vielen Mobbingfällen aufgrund des seelisch-psychischen Zustandes und der „Zwangssituation“, in der sich die Betroffenen befinden, zu verneinen. In diesem Fall nimmt der Mobbende eine täterschaftliche Stellung ein, wenn er durch sein Mobbingverhalten die Verzweiflungslage des Betroffenen geschaffen hat, die diesen zur Flucht aus dem Leben bestimmt.673 Indem der Mobbende den Betroffenen Stück für Stück seelisch zermürbt, eine seelische Zwangssituation schafft, für diesen eine ausweglose Situation herbeiführt und Angst vor dem weiteren Mobbinggeschehen, seinen Folgen und dem unerträglichen Arbeitsklima hervorruft, beherrscht er dessen Entschluss mit, treibt ihn bewusst oder unbewusst in den Tod und begründet somit seine täterschaftliche Stellung. 4. Abgrenzung vorsätzliche Tötung bzw. Mord und fahrlässige Tötung a) Vorsatz – Fahrlässigkeit Der nicht freiverantwortliche Suizidentschluss ist zwar eine notwendige Bedingung für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden für den Sui670 671 672

Groeblinghoff, S. 176. Erstes Kapitel A. II. 1. b). Vgl. Krey, AT II, Rn. 142; LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 25 f.; Sch/Sch-Eser, § 216

Rn. 8. 673 Im Gegensatz zur Auffassung von Wolmerath, Rn. 72, der grundsätzlich die Freiverantwortlichkeit des Suizidentschlusses des Betroffenen bejaht.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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zid des Betroffenen, doch allein nicht hinreichend. Für eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tötung gemäß § 212 StGB (ggf. Mord gemäß § 211 StGB) in mittelbarer Täterschaft muss der Mobbende erkennen, dass der Betroffene suizidgefährdet ist, der Suizidentschluss des Betroffenen nicht freiverantwortlich gebildet wurde und den Suizid dennoch unterstützen oder veranlassen.674 Beteiligt sich der Mobbende dagegen nicht bewusst, verkennt er aber fahrlässig die mangelnde Freiverantwortlichkeit sowie die sich daraus ergebende Selbsttötungsgefahr des Betroffenen und schafft er deshalb durch sein Mobbingverhalten pflichtwidrig die Gefahrenquelle, ist eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) in Betracht zu ziehen.675 Das primäre Ziel, welches der Mobbende verfolgt, ist in vielen Fällen die Verdrängung des Betroffenen vom Arbeitsplatz.676 Die bundesweite Repräsentativstudie über Mobbing in Deutschland677 kommt zu dem Ergebnis, dass ein Drittel von denjenigen Mobbenden, die hierarchisch unter dem Betroffenen stehen, von dem Mobbing profitieren, indem sie beispielsweise den Arbeitsplatz der gemobbten Person übernehmen. Darüber hinaus wird aus Neid, Missgunst oder Eifersucht gemobbt und infolge dessen das Mobbingverhalten mit dem Ziel aufgenommen, den Betroffenen zu erniedrigen, den Genuss seiner besseren Lage zu überschatten oder ihn zu bestrafen.678 Bei Mobbing durch den Vorgesetzten überwiegt die Absicht, den Betroffenen zur Selbstaufgabe seines Arbeitsplatzes zu veranlassen oder die Aufkündigung des konkreten Arbeitsplatzes des Betroffenen durch Dritte zu erreichen.679 Dagegen ist der Suizid kein typisches Ziel des Mobbenden. In den seltensten Fällen werden die Mobbenden erkennen, dass der Betroffene mit dem Gedanken des Selbstmordes ringt, weil zum einen dieser, um sich keine Blöße zu geben, seine Suizidabsichten nicht zu erkennen gibt, sondern vielmehr still leidet und zum anderen, weil der Mobbende blind sein eigentliches Ziel verfolgt.680 Darüber hinaus handeln die Betroffenen auch oftmals aus einer Kurzschlussreaktion heraus, so dass die Erkennbarkeit der Suizidabsichten auch deshalb nicht 674 So die ganz h. M.: Krey/Heinrich, BT I, Rn. 101; LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 25; Sch/Sch-Eser, vor §§ 211 ff. Rn. 37. 675 BGHSt 7, S. 268 ff. (272); BGHSt 32, S. 262 ff.; LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 30; Sch/Sch-Eser, vor §§ 211 ff. Rn. 37; siehe zur fahrlässigen Teilnahme am Suizid Spendel, JuS 1974, S. 749 ff.; irreführend BGHSt 24, 342 ff., indem auf den ersten Blick der Anschein erweckt wird, dass die fahrlässige Verursachung des Suizids nie strafbar ist. Dagegen mit Recht Krey/Heinrich, BT I, Rn. 117. 676 Siehe dazu als Beispiel für Mobbing mit einem derartigen Ziel: LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff.; Meschkutat/Stackebeck/Langenhoff, S. 118; Wolmerath, Rn. 20. 677 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 93. 678 Esser/Wolmerath, S. 81. 679 Wolmerath, Rn. 20. 680 Vgl. dazu die Ausführungen zum Körperverletzungsvorsatz in diesem Kapitel B. II. 6.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

gegeben sein wird. Aus den genannten Gründen werden daher der Vorsatz hinsichtlich des Suizids des Betroffenen insbesondere in Anbetracht der Tötungshemmschwelle681 und das Wissen um die Suizidgefährdung in den seltensten Fällen vorliegen, so dass der Mobbende nur ausnahmsweise, wenn überhaupt, im Fall eines Suizids des Betroffenen sich wegen vorsätzlicher Tötung bzw. Mord strafrechtlich zu verantworten hat.682 Das gleiche gilt im Ergebnis für eine in betracht zu ziehende Strafbarkeit wegen versuchter Tötung (ggf. versuchten Mord) für den Fall, dass der Suizidversuch „missglückt“ ist. Dieses Ergebnis bestätigt sich anhand des „Münchner Polizistinnenfalls“683. Der Vorgesetzte hat die Polizistin aufgrund seiner frauenfeindlichen Einstellung innerhalb der Polizei schikaniert und den Frauen in seiner Abteilung das Leben bei der Polizei unerträglich gestaltet, um diese aus der Polizei zu drängen und zu zeigen, dass Polizeiarbeit „Männersache“ sei. Für einen Tötungsvorsatz sind dagegen keine Anzeichen zu erkennen. Der Vorgesetzte hatte von den Suizidgedanken der Polizistin auch keine Kenntnis, weil diese gerade darauf bedacht war, sich nichts anmerken zu lassen, so dass selbst ihre Mutter – zu der sie ein vertrautes Verhältnis hatte – und Kollegen, bei denen sie sich aussprach, nicht bemerkten, wie es um ihre seelische Verfassung stand.684 Bei der Frage nach der Verantwortlichkeit des Mobbenden für den Suizid des Betroffenen wird demnach nicht die vorsätzliche Tötung bzw. Mord, sondern die fahrlässige Tötung gemäß § 222 StGB im Mittelpunkt stehen. b) Fahrlässigkeitsvorwurf – Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht Die fahrlässige Tötung setzt tatbestandlich neben der Kausalität des Verhaltens für den Suizid voraus, dass der Täter das Maß an Sorgfalt außer Acht gelassen hat, das im Zusammenleben innerhalb der Rechtsgemeinschaft erwartet werden darf.685 Das erfordert zunächst, dass der eingetretene Erfolg – der Suizid – nach den subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des Täters vorhersehbar war, weil nur ein voraussehbarer Erfolg bei der Überlegung, wie ein bestimmtes Verhalten gestaltet werden muss, mit einkalkuliert werden kann.686 Der Mobbende muss daher fahrlässig verkannt haben, dass der Betroffene sui681 Vgl. statt vieler BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz bedingter, 3, 5, 38; BGH NStZ-RR 2000, S. 165; BGH NStZ 2003, S. 431. 682 So auch Esser/Wolmerath, 2. Auflage, S. 242; Wolmerath, Rn. 72. 683 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 684 Einstellungsvermerk der Staatsanwaltschaft München I vom 09.12.1999, Az.: 123 Js 10953/99; Der Stern 39/2000, S. 89 f. 685 Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 121, 123; Tröndle/Fischer, § 15 Rn. 12; Wessels/Beulke, Rn. 667. 686 Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 121, 123.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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zidgefährdet ist und durch sein Mobbingverhalten fahrlässig die erkennbare Gefahr des Suizids des Betroffenen geschaffen haben687. aa) Objektive Vorhersehbarkeit Objektiv vorhersehbar ist, was ein umsichtig handelnder Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters unter den jeweils gegebenen Umständen aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung in Rechnung stellen würde.688 Dabei ist es nicht notwendig, dass der Kausalverlauf in allen Einzelheiten vorhersehbar war, wohl aber muss das Zusammenwirken mehrerer Umstände für das Eintreten des Erfolges vorhersehbar sein.689 Ob der Mobbende erkennen konnte, dass der Betroffene sich in einer innerlichen Verfassung befindet, die ihn zu Selbstmordgedanken animiert und dass diese Gedanken auf sein Mobbingverhalten zurückzuführen sind, ist eine Tatfrage, die von Fall zu Fall entschieden werden muss. Der Suizidwille, welcher durch das Mobbing hervorgerufen wird, entwickelt sich grundsätzlich erst nach einiger Zeit des Andauerns des Mobbings, so dass die Suizidgefährdung für den Mobbenden – wenn überhaupt – auch erst im fortgeschrittenen Stadium des Mobbinggeschehens erkennbar sein wird. Im seltensten Fall sind die Betroffenen schon von vornherein suizidgefährdet, so dass die Mobbenden am Beginn auch nicht die Suizidgefahr erkennen können, weil sie nicht besteht. Mobbingangriffen sind nicht nur diejenigen ausgesetzt, die bereits suizidale Absichten in sich tragen oder bereits in ihrer Psyche beeinträchtigt sind, sondern auch diejenigen, die in ihrer psychischen Konstitution nicht angeschlagen sind. Beispielsweise sei an dieser Stelle auf den „Münchner Polizistinnenfall“690 verwiesen, in dem die Polizistin bei ihren Freunden nicht als schwache Persönlichkeit galt, sondern als muntere, freche und lebensfrohe Persönlichkeit, weder Liebeskummer noch familiäre Probleme hatte, Auseinandersetzungen nicht scheute und mit Kritik gut umgehen konnte.691 Der Erkennbarkeit suizidaler Gedanken wird in vielen Fällen entgegenstehen, dass die Betroffenen nach außen ihre psychische Instabilität überspielen, um keine größere Angriffsfläche und Genugtuung für den Mobbenden zu bieten. Sie sind oftmals geradezu darauf bedacht, dass ihr Umfeld am Arbeitsplatz und insbesondere der Mobbende nicht erkennt, dass sie die Mobbingangriffe berühren und der Mobbende Erfolg mit seinem Verhalten hat.692 Dies bestätigt sich auch anhand des „Münchner Polizistinnenfalls“693, in dem sich die Polizistin 687

LK-Jähnke, vor § 211 Rn. 30. Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 133; Tröndle/Fischer, § 222 Rn. 25; Wessels/Beulke, Rn. 667a. 689 BGHSt 12, S. 77; 17, S. 226; Tröndle/Fischer, § 15 Rn. 12; § 222 Rn. 26; Wessels/Beulke, Rn. 667a. 690 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 691 Der Stern, Ausgabe 39/2000, S. 84. 688

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

dem Personalrat, einem Kollegen und ihrer Mutter wegen des Mobbings anvertraute, aber für alle – obwohl sie teilweise persönlich eng miteinander verbunden waren – nicht erkennbar war, dass sie suizidgefährdet war. In dem Einstellungsvermerk der Staatsanwaltschaft694 – im Hinblick auf die fahrlässige Tötung – heißt es: „Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass der Beschuldigte den sich verschlechternden Gesundheitszustand der Polizistin erkannt und diesen ggf. auf sein Verhalten zurückgeführt hat. Die Aussage des Zeugen, dem sich die Verstorbene vor ihrem Tod anvertraut hat, lässt darauf schließen, dass sie anderen gegenüber ihre Gemütsverfassung und ihren Gesundheitszustand bewusst verborgen hat. Sie hatte vielmehr Angst davor, dass sie nicht mehr anerkannt bzw. als Verräterin oder Nestbeschmutzerin gelten würde, wenn jemand von ihren Schwierigkeiten in der Schicht erfahren würde. Auch aus den ärztlichen Stellungnahmen geht nicht hervor, dass die Patientin Selbstmordabsichten angedeutet hat. Dies war offensichtlich auch für die sie kurz vor ihrem Suizid behandelnden Ärzte nicht vorhersehbar, so dass der Vorwurf der fahrlässigen Tötung auch nicht dem Beschuldigten nachgewiesen werden kann.“ Die Strafbarkeit des Mobbenden – unter Berücksichtigung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ – wird daher in vielen Fällen an der „Vorhersehbarkeit des Erfolges“ scheitern, weil die Betroffenen sich nicht die Blöße des „Opfers“ geben und den Mobbenden Genugtuung verschaffen wollen bzw. Angst haben sich, durch die Offenbarung ihrer innerlichen Situation innerhalb der Arbeitsgruppe ins Abseits zu manövrieren. Ausnahmsweise könnte der Suizid des Betroffenen vorhersehbar sein, wenn dieser bereits einen „missglückten“ Suizidversuch unternommen hat, der Mobbende davon erfährt und die Umstände es nahe legen, dass sein Verhalten eine Mitursache für den Suizid bildete. Das gleiche gilt, wenn der Betroffene gehäuft krank ist und der Mobbende von der angeschlagenen psychischen Konstitution erfährt, so zum Beispiel bei Einsicht in die Krankschreibungen. Ferner besteht die Möglichkeit, dass Kollegen, Freunde oder Verwandte, bei dem sich der Betroffene ausgesprochen hat, den Mobbenden zur Rede stellen und ihn in Kenntnis um die psychische Situation des Betroffenen setzen.695 Doch ist zu beachten, dass sich zwar nach der bundesweiten Repräsentativstudie696 drei Viertel der Betroffenen mit der Bitte um Unterstützung – zum Beispiel mit dem 692

Vgl. dazu die Ausführungen zum Körperverletzungsvorsatz in diesem Kapitel B.

II. 6. 693

Erstes Kapitel A. II. 1. b). Staatsanwaltschaft München I, Einstellungsvermerk vom 09.12.1999, Geschäftsnummer: 123 Js 10953/99. 695 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 99 Fn. 22. 696 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 96. 694

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Wunsch nach Aussprache, Solidarität oder Intervention – an Betriebsangehörige, wie den Betriebsrat, Kollegen oder Vorgesetzte wenden, doch geht damit nicht gleichbedeutend einher, dass die suizidgefährdeten Betroffenen auch ihr Innenleben Preis geben, so dass derjenige, der den Mobbenden auf sein Verhalten gegenüber dem Betroffenen anspricht, zwar von den Angriffen auf den Betroffenen weiß, aber oftmals nicht weiß oder erkennen kann, dass dieser suizidale Gedanken in sich trägt und demzufolge dem Mobbenden diese auch nicht erkennbar machen kann. bb) Sorgfaltspflichtverletzung Ist für den Mobbenden im Ausnahmefall der Suizid des Betroffenen erkennbar und auch, dass sein Verhalten zumindest eine Mitursache für den möglichen Suizid sein kann, stellt sich die Frage, ob er seine Sorgfaltspflicht verletzt, indem er sein Mobbingverhalten gegen den Betroffenen beginnt bzw. fortsetzt. Die Sorgfaltspflicht bezieht sich auf das Erkennen der sich aus dem konkreten Verhalten ergebenden Gefahren für das geschützte Rechtsgut und das diesbezüglich richtige Einstellen, indem die gefährliche Handlung nur unter ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen vorgenommen oder ganz unterlassen wird.697 Art und Maß der anzuwendenden Sorgfalt ergeben sich aus den Anforderungen, die bei der Betrachtung der Gefahrenlage „ex ante“ an einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und der sozialen Situation des Handelnden zu stellen sind.698 Hätte der Vorgesetzte im „Münchner Polizistinnenfall“699 erkennen können, dass die Polizistin durch sein Verhalten suizidgefährdet ist, wäre die Fortsetzung seines beleidigenden, frauenverachtenden und kränkenden Verhaltens ab diesem Zeitpunkt als sorgfaltspflichtwidrig einzuordnen, denn ein solches Verhalten wird im Zusammenleben der Rechtsgemeinschaft nicht gebilligt. Anzunehmen ist hier die Pflicht, das hochrangige Rechtsgut des Lebens nicht durch die weitere Verübung von Mobbinghandlungen zu gefährden. Schwierigkeiten ergeben sich dagegen hinsichtlich der Frage nach der Sorgfaltspflichtverletzung in Mobbingkonstellationen, die sich aus Verhaltensweisen zusammensetzen, die darauf gerichtet sind, den Betroffenen gesellschaftlich und sozial am Arbeitsplatz zu isolieren, auszugrenzen und jeglichen sozialen Kontakt mit ihm zu unterbinden.700 Dazu gehören Handlungen wie das gezielte 697

BGHSt 5, S. 271 ff.; 20, S. 315, 320; Wessels/Beulke, Rn. 668. BGHSt 7, S. 307 ff.; 20, S. 315 ff.; 37, S. 184; Tröndle/Fischer, § 222 Rn. 5; Wessels/Beulke, Rn. 669; a. A. Freund, AT, § 5 Rn. 29; Roxin, AT I, § 24 Rn. 54 ff.; Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 142, die auf eine Objektivierung des individuellen Leistungsvermögens abstellen. 699 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 698

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Nichtgrüßen, Ignorieren, Nichteinhalten alltäglicher zwischenmenschlicher Höflichkeiten, Isolieren aus der Arbeitsgruppe, indem der Betroffene nicht zu Arbeitsgesprächen und außerbetrieblichen Aktivitäten eingeladen wird. Ob der Mobbende das Maß an Sorgfalt außer Acht lässt, das normalerweise erwartet werden kann, wenn er sein ignorierendes Verhalten fortsetzt, ist fraglich, denn die Durchsetzung freundlichen, höflichen Verhaltens und die Beachtung der üblichen Umgangsformen sollte in Anbetracht des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Hinblick auf die notwendige Gewährleistung des Handlungsfreiraums mit Mitteln des Strafrechts sehr zurückhaltend erzwungen werden.701 Vor allem in Anbetracht der hohen Wertigkeit des Lebens sollten die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht aber erhöht sein.702 Insoweit kann, wie bereits bei den Körperverletzungsdelikten näher dargelegt, bei Berücksichtigung des Gesamtgeschehens die Schaffung eines rechtlich missbilligten Risikos bzw. die Verletzung einer Sorgfaltspflicht anzunehmen sein, wenn Mobbing mittels unhöflichen und unkollegialen Verhaltens begangen wird, soweit dieses sich als nicht mehr hinnehmbares Schikane- und Ausgrenzungsverhalten darstellt. Weil die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden in den überwiegenden Fällen daran scheitern wird, dass der Suizid für den Mobbenden nicht vorhersehbar war, sei in diesem Zusammenhang jedoch an dieser Stelle auf die näheren Ausführungen zu den Körperverletzungsdelikten und der Berücksichtigung des Gesamtgeschehens verwiesen, wo das sich in diesem Zusammenhang zentral stellende Problem bereits ausführlich erörtert wurde.703 Entsprechend der dortigen Lösung ist unter Berücksichtigung des Lebens als betroffenes Rechtsgut die Sorgfaltspflichtverletzung zu bestimmen. 5. Ergebnis Endet das Mobbinggeschehen mit dem Suizid des Betroffenen, ist für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden festzuhalten, dass der Betroffene oftmals nicht freiverantwortlich handelt und dadurch der Mobbende das zum Suizid führende Geschehen in der Hand hält. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für den Suizid darf daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden, sondern es ist stets eine genaue Beurteilung jedes Einzelfalls erforderlich. In der Regel wird sich der Mobbende, obwohl der Betroffene nicht freiverantwortlich handelt, aber nicht wegen fahrlässiger Tötung und noch seltener wegen vorsätzlicher Tötung bzw. Mord strafrechtlich zu verantworten haben, weil er einerseits grundsätzlich andere Ziele verfolgt, als den Suizid und weil anderer700 701 702 703

Siehe dazu die Ausführungen in diesem Kapitel B. II. 4. e) cc) (1) (b) (aa). Siehe dazu die Ausführungen in diesem Kapitel B. II. 4. e) cc) (1) (b) (cc)–(gg). LK-Schroeder, § 16 Rn. 154. Vgl. die Ausführungen in diesem Kapitel B. II. 6.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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seits für ihn die suizidalen Gedanken des Betroffenen häufig nicht erkennbar sein werden.

VII. Nichtverhinderung und Duldung von Mobbing § 13 StGB 1. Einführung Die strafrechtliche Beurteilung von täterschaftlich 704 begangenem Mobbing ist nicht nur auf die mögliche Strafbarkeit des unmittelbar Handelnden zu beschränken, sondern ist auch auf denjenigen auszudehnen, welcher vom Mobbing gegen den Betroffenen bzw. einzelnen strafrechtlich relevanten Mobbinghandlungen erfährt, aber nicht einschreitet und dem Mobbinggeschehen mit seinen möglicherweise verheerenden Folgen für den Betroffenen daher freien Lauf lässt. Das Augenmerk soll insoweit zunächst auf einer möglichen Unterlassensstrafbarkeit des nicht einschreitenden Betriebsinhabers bzw. Arbeitgebers liegen, weil Mobbing zumeist in seinem Unternehmen stattfindet. Anschließend soll nach der Strafbarkeit des nicht einschreitenden Vorgesetzten und Kollegen gefragt werden, weil diese mit dem Mobbenden und dem Betroffenen aufgrund ihrer Verbundenheit durch den Arbeitsplatz in (un-)mittelbarem Kontakt stehen und sich das Mobbinggeschehen aufgrund seiner Arbeitsplatzbezogenheit oftmals in ihrer Nähe abspielt. Ferner wird auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Mitgliedern betrieblicher Interessensvertretungen näher eingegangen. Die Ergebnisse der bundesweiten Repräsentativstudie zeigen, dass der Ruf der Betroffenen nach Unterstützung gegen Mobbingattacken nicht selten und die Hilfe Dritter zumeist erwünscht ist.705 Etwa drei Viertel der Befragten wandten sich mit der Bitte um Unterstützung, dem Wunsch nach Aussprache, Solidarität oder Intervention an Betriebsangehörige. Mehr als zwei Drittel suchten beim Betriebsrat/Personalrat, fast die Hälfte beim Vorgesetzten und etwa acht Prozent direkt bei der Leitungsspitze (dem Chef oder der Geschäftsführung) Unterstützung. Etwa 62 Prozent sprachen Kollegen an. Inwiefern die Problematik der Unterlassensstrafbarkeit im Zusammenhang mit Mobbing relevant werden kann, zeigt folgende Fallkonstellation: A wird von seinem Kollegen B in Anwesenheit anderer Kollegen täglich angegriffen, indem dieser ihn beschimpft, ständig über ihn lacht, ihn vor anderen lächerlich macht, ihm wichtige Unterlagen zur Bearbeitung wegnimmt, ihn beim Vorgesetzten anschwärzt und Lügengeschichten über ihn erzählt. Diese täglichen Angriffe beeinträchtigen den Betroffenen so erheblich, dass er sich in ärztliche Be704 Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Täterschaft. Auf eine mögliche Teilnahme eines Dritten soll nicht vertieft eingegangen werden. 705 Zu den folgenden statistischen Ergebnissen die Nachweise zur Studie bei Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 96 ff.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

handlung begibt. Die Kollegen erkennen, dass es dem A immer schlechter geht, unternehmen aber nichts. Sein Kollege C will dem A helfen und teilt diese Vorfälle und den Gesundheitszustand des A dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat mit. Beide gehen der Sache nicht nach und denken sich, dass die beiden ihre Streitigkeiten schon unter sich klären werden. 2. Täterschaft oder Teilnahme In den meisten Fällen, in denen die Frage nach einer möglichen Strafbarkeit des Nichteinschreitenden in das Mobbinggeschehen gestellt wird, existiert bereits ein Begehungstäter, der Mobbende. Je nachdem, wie man die umstrittene Frage beantwortet, ob eine Unterlassungstäterschaft neben der Begehungstäterschaft anzuerkennen ist, kommt eine Strafbarkeit des Nichteinschreitenden wegen täterschaftlichen Unterlassens gemäß § 13 StGB oder bei Nichtanerkennung einer Unterlassungstäterschaft eine Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen gemäß § 27 StGB in Frage.706 Letztere bringt gemäß § 27 Abs. 2 S. 2 StGB eine zwingende und gemäß § 13 Abs. 2 StGB die Möglichkeit der doppelten Strafmilderung707 mit sich. Da es sich bei dieser Streitfrage nicht um eine spezifisch bei Mobbingsachverhalten auftretende allgemeine Fragestellung handelt, soll sie zugunsten signifikanter strafrechtlicher Problematiken von Mobbing zurückgestellt bleiben. 3. Garantenstellung Unabhängig davon, ob der Unterlassende neben dem Begehungstäter als Täter oder Teilnehmer in Frage kommt, setzt eine Strafbarkeit stets voraus, dass der Nichthandelnde im konkreten Fall eine Garantenstellung für das konkret gefährdete Rechtsgut innehat.708 Garant ist derjenige, der eine herausgehobene so706 Die Rechtsprechung grenzt die Täterschaft von der Teilnahme auch hier mit Hilfe subjektiver Kriterien, insbesondere dem Interesse am Taterfolg ab: BGH StV 1986, S. 59; BGH JR 1993, S. 159; siehe auch BGH NJW 2003, S. 522. Im Schrifttum wird teilweise auf die Tatherrschaft abgestellt: Joecks, § 13 Rn. 59; Wessels/Beulke, Rn. 734. Andere wiederum schließen eine Täterschaft stets aus: Lackner/Kühl, § 27 Rn. 5; LK-Jescheck, § 13 Rn. 57; dazu kritisch Roxin, AT II, § 31 Rn. 140 ff., der immer eine Täterschaft annimmt, so auch SK-Rudolphi, vor § 13 Rn. 36 ff. Andere wiederum ordnen den Beschützergaranten als Täter und den Überwachergaranten stets als Teilnehmer ein: Krey, AT II, Rn. 381 ff.; Sch/Sch-Cramer/Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 103 ff. Wieder andere erkennen den Unterlassenden grundsätzlich als (Neben)-täter an und gehen von Teilnahme nur dann aus, wenn die Bestrafung als Täter daran scheitert, dass es sich bei dem in Frage stehenden Delikt um ein eigenhändiges Delikt handelt oder beim Unterlassenden bestimmte, vom Delikt vorgesehene Absichten oder Täterqualitäten nicht vorhanden sind: NK-Wohlers, § 13 Rn. 26. 707 Sch/Sch-Cramer/Heine, vor §§ 25 ff. Rn. 111; vgl. auch Ranft, ZStW 94 (1982), S. 815, 822 f.

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ziale Stellung einnimmt, die ihm eine besondere, über die jedermann obliegende Solidaritäts- und Beistandspflicht hinausgehende rechtliche Verantwortung für den Nichteintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges verleiht.709 Dabei muss es sich um eine Rechtspflicht handeln. Rein sittliche oder moralische Pflichten genügen zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht.710 Der Arbeitgeber, der Vorgesetzte, die Kollegen des Betroffenen und die Mitglieder der betrieblichen Interessenvertretungen sind daher für ihr Nichteinschreiten in das strafbare Mobbinggeschehen nur dann strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie Garanten zur Abwehr von tatbestandlichen Rechtsgutsbeeinträchtigungen gegenüber dem Betroffenen sind, was im weiteren näher erörtert wird. § 13 Abs. 1 StGB verlangt zwar seinem Wortlaut nach als Strafbarkeitsvoraussetzung des Unterlassenden eine ihn treffende Erfolgsabwendungspflicht, lässt aber offen, unter welchen Voraussetzungen eine solche entsteht. Das führt dazu, dass die Entstehungsgründe der Garantenpflichten heute zu den umstrittensten Fragen des Strafrechts gehören. Die herrschende Meinung711 teilt die Garantenstellungen nach ihrer spezifischen Schutzfunktion in zwei divergierende Arten ein, indem sie zwischen Beschützer- und Überwachergarantenstellung unterscheidet. Die Beschützergarantenstellung stellt den Garanten zum Schutz eines bestimmten Rechtsguts gegen Angriffe bzw. vor sonstigen Gefahren auf Posten, wobei die Schutzpflicht allumfassend auf jeden oder auch nur auf bestimmte Angriffe auf das Rechtsgut konkretisiert sein kann.712 Die Überwachungsgarantenstellung dagegen verpflichtet den Garanten, Gefahrenquellen zu überwachen, gleichgültig welchen konkreten Rechtsgütern daraus Gefahren drohen.713 Diese Zweiteilung in Beschützer- und Überwacherpflichten bringt aber im Ergebnis für die Entstehungsvoraussetzungen der Garantenpflichten keine befriedigende Antwort mit sich, denn sie benennt zwar verschiedene Pflichten, lässt aber nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen diese entstehen und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen.714

708 BGH MDR 1985, S. 89 f.; Lackner/Kühl, § 27 Rn. 5; NK-Wohlers, § 13 Rn. 28; Sch/Sch-Cramer/Heine, § 27 Rn. 15; SK-Hoyer, § 27 Rn. 10; Wessels/Beulke, Rn. 734. 709 Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 44. 710 BVerfGE 96, S. 68, 98; BVerfG StraFo 2003, S. 88; BGHSt 7, S. 268 ff. (271); 30, S. 393 f.; OLG Düsseldorf MDR 1989, S. 931 f.; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, S. 112, 114; Grünewald, S. 48; Krey, AT II, Rn. 334; Jescheck/Weigend, S. 621; LKJescheck, § 13 Rn. 4, 19; NK-Wohlers, § 13 Rn. 29; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 7; SKRudolphi, § 13 Rn. 19; Tröndle/Fischer, § 13 Rn. 4; Wessels/Beulke, Rn. 717. 711 BGH NStZ 2003, S. 141 ff. (142 f.); Kaufmann, S. 238 ff.; LK-Jescheck, § 13 Rn. 20 ff.; Otto, AT, § 9 Rn. 22; Roxin, AT II, § 32 Rn. 31 jeweils m.w.N; SK-Rudolphi, § 13 Rn 24; Tröndle/Fischer, § 13 Rn. 5a ff.; Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 46 f.; Kühl, § 18 Rn. 43 ff.; Rudolphi, S. 101; sachlich weitgehend übereinstimmend MK-Freund, § 13 Rn. 87 ff. 712 NK-Wohlers, § 13 Rn. 32 m. w. N. 713 NK-Wohlers, § 13 Rn. 32 m. w. N.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Das frühere Schrifttum und die ältere Rechtsprechung hielten strikt an der formellen Rechtspflichttheorie zur Begründung von Garantenpflichten fest. Als Entstehungsgründe der Garantenpflichten galten zunächst abschließend der Vertrag, das Gesetz und vorangegangenes Tun.715 Später kamen die enge Lebensund Gefahrengemeinschaft als garantenpflichtbegründende Umstände hinzu.716 Heute stellt das Schrifttum dagegen vorwiegend auf materielle Kriterien zur Begründung einer Garantenstellung ab717. Auch die Rechtsprechung grenzt längst nicht mehr rein formal ab, sondern greift neben formellen zunehmend auf materielle Kriterien zurück.718 Diese Entwicklung im Schrifttum und die in den Anfängen steckende Abwendung der Rechtsprechung von der reinen formellen Rechtspflichttheorie ist zu begrüßen, denn die formelle Rechtspflichttheorie bietet bei Betrachtung der heutigen Rechtsprechung zu den Garantenstellungen keinen plausiblen Entstehungsgrund für die Begründung von Garantenpflichten.719 Selbst die auf den ersten Blick als am konkretesten erscheinende und dem Bestimmtheitsgrundsatz am nächsten kommende Garantenstellung aus Gesetz beschreibt mehr einen Typ der Garantenstellung, als dass ihr ein nachvollziehbarer Entstehungsgrund zu Grunde liegt.720 Daher ist allgemein und auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass nicht jede gesetzliche Pflicht, aus der sich eine Handlungspflicht ergibt, eine Garantenpflicht begründet.721 Am eindrucksvollsten wird das anhand der §§ 323 und 138 StGB deutlich, indem die sich daraus ergebenden Handlungspflichten keine Garantenpflichten begründen, obwohl sie im Strafgesetzbuch manifestiert sind.722 Es müssen daher andere Kriterien gefunden werden, die für die Begründung von Garantenpflichten ausschlaggebend sind. Insoweit kursieren heute innerhalb des Schrifttums verschiedene Lösungsvorschläge, die zumeist allein oder zur Ergänzung formeller Kriterien materielle Kriterien zur Abgrenzung bemühen.723 714 Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 50; Ingelfinger, NStZ 2004, S. 410; Jakobs, AT, 29. Abschnitt Rn. 29; Kindhäuser, LPK, § 13 Rn. 31; Krey, AT II, Rn. 334; NKWohlers, § 13 Rn. 32; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 15; siehe auch Brammsen, S. 134 ff. 715 Vgl. RGSt 63, S. 392; BGHSt 2, S. 150; 4, S. 20 ff., 22; 19, S. 167, 169; teilweise auch heute noch im Schrifttum: Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 52 ff.; siehe zur Kritik der formellen Rechtspflichttheorie Roxin, AT II, § 32 Rn. 10 ff. 716 BGHSt 2, S. 153; 19, S. 168. 717 Kaufmann, S. 283 ff.; Roxin, AT II, § 32 Rn. 10 ff.; siehe auch insoweit materiell begründend OLG Stuttgart NJW 1998, S. 3132. 718 BGH NJW 2003, S. 3212 ff. zu den zeitlichen Grenzen von ehelichen Garantenpflichten mit Besprechung Ingelfinger, NStZ 2004, S. 409 ff. 719 Siehe zu der Kritik an der formellen Rechtspflichttheorie Roxin, AT II, § 32 Rn. 10 ff. 720 Ingelfinger, NStZ 2004, S. 410; Roxin, AT II, § 31 Rn. 11. 721 BGHSt 3, S. 65, 67; NK-Wohlers, § 13 Rn. 31; Roxin, AT II, § 32 Rn. 11; vgl. auch BGHSt 37, S. 106, 115. 722 BGHSt 3, S. 65, 67; NK-Wohlers, § 13 Rn. 31 m. w. N.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Als garantenpflichtbegründende Kriterien werden in dem Sinne ein besonderes Vertrauensverhältnis724 oder das Vertrauensverhältnis konkretisierende, real existierende Verhaltenserwartungen725 vorgeschlagen. Andere wiederum knüpfen für die Begründung einer Garantenstellung an das Vorverhalten an, indem sie die Gefahrschaffung und den Entzug von Abwehrbereitschaft als tragendes Element der Garantenstellung anerkennen.726 Ein maßgebliches garantenpflichtbegründendes Kriterium in Form eines obersten Leitprinzips727, welches für die unterschiedlichen und vielfältigen Lebenssituationen einer Konkretisierung anhand normativer Wertungen bedarf, wird von einigen Vertretern im Schrifttum728 in Anlehnung an die anerkannte Figur der Tatherrschaft in der aktuellen Herrschaft des Unterlassenden über den Grund des Erfolges gesehen, weil die Herrschaft des Unterlassenden die Gleichstellung mit dem Begehungstäter am besten rechtfertige und mit den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes am treffendsten vereinbar sei.729 Diese Herrschaft konkretisiert Schünemann weiter, indem er diese zum einen aufgliedert in die Herrschaft über den Gefahrenherd und zum anderen in die Herrschaft über die Hilflosigkeit des gefährdeten Rechtsguts bzw. der Anfälligkeit des Opfers.730 Dagegen teilt Jakobs die Garantenstellung in zwei Haftungsprinzipien ein: Zum einen ist dies die Organisationszuständigkeit für den eigenen Organisationskreis, in dem jeder dafür zu sorgen habe, dass niemand zu Schaden komme; zum anderen erblickt Jakobs in der institutionellen Zuständigkeit den Grund für die Garantenstellung.731 Rudolphi732 dagegen sieht das Kennzeichnende einer Garantenpflicht in der Inneha723 Siehe zu den verschiedenen Ansätzen vor allem Arzt, JA 1980, S. 553 (560); Brammsen, S. 113 ff.; Jakobs, AT, 29. Abschnitt Rn. 53 ff., 57 ff. (Haftung aus Organisationszuständigkeit und institutioneller Zuständigkeit); Kindhäuser, LPK, § 13 Rn. 36 ff.; Rudolphi, S. 96 ff.; ders., SK, § 13 Rn. 21; Schünemann, S. 229 ff.; Schulte, Garantenstellung und Solidarpflicht, 2001, der die Garantenpflichten aus Solidarpflichten ableitet; Stree, FS-Mayer, S. 154; siehe die Übersicht bei Grünewald, S. 18 ff. m. w. N. und bei Jakobs, AT, 29. Abschnitt Fn. 53 zu weiteren vertretenen Ansätzen. 724 Blei, FS-Mayer, S. 199 ff. (122); Maaß, S. 16 f., 36; Welp, S. 177 ff.; Wolff, Kausalität von Tun und Unterlassen, 1965, S. 37 ff.; siehe auch SK-Rudolphi, § 13 Rn. 21 aber mit Anlehnung an eine bestimmte soziale Rolle und an das Herrschaftsprinzip; siehe auch NK-Wohlers, § 13 Rn. 34 m. w. N. 725 Brammsen, S. 113 ff, 129 ff.; Otto/Brammsen, Jura 1985, S. 536 f.; Otto, AT, § 9 Rn. 30 ff., 42 ff. 726 Seelmann, GA 1989, S. 241 ff. 727 SK-Rudolphi, § 13 Rn. 23; Roxin, AT II, § 32 Rn. 21; Rudolphi, S. 100; Schünemann, 1971, S. 240 ff.; siehe auch Hillenkamp, JR 1988, S. 303. 728 Schünemann, S. 229 ff.; zustimmend Roxin, AT II, Rn. 17 ff. 729 Roxin, AT II, Rn. 17 ff.; Schünemann, S. 229 ff.; ähnlich Rudolphi, S. 99; SKRudolphi, § 13 Rn. 21. 730 Schünemann, S. 229. 731 Jakobs, S. 19 ff., S. 30 ff. 732 Rudolphi, S. 99; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 21.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

bung einer besonderen, auf einem Abhängigkeitsverhältnis beruhenden Schutzfunktion. Richtigerweise wird man sich nicht gänzlich auf rein formelle oder rein materielle Kriterien zurückziehen können, sondern zur Vermeidung einer drohenden Ausuferung und zur Wahrung der Bestimmtheit des § 13 Abs. 1 StGB bei den im Folgenden behandelten Konstellationen möglicher Garantenstellungen vielmehr rein formelle Entstehungsgründe mit materiellen Kriterien ergänzen und eine Kombination aus beiden anstreben müssen.733 Die folgenden Ausführungen sollen auf der Grundlage dieses Ansatzes eine bereichsbezogene Konkretisierung für die im Zusammenhang mit Mobbing aufgeworfenen Problemlagen erarbeiten. a) Garantenstellung des Betriebsinhabers bzw. Arbeitgebers aa) Einleitung Bei der Suche nach der Antwort auf die Frage nach der Garantenstellung des Betriebsinhabers muss sich der Blick sowohl auf eine mögliche Beschützergarantenstellung richten, die den Betriebsinhaber verpflichtet, die Rechtsgüter seiner Beschäftigten vor Rechtsgutsschäden während der Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten zu bewahren, als auch auf eine Überwachergarantenstellung, die den Betriebsinhaber verpflichtet, gegen Straftaten seiner Beschäftigten generell einzuschreiten. Beschützer- und Überwachergarantenstellung schließen sich nicht gegenseitig aus, vielmehr kann die strafrechtliche Pflicht zum Handeln auch auf mehreren Garantenstellungen beruhen.734 Den folgenden Ausführungen wird zugrunde gelegt, dass der Betriebsinhaber, wie in den meisten Fällen, zugleich Arbeitgeber des Betroffenen ist. Die Berechtigung der Frage nach einer möglichen Beschützergarantenstellung des Betriebsinhabers gegenüber seinen Mitarbeitern findet ihre Rechtfertigung in der durch den Arbeitsvertrag begründeten besonderen Verbundenheit des Arbeitnehmers mit dem Betriebsinhaber als Arbeitgeber und dessen Tätigwerden in dem Pflichten- und Interessenkreis des Betriebsinhabers. Dagegen begründet sich die Frage nach der Überwachergarantenstellung des Betriebsinhabers einerseits damit, dass Mobbing und die damit verbundenen Straftaten meist während der Arbeitszeit und innerhalb der Arbeitsräume, über die der Betriebsinhaber die Herrschaft hat, stattfindet und andererseits von Kollegen oder Vorgesetzten ausgeht, die dem

733 Jescheck/Weigend, S. 621; Kindhäuser, LPK, § 13 Rn. 35 ff.; Krey, AT II, Rn. 334; LK-Jescheck, § 13 Rn. 19; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 25; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 8; Stree, FS-H. Mayer, S. 146 f. 734 Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 16.

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Betrieb eingeordnet sind und gegenüber denen der Betriebsinhaber als Arbeitgeber ein Direktionsrecht innehat. Aus der bundesweiten Repräsentativstudie über Mobbing ergibt sich, dass die Arbeitgeber bzw. die Dienstvorgesetzten selten mit nachteiligen Konsequenzen für den Mobbenden in den Mobbingprozess einschreiten.735 In 60 Prozent der Fälle brachte das Mobbinggeschehen für den Mobbenden keine nachteiligen arbeitsplatzbezogenen Folgen mit sich. Die Anzahl derjenigen Arbeitgeber, die in das Mobbinggeschehen erfolgreich eingreifen und arbeitsrechtliche Konsequenzen an das Verhalten des Mobbenden knüpfen, ist gering. Insgesamt gaben elf Prozent der Betroffenen an, dass der Mobbende als Reaktion auf das Mobbinggeschehen im Betrieb versetzt und acht Prozent, dass ihm gekündigt wurde. Arbeitnehmer sind im Vergleich zu Beamten dabei häufiger nachteiligen arbeitsplatzbezogenen Konsequenzen ausgesetzt, was wohl auf den erhöhten Kündigungsschutz im Beamtenrecht zurückzuführen ist. Ferner verzeichnet die Studie als Ergebnis, dass Mobbende im Alter von 35–44 Jahren häufiger von arbeitsrechtlichen Konsequenzen betroffen sind als diejenigen, die einer anderen Altersgruppe – insbesondere der über 55 Jährigen – angehören. bb) Beschützergarantenstellung (1) Einführung Mobbing und die damit verbundenen Straftaten finden in der Regel am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit gegen betriebsangehörige Arbeitnehmer statt. Ging es bis dato in der rechtswissenschaftlichen Diskussion hauptsächlich um die Frage einer Überwachergarantenstellung des Betriebsinhabers bei Straftaten seiner Arbeitnehmer, die sich nicht gegen Rechtsgüter eigener Betriebsangehörigen richteten,736 ist Mobbing aufgrund der Besonderheit, dass die damit verbundenen Straftaten am Arbeitsplatz gegen Betriebsangehörige vorgenommen werden, ein wesentlicher Grund, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Betriebsinhaber gegenüber seinen Beschäftigten eine Beschützergarantenstellung innehat. Diese Frage liegt zum einen nahe, weil zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine arbeitsvertragliche Verbundenheit besteht und zum anderen, weil der Arbeitnehmer in das Unternehmen eingegliedert ist. Vorwiegend werden heute strafrechtliche Schutzpflichten für bestimmte Rechtsgüter aufgrund natürlicher Verbundenheit, Begründung einer Lebens- und Gefahrengemeinschaft, der Stellung als Amtsträger oder Organ juristischer Personen und der freiwilligen Übernahme von Schutz und Beistandspflichten be-

735 736

Dazu und zum Folgenden Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 91 f. Siehe dazu die Ausführungen unten in diesem Kapitel B. VII. 3. a) cc).

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gründet.737 Für eine mögliche Schutzpflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern sind die Garantenpflicht kraft Gründung einer Gefahrengemeinschaft und kraft freiwilliger Übernahme von Schutz- und Beistandspflichten von besonderem Interesse. (2) Gefahrengemeinschaft Eine garantenpflichtbegründende Gefahrengemeinschaft könnte sich aus der Angehörigkeit des Betriebsinhabers bzw. Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zu derselben Betriebsgemeinschaft ergeben. Eine Garantenstellung begründet sich aber noch nicht allein durch den Zusammenschluss mehrerer Personen, sondern erst, wenn dieser erfolgt, um gegenseitige Gefahren abzuwehren.738 Der Zusammenschluss des Betriebsinhabers und des Arbeitnehmers zu einer Betriebsgemeinschaft erfolgt dagegen zur Erreichung eines betrieblichen Zieles, zum Beispiel der Herstellung eines Produktes und nicht darüber hinaus zur gegenseitigen Gefahrenabwehr. Eine Beschützergarantenstellung des Betriebsinhabers gegenüber seinen Beschäftigten allein aus der gemeinsamen Zugehörigkeit zur Betriebsgemeinschaft ist daher abzulehnen.739 (3) Freiwillige Übernahme Aufgrund der gegenseitigen arbeitsvertraglichen Bindung zwischen Arbeitnehmer und Betriebsinhaber liegt eine Beschützergarantenstellung des Betriebsinhabers bzw. Arbeitgebers durch die Übernahme freiwilliger Schutz- und Beistandspflichten näher. Die Rechtsprechung hat zu dieser Frage bisher nur vereinzelt in überwiegend älteren Entscheidungen Stellung genommen. In einer Entscheidung740 leitete der BGH eine Garantenpflicht hinsichtlich des Schutzes von Körper und Leben aus einem Dienstvertrag iVm § 618 BGB gegenüber dem anderen Vertragpartner ab. In einer anderen Entscheidung741 begründete der BGH eine Garantenpflicht des Arbeitnehmers hinsichtlich des Schutzes des Vermögens des Arbeitgebers aus seiner sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Treuepflicht heraus und nahm infolge dessen eine Pflicht des Arbeitnehmers an, Diebstähle zum Nachteil des Arbeitgebers zu verhindern. Im heutigen allgemeinen strafrechtlichen Schrifttum wird diese Problematik – so weit ersichtlich – 737 Kindhäuser, LPK, § 13 Rn. 52 ff.; NK-Wohlers, § 13 Rn. 54 ff.; Roxin, AT II, § 32 Rn. 33 ff. 738 Siehe dazu die Ausführungen zur Garantenpflicht von Kollegen Kapitel 2. B. VII. 3. c). 739 Brammsen, S. 176; LK-Jescheck, § 13 Rn. 25; siehe aber auch OLG Celle BB 1953, S. 833. 740 BGH VRS 10, S. 301. 741 BGHSt 2, S. 326; 5, S. 190.

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bisher nicht erörtert.742 Dagegen findet man im Schrifttum743, das sich mit den strafrechtlichen Folgen von Mobbing auseinandersetzt, in jüngster Zeit gehäuft Stellungnahmen. Ohne nähere Begründung wird eine Garantenstellung des Betriebsinhabers bzw. Arbeitgebers aus dessen arbeitsvertraglicher Fürsorgepflicht gegenüber seinem Arbeitnehmer abgeleitet, so dass der Betriebsinhaber in seiner Stellung als Arbeitgeber sich folglich strafrechtlich zu verantworten habe, wenn er seine Beschäftigten vor Mobbing bzw. den damit verbundenen Rechtsgutsgefährdungen am Arbeitsplatz nicht schütze. Die damit in die Diskussion eingeführte arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht stellt einen Oberbegriff dar, unter den im Allgemeinen sämtliche Nebenpflichten des Arbeitgebers zusammengefasst werden und gilt als Korrelat für die Einordnung der Arbeitnehmerpersönlichkeit in die betriebliche Organisation und ihre Unterordnung unter die organisatorische Weisungsmacht des Arbeitgebers.744 Sie umfasst den Schutz der Arbeitnehmerinteressen, die infolge der Einordnung des Arbeitnehmers in den Betrieb und die Belegschaft einer besonderen Gefährdung unterliegen.745 Die Fürsorgepflicht ergibt sich als Grundpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag i.V. m. §§ 241 Abs. 2, 242 BGB (Treu und Glauben) und ist beim Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis mit personalem Einschlag im Gegensatz zu anderen Schuldverhältnissen von besonderer Bedeutung.746 Ihre inhaltliche Konkretisierung beruht zum einen auf § 242 BGB und zum anderen auf konkreten gesetzlichen oder arbeitsvertraglichen Bestimmungen.747 Danach ist der Arbeitgeber arbeitsrechtlich u. a. verpflichtet, auf das Wohl und Wehe der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen und Sorge zu tragen, dass das Leben, die Gesundheit (§ 618 BGB), das eingebrachte Eigentum und das Persönlichkeitsrecht748 (so zum Beispiel die Ehre749 und die sexuelle Selbstbestimmung [§ 2 Abs. 1 BeschSchG]) seiner im Betrieb Beschäftigten am Arbeitsplatz keinen Schaden (durch das Handeln Dritter) er742 Siehe zur älteren Literatur einzig Stellung nehmend Dahm, ZStW 59 (1940), S. 177; siehe auch Böhm, S. 79 f. 743 Hage/Heilmann, BB 1998, S. 746; Kollmer, Rn. 176; Stock, S. 190 f.; Wolmerath, Rn. 113; Esser/Wolmerath, S. 226; a. A. Rieble/Klump, FA 2002, S. 309. 744 Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschnitt C Rn. 2154. 745 MüHa-Bloymeyer, § 94 Rn. 14; Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschnitt C Rn. 2157. 746 BAG AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG; BAG AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Dütz, § 4 Rn. 174; Kort, NZA 1996, S. 854; Preiß, S. 297, 420; Wiese, ZfA 1996, S. 460. 747 Kort, NZA 1996, S. 854; Wiese, ZfA 1996, S. 460. 748 Siehe dazu auch § 75 Abs. 2 BetrVG, wonach der Arbeitgeber die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb Beschäftigten zu schützen und zu fördern hat. Dieses Recht ist aber kein subjektives Recht des Arbeitnehmers, so dass es bei der vertraglichen Schutzpflicht des Arbeitgebers als Grundlage des Persönlichkeitsschutzes bleibt (Preiß, S. 427). 749 Spamer, S. 146; MüHa-Bloymeyer, § 93 Rn. 36; Wiese, ZfA 1996, S. 469; Zöllner/Loritz, § 16 Rn. 204.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

fahren.750 Teilweise haben die Schutzpflichten mit § 618 BGB, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer vor Gefahren für sein Leben oder die Gesundheit zu schützen und mit § 2 Abs. 1 BeschSchG, der den Arbeitgeber verpflichtet, sexuelle Belästigungen zu unterbinden, mittlerweile eine spezialgesetzliche Regelung erfahren, so dass § 242 BGB in diesen Fällen als allgemeine Rechtsgrundlage ausscheidet.751 Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung hat in den letzten Jahren mit Blick auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts eine Schutzpflicht des Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer vor Mobbing ausdrücklich bejaht.752 Heute ist allgemein anerkannt, dass sich aus einer zivilrechtlichen Schutzpflicht nicht zwingend eine strafrechtliche Garantenstellung ableiten lässt.753 Wäre es anders, bestünde die Gefahr einer nicht hinnehmbaren Ausweitung der strafrechtlichen Verantwortung auf jede Treuepflichtverletzung des Schuldners und einer Aushöhlung des Strafrechts als Inbegriff kriminellen Unrechts.754 In dem Sinne äußerte sich auch der BGH im Lederspray-Fall755, indem er ausführte, dass „die schadensersatzorientierten Haftungsprinzipien des Zivilrechts nicht unbesehen zur Bestimmung strafrechtlicher Verantwortlichkeit benutzt werden dürften.“ Haben die Schutzpflichten keine gesetzliche Konkretisierung erfahren, spricht gegen die Annahme einer sich aus ihnen ergebenden Garantenpflicht ferner, dass sie aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet werden. § 13 StGB steht im Hinblick auf die notwendige Rechtspflicht in einem problematischen Verhältnis zur verfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmtheit.756 Dieser Vagheit ist im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot dadurch Rechnung zu tragen, dass insbesondere das Tatbestandsmerkmal der Rechtspflicht eine restriktive Interpretation erfahren und die Garantenpflicht auf die Fallgestaltungen begrenzt werden muss, in denen die rechtliche Verpflichtung zum Handeln eindeu750 LAG Thüringen BB 2001, S. 1358; MüHa-Bloymeyer, § 94 Rn. 15; § 97 Rn. 32, 37; Hage/Heilmann, BB 1998, S. 746; Kollmer, Rn. 176; Schaub, § 108 Rn. 54; Wiese, ZfA 1996, S. 469; Wolmerath, Rn. 113; Esser/Wolmerath, S. 226. 751 Preiß, S. 298. 752 LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff. 753 Ingelfinger, NStZ 2004, S. 410; NK1-Seelmann, § 13 Rn. 47; Roxin, AT II, § 32 Rn. 14, 11; Seelmann, S. 92 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 22 f.; Stree, FS-H. Mayer, S. 164; Walter, Die Pflichten, S. 152; siehe zu dieser Problematik ausführlich Grünewald, die sich der Frage „Zivilrechtlich begründeter Garantenpflichten“ annimmt; a. A. BGHSt 5, S. 187 ff. (190). 754 Stree, FS-H. Mayer, S. 164; Welzel, S. 215. 755 BGHSt 37, S. 106 ff. (115). 756 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 40; Köhler, S. 213 f.; NK-Wohlers, § 13 Rn. 3 m. w. N.; kritisch auch MK-Freund, § 13 Rn. 26; einen Verstoß verneinend: BVerfG StraFo 2003, S. 88; LK-Jescheck, § 13 Rn 14; SK-Rudolphi, Rn. 13 Rn 3; Schönke/Schröder-Stree, § 13 Rn. 5; Lackner/Kühl, Rn. 13 Rn 21; Jakobs, AT, 9. Abschnitt Rn. 4 f.; Roxin, AT II, § 31 Rn. 33.

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tig gegeben ist.757 Genügte eine Garantenpflicht, die sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ableiten ließe, bestünden erhebliche Bedenken hinsichtlich der zu gewährleistenden Rechtssicherheit, weil das Rechtsprinzip von Treu und Glauben zu konturenlos ist, um Mittel zur Strafbegründung zu sein.758 Insoweit ist die Herleitung einer Garantenpflicht aus (vertraglichen) Nebenpflichten auch abzulehnen.759 Der Nachweis der Existenz einer gesetzlichen oder (neben-)vertraglichen Pflicht des Arbeitgebers, seine Beschäftigten vor Rechtsgutsverletzungen am Arbeitsplatz zu bewahren, reicht daher entgegen den im Schrifttum zur Mobbingproblematik vertretenen Stimmen zur Begründung einer Garantenpflicht allein nicht aus. Es bedarf für eine Garantenstellung daher einer gesteigerten Verantwortlichkeit, die nicht per se aus der bloßen Verletzung vertraglicher Pflichten und schon gar nicht aus der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten760 abzuleiten ist.761 Nach überwiegender Ansicht, der auch hier gefolgt werden soll, ist für eine Garantenstellung kennzeichnend, dass der Rechtsgutsträger schutzunfähig ist, dem Unterlassenden der Schutz des Rechtsgutes vor der ihm drohenden Gefahr rechtlich geboten ist und er aufgrund dieser Schutzposition das zur Rechtsgutsverletzung hinführende Geschehen beherrscht.762 Eine Schutzpflicht trifft den Arbeitgeber daher nur dann, wenn er gegenüber dem betroffenen Rechtsgut auch eine Schutzfunktion übernommen hat, so dass dieses in seiner Unversehrtheit auch tatsächlich von ihm abhängig ist. Grundlage der Garantenstellung aus freiwilliger Übernahme ist daher ein bestimmtes Gefahrenmoment, das der Übernehmende durch das geschaffene Vertrauen hervorgerufen hat und das den Beschützenden in ein Abhängigkeitsverhältnis hinsichtlich der Unversehrtheit seiner Rechtsgüter zu ihm stellt.763 Entscheidend ist, dass durch einen Vertrau757 NK-Wohlers, § 13 Rn. 3, 29; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 3; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 6; Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 41; Jakobs, AT, 9. Abschnitt Rn. 5; Otto, § 9 Rn. 57; Roxin, AT II, § 31 Rn. 33. 758 Roxin, AT II, § 32 Rn. 76 a. E.; Maaß, S. 150; siehe dazu vor allem die Literatur zur Betrugsproblematik beispielsweise Krey/Hellmann, BT II, Rn. 353; Kamberger, S. 157 ff., 240 f., 263 ff. 759 So jetzt auch BGHSt 39, S. 141 f., wo zusätzlich ein bestimmtes Vertrauensverhältnis verlangt wird. Siehe aber auch die Urteile zum Betrug durch Unterlassen, in denen die Rechtsprechung es zuweilen genügen ließ, wenn eine nicht gesetzlich verankerte, sondern sich aus Treu und Glauben ergebende Nebenpflicht besteht BGHSt 6, S. 198 ff. (199); OLG Zweibrücken NJW 1983, S. 694; OLG Hamm NJW 1987, S. 2245; BayOLG NJW 1987, S. 1654. Siehe aber auch BGHSt 39, S. 401 f., das Gericht erkennt eine Pflicht aus Treu und Glauben nicht als ausreichend an, sondern fordert zusätzlich ein bestimmtes Vertrauensverhältnis. 760 Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 23. 761 Roxin, AT II, § 32 Rn. 14, 11; NK1-Seelmann, § 13 Rn. 47; Seelmann, S. 92 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 22 f.; Stree, FS-H. Mayer, S. 164; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 21, 62; Walter, Die Pflichten, S. 152. 762 SK-Rudolphi, § 13 Rn. 22; Roxin, AT II, § 32 Rn. 19, 54 ff. 763 Stree, FS-H. Mayer, S. 156.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

ensakt ein Abhängigkeits- und Obhutsverhältnis zwischen Übernehmenden und Opfer begründet wird, durch das der Übernehmende den Eintritt der Rechtsgutsverletzung beherrscht.764 Das ist dann der Fall, wenn ein Hilfsversprechen oder der tatsächliche Antritt einer Stellung mit Schutzfunktionen dazu führt, dass eine andere Person im Vertrauen auf dieses Hilfsversprechen sich entweder erhöhten Gefahren aussetzt, die Übernahme des Schutzes andere Rettungsmöglichkeiten entfallen lässt oder mit Rücksicht auf die Übernahme des Schutzes andere Schutzvorkehrungen unterbleiben.765 Mit dem Arbeitsplatz ist die Gefahr verbunden, Mobbingangriffen ausgesetzt zu werden, so dass die Gefahr von Rechtsgutsverletzungen durch Mobbing mit der Eingehung des Arbeitsvertrages bzw. der tatsächlichen Eingliederung in die Arbeitsgemeinschaft erhöht bzw. begründet wird.766 Durch die arbeitsvertragliche Bindung besteht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ohne Zweifel eine besondere Beziehung, welche über die normalvertraglichen Bindungen hinausgeht und im Vergleich mit anderen Schuldverhältnissen eine besondere Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien schafft. Diese besondere Verbindung begründet sich zum einen in der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis, das meist über viele Jahre hinweg andauert bzw. auf eine lange Vertragspartnerschaft ausgelegt ist und zum anderen in dem starken personellen Charakter des Arbeitsverhältnisses, indem sich die Verbindung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht auf einem reinen materiellen Austausch von Gütern begründet, sondern auf einer höchstpersönlichen Leistungspflicht, die von der Person des Arbeitnehmers nicht zu trennen ist.767 Der Arbeitnehmer stellt als Vertragsgegenstand seine körperliche und/oder geistige Kraft zur Verfügung und verleiht damit dem Arbeitsverhältnis einen besonderen personellen Einschlag. Dieser personale Gehalt macht neben der oftmals langen Dauer des Arbeitsverhältnisses die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einer besonderen und steigert das Maß des eingeräumten gegenseitigen Vertrauens im Vergleich zu rein vermögensrechtlichen Austauschverhältnissen.768 Der Arbeitnehmer geht aber das Arbeitsverhältnis ein, um seine Lebensexistenz durch das zu erwartende Entgelt zu sichern und nicht deswegen, damit ihn der Arbeitnehmer vor den erhöhten Gefahren, am Arbeitsplatz Mobbingangriffen bzw. den damit verbundenen Straftaten ausgesetzt zu werden, beschützt. Darüber hinaus werden dem Arbeitnehmer auch keine Abwehrmaßnahmen allein aus der Eingliederung in die Arbeitsgemeinschaft und der vertraglichen 764

SK-Rudolphi, § 13 Rn. 58. Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 27; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 58. 766 Vgl. die Ausführungen in diesem Kapitel B. VII. 3. a) cc) (2) (c) zur Einschränkung der Überwachergarantenpflicht des Arbeitgebers bzw. des Betriebsinhabers. 767 Wiese, ZfA 1996, S. 455 f.; siehe dazu auch Schaub, § 45 Rn. 1. 768 Wiese, ZfA 1996, S. 455 f.; Zöllner/Loritz, S. 178. 765

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Verbundenheit mit dem Arbeitgeber entzogen, die er auch sonst gegen Rechtsgutsgefährdungen hätte. Seine eingeschränkte Abwehrbereitschaft begründet sich nicht in dem Vertrauen darauf, dass der Arbeitgeber in das Mobbinggeschehen einschreiten werde, sondern vielmehr auf der Angst vor den Konsequenzen eines offensiven Vorgehens.769 In dem Abschluss eines Arbeitsvertrages ist daher noch kein Vertrauensakt zu erblicken, der eine Beschützergarantenstellung begründet. Eine Garantenstellung kraft Übernahme wird vielmehr erst dann zu bejahen sein, wenn der Arbeitgeber von bestimmten Rechtsgutsgefährdungen Kenntnis erlangt und dem betroffenen Arbeitnehmer zusichert, dass er sich der Sache annehmen wird und der Betroffene daraufhin auf Schutzmaßnahmen verzichtet. In einer solchen Konstellation setzt sich der Betroffene im berechtigten Vertrauen auf das Eingreifen des Arbeitgebers erhöhten Gefahren aus, wodurch ein Abhängigkeitsverhältnis hinsichtlich des Schutzes der Rechtsgüter begründet wird. Eine solche Situation könnte beispielsweise dann vorliegen, wenn sich A beim Arbeitgeber darüber beklagte, dass sein Kollege ihn täglich beleidigt, was ihn psychisch so belastet, dass er den Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr aufsuchen könne. Verspricht der Arbeitgeber, um das Fernbleiben des A vom Arbeitsplatz zu verhindern, gegen das Verhalten des Kollegen mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen vorzugehen, ist in diesem Fall eine Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber zu bejahen, weil sich der Arbeitnehmer im Vertrauen auf das Einschreiten des Arbeitgebers, indem er weiterhin den Arbeitsplatz aufsucht, Gefahren aussetzt, denen er durch das Nichtaufsuchen des Arbeitsplatzes entgangen wäre. In derartigen Fallkonstellationen wird die Lage des Geschützten derart verändert, dass ohne das Hilfsversprechen des Arbeitgebers die Gefahr ausgeblieben, verhindert oder dieser möglicherweise entgegengewirkt worden wäre, indem der Arbeitnehmer Schutzmaßnahmen vorgenommen hätte.770 Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass sich allein aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers keine Beschützergarantenstellung dem Beschäftigten gegenüber ergibt. Eine solche nimmt der Arbeitgeber nur dann ein, wenn er Kenntnis von bestehenden Rechtsgutsgefährdungen erhält und gegenüber dem Arbeitnehmer ein konkretes Hilfsversprechen abgibt.

769 Vgl. dazu die Ausführungen in diesem Kapitel B. VII. 3. a) cc) (2) (c) zur Einschränkung der Überwachergarantenpflicht des Arbeitgebers bzw. des Betriebsinhabers, wo ausführlich auf die betriebsbedingte Einschränkung der Abwehrmöglichkeiten des Betroffenen eingegangen wird. 770 Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 27.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

cc) Überwachergarantenstellung (1) Innehabung eines rechtlich geschützten Bereichs Trotz aller Unterschiede der theoretischen Ansätze zur Begründung einer Garantenstellung besteht im Ergebnis dahingehend Einigkeit, dass derjenige für die Gefahrenabwehr verantwortlich ist, der die Herrschaft über eine Gefahrenquelle innehat.771 Eigentümer und Besitzer sind daher für die Abwehr der möglichen Gefahren, welche von den in ihrer Sachherrschaft liegenden Sachen ausgehen, verantwortlich.772 Diese Verkehrssicherungspflichten treffen aufgrund der Innehabung der Sachherrschaft über den Betrieb auch den Betriebsinhaber.773 Solange es sich um Gefahren handelt, die von Sachen ausgehen, welche in der Sachherrschaft des Betriebsinhabers liegen, ist die Garantenstellung daher unproblematisch gegeben, weil der Arbeitnehmer darauf angewiesen ist und darauf vertrauen muss, dass der Betriebsinhaber diesen Gefahren begegnet. Diese Abhängigkeit begründet sich in der fremden Sachherrschaft über die Gefahrenquelle, welche sich im Herrschaftsbereich des Betriebsinhabers befindet, weil der einzelne Arbeitnehmer grundsätzlich nicht auf das Eigentum bzw. den Besitz des Betriebsinhabers einwirken darf. Ferner liegt sie in der erhöhten Wissensmacht des Betriebsinhabers, die sich in der Übersicht über das Gesamtunternehmen begründet, weil dem Arbeitnehmer oftmals das nötige Wissen fehlt, die Gefahren des Unternehmens zu überblicken. Zum anderen hat er meistens nicht die Möglichkeit, die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, so dass er in der Regel nicht in der Lage ist, sich vor den einzelnen Gefahrenquellen in seinem Arbeitsumfeld zu schützen. Der Betriebsinhaber hat demnach aufgrund seiner Herrschaftsmacht über die bestehenden sachlichen Gefahrenquellen darüber zu wachen, dass sich aus ihnen keine Gefahren für Dritte ergeben. Die mit einem Mobbinggeschehen verbundenen Gefahren gehen jedoch nicht von Sachen aus, sondern vom Verhalten der Beschäftigten im Betrieb. Es stellt sich daher die Frage, ob die dargestellten Grundsätze über die Begründung der Garantenstellung über sachliche Gefahrenquellen in analoger Anwendung eine Überwachergarantenstellung des Betriebsinhabers über das Verhalten seiner Beschäftigten begründen, denn schließlich werden diese in seinem Herrschaftsbereich, dem Betrieb, als „menschliche Gefahrenquelle“ tätig. Der „Tatort“ für Mobbing und die damit verbundenen Straftaten sind in der Regel die betrieblichen Räume des Unternehmens, so dass sich zunächst die Frage ergibt, ob der Betriebsinhaber aufgrund seiner Sachherrschaft und Verfügungsgewalt über den Betrieb eine Garantenposition einnimmt, welche ihn verpflichtet, alle Gefahren

771 772 773

NK-Wohlers, § 13 Rn. 35; Kindhäuser, LPK, § 13 Rn. 38 f. Roxin, AT II, § 32 Rn. 108 ff. Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmidt, § 30 Rn. 71.

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abzuwehren, die sich irgendwie, also auch durch menschliches Verhalten, für irgendwelche Rechtsgüter aus oder in dieser Herrschaftssphäre ergeben. Im Allgemeinen handelt es sich daher um die bereits in den rechtswissenschaftlichen Abhandlungen in anderen Zusammenhängen vielfach erörterte Problematik, ob der Inhaber von Räumlichkeiten aus seiner Herrschaftsposition über diese heraus verpflichtet ist, gegen Straftaten einzuschreiten, die sich in ihnen abspielen. Die Rechtsprechung774 hat zunächst eine solche Garantenposition grundsätzlich bejaht, später aber mit erheblichen Zweifeln restriktiver gehandhabt und zuletzt im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum775 auch zu Recht abgelehnt, weil von Räumen an sich keine Gefahren ausgehen und eine Überwachergarantenstellung sich nur dann ergeben kann, wenn auch tatsächlich Gefahren existieren, die überwacht werden können. Das ist nur dann der Fall, wenn die Wohnung aufgrund ihrer Beschaffenheit oder Lage selbst die Gefahr von Straftaten mit sich bringt.776 Allein aus der Inhaberschaft des Betriebes für den Betriebsinhaber ergibt sich keine von der Rechtsordnung eingeräumte Aufsichts- und Befehlsgewalt über die sich in den Räumen aufhaltenden Personen. Vielmehr sind diese für sich und ihr Verhalten allein verantwortlich. Darüber hinaus begründet allein die Tatsache, dass die Straftat in den Betriebsräumen stattfindet, keine für eine Garantenstellung notwendige Abhängigkeit des Betroffenen vom Betriebsinhaber, weil in dringenden Fällen, wozu Straftaten zählen, das Hausrecht des Inhabers zurücktritt und der staatliche Schutz dem Betroffenen daher nicht verwehrt bleibt. Es müssen demnach weitere Umstände hinzukommen, die für sich eine garantenbegründende Kraft entfalten, um eine Garantenstellung des Betriebsinhabers begründen zu können.777 (2) Kraft Autoritätsstellung (a) Einleitung Indem der Betriebsinhaber in der Regel in seiner Funktion als Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechtes eine Autoritätsstellung gegenüber seinen Be774 Siehe dazu vor allem die Urteile zur Wohnungsinhaberschaft: RGSt 72, S. 373; OGHSt 1, S. 87; BGH NJW 1966, S. 1763; restriktiver BGHSt 27, S. 10 ff. (12); 30, S. 391; ablehnend BGHSt 30, S. 391; BGH NJW 1993, S. 76; BGH StV 1999, S. 212; OLG Zweibrücken StV 1986, S. 483. Eine Garantenstellung des Inhabers einer Gaststätte bejaht BGH NJW 1966, S. 1763. 775 Brammsen, S. 268; Jakobs, AT, 29. Abschnitt Rn. 37a; Köhler, S. 225; Lackner/ Kühl, § 13 Rn. 15; NK-Wohlers, § 13 Rn. 47, 51; Roxin, AT II, § 32 Rn. 120; Rudolphi, NStZ 1984, S. 153 f.; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 37; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 54; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 45; siehe dazu auch Bärwinkel, S. 144 f. 776 BGHSt 30, S. 391 ff. (396); OLG Zweibrücken StV 1999, S. 212; LK-Jescheck, § 13 Rn. 44; Roxin, AT II, § 32 Rn. 120; Rudolphi, NStZ 1984, S. 153 f.; Schünemann, S. 361; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 36. 777 BGHSt 30, S. 395 f.; Roxin, AT II, § 32 Rn. 121.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

schäftigten einnimmt, stellt sich die Frage, ob sich an diese eine Garantenstellung knüpfen lässt, die den Betriebsinhaber verpflichtet, seine Beschäftigten zu überwachen und die von ihnen ausgehenden Straftaten zu verhindern. Die Frage nach der Verantwortlichkeit für Straftaten anderer muss stets vor dem das Strafrecht prägenden Selbstverantwortlichkeitsprinzip beantwortet werden, wonach es grundsätzlich ausgeschlossen ist, einen anderen für das rechtswidrige Verhalten eines verantwortlichen Dritten zur strafrechtlichen Verantwortung zu ziehen.778 Daher kann ausnahmsweise nur jemand als Garant für die Straftaten anderer einstehen, wenn er aufgrund einer ihm von der Rechtsordnung eingeräumten Aufsichts- und Befehlsgewalt die Herrschaft über diesen innehat.779 (b) Entstehung Die Rechtsprechung hat bisher zu dem Bestehen einer Überwachergarantenstellung des Betriebsinhabers zur Verhinderung von Straftaten seiner Beschäftigten nicht unmittelbar Stellung genommen.780 Im Schrifttum dagegen besteht eine rege Diskussion, die sich gegenwärtig in unterschiedlichen Positionen manifestiert. Die wohl überwiegenden Stimmen781 bejahen eine garantenbegründende herrschaftliche Autoritätsstellung des Betriebsinhabers im Wesentlichen mit der sich für ihn aus dem Direktionsrecht (§ 106 GewO) ergebenden Weisungsbefugnis gegenüber seinen Beschäftigten, die ihn zu arbeits- und organisationsbezogenen Anordnungen berechtigt.782 Aus dem Direktionsrecht, den arbeitsrechtlichen Sanktions- und Eingriffsmöglichkeiten und seiner Wissens- und Kontrollmacht habe der Arbeitgeber die Möglichkeit, auf das Verhalten seiner Beschäftigten wirkungsvoll einzuwirken, was ihm eine gewisse Herrschaft über das Geschehen verleihe und dazu berechtigt, ihn als Garanten in die strafrechtliche Pflicht zu nehmen.783

778

Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 358 ff.; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 27, 32. NK-Wohlers, § 13 Rn. 51; Roxin, AT II, § 32 Rn. 125; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 51 f.; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 32. 780 Siehe die Übersicht zur Rechtsprechung bei Heine, S. 109 ff.; siehe aber auch das Schweizerische Bundesgericht, BGE 96 IV, S. 155, das sich positiv zur Garantenstellung des Betriebsherrn äußert. 781 Haft, AT, S. 190; Hoyer, S. 30 ff.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmidt, § 30 Rn. 74; Köhler, AT, S. 223 ff.; Rogall, ZStW 98 (1986), S. 616 f.; Roxin, AT II, § 32 Rn. 137; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 52; Schünemann, wistra 1982, S. 42 f., 45; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 46 ff.; differenzierend Schlüchter, FS-Salger, 1985, S. 158; Gimbernat, FS-Roxin, S. 651. 782 Siehe zur Weisungsbefugnis des Arbeitgebers: Erfurter Kommentar-Preis, 230 § 611 Rn. 274 ff.; MüHa-Richardi, § 13 Rn. 50 ff.; Schaub, § 31 Rn. 67 ff. 783 Roxin, AT II, § 32 Rn. 137; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 52; Schünemann, wistra 1982, S. 42 f., 45. 779

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Die Gegenauffassung784 lehnt dagegen mit Blick auf das Selbstverantwortlichkeitsprinzip und den Hinweis auf das Fehlen einer für den Bereich der Wirtschaft mit § 357 StGB vergleichbaren Norm eine Geschäftsherrenhaftung ab. Diesen Auffassungen ist insoweit beizupflichten, als die Selbstverantwortlichkeit von Arbeitnehmern durch das Direktionsrecht nicht gänzlich aufgehoben wird, weil es zwar auf der einen Seite eine Autoritätsposition begründen kann, auf der anderen Seite ist das sich daraus ergebende Weisungsrecht aber letztendlich nur eine Befugnis zur Erteilung von Weisungen. Es eröffnet dem Arbeitgeber lediglich die Möglichkeit, in das Verhalten seines Untergebenen einzugreifen, aber eine Willensherrschaft des Geschäftsherrn über den Arbeitnehmer, die eine aktuelle Herrschaftsmacht begründet, ergibt sich daraus nicht, weil der Wille zur Befolgung der Weisung trotz allem frei bleibt und durch den Geschäftsherrn nicht absolut beherrscht wird.785 Der Arbeitnehmer kann – unter Inkaufnahme möglicher arbeitsrechtlicher Konsequenzen – jederzeit die Tätigkeit für den Geschäftsherrn einstellen bzw. dessen Weisungen nicht nachkommen. Ferner gilt das Arbeitsverhältnis heute rechtlich nicht mehr als Gewaltverhältnis einer Person über eine andere Person im Sinne einer Subjekt-ObjektBeziehung, sondern Arbeitnehmer und Arbeitgeber stehen sich innerhalb der Rechts- und Sozialordnung als gleichberechtigte Partner gegenüber786. Eine Leibeigenschaft, wie sie teilweise früher bestand, die durchaus eine Willensherrschaft begründen konnte, besteht heute nicht mehr. Dem Arbeitgeber werden von der Rechtsordnung keine direkten Zwangsmittel gewährt, um den Willen des Arbeitnehmers zu beherrschen. Lediglich das Zwangsvollstreckungsrecht gibt ihm die – wohl aber in der Regel nur theoretische – Möglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung einzufordern, indem gemäß § 888 ZPO Zwangsgeld und ggf. Zwangshaft durch das Gericht angeordnet werden kann.787 Die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung greift aber erst nach Ablauf eines gerichtlichen Verfahrens, so dass sich daraus auch keine unmittelbare Willensherrschaft ergibt. In der Praxis wird das Arbeitsgericht aber auf Antrag zugleich für den Fall der Nichtvornahme der Arbeitsleistung dem Arbeitgeber eine Entschädigung zusprechen. In diesem Fall können gemäß § 61 Abs. 2 S. 2 ArbGG Zwangsgeld und Zwangshaft nach § 888 ZPO nicht mehr angeordnet werden. Obwohl die Selbstverantwortlichkeit des Handelns des Arbeitnehmers durch das Direktionsrecht daher nicht gänzlich ausgelöscht wird, ist zu bedenken, dass die Weisungen des Arbeitgebers, die aus dem Direktionsrecht heraus resultieren, 784 Bottke, S. 51 f.; Brammsen, S. 232 f.; Heine, S. 116 f.; Hsü, S. 241 ff.; LK-Jescheck, § 13 Rn. 45; Neudecker, S. 84 ff.; Otto, Jura 1998, S. 413; ders., § 9 Rn. 92 f., Fn. 76; Otto/Brammsen, Jura 1985, S. 600; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 35a; siehe auch OLG Braunschweig NJW 1962, S. 315. 785 Neudecker, S. 84 ff.; Otto, § 9 Rn. 93 Fn. 76. 786 Wiese, ZfA 1996, S. 453 f. 787 BGH AP § 620 „befristeter Arbeitsvertrag“ Nr. 27; Schaub, § 45 Rn. 71.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

für den Arbeitnehmer bindend sind. Widersetzt sich der Arbeitnehmer den Anweisungen, verstößt er gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Hinzu kommt, dass der Arbeitnehmer sich in ein am Arbeitsplatz vorzufindendes hierarchisches System eingliedert, welches bei vielen Menschen zu einer notorisch hohen Gehorsamsbereitschaft führt.788 Diese Gehorsamsbereitschaft wird am Arbeitsplatz in extremer Weise durch die existenzielle Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber verstärkt, die sich in der Angewiesenheit auf Lohnzahlung und der damit verbundenen Innehabung eines Arbeitsplatzes begründet. Daher ist der Arbeitnehmer oftmals nicht nur arbeitsvertraglich – so lange die Anweisung vom Direktionsrecht umfasst wird – verpflichtet, sondern auch oftmals existenziell gezwungen, den Weisungen des Arbeitgebers zu folgen, selbst dann, wenn sie vom Direktionsrecht nicht mehr umfasst sind. Das Direktionsrecht bezieht sich nicht nur auf die betriebsspezifischen Tätigkeiten des Arbeitnehmers, wie den Ort, die Zeit und den Inhalt der zu erbringenden Arbeitsleistung, sondern umfasst gemäß § 106 S. 2 GewO auch Weisungen hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Beschäftigten im Betrieb und somit der Sicherung eines ungestörten Arbeitsablaufes sowie des reibungslosen Zusammenwirkens der Beschäftigten.789 Kraft seines Direktionsrechtes und der damit verbundenen Anordnungsgewalt kann der Arbeitgeber daher das Zusammenleben und -wirken der Betriebsgemeinschaft beeinflussen und gestalten, wie es kein anderer außer ihm kann.790 Über das Direktionsrecht hinaus gibt das Arbeitsrecht ausschließlich dem Arbeitgeber Rechte und arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten an die Hand, die ein effektives und wirksames Eingreifen in das Verhalten der Arbeitnehmer ermöglichen. Die Ermahnung, die Abmahnung, die Versetzung, die Kündigung, und das Erstellen von Betriebsvereinbarungen seien insoweit als Beispiele genannt. Ferner hat der Betriebsinhaber auch die Möglichkeit, durch Kontrollen, Überwachungen und seinem Gesamtüberblick über den Betrieb Straftaten aufzuspüren und diesen mit den oben genannten Mitteln entgegenzuwirken. Aufgrund der Arbeitsteilung und Informationskanalisierung hat der einzelne Arbeitnehmer oftmals nicht die Möglichkeit, die Konsequenzen seines Handelns zu überblicken. Der überlegene Informationsfundus des Betriebsinhabers verschafft diesem daher ein Herrschaftswissen, das zu einer Verhaltenssteuerung des Untergebenen benutzt werden kann.791 Aufgrund dieser Ausgestaltung der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist den Stimmen in der Literatur zu folgen, die von einer partiellen Unmündigkeit der Betriebsangehörigen sprechen, welche dem Arbeitnehmer eine nicht unerhebliche Herrschaft über den Arbeitnehmer verleiht, die es er788

Rogall, ZStW 98 (1986), S. 616 f.; Schünemann, wistra 1982, S. 42. Boemke/Keßler, § 106 Rn. 99 f. 790 Boemke/Keßler, § 106 Rn. 1 ff., 99 f.; Erfurter Kommentar-Preis, 230 § 611 Rn. 275. 791 Schünemann, wistra 1982, S. 45. 789

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möglicht, die betriebliche Zusammenarbeit und den betrieblichen Konfliktherd mit entsprechenden Mitteln zu beeinflussen. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass der Betriebsinhaber aufgrund seines Direktionsrechtes, den ihm durch die Rechtsordnung zur Verfügung gestellten rechtlichen Mitteln, seiner Kontrollmöglichkeiten, Wissens- und Organisationsmacht, der notorisch hohen Gehorsamsbereitschaft des Einzelnen, die sich in dem Betrieb als hierarchisches System und der existenziellen Abhängigkeit der Beschäftigten vom Arbeitgeber begründet, eine Herrschaft über seine Beschäftigten ausübt, die es erlaubt, ihn als Überwachergaranten in die strafrechtliche Pflicht zu nehmen. Schlüchter792 spricht in diesem Zusammenhang von einer verlängerten Sachgarantenstellung des Betriebsinhabers. Es unterstehen daher nicht nur die sachlichen Gefahrenquellen des Betriebes, wie am Anfang dargestellt, der Herrschaft des Betriebsinhabers, sondern auch die sich in dem Betrieb befindenden „menschlichen Gefahrenquellen“. Der Betriebsinhaber in seiner Funktion als Arbeitgeber muss daher dafür sorgen, dass sich aus dem Gefahrenherd „Betrieb“ keinerlei Gefahren für Rechtsgüter ergeben, seien es solche, die von Sachen oder solche, die von seinen Beschäftigten ausgehen. Für eine Überwachergarantenstellung des Betriebsinhabers bzw. des Arbeitgebers sprechen darüber hinaus bestätigend die §§ 357 StGB und 41 WStG, welche die Nichtverhinderung von Straftaten Untergebener durch Amtsträger und militärische Vorgesetzte ausdrücklich unter Strafe stellen. Aus ihrer Existenz ergibt sich, dass selbst der Gesetzgeber die Verantwortlichkeit für Straftaten mündiger Personen für möglich hält, und das Selbstverantwortlichkeitsprinzip nicht in jedem Fall einer Haftung entgegensteht. Die §§ 357 StGB, 41 WStG finden ihren Zweck in dem Schutz des Geltungsanspruchs des Staates als glaubwürdiger Rechtsstaat793 und nicht ihre rechtliche Begründung allein in dem Über-Unterordnungsverhältnis bzw. Weisungsverhältnis. Weil privatrechtliche Unternehmen nicht den Anspruch erheben, Hüter und Verteidiger des Rechts zu sein, kann entgegen vereinzelter Stimmen im Schrifttum794 aus den §§ 357 StGB und 41 WStG nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber die Verantwortlichkeit von Straftaten Untergebener nur auf die gesetzlich geregelten Fälle beschränken und eine Haftung für den Bereich der Privatwirtschaft ausschließen wollte.795 Als Ergebnis lässt sich demnach festhalten, dass der Arbeitgeber eine garantenpflichtbegründende personale Herrschaftsmacht seinen Beschäftigten gegenüber einnimmt, die ihm eine Pflicht zur Verhinderung von Straftaten seiner Untergebenen auferlegt.796

792

Schlüchter, FS-Salger, 1995, S. 158; ebenso Roxin, AT II, § 32 Rn. 137. Hoyer, S. 29 f., 34. 794 SK-Rudolphi, § 13 Rn. 35a; LK-Jescheck, § 13 Rn. 45. 795 Im Ergebnis auch NK-Wohlers, § 13 Rn. 53; Roxin, AT II, § 32 Rn. 140; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 47. 793

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

(c) Einschränkung der Garantenpflicht in ihrem Umfang Indem sich die garantenpflichtbegründende Autoritätsposition aus dem Direktionsrecht ableitet, muss sich der Umfang der Garantenpflicht auch nach diesem bemessen. Das dem Arbeitgeber zustehende Direktions- und Organisationsrecht ist auf den Arbeitsplatz beschränkt und befugt ihn nicht, die allgemeine Lebensführung der ihm zugewiesenen Beschäftigten zu beeinflussen797. Daher erfährt die Garantenpflicht des Betriebsinhabers zunächst insofern eine Einschränkung, als eine Einstandspflicht für Straftaten, die in der Freizeit und daher im Privatbereich der Beschäftigten vorgenommen werden, nicht besteht. Diese Einschränkung hat für die strafrechtliche Beurteilung von Mobbing nur geringe Auswirkungen, weil die Mobbingangriffe vorwiegend am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit stattfinden. Nur vereinzelt wird auf Mobbingattacken, wie telefonische Drohungen auf dem Privatapparat oder Drohbriefe an die Privatadresse des Betroffenen, außerhalb des Arbeitsplatzes zurückgegriffen. Für diese hat sich der Betriebsinhaber folglich nicht strafrechtlich zu verantworten. Teilweise wird der Umfang der Garantenpflicht des Betriebsinhabers noch weiter eingeschränkt, indem eine Garantenstellung nur dann bejaht wird, wenn sich das Handeln des Untergebenen als ein Handeln im Sinne des Unternehmens darstellt. Die Herrschafts- und Steuerungsmöglichkeit in Form des Direktionsrechts bestünde nämlich dann nicht mehr, wenn der Untergebene im eigenen Interesse handle und es an einer Betriebsnützlichkeit mangle.798 Diese Auffassung ist abzulehnen, weil sich das Direktionsrecht nicht nur auf betriebsnützliche Aufgaben beschränkt, sondern gemäß § 106 GewO generell auf den Inhalt der Arbeitsleistung und auf das Verhalten und die Ordnung im Betrieb. Ferner bestehen die existenzielle Abhängigkeit und die Autoritätsstellung des Betriebsinhabers, welche die Herrschaftsmöglichkeit begründen, auch weiterhin fort, wenn der Untergebene im eigenen Interesse handelt, so dass es nicht gerechtfertig erscheint, den Betriebsinhaber für diese Straftaten nicht strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Andere Stimmen innerhalb des Schrifttums799 schränken den Umfang der Garantenpflicht dagegen auf Straftaten ein, zu deren Begehung der Täter seine be796 So auch im Ergebnis Heine, S. 116 ff.; Hsü, S. 241 ff.; LK-Jescheck, § 13 Rn. 45; Neudecker, S. 73, 76 ff., 84 ff.; Otto, Jura 1998, S. 413; ders., AT, § 9 Rn. 93, Fn. 76; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 35a; Wolff-Reske, S. 170 ff.; siehe auch Brammsen, S. 224 ff. (232 f.); ebenfalls kritisch Köhler, S. 223 f.; differenzierend Schlüchter, FSSalger, S. 161 ff.; siehe auch Jakobs, AT, 29. Abschnitt Rn. 36; Walter, S. 140 f. 797 Brammsen, S. 123; siehe auch Hromadka, DB 1995, S. 2606. 798 Bottke, S. 69; Schünemann, wistra 1982, S. 45; a. A. Rogall, ZStW 98 (1986), S. 619, der dieses Problem innerhalb der Zurechnung des Erfolges ansiedelt. 799 Bottke, S. 68 f.; Brammsen, S. 223; Haft, AT, S. 190; Köhler, AT, S. 222, 225; Gimbernat, FS-Roxin, S. 656 ff.; Lackner/Kühl, § 13 Rn. 14; NK-Wohlers, § 13 Rn. 53; Rogall, ZStW 98 (1986), S. 618 f.; Roxin, AT II, § 32 Rn. 141; Sch/Sch-

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triebliche Stellung und den Betrieb als solchen missbraucht (sog. betriebsbezogenes Handeln), weil sich nur insoweit eine dem Betrieb anhängende Gefahr verwirkliche. In allen anderen Fällen handle es sich um Gefahren, die überall und nicht nur im Unternehmen lauerten und daher dem Betriebsinhaber nicht aufgebürdet werden könnten. Die Straftat müsse sich demnach als Verwirklichung einer dem jeweiligen Betrieb gerade anhaftenden Gefahr darstellen800 und mit der spezifischen betrieblichen Tätigkeit zusammenhängen801. Wird sie dagegen nur gelegentlich während der Arbeit vorgenommen, sei der spezifische Gefahrenzusammenhang nicht gegeben.802 Für die rechtliche Beurteilung von Mobbing führt die Einschränkung der Garantenpflicht auf betriebsbezogenes Verhalten zu dem Ergebnis, dass der Betriebsinhaber für die Mobbingattacken zum einen dann strafrechtlich verantwortlich ist, wenn das Mobbingverhalten aufgrund der bestehenden „Firmenpolitik“ gegenüber „überflüssigen“ Mitarbeitern Teil der Arbeitsaufgaben des Mobbenden ist oder der Mobbende seine ihm eingeräumte arbeitstechnische Machtbefugnis ausnutzt, um bestimmte Ziele – meist private – zu erreichen. Gehäuft wird das der Fall sein, wenn Mobbing in Form des so genannten „Bossing“ vorkommt, also der Vorgesetzte gegen den Untergebenen vorgeht, weil diesem durch die Einflussnahme in den Arbeitsablauf und seiner Weisungsbefugnis ein Machtinstrumentarium zur Verfügung steht, welches die Möglichkeiten, gegen den Betroffenen Mobbing zu betreiben erweitert und daher gern missbraucht wird. Zum anderen wird die Betriebsbezogenheit des Mobbings auch dann gegeben sein, wenn die Unternehmenspraxis sich dadurch kennzeichnet, dass „überflüssige“ oder unliebsame Beschäftigte mit den Mitteln des Mobbings aus dem Unternehmen vertrieben bzw. diese zur Selbstkündigung bewegt werden sollen. Wie die bundesweite Repräsentativstudie zeigt, wird Mobbing nicht selten in den Dienst des Unternehmens gestellt.803 Den ökonomisch erforderlichen oder von der Betriebsleitung verlangten Veränderungen, wie Umstrukturierungen und Personalabbau, steht oftmals der durch das Arbeits- bzw. Kündigungsschutzrecht bezweckte Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses entgegen. Mobbing und der Missbrauch arbeitsrechtlicher Instrumente, wie zum Beispiel die Versetzung oder die Abmahnung, sollen den Betroffenen in solchen Fällen zur Selbstkündigung bewegen, um den Bestandsschutz zu umgehen oder mögliche (Abfindungs-)Kosten zu sparen.804 In diesen Fällen verwirklicht sich in der mobbingbedingten Rechtsgutsverletzung daher Stree, § 13 Rn. 52; Schünemann, wistra 1982, S. 45; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 48; siehe auch die Begründung zum Regierungsentwurf des OWiG 1968, BT-Drs. V/1269, S. 68. 800 NK-Wohlers, § 13 Rn. 53; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 52. 801 Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 48. 802 Haft, AT, S. 190; Herzberg, 1984, S. 229; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 52. 803 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118.

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eine Gefahr, die sich aus der Art der Unternehmensführung heraus ergibt und damit dem Unternehmen geradezu anhaftet. In Betrieben, in denen Mobbing als Mittel zur Kündigung eingesetzt wird, wird aber in vielen Fällen bereits ein positives Tun des Betriebsinhabers vorliegen, indem dieser die Anweisung zum Mobbing gegeben hat oder selbst mobbt. In diesen Fällen kommt es für die Strafbarkeit des Betriebsinhabers auf das Vorliegen einer Garantenstellung nicht an. Insofern ist nur dann eine Unterlassungstäterschaft in Betracht zu ziehen, wenn der Betriebsinhaber den Einsatz von Mobbing nicht angeordnet hat. Als Beispiel für eine Unterlassungstäterschaft kann in diesem Zusammenhang folgender Fall angeführt werden: Der Arbeitgeber weist seinen Angestellten, der für die Personalangelegenheiten zuständig ist, an, Personal abzubauen. Dieser greift daraufhin zum Mobbing, um Arbeitnehmer zur Selbstkündigung zu zwingen. Der Arbeitgeber, der bei seiner Anweisung zunächst an rechtmäßige Mittel dachte und später bemerkt, dass sein Untergebener seine Anweisung zum Personalabbau mit Mitteln des Mobbing bzw. den damit verbundenen Straftaten durchführt, lässt diesen gewähren und mit seinen Methoden fortfahren, weil er erkennt, dass er durch eine mögliche Selbstkündigung des Beschäftigten Kosten in Form von Abfindungen etc. sparen bzw. dem einer Kündigung entgegenstehenden Kündigungsschutz entgehen kann. Als Zwischenergebnis ist somit zunächst festzuhalten, dass die Betriebsbezogenheit des Mobbingverhaltens gegeben ist, wenn Mobbing, wie in vielen Fällen, zum Personalabbau eingesetzt wird oder der Mobbende die ihm durch seine Vorgesetztenstellung eingeräumte Machtposition ausnutzt, um dem Betroffenen Rechtsgutsverletzungen zuzufügen, weil insoweit gerade eine dem Betrieb anhängende Gefahr verwirklicht wird. Indem Mobbing teilweise eingesetzt wird, um Kosten für das Unternehmen zu sparen, entspricht es dem Interesse des Unternehmens, so dass das gefundene Ergebnis in diesen Fällen auch mit der nicht überzeugenden Auffassung805 vereinbar ist, welche die Garantenpflicht nur auf Straftaten beschränken will, die nicht allein aus Eigeninteresse oder Eigennutz vorgenommen werden, sondern zumindest auch betriebsdienlich sind. Darüber hinaus ist hingegen fraglich, ob Mobbing, das nicht zum Personalabbau eingesetzt wird, nicht Teil der Ausführungen der dem Untergebenen aufgetragenen Aufgaben ist bzw. sich nicht als Missbrauch der dem Mobbenden im Betrieb eingeräumten Stellung darstellt und daher als „Nebentätigkeit am Arbeitsplatz“ betrieben wird, als nicht betriebsbezogenes und damit als nicht garantenpflichtbegründendes Verhalten einzuordnen ist. Diese Art von Mobbing kommt in der Regel zwischen Kollegen auf gleicher Ebene vor. Die Mobben804 Siehe dazu den Beispielsfall LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff.; siehe auch Volk, S. 19 f.; Wickler in Wickler, S. 26; Wolmerath, Rn. 20. 805 Bottke, S. 69; Schünemann, wistra 1982, S. 45.

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den handeln in diesen Fällen zumeist aus privaten subjektiven Gründen wie Neid, Missgunst, um den anderen aus dem Weg der eigenen Karrierestrategie zu räumen oder aus einfacher Antipathie heraus.806 Indem der Mobbende aus reinem Eigeninteresse handelt und Mobbing grundsätzlich erhebliche nachteilige Folgen für das Unternehmen mit sich bringt, handelt der Mobbende meist – wenn auch oft unbewusst – in diesen Fällen gegen die Interessen des Unternehmens,807 weil der Betriebsablauf und der Betriebsfrieden gestört werden, so dass es sich nicht um eine – wie von einigen gefordert808 – Verbandstat handelt. Entscheidend für die Garantenpflicht des Geschäftsherrn ist nach hier vertretener Auffassung aber nicht, ob die Straftat im Interesse des Unternehmens liegt, sondern vielmehr, ob sie Resultat einer im Betrieb angelegten Gefahr ist. Die Konkretisierung des Umfangs der Garantenstellung auf betriebsbezogenes Handeln mit dem Hinweis, dass nur der Geschäftsherr für Gefahren, die seinem Betrieb eigen sind, einzustehen hat, begründet sich zu Recht darin, dass der Geschäftsherr nicht für Gefahren einstehen soll, die überall im zwischenmenschlichen Miteinander auftreten können. Aufgrund unterschiedlicher Ansichten, Mentalitäten und Charaktere können Streitigkeiten, Meinungsverschiedenheiten und darauf beruhende Straftaten überall vorkommen, so dass dem Betriebsherrn diese Gefahren nicht zugerechnet werden können. Für die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Betriebsinhabers während eines Mobbinggeschehens stellt sich daher die Frage, ob die Gefahr des Vorkommens von Mobbing und der damit verbundenen Straftaten ebenfalls zwischenmenschliche Risiken darstellen, denen der Einzelne überall ausgesetzt ist oder ob die Gefahr von Mobbing gerade dem Betrieb als solchem anhaftet. Tatsächlich tritt Mobbing nur in einem sozial abgegrenzten Bereich auf.809 Jemand, der sich nicht in einer derartigen Gemeinschaft befindet, kann nie in ein Mobbinggeschehen als Betroffener involviert werden. Die Arbeits- bzw. Betriebsgemeinschaft stellt einen solchen sozial abgegrenzten Raum dar. Mobbing ist ein Verhalten, das gehäuft am Arbeitsplatz vorkommt bzw. für welches das Arbeitsumfeld typischerweise geradezu notwendig ist, damit von Mobbing die Rede sein kann.810 Es liegt daher der Gedanke nicht fern, dass die Umstände am Arbeitsplatz die Voraussetzungen und Bedingungen dafür schaffen, dass Mobbing und die damit verbundenen Rechtsgutsverletzungen auftreten können. Diese besonderen Umstände begründen sich zum einen dadurch, dass der einzelne Ar806 Esser/Wolmerath, S. 81; Halama, S. 7; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 111, 118 f.; Schimmelpfennig/Schimmelpfennig, PersV 1998, S. 272; Volk, S. 38 f.; Zapf, 2000, S. 146. 807 Siehe im Ersten Kapitel zu den vor allem gravierenden finanziellen Einbußen für das Unternehmen durch Mobbing C. II. 808 Bottke, S. 69; Schünemann, wistra 1982, S. 45. 809 Volk, S. 13. 810 Esser/Wolmerath, S. 22; Leymann (1995), S. 14.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

beitnehmer täglich mit seinen Kollegen, von denen die wiederholten und über einen längeren Zeitraum sich erstreckenden Angriffe ausgehen, aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Leistungspflicht zusammentrifft. Im Gegensatz zu freiwillig eingegangenen Freizeitgemeinschaften, wie Sportgemeinschaften, kann sich der einzelne Arbeitnehmer aus der Gemeinschaft am Arbeitsplatz oftmals nur unter großen Schwierigkeiten und für ihn nachteiligen Folgen lösen, weil er zum einen arbeitsvertraglich verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung am Arbeitsplatz zu erbringen und der Arbeitgeber anhand seines Direktionsrechtes gemäß § 106 GewO festlegt, an welchem Ort die zu erfüllende Arbeitsleistung erbracht werden muss. Zum anderen ist der Arbeitnehmer oftmals existenziell auf den Arbeitsplatz bzw. das Bestehen des Arbeitsverhältnisses angewiesen, weil er das für seine erbrachte Arbeitsleistung erhaltene Entgelt zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes benötigt, so dass aus diesem Grund eine Kündigung, mit der den Rechtsgutsgefahren am Arbeitsplatz entkommen werden könnte, zwar rechtlich möglich, aber oftmals nicht von vornherein in Frage kommt bzw. erst als letzte Alternative gewählt wird. Hinzu kommen teilweise Gründe, wie die Angst vor der Arbeitslosigkeit, die mit einer Kündigung verbunden sein kann, finanzielle Einbußen und Einbußen hinsichtlich der gesellschaftlichen Anerkennung, die dem Arbeitnehmer den Weg aus der Arbeitsgemeinschaft heraus oftmals versperren. Zwar könnte erwogen werden, dass der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt, indem er keinen sicheren Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, ein Zurückbehaltungsrecht seiner Arbeitsleistung gemäß § 273 BGB geltend machen und somit den Rechtsgutsgefährdungen durch Fernbleiben vom Arbeitsplatz entgehen könnte.811 Zu bedenken ist jedoch, dass zum einen aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben erhöhte Anforderungen an das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes insoweit geknüpft sind, als dass der Beschäftigte nicht einfach von der Arbeit fern bleiben kann, sondern vielmehr die beabsichtigte Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts vorher ankündigen muss, indem er den Arbeitgeber auf seine Vertragsverletzung hinweist und ihm hinreichende Gelegenheit zur Abhilfe einräumt.812 Diesem Vorgehen steht aber wiederum oftmals die Angst entgegen, den Arbeitsplatz zu verlieren oder als „Verräter“ eingestuft zu werden.813 Ferner liegt die Beweislast für das Bestehen der Gründe, die ein Zurückbehaltungsrecht rechtfertigen, auf Seiten des Arbeitnehmers.814 Er muss beweisen, dass eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers vorlag. Kann er das nicht oder unterlässt er die vorherige Ankündigung der Arbeitseinstellung, verweigert er seine 811 812 813 814

LAG Frankfurt ArzR 1998, S. 146. Lorenz, PersR 2002, S. 65 (68). Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 95; Wolmerath, Rn. 102. Lorenz, PersR 2002, S. 65 (68).

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Arbeitsleistung, zu der er verpflichtet ist und verliert damit seinen Vergütungsanspruch bzw. riskiert eine berechtigte Abmahnung oder Kündigung des Arbeitverhältnisses.815 Unumstritten ist, dass die Nachweisbarkeit von Mobbing im Allgemeinen erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringt.816 Zumeist gehen die Mobbenden versteckt vor. Aus diesem Grund hat der französische Gesetzgeber im Arbeitsrecht zu Gunsten des Arbeitnehmers auch eine Beweislasterleichterung im Zusammenhang mit Mobbing gesetzlich festgelegt.817 Das Zurückbehaltungsrecht erweist sich daher in der Praxis als zu risikoreich für den Betroffenen und daher oftmals nicht als wirksames bzw. geeignetes Mittel, um Mobbingattacken zu entgehen. Darüber hinaus fehlt dem Arbeitnehmer aufgrund seiner finanziellen Abhängigkeit vom Arbeitgeber und seiner Eingebundenheit in die Arbeitsgemeinschaft oftmals der Mut, offensiv gegen einen anderen Kollegen vorzugehen.818 Aus diesen Gründen ist das Zurückbehaltungsrecht meistens nur ein rechtlicher aber nicht auch ein tatsächlich wirksamer Ausweg. Einem offensiven Vorgehen gegen die Angriffe des Mobbenden steht ferner entgegen, dass der Betroffene in die Arbeitsgemeinschaft eingegliedert ist und daher aus Angst vor der Ungewissheit, welche Auswirkungen es hat, wenn die Mobbinghandlungen am Arbeitsplatz thematisiert werden, die Angriffe hinnimmt.819 Dadurch verschlimmert sich mit zunehmender Dauer des Mobbinggeschehens die Situation und die Rechtsgutsgefährdungen schlagen in Rechtsgutsverletzungen um, die mit anhaltender Dauer des Mobbings immer mehr verstärkt werden.820 Erst recht wird die Bereitschaft und Fähigkeit des Betroffenen, sich gegen die Angriffe zur Wehr zu setzen, sehr gering sein, wenn das Mobbing und die damit verbundenen Rechtsgutsgefährdungen nicht nur von einem Kollegen, sondern von mehreren, wenn nicht sogar der gesamten Arbeitsgemeinschaft ausgehen. Gerade in diesem Fall ist von der eingeschränkten Fähigkeit des Arbeitnehmers zu sprechen, sich vor den mobbingbedingten Rechtsgutsangriffen schützen zu können. Diese aufgezählten Faktoren sind es, die am Arbeitsplatz eine Situation schaffen können, die die Gefahr von Mobbing in sich trägt. Die Betriebs- bzw. Arbeitsgemeinschaft ist eine Art Zwangsgemeinschaft, die es ermöglicht, dass die Feindseligkeiten wiederholt vorgenommen werden und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Dadurch können sich die verheerenden Folgen von Mobbing entwickeln, die gerade ihre Ursache in der wiederholten Vornahme der Angriffe und der langen Dauer des Mobbingprozesses finden. Der Arbeit815 LAG Niedersachsen NZA-RR 2000, S. 517; a. A. LAG Frankfurt vom 26.08. 1997, Az.: 7 Sa 535/97; Lorenz, PersR 2002, S. 68. 816 Vgl. dazu LAG Thüringen, BB 2001, S. 1360; Wolmerath, Rn. 105. 817 Siehe dazu die Ausführungen im Dritten Kapitel B. III. 2. 818 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 97; Wolmerath, Rn. 102. 819 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 95. 820 Wolmerath, Rn. 102.

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nehmer kann sich nicht wie im Privatleben zurückziehen und dadurch den mit dem Zusammentreffen der Kollegen verbundenen Gefahren entkommen. Er muss sich diesen vielmehr tagtäglich am Arbeitsplatz aussetzen. Bewusst oder unbewusst macht sich der Mobbende die besondere Situation am Arbeitsplatz meist zu Eigen, um sein Ziel zu erreichen. Die Gefahr, Opfer eines Mobbinggeschehens zu werden und den damit verbundenen Rechtsgutsverletzungen ausgesetzt zu sein, begründet sich daher mit der besonderen Situation, die der Arbeitsplatz bzw. die Einbindung in die Arbeitsgemeinschaft und die Arbeitswelt mit sich bringt. Mobbing stellt folglich oftmals die Verwirklichung einer in der Betriebsgemeinschaft allgemein angelegten Gefahr dar. Diese Gefahr verdichtet sich zumeist durch konkrete Umstände am Arbeitsplatz zu einer betriebsspezifischen bzw. arbeitsplatzspezifischen Gefahr, da fehlerhaftes Führungsverhalten, mangelnde Arbeitsorganisation und schlechtes Betriebsklima für das Vorkommen von Mobbing ursächlich bzw. begünstigend sind.821 Immerhin kam die bundesweite Repräsentativstudie über Mobbing zu dem Ergebnis, dass in 60 Prozent der Mobbingfälle schlechtes Betriebsklima am Arbeitsplatz vorherrscht.822 Die voranstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass Mobbing im Gegensatz zu vereinzelten Streitigkeiten, die überall vorkommen können, ein für den Arbeitsplatz typisches Geschehen darstellt. Die Ursachen von Mobbing sind oftmals nicht allein in der Persönlichkeit des Betroffenen zu finden, sondern vorwiegend in den betrieblichen Umfeldbedingungen. In einer Rechtsgutsverletzung, die Folge eines Mobbingprozesses ist, kann sich demnach eine dem Betrieb bzw. den Umständen am Arbeitsplatz gerade innewohnende Gefahr verwirklichen. Diese und die erhebliche Einflussmöglichkeit bzw. Macht des Arbeitgebers, derartige Rechtsgutsgefährdungen mit den ihm zur Verfügung stehenden arbeitsrechtlichen Mitteln und seiner Autorität zu unterbinden, ergibt eine Abhängigkeit des einzelnen Arbeitnehmers vom Eingreifen des Betriebsinhabers, die es in Verbindung mit dem durch das Arbeitsverhältnis begründeten erhöhten Vertrauen rechtfertigt, eine Garantenstellung des Betriebsinhabers zur Verhinderung von strafrechtlich relevantem Mobbing und den damit verbundenen Rechtsgutsverletzungen zu bejahen. (3) Ingerenz Da der Betriebsinhaber den Mobbenden eingestellt hat, ist neben dem eine Garantenstellung begründenden Autoritätsverhältnis an eine Garantenstellung des Betriebsinhabers aus vorangegangenem gefährdendem Tun (Ingerenz) zu denken. Erhöhte Relevanz nimmt die Frage nach der Garantenstellung aus Inge821 822

Siehe dazu die Ausführungen im Ersten Kapitel B. III. 2. und 3. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 124.

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renz insbesondere dann ein, wenn der Betriebsinhaber bzw. Arbeitgeber einen Arbeitnehmer einstellt, dem bereits der begründete Ruf als potentieller Mobbender vorauseilt oder der strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten ist. Zunächst einmal wird diese Konstellation in der Praxis nur wenig Bedeutung erlangen. Darüber hinaus verlangt die heute herrschende Meinung aufgrund der ansonsten drohenden Ausweitung der Garantenstellung und der mit dem heutigen Strafrecht nicht mehr zu vereinbarenden reinen Kausalitätshaftung zu Recht, dass nicht jede kausale Schaffung eines Gefahrenherds genügt, sondern, dass das die Garantenstellung begründende Vorverhalten pflichtwidrig sein muss.823 Die Einstellung eines Arbeitnehmers ist aber nicht pflichtwidrig, sondern liegt im erlaubten Risiko, welches der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens entgegensteht824. Daran ändert sich auch nichts, wenn es sich um einen strafrechtlich bzw. mit Mobbingverhalten schon in Erscheinung getretenen Arbeitnehmer handelt, weil ansonsten ein Wertungswiderspruch zu dem das deutsche Strafrecht prägende Tatstrafrecht825 bestehen würde. Anders wiederum könnte entschieden werden, wenn eine Position besetzt werden soll, die aufgrund notwendiger erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordert und die eingestellte Person derartige Fähigkeiten nicht aufweist und daher eine Gefährdung darstellt. Dies ist jedoch eine Konstellation, die im Zusammenhang mit Mobbing keine Rolle spielt. Eine Garantenstellung lässt sich mit der bloßen Einstellung eines Arbeitnehmers jedenfalls grundsätzlich nicht begründen.826 Dasselbe gilt für die (erlaubte) Betriebseröffnung durch den Betriebsinhaber, mit der das Mobbing, welches typischerweise am Arbeitsplatz stattfindet bzw. seinen Ursprung am Arbeitsplatz hat, erst ermöglicht wird, weil auch die Eröffnung eines Betriebes ein Verhalten darstellt, welches im erlaubten Risiko liegt und demnach die Anforderungen für eine Garantenstellung aufgrund der fehlenden Pflichtwidrigkeit aus Ingerenz nicht gegeben sind. b) Garantenstellung des Vorgesetzten Die Garantenstellung des Vorgesetzten orientiert sich an der Garantenstellung des Betriebsinhabers. Dieser wird – vor allem in Unternehmen mit einer größe823 BGHSt 19, S. 152; 23, S. 327; BGH NStZ 1998, S. 83, 84; 2000, S. 414; Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 65; Jescheck/Weigend, S. 625; LK-Jescheck, § 13 Rn. 33; NK-Wohlers, § 13 Rn. 43 f.; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 39 f.; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 34 ff.; Tröndle/Fischer, § 13 Rn. 11a; Wessels/Beulke, Rn. 725; a. A. Kindhäuser, § 13 Rn. 47; MK-Freund, § 13 Rn. 124 ff.; differenzierend Kindhäuser, LPK, § 13 Rn. 47; siehe mit weiteren Nachweisen zu den jeweiligen Auffassungen die umfassende Auflistung bei Hillenkamp, AT, 29. Problem. 824 Kindhäuser, LPK, § 13 Rn. 45; Lackner/Kühl, § 13 Rn. 11; NK-Wohlers, § 13 Rn. 43; Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 65; Roxin, AT II, § 32 Rn. 157, 160 ff. 825 Siehe dazu Gropp, § 3 Rn. 32. 826 So im Ergebnis auch Bottke, S. 15; siehe aber auch RGSt 58, S. 130 ff., 133.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

ren Beschäftigtenzahl in der Regel seine Pflichten auf Abteilungsleiter, Personalleiter, Geschäftsführer oder Prokuristen übertragen, um diesen überhaupt nachkommen zu können. Mit der Übertragung der Weisungsbefugnis fällt zugleich die Überwachungspflicht des Arbeitgebers über seine Arbeitnehmer dem Vorgesetzten zu. Dieser rückt somit in vollem Umfang in die Garantenstellung des Arbeitgebers ein.827 Ist der Vorgesetzte lediglich für einen bestimmten Aufgabenbereich eingesetzt, beschränkt sich die Aufsichtspflicht nur auf den übertragenen Verantwortungsbereich, so dass ein Vorgesetzter einer anderen Abteilung nicht für Straftaten von Mitarbeitern einer Abteilung für die er keine Zuständigkeit hat, haftbar gemacht werden kann.828 Die Garantenpflicht des Betriebsinhabers erlischt mit der Übernahme durch den Vorgesetzten aber nicht, sondern dieser setzt lediglich ein Mittel ein, um seinen Pflichten nachzukommen.829 Seine Handlungspflicht wandelt sich vielmehr in eine Auswahl-, Kontroll-, Überwachungs- und u. U. Eingriffspflicht.830 Er kann daher neben dem Vorgesetzten zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden. Eine Haftung ist aber nur dann anzunehmen, wenn ihn bei der Auswahl oder der Überwachung des Vorgesetzten ein Verschulden trifft, wenn er diesem zum Beispiel schuldhaft falsche Anweisungen erteilt oder er bei Kenntnis vom Versagen des Übernehmenden untätig bleibt.831 Strafbar macht der Betriebsinhaber sich daher dann, wenn er – obwohl er erkennt, dass der Vorgesetzte gegen drohende Rechtsgutsverletzungen im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen nicht agiert – selbst nicht interveniert oder nicht dafür sorgt, dass der Vorgesetzte einschreitet. c) Garantenstellung der Kollegen Neben der Auseinandersetzung mit einer möglichen Garantenstellung des Betriebsinhabers und des Vorgesetzten stellt sich die Frage, ob die Kollegen des Betroffenen, welche meist unmittelbar mit diesem zusammenarbeiten und daher häufig Zeuge der Mobbingangriffe sind, diesem gegenüber eine Garantenstellung einnehmen, die sie verpflichtet, in das rechtsgutsverletzende Mobbinggeschehen einzugreifen. Kollegen sind mit dem Betroffenen weder vertraglich verbunden, noch ergibt sich aus dem Vertrag mit dem Arbeitgeber den Kollegen gegenüber eine besondere Fürsorgepflicht,832 so dass zwischen ihnen keine

827

Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 30. Roxin, AT II, § 32 Rn. 142. 829 BGHSt 19, S. 288; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 26. 830 Otto, § 9 Rn. 64. 831 Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 26; Otto, AT, § 9 Rn. 64; Roxin, AT II, § 32 Rn. 142. 832 Dörner/Luczak/Wildschütz, Abschnitt C Rn. 388; Schaub, § 108 Rn. 58; a. A. Riesenhuber, JZ 1999, S. 713, 715. 828

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Rechtsbeziehungen bestehen. Daher können sich nach der Auffassung, die zivilrechtliche Pflichten zur Begründung von Garantenpflichten genügen lässt, keine Pflichten zur Abwendung bestimmter Gefahren seitens der Kollegen kraft freiwilliger Übernahme aus Vertrag ergeben. Ferner lässt sich auch keine besondere kollegiale Abwendungspflicht von Rechtsgutsverletzungen aus der schlichten Arbeitsgemeinschafts- und Betriebszugehörigkeit herleiten.833 Der alleinige Zusammenschluss von Menschen zu einer bestimmten Gemeinschaft genügt für die Begründung von strafrechtlichen Schutzpflichten nicht, weil durch sie noch keine gegenseitige Abhängigkeit hinsichtlich der Gefahrenabwehr begründet wird.834 Eine Garantenstellung, die sich auf eine Gemeinschaftsbeziehung begründet, liegt nur dann vor, wenn die Gemeinschaft durch den Zusammenschluss ihrem Wesen nach auf intensive einoder gegenseitige Gefahrenabwehr gerade angelegt ist oder die sich der Gemeinschaft Anschließenden eine Schutzfunktion übernehmen.835 Denn nur in diesen Fällen besteht eine Abhängigkeit des zu Beschützenden. Ersteres ist etwa innerhalb der Familie grundsätzlich zu bejahen. Eine derartige auf gegenseitigen Schutz angelegte menschliche Sonderbeziehung liegt aber nicht bereits vor, wenn jemand mit anderen zusammen im selben Betrieb oder Büro arbeitet.836 Aus einer Arbeitsgemeinschaft ergibt sich daher nur dann eine Garantenstellung, wenn die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben das Vertrauen der übrigen Mitglieder in die Gefahrenabwendung begründet und eine Schutzfunktion tatsächlich für das gefährdete Rechtsgut übernommen wird.837 Eine Arbeitsgemeinschaft schließt sich in den meisten Fällen allein zu dem Zweck zusammen, um ein bestimmtes vorgegebenes Arbeitsziel, wie zum Beispiel die Produktion von Waren, zu erreichen. Die gegenseitige Hilfe bezieht sich daher, wenn überhaupt, nur auf die Erreichung des gegebenenfalls gemeinsamen Betriebsziels. Als Ergebnis ist demnach festzuhalten, dass eine zwischenkollegiale Garantenstellung allein aufgrund der Angehörigkeit zur selben Arbeitgemeinschaft nicht begründet wird. Die Kollegen des Betroffenen sind daher strafrechtlich nicht verpflichtet, gegen Mobbing bzw. die damit verbundenen Straftaten einzuschreiten.

833 Brammsen, S. 176; Herzberg, 1984, S. 252 f.; Grünewald, S. 138; Jescheck/Weigend, S. 622 f.; Lackner/Kühl, § 13 Rn. 10; NK-Wohlers, § 13 Rn. 40; Roxin, AT II, § 32 Rn. 55 ff.; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 25; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 57; Stree, FSMayer, S. 147; im Zusammenhang mit der Mobbingproblematik Kollmer, Rn. 177; Wolmerath, Rn. 116 ff.; a. A. BGH VRS 20, S. 284 f.; siehe auch Schönke/SchröderSchröder, 12. Auflage, vor § 1 Rn. 116. 834 So zum Beispiel die Rechtsprechung zur Garantenstellung aus häuslicher Gemeinschaft BGH NStZ 1984, S. 163; siehe aber BGHSt 2, S. 325 ff. (326). 835 Herzberg, 1984, S. 252; Otto, AT, § 9 Rn. 62; Roxin, AT II, § 32 Rn. 55. 836 Herzberg, 1984, S. 252. 837 Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 25; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 57; Stree, FS-Mayer, S. 147.

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d) Garantenstellung der Betriebsratsmitglieder aa) Einleitung Um den Kreis der möglichen am Arbeitsplatz zum Einschreiten gegen die Mobbingangriffe Verpflichteten zu schließen, wird im Folgenden der Fokus auf dem Betriebsrat bzw. dessen Mitgliedern liegen. Die Frage nach der Garantenstellung des Betriebsrates wird insbesondere relevant, wenn der Arbeitgeber Mobbing gegen seine Beschäftigten betreibt, weil es Aufgabe des Betriebsrates bzw. seiner Mitglieder ist, die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber „zu vertreten“. Eine Strafbarkeit des Betriebsrates als Organ scheidet von vornherein aus, weil diesem die natürliche Handlungsfähigkeit fehlt, die die Voraussetzung für eine Strafbarkeit begründet.838 Anknüpfungspunkt einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit kann daher stets nur das Verhalten einzelner Betriebsratsmitglieder sein. Die Frage nach der Garantenstellung der Betriebsratsmitglieder ist – soweit ersichtlich – bisher nicht Gegenstand strafrechtlicher Diskussionen innerhalb des allgemeinen strafrechtlichen Schrifttums. Innerhalb des Schrifttums zum Thema Mobbing wird diese Frage aber erstmals aufgeworfen. Insoweit gehen die in der Anzahl spärlichen Auffassungen aber auseinander.839 Einzig Wolmerath nimmt ausführlicher Stellung und bejaht eine Garantenstellung der Betriebsratsmitglieder zur Verhinderung von Straftaten mit Hinweis auf deren besondere Pflichtenstellung, die aus dem Zusammenspiel der ihnen in § 75 BetrVG übertragenen Pflichten und der sich aus der Verletzung dieser Pflichten ergebenden Konsequenzen gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG (Auflösung des Betriebsrates bzw. Ausschluss einzelner Betriebsratsmitglieder) abzuleiten sei.840 bb) Beschützergarantenstellung kraft Übernahme Die Überlegungen zur Garantenstellung der Betriebsratsmitglieder führen zunächst zu der Frage, ob die Betriebsratsmitglieder eine Beschützergarantenstellung einnehmen, die sie verpflichtet, die Arbeitnehmer vor Rechtsgutsangriffen seitens des Arbeitgebers oder seitens anderer Arbeitnehmer zu schützen. Wie bereits erwähnt will Wolmerath841 eine solche aus § 75 BetrVG ableiten. Danach muss der Betriebsrat gemäß Abs. 1 bei seiner gesamten Tätigkeit darüber wachen, dass alle im Betrieb Beschäftigten nach Recht und Billigkeit behandelt werden und insbesondere, dass jede unterschiedliche Behandlung von Personen 838

Wessels/Beulke, Rn. 94. Soweit ersichtlich nehmen lediglich befürwortend Wolmerath, Rn. 115 und ablehnend Kollmer, Rn. 177 Stellung zur Frage der Garantenstellung des Betriebsrates. 840 Wolmerath, Rn. 115. 841 Wolmerath, Rn. 115. 839

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wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung, ihres Geschlechts oder ihres Alters unterbleibt. Gemäß Abs. 2 hat der Betriebsrat im Interesse einer verstärkten Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte im Arbeitsleben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb Beschäftigten zu fördern und zu schützen. Er muss daher rechtswidrige Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers, welche von anderen Arbeitnehmern, dem Arbeitgeber oder sonstigen sich im Betrieb befindende Personen ausgehen, mit den ihm zustehenden Mitteln unterbinden. Diese erwähnten Schutzpflichten treffen nicht nur den Betriebsrat an sich, sondern sind von jedem Betriebsratsmitglied zu beachten, soweit es betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrnimmt.842 Schon angesichts des gegenüber § 13 StGB regelmäßig erhobenen Vorwurfs der Unbestimmtheit843 muss insbesondere bei der Frage nach der Rechtspflicht zum Handeln aus gesetzlichen Schutzvorschriften eine restriktive Auslegung den Vorzug erhalten, so dass die strafrechtliche Einstandspflicht für Rechtsgutsverletzungen nur dann bejaht werden kann, wenn sie auch eindeutig gegeben ist.844 Insoweit kann sich aus der Verpflichtung nach § 75 Abs. 1 BetrVG über Recht und Billigkeit im Betrieb zu wachen, bereits aus Bestimmtheitserwägungen entgegen der Auffassung von Wolmerath keine generelle strafrechtliche Schutzpflicht des Betriebsrates gegenüber den Arbeitnehmern ergeben. Bleibt demnach nur noch § 75 Abs. 2 BetrVG, aus dem sich, wenn man entgegen hier vertretener Auffassung allein zivilrechtliche Pflichten zur Begründung von Garantenpflichten genügen lässt, eine strafrechtliche Schutzpflicht ergeben könnte. Aber auch aus diesem lässt sich zumindest kein auf Verhinderung von Straftaten erstreckender Rundumschutz ableiten, wie er von Wolmerath845 angenommen wird. Eine zivilrechtliche Pflicht kann von vornherein nämlich nur dann eine Garantenpflicht begründen, wenn sie zumindest auch den Zweck verfolgt, das von dem jeweiligen Straftatbestand geschützte Rechtsgut vor der ihm drohenden tatbestandlichen Beeinträchtigung zu schützen, weil eine Garantenpflicht gerade voraussetzt, dass der Unterlassende für den Eintritt des tatbe842 Däubler/Kittner/Klebe, § 75 Rn. 4; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 75 Rn. 8. 843 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 40; kritisch auch MK-Freund, § 13 Rn. 26; NK-Wohlers, § 13 Rn. 3; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 13 Rn. 13; einen Verstoß verneind: LK-Jescheck, § 13 Rn. 14; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 3; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 5; Lackner/Kühl, § 13 Rn. 21; Roxin, AT II, § 31 Rn. 33; vgl. auch Herzberg, Unterlassungsdelikt, S. 253 ff. BVerfG StraFo 2003, S. 88; vgl. auch BVerfGE 96, S. 68, 97 f.; siehe dazu ausführlich Nickel, Die Problematik der unechten Unterlassungsdelikte im Hinblick auf den Grundsatz „nullum crimen sine lege“, 1972. 844 NK-Wohlers, § 13 Rn. 3; Otto, § 9 Rn. 57; Roxin, AT II, § 31 Rn. 33; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 3; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 6. 845 Wolmerath, Rn. 115.

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standsmäßigen Erfolges rechtlich einzustehen hat.846 § 75 Abs. 2 BetrVG normiert für den Betriebsrat die Pflicht, die freie Entfaltung des Persönlichkeitsrechts der Belegschaftsmitglieder zu schützen und zu fördern. Das Persönlichkeitsrecht in seiner Allgemeinheit kennt das heutige Strafrecht als Schutzgut nicht. Lediglich Teilbereiche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fallen unter den strafrechtlichen Schutz. Mit § 75 Abs. 2 BetrVG verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, mehr Demokratie im Betrieb zuschaffen, indem den Arbeitnehmern mehr Entscheidungsfreiräume, Eigenverantwortung und Kreativität zugestanden werden.847 Der Schutzauftrag des Abs. 2 enthält daher nicht eine allgemeine Schutzpflicht für jegliche Interessen des Arbeitnehmers, sondern beschränkt sich auf einzelne Interessen. Er bezieht sich vor allem auf das Recht am eigenen Bild, am eigenen Wort, an der eigenen Stimme, auf die Ehre und die sexuelle Selbstbestimmung. Letztere werden durch Mobbing nicht selten beeinträchtigt. Obwohl nach dem Grundgesetz die Unversehrtheit des Lebens und des Körpers als Teilwert der Persönlichkeitsentfaltung begriffen wird, wird eine Schutzpflicht beispielsweise hinsichtlich des Körpers oder des Lebens mit § 75 Abs. 2 BetrVG nicht bewirkt.848 Aus diesem Grund könnte sich aus § 75 BetrVG schon keine Garantenstellung im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit und die Gesundheit ergeben. Unabhängig von diesen Gedanken besteht heute darüber Einigkeit, dass sich aus einer außerstrafrechtlichen (zivilrechtlichen) Schutzpflicht, wie sie in § 75 Abs. 2 BetrVG manifestiert ist, noch nicht automatisch eine strafrechtliche Garantenpflicht herleiten lässt.849 Das gilt selbst dann, wenn die Schutzpflicht geradezu auferlegt worden ist, damit Erfolge, wie sie den Straftatbeständen zu Grunde liegen, verhindert werden sollen. Allein entscheidend sind für die Begründung einer Garantenpflicht nicht nur außerstrafrechtliche Gesetze, sondern richtigerweise auch strafrechtliche Kriterien materieller Natur. Wie dargelegt, herrscht rege Uneinigkeit darüber, um welche materiellen Kriterien es sich dabei handelt.850 Vorzugwürdig ist die Auffassung, die als Gedanken der Garantenstellung kraft Übernahme anführt, dass zwischen Unterlassendem und dem Schutzbedürftigen ein Abhängigkeitsverhältnis hinsichtlich des Schutzes strafrechtlich geschützter Interessen bestehen muss.851 Der Arbeitnehmer muss den 846 Rudolphi, § 13 Rn. 20; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 4; Kindhäuser, LPK, § 13 Rn. 62; siehe auch BGHSt 43, S. 84 f. 847 So die Begründung des Referentenentwurfs für das BetrVG 2001, Besonderer Teil, Nr. 51; Richardi in Richardi, § 75 Rn. 33 f. 848 Hallenberger, S. 58 f. 849 Ingelfinger, NStZ 2004, S. 410; NK1-Seelmann, § 13 Rn. 47; Roxin, AT II, § 32 Rn. 14, 11; Seelmann, S. 92 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 22 f.; Stree, FS-H. Mayer, S. 164; Walter, Die Pflichten, S. 152; siehe zu dieser Problematik ausführlich Grünewald, die sich der Frage „Zivilrechtlich begründeter Garantenpflichten“ annimmt; siehe ferner die Ausführungen in diesem Kapitel B. VII. 3. a) cc) (3). 850 Siehe dazu die Ausführungen in diesem Kapitel B. VII. 3.

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Rechtsgutsangriffen seitens des Arbeitgebers daher hilflos ausgeliefert sein, und der Betriebsrat muss aus seiner Schutzaufgabe heraus gerade die Herrschaft über das weitere Verhalten des Arbeitgebers und die damit verbundenen Rechtsgutsgefährdungen innehaben.852 Die Garantenstellung des Betriebsratsmitglieds zum Schutz der Belegschaftsmitglieder vor rechtswidrigen Angriffen Dritter erfordert demnach, dass der Arbeitnehmer völlig oder partiell unfähig ist, die primär ihm obliegende Aufgabe zu erfüllen, sich und seine Rechtsgüter zu schützen und daher – als Kompensation für dieses Schutzmanko – dem Betriebsratsmitglied eine Schutzfunktion auferlegt ist.853 Wie dargelegt, kann aufgrund der Eingebundenheit des Arbeitnehmers in die Betriebsgemeinschaft und seiner existenziellen Abhängigkeit vom Arbeitgeber bzw. dem damit verbundenen Arbeitsplatz eine gewisse – wenn auch nur zumeist psychisch bedingte – Unfähigkeit des Arbeitnehmers, sich gegen Rechtsgutsangriffe zu wehren, bestehen. Um an das Amt des Betriebsrats eine Garantenstellung knüpfen zu können, müsste die rechtlich fundierte Sonderbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Betriebratsmitglied, wie sie sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergibt, daher gerade die Abwendung der aufgrund dieser Hilflosigkeit bestehenden Rechtsgutsgefahr als einen Hauptsinn umfassen und auf das Einstehenmüssen für diese geradezu angelegt sein.854 Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Rechte, Aufgaben und Pflichten des Betriebsrats und somit auch die Funktion des Betriebsratsamtes abschließend und kennzeichnet daher die Beziehung zu den Belegschaftsmitgliedern, so dass an diesem das Bestehen einer Garantenpflicht bemessen werden muss. Gegenstand der Betriebsverfassung ist eine nach dem Prinzip der Gruppenautonomie organisierte Beteiligung der Arbeitnehmer an Maßnahmen der privatrechtlich organisierten Betriebs- und Unternehmensleitung.855 Der Betriebsrat findet seine Funktion in der Repräsentation der Belegschaft, und mit der Wahl durch die Belegschaft nimmt er ein von den Weisungen der Belegschaft unabhängiges856 betriebspolitisches Mandat an, das ihn zur betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabenwahrnehmung demokratisch legitimiert.857 Das Betriebsverfassungsgesetz gibt dem Betriebsrat im Wesentlichen Beteiligungsrechte in Form von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten an Entscheidungen der Betriebsund Unternehmensleitung, aus denen sich aber keine Schutzpflichten ergeben. Diese dienen dem Machtausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in851

Roxin, AT II, § 32 Rn. 55; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 22. Roxin, AT II, § 32 Rn. 19. 853 Rudolphi, Anmerkung JR 1987, S. 338; Schünemann, S. 342 ff.; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 21 ff. jeweils m. w. N. 854 Herzberg, S. 229; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 19 ff. m. w. N. 855 Richardi in Richardi, Einleitung Rn. 130. 856 Haneberg, S. 83; von Hoyningen-Huene, S. 64. 857 von Hoyningen-Huene, S. 51; Richardi in Richardi, Einleitung, Rn. 99. 852

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

dem das Direktionsrecht des Arbeitgebers und seine damit verbundene absolute Herrschaft in den gesetzlich vorgesehenen Fällen begrenzt werden. Allein § 75 BetrVG enthält eine ausdrückliche Schutzpflicht, wonach der Betriebsrat u. a. dafür Sorge zu tragen hat, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb Beschäftigten geschützt und gefördert wird. Indem das Betriebsverfassungsgesetz festlegt, wie Arbeitgeber und Betriebsrat zu kooperieren haben, können aus § 75 Abs. 2 BetrVG keine Pflichten abgeleitet werden, die über die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte in den gesetzlich konkretisierten Fällen hinausgehen, weil ansonsten die genaue Umschreibung der Tatbestände, in denen dem Betriebsrat ein Anhörungs-, Beratungs- und Mitbestimmungsrecht zusteht, wenig Sinn hätte. Aus § 75 Abs. 2 BetrVG leitet sich daher lediglich eine Bindung für den Ermessensspielraum bei der Ausübung der dem Betriebsrat zustehenden Rechte ab, die sich auf Mitbestimmungs-, Anhörungs- und Beratungsrechte beschränken.858 Er ist insoweit Kontrollnorm für Betriebsvereinbarungen, Betriebsabsprachen und sonstige betriebliche Einigungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Aus den Aufgaben des Betriebsrats ergibt sich daher, dass es nicht Sinn und Zweck des Betriebsverfassungsrechts ist, ihn als Schutzpatron der Belegschaft aufzustellen, sondern ihm lediglich eine Vermittlerrolle zuzusprechen, so dass an das Betriebsratsamt aufgrund fehlender Schutzpflicht keine Garantenstellung geknüpft werden kann.859 Diese Position wird dadurch verstärkt, dass sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz Ansprüche oder Rechte des Arbeitnehmers gegenüber dem Betriebsrat nicht ableiten, weil es sich um kollektivrechtliche Vorschriften handelt, so dass der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Verhalten hat und daher zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmer keinerlei Rechtsbeziehungen bestehen.860 Nach herrschender Auffassung gilt das auch für die in § 75 BetrVG niedergelegten Grundsätze und Schutzpflichten.861 Diese fehlende Erzwingbarkeit der Einhaltung bzw. Wahrnehmung der in dem Betriebsverfassungsgesetz aufgeführten Pflichten und Rechte, wie denen in § 75 BetrVG verankerten Schutzpflichten, spricht gegen eine strafbarkeitsbegründende Wirkung des Betriebsratsamtes.862

858

GK-Kreutz, § 75 Rn. 69; Richardi in Richard, § 75 Rn. 38. Kindhäuser, LPK, § 13 Rn. 62. 860 BAG vom 27.09.1989 SAE 1990, S. 164; Richardi in Richard, § 75 Rn. 42 m. w. N.; von Hoyningen-Huene, S. 66. 861 GK-Kreutz, § 75 Rn. 91; Richardi in Richardi, § 75 Rn. 42 m. w. N.; a. A. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 75 Rn. 76; von Hoyningen-Huene, S. 53. 862 Roxin, AT II, § 32 Rn. 45. 859

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Dass eine Garantenstellung und somit eine persönliche Einstandspflicht für die Abwendung des strafrechtlich relevanten Mobbings mit dem Gedanken des Betriebsverfassungsgesetzes nicht im Einklang steht, zeigt sich ferner daran, dass das Betriebsverfassungsgesetz von einer persönlichen Haftung des Betriebsratsmitglieds nicht ausgeht. Es sieht bei grober Verletzung der gesetzlichen Pflichten allein den Ausschluss aus dem Betriebsrat oder dessen Auflösung als rechtliche Folge vor. Damit wird die Stellung des Betriebsrats untermauert, den eben gerade keine nachteiligen Folgen aufgrund seines Amtes treffen sollen. Ferner würde eine Garantenstellung, die allein an das Amt des Betriebsrats geknüpft wäre, dazu führen, dass das mit den §§ 23, 119–121 BetrVG abschließende betriebsverfassungsrechtliche Sanktionensystem863 unterlaufen werden würde. Die herrschende Auffassung864 lehnt darüber hinaus eine allgemeine zivilrechtliche Haftung für die pflichtwidrige Betriebsratstätigkeit ab. Eine Haftung von Betriebsratsmitgliedern komme ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn bei der Ausübung der Betriebsratstätigkeit gleichzeitig arbeitsvertragliche Pflichten verletzt werden oder gegen gesetzliche Bestimmungen mit Schutzgesetzcharakter verstoßen wird. Nach überwiegender Auffassung stellt § 75 BetrVG ein solches Schutzgesetz nicht dar, weil es sich um eine kollektivrechtliche Vorschrift handelt, die Amtspflichten des Betriebsrates normiert und nicht um eine individualrechtliche Vorschrift, so dass auch kein Anspruch gegen den Betriebsrat auf Einhaltung und Beachtung dieser Grundsätze gewährt wird.865 Bedenkt man, dass das Strafrecht aufgrund seiner einschneidenden Folgen in den Freiheitsbereich des Einzelnen dem ultima ratio Prinzip unterliegt,866 wäre es widersprüchlich, wenn eine zivilrechtliche Haftung abgelehnt, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit an die Betriebsratstätigkeit aber geknüpft werden würde, so dass auch aus diesem Blickwinkel eine strafrechtliche Garantenpflicht von Betriebsratsmitgliedern abzulehnen ist. Schließlich spricht auch die Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates, die im Betriebsverfassungsgesetz abschließend aufgezählt sind,867 gegen eine strafrechtliche Schutzpflicht. Diese umfassen ein Überwachungsund Antragsrecht gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BetrVG, die Entgegennahme und Weitergabe von Anregungen seitens der Arbeitnehmer, das Hinwirken beim Arbeitgeber auf Abhilfe im Fall einer für berechtigt gehaltenen Beschwerde gemäß § 85 BetrVG und das Recht des Betriebsrates, sich bei groben Gesetzes863

von Hoyningen-Huene, S. 67. von Hoyningen-Huene, S. 53; Wolmerath, Rn. 209 f.; a. A. Belling, Die Haftung des Betriebsrates und seiner Mitglieder für Pflichtverletzungen, 1990, S. 368 ff. 865 Richardi in Richard, § 75 Rn. 42 m. w. N.; a. A. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 75 Rn. 76; von Hoyningen-Huene, S. 53. 866 BVerfGE 39, S. 1 ff. (47); 88, S. 203 ff. (258); 90, S. 145 ff. (172). 867 Richardi in Richardi, Einleitung Rn. 136. 864

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

verstößen durch den Arbeitgeber nach Maßgabe der § 23 Abs. 3 BetrVG das Arbeitsgericht einzuschalten. Gegenüber dem Arbeitgeber und den Belegschaftsmitgliedern besteht daher keinerlei Weisungs- und Sanktionierungsrecht, welches ein unmittelbares Einschreiten ermöglichen würde. Ferner ist auch zu bedenken, dass die Betriebsratsmitglieder ihr Amt gemäß § 27 Abs. 1 BetrVG ehrenamtlich ausführen und aus der Mitte der Belegschaft gewählt werden. Sie haben oftmals keine besonderen Fähigkeiten oder Kenntnisse, die sie auf das Amt spezialisieren. Vielmehr steht am Anfang einer Betriebsratstätigkeit zumeist große Unerfahrenheit hinsichtlich der Aufgaben die an das Betriebsratsamt geknüpft sind. Den Betriebsratsmitgliedern eine Garantenstellung aufzubürden, würde daher zu einer Überforderung führen. Hinzu kommt, dass die Betriebsratsmitglieder ihr Amt unentgeltlich ausüben und daher kein finanzieller Ausgleich der mit einer möglichen Garantenstellung verbundenen Risiken erfolgt. All diese das Betriebsratsamt kennzeichnenden Umstände verstärken die Bedenken für die Annahme einer sich an das Betriebsratsamt anschließenden Garantenstellung. Letztendlich spricht gegen eine Garantenstellung der Betriebsratsmitglieder auch, dass bei Annahme einer solchen aufgrund der damit erhöhten strafrechtlichen Haftung davon auszugehen ist, dass die Bereitschaft vieler Belegschaftsmitglieder, sich für das Amt des Betriebsrats zur Verfügung zu stellen, zumal eine Betriebsratsposition keine (finanziellen) Vorteile mit sich bringt, stark zurückgeht. Vor allem in Kleinbetrieben ist die fehlende Bereitschaft zum Betriebsratsamt bereits heute oftmals ausschlaggebender Faktor für das Scheitern der Gründung eines Betriebsrates.868 Das Betriebsverfassungsgesetz hat sich aber gerade zum Ziel gesetzt, die Errichtung von Betriebsvereinbarungen zu erleichtern869, so dass eine daraus abgeleitete Garantenstellung diesem Ziel widersprechen würde. Die aufgezeigten Gründe führen daher zu dem Ergebnis, dass die sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebende Sonderbeziehung zwischen Betriebsrat und Belegschaft nicht darauf angelegt ist, dass die Betriebsratsmitglieder eine unbedingte Schutzpflicht der Rechtsgüter der Belegschaftsmitglieder innehaben. Eine Garantenstellung des Betriebsratsmitglieds gegenüber den Belegschaftsmitgliedern, die sich allein aus dem von ihm eingenommenen Amt begründet, steht mit den Zielen und Grundsätzen des Betriebsverfassungsgesetzes nicht im Einklang und ist daher entgegen der Auffassung Wolmeraths abzulehnen.

868 869

Stöckl, S. 186. Stöckl, S. 186.

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cc) Beschützergarantenstellung aufgrund einer Gefahrengemeinschaft Eine Beschützergarantenstellung der einzelnen Betriebsratsmitglieder, welche gemäß § 8 BetrVG Angehörige des Betriebes sein müssen, lässt sich auch nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Betriebsgemeinschaft begründen. Insoweit sind sie wie andere Arbeitnehmer, denen, wie festgestellt, in der Regel keine Garantenstellung gegenüber ihren Kollegen zufällt, zu behandeln.870 Ebenfalls ist eine Garantenstellung zwischen den einzelnen Betriebsratsmitgliedern auszuschließen, weil der Zusammenschluss zum Betriebsrat allein dem Zweck der Interessensvertretung bzw. Interessenwahrnehmung der Belegschaft dient und nicht der gegenseitigen Gefahrenabwehr. dd) Überwachergarantenstellung kraft Autoritätsstellung Es schließt sich nunmehr eine Auseinandersetzung mit einer möglichen Überwachergarantenstellung der Betriebsratsmitglieder gegenüber den Beschäftigten an, die sie verpflichtet, über den Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, von denen die Straftaten ausgehen, zu wachen und deren Straftaten zu verhindern. Eine Überwachergarantenstellung über an sich verantwortlich handelnde Personen kann sich, wie bereits bei der Frage nach einer Überwachergarantenstellung des Betriebsinhabers festgestellt, aufgrund des das Strafrecht prägenden Selbstverantwortlichkeitsgrundsatzes, wonach vollverantwortliche Erwachsene für ihr Tun und Lassen regelmäßig selbst – und allein – verantwortlich sind871, nur dann ergeben, wenn der Unterlassende dem Täter gegenüber eine rechtlich anerkannte Aufsichts- und Befehlsgewalt einnimmt, kraft derer er die Herrschaft über den anderen ausübt.872 Ob die Betriebsratsmitglieder eine derartige Autoritätsstellung gegenüber dem Arbeitgeber und den Belegschaftsmitgliedern einnehmen, ist anhand des Betriebsverfassungsgesetzes zu messen, weil dieses die Befugnisse und Aufgaben des Betriebsrates abschließend regelt und es dem Betriebsrat in seiner Funktion nur im Rahmen seiner Zuständigkeit und in der gesetzlich vorgesehenen Art und Weise erlaubt ist, zu handeln.873 Der Betriebsrat findet seine Funktion in der Repräsentation der Interessen der Belegschaft, die es gegenüber dem Arbeitgeber zu bewahren gilt. Ihm werden durch das Betriebsverfassungsgesetz Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte 870 Vgl. die Ausführungen zur Garantenstellung der Kollegen in diesem Kapitel B. VII. 3. c). 871 NK-Wohlers, § 13 Rn. 51; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 32. 872 Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 224 ff.; NK-Wohlers, § 13 Rn. 51; Roxin, AT II, § 32 Rn. 133 ff.; Schünemann, S. 329 ff.; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 52; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 32. 873 Richardi in Richardi, Einleitung Rn. 136.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

an die Hand gegeben, mittels derer er an Entscheidungen der Betriebs- und Unternehmensleitung mitwirken und dadurch mittelbar gestaltend auf die Rechtsstellung der Belegschaft Einfluss nehmen kann. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates begründen aber lediglich das Recht, an der Willensbildung des Arbeitgebers teilzuhaben, sie gewähren jedoch keinerlei Exekutivbefugnisse.874 Arbeitgeber und Betriebsrat sind gemäß § 2 BetrVG zwar zur vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet, doch führt der Arbeitgeber gemäß § 77 Abs. 1 BetrVG die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen allein durch, weil die Leitung des Betriebes ausschließlich ihm zusteht. Auch wenn eine Entscheidung des Arbeitgebers einer Zustimmung des Betriebsrates bedarf, bleibt sie seine Entscheidung, für die er die alleinige Verantwortung trägt.875 Die Betriebsratsmitglieder dürfen mit dem Arbeitgeber getroffene Entscheidungen mit Ausnahme von vereinzelten gesetzlich manifestierten Ausnahmen876 daher nicht selbst durchführen, selbst wenn es sich dabei um mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten handelt.877 Gemäß § 77 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist es dem Betriebsrat ausdrücklich verboten, eigenmächtig in die Leitung des Betriebes einzugreifen und daher Anordnungen des Arbeitgebers zu widerrufen oder an seiner Stelle den Arbeitnehmern Weisungen zu erteilen.878 Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber getroffene Vereinbarungen nicht durchführt. Der Betriebsrat hat zur Durchsetzung seiner Rechte lediglich die Möglichkeit, gemäß § 76 BetrVG die Einigungsstelle anzurufen, soweit sie zuständig ist, oder ein arbeitsgerichtliches Verfahren einzuleiten.879 Allein dem Arbeitgeber obliegt daher die ausführende Gewalt im Betrieb, ein Direktions- oder Mitdirektionsrecht des Betriebsrates steht diesem nicht zu.880

874 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77 Rn. 8; GK-Kreutz, § 77 Rn. 20. 875 Däubler/Kittner/Klebe, § 77 Rn. 3; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77 Rn. 4; Richardi in Richardi, § 77 Rn. 8. 876 Das gilt beispielsweise bei der mit dem Arbeitgeber vereinbarten Durchführung von Sprechstunden während der Arbeitszeit (§ 39 Abs. 1 S. 1 BetrVG), für die Durchführung mit dem Arbeitgeber vereinbarten zusätzlichen Betriebs- und Abteilungsversammlungen innerhalb der Arbeitszeit (§ 44 Abs. 2 BetrVG) oder bei der Entsendung von Betriebsratsmitgliedern zu Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nach Einigung über Teilnahme und zeitlicher Lage der Veranstaltung mit dem Arbeitgeber (§ 37 Abs. 6 BetrVG). 877 LAG Berlin NZA-RR 1996, S. 216; Däubler/Kittner/Klebe, § 77 Rn. 5; Fitting/ Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77 Rn. 4; GK-Kreutz, § 77 Rn. 20; Richardi in Richardi, § 77 Rn. 8; Stege/Weinspach/Schiefer, § 77 Rn. 46. 878 LAG Berlin NZA-RR 1996, S. 216; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77 Rn. 8; Stege/Weinspach/Schiefer, § 77 Rn. 46. 879 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77 Rn. 8; GK-Kreutz, § 77 Rn. 22; Stege/Weinspach/Schiefer, § 77 Rn. 46a. 880 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 77 Rn. 8.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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Nicht zu leugnen ist, dass in Betrieben, in denen der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber eine starke Stellung einnimmt, eine hohe Einflussmöglichkeit auf das Handeln des Arbeitgebers besteht. Diese Einflussmöglichkeit begründet sich aber nicht auf einem bestimmten Über-Unterordnungsverhältnis oder einer aus der rechtlichen Unterworfenheit resultierenden teilweisen Unmündigkeit, sondern allein aus dem sich aus § 2 BetrVG ergebenden Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Gibt der Arbeitgeber dem Verlangen des Betriebsrates nach, ist die Beziehung Betriebsrat – Arbeitnehmer höchstens als motivierender Grund anzusehen, aber nicht als Resultat einer bestehenden Autoritätsstellung des Betriebsrates gegenüber dem Arbeitgeber. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Betriebsratsmitglieder gegenüber dem Arbeitgeber und der Belegschaft keine Weisungsbefugnis und damit auch keine Herrschaftsmacht innehaben, die eine Autoritätsstellung in Form einer Willensherrschaft, wie sie für eine Überwachergarantenstellung aufgrund des zu beachtenden Selbstverantwortlichkeitsprinzips notwendig ist, begründet. Eine strafrechtliche Pflicht der Betriebsratsmitglieder zur Überwachung und damit zur Verhinderung von Straftaten des Arbeitgebers und der Belegschaft besteht demnach nicht. ee) Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, dass allein an das Amt des Betriebsrates keine Garantenstellung gegenüber den Belegschaftsmitgliedern geknüpft werden kann, die eine strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Untätigbleiben gegen Mobbing und den damit verbundenen Rechtsgutsverletzungen rechtfertigen würde. Dieses Ergebnis liegt auch nahe, wenn nach der Garantenstellung der Personalratsmitglieder gefragt wird, weil diese auf der Ebene der öffentlichen Verwaltung eine ähnliche Stellung wie die Betriebsratsmitglieder im Privatwirtschaftssektor einnehmen.881 Eine ausführliche abschließende Auseinandersetzung mit dieser Frage soll aufgrund der Besonderheiten im Beamtenrecht und aus der Notwendigkeit der Beschränkung heraus an dieser Stelle aber nicht erfolgen. e) Gesamtergebnis Zusammengefasst ergibt sich demnach, dass eine Unterlassungstäterschaft im Zusammenhang mit Mobbing lediglich für den Arbeitgeber oder den Vorgesetzten in Betracht zu ziehen ist. Kollegen nehmen gegenüber ihren Mitkollegen und Betriebsräte gegenüber der Belegschaft grundsätzlich keine Garantenstellung ein und sind daher bei Nichteinschreiten in das Mobbinggeschehen nicht 881

Siehe dazu auch Wolmerath, Rn. 115.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Die Ausführungen im Folgenden hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen einer Unterlassensstrafbarkeit beziehen sich daher vorwiegend auf die Strafbarkeit des Betriebsinhabers bzw. Arbeitgebers und des Vorgesetzten. 4. Handlungsmöglichkeit (Tatmacht) des untätig bleibenden Garanten Besteht eine Garantenstellung, kann dem zum Handeln Verpflichteten der deliktische Erfolg nur dann zugerechnet werden, wenn er nach objektiver Betrachtung überhaupt in der Lage war, den Erfolg durch die Vornahme einer Abwendungshandlung abzuwehren.882 Insoweit genügt es schon, wenn die zur Verfügung stehenden Handlungen den Erfolgseintritt erschweren bzw. diesen hinauszögern.883 Dagegen ist die Handlungsmöglichkeit zu verneinen, wenn ausschließlich Handlungen zur Verfügung stehen, die von vornherein als sicher erfolglos einzustufen sind.884 Die Möglichkeiten des Betriebsinhabers seiner Sorgfaltspflicht bzw. Garantenpflicht nachzukommen sind vielfältig und ihre Gebotenheit vom konkreten Fall abhängig. Sie reichen von direkten Eingriffen in bestimmte Mobbingangriffe über vorbeugende Maßnahme, wie die Thematisierung von Mobbing im Betrieb und die Klarstellung, dass Mobbing im Unternehmen nicht geduldet wird über Betriebsvereinbarungen gegen Mobbing bzw. für kollegiale Zusammenarbeit bis zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Ermahnungen, Abmahnung oder Kündigungen. Die Ermahnung und die Abmahnung, die jeweils präventive Wirkung entfalten, sind vor allem aufgrund der Gehorsamsbereitschaft und der existenziellen Abhängigkeit des Mobbenden vom Bestehen eines Arbeitsvertrages wirksame Mittel, um auf das zukünftige Verhalten des Mobbenden einzuwirken. Gleiches gilt im Ergebnis für die Kündigung, denn mit dieser wird der Mobbende vom Arbeitsplatz und damit von seinem Tatort verdrängt, so dass er nicht mehr mit dem Betroffenen aufeinander trifft. Voraussetzung ist aber, dass diese mit den arbeitsrechtlichen Vorgaben auch vereinbar ist. Mobbing wurde bereits in der Rechtsprechung als Kündigungsgrund anerkannt.885 Durch eine 882 BGHSt 4, S. 20, 22 ff.; 6, S. 46, 57; LK-Jescheck, § 13 Rn. 3, vor § 13 Rn. 93; SK-Rudolphi, vor § 13 Rn. 2, 13; Tröndle/Fischer, § 13 Rn. 14; Baumann/Weber/ Mitsch, § 15 Rn. 15; Jakobs, AT, 29. Abschnitt Rn. 10; Jescheck/Weigend, S. 616 f.; Roxin, AT II, § 31 Rn. 8; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 59; Wessels/Beulke, Rn. 708. 883 BGH NJW 1953, S. 1838; RGSt 71, S. 176, 178; 73, S. 52, 54; LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 93; Herzberg, S. 117; Jakobs, AT, 25. Abschnitt Rn. 102; a. A. LK-Roxin, § 27 Rn. 27; Sch/Sch-Stree, vor §§ 13 ff. Rn. 142. 884 BGHSt 48, S. 77, 92 = NStZ 2003, S. 141, 143; BGH NStZ 2000, S. 414, 415; Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 23; Roxin, AT II, § 31 Rn. 9 f. 885 LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577 ff.; LAG Sachsen-Anhalt vom 27.01. 2000, Az.: 9 Sa 473/99.

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Kündigung wird dem Mobbing der Boden entzogen und eine Rechtsgutsgefährdung durch weitere Mobbingangriffe am Arbeitsplatz nahezu ausgeschlossen. Präventivmaßnahmen in Form genereller Vorbeugemaßnahmen, wie Betriebsvereinbarungen, das Thematisieren von Mobbing oder entsprechenden Fortbildungsmaßnahmen für Führungskräfte bieten ebenfalls eine effektive Möglichkeit, auf das Verhalten der Belegschaft einzuwirken. Derartige vorbeugende Maßnahmen werden innerhalb der Wissenschaft als besonders effektiver Mobbingschutz eingeordnet.886 Von Betriebsvereinbarungen wird immer häufiger Gebrauch gemacht und sie werden gezielt zur Bekämpfung von Mobbing eingesetzt.887 5. Hypothetische Kausalität Nach der h. M. bedarf es bei den Unterlassungsdelikten einer hypothetischen Kausalbetrachtung, bei der in Umkehrung der conditio-sine-qua-non-Formel danach zu fragen ist, ob die fragliche (objektiv gebotene und dem potentiellen Garanten mögliche) Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt ausgeblieben wäre.888 Insoweit ergibt sich aber das Problem, dass ex post häufig nicht sicher festgestellt werden kann, ob der Erfolg vermieden worden wäre oder nicht. Daher genügt es nach h. M., wenn der Erfolg „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ verhindert worden wäre.889 Ermahnungen des Arbeitgebers sind grundsätzlich geeignet auf das Verhalten der Arbeitnehmer einzuwirken. Je nach Einzelfall geben sie zwar nicht die hundertprozentige Gewähr aber eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Arbeitnehmer sich danach richten wird, weil dieser Angst vor dem Verlust des 886 Siehe dazu Esser/Wolmerath, S. 87 ff.; Maschner, Bundesarbeitsblatt 7–8/2002, S. 17; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 133; Schimmelpfennig/Schimmelpfennig, PersV 1998, S. 274 ff.; Wolmerath, 1. Auflage, S. 296. 887 Senatsrichtlinie „Partnerschaftliches Verhalten an der Universität Heidelberg“, in Kraft seit 01.10.2002, veröffentlicht unter: http://www.uni-heidelberg.de/intern/part nerschaftliches-verhalten.html; Betriebsvereinbarung „Partnerschaftliches Verhalten“ des VW-Konzerns, in Kraft seit 01.07.1996; weitere Betriebsvereinbarungen gegen Mobbing abgedruckt bei Wolmerath, 1. Auflage, S. 323 ff. 888 BGHSt 6, S. 1, 2; 37, S. 106, 126; 43, S. 381, 397; 48, S. 77, 93; BGH StV 1984, S. 247, 248; 1985, S. 229; BGH NStZ 1985, S. 26, 27; 2000, S. 414, 415; S. 583; Lackner/Kühl, vor § 13 Rn. 12; Tröndle/Fischer, vor § 13 Rn. 20, § 13 Rn. 3; Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 24; Jakobs, AT, 29. Abschnitt Rn. 15 ff.; Kühl, § 18 Rn. 36; Wessels/Beulke, Rn. 711. 889 BGHSt 37, S. 106, 127; 43, S. 381, 397; BGH NJW 2000, S. 2754, 2757; BGH NStZ-RR 2002, S. 303; Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 24; Jakobs, AT, 29. Abschnitt Rn. 19; Jescheck/Weigend, S. 619; Kühl, § 18 Rn. 37 f.; Köhler, S. 229; a. A. die darauf abstellen, ob durch das gebotene Handeln das Risiko des Erfolgs vermindert worden wäre: SK-Rudolphi, vor § 13 Rn. 16; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 54; siehe auch NK-Puppe, vor § 13 Rn. 151, 163.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Arbeitsplatzes hat und der Arbeitgeber aufgrund seiner Autoritätsstellung für ihn in der Regel eine Respektsperson ist, deren Weisungen grundsätzlich eingehalten werden. Ein stärkeres Mittel ist dagegen die Abmahnung, mit der unmittelbar eine Kündigung angedroht wird. Hat der Arbeitgeber schon mehrere Ermahnungen und Abmahnungen erteilt und setzt der Arbeitnehmer dennoch sein rechtsgutsverletzendes Verhalten fort, erscheinen weitere Abmahnungen sinnlos, so dass nur noch die Versetzung oder die Kündigung dem Arbeitgeber als Handlungsmöglichkeiten verbleiben. Die Kündigung schließt den Mobbenden vom Arbeitsplatz und somit vom „Tatort“ aus, so dass der bedrohte Arbeitnehmer am Arbeitsplatz grundsätzlich von diesem nichts mehr zu befürchten hat. Der Arbeitgeber ist demnach aufgrund seiner ihm zustehenden arbeitsrechtlichen Mittel prinzipiell in der Lage, Straftaten seiner Beschäftigten am Arbeitsplatz zu unterbinden bzw. ihnen vorzubeugen. 6. Zumutbarkeit des Handelns Mitunter ist die notwendige Handlung zwar möglich, aber aus bestimmten Gründen nicht zumutbar. Ist dies der Fall, macht sich der Unterlassende nicht strafbar.890 Eine Pflicht zur Sicherung anderer Rechtsgüter unter Einsatz eigener Rechtsgüter kann nicht verlangt werden, wenn der mit diesem Einsatz verbundene Eingriff unverhältnismäßig ist. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Einschreitende unverhältnismäßige Beeinträchtigungen hinnehmen müsste. Es ist für den Arbeitgeber unmöglich bzw. nicht zumutbar, alle Arbeitnehmer am Arbeitsplatz, vor allem in größeren Unternehmen, lückenlos zu beobachten und über sie wie über Pflegebefohlene zu wachen. Aufgrund der ihm in § 75 Abs. 2 BetrVG auferlegten Schutzpflicht hinsichtlich des Persönlichkeitsrechts wäre eine solche Rund-um-die-Uhr-Bewachung auch nicht wünschenswert, wenn nicht sogar in einigen Fällen gesetzeswidrig. Setzt der Mobbende trotz bereits erfolgter Ermahnungen und Abmahnungen sein Mobbingverhalten fort, bleibt dem Arbeitgeber in einigen Fällen als einziges Mittel nur noch die Kündigung des Mobbenden. Die Zumutbarkeit der Kündigung eines Beschäftigten muss unter dem Gesichtspunkt beurteilt werden, dass der Betriebsinhaber auf die Funktionalität des Betriebes angewiesen ist. Abstriche an der Zumutbarkeit einer Kündigung sind daher denkbar, wenn es 890 Vgl. BGHSt 3, S. 203, 206; 11, S. 135, 138; BGH NStZ 1984, S. 164; NKWohlers, § 13 Rn. 17; SK-Rudolphi, vor § 13 Rn. 31; ablehnend dem Merkmal „Unzumutbarkeit“ gegenüber LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 98; Jescheck/Weigend, S. 634 f.; strittig ist ob die Unzumutbarkeit ein Tatbestandsmerkmal ist, so NK-Wohlers, § 13 Rn. 17; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 63; vgl. auch BGH NStZ 1985, S. 24; OLG Hamburg StV 1996, S. 437, 438 oder ein Schuldausschlussgrund ist, so BGHSt 6, S. 46, 57; SK-Rudolphi, vor § 13 Rn. 31; Lackner/Kühl, § 13 Rn 5; Baumann/Weber/ Mitsch, § 15 Rn. 19; Roxin, AT II, § 31 Rn. 211 ff., 233 f.; Wessels/Beulke, Rn. 739.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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sich bei dem Mobbenden um einen Arbeitnehmer handelt, der schwer ersetzbar ist, weil er besondere oder betriebsspezifische Kenntnisse hat, auf die das Unternehmen zu seiner Funktionsfähigkeit angewiesen ist. Ist der Sachverhalt derartig gelagert, muss sorgfältig abgewogen werden, ob dem Betriebsinhaber die Kündigung des Mobbenden zumutbar ist. Darüber hinaus ist es für den Betriebsinhaber unzumutbar, ohne erkennbare Anzeichen für das Vorkommen von Mobbing und die damit verbundenen Rechtsgutsgefährdungen in seinem Unternehmen generelle vorbeugende Maßnahmen vorzunehmen. Wäre es anders würde die unternehmerische Freiheit zu weit eingeschränkt und vor allem in kleineren Betrieben, in denen Betriebsvereinbarungen oder ähnliche Vorkehrungen nicht üblich sind, das für den Arbeitgeber zumutbare Maß überschritten werden. Vorbeugende Maßnahmen wie Betriebsvereinbarungen mögen zwar zivilrechtlich geboten sein, nicht aber im Sinne einer strafbewehrten Rechtspflicht. Die Sorgfaltspflicht in Form von generellen vorbeugenden Maßnahmen ist daher nur dann geboten, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorkommen von Mobbing und denen damit verbundenen Rechtsgutsgefährdungen im Unternehmen gegeben sind. 7. Entsprechungsklausel § 13 Abs. 1 StGB erfordert, dass „das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes einem Tun entspricht“. Bei den reinen Erfolgsdelikten wie z. B. den §§ 223, 212, 303 StGB wird die Gleichwertigkeit durch die Garantenstellung bereits begründet.891 Bei verhaltensgebundenen Delikten, wie den mobbingtypischen §§ 240, 185 ff. StGB, die ihren Unrechtsgehalt nicht allein in der bloßen Erfolgsherbeiführung finden, sondern einen spezifischen Handlungsunwert erfassen oder bei Straftatbeständen mit handlungsspezifischen Unrechtselementen, wie z. B. den Mordmerkmalen in § 211 StGB, bedarf es dagegen einer Einzelfallprüfung, ob das Untätigbleiben der Verwirklichung des Erfolgs durch ein bestimmtes Handeln gleichgesetzt werden kann.892 Einige Straftatbestände offerieren daher die Möglichkeit einer Unterlassungstäterschaft nicht, weil den Anforderungen, welche diese Delikte an den Unrechtsgehalt des strafbewehrten Verhaltens stellen, nicht durch Unterlassen, sondern nur durch aktives Tun genüge getan werden kann.893 Bei diesen Delikten 891 OLG Karlsruhe JR 1989, S. 21; LK-Jescheck, § 13 Rn. 5; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 17; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 4; Lackner/Kühl, § 13 Rn. 16; Tröndle/Fischer, § 13 Rn. 17; Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 77; Kühl, § 18 Rn. 124; Roxin, AT II, § 32 Rn. 225; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 64; a. A. MK-Freund, § 13 Rn. 193. 892 LK-Jescheck, § 13 Rn. 5; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 18; Sch/Sch-Stree, § 13 Rn. 4; Kühl, § 18 Rn. 123; Wessels/Beulke, Rn. 730; einschränkend Roxin, AT II, § 32 Rn. 230 ff. 893 SK-Rudolphi, § 13 Rn. 9.

262

2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

kommt von vornherein lediglich eine Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen in Betracht. Aufgrund ihrer gewichtigen Rolle innerhalb der strafrechtlichen Bewertung von Mobbing ist in diesem Zusammenhang beispielhaft auf die Beleidigung im Drei-Personen-Verhältnis hinzuweisen. Bei dieser handelt es sich um ein persönliches Äußerungsdelikt, so dass der Tatbestand nicht nur die Kundgabe irgendeiner, sondern die Kundgabe persönlicher Missachtung umfasst. Die Beleidigung verlangt daher die Missachtung eines höchstpersönlichen Achtungsanspruchs. Dieser wird aber durch die Nichtverhinderung fremder Missachtung nicht verletzt, weil dadurch nicht zugleich die eigene Missachtung des Betroffenen diesem gegenüber zum Ausdruck gebracht wird.894 Im Drei-Personen-Verhältnis scheidet demnach eine Unterlassungstäterschaft aus, wenn eine fremde Beleidigung nicht abgewendet wird, weil die Nichtverhinderung des Zugangs der Beleidigung den notwendigen Unrechtsgehalt, welchen die Beleidigungsdelikte voraussetzen, nicht in sich trägt und daher nach § 13 Abs. 1 a. E. StGB die Unterlassung niemals der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechen kann.895 Der Betriebsinhaber bzw. Arbeitgeber und der Vorgesetzte können sich demnach nicht wegen Beleidigung durch Unterlassen strafbar machen, wenn sie Beleidigungen bzw. fortlaufende Missachtungen ihrer Kollegen bzw. Untergebenen nicht verhindern, sondern es kommt lediglich – vorausgesetzt die Betroffenen haben eine Garantenstellung inne – eine Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen in Betracht.896 8. Vorsatz Wie beim Begehungsdelikt muss sich der Vorsatz bei den Unterlassungsdelikten auf alle objektiven Tatbestandselemente erstrecken.897 Insoweit muss sich der Garant der Möglichkeit des rettenden Eingriffs bewusst sein.898 Hinsichtlich der Garantenstellung genügt es, wenn der Unterlassungstäter das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen, die eine Garantenpflicht begründen, erkannt hat. 894 Geppert, Jura 1983, S. 664; LK10-Herdegen, § 185 Rn. 25; Roxin, Täterschaft und Teilnahme, S. 481; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 12; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 11, § 185 Rn. 16; siehe auch Fuhr, S. 224; ebenfalls zu der Problematik ausführlich Stellung nehmend Hirsch, Ehre und Beleidigung, S. 241 f. 895 Fuhr, S. 224; SK-Rudolphi, § 13 Rn. 11. 896 Fuhr, S. 224; Roxin, Täterschaft und Teilnahme, S. 481; SK-Rudolphi, § 185 Rn. 16; Sch/Sch-Lenckner, § 185 Rn. 12; a. A. für die Beihilfe ablehnend Hirsch, S. 241 f. (auf Grund fehlender Garantenstellung); NK-Zaczyk, § 185 Rn. 4; siehe auch OLG Köln NJW 1996, S. 2878. 897 Tröndle/Fischer, § 13 Rn. 18; Köhler, S. 230 f.; Roxin, AT II, § 31 Rn. 186; Stratenwerth/Kuhlen § 13 Rn. 73; siehe auch BGHSt 19, S. 295, 298. 898 Vgl. Jakobs, AT, 29. Abschnitt Rn. 86 f.; SK-Rudolphi, vor § 13 Rn. 24; Kühl, § 18 Rn. 126; Roxin, AT II, § 31 Rn. 188; Stratenwerth/Kuhlen, § 13 Rn. 76.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

263

Er muss dagegen nicht die sich daraus ergebende Garantenpflicht kennen. Deren Nichtkenntnis stellt lediglich einen Verbotsirrtum dar.899 Wie festgestellt, ergibt sich die Garantenstellung des Betriebsinhabers daraus, dass die Rechtsgutsgefährdung bzw. Rechtsgutsverletzung Teil eines Mobbinggeschehens ist. Der Betriebsinhaber muss daher erkennen bzw. in Kauf nehmen, dass es sich bei dem Verhalten des Mobbenden um Mobbing handelt, also um ein wiederholtes systematisches Angriffsverhalten, und nicht nur um einen alltäglichen Konflikt, der überall vorkommen kann. Diese Möglichkeit wird er erst dann haben, wenn er von mehreren Mobbingangriffen Kenntnis erlangt. In einem Großteil der Fälle finden die Mobbingangriffe aber hinter verschlossenen Türen statt, um zu verhindern, dass der Arbeitgeber von dem Geschehen erfährt und mit arbeitsrechtlichen Sanktionen eingreift. Der Arbeitgeber bzw. der Vorgesetzte wird die Mobbingangriffe daher oftmals nicht unmittelbar wahrnehmen, sondern erst im Nachhinein von diesen erfahren. In der Regel wird sich daher die Garantenpflicht auf präventive Maßnahmen beschränken, um zukünftige Mobbingangriffe zu verhindern und nicht ein Einschreiten in einen unmittelbar stattfindenden Mobbingangriff erfordern. Erlangt der Arbeitgeber bzw. Vorgesetzte von den bereits erfolgten Mobbingangriffen Kenntnis, dann zumeist durch eine Beschwerde des Betroffenen oder durch Dritte. Die bundesweite Repräsentativstudie kam zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der Betroffenen beim Vorgesetzten und ca. acht Prozent direkt bei der Leitungsspitze (Chef oder Geschäftsführung) Unterstützung suchen.900 In der anderen Hälfte der Fälle haben die Betroffenen nicht den Mut, sich über das Verhalten des Mobbenden zu beschweren oder bewerten eine Beschwerde als chancenlos, so dass sie den Arbeitgeber bzw. den Vorgesetzten nicht in Kenntnis setzen. Sie befürchten oftmals, die Situation zu verschlimmern, geben sich selbst die Schuld am Geschehen und haben Angst als „Verräter“ eingestuft zu werden.901 Hinzu kommt die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, die 899 BGHSt 16, S. 155, 158; 19, S. 295, 297 ff. (hinsichtlich des echten Unterlassungsdelikts); SK-Rudolphi, vor § 13 Rn. 25; LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 99; Jakobs, AT, 29. Abschnitt Rn. 89; Jescheck/Weigend, S. 636; Kühl, § 18 Rn. 129; Wessels/ Beulke, Rn. 732, 738. Einige Stimmen in der Literatur erblicken dagegen in der Rechtspflicht zum Handeln ein normatives Tatbestandsmerkmal, bei dem zum Vorsatz neben der Kenntnis der relevanten Sachverhaltsumstände auch der wenigstens laienhafte Nachvollzug der zur Annahme der Handlungspflicht führenden rechtlichen Bewertung gehört, so NK-Wohlers, § 13 Rn. 20; Herzberg, Unterlassungsdelikt, S. 232 ff.; Jakobs, AT, 29. Abschnitt Rn. 90; Stratenwerth/Kuhlen § 13 Rn. 74 f.; siehe auch MK-Freund, § 13 Rn. 227; Köhler, S. 231 f. 900 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 96. 901 Siehe dazu den „Münchner Polizistinnenfall“, der im ersten Kapitel A. II. 1. b) ausführlich dargestellt wurde und den Einstellungsvermerk der Staatsanwaltschaft München vom 09.12. 1999, Geschäftsnummer: 123 Js 10953/99, Seite 2; ferner OLG München vom 20.09.2001, Az.: 1 U 2443/01, S. 4.

264

2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

den Betroffenen vom offensiven Vorgehen abhält.902 Darüber hinaus befürchten die Betroffenen oftmals, dass sie ihrem Vorgesetzten oder Arbeitgeber nicht beweisen können, dass sie Mobbingangriffen ausgesetzt sind.903 Schließlich werden die Betroffenen auch von der Angst, kein Gehör zu finden, davon abgehalten von den Vorfällen zu berichten. Oftmals erfährt der Arbeitgeber bzw. der Vorgesetzte – wenn überhaupt – daher erst von dem Mobbinggeschehen, wenn der Betroffene aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, so dass er von den seine Garantenpflicht begründenden Umständen keine Kenntnis erlangt und sich daher nicht strafbar macht. Erfährt der Betriebsinhaber von den Mobbingangriffen und erkennt er bzw. nimmt er in Kauf, dass es sich bei dem Verhalten um ein wiederholt systematisch betriebenes Angriffsverhalten handelt, muss er es ferner zumindest für möglich halten, dass sich daraus Gefahren beispielsweise für die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden für den Betroffenen ergeben, die ihn zum Einschreiten verpflichten. Vorsätzliches Verhalten des Betriebsinhabers wird in den meisten Fällen dann vorliegen, wenn er für den Betrieb durch das Mobbinggeschehen einen Vorteil, wie beispielsweise eine freiwillige Kündigung eines unerwünschten Beschäftigten, erblickt und daher gezielt bei den weiteren rechtsgutsverletzenden Mobbingangriffen untätig bleibt bzw. diesen nicht vorbeugt.904 Zusammengefasst ist daher festzustellen, dass der Betriebsinhaber zum einen oftmals keine bzw. nur von einem Teil der Mobbingangriffe Kenntnis erlangt, so dass er in vielen Fällen nicht daraus schlussfolgern kann, dass in seinem Unternehmen Mobbing betrieben wird. Selbst wenn er von dem Geschehen und den sich daraus ergebenden Gefahren für den Betroffenen Kenntnis erlangt, wird er nur dann vorsätzlich handeln, wenn das Mobbinggeschehen in seinem Interesse liegt und er weitere Rechtsgutsangriffe zumindest billigend in Kauf nimmt. Das wird nur in Ausnahmefällen vorkommen, weil der Betriebsinhaber grundsätzlich daran interessiert ist, dass es in seinem Unternehmen „harmonisch“ im Sinne eines guten Betriebsklimas zugeht. Anders wird es sein, wenn es gerade die „Unternehmenspolitik“ ist oder in seinem Interesse liegt, Mitarbeiter zur Selbstkündigung zu bewegen. Oftmals wird in diesen Fällen der Betriebsinhaber aber bereits als Begehungstäter in Betracht kommen, zum Beispiel dann, wenn er das Mobbing durch andere ausführen lässt und daher als Anstifter agiert.

902 903 904

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 95, 97; Wolmerath, Rn. 102. Wolmerath, Rn. 126. Wolmerath, Rn. 120.

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

265

9. Fahrlässigkeit Häufiger wird es daher vorkommen, dass der Betriebsinhaber fahrlässig handelt. Abgesehen von den Körperverletzungs- und den Tötungsdelikten sind die im Zusammenhang mit Mobbing am häufigsten vorkommenden Delikte, wie die Beleidigungsdelikte, die Nötigung oder die Sachbeschädigung nur vorsätzlich begehbar, so dass daher in der Regel im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen und der Frage nach der Strafbarkeit des nicht einschreitenden Betriebsinhabers nur die fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen im Mittelpunkt stehen wird. Die folgenden Ausführungen beschränken sich demnach auf die fahrlässige Körperverletzung. Sorgfaltspflichtverletzung und Verletzung der Garantenpflicht fallen bei den Unterlassungsdelikten in der Weise zusammen, dass die Sorgfaltspflichtverletzung bei Vorliegen einer Garantenstellung die Verletzung der Garantenpflicht beinhaltet.905 Der Maßstab der Sorgfaltspflicht richtet sich danach, was im Zusammenleben innerhalb der Rechtsgemeinschaft billigerweise erwartet werden darf.906 Dabei ist der Umfang der dem Einzelnen obliegenden Sorgfaltspflicht an den Durchschnittsanforderungen des jeweiligen Verkehrskreises zu messen. Fahrlässig handelt der Täter, wenn er die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und im Stande ist, außer Acht lässt und deshalb die Tatbestandsverwirklichung nicht voraussieht (unbewusste Fahrlässigkeit) bzw. die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erkennt, jedoch pflichtwidrig darauf vertraut, dass diese nicht eintreten wird (bewusste Fahrlässigkeit).907 Der Vorwurf der Sorgfaltspflichtwidrigkeit, der dem Betriebsinhaber gemacht werden kann, kann daher in der mangelnden Erkenntnis der tatbestandsmäßigen Situation einschließlich der eigenen Garantenstellung liegen, aber auch in der mangelhaften Ausführung der Rettungshandlung oder in der sorgfaltswidrigen Nichtbeachtung des bevorstehenden Erfolgseintritts.908 Fahrlässig wird der Betriebsinhaber daher handeln, wenn er das sich für ihn darstellende Geschehen nur als überall vorkommenden Konflikt und nicht als systematisch wiederholtes Angriffsverhalten – trotz bestehender Anhaltspunkte – einordnet oder die erkennbare Gefahr, die von den Mobbingangriffen für das körperliche Wohlbefinden oder die Gesundheit des Betroffenen ausgeht, nicht bemerkt. Ob diese die Garantenstellung begründenden Umstände erkennbar waren, ist eine Tatfrage und muss von Fall zu Fall entschieden werden. Wie oben 905

Kühl, § 19 Rn. 4; NK-Wohlers, § 13 Rn. 21. Vgl. zum Folgenden die Ausführungen in diesem Kapitel B. II. 6. 907 Roxin, AT II, § 31 Rn. 196 ff.; Sch/Sch-Cramer/Sternberg-Lieben, § 15 Rn. 201 f.; Wessels/Beulke, Rn. 661. 908 Vgl. Roxin, AT II, § 31 Rn. 197 ff.; SK-Rudolphi, vor § 13 Rn. 28a; Jakobs, AT, 29. Abschnitt Rn. 94; Jescheck/Weigend, S. 633 f.; Kühl, § 19 Rn. 2. 906

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

ausgeführt, erlangt der Betriebsinhaber aus den unterschiedlichsten Gründen oftmals von den Mobbingangriffen keine Kenntnis, so dass es daher für ihn in den meisten Fällen auch nicht erkennbar ist, dass ein Mitarbeiter Mobbingangriffen ausgesetzt ist. Erfährt der Betriebsinhaber von einzelnen Mobbinghandlungen, muss von Fall zu Fall entschieden werden, ob bereits diese Kenntnis darauf schließen lässt, dass es sich dabei nicht nur um vereinzelt vorkommende alltägliche private Konflikte handelt, sondern um ein wiederholtes, systematisches Angriffsverhalten und, dass aufgrund dieses Verhaltens die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden seines Mitarbeiters gefährdet werden. Weil der Betriebsinhaber selten unmittelbarer Zeuge von Mobbingangriffen ist, sondern erst im Nachhinein von diesen erfährt, müssen sich zum anderen für ihn Anhaltspunkte ergeben, die darauf schließen lassen, dass der Mobbende sein Verhalten fortsetzt und daher die Gefahr von weiteren Rechtsgutsverletzungen besteht oder eine Gefahr geschaffen wurde, die bei weiteren drohenden Mobbingangriffen sich zu einer Rechtsgutsverletzung verdichten kann. Die Gefahr zukünftiger rechtsgutsgefährdende Mobbingangriffe liegt beispielsweise dann nahe und ist erkennbar, wenn das Mobbinggeschehen bereits über einen längeren Zeitraum andauert und mehrere Mobbinghandlungen vorgenommen wurden. Erlangt der Betriebsinhaber nur von vereinzelten Mobbingangriffen Kenntnis, ist nicht stets davon auszugehen, dass er erkennen konnte, dass es sich dabei um Mobbing handelt bzw. die Gefahr weiterer rechtsgutsgefährdender Mobbingangriffe besteht. Seltener werden die durch die Mobbingangriffe hervorgerufenen Gefahren für die Gesundheit oder das körperliche Wohlbefinden für den Betriebsinhaber erkennbar sein, wenn diese, wie typischerweise für ein Mobbinggeschehen, nicht unmittelbar durch einen einzelnen Mobbingangriff hervorgerufen werden, sondern erst durch das Zusammenwirken von mehreren Mobbingangriffen, die für sich allein üblicherweise keine Folgen für das körperliche Wohlbefinden oder die Gesundheit mit sich bringen. Erkennbar werden diese in der Regel nur dann sein, wenn das Mobbinggeschehen bereits sehr weit fortgeschritten ist und die Angriffe nicht unerheblicher Natur sind. In Anbetracht der Zunahme des Wissens in der Bevölkerung um das Thema Mobbing, wird die Vorhersehbarkeit der damit verbundenen Auswirkungen auf das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit heute aber eher zu bejahen sein, als noch vor einigen Jahren. Die Erkennbarkeit der Folgen bzw. der Gefahr des Mobbinggeschehens kann sich in Verbindung mit dem Wissen um die Mobbingangriffe auch aus weiteren Umständen ergeben, beispielsweise dann, wenn dem Betroffenen anzumerken ist, dass er sich verändert hat, in seiner psychischen Konstitution angeschlagen oder bereits erkrankt ist. Das wird mitunter dann der Fall sein, wenn der Betroffene oder Dritte dem Betriebsinhaber von den Mobbingangriffen und den sich für ihn daraus ergebenden psychischen Belastungen und Folgen für die Gesundheit erzählt oder, wenn der Betriebsinhaber von plötzlichen ständigen Krank-

B. Die Einordnung von Mobbing unter die Straftatbestände

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schreibungen erfährt oder selbst die psychische Angeschlagenheit seines Mitarbeiters erkennt und es die Umstände nahe legen, dass diese Folgen auf das Mobbinggeschehen zurückzuführen sind. Hat der Betriebsinhaber die Umstände erkannt, aus denen sich seine Garantenpflicht ergibt, handelt er zum einen dann fahrlässig, wenn er darauf vertraut, dass sich der Konflikt unter seinen Angestellten von allein wieder lösen wird und deshalb nicht einschreitet909 und zum anderen, wenn er die durch Mobbing hervorgerufene Gefahr falsch einschätzt und ungenügende Vorkehrungsmaßnahmen trifft. Beispielsweise, wenn er den Arbeitnehmer nur ermahnt und fahrlässig nicht erkennt, dass diese Präventionsmaßnahmen nicht genügen, damit der Mobbende von seinen Mobbingattacken Abstand nimmt. Ein solcher Fall könnte dann vorliegen, wenn dem Mobbenden gegenüber schon mehrmals wegen der die körperliche und gesundheitliche Integrität beeinträchtigenden Mobbingangriffe Ermahnungen ausgesprochen wurden und dieser dennoch sein Mobbingverhalten fortsetzt, der Betriebsinhaber aber wiederum nur mit einer Ermahnung gegen den Mobbenden vorgeht, wobei eine Abmahnung bzw. Kündigung in diesem Fall geboten wäre. Das wird aber nur selten der Fall sein, weil eine Ermahnung aufgrund der Autoritätsstellung des Betriebsinhabers und der Angst des Mobbenden, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, bereits genügen wird, damit der Mobbende von künftigen Mobbingangriffen Abstand nimmt. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass bei der Frage nach der Sorgfaltspflichtverletzung beachtetet werden muss, dass es Fälle gibt, in denen die Behauptung, der Betroffene agiere mit Mobbingangriffen, Teil einer Mobbingstrategie ist, um beispielsweise zu erreichen, dass dem Betroffenen aufgrund dieser Mobbingvorwürfe gekündigt wird.910 Daher müssen sich Zweifel über die Richtigkeit der behaupteten Mobbingangriffe zu Gunsten des Arbeitgebers bzw. Betriebsinhabers auswirken. Finden sich beispielsweise bei weiteren Nachforschungen für die behaupteten Mobbingangriffe keine Anhaltspunkte, ist der Arbeitgeber bzw. der Betriebsinhaber nicht verpflichtet, in das behauptete Geschehen mit präventiven Maßnahmen einzuschreiten, ansonsten würde eine zu große Gefahr geschaffen werden, dass durch eine falsche Behauptung, Opfer von Mobbingattacken zu sein, der Arbeitgeber bzw. der Betriebsinhaber zu einem bestimmten Verhalten gezwungen werden könnte. Damit würde neues und nicht gewolltes Unrecht geschaffen werden.

909

Vgl. Roxin, AT II, § 31 Rn. 197. Vgl. Wolmerath, 1. Auflage, S. 296; vgl. das Beispiel bei Warschkow/Erdmann, AiB 1995, S. 509 f. 910

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

10. Ergebnis Als Antwort auf die Frage, ob sich auch derjenige strafbar macht, der von dem Mobbinggeschehen und den damit verbundenen Gefahren Kenntnis erhält, aber nicht helfend einschreitet, ergibt sich, dass eine strafrechtliche Pflicht zum Einschreiten lediglich den Betriebsinhaber in seiner Funktion als Arbeitgeber und den Vorgesetzten, der den Arbeitgeber vertritt, trifft. Kollegen und Betriebsratsmitglieder haben dagegen keine Garantenstellung inne. Generelle präventive Maßnahmen ohne jegliche Anhaltspunkte für eine vorhandene Mobbingsituation müssen der Betriebsinhaber bzw. der Vorgesetzte nicht treffen. In vielen Fällen werden sie selbst nicht unmittelbare Zeugen der Mobbingangriffe sein, so dass sich ihre Garantenpflicht bei bestehender Wiederholungsgefahr auf präventive Maßnahmen beziehen wird, anstatt auf ein unmittelbares Einschreiten in einen gerade andauernden Mobbingangriff. In der Regel werden der Betriebsinhaber bzw. der Vorgesetzte aber nicht vorsätzlich ihre Garantenpflicht verletzen. Vielmehr werden sie – wenn überhaupt – fahrlässig handeln, so dass oftmals nur die Frage nach einer Strafbarkeit wegen Körperverletzung durch Unterlassen im Raum stehen wird, weil die anderen im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen oftmals vorkommenden Delikte nur vorsätzlich begehbar sind. In vielen Fällen werden die Umstände, aus denen sich die Garantenpflicht ergibt, für den Betriebsinhaber bzw. den Vorgesetzten aber nicht vorhersehbar sein, weil sie von den Mobbingangriffen keine Kenntnis erlangen oder, wenn sie Kenntnis erlangen, es für sie nicht erkennbar war, dass es sich bei den einzelnen rechtsgutsgefährdenden Angriffen um ein systematisches Angriffsverhalten in Form von Mobbing und nicht nur um einen alltäglichen Konflikt handelt oder dadurch eine Gefahr für das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit hervorgerufen wird. Trotz Innehabung einer Garantenstellung machen sich der Betriebsinhaber und der mit arbeitgeberischen Befugnissen ausgestattete Vorgesetzte, wenn sie gegen das Mobbinggeschehen nicht einschreiten, daher nur in Ausnahmefällen strafbar.

C. Verfahrensrechtliche Besonderheiten der strafrechtlichen Einordnung von Mobbing I. Privatklageverfahren Obgleich damit auf materiellrechtlicher Seite – abgesehen von den bestehenden Beweisschwierigkeiten – feststeht, dass der Mobbende sich auf vielfältige Art und Weise strafbar machen kann, können aus verfahrensrechtlicher Sicht erhebliche Hindernisse, die auf die Umstände und die Art und Weise eines Mobbingprozesses zurückzuführen sind, einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Mobbenden letztendlich entgegenstehen. Zum einen begründen sich die

C. Verfahrensrechtliche Besonderheiten

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prozessualen Barrieren dadurch, dass einige „mobbingtypische“ Delikte, wie die (fahrlässige) Körperverletzung und die Beleidigungsdelikte, und andere im Zusammenhang mit einem Mobbingprozess vorkommende Delikte, wie die Sachbeschädigung und die Bedrohung, gemäß § 374 Abs. 1 Nr. 2, 4, 5 und 6 StPO als Privatklagedelikte ausgestaltet sind. Damit verfolgt der Gesetzgeber eine Entkriminalisierung und Ausgrenzung von Bagatellunrecht aus dem Strafrecht. Die Staatsanwaltschaft nimmt deren Verfolgung gemäß § 376 StPO nur dann auf, wenn an der Strafverfolgung ein öffentliches Interesse besteht, was anzunehmen ist, wenn aus spezial- oder/und generalpräventiven Gründen die Durchsetzung des materiellen Strafrechts geboten ist.911 Nr. 86 Abs. 2 RiStBV enthält für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „öffentliches Interesse“ eine die Staatsanwaltschaft bindende Auslegungshilfe, wonach die Strafverfolgung als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen ist, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus gestört wird und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist; unter Umständen auch dann schon, wenn dem Verletzten wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, Privatklage zu erheben. Gemäß Nr. 229 Abs. 1 RiStBV ist es hinsichtlich der Beleidigung ausschlaggebend, ob die Ehrenkränkung erheblich ist.912 Bei der Körperverletzung wird das öffentliche Interesse gemäß Nr. 233 RiStBV in der Regel zu bejahen sein, wenn die Tat roh war oder eine erhebliche Misshandlung oder Verletzung mit sich bringt.913 Nach der herrschenden Meinung914 unterliegt die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über das öffentliche Interesse keiner gerichtlichen Kontrolle. Die Annahme des öffentlichen Interesses und die damit verbundene Übernahme des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft erfolgen in der Praxis im Allgemeinen sehr zurückhaltend.915 In der Regel wird daher das öffentliche Interesse bei einer vorstehend genannten Straftat, die Teil eines Mobbinggeschehens ist, verneint werden.916 Der Mobbingprozess kann aber besondere Umstände mit sich bringen, die es rechtfertigen bzw. erfordern, dass das öffentliche Interesse von der Staatsanwaltschaft bejaht wird. Wie im „Münchner Polizistinnenfall“917 kann sich ein das öffentliche Interesse bejahender Umstand daraus ergeben, dass der Mobbende die strafbaren Mobbinghandlungen – wie es innerhalb eines 911

LR-Hilger, vor § 374 Rn. 3; SK/StPO-Velten, vor § 374 Rn. 5. Meyer-Goßner, § 376 Rn. 1. 913 Meyer-Goßner, § 376 Rn. 1. 914 BGHSt 6, S. 285; 19, S. 377 ff. (381); KMR-Stöckel, § 376 Rn. 7, 10; LR-Hilger, § 376 Rn. 15; Meyer-Goßner, § 376 Rn. 7; a. A. OLG Bremen MDR 1961, S. 167. 915 SK/StPO-Velten, vor § 374 Rn. 12; Kollmer, Rn. 167; Schaub, § 109 Rn. 58; Wolmerath, Rn. 102. 916 Esser/Wolmerath, S. 236; Wolmerath, Rn. 102. 917 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 912

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Mobbinggeschehens meist der Fall ist – wiederholt vornimmt.918 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sich das öffentliche Interesse auch aus persönlichen Gründen und der persönlichen Bindung des Betroffenen zum Täter ergeben kann. Das ist insbesondere denkbar, wenn der Mobbende der Vorgesetzte oder Arbeitgeber des Betroffenen ist, weil ihm in diesem Fall aufgrund seiner arbeitsplatztechnischen Abhängigkeit vom Täter unter Umständen die Privatklage nicht zugemutet werden kann.919 Wird das öffentliche Interesse durch die Staatsanwaltschaft nicht erklärt, bleibt dem Betroffenen der oftmals unbefriedigende Weg der Privatklage. Die Zahl der Privatklageverfahren im Verhältnis zu den Verweisungen der Staatsanwaltschaft auf den Privatklageweg sinkt von Jahr zu Jahr kontinuierlich.920 Von im Durchschnitt 170.000 Verweisungen auf den Privatklageweg nehmen nur 2000 der Betroffenen diese Möglichkeit wahr.921 Bei Betrachtung der Wahl des Gerichtswegs im Zusammenhang mit Mobbing werden diese Zahlen bestätigt. Es gibt viele Urteile der Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit, denen ein Mobbingsachverhalt zugrunde liegt, in dem Ehr- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen angeprangert werden und die Klage auf Schmerzensgeld oder Unterlassen lautet. Strafrechtliche Verfahren und Verurteilungen wegen Beleidigung, wie beispielsweise im „Münchner Polizistinnenfall“922, stellen trotz der hohen Relevanz der Beleidigungsdelikte innerhalb der rechtlichen Beurteilung von Mobbing eine Ausnahme dar.923 Die Zurückhaltung der Betroffenen, den Privatklageweg zu beschreiten, ist nicht verwunderlich, weil das Privatklageverfahren wenig Erfolgsaussichten mit sich bringt, da lediglich sechs bis acht Prozent zur Verurteilung führen.924 In den überwiegenden Fällen wird das Verfahren gemäß § 383 Abs. 2 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt.925 Von einigen Vertretern im Schrifttum wird die Funktion der Privatklagedelikte für die Strafjustiz daher heute im Einstellungseffekt gesehen und diesen in der Praxis nur noch eine geringe Bedeutung zuerkannt.926 Die Rechtsprechung927 bringt ihre Geringschätzung gegenüber der Privatklage in Urteilen bisweilen unver918

KMR-Stöckel, § 376 Rn. 4; LR-Hilger, § 376 Rn. 2. LR-Hilger, § 376 Rn. 2. 920 LR-Hilger, vor § 374 Rn. 4; SK/StPO-Velten, vor § 374 Rn. 10. 921 LR-Hilger, vor § 374 Rn. 4; SK/StPO-Velten, vor § 374 Rn. 10; siehe auch Roxin, Strafverfahrensrecht, § 61 Rn. 4. 922 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 923 Wolmerath, Rn. 105. 924 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 61 Rn. 4; SK/StPO-Velten, vor § 374 Rn. 10; LRHilger, vor § 374 Rn. 4; siehe dazu auch Wolmerath, Rn. 103, der die Nachlässigkeit der Gerichte gegenüber den Beleidigungsdelikten anprangert. 925 LR-Hilger, vor § 374 Rn. 4; SK/StPO-Velten, vor § 374 Rn. 10; Tenckhoff, JuS 1988, S. 199 Fn. 1. 926 LR-Hilger, vor § 374 Rn. 4; Meyer-Goßner, vor § 374 Rn. 1. 927 LG Bonn NStZ 1991, S. 205. 919

C. Verfahrensrechtliche Besonderheiten

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steckt zum Ausdruck: „Beim Privatklageverfahren handelt es sich um ein Ausnahmeverfahren, dass der Durchsetzung eines vermeintlichen Strafanspruchs dient. . . . Im Wege der Privatklage . . . werden in der Regel bagatellhafte private Auseinandersetzungen mit großem emotionalen Engagement einer gerichtlichen Prüfung zugeführt.“ Neben diesen geringen Erfolgsaussichten ist den Privatklageverfahren immanent, dass sie erhebliche Nachteile in Form von nicht unbeachtlichen Kostenrisiken und Unannehmlichkeiten mit sich bringen.928 Zum einen bedarf es gemäß § 380 StPO zunächst eines erfolglos durchgeführten Sühneversuchs, bevor eine Privatklage erhoben werden kann, und dem Beschuldigten steht gemäß § 388 StPO ein Recht auf Widerklage zu. Zum anderen muss der Privatkläger eine Sicherheit für die dem Beschuldigten voraussichtlich erwachsenden Kosten gemäß § 379 StPO und einen Gebührenvorschuss gemäß § 379a StPO leisten. Zudem trägt er bei der Einstellung des Verfahrens gemäß § 471 StPO die Gerichtskosten und die Kosten des Beschuldigten, was bei der hohen Einstellungsquote ein erhebliches Risiko impliziert. Aufgrund der schlechten Erfolgsaussichten und der damit verbundenen Kostentragungsgefahr, ziehen die Betroffenen das attraktivere Zivilrechtsverfahren vor, weil dieses die Möglichkeit der Einstellung wegen Geringfügigkeit nicht kennt und daher das bestehende Kostenrisiko geringer ist.929

II. Strafantragsfrist Neben den Nachteilen eines Privatklageverfahrens steht einer Verurteilung des Mobbenden als weiteres Hindernis entgegen, dass es sich bei einigen Delikten, die im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen verwirklicht werden können, um Antragsdelikte handelt. Beispielsweise seien die häufig relevante (fahrlässige) Körperverletzung, die Beleidigungsdelikte, die Sachbeschädigung und der Diebstahl geringwertiger Sachen genannt. Dagegen bedarf es für andere im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen verwirklichte Delikte, wie die (fahrlässige) Tötung, die Nötigung, die (gefährliche) Körperverletzung (im Amt) keines Strafantrages. Vielmehr genügt für das Einschreiten der Staatsanwaltschaft deren Kenntnis von der Tat, § 152 Abs. 1 StPO. Bei Antragsdelikten wird die Staatsanwaltschaft dagegen grundsätzlich erst tätig, wenn der Verletzte oder der sonst gesetzlich dazu Berechtigte den Antrag auf Strafverfolgung stellt. Ausnahmsweise besteht gemäß § 230 StGB bei den Körperverletzungsdelikten die Möglichkeit, dass die Staatsanwaltschaft trotz fehlenden Strafantrags die

928 Tenckhoff, JuS 1988, S. 199; MK-Regge, vor § 185 Rn. 63; siehe zu den Nachteilen des Privatklageverfahrens auch SK/StPO-Velten, vor § 376 Rn. 29 ff. 929 SK/StPO-Velten, vor § 374 Rn. 10.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Anklage erhebt, wenn sie das besondere öffentliche Interesse bejaht, wovon in der Praxis aber regelmäßig sehr restriktiv Gebrauch gemacht wird.930 Verbunden mit der Notwendigkeit eines Antrages ist die Einhaltung der Antragsfrist, die ab Kenntniserlangung von der Tat gemäß § 77b StGB drei Monate beträgt. Erfolgt der Antrag verfristet, ist die Strafverfolgung und somit die Verurteilung ausgeschlossen. An der Verfristung des Strafantrages wird im Zusammenhang mit Mobbing eine Verurteilung des Täters vor allem wegen Beleidigung nicht selten scheitern, weil die Betroffenen sich erst zu spät entscheiden, (straf)rechtliche Schritte einzuleiten.931 Das zu späte Vorgehen ist oftmals auf die lange Dauer des Mobbingprozesses und die dadurch verursachten erheblichen Beeinträchtigungen der psychischen Verfassung des Betroffenen zurückzuführen. In vielen Fällen brauchen die Betroffenen erst einen gewissen Abstand vom Mobbinggeschehen, um die notwendige psychische Konstitution und die Kraft aufzubringen, gegen den Mobbenden rechtliche Schritte einzuleiten.932 Darüber hinaus stehen einem rechtzeitigen Vorgehen – vor allem, wenn der Mobbende der Arbeitgeber oder Vorgesetzte ist – oftmals psychologische Hindernisse entgegen, die sich aus der personalen Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und aus der Notwendigkeit der Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit ergeben können.933 Ist der Mobbende der Arbeitgeber oder eine von diesem eingesetzte und weisungsbefugte Aufsichtsperson, ergibt sich die Zurückhaltung der Betroffenen, strafrechtliche Schritte einzuleiten, zum einen aus der Befürchtung, die betrieblichen Vorgesetzten könnten ihre Machtposition bei Stellung eines Strafantrages in Zukunft zu ungunsten des Betroffenen ausnutzen, aber auch zum anderen aus der Sorge, ein an sich gutes Arbeits- und Betriebsklima durch eine Anzeige zu verschlechtern.934 In vielen Fällen finden die Betroffenen daher erst dann den Mut, gegen den Mobbenden rechtliche Schritte einzuleiten, wenn sie dem konkreten Arbeitsumfeld nicht mehr angehören und sich ihr angeschlagenes Selbstwertgefühl und ihre psychische Konstitution stabilisiert haben.935 Zu diesem Zeitpunkt ist es aber im Hinblick auf die Einhaltung der Antragsfrist und einer damit verbundenen Verurteilung des Mobbenden oftmals bereits zu spät.

930 931 932 933 934 935

Siehe Nr. 234 RiStBV; Lackner/Kühl, § 230 Rn. 4; Sch/Sch-Stree, § 230 Rn. 6. Esser/Wolmerath, S. 216 f.; Wolmerath, Rn. 104. Esser/Wolmerath, S. 217; Wolmerath, Rn. 104. Wolmerath, Rn. 104. Siehe dazu auch Schutzbach, S. 12. Wolmerath, Rn. 104.

C. Verfahrensrechtliche Besonderheiten

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III. Verjährung Da sich das Mobbinggeschehen im Durchschnitt über 16 Monate erstreckt936 und sich die Betroffenen aufgrund der dargestellten arbeitsplatztechnischen und psychischen Barrieren in Einzelfällen erst nach Beendigung des Mobbinggeschehens und einer sich daran anschließenden Erholungsphase für ein rechtliches Vorgehen entscheiden, besteht abhängig vom relevanten Straftatbestand eine nicht unbeachtliche Verjährungsgefahr. Vor allem bei der Beleidigung und der Verleumdung ist die Gefahr der Verjährung am höchsten, weil deren Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB nur drei Jahre beträgt und die Verjährungszeit ab dem Tatzeitpunkt, unabhängig davon, ob der Betroffene von der Tat Kenntnis hat, zu laufen beginnt. Bei der üblen Nachrede kommt die Gefahr hinzu, dass der Betroffene zum Beispiel erst zu spät erfährt, wer das Gerücht, das Teil oder Auslöser des Mobbinggeschehens war, geäußert oder verbreitet hat, weil die Mobbenden oftmals – um nicht erkannt zu werden – versteckt vorgehen.937 Die (fahrlässige) Körperverletzung (im Amt), die (Sexuelle) Nötigung, die Verleumdung, der Diebstahl und die Sachbeschädigung dagegen verjähren gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB erst nach fünf Jahren, so dass die Verjährungsgefahr zwar auch besteht, aber geringer ist als bei den Beleidigungsdelikten.

IV. Beweisschwierigkeiten Neben spezielleren Beweisschwierigkeiten, namentlich der Nachweisbarkeit der Kausalität der Mobbingangriffe für den Körperverletzungserfolg, auf die bereits hingewiesen wurde, bestehen darüber hinaus, wie sich in der Praxis an den arbeitsgerichtlichen Verfahren938, die einen Mobbingsachverhalt zum Gegenstand haben, bereits zeigt, erhebliche Schwierigkeiten, dem Mobbenden das vorgeworfene Handeln überhaupt nachzuweisen. Diese Beweisschwierigkeiten werden auch in einem Strafverfahren auftreten, so dass im Ergebnis eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden nicht selten entfallen wird, weil ihm das vorgeworfene, strafrechtlich relevante Verhalten nicht nachgewiesen werden kann. Die Beweisschwierigkeiten begründen sich zumeist darin, dass die meisten Mobbingangriffe bewusst im Verborgenen oder unter Ausnutzung günstiger 936 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 51. Ein ähnliches Ergebnis wurde in Schweden mit einer Durchschnittsmobbingdauer von 15 Monaten erreicht: Leymann (1993), S. 84. Siehe auch die Übersicht von verschiedenen Studien für Deutschland bei Zapf, ZfAO 1999, S. 6, wo teilweise Ergebnisse bis zu 40 Monaten Durchschnittsmobbingdauer erreicht werden. 937 Wolmerath, Rn. 34, 105. 938 LAG Thüringen BB 2001, S. 1360; LAG Hamm NZA-RR 2003, S. 8 ff.; LAG Berlin vom 07.11.2002, Az.: 16 Sa 938/02; Wolmerath, Rn. 105, 126, 167.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Situationen vorgenommen werden, in denen keine Zeugen zugegen sind oder keine anderen Beweismöglichkeiten vorliegen.939 Ferner werden häufig potentielle Zeugen aus Angst vor schwerwiegenden Konsequenzen, wie dem Verlust des Arbeitsplatzes, wenn es um eine Aussage gegen den Vorgesetzten bzw. Arbeitgeber geht, oder, weil sie dem Lager des Mobbenden angehören, als nützliche Zeugen nicht zur Verfügung stehen oder sich nicht finden lassen.940 Hinzu kommt, dass das Mobbinggeschehen oftmals über einen sehr langen Zeitraum, meist über Jahre hinweg, andauert und der Betroffene, der im Strafverfahren oftmals Zeuge sein wird, währenddessen noch nicht den Gedanken in sich trägt, gegen den Mobbenden rechtliche Schritte einzuleiten, so dass er auch nicht darauf achtet, mögliche später nützliche Beweismittel wie Urkunden, beleidigende E-Mails sicherzustellen und aufzubewahren, Zeugen zu bitten, sich Notizen über das Geschehen zu machen oder selbst kein Tagebuch über die Mobbingangriffe führt.941 Wie bereits dargelegt, ergeben sich darüber hinaus im Zusammenhang mit den Körperverletzungsdelikten Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des Nachweises, dass die psychischen oder psychosomatischen krankhaften Beschwerden auf das Verhalten des Mobbenden zurückzuführen sind. Diese begründen sich darin, dass Mobbing ein Prozess ist, der sich unter Umständen über Jahre hinweg zieht und aus einer Vielzahl einzelner Mobbinghandlungen besteht, die Schritt für Schritt zu der irgendwann ausbrechenden Erkrankung führen. Ob aber letztendlich die Schikanehandlung des Mobbenden „das Fass zum Überlaufen“ gebracht hat oder ein anderes Geschehen, oder welcher der vielen Mobbingangriffe die Gesundheitsbeeinträchtigung oder die Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens hervorgerufen hat, wird in einigen Fällen schwer nachzuweisen sein.942

V. Ergebnis Im Hinblick auf die strafverfahrensrechtliche Beurteilung von Mobbing ist im Ergebnis festzuhalten, dass die besonderen Umstände, in die eine Straftat als Teil eines Mobbinggeschehens eingebettet ist, zu erheblichen strafprozessualen Schwierigkeiten führen können. Diese konzentrieren sich neben erheblichen Beweisschwierigkeiten unter anderem auf die im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen sehr häufig verwirklichten Körperverletzungs- und Beleidigungs939 Bochmann, ZBR 2003, S. 264; Gamerschlag/Perband, VersR 2002, S. 290; Wittinger/Hermann, ZBR 2002, S. 341; Wolmerath, Rn. 105, 167. 940 Bochmann, ZBR 2003, S. 264; Däubler in Leymann, S. 85 ff.; Gamerschlag/ Perband, VersR 2002, S. 290; Wittinger/Hermann, ZBR 2002, S. 341; Wolmerath, Rn. 105. 941 Wolmerath, Rn. 168. 942 Wolmerath, Rn. 167; vgl. auch die Ausführungen in diesem Kapitel B. II. 4. c).

D. Besonderheiten der Strafzumessung bei Verurteilung

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delikte, da diese Delikte das Vorliegen eines Strafantrages erfordern und als Privatklagedelikte ausgestaltet sind. Die Länge des Mobbingprozesses, während dessen der Betroffene oftmals eine psychologische Barriere in sich trägt, die sich aus der Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren oder innerhalb der Arbeitsgemeinschaft als Außenseiter zu gelten, mitbegründet wird, und die oftmals mobbingbedingte psychische Instabilität, welche dem Betroffenen Kraft, Selbstbewusstsein und Mut nimmt, führen dazu, dass strafrechtliche Schritte im Hinblick auf die Einhaltung der notwendigen Antrags- und Verjährungsfrist zu spät eingeschlagen werden. Wird der Strafantrag rechtzeitig gestellt, steht einer Verurteilung wegen einzelner Delikte deren gesetzliche Ausgestaltung als Privatklagedelikte entgegen, weil das öffentliche Interesse von der Staatsanwaltschaft sehr restriktiv bejaht wird. Zudem sind die Erfolgsaussichten des Privatklageverfahrens im Allgemeinen sehr gering und das Kostenrisiko ist für den Betroffenen daher entsprechend hoch. In der Regel wird der Betroffene daher den Weg des risikoärmeren Zivilverfahrens vorziehen. Das auf materiellrechtlicher Ebene erzielte Ergebnis, nach dem durchaus strafrechtliche Ahndungen mobbingtypischen Verhaltens möglich sind,943 wird damit durch die einer Verurteilung entgegenstehenden prozessualen Hindernisse relativiert, die insbesondere in der Aussichtlosigkeit des Privatklageverfahrens und der Verfristung des Strafantrages zu erblicken sind.

D. Besonderheiten der Strafzumessung bei Verurteilung des Mobbenden I. Einleitung Kommt es trotz aller materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Hindernisse zu einer Verurteilung des Mobbenden, ergibt sich auf der Ebene der Strafzumessung mit § 46 StGB die Möglichkeit, dem Gesamtgeschehen Mobbing bei der strafrechtlichen Bewertung mittelbar Rechnung zu tragen, wenn die einzelne Straftat Bestandteil dieses Mobbingprozesses ist. Gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 StGB wägt das Gericht bei der Strafenzumessung alle Umstände gegeneinander ab, die für und gegen den Täter sprechen. Dabei ist das Gesamtbild aller Gesichtspunkte zu berücksichtigen und die Rechtsfolge mittels eines tatrichterlichen Abwägungsvorgangs zu bestimmen.944 Der Richter ist dabei nicht gehalten, sich von einer formalen, schematischen Betrachtungsweise leiten zu lassen, sondern die Umstände des Einzelfalls entsprechend zu würdigen.945 Grundlage der Straf943 Vgl. insoweit die Ausführungen im Zweiten Kapitel B. II. 7.; III. 5.; IV. 7.; V. 6.; VI. 5.; VII. 9.; E. 944 BGHSt 28, S. 318 ff. (319); MK-Franke, § 46 Rn. 19; Sch/Sch-Stree, § 46 Rn. 6.

276

2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

zumessung sind nach der Rechtsprechung946 die Schwere der Tat in ihrer Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung und der Grad der persönlichen Schuld des Täters. Soweit das Mobbinggeschehen – was oftmals anzunehmen sein wird – wegen seiner engen Beziehung zur Tat Rückschlüsse auf deren Unrechtsgehalt oder die innere Einstellung des Täters gewährt oder sonst als tatrelevant anzuerkennen ist, kann es danach als Umstand, der außerhalb des eigentlichen Tatgeschehens liegt, bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden und damit rechtliche Relevanz erlangen.947 Bei Einbeziehung des Gesamtgeschehens Mobbing, in welches die einzelne Straftat, beispielsweise eine Beleidigung, eingebettet ist, kann daher für die Strafzumessungsentscheidung ausschlaggebend sein, dass diese nicht nur zufällig und einmalig dem Täter entwichen, sondern vielmehr die einzelne Straftat Ausdruck einer schlechten Gesinnung des Täters gegenüber dem Betroffenen ist und einem systematischen bewussten Vorgehen entspringt, das diesem zum Nachteil angerechnet werden könnte.

II. Beweggründe des Täters § 46 Abs. 2 S. 2 StGB zählt explizit die Ziele und die Motive des Täters als Gesichtspunkte auf, die bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden müssen. Damit sind alle Ursachen und Anreize für die Tat sowie Motive im weitesten Sinne gemeint.948 Zum Nachteil des Täters werden die Beweggründe angerechnet, wenn sie nach Überzeugung des Richters den sozialethischen oder sittlichen Werten widersprechen.949 Indem die einzelne Straftat Teil des gesamten Mobbinggeschehens ist, werden beide in der Regel mit derselben Motivation vorgenommen. Das Mobbinggeschehen ist oftmals Teil der Karrierestrategie und findet seinen Grund in vielen Fällen im Konkurrenzdenken des Mobbenden und dem daraus resultierenden Zweck, den anderen auf dem eigenen Weg der Karriere als bestehendes Hindernis zu entfernen oder „kaltzustellen“.950 Der Mobbende handelt insoweit regelmäßig aus reinem Egoismus oder Eigennutz in Form von Streben nach beruflichem Erfolg heraus, was ihm als strafschärfender Beweggrund zur Last zu legen ist, weil diese mobbingmotivierenden Faktoren mit den sozialethischen und sittlichen Werten der Gesellschaft nicht vereinbar sind.951 945

MK-Franke, § 46 Rn. 31. Grundlegend BGHSt 20, S. 264 ff. (266). 947 Vgl. BGHSt 5, S. 124 (132); 17, S. 143 ff.; MK-Franke, § 46 Rn. 68; Sch/SchStree, § 46 Rn. 9; Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 23 ff. 948 LK-Gribbohm, § 46 Rn. 75 ff.; MK-Franke, § 46 Rn. 25. 949 LK-Gribbohm, § 46 Rn. 75; Sch/Sch-Stree, § 46 Rn. 13. 950 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118 f.; siehe ferner die Ausführungen im Ersten Kapitel B. III. 1. 946

D. Besonderheiten der Strafzumessung bei Verurteilung

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Das Gleiche gilt, wenn der Mobbende – wie sehr oft – aus Neid heraus handelt.952 Ferner wirkt es sich strafschärfend aus, wenn der Mobbende finanzielle Vorteile auf Kosten eines anderen anstrebt.953 Das liegt vor allem dann nahe, wenn der Mobbende – wie sehr oft, wenn die Mobbingangriffe vom Vorgesetzten oder Arbeitgeber ausgehen – das Ziel verfolgt, den Betroffenen zur Selbstkündigung zu bewegen, um Abfindungen oder langwierige und teure Kündigungsprozesse zu vermeiden. Im „Münchner Polizistinnenfall“954 hat der Vorgesetzte die Polizistin aus frauenfeindlichen Motiven heraus gemobbt, weil er der Auffassung war, dass die Polizei „Männersache“ sei und Frauen nicht für diesen Beruf geeignet seien. Auch dieses Motiv wäre innerhalb der Strafzumessung als Strafschärfungsgrund zu berücksichtigen, weil in der heutigen Zeit die sozialethischen Vorstellungen die Gleichberechtigung der Frau in sich aufnehmen und frauenabwertendes Verhalten nicht mehr akzeptiert wird.

III. Außertatbestandliche Folgen Neben den Beweggründen können auf der Ebene der Strafzumessung außertatbestandlich erlittene Nachteile des Betroffenen bei der richterlichen Ermessensentscheidung zum Ansatz gebracht werden, soweit sie für den Täter vorhersehbar waren.955 Dabei sind nicht nur materielle oder körperliche Nachteile zu berücksichtigen, sondern auch immaterielle in Form seelischer und ideeller Folgen.956 Dieser Strafzumessungsgesichtspunkt spielt bei einer Straftat, die Teil eines Mobbinggeschehens ist, eine große Rolle, weil Mobbing in vielen Fällen außertatbestandliche Folgen mit sich bringt, die oftmals für den Betroffenen schwerwiegender sind, als die mit dem Mobbing verbundenen Beeinträchtigungen strafrechtlich geschützter Interessen. Besondere Hervorhebung verdienen insoweit mobbingspezifische Beeinträchtigungen des Betroffenen auf beruflicher und wirtschaftlicher Ebene und seiner damit einhergehenden sozialen Existenz.957 Nach der bundesweiten Repräsentativstudie über Mobbing hat das Mobbinggeschehen lediglich für 20 Prozent der Betroffenen keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis.958 In 50 Prozent der Mobbingfälle 951 Vgl. BGH NJW 1966, S. 788; siehe auch BGH GA 1979, S. 59; LK-Gribbohm, § 46 Rn. 76; Sch/Sch-Stree, § 46 Rn. 13; Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 27. 952 Sch/Sch-Stree, § 46 Rn. 13. 953 Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 27; siehe dazu auch BGH GA 1979, S. 59. 954 Erstes Kapitel A. II. 1. b). 955 BGHSt 37, S. 179 ff. (180); BGHR StGB § 46 Abs. 2 „Tatauswirkungen“ 1–4; BGH NStZ 1986, S. 85 (86); Lackner/Kühl, § 46 Rn. 34; LK-Gribbohm, § 46 Rn. 142; Sch/Sch-Stree, § 46 Rn. 19; SK-Horn, § 46 Rn. 107 ff.; Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 34. 956 MK-Franke, § 46 Rn. 38; Sch/Sch-Stree, § 46 Rn. 19. 957 Sch/Sch-Stree, § 46 Rn. 19; Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 34. 958 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 78 ff.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

gipfelt das Mobbinggeschehen im Ausschluss vom Arbeitsplatz oder sogar aus der Arbeitswelt aufgrund zwangsweiser Versetzung (5,5 Prozent), freiwilligen Arbeitsplatzwechsels innerhalb des Betriebs (30 Prozent), Eigenkündigung (22,5 Prozent), Fremdkündigung (15 Prozent) Erwerbsunfähigkeit oder Frührente (7 Prozent).959 In etwa 11 Prozent der Fälle führt der Mobbingprozess sogar in die Arbeitslosigkeit. Sind diese außertatbestandlichen Folgen auf das strafbare Verhalten des Mobbenden zurückzuführen und waren sie für ihn zumindest in ihren wesentlichen Zügen vorhersehbar, können sie dem Mobbenden auf der Ebene der Strafzumessung nachteilig anzurechnen sein. Als strafschärfend aufgrund der für den Betroffenen eingetretenen Folge wäre daher beispielsweise der Fall zu beurteilen, in dem der Täter behauptet, dass der Betroffene etwas gestohlen habe und diesem daraufhin gekündigt wird. In demselben Maße können bei der Strafzumessung auch Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens, die nicht unter den Körperverletzungstatbestand fallen, Berücksichtigung finden, so dass die durch Mobbing regelmäßig hervorgerufene psychisch-seelische Belastung, auch wenn sie den Grad einer Gesundheitsschädigung noch nicht erreicht, in geringem Maße strafrechtliche Berücksichtigung erlangen kann.960

IV. Berufliche Folgen für den Mobbenden Auf Strafzumessungsebene sind nicht nur die nachteiligen außertatbestandlichen Folgen für den Betroffenen zu berücksichtigen, sondern auf der Ebene der Strafmilderung gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 StGB auch die Folgen für das zukünftige Leben des Täters. Im Zusammenhang mit einer Straftat, die Teil eines Mobbinggeschehens am Arbeitsplatz ist, ist insoweit daran zu denken, dass der Täter arbeitsrechtliche Konsequenzen tragen muss und diese für ihn zu einem erheblichen Einschnitt in sein berufliches Leben führen können. Der bundesweiten Repräsentativstudie über Mobbing zufolge wurden elf Prozent der Mobbenden als Reaktion auf das Mobbinggeschehen versetzt und acht Prozent gekündigt.961 Mobbing und die damit verbundenen Straftaten können nach der heutigen Rechtsprechung eine fristlose Kündigung rechtfertigen.962 Beleidigungen von Arbeitskollegen und Tätlichkeiten bzw. Körperverletzungen, Diebstähle und Unterschlagungen im Betrieb rechtfertigen regelmäßig eine Kündigung.963

959 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 78, 80; Zapf, ZfAO 1999, S. 20; siehe auch Hirigoyen, S. 129. 960 BGHR StGB § 46 Abs. 2 „Tatauswirkungen“ 3, 7; MK-Franke, § 46 Rn. 70; Sch/Sch-Stree, § 46 Rn. 19; Tröndle/Fischer, § 46 Rn. 34. 961 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 91. 962 LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577 f.; BAG NZA 2004, S. 919. 963 Schaub, § 130 Rn. 32 f.; 62 ff.; Aigner, DB 1991, S. 596 ff.

E. Endergebnis

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Ist der Mobbende Beamter, sind die zwingend beamtenrechtlichen Disziplinarmaßnahmen oder sonstigen Nachteile aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts, wobei der Verlust der Beamtenstellung im Vordergrund steht, zu berücksichtigen. Wird dem Mobbenden daher aufgrund seines strafrechtlichen Verhaltens bzw. der Verurteilung gekündigt oder wird er zu seinen Ungunsten versetzt, können ihm diese beruflichen Nachteile strafmildernd angerechnet werden.964

V. Ergebnis Kommt es zur Verurteilung des Mobbenden, besteht die Möglichkeit, auf Strafzumessungsebene das Gesamtgeschehen Mobbing und dessen außertatbestandliche Folgen für den Betroffenen in die Bewertung bei der Festsetzung der Strafe einfließen zu lassen, weil die Straftat Teil des Gesamtgeschehens Mobbing ist. Insoweit kann den erhöhten psychischen Belastungen des Betroffenen, den Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis, dem systematischen Gesamtgeschehen und den verwerflichen Zielen des Mobbenden teilweise Rechnung getragen werden. Die Strafe für den Mobbenden kann dabei – bei Außerachtlassung anderer Strafzumessungsgründe – höher ausfallen als bei einem Täter, der dieselbe Straftat vornimmt, diese aber nicht Teil eines Mobbinggeschehens ist. Trotz der auf der Strafzumessungsebene bestehenden Möglichkeit, die Besonderheiten des Mobbinggeschehens teilweise in die strafrechtliche Würdigung einfließen zu lassen, muss freilich der einschlägige Straftatbestand immer die primäre Würdigungsgrundlage bleiben.

E. Endergebnis Als Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage nach der Strafbarkeit des Mobbenden nach geltendem Recht ergibt sich, dass dieser gegenwärtig nicht davor bewahrt wird, sich durch sein Verhalten der Gefahr auszusetzen, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Es kommen nahezu alle Individualdelikte bei der allgemeinen strafrechtlichen Beurteilung von Mobbing in Betracht. Doch ist der gegenwärtige strafrechtliche Schutz in der Praxis sehr eingeschränkt. Lässt sich das Verhalten des Mobbenden unter die strafrechtlichen Tatbestände fassen, stehen verfahrensrechtliche Hürden und Beweisschwierigkeiten einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Mobbenden in vielen Fällen entgegen.

964 BGHSt 35, S. 148; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 2, 5; BGH NStZ 1996, S. 539.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Zu den wichtigsten in der Praxis vorkommenden Delikte im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen gehören die Körperverletzungsdelikte (§§ 223 ff. StGB), die Beleidigungsdelikte (§§ 185 ff. StGB) und die Nötigung (§ 240 StGB). Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden ist zum einen darauf zurückzuführen, dass dieser für seine Mobbingangriffe auf Verhaltensweisen zurückgreift, die unabhängig von dem Gesamtgeschehen einen Straftatbestand verwirklichen. Darunter zählen vor allem Mobbingangriffe, die den Tatbestand der Beleidigung, Verleumdung oder üblen Nachrede verwirklichen. Zum anderen kennzeichnen sich Mobbingsachverhalte oftmals dadurch, dass nicht die einzelne Tat, sondern die Gesamtheit eines langfristigen, aufeinander aufbauenden und fortgesetzten Handelns – vor allem im Hinblick auf die Körperverletzungsdelikte und die Nötigung – zur Rechtsgutsverletzung beim Betroffenen führt. Insoweit muss bei Beurteilung der einzelnen Mobbingangriffe auf ihre strafrechtliche Relevanz und Tatbestandsmäßigkeit hin der Gesamtkontext, in den sich diese eingliedern, Berücksichtigung finden. Im Rahmen der strafrechtlichen Untersuchungen hinsichtlich der Körperverletzungsdelikte konnte zunächst festgestellt werden, dass die psychische Gesundheit, die oftmals im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen beeinträchtigt wird, entgegen der heutigen Rechtsprechung vom Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte umfasst ist, so dass der Mobbende sich nicht nur für die mobbingbedingten psychosomatischen Auswirkungen, sondern auch für die von ihm hervorgerufenen pathologischen psychischen Störungen des Betroffenen zu verantworten hat. In einigen Mobbingkonstellationen, die sich vor allem durch unhöfliches, die allgemeinen zwischenmenschlichen Konventionen nicht einhaltendes gesellschaftliches Ausgrenzungsverhalten kennzeichnen, liegen die Einzelhandlungen oftmals im sozial üblichen Rahmen und schaffen für sich genommen keine rechtlich missbilligte Gefahr. Um der Beharrlichkeit des Angriffsverhaltens Rechnung zu tragen und um zu vermeiden, dass durch eine Einzelbetrachtung der Mobbingangriffe unberechtigte Schutzlücken entstehen, ist es notwendig, die einzelnen Mobbingangriffe auf ihre rechtliche Relevanz hin im Gefüge des Gesamtgeschehens zu beurteilen, so dass unter Umständen ein Mobbingangriff vor dem Hintergrund des Gesamtgeschehens seinen eigentlich sozial üblichen, von der allgemeinen Handlungsfreiheit gedeckten Charakter verlieren und dadurch rechtliche Relevanz erlangen kann, indem er sich als Fortsetzung einer gesteuerten Ablehnung darstellt, die dem Betroffenen das unentbehrliche normale Miteinander im Arbeitsumfeld entzieht, einen Charakter systematisch betriebener Schikane einnimmt und dadurch zu einem unerträglichen Arbeitsklima führt. Obgleich das Verhalten des Mobbenden, sei es auch erst mit zunehmender Dauer des Mobbingprozesses, in vielen Fällen im Hinblick auf die Körperver-

E. Endergebnis

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letzung strafbewehrtes objektives Unrecht darstellt, hat sich der Mobbende oftmals dennoch nicht wegen der durch sein Verhalten hervorgerufenen Folgen für die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden des Betroffenen strafrechtlich zu verantworten. Eine Strafbarkeit des Mobbenden wegen vorsätzlicher Körperverletzung scheitert überwiegend am nicht vorliegenden bzw. nicht nachweisbaren Körperverletzungsvorsatz, weil der Mobbende grundsätzlich andere Ziele verfolgt, als den Betroffenen in seinem körperlichen Wohlbefinden oder der Gesundheit zu schädigen oder die durch sein Verhalten hervorgerufene Gefahr für die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden nicht erkennt. Auch wird sich der Mobbende wegen fahrlässiger Körperverletzung eher selten strafbar machen, weil für ihn im Zeitpunkt der Vornahme des Mobbingangriffs – vor allem am Beginn des Mobbinggeschehens – der Körperverletzungserfolg und der zu diesem hinführende Kausalverlauf den Umständen nach nicht vorhersehbar waren. Durch das Voranschreiten des Mobbinggeschehens können sich aber die Umstände ändern und kann mit Berücksichtigung des bereits vollzogenen Mobbinggeschehens abhängig von dessen Dauer und der Art und Weise der Mobbingangriffe die Vorhersehbarkeit des Körperverletzungserfolgs im Zeitpunkt der Vornahme des erneuten Mobbingangriffs in Einzelfällen zu bejahen sein. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung von Mobbing im Hinblick auf die rechtliche Relevanz der Beleidigungsdelikte wird häufig der einzelne Mobbingangriff unabhängig vom Gesamtgeschehen im Mittelpunkt stehen, weil sich nicht selten Mobbingangriffe finden lassen, die, im Gegensatz zu den Körperverletzungsdelikten, oftmals bereits für sich und unabhängig davon, dass sie Teil eines Mobbinggeschehens sind, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Beleidigung, Verleumdung oder üblen Nachrede erfüllen. Obwohl die Mobbenden oftmals ein bestimmtes Verhalten des Betroffenen erzwingen wollen, namentlich die Aufgabe des Arbeitsplatzes, wird die Relevanz der Nötigung bei der rechtlichen Beurteilung des Mobbinggeschehens eher geringer sein, weil die Mobbenden relativ selten von unmittelbarer Gewalt oder Drohungen Gebrauch machen. Gewalt kann unter Umständen aber auch dann vorliegen, wenn sich die psychische Zwangslage des Betroffenen in psychosomatische Beschwerden wandelt. Vereinzelt kann sich aber auch aus dem bereits erfolgten Mobbinggeschehen aufgrund der erkennbaren Wiederholung, Systematik und Beharrlichkeit des Verhaltens des Mobbenden, aus der erneuten Vornahme eines Mobbingangriffs eine Drohung entnehmen lassen, die einem empfindlichen Übel entsprechenden Mobbingangriffe in Zukunft fortzusetzen. Endet das Mobbinggeschehen mit dem Suizid des Betroffenen, wird sich der Mobbende, obgleich der Suizidentschluss häufig nicht freiverantwortlich getroffen wird, nur in Ausnahmefällen für diesen strafrechtlich zu verantworten haben, weil er nicht mit Tötungsvorsatz handelte oder die suizidalen Absichten des Betroffenen für ihn nicht erkennbar und daher der Suizid nicht vorhersehbar war.

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2. Kap.: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Mobbenden

Die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der nicht am Mobbinggeschehen unmittelbar Beteiligten, sondern derjenigen, die in das rechtsgutsverletzende bzw. -gefährdende Mobbinggeschehen nicht eingreifen und diesem deshalb freien Lauf lassen, führt zu dem Ergebnis, dass lediglich der Betriebsinhaber als Arbeitgeber bzw. der den Arbeitgeber vertretene Vorgesetzte strafrechtlich verantwortlich zu machen sind, wenn sie gegen die rechtsgutsverletzenden Mobbingangriffe nicht einschreiten bzw. diesen nicht vorbeugen. Kollegen und Betriebsratsmitglieder kommt dagegen keine Garantenstellung gegenüber dem Betroffenen zu, die sie zum Einschreiten verpflichten würde. Eine Pflicht zum Einschreiten wird sich vor allem auf präventive Maßnahmen beschränken, weil der Betriebsinhaber als Arbeitgeber und der mit arbeitgeberrechtlichen Befugnissen ausgestattete Vorgesetzte von den Mobbingangriffen oftmals keine unmittelbare Kenntnis erlangen. Strafbar wird sich der Betriebsinhaber bzw. der Vorgesetzte aber nur selten machen, weil er entweder nicht vorsätzlich seine Garantenpflicht verletzt oder die diese begründenden Umstände für ihn nicht erkennbar waren. Eine allgemeine Pflicht zur Vorbeugung vor Mobbing bzw. den dadurch hervorgerufenen Rechtsgutsgefährdungen ohne konkrete Anhaltspunkte für das Vorkommen im Unternehmen besteht nicht. Auf Strafzumessungsebene kann die Tatsache, dass der einzelne strafbare Mobbingangriff Teil einer systematisch betriebenen Angriffswelle ist und sich nicht nur als zufälliges vereinzeltes Ereignis darstellt, Berücksichtigung finden. Darüber hinaus können sowohl die mobbingtypischen und nicht als solche tatbestandlich relevanten Folgen – vor allem hinsichtlich des Arbeitsplatzes des Betroffenen – in die Strafzumessungsentscheidung einbezogen werden, als auch die vom Mobbenden verfolgten Ziele und verwerflichen Absichten. Selbst wenn der Mobbende durch sein Verhalten die materiellstrafrechtlichen Voraussetzungen verwirklicht, stehen einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit oftmals strafprozessuale Schwierigkeiten entgegen, da es sich bei vielen, typischerweise im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen relevanten Delikte um Privatklage- und/oder Antragsdelikte handelt. Eine Antragsfrist von drei Monaten als Verfahrensvoraussetzung ist im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen in vielen Fällen zu kurz, weil die besondere mobbingtypische Situation, welcher der Betroffene oftmals ausgesetzt ist, dazu führt, dass dieser sich erst zu spät entscheidet, rechtliche Schritte gegen den Mobbenden einzuleiten. Darüber hinaus werden die Betroffenen auf den in den meisten Fällen aussichtslosen Privatklageweg verwiesen, weil die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung in der Regel nicht bejaht. Nicht zuletzt stehen in der Praxis erhebliche Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des vom Betroffenen behaupteten Verhaltens und vor allem auch hinsichtlich der Kausalität dieses Verhaltens für den eingetretenen Erfolg – insbesondere des Körperverletzungserfolges – einer Verurteilung des Mobbenden in vielen Fällen entgegen.

Drittes Kapitel

Mobbing de lege ferenda A. Einleitung und Überlegungen zu einem mobbingspezifischen Straftatbestand Wie die Ausführungen im Zweiten Kapitel gezeigt haben, ist der Mobbende vor dem Strafrecht nicht gewahrt. Einzelne Mobbingangriffe, wenn auch teilweise erst unter Berücksichtigung des Gesamtgeschehens, in die sie eingebettet sind, können bereits heute durch das geltende Strafrecht geahndet werden. Die derzeitigen Straftatbestände offerieren die Möglichkeit, den Mobbenden unter bestimmten Umständen für die durch die Mobbingangriffe beeinträchtigten Interessen, wie die Ehre, das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Obgleich durch Mobbing in einigen Fällen tatbestandliches Unrecht verwirklicht wird, stehen einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Mobbenden letztendlich aber häufig verfahrensrechtliche und beweistechnische Hürden im Weg. Darüber hinaus ergab sich, dass die heutige Rechtsprechung die psychische Gesundheit, die durch Mobbing stark und typischerweise beeinträchtigt werden kann, nicht über die Körperverletzungsdelikte erfasst. Hinzu kommt, dass das Thema Mobbing und seine strafrechtliche Einordnung in die Rechtsprechung der Strafgerichte bisher nicht Einzug gehalten hat und es daher an einem Bewusstsein über den Bedarf und die Möglichkeit der strafrechtlichen Ahndung von Mobbingverhalten weitgehend fehlt. Dies liegt daran, dass es bisher im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen nur zu Anklagen kam, die Mobbingangriffe zum Gegenstand hatten, die bereits für sich einen Straftatbestand verwirklichen, und nicht das Gesamtgeschehen Mobbing als solches, bei dem erst das Zusammenwirken mehrerer Mobbingangriffe die Rechtsgutsverletzung herbeiführt. Daraus könnte sich schließen lassen, dass die Staatsanwaltschaft für das Thema Mobbing noch nicht genügend sensibilisiert ist. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass bisher kein Mobbender – so weit bekannt – wegen Körperverletzung oder Nötigung verurteilt wurde. Der Rechtsprechung liegen oftmals nur einzelne Teilaspekte des Mobbings zur Beurteilung vor, wie beispielsweise einzelne Beleidigungshandlungen. Sie kann daher nicht das systematische, fortwährende und über einen langen Zeitraum andauernde Angriffsverhalten des Mobbenden rechtlich beurteilen. Ob die

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

Staatsanwaltschaft dem Thema Mobbing in naher Zukunft offener gegenüberstehen und dann dort, wo es notwendig ist, bei der Bewertung der rechtlichen Relevanz der einzelnen Mobbingangriffe das Gesamtgeschehen, in das sich der einzelne Eingriff einreiht, berücksichtigen und diesem die nötige Aufmerksamkeit im konkreten Fall schenken wird, ist ungewiss. Das geltende Strafrecht bietet daher gegen die Erscheinungsformen des Mobbings nur eingeschränkten Schutz. Es existiert keine eigenständige Strafnorm, die einschlägiges Verhalten spezifisch als schweres, strafwürdiges Unrecht kennzeichnet und gerade die Sachverhalte erfasst, in denen das Opfer am Beginn einer möglichen Eskalationsspirale zwar schweren Belästigungen ausgesetzt ist, Straftatbestände nach dem geltenden Recht aber noch nicht erfüllt sind. Für sich allein genommen liegen die Mobbinghandlungen oftmals unterhalb der Strafbarkeitsschwelle. Erst ihre Langfristigkeit, ihre Wiederholung und ihr Kontext, in dem sie eingebettet sind, machen die Bedrohlichkeit für den Betroffenen aus. Der spezifische Unrechtsgehalt des für Mobbing typischen wiederholten Angriffsverhaltens, das zu erheblichen Rechtsgutsverletzungen führt, ist vom geltenden Strafrecht nicht ausreichend erfasst. Die geltende Rechtslage führt dazu, dass die Strafverfolgungsbehörde ihr Hauptaugenmerk auf die isolierte Betrachtung einzelner Handlungen richtet und das Gefährdungspotential derartiger Verhaltensmuster nicht selten unterschätzt. Es kann daher das Fazit gezogen werden, dass obgleich das heutige Strafrecht teilweise das Mobbinggeschehen als strafrechtliches Unrecht erfasst, der Mobbende sich nur selten tatsächlich strafrechtlich zu verantworten hat. Durch den gegenwärtigen eingeschränkten strafrechtlichen Schutz des Betroffenen wird diesem in vielen Fällen ein Gefühl der Hilflosigkeit vermittelt und die Gefahr hervorgerufen, das Vertrauen des Betroffenen und das Vertrauen der Rechtsgemeinschaft in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung nachhaltig zu erschüttern. Vor diesem Hintergrund soll nunmehr eine Auseinandersetzung folgen, in der die Frage erörtert wird, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, ein mobbingspezifischer Straftatbestand notwendig und sinnvoll erscheint oder außerstrafrechtliche gesetzliche Regelungen vorzugswürdig sind.

B. Die Gesetzeslage in der Europäischen Union I. Einführung Um zunächst einen Einblick zu erhalten, ob mobbingspezifische Gesetze tatsächlich ein geeignetes Mittel bzw. notwendig sind, um das Thema Mobbing rechtlich zu bewältigen und ob sich derartige Überlegungen realisieren lassen, soll zunächst rechtsvergleichend ein Blick auf andere Rechtsordnungen innerhalb der Europäischen Union geworfen werden. In den meisten Ländern der

B. Die Gesetzeslage in der Europäischen Union

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Europäischen Union ist die Diskussion um die Einführung mobbingspezifischer Gesetze nicht unbekannt. Die Haltung der einzelnen Gesetzgebungsorgane gegenüber diesem Thema ist sehr unterschiedlich. Überwiegend herrscht Zurückhaltung oder Gesetzesvorhaben befinden sich im Vorbereitungsstadium, so dass gesetzliche Normen, die speziell auf Mobbing ausgerichtet sind, gegenwärtig selten vorzufinden sind.1 Ausnahmen davon bilden Schweden und Frankreich, deren Gesetzeslage im Folgenden näher betrachtet werden soll, um mögliche Anstöße für einen erweiterten Mobbingrechtsschutz und gegebenenfalls für die Ausformung möglicher mobbingspezifischer Gesetze zu erhalten.

II. Schweden Schweden ist das erste Land in der Europäischen Union, das spezifische gesetzgebende Maßnahmen gegen Mobbing ergriff. Mit der am 31.03.1994 in Kraft getretenen Verordnung (AFS 1993:17) gegen „Victimization at Work“2 legt der schwedische Gesetzgeber den Schwerpunkt auf präventive Schutzmaßnahmen, die vorwiegend den Aufgabenbereich des Arbeitgebers betreffen und auf ein organisatorisches und kommunikatives Vorgehen des Arbeitgebers zur Verhinderung bzw. Beseitigung mobbingförderlicher Umstände am Arbeitsplatz ausgerichtet sind.3 In diesem Sinne ist der Arbeitgeber seither verpflichtet, gegen Mobbing im Betrieb anzukämpfen, deutlich zu machen, dass dieses im Betrieb nicht geduldet wird, betriebsorganisatorische und -politische Maßnahmen zu dessen Verhinderung zu ergreifen, mobbingförderliches Arbeitsklima und -umfeld zu verhindern bzw. zu beseitigen und schnelle Hilfe und Unterstützung im Falle von Mobbing zu leisten.4

III. Frankreich Im Gegensatz zu Schweden setzt der Gesetzgeber in Frankreich nicht nur auf präventiv ausgerichteten Schutz, sondern auch auf repressive Maßnahmen, um Mobbing in der Arbeitswelt entgegenzutreten. In Frankreich gibt es heute alle Beschäftigungsverhältnisse betreffende, weit reichende mobbingspezifische Schutzvorschriften im Arbeits-, Beamten- und Strafrecht. Durch das Gesetz Nr. 2002-73 vom 17.01.2002 über die soziale Modernisierung (loi de modernisation sociale) wurden mit dem Kapitel IV „Luttre contre le harcèlement moral 1 Siehe die Zusammenstellung der Rechtslage in den Ländern der Europäischen Union in dem Arbeitsdokument über Mobbing am Arbeitsplatz des Europäischen Parlaments: Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 15 ff.; ferner Kollmer, Rn. 183c ff. 2 Siehe Anhang 1. 3 Vgl. Wickler in Wickler, S. 51. 4 Siehe dazu auch Wickler in Wickler, S. 51.

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

au travaile“ (Kampf gegen seelische Belästigung (Mobbing)) mobbingspezifische Regelungen in das Strafgesetzbuch (code pénal), in das Arbeitsgesetzbuch (code du travail) und in das Gesetz über Rechte und Pflichten von Beamten (Loi portant droits et obligations des fonctionnaires, Nr. 83-634) eingeführt. 1. Strafrecht Mobbingspezifische strafrechtliche Regelungen finden sich mit Art. 222-33-2 code pénal sowohl im Strafgesetzbuch, als auch mit Art. 152-1-1 code du travaile im Arbeitsgesetzbuch. Gemäß Art. 222-33-2 code pénal wird Mobbing in Frankreich mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe bis zu 15.000 Euro bestraft.5 Bis auf die unterschiedliche Strafandrohung (ein Jahr Freiheitsstrafe, aber nur 3800 Euro Geldstrafe) und die Begrenzung des Opferkreises auf Arbeitnehmer weicht Art. 152-1-1 code du travail6 von dem Gesetzestext des Art. 222-33-2 code pénal nicht ab. Neben der Verhängung einer Geld- oder Freiheitsstrafe kann im Gegensatz zum Strafgericht das Arbeitsgericht gemäß Art. 152-1-1 code du travaile aber anordnen, dass das Urteil auf Kosten des Verurteilten in vom Gericht bezeichneten Zeitungen veröffentlicht wird, so dass dadurch der Mobbende zusätzlich beschwert werden kann.7 Obwohl es nahe liegt, gibt es im Gesetz Nr. 83-634 über die Pflichten und Rechte der Beamten zwar mit den Vorschriften des Arbeitsgesetzes inhaltsgleiche Regelungen über Mobbing, doch keinen mobbingspezifischen Straftatbestand, wie er sich mit Art. 152-1-1 code du travaile im Arbeitsrecht findet. Art. 6 Nr. 3 quinqies verweist im Fall von Mobbing lediglich auf Disziplinarstrafen. Mit Art. 222-33-2 code pénal und mit Art. 152-1-1 code du travail stellt der französische Gesetzgeber – vorausgesetzt der Mobbende ist Arbeitnehmer – folglich ein- und dasselbe Verhalten zweimal unter Strafe. Ist der Betroffene Arbeitnehmer, hat er in Frankreich daher die Wahlmöglichkeit vor dem Strafoder dem Arbeitsgericht Klage einzureichen.8 Beide Verfahren können auch nebeneinander betrieben werden.9 Das französische Verfassungsgericht10 bestätigte die Verfassungsmäßigkeit einer doppelten gesetzlichen Strafandrohung für einund dieselbe Tat unter der Bedingung, dass bei der Gesetzesanwendung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten wird, was nur dann der Fall sei, wenn die Gesamtstrafe nicht höher ausfällt, als die Höchststrafe einer der bei-

5 Art. 222-33-2 code pénal ist im 4. Teil B. I. abgedruckt und ins Deutsche übersetzt. 6 Veröffentlicht: http://www.legifrance.gouv.fr/WAspad/ListeCodes 7 Duvert, Éditions du Juris-Classeur 2003, fasc. 20 Rn. 55. 8 Duvert, Éditions du Juris-Classeur 2003, fasc. 20 Rn. 56. 9 Malabat, Rn. 483. 10 Décision nº2201-455 vom 12.01.2002.

B. Die Gesetzeslage in der Europäischen Union

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den Vorschriften. Im Hinblick auf die deutsche Gesetzgebungstechnik wäre eine derartige doppelte Strafandrohung in Deutschland aufgrund der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das Straf- und Arbeitsrecht ungewöhnlich und würde daher wohl als Redaktionsversehen eingeordnet werden. Ein mobbingspezifischer Straftatbestand würde in Anbetracht der heutigen Gesetzessystematik entweder im Strafgesetzbuch oder im Nebenstrafrecht Aufnahme finden, aber nicht in beiden. Im weiteren wird daher im Sinne der Einfachheit und weil dieser in seinem Anwendungsbereich weiter als Art. 152-1-1 code du travaile ist, nur noch auf Art. 222-33-2 code pénal eingegangen. Seit der Gesetzeseinführung erfolgte – so weit ersichtlich – noch keine Verurteilung. Eine Klage, welche auf eine erste mögliche Anwendung des Gesetzes und somit auf erste Anhaltspunkte zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale hoffen ließ, wurde vom TGI Paris (31º chambre correctionel) mit einem Urteil vom 25.10.2002 abgewiesen, weil der Arbeitgeber die vorgetragenen Vorwürfe im Wesentlichen widerlegen konnte.11 2. Arbeits- und Beamtenrecht Mit den mobbingspezifischen Regelungen im Arbeitsgesetzbuch und dem Gesetz über die Rechte und Pflichten von Beamten hat der französische Gesetzgeber der bereits praktizierten französischen zivil- und arbeitsrechtlichen Rechtsprechung, welche vor dem Erlass des französischen Anti-Mobbing-Gesetzes teilweise den Betroffenen nach den allgemeinen arbeits- und zivilrechtlichen Gesetzen Rechtsschutz zusprach, eine konkrete spezialgesetzliche Grundlage an die Hand gegeben. Mobbing ist nunmehr in Frankreich ein gesetzlich fundierter Ermahnungs-, Abmahnungs- und Kündigungsgrund. Ferner ist jegliche Ungleichbehandlung, Entlassung und Sanktion, die auf einem Mobbinggeschehen beruht, unwirksam. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber gemäß Art. 122-50 code du travail alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um Mobbing zu verhindern und die Arbeitnehmer davor zu schützen. Offen ist aber, worin diese Maßnahmen bestehen sollen. Als weitere Hilfsmaßnahme führte der Gesetzgeber mit Art. 122-54 code du travail ein Schlichtungsverfahren zwischen den am Mobbing beteiligten Personen ein. Im Gesetz Nr. 83-634 über die Pflichten und Rechte der Beamten befinden sich mit den Vorschriften des Arbeitsgesetzes inhaltsgleiche Regelungen und zudem wird in Art. 6 Nr. 3 quinqies für den Fall von Mobbing auf Disziplinarstrafen verwiesen. Besonders hervorzuheben ist, dass der französische Gesetzgeber den Beweisschwierigkeiten im Zivilprozess, die im Zusammenhang mit Mobbing für den Betroffenen auftreten,12 Rechnung getragen hat, indem er zum einen eine 11

Veröffentlicht in J.C.P. Entreprises et Affaires.

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

spezielle Beweislastregel mit Art. 122-52 code du travail und zum anderen einen Benachteiligungsschutz von Betroffenen oder Zeugen hinsichtlich des weiteren Vollzugs ihres Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses einführte.13 Die Beweislasterleichterung wurde aber kurze Zeit nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zu Lasten der Betroffenen wieder abgeändert. Nach der ersten Fassung des Gesetzes genügte es, dass der Kläger lediglich Umstände darlegt, die das Bestehen von Mobbing vermuten ließen.14 Seit der im Januar 2003 abgeänderten Fassung des Gesetzes muss er die mobbingbegründenden Umstände nunmehr auch eingehend glaubhaft machen („établir les faits“). Unverändert ist geblieben, dass in einem zweiten Schritt die Beweislast bei dem Angeklagten liegt, der zu seiner Entlastung beweisen muss, dass sein Verhalten kein Mobbing darstellt, sondern seine Entscheidung und sein Verhalten auf sachlichen Gründen beruht.15 3. Reaktionen auf die neue Gesetzeslage Das Anti-Mobbing-Gesetz stieß in Frankreich auf unterschiedliche Reaktionen. Während die Opferverbände es begrüßten, weil damit die Scheu, Klage einzureichen, sinke, äußerten sich vor allem die Arbeitgebervertretungen kritisch, weil die neuen Regelungen zu weit gingen, einen möglichen Missbrauch hervorriefen und das Arbeitsklima belasteten. Die Verfechter der Kritik am französischen Anti-Mobbing-Gesetz verweisen vor allem auf Studien, nach denen sich jeder dritte Arbeitnehmer als Mobbingopfer fühlt.16 In der rechtswissenschaftlichen Literatur ist vor allem die gesetzliche Umschreibung des Art. 222-33-2 code pénal17 auf Kritik gestoßen, weil sie zu komplex, schwer verständlich, kompliziert, zu unbestimmt sei und daher viele Unklarheiten hinsichtlich der Auslegung der Tatbestandsmerkmale mit sich bringe.18 Teilweise werden einzelne Tatbestandsmerkmale sogar als überflüssig oder als zu weit eingeordnet. Daher wird davon ausgegangen, dass die Rechtsprechung in erheblicher Weise gefordert sein wird, die einzelnen Tatbestandsmerkmale mit Inhalt zu füllen.19 Bereits bevor das erste Urteil ergangen ist, 12

Siehe dazu die Ausführungen im Zweiten Kapitel C. IV. Gruber, RdA 2002, S. 250; Veron, Droit pénal spécial, S. 60. 14 Siehe dazu Lapérou-Scheneider, droit social 2002, S. 318 f. 15 Vgl. zur alten Gesetzeslage Gruber, RdA 2002, S. 250; zur neuen Gesetzeslage: Art. 122-52 code du travaile; die Information der Regierung auf http://www.servicepublic.fr/accueil/loi_licenciement_eco.html. 16 Der Mobbingreport des Staatssekretariats für Wirtschaft in Bern, S. 31 fand heraus, dass 27,6 Prozent der Befragten sich selbst zu Mobbingopfern erklärten, obwohl sie nach der Leymannschen Definition keine sind. 17 Abgedruckt und übersetzt im Vierten Kapitel B. I. 18 Duvert, Éditions du Juris-Classeur 2003, fasc. 20 Rn. 6; Lapérou-Scheneider, droit social 2002, S. 313, 315 f.; Malabat, droit social 2003, S. 492; dies., Rn. 476. 19 Malabat, droit social 2003, S. 492. 13

C. Mobbing de lege ferenda in Deutschland

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sind daher die Diskussionen um die Auslegung der oftmals sehr unbestimmten Tatbestandsmerkmale entfacht. Bei der Durchsicht der noch in der Anzahl raren, aber zunehmenden französischen rechtswissenschaftlichen Abhandlungen zeigt sich eine große Unsicherheit hinsichtlich der rechtlichen Handhabung, Struktur und Auslegung des Art. 222-33-2 code pénal.20 4. Ergebnis Innerhalb der Europäischen Staaten herrscht überwiegend noch Zurückhaltung gegenüber mobbingspezifischen gesetzlichen Regelungen vor. Schweden und Frankreich bilden davon eine Ausnahme. Beide Länder bedienen sich aber unterschiedlicher Methoden, um gegen Mobbing anzukämpfen. Schweden setzt vorwiegend auf präventiven, Frankreich dagegen auch auf repressiven Schutz und gesetzliche Beweislasterleichterungen. Diese beiden unterschiedlichen Herangehensweisen der Gesetzgeber zeigen auf, dass nicht nur die Frage in den Raum gestellt werden darf, ob eine mobbingspezifische gesetzliche Regelung in Deutschland notwendig, sondern auch in welchem Umfang sie sinnvoll ist. Insbesondere wird aufgrund des Themas dieser Arbeit daher die Frage zu stellen sein, ob es, wie in Frankreich, eines Straftatbestandes bedarf oder ob effektiver Rechtsschutz bereits mit zivil-, arbeits- oder beamtenrechtlichen mobbingspezifischen gesetzlichen Regelungen erreicht werden kann.

C. Mobbing de lege ferenda in Deutschland I. Meinungsstand über die Einführung eines deutschen Anti-Mobbing-Gesetzes 1. Stellungnahmen innerhalb der Wissenschaft Die Diskussion um eine gesetzliche Regelung des Schutzes gegen Mobbing ist in der deutschen Wissenschaft nicht unbekannt. Zwar steckt sie noch in den Anfängen, doch lässt sich eine tendenzielle Zunahme der Stimmen, die sich zu dieser Frage äußern, erkennen.21 Überlegungen zu einem möglichen mobbingspezifischen Straftatbestand sind in diesem Rahmen aber selten zu finden. Allein Wolmerath und Wickler setzen sich mit dieser Frage näher auseinander und ste20 Vgl. dazu die Ausführungen von Daburon, RJS 8–9/02, S. 727; Duvert, Éditions du Juris-Classeur 2003, fasc. 20, Rn. 8 ff.; Malabat, Rn. 476. 21 Wickler in von Saldern, S. 133 ff.; ders., DB 2002, S. 477 ff. (484); ders., in Wickler, S. 23 ff.; Wolmerath, 1. Auflage, S. 294 ff, 301 ff.; Bennecke, NZA-RR 2003, S. 232; Bochmann, ZBR 2003, S. 266; Hirigoyen, 2002, S. 259 ff.; Wittinger/Hermann, ZBR 2002, S. 343.

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

hen einem mobbingspezifischen Straftatbestand ablehnend gegenüber.22 Wickler meint, dass eine konsequente zivil- oder sozialrechtliche Haftung des Mobbenden effektiver wäre, als ein komplizierter, im Einzelfall nur schwer oder gar nicht umsetzbarer Straftatbestand, wie er in Frankreich bestehe. Wolmerath befürchtet im Fall eines mobbingspezifischen Straftatbestandes, dass eine Verurteilung des Mobbenden dazu führen könnte, dass dieser zu subtileren und/oder in ihren Auswirkungen noch gefährlicheren Mobbinghandlungen greift, weil er sich durch das Urteil ungerecht behandelt fühlt.23 Im Wesentlichen bezieht sich die Debatte über mögliche mobbingspezifische gesetzliche Ergänzungen auf mobbingspezifische zivil- und arbeitsrechtliche, aber nur selten auf strafrechtliche Regelungen. In diesem Rahmen wird teilweise24 ein Anti-Mobbing-Gesetz für überflüssig erachtet, weil die bestehenden Gesetze genügenden Rechtsschutz gewährleisten würden, andererseits werden25 gesetzliche Maßnahmen im Sinne effektiven Rechtsschutzes für unabdingbar gehalten. Wolmerath26 und die Bundestagsfraktion der PDS27 haben bereits ausführliche Vorschläge für ein Anti-Mobbing-Gesetz erstellt. 2. Auffassung der Gesetzgebungsorgane Wie sich an dem im Jahre 2002 in Kraft getretenen Gewaltschutzgesetz, dem 1994 in Kraft getretenen Beschäftigtenschutzgesetz u. a. zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und den gegenwärtigen gesetzgeberischen Aktivitäten hinsichtlich der Einführung eines Stalkingstraftatbestandes28 zeigt, steht der Gesetzgeber modernen, die Gesellschaft in jüngerer Zeit berührenden Problematiken offen gegenüber und passt sich damit den geänderten gesellschaftlichen Bedürfnissen und Wertvorstellungen an. Das Bundesparlament und die Länderparlamente haben sich der Diskussion über ein Anti-Mobbing-Gesetz angenommen.29 Das Bundesministerium für Wirtschaft 22

Wickler in Wickler, S. 141; Wolmerath, 1. Auflage, S. 297. Wolmerath, 1. Auflage, S. 297. 24 Bochmann, ZBR 2003, S. 266; Maschner, Bundesarbeitsblatt 7–8/2002, S. 17; Wittinger/Hermann, ZBR 2002, S. 343. 25 Hirigoyen, S. 359 ff.; Wilhelm, AuA 1995, S. 236; siehe auch Wickler in von Saldern, S. 138 ff.; Wolmerath, 1. Auflage, S. 295 ff. 26 Wolmerath, 1. Auflage, S. 294 ff., 301 ff. 27 „Gesetz gegen psychische Belästigung am Arbeitsplatz (Psychoterror, Mobbing)“: Archiv Demokratischer Sozialismus (ADS), BT-13. WP – 255, Bl. 324–328. 28 Siehe dazu den Gesetzesantrag von Hessen BR-Drs. 551/04 und Schleswig-Holstein BR-Drs. 551/2/04; Gesetzesentwurf des Bundesrats BT-Drs. 15/5410; Gesetzesentwurf der Bundesregierung BR-Drs. 617/05; siehe auch Kerbein/Pröbsting, ZRP 2002, S. 7. 29 Siehe zum Standpunkt des deutschen Gesetzgebers und der Bundesregierung die Ausführungen bei Wolmerath, S. 44 ff. 23

C. Mobbing de lege ferenda in Deutschland

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und Arbeit steht einer spezifischen gesetzlichen Regelung von Mobbing aber ablehnend gegenüber.30 Ausdrücklich wird erklärt, dass ein Anti-Mobbing-Gesetz nicht geplant sei, weil die bestehenden gesetzlichen Regelungen genügten, Mobbing am Arbeitsplatz wirksam entgegenzuwirken.31 In Deutschland gibt es, nachdem 1997 ein Entwurf der PDS über ein „Gesetz gegen systematische psychische Belästigung am Arbeitsplatz (Psychoterror, Mobbing)“32 von der damaligen Außenstelle des Bundestages zu Recht für ungeeignet betrachtet wurde, daher keine weiteren konkreten Ansätze gesetzgeberischen Handelns. Mehrere Petitionen an den Bundestag für die Schaffung gesetzlicher Regelungen waren bisher erfolglos. Sie wurden von den jeweiligen Petitionsausschüssen mit der Begründung abgelehnt, dass das geltende Recht einen umfassenden und genügenden Schutz vor Mobbing gewährleiste und ein Mobbinggesetz lediglich symbolischen Charakter haben würde.33 Ein weiteres Petitionsverfahren, mit welchem im Hinblick auf die Mobbingprävention eine ungenügende Umsetzung der Arbeitsschutzrichtlinie 89/391/EWG gerügt wurde, war ebenfalls erfolglos. Der Bundestag war der Auffassung, dass der Arbeitgeber Mobbing bereits nach § 5 ArbSchG in seine Gefährdungsbeurteilung aufzunehmen habe und somit das ArbSchG bereits ein genügendes Mittel zur Begegnung der Gefahren im Zusammenhang mit Mobbing aufweise.34 Aber nicht nur auf Bundes- sondern auch auf Länderebene fand Mobbing bereits Einzug in die Parlamente. Bereits 1994 wurde im Landtag von BadenWürttemberg eine Große Anfrage über Psychostress und Psychoterror am Arbeitsplatz gestellt.35 Die Antwort der Landesregierung beinhaltete u. a. auch hier wieder die Feststellung, dass kein gesetzlicher Handlungsbedarf im Arbeitsvertragsrecht bestehe, weil die derzeitigen Möglichkeiten der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsräte zum Vorgehen gegen Mobbing genügten.36 Ebenfalls war 1999 ein vom SPD-Unterbezirk Rheingau-Taunus an den SPD-Bundesparteitag und von diesem an die SPD-Bundestagsfraktion überwiesener Antrag, ein Anti-Mobbing-Gesetz in den Bundestag einzubringen, nicht erfolgreich. Diesmal wurde aber nicht nur der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Bekämpfung von Mobbing ausreich30

Maschner, Bundesarbeitsblatt 7–8/2002, S. 17. Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf die Frage Nr. 27 nach der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung von Mobbing abgedruckt unter: http://www. bmwa.bund.de/bmwa/generator/Navigation/Arbeit/Arbeitsrecht/mobbing,did=20670.html. Siehe auch die Stellungnahme der parlamentarischen Staatssekretärin des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung: Maschner, Bundesarbeitsblatt 7–8/2002, S. 17. 32 Archiv Demokratischer Sozialismus (ADS), BT-13. WP – 255, Bl. 324–328. 33 BT-Drs. 14/5882 vom 09.05.2001. 34 BT-Drs. 14/8119. 35 LTBW-Drs. 11/4014 vom 13.05.1994. 36 LTBW-Drs. 11/4839 vom 24.10.1994, S. 24. 31

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

ten, sondern es wurde auch darauf hingewiesen, dass Mobbing aufgrund seiner vielfältigen und teilweise subtilen Erscheinungsformen mit rechtlichen Tatbestandsmerkmalen kaum fassbar und deshalb der Ausbau innerbetrieblicher Präventions- und Konfliktsteuerungsmaßnahmen einem mobbingspezifischen Gesetz vorzugswürdig sei.37 Ob die gegenwärtig ablehnende Haltung des Gesetzgebers gegenüber einem Anti-Mobbing-Gesetz aufrechterhalten werden kann, wird vor allem auch von der Haltung der Europäischen Union abhängen, die sich dem Thema Mobbing bereits widmete.38 In die Debatten des Europäischen Parlaments fand die Frage nach der Notwendigkeit einer EU-Richtlinie gegen Mobbing und Gewalt am Arbeitsplatz bereits Aufnahme.39 2001 legte der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments einen Bericht und einen Entschließungsantrag zu Mobbing am Arbeitsplatz vor.40 In diesem forderte die Kommission der Europäischen Gemeinschaft, langfristig systematisch und vorbeugend die Arbeitsumweltanstrengungen u. a. auch im Hinblick auf die Bekämpfung von Mobbing am Arbeitsplatz zu betonen, sich mit der Notwendigkeit einer Gesetzgebungsinitiative zu befassen und insbesondere eine Präzisierung und Erweiterung des Anwendungsbereichs der Rahmenrichtlinie über die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 89/391/EWG oder die Ausarbeitung einer neuen Rahmenrichtlinie als rechtliches Instrument zur Bekämpfung von Mobbing zu erwägen. 2003 beschloss die Kommission der Europäischen Gemeinschaft eine neue Strategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, die u. a. auch die Absicht umfasste, einen Vorschlag für eine Richtlinie über Mobbing und Gewalt am Arbeitsplatz auszuarbeiten.41 Würde eine solche Richtlinie tatsächlich geschaffen und würde sie die Mitgliedsstaaten verpflichten, gerichtlich durchsetzbare Individualrechtspositionen zu schaffen, käme der deutsche Gesetzgeber aufgrund seiner Pflicht, gemäß Art. 249 Abs. 3 EG alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das in der Richtlinie festgelegte Ziel zu verwirklichen, nicht mehr umhin, das durch die Richtlinie vorgegebene Schutzniveau zu gewährleisten, was möglicherweise nur mit mobbingspezifischen gesetzlichen Regelung erreicht werden könnte.42 Ob damit aber auch eine Pflicht zur Schaffung eines mobbingspezifischen Strafgesetzes bestünde, hinge von dem Inhalt der Richtlinie ab und ist eher zu bezweifeln.43 37

Siehe dazu Wickler in Wickler, S. 44. Siehe dazu ausführlich Kollmer, Rn. 183n ff.; Wickler in Wickler, S. 55. 39 Siehe dazu ausführlich Wickler in Wickler, S. 50; Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 24 ff.; Europa Journal, Ausgabe Nr. 178 vom 05.02.2002, S. 3; Ausgabe Nr. 182 vom 02.04.2002, S. 5; Kollmer, 183n ff. 40 Europäisches Parlament, Sitzungsdokument: a5-0283/2001, 2001, Berichterstatter: Jan Andersson. 41 Wickler in Wickler, S. 50 m. w. N. 42 Zur Pflicht aus Art. 249 III EG näher Streinz, Rudolf: Europarecht, 6. Auflage, 2003, Rn. 391 ff. 38

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II. Der heutige Schutz vor Mobbing durch außerstrafrechtliche Vorschriften 1. Außerstrafrechtlicher Schutz als Leitgesichtspunkt für die Frage nach strafrechtlichem Handlungsbedarf Um im Hinblick auf das ultima ratio Prinzip des Strafrechts44 die Frage beantworten zu können, ob gesetzlicher Handlungsbedarf besteht und ein mobbingspezifischer Straftatbestand tatsächlich notwendig ist oder ob dem Problem Mobbing vielmehr mit außerstrafrechtlichen Regelungen genügend begegnet werden kann, soll im Folgenden ein Einblick in die derzeitigen außerstrafrechtlichen Möglichkeiten gegeben werden, die das heutige Rechtssystem zum Schutz gegen Mobbing bietet. Die Behauptung der Legislativorgane und der Bundesregierung, dass die gesetzlichen Regelungen genügten, um ausreichenden Schutz vor Mobbing zu bieten, soll einer Überprüfung zugeführt werden, um zu erfahren, ob das Bedürfnis eines Anti-Mobbing-Gesetzes tatsächlich nicht besteht. Immerhin 59 Prozent der Betroffenen sprachen sich innerhalb der bundesweiten Repräsentativstudie über Mobbing für die Verabschiedung eines Anti-Mobbing-Gesetzes aus, als sie nach außerbetrieblichen Maßnahmen zur Bewältigung von Mobbing befragt wurden.45 Sollten die folgenden Ausführungen zu dem Ergebnis führen, dass der derzeitige zivil- und arbeitsrechtliche Schutz genügt, um Mobbing effektiv entgegenzuwirken, wäre diese Lösung der Schaffung eines mobbingspezifischen Straftatbestands im Hinblick auf das ultima ratio Prinzip vorzuziehen, so dass kein Handlungsbedarf für den Strafgesetzgeber bestünde. 2. Arbeits-, zivil- und beamtenrechtliche Folgen von Mobbing Findet sich vor 1997 kaum ein Gerichtsurteil oder eine Stellungnahme innerhalb des rechtwissenschaftlichen Schrifttums zum Thema Mobbing, kann man sich bei Betrachtung der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur innerhalb der letzen sieben Jahre mitunter nicht des Eindrucks erwehren, dass eine Art Mobbingära begonnen hat. Die Recherche zu den rechtlichen Folgen von 43 Siehe zur Diskussion über die Bindungswirkung von europäischen Richtlinien für den nationalen Strafgesetzgeber: Dannecker, Die Entwicklung des Strafrechts unter dem Einfluss des Gemeinschaftsrechts, Jura 1998, S. 79 (82); Göblinghoff, Die Verpflichtung des deutschen Gesetzgebers zum Schutz der Interessen der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 142; Siebert, Europäische Einigung und Europäisches Strafrecht, ZStW 103 (1991), S. 798 ff.; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, 2001, S. 472. 44 BVerfGE 39, S. 1 ff. (47); Roxin, AT I, § 2 Rn. 97; siehe dazu ausführlich und m. w. N. Appel, S. 404. 45 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 108.

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Mobbing führt bis Mitte der 90er Jahre nur zu vereinzelten Aufsätzen zu diesem Thema46. Dagegen findet sich heute eine große Anzahl an in den letzten Jahren erschienenen Aufsätzen, Fachbüchern47 und Dissertationen48, welche sich vorwiegend den arbeits-, zivil- oder sozialrechtlichen Folgen und Schutzmöglichkeiten gegen Mobbing widmen. Wie im Strafrecht gibt es auch im Arbeitsrecht keine mobbingspezifischen Rechtsvorschriften. Das deutsche Arbeits- und Zivilrecht knüpft im Hinblick auf die gewünschten Rechtsfolgen grundsätzlich nur an die Einzelhandlung an. Doch schenkt die Rechtsprechung vereinzelt dem Gesamtgeschehen Mobbing und den mit einem Mobbinggeschehen verbundenen besonderen Umständen, im Gegensatz zu den Strafgerichten, heute bereits ihre Aufmerksamkeit. Daher können nach Auffassung einer sich noch in der Minderheit befindenden Rechtsprechung nicht nur einzelne Mobbinghandlungen, sondern auch das Gesamtgeschehen Mobbing – auch ohne bestehende spezialgesetzliche Regelungen – Folgen nach den allgemeinen Vorschriften des Arbeits- und Zivilrechts nach sich ziehen.49 Das LAG Thüringen50 führt aus, dass die juristische Besonderheit des Begriffs Mobbing gerade darin liegt, „dass durch Zusammenfassung zu einem Gesamtkomplex der Rechtsanwendung Verhaltensweisen zugänglich gemacht werden, die bei isolierter Betrachtung der einzelnen Handlungen die tatbestandlichen Voraussetzungen von Anspruchs-, Gestaltungs- und Abwehrrechten nicht oder nicht in einem der Tragweite des Falles angemessenen Umfang erfüllen können“. Ein Teil der Rechtsprechung51 nimmt daher Abstand von einer isolierten rechtlichen Beurteilung der einzelnen Mobbinghandlungen und macht von einer Art globalen Beurteilung Gebrauch, um der Besonderheit von Mobbingsachverhalten – die Herbeiführung der Rechtsgutsverletzung nicht durch eine einzelne Handlung, sondern durch eine Gesamtheit von mehreren Handlungen – gerecht zu werden. Aufgrund fehlender spezialgesetzlicher Regelungen ist Mobbing im Gegensatz zu der rechtlichen Lage in Frankreich aber keine selbständige Rechtsgrundlage für Ansprüche gegen den Mobbenden oder den Arbeitgeber.52 Spezialge46 Um nur einige zu nennen: Däubler, BB 1995, S. 1347 ff.; Dieball, BB 1996, S. 483 f.; Gralka, BB 1995, S. 2651 ff.; Grunewald, NZA 1993, S. 1071 ff.; Hage/ Heilmann, BB 1998, S. 742 ff.; Wilhelm, AuA 1995, S. 234 ff. 47 Vgl. die Arbeiten von Esser/Wolmerath; Kollmer; Zuschlag; Wickler. 48 Siehe dazu Spamer und Wolmerath. 49 Siehe dazu die ausführlichen Arbeiten von Esser/Wolmerath, S. 207 ff.; Kollmer, Rn. 63a ff.; Wolmerath, Rn. 127 ff.; Benecke, NZA-RR 2003, S. 225 ff. 50 LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577. 51 LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577; LAG Thüringen BB 2001, 1358; vgl. auch LAG Baden-Württemberg Der Personalrat 2002, S. 9; LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, S. 121; weitere Nachweise finden sich bei Wickler in Wickler, S. 42 Fn. 164.

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setzliche Regelungen wie die §§ 611a BGB, 81 Abs. 3 SGB IX, die eine selbständige Anspruchsgrundlage für geschlechtsbezogene Benachteiligung und Benachteiligung Behinderter darstellen, können den notwendigen Schutz nicht bieten. Die rechtliche Behandlung setzt mangels gesetzlicher Regelungen deshalb am Einzelfall an und muss mit den herkömmlichen juristischen Tatbeständen unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs gelöst werden. Um Ansprüche und Rechte begründen zu können, müssen die Mobbingangriffe daher im konkreten Fall zu einer Verletzung geschützter Rechtsgüter oder als solche anerkannter Pflichten führen. Werden durch Mobbing die Gesundheit, der Körper, das Eigentum oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, hat der Betroffene aufgrund der allgemeinen Rechtsvorschriften Schadensersatz-, Schmerzensgeld-, Abwehr-, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche hinsichtlich der durch das Mobbing hervorgerufenen Rechtsverletzungen.53 Als Anspruchsgrundlagen kommen in der Praxis insbesondere §§ 823 Abs. 1 und 2, 826, 831, 253 Abs. 2 BGB und §§ 862, 1004 BGB analog in Betracht. Ist der Arbeitgeber der Mobbende oder unternimmt er gegen Mobbing seiner Beschäftigten im Unternehmen wissentlich nichts, können sich neben deliktischen auch vertragliche Ansprüche des Betroffenen ergeben, insbesondere gemäß § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz wegen rechtswidriger und schuldhafter Verletzung der Fürsorgepflicht. a) Schadensersatz und Schmerzensgeld Einen Anspruch auf Schadensersatz aufgrund des Verlustes des Arbeitsplatzes bzw. der Beeinträchtigung der beruflichen Zukunft – Folgen, die bei Mobbing aufgrund Versetzungen, Selbstkündigung oder Fremdkündigung in fast 50 Prozent der Mobbingfälle eintreten – lehnt die Rechtsprechung54 und die wohl h. M. im Schrifttum55 ab, weil das Recht auf den Arbeitsplatz kein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut ist. Besondere Bedeutung erhält innerhalb der zivilrechtlichen Beurteilung von Mobbing, dass das Persönlichkeitsrecht in seiner Gesamtheit als geschütztes Rechtsgut anerkannt wird und nicht wie im Strafrecht lediglich Teilbereiche 52 LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002, S. 457; LAG Berlin EzA-SD 2003, Nr. 1, 6; LAG Berlin NZA-RR 2005, S. 13. 53 Siehe im Einzelnen dazu die ausführlichen Ausführungen von Benecke, NZA-RR 2003, S. 225 ff.; Esser/Wolmerath, S. 217 ff.; Kollmer, Rn. 147 ff.; Lorenz, PersR 2002, S. 65 ff.; Rieble/Klumpp, ZiP 2002, S. 370 ff.; Wolmerath, Rn. 107 ff. 54 BAG NJW 1999, S. 164; LG Frankfurt/M. NJW-RR 2000, S. 831. 55 Ebert, S. 17 ff., 86 ff., 152; MüKo-Wagner, § 823 Rn. 169; Palandt, § 823 Rn. 20; Riesenhuber, JZ 1999, S. 715 f.; siehe auch MüKo-Mertens, 3. Auflage, § 823 Rn. 130, 515, der den Verlust des Arbeitplatzes als Teil des deliktischen Vermögensschutz in Betracht zieht; Schaub, § 110 Rn. 3 m. w. N.; a. A. Däubler/Kittner/Klebe, § 104 Rn. 10; Wolmerath, Rn. 142.

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dessen geschützt werden, denn Mobbing setzt sich sehr häufig aus Handlungen zusammen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen.56 Teilweise wird die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als häufigste Folge von Mobbing anerkannt.57 Typisches Mobbingverhalten, wie die Zuweisung minderwertiger Arbeit oder der Entzug der Beschäftigung, stellen grundsätzlich eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar. In solchen Fällen verstößt der Arbeitgeber gegen seine Förderungspflicht, weil nach heute herrschender Auffassung der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Ausführung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit geben muss, damit dieser nicht nur in die Lage versetzt wird, sich seine Fähigkeiten zu erhalten und neue zu erwerben, sondern auch die in der Arbeit liegende Möglichkeit der Persönlichkeitsverwirklichung nutzen kann.58 Zu den Persönlichkeitsrechtverletzungen zählen ebenfalls Beleidigungen oder Verleumdungen, die häufig als Mobbinghandlungen vorkommen. Will der Betroffene mit rechtlichen Schritten gegen den Mobbenden vorgehen bzw. rechtliche Genugtuung erlangen, wird in vielen Fällen ein Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB in Betracht zu ziehen sein, weil Nichtvermögensschäden oftmals Folge von Mobbing sind.59 Zu diesen immateriellen Schäden zählen vor allem alle nachteiligen Folgen für die körperliche und – bei Mobbing besonders relevant – seelische Verfassung des Verletzten, wie Unbehagen, Wesensänderungen, Schmälerung der Lebensfreude und Schlaflosigkeit.60 Obwohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht in § 235 Abs. 2 BGB nicht ausdrücklich Erwähnung findet, leitet der BGH61 einen Geldersatzanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen aus den Art. 1 Abs.1, 2 Abs. 1 GG ab und begründet somit einen Anspruch eigener Art. In der Praxis nimmt der Anspruch des Betroffenen auf Schmerzensgeld wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts größere Bedeutung ein als der Anspruch auf Schmerzensgeld wegen der mit Mobbing verbundenen seelischen Leiden, weil die Voraussetzungen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen leichter nachzuweisen sind, da die Frage nach der Kausalität nicht gestellt werden muss.62

56 LAG Hamm NZA-RR 2003, S. 8; LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577; AG Dresden 5 Ca 5954/02; Wolmerath, Rn. 140. 57 Rieble/Klump, ZiP 2002, S. 370. 58 BAG AP Nr. 14 zu § 611 BGB „Beschäftigungspflicht“; MüHa-Blomeyer, § 95 Rn. 3 ff.; Zöllner/Loritz, S. 207. 59 Wolmerath, Rn. 135 ff. 60 Palandt, § 253 Rn. 15. 61 BGHZ 128, S. 1 ff. (15). 62 Benecke, NZA-RR 2003, S. 230; Rieble/Klumpp, ZiP 2002, S. 371.

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b) Unterlassungs- und Widerrufsanspruch Neben Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen kann der Betroffene gemäß §§ 823, 1004 BGB analog auch Anspruch auf Unterlassen zukünftiger Mobbinghandlungen haben, wenn zu befürchten ist, dass das Leben, die Gesundheit, der Körper, die Freiheit oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch das Mobbingverhalten verletzt werden.63 Ist beispielsweise eine Behauptung unwahrer Tatsachen Teil des Mobbinggeschehens, hat der Betroffene einen Anspruch auf Widerruf derselben, wenn deren Fortwirkung eine dauernde Störung eines geschützten Rechtsguts des Verletzten begründet.64 Ein Anspruch auf Widerruf ehrverletzender Schimpfworte, wie sie sehr häufig als Mobbinghandlungen vorkommen, besteht dagegen nicht, weil nach Auffassung des BGH eine unter staatlichem Zwang abgegebene Entschuldigungserklärung nicht geeignet, ist die frühere Äußerung zu beseitigen.65 Besteht eine Wiederholungsgefahr ehrverletzender Werturteile oder unwahrer Tatsachenbehauptungen, hat der Betroffene aber unter Umständen einen Anspruch auf Unterlassen derartigen zukünftigen Handelns.66 c) Mobbing als Kündigungs-, Abmahnungs- und Versetzungsgrund Mobbing kann aber nicht nur Schadensersatz-, Schmerzensgeld-, Unterlassens- und Widerrufsansprüche begründen, sondern auch arbeitsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.67 Wenn dem Betroffenen ein Verbleib aufgrund der Mobbingangriffe bis zum Ablauf seiner Kündigungsfrist unzumutbar ist, kann ihm das Recht zur außerordentlichen Kündigung zustehen.68 Auf der anderen Seite kann Mobbing auch zur arbeitgeberseitigen Kündigung des Mobbenden führen, unter gewissen Umständen sogar die schwerste Folge – die außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung – nach sich ziehen, wenn das Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen schwerwiegend verletzt werden.69 Daneben kann Mobbing Ermahnungen, Abmahnungen und Versetzungen rechtfertigen.70 Darüber hinaus steht dem Betroffenen, wenn der Arbeitgeber gegen Mobbing nichts unternimmt oder selbst mobbt, ein Zurück63

Wolmerath, Rn. 148 ff. Wolmerath, Rn. 149 f. 65 Palandt, Einf. v. § 823 Rn. 32. 66 ArbG Bamberg vom 16.06.1999, Az.: 3 Ca 1312/98 C; Palandt, Einf. v. § 823 Rn. 18; Medicus, Rn. 944. 67 Siehe dazu ausführlich Wolmerath, Rn. 216 ff. 68 Benecke, NZA-RR 2003, S. 231. 69 LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577 ff.; LAG Sachsen-Anhalt vom 27.01. 2000, Az.: 9 Sa 473/99; Benecke, NZA-RR, S. 231; Esser/Wolmerath, S. 220 ff.; Wolmerath, Rn. 223 ff. 70 Wolmerath, Rn. 217 ff. 64

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behaltungsrecht seiner Arbeitsleistung ohne Verlust des Lohnanspruchs gemäß § 273 BGB zu.71 Zu bedenken ist jedoch, dass aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben erhöhte Anforderungen an das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechtes insoweit geknüpft sind, als der Beschäftigte nicht einfach von der Arbeit fern bleiben kann, sondern vielmehr die beabsichtigte Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts vorher ankündigen muss, indem er den Arbeitgeber auf seine Vertragsverletzung hinweist und ihm hinreichende Gelegenheit zur Abhilfe einräumt.72 Diesem Vorgehen steht aber wiederum oftmals die Angst entgegen, den Arbeitsplatz zu verlieren oder als „Verräter“ eingestuft zu werden.73 Darüber hinaus fehlt dem Arbeitnehmer aufgrund seiner finanziellen Abhängigkeit vom Arbeitgeber und seiner Eingebundenheit in die Arbeitsgemeinschaft oftmals der Mut, offensiv gegen einen anderen Kollegen vorzugehen.74 Ferner liegt die Beweislast für das Bestehen der Gründe, die ein Zurückbehaltungsrecht rechtfertigen, auf Seiten des Arbeitnehmers.75 Er muss beweisen, dass eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers vorlag. Kann er das nicht oder unterlässt er die vorherige Ankündigung der Arbeitseinstellung, verweigert er seine Arbeitsleistung zu der er verpflichtet ist und verliert damit seinen Vergütungsanspruch bzw. riskiert eine berechtigte Abmahnung oder Kündigung des Arbeitverhältnisses.76 Wie bereits mehrmals erwähnt, ist der Nachweis von Mobbingangriffen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.77 Das Zurückbehaltungsrecht erweist sich daher in der Praxis als zu risikoreich für den Betroffenen und daher oftmals nicht als wirksames bzw. geeignetes Mittel, um Mobbingattacken zu entgehen. Aus diesen Gründen ist das Zurückbehaltungsrecht meistens nur ein rechtlicher, aber nicht auch ein tatsächlich wirksamer Ausweg. d) Mobbingspezifische Schutzpflicht des Arbeitgebers Dem Arbeitgeber stehen aber nicht nur arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten gegen seine Beschäftigten zur Verfügung, sondern er ist aufgrund seiner vertraglichen Fürsorgepflicht, die sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben und vor allem aus gesetzlichen, im Bürgerlichen Gesetzbuch, im Arbeitsschutzgesetz und im Betriebsverfassungsgesetz verankerten einzelnen Pflichten ergibt, verpflichtet, seine Beschäftigten vor psychischen oder physischen Belästigungen und Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu 71

Benecke, NZA-RR 2003, S. 231. Lorenz, PersR 2002, S. 65 (68). 73 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 95; Wolmerath, Rn. 102. 74 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 97; Wolmerath, Rn. 102. 75 Lorenz, PersR 2002, S. 65 (68). 76 LAG Niedersachsen NZA-RR 2000, S. 517; a. A. LAG Frankfurt vom 26.08. 1997, Az.: 7 Sa 535/97; Lorenz, PersR 2002, S. 68. 77 Siehe dazu LAG Thüringen, BB 2001, S. 1360; Wolmerath, Rn. 105. 72

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schützen.78 Da Mobbing regelmäßig einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers darstellt und zu Beeinträchtigungen der psychischen und physischen Konstitution des Betroffenen führt, wird die Pflicht des Arbeitgebers, seine Beschäftigten vor Mobbing zu schützen, ausdrücklich bejaht, so dass er derartige Angriffe auf seine Arbeitnehmer verhindern und sich schützend vor den gefährdeten Arbeitnehmer stellen muss. Ferner muss er für ein ausgeglichenes und spannungsfreies Arbeitsumfeld sorgen und präventiv wirkende Maßnahmen vornehmen, um künftigen Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorzubeugen.79 Dafür stehen ihm alle arbeitsrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten auf Fehlverhalten seiner Beschäftigten zur Verfügung, die je nach Fall in den Grenzen des billigen Ermessens gemäß § 315 Abs. 3 BGB von der Ermahnung als mildestes Mittel über die Abmahnung, Umsetzung bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses reichen.80 Die Pflicht zum Schutz des Persönlichkeitsrechts umfasst auch die Pflicht, den Arbeitnehmer vor sexueller Belästigung seitens der Mitarbeiter zu schützen, welche in § 2 BeschäftigtenschutzG positivrechtlich verankert ist. Danach hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten vor jedem vorsätzlichen, sexuell bestimmten Verhalten, das die Würde des Beschäftigten am Arbeitsplatz verletzt, zu schützen und muss daher gegen Mobbing, das sich aus solchen Handlungen zusammensetzt, einschreiten. In der Praxis ist der Mobbende arbeitsrechtlichen Sanktionen aber selten ausgesetzt. Im Rahmen der bundesweiten Repräsentativstudie81 gaben elf Prozent der Betroffenen an, dass die Mobbenden im Betrieb versetzt und acht Prozent, dass den Mobbenden gekündigt wurde. Dagegen hatte in 60 Prozent der Fälle der Mobbende keine arbeitsrechtlichen Sanktionen auszustehen. 20 Prozent der Befragten konnten keine Angaben über mögliche arbeitsrechtliche Auswirkungen für den Mobbenden machen. Wolmerath führt die geringen Konsequenzen für die Mobbenden unter anderem darauf zurück, dass der Arbeitgeber bzw. die Führungskraft widersprechenden Aussagen gegenüberstehen, es ihnen nicht gelingt, den wahren Sachverhalt aufzuklären, weil Zeugen oder andere Beweismittel oftmals nicht zur Verfügung stehen und sie daher keine eine arbeitsrechtliche Sanktion rechtfertigende Pflichtverletzung dem Mobbenden nachweisen können.82 Auf der anderen Seite kann Mobbing für den Mobbenden Vorteile mit sich bringen, vor allem dann, wenn die Mobbingangriffe von hierarchisch unter dem Betroffenen stehenden Personen ausgehen. Jeder Dritte konnte in dieser 78 LAG Niedersachsen NZA-RR 2000, S. 517; LAG Thüringen BB 2001, S. 1358; MüHa-Blomeyer, § 97 Rn. 32, 37; Kollmer, AR-Blattei SD 1215, Rn. 37 f.; Schaub, § 108 Rn. 54. 79 LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff. (nicht vollständig abgedruckt); MüHa-Blomeyer, § 97 Rn. 37; Lorenz, PersR 2002, S. 71. 80 LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577; Lorenz, PersR 2002, S. 71 f. 81 Vgl. zum Folgenden Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 91 f. 82 Wolmerath, Rn. 237.

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Konstellation von dem von ihm betriebenen Mobbing profitieren, wie beispielsweise durch die Übernahme des Arbeitsplatzes des Betroffenen. Dagegen ziehen der mobbende Vorgesetzte und der mobbende Kollege des Betroffenen nur in jedem vierten Fall Vorteile aus dem Mobbinggeschehen. e) Dienstrechtliche Folgen von Mobbing Innerhalb der öffentlichen Verwaltung kommt Mobbing besonders häufig vor, so dass auch auf die gegenwärtigen dienstrechtlichen Folgen von Mobbing innerhalb von Beschäftigtenverhältnissen, auf die das Beamtenrecht anzuwenden ist, kurz eingegangen werden soll.83 Beamtenrechtliche Ansprüche bestehen lediglich gegenüber dem Dienstherrn, aufgrund dessen Fürsorge- und Schutzpflicht, die als notwendiges Korrelat der dem Beamten obliegenden Treuepflicht zu den Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört und ihn verpflichtet, im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten zu sorgen.84 Sie leitet sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ab und ist einfachgesetzlich in §§ 79 BBG, 48 BRRG verankert. Der Dienstherr hat daher die Pflicht, Schäden von den Rechtsgütern des Beamten, namentlich von dessen Gesundheit, Ehre, Willensfreiheit und Eigentum abzuwenden, soweit die in Betracht kommenden Risiken mit der pflichtgemäßen Aufgabenerfüllung zusammenhängen.85 Der Anspruch auf Erfüllung der Fürsorgepflicht richtet sich primär auf Erfüllung bzw. subsidiär auf Folgenbeseitigung und Schadensersatz. Der Dienstherr kann seinen Schutzpflichten etwa dahingehend nachkommen, dass er disziplinarisch auf den Mobbenden einwirkt. Disziplinarrechtliche Sanktionen hat ein Beamter zu erwarten, wenn er gemäß § 77 Abs. 1 BBG ein Dienstvergehen begeht, indem er schuldhaft seine Pflichten verletzt. Gemäß § 5 Abs. 1 BBG sind mögliche Disziplinarmaßnahmen: der Verweis, die Geldbuße, die Kürzung der Dienstbezüge, die Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Die von jedem Beamten zu beachtenden Pflichten ergeben sich aus den §§ 52 ff. BBG, daneben aus weiteren Gesetzen, Dienstverordnungen, Dienstanweisungen, sowie aus ungeschriebenen Regeln des Beamtentums. Im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Mobbing spielen vor allem die Pflicht zur Wahrung des Betriebsfriedens gemäß § 54 S. 3 BBG und die Pflicht zu achtungswürdigem und vertrauensvollem Verhalten gemäß § 55 S. 1 BBG eine Rolle. Gegen diese wird verstoßen, wenn der Beamte sich in einer für die Dienstordnung bedeutsamen Weise unkameradschaftlich verhält, was der Fall ist bei falschen Beschuldigungen, Verdächtigungen, Beleidigungen, sexueller Beläs83 Siehe dazu ausführlich Wittinger/Herrmann, ZBR 2002, S. 337 ff.; Wolmerath, Rn. 296 ff. 84 BVerfGE 58, S. 68, 77; BVerwGE 19, S. 48, 54. 85 BVerwG NJW 1985, S. 876, 877; Bochmann, ZBR 2003, S. 260, 262.

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tigung, Bedrohungen und Tätlichkeiten gegenüber seinen Arbeitskollegen und seinem Vorgesetzten.86 Hinzu kommt die Pflicht, Gesetz und Recht zu wahren, mithin Straftaten im Amt zu unterlassen. Der Verstoß der Beamten gegen die aufgezählten Pflichten kommt im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen nicht selten vor, weil Mobbing sich oftmals aus Handlungen zusammensetzt, die Pflichtverstöße darstellen. In neuster Zeit ist es daher anerkannt, dass Mobbing eine Verletzung der Pflicht zur kollegialen, vertrauensvollen Zusammenarbeit darstellt und daher disziplinarrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.87 Darüber hinaus hat der Vorgesetzte die Pflicht, den Dienst im erforderlichen Maße zu beaufsichtigen, so dass er pflichtwidrig handelt, wenn er Pflichtwidrigkeiten seiner Untergebenen duldet, fördert oder sogar veranlasst.88 Ferner sind Vorgesetzte gegenüber ihren Untergebenen verpflichtet, jeden Missbrauch ihrer Dienststellung zu unterlassen.89 Von besonderer Bedeutung bei der rechtlichen Beurteilung von Mobbing ist, dass im Disziplinarrecht der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens vorherrscht, so dass mehrere Verfehlungen eines Beamten in der Regel nur ein Dienstvergehen bilden, wenn zwischen ihnen ein zeitlicher und/oder sachlicher Zusammenhang besteht, wie es typischerweise innerhalb eines Mobbinggeschehens der Fall ist.90 Zweck des Disziplinarrechts ist es nämlich nicht, ein bestimmtes, tatbestandsmäßig genau festgelegtes pflichtwidriges Verhalten des Beamten um seiner selbst willen, etwa mit dem Ziel der Sühne zu vergelten, vielmehr steht im Mittelpunkt ob und inwieweit der Betroffene für den öffentlichen Dienst noch tragbar ist, so dass die durch die Pflichtverletzung offenbarten Persönlichkeitsmängel Anknüpfungspunkt disziplinarrechtlicher Sanktionen sind.91 Nach der bundesweiten Repräsentativstudie über Mobbing sind in der Praxis die dienstrechtlichen Konsequenzen für die Mobbenden im Beamtenbereich noch geringer als die arbeitsrechtlichen Konsequenzen in der Privatwirtschaft. Lediglich 3,8 Prozent aller mobbenden Beamten werden versetzt und 3 Prozent werden gekündigt.92 Damit liegen diese Zahlen weit unter dem Bundesdurchschnitt der mobbingbedingten arbeitsrechtlichen Folgen für den Betroffenen, wobei sich diese aber vor allem mit dem erhöhten Kündigungsschutz für Beamte rechtfertigen.93 86 Claussen/Janzen, Einleitung C Rn. 30, 44b, 49 f., 52, 55a; Battis, § 54 Rn. 9 f.; BDH ZBR 1961, S. 385. 87 Battis, § 54 Rn. 10; Bochmann, ZBR 2003, S. 260 ff.; Wittinger/Hermann, ZBR 2002, S. 337 ff.; Wind/Schimana/Wichmann/Langer, Rn. 210. 88 Claussen/Janzen, Einl. C Rn. 57b. 89 Battis, § 54 Rn. 6. 90 BVerwGE 63, S. 88 ff. (89); 73, S. 166 ff. (167); Claussen/Janzen, B Rn. 6a. 91 BVerwGE 63, S. 88 ff. (89); 73, S. 166 ff. (167). 92 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 91. 93 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 91.

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f) Gegenwärtiger tatsächlicher Rechtsschutz des Betroffenen aa) Einleitung Dieser Überblick über das Zivil-, Arbeits- und Beamtenrecht zeigt, dass die bestehenden allgemeinen Gesetze bereits heute die Möglichkeit offerieren – vor allem bei einem möglichen Rückgriff auf eine globale rechtliche Beurteilung des Mobbinggeschehens, wie sie vom LAG Thüringen praktiziert wird – Mobbing arbeits-, zivil- und beamtenrechtlich zu sanktionieren. Anhand der Betrachtung der gegenwärtigen Rechtsprechung, die sich mit dem Thema Mobbing auseinandersetzt, stellt sich jedoch die Frage, ob die Ansprüche des Betroffenen in der Praxis auch tatsächlich gegenwärtig durchsetzbar sind und mithin tatsächlich Mobbingrechtsschutz gewährt wird. In den weit überwiegenden Fällen findet das Mobbinggeschehen sein Ende, weil der Betroffene seinen konkreten Arbeitsplatz freiwillig oder unfreiwillig aufgibt und dadurch mit dem Mobbenden nicht mehr am Arbeitsplatz konfrontiert wird.94 Die Einleitung rechtlicher Schritte kommt dagegen als Beendigungsgrund relativ selten vor, nämlich nur in 3,5 Prozent der Fälle.95 Daraus lässt sich schließen, dass die gesetzlichen Hilfsmöglichkeiten für den Betroffenen, gegen Mobbing erfolgreich vorzugehen, in der Praxis gegenwärtig sehr gering sind und auch die existierenden gesetzlichen Regelungen – aus welchen Gründen auch immer – gegenwärtig kein effektives Mittel darstellen, ein bereits in Gang gesetztes Mobbinggeschehen zu beenden. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass das heutige Rechtssystem keinen effektiven Weg bietet, die Betroffenen vor dem Verlust ihres konkreten Arbeitsplatzes zu schützen.96 bb) Gegenwärtige Zurückhaltung der Rechtsprechung Im Gegensatz zu den Strafgerichten ist das Thema Mobbing den Arbeitsgerichten97 nicht unbekannt. Der Beginn der mobbingspezifischen Rechtsprechung 94

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 103 ff. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 104. 96 Vgl. Wolmerath, 1. Auflage, S. 294. 97 BAG BB 1997, S. 1480 ff.; ArbG Kiel vom 16.01.1997, Az.: 5d Ca 2306/96; ArbG Detmold vom 30.04.1998, Az.: 3 BV Ga 3/98; LAG Sachsen-Anhalt vom 27.01.2000, Az.: 9 Sa 473/99; ArbG Duisburg NZA-RR 2001, S. 304 ff.; ArbG Lübeck vom 07.09.2000, Az.: ÖD 2 Ca 1850 b/00; ArbG Köln vom 21.11.2000, Az.: 12 BV 227/00; LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577 ff.; LAG Baden-Württemberg vom 05.03.2001, Az: 15 Sa 106/00; LAG Hessen NZA-RR 2002, S. 581 ff.; LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff.; LAG Baden-Württemberg vom 27.07.2001, Az.: 5 Sa 72/01; LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, S. 121 ff.; LAG Rheinland-Pfalz vom 28.08.2001, Az.: 5 Sa 521/01; OLG München vom 20.09.2001, Az.: 1 U 2443/01; LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002, S. 457 f.; LAG Hamm NZA-RR 2003, S. 8 ff.; ArbG Köln vom 09.07.2002, Az.: 6 Ca 3274/02; LAG Bremen vom 17.10. 95

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findet sich im Jahre 1997 mit einem Urteil des BAG.98 In diesem setzte sich die höchstrichterliche Rechtsprechung erstmals mit dem Thema Mobbing auseinander, verwendete und definierte den Begriff Mobbing.99 In den darauf folgenden Jahren stieg die Anzahl der Urteile, die sich mit dem Thema Mobbing auseinandersetzten, langsam an. Bis 2001 beschäftigten sich die Gerichte fast ausschließlich mit präventivrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Mobbing. In dem Sinne stand überwiegend, wie auch 1997 im Urteil des BAG, die Frage nach der Erforderlichkeit einer Schulung des Betriebsrates über Mobbing im Vordergrund.100 Nur vereinzelt ging es um Fragen der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts der Arbeitsleistung, der Wirksamkeit einer Kündigung eines Mobbenden und um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche. Mit Ausnahme einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Kiel vom 16.01.1997101, mit der ein Arbeitgeber zur Entfernung von neun Abmahnungen, die Teil eines Mobbinggeschehens waren, aus der Personalakte verpflichtet wurde, waren alle Klagen erfolglos, da sie überwiegend zum einen aufgrund nicht ausreichend substantiierter Klagebegründungen und zum anderen aufgrund der Nichtbeachtung des Gesamtzusammenhangs und somit der ausschließlichen Beurteilung isolierter einzelner Verhaltensbestandteile abgewiesen wurden.102 Auch in der Verwaltungsgerichtsrechtsprechung103 wurde bis 2001 das Thema Mobbing nur stichwortartig erwähnt.

2002, Az.: 3 Sa 78/02 + 3 Sa 232/02; LAG Berlin 01.11.2002, 19 Sa 940/02; LAG Berlin vom 07.11.2002, Az.: 16 Sa 938/02; LAG Berlin vom 17.01.2003, Az.: 6 Sa 1725/02. 98 BAG BB 1997, S. 1480 ff. (1481); das BAG hatte sich in diesem Urteil mit der Frage auseinander zu setzen, ob die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Mobbingschulung nach § 37 Abs. 3 BetrVG stets erforderlich ist. Das BAG verneinte diese Frage und sah die Erforderlichkeit erst dann gegeben, wenn eine betriebliche Konfliktlage, die auf Mobbing schließen lässt, im Unternehmen gegeben ist. 99 Vor dem Urteil des BAG war der Begriff „Mobbing“ zwar eher zufällig in der Rechtsprechung (LAG Rheinland-Pfalz BB 1996, S. 1501 f.) zu finden, doch wurde auf das Phänomen Mobbing nie näher eingegangen, schon gar nicht wurde es definiert. Das soll aber nicht heißen, dass das Verhalten, das hinter dem Begriff Mobbing steht, der Rechtsprechung gänzlich unbekannt war. Bereits vor dem Urteil des BAG hatten sich die Gerichte mit Schikanehandlungen und Diskriminierungen am Arbeitsplatz auseinander zu setzen. Siehe die Übersicht bei Kollmer, Rn. 134 ff.; ArbG Berlin NJW 1987, S. 2325, ein Fall, in dem das Gericht über die Wirksamkeit einer Kündigung eines HIV-Infizierten zu entscheiden hatte. Dem Arbeitnehmer wurde auf Druck sieben anderer Kollegen gekündigt, indem diese drohten zu kündigen, wenn dem mit HIV infizierten Kollegen nicht gekündigt werden würde. Vgl. auch BVerwG AiB 1996, S. 567 f.). 100 ArbG Detmold vom 30.04.1998, Az.: 3 BV Ga 3/98; Arbeitsgericht Kiel NZARR 1998, S. 212 f. 101 ArbG Kiel, Az.: 5d Ca 2306/96. 102 Wickler in Wickler, S. 39. 103 BVerwG vom 30.01.1996; OVG Münster vom 06.05.1999, Az.: 12 A 2983/96.

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Die bis 2000 eher restriktive und zurückhaltende Rechtsprechung erfuhr im Jahre 2001, welches bisher die meisten Mobbingurteile aufweist104, eine Wende. Mit jeweils ausführlichen Urteilsbegründungen widmeten sich das LAG Thüringen105, das LAG Baden-Württemberg106 und das LAG RheinlandPfalz107 dem Thema Mobbing und knüpften konkrete arbeits- und zivilrechtliche Folgen daran. Die Urteile zeichnen sich besonders dadurch aus, dass sie eingehende Ausführungen zu den Voraussetzungen für das Vorliegen von Mobbing beinhalten, prozessuale Probleme aufzeigen, auf wichtige arbeitsrechtliche Folgen von Mobbing eingehen und Mobbing und seine Bedeutung für die Arbeitswelt eindrücklich darstellen. Besonders hervorzuheben ist, dass erstmals nicht nur eine rechtliche Beurteilung von Einzelhandlungen vorgenommen, sondern auf eine der Mobbingproblematik gerecht werdende „globale Beurteilung“ abgestellt wurde. Im ersten der vier genannten Urteile setzte sich das LAG Thüringen als erstes Gericht grundlegend mit den kündigungsrechtlichen Auswirkungen von Mobbing auseinander.108 Mit einer ausführlichen Begründung wurde im zu entscheidenden Fall festgestellt, dass Mobbing für den Arbeitnehmer die schwerwiegendste Folge, die das Arbeitsrecht zur Verfügung stellt – eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung gemäß § 626 Abs. 1 BGB – rechtfertigen kann. Im zweiten Urteil des Landesarbeitsgerichts Thüringen109 wurde zum einen ein Anspruch des Betroffenen auf Unterlassen von Mobbinghandlungen anerkannt.110 Zum anderen stellte das Gericht fest, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, durch eigenes Handeln nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht seiner Arbeitnehmer einzugreifen und Mobbing im Betrieb zu unterbinden. Das LAG Baden-Württemberg urteilte im Ergebnis ähnlich, indem es ebenfalls einen Unterlassungsanspruch gegenüber Mobbinghandlungen, die im 104 Einige wichtige Urteile im Jahr 2001: BSG NJW 2001, S. 3213 ff.; LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577 ff.; LAG Baden-Württemberg vom 05.03.2001, Az: 15 Sa 106/00; LAG Hessen NZA-RR 2002, S. 581 ff.; LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff.; LAG Baden-Württemberg vom 27.07.2001, Az.: 5 Sa 72/01; LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, S. 121 ff.; LAG Rheinland-Pfalz vom 28.08.2001, Az.: 5 Sa 521/01; OLG München vom 20.09.2001, Az.: 1 U 2443/01; VG Potsdam VIZ 2002, S. 495 ff. 105 LAG Thüringen vom 15.02.2001 NZA-RR 2001, S. 577 ff. und LAG Thüringen vom 10.04.2001 BB 2001, S. 1358 ff. 106 LAG Baden-Württemberg vom 27.07.2001, Az.: 5 Sa 72/01. 107 LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, S. 121 ff. 108 Das LAG Sachsen-Anhalt hatte sich bereits in einem Urteil vom 27.01.2000, Az.: 9 Sa 473/99, mit dieser Frage auseinandergesetzt. Das Gericht bestätigt, dass Mobbing ein Grund für eine fristlose Kündigung sein kann. Entgegen dem LAG Thüringen verlangt das Gericht – aber ohne auf die Voraussetzungen von Mobbing ausführlich einzugehen – eine vorhergehende Abmahnung. 109 Vgl. dazu den im Ersten Kapitel A. II. 1. a) dargestellten „Sparkassenfall“. 110 So auch das LAG Baden-Württemberg vom 27.07.2001, Az.: 5 Sa 72/01.

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konkreten Fall neben anderen Schikanen in wöchentlichen Kontrollbesprechungen bestanden, zubilligte. Im letzten wichtigen Urteil des Jahres 2001 sprach das LAG Rheinland-Pfalz111 als erstes Gericht einen Anspruch auf Schmerzensgeld zu. Diese vier Urteile stießen innerhalb des rechtswissenschaftlichen Schrifttums überwiegend auf Zustimmung112 und waren der Auslöser einer Flut von Auseinandersetzungen und Veröffentlichungen zur rechtlichen Einordnung von Mobbing. Ferner brachten das Jahr 2001 und die in diesem Jahr ergangenen Urteile eine Wende hinsichtlich des Klagebegehrens der nachfolgenden Klagen mit sich. Vor dem Jahr 2001 ging es, wie festgestellt, in den arbeitsgerichtlichen Verfahren vorwiegend um präventiven Schutz. Seit 2001 dagegen hat die überwiegende Anzahl von Klagen Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche zum Streitgegenstand.113 Neben den Arbeitsgerichten wurden auch die Zivil-, Sozial-114 und Verwaltungsgerichte115 mit dem Thema Mobbing konfrontiert. In diesem Sinne hat 2002 der BGH116 in einem ihm vorliegenden Mobbingfall – ein Polizeibeamter wurde im Rahmen der gemeinsamen Dienstausübung durch seinen Vorgesetzten systematisch und fortgesetzt schikaniert und beleidigt – die Anwendung von Amtshaftungsrecht und die Haftung des Dienstherrn für die entstandenen Schäden bestätigt. Ferner wurde Mobbing als Milderungsgrund bei der Ahndung beamtenrechtlicher Disziplinarvergehen anerkannt.117 Obwohl nach statistischen Erhebungen Mobbing besonders häufig in der Verwaltung und unter Beamten vorkommt, ist im Verhältnis die Anzahl der Arbeitsgerichtsverfahren erheblich 111 LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, S. 121 ff. „Volksbank-Urteil“: Der Kläger wurde durch verschiedene Handlungen über einen längeren Zeitraum schikaniert, degradiert und abqualifiziert, indem ihm Monate lang keine Aufgaben oder Aufgaben, die nicht seinem Arbeitsvertrag entsprachen, zugeteilt wurden und er halbstündlich Zeitnachweise erbringen und jedes Telefongespräch nachweisen musste. 112 Benecke, NZA-RR 2003, S. 225 ff.; Kerst-Würkner, AuR 2001, S. 251 ff.; Rieble/Klumpp, ZiP 2002, S. 369 ff.; Wickler, DB 2002, S. 477 ff.; kritisch gegenüber dem Urteil des LAG Thüringen vom 15.02.2001: Kollmer, Rn. 145h ff., der die Bildung einer eigenständigen Kündigungsfallgruppe für Mobbing für nicht erforderlich hält und sich an der seines Erachtens zu starken Emotionalisierung des Urteils stößt. 113 So zum Beispiel LAG Berlin vom 17.01.2003, Az.: 6 Sa 1735/02; LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002, S. 457 ff.; LAG Hamm NZA-RR 2003, S. 8 ff.; LAG Bremen vom 17.10.2002, Az.: 3 Sa 78/02 + 3 Sa 232/02; LAG Nürnberg vom 02.07. 2002, Az.: 6 (3) Sa 154/01. 114 BSG NJW 2001, S. 3213 ff.; LSG Baden-Württemberg vom 27.07.2000, Az.: L 6 VG 2334/97; LSG Rheinland-Pfalz vom 28.03.2002, Az.: L 1 AL 57/01. 115 BVerwG NVwZ-RR 2002, S. 850 (Mobbing als Milderungsgrund hinsichtlich der Bewertung später selbst begangener Demütigungen eines Bundeswehrsoldaten); VG Potsdam VIZ 2002, S. 495 ff.; VGH Baden-Württemberg vom 17.09.2003, Az.: 4 S 1636701; VG Berlin vom 12.06.2002, Az.: VG 80 A 26.99. 116 BGH NJW 2002, S. 3172 ff. 117 VG Berlin vom 12.06.2002, Az.: VG 80 A 26.99.

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höher, als die Verfahren der beamtenrechtlichen Gerichtsbarkeit im öffentlichen Recht. Die Sozialgerichte dagegen hatten sich bisher vor allem mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Mobbing einen tätlichen Angriff i. S. des Opferentschädigungsgesetzes darstellt118, als Arbeitsunfall einzuordnen119, als Berufskrankheit anzuerkennen120 und bei der Sperrzeit beim Arbeitslosengeld nach § 144 SGB III zu berücksichtigen ist121. Obwohl Mobbing die Aufmerksamkeit einiger Gerichte auf sich gezogen hat und eine Zunahme der Gerichtsverfahren, die sich mit Mobbing befassen, zu erkennen ist, befindet sich die mobbingspezifische Rechtsprechung noch in den Anfängen und verhält sich mit einigen Ausnahmen überwiegend zurückhaltend.122 Es hat sich bis zum heutigen Zeitpunkt keine gesicherte Rechtsprechung etabliert, so dass noch große Rechtsunsicherheit auf diesem Gebiet herrscht und hinsichtlich der rechtlichen Handhabung von Mobbing Uneinigkeit besteht. Ein Teil der Gerichte, wie die oben genannten, steht der Mobbingproblematik offen gegenüber und findet in dem Rückgriff auf eine globale rechtliche Beurteilung des Verhaltens eine Möglichkeit, Mobbing in seiner Gesamtheit und Eigenart rechtlich zu würdigen. Ein anderer Teil der Gerichte hat den von den oben genannten Gerichten entwickelten rechtsdogmatischen Mobbingschutzansatz nicht übernommen.123 Teilweise wird einigen Gerichten sogar die Praktizierung einer regelrechten Anti-Mobbingrechtsprechung vorgeworfen.124 Nach 2001 finden sich nur noch vereinzelte Urteile125, die tatsächlich erfolgreich Mobbingrechtsschutz zusprechen.126 Obgleich, wie oben bereits erwähnt, die überwiegenden Klagen heute im Zusammenhang mit Mobbing auf Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gerichtet sind, bleibt bis heute das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 16.08.2001 – so weit ersichtlich – das einzige, welches dem Betroffenen insoweit rechtliche Genugtuung zuspricht. 118

BSG NJW 2001, S. 3213. LSG Baden-Württemberg vom 16.08.2001, Az.: L7 U 18/01. 120 Ablehnend LSG Hamburg HVBG-Info 1998, S. 3056; SG Dortmund vom 19.02.2003, Az.: S 36 U 267/92; a. A. Wolmerath, Rn. 273. 121 Befürwortend LSG Rheinland-Pfalz vom 28.03.2002, Az.: L 1 AL 57/01. 122 Wickler in von Saldern, S. 136 f.; ders., in Wickler, S. 25. 123 Siehe dazu die Nachweise bei Wickler in Wickler, S. 42; vgl. auch LAG Berlin NZA-RR 2005, S. 13 ff. 124 Kollmer, Rn. 145 b. 125 ArbG Berlin vom 08.03.2002, Az.: 40 Ca 5746/01; ArbG Dresden vom 07.07. 2003, Az.: 5 Ca 5954/02 (in AuR 2004, S. 114 nur kurz wiedergegeben); BVerwG NVwZ 2002, S. 850 (Mobbing als Milderungsgrund). 126 Mobbingschutz abgelehnt: LAG Sachsen-Anhalt vom 27.01.2000, Az.: 9 Sa 473/99; ArbG Duisburg NZA-RR 2001 S. 304 ff.; ArbG München NZA-RR 2002, S. 123 ff.; LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002, S. 457 ff.; LAG Nürnberg NZARR 2003, S. 121 ff.; AG Köln vom 09.07.2002, Az.: 6 Ca 3274/02; LAG Bremen vom 17.10.2002, Az.: 3 Sa 78/02 + 3SA 232/02; LAG Berlin vom 07.11.2002, Az.: 16 Sa 938/02. 119

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Die Erfolglosigkeit der überwiegenden Klagen lässt sich, wie bereits erwähnt, auf das Nichtgebrauchmachen von einer globalen rechtlichen Beurteilung des Mobbinggeschehens einiger Gerichte, auf die engen Voraussetzungen für das Bestehen eines Schadensersatz- oder Schmerzensgeldanspruches und zum anderen vor allem auf Beweisschwierigkeiten zurückführen.127 Nach den Grundsätzen des Zivilprozessrechts – die auch für das Arbeitsgerichtsverfahren gelten – muss derjenige, der ein Recht oder einen Anspruch wegen Mobbing geltend machen will, sämtliche anspruchsbegründenden Umstände darlegen und beweisen, worunter auch die Ursächlichkeit des Mobbingverhaltens für die eingetretene Rechtsgutsverletzung zählt.128 Will der Betroffene daher nach § 823 BGB Schadensersatz geltend machen, muss er die unerlaubte Handlung, die Rechtsgutsverletzung, den Schaden der haftungsausfüllenden und -begründenden Kausalität und das Verschulden des Mobbenden darlegen und beweisen. In dem Sinne führt das LAG Berlin129 aus: „Behauptet eine Arbeitnehmerin, sie sei durch despotisches Führungsverhalten ihrer Arbeitgeberin krank geworden, muss sie im Prozess um Schadensersatz und Schmerzensgeld eine größere Anzahl einzelner Tathandlungen nach Zeit, Situation und sonstigen Umständen darlegen und unter Beweis stellen. Es genügt nicht zu behaupten, die Arbeitgeberin habe fast jeden Tag herumgebrüllt’ und diese oder jene oder eine dritte Beleidigung ausgesprochen.“ Dieser Beweis- und Darlegungslast können die Betroffenen oftmals nur sehr schwer nachkommen, weil der Mobbende, wie bereits im Zweiten Kapitel dargestellt, in vielen Fällen seine Angriffe bewusst immer nur dann vornimmt, wenn keine Zeugen für das Mobbinggeschehen vorhanden sind oder vorhandene Zeugen aus Solidarität zum Mobbenden oder aus Angst nicht aussagen wollen.130 In der Mehrzahl der Fälle werden verbale Ehrverletzungen, die oftmals Teil eines Mobbingprozesses sind, hinter dem Rücken des Mobbingbetroffenen oder unter vier Augen geäußert, so dass es für den Betroffenen nur sehr schwer sein wird, den Anspruch auf Widerruf einer unwahren Tatsache oder Unterlassung weiterer Beleidigungen darlegen zu können.131 Hinzu kommt, dass das Mobbinggeschehen oftmals über einen sehr langen Zeitraum, oft über Jahre hinweg, andauert und der Betroffene währenddessen noch nicht den Gedanken in sich trägt, gegen den Mobbenden rechtliche Schritte einzuleiten, so

127

Siehe dazu ausführlich Wolmerath, Rn. 167. LAG Bremen vom 17.10.2002, Az.: 3 Sa 78/02; LAG Berlin vom 06.03.2003, Az.: 18 Sa 2299/02; LAG Berlin vom 07.11.2002, Az.: 16 Sa 938/02; Lorenz, PersR 2002, S. 71. 129 LAG Berlin vom 07.11.2002, Az.: 16 Sa 938/02; ebenso LAG Berlin NZA-RR 2005, S. 13 ff. 130 Bochmann, ZBR 2003, S. 264; Wittinger/Herrmann, ZBR 2002, S. 341; Wolmerath, Rn. 167, 237 f. 131 Wolmerath, Rn. 173. 128

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dass er auch nicht darauf achtet, mögliche ihm später nützliche Beweismittel wie Urkunden, beleidigende E-Mails etc. aufzubewahren, Zeugen zu bitten, sich Notizen über das Geschehen zu machen oder selbst Tagebuch über bestimmte Mobbingangriffe zu führen.132 Die Chancen des Betroffenen auf einen Schmerzensgeldanspruch werden in der Praxis daher als relativ gering eingeschätzt, weil es diesem nur sehr schwer gelingen wird, zu beweisen, dass Ängste, Sorgen, Schmälerung der Lebensfreude etc. auf das Mobbingverhalten und nicht auf andere Ursachen zurückzuführen sind.133 Dasselbe gilt, wenn der Betroffene für einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch beweisen will, dass psychische oder psychosomatische Beschwerden auf das Mobbingverhalten des Mobbenden zurückzuführen sind. Insofern gründen sich die Beweisschwierigkeiten insbesondere darauf, dass sich das Gesamtgeschehen Mobbing unter Umständen über Jahre hinweg zieht und aus einer Vielzahl einzelner Mobbinghandlungen besteht, die Schritt für Schritt zu der irgendwann ausbrechenden Erkrankung führen. Ob aber letztendlich die Schikanehandlung des Mobbenden „das Fass zum Überlaufen“ gebracht hat oder ein anderes Geschehen oder welche Handlung der vielen Mobbinghandlungen die Gesundheitsbeeinträchtigung hervorgerufen hat, wird in vielen Fällen schwer nachzuweisen sein.134 Diesen Beweisschwierigkeiten kommt ein Teil der Gerichte insofern entgegen, als sie unter anderem mit Hinweis auf Art. 6 EMRK mobbingtypischen Indizien erhebliche Auswirkungen auf die Beweislage beimessen, wie einer mit der Auslösung der Mobbinghandlung zusammenhängenden Motivation des Täters, einem mobbingtypischen, regelmäßig zunehmend eskalierenden Geschehensablauf oder einem mobbingtypischen medizinischen Befund für psychische Beeinträchtigungen. Insofern führt das LAG Thüringen135 aus: „. . . wenn eine Konnexität zu den behaupteten Mobbinghandlungen feststellbar ist, muss das Vorliegen eines solchen Befundes als wichtiges Indiz für die Richtigkeit der Behauptungen angesehen werden. Die jeweilige Ausprägung eines solchen Befundes kann ebenso wie eine mobbingtypische Suizidreaktion des Opfers im Einzelfall Rückschlüsse auf die Intensität zulassen, in welcher der Täter das Mobbing betrieben hat.“ Zum anderen wird der Beweisnot des Betroffenen Rechnung getragen, indem unter anderem mit Berufung auf Art. 6 EMRK der glaubhaften Aussage des Betroffenen nach §§ 141, 448, 286 ZPO erheblicher Beweiswert zugemessen wird.136 Andere Gerichte, wie das ArbG München137, sprechen sich gegen die Herabsetzung der Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast im Fall von 132 133 134 135 136

Wolmerath, Rn. 168. Wolmerath, Rn. 171; vgl. LAG Berlin NZA-RR 2005, S. 13 ff. Wolmerath, Rn. 167. LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577 ff. LAG Thüringen BB 2001, S. 1360.

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Mobbing aus, weil ein unmittelbarer Beweis der Kausalität des Verhaltens der einen Seite für die psychische Erkrankung der anderen Seite nicht möglich sei. Diese Zurückhaltung der Gerichte ist nicht unbegründet, weil es Fälle gibt, in denen ohne substanzielle Begründung der Vorwurf von Mobbing in den Raum geworfen wird.138 Die Bedenken einiger Vertreter im Schrifttum139, dass die Gerichte der Suggestivkraft des Schlagworts Mobbing erliegen und zu vorschnell Mobbingrechtsschutz zusprechen würden, bestätigt sich aber bei Betrachtung der derzeitigen Rechtsprechung zur Mobbingproblematik nicht. Vielmehr fragt Wickler140 zu Recht, ob es nicht die Hemmschwelle der Justiz ist, die in vielen Fällen einem angemessenen Mobbingrechtsschutz entgegensteht. 3. Ergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die heutigen arbeits-, zivil- und dienstrechtlichen Gesetze ein rechtliches Instrumentarium für den Betroffenen zur Verfügung stellen, sich gegen Mobbingattacken mittels Abwehr- und Unterlassungsansprüchen zu wehren und für die entstandenen mobbingbedingten Leiden bzw. Rechtsgutsverletzungen Genugtuung in Form von Schmerzensgeldund Schadensersatzansprüchen zu erlangen. Darüber hinaus kann Mobbing erhebliche arbeitsrechtliche Sanktionen, namentlich eine Abmahnung oder eine fristlose Kündigung des Mobbenden – je nach Fallgestaltung mit oder ohne vorhergehende Abmahnung – oder disziplinarrechtliche Sanktionen rechtfertigen. Ferner ist der Arbeitgeber bereits heute aufgrund seiner Fürsorgepflicht verpflichtet, gegen Mobbing im Betrieb anzugehen. Wie vor allem die Urteile des LAG Thüringen, des LAG Baden-Württemberg und des LAG Rheinland-Pfalz zeigen, ist Mobbing mit dem vorhandenen Recht rechtstechnisch in den Griff zu bekommen und justiziabel, wenn Abstand von einer isolierten rechtlichen Beurteilung genommen und von einer globalen Beurteilung Gebrauch gemacht wird und die Beweislastanforderungen gesenkt werden.141 Die bisherige Rechtssituation bietet daher heute ausreichend Spielräume, Mobbing auch rechtlich wirksam zu verfolgen und kann bei richtiger Anwendung und der Senkung der Hemmschwelle der Justiz vor dem Thema Mobbing bereits heute angemessenen zivil-, arbeits- und dienstrechtlichen Mobbingrechtsschutz bieten.142 Die vom LAG Thüringen entwickelten Rechtsschutzansätze haben sich bisher aber noch nicht durchgesetzt, so dass – nicht zuletzt aufgrund der bestehenden Beweisschwierigkeiten – der eingeschlagene Rechtsweg am Ende für die Betroffenen 137 138 139 140 141 142

ArbG München vom 25.09.2001, Az.: 8 Ca 1562/01. Wickler in von Saldern, S. 137. Gralka, BB 1995, S. 2651. Wickler in Wickler, S. 43, der sich auf Däubler, BB 1995, S. 1348, beruft. Wickler in: Arentewicz/Fleissner, S. 234. Wickler in Wickler, S. 55.

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oftmals erfolglos endet und daher erhebliche Rechtsschutzlücken entstehen.143 Aus diesem Grund wäre eine klarstellende Gesetzesregelung, welche möglicherweise die vom LAG Thüringen entwickelten Grundsätze in sich aufnimmt, ein Weg, den Betroffenen mehr Rechtsschutz zu gewähren.

III. Pflicht des Staates, den Bürger vor Mobbing zu schützen? 1. Allgemeine Schutzpflicht Die große Zahl an Mobbingfällen, die im Gegensatz dazu raren, tatsächlichen Mobbingrechtsschutz gewährenden Urteile, die bestehenden Beweisschwierigkeiten und der Verlust des Arbeitsplatzes als oftmals einziger Ausweg aus dem Mobbinggeschehen zeigen, dass das derzeitige Handeln des Staates nicht genügt, vor Mobbing zu schützen und diesem entgegenzuwirken. Vielmehr wird durch die vorhergehenden Ausführungen belegt, dass der Staat in seinen drei Ausformungen – der Judikative, Legislative und Exekutive – der Existenz von Mobbing trotz zunehmender praktischer Relevanz und zunehmenden Presseberichten bislang nicht die notwendige Aufmerksamkeit entgegen bringt, wenn nicht sogar ignorierend gegenüber steht.144 In anbetracht der erheblichen Folgen von Mobbing für den Betroffenen, das Unternehmen und die Gesellschaft145 steht daher außer Frage, dass aktiv gegen Mobbing vorgegangen werden muss. Da Mobbing regelmäßig eine Gefahr für die Gesundheit, das körperliche Wohlbefinden, eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und unter Umständen auch eine Gefahr für das Leben des Betroffenen darstellt,146 ist Mobbing ein Angriff auf grundrechtlich geschützte Güter. Den Staat trifft die Pflicht, seine Bürger vor derartigen Angriffen seitens Privater zu schützen. Zwar lässt sich eine solche Pflicht im Gegensatz zu der vorrangigen Funktion der Grundrechte – der Abwehr gegen Eingriffe des Staates – dem Wortlaut des Grundgesetzes nicht entnehmen.147 Wohlgleich hat das Bundesverfassungsgericht – besondere Bedeutung erhält insoweit das Fristenlösungsurteil148 – eine Schutzpflicht des Staates durch Auslegung der Grundrechte verfassungsrechtlich 143

Lorenz, PersR 2002, S. 71; Wickler in Wickler, S. 55; Wolmerath, Rn. 167. So auch Wickler in: Arentewicz/Fleissner, S. 232. 145 Vgl. zu den Folgen von Mobbing die Ausführungen im Ersten Kapitel C. 146 Vgl. dazu die Ausführungen im Ersten Kapitel C. I. 147 Dagegen kennt das Grundgesetz dem Wortlaut des Grundgesetzes direkt zu entnehmende spezielle Schutzpflichten, die nur auf bestimmte Grundrechte ausgerichtet sind und keine Allgemeingültigkeit haben, so zum Beispiel: Art 1 Abs. 1, 2 GG Pflicht zum Schutz der Menschenwürde (Kunig in von Münch/Kunig Art. 1 Rn. 27 ff.); Art. 6 Abs. 2 Satz. 2 Wächteramt über die elterliche Erziehung, eine Schutzpflicht des Staates gegenüber dem Kind; Art. 6 Abs. 1 und 4 Schutz der Ehe, Familie und der Mutter. 148 BVerfGE 39, S. 1 ff. 144

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begründet, geprägt und entfaltet.149 Der objektiv-rechtliche Gehalt der Grundrechte führt dazu, dass diese nicht nur mehr die traditionelle Funktion haben, den Bürger vor Eingriffen in dessen Freiheitsbereich zu schützen, sondern sie normieren zugleich objektivrechtliche Wertentscheidungen, die für alle Bereiche der Verfassung gelten, Richtlinien für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geben und deren Verwirklichung ständige Aufgabe des Staates ist.150 Darüber hinaus gründet das BVerfG die Schutzpflicht des Staates auf die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich erwähnte Schutzpflicht hinsichtlich der Menschenwürde151, die als Verdeutlichung der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht gilt152. In der Literatur wird zwar die Begründung des Bundesverfassungsgerichts teilweise als zu schwach erklärt153, doch wird die Existenz der Schutzpflicht des Staates vor Eingriffen Privater in die grundrechtlich geschützten Güter weitestgehend anerkannt.154 Entgegen der derzeitigen Rechtsprechung155, die im Wesentlichen in ihren Entscheidungen die Schutzpflicht hinsichtlich des Lebens und der Gesundheit 149 BVerfGE 39, S. 1 ff. (41, 46 f.); 49, S. 89 ff. (142). Wobei die Idee, den Staat zum Schutz zu verpflichten bereits viel früher in die Diskussion kam. Siehe zu den historischen Entwicklungsstadien Stern, III/1, S. 932 ff., 938 ff.; Isensee in: Isensee/ Kirchhof, § 111 Rn. 25 ff. 150 BVerfGE 7, S. 198 ff. (205) sog. „Lüth-Urteil“; 39, S. 1 ff. (41); 49, S. 89 ff. (142); vgl. Pieroth/Schlink, Rn. 76. 151 BVerfGE 39, S. 1 ff. (41, 46 f.); Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 80; hinsichtlich der Menschenwürde ist unklar, ob die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 geregelte Schutzpflicht als Grundlage für weitere Schutzpflichten genommen wird, weil die Menschenwürde aufgrund ihrer gesetzlichen Stellung auf alle Grundrechte ausstrahlt, oder ob hinsichtlich der Schutzpflicht nur der jeweilige Menschenwürdekern der einzelnen Grundrecht profitieren sollte (vgl. Klein, NJW 1989, S. 1633 ff. (1635). 152 BVerfGE 49, S. 89 ff. (142); Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 80. 153 Classen, JöR 36 (1987), S. 35 ff, 48; Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 81, 83 ff.; Klein, NJW 1989, S. 1633 ff. (1635), der die Grundlage der Schutzpflicht in der Etablierung des Staates als Friedensordnung sieht; Kunig in: von Münch/Kunig, vor Art. 1 Rn. 22, der es für möglich hält, dass die Schutzpflicht sich bereits aus dem individuellen Abwehranspruch ergibt; vgl. auch Stern, III/1, S. 931. 154 Ipsen, § 2 Rn. 92; Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 19; von Münch in: von Münch/Kunig, vor Art. 1-19 Rn. 22; Wahl, JuS 2001, S. 1045 jeweils m. w. N.; gegen eine Schutzpflicht vor allem i.F. einer Strafsetzungspflicht sprechen sich das Minderheitsvotum der Richterin Rupp v. Brünneck und des Richters Dr. Simon zum Urteil des Ersten Senats des BVerfG, BVerfGE 39, S. 67 ff. (73) aus. Siehe auch BVerfGE 35, S. 148 (150, 153, 155 f.). 155 BVerfGE 39 S. 1 ff.; 46, S. 160 ff.; 49, S. 24 ff.; 49, S. 89 ff.; hinsichtlich der Freiheit der Person wurde bisher allein eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts getroffen (BVerfGE 49, S. 304 ff. (319 f.)), hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts i. S. des Art. 2 Abs. 1 (BVerfGE 65, S. 1 ff. (44)); hinsichtlich der freien Religionsausübung (BVerfGE 93, S. 1 ff. (16); andere Grundrechte werden in den Entscheidungen nebenbei erwähnt und zitiert (Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Fn. 195), so zum Beispiel die Menschenwürde (BVerfGE 64, S. 261 ff. (275)), das Eigentum (BVerfGE 49, S. 89 ff. (143)).

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

zum Gegenstand hat, besteht die grundrechtliche Schutzpflicht nach einem Teil im Schrifttum außer für die Gleichheitsgrundrechte156 gegenüber allen Freiheitsgrundrechten und ist somit nicht nur auf einzelne Grundrechte beschränkt.157 Sie umfasst generell das aktive Handeln des Staates, das geboten ist, um Verletzungen und Gefährdungen grundrechtlich geschützter Güter durch Dritte, vor allem durch Private, zu verhindern und ihnen vorzubeugen.158 Da Mobbing regelmäßig einen Angriff auf grundrechtlich geschützte Güter, wie das Persönlichkeitsrecht, die Gesundheit und die körperliche und psychische Integrität darstellt, folgt daraus, dass der Staat verpflichtet ist, den Einzelnen vor Mobbing am Arbeitsplatz zu schützen. Dass er dieser Pflicht gegenwärtig nicht genügend nachkommt, zeigt sich an den erheblichen Zahlen derzeit Betroffener und den auf der anderen Seite nur selten zu findenden Urteilen der dritten Gewalt des Staates, die dem Betroffenen im Rahmen der derzeitigen Gesetzeslage bereits heute – wenn auch beschränkt – rechtliche Genugtuung verschaffen. 2. Schutzpflicht in Form einer Strafsetzungspflicht? Der Frage, ob diese Schutzpflicht sich soweit konkretisiert, dass die Pflicht des Gesetzgebers besteht, einen mobbingspezifischen Straftatbestand zu schaffen, um über den derzeitigen strafrechtlichen Rahmen hinaus das Mobbingverhalten noch mehr als derzeit möglich mit strafrechtlichen Sanktionen zu belegen, ist im Folgenden näher nachzugehen. Mit Ausnahme von Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG159, wodurch das Grundgesetz den Gesetzgeber verpflichtet, Aggressionshandlungen gegen andere Staaten und Vorbereitungshandlungen von Angriffskriegen unter Strafe zu stellen, hat der Gesetzgeber hinsichtlich der Umsetzung seiner Schutzpflichten einen sehr weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum.160 Weder ist den Gesetzesmaterialien zu den unterschiedlichen Grundrechten eine Strafsetzungspflicht des Staates zu entnehmen, noch ist es möglich, eine Strafsetzungspflicht aus der analogen Anwendung des 156 Classen, JöR 36 (1987), S. 38 mit der einleuchtenden Begründung, dass aufgrund der Verankerung der Privatautonomie und der fehlenden Drittwirkung dem Bürger einem anderen Bürger gegenüber gerade kein Pflicht auferlegt werden kann, dass er ihn so behandeln muss wie er einen anderen behandelt hat. Zustimmend Isensee in: Kirchhof/Isensee § 111 Rn. 96. 157 Vgl. Borowski, S. 237 ff.; Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 86; Stern, III/1, S. 937; vgl. Jarass/Pieroth, vor Art. 1 Rn. 6; von Münch in: von Münch/Kunig, vor Art. 1–19 Rn. 22. 158 Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 89; Klein, NJW 1989, S. 1633 ff. (1633); von Münch in: von Münch/Kunig, vor Art. 1–19 Rn. 22; Stern, III/1, S. 931 f. 159 Art. 26 Abs. 1 Satz 1, 2: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffkrieges vorzubereiten, sind unter Strafe zu stellen.“. 160 BVerfGE 46, S. 160 ff. (164); 56, S. 54 ff. (80 f.); 77, S. 381 ff. (405); Kunig in: von Münch/Kunig, vor Art. 1, Rn. 22, Art. 2 Rn. 56; Pieroth/Schlink, Rn. 97.

C. Mobbing de lege ferenda in Deutschland

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Art. 26 Abs. 1 Satz 2 GG herzuleiten, weil dieser einen singulären Charakter hat.161 Entgegen einigen Auffassungen162, die es ablehnen, aus Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG Konsequenzen für oder gegen eine Pflicht zur Pönalisierung anderer Sachverhalte zu ziehen, wird teilweise aus der Existenz des Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG der Umkehrschluss gezogen, dass der Verfassungsgeber, wenn er es in bestimmten Fällen für erforderlich hält, eine Pönalisierungspflicht zu statuieren, damit zugleich zu erkennen gibt, dass in anderen Fällen die Entscheidung für die Strafe im pflichtgemäßen Ermessen liegen soll.163 Das Strafrecht ist demnach prinzipiell nur ein Mittel neben anderen, das dem Staat zur Verfügung steht, um seiner Schutzpflicht zu entsprechen. Unter bestimmten Umständen kann sich jedoch das Ermessen hinsichtlich der Schutzpflicht auf ein einziges zwecktaugliches Mittel reduzieren.164 Das Bundesverfassungsgericht165 und einige Stimmen in der Literatur166 gehen davon aus, dass der staatliche Gestaltungsspielraum derart eingeschränkt sein kann, dass der Staat verpflichtet sei, von seinem stärksten Mittel, mit dem er in den Freiheitsbereich des Einzelnen eingreifen kann – der Strafe – Gebrauch zu machen.167 Das sei dann der Fall, wenn der von der Verfassung gebotene Schutz von „elementaren Werten des Gemeinschaftslebens“ auf keine andere Weise zu erreichen ist.168 In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht im sog. Fristenlösungsurteil169 eine Pflicht des Gesetzgebers zur Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen als rechtswidrig in jedem Stadium der Schwangerschaft bejaht, indem es die Abschaffung der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruches bis zur 12. Schwangerschaftswoche für verfassungswidrig erklärte und somit konkludent eine Strafsetzungspflicht zum Schutz des werdenden Lebens annahm. Die vom Bundesverfassungsgericht begründete Strafsetzungspflicht wird allerdings sehr stark eingeschränkt, weil die primäre Funktion der Grundrechte in 161

Herzog, JR 1969, S. 441 ff. (445); vgl. auch Müller-Dietz, FS-Dreher, S. 102 f. Hermann, S. 106; Müller-Dietz, FS-Dreher, S. 104; Reis, FS-Geiger, S. 140. 163 Vgl. Herzog, JR 1969, S. 444 f.; Sondervotum zum Fristenlösungsurteil BVerfGE 39, S. 75; dazu kritisch Müller-Dietz, FS-Dreher, S. 103 f. 164 BVerfGE 39, 1 ff. (46 f.); 46, S. 160 ff., 165; 77, S. 170 ff (215). 165 BVerfGE 39, S. 1 ff. (46 f.); siehe auch 46, S. 160 ff. (164 f.); 88, S. 203 ff. (257 f.); a. A. Minderheitsvotum der Richterin Rupp-v. Brünneck und des Richters Dr. Simon zum Urteil des Ersten Senats des BVerfGE 39, S. 73. 166 Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 164; Klein, NJW 1989, S. 1633 ff. (1638); Kunig in: von Münch/Kunig, Art. 2 Rn. 57 f.; Stern, III/1, S. 942; siehe auch Müller-Dietz, FS-Dreher, S. 107 ff.; a. A. Abendroth, Kritische Justiz 1975, S. 125; Appel, S. 68; Pieroth/Schlink, 3. Auflage, Rn. 470; siehe auch Wohlers, S. 242 ff. 167 Kritisch zur Haltung des Bundesverfassungsgerichts Abendroth, Kritische Justiz 1975, S. 125; Rüpke, S. 64 ff. 168 BVerfGE 39, S. 1 ff. (46 f.). 169 BVerfGE 39, S. 1 ff. (46 f.). 162

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

der Abwehr von Eingriffen des Staates liegt, um vorwiegend private Freiheit im Staat zu konstituieren und eine missbräuchliche Nutzung der Staatsmacht zu verhindern.170 Indem der Staat verpflichtet wird, von seiner Strafgewalt Gebrauch zu machen, wird die Abwehrfunktion der Grundrechte in erheblicher Weise beeinträchtigt, indem ein Eingriff des Staates gefordert wird, obgleich die Grundrechte gerade vor solchen schützen sollen.171 Deshalb müssen die Voraussetzungen einer Strafsetzungspflicht, wenn man eine solche denn anerkennt und nicht schon aufgrund der Abwehrfunktion der Grundrechte ablehnt172, im Gegensatz zur allgemeinen Schutzpflicht erheblich gesteigert werden: Strafe muss die ultima ratio bleiben. Verbots- und Strafwürdigkeit eines bestimmten Verhaltens ist für sich allein kein Grund für eine Pönalisierungspflicht, wenn noch andere Mittel des Rechtsgüterschutzes zur Verfügung stehen.173 Eine Strafsetzungspflicht kann, wie das Bundesverfassungsgericht ausführt, daher nur dann vorliegen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, das verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgut zu schützen, die strafrechtliche Sanktion nachweisbar den Schutz dieses Rechtsgutes leistet und der unwiederbringliche Verlust eines nicht ersetzbaren Rechtsgutes auf dem Spiel steht.174 Ein solches irreparables Rechtsgut ist im höchsten Rechtsgut unserer Verfassung – dem Leben –175 zu erblicken. Alle anderen Rechtsgüter sind grundsätzlich reparabel.176 Eine Strafsetzungspflicht des Gesetzgebers hinsichtlich Mobbing kann daher nicht allein damit begründet werden, dass Mobbing in der Regel einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht,177 eine Gefahr für die physische und psychische Gesundheit und eine Beeinträchtigung des konkreten Arbeitsplatzes darstellt. Darüber hinaus wäre es illusorisch zu behaupten, dass es derzeit zunächst keine andere Möglichkeit, beispielsweise in Form außerstrafrechtlicher Regelungen, gäbe, vor Mobbing zu schützen, so dass nur noch die Strafe als

170 Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 1 ff.; Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1 Rn. 6; vgl. Pieroth/Schlink, Rn. 58; Sachs, vor Art. 1 Rn. 42 ff. 171 Aus diesem Grund lehnt das Minderheitsvotum der Richterin Rupp-v. Brünneck und des Richters Dr. Simon zum Urteil des Ersten Senats des BVerfG, BVerfGE 39, S. 67 ff. (73) eine Strafsetzungspflicht ab. Siehe auch Pieroth/Schlink, 3. Auflage, Rn. 470. 172 So das Minderheitsvotum der Richterin Rupp-v. Brünneck und des Richters Dr. Simon zum Urteil des Ersten Senats des BVerfG, BVerfGE 39, S. 67 ff. (73); Abendroth, Kritische Justiz 1975, S. 125; Pieroth/Schlink, 3. Auflage, Rn. 470. 173 Müller-Dietz, FS-Dreher, S. 108. 174 BVerfGE 39, S. 1 ff. (42); Klein, NJW 1989, S. 1633 ff. (1638); vgl. auch Pieroth/Schlink, Rn. 409. 175 BVerfGE 39, S. 1 ff. (42); Pieroth/Schlink, Rn. 406, 409. 176 Peglau, S. 52 f.; Pieroth/Schlink, Rn. 406, 409. 177 Peglau, S. 52 f.

C. Mobbing de lege ferenda in Deutschland

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letztes Mittel in Frage käme.178 Der Gesetzgeber ist daher nicht verpflichtet, Mobbing spezifisch unter Strafe zu stellen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der Staat verpflichtet ist, seine Bürger vor Mobbing zu schützen, weil Mobbing regelmäßig einen Eingriff bzw. eine Gefährdung für grundrechtlich geschützte Güter darstellt. Wie er dieser Schutzpflicht nachkommt, liegt dagegen in seinem Ermessen. Ein Anspruch des Bürgers auf die Schaffung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes besteht jedenfalls nicht.

IV. Mobbingspezifische Gesetzesregelungen als Ausprägungen des gesetzgeberischen Ermessensspielraums 1. Der gesetzgeberische Ermessensspielraum Es liegt daher im Ermessen des Staates, ob er mobbingspezifische Normen und insbesondere einen mobbingspezifischen Straftatbestand schafft, um seiner Pflicht nachzukommen, den Grundrechtsträger vor Mobbing bzw. den damit verbundenen Rechtsgutsverletzungen zu schützen, oder ob er es vorzieht, von außergesetzlichen Mechanismen Gebrauch zu machen. Insoweit hat er einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, der sich am effektiven Schutz des jeweiligen Grundrechtsguts zu orientieren hat.179 Die staatlichen Organe entscheiden durch eine Einschätzung und Prognose, welche Schutzmaßnahmen zweckdienlich und geboten sind. Auch wenn eine Maßnahme am besten dient, kann eine andere zulässig sein.180 Die Prognoseentscheidung des Gesetzgebers ist grundsätzlich hinzunehmen, es sei denn, der Gesetzgeber kommt seiner Schutzpflicht nicht nach, indem er nicht handelt, der Weg den er eingeschlagen hat, ungeeignet oder aufgrund der veränderten Umstände nicht mehr geeignet ist.181 Nur in einer solchen Situation muss er seine Maßnahmen zum Schutz des Rechtsgutes verändern und effektivere ergreifen.182 Der allgemeine Gestaltungsspielraum reicht von der Pönalisierung über außerstrafrechtliche Gesetze bis zu einfachen Vorbeugemaßnahmen, wie beispiels-

178

Vgl. die Ausführungen in diesem Kapitel C. IV. 1., II. zu außerstrafrechtlichen Möglichkeiten vor Mobbing zu schützen. 179 BVerfGE 39, S. 1 ff (47); 46, S. 160 ff. (164); 56, S. 54 ff. (80 f.); 77, S. 381 ff. (405); Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 138; Kunig in: von Münch/Kunig, vor Art. 1 Rn. 22, Art. 2 Rn. 56; Pieroth/Schlink, Rn. 97 f. 180 Kunig in: von Münch/Kunig, Art. 2 Rn. 56. 181 BVerfGE 27, S. 111 ff. (127); 49, S. 89 ff. (130 ff.); 53, S. 30 ff. (58); Pieroth/ Schlink, Rn. 97. 182 Klein, NJW 1989, S. 1633 (1638).

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

weise Information und Aufklärung über Mobbing und Einrichtung von staatlichen Hilfsangeboten, worunter beispielsweise spezifische Beratungs- und Mediationsstellen zählen.183 Die Weite des konkreten Gestaltungsspielraums hängt von mehreren Faktoren ab, namentlich der Art, der Nähe und dem Ausmaß möglicher Gefahren, der Art und dem Rang des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgutes, der staatlichen und privaten Interessen.184 Die Schutzpflicht umfasst sowohl repressiven als auch präventiven Schutz.185 Der Rechtsgüterschutz wird nicht nur durch das Strafrecht gewährleistet, sondern das gesamte Instrumentarium der Rechtsordnung trägt zum Schutz der Rechtsgüter bei. Im Rahmen der bundesweiten Repräsentativstudie wurden Betroffene gefragt, welche gesellschaftspolitischen und innerbetrieblichen Maßnahmen aus ihrer Sicht der Bewältigung und Verhinderung von Mobbing dienen würden.186 Drei Viertel sprachen sich für die Einrichtung von öffentlichen Mobbingberatungsstellen aus und 59 Prozent, wie bereits eingangs erwähnt, für die Schaffung eines Anti-Mobbing-Gesetzes. Fast die Hälfte hielt die Einrichtung von Beratungstelefonen und fast 45 Prozent die Bildung von Selbsthilfegruppen für notwendig, um gegen Mobbing anzukämpfen bzw. den Betroffenen zu helfen. Fast 40 Prozent würden Anti-Mobbingkampagnen und zirka 28 Prozent spezielle Mobbingkliniken begrüßen. Es zeigte sich also, dass die Betroffenen zum einen mehr direkte öffentliche Hilfe für notwendig erachten und zum anderen mehr Rechtssicherheit und Sensibilisierung für das Thema Mobbing fordern. Auf innerbetrieblicher Ebene werden von den Betroffenen als Maßnahmen zur Bekämpfung von Mobbing am häufigsten Schulungen für Führungskräfte, Beschäftigte und Betriebs-/Personalräte angegeben. Darüber hinaus wird vor allem in der Verbesserung der innerbetrieblichen Kommunikation eine Möglichkeit gesehen, Mobbing vorzubeugen. In dem Sinne werden von 50 Prozent der Befragten Schulungsangebote zu den Themen allgemeines Konfliktmanagement, Führungsverhalten und Mitarbeitermotivation als wichtiges Mittel gegen Mobbing genannt. Ferner wird von fast 50 Prozent die Erstellung einer Dienst- bzw. Betriebsvereinbarung gegen Mobbing vorgeschlagen. Um den unmittelbar Betroffenen bessere Hilfe zu bieten, halten fast 60 Prozent die Einrichtung von betrieblichen Anlauf- und Beratungsstellen, 45 Prozent die Ernennung eines Mobbingbeauftragten und etwa 33 Prozent die Einrichtung einer betriebsinternen Schlichtungsstelle für sinnvoll.

183

Siehe dazu Stächelin, S. 137 ff. BVerfGE 49, S. 89 ff. (142); 56, S. 54 ff. (78); Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 141; Pieroth/Schlink, Rn. 97. 185 Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 137. 186 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 105 ff. 184

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2. Aufklärungspolitik und Motivierung zu Prävention auf innerbetrieblicher Ebene als Minimum staatlichen Handelns Fest steht daher, dass der Staat handeln muss. Fraglich ist nur in welchem Umfang das staatliche Handeln erforderlich ist. Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung von Mobbing ist es zunächst, in der Gesellschaft ein breites Einverständnis aller Beteiligten zu schaffen, Mobbing nicht zu dulden und derartiges Verhalten zu ächten. Erster aber auch nicht verzichtbarer Schritt des Staates muss es demnach sein, das Bewusstsein der Gesellschaft über die Gefahren und das Ausmaß von Mobbing zu erhöhen, so dass ein solches Verhalten nicht mehr nur als alltägliche Banalität verharmlost wird. Als Minimum staatlichen Handelns ist es daher notwendig, Informationspolitik über das Thema Mobbing zu betreiben, um die Beschäftigten über ihre Rechte und Pflichten sowie die Betriebsinhaber über die mit Mobbing verbundenen Gefahren und finanziellen Nachteile für die Unternehmen aufzuklären.187 Allgemeine Aufklärungskampagnen in Form des Verteilens von Broschüren zum Thema Mobbing, Datenbanken rund um das Thema Mobbing und der Versuch darauf hinzuwirken, dass in unternehmensbezogenen und -internen Zeitschriften Artikel über Mobbing am Arbeitsplatz veröffentlicht oder allgemeine Aufklärungsschreiben betriebsintern verfasst werden, sind Mittel, von denen der Staat insoweit Gebrauch machen kann. Darüber hinaus ist es im Sinne des im Vordergrund stehenden Opferschutzes als Minimum staatlichen Handelns unabdingbar, spezielle psychosoziale Beratungsstellen für Mobbingbetroffene zu errichten. Dabei ist entscheidend, dass die dort als Berater zuständigen Personen eine erhebliche Kompetenz hinsichtlich des Themas Mobbing und den auch damit verbundenen rechtlichen Fragen aufweisen, die durch spezielle staatliche Schulungen gefördert werden muss. Gegenwärtig gibt es immer mehr – auch profitorientierte – Institutionen, die Mobbingbetroffenen ihre Hilfe anbieten, aber mit der speziellen Mobbingproblematik nicht vertraut sind. Davon ist auch nicht die Anwaltschaft ausgeschlossen. Deshalb bedarf es als Grundbedingung mobbingspezifischen Schutzes nicht nur der Aufklärung und Weiterbildung der Gesellschaft, sondern insbesondere auch der Richter, Staats- und Rechtsanwälte, um ausreichenden im Rahmen der derzeitigen Gesetze liegenden Rechtsschutz zu gewährleisten. Die effektivste Verhinderung von Mobbing wird in Maßnahmen auf betriebsinterner Ebene gesehen, was zugleich ein Umdenken der Betriebe erfordert.188 Für eine erfolgreiche Verhinderung von Mobbing ist insbesondere das Verhalten 187 Maschner, Bundesarbeitsblatt 7–8/2002, S. 17; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 136; Neuberger, S. 102 ff.; Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 27 f. 188 Esser/Wolmerath, S. 87 ff.; Maschner, Bundesarbeitsblatt 7–8/2002, S. 17; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 133; Schimmelpfennig/Schimmelpfennig, PersV 1998, S. 274 ff.; Wolmerath, 1. Auflage, S. 296.

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

der Führungskräfte entscheidend, denen das Thema Mobbing zwar bekannt ist, dessen Vorkommen sie im eigenen Bereich aber noch viel zu oft leugnen.189 Es wird daher für dringend erforderlich gehalten, die Führungskräfte im Erkennen und im Umgang von Mobbingfällen zu sensibilisieren, ihnen mögliche Lösungen der im Einzelfall hinter dem Mobbing stehenden Konflikte an die Hand zu geben und ihr Bewusstsein über die nachteiligen Folgen von Mobbing für das Unternehmen zu schärfen. Dies kann beispielsweise durch Schulungen oder allgemeine Informationsbroschüren zu dem Thema Mobbing erreicht werden. Zur Vorbeugung und zum Schutz vor Mobbing muss das Führungsverhalten im Idealfall ein professionelles Konfliktmanagement umfassen, das in erster Linie auf offener Kommunikation beruhen sollte. Dafür stehen den Führungskräften mehrere Gestaltungsoptionen zur Verfügung. Als erster wichtiger Schritt wird es angesehen, wenn das Thema Mobbing thematisiert und zum Gegenstand innerbetrieblicher Kommunikation gemacht wird.190 Möglichkeiten hierzu bieten die betrieblichen Kommunikationsinstrumente, namentlich die Werkzeitschrift, betriebliche Rundschreiben, das „Schwarze Brett“ oder Betriebsversammlungen und Mitarbeiterbesprechungen. Eine besondere Bedeutung kommt insofern einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung191 zu, die etwa die Benennung eines Mobbingbeauftragten oder die Einrichtung einer Clearingstelle als Beschwerde- und Beratungsstelle zum Gegenstand hat oder klarstellt, dass der Mobbende mit betrieblichen Sanktionen zu rechnen hat.192 Mit derartigen Vereinbarungen wird zum einen gezeigt, dass mit dem Thema Mobbing offen umgegangen wird und zum anderen werden dem Betroffenen, sobald er unter psychischen Leidensdruck gerät, auf diese Weise konkrete Anlaufstellen und Vorgehensweisen geboten, die oftmals darauf ausgerichtet sind, konstruktiv durch Kommunikation und Kooperation eine Lösung herbeizuführen.193 Um derartige notwendige innerbetriebliche Maßnahmen zu fördern, die Gesellschaft für das mit einem Mobbinggeschehen verbundene Unrecht zu sensibilisieren und ein klares Stoppsignal zu setzen, hat der Staat zwei Möglichkeiten. Zum einen kann er den von einigen194 favorisierten Weg der staatlichen Förde189

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 133. Maschner, Bundesarbeitsblatt 7–8/2002, S. 17; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 134. 191 Senatsrichtlinie „Partnerschaftliches Verhalten an der Universität Heidelberg“ in Kraft seit 01.10.2002 veröffentlicht unter: http://www.uni-heidelberg.de/intern/partner schaftliches-verhalten.html; Betriebsvereinbarung „Partnerschaftliches Verhalten“ des VW-Konzerns in Kraft seit 01.07.1996; weitere Betriebsvereinbarungen gegen Mobbing abgedruckt bei Wolmerath, 1. Auflage, S. 323 ff. 192 Maschner, Bundesarbeitsblatt 7–8/2002, S. 17; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 135; Schimmelpfennig/Schimmelpfennig, PersV 1998, S. 277; Wittinger/Hermann, ZBR 2002, S. 343; Wolmerath, 1. Auflage, S. 294. 193 Wittinger/Hermann, ZBR 2002, S. 343. 194 Maschner, Bundesarbeitsblatt 7–8/2002, S. 17. 190

C. Mobbing de lege ferenda in Deutschland

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rung innerbetrieblicher Mobbingprävention mittels Appellen an die betrieblichen Akteure durch die Exekutive einschlagen und somit auf der Basis einer freiwilligen Mitwirkung der Unternehmen agieren. Zum anderen kann er das Führungspersonal durch gesetzgeberisches Handeln verpflichten, präventiv Mobbing im Unternehmen entgegenzuwirken und sowohl präventive als auch repressive Maßnahmen gesetzlich manifestieren. 3. Mobbingspezifische Rechtsnormen a) Einführung Die Möglichkeiten der Informations- und Appellpolitik des Staates, die Schaffung psychosoziale und rechtliche Hilfe leistender Institutionen speziell für Mobbingopfer und die Weiterbildung von Organen der Rechtspflege, wie sie oben als Minimum staatlichen Handelns dargelegt wurden, werden von einigen Vertretern in der Wissenschaft und dem derzeitigen Gesetzgeber als ausreichend erachtet und die Notwendigkeit mobbingspezifischer Gesetze abgelehnt, weil sie die gegenwärtig bestehenden rechtlichen Möglichkeiten für einen umfassenden Mobbingrechtsschutz als genügend ansehen.195 Teilweise wird dieser Auffassung aber zu Recht widersprochen.196 Wolmerath197 spricht sich für ein Anti-Mobbing-Gesetz, welches im wesentlichen arbeits-, zivil- und sozialrechtliche mobbingspezifische Regelungen enthält, aus und unterbreitet einen ausführlichen und kommentierten Gesetzesentwurf mit dem Titel: „Gesetz zur Vermeidung von psychischen Belästigungen am Arbeitsplatz und zur Verbesserung der Situation der von psychischen Belästigungen betroffenen Beschäftigten“. Er legt den Schwerpunkt dabei auf präventiven, anstatt auf repressiven Schutz. Ein Anti-Mobbing-Gesetz soll seiner Auffassung nach den Grundsatz einer zukunftsorientierten Konfliktbewältigung verfolgen, bei der es weder „Sieger“ und „Besiegte“ noch „Gewinner“ und „Verlierer“ geben soll.198 Daher enthält der Gesetzesentwurf auch keine repressiven Maßnahmen und somit auch keinen Straftatbestand, sondern neben einer Mobbingdefinition vielmehr präventiv ausgerichtete Normen, u. a. eine ausdrückliche Pflicht des Arbeitgebers und des Dienstvorgesetzten, vor psychischen Belästigungen am Arbeitsplatz zu schützen und Mobbing vorzubeugen, allgemeine Verhaltensregeln am Arbeitsplatz, ein Beschwerderecht, die Pflicht zur Ernennung eines(r) Ombudsmann/frau für Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten, Regeln für ein 195 Siehe oben die Ausführungen in diesem Kapitel C. I. 1., 2.; Maschner, Bundesarbeitsblatt 7–8/2002, S. 17. 196 Wolmerath, 1. Auflage, S. 301 ff. 197 Wolmerath, 1. Auflage, S. 301 ff. 198 Wolmerath, 1. Auflage, S. 298.

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

Konfliktlösungsverfahren, die Pflicht des Arbeitgebers, Mobbing zu sanktionieren, und weitere verschiedene Regelungen, welche die Pflichten und Rechte des Betriebsrates im Bezug auf Mobbing im Betrieb klarstellen. Wickler199 spricht sich ebenfalls für ein Anti-Mobbing-Gesetz aus, um dadurch vor allem den bestehenden Beweisschwierigkeiten entgegenzutreten. Er fordert aber, dass ein solches auch repressive Elemente in Form von zivil- und sozialrechtlichen Haftungsregeln beinhalten muß. b) Außerstrafrechtliche mobbingspezifische Regelungen im Rahmen eines Anti-Mobbing-Gesetzes Bevor die Frage nach der Notwendigkeit eines mobbingspezifischen Straftatbestandes aufgeworfen wird, soll zunächst im Hinblick auf das Strafrecht als ultima ratio der Notwendigkeit und Vorteilhaftigkeit außerstrafrechtlicher mobbingspezifischer Regelungen näher nachgegangen werden. Das übergeordnete Anliegen eines Anti-Mobbing-Gesetzes bestünde darin, Einfluss auf das soziale Klima am Arbeitsplatz im Sinne einer Humanisierung der Arbeit sowie auf den zwischenmenschlichen Umgang am Arbeitsplatz zu nehmen.200 Wie der Einblick in die außerstrafrechtlichen Folgen gezeigt hat, bietet das gegenwärtige Rechtssystem Möglichkeiten, Mobbing rechtlich zu erfassen, und stellt durchaus ein zivil-, arbeits- und dienstrechtliches Instrumentarium zur Verfügung, damit der Betroffene sich gegen Mobbing wehren und Vergeltung erlangen kann. Dennoch besteht gegenwärtig überwiegend kein effektiver Rechtsschutz für die Betroffenen, weil erhebliche Beweisschwierigkeiten bestehen und eine teilweise noch bestehende Hemmschwelle der Gerichte existiert, dem Thema Mobbing offen entgegenzutreten.201 Ein außerstrafrechtliches Anti-Mobbing-Gesetz könnte im Sinne des Opferschutzes dem entgegenwirken und dazu führen, dass sich die Offenheit der Gerichte gegenüber Mobbing erhöht. In gleicher Weise würden dadurch die innerhalb der Rechtsprechung bestehenden Unterschiede hinsichtlich der rechtlichen Handhabung von Mobbing beseitigt und somit die Vereinheitlichung der Rechtsprechung forciert werden. Um der Zurückhaltung der Gerichte vor der rechtlichen Beurteilung von Mobbing, wie sie oftmals kritisiert wird, zu begegnen, wäre eine spezifische gesetzliche Regelung daher hilfreich. Darüber hinaus könnten die Scheu und die Unsicherheit vor der rechtlichen Auseinandersetzung mit Mobbing auf juristischer Seite als auch auf Betroffenenseite verringert werden, weil das Gesetz einen Anhaltspunkt und eine Leitlinie zur rechtlichen Handhabung von Mobbing geben könnte.202 Dies gilt vor 199 200 201

Wickler in Wickler, S. 55. Wolmerath, 1. Auflage, S. 297. Wickler in Wickler, S. 55.

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allem auch im Hinblick auf eine einheitliche und verbindliche Mobbingdefinition, denn es werden, wie im Ersten Kapitel dargestellt, gegenwärtig von der Rechtsprechung unterschiedliche Mobbingdefinitionen verwendet, so dass eine gesetzlich verbindliche Mobbingdefinition zu mehr Rechtssicherheit beitragen würde.203 Durch spezifischen Mobbingrechtsschutz könnten das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit in das Rechtssystem gestärkt werden, und dadurch die Bereitschaft, auch rechtlich gegen den Mobbenden vorzugehen, erhöht werden. In den überwiegenden Mobbingfällen, die Gegenstand eines arbeits-, zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahrens waren, konnten sich, wie gezeigt, die Betroffenen bisher nicht mit Erfolg gegen das ihnen zugefügte Leid zur Wehr setzen.204 Diese abschreckende, enttäuschende Situation und die vermeintliche Ohnmacht der Gerichte sind es, welche die Betroffenen ihren Glauben und ihre Hoffnung an das Rechtssystem verlieren lassen. Das Wissen, Recht zu haben, Rechtsgutsangriffen ausgesetzt zu sein, aber dieses Recht nicht durchsetzen zu können, bringt Zweifel hinsichtlich des bestehenden Rechtssystem und dessen Glaubwürdigkeit mit sich und lässt jegliches Vertrauen in den Rechtsstaat schwinden.205 Ein positives Urteil, welches das Verhalten, das der Betroffene auszustehen hat, als Unrecht und als inakzeptabel einordnet, könnte einen wesentlichen Fortschritt in seinem Genesungsprozess hervorrufen, wobei nicht nur die Genesung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemeint ist, sondern auch von der psychischen Angeschlagenheit, die noch keine Gesundheitsschädigung darstellt. Um den bestehenden Beweisschwierigkeiten entgegenzutreten, bestünde, wie in Frankreich, zumindest die Möglichkeit einer gesetzlichen Beweiserleichterung, wodurch ein effektiverer Rechtsschutz für den Betroffenen gewährleistet werden könnte.206 Eine solche könnte sich inhaltlich so gestalten, dass der Betroffene konkrete Mobbinghandlungen und einen Schaden darlegen, der Mobbende dagegen mangelndes Verschulden beweisen müsste.207 Einer Beweislastregelung muss aber mit besonderer Vorsicht begegnet werden, denn mit dieser begründet sich zugleich eine Missbrauchsgefahr, indem die Bezichtigung des Mobbings als Teil der eigenen Mobbingstrategie eingesetzt werden könnte und sich derjenige eine günstige Ausgangsposition verschafft, der als erster den 202

So auch Wolmerath, 1. Auflage, S. 295 a. E. Kollmer, Rn. 183w; Wolmerath, 1. Auflage, S. 295; vgl. die Ausführungen zu den unterschiedlichen derzeit vertretenen Mobbingdefinitionen in der Rechtsprechung und im Schrifttum, die Ausführungen im Ersten Kapitel A. II. 3. 204 Siehe dazu die Ausführungen in diesem Kapitel C. II. 2. f). 205 Vgl. Wickler in: Arentewicz/Fleissner, S. 234; ders., in Wickler, S. 26 ff. 206 Wittinger/Herrmann, ZBR 2002, S. 343. 207 Wolmerath, 1. Auflage, S. 296. 203

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Vorwurf von Mobbing erhebt.208 Wolmerath209 berichtet aus seiner praktischen Erfahrung heraus, dass es nicht selten vorkommt, dass der über Mobbingangriffe Klagende nicht das eigentliche „Opfer“ sei, sondern vielmehr der von ihm Beschuldigte. Anzumerken ist aber, dass eine solche Beweislasterleichterung sich von vornherein nur für das außerstrafrechtliche Recht anbieten würde und für das Strafrecht mit den strafrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar wäre, so dass die Einführung einer Beweislasterleichterung für das Strafrecht, wo dieselben Beweisschwierigkeiten anzutreffen sind, von vornherein nicht in Frage käme. Aus den Gründen der Missbrauchsgefahr wird daher eine Beweislastregelung, wie sie in Frankreich besteht, überwiegend abgelehnt.210 Wickler schlägt deshalb die gesetzliche Kodifizierung der vom LAG Thüringen entwickelten Grundsätze zur Behandlung von Mobbingfällen vor, indem er für die Einführung des Prinzips der verhaltensumfassenden Beurteilung sowie einer obligatorischen Anhörung der einen schlüssigen Mobbingvortrag liefernden Partei und die Berücksichtigung des Anhörungsergebnisses bei der Entscheidungsfindung plädiert. Darüber hinaus hält er es im Sinne der Entschärfung der Beweisschwierigkeiten für überlegenswert – in Anlehnung an den französischen Gesetzgeber – die Gerichte zu verpflichten, bei hinreichenden Anhaltspunkten für einen Mobbingsachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Neben den aufgeführten Argumenten, gibt es weitere, vor allem auf der Präventionsebene liegende Gesichtspunkte, die für eine mobbingspezifische gesetzliche Regelung sprechen. Obwohl das Thema Mobbing in die Medien gelangt und dadurch Teil der öffentlichen Diskussion geworden ist, sind die gegenwärtigen Betroffenenzahlen noch gravierend und nehmen nicht ab.211 Mit arbeits-, zivil- und beamtenrechtlichen Regelungen könnte der Gesetzgeber das Bewusstsein der Gesellschaft verstärken, dass Mobbing nicht akzeptiert wird und ein ernsthaftes Problem darstellt, das es zu bekämpfen gilt und somit ein eindeutiges Stoppsignal setzen.212 Mit einer reinen Informations- und Appellpolitik dagegen wäre dies in diesem Ausmaß nicht möglich. 208 Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 30 f.; Kollmer, Rn. 183z; Wickler in Wickler, S. 56; Wolmerath, 1. Auflage, S. 296. 209 Wolmerath, 1. Auflage, S. 296. 210 Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 30 f.; Kollmer, Rn. 183z; Wickler in Wickler, S. 56; Wolmerath, 1. Auflage, S. 296. 211 Vgl. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 26; Zapf, ZfAO 1999, S. 5; Staatsekretariat Schweiz, S. 13 f.; Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 11. Siehe zum Vergleich den Überblick über die Mobbingraten in anderen Ländern bei Zapf, ZfAO 1999, S. 5; Staatsekretariat Schweiz, S. 13 f. Nach einem Arbeitsdokument des Europäischen Parlaments, sollen 8 Prozent aller Arbeitnehmer in der EU Einschüchterungen und Mobbing am Arbeitsplatz ausgesetzt sein (Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 11). 212 So auch Wolmerath, 1. Auflage, S. 297.

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Ferner könnten mobbingspezifische Regelungen die Unternehmen animieren, den Kampf gegen Mobbing als Teil der Führungskultur im Unternehmen zu etablieren und damit dauerhaft in den Fokus zu rücken. Vor allem im Präventivbereich wird heute bereits in einigen Betrieben konsequent gegen Mobbing vorgegangen, indem beispielsweise Anti-Mobbing-Vereinbarungen getroffen werden, die i. d. R. eine Definition des Mobbingbegriffs, einen detaillierten Katalog von Maßnahmen und Sanktionen zur Mobbingbekämpfung, bestimmte Verfahrensweisen und -regelungen für die Lösung von Mobbingkonflikten sowie konkrete Hilfsangebote und Ansprechpartner für Mobbingbetroffene beinhalten.213 In vielen Betrieben sind derartige innerbetriebliche Maßnahmen noch nicht anzutreffen, so dass durch ein Anti-Mobbing-Gesetz die Schaffung von mobbingspezifischen innerbetrieblichen Schutz- und Präventivmaßnahmen forciert werden könnte, indem der Arbeitgeber verpflichtet wird, einen offenen Dialog über das Thema Mobbing im Unternehmen zu führen, die Beschäftigten über Mobbing aufzuklären und über ihre Rechte zu informieren. Eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu derartigen Vorbeugungsmaßnahmen wäre daher ein im Vergleich mit einer allein auf freiwillige Vorbeugemaßnahmen setzenden Politik ein effektiverer Weg, um dem Vorkommen von Mobbing zu begegnen.214 Der von einigen215 gegenüber einem gesetzgeberischen Handeln favorisierte Weg der staatlichen Förderung innerbetrieblicher Mobbingprävention mittels Appellen an die betrieblichen Akteure durch die Exekutive kann nur ein Teil der Lösung des Problems sein, denn nicht jeder ist im eigenen Interesse für freiwillige Mobbingstrategien offen. Zu Recht weist Wickler216 daraufhin, dass kaum ein Mobbender und schon gar nicht ein über ein autonomes Herrschaftspotential verfügender Vorgesetzter oder Arbeitgeber in seiner Entscheidungsmacht liegenden Präventionsstrategien freiwillig Folge leisten wird, wenn es ihm gerade und dringend darum geht, einen ihm im Wege stehenden Mitarbeiter auf „kaltem Wege“ loszuwerden. Vielmehr ist ein ausdrückliches Gesetz notwendig, das innerbetriebliche Präventionsmaßnahmen nicht in die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers stellt, sondern vielmehr diesen zu solchen verpflichtet. Darüber hinaus sollte es bei dem Thema Mobbing nicht dabei bleiben, dass der Staat sich über die Justiz dazu positioniert, sondern vielmehr durch den das Volk unmittelbar repräsentierenden Gesetzgeber, um ein klares Stoppsignal 213 Siehe dazu als Beispiele: Senatsrichtlinie „Partnerschaftliches Verhalten an der Universität Heidelberg“ in Kraft seit 01.10.2002 veröffentlicht unter: http://www.uniheidelberg.de/intern/partnerschaftliches-verhalten.html; Betriebsvereinbarung „Partnerschaftliches Verhalten“ des VW-Konzerns in Kraft seit 01.07.1996; weitere Betriebsvereinbarungen gegen Mobbing abgedruckt bei Wolmerath, 1. Auflage, S. 323 ff. 214 Wolmerath, 1. Auflage, S. 296 f. 215 Maschner, Bundesarbeitsblatt 7–8/2002, S. 17. 216 Wickler in Wickler, S. 55.

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setzen zu können. Eine solche Signalwirkung und die notwendige Sensibilisierung der Gesellschaft für das Thema Mobbing wird in vielfacher Weise effektiver durch ein mobbingspezifisches Gesetz erreicht, als durch allgemeine Aufklärungskampagnen und Appelle an die Führungspersonen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass ein Anti-Mobbing-Gesetz, welches zivil-, sozial- und arbeitsrechtliche mobbingspezifische Normen beinhaltet, zu mehr Rechtssicherheit und zu mehr Prävention führen könnte und eine sinnvolle Lösung darstellt, Mobbing entgegenzuwirken. Es besteht daher gesetzgeberischer Handlungsbedarf. c) Ein mobbingspezifischer Straftatbestand im Rahmen eines Anti-Mobbing-Gesetzes aa) Rechtsgüterschutz und verfassungsrechtliche Implikationen (1) Rechtsgüterschutz als Ausgangsbedingung eines Strafgesetzes Ist neben mobbingspezifischen außerstrafrechtlichen gesetzlichen Regelungen auch ein mobbingspezifischer Straftatbestand sinnvoll und notwendig, um den Schutz vor Mobbing zu erhöhen?217 Sinn und Zweck des gesamten Rechtssystems ist es, die menschlichen Beziehungen zu regeln, das Zusammenleben der Menschen in der Gemeinschaft zu schützen und die Lebensexistenzbedingungen der Menschen zu schaffen und zu sichern.218 In weitgehender Übereinstimmung mit dem strafrechtlichen Schrifttum219 begreift das Bundesverfassungsgericht das Strafrecht vor allem als Schutzrecht.220 Die Aufgabe und der letztendliche Zweck des Strafrechts liegen nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts darin, wichtige und elementare Grundlagen eines geordneten Gemeinschaftslebens zu schützen.221 Von seiner Strafgewalt darf der Gesetzgeber nur dann Gebrauch machen, wenn sie als Mittel zur Gewährleistung des friedlichen und ungefährdeten Zusammenlebens in der Gesellschaft eingesetzt werden soll. Die Rechtfertigung des Staates zur Aufstellung von Straftatbeständen ergibt sich aus dessen Funktion, die Sicherheit seiner Mitglieder zu garantieren, seiner Pflicht Grundrechte zu schützen222, aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus Art. 74 Nr. 1 GG.223 217 Ablehnend Wolmerath, 1. Auflage, S. 297; Wickler in Wickler, S. 8; ders., DB 2002, S. 479. 218 Baumann/Weber/Mitsch, § 3 Rn. 4; Jescheck/Weigend, S. 2; Roxin, JuS 1966, S. 381. 219 Vgl. Roxin, AT I, § 2 Rn. 1; Jescheck/Weigend, S. 7 jeweils m. w. N. 220 BVerfGE 21, S. 391 ff. (403 f.); 39, S. 1 ff. (46); 80, S. 244 ff. (255); 88, S. 203 ff. (257). 221 BVerfGE 27, S. 18 ff. (29); 51, S. 60 ff. (74 f.); 88, S. 203 ff. (257).

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Zu beachten ist aber, dass der Staat, vertreten durch den Gesetzgeber, nicht überall eingreifen kann, wo Störungen des Gemeinschaftslebens auftreten. Vielmehr muss seine Strafgesetzgebung auf den Schutz der Grundwerte der Sozialordnung beschränkt bleiben.224 Solche Grundwerte sind in den Rechtsgütern des Einzelnen verankert. Jede Strafrechtsnorm hat ihre Berechtigung in dem Ziel, ein oder mehrere Rechtsgüter zu schützen, wobei anerkannte Rechtsgüter die Lebensgüter, Sozialwerte und rechtlich anerkannten Interessen des Einzelnen oder der Allgemeinheit sind, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Gesellschaft und für das Zusammenleben der Menschen in der Gemeinschaft unentbehrlich sind und deshalb Rechtsschutz genießen.225 Ein Verhalten kann demnach nur unter Strafe gestellt werden, wenn es rechtsgutsverletzend oder -gefährdend ist.226 Ob der Gesetzgeber einen Beurteilungsspielraum hat, welche Interessen oder Sozialwerte er durch seine Strafgesetzgebung zu Rechtsgütern macht oder ob ein starrer Rechtsgüterkatalog, an den der Gesetzgeber gebunden ist, besteht, ist Mittelpunkt langjähriger Diskussion.227 Welche Rechtsgüter durch einen bestimmten Tatbestand geschützt werden können, hängt davon ab, welche Folgen infolge der tatbestandsmäßigen Handlung für den Betroffenen auftreten können. Bei Betrachtung der potentiellen und regelmäßigen Folgen von Mobbing, die vom Verlust des konkreten Arbeitsplatzes und in der Regel der damit verbundenen wirtschaftlichen Existenz, dem Verlust der sozialen Geltung in Familie, Beruf und Freundeskreis über die Beeinträchtigung der psychischen, physischen Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts bis hin zur Selbstmordgefährdung reichen, rechtfertigt sich die Frage nach der Legitimation des mit einem Straftatbestand verfolgten Zweckes bereits dadurch, dass mit diesem anerkannte Individualrechtsgüter, wie das Leben, die Gesundheit, das körperliche Wohlbefinden und die Ehre geschützt werden können. Demnach ist die Bejahung eines prinzipiell möglichen Schutzes relativ unproblematisch. Hinzu kommt, dass durch Mobbing oftmals die Arbeitskraft des Betroffenen in nicht unerheblichem Maße nachteilig beeinträchtigt wird, indem dessen körperliche und seelische Konstitution beeinflusst werden. In vielen Nebengesetzen, vor allem arbeitsrechtlichen Schutzgesetzen, wie dem Jugendarbeitsschutzgesetz oder dem Mutterschutzgesetz, wird die Arbeitskraft bereits als Rechtsgut anerkannt. Daher könnte ein mobbingspezifischer Straftatbestand auch die Arbeitskraft unmittelbar zum Schutzgut seiner Normen wählen.228 222

Isensee in: Isensse/Kirchhof, § 111 Rn. 157. Roxin, AT I, § 2 Rn. 1: aus Art. 74 Nr. 1 ergibt sich, dass durch die Zuweisung des Strafrechts zum Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung, der Verfassungsgesetzgeber vom Bestehen eines staatlichen Bestrafungsrechts ausgeht. 224 BVerfGE 45, S. 187 ff. (253); Jescheck/Weigend, S. 3. 225 Wessels/Beulke, Rn. 7; Jescheck/Weigend, S. 7. 226 Vgl. statt vieler und m. w. N. Hassemer, S. 57. 227 Siehe zur wissenschaftlichen Diskussion m. w. N. Seher, S. 43 ff. 223

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(2) Reichweite staatlicher Strafgewalt und Verhältnismäßigkeitsprinzip Staatlicher Strafgewalt kommt die Aufgabe zu, die vom Staat gesetzte Rechtsordnung zu sichern und zu erhalten, den Rechtsfrieden zu gewährleisten, die Gemeinschaft und den Einzelnen gegen erhebliche Rechtsgutsverletzungen zu schützen.229 Ein bestimmtes Verhalten unter Strafe zu stellen, ist die schärfste und eingriffsintensivste Maßnahme des Staates.230 Die Ausweitung des strafrechtlichen Rahmens auf Mobbingverhalten, welches bisher nicht strafrechtlich relevant ist, führt, wie bei jeder strafrechtlichen Sanktion, dazu, dass in erheblicher Weise in die grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre des einzelnen Bürgers eingegriffen wird, indem der Staat vorgibt, wie sich der Bürger zu verhalten bzw. nicht zu verhalten hat und den Bürger bei Zuwiderhandlungen empfindlichen Freiheitsbeschränkungen oder finanziellen Belastungen unterwirft. Aber nicht nur die Sanktionierung von Mobbing, sondern bereits die gesetzliche Ankündigung von Strafe kann in den grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich eingreifen, indem diese im Vorfeld bewirkt, dass der potentielle Täter aus Angst vor Strafe von seinem eigentlich gewollten Handeln Abstand nimmt. Die Strafgesetzgebung stellt demnach einen Eingriff in die gemäß Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit und im Fall der Androhung einer Geldstrafe einen Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Grundrecht auf Eigentum dar. Da das Grundgesetz die allgemeine menschliche Handlungsfreiheit gewährleistet, darf das Strafrecht Beschränkungen nur dann anordnen, wenn dies zum Schutz der Gemeinschaft unvermeidlich ist. Der Staat soll strafen, weil und wenn er strafen muss. Aber er soll nicht über dieses Müssen hinausgehen.231 Aufgrund seines erheblichen Eingriffs in den Freiheitsbereich des Einzelnen stellt das Strafrecht nach allgemeiner Auffassung232 nur die letzte Maßnahme dar, auf die der Gesetzgeber zurückgreifen darf, um seiner Schutzpflicht gerecht zu werden. Erst wenn andere weniger schwerwiegende Mittel, wie die zivilrechtliche Klage, nichtstrafrechtliche Sanktionen, polizeiliche Anordnungen und andere präventive Maßnahmen versagen oder als untauglich erscheinen, darf das Strafrecht als Mittel des Rechtsgüterschutzes eingesetzt werden.233

228

Lampe, S. 378 f., 380. BVerfGE 51, S. 324 ff. (343); Appel, S. 19. 230 BVerfGE 88, S. 203 ff. (258); 90, S. 145 ff. (172). 231 Baumann/Weber/Mitsch, § 3 Rn. 8. 232 BVerfGE 39, S. 11 ff. (47); LK-Jescheck, Einleitung Rn. 3; Roxin, AT I, § 2 Rn. 97; siehe auch Appel, S. 406 f., 446 m. w. N. 233 Vgl. BVerfGE 30, S. 292 ff. (316); 70, S. 1 ff. (26); 78; Appel, S. 405 m. w. N.; Baumann/Weber/Mitsch, § 3 Rn. 19; Roxin, AT I, § 2 Rn. 98. 229

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Die innerhalb der Verhältnismäßigkeit einer Strafbewehrung zu prüfende Erforderlichkeit einer solchen, die Frage also, ob es weniger belastungsintensive Alternativen zum Strafrecht gibt, steht daher in engem Zusammenhang mit dem ultima-ratio-Gedanken und dem Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts trägt das Kriterium der Erforderlichkeit des Strafrechts allerdings nur wenig zur Eingrenzung des Strafrechts bei, weil bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung das Strafrecht nicht wirklich als ultima ratio behandelt und an dieses keine fassbar erhöhten Legitimationsanforderungen gestellt werden.234 Das BVerfG billigt zwar der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Strafgesetzes erhöhte Bedeutung zu.235 Im gleichen Atemzug wird aber betont, dass der dem Gesetzgeber zustehende Einschätzungsspielraum im Rahmen der Geeignetheit und Erforderlichkeit von Strafgesetzen gefährdet wäre, wenn über die allgemeinen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinaus eine Prüfung vorgenommen werden würde, ob der Einsatz des Strafrechts unter dem klassischen ultima-ratio-Gedanken unter allen in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen tatsächlich die letzte Möglichkeit war.236 Sofern Ungewissheit besteht, ob mildere Mittel – etwa zivilrechtliche Sanktionen – ausreichend Erfolg versprechen, soll dem Gesetzgeber ebenfalls eine Einschätzungsprärogative zustehen.237 Für eine evidente Fehleinschätzung des Gesetzgebers werden sich in der Praxis daher kaum Anhaltspunkte ergeben.238 Für die Überlegungen eines mobbingspezifischen Straftatbestandes folgt daraus, dass, wenn der Gesetzgeber sich für einen solchen entscheidet, dieser im Hinblick auf die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Strafbewehrung nicht als verfassungswidrig zurückgewiesen werden würde, selbst wenn die Ungewissheit besteht, ob mildere Gesetze gleichen Erfolg versprächen. Es ist daher zu erwarten, dass eine Entscheidung des Gesetzgebers für einen mobbingspezifischen Straftatbestand – vor allem gemessen an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – nicht im Widerspruch zum verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip stehen würde. bb) Rechtspolitische Überlegungen zur Notwendigkeit eines mobbingspezifischen Straftatbestandes Ist also dem Gesetzgeber die Einführung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes gemessen an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts möglich, erscheint es nunmehr sinnvoll, Argumente dafür und dagegen aufzu234

Siehe dazu ausführlich Appel, S. 143 ff. BVerfGE 90, S. 142 ff. (172); 50, S. 123 (133); 88, S. 203 ff. (258). 236 BVerfGE 90, S. 145 ff. (172 ff.); siehe dazu ausführlich Appel, S. 177 f. 237 Vgl. BVerfGE 37, S. 104, 118; 43, S. 291 ff. (347); vgl. zur Kritik der Rechtsprechung des BVerfG Schünemann, S. 146 ff.; siehe insofern auch Lagodny, S. 71 ff. 238 Appel, S. 178 f. 235

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führen, die in einer politischen Entscheidung des Parlaments ausschlaggebend sein könnten. (1) Überlegungen für einen mobbingspezifischen Straftatbestand Durch einen mobbingspezifischen Straftatbestand könnte das Bewusstsein innerhalb der Gesellschaft für das mit Mobbing verbundene Unrecht mehr gefördert und die Gesellschaft für das Thema Mobbing mehr sensibilisiert werden, als allein mit außerstrafrechtlichen Regelungen. Denn eine strafrechtliche Norm würde im Gegensatz zu außerstrafrechtlichen Regelungen verstärkt verdeutlichen, dass es sich bei Mobbing nicht um eine Banalität oder gesellschaftliche Modeerscheinung handelt, sondern um ein ernsthaftes Problem, das es sogar mit dem Mittel des Strafrechts zu bekämpfen gilt.239 Mit der Strafe spricht der Staat sogleich ein gesteigertes sozialethisches Unwerturteil über ein bestimmtes Handeln des Bürgers aus.240 Die strafrechtliche Verfolgung zeigt am effektivsten, dass es sich um ein in den Augen der Gesellschaft untragbares Verhalten handelt. Die Mobbingproblematik könnte daher von einem teilweise noch tabuisierten Thema zu einem anerkannten Problem innerhalb unserer Gesellschaft gemacht werden und mehr Aufmerksamkeit erlangen. Eine bloße zivilrechtliche Ahndung einer bestimmten Verhaltensweise prägt das Bewusstsein für dessen Verwerflichkeit weniger, als eine strafrechtliche Sanktionierung. Der Gesetzgeber würde mit einem mobbingspezifischen Straftatbestand daher ein deutlicheres Stoppsignal setzen können, als er es mit außerstrafrechtlichen Regelungen könnte. Ein Straftatbestand würde durch die Androhung von Strafe ein höheres Maß an Abschreckung mit sich bringen und dadurch eine präventivere Wirkung erzielen, als außerstrafrechtliche mobbingspezifische Regelungen dies können. Das Strafrecht wirkt sowohl spezial- als auch generalpräventiv.241 Zum einen sollen potentielle Täter durch die Furcht vor Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgeschreckt werden.242 Zum anderen zielt die Strafe darauf ab, den Täter durch Übelszufügung selbst anzusprechen und ihn von weiteren Straftaten abzuhalten.243 Wie im Zweiten Kapitel festgestellt, hat sich der Mobbende 239

Hirigoyen, 2002, S. 363; vgl. Jescheck/Weigend, S. 68. BVerfGE 27, S. 18, 29; 90, S. 145 ff. (172); Jescheck/Weigend, S. 65; Stächelin, S. 112. 241 BVerfGE 90, S. 145 ff.; Baumann/Weber/Mitsch, § 3 Rn. 24 ff.; Jescheck/Weigend, S. 68; Roxin, AT I, § 3 Rn. 21 ff.; siehe zu den unterschiedlichen Strafzwecktheorien Jescheck/Weigend, S. 64 ff.; Roxin, AT I, § 3 Rn. 2 ff. Kritiker weisen vor allem darauf hin, dass die Präventionsfunktion des Strafrechts noch nicht empirisch belegt ist: vgl. Hassemer, Theorie, S. 200. 242 BVerfGE 39, S. 1 ff. (57); 45, S. 187 ff. (256 f.); 90, S. 145 ff. (184 f.); Jescheck/Weigend, S. 68. 243 Jescheck/Weigend, S. 69; Roxin, AT I, § 3 Rn. 11. 240

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in der Regel – trotz der erheblichen Folgen für das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit oder dafür, dass er den Betroffenen durch psychische Zermürbung zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes „gezwungen“ hat – oftmals keine strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten. Neben der erhöhten Sensibilisierung der Gesellschaft für das Thema Mobbing und der gesteigerten Abschreckung, die ein mobbingspezifischer Straftatbestand mit sich bringen würde, könnte dieser die mobbingspezifische rechtsgutsverletzende Vorgehensweise weit besser erfassen und tatsächlich zum Ausdruck bringen, als es einzelne nicht spezifisch auf ein Mobbinggeschehen ausgerichtete Straftatbestände können. Wenn ein spezieller Tatbestand, wie in Frankreich, das strafbewehrte Unrecht gerade an das systematische, dauerhafte und wiederholte Verhalten knüpft, eine Berücksichtigung des Gesamtgeschehens gerade anordnet und die Tatsache berücksichtigt, dass die Rechtsgutsverletzungen nicht durch eine, sondern sukzessive durch mehrere Handlungen herbeigeführt werden, würde die Justiz für derartige globale rechtsgutsverletzende Sachverhalte sensibilisiert werden können. Einem mobbingspezifischen Straftatbestand könnten zudem auch Interessen des Einzelnen als Legitimation zu Grunde gelegt werden, die bisher durch das Strafrecht bzw. aufgrund der Auslegung der Straftatbestände durch die Rechtsprechung noch nicht geschützt werden, aber schützenswert sind und typischerweise durch Mobbing beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang sei auf das französische Strafgesetzbuch hingewiesen, das mit dem in Art. 222-33-2 code pénal verankerten mobbingspezifischen Straftatbestand neben der physischen Gesundheit auch die psychische Gesundheit, die Rechte am Arbeitsplatz, die menschliche Würde und die berufliche Zukunft schützt.244 Da sich Mobbing in etwa 80 Prozent der Fälle nachteilig auf das berufliche Leben auswirkt, könnte ein solches schützenswertes Interesse des Einzelnen vor allem in der Nichtbeeinträchtigung der beruflichen Zukunft oder des Arbeitsplatzes liegen. Wie festgestellt, wird durch Mobbing erheblich – zumeist durch den Verlust des Arbeitsplatzes – in das berufliche Leben des Betroffenen eingewirkt. In fast 50 Prozent der Fälle ist es Folge des Mobbinggeschehens, dass die Betroffenen vom gegenwärtigen Arbeitsplatz ausgeschlossen werden, sei es durch freiwilligen Arbeitsplatzwechsel innerhalb des Betriebes oder Eigenkündigung, sei es durch Berufs- und Arbeitsunfähigkeit oder Fremdkündigung.245 In vielen Fällen verfolgt der Täter mit Hilfe von Mobbing gerade das Ziel, den Betroffenen vom Arbeitsplatz zu vertreiben, um beispielsweise Abfindungskosten oder gesetzliche Kündigungshindernisse zu umgehen oder einen Mitkonkurrenten zu beseitigen.246 Die zurechenbar bewirkten Folgen für das berufliche Leben des Betrof244

Siehe dazu die Übersetzung im Vierten Kapitel B. I. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 78 f., 104 f.; siehe auch Zapf, ZfAO 1999, S. 20; Hirigoyen, S. 129. 245

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fenen können trotz ihrer Erheblichkeit für dessen Lebensgestaltung derzeit ausschließlich auf Strafzumessungsebene Berücksichtigung finden.247 Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit lösen sie als solche nicht aus, obwohl die berufliche Existenz im Leben eines Menschen einen sehr hohen Stellenwert einnimmt, indem die Eingebundenheit in die Arbeitswelt oftmals die Grundlage seiner Lebensexistenz in finanzieller Hinsicht bildet, so dass der Arbeitsplatz und die damit verbundene finanzielle Absicherung auch eine vermögenswerte Position darstellen, die zwar mit der Eigentümerstellung nicht vergleichbar, aber ihr gleichwertig ist.248 Diese vermögenswerte Position wird durch den strafrechtlichen Vermögensschutz nicht aufgefangen. Der Schutz des Arbeitsplatzes könnte daher als erweiterter Vermögensschutz angesehen werden. Darüber hinaus kommt dem Arbeitsplatz erhöhte Bedeutung für den Einzelnen dadurch zu, dass sich der Mensch in unserer heutigen Gesellschaft durch seine Arbeit definiert und seine gesellschaftliche Anerkennung über diese erhält.249 Die Arbeit und die damit verbundene persönliche Karriere sind oftmals vom Lebensglück des Einzelnen untrennbar.250 Als zweites schützenswertes Interesse könnte in den Schutzbereich die psychische Gesundheit Aufnahme finden und somit klargestellt werden, dass diese durch das Strafrecht zumindest im Fall von Mobbing geschützt wird. Indem die Rechtsprechung, entgegen hier vertretener Auffassung, die Psyche dem Schutzbereich der Körperverletzungsdelikte nicht unterwirft, besteht im derzeitigen Rechtsschutz hinsichtlich der nicht selten im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen hervorgerufenen psychischen Gesundheitsschäden eine Rechtsschutzlücke.251 Ob die Rechtsprechung ihre Auffassung ändern wird, ist nicht absehbar. Durch einen mobbingspezifischen Straftatbestand könnte der Tatsache, dass Mobbing in der Regel einen erheblichen Eingriff in die Psyche des Einzelnen darstellt, daher mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden und die Psyche des Menschen die ihr eigentlich gebührende Aufmerksamkeit durch das Strafrecht erlangen.

246 Vgl. Wickler in Wickler, S. 26; Wolmerath, Rn. 20; LAG Thüringen BB 2001, S. 1361. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118 kamen zu dem Ergebnis, dass 3,4 Prozent der Betroffenen als Grund für das gegen sie gerichtete Mobbing den Abbau von Arbeitsplätzen ansehen und 3,2 Prozent, dass man sie „los haben“ möchte. 247 Siehe dazu die Ausführungen im Zweiten Kapitel D. 3. 248 Richardi, Betriebsverfassung und Privatautonomie, S. 43; vgl. MüKo-Mertens, 3. Auflage, § 823 Rn. 130, Fn. 1574 m. w. N. 249 Zum heutigen Sinn der Arbeit siehe die Rechtsprechung zum Beschäftigungsanspruch: BAG AP Nr. 2 und 14 zu § 611 „Beschäftigungspflicht“; LAG Stuttgart ARBlattei ES, Nr. 1 „Beschäftigungspflicht“; Ruhl/Kassebohm, NZA 1995, S. 497. 250 Siehe zu diesem Zusammenhang die Untersuchungen von Noelle-Neumann/ Strümpel. 251 Vgl. die Ausführungen im Zweiten Kapitel B. 3. c) bb).

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Zudem könnte ein mobbingspezifisches Delikt den gegenwärtig bestehenden prozessualen Hindernissen entgegenwirken, indem dieses nicht als Antragsdelikt ausgestaltet oder die Antragsfrist ausnahmsweise verlängert werden würde. Ebenfalls könnte der Besonderheit, dass das Mobbinggeschehen oftmals über Monate und Jahre andauert und die Betroffenen in vielen Fällen erst nach dem Ausscheiden vom Arbeitsplatz den Mut fassen, rechtliche Schritte gegen den Mobbenden zu unternehmen, dadurch Rechnung getragen werden, indem im Rahmen eines mobbingspezifischen Delikts die Verjährungs- und die Strafantragsfrist erst zu laufen beginnen, wenn die letzte Mobbinghandlung vorgenommen wird. Dadurch könnten an einzelne Mobbinghandlungen, wie beispielsweise eine Beleidigung, Rechtsfolgen geknüpft werden, obwohl diese bereits länger als drei Monate zurückliegt. Damit würde den Betroffenen mehr Zeit gegeben, sich von den Folgen des Mobbinggeschehens zu erholen, sich hinsichtlich der psychischen Belastungen zu rehabilitieren, Abstand zu gewinnen, Kraft zu sammeln und ihre Angst, gegen den Mobbenden rechtlich vorzugehen, zu überwinden. Um den Betroffenen den meist schweren und erfolglosen Weg eines Privatklageverfahrens zu ersparen, könnte ein mobbingspezifisches Delikt zudem als Offizialdelikt ausgestaltet werden, so dass die Staatsanwaltschaft nicht nur dann Anklage erheben muss, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt, sondern bereits, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht.252 Die derzeit bestehenden Beweisschwierigkeiten, die einer Verurteilung des Mobbenden oftmals entgegenstehen, kann ein mobbingspezifischer Tatbestand hinsichtlich der Nachweisbarkeit der Mobbinghandlungen an sich natürlich nicht beseitigen, doch zumindest kann bei Überquerung dieser ersten Hürde der gesetzliche Tatbestand so ausgestaltet werden, dass Beweisschwierigkeiten, wie sie innerhalb der Körperverletzungsdelikte hinsichtlich der Kausalität für die eingetretenen Gesundheitsschäden bestehen, zwar nicht völlig, aber zumindest in ihrem Umfang herabgesetzt werden könnten. Eine solche Beweiserleichterung könnte darin bestehen, dass der Tatbestand als konkretes oder sogar abstraktes Gefährdungsdelikt hinsichtlich der Gesundheit des Betroffenen ausgestaltet wird und nicht, wie die Körperverletzung, als Verletzungsdelikt. Von der ersten Art der Gesetzesgestaltung hat der französische Gesetzgeber Gebrauch gemacht, indem er es zur Verwirklichung des Tatbestandes genügen lässt, dass die Arbeitsbedingungen durch das Verhalten des Mobbenden verschlechtert werden und diese Verschlechterung lediglich geeignet sein muss, Gesundheitsschäden hervorzurufen.253

252 Vgl. die Abwägung der Für und Wieder der Ausgestaltung als Offizialdelikt die Ausführungen im Vierten Kapitel D. V. 253 Siehe dazu Art. 222-33-2 code pénal und den Übersetzungsvorschlag im Vierten Kapitel B. I.

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

Durch lückenhaften strafrechtlichen Schutz und den Verweis des Betroffenen auf den Zivilrechtsweg besteht die Gefahr, dass der Mobbende eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellt, indem er für sein durch das Mobbing bezwecktes Ziel eventuelle Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche in Kauf nimmt. Die Kündigung durch den Betrffenen kann dem Mobbenden höheren Nutzen bringen, als der Schaden, den er durch die zivilrechtliche Verurteilung wegen Mobbing erleidet. Besonders relevant ist dies, wenn Mobbing durch Vorgesetzte oder den Arbeitgeber betrieben wird, um den Betroffenen aus dem Betrieb zu „ekeln“ und dadurch rechtliche Kündigungshindernisse zu umgehen oder möglicherweise hohe Abfindungen zu vermeiden. Einer solchen Kosten-Nutzen-Rechnung könnte ein Straftatbestand erheblich entgegenwirken, weil der Arbeitgeber eine strafrechtliche Verurteilung aufgrund der damit verbundenen Beeinträchtigung seiner Reputation, wohl nicht gern in Kauf nehmen wird. Die heutige Zurückhaltung der Staatsanwälte gegenüber Mobbing beruht nicht zuletzt darauf, dass dem Thema Mobbing bisher nicht die hinreichende Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Um Mobbing zu erkennen und rechtlich richtig einordnen zu können, bedarf es einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit diesem Thema, weil Mobbing in verschiedenen Formen und Facetten vorkommen kann. Staatsanwälte und Richter haben kaum eine Chance, rechtsgutsverletzendes Mobbingverhalten richtig zu erfassen und zu erkennen, um was es sich dabei überhaupt handelt, solange sie sich nicht mit dem Thema näher auseinandersetzen. Wird Mobbing ausdrücklich durch die Schaffung eines selbständigen Straftatbestandes als Kriminalunrecht charakterisiert, wird klar gestellt, dass die Strafjustiz für das Thema Mobbing zuständig ist und insoweit auch agieren muss. Im Vergleich zum Zivilprozess brächte ein Mobbingstraftatbestand darüber hinaus erhebliche Vorteile für den Betroffenen mit sich, weil im Strafprozess von Amts wegen ermittelt wird und der Betroffene nicht die Beweislast trägt. Oftmals weigern sich die Kollegen als Zeugen zur Verfügung zu stehen, weil sie Angst haben, den Arbeitsplatz zu verlieren oder selbst froh sind, den Betroffenen los zu werden. Ferner besteht im Strafprozess für den Fall, dass eine Verurteilung des Beschuldigten unterbleibt, für den Betroffenen kein Kostenrisiko, weil nicht wie im Zivilprozess der Unterlegene, mit Ausnahme von Privatklageverfahren, die Kosten des Verfahrens tragen muss. Ebenso wenig muss der Betroffene im Gegensatz zum Zivilverfahren Gerichtskostenvorschuss gemäß §§ 6, 12 GKG zahlen. Diese Überlegungen haben gezeigt, dass ein mobbingspezifischer Straftatbestand ein eindeutigeres Stoppsignal gegen Mobbing setzen und eine erheblichere abschreckende Wirkung mit sich bringen würde, als außerstrafrechtliche mobbingspezifische Regelungen. Es ginge bei der Schaffung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes darum, klarzustellen, dass es sich um ein striktes Verbot handelt, von Mobbing Gebrauch zu machen, um dadurch ein umfassen-

C. Mobbing de lege ferenda in Deutschland

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des und effizientes Präventionssystem mit strafrechtlichen Sanktionsmaßnahmen zu ergänzen. Darüber hinaus könnte ein auf Mobbing ausgerichteter Straftatbestand das systematische, wiederholte, dauerhafte Angriffsverhalten und die sukzessive Beeinträchtigung verschiedener Rechtsgüter, wie es für Mobbing typisch ist, besser erfassen, als die bestehenden nicht spezifisch auf Mobbing ausgerichteten Straftatbestände. Ferner könnten bisher durch das Strafrecht nicht geschützte aber durchaus schützenswerte Interessen Berücksichtigung finden, indem die psychische Gesundheit als geschütztes Rechtsgut oder die typischerweise mit einem Mobbinggeschehen verbundenen erheblichen Folgen für den Arbeitsplatz explizit in den Straftatbestand Aufnahme finden. Ebenfalls könnte den gegenwärtig bestehenden Verfahrenshindernissen bei entsprechender Ausgestaltung des mobbingspezifischen Delikts entgegengewirkt und somit mehr Rechtsschutz gewährleistet werden. Das gleiche gilt, bei entsprechender Ausgestaltung des Tatbestandes, für die gegenwärtig bestehenden Beweisschwierigkeiten. Ein mobbingspezifischer Straftatbestand stellt daher eine ernsthaft überlegenswerte Alternative dar, um mehr Rechtsschutz vor Mobbing und dessen erheblichen Folgen zu gewähren. Selbst wenn, wie Wickler254 behauptet, ein vergleichbar komplizierter Mobbingstraftatbestandes, wie er in Frankreich existiert, in der Praxis kaum oder gar nicht umsetzbar wäre, was letztendlich aber von dessen Ausgestaltung abhängt, würde mit dem Wissen um die Möglichkeit der Strafe dennoch eine erhöhte Abschreckung erreicht werden können. (2) Überlegungen gegen einen mobbingspezifischen Straftatbestand (a) Wirkungslosigkeit im Hinblick auf § 154d StPO Wie bereits erwähnt, hält Wickler einen mobbingspezifischen Straftatbestand nicht für notwendig. Er begründet seine Auffassung unter anderem mit Blick auf § 154d StPO. Seiner Meinung nach wäre eine mit der in Frankreich vergleichbaren gesetzlichen Regelung255 in Deutschland eine zahnlose Vorschrift, weil die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gemäß § 154d StPO von einem ziviloder verwaltungsrechtlichen Verfahren abhängig machen könnte.256 Wickler ist zu widersprechen. § 154d StPO erlaubt der Staatsanwaltschaft, die Fortführung des Ermittlungsverfahrens von einem außerstrafrechtlichen Verfahren abhängig zu machen, wenn die Strafbarkeit ausschließlich von einer nach zivil- oder verwaltungsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilenden Rechtsfrage abhängt. Es reicht zur vorläufigen Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht aus, wenn durch den Zivil- oder Verwaltungsgerichtsprozess die Aufklärung 254 255 256

Wickler in Wickler, S. 56. Vgl. die Ausführungen in diesem Kapitel B. III. und im Vierten Kapitel B. I. Wickler in Wickler, S. 141.

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

von Tatsachen zu erwarten ist, die auch für das Ermittlungsverfahren von Bedeutung sind, selbst wenn es sich um denselben Lebenssachverhalt, der zur rechtlichen Beurteilung ansteht, handelt.257 Das Gleiche gilt für rechtliche Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Sachverhaltes.258 Würde sich die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Mobbing auf § 154d StPO berufen und ihre Ermittlungen vorübergehend einstellen, indem sie auf ein zivil- oder arbeitsrechtliches Verfahren verweist, wäre ein solches Vorgehen nicht zulässig, weil es sich bei der Frage, ob der mögliche Mobbingstraftatbestand verwirklicht ist, nicht um eine außerstrafrechtliche Frage, so wie § 154d StPO es erfordert, sondern vielmehr um eine tatsächliche Frage handeln würde. Der gesetzlich umschriebene Tatbestand eines mobbingspezifischen Straftatbestandes würde nicht einen Rechtsbegriff darstellen, der allein nach zivil- bzw. arbeitsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen wäre, sondern vielmehr einen eigenen strafrechtlichen Rechtsbegriff, der grundsätzlich nicht von der Frage abhängig wäre, ob aus zivil- bzw. arbeitsrechtlicher Sicht Mobbing vorliegt. Ferner ist zu bedenken, wenn Wickler aufgrund des § 154d StPO vom Leerlauf eines möglichen Straftatbestandes spricht, dass § 154d StPO lediglich zum vorläufigen Einstellen der Ermittlungen berechtigt. Erst wenn die gegebene Frist ohne Einleitung eines außerstrafrechtlichen Verfahrens verstrichen ist, kann die Staatsanwaltschaft gemäß § 154d Satz 3 StPO das Verfahren einstellen. Das Ermittlungsverfahren muss spätestens wieder aufgenommen werden, wenn der präjudizielle Rechtsstreit rechtskräftig abgeschlossen ist259, so dass von einem Leerlauf einer entsprechenden Norm auch aus diesem Grund nicht die Rede sein kann. Darüber hinaus spricht gegen die Auffassung von Wickler, dass § 154d StPO eine Ermessensvorschrift ist und nicht eine Vorschrift, welche die Staatsanwaltschaft zwingt, von ihr Gebrauch zu machen. Die Staatsanwaltschaft greift in der Praxis vielmehr verhältnismäßig selten auf § 154d StPO zurück.260 Es ist nicht ersichtlich, warum diese Praxis im Zusammenhang mit einem mobbingspezifischen Straftatbestand sich anders gestalten sollte. Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass sowohl aufgrund des fehlenden Anwendungsbereichs als auch aufgrund der Rechtsfolge des § 154d StPO nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein mobbingspezifischer Straftatbestand in seiner Anwendung aufgrund des § 154d StPO leer laufen würde. Wieweit es dagegen zulässig ist, parallele Sachverhaltsaufklärungen, welche in anderen Verfahren zu erwarten sind, abzuwarten, beurteilt sich nicht nach § 154d StPO, 257 KMR-Plöd, § 154d Rn. 3; LK/StPO-Beulke, § 154d Rn. 6; SK/StPO-Weßlau, § 154d Rn. 7 m. w. N. 258 KMR-Plöd, § 154d Rn. 1; SK/StPO-Weßlau, § 154d Rn. 2. 259 LK/StPO-Beulke, § 154d Rn. 14. 260 LK/StPO-Beulke, § 154d Rn. 1.

C. Mobbing de lege ferenda in Deutschland

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sondern nach den Grundsätzen und Grenzen der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens, die aber kein Argument gegen die Einführung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes darstellen. (b) Ultima ratio des Strafrechts und Bestimmtheitsgrundsatz gemäß § 103 Abs. 2 GG Zu beachten ist aber, dass das Strafrecht kein Allheilmittel und die strafrechtliche Verfolgung nicht immer die beste Lösung darstellen muss, um gewisse Verhaltensweisen effektiv zu bekämpfen. Dies gilt insbesondere dort, wo der Betroffene und der Mobbende auch in Zukunft, nämlich am Arbeitsplatz, miteinander verkehren sollen. Selbst wenn der Gesetzgeber sich zu Gunsten eines mobbingspezifischen Straftatbestandes entscheidet, ist damit kein absoluter Schutz geschaffen, denn es bleibt immer ein bestimmtes, nicht auszuschließendes Restrisiko bestehen.261 Wie aufgezeigt, sprechen einige Argumente für einen Mobbingstraftatbestand, doch da das Grundgesetz die allgemeine menschliche Handlungsfreiheit gewährleistet, darf das Strafrecht Beschränkungen nur dann anordnen, wenn dies zum Schutz der Gemeinschaft unvermeidlich ist.262 Aufgrund seines erheblichen Eingriffs in den Freiheitsbereich des Einzelnen stellt das Strafrecht nach allgemeiner Rechtslehre263 daher nur die letzte Maßnahme dar, auf die der Gesetzgeber zurückgreifen darf, um seiner Schutzpflicht gerecht zu werden.264 Mit diesen Gedanken im Hintergrund sollte daher, bevor auf einen mobbingspezifischen Straftatbestand zurückgegriffen wird, zum einen versucht werden, mit außerstrafrechtlichen Mitteln mehr Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz zu erreichen, da diese, wie dargestellt, bisher nur sehr rudimentär ausgeprägt sind. Zum anderen sollten die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte für das Thema Mobbing sensibilisiert werden, um im Rahmen der bestehenden Strafgesetze die derzeitigen Möglichkeiten auszuschöpfen. Der effektivste Schutz vor Mobbing wird innerhalb der Wissenschaft in der Prävention durch den Arbeitgeber gesehen, indem dieser eine Führungskultur im Unternehmen etabliert, die Mobbing offensiv thematisiert und den Führungskräften Verhaltensrichtlinien an die Hand gibt, wie im Konkreten mit Konflikten und sich anbahnenden Mobbingfällen umzugehen ist. Wichtig ist dabei, dass der Arbeitgeber und der Dienstherr nicht nur auf freiwilliger Basis zu Mobbing261

Vgl. Isensee in: Isensee/Kirchhof, § 111 Rn. 145. Baumann/Weber/Mitsch, § 3 Rn. 8. 263 BVerfGE 39, S. 1 ff. (47); siehe dazu ausführlich und m. w. N. Appel, S. 404 ff.; 446 m. w. N.; ferner SK-Rudolphi, vor § 1 Rn. 14. 264 Appel, S. 405 m. w. N.; Baumann/Weber/Mitsch, § 3 Rn. 19; Roxin, AT I, § 2 Rn. 97. 262

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

prävention animiert, sondern gesetzlich dazu verpflichtet werden. Zwar ergibt sich eine solche Pflicht des Arbeitgebers bereits nach der heutigen Gesetzeslage aus allgemeinen Normen, doch würden durch eine ausdrückliche gesetzliche mobbingspezifische Schutzpflicht das Bewusstsein und die Dringlichkeit verstärkt und so, wie Wolmerath es mit seinem Gesetzesvorschlag anregt, die Ausgestaltung dieser Schutzpflicht konkretisiert werden können. Das erfordert aber auch, dass der Arbeitgeber für die schuldhafte Nichtverhinderung eines Mobbingfalls, bzw. wenn er schuldhaft nicht in ein Mobbinggeschehen eingreift, von dem Mobbenden auf dem Zivilrechtsweg in Haftung genommen werden kann, so dass dadurch eine zukünftige Praktizierung oder Duldung von Mobbingangriffen ausgeschlossen bzw. die Gefahr minimiert wird.265 Die notwendige Abschreckung, die auch mit einem mobbingspezifischen Straftatbestand hervorgerufen werden könnte, sollte zunächst durch arbeits- und haftungsrechtliche repressive Elemente herbeizuführen versucht werden. An erster Stelle steht dabei, dass durch eine gesetzliche Regelung die problemlose Möglichkeit einer konsequenten zivil- oder sozialrechtlichen Haftung des Mobbenden geschaffen und dadurch der derzeitigen rechtlichen Unsicherheit und teilweisen Hilflosigkeit der Betroffenen, die durch die unterschiedliche arbeitsund zivilrechtliche Rechtsprechung gefördert wird, begegnet wird. Insoweit ist die Rechtsprechung gefordert, da diese durch die Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung verhindern muss, dass der Mobbende eine für ihn positive Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen kann. Besonders wichtig wird dieser Aspekt sein, wenn der Mobbende der Arbeitgeber ist, der mittels Mobbing den Betroffenen zur Selbstkündigung zwingen möchte, um dadurch den Kündigungsschutz oder mögliche Kosten in Verbindung mit einer Kündigung zu umgehen. Durch eine vernünftige und konsequente Schmerzensgeld- und Schadensersatz-Rechtsprechung im Zusammenhang mit Mobbing könnte unter general- als auch spezialpräventiven Gesichtspunkten eine effektive abschreckende Wirkung erzielt werden. Die abschreckende Wirkung könnte darüber hinaus verstärkt werden, wenn Mobbing als gesetzlicher Rechtsfertigungsgrund für bestimmte arbeitsrechtliche Maßnahmen, wie beispielsweise einer Abmahnung oder Kündigung, explizit geregelt wird. Die Wichtigkeit des Arbeitsplatzes für den Einzelnen legt es nahe, dass viele potentielle Mobbingtäter aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, davon abhalten, von Mobbingangriffen Gebrauch zu machen. Ferner könnte die Zuständigkeit des Betriebsrates hinsichtlich der Maßnahmen zur Verhinderung von Mobbing ausdrücklich manifestiert werden, um damit klarzustellen, dass Mobbing ein Thema ist, bei dem auch der Betriebsrat in die Pflicht genommen werden muss. 265

So auch Wickler in Wickler, S. 57.

C. Mobbing de lege ferenda in Deutschland

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Neben außerstrafrechtlichen mobbingspezifischen Gesetzen sollte versucht werden, die Präventionswirkung des Strafrechts zunächst dadurch zu erreichen, dass die Staatsanwaltschaft für Mobbingsachverhalte sensibilisiert und dadurch ermöglicht wird, dass es im Rahmen der bestehenden Gesetze zu einer Anklage wegen Körperverletzung oder Nötigung kommt bzw. das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bei Privatklagedelikten im Zusammenhang mit Mobbing eher bejaht wird als bisher. Darüber hinaus bietet das Strafrecht mit den Körperverletzungsdelikten, wie im Zweiten Kapitel dargelegt, bereits heute die Möglichkeit, die psychische Gesundheit in den Schutzbereich des Strafrechts aufzunehmen.266 Insoweit besteht daher keine gesetzliche Lücke, vielmehr ist es an der Rechtsprechung, sich dem Wandel der Zeit anzupassen und der psychischen Gesundheit die Aufmerksamkeit zu geben, die sie verdient hat. Ebenfalls sollte das Gesamtgeschehen Mobbing, wie im Zweiten Kapitel dargestellt, auf Strafzumessungsebene mehr Beachtung innerhalb der Rechtsprechung geschenkt werden, wenn der einzelne Mobbingangriff als Teil eines Mobbinggeschehens einer rechtlichen Bewertung zugeführt wird. Dazu bedarf es aber wiederum der Sensibilisierung der Rechtsprechung für Mobbingsachverhalte, die durch Seminare und Fortbildungsveranstaltungen für Richter und Staatsanwälte gefördert werden kann. Erst wenn diese außerstrafrechtlichen Mittel nicht zur Verringerung der Anzahl der Mobbingfälle führen und eine Sensibilisierung der Staatsanwaltschaft und der Strafgerichte für das Thema Mobbing nicht erreicht werden kann, sollte der Strafgesetzgeber von seiner Strafgewalt Gebrauch machen und einen mobbingspezifischen Straftatbestand schaffen. Für diese gegenüber einem mobbingspezifischen Straftatbestand zurückhaltende Haltung spricht ferner, dass es aufgrund der unzähligen heterogenen Fallgestaltungen von Mobbing schwierig ist, die Unrechtstypisierung von Mobbing in einen gesetzlichen Tatbestand zu fassen und gleichzeitig den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes gemäß Art. 103 Abs. 2 GG und 7 EMRK gerecht zu werden, so dass zu erwarten ist, dass der Gesetzgeber erheblichen Schwierigkeiten bei der gesetzlichen Umschreibung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes ausgesetzt wäre. Das zeigen auch die Diskussionen um den Art. 222-332 code pénal, indem dieser in der Wissenschaft überwiegend hinsichtlich einzelner Tatbestandsmerkmale als zu unbestimmt und insgesamt in seiner Struktur als zu kompliziert kritisiert wird.267 Mit Blick auf Art. 222-33-3 code pénal meint Wickler daher, dass eine zivil- oder sozialrechtliche Haftung effektiver wäre, als ein komplizierter, im Kalkül des Mobbenden belangloser, weil im

266

Siehe dazu die Ausführungen im Zweiten Kapitel B. II. 3. c) dd) (5). Duvert, Éditions du Juris-Classeur 2003, fasc. 20 Rn. 6; Lapérou-Scheneider, droit social 2002, S. 313, 315 f.; Malabat, droit social 2003, S. 492; dies., Rn. 476. 267

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

Einzelfall nur schwer oder gar nicht umsetzbarer Straftatbestand mit im Verhältnis zu den Mobbingfolgen geringen Auswirkungen.268 Unterstützung findet die hier vertretene Auffassung auch in wissenschaftlichen Studien, die teilweise davon ausgehen, dass sich jeder dritte Arbeitnehmer als Mobbingopfer fühlt und daher mit einem mobbingspezifischen Straftatbestand die Gefahr unbegründeter Strafanzeigen herbeigeführt werden würde.269 Der Mobbingvorwurf könnte als arbeitsrechtliche Allzweckwaffe eingesetzt und dadurch unnütze Ermittlungen der Strafverfolgungs- oder Arbeitsaufsichtsbehörden ausgelöst werden. Nach Wickler spricht gegen einen mobbingspezifischen Straftatbestand ferner, dass mit einem solchen sogleich eine Missbrauchsgefahr geschaffen würde, indem der eigentlich Mobbende als Teil seines Mobbingvorgehens den eigentlich Betroffenen als Mobbenden bezichtige.270

D. Endergebnis Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Staat aufgrund seiner grundrechtlichen Schutzpflicht verpflichtet ist, Mobbing entgegenzuwirken. Es hat sich gezeigt, dass die staatlichen Möglichkeiten, vor Mobbing zu schützen, nicht ausgeschöpft sind bzw. das derzeitige staatliche Handeln noch nicht die notwendige Intensität erreicht hat, um gegen Mobbing effektiv anzukämpfen. Schweden und Frankreich haben es mit mobbingspezifischen Gesetzesregelungen vorgemacht. Schweden setzt vorwiegend auf präventiven Schutz, Frankreich dagegen auch auf repressive gesetzliche Elemente und stellt Mobbing sogar explizit unter Strafe. Wie die Ausführungen gezeigt haben, wäre der deutsche Gesetzgeber verfassungsrechtlich legitimiert, mobbingspezifische außerstrafrechtliche, als auch – bei entsprechender Ausgestaltung – strafrechtliche gesetzliche Normen zu schaffen. Der deutsche Gesetzgeber steht im Rahmen seines weiten Entscheidungsspielraums mobbingspezifischen Gesetzen aber ablehnend gegenüber, da er die bestehenden Gesetze für ausreichend hält, um effektiven Mobbingschutz zu gewähren. Die Ausführungen haben gezeigt, dass es sich dabei um einen Irrtum handelt. Zwar ermöglichen die heutigen zivil-, arbeits-, beamten- und strafrechtlichen Gesetze, den Mobbenden in die Haftung zu nehmen, doch steht vor al268

Wickler in Wickler, S. 56. Vgl. Wickler in Wickler, S. 56; siehe auch Lueger, Die Bedeutung der Wahrnehmung bei der Personalbeurteilung – Zur psychischen Konstruktion von Urteilen über Mitarbeiter, 2. Auflage, 1993. 270 Hirigoyen, 2002, S. 365; Wickler in von Saldern, S. 141; Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments 2001/2239 (INI) Ziff. 5 unter Bezugnahme auf die dritte Untersuchung über die Arbeitsverhältnisse in Europa der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen „Dublin Stiftung“, Dezember 2002; Wolmerath, 1. Auflage, S. 296. 269

D. Endergebnis

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lem die Rechtsprechung und damit die Praxis dem Thema Mobbing überwiegend noch sehr distanziert gegenüber, so dass gegenwärtig selten effektiver Rechtsschutz anzutreffen ist. Aufgrund des weiten Einschätzungs- und Handlungsspielraums des Staates, seiner Schutzpflicht nachzukommen, ist er zwar nicht verpflichtet, mobbingspezifische Gesetze zu erlassen und noch weniger einen mobbingspezifischen Straftatbestand zu schaffen, doch ist festzuhalten, dass staatlicher Handlungsbedarf besteht, um die Gesellschaft für Mobbing und dessen Folgen zu sensibilisieren und ein eindeutiges Stoppsignal zu setzen. Der Staat muss klarstellen, dass Mobbing ein Verhalten ist, welches nicht geduldet wird. Diese Verurteilung ist notwendig, um innerhalb der Gesellschaft einen Wandel des Verständnisses gegenüber einem erheblich rechtsgutsgefährdenden Verhalten herbeizuführen, das noch viel zu oft als unvermeidbarer und hinzunehmender Teil des Arbeitslebens angesehen wird. Dieses Ziel verfolgend, ist es zunächst notwendig, dass der Staat auf exekutiver Ebene aktiv wird, indem er über das Thema Mobbing und seine Folgen aufklärt und geeignete Hilfsmaßnahmen, wie beispielsweise Mediationszentralen schafft, um den Parteien die Möglichkeit zu geben, den Mobbingkonflikt zu lösen, ohne den Arbeitsplatz aufgeben zu müssen. Darüber hinaus ist es im Sinne des Opferschutzes unabdingbar, psychosozialen und rechtlichen Schutz anbietende Institutionen für Betroffene mit speziell zu dem Thema Mobbing ausgebildeten Helfern zu schaffen. Ebenso müssen Organe der Rechtspflege über das Thema Mobbing und dessen rechtliche Einordnung geschult werden, um zu ermöglichen, dass der Betroffene für seinen Schutz, seine Rehabilitation und seine Genugtuung die Möglichkeiten wahrnehmen kann, die ihm die Gesetze bereits heute bieten. Diese Maßnahmen genügen allein aber nicht, vielmehr bedarf es für einen effektiven Mobbingschutz auch mobbingspezifischer zivil-, arbeits-, sozial- und beamtenrechtlicher Regelungen, die präventive als auch repressive Elemente enthalten. Schwerpunkt muss hierbei zum einen sein, den Arbeitgeber bzw. den Dienstherr zu verpflichten, offensiv gegen Mobbing am Arbeitsplatz vorzugehen und präventiv tätig zu werden, und zudem den Betriebsrat bzw. Personalrat auf das Thema Mobbing zu verpflichten. Zum anderen ist es notwendig, der derzeitigen uneinheitlichen und teilweise zurückhaltenden Rechtsprechung einheitliche Regelungen an die Hand zu geben, indem klargestellt wird, dass Mobbing arbeitsrechtliche Folgen wie Abmahnungen und Kündigungen rechtfertigen und zu Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen führen kann. Derartige mobbingspezifische Regelungen könnten sowohl auf präventiver, als auch auf repressiver Ebene erheblich dazu beitragen, dass das Mobbingaufkommen eingedämmt wird und die Betroffenen den ihnen zustehenden Rechtsschutz erhalten.

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3. Kap.: Mobbing de lege ferenda

Obgleich ein mobbingspezifischer Straftatbestand zum einen die Präventionswirkung durch seine abschreckende Wirkung verstärken würde und zum anderen die Strafe gerade an das systematische, wiederholte und dauerhafte Angriffsverhalten knüpfen, noch nicht strafrechtlich geschützte, aber schützenswerte Interessen in das Strafrecht aufnehmen und gegenwärtigen strafprozessualen Schwierigkeiten entgegenwirken könnte, ist es mit Blick auf das ultimaratio-Prinzip, die Verhinderung der zu starken Kriminalisierung der Arbeitswelt und den das Strafrecht durchziehenden Bestimmtheitsgrundsatz vorzugswürdig, auf einen solchen noch zu verzichten. Es sollte zunächst versucht werden, Mobbing mit mobbingspezifischen außerstrafrechtlichen Regelungen entgegenzutreten und den auf außerstrafrechtlicher Ebene bestehenden Rechtsschutzlücken zu begegnen. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass das bestehende Strafrecht bestimmte Mobbingverhaltensweisen bereits heute als strafrechtliches Unrecht tatbestandlich zu erfassen vermag. Die Staatsanwaltschaft und die Gerichte sollten daher für das Thema Mobbing sensibilisiert werden, um im Rahmen der bestehenden Gesetze die derzeitigen Möglichkeiten zu erkennen und anzuwenden, um durch einzelne strafrechtliche Urteile, die das Mobbinggeschehen als solches berücksichtigen, eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Die Verurteilung eines Mobbenden wegen Körperverletzung würde auch ohne bestehende mobbingspezifische strafrechtliche Regelungen in der Gesellschaft für Aufruhr sorgen und zunächst zu einer intensiven Abschreckung führen. Entscheidet sich der Gesetzgeber für die Schaffung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes, kann ein solches Vorhaben nur unter der Bedingung angegangen werden, dass ein Gesetzestext ausgearbeitet wird, der klar und bestimmt genug ist, um den Grundsätzen des Strafrechts gerecht werden zu können und der nicht in Konflikt mit dem verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG gerät. Ferner darf die allgemeine Handlungsfreiheit nicht zu weit eingeschränkt werden. In welcher Form unter diesen Bedingungen die Umschreibung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes überhaupt möglich ist, ist Inhalt des Vierten Kapitels dieser Arbeit.

Viertes Kapitel

Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes A. Einführende Erläuterungen Gegenwärtig wird in der Wissenschaft und den Gesetzgebungsorganen heftig über die Einführung eines Stalking-Straftatbestandes diskutiert.1 Nach anfänglicher Zurückhaltung hat sich nunmehr die Bundesregierung durchgerungen, einen Stalking-Straftatbestand in das Strafgesetzbuch einzuführen, weil die derzeitige gesetzliche Lage nicht für ausreichend erachtet wird, um Stalkingopfer ausreichend zu schützen und für die Polizei eine ausreichende Eingriffsgrundlage zu schaffen.2 Obgleich es nach der hier vertretenen Auffassung vorzugswürdig erscheint, zunächst zu versuchen, mit außerstrafrechtlichen gesetzlichen Regelungen Mobbing entgegenzutreten, ist es vor allem vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussionen um die Einführung eines Stalking-Straftatbestandes notwendig, sich aufgrund der ähnlichen Problematik3 auch mit der Frage eines mobbingspezifischen Straftatbestandes und dessen möglicher Ausgestaltung zu befassen. Denn zum einen signalisiert der Strafgesetzgeber mit seiner derzeitigen Stalkingpolitik, dass er neuen die Gesellschaft berührenden Themen, wozu auch Mobbing gehört, offen gegenüber steht und zum anderen zeigt sich an der erheblichen Medienöffentlichkeit gegenüber den Themen Mobbing und Stalking, dass die Gesellschaft für neue Arten der Beeinflussung des menschlichen Lebensbereichs bzw. Daseins sensibilisiert ist. Die Erstellung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes erfordert die Überwindung zweier Hürden. Zum einen bestehen bei der Formulierung des gesetzlichen Tatbestandes aufgrund der vielfältigen heterogenen Fallgestaltungen von Mobbing erhebliche Schwierigkeiten, den durch Art. 103 Abs. 2 GG ver1 Siehe dazu den Gesetzesantrag von Hessen BR-Drs. 551/04 und Schleswig-Holstein BR-Drs. 551/2/04; Gesetzesentwurf des Bundesrats BT-Drs. 15/5410; Kerbein/ Pröbsting, ZRP 2002, S. 78; Pechstaedt, S. 132 ff. 2 Gesetzesentwurf der Bundesregierung BR-Drs. 617/05; siehe auch BT-Drs. 15/ 5410 Anlage 2. 3 Siehe die Ausführungen zur Abgrenzung Mobbing – Stalking im Ersten Kapitel A. II. 6.

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

fassungsrechtlich verankerten Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafvorschriften gerecht zu werden. Der Bestimmtheitsgrundsatz, der Ausdruck des in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegten Rechtsstaatsprinzips ist, soll vor unkalkuliertem Zugriff des Staates schützen und als Kehrseite den Rahmen der in Art. 2 Abs. 1 GG garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit kalkulierbar machen.4 Das Bestimmtheitsgebot dient einem doppelten Zweck: Zum einen soll es gewährleisten, dass der Gesetzgeber und nicht die Exekutive oder das rechtsanwendende Gericht über die Reichweite der Strafbarkeit entscheiden5 und zum anderen soll dem Bürger die Grenze des straffreien Raums klar vor Augen gehalten werden, damit er sein Handeln daran orientieren kann.6 Der Bestimmtheitsgrundsatz garantiert dabei nicht nur die bloße gesetzliche Festlegung der Strafbarkeit, sondern auch die inhaltliche Präzision der Strafvorschriften.7 Ein Strafgesetz muss daher derart konkret umschrieben werden, dass für den Bürger seine Tragweite und sein Anwendungsbereich erkennbar ist und sich durch Auslegung ermitteln lässt.8 Zum anderen ist bei den Überlegungen zu einem mobbingspezifischen Straftatbestand zu beachten, dass das Strafrecht wegen des mit ihm verbundenen „gravierenden sozialethischen Vorwurfs“ nach allgemeiner Ansicht nur ultima ratio staatlicher Mittel sein darf.9 Ausgeschlossen ist es deshalb, das Strafrecht inflationär zur Unterbindung all dessen einzusetzen, was irgendwie unerwünscht oder unwertig erscheint. Nicht jede Unfreundlichkeit, Meinungsverschiedenheit oder normale zwischenmenschliche Auseinandersetzung am Arbeitsplatz darf daher unter Strafe gestellt werden, sondern das Strafrecht darf nur bei wesentlichen Einbußen im Sinne einer Verletzung oder gravierenden Gefährdung von Rechtsgütern zur Anwendung kommen. Das Bundesverfassungsgericht verfolgt im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das Übermaßverbot, wonach eine Abwägung der durch die Strafbewehrung bewirkten Grundrechtsbeeinträchtigungen einerseits und dem Gewinn an Rechtsgüterschutz anderseits zu erfolgen hat. Unverhältnismäßig im engeren Sinne soll ein Eingriff dann sein, wenn der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat so gering ist, dass die Verhängung von (Kriminal-)strafe eine unangemessene und unverhältnismäßige Reaktion wäre.10 4

BVerfGE 25, S. 41, 42; Bonner Kommentar-Rüping, Art. 103 Abs. 2 Rn. 15. BVerfGE 87, S. 399 (411); Appel, S. 118; Dreier, Art. 103 Rn. 33; Maunz/Dürig/ Herzog-Schmidt-Assmann, Art. 103 Abs. 2 Rn. 180. 6 BVerfGE 25, S. 269 ff. (285); 45, S. 363 ff. (370); 75, S. 329 (341); Appel, S. 117 f.; Bonner Kommentar-Rüping, Art 103 Abs. 2 Rn. 23; Maunz/Dürig/HerzogSchmidt-Assmann, Art. 103 Abs. 2 Rn. 184. 7 Bonner Kommentar-Rüping, Art. 103 Abs. 2 Rn. 19. 8 BVerfGE 25, S. 269 ff. (285); 73, S. 206 ff. (234 f.); 75, S. 329 ff. (340 ff.); 80, S. 244 (256 f.). 9 BVerfGE 39, S. 1 ff. (47); siehe dazu ausführlich und m. w. N. Appel, S. 404; SKRudolphi, vor § 1 Rn. 14. 10 BVerfGE 50, S. 205, 215; 90, S. 145 ff. (184 ff.); 92, S. 277 ff. (327). 5

B. Das Strafrecht Frankreichs

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Der mobbingspezifische Straftatbestand muss daher diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen entsprechen und darf das Leben am Arbeitsplatz nicht zu stark kriminalisieren.

B. Das Strafrecht Frankreichs und Änderungsvorschläge zum deutschen StGB als Orientierungshilfen bei den Überlegungen zu einem auf Mobbing ausgerichteten Straftatbestand I. Art. 222-33-2 code pénal „Harcèlement moral“ Um einen Anhaltspunkt und eine Orientierung für die Ausgestaltung eines Straftatbestandes zu erhalten, soll zunächst ein Blick nach Frankreich geworfen werden, wo seit 2001 ein spezifisch auf die Erfassung von Mobbing ausgerichteter Straftatbestand existiert. Zum anderen sollen die im Zusammenhang mit Mobbing bereits in die Diskussion eingebrachten Vorschläge zur Änderung des Strafgesetzbuches näher betrachtet werden. Art. 222-33-2 code pénal „Harcèlement moral“ lautet zunächst und alsdann ins Deutsche übersetzt wie folgt:11 „Le fait de harcèler autrui par des agissement répétés ayant pour objet ou pour effet une dégradation des conditions de travail susceptible de porter atteinte à ses droits et à sa dignité, d’altérer sa santé physique ou mentale ou de compromettre son avenir professionnel, est puni d’un an d’emprisonnement et de 15.000 Euro d’amende.“ „Die Belästigung eines anderen durch wiederholte Handlungen, welche dem Zweck dienen oder zur Folge haben, dass eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen eintritt, die geeignet ist, die Rechte und die Würde des Betroffenen, seine psychische oder physische Gesundheit zu verletzen oder seine berufliche Zukunft zu gefährden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und Geldstrafe bis zu 15.000 Euro bestraft.“ Der Versuch ist nicht strafbar. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Weil der Tatbestand die Charakteristika eines Dauerdelikts aufweist, wird für den Beginn der Verjährungsfrist auf die zeitlich letzte Handlung des Gesamtgeschehens abgestellt.12

11 Bis auf die unterschiedlichen Strafandrohungen und die Beschränkung des Opferkreises auf Arbeitnehmer ist der Straftatbestand im code du travail, Art. 152-1-1, mit dem Art. 222-33-2 code pénal identisch. 12 Duvert, V. J. Cl. pén. 2003 Art. 222-33-2: fasc. 20, Rn. 34 ff., 58.

344

4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

II. Vorschläge zur Änderung des Strafgesetzbuches Bisher gibt es in Deutschland keinen Vorschlag eines Straftatbestandes, der speziell auf Mobbing ausgerichtet ist. Lediglich Pechstaedt, der einen Straftatbestand für Stalking vorschlug, erklärte, dass der vorgeschlagene Straftatbestand auch auf Mobbing Anwendung finden könne.13 Er formuliert den Straftatbestand wie folgt: § (. . .) Beunruhigung (1) Wer fortwährend Handlungen vornimmt, die darauf gerichtet sind, einen anderen oder einen Dritten in seinem inneren Frieden zu stören oder in Angst zu versetzen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu (. . .) oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Die Tat nach Absatz 1 wird nur auf Antrag verfolgt. Wolmerath spricht sich zwar gegen einen mobbingspezifischen Straftatbestand aus, doch fordert er im Rahmen seines Gesetzesentwurfs zur „Vermeidung von psychischen Belästigungen am Arbeitsplatz und zur Verbesserung der Situation der von psychischen Belästigungen betroffenen Beschäftigten“ eine Änderung des § 77b Abs. 1 StGB, wonach im Fall von Mobbing die Strafantragsfrist nicht nur drei Monate, sondern ausnahmsweise zwei Jahre betragen soll. Bei einer Expertenanhörung im Bundestag zum Thema „Reicht der Schutz für Betroffene?“ im Jahre 1997 forderte er noch, die Antragsfrist lediglich auf 12 Monate zu erhöhen.14 Die verlängerte Antragsfrist sei notwendig, weil die Betroffenen, wenn sie Mobbing über einen langen Zeitraum oder in besonders schwerer Weise ausgesetzt sind, auf Grund ihres dadurch beeinträchtigten Selbstbewusstseins erst nach einer längeren therapeutischen Behandlung in der Lage seien, rechtliche Schritte gegen den Täter einzuleiten.15 Nach seinem Vorschlag soll der Wortlaut des § 77b Abs. 1 StGB daher wie folgt lauten: „Eine Tat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, wird nicht verfolgt, wenn der Antragsberechtigte es unterlässt, den Antrag bis zum Ablauf einer Frist von drei Monaten zu stellen. Bei Taten, die auf psychische Belästigungen am Arbeitsplatz im Rahmen eines in sich abgeschlossenen Geschehensprozesses zurückzuführen sind, beträgt die Frist 2 Jahre.“16

13

Pechstaedt, S. 148. Dokumentation einer öffentlichen Expertenanhörung der PDS im Bundestag, ADS; BT/13. WP-213, Bl. 534–570 vom 24.03.1997, S. 58. 15 Wolmerath, 1. Auflage, S. 317. 16 Wolmerath, 1. Auflage, S. 317 (Änderung vom Bearbeiter kursiv hervorgehoben). 14

B. Das Strafrecht Frankreichs

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III. Würdigung der Vorschläge Sowohl der Art. 222-33-2 code pénal als auch der Vorschlag von Pechstaedt rufen gemessen an den deutschen Gesetzgebungsleitlinien erhebliche Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem sich aus Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 7 EMRK ergebenden Bestimmtheitsgrundsatz hervor. Obgleich das Bundesverfassungsgericht bei der Überprüfung von Strafgesetzen im Hinblick auf deren Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz heute verhältnismäßig geringe Anforderungen stellt,17 geht es wohl zu weit, wenn die „Störung des inneren Friedens“ als Tatbestandsmerkmal in ein Strafgesetz Aufnahme fände, ohne dass an die tatbestandsmäßige Handlung weitere konkrete Anforderungen gestellt würden. Zum anderen stellt sich die Frage, ob vom Tatbestand her die allgemeine Handlungsfreiheit dadurch nicht zu stark eingeschränkt werden würde, wenn man lediglich fordert, dass der innere Frieden gestört oder Angst hervorgerufen wird. Das Gleiche gilt im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz für Art. 22233-2 code pénal hinsichtlich der Tatbestandmerkmale „Rechte“ und „Würde“. Was darunter zu verstehen ist, ist für den Rechtsadressaten nicht vorhersehbar. Der Vorschlag Wolmeraths dagegen, der sich auf eine Abänderung des § 77b StGB beschränkt, muss nach herrschender Meinung nicht an dem spezifischen strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz gemessen werden, weil es sich dabei um eine Abänderung einer formell-rechtlichen Verfahrensvoraussetzung handelt.18 Darüber hinaus ist die Formulierung des vorgeschlagenen Tatbestandes von Pechstaedt, indem er fordert, dass „die Handlungen darauf gerichtet sein müssen, den inneren Frieden zu stören oder jemanden in Angst zu versetzen“, etwas unglücklich, denn auf den ersten Blick wird der Eindruck erweckt, dass eine reine Absicht zur Strafbarkeit genügen soll, was mit dem derzeitigen Verständnis vom Kriminalunrecht nicht vereinbar wäre, weil danach das Kriminalunrecht ein Verhalten im äußeren Interaktionsverhältnis voraussetzt, das eine nicht mehr hinnehmbare Gefahr für ein zu schützendes Rechtsgut schafft. Eine bestimmte Absicht ändert am Bestehen oder nicht Bestehen des Handlungsunrechts aber nichts.19 Dem gleichen Vorwurf ist Art. 222-33-2 code pénal ausgesetzt, da es nach seinem Wortlaut ausreicht, dass die wiederholten Handlungen 17 BVerfGE 26, S. 41 ff. (43); 45, S. 363 ff.; 90, S. 145 ff. (Cannabis-Entscheidung); 96, S. 68 ff. (98 f.) Entscheidung zu § 13 Abs. 1 StGB Garantenstellung beim unechten Unterlassungsdelikt, dazu kritisch Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 40; Köhler, S. 213 f.; Schünemann, nulla poene sine lege, S. 7, 29; Stächelin, S. 216 ff.; krit. auch MK-Freund, § 13 Rn. 26; Stächelin, S. 216 ff.; siehe auch Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 68 und Jarras/Pieroth, Art. 103 Rn. 49 f. jeweils m. w. N. auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts; siehe auch Roxin, JuS 1973, S. 198. 18 BVerfGE 25, S. 269 ff. (286 ff.); 81, S. 132 ff. (135); Dreier, Art. 103 Abs. 2 Rn. 22; Jarass/Pieroth, Art. 103 Rn. 42; a. A. Appel, S. 126 f. 19 Siehe dazu auch die Diskussion im Zweiten Kapitel B. II. 4. e) cc) (1) (b) (aa).

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

dem Zweck der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen dienen. Beide Tatbestände erscheinen daher nicht tauglich, in das Strafgesetzbuch Aufnahme zu finden, weil sie mehr Rechtsunsicherheit als Nutzen bringen würden.20

C. Eigener Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes Würde der Gesetzgeber sich für die Einführung eines Straftatbestandes entscheiden, der sich speziell gegen Mobbing richtet, könnte dieser wie folgt formuliert werden: § 225a. Mobbing. (1) Wer einen anderen im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis beharrlich schikaniert, demütigt, diskriminiert, sexuell belästigt, seine Ehre verletzt oder seine Arbeitsverrichtung behindert und damit die Arbeitsbedingungen unzumutbar beeinträchtigt, wird, wenn er hierdurch die Gefahr physischer oder psychischer Gesundheitsschäden oder erhebliche berufliche Nachteile hervorruft oder in der Absicht handelt den anderen zur Aufgabe des Arbeitsplatzes zu bewegen, mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. (2) Wer die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amtswegen für geboten hält. Abänderung des § 77b Abs. 1 StGB: Eine Tat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, wird nicht verfolgt, wenn der Antragsberechtigte es unterlässt, den Antrag bis zum Ablauf einer Frist von drei Monaten zu stellen. Im Fall von Mobbing beträgt die Frist ein Jahr.

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand I. Allgemeine Vorbemerkungen Indem es sich bei dem Vorschlag um eine Abänderung des Strafgesetzbuches handelt, fällt dem Bund die Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zu. Die Berechtigung des Bundes zur Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz ergibt sich aus Art. 72 Abs. 2, 2. Alt. GG, weil es einer bun20

So im Ergebnis für Art. 222-33-2 code pénal auch Wickler in Wickler, S. 56.

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

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deseinheitlichen Regelung bedarf, um eine unterschiedliche rechtliche Behandlung identischer Lebenssachverhalte zu vermeiden. Der vorliegende Straftatbestand soll zum einen dem Schutz der physischen und psychischen Gesundheit dienen und zum anderen das Arbeitsleben vor ungerechtfertigten Beeinträchtigungen schützen. Schutzgüter sind deshalb die physische und die psychische Gesundheit sowie das unbeeinträchtigte Arbeitsleben des Einzelnen. Dabei handelt es sich um Individualrechtsgüter. Neben der Schwierigkeit, den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes gemäß Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 7 EMRK gerecht zu werden und den notwendigen verfassungsgemäßen Handlungsspielraum, der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet wird, zu wahren, muss bei der Erstellung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes beachtet werden, dass der Tatbestand auch den Besonderheiten des Strafrechts entspricht. Letzteres geschähe nicht, wenn – wie es in Frankreich bemängelt wird21 – aus Gründen der Einfachheit ein bisher vorwiegend arbeitsrechtlicher Begriff in das Strafrecht übernommen würde, ohne diesen vorher auf die Vereinbarkeit mit den Besonderheiten des Strafrechts zu überprüfen. Im Vergleich mit dem vorgeschlagenen Tatbestand von Pechstaedt und dem Art. 222-33-2 code pénal ist der vorgeschlagene Tatbestand hinsichtlich seines Anwendungsbereiches enger formuliert, indem die Mobbinghandlungen unmittelbar charakterisiert werden, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen tatsächlich eingetreten sein und eine konkrete Gesundheitsgefahr oder eine konkrete Gefahr für die berufliche Zukunft tatsächlich hervorgerufen werden muss. Darüber hinaus wird mit dem Merkmal „mit der Absicht handelt, die Aufgabe des Arbeitsplatzes durch den Betroffenen zu erreichen“ auf die häufigen Fälle Rücksicht genommen, in denen Mobbing als Teil der Unternehmenspolitik eingesetzt wird, um sich unliebsamer oder überflüssiger Mitarbeiter zu entledigen. Das Tatbestandsmerkmal „Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen“ ist seinem Wortlaut nach weit gefasst, so dass es denkbar ist, dass einige Stimmen im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz Bedenken äußern könnten. Aufgrund der vielfältigen Fallkonstellationen von Mobbing und der notwendigen Abgrenzung zu straffreien und hinnehmbaren zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz, muss ein mobbingspezifischer Straftatbestand auf derartige wertausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale zurückgreifen, um ihn für die Praxis ausreichend handhabbar zu machen. Da Gesetze nicht alle zukünftigen Fälle im Detail voraussehen können, den Wandel der Zeit aufnehmen und der Besonderheit des Einzelfalls in ihrer Allgemeinheit gerecht werden müssen, sind auslegungs- und wertausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale im Strafrecht zulässig und unverzichtbar.22 Ein Verstoß gegen den Bestimmt21

Duvert, Éditions du Juris-Classeur 2003, Art. 222-33-2: fasc. 20, Rn. 7.

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

heitsgrundsatz gemäß Art. 103 StGB und Art. 7 EMRK ist darin grundsätzlich nicht zu erblicken.23 Entscheidend ist allein, dass sich in den Konstellationen, die sich nicht konkreter regeln lassen, das erreichbare Minus für bestimmt genug bzw. für bestimmbar erachtet wird. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn sich die Anwendung der Strafnorm auf den konkreten Fall nach allgemeinen Grundsätzen der Auslegung nicht mehr an im Gesetz selbst formulierten Kriterien orientieren kann.24 Dieser Anspruch an einen Mobbingstraftatbestand ist mit dem hier vorliegenden Vorschlag erfüllt. Im Zusammenspiel mit den übrigen Tatbestandsmerkmalen und den strengen Anforderungen an den zu verwirklichenden Erfolg ist der vorgeschlagene Tatbestand ausreichend bestimmt. In den heutigen Strafvorschriften ist nur in den seltensten Fällen, wie bei der Festlegung von Zahlen oder Maßen als Tatbestandsmerkmale, konkret durch den Gesetzeswortlaut bestimmt, was unter den Tatbestandsmerkmalen zu verstehen ist. Der überwiegende Teil der straf- als auch der außerstrafrechtlichen Vorschriften enthält (Tatbestands)-Merkmale, die ihrem Wortlaut nach mehrere Interpretationsmöglichkeiten zulassen und daher für den Tatbestand ein gewisses unvermeidbares Maß an Vagheit und Wertausfüllungsbedürftigkeit mit sich bringen.25 Die deutsche Gesetzgebung und Wissenschaft geht im Gegensatz zur frühen Wissenschaft, nach deren Auffassung der Richter einzig den Wortlaut des Gesetzes ohne Auslegung anzuwenden hatte, heute davon aus, dass der Gesetzgeber durch den Wortlaut einer Vorschrift lediglich einen Regelungsrahmen schafft, der durch den Richter konkretisierend auszufüllen ist.26 Das bewusste Setzen von Wertungsspielräumen ist dem Gesetzgeber daher nicht unbekannt. Er delegiert bei der Setzung von Generalklauseln deren inhaltliche Ausfüllung an die Rechtsprechung und die Wissenschaft. Dadurch soll dem gesellschaftlichen Wandel mit seinen veränderten Wertvorstellungen begegnet werden, um damit dem Einzelfall in der konkreten „Werteepoche“ zu entsprechen.27 Dieser Rückgriff auf auslegungs- und wertausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale ist mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar. Dieser erfordert nicht, dass der Gesetzgeber die Strafnorm so präzise und detailliert wie nur möglich formuliert und dabei ausschließlich deskriptive, exakt fassbare Tatbestandsmerkmale verwendet.28 Das 22 Ständige Rechtsprechung: BVerfGE 14, S. 245 ff. (251); 26, S. 41 ff. (42); 96, S. 68 ff. (97); Bonner Kommentar-Rüping, Art. 103 Abs. 2 Rn. 26; Jarras/Pieroth, Art. 103 Rn. 48; Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 68; siehe auch Stächelin, S. 214 ff. 23 BVerfGE 78, S. 374 (389). 24 Bonner Kommentar-Rüping, Art. 103 Abs. 2 Rn. 26. 25 Roxin, AT I, § 5 Rn. 27 f., 67, 69. 26 BVerfGE 26, S. 41 ff.; Krey, AT I, Rn. 113 ff.; Roxin, AT I, § 5 Rn. 28. 27 Vgl. BVerfGE 14, S. 245 ff. (251); 96, S. 68 ff. (97). 28 BVerfGE 78, S. 374 (389).

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

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Bundesverfassungsgericht hat die Anforderungen eines Gesetzes im Hinblick auf dessen Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz sehr weit heruntergesetzt.29 Die Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz seien erfüllt, wenn der Gesetzgeber den Tatbestand abstrakt umreißt und dabei auf unbestimmte Gesetzesbegriffe zurückgreift, die der näheren Deutung im Wege der Auslegung zugänglich sind.30 Wie weit das Bundesverfassungsgericht – ob richtig sei dahingestellt – den Bestimmtheitsgrundsatz auslegt, zeigt die Entscheidung zu § 360 a. F. StGB, in der die Bestrafung „groben Unfuges“, für verfassungsgemäß erklärt wurde.31 Eine Strafnorm sei erst dann nicht mehr hinreichend bestimmt, wenn sich die Anwendung auf den konkreten Fall nach allgemeinen Grundsätzen der Auslegung nicht mehr an im Gesetz selbst formulierten Kriterien orientieren könne.32 Seit der Nachkriegszeit ist kaum eine Strafvorschrift wegen des Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz für ungültig erklärt wurden.33 Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird daher dem Gesetzgeber ein sehr weiter Handlungsspielraum bei der Gestaltung von Strafnormen gegeben, so dass dieser im Hinblick auf die Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes kaum noch Bedenken haben muss.34

II. Objektiver Tatbestand 1. Die objektiven Tatbestandsmerkmale Der objektive Tatbestand erfordert, dass der Täter einen anderen beharrlich schikaniert, demütigt, diskriminiert, sexuell belästigt, in seiner Ehre verletzt oder dessen Arbeitsverrichtung behindert und damit die Arbeitsbedingungen unzumutbar beeinträchtigt, so dass die Gefahr physischer oder psychischer Gesundheitsschäden oder erheblicher beruflicher Nachteile besteht. Der objektive Tatbestand lässt sich demnach in drei Komponenten aufteilen. Die erste Kom29 BVerfGE 26, S. 41 ff. (43); 45, S. 363 ff.; 85, S. 69 ff.; 90, S. 145 ff. (CannabisEntscheidung); 92, S. 1 ff. (13 ff.); 96, S. 68 ff. (98 f.); Entscheidung zu § 13 Abs. 1 StGB Garantenstellung beim unechten Unterlassungsdelikt, dazu kritisch Baumann/ Weber/Mitsch, § 15 Rn. 40; Köhler, S. 213 f.; Schünemann, nulla poena sine lege, S. 7, 29; Stächelin, S. 216 ff.; krit. auch MK-Freund, § 13 Rn. 26; siehe auch Sachs-Degenhart, Art 103 Rn. 68 und Jarras/Pieroth, Art. 103 Rn. 49 f. jeweils m. w. N. zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts; siehe auch Roxin, JuS 1973, S. 198. 30 BVerfGE 78, S. 374 (389); 75, S. 329 (341); 96, S. 68 ff. (97 f.). 31 BVerfGE 26, S. 41 ff. (43). 32 BVerfGE 96, S. 68 (97 ff.); Bonner Kommentar-Rüping, Art. 103 Abs. 2 Rn. 23 ff.; Dreier, Art. 103 Abs. 2 Rn. 35. 33 Beispielhafte Ausnahme: Bayrischer Verfassungsgerichtshof, Bay GVBl. 1952, S. 8 f., der eine Vorschrift aufgrund ihrer Tatbestandsmerkmale „öffentliche Ordnung“ und „Interessen“ für nichtig erklärte. 34 Vgl. Roxin, AT I, § 5 Rn. 68 f.; Schünemann, nulla poena sine lege, S. 7, 29; Stächelin, S. 221 f.

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

ponente umschreibt das tatbestandliche Handeln: beharrlich schikanieren, demütigen, diskriminieren, sexuell belästigen, die Ehre verletzen oder die Arbeitsverrichtung behindern. Die zweite Komponente erfordert, dass die Gesamtheit dieser Handlungen die Arbeitbedingungen für den Betroffenen unzumutbar beeinträchtigt. Die dritte Komponente verlangt, dass durch die hervorgerufenen unerträglichen Arbeitsbedingungen eine Gesundheitsgefahr oder die Gefahr erheblicher beruflicher Nachteile des Betroffenen hervorgerufen wird. Eine Alternative zur letzten Komponente besteht darin, dass der Täter mit der Absicht handelt, den Betroffenen zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes zu bewegen. 2. Schikanierende, demütigende, diskriminierende, sexuell belästigende, die Ehre verletzende oder die Arbeitsleistung behindernde Handlungen a) Allgemeine Ausführungen Art. 222-33-2 code pénal und der vorgeschlagene Straftatbestand von Pechstaedt charakterisieren die tatbestandlichen Handlungen nicht näher, sondern formulieren den Tatbestand jeweils erfolgsbezogen. Deswegen ist Art. 222-33-2 code pénal auch wegen fehlender Klarheit und Präzision in die Kritik geraten.35 Trotz einiger parlamentarischer Gegenstimmen hat der französische Gesetzgeber bewusst auf eine nähere Konkretisierung der Mobbinghandlungen verzichtet, weil befürchtet wurde, dass eine Typifizierung der Handlungen dazu führen würde, dass der Tatbestand zu restriktiv in seiner Anwendung sei.36 Im Sinne der gebotenen Rechtssicherheit und dem Bestimmtheitsgrundsatz ist dem französischen Gesetzgeber nicht zu folgen. Entgegen Art. 222-33-2 code pénal und dem vorgeschlagenen Straftatbestand von Pechstaedt, welche die Handlungen lediglich erfolgsbezogen konkretisieren, präzisiert der vorgeschlagene Straftatbestand die Handlungen, an die das strafbewehrte Unrecht geknüpft wird, um dadurch mehr Rechtssicherheit zu erreichen. Die Mobbingangriffe müssen schikanierend, demütigend, diskriminierend sein, sexuelle Belästigungen darstellen, die Ehre verletzen oder die Arbeitsverrichtung behindern. Die Handlungsalternativen schließen sich nicht notwendigerweise gegenseitig aus, sondern eine Handlung kann auch mehrere Tatalternativen verwirklichen. Die vorgeschlagene Charakterisierung der Tathandlungen steht sowohl im Einklang mit der herrschenden Auffassung in der nichtstrafrechtlichen Wissenschaft37, welche die einzelnen Mobbinghandlungen als „ne35

Duvert, V. J. Cl. pén. 2003 Art. 222-33-2: fasc, Rn. 20. Duvert, V. J. Cl. pén. 2003 Art. 222-33-2: fasc, Rn. 19. 37 Leymann (1993), S. 21 f.; Niedl, S. 23 ff.; Wolmerath, 1. Auflage, S. 321; Zuschlag, S. 6. 36

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

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gativ“, „schikanös“ „feindselig“, „demütigend“, „einschüchternd“ und „destruktiv“ umschreibt, als auch mit Teilen der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung, die unter Mobbing systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren versteht38 bzw. die Mobbinghandlungen als der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienend konkretisiert.39 Aufgrund der unendlichen Fallgestaltungen, die sich aus der unerschöpflichen Bandbreite an denkbaren Mobbinghandlungen ergeben, ist eine konkretere Umschreibung der tatbestandsmäßigen Handlungen nicht möglich, weil ansonsten die Gefahr bestünde, der Vielfältigkeit der möglichen Fallkonstellationen nicht gerecht zu werden und mit einer zu engen Tatbestandsformulierung einen nicht gerechtfertigten strafrechtsfreien Raum zu schaffen.40 Aus diesem Grund ist es abzulehnen, einen Katalog mit spezifischen Mobbinghandlungen in den Tatbestand aufzunehmen, so wie es während der parlamentarischen Debatten zum Art. 222-33-2 code pénal diskutiert wurde.41 Darüber hinaus müsste der Katalog der möglichen Mobbinghandlungen, um der Vielfältigkeit der potentiellen Mobbinghandlungen gerecht zu werden, entsprechend lang sein, was der heutigen strafrechtlichen Gesetzestechnik im Kernstrafrecht und dem Ziel, dieses knapp zu halten42, widerspräche. Eine konkretere Umschreibung der Mobbinghandlungen, als die hier vorgeschlagene, ist auch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht erforderlich, weil die Mobbinghandlungen, indem sie in ihrer Gesamtheit unzumutbare Arbeitsbedingungen hervorrufen müssen, welche die Gefahr einer Gesundheitsschädigung oder erheblicher beruflicher Nachteile mit sich bringen, näher konkretisiert werden und der Tatbestand dadurch in seiner Gesamtheit ausreichend an Bestimmtheit gewinnt.43 Ob die Handlungen schikanierend, demütigend oder diskriminierend sind, sexuelle Belästigungen darstellen, die Ehre verletzen oder die Arbeitsleistung be38 BAG NZA 1997, S. 781; dieser Definition zustimmend LAG Rheinland-Pfalz vom 08.08.2001, Az.: 5 Sa 51/01. 39 LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577 ff. (577) und LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff. (1360); zustimmend LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, S. 121 ff.; LAG Hamm NZA-RR 2003, S. 8 ff.; LAG Bremen vom 17.10.2002, Az.: 3 Sa 78/02 + 3 Sa 232/02. 40 Vgl. zu den möglichen Mobbinghandlungen die Ausführungen im Ersten Kapitel A. II. 5. und die nicht abschließenden Aufzählungen möglicher Mobbinghandlungen von: Knorz/Zapf, ZfAO 1996, S. 16; Leymann (1993), S. 33 f.; Zuschlag, S. 236. 41 Duvert, Éditions du Juris-Classeur 2003, Art. 222-33-2: fasc. 20, Rn. 19. 42 So die Forderung von Lüderssen auf dem Heidelberger-Symposium im Rahmen der Diskussion um die strafrechtlichen Folgen der Drittmitteleinwerbung und mögliche darauf bezogene Gesetzesänderungen, in Tag/Tröger/Taupitz: Drittmitteleinwerbung – Strafbare Dienstpflicht?, S. 292; vgl. auch Erbs/Kohlhaas, Registerband, Einführung Rn. 5. 43 Roxin, AT I, § 8 Rn. 2.

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

hindern, muss aus Sicht eines objektiven Betrachters aus der Situation des Betroffenen heraus beurteilt werden. Der Charakter des jeweiligen Einzelverhaltens ergibt sich bei objektiver Würdigung entweder aus sich selbst oder aus den Umständen, wie der sozialen Stellung, dem sozialen Umfeld, dem Kontext oder weiteren Verhaltensweisen, in die sich die Handlung einbettet. Niedl dagegen ordnet als Mobbinghandlung, „jede Handlung einer Gruppe oder eines Individuums, denen von einer Person, die diese Handlungen als gegen sich gerichtet wahrnimmt, ein feindseliger, demütigender oder einschüchternder Charakter zugeschrieben wird“, ein.44 Damit beurteilt er das Vorliegen von Mobbing allein aus der Sicht des Betroffenen. Das Abstellen auf die subjektive Einschätzung des Betroffenen mag vielleicht aus sozialwissenschaftlicher Sicht seine Anhänger finden, aus strafrechtlicher Sicht ist eine solche Vorgehensweise aber abzulehnen, weil sie mit dem heutigen Strafrechtssystem nicht in Einklang zu bringen ist, denn die Strafe setzt objektives Unrecht voraus. Ein Tatbestand, der für das Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen auf die Sicht und das Empfinden des Betroffenen abstellt, würde unserem heutigen (Straf)-rechtssystem widersprechen, weil die Täterschaft allein von der psychischen Stabilität und der Empfindsamkeit des Opfers abhinge. Hierdurch würde die Rechtssicherheit gefährdet, weil für den Täter, indem jeder Mensch anders empfindet, nicht mehr vorhersehbar wäre, wann er strafbares Unrecht begeht. Diese notwendige Vorhersehbarkeit ist in Art. 103 Abs. 2 GG aber gerade verankert. Des Weiteren spricht gegen eine subjektive Lösung ein Vergleich mit den Anfängen der Forschung zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger und zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz.45 Die Aussagen Betroffener als Grundlage für das Vorhandensein dieser Tatbestände heranzuziehen, verleitete Kritiker immer wieder dazu, die Schilderungen der Betroffenen als völlige Verzerrung der Wirklichkeit, als Phantasiegeschichten darzustellen. Genau diese Folgen könnten auch bei Mobbing auftreten, wenn bei der Bestimmung von Mobbingmerkmalen die Empfindungen und Einschätzungen des Betroffenen in zu hohem Maße einfließen würden. Das „Nichtglauben“ den Opfern gegenüber wäre auch nicht unbegründet, weil zum Beispiel innerhalb der Personalbeurteilung jedes betriebliche Urteil über Mitarbeiter durch Wahrnehmungsverzerrung geprägt ist.46

44

Niedl, S. 23 f. Schlaugat, S. 10. 46 Lueger, Die Bedeutung der Wahrnehmung bei der Personalbeurteilung – Zur psychischen Konstruktion von Urteilen über Mitarbeiter, 2. Auflage, 1993. 45

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

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b) Inhaltliche Konkretisierung der Tatbestandsalternativen Im Folgenden sollen die einzelnen Tathandlungsalternativen näher umschrieben und ihnen anhand des von Esser und Wolmerath aufgestellten Katalogs der „100 Mobbinghandlungen“47 beispielhaft einzelne Mobbinghandlungen, die unter die jeweilige Alternative zu subsumieren sind, zugeordnet werden. Dabei ist aber zu beachten, dass einige Mobbinghandlungen auch unter mehrere Tathandlungsalternativen subsumiert werden können, obwohl sie bei der folgenden Aufzählung lediglich im Rahmen einer Handlungsalternative als Beispiele aufgezählt werden. Unter die erste Tathandlungsalternative „schikanierende Handlungen“ fallen Handlungen, die objektiv ausschließlich dem Zweck dienen, den anderen zu schädigen, wie beispielsweise Verleumdungen, Gewaltanwendung, Drohungen, Einschüchterungen, Nötigungen, Erzeugen von Angst und Schrecken (Bsp.: tote Tiere im Büro ablegen, den Betroffenen einsperren), Telefonterror, Schlechtmachen des Betroffenen bei Freunden und Kollegen, Sachbeschädigung an privaten Gegenständen, Unterschlagung von Urlaubs- und Weiterbildungsanträgen, gezielte Anordnung von gesundheitsschädlichen Tätigkeiten und Herbeiführen von gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Bsp.: Zugluft, Kälte, Lärm). Die zweite Tathandlungsalternative „demütigende Handlungen“ umschreibt Handlungen, die objektiv einen anderen in seinem Selbstwertgefühl und seinem Stolz verletzen. Darunter zählen beispielsweise Lächerlichmachen (Bsp.: verbal, mit Gestik, durch Korrektur), Zuweisung von minderwertigen Arbeiten oder der Entzug der Arbeit, gezielte negative Sonderbehandlung, Unterdrückung von Meinungsäußerungen, ruppige Redeweise mit dem Betroffenen, Unterstellen von Dummheit und Unehrenhaftigkeit, Publikmachen von persönlichen Schwächen, Aufbauschen von Fehlern und Unzulänglichkeiten, Dauerkontrolle, übertriebene Kontrolle und berufliche Entmündigung. Als Beispielsfall dient der im Ersten Kapitel dargestellte „Sparkassen-Fall“,48 wo dem einstigen Filialleiter seine Arbeit entzogen wird und nur noch seiner Qualifikation nicht mehr entsprechende Aufgaben zugeteilt werden. Ferner fällt unter diese Tathandlungsalternative, wenn dem Betroffenen ein Arbeitsplatz unter einer Treppe ohne Fenster zugewiesen oder die Anweisung erteilt wird, alle Viertelstunde einen schriftlichen Arbeitsnachweis zu erbringen, wie dies in einem Mobbingfall, der Gegenstand eines Gerichtsverfahrens in Frankreich war, vorgekommen ist.49 47

Dieser ist im Ersten Kapitel A. II. 5. a) abgedruckt. Siehe Erstes Kapitel A. II. 1. a). 49 CA Aix-en-Provence, 18 dec. 2001, ch. 17, Alinot c/Société Crédit Commercial de France abgedruckt in Droit social 2002, S. 701; CA Metz, 30. janvier 2001, chambre social, Daewoo c/Bresson, préc. nº 26; siehe auch ein weiterer Fall: CA Grenoble, 30. avril 2001, chambre social, SA Agence générale d’information c/Roux abgedruckt in RJS 11/2001 nº 1245. 48

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

Die dritte Tathandlungsalternative „diskriminierende Handlungen“ umfasst zum einen Handlungen, die den Betroffenen aufgrund seiner Religion, seines Geschlechts, seiner Herkunft, Abstammung, Sprache, Nationalität, seines Alters, seiner politischen Tätigkeit oder Einstellung oder seiner sexuellen Identität herabsetzen oder herabwürdigen.50 Zum anderen zählen darunter Mobbinghandlungen, die darauf abzielen, den Betroffenen anders zu behandeln als seine der gleichen Arbeitsgruppe angehörigen Kollegen: Räumliche Isolation, Ausschließen aus der Allttagskommunikation, Ausschließen aus informellen/geselligen Treffen unter Kollegen, Ausschließen aus üblichen gegenseitigen Freundlichkeiten im Kollegenkreis, demonstratives Schweigen im Beisein des Betroffenen, Ignorieren von Fragen, Gesprächswünschen, Hilfeersuchen und demonstratives aus dem Weg gehen, nicht an einen Tisch setzen bzw. nicht gemeinsam in einem Raum aufhalten. Die vierte Alternative umschreibt sexuelle Belästigungen. Zur Auslegung dieser Tatbestandsalternative ist auf das Beschäftigtenschutzgesetz, das sich den Schutz vor sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz zur Aufgabe stellt, zu verweisen. Unter diese Alternative fallen daher beispielsweise sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die bereits für sich strafbar sind, sexuell bestimmte körperliche Berührungen oder Bemerkungen sexuellen Inhalts. In drei bis fünf Prozent der Mobbingfälle besteht Mobbing aus sexuellen Belästigungen.51 Schwerpunkt dieser Gruppe wird die Sexualbeleidigung sein. Zu denken ist hier besonders an Behauptungen, die darauf abzielen, die sexuellen Fähigkeiten des anderen in Frage zu stellen, jemandem sexuelle Beziehungen anzudichten bzw. diesbezüglich jemanden in ein schlechtes Licht zu stellen oder dem Betroffenen ein „reges und ausschweifendes“ Sexualleben zu unterstellen.52 Die fünfte Tathandlungsalternative „die Ehre verletzende Handlungen“ knüpft an die §§ 185 ff. StGB an und umfasst somit beleidigende Äußerungen, Verleumdungen und üble Nachrede. Diese Tathandlungsalternative fand in den Tatbestand Aufnahme, weil die häufigsten Mobbinghandlungen den Ehranspruch beeinträchtigen, indem sie darauf gerichtet sind, das persönliche Ehrgefühl oder das soziale und fachliche Ansehen des Betroffenen nachteilig zu beeinträchtigen.53 Unter diese Tatbestandsalternative fällt daher die häufigste Mobbinghandlung: das Verbreiten von Gerüchten und Unwahrheiten. Die im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ergangene bundesweite Re50 Vgl. dazu auch die Ausführungen zu Art. 3 Abs. 2 und 3 GG: Bonner Kommentar-Rüfner Art. 3 Rn. 551 ff., 827 ff.; v. Mangoldt/Klein/Starck-Starck, Art. 3 Abs. 3 Rn. 383 ff. 51 Staatsekretariat Schweiz, S. 29; Wolmerath, Rn. 27. 52 Leymann (1993), S. 90 f. 53 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 f.; Leymann (1993), S. 33 f.; Wolmerath, Rn. 83; Zapf, ZfAO 1999, S. 11; siehe dazu auch den „Polizistinnenfall“ OLG München I, Az.: 1 U 2443/01, S. 4.

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

355

präsentativstudie über Mobbing in Deutschland führte zu dem Ergebnis, dass in ca. 69 Prozent der Mobbingfälle auf diese Mobbinghandlung zurückgegriffen wird.54 Befragte Betroffene gaben beispielsweise an, dass über sie verbreitet wurde, sie seien psychisch krank, alkoholabhängig, hätten im Unternehmen etwas gestohlen oder führten ein ausschweifendes Sexualleben.55 In einem vor der Arbeitsgerichtsbarkeit verhandelten Mobbingfall hat der Vorgesetzte dem Betroffenen in Gegenwart von anderen Kollegen unberechtigt vorgeworfen, dass dieser nur simuliert hätte, als er krank geschrieben war.56 Beleidigungen beispielsweise in Form von Schimpfworten nehmen einen Platz im oberen Mittelfeld innerhalb der häufigsten Mobbinghandlungen ein. Nach der bundesweiten Repräsentativstudie gaben 36 Prozent der Befragten an, während des Mobbingprozesses Beleidigungen ausgesetzt gewesen zu sein.57 Die sechste und letzte Tathandlungsalternative „Behinderung der Arbeitsleistung“ wurde in den Tatbestand aufgenommen, um typische Mobbinghandlungen, die allein auf die Arbeitsleistung des Betroffenen ausgerichtet sind und nicht in jedem Fall objektiv als schikanös oder demütigend eingeordnet werden können, zu erfassen. Darunter zählen folgende Mobbinghandlungen: Sachbeschädigung, Diebstahl, Manipulation von Arbeitsmitteln und Arbeitsergebnissen (Bsp.: gezieltes Einfügen von Fehlern), Erzeugen von Störungen (Bsp.: unsinnige Telefonate, Unterbrechungen), Vorenthalten und/oder Fälschen von arbeitsrelevanten Informationen, gezielte Unterdrückung von Informationen über Besprechungen oder Nichtausführung und Sabotage von Arbeitsanweisungen. 3. Beschränkung auf kommunikative Handlungen? Entgegen der Rechtsprechung58 und einem Großteil der Auffassungen im Schrifttum59 sind Leymann60 und Spamer61 der Ansicht, dass Mobbinghandlungen nur „kommunikative“ Handlungen sein können. Der Duden versteht unter „kommunikativ“ mitteilsam, unter „kommunizieren“ zusammenhängen, in Verbindung stehen, sich verständigen, mitteilen und unter „Kommunikation“ die 54

Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 f.; Leymann (1993), S. 33 f. Leymann (1993), 33 f.; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 40; siehe zu weiteren Beispielsfällen Wolmerath, Rn. 88. 56 LAG Thüringen NZA-RR, S. 577 ff.; ebenso in einem Mobbingfall des AG Dresden 07.07.2003, Az.: 5 Ca 5954/02. 57 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 39 (Zu berücksichtigen ist aber, dass die Befragten rein subjektiv antworteten und aus strafrechtlicher Unkenntnis heraus nicht den strafrechtlichen Beleidigungsbegriff zu Grund legten.). 58 LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff. 59 Gralka, BB 1995, S. 2651; Neuberger, S. 18; Zapf, ZfAO 1999, S. 3. 60 Leymann (1993), S. 21 f. 61 Spamer, S. 34. 55

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

Verständigung untereinander.62 Für einen Straftatbestand ist eine solche Einschränkung abzulehnen, weil ansonsten typische Mobbinghandlungen ungerechtfertigt außen vor blieben. Nicht kommunikative Mobbinghandlungen sind beispielsweise solche, die hinter dem Rücken des Opfers ausgeführt werden und mittelbar durch Handlungen eines Dritten (dessen Handeln auf der vorherigen Handlung des Täters basiert) zu seiner Schädigung führen, wie zum Beispiel das Fälschen bzw. Manipulieren von Unterlagen. Eine mögliche nichtkommunikative Mobbinghandlung wäre es auch, wenn ein Kollege einer Polizistin, nachdem diese auf einen bewaffneten Täter geschossen hat, die Waffe des Täters gegen eine Spielzeugpistole austauscht, die eindeutig als solche zu erkennen ist. Ebenfalls fällt die Wegnahme wichtiger Unterlagen in den Kreis von Mobbinghandlungen, die nicht kommunikativ sind. In der Wissenschaft werden – ob richtig sei dahin gestellt63 – als weitere Beispiele nicht kommunikativer Mobbinghandlungen die Nichtbeachtung des Betroffenen64 und direkte Gewalt65 angeführt. Die dargestellten Beispiele zeigen, dass Mobbing nicht notwendig nur eine Gesamtheit von kommunikativen Handlungen ist, sondern jede kommunikative als auch nicht kommunikative Handlung umfassen kann. Würde der Kreis der Mobbinghandlungen auf kommunikative Handlungen beschränkt werden, fielen Handlungen ungerechtfertigt als Mobbinghandlungen von vornherein aus dem Tatbestand, obwohl sie vom Zweck des Gesetzes, vor psychisch-zerstörerisch wirkendem Angriffsverhalten am Arbeitsplatz zu schützen, umfasst sein sollten. 4. Beharrlichkeit des Vorgehens Das Vorgehen des Täters muss in seiner Gesamtheit eine „Beharrlichkeit“ des Angriffsverhaltens erkennen lassen. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass das inkriminierte Verhalten eine gewisse Kontinuität und Häufigkeit aufweisen und über einen längeren Zeitraum andauern muss, um strafrechtliche Folgen nach sich zu ziehen. Mit diesem Tatbestandsmerkmal soll vor allem dem Typischen eines Mobbinggeschehens Rechnung getragen werden, welches sich durch ein wiederholtes, systematisches und dauerhaftes Vorgehen kennzeichnet. Auf den Begriff „beharrlich“ wurde zurückgegriffen, weil er dem Strafrecht nicht 62

Der Duden, 23. Auflage, 2004, S. 558. M. E. enthalten diese Handlungen kommunikative Elemente und sind daher keine geeigneten Beispiele für nicht kommunikative Mobbinghandlungen. Die Nichtbeachtung vermittelt dem Betroffenen, dass man mit diesem keinen Umgang haben möchte. Durch direkte Gewalt wird dem Betroffenen, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch konkludent, mitgeteilt, dass man von ihm oder seiner Arbeit nichts hält oder ihn nicht achtet. 64 Gralka, BB 1995, S. 2651; Neuberger, S. 21. 65 Zapf, ZfAO 1999, S. 3. 63

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

357

fremd ist. Zum einen wird in den §§ 56f Abs. 1 Nr. 2 und 3, 67g Abs. 1 Nr. 2 und 3, 70 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 184d StGB ein wiederholtes Handeln oder andauerndes Verhalten und eine in der Tatbegehung zum Ausdruck kommende besondere Hartnäckigkeit des Täters, die zugleich die Gefahr weiterer Begehungen indiziert, mit dem Rückgriff auf die Beharrlichkeit des Verhaltens umschrieben.66 Zum anderen wird im Gesetzesentwurf der Bundesregierung für einen Stalking-Straftatbestand auf die Beharrlichkeit des Stalkingverhaltens als Tatbestandsmerkmal zurückgegriffen, um damit dem Typischen von Stalking, nämlich dem wiederholten und andauernden Angriffsverhalten Ausdruck zu verleihen und daran das strafbewehrte Unrecht zu knüpfen.67 Insofern bieten sich der Rechtspraxis Möglichkeiten, einen Anschluss an bereits bestehende strafrechtliche Anknüpfungen an ein beharrliches Verhalten zu suchen. Es genügt daher nicht, wenn der Täter sich beispielsweise lediglich einmalig schikanös oder demütigend dem Betroffenen gegenüber verhält. Die wiederholten Handlungen müssen nicht identisch, sondern können unterschiedlich sein.68 Die Wiederholung der Mobbinghandlungen ist ein typisches Mobbingmerkmal, welches sowohl in den Nichtrechtswissenschaften als auch der Rechtswissenschaft als ein unverzichtbares Merkmal für ein Mobbinggeschehen einhellig anerkannt wird.69 Es sind gerade die Kontinuität des Täterverhaltens und die längere Dauer des Angriffsverhaltens, die Mobbing kennzeichnen und dieses von zwischenmenschlichen Reibereien am Arbeitsplatz unterscheiden, wie sie überall, wo Menschen aufeinander treffen, vorkommen können. Eine wiederholte Vornahme von Mobbingangriffen ist zwar immer Voraussetzung, genügt für sich allein aber nicht. Vielmehr muss zwischen den Mobbinghandlungen ein systematischer Zusammenhang besteht.70 Dieser liegt dann nicht vor, wenn die verschiedenen Handlungen keinen Zusammenhang erkennen lassen, vereinzelt geblieben sind, zeitlich weit auseinander liegen, eher zufällig wiederholt vorkommen oder aus anderem Grund keinen Bezug zueinander haben.71 Solche Handlungen unterliegen in diesem Fall dann nur einer auf sie selbst beschränkten strafrechtlichen Beurteilung.

66

Vgl. SK-Wolters/Horn, § 184d Rn. 3; Tröndle/Fischer, § 184d Rn. 5. BR-Drs. 617/05 15. Wahlperiode. 68 ArbG Kiel 27.02.1997, Az.: H 5d BV 41/96; Europäisches Parlament, SOCI 108 DE, S. 5-7; Esser/Wolmerath, AiB 1996, S. 541; Kollmer, Rn. 10b; Wickler, DB 2002, S. S. 481; ders., in Wickler, S. 1 m. w. N. 69 BAG BB 1997, S. 1481; LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 f.; Däubler, S. 691; Esser/Wolmerath, S. 23; Kratz, S. 1; Leymann (1993), S. 21; Niedl, S. 23 ff.; Spamer, S. 34; Waniorek/Waniorek, S. 65; Zapf, ZfAO 1999, S. 2; Zuschlag, S. 6. 70 BAG DB 1997, S. 1475 ff.; LAG Thüringen BB 2001, S. 1361; Däubler, Rn. 691; Zapf, ZfAO 1999, S. 2. 71 LAG Thüringen BB 2001, S. 1361; Neuberger, S. 17. 67

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

Die vor allem schweren Folgen von Mobbing für die Psyche des Betroffenen ergeben sich oftmals dadurch, dass der Betroffene weiß bzw. erahnt, dass ihn weitere Attacken erwarten und er daher vor der Zukunft Angst hat. Dieses Wissen und diese Angst kann sich aber nur dann ergeben, wenn eine Systematik zu erkennen ist, die das Opfer auf weitere Attacken schließen lässt. Das Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ setzt demnach auch voraus, dass damit zu rechnen ist, dass der Mobbende sein Verhalten in der Zukunft fortsetzen wird. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ verwirklicht ist, wenn die Mobbingangriffe wiederholt vorgenommen werden und eine bestimmte Systematik zwischen ihnen erkennbar ist, die darauf schließen lässt, dass der Betroffene sein Verhalten fortsetzen wird.

5. Im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis Der Tatbestand erfordert als weiteres Merkmal, dass die Mobbinghandlungen „im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis“ stehen. Durch dieses Tatbestandsmerkmal wird der Bezug zur Arbeitswelt eindeutig hergestellt. Das Tatbestandsmerkmal ist weit auszulegen. Ob ein Angriff „im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis“ vorgenommen wird, ist beispielsweise nicht davon abhängig, ob ein Arbeitsvertrag oder ein öffentlich-rechtlich begründetes und gestaltetes Dienstverhältnis des Betroffenen oder des Mobbenden wirksam ist. Es kann auch derjenige Mobbender sein, der in einem anderen Unternehmen als der Betroffene angestellt ist. Ausschlaggebend ist nur, dass Mobbing mit dem Arbeitsplatz bzw. dem Beschäftigungsverhältnis des Betroffenen und/oder des Mobbenden in irgendeiner Beziehung steht und nicht unabhängig davon vorgenommen wird. In den meisten Fällen wird der Zusammenhang problemlos zu bejahen sein, indem die Mobbinghandlungen unmittelbar am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit vorgenommen werden, weil die Mobbenden oftmals nur dann mit dem Betroffenen zusammentreffen. Damit ein Angriff als Mobbinghandlung charakterisiert werden kann, muss er aber nicht unmittelbar am Arbeitsplatz vorgenommen werden, sondern kann auch im Privatleben des Betroffenen vollzogen werden, solange ein Bezug zu seiner Beschäftigung besteht. Der Formulierung „Im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis“ wurde der Vorzug gegenüber einer möglichen Formulierung „Im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis“ gegeben, da der Gefahr entgangen werden soll, dass sich der Tatbestand lediglich auf Mobbing im privatrechtlichen und nicht auch auf Mobbing im öffentlich-rechtlichen Arbeitssektor bezieht. Der Begriff „Beschäftigungsverhältnis“ umfasst daher sowohl privatrechtliche Arbeitsverhältnisse als auch öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse. Dagegen ist es abzulehnen, als Tatbestandsmerkmal zu fordern, dass es sich um „Handlungen am Arbeitsplatz“ handeln muss, weil dadurch der Anwen-

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

359

dungsbereich zu stark eingeschränkt werden würde.72 In den überwiegenden Fällen finden die Mobbingangriffe zwar am Arbeitsplatz und während der Arbeitszeit statt, doch setzen sich die Mobbingattacken in einigen Mobbingkonstellationen auch in der Freizeit des Betroffenen fort, beispielsweise mittels Drohbriefen an die Privatadresse oder belästigenden und terrorisierenden Telefonanrufen auf dem Privatanschluss des Betroffenen. Angriffe im Privatbereich des Betroffenen, der Rückzugsgebiet von Problemen im Arbeitsalltag sein soll, wirken aber genauso oder sogar noch stärker negativ auf den Betroffenen ein als solche am Arbeitsplatz, weil dieser auf Eingriffe in seine Privatsphäre oftmals empfindlicher reagiert und dadurch nicht vom Arbeitsalltag abschalten kann. Aus denselben Gründen ist es auch abzulehnen, die notwendige Einschränkung durch die Formulierung „Im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz“ vorzunehmen. Denn auch dadurch würde zu stark der notwendige Ort der Mobbinghandlungen, nämlich der Arbeitsplatz, bestimmt werden. 6. Mobbingopfer Der Tatbestand beschränkt seinen Anwendungsbereich nicht auf einen bestimmten Opferkreis, so dass sowohl Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Bedienstete im öffentlichen Dienst und Beamte Tatsubjekt sein können. Wie im Ersten Kapitel festgestellt, durchzieht Mobbing jeden Bereich und jede hierarchische Stufe der Arbeitswelt und macht weder vor dem öffentlich-rechtlichen Sektor noch vor Arbeitgebern halt,73 so dass weder eine besondere Schutzwürdigkeit eines bestimmten Opferkreises besteht, noch eine besondere Gruppe aus dem Schutzbereich des Gesetzes auszuklammern ist. 7. Mobbingtäter Wie der potentielle Opferkreis, ist auch der potentielle Täterkreis nicht beschränkt, so dass es sich um ein Allgemeindelikt handelt. Der vorläufige Gesetzesentwurf zum Art. 222-33-2 code pénal enthielt als objektives Tatbestandsmerkmal zunächst, dass zwischen Betroffenem und Mobbendem aufgrund einer hierarchischen Beziehung ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen sollte.74 Der Täterkreis war deshalb auf den Arbeitgeber und den Vorgesetzten des Betroffenen beschränkt. Mobbing auf horizontaler Ebene, also zwischen Kollegen, war 72 So aber die Mobbingdefinitionen von: LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2002, S. 457 ff. (457); Leymann (1995), S. 18; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 19; Schimmelpfennig/Schimmelpfennig, S. 260. 73 Siehe oben die Ausführungen im Ersten Kapitel A. II.; ferner Leymann (1993), S. 48; ders., 1995, S. 20; Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 34, 36; Niedl, S. 49; Zapf, ZfAO 1999, S. 8 f. 74 Duvert, Éditions du Juris-Classeur 2003, Art. 222-33-2: fasc. 20, Rn. 14.

360

4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

dagegen nicht strafbar. Zu Recht enthält der endgültige Gesetzesentwurf nicht mehr diese Einschränkung, weil über 50 Prozent der Mobbingfälle auf vertikaler Ebene stattfinden75 und hinsichtlich der Folgen und des Verhaltensunrechts genauso schwerwiegend sein können wie Mobbing, das von Vorgesetzten betrieben wird. 8. Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen In Anlehnung an Art. 222-33-2 code pénal, der voraussetzt, dass durch das Mobbingverhalten die Arbeitsbedingungen verschlechtert werden, erfordert das zweite Element des vorgeschlagenen objektiven Tatbestands, dass die Arbeitsbedingungen durch das Mobbingverhalten für den Betroffenen unzumutbar beeinträchtigt werden. Dieses objektive Tatbestandsmerkmal übernimmt zwei Funktionen. Zum einen wird der notwendige Bezug zum Arbeitsplatz verstärkt. Zum anderen wird dadurch eine bestimmte Flexibilität des Tatbestandes erreicht, die bei Mobbing aufgrund der möglichen vielfältigen Fallkonstellationen und der Notwendigkeit, zwischen alltäglichen Konflikten und strafwürdigem, das Rechtsverständnis der Gesellschaft erschütterndem Verhalten abzugrenzen, erforderlich ist, um das Arbeitsleben nicht zu sehr zu kriminalisieren und ein verfassungsgemäßes Minimum an allgemeiner Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG zu wahren. Im Rahmen des Merkmals „unzumutbar“ soll daher eine Interessensabwägung und eine Abgrenzung der Freiheitssphären von Täter und Opfer stattfinden, die schon deshalb erforderlich ist, weil die in den Tatbestand aufgenommenen Handlungsalternativen Handlungen, die isoliert betrachtet als sozialadäquat eingeordnet werden würden, umfassen. In dem Sinne soll über dieses Tatbestandsmerkmal eine Abgrenzung zwischen strafwürdigem Verhalten mit erheblichen Beeinträchtigungen für den Betroffenen und alltäglichen, unvermeidbaren zwischenmenschlichen Konflikten erfolgen. Letztere sind deshalb unvermeidbar und Teil des normalen Lebensrisikos, dem sich jeder Mensch stellen muss, weil auf Grund unterschiedlicher Ansichten und Charaktere nicht alle Mitglieder einer Arbeitsgemeinschaft Sympathie für einander empfinden. Den Arbeitsplatz kann der Arbeitnehmer sich zwar aussuchen, die Kollegen und Vorgesetzten sind aber oftmals Faktoren, die er im Zeitpunkt der Entscheidung für den Arbeitsplatz nicht genauer kennt, und auf deren Austausch er meistens keinen Einfluss hat. Aus diesen beiden Tatsachen erwachsen Konflikte, denen sich der Einzelne nicht ohne weiteres entziehen kann, weil es die Arbeitsmarktsituation oftmals nicht erlaubt, einen Arbeitsplatz aufzugeben und danach kurzfristig ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen. In der Regel wird der Betroffene auch nicht erahnen können, welches Konfliktpotential sei75 Vgl. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 68; Leymann (1993), S. 47; Niedl, S. 52; Staatssekretariat Schweiz, S. 23, 50; Zapf, ZfAO 1999, S. 10.

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

361

nem Arbeitsumfeld immanent ist und sich daher auch auf ein Arbeitsumfeld einlassen, das ihm nicht von Beginn an als „optimal“ erscheint. Freundliches Verhalten und Bereitschaft zur Kommunikation sind zwar lobenswert, können aber durch die Rechtsordnung im Hinblick auf die durch die Verfassung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG garantierte allgemeine Handlungsfreiheit nicht erzwungen werden. Das Strafrecht hat die Funktion, die bestehende gesellschaftliche Ordnung zu bewahren und nicht durch Wert-, Moral- oder Sittlichkeitsvorgaben zu verändern.76 Ein Verhalten kann daher nur unter Strafe gestellt werden, wenn es strafwürdig, d.h. wenn es in besonders hohem Maß sozialschädlich ist und daher als unerträglich für die Gesellschaft gilt, was dann der Fall ist, wenn eine grobe Störung und Belästigung der sozialen Ordnung, eine empfindliche Störung des Rechtsfriedens und ein die Rechts- und Sozialordnung elementar beeinträchtigendes Gesamtverhalten vorliegt.77 Unfreundlichkeiten, alltägliche Streitigkeiten und Unhöflichkeiten sind zwar unschön, doch entsprechen diese Verhaltensweisen der sozialüblichen Ordnung, was es erforderlich macht dieses Verhalten zu strafwürdigem Verhalten abzugrenzen. Das Merkmal „Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen“ ist ein wertausfüllungsbedürftiges Tatbestandsmerkmal. Der Rückgriff auf derartige wertungsintensive Tatbestandsmerkmale ist im Strafrecht nicht prinzipiell ausgeschlossen.78 Vielmehr hat der Strafgesetzgeber von solchen bereits Gebrauch gemacht.79 Auf die „Unzumutbarkeit“ als Tatbestandsmerkmal wird auch im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu einem Stalking-Straftatbestand zurückgegriffen, indem dieser auf tatbestandlicher Ebene fordert, dass die „Lebensgestaltung schwerwiegend und unzumutbar beeinträchtigt“ werden muss.80 Durch den Einsatz des Tatbestandsmerkmals der „Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen“ wird zum einen eine unendliche Länge und eine sich darauf begründende Unübersichtlichkeit des Tatbestandes vermieden, die jeweils Resultat einer wertfreien Umschreibung des Tatbestandes wären.81 Zum anderen wird damit dem Umstand entsprochen, dass es für den Gesetzgeber unmöglich ist, vor allem bei der unüberschaubaren Menge an möglichen Mobbingkonstellationen, alle Fälle, die er vom Straftatbestand umfassen möchte, bis ins Detail 76 BGHSt 23, S. 43 f.; vgl. Roxin, AT I, § 2 Rn. 17 ff.; vgl. auch die Ausführungen bei Wohlers, S. 263 ff. m. w. N. 77 Günther, JuS 1978, S. 12 f.; Schmidhäuser, S. 28 f. 78 BVerfGE 26, S. 41 ff., (42 f.); 96, S. 68 ff. (98 f.); Krey, AT I, Rn. 113 ff.; Roxin, AT I, § 5 Rn. 27 f., 67. 79 Beispiele aus dem StGB: § 13 Abs. 1 StGB „rechtlich dafür einzustehen“ siehe dazu die Entscheidung des BVerfGE 96, S. 68 ff. (98 f.); § 360 a. F. „grober Unfug“; § 211 „niedrige Beweggründe“; § 228 „Verstoß gegen die guten Sitten“; § 240 Abs. 2 „Verwerflichkeit“. 80 BR-Drs. 617/05. 81 Vgl. Roxin, AT I, § 5 Rn. 67.

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

zu beschreiben, so dass der Gesetzgeber die Auslegung derartiger wertausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale im Einzelnen der Rechtsprechung überlässt. Die Rechtsprechung wird damit jedoch besonders gefordert sein, das Tatbestandsmerkmal der „Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen“ zu konkretisieren. Ob die Schwelle zur Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen überschritten ist, muss durch eine Gesamtbewertung des Mobbingverhaltens beurteilt werden. Das tatbestandliche Verhalten muss eine bestimmte Intensität aufweisen, die nicht allein durch die fortwährende Begehung erfüllt sein muss. Durch eine umfassende Gesamtwürdigung wird der Besonderheit von Mobbingsachverhalten in der Weise Rechnung getragen, dass erst das Zusammenspiel der einzelnen Tatbestandshandlungen das typische strafbewehrte Unrecht impliziert. Auf der Grundlage dieser Gesamtbeurteilung sind die Arbeitsbedingungen unzumutbar, wenn es sich bei dem Gesamtverhalten aus der Sicht eines objektiven Beobachters in der Lage des Betroffenen nicht mehr um alltägliche, hinnehmbare Disharmonien, Unfreundlichkeiten oder Unhöflichkeiten am Arbeitsplatz handelt, die lediglich dem Anstandsgefühl der Gesellschaft widersprechen, sondern vielmehr dieses die Stufe normalen zwischenmenschlichen Miteinanders übersteigt und sich als gesteuerte Anfeindung oder Ablehnung darstellt, die in ihrer dauerhaften Fortsetzung dem Betroffenen das unentbehrliche normale Arbeitsumfeld entzieht. Ausschlaggebend wird für die Beurteilung des Richters dabei erstens der Unwertgehalt der einzelnen tatbestandlichen Handlungen sein, der aufgrund der Vielfältigkeit der tatbestandlichen Mobbinghandlungen sehr unterschiedlich sein kann. Das zeigt sich zum Beispiel an dem Vergleich der „schlichten Nichtbeachtung“ mit „sexuellen Handgreiflichkeiten“, welche als potentielle Mobbinghandlungen aufgelistet werden und zugleich Handlungen sind, die vom Tatbestand umfasst werden. Die Arbeitsbedingungen werden sich für den Betroffenen daher beispielsweise tendenziell nicht mehr als alltägliche zwischenmenschliche Disharmonien darstellen, wenn sich die Mobbingangriffe aus Handlungen zusammensetzen, die bereits für sich genommen einen Straftatbestand verwirklichen, weil diese von vornherein einen höheren Unrechtsgehalt implizieren, als Mobbinghandlungen, die typischerweise keinen Straftatbestand verwirklichen. Dagegen wird die Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen nicht oder erst im weit fortgeschrittenen Mobbingprozess gegeben sein, wenn sich das Mobbinggeschehen aus Handlungen zusammensetzt, die für sich genommen keinen Straftatbestand erfüllen und an sich zwar unangenehm sind, isoliert betrachtet aber im normalen Rahmen zwischenmenschlichen Miteinanders liegen. Das wird vor allem dann der Fall sein, wenn Mobbing sich aus ignorierenden Verhaltensweisen zusammensetzt, wie beispielsweise jemanden absichtlich nicht zu grüßen, Fragen, Gesprächswünschen, Hilfeersuchen, Kooperationsangeboten auszuweichen oder den Betroffenen von gemeinsamen Aktivitäten auszuschließen.

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

363

Neben dem Unwertgehalt der einzelnen tatbestandlichen Mobbinghandlungen wird die Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen zweitens an den Wiederholungsabständen zwischen den einzelnen Angriffen und drittens an der Dauer, über die sich das Gesamtgeschehen erstreckt, gemessen werden müssen. Hierbei könnte man erwägen, die Wiederholungsabstände und den längeren Zeitraum als Wertungsgesichtpunkte anhand von Zahlen und Daten zu konkretisieren. Leymann fordert mit seiner Mobbingdefinition beispielsweise, dass die Mobbinghandlungen mindestens über ein halbes Jahr wöchentlich vorgenommen werden müssen.82 Vorteil dieses starr festgelegten Zeitraums und der Wiederholungsabstände ist, dass es einer Wertung des Richters nicht bedarf. Gegen eine starre Vorgabe des Zeitraums und der Wiederholungsabstände spricht aber, dass unbewegliche Zeit- und Intervallgrenzen im Hinblick auf die vielfältigen möglichen Fallkonstellationen trotz vergleichbaren Unrechtsgehalts des Gesamtverhaltens zu ungerechten Ergebnisse führen können und sich die Möglichkeit, Mobbing durch Rechnen und einen Blick auf den Kalender zu umgehen, den potenziellen Tätern nahezu aufdrängt. Dadurch würde ein zu großes und nicht zu schließendes Einfallstor für die Mobbenden entstehen, wie sich an folgenden Beispielen zeigt: Strafbar würde sich der Mobbende dann nicht machen, wenn er fast täglich Mobbingangriffe vornimmt, diese aber nur über einen Zeitraum von fünf Monaten andauern. Dagegen läge Mobbing vor, wenn das Opfer mindestens einmal pro Woche über eine Dauer von sechs Monaten den Angriffen des Täters ausgesetzt ist. Bei konsequenter Einhaltung solcher starrer Grenzen müsste ferner jedes Mal, wenn die Angriffswelle des Täters unterbrochen wird (Beispiel: der Täter wird drei Wochen krank und kann nicht arbeiten), von neuem mit dem Häufigkeits- und Zeitintervall begonnen werden, wenn der Täter die Angriffe wieder aufnimmt. Dass die von Leymann geforderte wöchentliche Wiederholung und die Dauer von sechs Monaten auf einen Straftatbestand unübertragbar sind, zeigt sich auch in dem vom LAG Thüringen bereits entschiedenen Mobbingfall, der sichtbar macht, dass das als Mobbing einzustufende Verhalten des Mobbenden bereits nach kurzer Zeit erhebliche Konsequenzen für den Betroffenen haben kann. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Angestellter eines Supermarktes wurde von seinem Vorgesetzen menschenunwürdig und persönlichkeitsrechtsverletzend in gröbster Form behandelt. Es genügten u. a. auf Grund der Erheblichkeit des Unwertgehalts der Mobbinghandlungen83 fünf Wochen, bis der Betroffene aufgrund der Schikanen, denen er am Arbeitsplatz ausgesetzt war, einen Selbstmordversuch unternahm. 82

Leymann (1993), S. 22. Der Vorgesetzte kündigte an, dass er bis jetzt jedem das Arbeiten beigebracht hätte und schnellstens seine Kotzgrenze finden würde. Verwehrung der Pausen. Bemerkungen wie: „. . ., dass man Menschen wie den Angestellten zu Hitlers Zeiten erschossen hätte“. 83

364

4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich demnach, dass unbewegliche Zeitvorgaben oder Wiederholungsabstände ungeeignet sind, um das strafbewehrte Unrecht zu konkretisieren. Es ist daher die schwierigere, kriteriengeleitete, am Zweck des Gesetzes sich orientierende Wertung des jeweiligen Richters, ob die Arbeitsbedingungen unzumutbar sind, vorzugswürdig. Umso geringer die Intervallabstände sind und umso länger das Angriffsverhalten bereits andauert, desto eher werden freilich die Arbeitsbedingungen – bei Mobbinghandlungen mit vergleichbarem Unrechtsgehalt – für den Betroffenen nicht mehr zumutbar sein. Neben diesen das Urteil des Richters über die Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen prägenden Kriterien könnte es – wenn die Mobbingangriffe darauf gerichtet sind, dem Betroffenen das kollegiale Miteinander aufzukündigen – im Einzelfall für das spätere oder zeitigere Eintreten der Unzumutbarkeit auch entscheidend sein, ob der Arbeitsplatz und die damit verbundenen Arbeitsabläufe auf unvermeidbare Zusammenarbeit mit den Mobbenden angelegt sind oder nicht. Hat der Betroffene beispielsweise einen Arbeitsplatz in einem abgetrennten Büro und führt er seine Arbeitsaufgaben unabhängig von denjenigen aus, die ihm das kollegiale Miteinander versagen, wird die Unzumutbarkeit später zu bejahen sein, als wenn der Betroffene einen Arbeitsplatz einnimmt, bei dem er auf die Teamarbeit und die gegenseitige Unterstützung gerade angewiesen ist. Letzteres ist beispielsweise bei Streifenpolizisten denkbar. Ausschlaggebend für das Urteil des Richters über die Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen wird ferner sein, ob die Mobbingangriffe von Kollegen ausgehen, die sich auf der gleichen hierarchischen Ebene wie der Betroffene bewegen, oder vom Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten. Ist der Arbeitgeber bzw. der Vorgesetzte der Angreifer, wird die Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen eher zu bejahen sein, als bei Kollegen. Dies rechtfertigt sich zum einen damit, dass die Abwehrmöglichkeiten des Betroffenen – aufgrund der ihn oftmals beherrschenden Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verschlechterung der weiteren Arbeitsbedingungen – gegen den Vorgesetzten eingeschränkter sind, als wenn Kollegen die Angreifer sind. Bei letzteren hat der Betroffene oftmals die Möglichkeit, sich beim Arbeitgeber oder Vorgesetzten zu beschweren und auf dessen Eingreifen zu hoffen. Dagegen werden dem Betroffenen andere Kollegen als Hilfe und Unterstützung aus Angst vor nachteiligen Folgen für sich selbst oftmals nicht zur Seite stehen, wenn der Arbeitgeber bzw. der Vorgesetzte als Mobbende agieren. Zum anderen rechtfertigt sich diese unterschiedliche Bewertung gleichen Verhaltens damit, dass, wie im Zweiten Kapitel dargestellt, der Arbeitgeber und der Vorgesetzte gegenüber dem Betroffenen eine besondere Vertrauensstellung einnehmen, die sogar garantenpflichtbegründend ist.84 Der Arbeitgeber ist arbeitsvertraglich gerade dazu verpflichtet, dem Arbeitnehmer einen sicheren Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.85 Geht 84

Siehe dazu die Ausführungen im Zweiten Kapitel B. VII. 3. a) cc) (3) a. E.

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

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das Mobbing aber von ihm aus, verstößt er gegen diese Pflicht, was die erhöhte Verwerflichkeit des Verhaltens im Gegensatz zu vergleichbarem Verhalten von Kollegen, die eine solche Pflicht nicht trifft, begründet. Hinzukommt, dass zum einen durch den personalen Gehalt des Arbeitsverhältnisses und zum anderen, dass dieses meist über viele Jahre hinweg andauert bzw. auf eine lange Vertragspartnerschaft ausgelegt ist, das Maß des eingeräumten gegenseitigen Vertrauens zwischen Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten und Arbeitnehmer im Vergleich zum reinen Kollegialverhältnis von vorneherein gesteigert ist.86 Dieses erhöhte Vertrauen des Betroffenen gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten wird daher erheblich mehr gestört und die Enttäuschung des Betroffenen ist größer, wenn der Angreifer der Arbeitgeber oder der Vorgesetzte ist, so dass das Verwerflichkeitsurteil auch aus diesem Grund eher ausgesprochen werden kann.87 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass sich der Richter bei der Wertung, ob die Arbeitsbedingungen unzumutbar sind – also die Angriffe die Stufe normalen zwischenmenschlichen Miteinanders übersteigen und sich als gesteuerte Anfeindung oder Ablehnung darstellen, die in ihrer dauerhaften Fortsetzung dem Betroffenen das unentbehrliche normale Arbeitsumfeld entzieht – an dem Unrechtsgehalt der einzelnen Angriffe, den zwischen ihnen liegenden Wiederholungsabständen und der Länge des Zeitraums, über den sich diese erstrecken, zu orientieren hat. Darüber hinaus kann für das Urteil des Richters von Bedeutung sein, wie intensiv der Betroffene aus Gründen der Arbeitsorganisation und Hierarchie auf die Kooperation mit dem Mobbenden angewiesen ist. Ist der Mobbende der Arbeitgeber bzw. der Vorgesetzte oder ist der Betroffene auf die Zusammenarbeit mit dem Mobbenden zur Durchführung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung angewiesen, wird die Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen umso eher zu bejahen sein. 9. Gesundheitsgefahr und Gefahr erheblicher beruflicher Nachteile a) Konkrete Gefährdung des Handlungsobjektes Als drittes und damit letztes Element verlangt der objektive Tatbestand, dass die Arbeitsbedingungen nicht nur unzumutbar beeinträchtigt werden, sondern 85 Siehe dazu die Ausführungen im Zweiten Kapitel B. VII. 3. a) cc) (3) und Dritten Kapitel C. II. 2. d). 86 Wiese, ZfA 1996, S. 455 f.; Zöllner/Loritz, S. 178; siehe auch die Ausführungen im Zweiten Kapitel B. VII. 3. a) cc) (3) a. E. 87 In den Vorarbeiten zum Art. 222-33-22 code pénal wurde sogar überlegt, ob als Tatbestandsmerkmal ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Betroffenem und Täter Aufnahme in den Tatbestand finden sollte, so dass die Strafbarkeit nur dann gegeben ist, wenn der Arbeitgeber der Mobbende ist: Duvert, Éditions du Juris-Classeur 2003, Art. 222-33-2: fasc. 20, Rn. 14.

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

dass dadurch auch eine konkrete Gefahr für die psychische oder physische Gesundheit oder erheblicher beruflicher Nachteile hervorgerufen wird. Es handelt sich daher um ein Erfolgsdelikt, weil es zur Verwirklichung des Tatbestandes notwendig ist, dass durch den tatbestandlichen Handlungskomplex eine räumlich-zeitlich 88 bzw. zumindest gedanklich89 von diesem abtrennbare Wirkung beim Handlungsobjekt eintritt.90 Anstatt einer Verletzung des Handlungsobjekts als Erfolg genügt nach dem vorgelegten Vorschlag dessen konkrete Gefährdung, so dass es sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt handelt. Während bei Verletzungsdelikten der Tatbestand Verhaltensweisen erfasst, die eine direkte Beeinträchtigung des geschützten Interesses zur Folge haben, werden durch Gefährdungsdelikte Verhaltensweisen erfasst, die nicht zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung eines geschützten Rechtsguts(objekts) führen, sondern eine Situation begründen, aus der sich eine Beeinträchtigung entwickeln kann, nicht aber notwendigerweise muss.91 Im Gegensatz zu den abstrakten Gefährdungsdelikten, bei denen die Gefährlichkeit des pönalisierten Verhaltens nur gesetzgeberischer Grund ist, ist bei den konkreten Gefährdungsdelikten die Gefahr ein Tatbestandsmerkmal.92 Eine konkrete Gefahr für das Handlungsobjekt ist ein ungewöhnlicher Zustand, in welchem nach den konkreten Umständen des Einzelfalls aus Sicht eines sachkundig Urteilenden der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich ist, die Möglichkeit also nahe liegt.93 Die materielle Vollendung im Sinne der endgültigen Rechtsgutsverletzung ist demnach vorverlegt und führt zur Ausweitung des Rechtsgüterschutzes, weil das Handlungsobjekt lediglich gefährdet, anstatt verletzt werden muss.94 Dadurch wird den derzeitig bestehenden Schwierigkeiten, nachzuweisen, dass das Verhalten des Mobbenden für die eingetretene Verletzung im Einzelfall kausal war, entgegengetreten.95 Wie bereits in dieser Arbeit ausführlich dargestellt, ist der Nachweis, dass die Verletzung der physischen oder psychischen Konstitution des Betroffenen auf das Verhalten des Mobbenden zurückzuführen ist, schwer zu erbringen, weil Mobbing nicht nur aus einer 88

Jescheck/Weigend, S. 260; Roxin, AT I, § 10 Rn. 102. Sch/Sch-Lenckner/Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 130; Wessels/Beulke, Rn. 23. 90 Teilweise wird vertreten, dass auch die schlichten Tätigkeitsdelikte einen tatbestandlichen Erfolg voraussetzen, weil der Erfolg die Erfüllung des Tatbestandes und mit der Verwirklichung der tatbestandsmäßigen Handlung der Tatbestand verwirklicht sei, Maurach/Zipf, AT, § 20 Rn. 27. 91 LK-Jescheck, vor § 13 Rn. 50; Roxin, AT I, § 10 Rn. 123; Sch/Sch-Lenckner/ Eisele, vor §§ 13 ff. Rn. 129; Wohlers, S. 281 m. w. N. 92 Roxin, AT I, § 2 Rn. 68; Stächelin, S. 92; Jescheck/Weigend, S. 264; Wohlers, S. 282 m. w. N. 93 RGSt 66, S. 22; Jescheck/Weigend, S. 264; NK-Herzog, § 306a Rn. 19; Sch/SchHeine, vor §§ 306 ff. Rn. 5. 94 Lenckner, NJW 1967, S. 1894. 95 Vgl. Arzt/Weber, BT, § 35 Rn. 27. 89

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

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Handlung besteht, sondern aus mehreren Handlungen, deren Wiederholungen und deren Zusammenspiel über einen langen Zeitraum erst den tatbestandlichen Erfolg hervorrufen.96 Da durch das Genügenlassen einer Gefährdung an das tatbestandsverwirklichende und damit unrechtsbegründende Handeln weniger Anforderungen gestellt werden, als wenn eine Verletzung des Handlungsobjekts gefordert werden würde, wird damit der durch die Verletzungsdelikte erfassbare Bereich strafrechtlich relevanten Verhaltens erweitert, so dass es einer besonderen Legitimation bedarf, dieses Verhalten mit Strafe zu belegen.97 Diese Legitimation findet sich zum einen darin, dass durch das vorgeschlagene mobbingspezifische Delikt die Gesundheit geschützt werden soll, welche zu den in ihrem Wert höchsten Rechtsgütern zählt98 und zum anderen in der hohen Wertigkeit des beruflichen Status bzw. der Gewichtigkeit des Arbeitslebens für den Einzelnen. Darüber hinaus beruht die Legitimation auf den über die Gesundheitsbeeinträchtigung hinausgehenden typischen Folgen99 von Mobbing und den erheblichen Betroffenenzahlen100. b) Gesundheit und berufliche Zukunft als Gefährdungsgüter Der Tatbestand umfasst drei Alternativen des tatbestandlichen Gefährdungserfolges. Durch die Aufnahme der Gesundheit als Gefährdungsgut wird der Tatsache entsprochen, dass diese durch Mobbing oftmals beeinträchtigt wird. Lediglich bei 13 Prozent der Betroffenen wirkt sich Mobbing nicht auf das physische oder psychische Wohlbefinden aus.101 44 Prozent der Betroffenen erkranken und davon fast die Hälfte länger als sechs Wochen. Das Spektrum an Krankheitsbildern ist groß.102 Durch die ausdrückliche Aufnahme der psychischen Gesundheit103 als Gefährdungsgut in den Tatbestand wird die gegenwärtig vom Standpunkt der Rechtsprechung aus bestehende und nicht gerechtfertigte Lücke104 hinsichtlich des Schutzes der psychischen Gesundheit geschlossen und klargestellt, dass diese zumindest im Zusammenhang mit einem Mobbingsachverhalt vom Straf96

Siehe dazu oben die Ausführungen im Zweiten Kapitel C. IV. Wohlers, S. 282; siehe aber auch Stächelin, S. 92. 98 Wohlers, S. 59 m. w. N. 99 Siehe dazu die Ausführungen im Ersten Kapitel C. I. 100 Siehe dazu die Ausführungen in der Einleitung. 101 Vgl. hierzu und zum Folgenden die Ausführungen im Ersten Kapitel C. I. 1. a), b). 102 Vgl. die Ausführungen im Ersten Kapitel C. I. 1. zu den Folgen von Mobbing für den Betroffenen. 103 Siehe zur Abgrenzung zu psychischen Befindensbeeinträchtigungen die Ausführungen im Zweiten Kapitel B. II. 3. c) cc). 104 Siehe dazu die Ausführungen im Zweiten Kapitel B. II. 3. c) bb), dd) (5). 97

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

recht mit geschützt wird. Dadurch wird der Tatsache entsprochen, dass Mobbing eine erhebliche Form von Psychoterror darstellt und häufig psychische Gesundheitsschädigungen zur Folge hat, die das Leben der Betroffenen unerträglich gestalten. Die Gefahr beruflicher Nachteile als tatbestandlichen Erfolg in den Tatbestand aufzunehmen, begründet sich damit, dass Mobbing typischerweise erhebliche nachteilige Folgen und Einschnitte für den Betroffenen in seiner beruflichen Laufbahn mit sich bringt. In fast 50 Prozent der Fälle werden die Betroffenen vom gegenwärtigen Arbeitsplatz ausgeschlossen, sei es durch freiwilligen Arbeitsplatzwechsel innerhalb des Betriebes, Eigenkündigung, Berufs- und Arbeitsunfähigkeit oder Fremdkündigung.105 Darüber hinaus liegt ein beruflicher Nachteil auch vor, wenn der Karriereweg gestört wird, indem der Betroffene beispielsweise nicht befördert oder nicht auf einen bestimmten, von ihm angestrebten Arbeitsplatz versetzt wird. Gegenwärtig können diese beruflichen Folgen heute lediglich auf Strafzumessungsebene Bedeutung erlangen.106 Wie bereits dargestellt107, rechtfertigt sich die Aufnahme der beruflichen Existenz in den Schutzbereich des Strafrechts zum einen mit der hohen Bedeutung für den Einzelnen im Hinblick auf seine finanzielle Lebensexistenz, so dass der Arbeitsplatz und die damit verbundene finanzielle Absicherung eine vermögenswerte Position darstellen, die durch das Strafrecht gegenwärtig nicht unmittelbar geschützt wird. Zum anderen stellen die Arbeit und die damit verbundene persönliche Karriere häufig ein soziales Bedürfnis des Menschen dar, weil sich das Individuum in unserer heutigen Gesellschaft oftmals durch seine Arbeit definiert und seine gesellschaftliche Anerkennung über diese erhält.108 Zu ergänzen ist schließlich, dass die Annahme der Eigenkündigung durch den Betroffenen als beruflicher Nachteil kein Problem im Hinblick auf das Eigenverantwortlichkeitsprinzip darstellt, weil zuvor die tatbestandlich umschriebenen Mobbinghandlungen und die Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen, auf denen die Gefahr der beruflichen Nachteile beruhen muss, belegt sein müssen. c) Weitere Interessen als Gefährdungsgüter? Der Frage, ob neben diesen Gefährdungsgütern noch andere schutzwürdige Interessen in den Tatbestand Aufnahme finden könnten, soll im Folgenden 105 Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 78 f., 104 f.; siehe auch Zapf, ZfAO 1999, S. 20; Hirigoyen, S. 129. 106 Siehe dazu oben die Ausführungen im Zweiten Kapitel D. III. 107 Siehe dazu oben die Ausführungen im Dritten Kapitel C. IV. 2. c) bb) (1). 108 Zum heutigen Sinn der Arbeit siehe die Rechtsprechung zum Beschäftigungsanspruch: BAG AP Nr. 2 und 14 zu § 611 „Beschäftigungspflicht“; LAG Stuttgart ARBlattei ES, Nr. 1 „Beschäftigungspflicht“; Ruhl/Kassebohm, NZA 1995, S. 497; siehe ferner zum Zusammenhang Arbeit und Lebenszufriedenheit Noelle-Neumann/Strümpel.

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

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nachgegangen werden. Ein Blick auf Art. 222-33-2 code pénal gibt insoweit mögliche Anhaltspunkte, indem er als tatbestandliche Folgen unter anderem die Beeinträchtigung der „Würde“ oder der „Rechte“ des Betroffenen umfasst. Es liegt nahe, die Auslegung des Begriffs „Würde“ an Art. 1 Abs. 1 GG zu orientieren, der die Würde des Menschen zum obersten Verfassungsprinzip erklärt. Mit der Menschenwürde ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch gemeint, der dem Menschen wegen seines Menschseins zukommt.109 Im Regelfall geht die Verletzung der Menschenwürde mit der Verletzung anderer Grundrechte einher, weil die Gewährung der Menschenwürde ohnehin die Reichweite aller Grundrechte steuert.110 Die Würde des Menschen ist daher in ihrem konkreten Anwendungsbereich zu unbestimmt, als dass sie als Tatbestandsmerkmal Aufnahme in einen Straftatbestand finden könnte. Das Gleiche gilt im Ergebnis für die „Rechte“ als tatbestandliche Folge, denn welche Rechte damit gemeint sein sollten, wäre unklar und schließlich würde es schon auf Grund der Inhomogenität der damit erfassten Rechte zu weit gehen, alle erdenklichen, dem Einzelnen zustehenden Rechte durch einen Straftatbestand zu schützen. Unter anderem aus diesen Gründen wird auch der Art. 222-33-2 code pénal gerügt.111 Da der gesetzliche Tatbestand damit Gefahr laufen würde, nicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz in Einklang zu stehen, ist es abzulehnen, die Verletzung der „Würde“ und der „Rechte“ des Betroffenen als tatbestandliche Folgen des Mobbingverhaltens mit in diesen aufzunehmen. Das Landesarbeitsgericht Thüringen, welches Mobbing ausführlich definiert und auf dessen Definition viele Gerichte bereits zurückgegriffen haben, fordert für das Vorliegen von Mobbing, dass die Gesamtheit der Mobbinghandlungen zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führen muss.112 Überträgt man diesen Gedanken auf die Überlegungen zur Ausgestaltung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes, könnte als Tatbestandserfolg die Verletzung bzw. Gefährdung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Erwägung gezogen werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein in der Verfassung unbenanntes, aber rechtlich anerkanntes Freiheitsgrundrecht.113 Es wird aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet und gewährleistet in seinem Kern die enge persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen im Sinne des obersten Konstitutionsprinzips, der Würde des Menschen.114 Schutzgüter des 109

BVerfGE 87, S. 209, 228; Jarass/Pieroth, Art. 1 Rn. 5. Vgl. BVerfGE 27, S. 1 ff. (6); von Mangoldt/Klein/Starck-Starck, Art. 1 Abs. 1 Rn. 28. 111 Vgl. Laperou-Scheneider, droit social 2002, S. 315. 112 LAG Thüringen NZA-RR 2001, S. 577 ff. (577); LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff. (1360); zustimmend LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, S. 121 ff.; LAG Hamm Urteil NZA-RR 2003, S. 8 ff.; LAG Bremen vom 17.10.2002, Az.: 3 Sa 78/02 + 3 Sa 232/02. 113 BVerfGE 54, S. 148 (153). 114 BVerfGE 54, S. 148 ff. (153 f.). 110

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind u. a. die Privat-, Geheim- und Intimsphäre sowie die persönliche Ehre. Weil das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 (allgemeine Handlungsfreiheit) hergeleitet wird, ist es nicht auf bestimmte Lebensbereiche beschränkt.115 Im Strafrecht existiert keine Vorschrift, die ausdrücklich den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Inhalt hat. Es werden aber durch verschiedene Straftatbestände Teilbereiche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bereits geschützt.116 In vielen Fällen, von denen einzelne bereits Gegenstand arbeitsrechtlicher Gerichtsverfahren waren, setzt sich Mobbing aus Handlungen zusammen, die zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht erheblich verletzen, indem die Betroffenen schikaniert, gedemütigt oder degradiert werden, aber nicht eine Verletzung der Ehre, der sexuellen Selbstbestimmung oder anderer Teilbereiche des Persönlichkeitsrecht, die durch das Strafrecht bereits geschützt werden, implizieren.117 Dazu zählt beispielsweise, wenn dem Betroffenen zielgerichtet als Mittel der Zermürbung minderwertige Arbeiten zugewiesen werden oder ihm die Beschäftigung gänzlich entzogen wird, wie in dem ausführlich im Ersten Kapitel dieser Arbeit dargestellten „Sparkassen-Fall“. Obgleich daher mit der Aufnahme der Gefährdung bzw. der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts viele typische Mobbingsituationen erfasst werden würden, wurde von dieser Möglichkeit Abstand genommen, weil das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Gegensatz zu anderen bestimmten Rechten, wie zum Beispiel dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, in seinem Anwendungsbereich sehr unbestimmt ist. Aus diesem Grund kann das Strafrecht im Gegensatz zum Zivilrecht das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht generell, sondern nur gezielter und dadurch auch weniger weitgehend schützen.118 d) Überlegungen zur Ausgestaltung des Delikts als abstraktes Gefährdungsdelikt Auch die Ausgestaltung des Mobbingstraftatbestandes als abstraktes Gefährdungsdelikt könnte einen gangbaren Weg darstellen. Abstrakte Gefährdungsdelikte erfassen die Verhaltensweisen, denen typischerweise die Herbeiführung einer konkreten Gefahr eigen ist und deren Strafwürdigkeit auf der generellen Gefährlichkeit der tatbestandsmäßigen Handlung für bestimmte Rechtsgüter be115

Pieroth/Schlink, Rn. 373. Siehe Arzt/Weber, BT, § 8 Rn. 1 ff.; folgende Beispiele für den strafrechtlichen Schutz von Teilbereichen des Persönlichkeitsrechts: die Ehre in § 185 ff StGB; die Privatsphäre in § 123 StGB (Hausfriedensbruch), §§ 201 ff, StGB (Schutz des gesprochenen Wortes, Schutz des verschlossenen Briefes usw.), §§ 211, 223 ff. StGB (Körperverletzung), 239 f. StGB (körperliche Bewegungsfreiheit) usw. 117 LAG Rheinland-Pfalz ZIP 2001, 2298; LAG Thüringen BB 2001, S. 1358. 118 Arzt/Weber, BT, § 8 Rn. 1. 116

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

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ruht.119 Der Vorteil eines abstrakten Gefährdungsdeliktes läge darin, dass auf Grund des Fehlens eines tatbestandlichen Erfolges die Kausalität des Verhaltens des Täters für den Erfolg nicht nachgewiesen werden müsste, weil das tatbestandlich umschriebene Verhalten die abstrakte Gefahr bereits in sich tragen würde. Dass die Kausalität bei Mobbing besonders schwer nachzuweisen ist, liegt daran, dass Mobbing nicht nur aus einer relevanten Handlung besteht, sondern aus einem Komplex von systematisch zusammenhängenden Handlungen.120 Besonders die Beweisschwierigkeiten, die sich hinsichtlich der Kausalität des Verhaltens für die Verletzung oder konkrete Gefährdung der psychischen Gesundheit ergeben, würden dadurch umgangen werden können. Ein weiterer positiver Effekt von abstrakten Gefährdungsdelikten wird im Allgemeinen darin gesehen, dass das den Verletzungs- und konkreten Gefährdungsdelikten anhaftende Zufallsmoment entfällt, d.h. die Zurechnung strafrechtlicher Verantwortlichkeit ist bei abstrakten Gefährdungsdelikten nicht von Umständen abhängig, auf die der einzelne Täter keinen Einfluss hat.121 Da der vorgeschlagene Mobbingstraftatbestand neben dem Erfolg weitere objektive Tatbestandsmerkmale erfordert, wird dieser Zufallshaftung aber bereits entgegengewirkt. Nach heute herrschender Ansicht122 ist das Motiv des Gesetzgebers für die Schaffung abstrakter Gefährdungsdelikte die typische Gefährlichkeit für das Handlungsobjekt, die die im Tatbestand umschriebene Handlung nach allgemeiner Lebenserfahrung mit sich bringt. Der Gesetzgeber will mit abstrakten Gefährdungsdelikten konkrete Gefahren und Verletzungen verhindern, die in bestimmten Verhaltensweisen bereits angelegt sind. Da im Gegensatz zu den Erfolgsdelikten, bei denen die konkrete Gefährdung und die Verletzung des Handlungsobjektes Tatbestandsmerkmal ist, die abstrakte Gefährdung nicht Tatbestandsmerkmal, sondern allein gesetzgeberischer Grund für den Erlass einer bestimmten Norm ist, würde die Ausgestaltung des auf Mobbing ausgerichteten Delikts als abstraktes Gefährdungsdelikt voraussetzen, dass das gesetzlich umschriebene Verhalten seinen Unwertgehalt in sich selbst trägt und nicht erst Ausdruck in einem Erfolg findet.123 Eine tatbestandliche Umschreibung des Mobbingverhaltens, nach der Mobbing eine typische Gefährlichkeit anhaftet, welche die Strafbarkeit von Mobbing ohne notwendigen tatbestandlichen Erfolg legitimieren würde, ist nach hier 119 Jescheck/Weigend, S. 264; Sch/Sch-Heine, vor §§ 306 ff. Rn. 3; Wohlers, S. 281 m. w. N. 120 Siehe dazu die Ausführungen im Zweiten Kapitel C. IV. 121 Berz, S. 101 ff.; Schneider, Jura 1988, S. 460 (462); siehe auch Wohlers, S. 286. 122 Binding, Normen I, S. 379 f.; Jescheck/Weigend, S. 264; Schmidhäuser, S. 254 f.; Wessels/Beulke, Rn. 29; vgl. auch die Ausführungen von Wohlers, S. 282, 287 ff., 305 f. 123 Vgl. Tröndle/Fischer, vor § 13 Rn. 13a.

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

vertretener Auffassung aber nicht vorstellbar. Es erscheint aufgrund der Vielfalt und Unvorhersehbarkeit der möglichen Mobbingkonstellationen unmöglich, für alle konkreten Einzelfälle im Voraus und absolut festzulegen, welche Fälle als Gefährdungen der durch einen mobbingspezifischen Straftatbestand zu schützenden Rechtsgüter zu gelten haben. Es bestünde die Gefahr, dass der Strafrechtsschutz zu weit vorverlegt, sich eine Abgrenzung zu hinnehmbarem, alltäglichem Verhalten aus dem Tatbestand selbst nicht mehr ergeben würde und die verfassungsrechtliche Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG daher nicht mehr gewährleistet werden könnte.124 Das Geschehen am Arbeitsplatz würde dadurch zu stark kriminalisiert werden. Hinzu kommt, dass den abstrakten Gefährdungsdelikten das Problem immanent ist, dass durch die notwendige abstrakte Festlegung gefährlichen Verhaltens durch den Gesetzgeber es im Einzelfall geschehen kann, dass die Gefährdung gerade nicht vorliegt.125 In derartigen Fällen kann der Richter, selbst bei Widerlegung der gesetzgeberischen Prognose, auch nicht korrigierend eingreifen, weil ansonsten eine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes vorläge.126 Die Alternative, ein auf Mobbing ausgerichtetes Delikt als abstraktes Gefährdungsdelikt auszugestalten, ist daher von vorneherein abzulehnen. Auf die Frage, ob die Ausgestaltung von Mobbing als abstraktes Gefährdungsdelikt auch legitim wäre, was voraussetzen würde, dass dieses auf den Schutz eines als besonders schützenswert erscheinenden Rechtsguts abzielt,127 muss daher nicht näher eingegangen werden.

III. Absicht hinsichtlich der Aufgabe des Arbeitsplatzes durch den Betroffenen Nach dem Gesetzesvorschlag macht der Täter sich auch dann strafbar, wenn er durch das Mobbingverhalten die Arbeitsplatzbedingungen unzumutbar beeinträchtigt und dabei mit der Absicht handelt, die Aufgabe des Arbeitsplatzes durch den Betroffenen zu erreichen. Einer Gefährdung der Gesundheit oder der Gefahr von beruflichen Nachteilen bedarf es nicht. Auf Grund der besonderen Bedeutung des Arbeitsplatzes erscheint es gerechtfertigt, auch an die Absicht, den anderen zur Selbstaufgabe seines Arbeitsplatzes zu zwingen, strafbewehrtes Unrecht zu knüpfen. In vielen Fällen verfolgt der Täter mit Hilfe von Mobbing gerade das Ziel, den Betroffenen vom Arbeitsplatz zu vertreiben, um beispiels124 Zur Kritik an den abstrakten Gefährdungsdelikten siehe die Ausführungen von Wohlers, S. 287 ff. 125 Stächelin, S. 94; Wohlers, S. 286 ff., der auch weitere vertretene Lösungen darstellt. 126 Stächelin, S. 94; siehe auch Lagodny, S. 508 f.; Berz, S. 116 ff., verlangt dennoch eine teleologische Reduktion der abstrakten Gefährdungsdelikte. 127 Wohlers, S. 282.

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

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weise Abfindungskosten und gesetzliche Kündigungshindernisse zu umgehen oder einen Mitkonkurrenten zu beseitigen.128 Vor allem wenn die Mobbingangriffe vom Arbeitgeber ausgeht, geht es in der Regel darum, den Arbeitnehmer zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes zu bewegen.129 Durch eine besondere Absicht des Täters wird dessen Einstellung zur Tat näher bestimmt, dessen Verhaltensunwert gekennzeichnet und somit das Handlungsunrecht verstärkt. Die besondere Absicht liegt beispielsweise dann nicht vor, wenn der Täter mit seinem Verhalten lediglich erreichen will, dass er und nicht der Betroffene befördert oder der Betroffene in ein schlechtes Licht gegenüber den anderen Kollegen gerückt wird. Unschädlich ist es dagegen, wenn der Täter neben dem Ziel, die Selbstkündigung des Betroffenen zu erreichen, weitere Motive oder Ziele verfolgt und er daher aus einem Motivbündel heraus agiert. Die Selbstkündigung des Betroffenen muss daher nicht das alleinige Ziel des Täters sein, es genügt wenn sie ein Ziel neben anderen mit dem Mobbingverhalten verfolgten Zielen ist. Nicht darüber hinweg getäuscht werden kann, dass in der Praxis eventuelle Beweisschwierigkeiten über das normale Maß hinaus vorliegen können. Insoweit ist aber darauf hinzuweisen, dass der Schluss auf das Vorliegen einer solchen Absicht aus äußeren Umständen wie bei anderen Absichten dieser Art unumgänglich und möglich ist

IV. Anknüpfung der Strafe an Vorsatzund Fahrlässigkeitsschuld Die bisher vorgeschlagenen Mobbingmerkmale trennen objektiv strafrechtlich relevantes Verhalten von strafrechtlich nicht relevantem Verhalten und geben dem Tatbestand sein individuelles Gepräge, indem sie insbesondere das äußere Erscheinungsbild des strafbaren Mobbings bestimmen.130 Gemäß Abs. 1 des vorgeschlagenen mobbingspezifischen Tatbestandes, muss der Täter hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale vorsätzlich handeln (§ 15 StGB). Abs. 2 dagegen lässt es genügen, wenn der Täter den konkreten Gefährdungserfolg fahrlässig verursacht. Der Tatbestand ist demnach als Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination mit strafbegründender besonderer Folge ausgestaltet, wie sie dem Strafrecht in verschiedenen Normen bereits bekannt ist.131 Fahrlässig handelt 128 Wickler in Wickler, S. 26; Wolmerath, Rn. 20; siehe dazu LAG Thüringen BB 2001, S. 1358 ff., wo ein Angestellter mit Hilfe von Mobbing zur Selbstaufgabe seines Arbeitsplatzes bewegt werden sollte. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff, S. 118 kamen zu dem Ergebnis, dass 3,4 Prozent der Betroffenen als Grund für das gegen sie gerichtete Mobbing den Abbau von Arbeitsplätzen angaben und 3,2 Prozent, dass man sie „los haben“ wollte. 129 Vgl. LAG Thüringen BB 2001, S. 1361. 130 Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 118 ff.

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

der Täter hinsichtlich der eingetretenen Folge, wenn er pflichtwidrig die Gefahr nicht erkennt oder aber pflichtwidrig darauf vertraut, dass der Erfolg, hier also die konkrete Gefährdung des Opfers, nicht eintreten wird.132 Dem Täter wird vorgeworfen, dass er sorgfaltswidrig gehandelt hat, obwohl er die Folgen vorausgesehen bzw. der gefährlichen Situation keine Aufmerksamkeit geschenkt hat oder den Schluss von der an sich erkannten Gefahr auf die Gefährdung des Handlungsobjektes nicht gezogen oder aber dem Bewusstsein dieser Gefährdung bei der Entschlussfassung nicht genügend Raum gelassen hat.133 Hinsichtlich der Gefahr beruflicher Nachteile wird der Mobbende häufig vorsätzlich handeln, weil es oftmals gerade sein Ziel ist, den Betroffenen in seinem beruflichen Ansehen oder seiner Karriere zu beeinträchtigen oder ihn von seinem Arbeitsplatz zu verdrängen. Im Gegensatz dazu handelt der Mobbende, wie im Zweiten Kapitel dargestellt, nur selten vorsätzlich hinsichtlich der Gesundheitsgefahren bzw. ist ihm der Körperverletzungsvorsatz nur schwer nachzuweisen. Weil die Gesundheit ein besonderes hochrangiges Rechtsgut darstellt, ist es gerechtfertigt, den Täter zu bestrafen, wenn er die Gesundheitsgefahr fahrlässig hervorruft. Dass diese Lösung im Einklang mit dem Schuldprinzip steht, wonach die Strafe der Schuld des Täters entsprechen soll134, ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber bereits die fahrlässige Körperverletzung ausdrücklich in § 229 StGB unter Strafe stellt.

V. Ausgestaltung als Antragsdelikt Der Vorschlag geht davon aus, dass es sich bei dem auf Mobbing ausgerichteten Delikt um ein eingeschränktes Antragsdelikt135 handeln sollte, so dass die Strafverfolgung grundsätzlich nicht von Amts wegen einsetzt, sondern erst mit dem Strafantrag des Betroffenen. Der Rückgriff auf die Ausformung als Antragsdelikt und damit der Durchbrechung des Offizialprinzips rechtfertigt sich damit, dass Mobbing ausschließlich eine Straftat am Arbeitsplatz und der Betroffene in der Regel entweder kollegial oder durch den Arbeitsvertrag mit dem Mobbenden verbunden ist. In den meisten Fällen gehört er derselben Arbeitsgemeinschaft wie der Mobbende an oder dieser ist sein Arbeitgeber bzw. Vorgesetzter, so dass er tagtäglich mit ihm zusammen trifft und oftmals auch arbeitsteilig mit ihm zusammen arbeiten muss. Damit ist der Betroffene in der Regel auf die Arbeitsgemeinschaft und ein gutes Betriebsklima angewiesen. Die Ein131

Beispielsweise § 315c StGB. Jescheck/Weigend, S. 563. 133 Jescheck/Weigend, S. 567. 134 BVerfGE 57, S. 250 ff. (257); 73, 206 ff. (253 f.); 80, S. 244 ff. (255); Jarass/ Pieroth, Art. 20 Rn. 99. 135 Zu den eingeschränkten Antragsdelikten siehe Winnen, Werner: Eingeschränkte Antragsdelikte, 2001. 132

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

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gebundenheit in die Arbeitsgemeinschaft, der sich der Betroffene nicht ohne weiteres entziehen kann, die Abhängigkeit von den Arbeitskollegen hinsichtlich der Zusammenarbeit und die existenzielle Abhängigkeit vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses rufen für den Betroffenen oftmals das Bedürfnis hervor, den innerbetrieblichen Frieden wieder herzustellen und nicht durch ein Strafverfahren das Verhältnis am Arbeitsplatz – insbesondere auch mit Blick auf weitere Arbeitskollegen, die bei der Suche nach möglichen Zeugen unfreiwillig in das Mobbbinggeschehen einbezogen werden könnten – zusätzlich zu verschlechtern oder unwiderruflich zu zerstören. Die besondere Situation am Arbeitsplatz gebietet es daher, dem Einzelnen die Möglichkeit zu offerieren, das Problem Mobbing einer internen, zukunftsorientierten betrieblichen Lösung zuzuführen und nicht durch das Einschreiten der Staatsanwaltschaft das Klima am Arbeitsplatz zu verschlechtern. Aus diesen Gründen ist einer möglichen außergerichtlichen Versöhnung Vorrang zu gewähren.136 Nur in schwerwiegenden Fällen soll das Einschreiten der Staatsanwaltschaft möglich sein, so dass das Mobbingdelikt nicht als absolutes, sondern als eingeschränktes Antragsdelikt ausgestaltet ist. Damit soll erreicht werden, dass die Staatsanwaltschaft beispielsweise bei schwerwiegenden Rechtsgutsverletzungen oder einem besonderen Missbrauch der Vorgesetztenstellung bzw. der Abhängigkeit des Betroffenen vom Arbeitgeber einschreiten kann.137 Diese für ein Antragsdelikt plädierende Auffassung wird dadurch unterstützt, dass viele Menschen sich nicht als Mobbingopfer fühlen, obwohl die Kriterien der jeweiligen verschiedenen Mobbingdefinitionen erfüllt sind. Zirka 69 Prozent derjenigen Personen, die nach Leymanns Definition Mobbingopfer sind, fühlten sich selbst nicht als solche.138 Leymann legt seinen Untersuchungen aber eine weitere Definition zu Grunde als die Umschreibung des vorgeschlagenen Straftatbestandes, indem er den Eintritt einer Rechtsgutsverletzung nicht verlangt. Aber auch aus dem Betrachtungswinkel der Kriminalpolitik und der Entlastung der Gerichte und der Staatsanwaltschaft bringt die Ausgestaltung als Antragsdelikt Vorteile mit sich, indem die Anzahl an Ermittlungen und Bestrafungen verringert und somit einer Ausuferung der Anzahl der Gerichtsprozesse, wenn auch in im Einzelnen ungewissem Ausmaß, entgegengewirkt wird.139 Gegen die Ausgestaltung als Antragsdelikt spricht einzig, dass mit dem Erfordernis eines Antrags auch eine Antragsfrist verbunden ist, die gemäß Art. 77b Abs. 1 StGB drei Monate beträgt und – vorausgesetzt der Betroffene hat Kenntnis von der Tat – gemäß Art. 77b Abs. 2 StGB mit dem Ablauf des 136 Vgl. Jescheck/Weigend, S. 907; NK-Lemke, vor § 77 Rn. 2; Sch/Sch-Stree/Sternberg-Lieben, § 77 Rn. 4; SK-Rudolphi, vor § 77 Rn. 2 ff. 137 Vgl. Lackner/Kühl, § 230 Rn. 4; Sch/Sch-Stree, § 230 Rn. 5. 138 Staatssekretariat für Wirtschaft, 2002, S. 31. 139 Vgl. Meyer, S. 2.

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

Tages beginnt, an dem die Tat beendet ist. Wie im Zweiten Kapitel dieser Arbeit festgestellt, scheitert eine strafrechtliche Verfolgung des Mobbenden wegen Körperverletzung und Beleidigung oftmals an dem Fehlen eines fristgemäßen Strafantrages, weil die Betroffenen sich aufgrund ihrer Eingebundenheit in den Arbeitsplatz und psychischer und physischer Barrieren erst nach erfolgter gesundheitlicher Rehabilitation und nach dem sie ihr Selbstwertgefühl und ihren Mut wieder gewonnen haben, entschließen, gegen den Mobbenden vorzugehen, weil sie vorher auf Grund des zermürbenden Mobbingprozesses die Kraft und den Mut dazu nicht aufbringen können.140 Besonders wenn der Arbeitgeber, Dienstherr oder der Vorgesetzte Mobbingtäter sind, entscheiden sich die Betroffenen erst nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis für rechtliche Schritte, weil sie vorher befürchten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder die Situation am Arbeitsplatz zu verschlimmern.141 Diesen der rechtzeitigen Antragsstellung entgegenstehenden mobbingspezifischen Barrieren wird bereits insoweit Rechnung getragen, dass aufgrund des dauerhaften Charakters des mobbingspezifischen Straftatbestandes für den Beginn der Antragsfrist auf die letzte Handlung, die sich in die systematische Gesamtheit des Mobbingdeliktes einreiht, abgestellt werden muss. Dadurch wird der Ablauf der Frist nach hinten verlegt. Dies allein genügt aber noch nicht, um den Umständen, welche die Betroffenen vom rechtzeitigen Stellen eines Strafantrages abhalten, gerecht zu werden und mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Daher ist es in Anlehnung an den Vorschlag Wolmeraths142 ratsam, diese ausnahmsweise im Fall von Mobbing von drei Monaten auf ein Jahr zu erhöhen und § 77b StGB entsprechend abzuändern.

VI. Strafrahmen Mit dem vorgeschlagenen Strafrahmen, Geldstrafe bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe, gliedert sich die Strafandrohung in die Strafrahmensystematik des Strafgesetzbuches ein, indem sich diese im Vergleich mit der Strafandrohung der dem Mobbing-Straftatbestand nahe stehenden Delikte im Mittelfeld ansiedelt, wodurch die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. In dem Sinne sind als vergleichbare und orientierungsfähige Delikte vor allem die Beleidigung und die üble Nachrede mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe, die Verleumdung mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, die Nötigung mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe und die Körperverletzung mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zu nen140

Wolmerath, Rn. 104; siehe dazu auch die Ausführungen im Zweiten Kapitel

C. II. 141

Hage/Heilmann, BB 1998, S. 745; Wolmerath, Rn. 104. Wolmerath, 1. Auflage, S. 317; siehe auch in diesem Kapitel B. II., wo der Änderungsvorschlag Wolmeraths abgedruckt ist. 142

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

377

nen. Der Strafrahmen bis zu drei Jahren rechtfertigt sich, im Gegensatz zur Beleidigung, die eine Freiheitsstrafe nur bis zu einem Jahr zur Folge haben kann, mit dem erhöhten Unrechtsgehalt des vorgeschlagenen Straftatbestandes, indem dieser als Tatbestandshandlung zwar beispielsweise die Beleidigung umschreibt, zusätzlich aber fordert, dass das Verhalten des Täters eine bestimmte Beharrlichkeit aufweist, die Arbeitsbedingungen unzumutbar gestaltet werden und eine Gesundheitsgefahr, eine Gefahr beruflicher Nachteile hervorgerufen werden muss oder die besondere Absicht vom Täter verfolgt wird, dass der andere seinen Arbeitsplatz aufgibt. Darüber hinaus ist der Strafrahmen auch mit dem Strafrahmen des von der Bundesregierung vorgeschlagenen Stalking-Straftatbestands identisch, der in seiner Art und seinem Unrechtsgehalt mit dem vorgeschlagenen Mobbingstraftatbestand vergleichbar ist.143

VII. Systematische Eingliederung im Strafgesetzbuch Zum Schluss soll auf die Frage eingegangen werden, ob ein mobbingspezifischer Straftatbestand in das Nebenstrafrecht oder in das Strafgesetzbuch Aufnahme finden sollte. Als Nebenstrafrecht werden alle strafrechtlichen Vorschriften bezeichnet, die nicht im Strafgesetzbuch geregelt sind.144 Das Strafgesetzbuch ist das Kerngesetz des Strafrechts.145 Wie im Dritten Kapitel dieser Arbeit dargelegt, liegt ein wesentlicher Grund für die Einführung eines mobbingspezifischen Straftatbestandes in der Prävention durch Abschreckung. Die Wirksamkeit einer Strafvorschrift wird im Allgemeinen zwar nicht so sehr von ihrem Standort, sondern vor allem dadurch beeinflusst, wie effektiv diese in der Praxis gehandhabt und wie diese Handhabung der Öffentlichkeit vermittelt wird. Gleichwohl kann die Eingliederung des mobbingspezifischen Straftatbestandes in ein so bekanntes Gesetz wie das Strafgesetzbuch die gesetzgeberische Bewertung des mit Strafe bedrohten Verhaltens, insbesondere dessen Gefährlichkeit, besser verdeutlichen.146 Zugleich wird dadurch das mit einem mobbingspezifischen Straftatbestand verfolgte Bestreben erleichtert, diese Norm verstärkt in das Bewusstsein der Bevölkerung zu heben und in der Praxis durchzusetzen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Strafgesetzbuch im Vergleich mit dem Nebenstrafrecht in der Regel die bedeutsameren Tatbestände und die schwereren Strafandrohungen enthält.147 Für die Aufnahme des mobbingspezifischen Straftatbestandes in das Strafgesetzbuch spricht daher, dass dadurch zum einen eine plakativere und abschreckendere Wirkung erzeugt wird148 und zum ande143 144 145 146 147 148

Vgl. den Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drs. 617/05. Erbs/Kohlhaas, Registerband, Einführung Rn. 1. Erbs/Kohlhaas, Registerband, Einführung Rn. 1. Vgl. hierzu und zum folgenden BT-Drs. 8/2382, S. 10. Erbs/Kohlhaas, Registerband, Einführung Rn. 5. Vgl. Erbs/Kohlhaas, Registerband, Einführung Rn. 7.

378

4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

ren das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Sozialschädlichkeit von Mobbing mehr geschärft und das staatliche Unwerturteil verstärkt zum Ausdruck gebracht wird als bei einer Eingliederung in das Nebenstrafrecht.149 Da der vorgeschlagene Mobbingstraftatbestand Individualrechtsgüter wie die Gesundheit und die berufliche Sicherheit schützt, gehört er gerade auch zu den gewichtigen und bedeutsamen Straftatbeständen und sollte daher auch aus diesem Grund in das Kernstrafrecht Aufnahme finden.150 Darüber hinaus gliedert sich der hier vorgeschlagene Tatbestand seiner Art und Ausgestaltung nach besser in das Strafgesetzbuch ein, weil er auf einer „natürlichen“ vorgegebenen Ordnung aufbaut und nicht wie üblicherweise die Tatbestände des Nebenstrafrechts an gesetzte Normen anknüpft, die als Art sozialer Spielregeln abstrakt gefährliche Verhaltensweisen verbieten oder abstrakt geeignet erscheinende Sicherheitsmaßnahmen vorschreiben.151 Er ist daher im Gegensatz zu Vorschriften des Nebenstrafrechts unabhängig von außerstrafrechtlichen Vorschriften wie auch die überwiegende Mehrheit der Tatbestände des Strafgesetzbuches.152 Hinzu kommt, dass der mobbingspezifische Straftatbestand nicht, wie in der Regel die nebenstrafrechtlichen Vorschriften, Verbote und Gebote aufstellt, sondern das Verbot, Mobbing zu betreiben, als vorhanden voraussetzt, so wie es in der Regel auch die derzeitigen Tatbestände des Strafgesetzbuches handhaben.153 Aus den dargelegten Gründen ist es daher vorzugwürdig, einen möglichen mobbingspezifischen Straftatbestand, so wie er hier tatbestandlich ausgestaltet ist, in das Strafgesetzbuch und nicht in arbeitsrechtliche Normen außerhalb des Strafgesetzbuches einzugliedern. Ferner erscheint es sinnvoll, den Mobbingstraftatbestand in den 17. Abschnitt des StGB „Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit“ als § 225a StGB einzufügen, weil dessen Schutzobjekt, wie bei den §§ 223 ff. StGB die Gesundheit ist. Die Eingliederung hinter § 225 StGB rechtfertigt sich zum einen damit, dass ein möglicher mobbingspezifischer Straftatbestand nicht ein Qualifikationstatbestand zu § 223 Abs. 1 StGB, sondern wie § 225 StGB ein selbständiger Tatbestand wäre.154 Zum anderen wird eine Nähe zu § 225 StGB dadurch hergestellt, dass eine bestimmte Situation bzw. ein Verhalten in einem bestimmten 149 Unter anderem aus diesem Grund sind die Umweltdelikte (§§ 324 ff. StGB) aus dem Nebenstrafrecht in das Kernstrafrecht übernommen wurden. Siehe dazu BT-Drs. 8/2382, S. 9 f.; 8/3633, S. 19; siehe auch Sch/Sch-Cramer/Heine, vor §§ 324 ff. Rn. 2. 150 Vgl. Erbs/Kohlhaas, Registerband, Einführung Rn. 6 f. 151 Vgl. Erbs/Kohlhaas, Registerband, Einführung Rn. 26. 152 Ausnahmen bilden die §§ 324 bis 330d StGB, die mit verwaltungsrechtlichen Vorschriften verknüpft sind. 153 Vgl. Erbs/Kohlhaas, Registerband, Einführung Rn. 5. 154 Sch/Sch-Stree, § 225 Rn. 1; LK-Hirsch, § 225 Rn. 1.

D. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Tatbestand

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Lebensbereich, nämlich dem Arbeitsplatz, geregelt wird und der mobbingspezifische Straftatbestand aufgrund der regelmäßigen Eingebundenheit des Betroffenen in das Arbeitsverhältnis eine bestimmte Abhängigkeit und darauf beruhende gewisse Schutz- und Wehrlosigkeit impliziert.

VIII. Keine Ausgestaltung als Privatklagedelikt Obgleich die Strafandrohung des vorgeschlagenen mobbingspezifischen Delikts derjenigen der Nötigung entspricht und geringer ist als die der Körperverletzung, ist von einer Ausgestaltung als Privatklagedelikt gemäß § 374 StPO abzusehen, weil, wie im Zweiten Kapitel dargestellt, die Privatklagedelikte aufgrund der Praxis der Staatsanwaltschaft oftmals mangels öffentlichen Interesses gemäß § 376 StPO nicht zur Anklage führen und die Privatklage, wenn sich das Opfer für eine solche entscheidet, nur in den seltensten Fällen erfolgreich ist.155 Dadurch würde der notwendige strafrechtliche Schutz zu stark eingeschränkt werden und die gleichen im Zweiten Kapitel dargestellten Folgeprobleme entstehen, nämlich die Nichtdurchsetzbarkeit des strafrechtlichen Schutzes, wie sie bereits heute bei den im Zusammenhang mit Mobbing oftmals vorkommenden Delikten wie beispielsweise der Beleidigung und der (fahrlässigen) Körperverletzung bestehen. Sinn und Zweck eines mobbingspezifischen Straftatbestandes wäre es eben gerade, auch den Problemen, die durch die Ausgestaltung der bereits heute im Zusammenhang mit einem Mobbinggeschehen in Betracht zu ziehenden Delikte als Privatklagedelikte entstehen, entgegenzuwirken, um den Opferschutz zu verbessern.156 Dem würde die Ausgestaltung des Delikts als Privatklagedelikt widersprechen.

IX. Ausgestaltung als Nebenklagedelikt Es ist vorzugswürdig, für ein mobbingspezifisches Delikt die Nebenklage zu eröffnen, weil der Betroffene dadurch die Möglichkeit erhält, auf den Prozess einzuwirken und der Gefahr entgegengewirkt wird, dass er in seiner sonstigen Rolle als Zeuge traumatisiert wird, indem er sich nur zu dem äußern kann, wozu er auch gefragt wird. Die Nebenklage zu eröffnen erscheint sachgerecht, weil bei dieser Straftat der die Nebenklagebefugnis tragende Grund, dass der Betroffene mit eigenen prozessualen Befugnissen den Vorwürfen, Schuldzuweisungen, Leugnungen und Verharmlosungen des Angeklagten entgegentreten kann, typischerweise häufig vorliegen wird.157 Als Nebenkläger erhält er gemäß § 397 StPO die Chance, im Verfahren durch aktive Beteiligung insbesondere in 155 156 157

Vgl. dazu und zum Folgenden die Ausführungen im Zweiten Kapitel C. I. Vgl. dazu die Ausführungen im Dritten Kapitel C. IV. 2. c) bb) (1). Vgl. KMR-Stöckel, vor § 395 Rn. 1; Meyer-Goßner, vor § 395 Rn. 1.

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4. Kap.: Vorschlag eines mobbingspezifischen Straftatbestandes

Form von Fragen, Erklärungen und Anträgen seine persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen, das Verfahrensergebnis zu beeinflussen und sich dadurch zu wehren.158 Vorausgesetzt ein mobbingspezifischer Straftatbestand würde, wie vorgeschlagen, in das Strafgesetzbuch als § 225a StGB, eingeführt werden, bedürfte es einer Änderung der Strafprozessordnung nicht, weil § 395 Abs. 1 Nr. 1c bereits die §§ 223 bis 226 StGB umfasst und somit auch § 225a StGB bereits inbegriffen wäre.

E. Endergebnis Der vorgeschlagene Tatbestand zeigt, dass es Möglichkeiten gibt, einen mobbingspezifischen Straftatbestand, der mit den rechtsstaatlichen Grundbedingungen im Einklang steht, zu erstellen. Aufgrund der Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes und der Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit bietet der Tatbestand zwar keinen allumfassenden Schutz. Er ist jedoch wegen der dadurch notwendigen konkreteren Abfassung, die sich insbesondere durch die Beschreibung der Tatbestandshandlungen, der notwendigen Gefährdungen des Schutzobjekts und der Ausgestaltung des Tatbestandes als Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination kennzeichnet, zum einen in Folge dieser Ausgestaltung in der Praxis besser zu handhaben und zum anderen durchaus als praktikabel einzuschätzen. Indem das mobbingspezifische Delikt als konkretes Gefährdungs- anstatt als Verletzungsdelikt ausgestaltet ist, wird Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Kausalität des Mobbingverhaltens für den eingetretenen Erfolg, wie sie etwa bei den Körperverletzungsdelikten bestehen159, entgegengetreten. Über die bestehenden Schwierigkeiten hinsichtlich des Nachweises der Mobbinghandlungen, wie sie oben160 dargestellt wurden, kann ein mobbingspezifischer Straftatbestand aber nicht hinweg helfen, so dass auch Konstellationen auftreten werden, die zwar an sich das mit dem mobbingspezifischen Tatbestand umschriebene strafbewehrte Unrecht verwirklichen, in denen aber eine Verurteilung des Mobbenden aufgrund von Beweisdefiziten nicht in Frage kommt. Trotz dieser Beweisschwierigkeiten entfaltet ein mobbingspezifischer Straftatbestand aber auf präventiver Ebene Wirkung, weil eine mit ihm angestrebte Abschreckung potentieller Täter nicht erst dann, wenn es zur Verurteilung kommt, sondern bereits durch die Existenz eines Straftatbestandes mit der damit verbundenen Strafandrohung erzeugt wird. 158 Vgl. dazu ausführlich KMR-Stöckel, § 397 Rn. 3 ff.; Meyer-Goßner, vor § 395 Rn. 1; SK/StPO-Velten, § 397 Rn. 8 ff. 159 Siehe dazu die Ausführungen im Zweiten Kapitel B. II. 4. c) und C. IV. 160 Vgl. die Ausführungen im Zweiten Kapitel C. IV.

Anhang 1 Verordnung des schwedischen National Bard of Occupational Safety and Health über Maßnahmen gegen kränkende Behandlung am Arbeitsplatz1 (AFS 1993: 17) Anwendungsgebiete und Definition § 1 Diese Vorschriften sind auf alle Tätigkeiten anwendbar, bei welchen ein Arbeitnehmer einer schikanösen Behandlung ausgesetzt werden kann. Schikanöse Behandlungen sind wiederkehrende, tadelnswerte oder negativ geprägte Handlungen, die sich gegen einzelne Arbeitnehmer auf eine krankmachende Art und Weise richten und dazu führen können, dass dieser zum Außenseiter der Gemeinschaft am Arbeitsplatz wird. Allgemeine Bestimmungen § 2 Vom Arbeitgeber ist die Arbeit so zu planen und zu organisieren, dass eine kränkende Behandlung so weit wie möglich verhindert wird. § 3 Der Arbeitgeber muss klarstellen, dass eine schikanöse Behandlung am Arbeitsplatz nicht akzeptiert wird. Methoden § 4 Am Arbeitsplatz soll es Routinen geben, die im frühen Stadium Signale für Mobbingaufkommen auffangen und die Korrektur von diesen unzulänglichen Arbeitsbedingungen ermöglichen. Arbeitsorganisation und Unstimmigkeiten bei der Zusammenarbeit können die Ursache für kränkende Behandlungen sein. § 5 Wenn Anzeichen für kränkende Behandlungen auftreten, sollen auf dem schnellsten Wege wirksame Maßnahmen eingeleitet und befolgt werden. Dabei soll besonders ermittelt werden, ob die Ursache in der Zusammenarbeit der Arbeitsorganisation seinen Ursprung hat. § 6 Die einer kränkenden Behandlung ausgesetzten Arbeitnehmer sollen schnelle Hilfe und Unterstützung erhalten. Der Arbeitgeber soll hierfür über besondere Möglichkeiten verfügen. 1 Englische Fassung abgedruckt in: Statute Book of the Swedisch National Board of Occupational Safety and Health, 1994. Deutsche Übersetzung übernommen von Wickler in Wickler, S. 51 f.

Anhang 2 Auszug aus dem französischen Gesetz Nr. 2002-73 vom 17. Januar 2002 zur sozialen Modernisierung in der Fassung des Gesetzes Nr. 2003-6 vom 3. 1. 20031 Kapitel IV Bekämpfung von Mobbing am Arbeitsplatz (in Frankreich) Artikel 169 Nach dem Art. L. 122-48 des Arbeitsgesetzbuches sind fünf Artikel folgenden Wortlauts eingefügt worden: Art. L. 122-49. – Kein Arbeitnehmer darf wiederholt Mobbinghandlungen ausgesetzt werden, die eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zum Ziel oder zur Folge haben, welche geeignet ist, seine Rechte und seine Würde zu beeinträchtigen, seine physische oder psychische Gesundheit zu verschlechtern oder seine berufliche Zukunft zu gefährden. Kein Arbeitnehmer kann bestraft, entlassen, direkt oder indirekt diskriminiert werden, insbesondere in Angelegenheit der Entlohnung, der Ausbildung, der Neuklassifizierung, der Verwendung, der Qualifizierung, der beruflichen Förderung der Vertragsänderung oder -erneuerung, weil er den im ersten Abschnitt beschriebenen Mobbinghandlungen ausgesetzt war oder sich geweigert hat, solche zu erdulden oder weil er über solche Handlungen ausgesagt oder berichtet hat. Jede daraus resultierende Vertragsauflösung, jede gegensätzliche Bestimmung oder Handlung ist nichtig. Art. L. 122-50. – Gegen jeden Arbeitnehmer, der an den in Art. L. 122-49 definierten Handlungen beteiligt war, können disziplinarische Maßnahmen verhängt werden. Art. L. 122-51. – Es ist Sache des Arbeitgebers, alle notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung der in Art. L. 122-49 erwähnten Handlungen zu ergreifen. Art. 122-52. (geändert durch Gesetz Nr. 2003-6 vom 3. 1. 2003) – Sobald der betroffene Arbeitnehmer in einem die Anwendung der Artikel L. 122-46 und L. 122-49 betreffenden Rechtsstreit Tatsachen glaubhaft macht, welche die Vermutung auf Mobbing begründen, obliegt angesichts dessen der Gegenpartei der Beweis, dass ihre Handlungen kein Mobbing darstellen und dass ihre Entscheidung durch objektive Elemente gerechtfertigt ist, die jeglichem Mobbing fern liegen. Der Richter bildet seine 1 Übersetzung aus der französischen in die deutsche Sprache übernommen von Wickler in Wickler, S. 53 f.

Anhang 2

383

Überzeugung, nachdem er, falls dies notwendig ist, alle Untersuchungsmaßnahmen angeordnet hat, die er für sich sachdienlich hält. Art. L. 122-53. – Die gewerkschaftlichen Vertretungsorganisationen in dem Unternehmen können unter den in Art. 122-52 vorgesehenen Maßgaben bei Gericht alle Handlungsmöglichkeiten wahrnehmen, die aus dem Art. L. 122-46 und aus Art. L. 122-49 zugunsten eines Arbeitnehmers des Unternehmens entstehen, wenn sie hierfür durch eine schriftliche Einwilligung des Betroffenen berechtigt sind. Der Betroffene kann jederzeit bei der durch die Gewerkschaft mit der Sache befassten Instanz intervenieren und die Sache zu jedem Zeitpunkt beenden. Artikel 170 Nach dem Abschnitt 3 des Kapitels II des Titels II des Buches II des Strafgesetzbuches ist eine Sektion 3 mit der Überschrift „vom Mobbing“ eingefügt wurden, die den Art. 222-33-2 mit folgendem Wortlaut enthält: Art. 222-33-2. – Das Quälen eines anderen durch wiederholte Handlungen, die eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zum Ziel oder zur Folge haben, welche geeignet ist, seine Rechte und seine Würde zu beeinträchtigen, seine physische und psychische Gesundheit zu verschlechtern oder seine berufliche Zukunft zu gefährden, wird mit einem Jahr Gefängnis und einer Geldstrafe von 15.000 Euro bestraft. ... Artikel 178 Nach dem Artikel 6 des Gesetzes Nr. 83-634 vom 13. Juli 1983 über die Rechte und Pflichten von Beamten ist ein Art. 6 quinquies mit folgendem Wortlaut eingefügt worden: Art. 6 quinquies. – Kein Beamter darf wiederholten Mobbinghandlungen ausgesetzt werden, die eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zum Ziel oder zur Folge haben, welche geeignet ist, seine Rechte und seine Würde zu beeinträchtigen, seine physische oder psychische Gesundheit zu verschlechtern oder seine berufliche Zukunft zu gefährden. Keine, insbesondere die Einstellung, die Übernahme ins Beamtenverhältnis, die Ausbildung, die Bewertung, die Disziplin, die berufliche Förderung, die Verwendung oder die Veränderung betreffende Maßnahme darf in Betreff eines Beamten unter der Berücksichtigung vorgenommen werden: 1. des Tatbestandes, dass er Mobbinghandlungen, die im ersten Absatz angeführt sind, ausgesetzt war oder sich geweigert hat, solche zu erdulden; 2. des Tatbestandes, dass er Rechtsmittel bei einem Vorgesetzten oder Rechtsmittel mit dem Ziel der Einstellung dieser Handlungen eingelegt hat; 3. oder des Tatbestandes, dass er solche Handlungen bezeugt oder berichtet hat. Jeder Beamte, der an den oben definierten Handlungen beteiligt war, hat eine Disziplinarsanktion verwirkt. Die Bestimmungen dieses Artikels sind auf die nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Bediensteten anwendbar.

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Sachregister Abmahnung 297 Absicht 372 abstraktes Gefährdungsdelikt 366, 370 Allgemeine Persönlichkeitsrecht 369 Antragsdelikt 374 Arbeitsrechtliche Folgen 293 Beharrliches Vorgehen 356 Beleidigung 155, 157 – Äußerung von Kritik 164 – Meiden von sozialem Kontakt 167 – Scherze und Sticheleien 166 – Schimpfworte 159 – Sexuelle Belästigung 172 – Unterlassen von Höflichkeitsformen 167 – Vertragswidrige Aufgabenzuteilung 161 Beleidigungsfreie Sphäre 176 Berufliche Nachteile 365 Berufliche Zukunft 367 Beschäftigungsverhältnis 358 Bestimmtheitsgrundsatz 335, 337, 342, 347 Betriebsrat 248 Beweisschwierigkeiten 273 Bossing 28 Bullying 28

Folgen von Mobbing 66 – Allgemeines Wohlbefinden 66 – Arbeitsverhältnis 69 – Betroffener 66 – Gesellschaft 73 – Gesundheit 66 – Persönlichkeit des Betroffenen 70 – Suizid 71 – Unternehmen 71 Frankreich 285, 343, 382 Garantenstellung 220 – Betriebsinhaber 224 – Betriebsratsmitglieder 248 – Kollegen 246 – Vorgesetzter 245 Gefährdungsgüter 367, 368 Gesundheit 367 Gesundheitsschädigung 82 – Grammatikalische Auslegung 88 – Historische Auslegung 96 – Systematische Auslegung 89 – Teleologische Auslegung 100

Ermessensspielraum 315

Kommunikative Handlungen 355 Konkrete Gefährdung 365 Körperliche Misshandlung 81 Körperverletzung 78 – Abgrenzung Vorsatz – Fahrlässigkeit 144 Körperverletzung im Amt 151 Kumulative Kausalität 112 Kündigung 297

Fahrlässige Tötung 201 Fahrlässigkeitsschuld 373

Mittäterschaft 139 Mobbing 26

Dienstrechtliche Folgen 300 Diskriminierung von Minderheiten 57

400

Sachregister

– Abgrenzung zu anderen Verhaltensformen 55 – Allgemeiner Sprachgebrauch 33 – Entwicklung des Begriffs 26 – Inhaltliche Konkretisierung 30 – Phasen 53 – Ursprung des Begriffs 26 – Verlauf 52 – Verteilung auf Berufsgruppen 28 Mobbingdefinitionen – Gemeinsamkeiten 40 – Rechtsprechung 37 – Rechtswissenschaft 36, 39 – Wissenschaft 34, 35 Mobbinghandlungen 45 – Beispiele 46 – Vielfalt und Unüberschaubarkeit 45 Mobbingopfer 359 Mobbingtäter 28, 359 Nebenklagedelikt 379 Nebentäterschaft 141 Nötigung 184 – Drohung 189 – Gewalt 185 – Nötigungserfolg 195 – Nötigungsmittel 184 – Verwerflichkeit 197 – Vorsatz 196 Objektive Zurechnung 120, 123 Privatklagedelikt 379 Privatklageverfahren 268 Psyche, Beeinträchtigung 79 Rechtfertigungsgrund § 193 StGB 179 Rechtsgüterschutz 324 Rechtspolitische Überlegungen 327 Schadensersatz 295 Schmerzensgeld 295 Schutzpflicht des Arbeitgebers 298

Schutzpflicht des Staates 310 Schweden 285, 381 Sexuelle Belästigung 56 Sozialadäquates Verhalten 116, 118 Staffing 27 Stalking 55, 344 Strafantrag 271 Strafantragsfrist 346 Strafrahmen 376 Strafsetzungspflicht 312 Strafzumessung 275 – Außertatbestandliche Folgen 277 – Berufliche Folgen 278 – Beweggründe des Täters 276 Suizid 201 Systematische Auslegung 89 Totschlag/Tötung 201 – Abgrenzung Vorsatz – Fahrlässigkeit 212 – Einwilligungstheorie 204, 209 – Exkulpationstheorie 204 Üble Nachrede 155, 174 Ultima ratio 327, 335, 342 Unterlassensstrafbarkeit 219 – Entsprechungsklausel 261 – Fahrlässigkeit 265 – Garantenstellung 220 – Hypothetische Kausalität 259 – Tatmacht 258 – Vorsatz 262 – Zumutbarkeit 260 Unzumutbarkeit 360 Ursachen – Betriebliche Rahmenbedingungen 61 – Gesellschaftliche Entwicklung 58 – Karrierestreben 60 – Kündigungsschutz 60 – Neid 60 – Persönlichkeit des Betroffenen 63 – Persönlichkeit des Mobbenden 65 – Unternehmenspolitik 60

Sachregister – Vielfalt 57 – Wirtschaftliche Lage 59 Ursachen für Mobbing 57 Verhältnismäßigkeitsprinzip 326 Verjährung 273

Verleumdung 155, 174 Versetzung 297 Vorsatz 373 Zivilrechtliche Folgen 293

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